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ELEKTROCHEMIE
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•
5: IHRE GESCHICHTE UND LEHRE
VON
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Dr.*WILHELM OSTWALD,
PROFESSOR DER CHEMIE AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG.
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MIT 260 NACHBILDUNGEN GESCHICHTLICHER ORIGINALFIGUREN.
LEIPZIG,
VERLAG VON VEIT & COMP.
i89<8ClENCE OEPT.
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Druck toh Mutiger
HERRN GEH. MEDICINALRATH
Dr. PAUL ZWEIFEL
IN AUFRICHTIGER DANKBARKEIT
GEWIDMET.
Vorrede.
Bei der Abfassung dieses Werkes habe ich mir eine
doppelte Aufgabe gestellt. Einmal beabsichtigte ich, die Ent-
wicklung der wissenschaftlichen Anschauungen auf einem der
schwierigsten und bestrittensten Gebiete in ihrem Zusammenhange
aufzudecken, um aus dieser Entwickelungsgeschichte heraus die
Anhaltspunkte zur Beurtheilung und Klärung des gegenwärtigen
Standes dieser Lehre zu gewinnen. Denn eine stets wiederkehrende
Erfahrung als Forscher wie als Lehrer hat mich überzeugt, dass es
kein wirksameres Mittel zur Belebung und Vertiefung des Studiums
giebt, als das Eindringen in das geschichtliche Werden der Pro-
bleme. Wir sehen da oft, dass Anschauungen, welche uns gegen-
wärtig wie unerschütterliche Säulen des wissenschaftlichen Gebäudes
erscheinen, zur Zeit ihrer Entstehung der Gegenstand heftiger An-
griffe gewesen sind — meist um so heftigerer, je bedeutender sie
waren — , während wieder andere Dinge, die von ihrer Zeit als
weht in Frage zu ziehende Selbstverständlichkeiten behandelt
wurden, uns gegenwärtig so widersinnig erscheinen, dass wir nicht
tagreifen können, wie man nur hat auf sie kommen mögen. Solche
Erscheinungen, welche dem Wanderer in der Geschichte der
Wissenschaft beständig entgegentreten, sind von unschätzbarem
Werth für die Beurtheilung der Erscheinungen des Tages, und
rw
k-::fe iTsi Sicherheit des Unheils mehr als alles
FJr.e %e:tere Bedeutung hat das Studhim der Wissenschafts-
>;t y/'.v hr*: f-r der. Forscher auf theoretischem wie praktischem
Ge*/-rte, h\ 'r.'-y.A. v/:rk!:ch nicht sehr vi-I Neues unter der Sonne;
z&h^ov: Xfxsj'z. d:e uns ^e^enwärticj neu erscheinen, sind Gejjen-
•c*r;.': vor. hrwajf-ngen und Versuchen früherer Forscher gewesen,
und ar.derers/rhs Irenen in der älteren Litteratur zahllose Beob-
acht .r:i":Ti -r.d Gedanken verborgen, welche jederzeit zu neuem
\j-y.*i?\ er.tehen können, sowie die Verhältnisse ihre fruchtbare
Knt'A'ick':! -ng gestatten. Auch hierzu gewährt allein die geschicht-
liche Fory.hung den Zugang.
Drittens v/il die Geschichte der Elektrochemie auch dem An-
fänger das Stadium diese-» Wissensgebietes erleichtern. Während
die anderen Gebiete der Flektrik sich hoher wissenschaftlicher wie
techniviier Ausbildung erfreuen, war die Kenntniss und die prak-
tiv.he Anwendung der Elektrochemie unleugbar zurückgeblieben.
Da nun der geschichtliche Entwickelungsgang eines Gebiets im
Allgemeinen stets mit dem logischen zusammenfällt, so ist der
Weg des geschichtlichen Studiums zwar nicht eben der kürzeste,
wohl aber der erfolgreichste und reizvollste zum Eindringen in die
Wissenschaft Die Form der geschichtlichen Darstellung hat mir
die Möglichkeit gegeben, den Lehrinhalt der Elektrochemie
in aufsteigender Folge, vom Einfachen bis zum Verwickeltsten,
an dem Faden der stufenweisen Fintfaltung so zur Darstellung
zu bringen, dass auch der nicht besonders vorgebildete Leser
auf keine Schwierigkeiten des Verständnisses stossen wird und
sich schliesslich im Besitze der wesentlichsten Begriffe und Kennt-
nisse befinden soll, zu denen die letzte, besonders reiche Ent-
Wickelung dieses Gebietes geführt hat.
Die andere Aufgabe, die mir vorgeschwebt hat, war die,
an einem besonders geeigneten Beispiele die Analyse der Ent-
wickelungsgcschichte eines begrenzten Gegenstandes durchzufuhren,
um auf diesem Wege einen Beitrag zur Beantwortung der Frage
zu liefern, ob es überhaupt möglich ist, für das geschichtliche
Vorrede. VII
Werden allgemeine Gesetze aufzustellen. Als ein Experiment in
dieser Richtung, nicht als eine Entscheidung der Frage selbst
möchte ich meinen Versuch angesehen wissen; das Resultat des
Experiments glaube ich aber bereits jetzt im bejahenden Sinne
deuten zu dürfen.
Um den Leser nach Möglichkeit mit dem Geist und Charakter
der betheiligten Forscher vertraut zu machen, habe ich reich-
liche und ausfuhrliche Citate gegeben, und insbesondere an ent-
scheidenden Stellen stets die Forscher in eigenen Worten reden
lassen. Ebenso sind die Abbildungen ausnahmelos getreue Nach-
bildungen der in den Originalwerken enthaltenen. Auf diese Weise
hoffe ich von dem eigenthümlichen Reiz, der den persönlichen
Kundgebungen der vergangenen grossen Geister anhaftet, so viel
als möglich für den Leser gesichert zu haben. —
Im Laufe der 20 Monate, welche die Herausgabe des Werkes
in Anspruch nahm, hat sich die Stellung der Elektrochemie im
Bewußtsein der Zeitgenossen ungewöhnlich schnell geändert. Gleich-
zeitig mit einem rapiden Aufschwünge ihrer praktischen Bedeutung
ist ein lebhaftes Interesse nach ihrem wissenschaftlichen Inhalte
erwacht; ein Zeugniss davon geben die verschiedenen Lehrbücher
und anderen litterarischen Hilfsmittel, wie Zeitschriften, Jahresbe-
richte u. dergl., in unserem Gebiete ab, welche jüngst mit einer selbst
für unsere raschlebige Zeit erstaunlichen Geschwindigkeit ans Licht
gekommen sind. Da diese Werke ausnahmelos auf dem in diesem
Buche vertretenen wissenschaftlichen Standpunkte stehen, so konnte
die bezügliche Schilderung wesentlich auf die Arbeiten eingeschränkt
werden, welche zur Erreichung dieses Standpunktes dienten, und
vieles, was auf dem eroberten Gebiete zu dessen Urbarmachung
und Bebauung geschah, durfte übergangen oder kurz behandelt
werden, wenn es auch sachlich bedeutsamer war, als manche
Arbeiten früherer Zeit, die Berücksichtigung gefunden hatten. War
uns doch im ganzen Verlauf unserer Geschichte immer wieder die
Wahrheit entgegengetreten, dass für den Geschichtsforscher aus
Viii Vorrede.
Irrthümern mindestens ebensoviel zu lernen ist, wie aus richtigen
Gedanken. —
Der Druck dieses Werkes ist im Februar 1894 begonnen
und im October 1895 abgeschlossen worden. Am Lesen der Cor-
rekturen hat sich in dankenswerther Weise Herr Dr. Le Blanc
betheiligt; auch verdanke ich aufmerksamen Lesern eine Reihe
Bemerkungen und Verbesserungen, die thunlichst benutzt worden
sind. Mit dem Dank für die geleistete Hilfe spreche ich die Bitte
an alle Leser aus, über weitere Fehler und Unvollkommenheiten,
die sie bemerken, mir Nachricht geben zu wollen.
Leipzig, October 1895.
W. Ostwald.
Inhalt.
Einleitung (S. 1—9).
Das Problem i. Bedingungen der wissenschaftlichen Entwickelung 2. Was ist Wissen-
schaft? 3. Kirch hoff's Forderung der „Beschreibung" 4. Die wissenschaftliche Methode 6. Die
Elektrochemie 8.
Erstes Kapitel. Vorgeschichte der Elektrochemie. Die chemischen
Wirkungen der Reibungselektricität (S. 10 — 26).
Älteste Beobachtungen; Beccaria io. Wirkung des Funkens auf atmosphärische Luft;
Versuche von Priestley ii; von Cavendish 13; von Gilpin 16. Untersuchungen von van
Marim 17. Die Zerlegung des Wassers durch den Funkenstrom ; Paets van Troostwijk
und Deimann 21. Andere Elektrolysen; Ritter 25. Elektricitätserregung durch chemische
Vorgänge; Volta, Lavoisier und de Laplace 25.
Zweites Kapitel. Galvani (S. 27 — 44).
Galvani's Entdeckung; der Commentarius de viribus electricitatis 27. Erste Versuche 27.
Die thierische Elektricität 29. Die Wirkung der metallischen Belegungen 34. Identität der
thierischen Elektricität mit der gewöhnlichen 36. Galvani's Theorie: der Muskel als Leidener
Flasche 36; die elektrischen Lebensgeister 38. Rückblick und Kritik 39. Übersehen einer
wichtigen Beobachtung 40. Biographisches über Galvani 40. Vorgänger Galvani's: Sulzer
41; Cotugni 42. Ausbreitung der Entdeckung Galvani's; erstes Auftreten Pfaff's 42;
Ansicht von Reil 42. Valli und Vasalli 43. Eine Muskel- und Nervensäule 44.
Drittes Kapitel. Alessandro Volta (S. 45 — 71).
Erstes Auftreten Volta's in der Sache 45; Anschluss an Galvani 46; Galvani's Ant-
wort 47. Volta's Fortschritte und sein Gegensatz zu Galvani 48; die Wichtigkeit verschie-
dener Metalle 49. Physikalische Deutung der Versuche Galvani's; der Frosch als Elektro-
meter 49. Anlange der Theorie der Berührungselektricität 50. Die erste Spannungsreihe 51.
Die ausführlichere Reihe 52; entsprechende Versuche von Pfaff 54. Volta's Theorie der
Ekktricitatserregung durch Berührung der Leiter 55. Der Sitz der Elektricitätserregung 57;
schwankende Meinungen darüber bei Volta 58. Implicitc Verletzung des Energiegesetzes in
X Inhalt.
Volta's Ansichten 58. Sind die galvanischen Vorgänge elektrischer Natur? 59. Humboldt
dagegen; Bericht der Pariser Commission 59. Nichtelektrische Beschaffenheit der Nervenlcitung;
Versuch 61. Unmittelbarer Nachweis der elektrischen Natur des galvanischen Vorganges 62.
Versuche mit dem Duplicator 63; der VoLTA'sche Fundamentalversuch 64. Weitere Versuche
über den Sitz der elektromotorischen Kraft; Entstehung eines Irrthums 64. Gleichzeitige
Forscher; Humboldt 66; Pfaff 67. J. W. Ritter: Schilderung seiner Persönlichkeit 67;
Einfluss der Naturphilosophie 68. Ritter über die Beziehung zwischen chemischen und elek-
trischen Erscheinungen 70.
Viertes Kapitel. Die Anfänge der Elektrometrie (S. 72 — 101).
Richmann's elektrisches Gnomon 72. Cavallo's Elektrometer 73. Bennet's Goldblatt-
Elektroskop 75; Versuche damit 77; Verbindung mit einem VOLTA'schen Condensator 79.
Volta's Beschreibung des Condensators 80. Bennet's Elektricitätsverdoppler 83. Nicholsons
Duplicator 87. Cavallo's Condensator 90. Elektrometer von de Luc und Volta 92. Die
Dreh wage von Coulomb 93; sein Grundgesetz der Elektricität 97: dessen Prüfung 10 1.
Fünftes Kapitel. Begründung der chemischen Theorie des
Galvanismus (S. 102 — 115).
Allgemeines 102. Fabbroni ist nicht der Begründer der chemischen Theorie 103, sondern
Ritter 1 1 1 ; Zusammenhang der VoLTA'schen Spannungsreihe mit der Oxydationsreihe der
Metalle 112; auch in der anorganischen Natur ist der Galvanismus wirksam 113. Ältere Ver-
suche von Ash 113; Humboldt dazu 114; Ritter 114. Der einfache Galvanismus 115.
Sechstes Kapitel. Die Volta'sche Säule (S. 116 — 147).
Einleitung; ironische Wendung Volta's 116. Volta's Brief an Banks 117. Die
Tassenkrone 122. Das Additionsgesetz der Spannungen 124. Der künstliche Zitterhsch 125.
Wirkung auf die Sinnesorgane 127. Rückblick 128. Volta's Übersehen der elektrolytischcn
Erscheinungen 129. Die Zerlegung des Wassers; Nicholson und Carlisle 129. Volta's
Erstaunen darüber 132. — Das VoLTA'sche Spannungsgesetz 133. Messung der einzelnen
Spannungsunterschiede und Darstellung der Theorie 135. Rückblick 143; Kritik des Spannungs-
gesetzes 144. — Weitere Forschungen; allgemeiner Überblick 145.
Siebentes Kapitel. Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule
(S. 148 — 212).
Die englischen Forscher: Cruikshank 149; Henry 152; Haldane 152; ein Unge-
nannter 152. Erörterung des getrennten Auftretens der beiden Zerlegungsprodukte ; Ritter
darüber 153; Wollaston 153; dessen Versuche über Zerlegungen durch Reibungselektricität
153; Woi.LAsTON'schc Spitzen 154. — Humphry Davy 155; die Arten VoLTA'scher Ketten
157. -- Deutsche Forscher; Ritter's gleichzeitige Versuche 156; sein vermeintlicher Nachweis,
dass Wasser nicht zerlegt wird 160. Versuche von Simon und L. A. von Arnim dagegen 163.
Quantitativer Versuch von Simon 163; Gilbert 167. — Welches ist die typische Form der
Säule? 168; Äusserungen von Arnim, Gilbert, Erman, Böckmann, Grüner 168. Ritter
dazu 169; Reinhold 169. — Die Bewegungserscheinungen des Quecksilbers; Ritter's Ver-
suche 170. — Ritter über die elektrischen Verhältnisse der Lcgirungen 171. Palladium 172.
— Die Ladungssäule. Gautherot's Versuche über die Polarisation 173. Ritter 175. Die
Ladungssäule 17b. Der galvanisirtc Lcmisd'or 177. Vermeintlicher Magnetismus einer galvani-
Inhalt. XI
arten Nadel 179. Volta's Theorie der Ladungssäule 180; Brugnatelli dazu 181. — Ritter's
elektrisches System der Körper 181. Heidmann über Spannungsreihen 184; Pf afp dazu 185.
Versuche von Bucholz über die Reduction von Metallen durch sich selbst 187; Ritter dazu
188. — Davyts spätere Forschungen; über das Auftreten von Säure und Alkali in „reinem"
Wasser 190; Angreifbarkeit fast aller Stoffe durch Wasser 195; Fortführung von Stoffen durch
den Strom 197; die Entdeckung der Alkalimetalle 205; Beschreibung ihrer Eigenschaften 207;
Theorie ihrer Bildung 208. Wirkung von Davy's Entdeckung 212.
Achtes Kapitel. Galvanische Phantasieen (S. 213 — 254).
Gelegenheit zu Irrthümern 212. Der Weltgalvanismus von Treviranus 214. — Brugna-
telli'» elektrische Säure 215. — Galvanismus und Magnetismus; die magnetische Säule von
LCdicke 216. Ritter dazu 217. — Galvanische Kuren 217. Sprenger's Ars voltacustica 217;
Volta's Glauben daran 219; Enttäuschung 220. — Säuren und Basen aus Wasser 220; Ver-
suche von Desormes; Erklärung von Parrot 221. Pacchiani der Grosse 222. Volta's
Kritik 227. Ritter dazu 229; Grüner, Wilkinson und die galvanische Societät 229. Syl-
vester und Peel 229. — Die unterirdische Elektrometrie ; Humboldt empfiehlt die Erforschung
der Rhabdomantie 231. Ritter's Versuche mit Campetti 231. Anonyme Kundgebungen 241;
Differenzen, Polaritäten und dynamische Kräfte 242. Pendelschwingungen; Bucholz und
Wixterl in vertauschten Rollen 245. Ritter's Siderismus 246; seine Berichte an die Mün-
chener Akademie 247. Aufklärung der Pendelversuche 248. Leibniz über den Ruthengänger
Jacob Aymar 254.
Neuntes Kapitel. Physikalische Erscheinungen an der Volta'schen
Säule (S. 255 — 291).
Allgemeines 255. Der Commissionsbericht des Pariser Instituts 256; die endgültige For-
mulirung der Contacttheorie 264. — Paul Erman; Biographisches 264; seine Arbeiten über die
elektroskopischen Erscheinungen der VoLTA'schen Säule 265. Ritter über den gleichen Gegen-
stand 273. — Die Anfange der elektrischen Telegraphie; Versuche von Basse 275 und Erman
280 über die Leitung durch den Erdboden. Sömmering's elektrolytischer Telegraph 280. —
Gal\anoskop^ und Galvanometer: Robf.rtson's unmöglicher Apparat 28"; „Galvanisomctcr"
nach Hlth 287: Simon's Galvanoskop 288; Elektro-Mikrometer von Markchaux 289; Elek-
trometer von Behrens 290.
Zehntes Kapitel. Elektrochemische Theorieen (S. 292 — 357).
Einleitung; Volta's Abneigung gegen die chemischen Ansichten 292; seine zweite Ab-
handlung über die Säule 293. Die Ausbreitung der VoLTA'schen Theorie 299; ihre Kritik
durch einen Ungenannten 300. Schluss der Arbeiten Volta's und Biographisches über ihn 300.
Versuche von Schweigger zur Kritik der VoLTA'schen Lehre 301 ; Ritter dazu 302. Beob-
achtung einer thermoelektrischen Erscheinung 303. — Die französischen Forscher 304: Napoleon
Bon aparte's Interesse an galvanischen Dingen 304; die galvanische Gesellschaft 305; Biot 305.
— Die Theorie der galvanischen Zerlegung von Grotthuss 307; Biographisches über ihn 307.
Kritik der Theorie von Grotthuss 316. — Die elektrochemische Theorie von Berzelius 317;
seine Versuche mit Hisinger 318. Humphry Davy's elektrochemische Ansichten 323; warum
er die chemische Theorie aufgegeben hat? 334. Fortbildung der Ansichten von Berzelius 335;
Die elektrochemische Reihe der Elemente 339; Kritik dieser Lehre 346. Davy's letzte elektro-
chemische Arbeit 347. Ältere Versuche von Yelin 351. Faraday's Theilnahmc an Davy's
Arbeit 354. Ansichten von Grotthuss 355; Vorausnahmen moderner Ideen 357.
Xu Inhalt.
Elftes Kapitel. Die elektromagnetischen Erscheinungen und das
Ohm'sche Gesetz (S. 358—425).
Pause in der Entwickelung der Elektrochemie 358. Die trockenen Säulen, erfunden durch
Ritter 359 und Behrens 361. Untersuchung durch Erman 362, durch de Luc 362. Bio-
graphisches über de Luc 362. Zamboni's Beschäftigung mit der trockenen Säule 363; das
elektrische Perpetuum mobile 363 und seine Schicksale 365. — Die elektromagnetischen Er-
scheinungen, ihre Entdeckung durch Oersted 366; Biographisches über ihn 366. Die Er-
findung des Multiplikators durch Schweigger 372, durch Poggendorff 373, durch Cumming
376. Compensationsvorrichtungen von Cumming 376, von Becquerel 377. Nobili's astatische
Nadel 377; Prüfung der Empfindlichkeit des Galvanometers 878. — Die thermoelektrischen
Ströme; Beobachtungen von Seebeck 379. — Georg Simon Ohm; Biographisches 382; seine
ersten Arbeiten 383. Das falsche Gesetz 384, das richtige 395. Theorie der VoLTA'schen
Säule 397, des Multiplikators 401. Bedeutung der Entdeckung Ohm's 403. Theorie der
elektroskopischen Erscheinungen an der Säule 405. „Die galvanische Kette, mathematisch
bearbeitet" 417; die Kritik darüber 417. Förderung durch Fechnkr 420.
Zwölftes Kapitel. Der Kampf zwischen der Theorie der
Berührungselektricität und der chemischen Theorie der galvanischen
Erscheinungen (S. 426 — 492).
Der Gegensatz der beiden Theoricen 426. Ansichten von Parrot 429; Discussion eng-
lischer Forscher und biblische Belege für die chemische Theorie 430. Bischof und von
Münchow gegen den VoLTA'schen Fundamentalversuch 431; Pfaff dazu 432. DE Luc's
Dissection der Säule 432; sein Vergleich der Elektricitätsbewegung mit der des Wassers 436.
Die elektrochemischen Arbeiten von Becquerkl. Biographisches 437. Die Säure- Alkali-Kette
in der ältesten Gestalt 438. Capillarströmc 439. Seine Stellung zur VoLTA'schen Theorie 440;
Trugschlüsse 441. August de la Rive; Biographisches 442; erste Arbeiten 443; deren An-
griff auf die VOLTA'sche Theorie 444. Der Hauptangriff 446; seine Kritik der VoLTA'schen
Versuche 449. Pfaff's Verteidigung derselben 451 und de la Rive's Antwort 453. Seine
dritte Abhandlung; Formulirung seiner chemischen Theorie 455; schwache Seiten desselben 458.
Vertheidigung der VoLTA'schen Theorie durch Marianiki 459, durch Bouchardat 462.
Becquerel's „Traite" 463; seine elektrochemischen Ansichten 464. Deutsche Forscher:
Pfaff 470, Pohl 471, Fechner 479; dessen Experimentum crucis 485. Karsten über
Contactelektricität 486. Pfaff's „Revision der Lehre vom Galvano- Voltaismus" 487.
Dreizehntes Kapitel. Das Gesetz von Faraday (S. 493 — 595).
Michael Faraday 493. Die Anfänge des elektrolytischen Gesetzes; Einerleiheit der
Elektrici täten verschiedenen Ursprunges 496; elektrolytische Leitung von der Zersetzung un-
trennbar 500; theoretische Betrachtungen darüber 502. Die Hauptabhandlung Faraday's 504;
Vorschlage zur Nomenclatur 505. Das VoLTA-Elektrometer (Voltametcr) 507. Primäre und
seeundäre Zerlegung 514. Des elektrolytischen Gesetzes zweiter Theil 518. Die Lehre von
der bestimmten chemischen Aktion des Stromes 529. Elektrochemische Äquivalente 533. Tafel
über die Ionen 535; Bemerkungen dazu 535. Allgemeine Betrachtungen 537. Vorgänger
Faraday's: Ohm 547, Döbereiner 547. Faraday's elektrochemische Ansichten 549; seine
elektrochemische Vcrwandtschaftslehre 559. Vermeintliche Ströme ohne Elektrolyse 581. Fara-
day über VoLTA'sche Ketten 582; Amalgamiren des Zinks nach Kemp und Sturgeon 585:
Unangreifbarkeit des reinen Zinks nach de la Rive 585. Zwischenplatten 586. Rückblick
über Faraday's Leistungen 588. Aufnahme des FARADAY'schen Gesetzes; Berzelius 589.
Aneignungsversuch durch Matteucci 594; Poggendorff dazu 595.
taialt. xm
Vierzehntes Kapitel. Die Entwickelung der Elektrochemie bis zur
Entdeckung des Energieprinzipes (S. 596 — 758).
Einleitung 596. Becquerel's Sauerstoffkette 597 ; Erörterungen darüber 598. — Constante
Ketten: Daniell 601. Gleichzeitige Erfindung durch Mullins 605 und Jacobi 606; Streit
mit Becquerel 608. Andere constante Ketten; Grove 609. Die Zink-Kohle-Kette; Cooper
612; Buxsen 612. — Daniell's Untersuchungen über die Elektrolyse secundärer Verbindungen
613. Der Widerspruch 615 und seine Lösung 619. Die Bestimmung der wahren Ionen 621.
Die Theorie der Elektrolyse 626; die Wege der Ionen 631. — Die Messung galvanischer Con-
stanten 631. — Stromstärke: die Tangenten- und die Sinusbussole Pouillet's 632. Erfindung
der Spiegelablesung durch Poggendorff und Gauss 634. Vergleich des Voltameters mit der
Tangentenbussole durch Jacobi 634. Messung von Widerstanden; Jacobi's Voltagometer 635.
Becquerel's Differentialgalvanometer 636. Die Methoden von Wheatstone 638 ; seine Rheo-
staten 639; Widerstandsrollen 641. Die WHEATSTONE'sche Brücke 643. Die Stromver-
theilungssätze von Ohm und Kirchhoff 645. Messung elektromotorischer Kräfte 648;
Poggendorff's Compensationsmethode 649; Verbesseningen durch du Bois-Reymond 650.
Das Additionsgesetz der Spannungen nach Poggendorff 652; seine Messungen über den
Einfluss der Temperatur auf die elektromotorische Kraft 653. — Absolute Maasse; Gauss 654;
Weber 655. Das elektrochemische Äquivalent des Wassers 656. — Technische Anwendungen
der Elektrochemie; zur Analyse durch Becquerel 656; in der Metallurgie durch denselben 657.
Galvanoplastik und elektromagnetische Maschinen; Jacobi 657. — Die Polarisation 659. de la
Rive darüber 660; Marianini 662. Christian Friedrich Schönbein; seine Persönlich-
keit 664; seine ersten Arbeiten über Polarisation 665. Henrici über dieselbe 667. Schön-
bein's chemische Theorie der Polarisation 668. Einwendungen von Pfaff und Poggendorff
671. Matteucci über Polarisation 673. Die Polarisation in der Contacttheorie 673; der
Übergangswiderstand 674 ; Entscheidung durch Wechselströme ; Vorsselmann de Heer
674. Messung der Polarisation durch Daniell und Wheatstone 675; durch Lenz 676;
durch Poggendorff mittelst der „Wippe" 677. Das Polarisationsmaximum 679; Lenz und
Saweijew 680. Elektrolyse durch eine einfache Kette 681; Pfaff, Henrici, Schönbein
682. — Grove's Gaskette 685; als Argument gegen die Contacttheorie 687; Poggendorff
dazu 688; Schönbein 689. Grove's spätere Arbeit 690; Widersprüche gegen die üblichen
Hypothesen 693; Vorahnung des Energiegesetzes 695. — Passives Eisen; Beobachtungen von
Keir 696, von Wetzlar 697, von Fechner 699, von Schönbein 700. Faraday's Er-
klärung 701. Mousson's verfehlter Erklärungsversuch 703; Schönbein dazu 703. — Flüssig-
keitsketten. Nobili 706; Fechner 707. — Die Fortsetzung des Kampfes der Theorieen 710;
Ohm 712; Schönbein's Tendenz-Theorie 714; Pfaff der Unvermeidliche 716. Poggendorff's
Eintreten 718; die Klemmschraube 719. Napoleon III. als Theoretiker des Galvanismus 721.
Zweites Eintreten Faraday's 723. Ketten ohne Strom 730; Stromumkehrungen 732. Zu-
sammenhang zwischen chemischer und elektrischer Wirkung 738. Thermoelektrischer Beweis
743- Gegen die Contactkraft 746; Argument aus dem unmöglichen Perpetuum mobile 749.
Weitere Discussionen. Poggendorff 749; Faraday's Ablehnung 751. Einwand von Jacobi
751. Zweite Forraulirung von Schönbein's Tendenztheorie 753; Kritik derselben 755. Die
CoDtacttheorie und das Energiegesetz 755; Pfaff über Julius Robert Mayer 757.
Fönfzehntes Kapitel. Das Energiegesetz in der Elektrochemie
(S. 759—812).
Allgemeines 759. Die Arbeiten von Joule 761; Biographisches über ihn 762; sein
Gesetz über die Stromwärme 764. Anwendung auf die VOLTA'sche Kette 765. Helmholtz
.,Cber die Erhaltung der Kraft"; Schluss auf die elektromotorische Kraft VoLTA'schcr Ketten 767.
Die Abhandhing von William Thomson 777. Joule's spätere Arbeiten 783. Arbeiten von
XIV Inhalt.
J. Bosscha; Versteinerung des Satzes von den elektromotorischen Kräften zum Dogma 786.
Die thermochemischen Forschungen 790. P. Favre, Biographisches 791. Arbeiten über die
Geltung des Energiegesetzes in der Kette 791. Vergleich der chemischen und der elektrischen
Energie 794; die Hypothese ätiotroper Gase 705. F. M. Raoult 795; Widerspruch gegen
den Satz von Helmholtz und Thomson 800. Favre's spätere Arbeiten 801. Die VoLTA'sche
Energie 802. Andeutung der Theorie der freien Ionen 805; Gay-Lussac's Äquipollenz 805.
Elektrolyse der Alkalisalze 806. Weitere Forscher; Marie-Davy und Troost 807. Prüfung
des JouLE'schen Stromgesetzes und seiner Folgen 808; Poggfndorff darüber 809. Allgemeine
Betrachtungen 811.
Sechzehntes Kapitel. Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten
(S. 813—930).
Vorbemerkung; die Schwierigkeiten der Theorie von Grotthuss 813. Ältere Messungen
der elektrischen Leittähigkeit; Davy 815, Ohm 817, Fechner 817, E. Becquerel 818, Hors-
FORI) 820. Nochmals die metallische Leitung der Elektrolyte 820; Buff darüber 821;
Foucault 822. Faraday's Meinung 823; wie kommt die elektrostatische Ladung des Wassers
zu Stände? 825. Nachweis der elektrostatischen Elektrolyse durch L. Sokf.t 830. Die Wan-
derung der Ionen. Anschluss an Daniell 832. Untersuchungen von W. Hittorf 833. Un-
gleiche Wege der Ionen 832. Einfluss der Stromstärke, der Concentration und der Temperatur
auf die Überführung 836. Aufnahme der Arbeit Hittorf's 837. Die Schwierigkeit von
R. Kohlrausch 838, und ihre Lösung 840. Die Bewegung freier Ionen 841. Fortsetzung
von Hittorf's Arbeiten 842. Untersuchungen von G. Wiedemann, von G. Magnus 845;
dessen Gegnerschaft gegen Hittorf 851. Buff's elektrolytische Studien 853. Hittorf's Ver-
theidigung 859; Magnus dagegen 861. Hittorf's dritte Arbeit; Polemik 863; Beziehung
zwischen Leitung und chemischer Verwandtschaft 863. Ergebnisse der Cberfuhrungsbeobaeh-
tungen 865 ; complexe und Doppelsalze 865 ; doppelte Wahlverwandtschaft 866. Elektrolyte
sind Salze; die Zcrsetzbarkeit steht in keinem Verhältniss zur Verbindungswärme 876. Aus-
ländische Urtheilc über Hittorf's Arbeiten 877. Chemische Schwierigkeiten 880. Erwägungen
von Grove 882. Willjamson's Ansichten 884. Clausius' Theorie der elektrolytischen Lei-
tung 888; die kinetische Hypothese als deren Quelle 889. Clausius' Abhandlung 893. —
Messung der elektrischen Leitfähigkeit der Elektrolyte 902; Versuche von Beetz 903; der
Übergangswiderstand 903. Versuche von Paalzow 904. Anwendung von Wechselströmen
durch Fr. Kohlrausch 905. Das OHM'schc Gesetz für Elektrolyte 907. Polarisationscrschei-
nungen bei Wechselströmen 908. Ausbildung der Methode von Kohlrausch 909. Erkennt-
niss einzelner Regelmässigkcitcn 910. Beziehung auf chemisch vergleichbare Mengen 912. Be-
dingung der Leitfähigkeit 915. Die unabhängige Wanderung der Ionen 918. Berechnung der
Reibungswiderstände der Ionen 922. Bemerkung von Hittorf 923. Schluss; Betrachtungen
von Hittorf 924.
Siebzehntes Kapitel. Die elektrochemischen Spannungserscheinungen
(S. 931 — 10421.
Vorerinnerung über das VoLTA'sche Problem 931. Der Condensatorversuch 933. Erfolg-
losigkeit des JouLE'schen Gedankens 934. Die Arbeiten von R. Kohlrausch 936; Dell-
mann's Elektrometer 936, seine Ausbildung durch Kohlrausch 937. Die elektromotorische
Kraft ist der elektroskopischcn Spannung proportional 937; weitere Prüfung der ÜHM'schen
Theorie 940. Die einzelnen Spannungen 943. Die Unbeständigkeit der Oberflächen 947.
Kohlrausch's spätere Arbeiten 947. Weitere Spannungsmessungen; Hankel 950. Wieder
die Unbeständigkeit der Oberflächen 951. Gerland 954. Elektrometer von William
Thomson 955; idiostatisches 955; heterostatisches 957. Sein Versuch zum Nachweis der Cön-
tactelcktricität 958. Versuche von J. Brown in verschiedenen Gasen 960. Widerlegung des
Inhalt XV
Furidamentalversuches 965. — Ein neuer Weg; die PELTiER'sche Erscheinung 965; ihre Ver-
verthung durch W. Thomson und Clausius 967. Bestimmung der Spannung zwischen zwei
Metallen aus der PELTiER-Wirkung; Le Roux 969; Edlund 971. — Die Reform der therrao-
chemischen Theorie der elektromotorischen Kraft 976. Die Beobachtung von Paalzow 976.
Erörterungen von Edlukd; Widerlegung des Irrthums 979. Untersuchungen von F. Braun 986;
molekularhypothetische Betrachtungen 987; Versuche 988. Der elektrische Nutzeffect 990. Die
Forschungen von Willard Gibbs 992. Theoretischer Nachweis der Unrichtigkeit des Helm-
holtz-Thomson 'sehen Satzes 993. — Helmholtz* Eingreifen; er steht anfangs noch auf dem
alten Standpunkte 998. Die Überwindung des Irrthums; Concentrationskctten 1001. Die
Thermodynamik chemischer Vorgänge 1007. Die freie Energie 1008. Rohert von Helmholtz
über freie Energie 1010. Helmholtz' zweite Abhandlung 1011; unendliche elektromotorische
Kräfte bei der Concentration Null 1012. Die dritte Abhandlung 1013. Prüfung der Formel
von Helmholtz: C/apski 1015; Gockel 1015. Erklärung der Widersprüche 10 16. — Die
einzelnen Potentialunterschiede an den Elektroden 1016. Die Bewegungserscheinungen am pola-
risirten Quecksilber 1017. Liitmann's Arbeit 1018. Das Capillarelektrometer 1020. Die
Theorie der Doppelschichten von Helmholtz 1027. Eine Elektrode ohne Spannungsunter-
schied 1031. Versuche von Bichat und Blondlot 1032. Messung absoluter Spannungsunter-
schiede durch Ostwald; Tropfelcktroden 1034.
Achtzehntes Kapitel. Einzelne Fortschritte der Elektrochemie
bis zur Aufstellung der Theorie der elektrolytischen Dissociation
(S. 1043 — 1090}.
Allgemeines 1043; Wiedemann's „Lehre vom Galvanismus" 1044. Die elektrolytische
Abscheidung der Leichtmetalle durch Bunsen; Magnesium 1045; Aluminium 1047. Die Strom-
dichte 1048. — Elektrolyse organischer Verbindungen. Koi.be 1048; Kekule 1050; Bourgoin
1033. — Einheiten und Constanten: Definition der Elektricitätsmcnge 1054; der elektromoto-
ri^hen Kraft 1055; des Widerstandes 1055. Die Einheiten von Lenz, Wheatstone und
jAr«iBi 1056; von Siemens 1056; die absolute Einheit der British Association 1057. Die
Beschlüsse des Pariser Congresses 1058. Legales und internationales Ohm 1058. — Die gal-
\~unische Polarisation. Svanberg 1059; Beetz 1059. Zusammenhang mit der Gaskette 1060.
Die Arbeit von Crova 1066. Die Zelle als Condensator 1068. Bezugnahme auf die freie
Energie 1069: Valenzladungcn 1069; Bildung der Gasblasen 1072. — Oxydations- und Reduc-
tion5ketten 1073; die Arbeit von Arrott 1074. — Accumulatorcn. G. Plante 1081. —
Elektromotorische Kräfte zwischen Flüssigkeiten 1084. — Photoelektrische Erscheinungen;
E. Becquexei. 1084. — Zum FARADAY'schcn Gesetz; Versuche von Renault 1087. — Das
Dilemma von Lippmann 1088.
Neunzehntes Kapitel. Die Theorie der elektrolytischen Dissociation
(S. 1091 — 1148).
Allgemeines; der Abschluss eines hundertjährigen Problems 1091. Zusammentreffen der
erforderlichen Umstände 1092. Arrhenius* erste Abhandlung 1092; die Deutung der Leit-
tähigkeitsverhältnisse 1093. Zusammenhang zwischen Leitung und chemischer Reaktionsgeschwin-
digkeit 1095. Einfluss der Verdünnung auf die Stärke der Säuren 1098; die Aktivitätswärmc
1098. Prüfung und Bestätigung durch Ostwald 1099. Dessen „Verdünnungsgesetz44 1103.
Van't Hoff's Theorie der Lösungen 1105; Pfefker's halbdurchlässige Zellen 1106 und die
Theorie des osmotischen Druckes; Übereinstimmung der Gesetze gelöster und gasförmiger Stoffe
1107. Der fatale Coefficient 1 1108. Das Electrolysis Committee 1109. Die Theorie der
freien Ionen von ARRHENIUS 1109; Beziehung zwischen elektrischer Leitfähigkeit und Gefrier-
punkberDiedrigung und die Deutung des Coefticicntcn 1 11 10. Die additiven Eigenschaften der
Salzlösungen r 1 13. *I. Planck über die molekulare Constitution der verdünnten Lösungen 1 1 14.
XVI Inhalt
Die Entwicklung der Theorie; Ostwald's Anwendung der Dissociationsgesetze auf gelotte'
Elektrolyte 1116; Bestätigung 11 17. Beseitigung von Missverständnissen ; die Existenz 4er freien
Ionen 1118. Vergleich der Erfahrung mit den Folgerungen der Dissociationstheorie lfll. jlifc.
stätigung durch van't Hoff und Reicher 1123. Ableitung der gleichen Formel' donfe.
Planck 1123. Ostwald und Nernst über freie Ionen; Beseitigung eines Einwand* <JCi%f^
Therm odyDami scher Beweis 11 28. Theorie der Elektricitätsleitung und Elektrolyse im tttWt;
der Dissociationstheorie 11 29. Arrhenius' Theorie der isohydrischen Lösungen 1130 und -äfR
chemischen Gleichgewichts zwischen Elektrolyten 1132. Negative Temperaturco€fficienten
Leitfähigkeit bei Elektrolyten 1132. Die Theorie der VoLTA'schen Ketten 1133.
Theorie der Diffusion 1 1 34 ; Anwendung auf Elektrolyte ; Auftreten elektromotorischer
1135. Die elektromotorische Wirkung der Ionen 1135. Flüssigkeitsketten 1135. VoltaV
Ketten 1136. Die Deutung der Lösungstension 1 1 37. Vergleich der VoLTA'schen Kette
mit einer Gasmaschine 11 40. Zusammenfassung; W. Ostwald's Lehrbuch 1140. Theorie
der anomalen Spannungen 1141, der Oxydations- und Reductionsketten 1142, der Gasketten
1143. Die BECQUEREL'sche Kette und die Dissociation des Wassers 1144. Theorie der PoJarK
sation; Arbeiten von Le Bla>x 1145. Die Lösung des VoLTA'schen Problems; bestimmte
Formulirung desselben 1146; die absoluten Spannungen der Metalle 1 147. Rückblick lüftd
Schluss 1147.
Autoren-Register »1 199
Berichtigungen und Zusätze
BüsclicWntlmlung der grossen Tkvlek 'sehen Elckltisirmaschiu'
Nach van Marum.1
Einleitung.
i Das Problem. Wenn in den ruhigen Fluss der wissenschaftlichen
Knhrickelune gelegentlich eine den früheren Anschauungen völlig wider-
Wcchende TViatsache von erheblicher Bedeutung geworfen wird, so vollzieht
seh eine der merkwürdigsten Wandlungen. Während das geringfügigere
Neue wie es der Tag bringt, entweder aufgelost und angepasst wird, oder,
«am es für den augenblicklichen Zustand zu abweichend ist, als fremder
K"rper zu Boden sinkt, um dort, vom Niederschlage der Zeiten bedeckt, erst
spat oder nie zur Wirkung zu gelangen, übt das bedeutende Neue alsbald
einen sichtbaren Einfluss auf den ganzen Zustand aus. Eine heftige Be-
1 Vurhanilcl. "'*"• •'■ Tevler'k tweede Gcaootschap, 3. St. Haarlcm I/H5.
i'n.-fd, Kiekt"**™!* '
Einleitung.
wegung der Ideen herüber und hinüber tritt ein, und über kurz oder lang
krystallisirt das Produkt der Wechsel wjrlcung in Gestalt einer Theorie aus,
welche den Zweck hat, das Neue gedanklich zu bewältigen und dem Be-
kannten anzuschliessen.
Nur in den seltensten Fällen sind die Verhältnisse so günstig und ist die
Krystallisationskraft der neuen Gedankenreihe so gross, dass beim ersten
Anschuss ein reines und beständiges Produkt erhalten wird. In der Regel
enthält derselbe vielmehr zahllose Einschlüsse aus der Mutterlauge des zeit-
gemässen Gedankenkreises, in welchem er entstanden ist: oft in solcher
Menge, dass die Beschaffenheit der Hauptsubstanz davon ganz verdeckt wird.
Alsdann bedarf es langer Zeit und wiederholten Umschmelzens, um das
fremde Material auszuscheiden, und nicht selten zeigt es sich dann, dass das
reinere Produkt ganz andere Gestalt besitzt, als der erste Anschuss, der sich
gebildet hatte, nicht weil seine Form absolut genommen die beständigste,
sondern weil sie zur Zeit seiner Bildung die nächstliegende, durch die Iso-
rqorphie bereits vorhandener ähnlicher Ideen hervorgerufene war.
Wenn auch im Laufe der Zeit die Abscheidung der gröbsten Verun-
reinigungen gelingt, so lehrt doch die Erfahrung, dass, wie zu erwarten, der
Reinigungsvorgang nie zu einem absoluten Ergebniss führt, sondern seinem ,
Endziel nur asymptotisch sich nähern kann, dergestalt, dass die Beseitigung •
des letzten Angehörigen um so schwieriger wird, je weiter die Reinigung
selbst schon gediehen ist. Gewisse Verunreinigungen lassen sich durch die
wiederholte Anwendung ähnlicher Hilfsmittel überhaupt nicht beseitigen, und
dann tritt leicht der Fall ein, dass dieselben für einen wesentlichen Bestand-
teil des reinen Produktes gehalten werden. Dies ist der Zustand, in welchem
sich die meisten Gebiete der Wissenschaft befinden. Das einzige Hilfsmittel
in diesem Falle ist ein völliger Wechsel des Verfahrens; grosse Änderungen
in der allgemeinen wissenschaftlichen Anschauung, einer völligen Änderung
des Krystallisationsmittels vergleichbar, haben regelmässig den Erfolg, dass
sie die Abscheidung erheblicher Irrthümer ermöglichen. Freilich währt es
meist eine lange Zeit, bis dieses Verfahren auf jeden Theil des Vorhandenen
Anwendung gefunden hat, und zahllose Irrthümer dauern fort, nicht weil ihre
Beseitigung mit den vorhandenen Mitteln unausführbar wäre, sondern weil
man sich noch nicht entschlossen hat, die erforderlichen Operationen vor-
zunehmen.
Diese beiden Faktoren, das Gesetz des Isomorphismus, welches die Neu-
bildung, und das Trägheitsgesetz oder Beharrungsvermögen, welches den
Fortbestand der Ideen in den wesentlichsten Zügen bestimmt, lassen sich
bei jedem geistigen Entwickelungsvorgang nachweisen, und die Kenntniss ihrer
nie ausbleibenden Wirksamkeit ist die wesentlichste Vorbedingung zum Ver-
ständniss des Werdens und Seins geistiger Dinge. In besonders durch-
sichtiger Gestalt lassen sich diese Faktoren in der Entwicklung der Wissen-
schaften, vorwiegend der Naturwissenschaften erkennen. Denn im Gegensatz
zu den politischen, socialen und künstlerischen Gebieten hat man es hier mit
Einleitung.
Erscheinungen zu thun, deren Verlauf, durch wenige durchsichtige Motive
bestimmt, auf ein wohlbekanntes, allen gemeinsames Ziel gerichtet ist, und
deren Ergebnisse in Gestalt der entdeckten Gesetze spezielleren oder allge-
meineren Charakters sich leicht aufweisen und sogar einigermassen zahlen-
massig schätzen lassen. Dazu kommt, dass für die meisten dieser Gebiete
die eigentliche Entwickelungsgeschichte erst ziemlich spät, vor höchstens
drei oder vier Jahrhunderten beginnt, so dass die Quellen zu ihrer Geschichte
in der wissenschaftlichen Zeitlitteratur weder schwer zugänglich, noch auch
eines ausgedehnteren kritischen Apparates bedürftig sind. Alle diese Um-
stände vereinigen sich, um das Studium der geschichtlichen Entwickelung
der Wissenschaft zu einem besonders werth- und reizvollen zu machen, und
es darf die Überzeugung ausgesprochen werden, dass wenn irgendwo die
vorbildlichen Fälle gefunden werden können, an welchen einfache und durch-
greifende Gesetze des geschichtlichen Werdens nachweisbar sind, die Ge-
schichte der Naturwissenschaften sie darbieten wird.
Ich habe deshalb in dem vorliegenden Buche versucht, einen derartigen
Fall in seinen Einzelheiten so sachgemäss und treu zu schildern, als ich es
vermag. Die Geschichte der Elektrochemie erscheint unter den angegebenen
Gesichtspunkten von besonderem Interesse, weil hier die einzelnen Bestand-
teile des Entwicklungsprozesses sich mit besonderer Deutlichkeit sondern;
der Beginn der entscheidenden Fortschritte nach lange vorausgegangenem
Stillstand, die Erfindung der Volta'schen Säule und die Entdeckung ihrer
chemischen Wirksamkeit, lässt sich fast auf den Tag angeben, und das
Interesse der wissenschaftlichen Welt wendet sich alsbald so lebhaft den
neuen Erscheinungen zu, dass auch die Zufälligkeit, die in der besonderen
Beschaffenheit der Personen liegt, die sich zunächst mit der Sache befassen,
sehr vollständig ausgeschaltet wird. Auch fehlt es nicht an Berührungen mit
anderen grossen Aufgaben, welche die Zeit bewegen, und andererseits sind
die neuen Thatsachen so fremdartig und von dem Bekannten verschieden,
dass sich der allmähliche Anpassungsprozess des Denkens aus den vorhan-
denen Formen in die dem Gegenstand angemesseneren nur langsam vollziehen
konnte, und weithin eine Unterscheidung der beiden Bestandtheile durch-
zuführen ist.
Eine derartige Darstellung erscheint gegenwärtig als besonders nützlich,
da in jüngster Zeit erhebliche Fortschritte auf dem Gebiet gemacht worden
sind, und der Kampf der Meinungen über ihre Bedeutung noch lange nicht
abgeschlossen ist Im Lichte der geschichtlichen Betrachtung wird es uns
leichter werden, die Notwendigkeit, und daher die Berechtigung der letzten
Entwicklungen zu begreifen, und andererseits uns gegenwärtig zu halten,
dass bei all den glänzenden Erfolgen der gegenwärtigen Anschauungen neben
den in ihnen enthaltenen dauerhaften und entwickelungsfähigen Elementen
auch vergängliche Bestandtheile angenommen werden müssen, deren Er-
kennung und Beseitigung ebenso schwierig wie wichtig ist
2. Was ist Wissenschaft? Ehe indessen an die Schilderung des Ent-
■■*■
Einleitung.
wickelungsganges der wissenschaftlichen Elektrochemie gegangen werden
kann, ist eine Verständigung über die Grundzüge wissenschaftlicher Ent-
wickelung überhaupt erforderlich. Denn es herrscht über diese Frage noch
mancherlei Unklarheit, welche nach Möglichkeit zu beseitigen ist, bevor die
Untersuchung mit Nutzen vorgenommen werden kann.
Als letzter Zweck der Wissenschaft wird meist die Erforschung der
Wahrheit bezeichnet. Insofern als jede wohlbeobachtete Thatsache eine
Wahrheit ist, besagt diese Bestimmung zu wenig, denn die Aufgabe der
Wissenschaft geht weiter, als bis zur blossen Feststellung des Thatsächlichen.
Dieses Weitere hat zu verschiedenen Zeiten sehr verschiedene Benennung
erfahren; von den Platonischen Ideen bis zum mathematisch formulirten
Naturgesetz der modernen Forschung lassen sich alle möglichen Übergänge
erkennen. Insbesondere lässt sich als Rest jener Platonischen Auffassung
noch bis auf unsere Tage die Neigung verfolgen, in den Naturgesetzen etwas
Höheres, über den Erscheinungen Stehendes zu sehen, dem die Erschei-
nungen „gehorchen" müssen. Dem gegenüber zeigt es sich gegenwärtig
immer klarer, dass das Naturgesetz nicht über, sondern in den Erschei-
nungen zu suchen ist, dass es nicht den Zweck hat, zu dekretiren, was in
einem gegebenen Falle geschehen soll, sondern anzugeben, was thatsäch-
lich geschieht. In dieser nüchternen Auffassung der Naturgesetze ist ein Mann
vorangegangen, welchem man bei aller Anerkennung seiner Verdienste doch
oft und gern den Vorwurf zu weitgehender Spekulation gemacht hat: Julius
Robert Mayer, der Entdecker des mechanischen Wärmeäquivalents. Seine
Äusserungen1 lauten in dieser Beziehung ganz unzweideutig:
„Die wichtigste, um nicht zu sagen einzige Regel für die echte Natur-
forschung ist die, eingedenk zu bleiben, dass es unsere Aufgabe ist, die Er-
scheinungen kennen zu lernen, bevor wir nach Erklärungen suchen oder
nach höheren Ursachen fragen mögen. Ist einmal eine Thatsache nach allen
ihren Seiten hin bekannt, so ist sie eben damit erklärt, und die Aufgabe
der Wissenschaft ist beendigt."
In besonders eindringlicher Weise ist der gleiche Standpunkt von
G. Kirchhoff2 in der Vorrede und dem ersten Kapitel seiner klassischen
Mechanik betont worden, und hat zu mancherlei Diskussionen Anlass ge-
geben. Kirchhoff's Worte sind: „Aus diesem Grunde stelle ich es als die
höchste Aufgabe der Mechanik hin, die in der Natur vor sich gehenden
Bewegungen zu beschreiben, und zwar vollständig und auf die einfachste
Weise zu beschreiben. Ich will damit sagen, dass es sich nur darum han-
deln soll, anzugeben, welches die Erscheinungen sind, die stattfinden, nicht
aber darum, ihre Ursachen anzugeben."
Was hier von der Aufgabe der Mechanik gesagt ist, gilt für die ge-
sammten messenden und beobachtenden Wissenschaften, wobei freilich die
1 Bemerkungen über das mechanische Äquivalent der Wärme. Heilbronn 1864.
a Vorlesungen über mathematische Physik. Mechanik. Leipzig 1876.
Einleitung. 5
I
f
Bedeutung des Wortes „beschreiben" noch genauer festzustellen ist. Kirch-
hoff thut dies in der Folge; l nachdem er die Mechanik als die Wissenschaft
von der Bewegung definirt hat, fährt er fort:
„Eis soll die Beschreibung der Bewegungen eine vollständige sein.
Die Bedeutung dieser Forderung ist vollkommen klar: es soll eben keine
Frage, die in Betreff der Bewegungen gestellt werden kann, unbeantwortet
bleiben. Nicht so klar ist die Bedeutung der zweiten Forderung, dass die
Beschreibung die einfachste sei. Es ist von vorn herein sehr wohl denkbar,
dass Zweifel darüber bestehen können, ob eine oder die andere Beschreibung
gewisser Erscheinungen die einfachere ist; es ist auch denkbar, dass eine
Beschreibung gewisser Erscheinungen, die heute unzweifelhaft die einfachste
ist, die man geben kann, später bei weiterer Entwicklung der Wissenschaft
durch noch einfachere ersetzt wird. Dass Ahnliches stattgefunden hat, dafür
bietet die Geschichte der Mechanik mannigfaltige Beispiele dar."
Entsprechend dem Bestreben, die beiden Forderungen der Vollständig-
keit und Einfachheit zu erfüllen, vollzieht sich nun die Entwickelung der
Wissenschaft. Die Vollständigkeit ist ein unbegrenzt entferntes Ziel, für
welches es nur ein Annähern, kein Erreichen giebt, und die Einfachheit ist
dem verdriesslichen Naturgesetz unterworfen, dass man auf das Einfachste
immer erst zuletzt kommt. Indem man die Vollständigkeit in der „Beschrei-
bung" der natürlichen Gegenstände und Vorgänge sucht, hat man den Weg
iwischen den beiden Klippen zu finden, dass einerseits die sicher bekannten
und daher in die „Beschreibung" aufnehmbaren Beziehungen sich nur über
enge Gebiete erstrecken, andererseits die für weite Gebiete versuchten Be-
schreibungen sich bei genauem Nachsehen als unzutreffend erweisen, indem
Widersprüche und Ausnahmen sich herausstellen, durch welche die auf
Grund der Beschreibung gegebenen Antworten auf gewisse Fragen sich als
falsch erweisen.
Die Hilfsmittel der Beschreibung im Sinne Kirchhofes, d. h. der wissen-
schaftlichen Darstellung, sind die Allgemeinbegriffe und die Naturgesetze. Aus
der unendlichen Mannigfaltigkeit unserer Welt, in welcher niemals zwei Dinge
oder Vorgänge in strictem Sinne gleich sind, werden Gruppen von Erschei-
nungen ausgeschieden, die unter einander möglichst geringe Verschieden-
heiten aufweisen, und zunächst unter stillschweigendem oder ausdrücklichem
Verzicht auf die Beachtung der letzteren mit bestimmten Namen belegt. Es
liegt in der Natur der Sache, dass der Antheil des Übereinstimmenden
zwischen den verschiedenen Gliedern einer Gruppe in umgekehrtem Ver-
haltniss zur Grösse der Gruppe stehen wird: in dem Maasse, wie sich der Be-
griff äusserlich ausdehnt, verarmt er innerlich.2 Die Wissenschaft hat nun
die Aufgabe, diesen Gegensatz aufzuheben: möglichst umfassende Be-
griffe mit möglichst bestimmtem Inhalt zu bilden. Es geschieht dies durch
1 A. a. O. S. 1.
* Afan betrachte z. B. die Reihe : Sperling, Vogel, Thier, Organismus, Ding.
Einleitung.
die Naturgesetze, deren Wesen darin besteht, dass die unendliche Mannig-
faltigkeit der formal denkbaren Möglichkeiten sich als thatsächlich mehr oder
weniger eingeschränkt erweist, wodurch die allgemeinen Begriffe einen weit
bestimmteren Inhalt erhalten, als ihnen ursprünglich zukam. So fallen die
astronomischen Erscheinungen unter den Begriff der periodischen Be-
wegungen; durch das erfahrungsmässige Naturgesetz, dass diese Bewegungen
sich durch die Wirkung einer dem Quadrat der Entfernung umgekehrt pro-
portionalen Kraft darstellen lassen, ist die vollständige Beschreibung derselben
auf die Ermittelung einer kleinen Anzahl constanter Zahlen zurückführbar
geworden, und wir können jeder neu beobachteten derartigen Erscheinung,
die wir als eine Bewegung erkennen, mit der Erwartung gegenübertreten,
dass auch sie sich auf diese besondere Weise wird beschreiben lassen. Wie
bekannt, ist gerade im astronomischen Gebiet diese Erwartung ausnahmelos
in Erfüllung gegangen.
Die Wirksamkeit solcher Naturgesetze in der Einschränkung des Mög-
lichen anf das Thatsächliche ist nun ausserordentlich verschieden, und nach
dem Betrag dieser Reduction bemisst sich die Bedeutung des fraglichen
Gesetzes.
In mathematischer Zeichensprache stellt sich die Bildung des Natur-
gesetzes so dar, dass zunächst zwischen irgend welchen Grössen a, b, c, ...
ein gegenseitiger Zusammenhang entdeckt wird, so dass man die Existenz
einer Gleichung von der allgemeinen Gestalt
f (a, b, c, . . .) = o
erkennt, wo f eine unbekannte Function der dahinter stehenden Grössen
bedeutet. Die erste Aufgabe besteht darin, sämmtliche Glieder a, b, c, ...
kennen zu lernen, welche sich gegenseitig bedingen, derartig, dass bei der
Änderung einer der Grössen die anderen sich gleichzeitig ändern. Die
Kenntniss des Umstandes, dass ein solcher Zusammenhang besteht, bedingt
die Aufstellung eines allgemeinen Begriffs. Gelingt es nun, zwischen zwei
oder mehreren Gliedern a, b, c, ... einen bestimmten, durch eine Gleichung
mit numerischen Coefficienten darstellbaren Zusammenhang aufzufinden, so
ist dadurch von den zahllosen möglichen Functionen, welche in die ursprüng-
liche allgememeine Gleichung f{a, b, c} ...) = o treten können, die thatsäch-
lich gültige bestimmt, und aus der unbestimmten Gleichung wird eine be-
stimmte.
Der Weg, um zur Lösung dieses Problems zu gelangen, ist immer der
gleiche: man ändert eine der Grössen, z. B. a, und beobachtet messend die
Änderung, welche eine andere, z. B. b, dabei erfährt, wobei man, um den
etwaigen Einfluss anderer Grössen, c, d ... auszuschalten, diese constant er-
hält. Ist diese Aufgabe erledigt, so untersucht man eine weitere Beziehung,
z. B. die zwischen b und c> und so fort, bis für alle Veränderlichen die
gegenseitige Abhängigkeit gefunden ist. Von diesem normalen Wege finden
sich in der Wissenschaft insofern Abweichungen, als häufig nach der Analogie
oder aus anderen Gründen Beziehungen als vorhanden angenommen werden,
Einleitung.
welche thatsachlich ganz andere Form haben; derartige mit dem Schein
des „Selbstverständlichen" umkleidete Trugschlüsse sind häufig, und es ist
oft schwer, sich auf ihre Beschaffenheit zu besinnen.
Wenn man das soeben dargelegte Schema betrachtet, so mag nichts
einfacher erscheinen, als durch passende Experimente die fraglichen Be-
ziehungen zu ermitteln, und man fragt sich, wie es kommt, dass die Wissen-
schaft so langsam fortschreitet, da doch das Rezept gegeben ist, nach welchem
auf dem geradesten Wege der Fortschritt zu bewerkstelligen ist. Die Ant-
wort liegt in dem zweiten Theil der Forderung, welche Kirchhoff an die
Mechanik und somit an die gesammte Wissenschaft stellt: die Beschreibung,
d. h. der Nachweis der vorhandenen Beziehungen, soll auf die einfachste
Weise erfolgen. Da aber, wenn die Grössen ay by c ... für ein bestimmtes
Erscheinungsgebiet gegeben sind, die Form ihrer Beziehungen feststeht, und
nur aufgefunden zu werden braucht, so scheint überhaupt keine Wahl, keine
Möglichkeit, eine vorhandene Beziehung zu vereinfachen, gegeben zu sein.
Die Antwort ist, dass die Wahl, und damit auch die Qual, in der Aufstellung
der Grössen a, by c> . . . selbst gelegen hat. Es ist allerdings ausgeschlossen,
dass, nachdem die Veränderlichen ay by cy ... einmal bestimmt sind, ver-
schiedene Beziehungen von verschiedenen Graden der Einfachheit zwischen
ihnen möglich sind; wohl aber bleibt die Frage offen, ob nicht die vor-
handenen oder noch aufzufindenden Beziehungen eine einfachere Gestalt
annehmen , wenn an die Stelle der Grössen a, by c, ... andere, ay ßy y, ...
gesetzt werden, welche sich auf das gleiche Thatsachengebiet beziehen, wie
jene ersten.
So wissen wir, um dafür ein Beispiel zu geben, dass das Volumen eines
Gases durch Änderung seines Wärmezustandes geändert wird. Soll das
Gesetz hierfür gefunden werden, so kann man etwa als zweite Veränderliche
neben dem Volumen die Wärmemenge wählen, welche man dem Gase zu- oder
abfuhrt Führt man die Versuche aus, so findet man bei einzelnen Gasen,
dass die Änderungen beider Grössen einander proportional sind, bei anderen
sind sie es nicht; der Proportionalitätsfactor ist für einige Gase gleich, für
andere verschieden, kurz, es ergiebt sich kein einfaches oder allgemeines
Naturgesetz, und unsere „Beschreibung" der Erscheinung muss auf der pri-
mitiven Stufe einer Tabelle stehen bleiben. Ganz anders wird das Bild,
wenn wir an Stelle der Wärmemenge eine andere Wärmegrösse setzen,
nämlich die Temperatur. Vergleicht man die gleichzeitigen Änderungen
dieser und des Volumens, so findet man, dass beide einander proportional
verlaufen, und dass der Proportionalitätsfactor unabhängig von der Natur des
Gases ist. An die Stelle der früheren Mannigfaltigkeit ist die grösste Ein-
fachheit getreten, und die wissenschaftliche Beschreibung hat einen sehr
erheblichen Fortschritt gemacht.
In der geeigneten Wahl des Veränderlichen, d. h. in der begriff-
lichen Analyse der Erscheinung, liegt also der wesentlichste Umstand für
den wissenschaftlichen Fortschritt, und für diese lassen sich allerdings nicht
g Einleitung.
allgemeine Regeln aufstellen. Hier ist das Gebiet, in welchem die Phantasie
den Boden absucht, während der kritische Scharfsinn die Beute zu prüfen
und zu erlegen hat. Wie oft dabei eine Katze für einen Hasen geschossen
wird, das wissen die Götter!
3. Die Elektrochemie. /Die soeben geschilderten allgemeinen Ver-
hältnisse in der Entwickelungsgeschichte der Wissenschaft lassen sich in
jedem einzelnen Falle mehr oder weniger deutlich nachweisen. Die Ge-
schichte der Elektrochemie bietet aber in dieser Beziehung eine besondere
Vielseitigkeit, weil ihre Probleme auf zwei verschiedenen grossen Gebieten,
der Elektrik und der Chemie, liegen. Hierdurch wird die gegenseitige Ab-
hängigkeit der wissenschaftlichen Fortschritte ungemein deutlich gemacht;
wir sehen, wie über dieses Grenzgebiet hinweg die beiden Disciplinen
einander immer wieder beeinflussen und befruchten, zunächst ohne dass
lebensfähige Produkte erzeugt werden können. So tritt die elektrochemische
Theorie der chemischen Verbindungen auf, um wieder zu verschwinden, und
der Streit um die Kontakttheorie oder die chemische Theorie der Volta'schen
Ketten verzehrt eine Unsumme von Zeit, Kraft und Papier, ohne zu einem
unzweifelhaften Ende gebracht werden zu können. Die schnelle und glän-
zende Entwickelung der physikalischen Theorie der elektrischen Erscheinungen
hat lange Zeit keine andere Wirkung, als die Unklarheiten und Widersprüche
der chemischen Probleme zu vermehren, und erst in jüngster Zeit, nachdem
endlich auch eine quantitative Theorie der chemischen Wirkungen reif ge-
worden ist, vermögen beide sich in dem Maasse zu befruchten, dass das lange
mit zweifelhaftem Erfolg bebaute Feld des Segens die Fülle bringt.
Eine zusammenfassende Darstellung der Entwickelungsgeschichte der
wissenschaftlichen Anschauungen auf diesem Gebiete darf demnach von vorn-
herein das Interesse sowohl des Chemikers wie des Physikers beanspruchen.
Dazu kommt, dass kaum ein anderer Theil in der Geschichte der Wissen-
schaft so viel allgemein Lehrreiches in Bezug auf die Entwickelung der
wissenschaftlichen Erkenntnisse enthält. Nirgend treten so deutlich die unsäg-
lichen Mühen und Wehen zu Tage, unter denen ein klarer Gedanke sich
ans Licht ringt, nirgend kann man so sicher die mannigfaltigen und oft
wunderlichen Wege verfolgen, die der menschliche Geist zu gehen verurtheilt
ist, bevor er an sein Ziel gelangt, das unserem rückschauenden Auge in
unmittelbarster Nähe liegend erscheint.
Die Ursache dieser Art der Entwickelung liegt darin, dass die ersten
Versuche, die Natur gedanklich zu erfassen, nicht an den Problemen ge-
macht werden, welche am leichtesten zu lösen sind, sondern an denen, welche
sich dem forschenden Geiste am dringendsten entgegenstellen. So beginnen
die griechischen Philosophen ihre Untersuchungen nicht mit der Frage nach
der Entstehung beispielsweise des Regens, sondern mit der nach der Ent-
stehung der Welt So wurde das biologische Problem nicht so gestellt:
wie setzt sich das Leben von heute auf morgen fort? sondern: was ist das
Leben, und wie ist es entstanden?
Einleitung.
Auch in dem besonderen Gebiete, das wir betrachten wollen, in der
Elektrochemie, sind die Ausgangspunkte äusserst dunkle und schwierige ge-
wesen. Im Jahre 1790 beobachtet der Arzt Aloysio Galvani in Bologna,
dass die Schenkel eines todten Frosches zucken, wenn in ihrer Nähe aus
dem Conductor einer Elektrisirmaschine ein Funke gezogen wird. Er setzt
diese Versuche fort und findet, dass ähnliche Zuckungen hervorgerufen
werden, wenn er Nerven und Muskeln eines enthäuteten Frosches durch
metallene Bogen verbindet Alsbald erscheinen ihm diese beiden Theile wie
die Belegungen einer Leidener Flasche, und er gelangt zu der Überzeugung,
dass der Organismus beständig Elektricität hervorbringe, ja dass die Elektricität
das Lebensprincip im Organismus sei. Das Problem, welches er in diesen
Erscheinungen sieht, ist ihm ganz und gar ein biologisches.
Es ist bekannt, dass die Frage Galvani's nach dem Zusammenhange
der elektrischen Erscheinungen mit denen des Lebens trotz der hundert-
jährigen Arbeit im Wesentlichen noch unbeantwortet ist, dass aber die For-
schung, welche von der Beobachtung Galvanos ihren Ausgang genommen
hat, die Lehre von der strömenden Elektricität oder vom Galvanismus, zu
den glänzendsten Gebieten der physikalischen Wissenschaften gehört. Es
geschah dies durch stufenweises Herabsteigen von der Höhe der ersten
Fragestellung.
Volta machte sich zunächst langsam und mühsam von der Herrschaft
des präparirten Froschschenkels frei, indem er in seinem früher erfundenen
Condensator ein Mittel zur Erkennung der geringen elektrischen Erregungen
besass, welche bis dahin nur mittelst jenes physiologischen Hilfsmittels der
Beobachtung zugänglich waren. So vermochte er den GALVANi'schen Ver-
such auf die für ihn einfachste Gestalt der Verbindung von drei Leitern,
von denen zwei der einen, der dritte der anderen Klasse derselben angehört, '
zurückzufuhren.
Diese Analyse ist dann von Volta weiter zu fuhren versucht worden,
indem er den Sitz der beobachteten elektrischen Spannungen an die Re-
ruhrungssteüe der Metalle verlegte. Dies Problem, die einzelnen Spannungs-
unterschiede an den verschiedenen Berührungsflächen zu ermitteln, hat dann
seit Volta's Tagen bis heute die Forschung in Athem gehalten.
Fig. 2. Zerstäubung von Eisendraht durch den elektrischen Funken nach VAN MaEUM.1
Erstes Kapitel.
Vorgeschichte der Elektrochemie. Die ehemisehen
Wirkungen der Reibungselektricität
i. Älteste Beobachtungen. Die geringen Elektricitätsmengen,
welche die früheren unvollkommenen Elektrisirmaschinen zu liefern ver-
mochten, waren nicht genügend, um irgend welche auffällige chemische
Erscheinungen hervorzubringen. So sehen wir die Physiker Jahrhundertc
lang elektrische Experimente der mannigfaltigsten Art machen, ohne dass
dabei chemische Vorgänge beobachtet wurden.
Die älteste Nachricht, welche-ich über chemische Wirkungen der Elektri-
cität aufgefunden habe, ist die „Revivification" einiger Metalle aus ihren Kalken,
welche der Pater Beccaria1 um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ausführte,
' Verhandel. uitg. d. Tevi.ER'b twccile Gcnootschap. 4. St. Haarlcm 1 78".
' Lctttrc dcll' elcttricismo, p. 28T; nach Prtesti.f.v, Gesch. der FJektr., deutsch von
KhCnit/, Berlin 177», S. 185.
Vorgeschichte der Elektrochemie. Die chemischen Wirkungen der Reibungselektricität. 1 1
indem er den durch die Leidener Flasche verstärkten elektrischen Funken
wischen zwei Stücken der metallischen Kalke (Oxyde) überschlagen liess.
So erhielt er verschiedene Metalle, unter anderen Zink in regulinischem Zu-
stande, auch Quecksilber aus Zinnober.
Irgend eine Verwerthung dieser Erscheinung zu weiteren Folgerungen
hat zu jener Zeit nicht stattgefunden, denn die elektrischen Erscheinungen
waren den Forschern jener Tage nach allen Richtungen so neu und wunder-
bar, dass die sich fast nur mit deren Aufsuchung und Vermehrung beschäf-
tigten, ohne sich um ihre wissenschaftliche Verwerthung viel zu bemühen. So
rindet sich bei Gelegenheit dieser Beobachtung kein Versuch, sie in irgend
einem Sinne zur Aufklärung des Wesens der Elektricität oder der chemischen
Verwandtschaft zu verwerthen.
2. Wirkung des Funkens aui atmosphärische Luft. Eine der-
artige Wechselwirkung beider Wissensgebiete beginnt steh, wenn auch eben
nicht in hervorragender Weise, bei einer Beobachtung von Priestixv1 zu
»igen, dass gewöhnliche atmosphärische Luft durch elektrische Entladungen,
«eiche sie durchsetzen, in Säure verwandelt wird. Ich lasse den Entdecker reden:
1 Experiment» and Observation* on varinns kinds nf air. Manchester 1775. Deutsche
Aatfjbe, Wien und Leipzig 1778, 1, 178.
12 Erstes Kapitel.
„Ich nahm daher eine gläserne Röhre, die ungefähr l/l0 Zoll im Durch-
messer hatte (Fig. 3 a. v. S., 16). An das eine Ende derselben kittete ich ein Stück
Draht b, worauf ich eine metallene Kugel steckte. Den untersten Theil
von a füllte ich mit Wasser, das ich mit Lackmus oder Orseille blau, oder
vielmehr purpurn färbte. Man kann diese Röhre sehr leicht vermittelst der
Luftpumpe füllen, wenn man das Rohr in ein Gefäss mit dem gefärbten
Wasser setzt.
„Nachdem ich nun Alles so zubereitet hatte und ungefähr ein Minute
lang elektrische Funken zwischen den Draht b und das gefärbte Wasser a
hatte schlagen lassen, so fing der obere Theil desselben an roth durchzu-
scheinen, und in zwei Minuten darauf hatte es sich vollkommen roth ge-
färbt . . .
„Allein unter allen diesen Beobachtungen war wohl diese die aller-
wichtigste, aber auch unerwartetste, dass die Flüssigkeit in eben dem Ver-
hältnisse, wie sie roth zu werden anfing, dem Draht näher kam, so dass der
Raum der Luft, in der der Funke geschlagen hatte, vermindert wurde; und
zwar betrug die Verminderung, wie ich endlich noch fand, ungefähr 1/6 des
ganzen Raumes. Auch fortgesetztes Elektrisiren brachte keine Verminderung
weiter hervor.
„Um nun zu bestimmen, ob die Ursache der veränderten Farbe in der
Luft oder in der elektrischen Materie enthalten wäre, dehnte ich die Luft,
welche in der Röhre vermindert worden war, mittelst einer Luftpumpe so
aus, dass sie das blaue Wasser heraustrieb und Hess an dessen Stelle neues
hinein. Nun brachte aber die Elektricität weiter keine merkliche Wirkung
hervor, weder in der Luft, noch in der Flüssigkeit, so dass man augen-
scheinlich sehen konnte, dass die elektrische Materie die Luft zersetzt und
daraus etwas einer Säure Ähnliches niedergeschlagen habe.
„Um ferner zu bestimmen, ob der Draht etwas zu der Wirkung bei-
getragen habe, nahm ich Drähte von verschiedenen Metallen, Eisen, Kupfer,
Messing und Silber. Allein bei allen war der Erfolg derselbe.
„Dieses erfolgte auch, als ich den elektrischen Funken ganz ohne Draht
durch eine gebogene Glasröhre auf folgende Art schlagen Hess. Ich setzte
einen jeden Schenkel der Röhre (Fig. 3, 19) in ein Gefäss mit Quecksilber, das
ich unter der Luftpumpe zu der Höhe aa in einem jeden Schenkel so steigen
Hess, dass der Raum zwischen a und b in jedem Schenkel mit dem blauen
Wasser und der Raum zwischen b und b mit gemeiner Luft angefüllt war.
Nach dieser Vorbereitung Hess ich den elektrischen Funken von einem
Schenkel zum anderen überschlagen, so dass er von der Flüssigkeit in dem
einen Schenkel der Röhre bis zu der Flüssigkeit in dem anderen durch den
mit der Luft angefüllten Raum schlug. Es wurde hierauf das Wasser in
beiden Schenkeln roth und der mit Luft angefüllte Raum wurde kleiner,
wie vorher."
Die weiteren Bemerkungen und Versuche Priestley's beziehen sich auf
die Bestimmung der Natur der Säure, welche bei diesem Versuch entstanden
Vorgeschichte der Elektrochemie. Die chemischen Wirkungen der Reibnngselcktricität 1 1
ist Er gelangt zu dem Ergebnisse dass Kohlensaure gebildet worden sei,
und belegt dies durch eine Anzahl Versuche. Wir wissen jetzt, dass sich
nicht Kohlensäure, sondern
Salpeter- und salpetrige
Säure unter diesen Um-
ständen bildet; da sich aus
der Darlegung Priestley's
ergiebt, dass er die Bil-
dung von Kohlensäure er-
wartet hat, so zeigt sich,
wie leicht selbst ein ge-
übter Experimentator, wie
Priestley einer war, Dinge
sieht, welche er zu sehen
erwartet, auch wenn sie
nicht vorhanden sind.
3. Versuche von
Cavendish. Priestley's Irr-
thum wurde bald darauf
Fig. 4. Nach Cavendish.
durch Cavendish verbessert, der den merkwürdigen Versuch mit der ihm
eigenen Sorgfalt und Genauigkeit wiederholte, und die Natur der Säure,
welche dabei gebildet wurde, richtig erkannte. Cavendish
schildert1 seine Beobachtungen folgen dermassen.
,,Der Apparat (Fig. 4), welcher zum Versuch benutzt
wurde, war folgender. Die Luft, durch welche der Funke
gehen sollte, war in eine Glasröhre M eingeschlossen, die
im Winkel gebogen war und nach der Fällung mit Queck- DU
silber, in zwei Gläsern mit derselben Flüssigkeit umgekehrt
wurde, wie die Figur zeigt. Die zu untersuchende Luft wurde
dann durch eine Röhre, wie solche zu Thermometern benutzt
werden, eingeführt, welche in der durch ABC (Fig. 5) an-
gegebenen Form gebogen war, und deren gebogenes Ende,
nachdem sie mit Quecksilber gefüllt war, unter das Glas DEF
wie in der Figur, geführt wurde, welches in Wasser umge-
kehrt stand und das gewünschte Gas enthielt, das Ende C
der Röhre wurde dabei mit dem Finger verschlossen; wenn
der Finger entfernt wurde, senkte sich das Quecksilber in
den Arm BC und der Raum wurde durch die Luft aus
dem Glase DEF erfüllt Nachdem so die gewünschte
Menge Luft in die Röhre ABC gebracht war, wurde diese
mit dem Ende C nach oben gehalten und mit dem Finger verschlossen;
und das Ende Ay welches zu diesem Zwecke dünner gemacht war, wurde
Fitf. 5. Nach
Cavendish.
\ lm<*. Trans. 66, B. 372. 1775.
M
Erstes Kapitel.
Fig. 6. Nach Cavendish.
mittelst eines Hebers entfernte.
in ein Ende der gebogenen Röhre M (Fig. 4) geführt, worauf die Luft,
nach Entfernung des Fingers von C durch den Druck des Quecksilbers im
Arm B C in diese Röhre gepresst wurde. Durch dieses Mittel war ich im
Stande, jede gewünschte Menge irgend einer Gasart in die Röhre M zu
schaffen, und auf gleiche Weise konnte ich
irgend eine Menge Seifensiederlauge oder
eine andere Flüssigkeit, welche mit dem
Gase in Berührung sein sollte, aufsteigen
lassen.
„In einem Falle indessen, wo ich#Luft
oftmals während eines Versuches in die Röhre
bringen musste, benutzte ich den in Fig. 6
dargestellten Apparat, welcher aus der engen
Röhre AB, der Kugel C und der weiten
Röhre D E bestand. Dieser Apparat wurde
zuerst mit Quecksilber gefüllt, und dann wurde
die Kugel C und die Röhre AB mit dem
Gas gefüllt, indem man die Spitze A unter
ein umgekehrtes in Wasser stehendes Glas
brachte, welches das gewünschte Gas ent-
hielt und das Quecksilber aus dem Arm ED
Nachdem der Apparat so mit Gas beschickt
war, wurde er gewogen, und die Spitze A in eine Öffnung der Röhre M
eingeführt und während des Versuches dort belassen; das Mittel, um die
Luft aus diesem Apparat in die Röhre M zu pressen, bestand darin, dass
in die Röhre ED ein hölzerner Cylinder eingeführt wurde, welcher die Öff-
nung fast vollständig ausfüllte; in die Röhre wurde gelegentlich Quecksilber
nachgegossen, um das zu ersetzen, welches in die Kugel C getrieben war.
Nachdem der Versuch geschlossen war, wurde der Apparat wieder gewogen,
woraus sich ergab, wie viel Luft während des ganzen Versuches in die
Röhre M getrieben war; denn ihr Volumen war gleich dem der Quecksilber-
menge, deren Gewicht der Gewichtszunahme des Apparates gleich war.
„Das Lumen der Röhre M, welche in den meisten der folgenden Ver-
suche benutzt wurde, betrug etwa ein ljl0 Zoll und die Länge der Luftsäule,
welche den oberen Theil der Röhre einnahm, war im Allgemeinen von i1/,
bis 3/4 Zoll ....
. . . „Wenn der elektrische Funken durch gewöhnliche Luft getrieben
wurde, welche durch zwei kurze Säulen von Lackmustinctur abgeschlossen
war, so nahm die Lösung eine rothe Farbe an, entsprechend dem, was
Dr. Priestley beobachtet hatte.
„Wurde Kalkwasser statt der Lackmuslösung angewendet und der
Funke durchgeleitet, bis keine Verminderung der Luft mehr bewirkt werden
konnte, so konnte nicht die leiseste Trübung im Kalkwasser beobachtet
werden; die Luft war aber auf zwei Drittel ihres ursprünglichen Volumens
Vorgeschichte der Elektrochemie. Die chemischen Wirkungen der Reibungselektricität. j e
vermindert; dies ist eine grössere Verminderung, als sie durch blosse Phlo-
gistisation (Entziehung von Sauerstoff) hätte erfahren können, da diese wenig
mehr als ein Fünftel des Ganzen beträgt.
„Der Versuch wurde dann mit etwas unreiner dephlogistisirter Luft
Sauerstoff) wiederholt. Dies Gas wurde sehr stark vermindert, ohne dass
die geringste Trübung im Kalkwasser entstanden wäre. Auch wurde keine
Trübung bemerkt, als etwas fixe Luft (Kohlensäure) zugelassen wurde; auf
die fernere Zufügung von etwas kaustischem flüchtigem Alkali (Ammoniak)
wurde alsbald ein brauner Niederschlag bemerkt.
„Daraus können wir schliessen, dass das Kalkwasser durch etwas ge-
sättigt war, was beim Versuch gebildet wurde; denn in diesem Falle ist es
offenbar, dass durch die fixe Luft die Erde nicht gefällt werden konnte,
während das kaustische flüchtige Alkali beim Hinzutreten die fixe Luft ab-
sorbiren musste, mild wurde und unmittelbar die Erde fällte, während sie,
wenn die Erde im Kalkwasser nicht mit einer Säure gesättigt gewesen wäre,
von der fixen Luft hätte gefällt werden müssen. Was die braune Farbe
des Niederschlages anlangt, so ist dieselbe sehr wahrscheinlich durch etwas
aufgelöstes Quecksilber veranlasst ....
„Ist die Luft durch Seifensiederlauge abgeschlossen, so geht die Ver-
minderung erheblich schneller vor sich, als mit Kalkwasser; aus diesem
Grunde, und weil die Lauge im Verhältniss zu ihrem Volumen so viel mehr
alkalische Substanz enthält, ist die Lauge viel geeigneter, die Natur der ent-
stehenden Säure zu bestimmen, als Kalkwasser. Ich machte deshalb einige
Versuche, um zu bestimmen, von welchem Grade der Reinheit die Luft sein
musste, um am schnellsten und im höchsten Maasse vermindert zu werden,
und ich fand, dass, wenn gute dephlogistisirte Luft benutzt wurde, nur eine
geringe Verminderung eintrat; wenn vollständig phlogistisirte Luft (Stickstoff)
genommen wurde, fand keine merkliche Verminderung Platz; wenn aber fünf
Theile reine dephlogistisirte Luft mit drei Theilen gewöhnlicher Luft ge-
mischt wurde, so konnte fast die ganze Luft zum Verschwinden gebracht
werden.
„Es muss berücksichtigt werden, dass gemeine Luft aus einem Theil
dephlogistisirter Luft, vermischt mit vier Theilen phlogistisirter besteht; so
dass ein Gemenge von fünf Theilen reiner dephlogistisirter Luft und dreien
gewöhnlicher Luft dasselbe ist, wie ein Gemenge von sieben Theilen dephlo-
gistisirter Luft auf drei Theile phlogistisirter.
„Nach diesen vorläufigen Versuchen brachte ich in die Röhre ein wenig
Seifensiederlauge und Hess dann etwas dephlogistisirte und gemeine Luft, in
dem oben angegebenen Verhältniss vermischt, eintreten, welche beim Auf-
steigen zu dem höchsten Punkt der Röhre M die Lauge in die beiden
Schenkel drängte. Sobald die Luft durch den elektrischen Funken ver-
mindert war, Hess ich neue von derselben Beschaffenheit hinzutreten, bis
keine weitere Verminderung stattfand: worauf ein wenig dephlogistisirte und
hernach ein wenig gemeine Luft zugefügt wurde, um zu sehen, ob das Auf-
j6 Erstes Kapitel.
hören djr Verminderung nicht in einer Unvollkommenheit in dem Verhält-
niss der beiden Arten Luft zu einander begründet war; jedoch ohne Wirkung.
Die Lauge wurde dann aus der Röhre geschüttet und von dem Quecksilber
getrennt; sie schien völlig neutralisirt, denn sie verfärbte nicht ein mit dem
Saft blauer Blumen gefärbtes Papier. Nach dem Verdunsten zur Trockne
Hess sie ein wenig eines Salzes, welches offenbar Salpeter war, wie sich aus
der Weise, in welcher ein mit der Lösung getränktes Papier brannte, ergab.
. . . „Ein Umstand trat indessen auf, welcher zuerst zu zeigen schien,
dass dies Salz etwas Salzsäure enthielt: es fand nämlich eine deutliche Fällung
statt, wenn zu einer wässerigen Lösung desselben etwas Silberlösung gesetzt
wurde, obwohl die benutzte Lauge völlig frei von Salzsäure war, und ob-
wohl, um aller Gefahr einer Fällung durch einen Ueberschuss von Alkali
darin zuvorzukommen, etwas gereinigte Salpetersäure vor dem Zusatz der
Silberlösung zugefügt worden war. Beim Nachdenken vermuthete ich in-
dessen, dass die Fällung daher rühren könnte, dass die Salpetersäure darin
phlogistisirt war; und deshalb versuchte ich, ob stark phiogistisirter Salpeter
(salpetrigsaures Kalium) Silber aus seiner Lösung fällt. Zu diesem Zweck setzte
ich etwas Salpeter in einer irdenen Retorte dem Feuer aus, bis er eine ziem-
liche Menge dephlogistisirter Luft abgegeben hatte, und dann nachdem ich
ihn in Wasser aufgelöst und etwas wohlgereinigten Salpetergeist (Salpetersäure)
zugefugt hatte, bis er deutlich sauer war, um sicher zu sein, dass das Alkali
nicht vorwaltete, tropfte ich etwas Silberlösung dazu, welche unmittelbar einen
sehr reichlichen Niederschlag hervorbrachte. Diese Lösung verlor übrigens,
nachdem sie von einigem Phlogiston durch Verdampfung zur Trockne und
Aussetzung an die Luft während einiger Wochen befreit war, ihre Eigen-
schaft Silber zu fällen, ein Beweis, dass diese Eigenschaft allein von ihrer
Phlogistication und nicht von der Aufnahme von Kochsalz aus der Retorte
oder anders woher herrührte."
Der letzte Theil dieser durch Sorgfalt und Umsicht ausgezeichneten
Abhandlung ist der Erklärung der beobachteten Erscheinungen auf Grund-
lage der Phlogistontheorie gewidmet und kann daher übergangen werden.
Über die Frage, worauf die Wirkung des elektrischen Funkens bei diesem
Vorgang beruhe, hat Cavenüish keine Untersuchungen oder Betrachtungen
angestellt.
Später1 hat Cavendish, als Zweifel an dem Gelingen des Versuches
ausgesprochen wurden, den damaligen Sekretär der Royal Society, Herrn
Gi MMN, zur Wiederholung desselben veranlasst Das erste Experiment dauerte
vom 6. December 1777 bis zum 28. Januar 1778, und das entstandene
Produkt wurde in Gegenwart der Herren Jos. Banks, Blagden, Dollfuss,
Fordyck, IIeberden, J. Hunter, Macie und WAison untersucht und erwies
sich nach den angegebenen Erscheinungen als ein Gemenge der Nitrate und
Nitrite von Kalium und Quecksilber. Es war demnach mehr Salpetersäure
1 Philos. Trans. 78, 26. 1778,
VofgdchicbM der Elektrochemie. Die ehemischen Wirkungen der Reibungwlektricitat. i j
erzeugt worden, als zur Sättigung des Kalis nöthig war. Ein zweiter Ver-
such, der am 29. Februar bis zum 19. März dauerte, gab ähnliche Resultate.
4. Untersuchungen von van Marum. Einen wesentlichen Fort-
schritt machte die Kenntniss der Abhängigkeit chemischer Erscheinungen
von elektrischen durch den Umstand, dass auf Kosten der TEYLKn'schcn
Stiftung in Rotterdam eine Elektrisirmaschine von gewaltigen Dimensionen
gebaut wurde. Derartige Renommirstücke haben allerdings nicht selten die
von ihnen erwarteten Erfolge vermissen lassen; durch einen wissenschaftlichen
Glücksfall gerieth aber diese Maschine (Fig. 7) in die Hand eines ebenso
FBiTvyJH^fl I \ y 1 Uli ILzä
FiK- 7
Die gros&e TEVLtK'schc Elcktrisirmasuhinc. Nach V
eifrigen wie begabten Experimentators, van Marum, und es konnte nicht
fehlen, dass die von dem Apparat gelieferten relativ bedeutenden Elektricitäts-
mt-ngen auch entsprechende chemische Wirkungen zu Tage treten Hessen.
Die hergehörigen Beobachtungen, über welche van Marum in seiner ersten
Mittheilung1 berichtet, sind zunächst von ziemlich geringem Umfange und Inter-
esse. Er untersuchte eine Anzahl Gase auf ihr Verhalten in dem Funkenstrom
der Maschine und fand folgendes. Dephlogistisirte Luft (Sauerstoff erfuhr keine
Änderung. Salpetergas (Stickstoffoxyd) verminderte sein Volumen auf die
Hälfte und weniger, während das Quecksilber angegriffen wurde. Der Rück-
stand verhielt sich wie phlogistisirte Luft (Stickstoff). Brennbare Luft
mittelst Eisen (Wasserstoff) gab ausser einer auffalligen rothen Färbung des
Funkens keine besondere Erscheinung. Brennbare Luft aus Weingeist und
Schwefelsaure (Äthylen) vergrösserte ihr Volumen um das Dreifache; das
entstandene Gas verhielt sich wie brennbare Luft mittelst Eisen. Fixe
Luft {Kohlensäure) vergrösserte ihr Volumen um ein Geringes und verlor zum
Theil ihre Fähigkeit, vom Wasser verschluckt zu werden. Luft aus Schwefel-
saure, durch Erhitzen mit Holzkohle erhalten (also eine Gemenge von
Schwefeldioxyd und Kohlendioxyd), verminderte etwas ihr Volumen, gab
schwarze Flecken auf dem Quecksilber und wurde vom Wasser nicht mehr
1 Yahiadct vitg. <1. TEVLEk's II. Genootsch., 3, ii6ff. 1785.
|8 Erstes Kapitel.
verschluckt. Salzsäuregas Hess keine Einwirkung erkennen, ebensowenig Luft aus
dem Späth von Derbyshire (wahrscheinlich Siliciumfluorid). „Akalische Luft"
(Ammoniak) vergrößerte ihr Volumen von 27/8 Zoll auf 4lj4> verlor ihre Fähig-
keit, vom Wasser verschluckt zu werden und explodirte beim Anzünden.
Atmosphärische Luft bildete Spuren von Säure. Schlussfolgerungen zieht
van Marum aus diesen Versuchen zunächst nicht.
In der ersten Fortsetzung dieser Untersuchungen 1 werden zunächst sehr
ausfuhrliche Untersuchungen über das Schmelzen und Verbrennen von
Metallen durch den elektrischen Schlag mitgetheilt Es konnten beim Blei,
Zinn, Eisen,2 Kupfer, Silber und Gold solche Verbrennungen hervorgerufen
werden; auch hebt van Marum hervor, dass die Erscheinungen bei den
edlen Metallen Silber und Gold ganz denen bei den anderen entsprechen,
und somit auch bei diesen eine „Verkalkung" annehmen lassen.
Schon bei dieser Gelegenheit macht sich das später immer mehr zur
Geltung kommende Bestreben sichtbar, die mit Hülfe der Elektricität beob-
achteten Erscheinungen für die Beantwortung chemischer Fragen zu ver-
werthen. Um jene Zeit, in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts,
war soeben der Streit zwischen Stahl's Phlogistöntheorie und der Sauer-
stofftheorie von Lavoisier entbrannt. Van Marum, der wie alle Zeitgenossen
bis dahin die Phlogistöntheorie angenommen hatte, wurde bald durch seine
Versuche ein überzeugter Anhänger der neuen Anschauungen und richtete
seine Forschungen alsbald auf Punkte, an denen ihm eine Entscheidung
möglich schien. So glaubte er schon in der Thatsache, dass der elektrische
Schlag Metalle sowohl verkalken, wie Metallkalke „revivificiren" kann, einen
Beweis gegen die Phlogistöntheorie zu finden. Finden wir auch gegen-
wärtig seine bei dieser Gelegenheit entwickelten Überlegungen wenig über-
zeugend, so hat er doch eine Anzahl von Versuchen über das Verhalten
der Metalle in verschiedenen Gasen beim elektrischen Schlage beigebracht,
welche um so entscheidender sind. So fand er,3 dass in Stickstoff die
Metalle sich nicht verkalken, sondern nur schmelzen, während Blei in Sauer-
stoff ein vollständigeres Verkalken zu einem gelbgefärbten Stoff erkennen
Hess, als in der Luft, wo das Produkt grau war. Beim Eisen und Zinn liess
sich kein Unterschied entdecken. Auch in „Salpetergas" oder Stickoxyd
wurden die Metalle verkalkt; die Thatsache erschien van Marum anfangs
sehr schwer verständlich, wurde aber von ihm richtig aus dem Sauerstoff-
gchalt dieses Gases gedeutet.
Auch Versuche, die Verkalkung der Metalle in Wasser zu bewirken,
hat van Marum angestellt. Es gelang ihm in der That, die Bildung von
Wasserstoff bei der Anwendung eines Zinndrahtes nachzuweisen, doch war
die Gasmenge, welche er erhielt, sehr gering, und er verschob weitere Ver-
1 Verhandel. uitg. d. Teyler's II. Genootsch. 4, 1787.
1 Die Abbildung auf S. 10 stellt nach van Marum die Erscheinung dar, welche ein über
einem Papierblatte zerstäubender Eisendraht hinterlässt.
8 A. a. O. S. 127.
Vorgeschichte der Elektrbchemie. Die chemischen Wirkungen der Reibungselektricität. \g
suche, da die Ladung seiner Batterie durch das feuchte Wetter des Herbstes
1786 sehr erschwert war, auf günstigere Zeiten.
Versuche über das Verhalten verschiedener Gase gegen den Funken1
ergaben im Wesentlichen Ähnliches, wie die früher mitgetheilten. Sauer-
stoff verband sich reichlich mit dem absperrenden Quecksilber, auch wenn
der Funke nicht unmittelbar auf dieses, sondern auf ein hervorragendes
Stück Eisen schlug. Auch diese Beobachtung verwerthet van Marum als
Beweis für die Sauerstofftheorie. Stickstoff schien keine materielle Änderung
zu erfahren, zeigte aber eine merkliche Vergrösserung des Volumens, die nach
einigen Tagen an dem sich selbst überlassenen Gase wieder verschwand.1
Von Salpetergas (Stickoxyd), welches über Kalilauge elektrisirt wurde, ver-
schwanden drei Viertel dem Volumen nach, und die Lauge erhielt die Fähig-
keit, Papier nach dem Tränken und Trocknen verglimmbar zu machen.
Indessen überzeugte sich van Marum, dass auch ohne die Anwendung
der Elektricität das Salpetergas von Lauge verschluckt wurde, wenn
auch unvergleichlich viel langsamer. Wasserstoff erfuhr keine Veränderung,
Ammoniak die bekannte Zersetzung. Endlich wurde auch der Versuch
von Cavendish über die Bildung der Salpetersäure aus Luft und Sauerstoff
wiederholt, in der Hauptsache zwar mit Erfolg, im Einzelnen indessen. mit
gewissen Abweichungen.
In der zweiten Fortsetzung8 seiner Beobachtungen beschäftigt sich
van Marum mit der Frage, „ob die Elektricität Wärme enthält", und beant-
wortet sie bejahend auf Grund einiger Versuche, welche sich auf die Bil-
dung von Gasen aus Flüssigkeiten unter dem Einflüsse elektrischer Funken
beziehen. Schon Priestlev4 hatte angegeben, dass Äther und Öl unter
dem Einflüsse elektrischer Entladungen gasförmige Stoffe ausgeben, doch
konnte van Marum bei einer Wiederholung dieser Versuche zuerst keine
deudichen Resultate erhalten. Erst als er die Flüssigkeiten in den leeren
Raum eines Barometers brachte, dessen Röhre von einem Platindraht durch-
setzt war, gelang ihm die Bildung von Gasen. Er erhielt aus Alkohol und
Kampher fast reinen Wasserstoff, aus wässerigem Ammoniak ein Gemenge
von Wasserstoff und Stickstoff, ebenso aus Ammoniumcarbonatlösung. Auch
mit Wasser stellte er Versuche an. Er erhielt ein Gas, welches, wenn es
einige Zeit sich selbst überlassen wurde, sein Volumen verminderte. Der
Rückstand verhielt sich wie Wasserstoff; er explodirte für sich nicht durch
den Funken, wohl aber nach Zusatz von Luft.
Van Marum ist sich klar darüber, dass er eigentlich nach der Theorie
1 a. a. CX S. 196.
* In neuester Zeit wurden ähnliche Beobachtungen von J. J. Thomson mitgetheilt, doch
sind sie von Threllfall als von Verunreinigungen herrührend erklärt worden.
s Veriiandel. uitg. d. Teyler's II. Genootsch. 9, 1795: Exp6riences, qui fönt voir, qu'il
>' a de la calorique dans le fluide electrique.
4 Eip. and observ. 1, 195, Birmingham I7W>, S. 84.
2o Erstes Kapitel.
von Lavoisier ein Gemenge von Wasserstoff und Sauerstoff hätte erhalten
müssen. „Die Bildung des Wasserstoffgases aus Wasser, ohne jede Bildung
von Sauerstoffgas, kann im ersten Augenblicke etwas schwer erklärbar er-
scheinen, da der Wasserstoff nicht ohne Abtrennung des anderen Bestand-
theils des Wassers, des Sauerstoffs, aus dem Wasser gebildet werden kann.
Woher kommt es denn (könnte man fragen), dass dieser vom Wasserstoff
getrennte Sauerstoff sich nicht ebenso wie jener mit der Wärme der elek-
trischen Flüssigkeit vereinigt, und man ihn nicht gleichfalls als Gas, gemengt
mit dem Wasserstoffgas, vorfindet? Vielleicht ist aber diese Verbindung
des Sauerstoffs schwieriger, als die des Wasserstoffs. Auch haben wir früher
gesehen, dass die elektrische Flüssigkeit den Sauerstoff zersetzt, und der
Sauerstoff sich mit dem Quecksilber verbindet und es oxydirt, wenn man
den Versuch über Quecksilber macht, oder dass der Sauerstoff vom Wasser
absorbirt wird, wenn man ihn über Wasser anstellt. Es ist daher wahr-
scheinlich, dass das eine oder das andere auch bei diesem Versuch statt-
findet, wenn auch die Oxydation des Quecksilbers hier nicht so erheblich
ist, als dass sie bemerkt werden könnte."
Wie wir bald sehen werden, ist dieser Versuch bald darauf mit befrie-
digendem Ergebnisse von einem früheren Mitarbeiter van Marum's, Paets
van Troostwijk in Gemeinschaft mit Deimann, ausgeführt und zu Gunsten
der Theorie von Lavoisier verwerthet worden.
Auf die Aufforderung Anderer hin hat van Marum die Wirkung der
elektrischen Entladung auf verschiedene Flüssigkeiten untersucht. Concentrirte
Schwefelsäure gab keinerlei besondere Wirkung. Salpetersäure entwickelte ein
Gas, welches bald wieder absorbirt wurde, ebenso Salzsäure und Chlorwasser.
Potaschelösung erfuhr keinerlei Veränderung, ebensowenig Lackmustinctur,
geschmolzener Salpeter, Chlorsilber, sowie Lösungen der Salze von Silber,
Kupfer, Eisen, Blei, Quecksilber, Gold und Zinn. Das Kapitel schliesst mit
den charakteristischen Worten: „Die Ergebnisse der eben beschriebenen
Versuche haben mich nicht angeregt, sie weiter zu treiben. Ich erwähne
sie nur, um die Wünsche derjenigen zu erfüllen, welche zu wissen wünsch-
ten, ob diese Versuche, mit Hülfe der grossen Kraft unserer Maschine aus-
geführt, irgend welche lehrreiche Erscheinung hervorrufen würden." Wenige
Jahre später zeigte Ritter die Zersetzung von Silbersalzen mit Hülfe einer
gewöhnlichen kleinen Elektrisiermaschine.
Eine interessante Wirkung der Elektricität beobachtete van Marum,1
wie schon früher Beccaria in der „Revivification der Metallkalke." Mennige
Hess schon nach wenigen Schlägen Bleikügelchen erkennen, ebenso Blei-
weiss. Zinn- und Eisenoxyd erfuhren keine Veränderung, Quecksilberoxyd
wurde reducirt. Eine weitere Fortsetzung der Versuche ergab wenig gün-
stige Resultate, da, nachdem etwas Metall sich gebildet hatte, es die Elektri-
cität fast allein leitete und das übrige Oxyd gegen ihre Wirkung schützte,
1 A. a. O. S. 176.
Vorgeschichte der Elektrochemie. Die chemischen Wirkungen der Refbungsclektricität. 21
so dass die Zersetzung in kürzester Frist aufhörte. Deshalb wurden auch
diese Versuche aufgegeben.
Endlich wurden die Verkalkungsversuche wiederholt und ausgedehnt,
ohne indessen viel Neues zu ergeben. Ein Platindraht zeigte ganz dieselben
Zerstäubungserscheinungen wie die Drähte von Eisen und Silber, und van
Marum spricht seine Überzeugung aus, dass sich unter diesen Umständen
das Platin ebenso oxydire, wie jene Metalle.
Die vorstehend dargestellten Arbeiten van Marum's hatten, wie ersicht-
lich, einen wesentlich orientirenden Charakter; sie bahnten vielerlei an,
brachten aber keine Ergebnisse allgemeinerer Natur, so werthvoll einige von
ihnen sich auch zur Klärung der schwebenden Probleme erwiesen. Insbe-
sondere tritt die polare Beschaffenheit der elektrochemischen Wirkung,
welche in der Trennung der Bestandtheile und ihrer Absonderung an ver-
schiedenen Stellen sich zeigt, noch gar nicht in den Vordergrund.
5. Die Zerlegung des Wassers durch den Funkenstrom. Die
erste unzweideutige Zerlegung eines zusammengesetzten Stoffes durch die
Wirkung der Electricität haben Paets van Troostwijk und Deimann im Jahre
1789 beobachtet. In einem Briefe an de la Metherie, welchen dieser in
der von ihm herausgegebenen Zeitschrift l veröffentlichte, theilten sie die merk-
würdige Thatsache mit, dass Wasser auf diese Weise in brennbare Luft
und Lebensluft geschieden werden kann. Es ist charakteristisch für die
Geschichte unseres Gebietes, dass bereits in diesem ihrem ersten Kapitel
die beobachtete Erscheinung als bedeutungsvoll für die Lösung schwebender
chemischer Fragen erkannt wird. Ich lasse die wichtigsten Theile des
Briefes hier folgen:
„Wir bitten Sie in Ihrer Zeitschrift die Überlegungen und Versuche zu
veröffentlichen, welche wir die Ehre haben Ihnen zu senden, und welche
sich auf eine der berühmtesten und wichtigsten Fragen der Physik und
Chemie beziehen.
„So überzeugend die Versuche sind, aus denen Hr. Lavoisier und die
-Mehrzahl der französischen Chemiker die Theorie des Wassers abgeleitet
haben, so muss man doch gestehen, dass ihnen noch einiges fehlt, um ganz
entscheidend zu sein.
„Die Vertreter der beiden entgegenstehenden Theorien sind gegen-
wartig in Bezug auf folgende Punkte einig. Erstens dass man, wenn man
brennbare Luft (Wasserstoffgas) mit Lebensluft (Sauerstoff) verbrennt, nicht
nur Wasser, sondern auch Säure erhält; zweitens, dass diese Säure nicht aus
einer Säure stammt, welche zufällig in den angewandten Luftarten vorhanden
war, sondern dass sie sich thatsächlich während der Verbrennung bildet.
So ist es nicht mit dem Wasser, welches man als vorher in den Gasen
vorhanden annehmen kann, namentlich wenn man findet, dass man mit
1 Observation? sur la physique etc. 35, 369—378, 1789. — Auszug in Grf.n's Journal
te Physik 2, i$o, 1 79°'
22 * Erstes Kapitel.
vorher getrockneten Gasen eine kleinere Wassermenge erhält. Jedenfalls
scheint es, dass die Gegner der neuen Theorie das Wasser mit demselben
Recht als einen zufälligen Stoff ansehen können, wie ihre Vertheidiger es
mit der entstehenden Säure thun.
„Die Zersetzung des Wassers, welche diese Frage entscheiden würde,
wenn sie vollkommen bewiesen wäre, ist nicht geringeren Schwierigkeiten
ausgesetzt. Man hat bisher das Wasser nur mittelst Eisen zersetzen können,
aus welchem man durch Wärme allein das Gas erhalten kann, welches man
als eines der Elemente des Wassers ansieht. Man könnte daher vermuthen,
dass das Wasser bei diesem Versuch nur dazu dient, um das Gas leichter
und in grösserer Menge zu entwickeln, als das Metall dies für sich thut.
Ausserdem ist diese Theorie der Zersetzung des Wassers gänzlich auf der
noch nicht allgemein angenommenen Voraussetzung begründet, dass die Ver-
kalkung der Metalle einzig ihrer Verbindung mit der Grundlage der Lebens-
luft (Sauerstoff) zuzuschreiben ist. Auch die Thatsache selbst, die Verkalkung
des Metalls bei diesem Versuch, scheint nicht völlig sicher gestellt zu sein.
Mehrere Naturfoscher sind darüber im Zweifel.
„Obwohl wir anerkennen, dass die neue Theorie der französisschen
Chemiker über die Natur des Wassers bisher nicht mit Strenge bewiesen ist,
so sind wir doch weit entfernt, das alte System vertheidigen zu wollen. Wir
glauben im Gegentheil viel zur Bestätigung der neuen Theorie beitragen zu
können, da es uns gelungen ist, ein Mittel zu entdecken, um Wasser gleich-
zeitig in brennbare Luft (Wasserstoffgas) und Lebensluft (Sauerstoffgas) zu
verwandeln, und es daher in einer Weise zu zerlegen, welche uns nicht zu
gestatten scheint, diese Produkte einem anderen Stoffe zuzuschreiben.
„Indem wir uns gemeinsam mit Hrn. Cuthbertson, welcher uns im
Verlauf dieser Versuche erhebliche Hilfe geleistet hat, und mit dem wir
gerne die Ehre dieser Entdeckung theilen, damit beschäftigten, die Wirkung
des elektrischen Schlages auf verschiedene Stoffe zu untersuchen, kamen
wir auf den Gedanken, diese Wirkungen auch in Bezug auf das Wasser zu
prüfen. Zu diesem Ende füllten wir mit destillirtem Wasser eine Röhre
von 1/8 Zoll (englisch) Durchmesser und 12 Zoll Länge. Ein Ende dieser
Röhre war hermetisch geschlossen, doch war beim Zuschmelzen ein Gold-
draht eingeschlossen, welcher 172 Zoll lang in die Röhre hineinragte. In
der Entfernung von 6/8 Zoll vom Ende dieses Drahtes befand sich in der
Röhre ein anderer Draht, welcher zum offenen Ende heraustrat, und welcher,
ebenso wie dieses Ende, sich in einem kleinen, mit destillirtem Wasser ge-
füllten Glasgefäss befand. Um den elektrischen Schlag von einem Draht
zu anderen und demgemäss durch das zwischen beiden in der Röhre be-
findliche Wasser gehen zu lassen, stellten wir die Röhre mit ihrem geschlos-
senen Ende gegen eine isolirte Kugel von Kupfer in einiger Entfernung vom
ersten Conductor unserer Maschine auf, indem wir das Ende des Drahtes,
welches sich in dem mit Wasser gefüllten Gefäss befand, mittelst eines
anderen Leiters mit der äusseren Belegung c iner Leidener Flasche verbanden,
Vorgeschichte der Elektrochemie. Die chemischen Wirkungen der Reibungselcktricität. 23
deren Knopf mit dem ersten Conductor in Verbindung gesetzt war, und
welche eine Belegung von einem Quadratfuss besass.
„Als wir in dieser Weise die Wirkungen des elektrischen Schlages auf
Wasser untersuchten und die kupferne Kugel nur in geringe Entfernung
von dem ersten Conductor gesetzt hatten, bemerkten wir anfänglich gar
keine Entwickelung von Gas. Dadurch, dass wir diese Entfernung und
damit die Stärke des Schlages vermehrten, so dass bei jedem Schlage an
den Enden der Drähte ein Funke erschien, bildeten sich in Wasser bei
jedem Schlage eine Menge sehr feiner Luftblasen, welche wie ein bestän-
diger Strom zwischen beiden Enden erschienen. Diese Bildung von Gas
wurde beträchtlicher und gleichzeitig wurden die Bläschen viel grösser, als
wir die Entfernung zwischen der Kupferkugel und dem Conductor noch
vermehrten, so dass man manchmal einen kleinen Strahl vom Ende des
oberen Drahtes in das Wasser schiessen sah. Die auf diese Weise erhaltene
Luft begab sich an das obere Ende der Röhre, sammelte sich daselbst und
bildete dort eine Luftsäule, welche sich in dem Maasse vermehrte, als wir
fortfuhren, die Schläge durch das Wasser zu senden, bis zu dem Punkte,
dass sie das Ende des oberen Drahtes erreicht hatte, wo plötzlich der elek-
trische Funke, welcher durch das Gas zu gehen hatte, um vom Ende
des Drahtes zum Wasser zu gelangen, es genau wie brennbare Luft (Wasser-
stoffgas) entzündete und bis auf einen sehr geringen Rest verschwinden Hess.
Nachdem wir diesen Rest hatten austreten lassen, leiteten wir von Neuem
f die Schläge durch das Wasser: es fand eine neue Entwickelung von Gas statt,
welches nach Erreichung des Endes des oberen Drahtes sich ganz wie früher
entzündete und bis auf eine geringe Menge verschwand. Wir wiederholten
diesen Versuch mehrmals hinter einander und beobachteten jedesmal die-
selben Erscheinungen, mit dem einzigen Unterschiede, dass der Gasrückstand
nach jeder Entzündung geringer zu werden schien."
Der weitere Inhalt der Mittheilung bezieht sich auf die Frage, ob das
entstandene Wasserstoffgas allein aus dem Wasser stamme, oder ob die
„elektrische Materie" in seiner Zusammensetzung enthalten sei. Die Ver-
fasser entschieden sich auf Grund entsprechender Versuche mit Salpeter-
saure und Schwefelsäure, bei denen sie nur eine Entwickelung von Sauer-
stoff beobachteten, im ersteren Sinne: ... „Vergleicht man diese Versuche,
so erscheint es uns bewiesen, dass der elektrische Schlag keine andere Wir-
kung auf das Wasser hat, als die Grundlage der brennbaren Luft (Wasser-
stoflgas) zu veranlassen, Gasform anzunehmen, ebenso wie er in den Säuren
die Ursache ist, dass die Lebensluft (Sauerstoff) diesen Zustand annimmt."
„Es blieb noch nachzuweisen übrig, ob die Lebensluft (Sauerstoff),
deren Existenz sich durch die Explosion der brennbaren Luft zeigte, dem
Wasser zuzuschreiben war, oder einem Reste atmosphärischer Luft, welche
im Wasser aufgelöst sein, oder an den Röhren der Wände haften konnte."
Um diesen Zweck zu erreichen, machten die Verfasser das Wasser
unter der CurHBERTSON'schen Luftpumpe möglichst luftfrei und versuchten
1.
24 Erstes Kapitel.
auch die Zersetzung über Quecksilber vorzunehmen. Letzteres war nicht
durchführbar, da alsdann die Röhren stets durch den Schlag zerbrachen;
es wurde deshalb ein mehrfach gekrümmtes Rohr angewendet, um den
Zutritt aufgelöster Luft aus dem Glasgefässe zu dem Antheil, welcher
der Zersetzung unterlag, möglichst zu beschränken. Es wurde nun der
Versuch in der früher beschriebenen Weise vielmals hintereinander aus-
geführt, der Rückstand an unverbrennlichem Gase wurde jedesmal ge-
ringer, bis er sich auf eine Blase von 1/80 Zoll beschränkte. Die Ver-
fasser glauben sich demnach im Recht, auch den Sauerstoffgehalt des
Gasgemenges gleicherweise dem Wasser zuzuschreiben, und sehen demnach
die Lehre, dass das Wasser aus Sauerstoff und Wasserstoff bestehe, als
sowohl durch Analyse (erste Phase des Versuches) wie durch Synthese
(Verschwinden des Gasgemenges bei der Explosion ohne merklichen Rück-
stand) bewiesen an.
Während so das vorliegende chemische Problem befriedigend gelöst
wird, bleibt die Frage, auf welche Weise die Elektricität die Zerlegung des
Wassers bewirke, noch sehr dunkel. Die Verfasser erinnern an den Versuch
von Cavendish, nach welchem sich aus atmosphärischer Luft durch den Funken
Salpetersäure bildet, und meinen, ihn durch das starke Licht des Fun-
kens erklären zu können. Denn im Licht giebt Salpetersäure, wie Ber-
thollet gefunden hat, und Schwefelsäure, wie sie selbst durch Anwendung
des Brennglases fanden, Sauerstoff ab; es scheint ihnen nicht unwahrschein-
lich, dass das Licht, ebenso wie es in einem Falle Zersetzung bewirkt, auch
im anderen Falle Verbindung bewirken könne.
Über die Ursache, durch welche unter diesen Umständen das Wasser
zersetzt wird, konnten auch die anderen Physiker jener Zeit zu keiner be-
friedigenden Anschauung gelangen. Meist wurde die Elektricität als eine
Art Materie angesehen, und die aus dem Wasser enthaltenen Produkte als
Verbindungen der Elektricität entweder mit dem Wasser, oder mit dessen
Bestandtheilen. Erstere Meinung vertrat Lichtenberg1 in einem geistvollen
Aufsatz, nachdem er die Annahme, der Funke könne die Zersetzung
durch mechanische Erschütterung bewirkt haben, als gegen alle Analogie
verstossend, abgelehnt hatte. Er nahm an, die Elektricität sei ein zu-
sammengesetztes Wesen, welches unter dem Einflüsse des Wasserdampfes
zerfalle und damit einerseits Wasserstoff, andererseits Sauerstoff bilde.
Pearson3 sagt: eine „fast vollständige Induktion berechtigt uns zuschliessen,
dass Feuer, wenn es nur in hinreichender Stärke und Dichte zugeführt
wird, alle zusammengesetzte Stoffe in ihre Bestandtheile zu trennen ver-
mag." Indem er nun annimmt, die Elektricität sei ein sehr verdichtetes
Feuer, hat er keine Schwierigkeit, die Zersetzung des Wassers zu
erklären.
1 Giuiert's Ann. 2, 142, 1799.
* Gilbert's Ann. 2, 167, 1799; Nicholson's Journ. 1797.
Vorgeschichte der Elektrochemie. Die chemischen Wirkungen der Reibungselekricität 25
Der Versuch der Wasserzerlegung ist in der Folge von G. PEARson1
wederholt worden, welcher die Anordnung genau beschrieb, die zum Ge-
lingen erforderlich ist. Die Zahl der Entladungen muss sehr bedeutend sein,
wenn eine einigermaassen beträchtliche Gasmenge erzeugt werden sollte; um
in einer x/9 Zoll weiten Röhre eine Blase von 1/3 Zoll Länge zu erhalten,
waren 1200 bis 1600 Entladungen der KLEistfschen Flaschen erforderlich.
Mit 14600 Schlägen hatte er 7s Kubikzoll Gas erzeugt.
6. Andere Elektrolysen. Auch bei den zuletzt beschriebenen Ver-
suchen , welche bereits an eigentliche elektrolytische Erscheinungen erinnern,
wurden die Gase nicht gesondert, sondern gemischt erhalten. Die Ursache
davon liegt, wie wir jetzt wissen, in dem oscillatorischen Verlauf, welchen
die elektrischen Ladungen unter den eingehaltenen Umständen aufweisen.
Als später nach den alsbald zu besprechenden Entdeckungen Galvani's und
Volta's die einseitige Wirkung des elektrischen Stromes bekannt wurde, stellte
Ritter3 zur Entscheidung der Frage, ob bei der gewöhnlichen Reibungs-
elektricität ebenso ein polarer Gegensatz in der Ausscheidung der Stoffe an
den Poldrahten sich geltend mache, eine Anzahl von Versuchen an, welche
bejahend ausfielen. Namentlich Hess sich bei der Anwendung von Silber-
lösung zwischen Silberdrähten beobachten, dass der negative Draht bald
anlief und nach 50 bis 60 Entladungen einer eingeschalteten Leidener Flasche
einen deutlichen Absatz von reducirtem Silber zeigte. Beim Umkehren der
Pole verschwand dieses, und trat an dem anderen Draht wieder auf.
Kurze Zeit vorher hatte van Marum3 keinerlei Wirkung bei Lackmus-
tinctur/ Chlorsilber, den salpetersauren Lösungen von Silber, Kupfer, Eisen,
Blei und Quecksilber, sowie bei den Lösungen von Gold und Zinn in Königs-
wasser beobachten können.
7. Elektricitätserregung durch chemische Vorgänge. Die bis-
her behandelten Forschungen bezogen sich auf die Hervorrufung chemischer
Vorgänge durch elektrische; die umgekehrte Frage, ob durch chemische
Vorgänge elektrische Erscheinungen hervorgerufen werden können, hat sich
Alessandro Volta gestellt, und zwar auf einem ganz anderen Gebiete, als
das ist, mit dem er später seinen Namen so eng verknüpft hat.
Den Ausgang von Volta's Arbeiten nach dieser Richtung bildeten seine
Studien über die Luftelektricität, mit der er sich sehr eingehend beschäftigt
hatte. Da er beim Regen und im Nebel starke Zeichen von elektrischer
Ladung beobachtete, so kam er auf die Vermuthung, dass durch die Ver-
dampfung des Wassers, und die Wiederverdichtung des Dampfes Elektricität
entstehe. Die unempfindlichen Elektrometer, mit denen er arbeiten musste,
gaben davon nichts zu erkennen; als er 1782 seinen Condensator erfunden
hatte, wiederholte er die Versuche mit etwas besserem Erfolg; gleichzeitig
•
1 Philosoph. Trans. i?97» *42 und Gilhert's Ann. 2, 154, 1799.
* Gilbert 9, 1, 1801.
3 Gilbert I, 266, 1799.
26 Erstes Kapitel. Vorgeschichte d. Elektrochemie. Die chera. Wirkungen d. Reibungselektrirität.
stellte er1 gemeinsam mit Lavolsier und de Laplace die Versuche an, über
welche er folgendermaassen berichtet:
„Diese Beobachtung wurde am 13. April 1782 (in Paris) auf folgende
Weise ausgeführt. In einem offenen Garten war eine grosse Metallplatte
isolirt, welche durch ein^ri langen Eisendraht mit dem Metalldeckel des
Condensators verbunden war, der auf einem Stück Marmor lag, welches be-
ständig durch untergelegte Kohlen warm gehalten war. Alsdann wurden
einige Wärmebecken mit brennender Holzkohle auf die grosse isolirte Platte
gesetzt. Die Verbrennung der Kohle wurde durch einen leichten Wind
unterstützt. Einige Minuten später wurde der Eisendraht, durch den die
Metallplatte mit dem Deckel des Isolators verbunden war, entfernt; als dann
der Deckel von der Marmorplatte mittelst seines isolirenden Handgriffes ent-
fernt, und mit Herrn Cavallo's Elektrometer in Berührung gebraucht wurde,
divergirten dessen Kugeln mit negativer Elektricität. Der Versuch wurde
wiederholt, indem auf die grosse isolirte Platte an Stelle der Kohlenbecken
vier Schalen gestellt wurden, welche Eisenfeile und Wasser enthielten; als-
dann wurde genügend Vitriolsäure in diese vier Gefasse gegossen, um ein
lebhaftes Aufbrausen zu bewirken, und als das stärkste Aufsieden stattfand,
wurde der Deckel des Condensators vom Marmor entfernt; als er geprüft
wurde, elektrisirte er nicht nur das Elektromenter mit negativer Elektricität,
sondern gab einen merklichen Funken. Als zur selben Zeit versucht wurde,
Elektricität durch das Verdampfen von Wasser zu erhalten, waren die Er-
gebnisse zweideutig und kaum merklich; dasselbe geschah einige Tage später,
während wir dagegen klare Zeichen von Elektricität aus den Effervescenzen
erhielten, bei denen sich fixe Luft (Kohlendioxyd) und Salpeterluft (Stick-
stoffoxyd) entwickeln. Diese Versuche wurden in einem grossen Zimmer
gemacht."
Zur Deutung dieser Versuche entwickelt Volta eine Anschauung, dass,
ebenso wie Wärme bei der Verdampfung latent werde, dies auch mit der
Elektricität geschehen könne.
1 Philosoph. Trans. 1782, 274 und XXIX.
Zweites Kapitel.
Galvani.
1 i. Galvani's Entdeckung. Im Jahre 1791 wurde die wissenschaftliche
1 Welt durch ein dünnes Heft in Quart, von 58 Seiten Umfang und mit vier
| grossen Kupfertafeln geziert, überrascht, welches unter dem Titel: „Aloysii
' Galvani de Viribus Electricitatis in- Motu Musculari Commentarius, Bononiae
1791", als ein Theil der Commentarü der Akademie in Bologna erschien,1
und nach dem Urtheil der Zeitgenossen eine der schönsten und über-
raschendsten Entdeckungen enthielt. Galvani berichtet über seine Entdeckung
folgend ermaassen :
„Die Sache fing so an. Ich secirte einen Frosch und präparirte ihn,
wie in Fig. 9, ß, und legte ihn mich alles andern versehend auf einen Tisch,
auf dem eine Elektrisirmascliine stand , von deren Conductor weit getrennt
und durch einen nicht gerade kurzen Zwischenraum geschieden. Wie nun
der eine von den Leuten, die mir zur Hand gingen, mit der Spitze des
1 De Bononiensi Scicntianim c
M*3-<J5. '79<-
28
Zweites Kapitel.
Skalpellmessers die inneren Schenkel nerven DD des Frosches zufällig ganz
leicht berührte, schienen sich alle Muskeln an den Gelenken wiederholt derart
zusammenzuziehen, als wären sie anscheinend von heftigen tonischen Krämpfen
befallen. Der andere aber, welcher uns bei Elektricitätsversuchen behilflich
war, glaubte bemerkt zu haben, dass sich das ereignet hätte, während dem
Conductor der Maschine ein Funken entlockt wurde, Fig. 9, 1 B. Verwundert
über diese neue Erscheinung machte er mich, der ich etwas gänzlich anderes
vorhatte und in Gedanken versunken war, darauf aufmerksam. Daraufhin
wurde ich von einem unglaublichen Eifer und Hegehren entflammt, dasselbe
zu erproben und das, was darunter verborgen wäre, ans Licht zu ziehen.
Ich berührte daher selbst mit der Messerspitze den einen oder den andern
Schenkelnerv und in dem Momente rief einer von den Anwesenden einen
Funken hervor. Die Erscheinung trat ganz auf dieselbe Weise ein. Un-
zweifelhaft heftige Contractionen traten in den einzelnen Muskeln der Gelenke
in demselben Momente, in dem der Funken übersprang, ein, wie wenn das
präparirte Thicr vom Tetanus befallen wäre."
Galvami schildert nun weiter die verschiedenen Stufen, welche seine
Bemühungen um Aufklärung der Erscheinungen durchliefen. Zunächst fand
sich, dass die Wirkungen mit demselben Skalpell bald auftraten, bald aus-
blieben; die Ursache ergab sich darin, dass das Instrument einen beinernen
Griff hatte. Solange es an letzterem gehalten wurde, fehlte die Wirkung;
sowie aber das Metall, seien es nur die Stifte, mittelst deren der beinerne
Galvani. 2Q
Stiel befestigt war, mit den Fingern berührt wurde, trat sie ein. Wurde
statt des Skalpells ein Glasstab genommen, so fehlte alle Wirkung; ein Eisen-
stab dagegen liess die Zuckungen regelmässig beim Ziehen des Funkens
aus dem Conductor erscheinen. Dies liess die elektrische Natur der Er-
scheinung sehr wahrscheinlich werden.
Bestätigt wurde dieser Schluss dadurch, dass sich die Wirkung durch
lange metallische Leiter, die isolirt aufgehängt waren, fortleiten liess; über
hundert Ellen Draht Hessen noch Zuckungen hervorrufen; Fig. 9, 3 zeigt
in F den Draht und in A den präparirten Frosch, welcher der Bequem-
lichkeit wegen in ein Glasgefäss gesetzt war, dessen Boden mit einem
leitenden Stoffe, Wasser oder feinem Schrot bedeckt wurde. War die Lei-
tung nicht isolirt, so Hessen sich zwar einige, aber nur geringe Zuckungen
beobachten.
Eine Anzahl weiterer Beobachtungen über Leiter und Isolatoren, welche
in die Leitung eingeschaltet wurden, bestätigte die Auffassung von der elek-
trischen Ursache dieser Erscheinungen. Besonders deutlich wurden sie,
wenn die Füsse des Froschpräparates leitend mit dem Boden verbunden
waren. Ebenso wie die positive Elektricität wirkte die negative, statt der
Elektrisirmaschine liess sich der Elektrophor verwenden; auch blieben die
lirscbetnungen nicht aus, wenn das Froschpräparat völlig isolirt in einen
aus zwei Flaschen zusammengesetzten Glasapparat (Fig. 9, 6; geschlossen
wurde (welcher oben und unten Schrot enthielt, der mit dem Nerv, resp.
den Beinen in Berührung war) und in dessen Nähe ein elektrischer Funke
aus der Maschine gezogen wurde.
Endlich wurde festgestellt, dass die Erscheinungen auch an lebenden
Thieren auftraten, und auch nicht auf die kaltblütigen beschrankt waren;
auch Warmblüter, wie Hühner und Schafe, gaben die gleichen Zuckungen.
2. Die thierische Elektricität. Eine wichtige neue Beobachtung
«-T^ab sich, als Galvani die Frage prüfte, ob auch die atmosphärische Elek-
tricität wirksam sei. Seine Versuchsanordnung ist in Fig. ro, S. 30 dargestellt,
und die Versuche gelangen vollkommen. Sowie Blitze sich entluden, oder
Gewitterwolken nahe an dem Leiter AB vorüberzogen, zuckten die präpa-
rirten Thiere. Aber auch wenn keinerlei Gewittererscheinungen am Himmel
sichtbar waren, traten zuweilen Zuckungen auf, und hieran schliessen sich
die wichtigsten Versuche Galvani's, welche er in seinem dritten Theil über
die Wirkungen der thierischen Elektricität auf die Muskelbewegung mit
folgenden Worten beschreibt:
„Die Kräfte der atmosphärischen Eektricität bei Gewittern hatten wir
untersucht, die Begierde, was jene bei stillem und heiterem Himmel ver-
mögen, ward nun in uns rege.
*
„Aus dieser Ursache, da ich manchmal aui dem eisernen Geländer des
Gärtchens, welches unser Haus umgab, die Frösche, welche zu den Ver-
suchen zubereitet, mit eisernen Häkchen durch das Rückenmark gestochen
waren, in die gewöhnlichen Zusammenziehungen auf diesen Geländern ge-
JO Zweites Kapitel.
raten sah, und zwar nicht nur wenn es blitzte, sondern auch bei heiterem
und ruhigem Wetter, so glaubte ich, die Ursache dieser Zusammenziehungen
liege in den Veränderungen, die über Tags in der atmosphärischen Elek-
tricität vorgingen. Ich unternahm also nicht ohne Hoffnung, den Wirkungen
dieser Veränderungen auf die Muskelbewegungen fteissig nachzuforschen und
auf alle möglichen Arten zu versuchen. Ich beobachtete deshalb diese zube-
reiteten Thiere zu verschiedenen Stunden und an mehreren Tagen nach einander,
aber ich bemerkte kaum einige Bewegung in ihren Muskeln. Des langen
Wartens müde, bog und drückte ich die metallenen Haken, womit ihr Rücken-
mark durchstochen war, an das eiserne Geländer, um zu sehen, ob durch
diesen Kunstgriff Muskelbewcgungen hervorgebracht würden, und ob nach
dem verschiedenen Stande der Atmosphäre und Elektricität irgend eine Ver-
änderung oder Verschiedenheit sich zeigen würde. Nicht selten bemerkte
ich zwar Zusammenziehungen, aber keine in Rücksicht auf den verschiedenen
Stand der Atmosphäre und der Elektricität.
„Da ich aber diese Zusammenziehungen nur in freier Luft gesehen hatte
(noch hatte ich nirgends anders Versuche angestellt), so fehlte wenig, dass
ich nicht solche Zusammenziehungen der atmosphärischen Elektricität zuge-
schrieben hatte, die in das Thier strömt, sich in demselben häuft, und sich
durch die Berührung des Hakens mit dem eisernen Geländer heftig entladet
Aber wie leicht betrügen wir uns in Versuchen; was wir zu sehen und zu
finden wünschen, das glauben wir nur zu oft gesehen und gefunden zu haben.
Galvani.
31
„Da ich einen Frosch in ein geschlossenes Zimmer gebracht, denselben
auf eine eiserne Scheibe gelegt, und den in das Rückenmark gesenkten
Haken dem Eisen genähert hatte, so erschienen die nämlichen Zusammen-
ziehungen. Ich versuchte nun also gleich das nämliche, mit anderen Metallen
an verschiedenen Orten zu verschiedenen Stunden, aber der Erfolg war
immer derselbe; ausser dass die Zusammenziehungen nach der Verschieden-
heit der Metalle auch verschieden waren, mit einigen nämlich heftiger, mit
anderen schwächer. Mir fiel es nun aber ein, auch andere wenig oder gar
nicht leitende Körper, als da sind Glas, Gummi, Harz, Stein, trockenes
Holz u. s. w., zu diesen Versuchen anzuwenden; es gelang uns aber nicht
und wir sahen keine Bewegungen und Zusammenziehungen in den Muskeln.
Über solch einen Erfolg verwunderten wir uns nicht wenig, und allmählich
vermuteten wir eine dem Thiere anklebende Elektricität. Diese Vermuthung
wurde noch vermehrt, da wir von ohngeiähr einen scheinbaren Umlauf des
dünnsten Nervensaftes zur Zeit der Erscheinung von den Nerven in die
Muskeln zu bemerken glaubten, welcher dem Umlaufe, der in der Leidener
Flasche geschieht, nahe kömmt.
JDenn als ich mit der einen Hand einen zubereiteten Frosch an den
durch das Rückenmark gestochenen Haken so hielt, dass die Füsse eine
alberne Schale berührten, mit der anderen aber den Oberteil oder die Seiten
der silbernen Büchse, worauf die Füsse des Frosches waren, mit einem me-
tallenen Körper berührte, so gerieth das Thier wider alle Hoffnung in heftige
Bewegungen, und das zwar so oft, als ich mich dieses Kunstgriffes bediente.
„Ich bat nun den Herrn Rialpi, einen sehr gelehrten Spanier, einen
ehemaligen Jesuiten, der sich eben damals mit mir auf dem Landhause des
Herrn Zambeccari aufhielt, dass er mir, wie er es bei anderen Versuchen
sehr gern gethan hatte, auch in diesen beistehen möchte. Ich berührte nun
die Schale, um die Art des Versuches abzuändern. Aber wider alles Er-
warten unterblieben die Zusammenziehungen; nun machte ich einen Versuch
wie zuvor ganz allein, und sogleich erschienen sie wieder.
„Dies bewog mich, dass ich mit einer Hand das Thier, mit der anderen
aber die Hand des Rialpi nahm, um gewissermaassen eine elektrische Kette
zu bilden, ihn zugleich bewog, mit seiner anderen Hand an die silberne
Schale zu schlagen, oder nur zu berühren, und nicht ohne Verwunderung
sahen wir die gewöhnlichen Zusammenziehungen, die aber sogleich wieder
verschwanden oder wiederkamen, sowie wir unsere Hände ausliessen oder
ergriffen.
„Um diese Versuche, die eine so wichtige und so grosse Neuheit in
sich enthalten, immer mehr und mehr zu bestätigen, verfolgte ich meinen
Gegenstand also, dass Rialpi und ich ohne Berührung der Hände, mittelst
eines elektrischen Körpers, einer Glasstange nämlich, und bald mittelst
eines leitenden, eines metallenen Cylinders, gleichsam eine Kette bildeten.
Nach gemachten Versuchen hatten wir mit Vergnügen wahrgenommen, dass
das Phänomen so oft erschien, als wir uns des eisernen Cylinders bedienten,
32
Zweites Kapitel.
gänzlich aber bei dem Gebrauche der Glasstange aufhorte, und dass man
alsdann die Schale umsonst mit dem Leiter berührt, oder selbst auch
stärkere Streiche daraufführen kann.
„Aus diesem glaubten wir nun erfahren zu haben, dass die Elektricität,
auf welche Art sie auch immer wirke, diese Zusammenziehungen hervor-
bringe.
„Um dies in ein noch grösseres Licht zu setzen, glaubte ich nichts
Besseres thun zu können, als den Frosch auf eine elektrische Scheibe von
(lalvani de viribus electricilaüs III.
Glas oder Harz zu legen, und mich bald eines leitenden, bald wieder eines
ganz oder nur zum Theil elektrischen Bogens zu bedienen und einen Schenkel
desselben und den Haken des Rückenmarkes, den anderen aber an die
Schenkelmuskeln oder an die Füsse zu bringen. Bei dem Versuche sahen
wir, dass die Zusammenziehungen bei dem Gebrauche des leitenden Bogens
(Fig. 11,9) sogleich erschienen, hingegen gänzlich unterblieben, als wir uns
des halbelektrischen und halbleitenden Bogens Fig. 1 1, 10 bedienten. Der
Bogen bestand aus Eisendraht, der Haken aber aus Kupfer.
„Nach dieser Entdeckung erschien es uns, dass die Zusammenziehungen,
die, wie wir gesagt haben, an Fröschen auf einer metallenen Scheibe er-
scheinen, wenn der ins Rückenmark gesenkte Haken mit der Scheibe in
Berührung kommt, einem ähnlichen Bogen zuzuschreiben sind, dessen
Stelle die metallene Scheibe gewissennaassen vertritt, und daher ge-
schieht es auch, dass sie in Fröschen auf bloss elektrischen Scheiben auch
Galvani. ^ ^
bei der Anwendung eben derselben Kunstgriffe nicht hervorgebracht
wrerden.
„Unsere Meinung würde durch eine von ohngefahr bemerkte ange-
nehme Erscheinung, wie ich glaube, gänzlich bestätigt: Wenn ein Frosch
an einem Schenkel mit den Fingern so gehalten wird, dass der Haken des
Rückenmarkes irgend eine silberne Scheibe berührt, der andere aber frei auf
die nämliche Scheibe fällt (Fig. 1 1, 1 1), so geschieht es, dass, sowie der
Schenkel die silberne Fläche berührt, sich auch die Muskeln zusammenziehen ;
daher steigt der Schenkel und wird in die Höhe gezogen, lässt aber sogleich
wieder nach und fällt wieder zurück, steigt aber aus eben derselben Ursache
sogleich, wie er die Scheibe berührt, wieder in die Höhe, und so fahrt er
wechselweise fort zu steigen und zu fallen, und gleicht zu nicht geringem
Staunen und Vergnügen des Forschers einem elektrischen Pendel.
„Bei dieser Erscheinung ist leicht zu sehen, wie füglich und bequem
sie mittelst einer Scheibe wiederholt werden kann, die, wenn der freie
Schenkel sie berührt, die Stelle eines für den oben erwähnten Umlauf schick-
lichen Bogens vertritt, sowie der Schenkel aber sich zurückzieht, diesen
Umlaufe nun stört. Von der Metallscheibe, welche die Stelle eines Bogens
vertritt, sind dies weder zweifelhafte noch dunkle Anzeigen.
„Worin die Fähigkeit und Kraft der metallenen Scheiben, Muskelbe-
wegungen hervorzubringen, besteht, lässt sich kaum sagen; jene Kraft näm-
lich, durch welche starke, häufige und manchmal einige Zeit anhaltende
Zusammenziehungen erhalten werden, nicht nur, wenn der im Rückenmark
steckende Haken entweder an die Metallscheibe gedrückt oder an derselben
gerieben wird, sondern auch, wenn der Haken die Scheibe nur berührt, oder
wenn, nachdem er sie berührt hat, die Berührungspunkte durch einen schwachen
Schlag auf die Scheibe selbst, vor den auf das 1 hier liegt, oder auf jene
Körper, die mit derselben in Verbindung stehen, verrückt werden.
„Ehe wir aber von dem Gebrauche des Bogens, und dessen Kniffen
reden, dürfen wir dasjenige, was sein Vermögen, ich möchte sagen seine
Notwendigkeit zur Hervorbringung dieser Muskelbewegungen am meisten
beweist, nicht übergehen. Man erhält nämlich dieselben nicht selten ge-
schwinder und schöner, nicht mit einem, sondern mit zwei Bogen, derer man
sich folgendermaassen bedient: man setzt das eine Ende des einen Bogens an
die Muskeln, das andere des zweiten Bogens an die Nerven, die beiden
übrigen Enden aber beider Bogen werden mit einander zur Berührung oder
wenn es noth wendig ist, zur Reibung gebracht (Fig. 1 1, 12). Hier bemerkt man
besonders, dass die Zusammenziehungen hervorbringende Elektricität weder
durch die Berührung der Hände mit beiden Bogen, noch durch die wieder-
holte Berührung der Bogen mit den Theilen der Thiere sich vermindert oder
zerstreut wird.
„Als etwas Besonderes und Bemerkungswürdiges ist anzuführen, was
w oft in Ansehung der Conductoren der Bogen, und leitenden Schei-
ben, vorzüglich bei schon ermatteten Kräften der also zubereiteten Thiere
n:tw*1d, Elektrochemie. 3
7 4 Zweites Kapitel.
zu bemerken Gelegenheit hatten, dass nämlich verschiedene und mannig-
faltige zusammen vereinigte metallische Substanzen sehr viel, sowohl bei
der Hervorbringung der Muskelbewegung, als bei der Vermehrung derselben,
vermögen, und zwar ungleich mehr, als eine eben dieselben metallischen
Substanzen für sich allein. So z. B., wenn der ganze Bogen, der Haken, und
die leitende Scheibe allein von Eisen sind, geschieht es äusserst oft, dass die
Bewegungen entweder gänzlich aufhören, oder äusserst schwach werden; —
wenn aber nur ein Stück derselben von Eisen, ein anderes aber von Kupfer,
oder Silber ist (Silber scheint uns vor allen anderen Metallen zur Leitung
der thierischen Elektricität am geschicktesten zu sein), so geschehen die Zu-
sammenziehungen alsogleich, stärker und von längerer Dauer. Das Näm-
liche geschieht auch, wenn die Oberfläche einer und derselben Scheibe an
zwei von einander getrennten Orten, mit Metallblättchen, z. B. an einem
Orte mit Stanniol und dem anderen aber mit Kupferblättchen, überzogen wird,
da bekommt man grösstentheils stärkere Zusammenziehungen, als wenn
beide Theile mit einerlei Metalle, selbst mit Silber überzogen, oder wie die
Physiker sagen, belegt wären.
„Nachdem wir diesen, dem elektrischen Feuer ähnlichen Umlauf der
Nervenflüssigkeit entdeckt hatten, schien daraus zu folgen, dass eine zwei-
fache, und das zwar ungleiche oder besser entgegengesetzte Elektricität zu-
gleich diese Erscheinung hervorbringe, so wie jene Elektricität der Leidener
Flasche, oder des magischen Quadrats zweifach ist, durch welche die elek-
trische Flüssigkeit ihren Kreislauf verrichtet. Der Beweis eines Überganges
oder Umlaufes der Elektricität kann von der Wiederherstellung des Gleich-
gewichts, und zwar einzig oder grösstentheils zwischen entgegengesetzten
Elektricitäten hergenommen werden. Dass sie in einem und ebendemselben
Metalle lagen, schien allerdings der Natur und den Untersuchungen zuwider
zu sein: nun war nur noch übrig zu vermuthen, dass beide im Thiere lagen.
„Damit aber auch nicht der geringste Verdacht übrig bliebe, als ob ich
selbst den Thieren im Versuchen hatte Elektricität zufliessen lassen können,
Hess ich einen kupfernen Bogen mit Silberblättchen überziehen, befestigte
ihn an eine Glasröhre, die ich zu der Hand hielt, wenn ich den Bogen an die
Thiere setzte; aber trotz dieser Vorsicht erfolgten die Bewegungen dennoch."
3. Wirkung der Belegungen. Durch diese Versuche war Galvani
somit zu der Vorstellung gekommen, dass in den thierischen Theilen, welche
durch die Berührung mit metallischen Leitern in Zuckungen gerathen, schon
an und für sich die Elektricität vorhanden sei, von deren Wirksamkeit in
dieser Hinsicht er sich vorher überzeugt hatte. Um diese zu entdecken und
ihre Natur festzustellen, machte er verschiedene Versuche, die allerdings in
Bezug auf diese Frage keine Antwort gaben, wohl aber eine neue und un-
erwartete Erscheinung beobachten Hessen. Er berichtet darüber:
„Um diese verborgene und schwere Sache, den Sitz der beiden Elek-
tricitäten zu entdecken, schien mir nichts geschickter, als die Elektricität
zu vergrössern und zu vermindern; ich dachte also fleissig über die Mittel
_35
ach, um es zu bewerkstelligen. Die Analogie leitete mich auf eines, näm-
ch die Nerven, in welchen viel Elektricität zu sein scheint, und deren Be-
:hanenheit wir schon kannten, mit einen Metallblättchen, vorzüglich mit einem
on Zinn zu belegen, so wie es die Physiker mit ihren magischen Quadraten,
nd der Leidener Flasche zu machen gewohnt sind (Fig. 12, 18).
„Durch diesen Versuch wurden die Muskelbewegungen wunderbar ver-
arkt, so dass dieselben auch ohne Bogen durch die Berührung der belegten
«rven mit irgend einem andern leitenden oder isolirenden Körper ent-
änden, wenn nur die Thiere frisch zubereitet waren und Kräfte genug
atten; dass die Wirkung des angewandten Bogens und der anderen Ha nd-
rine lange andauerte; dass sogar sehr heftige und andauernde Zuckungen
n vor der Section ermatteten Thieren bewirkt wurden, die sogar zuweilen
ndauerten, wenn der Bogen, oder die anderen, mit dem armirten Nerven
1 Berührung stehenden Körper entfernt werden,
„Noch mehr! Die Eigenschaft und Kraft dieses Versuches in derVermeh-
ung der Elektricitätskräfte ist so gross, dass die Mittheilung oder der Übergang,
ler bei der Anwendung der Haken und des Bogens zuvor kaum sichtbar
■ar, so glücklich und leicht vor sich ging, dass er nicht nur durch zwei,
indem auch durch drei und mehrere, eine Kette bildende Menschen in
en Frosch erfolgte und die Muskelbewegung wie gewöhnlich hervorge-
racht wurde,' und das vorzüglich zu Sommerszeit, mit schon älteren Thieren,
e blosse Muskeln hatten, und besonders bei annahenden Gewittern. Über-
^6 Zweites Kapitel.
zog ich das entblösste Gehirn oder das Rückenmark zubereiteter Frösche
zum Theil mit Stanniol, so bekamen wir bei de** gewöhnlichen Anwendung
des Bogens heftige und geschwinde Zusammenziehungen, was uns sonst
ohne den Kunstgriff* weder mit Bogen, noch auf eine andere Art ge-
lungen war/'
4. Identität der thierischen Elektricität mit der gewönlichen.
Eine Prüfung, ob auch diese „thierische Elektricität" die gleichen Leitungs-
verhältnisse zeige, wie die gewöhnliche oder künstliche, ergab ein durchaus
bejahendes Resultat. Auch hier verändert Galvani die Versuche in der
mannigfaltigsten Weise, um alle möglichen Einwände und Zweifel zu heben,
und seine Vielseitigkeit in der Ersinnung neuer Anordnungen sowie seine
Geduld in ihrer Ausführung verdienen alles Lob.
5. Die F lasch entheorie. Schliesslich geht Galvani dazu über, die
Gesammtheit seiner Beobachtungen zusammenzufassen, und eine Hypothese
aufzustellen, nach welcher sie zu erklären sind. Bei dem engen Umfang
der damals bekannten Thatsachen der Elektrik wendet er naturgemäss sein
Augenmerk auf den interessantesten und merkwürdigsten Apparat jener
Zeit, die KLEisi^sche oder Leidener Flasche, uud fasst demgemäss den Muskel
als eine Batterie solcher Leidener Flaschen auf. Seine Worte über diesen
Gegenstand sind:
„Aus dem bisher Untersuchten und Bekannten, glaube ich, erhellt es
klar, dass die Thiere eine selbständige Elektricität besitzen: diese erlaube
man uns nach dem berühmten Bertolon und Anderen mit dem allgemeinen
Namen einer thierischen zu belegen. Sie ist, wenngleich nicht in allen,
dennoch in den meisten Theilen der Thiere enthalten, in den Muskeln und
den Nerven aber zeigt sie sich am deutlichsten. Ihre besondere und vorher
unbekannte Eigenschaft scheint zu sein, dass sie von den Muskeln zu den
Nerven, oder vielmehr von diesen zu jenen übergeht, und sogleich in einen
Bogen, eine Menschenkette, oder jeden anderen leitenden Körper eindringt,
die sie einen kürzern und leichtern Weg von den Nerven zu den Mus-
keln leitet, dass sie durch dieselben auf das Schnellste von jenen zu diesen
fliesst. Daraus scheint zweierlei zu folgern, nämlich, dass in diesen Theilen
eine zweifache, eine positive und eine negative, d. h. eine von der andern
ganz verschiedene Elektricität sei, ausser welchen Umstand bei herge-
stelltem Gleichgewicht keine Bewegung, kein Ausfluss der Elektricität,
keine Erscheinungen von Muskelzusammenziehungen stattfinden.
„In welchen aber von diesen genannten Theilen die eine oder die andere
Elektricität ihren Sitz hat, ob nämlich eine im Muskel und die andere im
Nerven, oder beide in eben demselben Muskel, und aus welchem Theile sie
fliesst, ist sehr schwer zu bestimmen. Wenn es aber erlaubt ist, in dieser
Dunkelheit einige Muthmassung zu wagen, so bin ich dafür, den Sitz beider
Elektricitäten in den Muskel zu setzen.
„Wenn es gleich mehrentheils nothwendig ist, um Muskelzusammen-
ziehungen zu erhalten, dass das eine Ende des Bogens an die Nerven ausser-
Galvani. 37
halb der Muskeln, das andere an die Muskeln, wie wir gesagt haben, gesetzt
werde, so folgt doch nichts daraus, dass in den Nerven die eine Elektri-
cität, die andere in den Muskeln ihren Sitz haben wie in der Leidener Flasche,
denn obgleich das eine Ende an die äussere Oberfläche dieser Flasche,
das andere aber an den Conductor der Flasche gebracht zu werden pflegt,
so lässt sich doch daraus am wenigsten die Folge ziehen, dass die Elektri-
cität, die sich im Conductor findet, eine besondere, und von der, welche in
der Flasche auf dem Boden gesammelt worden ist, verschieden sei. Es ist
vielmehr bekannt, dass sie allerdings zur innern gefüllten Oberfläche gehört,
und dass beide, obgleich entgegengesetzte Elektricitäten, in der nämlichen
Flasche enthalten sind. Betrachtet man die grosse Zahl der Zusammen-
ziehungen, welche man in einem zubereiteten Thiere erhält, welcher Zahl
die sehr geringe Menge Elektricität in den zubereiteten Muskeln, welche
nach der Zerschneidung in den kleinen übrigbleibenden Nerventheile ent-
halten sein muss, am wenigsten entsprechen kann; zieht man überdies
die vielen von den thierischen Verrichtungen hergenommenen Beweise in
Knvägung, welche darthun, dass die von uns schon bewiesene elektrische
Xervenflüssigkeit frei und aufs schnellste durch die Nerven ausfliesse; ist
man endlich auf die andere dunkle und schwere Erklärung der Erschei-
nungen beider in eben demselben Muskel sitzenden Elektricitäten aufmerk-
sam, so wird man nicht ohne Ursache, wie wir zeigen werden, schliessen.
dass der Muskel der eigentliche Sitz der von uns entdeckten Elektricität sei,
der Nerv aber die Stelle des Conductors vertrete.
„Dies vorausgesetzt, wird die Hypothese und Muthmassung weder un-
schicklich, noch der Wahrheit unähnlich sein, die eine Muskelfiber einer
kleinen Leidener Flasche oder einem ähnlichen elektrischen, mit jener zwei-
fachen und entgegengesetzten Elektricität versehenen Körper vergleicht, den
Nerven für den Conductor der Flasche nimmt, und folglich den ganzen
Muskel für eine Menge Leidener Flaschen ansieht. Dass diese zweifache und
entgegengesetzte Elektricität in einem und eben demselben Muskel ihren Sitz
haben könne, wird jeder der Wahrheit gemäss zulassen, welcher eine Muskel-
fiber genau betrachten wird, die, obgleich dem Anblicke nach äusserst
einfach, dennoch aus verschiedenen sowohl harten als flüssigen Theilen zu-
sammengesetzt ist, welche keine geringe Verschiedenheit in dieselbe bringen.
Dass die Substanz der Nerven von jener der Muskeln allerdings verschieden
sei, lehrt sehr deutlich die Empfindlichkeit, welche in jedem Punkte der
Fiber gegenwärtig ist Was verbietet uns nun, diese nervische Substanz
in jedem Theilchen der Fiber, ohngeachtet sie den Nerven nicht ähnlich,
noch mit Augen zu entdecken ist, sondern nur durch die Empfindlich-
keit erkannt wird, für eine wenigstens zum Theil von der sichtbaren Sub-
stanz des Nerven verschiedene, oder auf eine andere Art geordnete Sub-
stanz zu halten, die dieserwegen elektrischer Natur ist, während der aus
der Muskelfiber gezogene Nerv leitender Natur ist. Doch das wird viel-
leicht durch das, was wir weiter unten zu sagen haben, klarer werden.
3 8 Zweites Kapitel.
Ungleich schwerer wird derjenige die zweifache Elektricität in ebenderselben
Muskelfiber leugnen können, welcher sieht, was gewiss weder schwer
noch unwahrscheinlich ist, dass diese Fiber zweierlei und zwar entgegen-
gesetzte Oberflächen, eine innere und eine äussere, habe, er nehme nur
Rücksicht auf die Höhlung, welche von Einigen in der Muskelfaser ange-
nommen wird, oder aber auf die Verschiedenheit der Bestandteile, aus
welchen, wie wir gesagt haben, sie zusammengesetzt ist.
„Endlich, wenn Jemand nur ein wenig den Turmalin betrachtet, in
welchem eine solche zweifach entgegengesetzte Elektricität nach den Ent-
deckungen der Neueren zu finden ist, der wird einen neuen, von der Analogie
hergenommenen Grund finden, durch welche diese Hypothese an Gewicht
gewinnt. Aber wie sich die Sache auch immer verhalte, wir haben eine so
grosse Übereinstimmung der Ursachen und Erscheinungen zwischen der
Entladung der elektrischen Flüssigkeit aus der Leidener Flasche und unsern
Zusammenziehungen bemerkt, dass wir von dieser Vergleichung kaum mehr
abweichen und wir uns nicht enthalten können, diese sowohl als jene einer
und derselben Ursache zuzuschreiben."
An diese Erörterungen schliesst Galvani einen erneuten Vergleich der
„thierischen" Elektricität mit der gewöhnlichen, wobei er in sechs Punkten
Übereinstimmung findet: beide zeigen gleiches Verhalten zu Leitern und
Nichtleitern, beide suchen den kürzesten Weg, beide zeigen entgegengesetzte
(positive und negative) Natur, bleiben lange an den Körpern haften, erneuern
sich in kürzester Frist, und erfahren endlich durch Belegung mit Metallfolie
eine wesentliche Verstärkung.
Unterschiede bestehen insofern, als die „elektrische Atmosphäre" (die
Fernewirkung und Influenz) fehlt, und als Anziehungen und Abstossungen
nicht nachzuweisen waren, weder unmittelbar, noch an Elektrometern.
6. Theorie der Lebensgeister. Der übrige Theil der Abhandlung
Galvani's enthält physiologische und pathologische Spekulationen von ziem-
lich phantastischer Beschaffenheit. Er glaubt, dass die elektrische Flüssigkeit
vom Gehirn bereitet, und zwar aus dem Blut ausgesondert wird, und dass
sie von dort durch die Nervenröhren in die Muskeln fliesst.
„.Wenn es sich so verhält, so wird endlich die verborgene und seit lange
schon umsonst gesuchte Natur der Lebensgeister neue Deutlichkeit be-
kommen." Galvani setzt des breiteren auseinander, wie er sich den Vor-
gang der Muskelcontraction durch elektrische Entladung vom Nerven aus
vorstellt, und fährt fort: „Wird dies zugelassen, so öffnet sich uns ein Weg,
die Muskelbewegungen zu erklären, die im lebenden Thier geschehen, welche
wir nun betrachten wollen. Was die willkürlichen Bewegungen betrifft, so
kann vielleicht die Seele durch ihre wunderbare Kraft entweder dem Hirn,
oder, was leichter zu glauben ist, ausser demselben einem ihr beliebigen
Nerven einen Anstoss geben, wodurch die elektrische Nervenflüssigkeit so-
gleich in jenem Theil des Nerven zusammenfliesst, zu welchem sie durch
den Antrieb geleitet wird; ist sie dahin gekommen, so wird sie den nicht
Galvani. og
leitenden Theil der Nervensubstanz durch ihre Anhäufung überwältigen, und
von derselben ausfliessend entweder von der äusseren Feuchtigkeit der Nerven,
oder von den Häutchen, oder von anderen benachbarten Theilen, welche
die Stelle der leitenden Körper vertreten, aufgefangen, und durch diese wie
durch einen Bogen zu den Muskeln, von welchen sie ausgeflossen war,
wieder zurückgebracht."
Galvani verfehlt nicht, auf diese Betrachtungen alsbald auch eine Patho-
logie zu begründen, und des weiteren auszuführen, welche schädlichen Folgen
sowohl eine „übermässig gehäufte, verdorbene" Elektricität, wie auch ein
Mangel daran haben muss, woraus sich alsdann eine elektrische Therapie er-
giebt Indessen verdient doch die Vorsicht und Zurückhaltung, mit welcher
er den hypothetischen Charakter seiner Darlegungen wiederholt betont, alle
Anerkennung.
7. Rückblick und Kritik. Es ist überaus lehrreich, sich den Weg,
welchen Galvani gegangen ist, nochmals kurz zu vergegenwärtigen. Nach-
dem die Zuckungen zunächst in Folge von elektrischen Entladungen in der
Nahe der präparirten Froschschenkel beobachtet waren, ergab sich, dass
ganz ähnliche Erscheinungen erhalten werden konnten, ohne dass irgend
welche äussere elektrische Mittheilung oder Bewegung nachweisbar war. Der
Schluss, dass somit in dem Präparat selbst elektrische Vorgänge erfolgen
müssten, wenn die Zuckungen auftraten, ist ganz wohlbegründet, und erhielt
durch den Umstand seine Bestätigung, dass eine Unterbrechung des leitenden
Bogens durch Luft oder andere Isolatoren alsbald die Erscheinung aufhob.
So weit ist Alles in Ordnung.
Nun aber entstand die Frage nach dem Sitz elektrischer Ladung. Diese
Fragestellung scheint völlig unverfänglich, und doch war sie für den Irrthum
Galvani's entscheidend. Denn sie setzt voraus, dass im Präparat die elek-
trische Ladung bereits vorhanden ist. Eine solche Annahme wäre an
und für sich wissenschaftlich berechtigt gewesen, wenn sie ausdrücklich aus-
gesprochen und demgemäss geprüft worden wäre; sie wurde aber von Gal-
vani als „selbstverständlich" vorausgesetzt, d. h. er untersuchte gar nicht die
flüchtig berührte (S. 34) Möglichkeit, dass es anders sein könne. Wir haben
hier eine der ergiebigsten Quellen wissenschaftlicher Irrthümer blossgelegt,
deren Wirkung man in unzähligen Fällen nachweisen kann. Sie besteht in
der Benutzung unausgesprochener, und daher ungeprüfter Voraussetzungen.
Das Mittel, solche Fehler zu vermeiden, besteht naturgemäss darin, dass
man in einer jeden wissenschaftlichen Schlussreihe die gemachten Annahmen
ausdrücklich angiebt, und sie dann, zunächst rein formal, daraufhin unter-
sucht, ob sie die einzig denkbaren sind. Gewöhnlich sind noch andere
Möglichkeiten vorhanden, über welche darin das Experiment oder die Beob-
achtung zu entscheiden hat. Freilich hängt die Wirksamkeit eines solchen
Verfahrens davon ab, wie vollständig man die Tabelle der Möglichkeiten
entwirft, und da man der Vollständigkeit im Allgemeinen nie völlig sicher
sein kann, so bleibt an dieser Stelle stets noch ein Irrthum möglich.
aq Zweites Kapitel.
Der von Galvani aufgegriffene Gedanke, dass der Muskel eine Samm-
lung kleiner Leidener Flaschen sei, entwickelt sich nun völlig naturgemäss.
In dieser Vorrichtung hat man die Möglichkeit, dass beträchtliche elektrische
Energie ohne hohe Spannung angehäuft werden kann, wodurch der Um-
stand, dass der Muskel keine elektrischen Erscheinungen zeigt, sehr gut
verständlich wird. Auch die ungemeine Verstärkung der Wirkungen durch
die „Belegung" des Nerven mit Stanniolblättchen unterstützte diese Meinung;
kurz, nachdem einmal der erste Schritt vom Wege geschehen war, lässt sich
das weitere Verfahren Galvanos wissenschaftlich sehr wohl rechtfertigen.
Nur ein Tadel muss noch ausgesprochen werden. Galvani hatte bei
seinen Versuchen nicht übersehen, dass die Entstehung von Zuckungen,
wie sie ohne Zuhilfenahme äusserer elektrischer Ladungen, bloss durch Ver-
bindung von Nerv und Muskel durch einen leitenden Bogen erfolgten, in
höchstem Maasse von der Natur dieses Bogens abhängig war, und dass sie
ganz vorwiegend kräftig erfolgten, wenn der Bogen aus zwei verschiedenen
Metallen bestand. Hierfür war bei der Entladung der Leidener Flasche
keine Analogie vorhanden, und dieser Umstand hätte Galvani, wenn er ihn
näher untersucht hätte, bald auf Widersprüche gegen seine Hypothese ge-
führt, welche ihm ihre Unnahbarkeit klar gemacht hätten. Zwar darf man
niemals darauf rechnen, wenn man einem neuen Erscheinungsgebiet gegen-
über eine erste hypothetische oder theoretische Zusammenfassung versucht,
dass nicht an einigen Orten ungelöste Widersprüche nachbleiben werden.
Solche Punkte sind aber die wichtigsten für die weitere wissen-
schaftliche Entwickelung der Frage. Denn es ist eine verhältniss-
mässig leichte Aufgabe, nachdem einmal ein einigermassen zureichendes
Schema gefunden ist, die Fälle zu bearbeiten, welche unter das Schema
fallen und durch dessen Führung zugänglich sind; die Dinge aber, welche
im Widerspruch mit dem Schema stehen, erfordern bei ihrer Untersuchung
ein bedeutend höheres Maass von Vorsicht und Umsicht.
Beide hier hervorgehobenen Punkte haben als Ausgang für die weitere
wissenschaftliche Entwickelung der Frage gedient, die wesentlich durch Volta
bewerkstelligt wurde. Galvani aber blieb zeitlebens anderen Anschauungen
unzugänglich, und hat unzweifelhaft den Widerspruch gegen seine Theorie
schmerzlicher empfunden, als ihm die Bestätigung seiner Versuche, welche
alsbald von allen Seiten erfolgte, Freude gemacht hat. Hängen wir doch
Alle an solchen Dingen weit mehr als an den von uns beobachteten That-
sachen. Denn diese letzteren stehen, sobald sie der Welt mitgetheilt sind,
objeetiv und ausser uns, zum Gebrauch für Freund und Feind da; in der
Form aber, durch welche wir uns die geistige Herrschaft über die That-
Sachen gesichert haben, oder zu haben glauben, bleibt viel mehr von unserem
eigenem Wesen enthalten; hier sind wir verletzlich und daher empfindlich,
während eine gut beobachtete Thatsache unverrückt dasteht, und in ihrer
Beschaffenheit durch keinerlei Angriffe geändert werden kann.
8. Biographisches. Was die persönlichen Verhältnisse Aloysius Gal-
Galvani. 4 1
van^s anlangt, so ist er am 7. September 1737 in Bologna geboren.1 Er
wurde frühzeitig durch Lehre und Beispiel unterrichtet, denn unter seinen
Verwandten befanden sich mehrere, die sich in der Theologie und Juris-
prudenz hervorgethan hatten. Nach Vollendung seiner Studien widmete er
sich der Medicin und heirathete bald darauf die Tochter des Professor Ga-
leazzi. Er kam sehr frühzeitig zu angesehener Stellung. Seine wissenschaft-
lichen Arbeiten bezogen sich grösstenteils auf vergleichende Anatomie und
Physiologie. Seine Entdeckung machte er 1793, im Alter von 53 Jahren.
Galvani's Lebensende war ein vielfach getrübtes. „Dieser berühmte
Mann wurde die Beute alles Unglücks, welches ein emptängliches und zärt-
liches Gemüth betrüben kann. Er sah in seinen Armen seine theure Lucia
wie er seine Gattin zu nennen pflegte) verscheiden; er verlor alle seine
Stellungen, da er sich standhaft weigerte, den von der cisalpinischen Re-
publik geforderten Bürgereid zu schwören. Der Tod entriss ihm fast aut
einmal die Seinigen. Er selbst wfurde lange durch grausame Schmerzen
in Folge eines Magenleidens gequält, welches von den Ärzten auf eine Ver-
t engerung des Pylorus gedeutet wurde, und fiel in einen Zustand des Hin-
1
i siechens und des Marasmus, dessen Fortschritte die sachgemässe und sorg-
faltige Pflege der Arzte Cingari und Uttini nicht zu hindern vermochte. Er
starb am 4. December 1798, im Alter von 60 Jahren."
9. Vorgänger Galvani's. Das Aufsehen, welches die Versuche
Galvani's erregten, war ungemein gross; insbesondere in Italien, Deutsch-
land und England beeilte man sich, sie zu wiederholen, während die französi-
schen Gelehrten längere Zeit verstreichen Hessen, bevor sie sich mit der
Frage zu beschäftigen anfingen. Wie es bei solchen Gelegenheiten nie aus-
bleibt, wurden in der älteren Literatur verschiedene Notizen aufgestöbert,
welche mehr oder weniger berechtigt als Vorausnahmen der Entdeckung
Galvani's angesehen wrurden. Von diesen älteren Berichten ist am merk-
würdigsten eine Beobachtung, welche J. G. Sulzer 1760 beschrieben hat:2
„Wenn man zwei Stücke Metall, ein bleiernes und ein silbernes, so mit ein-
ander vereinigt, dass ihre Ränder eine Fläche ausmachen, und man bringt
sie an die Zunge, so wird man einen gewissen Geschmack daran merken,
der dem Geschmack des Eisenvitriols ziemlich nahe kommt, da doch jedes
Stück besonders nicht die Spur von diesem Geschmack hat. Nun ist es
nicht wahrscheinlich, dass bei dieser Vereinigung der beiden Metalle von
dem einen oder dem anderen eine Auflösung vor sich gehe, und die auf-
gelösten Theilchen in die Zunge eindringen. Man muss also schliessen, dass
die Vereinigung dieser Metalle in einem von ihnen oder in allen beiden eine
1 Die Darstellung folgt Sue, Hist. du galvanisme, Paris 1802, 1, 4. Die Angaben sind
d**m Nekrolog v^n C. Au BERT in den Mem. de la soc. med. d'emulation de Paris, tome 4,
entnommen.
* Mem. de Berlin, 1760. — Theorie der angenehmen und unangenehmen Empfindungen.
Berlin 1762. — Im Göttinger Taschenkalender für 1794, S. 186, wurde die Stelle zuer>t wieder
nachgewiesen.
42 Zweites Kapitel.
zitternde Bewegung der Theilchen verursache, und dass diese zitternde Be-
wegung, welche nothwendig die Nerven der Zunge rege machen muss, den
oben erwähnten Geschmack hervorbringe."
Eine andere Historie — wie der Anatomieprofessor Dr. Cotugni in Neapel
sich von einer Maus am Fusse gebissen fühlte, diese einfing, und zur Strafe
bei lebendigem Leibe anatomiren wollte, worauf aber die Maus mit ihrem
Schwänze heftig gegen seinen dritten Finger schlug, wovon er einen Schlag
durch den ganzen Arm, Zittern, Schmerz in der Schulter und eine Er-
schütterung des Kopfes empfand, worüber er dann dem Ritter Virenzio in
einem Briefe vom 3. Oktober 1784 ausfuhrlich berichtet hat — spielt, da
Volta selbst sie erzählt hat, eine gewisse Rolle in den älteren historischen
Arbeiten über den Galvanismus, ohne dass man doch berechtigt wäre, die
Erscheinung, welche diesem seltsamen Ereigniss zu Grunde liegt, für eine
galvanische zu erklären.
10. Ausbreitung der Entdeckung Galvanos. In Deutschland wurde
die erste Nachricht über die thierische Elektricität durch Dr. J. F. Ackermann
in der „Medicinisch-chirurgischen Zeitung" mitgetheilt, und die folgenden
Jahre bringen eine ganze Reihe von Schriften. C. C. Creve, E. J. Schmuck
veröffentlichten selbst einige Abhandlungen, Gren und Reil theilten ihre Erfah-
rungen in dem „Journal der Physik" mit. Hier tritt auch zuerst der sorg-
fältige Historiker des Galvanismus und eifrige Vertheidiger des Voltaismus,
der spätere Kieler Professor C. H. Pfaff, auf, der zuerst in einer lateinischen
Dissertation von 1793, später in einem grösseren Werk1 sehr brauchbare
Zusammenstellungen aus der älteren Litteratur des Galvanismus gab.
Es war dies nöthig, denn die Zahl der Publikationen, welche unmittelbar
durch die Entdeckung Galvani's hervorgerufen wurde, war sehr erheblich,
namentlich in Italien. Diese Arbeiten enthalten meist Bestätigungen der
Versuche Galvanos nebst gelegentlichen Erweiterungen, und haben deshalb
keinen Anspruch auf eingehendere Darstellung. Was von diesen Unter-
suchungen wichtig geworden ist, soll an geeigneter Stelle Erwähnung finden.
Unmitttelbar nach dem Bekanntwerden der Galvanischen Versuche in Deutsch-
land wiederholte Gren, der Herausgeber des „Journals der Physik" im Verein
mit seinen Freunden Forster, Klügel, Reil und Weber dieselben, und zwar
mit dem gleichen Erfolge.2 Was die Deutung anlangt, so urtheilten sie viel
nüchterner, als der Entdecker; insbesondere berichtet Gren über eine von
Reil geäusserte Auffassung, welche völlig mit der übereinkommt, von der
aus später Alessandro Volta seine Entdeckungen gemacht hat. Folgender
Wortlaut lässt darüber keinen Zweifel:
„Wie wäre es", meinte mein Freund Reil, „wenn alle die von Herrn
Galvani und Valli beobachteten Erscheinungen Wirkungen der schon längst
bekannten Reizbarkeit der Muskeln und der schon längst bekannten Reizung
1 Über thierische Elektricität und Reizbarkeit Leipzig 1795.
• Gren's Journ. d. Phys. 6, 402, 1792.
Galvani. A7
der elektrischen Materie auf sie wären ? Bedürfte es dann wohl einer eigenen
thierischen Elektricität, um sie zu erklären? Seiner näheren Bestimmung
nach würde bei der Berührung zwischen dem Metalle des Ausladers und
dem davon verschiedenen der Belegung des Nerven oder vielmehr durch die
Berührung zwischen dem mit dem Muskel in Verbindung stehenden Metalle
und der Belegung des Nerven Elektricität erregt, d. h. das Gleichgewicht der
natürlichen Elektricitäten würde gestört; vielleicht wäre der Muskel das
empfindlichste Elektroskop, und auch für die Reizung der elektrischen Materie
empfindlicher, als für andere Reize. Folglich würde auf diese Weise die
Crispation der Muskelfaser nur Wirkung der bekannten Irritabilität derselben,
der bekannten Sensibilität des Nerven nnd der bekannten Reizung der künst-
lichen Elektricität sein, die hier erregt wird. Die erzählten Wirkungen der
künstlichen Elektricität scheinen diese Meinung sehr zu unterstützen. Bei
dem Uebergange des Funkens aus dem Conductor in einen benachbarten
Leiter wird auch in der umgebenden Luft das Gleichgewicht der Elektricität
plötzlich gestört; so auch plötzlich in dem auf dem Nerven oder dem Muskel
stehenden Leiter in dieser Atmosphäre; und so erfolgt dadurch ein Reiz, der
die Zusammenziehung des Muskels zur Folge hat, so lange dieser Vitalität
besitzt. Durch den Funken aus der Leidener Flasche wird unter denselben
Umständen keine Zuckung hervorgerufen, weil dadurch in der umgebenden
Luft kein Gleichgewicht der Elektricität gestört wird."
Aus einem gleichzeitig veröffentlichten Briefe Reii/s an Gren2 entnehme
ich noch folgende Stelle, die den gleichen Gedanken zum Ausdrucke bringt:
„Aufschlüsse über die Lebenskraft, die den Muskeln das Vermögen zur
Zusammenziehung mittheilet, erwarte ich von diesen Erscheinungen nicht.
Mir scheinen dieselben weiter nichts anzuzeigen, als dass die Muskeln sehr
empfindlich gegen die Elektricität sind, die als Muskelreiz wirkt und in der
kleinsten Quantität, wie sie sich bei der Berührung der verschiedenen Metalle
entwickelt, Zusammenziehungen hervorbringen kann. Ob diese Versuche in
der Folge dazu dienen werden, die Elektricität der verschiedenen Metalle
dadurch zu bestimmen, oder uns auf neue Hilfsmittel gegen paralytische
Krankheiten zu leiten, muss die Zeit lehren."
Die Nachricht von den Versuchen Galvani's wurde in Italien und Frank-
reich durch Eüsebio Valu3 weiter verbreitet, welcher in einer Reihe mehr-
fach abgedruckter Briefe die oben berichtete Entdeckungsgeschichte erzählte,
und einen guten Auszug aus den Arbeiten Galvani's und den Ansichten, zu
denen er gelangt war, gab. Er nennt Vassali als einen Vorgänger Galvani'?
insofern, als jener bereits die Mitwirkung der Elektricität bei den Vorgängen
im lebenden Thiere ins Auge gefasst und durch Versuche verfolgt habe;
eine Beschreibung derselben (wo, ist nicht mitgetheilt) sei schon 1789 ge-
geben worden, doch sei Galvani viel weiter gegangen, als Vassali.
1 Gren 's Journ. d. Physik 6, 413, 1792.
- Journ. de Physique 41, 57, 1792; Gren 's Journ. d. Physik 6, 371, 1792.
44 Zweites Kapitel.
In den weiteren Briefen Valli's ist die Beschreibung zahlreicher Ver-
suche physiologischen Inhaltes enthalten, die für uns kein Interesse bieten.
Beachtenswerth ist indessen eine Schlussbemerkung, die ich wörtlich hersetze:
„Ein Gelehrter machte gegen mich die Bemerkung, dass man, um zu
entscheiden, ob das Nervenfluidum wirklich die elektrische Flüssigkeit wäre,
einen Elektrometer zu Hülfe nehmen müsse. Da ich in dem Augenblicke
kein recht empfindliches hatte, so nahm ich meine Zuflucht zu folgendem
Versuche:
„Ich präparirte vierzehn Frösche, deren Cruralnerven ich in einer Belegung
verband. Nachdem ich diese Batterie in Ordnung gebracht hatte, und die
leitende Verbindung zwischen den Nerven und den Muskeln herstellte, so
erweckte ich dadurch die Elektricität und folglich die Erschütterungen. In
dem Augenblicke der Entladung wurden zwei kleine Strohhalme, die ein
wenig von einander entfernt waren und beinahe den Apparat berührten,
sogleich einander genähert. Beweist dieser Versuch nicht eben das, was ein
Elektrometer thun würde?"
Es ist ziemlich unzweifelhaft, dass es sich hier um eine Selbsttäuschung
Valli's handelt. Bemerkenswerth ist aber die Nachricht insofern, als sie wohl
den ersten Versuch darstellte, die galvanischen Wirkungen durch Vereinigung
mehrerer Glieder zu verstärken. Das Verfahren war von der Zusammenstel-
lung der Leidener Flaschen zu Batterien her den Elektrikern geläufig, und es
hat später in der Hand Volta's zur Erfindung der „Säule" geführt
Drittes Kapitel.
Alessandro Volta.
i . Viel bedeutsamer, als solche gelegentliche Versuche, die die Angelegen-
leit mehr in die Breite, als in. die Tiefe wachsen Hessen, sind von vornherein
lie Arbeiten von Alessandro Volta.
Im Gegensatze zu Galvani, dem Anatomen und Physiologen, war Volta
:in geschulter Physiker, der seinen Scharfsinn bereits durch die Erfindung
les Elektrophors und des Condensators glänzend bewährt hatte. Durch
k'oi.TA's Eingreifen wurde denn auch der Schwerpunkt des Problems bald
«in physiologi sehen Boden auf den physikalischen verlegt.
In seiner ersten Abhandlung, ' einem Briefe an Barunkj vom 3. April 1 792,
1 (üoriiale Fisico- Medice) 2, \tl. 1791. — Collc*. dcll* operc de] Cavalicre Conte ALKS-
"Asiiio Vor.TJi, Fircmc 1816.
46 Drittes Kapitel.
sehen wir Volta zunächst noch auf fast demselben Boden wie Galvani; ins-
besondere nimmt er dessen Theorie an, dass die Muskeln als Leidener Flaschen
aufzufassen sind. Er weist zunächst darauf hin, dass ein unverletzter Frosch
einer ziemlich merklichen Entladung, die der Spannung von vier bis fünf
Graden des HENLEY'schen Quadrantelektrometers entspricht, bedarf, um in
Zuckungen versetzt zu . werden. Wird dem Thiere der Kopf abgeschnitten
und eine Nadel in das Rückenmark gesteckt, so genügen ein bis zwei Grad.
Schneidet man den Frosch durch, und präparirt ihn so, dass das Rückenmark
nur durch die Cruralnerven mit den Schenkeln zusammenhängt, so genügen
Ladungen, die an den empfindlichsten Elektrometern, denen von Cavallo,
Bonnet und Volta selbst nur eben merklich sind, während wenn man die
Nerven mit Zinnfolie belegt, die Schenkel auf Ladungen reagiren, die überhaupt
durch kein Elektrometer kenntlich zu machen sind. Je mehr man also die
Entladung auf den Nerven concentrirt, um so wirksamer ist die Elektricität.
Dafür, dass den Muskeln eine eigene, natürliche und angeborene Elektri-
cität innewohne, glaubt Volta einen Beweis in folgendem Versuche zu finden:
„Diese eigenthümliche, angeborene, nicht von aussen in den Körper
übertragene Elektricität offenbart sich in dem präparirten Frosche und auch
in anderen warm- und kaltblütigen Thieren, wenn man den Kunstgriff
braucht, die Nerven durch Entblössung gleichsam zu isoliren und durch eine
Metallbekleidung zu waffnen; sie offenbart sich, sage ich, wie die künstliche,
ohne dass diese, schwach oder stark, dabei im geringsten ins Spiel kommt,
durch gleiche, krampfhafte Muskelbewegungen, wenn man mittelst vollkommen
leitender Körper eine Verbindung zwischen den Muskeln und Nerven herstellt.
„Ein solcher Körper sei z. B. ein in Form eines C gebogener Messing-
draht. Dieser Draht besitzt nicht mehr und nicht weniger als sein natür-
liches Maass elektrischer Materie; er kann also auch einem anderen Körper,
z. B. einem präparirten oder nicht präparirten Frosche, der ebenfalls mit
seinem natürlichen Maasse Elektricität begabt ist, elektrische Materie weder
geben noch nehmen. Man halte nun diesen Messingdraht mit dem einen Ende
an den Muskeln, mit dem anderen an den Nerven, und man wird augenblick-
lich die vorerwähnten Zuckungen entstehen sehen. Es liegt also am Tage, dass
die elektische Materie dieser Theile in einem gewissen Missverhältnisse ge-
standen hat, und dass durch den als Entlader wirkenden Messingdraht das
Gleichgewicht hergestellt worden ist. Hierauf beschränkt sich seine ganze Wir-
kung; er kann die elektrische Materie nicht dahin ziehen,wo sie nicht von selbst
hinstrebt; ihr einen bequemen Weg darzubieten, ist alles, was er vermag."
Volta geht sogar schliesslich dazu über, das Zeichen der von ihm ver-
mutheten Ladung, die so schwach ist, dass kein Elektrometer sie anzeigt,
zu ermitteln. Zu dem Ende stellte er folgende sinnreiche Überlegung an:
Verband er einmal die innere, das andere Mal die äussere Belegung einer
(äusserst schwach) positiv geladenen Leidener Flasche mit dem Nerven, so
musste in einem Falle das Zeichen der Ladung der Flasche mit dem des
Nerven übereinstimmen, im anderen mussten die Zeichen entgegengesetzt
Alessandro Volta.
47
sein. Im ersten Falle konnte nur eine schwache oder gar keine Entladung
und Zuckung erfolgen, im anderen Falle war eine starke zu erwarten. Es
ergab sich in der That ein derartiger Unterschied, und zwar in dem Sinne,
dass, wenn der Nerv mit dem positivem Theile der Flasche zusammen-
gebracht wurde, starke Zuckungen auftraten, während sie ausblieben, wenn
die negative Seite den Nerv berührte. Daraus schloss Volta, im Gegensatze
zu Galvani, dass der Nerv negativ, das Äussere des Muskels positiv ist.
Wir haben hier ein vorzügliches Beispiel, wie eine vorläufige hypothe-
tische Erklärung in einen) neuen Erscheinungsgebiet durch die Erfahrung
„bestätigt" werden kann, obwohl sie falsch ist. Es ist in der That, um
einen modernen Ausdruck zu brauchen, eine „überraschende Bestätigung"
der Flaschenhyphothese, wenn man die aus ihr fliessende Consequenz, dass
die Wirkung einer von aussen angebrachten Elektricität von dem Zeichen
der elektrischen Ladung abhängen müsse, thatsächlich .nachweisen kann, und
Volta ist für seinen Schluss nicht zu tadeln. Im Gegentheil, es verdient die
höchste Anerkennung, dass er sich in der Folge von dieser scheinbar so
glänzend durch den Versuch bestätigten Theorie loszumachen wusste, und
die Augen für die thatsächlichen Verhältnisse offen behielt, welche ihn später
lehrten, dass die blosse Schliessung der Kette durch einen Leiter nicht ge-
nügt, um Zuckungen hervorzurufen, sondern dass es auf dessen Natur
wesentlich ankommt.
Galvani antwortete hierauf alsbald in einem Briefe an den Professor
Carminati, indem er sich zum Theil Volta anschliesst, zum Theil ihn be-
kämpft. Insbesondere glaubt er an seiner Ansicht über den Sinn der Ladung
des Muskels festhalten zu müssen, und entwickelt zu ihren Gunsten eine
physikalisch recht unklare Theorie der Überladung der Elementarflaschen
des Muskels. Man sieht hier wieder überaus deutlich den Unterschied zwischen
dem Mediciner und dem Physiker: während Volta den Frosch als Elek-
troskop auffasst, und sich für die Zuckungen nur insofern interessirt, als sie
ihm das Stattfinden elektrischer Ladungen erweisen, kümmert sich Galvan^
wenig um die physikalische Abrundung und Vertiefung seiner Anschauungen,
und legt das Hauptgewicht auf die Aussicht, das Problem der willkürlichen
Muskelbewegung überhaupt auf diesem Wege zu lösen.
Volta ging stetig auf seinem Wege weiter, der ihn immer weiter von
Galvani entfernte. Der wissenschaftliche Streit, welcher in diesem Anlass
zwischen beiden entbrannte, hat sein Interesse wesentlich in den stetigen
Fortschritten, welche Volta in dem Verständniss der physikalischen Be-
dingungen der fraglichen Erscheinungen machte. Galvani verharrte durch-
aus auf seinem Standpunkte, und die Versuche, welche er und seine An-
hänger zu ihren Gunsten beibrachten, insbesondere die von ihnen nachge-
wiesene Möglichkeit, ganz ohne metallischen Leiter zwischen Nerv und Muskel
bei sehr empfindlichen Froschpräparaten Zuckungen hervorzurufen, haben
zwar nicht unerhebliches Interesse physiologischer Art, sind aber für die
physikalische Seite des Problems ohne Bedeutung geblieben. Hier fiel die
48 Drittes Kapitel.
Führung unbedingt Volta zu, und dieser hat seine Aufgabe in ausgezeich-
netster Weise gelöst. Charakteristisch ist schon in der vorerwähnten ersten
Mittheilung, wo er noch ganz auf dem Boden der Anschauungen Galvanos
steht, der quantitative Zug seiner Experimente, sein Bestreben, wenigstens
annähernd die von ihm studirten Verhältnisse nach Maass und Zahl zu über-
sehen und darzustellen.
2. Volta's Fortschritte. Gegensatz zu Galvani. Sehr bald nach
diesem Briefe veröffentlichte Volta zwei lange Abhandlungen, deren erste
er als Dissertation am 5. Mai 1792 bei Gelegenheit einer Promotion in der
Aula der Universität zu Pavia vorgetragen hat.1 Wiederum von Galvani's
Anschauungen ausgehend, gelangt er stufenweise dazu, diese eine nach der
anderen zu verwerfen. Das Studium dieser lehrreichen Arbeiten ist etwas
durch die grosse Ausführlichkeit und Breite erschwert, in welcher Volta
seine Gedanken und Versuche vorzutragen pflegt; doch gewährt die experi-
mentelle und logische Stetigkeit der Entwicklung eine Entschädigung dafür.
Zunächst fiel die Vorstellung, dass der Muskel als Leidener Flasche
oder als ein System solcher aufzufassen sei. Der Versuch, welcher die Un-
haltbarkeit dieser Annahme erwies, war folgender. Ein Frosch wurde so
präparirt, dass ein möglichst langes Stück des Cruralnerven frei gemacht
wurde. Das Ende desselben erhielt die übliche metallische Belegung; die
zweite Belegung wurde aber nicht am Muskel, sondern an einer unteren
Stelle desselben Nerven, bevor er in den Muskel trat, angebracht. Wurden
nun durch beide Belegungen die sehr schwache Ladung einer kleinen Lei-
dener Flasche geleitet, so gerieth der Muskel in kräftige Zuckungen. Die
Muskeln befinden sich bei diesem Versuche ganz ausserhalb des leitenden
Kreises, und wenn trotzdem Zuckungen stattfinden, so ist zu schliessen, dass
die elektrische Entladung ein Nervenreiz ist, der wie jeder andere die ent-
sprechende Muskelbewegung hervorruft. Wurde nun eine ähnliche doppelte
Belegung am Schenkelnerven angebracht, wobei aber verschiedene Metalle
(z. B. Zinn und Silber) zur Anwendung kommen müssen, so genügt schon
die leitende Verbindung beider durch irgend ein Metall, um Zuckungen
hervorzurufen. „Es ist nicht leicht begreiflich, wie sich die elektrische Ma-
terie zwischen zwei so nahe belegenen Orten desselben Nerven durch die
blosse Anwendung von Belegungen und ihre äusseren Verbindung bewege,
und warum unähnliche Belegungen erforderlich sind. Doch ist dies eine
durch Versuche bestätigte Wahrheit, von der wir weiter unten reden werden."
Volta kommt noch an mehreren Stellen seiner Abhandlung auf die
Notwendigkeit zurück, zwei verschiedene Metalle anzuwenden, und verspricht,
in Zukunft sich eingehender über den Grund dieses Umstandes zu äussern.
Er erwähnt nur, das auch Galyani das Gleiche bemerkt habe, ohne eine
Erklärung dafür zu geben.
Es mag hier eingeschaltet werden, dass, fast gleichzeitig mit Volta,
1 Brugnatelli, Giornale Fisico-Medico, 2, 146. 241, 1792.
Alessandro Volta. aq
Cihl Caspar Cr£ve *■ einern ähnlichen Versuch anstellte, den er freilich ganz
anders deutete. Er hatte in gewöhnlicher Weise den Nerv mit Stanniol um-
wkkelt, verband aber diese Belegung nicht mit den Muskeln, sondern legte den
anmrten Nerven bloss a.iaf eine Silbermünze. Jede Berührung und Bewegung
des StantüoVs auf der Münze ruft dann Zuckungen hervor. Cr£v£ bemerkt
ganz richtig, dass dieser Versuch die Hypothese Galvanos völlig widerlegt,
zieht aber gleichfalls den Schluss, dass auch die „gemeine Elektricität" nicht
die Ursache der Erscheinungen sein könne. Auch konnte er bei gemein-
samen Versuchen , die er mit Lichtenberg anstellte, mittelst eines Bennet'-
schen Elektroskops Weine Spur von Elektricität beobachten.
Den übrigen Raum in Volta's zweitem Brief nimmt die Darlegung ein,
dass die Elektricität primär nur auf den Nerven wirkt, und dieser den Reiz
auf den Muskel üherträgt. Ferner wird der Zungenversuch in der gleichen
Art wie bei Sitlzeä (S. 41) beschrieben, und wieder auf die Notwendigkeit,
' zwei verschiedene Metalle dabei anzuwenden, hingedeutet.
So schliesst denn Volta diese beiden Abhandlungen mit einem Räthsel,
an dessen Losung er alsbald mit eifriger Arbeit ging. Er hat schon im
Laufe desselben Jahres den entscheidenden Gedanken klar erfasst, vermeidet
aber zunächst noch, näher auf ihn einzugehen. Die Fortschritte des Jahres
1792 gehen aus einigen weiteren in diesem Jahre geschriebenen Abhand-
lungen hervor. Zunächst theilte er seine Ergebnisse an Tiberius Cavallo
in einen vom 25. October 1792 datirten, französisch geschriebenen Briefe
mit; dieser legte die Arbeit der „Royal Society" in London am 31. Januar
*793 vor, in deren Transactions sie dann2 veröffentlicht wurde.
In diesem Briefe setzte Volta zunächst auseinander, dass die Beobach-
tung Galvani's sich auf zwei wohlbekannte Thatsachen zurückfuhren lasse:
erstens, dass in Leitern der Elektricität, welche sich in der Nähe von Con-
duetoren befinden, bei der Entladung der letzteren gleichfalls elektrische Be-
wegungen stattfinden, und zweitens, dass elektrische Bewegungen in lebenden
iider frisch getödteten Muskeln Contractionen hervorrufen. Galvani's Beob-
achtungen, die er in den beiden ersten Theilen seines Werkes beschreibt,
beweisen nur, dass das Froschpräparat ein ausserordentlich empfindliches
Elektroskop sei, welches weit geringere Elektricitätsmengen entdecken lasse,
. ak die empfindlichsten der gebräuchlichen Instrumente. Durch eigene Ver-
suche überzeugte sich Volta von der ungemeinen Empfindlichkeit dieses
„animalischen Elektrometers", und dies Hilfsmittel führte ihn alsbald zu seiner
neuen Entdeckung, die sich auf die von Galvani in dem anderen Theil
seines Werkes geschilderten Versuche bezieht. „Auf diese Weise habe ich
ein neues Gesetz entdeckt, welches nicht sowohl ein Gesetz der thierischen
Elektricität, sondern eines der gewöhnlichen ist, welcher man die meisten
1 Beyträge zu Galvani's Versuchen über die Kräfte der thierischen Elektricität auf die
Bewegung der Muskeln, Frankf. u. Leipzig 1793. — Auszug in Gren's Journ. d. Physik, 7, 323,
'793-
* Philos. Trans. 1793, I, S. 10—44.
Oswald, Elektrochemie. i
co Drittes Kapitel.
der Erscheinungen zuschreiben muss, die nach den Versuchen von Gal-
vani, und denen, die ich im Anschluss an diese selbst angestellt habe,
durch eine wahre spontane thierische Elektricität hervorgerufen schienen,
was sie doch nicht sind; thatsächlich sind es die Wirkungen einer sehr
schwachen künstlichen Elektricität, welche in einer Weise erregt wird, die
man nicht erwartet hatte, nämlich einfach durch die Anbringung zweier Ab-
leitungen von verschiedenen Metallen, wie ich das schon angedeutet habe,
und weiterhin besser darlegen will/'
Diese Darlegung findet sich in der angeführten Abhandlung noch nicht;
dieselbe enthält ausserdem eine Reihe von Beobachtungen, welche zwar für
die Elektrophysiologie von grosser Bedeutung sind, mit der Frage nach der
Elektricitätserregung bei der Berührung verschiedener Stoffe aber nichts un-
mittelbar zu thun haben.
y 3. Anfänge der Theorie der Berührungselektricität. Mit völliger
Deutlichkeit findet sich die neue Anschauung, zu welcher Volta gelangt
war, in einer kurzen, „vorläufigen Mittheilung" ausgesprochen, welche in
Brugnatelli^s „Giornale Fisico-Medico" enthalten ist. l Nachdem er berichtet
hat, dass er in der wohlausgeglühten Kohle ein besonders wirksames Mittel
gefunden hat, Zuckungen und ähnliche physiologische Wirkungen zu erregen,
welches dem Silber und Gold sich noch überlegen gezeigt hat, beschreibt
er, wie man durch Anbringung zweier verschiedener Metalle an Mund und
Auge subjective Lichtwirkungen hervorrufen kann, welche beim Schluss der
Kette auftreten, und giebt noch einen weiteren Versuch an, Geschmacks-
und Lichtempfindungen gleichzeitig auf diese Weise zu erzeugen. Geruchs-
und Geschmacksempfindungen hervorzurufen gelang, ihm dagegen nicht.
Alle diese Versuche sprechen gegen eine eigene thierische Elektricität
und für die Entstehung elektrischer Erscheinungen durch die Metalle und
feuchten Leiter. „Ich habe Versuche gemacht, welche einen gleichen Über-
gang der elektrischen Flüssigkeit anzeigen, wenn Metalle verschiedener Art
an alle möglichen nicht animalischen Körper gebracht werden, auch an
andere feuchte Gegenstände, als Papier, Leder, Tuch u. s. w., welche mit
Wasser getränkt wurden, und noch besser an Wasser selbst. Dieses ist
zuletzt der ganze Erfolg einer derartigen Verbindung der Metalle, sie sind unter
diesen Umständen nicht nur Abieiter, wie in anderen Fällen, sondern wahre
Beweger und Erreger der Elektricität, und dies ist eine kapitale Entdeckung."
Mit der wissenschaftlichen Bearbeitung dieser Entdeckung war Volta
nun zwei Jahre lang beschäftigt. Zwar findet sich in der Zeitschrift von
Brügnatelli ein Brief an Giovanni Aldini2 vom 24. November 1792, derselbe
enthält aber nichts Anderes, als die früheren Mittheilungen, und hat wesent-
lich den Zweck, auf eine von diesem inzwischen veröffentlichte Neuausgabe
der Abhandlung Galvani's, welcher Aldixi einige polemische Erörterungen
2 Giornale Fisico-Medico, Novembre 1792, S. 192.
* Giornale Fisico-Medico 1793, I, 63.
Alessandro Volta.
51
gegen Volta hinzugefügt hatte, zur Antwort zu dienen. Zu diesem Zweck
fuhrt Volta namentlich den Geschmacks- und Lichtversuch an, welche die
erregende Thätigkeit der Metalle erweisen.
Auch die nächstfolgenden zwei Briefe, welche Volta diesmal an Vasalli
richtete,1 enthalten zunächst wesentlich eine Vertheidigung Volta's gegen
die Anhänger Galvanos. Doch ist der erste dadurch interessant, dass er
die erste „Spannungsreihe" enthält Volta setzt wiederum auseinander,
dass durch die beiden Metalle eine elektrische Erregung stattfinde, und dass
wenn diese auf Nerven treffe, die entsprechende Thätigkeit, z. B. eine Zuckung,
hervorgerufen werde. „Wenn sich an Stelle der zur Bewegung dienenden
Nerven die am Rande und an der Spitze der Zunge befindlichen, welche
zum Geschmack dienen, oder die, welche zum Sehen dienen, in dem
leitenden Kreise befinden, so wird eine entsprechende Empfindung von
Geschmack oder von Licht erregt, und diese Empfindungen und Bewegungen
sind um so lebhafter, je mehr die angewandten beiden Metalle in der hier
genannten Ordnung von einander abstehen: Zink, Stanniol, gewöhnliches
Zinn in Platten, Blei, Eisen, Messing und Bronzen verschiedener Art, Kupfer,
Piatina, Gold, Silber, Quecksilber, Graphit."
Des Weiteren enthält der Brief die kritische Aufklärung eines Versuches,
welchen die Anhänger Galvanos immer wieder der Auffassung Volta's ent-
gegensetzten: dass es nämlich mit einem Bogen von einem einzigen Metall
möglich ist, Zuckungen im Froschpräparat zu erregen. Volta zeigte, dass
diese Wirkung im Allgemeinen viel schwächer ist, als bei der Anwendung
eines aus zwei Metallen zusammengesetzten Bogens, und dass alle Umstände,
durch welche an den beiden Enden des Bogens aus einem Metall Ver-
schiedenheiten hervorgerufen worden, wie Erhitzen, Hämmern u. dergl., die
Entstehung von Zuckungen befördern. Andererseits ist es möglich, durch
sorgfaltige Zubereitung die beiden Enden so gleichartig zu machen, dass sie
auch bei den empfindlichsten Präparaten keine Zuckung bewirken. Durch
dies Alles wird bewiesen, dass auch Ungleichheiten im Zustande eines und
desselben Metalles ebenso wirken, wie zwei verschiedene Metalle, so dass
doch wieder die Ursache der Erscheinung in diesem zu suchen ist, und nicht
in einer „natürlichen Elektricität" des Frosches.
In dem zweiten Briefe an Vasalli werden die Auseinandersetzungen mit
den Anhängern Galvani's fortgesetzt, und Volta führt mit sieghafter Logik
die Unhaltbarkeit der Lehre von der thierischen Elektricität als die Ursache
der fraglichen Erscheinungen durch; Neues an Thatsachen oder Ideen ent-
halt aber dieses Schreiben kaum. Ähnlich ist der Inhalt des dritten Briefes
an Vasalli,2 welcher aus Como vom 24. Octobcr 1795 datirt ist, und sich
mit dem anderen Einwand beschäftigt, den die Anhänger der thierischen
1 Annali di Chimica del Sig. Brügnatelli, 11, 84. Deutsch herausg. v. Dr. J. Mayer,
Pirtg 1796.
3 Brügnatelli, Giornale Fisico-Medico, 1794, II, 248 und 1794, III, 97. Deutsch
Gren's Neues Journ. d. Phys. 2, 141, 1795.
A*
5 2 Drittes Kapitel.
Elektricität geltend gemacht hatten. Es ist nämlich möglich, Zuckungen des
Froschschenkels ganz ohne Anwendung metallischer Leiter hervorzurufen.
Volta zeigt nun, dass diese Erscheinungen nur an sehr empfindlichen Prä-
paraten erhalten werden, und bei diesen auch nur dann, wenn möglichst
verschiedenartig beschaffene Theile einander berühren. Insbesondere sind
Überzüge mit verschiedenen Flüssigkeiten, Blut, Schleim, Urin, Salzwasser u. s. w.
wirksam, und Volta deutet demgemäss die Erscheinungen in Überein-
stimmung mit seinen anderen Anschauungen dahin, dass auch bei der
Berührung verschiedenartiger Flüssigkeiten die Elektricität in Bewegung ge-
setzt wird, wenn auch in viel geringerem Maasse, als wenn Metalle be-
theiligt sind.
Die Spannungsreihe. Ferner ist in diesem Briefe eine ziemlich aus-
führliche Tabelle der metallischen und metallähnlichen Elektricitätserreger
enthalten, über die Volta Folgendes bemerkt:
„Seit dieser Zeit (1792) bin ich immer mehr und mehr in der Meinung
einer eigentlichen künstlichen, durch eine äussere Ursache hervorgebrachten
Elektricität bestärkt worden, welche ich auf mehrere Art bewiesen habe,
vorzüglich durch die Versuche über den Geschmack, den ich mittelst der
Metalle auf der Zunge zu erregen entdeckt habe. Dieser Geschmack ist
entweder sauer oder alkalisch, je nachdem die Metalle, z. B. das Silber oder
das Zink, welche mit der Zunge den Leiterkreis bilden, die Spitze derselben
berühren. . . . Durch diese Versuche habe ich noch die Richtung des durch
dergleichen Berührungen hervorgebrachten Laufes der elektrischen Flüssig-
keiten entdeckt: vom Zinn oder Zink nämlich mittelst des dazwischen ge-
legten nassen Leiters zum Gold oder Silber und insgemein von dem oberen
Metall (der. Tabelle) auf das untere, dadurch dass sie den Leiter zweiter
Klasse oder den nassen Leiter durchdringt, und zwar mit um so grösserer
Stärke, je weiter die Leiter der ersten Klasse, die Metalle, von einander ab-
stehen. 'Und zwar in der Ordnung, wie ich sie hier unten auf einander
folgen lasse. Diese auf meine Versuche gegründete Ordnung entwarf ich
schon zu Anfang des Jahres 1793. Meine Ordnung weicht sehr wenig ab
von der, welche der Dr. Pfaff ebenfalls im Jahre 1793 ans Licht gestellt
hat. Freilich war sie dazumal auf wenig Metalle eingeschränkt; gegen Ende
1 794 wurde sie dadurch vermehrt, dass verschiedene Halbmetalle, Kiese und
Erze in dieselbe aufgenommen wurden." (Vgl. Journ. der Physik von Gren,
Bd. 8. 1794.)
Tabelle.
„Die Leiter erster Klasse, welche eine besondere Kraft besitzen, die elek-
trische Flüssigkeit zu reizen, und sie vorwärts in die feuchten Leiter oder
vorwärts in die der zweiten Klasse zu treiben.
Zink,
Alessandro Volta.
53
Einige Arten Zinnfolie, welche fälschlich Siberpapier
genannt werden,
Verschiedene Arten Zinn,
:)
Blei,
Einige Arten Blei in Platten oder in Stäben,
Regulus antimonii,
Andere Arten Zinn,
Einige Arten Eisen,
Regulus bismuthi,
Andere Arten Eisen,
Verschiedene Bronzen,
Messing,
Kupfer,
Kobaltregulus,
Pyritisches Eisen, nicht krystallisirt,
Würfelbleierz oder Bleiglanz,
Platin,
Quecksilber,
Schwefelkies,
Krystallisirter Arsenkies,
Gold,
Silber,
Graues Manganerz (Braunstein),
Kupferkies,
Graphit,
Einige Arten Holzkohle.
„In Bezug auf diese Tabelle muss ich zwei Anmerkungen machen. Die
erste ist, dass die punktirten Linien unter einigen der genannten Körper
ebenso viele Entfernungsgrade oder den Unterschied der vermehrten Kraft
anzeigen. Im Gegentheil besteht da, wo die hergestellten Körper unmittel-
bar auf einander folgen, der Unterschied nur in einem Grade, und ist mit-
unter so klein, dass mir noch mancher Zweifel nach so vielen über diesen
Gegenstand angestellten Versuchen übrig bleibt. . . .
„Die zweite Anmerkung ist, dass nicht nur die Metalle, sondern auch
viele Erze, vorzüglich Schwefelverbindungen, obgleich sie viel mehr nicht-
leitenden Schwefel enthalten, dennoch beinahe ebenso gute Leiter abgeben,
wie reine Metalle. Im Gegensatz dazu zeigen sich andere reiche Erze, ja
selbst die reichsten, wenn sie oxydirt oder in einem kalkartigen Zustande
sind, als sehr schlechte Leiter.
„Ich komme nun auf unseren Gegenstand zurück. So oft zwei solcher
Elektricitätserreger oder Leiter der ersten Klasse von verschiedener Art, der
eine von dieser, der andere von jener Seite, zugleich nasse zusammen-
hängende Leiter der zweiten Klasse berühren, und endlich einer den anderen
entweder unmittelbar, oder mittelst eines dritten berühren und auf diese Art
einen Kreis von Leitern bilden, so wird die elektrische Flüssigkeit in Be-
wegung gesetzt und bewegt sich in einem Kreise, und zwar in der Richtung,
dass sie von den in der Tabelle höher stehenden Leitern der ersten Klasse
54 Drittes Kapitel.
auf die niedriger stehenden übergeht, indem sie den dazwischen befindlichen
nassen Leiter durchdringt. Auf diese Art verfolgt sie ihren Kreislauf so
lange, als dieser nicht an irgend einer Stelle unterbrochen wird. Dieser
Lauf ist um so stärker, je mehr die Leiter der ersten Klasse von einander
verschieden und auf der Tabelle von einander entfernt sind. Alles dies habe
ich mit so vielen entscheidenden Versuchen dargethan, dass dieserhalb gar
kein Zweifel mehr obwaltet."
Es ist sehr merkwürdig, dass Volta seine Tabelle der Reihenfolge der
metallischen Erreger nur nebenbei in einer Anmerkung mittheilt, nnd dass
er gar kein Gewicht darauf legt, dass eine solche Reihenfolge über-
haupt möglich ist. Denn es ist von vornherein keineswegs nothwendig,
dass wenn ein Körper A mit dem Körper B in einem bestimmten Sinne
wirkt, und dieser mit dem Körper C in gleichem Sinne, dass dann A auf
C ebenfalls in demselben Sinne und in stärkerem Maasse einwirken muss.
Umgekehrt beweist die Möglichkeit, eine solche Tabelle aufzustellen, das
Statthaben einer bestimmten, zahlenmässig feststellbaren Eigenschaft der
Metalle in Beziehung auf ihre elektricitätserregenden Fähigkeiten. Es liegt
also in der Aufstellung der fraglichen Tabelle nicht nur eine einfache Auf-
stellung unmittebar beobachteter Thatsachen, sondern der Ausdruck eines
bestimmten Naturgesetzes, welches später von Volta auch ausdrücklich
erkannt worden ist, und seinen zahlenmässigen Ausdruck erhalten hat.
Dass eine solche einheitliche Tabelle keineswegs selbstverständlich war,
geht aus einer gleichzeitigen Arbeit von Pfaff hervor,1 welcher gleichfalls
die verschiedene Stärke der Erregung zu bestimmen versuchte. Er stellte
für die Belegung der Nerven mit verschiedenen Metallen die entsprechenden
Reihen auf und fand folgende Ordnungen:
Zinn: Blei, Eisen, Kupfer, Silber, Kohle, Gold.
Silber: Kupfer, Kohle, Gold, Eisen, Zinn, Blei, Quecksilber.
Kupfer: Silber, Kohle, Gold, Eisen, Zinn, Blei, Quecksilber.
Blei: Quecksilber, Zinn, Eisen, Kupfer, Silber, Kohle, Gold.
Hierbei ist das erste Metall stets dasjenige, mit welchem der Nerv in
Berührung gebracht wurde. Man sieht, dass die verschiedenen Reihen keines-
wegs übereinstimmen.
Die Ursache der Abweichungen dieser an sich richtigen Beobachtungen
von der Darstellung Volta's liegt in dem Umstände, dass das Froschpräparat
das Vorhandensein der elektrischen Erregung sowohl im positiven, wie im
negativen Sinne anzeigt. Pfaff hat die einzelnen Reihen nach dem Absolut-
werthe der Wirkung geordnet, ohne auf das Zeichen Rücksicht zu nehmen,
bei Volta findet sich an der fraglichen Stelle noch keinerlei Andeutung
über den Weg, auf dem er zu seinem Ergebnisse kam, und es macht fast
den Eindruck einer unbewussten Inspiration.
1 Gren's Neues Journ. d. Phys. 8, 196, 1794 nach einer lateinischen Dissertation. Stutt-
. ßart 1793.
Alessandro Volta.
55
4. Die VoLTA'sche Theorie. Ein systematischer Bericht Volta's über
dieEkktricitatsentwiclcelung bei der Berührung verschiedener Stoffe vom phy-
sikalischen Standpunkt beginnt mit dem Jahre 1796 in einer Reihe von
Briefen an Gren, den Herausgeber des Neuen Journals für Physik. Die-
selben sind zum Theil in dieser Zeitschrift, ausfuhrlicher in den Annali di
Chimica von Brugnatelu von 1796 und 1797, Bd. 13 und 14, abgedruckt
Aus diesem sind sie dann von J. W. Ritter ins Deutsche übersetzt, und in
dessen „Beiträgen zur näheren Kenntniss des Galvanismus", Bd. I,
drittes Stück,1 mitgetheilt worden.
Das erste Schreiben an Gren2 enthält charakteristisch genug einen
einzigen Versuch zur Erläuterung von Volta's Anschauungen, und dieser
ist wieder physiologischer Natur. Ich setze den ganzen Text her:
„Man fülle einen zinnernen Becher mit Seifenwasser, Kalkmilch oder
besser mit massig starker Lauge, fasse den Becher mit einer oder beiden
Händen, die man mit blossem Wasser feucht gemacht hat, und bringe die
Spitze der Zunge auf die Flüssigkeit im Becher. Sogleich wird man die
Empfindung von einem sauren Geschmack auf der Zunge erhalten, welche
die alkalische Flüssigkeit berührt. Der Geschmack ist sehr entscheidend, und
im ersten Augenblick ziemlich stark; er verwandelt sich aber bald nachher
in einen davon verschiedenen, minder sauren, mehr salzigen und stechenden,
bis er endlich scharf und alkalisch wird, so wie die Flüssigkeit mehr auf die
Zunge wirkt, und die Wirksamkeit ihres eigentümlichen Geschmackes und
ihre jetzt mehr entwickelte chemische Thätigkeit mehr und mehr die Em-
pfindung des sauren Geschmackes unterdrückt, der durch den Strom von
elektrischer Flüssigkeit veranlasst wird, welcher vom Zinn zum alkalischen
Liquor, und von da zur Zunge, und dann durch die Person zur Wasser-
schicht und von da zum Zinn durch eine beständige Circulation übertritt.
„Ich erkläre so das Phänomen nach meinen Grundsätzen und kann in
der That keine andere Erklärung geben. Alles bestätigt indessen meine
Behauptung und beweist sie auf tausenderlei Weise. Die Berührung ver-
schiedener Leiter nämlich, besonders metallischer, der Kiese und anderer
Krze und die Holzkohle mit einbegriffen, die ich alle trockene Leiter oder
von der ersten Klasse nenne; die Berührung dieser Leiter, sage ich, mit
anderen feuchten Leitern, oder mit Leitern der zweiten Klasse, erschüttert
und trübt das elektrische Fluidum und giebt ihm einen gewissen Antrieb.
Fragen Sie mich noch nicht nach dem Wie: es ist genug, dass dies eine
Thatsache ist, und eine allgemeine Thatsache. Dieser Antrieb, sei es nun
Anziehung, Abstossung oder irgend eine Impulsion, ist verschieden und un-
gleich, sowohl in Ansehung der verschiedenen Metalle, als der verschiedenen
feuchten Leiter, dergestalt, dass, wo nicht die Richtung, doch wenigstens die
Kraft, mit welcher das elektrische Fluidum getrieben oder sollicitirt wird,
Ja verschieden ist, wo der Leiter A an den Leiter By und da, wo er an
1 Jena 1800. * Neues Journ. d. Phys. 3, 479, 1796.
ij6 Drittes Kapitel.
einen anderen C applicirt wird. Jedesmal also, dass in einem vollständigen
Kreise von Leitern entweder einer von der zweiten Klasse zwischen zwei
unter einander verschiedenen von der ersten Klasse, oder umgekehrt einer
von der ersten Klasse zwischen zwei auch unter einander verschiedene von
der zweiten Klasse gestellt wird, wird durch die vorwaltende Kraft zur Rechten
oder zur Linken ein elektrischer Strom veranlasst werden; eine Circulation
dieses Fluidums, die nur bei Unterbrechung des Kreises aufhört, und so-
gleich und jedesmal wieder hergestellt wird, wenn der besagte Kreis wieder
vollständig wird."
In dem weiteren Verfolg seiner Mittheilung variirt Volta in den mannig-
faltigsten Weise seine Versuche. Er zeigt, dass aus zwei Leitern niemals
Verbindungen hergestellt werden können, welche das Froschpräparat erregen;
es sind dazu mindestens drei erforderlich, wovon allerdings der thierische
Körper selbst einer sein kann. Ferner wird keine Wirkung hervorgebracht,
wenn zwei verschiedene Metalle vorhanden sind, welche sich nicht unter
einander berühren, sondern von denen jedes an feuchte Leiter grenzt, und
ebensowenig tritt eine solche ein, wenn der Leiter aus drei Stücken Metall
besteht, von denen zwei gleiche den Frosch berühren, während der dritte
beide verbindet. Sowie aber an einer dieser letzten Verbindungsstellen die
Metalle sich nicht unmittelbar berühren, sondern eine Spur eines feuchten
Leiters zwischen sich haben, tritt eine Wirkung ein.
„Um also bei Fröschen Contractionen, auf der Zunge Geschmack, in
den Augen die Empfindung des Lichts u. s. w. zu erregen, ist es schlechter-
dings nothwendig, dass sich zwei verschiedene Metalle oder Leiter der ersten
Klasse auf einer Seite unter einander berühren oder einen heterogenen zu-
sammengesetzten Metallbogen bilden, während sie mit ihren . gegenüber
stehenden Enden den oder die Leiter der zweiten Klassen berühren und
zwischen sich fassen, die den anderen Bogen bilden."
Indem Volta den Grundsatz anwendet, dass jedesmal eine Wirkung er-
folgt, wenn nicht die nach seiner Annahme an den Berührungsstellen ent-
stehenden Kräfte durch die symmetrische Anordnung der Berührungen sich
aufheben, kann er die bei Anordnungen aus vier und mehr Gliedern auf-
tretenden Wirkungen voraussagen. In die grosse Mannigfaltigkeit der hier
erörterten Versuche brauchen wir ihm nicht zu folgen, da sie alle nur den
Grundsatz bestätigen.
Von Belang ist die von Volta betonte Thatsache, dass man auch
Wirkungen erhält, wenn man statt eines feuchten Leiters und zweier Metalle
ein Metall und zwei feuchte Leiter anwendet; nur müssen die beiden letzteren
recht verschieden von einander sein, etwa Seife- und Salzlösung. Doch
bemerkt er bereits, dass für die verschiedenen Metalle auch verschiedene
Flüssigkeitspaare die wirksamsten sind. Für die meisten, aber keineswegs
alle Metalle gilt folgende Reihe: Reines Wasser, ein halbflüssiger Brei aus
Thon oder Kreide mit Wasser, Zuckerlösung, Alkohol und Äther, Milch,
schleimige Flüssigkeiten, thierische eiweisshaltige Flüssigkeiten, verschiedene
Alessandro Volta.
57
Weine, Essig und andere vegetabilische Säfte, Speichel, Nasenschleim, Blut,
Harn, starkes Salzwasser, Seifenauflösung, die mineralischen Säuren, Kalk-
milch, starke alkalische Lauge, gesättigte Kalilösung, Schwefelkali und andere
Schwefellebern.
In gewissen Fällen erhält man indessen auch Zuckungen bei der An-
wendung eines feuchten Leiters und eines einzigen Metalles, insbesondere
des Eisens, wenn dieses an beiden Enden verschiedene Härte besitzt.
Auch aus lauter feuchten Leitern lassen sich wirksame Verbindungen
zusammenstellen, doch muss, dem Grundsatz gemäss, ihre Zahl mindestens
drei betragen. Indessen sind diese Wirkungen weit schwächer und daher
schwieriger nachzuweisen. Der Brief schliesst mit folgenden Worten:
„Sie sehen jetzt, worin das ganze Geheimniss, die ganze Magie des
Galvanismus besteht. Sie ist nichts als eine durch die Berührung heterogener
Leiter in Bewegung gesetzte künstliche Elektricität. Diese verschiedenen Leiter
sind es, welche hierbei thätig, welche die wahren Erreger derselben sind,
und dies Gesetz gilt nicht etwa bloss für die Metalle oder die Leiter der
ersten Klasse, wie man hätte glauben sollen, sondern mehr oder weniger
für alle, nachdem sie ihrer Natur und Güte nach mehr oder weniger von
einander verschieden sind, und folglich auch in einigem Grade für die
feuchten oder Leiter zweiter Klasse. So lange Sie von diesen Gesetzen aus-
gehen, werden Sie alle bisher angestellten Erfahrungen leicht erklären können,
ohne zu irgend einem eingebildeten anderen Prinzip einer activen thierischen
und den Organen eigentümlichen Elektricität Ihre Zuflucht nehmen zu
dürfen; Sie werden mit Hilfe desselben sogar neue Versuche erfinden, und
ihren Erfolg vorher sagen können, wie ich es gethan habe und nachträglich
thue. Verlassen Sie aber diese Grundsätze, so werden Sie in diesem weiten
Felde von Versuchen nichts als Ungewissheiten , Anomalien und Wider-
sprüche ohne Ende antreffen, und alles wird Ihnen ein unlösbares Räthsel
werden/'
3. Der Sitz der Elektricitätserregung. Nachdem Volta nun festge-
stellt hatte, dass durch die Annahme, dass an den Berührungsstellen hetero-
gener Stoffe eine Trennung der Elektricitäten eintrete, die Gesammtheit der
beobachteten Erscheinungen sich erklären lässt, ging er zu der Aufgabe
über, den hauptsächlichen Sitz dieser Kraft zu bestimmen. Er hebt aus-
drücklich hervor, dass er zunächst geneigt war, ihn an den Berührungs-
stellen zwischen den Metallen und den feuchten Leitern zu suchen; denn
das Vorhandensein solcher Kräfte wird durch die Zusammenstellungen aus
einem Metall und zwei Flüssigkeiten sehr wahrscheinlich gemacht. Aber
Versuche, welche er mittelst seines Condensators,1 sowie mittelst des von
Nicholson erfundenen Duplicators2 anstellte, brachten ihn zu der Über-
zeugung, dass der grösste Theil der Wirkung zwischen den verschiedenen
Metallen stattfinden müsse.
1 Phil. Trans. 72. I. 1782. * Ebenda 78, 403, i;88.
58 Drittes Kapitel.
Wie sehr Volta geschwankt hat, wo er den wesentlichsten Theil der
elektrischen Erregung in der Kette zu suchen habe, ob an der Berührungs-
stelle der Metalle unter sich, oder an den Stellen, wo Metall und Flüssigkeit
sich berühren, geht aus den nachstehenden Stellen eines seiner Briefe an
Gren1 hervor:
„Ich gestehe es, dass ich mich im Vorigen sehr zur letzten Voraus-
setzung geneigt habe, dass ich nämlich die das elektrische Fluidum in Be*
wegung setzende Action, statt sie vom wechselseitigen Kontakt der beiden
Metalle unter einander herzuleiten, in die Berührung eines jeden von ihnen
mit den feuchten, oder den Leitern der zweiten Klasse gesetzt habe. Auch
kann man wirklich nicht leugnen, dass nicht durch die Berührung der Metalle
mit diesen feuchten Leitern einige, bald stärkere, bald schwächere Action
bestimmt werde, wie alle in den vorigen Paragraphen erzählten Versuche
beweisen, dass man in einem Frosch starke Contractionen dadurch erregt,
dass man mit einem Bogen von bloss einem homogenen Metalle, auf der
einen Seite Wasser oder einen anderen wässerigen Leiter, und auf der anderen
eine mucilaginöse, salzige . . . Flüssigkeit in Berührung bringt. Demunge-
achtet aber haben mich neue, erst vor Kurzem entdeckte Thatsachen über-
zeugt, dass bei der gewöhnlichen Art, galvanische Versuche anzustellen,
indem man nämlich zwei hinlänglich von einander verschiedene Metalle an
bloss wässerige oder andere nicht beträchtlich von diesen verschiedene
feuchte Leiter applicirt, die erhaltene Wirkung weit mehr auf Rechnung de&
wechselseitigen Kontakts dieser Metalle unter einander, als ihrer beiderseitigen
Berührung mit den genannten feuchten Leitern komme."
. . . „Es erzeugt sich sonach bei der wechselseitigen Berührung, z. B. des
Silbers mit dem Zinn, eine Action, eine Kraft, vermöge welcher das erstere
elektrisches Fluidum abgiebt, das zweite hingegen es aufnimmt, oder
jenes dasselbe in dieses ergiesst. Diese Action erzeugt, wenn übrigens der
Kreis durch feuchte Leiter vollständig gemacht wird, einen Strom, eine
continuirliche Circulation dieses Fluidums, welches, der oben angezeigten
Richtung gemäss, aus dem Silber nach dem Zinn, und von da durch den
feuchten Leiter wieder zurück nach dem Silber geht; um so, indem es von
Neuem nach dem Zinn strömt, das vorige Spiel zu wiederholen."
Diese letzte Vorstellung, welche uns gegenwärtig undenkbar erscheint,
da sie eine Verletzung des Energieprinzipes bedingt, muss Volta ganz be-
sonders gefallen haben, denn er citirt aus einem Gedicht von Mascheroni*
zum Lobe der Universität Pavia die folgenden Verse:
E quindi in preda a lo Stupor li parve
Chiaro veder quella virtu, che cieca
Passa per interposti umidi tratti
Dal vile stagno al ricco argento, e torna
Da questo a quello con perenne giro.
1 Ritter, Beitrage zur Kenntniss des Galvanismus 1, drittes Stück, S. 47, 1800.
2 Invito a .Lesbia. Milano 1793.
Alessandro Volta.
59
Zu deutsch etwa:
Und eine Beute des Erstaunens, glaubt er
Nun klaren Aug's zu schaun die Kraft, die blindlings
Den Weg sich bahnt durch feuchte Zwischenschichten
Vom schlechten Zinn zum reichen Silber, wendend
Von dem zu jenem sich in ew'gem Kreislauf.
5. Sind die galvanischen Vorgänge elektrischer Natur? Volta
| hat wie Galvaxi von vornherein die galvanischen Erscheinungen als elek-
trische angesehen. Diese Meinung stützte sich vor allen Dingen auf die ersten
Beobachtungen Galvani's, nach welchen die Zuckungen durch in der Nähe
erfolgende elektrische Bewegungen, also, wie wir jetzt sagen würden, durch
elektrische Induction hervorgerufen wurden. Zweifelhaft wurde diese Deutung
allerdings zunächst dadurch, dass die Zuckungen auch ohne Elektrisirmaschine
hervorgerufen wurden; die hierbei vorausgesetzten elektrischen Ladungen
suchte Galvaxi im Organismus, Volta dagegen im Leiter.
Dass es sich hier wirklich um elektrische Erscheinungen handelte, war
schliesslich nur durch die Leitungsverhältnisse wahrscheinlich gemacht;
Isolatoren der Elektricität hemmten die Wirkung, Leiter gestatteten sie.
Dieser Beweis wurde sogar vorübergehend durch den von Humboldt1
angegebenen Unterschied erschüttert, dass einige „gute" Leiter der gewöhn-
lichen Reibungselektricität die galvanische Wirkung unterbrechen. Von solchen
nennt Humboldt die Flamme, trockene thierische Knochen, die Toricellische
I^ere, Wasserdampf, rothglühendes Glas. Auch eine aus den Bürgern
Coulomb, Sabathier, Pelletan, Charles, Foucray, Vauquelin, Guyton und
Halle bestehende Commission, welche die Pariser Akademie zur Prüfung
der GAVANi'schen Entdeckungen ernannt hatte, bestätigte2 dies Ergebniss.
Indessen wurde in Folge der späteren Entdeckungen Volta's über diesen
Einwand meist hinweggegangen, und gegenwärtig wissen wir, dass die frag-
lichen Leiter entweder thatsächlich sehr schlechte Leiter sind oder, wie die
Toricellische Leere, nur eine Funkenentladung bei vorhandener grosser Span-
nung ermöglichen.
Die oben erwähnte Commission der Pariser Akademie, welcher sich
später noch Venturi aus Modena und Alexander von Humboijdt anschlössen,
hat einen sehr ausgedehnten Bericht3 über ihre Arbeiten erstattet, welche
ihre Unsicherheit in Bezug auf die Hauptfrage unter einer Fülle wohlklingen-
der aber nicht eben sehr inhaltreicher Auseinandersetzungen erkennen lässt
und ein Muster dafür ist, wie mit möglichst vielen Worten möglichst wenig
Bestimmtes und Verpflichtendes zu sagen ist. Nachstehend sind die Haupt-
1 Versuche über die gereizte Muskel- und Nervenfaser.
2 Ritter, Beiträge zur näheren Kenntniss des Galv. 1, 98, 1800.
* Journ. de Physique 4, 392 u. 441, an 6 (1798). Deutsch in Ritter's „Beiträgen*4, 1,
f'*. 1800.
6o Drittes Kapitel.
stellen aus den zusammenfassenden Schlussbetrachtungen, die der Beschrei-
bung unzahliger Versuche angeschlossen wurden, wiedergegeben:
. . . „Es zeigt sich, dass die galvanischen Erscheinungen uns im Organis-
mus ein Prinzip nachweisen, dessen Natur möglicher Weise sehr lange un-
bekannt bleiben wird, in welchem aber offenbar das Wesen der gegen-
seitigen Beziehungen zwischem dem Nerven- und dem Muskelsystem besteht.
„Aus der Art, wie sich die Wirkungen dieses Prinzips zwischen den
lebenden Theilen fortpflanzen, aus seinem 'Gang und der augenblicklichen
Schnelligkeit seines Einflusses, aus den künstlichen Mitteln der Mittheilung,
welchen es gehorcht, aus dem Zusammenhange dieser Mittheilung mit zwei
Arten von Stoffen, von denen die einen sie durchlassen, die anderen sie
hemmen, ergiebt sich eine deutliche Analogie zwischem dem Galvanismus
und der Elektricität.
„Diese Analogie scheint eine neue Stütze aus der mehr oder weniger
erheblichen Entfernung zu gewinnen, in welcher der Galvanismus sich über
die Oberfläche der Körper auszudehnen scheint, indem es sie mit einer Art
Atmosphäre umgiebt, deren Ausdehnung in geradem Verhältniss mit der
Intensität dieses Einflusses, und mit der mehr oder minder leitenden Be-
schaffenheit des Mittels steht, durch welches seine Ausstrahlungen sich fort-
pflanzen.
„Sie befestigt sich weiter durch die Bestätigung des Versuches, durch
welchen Humboldt mittelst der Empfindungen und Zuckungen, die gleich-
zeitig in mehreren Personen in einem und demselben galvanischen Kreise
hervorgerufen wurden, die Transmission dieses Einflusses durch die ver-
schiedenen Theile des erregenden Bogens beweist.
„Wie weit aber auch die Analogie gehen mag, so sieht man doch auch,
dass sie noch weit davon entfernt ist, die Charaktere einer völligen Gleich-
heit erkennen zu lassen; auch scheint die Identität nicht vereinbar mit dem
Bestehenbleiben der galvanischen Erscheinungen innerhalb elektrischer
Atmosphären, und noch weniger mit den Eigenschaften der Stoffe, welche
gleichzeitig Leiter des einen und Nichtleiter des anderen Einflusses sind.
., Welcher Natur übrigens dieses Prinzip sein mag, so zeigen doch die
Versuche, durch welche es nachgewiesen wird, mit neuer Evidenz einen
Vorgang der thierischen Ökonomie, welcher zwar bekannt ist, welchen man
aber von nun an besser als bisher wird beurtheilen können: es ist die That-
sache, dass die Anzeichen des Lebens in den verschiedenen Theilen des
Thieres lange Zeit bestehen bleiben können, nachdem das gesammte Leben
zerstört ist, und das Thier aufgehört hat zu existiren, weil die Functionen,
welche die Harmonie des Ganzen und der Theile erhalten, die Athmung
und der Blutumlauf, aufgehört haben sich zu vollziehen.
„Dies ist nicht Alles. Indem die galvanischen Erscheinungen uns voll-
kommen mit der Wirkung der Ursachen bekannt machen, welche diese
Functionen unterbrechen, und welche das Leben des Thieres durch Ersticken
suspendiren oder vernichten, lassen sie uns zwischen ihren zerstörenden
AJessandro Volta. gl
Eigenschaften Unterschiede entdecken, welche von den Verschiedeneiten der
Angriffe abtengen, welche diese Ursachen den Lebensfähigkeiten gegenüber
entwickeln und deren Grade nicht nur mit der Stärke, sondern auch mit
der Art ihrer Wirkung im Zusammenhang stehen; wird diese Kenntniss uns
nicht eines Tages dazu führen, sowohl die Diagnose wie die Behandlung der
Asphyxien zu verbessernd
„Ungeachtet der Hoffnungen, welche diese Ausblicke und Ähnlichkeiten
naturgemäss entstehen lassen, hemmen uns andere Beobachtungen und be-
grünen die Schlüsse , z.u welchen die grossen Ähnlichkeiten uns das Recht
zu geben scheinen. Aais der Reihe der Thatsachen, welche wir dargelegt
haben, und insbesondere aus dem Bestehenbleiben der galvanischen Wir-
kungen ungeachtet der Unterbindung oder Durchschneidung des Nervs, aus
der Mittheilung derselben Wirkungen zwischen Nerven und Muskeln aus
verschiedenen Theilen und von verschiedenen Thieren, ergiebt sich ein Ver-
haken, welches mit dem nicht in Übereinstimmung zu sein scheint, welches
in der natürlichen Ordnung der Dinge den Einfluss der nervösen Organe
auf den Muskel regelt, da im lebenden Thiere dieser Einfluss untrennbar
an die Unverletztheit und Stetigkeit des Nervs gebunden ist. Auch wird
ersichtlich, wie weit die künstlichen Mittel, mit deren Hülfe wir die galva-
nischen Erscheinungen hervorrufen, uns fern von denen lassen, deren sich
die Natur bedient, um die Bewegungen des thierischen Organismus zu be-
stimmen, abzuändern und zu richten.
„Und wenn man dennoch bei den künstlichen Versuchen die Weise
betrachtet, wie dieser Einfluss gleichzeitig Empfindungen und Bewegungen
hervorruft, so kann man nicht umhin, in der Gesammtheit von Nerv und
Muskel, und in ihrem Zusammenhang mit dem Blut- und Lymphsystem
eine Gruppe von Apparaten zu vermuthen, deren Wirkungsweise sich uns
von bisher unbekannter Seite zeigen und eines Tages zur Entstehung einer
ganz neuen Physiologie Anlass geben wird, welche uns in den Stand setzt,
dieses bewegende Prinzip, welches das wesentliche und unterscheidende Ele-
ment in der Physik der organisirten und lebenden Körper bildet, zu erfassen,
zu bestimmen und möglicher Weise zu berechnen." . . .
Eine andere Frage ist es, ob das Agens, welches sich im Nerv fort-
pflanzt und im Muskel Zuckung hervorruft, elektrischer Natur ist. Auch
hierauf hatte Galvani, wie berichtet, unbedingt bejahend geantwortet Doch
vrurde durch Valli und Pfaff ein Versuch bekannt, welcher dieser An-
schauung eine erhebliche Schwierigkeit bereitete, die von den Forschern auf
diesem Gebiete vielfach empfunden, von Humboldt1 ausdrücklich als eine
der grössten anerkannt wurde. Der Versuch besteht in Folgendem:
Stellt mn (Fig. 14) einen Froschschenkel nebst daran hängendem Nerven
dar, so erhält man Zuckungen, wenn man zwei Metalle a und b (z. B. Zink
und Silber) mit einander und mit dem Nerv bei a und ß in Berührung setzt.
1 Versuche über die gereizte Muskel- und Nervenfaser, S. 482.
52 Drittes Kapitel.
Diese Zuckungen entstehen auch, wenn man an der Stelle n v zwischen
cc und ß den Nerv unterbindet, durchschneidet und wieder zusammenfugt!
ihn mit ätzenden Flüssigkeiten behandelt oder sonst auf irgend eine Weise
tödtet, oder seinen organischen Zusammenhang unterbricht; so
lange nur elektrische Leitfähigkeit vorhanden ist, lassen sich
Zuckungen beobachten.
Ganz anders verhält es sich, wenn die todte Stelle n — v
des Nervs ausserhalb des durch die Metalle eingeschlossenen
Theiles nach der Seite des Muskels liegt, wie in Fig. 15 ange-
deutet ist; alsdann bleiben alle Zuckungen aus.
Den Schluss, welcher aus diesem Versuch mit Notwendig-
keit folgt, hat J. W. Ritter bestimmt gezogen,1 dass nämlich der
Vorgang, welcher durch seinen Verlauf im Muskel Zuckung her-
r vorruft, von dem Vorgang, welcher in einer galvanischen Platte
verläuft, verschieden ist. Dadurch wurde in unzweifelhafter
Weise das Gebiet der galvanischen Vorgänge aus dem organisch-
physiologischen entfernt und in das anorganisch-chemische übertragen. Wie
Volta von vornherein erkannt hatte, dient das Froschpräparat nur als ein
hochempfindliches Elektroskop, und der physiologische Zu-
sammenhang beschränkt sich darauf, dass die Elektricität sich
als besonders leicht und bei geringster Bethätigung wirksamer
Reiz erweist, welcher, wenn er den Nerv an irgend einer Stelle
trifft, an seinem Ende den im Übrigen noch völlig unbekannten
Vorgang veranlasst, durch welchen die Zuckung des Muskels
hervorgebracht wird.
6. Unmittelbarer Nachweis der elektrischen Natur
des galvanischen Vorganges. Trotz der grossen Überein-
stimmung, welche sich zwischen den galvanischen und den elek-
trischen Erscheinungen in Bezug auf ihre Leitung gezeigt hatte,
' blieb es eine Aufgäbe von grosser Bedeutung, die elektrische
Natur jener unmittelbar, mit Hilfe der an der Elektricität wohl-
bekannten Eigenschaften der Anziehung und Abstossung, sowie
der Funkenbildung zu erweisen. Volta hatte die Wichtigkeit dieser Aufgabe
wohl erkannt, und sich in den Jahren 1795 bis 1796 mit ihrer Lösung eifrig
beschäftigt. Die erste Mittheilung über den günstigen Erfolg seiner Ver-
suche ist in seinem zweiten Briefe an Gren,2 der vom August 1796 datirt
ist, enthalten:
„Ist der Kreis unterbrochen, so entsteht, wenn beide Metalle isolirt sind,
in dem Zinn eine Anhäufung des genannten Fluidums auf Kosten des Silbers,
eine Elektricität nämlich, die positiv oder plus ist in dem ersteren und
1 Beiträge zur näheren Kenntniss des Galvanismus 1, 125 ff. Jena 1800.
* Brüonatelli, Annali di Chimica 14, 3, 1797. Deutsch in Ritter's Beiträgen, Bd. 1,
3. Stück, S. 50.
Alessandro Volte. 63
gaihr oder minus in dem letzteren: eine Elektricität, die zwar sehr gering
id weit unter dem Grade ist, welcher nöthig wäre, um sich an den ge-
Shnüchen Elektrometern durch Zeichen merklich zu machen, mit der es
ir aber doch endlich, und besser, als ich erwartete, gelungen ist, sie mit
ilfe meines Condensators der Elektricität, und noch besser mit dem Dupli-
itor des Herrn Nicholson,1 einem Instrumente von der sinnreichsten Er-
ldung, das mit dem Condensator auf gleichen Prinzipien beruht, wirklich
merkbar zu machen, ja sogar sie bis zum Funken zu verstärken."
Nachdem Volta Einiges über den Gebrauch und die Empfindlichkeit
s Duplicators vorausgeschickt hat, beschreibt er seinen
Ersten Versuch. „Nachdem ich den Duplicator einige Stunden,
einen oder einige Tage in Ruhe, und seine drei messingenen Scheiben
iter einander und mit der Erde in Verbindung gelassen habe, bis ich
auben kann, dass aller Rückstand von der in den vorigen Versuchen vor-
indenen Elektricität sich völlig daraus verloren habe, hebe ich jene Ver-
ödungen auf, so dass nun die bewegliche Scheibe sowohl, als die beiden
deren unbeweglichen, jede besonders, isolirt sind. Hierauf bringe ich
it jener beweglichen, oder mit einer der unbeweglichen messingenen
heiben eine Silberplatte auf eine beliebige Zeit in Berührung, nehme
wieder weg, und fange jetzt an, die bewegliche Scheibe in Umdrehung
versetzen. Nach 20, 30, 40 Umdrehungen schon, je nachdem die
rührung mehr oder weniger vollkommen war (und das Instrument in
sserem Zustande und die Luft trockener ist) erschienen in der beweg-
hen Scheibe Zeichen von positiver Elektricität, wenn das Silber mit
• in Berührung gestanden hatte, die unbeweglichen Scheiben hingegen
ben Zeichen von negativer Elektricität, die durch jene veranlasst
id; war aber das Silber mit einer der unbeweglichen Scheiben in Be-
hrung, so ist das Verhältniss umgekehrt: diese nämlich geben Zeichen
n positiver und jene von negativer Elektricität. In beiden Fällen
igen sich diese Elektricitäten an sehr empfindlichen Elektrometern mit
>ldblättchen sowohl, als auch an den minder empfindlichen Strohhalm-
ektrometern, mit denen die genannten Scheiben, jede für sich, in Ver-
cidung gesetzt worden, an, und wachsen, wie die Zahl der Umdrehungen
nimmt.
„Zweiter Versuch. Statt jene Messingscheibe mit einer Silber-
atte zu berühren, bringe man sie mit einer von Zinn in Verbindung;
e berührte Scheibe wird vermittelst des gewöhnlichen Spiels, und
rar bei einer minderen Zahl von Umdrehungen als vorhin, Zeichen
>n negativer, und die unberührte folglich von positiver Elektricität
ben.
„Das Nämliche erfolgt, und noch weit schneller, wenn die genannte
:heibe von Messing mit einer Zinkplatte berührt wurde. . . .
i
1 Die Beschreibung dieser Instrumente wird weiter unten mitgetheilt werden.
64 Drittes Kapitel.
„ Dritter Versuch. Man nehme Scheiben oder Platten von ver-
schiedenen Metallen, als von Silber, Messing, Eisen, Blei, Zinn, Zink u. s. w.,
die ungefähr drei Zoll im Durchmesser haben. Es ist von keinem sonder-
lichen Vortheil, wenn sie grösser sind, nachtheilig aber würde es sein,
wenn sie um ein Beträchtliches kleiner wären; übrigens muss man sie
durch gläserne Fussgestelle oder Säulen bequem isoliren können. Man
bringe also eine isolirte Silberplatte mit der Fläche einer iscrtirten Zinn-
platte auf kurze Zeit, oder auch nur auf einen Augenblick, in möglichst
genaue Berührung: das Silber wird durch diese kurze Berührung mit dem
Zinn eine negative, das letztere aber, das Zinn, eine positive Elektricität
erhalten haben."
Volta wurde bei fortgesetzter Beschäftigung mit dem Duplicator in-
dessen mit Recht misstrauisch gegen die von Zufälligkeiten vielfach ab-
hängigen Angaben dieses Instrumentes, und bemühte sich erfolgreich um
einfachere Versuchsanordnungen. In seinem dritten Briefe an Gren,1 der
im Jahre 1797 geschrieben worden ist, beschreibt er die seitdem unter dem
Namen des VoLTA'schen Fundamentalversuches klassisch gewordene
Anordnung folgendermaassen :
„Man hat zu diesen Versuchen nichts weiter nöthig, als Platten von
verschiedenen Metallen, wie ich sie bereits im vorigen Brief beschrieben
habe, und ein BENNET^sches Elektrometer mit Streifen des feinsten Gold-
blattes. . . . Um bei dem einfachsten anzufangen, wiederhole man die bereits
angeführten Versuche, nur mit dem einzigen Unterschiede, dass man die
mit einander in Berührung gestandenen Platten nicht mehr mit dem Dupli-
cator, sondern sogleich unmittelbar mit dem Knopf eines sehr empfind-
lichen Elektrometers in Berührung bringt; die Pendel desselben, die
Goldblättchen, werden etwas divergiren, und damit einige Elektricität an-
zeigen, welche positiv oder negativ sein wird, je nach der Natur des Me-
talles, welches man untersucht, und des anderen, mit dem dies vorher in
Berührung stand."
7. Sitz der elektromotorischen Kraft. Aus dem Umstände, dass mit
einem einzigen- Metalle im Froschschenkel Zuckungen hervorgebracht werden
können, wenn die beiden Enden desselben mit möglichst verschiedenen
Flüssigkeiten in Berührung kommen, hatte Volta bereits geschlossen, dass
auch zwischen Metallen und Flüssigkeiten Elektricitätserregung stattfindet;
die Versuche mit dem Duplicator bestätigten dies Ergebniss, wie er in seinem
zweiten Briefe an Gren gleichfalls mittheilte.
„Ich gehe jetzt weiter, um durch unmittelbare Versuche zu erweisen,
was ich oben bereits erwähnt habe, nämlich dass die Metalle ihre Eigen-
schaft, durch Berührung mit anderen, vorausgesetzt nur, dass sie verschie-
dener Art sind, die elektrische Flüssigkeit in Bewegung zu setzen, sie abzu-
geben oder aufzunehmen u. s. w., ebenfalls auch äussern, wenn sie mit
feuchten Leitern oder solcherf zweiter Klasse in Berührung kommen; nur
dass unter diesen Umständen der Grad, mit dem es geschieht, im Allgemeinen,
Alessandro Volta.
_ ^ „65
und wenn man sie mit wässerigen oder vom Wasser wenig verschiedenen
Leitern zusammenbringt, weit geringer ist als mit jenen.
„Ich sage im Allgemeinen, und wenn die Leiter, die man mit den
Metallen in Berührung bringt, rein oder fast rein wässeriger Art sind;«
denn die elektrische Wirkung, welche sich bei der Berührung einer Menge
salziger Flüssigkeiten, vorzüglich gewisser Säuren mit gewissen Metallen,
und der concentrirten Alkalien mit fast allen Metallen erzeugt, ist häufig
stärker und ausgezeichneter als die, welche die wechselseitige Beziehung
zweier wenig von einander verschiedenen Metalle hervorbringt, wie die hier-
über bereits an ihrem Orte erzählten Versuche zeigen, in denen ein ent-
weder unvollkommen präparirter oder nur in schwachem Grade erregbarer
Frosch, den man auf die gewöhnliche Art in zwei Gläser mit Wasser ge-
bracht hat, in Ruhe bleibt, wenn man den Kreis mit zwei solchen wenig
verschiedenen Metallen, wie Silber und Kupfer, Messing und Eisen u. s. w.
schliesst, da er im Gegentheil heftig bewegt wird, wenn man beide Gläser
durch einen Bogen aus bloss einem Metall, z. B. aus Eisen allein, oder aus
Zinn allein, verbindet, an dessen eines Ende man etwas starkes Salzwasser,
Salpetersäure oder Alkaliauflösung gebracht hat.
„Ich beschränke mich also auf die Leiter der wässerigen oder dieser
nahekommenden Art, und wähle dazu grünes Holz, feuchtes Papier, mit
Wasser getränkte Ziegeln oder andere Steine poröser Natur. Alle diese
Körper bringe ich einzeln und isolirt mit Platten von Silber, Messing, Zinn,
Zink u. s. w. in Berührung, trenne diese hierauf von jenen und nehme dann
wie gewöhnlich den Duplicator zu Hülfe. So finde ich, dass sie alle von
ihren elektrischen Flüssigkeiten verloren oder eine negative Elektricität
erhalten haben. Diese negative Elektricität ist indessen sehr geringe, vor-
züglich beim Zink, und bei weitem kleiner als die, welche eine Silberplatte,
die man an eine von Zinn applicirt, oder auch als die, welche dieses Zinn
erhält, wenn man es mit einer Zinkplatte verbindet, geschweige denn als
die, welche jenes erste Metall bei der Berührung mit diesem letzterem erhält.
Die Elektricität der Metallplatte, die mit einer von jenen feuchten Materien
in Berührung war, ist, die Platte sei übrigens von welchem Metall sie wolle,
so klein, dass, um sie entdecken zu können, der Duplicator von aller
fremden Elektricität befreit sein muss, und selbst dann sind noch eine Menge
Umdrehungen erforderlich, um sie bis zu einem gewissen Grade zu ver-
stärken/'
Wir stehen hier an einem Punkte, wo der folgenreichste Irrthum der
Elektrochemie beginnt, dessen Bekämpfung weiterhin fast den grössten Theil
der wissenschaftlichen Arbeit auf diesem Gebiete in Anspruch genommen
hat Einen Vorwurf für Volta kann man aus dem Vorstehenden nicht
ableiten. Volta hat die Erscheinungen genommen, wie sie sich ihm dar-
boten. Untersuchungen über die Quelle der elektrischen Erregungen, die
er beobachtete, anzustellen, war erst die Aufgabe einer späteren Zeit, nach-
dem ihm der Nachweis gelungen war, dass solche überhaupt unter den von
Ottwald, Elektrochemie. 5
66 Drittes Kapitel.
ihm angegebenen Bedingungen stattfinden. Dass er die Aussagen seiner
Messinstrumente so auffasste, wie sie sich ihm unmittelbar darboten, entspricht
völlig dem regelmässigen Gange der wissenschaftlichen Entwickelung; ebenso
hat man beispielsweise unter dem Einfluss des Augenscheines zu einem
Zweifel, dass die Sonne sich um die Erde bewegt, zunächst keinen Anlass.
Erst die wissenschaftliche Untersuchung der Frage, d. h. das Bedürfhiss,
diese Erscheinung mit einer Anzahl anderer im Zusammenhange aufzufassen,
lässt erkennen, dass diese Beschreibung der Beziehung zwischen Sonne und
Erde unzweckmässig ist und durch die umgekehrte ersetzt werden muss.
Ganz in derselben Weise ist erst später mehr und mehr die Notwendigkeit
in den Vordergrund getreten, die Vorgänge zwischen den Metallen und den
feuchten Leitern in Betracht zu ziehen, und damit sind die Zweifel an der
Bündigkeit des Augenscheines bei diesem Versuche erwacht. Wenn also
ein Vorwurf zu machen ist, so gebührt er den späteren „unentwegten" An-
hängern der VoLTA'schen Lehre, die zu Zeiten, wo reichlicheres und ent-
scheidenderes Material gegen diese vorlag, die VourA'sche Lehre nicht zu
prüfen, wohl aber zu vertheidigen stets mit Eifer bereit waren.
\ 8. Gleichzeitige Forscher. Unter den zahlreichen Forschern, welche
durch Galvanos Entdeckungen zu weiteren Untersuchungen angeregt wurden,
nimmt Volta, wie das aus der vorangegangenen Darstellung sich ergab,
unbedingt die erste Stellung ein. Er setzte seine Auffassung der fraglichen
Erscheinungen so siegreich gegen Galvani durch, dass er alsbald die Füh-
rung in der weiteren Förderung der Sache übernahm, und in den ersten
Decennien des Galvanismus sehen wir ihn die maassgebenden Entdeckungen
und Ideen so gut wie allein an das Licht bringen. Seine auf gleichem Ge-
biete strebenden Zeitgenossen stehen daher in völliger Abhängigkeit von
ihm, und was sie bringen, ist neben Volta's Arbeiten durchaus zweiter
Ordnung.
Unter diesen gleichzeitigen Mitarbeitern sind insbesondere drei Deutsche
zu nennen: Alexander von Humboldt, C. H. Pfaff und J. W. Ritter.
Humboldt hatte sich schon als Freiberger Bergstudent eifrig mit dem
Galvanismus zu beschäftigen begonnen; seine ungemein zahlreichen Beobach-
tungen hat er in einem zweibändigen Werke: Versuche über die ge-
reizte Muskel- und Nervenfaser,1 veröffentlicht Humboldt nimmt in
seiner Auffassung der Erscheinungen insofern eine abgesonderte Stellung
ein, als er einerseits die elektrische Natur der galvanischen Erscheinungen
in Zweifel zieht, wodurch er als Gegner Galvanos erscheint, und anderer-
seits durch mannigfaltige Versuche bestätigt, dass auch mit möglichst homo-
genen Metallen, ja ganz ohne solche der Froschschenkel zum Zucken ge-
bracht werden kann, wodurch er sich mit Volta in Gegensatz stellt Seine
1 Versuche Über die gereizte Muskel- und Nervenfaser nebst Vermuthungen über den
chemischen Prozess des Lebens in der Thier- und Pflanzenwelt von Friede. Alexander v. Hum-
boldt. Posen und Berlin, 1797, 2 Bde.
Alessandro Volta.
67
Versuchungen sind für die Entwickelung der Lehre von der strömenden
Mtricitat nicht von Wichtigkeit geworden, wohl aber später für die Elektro-
►hysiologie. Auch an den Zusammenhang der galvanischen Erscheinungen
nit chemischen hat Humboldt gedacht (ebenda I, 472), er verhält sich aber
ler Annahme eines solchen gegenüber wesentlich ablehnend.
Christian Heinrich Pfaff (geb. 1773 in Stuttgart, gest. 1852 in Kiel)
hat ach insbesondere um die Verbreitung der Kenntniss der galvanischen
Erscheinungen in Deutschland Verdienste erworben. Er schrieb 1793 eine
lateinische Dissertation darüber, welche 1794 in Gren*s Annalen deutsch ab-
gedruckt wurde ; x im folgenden Jahre veröffentlichte er eine sehr erweiterte
Ausgabe seiner Arbeit unter dem Titel „Über thierische Elektrität und
Reizbarke itf*;2 als Mitarbeiter des „neuen Gehler"8 hat er die Geschichte
des Galvanismus in Gehler's physikalischem Wörterbuch später (1828) mit
dankenswerther Sorgfalt und Umsicht bearbeitet.
In gleicher Weise wie um die Entdeckungen Galvanos hat sich Pfaff
um diejenigen Volta's verdient gemacht. Er ist bis an sein Lebensende ein
überzeugter Anhänger der Kontakttheorie Volta's geblieben, und hat 1837
und 1845 Streitschriften zur Vertheidigung derselben gegen die inzwischen
ausgebildete „chemische Theorie" geschrieben.
9. J. W. Ritter. Eine der merkwürdigsten Gestalten aus jener Zeit ist
der Jenaer Physiker Johann Wilhelm Ritter. Aus Poggendorff's Hand-
wörterbuch entnehme ich über seine äusseren Schicksale folgende Daten.
Er ist 1776 zu Samitz in Schlesien geboren, wurde Pharmaceut, lebte dann
in Jena, Gotha und Weimar studirend und als Privatgelehrter, wurde 1804
an die Akademie zu München berufen und starb daselbst am 23. Januar 18 10.
Der Eindruck der wissenschaftlichen Persönlichkeit, welchen man aus
seinen zahlreichen Schriften erhält, ist der eines Mannes von ungewöhn-
licher geistiger Regsamkeit Eine immerfort auf das Lebhafteste thätige
Phantasie veranlasste ihn zunächst zu ungewöhnlich intensiver Arbeit; jeder
Gegenstand, den er ergreift, zeigt sich seinem geistigen Auge von so mannig-
faltigen Seiten, dass die angestrengteste Thätigkeit der Hand erforderlich ist,
um einigermaassen mit dem Fluge des Geistes Schritt zu halten, und eine
Fülle experimenteller Untersuchungen kennzeichnet insbesondere seine Theil-
nahme an der Entwickelung der Lehre vom Galvanismus bis zur Entdeckung
der VoLTA'schen Kette. Daneben macht sich eine bemerkenswerthe Kraft
und Kühnheit des Denkens geltend. Ritter gehört nicht zu den zahllosen
Menschen, die, wenn ihr Denken sie zu unerwarteten Ergebnissen gefuhrt
hat, aus Angst vor dem Absurden die unabweislichen Forderungen nicht
zu ziehen wagen; er hat im Gegentheil stets die Augen nach möglichst
weitgehenden Folgerungen aus den beobachteten Thatsachen offen, und kennt
sehr wohl die weittragende Gewalt einer logisch scharfen Fragestellung und
1 Gren's Ann. der Physik 8, 196, 1794« * Leipzig 1795-
■ J. S. T. GEHLER's Physikalisches Wörterbuch, neu bearbeitet von Brandes, Gmelin,
Horner, Muncke, Pfaff. I-eipzig 1825-45.
5*
68 Drittes Kapitel.
ihrer erfahrungsmässigen Beantwortung. So finden wir in seinen Schriften
zahlreiche Beispiele dafür, wie durch ihrem Inhalte nach wohl überlegte, in
ihrer Ausführung einfache Experimente wichtige und weittragende Angelegen-
heiten entschieden werden, und er steht in dieser Beziehung vielfach hoch
über seinen Zeitgenossen, welche durch unendliches Experimentiren allein
den Weg durch das Labyrinth des Galvanismus zu finden suchen.
Neben diesen grossen Vorzügen fällt auch schon in seinen älteren
Schriften als Mangel ein schlechter Stil auf, der durch philosophisch ange-
hauchte Wendungen, endlose Satzbildungen und eine durchgängige Neigung
an Stelle des einfachen und unmittelbaren Ausdruckes umständliche und ge-
zwungene Perioden zu bevorzugen, das Lesen von Ritter's Arbeiten für den
modernen Menschen recht unbequem macht. Viel von diesen Untugenden mag
auf die Gewohnheiten jener Zeit zurückzuführen sein, in welcher, um nur einen
anzuführen, Jean Paul die allerhöchste litterarische Verehrung genoss. Aber
wir sehen diese Eigentümlichkeit bei Ritter nicht vorübergehen, sondern
sich steigern. Von Jahr zu Jahr wird der Stil schwülstiger, der Inhalt seiner
Schriften unverständlicher, aus dem exakten Experimentator, dem wir die Ent-
deckung der Polarisationssäule verdanken, die jetzt in der Gestalt des Accu-
mulators ihre technischen Triumphe feiert, der zuerst die ultravioletten Strahlen
nachgewiesen hat, der experimentell die Verschiedenheit des im gereizten
Nerven verlaufenden Vorganges vom elektrischen Strom ausser Zweifel zu
setzen wusste, wird ein Mystiker, welcher im Verein mit Franz Baader und
Schelling einem Betrüger zum Opfer fällt, der mit geheimen Kräften aus-
gestattet zu sein behauptet. J. W. Ritter ist an der Naturphilosophie jener
Zeit zu Grunde gegangen, und angesichts solcher Opfer findet man den
Ausdruck Liebig's nicht zu hart, wenn er in Erinnerung an seine eigenen
Erlebnisse erklärt: „Anch ich habe diese an Worten uud Ideen so reiche,
an wahrem Wissen und gediegenen Studien so arme Periode durchlebt, sie
hat mich um zwei kostbare Jahre meines Lebens gebracht; ich kann den
Schreck und das Entsetzen nicht schildern, als ich aus diesem Taumel zum
Bewusstsein erwachte."
Wer ist nicht einverstanden, wenn Ritter sich in der Vorrede einer
Schrift von 17981 folgendermaassen äussert:
„Ich bemühte mich daher, alle Versuche und die daraus gezogenen
Resultate einer genauen Prüfung zu unterwerfen, verwarf alle Folgerungen,
denen andere Thatsachen widersprachen, und empfand es, dass es schmerz-
haft sei, ein schönes hypothetisches Gebäude auf einmal niederstürzen zu
sehen. Ich wurde immer kräftiger überzeugt, dass es nur eine wahre
Theorie aller Naturerscheinungen geben könne, und dass diese alle, auch
die kleinsten Umstände erklären müsse. Sobald sich der geringste wahre
Widerspruch gegen eine Theorie findet, so kann sie nicht die wahre sein,
1 Beweis, dass ein beständiger Galvanismus den Lebensprozess im Thierreich begleite.
Weimar 1798.
Alessandro Volta.
69
man muss sie verlassen. Aber etwas muss sie mit der wahren gemein
haben, sonst könnte sie nichts, und je mehr sie mit ihr gemein hat, desto
mehr muss sie zu erklären scheinen."
In derselben Schrift aber, welche im Wesentlichen eine Bestätigung und
Erweiterung der VoLTA'schen Arbeiten enthält1, die sich durch Scharfsinn
und Vielseitigkeit auszeichnet, finden wir gegen den Schluss folgende Sätze:
„Bei Aufstellung des Beweises, dass ein beständiger Galvanismus den
Lebensprozess in dem Thierreiche begleite, hatten wir gar nicht nöthig zu
fragen, ob nothwendig thierische Theile als gegenwärtig in der Kette für
eine Action in derselben erfordert würden, genug, dass wir wussten, dass
auch thierische Theile allein wirksame Ketten geben. . . . Aber was ist denn
ein thierischer Theil und was der Körper, zu dem er gehört? Es ist ein
System in einander wirkender Kräfte, sein Theil ist, was es ist, durch sein
Ganzes, und das Ganze durch seine Theile begründet; beides ist sich wechsel-
seitig Mittel and Zweck, und das Product alle Augenblicke ein anderes und
doch wieder dasselbe: ein dynamisches durch seine Thätigkeit eben diese
Thätigkeit von neuem, und damit Dauer seiner Existenz begründendes
System. Von diesem nun ist das einzelne Organ ein Theil, ein bestimmtes
dynamisches Verhältniss, und drei dergleichen verschiedene sind es, welche
wirksame Ketten geben. Aber jenes System ist selbst das, was es ist, nicht
durch sieh allein, nur insofern ist es dies, als es Theil ist eines höheren
dynamischen, des vollkommensten, aber organischen System, der Natur,
und dass es überhaupt ist, verdankt es selbst der Natur. Sie ist das Ideal
aller organischen Wesen, absolut in sich beschlossen, ewig in sich, und ewig
das was sie ist, bleibend, bleibend — Natur. Weltkörper sind ihre Blut-
kugelchen, Milchstrassen ihre Muskeln, und Himmelsäther durchströmt ihre
Nerven. Und, o welches Verhältniss! nur in diesen Punkten sich nahend,
trillionenmal kleiner, denn jener Blutkügelchen kleinstes, in diesen nur sollte
sich Thätigkeit unter jener bestimmten Form (der geschlossenen Kette)
äussern? Fürwahr! ich begreifs nicht; es ist unmöglich, dass sie nicht
überall stattfinde in der ganzen Natur. Wo ist eine Sonne, wo ist ein Atom,
das nicht Theil wäre, die nicht gehörte zu diesem organischen All,
lebend in keiner Zeit, jede Zeit fassend in sich? — Wo bleibt denn
der Unterschied zwischen den Theilen des Thieres, der Pflanze, dem Metall
und dem Steine? — Sind sie nicht sämmtlich Theile des grossen All-
Thiers, der Natur? — — Ein allgemeines, bisher noch nicht gekanntes
Naturgesetz scheint uns entgegen zu leuchten! — Doch die Folge wird viel-
leicht darthun, dass es mehr sei als Schein."
Versucht man, diesem Wortschwall einen verständlichen Sinn beizulegen,
so reducirt sich dieser auf die Vermuthung, dass unter geeigneten Verhält-
nissen, nämlich bei der Berührung dreier Leiter, stets galvanische Wirkung
stattfinden würde, unabhängig von ihren Dimensionen.
Dass* bei solchem Spiel mit Worten Sätze entstehen, welche uns jetzt
wie geniale Voraussicht kommender Entwickelung erscheinen, ergiebt sich
yo Drittes Kapitel.
aus den unmittelbar folgenden Darlegungen über das Verhältniss des Gal-
vanismus zur Elektricität, und dieser zur Chemie:
„Und da im totalen dynamischen Prozess, dem sogenannten che-
mischen, auch der partielle, der elektrische, enthalten ist, wie im Ganzen
der Theil, darf dann die Ankündigung befremden, dass das System der
Elektricität, nicht wie es jetzt ist, sondern wie es einst sein wird,
zugleich das System der Chemie und umgekehrt werden wird?" —
Sehen wir aber zu, welches der Ideengang ist, der Ritter zu diesem
Ergebniss geführt hat, so finden wir folgende wunderliche Darlegung, die
jenem Ergebniss unmittelbar vorausgeschickt ist:
„Wenn die Aufgabe entstände, die Bedingungen anzugeben, unter denen
drei ausser einander befindliche, voneinander verschiedene Raumerfüllungs-
individuen, ohne gänzlichen Übergang der Dreiheit in Einheit (der Qua-
lität), ohne sogenannte chemische Einung, und zwar jedes auf das andere
unmittelbar und zugleich mittelbar wirken könnten, wie würde man
diese Aufgabe lösen? Durch die Radical- Formel des Galvanismus. ...
„Aber auf drei reducirt sich auch die combinirteste galvanische Kette,
so viel aber auch müssen der verschiedenen Glieder zur wirksamen Kette
nothwendig sein.
„Ferner: Wieviel verschiedene Raumerfüllungs-Individuen können auf
einmal unmittelbar allein, indem sie einander berühren, so auf einander
wirken, dynamisches Gleichgewicht herstellen, ohne gänzlichen Übergang
der Differenz zur Einheit? — Zwei. Und das Product ist? — Elektricität
„Wie aber nennt man den Prozess, wo zwei Raumerfüllungs-Individuen
differenter Qualität gänzlich zur Einheit der Qualität übergehen? — Che-
misch.
„Und so ergiebt sich das Verhältniss des Galvanismus zur Elektricität,
und dieser zu der Chemie. Darf man sich nun noch verwundern, beim
Galvanismus so genaue Beziehung auf chemische Verhältnisse zu finden?
Darf man sich noch wundern über den so genauen Zusammenhang zwischen
galvanischen und elektrischen Erscheinungen? . . . Und da im totalen
dynamischen Prozess, dem sogenannten chemischen, auch der par-
tielle, der elektrische, enthalten ist, wie im Ganzen der Theil, darf dann
die Ankündigung befremden, dass das System der Elektricität, nicht
wie es jetzt ist, sondern wie es einst sein wird, zugleich das
System der Chemie und umgekehrt werden wird?" —
Der vorher so geistreich erschienene Schlusssatz ergiebt sich hier in
seinem Zusammenhange als eine Phrase. Denn, wieder aus dem Naturphilo-
sophischen ins Deutsche übersetzt, heisst die Deduction: Weil zum galvani-
schen Vorgange drei, zum elektrischen zwei Stoffe gehören, und beim
chemischen Vorgange (zuweilen) ein einziger entsteht, ist zwischen diesen drei
Vorgängen eine Beziehung, wie die vom Theil zum Ganzen, vorhanden.
Es ist psychologisch unmöglich, dass derselbe Kopf, welcher die
S. 68 angeführte meisterhafte Darlegung geliefert hat, die letzte Schluss-
Alessandro Volta. »|
reihe, wie sie ihres Wortschmuckes entkleidet dasteht, in ihrer nackten Sinn-
losigkeit bewusst durchdacht hat. Vielmehr muss man allen Ernstes an-
nehmen, dass Ritter, sowie er in die Denk- oder vielmehr Ausdrucksweise
der Naturphilosophie gerieth, auf die nüchterne Überlegung dessen, was er
schrieb, verzichtete. Die ganze Erscheinung zeigt sich bei ihm und seinen
Geistesgenossen als eine Art von bewusstem Somnambulismus, als eine
Selbsthypnose: in dem Augenblicke, wo den Adepten der Geist überkam,
trug er für nichts mehr Sorge, als dass die Fülle der Gesichte durch keine
Störung von Seiten des trockenen Schleichers Verstand unterbrochen wurde.
Eine nachträgliche Prüfung der Producte solcher Eingebungen auf ihren
sachlichen Inhalt wäre jedem aus der Gilde als ein Sacrilegium erschienen,
für welches als strenge aber gerechte Strafe der ewige Ausschluss aus dem
Heiligthum der Inspiration in Aussicht stand.
Auf die Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeiten Ritter's wird auch
in der Folge wiederholt zurückzukommen sein. Er hat sich wesentliche
Verdienste um die Lehre vom Zusammenhange zwischen chemischen und
galvanischen Erscheinungen erworben, ist aber an der wissenschaftlichen Ver-
werthung seiner Beobachtungen vielfach dadurch behindert worden, dass er
als eifriger Gegner der eben entstandenen Sauerstofflheorie die von ihm
gesehenen Vorgänge einer meist gezwungenen und zuweilen abenteuer-
lichen Deutung unterwarf. Als Zeitgenosse Volta's und Mitstreber auf dem
gleichen Gebiete erscheint er in seinem übertriebenen Wesen recht unvor-
teilhaft neben der ruhigen Genialität des grossen Italieners; doch fügt die
unbedingte Verehrung, die er diesem bei jeder Gelegenheit zollt, und die
völlige Freiheit seiner Schriften von jedem Ausdrucke eines Concurrenzneides
seinem erfolgreicheren Fachgenossen gegenüber einen überaus wohlthuenden
Zucr in das Bild, welches die Nachwelt von ihm erhalten hat.
'b
Fig. 16. Richmann's elektrisches Gnomon.
Viertes Kapitel.
Die Anfänge der Elektrometrie.
I. Richmann's elektrisches Gnomon. Da für die Entwicklung der
Lehre von der Beruh rungselektricität die Hülfsmittel der Messung insbesondere
schwacher elektrischer Potentiale oder die Elektrometer von grösster Be-
deutung waren, so soll eine kurze Geschichte der Elektrometrie hier ein-
geschaltet werden.
Die Erscheinung, welche man zunächst ausschliesslich zu elektrometrischen
Messungen verwerthet hat, ist die Fernewirkung elektrisch geladener Leiter,
und die davon abhängige Bewegung. Die älteste mir bekannte Nachricht
über ein ausgeführtes Instrument dieser Art fuhrt auf den Physiker Richmann
zurück, welcher dasselbe um 1752 bereits besass, und an welchem er am
6. August 1753 seinen Tod fand, als er es zum Behuf der Beobachtung der
Gewitterelektricität mit einer Auffangestange verbunden hatte: .eine heftige
elektrische Entladung sprang von dem Apparat auf seine Stirn über, und
tödtetc ihn sofort.
Die Beschreibung dieses Electritätsmessers oder elektrischen Gnomons
entnehme ich dem Bericht, welchen W. Watson der Royal Society in London
über Richmann's Tod erstattete.1
1 Philos. Transactions 1754, 765.
Die Anfange der Elektrometrie.
11
Die Beschreibung von Professor Richmann's Apparat wurde von ihm an
sor Heinsius in Leipzig gesendet Er nannte ihn ein elektrisches Gno-
Zur Herstellung dieses Gnomons war ein metallener Stab, ein Glas-
. ein Leinenfaden von anderthalb Fuss Länge, an dessen einem Ende
ilber Gran Blei befestigt war, und ein Quadrant erforderlich (Fig. 16),
letallstab CD stand in dem Glasgefäss F., welches Metallfeilicht enthielt
.einen faden C G war in C am Stab befestigt und hing, wenn der Ap-
nicht elektrisch war, senkrecht an ihm herab. Der Radius des in
getheilten Quadranten war zwei Linien länger als anderthalb Fuss.
sor Richmann fugte diesem Apparat zuweilen eine Glasflasche mit
•r HI nach der Weise von Muschenbroek hinzu, welche in einem
gefäss I K stand, das seinerseits auf Glas ruhte. Der Draht von der
jngderFlasche q
vurde während
•witters mit B C
nden. Durch
i Zusatz fand er
llektricität aus
uft viel stärker
ine ihn. Links
ler Flasche war
: weites elektri-
Gnonion ange-
t. Wenn dieses
zt wurde, sn
■n die Drähte
und ///. mit
'. , dem Con-
r einer Elektri-
ichine oder der-
en, verbunden,
lzeitig war auch
r Kette AB ein
Draht /.'ATbe-
, welcher in Fi(, |? Cavai-uV, Elrktronwter.
rung mit dem
; I K stand. Hierdurch wurden beide Gnomoncn elektrisirt, wenn die
isirmaschine in Bewegung gesetzt wurde."
. Cavai.lo's Elektrometer. Als erster Erfinder des Elektroskops
häutig John Canton genannt, welcher zwei an Leinenfaden von acht
neun Zoll Länge hängende Korkkugeln von der Grosse einer kleinen
1 benutzte, um die Wirkung der elektrischen Influenz nachzuweisen.
Philo?. Tr;
■7S3. 35°-
74 Viertes Kapitel.
Doch handelt es sich liier nur um eine Vorrichtung ad hoc, nicht um ein
eigentliches Elektroskop oder gar Elektrometer. Zu einem solchen wurde
es erst durch Tiberius Cavallo ' gemacht, welcher die pendelnden Kügelchen
in ein Glasgefäss schloss, und so gegen Zug und andere zufällige Störungen
schützte. Seine Beschreibung lautet folge ndermaassen:
„Die Figur (Fig. 17) ist eine geometrische Darstellung meines neuen atmo-
sphärischen Elektrometers in natürlicher Grösse. Ich habe dieses Instrument,
für welches ich die erste Idee von meinem geistreichen Freunde Thomas Ronavne
erhielt, bereits im Jahre 1 777 zu dem gegenwärtigen Zustande der Vollendung ge-
bracht, und unmittelbar darauf wurden einige nach diesem Muster durch Hrn.
Adams, Mechaniker in Fleetstreet, angefertigt. Die grosse Schwierigkeit bei
der Herstellung dieses Instrumentes hat mich lange abgehalten, eine Be-
schreibung davon zu veröffentlichen; auch hatte ich die Royal Society nicht
damit in Anspruch genommen, wenn nicht die Beobachtungen einiger meiner
Freunde, welche es in England und auswärts benutzt haben, sowie meine
eigenen wiederholten Beobachtungen nicht unzweifelhaft seine Überlegenheit
über alle anderen Instrumente dieser Art bewiesen hätten. Seine besonderen
Vortheile sind: [. Kleinheit, 2. Bereitschaft zum Versuch, ohne Furcht vor
Verwickelung der Fäden oder Entstehung eines zweideutigen Ergebnisses in
Folge von Trägheit der Bewegung, 3. Unabhängigkeit vom Winde, 5. Em-
pfindlichkeit und 5. die Fähigkeit, die mitgetheilte Elektricität länger zu halten
als irgend ein bisher benutztes Elektrometer.
Der Haupttheil des Instrumentes ist eine Glasröhre CDAFN, die unten
in das hölzerne Stück AB gekittet ist, an welchem Theil das Instrument
gehalten wird, wenn es für die Atmosphäre gebraucht wird; auch dient der-
selbe dazu, um das Instrument beim Nichtgebrauch in dem hölzernen Ge-
häuse ABO (Fig. 17) festzuschrauben. Der obere Theil der Röhre verjüngt
sich und ist völlig mit geschmolzenem, nicht in Spiritus aufgelöstem Siegel-
lack überzogen. In diesem verjüngten Theil ist eine schmale
Röhre befestigt, welche mit ihrem unteren Theil das flache
Stück H von Elfenbein berührt, das an der Röhre mit
Kork befestigt Est. Das obere Ende des Drahtes erhebt
sich etwa einen Viertelzoll über die Röhre und lässt sich
in die messingene Kappe EF schrauben, welche unten
offen ist und zum Schutze des Lacküberzuges gegen
Regen u. s. w. dient. In Fig. 18 ist die Kappe durch-
sichtig gezeichnet, um ihre innere Gestalt und die Art
zu zeigen, wie sie auf den Draht geschraubt ist, der über
Fig. 18. cavai.i.o's die Röhre L hervorragt. Die schmale Röhre L und der
obere Theil der breiten Röhre CDMN erscheinen wie
ein stetiges Stück wegen des Siegellacks, welches beide bedeckt. Die
konischen Korke p des Elektrometers, welche durch ihre Abstossung die
Die Anfinge der Elelctrometrie.
_/5
Ekktricität anzeigen, sind so klein, als sie sich nur eben herstellen lassen,
und sind mit äusserst feinen Silberdrähten aufgehängt, letztere sind oben zu
Ringen gebogen, mittelst deren sie sehr locker in dem flachen Elfenbein-
stück H hängen, das zwei Locher zu diesem Zwecke hat Durch diese
Aufhängungsweise ist die Reibung beinahe auf Null herabgebracht, und
dadurch ist das Instrument für sehr geringe Grade der Elektricität empfind-
lich. IM und K N sind zwei schmale Streifen Zinnfolie, welche an der
Innenseite von C D MN festgeklebt und mit dem hölzernen Fuss A B ver-
bunden sind; sie dienen dazu, die Elektricität abzuleiten, welche dem Glase
mitgetheilt werden würde, wenn die Korke es berühren, und welche bei
ihrer Anhäufung die freie Bewegung der Korken stören würde."
Die Beschreibung lässt Einiges an Deutlichkeit zu wünschen übrig; so
scheint S. 74 ein Satz ausgefallen zu sein, welcher die Form und Lage des
Drahtes beschreibt, auf den die Kappe geschraubt wird; auch erscheint bei
der schlecht leitenden Eigenschaft des Elfenbeins der Übergang der Elektri-
cität von der Kappe zu den Korkkugeln nicht sicher.
3. Bennet's Goldblatt-Elektroskop. In der Folge wurden die an
Leinenfäden oder Silberdraht befestigten beweglichen Theile durch andere
ersetzt. Die gegenwärtig noch gebräuchlichen Goldblättchen wurden vom
Rev. Abraham Bennet1 eingeführt, welcher sein Elektroskop in einem Briefe
aus Wicksworth, 14- September 1786, an Jacou I'riestley beschreibt;
1 Fhilos. Trans. rjS?, 26.
76
Viertes Kapitel.
„Ich sende Ihnen die Beschreibung meines Elektrometers, welche der
Royal Society vorgelegt werden kann, nachdem es die Ehre Ihrer An-
erkennung erlangt hat.
„Es besteht aus zwei Streifen von Goldblatt aa, welche in einem Glase £ auf-
gehängt sind {Fig. i g — 21). DerFuss<?kann aus Holz oder Metall sein, die Klappet
ist aus Metall. Die Kappe ist oben eben gehalten, damit Platten, Bücher,
verdampfendes Wasser und andere zu elektrisirende Dinge bequem darauf
gesetzt werden können. Die Kappe ist um etwa einen Zoll grösser im
Durchmesser, als das Glas, und ihr Rand ist etwa dreiviertel Zoll breit und
liegt parallel dem Glase, um den Regen abzuhalten und das Glas isolirend
bleiben zu lassen. Innerhalb dieses Randes ist ein zweiter kreisförmiger
Ansatz, etwa halb so breit wie der andere und innen mit Seide oder Sammet
überzogen, welcher genau auf die Aussenseite des Glases passt; auf solche
Weise sitzt die Kappe fest und kann leicht abgenommen werden, um, wenn
irgend ein Unfall mit den Goldblättern geschehen ist, ihn auszubessern.
Innerhalb dieses Ansatzes ist eine zinnerne Röhre c, welche von dem Mittel-
punkt der Kappe herabhängt und etwas länger ist, als der innere Ansatz.
In der Röhre ist ein kleiner Pflock f befestigt, der nach Bedarf herauszu-
nehmen ist. An dem Pflock, welcher an einem Ende rund und am anderen
flach ist, sind zwei Streifen mit Goldblatt mit Kleister, Gummilösung oder
Firniss befestigt. Nachdem die Streifen an dem Pflock und dieser in der
Röhre im Mittelpnnkt der
Kappe befestigt sind, hängen
sie inmitten des Glases, etwa
drei Zoll lang und einen Viertel-
zoll breit. Auf einer Seite der
Platte befindet sich eine
schmale Röhre , um Drähte
darein zu setzen. Es ist offen-
bar, dass ohne das Glas die Goldblättchen durch die geringste Bewegung
der Luft so in Bewegung gerathen würden, dass sie unbrauchbar wären;
, und wenn die Elektricität
1
der Oberfläche des Gla-
ses mitgetheilt werden
sollte, so würde sie die
Abstossung der Goldblätt-
chen beeinflussen; deshalb
sind zwei lange Stücke kh
von Zinnfolie mit Firniss
an entgegengesetzten Sei-
ten auf der inneren Glas-
fläche dort befestigt, wo die Goldblättchen anschlagen würden, und sind mit
dem Fuss verbunden. Das obere Ende des Glases ist mit Siegellack bis
zur Länge des äusseren Randes herab überzogen und bedeckt, um die Iso-
Fig. sj. Nach Bennet.
Die Anfänge der Elektrometrie.
77
lation zu verbessern. Fig. 21 stellt das Instrument zusammengesetzt und
gebrauchsfertig dar.
„Die folgenden Versuche werden die Empfindlichkeit dieses Instrumentes
zeigen (vgl. Fig. 22 bis 27).
„I. Gepulverte Kreide war in einen Blasebalg gethan und wurde auf die
Kappe geblasen. Diese wurde positiv elektrisirt, wenn die Kappe etwa sechs
Zoll von der Öffnung des Blasebalges war; derselbe Strom von Kreidepulver
elektrisirte sie aber negativ aus der Entfernung von drei Fuss, wie in Fig. 22
und 23 dargestellt ist. Bei diesem Versuche findet vermöge der Dispersion
* ' ./
Fig. 24. Nach Ben net.
Fig. 25. Nach Ben net.
oder weiteren Diffusion des Pulvers in der Luft ein Wechsel vom Positiven
zum Negativen statt. Das Gleiche wird bewirkt, wenn man ein Bündel feinen
Draht, Seide oder Federn in das Mundstück des Blasebalges steckt, und das
Pulver ist völlig negativ, wenn man es aus einem Blasebalg ohne das eiserne
Rohr bläst, so dass es in einem breiteren Strom herauskommt; der letztere
Versuch gelingt nicht so gut bei trockenem Wetter, wie bei feuchtem. Die
positive Elektricität der geblasenen Kreide wird mitgetheilt, da ein Theil des
Pulvers an der Kappe haftet; die negative wird aber nicht mitgetheilt und
die Goldblättchen fallen zusammen, sowie die Kreidewolke sich verzogen hat.
„2. Wird ein Stück Kreide über eine Bürste gezogen, oder wird gepul-
verte Kreide in die Bürste gethan und auf die Kappe gestäubt, so wird sie
negativ elektrisirt; die Elektricität wird aber nicht mitgetheilt (Fig. 24}.
„3. Gepulverte Kreide, welche mit dem Mund oder Blasebalg von einer
metallenen Platte fortgeblasen wird, die auf der Kappe liegt, elektrisirt sie
dauernd positiv (Fig. 25). Wird die Kreide von der isolirten oder nicht
isolirten Platte geblasen, so dass das Pulver über die Kappe fortgeht, so
wird es auch positiv, wenn es nicht zu weit entfernt ist. Oder wenn eine
Bürste auf die Kappe gelegt wird, und ein Stück Kreide wird darüber ge-
zogen, so gehen, wenn die Hand fortgenommen ist, die Goldblättchen stetig
mit positiver Elektricität auseinander, sowie die Kreidewolke sich zerstreut.
„4. Gepulverte Kreide, die von einer Platte auf eine andere fällt, die aut
dem Instrument liegt, elektrisirt es negativ (Fig. 26).
78
Viertes Kapitel.
•',:''&'
Fig. 26. Nach Bennet.
„Andere Methoden, Elektricität mit Kreide und anderen Pulvern hervor-
zubringen, sind versucht worden, so die Kreide von einem Gänseflügel zu
stäuben, den Schnitt eines Buches zu bekreiden, und dieses plötzlich zu-
sammenzuschlagen, das Pulver auf die Kappe zu
sieben; alles dies elektrisirte es negativ: als aber
das Instrument auf einen staubigen Weg gestellt
und der Staub in der Nähe mit einem Stock
aufgerührt wurde, nahm es positive Elektricität
an. Das Springen einer Glasthräne auf einem
Buche elektrisirte es negativ, wahrscheinlich durch
die Reibung bei der Erschütterung, denn wenn
die Glasthräne in Wasser zerbrochen wurde, elek-
trisirte sie es nicht.
„Weizenmehl und Mennige sind in allen Fällen
stark negativ, wenn Kreide positiv ist. Die fol-
genden Pulver waren wie Kreide: rother und
gelber Ocker, Harz, Kohlenasche, gepulverter crocus metallorum, Musivgold,
Graphit, Lampenschwarz (welches nur nach den zwei ersten Verfahren merk-
lich war), gepulverter Ätzkalk, Umbra, lapis calaminaris, Spanischbraun,
gepulverter Schwefel, Eisenfeile, Eisenrost,
Sand. Harz und Kreide, welche einzeln
übereinstimmend waren, wurden durch
Mischung geändert; dies wurde oft bei
trockenem Wetter versucht, gelang aber
nicht bei feuchtem; Bleiweiss wurde gleich-
falls zuweilen positiv und zuweilen nega-
tiv, wenn es von einer Platte geblasen
wurde.
„IsteinMetallgefäss mit rothglühenden
Kohlen darin auf die Kappe gestellt und
wird ein Löffel Wasser darauf gegossen,
so wird das Gefäss negativ elektrisirt: wird
ein gebogener Draht mit einem daran zur
Vergrösserung der Oberfläche befestigten
Papier in die Kappe gesteckt, so kann
die Elektricität von Nebel und Regen gut
dadurch veranschaulicht werden, dass man
Wasser durch einen isolirten Durchschlag
giesst, welcher glühende Kohlen enthält,
wo dann die aufsteigenden Dämpfe posi-
tiv, die fallenden Tropfen negativ sind (Fig. 27).
„Die Empfindlichkeit dieses Elektrometers kann erheblich durch Därauf-
stellen einer Kerze vermehrt werden. Durch dieses Mittel wird eine Kreide-
wolke, welche sonst die Goldblättchen nur eben öffnet, sie für eine lange
Fig. 27. Nach Bennet.
Die Anfänge der Elektrometrie.
79
Fig. 28.
Nach Ben net.
Zeit zum Anschlagen bringen, und die Elektricität, welche vorher nicht mit-
getheilt wurde, geht nun in das Elektrometer und veranlasst die Goldblätt-
chen sich abzustossen, wenn es fortgebracht wird. Selbst
Siegellack theilt auf diese Weise sein (elektrisches) Feuer über
eine Entfernung von wenigstens zwölf Zoll mit, was es anderer-
seits durch Reiben der Kappe kaum thun würde.
„Eine Wolke von Kreide oder Weizenmehl kann in einem
Zimmer hervorgebracht werden, und das Elektrometer kann
beliebig aus einem anderen Zimmer herzugebracht werden,
und die Wolke wird es elektrisiren, bevor es sehr nahe ge-
kommen ist Die Luft in einem Zimmer, zunächst einem, in
welchem die Elektrisirmaschine benutzt wurde, war sehr merk-
lich elektrisirt, was festgestellt wurde, indem das Instrument
mit seiner Kerze hindurchgetragen wurde (Fig. 28).
„Die Elektricitätsmenge, welche erforderlich ist, um eine
Abstossung der Goldblättchen hervorzubringen, ist so gering,
dass die schärfsten Spitzen und Kanten sie nicht ohne Berüh-
rung herausziehen, daher ist es unnöthig, bei der Construction des Instru-
mentes Spitzen oder Kanten zu vermeiden.
„Appendix. Die metallische Kappe des Elektrometers muss (zum Zweck
der Verbindung mit Volta's Condensator) eben
geschliffen und polirt werden, damit ein Stück
Marmor darauf passt, welches gleichfalls beider-
seits polirt und mit Firniss überzogen ist In der
Seite der Marmorplatte ist ein Handgriff aus Glas
oder getrocknetem Holze befestigt. Endlich ist
auf der oberen Seite eine kleinere Metallplatte,
welche gleichfalls mit einem isolirenden Griff ver-
sehen ist Die ganze Construction ergiebt sich
aus der beigefügten Zeichnung (Fig. 29). Wird
eine kleine elektrische Ladung dem Metall in A
mitgetheilt, während die Marmorplatte B abgeleitet
ist, so wird der einfache Condensator geladen und
seine Elektricität wird (falls sie in genügender
Menge vorhanden ist) ersichtlich, wenn die Marmor-
platte an dem Handgriff C aufgehoben wird. Ist
noch nichts sichtbar, so berühre man die kleine
Platte D nach dem Abheben, entferne sie vom
Marmor mittelst ihrer isolirenden Handhabe, und FiS- 29- Elektroskop mit Con-
bringe sie an die Kappe des Elektrometers, so dcnsator' Nach Bennet'
wird (felis sie noch immer zu gering ist) ein Auseinandergehen der Gold-
blattchen mit derselben Elektricität erfolgen, welche ursprünglich der Kappe,
in welcher eine kleine Menge Elektricität verbleibt, mitgetheilt wurde. Auf
diese Weise ist sowohl der grössere wie der kleinere Condensator Volta's
80 Viertes Kapitel.
mit dem Elektrometer so verbunden, dass sie auf die . einfachste, geschwin-
deste und bequemste Weise, die ich erdenken kann, zu benutzen sind. Ihre
erstaunliche Kraft, die Elektricität zu condensiren, ist in Volta's Abhand-
lung, die früher in den Phil. Trans abgedruckt worden ist, genügend aus-
einandergesetzt worden."
4. Volta's Condensator. Ein ausgezeichnetes Hilfsmittel, um mittelst
dieser Apparate Elektricität geringster Spannung nachzuweisen, ist der soeben
erwähnte, von Volta erfundene Condensator. Dieser ist fünf Jahre vorher
von Volta in einer italienisch geschriebenen Abhandlung: Del modo di
render sensibilissima la piü deboli Elettricitä sia Naturale, sia Artificiale,1 be-
schrieben worden. Da eine vollständige Wiedergabe der Abhandlung, die
in der von Volta beliebten Breite (25 Quartseiten) verfasst ist, nicht ange-
messen wäre, so begnüge ich mich, die Hauptpunkte mit seinen eigenen
Worten mitzutheilen :
„Das ganze Verfahren kann auf die folgenden wenigen Bemerkungen
reducirt werden. I. Es muss ein Elektrophor2 beschafft werden, dessen
Harzschicht sehr dünn und nicht elektrisirt, oder von aller Elektricität be-
freit ist.
IL Sein gewöhnlicher Metalldeckel muss auf diese unelektrisirte Harz-
platte gelegt werden, dass er sie vollständig und eben berührt, doch muss
Sorge getragen werden, dass er in keinem Punkte die Metallplatte berührt,
auf welcher die Harzschicht gewöhnlich befestigt ist.
III. Sind die Platten so vereinigt aufgestellt, so muss eine leitende Ver-
bindung, nämlich ein Draht, von dem atmosphärischen Leiter (im Falle die
Elektricität der Luft untersucht wird) bis zur Berührung mit dem metallenen
Deckel, und- diesem allein, gebracht werden.
IV. Der Apparat muss eine gewisse Zeit in dieser Lage gelassen werden,
nämlich bis der Metalldeckel eine genügende Menge Elektricität durch die
leitende Verbindung, welche sie sehr langsam vom atmosphärischen Leiter
heranbringt, empfangen hat.
V. Schliesslich muss die leitende Verbindung von dem Metalldeckel
entfernt werden; dann wird der Deckel von der Harzplatte mittelst des iso-
lirenden Handgriffes abgehoben, worauf er im Zustande ist, Anziehungs-
wirkung zu üben, ein Elektrometer zu laden oder, wenn die Elektrisirung
stark genug ist, Funken zu geben u. s. w., während gleichzeitig der atmo-
sphärische Leiter selbst entweder gar keine Elektricität zeigt, oder ausser-
ordentlich kleine Zeichen derselben. . . .
„Was die leitende Verbindung zwischen dem atmosphärischen Leiter
und dem Metalldeckel anlangt, so muss Sorge getragen werden, dass sie so
wenig Verbindungsstellen als möglich erhält, oder besser aus einem Stück
gemacht ist, da die Schwierigkeit, kleine Elektricitätsmengen durchzulassen,
1 Philos. Trans. 1782, 237; englische Übersetzung ebenda Appendix VII.
2 Der Elektrophor ist gleichfalls von Volta im Jahre 1775 erfunden worden.
Die Anfenge der Elektrometrie. gj
durch jede Unterbrechung erheblich vergrössert wird und daher völlig Ver-
hinderung eintreten kann, wie es oft bei Anwendung einer Kette der Fall ist
„Was den zu benutzenden Elektrophor anlangt, so muss weiter bemerkt
werden, dass es von grösster Wichtigkeit ist, ihn sehr dünn zu haben, denn
es ist bemerkt worden, dass eine um so grössere Elektricitätsmenge in dem
metallenen Deckel angehäuft werden kann, je dünner die Harzschicht ist,
und dies ist der Fall, ob die Elektricität, wie im obenerwähnten Falle, aus
der Atmosphäre gebracht wird, oder aus irgend einer anderen elektrischen
Kraft stammt Die Dicke von l/t0 Zoll, oder die einer gewöhnlichen Firniss-
schicht, ist sehr angemessen, während, wenn das Harz einen Zoll oder mehr
dick war, der Versuch sehr schlecht entsprach.
I „Zweitens muss die Fläche der Harzschicht ebenso wie die untere Fläche
des Deckels so eben und glatt als möglich sein, damit die beiden Flächen
recht vollkommen zusammenfallen, wenn sie auf einander gelegt werden.
Es ist wohlbekannt, wie sehr dieser Umstand die Wirkung des Elektrophors
verbessert; ich habe dies deshalb als eine wesentlich zu beachtende Sache
in meiner Veröffentlichung über dies Instrument1 empfohlen. Dieser Um-
stand ist aber noch viel wesentlicher, wenn derselbe Apparat als Conden-
sator der Elektricität dienen soll.
„Schliesslich muss wiederholt werden, dass die Harzplatte, wenn sie für
unser Experiment benutzt werden soll, völlig frei von den letzten Spuren
Elektricität sein soll, da sonst der Versuch nicht zuverlässig ist. Wenn daher
die Harzplatte vorher elektrisirt worden war, so muss alle mögliche Sorgfalt
darauf gewendet werden, sie von aller Elektricität zu befreien, was indessen
nicht leicht zu machen ist Die wirksamste Methode dazu ist, die Harzplatte
den heissen Strahlen der Sonne oder eines Feuers auszusetzen, so dass die
Oberfläche leicht geschmolzen wird, wodurch sie gänzlich ihre Elektricität
verlieren wird. Die Flamme einer Kerze oder von brennendem Papier be-
freit leicht das Harz von seiner Elektricität, wenn es durch die Flamme ge-
zogen wird. Um zu beobachten, ob die Harzplatte völlig frei von Elektricität
ist, muss der Metalldeckel darauf gelegt, dort mit dem Finger berührt, und
dann nach dem Aufheben in gewöhnlicher Weise einem feinen Haar genähert
werden; wird das Haar nicht angezogen, so kann man schliessen, dass die
Harzplatte keine Elektricität enthält und der Apparat daher geschickt ist, als
Condensator der Elektricität zu dienen.
„Wenn ich gefragt würde, in welchem Grade die Elektricität condensirt
werden kann, oder um wieviel das elektrische Phänomen durch diesen Apparat
gesteigert werden kann, so würde ich antworten, dass dies nicht leicht zu
bestimmen ist, da es von verschiedenen Umständen abhängt. . . .
„Um die Unbequemlichkeit (dass die Harzschicht elektrisch wird) zu
vermeiden, habe ich daran gedacht, die Harzplatte durch eine Platte zu
ersetzen, welche nicht völlig idioelektrisch, oder völlig undurchlässig für
1 Vgl. die beiden Briefe an Dr.-PRIESTLEY, abgedruckt in der Scelta d'opusculi intercssanti
di Müano. 1775-
Oitirald, Elektrochemie. 6
82 Viertes Kapitel.
Elektricität ist, sondern nur ein unvollkommener Leiter, so dass er nur in
einem gewissen Grade den freien Durchgang der elektrischen Flüssigkeit
durch seine Substanz hindert. Es giebt viele Leiter dieser Art, beispielsweise
eine reine und trockene Marmortafel, oder eine Platte von Holz (gleicherweise
rein und sehr trocken oder mit einer Schicht Firniss oder Wachs überzogen)
und ähnliches. Die Oberfläche solcher Körper nimmt keine Elektricität an,
und hängt ihnen einige Elektricität an, so verschwindet sie schnell wegen
ihrer halbleitenden Natur; aus diesem Grunde taugen sie nicht zur Anwendung
im Elektrophor, mehr aber zu Condensatoren der Elektricität.
„Ausser den oben erwähnten Vortheilen entsteht noch ein anderer durch
den Ersatz der Harzplatte durch einen unvollkommenen Leiter, nämlich dass
eine daraufgelegte Metallplatte thatsächlich eine grössere Elektricitätsmenge
annehmen und condensiren wird, als wenn sie auf eine Harzplatte oder eine
vollkommen idioelektrische Platte gelegt wird, da, wie oben bemerkt, die
Harzplatte unserem Zwecke um so besser entspricht, je dünner sie ist; und im
Falle eines gefirnissten oder mit Wachs gehöhnten Brettes diese Schicht
ausserordentlich dünn ist, und Null wird, wenn ein unvollkommener Leiter,
wie Marmor oder sehr trockenes Holz u. s. w., benutzt wird."
Volta ergeht sich ferner des Breiteren über die besten Arten von
Marmor für diesen Zweck, und giebt an, dass auch der schlechte (leitende)
Marmor geeignet gemacht werden kann, wenn er mit Kopal-, Bernstein- oder
Schellackfirniss lackirt wird.
„Bei der Anwendung von Firniss kann selbst eine Metallplatte an Stelle
des Marmor benutzt werden. . . . Hier kann gesagt werden, dass wir that-
sächlich zum Elektrophor zurückgekehrt sind. Dies ist wahr. . . . Indessen
hat die gefirnisste Metallplatte vor dem Elektrophor den Vorzug, dass der
Firniss erstens stets dünner ist, als die gewöhnliche Harzplatte des Elektrophors.
Zweitens nimmt der Firniss eine glättere und ebenere Oberfläche an, so da»
der Metalldeckel leichter und mit besserem Erfolg angepasst werden kann. . . .
„Die oben erwähnte Tafel aus Marmor oder gefirnisstem Metall kann
mit gleichem Vortheil durch irgend eine beliebige Platte ersetzt werden, die
mit trockenem und reinem Oltuch oder geölter Seide oder Satin oder
anderem, nicht zu dicken Seidenstoff, überzogen ist; dies wird sehr gut
wirken, ohne mehr zu erfordern als vielleicht eine kleine Erwärmung.
Seidene Stoffe sind geeigneter für den Zweck, als solche aus Wolle; und
diese geeigneter als Leinen. Übrigens können durch vorheriges Trocknen
und Warmhalten während des Versuches Papier, Leder, Holz, Elfenbein,
Knochen und beliebige andere halbleitende Stoffe bis zu einem gewissen
Maasse brauchbar gemacht werden. ...
„Ich will nicht unterlassen, zu bemerken, dass der Apparat vereinfocht
werden kann, indem man die Seide oder eine andere halbleitende Schicht
auf dem mit einem gläsernen Handgriff versehenen Metalldeckel anbringt,
an Stelle der Marmortafel oder einer anderen Platte, welche alsdann unnöthig
wird; denn an ihrer Stelle kann irgend eine beliebige Platte dienen, wie ein
Die Anfänge der Elektrometrie. gs
gewöhnlicher Tisch von Holz oder Marmor, selbst wenn er nicht sehr trocken
ist, ein Stück Metall, ein Buch oder ein anderer Leiter, ob vollkommen oder
unvollkommen, wobei nur eine ebene Oberfläche nöthig ist." . . .
Volta geht nunmehr zur Beschreibung einiger mit dem Condensator
anzustellender Versuche über, welche hier übergangen werden können. In
einem zweiten Theil der Abhandlung setzt er dann seine* theoretischen An-
schauungen über den Gegenstand auseinander; diese sollen wegen ihrer be-
achtenswerthen Klarheit hier wiedergegeben werden.
„Die ganze Sache kann darauf zurückgeführt werden, dass der Metall-
deckel eine viel grössere Capäcität, Elektricität zu halten, besitzt, wenn er auf
einer passenden Fläche liegt, als wenn er ganz isolirt steht, etwa in der
Luft an seidenen Fäden oder an seinem isolirenden Griff hängend, oder auf
einer dicken Lage von Harz oder ähnlichem liegend.
„Es ist leicht zu verstehen, dass je grösser die Capäcität, Elektricität zu
halten, wird, um so kleiner die Intensität werden muss; es ist nämlich eine
grossere Elektricitätsmenge erforderlich, um die Intensität auf einen gegebenen
Grad zu bringen, so dass die Capäcität der Intensität umgekehrt propor-
tional ist; unter dem letzten Worte verstehe ich das Bestreben, mit welchem
die Elektricität von allen Theilen eines elektrisirten Körpers zu entweichen
strebt, welchem Bestreben oder Tendenz die elektrischen Erscheinungen der
Anziehung, Abstossung und speziell die Grade der Erhebung eines Elektro-
meters entsprechen/'
Diese letzten Auseinandersetzungen sind sehr merkwürdig. Sie drücken
genau den Standpunkt aus, auf welchem man gegenwärtig, nach mehr als
hundert Jahren, wieder angelangt ist, und sogar die benutzte Terminologie
zeigt die überraschendste Übereinstimmung mit der gegenwärtigen.
Volta zeigt nun an einer grösseren Anzahl von Versuchen die Richtigkeit
seiner Sätze, wobei freilich neben vielem Richtigem einiger Irrthum unterläuft.
Da diese Auseinandersetzungen unserem gegenwärtigen Zwecke fernliegen,
sollen sie übergangen werden.
^ 5. Bennet's Elektricitätsverdoppler. Das Prinzip des VoLTA'schen
Condensators wurde in der Folge vielfach benutzt, um möglichst empfindliche
Elektroskope herzurichten. So ging zunächst1 der schon erwähnte Abraham
Bennet von der ursprünglich von ihm benutzten, noch etwas plumpen Form
mit der Marmorplatte zu dem Condensator mit dünnen Firnissschichten über,
und erfand dazu das Prinzip der wiederholten Vervielfältigung der Elektricitäts-
mengen mit Hülfe des Condensators. Die Beschreibung seiner Erfindung
theilte er unter dem Titel mit: Nachricht von einem Elektricitäts-
verdoppler oder einer Maschine, mittelst deren die kleinstdenkbare
Menge positiver oder negativer Elektricität beständig verdoppelt
werden kann, bis sie mit einem gewöhnlichen Elektrometer er-
kennbar oder in Funken sichtbar wird.
1 Philos. Trans- i7«7» **8.
84
Viertes Kapitel.
„Ich setze auf mein früher beschriebenes Elektrometer (S. 75) eine !
kreisförmige Messingplatte, von drei oder vier Zoll Durchmesser, polirt und '
auf der oberen Seite dünn gefirnisst. Auf diese Messingplatte setze ich eine
zweite von gleichem Durchmesser, beiderseits polirt und gefirnisst, mit einem
isolirenden Handgriff am Rande. Eine dritte Platte wird gleichfalls vorgesehen,
von gleichem Durchmesser, polirt und gefirnisst auf der unteren Seite, und mit
einem senkrechten Handgriff in der Mitte der oberen Seite versehen, ähnlich der,
welche ich im Appendix zu meiner letzten Abhandlung (S. 79) beschrieben habe.
„Das Verfahren, Elektricität aus der Atmosphäre zu sammeln, und sie
so oft erforderlich, zu verdoppeln, ist folgendes. Ist das Wetter trocken, so
bringe ich in die freie Luft eine brennende Fackel, die nicht leicht aus-
zublasen ist, oder eine kleine Laterne mit einer brennenden Kerze darin, an
deren Boden mittelst einer Dille ein isolirender Handgriff aus Glas, mit
Siegellack überzogen, befestigt ist, in der anderen Hand wird eine Leidener
Flasche gehalten; alsdann erhebe ich die Flamme etwas über meinen Kopf,
berühre sie mit dem Knopf der Flasche und halte sie in dieser Stellung
etwa eine halbe Minute. Ich kehre dann in's Haus zurück (wo der oben
beschriebene Verdoppler trocken gehalten wird, indem er in der Nähe des
Feuers aufgestellt ist), berühre die untere Seite der ersten Platte, die un-
mittelbar auf dem Elektrometer liegt, mit dem Knopf, und gleichzeitig die
zweite Platte mit einem Finger der anderen Hand. Dann stelle ich die
Flasche zur Seite, hebe die zweite Platte mittelst ihres isolirenden Handgriffes
auf, und wenn die
Elektricität vom
Elektrometer noch
nicht angegeben
wird, so lege ich
die dritte Platte mit-
telst ihres isoliren-
den Handgriffes auf
die erhobene zweite
Platte. Dann be-
rühre ich die dritte
Platte, indem ich
einen Finger über
den Ansatz des iso-
lirenden Handgrif-
fes hinaus bewege,
und nachdem ich
den Finger zu-
rückgezogen habe, trenne ich wieder die dritte Platte von der zweiten. Dem
Elektriker wird klar sein, dass in dieser 1,-age zwei Platten gleiche Art
Elektricität besitzen, und nur eine die andere Art. Ich berühre dann mit
der dritten Platte die untere Seite der ersten Platte, welche auf dem
Fig. 30. Nach Bennet.
Die Anfinge der Elektrometrie.
«5
ektrometer bleibt, und indem ich gleichzeitig diese erste Platte mit der
reiten bedecke, berühre ich diese durch Ausstrecken des Fingers über den
osatx des isolirenden Handgriffes; indem ich dann zuerst die dritte Platte
Fig. 31. Nach Bennet.
Fig. 32. Nach Bennet.
Ttnehme, den Finger von der zweiten entferne und sie von der ersten ab-
jbe, wird die Elektricität verdoppelt Wird durch diese erste Operation die
lektricität nicht im Elektrometer sichtbar, so wiederhoe ich sie zehn oder
ranzig Mal, wodurch vermöge der jedesmaligen Verdolppelung die kleinst-
mkbare Menge von Elek-
icität sichtbar gemacht
ird, indem sie nach der
ranzigsten Operation auf
twa das 500 000 fache ver-
lehrt wird. Und obwohl
ie zwanzigmalige Ver-
oppelung nach der oben-
ehenden Beschreibung
oiständlich erscheinen
tag, so nimmt sie doch
eniger als 40 Secunden
Anspruch, wenn der
xperimentator sie mit ei-
ger Fertigkeit (welche
Jd erworben wird) aus-
lirt Die Sammlung der Elektricität aus der Luft und das Berühren und
mdhaben der Platten findet sich in den Figuren 30 — 35 dargestellt. . . .
„Das Experiment, durch welches die Verdoppelung der Elektricität bei
t Operation erwiesen wird, ist folgendes. Werden die beiden Goldblättchen
Fig. 33. Nach Bennet.
86
Viertes Kapitel.
Fig. 34. Nach Bennet.
des Elektrometers durch den obigen Prozess auf irgend eine Entfernung
divergiren gemacht, so wird durch Wiederholung desselben die Entfernung
nahezu verdoppelt. Ein anderer Beweis dieser verdoppelten Anhäufung ist,
dass, wenn die dritte Platte an
die erste gebracht wird, die
Entfernung der Goldblättchen
ersichtlich unverändert bleibt,
obwohl in dieser Lage ihre
Elektricität sich über die dop-
pelte Oberfläche ergossen hat...
„Es ist offenbar, dass ei-
nige Vorsicht nöthig ist, Ver-
suche von solcher Feinheit aus-
zuführen, da durch die kleinste
Reibung der Hand an den ge-
firnissten Flächen der Platten
oder der isolirenden Handgriffe,
oder wenn die metallische Fläche
einer Platte zufällig an der ge-
firnissten der anderen gerieben wird, einige Elektricität hervorgebracht wird,
welche durch die Verdoppelung sichtbar gemacht wird, und so den Versuch
zweideutig macht
„Um diese Unbequemlichkeiten zu vermeiden, befestige ich einen
leitenden Handgriff mit-
telst eines isolirenden
Zwischenstückes an jede
Platte. Dieser Handgriff
ist aus ungetrocknetem
Mahagoni gedreht und
etwa drei Zoll lang; am
Ende ist ein Stück von
gebackenem (im Ofen ge-
trockneten) Holz, etwa ein
halb Zoll lang und mit
Siegellack bedeckt, ein-
gefügt, an welchem die
messingene Dille der Plat-
ten befestigt ist Hierdurch ist es nicht nöthig, das Siegellack des isoliren-
den Stückes zu berühren, sondern man kann erforderlichen Falles den Finger
über ihn weg strecken, um die Platte zu berühren, während der Griff von
Mahagoni in der Hand gehalten wird.
„Da ich durch wiederholte Versuche gefunden hatte, dass zwei reine
Metallplatten oder zwei gleich gefirnisste Platten beim Reiben keine Elektricität
hervorbrachten, firnisste ich die zweite Platte auf beiden Seiten, jedoch dünner,
Fig. 35. Nach Bennet.
Die Anfinge der Elektrometrie.
87
t
!
als wenn nur eine Seite gefirnisst wurde, und bei einigen Versuchen benutzte
ich Fingerhüte an den berührenden Fingern. Auf diese Weise wurde die
Unbequemlichkeit zufalliger Elektrisirung efnigermaassen vermieden, aber viel
weniger, als ich zuerst erwartete, denn es wird ungeachtet der äussersten
Sorgfalt, Elektricität ohne vorherige Mittheilung hervorgebracht. In Versuchen,
welche eine zu häufige Verdoppelung der Elektricität erfordern, kann daher
ihre Mittheilung nachgewiesen werden, indem man sie einmal der ersten,
ein anderes Mal der zweiten Platte mittheilt, so dass positive Elektricität, die
der ersten Platte mitgetheilt worden ist, im Elektrometer positiv erscheint,
während dieselbe Elektricität, wenn sie der zweiten Platte mitgetheilt wird,
wahrend die erste berührt ist, negative Elektricität im Elektrometer hervor-
ruft."
Hieran schliesst Bennet einige Bemerkungen über die Theorie seines
Instruments, auf die er aber nicht näher eingeht, und über atmosphärische
Elektricität.
6. Nicholson^ Duplicator. Nach dem gleichen Prinzip construirte
unmittelbar darauf Nicholson seinen rotirenden Elektricitätsverdoppler, welcher
die von Bennet vorgeschriebenen Bewegungen und Berührungen mittelst
einer einfachen Kurbeldrehung hervorzubringen ermöglichte. Wenn dies
Instrument auch zu Messzwecken aus gleich zu besprechenden Gründen sich
als nicht verwendbar erwies, so hat es dennoch ein nicht geringes Interesse,
da es als Ausgang für die Construction der erst viel später zur Bedeutung
gelangenden Influenz-Elektrisirmaschinen anzusehen ist. Die Beschreibung
ist nachstehend mit des Erfinders eigenen Worten gegeben.
„Beschreibung eineslnstruments, welches durch Drehung einer
Kurbel die beiden Zustände der Elektricität
ohne Reibung oder Verbindung mit der Erde
hervorbringt In einem Brief von Hrn. William
Nicholson an Sir Joseph Banks, Bart. P. R. S. Gelesen
am 5. Juni 1788.1
Sir,
„Die folgende Nachricht von dem Instrument, wel-
ches ich Ihnen und anderen wissenschaftlichen Freun-
den im letzten Märzmonat zu zeigen die Ehre hatte,
wird, wie ich hoffe, hinreichend interessant sein, um
sie der gelehrten Gesellschaft mitzutheilen, der Sie in
so würdiger Weise vorstehen.
„Fig. 36 stellt den Apparat dar, wie er auf einer Fig. 36. Nach Nicholson.
Glassäule von 61/, Zoll Länge aufgebaut ist. Er be-
steht aus folgenden Theilen. Zwei feste Platten aus Messing A und C sind
einzeln isolirt und in derselben Ebene angeordnet, so dass eine drehbare
Platte B sehr nahe an ihnen vorbeigehen kann, ohne sie zu berühren. Jede
1 Phflos. Trans. 78, 403— 4<>7. V**-
88 Viertes Kapitel.
von diesen Platten hat zwei Zoll Durchmesser und sie haben hinten Stell-
vorrichtungen, welche dazu dienen, sie genau in die erforderliche Stellung
zu bringen. D ist eine Kugel aus Messing, gleichfalls von zwei Zoll Durch-
messer, befestigt an dem Ende einer Axe, welche die Platte B tragt Ab-
gesehen von den wesentlicheren Zwecken, welche dieser Ball erfüllen soll,
ist er innen einseitig so belastet, dass er der beweglichen' Platte das Gleich-
gewicht hält, und dieser ermöglicht, in jeder Lage in Ruhe zu bleiben. Die
anderen Theile lassen sich deutlich
in Fig. 37 erkennen. Die schraf-
firten Theile stellen Metall dar, die
weissen gefirnisstes Glas. CA' ist
eine Achse aus Messing, die durch
das Stück M geführt ist, welches
seinerseits die Platten A und C
trägt. An einem Ende ist die be-
reits erwähnte Kugel; das andere
ist durch einen Glasstab verlängert,
welcher einzeln isolirt den Hand-
griff L und das Stück GH tragt
Fig. 37. Nach Nicholson. E und F sind Stifte, welche aus
den Platten A und C bis zu un-
gleichen Entfernungen von der Axe hervortreten. Das Querstück GH und
das Stück K liegen in einer Ebene, und ihre Enden sind mit kleinen Stückchen
Klaviersaitendraht versehen, so dass sie die Stifte E und F an bestimmten
Punkten ihres Umlaufs vollkommen berühren. Ebenso ist im Stück M ein
Stift / vorhanden, welcher einen kleinen Draht berührt, welcher von der dreh-
baren Platte B ausgeht.
\ „Die berührenden Drähte sind durch Biegen so angeordnet, dass, wenn
die drehbare Platte gerade der festen Platte A gegenüberliegt, das Quer-
stück GH die beiden festen Platten verbindet, während der Draht und Stift in
/ die Verbindung zwischen der drehbaren Platte und der Kugel herstellt
Wenn andererseits die drehbare Platte der festen Platte C gegenübersteht,
so ist die Kugel mit dieser letzteren verbunden, indem F durch das Stück K
berührt wird; dann haben die beiden Platten A und B keine Verbindung .
mit anderen Theilen des Apparates. In jeder anderen Stellung sind die drei
Platten und die Kugel ohne Verbindung unter einander.
„Herrn Cavallo's Entdeckung, die er in der letzten Baker -Vorlesung
so gut dargelegt hat, dass kleine Unterschiede der Elektrisirung an Körpern,
ob sie durch Kunst oder Natur hervorgebracht sind, in endlicher Zeit nicht
zerstört werden können, kann zur Erklärung des gegenwärtigen Instrumentes
angewendet werden. Stehen die Platten A und B einander gegenüber, so
können die beiden festen Platten A und C als ein Körper betrachtet werden,
und die rotirende Platte B bildet zusammen mit der Kugel D eine andere
Masse. Alle bisher gemachten Versuche stimmen überein zu beweisen, dass
Die Anfänge der Elektrometrie. 89
diese beiden Massen nicht denselben elektrischen Zustand besitzen werden,
sondern dass ihre Elektricität in Beziehung auf einander plus und minus
sein wird. Diese Zustände wären einfach und ohne alle Compensation, wenn
die Körper von einander weit entfernt wären; da dies aber nicht der Fall
ist, so wird ein Theil der überschüssigen Elektricität die Form einer Ladung
in den gegenüberstehenden Platten A und B annehmen. Aus anderen Ver-
suchen finde ich, dass die Wirkung der Compensation an Platten, welche
einander in der Entfernung von 1/40 Zoll gegenüberstehen, derart ist, dass
zur Hervorbringung der gleichen Intensität mindestens die hundertfache
Elektricitätsmenge erforderlich ist, als wenn die Platten einzeln und von ein-
ander entfernt wären. Die überschüssige Elektricität wird daher in den be-
trachteten Körpern ungleichmässig vertheilt sein; die Platte A wird etwa
99 Theile der entgegengesetzten Elektricität enthalten, und die Kugel D
einen. Die Drehung hebt die Berührung auf, und erhält dadurch die un-
gleichförmige Vertheilung und bringt B von A nach C, während gleichzeitig
der Fortsatz K die Kugel mit der Platte C verbindet. In dieser Stellung
wirkt die Elektricität in B auf die in C und ruft in Folge der Verbindung
zwischen C und der Kugel den entgegengesetzten Zustand hervor; letztere
muss daher Elektricität von derselben Art annehmen, wie die drehbare
Platte. Die Drehung hebt aber auch diese Berührung auf, und bringt B
in seine erste Lage gegenüber A zurück. Hier finden wir, wenn wir die
Wirkung der ganzen Umdrehung beachten, dass die elektrischen Zustände
der einzelnen Körper stark gesteigert sind: denn die 99 Theile in A und B
bleiben, und der eine Theil Elektricität in C hat so zugenommen, dass er
nahezu 99 Theile der entgegengesetzten Elektricität in der drehbaren Platte
B compensirt, während die Berührung eine gleiche Änderung in der Elek-
tricität der Kugel hervorgebracht hat. Eine zweite Umdrehung wird natür-
lich eine proportionale Vermehrung dieser vergrösserten Mengen verursachen,
und das fortgesetzte Drehen wird bald die Intensitäten auf ihr Maximum
bringen, welches durch eine Entladung zwischen den Platten begrenzt ist.
„Ist einer der Theile mit einem Elektrometer z. B. dem von Bennet ver-
bunden, so werden diese Wirkungen sehr anschaulich. Der Funke wird
gewöhnlich durch elf bis zwanzig Umdrehungen hervorgerufen und das
Elektrometer wird durch noch weniger sichtlich beeinflusst. Wird einer der
Theile gelegentlich mit der Erde verbunden, oder wird die Einstellung der
Platten geändert, so finden einige Änderungen der Wirkung statt, welche
unschwer auf die allgemeinen Grundlagen zurückzuführen sind, aber auf-
fällig genug erscheinen, um das Nachdenken der in diesem Gebiete der
Wissenschaft erfahrensten Personen hervorzurufen. Die Rücksicht auf Kürze
macht es noth wendig, von Auseinandersetzungen darüber abzusehen.
„Wird die Kugel mit dem unteren und die Platte A mit dem oberen
Theil des BENNET'schen Elektrometers verbunden, und wird dem Elektro-
meter etwas schwache Elektricität mitgetheilt, während der Apparat so steht,
dass das Querstück GH die beiden Stifte berührt, so werden einige wenige
QO Viertes Kapitel.
Drehungen sie sichtbar machen. Jedoch wird hier wie beim gewöhnlichen
Verdoppler die Wirkung dadurch unsicher gemacht, dass die Elektricität
stark genug sein muss, alle andere Elektricität, welche die Platten etwa be-
sitzen, zu zerstören und zu überwinden. Ich brauche kaum zu bemerken,
dass, wenn diese Schwierigkeit später überwunden werden sollte, das Instru-
ment grosse Vortheile als Vervielfacher der Elektricität bieten würde, sowohl
in der Leichtigkeit seines Gebrauchs, wie auch der grossen Schnelligkeit
seines Arbeitens und der unzweideutigen Beschaffenheit seiner Ergebnisse.
Ich habe die Ehre zu sein etc.
W. Nicholson/'
6. Cavallo's Condensator. So sinnreich diese Constructionen waren,
so schössen sie zunächst doch weit über das Ziel hinaus. Indem sie alle
vorhandenen Elektricitätsmengen vervielfältigten, reagirten sie auf zufallig
vorhandene ebenso wie auf die zugefiihrte, und nach einer mehr oder weniger
grossen Anzahl von Verdoppelungen erhielt man fast ausnahmelos elektrische
Erscheinungen, ganz unabhängig davon, ob von aussen Ladungen heran-
gebracht wurden, oder nicht. Über diese leidige Eigenschaft sprach sich
zunächst T. Cavallo in einer vor der Royal Society in London gehaltenen
Baker- Vorlesung aus. l Zur Vermeidung etwaiger am Firnissüberzug sitzen-
der Elektricitätsmengen Hess er diesen ganz fort, indem er als isolirende
Zwischenschicht Luft benutzte, und durch einfache mechanische Mittel er-
reichte, dass die Platten einander sehr nahe gestellt werden konnten, ohne
sich zu berühren. Cavallo ist daher als Erfinder des Luftcondensators
anzusehen, der späterhin vielfach zu Messzwecken verwerthet wurde.
„Nachdem ich diese Platten construirt hatte, glaubte ich die beabsich-
tigten Versuche ohne weitere Störung ausfuhren zu können, doch darin fand
ich mich völlig getäuscht: denn beim Versuch, mit diesen neuen Platten zu.
multipliciren, wenn ihnen vorher keine Elektricität mitgetheilt war, fand ich
sie nach zehn-, fünfzehn- oder zwanzigmaligem Verdoppeln so voll Elektricität,
dass sie sogar Funken lieferten. Alle meine Versuche, sie von der Elektri-
cität zu befreien, erwiesen sich als fruchtlos. Weder die Behandlung ins-
besondere der gläsernen Träger mit der Flamme brennenden Papiers, noch
wiederholtes Anhauchen, noch Stehenlassen über einige Tage, ja einen ganzen
Monat, während welcher Zeit die Platten mit der Erde durch gute Leiter
verbunden waren, konnte sie von jeder Spur Elektriciiät befreien, so dass
sich nach zehn-, fünfzehn- oder höchstens zwanzigmaligem Verdoppeln keine
gezeigt hätte.
„Die in ihnen entstehende Elektricität war nicht immer gleicher Art,
zuweilen war sie während zweier oder dreier Tage negativ, und dann war
sie für andere zwei oder drei Tage positiv; oft wechselte sie bei jeder Ope-
ration. Dies Hess mich vermuthen, dass möglicherweise der Ursprung dieser
]
1 Philos. Trans. 1788, 1 — 22. Die Abhandlung hat speziell die Elektrometrie zum
Gegenstande und liegt den meisten späteren historischen Darstellungen darüber zu Grunde.
t der Elek trenne tric.
9'
Jektrirität von meinem Körper herrührte, und nachdem sie durch den be-
törenden Finger der ersten Platte mitgetheilt war, später multiplicirt wurde,
'm diesen Verdacht zu klaren, versuchte ich die Platten zu verschiedenen
eilen, nämlich vor und nach einem grösseren Spaziergang, vor und nach
em Essen u. s. w., indem ich sehr genau die Beschaffenheit der jedesmal
ervorgebrachten Elektricität aufschrieb. Die Wirkungen schienen aber völlig
usser Zusammenhang mit den oben erwähnten gleichzeitigen Umständen,
as noch weiter durch die Beobachtung erhärtet wurde, dass sich die
kktricität auch dann von wechselnder Beschaffenheit zeigte, wenn ich die
latten nicht mit dem Finger, sondern mit einem Draht berührte, der mit
er Erde verbunden war, und mittelst eines isolirenden Handgriffes bewegt
wde.'
Fig. 38. Nach Cavallo.
Fij>. 39. Nach Cavallo.
Cavallo fügt eine Anzahl weiterer, ähnlicher Erfahrungen hinzu, und
schliesst: „Aus all den oben erwähnten Versuchen mit verdoppelnden oder
mulb'plicirenden Platten können wir zu dem Schluss kommen, dass die Er-
findung sehr sinnreich ist, dass aber auf ihre Anwendung gar kein Verlass ist."
Wenn es sich darum handelt, kleine Elcktricitätsmengen sichtbar zu
machen, so empfiehlt er den einmaligen Gebrauch des Luftcondcnsators,
der mit einem genügend empfindlichen Elektrometer zu verbinden ist. Eine
praktische Form desselben beschreibt er kurz nachher.1 Dasselbe enthält
der früheren Gestalt gegenüber die Verbesserung, dass die condensirende
Wirkung durch die Anwendung zweier zur Erde abgeleiteter Platten, welche
auf beiden Seiten der condensirenden stehen, verdoppelt wird. Die beiden bei-
stehenden P'iguren (38 u. 39) zeigen das Instrument in geschlossenem und offenem
Zustande; die mittlere Platte Cist isolirt, die beiden äusseren X und Y sind
1 Philo». Tran». 1788, 255—260.
Q2 Viertes Kapitel.
zur Erde abgeleitet Man setzt C bei geschlossenem Condensator mit dem
zu prüfenden Leiter in Berührung, entfernt letzteren und öffnet dann das
Instrument, wodurch die Spannung der auf C befindlichen Elektricität um
das vielfache gesteigert wird.
7. Elektrometer von de Luc und Volta. Obwohl die vorstehend
beschriebenen Instrumente in Bezug auf ihre Empfindlichkeit genug, ja zu
viel leisteten, waren sie doch nur Elektroskope, keine eigentlichen Elektro-
meter zu nennen. Zwar hatte es nicht an Versuchen dazu gefehlt, und ins-
besondere der Gedanke, die anziehenden und abstossenden Wirkungen der
Elektricität mittelst der Schwere zu messen, ist wiederholt ausgesprochen
worden, doch sind diese ersten Elektrometer alle im Versuchstadium stecken
geblieben. Hierher gehört beispielsweise das Elektrometer von Achard,1
bei welchem die Gewichte der Kügelchen am elektrischen Pendel, sowie der
Winkel, um welchen es von einem senkrechten Stabe abgestossen wurde, zur
Messung gelangten. Ähnliche Einrichtung hatte das „Fundamentalelektro-
meter" von de Luc,2 welches aus einem festen und einem beweglichen
Pendel (hohle Silberkugeln an Strohhalmen) bestard. Aus der Beschreib .ug,
welche de Luc von seinem Elektrometer giebt, geht hervor, dass er den
Winkel des Pendels proportional der Ladung annahm, ohne jedoch darüber
Versuche angestellt zu haben, wie weit diese Annahme zutreffend ist
Die gleiche Voraussetzung findet sich bei Volta,8 welcher gleichfalls
ein Pendelinstrument benutzte, das zwei aus Stroh- oder Grashalmen ge-
machte, in feinen Drahtringen aufgehängte Pendel besass. Da mit diesem
Instrument die Messungen ausgeführt worden sind, auf welche Volta später
sein berühmtes Gesetz der „Spannungsreihe" begründete, so verdient der
Wortlaut seiner Beschreibung einiges Interesse.
„Etwas, was als eine Kleinigkeit erscheint, aber wirklich von grosser
Bedeutung ist, besteht darin, dass man die Gestalt und Materie der Pendel
ändert und die Kügelchen von Hollundermark oder dergleichen aufgiebt und
an Stelle der feinen Metalldrähte zwei nackte Strohhalme von etwa zwei
Zoll Länge benutzt, welche mittelst kleiner Ringe sehr beweglich angebracht
werden, und neben einander in Berührung oder fast in Berührung ihrer
ganzen Länge nach hängen. Wählt man zwei sehr feine und trockene Stroh-
halme (höchstens ein Viertel Linie stark), so sind sie leichter, als die feinsten
Metalldrähte, vollends weit leichter, als Drähte, die wie gewöhnlich unten
Kügelchen haben. Übrigens stossen sie sich ihrer grösseren Oberfläche
wegen bei gleichen Graden der Elektricität auch stärker ab und gehen
weiter auseinander." —
Volta schildert nun weiter, wie er sich zwei Elektrometer verfertigt
1 Beschäft der Bcrl. Ges. naturf. Freunde I. 53. Berlin 1775.
* Nouvellcs Idees sur la Meteorologie, 1786.
• Opere I, 2, S. 8. Firenze 18 16. — Brugnatelli, Bibliotheca Fisica d'Europ* I, 73. —
Ales. Volta's meteorologische Briefe. Leipzig 1793. Das Original ist eine briefliche Mit-
theilung an Lichtenberg.
Die Anfänge der Elektrometrie. g*
hat, von denen das feinere fünfmal grössere Ausschläge gab, als das andere,
und dieses zweimal so gross, wie ein gewöhnliches Quadrantelektrometer, und
fahrt fort:
„Recht gut! werden Sie sagen, wenn nur, was aber wohl schwerlich der
Fall sein wird, das angegebene Verhältniss zwischen den Graden der drei
Elektrometer die ganze Skala durch gälte Aus der zahllosen Menge
von Versuchen, welche ich in dieser Absicht angestellt habe, wähle ich
einen, vorzüglich genauen, der statt vieler dienen kann, und die Sache
augenscheinlich machen wird. Ich brachte vermittelst eines eisernen Drahtes
die Hütchen der zwei Elektrometer in Verbindung, so dass sie einen einzigen
Leiter ausmachten. Hierauf berührte ich den Leiter mit einer geladenen
Leidener Flasche, wodurch die Pendel beim empfindlichen Elektrometer auf
zwanzig Grad, folglich beim anderen auf vier Grad auseinander getrieben
wurden. Ich Hess sodann die Elektricität von selbst wieder abnehmen. Als
das erste Elektrometer auf 17*/^ Grad gefallen war, sah ich das andere auf
3^ stehen, und so wie jenes nach und nach an 15, I21/,, 10, y1/^ 5 kam,
fiel dieses genau auf 3, 2l/t> 2, i1/,, 1 Ich habe dergleichen Beobach-
tungen in grosser Menge und Mannigfaltigkeit mehrere Male mit der äussersten
Genauigkeit angestellt, und immer gefunden, dass beide Elektrometer sogar
bis auf Viertelgrade auf das vollkommenste übereinstimmten." . . .
„Die Eigenschaft des Elektrophors, dass die Stärke der Funken, welche
der aufgehobene Deckel giebt, durch Ruhe nicht weiter, wenigstens auf keine
in die Augen fallende Weise geschwächt wird, hat mich auf folgendes Ver-
fahren geleitet. Ich lasse zwei, drei bis vier Funken in den Haken einer
Leidener Flasche schlagen, bis ich bei der Berührung des Hütchens meines
Elektrometers mit dem Haken die Pendel um einen oder ein Paar Grad aus-
einander gehen sehe. Finde ich nun, dass z. B. drei solche Funken
nöthig sind, um die Pendel auf zwei Grad auseinander zu treiben, so lasse
ich in den Haken der Flasche noch drei Funken schlagen und berühre das
Elektrometer wiederum. So gehen die Pendel just um vier Grade ausein-
ander. Durch die neue Funken werden sie auf sechs, und durch immer
gleiche Vermehrung der Ladung auf acht, zehn, zwölf, vierzehn, sechszehn,
achtzehn, zwanzig, zweiundzwanzig Grad auseinander getrieben." —
Dieses Ergebniss, zu dem Volta bei seinen messenden Versuchen kommt,
ist einigermaassen unerwartet. Denn bei einem derartigen Instrument sollte
der Ausschlag wesentlich proportional dem Quadrat der Ladung sein. Es
mögen die bei stärkerer Ladung erheblicheren Fehler des Instrumentes, die
alle im Sinne einer Verminderung des Ausschlages wirken, die Annäherung
an die einfache Proportionalität bewirkt haben; auch ist quantitative Be-
obachtung nicht eben die stärkste Seite von Volta's Begabung.
8. Die Dreh wage von Coulomb. Bei all diesen Versuchen, Maass-
bestimmungen der elektrischen Erscheinungen auszufuhren, blieb man indessen
bis auf Volta in den ersten Anfangen mehr qualitativen Charakters stehen.
Zwar liegt in der Natur der Sache, dass die Messung einer Erscheinung das
Ö4 Viertes Kapitel.
Vorhandensein eines Messinstrumentes voraussetzt Andererseits setzt aber
die Benutzung jedes Messinstrumentes wieder eine Kenntniss der Gesetze
voraus, nach welchen die Ablesungen am Instrument mit dem Werth der
zu messenden Grösse in Verbindung stehen, und so scheint es, als wenn
man sich hier in einem unlösbaren Zirkel bewegte. Thatsächlich wird das
Problem häufig so gelöst, dass man die Wirkungen des zu erforschenden
Agens mit gleichartigen Wirkungen anderer, ihrem Maasse nach bekannter
Ursachen, welche am Instrument entsprechende Ausschläge oder Ablesungen
hervorrufen, vergleicht, und beide Ursachen einander proportional setzt
Diesem Gedankengang entsprechend ist, wie oben erwähnt, vielfach versucht
worden, die elektrostatischen Fernwirkungen in mechanischem, insbesondere
in Gewichtsmaass zu messen. Die Versuche konnten aber so lange keinen
Erfolg haben, als über die Abhängigkeit dieser Fernwirkungen von der Ent-
fernung, sowie von der Gestalt der beweglichen Theile des Elektrometers
nichts bekannt war.
Die erste dieser fundamentalen Fragen, die nach dem Gesetz der elektro-
statischen Fernwirkung, wurde um dieselbe Zeit (1785) beantwortet, in welche
die oben erörterten Bestrebungen zur Construction empfindlicher Elektro-
meter fallen. Auf Grund der vorher (1784) studirten Gesetze der Torsions-
elasticität der Drähte1 construirte Coulomb seine elektrische Wage,*
mittelst deren er das seinen Namen tragende Gesetz entdeckte, dass die
elektrische Abstossung und Anziehung proportional dem Qua-
drat der Entfernung der wirkenden Theilchen ist Da dieses Gesetz
fundamental nicht nur für die gesammte Elektrometrie, sondern auch für die
spätere Entwickelung der allgemeinen Elektricitätslehre geworden ist, so soll
die erste Abhandlnng Coulomb's hier wiedergegeben worden,8 in welcher das
fragliche Gesetz zunächst für die Abstossung gleichartig geladener Kugeln
bewiesen wird; die zweite Abhandlung bringt den gleichen Nachweis für die
Anziehung in Folge entgegengetetzter Ladung.
„Construction und Anwendung einer elektrischen Wage, die auf
der Eigenschaft der Drähte beruht, eine dem Torsionswinkel pro-
portionale Gegenkraft der Torsion zu besitzen. Experimentelle Be-
stimmung des Gesetzes, nach dem die Elemente gleichartig elek-
trisirter Körper sich gegenseitig abstossen. In einer der Akademie
im Jahre 1784 überreichten Abhandlung habe ich an der Hand des Versuchs
die Gesetze der Torsionskraft eines Drahtes bestimmt, und habe gefunden,
dass diese Kraft in geradem Verhältniss zum Torsionswinkel und zur vierten
Potenz des Durchmessers des Aufhängedrahtes und im umgekehrten Ver-
hältniss zu seiner Länge stand, indem man das Ganze noch mit einem con-
1 Hist. et mem. dcl'Ac. Roy. des Sc, Paris 1784, S. 229 — 269.
* Kbenda 1785, S. 569—577.
8 Nach «1er von W. König besorgten deutschen Ausgabe in Ostwali/s Klassikern der
exakten Wissenschaften, Nr. 13. Leipzig 1890.
Die Anfinge der Elektrometrie. gc
stauten Coefficienten zu multipliciren hatte, der von der Natur des Metalles
abhängt und durch den Versuch leicht zu bestimmen ist
„In derselben Abhandlung zeigte ich, dass es mit Hilfe dieser Torsions-
kraft möglich war, sehr geringfügige Kräfte mit Genauigkeit zu messen, wie
z. B. ein Zehntausendstel eines Grans [0,005 cm- 81*- sec- _2]- Auch habe ich
in derselben Abhandlung eine erste Anwendung dieser Theorie ergeben, in-
dem ich in der Formel, welche die Reibung der Oberfläche eines festen,
in einer Flüssigkeit bewegten Körpers ausdrückt, die constante, der Adhäsion
zugeschriebene Kraft zu berechnen suchte.
„Ich legte heute der Akademie eine nach denselben Prinzipien con-
struirte elektrische Wage vor; sie misst mit der grössten Genauigkeit den
elektrischen Zustand und die elektrische Kraft eines Körpers, wie gering auch
der Grad der Elektrisirung sei.
„Construction der Wage. Obwohl mich die Erfahrung belehrt hat,
dass tür die bequeme Ausführung mehrerer elektrischer Versuche an der
ersten Wage dieser Art, die ich habe anfertigen lassen, einige Mängel ver-
bessert werden müssen, will ich sie dennoch beschreiben, weil sie bis jetzt
die einzige ist, deren ich mich bedient habe; doch bemerke ich, dass ihre
Form und ihre Grösse verändert werden können und müssen je nach der
Natur der Versuche, die man anzustellen beabsichtigt. Die Figur 40 stellt
perspectivisch diese Wage dar, deren Einzelheiten folgende sind.
„Auf einen Glascylinder AB CD von 12 Zoll [32,48 cm] Durchmesser
und \2 Zoll Höhe legt man eine Glasplatte von 13 Zoll Durchmesser, die
das Glasgefäss vollkommen bedeckt; in diese Platte sind zwei Löcher von
ungefähr 20 Linien [4,51 cm] Durchmesser gebohrt, das eine in der Mitte,
in /; über ihm erhebt sich eine Glasröhre von 24 Zoll [64,97 cm] Höhe;
diese Röhre ist auf dem Loche / festgekittet mit dem bei den elektrischen
Apparaten gebräuchlichen Kitt; an dem oberen Ende der Röhre in // ist ein
Torsionsmikrometer angebracht, das man in seinen Einzelheiten in der
Figur 41 erblickt. Der obere Theil, Nr. 1, trägt den Kopf b, den Index io
und die Aufhängeklemme q; dieses Stück passt in das Loch G des Stückes
Nr. 2; dieses Stück, Nr. 2, besteht aus einem Kreise ab, dessen Rand in
360° getheilt ist, und aus einer kupfernen Röhre </>, welche in die Röhre //,
Xr. 3, hineinpasst; letztere ist in das Innere des oberen Endes der Glas-
röhre fh der Fig. 40 eingekittet. Die Klemme q, Fig. 41, No. 1, hat fast die
Form des Endes einer starken Reissfeder, die mittelst des Ringes q zusammen-
gepresst werden kann; in die Zange dieser Reissfeder ist das Ende eines sehr
feinen Silberdrahtes eingeklemmt; das andere Ende des Silberdrahtes steckt
Fig. 42) in P in der Klemme eines Cylinders Po von Kupfer oder Eisen,
dessen Durchmesser kaum eine Linie [0,22 cm] beträgt, und dessen Ende/*
gespalten ist und eine Zange bildet, welche mittelst des Schieberinges </> zu-
sammengepresst wird. Dieser kleine Cylinder hat in C eine Verdickung mit
einer Durchbohrung, in die sich die Nadel ag (Fig. 40 ) hineinschieben lässt:
das Gewicht dieses kleinen Cylinders muss gross genug sein, um den Silber-
96
Viertes Kapitel.
draht zu spannen, ohne ihn zu zerreissen. Die Nadel, welche man (Fig. 40)
in ag etwa in der halben Höhe des grossen Gdasses, das sie umgiebt,
horizontal aufgehängt sieht, besteht entweder aus einem mit Siegellack über-
zogenen Seidenfaden, oder aus einem ebenfalls mit Siegellack überzogenen
Strohhalm, und trägt von q bis a, auf 18 Linien [4,06 cm] Länge, eine
cylindrische Fortsetzung von Schellack: am Ende a dieser Nadel befindet
sich eine kleine Kugel von Hollundermark von zwei bis drei Linien [0,45 bis
Fig. 40. Nach Coulomb.
Fig. 41. Nach Coulomb.
0,68 cm] Durchmesser; in g eine kleine verticale Scheibe von Papier, das
mit Terpentin getränkt ist, welche der Kugel a als Gegengewicht dient und
die Schwingungen dämpft.
„Wir sagten, dass der Deckel A C von einem zweiten Loche in m durch-
bohrt ist; in dieses zweite Loch fuhrt man einen kleinen Cylinder m <Pt ein,
dessen unterer Theil 0/ aus Schellack besteht; in t befindet sich gleichfalls
eine Hollundermarkkugel ; um das Gefäss herum, in der Höhe der Nadel,
ist ein in 3C0 Grade getheiiter Kreis sQ aufgetragen; der grösseren Einfachheit
Die Anfinge der Elektrometrie.
97
halber bediene ich mich eines in 360° getheilten Papierstreifens, den ich
in der Höhe der Nadel um das Gefäss herum klebe.
„Zum Beginn der Hantirung mit diesem Instrumente stelle ich den Deckel
so ein, dass das Loch m ungefähr dem ersten Theilstrich oder dem Punkte o
der Kreistheilung zOQ auf dem Gefasse entspricht leb stelle den Index o i
des Mikrometers auf den Punkt o oder den ersten Theilstrich dieses Mikro-
meters; ich drehe darauf das ganze Mikrometer in der senkrechten Röhre/A,
bis man beim Visiren durch den senkrechten Draht, der die Nadel trägt, und
durch den Mittelpunkt der Kugel die Nadel ag auf den ersten Theilstrich
z 0 Q einspielen sieht Ich führe darauf durch das Loch tn die andere, am
Drahte nt <bt befestigte Kugel /so ein, dass sie die Kugel a berührt, und
dass man beim Visiren durch den Mittelpunkt des Aufhängedrahtes und die
Kugel / auf den ersten Theilstrich o des Kreises z O Q trifft. Die Wage ist
nun bereit für alle Operationen; wir wollen als Beispiel derselben das Ver-
fahren schildern, dessen wir uns bedient haben, um das Grundgesetz, nach
dem die elektrisirten Körper sich abstossen, zu ermitteln.
„Grundgesetz der Elektricität Die abstossende Kraft zweier
kleiner, gleichartig elektrisirter Kugeln steht in umgekehrtem
Verhältniss zum Quadrat des Abstandes der Mittelpunkte der
beiden Kugeln. — Experiment Man elektrisirt (Fig. 43) einen kleinen
Conductor, der nichts anderes ist als
eine Stecknadel mit grossem Kopf, welche
dadurch isolirt ist, dass ihre Spitze in Fig# 43> Nach Coulomb.
das Ende eines Siegellackstäbchens ein-
gedrückt ist; man steckt diese Nadel durch das Loch ;;/ und bringt sie mit
der Kugel / in Berührung, die ihrerseits die Kugel a berührt; beim Zurück-
ziehen der Nadel besitzen die beiden Kugeln eine gleichartige elektrische
Ladung und stossen einander ab bis in eine Entfernung, die man misst, in-
dem man durch den Aufhängedraht und den Mittelpunkt der Kugel a nach
dem entsprechenden Theilstrich des Kreises z 0 Q visirt: indem man darauf
den Index des Mikrometers in dem Sinne p n o dreht, tordirt man den Auf-
hängedraht l P und erzeugt eine dem Torsionswinkel proportionale Kraft,
■.veiche die Kugel a der Kugel / zu nähern sucht Man beobachtet nach
diesem Verfahren die Entfernung, bis zu der verschiedene Torsionswinkel die
Kugel a nach der Kugel / hin zurückführen, und indem man die Torsions-
kräfte mit den entsprechenden Entfernnngen der beiden Kugeln vergleicht,
erhält man das Gesetz der Abstossung.
„Ich werde hier nur einige Versuche anführen, die leicht zu wieder-
holen sind, und die das Gesetz der Abstossung sofort erkennen lassen.
„Erster Versuch: Nach Elektrisirung der beiden Kugeln mittelst des
Stecknadelkopfes hat sich die Kugel a der Nadel von der Kugel/ um 36°
entfernt, während der Index des Mikrometers auf o steht.
„Zweiter Versuch: Nachdem der Aufhängedraht mittels des Knopfes o
des Mikrometers um 126 Grad gedreht worden ist, haben sich die
Ottwald, Elektrochemie. 7
gS Viertes Kapitel.
beiden Kugeln bis auf einen schliesslichen Abstand von 1 8 Grad einander
genähert.
„Dritter Versuch: Nach Torsion des Aufhängedrahtes um 5670 haben
sich die beiden Kugeln bis auf Sl/2 ° genähert.
„Erklärung «nd Ergebniss dieses Experiments. Solange die
Kugeln noch nicht elektrisirt sind, berühren sie sich, und der Mittelpunkt der
an der Nadel befestigten Kugel a ist von dem Punkte, in welchem die Torsion
des Aufhängedrahtes Null ist, nur um die Hälfte der Durchmesser der beiden
Kugeln entfernt. Es muss bemerkt werden, dass der Silberdraht l Py der
die Aufhängung bildete, 28 Zoll [75,80 cm] Länge hatte, und so fein war,
dass ein Fuss von diesem Draht nur Yie Gran [1 m-.o,oi gr] wog. Indem
ich die Kraft berechnete, deren es bedurfte, um diesen Draht zu tordiren,
wenn man sie im Punkte a, der vier Zoll [10,83 cm] von dem Drahte IP
oder dem Aufhängungsmittelpunkte entfernt ist, angreifen lässt, fand ich mit-
telst der Formeln, die in einer im Jahrgange 1784 der Akademie gedruckten
Abhandlung über die Gesetze der Torsionskraft der Drähte auseinandergesetzt
sind, dass man, um diesen Draht um 360 ° zu tordiren, nur eine Kraft von
V340 Gran [0,153 cm gr sec~2] im Punkte a, wirkend am Hebelarme a P von
vier Zoll Länge anzuwenden braucht: da nun die Torsionskräfte, wie in jener
Abhandlung bewiesen ist, sich wie die Torsionswinkel verhalten, so entfernte
die geringste abstossende Kraft zwischen den beiden Kugeln sie beträchtlich
von einander.
„Wir finden bei unserem ersten Versuche, bei dem der Index des Mikro-
meters auf dem Punkte o steht, dass die Kugeln einen Abstand von 36 °
haben, was zu gleicher Zeit eine Torsionskraft von 36°= 1/3W0 Gran bewirkt;
beim zweiten Versuch beträgt der Abstand der Kugeln 180, aber da man
das Mikrometer um 1260 gedreht hat, so folgt daraus, dass bei einem Ab-
stände von 18 ° die abstossende Kraft 1440 betrug: also ist bei der Hälfte
der ersten Entfernung die Abstossung der Kugel viermal so gross.
„Bei dem dritten Versuche hat man den Aufhängedraht um 597 ° tor-
dirt, und die beiden Kugeln befanden sich nur noch in 8^3 ° Entfernung.
Die gesammte Torsion betrug folglich 576°, viermal so viel, wie die des
zweiten Versuches, und es fehlte nur ein halber Grad, damit die Entfernung
der beiden Kugeln bei diesem dritten Versuche gerade auf die Hälfte der-
jenigen des zweiten Versuches zurückgeführt wäre. Es geht also aus diesen
drei Versuchen hervor, dass die abstossende Wirkung, welche zwei gleich-
artig elektrisirte Kugeln auf einander ausüben, dem umgekehrten Verhältniss
des Quadrats der Entfernungen folgt.
„Erste Anmerkung. Wenn man das vorstehende Experiment wieder-
holt, so wird man bemerken, dass bei Verwendung eines so feinen Silber-
drahtes, wie wir ihn angewandt haben, der für eine Torsion um einen Winkel
von 50 nur eine Kraft von ungefähr ein V24000 Gran [0,002 cm gr sec~*2] ver-
langt, die natürliche Lage der Nadel, bei der die Torsion Null ist, nur auf
ungefähr 2 oder 3 ° bestimmt werden kann, wie ruhig auch die Luft sei und
Die Anfänge der Elektrometrie. qq
welche Vorsichtsmaassregeln man treffe. Daher muss man, um einen ersten
Versuch zu haben, den man mit den folgenden vergleichen kann, nach der
Elektrisirung der beiden Kugeln den Aufhängedraht um 30 — 40 ° tordiren,
was zusammen mit dem Abstände der beiden beobachteten Kugeln eine hin-
reichende Torsionskraft ergeben wird, damit die 2 oder 30 Unsicherheit in
der Anfangslage der Nadel, in der die Torsion Null ist, keinen merklichen
Fehler in den Ergebnissen hervorrufen. Es muss ferner bemerkt werden,
dass der Silberdraht, dessen ich mich bei diesem Experiment bedient habe,
so fein ist, dass er bei der geringsten Erschütterung reisst; ich habe in der
Folge gefunden, dass es bequemer ist, bei den Versuchen einen Aufhänge-
draht von fast doppelt so grossem Durchmesser anzuwenden, obwohl seine
Torsionsfähigkeit vierzehn- bis fünfzehnma geringer war, als die des ersten.
Man muss Sorge tragen, diesen Silberdraht vor dem Gebrauch zwei oder
drei Tage lang mit einem Gewicht gespannt zu halten, welches ungefähr die
Hälfte von demjenigen beträgt, das er tragen kann, ohne zu reissen; auch
ist zu bemerken, dass man bei Anwendung dieses letzteren Silberdrahtes ihn
niemals über 300 ° hinaus tordiren darf, weil er nach Überschreiten dieser
Torsionsgrenze anfängt sich zu deformiren und nur noch mit einer Kraft reagirt,
die kleiner als der Torsionswinkel ist, wie wir es in der bereits genannten
1784 gedruckten Abhandlung bewiesen haben.
„Zweite Anmerkung. Die Elektricität der beiden Kugeln vermindert
sich ein wenig während der Dauer des Versuchs; ich habe gefunden, dass
an dem Tage, an dem ich die vorstehenden Versuche ausgeführt habe, die
elektrisirten Kugeln, während sie sich in Folge ihrer Abstossung in 30° Ent-
fernung von einander befanden, bei einem Torsionswinkel von 50 ° sich um
einen Grad in drei Minuten näherten ; da ich aber nur zwei Minuten brauchte,
um die obigen drei Versuche auszuführen, so kann man bei diesen Ex-
perimenten den Fehler vernachlässigen, der aus dem Elektricitätsverluste ent-
springt. Wenn man eine grössere Genauigkeit wünscht, oder wenn die Luft
tl-ucht ist und die Elektricität sich schnell verliert, so muss man durch einen
Vorversuch den Abfluss oder die Verminderung der elektrischen Wirkung
der beiden Kugeln in jeder Minute bestimmen und sich später dieser ersten
Beobachtung bedienen, um die Ergebnisse der Versuche, die man an jenem
Tage angestellt hat, zu verbessern.
„Dritte Anmerkung. Der Abstand der beiden Kugeln, wenn sie sich
in Folge ihrer gegenseitigen abstossenden Wirkung von einander entfernt
haben, wird genau gemessen nicht durch den Winkel, den sie bilden, sondern
durch die Sehne des Bogens, die ihre Mittelpunkte verbindet; ebenso wie
der Hebelarm, an dessen Ende die Wirkung angreift, nicht durch die halbe
l-ange der Nadel oder durch den Radius gemessen wird, sondern durch den
Cosinus der Hälfte des Winkels zwischen den beiden Kugeln; diese beiden
Grossen, deren eine kleiner ist als der Bogen und folglich den durch den
Bogen gemessenen Abstand vermindert, während die andere den Hebelarm
verkleinert, gleichen sich einigermaassen aus; und man kann sich bei Ver-
f *
IOO Viertes Kapitel
i
suchen von der Art derjenigen, mit denen wir beschäftigt sind, ohne merk-
lichen Fehler mit der Berechnung, die wir gegeben haben, begnügen, wenn
der Abstand der beiden Kugeln 25 bis 30 ° nicht überschreitet: andernfalls
muss man die Berechnung streng durchführen.
„Vierte Anmerkung. Da die Erfahrung lehrt, dass man in einem
wohl verschlossenen Zimmer mit dem ersten Silberdraht die Nulllage der
Nadel bis auf ungefähr 2 oder 3 ° bestimmen kann, was nach der Berechnung
der den Torsionswinkeln proportionalen Torsionskräfte eine Kraft von. höch-
stens V40000 Gran [0,0013 cm gr sec-2] ergiebt, so werden sich die schwächsten
Grade der Elektrisirung leicht mit dieser Wage messen lassen. Um dies zu
bewerkstelligen, steckt man (Fig. 44) durch einen Siegellack- Stöpsel einen
kleinen Kupferdraht c d, welcher in c in einen Haken und in d in eine kleine
vergoldete Hollundermarkkugel endet, und setzt den Stöpsel A
in das Loch tn der Wage Fig. 40 derart ein, dass der Mittel-
punkt der Kugel d beim Visiren durch den Aufhängedraht auf
den Nullpunkt des Kreises z 0 Q fällt; nähert man darauf einen
elektrisirten Körper dem Haken c, so zeigt, wie gering auch die
Elektrisirung dieses Körpers sei, die Kugel a dadurch, dass sie
sich von der Kugel d entfernt, die Elektrisirung an und der Ab-
stand der beiden Kugeln misst ihre Stärke, nach dem Grund-
satz vom umgekehrten Verhältniss des Quadrats der Entfernungen.
„Aber ich muss als vorläufige Mittheilung gleich hinzufugen,
dass ich seit jenen ersten Versuchen verschiedene kleine Elek-
trometer nach denselben Grundsätzen der Torsionskraft habe
herstellen lassen, indem ich mich als Aufhängefadens eines Seiden-
Fig. 44. fadens, so wie er sich vom Cocon abwickelt, oder eines Angora-
ziegenhaares bediente. Eines dieser Elektrometer, welches bei-
nahe dieselbe Form wie die in dieser Abhandlung beschriebene elektrische
Wage hat, ist viel kleiner; es hat nur 5 — 6 Zoll [14 — 16 cm] Durchmesser,
eine Röhre von einem Zoll [2,71 cm]; die Nadel ist ein kleiner Schellack-
faden von 12 Linien [2,71 cm] Länge, der in a eine kleine, sehr leichte
Scheibe von Rauschgold trägt; die Nadel und das Rauschgold wiegen un-
gefähr */4 Gran [0,13 gr]; der einem Cocon entnommene Aufhängefaden von
4 Zoll [10,8 cm] Länge besitzt eine solche Torsionsfähigkeit, dass es bei
einem Hebelarm von einem Zoll [2,7 1 cm] nur Vöoooo Grans [0,0009 cm gr
sec~2] bedarf, um ihn um einen ganzen Kreisumfang oder um 360 ° zu tor-
diren: wenn man bei diesem Elektrometer eine durch Reibung elektrisirte,
gewöhnliche Siegellackstange dem Haken C der Fig. 44 bis auf 3 Fuss [97 cm]
Entfernung nähert, so wird die Nadel auf mehr als 90 ° abgestossen. Wir
werden in der Folge diese Elektrometer genauer beschreiben, wenn es sich
darum handeln wird, die Natur und den Grad der Elektrisirung verschiedener
Körper zu bestimmen, welche durch Reibung an einander einen sehr schwachen
Grad von Elektrisirung annehmen."
Das Gesetz von Coulomb ging sehr schnell in den Besitzstand der
Die Anfinge der Elektrometrie. jqi
Wissenschaft über, nachdem von dem Entdecker selbst, und noch ausführ-
licher und umfassender von Poisson, nachgewiesen worden war, dass die be-
kannten Erscheinungen der Ausbreitung der statischen Elektricität auf Leitern
sich nur vermittelst des fraglichen Gesetzes sachgemäss darstellen Hessen, und
andere Möglichkeiten ausschliessen. Einige Widersprüche dagegen, welche
auf Grund ungenügender Experimente später von Kämtz, Simon1 und Parrot1
erhoben wurden, liessen sich durch genauere Messungen beseitigen, in welcher
Hinsicht sich Egen8 Verdienste erwarb. Indessen hat die Kenntniss dieses
Gesetzes zunächst nicht viel Anwendung auf die Elektrometrie gefunden; die
Forschung nahm zunächst einen vorwiegend qualitativen Charakter an, und
spater fand sich im Galvanometer ein Messinstrument, dessen Anwendung
relativ leicht und bequem war, so dass das Elektrometer für lange Zeit ganz
verdrängt wurde.
1 Gilbert's Ann. 28, 277. 1808. * Gilberts Ann. 60, 26. 18 19.
1 Poggendorff's Ann. 5, 202. 1825.
Fünftes Kapitel.
Begründung der chemischen Theorie des Galvanismus.
i. Allgemeines. Wie aus der vorangegangenen Darstellung hervor-
geht, ist den beiden leitenden Entdeckern auf dem Gebiete, Galvani und
Volta, der Gedanke eines Zusammenhanges der von ihnen untersuchten
Erscheinungen mit chemischen Vorgangen nicht gekommen. Galvani war
Anatom, ihm lagen solche Erwägungen ganz fern. Volta dagegen war
zwar wesenüich Physiker, hat sich aber doch auch vielfach mit chemischen
Dingen beschäftigt, so dass ihm diese Beziehung eher hätte auffallen können.
Doch muss freilich zugestanden werden, dass die Gestalt, in welcher sich
ihm die Berührungselektricität darbot (vgl. S. 50), nicht geeignet war, seine
Aufmerksamkeit in die Richtung zu lenken.
Als Schöpfer der chemischen Theorie der galvanischen Erscheinungen
wird gewöhnlich Giovanni Valentino Mattia Fabbroki (geb. 1752 in Florenz.
1 Nach einem Stich in : A. v Humboldt. Eine wissensch. Biographie. I.
Begründung der chemischen Theorie des Galvanismus. \qo
gest. 1 822 ebenda} bezeichnet Die Abhandlung, auf welche dieser Anspruch
zurückgeführt wird, rührt aus dem Jahre 1792 her und einen Auszug aus
ihr hat Fabbrom im Journal de physique par Delam£th£rie, 49, 348. 1799
mitgetheilt; weiter unten ist- eine Übersetzung derselben gegeben.
Wie man bei der Durchsicht dieser Arbeit sehen wird, ist Fabbroxi
keineswegs der Begründer einer elektrochemischen Theorie, sondern er
leugnet fast unbedingt bei den fraglichen Vorgängen die Bethätigung der
Elektricität und fuhrt sie, sogar die Geschmacks- und Lichtempfindungen,
auf chemische Vorgänge zurück. In dieser Beziehung hat er freilich weit
über das Ziel hinausgeschossen; durch seine kräftige Betonung des chemischen
Antheils an den Erscheinungen der Metallelektricität hat er aber in hohem
Maasse anregend gewirkt, und die Aufmerksamkeit dauernd auf diese anfangs
vernachlässigte Seite des Problems gelenkt.
2. Die Abhandlung von Fabbroni. Die erwähnte Abhandlung
hat den Titel: Über die chemische Wirkung der verschiedenen Me-
talle unter einander bei gewöhnlicher Lufttemperatur, und über
die Erklärung einiger galvanischer Erscheinungen,1 und lautet wie
folgt:
„Man hat unter die galvanischen Erscheinungen die aufgenommen, von
welcher Sulzer in seiner Theorie des Vergnügens spricht, welche 1767
erschien; nämlich die geheimnissvolle Empfindung, welche sich auf der Zunge
bei der Annäherung zweier in gegenseitiger Berührung befindlicher Metalle
geltend macht, die ihrerseits keine Empfindung verursacht hätten, wenn man
<ie einzeln an das Organ gelegt hätte. In der That bin ich überzeugt, dass
dasselbe Prinzip, welches in diesem Falle eine unerwartete Geschmacks-
empfindung hervorruft, gleichfalls die thierische Faser in Zuckung versetzen
kann, sowie es gleichzeitig die empfindenden und die erregbaren Theile un-
mittelbar berührt. Aber weit entfernt, wie alle Welt diese Wirkungen einem
fast unbekannten Agens, wie es das elektrische Feuer ist, zuzuschreiben, habe
ich mir zuerst vorgenommen, zu beweisen, dass sie nur von einem chemischen
Vorgange herrühren, ebenso wie es vielleicht auch die Geschmacksempfindung
selbst ist, wodurch mir der Mechanismus verständlicher gemacht wurde. Ich
dachte nach und machte Versuche über diesen merkwürdigen Gegenstand, und
berichtete darüber 1 792 an die Akademie zu Florenz. Der Band ist noch nicht
gedruckt; ich glaube, dass Brugnatelli davon in seinem Journal gesprochen
hat, doch habe ich weder seinen Bericht, noch meine Abhandlung zur Hand,
und ich werde hier nichts wiederholen, als was mir mit Sicherheit im Ge-
dachtniss geblieben ist.
„Ich habe schon häufig bemerkt, dass das laufende Quecksilber lange
Zeit seinen schönen Metallglanz behält, wenn es allein ist; sowie man es
aber mit irgend einem anderen Metall amalgamirt, so wird es schnell trübe oder
oxydirt sich, und nimmt in Folge der fortschreitenden Oxydation an Gewicht zu.
1 Journal de physique, ... par Delametherie 49, 348—357. An VII (I7QQ>.
104 Fünftes Kapitel.
„Ich habe seit vielen Jahren feines Zinn aufbewahrt, ohne dass es sich
in seinem silberähnlichen Glänze geändert hätte, während verschiedene Le-
girungen dieses Metalls, die ich zu technischen Zwecken hergestellt hatte,
sich anders verhalten haben.
„Ich habe im Museum zu Cortonne [Catania?] etruskische Inschriften
auf Platten von reinem Blei gesehen, welche sich noch heute vollständig er-
halten haben, obwohl sie aus sehr alter Zeit stammen; im Gegensatz dazu
habe ich in der Galerie von Florenz mit Überraschung gefunden, dass die
sogenannten piombi oder bleiernen Medaillen verschiedener Päpste, zu welchen
man Zinn und möglicherweise etwas Arsenik gemischt hatte, um sie schöner
und fester zu machen, vollständig zu einem weissen Pulver zerfallen waren
oder sich in Oxyde verwandelt hatten, obwohl sie in Papier eingeschlagen
und in Schubladen verschlossen waren.
„Ebenso habe ich bemerkt, dass die Legirung, welche zur Löthung der
Kupferplatten auf dem beweglichen Dache des Observatoriums zu Florenz
benutzt worden ist, sich sehr schnell verändert hat und an ihren Berührungs-
stellen mit letzeren in weisses Oxyd übergegangen ist
„Ich habe ausserdem in England gehört, dass die eisernen Nägel, deren
man sich früher bedient hat, um die Kupferplatten festzumachen, die zum
Schiffsbeschlag dienen, sie durch die Berührung derartig angriffen, dass die
Löcher sich vergrösserten, bis sie über den Kopf des Nagels gingen, welcher
sie festhielt.
„Es schien mir, als wenn dies genügte, um zu erkennen, dass die Me-
talle in diesem Fall eine gegenseitige Einwirkung ausüben, und dass man
dieser die Ursache der Erscheinungen zuschreiben muss, welche sie bei
ihrer Vereinigung oder Berührung äussern.
„Man weiss, dass die Metalle im allgemeinen fähig sind, sich mit ein-
ander zu legiren, sich gegenseitig aufzulösen. Man kann sich daher vor-
stellen, dass wie bei jedem anderen chemischen Reagens ihre Tendenz zu
gegenseitiger Verbindung beginnt, sowie ihre Molekeln sich berühren. Nur
die ungeheuere Überlegenheit ihrer Cohäsion verhindert sie, sich gegenseitig
aufzulösen oder in der Kälte zu legiren. Das Feuer dient nur, sie zu lockern,
um ihren Molekeln Beweglichkeit zu geben. Man sieht dies bei den Amal-
gamen, welche ohne Feuer hergestellt werden können; man weiss, dass
beispielsweise das Eisen bei der Herstellung des Weissbleches vom Zinn
durchdrungen wird, ohne dass jenes Metall in den flüssigen Zustand gebracht
worden wäre. Möglicherweise ist es auch diese Cohäsionskraft, welche die
oxydirbaren Metalle verhindert, den Sauerstoff schnell anzuziehen: wenn eine
schnelle Bewegung die Molekeln einer Quecksilbermenge unter Wasser zu
zertheilen sucht, so braucht es nichts mehr, um den Beginn einer Oxydation
in sehr kurzer Zeit sehen zu lassen, wobei der Sauerstoff dem Wasser ent-
zogen wird. Diese Thatsachen hätten wie viele andere ähnliche und wohl-
bekannte den Beobachtern beweisen müssen, dass die Metalle, indem sie
ihre gegenseitige Anziehung ausüben, um ebensoviel von ihrer respectiven
Begründung der chemischen Theorie des Galvanismus. \qc
Cohäsionskraft verlieren müssen; dass sie, obwohl keines von ihnen den
Sauerstoff aus der Luft anziehen oder dem Wasser entreissen kann, die
Fähigkeit dazu durch die einfache mechanische Berührung erlangen, da sie
in neue Verbindungen übergehen« Man durfte daher vermuthen, dass wenig-
stens einige von den Wirkungen der metallischen „Armaturen" an Nerven
und Muskeln einem chemischen Vorgange zugeschrieben werden können,
einem Übergange des Sauerstoffs aus irgend einer Verbindung in eine neue,
der Bildung eines löslichen oder schmeckenden Prinzips, welches sich so
deutlich am Geschmacksorgan geltend macht.
„Galvani, Aldini, Volta und andere gleich geschickte Physiker, welche
sich mit so viel Erfolg Untersuchungen solcher Art gewidmet haben, hielten
sich nicht gegenwärtig, dass die chemische Wirkung sich mit der Schnelle
des Blitzes bethätigt, und haben, überrascht von der Geschwindigkeit, mit
welcher diese beiden Metalle ihre Wirkung auf die thierische Faser geltend
machen, geglaubt, sie nur der elektrischen Flüssigkeit zuschreiben zu können.
Die Übertragung des Galvanismus in die Ferne und durch die Kette be-
günstigte ihre Anschauung, welche schliesslich allgemein angenommen, trotz
der erheblichen Einwände, welche man wenigstens in einigen Fällen ihrem
System entgegensetzen kann. Allerdings hat man einige Zeichen von Elek-
tricität bemerkt, wenn man zwei vorher zur Berührung gebrachte Metalle
trennt, man weiss aber sehr gut, dass auch verschiedene chemische Vorgänge
von einer „Gleichgewichtsstörung*' des elektrischen Feuers, und daher von
merklichen Anzeichen der Elektricität begleitet sind. So hat man Blitze bei
vulkanischen Ausbrüchen bemerkt; es ist dies einer der Fälle, wo die Phy-
siker als Ursache dieser Entzündungen etwas angesehen haben, was nur
Wirkung derselben war. Es genügt, etwas Schwefel oder Chocolade zu
schmelzen, um Zeichen von Elektricität zu haben; es genügt sogar, ganz ein-
fach Wasser in's Sieden oder in den Dampfzustand zu versetzen; sicherlich
ist das elektrische Feuer nicht die Ursache des Schmelzens oder des Ver-
dampfens dieser Stoffe.
„Ich beanspruche nicht, alle elektrischen Einflüsse bei den wunderbaren
Wirkungen des Galvanismus auszuschliessen; ich wünsche nur zu beweisen,
dass dieses Prinzip keinerlei Antheil an dem Phänomen von Sui^zer hat, und
dass mehrere ähnliche Thatsachen aus der gleichen Quelle stammen.
„Da die Metalle Verwandtschaft zu einander haben, müssen sich ihre
Molekeln gegenseitig anziehen, so wie sie in Berührung gelangen. Man kann
die Kraft dieser Anziehung nicht auswerthen, doch glaube ich, dass sie ge-
nügt, um die ihrer Cohäsion zu schwächen, so dass sie geneigt werden, neue
Verbindungen einzugehen und leichter der Wirkung der schwächsten Auf-
iosungsmittel nachzugeben.
„Ich habe bei der Wiederholung des Versuches von Sulzer beobachtet,
dass, wenn ich meine Zunge so gut als möglich gereinigt hatte, die Em-
pfindung bei der Berührung mit zwei verbundenen Metallen bis beinahe zur
Unmerklichkeit vermindert war. Der Speichel oder die Lymphe oder irgend
I06 Fünftes Kapitel.
eine Feuchtigkeit ist also auf irgend eine Weise bei diesem Phänomen wesent-
lich. Diese ist es wohl, welche ganz oder theilweise mit dem Metall, dessen
Cohasion durch den Contact mit einem anderen Metall abgeschwächt ist,
welches Verwandtschaft zu diesem hat, eine schmeckende Verbindung bildet
Um mich aber der Wahrheit meiner Annahme zu vergewissern, that ich in
verschiedene mit Wasser gefüllte Becher:
i) getrennte Stücke z. B. von Gold in den einen, von Silber in den an-
deren, von Kupfer in den dritten, ferner Zinn, Blei etc.
2) In andere, ähnliche Becher that ich dieselben Metalle, wie vorher,
aber paarweise in denselben Becher ein weniger und ein mehr oxydables
Metall, aber getrennt von gegenseitiger Berührung mittelst eines kleinen
Streifchens Glas.
3) Endlich that ich in andere Becher Metalle von verschiedener Art,
die sich paarweise in unmittelbarer Berührung befanden. Die beiden ersten
Reihen wiesen keine merklichen Änderungen auf, während in der letzten das
oxydirbare Metall sich wenige Augenblicke nach der Berührung mit einem
anderen sichtlich mit Oxyd bedeckte. Dieses nahm stufenweise zu, bis
es das unten liegende Metall überragte, Massen bildete und wie ein Wasser-
fall längs der Wände sich herunterzog. Diese Erscheinung beginnt, obwohl
unmerklich, im Augenblicke der Berührung selbst; jedoch habe ich während
längerer Zeit die obigen Metalle in Berührung gelassen, um zu sehen, was
weiter daraus würde. Nach einem Monate untersuchte ich sie; ich fand zu-
nächst, dass die beiden Metalle sich so fest verbunden hatten, dass ich, um
ein Stück Messing (welches nur etwa 2 cm gross war) von einer Zinnplatte
abzulösen, nicht weniger als zwei Kilogramm Kraft brauchte; ferner be-
obachtete ich, dass die Metalle sich nicht nur mit Oxyd beladen hatten,
sondern auch kleine Salzkrystalle von verschiedener Gestalt gebildet waren.
Es schien mir daher, als ob eine offenbare chemische Wirkung stattgefunden
hätte, und dass es nicht nöthig sei, die Natur des neuen Stimulus, welchen
man bei dem Versuche von Sulzer „Galvanismus" genannt hat, anderweit
zu suchen. Es war offenbar eine Verbrennung, eine Oxydation des Metalls.
Das stimulirende Prinzip könnte daher entweder die Wärme sein, die sich
entwickelt, oder der Sauerstoff, welcher in neue Verbindungen übergeht, oder
endlich das neue metallische Salz: dies habe ich nicht gut ermitteln können.
Ich habe zuweilen das Wasser, in welches ich die Metalle that, mit Lack-
mus gefärbt; ich habe aber nichts anderes beobachten können, als eine Fül-
lung dieses färbenden Pflanzenstoffes, ohne dass seine natürliche Farbe irgend
geändert worden wäre. Ich habe bemerkt, dass das Wasser, in welchem der
Versuch ausgeführt worden war, einen leichten metallischen, ich möchte fast
sagen arsenikalischen Geschmack annimmt, welcher einige Zeit andauert, und
Speichelfluss veranlasst, ohne dass es doch von den Metallen Mengen ent-
hielt, welche für die empfindlichsten Reagentien nachweisbar waren. Ich habe
mich daher auf die Ansicht beschränken müssen, dass die Erscheinung nur
eine langsame Verbrennung des Metalls ist, weldie von einer Anziehung des
Begründung der chemischen Theorie des Galvanismus. 107
Sauerstoffe sowie von der Entwicklung von Licht und Wärme begleitet sein
muss. Man weiss, dass sowie man ein Metall amalgamirt, z. B. Gold mit
Quecksilber, sofort Wärme ausgetrieben wird, und möglicherweise nicht wegen
des Festwerdens des Quecksilbers, sondern weil die Verminderung der Aggre-
gationskraft des letzteren Metalls eine Ursache der Verbrennung entstehen
lässt. Die langsame Gewichtsvermehrung, welche man bei den Amalgamen
beobachtet, kommt nur von dem Sauerstoff, welchen sie aus der Luft an-
ziehen. Ich habe vergeblich versucht, die Wärme zu messen, welche sich
bei der einfachen Berührung zweier festen Metalle unabhängig von ihrem
Gewicht entwickelt; diese Menge ist zu gering, sozusagen zu sehr über eine
grosse Fläche ausgedehnt, und unsere Instrumente sind nicht empfindlich
genug. Jedoch kann man sehr gut das Licht sehen, welches bei diesem
Versuche auftritt, wenn das Auge selbst in dem Versuche theilnimmt, indem
die Verbrennung mit Hülfe seiner eigenen Feuchtigkeit stattfindet. Man
braucht beispielsweise nur ein Stück Silber im Munde zu halten, und ein
Stück Zinn an den Augapfel zu legen; so wie man beide Metalle sich un-
mittelbar, oder auch mit Hülfe eines dritten Metalls berühren lässt, sieht
man sehr deutlich ein schwaches Licht, welches weder ein elektrischer Funke
ist, noch auch eine convulsivische Erregung ist; denn obwohl dies Licht das
Auge nur im ersten Augenblicke zu erregen scheint, da dieses sich sehr
schnell an diese schwache Empfindung gewöhnt, so kann man sich doch
vergewissern, dass in diesem Falle die Lichtentwickelung andauernd ist; denn
lasst man das berührende Metall abwechselnd auf die durchsichtigen und
undurchsichtigen Stellen der Hornhaut gleiten, so kann man beständig ein
stärkeres Leuchten bemerken, wenn das Metall von dem durchsichtigeren
Theil dieses Organs berührt wird. Ausserdem braucht man, wenn man
diesen Versuch wie gehörig im Dunkeln anstellt, nur auf den Augenblick
zu achten, in welchem man die Berührung der beiden Metalle unterbricht;
man überzeugt sich, dass man alsdann eine tiefere Dunkelheit sieht, wenn
ich mir den Ausdruck erlauben darf; dies ist ein Beweis des dauernden Vor-
handenseins irgend eines Lichtes vorher. Ich spreche nicht von dieser Art
Aufleuchten, welches einige gesehen haben sollen, wenn die beiden Metalle
einfach an die Zunge und das Zahnfleisch gelegt werden, ohne dass das Auge
theilnimmt Ich habe meinerseits die Sache nicht bestätigen können, und
ich habe bemerkt, dass manche Personen zu sehen angaben, was andere
nicht konnten, so dass es sich höchstens um eine krampfhafte, anscheinend
illusorische Empfindung handelt, ähnlich dem Feuer, welches man beim
Drücken des Auges mit dem Finger sieht, oder wenn man einen Schlag in
der Nähe desselben erhält Es scheint daher, dass in diesem Falle die Ge-
schmacksempfindung sowie der Lichtschein nur die Ergebnisse eines che-
mischen Vorganges sind. Diejenigen aber, welche dies der Elektricität zu-
geschrieben haben, ermangeln nicht wahrscheinlicher Bemerkungen zu Gunsten
ihrer Hypothese. Man hat beispielsweise bemerkt, dass man die obigen Em-
pfindungen erhält, wenn man beide Metalle mittelst einer Kette oder eines langen
I08 Fünftes Kapitel.
metallischen Leiters verbindet; aber man weiss, dass das elektrische Feuer
sich durch das Mittel auf unbegrenzte Entfernungen fortleiten lässt, und ich
habe bemerkt, dass etwa 6 oder 7 Meter die äusserste Grenze sind, bis zu
der die Wirkung der Metalle auf das Auge oder die Zunge merklich ist
Sicherlich ist ihre Wechselwirkung genau in dem Moment der Berührung
beider Metalle am stärksten; es ist aber natürlich, anzunehmen, dass die
am meisten betroffenen Molekeln die Kraft, welche sie empfangen haben,
bis zu einem gewissen Grade von Punkt zu Punkt den benachbarten
Molekeln weitergeben werden. Sie muss sich unter Abschwächung fort-
pflanzen, ganz ebenso wie die Kreise, welche der Fall eines Körpers auf
ruhendem Wasser hervorruft; und seine Wirkungsweite ist hier annähernd
die gleiche, wie ich sie eben angegeben.
„Indem ich meine Versuche auf verschiedene Weise abänderte, be-
merkte ich, dass die Oxydation nur in geringer Weise eintrat, wenn ich
das Wasser des Bechers, in welchem sich die beiden in Berührung stehenden
Metalle befanden, mit einer leichten Ölschicht bedeckte, und dass sie völlig
stehen blieb, wenn sie bis zu einem gewissen Punkte vorgeschritten war.
Dies rührt aber sicherlich nicht daher, dass sich die Dazwischenkunft eines
nicht leitenden Körpers dem Ablauf eines chemischen Vorganges widersetzt
hätte, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte. Denn ich habe den
Versuch gemacht, dass ich unter das Öl einen metallischen Leiter gesenkt
habe, um die Verbindung des Wassers und der Metalle mit dem gemein-
samen Reservoir zu unterhalten, und die Oxydation ist ebensowenig fortge-
schritten, wie vorher. Ebenso wird sie unterbrochen und begrenzt, wenn
man die freie Berührung mit der Luft mittelst einer kleinen über Queck-
silber umgekehrten Glocke ausschliesst, welches sich dem Durchgang der
Elektricität gar nicht widersetzt: ohnedies glauben die Galvanisten, dass ihre
Phänomene nicht von der allgemeinen Elektricität abhängen, sondern sozu-
sagen von der specifischen Elektricität der verschiedenen Metalle. Wäre
das der Fall, so wäre nicht zu verstehen, warum sich die Wirkung nicht im
Augenblicke der Berührung vollziehen sollte, wie es bei der Annäherung
zweier Leidener Flaschen erfolgt, die mit verschiedenen Arten oder Mengen
Elektricität geladen sind. Übrigens müsste nichts die Fortdauer der Er-
scheinung hindern, wenn die Metalle sich berühren, welches auch die Be-
schaffenheit der Umstände sei. Allerdings könnte man mir vielleicht ein-
wenden, dass, wenn die beiden Metalle die Fähigkeit das Wasser zu zersetzen
durch ihre einfache Berührung, die einfache Anordnung ihrer Anziehung
oder gegenseitigen Verwandtschaft erlangen, eine dünne Ölschicht oder eine
umgekehrte Glocke sich auch nicht der Fortsetzung ihrer vollständigen Oxy-
dation widersetzen dürfte und könnte, so lange sie noch von Wasser umgeben
sind. Ich habe bemerkt, dass zum Stattfinden der Erscheinung es der freien
Berührung mit der Luft bedarf, da es nothwendig, dass das Wasser jenen
Antheil von Sauerstoffgas enthält, welcher sich stets darin befindet, nachdem
es einige Zeit in Berührung mit der Atmosphäre gewesen ist: es scheint
Begründung der chemischen Theorie des Galvanismns. jqq
mir, dass sein Wasserstoff sozusagen mit dem Sauerstoff „in der Quart"
steht, wie das Gold zum Silber, damit die Lösung oder Trennung stattfindet.
Es ist daher die freie Berührung mit der Luft für den Becher in dem obigen
Versuch nothwendig, damit das Wasser den zur Fortsetzung der Wirkung
erforderlichen „Quarf'-Zustand annehmen kann; indem es von neuem Sauer-
stoffgas in dem Masse absorbirt, als ihm die Verbrennung z. B. des Zinns
das Radikal entzieht Führt man diesen Versuch an einem ruhigen Orte
aus, so kann man eine Art Häutchen auf der Oberfläche des Wassers be-
obachten, welche senkrecht über dem sich oxydirenden Metall liegt, und
dessen Gestalt hat, was sogar die Punkte der Oberfläche und die Säulen
des Wassers anzudeuten scheint, welche zum Durchlassen des Sauerstoffs der
Luft gedient haben. Diese Absorption ist so wahr, dass, wenn man in einigen
Fällen die freie Berührung mit der Luft durch ein recht sauerstoffreiches
Metalloxyd ersetzt, man sehr gut die Verbrennung des dem Versuch unter-
worfenen Metalls erzielen kann. Man weiss, dass Eisen Wasser ganz allein
zersetzt, wenn auch sehr langsam, und daraus Wasserstoff entwickelt: fügt
man rothes Bleioxyd auf dem Grunde des Wassers hinzu, so geht das Eisen
in schwarzes Oxyd über, ohne dass das Wasser dabei zersetzt wird
„Ich habe, wenn auch nach sehr langer Zeit, die Oxydation von Zinn
in Berührung mit Silber in einer mit Wasser gefüllten und fest hermetisch
geschlossenen Flasche von Flintglas erhalten; aber ich habe bemerkt, dass
das Blei, welches ein Bestandteil dieser Art Glas ist, seinen Sauerstoff ab-
gegeben hat, und sich in ein schwarzes und undurchsichtiges Oxyd ver-
wandelt hat, ganz ebenso, wie es geschieht, wenn man zwischen glühenden
Kohlen eine mit Wasserstoffgas gefüllte Flasche aus Flintglas erhitzt; dieser
verbrennt und entzieht den Sauerstoff dem Blei, welches revivificirt wird,
wie es das Zinn in dem obigen Falle thut.
„Es erscheint daher evident, dass der Versuch von Sulzer nur eine
Verbrennung, ein chemischer Vorgang ist, und nicht nur das Resultat, auch
die Dauer bezeugt dies, denn die Elektricität wirkt stets auf augenblickliche
Weise, während die Wirkungen der chemischen Verwandtschaft so lange
dauern, als ungesättigte Stoffe vorhanden sind. Ich habe sehr lange Zeit
Stücke von Silber aufbewahrt, die in mehrfachen Lagen von Zinnfolie eingewickelt
waren: ich habe solche zu verschiedenen Zeiten herausgenommen und habe
den Fortschritt der Verbrennung genau proportional der Zeit gefunden. Bei
den letzten, welche ich herausgenommen habe, war das Zinn durchdrungen,
durch und durch angegriffen in allen seinen Falten, wie wenn es in Säure
getaucht worden wäre. Bedürfte man aber anderer Beweise um sich zu
überzeugen, dass die Elektricität gar keinen Theil an der fraglichen Erschei-
nung hat, so könnte man die Versuche derart abändern, dass man gar nicht
diese Wirkungen der elektrischen Flüssigkeit hindert, und sich durch den
Augenschein überzeugt, dass die Verbrennung, welche stattfindet, von der
Disposition der Metalle und ihrer chemischen Verwandtschaft abhängt.
„Zum Beispiel: i) Legt man ein ziemlich dickes Stück Zinn an das
HO Fünftes Kapitel.
Auge, und berührt es an der entgegengesetzten Seite mit einem Silberstab,
so findet weder Zersetzung der Feuchtigkeit, noch Verbrennung, noch Licht
statt; und dennoch müsste die Berührung der beiden Metalle diese sinn-
fälligen Wirkungen hervorbringen, wenn sie von der Mittheilung ihrer Elek-
tricität herrührten. 2) Hält man ein Stück Zinn an das Auge, ein anderes
im Munde und stellt die Verbindung zwischen beiden durch einen silbernen
Stab her, so sieht man ebensowenig Licht, wie bei dem ersten Versuch.
3) Man bringt ein Stück Gold an das Auge, ein Stück Silber an die Zunge
und stellt die Verbindung durch einen eisernen Schlüssel her: keine Licht-
erscheinung, wie früher. 4) Ebensowenig sieht man Licht, wenn man Eisen
an das Auge und Zinn an die Zunge bringt, während beide mit einander
verbunden sind. 5) Gold und Silber, die man einzeln an beide Organe
bringt, geben kaum einige schwache Spuren von Empfindungen bei der
Berührung. 6) Das Gleiche geschieht, wenn man zwei Stücke Silber benutzt,
die man durch Eisen verbindet. 7) Ebenso ist es, wenn man Kupfer an
das Auge, Zinn auf die Zunge bringt und die Verbindung durch Eisen be-
werkstelligt. 8) Nicht stärker ist die Empfindung, wenn man Silber an das
Auge, Gold auf die Zunge bringt, und sie durch Kupfer verbindet. 9) Im
Gegentheil sieht man ein bedeutendes Licht, wenn das Eisen das Auge, das
Silber die Zunge berührt, und Kupfer die Verbindung bildet. 10) Ebenso
ist es, wenn man das Silber durch Gold ersetzt oder 1 1 ) wenn man das am
Auge befindliche Eisen mit dem Gold auf der Zunge durch einen silbernen
Spatel verbindet. 12) Auch sieht man Licht, wenn das Eisen am Auge und
das Silber auf der Zunge unmittelbar in Verbindung stehen. 13) Das Gleiche
gilt, wenn man die Ordnung beider Metalle umkehrt. 14) Oder wenn man
Gold statt Silber nimmt 1 5) Endlich kann man das Licht der Verbrennung
sehen, wenn man statt eines der Metalle an die Zunge zu legen, man beide
an die Augen bringt.
„Man ersieht aus diesen Versuchen, den einzigen, deren ich mich in
diesem Augenblick erinnere, und welche sehr leicht zu wiederholen und
auf verschiedene Weise abzuändern sind, dass es nicht die Elektricität ist,
welche die Resultate hervorbringt, denn man weiss wohl, dass die elektrische
Flüssigkeit alle Metalle, welche ihre Leiter par excellence sind, ganz
und gar und augenblicklich durchdringt, welches auch ihre Stellung und
Beziehung sei.
„Ist es aber wahr, dass in dem betrachteten Falle das Wasser seinen
Sauerstoff an das Metall abgiebt, so wird man fragen, was aus dem
Wasserstoff geworden ist. Zunächst ist zu bemerken, dass, da die Be-
rührung mit der Luft in dem Maasse Sauerstoff nachliefert, als durch
die Verbrennung des Metalls verbraucht wird, sehr wenig Wasser zersetzt
werden wird.
„Ich habe gesagt, dass ich den Versuch mit verschiedenen Metallen
sehr lange fortgesetzt habe; als ich sie schliesslich untersuchte, habe ich
nicht nur krümeliges Oxyd in Menge gefunden, sondern ich habe auch
Begründung der chemischen Theorie des Galvanismus. m
regelmässige salzartige alaunähnliche Krystalle gefunden, welche namentlich
an den Silberstücken hafteten, sowie wohl definirte Salze, welche aus zwei
vierseitigen mit der Basis verbundenen Tetraedern bestanden, und welche
mir nur Wasserstoffzinn zu sein schienen.
„Man weiss bereits, dass der Wasserstoff mehrere Metalle auflöst, denn
man findet im Wasserstoff selbst Eisen, Zink, Arsenik u. s. w.; man weiss,
dass das Amalgam aus Zink und Quecksilber Wasserstoff enthält, welchen
man durch Warme austreiben kann.
,,Ich will hinzufügen, dass ich zuweilen meinen Apparat aus Zinn und
Silber statt in Wasser in Alkohol lange Zeit gelassen habe; ich habe auf
dem Silber parallelepipedische sehr durchsichtige Krystalle gefunden, welche
wegen ihrer schwach grünlichen Farbe Kupfer zu enthalten schienen. Dieses
Kupfer rührte vielleicht von dem Silberstück her, denn ich benutzte vor-
wiegend grosse Thalerstücke, da ich gesehen hatte, dass die Unregelmässig-
keiten ihrer Oberfläche infolge der Buchstaben und des Wappens sehr die
Bildung von Krystallen begünstigten, welche sich in den Vertiefungen und
an den Rändern ansiedelten. Ich habe versucht, dieselben Metalle in Ammo-
niak zu bringen, welches in einer Glasflasche verschlossen war, jedoch ohne
merkliche Wirkung; vielleicht war die Bindung des Wasserstoffs zu stark
und der Sauerstoff der Luft konnte nicht an der Zersetzung des Metalls
mit jenem theilnehmen. Das Ammoniak nahm nur eine leichte bläuliche
Färbung an, welches erkennen Hess, dass es dem hineingebrachten Silber-
stück etwas Kupfer entzogen hatte.
„Man ersieht sehr klar aus den Ergebnissen, welche ich durch die ein-
fache Berührung der Metalle erlangt hatte, dem Oxyd und den salzartigen
Kristallen, dass es sich um einen chemischen Vorgang handelt, und dass
man diesem die Empfindungen zuschreiben muss, welche man auf der
Zunge und im Auge spürt. Mir scheint es daher wahrscheinlich, dass
man diesen neuen Verbindungen oder ihren Elementen diesen geheimniss-
vollen Stimulus zuschreiben muss, welcher die Zuckungen der thierischen
Faser bewirkt, wenigstens bei einem grossen Theil der Erscheinungen des
Galvanismus."
3. J. W. Ritter's Arbeiten. Wie aus den Darlegungen Fabbroni's
hervorgeht, wird er mit Unrecht ab der Begründer der chemischen Theorie
des Galvanismus bezeichnet; er stellt sich vielmehr die Aufgabe, zu beweisen,
dass die bei der Berührung der Metalle auftretenden Erscheinungen rein
chemischer Natur seien und mit galvanischen oder elektrischen nichts zu
thun haben. Als derjenige, auf den die Erkenntniss des Zusammenhanges
zwischen beiden zurückzuführen ist, muss unzweifelhaft J. W. Ritter ge-
nannt werden.
Die erste hierhergehörige Entdeckung,1 welche wir ihm verdanken, ist
die, dass die VoLTA'sche Spannungsreihe der Metalle (52) mit der
1 Beweis, dass ein beständiger Galvanismus den Lebensprozess im Thicrreich begleite,
W.-imar 1798.
H2 Fünftes Kapitel.
Reihe ihrer Verwandtschaft zum Sauerstoff, oder genauer ge-
sprochen, mit der Reihe übereinstimmt, in welcher die Metalle
einander aus ihren Salzen fällen.
Zu dieser fundamentalen Entdeckung war Ritter folgendermaassen ge-
langt. Er hatte sich eingehender mit der von Pfaff1 und Michaelis1 ent-
deckten Thatsache beschäftigt, dass es beim galvanischen Versuch nicht
einerlei ist, in welcher Anordnung man die Metalle mit dem Froschpräparat
in Berührung bringt. Arbeitet man mit Zink und Silber, so erfolgen starke
Zuckungen, wenn man den Nerv mit dem Zink, das Silber mit dem Muskel
in Verbindung setzt; liegt umgekehrt Silber am Nerv, Zink am Muskel, so
erfolgt eine geringere oder gar keine Zuckung beim Schliessen. Das Um-
gekehrte zeigt sich beim Öffnen; dann ist die zweite Anordnung viel wirk-
samer als die erste. Hierdurch war ein Mittel gegeben, zwei Richtungen
der elektrischen Erregung zu unterscheiden, und die Metalle in eine solche
Reihe zu ordnen, dass jedes mit den vorangehenden in einem, mit den
nachfolgenden im anderen Sinne wirksam war.
Diese Versuche führte Ritter in der Anordnung Fig. 46 aus, wo a und
b zwei leitend verbundene Froschschenkel, c und d ihre Nerven, e und/
die zu untersuchenden Metalle sind. Ist e z. B. Silber, und f Zink, so zuckt,
wenn die Metalle bei g zur Berührung gebracht werden, der Schenkel a,
und bei der Trennung in g zuckt b\ das Umgekehrte zeigt sich, wenn man
die Metalle verwechselt. Werden nun an die Stelle von Silber
und Zink zwei andere Metalle gebracht, so zeigt sich alsbald, wei-
ches von ihnen dem Silber, und welches dem Zink anzureihen ist
Die erstaunlichen Satzungeheuer, welche Ritter zum Ausdruck des
oben mitgetheilten Ergebnisses geschaffen hat, seien zur weiteren
Charakteristik des merkwürdigen Mannes in ihrer ursprünglichen
Gestalt hier vorgeführt.
„Wenn / und e zwei verschiedene Metalle (bei völlig gleich-
artigen erfolgt bekanntlich nichts) waren, so wurde bei Schliessung der
Kette allemal die mit dem, dem Sauerstoff unter beiden am nächsten
verwandten Metalle, armirte Seite am stärksten oder allein contrahirt.
(Bloss das Eisen, das auch in anderen Rücksichten Besonderheiten hat, machte
auch hier eine scheinbare Ausnahme, indem es nicht in diesen Versuchen, wie es
nach der durch Versuche über Niederschlagung eines Metalls aus Säuren durch
das andere im metallischen Zustande, aufgefundenen Reihe in Gren's Hand-
buch der allgemeinen Chemie, Theil IV, S. 162, die aber freilich sehr un-
bestimmt den reinen Verwandtschaftsgrad eines Metalles zum Sauerstoff angeben
muss, da hier sich zugleich die verschiedene Verwandtschaft des Metalls, oder
richtiger seines Kalks, und andere Umstände, einmischen, die aber doch
sonst mit der durch galvanische Versuche aufgefundenen, vielleicht den
reinen Verwandtschaftsgrad zum Sauerstoff anzeigenden Reihe ziemlich gleich
1 Ueber thicr. Elektr. u. Reizbarkeit. 1795. S. 28, 101.
* Gren's Journ. d. Phys. 4, 10. 1791.
Begründung der chemischen Theorie des Galvanismus. j j i
läuft, — hätte sein sollen, sich gleich hinter das Zink, sondern zwischen
Blei und Kupfer stellte.)"
Die derart nachgewiesene Beziehung zwischen dem chemischen und dem
galvanischen Vorgange wurde von Ritter alsbald weiter verfolgt; in einer
kurzen Mittheilung seiner Ergebnisse1 Hess er mit gesperrter Schrift als
wichtige Entdeckung den Satz drucken: „Auch in der anorgischen
Natur ist der Galvanismus wirksam." Und in der That müssen wir
diese Erkenntniss als einen wichtigen Fortschritt anerkennen, da sie das
Problem aus dem physiologischen Gebiet in das physikalisch-chemische ver-
legen half und somit seiner Lösung um den wesentlichsten Schritt näher
brachte.
Die Versuche, aus denen Ritter seinen Schluss zog, sind denen Fab-
bronis ganz ähnlich; ferner weist er darauf hin, dass gleiche Beobachtungen
schon von Priestley2 gemacht worden sind; auch hat Humboldt entsprechende
Beobachtungen des Dr. Ash erwähnt. Um Ritter's Verdienst an der Sache
ersichtlich zu machen, seien aus den Erörterungen Humboldt's über die gleiche
Frage8 einige Stellen hergesetzt:
„Wenn wir aufmerksam auf die Zusammensetzung galvanischer Ketten
sind, so sehen wir, dass die Berührung verschiedenartiger Metalle eine der
wichtigsten Rollen dabei spielt. Wirkt, dachte ich oft, dieses Verhältniss
bloss dadurch, dass es den Strom des Fluidums G (des Galvanismus) aufhält,
und eine Anhäufung veranlasst, oder sollte nicht dieser Contact irgend eine
Veränderung in den unbelebten unorganischen Stoffen hervorbringen? Ein
Freund, dessen Scharfsinn und ausgebreitete Gelehrsamkeit ich schon ehemals
benutzt, Dr. Ash aus Oxford, hat mich der Beantwortung dieser Frage näher
gebracht. Meine ganze Aufmerksamkeit, schrieb er mir am 10. April 1796,
ist seit einiger Zeit auf die Metalle selbst gerichtet. Ich wünschte den Ver-
änderungen auf die Spur zu kommen, welche durch die Berührung gleich-
artiger oder ungleichartiger Metalle hervorgebracht werden. Aus einigen
Versuchen scheint es mir mehr als wahrscheinlich, dass sich in den Metallen,
welche die grösste galvanische Wirksamkeit zeigen, eine bemerkbare chemische
Mischungsveränderung ereignet. Legen Sie zwei homogene Zinkplatten mit
Wasser befeuchtet aufeinander, so dass sie sich in so vielen Punkten als
möglich berühren, so werden Sie, wenn die Stoffe recht gleichartig sind,
äusserst wenig Wirkung bemerken. Legen Sie aber auf die nämliche Art
Zink und Silber zusammen, und Sie werden bald sehen, dass sie einen
starken Effect auf einander hervorbringen. Das Zink scheint sich zu oxydiren
und die ganze Oberfläche der angefeuchteten Silberplatte ist mit einem feinen
weissen Staube (Zinkkalk) bedeckt. Blei und Quecksilber wirken ebenso
stark auf einander, wie Eisen und Kupfer.
1 Gilbert's Ann. 2, 80, 1799; ausführlicher in den Bcitr. zur näheren Kenntniss des Galv. I,
in. 1800.
2 Experiments and Observations. Deutsche Ausgabe 1780, S. 119.
3 Alex, v. Humboldt, Versuche über die gereizte Muskel- und Nervenfaser I, 471. 1 7 9 7 •
Ostwald, Elektrochemie. 8
I'
1 1 4 Fünftes Kapitel.
„Diese Entdeckung, welche ich Herrn Ash verdanke, ist überaus merk-
würdig. . . . Ich bin noch beschäftigt, die Experimente des Dr. Ash zu ver-
vielfältigen. . . . Haben aber diese Phänomene etwas mit dem Gal-
vanismus gemein? Lassen sie auf eine besondere Kraft schliessen, welche
durch den Contact zweier heterogener Metalle in Umlauf gesetzt wird? Diese
Fragen sind schwer zu beantworten, da sie isolirte Thatsachen betreffen, „des
pierres d'attente (wie sie Hr. Pictet nennt) que les physiciens posent ja et
lä dans leurs travaux, et qui trouveront un jour leur place". . . . Wenn also
die grössere Menge des entstandenen Zinkkalkes auf dem Silber von der
Menge der dabei rege gewordenen E. herrührte, so könnte das Experiment
allerdings auf etwas hindeuten, was mit dem Galvanismus in naher Beziehung
stände. . . . Aber so lange noch andere Erklärungsarten möglich sind, welche
auf längst bekannte Naturkräfte hinweisen, darf man nicht allein zu un-
bekannten Wirkungen seine Zuflucht nehmen. Sollte jenes merkwürdige
Experiment sich nicht auf eine Zusammengesetze Verwandtschaft gründen?
Das Silber hat unter jeder Temperatur einige Ziehkraft zum Sauerstoff. Liegt
nun eine dünne Wasserschicht zwischen dem Zink- und Silberplättchen, so
sind die Ziehkräfte beider Metalle thätig, dieselbe zu zerlegen. Wir kennen
mehrere Fälle aus der Experimentalchemie, in denen zwei heterogene Stoffe
leichter als einer einen dritten in seine Bestandtheile auflösen."
Diese Auseinandersetzungen sind sehr charakteristisch. Bis auf den
heutigen Tag werden derartige pseudomechanische „Erklärungen" chemischer
Vorgänge als bare Münze gegeben und genommen; im vorliegenden Falle
scheint nicht bedacht worden zu sein, dass sowohl Zink wie Silber am Sauer-
stoff „ziehen", und nicht etwa das eine von ihnen am Wasserstoff. Es
läge also nur ein Grund zur Zerlegung des Sauerstoffs, nicht aber des
Wassers vor. ^
RrrTfcR verfolgte indessen seine Entdeckung und theilte in seiner Schrift:
Beweis, dass die galvanische Action oder der Galvanismus auch
in der Anorgischen Natur möglich und wirklich sey,1 seine Be-
obachtungen über die beschleunigte Oxydation mit, welche verschiedene
Metalle bei leitender Verbindung mit einem edleren erfahren. Mit der ihm
eigentümlichen Neigung zu weitgehenden Schlussfolgerungen gelangt er als-
bald zu dem Resultat: „Dieser Prozess der Niederschlagung des einen Metalls
durch das andere aus der Auflösung in Säuren im metallischen Zustande
ist also ein völlig galvanischer Prozess."
Auch hier zeigt sich bei Ritter dieses seltsame Gemisch von Scharfsinn
und Mysticismus, das uns an ihm so oft entgegengetreten ist. Er macht sich
selbst den Einwand, dass die Fällung des Silbers durch Zink als galvanischer
Vorgang völlig verständlich sei, nachdem das erste Silbertheilchen vorhanden
ist, und zwischen beiden Metallen und der Flüssigkeit der gewohnte Vorgang
eintritt. „Wo kommt aber das erste Silberstäubchen her, was sich an dem
1 Ritter, Beiträge I, in. 1800.
Begründung der chemischen Theorie des Galvanismus. n c
Zink ansetzt, und auf welches alles ankommt, was sich im Verfolg des Pro-
zesses zutragen soll? . . . Und ist Triplicität, wie alles zeigt, die Fundamental-
bedingung das Galvanismus, wo ist hier das dritte Glied zu suchen? . . .
Giebt es Fälle, wo jenes dynamische Etwas, welches bei der Gegenwart sicht-
barer Triplicität in den einzelnen Factoren derselben ja ohnehin nur als in
einem Gefäss enthalten ist, auch ohne diese Hülle gegenwärtig sein kann, in
die es sich erst dann zurückzieht, wenn es, nachdem es in jenem Zustand
so gut wie in diesem seine Function verrichtet hat, sich dieselbe selbst erst
bilden geholfen hat, und ist der vorige ein Fall dieser Art? Vielleicht dürfte
die Idee einer Qualität ohne Hülle nicht so sonderbar sein, wie es auf den
ersten Blick scheinen möchte; denn in welcher Gestalt erseheint denn diese
nämliche Qualität gegen ihren Träger, ihre Hülle selbst, und was ist der
allgemeine Magnetismus der Erde in Bezug auf einzelne Individuen auf dieser,
was ist selbst das Licht anderes, als eine solche Qualität ohne Maske? Und
muss nicht jede Kraft in um so weniger Hülle gefasst sein,- je allgemeiner die
Rolle ist, welche sie spielt ?" —
In gleicher Weise geht es noch einige Zeit fort. Es wird neben den
äusseren Galvanismus ein innerer gesetzt, und Ritter schliesst mit den
Worten: „Dass übrigens eine solche Vereinigung beider aus dem Galvanismus
den Schlüssel zum Eingang in das Innere der Natur machen würde, bedarf
keiner Erwähnung."
4. Übergang. Der Nachweis des Zusammenhanges zwischen gal-
vanischen und chemischen Erscheinungen, welchen wir Ritter verdanken,
war unter schwierigeren Verhältnissen erbracht worden, als sie bald darauf be-
standen. Denn bis zum Jahre 1800 dauerte die von Pfaff sogenannte Pe-
riode des einfachen Galvanismus; die Hilfsmittel der Elektricitätserregung
beschränkten sich bis dahin auf die typische Zusammenstellung zweier Metalle
und eines feuchten Leiters, durch welche, um in der Sprache der heutigen
Wissenschaft zu reden, keine höheren elektromotorischen Kräfte, als etwa ein
Volt erlangt wurden. Daher konnte die Erscheinung der Elektrolyse, der
chemischen Zerlegung durch den Strom, noch nicht willkürlich hervor-
gebracht werden, da die dabei entstehende Polarisation, die überwunden
werden muss, meist mehr beträgt. Die Forschung war somit auf die in den
Ketten beim Stromschluss selbst verlaufenden chemischen Vorgänge be-
schränkt; wie Ritter dieses Gebiet zu ergründen gewusst hat, haben wir
soeben gesehen. Ein unvergleichlich ausgiebigeres Hilfsmittel wurde um diese
Zeit von Volta durch die Erfindung der Säule geschaffen, womit eine neue
Periode in unserer Geschichte beginnt.
1
8*
Fig. 47. VOLTA'f
Sechstes Kapitel.
Die Volta'sche Säule.
1. Einleitung. Volta schliesst seine Briefe an Gren einigermaassen
ironisch mit einigen Bemerkungen über etwaige weitere Ansprüche, die an
den Nachweis der elektrischen Natur des galvanischen Agens gestellt werden
könnten. „Doch giebt es noch verschiedene Leute, auf welche solche Ver-
suche mehr Eindruck machen, wo die Zeichen der erhaltenen Elektricität
recht stark sind, wo die Elektrometer recht viel Grade angeben oder ihre
Pendel sich zu einem recht grossen Winkel öffnen und endlich gar gegen
die Wände des Glases schlagen, welches sie einschliesst. Auch diesen Leuten
muss ich noch Genüge leisten, ohne mich jedoch auch hier an eine andere
Elektricität, als die durch Berührung der Metalle erzeugte zu halten, welche
Elektricität gewissermaassen unter meiner Jurisdiction steht, und welche mit
dem Namen metallische Elektricität zu belegen man mir nicht verwehren
wird; auch die, sage ich, welche so auffallende Zeichen solcher Elektricität
begehren, habe ich jetzt noch zu befriedigen; auch den Funken möchten
sie verlangen."
Volta beschreibt nun, wie mit Hilfe recht grosser und ebener Platten
von Silber und Zinn oder besser Zink durch etwa hundertmaliges Laden des
Condensators diesen Anforderungen in der That Genüge geleistet werden
kann. So spöttisch er aber die Sache behandelt, so scheint doch die Frage,
wie die Erscheinungen der Metallelektricität beliebig gesteigert werden können,
ihn weiter lebhaft beschäftigt zu haben, denn nach einem Schweigen, welches
drei Jahre währte, und welches nach seiner vorangegangenen überaus leb-
haften Thätigkeit besonders auffällig wirkt, theilt er in einem Briefe aus Como
vom 20. März 1800 an den damaligen Präsidenten der Royal Society in
Die Volta'sche Säule.
117
London diejenige Entdeckung mit, die unstreitig den Glanzpunkt seiner Ar-
beiten bildet, und die gerade die unbegrenzte Steigerung betrifft, welche man
der Berührungselektricität durch angemessene Schichtung der wirksamen
Bestandteile, Metalle und feuchte Leiter, ertheilen kann: die VoLTA'sche
Säule.
Für die Elektrochemie bildet diese Entdeckung einen wesentlichen Ab-
schnitt, da erst die Säule vermöge ihrer beliebig zu steigernden Spannung
die chemische Wirkung des elektrischen Stromes frei zu Tage treten lässt.
Allerdings hat Volta in seiner ersten Mittheilung gerade diesen Punkt nicht
berührt; es findet sich von ihm keine Andeutung, dass er die chemischen
Vorgänge, welche beim Einsenken der Poldräthe seiner Säule in Leiter
zweiter Classe alsbald eintreten, gesehen oder beachtet habe. Vielmehr be-
schränkt er seine Mittheilungen auf die elektroskopischen und insbesondere
die physiologischen Wirkungen, und der Brief läuft in eine Darstellung aus,
wie man mittelst der Säule die Wirkungen der elektrischen Fische nachahmen
könne. Es ist dies der letzte erhebliche Einfluss, welchen die physiologischen
Ausgangspunkte des Galvanismus geltend gemacht haben; unmittelbar nach
dem Bekanntwerden der VoLTA'schen Kette wird von Nicholson und Carlisle
die Wasserzersetzung mittelst derselben entdeckt, und damit tritt das Problem
endgültig (wenn auch nicht ohne gelegentliche vorübergehende Rückfälle) in
das physikalisch-chemische Gebiet über.
2. Volta's Brief an Banks über die Elektricität, welche durch
die blosse Berührung leitender Stoffe hervorgerufen wird.1 Como,
den 20. März 1800. „Nach einem langen Stillschweigen, das ich nicht ver-
suchen werde zu entschuldigen, habe ich das Vergnügen, Ihnen und durch
Sie der Königlichen Gesellschaft einige auffallende Ergebnisse mitzutheilen,
zu welchen ich in der Verfolgung meiner Versuche über die Elektricität
gelangt bin, die durch die blosse gegenseitige Berührung von Metallen ver-
schiedener Art, und sogar durch die anderer, gleichfalls unter einander ver-
schiedener Leiter, seien sie flüssig oder nur einige Feuchtigkeit enthaltend,
welcher sie ihre eigentliche Leitfähigkeit verdanken, hervorgerufen wird. Das
Wesentlichste dieser Ergebnisse, welches nahezu alle anderen umfasst, ist die
Herrichtung eines Apparates, welcher durch seine Wirkung, d. h. durch die
Schläge, welche er in den Armen u. s. w. hervorbringt, einer Leidener Flasche
oder vielmehr einer schwach geladenen elektrischen Batterie ähnlich ist,
welche aber unaufhörlich wirkt, oder deren Ladung nach jeder Explosion
sich von selbst wiederherstellt; welcher, mit anderen Worten, eine uner-
schöpfliche Ladung, eine beständige Wirkung auf die elektrische Flüssigkeit
oder Impulsion besitzt; welcher aber im übrigen völlig von ihr verschieden
ist, sowohl durch diese ihm eigenthümliche dauernde Wirkung, wie auch
darin, dass der neue Apparat statt wie die gewöhnlichen elektrischen Flaschen
und Batterieen aus einer oder mehreren isolirenden Platten, oder dünnen
1 Philos. Trans. 1800, II, 405 — 431.
1 1 8 Sechstes Kapitel.
Schichten dieser Stoffe, die als die allein elektrischen angesehen werden,
belegt mit Leitern oder sogenannten anelektrischen Stoffen, zu bestehen, im
Gegentheil ausschliesslich aus mehreren dieser letzteren Stoffe erbaut ist,
welche unter den besten Leitern ausgewählt sind, und welche daher nach
allgemeinem Glauben am weitesten von elektrischer Natur entfernt sind. Ja,
der Apparat, von dem ich rede, und welcher Sie zweifellos in Erstaunen
versetzen wird, ist nichts, als die Anordnung einer Anzahl von guten Leitern
verschiedener Art, die in bestimmter Weise aufeinanderfolgen. Dreissig, vierzig,
sechszig oder mehr Stücke von Kupfer oder besser Silber, von denen jedes
auf ein Stück Zinn, qder viel besser Zink gelegt ist, und eine gleich grosse
Anzahl von Schichten Wasser oder irgend einer anderen Flüssigkeit, welche
besser leitet, als gewöhnliches Wasser, wie Salzwasser, Lauge u. s. w., oder
Stücke von Pappe, Leder u. s. w., die mit diesen Flüssigkeiten gut durch-
tränkt sind, diese Stücke zwischen jedes Paar oder jede Verbindung von
zwei verschiedenen Metallen geschaltet: eine derartige Wechselfolge in stets
gleicher Ordnung der drei Arten von Leitern, das ist alles, woraus mein
neues Instrument besteht, welches, wie gesagt, die Wirkungen der Leidener
Flaschen oder der elektrischen Batterieen nachahmt, indem es dieselben Er-
schütterungen giebt, wie diese, wobei es allerdings weit unterhalb der Wirk-
samkeit stark geladener Batterieen bleibt, was die Kraft und das Geräusch
der Explosionen, den Funken, die Schlagweite u. s. w. anlangt; es gleicht
nur bezüglich der Wirkung einer sehr schwach geladenen Batterie, die aber
eine ausserordentliche Capacität besitzt, übertrifft aber die Kraft und das
Vermögen dieser Batterieen unendlich darin, dass es nicht wie diese vorher
durch fremde Elektricität geladen zu werden braucht, und dass es den Schlag
zu geben fähig ist jedesmal, wenn man es passend berührt, wie oft auch
diese Berührungen erfolgen mögen.
„Diesen Apparat, der, wie ich zeigen werde, sowohl seinem Wesen nach
als auch sogar, wie ich ihn construirt habe, in der Gestalt dem natürlichen
elektrischen Organ des Zitterrochens, des Zitteraals u. s. w. viel ähnlicher
ist, als der Leidener Flasche und den bekannten elektrischen Batterieen,
möchte ich ein künstliches elektrisches Organ nennen. Und ist er nicht in
der That wie dieses, einzig aus leitenden Stoffen zusammengesetzt? ist er
nicht überdies von selbst thätig, ohne jede vorherige Ladung? Ohne die
Mitwirkung irgend einer durch irgend eines der bisher bekannten Mittel
erregten Elektricität, ohne Aufhören und Ermüden thätig; fähig in jedem
Augenblicke je nach den Umständen stärkere oder schwächere Schläge zu
geben, Schläge, welche sich bei jeder Berührung erneuen, und welche, nach
häufiger Wiederholung oder während einer gewissen Zeit fortgesetzt, dieselbe
Betäubung der Glieder hervorbringen, welche der Zitterrochen u. s. w. bewirkt.
„Ich gebe Ihnen hier eine eingehendere Beschreibung dieses Apparates
und einiger anderer ähnlicher, sowie die entsprechenden bemerkenswerthesten
Versuche.
„Ich verschaffe mir einige Dutzend kleiner runder Platten oder Scheiben
Die Volia'sche Säule.
I1?
aus Kupfer, Messing, oder besser Silber, einen Zoll oder etwas mehr oder
weniger im Durchmesser (z. B. Münzen) und eine gleiche Anzahl Platten von
Zinn, oder, was viel besser ist, Zink, von annähernd gleicher Gestalt und
Grösse; ich sage annähernd, denn eine Genauigkeit ist nicht erforderlich und
die Grösse wie die Gestalt der Metallstücke ist im Allgemeinen willkürlich:
man muss nur Acht geben, dass man sie bequem über einander in Gestalt
einer Säule ordnen kann. Ich verfertige ausserdem eine genügende Zahl
runder Scheiben von Pappe, Lcder oder anderem porösem Material, welches
fähig ist, viel Feuchtigkeit oder Wasser aufzunehmen und zurückzuhalten,
womit sie gut getränkt sein müssen, damit der Versuch gelingt. Diese
Schichten oder Scheiben, welche ich feuchte Platten nenne, stelle ich etwas
kleiner her, als die metallischen Platten, damit sie über diese nicht hervor-
ragen, wenn sie in der gleich anzugebenden Weise zwischen sie gelegt sind.
„Wenn ich alle diese Stücke in gutem Zustande zur Hand habe, d. h.
die metallischen Platten gut rein und trocken, und die nichtmetallischen gut
mit gewöhnlichem Wasser, oder besser mit Salzwasser, getränkt und dann
leicht abgetrocknet, damit die Flüssigkeit von ihnen nicht abtropft, so
brauche ich sie nur angemessen zu ordnen; und diese Ordnung ist einfach
und leicht
„Ich lege also horizontal auf einen Tisch oder irgend eine andere Unter-
lage eine der metallischen Platten, z. B. eine von Silber, und auf diese zweite
passe ich eine von Zink, hierauf lege ich eine der feuchten Platten, darauf
eine zweite Silberplatte, worauf unmittelbar eine von Zink folgt, auf die ich
wieder eine feuchte Platte lege. In gleicher Weise fahre ich fort, indem ich
stets eine Zinkplatte mit einer von Silber, und zwar stets in
demselben Sinne paare, d. h. stets Silber unten und Zink
oben, oder umgekehrt, je nachdem ich angefangen habe,
und indem ich zwischen jedes dieser Paare eine feuchte Platte
lege; ich fahre so fort, sage ich, aus mehreren dieser Stock-
werke eine so hohe Säule zu bauen, als sie sich halten kann,
ohne umzufallen.
„Ist sie soweit, dass sie 20 bis 30 dieser Stockwerke
oder Paare von Metallen enthält, so wird sie bereits fähig
sein, nicht nur am Elektrometer von Cavallo mit Hülfe
des Condensators Anzeigen über to oder 15
Grade zu geben, den Condensator durch ein-
fache Berührung zu laden, so dass er einen
Funken giebt u. s. w., sondern auch den Fin-
gern, die sie an beiden Enden, dem Kopf und
Fuss einer solchen Säule, berühren, einen oder
einige kleine Schläge zu geben, die sich wieder-
holen, wie man diese Berührung erneut; jeder dieser Schläge ist völlig der
leichten Erschütterung ähnlich, welche eine schwach geladene Leidener
Flasche oder eine noch viel schwächer geladene Batterie oder endlich ein
Fig. 48. Nach VOLTA.
120 Sechstes Kapitel.
\
erschöpfter Zitterrochen giebt, welcher noch besser die Wirkungen meines
Apparates nachahmt, infolge der wiederholten Schläge, die er ohne Aufhören
geben kann.
„Um solche leichte Erschütterungen von dem eben beschriebenen Ap-
parat zu erhalten, der für grössere Wirkungen noch zu klein ist, müssen die
Finger, mit welchen man gleichzeitig beide Enden berühren will, feucht sein,
so dass die Haut, die sonst nicht genügend leiten würde, gut benetzt ist
Um endlich sichereren Erfolg zu haben und erheblich stärkere Erschütterungen
zu erhalten, muss man den Fuss der Säule, d. h. die unterste Platte mittelst
einer hinreichend breiten Platte oder eines dicken metallenen Drahtes mit
dem Wasser eines ziemlich grossen Gefässes oder Topfes in Verbindung
setzen, in welche man einen, zwei oder drei Finger oder die ganze Hand
gesenkt hat, während man den Kopf oder das obere Ende (die letzte oder
eine der letzten Platten der Säule) mit dem blanken Ende einer gleichfalls
metallenen Platte berührt, die man fest in der anderen Hand hält, wobei
man eine recht grosse Fläche dieser Platte berührt und stark drückt. Wenn
ich so verfahre, kann ich bereits einen kleinen Stich oder eine leichte Er-
schütterung in einem oder in zwei Gelenken des in das Wasser des Gefässes
getauchten Fingers wahrnehmen, wenn ich mit der in der anderen Hand
gehaltenen Platte das vierte, oder selbst das dritte Plattenpaar berühre; be-
rührt man darauf das fünfte, sechste Paar und nach und nach die anderen
bis zum letzten, so ist es interessant, wahrzunehmen, wie die Erschütterungen
stufenweise an Kraft zunehmen. Und diese Kraft ist derartig, dass ich von
einer solchen Säule aus 20 Plattenpaaren (nicht mehr) Schläge erhalte, die
über den ganzen Finger gehen und ihn sogar ziemlich schmerzhaft ergreifen,
wenn er allein in das Wasser des Gefässes gesteckt ist; welche sich (ohne
Schmerz) bis zum Handgelenk und selbst zum Ellenbogen erstrecken, wenn
die Hand grösstenteils oder vollständig untergetaucht ist, und welche sich
auch im Gelenk der anderen Hand fühlbar machen.
„Ich setzte immer voraus, dass man bei dem Aufbau der Säule alle
erforderliche Sorgfalt beobachtet hat, dass jedes Paar der Metalle aus einer
Platte von Silber in Berührung mit einer von Zink mit dem folgenden durch
eine genügende Feuchtigkeitsschicht verbunden ist, welche besser aus Salz-
wasser als aus gewöhnlichem besteht, oder durch eine Scheibe von Pappe,
Leder oder anderem ähnlichen Stoff, der mit solchem Salzwasser wohl ge-
tränkt ist; diese Scheibe sei nicht zu klein, und sei in guter Berührung mit
den Oberflächen der metallenen Platten, zwischen denen sie sich befindet.
„Diese genaue und ausgedehnte Berührung der feuchten Platten ist sehr
wichtig, während die metallenen Platten jedes Paares sich nur in wenigen
Punkten zu berühren brauchen, vorausgesetzt nur, dass die Berührung eine
unmittelbare ist.
„Hieraus ergiebt sich (um es im Vorübergehen zu sagen), dass während
die Berührung der Metalle in einigen Punkten allein hinreichend ist (da sie
alle ausgezeichnete Leiter sind), um einen mittelstarken elektrischen Strom
Die Volta'sche Säule. 121
rci durchgehen zu lassen, dies bei Flüssigkeiten, oder mit Feuchtigkeit ge-
tankten Körpern nicht der Fall ist, da diese viel unvollkommenere Leiter sind
md daher einer reichlichen Berührung mit den Metallen, und noch mehr
tiit einander bedürfen, damit die elektrische Flüssigkeit mit Leichtigkeit
lurchgehen kann, und nicht in ihrem Laufe aufgehalten wird, insbesondere
venn sie nur geringe Kraft besitzt, wie in unserem Falle.
„Übrigens sind die Wirkungen meines Apparates (die Schläge, die man
rrhält) in dem Maasse sehr viel fühlbarer, als die Temperatur der umgeben-
len Luft, des Wassers oder der feuchten Platten, welche sich in der Säule
«finden, und selbst des Wassers im Gefass, höher ist, denn die Wärme
nacht das Wasser besser leitend. Was diese Wirkung aber noch besser
lervorbringt, sind fast alle Salze, und besonders das gewöhnliche Salz. Dies
st einer der Gründe, wenn nicht der einzige, warum es vortheilhaft ist, dass
las Wasser des Gefässes, und vor allem das zwischen den metallenen Paaren,
las Wasser, womit die Pappscheiben u. s. w. getränkt sind, gesalzen ist, wie
ch bereits erwähnt habe.
„Alle diese Hilfsmittel und Maassregeln haben aber schliesslich nur eine
begrenzte Wirkung, und lassen nie sehr starke Erschütterungen erreichen,
o lange der Apparat nur aus einer Säule von nur 20 Plattenpaaren besteht,
venn es auch die besten Metalle zu diesem Versuch, nämlich Zink und
Silber, sind; denn wären es Silber und Blei oder Zinn, oder Kupfer und
£inn, so würde man nicht die Hälfte der Wirkung erlangen, wenn nicht die
grössere Anzahl der Paare die geringere Kraft jedes einzelnen ersetzt. Was
tber thatsächlich die elektrische Kraft des Apparates vermehrt, und sie soweit
Weigert, dass sie der des Zitterrochens und des Zitteraales gleichkommt und
ie auch übertrifft, ist die Zahl der Platten, wenn sie in der beschriebenen
.Veise und mit den angegebenen Vorsichtsmaassregeln angeordnet werden.
;ügt man den oben beschriebenen 20 Paaren noch 20 oder 30 weitere in
Reicher Ordnung hinzu, so sind die Erschütterungen der so verlängerten
>äuie ich werde alsbald angeben, wie man sie aufrecht halten kann, dass
ie nicht umfällt, oder wie man sie besser in zwei oder mehr Säulen theilen
:ann} schon weit stärker, und erstrecken sich durch die Arme bis zur Schulter,
lamentlich in dem Arm, dessen Hand in das Wasser getaucht ist, welche
-fand nebst dem ganzen Arm mehr oder weniger betäubt bleibt, wenn man
iurch häufige Wiederholung der Berührungen diese Schläge schnell und
)hne Aufhören sich folgen lässt. Dies erfolgt, wenn man die Hand ganz
>der fast ganz in das Wasser des Gefässes taucht; senkt man aber nur einen
^inger ganz oder theilweise ein, so werden die Erschütterungen fast völlig
mf ihn concentrirt, und werden entsprechend schmerzhafter und so schnei-
dend, dass sie unerträglich werden.
„Eis ist wohl zu erwarten, dass diese aus 40 oder 50 Metallpaaren ge-
ödete Säule, welche mehr als mittlere Schläge in den Armen einer Person her-
orruft, noch merkliche an mehrere Personen ertheilen kann, welche sich an den
hinreichend feuchten) Händen halten und eine ununterbrochene Kette bilden.
I 2 2 Sechstes Kapitel.
„Um auf die mechanische Anordnung meines Apparates zurückzukommen,
welche mehrerer Abänderungen fähig ist, werde ich hier zwar nicht alle,
welche ich ausgedacht und in grossem oder kleinem Maassstabe ausgeführt
habe, beschreiben, sondern nur einige, welche besonders interessant oder nützlich
sind; welche einen wirklichen Vortheil besitzen, indem sie sich leichter oder be-
quemer herstellen lassen, sicherer in ihren Wirkungen oder länger in gutem
Zustande zu erhalten sind.
„Und um mit einer anzufangen, welche fast alle diese Vortheile ver-
einigt, und dabei am meisten der Gestalt nach von dem oben beschriebenen
Säulenapparate abweicht, welche aber den Nachtheil hat, eine viel grössere
Maschine zu sein, stelle ich Ihnen diesen neuen Apparat, weichen ich die
Tassenkrone (couronne de tasses) nenne, in der beistehenden Figur 49 dar.
Fig. 49. Volta's Tassen kröne.
„Man ordnet eine Reihe von mehreren Tassen oder Töpfen von belie-
bigem Stoffe ausser Metall an, hölzerne Tassen, Muscheln, irdene Gefasse,
besser gläserne (kleine Trinkgläser oder Becher sind die geeignetsten), die
zur Hälfte mit reinem Wasser, oder besser mit Salzwasser oder Lauge ge-
füllt sind; man verbindet sie und bildet aus ihnen eine Art Kette mittelst
ebenso vieler metallener Bögen, von denen ein Arm A a oder auch nur das
Ende A, welches in einen der Becher taucht, aus Kupfer, Messing oder
besser aus versilbertem Kupfer ist, während der andere Z, welcher in den
folgenden Becher taucht, aus Zinn oder besser aus Zink ist. Ich bemerke
hier beiläufig, dass Lauge oder andere alkalische Flüssigkeiten vorzuziehen
sind, wenn eines der eingetauchten Metalle Zinn ist; Salzwasser ist vorzu-
ziehen, wenn es Zink ist. Die beiden Metalle, aus denen jeder Bogen be-
steht, sind an irgend einer Stelle oberhalb deren, die in die Flüssigkeit
taucht, zusammengelöthet; letztere muss sie in einer genügend grossen
Fläche berühren, es ist daher passend, dass dieser Theil aus einer Platte
von einem Zoll im Quadrat oder nur wenig kleiner besteht; der übrige
Theil des Bogens kann so schmal sein, wie man will, selbst ein einfacher
Metalldraht. Er kann auch aus einem dritten Metall bestehen, welches von
denen verschieden ist, die in die Flüssigkeit der Becher tauchen; denn die
Wirkung auf die elektrische Flüssigkeit, welche von allen Berührungen meh-
rerer unmittelbar auf einander folgender Metalle herrührt, oder die Kraft,
mit welcher diese Flüssigkeit an das Ende getrieben wird, ist absolut oder
nahezu dieselbe, welche sie durch die unmittelbare Berührung des ersten
Metalles mit dem letzten, ohne irgend eines der Zwischenmetalle, empfangen
Die Volta'sche Säule.
123
haben würde, wie ich dies durch unmittelbare Versuche bestätigt habe, von
denen ich anderweit zu sprechen Gelegenheit haben werde.
„Eine Reihe von 30, 40, 60 dieser Becher, die auf diese Weise ver-
knüpft sind, und die in einer geraden Linie oder in irgend einer Curve oder
in beliebiger Weise geordnet sind, bildet den ganzen neuen Apparat, welcher
im Grunde und wesentlich derselbe ist, wie die oben beschriebene Säule;
die Hauptsache, welche in der unmittelbaren Verbindung zweier verschie-
dener Metalle besteht, die jedes Paar bilden, und in der mittelbaren eines
Paares mit dem anderen, nämlich durch den feuchten Leiter, findet sich bei
einem Apparate wie dem anderen.
„Was die Art anlangt, wie man den Becherapparat erprobt, und bezüg-
lich der Versuche, zu denen er dienen kann, habe ich nicht viel zu sagen
nach dem, was ich bei Gelegenheit der Säule erwähnt und ausgiebig erklärt
habe. Man wird leicht verstehen, dass es genügt, um Schläge zu erfahren,
wenn man die Hand in einen Becher steckt, und einen Finger der anderen
Hand in einen anderen Becher, der von jenem hinreichend entfernt ist; dass
dieser Schlag um so stärker sein wird, je mehr beide Gefässe von einander
entfernt sind, d. h., je mehr Gefässe dazwischen sind; und man wird daher
den stärksten Schlag erhalten, wenn man den ersten und den letzten Becher
der Kette berührt Man wird auch verstehen, wie und warum die Versuche
viel besser gelingen, wenn man mit der gut angefeuchteten Hand eine ziem-
lich grosse Metallplatte fest anfasst (damit die Verbindung hinreichend voll-
kommen und in einer grossen Anzahl von Punkten stattfindet, und mit
dieser Platte das Wasser des bestimmten Bechers, oder besser den metal-
lenen Bogen berührt, während die andere Hand in den anderen , entfernten
Becher getaucht ist, oder man durch eine ebenso angefasste Platte dessen
Bogen berührt. Schliesslich wird man das Ergebniss einer grossen Zahl von
Versuchen, die man mit dieser Tassenkrone leichter, anschaulicher und so
zusagen mehr zu den Augen sprechend als mit der Säule ausfuhren kann,
verstehen und sogar vorhersagen können. Ich erspare mir daher die Be-
schreibung einer grossen Zahl leicht zu erfindender Versuche, und erwähne
nur einige, welche nicht weniger belehrend als ergötzlich sind.
„Es seien dreimal zwanzig dieser Tassen oder Becher geordnet und mit
einander durch metallene Bogen verkettet, aber in der Weise, dass in den
ersten zwanzig die Bogen nach derselben Seite gewendet sind, z. B. die Arme
mit dem Silber nach links und die mit dem Zink nach rechts; in den
zweiten zwanzig aber im umgekehrten Sinne, d. h. das Zink nach links, das
Silber nach rechts, schliesslich in den letzten zwanzig das Silber wieder nach
ünks, wie zuerst. Nachdem die Sachen so geordnet sind, tauchen Sie einen
Finger in das Wasser des ersten Bechers, und berühren Sie mit der in der
anderen Hand gehaltenen Platte in der beschriebenen Weise den ersten
metallenen Bogen (den, welcher den ersten Becher mit dem zweiten ver-
bindet, sodann den zweiten Bogen zwischen dem zweiten und dritten Becher,
und nach einander die anderen bis zum letzten. Wenn das Wasser wohl
124 Sechstes Kapitel.
I
gesalzen und warm ist, und die Haut der Hand gut befeuchtet und erweichtj '
so werden Sie eine kleine Erschütterung in den Fingern bereits empfinden, ■*
wenn Sie zum vierten oder fünften Bogen gelangt sind (ich habe sie einige r
Male ziemlich deutlich durch die Berührung des dritten empfunden), und :
indem Sie folgeweise auf den sechsten, siebenten u. s. w. übergehen, nehmen ■
die Schläge stufenweise an Stärke zu bis zum zwanzigsten Bogen, d. h. bis '■
zu dem letzten in einem Sinne gewendeten; gehen Sie aber weiter zum 21., :
22., 23., oder ersten, zweiten, dritten der zweiten Zwanzig, so werden die ":
Schläge bei jedem Schritt schwächer, und zwar so, dass sie beim 36. oder ":
37. unmerklich und absolut Null beim 40. werden; ist dieser überschritten •
(und werden die dritten Zwanzig begonnen, die den zweiten entgegengesetzt, •
aber den ersten analog sind), so werden die Schläge bis zum 44. oder 45. •
unmerklich sein; sie werden von da ab aber merklich werden und stufen-
weise zunehmen in dem Maasse, wie Sie bis zum 60. vorschreiten, wo sie
ebenso stark sein werden, wie beim 20. Bogen.
„Wenn nun die zwanzig mittleren Bogen in demselben Sinne gewendet
wären, wie die zwanzig vorhergehenden und die zwanzig folgenden, wenn
also alle 60 zusammenwirkten, um die elektrische Flüssigkeit in demselben
Sinne zu treiben, so versteht man, wieviel grösser die Wirkung und stärker
die Erschütterung schliesslich sein würde, und man versteht im Allgemeinen,
wie, und bis zu welchem Punkte sie abgeschwächt werden muss, wenn eine
grössere oder geringere Anzahl dieser Kräfte vermöge der umgekehrten
Stellung der Metalle einander entgegengesetzt sind. Wenn die Kette irgendwo
unterbrochen ist, weil das Wasser in einem Becher fehlt, oder weil ein me-
tallischer Bogen entfernt oder in zwei Stücke getheilt worden ist, so werden
Sie keinen Schlag spüren, wenn Sie einen Finger in das Wasser des ersten,
den zweiten in das des letzten Gefässes tauchen, Sie werden ihn aber in
dem Augenblicke haben, stärker oder schwächer je nach den Umständen,
wenn (während die Finger eingetaucht bleiben) die unterbrochene Verbin-
dung hergestellt wird, wenn etwa eine andere Person in die beiden Tassen,
wo der Bogen fehlt, zwei ihrer Finger steckt (welche ihrerseits auch einen
leichten Schlag erhalten werden), oder besser, wenn man den entfernten
Bogen oder irgend einen anderen wieder einsenkt; oder, wenn man im Fall
des in zwei Stücke getheilten Bogens diese wieder zu gegenseitiger Berührung
bringt (auf diese Art wird der Schlag stärker, als vorher), oder endlich, wenn
man im Falle der leeren Tasse Wasser in diese giesst, so dass es die beiden
in dieser Tasse befindlichen, vorher trockenen Bogen erreicht
„Ist die Tassenkette oder -kröne genügend lang und im Stande, einen
starken Schlag zu geben, so wird man sogar einen allerdings viel schwächeren
spüren, wenn man beide Finger oder beide Hände in ein einziges ziemlich
grosses Gefäss mit Wasser taucht, in welchem der erste und letzte metallene
Bogen endigt, vorausgesetzt, dass eine oder die andere der eingetauchten
Hände, oder besser beide, mit diesen Bogen in Berührung, oder ziemlich
nahe sind; man wird, sage ich, einen Schlag fühlen, sowie (nachdem die
Die Volta'sche Säule. J2C
ettc irgendwo unterbrochen war) die Verbindung wieder hergestellt und
sr Kreis auf irgend eine der erwähnten Arten geschlossen wird. Nun
>nnte man überrascht sein, dass in diesem Kreise der elektrische Strom,
wohl er freien Durchgang durch eine ununterbrochene Wassermasse, näm-
:h das Wasser des Gefasses, hat, diesen guten Leiter verlässt, um durch
en Körper der Person, welche ihre Hände in dies Wasser getaucht hält,
11 gehen, und so einen längeren Weg zurückzulegen. Aber diese Über-
ischung wird aufhören, wenn man überlegt, dass die lebenden und warmen
[tierischen Stoffe und insbesondere ihre Feuchtigkeiten im allgemeinen bessere
Äter sind, als das Wasser. Es gewährt daher der Körper der Person,
reiche die Hände in das Wasser gesteckt hat, dem elektrischen Strome
rinen leichteren Durchgang, und dieser muss ihn vorziehen, obwohl er etwas
änger ist. Da übrigens die elektrische Flüssigkeit, wenn sie in Masse unvoll-
kommene Leiter und insbesondere feuchte Leiter durchdringen muss, sich in
iinen breiteren Canal auszubreiten, oder sich in mehrere zu theilen liebt, ja
sogar Umwege geht, wenn sie dort geringeren Widerstand findet, als wenn
sie dem kürzesten Wege folgt: so nimmt in unserem Falle nur ein Theil des
elektrischen Stromes diesen neuen Weg durch die Person und entfernt sich
vom Wasser, der andere, grössere oder geringere Theil geht durch das
Wasser des Gefasses. Dies ist der Grund, weshalb der Schlag, den man
fühlt, viel schwächer ist, als wenn der elektrische Strom ungetheilt bleibt,
indem die Person allein die Verbindung von einem Bogen zum anderen
bildet l
„Lassen wir nun aber den Zitterrochen und sein natürliches elektrisches
Organ, und kehren zu dem künstlichen elektrischen Organ meiner Erfindung
zurück, und insbesondere zu dem, welches das erstere auch in seiner Ge-
stalt 'von der der Becherapparat sich entfernt) nachahmt, nämlich dem Säulen-
apparat Ich hätte einiges über die Construction des genannten Becher-
oder Tassenapparates zu sagen, z. B. dass es gut ist, die erste und letzte
Tasse recht gross zu nehmen, um nach Bedarf die ganze Hand hinein-
senken zu können, doch würde es zu weit führen, auf alle diese Einzelheiten
einzugehen.
„Was den Säulenapparat anlangt, so habe ich Mittel gesucht, ihn erheb-
lich durch Vervielfältigung der metallischen Platten zu verlängern, ohne dass
er umfällt; ferner ihn bequem und tragbar und vor Allem dauerhaft zu
machen; und ich habe unter anderen Mitteln folgende gefunden, welche ich
Ihnen durch die beifolgenden Figuren vor Augen bringe. (Fig. 47 bis 50.)
In der Fig. 48, S. 119 sind m,m}m,m Säulen oder Stäbe, drei, vier oder
mehr an der Zahl, welche sich vom Fuss der Säule erheben und wie ein
Käfig die auf einander gelegten Platten oder Scheiben von beliebiger Zahl
und Höhe umfassen und sie so verhindern, umzufallen. Die Stäbe können
1 Es erfolgt eine hypothetische Darlegung über die Art, wie der Zitterrochen seine Schläge
rj Stande bringen könnte, die hier fortgelassen ist
126
Sechstes Kapitel.
von Glas, Holz oder Metal! sein; nur muss man im letzteren Falle ver
dem, dass sie die Platten unmittelbar berühren; dies kann geschehen, im
man die Metallstäbe mit Glasröhren umgiebt, oder zwischen sie und
Säule einige Streifen Wachstuch, Ölpapier oder sogar gewöhnliches Pa
oder endlich irgend einen anderen Körper bringt, welcher isolirt oder
schlechter Leiter ist: Holz und Papier sind es genug, wenn sie nur n
sehr feucht oder nass sind.
„Das beste Mittel aber, wenn man einen Apparat aus einer gm
Zahl von Platten bauen will, z. B. über 60, 80 oder 100, besteht darin,
Säule in zwei oder drei oder mehrere zu theilen, wie man in den Fig.
und 50 sieht, wo die Stücke alle ihre Stellungen und Verbindungen ha
als wenn es eine einzelne Säule wäre. Man kann in der Tliat die Fig.
und 50 als eine umgebogene Säule ansehen.
„In allen Figuren sind die
schiedenen metallenen Platten mit
Buchstaben A und Z bezeichnet
dies die Anfangsbuchstaben von an
C sind;, und die zwischenge
ten feuchten Platten [von Pappe, L
u. s. W.) sind schwarz gemalt.
„Die punktirten Linien geben
Verbindung der Metalle mit einai
in jedem Paar, ihre w
seisei tige Berührung
irgend einer Zahl
Punktenan; diesistglt
gültig, auch könner
-. xr . ,,„.,, verlöthet sein, was
r lg. 50. Nach VOI.TAi
mancher Hinsicht gui
cc, cc, cc sind die Metall platten, welche eine Säule, oder einen Säulen
mit dem anderen verbinden, und b, b, b, b, b sind Gefässe mit Wasser,
mit den Füssen oder Enden der Säulen in Verbindung stehen.
„Der so aufgebaute Apparat ist recht bequem, nicht gross, und
könnte ihn noch leichter und sicherer mit Hülfe einiger Röhren oder Hü!
in welche man jede Säule einschliesst und verwahrt, tragbar machen.
ist nur schade, dass er nicht lange in gutem Zustande bleibt; die feuc
Platten trocknen nach ein bis zwei Tagen aus, so dass man sie von ne
befeuchten muss; man kann dies indessen ausführen, ohne den Apparat
einander zu nehmen, indem man die ganzen Säulen in Wasser taucht
(nach dem Herausnehmen über eine kleine Weile» sie äusserlich mit L«
wand oder sonstwie, so gut man kann, abtrocknet
„Das beste Verfahren, um ein so dauerhaftes Instrument zu erha
als man es nur wünschen kann, wäre, das Wasser in jedem Paar ei
schliessen und zurückzuhalten, und die Platten an ihrer Stelle zu erha
Die Volta'sche Säule.
127
[cm man sie mit Wachs oder Pech umgiebt; die Sache ist aber ein wenig
iwierig auszuführen, und man braucht viel Geduld dazu. Sie ist mir in-
sen gelungen, und ich habe auf diese Weise zwei Cylinder von zwanzig
aren hergestellt, welche jetzt, nach zwei Wochen, noch sehr gute Dienste
$ten, und es, wie ich hoffe, auch nach Monaten thun werden.
„Man hat die Bequemlichkeit, diese Cylinder bei den Versuchen nicht
r aufrecht, sondern nach Belieben geneigt, liegend, selbst in Wasser ge-
lcht, so dass ihre Spitze allein hervorragt, anwenden zu können; sie könnten
ch völlig untergetaucht Schläge geben, wenn sie eine grössere Zahl von
itten enthielten, oder wenn mehrere solcher Cylinder mit einander vereinigt
iren ; wäre noch irgend eine Unterbrechung vorgesehen, welche man nach Be-
ben entfernen könnte u. s. w., so würden sie ziemlich gut einen Zitteraal vor-
llen; um einem solchen auch im Äusseren ähnlicher zu sein, könnten sie durch
jgsame Metalldrähte oder Spiralfedern verbunden werden, mit einer Haut
erzogen und mit einem wohlgeformten Kopf und Schwanz versehen sein
s. w.
„Die von unseren Organen empfundenen Wirkungen, welche ein Apparat
s 40 bis 50 Plattenpaaren (oder auch ein kleinerer, wenn die Metalle Silber
er Kupfer und Zink sind), beschränken sich nicht auf die Schläge allein:
r Strom der elektrischen Flüssigkeit erregt, wenn er von einer solchen
hl und Art verschiedener Leiter, Silber, Zink und Wasser, die in der be-
triebenen Weise abwechselnd geschichtet sind, in Bewegung gesetzt und
trieben wird, nicht nur Zusammenziehungen und Krämpfe in den Muskeln,
ehr oder weniger heftige Convulsionen der Glieder, welche er in seinem
lufe durchströmt, sondern er erregt auch die Organe des Geschmacks, des
nichts, des Gehörs und des eigentlichen Gefiihlssinnes, und bringt hier die
dem eigenen Empfindungen hervor.
„Was zunächst den Gefuhlssinn anlangt: wenn ich durch eine reichliche
?riihrung der (gut befeuchteten) Hand, mit einer Metallplatte oder besser
irch tiefes Eintauchen der Hand in das Wasser des Gefässes einerseits eine
jte Verbindung mit einem Ende meines elektromotorischen Instrumentes
lan muss Instrumenten, die nicht nur der Form nach, sondern auch nach
ren Wirkungen oder nach den Prinzipien, von denen sie abhängen, neu
nd, auch neue Namen geben) herstelle, und ich bringe das andere Ende
1 die Stirn, das Augenlid, die Nasenspitze, die gleichfalls befeuchtet sind,
der an irgend eine andere Stelle des Körpers, wo die Haut dünn genug
t; wenn ich, sage ich, einen dieser empfindlichen Körpertheile gut befeuchtet
nter etwas Druck mit der Seite eines Drahtes berühre, welcher mit dem
ideren Ende des genannten Apparates passend verbunden ist, so fühle ich
dem Augenblicke, wo der leitende Kreis geschlossen wird, an der be-
ihrten Stelle der Haut und etwas darüber hinaus einen Schlag und einen
rieh, welche schnell vorübergehen und sich so oft wieder einstellen, als man
m Kreis öffnet und schliesst; so dass, wenn diese Unterbrechungen oft er-
igen, sie ein sehr unangenehmes Schütteln und Prickeln verursachen. Wenn
128 Sechstes Kapitel.
aber die Verbindung ohne diesen Wechsel, ohne die mindeste Unterbrechung
bestehen bleibt , so fühle ich während einiger Augenblicke nichts mehr,
worauf alsdann an der mit dem Ende des Metalldrahtes berührten Stelle
sich eine andere Empfindung geltend macht, welche ein scharfer Schmerz
(ohne Stoss) ist, der sich genau auf die Berührungsstelle beschränkt, ein Brennen,
welches nicht nur andauert, sondern immer stärker wird, bis es nach kurzer
Zeit unerträglich wird, und welches nicht aufhört, bevor man den Kreis
unterbricht.
„Welchen augenscheinlicheren Beweis für die Fortdauer des elektrischen
Stromes während der ganzen Zeit, dass die Verbindungen zwischen den.
Körpern, die den Kreis bilden, bestehen bleiben, kann es geben? und dass
erst beim Unterbrechen desselben ein solcher Strom aufgehoben wird? Dieses
endlose Kreisen der elektrischen Flüssigkeit (dieses perpetum mobile) kann
paradox, ja unerklärlich erscheinen, es ist aber nichtsdestoweniger wahr und
wirklich, man fasst es sozusagen mit der Hand. Ein anderer evidenter Be-
weis kann gleichfalls daraus gezogen werden, dass man bei derartigen Ver-
suchen oft in dem Augenblicke, wo man den Kreis plötzlich unterbricht,
gleichfalls einen Schlag, einen Stich, eine Erschütterung verspürt, ganz wie
im Augenblicke, wo der Kreis geschlossen wird; mit dem einzigen Unter-
schiede, dass diese durch eine Art von Rückfluss der elektrischen Flüssigkeit
oder durch den Stoss vermöge der plötzlichen Aufhebung ihres Stromes
hervorgerufenen Empfindungen schwächer sind. Jch habe aber nicht nöthig,
und es ist hier nicht der Ort, Beweise für ein derartiges endloses Kreisen
der elektrischen Flüssigkeit in einem Kreise von Leitern anzuführen, unter
denen es welche giebt, die gemäss ihrer verschiedenen Natur durch ihre
gegenseitige Berührung das Amt der Erreger oder Motoren ausüben: dieser
Satz, welchen ich seit meinen ersten Untersuchungen und Entdeckungen im
Gebiete des Galvanismus stets behauptet habe, wird, wie ich hoffe, keine
Widersacher mehr finden." ...
Der übrige Theil des Briefes beschäftigt sich mit der Wirkung der
Säule auf die verschiedenen Sinnesorgane, und kann daher an dieser Stelle
fortbleiben.
3. Rückblick. Wenn wir die überaus breite Darstellung, in welcher
sich Volta bei dieser Mittheilung noch mehr als sonst gefallt, in's Enge
ziehen, so ergiebt sich eine ganze Anzahl wesentlicher und wichtiger Fort-
schritte, die besonders bezeichnet werden müssen. Zunächst ist von Volta
erkannt worden, dass durch seine Anordnung eine stufenweise Summa tion
der elektrischen Wirkungsfähigkeit oder Spannung, die ein einzelnes Element
aus zwei Metallen und einem feuchten Leiter hervorbringt, erreicht wird.
Wenn er als Messhilfsmittel auch nur die Stärke der Erschütterungen zur
Verfügung hat, so darf doch der Nachweis dieser fundamentalen Erscheinung
als erbracht angesehen werden. Ebenso hat er bewiesen, dass die Um-
kehrung der Anordnung eines Elements eine entsprechende Verminderung
Die Volta'sche Säule.
129
der Gesammtspannung zur Folge hat, so dass man die Spannungen wie
algebraische positive und negative Grössen1 behandeln kann.
Weiter sind Volta die Verhältnisse der Leitfähigkeit zwischen Metallen
und Leitern zweiter Ciasse, ferner der Einfluss des Salzgehaltes und der
Temperatur auf letztere klar geworden. Ferner finden sich die ersten An-
deutungen seines späteren Gesetzes der Spannnungsreihe, indem er die Ein-
flusslosigkeit der zwischenliegenden Metalle in einer zusammengesetzten Kette
'S. 122) erkannt hat. Endlich sind S. 125 sogar einige Vorahnungen des
OüM'schen Gesetzes sichtbar, nach welchem sich der Strom gemäss der Leit-
fähigkeit zwischen gleichlaufenden Leitern vertheilt.
Dem gegenüber ist allerdings auch zu betonen, dass Volta in seiner
Säule ein wahres perpetuum mobile gefunden zu haben glaubt, wie er dies
nicht nur hier (S. 128;, sondern auch wiederholt in der Folge ausspricht.
Das allmähliche Aufhören der Wirksamkeit schreibt er ausschliesslich dem
Austrocknen der feuchten Platten zu, und glaubt einen Apparat von be-
liebiger Dauer erlangen zu können, wenn er dieses verhindert. Die recht
auffälligen Oxydationsvorgänge an den Platten hat er ausser Acht gelassen,
ja aus den Versuchen, über die er S. 124 berichtet, geht hervor, dass er
von beiden Enden seiner Säule Drähte in dieselbe Wassermasse gebracht
hat, so dass nothwendig Elektrolyse und Gasentwicklung eintreten
musste, ohne dass er, der sonst mit grösster Sorgfalt jede einzelne Er-
scheinung erwähnt und beschreibt, auch nur eine Andeutung macht, dass
er derartiges gesehen hat, wie er dann in seiner ganzen Mittheilung von et-
waigen chemischen Vorgängen, die er gesehen haben könnte, nicht die
leiseste Andeutung giebt. Selbst ein so begeisterter Verehrer Volta's, wie
Ritter, fasst dies auffällige Verhalten als absichlich auf; und in der That
findet sich auch in den ferneren Veröffentlichungen Volta's kein Versuch,
die alsbald in mannigfaltigster Weise beobachteten und beschriebenen che-
mischen Vorgänge zwischen den Enddrähten der Säulen, sowie in ihrem
Inneren zu berücksichtigen. Er hatte seine Theorie von der Berührungs-
clektricität der Metalle fertig ausgebildet, bevor ihm die chemischen Vor-
gänge in zwingender und nicht zu übersehender Weise entgegengetreten
waren, und in dieser Theorie war für die chemischen Vorgänge kein Platz.
Diese verhängnissvolle Übereilung hat ihre Folgen bis auf den heutigen Tag
tühlbar gemacht.
4. Die galvanische Zerlegung des Wassers. Bevor noch der Brief
Vulta's an Banks in den Philosophical Transactions veröffentlicht worden
.var, hatte sich die Kenntniss seines Inhaltes unter den Londoner Physikern
verbreitet. Nicholson schreibt in einem Bericht2 über Volta's Apparat:
..Seit zwei Monaten beschäftigen diese Entdeckungen unsere Physiker, unter
denen sie die grösste Aufmerksamkeit erregt haben; doch hielt ich es nicht
1 Ich möchte vorschlagen, Grössen solcher Art Polaren zu nennen.
s Nicholsons Journ. of nat. philos. 4, 179. 1800.
Ostwald, Elektrochemie. (J
130 Sechstes Kapitel.
für schicklich, eher von ihnen zu reden, als Volta's Briefe in der Societät
vorgelesen wurden. Banks hatte sie indessen schon früher meinem Freunde
Antony Carlisle Esq. mitgetheilt, der sie mit mir durchlas, und sich sogleich
nach Volta's Angaben einen Apparat verfertigte."
Nicholson giebt nun einen kurzen Auszug aus Volta's Brief; er beschreibt
alsdann, wie Carlisle die Säule gebaut hat, schildert die Versuche, durch
welche beide sich überzeugten, dass die Enden der Säule wirklich elektrisch
waren, und fährt dann fort:1
„Bald nach dem Anfang dieser Versuche bemerkte Carlisle, dass, als
ein Tropfen Wasser auf die obere Platte gebracht worden war, um die Be-
rührung gewisser zu machen, um den berührenden Draht herum Gas entbunden
wurde, welches, so wenig dessen auch war, mir doch wie Wasserstoffgas zu
riechen schien, wenn der verbindende Draht von Stahl war. Dies und
andere Thatsachen bewogen uns am 2. Mai, den galvanischen oder elek-
trischen Strom durch zwei Messingdrähte zu fuhren, welche sich in einer
mit Korkstöpseln verschlossenen, lj% Zoll weiten Röhre voll frischen Fluss-
wassers, i3/4 Zoll von einander endigten. Der eine Draht dieses Ausladers
wurde mit der oberen, der andere mit der unteren Platte einer aus 36 halben
Kronenstücken und ebensoviel Zink- und Pappscheiben zusammengesetzten
Säule in Berührung gesetzt. Sogleich erhob sich in der Röhre aus der
Spitze des unteren mit dem Silber verbundenen Drahtes ein feiner Strom
kleiner Luftblasen, und die darüber stehende Spitze des anderen Drahtes
begann anzulaufen. . . . Das ganze, während dritthalb Stunden entbundene
Gas betrug 2/30 eines Kubikzolls. Gemischt mit einer gleichen Menge at-
mosphärischer Luft, explodirte es bei der Annäherung eines brennenden
Wachsstockes.
„Gleich beim ersten Erscheinen des Wasserstoffgases hatten wir eine
Zersetzung des Wassers in diesem Versuche erwartet; dass sich aber der
Wasserstoff nur an dem Ende des einen Drahtes entwickelt, während sich
der Sauerstoff mit dem anderen verband, der beinahe 2 Zoll von jenem ab-
stand, überraschte uns nicht wenig. Diese neue Erscheinung ist uns noch
unerklärbar, und scheint auf irgend ein allgemeines Gesetz der Wirkungs-
weise der Elektricität bei chemischen Vorgängen hinzuweisen.
„Um zu bestimmen, ob diese Erscheinung auch bei einer grösseren
Entfernung beider Drahtspitzen eintreten würde, nahmen wir eine Röhre von
3/4 Zoll Durchmesser und 36 Zoll Länge; hier blieb die Wirkung aus, ob-
gleich dieselben Drahtstücke, in eine kürzere Röhre eingesetzt, sehr heftig
wirkten. Nach dem Resultat mehrerer Versuche scheint es uns, dass die
Zersetzung desto stärker vor sich geht, je näher sich die beiden Drahtenden
sind; dass sie aber ganz aufhört, wenn sie sich berühren.
„Den 6. Mai wiederholte Carlisle den Versuch mit kupfernen Drähten
und Lackmustinctur. Der mit der Zinkplatte verbundene, sich oxydirende
1 Gilbert's Ann. 6, 340. 1800.
Die Volta'sche Säule. 131
untere Draht färbte in ungefähr 10 Minuten die Lackmustinctur, soweit er
reichte, roth, indess das Übrige blau blieb. . . .
„. . . Es sei hier im Allgemeinen bemerkt, . . . dass der Prozess der
Wasserzersetzung auch zwischen jedem Paar Platten . . . vor sich geht, wobei
das Zink auf der nassen Oberfläche oxydirt und zugleich Wasserstoffgas ent-
bunden wird; dass ferner hierdurch das Kochsalz zersetzt wird und das
Natrum desselben (das vermuthlich vom Wasserstoff ausgetrieben wird) rings
um die Kanten der Säule efflorescirt. . . .
„. . . . Unter Anderem versuchte ich das Verhalten solcher Metalle, welche
sich schwer oxydiren lassen. Ich befestigte nämlich zwei Platindrähte . . .
in eine kurze Röhre von }/4 Zoll innerem Durchmesser. Als dieser Con-
ductor mit der Säule in Verbindung gesetzt wurde, gab der mit dem Silber
verbundene Draht einen sehr reichlichen Strom feiner Luftbläschen, und auch
aus dem mit dem Zink verbundenen Draht strömte ein Luftstrom, doch
minder stark, hervor. ... Es war natürlich, zu vermuthen, dass der von
der Silberseite herkommende grössere Strom Wasserstoffgas, der kleinere, von
der Zinkseite herströmende Sauerstoflgas sei."
Ein quantitativer Versuch gab kein genügendes Resultat; das Vorhanden-
sein von Sauerstoff wurde indessen ausreichend erwiesen.
Es ist sehr interessant zu sehen, wie die von Volta, wie es scheint, ab-
sichtlich gemiedenen chemischen Erscheinungen der Säule das erste sind,
was sich den anderen Forschern alsbald aufdrängt, sobald sie nur den Ap-
parat in die Hand genommen haben, und wie sich daraus eine Anzahl wich-
tiger Entdeckungen fast ohne ihr Zuthun entwickeln. Neben der fundamen-
talen Thatsache der Zerlegung selbst ergab sich bereits die merkwürdige
Erscheinung, dass die Zersetzungsproducte gleichzeitig an verschiedenen
Stellen auftreten, ohne dass abzusehen ist, wie z. B. der Sauerstoff des
Wassers, dessen Wasserstoff an dem einen Drahte entweicht, es macht, um
unsichtbar bis zu dem anderen, mehr oder weniger weit abstehenden Draht
zu gelangen, um erst dort seinerseits Gasgestalt anzunehmen. An der Be-
antwortung dieser Frage hat seither die Wissenschaft unausgesetzt gearbeitet,
und es hat langer Zeit und mühsamer Arbeit bedurft, um das Problem be-
friedigend zu lösen.
Eine fernere wichtige Thatsache ist der Nachweis der Bildung von
Saure und Alkali. Auch hieran knüpft sich eine wichtige Entwicklung, denn
in den Händen von Berzelius wird diese Beobachtung der Ausgangspunkt
für eine der einflussreichsten chemischen Theorieen. Endlich ist die Auf-
merksamkeit darauf zu lenken, dass Nicholson und Carlisle auch die che-
mischen Vorgänge, die in der Kette selbst während ihrer Thätigkeit erfolgen,
beobachtet haben. Hier tritt die erste der vielen Thatsachen auf, welche
gegen die von Volta aufgestellte Ansicht über die Ursache der elektrischen
Vorgänge in der Säule sprechen.
Die Summe der in der kurzen Mittheilung enthaltenen neuen That-
132
Sechstes Kapitel.
sachen ist somit ungewöhnlich gross. Sehen wir, wie sich die Forschung
mit ihnen abzufinden sucht!
5. Volta über die chemischen Wirkungen der Säule. Die Nach-
richt von der Zersetzung des Wassers durch die Säule kam Volta durch
einen Brief von Landriani zu, der ihm unter dem 7. August 1800 die Er-
scheinungen beschrieb, welche er bei der Wiederholung der Versuche von
Nicholson und Carlisle erhalten hatte. Die Figur 51 giebt den von ihm
gebrauchten Apparat wieder. In der Nachricht ist bemerkenswerth, dass
Landriani bereits die Be-
stimmung der Menge des
zersetzten Wassers be-
nutzen wollte, um einen
etwaigen Einfluss der be-
nutzten Leitungsdrähte zu
ermitteln, indem er das
entwickelte Wasserstoffgas
zu messen vorschlug; auch
die grössere oder geringere
Wirksamkeit der verschie-
denen Metalle sollte auf
diese Weise bestimmt
werden.
Auf diesen Brief ant-
wortete Volta aus Como,
am 22. September 1800
in einem seltsamen Schrei-
ben. In gewohnter Um-
ständlichkeit spricht er dem
Freunde seinen Dank aus, und erwähnt, dass ihm bereits die Versuche von
Nicholson und Carlisle, sowie deren Wiederholung in Wien und Paris be-
kannt seien. „Auch theile ich Ihnen mit, dass die fragliche Erscheinung der
Calcination der Metalle durch Wasser und die Zersetzung des letzteren
durch die Kraft des bewegten elektrischen Stromes, welcher durch meinen
Apparat in ewigem Kreislauf erhalten wird, mir nicht völlig neu sind. Meine
eigenen Versuche haben mir einiges Ähnliche, um nicht zu sagen, dasselbe
Resultat gezeigt, und ich war nicht weit von dieser Entdeckung Nicholson^
entfernt, oder hätte doch wenigstens leicht zu ihr geführt werden können.
Denn ich habe bereits bei dem ersten Versuche mit diesem von mir er-
fundenen Apparate, insbesondere an der Tassenkrone bemerkt, dass der be-
wegte elektrische Strom in besagtem Apparate in ganz besonderer Weise die
Calcination der verschiedenen metallischen Platten an den Theilen veranlasste
und beförderte, welche sich im Wasser, ob dieses rein oder mit Salz ver-
setzt war, befanden, und zwar am meisten die der Zinkplatten." . . .
Volta geht dann auf die noch viel auffälligeren Oxydationserscheinungen
!r/////////^/////^^^^
Fig. 51. Nach Landriani.
Die Volta'sche Säule.
133
ein, welche Dräthe, die mit den Enden der Säule verbunden sind, beim Ein-
senken in Wasser zeigen.
„Eine derartige baldige und schnelle Calcination der Metalle in kaltem
gewöhnlichem Wasser, ist allerdings sehr merkwürdig. Aber noch wunder-
barer ist, dass auf gleiche Weise, mit gleicher Schnelligkeit und augenschein-
lich nicht nur Zink, Zinn, Eisen, Kupfer und die anderen unedlen Metalle
sich calciniren, deren Calcination, wie ich bemerkt habe, ausserordentlich
durch die elektrische Wirkung meines Apparates, durch den von ihm ange-
regten und unterhaltenen beständigen Strom dieses Fluidums befördert wird,
sondern auch die edlen Metalle, Silber, Gold und Platin1: was ich nicht
geglaubt hatte, und worin die Hauptsache der Entdeckung besteht. Und
wie mögen die besagten Metalle, von denen das erste nur von Scheide-
wasser oder Salpetersäure gelöst und calcinirt wird, die anderen beiden nur
von Königswasser (Salpeter- Salzsäure) oder von oxygenirt salzsaurem Gas
[Chlor], und die im übrigen der Calcination widerstehen, so dass sie unverändert
und unverletzt aus der grössten Hitze und dem heftigsten Feuer in Berüh-
rung mit der Luft, selbst der reinsten, oder dem Sauerstoff* kommen; wie
mögen diese vollkommenen Metalle dazu gelangen, eine so schnelle und
leichte, dem Auge sichtbare Calcination in gewöhnlichem kaltem Wasser zu
erfahren? Welches neue wunderbare chemische Agens! und wie wirksam ist
das elektrische Fluidum, welches sich ohne grosse Gewalt, ganz zart, durch
die Dräthe von Gold, Silber oder anderen Metallen und eine kleine Schicht
von Wasser zieht, die sich zwischen ihnen befindet, und, wie die besprochenen
Versuche ergaben, dieses Wasser zersetzt, das brennbare Radikal in Gasge-
stalt entwickelt, und den Sauerstoff auf die fraglichen Metalle zieht, und mit
ihnen verbindet oder sie oxydirt."
In diesem Tone geht es weiter; der ganze Brief ist nichts, als ein viel-
fältig variirter Ausdruck des Erstaunens über die neuen Thatsachen. Es
geht daraus hervor, wie weit Volta davon entfernt war, Derartiges zu er-
warten, und wie wenig in das Bild, welches er sich von der Natur der von
ihm entdeckten und mit so grossem Erfolge bearbeiteten Erscheinungen
machte, die neuen Thatsachen passen wollten. Auch späterhin hat Volta
beide Gebiete nicht zu vereinigen gewusst und hat wiederholt betont, dass
die chemischen Vorgänge in der Säule nur nebensächliche Bedeutung haben.
6. Volta's Spannungsgesetz. Blieb es somit Volta versagt, seinen
Ideenkreis so weit auszudehnen, um auch den chemischen Erscheinungen
seiner Säule den angemessenen Raum darin anzuweisen, so verdankt die
Wissenschaft doch seinem auf das physikalische Gebiet gerichteten Scharf-
sinn noch eine wesentliche Entdeckung, indem es ihm gelang, die von ihm
gefundene Spannungsreihe der Metalle zu dem Ausdrucke des Span-
nungsgesetzes zu entwickeln. Die ersten Schritte zu diesem Ziele finden
sich bereits in seinen früheren Arbeiten angedeutet; die vollendete Ent-
1 Letzteres ist ein Irrthnm Volta's.
1 34 Sechstes Kapitel.
deckung wurde in einer Vorlesung mitgetheilt, welche Volta auf die Auf-
forderung der Pariser Akademie im „Institut" am 30. Brumaire, an X (2 1 . No-
vember 1801) in Gegenwart des Consuls Bonaparte hielt. Dieser war in
hohem Maasse von Volta's Entdeckung gefesselt; er veranlasste die Über-
reichung einer goldenen Medaille an Volta und stiftete zur Förderung der
Forschungen auf diesem Gebiete zwei Preise, einen grossen fiinfjährlichen,
und einen kleinen jährlichen. Auch in der Folge hat Napoleon Bonaparte
wiederholt sein Interesse an der Entwickelung dieses Gebietes der Wissen-
schaft gezeigt und bethätigt; es hat ihn dies freilich nicht gehindert, den
ihm von Sömmering vorgelegten Plan eines elektrischen Telegraphen mit den
wegwerfenden Worten zu kritisiren: „Cest une id£e germanique." Er hat
wahrer gesprochen, als er glaubte!
Die Richtung der Arbeiten Volta's nach der Entdeckung seiner Säule
ist durch die Aufgabe bestimmt, die Identität des „galvanischen Fluidums"
mit dem elektrischen nachzuweisen. An die Stelle des noch in der oben
mitgetheilten ersten Schrift im Vordergrunde stehenden physiologischen Hilfs-
mittels, der Stärke des Schlages, benutzt Volta nun ausschliesslich das
Elektrometer, dessen mangelnde Empfindlichkeit er durch Anwendung des
Condensators auszugleichen sucht. Und auf diesem Wege findet er auch
alsbald das quantitative Gesetz, welches seinen Namen trägt.
Dem erwähnten Vortrage im Institut ging ein Brief an Delam£therie l
voraus, welcher einen Theil der in dem Vortrage gegebenen Resultate ent-
hält, doch unvollständiger ist, als jener.
Die letztere Arbeit stellt das wissenschaftliche Glaubensbekenntniss
Volta's dar; er hat die hier ausgesprochenen Ansichten nicht geändert,
und sie sind für den grössten Theil der Physiker, die über diesen Gegen-
stand gearbeitet haben, maassgebend gewesen. Es wird daher gerechtfertigt
sein, den Text dieses wichtigen Documents in wesentlich unverkürzter Form
hier wiederzugeben.
„I. Die Haupteinwürfe gegen die Identität des galvanischen Fluidums,
welche denen, die in der Lehre von der Elektricität, insbesondere in der
Elektrometrie fremd sind, allerdings bedenklich scheinen müssen, werden
von Folgendem hergenommen: a) Von dem gänzlichen Mangel einiger und
der Geringfügigkeit anderer Symptome der Elektricität, indess die Schläge
und Sensationen, die durch den Contact verschiedener Metalle (Zink und
Silber) und besonders durch Vereinigung mehrerer solcher Metallplatten
mittelst feuchter Leiter hervorgebracht werden, sehr empfindlich und schmerz-
haft sind, b) Von dem Unvermögen verschiedener Stoffe, die man für treff-
liche Leiter hält, z. B. verdünnte Luft, die Flamme u. s. w., die Action der
einfachen oder zusammengesetzten galvanischen Kette durch sich hindurch
zu lassen, c) Von der bewundernswürdigen Zersetzung des Wassers in
meinem Apparate, welche man einer so schwachen Elektricität, die selbst
1 Volta, Operc. II, 2, S. 153.
Die Volta'sche Säule. j ^ c
für das empfindlichste Elektrometer unmerklich ist, zuzuschreiben ansteht,
da die stärksten Entladungen der mächtigsten Elektrisirmaschinen und die
schnellsten, nach so lange fortgesetzten elektrischen Strömungen sie nicht
zu bewerkstelligen vermögen.
IL Um diese Einwürfe vollständig zu heben, scheint es mit nöthig zu
sein, mit möglichster Genauigkeit den Grad der Elektricität, der in der
Berührung zweier verschiedener Metalle rege wird, zu bestimmen.
Ich wähle dazu die Metalle, die sich am meisten entgegengesetzt und daher
verhältnissmässig am wirksamsten sind, Silber und Zink. Beide wohl ge-
reinigt und polirt, mit einander in einem oder mehreren Punkten in Berüh-
rung gebracht, verlieren ihr elektrisches Gleichgewicht; das elektrische Flui-
dum zieht sich aus dem Silber nach dem Zink, wird in jenem verdünnt, in
diesem verdichtet, und erhält sich in ihnen in diesem Zustande der Ver-
dünnung und Verdichtung, wofern sie nicht mit anderen Leitern in Verbin-
dung stehen, die dem Gesetze des elektrischen Gleichgewichts gemäss jenem
die fehlende Elektricität zufuhren, aus diesem die angehäufte ableiten. Bis
auf welchen Grad wird nun das elektrische Fluidum hierbei aus seiner Stelle
getrieben oder impellirt; im Silber vermindert, im Zink vermehrt? Mein
Strohhalm -Elektrometer zeigt im Silber 1/60 Grad negative, und im Zink
J,M Grad positive Elektricität. Ich werde weiter unten die Belege dazu
liefern.
III. Eine elektrische Spannung, die kaum auf l/60 Grad steigt, ist offen-
bar viel zu gering, um an einem Strohhalm -Elektrometer, oder selbst an
Bexxet's Goldblatt-Elektrometer wahrgenommen zu werden, ungeachtet dieses,
das feinste aller Elektrometer, viermal empfindlicher als jenes ist. Doch
kann ich diese geringe Elektricität an beiden merkbar machen, ja selbst ihre
Art, ob sie positiv oder negativ ist, bestimmen, wenn ich dabei den Con-
densator zu Hülfe nehme — ein Instrument, dessen Construction die sorg-
fältigste Aufmerksamkeit verdient.
IV. Der beste Condensator, den ich am häufigsten brauche, besteht aus
zwei Messingscheiben, jede von 2 bis 3 Zoll Durchmesser, deren Oberfläche
gut gereinigt, auf einander abgerieben und polirt sind, so dass sie genau auf
einander schliessen. Die Flächen, welche bestimmt sind, auf einander zu
liegen, werden mit einer sehr dünnen Lage von Siegellack, oder besser Schel-
lack-, Kopal- oder Bernsteinfirniss, überzogen, welche sie zwar hindern, sich un-
mittelbar zu berühren, nicht aber, sich möglichst einander zu nähern, welches
bei so geringer Elektricität besonders nöthig ist. An der entgegengesetzten
Seite haben sie in ihrer Mitte gläserne, mit Siegellack überzogene Handgriffe,
damit man sie völlig isolirt erhalten und sie isolirt von einander entfernen
könne. Man kann eben so gut auch andere Metallscheiben nehmen, ja auch
hölzerne Scheiben, die man ganz oder theilweise mit Stanniol oder Blattsilber
bekleidet und mit Wachsleinwand oder Taflet überzieht, und zwar haben
letztere den Vorzug, dass sie sich von beträchtlicher Grösse machen lassen,
ohne zu schwer zu werden. Allein diese Art von Condensatoren ist von
1^6 Sechstes Kapitel.
einem sehr viel eingeschränkteren Gebrauche; sammelt sich auch gleich hier
die Elektricität in der einen Scheibe, vermöge der Einwirkung der entgegen-
gesetzten Elektricität in der anderen, mit der Erde in Verbindung stehenden
Scheibe, der eigenthümlichen Wirkung der elektrischen Atmosphären gemäss
an, so zerstreut sie sich doch sehr schnell und geht in wenigen Minuten oder
Secunden in die andere Scheibe über, wofern der Überzug nicht ausser-
ordentlich trocken ist; und besonders ist Wachsleinwand ein sehr schlechtes
Trennungsmittel. In Scheiben, die mit Siegellack oder Harzfirniss überzogen
und gehörig trocken sind, hält sich dagegen die angesammelte Elektricität
mehrere Stunden lang, wenn die Luft nicht allzu feucht ist
V. Mit einem solchen Condensator stelle ich nun folgende Versuche an.
Ich bringe zwei gleiche Scheiben Z aus Zink und 5 aus Silber, z. B. eine
Münze, zur Hälfte übereinander, dass die Peripherie der einen durch das
Centrum der anderen geht, und befestige sie in dieser Lage mittelst einer
Schraube, eines durchgeschlagenen Nagels oder durch Löthung so, dass kein
fremder Körper sich zwischen ihnen befindet. Darauf fasse ich die Zink-
scheibe Z mit den Fingern und bringe die Silberscheibe 5 eine Zeit lang
mit dem Deckel des Condensator, dessen untere Platte mit dem Boden ver-
bunden ist, in Berührung, wobei sich die Elektricität des Silbers in ihm an-
häuft, seiner Capacität und der Kraft entsprechend, welche ihm die Einwir-
kung der unteren Platte ertheilt, wie ich dies in meiner Theorie dieses
Instrumentes gezeigt habe. Nehme ich nun die Silberscheibe fort und hebe
den Deckel des Condensators ab, so zeigt er, mit dem Hute meines Elektro-
meters in Berührung gebracht, an diesem Elektrometer 2, 3, wohl selbst
4 Grade negativer Elektricität.
VI. Fasse ich dagegen das Silberstück 5 mit den Fingern und bringe
das Zinnstück Z mit dem Deckel des Condensators in Berührung, so zeigt
der ansammelnde Deckel am Strohhalm-Elektrometer 3 bis 4 Grad positiver
Elektricität.
VII. Hierbei muss jedoch bemerkt werden, dass, wenn der Deckel des
Condensators aus Kupfer besteht, das Zink ihn nicht unmittelbar berühren
darf: denn das Kupfer treibt das elektrische Fluidum fast mit gleicher Stärke
wie das Silber dem Zinke zu, so dass dieses sich dann zwischen zwei fast
gleichen, einander entgegenwirkenden Kräften befinden würde, bei denen
sich im Deckel nur höchst wenig, kaum wahrnehmbare Elektricität anhäufen
könnte. Man muss dann zwischen beide einen Leiter zweiter Klasse, d. h.
einen feuchten Körper bringen, da diese anderer Natur sind, und in der
Berührung mit den Metallen ein sehr viel geringeres Erregungsvermögen
besitzen, als zwei Metalle gegenseitig. Gewöhnlich lege ich ein Stück nass
gemachter Pappe auf den colligirenden Deckel und bringe damit das Zink
in Berührung. Das elektrische Fluidum, welches unaufhörlich vom Silber
zum Zink getrieben wird, strömt nun, ohne Widerstand zu finden, durch den
feuchten Leiter in den colligirenden Deckel, und dieser äussert nun beim
Aufheben ungefähr 3 Grad positiver Elektricität, während bei unmittelbarer
Die Volta'sche Säule.
137
Berührung zwischen dem Zink und dem Kupferdeckel keine Wirkung wahr-
zunehmen ist.
VIII. Wenn der Condensatordeckel aus Kupfer mit dem Silber in Be-
rührung steht, so gelingt der Versuch ohne Dazwischenkunft des feuchten
Leiters (V), weil diese beiden Metalle eine fast gleiche Kraft besitzen, und
bei ihrer gegenseitigen Berührung nur ein sehr schwacher Andrang vom
Silber nach dem Kupfer entsteht, der es nicht zu hindern vermag, dass,
vermöge des entgegengesetzten Andranges vom Silber zum Zinke, das elek-
trische Fluidum aus ersterem in das letztere überströmt. Das seiner Elek-
tricität beraubte Silber entzieht dem Deckel Elektricität, und so zeigt sich
endlich in diesem ungefähr 3 Grad negative Elektricität.
DC Diese und ähnliche Versuche scheinen mir darzuthun, dass die Kraft,
welche das elektrische Fluidum impellirt, nicht in der Berührung eines
Metalles mit einem feuchten Leiter, sondern in der gegenseitigen Berührung
der beiden Metalle in ihrem Berührungspunkte ihren Ursprung hat. Denn
der erste und zweite Versuch (V, VI und VII) zeigen, dass der Condensator mit
ungefähr 3 Grad Elektricität geladen wird, gleichviel, ob die Zwischenwirkung
eines feuchten Leiters ins Spiel tritt oder nicht.
X. Dass die Berührung des Metalls und der Finger an dieser Erregung
der Elektricität keinen Antheil hat, zeigt sich sogleich, wenn man die Ver-
suche so anstellt, dass die Finger oder andere feuchte Leiter ganz ausser
Spiel bleiben. Zu dem Ende braucht nur, während die eine Metallplatte den
Deckel des Condensators berührt, die Capacität der anderen isolirten sehr
erhöht zu werden, welches z. B. geschieht, wenn man sie mit der inneren
Belegung einer nicht geladenen Leidener Flasche in Berührung setzt, die
nicht isolirt sein muss, um viel Elektricität aufnehmen zu können. Dann
ladet sich der Deckel des Condensators zwar nicht wie zuvor bis zu 3 Grad,
aber doch, je nach Verschiedenheit der Umstände, auf 1 oder 2 Grad — E
oder 4- E, je nachdem er mit dem Silber oder dem Zink in Berührung steht.
XI. Schon vor mehreren Jahren habe ich ein anderes Verfahren be-
schrieben, welches mir dieselben Resultate gegeben hat. Zwei mit isolirenden
Handgriffen versehene Platten, eine von Zink, die andere von Silber, die
genau zusammenpassten und wohl polirt waren, und eben dadurch, ab-
gesehen von ihrem Vermögen, Elektricität zu erregen, fähig wurden, zugleich
als Condensatoren zu -wirken, wie ich das früher weiter auseinandergesetzt
habe, zeigten, als sie einige Zeit auf einander gelegen hatten, beim Trennen
an meinem Strohhalm -Elektrometer ungefähr 3 Grad Elektricität, das Zink
positive, das Silber negative. Da hier der Erfolg ohne alle Zwischenwirkung
feuchter Leiter stattfindet, welcher Ursache lässt sich da der Impuls der
elektrischen Flüssigkeit anders zuschreiben, als lediglich der gegenseitigen
Berührung der verschiedenen Metalle?
XII. Wird das elektrische Fluidum denn aber gar nicht bei der Be-
rührung eines Metalles mit einem feuchten Leiter impellirt und erregt:
Dass dieses wirklich geschieht, habe ich durch viele andere Versuche be-
I^g Sechstes Kapitel.
wiesen, die man in meinen früheren Schriften findet. Nimmt man zum
feuchten Leiter reines oder salziges Wasser, so ist indessen dieser Impuls
so äusserst schwach, dass er sich mit dem Impulse bei der Berührung
zweier verschiedener Metalle nicht vergleichen lässt, wie Zink und Silber
oder Kupfer. Einige concentrirte Säuren, einige alkalische Flüssigkeiten, die
Schwefelalkalien u. s. w., machen jedoch eine Ausnahme, da sie in der Be-
rührung mit den verschiedenen Metallen eine sehr merkliche Impulsion
bewirken.
XIII. So wurde fast einerlei Menge von negativer Elektricität, nämlich
3 Grad, im kupfernen Deckel des Condensators aufgehäuft, die Silberscheibe
mochte ihn im ersten Versuche (V) unmittelbar oder mittelst einer im Wasser
getränkten Pappe berühren. Und gerade soviele positive Elektricität häufte
sich in ihm auf, wenn die Zinkscheibe mit der nassen, auf ihm liegenden
Pappe in Besührung gewesen war (VII).
XIV. Da zwei sich berührende Platten Zink und Silber, gleichviel, welches
ihre Grösse und Gestalt ist, stets einem guten Condensator, wie ich ihn be-
schrieben habe, diese Grade von Elektricität mittheilen, und ich die an-
sammelnde Kraft des Condensators, dessen ich mich bediene, mit grosser
Genauigkeit bestimmt habe, durch Versuche, die anzuführen hier zu weit-
läufig sein würde, so war es mir nun leicht, die Intensität oder Spannung
zu bestimmen, welche die Elektricität in einer Zink- und Silberplatte, die
sich berühren, haben muss; Spannungen, die sich in ihnen erhalten oder
erneuern, so lange die Platten in Berührung bleiben, oder aufs Neue in
Berührung gebracht werden. Ein Condensator, der die Elektricität bis zum
1 20 fachen anhäuft, bringt so z. B. nach der Berührung mit einer der beiden
Platten das Elektrometer zu einer Divergenz von 2 Grad, woraus ich schliesse,
dass die elektrische Spannung des colligirenden Deckels, so lange er auf der
unteren Platte des Condensators aufstand, 120 mal kleiner, mithin nur
a/60 Grad gewesen sei, und dass die Zink- und die Silberscheibe, die mit ihm
in Berührung war, wenigstens dieselbe elektrische Spannung gehabt haben müsse,
weil sie dieselbe diesem Deckel hat mittheilen können, so wie sie solchen jedem
anderen Leiter, selbst der Leidener Flasche, wie wir weiterhin sehen werden,
mittheilt. Dasselbe schliesse ich daraus, dass bei einer 180, 240-, 300-fachen
Condensirung, die sich leicht mit einem guten Condensator, dessen Platten
gehörig polirt und überfirnisst sind, erhalten lässt, das Strohhalm-Elektrometer
um 3, 4, 5 Grade divergiren wird; welches gleichmässig auf 1/60 Grad
Spannung in der Scheibe deutet, die man mit dem Deckel des Collectors in
Berührung gebracht hat.
XV. Dieses sind die Resultate, die ich erhalte, auf so verschiedene Art
ich auch die beschriebenen Versuche abändere. Sie beweisen insgesammt,
dass die elektrische Spannung, die bei der gegenseitigen Berührung von Zink
und Silber in jedem dieser beiden Metalle entsteht, Veo Grad eines Stroh-
halm-Elektrometer beträgt, und im Zink positiv, im Silber negativ ist. Andere
Metalle geben bei ihrer gegenseitigen Berührung eine um so geringere
Die Volta'sche Säule.
139
»pannung, je weniger sie in ihrem Vermögen, die Elektricität zu erregen,
on einander verschieden sind, und je näher sie in der folgenden Reihe oder
itufenfolge einander stehen: Silber, Kupfer, Eisen, Zinn, Blei, Zink, in
reicher Ordnung das elektrische Fluidum stets vom vorhergehenden zum
olgenden getrieben wird. Es giebt indessen einige Materien, welche die
elektricität mit noch mehr Kraft ab das Silber, den anderen Metallen, ins-
>esondere dem Zink zuzutreiben scheinen; nämlich Reissblei, mehrere Arten
vohle, und besonders der schwarze krystallinische Braunstein. Letzterer er-
zeugt bei seiner Berührung mit Zinn eine fast doppelt so grosse Spannung,
ils Silber und Zinn, nämlich eine Spannung von */40 bis 1/S5 Grad.
XVI. Es ist leicht abzusehen, dass die Zinkplatte, wenn sie mittelst eines
rässerigen Leiters mit dem Deckel eines Condensators in Verbindung steht,
diesem nur dann so viel Elektricität, als dass er bis zur Spannung von 1/60
Grad gelangt, zuführen kann, wenn das Silberstück entweder zwischen den
Fingern frei gehalten wird, oder mit der Erde verbunden ist, oder wenn es
mit einem sehr grossen Leiter oder viel fassenden Recipienten, wie z. B.
einer grossen Leidener Flasche oder dergl., in Verbindung steht. Denn wäre
iie Silberscheibe isolirt, so könnte sie dem Zink und dem Condensator nicht
mehr Elektricität ablassen, als durch die sie auf eine Spannung von l/eo
3rad käme. Gute Leiter müssen ihr die Elektricität, die sie verliert, immer
nieder zufuhren; nur dann kann sich die Elektricität in dem angezeigten
jrade anhäufen. Dasselbe ist umgekehrt der Fall, wenn das Silber den Con-
lensator berührt. Denn bliebe das Zink isolirt, so würde es aus dem Silber
jnd dem Condensator nicht mehr aufnehmen, als das wenige von Elektricität,
velches die Zinkscheibe auf 1/60 bringt, als das Maximum der möglichen
Spannung.
XVII. Man sieht daraus, dass wenn sich gleich zwei verschiedene Metalle
berühren, sie doch mittelst des besten Condensators keine Spur von Elek-
iricität geben können, wofern nicht, während das eine Metall mit dem Con-
densator in Berührung ist, das andere mit einem grossen Leiter oder mit
rinem Recipienten von hinreichender Capacität in leitender Verbindung steht,
l'nd doch habe ich 1796 ziemlich beträchtliche Zeichen von Elektricität
cdiglich mittelst des Contacts zweier verschiedener isolirter Metalle, ohne Mit-
urkung eines anderen Leiters oder selbst eines Condensators, erhalten. Aber
la bei diesem die beiden Metalle sich in grossen, wohl polirten Flächen
xrruhrten, so verrichteten sie gleichzeitig das Geschäft des Erregers und des
Tondensators, wie das in den Abhandlungen bewiesen ist, die ich im Jahre
797 bekannt gemacht habe. Man findet in ihnen mehrere Versuche mit
erschiedenen Metallplatten, die, wenn man sie in Berührung setzt, und
larauf wieder trennt, am Elektrometer sehr merkliche Zeichen von Elek-
ricität geben.
X VIII. Alle diese Versuche, nach welchen die Zinkscheibe am Elektrometer
iederum 2, 3, 4 Grad +E, die Silberscheibe ebenso viele Grade — E
cigte, folgen aus denselben Prinzipien, nämlich daraus, dass bei der Be-
1
I 40 Sechstes Kapitel.
rührung die Elektricität vom Silber zum Zink so lange getrieben wird, bis -s
eine Spannung von 1/60 Grad negativer im ersteren, positiver im letzteren
entsteht. Die Menge von Elektricität, welche, um diese Spannung hervor- —
zubringen, von der einen Scheibe der anderen mitgetheilt werden muss, ist - -
um so grösser, da sie vermöge ihrer grossen Nähe die Stelle vortrefflicher -~
Condensatoren vertreten, dem gegenseitigen Gleichgewicht der entgegen- —
gesetzten Elektricitäten entsprechend.
XIX. So ist also auf alle Art bewiesen, dass die elektrische Spannung, :
die negative im Silber, die positive im Zink, ungefähr 1/60 Grad beträgt, und *z
dass sie sich in diesem Zustande während der ganzen Zeit erhält, in der die
beiden Metalle sich berühren, wofern diese nicht mit anderen Leitern in
Verbindung stehen, welche das erregte elektrische Fluidum aufnehmen und •
fortleiten.
XX. Der überzeugendste Beweis, dass dies die wahre Spannung ist, welche
diese beiden Metalle bei ihrer gegenseitigen Berührung bewirken, ergab sich
durch eine Menge von Versuchen, worin ich statt eines Paares mich meh-
rerer Paare sich berührender Metalle, Zink und Silber oder Zink und Kupfer, -
bediente. Je nachdem ich 2, 3, 4, oder mehr solcher Paare nahm, erhielt
ich Spannungen, die 2 fache, 3 fache, 4 fache, d. h. Spannungen von %j%^
8/60, 4/60 Grad; Grössen, die ich mittelst meines Condensators verificirte, der,
wenn er z. B. 120 mal condensirte, von einem einzelnen Paare bis zu 2 Grad
des Strohhalm-Elektrometers geladen wurde, dagegen bei vereinfachter Wir-
kung von 2, 3, 4 Metallpaaren sich bis 4, 6, 8 Grad Divergenz lud. Dieses
war der grosse Schritt, der mich gegen Ende des Jahres 1799 zu der Con-
struction des neuen Apparats führte, den ich Elektromotor nenne, der alle
Physiker in Erstaunen gesetzt und mir volle Genüge geleistet hat, ohne
mich jedoch zu überraschen, weil die Entdeckung, die ich hier erzählt habe,
mir im Voraus den Erfolg verbürgte.
XXI. Eine der einfachsten Methoden, die Versuche mit Metallplatten an-
zustellen, ist folgende: Man lege auf eine Silbermünze eine Zinkscheibe,
darauf eine mit Wasser getränkte Scheibe von Pappe, Tuch oder einem
anderen schwammigen Körper, und fahre in dieser Ordnung fort, bis man
eine beliebige Menge solcher Lagen oder Schichtungen über einander ge-
häuft hat, wie es beiliegendes Schema zeigt, worin Z das Zink, S das Silber
und H den feuchten Leiter bedeutet:
SZHSZHSZHSZHSZHSZHSZ
Ist der Apparat so vorgerichtet, so bringe man die oberste Platte eines
Metallpaares mit dem Deckel des Condensators in Berührung, während man
die unterste Platte der Säule mit der Hand berührt, oder mit dem Erd-
boden in leitende Verbindung bringt: eine Bedingung, von der ich angezeigt
habe, warum sie unumgänglich ist (XVI). So erhält der Condensator mittelst
zweier Plattenpaare die Spannung von 2/60, und mittelst 3, 4, 10, 20 Paaren
von Metallplatten Spannungen von 3/60, 4/60, 10/60, 20/fl0 Grad, so dass wenn
Die Volta'sche Säule.
141
Icr Condensator 120 mal condensirt, der Deckel desselben nach dem Auf-
leben das Strohhalm-Elektrometer zu einer Divergenz von 4, 6, 8, 10, 20 Grad
Hingt.
XXII. Warum es nöthig ist, zwischen jedes Metallpaar einen feuchten
^eiter zu bringen, erhellt daraus, was ich unter VII. bemerkt habe. Ohne ihre
Dazwischenkunft würde jede Zinkplatte auf beiden Seiten mit je einem Silber-
»tück in Berührung stehen und von zwei gleichen und entgegengesetzten
Kräften afficirt werden, daher das Resultat aller Wirkungen dem der obersten
ind untersten Platte auf einander gleich sein müsste. Wären dies ver-
schiedene Metalle, so träte die Wirkung eines einzigen Plattenpaares und
eine Tension von 1/60 Grad ein; wären sie einerlei Metall, so fände über-
haupt keine Wirkung statt. Daher ist es unmöglich, eine verstärkte Wirkung,
d. h. eine grössere Tension, als von l/eo Grad, wie sie ein einziges Platten-
paar giebt, zu erhalten, wenn man bloss Silber- und Zinkstücke, ihre Ge-
stalt sei, welche sie wolle, ohne Zwischenwirkung eines dritten feuchten
Leiters, der von minderer Energie ist, über einander schichtet.
XXIII. Selbst durch Ubereinanderschichtung dreier verschiedener Metalle
und mehrerer, lässt sich ohne feuchte Leiter keine Verstärkung der Elek-
tricität bewirken, weil die Kraft, womit die Leiter erster Klasse sie bei ihrer
gegenseitigen Berührung aus dem einen in den anderen treiben, in einem
bestimmten Verhältniss steht Das heisst: gesetzt, das Silber treibe das
elektrische Fluidum dem Kupfer mit einer Kraft 1, das Kupfer dem Eisen
mit einer Kraft 2, das Eisen dem Zinn mit einer Kraft 3, dieses dem Blei
mit einer Kraft 1, endlich das Blei dem Zink mit einer Kraft 5 zu, so treibt
Silber dem Zink, das es unmittelbar berührt, die Elektricität mit einer
Itraft 12, Kupfer dem Zinn mit einer Kraft 5, und Eisen dem Zink mit
einer Kraft 9 zu, u. s. w. So ist immer die Kraft oder Impulsion, mit
Welcher zwei Metalle auf das elektrische Fluidum wirken, der Summe der
Kräfte der in der Reihe der Metalle zwischen ihnen stehenden gleich. In
einem bloss aus Metallen errichteten Apparate ist es daher gleichgültig, ob
die zwischen der obersten und der untersten liegenden Metallplatten da sind,
oder nicht; wie man diese auch ordnen möge, immer ist die elektrische
Kraft völlig dieselbe, welche entsteht, wenn die beiden Endplatten sich un-
mittelbar berühren.
XXIV. Dieses artige Verhältniss, diese regelmässige Gradation in den elek-
trischen Kräften der Metalle und überhaupt der Leiter erster Klasse, das ich
^Idch im Anfange meiner hierhergehörigen Untersuchungen aufgefunden und
in verschiedenen Aufsätzen umständlicher entwickelt habe, benimmt uns die
Möglichkeit, einen elektrischen Apparat bloss aus Metallen zu erbauen, wel-
ches gewiss unendlich bequemer und dauerhafter sein würde. Allein deshalb
darf man die Erfindung eines anderen Elektromotors, der ganz aus festen
Körpern bestünde, nicht für unmöglich erklären. Hierzu würde die Auf-
findung eines festen Leiters ohne alle Erregungskraft (oder der sie in einer
ganz anderen Beziehung besässe), den man statt der feuchten Leiter zwischen
142 Sechstes Kapitel.
I
die Metallpaare bringen könnte, hinreichend sein — eine Entdeckung, die mir
zwar sehr schwierig, aber nicht ganz unmöglich scheint.
XXV. Zum Glück findet zwischen den Metallen oder Leitern erster Klasse
und denen zweiter Klasse kein solches regelmässiges Verhältniss, und keine
solche bestimmte Gradation statt (sie würde sie zu einer Klasse reduciren;,
sonst könnte selbst das Zwischenlegen feuchter Leiter keine verstärkte Wir-
kung vermitteln. Zwar äussert sich bei der Berührung eines Metalles mit
einem feuchten Leiter eine kleine Wirkung, allein sie ist weit geringer, als
die zwischen zwei sehr verschiedenartigen Metallen (XXII) und ist ausser allem
Verhältniss mit der, welche die Metalle gegenseitig äussern. Wenn z. B. das
Silber das elektrische Fluidum dem Zink mit einer Kraft 12, und das Zink
es dem Wasser mit einer Kraft 1 zutreibt, so würde, wenn hier das näm-
liche Verhältniss stattfände, das Silber die Elektricität dem Wasser mit einer
Kraft 13 zutreiben; allein dies geschieht nur mit einer Kraft, die ebenfalls
ungefähr 1 ist. Zwischen den Leitern der ersten und zweiten Klasse findet
daher nicht eine solche Übereinstimmung zwischen Wirkung und Kraft statt,
wie sie den Metallen eigen ist.
XXVI. Ist es mir durch Zwischenlegen von feuchten Leitern zwischen je
zwei Metallpaare geglückt, eine verstärkte elektrische Spannung zu erhalten,
die lebhaftere Zeichen von Elektricität, heftigere Schläge, Funken u. s. w.
giebt, so ist dies bloss dem zuzuschreiben, dass zwischen den elektrischen
Erregern der ersten und der zweiten Klasse eine gänzliche Verschiedenheit
in allen Verhältnissen obwaltet.
XXVII. Man wird fragen, ob das Verhältniss, das zwischen der elektricitäts-
erregehden Kraft der Leiter der ersten Klasse stattfindet (XXIII), dem jedoch
Leiter der beiden Klassen bei ihrer Berührung nicht unterworfen sind, sich
nicht auch auf die Leiter der zweiten Klasse erstrecke. Wäre dies der Fall,
so müsste es ebenso wenig wie mit Leitern der ersten Klasse oder blossen
Metallen möglich sein, lediglich aus ihnen einen Apparat vorzurichten, der
wirksam genug wäre, um Schläge und Funken zu ertheilen.
XXVIII. Indessen hat die Natur diesen schätzbaren Vorzug wirklich den
elektrischen Organen des Krampffisches und des SurinanVschen Zitteraals
(Gymnotus electricus) ertheilt, die lediglich aus feuchten Leitern ohne alles
Metall bestehen; ein Kunstwerk, das man nicht säumen wird, nachzuahmen.
Dann wird man aber bei diesen Körpern ein durchaus verschiedenes Ver-
hältniss in ihren elektrischen Kräften, das nicht in regelmässiger Gradation,
wie bei den Leitern erster Klasse steht, annehmen, oder sie noch weiter
abtheilen, und eine dritte Klasse von Leitern aufstellen müssen, so dass die
Leiter jeder Klasse für sich in den Äusserungen üVer erregenden Kraft
übereinstimmen, ohne doch in ihren Wirkungen mit denen anderer Klassen
denselben Verhältnissen unterworfen zu sein.
XXIX. Vielleicht, dass diese dritte Klasse von Leitern als Erreger wirkt
und aus Körpern besteht, die mit Flüssigkeiten getränkt sind, welche sich
in einem durch unsere Sinne nicht wahrzunehmenden Grade coaguliren und
Die Volta'sche Säule. ja*
fixiren, in welchem Falle man sie nur uneigentlich feuchte Leiter nennen
könnte. Man müsste dann hierher viele thierische Stoffe, als Muskeln, Sehnen,
Membranen, Nerven u. s. w., rechnen, die auch wirklich in frischem Zustande
bessere Leiter sind, als das reine oder salzige Wasser. Es ist selbst zu ver-
muthen, dass in den Organen des Krampffisches die kleinen Lagen oder
Häutchen, die in jeder Säule über einander liegen, abwechselnd aus Leitern
bestehen, die zur zweiten und zur dritten Klasse gehören, und so gereiht
sind, dass jede Lage, oder jedes heterogene Paar der dritten Klasse von
dem anderen durch einen Leiter der zweiten Klasse, d. h. durch einen
feuchten Leiter, getrennt ist. Dies ist wenigstens die Vorstellung, die ich
mir von dem elektrischen Organ des Krampffisches mache, das bloss aus
leitenden Körpern besteht, und das sich lediglich mit meinem elektrischen
Apparate vergleichen lässt, mit dem es in Construction, Gestalt und Wir-
hingen viel Ähnlichkeit hat"
7. Rückblick. Das vorstehende Dokument ist nach vielen Richtungen
von Interesse, vor allen Dingen dadurch, dass die darin ausgeführte Betrach-
tungsweise massgebend für einen grossen Theil der späteren Entwickelung
des Gebietes geworden ist. Wiederum tritt uns bei Volta die Ablehnung
jeder Beziehung auf die chemischen Vorgänge der Säule in auffalligster Weise
entgegen; obwohl wir wissen, dass sie ihm bekannt waren. Ist es in hohem
Maasse lehrreich, den Gedankengang eines genialen Forschers zu verfolgen,
der ihn von Stufe zu Stufe bis zu den grossen Entdeckungen geführt hat,
die wir nur zu leicht als plötzliche und unvermittelte Offenbarungen anzu-
sehen uns gewöhnen, so ist es vielleicht noch förderlicher, die Stellen, an
denen uns die Grenzen auch der ungewöhnlichsten Begabung sichtbar wer-
den, möglichst genau zu untersuchen. Lernen wir auf jenem Wege, wie die
Wissenschaft gefördert wird, so lernen wir auf diesem, wie sie gehemmt wird;
macht jene Betrachtung uns tüchtiger zur Forschungsarbeit, so bildet diese
den kritischen Sinn und die so schwer zu erwerbende Vorsicht in dem Auf-
bau eines wissenschaftlichen Lehrgebildes aus.
Von welchem ungeheuren Einfluss gerade die Irrgänge des Genies sind,
davon giebt die Entwicklung der Lehre von der Berührungselektricität ein
vollgültiges Zeugniss. Ist doch das Dankgefühl, welches wir dem genialen
Forscher gegenüber empfinden, wesentlich dadurch bedingt, dass er in Ge-
biete, die bis auf ihn in hoffnungsloser Verwirrung dalagen, Ordnung und
Übersicht gebracht hat, welche ihre Beherrschung ermöglichen. Die mathe-
matische Formel, der letzte Ausdruck einer derartigen Ordnung, wirkt in
der That wie eine Zauberformel: wo bis dahin die Thatsachen jedem Ver-
buche, sie zu beherrschen und zu leiten, widerstrebten, fügen sie sich nun
frei und leicht dem Willen desjenigen, der die Formel weiss und zu hand-
haben versteht. Demjenigen nun, der uns einmal bewiesen hat, dass seine
Formeln wirklich diese Zauberkraft besitzen, wenden wir naturgemäss mit
unserem Dank unser Vertrauen zu, und dieses wird um so grösser, je mehr
er uns geleistet hat. Durch ein natürliches Gefühl erscheint es uns bald
144 Sechstes Kapitel.
I
nicht nur unnöthig, sondern auch tadelhaft, Zweifel in jedes Neue zu setzen,
was er uns aus dem Schatze seines Geistes schenkt; Kritik sieht wie Un-
dank, Urtheil wie Überhebung aus, und so kommt es, dass die Grenzen der
grossen Geister für längere oder kürzere Zeit auch die Grenze des wissen-
schaftlichen Horizontes der nächsten Generationen werden.
Freilich bringt es die Vielheit der Persönlichkeiten, die an der Entwick-
lung betheiligt sind, meist mit sich, dass die schwachen Seiten der neuen
Lehren nicht lange verborgen bleiben; das Resultat ist dann ein Kampf der
Meinungen, dessen Dauer ganz von dem Fortschritt abhängig ist, welchen
die wissenschaftliche Vertiefung der Frage erfährt. Aber die schwache Seite
einer Sache sehen, und Besseres an die Stelle setzen, sind zweierlei Dinge.
So war es mit der alsbald entstehenden „cheniischen" Theorie des Galvanis-
mus. Sie vermochte zunächst das Gesetz der Spannungsreihe weder abzu-
leiten, noch auch sich nur zu assimiliren, und bot in der Versicherung, dass
die galvanischen Erscheinungen vom chemischen Vorgang abhängig seien,
zunächt nur Steine für Brot, oder vielmehr einen Wechsel auf die Zukunft
für einen reellen, wenn auch nicht gegen künftige Entwerthung gesicherten
Besitz. Dies sind die Ursachen, welcher der Auffassung Volta's eine so grosse
Dauer und ihren Vertretern einen so grossen Eifer in der Vertheidigung
derselben verliehen haben.
Was nun den Nachweis anlangt, den Volta für sein Spannungsgesetz
bringt, so charakterisiren sich seine Messungen als ziemlich grobe Annähe-
rungen. Er giebt sie nur als solche in runden kleinen Zahlen. Eine ge-
nauere Mittheilung seiner einzelnen Messungsergebnisse sucht man in seinen
Schriften vergebens: Die ganze zahlenmässige Unterlage, auf welche Volta
sein Gesetz gestützt hat, sind jene beiläufigen Angaben auf S. 141. Nichts-
destoweniger hat Volta den Nachweis seines Gesetzes mit weit grösserer
Genauigkeit erbracht, als jene Zahlen sie haben. Dieser Nachweis liegt
darin, dass er die von ihm beobachteten Spannungen an verschiedenen
Metallen als unabhängig von zwischenliegenden Metallen erkannte, in welcher
Zahl und Anordnung solche auch zur Anwendung gebracht wurden. Durch
Vermehrung der Zahl der Abwechselungen der Zwischenplatte konnte Volta,
ohne seine Maasshilfsmittel zu ändern, jeden beliebigen Grad von Genauig-
keit in dem Nachweise der von ihm aufgestellten Beziehung erreichen, und
er hat die Kraft dieses Gedankens voll erfasst und verwerthet.
Denken wir nun aber, Volta hätte sich durch die chemischen Wir-
kungen seiner Säule veranlasst gesehen, Zweifel in die Zuverlässigkeit seiner
älteren Versuche mit dem Duplicator und dem Condensator (S. 57) zu
setzen, er hätte den Ort der elektrischen Spannung an die Berührungsflächen
der Metalle und des feuchten Leiters gelegt, und hätte angenommen, dass
Metalle mit einander keine Spannung geben. Alle Folgerungen, die er
aus seinem Spannnungsgesetz gezogen hat, wären aus dieser An-
nahme gleichfalls zu ziehen gewesen. Dass man aus Metallen allein
keine wirksame Säule bauen kann, ist nothwendig, denn eine Summe von
Die Volta'sche Säule.
145
Nullen kann keinen endlichen Werth geben; dass es bei einer beliebigen
Reihenfolge von Metallen ohne feuchte Leiter nur auf die Endglieder an-
kommt, ist gleichfalls nothwendig, denn nur die Endglieder wirken erregend,
da nur sie mit dem feuchten Leiter in Berührung stehen. Ja, noch tiefer,
als bis zum blossen Ausspruch des Gesetzes wäre diese Betrachtungsweise
gegangen. Denn denkt man sich beliebig viele Metalle in eine und dieselbe
Flüssigkeit gebracht, so wird nach der Voraussetzung jedes Metall eine be-
stimmte Spannung annehmen, und die Spannung, welche man zwischen je
zweien dieser Metalle beobachtet, ist nothwendig der Unterschied zwischen
den Spannungen dieser Metalle gegenüber der Flüssigkeit Daraus folgt aber
das VoLTA'sche Gesetz mit Notwendigkeit, denn wenn ich die Spannung
vom Zink zum Blei, und die vom Blei zum Silber messe, und beide addire,
so habe ich nichts gethan, als statt den Unterschied der Spannungen der
Flüssigkeit gegen Zink und gegen Kupfer unmittelbar zu messen, in denselben
Unterschied eine Zwischenstufe einzuschalten, indem die Spannung zwischen
Blei und der Flüssigkeit einmal positiv, das andere Mal negativ in Rechnung
gebracht wird, und somit herausfallt Eine solche Theorie wäre schon
zu Volta's Zeit möglich gewesen, und sie hätte mehr geleistet, als der
Ausspruch des Spannungsgesetzes durch Volta, da sie die von diesem dar-
gestellten Erscheinungen als nothwendige Folge der Voraussetzung hätte ab-
leiten lassen. Doch scheint es, dass in Volta der Vorrath an verallge-
meinernder Kraft für jene Zeit erschöpft war; auch die Vertreter der chemi-
schen Theorie haben sich damals nicht zu der ganzen Einfachheit in der
Auffassung durcharbeiten können. Vielmehr spielen die „Contactkräfte" auch
bei diesen ihre Rolle, und die Überlegenheit des VoLTA'schen Geistes zeigt
sich wohl nirgend deutlicher, als in der Thatsache, dass die Gegner, die seine
Fehler bekämpften, nicht im Stande waren, sich selbst von eben diesen Fehlern
frei zu machen.
8. Weitere Forschungen. In noch viel höherem Maasse, als ihrer-
zeit die Entdeckung Galvanos, brachte die der VoLTA'schen Säule alsbald
eine fast unübersehbare Fülle von Arbeiten hervor, die mehr als ein Aus-
druck des ungemeinen Interesses, das die Sache hervorrief, bemerkenswerth
sind, als wegen des durch sie bewirkten wissenschaftlichen Fortschrittes. Es
ist nicht leicht, sich durch die Unsumme von kleinen und grossen Mitthei-
iungen hindurchzufinden, deren Hauptzweck oft nur scheint, zu zeigen, dass
ihr Verfasser sich gleichfalls eine VoLTA'sche Säule gebaut hat. Fast am
lehrreichsten ist hierbei die Beobachtung, wie gross die Schwierigkeit ist, die
Dinge, die man sieht, auch wirklich genau zu sehen. Denn auf dem neuen
Gebiete, wo keine Analogie den Beobachter leitet, ihn auf das zu Erwartende
aufmerksam macht, und ihn warnt, das Widersprechende ohne wiederholte
Prüfung als thatsächlich anzunehmen, zeigt sich häufiger als sonst, wie auf-
fallend schwer es ist, die Dinge zu sehen, wie sie sind. Denn ganz ohne
bestimmte Erwartung geht wohl kaum jemals ein Forscher an die Arbeit;
seine Befähigung dazu zeigt sich darin, dass er versteht, objectiv gegen diese
Ostwald, Elektrochemie. IO
146 Sechstes Kapitel.
vorgefasste Meinung zu sein, und sie aufzugeben, wenn sie sich unzulänglich *
erweist. Schwerer noch, als diese Aufgabe, ist die umgekehrte. Der Forscher
geht nicht nur mit bestimmten Erwartungen über das, was er sehen wird, ■
an die Arbeit, sondern meist mit noch viel bestimmteren darüber, was er :
jedenfalls nicht sehen kann. Wenn ihm Derartiges, was er für unmöglich
ansieht, nun wirklich entgegentritt, so hält er es überaus leicht für eine
blosse Täuschung, er versäumt die genauere Untersuchung und verliert auf
diese Weise vielleicht eine grosse Entdeckung. Jeder, der selbständige
Arbeit, sei sie gross oder klein, gemacht hat, hat auch ungezählte Male
diesen Fehler begangen; nur erlangt er in den seltensten Fällen Kenntniss
davon, nämlich nur, wenn bald darauf ein Glücklicher kommt, dem der Fund
gelingt. Tritt dies aber nicht ein, so erfährt er nie, wie nahe er der Wrahr-
heit gewesen ist; „geheimnissvoll offenbar" hat sich ihm die Natur gezeigt,
und er hat sie nicht gesehen.
Um in der Fülle der Mittheilungen, die auf Volta's Entdeckung folgen,
den Faden nicht zu verlieren, müssen wir die chronologische Betrachtung
der Arbeiten aufgeben, und sie nach den einzelnen Zweigen ordnen, in die
sich die Lehre von der strömenden Elektricität nun zu spalten beginnt
Auf der einen Seite sehen wir Volta selbst die physikalische Theorie der
Kette und die der Säule ausbilden; die chemischen Erscheinungen inter-
essiren ihn nicht; er geht ihnen anfangs aus dem Wege, und was er später
über sie äussert, beschränkt sich wesentlich auf die Bemerkung, dass von
einem so wunderbaren Dinge, wie seiner Säule, auch die wunderbaren che-
mischen Wirkungen ganz wohl erwartet werden könnten. Der Gedanke,
dass diese chemischen Wirkungen mit dem elektrischen Vorgange causal
verknüpft sein können, liegt ihm ganz fern. Auf der anderen Seite drängen
sich die chemischen Wirkungen unabweisbar in den Vordergrund; nicht nur
die Zersetzungen durch den Strom fuhren auf einen Zusammenhang der
chemischen und der galvanischen Erscheinungen, sondern es wird auch als-
bald beobachtet, dass in der Säule selbst chemische Vorgänge unaufhaltsam
stattfinden, und dass mit der Verhinderung der letzteren auch der elektrische
ein Ende nimmt.
In der That ist die Aufgabe reich genug, um eine Bearbeitung von zwei
ganz verschiedenen Seiten zu gestatten. An Volta schliessen sich die Phy-
siker, welche die Gesetze der elektrischen Erscheinungen an der Säule stu-
diren; von Erman bis Ohm können wir eine glänzende Reihe von Forschern
zählen, die ohne in Bezug auf die Ursache des elektrischen Stromes über
die unbefriedigende Anschauung Volta's, dass die Berührung der Metalle
diese Ursache sei, auch nur einen Schritt vorwärts zu versuchen, die Ge-
setzmässigkeiten seines Verlaufes zum Gegenstande schärfster und erfolg-
reichster Analyse machen.
Die andere Reihe von Entdeckern, von Nicholson, Carlisle und Davy
bis Faraday suchen nach der Quelle, aus welcher der elektrische Strom
fliesst, und finden sie im chemischen Vorgange. Die enge Beziehung zwischen
Die Volta'sche Säule. l/*n
den chemischen und elektrischen Erscheinungen ist ihnen ein Anlass, die
einen auf die anderen gesetzmässig zu beziehen, und diese Bestrebungen
gipfeln in Faraday's Gesetz der festen elektrolytischen Action.
Der Kampf zwischen der Contacttheorie und der chemischen Theorie
der VoLTA'schen Säule hat somit begonnen, noch ehe die gesammte wissen-
schaftliche Welt Kunde von der Entdeckung erhalten hatte. Anfangs werden
sich die Vertreter der verschiedenen Meinungen ihres Gegensatzes kaum be-
bewusst; erst nachdem Volta einige Jahre später seine Anschauungen in
endgültiger Gestalt zusammengefasst hatte, trat diesen sehr bestimmt for-
mulirten Ideen die andere Anschauung gegensätzlich gegenüber. Bald spal-
teten diese Gegensätze das Heer der Physiker in zwei feindliche Lager,
zwischen denen auf das erbittertste gekämpft wurde. Der Kampt hat bis
nahe in die Gegenwart fortgedauert, und scheint noch jetzt nicht ganz auf-
gegeben zu sein, wenn wohl auch die alten Anschauungen Volta's in un-
veränderter Gestalt wohl von keinem mehr getheilt werden. Dass es aber
möglich war, so lange zu kämpfen, dass der Zustand, welchen Poggendorff
gelegentlich dahin charakterisirt, dass die Contacttheorie weder widerlegt,
noch die chemische bewiesen sei, hat keinen anderen Grund, als dass die
massgebenden Gesichtspunkte die ganze Zeit hindurch unzugänglich geblieben
waren. In der That konnte so lange nicht von einer wirklichen chemischen
Theorie der VoLTA'schen Kette die Rede sein, als es der Chemie selbst an
einer ausreichenden Theorie in dem entscheidenden Gebiete gebrach. Erst
in neuester Zeit ist es gelungen, diese Lücke auszufüllen, und alsbald hat
sich auch eine allseitig befriedigende chemische Theorie der Voi/iVschen
Kette entwickeln lassen, deren durchsichtige Klarheit bald die letzten Nebel
der Contacttheorie zum Verschwinden bringen wird.
Wir werden demgemäss hauptsächlich zwei parallele Entwickelungsreihen in
der Lehre von der VoLTA'schen Kette zu verfolgen haben, von denen die eine
mehr physikalischen, die andere mehr chemischen Interessen zugewandt ist. Die
Versuche, beide zu vereinen, lassen erst in der Mitte des Jahrhunderts einen
beginnenden Erfolg erkennen, und in unserer Zeit darf man die Vereinigung
als vollzogen betrachten.
10*
Fig. 52. Humphrt Davy.
Siebentes Kapitel.
Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule.
I. Die englischen Forscher. Unmittelbar auf die oben (S. 130) er-
wähnte Arbeit von Nicholson und Carlisle folgte eine ganze Reihe weiterer
Mittheilungen englischer Gelehrter, die sich sämmtlich auf die chemischen
Wirkungen der Säule bezogen. Diese Arbeiten sind alle in Nicholson^
Journal of Natural Philosophy veröffentlicht, und bringen eine in eine ganz
kurze Zeit zusammengedrängte erhebliche Förderung des tatsächlichen Ma-
terials. Sie bewegen sich alle in derselben Richtung, welche durch die ge-
nannte Arbeit angegeben war: die Erforschung der in und mittelst der Säule
stattfindenden chemischen Vorgänge. Unter denen, die zunächst auftreten,
sind Cruikshank, Haldane, Wollaston und W. Henry zu nennen; doch
zeichnet sich neben diesen sehr bald H. Davy aus, um in kurzer Frist die
Führung zu übernehmen und an seinen Namen die wichtigsten Fortschritte
zu knüpfen, welche auf dem Gebiete gemacht wurden.
Der erste Forscher, dem wir auf dem neuen Wege begegnen, ist
1 Aus KOPP's Gesch. d. Chemie. III. 1846.
\
Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule. 14g
W. Cruikshank.1 Er fand, dass Salmiak viel geeigneter war, die feuchten
Zwischenschichten herzustellen, als reines Wasser. Seine Versuche bestätigten
zunächst die von Nicholson und Carlisle, was die Gasentwickelung und
Färbung von Lackmus betrifft; Neues ergaben dagegen die Experimente mit
Metallsalzlösungen.
„Es ist eine wohlbekannte Thatsache, dass Wasserstoffgas in der Hitze,
oder in nascirendem Zustande die Metallkalke reducirt; ich erwartete daher,
dass, wenn ich die Glasröhre mit metallischen Lösungen füllte, ich den
Wasserstoff vom Sauerstoff abscheiden und letzteren in seinem einfachen
oder reinen Zustande erhalten könnte. Von diesem Gesichtspunkte aus be-
nutzte ich Bleiacetat zur Füllung der Röhre, indem ich einen Überschuss
von Säure hinzufügte, um der Wirkung des Alkalis zu begegnen. Als die
Verbindung in gewohnter Weise hergestellt war, konnte kein Gas beobachtet
werden, doch nach einer oder zwei Minuten wurden einige feine Metall-
nadeln an dem Ende des mit Silber verbundenen Drahtes bemerkt Diese
vergrösserten sich schnell und nahmen die Gestalt einer Feder, oder besser,
die der Krystalle von Chlorammonium an. Das auf diese Weise gefällte
Blei war in völlig metallischem Zustande und sehr glänzend; ein wenig Gas
entwich von dem mit dem Zink verbundenen Drahte, welcher wie gewöhnlich
stark angegriffen wurde."
Weitere Versuche bezogen sich auf Kupfersulfat; hier wurde eine Art
von metallenem Knopf gebildet, der von dem Silberdraht, an dem er sich
gebildet hatte, nicht getrennt werden konnte. Verdünnte Essigsäure Hess
den vom Zinkende der Säule herkommenden Silberdraht stark angegriffen
werden, und nach einiger Zeit schied sich metallisches Silber an dem an-
deren Drahte aus. In Chlorammonium und Chlornatrium erhielt der Silber-
draht vom Zinkende einen dicken Überzug von Chlorsilber, und die Flüssig-
keit am anderen Drahte wurde alkalisch: „Dieser Versuch erklärt die Zer-
setzung des salzsauren Natrons und Ammoniaks, welche stets stattfand, wenn
die Pappen in der Säule mit diesen Salzen befeuchtet waren."
Schliesslich verband Cruikshank zwei Röhren A und B mit Wasser
durch einen Silberdraht C> und senkte in jede von ihnen ein Ende der von
der Batterie hergeleiteten Drähte. „Es wurde, wie gewöhnlich, Gas an dem
einen Ende des verbindenden Drahtes in A entwickelt, und der in derselben
Röhre befindliche Theil des Verbindungsdrahtes C wurde wie gewöhnlich
aufgelöst; das andere Ende desselben Drahtes in der Röhre B gab aber Gas
aus, während der zur Säule führende Draht in B aufgelöst wurde."
In einer zweiten, bald darauf erfolgenden Mittheilung theilt Cruikshank3
einige Messungen über das Verhältniss der beiden entwickelten Gase mit,
nachdem er die Vermuthung von Nicholson und Carlisle, dass die beiden
Gase getrennt erscheinen, bestätigt hatte. Das Verhältniss, in welchem beide
1 Nicholsons Journ. 4, 187. — Gilbert's Ann. 6, 360. 1800.
* Nicholsons Journ. 4, 254. — Gilberts Ann. 7, 88. 1801.
I CQ Siebentes Kapitel.
I
erschienen, entfernt sich noch ziemlich weit von der Wahrheit; er fand es
gleich 1/8, obwohl er bei seinen neueren Versuchen Platin- und Golddrähte
anwandte, die er früher nicht zur Verfügung gehabt hatte. Die Gesammt-
heit seiner Versuche fasst er folgendermaassen zusammen:
„I. Dass Wasserstoffgas mit einer sehr kleinen Menge Sauerstoff und
Ammoniak gemischt auf irgend eine Weise an dem Draht entwickelt wird,
der mit dem Silberende der Maschine verbunden ist, und dass diese Wirkung
in gleicher Weise erfolgt, welcher Natur der Draht auch sei, wenn nur die
Flüssigkeit reines Wasser ist.
II. Dass, wenn metallische Lösungen an Stelle von Wasser gebraucht
werden, der Draht, welcher Wasserstoff giebt, den Metallkalk revivificirt, und
dieses am Ende des Drahtes in reinem metallischen Zustande abscheidet; in
diesem Falle wird kein Wasserstoff abgeschieden. Der Draht kann für diesen
Zweck von jedem beliebigen Metalle sein.
III. Dass bei Lösungen von Erden, die von Magnesia und Thonerde allein
durch den Silberdraht zersetzt werden, wobei die Bildung von Ammoniak
sehr begünstigt wird.
IV. Dass, wenn der mit dem Zinkende der Säule in Verbindung stehende
Draht aus Gold oder Platin besteht, Sauerstoff, vermischt mit etwas Stick-
stoff und Salpetergas, entwickelt wird, und die Menge des so erhaltenen
Gases etwas mehr als 1/s des Wasserstoffes ist, welcher zu derselben Zeit von
dem Silberdraht entwickelt wird.
V. Dass, wenn der mit dem Zink verbundene Draht aus Silber oder
einem anderen unedlen Metall besteht, zwar gleichfalls eine kleine Menge
Sauerstoff ausgegeben wird, dass der Draht aber selbst entweder oxydirt
oder aufgelöst wird; die in diesem Falle auf das Metall ausgeübte Wirkung
ist sehr ähnlich der der concentrirten Salpetersäure, durch welche ein grosser
Theil des Metalles oxydirt wird,' während ein kleiner Theil in Lösung geht
VI. Dass, wenn die entwickelten Gase zusammen aufgefangen und über
Quecksilber zur Explosion gebracht werden, fast die ganze Menge unter
Wasserbildung verschwindet, wobei wahrscheinlich eine kleine Menge Salpeter-
säure entsteht, denn einige Zeit nach der Explosion zeigen sich stets dicke
weisse Dämpfe. Das rückständige Gas scheint in diesem Falle Stickstoff
zu sein.
„Denkt man über diese Versuche nach, so erscheint offenbar, dass in
einigen von ihnen das Wasser zersetzt werden musste; wie dies jedoch hat
vor sich gehen können, ist keineswegs so leicht zu erklären. So erscheint
es -beispielsweise ausserordentlich geheimnissvoll, wie der Sauerstoff still-
schweigend von dem Ende des Silberdrahtes zu dem des Zinkdrahtes hat
übergehen können und dort als Gas erscheinen. Auch muss bemerkt
werden, dass diese Wirkung eintritt, wo auch die Drähte angebracht werden
mögen, und was für Biegungen zwischen ihren Enden angebracht seien,
wenn nur die Entfernung nicht zu gross ist. Betrachtet man diese That-
sache genauer, so scheint mir die leichteste und einfachste Weise der Er-
Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule. 151
ldärung die Annahme, dass die galvanische Wirkung (was sie auch sein mag)
in zwei Zuständen, dem oxydirten und dem desoxydirten, zu existiren ver-
mag. Wenn sie von einem Metall zu einer sauerstoffhaltigen Flüssigkeit
übertritt, so erfasst sie deren Sauerstoff und wird oxydirt; geht sie aber von
der Flüssigkeit zum Metall über, so nimmt sie ihren früheren Zustand an,
und wird desoxydirt Ist nun Wasser die zwischenliegende Flüssigkeit, und
der Strom tritt desoxygenirt von der Silberseite ein (und wir nehmen immer
an, dass er von der desoxydirten Seite zu der oxygenirten geht), so ergreift
er den Sauerstoff des Wassers und entbindet den Wasserstoff, welcher dem-
gemäss als Gas erscheint; tritt aber die Wirkung von der Zinkseite ein, so
entiässt sie den Sauerstoff, mit dem sie vorher vereinigt war, und dieser
entweicht als Gas, verbindet sich mit dem Metall zu einem Oxyd, oder bildet
mit einem gewissen Theil Wasser u. s. w. Salpetersäure, der Meinung der
deutschen Chemiker gemäss. Ist die zwischengebrachte Flüssigkeit ein me-
tallisches Salz, so kann die Wirkung auf zwei Weisen erklärt werden, doch
die einfachste ist die Annahme, dass die Wirkung von der Silberseite aus-
geht, den Sauerstoff des Metallkalkes ergreift, und diesen beim Eintritt in
den Zinkdrath absetzt In diesem Falle sollte kein Gas an dem Silberdrahte
erscheinen, wenn aber ein edles Metall benutzt wird, so sollte Sauerstoff an
der Zinkseite erscheinen. Dies ist, wie schon bemerkt wurde, genau das,
was eintritt. Was ich übrigens als das stärkste Argument zu Gunsten dieser
Hypothese betrachte, ist, dass Flüssigkeiten, die keinen Sauerstoff enthalten,
unfähig sind, den elektrischen Strom zu leiten, wie Alkohol, Fett, die wesent-
iichen Ole; dass aber im Gegentheil solche, die Sauerstoff enthalten, mehr
oder weniger gut leiten, wie wässerige Flüssigkeiten, metallische Lösungen
und die Säuren, besonders die Schwefelsäure, welche zersetzt wird. . . . Ob-
wohl ich von der Hypothese selbst keineswegs vollständig befriedigt bin, so
habe ich sie doch mittheilen zu sollen geglaubt, da sie die einzige ist, durch
die ich die verschiedenen Thatsachen erklären kann."
Cruikshank geht darauf dazu über, einen neuen Apparat zu beschreiben,
welchem er bedeutende Vorzüge vor dem VoLTA'schen zuschreibt; es ist
dies der bekannte Trogapparat Dieser besteht aus einer Anzahl von Doppel-
platten, die in die Rillen eines länglichen Troges so eingesetzt sind, dass
sie diesen in eine Anzahl von Abtheilungen theilen, in die die Flüssigkeit
gegossen wird.
So seltsam uns diese Theorie Cruikshank's erscheinen mag, so ist sie
doch von dem, was wir jetzt als Wahrheit annehmen, nicht so weit entfernt,
als es auf den ersten Blick aussieht; nur dass wir uns umgekehrt auszu-
drücken pflegen: wir lassen nicht die Elektricität mit Sauerstoff verbunden
sich bewegen, sondern umgekehrt den Sauerstoff verbunden mit der Elek-
tricität. Das Wesentliche, die gleichzeitige Bewegung der Elektricität und
der ponderablen Materie, hat Cruikshank ganz richtig zum Ausdruck
gebracht.
Die weiteren Mittheilungen Cruikshank's in dieser Arbeit beziehen sich
IC2 Siebentes Kapitel.
1
auf das Verhalten ammoniakalischer Metallsalzlösungen, und haben kein *
weiteres Interesse.
Von den übrigen Autoren, die sich in der Sache vernehmen lassen,
macht W. Henry im wesentlichen dieselben Mittheilungen,1 so dass ich darauf
verzichten kann, sie anzuführen. Die Arbeiten von Haldane2 enthalten da-
gegen eine Anzahl neuer Beobachtungen. Insbesondere ist er der erste, der
gefunden hat, dass die Thätigkeit der Säule im luftleeren Räume aufhört
Auch hat er die Wirkung verschiedener Metalle in der Säule versucht, doch
mit zunächst ziemlich unbestimmten Resultaten. In einem Anhange zu
Haldane's Aufsatz, der ausserdem einen Vergleich der Säule mit der Elek-
trisirmaschine enthält, stellte Nicholson 3 einige interessante Berechnungen an.
Er verglich den Schlag, den er von der Säule erhielt, mit dem von einer
Leidener Flasche, und fand ihn annähernd gleichwerthig dem einer Flasche
von einem Quadratfuss Belegung, die zur Schlagweite von 1/40 Zoll geladen
war. Mittelst wiederholter Theilung der Ladung der Flasche verglich er
ferner ihre Spannung mit der der Säule am BENNET'schen Elektrometer, und
fand sie 7 500 mal kleiner. Nach den Versuchen von Cavendish musste er
die für einen gleichen Schlag erforderliche Elektricitätsmenge dem Quadrat
ihrer Spannung umgekehrt proportionol setzen; daraus geht hervor, dass
die Capacität der Säule etwa 3 500000 mal grösser ist, als die der Leidener
Flasche.
In einer späteren Mittheilung kommt Haldane4 auf die Versuche mit
verschiedenen Metallen zurück, ohne sie indessen wesentlich zu fördern. Die
Thatsache, dass die Säule im leeren Räume zu wirken aufhört, wird bestätigt
und dahin erweitert, dass die Wirkung in einem geschlossenen Lufträume
bald aufhört; befindet sich die Säule in Sauerstoffgas, so ist die Wirkung
anfangs viel kräftiger, hört aber gleichfalls bald auf. In Stickstoff findet
überhaupt keine Wirkung statt. Als Sauerstoff angewendet wurde, liess sich
eine deutliche Absorption des Gases nachweisen. Haldane verfehlt nicht,
diese Thatsachen zu Gunsten der Theorie von der chemischen Quelle der
galvanischen Erscheinungen zu deuten.
Von den Erscheinungen der Säule blieb die auffälligste immer das ge-
trennte Erscheinen der Bestandteile des Wassers an den beiden von ein-
ander entfernten Dräthen, und ein ungenannter Correspondent in Nicholson^
Journal äussert sich darüber6) in drastischer Weise. Nachdem er auf die
Leichtigkeit hingewiesen hat, mit der das neue System der Chemie die
meisten Thatsachen erklärt, und an das Erscheinen der Gase an den ver-
schiedenen Stellen erinnert hat, fährt er fort:
„Nun, Sir, möchte ich wissen, wie es nach irgend einem System ge-
schehen kann, dass die beiden Bestandteile des Wassers veranlasst werden
sollen, in solcher Entfernung von einander zu erscheinen! Fliegt etwa der
1 Nicholson's Journ. 4, 223. 1800. * Ebenda 4, 241. I800.
8 Ebenda 4, 243. 1800. 4 Ebenda 4, 313. 1800. * Ebenda 4« 472.
Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule. je*
Wasserstoff aus dem zersetzten Wassertheilchen an der Zinkseite der Säule
in dem Augenblicke davon, wo der Sauerstoff an der Silberseite entwickelt
wird? Ist das so, warum sieht man nicht die Gasblasen unterwegs? Oder
wandert der Sauerstoff von der Silberseite zu der Zinkseite? Oder finden
zwei Ströme statt?"
In einer späteren Mittheilung schlägt derselbe Correspondent folgende
Theorie vor: „In strikter Philosophie können wir, soviel ich sehe, nicht mehr
sagen, als dass die eine Art der Elektricität plus Wasser das eine Gas geben,
und die andere das andere Gas. Ist es nicht eine blosse Annahme, zu
sagen, dass die Substanz der beiden Gase Bestandtheile des Wassers ge-
wesen sind?"
Die gleiche Frage war unterdessen in Deutschland von Ritter behandelt
worden und dieser hatte folgendes Experiment beschrieben (S. 160):
Eine V-förmig gebogene Glasröhre wurde in ihrer unteren Biegung mit
concentrirter Schwefelsäure gefüllt, die an beiden Seiten mit Wasser über-
schichtet war. Wurde der Strom durch diese Anordnung geleitet, so ent-
wickelte sich wie gewöhnlich an beiden Drähten Gas. Nun sah Ritter es
als unmöglich an, dass Wasser oder ein Bestandtheil des Wassers durch die
concentrirte Schwefelsäure gehen könne, ohne zurückgehalten zu werden,
und erachtete dadurch den Beweis für erbracht, dass Sauerstoff und Wasser-
stoff nicht Bestandtheile des Wassers sein können.
Der ungenannte Correspondent sieht in diesem Versuch eine voll-
ständige Bestätigung seiner Vermuthung, und hält das System von Lavoisier
dadurch für widerlegt; auch verfehlt er nicht, auf den Trümmern desselben
alsbald ein neues aufzubauen.
In nahem Zusammenhange mit diesen Erscheinungen steht eine Reihe
von Beobachtungen, die Wollaston mitgetheilt hat.1 Wenn ein Stück Zink
und ein Stück Silber in verdünnte Säure gelegt werden, ohne sich zu be-
rühren, so wird das Zink angegriffen und entwickelt Gas; das Silber bleibt
dabei völlig unverändert So wie aber beide Metalle in Berührung kommen,
so geht auch am Silber Gasentwicklung vor sich. Ebenso entwickelt sich
unter ähnlichen Umständen Salpetergas an Gold, welches sich in Berührung
mit Kupfer unter Salpetersäure befindet Ebenso werden Metalle aus ihren
Lösungen auf edleren niedergeschlagen, wenn diese mit weniger edlen ver-
bunden eingetaucht werden; so giebt Eisen mit Silber verbunden, in Kupfer-
vitriollösung getaucht, einen Niederschlag von Kupfer auf dem Silber.
Zur Erklärung dieser auffälligen Erscheinungen bezieht sich Wollaston
auf das getrennte Auftreten der Gase bei Anwendung der VoLTA'schen
Sauie, und führt die Vorgänge gleichfalls auf elektrische Wirkungen zwischen
den sich berührenden Metallen zurück. Zur Erläuterung theilt er einige
Versuche mit gewöhnlicher Elektricität mit, die die gleiche Eigentümlich-
keit zeigen. Diese Versuche hat er später an anderer Stelle2 ausfuhrlicher
1 Xicholson's Journ. 5, 337. 1801.
* Philos. Trans. 1801, 427. — Gilbert's Ann. 11, 107. 1802.
I 54 Siebentes Kapitel.
beschrieben; sie zeichnen sich durch die ihm eigentümliche Geschicklich-
keit in der mechanischen Ausfuhrung aus. Bei dieser Gelegenheit gab er
die zweckmässigen Elektroden an, welche unter dem Namen der Wol-
LASTON'schen Spitzen seitdem vielfach zur Anwendung gekommen sind; er
beschreibt ihre erste Herstellung folgendermaassen: „Ich überzog einen feinen
Silberdraht, der 1/iao Zoll im Durchmesser hatte, an einer Stelle 2 bis 3 Zoll
lang mit Siegellack und schnitt ihn in der Mitte dieser überzogenen Stelle
durch, so dass er hier bloss im Querschnitt entblösst wurde." Die An-
wendung dieser Elektroden in Kupfersulfatlösung liess an der Oberfläche des
negativen Drahtes nach 100 Umdrehungen seiner Maschine einen Nieder-
schlag erkennen, der sich, polirt, als Kupfer zeigte; der andere Draht war
ohne einen solchen Überzug. Bei der Umkehrung des Stromes wurde das
Kupfer aufgelöst und erschien an dem anderen Draht
Mit der Wasserzersetzung hatte Wollaston Schwierigkeiten, die er fol-
gendermaassen überwand: „Zu dem Ende steckte ich einen höchst feinen
Golddraht, dem ich eine möglichst scharfe Spitze gegeben hatte, in ein Haar-
röhrchen von Glas, erhitzte dieses so, dass es sich ringsumher an die Spitze
anlegte und sie überall bedeckte, und schob dann den Draht ein wenig
herab, bis er mittelst einer Lupe nur so eben ausserhalb des Glases zu ent-
decken war." . . . Mit diesen Leitern erhielt Wollaston zwar eine Wasser-
zersetzung, wenn er Funkenstrecken in seiner Strombahn hatte, dagegen
keine ohne solche. „Um nun zu finden, wieweit sich die Stärke des elek-
trischen Funkens verringern lässt, wenn man das Ende des Drahtes allmählich
verkleinert, trieb ich eine Goldauflösung in Königswasser durch ein Haar-
röhrchen und verjagte die Säure durch Erhitzung. Es blieb ein dünnes
Goldhäutchen zurück, womit das Innere der Röhre überzogen war, und das
sich durch Schmelzen des Röhrchens in einen Goldfaden, der sich mitten
durch das Glas hinzog, verwandelte. Wurde die Elektricität durch das Ende
dieses Fädchens in Wasser geleitet, so reichte ein blosses Einströmen der-
selben in den positiven oder negativen Conductor unmittelbar berührenden
Verbindungsdraht hin, um vom Ende des Goldfädchens einen zusammen-
hängenden Strom Gasblasen aufsteigen zu machen."
Indessen fand Wollaston doch noch einen Unterschied zwischen den
Erscheinungen der Reibungs- und Berührungselektricität: die entwickelten
Gase waren nicht reiner Sauerstoff und Wasserstoff, sondern beiderseits Ge-
menge von beiden. (Eine Trennung gelang bald darauf Davy.)
Weitere Versuche beziehen sich auf die Farbreactionen von Lackmus,
und gelangen gleichfalls, wenn ein Kartenblatt mit Lackmus gefärbt und
mit zwei Goldspitzen, welche die Elektricität zu- und ableiteten, in Berüh-
rung gebracht wurde. Die Wirkung war besonders sichtbar, wenn das
Kartenblatt beinahe trocken war. Dann waren wenige Umdrehungen der
Maschine hinreichend, um das Papier am positiven Draht sichtbar zu
röthen.
Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule. j c c
Das gleiche Mittel, die Wasserzersetzung sichtbar zu machen, gab etwas
später van Marum1 an.
Die Zersetzung von Metallsalzen durch Reibungselektricität war gleich-
zeitig oder noch etwas früher auch schon durch Ritter (vgl. S. 25) aus-
geführt worden.
2. Humphry Davy. Unter der Schaar der an jenen ersten Versuchen
mit der VoLTA'schen Säule s£ch betheiligenden Forschern finden wir auch
einen, der seine Arbeitsgenossen bald vollständig in den Schatten stellen
sollte: Humphry Davy, damals noch „Oberaufseher des pneumatischen In-
stituts". Schon der erste von ihm beschriebene Versuch3 ist von bemerkens-
werther Originalität: „Ich setzte die Enden der Säule durch Silber-
drähte mit zwei 5 Zoll von einander abstehenden Gläsern voll Wasser, das
lange gekocht und noch warm war, und das Wasser in den beiden Gläsern
durch meinen Körper in leitende Verbindung, indem ich einen Finger der
rechten Hand in das eine, einen Finger der linken Hand in das andere Glas
tauchte. Kaum hatte ich den Schlag erhalten, so fing der Draht des Zink-
endes an, sich schnell zu verkalken Zugleich bildete sich rings um
den Draht des Silberendes im anderen Glase Gas. Ich unterhielt die Leitung
eine halbe Stunde lang Das vom Draht der Silberseite sich entwickelnde
Gas wurde in einen verkehrt gesetzten Glascylinder aufgefangen, enthielt,
wie die Probe mit Salpetergas darthut, gar kein Sauerstoffgas, und vermin-
derte sich, als es mit doppelt so viel atmosphärischer Luft verbrannt wurde,
so dass es fast ganz aus reinem Wasserstoffgas bestehen musste."
Davy wiederholte den Versuch durch drei Personen, die sich anfassten,
hindurch, sowie durch Muskelfaser und einen nassen Faden, und fand stets
Zersetzung, wenn auch mit verschiedener Stärke.
Durch sorgfältige messende Versuche überzeugte sich Davy, dass Sauer-
stoff und Wasserstoff aus dem Wasser in demselben Verhältniss entwickelt
werden, in welchem sie Wasser bilden. Als er bei einem Versuch mit Kali-
losung dasselbe fand, schloss er, „dass keine Zersetzung des Kali vor
sich gegangen war, und der Galvanismus durch diesen Stoff nur fähig ge-
macht wurde, den Sauerstoff und Wasserstoff viel schneller als ohnedies
aus dem Wasser zu entbinden". Eine Reihe von weiteren Versuchen mit
verschiedenen Säuren, sowie mit Ammoniak bestätigen ihm den Schluss:
„Keiner dieser zusammengesetzten Stoffe scheint hier unmittelbar durch die
galvanische Wirkung zersetzt worden zu sein."
Wir werden sehen, dass diese Auffassungsweise zum Schaden der Wissen-
schaft für lange Zeit die herrschende wird. In der That war es aber zu
jener Zeit nicht möglich, anders zu schliessen, da eine Erklärung der Er-
scheinung die Kenntniss des erst ein Vierteljahrhundert später entdeckten
FARADAY'schen Gesetzes voraussetzt.
1 Ann. de Chimie 41, 77. Gilbert's Ann. 11, 220. 1802.
* Nicholsons Jonrn. 4, 275 u. 326. Gilbert's Ann. 7, 114. 1801.
I c6 Siebentes Kapitel.
I
Weitere Versuche Davy^s l beziehen sich auf die Anwendung von Hob-
kohle in der Säule und bieten nichts besonders Bemerkenswerthes. Weiter
bestätigte er die Beobachtungen von Haldane (S. 151) und fügte die Bemer-
kung hinzu, dass bei einer mit Salpetersäure erbauten Säule die Wirkung
im luftleeren Räume nicht aufhörte. Auch wies er durch mehrfache andere
Versuche nach, dass sowohl die Oxydation des Zinks durch die Möglichkeit
einer galvanischen Wirkung, wie auch die letztere durch die Möglichkeit
eines chemischen Vorganges bedingt ist. Er zieht aus der Gesammtheit
seiner Beobachtungen folgende Schlüsse:
„Von zwei Phänomenen oder zwei Reihen von Phänomenen können wir
nur dann behaupten, dass das eine die Ursache des anderen ist, wenn das eine
dem anderen regelmässig vorausgeht, und wenn ihre Modificationen mit ein-
ander verbunden sind. Aus allen angegebenen Thatsachen scheint hervor-
zugehen, dass Volta's galvanische Säule nur wirkt, wenn die leitende Flüssig-
keit zwischen den Platten das Zink oxydirt; und das im Verhältniss, als
mehr Sauerstoff in einer gegebenen Zeit sich mit dem Zink verbinden kann,
auch die Kraft der Säule, Wasser zu zersetzen und den Schlag zu geben,
zunimmt. Es scheint demnach vernünftig, zu schliessen, dass, obwohl wir
auf Grund der zur Zeit bekannten Thatsachen ausser Stande sind, den ge-
nauen Verlauf des Vorganges zu erklären, die Oxydation des Zinks in der
Säule und der chemische Vorgang dabei auf irgend eine Weise die Ursache
des auftretenden elektrischen Effekts sind."
In weiterer Verfolgung dieses Gedankenganges bestätigte Davy noch auf
mannigfaltige Weise die gegenseitige Abhängigkeit beider Reihen von Er-
scheinungen. So zeigte er,2 dass verdünnte Schwefelsäure, die auf Zink viel
stärker einwirkt, als concentrirte, auch viel kräftigere elektrische Wirkungen
hervorbringt, als die letztere. Ferner überzeugte er sich, dass der gleiche
chemische Vorgang, wie er zwischen den Verbindungsdrähten der Säule
stattfindet, auch in jedem Theil der Säule auftritt. Davy schliesst diesen
Theil seiner Untersuchungen mit den Worten; „Über diese Thatsachen will
ich nicht speculiren. . . . Viele neue Beobachtungen müssen noch gesammelt
werden, bevor wir werden behaupten können, dass Wasser beim galvanischen
Vorgang zersetzt wird. Nehmen wir seine Zersetzung an, so müssen wir
annehmen, dass mindestens einer seiner Bestandteile fähig ist, in unsicht-
barer Gestalt durch Wasser und viele verbundene organische Stoffe zu gehen,
und eine derartige Annahme steht ausser allem Zusammenhange mit den
bekannten Thatsachen. Doch ist erst eine kurze Zeit vergangen, dass die
Forscher mit Erstaunen gesehen haben, wie feste und flüssige Stoffe neue
Existenzformen in verschiedenen Gasen anzunehmen vermögen. Gestatten
uns die n£uen Thatsachen des Galvanismus nicht zu hoffen, dass wir in
nicht zu langer. Zeit eben diese Gase neuen Änderungen werden unterliegen
und neue und unbekannte Formen annehmen sehen werden? "
1 Nicholsons Journ. 4, 326. * Ebenda 4, 394. 1800.
Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule. \tn
Durch weitere Versuche bestärkte sich Davy mehr und mehr in der
Überzeugung, dass der chemische Vorgang für das Entstehen des elektrischen
wesentlich ist; so erhielt er durch die Combination von Gold und Silber,
die Volta unwirksam gefunden hatte, sehr merkliche Wirkungen, als er als
erregende Flüssigkeit Salpetersäure benutzte. Schliesslich1 gelang es ihm
sogar, Säulen aus einem einzigen Metall zu erbauen, inden er zwei Flüssig-
keiten anwandte, die von sehr verschiedener chemischer Wirkung auf das
betreffende Metall sind. „Bei der Beschreibung der verschiedenen galva-
nischen Combinationen aus einem Metall und verschiedenen Flüssigkeiten
werde ich sie in drei Klassen theilen, die ich nach der Zeitfolge ihrer Ent-
deckung beschreiben werde.
„Die erste und schwächste Klasse wird gebildet, wenn einfache me-
tallene Platten oder Bögen so angeordnet werden, dass ihre beiden Flächen
oder entgegengesetzten Enden mit verschiedenen Flüssigkeiten in Berührung
sind, von denen die eine fähig ist, das Metall zu oxydiren, die andere da-
gegen nicht . . . Werden Platten von polirtem Zinn von etwa einem Zoll
Seite mit Scheiben von wollenem Zeug, die theilweise mit Wasser, theils
mit Salpetersäure befeuchtet sind, in folgender Ordnung geschichtet: Zinn,
Säure, Wasser und so fort, so erhält man eine schwache galvanische
Batterie. . . .
„Die zweite Klasse von galvanischen Combinationen wird gebildet, wenn
Platten oder Bogen von metallischen Stoffen, die fähig sind, auf Schwefel-
wasserstoff oder gelöste Schwefelverbindungen zu wirken, mit einer Lösung
von Schwefelleber und mit Wasser so in Reihen geordnet werden, dass eine
Seite jeder Platte in Berührung mit Wasser steht, während die Schwefel-
leber auf die andere einwirkt Unter diesen Umständen tritt galvanische
Wirkung ein, wenn die Anordnung regelmässig, und die Zahl der Reihen
gross genug ist; Wasser, das mit Silberdrähten in den Kreis geschaltet
wird, wird zersetzt, indem auf der Seite der Platten, welche chemischer
Einwirkung unterliegt, Oxyd an dem Drahte abgesetzt wird, während an
der mit Wasser in Verbindung stehenden Seite Wasserstoff entwickelt
wird. . . .
„ Silber, Kupfer und Blei sind fähig, diese Combination zu bilden. . . .
Kupfer ist in dieser Art von Batterieen wirksamer, als Silber, und Silber
wirksamer, als Blei. . . .
„Die dritte . und wirksamste Klasse von galvanischen Batterieen aus
Flüssigkeiten und einem einzigen Metall wird gebildet, wenn Metalle, die in
Säuren löslich sind und gleichzeitig auf Lösungen von Sulfureten wirken,
als Platten mit Lösungen von Schwefelleber und oxydirenden Flüssigkeiten
so verbunden werden, dass ihre verschiedenen Seiten verschiedenen chemi-
schen Einwirkungen unterliegen, wobei die Reihenfolge der Abwechselungen
regelmässig sein muss.
1 Nicholson'* Journal 5, 341. 1801. — Philos. Trans. 1801.
158 Siebentes Kapitel.
„Die gleichen Metalle, die in der zweiten Klasse wirksam sind, sind es
auch in der dritten; auch die Reihenfolge der Wirksamkeit ist ähnlich.
„Alle Säulen aus einem Metall sind von sehr vorübergehender Wirkung,
wenn sie mit Tuchscheiben construirt werden. . . . Jedoch lassen sich die
verschiedenen Reihen mittelst eines nach der Idee des Grafen Rumford con-
struirten Apparates so anordnen, dass ihre Wirkung von erheblicher Dauer
wird. Dieser Apparat ist ein Kasten aus drei Stücken von Mahagoni, die
mit Rillen versehen sind, um die Platten aufzunehmen, die die verschiedenen
Reihen bilden sollen, und der innen mit einem nichtleitenden Firniss über-
zogen ist. Die Hälfte dieser Platten muss aus Hörn oder Glas bestehen, die
andere Hälfte aus Metall; und die Leiter und Nichtleiter müssen ab-
wechselnd in den Rillen befestigt werden, so dass sie wasserdichte Zellen
bilden.
„Soll der Apparat gebraucht werden, so werden diese Zellen in der
galvanischen Ordnung mit den verschiedenen Flüssigkeiten gefüllt . . . und
paarweise durch Streifen von feuchtem Zeug verbunden, die über die nicht-
leitenden Platten gelegt werden.
„Eine Combination von 50 auf diese Weise geordneten Kupferplatten
mit verdünnten Lösungen von Salpetersäure, oder salpetersaurem Ammoniak,
und Schwefelleber giebt ziemlich starke Schläge, entwickelt schnell Gas aus
Wasser und beeinflusst das condensirende Elektrometer. Sie verliert ihre
Wirksamkeit nicht während vieler Stunden, und wenn diese verloren ge-
gangen ist, so kann sie durch den Zusatz von kleinen Mengen der erforder-
lichen concentrirten Lösungen zu den Flüssigkeiten der einzelnen Zellen
wiederhergestellt werden."
Wie aus den vorstehenden Mittheilungen hervorgeht, ist die Summe von
neuen und wohlbeobachteten Thatsachen, die Davy in kurzer Zeit der Wissen-
schaft zugeführt hat, ungemein gross. Davy verfolgte den mit so viel Glück
beschrittenen Weg auf das eifrigste weiter und gelangte so nach kurzer
Zeit zu einer der glänzendsten Entdeckungen, die auf diesem Gebiete zu
machen waren, zu der elektrischen Abscheidung der Alkalimetalle. Doch
gehört die Geschichte dieser Entdeckung in eine spätere Zeit, und wir
wenden uns zu den zeitgenössischen Arbeiten anderer Forscher zurück.
3. Deutsche Forscher. Ritter's erste Arbeiten. In Deutschland
wurde die Entdeckung Volta's etwas später bekannt, als in England, so
dass die englischen Forscher den deutschen in der Beobachtung der Er-
scheinungen voraus waren, die sich jedem auf den ersten Blick darboten.
Während aber in England das Interesse an der neuen Entdeckung ebenso
schnell in den weiteren Kreisen verschwindet, wie es aufgetreten war, so
bleibt in Deutschland die Arbeit dauernd auf den Gegenstand gerichtet, und
eine grosse Anzahl fleissiger Beobachter ist bemüht, den Thatbestand der
Wissenschaft auf diesem Gebiete zu vermehren. Äusserlich zeigt sich das
daran, dass schon in den Jahren 1803 und 1804 die Anzahl der auf den
Galvanismus bezüglichen Aufsätze in den englischen wissenschaftlichen Zeit-
Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule. reo
Schriften fast Null wird, während in den deutschen eine Hochfluth von
solchen durch eine ganze Reihe von Jahren andauert. Freilich wiegt der
eine Davy, der in England diese Forschungen fortsetzte, mehr, als die
meisten jener zwar fleissigen, aber doch wenig originalen Arbeiter.
Die Thätigkeit der deutschen Forscher lässt sich in Gilberts Annalen
der Physik überaus bequem übersehen, da sich dort fast lückenlos zu-
sammengestellt findet, was überhaupt im Gebiete des Galvanismus geleistet
worden ist. Nur die erste Arbeit, die hier zu erwähnen ist, der schon oben
citirte Versuch von Ritter, durch den die elementare Natur des Wassers
erwiesen werden werden sollte, findet sich nicht hier, sondern an anderer
Stelle1 abgedruckt
In dieser seiner ersten Arbeit über die VoLTA'sche Säule theilt Ritter
zunächst mit, dass er ohne Kenntniss der inzwischen veröffentlichten Arbeiten
der englischen Forscher gleichfalls die Wasserzersetzung gefunden habe; er
beschreibt seine Versuche, durch die er sich überzeugt hat, dass Sauerstoff
und Wasserstoff getrennt und in den Verhältnissen erscheinen, in welchen
sie Wasser bilden. Die Thatsache, die allen denen, die sie zum ersten Male
sahen, das grösste Erstaunen abnöthigte, beschäftigt auch ihn sofort aut
das Lebhafteste: das getrennte Auftreten der beiden Gase an den von ein-
ander weit entfernten Drähten. Er schreibt:
„Jedem Atom entbundenen Oxygens muss ein Atom entbundenes
Hydrogen correspondiren , und beide machten in der Vereinigung vorher
ein Atom Wasser, und nicht mehr, aus. Kann sich aber das nämliche Atom
Wasser in einem und dem nämlichen Augenblick zugleich an diesem und
wieder an jenem Draht befinden: Und doch müsste das der Fall sein,
wenn beide Stoffe, beide Gasarten, das Oxygen und das Hydrogen, von
einer wirklichen Zersetzung des Wassers herrührten. Dies war die Be-
trachtung, die mich auf die Frage brachte, ob
wohl die zwischen a und b befindliche Schicht
Wasser (Fig. 53) für die Erzeugung beider Stoffe
£anz zufällig sei, und somit zu weiter nichts Fig. 53. Nach Ritter.
diene, als bloss zwischen a und b die lei-
tende Verbindung zu unterhalten, der Vorgang an a also ganz unabhängig
von dem an b , kurz das Ganze überhaupt alles Andere lieber, nur keine
Zersetzung des Wassers zu Grunde habe? Diese Fragen waren beantwortet,
sobald es mir gelang, beide Wassercylinder, den, der a und den, der b um-
gab, durch einen dritten Körper von einander zu trennen, der, vom WTasser
verschieden, nicht vermögend ist, eine Wasserzersetzung in sich zu unter-
halten, folglich auch nicht eine ausser ihm beginnende fortzupflanzen, und
damit für eine solche schon vorhandene, nur — obgleich sich niemand wohl
so etwas schwerlich je wird vorzustellen vermögen — vertheilte, nicht fähig
ist, zum Communicator werden zu können.
1 Voigt'* Magazin f. d. neuesten Zustand d. Naturk. 2, 356. 1800.
l6o Siebentes Kapitel.
„Wir füllten zu diesem Zweck zwei unten mit Korkstöpseln, durch deren
jeden ein Golddraht ging, verwahrte Glasröhren mit Wasser, verstopften sie
oben gleichfalls, und verbanden das Wasser beider Röhren durch eines
dritten Golddraht, der durch diese beiden oberen Stöpsel hindurchgging, und
brachten beide Röhren auf die gewöhnliche Weise in die Kette. Die Gas-
entwickelung nahm sehr schnell ihren Anfang, aber keineswegs bloss an den
inneren Enden der beiden äusseren Drähte; auch an denen des das Wasser
der Röhre verbindenden mittleren Drahtes hatte sie statt ... So hatten wir
also in jeder Röhre wieder Wasserstoffgas und Sauerstoffgas, nnd der Gold-
draht, und wie fernere Versuche lehrten, Drähte oder Stangen von irgend
einem festen galvanischen Leiter, waren nicht die Körper, mit denen wir als
Zwischenmittel unseren Zweck hätten erreichen können. Unter den flüssigen
musste also der Körper vorkommen, der zu unserem Vorhaben geschickt
war; auch musste er so siel als möglich vom Wasser befreit sein.
„Weingeist und Schwefeläther leiteten in unserer Kette nicht. Concen-
trirte alkalische Flüssigkeiten leiteten zwar, aber es hatte auch die Gas-
entwickelung wieder mehr oder weniger statt. Und so blieben nur die
Säuren übrig. . . . Ich kam auf die Vermuthung, dass die Säuren in con-
centrirtem Zustande ihr Leitungsvermögen beibehalten möchten, ohne doch
durch jene Golddrähte einiges Gas aus sich entwickeln zu lassen, und so
war es wirklich. In der Röhre (Fig. 53) erschien, als ich sie mit concentrirter
rectificirter weisser Schwefelsäure gefüllt hatte, an keinem der beiden Gold-
drahtenden auch nur eine Spur von Gas, und doch war die Leitung auf
das vollständigste vorhanden, indem in einer zweiten ähnlichen, aber mit
Wasser gefüllten, an diese gebrachten Röhre die Gasentwickelung auf die
bekannte Weise ungestört anfing und fortging. Der Körper, den ich suchte,
war also gefunden, und es kam nun bloss noch darauf an, ihn schicklich
anzuwenden.
,Ich fand hierzu den Apparat Fig. 54 sehr geschickt. In die dort auf
einem Gestell eingeschraubte, in Gestalt eines V ge-
krümmte, auf jeder Seite etwa 2 Zoll hohe Glasröhre
ab brachte ich mittelst eines Trichters von der ge-
nannten concentrirten Schwefelsäure so viel, dass jeder
Schenkel der Röhre damit bis zur Hälfte angefüllt
war, ohne jedoch dabei von der Säure etwas unbe-
hutsamer Weise an die inneren oberen Wände der
Röhre gebracht zu haben. Jetzt Hess ich nach und
nach so viel destillirtes Wasser bald in diesen, bald
in jenen Schenkel der Röhre auf die Säure langsam
Fig 54. Nach Ritter, herabfliessen, dass sie ganz davon bedeckt wurde,
ohne sich doch damit zu vermischen, und füllte auf
diese Art die beiden Schenkel der Röhre endlich ganz damit an — eine
Arbeit, die mir mehrmals so gut gelang, dass selbst mit Lackmus ge-
färbtes Papier in dem oberen Theil dieses aufgegossenen Wassers keine
>y
Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule.
I6l
Veränderung mehr erlitt Ich schloss hierauf die Öffnungen dieser Röhre
mit Korkstöpseln, durch deren jeden ein Golddraht in das Wasser so weit
hineinging; dass zwischen ihm und der Säure noch ein beträchtlicher Zwischen-
raum übrig blieb. Nachdem dieses Alles geschehen war, verband ich den
Knopf des Drahtes a mit dem Zink, und den von b mit dem Silber der
Batterie. Im Augenblicke der Schliessung der Batterie fing der Oxygen-
draht a sowohl, wie der Hydrogendraht b an, Gas zu geben und diese Ent-
wickelung dauerte fort, so lange man die Kette geschlossen erhielt. Es war
mir also wirklich gelungen, durch den Versuch darzuthun, dass die beiden
entbundenen Gasarten, deren wägbare Grundlagen man bis daher gewöhn-
lich als heterogene Bestandtheile eines und desselben Wassers angesehen
hatte, keineswegs von einer Zersetzung des Wassers, wie man nach der
neuen chemischen Theorie wohl glauben mochte, sondern durchaus von
zwei ganz von einander verschiedenen Prozessen herrührten, deren jeder für
sich isolirbar sei, und auf keine Weise mit dem anderen zusammenhänge.
„Für den, der sich etwa in diesen Versuchen irgend noch eine reelle
Communication des Wassers des einen Schenkels mit dem des anderen
durch die zwischen beiden befindliche Schwefel-
saure möglich denken sollte, kann man die-
selben dadurch noch überzeugender machen,
dass man beide Schenkel von einander trennt,
die unteren Enden derselben mit Stöpseln ver-
wahrt und durch diese ebenfalls wieder Gold-
drahte steckt, deren obere Enden aber noch
weit irenug von dem über der Säure befind-
iichen Wasser entfernt bleiben müssen, und
tiann beide durch einen dritten Draht oder
testen Leiter von jeder beliebigen Art und Länge
mit einander verbindet. Die Entwickelung der
beiden Gasarten wird hier (Fig. 55) ebenso voll-
kommen und ungestört von Statten gehen, als
es nur im vorigen Versuche irgend möglich
war, und doch ist hier auf keine Weise an
eine reelle Communication des Wassers in a mit dem in b zu denken."
Ritter geht nun dazu über, die Schlussfolgerungen aus diesen Ver-
suchen zu ziehen. Er beschreibt eine Anzahl Anordnungen, durch welche
man aus mehreren, hinter einander geschalteten Gasapparaten, indem man
nur die einen, oder die anderen Enden der Drähte in die concentrirte
Schwefelsäure tauchen lässt, entweder nur Wasserstoff, oder nur Sauerstoff
erhalten könne. Auch versäumt er nicht, auf die wichtigen Consequenzen
hinzuweisen, die sich aus diesem Versuch ergeben. Wir folgen ihm nicht
dahin, denn wir wissen, dass der Grundversuch, auf dem das alles beruht,
ein Irrthum ist. Schon in den Schriften der gleichzeitig arbeitenden eng-
lischen Forscher finden sich Angaben über das Verhalten der concentrirten
Fig. ^5. Nach Ritter.
O s t 'v a I d , Elektrochemie.
I I
163
Siebentes Kapitel.
Fig. 56. Nach Ritter.1
Schwefelsäure im VoLTVschen Kreise, aus denen hervorgeht, dass sie ganz
ebenso zersetzt wird, wie die anderen flüssigen Stoffe, nur dass die sehr
concentrirte Säure schlecht leitet, und dass an Stelle des Wasserstoffe mehr
oder weniger Schwefel erscheint. Ritter hat hier, wie ihm das nicht selten
geschah, auf eine nicht hinreichend sorg-
faltig untersuchte Erscheinung weitgehende
theoretische Schlüsse gebaut, und im Eifer
des Schliessens versäumt, sich der Festigkeit
der Unterlagen seines theoretischen Gebäudes
zu vergewissern.
Die Abhandlung enthält im Übrigen
noch eine Anzahl gut beobachteter That-
sachen, die chemische Wirkung der Säule
betreffend. Es ist insbesondere ganz richtig
aufgefasst, dass an dem einen Pole stets
reducirende, am anderen stets oxydirende
Wirkung stattfindet, dass es hierbei gar nicht
auf die Natur des Metalls ankommt, an dem
diese Oxydation oder Reductton vor sich
geht, so dass man mittelst der Kette die seltsamsten scheinbaren Umkehrungen
der chemischen Verwandtschaft erzielen kann. So hat er Zink auf Kupfer,
Kupfer auf Silber oder Gold u. s. w. niedergeschlagen. In unserer Zeit, wo
die Vorgänge der Galvanoplastik jedem geläufig sind, können wir uns kaum
vorstellen, welchen überraschenden Eindruck diese allem Bekannten wider-
streitenden Erscheinungen machen mussten. In seiner gewohnten weit-
greifenden Weise schliesst Ritter die Mittheilung dieser Versuche mit den
Worten:
„Wie viel diese chemischen Paradoxieen zur Erläuterung so mancher
bisher so genannter Verwandtschaftsanomalieen beitragen müssen, wird Jedem
von selbst einleuchten; der Physiolog darf sich freuen, an Platzen, wo sich
freier und genauer darüber experimentiren lasst, das wieder zu finden, was
ihm bis dahin bloss als Eigentümlichkeit des Organischen bekannt war, als
Assimilation des Homogenen, totale Umkehrung der gewohnten Ordnung
der chemischen Verwandtschaften u. s. w., und der denkende Experimentator
wird wissen, was ihm durch diese wenigen Erscheinungen schon angedeutet
sei, und wie unendlich viel er von nun an noch zu suchen und zu finden
habe."
4. Weitere Erörterungen über die Zersetzung des Wassers.
Gegen die Bündigkeit des Beweises der Einfachheit des Wassers durch Ritter's
Versuche wurden freilich bald Einwendungen gemacht, am eingehendsten
1 Obwohl für das im Text lu BehanJelnde die Fig. 56 aus Ritter's Arbeit nicht näthig
war, habe ich doch nicht unterlassen wollen, sie herüber zu nehmen, da sie das Urbild einer
□och heute Überaus verbreiteten Apparatform darstellt. ,
Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule. j£^
von P. L. Simon * und L. A. von Arnim, 2 die insbesondere zeigten, dass die
Schwefelsäure ebenso wie Wasser unter dem Einflüsse der Säule Sauerstoff
und Wasserstoff ausgiebt, nur letzteren in stark vermindertem Maasse, weil
sich daneben Schwefel in Substanz abscheidet.
Auch Ritter ist später auf diese Frage zurückgekommen und hat8 die
Unrichtigkeit seiner Beobachtung zugegeben. Dagegen erklärte er, dass man
seinen Versuch nur richtig aufzufassen brauche, um das gleiche Resultat,
dass das Wasser bei dem Versuche nicht in seine Bestandtheile gespalten
werde, zu erhalten.
„So ist es nun; — und doch, — wer sollte glauben, dass dessen unge-
achtet in diesen Versuchen der vollkommenste Beweis enthalten ist von dem,
was sie beweisen sollten. . . . Aber so geht es oft, dass wir in einem Mittel,
zu dem wir uns, um irgend etwas damit zu beweisen getrieben fühlen, das
wahre Beweisende anfangs nicht erkennen, sondern mühsam eine andere
Eigenschaft darin aufsuchen, an die wir unseren Glauben heften, den das
dunkle Gefühl der Wahrheit uns aufnöthigt. Wehe dann, wenn darauf ein
trockener Gegner, indem er die Nichtigkeit unseres Beweises darthut, damit,
dass dieser Beweis nichts galt, uns und Anderen überhaupt weiss macht, dass
nichts zu beweisen vorhanden sei. . . . Auf diese Weise sind die köstlichsten
! Dinge auf Jahrhunderte in die Vergessenheit zurückgeschickt worden."
I Der Beweis, den Ritter nun mit gewohnter Ausführlichkeit giebt, lässt
sich kurz dahin zusammenziehen, dass er zwischen die beiden Wassermengen
seines Apparates (Fig. 54, S. 160) auf den Boden des Schenkelrohres Flüssig-
keiten bringt, die entweder Wasserstoff oder Sauerstoff nicht durchlassen,
weil sie sich mit dem einen oder dem anderen verbinden. Für den Wasser-
stoff soll die von ihm benutzte Schwefelsäure diesen Dienst thun, was
einigermaassen zweifelhaft ist, für den Sauerstoff benutzt er eine Lösung
von Schwefelleber (Schwefelkalium}, gegen die in dieser Hinsicht nichts ein-
zuwenden ist. Verfolgt man ein Sauerstofiatom, nachdem das Wasserstoff-
atom abgetrennt worden ist, auf seinem Wege nach der anderen Seite, so
müsste es in dem Augenblicke, wo es in die Schwefelkaliumlösung eintritt,
auch von diesem gebunden werden, und könnte nicht auf der anderen Seite
erscheinen, wie es dies doch thut.
In der That lässt sich gegen dieses Argument wenig einwenden. Nur
darf nicht übersehen werden, dass es sich wieder um dieselbe Schwierigkeit
handelt, die bei allen Erörterungen über die Zersetzungen durch die Säule
ungelöst geblieben war: wie gelangt der zweite Bestandtheil an den anderen
Draht in demselben Augenblicke, wo der erste an dem einen Draht erscheint?
Konnte diese Frage auch erst viel später beantwortet werden, so wurde
doch nach einer anderen Seite ein wissenschaftlicher Abschluss der Ange-
legenheit bewirkt, indem von P. L. Simon,4 Professor an der Bauakademie
in Berlin, eine bestimmte, mit der Sache in nächstem Zusammenhange
1 Gilberte Ann. 8, 32. 1801. 2 Ebenda S. 182.
* Ebenda 9, 284. 1801. 4 Ebenda 10, 282. 1802.
11*
l54 Siebentes Kapitel.
stehende Frage mit sachgemässen Mitteln der Lösung zugeführt worden ist
Simon stellte sich nämlich die Aufgabe, zu untersuchen, ob die bei der
galvanischen Wasserzersetzung entstehenden Gase an Gewicht genau ebenso
viel betragen, als das verschwundene Wasser. Die Fragestellung war für
jene Zeit keineswegs so überflüssig, wie sie uns jetzt erscheint, denn abge-
sehen von den Ansichten Ritter's war das Gesetz von der Erhaltung de*
ponderablen Substanz damals erst eine ziemlich neue Erwerbung, und
Behauptungen, wie die, dass bei der elektrischen Zersetzung Stoffe aus den
Metallen oder Flüssigkeiten der Säule in die Zersetzungsproducte übergehen,
wurden keineswegs für unwahrscheinlich gehalten. Hatte kurz vorher Graf
Rumford durch sorgfältige Wägungen von Wasser und Eis nachgewiesen,
dass der „Wärmestoff*' kein Gewicht hat, so war ein ähnlicher Nachweis für
das elektrische „Fluidum" mindestens von demselben Belange.
Simon schildert nun zunächst einen misslungenen Versuch, bei dem der
Gewichtsverlust des Wassers viel grösser war, als das Gewicht der gebildeten
Gase. „Das Gasgemenge, welches sich im ersten Apparate entwickelt
hatte, konnte aus diesem Grunde am Gewichte nur 1.56 französische Gran
betragen; da aber das Wasser 2.2 fr. Gran am Gewichte verloren hatte, so
waren 0.64 Gran Wasser mehr verschwunden, als die erhaltene Gas-
menge wog
„Woher nun diese Abweichung in Rücksicht des Gewichts? — Ich hatte
diese Abweichung nicht erwartet, sondern während des ganzen Versuches
geglaubt, der Übereinstimmung sehr nahe zu kommen. Dass diese Über-
einstimmung beim Vergleiche des Ganzen ausblieb, dafür konnte ich keinen
anderen Grund finden, als dass wahrscheinlich Wasser an die entweichende
Gasart gebunden und mit ihr herübergeleitet worden, oder dass ungeachtet
des äusserst engen Entbindungsrohres doch Wasser verdünstet sei, wiewohl
im Inneren des Rohres keine Spur Wasser zu bemerken war. Die erste
Ursache hätte ich freilich vorhersehen können, wenn man immer an alles
dächte, woran man denken sollte."
Simon wiederholte nun den Versuch unter Anwendung der erforderlichen
Vorsicht, indem er den in Fig. 57 abgebildeten Apparat benutzte. „Ich
nahm eine Röhre Aß, (Fig. 57, S. 165), in welche unten in A ein Platindraht
eingeschmolzen war, füllte sie mit frischgekochtem destillirten Wasser, und
kittete oben in B die Communicationsröhre C nebst dem zweiten Platin-
drahte gleichfalls luftdicht ein. Das andere Ende der Communicationsröhre C
war auf gleiche Art mit einer zweiten Röhre DE verkittet. In diese Röhre
wurde von D bis F reines Quecksilber gegossen; der Raum darüber von
E bis F mit frisch geschmolzenem und gepulvertem salzsauren Kalke gefüllt,
und hierauf in E eine zweite Communicationsröhre eingekittet, die in die
kleine unten zugeschmolzene Röhre GH, welche wieder mit reinem Queck-
silber gefüllt war, bis nahe an den Boden derselben herabging. Aus dem
oberen Theile der Röhre H ging endlich das letzte Entbindungsrohr F in
eine Schale mit Quecksilber unter eine darüber gestellte Glasglocke, die wie
Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule.
165
im vorigen Versuche mit frisch darin aufgekochtem Wasser gefüllt war. Bei
diesem Apparate, den Fig. 57 in seiner wahren Grösse darstellt, waren alle
Korkstöpsel vermieden, alle Fugen mit aufgeschmolzenem Siegellacke ge-
sichert, und alle Communicationsröhren aus haarförmigen Thermometerröhren
gebildet. Der salzsaure Kalk war bestimmt, die Gasart von aller anhängenden
Feuchtigkeit möglichst zu befreien, und das Quecksilber sollte verhindern,
dass der salzsaure Kalk
nicht bei zu grosser
Nähe des Wassers in
der ersten und letzten
Röhre bei seinem
grossen Hang, Feuch-
tigkeit anzuziehen,
nachtheilige Verände-
rungen erlitte, die das
Resultat dieser Ver-
suche zweideutig ge-
macht hätten. Nach-
dem ich mich über-
zeugt hatte, dass alle
Theile vollkommen
luftdicht schlössen,
wurde am 12. Sep-
tember der Apparat
gewogen und mit einer
VoLTA'schen Säule von
50 Schichtungen, wie
bei den ersten V er-
suchen in Verbindung
gesetzt. Die Ge-
wichtsveränderung be-
stimmte ich von 8 zu
8 Tagen, und erhielt
die Säule unausgesetzt in voller Wirksamkeit, indem ich sie, so wie sie anfing
schwächer zu wirken, sogleich mit frisch geschichteten Säulen vertauschte."
Dieser Versuch wurde durch eine Zeit von 10 Wochen und 2 Tagen
fortgesetzt und ergab schliesslich eine Gasmenge von 27,54 Kubikzoll oder
etwas mehr als einem halben Liter, deren Gewicht Simon auf 4,61 Gran
berechnet. Der beobachtete Gewichtsverlust betrug 4,60 Gran, stimmte
also völlig mit dem berechneten Gewichte der Gase überein.
Durch das Ergebniss dieses für jene Zeit bemerkenswert!! genau und
gross angelegten Versuches verloren die Speculationen über die Überfuhrung
wägbarer Stoffe durch die Leitung der Elektricität in den Metallen ihren
Boden. Dieser Schlag wurde von denen, die es anging, lebhaft empfunden,
Fig. 57. Nach Simon.
l66 Siebentes Kapitel.
und es finden sich in der Litteratur jener Zeit sogar Erörterungen, die die
Unrichtigkeit der Versuche Simonis beweisen sollen. Indessen wurde kurze
Zeit darauf durch J. F. Erdmann1 ein ganz ähnlicher Versuch veröffentlicht,
welcher das gleiche Resultat gab. Dadurch ist denn die Angelegenheit end-
gültig entschieden worden.
An die Mittheilung dieser Versuche schliesst Simon noch ein anderes
Experiment von bemerkenswerther Beschaffenheit. Er berichtet folgendes
darüber. „Ich führte oben an, dass es noch an Beobachtungen fehle, woher
den beiden dargestellten Basen, dem Oxygen und dem Hydrogen, der
Wärmestoff zugeführt werde, der sie zu expansiblen Flüssigkeiten macht. . . .
„Eine gewöhnliche, mit zwei Korken verschlossene Glasröhre wurde in
beiden mit Platindrähten, und zugleich im oberen Korke mit einem kleinen
äusserst empfindlichen Luftthermometer versehen. Beide Drähte waren an
ihrem Ende so gebogen, dass sie an der Kugel anlagen, und dass also die
Bildung der Gasarten unmittelbar an dem Glase der Thermometerkugel statt-
finden musste. . . . Man war nicht im Stande, die geringste Veränderung am
Thermometer zu bemerken, ungeachtet die Gasentwickelung so lebhaft vor
sich ging, dass in der Minute 6 Kubiklinien Gas gebildet wurden. . . . Die
VoLTA'sche Säule stellt also hier die beiden Gasarten aus dem Wasser, ohne
die Temperatur dieser Flüssigkeit zu verändern, dar. . . . Ich habe schon
mehrere Wahrnehmungen gemacht, welche mir für die Meinung zu sprechen
scheinen, dass die VoLTA'sche Säule sehr geeignet ist, mehrere Stoffe in
einen Zustand zu versetzen, wo wir einen vorzüglichen Antheil gebundenen
Wärmestoffes in ihnen annehmen."
Diese letzten Bemerkungen weisen darauf hin, wie selbst zu jener Zeit,
wo Volta noch glauben konnte, in seiner Säule ein Perpetuum mobile
erfunden zu haben, Energiebetrachtungen sich den Forschern, ihnen selbst
unbewusst, als wesentlich aufdrängten. Bald darauf wusste Davy die energie-
zuführenden Wirkungen der Säule soweit zu steigern, dass er die Alkali-
metalle aus ihren Verbindungen isolirte.
Das Verdienst dieser Arbeit Simonis erhellt besonders deutlich aus der
kurz vorher von W. Gruber, Hofapotheker zu Hannover, gemachten Angabe,2
nach welcher bei der Behandlung des Wassers mit der VoLTA'schen Säule
gar kein Gewichtsverlust erfolgen soll. Gruber beschreibt sehr umständlich
seine Versuchsanordnung; er giebt an, dass seine Waage noch 1/4 Gran sehr
deutlich angebe, und schliesst: „Diesen Versuch habe ich vier Mal wieder-
holt, und jedes Mal nicht den geringsten Verlust an der gebrauchten Wasser-
menge erfahren, welches mir zu beweisen scheint, dass die entbundene
Luft nicht der Zersetzung des Wassers, sondern der der galva-
nischen Materie zuzuschreiben sei." Auch verfehlt Gruber nicht, als-
bald auf die weitgehenden Schlussfolgerungen hinzuweisen, die sich aus seiner
Beobachtung ergeben.
1 Gilbert's Ann. 11, 2ii. 1802. * Ebenda 8, 227. 1801.
Die chriiiischcu Wirkun|>an der Volta'schen Säule.
_iö7
5. Fortsetzung. Wir greifen wieder auf die Zeit zurück, wo die erste
Kunde von der Voi-TA'schen Säule sich in Deutschland verbreitete.
Der Herausgeber der Annalen der Physik, Gilbert, theilte alsbald seine
Versuche über die Säule mit1 Neues enthalten sie den oben beschriebenen
Untersuchungen gegenüber kaum. Sie beschäftigen sich hauptsächlich mit
der Erscheinung des Funkens beim Schluss der Säule durch einen Draht.
Von einiger Bedeutung ist die sorgfältige Beschreibung der technischen
Einzelheiten für den Aufbau des Appa-
rates; die Abbildung der GiLBERT'schen
Säule ist beistehend 'Fig. 58) gegeben.
Gleichfalls von Bedeutung für das
Technische der VoLTA'schen Säule ist die
Angabe von Ritter,1 dass man das bis
dahin fast ausschliesslich benutzte Silber
in der Säule ohne erhebliche Einbusse
an Wirkung durch Kupfer ersetzen kann;
es war dies eine Verbesserung, die als-
bald in Gebrauch kam und blieb.
Nach einer Unzahl kleiner Nach-
richten, die nichts von Belang enthalten,
ist dann von Ritter3 wieder der erste
grössere Aufsatz über unseren Gegenstad
mitgetheilt worden. Ritter beginnt mit
einem Ausspruch des der VoLTA'schen
Säule zu Grunde liegenden Additions-
princips, von dem er mit Recht be-
merkt, dass er es in seinen früheren
Schriften deutlich ausgesprochen habe.
In seinem „Beweis, dass ein beständiger
Ga'vanismus den Lebensprocess im Thier-
rcich begleite-' (vgl. S. 68' hat er den
Satz formulirt: „Sich entgegengesetzte viK. 58. Nach Gilbert.
liestimmungsgründe für Actionen gleicher
Grosse heben einander auf; wenn sie ungleich sind, hebt der schwächere von
dem stärkeren so viel auf, als er, der schwächere, beträgt; Überhaupt aber
gleicht die Grösse der wirklichen Thätigkeit der galvanischen Kette der
Differenz zwischen der Grössensumme der nach einer Richtung bestimmten
Actionen, und der Grössensumme der nach entgegengesetzter Richtung
bestimmten, und ihre Richtung ist die der grösseren der beiden Summen."
Ritter fährt dann in seinem Brief an Gilbert fort:
„Sie sehen, wie leicht es gewesen wäre, längst auf sie [die Säule] zu
kommen, und uns so jetzt im Besitze dessen zu sehen, was sie uns binnen
> Elt-n.Ia 7. 43'-
> 7. 3r->
l68 Siebentes Kapitel.
mehreren Jahren erst entdecken lassen muss. Aber so geht es uns überall!
Hinterher wissen wir immer ganz genau, dass es so sein musste, aber von
wie wenigem wissen wir, dass es so sein wird. Nur selten öffnet uns die
Natur auf Augenblicke die Augen, um es uns doch zu zeigen, was wir ver-
möchten, wenn wir es nur wagen wollten, sie länger offen zu halten. Denn
wirklich dürfen wir nur sehen, um zu finden, und selbst dem Suchen
geht dies Sehen überall voran; denn wie will man suchen, ohne zu wissen,
was. Es ist noch nicht bekannt, auf welchem Wege Volta zu seiner Ent-
deckung gelangt ist. Aber unverzeihlich bleibt es mir immer, ihr so in der
Nähe gewesen zu sein, ohne von dem, was ich täglich in Händen hatte,
Anwendung zu machen."
Neben dieser lehrreichen Selbstbetrachtung enthält Ritter's Brief eine
Anzahl sehr interessanter, aber mit unserem Gegenstande nicht in näherem
Zusammenhange stehende Beobachtungen über die Wirkung der Säule auf
die verschiedene Sinnesorgane, die durch die Rücksichtslosigkeit, mit der
sich Ritter im Verfolg seiner Versuche selbst misshandelte, nicht am wenigsten
bemerkenswerth sind.
6. Welches ist die typische Form der Säule? Volta hatte seine
Säule in der Ordnung Silber, Zink, Flüssigkeit, Silber Flüssigkeit,
Silber, Zink gebaut, und nach dem gleichen Schema verfuhren die englischen
Forscher. Demnach war das Silberende der Säule negativ und das Zink-
ende positiv; der mit dem Silber verbundene Draht entwickelte Wasserstoff,
der mit dem Zink verbundene oxydirte sich oder gab Sauerstoffgas aus und
war positiv. Dem gegenüber betonte L. A. v. Arnim \ dass die beiden letzten
Metallstücke vollkommen überflüssig sind; man erhält ganz dieselben
Wirkungen, wenn man sie fortlässt, und die Säule in der Form Zink, Flüssig-
keit, Silber, Zink Zink, Flüssigkeit, Silber aufbaut. Dann sind aber
die Bezeichnungen Zink- und Silberpol zu vertauschen; der Zinkdraht ist
negativ und giebt Wasserstoff, der Silberdraht ist positiv und giebt Sauerstoff.
Dieser Darlegung stimmte der Herausgeber der Annalen der Physik,
Gilbert, bei s, indem er bemerkte: „Die eigentliche Wirksamkeit der Säule
beruht auf der Berührung des Zinks mit einer liquiden Flüssigkeit (!), welche
das Zink zu oxydiren vermag. Dies beweisen nicht nur Davy*s Versuche, . . .
sondern auch schon der von Volta bemerkte Umstand, dass der nasse Leiter
mit Zink und Silber in Berührung sein muss, indess beide Metalle durch
andere Metallscheiben, unbeschadet der Wirksamkeit der Säule getrennt
werden können."
Die gleiche Bemerkung machten um dieselbe Zeit Erman 8, Bookman *,
Gruber6 und Andere, so dass die Sache erledigt schien.
Indessen blieb sie keineswegs erledigt. Im folgenden Bande von Gilberts
Annalen findet sich eine Arbeit von Ritter6, in welcher mit unglaublicher
1 Gilbert's Ann. 8, 166. 1801. * Ebenda 8, 166, Anmerkung. 1801.
* Ebenda 8, 198. 180 1. 4 Ebenda 8, 139, 1801.
R Ebenda 8, 216. 1801. • Ebenda 9, 212. 1801.
)
Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule.
^69
Umständlichkeit bewiesen wird, dass eine solche Bezeichnungsweise der
•VoLTA'schen Anschauung, wonach die Wirkung seiner Säule von einer
Elektricitätserregung bei der Berührung der Metalle unter einander abhänge,
im Widerspruch stehe. Nachdem er 20 Seiten lang diesen Beweis geführt
bat, schreibt er: „Sie sind müde, ich auch; aber fertig sind wir noch nicht."
Und nun fuhrt er denselben Beweis noch einmal, und in einem Zusatz noch
tum dritten Male, so dass schliesslich der ganze Nachweis 51 Seiten zum
Theil engen Druckes einnimmt Anf den Herausgeber der Annalen hat der
Effekt dieser Massenwirkung sich in der That geltend gemacht, indem er
seinen früheren Vorschlag zurücknahm, und mit Ritter die Benennung der
Pole wieder umkehrte; auch die meisten anderen Physiker Hessen sich be-
kehren, insbesondere da in der Folge die VoLTA'sche Auffassung überall
durchdrang.
Diese Widersprüche haben deshalb ein Interesse, weil bis auf den
heutigen Tag noch eine gewisse Verwirrung in der Bezeichnung der Pole
VoLTx'scher Ketten herrscht. Gewöhnlich nennt man das Zinkende einer
einfachen Kette positiv; prüft man es aber am Elektrometer, so ist es
negativ elektrisch, und umgekehrt der gewöhnlich negativ genannte Kupfer-
pol positiv.
Wie in vielen ähnlichen Fällen musste, bevor die Frage: welches ist
die fundamentale Anordnung der Kette? beantwortet werden konnte, erst die
andere Frage erledigt sein: sind überhaupt zur Zeit die Mittel vorhanden,
jene Frage zu beantworten? Soviel war sicher: damit der einfachste Fall
galvanischer Wirkung stattfinden kann, müssen drei Leiter lx, 12, 13 unter
einander in gegenseitiger Berührung stehen. Wo aber ist das Dreieck W
auseinanderzuschneiden, damit die fundamentale Kette nachbleibt? Die
Antwort war darum auf keine Weise zu finden, weil jeder Prüfungsapparat,
den man zwischen je zwei Glieder der Kette bringt, neue Berührungen be-
dingt, und somit neue Bestimmungsstücke in die Kette bringt. Dieses Ver-
haltniss war schon von Ritter eingesehen worden, und kommt in einer
langen Abhandlung von Reinhold1, die in ähnlichem Geiste geschrieben ist,
noch deutlicher zur Geltung. Reinhold glaubte nun allerdings im wasser-
freien Alkohol den gesuchten Stoff gefunden zu haben, mittelst dessen man
die Kette mit dem Elektrometer verbinden könnte, ohne weitere Spannungen
einzuführen. Er baute daher Ketten von der Gestalt SHZASHZ ,
wo die Buchstaben nach einander Silber, Wasser, Zink, Alkohol bedeuten,
und schloss sie durch einen Froschschenkel; er beobachtete keine Wirkung.
Dagegen erhielt er von einer Kette SZHASZHA... ZH Wirkungen, und
schloss daraus, dass die Metallberührung, und nicht die zwischen Metall und
Flüssigkeit die Wirksamkeit der Kette bedinge. Da wir indessen jetzt wissen,
dass dem Alkohol keineswegs die ihm von Reinhold zugeschriebene Un-
wirksamkeit eigen ist, so ist damit auch der Beweis selbst hinfällig.
1 Gilbert's Ann 10, 301. 1802.
I 7Q Siebentes 'Kapitel.
7.DieBewegungserscheinungen desQuecksilbers. Eine auffallende '""
Erscheinung, die später für die chemische Theorie des Galvanismus voll ^
grösster Bedeutung werden sollte, hat Ritter l, wenn auch nicht zuerst ge- ^
sehen, doch zuerst genauer untersucht. Es sind dies die Bewegungen, welche v:
das Quecksilber zeigt, wenn es in den Kreis einer VourA'schen Säule :K
zwischen zwei feuchte Leiter gebracht wird. Ritter schreibt darüber: ~
„Das Phänomen der Erschütterung des Quecksilbers, was sich auf eine -:
schickliche Art in der Kette der Batterie befindet, hat Volta zuerst be- :
merkt. 2 Er brachte Quecksilber in einer V-Röhre, auf beiden Seiten mit -
Wasser übergössen, in die Kette der Batterie, und sah es auf der Seite, wo :
es Gas gab, in eine sehr merkliche und unaufhörliche Bewegung über- ;:
gehen." ...
Ritter erwähnt, dass er die Erscheinung zuerst übersehen habe; später 'i
habe er sie eingehend untersucht. „Wenn Quecksilber in einer Röhre ein- ■':
geschlossen ist, die so gebogen ist, dass ihre Schenkel wieder parallel in :
die Höhe gehen, über das Quecksilber auf beiden Seiten Wasser gegossen ;
ist, und in dieses Drähte reichen, deren einer mit dem Zink-, der andere ^
mit dem Silberende einer starken Batterie verbunden wird, so steigt dasselbe .
im Augenblick der Schliessung auf der Seite, deren Wasser mit dem Zink- -
ende verbunden ist, also da, wo es WasserstofTgas giebt, und fällt hingegen
auf der anderen Seite, d. h. da, wo es sich oxydirt. Es behauptet seine
Stände, während die Kette geschlossen bleibt, ja jeder, besonders der auf
der Zinkseite, nimmt eher nach und nach etwas zu. Offnet man wieder, so
fällt es wieder auf seinen vorigen Ort zurück, setzt sich aber doch erst
nach mehreren Schwankungen wieder ins ruhige Gleichgewicht. Greift man
in die entsprechenden dieser Schwankungen ein, so kann man es durch .
wiederholte Schliessungen und Trennungen in kurzem so weit bringen, dass
der Unterschied des Niveaus bei einer Röhre, deren jeder Schenkel 12 Zoll
hoch und */4 bis 1/s Zoll weit ist, einen, ja etliche Zoll beträgt, so dass zu-
letzt, wenn die Umstände es erlauben, das Wasser über dem Quecksilber,
und auch wohl dieses mit, zu beiden Seiten oben zur Öffnung der Röhre
anfängt herabzustürzen. Lässt man auf der Silberseite das Wasser weg
und bringt den Draht dieser Seite geradezu ins Quecksilber, so steigt bei
der neuen Schliessung das Quecksilber gerade wie zuvor, und zwar wegen
besserer Leitung, und weil weniger Wasser in der Kette ist, stärker. . . .
Lässt man auf der Zinkseite das Wasser weg, so fällt das Quecksilber im
anderen Schenkel kaum, sondern es überzieht sich, wie immer auf dieser
Seite mit einer steifen Haut, dem ersten Anfange der Oxydation. Es ist
überhaupt, als würde das Quecksilber auf dieser Seite starrer, während es
auf der anderen, wenn Wasser über ihm ist, flüssiger wird, und höchst
deutlich wird dies eben in dem Fall, wo auf beiden Seiten Wasser ist.
Indem hier das Quecksilber auf der einen Seite steigt und auf der anderen
1 Voigt's Magazin, 4, 637. 1802. 2 Gilbert's Ann 8. :*)6, 180!
Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule. 171
It, fallt es nicht mit seiner ganzen Convexität, sondern die Ränder be-
upten sich zunächst und die Oberfläche des Quecksilbers wird concav. . . .
iss diese Starrheit nicht von der Oxydhaut herkommt, findet sich in Ver-
dien, wo man eine alkalische Flüssigkeit anstatt des Wassers angewandt
X, in welcher bekanntlich das Quecksilber, wie alle oxydirbaren Metalle,
>ch genöthigt wird, den Sauerstoff auch als Gas zu geben. Auf der ent-
.^gengesetzten Seite scheint das Quecksilber hingegen ganz ausserordentlich
assig, und wie in einer immerwährenden inneren Rotation zu sein, die sich,
enn Unreinigkeiten im Wasser sind, auf das bestimmteste verfolgen lässt."
Diese gut und genau beobachteten Erscheinungen sind zu der Zeit, wo
jtter sie mitgetheilt hat, ganz ohne Folgen geblieben. Erst sehr viel
päter haben sie nicht nur zur Herstellung eines ungemein empfindlichen
Llektrometers geführt, sondern sogar zu der Lösung des Hauptproblems der
roLTA'schen Kette, zur Beantwortung der Frage nach der Grösse der an
len verschiedenen Grenzflächen der Leiter vorhandenen elektromotorischen
Cräfte. Auch in einer anderen Beziehung bietet die Beschreibung des Ver-
■uches Interesse. Das Quecksilber, dessen ausserordentliche Beweglichkeit
vitter auffiel, war, wie aus den Versuchsumständen mit Sicherheit hervor-
geht, nichts anderes, als Kaliumamalgam geworden, und Ritter hatte hier
len Stoff in Händen, der wenige Jahre später die ganze wissenschaftliche
A'elt in die höchste Aufregung versetzen sollte.
Die weitere Beschreibung von Ritter's Versuchen und der daraus ge-
u>genen Schlüsse würde zu weit führen. Ritter überzeugte sich, dass das
Quecksilber weder schwerer oder leichter wird, noch auch sein Volum
ändert, sondern er schreibt die Erscheinung ganz richtig einer blossen Form-
änderung der Quecksilbersäule zu. Dass es sich hier um eine Änderung der
Oberflächenspannung handelt, konnte er bei dem damaligen rudimentären
Zustande dieser Lehre schwerlich einsehen. Doch ist noch der folgende
Passus bemerkenswerth, aus dem das richtige Verständniss des Wesens der
Erscheinung deutlich sichtbar wird. „Ich übergehe eine grosse Menge
weiterer Versuche, um aus den angeführten nur das Resultat zu geben,
dass alles, soweit der Stand und die Form der Quecksilbersäulen davon ab-
hangen, ein blosser Grenzprocess mit dem Wasser war." In der That
Hegt die ganze oben angedeutete Wichtigkeit der Erscheinung für die Theorie
in dem Umstände, dass es sich hier um einen Vorgang in der Grenzfläche
zwischen dem Quecksilber und dem feuchten Leiter handelt.
Die weitere Geschichte der Bewegungserscheinungen am Quecksilber
wird später im Anschluss an die Arbeiten Lippmann's gegeben werden.
8. Legirungen. Eine spätere Arbeit Ritters1 von allgemeinerem In-
teresse bezieht sich auf die Methocjen zur Bestimmung der Stelle, welche
verschiedene metallische Stoffe in der Spannungsreihe einnehmen. Zu jener
Zeit, wo das in dieser Hinsicht so überaus bequeme Galvanometer noch
1 Gilberts Ann. 16, 293. 1804.
172 Siebentes Kapitel.
nicht existirte, war dies keine ganz einfache Sache, und Ritter setzt dem* r»
gemäss drei verschiedene Methoden auseinander, die übrigens alle auf der '2
S. 1 1 2 erwähnten Verschiedenheit beruhen, die der Froschschenkel in Bezug n
auf die Richtung der ihn durchsetzenden Ströme zeigt, und deren An- «i
wendung somit der ganzen Unsicherheit unterworfen ist, der dieses physio- ♦
logische Galvanoskop unterliegt. Doch ist es ihm trotz der mangelhaften ?
Methode gelungen, einiges von Belang zu ermitteln. :
Der Anlass zu seiner Arbeit war das Palladium, um welches gerade 1:
zu jener Zeit einiger Lärm entstanden war. Im April 1803 war in London :
eine anonyme Anzeige erschienen, in der die Entdeckung eines neuen -
Metalls nebst der Beschreibung einiger seiner Eigenschaften enthalten war; -
dazu war bemerkt, dass es in London bei einem bekannten Mineralien- *,
händler zu einem Schilling das Gran käuflich sei. Ein um jene Zeit wohl- *
bekannter Chemiker, der sich sein damaliges Ansehen allerdings mehr durch .
die auffallende und lärmige Art seiner Schriften, als durch die Gediegenheit ,
seiner Arbeiten erworben hatte, R. Chenevix, kaufte die Hauptmenge des ,
Stoffes auf, bestätigte die Richtigkeit der Angaben des Unbekannten bezüg-
lich der Eigenschaften des Metalls, behauptete aber, es sei nicht einfach,
sondern aus Platin und Quecksilber zusammengesetzt; das Quecksilber sei
aber in der Legirung so fest gebunden, dass es auch beim heftigsten Glühen
nicht entweiche und überhaupt nicht mehr nachweisbar sei. Dagegen könne
man Palladium mit allen seinen Eigenschaften erhalten, wenn man Platin-
lösung mit Quecksilberoxyd neutralisirt, mit Eisenvitriol reducirt und das
erhaltene schwarze Metallpulver zusammenschmilzt. Der Unbekannte eriiess
darauf eine zweite Anzeige, dass er demjenigen, der aus Platin und Queck-
silber Palladium zusammensetzen könne, 20 Pfund Sterling, die bei dem-
selben Mineralienhändler niedergelegt waren, als Preis verspreche. Dieser
Preis wurde von Niemandem erhoben, auch von Chenevix nicht, und bald
darauf erklärte Wollaston, dass kein anderer, als er, die anonyme Anzeige
verfasst habe; er hatte das Palladium bei Gelegenheit seiner Versuche,
schmiedbares Platin herzustellen, neben einem anderen Metall, das er Rhodium
nannte, im rohen Platin entdeckt. Chenevix musste seinen Irrthum eingestehen
und entschädigte sich dafür, so gut es ging, durch den Ausdruck einer
tugendhaften Entrüstung über Wollaston's ungewöhnliches Vorgehen.
Dieses vielumstrittene Material war es nun, mit dem Ritter seine Ver-
suche anstellte. Er fand es in der Spannungsreihe noch über Platin stehend,
und keineswegs, wie er erwartete, zwischen Quecksilber und Platin; auch
verhielt sich das von „Hrn. Chenevix zusammengesetzte Palladium, und das
ältere, welches zu London käuflich gewesen war", vollkommen überein-
stimmend, woraus beiläufig mit grosser .Wahrscheinlichkeit hervorgeht, dass
es sich bei Chenevix um eine blosse Verwechselung eines seiner Schmelz-
produkte mit einem in seinem Besitze befindlichen Stücke wirklichen Palla-
diums gehandelt hat.
Da Ritter die vermeintliche Legirung so abweichend in ihrer elektri-
Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule.
173
sehen Stellung von der ihrer Bestandtheile gefunden hatte, so stellte er sich
die Frage, wie andere Legirungen sich verhalten würden. Die Ergebnisse
seiner Versuche waren sehr überraschend. Es ergab sich, dass ganz un-
glaublich geringe Mengen Metall die Stellung des Gemenges auf das stärkste
beeinflussen können. „Eine halbe Quadratlinie des dünnsten Stanniols be-
stimmt zwei ganze Drachmen Quecksilber, sogleich von ihrem Orte zwischen
Gold und Silber, sogar über das Zinn herunter, herabzuspringen, zwischen
Zink und Blei, und zwar ersterem näher, als letzterem, und dies ist noch
nicht genug. Bringen Sie in ein Loth des ganz reinen Quecksilbers eben-
falls nur 1/a Quadratlinie Stanniol, lösen diese darin auf und nehmen von
dieser Auflösung ein Tröpfchen von nicht mehr als 1/2 Linie Durchmesser,
ja noch weniger, lösen es in einem neuen Lothe reinen Quecksilbers auf
und untersuchen dieses in der Spannungsreihe. Sie finden es sogleich zwischen
Zinn und Blei. Dieses einzige Atom Zinn in einem ganzen Lothe Queck-
silber hat es tiefer gebracht, als 16 Loth Zinn es gebracht haben, und kaum
scheint die Grenze anzugeben zu sein, wo obiges Atom etwa zu klein wäre,
dies zu thun."
Ritter fasst seine Erfahrungen dahin zusammen, dass in Legirungen
eines der beiden Metalle sich zum charakterisirenden aufwirft, und zwar der
Regel nach das positive; nur im Falle von Zink und Kupfer und bei dem
Palladium, das er für ein Gemisch hielt, war das Gegentheil aufgetreten,
und Ritter hält solche Fälle für die weitaus selteneren.
Die Bedeutung seiner Beobachtung für die Frage der Spannungsreihe
überhaupt entging Ritter nicht; er wies mit Nachdruck darauf hin, dass
hier ein Grund dafür gefunden sei, warum die Reihen verschiedener Beob-
achter so weit voneinander abwichen, und er äusserte sich demgemäss sehr
pessimistisch über die Möglichkeit einer unzweideutigen Bestimmung der
Spannungsreihe überhaupt. Seine Warnungen sind indessen bald vergessen
worden ; freilich unterliegen diese Messungen ausserdem noch anderen Fehler-
quellen, die weit bedenklicher sind, als die von Ritter hervorgehobene.
9. Die Ladungs säule. Ein im übrigen nicht viel bekannt gewordener
französischer Forscher namens Gautherot hat unter anderen den folgenden
Versuch * beschrieben, an den sich später eine ansehnliche Entwickelung ge-
knüpft hat. „Als ich meine Versuche, nicht mit der VoLTA'schen Säule,
sondern mit seiner Tassenkrone fortsetzte, bemerkte ich, dass der brennende
Geschmack, welchen man erhält, wenn man zwei metallene Drähte in den
Mund nimmt, deren andere Enden in die äussersten Tassen des Apparates
tauchen; bemerkte ich, sage ich, dass, wenn die Drähte von Platin oder
Silber waren und ich sie nach dem Herausnehmen aus den Tassen mit-
einander in Berührung brachte, ich wieder einen leichten galvanischen Ge-
schmack empfand, welcher sogar einige Dauer besass, wenn man die beiden
1 Süe. Hist. du Galvaoisme, 2, 209. 1802, nach Memoires des societ£s savantes et
litteraires de la Republique francaise, 1, 471 uff.
174 Siebentes Kapitel.
Drähte in Berührung Hess, und welcher sich wiederholt erneute, wenn ma*
die Drähte mehrmals gegen einander bewegte. '-'"
„Dieser Geschmack ist noch deutlicher, wenn man die beiden Drähte ^
in eine Flasche mit Salzwasser bringt, indem man sie mittelst eines Korkes ;-
so festhält, dass sie einander nicht berühren können; taucht man nun die -
beiden anderen Enden in die äussersten Gefässe der Tassenkrone, oder be- 's
rührt mit ihnen die Enden einer gewöhnlichen Säule, wobei man vor allen -
Dingen den Augenblick abwartet, wo das Wasser sich in der Flasche zu -
zersetzen beginnt, und bringt man alsdann die beiden Drahtenden, die mit -"
dem Apparat in Verbindung waren, in den Mund, so ist der Geschmack "
deutlicher ausgesprochen; in einzelnen Fällen kann man sogar eine leichte -=
Erschütterung bemerken, auch hat die Wirkung eine längere Dauer. Auch *i
bin ich dazu gelangt, mittelst des neuen Apparates Wasser zu zersetzen.
„Dieser Versuch, welcher sich der Erklärung widersetzt, die man nach x
der elektrischen Theorie zu geben geneigt sein könnte, scheint mir von '
grosser Bedeuttung; und da er vielfach abgeändert werden kann, so wird er :
wahrscheinlich die Quelle oder Grundlage vieler anderen Experimente werden, :
und mehr, als ein anderer dazu beitragen, die Theorie dieses neuen Zweiges :
der Physik klarzulegen.
„Ein weiterer, sehr seltsamer Versuch ... ist folgender. Taucht man
die beiden Enden eines einzigen Platindrahtes in die äussersten Gefösse des
Tassenapparates, nähert nun die beiden Enden desselben, ohne dass sie
sich berühren, und bringt sie in den Mund, so empfindet man den galvani-
schen Geschmack, der um so ausgeprägter ist, je grösser der Durchmesser
der beiden Drähte ist.
„Es ist für das Gelingen dieses Versuches nicht nothwendig, dass die
beiden äussersten Tassen Salzwasser enthalten, da die salzige Lösung einige
Zweifel über die Ursache des Geschmackes hervorrufen könnte; um daher
jede Unsicherheit zu beseitigen und den Versuch in seine einfachste Ge-
stalt zu bringen, habe ich zwei wohlgereinigte Tassen mit destillirtem Wasser
gefüllt, habe diese beiden Tassen mit den äussersten Gefassen meines Ap-
parates durch zwei Platindrähte verbunden und dann in die Tassen mit
destillirtem Wasser die beiden Enden des Platindrahtes gesenkt, den ich zu
dem Geschmacksversuch benutzen wollte; ich habe diese den Leitungs-
drähten genähert, und die Entwickelung der Gasblasen abgewartet, die von
der Zersetzung des Wassers herrührten. Auf diese Weise erhalte ich das
Maximum von Geschmackswirkung, das bei derartigen Versuchen zu erzielen
ist. Ich glaube nicht, das man mit Volta diesen Geschmack der Wirkung
von Säure und Alkali zuschreiben kann, die aus der Zersetzung des Wassers
stammen; denn wenn man die beiden Enden des aus den Tassen ge-
nommenen Drahtes in reinem Wasser abspült, so kann man dennoch damit
einen sehr ausgesprochenen Geschmack hervorrufen; taucht man zum Ver-
gleiche die beiden Enden eines Platindrahtes in Salpetersäure einerseits, in
ein beliebiges Alkali andererseits, und dann in ein Glas Wasser, so genügt
X>ie chemischen Wirkungen der Volta' sehen Säule. 17c
dieses einfache Eintauchen, um sie völlig von diesen wirksamen Stoffen zu
befreien, und sie bringen hernach auf der Zunge nicht mehr die mindeste
Geschmackswirkung hervor. Dieser Versuch, den ich für grundlegend halte,
scheint mir die aufmerksamste Untersuchung zu verdienen.
„Die verschiedenen Meinungen der Gelehrten über die Erklärung dieser
merkwürdigen Erscheinungen lassen sich in drei Klassen bringen. . . .
„Einige Gelehrte, die die dritte Klasse bilden, glauben, dass ein un-
bekanntes Agens sich mit dem. elektrischen Agens verbinde, um damit zu-
sammen die galvanischen Erscheinungen hervorzubringen; sie stützen sich
darauf, dass verschiedene dieser Erscheinungen sich einer Erklärung gemäss
den bekannten Gesetzen der Elektricität widersetzen. Meine Versuche scheinen
dieser letzteren Meinung günstig zu sein. Jedenfalls ist es sicher, dass die
Zersetzung des Wassers mittelt meiner neuen Apparate nichts mit dem ge-
mein hat, was man von der Elektricität gegenwärtig weiss."
An die Versuche von Gautherot schlössen sich fast unmittelbar die
von Ritter,1 der nach seiner Mittheilung schon früher ähnliche Erscheinungen
beobachtet hatte und sie aus seinen allgemeinen Anschauungen erwartete.
Ritter knüpft an die von ihm untersuchten physiologischen Erscheinungen
an, welche sich vielfach nach dem Schema beschreiben lassen, dass im
Augenblicke der Öflhung des Stromes das Entgegengesetzte von dem geschieht,
was bei der Schliessung stattgefunden hatte. Er stellte sich demgemäss die
Frage, ob diese Umkehr nicht eine Eigenschaft aller Körper sei. „Diese
Frage war bejaht, als ich im Sommer 1801 fand, dass von zwei Golddrähten,
welche im Kreise der Batterie in der Glasröhre eine geraume Zeit Gas
gegeben hatten, derjenige, welcher Oxygengas gegeben hat, bei der Trennung
aus dem Kreise der Batterie nach einer sehr kurzen Pause noch einen
schwachen Strom Hydrogengas, der hingegen, welcher Hydrogengas gegeben,
nach gleich kurzer Pause einen schwachen Strom Oxygengas nachgebe.!'
Ritter schildert darauf einige Versuche, die denen von Gautherot ganz
ähnlich sind. Eine Erweiterung fand dahin statt, dass Ritter ausser Platin
noch eine ganze Reihe anderer Leiter für den Versuch tauglich fand, und
zwar „beinahe die ganze VoLTA'sche Reihe der Leiter erster Klasse, und
zwar im Allgemeinen um so mehr, je näher der Körper dem negativen Ende
der Reihe, dem krystallisirten Braunsteinoxyd lag. . . . Ferner verhielt sich
die Starke der Wirkung nur bis zu einer gewissen Anzahl Plattenpaare der
anfangs dazu angewandten Batterie wie diese Anzahl, und dann blieb sie
nach und nach stehen . . . ein Punkt, der für jedes Metall ein anderer war."
Hier lässt sich eine erste Andeutung des Polarisationsmaximums erkennen.
Ferner entging Ritter die Vergänglichkeit des Polarisationszustandes nicht.
„Doch bleiben die Einflüsse der Batterie auf die Metalldrähte . . . nicht für
immer in denselben zurück. Nur im Augenblicke nach der Trennung von
der Batterie sind sie mit dem Maximum zugegen; später nehmen sie ab
1 Voigt's Magazin, 6, 105. 1803.
176 Siebentes Kapitel.
— »
und verlieren sich nach und nach ganz, so dass, wenn man auch die Drahte fc*
nach der Trennung von der Batterie gar nicht untereinander berührt, sondern as
ganz ruhig liegen lässt, man nach Zeit von 1/2 bis 3/4 Stunden doch keine «
Spur von zurückgebliebenem Einfluss mehr erkennen kann. Schneller wird is
er aber durch wirkliche nachherige Berührung der Drähte unter sich erschöpft, 1«
und zwar um so schneller, je besser der Leiter zweiter Klasse dabei ist" 1
Während diese Versuche im Wesentlichen sich an die von Gautherot i
anschliessen, machte Ritter darin einen wichtigen Fortschritt, dass er auf t.
den Gedanken kam, eine Anzahl solcher veränderter Metalle zu einer Säule :s
zu schichten. „Es war nämlich im Anfange des December 1802, als mich *•
die ungemeine Ähnlichkeit solcher der Wirkung der VourA'schen Säule aus- :-
gesetzt gewesener Drähte mit galvanischen Ketten oder schwachen Batterieen ^
selbst veranlasste, statt der Drähte Platten zu nehmen, und zu versuchen, ;=
ob sich die Menge kleiner einzelner Spannungen dieser Platten nicht ebenso »
zu einer gemeinschaftlichen grossen Spannung und davon abhängender Wir- .
kung auflösen würde, wie das mit dem einzelnen Lagen bei Volta's Batterie *
der Fall ist. Auch waren mir durch die vorige Untersuchung fast alle Ele- ■,
mente gegeben, die mich dabei leiten konnten.
„Man schichte 50 Kupferplatten, wovon jede etwas grösser, als ein >
Laubthaler und etwa so dick, wie ein Kartenblatt, mit ebenso viel kochsalz-
nassen Pappen von ungefähr 2 Quadratzoll Fläche und 1 Linie Dicke, nach ,
der Ordnung: Kupfer, Pappe, Kupfer, Pappe, Kupfer u. s. w., und beschliesse
die Reihe zuletzt ebenfalls mit Kupfer. . . . Man verbinde jetzt das obere
Ende dieser Säule A durch einen Eisendraht mit dem + = oder dem
Oxygenpol, das untere Ende derselben durch einen anderen Draht mit dem
— = oder Hydrogenpol einer gewöhnlichen VoLTA'schen Batterie von 90 bis
100 Lagen . . . und lasse beides 3 bis 5 Minuten in Verbindung. Darauf
nehme man schnell einen oder beide Verbindungsdrähte ab, und verbinde
schliesslich A (was früher gar nichts gab) von einem Ende zum anderen
mit einem Eisendraht. Man wird nun einen schönen rothen sternförmigen
Funken haben. . . . Schliesst man, statt eines Eisendrahtes, mit einer Röhre
voll Wasser, welche . . . mit zwei Golddrähten versehen ist, die nahe anein-
ander stehen, so wird man sogleich mit der Schliessung an beiden Drähten
Gasentbindung haben. . . . Schliesst man statt der Gasröhre mit beiden Händen,
welche man vorher mit Kochsalz- oder Salmiakauflösung gehörig feucht
gemacht und mit Massen von Zink und Eisen armirt hat, ... so wird man
Schläge bekommen. . . . Bringt man, statt der einen von beiden Händen ein
Auge, ein Ohr, die Nase, die Zunge, oder sonst einen Theil des Körpers
in den schliessenden Kreis, so hat man in jedem dieser Organe dieselben
Empfindungen, die Volta's Batterie selbst zu geben pflegt . . .
„Scheint die Säule durch Schliessung . . . erschöpft zu sein, so darf man
sie meist nur eine kleine Zeit ruhen zu lassen, und sie wirkt sogleich von
Neuem wieder in einem ihrem Alter und den übrigen Umständen ange-
messenen Grade.
Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule. i r n
„Auch hat die Säule A während ihrer Verbindung mit der Batterie eine
bedeutende elektrische Spannung angenommen. ... Sie behält diese Spannung
nach der Trennung der Verbindung mit letzterer. Sie nimmt aber nach
und nach ab, bis sie zuletzt unmerklich wird. Die Spannung ist an ihr
ebenso projicirt, wie an Volta's Säule, und befolgt bei den Veränderungen
genau denselben Gang. . . Auch kann man bei jedem Grade der Spannung,
welchen die Säule A hat, eine Leidener Flasche an ihr bis zu dem nämlichen
Grade der Spannung laden, ohne dass man dabei einen davon herrührenden
Abgang an ihrer eigenen gewahr würde."
Nach dieser Darstellung der wesentlichsten Eigenschaften seiner „Ladungs-
säule" geht nun Ritter dazu über, eine grosse Anzahl einzelner Versuche
und Anordnungen zu beschreiben, die alle mehr oder weniger unmittelbare
Folgerungen aus dem Gesagten sind, so dass es nicht erforderlich erscheint, '
auf diese sehr weitläufigen Auseinandersetzungen einzugehen. Einiges Neue,
insbesondere über den Einfluss der Leitfähigkeit der Flüssigkeiten in der
VoLTA'schen und in der Ladungssäule, ist von unerheblicher Bedeutung.
Schliesslich sucht er noch durch Versuche nachzuweisen, dass die chemi-
schen und die physiologischen Wirkungen der Säule von einander un-
abhängig sind, und dass es eben so wohl möglich ist, chemische Wirkung
ganz ohne physiologische hervorzubringen, wie umgekehrt.
Während sich Ritter in dieser Mittheilung in einer ganz anerkennens-
werthen Weise auf dem Boden der Thatsachen hält, hat er diesen später,
durch seine immerfort thätige Phantasie zu weit geführt, mehr und mehr
unter seinen Füssen verloren, wie es scheint, nicht ohne die Schuld seiner
wissenschaftlichen Freunde und Anhänger. Ein seltsames Zeugniss davon
hat sich in einem Schreiben erhalten, das von Cht. Bernoulli an van Mons
gerichtet, und von diesem in seinem Journal de Chimie et de Physique,
Februar 1804, abgedruckt worden ist. Dieses Schreiben ist von dort in eine
ganze Anzahl anderer Zeitschriften übergegangen, unter anderen auch in
Gilberts Annalen. l
„Da Hr. Ritter gegenwärtig in der Nähe von Jena lebt, hatte ich keine
Gelegenheit, Versuche mit seiner grossen Batterie von zweitausend Stücken
zu sehen. . . Auch habe ich keine Versuche mit der von ihm neu erfundenen
Batterie gesehen, die aus einem einzelnen Metalle besteht, und die er die
Ladungssäule nennt.
„Dagegen habe ich ihn einen Louisd'or galvanisiren gesehen. Er legt
ihn zwischen zwei Stücke Pappe, die gut benetzt sind, und hält ihn sechs
oder acht Minuten in dem geschlossenen Kreise der Säule; und auf diese
Weise wird der Louis geladen, obwohl er nicht in unmittelbare Berührung
mit den leitenden Drähten kommt. Wird der auf diese Weise geladene
Louis mit den Cruralnerven eines frisch präparirten Frosches in Berührung
gebracht, so werden die gewöhnlichen Zusammenziehungen erregt. Ich hatte
1 Gilberte Ann. 24, 10 1. 1806.
Ostwald, Elektrochemie. 12
1 78 Siebentes Kapitel.
den so galvanisirten Louis in meine Tasche gesteckt, und Hr. Ritter sagte
einige Minuten darauf zu mir, dass ich diesen Louis zwischen den anderen
herausfinden könnte, wenn ich sie alle mit dem Frosch versuchen wollte,
Ich machte demgemäss den Versuch, und fand in der That unter den
anderen einen, dessen erregende Kraft sehr deutlich war. Diese Ladung
wird in dem Maasse länger zurückgehalten, als das Stück länger in dem
Kreise der Säule gewesen war. Von drei Louis, die Hr. Ritter in meiner
Gegenwart lud, verlor keiner seine Ladung in weniger als fünf Minuten.
Diese Versuche gelangen vollkommen, und nichts scheint so einfach, als sie
zu wiederholen.
„Dass das Metall so die galvanische Ladung behalten kann, obwohl es
mit der Hand oder mit anderen Metallen in Berührung steht, zeigt, dass
diese mehr Ähnlichkeit mit dem Magnetismus hat, als mit der Elektricitat,
und dem galvanischen Fluidum wird dadurch eine Zwischenstellung zwischen
beiden angewiesen.
„Hr. Ritter kann auf die eben beschriebene Weise eine beliebige An-
zahl von Stücken auf einmal laden. Es ist nur nöthig, dass die beiden
äussersten Stücke der gesammten Anzahl mit der Säule durch nasse Pappe
verbunden sind. l Mit so geladenen metallischen Platten, die abwechselnd
mit Stücken nasser Pappe aufeinander geschichtet werden, construirt Hr. Ritter
seine „Ladungssäule", die zur Erinnerung an ihren Erfinder die RiTTER'sche
Säule genannt werden sollte. Die Construction dieser Säule zeigt, dass
jedes auf diese Weise behandelte Metall Polarität annimmt, wie es die mit
einem Magnet berührte Nadel thut. Obwohl ich keine Gelegenheit gehabt
habe, die neue Säule zu sehen, habe ich mich doch von der Wirklichkeit
der Erscheinung durch einen Versuch von der grössten wissenschaftlichen
Bedeutung überzeugen können, fiir dessen Erfindung wir demselben genialen
Forscher verpflichtet sind.
„In seinen zahlreichen Versuchen über die Erregung des Frosches durch
verschiedene Metalle (denn er hat die ursprüngliche Weise zu galvanisiren
noch nicht völlig aufgegeben, wie die anderen Experimentatoren, welche
ausschliesslich die VoLTA'sche Säule benutzen) hat Ritter nicht nur sehr auf-
fallende Verschiedenheiten in der Erregbarkeit der verschiedenen Körpertheile
beobachtet, sondern auch einen Unterschied zwischen der Erregung der Ex-
tensoren und der Flexoren, je nachdem der positive oder negative Pol an-
gelegt wird, und je nachdem die Wirkung beim Schliessen oder Öffnen der
metallischen Kette erfolgt.
„Wenn die Erregbarkeit auf ihrer höchsten Stufe ist, wie bei jungen
Fröschen unmittelbar nachdem sie präparirt worden sind, oder bei erwachsenen
Fröschen während der Paarungszeit, so zucken allein die Flexoren, und ins-
besondere zucken die Flexoren des Schenkels, an welchem sich das Silber
1 Hier liegt offenbar ein Missverständniss des Berichterstatters vor; es muss zwischen alle
Stücke, nicht nur zwischen die äussersten, nasse Pappe gelegt werden.
Die chemischen Wirkungen der Volta'sche Säule. 170
oder negative Metall befindet, in dem Augenblicke, wo sich die Metalle be-
rühren, während die des mit dem Zink oder positiven Metall in Verbindung
stehenden Muskels in dem Augenblicke zucken, wo die Trennung erfolgt. . . .
„Nachdem mir Hr. Ritter die verschiedenen Grade der Erregbarkeit
gezeigt hatte, machte er mich aufmerksam, dass das durch die Verbindung
mit der Säule galvanisirte Stück Gold gleichzeitig die Wirkung zweier Me-
talle ausübt, sich also wie ein Paar von Metallen oder wie ein Bestandtheil
der Säule verhält; und dass die Hälfte, die im Kreise dem negativen Pole
zunächst gewesen war, sich positiv verhält, während die nach dem positiven
Pole gewendete Hälfte negativ geworden ist."
Soweit stimmt der Bericht, wie man sieht, mit dem überein, was
Gaitherot beobachtet hatte, nur dass jener als Hilfsmittel der Beobachtung
den Geschmack auf der Zunge, Ritter das Zucken des präparirten Frosches
benutzt hat. Dann aber fährt der Berichterstatter fort:
„Da sich das Metall nicht nur galvanisiren, wie das Eisen magnetisiren
lasst, sondern auch wie die Magnetnadel zwei Pole zeigt, so war Hr. Rittfr
neugierig, wie eine galvanisirte Goldnadel sich verhalten möchte, wenn man
sie frei auf einer Spitze schweben lässt. Er war nicht wenig überrascht, zu
sehen, dass diese Nadel eine bestimmte Neigung und Abweichung (Declina-
tion und InclinationN hatte, und dass der Winkel der Abweichung, den ich
leider vergessen habe, in allen Versuchen beständig derselbe war. Doch ist
er von dem der Magnetnadel verschieden, und immer sinkt der positive
Fol herab."
Hierzu fügt der Herausgeber der „Annalen der Physik", Gilbert, die
Bemerkung: „Und dieses erzählt Herr Christoph Bernoulli den Franzosen
und Engländern in einem Tone, dass sie glauben müssen, das letztere sei
eine in Deutschland allgemein bekannte und von Niemandem bezweifelte
Thatsache. Was müssen die gründlichen und bedachtsamen Naturforscher,
die diesen Versuch wiederholen, von dem Zustande der Physik in Deutsch-
land für einen sonderbaren Begriff erhalten!"
Indessen scheint doch trotz des Protestes von dieser Seite Ritter's
Arbeit ein grosses Aufsehen gemacht zu haben. In Frankreich wurde sie
durch Oersted l verbreitet, der um jene Zeit gleichfalls Ritter besucht und
in ihm einen Geistesverwandten gefunden hatte. Denn dieser später durch
seine Entdeckung der Ablenkung der Magnetnadel durch den Strom berühmt
gewordene Physiker war ein womöglich noch schlimmerer Naturphilosoph,
als Ritter, und die capitale Entdeckung, die ihm später geglückt ist, zeigt,
wie die Natur ihre Geheimnisse sich gelegentlich auf den absurdesten Wegen
ablauschen lässt. Doch zeigt sich hier gleichzeitig, dass wohl ein seltener
Fund auch solchen Leuten glücken kann, dass aber die wissenschaftliche
Verwerthung des gefundenen Schatzes andere Kräfte erfordert. Oersted
hat an der wissenschaftlichen Entwickelung des Elektromagnetismus keinen
weiteren Antheil genommen.
1 Jcrorn. de Physique, 57, 345. 1803.
12*
ISO Siebentes Kapitel.
Erste Zeit.
TLz\\ der Isolatoren.
Zweite Zeit.
Zeit der Leiter.
Auch Ritter selbst ist unzweifelhaft auf seine Entdeckung in hohctf
Maasse stolz gewesen; es geht dies daraus hervor, dass er von ihr eine neue j
Epoche in der Geschichte des Galvanismus zu rechnen vorschlägt Nach ::
ihm hat sich die Entwicklung dem nachstehenden Schema gemäss vollzogen*1 '*'
Erzeugung der Elektricität durch Isolatoreh.
(Das erste geriebene Stück Bernstein bis herauf zd
den Elektrisirmaschinen aller Art.)
Aufnahme oder Ladung der an Isolatoren er-
zeugten Elektricität durch Isolatoren (Leidener "
Flasche u. s. w.).
Erzeugung der Elektricität durch Leiter (Volta's
Batterie).
Aufnahme oder Ladung der an Leitern er-
zeugten Elektricität durch Leitung (meine [Ritter's]
Säule).
Was die Auffassung anlangt, welche Ritter von den fraglichen Erschei-
nungen hatte, so sind diese ihm Beweise dafür, dass sich die galvanische
Elektricität den Metallen dauernd mittheilen lasse, wie der Magnetismus dem
Eisen, nur mit dem Unterschiede, dass sie nicht so lange haften bleiben,
wie der letztere. In einer späteren Veröffentlichung,2 in welcher die vor-
stehend gegebenen Mittheilungen im Wesentlichen wiederholt werden, war
für Ritter schon aus der Ähnlichkeit eine völlige Gleichheit geworden. Er
behauptete nichts weniger, als dass eine aus Zink und Kupfer zusammen-
gesetzte Doppelnadel, die man nach Art einer Magnetnadel beweglich auf
eine Spitze gesetzt hat, völlig die Eigenschaften einer Magnetnadel in Bezug
auf Lage und Neigung besitzt, und die Stelle einer solchen vertreten kann.
Diese Behauptung wurde von Erman8 geprüft,, und in allen Stücken unbe-
gründet befunden.
Während Ritter's Ladungssäule bei den meisten zeitgenössischen For-
schern lebhafte Anerkennung fand, erklärte Volta,4 einem Brief von Brugna-
telli an van Mons gemäss, dass in die RiTTER'sche Säule keine Ladung
übergehe. „Die anhaltend hindurchströmende Elektricität wandelt vermöge
ihrer chemischen Wirkung die einzige feuchte Lage, welche sich z. B.
zwischen zwei Goldstücken befindet, in zwei verschiedenartige Flüssigkeiten
um, eine saure da, wo der elektrische Strom aus dem Metalle tritt, und eine
alkalische da, wo er in das Metall hineingeht. Die vorher unwirksame Säule
wird dadurch zu einer Säule zweiter Art, dergleichen aus einem Metalle und
zwei heterogenen Flüssigkeiten bestehen; ihre Wirkung ist indessen nicht
1 Voigt's Magazin, 6, 105. 1803.
2 Das elektrische System der Körper, Leipzig 1805. S. 379.
• Gilbert's Ann. 26, 20. 1807.
4 Joum. de Chini. et de Phys. par van Mons, 6, 132. 1805. — Gilbert's Ann. 19,
490. 1805.
Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule. jgj
langer Dauer, weil die beiden heterogenen Flüssigkeiten sich bald ver-
ben."
Volta ist hier offenbar der Entdeckung von Ritter nicht gerecht
►rden, da er über die bemerkenswerthe Thatsache, dass gerade die
tische Wirkung des elektrischen Stromes in der vorher unwirksamen
? stets die Änderung hervorruft, durch welche letztere einen entgegen-
rzten Strom erzeugen kann, hinweggeht, ohne sie zu würdigen. Die
?n Forscher, Volta und Ritter, haben in dieser Frage ihre wissen-
tlichen Rollen in seltsamerweise getauscht: Ritter, der in der Erkenntniss
engen Zusammenhanges der chemischen Erscheinungen mit den galva-
ben weiter vorgeschritten war, als die meisten seiner Zeitgenossen, und
«sondere als Volta, übersieht den wesentlichen chemischen Vorgang in
ter Ladungssäule, und betrachtet die Ladung seiner Säule als eine rein
ctrische, wobei er sich noch in einigen Gegensatz zu den Lehren der
ictrik steilen muss, da diese Ladungen sich auch bei ableitender Be-
hning erhalten. Volta dagegen, welcher die chemischen Vorgänge in
ad an seiner Säule anfangs übersehen hatte, und welcher später mit grösstem
ifer diesen chemischen Vorgängen alle und jede Bedeutung für die Er-
chdnungen seiner Säule absprach, weiss ganz richtig die Vorgänge der
tnTER'schen Säule auf chemische Scheidungen zurückzuführen, und spricht
ius diesem Grunde der letzteren jedes besondere Interesse ab. Auch er
nuss mit seiner Auffassung den Thatsachen einigen Zwang anthun, denn
üe S. 1 1 7 beschriebenen Versuche mit dem „geladenen" Goldstück fügen
»ich seiner Erklärung nicht ohne weiteres. In der That wissen wir gegen-
wärtig, dass ausser den Änderungen in der Flüssigkeit auch noch solche am
metallischen Leiter in Betracht kommen, und dass insbesondere die Wasser-
stoflaufnahme durch gewisse Metalle, wie Platin, diesen eine andere Stellung
in der „Spannungsreihe" giebt.
Auf diese Erklärung hat zuerst Brugnatelli1 aufmerksam gemacht, und
Roter erklärte später,2 dass er sich ihr anschliesse. Allerdings ging es
auch hier nicht ohne die gewohnten Übertreibungen ab; Ritter sah alsbald
überall Wasserstoflverbindungen der Metalle, auch wo sie nicht vorhanden
»aren, und die Hydrüre spielen von dieser Zeit ab bei ihm eine so grosse
Rolle, dass er auch die bald darauf von Davy entdeckten Alkalimetalle als
Hydrüre auffasst.
10. Das elektrische System der Körper. In seinem schon vorher
'S. 181) erwähnten Buche, das im Jahre 1805 erschien, haben wir fast zum
letzten Male Gelegenheit, Ritter als exacten Forscher zu sehen, denn
unmittelbar an die hier niedergelegten Arbeiten schliessen sich Beschäf-
tigungen dieses phantasiereichen Mannes, die ihn in gleicher Weise in die
Hände von Betrügern bringen, wie das in nicht allzulange vergangener Zeit
mit einem anderen hochbegabten Forscher geschah. Auch lässt sich dieser
1 Journ. de Phys. 62, 298. 1806. — Gehlen's Journ. 1, 74, 1806.
2 Geklen's Journ. f. d. Chemie und Physik, 1, 356. 1806.
I$2 Siebentes Kapitel.
Übergang in dem vorliegenden Werke schon an vielen Stellen deutlich ■
erkennen. Neben sehr allgemeinen und von glänzender Begabung zeugenden
Ideen finden sich Behauptungen über experimentell leicht zu prüfende That-
sachen, die aller Wahrheit in's Gesicht schlagen, und bei denen man nicht
begreifen kann, wie ein Physiker, der sein L^ben in eifrigster Experimental-
arbeit zugebracht hatte, in solchem Maass der Selbsttäuschung zugänglich
sein konnte.
Ritter beginnt zunächst mit einigen Abänderungen der Versuche von
Wollaston :S. 153), die er mit grosser Sicherheit in ihrem eigentlichen Wesen
zu beurtheilen weiss. Nachdem er geschildert hat, was für eine ungewöhn-
lich starke Wasserstoffentwickelung man durch Berührung von Zink mit Gold
unter starker Salzsäure erhalten kann, wobei die Hauptmenge des Wasser-
stoffes am Golde erscheint, fugt er hinzu: „In allen diesen Versuchen zeigt
das Zink nach der Berührung mit dem anderen, bloss Hydrogen gebenden
Metall keine stärkere, auch keine schwächere Gasentbindung als zuvor, wohl
aber nimmt seine Auflösung in der Säure zu, und ein Stück Zink, mit Gold
unter Säure in Berührung, ist weit eher aufgelöst, als für sich, ohne diese
Berührung. Offenbar rührt dies Mehr der Auflösung von der Oxydation . . .
her, die am Zink zufolge der geschlossenen Kette statthat, und der Antheil
Hydrogen, der am Golde erscheint, ist derjenige, der jenem Oxygen, das
Folge der Kette ist, entspricht, und wie es scheint, nicht mehr, noch weniger.
Das, was ohne Kette zu dem Oxygen gehört, welches das Zink oxydirt,
bleibt am Zink."
Diese Ansicht hat sich in der Folge als vollkommen richtig bewährt,
und fast das Gleiche gilt für den allgemeinen Ausspruch der chemischen
Theorie der Kette, der sich in den gewohnten unübersehbaren Perioden
Ritter's folgendermaassen ausgedrückt findet: „Dass in einer galvanischen
Kette, und somit auch in der Säule oder Batterie, nur dann Action statthat,
wenn wenigstens der eine Leiter erster Klasse in ihr, oder wenn nur über-
haupt einer in ihr vorhanden war, dieser eine, auch ausserhalb der Kette
schon von dem Leiter zweiter Klasse, oder wenn zwei derselben vorhanden
waren, von wenigstens einem derselben angegriffen, chemisch angegriffen
wird, und dass die Action jener in dem Grade statthat, als dieses geschieht."
Der Gedankengang Ritter's in dem weiteren Verfolg seines Werkes ist
nun folgender: Dass die Leiter erster Klasse in einer Spannungsreihe stehen,
wird am sichersten dadurch bewiesen, dass man aus solchen allein keine
wirksamen Säulen bauen kann. Nun kann man auch aus Leitern zweiter
Klasse allein keine wirksamen Säulen bauen: folglich stehen auch diese in
einer Spannungsreihe. (Dieser Schluss ist vom Standpunkte der damaligen
Kenntnisse aus untadelhaft, denn wirksame Ketten aus feuchten Leitern allein
wurden erst viel später nachgewiesen.) Ferner erschöpfen sich alle Säulen
nach kürzerer oder längerer Frist; in diesen Säulen muss dann auch die
.Spannungsreihe herrschen. In solchen erschöpften Säulen haben die che-
mischen Vorgänge aufgehört; folglich gehören alle Stoffe, wenn man die
Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule. 183
chemischen Vorgänge ausschliessen kann, zu einer und derselben unbegrenzt
grossen Spannungsreihe, die alle existirenden Substanzen umfasst, insofern
sie nur überhaupt die Elektricität zu leiten vermögen.
Man kann offenbar dieser Idee eine gewisse Grossartigkeit nicht ab-
sprechen, und muss auch zugestehen, dass sie aus den gemachten Prämissen
ganz sachgemäss abgeleitet ist. Leider verliert sich Ritter bei dem Ver-
suche, den Gedanken allgemein durchzuführen, sehr bald in Inconsequenzen
und Willkürlichkeiten, die ihm bald eine scharfe und keineswegs unberech-
tigte Kritik aus der Feder Pfaff's zuzogen.1 Wir folgen ihm nicht auf
diesen Wegen; doch ist es lohnend, den ursprünglichen Gedanken von einem
anderen Standpunkte aus zu betrachten.
Wir haben oben gesehen, dass die Gesammtheit der an der Säule beob-
achteten Thatsachen sich durch die Annahme erklären lässt, dass zwischen
den Metallen überhaupt keine elektrische Spannung eintritt, und eine solche
nur zwischen Metallen und feuchten Leitern stattfindet. Denkt man von
diesem Gesichtspunkte aus die obenstehende Schlussreihe Ritter's noch
einmal durch, so nimmt sie die Gestalt an: Zwischen Metallen findet keine
Spannung statt; zwischen feuchten Leitern allein auch nicht. In einer er-
schöpften Kette hat mit der Spannung gleichzeitig auch der chemische Vor-
gang aufgehört; folglich findet zwischen Leitern verschiedener Klassen auch
keine Spannung statt, wenn kein chemischer Vorgang zwischen ihnen erfolgt.
Der Satz, dass alsdann alle Stoffe Glieder derselben Spannungsreihe bilden,
verwandelt sich hierdurch in den anderen, dass zwischen verschiedenen Leitern
überhaupt keine Spannungen bestehen, wenn nicht chemische Vorgänge
zwischen ihnen stattfinden. Ein solcher Satz würde sich dem von Ritter
gegenüber durch noch grössere Einfachheit und Durchsichtigkeit empfehlen,
und würde dasselbe Thatsachenmaterial darstellen wie jener.
Indessen ist bei beiden Sätzen eine stillschweigende Voraussetzung ge-
macht worden, die nicht begründet ist, und mit der der ganze Schluss fällt.
Diese Voraussetzung ist folgende. Aus dem Umstände, dass in der erschöpften
Kette die Summe aller Spannungen Null ist, hat man geschlossen, dass auch
alle Summanden einzeln Null sind. Durch die Einschaltung einer feuchten
Schicht zwischen zwei Metalle werden aber jedes Mal zwei neue Berührungs-
stellen geschaffen, und damit die Summe aller entsprechenden Spannungen
Null wird, ist offenbar genügend, wenn an diesen beiden Berührungsflächen
die algebraische Summe der Spannungen Null ist, d. h. wenn sie entgegen-
gesetzt gleich sind. Dieses ist aber thatsächlich, wie wir jetzt wissen, der
Fall, und das oben ausgesprochene allgemeine Gesetz ist somit falsch.
Dieser Einwand trifft offenbar den Satz von Ritter nicht minder, wie
den entsprechenden aus der zweiten Voraussetzung abgeleiteten, und damit
fällt für uns der Grund fort, uns weiter mit den Einzelheiten zu beschäftigen,
in denen Ritter die Schlussfolgerungen seines Satzes in die Breite zieht.
1 Gilbert's Ann. 28, 223. 1808.
j 84 Siebentes Kapitel.
Die eben durchgeführte etwas eingehendere Betrachtung erschien nützlich,
weil sie ein gutes Beispiel für einen häufig begangenen Fehler in wissen*
schaftlichen Arbeiten gewährt.
Auch für die Nichtieiter stellt Ritter eine Spannungsreihe auf, die auf
den Erscheinungen der Elektrisirung beim Reiben beruht, und er macht auf
einige Beziehungen zu anderen Eigenschaften, insbesondere zur Härte auf-
merksam, die heute noch Beachtung und Verfolgung verdienen. Von ganz
besonderem Interesse aber ist, dass er das Auftreten der Idee einer Spann u ngs-
reihe schon 40 Jahre vor Volta bei Torbern Bergmann nachweist, über
welchen Priestley in seiner Geschichte der Elektricität (S. 146 der deutschen
Übersetzung) folgendes berichtet:
„Aus dem Ganzen schloss er, dass eine gewisse festgesetzte Ordnung
in Ansehung der positiven und negativen Elektricität stattfinde, worunter
alle Körper gebracht werden können, da unterdessen andere Umstände
einerlei bleiben. Man gedenke sich unter A, B, C, D, E gewisse Substanzen,
deren jede, wenn sie mit einer vorhergehenden gerieben wird, negativ, mit
einer folgenden aber positiv elektrisch ist."
Es ist in der That das Wesentliche der Spannungsreihe hier vollkommen
klar ausgesprochen.
Ritter geht nun schliesslich zu den Versuch über, die Spannungsreihe
über alle Körper, Leiter und Nichtleiter auszudehnen. Wir können ihm hier
nicht folgen, denn es gelingt ihm nicht, den Gedanken ohne grosse Willkür-
lichkeiten und Verwickelungen durchzuführen. Doch möchte ich nicht un-
ausgesprochen lassen, dass in diesen oft recht absurden Darlegungen mir
ein brauchbarer wissenschaftlicher Kern zu liegen scheint der unter ent-
sprechender Pflege gute Früchte in Aussicht stellt.
Eine Spannungsreihe sowohl der Lejter erster, wie der zweiter Klasse
wurde von J. A. Heidmann aufgestellt Das Verfahren bestand einerseits darin,
dass er Säulen aus den zu untersuchenden Stoffen aufbaute, und aus den
Erscheinungen in einer eingeschalteten mit Wasser gefüllten Zersetzungs-
röhre auf die Richtung und einigermaassen auch auf den Betrag der gal-
vanischen Erregung schloss, andererseits in einem Verfahren mit dem prä-
parirtem Froschschenkel, welches nur wenig von dem Ritter's (S. i i 2) ver-
schieden war. l In Bezug auf die Ursache dieser Erscheinungen spricht er
sich folgendermaassen aus:
„Nun habe ich in meinem Werke . . . k umständlich bewiesen, dass die
Wirksamkeit einer galvanischen Kette einzig und allein durch die chemi-
schen Veränderungen bestimmt wird, die während einer zweckmässigen Ver-
bindung zweier heterogener fester Leiter, vorzüglich metallischer Substanzen,
die zum Sauerstoff eine vorzügliche Verwandtschaft äussern, in Berührung
mit einer wasserhaltigen Flüssigkeit vor sich gehen; und dass die Oxydir-
barkeit eines Metalles durch den Contact mit einem anderen zum Oxygen
1 Gilberte Ann. 21, 85. 1805.
<-»V» *• iM^vllwl»Vll ^*>N« >_r*^ T Uli V11UV. • UVÜlUil %_»t*«J
"fe
chemische VVirkungsvermögen und bestimmt den Oxygenpol einer
sehen Kette mit den meisten festen Leitern. Jede in der Reihe nach-
e Flüssigkeit erscheint mit jener als blosser Leiter und zeigt den
enpol im Gasapparate an. — Ich wandte zu diesen vergleichenden
len reine Kohle, Platindraht und Bleidraht zu wechselseitiger Ver-
j der beiden heterogenen und zu untersuchenden Flüssigkeiten an, in
acht, weil die beiden ersten festen Leiter nicht so leicht eine chemische
erung in ihrer Beschaffenheit erleiden, und weil in Fällen, wo keine
he galvanische Action aus ihrer Berührung mit der Flüssigkeit hervor-
wollte, ein oxydirbarerer Körper, der Bleidraht nöthig war. — Die
che Leitfähigkeit der Flüssigkeiten ist nach diesen Versuchen mit
:hemischen Wirkungsvermögen durchaus übereinstimmend und gleichen
haltend."
ie vorstehenden Bemerkungen enthalten manchen richtigen Satz, dessen
tung vollständig zu erfassen allerdings erst einer viel späteren Zeit
lalten blieb. Es lassen sich aus der Litteratur jener Zeit noch manche
b lautende Auseinandersetzungen anfuhren, die alle zeigen, wie jeder,
ch mit Fragen über die Quelle des galvanischen Stromes und die Ab-
jkeit dieser Wirkung von der Natur der betheiligten Stoffe eingehend
äfügt, unwiderstehlich auf die „chemische" Theorie des Galvanismus
rt wird, da eben die Beziehung dieser Dinge zu den chemischen Eigen-
en der Stoffe unverkennbar ist. Indessen werden solche Äusserungen
seltener und seltener. Der maassgebende Einfluss der Anschauungen
*'s macht sich immer kräftiger geltend, und trotz einzelner glänzender
ahmen verschwinden bald die nach dieser Richtung unternommenen
l86 Siebentes Kapitel.
Die von Pfaff in Aussicht gestellte ausführliche Abhandlung erschien
alsbald l und brachte eine grosse Zahl sorgfältiger Messungen, die in folgender
Weise ausgeführt waren. Das zu untersuchende Metall wurde mit der Flüssig-
keit, deren Wirkung geprüft werden sollte, mittelst einer damit getränkten
Pappscheibe in Berührung gebracht; darüber kam eine mit reinem Wasser
getränkte Scheibe, welche mit dem Messingdrahte des Condensators berührt
wurde. Häufig wurden mehrere Schichtungen verwendet, wenn eine einzige
keinen genügend unzweideutigen Ausschlag gab. Die erhaltenen Reihen
haben insofern einiges Interesse, als sie unzweifelhaft den grossen Einfluss
erkennen lassen, den die Natur des feuchten Leiters auf den Sinn der elek-
trischen Spannung ausübt. Diese Reihen sind:
Ätzkali lösung vom spezifischem Gewicht 1*376
— Zinn, — Zink, — Spiessglanz, — Kupfer und Blei, — Wismuth, — Queck-
silber, — Silber, — Braunstein, — leisen. Sämmtliche Metalle werden mil
Ätzkali negativ; die Wirkung ist sehr stark, verliert sich aber bald
Natron verhielt sich ganz wie Kali.
Ammoniak, spezifisches Gewicht 0818
— Zink (gleich 1/a Kupfer mit Zink), — Kupfer, — Blei, — Silber, — Zinn
+ Spiessglanz, — Eisen.
Kohlensaures Ammoniak, gesättigte Lösung
— Zink (gleich lj2 Kupfer-Zink), — Zinn, — Kupfer, — Silber, + Eisen.
Gelöschter Kalk in Pulverform
+ Eisen (gleich 3/8 Kupfer -Zink, —Wismuth, —Blei, —Spiessglanz
-f Zink, — Zinn, — Kupfer, + Silber.
Kalkmilch
— Zinn und Zink (gleich 1/2 Kupfer-Zink), —Kupfer, + Eisen, —Blei
Wismuth, — Silber, — Gold, — Spiessglanz.
Schwefelleber, conc.
— Silber (stärker als Silber-Zink), — Kupferkies, — Braunstein, — Schwefel
kies, — Graphit, h Kupfer, — Antimon, — Zinn und Blei, — Wismuth
— Eisen, — Zink (sehr schwach)
Schwefelammonium
— Silber (stärker als mit Schwefelleber), — Kupfer, — Antimon, — Zinn
— Zinn, — Blei, — Wismuth, — Zink.
Schwefelsäure, conc.
+ Zink, + Silber, H Zinn, + Blei, H Eisen, + Antimon, + Kupfer
+ Silber. Die Wirkungen waren alle schwach.
Schwefelsäure, verdünnt.
— Zinn, — Zink, — Eisen, — Silber, + Blei, + Kupfer.
Salpetersäure, rauchend
+ Eisen (stärker als Silber-Zink), + Silber, + Zink, + Zinn, + Kupfer.
Salpetersäure, verdünnt
+ Silber, — Eisen, + Zinn, + Kupier, + Zink, + Blei, + Wismuth.
1 Gehlen's Journ. f. d. Chemie und Physik, 5, 82. 1808.
Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule. 187
Salzsäure, conc.
— Kupfer gleich */8 Zink-Kupfer), — Silber, — Zinn, — Gold, + Antimon,
— Wismuth, + Eisen.
Chlor, Lösung
— Zink (gleich */s Zink-Kupfer), — Zinn, — Gold, Kupfer gleich Null.
Die Metalle sind nach der Grösse der beobachteten Spannung geordnet;
bei den meisten Reihen ist der Werth derselben in der Einheit Kupfer-Zink
angegeben.
Das Resultat, welches Pfaff aus der Gesammtheit seiner Versuche zieht,
ist, dass keines der bis dahin aufgestellten Gesetze über die Elektricitäts-
erregung zwischen Metallen und feuchten Leitern richtig ist. Weder werden
alle mit den Metallen positiv, wie Volta angenommen hatte, noch gilt DavyV
Behauptung, dass die Metalle mit den Säuren positiv, mit den Alkalien
negativ werden. Letzteres ist zwar fast allgemein gültig, das Verhalten der
Säuren hängt aber ganz von der Concentration ab. Die von Ritter in
seinem „elektrischen System" aufgestellten Sätze sind mit Pfaff's Messungen
tasst überall in Widerspruch. Insbesondere kann von der Aufstellung einer
Spannungsreihe für die feuchten Leiter keine Rede sein.
11. Reduction eines Metalles durch sich selbst. Im Jahre 1804
stellte C. F. Bucholz x folgenden Versuch an, der nicht nur an sich auf-
fallend genug ist, sondern auch als Ausgangspunkt einer überaus wichtigen
Entwickelung gedient hat, welche entscheidend in die Theorie der Volta'-
schen Ketten eingegriffen hat.
„Sehr merkwürdig ist die folgende Beobachtung. Ich behandelte
7 Pfund ganz reines Malaccazinn siedend mit 16 Pfund reiner Salzsäure, um
eine Auflösung zu bereiten. Als die Auflösung beinahe vollendet und die
Flüssigkeit unterdessen zu massiger Syrupsconsistenz verdunstet war, so
wurde das ganze, wegen hereinbrechender Nacht, bei Seite gesetzt Am
anderen Morgen übergoss ich zur Verdünnung, um das Sieden dann noch
einige Zeit fortzusetzen, das noch lauwarme Gemisch mit 2 Pfund destillirten
Wassers, und Hess alles unbewegt stehen. Als ich nach einer Stunde solches
wieder in Augenschein nahm, so sah ich mit Verwunderung, dass die ganze
obere Lage des in der Flüssigkeit noch vorhandenen unaufgelösten Zinns
mit unzähligen Spiesschen, Nadeln, Federchen und Blättchen von schön
glänzendem regulinischen Zinn, die eine Länge von */* bis 1/2 Zoll hatten,
bedeckt war. Dieselbe Erscheinung konnte ich durch dasselbe Verfahren,
bei Behandlung einer neuen gleichen Quantität Zinn und Salzsäure wieder-
holt eintreten lassen. — Die Ursachen dieser Erscheinung mögen nun sein,
welche sie wollen, so ist die letztere doch sehr auffallend und merkwürdig,
und es kann nicht ausbleiben, dass nicht auch erstere bald vollständig ent-
wickelt werden sollten."
Bald darauf ebenda S. 423) beschrieb Bucholz seine Beobachtung ausführ-
1 Neues allg. Journ. d. Chemie, 3, 324. 1804.
1 88 Siebentes Kapitel.
licher und gab die Belege, dass nicht eine Verunreinigung seines Zinns nnt
einem leichter oxydirbaren Metalle die Ursache der Ausscheidung sein konnte!
denn das Zinn war rein. Über die anderen möglichen Ursachen äussert er
sich folgendermaassen:
„Sollte man vielleicht geneigt sein, die Absonderung des Zinns in
regulinischer Gestalt unter den oben angeführten Umständen durch die
Eigenschaft des salzsauren Zinns, den Sauerstoff stark anzuziehen, erklären
zu wollen, und dabei anzunehmen, dass die eine Portion des salzsauren
Zinns sich auf Kosten der anderen Portion stärker oxydire und das Zinn-
oxyd der anderen Portion vollkommen desoxydire, so muss man nur be-
denken, dass dieser Erfolg nicht einmal möglich sein, geschweige denn
wirklich stattfinden könnte: denn nach dynamischen Grundsätzen muss bei
einer gleichartigen Zinnauflösung angenommen werden, dass jeder Theil des
Zinns, des Sauerstoffes und der Säure mit gleicher Kraft auf einander gegen-
seitig wirken, und dass jedes Theilchen Zinn den Sauerstoff mit gleicher
Kraft anziehe, welches nach jener Annahme nicht der Fall sein dürfte, und
jene ist daher eine wahre contradictio in adjecto."
Die Erklärung, welche Bucholz schliesslich am befriedigendsten findet,
ist die Annahme, dass durch das hinzugesetzte Wasser, dessen Notwendig-
keit er betont, ein Theil des Zinnoxyds ausgeschieden werde, und dieser
Antheil sei es, der durch die concentrirte Zinnlösung zu Metall reducirt
werde. „Wem nun auch diese Erklärungsart der Reductionserscheinung des
Zinns nicht genügt, der beschenke uns mit einer anderen. Ich gestehe
offenherzig, keine bessere mehr in petto zu haben; oder lässt sich vielleicht
noch jener Erfolg durch einen galvanischen Process erklären?"
Diese Erklärung durch einen galvanischen Process wurde bald darauf
durch J. W. Ritter geleistet. l Ritter fuhrt die Erscheinung auf den Fall
der einfachen Kette zurück, indem er den von Bucholz nur nebenbei be-
rührten Umstand, dass zwei Schichten verschiedener Concentration
nöthig sind, damit die Wirkung eintritt, als wesentlich nachweist.
„Die bequemste Art, solche Ketten zu bilden, ist die, dass man in ein
schmales Glas, ein Weinglas z. B., zuerst die spezifisch schwerere Flüssigkeit
von beiden etwa 1/a Zoll hoch bringt, über diese dann mittelst Fliesspapier
die spezifisch leichtere in gleicher Höhe so, dass beide Flüssigkeiten eine
möglichst scharfe Grenze haben, und dann den festen Körper, den Leiter
erster Klasse in Form eines Drahtes, Stabs oder einer dünnen schmalen
Platte durch beide Flüssigkeiten behutsam durchsteckt, welcher so, als drittes
Glied, mit den beiden übrigen die galvanische Kette schliesst.
„Sie sehen, dass was ich mit Absicht zusammensetzte, in Hrn. Bucholz'
Versuche ganz zufällig, aber genau so, wie ich es beschrieb, zu Stande kam."
Und Ritter setzt auseinander, wie schon die kleinste Verschiedenheit in den
Concentrationen der beiden Flüssigkeiten hinreichend ist, den Vorgang ein-
1 Neues allg. Journ. d. Chemie, 4, 253. 1805.
Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule. \gg
zuleiten; auf die Beschaffenheit des Zinns kommt es dabei wenig an. „In
Hrn. Bucholz* Beschreibung seines Versuches ist bloss einer Reduction des
Zinns Erwähnung gethan. Wo man jedoch in galvanischen Versuchen
Reductionen sieht, lassen sie sich als Wirkungen eines durch den Pro-
cess selbst entbundenen Hydrogens nachweisen. Wieder entbindet der Gal-
vanismus Hydrogen nie anders, als durch Wasserzersetzung, und eine
solche ist wieder nicht möglich, ohne dass zugleich auch der andere
Bestandtheil des Wassers, Oxygen, entstehe, auftrete und wirke. . . . Insofern,
als Hrn. Bucholz' Phänomen galvanischen Ursprunges war, musste neben
der Reduction des Zinns noch Oxydation, und zwar wiederum des Zinns
vorkommen.
. . . „Ferner ist in keiner galvanischen Kette der Ort, wo das Hydrogen
austritt, niemals zugleich auch derjenige, wo das ihm entsprechende Oxygen
austrete- Immer ist dieser ein anderer, und muss ein anderer sein, da er
durchaus an die Gegend der Kette und an den Leiter erster Klasse ge-
bunden ist, wo ... + E zugegen ist, oder gefordert wird, während das
Hydrogen an diejenige Stelle gebunden ist, wo — E zugegen ist, oder ge-
fordert wird, beides aber schon darum verschiedene Stellen sein müssen,
weil -r und — E, wo sie zusammentreffen, sich aufheben und Null, also
weder die Bedingung für das Auftreten des Oxygens, noch die für die des
Hydrogens geben. Auch im BucHOLz^schen Versuche muss deshalb ferner
die Gegend am Zinn, wo die in a geforderte Oxydation auftritt, eine andere
sein, als die, wo die bereits bekannte Reduction statthat.
„Beides bestätigte sich, als ich ... den Versuch rein . . . anstellte. Ich
goss Zinnauflösung . . in ein Weinglas, brachte destillirtes Wasser darüber
und durch beide ein schmales Stück starken Stanniol. Innerhalb der Grenze
beider Flüssigkeiten ging die Reduction auf die gewöhnliche Art vor sich,
unterhalb derselben aber, zwischen ihr und dem Boden des Gefässes, wurde
der Stanniol oxydirt und aufgelöst. Nach einiger Zeit war das Stanniolblatt
an dieser Stelle ganz aufgezehrt."
Diese Auseinandersetzungen geben wieder ein glänzendes Zeugniss von
der Fähigkeit Ritter's, das wesentliche und allgemeine in den Erscheinungen
mit schnellem Blick zu erfassen. Was er über die Notwendigkeit einer
raumlichen Trennung des Oxydations- und des Reductionsvorganges sagt,
trifft in das Innerste der Frage nach den Bedingungen der Entstehung des
elektrischen Vorganges aus dem chemischen; bis auf den heutigen Tag ist
in dieser Beziehung noch häufig genug Unklarheit vorhanden.
In dem weiteren Theile seiner Arbeit führt Ritter seinen Gedanken
durch eine grosse Zahl verschiedenartiger Versuche aus; wir brauchen ihm
dabei nicht zu folgen. Nur eine Mittheilung verdient erwähnt zu werden.
Ritter fand nämlich, dass eine möglicht wenig saure Zinnlösung den Vor-
gang in umgekehrtem Sinne zeigte; statt dass die Metallausscheidung in der
concentrirteren Losung stattfand, ging sie in der verdünnteren vor sich.
Dies widerspricht, wenigstens scheinbar, dem, was man auf Grund der gegen-
igO Siebentes Kapitel.
wältigen ausgebildeten Theorie des Vorganges erwarten müsste, und ist ddkir^
halb einer Prüfung bedürftig und werth. "
Später l erweiterte auch Bucholz seine Beobachtungen und erhielt unter c
ähnlichen Umständen aus Kupfer-, Silber-, Blei- und Zinklösungen ganz ent- *
sprechende Ergebnisse. Dagegen wurde mit Eisenlösungen nichts erhalten, i
Bei allen Versuchen erwies es sich als wesentlich, dass die über die con-
centrirte Salzlösung geschichtete Flüssigkeit sauer war; mit reinem Wasser :
wurden nur schwache oder gar keine Reductionen erhalten.
12. H. Davy's spätere Forschungen. Bereits unmittelbar nach dem :
Bekanntwerden der Säule war uns Hr. Davy als originaler und ideenreicher ■
Forscher entgegengetreten (S. 155). In dem weiteren Verlauf verschwindet -
er nach einer anfangs lebhaften Thätigkeit während einiger Jahre scheinbar
aus der Mitarbeiterschaar, um dann plötzlich mit Leistungen auf dem Plane
zu erscheinen, die ihm alsbald den ersten Rang unter den Mitstrebenden
sichern.
Die Ausgangspunkte dieser Untersuchungen sind sehr unscheinbarer
Natur. Schon Nicholson und Carlisle hatten bei ihren ersten Versuchen
beobachtet (S. 131), dass wenn Wasser bei Gegenwart von Lackmustinktur
zersetzt wurde, diese sich am Sauerstoffpole roth färbte und somit die Gegen-
wart von Säure verrieth. Die gleiche Erscheinung trat auch vielen anderen
Forschern entgegen; ihre Deutung wurde alsbald von Simon 2 gegeben,
welcher zeigte, dass nur bei der Anwesenheit fremder Stoffe Säure auftrat,
dagegen nicht, wenn reines Wasser sich im Kreise befand.
Mit diesem Ergebniss war man indessen nicht dauernd zufrieden. Auf
Grund einer Anzahl schlecht angestellter, aber mit ungemeinem Lärm an
die Öffentlichkeit gebrachter Versuche hat einige Jahre später Pacchiani,
Professor der Physik in Pisa, die gleiche Erscheinung dahin zu deuten ver-
sucht, dass die Salzsäure, die bei seinen Experimenten zumeist auftrat, ein
niederes Oxyd des Wasserstoffes sei, und es entstand über die Frage eine
ganze Literatur von Versuchen und Meinungen für und wider. Wir werden
uns an einer anderen Stelle (s. w. u.) etwas eingehender mit der Angelegen-
heit zu beschäftigen haben; hier handelt es sich nur darum, die Situation
zu kennzeichnen, in welche Davy handelnd eingriff. Er stellte sich die
Frage, woher das so häufig beobachtete Auftreten freier Säuren und Basen
aus reinem Wasser rühre, und hat in mustergiltiger Weise die Antwort auf
diese Frage zu geben und allseitig zu begründen gewusst. 3 Nachstehend
gebe ich einen Auszug, die wichtigsten Theile dieser Arbeit enthaltend; eine
vollständige Übersetzung findet sich an der unten4 angegeben Stelle.
„Ich hatte im Anfang des Jahres 1800 gefunden, dass, wenn zwei ge-
sonderte Antheile destilliiten Wassers in zwei Glasröhren durch feuchte Blase
1 Gehlen's Journal, 5, 127. 1808.
1 Gilbert's Ann. 8, 41. 1801. — Ebenda 9, 386. 1801.
8 Philos. Trans. 1807, 1. — Gilbert's Ann. 28, 1 u. 162. 1867.
4 Classiker der exakten Wissenschaften, Nr. 45. Leipzig »893.
Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule.
191
nrch irgend eine andere feuchte thierische oder vegetabilische Materie
oder verbunden, und der elektrischen Einwirkung der VoLTA'schen
lurch Golddrahte ausgesetzt werden, in der Röhre des positiven Drahts
ilpetersalzsaure Goldauflösung, und in der Röhre des negativen Drahts
atronauflösung entsteht.1 Ich überzeugte mich indess bald darauf,
diesem Falle die Salzsaure von den thierischen und vegetabilischen
m herrührt. Denn da ich bei mehreren aufeinander folgenden Ver-
dieselben baumwollenen Fäden genommen, und sie nach jedem
ie in stark verdünnte Salpetersaure getaucht hatte, fand ich zuletzt,
is Wasser des Apparats, obgleich es lange auf die Fäden mit vieler
eingewirkt hatte, dennoch gar keine Wirkung auf salpetersaure Silber-
ng äusserte. Ähnliche Schlüsse haben die galvanische Societät in
ier Dr. Wollastos, welcher die beiden Glasröhren durch befeuchteten
verband, und die Herren Biot und ThEnard aus ihren Versuchen
ti.1 — Was das Natron betrifft, so bemerkte ich, dass, so oft ich
eine grosse Menge erhielt, das Glas da,
von dem Drahte berührt wurde, stark an-
en war; dagegen erhielt ich kein fixes
wenn ich in einer Achatschale destillirtes
■ elektrisirte, das durch zwei Platinspitzen
■ VoLTA'schen Säule verbunden war. Dieses
mte mich, das Natron hauptsächlich dem
zuzuschreiben. . . .
ch habe den Versuch auf eine andere Art
holt, nachdem ich mir kleine cylindrische
rbecher, deren jeder l/t Kubikzoll fasste,
äfft hatte. Über zweien derselben liess ich
Stunden lang destillirtes Wasser kochen,
d sie dann vermittelst eines Stückes weissen
cheinenden Amianths, der auf dieselbe Art
^handelt worden, füllte sie mit destillirtem
r, und führte in dieses durch Platindrähte
ektrischen Strom einer VoLTA'schen Säule
o Plattenpaaren Kupfer und Zink von 4 Quadratzoll Oberfläche, die
ier Alaunauflösung genässt war. Als der Process 48 Stunden gedauert
untersuchte ich das Resultat. Lackmuspapier, das in den Cylinder
führenden oder positiven Drahtes getaucht wurde, verwandelte seine
im Augenblicke in dunkelroth, und die saure Flüssigkeit trübte eine
rsaure Silberauf lösung ein wenig. Die Flüssigkeit des anderen Cylinders
an Curcumpapiere eine dunklere Farbe, und diese Eigenschaft ver-
sieh beim Abdampfen derselben. Ich setzte ihr etwas kohlensaures
Fig. 5£ Nach Davv.
Ich habe die Ergebnisse des Versuches seinerzeit Her
■s Hall, Herrn Clattfield and anderen Freunden
Boniteur 1806. Nr. 40.
1 Beddoes gezeigt, und die Sache
m Jahre 1801 mitgetheilt
IQ2 Siebentes Kapitel.
Ammoniak hinzu, und liess sie bei starker Hitze eintrocknen; . es blieb :
wenig einer weissen Materie, die mir nach einer sorgfaltigen Prüfung. .1
Eigenschaften von kohlensaurem Natron zu haben schien. Ich verglich
mit ebenso kleinen Mengen kohlensauren Kalis und kohlensauren Ns
sie war nicht so zerfliessbar als das erstere, und bildete mit Sal]
ein Salz, das gleich dem salpetersauren Natron sehr bald die Feucl
aus der Luft an sich zog und zerging.
„Dieses Resultat, das ich nicht erwartet hatte, schien zu beweisen,
die Substanzen, welche ich fand, in den Achatbechern erzeugt waren. Ehft'r
ganz gleiches Verfahren, bei dem ich Glasröhren nahm, gab mir indess unter
gleichen Umständen in derselben Zeit 20 mal so viel Alkali, ohne die ge*
ringste Spur von Salzsäure. Es war daher doch sehr möglich, dass der
Achat einige Theile eines Salzes, welche die chemische Analyse nicht SU
entdecken vermochte, gebunden oder in feinen Poren adhärirend enthalten habe.
„Um mich davon zu vergewissern, wiederholte ich den Versuch mit
den Achatbechern ein zweites, ein drittes und ein viertes Mal. Das zweite
Mal bewirkte salpetersaure Silberauflösung noch eine kleine Trübung in dem
Cylinder, der die saure Flüssigkeit enthielt, doch war sie weit weniger deut-
lich als zuvor; das dritte Mal war sie kaum noch wahrzunehmen, und das
vierte Mal blieb alles vollkommen klar, als ich salpetersaure Silberauflösung
dazu gegossen hatte. Auch die Menge des Alkali nahm bei jeder Operation
ab, und bei der letzten wirkte die Flüssigkeit an der negativen Seite, ob-
gleich die Batterie 3 Tage lang kräftig auf sie eingewirkt hatte, doch nur
sehr schwach auf Curcumapapier; etwas sichtbarer auf Lackmuspapier, welches
durch eine schwache Säure geröthet worden war, von allen Prüfungsmitteln
auf Alkali das empfindlichste. Es wurde beim Abdünsten wieder kohlen-
saures Ammoniak hinzugesetzt, und es blieben einige kaum sichtbare Theile
Alkali zurück. In dem anderen Achatbecher war Säure in Menge vorhanden;
die Flüssigkeit schmeckte sauer, und roch wie Wasser, über dem lange Zeit
eine bedeutende Menge von Salpetergas gestanden hat. Sie trübte salzsaure
Barytauflösung nicht, und ein Tropfen, der auf einer polirten Stahlklinge
verdunstet wurde, liess darauf eine schwarze Spur zurück, ganz der gleich,
welche sehr verdünnte Salpetersäure hervorbringt.
„Nach diesen Resultaten konnte ich nicht mehr daran zweifeln, dass in
dem Achat selbst irgend ein Salz vorhanden gewesen sein müsse, welches,
indem es sich zersetzte, eine Säure, die die salpetersaure Silberauflösung
trübt, und in grösserer Menge ein Alkali hergegeben habe. Der vier Mal
wiederholte Process belehrte mich indess zugleich, dass noch eine zweite
Ursache für die Gegenwart des Alkali im Spiele gewesen sein müsse; denn
diese Substanz zeigte sich bis zuletzt immerfort in wahrnehmbaren, und
wie es mir schien, in immer gleichen Mengen. Ich hatte alle mögliche
Vorsicht gebraucht, um beide Flüssigkeiten vor der äusseren Luft zu schützen,
und zu dem Ende die Achatcylinder in gläserne Gefässe eingeschlossen.
Alle Gerätschaften, deren ich mich bediente, waren mehrere Mal in destil-
Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule. ig*
em Wasser gewaschen, und kein Theil derselben, der mit der Flüssigkeit
Berührung kam, mit den Fingern berührt worden. Die einzige Substanz,
i der ich daher glauben konnte, dass sie dieses fixe Alkali habe hergeben
tUKDj war das Wasser selbst. Mit salpetersaurem Silber und salzsaurem
ryt untersucht, schien es zwar rein zu sein; allein es ist ausgemacht, dass
i schnellem Destilliren eine sehr kleine Menge von Kali und Natron mit
n Wasser übergeht, und das Wasser von New-River, dessen ich mich
üent habe, enthält Unreinigkeiten, theils thierische, theils vegetabilische
iterien, welche Neutralsalze hergeben können, die fähig sind, während des
»haften Kochens überzugehen.
„Um darüber einen Versuch mit der möglichsten Genauigkeit zu erhalten,
lim ich zwei hohle Kegel aus reinem Golde, deren jeder ungefähr
Gran Wasser fasste, füllte sie mit
ttillirtem Wasser, verband sie durch
1 Streifen genässten Amianths, der
r zu den ersten Versuchen gedient
te, und brachte sie in den Kreis einer
LTA'schen Säule aus ioo Paar Zink-
1 Kupfer-Platten von 6 Quadratzoll
erfläche, die mit verdünnter Alaun-
lösung und Schwefelsäure genässt war.
on nach io Minuten gab das Wasser
negativen Seite schwach geröthetem Fig. 6o. Nach Davy.
kmuspapier einen leichten bläulichen
ein, und das Wasser der positiven Seite röthete es stärker. Dieser
cess wurde 14 Stunden lang fortgesetzt; die Säure nahm während dieser
zen Zeit an Menge zu, und das Wasser nahm endlich selbst einen sauren
chmack an; dagegen verstärkten sich nicht die alkalinischen Eigenschaften
Flüssigkeit an der negativen Seite, und brachten dort keine grösseren
-kungen, als das erste Mal auf Lackmus- oder Curcumapapier hervor,
se Wirkungen waren schwächer, als* ich diese Flüssigkeit eine Minute
l stark erwärmt hatte; doch zeigte das Abdampfen unter Zusetzung von
ilensaurem Ammoniak die Gegenwart von etwas fixem Alkali. Die Säure
hielt sich, soweit ihre Eigenschaften untersucht wurden, übereinstimmend
reiner Salpetersäure, die mit überschüssigem Salpetergas verbunden war.
„Ich wiederholte diesen Versuch und Hess ihn drei Tage lang dauern.
1 Ende dieser Zeit war das Wasser bis über die Hälfte verdunstet und
>etzt. Die Säure war stark; das Alkali war nur wenig, wie in dem vor-
gehenden Versuche; letzteres wirkte zwar stärker wie das vorige Mal auf
Probepapiere, doch nur weil die Flüssigkeit sich stärker vermindert hatte,
I beim Abdampfen gab sie dasselbe Resultat als zuvor.
„Hiernach Hess sich nicht länger daran zweifeln, dass das destillirte
sser, mit dem ich meine Versuche angestellt hatte, eine Substanz in ge-
jer Menge enthielt, die fähig war, die Gegenwart des fixen Alkali in den
Jstwald, Elektrochemie. '3
IQ4 Siebentes Kapitel.
vorigen Versuchen zu verursachen, die aber bald erschöpft war.
führte von selbst auf die Frage: Ist diese Substanz ein Salz, welches!
Destilliren übergeführt wird? oder ist sie Stickgas, dessen jedes Wa
welches an der Luft gestanden hat, eine kleine Menge enthält, und ist fk|
leicht der Stickstoff ein Bestandteil des fixen Alkali? Das Wasser muri)
wenigstens während des Versuches bald an Stickgas erschöpft werden, vtt
wurde wahrscheinlich dadurch, dass es sich mit Wasserstoffgas schwängerb
verhindert, neues Stickgas einzuschlucken.
„Ich war weit mehr für die erste Meinung, und in der That wurde m
sehr bald bestätigt. Denn als ich ein Quart des destillirten Wassers, desae
ich mich bedient hatte, in einer silbernen Blase bei einer massigen FGtl
von weniger als 1400 F. abdampfen Hess, fanden sich 7/10 Gran eines feste
Rückstandes, der salzig und metallisch schmeckte, und an der Luft zerflos
Ich konnte keine regelmässigen Krystalle davon erhalten; das zerflösset
wirkte weder auf Curcuma- noch auf Lackmuspapier, als aber etwas dawt
in einem Silbertiegel geglüht worden war, zeigte es starke alkalische Eigc
Schäften. Es war nicht möglich, eine so kleine Menge zu analysiren;
schien mir aber nach allem diesem, dass sie hauptsächlich aus Salpetersäure
Natron und salpetersaurem Blei bestanden habe. Das Metall rührte höcl
wahrscheinlich von der Condensationsröhre der gewöhnliche Blase her,
der das Wasser war überdestillirt worden.
„Auf diese Art war also die Gegenwart einer salzigen Materie in de
destillirten Wasser bewiesen. Was für Einfluss sie auf den Versuch geha
habe, das war nun leicht zu bestimmen. Ich füllte die beiden Kegel a
Gold mit Wasser, und brachte sie wie zuvor in den Kreis einer Säule,
dem Kegel der negativen Seite hatte die Flüssigkeit bald das Maximum ;
Wirksamkeit auf Curcumapapier erreicht; als dieses der Fall war, bracl
ich in sie etwas von dem Rückstande der Abdampfung, der bei dem vorig
Versuche geblieben war; in weniger als 2 Minuten äusserten sich dav<
die Wirkungen, und nach 5 Minuten färbte die Flüssigkeit das Curcum
papier hellbraun.
„Ich schloss hieraus, dass mit etwas von dem Wasser, welches ich t
der zweiten langsamen Destillation aus der silbernen Blase erhalten hat
der Versuch sich werde jede beliebige Zeit über fortsetzen lassen, ohne dz
sich eine Spur eines fixen Alkali zeigen werde. Der Erfolg bewies, d«
ich mich darin nicht betrog. — Ich brachte in die Kegel von Gold eini
Tropfen dieses Wassers, womit ich auch den Amianth befeuchtete. Na
2 Stunden äusserte das Wasser der negativen Röhre noch keine Wirku
auf Curcumapapier; kaum konnte man mit der angestrengtesten Auftnei
samkeit wahrnehmen, dass es die Farbe eines schwach gerötheten Lackmi
papiers veränderte; und da es auch dieses Vermögen verlor, wenn man
2 oder 3 Minuten lang stark erwärmte, so habe ich alle Ursache, zu glaub«
dass es dasselbe von einem geringen Antheil an Ammoniak erhielt. — D<
selben Versuch wiederholte ich mit Wasser derselben Art in den Achatcylinde
Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule. ige
e ich schon so oft gebraucht hatte, und es wurde mir die Freude, dass
h vollkommen dieselben Resultate bekam.
„Ich halte es für überflüssig, in das Detail der vorigen Operationen ein-
gehen. Alle Thatsachen beweisen, dass das fixe Alkali in ihnen nicht
'zeugt wurde, sondern dass es entweder aus den Gerätschaften, oder aus
iken, welche in dem Wasser vorhanden sind, herrührte.
„Ich habe mehrere Versuche mit langsam destillirtem Wasser in Ge-
ssen von verschiedenen Materien angestellt, und fast in allen habe
b kleine Antheile fixen Alkalis erhalten. In Röhren aus Wachs war es
ne Mengung von Natron und Kali, und die Säure eine Mischung von
iwefelsäure, Salzsäure und Salpetersäure. In einer Röhre aus Harz schien
is Alkali hauptsächlich Kali zu sein.
„In einen Platintiegel wurde ein Würfel aus carrarischem Marmor
rthan, der ungefähr i Kubikzoll gross war und eine tiefe Höhlung in der
hte seiner oberen Fläche hatte. Ich goss in den Tiegel gereinigtes Wasser
s an die obere Fläche des Würfels, so dass also auch die Höhlung mit
esem Wasser gefüllt war, und führte nun in das Wasser des Tiegels den
jsitiven, in das Wasser der Höhlung den negativen Draht einer starken
OLTA'schen Säule. Das Wasser der Höhlung erhielt bald die Eigenschaft,
e Farbe des Curcumapapieres zu verändern; ich erhielt daraus fixes Alkali
ld Kalk. Vielfältige Versuche gaben mir immer dasselbe Resultat. Doch
schien jedes Mal eine kleinere Menge des fixen Alkali, und nach dem
:. Processe, deren jeder 2 oder 3 Stunden gedauert hatte, verschwanden
ls Alkali und der Kalk vollständig. Die Menge des entstehenden Kalk-
issers war immer gleich. — Ich löste nun 500 Gran von diesem Marmor
Salpetersäure auf, zersetzte die Auflösung mit kohlensaurem Ammoniak,
airte, dampfte die Flüssigkeit ab, und zersetzte das erhaltene salpetersaure
nmoniak durch Hitze. Es blieben ungefähr 3/4 Gran eines fixen Salzes
rück, dessen Basis Natron war.
„Da es möglich war, dass dieser carrarische Marmor noch vor kurzem
dem Meerwasser gelegen hatte, so wiederholte ich denselben Versuch
it einem Stücke körnigen Marmors, den ich selbst von einem Felsen
geschlagen hatte, welcher auf einem der höchsten uranfänglichen Berge
n Donegal steht. Auch dieser Marmor gab mir vermittelst der negativen
ektricität Alkali.
„Ein Stück Thonschiefer von Cornwallis, auf dieselbe Art behandelt,
;b dasselbe Resultat Serpentin von Cap Lizard und Grauwacke aus
Drd- Wallis gaben gleichfalls Natron. Es giebt wahrscheinlich nur wenige
eine, die nicht irgend einen Antheil eines Salzes enthalten, welches unter
ehreren Umständen durch ihre Substanz filtrirt. Und das hat nichts Über-
sehendes, da alle unsere gewöhnliche Gebirge offenbare Spuren des Meer-
issers an sich tragen, mit dem sie vor Alters bedeckt waren.
„Ich konnte nun auch mit Bestimmtheit darthun, dass das Natron,
*lches man in Glasröhren erhält, hauptsächlich aus dem Glase selbst
13*
IQÖ Siebentes Kapitel.
herkommt, wie ich das immer vermuthet hatte. Ich richtete nämlich den
oft beschriebenen Versuch vor, mit den beiden Kegeln aus Gold und mit :
Ammoniak, und füllte beide Kegel mit gereinigtem Wasser. Nach l/4 Stunde
veränderte das Wasser der negativen Seite Curcumapapier nicht im mindesten.
Nun brachte ich ein Stückchen Glas in die Spitze dieses Kegels, und nach •:
wenig Minuten gab das Wasser an der Oberfläche der Curcuma eine lebhaft :
dunkelbraune Farbe.
„Ich habe keinen einzigen Versuch gemacht, bei welchem ich nicht :
eine Säure erhalten hätte, welche die Eigenschaften der Salpetersäure :
zeigte; je länger der Process dauerte, desto grösser war die Menge der- *
selben. — Auch das Ammoniak schien sich stets in geringer Menge während 5
der ersten Minuten in dem gereinigten Wasser der Goldkegel zu bilden!
erreichte aber bald sein Maximum. — Es ist das natürlichste, diese beiden
Erscheinungen der Verbindung des Sauerstoffes, der sich an der positiven,
und des Wasserstoffes, der sich an der negativen Seite entbindet, mit dem
im Wasser aufgelösten Stickstoffe der atmosphärischen Luft zuzuschreiben.
In dieser Voraussetzung geben die Versuche des Dr. Priestley über das
Verschlucken der Gasarten durch das Wasser eine sehr einfache Erklärung,
warum sich die Säure immerfort, das Ammoniak aber nur während der
ersten Zeit bildet Der Wasserstoff scheint nämlich, indem er sich im Wasser
auflöst, den Stickstoff daraus auszutreiben, indess Stickstoff und Sauerstoff
mit einander im Wasser aufgelöst bestehen.1
„Um diese Erklärung noch vollständiger zu beweisen, brachte ich die
beiden Goldkegel mit dem gereinigten Wasser in den Recipienten einer Luft-
pumpe, pumpte diesen so weit leer, dass er nur noch V64ste^ ^er anfang-
lichen Luftmenge enthielt, und verband, vermöge einer besonderen Vorrich-
tung, die Kegel mit einer wirksamen VoLTA'schen Säule aus 50 Plattenpaaren
von 4 Quadratzoll Oberfläche. Diese Verbindung unterhielt ich 18 Stunden
lang, und untersuchte während derselben von Zeit zu Zeit das Resultat. Das
Wasser der negativen Röhre äusserte nicht die geringste Wirkung auf schwach
geröthetes Lackmuspapier; das Wasser der positiven Röhre gab damit ein
kaum wahrzunehmendes Roth. Eine ohne Vergleich grössere Menge von
Säure hätte sich zu gleicher Zeit in der Atmosphäre gebildet, und das
wenige Stickgas, welches mit dem Wasser in Berührung blieb, schien der
Wirkung zu entsprechen.
„Ich wiederholte diesen Versuch noch ein Mal mit aller möglichen Vor-
sicht, richtete den Apparat auf die beschriebene Weise vor, pumpte den
Recipienten möglichst luftleer, füllte ihn darauf mit Wasserstoffgas, pumpte
ihn noch ein Mal leer und füllte ihn ein zweites Mal mit Wasserstoffgas, das
mit Sorgfalt bereitet worden war. Der Process wurde 24 Stunden lang tort-
gesetzt; und am Ende dieser Zeit erfolgte nicht die geringste Farbenänderung
in präparirtem Lackmuspapier, weder in dem Wasser der positiven, noch in
dem Wasser der negativen Seite.
1 Priestley, Experiments and Observations. I, 50.
IMe chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule. 107
leraus folgt offenbar, dass* chemisch-reines Wasser sich durch
cität einzig und allein in Sauerstoffgas und in Wasserstoff-
•setzt."
Fortsetzung. Nach der endgültigen Erledigung der „grossen
rage" ging Davy sofort zu der Anwendung der beobachteten Er-
igen auf andere Probleme über, und wies zunächst auf diesem
nach, dass viele bis dahin als „unlöslich" angesehene Stoffe that-
. löslich sind, denn ihre Bestandtheile gehen ebenso an die Poldrähte,
t löslicher Stoffe. So erhielt er bei der Anwendung von Ge-
nis Gyps, Kalk und Schwefelsäure mit solchen aus Cölestin Strontian
:hwefelsäure, und ebenso wies er die Zersetzung bei Flussspath,
lsulfat, verschiedenen Gesteinen, wie Basalt, einem Zeolith, Lepidolith,
ind Glas nach. Dass lösliche Salze auf gleiche Weise zerlegt werden,
hon früher durch Cruikshank, sowie Berzelius und Hisinger nach-
en worden; Davy überzeugte sich, dass man die Zerlegung ganz voll-
j machen kann, so dass aus einer Lösung von schwefelsaurem Kali
fas eine reine Kalilösung erhalten wurde, die nach dem Ansäuern mit
>aryum keine Trübung gab, andererseits reine Schwefelsäure, die ohne
tand flüchtig war.
uif diese Weise stellte sich "heraus, dass die Bestandtheile der Salze
des Stromes, oder ihm entgegengesetzt fortgeführt werden. Die Frage,
eit solche Fortfuhrungen erfolgen können, und ob diese Bestandtheile
durch andere Lösungen hindurch wandern, veranlasste Davy zu einer
en Reihe von Versuchen, die ich ihrer Bedeutung wegen in seinen
en Worten folgen lasse.
jGautherot1 behauptet gefunden zu haben, dass in einer wirksamen
:hen galvanischen Kette aus Zink, Silber und Wasser das sich bildende
>xyd vom Silber angezogen werde.2 Die Herren Hisinger und Berzelius
len einen Versuch, bei welchem sie in den positiv elektrisirten Schenkel
Hebers salzsauren Kalk, und in den negativen destillirtes Wasser gethan
n, und wo dieser letztere Schenkel nach der Zersetzung den Kalk ent-
Diese Thatsachen würden darauf deuten, dass die Bestandtheile, welche
beim Zersetzen der Salze durch Elektricität trennen, von der einen zu
inderen der elektrisirten Metallflächen hin übergeführt werden, und dort
auf die gewöhnliche Art aneinander ordnen. Doch es bedarf neuer
rsuchungen, damit diese Behauptung auf eine recht klare und bestimmte
e bewiesen werde.
„Ich verband durch Asbest miteinander eines der oben beschriebenen
>se aus dichtem Gyps, und einen der Achatbecher, füllte sie mit ge-
ltem Wasser, und setzte den positiven Platindraht einer Säule von 100
mpaaren mit dem Wasser im Gypsgefässe, den negativen mit dem Wasser
ichatbecher in Verbindung. Nach 4 Stunden fand sich in dem Achat-
1 Ann. de Chimie 39, 203. * Ebenda 51, 172.
Siebentes Kapitel.
}
becher eine starke Auflösung von Kalk, lind in dem Gypsgefässe Schwefel
säure. — Als ich die Gefässe in verkehrter Ordnung mit der Säule verbünde*
hatte, war am Ende einer gleichen Zeit in dem Achatbecher Schwefelsäure,
und in dem Gypsgefässe Kalkwasser.
„Ähnliche Versuche, die ich mit mehreren anderen Salzen von mine-
ralischer Säure und alkalischer oder alkalisch-erdiger Basis in Glasröhren
angestellt habe, gaben ganz analoge Resultate. Die Glasröhre mit der Sah>
auflösung und die mit destillirtem Wasser waren durch Amianth und beide
mit der VoLT*'schen Säule durch Platindrähte verbunden; wenn die Salzauf-
lösung positiv, das Wasser negativ elektrisirt wurde, so war es die Basis,
wenn ich dagegen die Salzauflösung negativ, das Wasser positiv elektrisirte,
so war es die Säure des Salzes, welche in das Wasser hinübergeführt wurden.
„Die Metalle und die Metalloxyde werden wie die Alkalien an die
negative Metallfläche hinübergeleitet und dort angesammelt Als bei einem
Fig. 61. Nach Davv.
Fig. 62. Nach Davv.
dieser Versuche salpetersaure Silberauflösung an der positiven, destillirtes
Wasser an der negativen Seite war, zeigte sich das Silber an der ganzen
Oberfläche des hinüberleitenden Asbestes, und gab ihr das Ansehen, als sei
sie mit einer dünnen metallischen Schicht bedeckt.
„Bei gleicher Menge und Intensität der Elektricität, und bei sonst
gleichen Umständen, scheint die Zeit, welche zu diesem Hinüberführen er-
fordert wird, desto grösser zu sein, je länger das Volumen Wasser ist, das
sich zwischen den beiden Metallflächen befindet. So z. B. zeigt sich bei
einer Kraft von too Plattenpaaren, wenn schwefelsaures Kali im negativen,
destillirtes Wasser im positiven Gefässe ist, und die beiden Enden der Polar-
drähte einmal nur i Zoll, das zweite Mal dagegen (wenn man beide Röhren
mit einem Zwischengefässe mit gereinigtem Wasser verbunden hat) 8 Zoll
von einander entfernt sind, Schwefelsäure in dem Wasser des negativen
Gefässes, im ersten Falle in weniger als s Minuten, in dem zweiten erst
nach 14 Stunden.
„Ich wünschte zu wissen, ob es nothwendig ist, dass eine Metallfläche
die Salzauflösung berühre, damit diese zersetzt und einer ihrer Bestandtheile
Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule. iqq
hinübergefiihrt werde. Zu dem Ende stellte ich den folgenden Versuch an.
Es wurden zwei Glasröhren mit gereinigtem Wasser gefüllt, beide durch
Amianth mit einem dritten Gefässe verbunden, worin sich eine Auflösung
von salzsaurem Kali befand, und beide wurden so gestellt, dass die Ober-
fläche des Wassers in den Röhren höher war als die Oberfläche dieser Auf-
lösung. Jeder der beiden Platindrähte war auf diese Art wenigstens 2/3 Zoll
von der Salzauflösung entfernt, die sich in dem dritten Gefässe befand;
dennoch erschien sehr bald in der positiven Röhre die Säure, in der nega-
tiven das Alkali, und nach 16 Stunden hatten sich ziemlich starke Auf-
losungen von Kali und von Salzsäure in den Röhren gebildet.
„In diesem Falle des Hinüberfiihrens oder der elektrischen Anziehung
scheinen die Säure und das Alkali vollkommen rein zu sein : ich bin geneigt,
zu glauben, dass das immer der Fall ist, wenn die Versuche mit Sorgfalt
angestellt werden. Die Reinheit der alkalischen Basis bewies folgender Ver-
such, bei welchem schwefelsaure Magnesia in der positiven, und destil-
lirtes Wasser in der negativen Röhre war, und die Magnesia in dieses
hinübergefiihrt wurde. Ich hatte Sorge getragen, dass die Oberfläche des
destillirten Wassers nie niedriger als die der Salzlösung stand; als ich den
verbindenden Amianth fortnahm, und die Flüssigkeit in der negativen Röhre
mit Salzsäure sättigte, gab sie keine Spur einer Trübung mit salzsaurer Baryt-
auflösung.
„Um mich von dem Fortschreiten des Hinüberfiihrens und von dem
Laufe zu unterrichten, den die Säuren und die Basen bei diesen Zersetzungen
nehmen, nahm ich Lackmus- und Curcuma-Tinktur, und mit ihnen
gefärbte Papiere zu Hülfe. Diese Versuche lehrten mich einige sonderbare
Umstände kennen, welche ich nicht erwartet hatte.
„Zwei Röhren, von denen die eine destillirtes Wasser, die andere
eine Auflösung von schwefelsaurem Kali enthielt, wurden durch Amianth
mit einem kleinen Maass voll destillirten Wassers, das mit Lackmus gefärbt
uar, verbunden, und die Salzauflösung negativ, das Wasser positiv elektrisirt.
Da zu erwarten war, dass die Schwefelsäure, wenn sie durch das Wasser in
die negative Röhre hinübergefiihrt wurde, das Lackmus auf ihrem Wege
röthe, so brachte ich über und unter den Amianthstücken, gerade in dem
Kreisläufe, einige Stücke nassen Lackmuspapiers an, und beobachtete nun
den Erfolg mit der grössten Aufmerksamkeit. Die rothe Farbe zeigte sich
sogleich unmittelbar über der positiven Oberfläche, wo ich sie am wenigsten
erwartete, und verbreitete sich von selbst an der positiven Seite bis in die
Mitte des Zwischengefässes; an der negativen Seite erschien dagegen gar
kein Roth, weder über dem Amianth noch um denselben, an welchem bis
zu Ende des Versuches keine Farben Veränderung eintrat, obgleich er immer-
fort Schwefelsäure hinübergeführt hatte.
„Ich verkehrte nun die Ordnung, verband die schwefelsaure Kaliauf-
iusung mit dem positiven und das destillirte Wasser mit dem negativen
Polardrahte, und nahm Curcuma statt Lackmus. Der Erfolg war völlig analog.
200 Siebentes Kapitel.
Die Curcuma wurde sogleich am negativen Drahte braun, und es fand keine
Farbenänderung in dem vermittelnden Getässe nach dem positiven Drahte
zu statt
„Bei einem dritten Versuche füllte ich die beiden Glasröhren mit einer
Auflösung von salzsaurem Natron, und das vermittelnde Gefäss mit
schwefelsaurer Silberauflösung, und legte auf die positive Seite Curcuma-
papier, auf die negative Lackmuspapier. Kaum war der Kreis der elektrischen
Säule geschlossen, als auch schon Natron in der negativen und oxygenirte
Salzsäure in der positiven Röhre zu erscheinen begann; beide zeigten sich
bei ihrem Durchgange durch die schwefelsaure Silberauflösung, in welcher
die Salzsäure einen schweren und dichten, das Natron einen viel leichteren
und dünneren Niederschlag bewirkte; aber weder die Curcuma, durch welche
das Alkali vom positiven Pole, noch das Lackmus, durch das die Säure vom
negativen Pole ab zu dem entgegengesetzten hinübergeflihrt wurde, litten
die geringste Farbenveränderung.
„Da die Säuren und Alkalien auf ihrer elektrischen Hinüberfuhrung
durch Wasser hindurchzugehen vermögen, das mit Pflanzenfarben gefärbt ist,
ohne diese Farben zu ändern, oder, wie es allen Anschein hat, ohne dabei
mit dem Pigmente zu verbinden: so entsteht die Frage, ob sie nicht auch
auf gleiche Weise durch chemische Mittel, zu denen sie grosse Anziehung
haben, sollten hindurchgefühlt werden? Denn sollte nicht dieselbe Macht,
welche die Wahlanziehung in der Nähe der elektrischen Metallspitzen ver-
nichtet, auch während der ganzen Ausdehnung des Kreislaufes der geschie-
denen Bestandtheile ihre Wahlanziehung vernichten oder fesseln können?
„Ich bediente mich zu dem folgenden Versuche einer Säule aus 150
Lagen, und desselben Apparates, mit dem ich den vorhergehenden Versuch
mit salzsaurem Natron und schwefelsaurem Silber angestellt hatte. Mit der
negativ-elektrisirten Metallspitze wurde eine Auflösung von schwefelsaurem
Kali, mit der positiv -elektrisirten gereinigtes Wasser in Berührung ge-
setzt; als Mittelglied des verbindenden Leiters diente eine schwache Am-
moniakauflösung, so dass kein Theilchen Schwefelsäure von der negativen
Spitze in das positive Wasser hinüberkommen konnte, ohne durch die
Ammoniakauflösung hindurchzugehen. Es zeigte sich durch Lackmuspapier,
dass schon in weniger als 5 Minuten um die positive Spitze Säure sich
angesammelt hatte, und schon nach 1/2 Stunde war das Resultat so bestimmt,
dass es mit Genauigkeit untersucht werden konnte. Das Wasser hatte einen
sauren Geschmack und fällte salpetersaure Barytauflösung.
„Ich habe ähnliche Versuche mit Kalkwasser und mit schwachen
Auflösungen von Kali, und von Natron als Mittelgliedern angestellt. Der
Erfolg war ganz derselbe. — Bei starken Auflösungen von Kali und von
Natron wird sehr viel mehr Zeit erfordert, ehe die Säure wahrzunehmen ist;
aber selbst bei einer gesättigten alkalischen Lauge zeigt sich nach einer
gewissen Zeit endlich die Säure.
„Die Salzsäure von salzsaurem Natron, und die Salpetersäure von
Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule. 2OI
salpetersaurem Kali wurden unter ähnlichen Umständen durch concentrirte
alkalische Laugen hindurchgeführt.
„Ich stellte nun an den negativen Polardraht destillirtes Wasser, in die
Mitte verdünnte Schwefelsäure, Salpetersäure oder Salzsäure, und an den
positiven Polardraht eine Auflösung irgend eines Neutralsalzes, welches Kalk,
Natron, Kali, Ammoniak oder Magnesia zur Basis hatte. Das Alkali
ging, auf ganz gleiche Art, durch die Säure nach der negativen Oberfläche
hinüber. Je weniger der concentrirten Säure war, desto leichter schien das
Hinüberfuhren durch sie zu sein. Ich habe diesen Versuch mit Säulen von
150 Lagen angestellt: mit salzsaurem Kalke und Schwefelsäure, ferner
mit salpetersaurem Kali und Salzsäure, mit schwefelsaurem Natron
und Salzsäure, und mit salzsaurer Magnesia und Schwefelsäure. In
allen diesen Fällen erhielt ich in weniger als 48 Stunden entscheidende
Resultate. Die Magnesia wurde ebenso, wie die übrigen alkalischen Materien,
hinübergefiihrt
„Auch Strontian und Baryt gingen mit derselben Leichtigkeit durch
Salpetersäure und durch Salzsäure hindurch; und umgekehrt die Säuren
durch Strontianwasser und durch Barytwasser. — Als ich aber versuchte,
ob Strontian und Baryt durch Schwefelsäure, oder umgekehrt, Schwefel-
säure durch die wässerigen Auflösungen dieser Substanzen hindurchgefühlt
werden, erfolgte ein ganz anderes Resultat.
„Es befand sich schwefelsaure Kaliauflösung an der negativen,
destillirtes Wasser an der positiven Seite einer Säule aus 150 Lagen,
und gesättigtes Barytwasser in der Mitte. Nach 30 Stunden war in dem
destillirten Wasser noch nicht so viel Säure, dass sie sich hätte wahrnehmen
lassen. Nach 4 Tagen erschien sie zwar, aber in sehr geringer Menge. In
dem Zwischengefässe hatte sich sehr viel schwefelsaurer Baryt nieder-
geschlagen; an der Oberfläche befand sich auf der Flüssigkeit eine dicke
Lage kohlensauren Baryts, und das Barytwasser selbst war so schwach ge-
worden, dass es kaum auf geröthetes Lackmuspapier wirkte. Ganz dasselbe
Resultat gab Strontianwasser, nur dass dabei die Schwefelsäure schon
nach 3 Tagen bemerkbar wurde. — Als ich am positiven Pole einer Säule
von 150 Lagen salzsauren Baryt, in der Mitte concentrirte Schwefel-
säure und am negativen Pole destillirtes Wasser angebracht hatte, nahm
ich ebenso, während der 4 Tage, die der Versuch dauerte, keinen Baryt
in dem destillirten Wasser wahr; in der positiven Röhre hatte sich aber viel
oxygenirte Salzsäure, und in dem Zwischengefässe ein ziemlich bedeutender
Niederschlag von schwefelsaurem Baryt gebildet.
„Auch mehrere Metalloxyde wurden bei Versuchen dieser Art durch
Säuren hindurch von der positiven nach der negativen Seite hinübergeführt;
dieses ging aber weit langsamer vor sich, als mit den Alkalien. An der
positiven Seite befand sich eine grüne schwefelsaure Eisenauflösung,'
in der Mitte Salzsäure, an der negativen Seite destilliertes Wasser.
Nach 10 Stunden fing das grüne Eisenoxyd an sichtbar zu werden, auf dem
202 Siebentes Kapitel.
1
zur Verbindung dienenden Amianthe der negativen Seite, und nach 3 Tagen
hatte sich davon bedeutend viel in der negativen Röhre abgesetzt —
Schwefelsaures Kupfer, salpetersaures Blei und salpeter-salzsaures
Zinn haben mir ganz ähnliche Resultate gegeben.
„Mehrere Versuche, welche ich über das Hindurchgehen von Säuren
und von Alkalien durch Auflösungen von Neutralsalzen angestellt habe,
führten zu den vorauszusehenden Resultaten.
„In einem dieser Versuche mit Säulen von 150 Lagen befand sich
salzsaurer Baryt an der negativen, destillirtes Wasser an der positiven
Seite, und schwefelsaures Kali in der Mitte; nach 5 Minuten erschien
Schwefelsäure in dem Wasser, und nach 2 Stunden ebenfalls Salzsäure. —
Als schwefelsaures Kali an der positiven, destillirtes Wasser an der nega-
tiven Seite, und salzsaurer Baryt in der Mitte war, zeigte sich in dem
destillirten Wasser Baryt nach einigen Minuten, und das Kali von dem
entferntesten Theile der Kette bedurfte ungefähr 1 Stunde, um sich darin
so stark anzusammeln, dass es erkennbar wurde. — War umgekehrt der
salzsaure Baryt positiv und schwefelsaures Kali in der Mitte, so erschien das
Kali im Augenblicke in dem negativen Wasser; in dem Zwischengefässe
setzte sich viel schwefelsaurer Baryt ab, und nach 10 Stunden war der Baryt
noch nicht in das Wasser hinübergedrungen. — Als zwischen negativem
salzsauren Baryt und positivem Wasser schwefelsaures Silber war, ging die
Schwefelsäure allein in das Wasser über, und in dem Zwischengefässe setzte
sich viel salzsaures Silber ab. Dieser Process währte 10 Stunden.
„Auch mit vegetabilischen und mit thierischen Theilen habe ich
mehrere Versuche über das Hindurchgehen angestellt, und jedes Mal mit
dem ausgezeichnetsten Erfolg. Die mit einem der Polardrähte in Berührung
stehende Salzauflösung, und die Salze, welche sich in den vegetabilischen
und thierischen Substanzen selbst befinden, erleiden durch die Elektricität
beide eine Zersetzung und ein Hindurchfuhren, und die Zeit, welche nöthig
ist, bis diese Produkte sich an den äussersten Punkten ihres Kreislaufes
zeigen, hängt von der Entfernung ab, worin diese Punkte von einander stehen.
„Eine positive Auflösung von salpetersaurem Strontian war mit nega-
tivem Wasser durch einen noch frischen, 2 Zoll langen Stengel einer Tuberose
verbunden. Das Wasser wurde im Augenblicke grün und zeigte ein Alkali;
und ebenso schnell ging in die positive Röhre Salpetersäure über. Ich unter-
suchte das Alkali nach 10 Minuten; es bestand aus Kali und aus Kalk;
noch war also das Strontium nicht hinübergedrungen; der Niederschlag mit
Schwefelsäure löste schnell sich in Salzsäure auf. Nach einer halben Stunde
erschien auch Strontian, und nach 4 Stunden war es in Menge vorhanden.
„Als ich ganz auf dieselbe Art einen aus einem Ochsenmuskel ge-
schnittenen, 3 Zoll langen und I/a Zoll breiten Streifen, positiv elektrisirten
salzsauren Baryts mit negativ-elektrisirtem Wasser verband, wurde anfangs
Natron, Ammoniak und Kalk in das Wasser hinübergefiihrt; nach fi/4 Stunden
war auch Baryt darin bemerkbar. In der positiven Röhre fand ich viel oxygenirte
1*
Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule. 203
zsäure; in der negativen Röhre war keine Spur von Salzsäure, weder aus
Auflösung noch aus der thierischen Fiber hinübergetreten.
„Wenn wir die hier im Detail beschriebenen Thatsachen, welche die
Setzungen und Hindurchfiihrungen betreffen, die durch Elektricität bewirkt
"den, unter eine allgemeine Ansicht zusammenfassen wollen, so werden
sie in der gewöhnlichen Sprache der Physik folgendermaassen ausdrücken
inen: der Wasserstoff, die alkalischen Substanzen, die Metalle und gewisse
talloxyde werden von den negativ-elektrisirten Metallflächen angezogen
d von den positiv- elektrisirten Metallflächen zurückgestossen; dagegen
rden der Sauerstoff und die Säuren von den positiv-elektrisirten Metall-
chen angezogen und von den negativ-elektrisirten Metallflächen abgestossen;
d diese anziehenden und zurückstossenden Kräfte sind energisch genug,
a die gewöhnlichen Wirkungen der Wahlverwandtschaft zu zerstören oder
hemmen.
„Es ist das natürlichste, anzunehmen, dass die anziehenden und zurück-
)ssenden Kräfte von Theil zu Theil derselben Art wirken, so dass
ese Theile in der Flüssigkeit eine Leitung bilden, woraus eine Ortsver-
iderung entsteht, die durch sehr viele Thatsachen bewiesen ist. Auch habe
h, so oft ich alkalische Auflösungen untersuchte, durch welche Säuren
aren hindurchgeführt worden, jedes Mal in ihnen Säure gefunden, wenn an
?r anfanglichen Quelle noch einige Säure vorhanden war. Mit der Zeit
acht zwar das Anziehungsvermögen der positiven Metallfläche die Zersetzung
nd das Hinüberführen vollständig, aber dies beeinträchtigt den Schluss nicht.
„In dem Falle, wenn Wasser oder Auflösungen von Neutralsalzen die
anze Kette einnehmen, ist es möglich, dass, wenn ihre Bestandteile ge-
:hieden werden, eine ganze Folge von Zersetzungen und Wiederzusammen-
etzungen durch die Flüssigkeit hindurch stattfindet. Für diese Annahme
timmen die Versuche, bei welchen Baryt durch Schwefelsäure, und bei
reichen Salzsäure durch eine Auflösung von schwefelsaurem Silber
lindurchgehen sollte; in ihnen traten die unauflöslichen Zusammensetzungen
ius der Sphäre der elektrischen Wirksamkeit heraus, und zugleich war das
Vermögen, sie hinüber zu fuhren, zerstört. Aus mehreren anderen Ver-
suchen lasst sich derselbe Schluss ziehen. Die Magnesia und die Metall-
Dxyde wurden, wie wir gesehen haben, über den angefeuchteten Amianth
hinweg von der positiven zu der negativen Metallfläche geführt; bringt man
aber ein drittes Gefäss mit gereinigtem Wasser zwischen die beiden anderen
in die Kette, so werden diese Substanzen nicht mehr in das negative Gefäss
hinübergeleitet, sondern sinken in dem Zwischengefässe zu Boden. Ich habe
diese Versuche mehrere Mal wiederholt, und immer waren die Resultate
völlig beweisend. In ein paar Versuchen schien Schwefelsäure in geringer
Menge durch verdünntes Strontianwasser und Barytwasser hindurch zu
gehen; ohne Zweifel wurde aber das Hinüberfuhren von einer dünnen Lage
reinen Wassers verursacht, welche an der Oberfläche, wo die Kohlensäure
eine Zersetzung bewirkte, entstanden war. Denn als in einem ähnlichen
204 Siebentes Kapitel.
Versuche das Häutchen kohlensauren Baryts und die Flüssigkeit oft gerührt
und hin und her bewegt wurden, erschien an der positiven Metallfläche keine
Spur von Schwefelsäure.
„Aus diesen aligemeinen Erscheinungen des Zersetzens und des Hin-
überfuhrens erklärt es sich ohne Schwierigkeit, aufweiche Art der Sauer-
stoff und der Wasserstoffsich getrennt aus dem Wasser entwickeln.
Der Sauerstoff eines Wassertheilchens wird von der positiven Metallfläche
angezogen, der Wasserstoff von ihr abgestossen; umgekehrt zieht die nega-
tive Metallfläche den Wasserstoff des Theilchens an und stösst den Sauerstoff
ab. Im Mittelpunkte des flüssigen Bogens muss daher noth wendig eine neue
Verbindung unter den zurückgestossenen Materien vor sich gehen, es finde
nun eine Reihe von Zersetzungen und Wiederzusammensetzungen von einer
der elektrisirten Metallflächen zur anderen statt, oder die Theilchen der
äussersten Punkte mögen allein wirksam sein. Dieser Fall ist dem analog,
welcher stattfand, als salzsaures Natron sich an den beiden Metallspitzen und
destillirtes Wasser in dem Zwischengefässe zwischen beiden befand; hier
stiess die positive Metallfläche die Salzsäure, die negative das Natron zurück,
während in dem Zwischengefässe sich wieder salzsaures Natron zusammensetzte,
„Diese Thatsachen scheinen die Conjecturen des Herrn Ritter und
einiger anderer über die Einfachheit des Wassers vollständig zu widerlegen,
und die grosse Entdeckung des Herrn Cavendish, dass das Wasser ein
aus Sauerstoff und Wasserstoff zusammengesetzter Körper ist, zu
bestätigen. Herr Ritter hatte geglaubt, er erhalte aus dem Wasser Sauerstoff
ohne Wasserstoff, wenn er es mit der negativen Metallfläche durch Schwefel-
säure in Verbindung setze; allein in diesem Falle wird der Schwefel abge-
schieden, der Sauerstoff der Säure und der Wasserstoff des Wassers werden
beide zurückgestossen, und es entsteht aus ihnen eine neue Zusammen-
setzung."
Diese Versuche sind von der grössten Bedeutung für die Theorie der
Vorgänge bei der galvanischen Zersetzung. Davy geht ziemlich geschwind
über ihre Erklärung hinweg, indem er in der von Grothuss (s. w. u.) zuerst
entwickelten Weise eine Reihe von Zersetzungen und Wiedervereinigungen
in der Strombahn annimmt. Indessen wurde schon von den Zeitgenossen
die ungenügende Beschaffenheit dieser Anschauung empfunden, ohne dass
doch etwas besseres an die Stelle gesetzt werden konnte.
14. Die Entdeckung der Alkalimetalle. Aus den vorstehend mit-
getheilten Arbeiten, deren hervorragendste Eigenschaft die ausserordentliche
Sorgfalt im kleinsten ist, fuhren Davy's weitere Forschungen in ein anderes
Gebiet von ganz entgegengesetztem Charakter. Waren durch die Unter-
suchungen über die Abstammung der Säure und des Alkali bei der gal-
vanischen Wasserzersetzung allerlei wissenschaftliche Träume und Phanta-
sieen zerstört, so gab Davy durch seine weiteren Arbeiten Kunde von neuen
Stoffen mit überraschenden Eigenschaften und von so ungeahntem Ver-
halten, dass durch die Wirklichkeit die kühnsten jener Träume weit über-
Die cheülischen Wirkungen der Volta'schen Säule. 2CK
ffen wurden. Es handelt sich um die Entdeckung der Alkalimetalle,
Iche Davy ein Jahr nach jener früheren Abhandlung in einer zweiten
k£r- Vorlesung der Royal Society im Jahre 1 807 mittheilte. * Nachstehend
d die wesentlichen Stellen des Vortrages unter Weglassung der rein be-
ireibend-chemischen Darlegungen mitgetheilt.
„In der BAKER-Vorlesung, welche ich in dem vergangenen Jahre in der
liglichen Societät zu halten die Ehre gehabt habe, sind mir eine grosse
:nge von Zersetzungen und chemischen Veränderungen beschrieben worden,
lche die Elektricität in Körpern bewirkt, deren Bestandtheile bekannt sind;
d schon damals wagte ich aus den allgemeinen Grundgesetzen, welche
ise Erscheinungen zu erklären schienen, den Schluss zu ziehen, dass diese
uen Methoden der Untersuchung zu einer genaueren Kenntniss der wahren
emente der Körper fuhren würden.
„Diese Vermuthung gründete ich damals lediglich auf einige eingreifende
lalogieen; jetzt bin ich so glücklich, sie durch überzeugende Thatsachen
währen zu können. Während einer Reihe sehr mühsamer Anwendungen
t Kräfte der elektrisch-chemischen Analyse auf Körper, die bisher einfach
hienen, und die durch Einwirkung der gewöhnlichen Reagentien noch
cht zersetzt worden waren, habe ich das ^ute Glück gehabt, neue und
erkwürdige Resultate zu erhalten.
„Ich werde in den folgenden Abschnitten das Detail derjenigen unter
ssen Reihen meiner Versuche, welche ich bis zu einem gewissen Grad von
?ife habe bringen können, in einiger Ordnung zusammenreihen, besonders
*, welche die Zersetzung und die Wiederzusammensetzung der feuerbestän-
*en Alkalien und die Darstellung der neuen ausserordentlichen Körper
treffen, die ihre Basen ausmachen.
„Da, wo ich ungewöhnliche Processe zu beschreiben habe, glaube ich
besorgt in ein grösseres Detail eingehen zu dürfen; da aber, wo ich mich
:>ss der gewöhnlichen Mittel bedient habe, werde ich mehr nicht alä die
sultate angeben. Wollte ich meinen Untersuchungen Schritt vor Schritt
gen, alle Schwierigkeiten, auf die ich gestossen bin, die Art, wie es mir
glückt ist, sie zu überwinden, und alle Handgriffe schildern, so müsste ich
iit über die Grenzen, welche für diese Vorlesung bestimmt sind, hinaus-
hen. Ich begnüge mich daher zu sagen, dass ich hier nur das für That-
chen oder für allgemeine Resultate ausgeben werde, was ich aus sorgfältig
gestellten und oft wiederholten Versuchen gefolgert habe.
„Verfahrungsarten, um die feuerbeständigen Alkalien
zu zersetzen.
„Die Untersuchungen, welche ich über die Zersetzung der Säuren und
r neutralen alkalischen und erdigen Salze angestellt habe, hatten mir be-
esen, dass die Energie der elektrischen Zersetzung, der Kraft der ent-
1 Philos. Trans. 1808, S. I.
2o6 Siebentes Kapitel.
gegengesetzten Elektricitäten in dem galvanischen Kreise und dem Leitungs-
vermögen, sowie dem Grade der Concentrirung der angewendeten Körper
proportional ist.
„Ich versuchte diesem gemäss zuerst, die feuerbeständigen Alkalien in
ihren wässerigen bei der gewöhnlichen Temperatur gesättigten Auf-
lösungen mit Hülfe der stärksten elektrisch-galvanischen Apparate zu zer-
setzen, die mir zu Gebote standen. Dieses waren die Trogapparate der
Royal-Institution, welche ich mit einander verband. Sie bestehen aus
24 viereckigen Plattenpaaren von Kupfer und Zink, jede von 12 Zoll Seite, aus
100 Plattenpaaren, jede von 6 Zoll, und aus 150 Plattenpaaren, jede von
4 Zoll Seite; ich füllte sie mit Alaunauflösung und verdünnter Salpetersäure.
Bei aller Intensität der Wirkung wurde jedoch das Wasser der alkalischen
Auflösungen allein angegriffen, und unter Erzeugung grosser Hitze und
heftigem Aufbrausen entwickelten sich bloss Wasserstoffgas und Sauerstoffgas.
„Die Gegenwart des Wassers schien hier die Zersetzung der Alkalien
zu verhindern. Ich schmelzte daher zu meinen ferneren Versuchen Kali
durch Hitze, indem ich es in einen Löffel aus Platin legte, und aus einem
Gasometer Sauerstoffgas durch die Flamme einer Weingeistlampe darauf
blasen Hess. Während das KaJi auf diese Art einige Minuten lang in heftiger
Rothglühehitze und in dem Zustande vollkommener Flüssigkeit erhalten wurde,
setzte ich den Löffel mit dem positiven, und das Kali selbst durch einen
Platindraht mit dem negativen Ende des stark geladenen Trogapparates aus
100 Plattenpaaren, jedes 6 Zoll ins Quadrat, in leitende Verbindung. Bei
dieser Anordnung zeigten sich mehrere glänzende Phänomene. Das Kali
war nun in hohem Grade leitend, und so lange die Verbindung dauerte,
sah man an dem negativen Drahte ein sehr lebhaftes Licht, und im Be-
rührungspunkte eine Flammensäule, welche von einem sich hier entbindenden
verbrennlichen Körper herzurühren schien.
v„Als ich die Ordnung veränderte, und den negativen Draht mit dem
Platinlöffel, den positiven mit dem Platindraht, der das Kali berührte, ver-
band, erschien an der Spitze dieses letzteren ein lebhaftes und bleibendes
Licht; um dasselbe Hess sich nichts wahrnehmen, was einem Verbrennen
geglichen hätte, dagegen sah man durch das Kali Gasbläschen aufsteigen,
die sich an der Atmosphäre eines nach dem anderen entzündeten.
„Das Platin wurde, wie zu erwarten war, stark angegriffen, und zwar
im höchsten Grade, wenn es sich an der negativen Seite des Kreises befand.
„Das Kali schien in diesem Versuche vollkommen trocken zu sein, und
es Hess sich daher annehmen, dass der verbrennliche Körper, welcher
während der Einwirkung der Elektricität auf das fliessende Kali am negativen
Drahte sich zu bilden schien, durch Zersetzung des Kali entstehe. Der
Rückstand des Kali war unverändert; zwar entdeckte ich darin eine Anzahl
metallischer Theilchen von dunkelgrauer Farbe, es zeigte sich aber in der
Folge, dass sie vom Platin herrührten. Ich versuchte es auf verschiedene
Arten, diesen verbrennlichen Körper aufzufangen, jedoch umsonst Das
Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule. 207
gelang mir erst, da ich die Elektricität zugleich als Schmelzungs- und als
Zersetzungs-Mittel auf das Kali wirken liess.
„Kali, das man durch Glühen vollkommen getrocknet hat, ist zwar
ein Nicht-Leiter der Elektricität, es wird aber schon leitend durch sehr wenig
Feuchtigkeit, welche die feste Aggregation desselben nicht merklich ändert;
und in diesem Zustande wird es durch eine etwas energische elektrische
Einwirkung geschmolzen und zersetzt
„Ich nahm ein kleines Stück reines Kali, liess es einige Sekunden lang
mit der Atmosphäre in Berührung, wodurch es an der Oberfläche leitend
wurde, legte es auf eine isolirte Platinscheibe, die mit dem negativen Ende
einer in ihrer grössten Wirksamkeit befindlichen Batterie von 250 6- und
4-zölligen Plattenpaaren verbunden war, und berührte die Oberfläche des
Kali mit dem positiven Platindrahte. Der ganze Apparat stand an freier
Luft Sogleich zeigte sich eine sehr lebhafte Wirkung. Das Kali begann
an den beiden Punkten, wo es elektrisirt wurde, zu schmelzen. An der
oberen Oberfläche sah man ein heftiges Aufbrausen; an der unteren, oder
der negativen, war kein Entbinden einer elastischen Flüssigkeit wahrzunehmen,
ich entdeckte aber kleine Kügelchen, die einen sehr lebhaften Metallglanz
hatten und völlig wie Quecksilber aussahen. Einige verbrannten in dem
Augenblick, in welchem sie gebildet wurden, mit Explosion und lebhafter
Flamme; andere blieben bestehen, liefen aber an, und bedeckten sich zuletzt
mit einer weissen Rinde, die sich an ihrer Oberfläche bildete.
„Eine Menge von Versuchen bewiesen mir bald, dass diese Kügelchen
die Substanz waren, nach der ich suchte: ein verbrennlicher Körper eigen-
thümlicher Art, und die Basis des Kali. Ich fand, dass die Gegenwart
von Platin gleichgültig fiir das Resultat ist, ausser als Mittel, die elektrischen
Kräfte, welche die Zersetzung bewirken, zu bethätigen; immer entstand die-
selbe Substanz, ich mochte den Kreis durch Stücke Kupfer, oder Silber,
oder Gold, oder Reissblei, oder selbst durch Stücke Kohle schliessen.
„Die Gegenwart der Luft hat keinen Einfluss auf das Resultat; denn
ich fand, dass alles auf dieselbe Art erfolgt, wenn sich das Kali in einem
luftleeren Recipienten befindet.
„Ich habe diese Substanz auch aus Kali, das im Schmelzen durch Hitze
begriffen ist, dargestellt, nämlich in Glasröhren mit eingeschmolzenen Platin-
drähten, die mit Quecksilber gesperrt waren, und in welchen, während die
Elektricität hindurch wirkte, das Kali mittelst einer Lampe geschmolzen
wurde. Dieses Verfahren liess sich aber nicht lange fortsetzen, da das Glas
durch die Einwirkung des Kali bald aufgelöst wurde, und dann die Substanz
durch das Glas hindurch drang.
„Natron gab ähnliche Resultate wie das Kali, wenn man es auf die-
selbe Art behandelte; die Zersetzung desselben erforderte aber entweder eine
intensivere Einwirkung der Trogapparate, oder die Stücke desselben mussten
kleiner und dünner sein. Mit dem Trogapparat von 100 Plattenpaaren,
jedes 6 Zoll ins Gevierte, erhielt ich, als er in voller Wirksamkeit war, gute
208 Siebentes Kapitel.
Resultate mit Stückchen Kali, die 40 bis 70 Grains wogen und so dick
waren, dass die elektrisirten Metallflächen ungefähr l/4 Zoll von einander
abstanden; dagegen war es mir nicht möglich, mit einem solchen Trogapparate
die Zersetzung in Stückchen Natron, die über 15 bis 20 Grains wogen, zu
bewirken, und selbst in solchen Stückchen gelang mir dieses nur dann, wenn
die Entfernung zwischen den Metallflächen, durch welche die Elektricität dem
Natron zugeführt wurde, nicht über Y10 ^ls 7s ^°^ betrug.
„Die aus dem Kali erzeugte Substanz blieb in der Temperatur, welche
die Atmosphäre im Augenblicke ihrer Erzeugung hatte, flüssig. Die Substanz
aus dem Natron war flüssig bei der Temperatur, die sie, während sie sich
bildete, von dem Alkali erhalten hatte, wurde aber im Erkalten fest, und
nahm die Farbe und den Glanz des Silbers an.
„Als ich eine sehr kräftige Batterie von 250 Plattenpaaren zur Zersetzung
des Natrons anwendete, verbrannten die Kügelchen oft in dem Augenblicke,
in welchem sie entstanden; manchmal explodirten sie heftig und trennten
sich in kleinere Kügelchen, die brennend mit grosser Schnelligkeit durch
die Luft flogen; dieses unaufhörliche Feuersprühen ist ein sehr schönes
Schauspiel.
„Theorie der Zersetzung der feuerbeständigen Alkalien;
Zusammensetzung und Erzeugung derselben.
„Bei allen Zersetzungen zusammengesetzter Körper, welche ich bis dahin
untersucht hatte, waren stets die verbrennbaren Basen an der negativen
Oberfläche des elektrischen Kreises entbunden worden, während der Sauerstoff
an der positiven Oberfläche zum Vorschein kam, oder dort in Verbindungen
trat. Es war daher der natürlichste Gedanke, dass bei der Einwirkung der
Elektricität auf die Alkalien die neuen Substanzen ganz auf ähnliche Weise
erzeugt werden.
„Ich habe mehrere Versuche in einem mit Quecksilber gesperrten Appa-
rate, aus welchem die äussere Luft ausgeschlossen war, angestellt, die mir zum
Beweise dienen, dass die Sache sich in der That auf diese Art verhält
Wenn man nämlich festes Kali oder Natron, die so viel Feuchtigkeit an-
gezogen haben, dass sie leitend sind, in Glasröhren verschliesst, welche mit
Platindrähten versehen und vermöge derselben in den Kreis eines Trog-
apparates gebracht sind, so entstehen die neuen Substanzen an den negativen
Metallflächen, und das Gas, welches sich während dessen an der positiven
Metallspitze entbindet, ist ganz reines Sauerstoffgas, wie die sorgfältigste und
genaueste Prüfung mir bewiesen hat. An der negativen Oberfläche erscheint
gar kein Gas, ausser wenn Wasser im Überflusse da ist.
„Auch die folgenden synthetischen Versuche stimmen hiermit voll-
kommen überein.
„Ich habe schon angeführt, dass die aus dem Kali erzeugte Substanz
ihren Metallglanz an der Luft fast augenblicklich verliert, und sich mit einer
weissen Rinde umlegt. Ich fand sehr bald, dass diese Rinde reines Kali ist,
Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule. 2OQ
das sogleich zerfliesst; es bildet sich dann eine neue Rinde, die wieder
Feuchtigkeit aus der Luft an sich zieht, und endlich verschwindet das Kügelchen
ganz, und man hat statt desselben eine gesättigte Auflösung von Kali.1
„In besonders dazu eingerichtete, mit Quecksilber gesperrte Glasröhren
wurden einige Kügelchen in atmosphärischer Luft, andere in Sauerstoffgas
gebracht. Sie verschluckten augenblicklich Sauerstoff, und überzogen sich
mit einer Rinde von Alkali; da es aber an Feuchtigkeit fehlte, das Alkali
aufzulösen, so beschränkte sich der Process hierauf, und das Innere des
Kügelchens blieb unverändert, indem die Rinde das Sauerstoffgas ausser
Berührung mit demselben setzte.
„Mit der Basis des Natrons erfolgen in beiden Fällen ähnliche Wirkungen.
„Werden diese Basen in einer gegebenen, rings umschlossenen Menge
von Sauerstoffgas stark erhitzt, so entsteht ein schnelles Verbrennen
mit weisser glänzender Flamme, und die metallischen Kügelchen finden sich
in eine weisse feste Masse venvandelt, die Kali oder Natron ist, je nachdem
man die Basis des ersteren oder des letzteren zu dem Versuch genommen
tat Dabei wird Sauerstoffgas verschluckt, und es entweicht aus den ver-
brennenden Substanzen nichts, was die Reinheit des Rückstandes verminderte.
Die Alkalien, welche bei diesem Versuch entstanden, waren dem Anscheine
nach trocken, oder enthielten wenigstens nicht mehr Feuchtigkeit, als sich
in dem verschluckten Sauerstoffgas befunden haben konnte, und ihr Gewicht
abertraf das der verbrannten Substanzen bedeutend. Ich werde in der Folge
die Processe umständlich beschreiben, auf welche ich diese Schlüsse gründe,
und man wird dort die Zahlenverhältnisse finden, nach welchen sich die ver-
brennbaren Substanzen mit Sauerstoff verbinden, um die feuerbeständigen
Alkalien zu bilden.
„Diese Thatsachen berechtigen uns, wie es mir scheint, mit ebenso vielem
Rechte anzunehmen, dass sich das Kali und das Natron in Sauerstoff und
in zwei eigentümliche Basen zerlegen lassen, als wir nur immer für die
Lehre haben, dass Phosphorsäure, Schwefelsäure und Metalloxyde in Sauer-
stoff und in eigenthümliche verbrennbare Basen zersetzbar sind.
„Bei den analytischen Versuchen war kein anderer Körper als die Alkalien
jnd ein wenig Feuchtigkeit im Spiele, und letztere scheint nur insofern
Wesentlich zu dem Resultate mitzuwirken, als sie das Alkali an der Ober-
flache leitend macht. Denn die neuen Substanzen entstehen erst dann, wenn
das trockene Innere zu schmelzen anfangt, und es erfolgt eine Explosion,
-0 oft sie durch das geschmolzene Alkali bis zu der feuchten und heissen
1 Während dieses Processes wird auch das* Wasser zersetzt; wir werden nämlich sehen
»
:. -- die Basen der fixen Alkalien kräftiger als irgend ein anderer bekannter Körper auf das
Wi^-r wirken. Folgendes ist mit wenig Worten die Theorie der Oxydirung der Basen der
A]kj.lif»n an der freien Luft: sie verschlucken zuerst Sauerstoff, und es bildet sich Alkali; dieses
AJkali saugt schnell Wasser ein; und dieses Wasser wird zersetzt. Daher entbindet sich,
■» »hr-c-nd der Verwandlung eines Kügelchens in eine alkalische Auflösung, beständig fort und
■ hnell Gas in einer kleinen Menge.
Otiwald, Elektrochemie. l4
2 i o Siebentes Kapitel.
Oberfläche heraufsteigen; sie lassen sich ferner nicht mit krystallisirtem AlkaE
erhalten, welches immer viel Wasser enthält; endlich beweist auch der Erfolg \l
beim Elektrisiren von glühendem Kali, worin sich keine merkbare Menge vob: p
Wasser befindet, dass das Entstehen dieser Substanzen von der Gegenwart -
des Wassers unabhängig ist. i-
„Die verbrennbaren Basen der Alkalien scheinen ebenso, wie die «
übrigen verbrennbaren Grundstoffe, von den positiv elektrisirten Oberflächen1 e.
zurückgestossen, und von den negativ elektrisirten angezogen zu werden. ::
Ein entgegengesetztes Verhalten hat der Sauerstoff. Dieser hat folglich von i
Natur eine negative Energie, während- die Basen eine positive Energie be- s
sitzen, und bei den zerlegenden Versuchen wird die Verbindung beider auf- .;
gehoben, sobald eines dieser beiden Principe in einen entgegengesetzten ;
elektrischen Zustand, als in den ihm natürlichen versetzt wird. Bei der \
Synthese kommen dagegen die natürlichen Kräfte oder Anziehungen beider w
Principe in ein gegenseitiges Gleichgewicht. Ist ihre Wirksamkeit schwach, \
in den niedrigen Temperaturen, so geht die Verbindung nur langsam vor ;
sich; ist ihre Wirksamkeit dagegen durch Wärme erhöht, so erfolgt eine
schnelle Vereinigung, unter Erzeugung oder Entwicklung von Feuer, wie *
das in anderen ähnlichen Fällen geschieht. Ich werde sogleich eine Menge *
von Umständen angeben, welche die Wirkungsart der alkalischen Basen ^
betreffen, und man wird finden, dass diese aligemeinen Folgerungen durch
sie bestätigt werden.
„Sind die Basen des Kali und die des Natron für Metalle zu nehmen:
Die meisten Chemiker, denen diese Frage vorgelegt wurde, antworteten dar-
auf mit Ja. Diese Körper haben die Undurchsichtigkeit, den Glanz und die
Dehnbarkeit der Metalle, sind ebenso gute Wärmeleiter und elektrische Leiter
als die Metalle, und gleichen ihnen durch ihre grosse Fähigkeit zu chemi-
schen Verbindungen.
„Ihr sehr geringes specifisches Gewicht scheint mir kein hinreichender
Grund zu sein, um aus ihnen eine eigene Klasse von Körpern zu machen;
denn auch unter den schon bekannten Metallen herrscht in dieser Hinsicht
eine grosse Verschiedenheit. Platin ist beinahe 4 mal schwerer als das
Tellurium. l
„Bei der Klassifikation der Naturkörper muss immer die Ähnlichkeit der
meisten Eigenschaften der Körper entscheiden, welche man in eine Klasse
zusammen stellt.
„Namen für die Basen des Kali und des Natron, welche dieser Ansicht
entsprechen sollten, müssen nach Analogie mit den anderen Namen der neu
entdeckten Metalle aus dem Latein entlehnt sein, und dieselbe Endsilbe als
diese erhalten. Ich wage es, die Namen Potassium und Sodium in Vor-
1 Tellurium hat kaum ein 6 mal grösseres spezifisches Gewicht als die Basis des Natron,
und es ist sehr wahrscheinlich, dass wir Körper finden werden, welche eine ähnliche chemische
Natur als die Basen des Kali und des Natron haben, und deren spezifisches Gewicht zwischen
das dieser Basen und das der leichtesten Metalle fallt.
Die chemischen Wirkungen der Volta'schen Säule. 2 1 1
dag zu bringen. Sie können nie zu Irrthum fuhren, welche Veränderung
ch künftig die Theorie über die Zusammensetzung der Körper erleiden
ig, denn sie bezeichnen bloss die Metalle, die sich aus der Potasche und
r Soda erhalten lassen. Ich habe mehrere der ausgezeichnetsten Gelehrten
ses Landes über diese Benennungen zu Rathe gezogen, und die meisten
ben denen, welche ich angenommen habe, vor allen anderen den Vorzug.
1 die Alten die Verschiedenheit der beiden Alkalien nicht kannten, so
irde sich im Griechischen vielleicht wohl ein Name für die Basis des
itrons haben finden lassen, aber kein ähnlicher für die Basis des Kali. Die
is der Theorie entlehnten Namen können nicht sorgfältig genug vermieden
erden, da die elektrisch -chemischen Erscheinungen, deren wir täglich
lehrere finden, es sehr klar vor Augen stellen, dass die Zeit noch weit
itfernt ist, wenn sich die chemischen Thatsachen vollständig werden ver-
Ugemeinern lassen. Zwar habe ich bei Erklärung der Resultate der hier
etaillirten Versuche durchgehends die antiphlogistische Hypothese ange-
kommen; doch hat daran das Gefühl der Schönheit und Präcision derselben
nehr Theil, als die Überzeugung von ihrer unveränderlichen Dauer und
hrer Wahrheit. Durch die Entdeckungen, welche man über die Wirkungen
Jer Gasarten gemacht hat, ist Stahl's Hypothese gestürzt worden. Sehr
eicht könnte eine genauere Kenntniss der ätherischen Substanzen und ihrer
Wirkungen der scharfsinnigen und um vieles verfeinerten Theorie Lavoisier's
dn ähnliches Schicksal bereiten. Bei dem jetzigen Zustande unserer Kenntnisse
scheint diese Theorie allerdings die beste unter allen Annäherungen zu einer
vollkommenen chemischen Logik zu sein.
„Welche Veränderungen indess auch der Theorie bevorstehen mögen,
so haben wir, dünkt mich, doch allen Grund, zu glauben, dass die metallischen
Hasen der Alkalien und die gewöhnlichen Metalle in derselben Klasse von
Körpern bleiben werden, und bis jetzt haben wir nicht einen einzigen guten
Grund, die Individuen dieser Klasse für zusammengesetzte Körper zu halten.1
„Man fuhrt Versuche an, aus denen erhellen soll, dass die Alkalien, die
Metalloxvde und die Erden sich aus blosser Luft und blossem Wasser bilden
können : alle diese Versuche sind indessen bisher noch immer auf eine wenig
beweisende Art angestellt worden. Das Wasser kann auf eben die Art,
wie ich es in der vorjährigen Baker- Vorlesung zu zeigen gesucht habe,
1 Es würde sich unstreitig eine chemische Theorie vertheidigen lassen, welche annähme,
Ga->> die Metalle aus unbekannten Basen und aus der im Wasserstoff' befindlichen Materie be-
*fc-hen. und dass Metalloxyde, Alkalien und Säuren Zusammensetzungen solcher Basen mit
Wasser sind. In dieser Theorie würde man aber mehr unbekannte Principe als in der allge-
mein herrschenden annehmen müssen, und sie würde minder klar und minder elegant sein. Als
ich bei meinen ersten Versuchen über die Destillation der Basis des Kali stets Wasserstoff sich
•mtwickeln fand, wurde ich veranlasst, die phlogistische Hypothese mit den neuen Thatsachen
zu vergleichen, und ich fand, dass sie sich ihnen ohne Schwierigkeit anpassen Hess. Genauere
Untersuchungen bewiesen mir indess in der Folge, dass in den Fällen, in welchen ein brenn-
bares Gas erscheint, etwas Wasser oder ein anderer Körper, in welchem man Wasserstoff an-
nimmt, gegenwärtig war.
14*
212 Siebentes Kapitel.
mit salzigen oder mit metallischen Substanzen geschwängert sein, und in der
Luft schweben fast immer feste Substanzen aller Art, die ihr gänzlich fremd
sind, umher. Es ist leicht zu übersehen, dass bei den gewöhnlichen Pro-
cessen der Natur alle Produkte lebender Wesen von den bekannten Verbin-
dungen der Materie ausgehen können. Die Zusammensetzungen des Eisens,
der Alkalien und der Erden mit den mineralischen Säuren sind gewöhnlich
in Menge in der vegetabilischen Erde vorhanden. Durch die Zersetzung
basaltischer, porphyrartiger und granitartiger Gebirgsarten wird immerfort die
Oberfläche des Bodens mit erdigen, alkalischen und eisenschüssigen Theilchen
versehen. In allen Pflanzensäften, welche untersucht sind, hat man salzartige
Verbindungen gefunden, welche Kali oder Natron und Eisen enthielten.
Diese Grundstoffe können aus den Pflanzen in die Thiere übergehen. Es
scheint, dass die chemische Wirkung der Organisation viel mehr darauf
geht, die Substanzen zu Verbindungen zusammengesetzterer Natur und mannig-
facherer Art mit sich zu vereinigen, als sie auf ihre einfachsten Elemente
zurückzufuhren."
Das Aufsehen, welches Davy's Entdeckung machte, war ausserordent-
lich gross. In den wissenschaftlichen Zeitschriften jener Jahre findet man
fast nichts als Berichte über die mehr oder minder gelungene Wiederholung
der Versuche über die Darstellung der Alkalimetalle; es war ein mindestens
ebenso lebhaftes Interesse für diese Dinge da, wie seinerzeit bei der Ent-
deckung der VoLTA'schen Säule. Nur in einer Beziehung besteht ein auf-
fallender Gegensatz zwischen beiden wissenschaftlichen Ereignissen. Während
Volta's Säule neben vielen gleichgültigen eine ganz erhebliche Reihe von
wesentlichen Erweiterungen der Wissenschaft durch die Arbeit der allerorten
auftretenden Mitarbeiter gebracht hatte, ist keine solche Wirkung von Davy's
Entdeckung wahrzunehmen. Mit Ausnahme vielleicht der durch sie an-
geregten erfolgreichen Versuche, die Alkalimetalle auch auf rein chemischem
Wege herzustellen, lässt sich keine irgend erheblichere Entdeckung nennen,
zu der Davy's Arbeit Veranlassung gegeben hätte. Vielmehr macht es den
Eindruck, als sei mit diesem glänzenden Schlusseffekt der erste Act des
elektrochemischen Dramas zu Ende, und erst nach einer ziemlich langen
Ruhepause treten neue Personen auf, die neues zu sagen haben.
Fig. 63. Galvanische Scene nach Sfreni
Achtes Kapitel.
Galvanische Phantasieen.
1. Allgemeines. Für den geschichtlichen Entwicklungsgang einer
wissenschaftlichen Frage ist es nicht nur von Bedeutung, die Arbeiten kennen
zu lernen, aus denen sich der dauernde Bau der Wissenschaft zusammen-
setzt, sondern es wird auch nicht unlohnend sein, auf diejenigen Dinge
einen Blick zu werfen, die, von den Arbeitern mit gleichem Eifer, wie die
guten Bausteine herangetragen, sich später als unhaltbares und unzuverlässiges
Material erwiesen haben. Denn die gleichen Ursachen, welche jene Miss-
griffe veranlasst haben, sind immerfort thätig, und ihre Kenntn'iss kann ge-
legentlich dazu führen, jene Missgriffe zu vermeiden, wenn es sich um Dinge
handelt, über welche die Geschichte noch nicht ihr endgültiges Urtheil ge-
sprochen hat
Die Geschichte der ersten Zeiten des Galvanismus ist besonders reich
an solchen Fehlversuchen, denn die Gelegenheit zu Irrthümern war besonders
günstig. Die völlig unerwartete Beschaffenheit jener neuen Thatsachen Hess
jeden mit der Erwartung an die Beobachtungen herantreten, dass das Un-
glaublichste möglich sei, und hatte sich durch irgend eine unvollkommen
oder falsch gesehene Erscheinung erst eine bestimmte Vorstellung festgesetzt,
214 Achtes Kapitel.
so begann die Autosuggestion ihre charakteristischen und unheilvollen
Wirkungen zu üben. Es ist zuweilen völlig unglaublich, wie weit die Ur-
theilstäuschung unter derartigen Umständen gehen kann. Wir haben einzelne }
Beispiele davon, insbesondere bei Ritter (vgl. S. 161) bereits beobachtet; hier
seien einige weitere charakteristische Fälle zusammengestellt
2. Der Weltgalvanismus. Als Beispiel für die hoffnungsvolle Stim-
mung, in welche die Entdeckungen Volta's die wissenschaftliche Welt ver-
setzt hatten, seien hier zunächst die Auslassungen des Bremer Arztes und
Professors Treviranus angeführt, welche dieser dem Herausgeber der An-
nalen, Gilbert, in einem Briefe mitgetheilt hat *, und die von diesem neben
anderen wissenschaftlichen Nachrichten ohne einschränkende Bemerkung mit-
getheilt wurden.
Nach einigen Erörterungen über die Frage, ob die galvanische Action
auch ohne unmittelbare Berührung der Excitatoren durch eine Wirkung in
die Ferne erregt werden kann, und ob sie einen Einfluss auf die Inclination
oder Declination der Magnetnadel hat, giebt er als Begründung für sein In-
teresse an diesen Fragen folgende Auseinandersetzung:
. . . „Sollte nämlich zwischen der Erde und dem Monde nicht ein be-
ständiger galvanischer Prozess stattfinden, der durch den Einfluss der Sonne
modificirt wird, und sollte dieser nicht den Grund aller meteorologischen
Veränderungen enthalten?
„Was mir diese Vermuthung wahrscheinlich macht, ist zuvörderst dies,
dass sich die Hauptbedingung des Galvanismus bei der Erde und dem Monde
wiederfindet. Diese Bedingung ist die Einwirkung zweier unoxydirter Körper
von einem verschiedenen Grade der Oxydationsfähigkeit auf einander und
auf eine oxydirte Flüssigkeit. Die Erde nun besteht theils aus unoxydirten
Körpern von sehr verschiedener Verwandtschaft zum Sauerstoff, theils aus
oxydirten Flüssigkeiten, und der Mond besitzt eine ganz andere Affinität
zum Oxygen, als die Erde, wie der Mangel an Wasser auf seiner Ober-
fläche und das vom Refractionsvermögen unserer Atmosphäre so ganz ver-
schiedene der seinigen beweist. So weit also hätte meine Vermuthung
einiges für sich
. . . „Bestätigte es sich übrigens, so hätten wir damit eine Ursache,
welche alle Erfordernisse zur Erklärung der meteorologischen Erscheinungen
in sich vereinigte. Wir bedürfen nämlich zu dieser Erklärung eines Agens,
welches die Oxydations- und Desoxydationsprozesse der Erde beständig zu
unterhalten und zugleich die Erregbarkeit der Thiere und Pflanzen mächtig
zu verändern im Stande ist. Weder die Attraction der himmlischen Körper,
noch der Einfluss der Sonnenstrahlen kann aber dies Agens sein. Nicht
einmal die tägliche Ebbe und Fluth der Atmosphäre lässt sich aus ihnen
befriedigend erklären, und noch viel weniger reichen sie hin, um einen
Grund von den regelmässigen Exacerbationen und Remissionen der Fieber,
\r.
i'j
1 Gilbert's Ann. 8, 129. 1801.
Galvanische Phantasieen.
215
sowie von der Entstehung der epidemischen Krankheiten anzugeben. Hin-
gegen vereinigt der Galvanismus alle zu jenem Agens erforderlichen Eigen-
schaften, Vielleicht sind die beiden Pole der Erde das, was die äusserste
Zink- und Silberplatte bei der Volt Ansehen Säule sind; der Mond setzt die
beiden äussersten Kettenglieder mit einander in Verbindung und die Sonne
bringt durch ihre Einwirkung auf diese Kette die nöthigen Abwechselungen
in derselben hervor."
3. Die elektrische Säure. Eine der frühesten derartigen Leistungen
war ferner eine von L. Brugnatelu aufgestellte Theorie der Erscheinungen
der VoLTA'schen Säule.1 Es ist dies derselbe Brugnatelli, in dessen Zeit-
schrift die Arbeiten Volta's zuerst zu erscheinen pflegten (S. 48 u. ff.).
Brugnatelli schreibt:
„Das Resultat mehrerer Arbeiten, die ich vor kurzem über diesen
Gegenstand unternommen habe, bestimmte mich, anzunehmen, das elek-
trische Fluidum sei von allen übrigen, bis jetzt bekannten, spezifisch ver-
schieden, und bilde eine eigentümliche Säure, die ich nach meiner Nomen-
clatur Ossielettrico, elektrische Säure, nenne. Diese hat folgende Eigen-
schaften.
„Die elektrische Säure ist eine Flüssigkeit, die an unendlicher Feinheit
dem Wärmestoffe und dem Lichtstoffe gleichkommt. Sie ist expansiv, hat
einen eigentümlichen unangenehmen Geruch, der sich dem des Phosphors
nähert, und einen sauren, stechenden Geschmack; sie reizt und entzündet
die Haut; die Entzündung kann sehr leicht durch Anwendung einer ver-
dünnten Auflösung von Ammoniak gehoben werden. . . . Sie röthet die blaue
Lackmustinctur, doch nimmt nach zerstreuter Elektricität die Flüssigkeit ihre
vorige blaue Farbe wieder an. Sie dringt in die Metalle mit mehr oder
weniger Leichtigkeit, je nach ihrer verschiedenen Natur. Wenn die elek-
trische Säure in strömende Bewegung gesetzt wird, so löst sie die Metalle
auf, wie das Wasser ein Salz auflöst, und hat dabei die Eigenschaft, die auf-
gelösten Metalle in sehr grosse Entfernungen mit sich fortzuführen, und
zwar durch die Substanz mehrerer Körper hindurch. Die elektrische Säure
ist in Wasser auflösbar; in einer solchen Auflösung oxydiren sich die meisten
Metalle auf Kosten des Wassers, welches in diesen Fällen unter Erzeugung
von Wasserstoffgas zersetzt wird. Die erzeugten Metalloxyde verbinden sich
aber, meinen Versuchen gemäss, mit der elektrischen Säure, und bilden die
elektrischsauren Metalle. Das elektrischsaure Kupfer hat eine schöne grüne
Farbe und ist durchscheinend; das elektrischsaure Zink ist dunkelgrau; das
elektrischsaure Silber ist weiss und durchscheinend; das elektrischsaure Eisen
ist gelbroth und opak. Die elektrischsauren Metalle sind in Wasser unauf-
löslich und ihre auffallende Eigenschaft ist die, dass sie von der elektrischen
Säure durch Wasser hindurch zu ansehnlichen Entfernungen fortgerissen
werden, und dass sie sich dann auf dargebotene Metalle in Gestalt saiz-
1 Brugnatelli, Annali di Chimica 18, 136. 1800. Daraus in Gilbert's Ann. 8, 284. 1801.
2l6
Achtes Kapitel.
artiger Krusten niederschlagen, die bald irreguläre Anhäufungen, bald auf-
fallend regelmässige Krystallisationen bilden."
Heute muthet uns diese Art, sich von den Erscheinungen der Volta'-
schen Säule Rechenschaft zu geben, allerdings ziemlich seltsam an; doch
haben wir noch keineswegs so vollständig mit derartigen Anschauungen ge-
brochen, wie man beim ersten Blick glauben möchte. Oder ist unsere
heutige Äthertheorie so wesentlich verschieden von der Brugnatelli's? Zwar
pflegen wir in unbewusster Verschämtheit den Äther nicht eine sehr feine
Flüssigkeit zu nennen, sondern wir bezeichnen ihn als ein „Fluidum" von
sehr geringer Masse; ich kann aber nicht finden, dass man damit etwas
anderes sagt.
Volta hat übrigens an den Vorstellungen Brugnatelli's keinen Theil;
er lehnt unbedingt jede Gemeinschaft mit diesen „Träumen" ab. x Dagegen
ist eine ganz ähnliche „Theorie" zu derselben Zeit von Robertson in Paris2
aufgestellt worden, welche ebenfalls darauf hinauskommt, dass die Elektricität
eine Säure ist. In seiner Geschichte des Galvanismus berichtet Site3: „Als
neulich Brugnatelli mit Volta nach Paris kam, war er sehr erstaunt, in den
Annales de Chimie eine Anschauung von Robertson dargestellt zu finden,
die der seinigen völlig ähnlich war, ohne dass sie unter einander irgend
welchen Verkehr oder Briefwechsel bezüglich des Galvanismus gehabt hätten.
4. Galvanomagnetische Hoffnungen. Ein anderer Gegenstand, an
den sich unzählige Spekulationen geknüpft haben, ist die Beziehung zwischen
der Elektricität und dem Magnetismus. Die charakteristische Eigentümlich-
keit der Polarität, welche beiden eigen ist, und die Gleichheit der Gesetze
ihrer Fernewirkung, welche durch Coulomb's Forschungen im Jahre 1785
erwiesen wurde, legten den Gedanken eines engen Zusammenhanges beider
sehr nahe. So ist es ganz natürlich, dass man die erwartete Analogie auch
bei den galvanischen Erscheinungen suchte. Zunächst durch v. Arnim 4 als
gelegentliche Vermuthung ausgesprochen, wurde eine solche Wirkung von
M. A. F. Lüdicke6, allerdings zunächst noch mit einiger Vorsicht, als that-
sächlich behauptet. Lüdicke hatte eine Batterie aus 50 Magnetstäben gebaut,
„die so aneinander gelegt waren, dass die ungleichnamigen (oder freund-
schaftlichen) Pole je zweier nächster Stäbe einander zugekehrt, jedoch durch
ein mit Salzwasser getränktes Pappstückchen, an das die beiden Pole an-
legen, getrennt waren." Von den Enden dieser Batterie wurden Eisendrähte
in ein Glas mit Wasser geleitet, welches längere Zeit im Zimmer gestanden
hatte. „Abends um 7 Uhr wurde das Wasserglas in die Batterie gebracht;
1/4 auf 8 Uhr war das Glas noch ganz rein; erst um 8 Uhr sah ich auf der
Glasröhre des Nordpols 8 sehr kleine Blasen liegen; auf der Glasröhre des
Südpols . . . konnte ich keine einzige Blase bemerken.
„Um 10 Uhr befanden sich auf dem Nordpol 12 Blasen und auf dem
2 Gii.bert's Ann. 14, 264. 1803.
3 Hist. du galvanisme, 1, 305. 1802.
8 GiLBERT's Ann. 9, 375. 180I.
8 Ann. d. chimie 37, 132; an 8. (1800).
4 Gii.bert's Ann. 8, 108. 1801.
Galvanische Phantasieen. 217
Südpol nur 2 kleine Blasen Hieraus erhellet die grössere Wirksamkeit
des Nordpols."
Spätere Versuche 1 haben Lüdicke indessen überzeugt, dass jene Er-
scheinungen zufälliger Natur waren, und er hat in ganz anerkennenswerther
Weise seinen Irrthum selbst berichtigt.
Weniger unbedenklich verlief ein ähnlicher Gedanke bei J. W. Ritter.
Es ist schon S. 180 erwähnt worden, dass er, durch die dauernden Ladungs-
erscheinungen an Platindrähten verführt, eine nahezu vollständige Identität
zwischen Elektricität und Magnetismus annahm, und insbesondere behauptete,
dass eine aus Zink und Kupfer zusammengesetzte Nadel sich wie eine Magnet-
nadel verhielte. Hier übernahm Erman2 die Zurechtstellung und führte sie
in einer Weise durch, die für Ritter's wissenschaftlichen Kredit bei den
exakten Forschern so gut wie völlig vernichtend wirken musste.
5. Galvanische Kuren. Eine galvanische Phantasie von nicht un-
bedenklicher Beschaffenheit war die medizinische Anwendung des Galvanis-
mus. Schon Galvani selbst hatte in dieser ihm naheliegenden Richtung
Yermuthungen geäussert und Hypothesen aufgestellt (S. 38); mit der Er-
findung der VoLTA'schen Säule trat für solche Versuche eine neue Anregung
ein, wobei ihr grosser Einfluss bei Störungen der Innervation bald richtig
erkannt wurde. Daneben gingen aber andere, weniger berechtigte Bestrebungen,
unter denen die auffälligsten die Versuche zur Heilung von Taubstummen sind.
Die erste Nachricht, welche ich über derartige Versuche finde, ist ein Brief
vom Prof. Ebeling in Hambung an den Prof. Klügel in Halle vom 22. De-
zember 1801.3 „Ich mache jetzt Versuche mit dem Galvanismus für mein
Gehör. Die in Eutin an Vossens sehr harthörigem Sohne, an einem
20jährigen Taubstummen, an einem 17 jährigen, seit dem vierten Jahre
tauben Mädchen, an einem anderen erwachsenen, sehr harthörigen, sind in
14 Tagen fast entscheidend gewesen; alle hören In Glückstadt und
Jever sind zwei Taubstumme (der letztere in einer halben Stunde) hörend
geworden. Mein schwerhöriger Bruder .... legte nur zwei verbundene
Platten auf das hautentblösste Fleisch hinter den Ohren; dies wirkte, wie das
stärkste Zugpflaster, und so lange es anlag, hörte er scharf."
Die eigenen Erfahrungen des Prof. Ebeling waren allerdings nicht ganz
so günstig; nach drei Wochen Gebrauches hatte er die Wirkung, „dass ich,
was man mir deutlich ins bessere Ohr sagt, verstehen kann, und das
schlimmere hört jetzt deutlich durch das Hörrohr. Beides war sonst nicht."
In einem Briefe vom Prof. C. H. Wolke an Gilbert4 erfahren wir von
dem eigentlichen Erfinder des Verfahrens, Taubstumme durch die VoLTA'sche
Säule zu heilen, oder der Ars voltacustica, wie sie der Schreiber zu nennen
vorschlägt: es ist ein Apotheker, namens Sprenger zu Jever. „Es kommen
aus der Nähe und der Ferne, aus Ostfriesland, dem Herzogthume Olden-
1 Gilbert's Ann. U, 114. 1802. * Ebenda 26, 21. 1807.
3 Ebenda 10, 379. 1802. 4 Ebenda 10, 380. 1802.
2i8 Achtes Kapitel.
bürg u. s. w. immer mehr Taubstumme und Harthörige hierher; ersteren
wird fast ohne Ausnahme, von den letzteren aber nur einigen, geholfen ?ü
Gestern Morgen um zehn Uhr wurden die Kinder des Hrn. Siegert aus in
Bremervörde .... etwa 4 Minuten lang galvanisirt; eine Stunde hernach ri
zum zweiten Male ebenso lange; und als durch eine Wunder- oder Zauber- »2
kraft zeigte sich schon die wohlthätige Wirkung des Galvanismus. Alle drei »:
hörten dumpfe Töne, nämlich Schläge, die man hinter ihrem Rücken auf I.-.
eine Schachtel that, und deren verschiedene Anzahl sie mit den Fingern r.
bemerkten. Der Vater zitterte und weinte dabei vor Freude; eine äusserst *
rührende Scene für Hrn. Sprenger, für mich und jedes fühlende Herz! >
Bloss bei der Rückerinnerung rollen mir wieder Freudenthränen aus den r,
Augen Die Fähigkeit zu hören zeigt sich .... immer deutlicher. :.
Aber die taub gewesenen haben bis jetzt noch nicht das Vergnügen, die ^
menschliche Stimme zu hören Dieses ist erst nach einigen Tagen zu :
erwarten."
Bald nach diesen Mittheilungen brachten die Annalen eine Darstellung *
dieser Versuche aus der Feder ihres Urhebers, Joh. Just. Ant. Sprenger,1 ^
der die Entstehungsgeschichte seiner Kuren folgendermaassen erzählt:
„Im Anfange des Novembers 1801 verkündeten die Zeitungen, dass .,
durch die Anwendung der VoLTA'schen Säule das Gehör eines Tauben her- .
gestellt worden sei. Ein hiesiger Einwohner, Vater eines taubstummen
Jünglings, welcher wusste, dass ich eine VoLTA'sche Säule besass, und
manche Versuche damit angestellt hatte, . . . bat mich inständig, doch an
seinem unglücklichen Sohne zu versuchen, ob nicht auch dessen Taubheit
abgeholfen werden könnte.
„Ich wagte mein eigenes Gehör zuerst daran, und Hess den Strom einer
VoLTA'schen Säule, die aus 70 Doppelplatten bestand, so lange, als ich es
aushalten konnte, durch beide Ohren gehen, und schloss, dass das, was
mir keinen unleidlichen Schmerz und keinen Schaden brachte, als Mittel
angewendet werden dürfte, einen Taubgeborenen mit dem Gehör zu be-
glücken. Ich versuchte mein Mittel, und es gelang. In 14 Tagen, vom
15. November vor. J. an, ward dem Stocktauben das Gehör hergestellt"
Sprenger geht nun dazu über, die Art der Anwendung der Elekricität
für seinen Zweck zu beschreiben. Die Einzelheiten haben hier kein Inter-
esse; man übersieht sie auf der von ihm herrührenden Zeichnung (Fig. 63).
„Die galvanische Scene. Die Figur stellt rechter Hand meinen gal-
vanisch-elektrischen Apparat und eine Dame dar, auf deren Gehörorgan
damit gewirkt wird. Der Elektrisirende hält den Mittheiler bei dem gläsernen
Griffe, und fuhrt das mit Kochsalzwasser benetzte Knöpfchen inwendig an
den Tragus. Links stehen zwei Kinder, der Knabe sucht durch Pantomimen
dem Mädchen verständlich zu machen, dass der Dame das Ohr elektrisirt
(galvanisirt 1 wird, und mit ihm bald ein gleiches vorgenommen werden soll
t(
1 Gillert's Ann. 11, 354. 1802.
Galvanische Phantasieen.
219
Ähnlich günstige Ergebnisse, wie die vorstehenden, berichtet Dr. Joh. Erd-
iann aus Wien l und Heinr. Einhof aus Zelle a; auch verfehlt Sprenger
icht, mitzutheilen, dass er von seiner Fürstin für seine Kuren mit einem
reldgeschenk und dem Range eines Commissionsrathes bedacht worden sei,
loch treten schon um diese Zeit Nachrichten auf, nach denen andere Ärzte
lie erwarteten Folgen nicht haben beobachten können.3
Auch Volta brachte diesen Nachrichten Glauben entgegen; in einem
Jriefe an Brugnatelli* schreibt er:
„Es giebt so viele ins einzelne gehende Berichte von Taubstummen,
lenen das Gehör durch Anwendung meines elektromotorischen Apparates
gegeben ist, besonders zu Jever (Stadt in Westphalen und Hauptstadt von
Jeverland, das dem Zar von Moskau unterthan ist) durch die Bemühung
und vermittelst der hierdurch erdachten Methode eines gewissen Sprenger,
dass sie auch den Ungläubigsten darzuthun genügen, dass die Sache nicht
zu verachten ist, sondern eine nähere Prüfung verdient. Ich habe mich nun
zu einer Prüfung angeschickt und will nachsehen, ob man mehr Zweifel
oder Hoffnung hegen soll; ich wende seit 1 5 Tagen eine der SpRENGER'schen
ahnliche Methode bei einem von Geburt, seit etwa 15 Jahren, taubstummen
Mädchen an, die sich in Como in einem Mädchenarmenhause befindet. Ich
kann nicht behaupten, dass ich vorläufig einen grossen Erfolg gehabt habe;
aber ich will nicht verschweigen, dass die Kranke den Gehörsinn in dem
Maasse erworben hat, dass sie verschiedene auch nicht besonders starke
Laute aus der Entfernung von einigen Fuss wahrnehmen kann. Man merkte,
dass sie am Anfang des dritten Tages etwas zu hören begann, d. h. nach
der achten oder neunten Operation, deren jede an jedem Ohr zehn Minuten
dauerte, indem man die Erschütterungen alle zwei Minuten folgen Hess.
Während aller darauffolgenden Tage beobachtete man Fortschritte, wenn
auch geringe. Eigentümlich ist es, dass sie dumpfe und tiefe Töne besser
hört und zuerst solche hören konnte, wie das Schlagen auf eine leere Holz-
schachtel, oder das Zusammenschlagen der Hände (etwas das auch bei den
in Jever gemachten Versuchen beobachtet und in ihrer Beschreibung er-
wähnt worden ist), seit einigen Tagen hört sie auch andere Töne, die ver-
schiedener Musikinstrumente, eines Glöckchens u. s. w. und die menschliche
Stimme, aber, wie es scheint, sehr undeutlich, indem sie oft einen Ton mit
dem andern vermischt. Ich werde fortan weitere 15 Tage hindurch beide
Ohren nach derselben Methode elektrisiren ; ich berühre dabei abwechselnd
mit dem Ende eines Metalldrahtes, das die Gestalt einer Kugel hat und mit
dem positiven Pol des Apparates in Verbindung steht, eine Minute hindurch
den Tragus, zwei Minuten lang den äusseren Gehörgang und eine weitere
Minute lang den hinteren Theil des Ohrs um den Processus gastrocnemius
und sorge für häufige Erschütterungen, indem ich jede zweite Minute den
1 Gilbert's Ann. 12, 314. 1802. * Ebenda 12, 230. 180:.
3 IntelJ. Bl. der Allg. Litter. Ztg. 1802, Nr. 201.
4 Annali di Chimica del Prof. Brugnatelm, 21, 100. 1802.
220 Achtes Kapitel.
anderen negativen Pol vermittelst einer von der feuchten linken Hand (wenn
man am rechten Ohr arbeitet, sonst umgekehrt) gehaltenen metallenen Feder-
spule berühren lasse; dies geschieht wenigstens viermal den Tag. Ich werde,
wie gesagt, den Versuch über einen Monat ausdehnen, welches die längste
von Sprenger zur Heilung der Schwerhörigsten gebrauchte Zeit ist, ich
zweifele aber stark daran, dass ich den glücklichen Erfolg haben werde, den
er nach den Berichten in mehr als vierzig und andere auch in verschiedenen
Fällen gehabt haben. Ich zweifele, dass meine Patientin zur guten Unter-
scheidung articulirter Laute zu gelangen vermag
„Ich habe, wie gesagt, nicht viel Hoffnung auf vollständige Heilung des
tauben Mädchens, das mir jetzt als Versuchsobject dient. Ich hoffe aber
viel mehr von einem anderen Taubstummen, der nur wenige starke Töne
wahrnimmt, und an dem ich in Kurzem Versuche anstellen werde."
Sehr bald traten indessen ungünstige Urtheile auf und vermehrten sich;
so schrieb Westrumb * von Versuchen , die Hr. Basse während zweier Jahre
angestellt hatte: „Leider können wir in das Geschrei der Voreiligen nicht
einstimmen. Mehrere Gehörkranke sind ohne Heilung entlassen. Andere . . .
mussten entlassen werden. Keiner ist ganz geheilt, und nur von drei Ge-
lähmten darf ich rühmen, dass der Galvanisn.us sie ganz geheilt habe."
Gleiche Mittheilungen sind dann von verschiedenen Seiten erfolgt, ins-
besondere hatten Versuche, die in der Berliner Taubstummenanstalt in
grossem Maassstabe durchgeführt worden sind, so ungünstige Ergebnisse
gezeigt, dass die Behandlung eingestellt werden musste. In kurzer Zeit
verlor sich dann das anfangs so reichlich geschenkte Vertrauen, und die
galvanischen Kuren verschwanden von der Tagesordnung, allerdings nicht
ohne in der Folgezeit vielfältig wieder in anderen Gestalten wieder auf-
zutauchen.
6. Die Erzeugung saurer und basischer Stoffe aus „reinem"
Wasser. Schon in den Versuchen von Nicholson und Carlisle findet sich
die Angabe, dass reines Wasser an den Poldrähten Säure und Alkali gebe,
und die Frage nach der Quelle dieser Stoffe hat eine grosse Anzahl von
Forschern beschäftigt. Es lohnt nicht, die ganze Litteratur darüber zu-
sammenzustellen; einsichtigere Forscher, wie Simon2 und Bucholz 8, kamen
schon früh zu der Erkenntniss, dass es sich um die galvanische Zerlegung
geringer Mengen Neutralsalz handele, die entweder in dem benutzten Wasser
schon vorhanden waren, oder aus den verschiedenen Theilen des Apparates,
wohl auch von den Fingern des Experimentators hineingelangten. Diese
Versuche wurden sehr bald ein Maassstab für die Geschicklichkeit und Ob-
jektivität der verschiedenen Forscher. So giebt Desormes4 diese Bildung
von Säure und Alkali als etwas völlig erwiesenes an. Er knüpft daran die
Mittheilung anderer Versuche, die ihm damit im Zusammenhang zu stehen
1 Gilhert's Ann. 13, 372. 1803. * Ebenda 8, 492. 1801.
8 Ebenda 9, 451, 1801.
4 Ann. de Chimie, 37, 284. 1801. — Gilbert's Ann. 9, 29. 1801.
Galvanische Phantasieen. 22 1
einen, nämlich dass, wie Vauquelin zuerst bemerkt hat, Bergkrystall beim
■stossen in einem Achatmörser stets Veilchensyrup, den man dazu thut,
in färbe. „Dies ist leicht erklärt, wenn man bedenkt, dass der Berg-
stall beim Reiben positiv elektrisch wird. Nun glaube ich aus einer
ihe von Versuchen über die Elektricität geriebener Körper schliessen zu
rfen, dass wenn man zwei gleiche Stoffe mit einander reibt, der, welcher
ne Politur verliert, eine Elektricität annimmt, welche seiner natürlichen
rgegengesetzt ist Folglich muss in diesem Falle der pulverisirte Quarz
gativ elektrisch werden, mithin sich Ammonium bilden, und dieses grünt
a Veilchensyrup."
Desormes beschreibt nun eine ganze Anzahl weiterer Versuche, nach
nen nicht nur beim Pulver von Bergkrystall, sondern auch von Schwefel
id Bernstein Alkali erhalten wurde. Ebenso trat Alkali auf, wenn Wasser
„reinen" Glasgefässen erwärmt wurde, ebenso glaubte er, die Entstehung
>n Salzsäure beim blossen Erwärmen des Wassers, namentlich im Papin'-
hen Topf unter Druck nachgewiesen zu haben. Hierin sieht er eine be-
ndere Bestätigung seiner Annahme über die galvanische Erzeugung von
iure und Alkali aus reinem Wasser, da sonach „Wärme und Elektricität
eiche Wirkungen hervorbringen".
Was die Erklärung der Versuche anlangt, so ist die Quelle der Er-
hebungen wohl überall in Verunreinigungen zu suchen, die durch die
ijslichkeit des Glases u. s. w. verursacht wurden. Der Versuch mit Berg-
ystall ist übrigens interessant und verdiente, wiederholt zu werden.
Trotz solcher Äusserungen war man doch schon 1802 über die Er-
hebungen von Säure und Alkali im Wesentlichen ins Klare gekommen.
-> findet sich in einem Briefe des Professors Parrot l in Dorpat an Gilbert
e kräftige Wendung: „Doch ehe ich einige dieser neuen Ansichten (über
n Galvanismus) hier skizzire, muss ich noch über die Entstehung der
iure ein Wort sagen. Es ist unbegreiflich, dass man über diesen Punkt
lange, ich möchte sagen, faseln konnte. Meine Ideen darüber haben
eich durch die Versuche ihren richtigen Gang erhalten. Ich fand nämlich
gleich, dass, wenn man völlig reines Wasser brauche, nie eine Säure
tsteht. . . . Sobald aber Muskelfleisch in's Spiel kommt, so haben Sie Säure
id vielleicht auch Ammonium." Ebenso setzt Parrot auseinander, dass
s der Lackmustinctur selbst die Säure und das Alkali stammen, die beim
jrchleiten des Stromes erscheinen, und schliesst: „Dieser Schlüssel löst das
ithsel .... so leicht, dass es wahrer Zeitverlust wäre, hier das geringste
trhr darüber zu sagen."
Trotz dieser unzweideutigen Äusserungen wurde im Jahre von einem
LÜenischen Physiker, den der Ruhm Volta's und Galvani's nicht schlafen
ss, Dr. Francesco Pacchiani2 auf Grund derselben Erscheinungen als
1 Gilbert's Ann. 12, 63. 1802.
1 Ann. de Chimie, 55, 15. 1805. — Gilbert's Ann. 21, 108. 1805.
222 Achtes Kapitel.
hervorragende Entdeckung die Behauptung verkündet, dass die Salzsäure
nichts als ein Oxyd des Wasserstoffes ist. Er hatte bei dauernder Ein--
Wirkung der Säule auf Wasser schiesslich eine Flüssigkeit erhalten, die nach
der von ihm gegebenen Beschreibung ein Gemenge von Salzsäure, Chlor
und Goldchlorid war, wie es bei der galvanischen Zerlegung einer verdünnten
Kochsalzlösung zwischen Golddrähten entstehen muss. Da an der Stelle,
wo diese Lösung entstanden war, gleichzeitig Sauerstoff sich entwickelt hatte,
so schloss er,- dass sich die Salzsäure und die „oxygenirte Salzsäure" (Chlor)
durch Sauerstoffverlust aus dem Wasser gebildet haben müssten. Das Selbst-
bewusstsein, mit dem diese Entdeckung den Professor von Pisa erfüllte, tritt
in einem späteren Schreiben an Fabbroni so ergötzlich hervor, dass es ein
Unrecht gegen den Leser wäre, nicht wenigstens einige Stellen dieses
Briefes * hier wiederzugeben :
„Philosophie und Analyse haben unsere grossen Chemiker zu den über-
raschendsten Entdeckungen geführt. Sie haben ihren Ruhm erlangt, ohne
mit den praktischen Handgriffen bei den chemischen Processen sehr bekann
zu sein, und nicht sowohl vermittelst des Feuers und der Kitte, als viel-
mehr durch Philosophie und Analyse die Wahrheit entdeckt. Sie, hoch-
geehrtester Herr College, theuerster Freund, behaupten einen ausgezeichneten
Rang unter ihnen; daher unterwerfe ich Ihrer Beurtheilung einige von mir
gemachte Entdeckungen. Ich habe es gewagt, eine Bahn zu betreten, die
mir neu scheint, und habe schon einige Schritte darauf gethan, die ich nach
und nach bekannt zu machen entschlossen bin, damit sie von unleidenschaft-
lichen und aufgeklärten Forschern in der Physik geprüft werden. In dieser
Absicht habe ich an unseren gemeinschaftlichen Freund, den Auditor
Lorenzo Pignotti, geschrieben [es ist der obige Brief], und dies ist denn auch
der Zweck des gegenwärtigen Briefes. Diese und mehrere andere Sachen
denke ich nun in einer Folge von Abhandlungen zu entwickeln, welche ich
mit solchen, dem grösseren Theile des Publikums immer angenehmen Ver-
suchen ausrüsten werde, die leicht sind, weil sie aus den Fundamental-
experimenten hervorgehen, und auch nützlich, weil sie dem grossen Haufen
Wahrheiten augenscheinlich darthun, welche schon anderweitig durch einen
oder zwei entscheidende Versuche bis zur Evidenz bewiesen sind. . .
„Allenthalben giebt es genaue und ängstliche Naturforscher; erstere
befördern, letztere hemmen das Fortschreiten der Wissenschaft. Viele, ich
weiss es, werden hier fragen: „Hat sich der Professor von Pisa des See-
salzes oder anderer Arten von Küchensalz bedient, um damit die Leiter
zweiter Klasse, woraus die Säule erbaut wird, zu benetzen? . . .
„Ich antworte: Die elektrischen Säulen, deren ich mich bediene, sind
von frisch gegossenen glatten Zinkscheiben erbaut, und von Silberscheiben
von gleichem Durchmesser, die gleichfalls sehr glatt sind. Zu Leitern
zweiter Klasse . . . nehme ich am liebsten Löschpapier, das ich mit reinem
1 Gilbert's Ann. 21, 113, 1805, nach N. Giorn. d. Letterati, 1805.
Galvanische Phantasieen.
223
säurten Wasser tränke. Wollte jemand sich in den Kopf setzen, dass
deicht das Löschpapier salzsaure Salze enthalten könnte, so würde die
11 berühmten Vauquelin gemachte Analyse uns hierüber beruhigen. Da
a in keinem Element der Säule sich salzsaure Salze befinden, so kann
ch keine Salzsäure darin sein."
Neben dieser spasshaften Sorgfalt, mit der der Professor von Pisa die
ilzsäure aus seiner Säule ausschliesst, und die seine Überzeugung erkennen
sst, dass aus der Säule Stoffe in die zu zersetzende Flüssigkeit durch den
atungsdraht übergehen könnten, macht sich die Sicherheit sehr schön,
üt welcher er über die Abwesenheit von salzsauren Salzen in seinem Lösch-
Äpier sich auf Grund der von Vauquelin gemachten Analyse an irgend
anem anderen Löschpapier beruhigt. Von einer entsprechenden Sorgfalt ist
er bei der Herstellung seines Zersetzungsapparates. Nach einer umständ-
lichen Beschreibung desselben, die wir übergehen, schreibt er weiter:
„Die untere Öffnung verschliesse ich bald mit frischen, bald mit trockenen
halbleitenden thierischen Substanzen, die das Wasser des Apparates zu
Leitern macht; bisweilen bediene ich mich dazu vegetabilischer Blätter, mit
thierischen Substanzen vermischt, oder frischer vegetabilischer Fibern allein,
oder trockener, die durch die Feuchtigkeit Leiter werden. Unter den
erwähnten trockenen vegetabilischen Fibern wähle ich solche aus, in
welchen die Chemie auf keine Weise das Dasein des Stickstoffes oder irgend
eines salzsauren Salzes darthut. Diese werden Leiter vermittelst des Wassers
selbst, welches im Apparate enthalten ist; ihrer habe ich mich bedient, einen
Versuch zu machen, der mir den ehrenvollen Namen, den Baco den ent-
scheidenden Vessuchen beilegt, zu verdienen scheint.
„Indem ich das Wasser auf die im erwähnten Brief beschriebene Art
angreife, erhalte ich bald in zwölf, bald in zehn und auch fünf Minuten so
viel Salzsäure, dass sie durch die chemischen Reagentien kann bemerkbar
gemacht werden. Ich habe diesen Versuch im Laboratorium der Universität
in Gegenwart des gelehrten Professors der Chemie, Dr. J. Branchi, angestellt,
und er hat seinen völligen Beifall erhalten.
„Es ist unmöglich, dass sich in diesem letzteren Versuche Salpeter-
saure erzeuge, und die Prüfungen haben auch wirklich erwiesen, dass keine
darin erzeugt wird. Es ist unmöglich, dass sich Ammoniak erzeuge, und
die chemischen Prüfungen haben gleichfalls dargethan, dass sich wirklich
keines dabei gebildet hatte. Hier muss ich Sie aber auf ein wichtiges
Factum aufmerksam machen und Ihnen kürzlich die Art und Weise er-
zählen, wie ich dazu gekommen bin, es zu entdecken. Im Voraus über-
zeugt, dass ich, wenn ich mich jener vegetabilischen Fibern bediente, den
Apparat zu verschliessen, kein Ammoniak erzeugen könnte, wollte ich, nach-
dem die Erzeugung der Säure in der Zeit von fünf bis zehn Minuten er-
wiesen war, nun auch durch die chemischen Reagentien mit Gewissheit er-
fahren, ob wirklich meine Voraussetzung sich bestätige, das ist, ob sich
zugleich mit der Säure Ammoniak erzeugt habe, oder nicht?
22A Achtes Kapitel.
„Da ich einem Theil des Wassers, aus welchem die Säure sich er-
zeugt hatte, etwas in Salpetersäure getränkte Baumwolle näherte, erschienen
sogleich die weissen Dämpfe, eine sichere Anzeige der Bildung des Salpeter-
sauren Ammoniaks.
„Da haben Sie ja, würde mancher hier ausrufen, trotz Ihrer vorgefassten
Meinung Ammoniak, das sich zugleich mit der oxygenirten Salzsäure er-
zeugt hat! Das konnte doch nicht sein, und da ich in dem Augenblicke
mich erinnerte, dass das destillirte Wasser hydrogenirtes Wasser ist, bat ich
den Hrn. Branchi, dem destillirten Wasser ein wenig Salpetersäure zu
nähern; und sogleich erschienen die weissen Dämpfe als gewisse Anzeigen
der Erzeugung des salpetersauren Ammoniaks. Dieses Factum scheint mir
um so wichtiger zu sein, da die weissen Dämpfe auch erscheinen, wenn
man die Salpetersäure dem Brunnenwasser nähert, wovon sich der oben
genannte gelehrte Chemiker überzeugt hat. Dieser mit Brunnenwasser an-
gestellte Versuch gehört ihm.
„Es ist zu bemerken, dass, wenn man die Salzsäure dem Brunnenwasser
nicht so nahe bringt, als dem destillirten, man in diesem Falle niemals die
weissen Dämpfe erhält. Man scheint also hieraus mit Recht schliessen zu
können, dass die Salpetersäure in der Nähe des destillirten Wassers sich zer-
setzt, und dass der Stickstoff der Säure sich mit dem Wasserstoff des Wassers
verbindet, und so jenes Ammoniak gebildet wird, das durch seine Ver-
bindung mit der nicht zersetzten Säure die weissen Dämpfe oder das sal-
petersaure Ammoniak erzeugt. Indessen muss ich die Chemiker warnen, in
dergleichen Fällen auf ihrer Hut zu sein, da man sehr zweideutige Resultate
erlangen kann, wenn man sich zur Entdeckung des Ammoniaks der Salpeter-
säure bedient; man könnte glauben, es sei schon vorher dagewesen, da es
doch in der That vorher nicht vorhanden ist, sondern erst in dem Augen-
blicke erzeugt wird, in welchem man die Säure dem Wasser nähert. Ich
behalte mir vor, ausführlicher über diesen Gegenstand in meiner Abhand-
lung zu reden."
Wie man sieht, gehört Pacchiani jedenfalls nicht zu den ängstlichen
Naturforschern, die durch diese Eigenschaft die Wissenschaft hemmen; im
Gegentheil. „Wenige Facta der Chemie sind allgemeiner bekannt, als dieses,"
bemerkt van Mons in einem Bericht über diese Arbeit, indem er auf die
Thatsache hinweist, dass die genannten Säuren in feuchter Luft Nebel geben,
die von der Verbindung mit dem in der Luft vorhandenen Wasser her-
rühren. Aber hören wir den Entdecker weiter. Er formulirt die Gesammt-
heit seiner Ergebnisse in dem Satze: „dass der Wasserstoff nicht eines be-
stimmten Grades der Oxydation allein fähig ist, wodurch das Wasser erzeugt
wird, sondern mehrerer Grade von Oxydation, wie alle anderen Oxyde;
dass die oxygenirte Salzsäure ein Oxyd ist, welches man erhält, wenn man
dem Wasser Sauerstoff entzieht, dass die Salzsäure ein Oxyd des Wasser-
stoffes ist, auf welches man kommt, wenn man der oxygenirten Salzsäure
noch eine weitere Portion Sauerstoff entzieht; und dass endlich in diesen
Galvanische Fhantasieen.
225
rie in anderen Fällen der Sauerstoff nicht das erzeugende Prinzip der
Säuren ist,
„Ich habe, werthgeschätzter Freund, anderen die Mühe ersparen wollen,
ius meinen Resultaten allgemeine Schlüsse zu ziehen, und kann Ihnen daher
mit Aufrichtigkeit und Wahrheit versichern, dass alle Metalle . . . wenn man
sie mit Wasser in Berührung bringt und durch sie einen elektrischen Strom
fliessen lässt, der diesem einen Theil seines Sauerstoffes entreisst, vermittelst
dieses Stromes das Vermögen haben, die Salzsäure zu erzeugen.
„Sie sehen leicht, dass dieses Gesetz sich noch mehr verallgemeinern
lässt Denn warum sollten nicht der Kohlenstoff und die anderen Substanzen,
welche Mittel sind, um dem Wasser Sauerstoff zu entziehen, so gut, als die
Metalle und die Legierungen die Fähigkeit haben, die Salzsäure zu erzeugen?
Ich habe darüber Versuche mit Kohle u. s. w. angestellt und mich eines
Stäbchens aus Kohle statt eines Gold- oder Platindrahtes mit ganz dem-
selben Erfolge bedient Dieses allgemeine Gesetz kann daher so ausgedrückt
werden:
„Alle Metalle, das Quecksilber nicht ausgenommen, und deren Legie-
rungen, der Kohlenstoß und alle Stoffe, welche die Eigenschaft besitzen das
Wasser zu zerlegen, wenn sie damit in Berührung kommen und ein auf
irgend eine Art durch Natur oder Kunst erzeugter elektrischer Strom sich
durch sie so verbreitet, dass diesem dadurch Sauerstoff entzogen wird —
müssen nothwendig Salzsäure hervorbringen.
„Dieses ist eines von den Gesetzen, die in den drei grossen Natur-
reichen und vielleicht auch im Reiche der Meteore herrschen. Das Wasser
bedeckt den grössten Theil des Erdballes, es ist das allgemeine Cement der
Mineralien, es ist zur Vegetation, zum Leben der Pflanzen und Thiere noth-
wendig. Die elektrische Flüssigkeit, ein flüchtiges, kräftiges Wesen, ist überall
verbreitet. Sie ist gewiss eines der Hauptmittel, deren sich die Vorsehung
iu ihren grossen Zwecken bedient. Schon hat der Genius Italiens der Natur
eines ihrer wichtigsten Geheimnisse entrissen, ich meine das von der Elek-
triertät durch Berührung; ja, er hat, wetteifernd mit ihr, ein Werkzeug ge-
schaffen, das ein Symbol der Werkzeuge ist, mit denen die Natur einige
*egen ihrer natürlichen Elektricität wunderbare Fische ausgestattet hat Die
elektrische Säule ist ein Hauptschlüssel, womit die chemischen Philosophen
manche noch unberührte Schätze aufschliessen und mit dem Dichter sagen
werden:
Avia Picridum peragro loco nullius ^mte trita pede
Invat integros accederc fontes
Atque haurire.
„Doch ich merke, dass ich ausschweife. Auch ist meine Sprache,
torchte ich, nicht so, wie sie in der Unterhaltung mit einem der Männer,
die in wissenschaftlicher Hinsicht die Zierde Italiens sind, wohl sein sollte.
Allein Sie werden dies einem Freunde zu verzeihen wissen, den seine Pro-
fession gewöhnt hat, immer ins Einzelne zu gehen. Bald werde ich
0 » t w a l d , Elektrochemie. 5
226 Achtes Kapitel.
Vergnügen haben, vor Ihren Augen, die Uhr in der Hand, die Verwand-
lung des Wassers in Salzsäure in fünf Minuten zu bewerkstelligen."
Fabbroni hat dieses Schreiben vollkommen ernsthaft aufgenommen und
in demselben Blatt dem Grafen da Rio brieflich Nachricht von dieser Ent-
deckung gegeben. „Eifrige Freunde der Chemie werden mit Vergnügen er-
fahren, dass jetzt endlich die Natur der Salzsäure, nach der man bisher um-
sonst geforscht hat, entdeckt ist. Es ist nunmehr gewiss, dass sich Sauer-
stoff in ihrer Mischung befindet. . . Die Salzsäure ist nichts anderes, als ein
Wasserstoffoxyd im Minimo der Oxygenation. . . Der Urheber dieser schönen
und wichtigen Entdeckung ist einer meiner Freunde, der Professor Pacchiani
in Pisa. . . Er verspricht, das Ganze der Thatsachen, die ihn zu dieser
grossen Entdeckung geführt haben, in kurzem bekannt zu machen. Theilen
Sie dies Ihren Freunden mit."
In Deutschland, wo die sorgsamen Untersuchungen von Simon über
diesen Gegenstand noch nicht vergessen waren, wusste man die pomphaften
Tiraden Pacchiani's nach ihrem Werthe zu beurtheilen; in Paris nahm in-
dessen die Galvanische Societät die Sache auf, und Riffault, ein Mitglied
dieser Gesellschaft, stellte eine Reihe von Versuchen an, aus denen zu-
nächst die Unrichtigkeit der fraglichen Behauptungen abgeleitet wurde.1
Pacchiani Hess sich dadurch keineswegs entmuthigen; er schrieb den Miss-
erfolg ausschliesslich der Unaufmerksamkeit seiner Gegner zu. „Haben wohl
aber alle die Physiker, die meine Versuche nachzuahmen trachteten, die
oben erwähnten Briefe mit voller Unbefangenheit gelesen, und waren sie von
jedem Einfluss der früher angenommenen Hypothesen vollkommen befreit?
Sind sie auch ganz genau den Vorschriften gefolgt, die ich in diesen Briefen
dem Experimentator gab? — Bestimmt nicht."
Und nun setzt der behende Forscher auseinander, wie dadurch, dass
die beiden Drähte von den Gegnern in dieselbe Glasröhre geleitet worden
sind, die Umwandlung, die das Wasser an dem einen Pole erlitten hat, durch
die entgegengesetzte am anderen Pole wieder aufgehoben worden sei. Um
aber diejenigen, die hierdurch noch nicht genügend überzeugt worden sind,
endgültig zu gewinnen, ergeht er sich alsbald wieder in Hymnen über die
Bedeutung seiner Entdeckung. „Die wundervolle Verwandlung des Wassers
in oxygenirte Salzsäure hat mein Gemüth mit einer Freude erfüllt, die den
höchsten Grad erreichte, ohne der Überraschung zu bedürfen: denn ich war
glücklich genug, diesen Erfolg vorausgesagt zu haben, wie einige meiner
berühmten Freunde und mehrere meiner hoffnungsvollen und kenntnissreichen
Schüler es zur Steuer der Wahrheit öffentlich bezeugen können. Ich habe
bei dieser Entdeckung einen Vorgeschmack der Wonne empfunden, die den-
jenigen zu Theil wird, die die Ursachen der Naturwirkungen ergründen:
Felix, qui potuit rerum cognoscere causas.
1 Journ. de Phys. 61« 281. — Ann. de Chimie, 66, 162. 1805. — Gilbert's Ann 22,
20%, 1806.
Galvanische Phantasieen.
227
.... „Sind diese Blätter bestimmt, einige Zeit der Vergessenheit zu
trotzen, so erfahre vor allen die wackere toscanische Jugend, welche Ge-
fühle jeden Ehrenmann durchdringen müssen, wenn er die ruhmbekränzten
Namen hört, die ein Land verherrlichen, das an erhabenen Geistern stets
unerschöpflich war, wo Wissenschaften und Künste entsprossen, und das
Galilei, Torricelli, Redi, Cesalpin, Micheli, mit einem Worte, alle Stifter
der Naturphilosophie als Vaterland begrüssten."
Gut gebrüllt, Löwe!
Es gelang Pacchiani in der That, einige Zeit lang noch das Interesse
an der eigentlich schon abgethanen Sache wach zu erhalten. Brugnatelli,
den wir schon von der elektrischen Säure her kennen, behauptete x gleich-
falls, auch unter Ausschluss thierischer Stoffe Salzsäure erhalten zu haben,
und wich nur insofern von seinem Vorgänger ab, als er ihr Erscheinen
auf die Anwendung gewisser Metalle beschränkt wissen wollte. Auch die
Galvanische Societät Hess sich bekehren, und in einem Briefe des Vice-
präsidenten derselben, Nauche, an den Dr. Castberg a wurde vom 5. August
gemeldet, dass die Bildung der Salzsäure endlich gelungen sei. Es wurde
ein von Brugnatelli angegebener Apparat benutzt, in welchem die An-
wendung thierischer Stoffe zur Trennung der beiden den verschiedenen
Polen anliegenden Wassermassen vermieden war, indem die Verbindung der
beiden Gefasse mittelst eines Hebers hergestellt wurde. Nauche schreibt
sehr überzeugt: „Diese Thatsachen sind constant. Vidi et tetigi. Es sind
beinahe 21/a Monate her, dass wir sie zum ersten Male erhielten/'
Selbst Volta wurde durch den Lärm, welchen Pacchiani zu machen
wusste, dazu veranlasst, der Sache experimentell näher zu treten, und theilte
seine Erfahrungen in der ihm eigenen ruhigen Weise mit. 3 Unter Fort-
lassung der gewohnten Umständlichkeiten gebe ich nachstehend die wichtigsten
seiner Bemerkungen.
„Um wieder zu den Versuchen mit dem Gold- und Platindrähten zu-
rückzukehren, wo man die Gase in den entsprechenden Röhren abgesondert
erhält, so hat noch niemand erklären können, wie aus dem Wasser mit dem
positiven Draht Sauerstoffgas, und allein Sauerstoffgas entsteht, und wie in
dem Wasser, in welches der Draht vom negativen Pole geht, sich Wasser-
stoffgas, und wieder nur Wasserstoffgas erzeugt. Wenn . . . das Wasser aus
Wasserstoff und Sauerstoff besteht, . . . wohin geht dann, oder was wird aus
dem Wasserstoff der ersten Röhre, ich meine aus dem Theil Wasserstoff,
welcher mit dem dort erscheinenden Theil Sauerstoff verbunden war? und
was wird aus dem Sauerstoff der zweiten Röhre, d. h. jener Wassertheilchen,
die bei ihrer hier erfolgenden Zersetzung den Wasserstoff als Gas ausgeben?
Diese Erscheinungen scheinen nicht gut mit der Theorie der Zersetzung und
1 Journ. de Phys. 62, 298. — Gilbert's Ann. 23, 177. 1806.
5 Gilbert's Ann. 28, 463. 1806.
* Saggio di nat osserv. s. elettricita Volt, Milano, 1806. Deutsch in Gehlen's Journ.
f. d. Chemie und Physik, 5, 68. 1808.
>5*
228 Achtes Kapitel.
I
Zusammensetzung des Wassers übereinzustimmen, und diejenigen, welche
ihr anhängen, mussten, um sie einigermaassen zu erklären, zu mehr oder
minder gezwungenen Hypothesen ihre Zuflucht nehmen. . . .
„Da von diesem abgesonderten Auftreten der beiden Gasarten, welches
die erste sich darbietende Ercheinung ist, eine genugthuende Erklärung
fehlt, so ist es kein Wunder, dass wir auch die andere darauf folgende nicht
begreifen, nämlich das ebenfalls abgesonderte Auftreten der Säure in der
einen, des Alkali in der anderen Röhre. . .
„Die Versuche und Folgerungen Pacchiani's sind von einigen ausnehmend
erhoben und den grössten Entdeckungen gleichgesetzt, von anderen dagegen
herabgesetzt, bestritten und beinahe belacht worden. Ich habe mich noch
nicht genug damit beschäftigt und besitze nicht hinreichende Thatsachen, um
über alle Fragen, die sich bei diesen und ähnlichen Versuchen darbieten,
zu entscheiden. Nach den Versuchen indessen, die ich angestellt und auf
verschiedene Art abgeändert habe, finde ich viele Gründe zu glauben, dass
weder die Säure vom positiven Pole um den Gold- oder Platindraht, noch
das Alkali um den Draht am negativen Pole sich aus der Substanz des
diese Drähte umgebenden Wassers selbst bilden; sondern vielmehr, dass die
eine, wie das andere, wenn sie während der Wirksamkeit des Elektromotors
erschienen (indem dies auch manchesmal geschieht, wenn man alle mögliche
Aufmerksamkeit, selbst bis zur Ängstlichkeit angewendet hat, das Wasser
rein darzustellen, dass sich weder Säure noch Alkali zeigt), sich bereits im
Wasser befunden, wenn sie auch nicht durch die gewöhnlichen chemischen
Reagentien zu erkennen waren. Diejenigen meiner Versuche, die vorzüg-
lich zu dieser Meinung fuhren, sind folgende."
Volta geht nun zu der Beschreibung seiner Versuche über, die er nach
der bewährten Methode der quantitativen Abstufung durchfuhrt. Er studirt
die Erscheinungen, wie sie in Wasser auftreten, in welchem folgeweise
weniger und weniger Kochsalz aufgelöst ist, und findet, dass die Erschei-
nungen im sogenannten reinen Wasser sich denen in der sehr verdünnten
Kochsalzlösung ebenso anschliessen, wie sich die in der letzteren denen in
den weniger verdünnten Lösungen angeschlossen hatten. Den entsprechenden
Schluss spricht er folgendermaassen aus:
„Ausserdem, wenn ich finde, dass ich bei vielem Kochsalz, das mit
Fleiss ins Wasser gethan worden, durch die Wirkung des Elektromotors viel
oxydirte Salzsäure, bei wenigem nur wenig, und mit sehr wenigem sehr
wenig erhalte, wie das in den obigen, auf diese Art vergleichend angestellten
Versuchen der Fall war, so sind wir hinreichend befugt, daraus zu folgern,
dass die frei werdende Säure mit dem von vornherein vorhandenen Salze im
Verhältniss stehe, und weiter zu schliessen, dass auch das Regen- und
destillirte Wasser, die von jener ein Minimum zeigen, eine Spur von diesem
enthalten: es ist genug."
Selbst Ritter, der dem Unerwarteten sonst keineswegs abgeneigt ist,
hat sich für Pacchiani's Behauptungen keineswegs gewinnen lassen. In einem
Galvanische Phantasieen.
229
Briefe an Gehlen1 hebt er hervor, dass bisher gerade das reinste Wasser
am wenigsten Säure und Natron gegeben habe, und schreibt: „Was mich
betrifft, so glaube ich, die Sache sei zunächst die: nachzusehen, ob denn
jene Säure wie dieses Alkali schlechterdings erst gebildet, erst zusammen-
gesetzt werden müsse, um erscheinen zu können? — Beide könnten ja
ebenso gut auch aus vorhandenem Kochsalze nur geschieden werden,
wie beim ersten Versuch über die Decomposition des Kochsalzes im Kreise
der Säule von Cruikshank." — Auch die weiteren Erörterungen Ritter's
zeigen, wie ihm die Hilfsmittel wissenschaftlicher Kritik vollkommen geläufig
und gegenwärtig sind; schade nur, dass er sie bei seinen eigenen Arbeiten
gelegentlich so sehr vermissen lässt.
In Deutschland unterzog sich W. Grüner, Hofapotheker zu Hannover,
der Mühe einer Wiederholung von Pacchiani's Versuchen, 2 und zeigte nicht
nur, dass bei der Anwendung reiner Materialien keine Salzsäure erhalten
wird, sondern auch, dass solche alsbald auftritt, sowie man Fleisch oder
andere thierische Stoffe zur Verbindung der Wassermassen benutzt. Über
die Quelle der Säure in dem letzteren Falle ist er sich freilich auch nicht
völlig klar, denn er weist die Vermuthung nicht ab, dass sich die Säure aus
den Bestandteilen der thierischen Gallerte, als die er Kohlenstoff, Wasser-
stoff, Stickstoff und Sauerstoff nennt, gebildet haben könnte, doch erklärt er
sie allerdings für höchst unwahrscheinlich. Ganz dasselbe fand Pfaff. 8
Zu gleichen Resultaten gelangte in England C. Wilkinson. 4 Anfänglich
erhielt er auch Salzsäure, jedoch stammte sie diesmal aus der Säure, die er
zum Aufbau seines Apparates benutzt hatte. Als er den Apparat in das
Nebenzimmer stellte und die Drähte durch zwei Löcher in der Thüre in den
Arbeitsraum leitete, erschien keine Spur von Säure.
Die Galvanische Societät blieb dagegen fest und beschrieb 6 eine Anzahl
von Versuchen, in denen sie die Bildung der Salzsäure beobachtet hatte.
Als wesentliche Bedingung für den Erfolg wird angegeben, dass recht viele
Metallplatten zur Säule genommen werden, und dass sie recht glänzend sind!
Auch Riffault, der anfangs sich gegen die Salzsäurebildung geäussert hatte,
stimmte später 6 zu. Ebenso fanden sich in England Anhänger in Ch. Syl-
vester 7 und W. Peel, 8 Ersterer ist noch ganz vernünftig, und seine Ver-
suche enthalten zwar Fehler, aber doch nur solche, die bei dem damaligen
Stande der Kenntnisse zu verzeihen sind (er hatte einen möglichen Salz-
gehalt des von ihm als Scheidewand benutzten gebrannten Pfeifenthons über-
1 Gehlen's Journ. f. d. Chemie und Physik, 1, 36. 1806.
* Gilbert's Ann. 24, 85. 1806.
3 Gehlen's Journ. f. d. Chemie und Physik, 2, 335 und 703. 1806.
4 Nicholsons Journ. 14, 342. 1806.
5 Journ. de Phys. Juillet 1806. — Gilbert's Ann. 24, 391. 1806.
• Ann. de Chimie 60, 113. 1806. — Gilbert's Ann. 24, 99. 1807.
7 Nicholson^ Journ. 14, 94. 1806. — Gilbert's Ann. 24, 107. 1807.
8 Philos. Mag. 21, 279 und 22, 152. 1805.
23O Achtes Kapitel.
sehen); Peei/s Leistungen dagegen gehen noch über die von Pacchiani hinauf
was gewiss viel sagen will.
Die ersten Nachrichten Peei/s sind etwas älter, als die Pacchiani's. Er
fängt mit der unauffällig klingenden Mittheilung an: „Ich nahm ungefähr eine
Pinte destillirten Wassers und zerlegte es zur Hälfte mittelst des Galvanismus,"
Eine Pinte ist mehr, als ein halbes Liter; es sollen also mehr als 250 Gramm
Wasser zersetzt worden sein. Wenn man an die Unvollkommenheit der
damaligen Säulen denkt, so leuchtet ein, dass dies eine Arbeit von Monaten
wäre und ganz ungewöhnliche Mittel beansprucht haben müsste; Hr. Peel
erzählt sie aber, wie eine selbstverständliche Sache. Im Rückstande fand er
Kochsalz. Der Herausgeber des Philosophical Magazine, A. Tilloch, findet
dies Resultat sehr merkwürdig und schlägt vor, es möge doch Wasser, das
aus den Bestandteilen dargestellt worden ist, dem gleichen Versuche unter-
worfen werden. Auch damit ist Hr. Peel im Handumdrehen fertig, und am
4. Juni schreibt er, dass er ganz reines Wasser aus so reinen Gasen er-
halten habe, dass sie bei der Verbrennung keinen Rückstand an Luft hinter-
liessen. Von dieser Angabe kann man mit völliger Sicherheit sagen, dass
sie erlogen ist, denn auch gegenwärtig ist eine solche Reinheit nur unter
ganz besonderen Bedingungen zu erreichen. Diesmal lässt Hr. Peel Chlor-
kalium aus dem Rückstande von der galvanischen Zerlegung auftreten. Ein
Commentar ist überflüssig.
Nach einiger Zeit erhielt denn auch Tilloch, der Herausgeber des
Philosophical Magazine, aus Cambridge einen Brief, in welchem ihm die
Nachricht mitgetheilt wurde, dass er das Opfer eines Lügners geworden
war. x „Der Verfasser dieses wenig Witz verrathenden Produktes macht auf
den Titel eines Chemikers Anspruch ; allein ich rathe ihm, erst zu erwägen,
dass das erste Erforderniss eines Naturforschers die Liebe zur Wahrheit ist
Sollte er noch einmal über einem Betrug in der Gelehrtenrepublik betreten
werden, so werde ich Ihnen seinen Namen senden."
Eine Anzahl weiterer Veröffentlichungen über denselben Gegenstand soll
hier übergangen werden, da sie nichts Erhebliches zu den geschilderten Er-
scheinungen hinzufügen. Das Wichtigste in der weiteren Entwickelung ist,
dass sich H. Davy der Sache annahm und in einer meisterhaften Experimental-
untersuchung die letzten Zweifel über die Abstammung der an den Polen
auftretenden Stoffe beseitigte. Es sind dies die Arbeiten, in denen die ausser-
ordentliche Begabung dieses inzwischen Professor an der Royal Institution
gewordenen Forschers sich zuerst in ihrer ganzen Stärke zeigt; sie führten
in stetigem Fortschritte von den fast mikroskopisch genauen Arbeiten über
den eben genannten Gegenstand bis zur Entdeckung der Alkalimetalle und
zur elektrischen Theorie der chemischen Verwandtschaft. (Vgl. S. 190 u. ff;
7. Die unterirdische Elektrometrie. Die auffallendste Erscheinung
unter den galvanischen Phantasieen bildete die zeitweilige Wiederbelebung
1 Philos. Mag. 27, 82. 1807.
Galvanische Phaatasieen.
231
Aberglaubens von der Wünschelruthe. Auch über diese zu Zeiten ausser-
ordentlich heftig auftretende geistige Epidemie hat uns Gilbert in seinen
Annalen sehr ausführliche Nachrichten hinterlassen, so dass wir ihre Ent-
stehung, Ausbreitung, ihre Krisis und ihr allmähliches Erlöschen vollständig
übersehen können.
Die Bewegung nimmt von keinem anderen ihren Ausgang, als von
Alex, von Humboldt, der in seinem schon früher (S. 66) erwähnten Buche
über die gereizte Muskel- und Nervenfaser (I, 467) die zerstreute ältere
Utteratur über die „Rhabdomantie" zusammengestellt, und die beschriebenen
Erscheinungen der wissenschaftlichen Prüfung empfiehlt, ohne über ihre
Wirklichkeit ein Urtheil wagen zu wollen. Einen ungemein eifrigen Ver-
theidiger fand dann die Sache in dem Abt Amoretti, welcher angab, dass
die Eigenschaft, unter der Erde vorhandene Erz- und Kohlenlager, Wasser-
läufe u. dgl. beim Darübergehen vermöge eigenthümlicher Empfindungen zu
entdecken, mehreren Gliedern seiner Familie eigenthümlich sei. Auch schil-
derte Amoretti die Art dieser Empfindungen ziemlich ausfuhrlich und gab
etwas, wie eine Theorie davon.
Über die Sache wurde in Deutschland in durchaus beipflichtendem Sinne
durch v. Arnim l berichtet, der sich die Erscheinungen durch eine besonders
grosse Empfindlichkeit der Italiener, unter denen die Gabe fast ausschliesslich
aufzutreten schien, gegen kleine Verschiedenheiten der Erdtemperatur zu
erklären versuchte.
Indessen war dies Interesse zunächst auf eine gewisse theoretische Werth-
schätzung beschränkt, und wäre auch so geblieben, wenn nicht Ritter damals
gerade unter Verhältnisse gelangt wäre, die seine Neigung zum Unerhörten
in verderblichster Weise bestärkten. Er war als Mitglied der Akademie nach
München berufen worden, und fand dort in Schelling und Franz Baader
zwei Geistesverwandte, unter deren Einfluss er sich ausserordentlich schnell
aus einem fleissigen, wenn auch allzu phantasiereichen und der kritischen
Prüfung seiner Ergebnisse abgeneigten Physiker in einen Naturphilosophen
verwandelte, bei dessen höherer Einsicht alle Prüfung und Kritik überflüssig
erschien.
Die Angelegenheit kündigte sich ziemlich geheimnissvoll an. Mar£chaux,
der seinerseits auch eine erhebliche Dosis physikalischer Phantasie besass
er glaubte sich einmal von der Schwere der Elektricität überzeugt zu haben),
theilt in einem Briefe an Gilbert2 die ersten Nachrichten darüber mit, nach-
dem schon in tiefster Stille Erhebliches geschehen war. Marechaux' Nach-
richten sind folgende:
„Herr Akademicus Ritter hat hier eine Arbeit übernommen, von der
man die Früchte mit Ungeduld erwartet. Sie betrifft etwas, das ich nicht
bezeichnen kann, weil ich es nicht kenne, und das, wie es scheint, auf etwas,
wie thierischer Magnetismus hinaus kömmt. Campetti, ein Italiener, den
1 Gilbert'« Ann. 13, 467. 1803. * Ebenda 25, 340. 1807.
232 Achtes Kapitel.
Herr Ritter hierher geführt hat, nachdem er -sich an Ort und Stelle voa
dessen wunderbaren Fähigkeiten überzeugt zu haben glaubte, ist der Gegen-
stand seiner Versuche. Seine Absicht scheint zu sein, uns mit einem Male
durch die Resultate zu überraschen; es sind nur wenige, mit denen er die
Kräfte dieses Campetti abwägt, und ich bin dabei noch nicht zugegen ge-
wesen. Es gehört in der That viel Muth dazu, sich mit einem Gegenstande
dieser Art von neuem zu beschäftigen; dass ich ihn nicht gehabt haben
würde, gestehe ich gern. Campetti soll ein zweiter Bench (Pennet), und
noch empfindlicher (verzeihen Sie, wenn ich wie von einem Elektrometer
spreche) als der Abt Fortis sein, von dem man doch sagt, dass er in dieser
Kunst stark sei. . . ." Und zwei Monate später:
„Campetti ist noch immer hier; von den mit ihm angestellten Ver-
suchen hört man nichts, nur dass er durch ein massiges, keusches Leben
seine Kraft wohl bewahren müsse, und dass er sich oft irre, wenn er die
Art der Metalle errathen will. Auch vereinigen sich jetzt mehrere in der
Aussage, man finde in diesen Versuchen nichts Constantes. Der thierische
Magnetismus soll auch durch andere Körper hindurch wirken, z. B. durch
Tischplatten. Und, merken Sie sich: Wenn Sie einen Ring oder Würfel an
einem Zwirnsfaden über einem runden Stück Metall schwebend erhalten, so
schwingt er im Kreise; wenn dagegen viele Metallscheiben der Länge nach
aneinander gereiht sind, so geschieht das Schwingen nach der Richtung
dieser Stücke, vorausgesetzt, dass sie von Süden nach Norden liegen, oder
von Osten nach Westen. Und so erräth der Ring, wie Metallstücke in
einem Tischkasten liegen, wenn man den Ring über der Tischplatte
schwebend hält
,,Seit kurzem soll man, wie ich höre, anfangen, von der Idee eines
thierischen Magnetismus zurückzukommen und in den Phänomenen blosse
Elektricität finden; vielleicht eine günstige Wendung, der Sache das Wunder-
bare zu benehmen."
Der erste Bericht, mit welchem Ritter und Genossen an die Öffent-
lichkeit traten, findet sich im Morgenblatt für gebildete Stände vom
30. Jan. 1807, No. 26, und ist von dort in Gilberts Annalen, 26, 400, 1807
übergegangen. Er ist nachstehend vollständig wiedergegeben.
„Merkwürdiger physikalischer Versuch. Die beiläufige Erwähnung
der sogenannten Wünschelruthe und ihrer Wiederbelebung in einem der
ersten Blätter des Morgenblattes bewegt mich, Ihnen das Rechte von der
Sache bald zu sagen, damit sie Ihnen nicht entstellt wird, ehe sie vollständig
und wissenschaftlich mitgetheilt werden kann.
„Im Herbste des vorigen Jahres erhielt Herr Ritter, Mitglied der Aka-
demie der Wissenschaften, durch einen reisenden Freund die Nachricht, dass
auf der Grenze von Tirol und Italien am Gardasee ein junger Landmann
existire, der das Vermögen, die Gegenwart von Metallen und Wasser genau
an den Stellen, wo sie tief in der Erde verborgen sind, durch körperliche
Sensationen wahrzunehmen, in einem hohen Grade besitze. Er hatte es an
:
Galvanische Phantasieen.
233
sich entdeckt, als er zufällig Pennet, der durch die Gegend kam, auf diese
Weise experimentiren sah, worauf er es mit sich selbst versuchte; und nicht
allein gelangen ihm die PENNEi^schen Experimente vollkommen, die Baguette
belebte sich in seiner Hand, sondern er hatte die bestimmtesten Empfin-
dungen vom Dasein des Metalles und Wassers, ohne alles weitere Werkzeug,
und war für seine Gabe in der umliegenden Gegend schon länger bekannt
und benutzt worden.
„Diese Botschaft, und die Möglichkeit, ein solches Phänomen selbst zu
untersuchen, ergriff Rittern, wie Sie sich vorstellen können. Die Nachbar-
schaft des Schauplatzes begünstigte diese Möglichkeit, hob aber doch nicht
alle Schwierigkeiten. Ritter fasste also den Entschluss, sich an die Regie-
rung zu wenden, um eine förmliche Sendung zu erhalten. Er stellte in
seinem Memorial die gleiche Wichtigkeit vor, eine solche Erscheinung ent-
weder als wahr, oder als falsch zu ergründen. Die lebhafte Mitwirkung
Franz Baader's und der vortreffliche Sinn des Geheimenraths von Schenck
beförderten die Angelegenheit, und in dem uneingenommenen freien Geiste
des, für alles ihm wirklich dargelegte Gute und Grosse empfänglichen,
Ministers Freiherrn von Montgelas fand sie so wenig ein Hinderniss, dass
die Genehmigung von seiner Seite auf das eingereichte Memoire allein, ohne
weiteres, erfolgte.
„Im Anfange des Novembers reiste Herr Ritter von hier ab. Er fand
an dem jungen Campetti nach den schärfsten und oft wiederholten Prüfungen,
von denen er das Detail sammt allen übrigen Aktenstücken demnächst selbst
geben wird, alles bestätigt, was ihm angekündigt worden war. Nachdem er
sich vollkommen überzeugt hatte, nahm er Campetti, seinem gleich anfäng-
lich entworfenen Plane gemäss, mit sich nach Mailand und Pavia. Er hatte
erfahren, dass er in Mailand einen Gelehrten treffen würde, der Campetti's
Eigenschaft gleichfalls besässe, und zwar nicht als blindes Werkzeug der
Xatur, sondern der, als mit grossen physikalischen Kenntnissen ausgerüstet,
auch die Augen dabei habe. Dieses ist der Abbate Amoretti, Bibliothekar
der Ambrosianischen Bibliothek. Hier thaten sich ihm denn auch wirkliche
neue und bereits bewährte Schätze der Erkenntniss auf. Amoretti hatte
mit der Baguette nicht allein nach Metallen geforscht, sondern mancherlei
Fragen an den menschlichen Organismus damit gethan, und seine Erfahrungen
in einer Schrift niedergelegt, die eben erschienen war. Von Mailand ging
Ritter nach Pavia, und war mehrere Tage mit Volta zusammen. In Italien
interessirte man sich sehr für die Sache, ohne sie für ein Wunder zu halten;
sie fand unter den Gelehrten unverstockte Hörer, und Versuche, welche
Ritter sich im voraus sorgfaltig entworfen hatte, waren von den Landleuten
in der Gegend, wo Campetti wohnte, schon mit ihm angestellt worden. Er
brachte es auf seiner Rückreise bei Campetti's Verwandten dahin, dass er
ihn mit nach München nehmen durfte, um ihn einige Zeit bei sich zu
behalten. Am Ende Dezembers kam er also in dessen Begleitung zurück,
beladen mit reicher Ausbeute seines Zuges, und besonders auch darüber
234 Achtes Kapitel.
erfreut, dass die liberale Gesinnung der Regierung so genugthuend hättt|
benutzt werden können. Es war nun gar nicht die Absicht, aus diese* £
Gegenstande ein öffentliches Spektakel zu machen, das denn wahrhaftig auck *
keinen Zweifler überzeugt haben würde. Campetti hält sich daher gaü s
häuslich bei Ritter auf; noch hat ihn niemand zu Befriedigung blosser 3
Neugier bei sich gesehen, und nur in einem kleineren Kreise, hauptsächlich ^
von Ritter, Fr. Baader und Schelling, wurden bisher Versuche angestellt, s
welche im Grossen und Freien zu machen auch eine andere Jahreszeit i
erfordert. Um das so ganz individuell scheinende Phänomen jedoch an em :
allgemeiner verbreitetes Vermögen anzuknüpfen und verständlicher zu machen* :
gedachte Ritter mit der ihm eigenthümlichen Ingeniosität der Schwefellde^» :
Pendel des Abts Fortis, deren Schwingungen man längst wieder unterdrückt ;
und verworfen hatte. Er fand erst hier, dass dieser Versuch nicht nur ihm, :
sondern fast allen gelinge, die ihn bis jetzt unternahmen. In Zeit von -
wenigen Wochen ist er schon bis in die feinsten Modifikationen und zu ;
höchst merkwürdigen Resultaten ausgebildet worden; täglich zeigen sich neue :
Erscheinungen.
„Ich will Ihnen nur kurz andeuten, um was es hier, und wie es zu
thun ist.
„Man nimmt einen Würfel von Schwefelkies, oder gediegenem Schwefel,
oder irgend einem Metalle (die Grösse und Gestaltung sind gleichgültig,
man kann z. B. einen goldenen Ring dazu nehmen), hängt ihn wagerecht an
einen Zwirnsfaden, der */4 oder lj2 Elle lang sein kann, und am besten
immer etwas angefeuchtet wird, auf, indem man den Faden mit zwei Fingern
so stät fasst, dass der Würfel sich nicht mehr mechanisch hin und her
bewegt. So hält man ihn frei und in nicht weiter Entfernung über der Mitte
eines Gefässes mit Wasser, oder irgend eines Metalles (einer Münze, einer
Zink- oder Kupferplatte), und er wird lebendig werden, und sich in leise
anhebenden, längliche Ellipsen beschreibenden, allmählich sich rundenden,
regelmässigen Schwingungen bewegen.
„Über dem Nordpol des Magneten wird er sich bewegen: von der linken
nach der rechten Seite; über dem Südpol: von der rechten zur linken.
„Über Kupfer oder Silber, wie über dem Südpol; über Zink und
Wasser, wie über dem Nordpol.
„Man muss die Versuche gleichförmig anstellen, so nämlich, dass man
immer von oben herab dem Gegenstande sich nähert, oder immer von
der Seite. Von der Seite verändert sich das Verhältniss dergestalt, dass
die Art der Schwingung von der linken nach der rechten Seite, welche oben
vom Nordpole angegeben ist, sich umwendet und wie beim Südpole wird,
und umgekehrt.
„Auch ist es nicht gleich, ob man mit der rechten oder linken Hand
operirt, denn zwischen der rechten und linken Seite ist der Gegensatz
bei Manchem bis zu der entschiedensten Polarität ausgebildet.
„Jede Vermuthung einer Täuschung, die man hierbei ausklügeln möchte,
Galvanische Phantasieen.
235
vird sich durch das eigene bestimmte Gefühl widerlegen, dass das Pendel
ohne allen mechanischen Anstoss schwingt. Die Regelmässigkeit der Resultate
md Sie vollends überfuhren. Sie können darüber alle möglichen Experi-
mente anstellen, z. B. den Würfel, wenn er schon im Schwingen ist, nach
der entgegengesetzten Seite mechanisch herumtreiben; er wird in die erste
Richtung zurückkehren, so bald er den mechanischen Anstoss auserlitten hat.
„Wenn man den Würfel über eine Orange, einen Apfel, u. s. w., hält,
so wird er über der Frucht, da, wo sie am Stiele fest gesessen, schwingen,
wie über dem Südpol des Magneten; wenn man die Frucht auf die ent-
gegengesetzte Seite wendet, indem man fortfährt, das Pendel über sie zu
haken, so verändert sich die Richtung. Eben solche entschiedene Polarität
ttigt ach an den beiden entgegengesetzten Enden eines frischen Eies.
„Am auffallendsten aber zeigt das Pendel die Polarität des mensch-
lichen Organismus an. Der Würfel über den Kopf gehalten, schwingt
wie über Zink. An die Fusssohlen, wie über Kupfer. An die Stirn und
Augen = Nordpol; bei der Nase wendet er sich = Südpol; bei dem
Hunde = Südpol; bei dem Kinn wie an der Stirn. Auf diese Art kann
der ganze Körper durchexperimentirt werden. Entgegengesetzt ist sich die
innere und äussere Fläche der Hand. Über jeder Fingerspitze schwingt
der Würfel, und zwar über der vierten oder dem Ringfinger allein nach
der entgegengesetzten Seite von den anderen. Dieser Finger ist sogar im
Stande, wenn man ihn allein auf den Rand des Tisches auflegt, wo experi-
mentirt wird, die Schwingungen anzuhalten, oder auch, sie zu verändern.
Die Versuche über die Polarität des kürzeren waren es unter anderen, welche
der Abt Amoretti mit der Baguette schon unternommen hatte.
„Die Baguette ist in ihrer Wirksamkeit, nach Ritter's Bemerkung, nichts
anderes, als ein doppeltes Pendel, welches in Bewegung zu setzen nur ein
höherer Grad der nämlichen Kraft erfordert wird, welche jene Schwingungen
hervorbringt.
„Ich habe Ihnen hier nur in Eile einige Vorübungen angezeigt, die Sie
weiter kultiviren mögen, und die wahrscheinlich zu vielen von den Resultaten
führen werden, auf die man hier bereits gekommen ist.
„Auch dieses Vermögen will geübt sein. In Ritter's Händen neigt sich
anfangs die Baguette nicht, und nur dann geschah es, wenn ihm Campetti
die Hände auf die Schultern legte. Jetzt geschieht es ihm und mehreren
anderen. Campetti's Kraft scheint etwas Mittheilendes zu haben. Seine
unmittelbare Nähe reicht hin, die Regelmässigkeit der Experimente, die neben
ihm gemacht werden, zu unterbrechen; in ihm selbst hingegen offenbart
sich die äusserste Regelmässigkeit bei den Versuchen, die mit ihm angestellt
werden, welche um so reiner sind, da er weder unterrichtet ist, wie Kupfer
und Zink, z. B., wirken, ja sehr oft nicht weiss, welches Metall man ihm
unter die Hand oder an den Fuss gelegt hat, indem er die Baguette hält,
welche sich ebenfalls ein- oder auswärts, nach der Verschiedenheit des
Metalles neigt Da er kein Wort deutsch versteht, so erfährt er auch nicht
236 Achtes Kapitel.
beiläufig, welche Wirkung man von ihm erwartet Es ist ein ganz ein!
in sich zufriedener und kräftiger Mensch, der nichts weiss, als dass Gott'
ihm diese Gabe verliehen, und er sie durch ein massiges und frommes Lebet
bewahren müsse."
Neben dieser mehr populären Darstellung ist eine etwas Wissenschaft»
licher gehaltene, offenbar von Ritter unmittelbar beeinflusste Nachricht
durch dessen Freund, den Professor Weiss in Leipzig, l erschienen, und zwar
zuerst in französischer Sprache in der zu Genf erscheinenden Bibliotheqoc
britannique, 35, 80, 1807. Eine deutsche Übersetzung davon erschien it
Gehlen's Journal für Chemie, 4, 114, 1807, eine andere, abgekürzte, die
hier wiedergegeben werden soll, in Gilberts Annalen der Physik, 26, 42%
1807:
„Herr Ritter hatte eine lange Reihe von Versuchen mit der Wünschet
ruthe und mit den Pendeln angestellt, welche durch die Kräfte in Bewegung
kommen, die den Gegenstand seiner Untersuchungen ausmachen. An die
Stelle beider hat er jetzt ein sehr einfaches Instrument gesetzt, das bei weitem
sicherer ist, ob es gleich weit kleinere Räume durchläuft. Die stärkste Be-
wegung desselben ist ein Drehen von 450, indess die Wünschelruthe und
ähnliche Instrumente mehrere ganze Umdrehungen hintereinander machen
können. Er nennt es Balancier.
„Dieser Balancier ist ein kleiner Stab oder rectangularischer Streifen von
Kupfer, ungefähr 6 Zoll lang, 1/a Zoll breit und von willkürlicher Dicke, den
man auf der Spitze eines senkrecht ausgestreckten Fingers, während die
anderen gekrümmt sind, in recht horizontaler Lage ins Gleichgewicht bringt
Am meisten eignet sich dazu der Mittelfinger der linken Hand. Man hält
den Finger, der den Balancier trägt, möglichst unbewegt, und für den
Balancier ist die schicklichste Stellung die, „dass das eine Ende desselben
gegen die Person gerichtet ist, welche den Versuch anstellt, und das andere
Ende nach aussen". Doch hat die Richtung, in welcher der Balancier steht,
auf den Erfolg keinen Einfluss. Zum Balancier kann man auch andere
Metalle nehmen; selbst Glas oder Siegellack oder Papier; denn es isoliren
hier nur die vollkommensten Nichtleiter der Elektricität, wie z. B. Schellack,
und nur sie kommen als Balancier nicht in Bewegung. Es ist gut, die Spitze
des Fingers, auf der der Balancier aufliegt, mit einer leitenden Flüssigkeit
etwas zu befeuchten; je besser sie leitet, desto ausgezeichneter ist der Erfolg.
Nimmt man dazu Öl, so bleibt aller Erfolg aus; Öl isolirt aber auch fast
ebenso gut als Schellack.
„Den Balancier in Bewegung zu setzen, dazu gehört eine besondere Kraft,
mit der ziemlich wenige begabt sind; ihre Zahl ist sehr viel kleiner als die
Zahl derer, für welche die Wünschelruthe empfindlich ist; doch hat Herr
Ritter deren einige, theils Männer, theils Frauen gefunden. Der Balancier
1 Es ist derselbe, von welchem das Verfahren herrührt, die Krystallformen auf Axen zu
beziehen, und welcher dadurch der Krystallographie für fast ein Jahrhundert ihre Gestalt
gegeben hatte.
i
Galvanische Phantasieen.
237
kommt unter bestimmten Umständen nach einer bestimmten Richtung in
Bewegung, welches auch seine anfängliche Lage gewesen ist. Folgendes
snd die gewöhnlichen Erscheinungen:
„1) Bei Campetti, und so im Allgemeinen bei Männern, kommt
der Balancier, wenn er auf die angegebene Art auf eine der Fingerspitzen
der linken Hand gelegt wird, sehr bald in eine drehende Bewegung, und
prar auf dem Mittelfinger, dem Zeigefinger oder dem Daumen dreht er sich
nch aussen, d. h. nach der rechten Seite, dagegen auf dem Ringfinger
and auf dem kleinen Finger nach innen, d. h. nach der linken Seite.
Die Finger der rechten Hand stehen mit den gleichnamigen der linken
Hand, in Absicht der Richtung, nach welcher der Balancier sich dreht, nach
Herrn Ritter im Gegensatze.
„2) Frauen, welche die eigentümliche Kraft besitzen, theilen dem
Balancier unter den gleichen Umständen, Bewegungen nach entgegengesetzter
Richtung als die Männer mit
„3) Steht die Person während der Versuche mit Metallen oder einigen
anderen Körpern in Berührung, so hat dieses auf die Richtung, nach welcher
der Balancier sich dreht, grossen Einfluss. Wenn Campetti, während er den
Balancier auf dem Mittelfinger der linken Hand trägt, Zink, Zinn, Blei oder
Stahl unter seinen Füssen hat, so erfolgt die Bewegung „nach einer der
gewöhnlichen entgegengesetzten Richtung, d. h. der Streifen geht von
der Rechten zur Linken". Ist es Eisen, Kupfer, Messing, Gold, Silber,
Kohle, Reissblei u. s. w., so geschieht das Drehen nach der gewöhnlichen
Richtung mit grösserer Kraft.
„Auf dieselbe Art, wie die mit + bezeichneten Metalle, wirken auch:
der Nordpol eines Magnetstabes, das obere Ende irgend einer Frucht, die
Wurzel sammt dem Theile des Stammes eines Baumes, der ihr zunächst
ist, und der Kopf eines Kindes oder Mannes. -Auf gleiche Art mit denen
mit — bezeichneten Metallen wirken der Südpol eines Magnetstabes, das
nach dem Stiele zu gerichtete Ende einer Frucht, das obere Ende eines
Baumes oder einer Pflanze, das Kinn und die Fusssohlen eines Kindes,
eines Mannes u. s. w.
„Selbst die Farben des Prisma und die strahlende Wärme und Kälte hat
Herr Ritter in dieser Hinsicht untersucht.
,,4) Die hier genannten Körper äussern ihre Einwirkung auf die Be-
wegung des Balanciere schon dann, wenn Campetti sie nur mit einem der
Finger der anderen Hand, oder mit anderen Gliedmaassen berührt; aber
auch hier zeigt sich wieder der vorige Gegensatz in den Fingern und ein
ahnlicher in den übrigen Gliedmaassen. Berührt er, während der Balancier
auf dem Mittelfinger der linken Hand liegt, Zink mit dem Mittelfinger der
rechten Hand, so dreht der Balancier sich ebenso, als wenn er Zink unter
den Füssen hätte; dagegen nach entgegengesetzter Richtung, oder nach
aussen, wenn er ihn mit dem kleinen Finger der rechten Hand berührt. Bei
Kupfer findet das entgegengesetzte statt. Die Ordnung in den beiden Reihen
238 Achtes Kapitel.
der Körper bleibt für jedes Gliedmaass unverändert eine und dieselbe, wie
sie oben genannt sind.
„5) Es ist nicht einmal nöthig, dass eine wirkliche Berührung zwischen :
diesen Körpern und den Gliedmaassen stattfinde. Campetti braucht die :
Spitze des Mittelfingers der rechten Hand einem dieser Körper nur bis auf- ;
1 Zoll zu nähern, um den Balancier in Bewegung zu setzen; doch ist bei
völliger Berührung das Drehen stärker.
„6) Nimmt man einen Balancier aus Zink und einen aus Kupfer, und
legt einen über den anderen auf die Spitze des linken Mittelfingers, so wird,
wenn der von Zink unten liegt, die gewöhnliche Bewegung des Balanciere ;
nach aussen sehr verstärkt; wenn dagegen der von Kupfer unten liegt, so
geht die Bewegung nach der anderen Seite, oder nach innen vor sich.
Und dieses giebt ein Mittel ab, wie man die Elektricität, die in der Berührung
zweier Körper entsteht, der Art nach erkennen kann.
„7) Ruht der einfache Balancier wie gewöhnlich auf dem linken Mittel-
finger, und taucht man einen der Finger der rechten Hnnd in ruhiges
Wasser, oder in Erde, die mit reinem Wasser genässt ist, so wird der
Balancier sogleich unbeweglich. Ist das Wasser dagegen in Bewegung, so
dreht sich der Balancier nach aussen; und befindet sich unter dem ruhigen
Wasser ein Metall oder die Wurzel einer Pflanze, so dreht sich der Balancier
so, als hätte man diese Körper unmittelbar berührt. Wenn Campetti die
Wünschelruthe auf die gewöhnliche Weise hielt, so drehte sie sich über
fliessendem Wasser oder über Quellen stets von innen nach aussen, d. h.
wie über der + -Reihe.
„8) Es erfolgte im Balancier einerlei Wirkung, Campetti mochte in allen
vorigen Versuchen mit den genannten Körpern in unmittelbarer, oder nur
in mittelbarer Berührung durch andere Menschen, ja selbst durch eine Kette
von 10 Menschen sein, nur dass in den letzteren Fällen die Wirkung
schwächer war.
„9) Alle physiologischen Verrichtungen haben einen ebenso grossen Ein-
fluss auf diese Versuche. Der auf dem linken Mittelfinger ruhende Balancier
dreht sich während eines tiefen Ausathmens sehr stark nach aussen, während
eines tiefen Einathmens sehr stark nach innen. Wenn man den linken Ann
steif ausstreckt, so bewegt er sich nach innen; dasselbe geschieht, wenn man
diesen gebeugt lässt und den rechten Arm steif ausstreckt. Die Beugung
bringt stets den entgegengesetzten Erfolg der Streckung hervor, d. i., ein
Drehen nach gewöhnlicher Richtung, und zwar verstärkt. Und das ist gleich
für alle Glieder, die sich zu strecken und zu beugen vermögen.
„10) Herr Ritter Hess von Campetti während der Balancier auf der
Spitze des linken Mittelfingers lag, mit der Spitze des rechten Mittelfingers
wiederholt eine Zink- oder eine Zinnplatte berühren, und die Zahl dieser
Berührungen mit lauter Stimme abzählen. Die obere Reihe bedeute diese
Zahlen, / ein Drehen nach innen, A ein Drehen nach aussen, o Mangel an
allem Drehen; dann stellt folgendes das Resultat dar:
Galvanische Phantasieen.
239
I23456789 IO
IA0IA0IAI0
kd so drehte sich der Balancier auch bei den ferneren Berührungen immer
(wechselnd nach innen und nach aussen, und blieb bei einigen unbeweg-
i, und zwar bei folgenden:
15 21 26 36 45 55-
ieses sind Triangularzahlen, nur dass 26 statt 28 steht, und auch weiterhin
riehen die Zahlen, bei denen der Balancier unbeweglich wurde, nur um
De oder zwei Einheiten von denen in der Reihe der Triangularzahlen ab.
war kommen bei diesem sehr feinen Versuche Anomalieen vor, sie waren
ber nie so gross, dass sie das allgemeine Gesetz aufhöben, und bei den
icr ersten war der Balancier jedes Mal ohne Ausnahme unbeweglich. Zählt
Iampetti nicht wirklich, oder denkt er nicht an die Zahl, so ist sie ohne
influss. Man sieht daher offenbar, dass die Idee der Zahl selbst in seinem
körper gewisse physische Wirkungen hervorbringt, welche die beobachtete
Bewegung bestimmen."
„11) Auch die Gestalt des Balanciers ist nicht gleichgültig. Eine dünne
Cupferplatte, welche die Gestalt eines Kreises hat, dreht sich gleichartig mit
lern gewöhnlichen rectangularischen Streifen; ebenso ein Sechseck und ein
fiereck; ein Fünfeck aber dreht sich nach den entgegengesetzten Richtungen,
und ein gleichseitiges Dreieck oscillirt beständig zwischen diesen hin und
ber, dreht sich erst wie das Fünfeck, dann wie das Viereck, darauf wieder
wie das Fünfeck u. s. f.
„Gerade so dreht sich auch der gewöhnliche Balancier auf dem linken
Mittelfinger, wenn Campetti mit dem rechten Mittelfinger den Mittelpunkt
dieser Figuren berührt.
„Welchen Einfluss die regelmässigen Körper auf die Bewegung des
Balanciers haben, hat Herr Ritter noch nicht untersucht; es ist seine Ab-
sicht, diese Art von Untersuchungen fortzusetzen."
},\2) Wie mancher kleine Umstand bei allen diesen Versuchen mit in
Betracht kommt, davon ist folgendes ein Beweis. Es hatten mehrere irgend
ein Metall in Papier gewickelt, um es unter die Füsse Campetti's zu legen,
der den Balancier schwebend hielt. Als Herr Ritter genau wusste, an
welcher Stelle des Fusses das Metall lag, fragte er nach der Anzahl von
-agen des Papiers, welche das Metall umgaben, und errieth dann auf der
Stelle aus der Bewegung des Balanciers die Art des eingewickelten Metalles,
iagte man ihm diese, so rieth er umgekehrt die Zahl der Papierlagen.
„Was die Theorie dieser Erscheinungen betrifft, so glaubt Herr Ritter
ie alle der Elektricität zuschreiben zu müssen. Es ist ihm geglückt, ähnliche
Virkungen durch die beiden Pole einfacher galvanischer Ketten, durch die
"oLTA'sche Säule, durch die Leidener Flasche und durch die beiden Elektrici-
iten der Elektrisirmaschine hervorzubringen, theils mit, theils ohne Isola-
>ren; und er hofft dereinst noch alle diese Erscheinungen mit Vorrichtungen
ervorzubringen, zu denen nichts Belebtes kommt, und dann nicht ferner
240 Achtes Kapitel.
jenes ausnehmend feinen und empfindlichen Instrumentes zu bedürfen, dat
auf den physiologischen Kräften lebender Wesen und insbesondere der
menschlichen Nerven beruht.
„Er beweist durch viele andere Versuche, dass der Balancier sich gerade
so bewegt, als wenn in den Finger, der ihn trägt, positive Elektricität träfe
Und dieses findet in der That statt. Der Finger wirkt als feuchter Leiter,
und es geschieht nach dem Gesetze der Elektricitätserregung nach der
zweiten Klasse, dass die Balanciers in Bewegung oder in elektrische Span»
nung mit dem Finger treten, indem der Finger + E, das Metall — E erhält,
beide Elektricitäten zeigt in ihnen der VoLTA'sche Condensator (und das
gerade auf diese Art) sehr merklich. Ein Condensator, dessen Deckel ans
demselben Metalle als der Balancier besteht, und dem dieser, indem er sich
dreht, seine Elektricität mittheilt, nach welcher Richtung auch der Balancier
sich dreht. Die Elektricität des Fingers, welche immer positiv ist, wirkt nun
weiter auf den Nerven, und je nachdem dieses dem Gesetze der Elektricitäts-
erregung der ersten Klasse oder dem der zweiten Klasse gemäss geschieht,
bestimmt der Nerv die Erscheinungen auf eine verschiedene Art, und so,
wie sie wirklich erfolgen. Die Nerven des Ringfingers und des kleinen
Fingers der linken Hand werden bei dem Versuche, wenn er wie gewöhn-
lich angestellt wird, nach dem Erregungsgesetze der ersten Klasse, die des
Mittelfingers, des Zeigefingers und des Daumens aber nach dem Erregungs-
gesetze der zweiten Klasse afficirt. Man kann es ohne Schwierigkeit machen,
dass die Nerven aller Finger nach einerlei Gesetz afficirt werden; man braucht
zu dem Ende nur die positive Elektricität des Fingers, der den Balancier
trägt, bis auf einen gewissen Grad zu verstärken, entweder dadurch, dass
man ihm + E aus einer Elektrisirmaschine zuführt, oder dass man die Kraft
des Balanciers selbst erhöht, indem man ihn aus zwei heterogenen Metallen,
die aufeinander gelegt werden, zusammensetzt. Mit einem Worte, so über-
raschend diese Erscheinungen auch sind, die das lebhafteste Interesse ver-
dienen, so erfolgen sie doch alle nach den Gesetzen des Galvanismus, die
Ritter schon vor geraumer Zeit entdeckt, und dadurch über die ganze
Mannigfaltigkeit derselben Licht verbreitet hat.
„Es werden viele Dinge, die man für unmöglich hielt, weil sie sich mit
falschen Systemen, die gelten, nicht vereinigen Hessen, nicht nur möglich,
sondern auch wirklich werden, und man wird ihre Notwendigkeit durch
Theorieen darthun können, denen jene Systeme vielleicht werden weichen
müssen. Was die Materie betrifft, von der wir hier gehandelt haben, so
wollen wir uns weder in die Theorie noch in die Versuche hier weiter ein-
lassen. Sie werden aber einst beweisen können, dass alle diese Erscheinungen,
und viele andere allgemein bekannte, die bisher ebenso wenig untersucht
sind, mit den grossen physischen Einwirkungen der Gestirne und des Uni-
versums auf unsere Erdkugel in sehr naher Verbindung stehen, welche nicht
darauf beschränkt sind, die Erdmasse durch eine mechanische Bewegung im
Räume um die Sonne zu wälzen, sondern auch in die innerste physikalische
Galvanische Fhantasieen.
241
und chemische Beschaffenheit des Erdkörpers eingreifen, und sich an jedem
belebten Individuum, und selbst an der geringsten Kleinigkeit, welche auf
der Erdkugel existirt, weit charakteristischer und wesentlicher offenbaren.
Alsdann wird man auch die Physik und die Physiologie aus einem umfassen-
deren und wahreren Gesichtspunkte betrachten."
Von den weiteren Kundgebungen in der Sache sei ein Theil eines
Berichtes wiedergegeben, den ein Augenzeuge der Versuche im Intelligenz-
blatte der Jenaer allg. Litt. Ztg., 1807, Nr. 36 veröffentlicht hat. Enthält
er auch sachlich nichts neues, wie denn die Versuche sich immer in dem-
selben engen Umfange zu bewegen schienen, so giebt er doch eine gute
Anschauung von dem Ideen- oder vielmehr Wortkreise, welcher für die ganze
Geistesrichtung der Naturphilosophie jener Zeit typisch ist.
„Die wichtigsten Momente dieser neuen Untersuchung scheinen nun
dem Einsender, nach dem, was er in München selbst zu sehen Gelegenheit
hatte, auf folgende Hauptpunkte zurückzukommen.
„L Kraft des menschlichen Körpers überhaupt, andere todt
genannte Körper, z. B. Metalle, dynamischer Weise, ohne alle Da-
zwischenkunft mechanischen Einflusses, in Bewegung zu setzen. — Hier-
auf beziehen sich die Versuche: A. Mit den Pendelschwingungen des
Abts Fortis. Mit denselben hat Ritter sein Studium dieser Erscheinungen
angefangen: der Aufsatz des Morgenblattes enthält die Beschreibung der
Art, wie der Versuch anzustellen ist; und dieser ist es denn auch, welcher
überall wiederholt wurde, mit dem verschiedenen Erfolge, von dem schon
oben die Rede war. Es ist unleugbar, dass dieser Versuch manchen Per-
sonen nicht gelingt, aber ebenso unleugbar, dass er vielen gelingt. Ersteres
wäre, wenn auch hier nicht ein anderer Grund mitwirkte, nicht seltsamer,
als dass nicht alle Menschen gleich grosse Kräfte zum Magnetisiren oder
gleiche Fähigkeit, magnetisirt zu werden, besitzen. Wichtiger aber ist es,
dass (wie die meisten wenigstens sich vorstellen) ein mechanischer Einfluss
dabei kaum auszuschliessen ist, oder mindestens: dass er nicht stattfinde,
nicht mit voller Gewissheit, auch den Ungläubigsten, constatirt werden kann.
Dennoch ist dieses nicht ganz unmöglich, da die kreisartigen Bewegungen
des Pendels verschieden sind, nach der Verschiedenheit der Körper, der
Metalle z. B., mit welchen das experimentirende Subjekt in Berührung ist.
Wer sich also von der Realität der Versuche überzeugen wollte, brauchte
bloss einem Subjekte, mit dem die Versuche überhaupt gelingen, jetzt
dieses, jetzt jenes Metall, ohne dass das Subjekt selbst es wahrnehmen
könnte, auf den Kopf oder unter die Fusssohle zu legen, um zu finden, dass
die Bewegung bei dem nämlichen Metalle, und wenn alle übrigen Umstände
gleich sind, stets die nämliche sei, welches, wenn ein, auch unbewusster,
mechanischer Einfluss dabei ins Mittel träte, unmöglich mit solcher Regel-
mässigkeit erfolgen könnte. Es lassen sich nämlich diese Versuche auf ver-
schiedene Weise anstellen: I. so, dass das Pendel über ein Metall über
Wasser, irgend eine andere Flüssigkeit, oder einen lebenden Theil gehalten
Ostwald, Elektrochemie. *6
242 Achtes Kapitel.
wird; 2. so, dass nicht das Metall, sondern der Experimentator mit einem
solchen Körper in Berührung ist, oder wenigstens in dessen Wirkungssphäre^
3. auch ohne alle sichtbare Dazwischenkunft eines dritten Körpers, so dam
die Kraft des menschlichen Körpers als für sich allein hinreichend erschein^
das Pendel in kreisartige Bewegungen zu versetzen. — B. Mit der eigent*
liehen Wünschelruthe oder Baguette, deren Bewegungen nur nicht
ganze, sondern halbe Rotationen sind und ganz denselben Gesetzen wie die
Pendelbewegungen folgen, so dass sie, wie jene, je nach Beschaffenheit des
Metalles, mit dem der Experimentator in Berührung ist, entweder von aussen
nach innen, oder von innen nach aussen geschehen. C. Mit einer Stange
oder Platte von Metall (auch von Siegellack jedoch, und anderen Nicht-
leitern), welche auf der Spitze eines Fingers balancirt, nach wenigen
Augenblicken sich rechts oder links zu bewegen anfängt, je nach Beschaffen-
heit des dritten Körpers, mit dem der Experimentator in Berührung ist
Damit dieser Versuch gelinge, ist schon ein hoher Grad von Kraft erforder-
lich, ein höherer als zur Bewegung der Baguette.
„IL Differenzen und Polaritäten unbelebter Körper, sowie aller
Theile eines belebten, welche vermittelst jener Bewegungen ge-
funden werden; und: Einfluss allgemeiner äusserer Potenzen auf
das Phänomen. So ist z. B. die Richtung der Pendelkreisung eine andere
über dem Nord-, eine andere über dem Südpole des Magnets; eine ebenso
entgegengesetzte über Metallen, die sich auch in anderen, den galvanischen,
elektrischen und chemischen, Versuchen, wie zwei Pole des Magnets ver-
halten. Eine entschiedene Polarität zeigt sich an den entgegengesetzten
Enden eines frischen Eies, einer Frucht, einer Pflanze überhaupt; ferner
zwischen den Geschlechtstheilen der Pflanzen. Ebenso offenbart sich eine
entschiedene Differenz und Polarität aller Theile des menschlichen Körpers,
nicht nur durch die Bewegung des Pendels, sondern auch durch Bewegungen
der balancirten Stange und der Baguette. Mit letzterer hat Amoretti die
ganze Oberfläche des menschlichen Körpers durchexperimentirt, und einer
Abhandlung, die in der Scelta d'Opuscoli steht, welche unter seiner Auf-
sicht herauskommt, eine Zeichnung der menschlichen Gestalt mit Angabe
sämmtlicher Differenzen und Pole an derselben beigefügt Was den Einfluss
allgemeiner äusserer Potenzen auf das Phänomen betrifft, so sind als solche
bis jetzt insbesondere unterschieden worden: das Sonnenlicht, welches
seltsam genug eine Wirkung ausübt, die nach der Beobachtung mehrerer
auch das Auge auf Verstärkung, Hemmung oder veränderte Richtung der
Bewegung haben kann; die Elektricität, welche nicht allein auf das
experimentirende Subjekt bestimmenden Einfluss hat, sondern, wie schon
jetzt, theils durch frühere Versuche, theils durch neue von Ritter angestellte,
bewiesen scheint, unmittelbar und durch sich selbst eben diese rotatorischen
Bewegungen hervorzubringen vermag. Es ist dieses nur ein Beweis, wie
viel tiefer die Wurzel der elektrischen Kraft noch in der Natur liegt, als
man sich zufolge der bisherigen Erscheinungen vorzustellen pflegte.
4
F
Galvanische Phantasieen. 24?
„III. Die dem Bewegungsvermögen, das der Mensch auf andere
Körper dynamisch ausübt, gewisser Maassen entgegengesetzte
Fähigkeit, von diesen Körpern, hauptsächlich Metallen und Wasser,
in Bewegung, innerliche versteht sich, gesetzt zu werden. — Es mag
vorerst ganz dahingestellt bleiben, ob sich diese zu jenem ebenso verhalte,
wie sich im thierischen Körper die Kraft des Nervensystems, die Muskeln
als Aussendinge in Bewegung zu setzen, zu der Fähigkeit, von Aussendingen
Sensationen zu erlangen, verhält; und ob jene sonach nur als eine höhere
Potenz des letzteren betrachtet werden müsse. Ausser den Versuchen, welche
Herr Ritter noch in Italien mit Campetti hierüber angestellt hatte, und die
alle für den ausgezeichneten Grad der Stärke und Sicherheit dieses beson-
deren Empfindungsvermögens in ihm zeugten, konnten, in dem rauheren
Klima, bis jetzt keine Versuche im Grossen und Freien angestellt werden,
die daher noch zu erwarten sind, wenn die bessere Jahreszeit eingetreten
sein wird.
„IV. Zusammenhang dieser Phänomene mit den anderen dyna-
mischen Erscheinungen der Natur. — Es ist wohl Niemand, der nicht
auf den ersten Blick an ein Verhältniss dieser Erscheinungen zu den gal-
vanischen und elektrischen erinnert würde. Dass sie aber durch die Elek-
tricität nicht sowohl erklärt werden, als vielmehr das wahre Wort für diese
selbst erst geben werden, ist schon oben bemerkt worden. Wir setzen
hinzu, dass dies wohl für alle dynamischen Erscheinungen gelten möge.
Dennoch ist es zweifelhaft, ob sie wichtiger für die Lehre von der Elektricität
und die damit verbundenen sich zeigen werden, oder für die Physiologie
des Himmels(!) oder für die des Menschen und die darauf gegründete Medizin.
Merkwürdig ist wenigstens, dass die Anregung dieser Erscheinungen zu
gleicher Zeit von verschiedenen Seiten geschehen ist, und die Arzneikunst
sich dieselbe noch früher als die allgemeine Physik vindicirt hat. Kenner
mögen sich an Wienhold's Bemühungen erinnern; kürzlich ist in einem
Aufsatze über thierischen Magnetismus in dem Jahrbuche der Medizin
von Marcus und Schelung (II. Band, 2. Heft), das ganze Phänomen, sowohl
des Metallfühlens als Bewegens, noch unabhängig von den neuesten Ver-
suchen, mit jener erst gekannten Erscheinung in Verbindung gesetzt worden.
Das Verhältniss desselben zum Galvanismus ist dort so dargestellt: „den
Galvanismus, sofern er mitten inne zwischen der Elektricität und dem
thierischen Magnetismus hegt, haben wir bisher nur von einer seiner zwei
Seiten erkannt und aufgefasst, nämlich von derjenigen, wo das Unorganische
die aktive, das Organische die passive, jenes die mittheilende oder tonan-
gebende, dieses aber die empfangende und subordinirte Rolle spielt. Es
giebt aber, scheint mir, noch eine Seite von ihm, bei welcher alles sich
gerade umgekehrt verhält, wobei nämlich das Organische das mittheilende,
das Unorganische das empfangende Glied ist." Unter den faktischen Belegen
für die Wirklichkeit eines solchen Verhältnisses wird ein Versuch angeführt
mit dem Drehen eines Degens, dessen Stichblatt von 2 Personen auf dem
16*
244 Achtes Kapitel.
Stichblatte balancirt im Gleichgewichte gehalten wird; ein Versuch, der zu
denen unter Nr. I angeführten, als ein um so weniger Widersprüchen aus-
gesetzter hinzugefügt zu werden verdient, als es zwei verschiedene Personen j
sind, die den Degen halten, und der Versuch in dieser Verbindung mit f
anderen, auch solchen gelingt, die ihn auf andere Weise nicht vollbringen
können. Nach dem, was daselbst über die Empfindlichkeit magnetischer r
Personen für die nämlichen Körper, Metalle und Wasser, erwähnt wird, ■!"
scheint es, dass die eigenthümliche Fähigkeit der Erz- und Wasserfiihler auch ?
als ein geringerer Grad des Somnambulismus angesehen werden könne, und
dass, da auch das Vermögen, fremde Körper zu bewegen, eben den Wasser-
und Metallfuhlern am stärksten beiwohnt, dieses ganze Phänomen sich auf-
lösen werde in jene tief verkannte, aber bald nicht mehr verkennbare Er-
scheinung, die seit einigen Jahrzehnten unter dem Namen des thierischen
Magnetismus so verschiedene Schicksale gehabt hat.
„Es ist überhaupt seltsam, dass alles, was faktisch ist, in dieser Ange-
legenheit nicht neu ist; es ist bisher noch keine Erfahrung gemacht worden,
welche nicht als Thatsache in vielen älteren und selbst neueren Büchern
aufgezeichnet stünde. Sogar das oben verschwiegene Wort schwebt den
Schriftstellern nicht bloss auf der Zunge, sondern ist deutlich ausgesprochen
in den meisten älteren Werken. Allein der Sinn ist neu, in dem das ganze
Phänomen aufgefasst und combinirt wird. Die Sache wird endlich mit
deutschem Ernst und Tiefe behandelt, unter einer glücklichen Constellation,
wo höhere Ansichten der Natur dem Experiment entgegenkommen, und ein
Experimentator, wie Ritter, ein Individuum findet, dessen Geduld und kind-
liche Freude an den Experimenten aufs Treueste aushält, und der den
Gedanken des leisesten Truges verabscheut, und sich dadurch um seine
Gabe, die er sehr werth hält, zu bringen glauben würde.
„Es kann nicht fehlen, dass nicht sehr verschiedene Urtheile über die
Sache obwalten, dass verständige und unverständige Zweifel, scherzhafte und
ernsthafte erhoben werden, von solchen selbst, die etwas gesehen haben,
so gut sich etwas in der Zerstreuung und ohne irgend eine Vorkenntniss
dessen, worauf es ankommt, sehen lässt, auch von solchen, die nicht gesehen
haben. Aber eben ein solcher Stein des Anstosses in einem sich weise
dünkenden, aber im Grossen und Ganzen allmählich zur tiefsten Unwissenheit
gesunkenen Zeitalter muss dem rechten Freunde der Wissenschaft er-
wünscht sein.
„Herr von Aretin ist damit beschäftigt, eine Geschichte der Wünschel-
ruthe oder Baguette zu schreiben, welche ein sehr weitläufiges Werk werden
kann, wenn er ihre Spuren, die freilich noch weit über die virgula divina
des Cicero hinausgehen, allenthalben aufnehmen will. — Herr Ritter hat
bis jetzt nichts öffentlich von seinen Versuchen bekannt gemacht Möge er
nicht zu lange damit zurückhalten, und das neue unschätzbar wichtige Ver-
dienst, welches er sich um die Wissenschaft der Natur erworben, bald zu
seinen übrigen hinzugezählt werden können/'
Galvanische Phantasieen. 24 C
Selbst ernsthafte und zu phantastischen Vorstellungen nicht besonders
geneigte Männer Hessen sich täuschen; als auffallendstes Beispiel hierfür dient
eine längere Abhandlung, die der verdiente Chemiker C. F. Bucholz1 über
die Pendelschwingungen erscheinen Hess. Er beschreibt eine Anzahl von
Versuchen, wie ein in seiner Hand gehaltenes Pendel aus Schwefel an einem
seidenen Faden, der aber nass sein musste, je nach Umständen in einem
oder dem anderen Sinne schwang. Es würde zu weit fuhren, alle Versuche
wiederzugeben, von denen Bucholz berichtet; nur einer soll als besonders
charakteristisch für die Gedankenformen, die jenen Versuchen zu Grunde
tegen, hergesetzt werden.
„Da es Trommsdorf [es ist der bekannte Chemiker gemeint] gar nicht
gelingen wollte, die mehrerwähnten besonderen Pendelschwingungen zu be-
wirken, so stellte er sich auf ein Kupferblech, nahm nun in die linke Hand
eine zinnerne Schüssel von il/2 Schuh Durchmesser und näherte dieser
das befeuchtete, zwischen nassen Fingern gehaltene Pendel und in wenigen
Augenblicken sahen wir zu unserer Überraschung das Pendel lebhaft sich
bald zu 1 — 2 Schuh weiten Schwingungen bewegen. Derselbe Erfolg zeigte
sich auch dann, als Trommsdorf eine grosse Kugel von Messingblech, die
noch mit einer anderen Metallmasse in Verbindung stand, mit der linken
Hand umfasste."
Wie man sieht, sind es die Vorstellungen aus dem elektrischen Kreise,
die für die Pendelversuche maassgebend sind: man erwartet, dass die
bekannten Leiter der Elektricität sich auch wirksam hier beweisen werden,
und der erwartete Erfolg bleibt demgemäss auch nicht aus. Bucholz ist
schliesslich von der Richtigkeit seiner Beobachtungen so überzeugt, dass er,
nachdem er sich in der Hauptabhandlung noch einigermaassen zweifelhaft
geäussert hatte, einen späteren Zusatz mit den Worten schliesst: „Die
Unzweideutigkeit der letztangefuhrten Resultate spricht zu sehr für die Wahr-
heit der ganzen Reihe der erzählten Erscheinungen, dass gewiss auch dadurch
jeder Zweifel, der sich nach Mittheilung der ersten Versuche und ihrer
Erfolge dagegen noch hätte regen können, vertilgt werden muss, ohne
weitere raisonnirende Bekräftigungen, und die Gegner dieses interessanten
naturwissenschaftlichen Gegenstandes werden fühlen, wie sehr unrecht sie
thaten, ihre Zweifel auf eine so inhumane Art laut werden zu lassen, als es
leider der Fall gewesen ist"
Die Ironie des Zufalles will es, dass in derselben Zeitschrift ganz kurz
vorher* Bucholz als Vertreter der exakten Wissenschaft einem anderen allzu
phantastischen Forscher gegenübergetreten ist, welcher seinerseits die Will-
kürlichkeit der Pendelversuche ganz klar erkannt hatte.8 Dieser Mann war
Wikterl, Professor der Chemie in Pesth. Eine Schilderung seiner kuriosen
chemischen Entdeckungen kann an dieser Stelle nicht gegeben werden; es
1 Gehlen's Journ. f. d. Chemie und Physik, 5, 575. 1808.
1 Ebenda 3, 336. 1807. 8 Ebenda 3, 732- 1807.
246 Achtes Kapitel.
genügt zu seiner Kennzeichnung, mitzutheilen, dass er einen Stoff, And
genannt, gefunden zu haben behauptete, welcher mit Sauerstoff, Wasser tuut ■*■
Säureprinzip zusammen Kohlensäure, Stickstoff und Salpetersäure bildet, de* :
mit Wasserstoff Milch und Eiweiss giebt, der sich mit Kalk in Kali und ]
Kieselerde verwandelt, der Blei in Baryt, Kupfer in Molybdän, Thonerde itt :
Beryllerde überfuhrt u. s. w.1 Winterl hatte eine Methode zur Gewinnung
seiner Andronia angegeben, und Bucholz wies nach, dass auch bei sorg-
fältigster Einhaltung der beschriebenen Versuchsbedingungen nichts von der
Andronia entstand. Dieser selbe Winterl nun, der im übrigen von der
naturphilosophischen Schule jener Zeit als der Messias der Chemie gepriesen
wurde, schreibt unerwartet vernünftig über die Pendelversuche: „Unterdessen
ist im CoTTA'schen Morgenblatte eine Reihe interessanter Versuche zum
Vorschein gekommen, welche nun die elegante Welt, für die dieses Blatt
geschrieben ist, an allen Ecken beschäftigen: in zwei Gesellschaften sah ich
die sämmtlichen Versuche wiederholen, sie gelangen ohne Ausnahme. Als
ich nach Hause kam, nahm ich folgende Versuche vor."
Winterl schildert nun seine Versuche, aus denen klar hervorgeht, dass
die fraglichen Schwingungen durch unbewusste Bewegungen von Seiten des
Experimentators hervorgerufen werden; von seinen 6 Experimenten theile
ich nur das letzte mit. „Ich wiederholte nun den vorigen Versuch [Schwin-
gungen über untergelegten Gegenständen] in der freien Luft, ohne dem Ringe
einen Gegenstand unterzulegen: die Schwingungen gingen ebenso gut vor
sich, und zwar nach jeder Seite, nach welcher ich es wünschte, ob ich gleich
dem Wunsche gar nicht zu Hülfe kommen wollte. War der Arm vom
langen Halten ermüdet, so waren die Kreise grösser und hatten bisweilen
einige Zolle im Durchmesser, wenn der Faden lang genug war."
Ritter theilte die Ergebnisse seiner Forschungen über Campetti der
wissenschaftlichen Welt in einem eigenen Buche unter dem Titel: Der
Siderismus, Bd. I, St. I. — Campetti vor die königl. baierische Akademie
der Wissenschaften gebracht von Ritter. Th. I. Neue Beiträge zur näheren
Kenntniss des Galvanismus, Bd. I, St. 1. — mit. Die Vorrede des Buches
ist in einem sehr kriegerischen Tone geschrieben. „Leider finde ich mich
in der Ansicht betrogen, den schlechten Haufen doch durch Güte noch zum
Besseren zu bringen; ich habe nach und nach lernen müssen, dass es auch
in der Wissenschaft Resultate giebt, die nur durch Schlachten behauptet
werden können. Mein jetziger Gegenstand scheint dies besonders zu fordern;
man hat mich mehr gereizt, als ich zu erdulden schuldig bin/'
Und an anderer Stelle: „Ich wollte wirklich nur darthun, dass es nütz-
lich sei, für gute Physik sich nach und nach ein neues, frischeres Publikum
aufzusuchen, indem das alte bereits gar zu sehr ab- und ausgenutzt ist.
Seinem grössten Theile nach hat, es sich — untersucht mir den Ausdruck —
ganz dem reinen Spinnen ergeben; der Zweck des Spinnens selbst aber ist
"M. Kopp, Gesch. d. Chemie, 2, 282.
Galvanische Phantasieen. 247
ihm vor lauter Drau&mnen nach und nach so verloren gegangen, dass
sogar, wo wirklich sich das Leben in diesem Gespinnste zuweilen noch finge,
war's auch nur als Fliege, es lieber alles wieder aufreisst, dass dies ja wieder
fort kann, und dann das Loch flugs wieder zumacht Am liebsten wird
daher das Gespinnst gleich an solchen Orten aufgehangen, wo schon von
selbst nicht viel Lebendiges hinkam; worauf sie dann mit ergreifender Zu-
friedenheit sich also aussprechen: sie haben die Wissenschaft über das Leben
erhoben. Nicht viel besser als ein Exanthem müsste sich die Wissenschaft
dem mit dem Ganzen Unbekannten ausnehmen, gäbe es nach der ihrigen
sonst keine mehr. So eine giebt es leider und glücklich neben der ihrigen
noch, und was sie schon jetzt, seitdem sie sie merken, zu ärgern anfängt,
ist, dass das Leben selber ihr Gegenstand sein soll, und dass die Mittel zu
seiner Erforschung zudem die nämlichen sind, die sie missbrauchen. Hier
stellt sich etwas ganz eigenes ein, was bei Pferden seinen Namen allerdings
schon hat, und kürzlich auch bei den Gelehrten in nichts besteht, als dass
sie absolut nicht weiter wollen. Da nun bei ihnen, so wenig als bei jenen,
an Wirksamkeit von Gründen zu denken ist, die ohnehin gegen ein absolutes
aie etwas vermochten, so ist es, und selbst ohne Gründe, klar, dass man sich
am besten von ihnen ab-, und dahin wendet, wo wirklich noch gesunde
frische Natur und Forderung an Wissenschaft . . . lebt und grünt/'
An sachlichem Inhalte befinden sich in dem allein erschienenen ersten
Bande der Schrift, dem ein zweiter „in kurzem und in jedem Falle" nach-
folgen sollte, drei Berichte an die Münchener Akademie, deren erster die
uns schon bekannte Entdeckungsgeschichte Campetti's enthält, während der
zweite einen ausfuhrlichen Plan giebt, nach welchem die von der Akademie
niedergesetzte Commission, Ritter's Vorschlägen gemäss, die Prüfung der
Fähigkeit Campetti's vornehmen sollte.
Auf eine Aufforderung der Akademie, die bisher erhaltenen Resultate
seiner Untersuchungen mit Campetti ihr zur Prüfung vorzulegen, hat Ritter
in einer dritten Schrift geantwortet, die den letzten Theil des Bandes bildet.
Auch hier findet man nichts als die allgemeine Versicherung, dass es sich
mit Campetti wirklich so verhalte, dass er Wasser und Metalle unter der
Erde fühlen könne, dagegen keine Beschreibung irgend eines ausgeführten
Versuches.
Was dann weiter aus der Sache geworden ist, habe ich nicht in Erfah-
rung gebracht Ritter ist allerdings schon zwei Jahre hernach gestorben,
doch liegen aus noch späterer Zeit Publikationen von ihm über andere Gegen-
stände vor, so dass er wohl nicht durch Krankheit, sondern durch irgend eine
andere Ursache verhindert gewesen zu sein scheint, die so unbedingt ver-
sprochene Fortsetzung seines Buches zu liefern. Es findet sich die Angabe, *
dass Ritter kurz vor seinem Tode die Wünschelruthe u. s. w. für Erzeugnisse
des Aberglaubens erklärt habe, doch habe ich an der angegebenen Stelle
'•Annales de chimie, 72, 336) keine derartige Mittheilung finden können.
1 Allgemeine Deutsche Biographie, 28, 678. 1889.
248 Achtes Kapitel.
Die Aufklärung der Pendelversuche durch ihre Zurückfuhrung auf unwill-
kürliche Bewegungen der haltenden Hand wurde dann in der Abhandlung
eines Ungenannten, die von Pfaff mitgetheilt wurde, gegeben; sie ist nach-
stehend abgedruckt:
„Auf Veranlassungen, die dem Publico bereits bekannt sind, ist wieder
die Möglichkeit und Wirklichkeit der Wünschelruthen und das Dasein von
Menschen in Anregung gekommen, die mit dem Vermögen begabt sein \
sollen, verborgene Wasserquellen und Metalle durch eigentümliche Empfin-
dungen zu entdecken.
„Ohne mich hierüber in Muthmaassungen und Meinungen einlassen zu
wollen, sei es mir bloss erlaubt, einige von mir gemachte Bemerkungen und
daraus gezogene Resultate mitzutheilen, die sich auf eine Erscheinung be-
ziehen, welche mit jener Möglichkeit und Wirklichkeit in einen innigen
Zusammenhang gesetzt ist: ich meine die Schwingungen, die ein Würfel
von Schwefelkies, oder ein Stück jedes beliebigen Metalles über
Metallplatten und verschiedenen anderen Körpern macht, wenn
er, an einem feinen Zwirnsfaden aufgehangen, mit der Hand frei
darüber gehalten wird, und welche man aus einem eigenthüm-
lichen, mit den galvanischen Erscheinungen im Zusammenhange
stehenden, Einfluss des Organismus zu erklären suchte.
„Schon längst kannte man eine ähnliche Erscheinung, die darin bestand,
dass man einen goldenen Ring, an einem Haare befestigt, mit massig unter-
stützter Hand in ein Weinglas hinabhängen Hess, wo er nach und nach in
Schwingungen gerieth, und, durch das Anschlagen an die Wände des Glases,
eine Art von Glockenspiel veranlasste. Der Aberglaube wähnte hierin etwas
Wunderbares zu finden, indem er annahm, dass die Zahl der Schläge mit
der jedesmaligen Tagesstunde in Übereinstimmung stehe. Der Unbefangene
glaubte indess das Ganze aus einer Einwirkung des Pulses auf die Hand
erklären zu können, der dieselbe zu einer unmerklichen Bewegung disponire,
die gleichwohl hinreiche, bei einiger Länge des Haars, schon bedeutende
Schwingungen zu veranlassen.
„Da man bereits weiss, wie diese scheinbar von selbst erfolgenden
Schwingungen, namentlich die eines Schwefelkies-Pendels, das man derselben
am fähigsten hielt, neuerlich zu einer Reihe von Versuchen und darauf
gegründeten Schlüssen, die theils bekannt sind, theils bald bekannt werden
möchten, Gelegenheit gegeben haben: so begnüge ich mich mit der Recht-
fertigung meiner eigenen Ansicht, nach der die Ursache der vorliegenden
Erscheinung eine feine Association zwischen Augen- und Handbewegungen ist
„Diese Rechtfertigung nämlich glaube ich in folgenden Beobachtungen
zu finden.
A. In Rücksicht der Bewegung im Allgemeinen.
1. Bei völlig unterstützter, d.h. fester Hand fand keine Bewegung statt
,2. Die Qualität des Pendels, des Fadens, an welchem es hing, und der
Unterlage, über welcher es schwang, war gleichgültig.
Galvanische Phantasie«!.
249
„3. Die Richtung der Bewegung hing von der Form der Unterlage ab,
er vielmehr von der Art, wie dieselbe vom Auge fixirt wurde.
„4. Personen, die sich gleichsam genöthigt fühlen, beim Anblick eines
»rpers, denselben seiner Peripherie nach mit den Augen zu umlaufen,
lang die Schwingung scheinbar unwillkürlich, und zwar in der Richtung,
welcher sie die Peripherie fixirt hatten. Hingegen blieb das Pendel bei
en in völliger Ruhe, die den ganzen Körper zugleich oder einen einzelnen
inkt desselben zu fixiren pflegen; die Bewegung erfolgte aber sogleich,
;nn sie die Peripherie nach irgend einer Richtung mit dem Auge unwill-
irlich begleiteten.
,5. Nach Verschliessung der Augen fand keine Schwingung statt.
,6. Der Wille hatte indess Ruhe und Bewegung völlig in seiner Gewalt,
dem es dazu nur der lebhaften Vorstellung eines Körpers, oder, was eben
is ist, einer bestimmten Form, und der Fixirung oder Umlaufung derselben
it dem wirklichen Auge, oder mit der Einbildungskraft bedurfte.
B. In Rücksicht der Richtung der Bewegung.
„1. Blieb sich das Auge beim Fixiren eines Kreises gleichsam selbst
►erlassen, so erfolgte die Schwingung kreisförmig von der Rechten zur
nken, wenn das Pendel mit der rechten Hand gehalten wurde; von der
nken zur Rechten aber, wenn es sich in der linken Hand befand.
„Da das Auge beim Anschauen einer Figur dieselbe nicht in allen
inkten zugleich fixiren kann, so bekommt es die Vorstellung von einem
reise eigentlich nur dadurch, dass es denselben continuirlich von Punkt zu
inkt verfolgt Nun ist aber Gesicht und Getast von der Natur in eine so
nige Beziehung gesetzt, dass die Hand bei jeder Gesichtsvorstellung gleich-
m unwillkürlich strebt, dieselbe, durch Betastung des gesehenen Gegen-
indes, zu berichtigen, wobei die rechte Hand, ihrer mechanischen Ein-
:htung gemäss, ohne besonderen Einfluss des Willens, geneigter sein wird,
:h gegen die linke, und die linke, sich gegen die rechte zu bewegen.
„Hält man demnach das Pendel über eine runde Scheibe, oder über
den beliebigen Kreis, der zu gross ist, um, als ein Punkt, in allen Theilen
gleich fixirt werden zu können, aber klein genug, um eine gleichzeitige
Pachtung des Pendels zuzulassen: so fallt das Auge zunächst wechselsweise
ild auf das Pendel, bald auf den Kreis, denn beide sind ihm als Objekt
^geben, wodurch zwischen dem zuerst fixirten Punkte und dem Pendel eine
radlinige Bewegung des Auges und demnächst der Hand entsteht. Zu
eicher Zeit aber wird das Auge disponirt, den Kreis seiner Peripherie nach
1 umlaufen, weshalb die geradlinige Schwingung des Pendels sogleich in
e kreisförmige übergeht, wobei das Auge durch Aufmerksamkeit auf die
chte Hand bestimmt wird, links, auf die linke aber, rechts zu laufen, in
dcher Richtung hierauf die Bewegung der Hand und des Pendels folgt.
„2. Bei einem Mathematiker, der sich sehr viel mit Zeichnen beschäftigt,
id der mich versichert, dass ihm hierdurch die Bewegung der rechten
2 CO Achtes Kapitel.
Hand von innen nach aussen die gewöhnlichste geworden sei, erfolgte die
Schwingung bei beiden Händen von der linken gegen die rechte.
„Auffallend war der Einfluss, den seine Fertigkeit, Zirkel aus freier Hand
zu beschreiben, auf die Bewegung des Pendels hatte; ich habe dieses fast
bei keinem so grosse Kreise beschreiben sehen.
„3. War das Pendel in der einen Hand bereits in Bewegung, und fasste
man es jetzt auch mit der anderen Hand, so viel wie möglich mit der ersten
in einem Punkte, an, so erfolgte Ruhe.
„Die Tendenz der linken Hand, sich rechts, der rechten, sich links zu
bewegen, heben sich auf; weshalb bei obengenanntem Mathematiker die
Schwingung, auch nach dem Gebrauche beider Hände, von der linken gegen
die rechte fortdauerte, indem der Gegensatz in der Bewegung beider Hände
durch die Gewohnheit wegfiel.
„4. Legt man, während das Pendel in der rechten Hand von der
Rechten zur Linken schwang, auf diese Hand irgend einen Körper, so er-
folgte bei einigen Ruhe, bei anderen wurde die Richtung der Schwingung
die entgegengesetzte.
„In diesem Falle wird die Aufmerksamkeit des Auges von dem Kreise,
über welchem das Pendel schwingt, abgeleitet, und auf den auf die Hand
gelegten Körper gelenkt. Hierdurch entsteht eine Bewegung des Auges links
von dem Kreise aufwärts gegen die rechte Hand, oder in Rücksicht des
Pendels, links von der Peripherie gegen den Mittelpunkt des Kreises. Führe
das Auge fort, sich in dieser Richtung zu bewegen, so würde die Schwingung
geradlinig von der Linken gegen die Rechte werden; allein da es auch
fortwährend von dem Kreise, als Hauptobjekt, afficirt wird, so wird die
Schwingung bald wieder kreisförmig, und zwar ebenfalls von der Linken
gegen die Rechte, weil das Auge bereits nach dieser Richtung in Bewegung
und die Aufmerksamkeit auf die rechte Hand gestört ist.
„Bleibt aber das Auge, wenn es durch den Körper, der auf die Hand
gelegt wird, ganz von dem unteren Kreise abgelenkt ist, auf ersterem längere
Zeit ausschliesslich ruhen, so hören auch die Schwingungen des Pendels auf.
„5. Wurde während der Schwingung des Pendels über einer einzelnen
Scheibe dieselbe mit einer anderen vertauscht, so, dass das Auge zuerst
nach innen, dann aber wieder nach aussen gelenkt wurde: so nahm die
Bewegung ebenfalls die entgegengesetzte Richtung an.
„Dies geschah vorzüglich dann, wenn die neue Scheibe von innen her-
unter geschoben wurde, und die vorige in einiger Entfernung nach aussen
liegen blieb, doch so, dass erstere, durch ihre Lage, der Hauptgegenstand
des Objektes war.
„6. Legte man zwei Scheiben oder Kreise neben einander, und hielt
das Pendel in der Mitte zwischen beiden, so wurde die Bewegung über
beiden geradlinig. Hielt man es aber über der links liegenden, so erfolgte
die Schwingung kreisförmig gegen die rechte; hingegen beschrieb es den
Kreis gegen die linke, wenn man es über der rechts liegenden hielt
Galvanische Phantasieen. 25 I
„Wird das Pendel über dem Mittelpunkte des Ganzen, d. h. zwischen
beiden Scheiben gehalten, so wird auch das Auge genöthigt, diesen Punkt
zu fixiren. Da es aber hier ein Deficit in Hinsicht der Kreisform, an die
es, durch die Gegenwart der Scheiben oder Kreise, fortwährend erinnert
wird, bemerkt, so wendet es sich, als unbefriedigt, seitwärts zu einer der
Scheiben. In eben dem Maasse aber, als dies geschieht, entschwindet die
andere mehr oder weniger aus dem Gesichtskreise, und disponirt dadurch
das Auge, zu ihr zurückzukehren (denn beide Scheiben zusammen machen
im vorliegenden Falle das Objekt aus). Dieses Hin- und Wiederwenden des
Auges theilt sich der Hand mit, und die Schwingung wird geradlinig.
„Hält man das Pendel aber über einer der Scheiben besonders, so wird
diese dadurch zum Hauptgegenstand des Objektes erhoben. Die andere wirkt
aber ab Nebenreiz; und da sie durch ihre Peripherie nach vorne dem Auge
am natürlichsten auffallen muss, so entsteht zunächst eine geradlinige Be-
wegung von dem Mittelpunkte der besonders fixirten Scheibe gegen den
vordersten Punkt jener Peripherie: also von hinten nach vorne, und von
innen nach aussen. Indess wird das Auge durch eine vorwaltende Achtsam-
keit auf eine einzelne Scheibe wieder zur Kreisbewegung genöthigt, in der
die Richtung von hinten nach vorne aufgehoben, die von aussen nach innen
aber beibehalten wird.
„Liess man, bei drei Scheiben, die in einer geraden Linie lagen, das
Pendel über der mittelsten Scheibe, so war die Schwingung kreisförmig;
zwischen je zwei, geradlinig; über der rechten, kreisförmig von der rechten
zur linken; über der linken, kreisförmig von der linken zur rechten.
„Über der mittleren richtet sich die Richtung der Schwingung nach der
gebrauchten Hand: denn da die Einflüsse der beiden Nebenscheiben ein-
ander entgegengesetzt sind, so heben sich ihre Wirkungen auf. Das Übrige
folgt aus dem Vorhergehenden (siehe 6).
„8. Lagen aber die drei Scheiben in einem Dreiecke, und hielt man
das Pendel über dem zwischen ihnen übrig bleibenden dreieckigen Räume,
so war die Schwingung elliptisch.
„Das Auge wird, da es hier in Rücksicht der Kreisform nicht befriedigt
wird, veranlasst, von Scheibe zu Scheibe zu laufen, wodurch eigentlich auch
die Bewegung ein Dreieck beschreibt Da indess die Pendelbewegung keine
Winkel zulässt, so ist die nothwendige Folge eine Ellipse (vgl. 6).
„9. Vier Scheiben in einem Viereck, und das Pendel über dem
gemeinschaftlichen Mittelpunkt gehalten, veranlasste eine Kreisbewegung
über allen.
^Erklärt sich aus Obigem (siehe 6, 7, 8).
10. Wie sich fünf und mehrere Scheiben oder Kreise in ihren beson-
deren Combinationen und Fixirungen verhielten, kann man selbst aus dem
bisher Gesagten leicht folgern.
„Die fünf Fingerspitzen verhalten sich wie fünf Kreise in gerader
Linie. Hält man das Pendel mit der rechten Hand über den Fingerspitzen
99'
99
2C2 Achtes Kapitel.
der linken, so erfolgen drei Schwingungen von der rechten zur linken und
zwei von der linken zur rechten. Hält man es aber umgekehrt mit der
linken über den Fingerspitzen der rechten, so erfolgen nur zwei Schwingungen
von der rechten gegen die linke, dagegen aber drei von der linken gegen
die- rechte (siehe 7).
„Ein Eisenstab, vermittelst feinen Stahldrahts aufgehängt, leistet, über
den Fingerspitzen, wie über jeder anderen schicklichen Figur gehalten, die-
selben Dienste, wie jedes andere Pendel, nur dass seine Bewegungen weniger
beträchtlich als die einer Kugel sind, da letztere der Pendelbewegung gün-
stiger ist Wird hingegen dieser Eisenstab an einem metallenen Leiter auf-
gehängt, und hält man die Fingerspitzen darunter, so erfolgt nicht die min-
deste Bewegung, welches doch geschehen sollte, wenn jene Bewegungen von
einem eigentümlichen galvanischen oder magnetischen Einflüsse des Orga-
nismus auf die Aussenwelt abhingen.
„11. Die Schwingungen über einer Scheibe von Holz, an deren Peri-
pherie drei Löcher in der Figur eines Dreiecks gebohrt waren, waren, wie
gewöhnlich, kreisförmig, wenn die Fixirung der Peripherie nach geschah;
elliptisch, wenn die drei Löcher zugleich fixirt wurden; zwischen je zwei
Löchern geradlinig, wenn das Auge beide wechselsweise fixirte. Alle Be-
wegung hörte aber auf, sobald ein Loch besonders der Gegenstand der Auf-
merksamkeit war.
„Über einer viereckigen Tafel schwang das Pendel in der Richtung der
längsten Dimension, wenn dieselbe dem Auge nicht zu unbequem lag.
„13. Über linienförmigen Körpern geschah die Schwingung der Länge
nach.
„14. Wurde eine Scheere ihrer Länge nach fixirt, so war die Schwingung
längs derselben geradlinig; fixirte man die beiden runden Handgriffe zugleich,
so dass das Auge bald auf den einen, bald auf den anderen fiel, so machte
die neue geradlinige Bewegung mit der ersteren einen rechten Winkel;
fixirte man aber nur einen derselben allein, so war die Schwingung, wie
über jedem anderen Kreise, kreisförmig.
„15. Alle genannte Schwingungen erfolgten über Kreisen, Vierecken
und Linien, die man mit Kreide, Tinte und auf andere Art auf Holz und
Papier gezeichnet hatte.
„16. So erfolgten auch alle möglichen Bewegungen des Pendels, wenn
dieses in freier Luft gehalten wurde, und man sich die nöthigen Figuren
lebhaft einbildete.
„17. Hielt man das Pendel über einem Trinkglase, von nicht zu
grosser Peripherie, so war die Schwingung kreisförmig. Senkt man es bis
zur Mitte in dasselbe hinein, so wurden die Schwingungen geradlinig, mit
einem immer stärkeren und häufigeren Anschlagen an die* vordere Wand
des Glases, als an die hintere. Liess man es ganz bis auf den Boden hinab-
steigen, doch so, dass es denselben nicht berührte, so wurde die Bewegung
wieder kreisförmig.
Galvanische Phantasieen.
253
„Beim Halten über dem Glase wird die Peripherie desselben fixirt, die
sich wie jeder andere Kreis gegen Auge und Pendel verhält. Senkt man
letzteres aber bis ungefähr zum Mittelpunkte des Glases in dasselbe hinein,
so wird das Auge veranlasst, wechselsweise auf das Pendel und die vordere
Wand des Glases, die demselben am natürlichsten auffällt, zu sehen. Hier-
von ist die Folge eine geradlinige Schwingung gegen diese Wand. Da aber
das Auge bei jeder Schwingung des Pendels, der Gewohnheit nach, ein
Zurückschwingen erwartet, so kehrt es selbst wieder in der entgegengesetzten
Richtung zurück, wenn das Pendel seine erste Schwingung vollbracht hat,
wodurch nun eine wirkliche geradlinige Pendelbewegung entsteht, bei der
indess, durch die fortwährende Fixirung der dem Auge gegenüber stehenden
Wand des Glases, häufigere und stärkere Schläge gegen diese als gegen die
entgegengesetzte Wand veranlasst werden.
„Kommt aber das Pendel dem Boden des Glases zu nahe, so verur-
sacht die Fixirung des runden Bodens wieder die Kreisbewegung.
„18. Über einem grossen Gefässe voll Wasser, Quecksilber, oder
• jeder anderen Flüssigkeit, wie über jeder grösseren Spiegelfläche, erfolgte
keine Schwingung. Wurde aber beim Halten des Pendels über Wasser
letzteres kreisförmig bewegt, so folgte die Bewegung des Pendels der Rich-
tung der bewegten Flüssigkeit, und kam wieder mit derselben zur Ruhe.
„Beim Fixiren der Fläche einer Flüssigkeit oder eines polirten Körpers
fehlt es dem Auge an einer bestimmten Figur, die es nächst dem Pendel
fixiren, und ihrem Umfange nach umlaufen kann. Diesem Mangel wird
durch die kreisförmige Bewegung abgeholfen, die zugleich, durch ihre Rich-
tung, die Richtung der Augenbewegung bestimmt.
„19. Das Pendel zwischen die Zähne genommen, verhielt sich ebenso,
als ob es mit der Hand gehalten wurde.
„Da nicht nur die Hände, sondern auch der ganze übrige Körper,
besonders aber der Kopf, mit den Augen in ähnlicher Beziehung stehen, so
macht auch dieser nach der Richtung eine leichte Bewegung, nach der sich
die Augen drehen. Auf Veranlassung der rechten Hand, deren sich das
Auge im gewöhnlichen Falle zur Berichtigung seiner Vorstellungen bedient,
scheint dasselbe, sich selbst überlassen, geneigter zu sein, einen Kreis von
der Rechten zur Linken zu umlaufen: daher erfolgt in den meisten Fällen
die Bewegung von der Rechten zur Linken, wenn man das Pendel vermittelst
der Zähne über einem Kreise hält
„Dass der Einfluss des Willens, Gewohnheiten und mancherlei zufällige
Umstände, die theils das Auge unmittelbar, theils zur Einwirkung auf andere
Sinne afficiren können, die Schwingungen oft mannigfaltig verändern, und
andere Richtungen veranlassen müssen, als unter den genannten Bedingungen
hier angegeben ist, bedarf wohl kaum der Erwähnung, jedoch wird sich ein
solcher fremdartiger Einfluss in den meisten Fällen bestimmt nachweisen lassen.
„Schliesslich bemerke ich, dass man sich bei den Versuchen über ver-
meintliche polarisirende Körper leicht täuschen konnte.
254 Achtes Kapitel.
„Man setze bei irgend einem Körper das Dasein eines der beiden Pole
voraus, und stelle sich, während man das Pendel über diesem eingebildeten
Pol hält, recht lebhaft die Bewegung vor, die derselbe bewirken soll (z. B.
der Südpol von der Linken zur Rechten), so wird höchst selten die erwartete
Bewegung ausbleiben; besonders dann nicht, wenn der fixirte Körper ohnehin
kreisförmig ist.
„Sollte ich mich aber entweder im Ganzen, oder in einzelnen Ansichten
dennoch geirrt haben, so werde ich jede gründliche Belehrung mit Danl<
annehmen."
Es ist selbstverständlich, dass diese Aufklärung ganz ohne Wirkung au
die Betheiligten blieb; vielmehr veranlasste sie den Herausgeber des Journal
für Chemie, Gehlen, welcher die litterarische Vertretung Ritter's übernommei
hatte, nur zu heftigen Angriffen auf Gilbert. Dieser stellte seinerseits da
ganze Material in der Angelegenheit zusammen, und veröffentlichte es sowoh
in den Annalen der Physik, Bd. 26 und 27, 1807, wie auch in einer eigenei
Schrift. Bei dem grossen Umfange dieser Veröffentlichung ist ein Auszug
so lehrreich er in mancher Hinsicht wäre, nicht wohl zu geben. Nur ein<
Stelle aus einem Briefe sei angeführt, den Leibniz über den im Jahre 169;
in Paris aufgetretenen Ruthengänger Jacob Aymar an Tenzel schrieb. " E
theilt mit, dass er die Nachricht aus dem Munde der Wittwe des Herzog
Johann Friedrich habe.
„Sie selbst hatte den Meister in der rhabdomantischen Kunst, J. Aymap
in ihren Palast kommen lassen, seine Kunst geprüft, und gefunden, dass si
eitel ist. Dasselbe that mit vieler Neugierde der Prinz von Conde, dessei
Gemahlin ihre Schwester ist Er hatte Aymar von Lyon kommen lassen
um ihn auszuforschen und brachte ihn, nachdem er ihn häufig ertappt hatte
endlich zum Geständnisse des Betruges. Aymar bat demüthigst, man möchfc
ihm diesen verzeihen, und entschuldigte sich damit, dass er dazu nich
so sehr durch eigene Kühnheit als durch die Leichtgläubigkei
Anderer gebracht worden wäre, welche hätten betrogen seil
wollen, und von denen ihm in den Mund gelegt worden sei, waj
er sonst sich zu rühmen nicht gewagt haben würde."
Diese ganze Geschichte ladet ausserordentlich zu Parallelen mit Vor
gangen ein, die der neueren und neuesten Zeit angehören. Doch sei den
Leser diese Nutzanwendung selbst überlassen.
/
Fig. 64. Paul Erman.
Neuntes Kapitel.
Physikalische Erscheinungen an der Volta'schen Säule.
I. Allgemeines. Wiewohl eine eingehendere Berücksichtigung der
physikalischen Elektrik ausserhalb des Planes dieses Buches liegt, so ist es
doch nothwendig, auf die Hauptthatsachen dieses Gebietes so weit einzu-
gehen, als für das Verständniss der elektrochemischen Erscheinungen erfor-
derlich ist. Ohnebin lassen sich beide Gebiete nicht vollkommen trennen,
und an sehr zahlreichen Stellen finden sich so tiefgehende und weitreichende
gegenseitige Beeinflussungen zwischen ihnen, dass die Entwickelung des einen
ohne Kenntnissnahme des anderen nicht verstandlich wäre. Die erste Ent-
wickelung der theoretischen Versuche, die Erscheinungen der Säule wissen-
schaftlich zusammenzufassen, ist wesentlich nach der physikalischen Seite
gegangen, insbesondere hat Volta, wie mehrfach erwähnt, sich gegen die
chemische gleichgültig, ja ablehnend verhalten. Auch in der Folge sehen
256 Neuntes Kapitel.
TT
^
wir fast alle Forscher in dem Kampfe zwischen der Contact- und der che-
mischen Theorie auf Volta's Seite, die ihre Thätigkeit wesentlich auf dk
physikalischen Fragen richten. Die Ursachen dieser Erscheinung sind leicht
verständlich; für die rein elektrischen Vorgänge an der Säule ist es zunächst
von geringem Belang, aus welcher Quelle die Elektricität stammt; nicht ihre j^
erste Entstehung, sondern die Zustandsänderungen, die die vorhandene !
erfährt, sind der Gegenstand der Forschung, und ihre Resultate werden durch F
etwaige Irrthümer über jene zunächst nicht beeinflusst =
Die entscheidenden Nachweise der elektrischen Natur des galvanischen 5
Agens verdanken wir Volta, der sie mittelst seines Condensators und Stroh- :"•!
halmelektrometers prüfte (S. 135). Seine Versuche wurden alsbald von der •
Pariser Akademie, dem „Institut", wiederholt und bestätigt; in deren Auf- :
trage erstattete J. Hall£ einen Bericht,1 welcher mit grosser Klarheit die *
entscheidenden Punkte der VoLTA'schen Lehre auseinandersetzt
2. Der Commissionsbericht des Pariser Instituts. „Volta hat ^
der Klasse der physischen und mathematischen Wissenschaften eine Reihe
von Versuchen vorgelegt, durch welche er die prinzipielle Identität der :
galvanischen und elektrischen Erscheinungen bewiesen hat Er hat diese 1
Versuche vor den dazu ernannten Commissären wiederholt; wir geben von :
diesen hiermit Rechenschaft.
„Erstes Prinzip. Herr Volta stellt zunächst fest, dass wenn zwei
verschiedene Metalle in Berührung gebracht werden, diese Metalle, welche
einzeln kein Zeichen von Elektricität geben, im
^>-^^^^flL Augenblicke ihrer Berührung aufeinander wirken,
so dass beiderseits ein merklicher elektrischer
Zustand erfolgt, im einen positiv, im anderen
negativ, und welcher sich nach der Trennung
*-^^^^ erhält
Tj^^ „Erster Versuch. Man nimmt zwei Schei-
<=^ ben, eine von Silber oder Kupfer, die andere
II^^^^^L* von Zink; sie müssen gleich sein, auf einer Seite
vollkommen polirt, auf der anderen mit einem
Fig. 65. Glasstabe versehen, der mit Siegellack oder
Gummilack überzogen ist Man lege beide genau
auf einander, indem man sie an den Glasstäben hält (Fig. 65). Man trennt sie
alsdann und bringt die eine der beiden Scheiben an die obere oder Collector-
platte des Condensators, man wiederhole dieses Verfahren einige Male, in-
dem man Sorge trägt, dass die andere Scheibe jedesmal in ihren früheren
Zustand zurückgebracht wird, indem man sie entweder berührt, oder sonst
auf irgend eine Weise mit der Erde in Verbindung setzt Der Condensator
wird schliesslich mit einer hinreichend starken Elektricität geladen sein, um
die beiden Fäden des Elektrometers merklich sich trennen zu lassen. Wenn
1 Bull, des sc. par la soc Philomatique, an 10, Nr. 58. — Sue, hist du galv. 2, 348. 1802.
Physikalische Erscheinungen an der Volbt'schen Säule.
_2H
Fig. 66.
Sc mit dem Condensator in Berührung gebrachte Scheibe die von Zink ist,
so wird positive oder Glaselektricität erscheinen; ist es im Gegentheil die
Scheibe von Silber oder Kupfer, welche an den
Condensator gebracht worden ist, so wird die
mrtgetheilte Elektricität negativ oder Harzelek-
trichat sein.
„B emerkung. Um die Versuche be-
quemer auszufuhren, konstruirt Herr Volta
seinen Condensator aus zwei Platten von Metall
(Kupfer) von geringem Durchmesser ( i — 2
Dedmeter), mit gläsernen Griffen und beide
auf den Seiten gefirnisst, auf welchen sie sich
berühren sollen. Auf diese Weise erhalt er
dieselbe Wirkung, wie mit halbleitenden oder
unvollkommen idioelektriscfaen Körpern, auf
welchen die Eigenschaft des Condensators
'Fg. 66) beruht. Die eine der Platten, welche
als Unterlage dient, muss mit der Erde in Ver-
bindung stehen, die andere oder Collektorplatte
ist häufig an ihrer oberen Seite, nahe am Griff, mit einem Metalldraht
versehen, der entweder einfach oder am Ende mit einem Knopf versehen ist,
damit er leichter mit Apparaten in Berührung
gebracht werden kann, die man nicht aus-
einandernehmen will.
„Das Elektrometer des Herrn Volta
Fig. 67) ist eine Flasche mit vier ebenen
Seiten. Die elektrometrischen Fäden bestehen
aus zwei recht geraden Strohhalmen , die
parallel und in Berührung neben einander an
dem Stopfen der Flasche befestigt sind. Der
obere Theil dieser Flasche ist mit Siegellack
überzogen. An zwei Flächen, parallel der
Ebene, in welcher sich die Strohhalme be-
wegen, ist ein Kreis gezeichnet, dessen Mittel-
punkt in der Höhe des Aufhängepunktes liegt.
Er ist in Grade von halben Linien oder etwa
einem Millimeter getheilt; oft wird an den
oberen Theil des Stopfens eine Platte von
gefirnisstem Kupfer befestigt, auf welche eine
andere, gleichfalls gefimisste gelegt wird, welche mit ihr einen Condensator
bildet. Die auf den Stopfen geschraubte Platte dient alsdann als Collector,
und kann unten mit einem Metalldrath versehen sein, wie ein gewöhnlicher
Condensator; die andere Platte kann mittelst eines Metallstreifens mit der
Erde verbunden sein und auf diese Weise dieselben Dienste thun, wie die
Fig. 67.
258
Neuntes Kapitel.
Fig. 68.
untere Platte bei den anderen Condensatoren. Ist die Collectorplatte geladea,
so hebt man die Platte ab und die aufgehäufte Elektricität geht alsbald in
die Strohhalme des Elektrometers über.
„Das Elektrometer ist sehr empfindlich, aber es ist notwendigerweise
als Messinstrument sehr ungenau; denn abgesehen von der Schwierigkeit,
die Entfernung scharf an der Grad-
eintheilung abzulesen, so giebt
eine doppelte Entfernung zwischen
den Strohhalmen nicht nur die
doppelte elektrische Kraft an;
erstens ist zufolge des vom Bürger
Coulomb bewiesenen Gesetzes diese
Kraft dem umgekehrten Quadrat
der Entfernung proportional; zwei-
tens muss man die Kraft hinzu-
fügen, die zur Überwindung der
Schwere erforderlich ist, gegen
deren Wirkung sich die Strohhalme erheben, und welche in dem Maasse,
wie sie sich erheben, mit dem Sinus des Winkels wächst, den sie mit der
vertikalen bilden.
„Zweiter Versuch. An Stelle der Scheiben nimmt man eine Platte
Zink, die an eine Platte oder
einen Stab von Kupfer gelöthet
ist (Fig. 68 und 6g\
„Erster Fall. Man hält das
Zink in der Hand (Fig. 68) und
berührt mit der Platte oder dem
Stab von Kupfer die Platte a des
Condensators. Man findet, dass
diese Platte durch die Berührung
mit dem Kupfer einen elektrischen
Zustand empfangen hat, der bei
der Prüfung am Elektrometer sich
negativ erweisst, entsprechend dem Versuche 1.
„Zweiter Fall. Man halte im Gegentheil das Kupfer zwischen den Fin-
gern und bringe das Zink an den Condensator; das Zink befindet sich als-
dann zwischen dem Kupfer, an welches es gelöthet ist, und der Kupferplatte,
mit der es in Berührung gebracht ist: der Condensator giebt in diesem Falle
nicht das kleinste Zeichen von Elektricität.
„Dritter Fall. Man hält den Apparat auf dieselbe Weise, bringt aber
(Fig. 69) ein befeuchtetes Papier zwischen den Condensator und die Zink-
platte; alsdann nimmt die Collectorplatte einen elektrischen Zustand an, der
sich positiv wie der des Zinks ergiebt; dreht man den Apparat um und be-
rührt das feuchte Papier mit dem Kupfer, so erregt man gleichfalls einen
Fig. 69.
Physikalische Erscheinungen an der Volta'schen Säule. 2 SO
elektrischen Zustand, der aber wegen des Zustandes des Kupfers von nega-
tiver Beschaffenheit, wie im ersten Falle (Fig. 69) ist, oder es geschieht das-
selbe wie beim ersten Versuche; der elektrische Zustand, der von der Zink-
platte dem daran gelötheten Kupferstab mitgetheilt wird, geht in die Platte
des Condensators über, die gleichfalls von Kupfer ist.
„Im zweiten Falle befindet sich das Zink, da es einerseits die Kupfer-
platte, an die es gelöthet ist, berührt, andererseits die gleichfalls kupferne
Platte des Condensators, zwischen zwei gleichen und entgegengesetzten Kräften,
welche sich aufheben.
„Im dritten Falle verhindert die Zwischenschicht von feuchtem Papier
die Berührung des Zinks mit dem Condensator und damit ihre Wechsel-
wirkung, die nur bei unmittelbarer Berührung erfolgt, und lässt die zwischen
dem kupfernen Stabe und dem daran gelötheten Zink unverändert; das
feuchte Papier lässt dann, weil es ein Leiter ist, den elektrischen Zustand
des Zinks auf die Platte des Condensators übergehen.
„Zweites Princip. Hieraus ist ersichtlich, dass diese Eigenschaft der
Metalle, sich durch ihre gegenseitige Berührung in einen elektrischen Zu-
stand zu versetzen (welche Eigenschaft Herr Volta elektromotorische Kraft
nennt), nur bei der unmittelbaren Berührung stattfindet; die feuchten Körper
unterbrechen einerseits die Berührung, da sie schlechtere Leiter sind als die
Metalle, und theilen so die elektromotorische Kraft, andererseits lassen sie
den elektrischen Zustand, welchen die Metalle durch diese Wirkung an-
genommen haben, auf die Stoffe übertreten, mit denen sie (die feuchten
Leiter; selbst in Berührung stehen. Dadurch kann eine Reihe von Metall-
paaren und feuchten Leitern abwechselnd den elektrischen Zustand erregen
und durchlassen, und die Wirkungen so viele Male anhäufen, als diese Ab-
wechselungen wiederholt werden.
„Daher der Versuch mit der Säule von Herrn Volta.
„Dritter Versuch. Man nehme zwei Scheiben oder Stücke von Metall,
die eine von Silber, die andere von Zink (Fig. 70, a und z, 1 );
man lege sie unmittelbar aufeinander, ohne sie zu isoliren.
Man lege auf dieses metallische Paar ein Stück feuchtes Papier
oder Tuch //, lege hierauf ein zweites Metallpaar, a und z 2,
in derselben Ordnung, wie das erste, man sammele die Elek- Fig. 70.
tricität des zweiten Paares am Condensator und lade ihn durch
eine genügende Anzahl von Berührungen. Macht man dann die Messung am
Elektrometer, so findet man unter übrigens gleichen Umständen die Elek-
tricität des zweiten Paares stärker, als die des ersten. Fährt man so fort,
so findet man die Elektricität in dem Maasse zunehmend, als die überein-
andergelegten Paare vermehrt werden.
„Wird schliesslich die ganze Säule aus einer bestimmten Anzahl von
Schichtungen errichtet, so ergiebt sich die elektrische Intensität grösser, oder
kleiner, je nachdem verschiedene Punkte von der Basis bis zum Gipfel unter-
17*
2ÖO Neuntes Kapitel.
sucht werden, und zwar negativ, wenn die oberen Stücke jedes Paares Silber
sind; positiv, wenn sie Zink sind.
„In diesem Falle sieht man, dass wenn die ersten beiden Scheiben in
Berührung sind, sie in den elektrischen Zustand übergehen (Versuch i). Die
zweiten, die von den ersten durch das befeuchtete Tuch getrennt sind,
werden gleichfalls elektrisch; ausserdem nehmen sie durch das feuchte Tuch
die Elektricität der oberen Platte des unteren Paares an, und so geht es in
allen Paaren weiter, aus denen die Säule zusammengesetzt ist. In dem
Maasse, als man die Elektricität aus dem oberen Theile oder aus irgend
einem anderen der Säule fortnimmt, ersetzt sie sich aus der Erde, so dass
nothwendig von einem Ende zum anderen die Elektricität in arithmetischer
Reihe wächst. Das Elektrometer von Herrn Volta scheint das gleiche zu
zeigen, doch ist es immerhin zu wünschen, dass diese Thatsache durch
genauere Instrumente besser nachgewiesen würde.
„Vierter Versuch. Wird die Säule an der Grundfläche isolirt, so
befindet sich das erste und das letzte Paar in entgegengesetzten elektrischen
Zuständen von gleicher Intensität. Die Mitte der Säule zeigt keine Elektricität,
und von dieser Mitte wächst der elektrische Zustand an, positiv nach der
einen Seite, negativ nach der anderen, bis zu den letzten Paaren, deren
Intensität die stärkste ist. Jedoch erhält, wenn die Säule nicht sehr gross
ist, der Condensator von diesen Enden nur eine schwache Elektricität.
„Bei diesem Zustande der Dinge versteht man, dass i. die zuerst hin-
gelegten Stücke des ersten Paares beide in einem entgegengesetzten elek-
trischen Zustande sind, und ihn behalten werden, da sie keine Verbindung
mit der Erde haben; dass 2. beim Aufbauen der Säule die Wirkung der
neuen Paare sein wird, die elektrischen Intensitäten zu steigern. Dies voraus-
gesetzt, wird die aufgebaute Säule zwei beständig in entgegengesetztem Sinne,
wachsende Progressionen darstellen, indem die Verminderung der einen der
Vermehrung der anderen entspricht. Daher werden sich in der Mitte der
Säule der positive und der negative Betrag aufheben, da sie gleich sind,
und werden dort den elektrischen Zustand auf Null bringen. Man versteht
daher, dass, da die Elektricität sich nicht aus der Erde ergänzen kann, der
mit den Enden in Verbindung gebrachte Condensator nur eine kleine Menge
Elektricität aufnehmen kann, welche selbst unmerklich werden kann, wenn
er von erheblicher Capacität ist.
„Indessen bringt die Verbindung des unteren Theiles der Säule mit
einer sehr grossen Leidener Flasche zum Theil die gleiche Wirkung hervor,
wie die Verbindung mit dem Boden, und macht die Elektricit am Gipfel
der isolirten Säule sehr merklich.
„Fünfter Versuch. Stellt man die Verbindung zwischen der Erde
und dem unteren Ende der Säule her, und berührt man gleichzeitig den
Gipfel mit dem Condensator, so ladet sich dieser selbst in einem Augen-
blicke sehr merklich; berührt man beide Enden mit den Händen, so hat
man eine beständige oder beständig wiederholte Empfindung; bringt man
Phyrilodische EiKchein
i der Volu'sehcn Säule.
261
:hen beiden Enden eine Reihe von Körpern an, unter denen sich solche
tden, die durch die galvanische Wirkung verändert werden (wie z. B.
ser, in welches ich zwei gegenüberliegende Metalldrähte tauche), so beweist
Dauer der Erscheinungen, welche ihre Veränderung kennzeichnen, auch
Dauer der von der hergestellten Verbindung bedingten Wirkung zwischen
beiden Enden der Säule. Diese Anordnung hat zu einer Menge von
wehen aller Art Anlass gegeben, welche zu gut bekannt sind, als das
lier auseinandergesetzt zu werden brauchten.
„Man sieht, dass im ersten Falle alles, was durch den Condensator auf-
mimen wird, in proportionaler Weise von der Erde aus ersetzt wird;
sieht auch, wie in dem anderen Falle von einem Ende zum anderen
:lekrrischer Strom zwischen den entgegengesetzten Elektricitäten entsteht.
„Sechster Versuch. Stellt man zwischen dem unteren Ende der
e und der Erde einerseits eine gute Verbindung her, und nimmt man
rerseits die Elektricität des oberen Endes durch eine grosse elektrische
;he auf, so kann man durch eine sehr schnelle Berührung diese Flasche
iden, dass man eine sehr starke Entladung erhält. Fig. 7 1 stellt eine der
bequemsten Arten dar, den Versuch zu wiederholen. Die Basis
der Säule steht mit einem breiten Metall streifen in Verbindung,
welcher in ein Glas Wasser taucht, in das der Physiker die eine
Hand steckt; mit der anderen hält derselbe Physiker die Flasche
und berührt mit dem Leiter
einen Knopf an dem letzten
Metallstück der Säule.
„Er kann ebenso, indem
er an diesen Knopf die elek-
trische Pistole mit entzünd-
licher Luft bringt, diese un-
mittelbar explodiren lassen.
„Die Ladungen, die man
so dem oberen Ende der
Säule mit dem Condensator
2Ö2 Neuntes Kapitel.
oder irgend einem anderen Apparat entziehen kann, finden in gleicher
Weise statt, wie auch die Säule endigen mag, und ob man die Berührung }i:
mit einem Metall oder mit dem feuchten Tuch herstellt. ...
„Drittes Princip. Da die Säule aus Stoffen von zwei Arten besteht, f-
die zu ihrem Aufbau erforderlich sind, den elektromotorischen und den j-
einfach leitenden, so ändern sich die von dieser Vereinigung herrührenden k
Eigenschaften je nach der Verschiedenheit der Stoffe, aus denen man ihre
verschiedenen Theile herstellt.
„So wirken einerseits die Metalle aufeinander mit verschiedener elektro-
motorischer Kraft, andererseits lassen die feuchten Zwischenkörper die Wir- p
kungen dieser Kraft mehr oder weniger vollständig und leicht hindurch.
„Weiter bethätigt sich die Intensität oder der Grad der elektromotorischen !:
Metallkraft wesentlich durch die elektrometrischen Wirkungen, und wird durch p
sie gemessen; ist auch beim Elektrometer des Herrn Volta die Messung |:
dieser Intensität nicht genau, so wird sie doch wenigstens durch den Aus-
schlag der Strohhalme angedeutet. l'
„Während ferner die elektrometrischen Wirkungen die gleichen bleiben,
so sieht man andere Erscheinungen sich ändern, entsprechend wie es scheint,
theils der Leichtigkeit des Durchlassens, theils der Ausdehnung der durch-
lassenden Flächen.
„So scheint die Verschiedenheit der Wirkungen, welche die VoLTA'sche
Säule hervorbringt, von der Verbindung zweier Elemente herzurühren; und
vergleicht man die elektrischen Wirkungen mit den anderen Kräften, mit
denen die Körper behaftet sind, so würden die Intensitäten die Geschwindig-
keiten darstellen, und die Verhältnisse bei der Leichtigkeit und der Aus-
dehnung des Durchlassens würde den Massen entsprechen.
„Die folgenden Versuche geben eine Vorstellung von der Art beider
Einflüsse.
„Siebenter Versuch. Die Erfahrung hat ergeben, dass man die
Metalle nach der Intensität des elektrischen Zustandes, welcher durch ihre
Berührung hervorgerufen wird, ordnen kann. Silber, Kupfer, Eisen, Zinn,
Blei unk Zink bilden eine Reihe, in welcher jedes Metall in Berührung mit
einem vorhergehenden den positiven Zustand annimmt, während es mit
denen, die in der Reihe nachfolgen, negativ wird.
„Die Endglieder der Reihe entwickeln die grösste Intensität bei unmittel-
barer Berührung; daher geben Silber und Zink verbunden die beträcht-
lichsten elektrometrischen Wirkungen. Man kann dieser Reihe noch mehrere
Stoffe hinzufugen, wie z. B. den Braunstein, den Graphit, die Kohle, alle
Metalle, verschiedene Legierungen u. s. w. Die Wirkung des Braunsteins in
Verbindung mit Zink ist fast die doppelte von der des Silbers.
„Eine sehr wichtige Erscheinung, deren Kenntniss wir Herrn Volta ver-
danken, ist, dass die elektrische Intensität, welche durch die Berührung
zwischen Silber und Zink hervorgerufen und am Elektrometer gemessen
wird, gleich der Summe aller Intensitäten ist, welche sich zwischen den
Physikalische Erscheinungen an der Volta'schen Säule. 263
entwickeln, die die Reihe zwischen beiden Endgliedern bilden. . . .
rdnet man daher alle Metalle zwischen den Endgliedern an, so ist die
?sammtwirkung nur die, welche durch die unmittelbare Berührung dieser
ndglieder entstehen würde,
„Diese Erscheinung verdient der Messung mittelst genauerer Instrumente
iterzogen zu werden, als das Strohhalmelektrometer ist; sie ergiebt einen
rund mehr für die Notwendigkeit der Einschaltung feuchter Körper
arischen die Metalle bei der Herstellung der Säule.
„Achter Versuch. Die feuchten Körper erfüllen nicht alle mit gleicher
ollkommenheit den Zweck als Leiter: das reine Wasser gehört zu den
nvollkommensten. Mischt man einige Salze hinzu, so nimmt die Leitung
u , und die Wirkungen der Säule sind deutlicher. Auch die Oxydation,
reiche zwischen den Paaren in Folge der feuchten Zwischenschichten ein-
ritt, scheint zur Vollständigkeit der Wirkung beizutragen; indessen ist nach
lerrn Volta in allen diesen Fällen die elektrische Intensität am Elektrometer
inverändert, es werden nur die Wirkungen auf unsere Organe lebhafter
empfunden. . . .
„Neunter Versuch. Die Unvollkommenheit der Leitung feuchter
vörper im Allgemeinen und besonders des reinen Wassers wird noch durch
rinen anderen Versuch erwiesen.
„Es wird eine Säule so aufgebaut, dass sie entweder isolirt ist, oder in
schwacher Verbindung mit der Erde steht, z. B. auf einem Tische von
gewöhnlichem Holze, und man befestigt einen Streifen feuchten Papiers
Fig. 71) zwischen den Enden der Säule, wobei das obere positiv sein soll.
\lsdann entspricht der Nullpunkt der Intensität der Säule der Mitte, und
prüft man den Zustand des Papierstreifens, so findet man ihn positiv elek-
xisch am oberen Ende, und negativ am unteren. Von diesen beiden Punkten
ib vermindert sich der elektrische Zustand, je weiter man geht, so dass die
Mitte des Streifens sich völlig frei von jedem merklichen elektrischen Zustande
indet.
„Bringt man an irgend einen Ort in dem Theil Po des Streifens einen
Stoff, welcher besser leitet, als das reine Wasser, z. B. Salzwasser, so erhebt
sich der Nullpunkt in der Säule gegen das obere Ende P und das entgegen-
gesetzte tritt ein, wenn man das gleiche mit der unteren Hälfte des Streifens
ausführt. Ebenso wandert der Nullpunkt, wenn durch Austrocknen einer
der beiden Theile des Streifens seine Leitfähigkeit sich ändert. ...
„Zehnter Versuch. Es werde einerseits ein Apparat construirt mit
VIetallplatten von grossem Durchmesser und Zwischenschichten aus nasser
?appe von gleicher Grösse, und andererseits eine Säule mit gleicher Zahl
ron Schichten aus Platten derselben Metalle von gewöhnlicher Grösse: es
verden dann die beiden Säulen am Elektrometer die gleichen Grade geben,
and werden sich daher auf gleichen Stufen der Intensität befinden, propor-
:ional der gleichen Menge Anzahl der Paare.
„Macht man aber mit beiden Säulen den Versuch der Ve«' ng
2 64 Neuntes Kapitel.
eines Eisendrahtes, so giebt, wie bekannt, die Säule mit grossen Platten viel
bedeutendere Erscheinungen des Glühens und Verbrennens, als die mit
kleinen Platten. Auch erfahren die Metalldrähte eine um so heftigere Ver-
brennung, je grösser einerseits ihre Berührungsfläche mit der Säule ist, und
mit je spitzeren Enden andererseits sie einander berührten.
„Im Allgemeinen scheinen die Genauigkeit der Berührung, ihre Aus-
dehnung und die Leitfähigkeit der Zwischenschichten die Bedingungen zu
sein, welche Qhne wesentliche Änderung der elektromotorischen Kraft, die
von der Natur der Metalle bedingt wird, bei gleicher Intensität die Bewegung
einer grösseren elektrischen Masse verursachen; und die geringe Aus-
dehnung der Punkte, wo sie entweicht, oder die Dünne der Leiter lässt eine
Energie der Wirkung erkennen, die der Concentration pro-
portional ist, welche diese Masse auf den engen Wegen
erfährt. . . ."
Der Bericht schliesst mit der Beschreibung einer trag-
baren Säule nach Volta's Modell; es wird genügen, auf
ihre Abbildung Fig. 72 hinzuweisen.
Wie man bei dem Vergleich dieser Darstellung mit der
früheren Volta's ersieht, hat sich inzwischen die Entwicke-
Fig "2. *ung der »Contaktheorie" endgültig vollzogen; insbesondere
wird ausdrücklich die Berührung zwischen Metallen und
feuchten Leitern als keine elektromotorische Kraft bewirkend angesehen,
und die experimentellen Beweise der Lehrsätze Volta's beruhen wesentlich
auf dieser Annahme, für die selbst kein weiterer Beweis beigebracht wird.
Auch in Volta's eigenen Abhandlungen findet sich von nun ab die gleiche
Einseitigkeit. Zunächst sieht man alsbald überall die chemischen Erklärungs-
versuche, die bis^dahin als natürlich und nächstliegend stets in den Vorder-
grund getreten waren, zurückweichen und verschwinden; die Idee von der
elektromotorischen Wirkung der blossen Berührung verbreitet sich rapid,
und trotz der causalen Unverständlichkeit dieser Annahme, vielleicht gerade
deshalb — credo, quia absurdum est — beherrscht sie in kurzer Frist überall
die Anschauungen.
Trotzdem diese Vorstellung für die Erkenntniss des Wesens der Volta'-
schen Säule unfruchtbar war und blieb, ist in der durch sie gewiesenen
Richtung manches Werthvolle über die rein elektrischen Erscheinungen der
Säule zu Tage gefördert worden. Unter jenen Arbeiten ragen insbesondere
die eines Physikers hervor, dessen Thätigkeit heute fast vergessen ist. Paul
Erman ist einer der wenigen deutschen Forscher gewesen, der sich zu jener
Zeit allgemeinen naturphilosophischen Rausches ein kühles und nüchternes
Urtheil bewahrt, und dieses in einer Anzahl von Arbeiten bewährt hat, welche
an wissenschaftlichem Sinn weit über die meisten zeitgenössischen hervorragen.
Paul Erman,1 aus einer elsässischen Familie Ermendinger stammend, deren
1 Vgl. Du Bois-Reymond, Gedächtnissrede auf Paul Erman. Abhandlungen der Ber-
ur Akademie, 1853. 1.
Physikalische Erscheinungen an der Volta'schen Säule. 265
Namen von seinem Urgrossvater in Erman umgewandelt worden war, ist
1764 in Berlin geboren und auch dort am 11. October 1851 gestorben,
nachdem er von 1791 bis 1809 Professor der Physik an der dortigen Kriegs-
schule, von 1809 ab in gleicher Stellung an der Universität gewesen war.
Seine wissenschaftlichen Arbeiten hat er erst in verhältnissmässig spätem
Lebensalter zu veröffentlichen begonnen; sie sind mehr kritischer als schöpfe-
rischer Natur, und ihr Werth liegt wesentlich in der Strenge und Vorurtheils-
freiheit der Beobachtung und Darstellung; das Bedürfniss, um keinen Preis
mehr zu sagen, als was völlig gesichert erschien, hat Erman sichtlich
gehindert, auch naheliegende Verallgemeinerungen aus den von ihm fest-
gestellten Thatsachen zu ziehen. Sein Kampf gegen die Naturphilosophie
seiner Zeit war bewusst und energisch, und er ist in dieser Beziehung selbst
seinem Gesinnungs- und Kampfgenossen Gilbert überlegen. Du Bois-Rey-
mond berichtet eine Äusserung von ihm: „Zwanzig verlorene Schlachten
bringen uns nicht so viel Schande, als dies Täuschungs- und Lügenwesen
in der Wissenschaft." — Dementsprechend ist ein nicht geringer Theil seiner
Thätigkeit der Widerlegung einiger von Naturphilosophen, insbesondere von
Ritter aufgestellter Behauptungen gewidmet gewesen.
Die nachstehende Untersuchung über die elektroskopischen Wirkungen
der VoLTA'schen Säule gehören zu den ersten, mit denen er auf dem wissen-
schaftlichen Schauplatz erschienen ist; sie zeigen ihn alsbald als reifen, dem
grössten Theil seiner Zeitgenossen überlegenen Forscher.
3. Die elektroskopischen Erscheinungen der VoLTA'schen Säule.
Während die Arbeiten der englischen Forscher dauernd auf die chemischen
Vorgänge in der Säule gerichtet blieben, wenden die deutschen sich mit
wachsendem Erfolg der physikalischen Seite der Frage zu, und die spätere
grosse Frucht dieser Bemühungen, das OHM'sche Gesetz, wird in sachgemässer
und würdiger Weise durch die Arbeiten eingeleitet, zu denen wir uns jetzt
wenden wollen.
Nahezu gleichzeitig erschienen in Gilberts Annalen zwei Abhandlungen,
die, den gleichen Gegenstand behandelnd, und zu naheliegenden Ergebnissen
kommend, doch nicht verschiedener gedacht werden können. Die eine ist
von Ritter geschrieben, und obwohl sie zu seinen besseren gehört und
durch die experimentelle Unermüdlichkeit, die in ihr zur Geltung kommt,
die naturphilosophischen Unbequemlichkeiten des Stils ein wenig vergessen
lasst, so sticht sie doch in auffälligster Weise von der schlichten Nüchtern-
heit ab, mit der die andere, von Erman in Berlin, den gleichen Gegenstand
erörtert. Wir wenden uns zuerst der Abhandlung von Erman1 zu, die die
ältere ist
Diese Versuche wurden mit einem Elektrometer nach Saussure ange-
stellt, dessen lange Fäden mit der benutzten Säule von 200 Schichtungen
einen Ausschlag von 4 bis 5 Linien gab. Folgendes sind die Haupt-
erscheinungen.
1 Gilberte Ann. 8, 197. 1801.
266 Neuntes Kapitel.
„Das Elektrometer wurde mit dem positiven Drahte der isolirten Batterie
von 200 Plattenpaaren in Verbindung gebracht, und beide Pole derselben
durch gleichzeitig abgehobene Ableitung in ihren natürlichen Zustand ver^
setzt. Es trat sehr bald eine Divergenz des Elektrometers ein, ohne da»
der entgegengesetzte Pol ableitend berührt wurde. Das Maximum dieser
Divergenz war i1^ bis 2 Linien, und so erhielt sich das Elektrometer, fl£
lange man es auch stehen liess. Berührte man aber während dieser
den negativen Pol, so nahm die Divergenz augenblicklich zu, so dass
4 bis 5 Linien betrug. Lässt man den negativen Pol in Verbindung mit
dem Boden, so erhält sich die Divergenz des Elektrometers durchaus unver-
rückt in dem nämlichen Grade, wenn dieses auch mehrere Stunden oder
Tage währen sollte.
„Bringt man die Ableitung an den positiven Pol, während er mit dem
Elektrometer in Verbindung ist, und ist zugleich der negative mit dem Boden
in Berührung gesetzt worden, so fallen zwar die Kugeln merklich zusammen,
aber doch nie ganz, wenn nicht der Körper, womit man das Elektrometer
berührt, ein vollkommen guter Leiter ist. Die trockene Haut z. B. entladet
es nicht, thut dieses aber, wenn man sie angefeuchtet hat. Auch stellt sich
dann die ganze vorherige Divergenz wieder her, sobald man den positiven
Draht sich selbst überlässt. Ist aber der negative isolirt, so benimmt die
geringste Berührung des positiven dem Elektrometer alle Divergenz, und
nach Freilassung des positiven stellt sie sich nur sehr langsam- wieder her.
„Dies sind die elektroskopischen Phänomene, die auf den Ladungs-
mechanismus Bezug haben, und ihn sehr aufklären. Die folgenden beziehen
sich auf die Entladung und die Bildung des Kreises. Schliesst man die
Kette von Pol zu Pol, während einer der beiden Drähte das Elektrometer
divergirend erhält, so fällt dieses augenblicklich zusammen, falls der Leiter
vollkommen ist, d. h. wenn er aus nicht unterbrochenem und an der Ober-
fläche nicht oxydirtem Metall besteht. Während die Kette geschlossen ist,
mag man den einen Pol berühren, wieviel man will, das mit dem entgegen-
gesetzten Pol in Verbindung stehende Elektrometer wird davon nicht im
mindesten afficirt. Ist der metallische Leiter, der die Verbindung macht, an
einigen auch noch so kleinen Stellen oxydirt, so hängt das Divergiren oder
Zusammenfallen des Elektrometers vom Zufalle ab, ob nämlich der den Pol
berührende Punkt oxydirt oder regulinisch ist. Auffallend sind die so zu
sagen convulsivischen Bewegungen des Elektrometers, wenn man mit einem
solchen Leiter die Verbindung gemacht hat, und nun sanft damit an dem
einen Pole hin und her streicht. In einem Nu geht das Elektrometer von
Null Divergenz durch das Maximum wieder zu Null; gerade die vibrirende
Aktion, die der Nerv unter gleichen Umständen erleidet. . . .
„Wenn aber der Kreis durch unterbrochene Metalldrähte geschlossen
ist, die sich in einer Glasröhre voll Wasser endigen, so kommt es auf fol-
genden Umstand an, ob das Elektrometer, welches bei Schliessung der Kette
mit dem einen Pol der Säule in Verbindung ist, noch divergirt, oder nicht.
f
Physikalische Erscheinungen an der Volta'schen Säule. 267
Beträgt nämlich die Entfernung der beiden Drähte nur einige Linien oder
höchstens 6 Zoll, so gab bei geschlossener Kette das Elektrometer keine
Spur von Divergenz; nur einige durch Hilfe des Condensators. Betrug aber
die Entfernung der Drähte in der Röhre etwa 16 bis 18 Zoll, so stellte sich
Äe Divergenz sehr merklich ein, und war, wenn die gasgebenden Draht-
«eiten 5 Fuss von einander abstanden, beinahe so stark, als wenn die Kette
nicht geschlossen wäre. Endlich divergirt das Elektrometer vollkommen so,
ab wenn beide Pole gar nicht durch Schliessung der Kette verbunden wären,
wenn die Entfernung der Drähte im Gasapparate viel über 5 Fuss, z. B.
10 Fuss und darüber beträgt. Diesen Versuch habe ich mehrere Mal auf
folgende Weise angestellt. Zwei Glasröhren, jede von etwas mehr als 5 Fuss
Länge, wurden am untersten Ende mit Korkstöpseln verschlossen, durch
welche Piatinadrähte gingen. Die Verbindung der oberen Enden geschah
durch einen Piatinadraht, der in die Flüssigkeit der beiden Röhren reichte,
und bei der Schliessung der Kette durch die unteren Drähte entwickelten
diese Gas. Auch änderte ich den Versuch dahin ab, dass ich die beiden
Röhren, statt durch den oberen Draht, durch eine kleine mit Wasser ange-
füllte Heberröhre verband, so dass ich nunmehr eine ununterbrochene
Wassersäule von mehr als 18 Fuss Länge erhielt, an deren äussersten Enden
die Drähte sich befanden, und bei der Schliessung der Kette Gas gaben.
Ich gestehe es offenherzig, unter solchen Umständen das Phänomen geradezu
und apodiktisch auf eine Wasserzersetzung reduciren zu müssen, scheint mir
doch ein harter Stand.
„Je geringer die Leitungsfähigkeit einer Substanz ist, mittelst welcher
die Kette geschlossen wird, um so grösser bleibt dabei die Divergenz
des Elektrometers, das mit dem einen Pole der Säule in Berührung ist. So
fehrt z. B. das Elektrometer fort, sehr stark zu divergiren, wenn in eine
Röhre zur Gasentwickelung Alkohol gefüllt wird; am ausgezeichnetsten ist
aber die Repulsivkraft, mit welcher das Ol die Expansion des elektrischen
Fluidums hemmt. In einen Gasapparat wurde Baumöl gefüllt, und man
brachte die Metalldrähte darin so nahe, dass man den Abstand der feinen
Spitzen beinahe mehr muthmaassen, als wahrnehmen konnte. Als diese
Röhre mit einer sehr thätigen Säule von 200 Plattenpaaren in Verbindung
gebracht wurde, zeigte das Elektrometer durch das Maximum seiner Diver-
genz, welches es augenblicklich annahm und beständig beibehielt, dass die
Pole nicht die mindeste wechselseitige Einwirkung auf einander hatten.
Welcher Abstand zwischen Wasser, wo die Wirkung durch eine Säule von
18 Fuss hindurch geschieht, und Öl, wo sie durch eine Lamelle von 1/10 Linie
gehemmt wird!"
Die Abhandlung von Erman schliesst mit einem Versuch, dessen Resultat
uns jetzt „selbstverständlich" erscheint, während es dem Entdecker offenbar
nicht gleich einleuchten wollte. Er schreibt:
„Ich habe an einigen Substanzen eine unerwartete Eigenschaft bemerkt,
sie leiten nämlich und leiten auch nicht, das heisst, wenn man sie ~ * Vn
268 Neuntes Kapitel.
den Polen einer Säule anbringt, so theilt sich ein solcher Körper der Länge
nach in zwei Theile, von denen der eine die Elektricität des Poles hat, den
er berührt, und der andere die des entgegengesetzten Poles, mit dem er in
Verbindung steht. Eine gut angefeuchtete hänfene Schnur z. B. sei zwischen
den Polen einer Säule ausgespannt. Der eine Pol dieser Batterie sei ausser-
dem mit dem Elektrometer verbunden. Nun bringe man durch Application
und gleichzeitiges Abheben des Leiters die beiden Pole in ihren natürlichen
Zustand. Das Elektrometer wird bald das Maximum für den Fall, dass der
entgegengesetzte Pol nicht ableitend berührt worden, erreichen. Wir wollen
annehmen, das Elektrometer sei mit dem positiven Pol in Verbindung. Nun
berühre man den Theil der Schnur, der dem negativen Pole zunächst ist;
die Divergenz wird sehr zunehmen und ihr Maximum wie für den Fall, wo
man den negativen Pol unmittelbar berührt hat, erreichen. Jetzt berührt
man den Theil der Schnur, der dem positiven Pol näher ist, so fallt das
Elektrometer zusammen, als hätte man das Elektrometer selbst berührt. Je
nachdem man die Schnur am oberen oder unteren Ende berührt, ladet oder
entladet sich das Elektrometer. Die Schnur hat also, so zu sagen, zwei Pole
und einen Indifferenzpunkt; denn es giebt in der Länge der Schnur einen
Punkt, den man berühren kann, ohne dass die Divergenz dadurch weder
vermehrt oder vermindert würde. Nimmt man die Schnur kürzer oder länger,
so findet immer das nämliche Phänomen statt, nur verändern sich die Ver-
hältnisse der polarisirenden Theile unter sich."
Es ist ungemein lehrreich, zu sehen, wie diese Erscheinungen, die gegen-
wärtig zu den segelmässigen Vorlesungsversuchen gehören, bei ihrem ersten
Auftreten selbst einen gewiegten Physiker in Verlegenheit setzten. Denn
Erman hielt offenbar anfangs das, was er sah, für eine Eigentümlichkeit
bestimmter Körper; er giebt an, dass er die Beobachtung zuerst an einem
Stück Höllenstein gemacht habe. Indessen wusste er sich bald zu recht zu
finden und nach kurzer Zeit Hess er eine zweite Arbeit1 folgen, in welcher
er die Angelegenheit völlig in Ordnung gebracht hat.
„In dem Gasapparate wird die galvanische Kette durch vollkommene
Leiter, welche ein unvollkommener Leiter trennt, geschlossen. Bis jetzt hat man
hauptsächlich die chemischen Erscheinungen, welche dieser Fall darbietet,
beachtet; doch verdienen die physischen Phänomene, welche dabei statt-
finden, gewiss dieselbe Aufmerksamkeit. Eine Untersuchung derselben ver-
spricht uns manchen Aufschluss über die Ladungserscheinungen der Säule
selbst, die im wesentlichen viel analoges mit dem Gasapparate hat, und über-
dies hängt die Ausmittelung der physischen Beschaffenheit der galvanischen
Flüssigkeit, nachdem sie bei ihrem Übergange von Draht zu Draht neue
Mischungen und Entmischungen bewirkt hat, vielleicht näher mit der Auf-
lösung des chemischen Problems zusammen, als wir zur Zeit vermuthen. —
Folgende Sätze, welche Resultate aus sehr vielen Thatsachen sind, werden
hoffentlich dazu beitragen, diesen wichtigen Gegenstand aufzuhellen.
1 Gilbert's Ann. 10, i. 1802.
i-
Physikalische Erscheinungen an der Volta'schen Säule. 269
„Das Wasser ist ein sehr schlechter Leiter der Elektricität im
alvanischen Gasapparate; je reiner, desto geringer ist das gal-
aftische Leitungsvermögen, und mit diesem Leitungsvermögen
teht die Intensität der chemischen Wirkung in geradem Ver-
lältnisse. ...
„Eine Glasröhre, zum Gasapparate bestimmt, an welche vor der Lampe
inige Röhrchen als Tubulaturen angebracht waren (Fig. 73), wurde mit dem
C ED
Jl I I I L
Fig. 73. Nach Erman.
reinsten destillirten Wasser angefüllt, und zwei Platindrähte wurden so hinein
gesteckt, dass die Spitzen derselben 6 Zoll von einander entfernt blieben.
Diese Drähte verband ich mit den Polen einer sehr wirksamen Batterie von
200 Plattenpaaren, und brachte zugleich an jeden Draht des Gasapparates
ein äusserst feines und empfindliches Goldblattelektrometer an. Die Gas-
erzeugung war wenig lebhaft, und die Elektrometer behielten beinahe ihre
völlige Divergenz; ein Beweis, dass die Verbindung von Pol zu Pol durch
diese Wassersäule sehr unvollkommen war. Nun tröpfelte ich durch die
Tubulaturen eine sehr geringe Menge einer sehr schwachen Auflösung von
salzsaurem Natrum ein (ungefähr 6 bis 8 Tropfen auf eine Unze Wasser,
welche die Röhre ungefähr fassen konnte). In dem nämlichen Augenblicke
hört^ die Divergenz in beiden beinahe so gänzlich auf, als hätte ich von Pol
zu Pol eine Metallleitung angebracht, und zugleich fingen die Platindrähte
mit mehr als der sechsfachen Heftigkeit an, Gas zu entwickeln. . . . Diese
Thatsache ist sehr wichtig, da sie offenbar die elektrische Wirkung mit der
chemischen Wirkung in die innigste Causalverbindung setzt. . . .
„Die Wassersäule, welche sich im Gasapparate zwischen den
beiden Batteriedrähten befindet, erhält während des galvanischen
Processes wirklich Elektricität. Ein silbernes Rohr, an dessen beiden
Enden Glasröhren gekittet waren, in welche sich die Drähte der Batterie
befestigen Hessen, wurde, mit Brunnenwasser gefüllt, zum Gasapparate vor-
gerichtet. Nachdem ich die äusseren Flächen am Feuer so genau getrocknet
hatte, dass selbst mit dem Condensator nicht die mindeste Spur einer Leitung
daran zu merken war, machte ich die Verbindung der Drähte mit der
Batterie. Das silberne Mittelstück zeigte nun am Condensator äusserst starke
Elektricität, die nur durch die innere Wassersäule von einem Drahte zum
anderen hatte hingelangen können. . . .
„Eis folgt aus diesen Thatsachen . . ., dass bei der Gas- und Oxyd-
erzeugung nicht die Elektricität, oder wenigstens nicht alle Elektricität so
verwendet wird, dass sie aufhören sollte, ihre physischen Wirkungen zu
äussern. — Die Wichtigkeit dieser Untersuchung ist einleuchtend. Denn
270 Neuntes Kapitel.
hätte sich gefunden, dass alle elektrischen Erscheinungen bei der Wasser-
zersetzung aufhörten, so wäre die chemische Zersetzung der elektrischen
Materie, und ihre Concurrenz zur Gaserzeugung durch ihre eigene Ent-
mischung und Abtretung ihrer Bestandteile erwiesen gewesen. . . .
„Metallische Leiter, welchen die galvanische Einwirkung in
der Kette durch Wasserschichten zugeführt wird, zeigen immer
Polarität in Rücksicht auf die chemischen Wirkungen. — Dieses
Phänomen hat die auffallendste Ähnlichkeit mit dem Spiele der Atmosphären
bei Elektrisirungen durch Vertheilung. Ein Leiter AB unter diesen Umständen
der oxydgebenden Spitze C der Batterie genähert, theilt sich in drei Theile
oder Zonen, wovon die der oxydgebenden Spitze zunächst liegende Gas
giebt, die entgegengesetzte Oxyd erzeugt, die mittelste aber indifferent bleibt,
und weder Gas noch Oxyd liefert.
„Ehe ich noch meinen tubulirten Gasapparat erhalten hatte, setzte ich
einen Apparat aus zwei Glasröhren so zusammen, dass an der Stelle, wo
I
«*ä* i U * f™~
cras oata v
Fig. 74. Nach Erman.
die eine Röhre in die Mündung der anderen gekittet war, ein Metalldraht C
(Fig. 74) in den Apparat zwischen die beiden Drähte der Batterie hinein-
reichte, während das andere Ende dieses Mitteldrahtes ausserhalb der Röhre
blieb, um am Elektrometer geprüft zu werden. Unter solchen Umständen
konnte die galvanische Wirkung vom positiven Batteriedrahte A nicht zum
negativen Batteriedrahte B gelangen, ohne auf ihrem Wege dem Mittel«
drahte C zu begegnen, und ich glaubte mich so im Besitze eines einfachen
Mittels, die elektrische Beschaffenheit des galvanischen Fluidi während seines
Überganges zu prüfen. Es zeigte sich aber bald die im vorigen Satze
erwähnte Wirkung, welche die Prüfung sehr erschwerte. Der Mitteldraht
theilte sich der Länge nach in drei ziemlich gleiche Theile. Derjenige,
welcher der oxydgebenden Spitze gegenüber stand, gab Gas, der Theil,
welcher dem gasgebenden Drahte am nächsten war, gab Oxyd, und der
mittlere Theil zwischen den äussersten Enden blieb unverändert Dieses
Polarisiren eines Mitteldrahtes, welcher sich in einer continuirlichen Wasser-
säule zwischen den beiden Polardrähten der Batterie frei befindet, findet
immer statt. Oft habe ich in einer einzigen Röhre 6 Mitteldrähte zwischen
den Batteriedrähten angebracht, und stets hatte jeder dieser Mitteldrähte
seinen Oxydpol, der dem Gaspole der Batterie gegenüber stand, und seinen
Gaspol, der dem Oxydpole der Batterie entgegengesetzt war, und eine In-
differenzregion zwischen seinen Polen. . . . Das elektrische Fluidum kann
folglich im galvanischen Processe unter keinen Umständen einen im Wasser
sich befindenden metallenen Leiter durchströmen, oder vertheilend afficiren,
ohne auch die chemischen Zersetzungen hervorzubringen.
PhysflcaHsche Erscheinungen an der Volta'schen Säule. 271
„Ich sah bald ein, dass dieses Phänomen des galvanisch polarisirten
Mitteldrahtes auch stattfinden müsste, wenn dieser Mitteldrahf gleich nicht
- r mit den beiden Batteriedrähten in eine Röhre eingeschlossen wäre. Ich
\ leitete die beiden Drähte der Batterie in eine flache Schale, in welche ich
einige Linien hoch Wasser gegossen hatte; als ich zwischen ihre Enden
einen vollkommen polirten Draht legte, so theilte er sich augenblicklich in
die erwähnten drei Zonen. Lag der Draht in der verlängerten Richtung der
beiden Batteriedrähte (im galvanischen Meridiane), so waren sich die Gas-,
die Indifferenz-, und die Oxydzone an Länge gleich. Je mehr man aber
-r den Mitteldraht gegen die Richtung der Batteriedrähte neigte, desto weiter
■3 erstreckten sich die Gas- und Oxydzonen, und die Indifferenzzone wurde
^. immer geringer. . . . Als ich endlich den Mitteldraht so um seinen Mittel-
punkt drehte, dass er mit der verlängerten Richtung der Batteriedrähte einen
•^ rechten Winkel machte (im galvanischen Äquator lag), theilte sich der ganze
Mitteldraht der Breite nach in die erwähnten drei Zonen.
„Die Wassersäule im Gasapparate hat nicht ihrer ganzen Länge
nach eine gleichnamige Polarität, sondern zeigt dieselbe Polarität,
wie eine an die Pole der Batterie angebrachte hänfene Schnur
S. 266) und andere Halbleiter der Elektricität, welche Volta unter
der Benennung von Leitern zweiter Art begreift.
„Ein Gasapparat (Fig. 73), der drei Tubulirungen, eine £ gerade in der
Mitte der Röhre, die beide^n anderen C und D in gleichen Entfernungen von
den Enden der Röhre, hatte, wurde an seinen äussersten Enden mit Drähten
versehen, und diese, nachdem man ihn mit Brunnenwasser gefüllt hatte, mit
den Polen der Säule und zugleich mit sehr zarten BENNET'schen Elektro-
metern in Verbindung gebracht Beide Elektrometer nahmen bald eine merk-
liche Divergenz an, die zwar geringe aber constant war, weil beide Pole
isolirt waren. Berührte man nun mit einem wohl isolirten Drahte das Wasser
im Tubulus C, der dem positiven Pole zunächst war, so vermehrte sich
augenblicklich die Divergenz des Elektrometers an B, beinahe ebenso stark,
als hätte man den Pol A selbst berührt. Eine Berührung des Wassers im
Tubulus Dy der dem negativen Pol B angrenzte, benahm dem Elektrometer
in B alle Divergenz und brachte sie ganz an das andere Elektrometer in A.
Berührte man aber das Wasser im mittelsten Tubulus £, der von den beiden
Batteriedrähten gleich weit abstand, so war in keinem von beiden Elektro-
metern eine Spur von vermehrter oder verminderter Divergenz zu bemerken;
beide verhielten sich so, wie ihnen im natürlichen Zustande des Gleichge-
wichtes zukam, gerade als hätte gar keine ableitende Berührung stattge-
funden. ...
„Die Mitteldrähte im Gasapparate zeigen ihrer ganzen Länge
nach nur die Elektricität desjenigen Theiles der Wassersäule,
worin sie sich befinden, ungeachtet sie in zwei entgegengesetzten
Zuständen sind. So giebt z.B. das Knie eines Drahtes Oxyd, die Spitze
Gas, indess der ganze Draht nur negative Elektricität zeigt, w«m1 *r sich in
1
4* J +*
Neuntes Kapitel.
der Region des negativen Drahtes befindet. — Dieses allgemeiner ausgedrückt fc—
giebt folgenden sehr paradoxen Satz: Es existirt kein beständiges Ver-p
hältniss weder zwischen wahrgenommener negativer Elektricitäil-
und Gaserzeugung, noch zwischen wahrgenommener positiver j^_
Elektricität und Oxydation. Die Beobachtungen an den Polardrähtalr=
der Säule haben veranlasst, dass man diese Coexistenz der wahrnehmbare« 1. —
+ E mit Oxydation, und der - E mit Gaserzeugung als Gesetz aufgestellt J-; ._
und sogar im wissenschaftlichen Sprachgebrauch die Benennungen: positiver v
und Oxydpol, und negativer und Gaspol als völlig synonym betrachtet hat -..—
Folgende Versuche zeigen aber ganz bestimmt, dass eine Metallspitze sehr -
viel Oxyd geben und doch zugleich sehr starke —E haben kann, und um- -
gekehrt viel Wasserstoff geben und doch + E haben kann. —
„In einen tubulirten Apparat mit drei Röhrchen Fig. 75 wurden wo
Mitteldrähte von Platin C und/; so hineingeschoben, dass ihre Spitzen gegen- -_-
einander gerichtet waren, indem sie sich von den nächsten Polardrähten der .
Batterie ab, gegen den Indifferenzpunkt E in der Mitte der Wassersäule
wendeten. Jeder dieser Drahte theilte sich dem oben angeführten Gesetze _
nach in drei Zonen, deren mittlere indifferent war, während die beiden
c
+<r
-•— r
yas
CKCf
•Vi?
Fitf- 75- Nach Erman.
äusseren, da die Drähte von Platin waren, Gas gaben. Ich prüfte das aus
dem Apparat herausragende Ende jedes Mitteldrahtes am Elektrometer und
fand, dass C, als dem positiven Polardrahte der Batterie näher, auch posi-
tive Divergenz gab, und /), als dem negativen Polardrahte zu liegend, das
Elektrometer negativ afficirte. Hier ist also ein ganz bestimmter Fall, wo
die Erzeugung des Wasserstoffes an dem Theile eines Drahtes geschah, der
positive Elektricität gab, und wo umgekehrt der oxydgebende Theil eines
Drahtes negative Elektricität zeigte. Man betrachte nur Fig. 75. Der positive
Pol A der Batterie giebt Sauerstoffgas, und daher das am Drahte C dem
Pole gegenüber stehende Knie Wasserstoffgas, und doch afficirte es das
Elektrometer ebenso positiv, wie A selbst. Dieselbe Anomalie zeigt der
Mitteldraht /). Der Polardraht, dem er zunächst liegt, ist negativ und giebt
Wasserstoffgas, daher das Knie Sauerstoffgas; und dessen ungeachtet wirkt
dieses ganz bestimmt als negativ auf das Elektrometer. . . .
Nachdem Erman noch einige mögliche Einwände gegen die Beweiskraft
der angeführten Versuche beseitigt hat, fährt er fort:
„Zeigt nun aber dieser paradoxe Fall nicht die Verschiedenheit der
elektrischen und chemischen Wirkung der Causalität nach: Muss nicht das
was Oxydation und was Gaserzeugung hervorbringt, mit dem, was + Eund
Physikalische Erscheinungen an der Volta'schen Säule. 273
*-E bewirkt, durchaus heterogen sein? und scheitert nicht gegen diese That-
pche das ganze Lehrgebäude des Newton der Elektricität? (denn Franklin
jfear nur Volta's Kepler).
j: „Ich glaube, dass dieser Schluss, so natürlich und logisch er mir an-
pngs selbst erschien, doch sehr übereilt und unrichtig wäre. Wenn in einem
Körper oder einem System von Körpern eine Ursache wirkt, um das Gleich-
\ gewicht der Elektricität zu stören, so wird dieser Körper oder dieses System
1 iod Körpern in seinen äussersten Punkten + E und — E zeigen. . . . Giebt
man ihnen einen beliebigen überschüssigen Grad von + oder — -£", der
den gegenwärtigen elektrischen Zustand der Luft übersteigt, so wird der
ganze Körper oder das ganze System von Körpern dem Elektrometer +
oder — E geben; darum hat aber die Kraft, welche sich bestrebt, das Gleich-
gewicht zu heben, nicht aufgehört, wirksam zu sein, und es wird an den
äusseren Enden in der mitgetheilten + oder — E noch immer eine ungleiche
Vertheilung, ungleiche Ziehung der +E und Abstossung der — E statt-
finden. Ein solches System von Körpern ist die VoLTA'sche Säule selbst.
Die wechselseitige Wirkung des Silbers und Zinks macht das Silber negativ,
and das Zink positiv, und die Säule, wenn sie übrigens im elektrischen
Gleichgewicht mit der Luft und dem Elektrometer ist, giebt diesem +E
am Zinkpole und — E am Silberpole. Ertheilt man aber der isolirten Batterie
mehr + E, als die Luft und das Elektrometer haben, so wird der Silberpol selbst
das Elektrometer stark mit +E afficiren; darum hört aber der Ladungs-
mechanismus nicht auf. Silber und Zink haben beide mehr +E als die
Luft ; sie vertheilen es unter sich aber wieder ungleich, so dass ein Elektro-
meter, welcher eben die Ladung hätte, wie die Batterie, am Silberpole mehr
zusammenfallen, und am Zinkpole mehr divergiren würde." . . .
Erman schliesst seine klare und überzeugende Auseinandersetzung mit
der Analyse einiger verwickelterer Versuche; wir brauchen ihm dabei nicht
zu folgen. Die Arbeit Erman*s verdient einen sehr hohen Platz unter denen
der Zeitgenossen. Ist sie auch weit weniger glänzend, als manche andere,
so ist ihr Werth darum nicht geringer; ja es verdient die Aufopferung be-
sondere Anerkennung, mit welcher ihr Verfasser es sich versagte, nach dem
näher liegenden Lorbeer auffeilender neuer Experimente zu greifen, um sich
mit dem zunächst geringeren, aber dauerhafteren Ruhm der wissenschaft-
lichen Vertiefung alltäglicher Erscheinungen zu begnügen. Wir müssen diese
Forschungen als die unmittelbaren Grundlagen ansehen, auf denen später
das Grundgesetz des elektrischen Stromes, das Gesetz von Ohm, erbaut worden
ist In der bisherigen Geschichtsschreibung der Elektricitätslehre sind diese
Arbeiten kaum nach Verdienst gewürdigt worden; um so nöthiger erscheint
es mir, gegebenen Ortes auf ihre Bedeutung hinzuweisen.
Fast gleichzeitig mit der Arbeit von Erman erschien eine über den
gleichen Gegenstand von Ritter.1 Der Unterschied zwischen den beiden
1 Gilbert" s Ann. 8, 385. 1801.
Oitvald, Elektrochemie. 18
274 Neuntes Kapitel.
Untersuchungen kann nicht grösser gedacht werden ; dort die schlichte Schil-
derung des nüchternen Physikers, der in möglichster Kürze und Deutlich-
keit darstellt, was er mitzutheilen hat, hier eine phantastische, beständig ab- fc
schweifende Erzählung unendlicher Versuche, die immer nur dasselbe sagen, j.
und deren Ueberflüssigkeit der Verfasser selbst am Schlüsse der Arbeit ein- z:
gesteht Ritter hatte sich die Aufgabe gestellt, alle möglichen Combinationen
zwischen positiven und negativen elektrischen Ladungen einerseits, und gal-
vanischen andererseits zu erschöpfen, was ihre Wirkung auf das Elektrometer -
anlangt, um sich zu überzeugen, dass thatsächlich die Erscheinungen an der ..
Säule elektrischer Natur sind. Nachdem er auf mehr als 50 Seiten diese .
Versuche geschildert hat, fährt er fort: „Ist es wahr, dass so mancher der .
erzählten Versuche und so manche Bemerkung, die der eine ödere andere L
von ihnen nöthig machte, uns oft schon während ihrer Erzählung als über- ,
flüssig vorkam? Gewiss! Ich habe das schon während ihrer Anstellung ge- „
fühlt, ja, ich habe diese mit dem Bewusstsein ihrer Ueberflüssigkeit unter-
nommen. Dessen ungeachtet, was konnte mich bewegen, . . . die Zeit, den
Aufwand nicht zu achten, den sie alle kosteten? Nichts, als von meiner Seite
ein für allemal ein lebendiges Beispiel dafür zu geben, wie man mit Vielem,
mit sehr Vielem am Ende nichts mehr erreicht, als mit sehr wenigem, aus
dem rechten Gesichtspunkte betrachtet. Ein einziger Versuch wäre hinrei-
chend gewesen, die Polarität der galvanischen Batterie mit allen ihren Phäno-
menen für immer festzusetzen; ein zweiter Versuch hätte hingereicht, die
Identität dieser Polarität mit der elektrischen für immer darzuthun. Alle
übrigen sind Pleonasmen."
Wird man dieser Selbsterkenntniss gegenüber neugierig, welchen Grund
denn schliesslich Ritter für diese Überflüssigkeiten gehabt hat, so erfährt
man, dass er sich als Opfer für alle Zukunft dargebracht hat, „Aber
was müssen Sie mir auch nun zum Lohn für meine Mühe, was muss
mir Jeder, der diese Blätter liest, dafür versprechen? Nichts anderes, als
künftig, so oft ein ähnlicher Fall wieder kommt, und das könnte er in der
That, mit diesen beiden einzigen Versuchen zufrieden zu sein."
4. Die Anfänge der elektrischen Telegraphie. Nach den vor-
stehend geschilderten Arbeiten lassen sich weitere auf dem Gebiete der physi-
kalischen Erscheinungen an der Säule längere Zeit nicht nachweisen, wie
denn überhaupt in dem zweiten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts sich eine
Abwendung von den galvanischen Erscheinungen erkennen lässt, die fast
ebenso plötzlich erfolgt, wie die Zuwendung im Jahre 1800 erfolgt war. Nur
eine Gruppe von Thatsachen wird noch behandelt; es sind die Leitungs-
erscheinungen über weite Strecken, welche in ihrer späteren Entwicklung
zur elektrischen Telegraphie geführt haben.
Von der Reibungselektricität hatten bereits Winkler (1746) und später
Le Monnier gezeigt, dass sich bedeutende Strecken Wasser oder feuchtes
Erdreich in den Stromkreis aufnehmen lassen, ohne die Entladung einer
KLEiST*schen Flasche merklich zu behindern. Für die Wirkung der galva-
Physikalische Erscheinungen an der Volta'schen Säule. 275
tuschen Säule wurde 1803 das gleiche von F. H. Basse in Hameln nachge-
wiesen, ] dessen in ziemlich erheblichem Umfange und sehr verständig ange-
stellte Versuche die Grundlage unserer Kenntnisse in dieser Sache geliefert
haben. Ich gebe nachstehend einen ziemlich vollständigen Auszug der
wichtigsten Theile seiner Abhandlung.
I. Leitung durch Metalldrähte.
„Versuch 1. Ich spannte im Freien zwei Eisendrähte, deren jeder iooFuss
lang war, in gerader Linie so nebeneinander aus, dass jeder für sich völlig
isolirt war. Darauf verband ich den einen Draht mit dem Plus- und den
anderen mit dem Minuspole der Säule. Schloss ich nun die beiden anderen
Endspitzen der Drähte durch eine gutausgeglühte Holzkohle oder durch
ein geschlagenes Goldblättchen, so zeigten sich im Augenblicke der Berüh-
rung lebhafte Funken. Geschah die Schliessung der Drähte durch Wasser,2
so entband sich an dem Minusdrahte häufiges Gas in kleinen Bläschen, und
die Endspitze des Pluspols wurde stark oxydirt. Nahm ich nun den einen
Draht in den Mund und berührte mit meinen Fingern den anderen, so em-
pfand ich Erschütterungen in der Zunge und in den Fingerspitzen, bekam
einen sauren metallischen Geschmack und sah helle Blitze vor beiden Augen.
Es ereigneten sich also in einer Entfernung von 100 Fuss an den mit der
VoLTA'schen Säule verbundenen Metall-Leitungen alle Erscheinungen, die man
an der Säule in ihrer Nähe wahrnimmt
„Versuch 2. Ich vermehrte die Länge eines jeden Drahtes bis aut
2000 Fuss, spannte beide Drähte isolirt neben einander aus und wiederholte
die vorigen Versuche; die Erscheinungen blieben sich alle gleich.
„Versuch 3. Ich verdoppelte noch einmal die Länge beider Drähte, so
dass jeder 4000 Fuss lang war. Es ergaben sich aufs neue die nämlichen
Erscheinungen und in eben der Stärke wie zuvor. Fast schien es mir, als
wenn die Stärke der galvanischen Elektricität eher zu- als abgenommen habe.
„Da diese Versuche so sehr günstig ausfielen, dass ich vollkommen
überzeugt bin, dass, bei übrigens gleichen Umständen, eine VoLTA'sche Säule
auch in einer Entfernung von mehreren Meilen die nämlichen Phänomene
zeigen werde, so stellte ich diese Reihe von Versuchen für jetzt ein und
nahm dagegen eine andere weit wichtigere auf. Ich wünschte nämlich zu
erfahren, in wie weit sich das galvanische Fluidum durch Seen, Flüsse
und den Erdboden fortleiten lasse, und in dieser Absicht veranstaltete ich
die folgenden Versuche, wobei ich alle meine Erwartungen bei weitem über-
troffen fand.
1 Gilberte Ann. 14, 26. 1803.
* „Zu dieser Vorrichtung wählte ich einen Glascylinder von einem Fuss Länge und etwa
eisern Zoll im Durchmesser. Er war mit Salzwasser gefüllt und an beiden Enden mit Kork
verstopft. Durch jeden Kork ging ein Silberdraht, dessen Endspitzen im Inneren des Glases
2 Zoll von einander waren. Diese Vorrichtung will ich bei den folgenden Versuchen der Kürze
vegen den Gasentbindungsapparat nennen."
18*
I
276 Neuntes Kapitel.
f
2. Leitung durch Seen, Flüsse und den Erdboden.
„Versuch 4. Es war in der Mitte des Januar dieses Jahres, als hier alle
stehenden Wasser und Flüsse mit starkem Eise belegt waren. Zu den ersten •
Versuchen wählte ich den hiesigen Stadtgraben, worin das Wasser fast still- :
stehend ist, zu den übrigen den Weserstrom. Ich begab mich mit der :
VourA'schen Säule und allem Apparate, den ich brauchte, auf den Stadt« ;
graben, öffnete das Wasser an zwei verschiedenen Stellen, die 500 Fuss von :
einander entfernt waren, stellte meine VoLTA'sche Säule neben die eine -
Oeffnung im Eise und Hess den Draht vom Minuspole desselben einen Fuss
tiefer unter das Eis hinabgehn. Darauf befestigte ich an dem Pluspole einen
Eisendraht, der 500 Fuss lang war und bis an die zweite Oeffnung im Eise :
reichte. Um ihn isolirt zu erhalten und zu verhindern, dass er sich bei
seiner Länge nicht auf das Eis hinabsenkte, hatte ich hin und wieder ein
Loch in das Eis gebohrt und tännene Stangen hineingesteckt, an welchen
ich den Draht in 6 Fuss Höhe festband. Ich stellte mich nun auf ein Isola-
torium mit Glasflüssen, nahm die Endspitze des Pluspoldrahtes in den Mund
und berührte mit der Hand das Wasser des Stadtgrabens, worauf ich augen-
blicklich Erschütterungen in der Zunge und in den Fingerspitzen, einen
sauren metallischen Geschmack und Blitze vor beiden Augen verspürte. Ich
befestigte hierauf den Pluspoldraht an einem kleinen Glasstäbchen so, da&
die Endspitze des Drahtes einen Zoll lang frei war, setzte dann eine leere
trockene zinnerne Schale unmittelbar auf das Wasser in der zweiten Oeffnung
des Eises, legte einige ausgebrannte Kohlen darein und berührte diese, in-
dem ich den Glasstab in die Hand nahm, mit der Endspitze des Pluspol-
drahtes. Es zeigten sich bei jedesmaliger Berührung kleine, aber sehr sicht-
bare Funken. Das nämliche geschah auch, wenn ich an die Spitze des
Pluspoldrahtes ein Goldblättchen klebte und mit diesem die zinnerne Schale
an einer trockenen Stelle berührte. Brachte ich die Silberdrähte des Gas-
entbindungsapparates mit dem Wasser des Stadtgrabens und dem Plusdrahte
der VoLTA'schen Säule in Verbindung, so entwickelte sich am Silberdrahte,
nach der Seite des Wassers oder des Minuspols der Säule zu, Gas in häu-
figen, kleinen Bläschen; sie erfolgten aber erst, nachdem die beiden Silber-
drähte schon eine volle Minute mit beiden Polen der Säule in Verbindung
gewesen waren. Am Plus-Silberdrahte bemerkte ich keine Gasentbindung,
wohl aber oxydirte sich die Spitze desselben.
„Versuch 5. Von hier begab ich mich mit meinen Instrumenten auf
die Weser, um dort diese Versuche von Neuem und vergrössert anzustellen.
Einige Schritte vom Ufer öffnete ich das Eis, stellte meine Säule neben die
Öffnung und verband den Draht des Minuspols mit der Weser. An dem
entgegengesetzten Ufer der Weser, in einer Entfernung von 500 Fuss vom
Standort der Säule öffnete ich das Eis abermals, zog einen isolirten Eisen-
draht von dem Pluspole der Säule quer über die Weser bis an diese Öffnung
und wiederholte nun diese Versuche, die ich auf dem Stadtgraben angestellt
Physikalische Erscheinungen an der Volta'schen Säule. 277
hatte. Die Erscheinungen waren denen, die ich dort beobachtet hatte, voll-
kommen gleich.
„Versuch 6. Ich trug nun meine Säule auf die Mitte der Weser, öffnete
sie, und liess den Minusdraht der Säule einen Zoll tief ins Wasser reichen.
Dann befestigte ich an dem Pluspole einen Eisendraht, der 4000 Fuss lang
war. Am Ende des Drahtes, mithin in einer Entfernung von 4000 Fuss
vom Standorte der Säule, machte ich eine Öffnung ins Eis. Die vorhin
beschriebenen Versuche wurden hier von mir sämmtlich und oft wiederholt
Meine Begleiter sowohl als ich erkannten, dass wir auch in dieser Entfernung
alle jene Phänomene wieder sahen und empfanden. Man erwäge nur, dass
ich gegen den Strom zu operirte und man wird gleichfalls mit mir erstaunen.
Ich machte die Versuche in allen möglichen Richtungen, fand aber keine
Änderung in den Resultaten. . . .
„Versuch 7. Mitten in der Weser, nahe an der Stadt liegt eine kleine
Insel, der Werder genannt, worauf sich die Schleusse zur Durchfahrt der
Schiffe befindet. Die Weser wird durch sie in zwei Arme getheilt, die sich
unterhalb der Insel wieder vereinigen. Sie ist etwa 1500 Fuss lang und
460 Fuss breit. Auf diese Insel liess ich meine galvanischen Instrumente
bringen, begab mich mit einigen Freunden dahin und errichtete auf der
Mitte derselben, hart an dem einert Ufer, meine VoiTA'sche Säule, deren
Minusdraht wieder in die Weser hinabgeleitet wurde. Der Plusdraht, der
lang genug war, um über die Breite der Insel bis zum anderen Arme der
Weser zu reichen, wurde dann bis dahin ausgespannt und durch einige
hölzerne Stangen von der Erde isolirt Hier wiederholte ich nun die mehr
beschriebenen Versuche und fand die Resultate mit den vorhergehenden
übereinstimmend. Das galvanisch-elektrische Fluidum machte also hier einen
Weg von mehr als 1 500 Fuss, theils mit dem Strome, theils gegen denselben,
weil es sich erst um die Spitze der Insel bewegen musste, ehe es an die
Stelle kam, an der ich stand.
„Versuch 8. Folgende Versuche wurden an zwei Brunnen angestellt,
deren einen ich A, den anderen B nennen will. Sie sind 200 Fuss von
einander entfernt und beide 21 Fuss tief. Hart neben dem Brunnen A stellte
ich meine VourA'sche Säule, befestigte an ihrem Minuspole einen 22 Fuss
langen Eisendraht, dessen anderes Ende mit einer 6 Loth schweren bleiernen
Kugel versehen war, und senkte dasselbe durch Hülfe dieser einen Kugel
in den Brunnen hinab. Jetzt begab ich mich zum Brunnen B, senkte auch
hier durch Hülfe einer Kugel einen Eisendraht in das Wasser desselben,
isolirte ausserhalb des Brunnens diesen Draht und leitete ihn bis zum
Brunnen A, wo die VoLTA'sche Säule stand. Nun musste also durch den
in das Wasser des Brunnens A gesenkten 22 Fuss langen Eisendraht, durch
das Wasser dieses Brunnens selbst und durch die Erde, der Eisendraht, den
ich aus dem Brunnen B nach A zurückgeleitet hatte, mit der negativen Seite
der Säule in leitender Verbindung stehen, welches ich ausdrücklich erwähne,
damit man mich nicht unrecht verstehen möge. Ich liess mir nun zwei
278 Neuntes Kapitel.
zinnerne Schalen mit warmen Wasser, worin einiges Kochsalz aufgelöst war,
geben, stellte beide auf ein Isolatorium mit Glasfiissen und dieses neben die
VoLTA'sche Säule, und verband dann die eine Schale mit dem Pluspole der
Säule, die andere mit dem Drahte des Brunnens B. Darauf benässte ich
beide Hände und legte in jede Schale eine Hand. So oft ich eine beider
Hände aus dem Wasser zog und sie wieder in dasselbe tauchte, empfand
ich Commotionen; gerade so gelang der Versuch den übrigen anwesenden
Personen. Ich befestigte nun an dem Plusdrahte eine Holzkohle, legte sie
auf das Isolatorium und berührte sie mit der Endspitze des Brunnens B.
Bei jedesmaliger Berührung entstanden kleine, aber sehr helle Funken.
Schloss ich beide Drähte durch den Gasentbindungsapparat, so entband ich
an der Minusseite nach von einer bis zwei Minuten häufiges Gas. Dasselbe
bemerkte ich aber nicht an der Plusseite.
„Nun band ich den Draht des Brunnen B an den Pluspol der Säule,
ging hinüber zu diesem Brunnen, und zog das andere Ende des Drahts
sammt der Kugel aus demselben. Sobald der Draht das Wasser und die
Erde nicht mehr berührte, und ich ihn frei in der Hand hielt, empfand ich
in derselben ein beständiges Prickeln. Ich steckte daher eine Stange in die
Erde und befestigte den Draht an derselben, ohne dass er aber die Erde
berühren konnte. Berührte ich nun denselben mit nassen Fingern, so erfolgten
Commotionen. Geschah die Berührung mit der Zunge, so war die Empfin-
düng schmerzhaft und mit Blitzen vor beiden Augen begleitet. Man erwäge,
dass hier nur allein von dem Plusdrahte der VoLTA'schen Säule die Rede
ist und mein Körper nur durch die Erde mit dem Minuspole in Verbindung
war. Bemerklich muss ich indess machen, dass es den Tag zuvor geregnet
hatte, als ich diese Versuche anstellte. Die Erde war davon noch sehr
feucht, und an mehreren Stellen stand Wasser, dadurch wurden meine Schuhe
feucht und dienten meinem Körper zur Leitung des galvanischen Fluidums.
Ich wechselte hierauf mit den Polen und den Drähten der Säule. Die Er-
scheinungen blieben sich vollkommen gleich.
„Versuch 9. Zu den folgenden Versuchen wählte ich eine grosse
Wiese, die gegen 3000 Fuss lang und fast ebenso breit ist. An ihrer
einen Seite ist sie mit einem 12 Fuss. breiten Graben versehen, der zur
Zeit ganz mit Wasser angefüllt war. Ich Hess mir durch meinen Gehülfen
mehrere lange tännene Stangen .... bringen und steckte hart am Ufer
des besagten Grabens eine solche Stange in die Erde. Von dieser Stange
ab ging ich in gerader Linie über die Wiese zu dem Gartenhause eines an
die Wiese grenzenden Gartens, und steckte unterwegs immer von 50 zu
50 Fuss eine Stange in die Erde. An der Pfoste eines Fensters im Hause
befestigte ich einen Eisendraht, und leitete ihn bis zu der letzten Stange,
die am Graben stand. An dieser befestigte ich ihn in 6 Fuss Höhe und
band ihn alsdann auch in eben dieser Höhe an allen übrigen tännenen
Stangen fest, damit er sich nirgends auf die Erde senken, noch sie berühren
könnte. Ich stellte nunmehr die VoLTA'sche Säule neben den Graben, und
Physikalische Erscheinungen an der Volta'schen Säule. 27Q
setzte vermittelst eines kurzen Drahtes das Wasser desselben mit dem
Minuspole, und das Ende des vom Gartenhause hergeleiteten Drahtes mit
dem Pluspole der Säule in Verbindung. Darauf begab ich mich mitten auf
die Wiese und berührte hier den ausgespannten Draht mit nassen Fingern;
ich empfand merkliche Erschütterungen. Noch weit heftiger wurden diese
aber, wenn ich einen silbernen Löffel in die nasse Hand nahm und damit
den Draht berührte. Die Berührung des Drahtes mit der Zunge war zu
schmerzhaft und wurde ganz unerträglich, wenn sie durch den Löffel, den
ich in den Mund nahm, vermittelt wurde. Klebte ich ein Goldblättchen an
den Löffel und berührte damit den Draht, so sah ich helle Funken. Das
nämliche geschah auch mit einer trockenen Holzkohle. Diese Bemerkungen
dienten mir zum Beweise, dass die Erde unter mir überall positiv-galvanisch
sein musste. In dem Gartenhause selbst machte ich folgende Versuche. Ich
stellte mitten ins Zimmer einen Tisch, auf diesen zwei zinnerne Schalen, die
ich durch Glasscheiben isolirte. Beide waren auf die Hälfte mit warmen
Wasser, worin eine gute Hand voll Kochsalz aufgelöst war, angefüllt An
die eine Schale knüpfte ich das Ende des Plusdrahtes der Säule, das zuvor
an der Fensterpfoste befestigt war. Die zweite Schale verband ich mit einem
anderen Draht und führte ihn zu einem anderen Fenster hinaus bis auf die
Erde. Hier grub ich ein Loch in dieselbe, legte das Ende des Drahtes
hinein und bedeckte es mit Erde. Tauchte ich nun in jede Schale eine
Hand, so empfand ich beträchtliche Erschütterungen in beiden Händen.
Noch heftiger waren diese aber, wenn ich einen Draht von der Schale los-
machte, ihn an einen silbernen Löffel knüpfte, meine Hände in beide Schalen
legte, und nun durch eine zweite Person die freie Schale ausserhalb mit
dem Löffel berühren Hess. Eine Gesellschaft von Damen, die im Zimmer
zugegen waren, amüsirte sich auf diese Art eine Zeit lang und wohnte auch
zum Theil den anderen Versuchen bei. . . . Ich Hess nun die VoLTA'sche
Säule von dem Graben wegnehmen und einige Schritte vom Ufer stellen.
Des Plusdrahtes Ende wurde einige Zoll tief in die Erde gesteckt, und dann
wiederholte ich die Versuche. Dessen ungeachtet fand ich keine Abnahme
des Galvanismus: Erschütterungen, Funken und Gasentbindung waren ebenso
stark und anhaltend als zuvor.
„Diese interessanten Beobachtungen bieten uns mancherlei Stoff zu
Betrachtungen über die Natur des Galvanismus dar, und lassen uns mit
vielem Grunde manchen Aufschluss über Naturerscheinungen hoffen, die bis
jetzt für uns mit einem undurchdringlichen Schleier umhüllt sind. Sie be-
weisen zugleich, dass sich das galvanisch-elektrische Fluidum auf eine unglaub-
liche Weise, sowohl durch die Erde als durch das Wasser fortleiten lässt;
Weiten, für die sich schwerlich Grenzen angeben lassen.
„Die Fortsetzung dieser Versuche, sowie einen anderen längst ver-
sprochenen sehr merkwürdigen Beitrag zur Kenntniss des Galvanismus, hoffe
ich im nächstfolgenden Stücke dieser Annalen mittheilen zu können."
Die versprochene Fortsetzung ist nicht erfolgt, wohl aber stellte
280 Neuntes Kapitel.
Erman1 ganz ähnliche Versuche, wie die vorstehend von Basse geschilderten
auf der Havel bei Potsdam an, und gelangte dabei zu völlig den gleichen
Ergebnissen. Von allen Vorstellungen über den Vorgang der elektrischen
Entladung findet er mit seinen Versuchen nur die im Einklänge, dass bei
jeder Entladung durch das „Spiel der Atmosphären" — dieselbe Erschei-
nung, die wir gegenwärtig als Influenz bezeichnen — jeder positiven
Elektricitätsbewegung alsbald eine negative entspricht, so dass nicht etwa
die Elektricitäten von den Enden der Säule sich durch die weiten Wasser-
massen haben aufsuchen müssen, sondern die Neutralisation stetig von Punkt
zu Punkt geht, und die Entladung gleichzeitig an beiden Enden beginnt
Es ist das im wesentlichen dieselbe Vorstellung, welche wir gegenwärtig von
dem Vorgange haben.
5. Der elektrolytische Telegraph. Versuche, die alle Vorstellungen
übersteigende Geschwindigkeit, mit welcher sich die elektrische Entladung
durch gute Leiter fortpflanzt, zu telegraphischen Zwecken zu benutzen, lassen
sich zwar schon zu Zeiten nachweisen, wo die Elektrisirmaschine die einzige
Stromquelle war,2 doch ist wegen der Schwierigkeiten, die Leiter gegen die
hohen Spannungen dieser Entladungen zu isoliren, an eine praktische Ver-
werthung dieses Planes nicht zu denken gewesen. Bei der VoLTA'schen
Säule fielen diese Schwierigkeiten fort, und so sehen wir im Jahre 1809 den
ersten brauchbaren elektrischen Telegraphen entstehen, freilich zunächst noch
in etwas ungefüger Gestalt. Der Erfinder dieses Apparates war merkwürdiger
Weise kein Physiker oder Techniker, sondern der berühmte Mediziner und
Anatom Samuel Thomas Sömmering, der in Thorn am 28. Januar 1755
geboren, nach einander Professor der Chirurgie und Anatomie am Carolinura
zu Cassel, Professor der Medizin an der Universität zu Mainz, praktischer
Arzt in Frankfurt und seit 1804 Mitglied der Akademie in München war;
1820 ging er wieder als praktischer Arzt nach Frankfurt, und starb daselbst
am 2. März 1830.
Über die Erfindung des Telegraphen finden sich einige nähere Nach-
richten in den von Sömmering's Sohne mitgetheilten8 Tagebuchnotizen. Die
erste Bemerkung findet sich unter dem 8. Juli 1809: „Nicht ruhen können,
bis ich den Einfall mit dem Telegraphen durch Gasentbindung realisirt
Draht von Silber und Kupfer eingekauft. Versuche mit der Isolirung durch
Siegelwachs gelungen, zur Telegraphie bestimmt/'
Am folgenden Tage finden sich bereits gelungene Versuche mit mehreren
Drähten von 38 Fuss Länge verzeichnet, am 22. Juli hat er „endlich den
Telegraphen geendigt." Am 11. August stellt er „Firniss -Versuche mit
Kautschuk" an. Der Akademie wurde die Mittheilung nebst Vorlage des
fertigen Apparates am 28. August 1809, also etwa 7 Wochen nach der
1 Gilbert's Ann. 14, 385. 1803.
1 Als die ersten Erfinder auf diesem Gebiete werden Lesage in Genf und Lomond,
sowie der Spanier Salva genannt. Vgl. Hoppe, Gesch. d. Elektr. 574. Leipzig 1884.
• Popp. Ann. 107, 644. 1859.
Pfcjrikllbcbe Erscheinungen »n der VolU'schen Säule. 28 1
iotiz gemacht Von wem die Idee der Isolirurtg der Drähte durch
rrriihrt, lässt sich leider aus diesen Mittheil ungen nicht ersehen,
r findet sich auch die Nachricht, dass vergeblich versucht worden
>leon L für die Sache zu interessiren; er hat sie mit den Worten abge-
~?est tau idee germanique.
cmering hat, wie erwähnt, seinen Gedanken nicht nur ausgesprochen,
auch wirklich ausgeführt (der von ihm hergestellte Telegraph befindet
Fig. 76. Nach Sömmering.
»ch jetzt in den Sammlungen des physikalischen Vereins zu Frank-
lie Beschreibung desselben ist in den Denkschriften der Münchener
nie für 1809 und 181O, S. 401 veröffentlicht. Ich gebe sie mit des
rs eigenen Worten wieder.
'ielfältige Betrachtung der ganz unfehlbaren und sehr schnellen Gas-
elung an metallenen Spitzen, welche nicht nur selbst mehrere Zolle
ineinander stehen, sondern welche die Wirkung der Säule erst aus
ntfernung von mehreren tausend Fuss zugeleitet erhalten, hatte mich
ingst auf den Gedanken gebracht, dass man wohl durch die Elektricität
282
Neunteü Kapitel.
einen Telegraphen vermitteln könnte, welcher wenigstens den Vorzug haben
würde, freies Spiel zu behalten unter Umständen, wodurch die Sichtbarkeit
und damit der Gebrauch der jetzt
Fig. 77. Nach SÖMMERiNG.
Fig. ; 0. Nach SüUusiluig.
Fig. 79. Nach Sokmbkino.
gewöhnlichen Telegraphen gänzlich e
wegfallt ... s
„Um jedoch den praktischen :!
Beweis der Ausführbarkeit dieses Ge- %
dankens zu unternehmen, bedurfte es ;
einer besonderen gelegendichen Ver- -
anlassung, die mir andere, meinem •<
Berufe näher liegende Versuche wirk- •
lieh nicht haben fehlen lassen. Eine ,
leichte, einfache, wenig kostspielige
Vorrichtung stellt meine Erfindung ,
in der gehörigen Klarheit vor Augen. .
Ich wünsche den Bericht davon in ■
den Akten unserer Akademie zur
Aufbewahrung und Benutzung nieder-
zulegen, anderen es gern überlassend,
meinen durch Elektricität vermittelten
Telegraphen zum etwaigen Gebrauch
des Staates anzuwenden.
„In dem Boden dieses gläsernen,
auf einem Gestelle ruhenden Wasser-
behälters (Fig. 77 — 79) sind 35 goldene
Spitzen oder Stifte befestigt, und
theils durch die 25 Buchstaben unseres
teutschen, als des vollständigsten
Alphabets, theils durch die zehn
Ziffern oder Zahlfiguren bezeichnet
„Jede dieser Spitzen geht in
einen kupfernen Communications- oder
Leitungsdraht über, welcher sich in
messingenen Schlussstäbchen
endigt, in dessen Mitte sich ein
Kanälchen findet, welches zur Auf-
nahme eines, sowohl am Hydrogen-
pole als am Oxygcnpole
der elektrischen Säule,
mittelst eines Drahtes oder
Kettchens befestigen, cin-
geschliffenen , ebenfalls
messingenen Zäpfchens
dient
Physikalische Erscheinungen n
der Voll»' schon Säule.
_a8i
„Diese kräh nähn liehen Schlussstäbchen sind gerade, wie die goldenen
Spitzen im Wasserbehälter in einem eigenen Gestelle {Fig. 80—82) derart be-
festigt und geordnet, dass die entgegengesetzten Enden eines jeden leiten-
den Kupferdrahtes der
gleiche Buchstabe, oder
die gleiche Ziffer be-
zeichnet; dasheisst, der
Kupferdraht A, B, C,
u. s. f. endigt sich als
goldene Spitze A, B, C
im Wasserbehälter, und
als messingenes Stäb-
chen A, Br C u. s. w. in
seinem Gestelle.
„Wird nun die
Vorrichtung auf die Art,
wie die Fig. 76 abbildet,
in den Kreis einer
wirkenden elektrischen
Saale gebracht, so zeigt
sich augenblicklich im
Wasserbehälter an den-
jenigen beiden goldenen
Spitzen oder Stiften
Gas-Entbindung, deren
gleich bezeichnete
Schlussstäbchen die bei-
den Zäpfchen aufneh-
men, z.B. in der Fig. 76
bei K und T. Am
Hydrogenpol - Zäpfchen
zeigt sich, wie natür-
lich, Hydrogengas, am
Oxygenpol - Zäpfchen
dagegen Oxy gengas.
„Mittelst solcher
Gas- Entbindung lässt
sich nun jede Zahl und
jeder Buchstabe auf das
Bestimmteste andeuten, wie z. B. die Fig. 76 die Andeutung von K und T
versinnlicht; und käme man in der Annahme folgender drei leicht fasslichen
Regeln überein, so wäre man im Stande, hierdurch ebenso viel, wenn nicht
mehr, als mit dem gewöhnlichen Telegraphen auszurichten."
Es folgen nun Auseinandersetzungen über einige Regeln, die sich auf
Fig. 82. Nach Sömmeeini
284 Neuntes Kapitel.
die Folge der zu einem Worte gehörigen Buchstaben und die Trennung der
Wörter beziehen, die wir übergehen, ebenso wie einige technische Einzel-
heiten bezüglich der Gasentwickelungs-Spitzen.
„Bemerkungen über die Communicationsdrähte. Zu Leitungs- oder
Communicationsfäden zwischen den Spitzen im Wasserbehälter und den
Schlussstiften bediene ith mich bloss messingener oder kupferner Drahte,
weil sie mir nie ihren Dienst versagten, überall zu haben sind, nicht sobald,
als die ohnehin weniger geschmeidigen eisernen oxydirt werden, auch nicht
so gar leicht, wie gleich dicke bleierne zerbrechen oder zerreissen. Indessen
verdiente es noch genauere Prüfung, ob irgend ein Metall, und welches
unter den Metallen schneller als das andere, das elektrische Agens durch
grosse Strecken leite.
„Zur Berechnung der Geschwindigkeit, mit welcher sich das elektrische
Agens bewegt, reichen freilich meine beschränkten Versuche nicht hin, bis
jetzt nur einen Unterschied zu bemerken, die Communicationsdrähte mochten
nur einen oder mehrere tausend Fuss Länge haben.
„Es wäre vielleicht für die Theorie der Elektricität höchst interessant,
durch genaue, ins Grosse gehende Versuche die Geschwindigkeit zu bestimmen,
mit welcher sich das elektrische Agens durch solche Leitungsdrähte hin be-
wegt, und wie sich die Geschwindigkeit der Elektricität z. B. zur Geschwin-
digkeit des Lichtes verhält. Solche rein wissenschaftliche Untersuchungen
würden aber freilich die Vereinigung mehrerer meiner hochgeachteten Herren
Collegen, sowie vielleicht eigene Kosten erheischen; denn welche Subtilität
zu diesen Untersuchungen erforderlich sein möchte, erhellt schon daraus, dass
man im eigentlichen Verstände des Blitzes Schnelle zu messen hätte.
„Um meinerseits wenigstens durch einen überzeugenden Versuch augen-
scheinlich darzuthun, dass in Rücksicht des leitenden Drahtes der Unter-
schied der Länge zwischen 2 Fuss und 2000 Fuss nicht bemerkbar ist (un-
geachtet der Verstand die Gewissheit giebt, dass allerdings ein Unterschied
statt haben müsse), so ist hier um einen Glascylinder ein 2248 baier. Fu»
langer Draht gewunden, welchen die Wirkung der elektrischen Säule durch-
laufen muss, um von der Säule bis zum Alphabete im Wasserbehälter zu
gelangen, und zum Beispiele zu dienen, dass die Gasentbindung, dieser be-
trächtlichen Länge ungeachtet, ebenso schnell zu beginnen scheint, als wenn
jene Wirkung sich nur durch zwei Fuss hin zu erstrecken hätte.
„Da ferner es Manchem frappanter erscheinen sollte, wenn ein solcher
2000 Fuss langer Draht sich durch mehrere Zimmer und Gänge hindurch
erstreckt, und doch blitzschnell durch ihn die Wirkung erfolgt, so wäre viel?
leicht dagegen zu bedenken, dass ein solcher um einen Cylinder gewickelter
Draht den Vortheil gewährt, dass sich der Moment des Schliessens der
elektrischen Kette, und der Moment des Beginnens der Gasentbindung be-
quem und leicht auf der Stelle wahrnehmen lässt, ohne eben ein Paar genaue
astronomische Uhren und mehrere zugleich Beobachtende zu erfordern.
„Sowohl um die unmittelbare, alle Wirkung vernichtende Berührung,
nijtikalitdw Erecheinnngen sd der Volia' sehen Säule. ^g"
üs unvermeidliche Verwirrung von 35 neben einander laufenden Drahten zu
verhüten, zugleich dieselben in den kleinsten Raum zusammenzubringen, und
gerade wie ein einfaches Seil zu behandeln, und doch zugleich alles Ueber-
springen der Elektricität von einem Draht zum anderen zu verhüten, war die
bolirung jedes einzelnen Drahtes nothwendig. Diese Isolirung erreicht man
durch Überspinnen mit Seide1 so vollkommen, dass man sogar nachgehends
das aus 35 Drähten bestehende Seil mit einem Firniss stark überziehen kann,
somit vor aller Oxydation auf das dauerhafteste zu schützen vermag.
„Bewunderungswürdig erscheint es wahrlich, wie durch ein solches Seil
35 abgesonderte Wirkungen der Elektricität ohne einige Störung erfolgen.
„Ja! wie sehr erweckt nicht ein solches Seil das Nachdenken selbst eines
Physiologen, wenn er an ihm wahrnimmt ein grob sinnliches Analogon eines
Nervenstranges, dessen einzelne Fäden auf gleiche Weise jeden erhaltenen
Empnndungseindruck im Atigemeinen, sowie den des kleinsten elektrischen
Pünkchens im Besonderen isolirt und ungestört bis ins Gehirn fortpflanzen.
„Bemerkungen über die Schlussstäbchen. Die Schlussstäbchen sind mit
kegelförmigen Kanälchen versehen, und passen mit den eingeschliffenen ebenfalls
kegelförmigen Zäpfchen Fig. 83 — 86 der elektrischen Säule genau zusammen,
tbeils, um dem Schiiessen der Kette Genauigkeit und Stetigkeit zu ver-
schaffen, theils um durch die beständige Reibung alle Oxydation zwischen
den hier zusammenzubringenden Metallen abzuhalten, und die Wirkung un-
fehlbar zu machen, da es bekannt ist, wie wenig Oxyd an solchen Stellen
die elektrische Wirkung zu unterbrechen vermag.
„Man könnte gar leicht an dieser Schtussstäbchenreihe eine Tastatur
anbringen, um gerade wie beim Klavier durch Eindrücken eines an einem
Clavis befestigten Zäpfchens in das Kanälchen des Stäbchens die elektrische
Kette zu schiiessen, und mittelst der hierdurch erfolgenden Gasentbindung
die Buchstaben zu bezeichnen. Doch müssten dann zu jedem Schlussstäbchen
zwei Kanälchen gebohrt und doppelt soviel Zäpfchen ab Schlussstäbchen,
d. h. zu den 35 Stäbchen 70 Zäpfchen vorhanden sein. Der erste (sowie alle
1 Es dOrfte dies wohl die erste Anwendung dieses hochwichtigen Ijolirverfahrens sein.
286 Neuntes Kapitel.
übrigen) mittelst einer Feder zurückspringende Clavis könnte das Hydrogen-
Zäpfchen für A, der zweite Clavis das Oxygen-Zäpfchen für A, der dritte
Clavis das Hydrogen-Zäpfchen für B, sowie der vierte Clavis das Oxygen-
Zäpfchen für B u. s. f. in das mit ihm zusammenpassende Kanälchen beim
Aufdrücken des Fingers bringen.
„Bemerkungen über die elektrische Säule. Was die elektrische Säule t
oder den Elektromotor betrifft, so ist deren Einrichtung und Handhabung \
so allgemein bekannt, dass ich nichts zu bemerken wüsste, als dass zum j
telegraphischen Gebrauch jede Einrichtung derselben dienlich ist, welche nur x
eine mehrere Monate lang andauernde Wirkung zusichert Breitplattig braucht *
eine solche Säule wenigstens nicht zu sein, weil mir mein Gasometer bewies, .
dass sechs meiner gewöhnlichen Glieder (deren jedes aus einem Brabanter- .
thaler, Filz und einem 52 Gran leichteren Zinkscheibchen besteht) schon ,
mehr Gas zu entbinden vermochten, als fünf Glieder der grossen, sechsund-
dreissig quadratzolligen Batterie unserer Akademie.
„Allgemeine Bemerkungen über die Vorzüge eines elektrischen Tele-
graphen vor den bisher gewöhnlichen. 1) Hängt ein solcher Telegraph nicht
lediglich vom Tageslichte und vom heiteren Himmel ab, sondern kann be-
ständig, Nachts sowohl wie bei Tage, kurz in jedem beliebigen Augenblicke
gebraucht werden. In dieser Hinsicht allein leistet er schon doppelt so viel,
als ein gewöhnlicher Telegraph, welcher bekanntlich nur bei Tage zu ge-
brauchen steht.
„2) Stört die Wirkung eines elektrischen Telegraphen keine Dämmerung,
keine trübe Witterung, kein wolkiger Himmel, kein Nebel, kein Regen, Schnee,
Rauch, kein Staub oder Wind. Rechnet man für unsere Gegenden nur 121 Tage
oder ein Drittheil des Jahres für trüb, d. i. für den gewöhnlichen Telegraphen
unbrauchbar, so kann er zusammengenommen mit der vorhin bemerkten
nächtlichen Anwendung weit mehr, als doppelt so viel leisten.
„3) Da der elektrische Telegraph nun vollends zwei Buchstaben zu gleicher
Zeit anzeigt, so leistet er auch hierdurch allein schon wieder doppelt so viel
in gleichem Zeitmomente, als der gewöhnliche.
„4) Der gewöhnliche Telegraph beschränkt sich nur auf gewisse Ent-
fernungen, müsste also zwischen München und Augsburg etlichemal die
Zeichen wiederholen. Ein elektrischer Telegraph könnte von München aus
nach Augsburg, ja von einem Ende des Königsreichs zum anderen ohne
Zwischenstation berichten.
„5) Ist der elektrische Telegraph, wenn man das Communicationsseil unter
der Erde weglaufen lässt, in den Zwischenräumen von einer Station zur anderen
mit aller seiner Wirkung verborgen, da hingegen Jedermann die Thätigkeit
des gewöhnlichen Telegraphen gewahr wird.
„6) Und bei dem allen deutet der elektrische Telegraph die Buchstaben
und Zahlen ganz eigentlich, nicht kryptographisch, wie der gewöhnliche, in
eigens zu erlernenden Charakteren an.
Physikalische Erscheinungen an -der Volta'schen Säule. 287
9*i
,7) Bedarf der elektrische Telegraph keiner eigenen, hochliegenden Ge-
node, sondern kann in jedes Zimmer, in jedes Bureau geleitet sein.
„Was endlich die Kosten betrifft, so kommt diese, wie man überzeugend
seht, vollkommen brauchbare Vorrichtung, welche ich die Ehre habe, der
konigL Akademie vorzuzeigen, bis auf das Communicationsseil keine 30 Gulden
zu sieben.
„Bloss das aus 35 Drähten bestehende Communicationsseil nebst seiner
Leitung durch gläserne oder thönerne Röhren würde allein Kosten verur-
sachen; doch dürfte ein solches aus 35 Drähten bestehendes Seil, welches
die Lange von 22827 pariser Schuh, d. i. von einer deutschen Meile, oder als
einfacher Draht die Länge von 788845 Fuss hätte, für weniger als 2000 Gulden
sich anschaffen lassen, da es dem höchsten Anschlage zufolge, nach dem
nämlich berechnet, was mir das meinige kostete, sich auf die Summe von
2396 Gulden 50 7i0 Kreuzer beläuft."
Die Erfindung des geistvollen Physiologen ist allerdings nicht zu prakti-
scher Anwendung gelangt; wohl aber findet sich in seinen Darlegungen eine
ganze Reihe von Anregungen, welche später ihre Früchte getragen haben.
6. Galvanoskope und Galvanometer. Die ersten quantitativen That-
sachen im Gebiete des Galvanismus sind mit Hülfe der ursprünglich für die
Zwecke der Reibungselektricität construirten, auf der Abstossung leichter und
beweglicher Körperchen beruhenden Elektroskope aufgefunden worden, wie
aus den früheren Mittheilungen (S. 72) erhellt. Als weiteres Messhülfsmittel
bot sich die Gasentwickelung in einem eingeschalteten Wasserzersetzungs-
apparat dar, und wir finden alsbald Versuche, entsprechende Apparate, Gal-
vanometer,1 zu construiren.
Als erster Erfinder des auf der galvanischen Wasserzerlegung beruhenden
Galvanometers gilt gewöhnlich Robertson,2 der ein solches Instrument zuerst
beschrieben hat Indessen geht aus seiner Beschreibung nicht hervor, wie
man sich seines Instrumentes überhaupt bedienen kann, so dass ich glauben
muss, es sei nur auf dem Papier construirt, und habe trotz der Äusserung
des Urhebers, es sei dies das Instrument, dessen er sich bediene, nie zu
wirklichen Versuchen gedient.
„Es ist eine Capillarröhre, von Glas, eine Linie weit und 8 Zoll lang
mit Wasser gefüllt und an einem Ende mit einem Zinkstab, am anderen mit
einem solchen von Silber versehen. Der Theil des Glases, welcher dem
Zinkstabe entspricht, ist in Zehntel Linien (0,23 Millimeter!) getheilt, das Ende
der Röhre ist auf dieser Seite mit einem Hahn versehen, durch den das
1 Zwar hat Gottfried Hüth, Professor zu Frankfurt an der Oder, die Physiker seiner
Zeit belehrt (Gilbert's Ann. 10, 43. 1802), dass man Galvanismometer sagen und schreiben
nasse, und nicht Galvanometer, „da dieses Werkzeug nicht die Stärke des Galvani, sondern
des Galvanismus anzeigen soll", doch hat dies unphilologische Geschlecht sich die Lehre nicht
zu Herzen genommen, und bis auf den heutigen Tag sich des kürzeren Wortes bedient.
* Ann. de Chimie, 37, 144. 1800.
288
Neuntes Kapitel.
Wasser eingeführt wird, und welcher dem Gas den Ausgang gestattet, wenn
der Apparat im Gange ist.
„Um ihn zu benutzen, muss man ihn in die galvanische Kette bringen.
Die Blasen, welche sich von dem Ende eines der Stäbe ablösen, zeigen dk
Gegenwart des Fluidums an, die grössere oder geringere Menge dieser Käsen
wird an der Theilung des Glases abgelesen, so dass man unter Berückskk-
tigung der Zeit . die grössere oder geringere Thätigkeit des galvanischen
Stromes erkennt Die Ursache, welche den Gasstrom bestimmt, bald von
dem einen, bald von dem anderen Metallstabe
sich zu entwickeln, wird ohne Zweifel bald
die Physiker beschäftigen. Das Princip da*
selben ist vielleicht die Natur des Metalls,
seine Masse, seine Qualität, oder auch der
hygrometrische oder barometrische Zustand
der Atmosphäre."
Mir scheint aus diesen Darlegungen un-
zweifelhaft hervorzugehen, dass Herr E. G.
Robert-son, recte Robert, ex-professeur de
physique ä l'£cole centrale du d£partement
de TOurthe, der zu jener Zeit Vorstellungen
in der natürlichen Magie unter dem Titel
Phantasmagorie in Paris gab, auch mit
seinem Galvanometer mehr auf dem Gebiete
der Phantasie, als dem der Wirklichkeit ge-
arbeitet hat. Schon die übergenaue Theilung,
die mit dem blossen Auge kaum mehr abzu-
lesen ist, erregt Misstrauen; auch vermag ich
nicht zu begreifen, wie das Gas überhaupt
zur Messung gelangen kann, da die Röhre
völlig mit Wasser gefüllt ist und das Gas
nirgend anders hin kann, als aus dem Hahn
hinaus.
Ein wirklich leistungsfähiger Apparat, mit
dem übrigens auch keine Messungen von Wichtigkeit angestellt worden sind,
ist erst von dem schon genannten (S. 163) P. L. Simon1 in seinem Vorschlage
zu einem „Galvanoskop" angegeben worden. Nach einer Beschreibung einiger
Vorrichtungen, um Flüssigkeiten dem Einfluss der VoLTA'schen Kette aus-
zusetzen, fährt er fort:
„Auch könnte man die oben beschriebenen Vorrichtungen zu einem
Galvanoskop anwenden, um damit die Stärke der Wirkung verschiedener
Säulen gegen einander zu vergleichen, indem die Stärke ihrer Wirkung im
geraden Verhältniss der Räume stehen möchte, welche die vermittelst ihrer
j
1
Fig. 87. Nach Robertson.
1 Gilbert's Ann. 8, 28. 1801.
Physikalische Enchcinnngeri a
der "Volta'schen Säule.
tei Zeit entwickelten Gasarten einnehmen. Vielleicht würde eine nach
Fig. 88 getroffene Einrichtung ein solches bequemes Instrument abgeben,
wenn man nämlich eine Glasröhre AB unten mit einem Korke, in welchem
an Platin- oder Golddraht befestigt ist, verschlösse, selbige bis in C mit
reinein Wasser füllte und in ihre obere Mündung einen zweiten Platindraht
nebst der krummen Röhre D und der daran befestigten Kugel und Röhre E
und F luftdicht befestigte. . . . Würde nun . . . das Instrument mit den Enden
einer VoLTA'schen Säule in Verbindung gesetzt, so triebe das sich entwickelnde
Gas die Flüssigkeit in der Röhre F hinauf. Ihr Stand könnte dann an einer
dazu bestimmten Skala die Stärke der Wirkung in
einer bestimmten Zeit angeben."
Wie man sieht, hat hier Simon ein ganz richtiges
Princip ausgesprochen; sogar von dem spater von
Faäaday entdeckten Gesetz, nach welchem die Strom-
stärke und die entwickelte Gasmenge einander pro-
portional sind, findet sich eine sachgemasse Vermuthung.
Zur unmittelbaren Messung der anziehenden Wir-
kung der VoLTA'schen Elektricität an einzelnen Platten-
paaren erbaute MarSchaiix, Prediger in Wesel, ein
Instrument, welches er das Elektro-Mikrometer * nannte.
Dieses bestand wesentlich aus einem langen Streifen
Blattsilber, dessen unterem Ende gegenüber eine
metallene Kugel mittelst einer feinen Schraube in
horizontalem Sinne beweglich angebracht war, so dass
sie in eine beliebige Entfernung vom Blättchen ge-
bracht werden konnte. Die Schraube trug einen
getheüten Kopf und eine Vorrichtung, um die ganzen
Umdrehungen zu zählen, und die Messung wurde so
ausgeführt, dass man die Kugel dem Silberblättchen
so lange näherte, bis sich dieses in Bewegung setzte, und an die Kugel
anschlug. Die Empnnnlichkeit des Apparates war derart, dass ein einziges
Plattenpaar 60 bis 80 Theilstriche des Schraubenkopfes, der in 360 Theile
gelheilt war, als Entfernung ergab, in der sich eben die Anziehung geltend
machte.
Diese grosse Empfindlichkeit erwies sich indessen bald eher nachtheilig
sls vortheilhaft, denn der Erfinder selbst fand es schwierig, mit seinem
Apparate übereinstimmende Zahlen zu bekommen, und in seinem aufein-
anderfolgenden Veröffentlichungen* giebt er nacheinander mehrere ganz ver-
schiedene Gesetze, nach denen sich die Angaben seines Elektrometers mit
der Plattenzahl der Säule ändern sollen. Dazu kam eine grosse Abhängigkeit
des Elektrometers von äusseren elektrischen Einflüssen. Da MarEchaux
davon nichts wusste, dass jeder Beobachter an seinen Kleidern, Haaren u. s. w.
1 Gilbert'!. Ann. 16, 115. 1804.
* Ebenda 16, 105- 1803; — ebenda 19, 476. 1805.
Onoald, Elckmchemit. '9
FiC. 88.
290
Neuntes Kapitel.
beständig verschiedenartige elektrische Ladungen mit sich herumträgt, suchte
er die Ursachen der von ihm beobachteten grossen Verschiedenheiten der
Anzeigen seines Elektrometers in Änderungen der Luftelektricität, in einer
Abhängigkeit der Spannung seiner Säulen von der Tageszeit, in der elefe»
trischen Beschaffenheit des von ihm benutzten Brunnenwassers u. dergL
Eine kritische Untersuchung des Elektro -Mikrometers ist dann durch
Mar£chaux' Freund P. Erman1 vorgenommen worden, welcher in sehr sach-
gemässer Weise verschiedene Fehler desselben aufdeckte.
7. Das BEHRENs'sche Elektrometer. Im Anschluss an seine Versuche
über die sogenannte trockene Säule (s. w. u.) gab Behrens2 gleichzeitig die
„Beschreibung eines neuen Elektrometers".
„Die Versuche über die Säule mit Goldpapier hatten
mich überzeugt, dass dieser Apparat ein wahres elek-
trisches Perpetuum mobile sei. Dadurch kam ich auf
folgendes Raisonnement: Wenn in der Mitte zwischen e
den zwei entgegengesetzten Polen zweier solcher gleich
starker und nicht isolirter Säulen ein isolirtes Goldblättchen
aufgehängt wäre, so würde dieses, vermöge der gleichen
Kräfte der beiden Säulen von seiner senkrechten Richtung
nicht abweichen. Würde nun aber dem Goldblättchen ein
elektrischer Körper genähert, so müsste es vom +Pole
der einen, oder vom — Pole der anderen Säule angezogen
werden, je nachdem der genäherte Körper — E oder + E
hätte. Wie sich erwarten Hess, bewährten die Versuche
diese Idee, welche dem im folgenden beschriebenen In-
strument zu Grunde Hegt.
„Fig. 89 stellt einen senkrechten Durchschnitt des
Fig. 89. Instruments vor, auf x/4 des Längenmaasses reducirt Der
von Holz gedrehte Fuss abede hat zwischen de eine
Höhlung, in welche das Glas gfh gesetzt und befestigt ist. Die obere
Fassung dieses Glases ist in der Mitte ausgedreht, um in die Öffnung die
lackirte Glasröhre ki gekittet. Die Fassung dieser letzteren il ist in der
Mitte durchbohrt, und durch dieselbe geht gedrängt, aber verschiebbar der
Draht os, der vermittelst der Zange s das Goldblättchen rs trägt. Das Glas
ist an zwei entgegengesetzten Seiten durchbohrt und in den Offnungen
sind die beiden kleinen Röhren m und n befestigt. Diese sind von innen
und von aussen mit Siegellack überzogen und durch dieselben gehen zwei,
im Glase nach oben, ausserhalb desselben nach unten gebogene, x/a Linie
breite Bleche ?nd und ne> welche beide in den Röhren verschiebbar sind.
Senkrecht unter jeden Ohr d und e der beiden erwähnten Bleche sind in
den Vorsprung des Fussgestells an jeder Seite drei dünne, mit Siegellack
überzogene Glasröhren eingesetzt. . . . Zwischen diesen Röhren sind zwei
1 Gilbert's Ann. 26, 18. 1807.
* Ebenda 23, 24. 1806.
Physikalische Erscheinungen an der Volta'schen Säule. 2QI
elektrische Säulen aus Messingblech, Stanniol und Goldpapier aufgeschichtet.
Jede Säule besteht aus einigen 40 Schichtungen, und jede ist in der ent-
gegengesetzten Ordnung der anderen gebaut, so dass x den + Pol, y aber
den — Pol oben hat Beide unterste Platten der Säule sind durch einen
Draht unter sich, und zugleich durch eine Stanniolscheibe, womit die unterste
Fläche des Fusses belegt ist, mit der Erde verbunden. Die Deckplatten der
Säulen stehen durch spiralförmig gewundene Drähte xd und ye mit den
Blechen md und ne in Verbindung, und letztere werden durch die Feder-
kraft der Spiralen in der gehörigen Lage gehalten.
„Regeln für den Gebrauch des Instruments sind: der elektrische Körper
muss nur langsam genähert werden. Hat das Goldblättchen angeschlagen,
so muss der Draht o vor Anstellung eines zweiten Versuches ableitend
berührt sein/'
Dies Elektrometer ist später von Bohnenberger und Fechner etwas
verändert, und von Hankel1 durch Hinzufugung einer mikroskopischen Ab-
lesung wesentlich verbessert worden. In der letzteren Gestalt dient es noch
heute als ein vielfach brauchbares Instrument, dass zwar nicht sehr empfind-
lich ist, dafür aber den Vorzug sehr geringer Capacität und augenblicklicher
und schwingungsfreier (aperiodischer) Einstellung besitzt.
1 Pogg. Ann. 84, 28. 1850.
19*
Prof. Krüger. '
Zehntes Kapitel.
Elektrochemische Theorieen.
I. Einleitung. Die merkwürdige und unerwartete Beschaffenheit der
chemischen Vorgänge, die in der VourVschen Säule vorgehen und mit ihrer
Hülfe hervorgerufen werden können, haben mit Nothwendigkeit alsbald zu
mannigfaltigen Versuchen geführt, sie zu „erklären", d.h. ihren Zusammen-
hang unter einander und mit anderweit bekannten Thatsachen nachzuweisen.
Solche elektrochemische Theorieen sind nach verschiedenen Richtungen ent-
wickelt worden: einmal, um die Quelle der elektrischen Vorgange in der
Säule selbst aufzudecken, und andererseits, um für die ungewöhnliche Be-
schaffenheit der durch den elektrischen Strom verursachten chemischen Vor-
gänge den Schlüssel zu finden. Neben diesen, auf die Erscheinungen der
1 Aus Kopp: Geschichte der Chemie. II. 1844.
Elektrochemische Theorieen.
293
Säule selbst gerichteten Bemühungen machen sich aber noch andere geltend,
welche zum Zweck haben, die an der Säule gewonnenen Kenntnisse und
Anschauungen zum Verständniss anderer Erscheinungen heranzuziehen. Ins-
besondere lud die energische chemische Wirkung der Säule unwiderstehlich
dazu ein, in deren Agens, der Elektricität, die Ursache der chemischen Vor-
gänge überhaupt zu suchen, und elektrische Theorien der chemischen
Verwandtschaft auszubilden.
Was die Frage nach der Quelle der elektrischen Erscheinungen in der
Säule anlangt, so stimmen die ersten Forscher auf diesem Gebiete von vorn-
herein ausnahmelos darin überein, sie in den chemischen Vorgängen zu
suchen. Ich brauche in dieser Beziehung nur auf die Auszüge auf S. 1 50 u. ff.
iu verweisen, welche keinen Zweifel übrig lassen, wie sehr dem unbefangenen
Beobachter der enge Zusammenhang zwischen den chemischen und den
elektrischen Vorgängen sich aufdrängte. Auch hätte sich dieser Gedanke
unzweifelhaft vollkommen stetig weiter entwickelt, wenn nicht gerade der-
jenige Forscher, dem die grösste Autorität auf diesem Gebiete zukam, wenn
nicht Volta selbst der Entwickelung einigermaassen gewaltsam eine andere
Richtung gegeben hätte.
Volta hatte, wie aus der bisherigen Darstellung hervorgeht, bei seinen
Studien über die „Metallelektricität" wesentlich die physikalische Seite der
Erscheinungen im Auge gehabt. Diese Stellung wurde ihm zunächst da-
durch aufgezwungen, dass er die rein elektrische Natur des Gebietes im
Gegensatze zu den vitalistischen Anschauungen der galvanischen Schule zu
beweisen hatte, und somit nothwendig auf die physikalischen Kennzeichen
der entstandenen elektrischen Vorgänge das Hauptgewicht zu legen hatte.
Durch diesen Umstand ist er aber wohl auch persönlich allmählich dazu ge-
führt worden, in diesen Dingen die Hauptsache überhaupt zu sehen, und es
ist schon (S. 129) betont worden, in welchem Maasse ihn diese Auffassungs-
weise verhindert hatte, die unter seinen Händen sich abspielenden chemischen
Vorgänge in und an seiner Säule zu sehen und zu beachten.
Offenbar in dem Gefühle, das gegen die Hypothese von der thierischen
Elektricität so erfolgreich vertheidigte Gebiet auch gegen jede Beanspruchung
von anderer Seite halten zu müssen, hat Volta alsbald, nachdem die Fülle
chemischer Entdeckungen mittelst seiner Säule die Invasion einer chemi-
schen Theorie der Metallelektricität nicht nur wahrscheinlich, sondern auch
tatsächlich hatte werden lassen, in sehr scharfer Weise Stellung gegen diese
Theorie genommen, und hat in seiner zweiten Mittheilung an das Pariser
National -Institut den grösseren Theil des Inhaltes der Bekämpfung solcher
Theorien gewidmet.
2. Volta's zweite Abhandlung über die Säule. Die zweite Ab-
handlung Volta's * über die sogenannte galvanische Elektricität ist von Pfaff
nach Volta's Manuscript ins Deutsche übersetzt worden. Sie steht an Be-
1 Gilbert's Ann. 12, 497. 1802.
204 Zehntes Kapitel.
deutung der ersten unzweifelhaft nach; doch enthält sie hinreichend Interc
santes, um wenigstens theilweise hier wiedergegeben zu werden.
Nach einer Einleitung, die im Wesentlichen eine Wiederholung der
der ersten Abhandlung mitgetheilten Thatsachen und Anschauungen brinj
erörtert Volta das Verhältniss seines Apparates zu den gewöhnlichen Elektrisi
maschinen, und kennzeichnet dies sehr richtig dahin, dass diese wenig Elekt
cität von hoher Spannung, die Säule dagegen ausserordentlich viel Elektricit
von geringer Spannung gebe. Er beseitigt ferner die Einwendungen, c
man gegen die elektrische Natur der galvanischen Erscheinungen dara
genommen hatte, dass letztere von Flammen, glühendem Glase u. s. w. nie
geleitet werden, durch den Hinweis, dass auch schwache elektrische Spa
nungen durch dieselben Stoffe einen ganz gleichen Widerstand erfahre
Weiter beantwortet er die Frage: wie kann eine so schwache Elektricität
heftige Erschütterungen hervorbringen? durch den Hinweis auf die sehr gross
Elektricitätsmengen, die bei jeder Entladung von seiner Säule in Thätigk«
gesetzt werden.
Mit unserem Gegenstande in viel näherer Beziehung sind aber die schli«
liehen Auseinandersetzungen Volta's über die Wasserzersetzung und c
feuchten Leiter. Im Anschluss an die eben erwähnten grossen Elektricitäl
mengen der Säulenentladungen fährt er fort:
„Hieraus erklärt sich sehr genügend, wie gewisse Wirkungen mein
Apparates sich durch gewöhnliche Elektrisirmaschinen gar nicht, oder weni
stens nicht auf die Art und in dem Grade, als durch ihn, hervorbring
lassen, wohin z. B. die Zersetzung des Wassers und die Oxydirung der Meta
drahte in den bekannten Versuchen gehört. Es wird hier genug sein,
bemerken, dass zu diesen Wirkungen ein sehr reichlicher elektrischer Stro
erforderlich ist, damit das elektrische Fluidum bei seinem Austritt aus de
Metalldrahte in das Wasser und beim Zurücktritte in den anderen Dra
recht gedrängt und zusammengezwängt sei, und auf verhältnissmässig wen
Wassertheilchen seine Wirkung ausübe, um diese schlecht leitenden Theilch
gleichsam zerreissen und zersetzen zu können. Ein solcher Strom wird ab
wie wir eben gesehen haben, durch meinen Apparat viel vollkommener e
zeugt und unterhalten, als durch die wirksamste Elektrisirmaschine. . . .
„Was ich vorhin berührt habe, dass die Erschütterungen meines App
rates dadurch geschwächt werden, dass die feuchten Leiter in ihm, als u
vollkommene Leiter dem Durchgange des elektrischen Fluidums Hindernis
in den Weg legen, und den Strom desselben beträchtlich retardiren, verdie
hier noch weiter auseinandergesetzt zu werden.
„Cavendish glaubte aus Versuchen, die man schon in den Philosophie
Transactions für 1776 findet, den Schluss ziehen zu dürfen, dass das L
tungsvermögen des Wassers für das elektrische Fluidum 400 000 000 mal g
ringer, als das der Metalle sei. Man könnte das vielleicht für eine Übt
treibung halten. Wollte man es aber auch nur 1000 000 mal, oder seit
nur für 100 OCX) mal schwächer, als das der Metalle nehmen, so würde d
Elektrochemische Theorieen. 2QC
schon hinreichen, die Erscheinung zu begründen, die wir jetzt betrachten
wollen. Dass gewiss bei dieser letzten Annahme die Leitfähigkeit des Wassers
viel zu hoch angesetzt wird, lässt sich daraus abnehmen, dass ein Cylinder
aus reinem Wasser, der i Zoll im Durchmesser hat und sich in einer Glas-
röhre zwischen zwei metallenen Zuleitern befindet, das elektrische Fluidum
noch immer mit mehr Schwierigkeit durch sich hindurch leitet, als ein Metall-
draht von gleicher Länge und l/90 Linie Durchmesser. Auch retardirt ein
Wassercylinder, der nur i oder 2 Linien im Durchmesser hat, besonders
wenn er beträchtlich lang ist, die Entladung einer massig geladenen Flasche
so sehr, dass sie so gut wie gar keine Erschütterung giebt. Nach dem Ver-
hältniss, worin bei Wasser und anderen feuchten Leitern der Querschnitt
vergrössert und die Länge verkleinert wird, nimmt das Hinderniss ab, das
sie dem Durchströmen der elektrischen Materie entgegensetzen. . . .
„Schon hieraus lässt sich abnehmen, welchen ausserordentlichen Wider-
stand die feuchten Leiter in meinen Säulen und Becherapparaten dem durch
die Berührung der Metalle erzeugten elektrischen Strome entgegensetzen
müssen. Um ihn jedoch auch durch directe Versuche zu bewähren und
einigermaassen zu schätzen, errichte man aus einem einzigen Metalle und
feuchten Leiter einen Becherapparat oder eine Säule. In beiden findet keine
Erregung von Elektricität statt; sie bilden nur eine Art von leitender Kette,
deren Leitvermögen aber bei weitem geringer, als das von blossem Metalle
ist, wie sich sogleich zeigt, wenn man sie in den Entladungskreis einer
schwach geladenen Flasche bringt. Eine Flasche, die beim Entladen durch
Metalle, die man in den Händen hält, eine Erschütterung bis in den Ellen-
bogen erregt, giebt dann nur einen Stoss bis zum Handgelenke, und die
Erschütterung ist um so schwächer, je mehr der Schichten, und mithin der
feuchten Leiter in solchen Apparaten sind. Dasselbe zeigt sich, wenn man
eine Menge solcher Schichten in den Entladungskreis einer recht wirksamen
elektrischen Säule bringt
„Die feuchten Körper in der Säule retardiren den elektrischen Strom
indessen nicht bloss durch ihr schlechtes Leitungsvermögen, sondern auch
durch die Unvollkommenheit ihrer Berührung mit den Metallen, mögen sie
auch noch so genau an die Metalle sich anzuschliessen scheinen. Selbst bei
dem Übergange von einem Metall in ein anderes Metall, das damit dem
Anscheine nach in Berührung ist, leidet das elektrische Fluidum stets Wider-
stand, wie die Erfahrung zeigt; dieser Widerstand wird zwar um so geringer,
je mehr man beide Metalle an einander drückt, fällt aber doch nie ganz
fort, wie man an den metallenen Ketten sieht, die, man mag sie noch so stark
anspannen, das elektrische Fluidum nie so frei durchgehen lassen, als Metall,
das stetig zusammenhängt. Ebenso sind zusammengeschichtete Münzen, sie
mögen noch so stark zusammengepresst sein, für das elektrische Fluidum nie
so leicht durchgängig, als Münzen, die aneinander gelöthet sind, oder als
eine gleich grosse Metallstange.
„Beiden Mängeln kann man bis zu einem gewissen Grade abhelfen,
2Q6 Zehntes Kapitel.
wenn man statt des reinen Wassers salzige Flüssigkeiten zum Anfeuchten
der porösen Scheiben in der Säule nimmt, oder in die Becher des Becher«
apparates giesst.
„Salzige oder andere Flüssigkeiten, welche die Metalle, mit denen sie
in Berührung sind, durch chemische Einwirkung angreifen, schliessen sich
erstens dabei dichter an die Metalle an, und treten mit ihnen in so innige
Vereinigung, dass beide, wenn auch nicht einen einzigen Körper bilden,
doch nun ununterbrochen zusammenhängen. Dadurch mindern sie die Un-
vollkommenheit der Berührung in eben demselben Grade, als das zwischen
verschiedenen Metallplatten durch Zusammenlöthen oder Aneinanderschmelzen
geschieht. Durch diese verschiedenen Arten der Berührung wird die Be-
wegung des elektrischen Fluidums sehr modificirt, und bald mehr, bald minder
gehindert.
Zweitens sind die salzigen Flüssigkeiten, die die Metalle angreifen, ihrer
Natur nach auch unvollkommene Leiter, aber lange nicht in dem Grade,
wie das reine Wasser. Ich will hier nicht die sehr vielen Versuche erzählen,
die ich schon früher in besonders dazu erdachten Apparaten angestellt habe,
um das Leitvermögen verschiedener Flüssigkeiten (oder, um mich genauer
auszudrücken, den Grad des Widerstandes, den verschiedene Flüssigkeiten
dem elektrischen Fluidum leisten) mit einiger Genauigkeit zu bestimmen;
Versuche, welche mir bewiesen haben, dass die salzigen, die sauren und die
alkalischen Flüssigkeiten 10, 20, 30 mal u. s. w. bessere Leiter, als das reine
Wasser sind, und die mir viele interessante Resultate gegeben haben. Hier
wird es genug sein, dass man die vorhin beschriebenen Versuche mittelst
dieser Flüssigkeiten wiederholt und durch Zusammenschichten derselben mit
nur einem Metalle die Leidener Flasche entladet. Der Glanz und der Schall
des Funkens sind dabei zwar ebenfalls schwächer, als bei einem metallenen
Schliessungsbogen, aber ohne Vergleich stärker, als wenn man das Metall
mit reinem Wasser zusammengeschichtet hat. Auch erhält man beim Ent-
laden einer Leidener Flasche durch einen 1 Linie dicken Cylinder einer
solchen Flüssigkeit eine Erschütterung, wenn eine 2 oder 3 mal dickere Röhre
voll Wasser bei derselben Ladung noch keine Erschütterung durchlässt.
„Diese beiden Gründe vereint machen, dass salzige Flüssigkeiten den in
meinen Apparaten erregten Strom viel weniger retardiren, als reines Wasser,
und dass daher Apparate mit gleich viel Plattenpaaren ohne Vergleich stärkere
Erschütterungen geben, wenn ihre feuchten Schichten mit Salzlauge oder
noch besser mit Salmiak- oder Alaunauflösung u. s. w. befeuchtet sind, als
wenn sie blosses Wasser enthalten. Dieses allein ist die wahre Ursache der
verstärkten Kraft der Apparate mit salzigen Flüssigkeiten, und sie ist keines-
wegs darin zu suchen, dass etwa die galvanische Wirkung in der Berührungs-
fläche der Metalle mit der Feuchtigkeit ausschliesslich oder doch vorzüglich
erregt, und durch die chemische Einwirkung der Flüssigkeiten auf die Metalle
und die Oxydirung der letzteren durch die Flüssigkeit begründet würde, wie
sich das Mehrere eingebildet haben. Denn die galvanische Wirkung, die man
Elektrochemische Theorieen.
297
och einmal allgemein für nichts, als eine im eigentlichen Sinne elektrische
/irkung anerkennen sollte, beruht auf der gegenseitigen Berührung der
eterogenen Metalle, und ist von diesen Feuchtigkeiten und ihrer chemischen
/irkung gänzlich unabhängig, wie ich das in meiner ersten Abhandlung
J. 1 34) bewiesen habe.
„Zwar ist nicht zu leugnen, dass eine ähnliche Wirkung in der Berüh-
ing jedes dieser Metalle mit dem feuchten Leiter erregt wird; sie ist in-
essen nicht merklich stärker, als die, welche zwischen diesen Metallen und
einem Wasser entsteht, und im Ganzen so gering, dass sie gegen die Elektri-
Hätserregung durch die beiden heterogenen Metalle bei ihrer Berührung
kht in Betracht kommt, einige Fälle ausgenommen, die ich a. a. O. ange-
geben habe. Will man sich hiervon überzeugen, so baue man zwei ähnliche
Raulen aus gleich vielen Plattenpaaren, z. B. aus 40 Paaren Zink- und Kupfer-
scheiben auf, wo in der einen reines Wasser, in der anderen Salzwasser als
dichter Leiter dient Nun untersuche man beide mit dem Condensator und
Jem Elektrometer nach meiner Weise : Beide werden denselben Grad elektri-
scher Spannung geben, nämlich 80 oder 100, wenn der Condensator 120 oder
150 mal condensirt Dieses entspricht 1/60 Grad Spannung für jede einzelne
Schichtung, und gerade eine so grosse elektrische Spannung erregen, wie ich
dargethan habe, je zwei sich berührende Metalle ohne Dazwischenkommen
irgend eines feuchten Leiters. Nun aber entlade man beide Säulen mit
feuchten Händen; die, welche Wasser zum feuchten Leiter hat, wird nur
eine sehr schwache Erschütterung geben, die mit Salzwasser dagegen eine
ziemlich starke, welche auffallende Verschiedenheit der Erschütterung bei
gleicher elektrischer Spannung daher rührt, dass die Erschütterung nicht bloss
vom Grade der Elektricität, sondern auch von der Güte der Leitung ab-
hängt, das heisst, vom minderen Widerstände, welcher der elektrische Strom
bei seinem Durchgange leidet, und dass dieser Widerstand in der Säule mit
Salzwasser aus beiden oben angegebenen Gründen geringer ist, als in der
mit reinem Wasser. — Noch besser lassen sich diese Vergleiche in einem
Becherapparate anstellen. Man fülle die Becher desselben erst mit reinem
Wasser und bestimme seine Spannung und die Erschütterung, die er er-
theilt. Erstere wird der eines Säulenapparates von gleich vielen Schieb-
ungen gleich, letztere wegen grösserer Breite der feuchten Schichten schwächer,
üs im Säulenapparate sein. Nun werfe man in jeden Becher etwas Salz und
mtersuche aufs neue. Die elektrische Spannung wird man dadurch nicht
rergrössert, die Erschütterung aber weit stärker, als vorher finden.
„Aus allem erhellt zugleich, welch ein zweideutiges Zeichen die blosse
Erschütterung vom Grade der Elektricität ist, da diese ebenso sehr von der
Jute der Leitung, dem mehr oder minder freien Durchgange, den sie dem
lektrischen Fluidum verstattet, als von der Spannung abhängt. Indem
lan bloss vom Grade der Erschütterung auf den Grad der sogenannten
alvanischen Action schloss, und jene bei salzigen Flüssigkeiten, welche die
letalle angreifen, und eines von ihnen mehr oxydiren, stärker, als bei reinem
2Q8 Zehntes Kapitel.
Wasser fand, kam man darauf, dieser Berührung des feuchten Körpers mit
den heterogenen Metallen, und der chemischen Einwirkung desselben auf
die Metalle die Erscheinungen des sogenannten Galvanismus zuzuschreiben,
und verirrte sich in wunderbare Meinungen, indem man unter anderem ab
Ursache dieser Erscheinungen ein besonderes Agens oder Fluidum erdachte^
das vom elektrischen Fluidum verschieden, oder wenigstens eine besondere
Modification des letzteren, ein sogenanntes galvanisch-elektrisches Fluidum sei
„Meine früheren Versuche über die eigentliche metallische Elektrichät
hätten die Physiker auf dem wahren Wege erhalten können; sie waren in*
dessen wenig bekannt, obgleich sie in mehreren Journalen im Druck er-
schienen sind. Jetzt, da ich sie besser bekannt gemacht, und ihnen in dieser
Abhandlung so viele neue beweisende Versuche beigefügt habe, zweifle ich
nicht, dass diese elektrometrischen Versuche, und die ihnen beigefügten Er-
läuterungen hinreichen werden, um Alle zu dem wahren Princip zurückzu-
führen, und jeden wahren Physiker zu überzeugen, dass das Fluidum, welches
sowohl in den einfachen galvanischen, als in meinen neuen zusammenge-
setzten Apparaten in Bewegung gesetzt wird, das blosse rein elektrische
Fluidum ist, das durch die blosse gegenseitige Berührung verschiedenartiger,
besonders metallischer Leiter erregt und impellirt wird, und das im Übrigen
den bekannten Gesetzen der Elektricität unterworfen ist."
Die vorstehenden Darlegungen Volta's sind in mehrfacher Beziehung
lehrreich. Einmal überrascht die im Vergleich zu seinen früheren Äusserungen
auffallend entschiedene Sprache, mit der er den Gedanken an eine mögliche
Mitwirkung der feuchten Zwischenschichten zurückweist, sodann zeigen aber
seine experimentellen Belege für die Richtigkeit seines Standpunktes mit
grosser Klarheit die Stelle auf, an welcher die chemische Theorie der Säule
immer wieder mit Erfolg angegriffen wurde, und die ihre Vertreter bis auf
unsere Zeit nie recht erfolgreich zu vertheidigen gewusst haben.
Volta weist mit Hülfe des Elektroskops nach, dass die Spannung einer
mit Wasser angesetzten Säule, in welcher nur sehr geringe chemische Wir-
kung (nach Volta gar keine) stattfindet, eben dieselbe ist, wie die einer mit
Salzlösung angesetzten, in welcher eine erhebliche chemische Wirkung er-
folgt. Die gleiche Schlussweise kehrt in der Folge immer wieder ; stets werden
von den Anhängern der Contactlehre neue Fälle namhaft gemacht, wo troll
starker chemischer Wirkung geringe elektrische erfolgt, und umgekehrt, und
stets sind die Anhänger der chemischen Theorie gezwungen, dieses Argu-
ment ohne rechte Erwiderung zu lassen und den Gegnern den Triumph m
gestatten, dass das Experimentum crucis zur Widerlegung der chemischen
Theorie gefunden sei.
Die Voraussetzung, welche hier von den Contacttheoretikern stillschwei-
gend gemacht, und von den Chemikern ebenso stillschweigend gebilligt wop»
den ist, ohne dass sie jemals ausdrücklich ausgesprochen und geprüft worden
wäre, und auf welcher der ganze Beweis beruht, ist offenbar, dass jeder
chemischen Wirkung in der Säule eine proportionale elektrische entsprechen
Elektrochemische Theorieen.
299
Die Frage: sind alle chemischen Vorgänge geeignet, elektrische
rkungen zu geben, und wenn nicht, welches sind die Bedingungen, damit
mische Vorgänge proportionale elektrische Wirkungen hervorbringen? —
rlamaU nicht gestellt worden, und durch die ganze Geschichte der Elektro-
anie rieht sich unentschieden der Streit, weil diese Frage nicht gestellt
i beantwortet wurde. Formell behielten in dem Streite die Contacttheore-
er oft genug Recht, weil in der oben erwähnten Weise die Gegner ihnen
mer mehr zugestanden hatten, als nöthig und richtig war; trotzdem blieb
er das Bewusstsein von der sachlichen Richtigkeit der chemischen Theorie
lebhaft und unerschütterlich bestehen, dass die so oft „widerlegte" Theorie
&t zu beseitigen war, und in neuester Zeit durch die Stellung und ge-
igende Beantwortung jener Hauptfrage wohl auch den endgültigen Sieg
fochten hat
3. Die Ausbreitung der VoLTA'schen Theorie. Der Einfluss von
olta's Anschauungen über die Ursache der Wirkung in seiner Säule
achte sich alsbald geltend; während die früheren Forscher stets die unver-
mnbaren chemischen Wirkungen als wesentlich angesehen hatten, und bei
* Instruction ihrer Apparate dafür Sorge zu tragen gesucht hatten, dass
e chemische Wirkung möglichst erleichtert und befördert wird, betont der
mchterstatter über eine neue VoLTA'sche Säule in seinem Bericht an das
iriser Nationalinstitut,1 dass dies bei einer von Allizeau construirten Säule
rmieden sei. „Seit man sich überzeugt hat, dass die Berührung der Metalle
is wesentliche elektrische Element der gewöhnlichen VoLTA'schen Säule
, und dass die Wirkungen der Oxydationen, welche die zwischenliegenden
jehten Scheiben in den Metallen hervorbringen, keinen vergleichbaren
itheil an der ganzen Wirkung haben, darf man einen galvanischen Apparat,
n dauernder und constanter Wirkung, der keiner Reinigung der Platten
darf, für keine Chimäre halten/'
Um jene Zeit sass diese Vorstellung, dass die VoLTA'sche Säule ein
ihres Perpetuum mobile sei, in den Köpfen der anderen Forscher noch
cht so fest, wie bei Volta, und bei Gelegenheit der deutschen Übersetzung
r vorstehenden Mittheilung in Gilbert's Annalen äussert sich nicht nur
1 Herausgeber ziemlich seeptisch über diese Anschauung, sondern auch
itter2 erklärt mit grösster Entschiedenheit, dass alle als Zwischenleiter
mutzten sogenannten trockenen Stoffe thatsächlich wasserhaltig sind, und
ir dadurch ihre Wirkung hervorbringen. Gleichzeitig weist er darauf hin,
ass die kleinsten Spuren von Wasser in den Zwischenschichten dazu ge-
iigen, um in der Säule eine am Elektrometer sichtbare Spannung zu
rzeugen; sogar Glas lässt sich als Zwischenschicht verwenden, wenn man
s im gewöhnlichen Zustande anwendet, wo es die an der Luft erhaltene
atende Oberflächenschicht besitzt; so wie man es aber sorgfältig erwärmt
md trocknet, so hören auch alle Ladungen am Elektrometer auf.
1 Joura. de Phys., 57, 74. 1803. — Gilbert's Ann. 18, 109. 1804.
* IntclligenzbL d. allg. Litteraturz. 1802, Nr. 193.
300 Zehntes Kapitel.
Bei Gelegenheit einer Auseinandersetzung über gewisse Schwierigkeiten
der Volt Ansehen Theorie äussert sich ein Ungenannter1 in folgender verstän-
diger Weise.
„Für die rein elektrischen Erscheinungen der Säule ist die VoLTA'sche
Theorie vollkommen befriedigend; und hätten wir eine Säule gefunden, in
welcher zwischen den Elektromotoren chemisch unveränderliche und zugleich
nicht als Excitatoren wirkende Stoffe die Stelle der feuchten Leiter verträten,
so wäre für diese die Theorie vollendet und Hesse nichts mehr zu erklären
übrig. Wir würden dann durch Vergleichung der Wirkungen einer solchen •
trockenen Säule mit den Wirkungen einer feuchte Leiter enthaltenden Säule
am besten heraus finden, was in der rein elektrischen Funktion der Elektro-
motore abgeändert wird durch die elektrisch-chemische Funktion der che-
misch veränderlichen feuchten Leiter.
„So lange nun diese Entdeckung noch nicht gemacht ist, so lange kann
die Vermuthung nicht geradezu abgewiesen werden, dass in der gewöhn-
lichen Säule noch etwas anderes vorgehe, als die blosse Durchleitung und
Addition der durch die Elektromotore erzeugten Elektricität, wenn gleich
unläugbar die elektrischen Erscheinungen der Säule ihren Ursprung in der
Erregung haben, die zwischen den heterogenen Metallpaaren stattfindet"
Hält man diese Darlegung, gegen welche man mit Ausnahme des letzten
Satzes, nichts einwenden kann, mit der allmählich mehr und mehr ab
allgemein gültig erkannten Thatsache zusammen, dass solche rein elektrische
Säulen unmöglich sind, so ist auch im Sinne unseres Autors der Schluss
unvermeidlich, dass das, was die elektrochemische Säule von der nicht
chemischen unterscheiden würde, eben der Umstand ist, dass jene elektrisch
ist, und diese es nicht wäre.
4. Schluss der Arbeiten Volta's. Wir nehmen an dieser Stelle
Abschied von dem genialen Erfinder der Säule; zwar hat er nach dem hier
erwähnten Zeitpunkt noch ein Vierteljahrhundert gelebt, jedoch ohne weiteres
zu der Entwickelung der von ihm so glänzend begonnenen Forschungen zu
thun. Es ist daher hier der passende Ort, einige Angaben biographischer
Natur mitzutheilen. Ich folge darin dem ausführlichen Nekrolog, welchen
Arago2 in seiner Eigenschaft als beständiger Sekretär der Pariser Akademie
veröffentlicht hat.
Volta's Leben hat sich in ausserordentlich einfachen Formen abgespielt,
und ist an äusseren Ereignissen sehr arm gewesen. Er wurde am 1 8. Februar
1745 in Como geboren. Über seine Jugend finde ich die Angabe, dass er
ein früh begabter Schüler war, und dass er sehr jung gegen schwierige Ver-
hältnisse zu kämpfen hatte. Er hat fast sein ganzes Leben in seiner Vater-
stadt und deren Nähe, in Pavia zugebracht; im 22. Lebensjahre machte er
seine erste Reise, die ihn zu Haller, Voltaire und Saussure führte. Seine
ersten A hte er 1769 über die Leidener Flasche und 1771
.06. • Oeuvres der Fr. Arago, T. I, 187. Paris 1854.
Elektrochemische Theorieen.
30I
er die Abhängigkeit der Reibungselektricität von der Beschaffenheit der
benden Stoffe; sie verschafften ihm die Stelle eines „r£gent" und bald
* eines Professors der Physik an der königlichen Schule in Como. In
ser Stellung erfand er seinen Elektrophor und sein Eudiometer. 1779
irde er zum Professor der Physik in Pavia ernannt, welche Stellung er im
hre 1804 aufzugeben gedachte; doch behielt er sie auf den Wunsch
ipoleon's der für ihn eine ungewöhnliche Hochachtung hegte, noch bis
m Jahre 181 9, von seinen amtlichen Thätigkeiten fast ganz entlastet In
e erste Zeit seiner Stellung zu Pavia fallen seine grossen Entdeckungen,
xh scheint er seine Arbeiten fast ausschliesslich in seinem Landhause zu
omo ausgeführt zu haben; wenigstens sind sie meist von dort datirt.
Im Jahre 18 19 zog sich Volta endgültig von seiner amtlichen Thätig-
eh zurück, und lebte in grosser Zurückgezogenheit im Kreise seiner Familie
t war seit 1794 mit Therese Pellegrini verheirathet, und besass drei Söhne),
is er am 5. März 1827, im Alter von 82 Jahren, eines sanften Todes starb,
»ein Geist war schon viel früher erlöscht.
5. Versuche von Schweigger. Zur Frage nach der Richtigkeit der
/oLTA'schen Theorie hat Schweigger1 einen bemerkenswerthen Versuch bei-
;ebracht, der von den Zeitgenossen allerdings nicht weiter erörtert wurde —
rfenbar, weil man ihn nicht zu erklären vermochte — und dessen volles
verstandniss auch erst der neuesten Zeit vorbehalten blieb. Der Versuch
st folgendermaassen beschrieben:
„Denken Sie sich einen Trog, z. B. aus gebranntem Thon, oder aus
wei untereinander rechtwinklig verbundenen Brettchen. Dieser werde in-
A
B
JD F K
Fig. 91. Nach Schweigger.
Fig. 92. Nach Schweigger.
Ä.33.*" XrM&JC' A'Vn
u
»endig mit Glas ausgekittet und mit etwa 50 Glasfächern versehen. . . . Die
Fig. 91 stellt den Trog im Durchschnitt nach der Länge vor. . . . Fig. 92
teigt den Durchschnitt des Troges nach der Breite. Alle Kupfer- und Zink-
glatten seien an der einen Ecke durchbohrt.
Uan hänge K^ZK1 durch einen Draht zu-
ammen, wie es die Zeichnung darstellt in
\> 93.
„Nun ist freilich A? und Z durch eine
riaswand getrennt, und bloss durch den
[essingdraht, der die Platten verbindet, mit demselben in Contacte; Kl hin-
gen liegt unmittelbar an Z und berührt dasselbe mit seiner ganzen Fläche,
an kann, wenn es beliebt, diese Ungleichheit aufheben, obwohl dies aus
Fig. 93-
1 Journ. f. d. Chemie, Physik und Mineral. 7, 537. 1808.
302 Zehntes Kapitel.
bekannten Ursachen unnöthig ist. Zwischen Z und Kl lege man nämlkk
unterhalb des Messingdrahtes, der beide vereinigt, einen Streifen Glas oder
überlackirtes .Holz, kurz einen Nichtleiter. Auf diese Art ist Z zu beiden
Seiten mit Kl und K% vollkommen auf dieselbe Weise in Contacte, ver-
mittelst des Messingdrahtes nämlich, durch welches die drei Platten zusammen-
hängen.
„Nach Volta's Theorie kann hier unmöglich Wirkung entstehen, indem
Z von zwei entgegengesetzten Kräften afficirt wird, und also zugleich mit
Kl und K2 im natürlichen Zustande bleibt. Der Impuls des K2 gegen Z
wird durch den entgegengesetzten des Kl gegen ' Z aufgehoben.
„Giessen Sie nun aber einmal Wasser in die einzelnen Fächer. Ich
nehme gewöhnlich Salzwasser oder Wasser mit ein wenig Schwefelsäure ver-
mischt. Es erfolgt ebenso Wirkung, als wenn Sie bloss K%Z mit Hinweg-
lassung des entgegengesetzten Kl gelegt hätten. Lebhaft ist die Erschütte-
rung, lebhaft die Gasentbindung. Aber vielleicht rührt diese Wirkung von.
dem Contacte des Messingdrahtes mit Z her? Denn obgleich die Impulse
der zu beiden Seiten des Z liegenden Kl und K2 sich aufheben, so wird
doch dadurch der Impuls von oben nach unten Messingdraht -Zink inner-
halb der Öffnung der durchbohrten Platten (wenn nämlich der Draht nicht
auf allen Seiten scharf anliegt, genau in die Öffnung passend) keineswegs
aufgehoben."
Schweigger schildert nun einige andere Versuchsanordnungen, bei denen
dieser Einwand vermieden war; das Ergebniss der Versuche war ganz das
gleiche. Daraus zog er dann den folgenden Schluss:
„Es bleibt uns also nichts übrig, als entweder zu behaupten, dass Zink
aus den beiden, ihm auf den entgegengesetzten Seiten anliegenden Kupfer-
platten Elektricität an sich reisse, was jedoch der VoLTA'schen Theorie wider- j
spricht, oder anzunehmen, dass der feuchte
z' zSJFnZ' z?A
z Leiter in der elektrischen Säule eine grössere
Rolle spielt, als die Theorie ihres grossen
Erfinders ihm beilegt"
Fi t Bei der weiteren Erörterung seines Ver-
suches erwähnt Schweigger einen wichtigen
anderen Versuch (Fig. 94). Wenn man nämlich statt zweier Kupferplatten
und einer Zinkplatte umgekehrt zwei Zinkplatten, und in Berührung mit
einer derselben eine Kupferplatte in den Apparat bringt, so wird keine
Wirkung beobachtet „Nimmt man jedoch einige Z heraus, oder hebt nur
die vollkommen leitende Verbindung einiger Z mit K auf, so stellen sich
die elektrischen Erscheinungen sogleich wieder ein."
Die Beobachtung wurde nun der Gegenstand eines Briefwechsels zwischen
ihm und Ritter. Der letztere fand keine genügende Erklärung au£ welche
Thatsache allerdings aus dem unendlichen Wortschwall, den Ritter seiner
Gewohnheit nach vorbringt, nur schwierig herauszulesen ist. Auch der
Erklärungsversuch Schweigger's erscheint schwerlich genügend; er kommt
Elektrochemische Theorieen.
303
i
\
darauf hinaus, dass er durch den Einfluss der beiden Metalle das Wasser
in den Zellen sich polarisiren, d. h. sich polar anordnen lässt; diese polare
Anordnung ist in dem Falle seines Versuches nicht mehr völlig symmetrisch,
und daher rührt nach ihm der Strom.
Gegenwärtig müssen wir diese Erscheinung, mit der man sich in der
Folge nicht mehr beschäftigt hat, so interessant sie ist, für einen Concen-
trationsstrom erklären, von derselben Art, wie die S. 187 besprochene,
von Bucholz beobachtete Erscheinung. Durch die Berührung der zweiten
Kupferplatte mit dem Zink wird aus der umgebenden Flüssigkeit die geringe
Menge des dort aufgelösten Kupfers entfernt, während diese Wirkung an
der anderen Seite nicht eintreten kann, da dort kein Zink in metallischer
Berührung mit dem Kupfer vorhanden ist. Dadurch entsteht das Element:
Kupfer in (relativ) concentrirter Kupfersalzlösung gegen Kupfer in äusserst
verdünnter Lösung, und ein solches Element hat eine um so grössere elektro-
motorische Kraft, je grösser das Verhältniss der beiden Concentrationen ist.
Auf die weiteren Darlegungen Schweigger's ist hier nicht einzugehen,
Fig. 95-
da sie weiter nicht viel Bemerkenswerthes enthalten. Dagegen ist aus einer
weiten Abhandlung über den gleichen Gegenstand l ein Versuch zu erwähnen,
der bisher völlig übersehen zu sein scheint, obwohl er die erste Beobachtung
einer thermoelektrischen Erscheinung darstellt.
„Zum Schluss will ich noch einer galvanischen Batterie aus einem festen
und einem flüssigen Leiter gedenken, wo bloss durch Temperaturunterschied
die elektrische Differenz begründet wird.
„. . . In Fig. 95 stellen nämlich A und B Schalen aus Kupfer vor, die
abwechselnd durch einen nassen, mit Salzwasser getränkten Streifen Ar und
einen Messingdraht M verbunden sind. In alle wird verdünnte Salzsäure
gegossen. Unter jeder Schale A entzünde man eine Wachskerze, und sogleich
wird sich der galvanische Process einstellen, indem der Polardraht a sich
verkalkt, während an ß sich Wasserstoffgas entbindet. Ich hatte nur 14 Kupfer-
schalen, die so geordnet waren, dass ich 7 polarische Wasserschichten erhielt,
und dennoch zeigte sich an dieser schwachen Batterie an den Polardrähten
von Messing, die sich in mit wenig Salzsäure vermischtem Wasser befanden,
die gewöhnlichen galvanischen Erscheinungen sehr deutlich. Die Gasent-
1 Journ. f. d. Chemie, Physik und Mineral. 9, 704. 18 10.
304 Zehntes Kapitel.
bindung hörte bald auf, wenn ich die Lichte auslöschte, und stellt sich also»]
bald nach Anzündung derselben wieder ein. a
„Man mag nun diese Erscheinung entweder aus der Heterogenität des ü
durch die aufsteigende Flamme erhitzten, und des kalten Metalls in Hinsicht te
auf elektrisches Leitungsvermögen, oder daraus erklären, dass jene Batterie, fcs
da verdünnte Salzsäure bloss mit Hülfe der Wärme das Kupfer angreift, {22
gleichsam aus zwei heterogenen feuchten und einem festen Leiter construirt ^
angesehen werden könne, — genug, dass hier zum ersten Male vermitteist fc
erhöhter Temperatur (mittelst der Flamme) Galvanismus hervorgerufen wird ^
Wenn aber Galvanismus und Chemismus . . . einerlei ist, so kann die An- ;::
wendung der Flamme zur Hervorbringung galvanischer Erscheinungen um »3
so weniger gleichgültig erscheinen, je wichtiger die Rolle ist, welche das »x
Feuer bei chemischen Processen spielt." ^
Es ist sehr merkwürdig, dass diese Versuche weder von gleichzeitigen ^
oder späteren Forschern fortgesetzt, noch auch sonst irgendwie berücksichtigt ,;;:
worden sind; auch in der Geschichte des Galvanismus sucht man ihre .
Kenntniss vergebens. Dass Schweigger selbst seine Entdeckung nicht er- ^
weiterte und vertiefte, ist vielleicht daraus zu erklären, dass er gleichfalls in a
höchstem Maasse mit der Zeitkrankheit der Naturphilosophie behaftet war, ^
die ihn daran verhinderte, exakte Untersuchungen auszuführen. Die völlige v
Vergessenheit, in die seine Entdeckung der ersten thermoelektrischen Er- .
scheinung gerathen ist, muss nichts desto weniger als ungerecht bezeichnet „
werden.
6. Die französischen Forscher. Schon bei Gelegenheit der Ent- „.
deckungen Galvani's machten sich bezüglich der Betheiligung der Gelehrten .
verschiedener Länder auffallende Unterschiede geltend. Während in der
ersten Zeit des Galvanismus vorwiegend deutsche Forscher neben den Ita-
lienern thätig waren, und nach Erfindung der Säule die Engländer sich mit
glänzendem Erfolge diesen zugesellten, ja es ihnen vorausthaten, macht sich
in Frankreich viel langsamer ein Interesse und eine thätige Betheiligung an
der Arbeit geltend. Auch ist bei letzterer nichts von Erheblichkeit heraus-
gekommen.
Zum Belege für das Gesagte sei auf den Bericht (S. 59) hingewiesen,
welchen die dazu bestellte Commission im Jahre 1797 der Akademie über .
Galvani's Entdeckungen abstattete. Nachdem der Ruhm der VourA'schen Säule
die ganze wissenschaftliche Welt erfüllt hatte, lud das Institut (die frühere
Akademie) den Entdecker ein, ihm seine Ergebnisse vorzutragen. Volta ist
dieser Aufforderung nachgekommen; die S. 134 mitgetheilte Abhandlung
bildete den Inhalt der ersten Vorlesung Volta's und nach Beendigung der-
selben erhob sich der Consul Bonaparte und beantragte, den Dank des In-
stitutes an Volta durch die Verleihung einer Medaille auszudrücken. Dies
wurde angenommen und ausgeführt.
Auch in der Folge bewies Napoleon Bonaparte ein lebhaftes Interesse
an den Arbeiten auf diesem Gebiete. Nachdem Davy*s glänzende Entdeckungen
1
j
Elektrochemische Theorieen.
305
gezeigt hatten, welche Schätze noch auf diesem Gebiete zu heben waren,
stiftete er alsbald eine noch viel grössere Batterie, als die von Davy be-
nutzte, welche Gay-Lussac und Thenard anvertraut wurde. Die Ergebnisse,
obwohl schätzbare Beiträge zum allgemeinen Bestände der Kenntnisse auf
dem Gebiete, entsprachen allerdings wohl kaum den Erwartungen, denn eine
ahnliche glänzende Entdeckung, wie die Davy's, liess sich nicht erzielen.
So sehen wir, dass trotz mannigfaltiger äusserer Förderung — es hatte
sich auch inzwischen in Paris eine „galvanische Gesellschaft" gebildet, welche
ach die Prüfung und Erweiterung aller auf diesem Gebiete gemachten Ent-
deckungen zur Aufgabe gemacht hatte, und von deren Thätigkeit schon
einiges, wenn auch nicht eben rühmliches (S. 229) zu berichten war — es den
französischen Gelehrten zunächst nicht gelang, einen erheblichen Antheil an
der Entwicklung unseres Gebietes zu nehmen. Selbst Forscher, die gleich-
fertig und später Hervorragendes an anderen Stellen geleistet haben, bringen
Wer Dinge zu Tage, die weit unter dem stehen, was von ihren Zeitgenossen
erreicht wird. Es sind deshalb bisher im Verlaufe unserer Geschichte fran-
zösische Mitarbeiter kaum genannt worden; um einen Beleg zu dem Ge-
sagten zu geben, seien hier einige Abhandlungen von Biot erwähnt. Die
erste derselben, eine der ältesten Arbeiten der Franzosen über die Säule,
fuhrt den Titel : Über die Bewegung des galvanischen Fluidums l und ist
am 14. Aug. 1801 dem Institut vorgelegt worden. Der Inhalt dieser Ab-
handlung steht im grellsten Gegensatz zu dem, was man von einem Manne
erwartet, der sich durch seine anderen Forschungen die wissenschaftliche
Stellung erworben hat, die ihm allgemein zugestanden wird. Die Arbeit
enthält von Anfang bis zum Ende fast nichts, als Irrthümer; so wird
behauptet, dass Säulen aus kleinen Platten stärkere Erschütterungen geben,
als solche aus grösseren, weil die Elektricität bekanntlich aus Spitzen um
so leichter entweicht, je spitzer sie sind, „woraus nach der Analogie zu
schliessen ist, dass ebene Flächen, welche gleichsam Elemente von grossen
Kugeln sind, nur mit Schwierigkeit das Fluidum, womit sie beladen sind, von
sich geben, und zwar mit desto grösserer Schwierigkeit, je grösser sie sind. . . .
In einer VoLTA'schen Säule . . . muss daher die Bewegung des galvanischen
Fluidums um so schneller sein, je kleiner die Metallplatten sind." Ferner
sollen nach Biot die Anziehungen bei grossen Platten viel merklicher sein,
als bei kleinen. Auch wird behauptet, dass sich die galvanische Wirkung
viel leichter an der Oberfläche des Wassers fortpflanze, als durch seine
Masse, und dergleichen mehr.
Neben diesen Behauptungen, die, wie auch der Herausgeber der Annalen
später bemerkt, mehr auf die Hypothesen des Verfassers, als auf sorgfältige,
vergleichende Versuche gestützt zu sein scheinen, sind indessen in der frag-
lichen Abhandlung einige richtige Beobachtungen vorhanden. Insbesondere
ist als werthvoll die Bemerkung zu erwähnen, dass die Säule viel stärkere
1 Gillert's Ann. 10, 24. 1802.
Ostwald, Elektrochemie. 20
306 Zehntes Kapitel.
t3
»i
Oxydation erfährt und viel mehr Sauerstoff absorbirt, wenn sie geschlossen,
als wenn sie offen ist. Die Irrthümer, in welche Biot gerathen war, lassen
sich leicht erklären: Es sind falsche Anwendungen der für die Vertheilung
der statischen Elektricität auf Leitern eben entwickelten allgemeinen Gesetfe'
Bedenklich ist nur die Sorglosigkeit, mit welcher diese an sich richtigen und
wichtigen Beziehungen angewendet wurden, ohne dass eine ernste Prüfung, p
ob die Anwendung zulässig ist, durchgeführt worden wäre. b
Nachdem Volta in Paris vor dem Institut seinen Vortrag (S. 134) ge- ■ ..:
halten hatte, änderte Biot seine Meinung von dem Einflüsse der Oxydation "^
auf die Elektricitätserregung in der Kette. Er maass l mittelst der Coulomb'- b
sehen Drehwage (S. 93) die Spannung verschiedener Säulen, deren Platten 'c
an Zahl und Beschaffenheit gleich waren, die aber verschiedene Flüssig-
keiten enthielten, und fand ziemlich bedeutende Verschiedenheiten. Um sich :
zu überzeugen, ob dies von der Verschiedenheit der Oxydation herrühre, :
stellte er folgende seltsame Überlegung an. Wurden die Enden der Säule :
durch einen Draht verbunden, so gab die Säule keinen Ausschlag am Elektro- ;
meter, wie bekannt. Da dabei der elektrische Strom und die entsprechende ;
Oxydation immer fortdauerte, so erwartete Biot, diese Elektricität in dem
verbindenden Drahte zu finden. Er hob daher diesen ab, prüfte ihn am
Elektrometer, das wie gewöhnlich mit dem Condensator verbunden war, und
fand natürlich keine merkliche elektrische Ladung in dem Drahte. Er schliesst
daher: „Muss auch gleich die Oxydation in Volta's Säule gewiss etwas
Elektricität entwickeln, so ist doch das Resultat dieser Ursache ganz unver-
gleichbar mit dem, was die Berührung verschiedener Metalle . . . hergiebt."
Auch für diese Arbeit Biot's gilt die Bemerkung, welche Gilbert zu
einer früheren gemacht hatte, dass das Ergebniss mehr durch eine vorge-
fasste Meinung, als durch sorgsame Beobachtung entstanden ist. Derartige
Dinge sind um so bedenklicher, wenn sie, wie in diesem Falle, mit dem An-
scheine grösster Genauigkeit auftreten; Biot hat vorher ganz eingehend ge-
schildert, wie man die Berührung des Condensators mit der Säule einrichten
müsse, um vergleichbare Resultate zu erlangen, und hat durch diese Sorg-
falt der äusseren Versuchsanordnung sich und gewiss auch viele Andere
über die bedenkliche Beschaffenheit der Schlüsse, die er aus diesen genauen
Versuchen zog, getäuscht.
Einige Zeit später erschien die ausfuhrliche Abhandlung Biot's,2 welche
denselben Gedankengang in grösserer Ausdehnung enthält. Von einigem
Werth ist der bei dieser Gelegenheit erbrachte messende Nachweis, dass die
Grösse der Platten keinen Einfluss auf die Spannung hat. Mittelst dreier
Säulen aus je 16 Paaren, deren feuchte Scheiben mit Alaunlösung getränkt
waren, und die in allem übereinstimmten, ausser dass ihre Oberflächen sich
wie 1:3,1 : 153,2 verhielten, wurden an der Drehwaage unter Vermittelung
des Condensators folgende Ausschläge beobachtet:
■ ' — •
1 Bull, des Sc. Nr. 76. S. 120. — Gilbert's Ann. 15, 90. 1803.
* Ann. d. chimie 47, 1. 1804. — Gilbert's Ann. 18, 129. 1804.
Elektrochemische Theorieen.
307
I- 74, 73, 76, 76, 76, 75, 73, 77 ... . Mittel 75,0
IL 72, 70, 71, 70, 71, 73, 72, 73, 73 . . „ 71,7
m. 71, 71, 72, 72, 72, 72 „ 71,7.
s Zahlen der drei Reihen stimmen genügend überein. Zwar hatte Volta
hst schon den Satz über die Unabhängigkeit der Spannung von der Grösse
r Berührungsfläche ausgesprochen, doch lagen bis dahin genauere Mes-
ngen nicht vor.
7. Die Theorie der galvanischen Zerlegung. Es ist an verschie-
den Stellen schon hervorgehoben worden, in welch hohem Maasse das
strennte Auftreten der Zersetzungsproducte bei der galvanischen Zerlegung
a* Stoffe dem Verständniss Schwierigkeiten entgegensetzte. Die verschie-
enen dafür aufgestellten Theorien wetteiferten mit einander an Unwahr-
iieinlichkeit, und keine von ihnen war von ernstlichsten Einwänden frei.
^enn in der Folge das Gefühl für die hier vorhandene Lücke mehr und
lehr verschwand, so war das nicht das Ergebniss einer allmählich entwickelten
efriedigenden Anschauung, als vielmehr das Ergebniss der Resignation einem
Voblem gegenüber, das sich auf keine Weise lösen lassen wollte. Und als
chliesslich doch eine Anschauung zur allgemeinen Geltung kam, so ver-
lankte sie das nicht sowohl ihrer unbedingten Vortrefflichkeit, als weil sie
intcr allen wenigstens die relativ beste war.
Der Mann, welcher die Vorstellung von der elektrochemischen Zerlegung
geliefert hatte, die länger als ein halbes Jahrhundert die vorherrschende war,
st Ch. J. D. Freiherr von Grothuss.
Dem baltischen Schriftstellerlexicon von Recke und Napierski1 entnehme
ch folgende Angaben über das Leben dieses merkwürdigen Mannes.
„Während einer Reise, die seine Eltern nach dem Auslande unternommen
natten, kam er in Leipzig am 20. Januar 1785 zur Welt. Sein Vater ....
wurde wenige Tage nach der Geburt seines Sohnes durch seinen Freund
Chr. F. Weisse angenehm überrascht, indem dieser ihm eine für den Neu-
geborenen ausgefertigte Matrikel der Universität Leipzig als Pathengeschcnk
zusandte, und dabei meldete, dass der Name des jungen Musensohnes mit
dem Epithet Lipsiensis in das Verzeichniss der Studirenden eingetragen wor-
den. Ganz kurze Zeit nach erfolgter Rückkehr nach Kurland (wo seine Fa-
milie in Gross-Berken ansässig war) verlor der kaum anderthalbjährige Knabe
seinen Vater, wurde nun bis zu seinem 17. Jahre auf dem der Mutter ge-
hörigen Landgute in Kurland erzogen . . . wenngleich die erwählte Erziehungs-
weise seiner Wissbegier eben nicht angemessen war. . . . Sehr frühzeitig ent-
wickelte sich bei ihm der Hang zur Naturwissenschaft. Noch im Knabenalter,
in massigen Stunden oft mit Zeichnen und Malen beschäftigt, ohne jedoch
Unterricht darin erhalten zu können, gerieth er, weil es ihm auf dem Lande
nicht selten an den nöthigen Farben fehlte, auf den Gedanken, sich diese
1 Allgemeines Schriftsteller- und Gelehrten-Lexikon der Provinzen Livland, Estland und
Kurland, von J. F. von Recke und K. E. Napierski. 2, 120. 1829.
20*
308 Zehntes Kapitel.
theils aus Pflanzenstoffen, theils aus Metallsalzen selbst zu bereiten. ... Er
durfte sich indess mit seinen chemischen Versuchen nur im Geheimen be-
schäftigen, denn sein damaliger Lehrer, der für diese Wissenschaften keinen j-r
Sinn hatte, ja sie nicht einmal von der Alchemie zu unterscheiden wusste, t\
untersagte ihm nicht nur das Experimentiren, sondern nahm ihm einst auch ij
seine sämmtliqhen Präparate und vernichtete sie. Der Knabe fühlte sich dar .?;
durch schmerzich verwundet und beschloss fest bei sich, sein Lieblinge •:
Studium, sobald sein Jünglingsalter ihm die dazu nöthige Freiheit ertheüt ^
haben würde, mit desto grösserem Eifer fortzusetzen. Im 17. Jahre erhielt ?*
er J. A. Brennecke zum Lehrer. . . . Dieser Unterricht dauerte jedoch kein z
volles Jahr; denn 1803 ging Grothuss schon nach Leipzig, wo er sechs -
Monate hindurch die Vorträge Hindenburg's und Beck's benutzte . . . von wo j
er noch vor Ablauf des Jahres nach Paris eilte. Wirklich fand er hier volle ?
Nahrung für seine Wissbegier. Er erhielt gleich nach seiner Ankunft die ;
Erlaubniss zur Benutzung der damals vortrefflich organisirten polytechnischen *
Schule, und hatte das Glück, die besten Köpfe Frankreichs zu Lehrern zu ,
haben. Er hörte hier Berthoi,let, Vauquelin, Hauv, Halle, Hassenfratz, .
Desfontaines, und vor allen den damals noch lebenden Foucroy, dessen .
mündlichem Vortrage er nachrühmte, dass er womöglich noch klarer, ele-
ganter, belebender und anziehender gewesen sei, als sein schriftlicher. ... Im ,
September, als ein Krieg zwischen Frankreich und Russland auszubrechen ,
drohte, war er gezwungen, Paris zu verlassen. ... Er eilte nach Neapel, wo
er sich bis zu Ende des Jahres 1805 aufhielt, und das Glück hatte, zweien
der fürchterlichsten Eruptionen des Vesuv . . . beizuwohnen. Auf Bitte des
als gelehrter Arzt bekannten Engländers Thomson, den er in Neapel kennen
lernte, musste er mit Hülfe einer diesem gehörenden kleinen galvanischen
Maschine die damals viel Aufsehen erregenden Versuche des Professors Pac-
chiani (S. 221) .... wiederholen. Grothuss fand bei sorgfältig angestelltem
Versuch zwar keine Salzsäure, wohl aber andere interessante Phänomene,
die er in seiner gegen den Schluss des Jahres 1805 in Rom gedruckten
Schrift kurz beschrieben hat. Der zweite Theil derselben enthält zugleich
die Auseinandersetzung einer einfachen und später allgemein angenommenen
Theorie der galvanischen Wasseranalysis, * ein Problem, das bis dahin allen
Physikern mit der Theorie Lavoisiers ganz unvereinbar schien. Bei seinem
zweiten Aufenthalt in Rom beschäftigte er sich vorzüglich mit Mathematik. . . .
Im Herbst 1806 ging er zum zweiten Male nach Paris. Auf der Reise da-
hin plünderte ihn eine Räuberbande zwischen Mailand und Turin zur Nacht-
zeit völlig aus, und beraubte ihn . . . was ihn am meisten schmerzte, seiner
naturhistorischen Sammlungen. Er musste sich glücklich schätzen, der Er-
mordung entgangen zu sein. ... Im Herbst 1807 trat er die Rückreise an. . . •
Er beschäftigte sich nun auf seinem mütterlichen Erbgute Geddutz eifrig mit
1 Es ist die Schrift, durch welche der Name Grothuss' vor allem berühmt wurde, und
die den grössten Einfluss auf die theoretischen Vorstellungen über Elektrolyse ausgeübt hat
Weiter unten wird eine vollständige Obersetzung dieser Abhandlung mitgetheilt werden.
Elektrochemische Theorieen.
309
der Landwirthschaft, verwandte aber die Zeit seiner Müsse ununterbrochen
auf chemische Forschungen. Hier auf dem Lande, in einem abgelegenen
Winkel an der litthauischen Grenze, grösstenteils von jeder litterarischen
Verbindung und oft selbst von den unentbehrlichsten Hilfsmitteln abge-
schnitten, schrieb er . . . fest alle seine Abhandlungen . . . und bewies da-
durch, dass man fast ohne allen Apparat, nur mit gehörigem Nachdenken,
die Natur auf die einfachste Art dergestalt ausforschen und befragen kann,
dass sie gleichsam gezwungen wird, dem Experimentator über ihre geheimsten
Wirkungen Rede und Antwort zu geben. Seit Jahren litt er unsäglich an
einem keinem Mittel weichenden organischen Fehler des Unterleibes. Das
Übel nahm mit jedem Tage zu, und erreichte endlich einen solchen Grad,
dass er zu dem Entschluss gebracht Wurde, den Faden seines Lebens rasch
und freiwillig zu zerreissen. Er starb am 14. März a. St. (26. März} 1822 auf
dem Gute Geddutz im wilnaisch- litthau ischem Gouvernement, hart an der
kurlandischen Grenze."
Die Arbeiten, welche v. Grothuss unter so ungünstigen Umständen aus-
geführt hat, zeugen von einer bemerkenswerthen Selbständigkeit des Denkens
und einer grossen Unabhängigkeit seiner wissenschaftlichen Wege denen seiner
Zeitgenossen gegenüber. Man darf kaum zweifeln, dass er unter günstigeren
Verhaltnissen sich zu einem der hervorragenderen Forscher jener Zeit ent-
wickelt haben würde. Noch jetzt sind seine Arbeiten, die zum grossen Theile
in dem Journal für Chemie und Physik abgedruckt sind, eine Quelle be-
merkenswerther und anregender Beobachtungen.
Die Arbeit, mit der sein Name vor allem verknüpft ist, wurde im
Jahre 1805 in Rom unter dem Titel: Memoire sur la döcomposition de
Peau et des corps, qu'elle tient en dissolution, ä Paide de Pelec-
tricite galvanique gedruckt; eine zweite Ausgabe erfolgte im nächsten
Jahre in Mitau. Am zugänglichsten ist sie in den Annales de Chimie, 58,
54. 1806. Grothuss war nicht älter als zwanzig Jahre, als er diese Abhand-
lung veröffentlichte, welche seinen Namen dauernd mit der Geschichte der
Elektrochemie verknüpfen sollte.
Nachstehend ist die Arbeit vollständig wiedergegeben. Wenn auch die
im ersten Theile beschriebenen Erscheinungen keine besondere Bedeutung
an sich beanspruchen, so sind sie doch von Interesse, da sie den Weg an-
geben, auf welchem Grothuss zu seiner Idee gelangt ist.
„Erstes Kapitel. Wirkung der galvanischen Elektricität auf
einige in Wasser gelöste Stoffe.
,,l) Ohne mich bei der Erörterung einer Menge Hypothesen aufzuhalten,
die zur Erklärung der Zersetzung des Wassers durch den elektromotorischen
Apparat erdacht worden sind, werde ich eine allgemeine Theorie der Zer-
setzung der Flüssigkeiten durch die galvanische Elektricität mittheilen, welche
mir die Wirkungen derselben auf eine einfache und befriedigende Erklärung
zurückzuführen scheint Ich bin durch die folgenden Beobachtungen auf
diese Theorie geführt worden.
ojq Zehntes Kapitel.
„2) Lässt man durch eine gesättigte Metallsalzlösung einen Strom gal-
vanischer Elektricität fliessen, dessen Intensität der von der Flüssigkeit
zwischen den Enden der Leitungsdrähte eingenommenen Strecke proportional
ist, so beobachtet man Erscheinungen, die selbst für den, der sich in ihre
Ursachen nicht versenken will, interessant sind. Am Ende des Drahtes, der
mit der Zinkscheibe in Verbindung steht, entwickelt sich Sauerstoff, während
an dem mit der Kupferscheibe verbundenen Drahte das Metall redücirt wird, :
wobei es eine symmetrische Anordnung annimmt, welche sich in der Rieh- v
tung des galvanischen Stromes erstreckt. --
„3) Diese Anordnung ist nichts, als eine unvollkommene Krystallisation -
der metallischen Molekeln, völlig ähnlich der, die man unter dem Namen :
der metallischen Bäume kennt, und welche sich bilden, wenn man ein Metall -
durch ein anderes aus seiner Lösung fällt. Die Alten fügten dem Namen ■'
arbor den des Gottes hinzu, welchem das Metall geheiligt war; daher die :
Benennung arbor Dianae, arbor Martis, arbor Veneris u. s. w. Von allen •
Erscheinungen, welche uns der Galvanismus darbietet, ist keine so schön :
und interessant, als eine derartige Vegetation, welche sich unter unseren
Augen bildet und uns bald das Bild eines schönen Baumes bietet, der mit
seinem Laubwerk versehen, und mit Metallglanz geschmückt ist.
„4) Wollaston, ein berühmter englischer Physiker, hat bereits gesehen,
dass bei der Herstellung eines elektrischen Stromes in der Lösung eines
Metalls, dieses sich an der Seite des negativen Leiters redücirt findet; ich
weiss aber nicht, ob er auch bemerkt hat, dass es fähig ist, eine symme-
trische Anordnung anzunehmen, wenn die Wirkung stark genug ist, und
einige Zeit gedauert hat.
„5) Alle gelösten Metalle werden nicht durch die galvanische Elektricität
zersetzt. Aus Mangannitrat erhielt ich Gasblasen am negativen Pol, statt
eines metallischen Niederschlages; es scheint, dass wenn unter gleichen Um-
ständen das gelöste Metall mehr Affinität zum Sauerstoff hat, als der Wasser-
stoff, das Wasser allein zersetzt wird.
„6) Während der Bildung des Metallbaumes sieht man kein Gas sich
entwickeln; darum schliesse ich, dass sich der nascirende Wasserstoff mit
dem Sauerstoff des Metalloxyds verbindet, oder dass die Wirkung allein auf
die Oxyd, und nicht auf das Wasser stattfindet. Der letztere Schluss muss
der richtige sein, weil man nicht annehmen kann, dass der Wasserstoff den
Oxyden des Zinks und Eisens den Sauerstoff vollständig entziehen kann,
oder gewissen Säuren ihr Gelöstes, da in ihnen die beiden Metalle nicht
anders gelöst sind, als nachdem sie eine dieser Annahme entgegengesetzte
Wirkung, die Zersetzung des Wassers, hervorgebracht haben.
„71 Von allen Metallsalzen, die ich der Wirkung des elektromotorischen
Apparates unterworfen habe, haben das Bleiacetat und das salzsaure Zinn
mir die schönsten Vegetationen gegeben. Die des Bleies ahmt die Gestalt
des Farrenkrautes nach; auf den Verzweigungen des Zinns habe ich oft mit
der Lupe oktaedrische Krystalle bemerkt. Es ist bemerkenswert!!, dass die
i
Elektrochemische Theorieen. 3 j j
Verzweigung sich stets nach dem positiven Pole richtet, welches auch die
gegenseitige Stellung der beiden Pole sei, und dass sie daher stets im Sinne
des elektrischen Stromes geht Das Wachsthum eines Metalles durch die
Elektricität scheint in gewisser Art das der natürlichen Pflanzen nachzuahmen,
die sich beständig nach dem Lichte drehen, und durch die Berührung mit
diesem Sauerstoff entwickeln lassen.
„8; Hat sich der Metallbaum bis auf eine kleine Entfernung vom posi-
tiven Pole erstreckt, so hört sein Wachsthum auf, da seine nach allen Rich-
tungen zertheilten Blätter die elektrische Wirkung vernichten, indem sie wie
eine Unzahl von Spitzen wirken. Es scheint sogar, dass bei einer zu grossen
Annäherung der Pole jeder die elektrische Flüssigkeit vom anderen aufnehmen
kann, denn zuweilen haben die Spitzen der Verzweigungen angefangen, sich
zu oxydiren, während am positiven Pole Desoxydation stattfand. Es ist
wahrscheinlich, dass wenn die beiden Enden der leitenden Drähte sehr spitz
sind und sich in einer Wassermasse sehr nahe gegenüber stehen, die von
der Zersetzung herrührenden Gase mit einander vermischt entstehen werden.
Hier ist, wenn ich mich nicht täusche, eine Analogie der Wasserzersetzung
durch die Elektrisirmaschine mit der durch die VourA'sche Säule vorhanden.
„9) Wenn der Strom der galvanischen Elektricität auf reines Wasser,
oder solches wirkt, das mit irgend einer löslichen Substanz beladen ist, so
zieht der positive Pol das oxydirende Princip an, während der negative Pol
das oxydirte Princip der Flüssigkeit anzieht. Ist das Verhältniss der Be-
standteile desselben veränderlich, so wird es am Ende des mit dem Zink
in Verbindung stehenden Drahtes oxydirt, und am Ende des Drahtes, der
mit dem Kupfer verbunden ist, desoxydirt. Folgendes sind die Beweise dafür:
„10; Die Salzsäure wird am positiven Pole dermassen oxydirt, dass sie
die Fähigkeit erhält, Gold aufzulösen, das sich am Ende des leitenden Drahtes
befindet. Schwefelsäure und Salpetersäure werden durchsichtig, und erscheinen
in der Nahe desselben Poles so mit Sauerstoff übersättigt, dass sie in diesem
Zustande der Oxydation Wirkungen hervorbringen zu können scheinen, die
uns noch nicht bekannt sind.1 Am negativen Pole lässt die Salzsäure sehr
viel Gas entweichen,2 die Schwefelsäure giebt einen starken Geruch nach
schwefliger Säure und scheidet Schwefel ab, die Salpetersäure geht in sal-
petrige Säure über und nimmt eine blaue Farbe an. Wechselt man dann
die beiden Pole derart, dass jeder von ihnen an den Ort gelangt, den vorher
der andere einnahm, so geht jeder Theil der Säure allmählich in seinen
früheren Zustand über, und die Wirkungen beginnen von Neuem.
1 ..In diesem Oxydationsgrade scheint die Schwefelsäure im Stande zu sein, Gold aufzu-
lösen; wenigstens hat die, welche zu meinen Versuchen gedient hat, eine gelbe Farbe ange
Doramen, während sie das Ende des Golddrahtes aufgelöst hat, an dem sich der Sauerstoff ent-
wickelte. Als ich in dies Goldsulfat eine Lösung des grünen Eisensulfats goss, bildete sich ein
Niederschlag, der dem Schwefelgold (sulfure d'or) ähnlich war."
* „Es wäre interessant, zu untersuchen, ob dies Gas nicht theilweise von der Zersetzung
der Säure herrührt."
o|2 Zehntes Kapitel.
„ii) Eine Lösung von salzsaurem Zinn, durch die man einen galvanischen h
Strom leitet, lässt allmählich ein weisses Pulver fallen, das vom positiven i
Pol kommt. Wird dieser Niederschlag in Salzsäure wieder aufgelöst und mit j?
Ätzsublimat versucht, so färbt er dieses weiss, während die Flüssigkeit am h
negativen Pole es schwarz färbt Das salzsaure Zinn ist daher an dem Ende
des Drahtes, welcher die Sauerstoffentwickelung giebt, stärker oxydirt worden, i
„12) Nach einer längeren Einwirkung der galvanischen Elektricität auf ;
eine Lösung von Eisensulfat hat sich diese getrübt, und am positiven Pole !
eine rothe Färbung angenommen. Ich habe mich überzeugt, dass sie ab* :
dann ein sehr stark oxydirtes schwefelsaures Eisenoxyd enthielt, indem sie j
mit Blutlaugensalz alsbald einen schönen Niederschlag von Preussischbtau ?
gab, während der Theil der Flüssigkeit, welcher den negativen Pol umgab,
mit demselben Blutlaugensalz nur einen grünlich-weissen Niederschlag erzeugte.
„13) Wird Molybdänsäure in concentrirter Schwefelsäure gelöst, so giebt
die eine sehr schön blaue Lösung, welche sich jedesmal entfärbt, wenn man
die Lösung erhitzt. Setzt man sie der VoLTA'schen Säule aus, so wirkt die
Glaselektricität wie die Wärme, während die Harzelektricität ähnlich wie die
Kälte wirkt; am positiven Pole wird die Flüssigkeit allmählich durchsichtig und
die Molybdänsäure wird in Gestalt eines weissen Pulvers gefällt, während sie
um den negativen Pol eine immer dunklere und zugleich schmutzigere Farbe
annimmt. Wechselt man dann die Stellung der Pole ... so sieht man das
entgegengesetzte eintreten: der klare Theil wird blau, und der bteue wird
farblos.
„14) Übt der galvanische Strom lange Zeit seine Wirkung auf das Salz
einer Erde aus, so wird die Basis desselben allmählich um das Ende des
Drahtes gefällt, welcher die negative Elektricität besitzt Diese Niederschläge
scheinen mir nicht daher zu rühren, dass das Salz durch das Alkali gefallt
wird, welches an diesem Punkte in unendlich kleiner Menge entsteht; viel-
mehr nehme ich an, dass die Säure des Salzes zerstört oder besser zersetzt
wird, woher es kommt, dass die Basis frei wird.
„Die Glasröhren, welche zur Aufnahme der Lösungen in den beschrie-
benen Versuchen gedient hatten, zeigten sich oft mit einem metallischen
Überzug bedeckt, welcher auf die Glasoberfläche im Röhreninneren aufge-
schmolzen schien, und welcher von den Metalltheilchen stammte, die durch
die Wirkung des Apparates von den Leitungsdrähten losgelöst waren: so
zeigten sich, wenn die Metallenden aus Gold oder Silber bestanden, die
Röhren vollkommen vergoldet oder versilbert.
„Zweites Kapitel. Theorie der Zersetzung der Flüssigkeiten
durch die galvanische Elektricität
„15) Die Zersetzung des Wassers durch den elektromotorischen Apparat
beansprucht seit langer Zeit den Scharfsinn cfcr Chemiker und Physiker,
denen die Erscheinung ein schwierig zu lösendes Problem darbot, wenn sie
mit der Theorie bezüglich der Natur des Wrassers in Einklang gebracht
werden soll. Es handelt sich zunächst darum, zu wissen, ob die beiden
Elektrochemische Theorieen.
313
Produkte an den Polen von derselben Molekel Wasser herrühren oder von
verschiedenen; im letzteren Falle fragt man, was aus dem Wasserstoff an
dem Orte geworden ist, wo man nichts als Sauerstoff bemerkt, und was
umgekehrt aus dem Sauerstoff an der Stelle wird, wo nur Wasserstoff
anftritt?
„16) Die Säule Volta's, welche das Genie ihres Erfinders unsterblich
macht, ist ein elektrischer Magnet, von dem jedes Element (d. h. jedes Platten-
paar) seinen positiven und seinen negativen Pol besitzt Die Betrachtung
«fieser Polarität hat in mir die Idee hervorgerufen, dass eine ähnliche Polarität
sich zwischen den Molekeln des Wassers ausbilden könne, wenn dieses von
dem gleichen elektrischen Agens beeinflusst wird; und ich muss gestehen,
dass dies für mich ein Lichtstrahl war.
„17) Nehmen wir also an, dass im Augenblicke des abgesonderten Ent-
stehens des Wasserstoffes und des Sauerstoffes zwischen diesen beiden Stoffen,
sei es durch ihre Berührung, sei es durch die gegenseitige Reibung, eine
Theilung ihrer natürlichen Elektricität stattfindet, so dass der erste den
positiven, der andere den negativen Zustand annimmt, so folgt, dass der
Pol, von dem sich fortwährend die Harzelektricität entwickelt, den Wasser-
stoff anziehen und den Sauerstoff abstossen wird, während der mit Glas-
dektricität ausgestattete Pol den Sauerstoff anziehen und den Wasserstoff
abstossen wird.1 Wenn daher der galvanische Strom einen Antheil Wasser
durchtritt, so wird jedes seiner Bestandteile sowohl von einer anziehenden,
wie von einer abstossenden Kraft getrieben, deren Wirkungscentra sich ein-
ander entgegengesetzt befinden, und welche durch ihre in gleichem Sinne
erfolgende Wirkung die Zersetzung dieser Flüssigkeit bestimmen.
„18) Die Wirkung jeder Kraft, bezüglich einer Wassermolekei, die sich
im Wege des galvanischen Stromes befindet, verhält sich umgekehrt, wie
das Quadrat des Abstandes, in welchem sie ausgeübt wird. Da aber die
Entfernung einer beliebigen Molekel, die sich zwischen den beiden Wirkungs-
centren befindet, nie bezüglich des einen kleiner werden kann, ohne in
gleichem Verhältniss bezüglich des anderen zuzunehmen, so ist jedes Ele-
ment einer solchen Molekel durch eine constante Kraft angegriffen, welche
von der anziehenden und der abstossenden Kraft herrührt2
„Die Wirkung der Abstossung ist nicht merklich, obwohl sie wirklich
existirt, wegen der Wechselwirkung der in Berührung befindlichen Atome,
durch welche eine Wiederverbindung derjenigen, welche von den galvanischen
Polen zurückgestossen werden, erfolgt.
„19) Wir betrachten nunmehr eine gewisse Menge Wasser, welche aus
1 „Mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der Stoffe, die sich am negativen Pole absetzen,
ist es vielleicht richtiger, nur eine auf den Sauerstoff wirkende anziehende und abstossende Kraft
aramehmen, ohne eine solche den Polen bezüglich des Wasserstoffes zuzuschreiben."
' „Ich nehme an, dass jede Kraft die gleiche Intensität hat, was thatsächlich stattfinden
ftoss, wenn keiner der Pole des elektromotorischen Apparates Elektricität anders aufnehmen kann,
als auf Kosten des anderen."
>
314 Zehntes Kapitel.
Sauerstoff, der durch das negative Zeichen (— ) dargestellt ist, und aus
Wasserstoff mit dem positiven Zeichen (+) besteht (Fig. 96). In dem Augen-
blicke, dass man in diesem Wasser einen galvanischen Strom herstellt, macht
sich die elektrische Polarität zwischen den Atomen geltend, so dass diese L
ein Complement der wirkendes r
Säule darstellten. Gleichzeitig werden l
alle Sauerstoffatome, die sich auf dem ,
Wege des Stromes befinden, eine .,
Tendenz zur Bewegung nach dem ;,
positiven Pole erhalten, während alle j.
auf der gleichen Bahn belegenen .,
Wasserstoffatome nach dem negativen c
Pole zu gelangen suchen werden.
„Daraus folgt, dass, wenn die ;
Fig. 96. Nach Grothuss. durch oh dargestellte Molekel Wasser
ihren Sauerstoff o an die Glaselek-
tricität des + Drahtes abgiebt, der Wasserstoff /* desselben alsbald wieder
durch die Ankunft eines anderen Atoms Sauerstoff o oxydirt wird, dessen
Wasserstoff /*' sich mit r verbindet u. s. w. Das gleiche findet in entgegen-
gesetztem Sinne statt bezüglich der Wassermolekel QP, welche, nachdem
sie ihren Wasserstoff an die Harzelektricität des Drahtes abgegeben hat,
alsbald rehydrogenisirt wird durch die Ankunft des Atoms X\ diese Wechsel-
folge von Zersetzungen und Verbindungen der Elemente des Wassers dauert
fort, bis es vollständig zersetzt ist.
„20) Es ist klar, dass während dieses ganzen Vorganges die Molekeln
des Wassers, welche sich an den Enden der Leitungsdrähte befinden, allein
zersetzt werden, während alle dazwischen befindlichen gegenseitig und ab-
wechselnd ihre Bestandtheile austauschen werden, ohne ihre Natur zu ändern.
Daraus schliesse ich, dass wenn es möglich wäre, im Wasser einen Strom
galvanischer Elektricität herzustellen, so dass er darin eine vollständige Kreis-
linie beschreibt, alle Molekeln der Flüssigkeit, die sich in diesem Kreise
befinden, zersetzt und im Augenblicke wieder gebildet würden; woraus folgt,
dass dieses Wasser, obwohl es der Wirkung des Galvanismus unterliegt,
doch immer Wasser bleiben würde.
„21) Als ich Flüssigkeiten, die in verschiedenen Gefässen enthalten
waren, der Wirkung des elektromotorischen Apparates aussetzte, bemerkte
ich die Polarität der Metalldrähte, welche zur Verbindung der Flüssigkeiten
in den verschiedenen Gefässen dienten. (Vgl. Fig. 97, S. 315.) So erhielt ich, als
die Gefässe Bleiacetat enthielten, Sauerstoff an den Enden a und c, während
die schon beschriebenen Vegetationen an den Enden b und d statt stattfanden.1
1 „Ich habe meine Abhandlung Herrn Morichini mitgetheilt. Dieser geschickte Chemiker
theilt mir mit, dass er ganz die gleichen Resultate erhalten habe, als er die Gase untersuchte,
welche sich entbanden, wenn die Gefasse nur' Wasser enthielten. Die Enden a und c gaben
ihm Sauerstoff, während der Wasserstoff von den Enden b und d sich entwickelte.*'
Elektrochemische Theorieen.
315
„22) Die Theorie der Wasserzersetzung, die ich soeben auseinander-
setzt habe, ladet zu einigen Schlüssen ein.
„a) Das Verhältniss an Wasserstoff kann in dem Theil des Wassers, der
ii den positiven Pol grenzt, nicht vergrössert werden, weil der Sauerstoff
ler ganzen Flüssigkeit, die vom galvanischen Strome durchsetzt wird, nach
fiesem Punkt strebt, wahrend der Wasserstoff sich zu entfernen sucht.
,,b) Ebenso ist eine Oxygenirung in dem Theile des Wassers, der den
negativen Pol umgiebt, unmöglich, weil der Wasserstoff beständig dahin
angezogen wird, wahrend der Sauerstoff abgestossen wird. Vgl. § 9.
,,c) Selbst wenn die Bestandteile des Wassers sich in keinem anderen
Verhältniss verbinden könnten, als in dem, welches das Wasser bildet, so
würde dieses doch nichtsdestoweniger auf die beschriebene Art zersetzt
werden; es würde aber weder Oxydation noch Hydrogenation, weder Säure-
noch Alkalibildung in irgend einem Theile stattfinden.
- +
Fig. 97. Nach Grothuss.
„23) Die Bildung von Säure am positiven und von Alkali am negativen
Pole,1 in dem durch die galvanische Elektricität beeinflussten Wasser, stützen
gleichfalls die vorgeschlagene Theorie, denn man kann nach der Analogie
die erste einer Oxydation, die andere einer der Gegenwart von Wasserstoff
zuschreiben. (Vgl. oben S. 311, 9.)
„Als mein Apparat mehrere Tage thätig gewesen war, fanden sich die
mit Kochsalzlösung befeuchteten Tuchscheiben hier und da mit einer salz-
artigen Ausscheidung bedeckt, die nichts war, als kohlensaures Natron, dessen
Kohlensäure aus der Luft angezogen war.
„24) Die polare Anordnung, wie sie zwischen den Atomen des Wassers
besteht, wenn der galvanische Strom es durchsetzt, muss sich auch zwischen
den Atomen jedes anderen Stoffes herstellen, wenn sie durch die gleichen
Kräfte getrieben werden. In metallischen Lösungen besteht die elektrische
Polarität zwischen den Elementen des Oxyds, von denen der Sauerstoff an
1 „Die Lackmustinctur röthet sich am positiven Pol, wenn sie von einem galvanischen
Strome durchsetzt wird, nnd nimmt ihre blaue Farbe wieder an, wenn man die Lagen der
beiden Pole mit einander verwechselt; doch kann man diese Wirkungen durch den Einfluss des
Sauerstoffes und Wasserstoffes im Entstehungszustandc auf den Farbstoff erklären, und s\o ge-
nügen nicht, um die Bildung von Säure und Alkali daraus zu schliesscn."
?l6 Zehntes Kapitel.
den positiven Pol geht, während das Metall sich am negativen niederschlägt
Die Säure wirkt auf diese metallischen Theilchen, welche sie in Lösung k
gehalten hatte, da sie aber zersetzt wird, sei es durch diese Reaction, sei p
es durch die elektrische Kraft, so findet die Revivification trotzdem statt
„25) Ich habe eine gekrümmte Röhre mit zwei verschiedenen metallischen
Lösungen gefüllt, so dass jede von ihnen eine Hälfte der Röhre einnahm, r.
ohne sich mit der anderen zu vermischen, und dass sie eine einzige Be- i:i
rührungssteile in der Mitte hatten.1 Als ich die so angeordneten Flüssig« >;
keiten der Wirkung des galvanischen Stromes aussetzte, und den negativen a
Pol bald in die eine, bald in die andere tauchte, wurde dieser immer mit ;r
dem Metall bekleidet, in dessen Lösung er sich eben befand. :
„Wenn wir ausser dem Sauerstoff" noch irgend einen anderen Stoff ::
kennen würden, der vom positiven Pole angezogen wird, so könnte man den *
Versuch mit diesem wiederholen. Ein analoges Ergebniss würde dann deut* -i
lieh beweisen, dass die Zersetzung des Wassers durch die galvanische Elek- ,
tricität an zwei verschiedenen Molekeln stattfindet; welche Meinung allgemein 3
angenommen ist und sich in Übereinstimmung mit der Theorie befindet,
die ich den Gelehrten vorzulegen wage. *
„Die bewunderungswürdige Einfachheit des Gesetzes, dem diese Erschei- ,
nung unterworfen ist, zeigt sich zu unserem Erstaunen in dem Gesetz des
Universums. Die Natur kann weder schaffen, noch vernichten, da die Menge ,
der Stoffe nie vermehrt noch vermindert wird; vielmehr sind alle dem gegen-
seitigen Austausch der Elemente unterworfen, und betrachtet man die wunder-
baren Wirkungen der Elektricität, die oft im Geheimen thätig ist, obwohl
sie im Universum verbreitet ist, so kann man nicht umhin, in ihr eines der
wirksamsten Agenden in den grossen Operationen der Natur zu sehen/'
Der wichtigste Gedanke in der vorstehenden Abhandlung ist die Idee
der fortschreitenden abwechselnden Zersetzung und Wiederverbindung; wo-
durch in einer für jene Zeit sehr genügenden Weise das räthselhafte Auf-
treten der Bestandtheile der galvanisch zersetzten Stoffe an den unter
Umständen sehr weit entfernten Poldrähten erklärt wurde. Man erkennt in
diesem Gedanken den Einfluss Berthollet's, dessen Vorstellungen gegenüber
indessen Grothuss' Auffassung selbständige Bedeutung beanspruchen darf.
Auch in anderen Gebieten hat Grothuss' Idee verbildlich gewirkt; so beruht
insbesondere Williamson's berühmte Theorie der Esterbildung ganz und gar
auf derselben Idee der abwechselnden Zersetzungen und Neubildungen.
Indessen darf doch nicht verschwiegen werden, dass der fragliche Ge-
danke zwar lange, aber doch nicht für immer sich als lebensfähig erwiesen
hat Eine genaue Untersuchung desselben von den in neuester Zeit ge-
wonnenen energetischen Gesichtspunkten aus erweist ihn als wesentlich
unhaltbar. Denn die Annahme, dass eine abwechselnde Zersetzung und
1 „Man erfUllt diese Bedingung leicht, wenn man sich zweier Lösungen- von verschiedener
Farbe, z. B. Blciaeetat und Kupfernitrat, bedient."
Elektrochemische Theorieen. ß 1 7
iederverbindung der Bestandtheile ohne Arbeitsaufwand möglich sei, führt
abweislich zu dem Resultate, dass ein grösserer oder geringerer Antheil
r Verbindung bereits in seine Bestandtheile gespalten sein muss, da sonst
rar nicht eine Verletzung des ersten Hauptsatzes (der Erhaltung der Energie),
ahl aber eine solche des zweiten Hauptsatzes (dass ruhende Energie nicht
awillig in Bewegung geräth) zugegeben werden müsste. In der That ist
leh in der Folge die GnoTHuss'sche Theorie durch die Annahme einer
ereits vor aller Stromwirkung vorhandenen theilweisen Zersetzung der
itenden Stoffe ersetzt worden. Insofern diese Theorie aber zum ersten
lale die physische Möglichkeit der galvanischen Zersetzungserscheinungen
egreiflich machte, hat sie ihren dauernden Werth.
8. Die elektrochemische Theorie von Berzelius. Während die
wherbesprochenen theoretischen Versuche sich im Wesentlichen auf die
Entstehung der elektrischen Erscheinungen in der Säule und ihre chemischen
Wirkungen bezogen, entwickelten sich gleichzeitig andere Anschauungen,
leren Zielpunkt die Erklärung der rein chemischen Vorgänge mittelst der
dektrischen Erscheinungen war. Von den Forschern, die sich mit dieser
Frage beschäftigten, sind in erster Linie Davy und Berzelius zu nennen.
Fast die erste Arbeit, mit der Berzelius an die Öffentlichkeit trat, be-
seht sich auf diese Frage, und es ist interessant zu sehen, wie die bei der
Untersuchung derselben gewonnenen Gesichtspunkte maassgebend für das
ganze lange und reiche wissenschaftliche Leben dieses Forschers geworden
and. Die erste Veröffentlichung dieser im Verein mit Hisinger ausgeführten
Untersuchungen fand im Jahre 1803 im Neuen allgemeinen Journal der
Chemie, 1, 115, statt, wo die Arbeit nach dem schwedischen Manuskript
übersetzt erschien; später ist sie dann in Gilberts Annalen1 noch einmal
abgedruckt worden.
Die ganze umfangreiche Abhandlung hier wiederzugeben, würde trotz
ihrer Bedeutung für die Entwickelungsgeschichte der Wissenschaft nicht
lohnend sein; der grösste Theil derselben wird von der Beschreibung elek-
trischer Zersetzungsversuche eingenommen, die nicht viel verschiedenes
lehren. Berzelius und Hisinger stellten ausfuhrlich fest, was schon zum
grossen Theil vor ihnen beobachtet worden war, dass nämlich alle Salz-
lösungen in bestimmter Weise durch den Strom zersetzt wurden, so dass
gewisse Stoffe in der einen, andere in der anderen Richtung fortgeführt und
an den Polardrähten ausgeschieden wurden. Sehr wesentlich für die Be-
schaffenheit der Schlüsse, die sie aus ihren Versuchen zogen, ist der Umstand,
dass sie fast ausschliesslich die Salze der Alkalien und der alkalischen Erden
«1 ihren Versuchen benutzten; dadurch hielten sie xlie Erscheinungen, welche
(fiese Stoffe zeigten, für die typischen und gestalteten ihre allgemeinen
Vorstellungen darnach. Hätten sie an Stelle der Salze der Leichtmetalle
die der Schwermetalle der Untersuchung zu Grunde gelegt, so wären sie zu
1 Gilbert's Ann. 27, 270. 1807.
ß 1 3 Zehntes Kapitel.
einer ganz anderen Auffassung der Vorgänge gelangt, und zwar zu einer,
die viel besser mit den übrigen chemischen Thatsachen in Einklang zo
bringen war, als die von ihnen gewählte.
Der fragliche Unterschied besteht darin, dass bei der Zerlegung der ■
Salze der Leichtmetalle nicht die Stoffe, welche von der Elektricität nach
den Polen gefuhrt werden, sich auch dort ausscheiden, sondern andere, die
sich aus jenen unter dem Einflüsse des Lösungswassers bilden. Wegen des ■
Auftretens der letzteren an den Polen nahmen Berzelius und Hisinger ohne
nähere Untersuchung (die zwar zu jener Zeit schwer genug, aber doch nicht
unmöglich war) sie auch für die eigentlichen Bestandtheile der zersetzten
Salze, und dadurch wurde in die Theorie der Chemie einer der folgen«
reichsten Irrthümer eingeführt, dessen Beseitigung später nur unter den
grössten Anstrengungen und unter dem Verlust eines grossen Theiles voa
dem wohlerworbenen Ansehen Berzelius' möglich war. Wenn dagegen die
Salze von Schwermetallen untersucht worden wären, so wäre das Metall ab
der eine Bestandtheil der Salze erkannt worden, und als anderer Bestand*
theil hätte dann nothwendig das Halogen oder der Säurerest aufgefasst
werden müssen. Allerdings wäre zu jener Zeit diese Auffassung nur schwer
durchzuführen gewesen, da weder die Leichtmetalle bekannt waren, noch
Klarheit über die elementare Natur des Chlors, des einzigen damals bekannten
Halogens, herrschte. Nach weniger als einem Decennium, nachdem Dav*
die Alkalimetalle abgeschieden hatte, und im Jod das Analogon des Chlors
entdeckt war, wodurch die Zweifel an der elementaren Natur der Halogene
verschwunden waren, hätte die Entwickelung der theoretischen Anschauungen
schon einen ganz anderen Gang nehmen können, ja müssen, und der Fort-
schritt wäre um 20 bis 30 Jahre beschleunigt worden.
Nachstehend sind von der Abhandlung von Berzelius und Hisinger die
allgemeinen Schlussfolgerungen, in denen sie die Gesammtheit ihrer Ergeb-
nisse zusammengefasst haben, wörtlich wiedergegeben:1
„Einige allgemeine Folgerungen aus diesen und aus den früher bekannten
Versuchen.
„1) Wenn die elektrische Säule sich durch eine Flüssigkeit entladet,
so werden die Bestandtheile der Flüssigkeit von einander getrennt, einige
sammeln sich um die positive, andere um die negative Polarspitze.
„2) Die Bestandtheile, die sich um denselben Pol sammeln, haben unter
eiuander eine gewisse Übereinstimmung. Zu dem negativen Pol ziehen sich
alle brennbaren Körper, alle Alkalien und Erden. Nach dem positiven Pole
gehen der Sauerstoff, die Säuren und die oxydirten Körper.
„Phosphorsäure und Kohlensäure werden zwar von der elektrischen
Säule nicht zersetzt, ihre Basen machen aber doch keine Ausnahme, wie
andere Verbindungen, welche die Elektricität aufzuheben vermag, beweisen.
1 Ein vollständiger Abdruck der Abhandlung ist in den „Klassikern der exakten Wissen-
schatten' { in Aussicht genommen.
Elektrochemische Theorieen.
3^9
lo giebt z. B. Wasser, das mit brenzlichem Öle geschwängert ist, am —Pole
Lo Wen wasserstoffgas, am +Pole nach Verschiedenheit des Drahtes Sauer-
toffgas oder ein Oxyd.
„Einige Säuren werden von der Elektricität zerlegt, und setzen dabei
m dem +Pole Sauerstoff, an dem —Pole eine Säure ab, welche durch Ent-
ocydirung der ersteren entsteht. Insofern diese letzteren Säuren oxydirbar
ind, rechnet man sie mit Recht zu den brennbaren Körpern, und sie
Dachen also hier keine Ausnahme.
„Der Stickstoff wird in einigen Fällen am positiven, in anderen an
lern negativen Draht abgesetzt; ersteres geschah bei der Zersetzung der
Salpetersäure in Salpeter, letzteres bei der Zersetzung des Ammoniaks.
iVir erklären uns dieses daraus, dass bei der Zersetzung der Salpeter-
saure der Stickstoff das Produkt einer Entoxydirung ist, und als ein Stoff,
lern die Eigenschaften einer Säure entzogen worden, den brennbaren
Körpern gleich gilt, weshalb er am negativen Pole erscheint. Bei der Zer-
legung des Ammoniaks ist dagegen der Stickstoff ein Produkt der Ent-
hydrogenisirung, und tritt als ein Körper, der die Eigenschaften eines Alkali
verloren hat, in die Klasse derer, die am positiven Pole erscheinen. Im
Vorbeigehen bemerken wir, dass nach unserer Meinung der Wasserstoff weit
mehr Anspruch hat, für den alkalierzeugenden Grundstoff zu gelten, als der
Stickstoff.
„3' In mehrfach zusammengesetzten Flüssigkeiten stehen die relativen
Grossen der chemischen Zersetzung in einem Verhältnisse, das aus dem
Verwandtschaftsgrade der Bestandtheile gegen einander, und der Grösse ihrer
Berührungsfläche mit dem Leiter zusammengesetzt ist. Daher kann manchmal
eine stärkere Vereinigung getrennt werden, während eine schwächere unzer-
setzt bleibt, weil sie den Leiter nicht in hinlänglicher Fläche berührt. Je
starker die Verwandtschaft der Bestandtheile gegen einander ist, um so
grösser muss auch verhältnissmässig die Berührungsfläche sein, und umgekehrt.
„Sehr concentrirtes Ammoniak wird z. B. leicht von der Elektricität zer-
legt: ist es aber reichlich mit Wasser verdünnt, so bleibt es unzersetzt, und
das Wasser allein wird zersetzt. Von Metalloxyden, die in Wasser aufgelöst
sind, z. B. im Kupfervitriol, wird etwas weniges zerlegt, weil die Verwandt-
schaft ihrer Bestandtheile zu einander so viel Mal geringer ist, als die Bestand-
teile des Wassers. In einer Salpeterauflösung werden zugleich Salz, Wasser
und Säure zerlegt.
,,4) Die absoluten Grössen der Zerlegung verhalten sich wie die Menge
der Elektricität. Und die Elektricität steht im Verhältniss mit der Grösse
der Berührung der Metalle in der Säule mit ihrem feuchten Leiter.
„Eine Säule von 28 Plattenpaaren von 4x/a Zoll Seite giebt aus diesem
Grunde unter gleichen Umständen in derselben Zeit 6 Mal mehr Gas, als
eine gewöhnliche Säule von 100 Paaren.
„Hier wäre noch eine wichtige Frage zu untersuchen: welchen Einfluss
hat die Intensität der Ladung, die bekanntlich im Verhältniss mit der Anzahl
?20 Zehntes Kapitel.
der Platten steht, auf das chemische Verhalten der Elektricität? Ist die '
chemische Zersetzung allemal gleich bei gleicher Oberfläche, sie mag übrigens
in so viel Paare getheilt sein, als sie will? Einige Versuche berechtigen
uns, diese letztere Frage mit nein zu beantworten. Wir hatten z. B. eine
Säule von 300 Plattenpaaren erbaut; sie gab keine grössere Gasentbindung;
als unter gleichen Umständen eine Säule von 100 Plattenpaaren giebt Die
Intensität möchte also der Zerlegung hinderlich Sein. Eigene Versuche der"
Art und das Verhalten der Reibungselektricität führten uns zu der V«w.
muthung, dass die Quantität der Zersetzung in einem Verhältnisse stehe, das
aus dem geraden Verhältnisse der Quantität der Elektricität und dem umge-
kehrten Verhältnisse der Intensität zusammengesetzt ist; oder dass sie sich •
verhalten, wie die Oberflächen, dividirt durch die Anzahl der Plattenpaare.
„Die Quantität der Elektricität scheint auf den Aggregationszustand der
frei gewordenen Bestandteile Einfluss zu haben. So z. B. entwickelte im
Versuch 19 die Plattenbatterie Sauerstoffgas, indessen die Röhrbatterie Blei-
oxyd bildete. Allein dies beruht vielleicht auf dem Verhältnisse zwischen
der Menge der Elektricität und der Capacität der Oberfläche des Leiters fiir
die Oxydirung; so dass, wenn auf ein Mal mehr Sauerstoff entbunden wird,
als die Oberfläche des Leiters aufnehmen kann, der Überschuss als Gas
entweicht.
„5) In demselben Verhältnisse, in welchem eine Flüssigkeit die Elek-
tricität träger durch sich hindurchleitet, widersteht sie kräftiger der Zerlegung.
„Wasser wird langsamer zerlegt, wenn es rein ist, als wenn es durch
Beimischung eines anderen Körpers, selbst eines unzerlegbaren, zum besseren
Leiter gemacht hat. Davon giebt Phosphorsäure ein Beispiel. Wird sie dem
Wasser zugesetzt, so geht die Gasentbindung zwar noch immer auf Kosten
des Wassers von Statten, aber sie wird stärker und nimmt immer mehr und
mehr zu, wie man die Auflösung sättigt Branntwein zersetzt sich schwerer
als Wasser, reiner Alkohol noch schwerer, Gummilack in Alkohol aufgelöst
am allerschwersten und nur bei der grössten Wirksamkeit der Plattensäule.
„6) Die Erscheinungen bei jeder Zersetzung werden durch folgendes
bestimmt: Erstens durch die Verwandtschaft der Bestandteile zu den Leitern,
insofern sie mit diesen neue - Verbindungen eingehen können; wie z. B. der
Sauerstoff mit den Metallen am positiven Draht. Zweitens durch die gegen-
seitige Verwandtschaft der Bestandtheile, wenn mehrere zugleich abgesetzt
werden, wie z. B. des in der Salpeterlösung von dem Wasser getrennten
Wasserstoffes mit dem von der Säure geschiedenen Stickstoffes, die sich
beide zu Ammoniak vereinigen. Drittens durch die Cohäsion der neuen
Verbindungen, welches z. B. bewirkt, dass der frei werdende Wasserstoff in
Gasgestalt entweicht, die Alkalien in der Flüssigkeit sich auflösen, und die
Erdarten und Metalle sich in fester Gestalt ausscheiden«
„Wasser scheidet sich in Wasserstoff und Sauerstoff, die sich in dem
unzersetzten Wasser nicht auflösen, sondern ersterer am —Drahte, letzterer
am + Drahte als Gas entweichen.
Elektrochemische Theorieen.
321
„Schwefelsäure zersetzt sich; an der —Seite sinkt der Schwefel nieder,
an dter -f- Seite entweicht der Sauerstoff in Gasgestalt.
„Salpetersäure verwandelt sich an der + Seite in Sauerstoffgas, an der
—Seite in Stickstoffgas; in einigen Fällen giebt die Säure am negativen
Drahte nicht ganz entoxydirten Stickstoff, sondern nichts als Stickstoffoxyd.
„Phosphorsäure, Boraxsäure, Salzsäure, Kohlensäure und Flussspathsäure
lassen sich nicht zerlegen, wenn sie in Wasser aufgelöst sind; wie die beiden
ersten sich verhalten, wenn sie geschmolzen der Einwirkung der Säule aus-
gesetzt werden, wissen wir noch nicht.
„Pflanzensäuren sind noch nicht mit gehöriger Genauigkeit untersucht
worden, um etwas von ihnen bestimmen zu können.
„Feuerfeste Alkalien und Erden, in Wasser einzeln oder zusammen auf-
gelöst, bleiben unverändert in ihrer Zusammensetzung. Desormes erhielt
zwar aus Kalkwasser am —Drahte krystallisirten Kalk; dies mag aber einer
Beimischung von salzsaurem Kalk zuzuschreiben sein.
„Ammoniak giebt am —Drahte Wasserstoffgas, am + Drahte Stickgas.
Ist es mit Wasser verdünnt, so bleibt es unzersetzt.
„Metalloxyde theilen sich in Metalle am —Drahte, in Sauerstoff am
+ Drahte.
„Neutral- und Mittelsalze setzen am —Drahte ihre Basen in aufgelöster
oder fester Gestalt, am + Drahte ihre Säuren ab, die sich, wenn der Draht
oxydirbar ist, an das entstehende Metalloxyd binden. Dass letzteres indessen
keine wesentliche Bedingung für die Zerlegung eines Salzes ist, erhellt aus
Versuch 19 und 20. Wie weit diese Zerlegung geht, und ob sie in dem
Verhältnisse schwächer wird, als die Menge der Säure und des Alkali an
ihren Drähten zunimmt, darüber bestimmen unsere Versuche nichts.
„Metallsalze mit den Säuren und mit den Alkalien werden nicht den
Neutralsalzen analog zersetzt; nur die Basis erleidet, so weit sie reicht, eine
Zerlegung, und zwar in Metall und Sauerstoff. Die Säure oder das Alkali
dient dann nur als Auflösungsmittel für das Metalloxyd, es sei denn, sie
werden mit zerlegt, wie z. B. die Säure im salpetersauren Zink, die durch
ihr Ammoniak das aufgelöste Metalloxyd am —Drahte niederschlägt. Da-
gegen giebt salpetersaures Silber, dessen Basis sich leichter, als die Säure
zersetzt, kein Ammoniak, sondern bloss Metall und Sauerstoff.
„Aus allem diesen folgt, dass man sich gewöhnlich von der Reduktion
der Metalle durch die Elektricität eine unrichtige Vorstellung macht, indem
man sie für die Wirkung einer Entbindung des Wasserstoffes ansieht. Wie
sollte es dann wohl möglich sein, dass Eisen und Zink auf diese Art redu-
cirt würden, zwei Metalle, die ausser dem Kreise der Säule selbst das Wasser
langsam zerlegen, welche also wenigstens einen Theil des Sauerstoffes mit
mehr Kraft zurückhalten müssen, als womit der Wasserstoff ihn anzieht.
„Wir wagen kein Raisonnement über das Wie dieser Zerlegungen. Es
scheint zw.ar am natürlichsten, sie aus Anziehung der Elektricität zu einigen,
und Repulsion gegen andere zu erklären, doch ist eine solche Erklärung
•uTtkld, Elektrochemie. 2 l
\
•2 22 Zehntes Kapitel.
«
wenig genügend. Die französischen Chemiker haben die Wasserzersetzung
daraus erklärt, dass die Elektricität einen Bestandtheil des Wassers binde,
ihn dem entgegengesetzten Leiter zuführe, und dort absetze, und diese Er-
klärung ist von Herrn von Hauch weiter ausgeführt worden. Sie hat indessen : s
die grosse Schwierigkeit gegen sich, dass wir annehmen müssen, die durch -
Wasserstoff neutralisirte positive und die durch Sauerstoff neutralisirte nega- k
tive Elektricität könnten einander durchdringen, ohne sich zu vereinigen, k
Und doch giebt es zwischen beiden Polardrähten nur einen wirklichen In- k
differenzpunkt, zwischen welchem und jedem der Drähte die diesen zugeführte ;
Elektricität sich nach dem Drahte zu immer stärker zeigt, bis sie an der z
Spitze des Leiters am stärksten erscheint. Warum führen nicht beide Elek- :
tricitäten ihre Gasarten nach dem Indifferenzpunkte, wo sie einander auf-
heben, und warum lassen sie sie hier nicht fahren, wo sie sich neutralisiren? :
„Was endlich die Theorie des Herrn Ritter von der Einfachheit des
Wassers betrifft, so fugen wir zu dem, was die Herren von Hauch und Gähn >
zu seinen Versuchen gesagt haben, nur noch die Bemerkung hinzu, dass
die Theorie sehr inkonsequent wird in allen Fällen, wenn die Erscheinungen
nicht von einer Zersetzung des Wassers, sondern anderer Körper herrühren.
Wenn z. B. schwefelsaures Kali durch Gold- oder Bleidraht zerlegt wird, so
müsste es nach Ritter heissen : schwefelsaures Kali ist ein einfacher Körper,
der, mit negativer Elektricität verbunden, Kali, mit positiver Elektricität ver-
einigt, Schwefelsäure macht. Sollte Ritter, analog seinen Wasserversuchen,
dieses schwefelsaure Kali nach Willkür in blosses Kali und blosse Säure
verwandeln können?"
Die weitere wissenschaftliche Verwertung ihrer Beobachtungen haben
Hisinger und Berzelius zunächst gar nicht ins Auge gefasst Vielmehr
begann kurze Zeit hernach für Berzelius die Reihe von Arbeiten rein
chemischer Natur, durch welche er 'die Gesetze ermittelte und bestätigte,
denen die Gewichtsverhältnisse chemisch sich verbindender Stoffe unterworfen
sind, und diese Arbeiten, welche die eigentliche Grundlage seines wissen-
schaftlichen Verdienstes bilden, nahmen seine Thätigkeit dermaassen in
Anspruch, dass die weitere Verfolgung der elektrochemischen Forschungen
dadurch vollständig unterbrochen wurde. Berzelius hat in der Folge keine
einzige experimentelle Arbeit in diesem Gebiete mehr ausgeführt. Wenn
dennoch sein Einfluss auf die elektrochemischen Vorstellungen ganz ausser-
ordentlich bedeutend gewesen ist, so beruht dies ausschliesslich darauf, dass
er auf der ziemlich schmalen experimentellen Grundlage, die wir eben kennen
gelernt haben, ein Lehrgebäude errichtet hat, welches für den beabsichtigten
Zweck, die Systematik der chemischen Verbindungen, sich als in hohem
Grade angemessen erwiesen hat, und bald allgemein angenommen wurde.
Die Entwickelung von Berzelius' elektrochemischen Anschauungen hat
sich über einen längeren Zeitraum erstreckt. Seine erste Mittheilung1 darüber
1 Journ. f. Chemie und Physik, 6, 119. 181 2.
Elektrochemische Theorieen.
323
vom Jahre 18 12 enthält noch ziemlich unbestimmte Betrachtungen; eine
dauernde Form haben diese erst in der zweiten Auflage seines Lehrbuches
angenommen, von dem der die elektrochemische Theorie behandelnde Theil
im dritten Bande 1818 erschien. Dieser Theil wurde alsbald ins Französische1
und ins Deutsche2 übersetzt, und findet sich in den späteren, gleich deutsch
erschienenen Auflagen des Lehrbuches ohne grosse Veränderung wieder
abgedruckt. So interessant es wäre, die stufenweise Entwickelung der ein-
flussreichen Theorie durch den Abdruck dieser verschiedenen Redaktionen
zu belegen, so muss doch hier der Leser auf die Originale verwiesen werden,
da die ziemlich breite Darstellung allzu viel Raum beanspruchen würde.
Von grosser Wichtigkeit aber für die Beurtheilung der Theorie von
Berzelius ist, dass zwischen seine oben mitgetheilte experimentelle Arbeit
und den Ausbau seiner Theorie die Arbeiten von Humphry Davy fallen, von
denen nur ein Theil oben (S. 190) erwähnt werden konnte. Auch Davy hat
die Frage nach dem Zusammenhang der chemischen Erscheinungen mit
dem elektrischen bearbeitet, und wie man ohne Zögern gestehen muss, in
weit tiefgründigerer und namentlich physikalisch befriedigenderer Weise.
Diese Arbeiten haben einen grossen Einfluss auf Berzelius gehabt, und es
wäre nur zu wünschen gewesen, dass dieser Einfluss sich noch kräftiger
geltend gemacht hätte. Die historische Gerechtigkeit verlangt daher, dass
wir uns zunächst mit diesen Forschungen, so weit sie sich auf die vorliegende
Frage beziehen, genauer bekannt machen, wenn auch gleich bemerkt werden
muss, dass ihre Wirkung in der Entwickelung der Ideen bei weitem nicht
so deutlich zu Tage getreten ist, wie die von Berzelius' Vorstellungen.
9. Die elektrochemische Theorie von H. ÜAvy. In seinen ersten
Arbeiten (S. 155) haben wir Davy als einen überzeugten „Chemiker" bezüg-
lich seiner theoretischen Anschauungen kennen gelernt. Es giebt vielleicht
kein auffallenderes Beispiel für die Gewalt, welche Volta auf die wissen-
schaftlichen Anschauungen seiner Zeitgenossen ausübte, als der Umstand,
dass er auch Davy zu der Annahme der Idee von der Berührungselektricität
brachte.
Die Darstellung von Davy*s elektrochemischen Anschauungen findet sich
in der schon früher erwähnten (S. 190) Abhandlung von 1807. Nachstehend
sind die wichtigsten Stellen, die sich auf unseren Gegenstand beziehen,
wiedergegeben.
„Dass verschiedene Körper, welche man miteinander in Berührung bringt,
und dann trennt, entgegengesetzte Zustände von Elektricität zeigen, hatte
schon Bennet durch Versuche dargethan; doch ist es Volta, dem wir eine
deutliche Entwickelung dieser Thatsache verdanken. Er hat sie auf eine
bestimmte Art dargestellt an Kupfer und Zink und an anderen Metallen,
1 Essai sur la cause des proportions chimiques et sur l'influence chimique de l'electricitc.
Pari> 1819.
* Versuche über die Theorie der chemischen Proportionen und über die chemischen "Wir-
kungen der Elektricität, deutsch von K. A. Blöde. Dresden 1820.
. 21*
l
324 Zehntes Kapitel.
welche er paarweise miteinander in Berührung brachte; zugleich hat er
angenommen, dass dasselbe Verhalten auch zwischen Metallen und Flüssig-
keiten stattfinde.
„Bei einer Reihe von Versuchen, welche ich im Jahre 18011 über den
Bau von elektrischen Verbindungen aus abwechselnden Lagen eines Metalks
und verschiedener Flüssigkeiten angestellt habe, beobachtete ich, dass, wenn
man flüssige Säuren oder Alkalien zu Elementen dieser Instrumente nimmt, \
die flüssigen Alkalien stets die Elektricität von dem Metalle erhalten, die ±
Säuren dagegen immer die Elektricität dem Metalle überlassen. Wenn so -
z. B. die Elemente zusammengesetzt waren aus Zinn, Wasser, Kaliauf- ■■■
lösung, ging der Kreislauf der Elektricität vom Wasser zum Zinne und
vom Zinne zur Kaliauflösung; waren die Elemente dagegen schwache 1
Salpetersäure, Wasser und Zinn, so strömte die Elektricität von der
Säure zum Zinne und vom Zinne zum Wasser.
„Dieses Grundgesetz scheint in unmittelbarem Zusammenhange mit den
allgemeinen Phänomenen der Zersetzung und der Hinüberfuhrung zu stehen,
welche wir in dem Vorhergehenden genauer kennen gelernt haben.
„In dem einfachsten Falle der elektrischen Wirkung müsste demgemass
bei diesen Phänomenen das Alkali, welches stets Elektricität von dem Metalle,
auf Kosten desselben empfängt, in Beziehung auf das Metall positiv elektrisch
sein, während die Säure, welche dem Metalle Elektricität abtritt, in Beziehung
auf dasselbe negativ elektrisch wäre; und da dann diese Substanzen in Be-
ziehung auf die Metalle, die eine eine positive, die andere eine negative
elektrische Kraft besässen, so müssten sie auch, wie es scheint, in ihren
attraktiven und repulsiven Funktionen denselben Gesetzen der Anziehung
und Zurückstossung als die gewöhnliche Elektricität unterworfen sein. Der
mit der positiven Kraft begabte Körper, das Alkali, müsste durch die positiv-
elektrisirten Flächen zurückgestossen, und von den negativ -elektrisirten
Flächen angezogen werden, indess bei dem Körper, der die negative Kraft
besitzt, der Säure, die umgekehrte Art des Verhaltens stattfände.
„Ich habe eine Menge Versuche angestellt, um über diese Idee Licht
zu verbreiten und ihnen eine ausgedehnte Anwendung zu geben; alle haben
die Analogie auf eine überraschende Art bestätigt
„Gut gebrannte Holzkohle, Wasser, Salpetersäure, und ebenso
Holzkohle, Wasser, Natronlauge, waren deutlich wirksam, als ich Säulen
von 20 Schichtungen aus den ersten und ebenso aus den zweiten aufgebaut
hatte. In der einen Säule gab das Alkali seiner Seite die positive, in der
anderen die Säure ihrer Seite die negative Kraft. Von Zink, nasser Pappe,
und angefeuchtetem gebranntem Kalk gaben 40 Lagen eine schwache
elektrische Säule, die aber bald ihre Kraft verlor; die Wirkung des Kalkes
war in ihr der des Alkalis ähnlich.
„Um mich womöglich von dem elektrischen Zustande einer einzelnen
1 Phil. Trans. 91, 397. [Siehe oben, S. 157.]
Elektrochemische Theorieen.
325
flüssigen Säure und einer einzelnen isolirten alkalischen Autlösung, nach
ihrer Berührung mit Metallen zu belehren, habe ich zu verschiedenen Malen
mit den ailerempfindlichsten Instrumenten Versuche angestellt, mit Cuth-
iertson's condensirendem Elektrometer, mit Cavallo's Multiplicator und mit
einer sehr empfindlichen elektrischen Torsionswaage, die nach Coulomb's
Grundsätzen gebaut war; der Erfolg war indess nicht genügend. Die Ver-
dunstung, die chemische Wirkung, und die Adhäsion der Flüssigkeiten an
den Oberflächen der gebrauchten Metalle machten, dass kein deutliches
Resultat erfolgte, oder dass die Quelle der Elektricität zweifelhaft blieb. Ich
will hier weder das Detail der Verfahrungsarten und der Versuche beschreiben,
noch mich darauf einlassen, aus diesen eigensinnigen und zweifelhaften Er-
scheinungen Folgerungen zu ziehen, die sich mit völliger Überzeugung aus
deutlichen und bestimmten Erscheinungen ableiten lassen.
„Die trockenen Alkalien und diejenigen Säuren, welche in fester
und trockener Gestalt bestehen können, geben nämlich in der Berührung
mit den Metallen sehr merkliche Elektricitäten, welche sich an einem Gold-
blatt-Elektrometer, das mit einer kleinen condensirenden Platte versehen ist,
sehr bestimmt äussern.
„So oft ich Sauerkleesäure, oder Bernsteinsäure, oder Benzoe-
säure, oder Boraxsäure, die vollkommen trocken sind, sie mögen nun in
Gestalt eines Pulvers, oder in Krystallen sein, mit einer Kupferscheibe, die
mit einem isolirenden Glasstiel versehen ist, in einer bedeutenden Fläche
berühre, findet sich jedes Mal das Kupfer positiv, die Säure negativ elektrisch.
Bei günstiger Witterung, und wenn das Elektrometer in sehr gutem Stande
ist, reicht eine einzige Berührung des Kupfers hin, um eine merkbare Ladung
hervorzubringen, und selten bedarf es dazu ihrer mehrere als fünf oder sechs.
Andere Metalle, mit denen ich den Versuch wiederholt habe, z. B. Zink und
Zinn, hatten dieselbe Wirkung. Die positive Ladung des Metalles scheint
gleich stark zu sein, die Säure mag auf Glas isolirt sein oder mit der Erde
in Verbindung stehen.
„Feste Phosphorsäure, welche stark geglüht und dann vor Berührung
der Luft sorgfaltig geschützt worden war, machte eine isolirte Zinkscheibe
durch vier Berührungen positiv elektrisch; hatte sie aber einige Minuten
lang an der Luft gestanden, so war dieses ihr Vermögen verschwunden.
„Nach der Berührung von trockenem Kalk, von Strontian und von
Magnesia war das Metall negativ, und eine einzige Berührung in einer
grossen Fläche reichte hin, um den ' Metallscheiben eine bedeutende Ladung
ai geben. Die Erden, welche zu diesen Versuchen dienten, hatten die
Gestalt eines Pulvers, und waren mehrere Tage zuvor sorgfältig bereitet und
in Glasflaschen verschlossen worden. Es gehört wesentlich zum Glücken
des Versuchs, dass man, bevor man sie gebraucht, sie die Temperatur der
Atmosphäre annehmen lässt. In einigen Versuchen, die ich mit ihnen während
des Erkaltens nach dem Glühen gemacht habe, zeigten sie sich stark elektrisch,
und die Metalle, mit welchen ich sie berührte, wurden positiv-elektrisch.
326 Zehntes Kapitel.
5
„Auch über die Berührung des Kali und des Natrons mit Metallen
habe ich mehrere ähnliche Versuche angestellt. Nicht in einem einzigen gab ■
mir das Kali genügende Resultate; die grosse Verwandtschaft desselben zum
Wasser scheint ein unübersteigliches Hinderniss bei allen Versuchen zu sein,
welche damit an der Luft angestellt werden. Das Natron wirkte bei dem
einzigen Versuche, in welchem die Elektricität sich entwickelte, ebenso auf -
das Metall als Kalk, Strontian und Magnesia. Das Natron war bei diesem t
Versuche mit der höchsten Sorgfalt bereitet worden, hatte eine Stunde lang ■'£
in einem Platintiegel in der Rothglühehitze gestanden, war dann in dem :
über Quecksilber umgestürzten Tiegel erkaltet, und wurde unmittelbar nach "
Wegnahme desselben mit einer isolirten Zinkplatte berührt. Der Versuch ■-
geschah an offener Luft, die Witterung war ausserordentlich trocken, und 1
das Thermometer stand auf 28 ° F., das Barometer auf 30,2 Zoll. Bei dem r
ersten Versuche luden sechs Berührungen das condensirende Elektrometer, je
Bei dem zweiten waren zehn Berührungen nöthig, um dieselbe Wirkung .
hervorzubringen, und später, das ist, nachdem in allem zwei Minuten ver-
flossen waren, war keine Ladung mehr zu erhalten, und jedes Resultat 1
blieb aus.
„Bei der Zersetzung der Schwefelsäure durch die VoLTA'sche Elektricität *
scheidet sich der Schwefel an der negativen Seite ab. Es ist aus den -
Versuchen mehrerer Physiker bekannt, dass beim Reiben von Schwefel mit *
Metallen der Schwefel positiv-, das Metall negativ-elektrisch wird. Ich habe -
dasselbe Resultat erhalten, als ich einen Schwefelkuchen, der nicht erregt ;
worden war, mit einem isolirten Metalle berührte. Wilke behauptete, das
Blei mache hierbei eine Ausnahme, und mache den Schwefel beim Reiben =
negativ; allein bei Versuchen, die ich mit der höchsten Sorgfalt angestellt
habe, gab mir neu polirtes Blei dasselbe Resultat, wie die anderen Metalle:
immer wurde Schwefel, den ich daran rieb oder schlug, positiv. Wahr-
scheinlich rührt Herrn Wilke's Irrthum daher, dass er angelaufenes Blei ,
genommen hat: denn Schwefel an Bleiglätte oder an Blei gerieben, das der
Luft lange ausgesetzt gewesen ist, wird, wie ich gefunden habe, negativ.
Da also diese Ausnahme wegfällt, so unterstützen alle Thatsachen das
allgemeine Grundgesetz.
„Diesem allgemeinem Grundgesetze entsprechend, müsste der Sauer-
stoff in Beziehung auf die Metalle mit einem negativen, und der Wasser-
stoff in Beziehung auf die Metalle mit einem positivem Vermögen ver-
sehen sein. Dieses Hess sich durch keine unmittelbaren Versuche der Be-
rührung darthun; die Wirkungen der Körper, deren Hauptbestandtheile diese
einfachen Stoffe sind, dienen indess, diese Idee auf das beste zu bestätigen.
So habe ich gefunden, dass in elektrischen Säulen aus einer erregenden
Flüssigkeit, einem Metalle und Wasser, Schwefelwasserstoff-Wasser
geradeso wirkt, wie alkalische Auflösungen, und das flüssige oxygenirte
Salzsäure ihnen viel mehr Kraft, als die allerconcentrirteste Salzsäure giebt;
beides lässt sich auf keine andere Art begreifen, als das erste aus der
Elektrochemische Theorieen. *27
icung des gebundenen Wasserstoffes, und das andere aus der Wirkung
gebundenen Sauerstoffes. Dieses wird vollkommen durch die Wirkung
flüssigen Schwefelwasserstoff-Alkalien bestätigt; sie äussern in
isicht der Metalle das positive Vermögen in einem sehr hohen Grade.
habe bei meinen Versuchen mit Säulen aus einem Metalle und aus
tssigkeiten gefunden, dass diese flüssigen Schwefelwasserstoff- Alkalien im
gemeinen viel wirksamer als die blossen alkalischen Laugen sind, beson-
rs mit Kupfer, Silber und Blei. Bei einem Versuche, den ich im Jahre
02 mit Verbindungen aus Kupfer, Eisen und flüssigem Schwefel-
isserstoff-Kali angestellt habe, zeigte sich, dass die positive Energie
5 Schwefelwasserstoff-Kali in Beziehung auf Kupfer so gross ist, dass sie
; des Eisens übertrifft, so dass hier die Elektricität nicht, wie gewöhnlich,
m Kupfer zum Eisen und vom Eisen in die Flüssigkeit, sondern umgekehrt
m Kupfer in das Schwefelwasserstoff-Kali und von diesem in das Eisen
•culirte.
„Alle diese Einzelheiten begründen das Princip auf eine unwiderlegliche
rt. Es lässt sich beinahe für eine blosse Zusammenreihung der Thatsachen
hmen, und wie es scheint, bedarf es nur etwas erweitert zu werden, um
gemeiner Anwendung fähig zu sein.
„Wenn zwei Körper gegen einen dritten entgegengesetzte elektrische
räfte zeigen, so dürfen wir ohne Bedenken schliessen, dass sie auch in
rer gegenseitigen Beziehung, einer auf den anderen, entgegengesetzte elek-
sche Kräfte besitzen. Dieses bewährte sich mir bei einem Versuche mit
alk und Sauerkleesäure. Ein trockenes Stück Kalk, aus dichtem und
hr reinem Flötzkalkstein gemacht, der so geschnitten war, dass er eine
osse ebene Fläche hatte, wurde durch wiederholte Berührung mit Krystallen
>n Sauerkleesäure positiv-elektrisch; als ich dagegen die Krystalle auf das
mdensirende Elektrometer gelegt hatte und sie mehrmals mit dem Kalk-
sine berührte, der nach jeder Berührung entladen wurde, divergirten die
oldblättchen mit negativer Elektricität. Durch die Berührung der Säure
ld durch die des Alkali mit dem Metalle entstand aber gerade ein Be-
reben nach dem entgegengesetzten Erfolge: beide müssen also sehr stark
lfeinander eingewirkt haben.
„Wir dürfen nach allem diesem gewiss nicht befürchten, die Analogie
1 weit zu treiben, wenn wir annehmen, dass alle Säuren und überhaupt
sr Sauerstoff, sowie von der anderen Seite alle Alkalien und der
Wasserstoff, in einerlei Art von elektrischen Beziehungen stehen, und dass,
ras die Zersetzungen und Veränderungen betrifft, welche die Elektricität
?wirkt), Körper, welche von Natur chemisch miteinander verwandt sind,
issen ungeachtet sich miteinander zu verbinden oder in Verbindung zu
eiben unfähig werden, sobald sie sich in einem elektrischen Zustande
.^finden, der von der natürlichen Ordnung verschieden ist So trennen sich
e Säuren, wie wir gesehen haben, in dem positiven Theile des flüssigen
>gens von selbst von den Alkalien, und der Sauerstoff von dem Wasserst'
328 Zehntes Kapitel.
1
a
n
tu
und an der negativen Seite vereinigen sich weder die Metalle mit de« '*
Sauerstoffe, noch bleiben die Säuren mit den Metalloxyden verbunden. Duidfc
dieses Mittel scheinen die anziehenden und abstossenden Kräfte von dea
Metall-Oberflächen durch das ganze flüssige Mittel hindurch mitgetheilt xa
werden.
„Die chemische Anziehung zwischen zwei Körpern lässt sich nicht bloss,
wie es scheint, vernichten, dadurch, dass man den einen in einen elektrischen £
Zustand versetzt, der von seinem natürlichen Zustande verschieden ist, das '~
heisst, indem man ihn durch Kunst in einen gleichartigen elektrischen Zustand s
mit dem anderen versetzt; sondern man kann umgekehrt auch diese che» *
mische Anziehung verstärken, indem man die natürliche Energie eines Körpers 1
erhöht. Während so z. B. das Zink, das oxydirbarste aller Metalle, unfähig ;
ist, sich mit dem Sauerstoffe zu verbinden, so lange er in dem Kreise der
Säule negativ, selbst nur durch eine schwache Kraft, elektrisirt wird, ver-
einigt sich das Silber, eines der am schwersten zu oxydirenden Metalle, sehr
willig mit dem Sauerstoffe, wenn es in dem Kreise positiv elektrisirt ist
Dasselbe lässt sich von den übrigen Metallen sagen.
„Alle Körper, die sich chemisch miteinander verbinden, und deren
elektrische Kräfte wohl bekannt sind, geben in ihrer Berührung untereinander
entgegengesetzte elektrische Zustände. Beweise davon sind Kupfer
und Zink; Gold und Quecksilber; Schwefel und die Metalle; Säuren
und Alkalien. Angenommen daher, ihre kleinsten oder elementaren Teilchen
könnten sich mit vollkommener Freiheit bewegen, so würden sie sich, dem
hier entwickelten Grundgesetze gemäss, gegenseitig zu Folge ihrer elektrischen
Kräfte anziehen müssen. Es würde bei dem jetzigen Zustande unserer
Kenntnisse umsonst sein, die entferntere Ursache der elektrischen Kraft, oder
den Grund auffinden zu wollen, warum zwei verschiedene Körper in ihrer
Berührung sich entgegengesetzt elektrisirt finden. Der Zusammenhang ihrer
Elektricität mit ihrer chemischen Verwandtschaft liegt dagegen ziemlich klar
am Tage. Sollte es nicht möglich sein, dass sie überhaupt einerlei mit der
Verwandtschaft und eine wesentliche Eigenschaft der Materie wäre?
„Die belegten Glasscheiben Beccaria's hängen stark aneinander, wenn
sie entgegengesetzt geladen werden, und wenn man sie wieder trennt, so
haben sie noch ihre Ladung. Diese Thatsache hat viel Analogie mit dem
Gegenstande, den wir hier behandeln; auch von den verschiedenartigen
Theilchen muss man annehmen, dass sie in ihrem besonderen Zustande von
Energie bleiben, indem sie sich miteinander verbunden haben. Bei einer
Untersuchung, welche noch in ihrer ersten Kindheit ist, darf man zwar in
diese Hypothese kein unbegrenztes Vertrauen setzen; sie scheint indess als
eine natürliche Folge aus den Thatsachen zu fliessen, und mit den Gesetzen
der Verwandtschaft zusammen zu fallen, wie sie von den neueren Che-
mikern mit so vielem Scharfsinne sind entwickelt worden, und auf die es
leicht ist, von ihr eine allgemeine Anwendung zu machen.
„Wir wollen zwei Körper annehmen, von denen die Theilchen des einen
Elektrochemische Theorieen.
329
ait denen des anderen sich in einem entgegengesetzten elektrischen Zustande
tefinden, und setzen, diese Zustände wären so kräftig, dass die verschieden-
trtigen Theilchen sich mit einer Kraft anzögen, welche ihre Aggregations-
crafte an Stärke übertreffe- Es wird eine Verbindung entstehen, die mehr
>der minder innig ist, je nachdem die Kräfte in ein mehr oder minder voll-
kommenes Gleichgewicht treten, und die Veränderung ihrer Eigenschaften
wird diesem entsprechen. Das wäre der einfachste Fall der chemischen
Vereinigung.
„Nun aber sind verschiedene Körper, welche gegen einen dritten ins-
gesammt dieselbe elektrische Kraft haben, in dem Grade dieser Kraft ver-
schieden. So haben die verschiedenen Säuren gegen dasselbe Metall eine
verschiedene negative, und die Alkalien gegen dasselbe Metall eine ver-
schiedene positive Kraft. Schwefelsäure hat zum Beispiel eine grössere Kraft
mit Blei als Salzsäure, und Kalilauge wirkt kräftiger mit Zinn als Natron-
lauge. Auch können diese Körper dabei in Beziehung aufeinander selbst
in demselben Zustande sein, einander folglich zurückstossen, wie in den eben
angeführten Beispielen, oder sie können neutral sein, oder endlich sich
anziehen, indem sie sich in Beziehung auf einander in entgegengesetzten Zu-
ständen befinden, wie das bei Schwefel und Alkali, welche dieselbe Art von
Energie in Beziehung auf die Metalle haben, der Fall zu sein scheint.
„Wenn zwei Körper, die sich gegenseitig abstossen, auf einen dritten
Körper mit verschiedenen Graden von einerlei elektrischer Kraft anziehend
wirken, so wird die Verbindung durch den Grad der Kraft bestimmt, und
die mit der schwächsten Energie versehene Substanz wird zurückgestossen
werden. Dieses Princip giebt uns die Ursache der Wahlverwandtschaften
und der Zersetzungen, welche sie bewirkt.
„Wenn aber Körper, welche verschiedene Grade derselben Energie in
Beziehung auf einen dritten Körper äussern, auch unter einander entgegen-
gesetzte Kräfte haben, so kann ein Gleichgewicht anziehender und zurück-
stossender Kräfte stattfinden, welches fähig ist, eine dreifache Verbindung
hervorzubringen. Will man dieses weiter ausdehnen, so ist es leicht, daraus
alle noch zusammengesetzteren chemischen Verbindungen zu erklären.
„Es würde keine Schwierigkeit haben, diese Ansicht durch Anwendungen
in bestimmten Zahlen noch weiter aufzuklären, und sie überhaupt auf alle
Fälle chemischer Verwandtschaften auszudehnen. Bei dem jetzigen Zustande
dieser Untersuchung würde es indess voreilig sein, dem hypothetischen Theile
des Gegenstandes eine grössere Ausdehnung zu geben. Doch erklärt sich
schon aus der allgemeinen Idee sehr einfach der Einfluss der Massen der
wirkenden Substanzen auf die Verwandtschaften, wie ihn die Versuche des
Herrn Berthollet dargethan haben. Denn die vereinte Wirkung mehrerer
Theilchen, von schwacher elektrischer Energie, kann sehr wohl der von
weniger Theilen von stärkerer elektrischer Energie gleich kommen oder
sie übertreffen. Die vorhin angeführten Thatsachen bestätigen diese An-
nahme, da eine concentrirte alkalische Lauge dem Hindurchgehen eine»*
33O Zehntes Kapitel.
Säure vermöge der Elektricität weit mächtiger, als eine schwache Lauge
widersteht.
„Zugegeben, dass die Verbindung von dem Gleichgewichte der natür-
lichen elektrischen Kräfte der Körper abhängt, so muss es möglich sein, ein
Maass der künstlichen Kräfte zu finden, z. B. durch die von der Elektrisir-
maschine, oder von einem VoLTA'schen Apparate hervorgebrachte Intensität
und Menge, welche fähig ist, das Gleichgewicht aufzuheben. Ein solches j
Maass würde uns in den Stand setzen, eine Stufenleiter der elektrischen
Kräfte der Körper aufzufinden, wie sie den Graden der Verwandtschaft ent-
sprechen. . . .
„Wenn Körper, welche man durch künstliche Mittel zu hohen Graden
entgegengesetzter Elektricität gebracht hat, ihr Gleichgewicht wechselseitig
wieder herstellen, sind Wärme und Licht die gewöhnlichen Folgen dieser
Wiederherstellung des Gleichgewichtes. Es lässt sich daher auch der Um-
stand vielleicht zu Gunsten der Theorie anfuhren, dass Wärme und Licht
ebenfalls das Resultat aller intensiven chemischen Wirkungen sind; und dass,
sowie in VoLTASchen Batterieen von einer gewissen Gestalt, in denen grosse
Quantitäten Elektricität von sehr geringer Intensität wirken, Hitze und Licht
entsteht, so auch in den schwachen chemischen Verbindungen eine Ver-
mehrung der Temperatur, ohne Lichterscheinungen stattfindet.
„Nach diesen Ideen lässt es sich leicht erklären, wie die Hitze die Ver-
bindungen erleichtern und bewirken kann. Sie giebt häufig den kleinsten
Theilchen eine freiere Beweglichkeit, und in vielen Fällen scheint sie die
elektrischen Kräfte der Körper zu erhöhen; wovon das Glas, der Turmalin
und der Schwefel bekannte Beispiele geben. — Ich erhitzte miteinander
eine isolirte Kupferscheibe und eine Scheibe aus Schwefel, und unter-
suchte ihre Elektrici täten, als ihre Temperatur erhöht war. Bei 56 ° F. lassen
diese Elektricitäten sich selten an dem condensirenden Elektrometer wahr-
nehmen; und jetzt bei ioo° F. waren sie so stark, dass sie die Goldblättchen
ohne Hülfe des Condensators zum Divergiren brachten. Je näher der
Schwefel seinem Schmelzpunkte kam, desto stärker zeigten sie sich. Ein
wenig über diesem Schmelzpunkte vereinigen sich beide Körper sehr schnell
unter Wärme- und Lichtentbindung, wie das die Versuche der Amsterdamer
Chemiker gelehrt haben.
„Es lässt sich denken, dass ähnliche Wirkungen stattfinden, indem
Sauerstoff und Wasserstoff sich miteinander zu Wasser verbinden, einem
Körper, der, wie es scheint, in Beziehung auf fast alle anderen Substanzen
in Hinsicht der elektrischen Kraft neutral ist; und eine ähnliche Erhöhung
der Kräfte findet wahrscheinlich in allen Fällen des Verbrennens statt Über-
haupt, so oft die verschiedenen Kräfte stark sind und vollkommenes Gleich-
gewicht entsteht, müssen die Verbindungen lebhaft, Hitze und Licht intensiv,
und das neu Verbundene in einem neutralen Zustande sein. Dieses findet
in dem angeführten Beispiele statt, sowie bei der Vereinigung zwischen den
Alkalien mit den mächtigen Säuren. Wenn dagegen die eine Kraft schwach
Elektrochemische Theorieen. 331
und die andere stark ist, so müssen alle Wirkungen minder lebhaft sein,
und das Verbundene, statt neutral zu werden, einen Überschuss der stärkeren
Energie zeigen.
„Diese letztere Meinung wird durch alle Versuche bestätigt, welche ich
über die elektrische Kraft der zusammengesetzten Salze in Beziehung
auf die Metalle habe anstellen können. Weder Salpeter, noch schwefel-
saures Kali, noch salzsaurer Kalk, noch überoxygenirtsalzsaures
Kali gaben einer Kupferscheibe oder einer Zinkscheibe die geringste elek-
trische Ladung, wenn diese gleich mit ihnen in einer grossen Fläche wieder-
holt in Berührung gesetzt wurde. Halbkohlensaures Natron und Borax
gaben dagegen diesen Metallen schwache negative, sowie Alaun und über-
saurer phosphorsaurer Kalk eine schwache positive Ladung.
„Wenn bei weiterer Untersuchung dieser Grundsatz sich allgemein be-
stätigt, so dürfte der Grad der elektrischen Kräfte der Körper, den man
durch sehr empfindliche Instrumente findet, zu neuen und folgenreichen
Aufschlüssen über die Zusammensetzung der Körper fuhren.
„Die Anziehung, welche die chemischen Wirkungsmittel von den posi-
tiven und negativen Oberflächen in dem VoLTA'schen Apparate erleiden,
scheint die grosse Tendenz zu haben, das elektrische Gleichgewicht wieder
herzustellen. In einer VourA'schen Batterie aus Kupfer, Zink und Kochsalz-
wasser hört aller Kreislauf der Elektricität auf, und ist das Gleichgewicht
hergestellt, wenn das Kupfer an beiden Seiten mit dem Zinke in Berührung
gesetzt wird; und der Sauerstoff und die Säuren, welche vom positiv-elek-
trischen Zinke angezogen werden, äussern ähnliche Wirkungen auf das
Kupfer, wahrscheinlich jedoch in einem schwächeren Grade; und da sie fähig
sind, sich mit dem Metalle zu verbinden, so erzeugen sie bloss ein momen-
tanes Gleichgewicht.
„Die elektrischen Kräfte der Metalle eines in Beziehung auf das
andere, oder der im Wasser aufgelösten Substanzen^ scheinen in dem Volta'-
schen und den ähnlichen Apparaten die Ursache der Aufhebung des
Gleichgewichtes zu sein. Die chemischen Veränderungen scheinen dahin
zu streben, das Gleichgewicht wieder herzustellen; und höchst wahr-
scheinlich hängen die Erscheinungen, welche diese Apparate zeigen, von der
vereinten Wirkung beider Ursachen ab.
„In der VoLTA'schen Säule aus Zink, Kupfer und Kochsalzwasser,
welche dem, was man die Bedingung ihrer elektrischen Spannung genannt
hat, gemäss angeordnet ist, sind die sich berührenden Kupfer- und Zink-
scheiben in entgegengesetzten Zuständen von Elektricität. Für eine Elek-
tricität von so schwacher Intensität ist Wasser ein isolirender Körper. Daher
bewirkt jede Kupferscheibe in der ihr gegenüberstehenden Zinkscheibe eine
Vermehrung positiver Elektricität durch Vertheilung, und umgekehrt jede Zink-
scheibe in der ihr gegenüberstehenden Kupferscheibc eine Vermehrung der nega-
tiven Elektricität, und die Intensität wächst im Verhältnisse der Zahl, die Quan-
tität im Verhältnisse der Grösse der Oberflächen, welche die Reihe ausmachen.
1
334 Zehntes Kapitel.
haben müsse; und dass, insofern diese den elektrischen Kräften proportM
war, sie auch (meiner Hypothese zur Folge), den chemischen Verwandt
Schäften proportional sein musste. In wie weit überhaupt die Cohäsion vo»|;
der Verschiedenheit der elektrischen Kräfte der Körper abhängen oder durch ^
sie verursacht werden könne, ist eine Frage, die zu sehr interessanten Efrc:
örterungen fuhren dürfte." £
Die vorstehenden Darlegungen Davy*s enthalten den bei weitem ernstesten i
und bedeutendsten Versuch jener Zeit, den Zusammenhang zwischen den *
chemischen und den elektrischen Erscheinungen causal zu begreifen und x
experimentell zu belegen. Die auf S. 325 mitgetheilten Condensatorversuche n
leiden zwar an demselben Einwände, der gegen die ähnlichen, von Volta ;
mit Metallen und Flüssigkeiten angestellten zu erheben war, dass nämlich :
bei dem Auseinandernehmen der in Berührung gebrachten Stoffe eine wirk- .
liehe Trennung genau an der Berührungsfläche auf keine Weise erwiesen *
oder auch nur wahrscheinlich gemacht werden kann, und dass somit die ,
Versuche durchaus keinen beweisenden Charakter tragen; — Davy*s An- -
schauungen unterscheiden sich aber doch von den vielen anderen elektro-
chemischen Theorieen, an denen diese und die Folgezeit so reich ist,
durch die sorgfaltige experimentelle Begründung. Die Idee, dass die .
elementaren Atome, die als die letzten Bestandteile der Stoffe angesehen
werden, bei ihrer gegenseitigen Berührung entgegengesetzt elektrisch werden,
und in Folge dessen sich gegenseitig anziehen, ist physikalisch ganz durch«
führbar, und jedenfalls viel rationeller, als die alsbald zu erwähnende An-
nahme von Berzelius, nach welcher die verschiedenen elektrischen Zustände
den Atomen schon an und für sich zukommen, und sich dennoch bei ihrer
Verbindung ausgleichen sollen.
Von nicht geringem Interesse ist es, nachzusehen, aus welchem Grunde
Davy seine ursprüngliche rein chemische Theorie aufgegeben hat Auf S. 332
finden sich die Angaben darüber. Sie laufen auf denselben Einwand
hinaus, von dem schon früher die Rede gewesen ist: dass es nämlich An-
ordnungen giebt, in denen zwar eine sehr kräftige chemische Wirkung,
dagegen keine, oder keine beträchtliche elektrische stattfindet Auch Davy
nimmt stillschweigend an, dass jeder chemische Vorgang elektrisch wirksam
sein müsse, wenn man die chemische Theorie durchfuhren wolle. Obwohl
die Notwendigkeit einer Trennung des chemischen Vorganges in zwei
räumlich geschiedene Antheile um dieselbe Zeit von Ritter eingesehen und
ausgesprochen worden war (vgl. S. 189), und damit die Antwort auf die
Frage, unter welcher Bedingung ein chemischer Vorgang elektrisch wirksam
gemacht werden kann, gegeben war, so hat doch jener falsche Einwand
seine Wirkung noch lange Jahre hindurch geltend gemacht Es ist dieser
Fall eines der vielen Beispiele für die immer wiederholte Erfahrung, dass
es nicht genügt, einen richtigen und wichtigen Gedanken auszusprechen,
um ihn wissenschaftlich fruchtbar zu machen: es ist ausserdem erforderlich,
seine Anwendung an entscheidender Stelle nachzuweisen, und ihn sachgemäss
Elektrochemische Theorieen. *?.r
farchsnfuhren. In den seltensten Fällen hat der, welcher einen Gedanken
meist findet, eine vollständige Vorstellung von seiner Tragweite, und nichts
■t häufiger > als die Erscheinung, dass ein buchstäblich zu Tage liegender
Inhalt eines solchen Gedankens Jahre und Jahrzehnte hindurch übersehen
wird, und mit dem Eindruck wie von etwas ganz Neuem wirkt, wenn endlich
ein unbefangenes Auge diesen Inhalt sieht, so dass er zur Geltung gebracht
werden kann.
Im Übrigen finden sich in der Abhandlung Davy*s noch manche gute
und fruchtbare Ideen angedeutet, wie insbesondere die elektrische Messung
des Grades der chemischen Verwandtschaft. Doch hat es allerdings fast
eines ganzen Jahrhunderts bedurft, bis diese Idee greifbare Gestalt ange-
nommen hat
10. Die elektrochemische Theorie von Berzelius. Fortsetzung.
Die Anfange von Berzelius elektrochemischen Forschungen und theoretischen
Vorstellungen sind bereits früher (S. 317) geschildert worden. Von der
ausgebildeten Gestalt, welche diese, theilweise unter dem Einflüsse der eben
erörterten Arbeiten Davy's, gewonnen hat, gebe ich die wichtigsten Stellen
nach der Darstellung wieder, welche Berzelius in den späteren Auflagen
seines Lehrbuches gegeben hat1
„Selbst lange vor Entdeckung der elektrischen Säule ahnete man die
Beziehung zwischen Feuer und Elektricität. Wilke äusserte schon 1 766, dass
man mit der Zeit wohl Aufschlüsse erwarten könne über die Beziehungen,
welche die neuere Physik zwischen Feuer und Elektricität zu entdecken
angefangen habe,2 und später verwebte auch Winterl die Elektricität in
seine chemisch-theoretischen Fiktionen. Einige seiner Ideen darüber haben
sich in der Folge bestätigt; er lässt aber den Leser immer in Ungewissheit,
ob das Wahre von ihm nicht ebenso zu seinen Phantasieen gehört, wie die
grosse Menge von Irrthümern, welche man in seinen Schriften findet.
„Volta hatte durch mit vieler Sorgfalt angestellte Versuche beobachtet,
dass zwei mit einander in Berührung gebrachte Metalle elektrisch werden,
und dass dies die Ursache der Erscheinungen der elektrischen Säule sei.
Davy zeigte hierauf, dass dieser elektrische Zustand sich im Verhältnisse
mit der Stärke der gegenseitigen Verwandtschaften der angewandten Körper
vermehre, und dass er, mittelst gewisser Vorsichtsmaassregeln, in allen
Körpern, welche zu einander Verwandtschaft haben, hervorgebracht und
wahrgenommen werden könne. Aus den Versuchen von Davy ging ferner
hervor, dass durch die Temperatur, welche wie wir wissen, die Verwandt-
schaft erhöht, auch die Intensität des elektrischen Zustandes der sich be-
rührenden Körper sich vermehre, dass, wenn aber dieser mechanische
Contact in chemische Vereinigung übergehe, alle Zeichen von Elektricität
augenblicklich aufhören, das heisst, dass in dem Augenblick, wo unter
1 Es ist insbesondere die 3. Auflage, Bd. 5, 1835, benutzt worden.
' Abh. d. schwed. Akad. d. Wiss. 1766. S. 90.
336 Zehntes Kapitel.
günstigen Umständen Feuer erscheint, die elektroskopische Vertheilung^
Entladung, die man wahrnehmen könnte, verschwindet Diese
harmoniren also sehr gut mit der Vermuthung, dass die entgegei
Elektricitäten in den sich vereinigenden Körpern sich in dem Ai
der Vereinigung gegenseitig neutralisiren, und dass alsdann auf eben
Weise, wie bei der elektrischen Entladung, Feuer entsteht. Auch
von Becquerel mit Anwendung des elektrischen Multiplikators
Versuche können wohl zu den positiven Beweisen für die Theilnahme 4
Elektricität an der chemischen Verbindung gezählt werden; er zeigte, 4f
auch die geringste chemische Wirkung eine elektrische, auf die Magnetuw
wirkende Entladung hervorruft. ... "=
„Indessen, wenn wir alle diejenigen Umstände, welche für die RidMJ
keit dieser Vorstellung von dem Ursprünge des Feuers sprechen, erwähne
dürfen wir nicht für solche blind sein, die nicht auf gleiche Weise erkB
werden können. Von solcher Beschaffenheit ist das Feuer, das sich xqj
wenn sich Wasserstoffsuperoxyd, Chloroxyd, chlorige Säure, ChlorstickiK
und Jodstickstoff unter Explosion in ihre Bestandtheile trennen. Wird Wam
stoffsuperoxyd mit Wasser und Silberoxyd vermischt, so geräth die Flüaaj
keit ins Sieden, und wir entdecken bei dieser Wärmeentwickelung krii
andere chemische Erscheinung, als dass sich aller Sauerstoff vom Silbe
und die Hälfte des Sauerstoffes vom Wasserstoff im Superoxyde trennt '.
diesen Fällen entsteht Licht und Wärme also gerade bei dem Gegenth
der chemischen Verbindung, das heisst bei der Trennung der Elemente in
dem Übergange derselben in den ursprünglichen isolirten Zustand, wot
man, nach der angenommenen Ursache des Feuers zu schliessen, eher eil
Absorption von Wärme und Entstehung von Kälte erwarten sollte. Da
wenn Licht und Wärme durch die Vereinigung der entgegengesetzten Ele
tricitäten erzeugt wird, so müsste auch durch ihre plötzliche Trennung Warn
absorbirt und Kälte erzeugt werden, was indessen nicht durch Thatsadu
hat erwiesen werden können. Leitet man z. B. durch die Kugel eines gut
Luftthermometers einen Metalldraht, der sich ausserhalb der Kugel auf jed
Seite in eine Spitze endigt, und entladet mit diesem Draht eine elektriscl
Batterie in einem solchen Abstände, dass kein Funke entsteht, so ström«
die entgegengesetzten Elektricitäten, von denen die freien EE der Battei
gesättigt werden, vom Drahte aus, aber die Temperatur des Lufttherm
meters bleibt unverändert. Diese Umstände scheinen demnach zu zeige
dass in der Entstehung der Elektricitäten noch etwas liege, wovon wir u
noch keine Rechenschaft geben können, und dass unsere Erklärung, dun
die Vereinigung der Elektricitäten möglicher Weise noch eine Vorstellung»
enthält, die von dem wirklichen Verlaufe noch sehr verschieden ist. — I
dessen wollen wir versuchen, die erwähnte Hypothese zur Ausmittelung d
Erscheinungen anzuwenden, bis sich eine mit dem letzteren noch bess
übereinstimmende darbietet.
„Wenn die Körper, welche sich verbunden haben, und nun nicht me
Elektrochemische Theoriecn.
337
sind, getrennt werden, und ihre Elemente in ihren früheren iso-
Znstand mit ihren ursprünglichen Eigenschaften zurückgeführt werden
so müssen sie in den durch die Verbindung vernichteten elektrischen
wieder versetzt werden; oder mit anderen Worten, wenn diese ver-
Körper durch irgend eine Ursache ihren ursprünglichen elek-
Zustand, der durch die Vereinigung aufgehört hat, wieder erlangen,
sie sich trennen, und sich wieder mit ihren ursprünglichen Eigen-
darstellen. Auch ist es bekannt, dass bei der Einwirkung der
en Säule auf eine leitende Flüssigkeit, die Elemente dieser Flüssig-
fleh trennen, dass der Sauerstoff und die Säuren von dem negativen
M zd dem positiven, und die brennbaren Körper sowie die salzbildenden
von dem positiven zu dem negativen abgestossen werden.
Wir glauben daher nun mit Gewissheit zu wissen, dass die Körper,
sie nahe sind, sich verbinden zu wollen, freie entgegengesetzte Elek-
Iricitäten zeigen, deren Stärke in dem Maasse steigt, als sie sich der
Temperatur, wobei sie sich verbinden, nähern, bis in dem Augenblicke der
Vereinigung die Elektricitäten mit einer Temperaturerhöhung verschwinden,
de oft bis zum Ausbrechen von Feuer geht. Auf der anderen Seite haben
wir gleiche Gewissheit, dass die verbundenen Körper, in einer dazu passenden
Gestalt der Wirkung des durch die Entladung der Säule entstehenden elek-
trischen Stromes ausgesetzt, von einander getrennt werden und ihre ersten
elektrischen und chemischen Eigenschaften wiedererlangen, während zu
gleicher Zeit die darauf wirkenden Elektricitäten verschwinden.
„Bei dem jetzigen Zustande unserer Kenntnisse ist die wahrscheinlichste
Erklärung der Verbrennung und der dadurch entstehenden Feuererscheinung:
dass bei jeder chemischen Verbindung eine Neutralisation der entgegen-
gesetzten Elektricitäten stattfindet, und dass diese Neutralisation das Feuer
auf dieselbe Weise hervorbringt, wie sie es bei der Entladung der elek-
trischen Flasche, der elektrischen Säule und dem Blitze erzeugt, ohne dass
sie bei diesen letzteren Erscheinungen von einer chemischen Vereinigung
begleitet ist.
„Es stellt sich indessen hier eine Frage auf, die durch keine analoge
Erscheinung der gewöhnlichen elektrischen Entladung gelöst werden kann.
Nachdem sich die Körper durch die Wirkung einer elektrochemischen Ent-
ladung und unter Feuererscheinung verbunden haben, bleiben sie in dieser
Verbindung mit einer Kraft, welche, wie erwähnt wurde, grösser ist, als alle
die, welche eine mechanische Trennung bewirken können. Die gewöhnlichen
elektrischen Phänomene erklären wohl die Wirkung der Körper auf grösseren
und geringeren Abstand, ihre Anziehung vor der Vereinigung und das durch
diese Vereinigung entstehende Feuer; aber sie geben uns über die Ursache
der mit einer so grossen Kraft nach Vernichtung des entgegengesetzten
elektrischen Zustandes fortdauernden Vereinigung der Körper keinen Auf-
schluss. Ist dies die Wirkung einer besonderen, den Atomen beiwohnenden
Kraft, wie die elektrische Polarisation, oder ist dies eine Eigenschaft der
Ojtwald, Elektrochemie 22
*
J
o-jg Zehntes Kapitel.
Elektricität, welche bei den gewöhnlichen Erscheinungen nicht wahrnehmbar
ist? Versucht man, diese Frage zu entscheiden, so findet man, dass im
ersteren Falle, wenn es nämlich die Folge der Wirkung einer fremden Kraft \
wäre, die Fortdauer der Verbindung nicht dem Einflüsse der Elektricität
unterworfen sein dürfte, und dass, in dem anderen Falle, die Wiederher-
stellung der elektrischen Polarität auch die stärkste chemische Verbindung
aufheben müsste. Auch wissen wir, dass die Entladung der elektrischen
Batterie die chemische Verwandtschaft übertrifft, und die verbundenen Körper *
trennt, das heisst, dass sie die Kraft, wodurch die Atome nach der elektro- \
chemischen Entladung verbunden blieben, überwindet oder vernichtet Man \
kann z. B. vermittelst einer kleinen elektrischen Batterie von 8 oder 10 Paaren i
Zink- und Silberscheiben, von der Grösse eines Thalers, das Kali bei Gegen- 5
wart von Quecksilber zersetzen; dies zeigt, dass das, was wir Vereinigung»- l
Verwandtschaft, chemische Verwandtschaft nennen, eine nothwendige und l
unveränderliche Beziehung mit den elektrochemischen Erscheinungen habe, \
obgleich wir sie nicht durch die bis jetzt bekannten Entladungserscheinungen J
der durch Reibung erregten Elektricität erklären können. )
„Die über die gegenseitigen elektrischen Beziehungen der Körper ge- ■
machten Versuche haben uns gezeigt, dass jene in zwei Klassen getheilt
werden können, in elektropositive und elektronegative. Die zur ersten Klasse
gehörigen einfachen Körper, sowie ihre Oxyde, nehmen immer positive
Elektricität an, wenn sie mit einfachen Körpern oder Oxyden der zweiten
Klasse in Berührung kommen; und die Oxyde der ersten Klasse verhalten
sich immer zu den Oxyden der zweiten, wie die Salzbasen zu den Säuren.
„Man glaubte, die elektrische Reihe der brennbaren Körper sei von der
ihrer Oxyde verschieden, aber, obgleich die verschiedenen Oxydationsstufen
einiger Körper Ausnahmen zeigen, so stimmt doch die elektrische Ordnung
der brennbaren Körper im Allgemeinen mit der der Oxyde auf die Weise
überein, dass die mit den stärksten Verwandtschaften begabten Oxydations-
stufen der verschiedenen Radikale sich zu einander verhalten, wie die Radi-
kale selbst.
„Werden die Körper nach ihren elektrischen Dispositionen geordnet,
so entsteht ein elektrisches System, welches, nach meiner Meinung, am
besten sich eignet, eine Idee von der Chemie zu geben. Ich werde weiter
unten darauf zurückkommen.
„Der Sauerstoff ist der elektronegativste Körper. Da er niemals in
Beziehung auf irgend einen anderen positiv ist, und da es nach allen bis
jetzt bekannten chemischen Erscheinungen wahrscheinlich ist, dass kein
Element unserer Erde elektronegativer sein kann, so legen wir ihm eine
absolute Negativität bei. Auch ist er in dem elektrochemischen System der
einzige Körper, dessen elektrische Beziehungen unveränderlich sind. Die
anderen sind in dem Sinne veränderlich, dass ein Körper in Beziehung auf"
einen anderen negativ, und in Beziehung auf einen dritten positiv sein kann;,
so sind z. B. der Schwefel und das Arsenik in Beziehung auf die Metalle
\
j
Elektrochemische Theorieen.
339
/. Die Radikale der fixen Alkalien und der alkalischen Erden sind
sn die elektropositivsten Körper; sie sind es aber in wenig verschie-
Graden, und an dem positiven Ende der elektrischen Reihe ist kein
r so positiv, wie der Sauerstoff elektronegativ ist.
In der Meinung, es müsse einen solchen Körper geben, vermutheten
rinige Chemiker, es sei dies der Wasserstoff, und es rührten die elektro-
ren Eigenschaften der Körper immer von einem Gehalt an Wasserstoff
aber diese Vermuthung, welche sich auf keine andere Thatsache, als
rosse Sättigungscapacität des Wasserstoffes stützt, hat niemals allge-
n Beifall erhalten, und man braucht nur einen Blick auf die Eigen-
en des Wasserstoffes und der anderen elektropositiven Körper zu werfen,
e unwahrscheinlich zu finden. Auch glaubt man annehmen zu dürfen,
sich der Wasserstoff mit dem Kalium verbinden könne, worin er das
ive Element wäre, und dass das Wasser in seinen Verbindungen mit
Jalzbasen die Stelle der Säure spielt, weil bei Zersetzung von Kalkerde-
Baryterde-Hydrat durch die Säule sich das Wasser am positiven Pole
lmelt, während die Erde zum negativen geht.
,\Yenn man die Körper nach dem Zunehmen ihrer positiven Eigen-
en ordnet, so findet man in der Mitte dieser Reihe Körper, deren
ische elektrochemische Eigenschaften wenig ausgezeichnet sind, und
lan ebenso gut in die eine, wie in die andere elektrochemische Klasse
1 könnte. Diesen Körpern fehlen indessen nicht die elektrochemischen
ischaften; sie sind in Beziehung auf die nach ihnen folgenden, negativ.
,,Folgende ist ungefähr die Ordnung, in welcher die einzelnen Körper
:htlich ihrer allgemeinen elektrochemischen Eigenschaften und derjenigen
stärksten Oxyde auf einander folgen:
Sauerstoff
Tantal
Kobalt
Schwefel
Titan
Nickel
Stickstoff
Kiesel
Eisen
Fluor
Wasserstoff
Zink
Chlor
Gold
Mangan
Brom
Osmium
Cerium
Jod
Iridium
Thorium
Selen
Platin
Zirconium
Phosphor
Rhodium
Aluminium
Arsenik
Palladium
Yttrium
Chrom
Quecksilber
Beryllium
Vanadin
Silber
Magnesium
Molybdän
Kupfer
Calcium
"Wolfram
Uran
Strontium
Bor
Wismuth
Barium
Kohlenstoff
Zinn
Lithium
Antimon
Blei
Natrium
Tellur
Cadmium
Kalium.
,Ich sagte, dies ist ung
ie so wenig untersucht,
efähr ihre Ordnung. Bis jetzt hat man diese
dass sich noch nichts ganz gewisses hinsicht-
22
^40 Zehntes Kapitel.
lieh dieser relativen Ordnung bestimmen lässt, die wohl nicht mehr dies
bleiben möchte, wenn man alle auf diesen Gegenstand sich bezieh«
Umstände besser kennen wird.
„Es ist natürlich, sich vorzustellen, dass die elektrochemischen Ei
Schäften der Körper sich unter einander verhalten würden, wie ihre
wandtschaft zum Sauerstoff, und dass diese Reihe zu gleicher Zeit ihre <
nung nach dieser Verwandtschaft anzeigen würde. Indessen verhält es
nicht so; Schwefel, Phosphor und Kohlenstoff sind sehr elektroneg;
Körper; gleichwohl reduciren sie mehrere von den elektropositiveren. Au
dem steht die Verwandtschaft eines Körpers zum Sauerstoff nicht in ei
unveränderlichen Verhältnisse; sie verändert sich nach der Temperatur,
einem gewissen Hitzegrad reducirt das Kalium das Kohlenoxydgas, bei ei
anderen Grade wird das Kalium von der Kohle reducirt. Das Quecks
oxydirt sich bei seinem Kochpunkt und bei einer höheren Temperatur
es keine Verwandtschaft zum Sauerstoff mehr u. s. w. Ferner werder
bei unseren Versuchen die Körper durch eine zusammengesetzte Verwj
schaff reducirt und oxydirt, nach welcher man nicht ihre relative Verws
schaft zum Sauerstoff beurtheilen darf. Es ist also dieser Umstand,
die gegenseitigen elektrischen Beziehungen der Körper nicht gleichen Sc
halten mit dem Grade ihrer relativen Verwandtschaft zum Sauerstoff, i
dem elektrischen System entgegen, obwohl er auf den ersten Anblick c
Widerspruch zu enthalten scheint; und weiter unten werde ich zu zc
versuchen, wie man dieses Verhältniss erklären kann.
„Lange vorher, ehe man die elektrischen Beziehungen der Körper ah
hatte man ihre Oxyde in Säuren und Basen eingetheilt; die ersteren b
die elektronegative Klasse, und die zweite die elektropositi ve ; und <
Körper stehen unter sich in einer solchen Beziehung, dass oft eine schw
Säure einer stärkeren als Base dient, und dass eine schwache Base ofi
Rolle einer Säure in Beziehung auf eine stärkere Base spielt
„Die aus einer Säure und einer Base zusammengesetzten Salze i
noch unter sich elektrische Reactionen von zweierlei Art auf einander
nämlich sowohl zersetzende, wodurch sich die Elemente in anderen Ver
nissen unter einander verbinden, als auch verbindende, indem sich
Salze mit einander verbinden und ein Doppelsalz bilden, wobei alsdann
eine Salz eine elektonegative und das andere eine elektropositive Rea<
ausübt. Die erstere (die zersetzende) beruht auf den spezifischen elektris
Reactionen der einzelnen Elemente, die das Bestreben haben, sich
kommener zu neutralisiren ; die zweite (die verbindende) hängt im Gegen
von der elektrischen Reaction des ganzen zusammengesetzten Atoms
welches als ganzes, mit Beibehaltung seiner Zusammensetzung besser
tralisirt zu werden strebt
„Ein Theil der zusammengesetzten Körper bildet eine dritte Klasse
elektrochemischen Beziehungen, die sich nicht unter den einfachen Kör
finden; es sind die indifferenten, welche keine elektrochemischen Reacti
Elektrochemische Theorieen.
34*
mehr haben, und sich nicht mit anderen Körpern verbinden. Streng ge-
nommen aber giebt es keine absolute elektrochemische Indifferenz, denn
diese Körper zeigen sie nur bis zu einem gewissen Grade. Sie findet statt,
wo sich so viele Körper mit einander verbunden haben, dass dadurch eine
vollkommene elektrische Neutralisation entstanden ist, und kein Körper mehr
in die Verbindung eingehen kann. Alle elektrische Reaction hat dann auf-
gehört gegen Körper, welche sich mit dem zusammengesetzten verbinden
könnten; aber einige Elemente behalten noch ihre spezifische Reaction auf
diejenigen Körper, die jenen zu zersetzen streben. So kann sich z. B. der
krystallisirte Alaun mit keinem anderen Körper verbinden, er kann aber von
vielen zersetzt werden.
„Verschiedene zusammengesetzte Körper haben die besondere Eigen-
schaft, dass sie einer gewissen Temperatur ausgesetzt, plötzlich von einem
Feuer durchfahren werden, als ob darin eine chemische Verbindung vor
sich gehe, ohne dass, wenigstens in der Mehrzahl dieser Fälle, ihr Gewicht
sich weder vermehrt noch vermindert. Aber ihre Eigenschaften, und am
häufigsten ihre Farbe, werden dadurch verändert; auf nassem Wege äussern
sie keine Verwandtschaft mehr; sie verbinden sich nicht mehr mit den-
jenigen Körpern, zu denen sie eine grosse Verwandtschaft hatten und
widerstehen der Einwirkung derer, die sie vorher mit Leichtigkeit zer-
setzten. Sie verlieren diese elektrochemische Indifferenz nicht anders, als
indem sie bei einer hohen Temperatur der Einwirkung von mit einer
sehr starken Verwandtschaft begabten Körpern ausgesetzt werden, das
heisst, wenn sie mit Alkalien oder den feuerbeständigen oder weniger
flüchtigen Säuren ausgesetzt werden, erhitzt, mit denen sie sich dann auf
dem trockenen Wege verbinden, indem sie in ihren vorigen elektroche-
mischen Zustand zurückkehren. Beispiele davon sind die Zirkonerde, das
Chromoxyd u. s. w. . . .
„Die vorhergehenden Betrachtungen fuhren uns zu der Frage: Wie
findet sich die Elektricität in den Körpern? Wie ist ein Körper elektro-
positiv oder elektronegativ: Bisher haben Thatsachen unsere theoretischen
Ansichten begleitet und ihnen zur Bestätigung gedient. Wir kommen nun
auf ein Feld, wo wir keine solchen Beweise finden und wo folglich unsere
Vermuthungen, wenn sie auch richtig sind, doch immer zweifelhaft bleiben;
aber wir wollen es wenigstens versuchen, uns die Ursache dieser Erschei-
nungen vorzustellen.
„Wir wissen, dass ein Körper nicht elektrisch wird, ohne dass sich die
beiden Elektricitäten offenbaren, sei es in verschiedenen Theilen desselben
Körpers, oder doch wenigstens in seinem Wirkungskreise. Wenn sich die
Elektricitäten in einem ein Continuum bildenden Körper einzeln zeigen, so
finden sie sich immer in zwei entgegengesetzten Punkten dieses Körpers
concentrirt, und sein elektrischer Zustand hat dann vollkommen dieselbe
Polarität, wie ein magnetischer Körper; und bei dem jetzigen Stande unserer
Kenntnisse können wir uns von freier Elektricität nicht anders einen Begriff
3J. 2 Zehntes Kapitel.
machen, als in Folge einer solchen Polarität. Der Turmalin bietet das beste
Beispiel einer solchen Polarität dar.
„Aber diese Polarität müssen auch die kleinsten Theilchen eines Körpers
haben; denn es lässt sich nicht ein Theil eines Körpers denken, der nicht
die Eigenschaften des Ganzen oder einer Vereinigung mehrerer Theilchen
zusammen habe. Hieraus folgt natürlich, dass man ohne diese Corpuscular- -
theorie keinen Begriff von der elektrischen Polarität in den Körpern haben
kann. Bei der Annahme aber, dass die Körper aus Atomen zusammen-
gesetzt sind, können wir uns vorstellen, dass ein jedes dieser Theilchen eine
elektrische Polarität besitze, von welcher die elektrochemischen Erscheinungen
bei ihrer Vereinigung abhängen, und deren ungleiche Intensität die Ursache
des Kraftunterschiedes ist, womit sich ihre Verwandtschaften äussern.
„Diese in den kleinsten Theilchen der Körper allgemeine elektrische
Polarität reicht indessen nicht hin, die Erscheinungen von allgemeiner Polarität
zu erklären, welche ein jedes derselben zeigt, und welche die einen elektro-
positiv und die anderen elektronegativ macht. Diese Eigenschaft hängt
vielleicht von jener Art von, wenn ich so sagen darf, elektrischer Einseitig-
keit ab, weiche zuerst von Erman beobachtet und die Unipolarität1 genannt
worden ist, und deren Existenz man bestimmt erwiesen hat, obgleich wir
nicht, nach unseren Ideen von der Eiektricität, die Notwendigkeit ihrer
Existenz einsehen. Stellen wir uns vor, es sei in den Atomen eines Körpers
1 Die Erscheinungen der unipolaren Leitung sind 1806 von Erman (Gilbert's Ann.
22, 14) beobachtet und unter dem Titel: „Über die fünffache Verschiedenheit der Körper in
Rücksicht auf das galvanische Leitungsvermögen" beschrieben worden. Die von Erman auf-
gestellten fünf Klassen sind: 1) Nichtleiter, 2) vollkommene Leiter, 3) bipolare (unvollkommene)
Leiter, 4) positiv-unipolare Leiter, 5) negativ-unipolare Leiter. Die Unipolarität der Leiter be-
steht darin, dass sie den elektrischen Strom nur in einer Richtung, nicht in der entgegengesetzten
leiten ; . an einer Weingeistflamme machte Erman die ersten Beobachtungen darüber. „Verbindet
man beide Polardrähte mit derselben isolirten Flamme , so zeigen die Elektrometer durch ihre
Divergenz, die nach wie vor dauert, dass der Kreis durchaus nicht geschlossen ist. . . . Berührt
man aber die Flamme selbst ableitend, so bekommt der negative Pol das volle Maximum seiner
Divergenz, und der positive verliert jede Spur davon, wenn man ihm auch früher absichtlich
die grösstmögliche Divergenz ertheilt hätte. . . . Die Flamme des Weingeistes leitet also . . . den
positiven Effekt ganz vollkommen; für den negativen ist sie aber ein ebenso vortrefflicher Iso-
lator geworden: sie ist ein positiv-unipolarer Leiter."
In ähnlicher Weise fand Erman, dass die Flamme des Phosphors ein negativ-unipolarer
Leiter ist; die letztere Eigenschaft kommt auch einigen festen Stoffen, nämlich trockener Seife
und trockenem Eiweiss zu.
Eine genügende Erklärung der von ihm beobachteten Erscheinungen hat Erman nicht
gegeben; diese wurde erst nach 24 Jahren von Ohm, dem Entdecker des Gesetzes des elek-
trischen Stromes gefunden, wenigstens für den Fall der festen unipolaren Leiter (Schweigger's
Journ. 69, 385 und 60, 32. 1830), indem er die elektrolytische Ausscheidung nichtleitender
Stoffe an dem betreffenden Polardraht, wodurch dort, und nur dort, die Leitung aufgehoben
wird, als Ursache erkannte. Bei der Flamme liegen die Verhältnisse verwickelter.
Auf die Zeitgenossen machten die Beobachtungen von Erman einen grossen Eindruck;
sie wurden von dem National-Institut zu Paris mit dem Jahrespreise von 3000 Fr. gekrönt,
und zwar war dies die erste Erthcilung, trotzdem nach Stiftung des Preises bereits mehrere
Jahre vergangen waren.
Elektrochemische Theorieen.
343
die Elektricität des einen Pols in einem gewissen Punkte entweder vor-
herrschender oder concentrirter, als die Elektricität des anderen Pols, unge-
fähr auf dieselbe Art, wie der eine Pol eines Magnets viel stärker sein kann,
als der andere; stellen wir uns ferner vor, es existire in den kleinsten
Theilchen eines jeden Körpers eine ähnliche spezifische Unipolarität, in Folge
welcher bei den einen der positive, bei den anderen der negative Pol vor-
herrscht, so werden wir recht gut begreifen können, wie die Elektricität in
den Körpern vorhanden sein kann, und worin ihre elektrochemischen Eigen-
schaften bestehen. Die Körper sind also elektropositiv oder elektronegativ,
; je nachdem der eine oder der andere Pol darin vorherrscht.
„Aber diese spezifische Unipolarität erklärt nicht allein alle Phänomene.
Wir sehen, dass sich zwei elektronegative Körper, wie der Sauerstoff und
der Schwefel auf eine viel innigere Art mit einander verbinden, als z. B. der
Sauerstoff und das Kupfer, obgleich letzteres elektropositiv ist. Der Ver-
wandtschaftsgrad der Körper hängt demnach nicht allein von ihrer spezi-
fischen Unipolarität ab; er muss aber hauptsächlich von der Intensität ihrer
Polarität im Allgemeinen abgeleitet werden. Gewisse Körper sind einer
intensiveren Polarisation fähig, als andere und müssen daher ein stärkeres
Bestreben haben, die Elektricität zu neutralisiren, welche an ihren Polen
vertheilt ist, das heisst einen grösseren Verwandtschaftsgrad, als die anderen
Körper; so dass dieser letztere eigentlich in der Intensität der Polarisation
besteht. Daher verbindet sich der Sauerstoff eher mit dem Schwefel, als
mit dem Blei; denn wenn auch die beiden ersteren dieselbe Unipolarität
haben, so neutralisirt doch der positive Pol des Schwefels eine grössere
Quantität von negativer Elektricität in dem vorherrschenden Pole des Sauer-
stoffes, als der positive Pol des Bleis neutralisiren kann.
„Der Grad von elektrischer Polarität der Körper, wenn diese wirklich
nicht bloss in unserer Vorstellung existirt, scheint keine constante Quantität
l\i sein, sondern hängt sehr von der Temperatur ab, durch welche er sich
vermehrt, und durch deren Modifikationen er Veränderungen erleidet. Man
muss wohl unterscheiden zwischen der spezifischen Polarität der Körper und
ihrer Polarisations-Capacität; denn viele von ihnen, die bei gewöhnlicher
Temperatur der Luft nur eine sehr schwache Polarität zu haben scheinen,
erlangen bei der Rothglühhitze eine sehr starke, wie z. B. die Kohle. Andere
haben dagegen eine sehr schwache Polarisation, welche ihren höchsten Grad
bei niedrigen Temperaturen erreicht, und einige verlieren sie selbst gänzlich
bei höheren Wärmegraden, wie z. B. das Gold. Hierdurch begreifen wir es,
wie es kommt, dass der Phosphor sich bei niedrigen Temperaturen oxydirt,
während dabei die Kohle und der Schwefel keine Veränderung erleiden.
Auch sehen wir hierdurch ein, warum Körper, welche bei erhöhten Tempera-
turen Verbindungen bilden, die mit der grössten Kraft zusammen halten,
bei geringeren Hitzegraden gar keine Wirkung auf einander äussern; weil
nämlich die zu ihrer Verbindung nöthige Intensität der Polarisation erst bei
höheren Temperaturen erzeugt wird. Wir können dadurch deutlich die
344 Zehntes Kapitel.
Ursache einsehen, durch welche die Verwandtschaften der meisten Körper
erst bei hohen Temperaturen wirksam zu werden anfangen. Ist die elektro-
chemische Neutralisation einmal vor sich gegangen, so kann sie nur durch
elektrische Kräfte wieder aufgehoben werden, welche den Theilchen ihre
erste Polarität wiedergeben, auf dieselbe Weise wie die Entladung der elek-
trischen Säule. Woher es komme, dass die Temperatur die elektrische
Polarität erhöht, wissen wir nicht; aber es ist diese Erscheinung so oft beob-
achtet worden, als wir mit unseren Instrumenten eine polare Elektricität
haben entdecken und messen können, und dieser positive Beweis ist der
Leitfaden für unsere Vermuthungen hinsichlich der Polarität der Atome.
„Corpora non agunt, nisi soluta" ist ein alter chemischer Spruch, welchen
man so erklärt, dass die flüssigen Körper mit einer grösseren Oberfläche
auf einander wirken. Dies ist richtig; aber die Oberfläche kann auch durch
Pulvern vergrössert werden, ohne dass dadurch eine verhältnissmässige Wir-
kung entsteht. Damit eine Verbindung zwischen polarisirten Partikeln vor
sich gehe, müssen wenigstens die des einen Körpers beweglich sein und mit
einer gewissen Leichtigkeit den anderen ihre elektrischen Pole zuwenden
können. Diese Beweglichkeit findet nun hauptsächlich in den Flüssigkeiten
statt. Zwischen zwei festen Körpern geht auch keine Verbindung vor sich,
oder nur höchst selten; sie wird viel leichter bewirkt, wenn sich der eine
derselben im flüssigen Zustande befindet, und noch viel leichter, wenn beide
flüssig sind.
„Da jedes polarisirte Atom einen der Intensität seiner Polarisation pro-
portionalen Wirkungskreis haben muss, so folgt daraus, dass nur innerhalb
dieser Sphäre die Vereinigung stattfinden kann, und dass, wenn die polari-
sirten Partikeln durch zu grosse Abstände von einander getrennt sind, sich
ihre gegenseitige Wirkung verhältnissmässig vermindert. Daher verbinden
sich die flüssigen Körper leicht und bei fast allen Temperaturen. Die gas-
förmigen bedürfen dagegen meistens der Beihülfe der Wärme; und wenn
sie verdünnt, und ihre Theilchen folglich weiter von einander entfernt sind,
so verlieren sie auch ihre gegenseitige elektrochemische Wirkung. So bedarf
zum Beispiel, ein sehr verdünntes Gemisch von Sauerstoffgas und Wasser-
stoffgas zur Entzündung und zum Fortbrennen eine viel höhere Temperatur,
als wenn es dem atmosphärischen Druck ausgesetzt ist, weil der Abstand
zwischen den Sauerstoff- und den Wasserstoff-Atomen ihren gewöhnlichen
Wirkungskreis übersteigt
„Die elektrochemischen Eigenschaften der oxydirten Körper hängen fast
immer ausschliesslich von der Unipolarität ihres elektropositiven Elementes,
d. h. von ihrem Radical ab; das Oxyd ist gewöhnlich elektronegativ in Bezug
auf andere Oxyde, wenn sein Radical in Beziehung auf ihre Radicale negativ
ist, und ebenso umgekehrt
„Wenn nun die angeführten Vermuthungen eine richtige Idee von der
Beziehung der Körper mit der Elektricität darstellen, so folgt daraus, dass
das, was wir chemische Verwandtschaft nennen, mit allen ihren Abänderungen
Elektrochemische Thcorieen. iaC
nichts ist, als die Wirkung der elektrischen Polarität der Partikeln, und dass
die Elektricität die erste Ursache aller chemischen Thätigkeit ist; dass sie
die Quelle des Lichtes und der Wärme ist, die vielleicht nur Modifikationen
davon sind, durch welche der Raum mit strahlendem Licht und Wärme
erfüllt wird, und dass sie sich durch verschiedene noch unbekannte Ursachen
bald als Wärme, bald als vertheilte Elektricität offenbart, dass sie aber im
letzteren Falle unter Hervorbringung von Licht und Wärme .verschwindet.
„Die Elektricität, deren Natur noch unbekannt ist, und die mit keinem
anderen, innerhalb unserer Erfahrung liegenden Körper Analogie hat (wenn
man das magnetische Fluidum ausnimmt, das zur Elektricität in demselben
Verhältniss, wie Licht und Wärme zu stehen scheint, indem die Elektricität
zu gleicher Zeit mit diesen magnetische Polarität hervorbringt, und umge-
kehrt die magnetische Polarität elektrische Ströme erzeugt, wie diese bei
ihrer Entladung Licht und Wärme), scheint also die erste Thätigkeitsursachc
in der ganzen, uns umgebenden Natur zu sein. Ich übergehe mit Still-
schweigen alle Hypothesen, zu welchen sie Veranlassung gegeben hat; sie
könnten nur Vergleichungen mit anderen, besser gekannten Materien zu
Grunde habe,n, mit denen sie übrigens keine Ähnlichkeit hat. Man nahm
an, die Elektricität sei eine vibrirende Bewegung in den Körpern, analog
derjenigen, welche den Schall hervorbringt; man sagte, sie sei die den
Körpern innewohnende primitive Kraft u. s. w., aber keine von diesen Hypothesen
hat über ihre Natur ein helleres Licht verbreitet, und alle haben mangel-
hafte Seiten gehabt; man konnte einsehen, dass dies nicht die wahre Art
sei, sich von diesem so merkwürdigen Agens eine Vorstellung zu machen.
„Jede chemische Wirkung ist also, ihrem Grunde nach, ein elektrisches
Phänomen, das auf der elektrischen Polarität der Partikeln beruht. Alles,
was Wirkung der sogenannten Wahlverwandtschaft zu sein scheint, wird nur
durch eine in gewissen Körpern stärker, als in anderen vorhandene elek-
trische Polarität bewirkt. Wird z. B. die Verbindung AB durch den Körper C
zersetzt, der zu A eine grössere Verwandtschaft hat, als B, so muss C eine
grossere Intensität von elektrischer Polarität als B haben; hierdurch entsteht
vollkommenere Neutralisation zwischen A und C, als zwischen A und B,
welche von einer so grossen Temperaturerhöhung begleitet sein kann, dass
Feuer erscheint. B erscheint dann wieder mit seiner ursprünglichen Polarität,
die es durch die Vereinigung von A mit C erlangt. Wenn im Gegentheil
von diesen drei Körpern A die schwächste Polarisation hat, so wird B durch
t ebenfalls ausgetrieben werden, aber ohne bemerkbare Temperaturerhöhung,
und nur allein durch das grössere Neutralisationsbestreben von C, welches
stärker polarisirt ist Wenn sich zwei Körper, AB und CD so gegenseitig
= Ersetzen, dass sich daraus zwei andere Körper, AD und CB bilden, so
*ird die elektrische Polarisation auf gleiche Weise in den letzteren Verbin-
dungen besser neutralisirt sein, als in den ersteren. Ich werde weiter unten
>t» den mitwirkenden Nebenursachen sprechen, wodurch die Wirkung nicht
' fein von dem Grade der Polarisation der Körper abhängt
346 Zehntes Kapitel.
„Wenn die elektrochemischen Ansichten richtig sind, so fol
dass jede chemische Verbindung einzig und allein von zwei entgegc
Kräften, der positiven und der negativen Elektricität, abhängt, un<
jede Verbindung aus zwei, durch die Wirkung ihrer elektroc
Reaction vereinigten Theilen zusammengesetzt sein muss, da es k
Kraft giebt. Hieraus folgt, dass jeder zusammengesetzte Körpe:
auch die Anzahl seiner Bestandteile sein mag, in zwei Theile geth
kann, wovon der eine positiv, und der andere negativ elektrisch
z. B. das schwefelsaure Natron nicht aus Schwefel, Sauerstoff un
zusammengesetzt, sondern aus Schwefelsäure und aus Natron, die
jedes für sich in einen elektropositiven und einen elektronegativei
theil getheilt werden können. Ebenso kann auch der Alaun nicht
einfachen Bestandtheilen zusammengesetzt betrachtet werden; son<
zu betrachten als das Produkt der Reaction der schwefelsauren
als des negativen Elementes, auf das schwefelsaure Kali, als pos
ment; und so rechtfertigt auch die elektrochemische Ansicht da<
über die zusammengesetzten Atome der ersten, zweiten, dritten u.
nung gesagt habe."
Die elektrochemische Theorie von Berzelius unterscheidet sie
Davy's nicht in erheblichem Maasse. Der wesentlichste Unterschi
darin, dass Davy. die Entstehung der elektrischen Ladung der '.
atome erst bei ihrer gegenseitigen Näherung annimmt, während
sie an den Atomen von vornherein ausgebildet sein lässt.
Dem Standpunkte unserer gegenwärtigen Kenntnisse entspri
die eine Theorie, noch die andere. Wie wir jetzt wissen, ist die E
menge, welche an den Atomen angenommen werden darf, nicht
weiter Grenzen verschieden zu setzen, sondern nach dem Far
Gesetze für äquivalente Mengen der verschiedensten Stoffe gleich.
schiedenheiten der chemischen Verwandtschaft müssten demger
auf verschiedene Ladungen oder Elektricitätsmengen, sondern auf ve
Potentiale oder Spannungen der gleichen Elektricitätsmengen zur
werden. Während diese Um- und Ausbildung der Theorie noch
führbar erscheint, so steht es nicht so mit anderen Seiten dersell
mit starker chemischer Verwandtschaft, wie Sauerstoff oder Kaliun
nach Berzelius starke elektrische Ladungen zeigen, wenn sie im
denen Zustande vorliegen. Mit der charakteristischen Vernachläs!
physikalischen Verhältnisse, welche sich durch Berzelius' ganze Th«
ist dieser Umstand nicht einmal erwähnt, geschweige denn erkl
könnte man vom modernen Standpunkte einwenden, dass ja auch
Elemente meist aus Doppelatomen bestehend angenommen wen
giebt es eine ganze Anzahl derselben, für die dies eben nicht gilt
alle Metalle, die man in Dampfgestalt kennt. Diese bestehen
Zustande im Sinne der Moleculartheorie aus einzelnen Atomen, 1
dennoch keine Spur freier elektrischer Ladungen.
Elektrochemische Theorieen.
347
liese Schwierigkeit würde die Theorie von Davy nicht gerathen, da
Entstehung .der elektrischen Ladungen erst bei der Wechselwirkung
ne annimmt. Diesen Vortheil erkauft sie indessen durch eine ent-
de Inhaltlosigkeit. Denn indem sie den Betrag der elektrischen
y zwischen den in Wechselwirkung getretenen Atomen von ihrer
en Natur abhängig macht, sagt sie gar nichts bestimmtes über
^trag aus; sie kann zwar nicht in Widerspruch mit der Erfahrung
ist aber ebenso wenig im Stande, irgend eine Thatsache im Voraus
:n zu lassen. Ihre Bedeutung beschränkt sich demgemäss darauf,
die vorhandenen Thatsachen in einer anderen Gestait auszusprechen
Statt zu sagen: die chemischen Verbindungen geschehen nach
>e der im übrigen unbekannten chemischen Verwandtschaft zwischen
en, sagt die Theorie: die chemischen Verbindungen geschehen nach
>e der im übrigen unbekannten elektrischen Kräfte, die bei der
virkung der Stoffe entstehen. Der eigentliche Zweck einer wissen-
icn Theorie, welcher darin besteht, gesetz massige Zusammen-
erschiedener Erscheinungen aufzudecken, erfüllt die DAw'sche Theorie
derzeitigen Gestalt offenbar nicht.
•ssen ist es in der Zeit, mit der wir uns gegenwärtig zu beschäftigen
u den eben erörterten Fragen überhaupt nicht gekommen. Berzelius
t Theorie ausschliesslich zu Zwecken der chemischen Systematik
und hat nicht einmal den Versuch einer elektrochemischen Ver-
aftslehre im quantitativen Sinne gemacht, und ähnlich verhält es
der Lehre von Davy. Dadurch ist auch der spätere Kampf gegen
e von Berzelius nicht auf dem Gebiete der Elektrochemie geführt
sondern auf dem der Systematik, und der Fall dieser Lehre geschah
Folge der oben erwähnten Inkonsequenzen, sondern weil sie sich
erwies, die Substitutionserscheinungen der organischen Chemie, bei
lie Wirkungsgleichheit des elektropositiven Wasserstoffes und des
rgativen Chlors zu Tage trat, in ihr Gebiet aufzunehmen.
Theorieen von Davy und Berzelius sind nicht die einzigen elektro-
hen Theorieen. Vielmehr sind noch andere aufgestellt worden, so
whiggkr1 und von Gmelin.2 Doch hat keine von diesen mehr ge-
als die genannten, und ein Eingehen auf sie würde wenig Nutzen
. Davy's letzte elektrochemische Arbeit. Während Berzelius
lusführung seiner oben erwähnten Erstlingsarbeit sich nie wieder
fcntell mit elektrochemischen Fragen beschäftigte, sehen wir Davy
fls zunächst durch seine elektrochemischen Entdeckungen in eine
Erörterung rein chemischer Fragen geführt, schliesslich aber doch noch
fr seinem Tode zu jenen zurückkehren. Jene chemischen Diskussionen
fen daraus, dass von seinen Zeitgenossen und Concurrenten Gay-Lussac
n. :*. Chemie u. Physik, 39, 231. 1823. 2 Pogg. Ann. 44, I. 1838.
3 50 Zehntes Kapitel.
In die weiteren Einzelheiten der Arbeit brauchen wir dem Verf
nicht zu folgen; ungemein lehrreich ist in dem Berichte die Mittheilung
anfänglichen Zweifel, ob die Sache „gehen" würde. Es ist dies ein Umsi
der gerade bei kenntnissreichen Männern ungemein häufig Entdecku:
verhindert. Auf Grund eigener und fremder Erfahrungen macht man
einer neuen Frage gegenüber alsbald mehr oder weniger bestimmte
Stellungen und bildet sich eine Art Urtheil, dessen Gründe man sich i
deutlich ins Bewusstsein bringt. Dadurch erscheinen denn manche E
als unmöglich, die es keineswegs sind, und man wird verhindert, Vers
über sie anzustellen, da solche doch wichtige Fortschritte bringen wüi
Die Fähigkeit, einmal auch etwas scheinbar Absurdes zu versuchen, ist
von denen, die der erfolgreiche Entdecker besitzen muss.
Durch jene Arbeiten, und den eben entdeckten Multiplikator, de
manche neue Aufschlüsse erwarten Hess, veranlasst, hat H. Daw als<
sich wieder mit allgemeinen Fragen der Elektrochemie beschäftigt, und
im Jahre 1826 eine Baker- Vorlesung l gehalten, welcher er den Titel
„Über die Beziehungen zwischen chemischen und elektrischen Vorgang
Die Arbeit fängt mit einer geschichtlichen Einleitung an, in welcher 1
den Versuch von Nicholson und Carlisle als den wahren Beginn alles de
erklärt, was in der Elektrochemie geschehen ist, und alle Ansprüche, wt
man für Ritter erhoben hat, zurückweist. „Ritter's Arbeiten enth;
einige sehr sinnreiche und originale Versuche über die Bildung und
Kräfte einfacher galvanischer Ketten, und Winteri/s einige kühne, \
auch unklare spekulative Ansichten über die Grundursache chemischer
gänge; doch ist es schwer, zu sagen, was in der Dunkelheit der Spr
und der Metaphysik beider Herren nicht gefunden werden könnte."
Davy thut hier offenbar Ritter Unrecht; es ist dies wohl erkläi
da er nicht deutsch verstand, und seine Kenntnisse der Arbeiten Rit-
aus zweiter Hand erhielt; insbesondere dürfte es der Einfluss des fr
schon genannten Chenevix sein, von dessen übertriebenen Schilderuni
er seine Anschauungen über Ritter als eines Angehörigen der naturp
sophischen Schule mehr als billig hat beeinflussen lassen. Auch in st
weiteren Darstellung nimmt er fast ausschliesslich auf engliche Fors
Rücksicht, so dass diese keineswegs als eine genaue Geschichte des Ge
Standes angesehen werden kann.
Die gleiche Unkenntniss nichtenglischer Litteratur macht sich als
weiter geltend, indem er zu der Beschreibung seiner eigenen Versuche mit
des Galvanometers übergeht, die er für „völlig neu" hält. Es sind dies B>
achtungen über Ströme, welche entstehen, wenn man zwei mit den Er
des Galvanometers verbundene Stücke gleichen Metalles nicht gleichzc
sondern nach einander in dieselbe Flüssigkeit taucht. Diese Erscheinur
1 Philos. Trans. 1826, P. III. — Phil. Mag. 1, 31. 1827.
8 Ann. de Chimie, 60, 175. — Gilbert's Ann. 20, 417. 1805.
Elektrochemische Theorieen.
351
ren drei Jahre früher von dem K. bayerischen G. O. Finanzrathe Ritter
n Yelix1 beobachtet und unter dem Titel: „Magneto-motorische Wirkung
t flüssigen Säuren, Basen und Salze mittelst einfacher metallischer Leiter,
id eine neue einfache Ladungs-Säule mit trennbaren unipolaren Endgliedern"
schreibt er ganz dieselben Thatsachen, welche Davy schildert. Ich lasse
nige von Yeun's Beobachtungen in seinen eigenen Worten folgen.
Nach der Beschreibung seiner Galvanometereinrichtung fährt er fort:
Füllt man das Unzengläschen mit reiner Salzsäure, und taucht hierauf in
ic zuerst das N-Polende des zinnernen Leiters, und sodann das S-Polende,
0 weicht der N-Pol der Nadel gegen Ost aus. Wird dagegen zuerst das
hPolende und hinterher das N-Polende eingetaucht, so weicht der N-Pol
ler Nadel gegen Westen aus. . . . Wir haben also in diesen Versuchen
kktro-magnetische Wirkung mittelst eines einzigen einfachen metallischen
Liters und einer einzigen Flüssigkeit. . . . Welche Rolle man auch bei der
Erklärung dieser Erscheinung dem Wasser- oder Metallbogen selbst anweisen
-olle, so sind es bei den vorstehenden Versuchen doch immer die Bestand-
leile der in Wasser aufgelösten Stoffe, welche mittelst des eingetauchten
letallstreifens die elektrische Aktion bedingen, indem sie durch die Be-
iihrung mit demselben in ihrem statisch elektrischen oder vielmehr mag-
etischen Gleichgewicht gestört, ein flüssiges Säulenelement, oder vielmehr
ine flüssige Säule selbst bilden, wovon in den Versuchen . . . der als Silber-
01 sich verhaltende Bestandtheil an dem zuerst eingetauchten Ende des
innstreifens polarisch hervortritt, und der dadurch in eine Anwandlung zum
reiwerden versetzte andere Bestandtheil sich nothwendig auf entgegengesetzte
/eise zum Zinkpol gestaltet, und in seinem Bestreben, sich anderwärts mit
inem Heterogenen in statisch-elektrische Ruhe zu setzen, dem später ein-
etauchten zweiten Ende des metallischen Leiters darbietet, und in ihm als
chliessungsdraht dieselbe wirklich herstellt."
Man erkennt hier wieder die charakteristische Unart der Naturphilosophie,
ie Thatsachen mit einem Schwall wenig Genaues sagender Worte zu
berdecken. Trotzdem theilt Yelin noch einige weitere beachtenswerthe
Beobachtungen mit, insbesondere die, dass die einmal hervorgebrachte Un-
leichheit zweier metallischer Leiter bestehen bleibt, wenn man auch die
letalle aus der Flüssigkeit entfernt, abtrocknet und einige Zeit liegen lässt.
Herauf bezieht sich der zweite Theil des Titels. Er ermittelt, dass die
Jrsache dieser Erscheinung an dem Metall haftet, denn die Anwendung
ischer Flüssigkeit ändert nichts an den Vorgängen. Den Zusammenhang
lit der RiTTER'schen Ladungssäule (S. 176) betont er mit Recht.2
Ganz ähnliche Beobachtungen sind es nun, welche Davy beschreibt; um
» verschiedener sind freilich die Schlüsse, zu denen er sie benutzt. „Der
nige Zusammenhang, welcher sich in allen diesen Fällen zwischen chemischen
1 Gilbert's Ann. 73, 365. 1823.
* Ausser von Yelin sind die Erscheinungen um dieselbe Zeit von Oersted und von
101EREL (Ann. chim. phys. 23, 152. 1823) beobachtet worden.
■5C2 Zehntes Kapitel.
und elektrischen Erscheinungen zeigt (Davy hatte nachgewiesen, dass
Allgemeinen das angegriffene oder oxydirte Metall sich gegen polirtes negal
oder wie Kupfer gegen Zink, verhält) wird noch bemerkenswerther, wenn matt
die Art der Änderungen betrachtet, welche in Ketten dieser Form stattfindet
„Sauerstoff, welcher als negativ in Bezug auf alle Metalle, und Schwefel,
welcher als negativ in Bezug auf die oxydirbaren Metalle betrachtet werden
kann, bringen durch ihre Verbindung mit Metallen, die gegen sie positiv
sind, Verbindungen hervor, welche gegen diese Metalle negativ sind. Und
bei den chemischen Vorgängen sind die Ergebnisse immer so, dass sie
schliesslich das Gleichgewicht herstellen, indem Wasserstoff oder Schwefel-
wasserstoff nach der negativen Seite gehen, und Sauerstoff nach der posi-
tiven; so dass die Oxyde reducirt werden; und es wird nicht allein das
Gleichgewicht hergestellt, sondern die Pole werden zuweilen umgekehrt....*'
Weiter beschäftigt sich Davy mit den von ihm vor langer Zeit zuerst
gebauten Ketten aus einem Metall und zwei Flüssigkeiten (S. 157), und
beweist gegen die Meinung von Becquerel, dass durch die Verbindung von
Säure und Alkali kein elektrischer Strom entsteht, sondern dass die von
diesem beobachteten Ströme allein in der Berührung des Metalles mit zwei
verschiedenen Flüssigkeiten ihre Ursache haben. „Eine Lösung von Salpeter,
welcher Stoff in Berührung mit edlen Metallen neutral ist, wurde in ein
Glas gebracht, welches eine mit dem Multiplikator verbundene Platinplatte
enthielt; reine concentrirte Salpetersäure kam in ein anderes Glas mit einer
zweiten Platinplatte, die mit dem zweiten Draht des Multiplikators verbunden
war; die Verbindung zwischen beiden Gläsern wurde durch ein mit Salpeter-
lösung befeuchtetes Stück Asbest hergestellt. Im Augenblicke der Berührung
zeigte die Nadel eine starke elektrische Wirkung, negativ an der Platte,
welche in die Säure tauchte, die eine dauernde Ablenkung der Nadel von
etwa 6o° bewirkte." Ähnliche Beobachtungen wurden mit Salpeter und
Kalilauge gemacht, nur war die Ablenkung kleiner. Als dann die beiden
Platten, eine in Salpetersäure, die andere in Kali getaucht wurden, und
zwischen beide Flüssigkeiten eine Lösung von Salpeter geschaltet wurde, so
dass kein chemischer Vorgang unmittelbar erfolgen konnte, fand eine bedeu-
tende Ablenkung statt; als umgekehrt beide Platten in Salpeterlösung gebracht
wurden, und zwischen die entsprechenden Gefässe einerseits Kali, anderer-
seits Salpetersäure geschaltet wurde, so dass sich Säure und Basis berührten
und ein kräftiger chemischer Prozess eintrat, war die Wirkung auf die
Nadel Null.
Ein weiteres Kapitel der Abhandlung Davy^s ist der Wirkung der
gewöhnlichen Ketten aus zwei Metallen und einer Flüssigkeit gewidmet. Aus
den vorher beobachteten ausgezeichneten Wirkungen der Alkalien und
Säuren ist abzunehmen, dass diese einen Einfluss auf die gegenseitige Stellung
der Metalle in der Spannungsreihe ausüben werden; so erwies es sich auch.
Doch ist auch dies Verhalten schon viel früher von Pfaff (S. l86> beob-
achtet worden. Davy theilt als Ergebniss seiner Versuche in dieser Richtung
I Elektrochemische Theorieen. -553
fchrige Spannungsrdhen in verschiedenen Flüssigkeiten mit, deren Wieder-
^tbe hier unterbleiben kann.
Bei der Erörterung der Erscheinungen der Säule kommt Davy, alle ein-
leben Ergebnisse seiner Versuche zusammenfassend, zu dem Schlüsse, dass
• der reine Voltaismus, nach welchem nur der Metallcontact für die elektrische
\ Tbätigkeit der Säule entscheidend sein soll, sich nicht mit den Thatsachen
; verträgt Er theilt alsdann einige Versuche mit, die zwar gleichfalls nicht
ku sind, die aber doch in sehr klarer Weise jene Anschauung widerlegen.
JEs werde ein Stück Zink und [ein Stück Platin jedes in ein Glas mit Sal-
peterlösung gestellt, und es werden beide Gläser durch Asbest verbunden,
der mit der gleichen Lösung getränkt ist; die Nadel des Galvanometers,
durch dessen Draht die Metalle verbunden werden, wird eine Ablenkung
«eigen. Nun sollen beide Gläser durch einen metallenen Bügel aus Zink
and Platin so verbunden werden, dass die Reihenfolge Voltaisch ist, d. h.
dass das Zink dem ersten Platin gegenüber steht: die Wirkung wird verstärkt
«erden. Nun soll ein Bügel von reinem Zink eingelegt werden: die Wir-
hing ist kleiner, als mit dem zusammengesetzten Bügel, aber grösser, als
tat dem Asbest, und der dem Platin gegenüberstehende Pol wird sich
oxydiren, während der dem Zink zugewandte Wasserstoff abgiebt. Nun
sollen Bügel aus anderem Metall fiir den aus Zink gesetzt werden, z. B. von
Zinn, Eisen, Kupfer, Silber, Tellurium: die elektrischen Wirkungen werden
mit der Oxydirbarkeit der Metalle abnehmen und beim Tellur, welches sich
am positiven Pol einer VoLTA'schen Batterie nicht oxydirt(?), wird die Wir-
bing verschwunden sein; ebenso bei Rhodium, Palladium und Platin. Dass
die Wirkung nicht auf irgend welchen Ursachen beruht, die mit der Leit-
tahigkeit zusammenhängen, ist offenbar; denn Holzkohle, welche ein sehr
anvollkommener Leiter ist, wirkt wie ein oxydirbares Metall, und sehr feiner
Platindraht mit einem Stückchen oxydirbaren Metalles am Ende, ist wirk-
samer, wenn das oxydirbare Metall dem negativen Pole gegenüber steht, als
wenn der ganze Bügel aus oxydirbarem Metall besteht, und hebt die Wir-
kung völlig auf, wenn das oxydirbare Metall dem positiven Pole gegenüber
steht"
Auch diese Thatsachen sind, wie erwähnt, nicht neu; sie sind alle von
Ritter beobachtet worden (S. 175). Doch sind unzweifelhaft Da\Vs Ansichten
bei weitem die klareren. „Alle chemischen Vorgänge sind stets bestrebt,
das durch die wechselseitige Berührung der Metalle in den Flüssigkeiten
gestörte Gleichgewicht wieder herzustellen, und es erhellt daraus, dass in
Fällen, wo ursprünglich unwirksame Bogen mit ursprünglich wirksamen ver-
bunden werden, die mit den elektrischen Anziehungen verbundenen che-
mischen Vorgänge das Bestreben haben müssen, in den ursprünglich unwirk-
samen Theilen der Kette eine Anordnung hervorzubringen, welche dieser
eine Kraft geben muss, die der im ursprünglich wirksamen Bogen vorhan-
denen gerade entgegengesetzt sein muss, so dass deren Wirkungen nach der
Trennung, wenn überhaupt welche vorhanden sind, beiderseits genau ent-
Ottvald, Elektrochemie. 23
3C4 Zehntes Kapitel.
gegengesetzt verlaufen müssen. Dies Ergebniss, welches ich voraussah,
ich thatsächlich zutreffend." Und nun beschreibt Davy nichts anderes
eine RirrER'sche Ladungssäule.
In seinen Schlussbemerkungen geht Davy näher auf den Vorgang
Leitung in Flüssigkeiten ein, und beschreibt Versuche, in denen durch
bringung von Reagenspapieren ermittelt wurde, an welchen Stellen
die Produkte der elektrischen Zerlegung zuerst zeigen. Bei der da
in keiner Weise bezweifelten Ansicht, dass die Salze in Säure und ]
zerfallen, war es denkbar, dass etwa in der Mitte der Salzlösung
Trennung beginnen, und die saure und basische Reaction ihren Ar
nehmen würde. Dies trifft nicht zu; „es wurde gefunden, dass das A
sich ausschliesslich an dem Punkt oder der unmittelbaren Oberfläche
negativen Platins entwickelt, und die Säure in gleicher Weise an der C
fläche des positiven Platins; beide diffundirten dann in einem Kreise
um den Leiter, und es war keine Erscheinung sichtbar, welche auf ir)
eine Anziehung oder Abstossung der Menstrua in der Stromlinie hingewi
hätte."
Die Erklärung, welche Davy hierfür giebt, ist dieselbe, welche wi
von Grotthuss herrührend kennen gelernt haben (S. 313): die Vorstel
abwechselnder Zerlegungen und Wiederverbindungen im Stromkreise; ;
hier scheint Davy mit jener älteren Arbeit nicht bekannt zu sein, <
Grotthuss' Name wird nicht erwähnt.
Ein Punkt in dieser Abhandlung ist von grossem Interesse. Um
Zeit war Faraday der Assistent Davy's, und dieser bemerkt an einer S
dass Faraday einen grossen Theil der beschriebenen Experimente ai
fuhrt habe. Nun sind die hier aufgeworfenen Fragen diejenigen, w<
Faraday eine Reihe von Jahren später mit so vielem Erfolg aufgenom
und beantwortet hat. Bei der Schilderung jener grundlegenden Arb
werden wir vielfach an diese letzte Abhandlung Davy*s erinnert werden,
die Stetigkeit der wissenschaftlichen Entwicklung wird in diesem ]
besonders anschaulich.
Schliesslich soll noch ein wichtiger allgemeiner Gesichtspunkt en*
werden, welchen Davy in Bezug auf die Bedeutung der elektrochemis
Beziehungen zur Geltung bringt. „In der Baker- Vorlesung von 1806 sc
ich die elektrischen Kräfte, oder die zur Trennung der Elemente ^rfo
liehen Kräfte als ein Anzeichen oder einen Maassstab für die Intensität
chemischen Verbindung vor. Durch den Gebrauch des Multiplikators
es jetzt leicht sein, diesen Maassstab anzuwenden; und genaue U
suchungen über den Zusammenhang dessen, was man die elektrodynamis
Beziehungen der Stoffe nennen kann, zu deren Verbindungsgewichten
Proportionalzahlen werden den ersten Schritt dazu bilden, die Chemie
die dauerhafte Basis der mathematischen Wissenschaften zu gründen."
Diese Hoffnung, welche hier ausgesprochen ist, und welche wohl 2
mein von Davy's Zeitgenossen getheilt worden ist, ging nicht so bal
Elektrochemische Theorieen.
355
däUuüg. Sehr lange Zeit ist vergangen, bis man die Grösse bestimmen
rate, welche im elektrischen Gebiete das eigentliche Maass der „chemischen
jaft" ist Zunächst nahm man den Ausschlag des Galvanometers dafür;
b dann Ohm die Ursachen, welche für diesen Betrag maassgebend sind,
nterscheiden lehrte, entstanden neue Schwierigkeiten darüber, welches die
^sprechende elektrische Anordnung für einen bestimmten chemischen
rorgang ist Wir haben bereits gesehen, wie z. B. die von Becquerel
Bsammengestellte Kette, deren Wirkung dieser auf den Neutralisationsvor-
ang zwischen Säure und Basis zurückfuhren wollte, gar nicht diese Bedeu-
ing haben kann (S. 351). Die Aufklärung dieser Punkte ist in der That
ist in neuester Zeit gelungen; dass schon an dieser Stelle auf sie hinge-
wiesen wird, soll den Leser auf die grossen Schwierigkeiten aufmerksam
lachen, mit denen im Laufe unserer Geschichte die Wissenschaft hat
impfen müssen, bis sie zu der einfachen und entscheidenden Fragestellung
dangt ist, durch welche auch das wesentliche der Antwort gegeben ist.
Auch darf die Bemerkung nicht unterdrückt werden, dass das Galvano-
eter, von dessen Mitwirkung Davy so viel erwartet, zunächst vom Ziele
ehr ab-, als ihm zugeführt hat. Denn die entscheidende Grösse, um die
sich hier handelt, ist die, welche das Elektrometer angiebt, die Span-
in g; das Galvanometer aber giebt Stromstärken an, deren Zusammenhang
it der Spannung erst durch andere Daten zu ermitteln ist. In dieser Be-
:hung waren die älteren Instrumente also die sachgemässeren, nur waren
! freilich für scharfe Messungen noch sehr wenig geeignet.
12. Ansichten von Grotthuss. Zum Schlüsse dieses Kapitels seien
is dem Auszuge einer grösseren Abhandlung, welche v. Grotthuss gegeben
tt,1 einige bemerkenswerthe hierhergehörige Erörterungen mitgetheilt
„Der Verf. zeigt, dass man nicht mit Davy und Berzelius glauben müsse,
tss die Elektricitätsvertheilung zweier sich berührender Massen im Verhält-
ss stehe mit der Elektricitätsverteilung der sich berührenden und in che-
ische Wechselwirkung tretenden Elementartheile derselben Massen. So
B. hat Glas zu Glas keine chemische Verwandtschaft, und doch werden
k-ei Glastafeln, die man mit einander in Berührung gebracht hat, nach der
rennung die eine +, die andere —elektrisch. Blei und Schwefel haben
ne grosse Verwandtschaft zu einander, und stehen dessenungeachtet in der
ektrischen Spannungsreihe sehr nahe bei einander. Dagegen stehen glattes
las und rauhes Glas in dieser Spannungsreihe weit von einander ab, obwohl
e weder zu einander, noch zu Sauerstoff eine chemische Verwandtschaft
issern. Und dergleichen Beispiele, die der von Berzelius geäusserten An-
:ht geradezu entgegen sind, giebt es viele.
„Hieraus schliesst der Verf., dass man nicht von den Versuchen, welche
avy mit zwei sich berührenden, der gegenseitigen chemischen Einwirkung
higen Massen (z. B. Kalk mit Sauerkleesäure, Kupfer mit schmelzendem
1 Gilbert'» Ann. 61, 60. 18 19.
2**
356 Zehntes Kapitel.
Schwefel u. s. w.) angestellt hat, ausgehen könnte, um die Elektrochemie zu
gründen, dass man dabei vielmehr von den Metallniederschlägen ausgehen :
müsse. Für diese Klasse von Erscheinungen hat der Verf. schon vor :
mehreren Jahren die Polarelektricität (Galvanismus) als das Bedingende der» j-
selben aufs Evidenteste bewiesen (S. 310). Auch zu Anfang der regulinischea ::
Metallausscheidung, wenn nur ein Metall, nämlich das fällende in der Flüssig- .,
keit sichtbar ist, sind doch schon alle, und selbst mehr Bedingungen erfüllt, ■,
als zur Hervorbringung des Galvanismus erforderlich wären. Denn die :
Flüssigkeit, aus der das Metall abgeschieden werden soll, besteht aus hetero- -,
genen Elementartheilchen, und die Elementartheile des aufgelösten Metalles ,
können mit denen des fällenden eine elektrochemische Elementarkette bilden. ...
An diese müssen sich die Wasseratome polarisch anschliessen, so dass der ,
Sauerstoff dieser Atome den positiven metallischen Elementartheilchen, und ...
der Wasserstoff dagegen den negativen metallischen Elementartheilchen zu- .
gekehrt wird.
„Wenn die in der Auflösung sich befindenden Elementartheilchen des
aufgelösten Metalles mit denen des in Masse eingetauchten eine solche
elektrochemische Spannung eingehen, dass erstere + E, letztere hingegen
— E erhalten, so kann gar keine merkliche Wirkung stattfinden. Denn die >
Elementartheilchen des aufgelösten Metalles würden, vermöge ihres + E nur \
dann mit gehöriger Kraft den Sauerstoff des Wassers anzuziehen vermögen,
wenn nicht jedes derselben sich wenigstens ein Atom Sauerstoff schon früher
zugeeignet hätte, und damit ein Oxydul oder Oxyd bildete. Entsteht aber
eine dieser gerade entgegengesetzte elektrische Vertheilung, werden nämlich
die Elementartheilchen des in Masse hineingetauchten Metalles positiv, hin-
gegen die des aufgelösten negativ elektrisch, so ordnen sich die Elemente
der umliegenden Wasseratome so, dass der Sauerstoff derselben mit dem
fällenden Metall, ihr Wasserstoff aber mit dem zu fallenden, oder dessen
Sauerstoff in Berührung tritt; und dann muss aus leicht einzusehenden
Gründen die Ausscheidung des aufgelösten Metalles erfolgen.
„In den Flüssigkeiten, die aus heterogenen Elementartheilchen bestehen
(und hierzu möchten wohl alle Flüssigkeiten, selbst die flüssigen, für einfach
gehaltenen Metalle gehören), muss zwischen diesen Elementartheilchen ein
beständiger Galvanismus, und dadurch ein beständiger wechsel-
* \ seitiger polarischer Molekularaustausch unterhalten werden, den
* / man durch das in Fig. 98 dargestellte kreisförmige Schema aus-
*^. *
* drücken kann. Jede Wasserzersetzung, die man mit dem Namen
ig. 9 . ac chemische belegt, ist daher nur eine Störung des fortwährenden
Grotthuss
Molekulargalvanismus, oder eine Ausgleichung des unendlichen
kreisförmigen Molekularaustausches zu einem endlichen linienförmigen. Die
Atome der Flüssigkeiten scheinen demnach ebenso von einer bewegenden
Kraft beseelt zu werden, wie die Welten im Weltsystem, und wahrlich auch
diese Welten sind gegen den Raum, der sie fasst, doch höchstens nur
Atome.
Elektrochemische Theorieen. . 357
lit Zugrundlegung dieser Ansicht, die nicht nur für Flüssigkeiten
ondern auch für Gasarten gilt, lässt sich leicht einsehen, warum ein
:hes Salz, das sich auf dem Boden einer cylindrischen mit Wasser
1 Flasche befindet, selbst im Zustande der grössten Ruhe sich nach
zh in der Flüssigkeit gleichmässig vertheilt, und warum sich Gasarten
r verschiedenem specifischen Gewicht nach und nach (wie in Dalton^s
len) gleichmässig mengen. Die heterogenen Elemente des Salzes
lämlich dem polarischen Molekularkreis des Wassers bei, und so auch
mente der einen Gasart in Betreff der anderen. Der Flüssigkeits-
der Körper scheint sich aus dieser steten Elementarbewegung am
ten erklären zu lassen, und wenn man den flüssigen Körpern dasjenige
:, was den Galvanismus bedingt, nämlich die Wärme, so werden sie
ind umgekehrt Diese Ideen sind geeignet, das Reich des Todten
sbendigen zu vindiciren."
ese Bemerkungen von Grotthuss gemahnen ganz modern und man
lit Erstaunen nach dem Datum der Abhandlung, welche 18 19 ge-
en worden ist Indessen haben diese Grundlegungen einer kinetischen
; der Aggregatzustände und diese Vorausnahme der WiLLiAMSON'schen
jngen über den fortwährenden Austausch der Bestandteile der Ver-
gen auf ihre Zeit nicht den mindesten Einfluss geübet, ja, sie sind
upt nicht beachtet worden. Auch hier zeigt sich, wie oft ein guter und
barer Gedanke vergeblich der Wissenschaft dargeboten wird, so lange
«ine Brauchbarkeit an irgend einem praktischen Falle, oder noch
an möglichst vielen erwiesen wird. Ähnliche Erscheinungen werden
»ch vielfach begegnen.
Fig. 99. Gbosg Simon Ohm.
Elftes Kapitel.
Die elektromagnetischen Erscheinungen und
das Ohm'sche Gesetz.
1. Pause. In der Entwickelung der Elektrochemie lässt sich nach 1
Zeit der Herstellung der Alkalimetalle durch Davy eine deutliche Pause o
Lücke erkennen, indem nach der Fluth der Entdeckungen, die unmittel
auf das Bekanntwerden der VotTA'schen Säule erfolgte, eine fast plötzlii
Ebbe eintritt. Es hat dann bis zu dem Jahre 1820 gedauert, bis wie
eine bedeutende Entdeckung auf dem Gebiete der elektrischen Strö
gemacht wurde: die des Einflusses eines Stromes auf die Magnetnadel. Z1
hat diese von Oersted gefundene Erscheinung unmittelbar mit der Elekl
chemie nichts zu thun, desto mehr aber mittelbar, indem sie zu der Er
düng des empfindlichsten aller elektrischen Messinstrumente, des Galva
meters, führte, an welches sich dann in kurzer Folge die Kenntniss ei
quantitativen Gesetzes für die elektrischen Ströme, des OHin'schen Geset
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm'sche Gesetz. jrg
ipfte, dessen Entdeckung in das Jahr 1826 fallt Das Galvanometer ver-
isste alsbald eine Fülle von Untersuchungen, von denen allerdings ein
r grosser Theil für die weitere Entwickelung der Wissenschaft ohne Be-
ttung blieb, ähnlich, wie das nach Erfindung der Säule geschah. Doch
rde dabei das Interesse an den ungelöst gebliebenen Fragen wieder
geregt, und wir sehen um jene Zeit den bis dahin mehr zufällig und
Legentlich geführten Streit um die Theorie der galvanischen Erschei-
nen, den Gegensatz zwischen der Lehre vom Contact und von der
lemischen Ursache der elektrischen Vorgänge in der VoLTA'schen Kette,
lf der ganzen Linie entbrennen.
Inzwischen war man zwar nicht ganz müssig gewesen , der quantitativ
eringeren Arbeitsleistung entsprach aber auch eine qualitative Herabmin-
erung des Werthes der Leistungen. Technische Einzelheiten über den
esten Bau der Säule bilden fast die einzigen experimentellen Beiträge,
.eiche man in den englischen Zeitschriften jener Periode findet, und in den
leutschen beanspruchen die sogenannten trockenen Säulen, deren Verhält-
tisse eigentlich schon durch die ersten Arbeiten darüber genügend klar
jelegt waren, ein unverdientes Interesse. Eine grosse Anzahl theoretischer
\useinandersetzungen jener Zeit erreicht das gesteckte Ziel nicht aus Mangel
ester, zahlenmässiger Grundlagen und klarer Begriffe, und nur an kleineren
Einzelbeobachtungen, welche durch spätere Arbeiten Wichtigkeit erhielten,
findet sich einige Ausbeute. Es ist deshalb am besten, auf eine zusammen-
hängende Schilderung der Arbeiten jener Zwischenzeit zu verzichten, und
das wenige, was inzwischen geschehen war, in die Darstellung der späteren
Entwickelung an gegebener Stelle einzureihen. Nur mit einem Gegenstande,
der trockenen Säule, soll eine Ausnahme gemacht werden, weniger wegen
seiner Bedeutung, als wegen des breiten Raumes, den er damals in dem
Interesse der Zeit eingenommen hat.
2. Die trockenen Säulen. Obwohl die sogenannten trockenen Säulen
nur zwei Jahre jünger sind, als die nassen, so sind sie doch später wieder-
holt von neuem entdeckt worden, und es sind drei oder vier verschiedene
Namen, welche damit in Verbindung gebracht werden. Der thatsächliche
erste Entdecker ist Ritter; hernach sind sie unabhängig von Behrens und
Mar£ch aux erbaut worden; zehn Jahre später theilt wieder de Luc ihre
Construction als etwas Neues mit, und schliesslich bleibt der Name des
italienischen Physikers Zamboni, obwohl dieser selbst erwähnt, dass er durch
de Luc angeregt war, an dem Apparate haften; die ZAMBONi'sche Säule ist
heute einem Jedem bekannt, auch wenn er nichts von Ritter oder de Luc weiss.
Dass Ritter's Beschäftigung mit der trockenen Säule in Vergessenheit
gerieth, ist einigermaassen erklärlich, denn das einzige, was dieser darüber
mitgetheilt hat, steht an einem Orte, an dem man sonst nicht physikalische
Entdeckungen sucht: im Reichsanzeiger von 1802, Nr. 66, S. 813. Von dort
ist es allerdings in den zweiten Band seiner Physisch-chemischen Abhand-
lungen übergegangen.
360 Elftes Kapitel.
Mit der Veröffentlichung im Reichsanzeiger hat es folgende Bewandtnis.
Der Herzog Ernst von Sachsen-Gotha hatte im Jahre 1802 Ritter, der in
Jena in dürftigen Umständen lebte, nach Gotha berufen, und ihm dort reich-
liche Mittel zur Fortsetzung seiner galvanischen Versuche gewährt Von den
Ergebnissen dieser Arbeiten hat nun Ritter an jenem Orte vorläufige Rechen-
schaft gegeben, und darin der Versuche mit den trockenen Säulen Erwäh-
nung gethan, auf die er in späteren Veröffentlichungen nicht wieder zurück-
gekommen ist, da, wie er sagte, ihm die vollständige Bearbeitung der in
Gotha in zwei Monaten fast ununterbrochenen Experimentirens gewonnenen
Ergebnisse zwei Jahre Schreibens kosten würde.
Den Anlass zur Erbauung trockener Säulen bot die Beobachtung, dass ■
gewöhnliche Säulen, die nach tagelangem Stehen fast ausgetrocknet waren! £
dennoch die elektroskopischen Erscheinungen in so gut wie unverminderter
Stärke zeigten. „Ich construirte daher . . . geradezu eine VourA'sche Säule
ohne alle absichtlich hinzugebrachte Feuchtigkeit, aus 600 mal Zink, Kupfer *.
und dem Anscheine nach völlig trockenem weissem Schafleder. Einige Zeit
nach der Construction zeigte das Elektrometer denselben Grad gegenwärtiger .
Elektricität, als bei 600 mal Zink, Kupfer, Wasser . . . u. s. w. Auch lud diese
trockene Säule von 600 die Leidener Batterie genau wieder bis zu dem-
selben Grade, als nasse Säulen gleicher Grösse, und bei der Entladung war
der Funke, der Schlag u. s. w. genau so gross, wie bei der Entladung einer
zu gleichem Grade durch gleich grosse nasse Säule geladenen. Aber die
Zeit, in der die Ladung geschah, war verschieden. Wo bei nassen Säulen,
selbst nach 6 Tagen, eine Berührung zur Ladung hinreichte, so kurz, ab
der Experimentator sie zu veranstalten weiss, ... da waren bei diesen
trockenen Säulen während der besten Zeit derselben gegen 10, 15 und
20 Minuten erforderlich. . . . Chemische Wirkungen, in kurzer Zeit merklich,
Schläge und dergleichen gab die Säule nie, wohl aber gleich nach dem Auf-
bauen bei der Schliessung durch Eisendraht im Dunklen sehr kleine
Fünkchen. . . . Präparirte Froschnerven wurden stark afficirt. . . ."
Über die Ursache der Vorgänge ist sich Ritter ganz klar, und er hat
die trockenen Säulen, wie er mittheilt, nur dazu construirt, um an ihren
viel langsamer verlaufenden Erscheinungen einen Schluss auf die der gewöhn-
lichen Säulen zu ziehen. „Die Pappe, das Leder, das Wachstuch u. s. w.
bringen Wirksamkeit in die Säule nur insofern sie feucht sind; aber wieder
zeigen die Versuche . . ., wie äusserst gering der Antheil von Feuchtigkeit
ist, der nöthig ist, damit sich Wirksamkeit zeige, und der Versuch . . . zeigt
sogar, dass dazu ein Körper keineswegs durch und durch mit Feuchtigkeit
durchzogen zu sein braucht; es reicht hin, wenn bloss die Flächen desselben,
die den Metallplatten in der Säule gegenüber stehen, damit beschlagen oder
belegt sind/'
Damit ist das Wesentliche gesagt, was über diese Art Säulen zu sagen
ist, und es gemuthet fast spasshaft, wie man später mehrfach auf diese
erledigte Sache zurückkommt, und nach langen Versuchen und Diskussionen
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm'sche Gesetz. 3 5 j
schliesslich nicht weiter gelangt, als Ritter zwei Jahre nach der Erfindung
der VoLTA'schen Säule schon gewesen war.
> Der zweite, welcher über die Anwendung trockener Pappen zum Auf-
: bau von Säulen berichtete, war der Prediger MarSchaux in Wesel, später
-' in München, der Erfinder des Elektromikrometers (S. 289). Er sandte eine
5 Nachricht darüber an die Galvanische Societät in Paris,1 welche seine Ver-
r lache wiederholte und sie völlig bestätigt fand.
i Unmittelbar darauf theilte G. B. Behrens2 mit, dass er aus Metallen
z- und „völlig trockenen" Leitern wirksame Säulen gebaut habe. Aus einer
- Bemerkung des Herausgebers geht beiläufig hervor, dass Behrens* Abhand-
le long bereits vor dem April 1805 in seinen Händen gewesen, und nur durch
: einen Zufall nicht zur Veröffentlichung gelangt war. Den Anlass zur Unter-
suchung bot der Gedanke, einen Leiter nichtmetallischer Natur aufzusuchen,
der die Rolle eines Zwischenleiters in der Säule übernehmen könnte, ohne
zu chemischen Vorgängen Anlass zu geben. In dem getrockneten Feuer-
stein glaubte Behrens einen solchen passiven Leiter gefunden zu haben,
und er benutzt naturgemäss alsbald diesen Fund als Beweis für die Voi/TA'sche
Theorie. Nach der Schilderung der elektroskopischen Erscheinungen an
einer mit Feuerstein gebauten Batterie fährt er fort:
„Dadurch war bewiesen, dass eine elektrische Säule ohne Feuchtigkeit
möglich sei. Um mich noch direkter hiervon zu überzeugen > untersuchte
ich viele andere Körper in der Hoffnung, einen geschickteren und besseren
Leiter zu finden, als der Stein war. Allein der Zufall will nicht gesucht, er
will nur benutzt sein. Schon werfe ich unmuthig eine Ladung Steine,
Holz u. s. w. zum Fenster hinaus, — als mir das Ungefähr ein Blatt Gold-
papier in die Hand bringt Dieses verhielt sich, so zwischen die Platten-
paare gebracht, dass die vergoldete Seite an die Kupferplatten gelegt war,
gut; und noch besser, als ich es, um die Leitungsfahigkeit desselben zu
vermehren, in schwache Salzauflösung getaucht und (es versteht sich) durch-
aus wieder getrocknet hatte/'
Behrens schildert nun seine Versuche, die er mit einer aus Zink und
Kupfer mit dazwischen gebrachten Goldpapierblättchen aufgebauten Säule
angestellt hat. Es liessen sich an ihr nur die elektroskopischen Erscheinungen
nachweisen; weder Wasserzerlegung, noch eine Veränderung der Lackmus-
farbe, noch die geringsten Schläge konnten beobachtet werden; auch hatten
die Metallplatten nach dreimonatlichem Schluss keine sichtbare Spur von
oberflächlichem Angriff erfahren.
Ein besonderes Interesse wurde an diesen Versuchen zu der Zeit, wo
sie angestellt wurden, nicht genommen. Marächaux glaubte zwar, als er
mittelst seines Mikroelektrometers den elektrischen Zustand einer solchen
Säule sehr veränderlich fand, aus ihrer Beobachtung Schlüsse auf die
1 Ann. de Chiraie 67, 61. 1805. — Gilbert's Ann. 22, 313. 1806.
* Gilbert's Ann. 23, 1. 1806.
362 Elftes Kapitel.
atmosphärische Elektricität ziehen zu können, der phantasiereiche Mann
hat sich aber hier, wie auch sonst gelegentlich, getäuscht. In einer j
durch die sichere Handhabung der Experimentalkritik ausgezeichneten Ab-
handlung wies Erman1 nach, dass die beobachteten Verschiedenheiten ganz
andere Ursachen hatten. „Die Säule, in welche man Pappscheiben ein- J?
schichtet, die nicht absichtlich befeuchtet werden, heisst zwar eine trockene^
ist es aber durchaus nicht, und der jedesmalige Grad von Spannung, den
sie am Elektrometer angiebt, rührt lediglich von der Feuchtigkeit her, welche k
der Pappe anhängt. So wie der Feuchtigkeitszustand jeder hygroskopischen :
Substanz ist auch der der Pappe einer beständigen Veränderung unterworfen! s
welche durch den steten Wechsel sowohl der Temperatur, als auch der ^
Menge der im umgebenden Räume vorhandenen oder niedergeschlagenen g
Dämpfe bedingt ist. In dieser Rücksicht ist die trockene Säule als eine *.
besondere Art Hygrometer anzusehen, das sich durch elektrische Wirkungen ...
zu erkennen giebt, und dessen Empfindlichkeit die der übrigen Hygrometer, .
die wir kennen, bei weitem übertrifft, bei welchem aber leider an keinen
vergleichbaren Gang zu denken ist."
In dieser kurzen Charakteristik ist wieder alles gesagt, was Wesentliche» ,.
über die trockene Säule zu sagen ist, und man begreift nicht, wie wenige .-.
Jahre später dies, und die experimentellen Belege hierzu, welche Erman in v
völlig befriedigender Weise gegeben hat, so ganz und gar vergessen sein
konnten, wie man das aus den massenhaften Abhandlungen darüber abnehmen
muss. Die neue Bewegung dazu ging freilich vom Auslande aus, und es
ist wohl als ein Zeichen der geringen Rücksicht, welche man damals auf
deutsche Arbeiten im Gebiete der Physik anderweit zu nehmen pflegte,
anzusehen, dass dies möglich war.
Der Mann, durch den dies Interesse erregt wurde, war der Genier _]
Physiker de Luc. Dieser merkwürdige Mann war im Jahre 1727 in Genf
als Angehöriger einer vornehmen Familie geboren, war nach einander Mit-
glied des Rathes der Zweihundert in seiner Vaterstadt, Vorleser der Königin
von England und (Nominal-)Professor in Göttingen; als er die hier zu be-
sprechenden Untersuchungen begann, war er über 80 Jahre alt Die Ent-
stehungsgeschichte und Schicksale seiner Untersuchungen erzahlt er selbst
in einem Briefe an Nicholson, den Herausgeber des Journal of Natural
Philosophy.2 Er hatte der Royal Society zwei Werke aus seiner Feder im
Jahre 1 806 geschenkt, und fand darauf, dass in der von Davy im November
desselben Jahres gehaltenen Baker- Vorlesung einige theoretische Vorstellungen
benutzt waren, die er bereits in den erwähnten Werken widerlegt hatte, oder
zu haben glaubte. Er schrieb daher eine längere Abhandlung, die er der
Royal Society vorlegte. Diese Arbeit wurde aber vor der Gesellschaft nicht
gelesen, weil sie, wie der Präsident, Sir John Banks, ihm zu verstehen gab,
zu lang war. Er bat um Rückgabe der Schrift, um sie abzukürzen;
1 Gilbert's Ann. 25, 7. 1807. * Nicholsons Joura. 26, 69. 1810.
i
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm'sche Gesetz. 363
schah, aber die Schrift wurde auch in dieser Form nicht gelesen, obwohl
* Polemik gegen Davy gestrichen war. Auf eine wiederholte Erinnerung
irde ihm amtlich mitgetheilt, dass „die Publikationskommission, obwohl
t zur Zeit nicht den Druck der Abhandlungen für thunlich hielt, ange-
dnet hatte, dass sie in den Archiven der Gesellschaft niedergelegt werden
>üten/* Es gelang de Luc weiterhin auf keine Weise, die Schriften wieder
1 die Hand zu bekommen, und er wendete sich daher an Nicholson, um
urch dessen Zeitschrift seine Ansichten und Versuche bekannt zu machen.
Was nun seine Ansichten anlangt, so beziehen diese sich auf die Ursache
er elektrischen Erscheinungen in der Voi/rA'schen Kette, und sind von der-
elben unzulänglichen Beschaffenheit, wie so viele zeitgenössische Versuche,
turch Annahmen über die Zusammensetzungen und Verbindungen der
yhnponderablen Stoße" nach Analogie der chemischen Vorgänge ein Bild,
)der eine sogenannte Erklärung für die fraglichen Erscheinungen zu schaffen.
>e Luc glaubte, wie mancher andere Forscher seiner Zeit, dass die physio-
logischen, elektrischen und chemischen Wirkungen der Säule mit einander
nicht nothwendig verbunden seien, und dass man Säulen bauen könne, die
nur die eine oder andere dieser Eigenschaften zeigen. So war ihm die mit
trockenen Zwischenlagen gebaute Säule eine spezifisch elektrische, und
er unterschied sie als „electric column" von der VoLTA'schen Säule. Dass
ihm die eben erwähnten älteren Arbeiten über die trockene Säule bekannt
gewesen seien, erwähnt er nicht, obwohl er, wie Gilbert erwähnt, zu der
Zeit, wo in den Annalen über sie berichtet wurde und Erman seine Ver-
suche angestellt hatte, sich in Berlin aufgehalten hatte.
Durch de Luc ist nun weiter der Professor der Physik am Lyceum zu
Verona, Zamboni, mit der trockenen Säule bekannt geworden, und hat sie
zum Gegenstande eingehenderer Studien gemacht. Er ist also keineswegs
der Vater dieses noch gegenwärtig unter seinem Namen gehenden Apparates,
sondern nicht mehr als ein Onkel dritten oder vierten Grades; will man die
trockene Säule mit einem Personennamen bezeichnen, so muss sie unbedingt
die RiTTER'sche oder allenfalls BEHRENs'sche Säule genannt werden.
Die grosse Aufmerksamkeit, welche Zamboni mit der Säule erregte, war
nichts als die Folge einer mit ihr angestellten, indessen damals ziemlich
ernst genommenen Spielerei, die er neben seinen ganz sachgemässen anderen
Arbeiten an der Säule ausführte. Diese Arbeiten sind im Dezember 181 2
und im Januar 181 3 in Brugnatelli's Giornale di Fisica veröffentlicht, und
von dort in andere Zeitschriften, z. B. in Gilberts Annalen 49, 35 u ff., 181 5,
übergegangen. Die Spielerei bestand darin, dass er zwischen den entgegen-
gesetzten Polen zweier neben einander aufgestellter Säulen ein leichtes Pendel
anbrachte, welches durch die abwechselnden Anziehungen und Abstossungen
durch die elektrische Ladung in Schwingungen gerieth, die längere' Zeit
andauerten. In getreuer Fortführung der von Volta als möglich und
wiinschenswerth ausgesprochenen Idee, eine Säule ohne Abnutzung oder
Veränderung, ein wahres elektrisches Perpetuum Mobile zu construiren, hatte
364
Elftes Kapitel.
Zamboni sein Bestreben dahin gerichtet, auf diesem Wege das Ziel
erreichen, und hierauf beruhte das Interesse, welches das grosse Publil
an der Sache nahm.
Nach Deutschland war die Säule durch den Leibarzt des Viceköi
von Italien, des Prinzen Eugen, Namens Assalini, gekommen. Der P
war nach München übergesiedelt, und Assalini hatte die Säule, die er
Fig. 100. Zamboni's elektrisches Perpetuum Mobile.
Italien mitgebracht hatte, der Münchener Akademie mitgetheilt. Von di<
wurde dann ein kleines Schriftchen ausgegeben, in welchem die Säule
ihrem Pendel beschrieben und abgebildet worden war; die obenstehe
Figur giebt diese Abbildung wieder.
Die Hoffnung, in der trockenen Säule wirklich ein Perpetuum Mo
gefunden zu haben, wurde sehr ernsthaft gehegt; ein Zeugniss dafür ist <
Reihe von Berichten über das Schicksal einer nach de Luc aufgebau
mit zwei Glocken nebst Pendel versehenen Säule, welche unter den wisj
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm 'sehe Gesetz. 365
schaftlichen Neuigkeiten im Philosophical Magazine von 18 10 zu lesen sind.
Dort theilte B. M. Forster mit, dass er am Mittwoch den 14. März eine
solche Säule errichtet habe, die seitdem ununterbrochen bis zum 20. März
geklingelt habe.1 Unter dem 23. April2 wird folgendes geschrieben: „Wir
entnehmen einer Mittheilung vom 23. April, dass die kleinen Glocken, welche
mit der in unserer letzten Nummer erwähnten elektrischen Säule nach de
Luc verbunden sind, am 24. März auf etwa eine Minute aufgehört haben,
zu läuten, und ebenso an demselben Tage auf etwa drei Minuten. Auch
wird angenommen, dass sie am folgenden Tage auf etwa eine halbe Minute
aufgehört haben; doch wird dies sehr bezweifelt. Seit der Zeit haben sie,
so viel bekannt, nicht aufgehört zu läuten. Am 15. April wurde der Raum,
in dem sich die Säule befindet, geöffnet, und man sah das Pendel mit
grosser Geschwindigkeit sich bewegen. Man glaubt, dass in letzter Zeit die
Stärke des Tones erheblich zugenommen hat, und ebenso, dass das Pendel
schneller geht, als zu der Zeit, wo die Säule in den Raum gestellt
, wurde."
Später ^ebenda S. 399) heisst es: „Unterdessen haben wir Nachricht
erhalten, dass am 21. Mai die kleinen, mit de Luc's elektrischer Säule ver-
bundenen Glocken noch immer läuten, und es, wie angenommen wird, seit
dem 25. März ununterbrochen gethan haben.
„Wir werden ferner ersucht, unsere Leser, die Säulen von der ange-
gebenen Art erbaut haben, zu bitten, dass sie uns entsprechende Beobach-
8 tragen von Zeit zu Zeit mittheilen."
r Wieder einen Monat später: „Die in den letzten drei Nummern erwähnten
Ideinen Glocken haben noch immer fortgefahren zu läuten bis zum 25. d. M.
Juni, ohne dass man wüsste, dass sie einmal aufgehört haben."
Im Dezember desselben Jahres3 kam endlich die Todesnachricht: „Wir
müssen unsere Leser benachrichtigen, dass die beiden kleinen, mit der von
de Luc erfundenen elektrischen Säule verbundenen Glocken, welche wir
häufig erwähnt haben, am 4. September auf etwa zehn Minuten aufgehört
haben zu läuten; alsdann haben sie, während der Apparat unberührt blieb,
von Zeit zu Zeit wieder angefangen, indem sie etwa eine halbe Stunde
oder etwas länger schwiegen; dann hörten sie nach diesem auf einige Tage
auf und begannen wieder, und auch zu späteren Zeiten auf Stunden zu
läuten; und am 18. November wurden sie von der Säule entfernt, da sie
an dem ganzen Morgen nicht gehört worden waren."
Auf die ganze, ziemlich weitläufige Litteratur, die sich an diese ersten
Mittheilungen knüpft, einzugehen, ist in keiner Weise lohnend. Die wissen-
schaftliche Ausbeute darin ist fast Null, indem nach vielerlei Experimenten
die Forschung schliesslich genau an dem Punkte anlangt, welchen Ritter
schon von Anfang an erreicht hatte: dass die Säule nur wegen der in ihr
enthaltenen Feuchtigkeit oder, mit anderen Worten, so lange wirkt, als die
1 Phflos. Mag. 35, 210. 18 10. * Ebenda 317. * Ebenda 36, 472. 1810.
i
366 Elftes Kapitel.
Zwischenschichten leiten. Diesen drittmaligen Nachweis führte wesentB
Parrot. l
Nur eine Beobachtung, die für spätere Erörterungen von Bedeutung
soll noch angeführt werden. Der Leibmedicus Dr. Jäger in Stuttgart
eine Säule aus Metallplatten mit einer sehr dünnen Zwischenschicht
Schellackfirniss2 her, und fand auch an dieser Zeichen elektrischer Lad
Er benutzte diese Thatsache zu einer unhaltbaren Theorie der Säule; ftp
uns ist sie von Werth, weil sie Licht auf den VoLTVschen Fundamental»
versuch mit gefirnissten Condensatorplatten wirft.
3. Die elektromagnetischen Erscheinungen und der Multipli-
kator. Ein Zusammenhang zwischen den elektrischen und den magnetischen
Erscheinungen war fast seit der Kenntniss beider vermuthet und gesucht
worden. Die übereinstimmende Art der Gesetze, welcher beide unterliegen»
insbesondere die ausgezeichnete Polarität, welche sich bei beiden zeigt, lies»
einen solchen Gedanken als sehr naheliegend erscheinen, und es war bereut
Gelegenheit, von allerdings misslungenen Versuchen zu berichten, welche
zur Auffindung des Zusammenhanges angestellt worden sind (S. 216). Diese
Versuche sind keineswegs die einzigen gewesen oder geblieben; insbesondere
Ritter hatte sogar geglaubt, jenen Zusammenhang wirklich nachgewiesen zu
haben (S. 180), und neben diesen sind noch manche andere Anläufe zu ver-
merken, die ebenso erfolglos geblieben waren. Das so lange Gesuchte
wurde schliesslich auf einem Wege gefunden, der nicht der einer strengen
Analogie war; statt dass die lange bekannte ruhende Elektricität mit dem
Magnetismus in Verbindung trat, dessen Gesetze mit den ihren so sehr über-
einstimmten, war es der elektrische Strom, an dem die gegenseitige Be-
ziehung zu Tage trat. Wir finden in den Äusserungen der Zeitgenossen
mehrfach einen Ausdruck des Erstaunens darüber, dass sich die Sache so
herausgestellt hatte: ein sicheres Zeichen dafür, wie anders sie erwartet
worden war.
Der Entdecker der elektromagnetischen Erscheinungen ist Oersted.
Hans Christian Oersted wurde 1777 in Rudkjöbing auf Langeland geboren,
begann seine Laufbahn als Pharmaceut, und stieg dann allmählich die ver-
schiedenen Stufen zu der Professur der Physik an der Universität in Kopen-
hagen empor. Daneben bekleidete er mehrere andere einflussreiche Ämter
1 Gilbert's Ann. 55, 165. 181 7. Um dem Leser wenigstens eine Vorstellung von der
überraschenden Breite der Litteratur zu geben, die sich über diese Sache aufgehäuft hat, thefle
ich nachstehend eine Zusammenstellung derselben mit, die indessen auf Vollständigkeit keinen
Anspruch macht. Gilbert's Ann. 49, 1 u. ff. — Schweigger's Journ. 7, 479; U, 16. —
Gilbert's Ann. 50, 87; ebenda 214; ebenda 447; 51, 182; 63, 336; ebenda 346; 65, 369;
60, 151; 62, 227. — Schweigger's Journ. 15, 113; 16, in. 1815. — Philos. Mag. 86,
205; ebenda 317. ebenda 468; 36, 472; 37, 197; ebenda 424; 43, 241; ebenda 363; ebenda
415; 44, 248; ebenda 442; 45, 261; ebenda 359; ebenda 465; 46, n. — NICHOLSON*»
Journ. 1, 305; 27, 81 u. ff.
* Gilbert's Ann. 40, 49. 18 15. Am angeführten Orte steht Copalfiraiss, doch hat der
Verfasser dies später als Schreibfehler bezeichnet (Gilbert's Ann. 50, 214).
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm'sche Gesetz. 367
in dieser Stadt, und starb hochangesehen im Jahre 185 1. Seiner wissen-
schaftlichen Richtung nach gehörte er ganz und gar der naturphilosophischen
, Schule an; unter seinen ausserordentlich zahlreichen Schriften befinden sich
Khrere poetischer Art und sie beziehen sich zum grössten Theil auf Gegen-
wände von allgemeinerer Beschaffenheit. Von weiteren wissenschaftlichen
' Arbeiten ist seine Untersuchung über die Zusammendrückbarkeit des Wassers
kmerkenswerth; er gehört zu den ersten, die diese nachgewiesen haben,
od sein „Sympiezometer" ist noch heute ein überall vorhandener Vor-
ksungsapparat
Oerstkd gab die Nachricht von seiner Entdeckung der Einwirkung des
Stromes auf die Magnetnadel der wissenschaftlichen Welt in Gestalt eines
lateinisch verfassten Quartblattes kund, das vom 21. Juli 1820 datirt war,
und das er an verschiedene Gelehrte verschickte. Die Versuche wurden
nerst in Genf durch Pictet und de la Rive mit vollständigem Erfolg wieder-
holt, und dort sah sie Arago, welcher sich eben in Genf befand. Er brachte
die Kunde davon nach Paris, wo die Entdeckung sehr viel Aufsehen erregte;
die Angelegenheit wurde dann daselbst insbesondere durch Ampere in sehr
kurzer Frist ausserordentlich gefördert.
Obwohl diese Entdeckung mit der Elektrochemie nur in sehr weit-
läufigem Zusammenhange steht, muss sie doch an diesem Orte behandelt
«erden. Durch die Erfindung des elektromagnetischen Galvanometers, des
Instrumentes, welches man gegenwärtig kurzweg als Galvanometer zu be-
aeichnen gewohnt ist, wurde den Forschern ein ausnehmend empfindliches
und hilfreiches Werkzeug an die Hand gegeben, und der weitere Fortschritt
der Elektrochemie ist ganz wesentlich durch dasselbe bedingt worden. Aller-
dings kann nicht verschwiegen werden, dass die grosse Empfindlichkeit des
Galvanometers namentlich im Anfange vielfach störend und hemmend wirkte;
man fand fast bei jedem beliebigen Vorgange zwischen Leitern der Elek-
tricität elektrische Ströme auf, und die Frage nach ihrer Ursache wurde
dadurch in einer fast hoffnungslosen Weise verwickelt.
Die oben erwähnte Mittheilung Oersted's ist nachstehend vollständig
wiedergegeben, was sie der Bedeutung des Gegenstandes wegen wohl ver-
dient; die Übersetzung rührt von Gilbert her.1
„Die ersten Versuche über den Gegenstand, welchen ich aufzuklären
unternehme, sind in den Vorlesungen angestellt worden, die ich in dem ver-
flossenen Winter über Elektricität, Galvanismus und Magnetismus gehalten
habe. Aus diesen Versuchen schien zu erhellen, dass die Magnetnadel sich
mittelst des galvanischen Stromes aus ihrer Lage bringen lasse, und zwar
bei geschlossenem galvanischem Kreise, und nicht bei offenem, wie das vor
einigen Jahren einige berühmte Physiker umsonst versucht haben. Da aber
diese Versuche mit einem wenig kräftigen Apparat angestellt waren, und
daher die erhaltenen Erscheinungen nicht auszureichen schienen für die
1 Gilbekt's Ann. 66, 295. 1820.
368 E1ftes Kapitel.
Wichtigkeit der Sache, so nahm ich meinen Freund, den Justizrath
zu Hülfe, um mit ihm die Versuche mittelst eines grossen, von uns
gemeinschaftlich eingerichteten Apparates zu wiederholen und zu verm<
Auch der Regierungspräsident Wleugel war bei unseren Versuchen g(
wärtig als Theilnehmer und Zeuge. Überdem waren Zeugen desselben
als trefflicher Physiker längst bekannte Oberhofmarschall Hauch, der
fessor der Naturgeschichte Reinhard, der Professor der Medizin Jacobson, udA\'
ein vorzüglicher Kenner und Experimentator der Chemie, der Dr. phiL
Auch habe ich öfter allein experimentirt, immer aber, wenn ich dabei nenef
Erscheinungen fand, sie in Gegenwart dieser versammelten Gelehrten wiederholt £
„In der Erzählung von unseren Versuchen übergehe ich alle, welche i.
zwar zu der Entdeckung geführt haben, nachdem die Sache aber einmal
gefunden war, nichts mehr zur Erläuterung derselben beitragen, und schränke L
mich auf diejenigen ein, aus welchen die Natur des Gegenstandes deutlich .'
hervorgeht. r
„Der galvanische Apparat, dessen wir uns bedient haben, besteht aus :
20 rechteckigen kupfernen Zellen, die jede 12 Zoll lang, 12 Zoll hoch und :
2l/2 Zoll breit, und mit zwei Kupferstreifen versehen ist, welche so geneigt >
sind, dass sie den Kupferstab tragen können, der die in der Flüssigkeit der r
benachbarten Zelle schwebende Zinkplatte hält. Das Wasser, womit die t
Zellen angefüllt wurden, war mit Yeo seines Gewichtes Schwefelsäure und *
mit ebenso viel Salpetersäure versetzt, und der in jede Zelle eingetauchte :
Theil der Zinkplatte war ein Quadrat von etwa 10 Zoll Seite. Doch können
auch kleinere Apparate gebraucht werden, wenn sie nur einen Draht zum :
Glühen zu bringen vermögen.
„Man denke sich die beiden entgegengesetzten Enden des galvanischen
Apparates durch einen Metalldraht verbunden. Diesen werde ich der Kürze
wegen stets den verbindenden Leiter oder den verbindenden Draht nennen;
die Wirkung aber, welche in diesem verbindenden Leiter und um ihn her
vol* sich geht, werde ich mit dem Namen elektrischer Conflict bezeichnen.
„1) Man bringt ein geradliniges Stück dieses verbindenden Drahtes in
horizontaler Lage über eine gewöhnliche, frei sich bewegende Magnetnadel
so, dass er ihr parallel sei; und zu diesem Ende kann man den Draht ohne
Schaden nach Belieben biegen. Ist alles so eingerichtet, so wird die Magnet-
nadel in Bewegung kommen, und zwar so, dass sie unter dem vom nega-
tiven Ende des galvanischen Apparates herkommenden Theile des verbin-
denden Drahtes nach Westen zu weicht. Ist die Entfernung des Drahtes
von der Magnetnadel nicht mehr als 6/4 Zoll, so beträgt diese Abweichung
ungefähr 45 °. Bei grösserer Entfernung nehmen die Abweichungswinkel ab,
wie die Entfernungen zunehmen. Übrigens ist die Abweichung verschieden
nach der Verschiedenheit der Stärke des Apparates.
„Der verbindende Draht kann nach Osten oder nach Westen bewegt
werden, wenn er nur immer der Nadel parallel bleibt, ohne dass dieses
einen anderen Einfluss auf den Erfolg hat, als dass die Abweichung kleiner
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm 'sehe Gesetz. 369
Es lässt sich folglich die Wirkung keineswegs einer Anziehung zu-
denn derselbe Pol der Magnetnadel, der sich nach dem verbin-
denden Drahte zu dreht, wenn er östlich von der Nadel ist, dreht sich von
derselben fort, wenn er sich westlich von ihr befindet, welches nicht
möglich wäre, wenn diese Abweichungen auf Anziehungen und Abstossungen
beruhten.
„2) Der verbindende Leiter kann aus mehreren vereinigten Drähten
oder Metallstreifen bestehen. Die Natur des Metalles verändert den Erfolg
nicht, es sei denn in Hinsicht der Grösse. Wir haben Drähte aus Platin,
Gold, Silber, Messing und Eisen, ferner Zinn- und Bleistreifen und Queck-
silber mit gleichem Erfolg gebraucht Wird der Leiter durch Wasser unter-
brochen, so bleibt nicht alle Wirkung aus, es sei denn die Wasserstrecke
mehrere Zoll lang.
„3) Der verbindende Draht wirkt auf die Magnetnadel durch Glas, durch
Metalle, durch Holz, durch Wasser, durch Harz, durch töpferne Gefässe und
durch Steine hindurch; denn als wir zwischen beide eine Glastafel oder eine
Metallplatte oder ein Brett gebracht hatten, blieb der Erfolg nicht aus; ja
alle drei vereinigt schienen die Wirkung kaum zu schwächen. Ebenso wenig
ein Elektrophor, eine Porphyrplatte und ein irdenes Gefäss, selbst wenn es
voll Wasser war. Unsere Versuche haben auch gezeigt, dass die erwähnten
[ Wirkungen nicht verändert werden, wenn man eine Magnetnadel nimmt, die
ach in einer messingenen, voll Wasser gegossenen Büchse eingeschlossen
befindet Dass der Wirkungen Durchgang durch alle diese Materien bei
Elektricität und Magnetismus noch nie ist beobachtet worden, brauche ich
kaum zu bemerken. Die Wirkungen, welche in dem elektrischen Conflikte
statt haben, sind von denen der einen oder anderen elektrischen Kraft gänz-
lich verschieden.
,,4) Wenn der verbindende Draht sich in einer horizontalen Ebene
unter der Magnetnadel befindet, so gehen alle angegebenen Wirkungen in
entgegengesetzter Richtung vor sich, als wenn er in einer über derselben
befindlichen horizontalen Ebene ist, sonst aber in ganz gleicher Weise. Der
Pol der Magnetnadel, unter welchem sich derjenige Theil des verbindenden
Drahtes befindet, in welchen die Elektricität des negativen Endes des gal-
vanischen Apparates zunächst hineintritt, weicht jetzt nach Osten ab.
„Damit man dies leichter im Gedächtniss behalte, bediene ich mich
folgender Formel: der Pol, über welchem die negative Elektricität eintritt,
wird nach Westen, der Pol, unter welchem sie eintritt, nach Osten zu
gedreht
„5) Dreht man den verbindenden Draht, in der horizontalen Ebene, so
dass er allmählich immer grössere Winkel mit dem magnetischen Meridiane
macht, so wird die Abweichung der Magnetnadel vermehrt, wenn das Drehen
des Drahtes nach dem Orte der gestörten Magnetnadel zuwärts geschieht,
sie nimmt dagegen ab, wenn das Drehen von diesem Orte zurück
geschieht
Ottwald, Elektrochemie. 24
i
370 Elftes Kapitel.
„6) Ein verbindender Draht, der sich in der horizontalen Ebene be*j
findet, in welcher sich eine durch ein Gegengewicht äquilibrirte Magnetn
befindet und der Nadel parallel ist, bringt sie weder nach Osten noch nach
Westen hin zum Weichen, sondern macht sie bloss in der Ebene der Incfr»
nation schwanken, so dass der Pol, dem zunächst in dem Drahte die nega-
tive elektrische Kraft herkommt, herunter gedrückt wird, wenn der Draht
sich an der westlichen, dagegen herauf gedreht wird, wenn er sich an
der östlichen Seite derselben befindet.
„7) Wird der Draht senkrecht auf die Ebene des magnetischen Meridians
über oder unter die Nadel gestellt, so bleibt diese in Ruhe, ausgenommen,
wenn der Draht dem Pole ziemlich nahe ist. Dann aber wird der Pol
gehoben, wenn der Eintritt von der westlichen Seite des Drahtes her
geschieht, und herunter gedrückt, wenn er von der östlichen Seite her
erfolgt.
*
„8) Wird der verbindende Draht lothrecht nahe bei einem Pol der
Magnetnadel ihm gegenüber gestellt, und das obere Ende des Drahtes erhält
die Elektricität von dem negativen Ende des galvanischen Apparates, so
bewegt sich dieser Pol nach Osten; befindet sich dagegen der Draht nahe
bei einem Punkte in der Nadel, der zwischen dem Pole und dem Mittel-
punkte der Nadel liegt, so wird sie nach Westen getrieben. Erhält das
obere Ende des Drahtes die Elektricität von dem positiven Ende, so gehen
die entgegengesetzten Erscheinungen vor.
„9) Biegt man den verbindenden Draht so, dass er an beiden Theilen
der Biegung parallel wird, so werden von ihm nach Verschiedenheit der
Umstände die magnetischen Pole angezogen oder abgestossen. Man stelle
den Draht einem der beiden Pole der Nadel gegenüber, so dass die Ebene
der parallelen Schenkel auf dem magnetischen Meridiane senkrecht sei, und
verbinde den östlichen Schenkel mit dem negativen, den westlichen mit dem
positiven Ende des galvanischen Apparates; in dieser Lage wird der nächste
Pol zurückgestossen, entweder nach Osten oder nach Westen, wie es die
Lage der Ebene der Schenkel mit sich bringt. Ist der östliche Schenkel
mit dem positiven, der westliche mit dem negativen Ende verbunden, so
wird der nächste Pol angezogen. Wird die Ebene der Schenkel senkrecht
an eine Stelle, zwischen dem Pol und dem Mittelpunkt der Nadel gebracht,
so erfolgen dieselben Wirkungen, nur umgekehrt.
,,io) Eine Nadel aus Messing, welche nach Art der Magnetnadeln auf-
gehängt ist, kommt durch die Wirkung des verbindenden Drahtes nicht in
Bewegung. Auch eine Nadel aus Glas oder Gummilack bleibt bei ähnlichen
Versuchen in Ruhe.
„Aus allen diesem lassen sich einige Momente zur Erklärung der Er-
scheinungen ableiten. Der elektrische Conflikt vermag nur auf die magne-
tischen Theile der Materie zu wirken. Alle nichtmagnetischen Körper
scheinen für den elektrischen Conflikt durchgängig zu sein, die magnetischen
Körper dagegen, oder vielmehr ihre magnetischen Theilchen, dem Hindurch-
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm 'sehe Gesetz. 371
gehen dieses Confliktes zu widerstehen, und daher kommt es, dass sie durch
den Stoss der kämpfenden Kräfte in Bewegung gesetzt werden können.
„Dass der elektrische Conflikt nicht in dem leitenden Drahte einge-
schlossen, sondern ziemlich weit zugleich in dem umgebenden Räume ver-
breitet ist, ergiebt sich aus den angeführten Beobachtungen hinlänglich.
„Es lässt sich auch aus dem, was beobachtet worden war, schliessen,
dass dieser Conflikt in Kreisen fortgehe, denn es scheint ohne diese Annahme
nicht begreiflich zu sein, wie derselbe Theil des verbindenden Drahtes, der,
unter einen Pol dieser Magnetnadel gestellt, sie nach Osten treibt, sie nach
Westen bewegen sollte, wenn er sich über diesem Pole befindet; eine Kreis-
bewegung geht aber an den beiden entgegengesetzten Enden eines Durch-
messers in entgegengesetzten Richtungen vor sich. Es scheint überhaupt,
es müsse eine Kreisbewegung, verbunden mit der fortschreitenden Bewegung
nach der Länge des Leiters eine Schneckenlinie oder Spirale beschreiben,
welches jedoch, wenn ich nicht irre, zu der Erklärung der bisher beob-
achteten Erscheinungen nichts beiträgt.
„Alle hier angegebenen Wirkungen auf den Nordpol der Nadel lassen
sich leicht verstehen, wenn man annimmt, dass die negativ elektrische Kraft
oder Materie eine rechts gewundene Spirale durchläuft, und den Nordpol
fartstösst, auf den Südpol aber nicht wirkt; und ebenso alle Wirkungen auf
den Südpol, wenn man der positiv elektrischen Kraft oder Materie eine
Bewegung in entgegengesetzter Richtung, und das Vermögen, auf den Südpol
und nicht auf den Nordpol der Nadel zu wirken zuschreibt. Von der Über-
einstimmung dieses Gesetzes mit der Natur überzeugt man sich besser durch
eine Wiederholung der Versuche, als durch eine lange Erklärung. Die Beur-
teilung der Versuche würde aber durch Figuren sehr erleichtert werden, welche
den Weg zeigen, den die elektrischen Kräfte in dem verbindenden Draht gehen.
„Ich füge dem Gesagten nur noch hinzu, dass ich in einem vor sieben
Jahren herausgekommenen Werke bewiesen habe, dass die Wärme und das
Licht der elektrische Conflict sind. Aus den neuen hinzugekommenen Beob-
achtungen lässt sich schliessen, dass die Bewegung in Kreisen auch in
diesen Wirkungen vorkomme, welches zur Aufklärung der Thatsachen, welche
man die Polarität des Lichtes nennt, wie ich glaube, viel beitragen kann."
4. Der Multiplikator. Oersted's Entdeckung der elektromagnetischen
Erscheinungen ist uns wesentlich wichtig durch die Anwendung, welche sie
im Galvanometer gefunden hat. Diese Anwendung beruht auf dem Princip
der Verstärkung der Wirkung eines einzigen Drahtes durch die Herstellung
einer grossen Anzahl Windungen desselben, die gleichzeitig auf dieselbe
Magnetnadel ablenkend wirken.
In die Ehre, dieses Princip gefunden zu haben, theilen sich zwei deutsche
Forscher, Schweigger und Poggendorff. Der erstgenannte hat die Sache
etwas früher gefunden und veröffentlicht; Poggendorff dagegen hat dem
Apparat eine einfachere und zweckmässigere Form gegeben, und namentlich
seine Anwendung zur Beobachtung und Messung elektrischer Erscheinungen
24*
l
372
Elftes Kapitel.
-l
früher erkannt; es sind also beide als gleichberechtigte Erfinder des elektro«
magnetischen Galvanometers anzusehen.
Schweigger machte seinen Gedanken am 16. September 1820 der natur-
forschenden Gesellschaft zu Halle bekannt;1 in seinen „Zusätzen zu Oerstbd's
elektromagnetischen Versuchen" schreibt er:
„Daraus, dass eine Umkehrung der Wirkung erfolgt, je nachdem dtt^
Polardraht unter der Nadel oder über der Nadel hing, und ebenso, je nach-
dem vom positiven oder negativen Pol her der Draht geleitet wird, daraus
lässt sich, sage ich, durch eine leichte Schlussfolgerung eine Verdoppelung
der Wirkung ableiten, die steh auch in der Erfahrung bewährt Ich lege
zunächst den einfachen Verdoppelungsapparat, wo sich die Bussole zwischen l
zwei umschlungenen Drähten befindet, der Gesellschaft vor. Leicht wird eine i
Vervielfachung der Wirkung sich erhalten lassen, wenn man die Drähte nicht 1
bloss einmal, sondern mehrmals umschlingt. Jene einfache Umschlingung aber *-
reicht schon hin, um die Versuche Oersted's bloss mit kleinen Streifen von .
Zink und Kupfer, die in Salmiakwasser getaucht werden, wiederholen zu können." *
In einem zweiten, am 4. November gehaltenen Vortrage spricht sich \
Schweigger noch etwas genauer aus.2
„Das Princip, dessen ich mich zur Verstärkung der Erscheinung, gleich-
sam zur Construction einer elektromagnetischen Batterie bediente, war die .
Umschlingung der Drähte um die Bussole, .
und hier lege ich der Gesellschaft eine
Schleife vor, aus mehrfach umschlungenen,
mit Wachs überzogenen Drähten (Fig. 101).
Während die einfachen Drähte beim Ge*
brauch dieser schwachen elektrischen Kette
die Magnetnadel nur um etwa 30 bis 40f
abstossen, wird sie, in die eine Öffnung dieser in den magnetischen Meridian
gestellten Schleife gebracht, 90 ° gegen Osten, in der anderen 90 ° gegen
Westen bei dem Gebrauche derselben schwachen
elektrischen Kette abgestossen werden.
„Aber ich will noch einen anderen Apparat hier
beschreiben, der gleichsam bloss auf einer Erweite-
>h rung der Schleife beruht, wodurch die Magnetnadel
auf jeden beliebigen Winkel zwischen o° und i8o#
gestellt werden kann. In Fig. 102 stellt der Kreis
agbha eine runde Glasscheibe vor, von oben herab*
perpendikulär über ihrem Mittelpunkt betrachtet Ein
Silberdraht, mit Seide übersponnen, werde um die-
Fig. 102. Nach Schweigger. selbe geschlungen, so dass er von a nach b unter-
halb der Glasscheibe, und von b nach a über der
Scheibe hinlaufe, in der Art mit Wachs an der Glasscheibe befestigt, dass
eine Bussole, welche durch die Magnetnadel angedeutet ist, zwischen dem
Fig. 101. Nach Schweigger.
1 Journ. f. Chemie und Physik 31, 2. 1821.
• A. a. O. S. 12.
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm'sche Gesetz. ^7*
jAas und dem oberhalb des Glases hinlaufenden Drahte Platz finden kann.
\uf ähnliche Art, wie ab ist auch cd um das Glas geschlungen, zuerst
interhalb, und dann oberhalb des Glases hinlaufend in ununterbrochenem
Zusammenhange mit ab. Man begreift nämlich, dass ab, cd, efw. s. w. einen
rontinuirlich zusammenhängenden Draht vorstellen. Da dieser Draht mit
Seide übersponnen ist, so kann der Vereinigungspunkt aller Drähte im
Mittelpunkt der Scheibe keineswegs zum Vereinigungspunkt der entgegen-
gesetzten Elektricitäten werden, vielmehr läuft der elektrische Strom durch
den ganzen umschlungenen Draht hin, und die Magnetnadel, durch diesen
elektrischen Strom bewegt und gleichsam immer in neuen Schlingen ge-
fangen, kann auf jeden beliebigen Winkel gestellt werden."
Wie man aus diesen Darlegungen, und insbesondere aus der Fig. 10 1
sieht, bildet Schweigger an Stelle der jetzt gebräuchlichen Kreise aus dem
Leitungsdraht Schleifen, und kommt auch bei späterer Gelegenheit, wo
er seine Priorität Poggendorff gegenüber aufrecht erhält, auf diese wunder-
liche Schleifenform zurück, ohne sich jedoch darüber auszusprechen, zu
welchem Zwecke diese entbehrliche Verdoppelung der Drahtlänge dienen
solL Auch dient ihm sein Apparat ausschliesslich zur Erläuterung der elektro-
magnetischen Erscheinungen; an irgend welche weiteren Anwendungen des-
selben scheint er nicht gedacht zu haben; wenigstens hat er davon keine
Andeutung gegeben.
Anders Poggendorff. Die erste Nachricht von seinem Apparate findet
ach in einer Schrift von Erman über die elektromagnetischen Erscheinungen,
die 1821 in Berlin unter dem Titel: „Umrisse zu den physischen Verhält-
nissen des von Herrn Professor Oersted entdeckten elektro- chemischen
Magnetismus" erschien. Erman hebt hier insbesondere die Möglichkeit hervor,
mit einer einfachen Kette die Ablenkungen zu erhalten, und schreibt:
„Wer hätte uns vor einigen Monaten gesagt, dass der Chemiker die
abnehmende Intensität eines Auflösungs-Prozesses von der Bussole ablesen
«rürde! und doch ist es so; denn schon der WoLLASTON'sche Apparat von
einem silbernen Fingerhut voll Säure und einem Streifen Zink, der darein
aucht, wirkt entschieden auf eine Bussolennadel von geringer Masse und
die Grade ihrer Abweichungen bilden mit den eintretenden Graden der
Sättigung der Säure zwei entgegengesetzte Reihen, deren Gesetz gefunden
»erden kann und muss, um das magnetische Galvanoskop in ein Galvano-
meter zu verwandeln, und hiermit einen Riesenschritt in der Chemie zu
bedingen."
Nachdem Erman am Schluss seiner Arbeit mitgetheilt hat, dass er
während derselben, um sich gegen Beeinflussung zu schützen, allen Verkehr
über diesen Gegenstand von sich fern gehalten habe, fährt er fort:
„Überraschender und angenehmer konnte diese freiwillige Kontumaz
nicht unterbrochen werden, als durch den mir durch Herrn Poggendorkb;
soeben mitgetheilten Condensator, und ich kann nicht über mich gewinnen,
feen Bogen abgehen zu lassen, ohne eine vorläufige Ankündigung dieses
37 a Elftes Kapitel.
höchst wichtigen Gegenstandes. Herrn Poggendorff, der eine der köstlichsten
Zierden ist für die Hörsäle und für das Laboratorium der hiesigen Univer-
sität, führte eine sehr consequente und durchdachte Prüfung des elektro-
chemischen Magnetismus Schritt vor Schritt zu den Mitteln, diese Thätigkeits-
Äusserungen in und durch sich selbst zu verstärken. Dieses gelang ihm in
dem Grade, dass ich soeben sehe, wie ein Plattenpaar von kaum 4 Linien
Oberfläche niit verdünnter Säure Abweichungen gab von 25 bis 30 °; Davy^scIic
Ketten von Säuren und Basen bei ganz geringen Dimensionen geben die
entschiedensten Abweichungen, Kupfer und Zink mit destillirlem Wasser
giebt eine nicht zu verkennende Sollicitation, schon Brunnenwasser wirkt
ganz entschieden; der zarteste aller Versuche, der HuMBOLDT'sche Hauch-
versuch, spricht sich aus an der Magnetnadel und zwar, wie alle erwähnten,
bei Dimensionen der Metalle und der Kohle, wo bei der einfachen Kette
unter den günstigsten Umständen durchaus an keine Wahrnehmung zu
denken ist. . . .
„Für die Elektrochemie kann dieser magnetische Condensator ein wahres
Kleinod werden: alle Schwierigkeiten des elektrischen Condensators sind
glücklich umgangen; durch die einfachsten Manipulationen und mit den
constantesten Resultaten hat Herr Poggendorff bereits die elektrische Reihe
für eine grosse Mehrheit der chemischen Substanzen durch die Bussole
revidirt, und sehr auffallende Anomalien gefunden, namentlich für das elek-
trische Leitungsvermögen. . . .
„Das Princip seines Condensators scheint mir zu liegen in den wechsel-
seitigen Spannungen eines sehr langen, mehrfach über sich selbst zurück-
geführten diagonaloiden Leiters in grosser Annäherung, jedoch ohne leitende
Berührung; ein kupferner Draht, beiläufig 1/l0 Linie stark, mit Seide um-
sponnen, wird in kreisförmigen, dicht auf und neben einander gedrängten
Windungen aufgewickelt, der Bündel von beiläufig 40 bis 50 Gewinden fest
geschnürt, dann zu einer elliptisch länglichen Form zusammengedrückt, so
dass im inneren Umfange dieses Condensators eine Nadel, wenn die zwei
Enden des Drahtes an die Factoren der Kette angelegt werden, frei spielen
könne, entfernt von den inneren Gewinden des Drahtes überall nur um
ungefähr 2 Linien."
Poggendorff selbst theilte seine Untersuchungen mit in Oken's Isis
1821, S. 687, wo er auch die Priorität Schweigger's mit den Worten aner
kennt: „Auf analogem Wege ist Herr Prof. Schweigger schon vor mir zu
nämlichen Entdeckung gelangt; ich würde deshalb das Ganze unerwähn
lassen, stände das Folgende hiermit nicht in so inniger Verbindung, das
eine Auslassung dieses nothwendig eine Unverständlichkeit des anderen nacl
sich gezogen hätte."
Im übrigen enthält jene Arbeit die ersten Versuche, Aufklärung übe
die Abhängigkeit der Empfindlichkeit des Galvanometers, oder Condensators
wie Poggendorff sein Instrument nannte, von der Anzahl der Windunge
und der Dicke des Drahtes zu finden. Er Hess den dünnsten Draht, de
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm'sche Gesetz. ?jc
er erhalten konnte, überspinnen, und fand, dass mit einem und demselben
Element die Grösse der Ablenkung mit steigender Anzahl der Windungen
zwar zunahm, aber in immer geringerem Grade, so dass bald ein Maximum
erreicht wurde, das nicht weiter überschritten werden konnte. Wurde die-
selbe Combination Zink, Salmiak, Kupfer angewendet, so gab eine Kette
mit grossen Platten das Maximum bei einer viel geringeren Zahl von Win-
dungen, als eine Kette mit kleinen Platten; das Maximum selbst war
aber in beiden Fällen gleich. Poggendorff fand dies letztere Ergebniss
„räthselhaft"; gegenwärtig lässt es sich als noth wendige Schlussfolgerung
aus den Gesetzen der elektrischen Leitung voraussehen. Eine Spule aus
stärkerem Draht zeigte gleichfalls das Maximum, doch war dies viel grösser,
als bei dem dünnen Drahte.
Weiter benutzte Poggendorff seinen Apparat zur Prüfung der elek-
trischen Leitfähigkeit von Mineralien und Flüssigkeiten. Er entdeckte bei
dieser Gelegenheit das Maximum derselben bei Schwefelsäure von zunehmen-
der Verdünnung; folgende Tabelle der Ablenkungen bei der Einschaltung
einer Schicht derselben in seinen Kreis lässt es deutlich erkennen:
Schwefelsäure 1.84 für sich
„ mit gleichen Theilen Wasser
»
» 2
»
»
»
»
»4
»
»
J>
» » * » )> »
5°
45°
6o°
50°
45 °.
Ferner stellte er einige Versuche zur Frage an, ob vorhandener Magne-
tismus, in den Stromkreis gebracht, irgend eine Wirkung auf den „chemischen"
Magnetismus zeigte. Das Ergebniss war verneinend; ein Magnetstab konnte
in den Stromkreis eingeschaltet werden, ohne das dies den mindesten Einfluss
auf die Grösse und den Sinn der Ablenkung übte. Ebenso war es ohne
Einfluss, ob geschmolzenes Eisen, das bekanntlich nicht magnetisch ist, oder
festes sich im Kreise befand.
Eine grössere Anzahl von Versuchen über Ketten aus einem Metall und
zwei verschiedenen Flüssigkeiten mögen übergangen werden, ebenso die
Versuche über die Spannungsreihe. Poggendorff bemerkt sehr richtig dazu:
„Soll übrigens die Chemie aus Reihen dieser Art den Nutzen ziehen, der
ihr gewährt werden kann, so müsste man den feuchten Leiter auf alle mög-
liche Art variiren, denn es ist klar, dass er in der galvanischen Kette ebenso
wichtig ist, als der feste. Statt einer absoluten Spannungsreihe würden wir
eine unendliche Zahl relativer bekommen, die, freilich mehr oder weniger
verschieden, dazu dienen könnten, jene erste, allein wahre, darin zu con-
struiren. Selbst die durch unmittelbare Berührung entstehende und mit dem
Elektrometer gemessene Polarität kann nicht eher für die absolute gelten,
bis Versuche in allen Gasarten und der ToRiCELLi'schen Leere das Mitwirken
der Luft als gleichgültig hierbei erwiesen haben."
Auch noch an einer anderen Stelle tritt hervor, wie sehr Poggendorff
bei dieser seiner Erstlingsarbeit die wesentliche Rolle des chemischen Pro-
ijfi Elftes Kapitel.
zesses im Galvanismus empfand; diese Äusserungen sind um so bemerken*-
weither, als er später ein eifriger Anhänger der VoLTA^schen Contactlehie
wurde. Die Zusammenfassung seiner Ergebnisse schliesst er mit dem Satze:
„Der VoLTA'sche Magnetismus ist in steter Abhängigkeit von dem chemischen
Prozess der Säule. Mit diesem steigt und fällt er, trockene Platten hetero» j:
gener Metalle werden durch den Contact nicht magnetisch. Die Umkehrung j:
der magnetischen Pole erfolgt gleichzeitig mit den chemischen, und wo diese ?;
in den Indifferenzpunkt übergehen, ver- ji
schwinden auch jene." !.
Ein dritter Erfinder des Multiplika- ;
tors ist J. Cumming, weil. Professor der •
Chemie zu Cambridge, der ein derartiges
Instrument in den Annais of Philosophy,
1823, S. 283, beschrieben hat.1 Bei \
Gelegenheit einer Untersuchung über
die kurz vorher von Seebeck entdeckten
thermoelektrischen Erscheinungen machte
er folgende Mittheilung über das von ihm
Galvanoskop genannte Instrument
„Fig. 103 zeigt das Galvanoskop.
A, K sind zwei mit Quecksilber ange-
füllte Näpfchen, welche mit den gal-
vanischen Platten verbunden werden.
ABCDEFGHK ist ein um die Magnet-
nadel ns spiralförmig gewickelter Draht
abc, def sind Messingdrähte, welche an
dem Galvanoskop befestigt sind und auf
welchen sich die Drähte bg und eh
verschieben lassen, ik und Im sind
zwei Magnetstäbe, welche an den Drähten
bg und eh befestigt sind und dam
dienen, die Magnetnadel zu neutralisiren.
opqr ist ein an dem Galvanoskop be-
festigter Messingdraht, an welchem ein kleiner, um qr drehbarer Magnet
befestigt ist.
„Das Galvanoskop wird dann in die Richtung von Westen nach Osten
gestellt; in dieser Richtung befindet sich auch die Ebene der Spirale, in
welche dann auch die Magnetnadel durch die Wirkung der Magnetstäbe
gestellt wird.
„Es ist nöthig, dass der die Spirale bildende Draht nicht weniger ab
1/2ff Linie Durchmesser habe, und dass die Spirale wenigstens 4 bis 5 Win-
düngen habe und sich so nahe wie möglich an der Nadel befinde/'
Fig. 103. Nach J. Cumming.
Vgl
t Chemie und Physik, 40, 328. 1824.
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm 'sehe Gesetz. 377
Als neu taucht bei Cumming, wie man sieht, die Anwendung von com-
tisirenden Magneten auf, welche zur Erhöhung der Empfindlichkeit dienen.
ine Erfindung ist übrigens fast von demselben Datum, wie die von
hweigger und Poggendorff, denn an einer anderen Stelle derselben Zeit-
irift bemerkt er in einem Briefe vom Juli 1823: „Der elektromagnetische
iltiplikator . . . (von Schweigger) ist, meine ich, ein ähnliches Instrument,
e das, welches ich seit zwei und einem halben Jahre gebrauche und als
1 Galvanoskop in einer in den Cambridger Transactions veröffentlichten
:>handlung beschrieb."
Eine andere, viel ungeschicktere Art, durch magnetische Compensation
e Empfindlichkeit des Galvanoskops zu steigern, beschrieb bald hernach
3CQUEREL.1 Das Verfahren bestand darin, dass er mehrere derartige Instru-
ente hinter einander aufstellte, so dass sich ihre Nadeln gegenseitig beein-
issten; das mittlere wurde dann empfindlicher. Doch lag eine grosse
nbequemlichkeit dieser Anordnung darin, dass ihre Benutzung nur dann
löglich war, wenn sich die Magnetnadeln sämmtlich in Ruhe oder in über-
astimmender Stellung befanden. Auch scheint in der That das Mittel
riter nicht zur Anwendung gekommen zu sein.
Die Compensation durch zwei gleichzeitig bewegliche Nadeln von ent-
egengesetzter Richtung wurde einige Jahre später von C. L. Nobili erfunden. *
„Das Instrument, welches ich der Akademie [zu Modena] vorzulegen
ie Ehre habe, weicht nur in einem Punkte wesentlich von dem Galvano
icter oder Multiplikator Schweigger's ab; statt einer Magnetnadel innerhalb
es Gesteiles, um das der Leitungsdraht geschlungen ist, habe ich mein
alvanometer mit zwei Nadeln versehen, die, von gleichen Dimensionen, in
aralleler Richtung an einem Strohhalme derartig befestigt sind, dass dieser
iirch den Mittelpunkt beider hindurchgeht, und die zugleich einander ent-
cgengesetzt magnetisirt sind, so dass der Nordpol der einen dem Südpol
a- anderen entspricht. Ihre Entfernung von einander und die Länge des
trohhalmes, an welchem sie aufgehängt sind, ist auf eine Weise eingerichtet,
eiche die freie Drehung der Nadel möglich macht: der einen innerhalb
s Gestelles, und der anderen unmittelbar über demselben. Diese Anord-
mg zu erhalten und die untere Nadel in das Innere des Gestelles einfuhren
1 können, trennt man am besten das Drahtgestelle in zwei gleiche Bündel,
eiche man dermaassen gegen die Seiten des Gestelles andrängt, dass da-
irch eine rhomboidale Öffnung gebildet wird, welche weit genug ist, um
e untere Nadel hindurch zu lassen.
„Der graduirte Kreis, auf welchem die Ablenkung gemessen wird, ist
ä meinem Instrument zwischen der oberen Nadel und der oberen Fläche
s Gestelles angebracht und mit einer ähnlichen Öffnung für das Einbringen
r Nadel versehen. Auf diese Weise dient die eine Nadel als Zeiger, und
? andere ist nur an den Seiten des Gestelles sichtbar."
1 Vgl. auch Philos. Mag. 22, 253, wo einige elektrochemische Experimente beschrieben sind.
* Bibl. ullivers. 29, 119. 1825. — Journ. f. Chemie und Physik, 46, -249. 1825.
378
Elftes Kapitel.
Der Erfinder giebt nun einige Proben für die sehr grosse Empfindlich-
keit, die er auf diese Weise mit seinem Instrument erreicht, und fugt hinzu:
„Die Empfindlichkeit dieses Instrumentes hängt ganz von der Hinzu-
fügung der oberen Nadel ab, welche einem doppelten Zweck dient: einer-
seits hebt sie die Einwirkung des Erdmagnetismus fast ganz auf; anderer-
seits verbindet sie sich mit der unteren Nadel, um sie in gleicher Richtung
zu drehen, unter dem Einflüsse der verdoppelten Ströme des Multiplikators....
Ich muss aber darauf dringen, dass man Sorge trage, sich zwei Magnet- ■
nadeln von so viel als möglich gleicher Kraft zu verschaffen; je mehr diese j
Bedingung erfüllt ist, um so empfindlicher wird der Apparat ausfallen. An ■
zwei Zeichen erkenne ich, dass die Nadeln gehörig magnetisirt sind. Das •
erste ist die Lage, welche die Durchschnittsebene der Nadeln annimmt, wenn :
diese sich selbst überlassen werden; sie darf nicht, wie bei dem gewöhn- i
liehen Galvanometer mit der Ebene des magnetischen Meridians zusammen* ■
fallen, sondern muss mehr oder weniger gegen dieselbe geneigt sein. Diese
Neigung rührt von dem Überreste des terrestrischen Einflusses her, dem die
Nadeln nicht ganz entzogen werden können, sie seien einander auch noch
so sorgfaltig angepasst. Das andere Zeichen ist die Art, wie das Instrument
um die Linie des magnetischen Gleichgewichtes schwingt. Diese Schwingungen
müssen sehr langsam ausfallen im Verhältnisse zu denen, die eine einzige»
durch den Einfluss des Erdmagnetismus in den magnetischen Meridian
zurückgeführte Nadel zeigt. Erst nach den vielfältigsten Versuchen bin ich
bei der vorgeschlagenen Anordnung, als einer solchen, welche die meisten
Vortheile bietet, stehen geblieben."
Der übrige Theii des Aufsatzes von Nobili ist von der Erzählung einiger
Versuche eingenommen, die das neue Instrument im Verein mit einem
Thermoelement als ein ausserordentlich empfind*
liches Thermometer erweisen; sie haben fiir uns
kein weiteres Interesse. Schweigger macht (a. a. O.)
einige Zusätze zu dieser Mittheilung, in welchen
er eine etwas andere Anwendung der doppelten
Nadel vorschlägt, indem er auf seine Schleife
(S. 372) zurückkommt. Diese wird nämlich so
gestellt, dass ihre beiden Theile senkrecht über
einander stehen, und die Nadeln werden so ein-
gehängt, dass je eine in eine Schlinge zu stehen
kommt. Fig. 104 veranschaulicht diese Anord-
nung nach Schweigger. Sie erinnert einigermaassen an eine neuerdings
mehrfach benutzte Form, nur hat man jetzt die überflüssige Unbequemlich-
keit der schleifenförmigen Aufwickelung des Drahtes aufgegeben, und wickelt
jede Spule besonders.
Nobili hat nicht versäumt, die Empfindlichkeit seiner besten Galvano-
meter mit dem des Froschschenkels zu vergleichen, welcher bis dahin bei
weitem das feinste stromprüfende Instrument war. Das Ergebniss bereitete
Fig. 104. Nach Schweigger.
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm'sche Gesetz. 370
ihm einige Enttäuschung, wie er selbst gesteht;1 der Frosch erwies sich
in allen Fällen weit empfindlicher, wo Flüssigkeiten sich im Stromkreise
befanden; nur thermoelektrische Ströme (s. w. u.) wurden vom Galvanometer
besser angegeben. Indessen ist doch auch das Froschpräparat für den
thermoelektrischen Strom ein recht guter Indicator, und Nobili bemerkt:
„Wenn in der ersten Zeit des Galvanismus, wo man die Frösche auf so
mannigfaltige Weise anordnete, es einem Physiker in den Sinn gekommen
wäre, den Muskel und den Nerv mit zwei langen Drähten desselben Metalles
zu versehen, und dann das eine freie Ende eines dieser Drähte zu erhitzen,
um damit das nicht erhitzte Ende des anderen zu berühren, so wäre die
Wissenschaft zwanzig Jahre früher um die interessante Entdeckung von
Seebeck bereichert worden, und Volta wäre durch den Anblick einer That-
sache überrascht worden, welche unmittelbar zu einem Schluss geführt hätte,
welcher dem Geiste seiner Principien entgegen gewesen wäre: nämlich, dass
es möglich ist, einen Strom in einem Leiter zu erregen, welcher nur aus
metallischen Stoffen gebildet ist. ... Es ist dies eine Gelegenheit, zu be-
* merken, dass zuweilen die einfachsten und entscheidendsten Versuche die
sind, welche man zuletzt macht, und dass sie sich dem Geiste nicht eher
darbieten, als bis alle anderen Mittel erschöpft sind."
Der nächste wesentliche Schritt zur Verbesserung des Galvanometers,
die Ablesung mit Spiegel und Skala, welche durch Poggendorff und Gauss
eingeführt wurde, gehört in eine spätere Zeit.
5. Die thermoelektrischen Ströme. Die Erfindung des Galvano-
meters bewirkte einen ähnlichen plötzlichen Aufschwung der Elektrik, wie
die der Säule, wenn auch lange nicht in so hohem Grade. Eine der ersten
Entdeckungen mit dem neuen Hilfsmittel war die der thermoelektrischen
Erscheinungen durch Seebeck, deren erste Mittheilung bereits 1821 erfolgte.
Auch dieses Kapitel steht nicht in unmittelbarem Zusammenhange mit
unserem Gegenstande, ist aber doch von so grossem Einflüsse auf die Ent-
wickelung desselben gewesen, dass die Bekanntschaft mit den Anfängen
seiner Geschichte von hinlänglichem Werthe ist, um uns einige Zeit zu
beschäftigen.
Die ersten Beobachtungen der Entstehung elektrischer Ströme durch
Wärme sind, wie bereits erwähnt, von Schweigger an einer aus Kupfer und
einer Flüssigkeit zusammengestellten Kette gemacht worden. In noch ein-
facherer Gestalt hat dann Seebeck2 durch Temperaturunterschiede hervor-
gerufene elektrische Spannungsunterschiede beobachtet. Sein Bericht über
seine Entdeckung ist für die Entstehungsgeschichte von Entdeckungen über-
haupt so lehrreich, dass ich, obwohl die Thermoelektricität in unserer Ge-
schichte nur nebenbei berücksichtigt werden kann, die wichtigsten Theile
seiner Mittheilung wiedergeben will. Die Arbeiten, über die hier berichtet
1 Bibl. univ. 37, 10. 1828. — Ann. de Chimie et de Physique, 38, 225. 1828. —
Pogg. Ann. 14, 157. 1828.
* Abh. Ser Bert. Akad. f. 1822/23. S. 265.
j8o Elftes Kapitel.
wird, sind in vier Vorlesungen, deren erste vor der Berliner Akademie am
16. August 1821 gehalten worden ist, mitgetheilt worden.
„Bei Fortsetzung der Untersuchung des gegenseitigen Verhaltens der
elektrischen, chemischen und magnetischen Thätigkeiten in den galvanischen
Ketten stiess ich auf Erscheinungen, welche mir anzudeuten schienen, dass
auch zwei Metalle für sich, kreisförmig mit einander verbunden, ohne Mit-
wirkung irgend eines feuchten Leiters, magnetisch werden möchten. Auch
noch andere Gründe schienen dafür zu sprechen. Denn aus mehreren That-
sachen . . . schien hervorzugehen, dass nicht sowohl die Aktion an dem
Berührungspunkte der Metalle mit einander, als vielmehr die Ungleichheit
der Aktionen an den beiden Berührungspunkten der Metalle mit dem feuchten
Leiter die magnetische Polarisation der ganzen geschlossenen Kette bedinge....
„Zu den ersten in diesem Sinne unternommenen Versuchen wählte ich
zwei Metalle, welche ich als Glieder in der gewöhnlichen galvanischen Kette
mit Kupfer verbunden in manchen Stücken abweichend und veränderlich
gefunden hatte. Durch beide sah ich meine Erwartung erfüllt, doch war
ihre Wirkung verschieden.
„Eine Scheibe von Wismuth, unmittelbar auf einer Kupferscheibe liegend,
zwischen die beiden Enden eines im magnetischen Meridiane liegenden spiral-
förmig gewundenen Kupferstreifens von 40 Fuss Länge und 21/^ Linien
Breite gebracht, zeigte bei der Schliessung des Kreises eine deutliche Decli-
nation der Magnetnadel. . . ."
Seebeck schildert nun, wie eine Scheibe von Antimon unter ähnlichen
Verhältnissen eine entgegengesetzte Wirkung hervorbrachte, während Zink
ganz unwirksam war.
„Bei allen diesen Versuchen hatte ich die Kette in der Art geschlossen,
dass ich die zu untersuchende Metallscheibe auf das untere Ende der Spirale
oder des einfachen Streifens legte, und das obere frei schwebende Ende mit
den Fingern auf die Scheibe niederdrückte. Es konnte daher bei den ersten
Versuchen wohl die Frage aufgeworfen werden, ob nicht die Hand hier die
Stelle eines feuchten Leiters vertrete, und ob nicht Wismuth und Antimon
nur deshalb entgegengesetzte Declinationen bewirkten, dass das eine unter
Mitwirkung der Feuchtigkeit der Hand mit Kupfer +E und das andere
— E werde.
„Das gänzliche Ausbleiben einer magnetischen Spannung bei Verbindung
des Zinks mit dem Kupferstreifen, wo dieser Annahme zufolge eine stärkere
Spannung hätte erfolgen sollen, musste schon gegen die Zulässigkeit der-
selben Bedenken erregen. . . .
„Vollständig wurde aber die Annahme, dass wir es hier nur mit gewöhn-
lichen galvanischen Ketten zu thun haben, dadurch widerlegt, dass auch
dann noch, wenn das obere schwebende Ende des Kupferstreifens mit einem
Stäbchen aus irgend einem anderen Metall auf die Wismuth- oder Antimon-
scheibe niedergedrückt wurde, ja dass selbst dann, wenn das obere Ende
der Spirale, welche mit der Wismuth- oder Antimonscheibe irf Berührung
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm 'sehe Gesetz. sgj
stand , mit einer trockenen dünnen Glasscheibe bedeckt war, und diese mit
der Hand berührt wurde und einige Zeit in Berührung blieb, innerhalb des
geschlossenen Kreises ganz dieselben, obwohl schwächeren Declinationen
erfolgten, als bei der unmittelbaren Berührung der die Kette bildenden
Metalle mit der Hand. ...
„Das obere Ende der Spirale wurde auf der Wismuthscheibe befestigt,
und das untere Ende derselben an die untere Fläche des Wismuths mit
der Hand gedrückt; es erfolgten jetzt die entgegengesetzten Declina-
tionen. ...
„Bei allen diesen Versuchen war die Wirkung am stärksten, wenn die
Metalle . . . unmittelbar mit der Hand berührt wurden, sie war schwächer,
wenn die Schliessung mit dünnen Zwischenkörpern geschah . . ., ja, es fiel
jede Wirkung auf die Magnetnadel weg, wenn die Enden der Spirale mit
2 Fuss langen Glas-, Holz- oder Metallstangen auf die Metallscheiben nieder-
gedrückt wurden. Doch bald zeigte sich eine Bewegung der Magnetnadel,
wenn die Hand an das untere Ende der Metallstangen, nahe an dem Orte,
wo sie den Bogen berührten, gelegt wurde, und wenn sie dort einige Zeit
verweilte. Nach diesen Erfahrungen musste sich der Gedanke aufdrängen,
dass nur die Wärme, welche sich von der Hand dem einen Berührungs-
punkte der Metalle stärker mittheilt, die Ursache des Magnetismus in den
iweigliedrigen Ketten sein möchte. Darnach war zu erwarten, dass ein
höherer Grad der Temperatur, als der, welcher den Metallen von der Hand
mitgetheilt werden konnte, auch eine höhere magnetische Spannung bewirken
müsse. Der folgende Versuch bestätigte dies/'
Seebeck geht nun zu der Schilderung der Einzelheiten der von ihm
entdeckten Erscheinungen über. Er stellt fest, dass die Metalle eine thermo-
elektrische Spannungsreihe bilden, dass die Spannung mit dem Temperatur-
unterschiede im Allgemeinen wächst, dass es jedoch Fälle giebt, wo die
Wirkung mit steigender Temperatur der einen Stelle wieder kleiner werden,
ja sogar sich umkehren kann. Ein Zusammenhang zwischen der thermo-
elektrischen und der gewöhnlichen VoLTA'schen Spannungsreihe ist ent-
schieden nicht vorhanden; die Metalle sind in beiden ganz verschieden
geordnet und zeigen ganz verschiedene Stärke der gegenseitigen Erregung.
Die Einzelheiten der Untersuchung, durch welche diese Sätze festgestellt
wurden, können hier nicht wiedergegeben werden, ebenso wenig die aus-
führlichen Tabellen, welche Seebeck über eine grosse Anzahl von Metallen,
Legirungen und Erzen mittheilt; doch sei noch bemerkt, dass er schon
ermittelte, dass Legirungen im Allgemeinen keineswegs an die Stelle in
der Reihe gelangen, welche man nach ihrer Zusammensetzung erwarten
könnte, sie zeigen vielmehr ein durchaus selbständiges Verhalten. Endlich
wies Seebeck auch noch Wirkungen in Kreisen aus einem einzigen Metall
nach, die besonders deutlich auftreten, wenn man durch die Art des Giessens
oder Abkühlens Verschiedenheiten in der Struktur des Metalles an ver-
schiedenen Stellen hervorbringt.
^g2 Elftes Kapitel.
6. Georg Simon Ohm. Obwohl das von Ohm gefundene grundlege
Gesetz des elektrischen Stromes dem eigentlichen Gebiete der Elektroche
nicht angehört, hat es dennoch einen so maassgebenden Einfluss auf
Entwickelung derselben ausgeübt, dass eine Geschichte der Elektroche
ohne Rücksichtnahme auf diesen ausserordentlichen Fortschritt unvollstäi
und unverständlich bleiben müsste. Durch diese fundamentale Entdeck
wurde es erst möglich, aus der verwickelten und bis dahin unentzifferbc
Sprache der Galvanometer den Sinn zu erfassen; auf dieser Grundlage
konnte eine quantitative Theorie der elektrochemischen Erscheinungen
sucht und entwickelt werden. Zudem gehört die Geschichte der Entdeck
dieses Gesetzes zu den lehrreichsten Kapiteln der Wissenschaftsgeschic
und die genauere Bekanntschaft mit der merkwürdigen Persönlichkeit
Entdeckers würde schon allein ein näheres Eingehen auf die Angelegen
lohnend machen.
Georg Simon Ohm ist am 16. März 1789 in Erlangen als Sohn e
dortigen Schlossermeisters geboren, der, selbst von lebendigem Interesse
die Wissenschaft erfüllt, für die Ausbildung seiner beiden Söhne (es
noch ein um zwei Jahre jüngerer Bruder Martin vorhanden) alle mögl
Sorge trug. Ohm besuchte das Gymnasium seiner Vaterstadt, und ginj
dem sehr jugendlichen Alter von 16 Jahren an die dortige Universität ü
die er indessen bald wieder verliess. Es ist nicht unwahrscheinlich, <
ihn die gerade in Erlangen mit besonderem Enthusiasmus gepflegte Na
philosophie abstiess, die den ausgesprochensten Gegensatz zu seiner auf
schärfste quantitative Erfassung der Naturerscheinungen gerichteten Geiste
bildete. Ohm ging dann 1 806 in die Schweiz, wo er abwechselnd als Le
und Privatmann seine Ausbildung förderte; 181 1 wurde er in Erlar
Doktor und habilitirte sich als Privatdozent. Schon nach drei Semes
vertauschte er diese Thätigkeit mit der eines Lehrers, zuerst in Bamb
181 7 in Köln. Während seiner Kölner Zeit machte er die Entdecki
welche seinen Namen für immer auf die Nachwelt gebracht hat. Sie l
zunächst fast unbeachtet, wurde sogar (von G. F. Pohl) ausserordeni
absprechend recensirt, und ähnlich wie mancher andere grosse Entde
erfuhr Ohm den psychischen Rückschlag, der unter solchen Umständen
zutreten pflegt. Seinen Wunsch, wieder in die akademische Laufbahn
zutreten, vermochte er in Folge einer Zurückweisung nicht zu erfüllen
legte später auch seine Lehrerstelle nieder, und bemühte sich, wenn <
halb entmuthigt, in einer Reihe von weiteren Abhandlungen seinem Ge
durch den Nachweis der Gültigkeit in den verschiedensten Fällen die
enthaltene Anerkennung zu verschaffen.
Inzwischen war das gleiche Gesetz von Pouillet im Jahre 1831
Neuem aufgestellt worden. Hierdurch, und durch die unermüdliche Th;
keit Fechner's und insbesondere Poggendorff's, welche alsbald die Bedeui
der Entdeckung Ohm's eingesehen hatten und bei jeder Gelegenheit auf c
hinwiesen, gelangte sie allmählich zur allgemeinen Anerkennung. Ents<
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm'sche Gesetz. 383
dafür war das Vorgehen der Royal Society in London, welche 1841
höchste wissenschaftliche Auszeichnung, die Copley-Medaille, Ohm zuer-
kannte.
L Während dieser Zeit (1833) war Ohm wieder in eine Lehrerstellung am
k Polytechnikum in Nürnberg getreten, aus der er 1849 nach München an
4Se Universität berufen wurde. Dort lebte er noch fünf Jahre; am 6. Juli
1854 erlag er einem wiederholten Schlaganfalle.
Seine grosse Entdeckung hat Ohm in einigen Abhandlungen, und haupt-
l sachlich in seinem 1827 in Berlin erschienenen Werk: „Die galvanische Kette,
r. mathematisch bearbeitet" mitgetheilt. Es ist beachtenswerth, dass seine erste
Abhandlung: „Vorläufige Anzeige des Gesetzes, nach welchem die Metalle
die Contactelektricität leiten" eine unrichtige Formulirung enthält, und dass
erst in der zweiten Arbeit der richtige Ausdruck gefunden wird. Von
seinem Buche, das längst vergriffen ist, erschien im Jahre 1887 eine Neu-
ausgabe durch J. Moser; 1892 wurde durch Lommel eine Gesammtausgabe
der physikalischen Schriften Ohm's1 veranstaltet, welcher der Herausgeber
eine biographische Skizze vorausschickte, der die obenstehenden Mittheilungen
: im Wesentlichen entnommen sind.
6. Ohm's erste Arbeiten. Von den Veröffentlichungen Ohm's seien
tarn Zweck der Kennzeichnung des geistigen Wesens dieses ausserordent-
Echen Mannes die wesentlichsten Theile seiner ersten und einiger späterer
f Abhandlungen mitgetheilt. Wenn er auch seine Lehre reicher und abge-
rundeter in seinem Hauptwerke entwickelt hat, so haftet doch jenen ersten
Ifittheilungen die Frische und Unmittelbarkeit der Darstellung, welche einen
so wesentlichen Reiz bildet, in viel höherem Maasse an, als in der zwar
abgeklärteren, aber auch abgekühlteren Darstellung des Hauptwerkes. Auf
das eingehende Studium des letzteren sei indessen der Leser noch besonders
ü hingewiesen.
£ Ohm's erste Abhandlung erschien gleichzeitig in Schweigger's Journal
für Physik und Chemie2 und in Poggendorff's Annalen3 im Jahre 1825.
Es enthält, wie schon erwähnt, eine irrthümliche Fassung des Gesetzes
über die Abhängigkeit zwischen der Drahtlänge (dem Widerstände) und der
Stromstärke; die in dieser Abhandlung nur angedeutete Methode der Strom-
stärkemessung mittelst des Torsionsgalvanometers findet sich in einer späteren
(weiter unten gleichfalls abgedruckten) Abhandlung ausführlich auseinander-
gesetzt. Die Abhandlung fuhrt den Titel: „Vorläufige Anzeige des Gesetzes,
nach welchem Metalle die Contactelektricität leiten."
„Durch mehrere Wahrnehmungen veranlasst, habe ich sorgfältige und
vielfach wiederholte Versuche über die Fortleitung der Contact-Elektricität
i Metallen angestellt und Resultate erhalten, zu deren schleuniger Mittheilung
ich mich um so mehr bewogen fühle, als meine geringe, ziemlich ver-
1 Leipzig, bei J. A. Barth. • Schweigger's Journ. 44, 110. 1825.
* Pocg. Ann. 4, 79 und 87. 1825.
384
Elftes Kapitel.
kümmerte Müsse mir es nicht verstattet, das Ende dieser Untersuchu
so bald herbeizuführen. Und ich hoffe, dem theilnehmenden Publikum <
Dienst zu erzeigen, indem ich an jeder Stelle den, Grund angebe, der
zu einer neuen Reihe von Versuchen bewog.
„Zu den Versuchen selbst gebrauchte ich einen Kupfer-Zink-Trog
13 Zoll Höhe und 16 Zoll Länge. Aus dem Zink ging ein Draht A ir
Gefass mit Quecksilber M} aus dem Kupfer ein Draht B in ein Quecksi
gefäss N; ferner wurde ein Draht C aus dem Gefasse M in ein dritt<
geleitet. Der Kürze halber werde ich die Drähte A} B, C zusami
genommen den unveränderlichen Leiter nennen. Ausser diesen I
ich noch sechs andere: o, a, b> c> d, e, deren Längen respective 1/3,
6, io1^, 23 Fuss betrugen und die dazu dienten, die Gefasse N und 0
einander zu verbinden und so die Kette zu schliessen; ich werde sie
änderliche nennen. Diese veränderlichen Leiter, mit Ausnahme des Leit«
der sehr dick war, hatten alle 0,3 Linien im Durchmesser. Über dem The
des unveränderlichen Leiters hing eine Mangnetnadel in einer Coulomb's
Drehwage von besonderer Einrichtung, die der jedesmaligen Kraftbestimr
zum Maassstab diente.
yy
Erste Reihe von Versuchen.
,Der unveränderliche Leiter war 4 Fuss lang und il/4 Linie dick,
veränderlichen Leiter wurden in folgender Ordnung angewendet:
oaobocodoeo
und jedes Mal die Kraft des unveränderlichen Leiters auf die Magnet
gemessen. Aus vielen solchen Versuchsreihen ergaben sich folgende M
werthe für den Verlust an Kraft, welcher eintrat, wenn ein verändert
Leiter die Kette schloss.
Leiter
Kraftverlust
beob.
0,00
0,12
0,25
o»35
o,43
0,58
Der Zahlenreihe liegt die Kraft des Leiters o, die ich Normalkraft ne
werde, als Einheit zum Grunde. Diese Normalkraft wurde an der Dreh
durch 150 Theile, deren 100 eine ganze Umdrehung ausmachen, ange
„Die Werthe dieser Zahlenreihe lassen sich sehr genügend durcl
Formel:
v = 0,41 log (I +x)
darstellen, wobei v den Kraftverlust und x die Länge des veränderl
Leiters in Füssen anzeigt. Man erhält hieraus durch Rechnung:
Leiter
0
a
b
c
d
e
Kraftverlust
berechn.
0,00
0,12
0,25
o>35
o,43
o,57
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm 'sehe Gesetz.
385
rr
,Um mich zu überzeugen, ob diese Übereinstimmung nicht vielleicht
:h nur zufallig sei, construirte ich einen neuen veränderlichen Leiter / von
Fuss Länge. Die Beobachtung gab einen
KraJbrerhist = 0,78 bei einer Normalkraft von 168 Theilen
Rechnung giebt für diesen Kraft verlust 0,77
bei einer Normalkraft von 150 Theilen.
Zweite Reihe von Versuchen.
„Diflferenzirt man die Gleichung
v = 0,41 log (I +x),
> erhält man
dv = m
dx
I + X
torch die Form- dieser Differenzialgleichung kam ich auf den Gedanken, ob
cht vielleicht ihre allgemeine Form sein werde:
. dx
dv = m >
a + x
obei a von der Länge des unveränderlichen Leiters abhängig sein dürfte;
enn da der 4 Fuss lange unveränderliche Leiter i1/* Linie dick war, so
ar es möglich, dass diese Länge der von einem Fusse des 0,3 Linien
icken Drahtes das Gleichgewicht hielt. Findet sich diese Vermuthung be-
ätigt, so verwandelt sich obige Formel in diese:
v = mlogl 1 -f- — j
Im hierüber zur Gewissheit zu gelangen, substituirte ich statt der Theile A
nd B des unveränderlichen Leiters, welche zusammen 21/a Fuss ausmachten,
wei andere von derselben Länge und 0,3 Linien Dicke. Damit angestellte
ersuche gaben bei einer Normalkraft von 133 Theilen
Leiter
•
a
b
c
d
e
/
Kraftverlust
beob.
0,00
0,07
0,16
0,24
0,32
0,49
0,75
„Da aber von dem dicken Drahte i1/, Fuss blieb und 2X\% Fuss dünner
inzukam, so wäre (wenn nach der eben aufgestellten Vermuthung 4 Fuss
wn dicken, einem Fuss vom dünnen Drahte gleich kamen) für beide zu-
inmen 2,9 Fuss dünner zu setzen. Berechnet man nun v aus voriger
>rmel, indem man a = 2,9 und m = 0,525 setzt, so findet man
Leiter
0
a
b
c
- i '
/
Kraftverlust
berechn.
0
0,07
0,16
0,25
1
0,34 o>5°
o,75
J man sieht leicht, dass der Werth m, der allein aus dem Kraftverlust
; Leiters f hergeholt worden ist, den Beobachtungen noch besser hätte
Ostwald, Elektrochemie.
25
386
Elftes Kapitel.
angepasst werden können. Übrigens ist zu bemerken, dass die hier t
achteten Werthe nur aus einer einzigen Reihe von Versuchen hergeleitet
Dritte Reihe von Versuchen.
„Ich hatte unterdessen einen ziemlichen Grad von Sicherheit in
suchen dieser Art erlangt, und war auf einen Umstand aufmerksam gewo
der leicht einen Irrthum von 2 und mehr Theilen in jeder einzelnen 1
achtung an der Drehwage herbeizufuhren im Stande ist, und den ich in
vorigen Versuchen nicht berücksichtigt hatte, weil er mir damals noch i
kannt war. Dieser Umstand besteht in folgender an sich merkwün
Thatsache. Wenn nämlich unmittelbar auf den Leiter o einer der anc
veränderlichen in die Kette gebracht wird, so bedarf es wohl einer h;
Minute und darüber Zeit, bis die Wirkung auf die Nadel ihr Maxi
erreicht hat, das man abwarten muss, wenn man nicht eine zu kleine
aufzeichnen will; und umgekehrt, wenn nachher wieder der Leiter o ii
Kette kommt, so ist die Wirkung auf die Nadel in der ersten Zeit zu g
und man muss, um sicher zu gehen, ihr Minimum abwarten.1
„So ausgerüstet, beschloss ich zur Sicherstellung des aufgefund
Gesetzes eine neue Reihe von Versuchen, die für jeden Leiter nur aus
Beobachtungen, welche äusserst nahe mit einander übereinstimmen, be
Dabei brachte ich an die Stelle des Theilers C vom unveränderlichen I
2 Fuss 0,3 Linien dicken Draht, so dass also im Ganzen der unveräi
liehe Leiter jetzt aus 4,5 Fuss von demselben Drahte bestand, woraus
veränderlichen Leiter a und f gebildet waren. Das Resultat dieser Vers
war folgendes:
Leiter
0
a
b
c
d
e
/
Kraftverlust
beob.
0,00
0,04
0,10
0,16
0,23
0,36
0.55
Setzt man in obige Formel, wie hier geschehen muss, a = 4,5 und \
für m den Werth 0,452, wie ihn die letzte Angabe liefert, so findet
Leiter
0
a
h
C
d
'
/
Kraftverlust
berechn.
0,000
0,039
0,100
o,i 66
o,234
o,355
0,56
Diese Übereinstimmung der beobachteten mit den berechneten Werthe
als vollkommen anzusehen, um so mehr, als bei diesen Versuchen die N01
kraft an der Drehwage stets zwischen 44 und 43 Theilen sich aufhielt
ich kleinere als halbe Theile nie berücksichtigt habe.
1 „Es wäre zu wünschen, dass der Herr Verfasser Müsse fände, diese und ähnliche C
bestimmungen mit der sogenannten thermo-elektrischen Kette vorzunehmen. Die Wirk
sind bei dieser bei weitem beständiger, als bei der sogen, hydro-elektrischen Kette, und
deshalb sehr scharfe Messungen zu. P." [Poggendorff.]
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm'sche Gesetz. 387
„Nach diesen Versuchen sehe ich das Gesetz
s hinlänglich durch die Erfahrung bestätigt an. Dass es für x = — a,
= — OD giebt, widerspricht keineswegs unserer anderweitigen Vorstellung
on der Natur der galvanischen Kraft. Aus ihm erklärt sich von selbst die
ußallend starke Wirkung des von Wollaston ausgeführten Glühapparates,
benso die verhältnissmässig so starke Wirkung des elektromagnetischen
Apparates nach der von Gilbert getroffenen Einrichtung; ferner liegt in ihm
er Grund, warum, nach Poggendorff, auf einem gewissen Punkte die Ver-
ielfältigung der Windungen am Multiplikator zur Stärkung der Wirkung
ichts mehr beiträgt, und er fügt noch hinzu, dass durch immer fortgesetzte
Vervielfältigung der Windungen die Wirkung wieder abnehmen und zuletzt
ranz verschwinden müsse; es verspricht endlich eine tiefere Einsicht in die
latur des Thermo-Magnetismus.
„Der Coefficient tn ist eine Funktion von der Normalkratt, von der Dicke
les Leiters, von dem Werthe a und, wie ich Ursache zu glauben habe, von
Icr elektrischen Spannung der Kraft. Ich bin eben noch damit beschäftigt,
fie Natur dieser Funktion durch genauere Versuche fest zu begründen. Um
edoch schon jetzt die Aufmerksamkeit der Naturforscher auf diesen Gegen-
stand zu lenken, erwähne ich noch folgender Beobachtung. Die Kette war
nh dem Leiter f geschlossen und in den Trog verdünnte Schwefelsäure
^gössen, wie man sie zu den elektromagnetischen Versuchen anzuwenden
pflegt; die Drehwage zeigte 50 Theile, die Nadel ging allmählich, aber
äusserst langsam, rückwärts, und nach Verlauf von mehr als einer Viertel-
stunde, als das Brausen schon fast ganz nachgelassen hatte, zeigte die Dreh-
srage 45 bei einer Normalkraft von 447 Theilen. Frühere Versuche hatten
mich aber belehrt, dass bei einem so gefüllten Troge nach Verlauf von
12 Minuten, bei schon stiller gewordenem Brausen, die Normalkraft noch
1500 Theile betrage. Dieser Leiter ist folglich im Stande, die Normalkraft
auf weit weniger als ihren 26. Theil zurückzubringen. Wirkungen von
Leitern auf Leiter, die in derselben Kette sich befinden, können
durch solche Hindernisse leicht tausendfach geschwächt werden'/'
Die Quelle des Irrthums, in welchen Ohm bei diesem seinem ersten
Versuche verfallen war, liegt in der sehr grossen Unbeständigkeit der von
ihm verwendeten einfachen VoLTA'schen Kette aus Zink, Kupfer und ver-
dünnter Schwefelsäure. Ohm hatte das „Wogen der elektrischen Kraft"
zvar bemerkt und sich dagegen zu schützen gesucht; er hat aber den hier-
von ausgehenden Einfluss offenbar noch unterschätzt. So war es für ihn
wid die Wissenschaft ein wahres Glück, dass Poggendorff ihn in einer An-
merkung (S. 386) auf die Benutzung des ganz beständigen Thermo-Elementes
inwies. Ohm säumte nicht, sich diesen Hinweis zu Nutzen zu machen und
] folgenden Jahre 1826 theilte er in Schweigger's Journal für Physik v
25*
388 Elftes Kapitel.
Chemie1 die einfache Formel mit, welche seitdem alle Prüfungen bestai
hat, denen die inzwischen in so ausserordentlichem Maasse verfeine
Hilfsmittel der galvanometrischen Messungen sie unterzogen haben.
Besonders bemerkenswerth ist in dieser grundlegenden Abhandlung
Fähigkeit Ohm's, seine so überaus einfach gestaltete Gleichung zum R
zu bringen, und ihr Auskünfte über die verschiedensten Fragen des
vanismus zu entnehmen. In noch höherem Maasse ist dies in dem unmitt«
folgenden, in Poggendorff*s Annalen2 veröffentlichten Aufsatze der
welcher die Theorie der elektroskopischen Erscheinungen umfasst.
Die Hauptabhandlung in Schweigger's Journal fuhrt den Namen
Stimmung des Gesetzes, nach welchem Metalle die Contactelektricität 1<
nebst einem Entwürfe zu einer Theorie des VoLTA'schen Apparates und
ScHWEiGGER'schen Multiplikators."
„Im verwichenen Jahre habe ich in diesem Journal eine vorlä
Anzeige des Gesetzes, nach welchem Metalle die Elektricität leiten, gern
und mehrere Reihen von Versuchen mitgetheilt, die mit all der Sorgfalt
Genauigkeit angestellt waren, welche der Gegenstand verdient und gest
Fast zu derselben Zeit sind Mittheilungen über denselben Gegenstand
dem Auslande von zwei gleich rühmlich bekannten Experimentatoren Bai
und Becquerel zu uns gekommen, wobei es auffallend war, dass die R
täte dieser beiden Gelehrten, insofern sie sich über den Einfluss der L
des Leitungsdrahtes erstrecken, sowohl unter sich, als auch von dem d
meine Versuche ermittelten Gesetze so stark abwichen. Ihre Arbeiter
weit sie mir bekannt geworden sind, habe ich bei meinen späteren Versu
stets berücksichtigt und bin so zu der Überzeugung gelangt, dass wede
von diesen Naturforschern über die Länge des Leiters ausgesproch
Gesetze, noch das von mir angekündigte, allgemein und frei von der
mischung solcher Kräfte seien, die keineswegs zu der Frage, um die es
handelt, gehören. Dagegen hoffe ich jetzt im Stande zu sein, die Par
mit einander auszusöhnen und ein Gesetz aufzustellen, welches sich so
durch vollkommene Übereinstimmung mit den nach allen Grenzen hin
gesetzten Versuchen, als auch insbesondere durch die Einheit, welcr
über alle den elektrischen Strom angehende Erfahrungen verbreitet,
Einheit, wie sie nur im Gefolge der Wahrheit zu erblicken ist, als das
Gesetz der Natur verkündigt.
„Dieses Gesetz erstreckt sich indessen lediglich über die Leitung
Elektricität durch Metalle und nimmt keine Rücksicht auf die Funktioi
flüssigen Leiters in der galvanischen Kette. Meine Versuche über den
fluss der Flüssigkeiten auf den elektrischen Kreislauf, obgleich sie allmä
mehr und mehr sich entwirren, halte ich noch nicht für geschlossen;
eben deswegen muss ich mich für jetzt damit begnügen, die Resultate, w
1 Schweigger's Journ. 46, 137. 1826.
1 POGG. Ann. 6, 459; ebenda 7, 45 und 117. 1826.
I
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm 'sehe Gesetz. 38g
bereits rein herausgestellt haben, nur in kurzen Umrissen anzudeuten
und behalte mir vor, eine ausfuhrlichere, die chemischen und elektrosko-
pischen Erscheinungen zugleich in sich aufnehmende, mathematisch bearbeitete
Theorie der elektrischen Kette nachzuliefern. Die Hindernisse, welche meine
Stellung als Gymnasiallehrer jeder gründlichen Arbeit in ganz aussergewöhn-
Kcben Maassen entgegensetzt, mögen mich entschuldigen, wenn jene Abhand-
lung in einem grösseren Zeiträume, ab billig scheint, dieser Anzeige nachfolgt.
„Um unnütze Wiederholung zu vermeiden, fahre ich da fort, wo die
am Eingange citirte Ankündigung aufhört, und bitte deshalb den Leser,
hierauf Rücksicht nehmen zu wollen.
„Das beständige Wogen der Kraft (a. a. O. S. 386), welches beim Offnen
und Schliessen der Kette oder beim Vertauschen solcher Leiter, die als
Schliessungsglied der Kette ungleichen Leitungswerth haben, stattfindet,
erschwert die Versuche ungemein. Um einen Begriff von der Grösse und
Dauer dieses Wogens zu geben, wird es nicht überflüssig sein, einige von
den Versuchen, deren ich unzählige zur Bestimmung seiner Natur gemacht
habe, hier mitzutheilen.
„Die Kette wurde mit dem Leiter 0 geschlossen und der Stand der
Nadel von 5 zu 5 Minuten beobachtet; es ergaben sich allmählich folgende
Resultate: 180, 150, 135, 1257* ii97a> llS> m8/* i°97«> lo7*L> lo&U>
105 s/4, 105, I041/a> eine Stunde später iooya, sodass also im Ganzen
2 Stunden 5 Minuten verflossen waren. Nach wenigen Minuten, während
welcher die Kette offen blieb, zeigte die Nadel, die so schnell als möglich
in der Visirlinie zur Ruhe gebracht worden war (was mit einiger Übung
durch ein ihren Schwingungen entgegen laufendes Drehen in kurzer Zeit zu
Stande zu bringen ist) wieder mehr als 180 Theile längere Zeit hindurch.
Die Kette wurde aufs Neue geöffnet und die Nadel durch ein zur Seite
angebrachtes Hinderniss gezwungen, in der Visirlinie zu bleiben, hierauf die
Scheibe auf 500 gestellt und die Kette durch den Leiter 0 geschlossen —
und siehe, die Nadel legte sich auf der entgegengesetzten Seite, wo in einiger
Entfernung ebenfalls ein Hinderniss angebracht war, mehrere Sekunden lang
an.1 Dieses Wogen der Kraft war aber schon bei dem 75 Fuss langen
Leiter nicht mehr von erheblichem Umfange.
I1* „Es giebt meines Wissens nur ein Mittel, dieses Wogen der Kraft ziem-
lich unschädlich zu machen, welches darin besteht, dass man die Kette vor
Anfang der Versuche längere Zeit geschlossen hält und während der Ver-
J suche selbst nie öffnet, d. h. mit dem folgenden Leiter erst schliesst, ehe
man den vorhergehenden aus der Kette nimmt. Bei Versuchen, wo Leiter
von ungefähr gleichem Leitungswerthe abwechselnd in die Kette gebracht
werden, ist dieses Hinderniss, wenn man die eben angeführte Vorsichts-
1
1 „Es ist daher kein Wunder, dass ein Herausnehmen des WoLLASTON'schen Glüh-
apparates aus der Flüssigkeit auf kurze Zeit den schon erloschenen Draht zum Wiederglühen
bewtrgt.**
3qo Elftes Kapitel.
maassregel beobachtet, als nicht vorhanden anzusehen, und solche Versi
lassen daher einen hohen Grad der Genauigkeit zu.
„Auf diese Weise bestimmte ich das Leitungsvermögen verschied«
Metalle. Ich nahm cylindrische Drähte von einerlei Dicke und verschiede]
Stoffe, brachte nach und nach je zwei abwechselnd in die Kette und kii
denjenigen, der die Kraft am meisten schwächte, so lange ab, bis er
dem anderen ungefähr gleichen Leitungswerth erlangt hatte. Am be
thut man, aus zwei nahe aneinander liegenden Bestimmungen, wovon
eine zu viel, die andere zu wenig giebt, ein Mittel zu nehmen. So gelai
ich zu nachstehenden Verhältnisszahlen für die Länge der verschiede
Metalle, wobei sie gleichen Leitungswerth besitzen:
„Kupfer iooo, Gold 574, Silber 356, Zink 333, Messing 280, Eisen
Platin 171, Zinn 168, Blei 97.
„Ferner nahm ich Drähte von gleichem Stoffe und verschiedener Di
innerhalb 0,12 und 1,40 Linien, und verfuhr mit ihnen ganz so, wie
der Bestimmung des Leitungsvermögens der Metalle geschehen ist. So ei
sich mir folgendes Gesetz: Cylindrische Leiter von einerlei Art
verschiedenem Durchmesser haben denselben Leitungswerth, w
sich ihre Längen wie ihre Querschnitte verhalten. Auf dieses G<
wurden auch Barlow und Becquerel durch ihre Versuche geführt
„Zu bemerken ist auch hier der Umstand, dass stets der dickste E
von der Regel mehr oder weniger abwich; aber er war geblieben wi
war, mit mehr oder weniger rein metallischer Oberfläche, während
anderen über dem Ziehen mit einer Haut ziemlich gleichmässig sich bed
hatten. In meinen späteren Versuchen habe ich auf diesen Umstand
Rücksicht genommen.
„Bei Versuchen, die sich auf die Länge des Leiters beziehen, ist j
Wogen der Kraft von sehr nachtheiligem Einflüsse, weil hier Leiter
sehr ungleichem Werthe nach einander in die Kette gebracht werden, wc
eine Unsicherheit entsteht, die durch die fortwährende Änderung, vrt
die Flüssigkeit und die sie berührenden Metalloberflächen in ihrer chemis
Konstitution erleiden, nur noch vermehrt wird. Ich habe zwar in me
früheren Versuchen diesem Ubelstande dadurch zu begegnen gesucht,
ich die einzelnen Beobachtungen stets in gleichen Zeiträumen auf eina
folgen Hess und zu der ganzen Zeit der Versuche nur solche Absch
wählte, in welchen die Wirkung de*r Kette weniger veränderlich sich ze
allein obgleich dadurch die Beobachtungsfehler in ziemlich enge Gre
eingeschlossen werden, so konnte ich doch nicht hoffen, auf diesem V
das eigentliche Gesetz der Leitung1 zu entdecken und nahm daher n
Zuflucht zu der thermomagnetischen Kette, deren Beständigkeit von h
1 „Dass das in meiner Ankündigung aufgestellte nicht allgemein sei, davon habe ich
durch einen Leiter von 300 Fuss, dessen Querschnitt fünf Mal kleiner als der der ü
war, der also einen Leiter von 1500 Fuss vertrat, überzeugt. Er gab 2f/4 bei einer N«
kraft von 139 und i1/, bei einer Normalkraft von 76 Theilen."
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm'sche Gesetz.
391
sndorfp mir empfohlen worden war; und da die auf diesem Wege
nnenen Erfahrungen das Gesetz der Leitung auf eine entscheidende
e aussprechen, so halte ich es nicht für überflüssig, meinen dabei ge-
ilten Apparat umständlich zu beschreiben, damit der Grad des Zu-
ns, den die daraus hervorgegangenen Thatsachen verdienen, sich um
ichter bestimmen lasse.
„Ein in der Gestalt einer eckigen Klammer gegossenes Stück Wismuth
V d (Fig. 105), dessen längere Seite b b' 61/, Zoll und dessen kürzere
akel a b, ä b' jeder 3^ Zoll betrugen, war durchgängig 9 Linien breit
4 Linien dick. An jedem dieser
nkel befestigte ich mittelst zweier
luben Kupferstreifen ab cdyd ' b' Y d ',
} Linien breit, 1 Linie dick und
nmen gerechnet 28 Zoll lang und
gebogen waren, dass ihre freien
med, c d' in zwei an dem hölzernen
tVLefg h i angebrachte, mit Queck-
: gefüllte Schälchen m9 tri ragten,
1 die ganze Vorrichtung auf dem
*lle sass.
„Auf der oberen Platte ff des
dies sitzt die Drehwage, bei deren
hreibung ich etwas verweilen werde,
in ihr Abweichungen von der ge-
llichen Einrichtung vorkommen. Der
^linder v v, auf welchem sie sitzt,
Zoll hoch und 4x/2 Zoll weit Sie
t besteht aus 2 Theilen, wovon der
nop mit einer schwach konischen
lung versehen und auf der oberen
e des Giascylinders fest gekittet ist,
v
v
Fig. 105. Nach Schweigger.
der andere q r s mit seinem
nien dicken konisch auslaufenden Zapfen in die Höhlung des ersten
u passt, und mit seiner 3 Zoll breiten Scheibe r r auf der eben so
sn Scheibe n n des ersten Theiles aufliegt. An dem Zapfen q s ist
p-osser Sorgfalt auf der Drehbank der Mittelpunkt der Drehung durch
zarte konische Vertiefung angemerkt und hierauf derselbe auf einen
m Zoll seiner Länge so lange abgefeilt worden, bis sich auf der dadurch
indenen ebenen Fläche jene konische Vertiefung als ein vollständiges
rek darstellte. Durch eine besondere Vorrichtung wird der Faden, an
lern die Nadel hängt, so an den Zapfen geklemmt, dass seine Mitte
1 in die Spitze des Dreiecks fällt.
„Die Magnetnadel / / ist aus 0,8 Linien dicken Stahldraht verfertigt und
volle 2 Zoll lang, ihre beiden Enden sitzen in cylinderförmigen Stücken
bein, deren eines einen zart zugespitzten, nach unten etwas umgebogenen
29? Elftes Kapitel.
Messingdraht in sich trägt. Diese messingene Spitze, die als Zeiger dient,
liegt dicht über dem auf dem Gestelle ruhenden, in Grade eingeth
Bogen von Messing u u. Anfänglich hatte ich die Nadel so lang gemacht
dass sie mit ihrem einen Ende unmittelbar über dem messingenen Grad
schwebte; aber die Trägheit, welche sie durch die geringe Anzahl ihief
Schwingungen zu erkennen gab, erinnerte mich an die vor Kurzem vo»
Arago gemachte Erfahrung und gab Anlass zu obiger Abänderung.
„Die so zubereitete Nadel wird von einem 5 Zoll langen Streifen GoUk
lahn getragen, der an der Dreh wage genau im Mittelpunkt der Drehung
befestigt ist. Diese bandförmigen Metallstreifen sind nach meiner Erfahrung
zu Versuchen mit der Drehwage weit geschickter als cylinderförmige Drahtet
Der Lahn, den ich an meiner Drehwage gebrauche, besitzt ungeachtet seiner
aus vielen Rücksichten so wünschenswerthen Kürze noch in so hohem Grade .
alle Erfordernisse zu den Drehversuchen, dass die Nadel, nachdem der Lahn
eine Spannung von mehr als drei ganzen Umdrehungen erlitten hat, wieder
ihre alte Stellung einnimmt, wenn man die Spannung wieder aufhebt Dem*
ungeachtet habe ich nach jedem Versuche die Nadel im Stande der Rabe
beobachtet, um überzeugt zu sein, dass der Apparat durchaus keine Ände»
rung erlitten hat. Übrigens glaube ich noch bemerken zu müssen, dass
vorangegangene Versuche an einer ähnlichen vom Lahne getragenen Nadel
von Messing mich überzeugt haben, dass kleine und grosse Schwingungen
(ich habe sie von zwei ganzen Umdrehungen bis zu wenigen Graden ver-
folgt) stets in derselben Zeit abgemacht werden, so dass also von dieser
Seite her nichts zu furchten ist.
„Die Drehwage wurde auf die obere Platte des Gestelles dergestalt fest
gekittet, dass eine mitten durch den Kupferstreifen b c gezogene, mit dem
mittelsten Theilstrich des Gradbogens u u und einem dicht vor diesem Bogen
lothrecht ausgespannten einfachen Seidenfaden in einerlei Richtung liegende
gerade Linie und zugleich auch die Magnetnadel im magnetischen Meridiane
lagen, während der Zeiger an der Drehwage auf Null gestellt war. Auf dem
Vorsprunge k des Gestelles war ein convexes Glas / von einem Zoll Brenn-
weite in der erforderlichen Richtung und Entfernung angebracht, durch
welches die untere Theilung betrachtet wurde, und um jede Parallaxe zu
vermeiden, wurde das Auge während der Beobachtung stets so gestellt, dass
der Seidenfaden und der mittlere Theilstrich des Gradbogens sich deckten.
Die Beobachtung geschah in der Art, dass jedes Mal, wenn die Nadel durch
den elektrischen Strom des Apparates abgelenkt worden war, der Lahn so lange
durch den beweglichen Theil der Drehwage entgegengedreht wurde, bis die
messingene Spitze der Nadel hinter dem Seidenfaden auf dem mittleren Theil-
strich des Gradbogens stand: dann wurde die Grösse der Drehung oben an
der Drehwage in Hunderttheilen einer ganzen Umdrehung abgelesen, welche
Zahl bekanntlich die Kraft ausdrückt, womit auf die Nadel gewirkt worden ist1
1 „Die Nadel und der Lahn hatten unter sich ein solches Verhältnis* erhalten, dass, um
die Nadel einen Grad der unteren Theilung weiter zu fuhren, die Drehwage am sehn Theüe
a Erscheinungen und das Ohm'schc Gesetz. %n-t
He Letter, welche zu den Versuchen gebraucht worden sind, tauchten
en Enden in das Quecksilber der Schälchen m, m', über denen der
eit wegen eine einfache Vorrichtung angebracht war, vermittelst
die Enden eines jeden Leiters stets auf dieselbe Weise mit dem
über in Berührung kamen. Überdies wurden alle Enden der Leiter,
»ine Berührung des Quecksilbers zu befürchten war, mit Harz über-
dann die Grundflächen derselben mit einer feinen Feile metallisch
and jedes Mal frisch angequickt Eine vollkommen metallische Ver-
; der einzelnen Theile ist bei Versuchen der Art eine unerläßliche
ing, weil ausserdem keine Übereinstimmung der Beobachtungen zu
kommt
Tm endlich den Theilen des Apparates, wo sich Wismuth und Kupfer
en, einen beständigen Temperaturunterschied zu geben, liess ich mir
efässe aus Blech an- .
, deren Durchschnitte *//" V« _ \ ^
>erem Maassstabe (Fig.
i 107) abgebildet sind.
atte in seinem Inneren
iben offenen, übrigens
1 verschlossenen, zur
me der Theile ab, ä f
Uten Raum x x. In
len, A, wurde Wasser
lig im Kochen erhalten;
ratte daher bei_y eine
irk zu verschliessende
y, um Wasser in das Gefäss bringen zu können und auf der anderen
Hne Röhre s z, um den Dampf abzuführen; in das andere wurde
oder zerstückeltes Eis gebracht Die Theile a b, a' b' wurden mit
1, aber dichtem Seidenzeug umnäht, dann in die Räume x x ge-
il und diese zuletzt bis auf eine Höhe von etwa einem Zolle mit
1 Schrote ausgefüllt und dann vollends mit klein zerstückeltem Glase
lüttet Auf solche Weise befanden sich alle Berührungsstellen zwischen
th und Kupfer innerhalb des mit Blei ausgefüllten, die Wärme gut
■n Raumes und die Glasdecke schützte diesen Raum vor einer schnellen
ratu randttrung durch die umgebende Luft.
iach dieser umständlichen Beschreibung des Apparates komme ich
A
rerden musste. Bei der getroffenen Einrichtung hielt es aber nicht schwer, '/« eines
rtades noch gut zu sehen und daher '/< eines oberen Theiles noch merklich zu fühlen.
erhellt aber hieraus, wie eine Abweichung des Umdrehungspunkte s von noch nicht
jen Linie zu Fehlem von zwanzig und mehr Theilen führen könne; es darf daher die
■ Sorgfalt, mit der ich meine Drehwage bauen liess, nicht befremden. Vielleichl lieg!
eriD der Grund, warum Andere als Coulomb zu übereinstimmenden Resultaten durch
rage nicht gelangen konnten."
394
Elftes Kapitel.
nun zu den Versuchen, die ich damit angestellt habe. Ich hatte mir 8
schiedene Leiter vorgerichtet, die ich in der Folge mit i, 2, 3, 4, 5, 6, J
bezeichnen werde und die respective 2, 4, 6, 10, 18, 34, 66, 130 Zoll 1s
7/8 Linie dick und insgesammt aus * einem Stücke sogenannten plattii
Kupferdrahtes geschnitten und auf die vorhin beschriebene Weise zubere
waren. Nachdem das Wasser eine halbe Stunde im Sieden erhalten worc
war, wurden sie nach einander in die Kette gebracht. Zwischen je zu
Versuchsreihen eines und desselben Tages, die drei bis vier Stunden ao
füllten, wurde immer eine Pause von einer Stunde gehalten, während welch
neues, schon erwärmtes Wasser zugegossen wurde, das in kurzer Zeit ii
Kochen kam, dann kamen die Leiter nach der Reihe, aber in umgekehrt
Ordnung, in die Kette. So gelangte ich zu nachstehenden Ergebnissen:
Zeit der
Versuchs-
Leiter
Beobachtung
reihen
1
2
_ .3
4
5
6
7
i
8. Januar j I.
3*<>8/4
3<x>8/4
2778/«
23874
i908/4
1347.
8374
48
T 1 H-
...Januar || m
3»V4
307
287
284
267
23<>74
226V,
1837.
181
I298/4
i*8*/4
80
79
46
44
15. Januar {
IV.
V.
305 Vi
305
28lV,
282
259
*5«V4
224
2237«
1787,
178
1248/4
I248/4
70
78
44
„Es fällt auf, dass die Kraft von einem Tage zum anderen fühlbar
nimmt Ob der Grund dieser Abnahme in einer Veränderung der Berührun
stellen oder vielleicht darin zu suchen ist, dass der 8. und 11. Januar s
kalte Tage waren und das Eisgefäss noch am Fenster einer nicht st
geheizten und schlecht verwahrten Stube stand, wage ich nicht zu <
scheiden; nur das glaube ich hinzufügen zu müssen, dass ich vom 15.
keine bedeutenden Unterschiede mehr wahrnehmen konnte.
„Ein besonderes Gewicht ist auf den Umstand zu legen, dass von d
oben beschriebenen Wogen der Kraft, wie es in der hydroelektrischen K<
stattfindet, hier auch nicht eine Spur wahrzunehmen ist. Die Nadel ble
so wie sie zur Ruhe gebracht worden ist, unbeweglich auf derselben St
stehen. Ich habe sie nach obigen Versuchen oft eine halbe Stunde h
beobachtet und auch nicht die leiseste Veränderung wahrgenommen,
als die Nadel mit dem Leiter 1 in's Gleichgewicht gebracht und durch
zur Seite angebrachtes Hinderniss in dieser Lage fest gehalten worden *
ging sie beim Schliessen der Kette durch denselben Leiter, der längere 2
herausgenommen war, auch nicht im Mindesten nach der entgegengesetz
Seite ab. Dies berechtigt zu dem Schlüsse, dass jenes Wogen in eil
Abänderung der Flüssigkeit seinen Grund hat, die durch d
elektrischen Strom selbst erst bedingt wird und mit ihm ste
und fällt Es scheint eine Vertheilung gewisser Bestandteile in der Flüss
keit durch die Elektricität veranlasst zu werden, die sich ganz nach d
selben Gesetzen richtet, wie sie bei der durch ruhende Elektricität bewirkt
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm'sche Gesetz.
395
imen worden sind; eine Verstärkung der Kraft hat ein vermehrtes
idertreten jener Bestandteile zur Folge, eine Verminderung der
bestimmt diese Bestandteile zu einer partiellen Wiedervereinigung, die
totalen wird, so wie die Kraft völlig verschwindet. Es ist sehr wahr-
[Amüch, und es wird sich weiter unten ein Beleg hierzu finden, dass diese
Fcrtheilung der Flüssigkeit durch den Strom eine Änderung nicht nur in
kr erregenden Kraft der Kette, sondern auch in der Leitungsfähigkeit der
flosagkeit nach sich zieht, und gerade diese vielfache Veränderlichkeit in
der hydroelektrischen Kette macht das Gesetz" der Leitung bei ihr so ver-
nickelt und darum schwer zu enträthseln. Zugleich erhellt aber auch hier-
as, dass, wenn es sich bloss darum handelt, den Einfluss der Metalle auf
fc Leitung des elektrischen Stromes zu bestimmen, die hydroelektrische
kette sich dazu gar nicht eigne, weil sie zu mannigfaltigen Irrungen Anlass
iebt; dagegen ist die thermoelektrische Kette zu dieser Bestimmung recht
igentlich geschaffen. Wir wollen nun sehen, was sie bietet.
„Obige Zahlen lassen sich sehr genügend durch die Gleichung
X =
b+ x
irstellen, wobei X die Stärke der magnetischen Wirkung auf den Leiter,
ssen Länge x ist, a und b aber constante, von der erregenden Kraft und
an Leitungswiderstande der übrigen Theile der Kette abhängige Grössen
zeichnen. Giebt man nämlich der Grösse b den Werth 20 74 und der
rosse a nach den verschiedenen Versuchsreihen die Werthe: 7285, 6965,
$85, 6800, 6800, so erhält man durch die Rechnung nachstehende Be-
immungen :
Versuchs-
Leiter
reihen
1
2
3
4
5
6 i
7
8
1.
328
3<x>V2
27/Vt
2408/;
1907*
1341/, I
84 V*
487,
IL
313
287V4
265V8
230V4
182
1287, ,
8o*/4
467s
IIL
3<>91/»
284
262 v,
228
180
127 ,
798/4
458/4
IV.
305 V*
2801/,
259
2248/4
i778/«
125V4
79
45
V.
305V*
28o,/s
259
2238;4
17 7*1 4
125V4 !
79
45
„Vergleicht man diese durch die Rechnung erhaltenen Werthe mit den
rigen, auf dem Wege der Erfahrung gefundenen, so wird es sich zeigen,
ss die Unterschiede so gering sind, wie man sie bei Versuchen der Art
r immer zu erwarten berechtigt ist. Ich wollte jedoch hierbei nicht stehen
nben, sondern, was zur Ermittelung der allgemeinen Gültigkeit eines aus
nigen Fällen hergeleiteten Gesetzes am dienlichsten ist, an den Grenzen
• Wirkung die Richtigkeit obiger Formel zu prüfen.
„Zu dem Ende bildete ich vier der Reihe nach 2, 4, 8, 16 Zoll lange
ter a, by c, dy aus dem 0,3 Linien dicken Messingdraht, der mir zu
396 Elftes Kapitel.
den früheren Versuchen an der hydroelektrischen Kette gedient hatte;
gaben in der Kette der Reihe nach 1 1 1 x/2, 643/4> 37 y I98/* Theile, wi
der Leiter i in der Kette 305 Theile gab. Sucht man nach obiger Gleicht
die diesen Werthen entsprechenden Längen, so findet man 403/4; 84*^
i^>iij2> 324> welche Zahlen in grossem Einklänge aussprechen, dass ein
vom Messingdraht 20a/2 Zollen vom plattirten Drahte gleich zu setzen sind.
Nach dieser Vorbereitung brachte ich den aus demselben Messingdrahfet
bereiteten 23 Fuss langen Leiter, der in meiner Anzeige mit 5 bezeichne
war, in die Kette; er gab i^/4. Und wirklich erhält man diese Zahl fast
völlig genau, wenn man in den Ausdruck 23. 12. 20!/2 = 5658 für x setrt
Man ersieht hieraus, dass jene Gleichung bis nahe zum Verlöschen der KnA
durch den Widerstand der Leitung stets treu an die Erfahrung sich anschmiegt
„Ferner unterhielt ich das eine Ende der Kupfer-Wismuth-Verbindmig
durch Eis in der Temperatur o°, das andere Ende blieb der Temperabu
des Zimmers ausgesetzt, wo ein bei dem Apparate aufgehängtes Thermo»
meter während der Zeit des Versuches stets ohne merkliche Abweichung
7lj2°R. zeigte. Die Leiter in folgender Ordnung 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 7,
6, 5, 4, 3, 2, 1 in die Kette gebracht, gaben der Reihe nach folgende
Zahlen: 27, 25, 23V3, 2°; ^Vs* lo*U> 6V2> 32/s> 67a> io7*> lSlU> 20, 23l/f
2SX/^ 27*L- Setzt man aber in obigen Ausdruck b = 20*/* und bestimm)
a so, dass — ^r = 27ZU> so erhält man durch die Rechnung Werthe, die voi
22 /4
den beobachteten nirgends mehr als um einen halben Theil sich unter-
scheiden, woraus zur Genüge .hervorgeht, dass obige Gleichung auch für jedi
Grösse der erregenden Kraft gültig bleibt. Es fallen an diesen letzten Ver
suchen aber noch ausserdem zwei wichtige Punkte in's Auge. Einmal is
der Umstand merkwürdig, dass der Werth von b sich unverändert erhält
während die Kraft mehr als zehn Mal geringer wird, sodass a bloss voi
der erregenden Kraft, b bloss von dem unveränderlichen Theil der Leitunj
abzuhängen scheint. Zweitens scheint aus diesen Versuchen hervorzugehen
dass die Kraft der thermoelektrischen Kette, dem Temperaturunterschieck
an ihren beiden Erregungsstellen genau proportional sei.
„Ich kann nicht umhin, hier am Schlüsse dieser Versuche noch eine
Beobachtung zu gedenken, die Davy^s Folgerung, dass die Leitungsfähigkei
der Metalle durch Erniedrigung der Temperatur verstärkt, durch Erhöhung
geschwächt wird, auf eine mehr direkte Weise bestätigt. Ich nahm einei
vierzölligen messingenen Leiter und brachte ihn in die Kette, er gab 15c
Theile. So wie ich ihn in seiner Mitte durch eine Weingeistflamme erhitzte
nahm die Kraft allmählich um 20 und mehr Theile ab, und die Wirkung
blieb dieselbe, wenngleich ich die Flamme mehr nach dem einen oder nad
dem anderen Ende des Leiters hinführte, legte ich aber auf denselben eine
Scheibe von geronnenem Schnee, so nahm die Kraft um 2 Theile zu. Dk
Temperatur des Zimmers war Sl/4° R. Diese Thatsache ist darum hier nich
am unrechten Orte, weil sie zu kleinen Anomalien Anlass geben kann.
I
K Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm 'sehe Gesetz. 307
f „Nachdem unsere Gleichung durch die Treue, womit sie alle durch die
rjhermoeiektrische Kette in so grossem Umfange erhaltenen Resultate immer
^ieüci giebt, sich als den gültigen Repräsentanten der Natur hinlänglich
; iKwahrt hat, wollen wir sie weiter verfolgen, um zu sehen, was sie noch in
~9ran Schoosse birgt
„Wendet man sie zunächst auf die früher angestellten hydroelektrischen
Versuche an, so geben die kürzeren Leiter für a sowohl als für b stets
Heinere Werthe als die längeren, wodurch die schon unbestimmt geäusserte
Vermuthung bestätigt wird, dass die Flüssigkeit in dem Maasse ein
besserer Leiter werde, als durch den Strom eine erhöhte Ver-
keilung in ihr zu Stande gebracht wird, dass aber auch in dem*
selben Maasse, wiewohl nicht in demselben Verhältnisse, eine ent-
gegengesetzt erregende Kraft auftrete, die in Vereinigung mit
der in der Flüssigkeit eintretenden Änderung ihrer Leitungskraft
die Phänomene des schon oft besprochenen Wogens hervorbringt.
„Ein blosser Hinblick auf die Gleichung giebt zu erkennen, dass die
Änderung der Kraft für einerlei x um so geringer ausfallen müsse, je grösser
t ist, und schon ein oberflächliches Zusammenhalten der durch die thermo-
mtd hydroelektrischen Ketten erhaltenen Resultate giebt zu erkennen, dass
der Werth von b in dieser viele hundert Male grösser ist, als in
jener, was offenbar von der als Leiter dienenden Flüssigkeit herrührt. Nun
sind aber jene Versuche mit Trögen angestellt, deren eine Seitenfläche über
\ 200 Quadratzolle hielt, und da kleinere Platten, nach allen bis jetzt darüber
angestellten Versuchen, den Widerstand der Flüssigkeit wenigstens im Ver-
hältnisse ihrer Grösse wahrnehmen, so folgt, dass, bei einem Platten-
paare von wenigen Quadratzollen Oberfläche, b einen viele tausend
Male grösseren Werth, als in obiger thermoelektrischen Kette der
Fall war, erhalten müsse. Zugleich wird aber auch aus diesem Zusammen-
halten hervorgehen, dass die erregende Kraft in der hydroelektrischen
Kette bei Weitem grösser als in der thermoelektrischen ist.
„Nimmt man an, dass die Länge x des Leitungsdrahtes um ein Stück h
wachse, und bezeichnet die Verminderung, welche dadurch X erleidet, mit V,
so erhält man aus unserer Gleichung nach bekannten Regeln
V h Ä« Ä8
+
X b + x (b + *)* ' {b + x)s
„Ist mithin h sehr klein in Bezug auf b + xy so kann man ohne Irrthum
setzen
v _ h
X b + x '
_ • •
„Es ist also unter der gemachten Voraussetzung die Änderung
der Kraft dem Längenzuwachs des Leitungsdrahtes proportional.
Dies Gesetz ist dasselbe, welches Becquerel1 mittelst seiner Vorrichtung
1 „Schon Davy ist auf einem ganz anderen Wege dazu gelangt (Gilbert's Ann., neueste
Folge, 11, 252). Daselbst (S. 253) steht, wenn ich meinem Auszuge trauen darf, wörtlich folgende
308 Elftes Kapitel.
erhalten hat. In der That ist bei seinen Versuchen h schon sehr klein |
Vergleich zu x und überdem scheint dieser Physiker, da er sich des MuH
plikators bedient hat, mit kleinen Plattenpaaren experimentirt zu haben, i
dass wahrscheinlich x wieder in Vergleich zu b sehr klein wird. Hief
dürfte der Grund zu suchen sein, warum selbst die Vervielfältigung d
Wirkung durch den Multiplikator unfruchtbar geblieben ist1
„Wenden wir unsere Gleichung auf die Theorie des Volta'scIi
Apparates an, so giebt sie einen unerwarteten Aufschluss über die vi
schiedenartigsten Erscheinungen.
„Setzen wir nämlich die erregende Kraft eines Metallpaares = i,
muss ein aus m solchen Metallpaaren zusammengesetzter VoLTA'scher Appar
weil jedes unter völlig gleichen Umständen zur Hervorbringung des el<
trischen Stromes mitwirkt, die erregende Kraft m besitzen. Messen wir n
den Widerstand, welchen ein Metallpaar (mit Einschluss, wo es erforderii
ist, des dazu gehörigen feuchten Leiters, jedoch ohne auf die Veränderung«
welche aus der Flüssigkeit der erregenden Kraft und dem Widerstände sei1
erwachsen, hier noch Rücksicht zu nehmen) dem elektrischen Strome e
Stelle: „Ich habe ferner gefunden, dass in VoLTA'schen Batterieen von der eben beschriebe
Art und Anzahl der Plattenpaare das Leitungsvermögen eines Drahtes für Elektricität nahe
Masse desselben direkt proportional ist, wie sich das erwarten Hess. Wenn z. B. eine gew
Länge eines Platindrahtes eine Batterie entlud, so reichte von sechs Mal schwererem Drahte <
selbe Länge hin, 6 solche Batterieen zu entladen, wovon ich mich mit zwei Platindrahten,
denen Stücke i Fuss lang, 1,13 und 6,7 Grain wogen, überzeugt habe; und der Erfolg
ganz einerlei, ich mochte im zweiten Fall einen einzelnen Draht von sechsfacher Masse nehi
oder 6 kleine Drähte, die einander berührten, wofern nur die Drähte in Wasser kalt erha
wurden. Dieses Resultat allein schon beweist, dass das Leitungsvermögen nicht im Verhält
der Oberflächen steht, wenigstens nicht für Elektricität dieser Art. Noch deutlicher thut di
folgender direkte Versuch dar: Von zwei gleich langen und gleich viel wiegenden Platindräl
Hess ich den einen flach walzen, so dass er eine sechs bis sieben Mal grössere Oberfläche erh
und verglich nun das Leitungsvermögen beider. In der Luft zeigte sich der abgeplattete Di
als der bessere Leiter, aus dem Grunde, weil er sich in ihr schneller abkühlte; als aber tx
Drähte von Wasser umgeben waren, Hess sich keine Verschiedenheit in ihrem Leitungsvermc"
wahrnehmen."
„Nicht ohne Grund vermuthe ich in dieser Stelle einen Übersetzungsfehler, den au
suchen es wohl der Mühe lohnte. Der Ausdruck „nahe der Masse desselben direkt pro]
tional" ist nämlich nach meinen Versuchen nur dann richtig, wenn gleiche Länge der Dri
vorausgesetzt wird. Dies Hesse sich auf eine Unbestimmtheit des Ausdruckes schieben, 1
mit dieser Annahme und mit Davy's eigenen Versuchen im Widerspruche ist der bald da
folgende Satz: „Von zwei gleich langen u. s. w."
1 „Dass diese Umstände bei Becqüerel's Versuchen wirklich vereinigt da gewesen sc
leite ich aus folgender Betrachtung her. An seinem Apparate war x — 200dm und h er!
allmählich 1, 2, 3 u. s. w. solcher Einheiten. Wie weit Becquerel in der Veränderung h j
geschritten, ist aus der Anzeige im „Bulletin universel" nicht zu entnehmen. Gesetzt aber,
h h
wäre schon bei h — 5dm stehen geblieben, so war — = l/40 ; wäre nun nicht noch
x b -f* x
trächtlich kleiner geworden, so müsste seine so äusserst empfindliche Vorrichtung den Einf
V
des zweiten Gliedes in obiger Entwickelung von — ohne Zweifel noch angezeigt haben.*4
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm'sche Gesetz. 399
Igensetzt, durch die Länge eines der Art nach sich immer gleich bleibenden,
b Maassstab dienenden cylindrischen Körpers, und nennen wir die Länge,
ei welcher er dem Strome einen Widerstand darbietet, der dem zu messen-
en völlig gleich ist, die Widerst an dsl an ge des Metallpaares, so springt
die Augen, dass die Widerstandslänge aller m Paare die m fache von der
des einzigen Paares sein werde, da alle als völlig gleich beschaffen voraus-
setzt werden. Drücken wir nun die Kraft des elektrischen Stromes eines
azelnen Paares nach obiger Gleichung durch
b + x
s, wo x die Widerstandslänge des die Kette schliessenden Zwischenleiters
fstellt, so folgt, dass man die Kraft der aus m solchen Paaren zusammen-
setzten Verbindung erhalten werde, wenn man
„1) am für a setzt; denn aus den Versuchen ergab sich, dass a der
regenden Kraft proportional ist;
„2) m b für b setzt; denn da sich durch die Versuche herausgestellt hat,
iss b unabhängig von der erregenden Kraft ist, so giebt die Natur des
iisdruckes selbst zu erkennen, dass b die Widerstandslänge des Metallpaares
ine Zwischenleiter vorstellen müsse.1
„Nimmt man noch ausserdem an, dass die Widerstandslänge des Zwischen-
iters in beiden Fällen dieselbe bleibe, so erhalten wir folgenden Ausdruck
r die aus m Metallpaaren zusammengesetzte VoLTA'sche Säule:
am
1 , •
bm + x
„Vergleicht man diesen Ausdruck mit dem für die einfache Kette ge-
indenen, so gelangt man zu nachstehenden Folgerungen:
„L Ist x = o} so ist die Kraft des VoLTA'schen Apparates der
raft der einfachen Kette völlig gleich, vorausgesetzt, dass beide
us einerlei Elementen bestehen. Es liegt hierin das von Fourier und
teRSTEDT aus ihren Versuchen (Schweigger's Jahrb., 11, 48) mit der thermoelek-
ischen Kette abgeleitete Gesetz. Ausserdem wird aber diese Gleichheit der
Wirkung jedes Mal wenigstens nahehin eintreten, wenn x in Vergleich zu b
fhr klein wird, wie dies bei magnetischen und Glühversuchen unter gewöhn-
chen Umständen der Fall zu sein pflegt.
„Wenn x = o und überdies das b der VoLTA'schen Verbindung
final kleiner als das b der einfachen Kette ist, so ist die Kraft in
;nem Apparate wmal grösser als in diesem. Dass sie grösser sei,
iben ebenfalls Fourier's und Oerstedt's Versuche nachgewiesen; aber wenn
e beiden ausgezeichneten Männer sich äussern, dass die Wirkung der aus
ehreren Elementen bestehenden Verbindung viel geringer sei, als die Summe
1 .,Es wäre allerdings möglich, dass in b ausser der Widerstandslänge noch ein beständiger
eil enthalten wäre; diesen Fall, dessen Erörterung ich an einem anderen Orte unternehmen
rde, lasse ich jedoch hier ganz unberührt."
1
AOO Elftes Kapitel.
der Wirkungen aller einzelnen Elemente, so beweist dies nichts gegen am
aus unserer Gleichung fliessende, mit jener Äusserung im Widerspruch
stehende Gesetz, da dieser Aussage, wie sie selbst bemerken, ein unrichtige!
Maass der Wirkung, der Abweichungswinkel nämlich, zu Grunde liegt
„IL Ist x sehr gross in Vergleich zu btn und also um so meh
in Vergleich zu b, so wird die Wirkung der galvanischen Batteri
nahe »/mal grösser, als die der einfachen Kette. Dieser Fall kan
bei Wasserzersetzungs -Versuchen mit wenigen und grossen Platten, um
wenn Apparate, wie der CHiLDREN'sche es ist, gebraucht werden, selbst b
magnetischen und Glühversuchen seine Anwendung finden. Da indes»
gerade hier die Flüssigkeit einen nicht zu vernachlässigenden Antheil an d
Gesammtwirkung nimmt, so enthalte ich mich noch aller weiteren Folg
rungen.
„III. In allen übrigen Fällen liegt die Stärke der Wirkung d<
VoLTA'schen Apparates zwischen den beiden gefundenen Grenze
„Zur Prüfung dieser höchst einfachen Theorie der galvanischen Sau
benutze ich die von Professor G. Bischof mit grosser Sorgfalt angestellte
in Kastner's Archiv, 4, H. i mitgetheilten Versuche über die chemisch
Wirkungen von Volta's Säule. Zwar wird es bedenklich scheinen, obigi
Ausdruck auf einen hydroelektrischen Apparat anzuwenden, wo a und
wie gezeigt worden ist, mit der Wirkung zugleich sich ändern, das Gesc
der Änderung aber noch unbekannt ist. Diese Zweifel werden durch d
Betrachtung gehoben, dass, wie ebenfalls oben erwähnt worden ist, die dun
die Flüssigkeit veranlasste Änderung des Stromes in weit stärkerem Verbal
nisse als er selber abnimmt. Im vorliegenden Falle, wo der Leiter x eh
nicht unbeträchtliche Strecke reinen Wassers, und noch dazu mit geringe
metallischen Berührungsflächen, als Theil in sich aufgenommen hatte, mu
die Stärke des Stromes so gering gewesen sein, dass die Werthe von <
und b ohne Bedenken als constant angenommen werden können. Nad
diesen Versuchen steht die wasserzersetzende Kraft
von 1234 Säulen
aus 51 102 153 204 Plattenpaaren
in dem Verhältnisse der Zahlen
37 62 83 100.
Setzt man die Widerstandslänge einer Säule = 1 und bestimmt demgemäß
x = 5, 6 und die erregende Kraft einer Säule = 240, so erhält man durc
Rechnung die Zahlen
36V3 63 »33/4 100
mit einer Übereinstimmung, welche die Richtigkeit der Formel und die G
nauigkeit so zusammengesetzter Versuche in gleicher Stärke ausspricht I
setzt diese Anwendung allerdings voraus, oder beweist es vielmehr, dass d
wasserzersetzende Kraft der Kette der magnetischen proportional sei.
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm 'sehe Gesetz. 40 1
„Ich will bei dieser Theorie der Säule, zu deren Vervollständigung
! Untersuchungen erforderlich sind, die ihr jetzt noch abgehen, nicht länger
"verweilen, sondern zu der ebenso überraschenden Theorie des Multiplikators
«beigeben, die schon jetzt vollendeter sich darstellen lässt.
„Nehmen wir an, dass in eine galvanische Kette, deren erregende Kraft a
«od deren Widerstandslänge b ist, ein Zwischenleiter von der Widerstands-
^ finge m l eingeschoben werde, so ist die magnetische Kraft dieser Kette
ohne Zwischenleiter = —
o
mit dem Zwischenleiter =
b -f- ml
Wird nun der Zwischenleiter in m völlig gleiche Windungen, jede von der
Länge /, gelegt, wobei der Kürze wegen vorausgesetzt wird, dass alle diese
Windungen dem Namen nach in eine zusammenfallen, so steht die magne-
tische Kraft dieser m Windungen zu der Kraft einer ganz gleichen Windung
der Kette ohne Zwischenleiter in dem Verhältnisse
am
b + ml * b
1s ist also unter der Voraussetzung, dass a und b beständige Grössen sind,
die Verstärkungszahl des Multiplikators
am
b + ml '
woraus man ersieht, dass nur dann eine Verstärkung der Wirkung
durch den Multiplikator möglich ist, so lange ml<{m— i)b, also
nur dann, wenn eine Windung des Multiplikators dem elektrischen
Strome weniger Widerstand darbietet, als die ganze Kette ohne
Zwischenleiter.
„Setzt man b = In, so geht die Verstärkungszahl in
mn
m + n
über, woraus folgt, dass ein Maximum der Verstärkung erreicht wird,
wenn n in Vergleich zu m verschwindet, und dass dieses Maximum
durch die Zahl n angezeigt wird, welche anzeigt, wie oft der
Widerstand, den eine Windung des Multiplikators dem Strome
entgegensetzt, in dem Widerstände, den die Kette mit Ausschluss
des Multiplikators ihm darbietet, enthalten ist.
„Die Wirkung des Multiplikators, nachdem das Maximum der Ver-
stärkung eingetreten ist, wird durch
a
ausgedrückt und ist also von dem Leitungsvermögen der Flüssigkeit gänzlich
unabhängig, nur die Anzahl der Windungen muss in den verschiedenen
Fällen sich ändern. In Worten lässt sich der eben gefundene Ausdruck so
Oftwald, Elektrochemie. 26
A02 Elftes Kapitel.
darlegen: Die Grösse der Wirkung eines und desselben Multipli*
kators an verschiedenen erregenden Metallen ist der Spannu
zwischen den beiden Metallen proportional; und die Wirkun^ .
grossen zweier, aus verschiedenem Drahte gebildeter Multiptt£a
katoren mit Windungen von derselben Grösse und Gestalt, z\
einerlei erregenden Metallen, verhalten sich umgekehrt wie di
Widerstandslängen einer Windung von jedem. In beiden Fällen
jedoch das Maximum der Wirkung vorausgesetzt.
„Zur Bestätigung obiger aus unserer Gleichung abgeleiteten
dienen mir Poggendorff's Versuche (Isis 182 1, H. 1), welche im Ein
mit den hier entwickelten Bestimmungen darthun:
„1) dass ein Maximum der Wirkung vom Multiplikator nicht über-
schritten werden* könne;
„2) dass dieses Maximum für grosse und kleine Plattenpaare dasselbe;
bleibe, die Zahl der am Multiplikator dazu erforderlichen Windungen aber:
nach der Grösse der Plattenpaare sich richte, und zwar bei kleineren Plattes
grösser werde;
„3) dass der aus dickerem Drahte gebildete Multiplikator das grössere
Maximum der Wirkung gebe.
„Poggendorff's Versuche, die übrigens noch an mancher anderen Stelle
aus obigen Formeln ihre Deutung erhalten, sind nicht geeignet, Zahlbe-
stimmungen aus ihnen herzuleiten, da die dazu nöthigen Angaben fehlenj-
auch scheint bei den Versuchen mit dem dicken Schliessungsdraht ein ge-
waltsam störendes Hinderniss in den Weg getreten zu sein, wie nicht nur
aus der Ungleichförmigkeit seiner Angaben, sondern auch daraus hervorgeht^
dass die Resultate der kleinen Kette mit demselben Schliessungsdrahte so
ausserordentlich schwankend waren, dass es unmöglich war, aus ihnen eine ■
genügende Folgerung herzuleiten. Darum verfertigte ich mir zwei mit Siegel*
lack umzogene Multiplikatoren, jeden aus 220 Windungen bestehend, wovon ,
der eine aus l/5 Linien dickem Drahte, der andere aus demselben aber vier
Mal länger gezogenem Drahte gebildet war. Jeder war in zwei gleiche 5*/|
Linien breite, 5 Linien von einander abstehende und 2 Zoll im Durchmesser
haltende kreisrunde Reifen vertheilt, zwischen denen genau in der Mitte die J
18 Linien lange Nadel schwebte. Es war eine solche Einrichtung getroffen, j
dass die beiden Multiplikatoren ohne Zeitverlust abwechselnd in sicherer
Stellung unter die Nadel geschoben werden konnten. Kupfer- und Zink«
platten von 3*/4 Zoll im Durchmesser dienten als Erreger und eine starke
Salmiakauflösung in flüssiger «Form (weil ich gefunden hatte, dass so die
Wirkung sicherer als bei einer damit getränkten Tuchscheibe sei, wenn nur
die Flüssigkeit in grossen Massen angewandt wird) diente als wässeriger
Leiter. Die Bestimmung der Kraft geschah auf ähnliche Weise, wie bei den
obigen Versuchen und gab für den aus stärkerem Drahte gebildeten 263
Theile, für den aus schwächerem Drahte gebildeten 68 Theile, wodurch das
gefundene Gesetz seine volle Bestätigung erhält.
■C ■ ■ ■ ■ 1-
F '
r
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm'sche Gesetz. 403
„Sa wie eine Verstärkung der Kraft bis zu einem gewissen Maximum
fach den Multiplikator hervorgebracht wird, wenn ml < (m — 1) b\ so wird
■gekehrt, wenn ml > (m — 1) 6, durch ihn eine Schwächung der Kraft bis
n einem gewissen Minimum veranlasst, die sich nach denselben Gesetzen
lebtet, wie sie eben für die Verstärkung aufgestellt worden sind. Von ihrer
liwendung kann hier, wo ich bloss zur Absicht habe, die allgemeine Gültig-
adt der gefundenen Gleichung darzuthun, nicht die Rede sein. Nur darauf
riD ich aufmerksam machen, dass in ihnen der Grund liegt, warum der
falbplikator die Wirkung der thermoelektrischen Kette in den meisten
Sien schwächt; denn es wird nicht leicht der Fall eintreten, wo eine Win-
hmg des Multiplikators dem elektrischen Strome weniger Widerstand dar-
•etet, als die thermoelektrische Kette.
„Wenn daher Nobili (Schweigg. Journ. 15, Heft 2) so starke Wirkungen
ut Anwendung des Multiplikators erhielt, so lag dies in der Empfindlich-
eit seiner Nadel und nicht in der Funktion des Multiplikators, wie ich
rieh durch folgenden Versuch überzeugt habe. Eine ganz nach seiner
Anleitung verfertigte Nadel gab mir mit Zuziehung eines aus 1/6 Linien
kkem Kupferdrahte verfertigten Multiplikators von 60 Windungen, die
iVj Zoll im Durchmesser hatten, durch Berührung der Kette mit der
rannen Hand Abweichungen, die nie über 20 Grad kamen, während die-
dbe Kette, wenn sie als eine Windung von gleicher Grösse mit denen des
fcütiplikators für sich allein angewandt wurde, jene Nadel durch Berührung
rit der warmen Hand unter einem Winkel einspielen machte, der 70 Grad
tets übertraf. Diese Vorrichtung kann so abgeändert werden, dass sie dem
Dpfindlichsten Thermoskop in nichts nachsteht.
„Die hier nur in groben Zügen entworfenen Theorieen der Säule und
5 Multiplikators bestätigen fast noch mehr als die Versuche selbst, aus
inen sie geflossen sind, die Wahrheit des in dieser Abhandlung entwickelten
esetzes der Leitung der Elektricität an Metallen. Die dem Scheine nach
Tschiedenartigsten Wirkungen der galvanischen Kette reihen sich in bunter
annigfaltigkeit zu einem schönen Ganzen. Seebeck's wichtige Entdeckung
heint den Faden zu spinnen, der aus dem Labyrinthe leitet, in das der
Metrische Strom sich verzweigt"
Um die Bedeutung gewahr zu werden, welche die Theorie von Ohm
r die Aufklärung der galvanischen Erscheinungen hatte, muss man in den
itgenössischen Arbeiten die verschiedenen Bemühungen studiren, über eben
eselben Vorgänge Klarheit zu gewinnen, welche im Lichte dieser Theorie
i unmittelbar einleuchtende Notwendigkeiten erscheinen. Es ist nicht
»thig, hier schon eine Auslese davon zu geben; bei der späteren Schil-
rung des Kampfes der beiden entgegenstehenden Theorieen des Galvanismus
rd oft genug Gelegenheit sein, die durch die Unkenntniss oder Missachtung
s OHM'schen Gesetzes entstehenden Missverständnisse und Irrthümer kennen
lernen.
Eine ganz wesentliche Bedeutung für die Entwickelung der Elektro-
26*
V
A
404 Elftes Kapitel.
chemie wie der ganzen Elektrik hat Ohm's Theorie durch die Einführung
bestimmter, genau definirter und daher messbarer elektrischer Grössen. Il
der bisherigen Darstellung habe ich absichtlich von der ziemlich unb*
stimmten Bezeichnungsweise der geschilderten Zeiten Gebrauch gemacht
ein Blick über jene älteren Arbeiten lässt erkennen, dass von einer am
reichenden Definition der besprochenen Grössen nur in seltenen Fällen dl
Rede ist. Einen werthvollen Anfang dazu hatte Coulomb durch die Aul
Stellung seines Gesetzes (S. 94) gemacht; dieses bezog sich auf eine Gros«
welche Elektricitätsmenge genannt wurde, und sich dadurch bestimm!
dass ihr Betrag bei allen Übertragungen zwischen Leitern, die vom Eri
boden isolirt sind, unverändert bleibt. Bei der Neigung jener Zeit, alk
Messbare zu materialisiren, wurde diese Grösse als eine Substanz angeseha
und bis auf den heutigen Tag ist mit dem Begriff der Elektricitätsmenj
fast allgemein die Vorstellung einer Flüssigkeit — gewöhnlich einigermaasM
verschämt ein unwägbares Fluidum genannt — , eines realen Wesens ve
knüpft. Insofern dadurch die Thatsache der quantitativen Unveränderlich!«
bei bestimmten Vorgängen ausgedrückt werden soll, kann man den Ausdnx
zulässig finden; einen weiteren Nutzen hat er aber nicht, und indem i
nicht zur Sache gehörigen Anschauungen Vorschub leistet, kann und mtt
man ihn als positiv schädlich bezeichnen.
Neben dieser Grösse, die mit Hilfe der CouLOMß'schen Drehwage gl
messen werden und deren Betrag man der Kraft proportional setzen kam
welche sie in der Einheit der Entfernung auf einen bestimmten elektrisc
geladenen Leiter, dessen Elektricitätsmenge man als Einheit nimmt, ausüh
giebt es nun eine sehr wichtige andere elektrische Grösse, welche bei eina
und derselben Elektricitätsmenge noch beliebig verschieden sein kann, ud
deren Betrag sich durch bestimmte Erscheinungen kennzeichnet. Auch dies
Grösse ist frühzeitig bemerkt worden, und man hat sie mit dem Namen Spat*
nung bezeichnet. Zu ihrer Messung dienen die mit dem Namen der Elek-
trometer bezeichneten Apparate, welche zwar ebenso, wie die Coulom^scJm
Drehwage auf den Anziehungs- und Abstossungserscheinungen beruhen, abd
in ihrer Anwendung sich von jener durch einen wesentlichen Umstand unt»
scheiden. Der Drehwage wird durch Berührung mit einem Leiter und nacb
folgende Abtrennung desselben eine bestimmte Elektricitätsmenge mitgfr
theilt, deren Menge aus der gemessenen Kraft erschlossen wird. Bei dö
Anwendung des Spannungsmessers oder Elektrometers bleibt dagegen da
Apparat mit dem elektrischen Körper, dessen Spannung gemessen werdet
soll, so lange verbunden, bis er zur Ruhe gekommen ist und so viel „Elek
tricität" aufgenommen hat, als er unter den vorhandenen Umständen kam
Es wird dadurch offenbar eine Grösse gemessen, welche die Elektricitatl
menge bestimmt, die unter verschiedenen Umständen in einen und densdbe
Leiter eintreten kann, ebenso wie die Spannung eines Gases bestimmt, wk
viel davon in ein gegebenes Gefäss eintreten kann. In Fortsetzung der obe
erwähnten Auffassung der Elektricität als einer (elastischen) Flüssigkeit la
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm 'sehe Gesetz. 405
\
nahe, diese Eigenschaft auch Spannung zu nennen. Halten wir uns von
Hypothesen frei, so werden wir unter Spannung die Eigenschaft des
elektrischen Zustandes verstehen können, vermöge deren verschiedene elek-
r Irische Körper ihren elektrischen Zustand gegenseitig beeinflussen. Werden
daher zwei elektrische Körper mit einander leitend verbunden, so finden
wischen ihnen zunächst elektrische Vorgänge statt, welche in einem Ruhe-
ttstande enden; nach der Definition der Spannung muss man sagen, dass
■abdann die Spannungen in beiden gleich geworden sind.
Diese einfachen Überlegungen waren den Physikern vor Ohm keines-
wegs fremd; insbesondere beruht die VoLTA'sche Theorie der Kette und
auf einer klaren Erfassung des Unterschiedes zwischen Spannung und
Eektricitätsmenge. Aber die Herausarbeitung dieser Begriffe bis zu zahlen-
' nassiger Bestimmtheit war nicht bewerkstelligt worden, und Ohm war es
Torbehalten, nachzuweisen, dass sich nicht nur über diese Dinge reden,
sondern auch mit ihnen rechnen Hess.
Durch die Auffassung der elektroskopischen Kraft oder der Spannung
\tk der treibenden Kraft für die Bewegung der Elektricität, und die Ein-
führung der Begriffe Stromstärke als der in der Zeiteinheit bewegten
Eektricitätsmenge, sowie des Widerstandes als der von der Spannung
unabhängigen Ursache, welche ausser dieser in einem gegebenen Leiter
St Stromstärke bestimmt, hatte er die Form gefunden, in welcher sich die
Erscheinungen der galvanischen Kette am einfachsten „beschreiben" Hessen
(Sl 4), und aus der Fülle von Aufklärung, welche die in ihrer Gestalt so
iberaus einfache Formel vermittelte, geht in diesem Falle ganz besonders
deutlich die ungeheure Bedeutung hervor, welche die angemessene Begriffs-
hildung für den Fortschritt der Wissenschaft hat. Bevor diese angemessenen
Begriffe gefunden waren, hatte es überhaupt nicht gelingen wollen, in den
galvanischen Erscheinungen eine zahlenmässige Gesetzlichkeit ausfindig zu
machen.
Von den zu diesem Gegenstande gehörigen Arbeiten Ohm's ist nach-
stehend noch eine in demselben Jahre, wie die eben mitgetheilte Unter-
suchung erschienene Arbeit wiedergegeben, welche in Poggendorff's Annalen
unter dem Titel: „Versuch einer Theorie der durch galvanische Kräfte her-
vorgebrachten elektroskopischen Erscheinungen" l erschien, und durch welche
Ohm's Theorie eine gewisse Abrundung erhielt, dergestalt, dass sein späteres
Werk sich wesentlich als die Ausarbeitung der durch die beiden Abhand-
lungen angeschlagenen Themata darstellt.
„Vor Kurzem habe ich in Schweigger's Journal Versuche bekannt
gemacht, die mich zu einer Theorie des elektrischen Stromes führten, welche
durch ihre ganz ungesuchte und doch vollkommene Übereinstimmung mit
der Erfahrung als die in der Natur gegründete sich zu erkennen giebt. Seit-
dem aber bin ich so glücklich gewesen, auf entgegengesetztem Wege aus
1 Pogg. Ann. 6, 459; ebenda 7, 45 und 117. 1826.
406 Elftes Kapitel.
der allgemein anerkannten und in dieser Region obersten Thatsache,
wir mit dem Namen der elektrischen Spannung zwischen verschied«
Körpern zu bezeichnen pflegen, mit Hilfe der Mathematik, dem wun<
vollen Gedankenmedium, zwei den inneren Zusammenhang aller bei
galvanischen Kette thätig einwirkenden Elemente aufschliessende Gesetze xu<
entdecken, die bestimmt und doch so einfach alle früher gefundenen
geben und ausserdem, was jene noch zu wünschen übrig Hessen, in sich
fassen scheinen. Diese faktisch hier niederzulegen und ihre Anwendung auf
besondere Fälle in kurzen Umrissen zu zeigen, ist meine Absicht. Ihre Her-
leitung, die nicht so einfach werden dürfte, und ihren Zusammenhang mit
denen von verwandten Naturerscheinungen, behalte ich einer ausführlicheren
Arbeit vor, zu der mir, wie ich hoffe, bald die dazu nöthige Muse vergönnt
werden wird.
„Um aber hierbei möglichen Missverständnissen vorzubeugen, mache ich
darauf aufmerksam, dass die bei der hydroelektrischen Kette auftretende
Flüssigkeit, wie ich am erwähnten Orte dargethan zu haben glauben dar£
Modifikationen in die Ausdrücke bringt, von denen ich hier wie dort noch
absehe, was desto fuglicher geschehen kann, da sie in den meisten Fällen
ausser Acht zu lassen sind. Ebenso wenig darf ich verschweigen, dass es
mir hier nicht sowohl um feste Begründung der einzelnen Ergebnisse, al»
um möglichst einfache Darlegung derselben in ihrem Zusammenhange m
thun ist.
,,i) Es lassen sich die beiden, auf jede galvanische Kette gewöhnlicher
Art anwendbaren Gesetze durch folgende zwei Gleichungen kurz so aus-
sprechen :
a
7
X=kw^r (a)
u — c = ± y a , (p)
wobei k das Leitungsvermögen, / die Länge, w den Querschnitt eines homo-
genen prismatischen Leiters, a die an seinen Enden hervortretende elektrische
Spannung,1 und x die Länge eines Theiles des Leiters bezeichnet, der von
einem in dem Leiter unveränderlich, übrigens willkürlich angenommenen
Querschnitte, der zum Anfangspunkte der Abscissen gewählt worden ist, bis
zu einem innerhalb des Leiters veränderlich gedachten Querschnitte reicht; ,
ferner stellt X die auf der ganzen Länge des Leiters unveränderlich sfch !
erhaltende Stärke des elektrischen Stromes und u die Intensität der auf das \
Elektrometer wirkenden, an der durch x bezeichneten Stelle befindlichen
und mit ihr veränderlichen Elektricität vor; endlich ist c eine durch gegebene
Umstände noch zu bestimmende, von x unabhängige Grösse. Das doppelte
Zeichen in der Gleichung (6) bestimmt sich danach, ob die Richtung der
1 „Es ist wohl überflüssig, zu bemerken, dass die Homogeneität des Leiters und die an
seinen getrennten Enden hervortretende Spannung nur deshalb fingirt sind, um von den ein-
fachsten Betrachtungen ausgehen zu können."
Dm ekktromAgnetitchen Erscheinungen und das Ohm'sche Gesetz. 407
^Abrissen von mehr — thätigen Stellen nach mehr +thätigen geht, oder ob
umgekehrt
„2) Eine ganz einfache Zerlegung der Gleichung (a) fuhrt zu besonderen
t Gesetzen, von denen ich folgende heraushebe:
[ JL Die Starice des elektrischen Stromes bleibt in verschiedenen Leitern
sich völlig gleich, wenn, bei gleicher Spannung an ihren Enden, ihre
Längen sich verhalten wie die Produkte aus ihren Querschnitten in
die ihnen eigentümlichen Leitungscoefficienten, mithin
,/i) bei gleicher Spannung und gleichem Leitungsvermögen, wenn
ihre Langen sich verhalten wie ihre Querschnitte;
yJb) bei gleicher Spannung und gleichem Querschnitte, wenn sich
ihre Längen wie die Zahlen verhalten, durch welche ihre Lei-
tungsgüte ausgedrückt wird.
„IL Bei gleichem Leitungsvermögen und gleichem Querschnitte in ver-
schiedenen Leitern richtet sich die Stärke des Stromes nach dem
Quotienten, der gebildet wird aus der an den Enden eines jeden
Leiters hervortretenden elektrischen Spannung und aus der Länge
desselben Leiters.
„Es hält nicht schwer mit Zuziehung der Gleichung (6) sich zu über-
_ migen, dass die in I. ausgesprochenen Gesetze noch wahr bleiben, wenn
anstatt der ganzen Leiter irgend beliebige Theile derselben betrachtet werden.
Dadurch wird es möglich, für jeden Theil des homogenen und prismatischen
Leiters einen anderen von gegebenem Leitungsvermögen und gegebenem
Querschnitte zu setzen, der den elektrischen Strom in Nichts ändert, und
umgekehrt jeden aus Theilen von verschiedenem Leitungsvermögen und ver-
schiedenem Querschnitte bestehenden Leiter in einen anderen zu verwandeln,
j der in seiner ganzen Länge einerlei Leitungsvermögen und einerlei Quer-
j schnitt hat, wenn man nur jenem Gesetze gemäss ihre Längen sich ver-
ändert denkt Auf solche Weise ist es erlaubt, die Gleichung (a) in folgende
einfachere
umzuändern, wobei bloss zu bemerken ist, dass jede Länge eines Leiters
oder Theil des Leiters, dessen Leitungsvermögen oder Querschnitt von den
zur Norm gewählten abweicht, zuvor erst nach dem Gesetze I. reducirt
gedacht werden müsse. Die so gedachten Längen werde ich in der Folge
deshalb reducirte Längen nennen.
„3) Das Gesetz L a ist zuerst von Davy aufgefunden und später von
Barlow, Bequerel und mir bestätigt worden, jedoch erstreckten sich alle
dabei vorkommenden Versuche stets nur auf einzelne und zwar, wie zu ver-
muthen ist, relativ sehr kurze Theile der ganzen Leitung. Das Gesetz I. b
giebt die Rechtmässigkeit der von Becquerel und mir eingeschlagenen
Methode zur Bestimmung des Leitungsvermögens verschiedener Metalle zu
erkennen, und die dabei von mir gemachte Erfahrung, dass Leiter von einem
408 Elftes Kapitel.
und demselben Metalle , in chemischer Hinsicht, doch unter veränd
Umständen verschiedene Leitungsfähigkeit besitzen können, scheint,
sie sich bewährt, darauf hinzudeuten, dass das Leitungsvermögen der Köi
noch von anderen, bis jetzt ganz ausser Acht gelassenen Umständen abhängig
sei. Das Gesetz IL ist früher von mir aus vielen mit Sorgfalt an der therm»»
elektrischen Kette gemachten Versuchen hergeleitet und in SchweiggotV
Journal a. a. O. zuerst in seiner Allgemeinheit ausgesprochen worden; c$
bildet, wie ich dort gezeigt zu haben glaube, die Grundlage zu einer Theonfe;
des Multiplikators und der Säule, mit deren Ausbau ich eben noch beschäftigt
bin. Die Gleichung (a) schliesst fast alle von der Stärke des Stromes
abhängigen Erscheinungen in sich, und doch ist sie nur der besondere Aus-
druck einer weit allgemeineren Bestimmung.
„Ich werde nun bemüht sein, aus der Gleichung (&) die Fälle elektro-
skopischer Erscheinungen zu entwickeln, wie sie die Mannigfaltigkeit von
Thatsachen, welche Galvanos wundervolle Entdeckung mit beispielloser
Thätigkeit von ihrem ersten Ursprünge an bis jetzt zu Tage gefördert hat,
nur immer zu erwarten berechtigt. Die vollkommene Übereinstimmung der
hier aus theoretischen Betrachtungen abgeleiteten Gesetze mit denen der
Erfahrung, da wo sie sich begegnen, lässt keinen Zweifel übrig, dass, wo die
Versuche mangeln, man nur die Natur zu fragen haben werde, um einen
vollkommenen Einklang zwischen beiden zu Stande zu bringen.
„Der leichteren Übersicht wegen werde ich die durch galvanische Kraft
hervorgebrachten elektroskopischen Erscheinungen an der einfachen Kette
und an VoLTA'schen Zusammensetzungen besonders untersuchen.
A. Elektroskopische Erscheinungen an der einfachen Kette.
„4) Die Gleichung (b)} welche für die einfache Kette gilt, zeigt auf den
ersten Blick, dass die mit u bezeichnete elektroskopische Kraft auf gleiche
Strecken des Leiters immer um gleich viel sich ändere, und zwar nach der
einen Seite hin beständig fort stärker, nach der anderen Seite dagegen stets
schwächer werde; wenn daher an irgend einer Stelle innerhalb des Leiters
u = o ist, so wird in gleichem Abstände von dieser Stelle eine gleich starke
Elektricität sich zeigen, die aber auf der einen Seite als positive, auf der
anderen als negative sich zu erkennen giebt. Die Erfahrung lehrt aber, dass
immer, wo sich Elektricität selbständig entwickelt, stets beide zugleich und
in gleicher Stärke hervortreten, daher darf man wohl annehmen, dass in
der sich selbst überlassenen galvanischen Kette an ihren Enden, wo die
Elektricitätserregung stattfindet, diese Kräfte als entgegengesetzte und gleich
starke erscheinen werden. Es kann indessen auch geschehen, dass die Kette
durch äussere Einwirkungen bestimmt wird, an irgend einer ihrer Stellen
einen von dem natürlichen abweichenden elektrischen Zustand anzunehmen,
der selbst wieder entweder bleibend oder auch von der Zeit abhängig sein
kann. Im Folgenden wird häufig der Fall vorkommen, wo die elektroskopische
Kraft der Kette an irgend einer Stelle dadurch bleibend vernichtet wird,
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm'sche Gesetz. 40Q
diese Stelle vollkommen ableitend berührt wird. In jedem solchen
Falle muss die Konstante c aus den obwaltenden Umständen
wieder besonders bestimmt werden.
„Zunächst wollen wir den Fall betrachten, wo die Kette sich gänzlich
iberiassen bleibt Da in diesem Falle, nach dem, was eben darüber gesagt
worden ist, der Werth von u an den beiden Enden des Leiters gleich, aber
; entgegengesetzt wird, so ergiebt sich, wenn man dieser Bedingung gemäss
die Konstante c bestimmt und dabei den Anfangspunkt der Abscissen in
das positive Ende des Leiters legt,
c = \a
mithin
±1- X
u = - — — - a
\ es ist also in der Mitte einer solchen Kette die elektroskopische
Kraft null, von da erhält sie nach beiden Enden hin allmählich
und gleichförmig steigende Werthe, die jedoch nach dem Anfangs-
punkte der Abscissen hin positiv, nach dem entgegengesetzten
Ende hin negativ werden, und in den Enden selbst ihren höchsten
Stand erreichen, der für jedes Ende die halbe Spannung beträgt.
„5) Es hält nicht schwer, aus den Gleichungen (a und b) zu entnehmen,
dass ein Nichtleiter einem Leiter von unendlicher Länge gleich zu setzen
si In diesem Falle wird aber nach der in 4 aufgestellten Gleichung für
jeden endlichen Abstand von dem positiven Ende
u = +\a
für jeden endlichen Abstand von dem negativen Ende
u = —\a;
wenn also irgendwo im Innern der Kette ein Nichtleiter einge-
schoben, d. h. wenn die Kette irgendwo geöffnet wird, so ist für
das Ganze mit dem +Ende in Verbindung bleibende Stück der
Kette die elektrische Kraft positiv und überall gleich der halben
Spannung, ebenso ist sie für das ganze mit dem —Ende zusammen-
hängende Stück der Kette überall gleich der halben Spannung,
aber negativ.
„6) Stellt man sich, wie es der Natur der Sache am angemessensten
ist, den Leiter so um sich selbst herumgeführt vor, dass seine bisher aus-
einander liegend gedachten Enden sich berühren, jedoch mit steter Beibe-
haltung ihrer vorigen Spannung, so bleibt, wenn man sich die Abscissen
auf dem Umfange oder vielmehr in der Axe des zur Figur geschlossenen
Leiters genommen vorstellt, Alles noch wie bisher; aber man muss sich
hüten, die Abscissen nicht über den Punkt, in welchem die Enden sich
berühren, hinausgehen zu lassen, weil für solche Längen der Abscissen die
Gleichung nicht mehr gültig ist. Man wird sich jedoch durch eine einfache
Betrachtung leicht überzeugen können, dass der für Abscissen, welche die
4IO Elftes Kapitel.
Berührungsstelle einmal überspringen, aus der Gleichung gezogene W<
für u von dem wahren, stets nur um die ganze an der Berührungsstdt
stattfindende Spannung sich unterscheide, und zwar um diesen Werth
gross oder zu klein ausfalle, je nachdem der Sprung von der positiven nach
der negativen Seite oder umgekehrt geschieht. Man kann also die Absciaseti!
ganz allgemein, positiv oder negativ und von jeder Grösse, nehmen, wem:
man nur jedes Mal, wo ein Sprung über die Berührungsstelle geschieht, dat
aus der Gleichung erhaltenen Werth von u um a vermehrt oder vermindert^
je nachdem der Sprung von der negativen nach der positiven Seite oder
umgekehrt geschieht. Diese Bemerkung ist von Gewicht, weil durch sie aDe
Betrachtungen an der Säule sehr vereinfacht werden.
„7) Fassen wir nun den elektrischen Zustand einer einfachen galva-
nischen Kette ins Auge, welche an irgend einer Stelle eine vollkommene
Ableitung erhält. Für diese Stelle, wo x = l sein mag, ist u.= o, uadL
bestimmt man dieser Bedingung gemäss die Konstante, so wird
l
c = — a
l
wenn alles übrige wie in 4 bleibt; man erhält demnach
Es ist aber
1- x
u =
l
/
X
— a .
i'-
X
— 1
<r .
|/-i
(?)
wenn also irgend eine Stelle der einfachen galvanischen Kette
eine vollkommene Ableitung erhält, so ist die elektroskopischc
Kraft irgend einer anderen Stelle der Unterschied zwischen den
beiden Kräften, welche die zuletzt gedachte und die ableitend
berührte Stelle in der sich selbst überlassenen Kette besitzen.
„Wenn demnach die einfache galvanische Kette an einem ihrer
Endpunkte ableitend berührt wird, so wächst die elektroskopische
Kraft ihres anderen Endpunktes zur doppelten an.
„8) Stellt man sich die Kette irgendwo in ihrem Inneren geöffnet vor,
d. h. nimmt man / = 00 an, so sind dabei zwei Fälle zu unterscheiden. Ent-
weder beziehen sich l und x beide auf dasselbe Stück der getrennten Kette,
dann ist l — x stets endliche Grösse und also u = o für jedes x\ oder 1
und x beziehen sich auf Punkte, die in den verschiedenen Stücken der ge-
theilten Ketten liegen, dann kann man X — x stets gleich ± / setzen, abo
ist u = ± a für jedes x. Der positive Werth muss für u genommen werden,
wenn l > x, d. h. wenn x sich auf einen Punkt bezieht, der zu dem Stücke
gehört, in welchem das positive Ende liegt; im Gegentheile muss für u der
negative Werth genommen werden. Wenn demnach das eine Stück
der offenen galvanischen Kette an irgend einer Stelle ableitend
berührt wird, so wächst die elektroskopische Kraft einer jeden
Stelle des anderen Stückes zur doppelten an.
f
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm'sche Gesetz. a\\
t ■■ = -.—.--=■
L.
„9) Alles, was in 6 gemeldet worden ist, findet auch hier noch seine
Anwendung, nur ist zu bemerken, dass mit dem aus der Gleichung für u
hergeholten Werthe nicht bloss wenn x, sondern auch wenn X die Berüh-
Tongsstelle überspringt, eine Änderung vorgenommen werden muss. Die
Änderung für X ist dabei der für x an Grösse gleich, aber der Art nach
entgegengesetzt, wie sich sogleich aus der in 7 für — - — a aufgestellten
Form $ ersehen lässt
„10) Diese Grundphänomene aller elektroskopischen Äusserungen gal-
vanischer Kräfte sind, was die offene Kette angeht, durch die Erfahrung
schon hinlänglich bestätigt, und auch in Beziehung auf die geschlossene
Kette giebt der auf Amp£re*s Veranlassung von Becquerel an ihr gemachte
Versuch1 einen nicht unwichtigen Beleg ab. Da zudem die aus diesen
Grundphänomenen weiter unten für die Säule abgeleiteten ähnlichen Erschei-
nungen durch Versuche, von Meistern in dem Fache angestellt, mehrfach
bestätigt werden, so ist durch die vollkommene Übereinstimmung jenes Theils
der Theorie mit der Erfahrung die Wahrheit dieses Theils schon mit gegeben,
und so sehe ich es gern, eigene noch nicht ganz zu Ende geführte Versuche
darüber hier übergehen zu können.
B. Elektroskopische Erscheinungen an VoLTA'schen Zusammen-
setzungen.
„11) Wir stellen uns unter ABC DA einen in sich selbst zurücklaufenden
Leiter vor, der n verschiedene Erregungsstellen von A bis B besitzt, wovon
die erste in A> die letzte in B liegt, und nennen den
Theil AB des Leiters die Säule, die Punkte A und B ihre A _ D
Pole, und den Theil ADCB den Schlussleiter der Säule.
Wir nehmen an, dass alle Erregungsstellen auf völlig
gleiche Weise und in gleicher Stärke wirken, und be-
zeichnen die Spannung an jeder solchen Stelle für sich
betrachtet mit a; ferner nehmen wir an, dass alle zwischen ß c
zwei unmittelbar auf einander folgenden Berührungsstellen
liegenden Theile des Leiters von gleicher, wo es sein muss, reducirter Länge
seien, und bezeichnen die Länge eines solchen Theiles mit 6, so wie die
Länge des Schlussleiters mit yy so dass also die Länge des ganzen Leiters
/=(«— 1)6 +y. Setzen wir nun noch fest, dass alle Erregungsstellen ihre
positive E in der Richtung BAy ihre negative E in der Richtung AB aus-
strömen, und legen wir den Anfangspunkt der Abscissen jedes Mal in den
Punkt A des Schlussleiters, so ist es nach Obigem ein Leichtes, die elektro-
skopische Kraft irgend eines Punktes, dessen Abscisse x sein mag, unter
der Voraussetzung anzugeben, dass nur eine Erregungsstelle allein wirksam
sei. Man erhält nämlich diese Kraft nach 4 unter der gemachten Voraus-
setzung
1 „Pooo. Ann. 2, St 2. 207.**
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm'sche Gesetz. a\7
»J
Denkt man sich den Schlussleiter irgendwo geöffnet, so wird
oo = /, es tritt also in diesem Falle stets das Maximum der
mnung ein.
>*l3) Wir gehen nun zur Betrachtung solcher Punkte über, die inner-
mSb der Säule liegen, und nehmen an, dass der Punkt, dessen Abscisse x
ft, zwischen der *wten und m + I ten Erregungsstelle sich befinde. In
fiesem Falle überspringt die Abscisse alle unterhalb des Punktes liegende
Enegungsstellen, deren n — tn sind, darum muss, nach dem, was in 6 he-
uertet worden ist, zu der in 1 1 gefundenen Summe noch der Werth [n — tri) a
hinzugefügt werden; hinzugefügt, weil der Sprung überall von der negativen
■ach der positiven Seite geschieht. So erhalten wir für die elektroskopische
Kraft eines innerhalb der Säule zwischen der /«ten und tn + iten Erregungs-
pfeQe befindlichen Punktes folgenden Ausdruck
' n {\y - .v)
- -^ a + {n-m)a,
<todcher zu erkennen giebt, dass die Säule in einem eigenen Zustande
elektrischer Vertheilung sich befindet, von dem ich bloss erwähnen
'Will, dass er an jeder Erregungsstelle sich plötzlich um die ganze
Spannung ändert.
„Setzt man in dem eben gefundenen Ausdrucke y = oo, d. h. denkt
man sich den Schlussleiter geöffnet, so verwandelt er sich in
(\ n — ;//) a ,
worin in der That das für die offene isolirte Säule längst schon durch Ver-
suche aufgefundene einfache Gesetz liegt.
„14) Wir wollen, ehe wir die isolirte Säule verlassen, noch einen Fall
ins Auge fassen, der seiner Besonderheit wegen diese Berücksichtigung ver-
dient Nimmt man nämlich y = b> d. h. denkt man sich eine im Kreise
herumgeführte und in sich selbst zurücklaufende Säule, so verwandelt sich
der den elektrischen Zustand irgend eines Punktes der Säule bezeichnende
Ausdruck in
n (4- b - x) , ,
— *— a + (n ■— ;//} a
oder, wenn man für / seinen Werth nb und für x den Werth (» — tn)
t + d setzt, wobei d die Entfernung des zu x gehörigen Punktes von der
zunächst unter ihm liegenden Berührungsstelle bezeichnet, in
\b - d
b '
bei dieser Anordnung befindet sich also jeder zwischen zwei un-
mittelbar aufeinander folgenden Erregungsstellen liegende Theil
der Säule genau in demselben elektrischen Zustande, als wenn
er für sich allein eine einfache galvanische Kette mit der Span-
nung a ausmachte.
„15) Wir wollen jetzt den elektrischen Zustand der an irgend einer
Stelle ableitend berührten Säule untersuchen. Dabei lassen wir alle in 1 1
a\a Elftes Kapitel.
festgesetzten Benennungen und Bezeichnungen stehen und fügen noch ül
diess hinzu, dass X die Abcisse der ableitend berührten Stelle ausdrücket
soll. Nach dem, was in 7 bereits auseinander gesetzt worden ist, lässt skh
nun leicht einsehen, dass jede Erregungsstelle, für sich genommen, auf den
zu x gehörigen Punkt des Leiters ABC DA mit der für alle Erregungsstellen
gleich bleibenden Kraft
X - x
-i~a
wirke, so dass also der Ausdruck für die Kraft desselben Punktes, wenn alle
Erregungsstellen zugleich wirkend gedacht werden, übergeht in
n (). — x)
welcher Ausdruck jedoch nur so lange wahr bleibt, als die zu x und X \
gehörigen Punkte nicht über den Schlussleiter hinausfallen, weil im Gegen-
theile nach dem, was in 9 bemerkt worden ist, besondere Änderungen an
ihm vorzunehmen sind. 1
„16) Der für den elektrischen Zustand des Schlussleiters gefundene
Ausdruck
n{k-x)
welcher sofort gültig ist, wenn X <y, zeigt, dass der Schlussleiter einer
geschlossenen Säule, wenn er an irgend einer seiner Stellen ab-
leitend berührt wird, genau in dem Zustande einer einfachen gal-
vanischen Kette von seiner Länge sich befindet, die an derselben
Stelle ableitend berührt worden ist, und an ihren Enden die
Spannung ~a hat. Hieraus lassen sich nun wieder alle in 12 schon
enthaltenen besonderen Folgen ziehen.
„Wenn X > y, d. h. wenn die ableitend berührte Stelle in die Säule,
wir wollen setzen zwischen die tn'te und die tri + ite Erregungsstelle, hinein-
fällt, so überspringt X alle unterhalb dieses Punktes liegende Erregungsstellen,
deren n — tri sind; daher muss, nach dem* was oben in 9 angemerkt worden
ist, von dem eben gefundenen Ausdrucke der Werth (n — m') a subtrahirt
und danach das eben aufgestellte Gesetz abgeändert werden.
„17) Wir gehen nun zur Betrachtung des elektrischen Zustandes der
Säule selbst über, und nehmen dabei an, dass der zu x gehörige Punkt
zwischen der wten und m + iten, der zu X gehörige zwischen der trittn
und tri + 1 ten liege. In diesem Falle werden n — tn Erregungsstellen von
x und n — tri von X übersprungen. Darum muss, nach dem, was in 9
gesagt worden ist, in Bezug auf x der Werth {n — tri)a addirt und in Bezug
auf X der Werth (n — tri) a subtrahirt werden. So verwandelt sich der in 1 5
gefundene Ausdruck für diesen Fall in folgenden:
n(k — x) ,
— - — - a + (tn — tn) a ,
I
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm 'sehe Gesetz. a\ C
? welcher zeigt, dass auch hier wie in 13 die Säule in einem beson-
7; deren Zustande elektrischer Vertheilung sich befindet, der an
L jeder Erregungsstelle eine plötzliche, die einfache Spannung aus-
bauchende Änderung erleidet.
„Setzt man in dem zuletzt gefundenen Ausdrucke /= 00, d. h. denkt
\ man sich den Schlussleiter geöffnet, so verwandelt er sich in
(m ' — tn)a,
worin in der That das für die offene und an einer ihrer Stellen
ableitend berührte Säule längst schon durch Versuche aufge-
fundene einfache Gesetz liegt.
„18) Setzt man auch hier, wie in 14 geschehen ist, y = b und sub-
stituirt für / seinen Werth nb und für x und X die Werthe mb + d und
wib -4- d' y wobei d und d' die Entfernungen der zu x und X gehörigen
Punkte von den zunächst unter ihnen liegenden Erregungsstellen bezeichnen,
so verwandelt sich der in 17 gefundene Ausdruck in folgenden:
d' - d
-j-a;
bei dieser Anordnung befindet sich also jeder zwischen zwei
unmittelbar auf einander folgenden Erregungsstellen liegende
Theil der Säule genau in demselben elektrischen Zustande, als
wenn er für sich allein eine einfache galvanische Kette ausmachte,
deren Spannung a ist und die an einem Punkte, dessen Abscisse df
ist, ableitend berührt wird. Die an einem Elemente vorhandene Ablei-
tung wiederholt sich auf eine unsichtbare Weise an jedem anderen Elemente.
„19; Wir wollen nun noch zum Schlüsse dieser Betrachtungen einen
in sich selbst zurückkehrenden Leiter AB CDA untersuchen, der bloss zwei,
aber entgegengesetzt wirkende, Erregungsstellen A und B besitzt. Lassen
wir hier alle in 11 und 15 gebrauchten Bezeichnungen stehen, so wird,
wenn wir uns die Stelle A ganz wie dort wirkend vorstellen, durch sie dem
zu x gehörigen Punkte die elektroskopische Kraft
*,
und auf ähnliche Weise, wenn wir uns die Stelle B entgegengesetzt wirkend
vorstellen, durch sie demselben Punkte die elektroskopische Kraft
2 a
l
mitgetheilt werden. Stellen wir uns beide Erregungsstellen zugleich wirkend
vor, so wird mithin die auf den zu x gehörigen Punkt erfolgende Total-
wirkung sein
b
ein überraschendes und doch bei näherer Betrachtung sehr einleuchtendes
Resultat, wodurch, wenn man das in 6 Gesagte gehörig in Erwägung zieht,
41 6 Elftes Kapitel.
bestimmt wird, dass der zwischen den beiden Erregungsstellen bi
findliche Theil des Leiters, in welchem die +Enden liegen, a«|
allen seinen Punkten gleich stark positiv, der andere Theil überall
gleich stark negativ elektrisch sei, und dass die Summe dieser
beiden positiv gedachten Intensitäten der Spannung gleich sei;.
dass aber diese Intensitäten sich umgekehrt zu einander verhalten^
wie die Längen der Theile, auf welchen sie verbreitet sind.
„Wenn diese Verbindung an irgend einer Stelle, deren Abscisse l ist^
ableitend berührt wird, so ist nach 7 auf den zu x gehörigen Punkt dfe
Wirkung der oberen Erregungsstelle für sich
und die der unteren für sich
l — X
- i~a-
Es scheint nun zwar, als ob die auf den Punkt aus beiden Erregungsstellen
zugleich hervorgehende Totalwirkung stets Null sein müsse, allein erwägt
man das in 9 Gesagte, so wird es sich ergeben, dass dies nur so lange der?
Fall ist, als beide zu x und A gehörigen Punkte auf einem und demselben
durch die Erregungsstellen bestimmten Theile des Leiters liegen; liegen sie.
dagegen auf verschiedenen Theilen des Leiters, so erhält man für die Total* j
Wirkung stets ± a, + oder — je nachdem A oder x die Erregungsstelle
überspringt.
„20) Ich schliesse hier die Herleitung der an galvanischen Verbindungen '
auftretenden elektroskopischen Phänomene, obgleich die zuletzt betrachtete
Verbindungsweise noch zu einigen nicht uninteressanten Zusammensetzungen !
fuhrt, um für die Nachweisung ihrer objektiven Gültigkeit noch einigen i
Raum zu gewinnen. Die trefflich gehaltenen in Gilbert's Annalen 8, 10 ■
und 13 aufgezeichneten Untersuchungen Erman's, Ritter's und Jaeger's (S. 265)
über die elektroskopischen Wirkungen an Volta's Säule sind ganz wie data
geschaffen. Fast jede Zeile legt Zeugniss ab für die Richtigkeit der obigen
Theorie. Namentlich hebe ich 8, 205, 207 und 456 und 10, 1 1 heraus,
wo das Hauptphänomen, die Vertheilung des Schlussleiters, mit welchem
alle übrigen stillschweigend gegeben sind, in allen seinen Theilen ganz so j
wie es in 12 und 16 gefunden worden ist, vollkommene Bestätigung erhält ,
Wenn damals diese Vertheilung aus begreiflichen Ursachen der eigenthüm- \
liehen Einwirkung des flüssigen Theils der Leitung zugeschrieben werden
musste, so steht es jetzt fast ausser allem Zweifel, dass auch metallische
Schlussleiter dieselbe Erscheinung und ohne Condensator zeigen werden,
wenn man dazu nur recht lange und dünne Drähte wählt und zu den
Elementen der Säule so viel möglich grosse Platten und eine gut leitende
Flüssigkeit nimmt. Noch führe ich zur Prüfung dieser Theorie einen Ver-
such Jaeger's an, der in Gilberts Annalen 13, 414 steht und fiir die
geschlossene Säule das ist, was der oben angeführte BECQUEREi/sche fiir die
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm 'sehe Gesetz. 417
Erschlossene einfache Kette war. Bei den jAEGER'schen Versuchen, die an
Saiden von wenigen, nicht grossen Elementen und mit Zuziehung des Con-
deosators unternommen worden sind, hat man indessen nicht zu übersehen,
dass, wo die Säule oder einfache Kette nicht an irgend einer Stelle Abfluss
nach aussen hat, die Wirkung einer jeden anderen Stelle auf einen äusseren
Körper nicht bloss von dessen relativer Capacität für Elektricität, sondern
auch von der Dauer ihres beiderseitigen Zusammenseins abhängig ist."
Unmittelbar nach der Abfassung dieser Arbeiten ging Ohm an die in
seinem Hauptwerke gegebene allgemeinere und umfassendere Darstellung.
Das Vorwort seines Buches ist aus Berlin, vom 1. Mai 1827 datirt, und
hütet nicht allzu hoffnungsvoll. „Ich übergebe hiermit dem Publikum eine
Ikeorie der galvanischen Elektricität als einen speciellen Theil der allge-
meinen Elektricitätslehre, und werde nach und nach, so wie gerade Zeit und
lost und Boden es gestatten, mehr solcher Stücke zu einem Ganzen an
einander reihen, vorausgesetzt, dass der Werth dieser ersten Ausbeute
emigermaassen den Opfern, die sie mir kostet, die Waage hält. Die Ver-
hältnisse, in welchen ich bis jetzt gelebt habe, waren nicht geeignet, weder
neinen Muth, wenn ihn die Tageskälte zu zerstören drohte, aufs Neue anzu-
euern, noch, was doch unumgänglich nöthig ist, mich mit der auf ähnliche
Vrbeiten Bezug habenden Litteratur in ihrem ganzen Umfange vertraut zu
ilachen; daher habe ich zu meiner Proberolle ein Stück gewählt, wobei ich
Zoncurrenz am wenigsten zu scheuen brauchte. Möge der geneigte Zuschauer
netne Leistung mit derselben Liebe zur Sache aufnehmen, aus der sie
icrvorgegangen ist!"
7. Die Kritik. Die in dem letzten Satze ausgesprochene Hoffnung erfüllte
lieh nur theilweise. Während von Pfaff in Erlangen (dem Bruder des mehr-
fach erwähnten C. H. Pfaff in Kiel) eine günstige Beurtheilung veröffentlicht
worden war, wurde die Schrift von G. F. Pohl einer „vernichtenden" Kritik
unterzogen, bei welcher Gelegenheit in der That kein gutes Haar an ihr
gelassen wurde. Mit dem Verfasser dieser Kritik werden wir später bei
Gelegenheit des Kampfes der Theorieen über die VoLTA'sche Säule nähere
Bekanntschaft machen; sein blinder Widerspruch gegen Ohm ist auf den
Umstand in erster Linie zurückzufuhren, dass dieser sich als Anhänger der
VoLTA'schen Contacttheorie bekannt hatte, während Pohl die chemische ver-
trat Dazu kommt freilich noch bei Pohl, dass er der naturphilosophischen
Richtung angehörte, und ihm schon aus diesem Grunde jeder Versuch einer
exakten, in Formeln darstellbaren Theorie ein Gräuel sein musste. In der
That leitet er auch seine Recension1 mit einer langen Auseinandersetzung
über das Verhältniss der Mathematik zur Physik ein, nach welcher jene mehr
eine Störung, als eine Förderung für diese ist. Er redet von den Fort-
schritten der Wissenschaft durch Newton und Laplace, und fährt dann fort,
,/foss es nicht sowohl die Physik, wie vielmehr nur die Mathematik sei,
1 Jahrbücher fiir wissenschaftliche Kritik, 1828, I, 86. Berlin.
Ostwald, Elektrochemie. 27
41 8 Elftes Kapitel.
welche durch diese Fortschritte die Grösse ihres eigenen Gebietes erwe
habe, dass in ihnen nur der Triumph der Lösung grossartiger mathematis
Aufgaben gefeiert werde, die, indem sie von ausdrucksvollen und beziehu
reichen Gebieten des Naturlebens entnommen wurden, diese dafür in c
Einseitigkeit der Abstraktion festhielten, mit welcher die Naturlehre s<
auch den ursprünglichen Gehalt ihrer Forschung aufgab, und unter
täuschenden Glanz einer fremden Vollkommenheit ihres eigenen lebend
Geistes sich völlig entäusserte."
Da nun Pohl den galvanischen Erscheinungen seine besondere L
und Sorgfalt zugewendet hat, kann es nicht Wunder nehmen, wenn ei
nach Möglichkeit gegen die mathematische Invasion zu schützen sucht. I
kommt der Abscheu gegen die damit zusammenhängende VourVsche The
„Es hat endlich dazu kommen müssen, dass selbst der unmittelbare ex]
mentale Stoff der Erscheinungen mit äusserlicher Gewalt dazu auffor
muss, ihn von Innen zu erfassen, und dass nur die Wahl zwischen
Alternative übrig gelassen ist, entweder ihm Gehör zu geben, oder mit
bisherigen Vorstellungsweise zur unbedingten Unterwerfung unter die F
schaft der Widersinnigkeit offen und ohne Scham sich zu bekennen/'
Seine eigene Ansicht über den Galvanismus legt er dann in ein
Sätzen dar, die wegen ihrer unübersehbaren Länge nicht vollständig wie
gegeben werden können; doch wird auch der Anfang genügen. „Sc
denn das Gebiet der galvanischen Phänomene der eigentliche Ausgangsp
zur Wiedergewinnung einer wahren und naturgemässen Richtung in
Physik. Der Galvanismus, welcher nichts anderes ist, als der Chemis
unter einer vollständigen Versichtbarung der Momente seines Begriffes, b
den eigentlichen Gehalt derjenigen Sphäre des Naturlebens, in welcher ge
die Erde, als ein Individuum, der Sonne gegenüber eine Selbständig
geltend zu machen, und in einer ewig regen, beweglichen Metamorpl
fort und fort sich zu entwickeln trachtet, die einerseits dem univers«
Process, welcher die Erde, sowie alle Glieder des Sonnensystems gemein
umfasst und bewegt, andererseits mit der individuellsten Macht des Lei
in der unermesslichen Menge der Pflanzen- und Thierorganismen in unui
brochenem, innigst verschlungenem Conflicte begriffen, gleichzeitig den gi
tischen Sporn wie den Zügel des bald mehr, bald minder gelösten,
unter Sturmfluthen, unter Erderschütterungen, unter Feuer sprüher
Eruptionen, bald unter milden, fruchtbaren Ergiessungen sich fortbeweger
Laufes ihre Wirksamkeit empfängt." — Dies ist nur der erste Satz der i
einandersetzung; die folgenden dürfen wir uns ersparen.
Mit dem Buche selbst wird Pohl nach diesen Vorbereitungen se
verständlich bald fertijg, zumal es „zu derjenigen Klasse von Schriften gel
welche mehr der Tendenz, als dem Gehalte nach, zur Veranlassung c
besonderen kritischen Erwägung derselben geeignet sind. . . . Der Abs
zwischen Tendenz und Gehalt, zwischen Prätension und Leistung refle
sich schon in den Verhältnissen zwischen dem Titel und dem äuss
Die ekktxomagDetischezi Erscheinungen und das Ohm'sche Gesetz. 41g
' Un&nge dieses Buches auf eine sehr fühlbare Weise. ... So haben wir
denn, statt der galvanischen Kette des Titelblattes, im Buche selbst nur
eine Abstraction von einer Abstraction derselben, und wir sind damit unge-
- fihr in demselben Falle, als wenn an der Stelle des versprochenen lehr-
._ lochen Berichtes einer Reise, die durch eine lebendige Mannigfaltigkeit natur-
^ katarischer Merkwürdigkeiten hindurchfuhrt, nichts weiter, als nur ein sorg-
faltig ausgefülltes Formular über die Geschwindigkeit, mit welcher eine
Station nach der anderen zurückgelegt worden, uns geboten wäre."
Indem nun der Recensent berichtet, das Ohm als Ausgangspunkt seiner
Darstellung der elektrischen Leitungserscheinungen die Analogie der Wärme-
leitung benutzt hat, spricht er ihm auch ein wesentliches Verdienst in dem
von Ohm beabsichtigten Sinne ab. „Wir können daher bei dem Vorhanden-
sein eines mit so grosser Kunst entworfenen und vollendeten Vorbildes,
vom sich noch die einzelnen Arbeiten von Laplace und Poisson über den-
selben Gegenstand gesellen, den Werth einer blossen Nachbildung einer
mathematischen Theorie der Elektricität auf völlig gleicher Grundlage, aber
k einem höchst verkleinerten Maassstabe, wobei gewissermaassen die Wörter
Wärme und Elektricität nur ihre Plätze gewechselt haben, um so weniger
ksonders hoch anschlagen, als bei der Übereinstimmung der allgemeinen
Gleichungen, von denen hier die eine, dort die andere Klasse von Erschei-
umgen abhängig gemacht ist, das ganze Verdienst einer solchen Nachbildung
aar auf die angemessene Bestimmung der in den Gleichungen enthaltenen
willkürlichen Grössen hinausläuft, welches in dem Falle unseres Verfassers
um so leichter ist, da er auf einen Unterschied in den Dimensionen der
Leiter ebenso wenig, wie auf eine elektrische Capacitätsverschiedenheit Rück-
sicht zu nehmen für gut befunden hat. Sehr gern und bereitwillig lassen
wir indess der Sorgfalt, welche der Verfasser bei seiner Arbeit auf die
äussere Consequenz und Fasslichkeit der Darstellung verwandt hat, unsere
Anerkennung zu Theil werden, sofern seine Bemühungen für das Interesse
der Anfänger in der Analysis berechnet gewesen ; denn für geübtere Kenner
und Männer vom Fach bedurfte es, unter Hinweisung auf die französischen
Originale, nur einer Nachricht, inwiefern die Ergebnisse des Versuches einer
solchen theilweisen Übertragung der vorhandenen Theorie aus dem Gebiete
der Wrärmeerscheinungen in das der Elektricitätsleitung mit der Erfahrung
übereinstimmen oder nicht. Gerade der letztere Umstand aber, auf welchem
beinahe allein der ganze bedingte Werth der Unternehmung beruht, ist, wie
wir gleich unten zeigen werden, noch eine unverkennbare schwache Seite
derselben geblieben."
In solchem Tone geht es noch lange weiter; einen sachlichen Kern
vermag man in diesen Auseinandersetzungen nicht zu finden. Doch wird
man nicht fehl gehen, wenn man in der hier so überaus deutlich zur An-
schauung gebrachten Meinung des Recensenten den Ausdruck einer einfluss-
mchen Richtung in der deutschen Physik jener Zeit sieht. So hat hier die
Naturphilosophie einen doppelten Schaden angerichtet; einen, indem sie die
27*
420 Elftes Kapitel.
Achtung vor der in Deutschland getriebenen Wissenschaft bei den Nachl
Völkern auf ein sehr geringes Maass herabdrückte, und so die Anerkenn
auch der hier gelieferten dauernden Leistungen verhinderte, und ei
anderen, indem sie eben diesen Leistungen, als ihrem Wesen entgegen, a
in der Heimath den Weg nach Möglichkeit versperrte. Bei Ohm, de
äussere Stellung ihm seine Vertheidigung schwer und unwirksam mac
hat sich diese doppelte Schädigung noch lange gezeigt.
Ausser den bisher besprochenen Arbeiten hat Ohm noch eine g<
Reihe weiterer aus dem Gebiete der Elektrik veröffentlicht. Einen T
derselben, wo er in die grosse Streitfrage jener Zeit, die nach der The
der elektrischen Erregung, eingreift, werden wir später noch kennen len
einen anderen Theil müssen wir übergehen. Doch verlangt die geschi
liehe Gerechtigkeit, zu erwähnen, dass nicht alle Versuche unseres Forscr
die Erscheinungen mathematisch zu fassen, gelungen sind. Eine The
des galvanischen Glühens von metallischen Leitern gelang nicht, und eb<
wenig ein Versuch, das „Wogen" der Kraft hydroelektrischer Ketten u
einen einfachen Ausdruck zu bringen. Dagegen verdanken wir ihm u
die Aufklärung der Erscheinungen der unipolaren Leitung (S. 342).
seine Arbeiten in anderen Gebieten der Physik, insbesondere auf seine gn
legende Auffassung der natürlichen Töne, kann hier nicht eingegangen wer
Mit Ohm's Wirken beginnt die quantitative Periode des Galvanisi
und auch in der Elektrochemie gestalteten sich die allgemeinen Ges
mässigkeiten, welche das Gebiet allmählich zu einem wissenschaftlk
machten, an den von Ohm ausgebildeten und in das Gebiet der Messbai
übertragenen Begriffen der elektromotorischen Kraft, des Widerstandes, <
der Leitfähigkeit aus, nachdem das chemische Gesetz der Elektricil
mengen vorher von Faraday entdeckt worden war. Letzteres ist allerd
von dem Werke Ohm's unabhängig, wie denn auch Faraday von de
Gesetz keine Kenntniss hatte, oder doch keine Anwendung machte, ob?
seine Arbeiten auf diesem Gebiete zeitlich später fallen.
8. Prüfung und Anerkennung durch Fechner. Der erste, weh
die Bedeutung von Ohm's Entdeckung erkannte und sie seinen Arbeiter
Grunde legte, war Gustav Theodor Fechner. Um die Zeit der Veröfl
lichung derselben war dieser mit der Herausgabe einer Übersetzung von Bi
Lehrbuch der Experimentalphysik beschäftigt, wobei er bald sah, dass
von Biot gegebene Darstellung der Lehre vom Galvanismus nicht dem
stände der Wissenschaft zu jener Zeit mehr entsprach. Er arbeitete d«
den fraglichen (dritten) Band völlig um, und legte der Darstellung der }
hältnisse der Säule und Kette die OHM'sche Theorie zu Grunde. In se
Vorrede bemerkt er: „In Darstellung der Umstände, von welchen die qi
titativen Verhältnisse der Wirksamkeit galvanischer Ketten abhängt, bin
nicht sowohl der OHM'schen Theorie gefolgt, als ich durch Erfahrung n;
gewiesen habe, dass ihre wesentlichsten Folgerungen sich in der Wirklicr
bestätigen. Ich habe mich wohl gehütet, irgend eine Folgerung der The
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm 'sehe Gesetz. 421
m der ich mich übrigens nicht scheue zu behaupten, dass durch sie erst
nn in die Wirkungsverhältnisse der galvanischen Kette gekommen ist, —
>er diese Grenzen auszudehnen. Diese Darstellungsweise glaubte ich dem
barakter des Werkes, jene Anerkennung glaube ich dem Verdienste des
rhebers jener Verknüpfung schuldig zu sein."
Auch nach anderer Richtung ist Fechner für die Förderung dieser
heorie thätig gewesen. Zum Theil in jenem Lehrbuch, ausfuhrlicher aber
1 einer besonderen Schrift * theilte er eine grosse Reihe von Versuchen mit,
ic sich gerade auf ein von Ohm nur stiefmütterlich bearbeitetes Gebiet,
as der hydroelektrischen Ströme, beziehen, und den Nachweis der Gültigkeit
eines Gesetzes in sehr mannigfaltig abgeänderten Versuchen erbringen. Indem
r einleitend den oben erwähnten Anlass einer Bearbeitung des Galvanismus
rwähnt, und auf das Erscheinen einer mathematischen Theorie desselben
inweist, fahrt er fort: „Die Theorie, von welcher ich spreche, ist die
tausche. Die Gesammtheit meiner Versuche kann gar keinen Zweifel übrig
Ben, dass die allgemeine Form der Formel, die sie für die Kraft der
eschlossenen Kette aufstellt, die richtige sei, und ich kann demgemäss nicht
tnhin, Ohm das Verdienst beizumessen, mit den wenigen Buchstaben dieser
nfachen Formel eine neue Epoche für die Lehre vom Galvanismus begründet
1 haben. Sie lehrt allerdings keine neuen Erscheinungen im Gebiete des-
fl>en kennen, aber sie verknüpft ein grosses Gebiet von Erscheinungen,
c früher chaotisch und räthselhaft neben einander standen, und giebt sichere
ohaltspunkte für das Maass derselben; so dass jetzt erst eine wissenschaft-
he Behandlung derselben möglich ist. Ich wünsche, dass meine Schrift
zu beitragen möge, dem Verdienste Ohm's eine grössere Anerkennung, als
bisher der Fall gewesen ist, zu verschaffen/'
Allerdings ist Fechner in einer Beziehung von der Formulirung, wie
: Ohm gegeben hatte, abgewichen, indem er ausser dem von der Natur
id den Abmessungen der Leiter abhängigen Widerstände der OHM'schen
»rmel noch einen weiteren Widerstand einführte, welchen er den Über-
ingswiderstand nannte, und an die Grenzfläche zwischen dem metallischen
id dem wässerigen Leiter vorlegte. Ohm hatte sich gegen die Existenz
nes solchen Widerstandes ausgesprochen, und in der That hat sich in der
alge gezeigt, dass ein Übergangswiderstand im Sinne Fechner's nicht
igenommen zu werden braucht; die von diesem beobachteten Erscheinungen
nd vorwiegend als eine durch den Strom hervorgebrachte Änderung der
detromotorischen Kraft an diesen Übergangsstellen aufzufassen, welche in
»• Abscheidung der Zersetzungsprodukte an diesen Flächen ihren Grund
it {vgL S. 424). Es muss zur richtigen Beurtheilung dieser Verhältnisse
1 Auge behalten werden, dass Fechner noch keine constanten Elemente zur
erfügung hatte, und durch allerlei Kunstgriffe die Veränderlichkeit seiner
etten unschädlich zu machen suchen musste.
1 Maassbestimmungen über die galvanische Kette. Leipzig 1831.
42 2 Elftes Kapitel.
Die grosse Fülle der in diesen Arbeiten beigebrachten Prüfungen
Theorie geht aus der vom Verfasser gemachten Zusammenstellung der
punkte seiner Schrift hervor.
,,i) Nachweisung, dass die Kraft aller Theile einer galvanischen Ki
(d. h. die Stromstärke) stets gleichzeitig und in gleichem Verhältnisse ab-
zunimmt, wenn selbst der die Kette modificirende Einfluss direkt nur
einzelne Theile derselben wirkt.
„2) Nachweisung, dass die Kraft der galvanischen Kette in der ganze*
Länge derselben gleich gross ist, unabhängig von den Dimensionen und der
Beschaffenheit der einzelnen Theile derselben. Es fehlt jedoch die Aus»
dehnung dieses Nachweises noch für die flüssigen Theile der Kette.
„3) Bestätigung des von Ohm und Pouillet gefundenen Gesetzes, daas
die Kraft der Kette mit der Länge des Schliessungsdrahtes abnimmt; undi
direkter Beweis, dass der Strom sich zwischen Drähten, die eine Kette nebet i
einander schliessen, nach Verhältniss ihres Leitungsvermögens theilt
„4) Beweis, dass der Widerstand der flüssigen Leiter gleich dem der
festen, im geraden Verhältnisse ihrer Länge, im umgekehrten ihres Que*»j
Schnittes steht !
„5) Nachweisung, dass der Widerstand der flüssigen Leiter unabhängif i
von der Grösse der erregenden Oberfläche (wenn der Querschnitt def i
Flüssigkeit dabei ungeändert bleibt) und von der Beschaffenheit der Metall*.
platten ist
„6) Bestimmung des von jeder Complication befreiten Leitungswidoy
Standes oder Leitungsvermögens mehrerer Flüssigkeiten, und Erweis da ;
Gesetzes, nach welchem kleine Zumischungen von Säure zum Wasser det
Widerstand mindern.1 Alle bisherigen Bestimmungen über das Leitungsver*
mögen der Flüssigkeiten sind Resultate, die durch Verwickelung mit dem
Widerstände des Überganges noch complicirt sind.
„7) Nachweisung, dass ausser dem Widerstand, den die festen und
flüssigen Theile dem Strome entgegensetzen, derselbe noch einen anderen
Widerstand beim Übergange zwischen dem festen und dem flüssigen Theile
erfährt. . . .
„8) Beweis, dass die elektromotorische Kraft in geschlossenen Kettet
nicht wesentlich von der Grösse der erregenden Oberfläche und der Be»
schaffenheit der Leitflüssigkeit abhängt. Ich hoffe, dass diese Versuche bei»
tragen werden, den langgefuhrten Streit, ob die Erregung der ElektriciÄ
von der Berührungsstelle der Metalle unter einander, oder von ihrer Be-
rührungsstelle mit der Flüssigkeit ausgehe, zu entscheiden.*
1 Dies von Fechner gefundene Gesetz der Abnahme besagt, dass diese proportional der
zugefügten Menge der Säure erfolgt „Doch ist dieser Umstand bloss für kleine Zumischungen
von Salzsäure erwiesen worden." Die Beobachtung ist vollkommen richtig, auch ist die Pro-
portionalität bei grösseren Gehalten nicht mehr vorhanden.
8 Fechner tritt hier als entschiedener Contactist auf. Dass sein Nachweis der Unab-
hängigkeit von der erregenden Flüssigkeit nur sehr beschränkte Gültigkeit hat, geht schon
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm'sche Gesetz. 423
„9) Nachweisung des sogenannten Gesetzes der galvanischen Spannungs-
ihe für die geschlossene Kette. Direkte Versuche für dieses, allerdings
irch seine Folgerungen schon als hinreichend erwiesen anzusehende Gesetz
ite man bisher nicht, da Volta's — überdies bloss für die ungeschlossene
stte — elektrometrischen Versuche keine genaue Bewährung zuliessen.
„10) Ein praktisches Mittel, die Stärke und Wirkungsdauer galvanischer
rtten zu verstärken. (Das Mittel besteht darin, die Kupferplatten durch
netzen mit Salmiaklösung und Aussetzen an die Luft mit einer Schicht
n unlöslichem Qxychlorid zu versehen.)
„11) Nachweisung des Gesetzes, nach welchem die Kraft mit Ver-
ässerung der erregenden Oberfläche zunimmt. . . .
„12) Beweis, dass der bisher schlechthin angenommene Satz, Vergrösse-
ng der erregenden Zinkfläche sei weniger wirksam, als Vergrösserung der
regenden Kupferfläche für den Anfang der Schliessung nicht gilt,
iem sich diese Ungleichheit erst im Fortgange der Schliessung entwickelt.
„13) Beweis, dass die Kraft einer galvanischen Kette weder durch Ver-
össerung der erregenden Oberfläche, noch durch Verstärkung der Leitungs-
issigkeit, noch durch Vermehrung der Plattenzahl bis über eine gewisse
renze gesteigert werden kann, wenn die übrigen Elemente der Kette dabei
igeändert bleiben.
„14) Nachweis des Gesetzes, nach welchem die Kraft der Kette mit
ermehrung der Plattenzahl zunimmt, und Ausdehnung des bisher nur für
lennoelektrische Ketten gültig gehaltenen Umstandes, dass bei Ketten ohne
iwischenleiter die Kraft durch Vermehrung der Plattenzahl gar nicht
erstarkt werde, auf hydroelektrische Ketten.
„15) Nachweisung des Gesetzes, nach welchem die Kraft der Kette
brch eingebrachte Zwischenleiter geschwächt wird, und Beweis, dass zu
\nfang der Schliessung kupferne Zwischenplatten keine stärkere Schwächung
üs zinkene hervorbringen, vielmehr der Unterschied beider sich erst im
Fortgänge entwickelt
„16) Ausgedehnte Bestimmung der Umstände, von welchen die Wir-
kungsabnahme in geschlossenen, und die Wirkungswiederherstellung in
geöffneten Ketten abhängt.
„17) Beweis, dass die elektromotorische Kraft und der Übergangswider-
stand unter mehreren Umständen in Multipla und Submultipla ihres Werthes
überspringen können."
Alle die angegebenen Punkte sind mit einem ausführlichen Zahlenmaterial
belegt, dessen Beschaffung Fechner um so mehr Mühe machte, als er einer-
den alten Versuchen Davy's hervor, nach denen sich Ketten aus einem Metall und zwei Flüssig-
keiten bauen lassen. Fechner hat dagegen allerdings den Einwand gemacht, dass diese anomal
wirkenden Flüssigkeiten die Metalle auf der Oberfläche veränderten, so dass noch die Contact-
kraft mit der neugebildeten Oberflächenschicht hinzukomme; doch ist eine solche Annahme bei
Lösungen von Ätzkali oder Cyankalium, welche in hohem Maasse „anomal" wirken, durch
ochts gut zu begründen.
424 Elftes Kapitel.
seits keine constanten Elemente besass, andererseits nach einer inzwischen
verlassenen Messmethode arbeitete, welche viel mehr Zeit und Mühe in
Anspruch nahm, als die Ablesung des Ablenkungswinkels und die Benutzung
einer Correctionstabelle für die mangelnde Proportionalität zwischen Strom-
stärke und Winkel. Fechner stellte nämlich die Windungen des Multipli-
kators nicht der Nadel parallel, sondern senkrecht zu ihr, und beobachtete :
demgemäss nicht Ablenkungen, die unter solchen Umständen überhaupt :
nicht eintreten, sondern er Hess die Nadel schwingen, und schloss aus der
Dauer der Schwingungen auf die Stärke des in den Windungen fliessenden
Stromes. Denn die Dauer der Schwingungen ist unter sonst gleichen Um-
ständen den Quadraten der einwirkenden Kräfte umgekehrt proportional, und
er gelangte so zu einer Messung der Stromstärke, der er bedeutende Vor-
züge vor der üblichen Methode der Ablenkungen zuschrieb. Von anderes
ist das Verfahren allerdings später nicht mehr angewendet worden. \t
Die zu der von Fechner gegebenen Übersicht erforderlichen Bemerkungen fe
sind schon zum Theil gemacht worden. Gegenwärtig bilden die hier zum j,
ersten Male gegebenen Nachweise die Grundlage der Lehre von den elek- {•
trischen Strömen, insofern sie von Ketten erzeugt werden, und sind ein j.
regelmässiger Bestandtheil des Unterrichtes. Eine besondere Erwähnung £
verlangt der von Fechner eingeführte „Übergangswiderstand/' Über diese *
Frage sind mannigfaltige Diskussionen geführt worden, welche in den Nach- ^
weis ausliefen, dass in einigen Fällen kein solcher Widerstand vorhanden ist, j»
in anderen aber wohl. Gegenwärtig lässt sich sagen, dass ein primärer v
Übergangswiderstand nicht nachgewiesen ist, d. h., dass abgesehen von der ,
Polarisation (die den Charakter einer elektromotorischen Kraft und nicht den
eines Widerstandes hat), an den Übergangsstellen der Leiter verschiedener
Klasse kein Stromhinderniss besteht. Durch den Strom selbst wird aber in
manchen Fällen der flüssige Leiter an der Übergangsstelle dermaassen ver-
ändert, dass eine mehr oder weniger erhebliche Änderung seiner Leitfähig-
keit, meist eine Verschlechterung, eintritt, und dann ist neben der Polarisation
noch eine Wirkung da, die man als Übergangswiderstand bezeichnen kann.
Diese Erscheinung ist wie die Polarisation an den Umstand gebunden, dass
sie sich erst durch den Strom selbst entwickelt, und ursprünglich nicht vor-
handen ist
Der unter 9 gegebene Nachweis des Spannungsgesetzes ist so geführt
worden, dass die Kraft dreier Ketten, nämlich Zink-Zinn, Zinn-Kupfer und
Zink-Kupfer in verdünnter Salzsäure bei verschiedenen Leitungsfähigkeiten
des Kreises gemessen worden ist. Bei der Berechnung ergab sich die Summe
der beiden ersten Ketten gleich der dritten, wie die folgende Tabelle zeigt
Widerstand Zink-Kupfer Summe
S 1 3P4 2,96
29>5 5,29 5,46
7 19,5 19,7
1 90,9 90,7
Die elektromagnetischen Erscheinungen und das Ohm 'sehe Gesetz. 425
Wie man sieht, ist die Übereinstimmung ziemlich massig, und Fehler
n mehreren Procenten kommen hier und in einigen weiter mitgetheilten
Lbellen vor: Dazu bemerkt Fechner: „ich muss erinnern, dass man, wenn
in die erwähnten Versuche in Brunnenwasser anstellt, selten eine solche
ereinstimmung erhalten wird;" es gehört in der That eine sehr sichere
Erzeugung von der Richtigkeit der Theorie dazu, sich mit solchen Ver-
den zufrieden zu geben. Fechner bemerkt ganz richtig, dass der Beweis
lmehr in der Bewährung liege, welche die VoLTA'sche Theorie durch die
s ihr abgeleiteten Schlüsse erhalten hat, als in den unmittelbaren Messungen.
Es ist vielleicht gut, hier zu erinnern, dass diese Versuche ebenso
nig wie die anderen Messungen an Ketten etwas für oder wider die
»LTA'sche Theorie aussagen; sie stehen mit der Annahme, dass zwischen
stallen überhaupt keine elektromotorische Kraft wirksam sei, in ganz ebenso
ter Übereinstimmung (S. 144), wie mit der, dass zwischen den Metallen
s Spannungsgesetz herrsche.
Die unter 12 bis 16 gegebenen Punkte beschäftigen sich mit den Er-
heinungen, wie seit Gautherot und Ritter bekannt waren, und die später
m allgemein angenommenen Namen der Polarisation erhielten. Die hier
tedergelegten Forschungen sind später weit überholt worden, so dass auf
tre Wiedergabe verzichtet werden kann. Der unter 1 7 schliesslich gegebene
«weis multipler Verhältnisse für den Übergangswiderstand und die elektro-
lotorische Kraft beruht auf einer Selbsttäuschung Fechner's, den wir an
ieser Stelle den keinem Sterblichen erspart bleibenden Tribut des selbst-
erschuldeten Irrthums zahlen sehen.
1
Fig. 108. Gustav Theodor Fechner.
Zwölftes Kapitel.
Der Kampf zwischen der Theorie der
Berührungselektricität und der chemischen Theorie
der galvanischen Erscheinungen.
i. Allgemeines. In den früheren Kapiteln ist bereits mehrfach auf
den Gegensatz hingewiesen worden, welcher sich in Bezug auf die Frage
nach der Ursache der von Galvani und Volta untersuchten elektrischen
Erscheinungen geltend gemacht hat. Schon vor der Erfindung der Säule
bestand dieser Gegensatz; trotz seiner fast unbedingten Verehrung Volta^
stellte sich Ritter in der Hauptsache auf einen völlig anderen Standpunkt,
und der VoLiVschen Theorie, dass der Contact an sich die elektrischen
Erscheinungen der Kette bedinge, stellte er die chemische Theorie gegen-
über, dass der elektrische Vorgang ursächlich mit einem gleichzeitig erfolgenden
chemischen verknüpft sei. Über die Art dieser Verknüpfung hat Ritter
Der Kampf zwischen der Theorie der Berührungselektricität u. s. w. 427
war einige ungemein zutreffende Ansichten geäussert (vgl. insbesondere
». 189), doch reichte die Kenntniss der chemischen und der elektrischen
resetze, über die er und seine Zeit verfugte, überall nicht aus, um aus der
Ugemeinen Erkenntniss dieses Zusammenhanges eine wirkliche, d. h. zahlen-
lässig verfolgbare Theorie beider Gebiete zu ermöglichen. In dieser Be-
ehung war die von Volta aufgestellte reine Contacttheorie der chemischen
ngemein überlegen: da sie keinen weiteren Zusammenhang mit anderen
rscheinungen postulirte, brauchte sie auch keine entsprechenden Nachweise
1 liefern, und ermöglichte es, ohne Rücksicht auf jene schwierigen Fragen
ie physikalische Seite der Erscheinungen zu durchforschen. In dieser Rück-
cht ist die VoLTA'sche Theorie ein grosser Segen für die Entwickelung des
rebietes gewesen.
Leider ist aber dieser Segen einigermaassen paralysirt worden durch
ie Art, wie sich schon Volta selbst, und in noch viel höherem Grade seine
Vnhänger zu der chemischen Theorie in Gegensatz stellten. Der richtige
Standpunkt wäre gewesen, dass die chemische Theorie als ein, zunächst
dlerdings hypothetischer Versuch, die von Volta angenommenen elektro-
notorischen Kräfte zu erklären, welche an den Berührungsstellen verschie-
iener Stoffe wirksam sind, aufgefasst worden wäre. Auf diese Weise hätte
die VoLTA'sche Theorie neben, oder vielmehr in der chemischen vollständig
Raum gehabt, und eine Meinungsverschiedenheit hätte nur darüber bestehen
können, ob die chemische Theorie das auch leistete, was sie zu leisten
unternommen hatte; von einem Gegensatze beider Theorieen hätte aber
nicht die Rede sein können. So friedlich sollte sich aber die Entwickelung
nicht vollziehen. Volta sah, und hier beginnt sein Fehler mit dessen unüber-
sehbaren Folgen, nicht nur an den Berührungsstellen den Ort der Span-
nungsunterschiede, sondern in der Thatsache der Berührung auch den zu-
reichenden Grund der elektromotorischen Kraft und musste daher jeden
anderen Versuch, einen anderen Grund für diese aufzustellen, als einen
Widerspruch gegen seine Theorie auffassen. Dieser Standpunkt Volta's geht
besonders deutlich aus den auf S. 141 und 142 wiedergegebenen Äusserungen
hervor, nach denen er eine Kette aus Metallen allein, also einen elektrischen
Strom ohne jeden anderen Aufwand, für durchaus möglich ansah. Daraus
erklärt sich seine gegen die ihm sonst eigene ruhige und vorsichtige Art so
auffeilend abstechende Polemik gegen die Annahme eines Zusammenhanges
der chemischen Vorgänge der Säule mit den elektrischen.
Es ist bereits geschildert worden (S. 264), in welchem Maasse Volta
tennocht hat, den von allen Zeitgenossen aus der unmittelbaren Anschauung
ler Vorgänge an der Säule erschlossenen chemischen Ansichten entgegen
:u treten, und seiner Ansicht den Sieg zu verschaffen, wobei die eben
rrwähnten Vorzüge des formalen Theiles seiner Theorie, an dem noch
leute nichts auszusetzen ist, den überaus bedenklichen causalen Theil mit
lurchschleppten, da die Zeitgenossen, und auch sehr lange Zeit hindurch
eine Nachfolger, beide nicht zu scheiden wussten. Auf die Dauer war e«5
428 Zwölftes Kapitel.
freilich nicht möglich, die von Volta angenommene Verletzung des Gesetze* ' "
von der Erhaltung der Energie ohne Widerspruch zu lassen. Wenn auch
in den Zeiten, von denen jetzt die Rede sein soll, die klare Erkenntnis
dieses Gesetzes sich noch nicht nachweisen lässt, so geht doch aus einer
grossen Zahl von Äusserungen jener Periode hervor, dass ein dunkles Be- ;
wusstsein desselben ziemlich verbreitet war. Auf dieses Bewusstsein haben r
wir denn auch die immer wiederholten Versuche, eine chemische Theorie? :
des Galvanismus zu schaffen, zurückzuführen, und in diesem Sinne ist der *
Kampf der beiden Theorieen als ein Protest gegen die Annahme von der
Möglichkeit eines Perpetuum Mobile aufzufassen.
Besonders lebhaft entbrannte dieser Kampf, welcher fast so alt wie die
Kenntniss der VoLTA'schen Kette ist, als durch die Erfindung des Galvano- l
meters den Forschern ein sehr empfindliches Mittel in die Hand gegeben :
worden war, das Auftreten elektrischer Erscheinungen bei allen möglichen
Zustandsänderungen, insbesondere bei chemischen Vorgängen zu entdecken :
und zu messen. Zwar war die Messung zunächst nur eine scheinbare, denn
der Ausschlag der beweglichen Nadel hängt von zwei Umständen ab, die
mit einander wenig zu thun haben, der elektromotorischen Kraft und dem
Widerstände, und bei der schon geschilderten Langsamkeit, mit der sich
die Würdigung des OHM'schen Gesetzes durch die Wissenschaft verbreitete,
lassen sich noch lange Zeit nach seiner Veröffentlichung Arbeiten nach-
weisen, deren Ergebnisse durch die Nichtanwendung desselben den grössten
Theil ihrer Brauchbarkeit und Bedeutung einbüssten.
Dazu kam noch ein anderer Umstand. Wenn auch die Thatsache des
Zusammenhanges der chemischen Erscheinungen mit den elektrischen unver-
kennbar war, so war damit noch keineswegs die Erkenntniss der Form
gegeben, in welcher dieser Zusammenhang wirksam ist. Eine einfache Pro-
portionalität beider Erscheinungen, wie es die zunächstliegende Annahme
wäre, ist sicher nicht vorhanden, denn es giebt eine Unzahl von chemischen
Vorgängen, welche ohne begleitende elektrische Erscheinungen verlaufen.
Die früher erörterten elektrochemischen Theorieen, welche die Erklärung
chemischer Vorgänge durch elektrische Verhältnisse der hypothetischen Atome
bezweckten, umgingen diese Schwierigkeit durch die Annahme, dass aller-
dings jeder chemische Vorgang gleichzeitig ein elektrischer sei, und dass
nur in den Fällen, wo keine sichtbaren elektrischen Erscheinungen auftreten!
diese sich in molekularem Maassstabe, also unserer Anschauung unzugänglich,
abspielen. Doch wurde dadurch offenbar nur eine formale Antwort gegeben,
die für den zunächst gleichfalls formalen Zweck jener Theorieen ausreichend
war, die sich aber alsbald in ihrer Unzulänglichkeit bemerkbar machte, so
wie es sich nicht mehr um die Theorie der chemischen Verbindungen,
sondern um die der VourA'schen Säule handelte. Auf die Frage: welche
Bedingungen müssen erfüllt sein, damit chemische Vorgänge elektrische ver-
ursachen? werden wir in der Folge immer wieder die Forschung zurück-
kommen sehen, und die verschiedenen Theorieen der elektromotorischen
Der Kampf zwischen der Theorie der Berührungselektricität u. s. w. 42Q
ä werden sich um so werthvoller erweisen, je klarer sie diese Frage
Ausgangspunkte ihrer Betrachtungen nehmen.
Nun hat es in der That recht lange gedauert, bis diese Frage in aller
leit gestellt worden war, und dadurch, dass allerlei stillschweigende oder
ausgesprochene Annahmen in dieser Beziehung gemacht wurden, war
reichlich fliessende Quelle von Verwirrung und Streit gegeben. So ist
auch die ältere Geschichte dieser Angelegenheit, so gross die An-
gungen auch waren, die hier gemacht wurden, ein fast völlig ergebniss-
Streiten für und wider, welches nur den Gewinn erbrachte, dass eine
grosse Zahl von allen möglichen Experimenten angestellt worden ist;
1 diese auch nicht die Hoffnung erfüllten, in dem einen oder anderen
e entscheidend zu wirken, so lehrten sie doch das Erscheinungsgebiet
t eingehend kennen und gaben somit für jeden neu auftretenden Ver-
. einer theoretischen Zusammenfassung ein sehr ausgiebiges Prüfungs-
irial ab, welchem kaum jemals ein derartiger Versuch sich völlig ge-
asen zeigte.
Auf den nachfolgenden Seiten werden wir den am wenigsten befrie-
mden Theil jenes langen Streites kennen lernen, dessen Werth fast
schliesslich in der Beschaffung tatsächlichen Materials liegt. Es ist dies die
vom Beginn der zwanziger Jahre bis in die fünfziger, d. h. bis zu der
, wo die Erkenntniss des Gesetzes von der Erhaltung der Energie
lählich in das Allgemeinbewusstsein der am Ausbau der Wissenschaft
igen Forscher übergegangen war. Zwar war das Gesetz bereits im Jahre
\2 ausgesprochen worden, und im Jahre 1847 hatte Helmholtz seine
wendbarkeit in allen Zweigen der messenden Naturwissenschaften nach-
wiesen; doch dauerte es noch geraume Zeit, bis seine Bedeutung einge-
len und seine Anwendung überall versucht wurde. Die spätere Entwickelung
' Angelegenheit lässt sich völlig sachgemäss unter der Formel zusammen-
sen, dass die Anwendung des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik die
>te, noch nicht fehlerfreie, aber doch in vielen Stücken zutreffende Theorie
r VoLTA'schen Kette, und die Anwendung des zweiten Hauptsatzes die
genwärtig als richtig, und so weit sich übersehen lässt, auch als zuläng-
h anzusehende neuere Theorie ergeben hat. Für beide war allerdings
ch die Kenntniss eines grundlegenden Gesetzes der Elektrochemie, des
JUDAv'schen Gesetzes, erforderlich, mit dessen Aufstellung und Nachweisung
r Übergang jener früheren Epoche in die folgenden verbunden ist.
2. G. F. Parrot und Genossen. Als ältester Vertreter der chemischen
leorie des Voltaismus meldete sich im Jahre 1829, als eben durch das Auf-
ten von de la Rive der Streit am heftigsten entbrannt war, der Dorpater
rfessor und spätere Petersburger Akademiker Parrot. In einem Briefe, den
zur Wahrung seiner Rechte an die Redaktion der Annales de chimie et de
ysique schrieb,1 schildert er, wie er seit 1801 die chemische Theorie
1 Ann. chim. phys. 42, 45. 1829.
430 Zwölftes Kapitel.
aufrecht erhalten habe. „Im November 1801 wiederholte Volta seine V»
suche in Paris und entwickelte vollständig die Theorie, welche er vorher
schon in einigen Briefen angedeutet hatte. Seit dieser Zeit erklärten sieb
alle Physiker mit brennendem Eifer für diese Hypothese. In Deutschland
bildete sich eine Art von Propaganda, um sie zu verbreiten, und Herr
C. H. Pfaff nannte sich öffentlich ihren Apostel. Die chemische Theorie
der Säule wurde bei Seite gelassen, und in Frankreich erwies Herr Biot ihr
kaum die Ehre, sie durch seinen Versuch mit der Torsionswage anzugreifen.
Nur Herr Davy schien, wenn ich mich nicht täusche, einen Augenblick skA
dieser Theorie zuzuneigen, ebenso wie Wollaston, aber er verliess sie ab»
bald. ... So hat ein grosser, mit Recht verehrter Name während 27 Jahres
ganz Europa fascinirt Ich war vielleicht der einzige, der sich nicht einen
Augenblick erschüttern Hess, nicht aus Eigensinn, sondern weil alle neuen
Versuche der Physiker, ebenso wie die meinen, meine Überzeugung bestärkten,
und Beweise gegen Volta waren."
Sieht man sich die von Parrot gegebene Theorie näher an,1 so findet
man allerdings wenig, was irgend eine Dauer besitzt Parrot war ein phan-
tasiereicher und ziemlich selbstbewusster Mann, der sich mehr angelegen
sein Hess, eine ausgesprochene Idee auseinander zu setzen, als sie zu prüfen,
und auch in dem 1829 gegebenen Auszuge seiner chemischen Theorie
findet man kaum etwas von bleibendem Werth, dagegen vieles auch für
jene Zeit absurdes. So behauptet er, dass es für die Spannung der Säule
ein Maximum gebe, dass auch durch die grösste Plattenzahl nicht über-
schritten werden könne. Die Elektricitätsentwickelung fasst er als eine Folge
der Oxydation auf, diese aber wirkt nur, weil sie eine Änderung des
Aggregatzustandes bewirke. „Wenn ein Metall sich durch eine Flüssigkeit
oxydirt, so bildet sich in jedem Augenblicke auf seiner Oberfläche eine
unendlich dünne Oxydschicht, welche in dem Augenblicke Rothglühhitze
besitzt und dadurch als Isolator für die beiden durch die Oxydation hervor-
gebrachten Elektricitäten dient/' Weitere Auszüge aus dieser ältesten
chemischen Theorie der VoLTA'schen Erscheinungen werden wohl nicht
erforderlich sein.
Noch kürzer lassen sich einige englische Schriftsteller erledigen, weiche
die chemische Theorie zum Gegenstande ihrer Erwägungen machten. Dono-
van, Ezechiel Walker, Webster, Singer und ein Ungenannter L. O. C
tauschten ihre mehr oder weniger hypothetischen Meinungen in den Bänden 42
bis 52 des Philosophical Magazine aus, und vielleicht das interessanteste
Moment in dieser Diskussion besteht darin, dass der letztgenannte Corre-
spondent für seine Meinungen einen Beleg besonderer Art beibrachte. „Dies
Argument wird vielleicht von einigen Lesern als etwas ungewöhnlich ange-
sehen werden; da ich aber das Glück habe, in einem christlichen Staate zu
leben, und auch für Christen schreibe, so hoffe ich, dass es nicht ganz
1 Gilbert's Ann. 12, 49. 1802.
Der Kampf zwischen der Theorie der Berührungselektricität u. s. w. 431
unannehmbar ist" Und nun geht der gelehrte Herr dazu über, aus dem
Buche Mosis sowie aus dem fünften Kapitel des Hesekiel zu beweisen,
die von Walker ausgesprochene und von ihm vertretene Theorie sich
in völliger Übereinstimmung mit der Bibel befindet.
Daneben ist auch die deutsche Litteratur jener Zeit nicht ganz ohne
Widerspruch gegen den unbedingten Voltaismus, und es finden sich von
Zeit xu Zeit Bemerkungen gegen ihn, die freilich weitere Folgen nicht hatten
and nur dem Geschichtsforscher als Zeichen einer kommenden Entwicklung
von Interesse sind So bemerkt in einer Arbeit über den VoLTA'schen
Fundamentalversuch G. G. Schmidt in Giessen:1 „Nicht so fest begründet
(wie die Elektricitätserregung bei der Berührung der Metalle) scheint mir
der andere Satz Volta's, dass in seiner Säule der feuchte Körper bloss die
Rolle eines Leiters spiele. Ich isolirte eine Zinkplatte auf einer Glassäule,
legte auf sie eine in Salmiakauflösung getränkte Scheibe, und setzte die
Zinkplatte durch einen isolirten Zinkdraht mit der Condensatorplatte in Ver-
bindung. Der aufgehobene Deckel zeigte jedes Mal + E, bei einem Ver-
suche 20 °. Der Erfolg blieb, wenn ich den Zinkdraht mit einem Silberdraht
vertauschte. Eine isolirte Kupferscheibe, durch einen isolirten Kupferdraht
mit der Basis des Condensators in Verbindung gesetzt, zeigte nach auf-
gehobenem Deckel — E, wiewohl schwächer, als die Zinkplatte +E. Auch
diese Versuche habe ich mehrmals mit gleichem Erfolg wiederholt. Daher
kann ich bis jetzt die Meinung nicht aufgeben, dass die Flüssigkeit in der
VoLTA'schen Säule, besonders wenn in ihr eine starke chemische Wirkung
vorgeht, die Elektricitätserregung in den einzelnen Plattenpaaren sehr erhöhe
und verstärke/'
Ebenso machte sich die Trüglichkeit des gewöhnlichen VourA'schen
Fundamentalversuches, bei welchem zwei Platten aus verschiedenen Metallen
mit einander in Berührung gebracht, und nach der Trennung am Elektro-
meter geprüft werden, besonders deutlich bei einer Arbeit von Bischof und
von Münchow in Bonn2 geltend. Sie hatten sich mit besonderer Sorgfalt
eine Anzahl Condensatorplatten anfertigen lassen, um die Volt Aachen Ver-
suche in Vorlesungen vorzuführen und beobachteten dabei, dass nicht nur
bei der Berührung verschiedener Metalle Elektricitätserregung eintrat, sondern
ebenso, und in ungefähr gleicher Stärke, wenn sie Platten aus gleichem
Metall mit einander in Berührung brachten. Auch waren die Wirkungen
bei Platten aus verschiedenen Metallen sehr häufig die entgegengesetzten
von denen, die nach der VoLTA'schen Theorie zu erwarten waren, und
schliesslich, was das Schlimmste war, die Menge und das Zeichen der beob-
achteten Elektricität waren bei denselben Platten zuweilen verschieden. So
gab eine Kupfer- und eine Zinkplatte bei der ersten Berührung schwache
— E für das Kupfer, bei der Wiederholung des Versuches zeigte sich
mehrfach gar keine Spannung, und bei weiterer Wiederholung kehrte sich
1 Gilbert's Anm 70, 229. 1823. * Poggendoff's Ann. 1, 279. 1824.
432 Zwölftes Kapitel.
das Zeichen der Elektricität • um, so dass das Kupfer schwach positiv
wurde.
Bei diesen Versuchen waren die Platten mit einer dünnen Harzschicht
überzogen, und die leitende Verbindung wurde durch die Finger hergestellt
Um den möglichen Einfluss der Lackschicht auszuschliessen, wurde diese
abgewaschen, und die Berührung der Platten erfolgte ohne Zwischenschicht
Das Ergebniss war, dass die Platten sich wieder anders verhielten, ab vorher.
Die beiden Forscher kommen daher zu dem Ergebnisse, „dass eine und
dieselbe Platte gegen eine andere ein Mal positiv, ein anderes Mal negativ
sein kann, dass aber die Bedingungen, unter denen sich solche Verschieden-
heiten zeigen, noch nicht erforscht sind, und ferner, dass zur Anstellung von
Volta's Fundamentalversuch mit Harzfirniss überzogene Platten sich weniger,
eignen als Platten ohne Harzüberzug, indem die besondere Wirkung dct j
Harzes auf die Qualität der erregten Elektricität einen noch nicht genau j
erforschten Einfluss hat." I
Getreu seinem unabänderlichen Brauche, jeden Versuch der Auflehnung |
gegen die VoLTA'sche Theorie zu unterdrücken, beschäftigte sich alsbald 4
Pfaff mit diesen Versuchen1 und kam zu dem Schluss, dass der von \
jenen benutzte Mastixfirniss die Schuld an den abweichenden Ergebnisses :
trage, indem die damit überzogenen Platten bei der geringsten Reibung ,
aneinander elektrisch werden. Auch sei bei jenen Versuchen kein eigent- i
licher Metallcontact wirksam gewesen, sondern die aufeinandergelegten, durch i
den Firniss getrennten Platten wurden nur durch Berührung mit den Fingert^
verbunden, wodurch nach Volta zwischen ihnen überhaupt keine Elektrictäfc f
erregt werden sollte. Waren die Platten mit Bernsteinlack überzogen, so «
fanden nach Pfaff störende Wirkungen nicht statt. Gegen einige andere,
von jenen mitgetheilten Versuche wusste sich Pfaff freilich nicht so gut zu
vertheidigen; schloss aber nichtsdestoweniger seine Bemerkungen mit dem
caeterum censeo: „Übrigens wiederhole ich . . . dass durch jene Versuche
der Fundamentalsatz des ganzen Galvanismus, dass von zwei trockenen
Leitern, und insbesondere Metallen, in der unmittelbaren Berührung der
eine constant positiv, der andere constant negativ von einem ebenso con-
stanten und unwandelbaren Spannungsunterschiede — und namentlich von ;
den beiden Metallen Zink und Kupfer jenes positiv, dieses negativ wild,
nicht im geringsten angefochten worden ist"
3. de Luc. Zu den ersten, welche nach dem Eintritt der vollen Herr-
schaft der vollen VoLTA'schen Ansichten sich ernstlich gegen diese gewendet
haben, gehört ferner de Luc, dessen Namen bereits bei Gelegenheit der trockenen
Säule zu erwähnen war. In einer ausführlichen Abhandlung unter dem
Titel: „Analyse der galvanischen Säule"2 hat er versucht, die immer wieder«
holte Frage nach der fundamentalen Anordnung der Kette (S. 169) auf einem
neuen Wege zu entscheiden. Er stellt zunächst seine Ansichten über das
1 Schweigger's Journ. 46, 129. 1826. * Nicholsons Joum, 26, 113. 1810.
Der Kampf «wischen der Theorie der Berührungselektricität u. s. w. 433
sen der Elektricität in einen ausgesprochenen Gegensatz zu denen Davy's,
em er folgende Sätze als Ergebnisse seiner Versuche aufstellt. #
„1) Positive und negative Elektricität sind blosse Beziehungen auf einen
stimmten Nullpunkt, welche die Vertheilung der elektrischen Flüssigkeit
sehen den Körpern betreffen; chemische Wirkungen sind mit diesen Be-
tiiingen nicht verbunden.
„2) Die unmittelbare Wirkung der Verbindung zweier geeigneter Metalle
der Säule und deren Wiederholung ist die, dass auf der einen Hälfte der
nie in ihrer Länge die elektrische Flüssigkeit angehäuft wird, welche die
itere Hälfte verliert
99S) Wenn die beiden Enden der Säule durch einen leitenden Körper
t einander verbunden werden, so bringt die obige Eigenschaft der Säule
len Kreislauf der elektrischen Flüssigkeit hervor, welche beständig von
t Seite, wo sie sich anzuhäufen strebt, zu der Seite übergeht, wo sie den
angel ersetzt, welcher sich zu erneuen strebt.
„4; Dieser durch eine passende Anordnung von Metallen hervorgebrachte
reislauf kann in demselben Betrage und bei der gleichen Anzahl von
letallpaaren bestehen, ohne chemische Zersetzung oder Schlag hervorzu-
ragen.
„5) Damit diese Wirkung eintritt, ist nöthig, dass eine Flüssigkeit
wischen beide Metalle gebracht und eine Oxydation an ihnen hervorgerufen
fird. In diesem Falle ist die elektrische Flüssigkeit, die zwischen den
ietallen circulirt, verändert, diese Veränderung ist aber verschieden, je
ach der Natur der Flüssigkeit. Bei reinem Wasser sind chemische Wir-
ungen im Kreise vorhanden, aber es wird kein Schlag gefühlt; damit der
aztere hervortritt, muss der Kreislauf durch eine Säure hervorgebracht
rerden."
Die in den letzten Sätzen de Luc's hervortretende Vorstellung von einer
pezifischen Verschiedenheit, welche bei der Elektricität je nach ihrer Ab-
tammung vorhanden sein könne, hat ihre Ursache in seinem Studium der
rockenen Säule (S. 359), bei welcher allein die Spannungserscheinungen
ine sichtbare Grösse haben. Dieser Gedanke war gelegentlich schon früher
»«vorgetreten, und auch in der Folge werden wir ihm wieder begegnen.
Jwar war durch das Gesetz von Ohm später allen solchen Vermuthungen
ler Weg abgeschnitten, da alle beobachteten Unterschiede sich ohne weiteres
uif Unterschiede der Spannung oder der Leitfähigkeit zurückfuhren Hessen;
;erade aber bei den Forschern, welche sich um dieses Gesetz nicht küm-
nerten, wie de la Rive und Becquerel, trat diese irrthümliche Ansicht auch
pater wiederholt auf, und es bedurfte längerer Zeit, um sie endgültig aus-
airotten.
Um nun die Frage nach der Ursache der Erscheinungen in der Säule
u beantworten, suchte de Luc die Wirkungen derselben einzeln zu erhalten,
ndem er die Säule „secirte". „Ich verfuhr zuerst in einer sehr verwickelten
Veise ... um die beabsichtigte Dissection der Säule zu bewerkstelligen ...
Oitwald, Elektrochemie. 28
434
Zwölftes Kapitel.
V
Fig. 109.
Nach de Luc.
Nr. 2.
j
z
VMfMMMUMJMMfJMMKXTW
Nr. 1.
silver
Z22SSZEZSSZBH2ZZBZ5E
zinc
s
z
s
z
s
z
s
WUUWMUUJAMMWJUJOOPPOgB
2DS5BS
VMMfJWWSMMMM/WWWaC
WVWJWAMAAMWWWWWT
wel doth
w.c
w.c
w.c
I
wo
WWIMMWUOAMMAMMMAMC^ W.C
/r.
T
Tripod
yxm***M*M*M>M*Mxim w.c
bei der Wiederholung der Versuche benutzte ich ein einfacheres Verfahr«
indem ich aus je zwei Stücken von dünnem Messingdraht, die in Gest
eines T mit Schnellloth aneinander befestigt wurden, Dr<
füsse, wie in Fig. 109 herstellte, indem die drei na
unten gebogenen Enden aaa Füsse von 1/9 Zoll Hö
bildeten, welche die Verbindung der Gruppe, auf der
stehen, mit dem Dreifuss nur in drei kleinen Punkten v
mittein. Die Drähte waren selbst ein wenig nach unt
gebogen, so dass auch die auf dem Dreifuss liegende Grup
nur mit den drei Punkten bbb auflag."
Diese Dreifüsse wurden nun verwendet, indem sie zwischen je z\
aufeinanderfolgende Schichten der Säule eingeschaltet wurden. Es kann d
auf drei Arten j
schehen; die Di
fiisse können e
weder zwischen Zi
und Silber , o<
zwischen Silber u
Feuchtigkeit , «
endlich zwiscr
Zink und Feucht
keit geschaltet w
den. „Nr. 1 stellt eit
Theil der ununt
brochenen Säule 1
(Fig. 110), welche von einem Ende bis zum anderen gleichwerthig
. Nr. 2 ist eine erste Dissection der Säule durch die Dreifüsse, in welcl
die letzteren sie in tern
r* 3* Gruppen aus den . beic
Metallen mit der feudi
Schicht zwischen beic
theilen; dies ist gleicht
von einem Ende der Säule
zum anderen durchgefiil
Nr. 3 (Fig. in) stellt die zw<
Dissection der Säule dar,
welcher die Dreifüsse tern
Gruppen sondern, die ;
den beiden Metallen in geg
seitiger Berührung und <
feuchten Schicht in Berührung mit Zink allein bestehen; da diese Theih
an den Enden der Säulen nicht vollständig ist, so ist diese Nummer in z
Theilen dargestellt; der eine ist das obere Ende der Säule A, mit ei
Silberplatte allein am Ende, und der andere der Gipfel der Säule B
mnwiwimvwjwMwjwj w.c
S
1
jrereiWMWWWWWWWffiB
K C
Fig. 110. Nach de Luc.
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WMWtViVinViVAVtV
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irjhtou'JiArs-ArJJWM aK*ju w.c
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w.c
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C222Z,
ZäSSSSSSttSSE
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tr
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IsSBBSaB&SZSEZBSBZSSI&BDir
Jl 1
Fig. in. Nach de Luc.
Der Kampf zwischen der Theorie der Berührungselektricität u. s. w.
435
Zinkplatte und einer Flüssigkeitsschicht am Ende. Ähnlich ist der
in Nr. 4 (S. 112), wo die dritte Dissection gezeigt ist, mit der feuchten
:ht in Berührung mit Silber: auch diese Darstellung besteht aus zwei
[en, einer als Gipfel der Säule A, mit einer Silberplatte und einer
iten Schicht am Ende, der andere als Gipfel der Säule B, mit einer
platte allein/'
Mit den so angeordneten Säulen stellte de Luc nun Versuche an, um
Eigenschaften festzustellen. Unter Anwendung von Wasser als feuchte
cht erhielt er von keiner Schläge, dagegen von der ununterbrochenen
e wie von der ersten Dissection, Fig. 110, chemische Wirkungen sowie
Tische Spannungen an dem BENNBT'schen Goldblattelektrometer mit (Don-
ator. Die zweite Dissection Fig. 1 1 1 Hess die elektrischen Erscheinungen
ehen, während die chemischen verschwunden waren. Bei der dritten Dissec-
(Fig. 112) wurden weder
Nr. 4.
A
B
z\ I
BD
|*MwwuuiiuuutAAJWAAk>qaiy:/r
imAHwwuwiKJumjumjAbp^ w
EBB
JnAAAAAfWUlAJwMtf» W C
Fig. 112. Nach de Luc.
trische, noch chemische
cheinungen^ beobachtet
Als das Wasser der
Jiten Schichten durch ver-
nte Säure ersetzt worden
, blieben alle diese Wir-
igen die gleichen, nur
■de bei der ununter-
chenen Säule wie bei der
en Dissection der Schlag
spürt.
Aus diesen Versuchen
1 einer Anzahl weiterer zog nun de Luc den Schluss, dass die funda-
ntale Anordnung der Säule verschieden ist, je nach der Wirkung, welche
Säule hervorbringt. Da nur die erste Dissection chemische Wirkung
tehen lässt, so ist für diese die Anordnung Zink -Feuchtigkeit- Silber die
damentale. Da hier gleichzeitig die einzige Anordnung vorliegt, bei
Icher das Zink oxydirt wird, so kam de Luc zu der Ansicht, dass durch
1 Oxydationsvorgang die elektrische Flüssigkeit eine Änderung in ihrer
jchaffenheit erfährt, welche sie befähigt, ihrerseits wieder chemische Wir-
igen hervorzubringen. Ähnliche Schlüsse zog er dann bezüglich der
ieren Wirkungen der Säule, wie das oben angedeutet worden ist.
Die Erklärung der Erscheinungen ist gegenwärtig nicht schwer zu
den, und man sieht alsbald, dass diese Versuche über die Frage allerdings
hts entscheiden. Bei der ersten Dissection befinden sich die messingenen
eifiisse zwischen den beiden Metallen und ändern nach dem VoLTA'schen
setz nichts an der Spannung, und vermöge ihrer guten Leitung auch
hts an der Stromstärke. Bei der zweiten Dissection berührt jeder Drei-
s die Flüssigkeit nur an drei Punkten, oder vielmehr an drei sehr kleinen
chen; der grosse Widerstand der Flüssigkeit macht sich bei dem sehr
28*
Zwölftes KapiteL
s??r~j&~z jair?ci=rr öö jätenden Antheils geltend, und die Stromstärke
f£~2£_ Do. fas üessmg wesentlich wie Kupfer in der Kette wirkt,
t'jcl Süber mir wenig verschieden ist, so bleibt die Spannung
ttti&rjctrrjd :btse£be. v**L Messing; und Silber unmittelbar aneinander grenzen
Iää :at ri öer drrti^ Dsssccrnott nicht mehr der Fall; wir haben dort eine
icr«e.isr Lettcrös St^Ie i^s Silber. Feuchtigkeit und Messing, indem das
rw-scher. dses» beäkien ^fetalen bennrilicbe Zink nach dem VoLTA'schea
^canr.ar.gs^eset2 crwirkssn isc: Die Beobachtungen von de Luc sind abft
r. vciligetn EinV.A^^e nr: iea bekannten Gesetzen der elektrischen Erschef-
r. .T-gen der Sasle uro cie ülfesecrion** derselben hat nichts mehr gelehrt,
za bereit* bekannt war. Eter Errthom. dass man auf diesem Wege weher
k/xntnen könne, lag darin, dass ze La: sich nicht gefragt hatte, welche
fl*ra<e Wirkungen das voß -rm angewendete Mittel der Dreifösse in der
.Sauie hervorbringen konnte. Er ha: die eingeschalteten Messingdrahte für
bi/ywe Trennungsmirtel der Katten angesehen, welche die Leitung nicht
unterbrachen: ob nicht durch sie die Säule ihre Natur und Beschaffenheit
ändert, hat er zu fragen und zu untersuchen unterlassen.
Diese Arbeiten von de Lcc haben weiter keinen erheblichen Einflu»
gehabt; sie riefen eine kurze Diskussion hervor, sind aber bald darauf völlig
in Vergessenheit gerathen.
Bemerkenswerth und aunaüig ist, dass de Llx über die Verhältnisse der
elektrischen Vorgänge sich bezuglich der Grössen, die wir als Spannung und
Elektricitätsmenge kennen, recht klare Vorstellungen gebildet hatte; sogar
der von Ohm mit so viel Erfolg benutzte Vergleich der ersteren mit dem
Druck einer Flüssigkeit, der zweiten mit deren Menge findet sich bei
i>r Lcc benutzt, um die elektrischen Erscheinungen zu veranschaulichen.
Kr setzt3 auseinander, wie ein Elektroskop nur dann den elektrischen Zu-
stand eines damit verbundenen Körpers richtig anzeigen wird, wenn dieser
sehr gross ist, ebenso, wie ein in feuchten Grund gegrabener Brunnen nur
dann die Wasserhöhe desselben zeigen wird, wenn sein Inhalt im Vergleiche
zu dem des Grundes klein ist „Ich vergleiche die Zahl der Plattenpaare
mit der Höhe der Schicht, aus welcher Wasser in einen Brunnen tritt; die
Grösse der Platten mit der Ausdehnung der Schicht; den Grad der Divergenz
in dem Elektroskop an den Enden der Säule mit der Höhe, welche das
Wasser im Brunnen erreichen kann, ohne überzufliessen." Diese Analogie
1 Um einen möglichen Inthum zu vermeiden, mache ich hier besonders aufmerksam, dass
das VoLTA'sche Spannungsgesetz mit der VoLTA'schen Contacttheorie nichts xu tmm
hat. Ersteres ist ein rein experimentelles Gesetz, welches besagt, dass auf die effective Spannung
nur die an den feuchten Leiter grenzenden Metalle Einfluss haben, die zwischen anderen Metallen
befindlichen aber nicht. Diese Thatsache besteht ganz unabhängig von der Beantwortung der
Frage, in welchen Berührungsstellen man den Sitz der elektromotorischen Kraft annimmt, denn
es wurde auf S. 144 gezeigt, dass auch bei der Annahme, dass zwischen den Metallen über-
haupt keine ßerährungselektricitat besteht, das Spannungsgesetz seine Gültigkeit behalt.
* Nicholson'» Journ. 26
Der Kampf zwischen der Theorie der Berührungselcktricität u. s. w. 437
nd dann ganz sachgemäss benutzt, um abzuleiten, dass die Spannung des
dctroskops nur von der Plattenzahl einer Säule, nicht von der Grösse der
tten abhängen kann, „ebenso, wie der Stand des Wassers in einem
innen nur der Höhe der Schicht proportional ist, aus der es kommt.
rd aber, um einen Strom von Wasser hervorzubringen, eine Röhre ange-
t oder ein Graben gezogen, so wird der Strom stärker und dauernder
a» Je grösser die Schicht ist, aus welcher das Wasser kommt, bei gleicher
he." An diese ganz richtigen Auseinandersetzungen knüpft de Luc aller-
igs alsbald die weitere Analogie, dass wie das Wasser je nach Beschaffen-
t der Schichten, durch die es gegangen ist, verschiedene Eigenschaften
nimmt, so auch die Elektricität verschiedener Art sein könne. Auf diese
eise richtet er den brauchbaren und hilfreichen Gedanken, der ihm bei
igehenderer Überlegung gestattet hätte, die von ihm beobachteten Unter-
biede der Wirkung verschiedener Säulen zu erklären, durch das Verfolgen
1er falschen Analogie wieder zu Grunde.
4. Die elektrochemischen Arbeiten von Becquerel. Um die
eiche Zeit, in welcher die elektromagnetischen Entdeckungen (S. 367) gemacht
irden, begann ein Forscher seine Arbeiten, dessen Name nach Davy einer
t ersten ist, an die sich die Bezeichnung Elektrochemiker knüpfen lässt,
am er hat sein ganzes langes und überaus thätiges Leben hindurch sich
» gut wie ausschliesslich mit Forschungen auf diesem Gebiete beschäftigt.
s ist dies Antoine Cesar Becquerel, geboren 1788 in Chatillon-sur-Loing,
starben 1878 in Paris, nach vollendetem 90. Lebensjahre.1
Mit Becquerei/s Namen verknüpft sich nicht die Erinnerung an eine
sonders hervorragende wissenschaftliche Einzelleistung; namentlich nach
rr theoretischen Seite der Wissenschaft hat er keinen irgendwie erheblichen
influss ausgeübt. Was ihn auszeichnet, ist eine fast unübersehbare Fülle
:perimenteller Einzelbeobachtungen, die sich, wie schon erwähnt, wesentlich
if elektrochemische Erscheinungen, daneben aber auch auf zahlreiche andere
Metrische Fragen beziehen; so hat er sich namentlich erfolgreich mit der
bermoelektricität beschäftigt und den von Seebeck ausgesprochen Satz, dass
ich die thermoelektrischen Erregungen der verschiedenen Metalle dem
esetze der Spannungsreihe folgen, durch quantitative Messungen bestätigt
\d erweitert. Seine zahlreichen Abhandlungen bilden eine noch bei weitem
cht erschöpfte Quelle von Anregungen auf unserem Gebiete; viele der
m ihm beobachteten Erscheinungen harren noch der Aufklärung durch
e Herstellung eines Zusammenhanges mit anderweit bekannten Thatsachen
ier durch die quantitative Durcharbeitung. Ein weiteres Verdienst, welches
• sich im Anfange seiner wissenschaftlichen Laufbahn, also in der Zeit, von
* hier die Rede ist, erworben hat, ist seine Betonung der chemischen
orgänge in der Säule, durch welche er dem schnell sich ausbreitenden
ibedingten Voltaismus wenigstens in Frankreich einen Damm entgegensetzen
1 Vgl. Comptes rendus 86, 125. 1878.
438 Zwölftes Kapitel.
half, und die zu Gunsten des letzteren schon fast erledigt erscheinende Frage
aufs Neue zur Verhandlung brachte. In dieser Richtung ist ihm allerdings
der gleich zu erwähnende, etwas später aufgetretene Genfer de la Rive weit
überlegen.
Becquerel/s erste elektrochemische Arbeit1 bezieht sich auf die bereits
erörterte Erscheinung, dass beim ungleichzeitigen Eintauchen zweier Stücke
von gleichem Metall in Säure ein Strom entsteht Im Anschlüsse hieran
theilt er einen Versuch mit, der ihn weiterhin beständig beschäftigt hat: er
betrifft die Entstehung elektrischer Ströme bei der Bildung eines Salzes aus
Säure und Alkali. Zu dem Zwecke bediente er sich eines Galvanometers*
dessen Drähte in Platin ausliefen. „An jedem Ende des Drahtes befestige \.
ich ein kleines quadratisches Platinblech; auf eines derselben lege ich das *
Alkali, das andere tauche ich in Säure und lege es auf das Alkali. Es v
findet alsbald eine chemische Verbindung zwischen beiden statt, und es ;-
entsteht daraus ein ausserordentlich kräftiger elektrischer Strom, welcher von *
dem einen zum anderen durch den Draht geht. Man sieht daher, dass bei ~
der Verbindung der beiden Stoffe die Säure die positive Elektricität nimmt,
und das Alkali die negative."
Die Kritik dieses Versuches, der in einer späteren Form ungemein -
bekannt geworden ist, durch Davy ist bereits erwähnt worden (S. 352). Diese :
spätere Form besteht darin, dass an einem Ende des Galvanometerdrahtes .
ein Löffel, am anderen eine Zange, beide von Platin, angebracht wird.1 In
den Löffel kommt die Säure, mit der Zange wird ein Stück Kali gefasst; ,
taucht man letzteres in die Säure, so entsteht ein kräftiger Strom. Mit dem .
gleichen Apparat versuchte Becquerel eine Elektricitätsentwickelung bei der
Auflösung eines festen Körpers in Wasser nachzuweisen, jedoch ohne Erfolg.
Dagegen erhielt er Ströme, als er in den Löffel eine Lösung von Alkali that,
und mittelst der Zange Zink- oder Bleioxyd, die in Alkali löslich sind, in
das Alkali brachte. Ebenso erhielt er eine schwache Ablenkung der Nadel,
wenn er Fällungen durch einfache Wahlverwandtschaft stattfinden Hess; bei
solchen durch doppelte Zersetzung hat er keinen Strom beobachten können.
Weitere Versuche beziehen sich auf die Messung der Verwandtschaft
der Metalle zu den verschiedenen Säuren, die er folgendermaassen zu be-
stimmen versucht. Zwei unten eben geschliffene Stücke Glasrohr werden
so auf ein Platinblech gekittet, dass sie zwei nebeneinander befindliche Becher
darstellen, deren Boden das gemeinsame Blech bildet In die beiden Becher
kommen die verschiedenen Flüssigkeiten, deren Wirkung man bestimmen
will, und an den Enden des Galvanometerdrahtes werden Stücke des Metalles
befestigt, auf das gewirkt werden soll. Die verschiedene Verwandtschaft ver-
schiedener Metalle zu derselben Säure ergiebt sich bei der Verbindung der-
selben mit den Drähten des Galvanometers, wobei zur Vermeidung der nach
der VoLTA'schen Theorie vorauszusetzenden Erregungen bei der Berührung
1 Ann. chim. phys. 23, t52. 1823. • EbendA 23, 252. 1823.
Der Kampf zwischen der Theorie der Berührungselektricität u. s. w. 43a
verschiedenen Metalle, feuchtes Papier zwischen diese gelegt wird, welches
Volta keine messbare Spannung giebt, und dem gleichzeitigen Ein-
tauchen in die Säure; dabei muss auf die Möglichkeit von Strömen durch
ungleichzeitiges Eintauchen Rücksicht genommen werden.
Diese Untersuchungen erregten ihrer Zeit ein lebhaftes Interesse, wie
daraus hervorgeht, dass sie vielfach übersetzt und in andere Zeitschriften
übernommen worden sind. Doch muss gesagt werden, dass sie Einwänden
ausgesetzt sind, die auch zu jener Zeit offen zu Tage lagen. Die Berührungs-
stellen in den von Becquerel untersuchten Ketten sind immer mehrfache, und es
liegt eine ungerechtfertigte Willkür darin, den beobachteten Strom gerade
einer von den vorhandenen Berührungen zuzuschreiben, und die anderen
unbeachtet zu lassen. Die früher (S. 169) erwähnten Versuche, die „wahre"
Anordnung der Kette zu ermitteln, hatten bereits ergeben, dass auf keine
Weise durch die Messung an Ketten der Werth der Spannung an den ein-
zelnen Berührur\gsstellen zu ermitteln ist, denn es sind jedes Mal mehr
Berührungsstellen vorhanden, als unabhängige Messungen angestellt werden
können. Dadurch erhält man immer weniger Gleichungen als Unbekannte,
und man kann jede beliebige Annahme wenigstens über einen Werth machen,
ohne jemals mit der Erfahrung in Widerspruch zu gerathen.
Die Erkenntniss dieses Umstandes, dessen klare Einsicht allem Streit
zwischen Contacttheorie und chemischer Theorie ein Ende gemacht hätte,
da sie die Frage nach dem Werthe der an den verschiedenen Berührungs-
stellen herrschenden Spannungen, auf welche jener Streit schliesslich hinaus-
laufen muss, als unbeantwortbar mit den bekannten Hülfsmitteln herausgestellt
hätte, war zwar vorhanden, und lässt sich von Zeit zu Zeit nachweisen, sie
hat aber nicht die eben als nothwendig bezeichnete Wirkung hervorgebracht.
Dazu war das Bedürfniss nach einer geschlossenen Theorie der galvanischen
Erscheinungen zu lebhaft, und man mochte sich nicht dabei beruhigen, die
durch die Beschränkung der Mittel erzwungene Mitführung einer additiven
Constanten unbekannten Werthes in alle die VoLTA'sche Kette betreffenden
Überlegungen und Gleichungen zuzulassen. Vielmehr wurde alles erschöpft,
um den Werth jener Constanten, wenn auch nicht un widersprechbar richtig,
so doch so wahrscheinlich wie möglich zu bestimmen. Um die verschiedene
Werthschätzung jener Wahrscheinlichkeitsgründe hat sich dann schliesslich
der ganze Streit gedreht, und dass ein solcher Zustand der allerfruchtbarste
fiir Streitigkeiten ist, wird ja in den Wissensgebieten am deutlichsten sicht-
bar, in denen die Entscheidungen vorwiegend auf Wahrscheinlichkeitsbeweise
gegründet werden müssen.
In dem weiteren Verfolg seiner Arbeiten entdeckte Bequerel eine andere
Ursache elektrischer Erregungen, die man seitdem mit dem Namen der
Capillarströme bezeichnet hat1 „Giessen wir irgend eine Säure, z.B. Salz-
säure, die mit dem fünffachen Gewicht Wasser verdünnt ist, in den Platin-
1 Ami. chim. phys. 24, 342. 1823.
440 Zwölftes Kapitel.
löffel, der mit dem einen Ende des .Galvanometerdrahtes verbunden ist,
tauchen einen Platinschwamm hinein, der an der mit dem anderen
des Drahtes verbundenen Zange befestigt ist (der Schwamm ist so
reitet, dass er keine Spur fremder Stoffe enthält), so wird in demselben
Augenblicke ein Strom entstehen, welcher vom Schwamm nach der Säuft
geht, und daher dem entgegengerichtet ist, welcher entstehen müsste, wen
die Säure vom Metall angegriffen worden wäre. In dem Maasse, wie die.
Poren sich mit Flüssigkeit füllen, nimmt der Strom an Stärke ab, und e*:
kommt ein Augenblick, wo er Null ist; dies geschieht, wenn der Schwamm
alle Flüssigkeit aufgenommen hat, die er enthalten kann. Wenn die Säutt
concentrirt ist, so ist die Wirkung weniger deutlich."
Von einigem Interesse ist die Stellung, welche Becquerel ursprünglich i
gegenüber der VourA'schen Theorie einnahm. Die Lehre von der elektrisches
Spannung zwischen verschiedenen Metallen erschien damals so fest gegründet,
dass er sich die Frage nach ihrer Richtigkeit gar nicht stellt; er nimmt sie
ohne weiteres an. Um nun für seine chemischen Ströme Raum zu erhalten,
stellt er folge Überlegung an.
„Wir haben . . . gezeigt, dass zwischen den durch die einfache Berührung
der Stoffe hervorgebrachten elektrischen Wirkungen, und denen, die aus den
chemischen Thätigkeiten hervorgehen, ein sehr grosser Unterschied besteht:
bei der Berührung besteht eine elektrische Spannung, welche dieselbe bleibt,
in welcher Ausdehnung sich die dem Versuch unterworfenen Körper auch
berühren; während bei der chemischen Thätigkeit diese Spannung annähernd
Null ist, oder wenigstens durch unsere Instrumente nicht bestimmbar: die
Dinge gehen vor sich, als wenn ununterbrochene elektrische Ströme zwischen
den Körpern während der Wirkung der Affinität verliefen." Dass Ströme
und Spannungen sich gegenseitig bedingen und voraussetzen, war allerdings
eine Erkenntniss, welche eben um jene Zeit erst durch die Arbeiten Ohm's
in's Klare gesetzt wurde.
Die Erkenntniss, dass noch weitere elektrische Spannungen als die
ursprünglich von ihm vorausgesetzten, bei seinen Versuchen wirksam gewesen
sind, ist Becquerel bald darauf gekommen, und um diese einzeln kennen
zu lernen, hat er das BEHRENs'sche Elektrometer in einer von Bohnenberger
abgeänderten Form benutzt. Wie weit es ihm gelungen ist, diese Aufgabe
zu lösen, geht aus folgender Darstellung1 hervor.
„Es wurde auch versucht, die elektromotorischen Wirkungen der Metalle,
z. B. des Platins, bei ihrer Berührung mit sauren oder basischen Lösungen
sichtbar zu machen: es wurde aut die obere Platte des Condensators eine
Schale aus Platin gestellt, die mit einer alkalischen Lösung gefüllt war;
ferner wurde einerseits die untere Platte mit einem Platinblech berührt,
andererseits die Flüssigkeit mit dem Finger. Auf diese Weise wurden die
elektromotorischen Wirkungen zwischen dem Platin und Kupfer aufgehoben,
1 Ann. chim. phys. 25, 405. 1824.
Der Kampf zwischen der Theorie der Berührungselcktricität u. s. w. 44 \
sie beiderseits gleich waren; und auf der oberen Platte blieb nur die
dektricität übrig, welche das Platin durch die Berührung mit der Lösung
angenommen hatte. Zuweilen ist es nöthig, zwischen das Platin und Kupfer
einen kleinen Streifen Papier zu bringen, denn der Apparat ist empfindlich
genug, dass . eine sehr kleine Verschiedenheit in der Beschaffenheit der
metallischen Oberflächen das Ergebniss ändert."
Wir sehen hier Becquerel auf dem Wege, um den Kenntnissen seiner
Zeit gemäss den wahren Spannungsunterschied zwischen Platin und Flüssig-
keit zu suchen; er hat aber die Analyse seines Experimentes nicht weit
genug getrieben. Zwischen der symmetrischen Anordnung beim Conden-
. sator: Platin, Messing, Messing, Platin, hat er einerseits die alkalische Lösung,
andererseits den Finger, also eine wesentlich neutrale Flüssigkeit eingeschaltet;
was er gemessen hat, ist die Summe der Spannungen Platin- Alkali, Alkali-
Finger und Finger-Platin. Er setzt die beiden letzteren gleich Null, und
_ erhalt dadurch sein Ergebniss; mit welchem Rechte er aber diese vernach-
lässigt, hat er nicht gesagt, ja er scheint überhaupt nicht bemerkt zu haben,
dass er eine Vernachlässigung begangen hat.
Ebenso lehrreich ist ein anderer Trugschluss, welchen Becquerel in
seiner nächsten Abhandlung begeht.1 „Nehmen wir zwei Schalen von
gleicher Grösse aus Porzellan; in die eine giessen wir eine alkalische, in die
andere eine saure Lösung, und vereinigen beide Flüssigkeiten durch einen
Platinstreifen. Taucht man nun in die beiden Lösungen zwei Platinbleche,
welche an den Enden des Galvanometerdrahtes befestigt sind, so findet kein
elektromagnetischer Vorgang statt, da die elektromotorischen Wirkungen des
Platins auf beide Lösungen sich aufheben. Legen wir nun auf den mittleren
Platinstreifen einen Docht von Asbest, welcher in beide Flüssigkeiten ein-
taucht, so haben wir alsbald einen elektrischen Strom, welcher so auf die
Magnetnadel wirkt, dass die positive Elektricität aus der Säure, und die
negative aus dem Alkali kommt. Dadurch ist es bewiesen, dass die elek-
trischen Wirkungen, welche wir bei dem anderen Versuche beobachtet haben,
richtig sind."
Becquerel hat hier versucht, den Pelz zu waschen, ohne ihn nass zu
machen. Um die Wirkungen zwischen Platin und Flüssigkeit aufzuheben,
hat er die Zwischenplatte eingeschaltet; da dann aber keine Berührung der
beiden Flüssigkeiten eintritt, hat er auch noch diese durch den Asbestdocht
hergestellt, und dabei hat er nicht bemerkt, dass eine Kette entstanden war,
in welcher die zu vermeidende Wirkung wieder vorhanden war. Denn seine
Kette ist nichts als die urprüngliche Platin -Alkali -Säure -Platin neben der
unwirksamen symmetrischen, und die beobachtete Wirkung nichts als die
jener Kette, da die symmetrische eben nicht wirkt.
Ausser diesen Arbeiten hat Becquerel noch eine grosse Zahl weiterer
ausgeführt, auf die wir in der Folge mehrfach zurückkommen werden. Die
1 Ann. chim. phys. 26, 177. 1824.
442 Zwölftes Kapitel.
eben genannten entschieden zwar die Frage nach der chemischen Ent-
stehung der VoLTA'schen Elektricität in keiner Weise, sie hatten aber dct
grossen Werth, die Frage selbst wieder in Fluss zu bringen, und an 9
knüpft sich alsbald eine grosse Reihe weiterer Versuche, in gleicher Richtung^
vorzudringen.
5. A. de la Rive. Ein anderer Forscher, welcher etwa um dieselbe
Zeit seine Arbeiten begonnen hat und der von grossem Einflüsse auf die
Frage nach der Ursache der elektrischen Erscheinungen der Kette gewesen
ist, ist August de la Rive, seiner Zeit Professor der Physik an der Akademie js
zu Genf. De la Rive war nach Parrot der erste, welcher dem VoLTA'schea j:
Fundamentalversuch die diesem bis dahin allgemein zugeschriebene Beweis- l-
kraft absprach und die bei -der Berührung der Metalle auftretende Elektricität 2
ausschliesslich auf chemische Vorgänge, insbesondere solche zwischen den
Metallen und der Luftfeuchtigkeit oder dem Luftsauerstoff, zurückführte. ;
Dadurch entfachte er den eifrigsten Widerspruch der überzeugten Voltaisten, ;
und man kann die Zeit dieser Erörterungen als den Höhepunkt des Kampfes
beider Richtungen bezeichnen. Gegenüber Becquerel ist er ein bei weitem
ausschliesslicherer Vertreter der chemischen Theorie.
Daneben ist de la Rive noch in vielen anderen Gebieten der Elektrik
eifrig thätig gewesen, und hat seinen Eifer für diese durch die Herausgabe
einer eigenen Zeitschrift, der „Archives de Päectricite^ bewährt, welche von
1841 bis 1845 *n fünf Bänden erschien, und in welcher alles gesammelt
wurde, was damals in diesem Gebiete gearbeitet wurde. Seine wissenschaft-
liche Thätigkeit erstreckt sich über die Jahre 1823 bis etwa 1860.
Der wissenschaftliche Charakter de la Rivers ist der eines thätigen und
vielseitigen, aber nicht eben tiefen Gelehrten. Er hat seiner Zeit die Ver-
theidigung der chemischen Theorie des Galvanismus nicht mit unzweifel-
haftem Erfolg durchführen können, und man muss sogar zugestehen, dass
manche Blossen, die er sich gegeben hat, auch der Anerkennung seiner
richtigen Gedanken hinderlich wurden. In der Geschichte dieses Streites
macht es sich ziemlich allgemein geltend, dass die physikalisch-mathematisch
geschulten Forscher sich an die VoLiVsche Ansicht hielten, unzweifelhaft,
weil diese schärfer formulirbar war, als die gar zu unbestimmten Ideen der
„Chemiker." Umgekehrt fanden diejenigen Forscher, welche den Schwer-
punkt ihrer Thätigkeit in experimentellen Arbeiten hatten, die VoLTA'sche
Ansicht trotz ihrer äusseren Glätte unbefriedigend, weil diese den ganz
unverkennbaren Zusammenhang der chemischen und elektrischen Erschei-
nungen, dem sich Niemand entziehen konnte, der die Erscheinungen täglich
sah, so völlig ausser Betracht Hess. Derartige Forscher verfugen aber meist
nicht in gleichem Maasse über die Hülfsmittel der Mathematik und verfallen
leicht in den Fehler, Zusammenhänge, die sich ihnen experimentell erschlossen
haben, in unzulänglicher Gestalt zu formuliren, und dadurch die Werth-
schätzung ihrer thatsächlichen Fortschritte gerade von jener Seite mehr als
billig zu schädigen.
Der Kampf zwischen der Theorie der Berührungselektricität u. s. w. 443
Ähnlich ist es mit de la Rive gegangen. Die gelegentlichen logischen
chwächen in der Form, die er seinen Ansichten gab, Hessen vielfach den
rauchbaren Kern übersehen, der ihnen zu Grunde lag, und so ist auch
äne Thätigkeit in jenem langen Streite vorübergegangen, ohne dass nachher
ie Situation wesentlich geändert gewesen wäre.
Schon eine der ersten Arbeiten, mit denen de la Rive an die Offent-
tchkeit trat, bringt ihn mitten in die unbeantworteten Fragen über die
ihemischen Erscheinungen der Säule.1 Nach einer klaren Übersicht der bis
bhin geäusserten Ansichten über den Vorgang der galvanischen Zersetzung
sortert er die verschiedenen Hypothesen darüber und erklärt die von
Seotthuss schliesslich als die befriedigendste. Er ändert sie etwas ab, und
macht sich folgendes Bild von dem Vorgange. Der elektrische Strom besteht
aas zwei einzelnen, entgegengesetzt verlaufenden Strömen von + und
— Elektricität Diese hat eine grosse Verwandtschaft zu den Bestandteilen
der zersetzbaren Stoffe, und zwar +E zu den Basen, — E zu den Säuren.
Beide Elektricitäten verbinden sich mit diesen Stoffen, wenn sie in die
Flüssigkeit treten, und bewegen sich mit ihnen in entgegengesetzter Richtung.
An den metallischen Polen kann der mit der Elektricität verbundene Stoff
nicht mehr fortgeführt werden, beide trennen sich daher, und der Stoff
erscheint am Pol.
De la Rive ist nicht dessen gewahr geworden, dass seine Theorie der
Hauptsache nach mit der ältesten übereinstimmt, welche überhaupt über
diesen Gegenstand versucht worden ist, mit der von Cruikshank (S. i5°)>
welche unmittelbar nach der Beobachtung der ersten galvanischen Zer-
setzungserscheinungen aufgestellt wurde! Ein Vierteljahrhundert eifrigster
Arbeit hat im Kreise herum, und wieder zum Ausgangspunkte zurück geführt.
In einer bald darauf veröffentlichten Arbeit über die Erscheinungen,
welche die VoLTA'sche Elektricität beim Durchgange durch flüssige Leiter
zeigt,2 stellte de la Rive zunächst von neuem fest, dass die Ausscheidung
der Stoffe ausschliesslich an den metallischen Polen stattfindet, und nirgendwo
im Inneren der Flüssigkeit Bei der Betrachtung der verschiedenen Hypo-
thesen über diese Vorgänge bemerkt er: „Nach der Hypothese, zufolge
welcher die Flüssigkeit sich in zwei Theile theilt, die mit verschiedenen
elektrischen Spannungen behaftet sind, begeben sich die positiven Elemente
nach der negativen Atmosphäre, indem sie von der positiven abgestossen
werden, und die negativen Elemente begeben sich nach der positiven. Wie
geschieht es aber, dass die nach entgegengesetzten Richtungen bewegten
Molekeln, die mit einer grossen gegenseitigen Verwandtschaft und mit ent-
gegengesetzten Elektricitäten behaftet sind, sich nicht mit einander verbinden?
Auch kann man die Molekeln nicht wandern sehen, selbst mit Hülfe eines
starken Mikroskopes (ich benutzte eines von Amici)."
Ebenso findet de la Rive Schwierigkeiten in der Theorie von Grotthuss
1 Ann. dum. phys. 28, 190. 1825. * Ebenda 28, 190. 1825.
444 Zwölftes Kapitel.
und stellt schliesslich eine eigene Hypothese auf. Diese kommt im Wesent-
lichen auf die Annahme eines doppelten Stromes, eines positiven in der
einen, und eines negativen in der entgegengesetzten Richtung hinaus. „Diese
beiden elementaren Ströme, von denen jeder mit einer sehr starken Ver-
wandtschaft zu den Molekeln von entgegengesetzter Natur begabt ist, ent-
stehen erst, nachdem die beiden Pole der Säule in den Leiter getaucht sind
Der Strom, welcher vom +Pole ausgeht, greift die angrenzende Molekd
an, bemächtigt sich seines Wasserstoffes, wenn es Wasser ist, seines Alkalis, i
wenn es ein Salz ist, und macht den Sauerstoff oder die Säure frei, welche i
sich alsbald entwickeln. Indem er mit einer gewissen Stosskraft nach dem ;
negativen Pole strebt, befördert er mit sich durch die Flüssigkeit die Molekd,
mit der er verbunden ist; da er sie aber nicht durch einen trockenen Leiter
wie ein Metall befördern kann, so verlässt er sie, wenn er in den —Pol
eintritt. Der negative Strom wirkt in ähnlicher Weise auf den Sauerstoff
und die Säure der Molekel, welche er beim Verlassen des —Poles antrifft.
Nach dieser Hypothese, welche mir alle beobachteten Thatsachen zu umfassen
scheint, stammen die an den Polen angehäuften Elemente aus zwei Quellen;
i) aus dem einen Element der Molekel, deren anderes Element durch den
austretenden Strom fortgeführt worden ist, 2) aus dem entsprechenden Ele-
ment, welches vom Strome herangeführt wird, der vom entgegengesetzten
Pole ankömmt"
Diese Vorstellung eines doppelten Stromes ist hernach ein Lieblings-
gedanke de la Rivers geblieben. Für die Entwickelung der Wissenschaft ist
sie nicht von Belang geworden. Dagegen ist die Betonung des gleichzeitigen
Wanderns der Elektricität mit den ponderablen Bestandteilen der zersetzten
Flüssigkeit von Werth; freilich hat dieser Gedanke erst seine Bedeutung voll-
ständig erlangen können, nachdem durch Faraday der gesetzmässige Zu-
sammenhang zwischen der Elektricitäts- und der Stoffmenge aufgedeckt war,
welche sich gleichzeitig in und mit dem Strome bewegen.
De la Rive ging nun zu der Schilderung von Versuchen über, welche
er in Bezug auf den Einfluss von Platinplatten angestellt hatte, die in den
flüssigen Leiter eingeschaltet waren. Es gelang ihm nicht, diese Erschei-
nungen zu entwirren, da ihm dazu die unentbehrliche Führung durch die
OHM'sche Theorie fehlte. Die Versuche selbst bieten den viel älteren Ritter?*
(S. 175) gegenüber kaum etwas Neues, wenn man nicht den Umstand rechnett
will, dass er die secundären Ströme auch mittelst des Galvanometers nach»
gewiesen hat, während Ritter sich mit den anderen ihm zu Gebote stehenden
stromprüfenden Mitteln hat begnügen müssen.
6. Der Angriff auf die VoLTA'sche Theorie. Die ersten Arbeiten
de la Rivers lassen sich als kleine Vorpostengefechte gegen die festen Ver-
schanzungen der VoLTA'schen Theorie ansehen. Doch säumte er nichts
allmählich seinen Angriff weiter auszudehnen, und zunächst die Aussenwerke,
bald darauf aber auch den eigentlichen Mittelpunkt der Stellung, die Con-
tacterscheinungen selbst anzugreifen. Er ist in dieser Beziehung weit
Der Kampf zwischen der Theorie der Berührungselcktricität u. s. w. aac
fgiacher als Bbcquerel vorgegangen, und hat sich dadurch die unbe-
ttene Stellung eines Führers in dem nun ausbrechenden Kampfe erworben.
Gegen die VoLTA'sche Theorie wurde von de la Rive zunächst das
gument geltend gemacht, dass man aus denselben zwei Metallen Ketten
jen könne, welche je nach der benutzten Flüssigkeit entgegengesetzte Pole
ben.1 Die Thatsache selbst war nicht neu; sie ergiebt sich schon aus
ei Untersuchungen des eifrigen Voltaisten Pfaff (S. 186). Der erste Fall,
n er anfuhrt, ist Kupfer und Zinn. In Salzlösungen ist ersteres negativ
gen das letztere, nimmt man aber als Zwischenflüssigkeit Ammoniak, so
hren die Pole sich um, und das Kupfer wird positiv. Gleichzeitig ist
nmoniak eine Flüssigkeit, welche Kupfer viel stärker angreift als Zinn,
d de la Rive stellt im Einklänge mit seinen übrigen Ansichten den Satz
{, dass immer das stärker angegriffene Metall gegenüber dem weniger
gegriffenen positiv werde.
Weitere Fälle solcher Umkehrungen ergaben sich bei der Untersuchung
ocentrirter und verdünnter Säuren. Für Salpetersäure findet er beispiels-
ase folgende beiden Spannungsreihen, je nachdem die Säure concentrirt
ler verdünnt ist:
Concentrirte Säure
V(
erdünnte Säure
Oxydirtes Eisen
Silber
Silber
Kupfer
Quecksilber
Oxydirtes Eisen
Blei
Eisen
Kupfer
Blei
Eisen
Quecksilber
Zink
Zinn
Zinn
Zink.
Beide Reihen sind völlig von einander verschieden, und gewähren eine
wze Anzahl von Umkehrungserscheinungen.
Allerdings war die VoLTA'sche Theorie gegen diesen Nachweis keines-
egs schutzlos, denn sie konnte immer darauf hinweisen, dass Spannungs-
rscheinungen zwischen Metallen und verschiedenen Flüssigkeiten ja gar nicht
i Abrede gestellt würden; in den angeführten Fällen seien eben diese
tärker, als die zwischen den Metallen. Freilich ist eine solche Rettung
iemlich theuer erkauft: sind einmal Unterschiede der Spannungen zwischen
lüssigkeiten und Metallen von solchem Betrage zugegeben, dass sie die
rächen den Metallen selbst übertreffen können, so ist damit auch zuge-
gen, dass Grössen, deren Unterschiede schon von der Grössenordnung
fr Spannungen beim reinen Metallcontact sind, nicht diesen gegenüber
Tnachlässigt werden dürfen, wie es die Anhänger der VoLTA'schen Theorie
thun pflegen. Die schon von Volta ausgesprochene Behauptung, dass
ines Wasser und neutrale Salzlösungen ganz besonders kleine Spannungen
gen die Metalle zeigen, muss demgemäss als unbegründet so lange in
1 Ann. chim. pbys. 37, 229. 1828.
446 Zwölftes Kapitel.
Zweifel gezogen werden, als keine unmittelbaren Messungen darüber vor-
liegen. Dass die von Volta flüchtig mitgetheilten Angaben (S. 1 38), die er
mittelst des Condensators erhalten hatte, hier nicht mehr mitzählen können,
ergiebt sich schon aus der einfachen Überlegung, dass die Trennung seiner
Metallplatten von den schwach befeuchteten Holz- oder Pappscheiben jeden-
falls nicht in der Berührungsfläche Metall-Flüssigkeit erfolgt ist, sondern dass,
wenn seine Platten wirklich in Berührung mit einander gewesen sind, die
Metallplatten nach dem Auseinandernehmen benetzt gewesen sein müssen,
dass also nicht Metall von Flüssigkeit, sondern Flüssigkeit von Flüssigkeit
getrennt worden ist. Demgemäss ist denn auch nicht die Grösse gemessen
worden, welche Volta hat messen wollen.
Seinen Hauptangriff gegen die Theorie der Berührungselektricität machte
de la Rive in drei ausgedehnten Abhandlungen, die unter dem Titel
„Recherches sur la cause de l'electricite* voltaique" in den M&noires de la
soci£t£ de physique et d'histoire naturelle de Geneve, 4, 289 und weiter
erschienen. Ein Auszug aus der ersten dieser Abhandlungen ging in die
Annales de chimie et de physique, 39, 297, und von da in PoGGBNDORFrt
Annalen, 15, 98 über.
Die Abhandlung ist in zwei Theile getheilt, von denen sich der erste
mit der strömenden, der zweite mit der Spannungselektricität beschäftigt
Der erste Theil bringt eine grosse Anzahl von Erörterungen und qualitativen
Versuchen, von denen man keine und keinen als entscheidend ansehen kann,
wenn auch eine Anzahl interessanter und wichtiger Beziehungen zur Sprache
kommt. Die Ströme bei ungleichzeitigem Eintauchen gleicher Metalle in
dieselbe Flüssigkeit (S. 350) werden zunächst als ganz unerklärlich aus der
VoLTA'schen Theorie angeführt. Dann geht de la Rive zu dem Nachweis
über, dass ohne chemische Wirkung keine elektrische stattfindet. Dazu
werden die beiden Enden des Galvanometers mit zwei verschiedenen Metallen
verbunden, welche von einer Flüssigkeit beide nicht angegriffen werden, wie
Gold und Platin in Salpetersäure; es entsteht in solchen Fällen kein Strom,
der aber sofort eintritt, wenn etwas Salzsäure in die Flüssigkeit gebracht
wird, wodurch schwaches Königswasser gebildet wird, welches das Gold
angreift, das Platin aber nicht. Das gleiche fand er für Platin und Palladium
in verdünnter Schwefelsäure, wo ein Zusatz von Salpetersäure den Strom
bestimmt. Ferner führt er Platin und Silber in alkalischen oder neutralen
Lösungen an; hier wirkt Ansäuern mit einer beliebigen Säure.
In zweiter Linie beschäftigt sich de la Rive mit der BECQUEREi/schen
Kette aus Säure und Alkali. Indem er eine solche durch einen mit Natrium-
sulfatlösung befeuchteten Docht schliesst, so dass Säure und Alkali nicht
unmittelbar auf einander wirken können, erhält er einen Strom, der von der
chemischen Theorie nicht vorauszusehen war, da keine chemische Wirkung
eintritt. „Denkt man aber über die Erscheinung nach und studirt sie mit
Sorgfalt, so sieht man dennoch, dass in der Wirkung der Salpetersäure und
des Kalis auf das schwefelsaure Natron die Ursache des Stromes liegt, denn
Der Kampf zwischen der Theorie der Bcrührungselektricität u. s. w. aäI
bwohl dies Salz weder von der Salpetersäure, noch vom Kali zersetzt
erden kann, so bedingt der Einfluss der Masse doch immer eine theilweise
ersetzung, und demgemäss eine chemische Wirkung, welche zur Entstehung
ines Stromes hinreicht1 Wir werden ausserdem weiter sehen, dass nicht
inner die heftigsten, sondern häufig die langsamsten und andauerndsten
iranischen Wirkungen sind, welche die stärksten Ströme entwickeln."
de la Rive befindet sich hier offenbar in einiger Verlegenheit, und ist
acht ganz aufrichtig in ihrer Erledigung. Denn ihm lagen die Erfahrungen
IXunr's (S. 352) schon vor, dass man gleichfalls einen Strom erhält, wenn
nan an Stelle des schwefelsauren Natrons der Zwischenschicht das Produkt
ler Wechselwirkung der beiden Flüssigkeiten selbst, salpetersaures Kali
■mmt, womit die einigermaassen künstliche Erklärung, die er versucht, hin-
EüEg wird, da hier alle chemische Wirkung ausgeschlossen ist.
Dieser Fall ist nun in mehr als einem Sinne bemerkenswerth. Er zeigt
wächst durch den Widerspruch mit der Form der chemischen Theorie,
mt sie von de la Rive aufgefasst worden war, die Unhaltbarkeit, besten
Falles die Unvollständigkeit dieser Form. Hier war also einzusetzen, um
die erforderliche Ausbildung der Theorie zu bewerkstelligen; und wenn
db la Rive sich dazu ausser Stande fühlte, so hätte er doch diesen Punkt
■cht verschleiern, sondern hervorheben sollen, denn wenn die von ihm ver-
tretene Theorie etwas werth war, so musste sie früher oder später auch
Sese Sache aufklären. Ferner aber hat sich in der Folge gezeigt, dass
gerade dieser scheinbar der chemischen Theorie widersprechende Fall beson-
ders geeignet war, die schon mehrfach erwähnte Frage zu beantworten,
welcher Art ein chemischer Vorgang sein müsse, um elektrisch wirksam zu
sein. Denn die genaue Analyse eben dieses Versuches fuhrt zu der Erkennt-
nis, dass in der That gerade bei der Trennung der beiden Flüssigkeiten
durch das Produkt ihrer Wechselwirkung, das neutrale Salz, eine dem elek-
trischen Strome proportionale Menge Neutralsalz gebildet wird, wenn man
den Strom eben zu Stande kommen lässt, und dass hier unter bestimmten
Bedingungen einer der lehrreichsten Fälle der Verursachung eines elektrischen
Vorganges durch einen chemischen vorliegt.
Um sich über die Zulässigkeit seiner Erklärung zu beruhigen, stellte
dc la Rive Versuche an, indem er Ketten aus Kali und schwefelsaurem
Natron einerseits, aus diesem Salz und Salpetersäure andererseits bildete,
und feststellte, dass beide einen Strom von gleicher Richtung und von etwa
der halben Stärke des vorher beobachteten gaben. Da man mit Salpeter
<fie gleichen Resultate erhält, so ist dieser Beweis, der im übrigen nur
beweist, dass sich die Wirkungen addiren, nicht bindend für die gegebene
1 „Thatsächlich befindet sich in unserem Falle die Menge schwefelsauren Natrons am
hde des Dochtes von einer beträchtlichen Menge Salpetersäure umgeben, welche daher auf das
Sdr wirken und es theilweise zersetzen muss; das gleiche gilt für das schwefelsaure Natron
w anderen Ende des Dochtes, welches in die concentrirte Kalilösung taucht, mit der <lie
nfer* Schale gefüllt ist"
I
aaS Zwölftes Kapitel.
Erklärung. Demgemäss ist es auch nicht nöthig, auf die breiten Ausein- '
andersetzungen einzugehen, welche de la Rive an diesen Versuch schliesst
An einer späteren Stelle seiner Abhandlungen erwähnt er indessen den
Versuch mit Salpeter (S. 306). Er findet fast die gleiche Ablenkung, wie
mit schwefelsaurem Natron, nämlich 40 bis 50 statt 50 bis 6°, und macht
dazu folgende Anmerkung: „Der Einfluss der Masse macht, dass zwischen
einer Säure oder einem Alkali und dem gebildeten Salze immer eine
chemische Wirkung stattfindet; es bildet sich alsdann ein saueres oder
basisches Salz. Es ist dies eines der Ergebnisse der Arbeiten von Ber-
thollet, über weiche man in fast allen chemischen Lehrbüchern eingehen-
dere Einzelheiten finden kann." Es ist gegenwärtig bekannt, dass gerade
die beiden Stoffe, von denen hier die Rede ist, Salpetersäure und Kali,
weder saure, noch basische Salze mit einander zu bilden vermögen.
In dritter Stelle behandelt de la Rive die Ketten, in denen zwei ver-
schiedene Flüssigkeiten angewendet werden. Hier lassen sich zahlreiche
Fälle aufweisen, wo das stärker angegriffene Metall nicht, wie er ausge-
sprochen hat, dem schwächer angegriffenen gegenüber positiv ist, sondern
es findet häufig das Gegentheii statt. In diesen Fällen schreibt er die Um-
kehrung der Stromrichtung der Wechselwirkung der beiden Flüssigkeiten zu,
zu deren Nachweis er sich freilich einer recht bedenklichen Methode bedient:
er schichtet beide Flüssigkeiten über einander, taucht in jede einen Draht
von demselben Metall, und sieht den dann entstehenden Strom als den.
gesuchten an. Auf gleiche Weise erklärt er denn auch einen Versuch, den
Berzelius angegeben hatte, und der diesen zu einem Anhänger der VoLTA'schen
Theorie gemacht hat. Eine Anzahl von Gläsern ist zur Hälfte mit einer
concentrirten Lösung von Chlorcaicium gefüllt, zur anderen Hälfte mit ver-
dünnter Salpetersäure, welche über der ersten Lösung schwimmt In die
Gläser tauchen Kupferbügel, welche an einem Ende kleine Kugeln von Zink
tragen. Werden diese so in die Gläser getaucht, dass die Zinkstücke sich
in der Chlorcalciumlösung befinden, die freien Kupferenden dagegen in der
Säure, so werden die letzteren stark angegriffen, während die Zinkstücke
keinen Angriff erfahren. Der Strom einer solchen Kette geht aber nicht in
dem Sinne, dass das angegriffene Metall positiv ist, wie das die von de la
Rive aufgestellte Regel verlangt, sondern er hat die gewöhnliche Richtung,
dem von Volta angenommenen Spannungsunterschiede der beiden Metalle
gemäss.
Die von de la Rive gegebene Erklärung ist, wie erwähnt, recht unbe-
friedigend. Er behauptet, dass die Berührung der beiden Flüssigkeiten die
Quelle des Stromes sei, und sucht dies dadurch zu beweisen, dass eine
Kette aus den beiden Flüssigkeiten und dem gleichen Metall einen Strom
in derselben Richtung giebt. Aber auch in diesem Falle steht der Versuch
mit seinem allgemeinen Satze in Widerspruch, denn auch in diesem Falle
wird das in die Säure tauchende Ende des Metalles stärker angegriffen, als
das andere.
Der Kampf zwischen der Theorie der Berührungselektricität u. s. w. 449
Deutung des Versuches im Sinne der später entwickelten chemischen
eorie macht keine Schwierigkeit; auch hier sind nur die indirekten che-
sehen Vorgänge die wirksamen, und die stürmische Auflösung des Metalles
der verdünnten Salpetersäure hat mit der Strombildung überhaupt nichts
thun. Doch kann erst an späterer Stelle hierauf näher eingegangen
rden.
Der zweite Theil von de la Rive's Untersuchungen über die Ursache
r VoLTA'schen Elektricität enthält die originalsten Ideen dieses im Ganzen
aiig originalen Forschers. Hier unternahm er, den VourA'schen Funda-
sntalversuch selbst in Zweifel zu ziehen, dessen Ergebniss seiner Zeit einen
ausgeprägt chemisch denkenden Mann, wie Davy, dazu gebracht hatte,
e rein chemische Theorie der Berührungselektricität aufzugeben, de la
ye versuchte, auch hier das Ergebniss auf chemische Wirkungen zwischen
ra Metallen und dem Sauerstoff sowie der Feuchtigkeit der atmosphärischen
oft zurückzufuhren. Es ist verhängnissvoli für das Schicksal der chemischen
beorie gewesen, dass dieser an sich gute und richtige Gedanke durch
i la Rive in wenig genügender, ja zum Theil nachweisbar unrichtiger Weise
vchgefuhrt wurde; dadurch entstand wie immer in solchen Fällen, die Vor-
dlung, dass mit Erledigung der von dem ungeschickten Vertheidiger
motzten Argumente auch die ganze Anschauung selbst erledigt sei, und
> hat de la Rive der von ihm so warm vertheidigten chemischen Theorie
s Galvanismus neben dem erheblichen Nutzen auch einen sehr fühlbaren
chaden zugefügt
Die Versuche, von denen hier die Rede sein soll, sind im Zusammen-
inge mit denen angestellt worden, über welche soeben berichtet worden
t; veröffentlicht wurden sie zuerst nur auszugsweise1 im Jahre 1828. Die
isfuhrliche Abhandlung erschien erst fünf Jahre später im Druck2 und
uthielt dadurch eine Anzahl von Repliken gegen Einwendungen, welche
uf Grund des Auszuges gegen die Ansichten von de la Rive erhoben
urden waren.
Als experimentelle Beweise der VoLTA'schen Theorie führt de la Rive
ie folgenden vier an:
1) Der Versuch mit zwei Metallen und dem Frosch oder der Zunge,
fier findet immer Berührung mit feuchten Leitern statt, und es kann somit
bemische Wirkung nicht ausgeschlossen werden.
2) Der Versuch mit zwei verschiedenen Metallplatten, die man nach
kr Berührung voneinander abhebt und am Condensator prüft. „Was diese
weite Methode anlangt, so gelingt sie so selten, dass man sie thatsächlich
acht zur Grundlage einer Theorie machen kann." Ausserdem deutet de la
im. auf die Möglichkeit, dass die Elektricität durch Reibung der Metalle
entstehen könne, und verwirft daher auch diesen Versuch.
1 Ann. chim. phys. 39, 297. 1828.
1 Mem. de la Soc. de Physique de Geneve, 6, 149. 1833.
Ostwald, Elektrochemie. 29
4 CO Zwölftes Kapitel.
3) Der Versuch mit dem aus Zink und Kupfer zusammengelötheten
Stück, welches man einerseits in der Hand hält, während man mit demj
anderen Ende die obere Platte eines Condensators berührt, dessen andere«
Platte man mit der Hand ableitet. Dieser Versuch gelingt immer, aber auch!
hier liegt, wie de la Rive bemerkt, der Einwand vor, dass die Wirkung:]
nicht von der Löthstelle der Metalle ausgeht, sondern von den beiden Be*
rührungen zwischen der feuchten Hand und dem Metall des Condensaton
einerseits, und dem der Doppelplatte andererseits. So weit hat er vollkommen
recht. Nun aber will er es besonders gut machen, und verdirbt dadurch
seinen eben gewonnenen Erfolg. Um nämlich die chemische Einwirkung
der Hand zu vermeiden, ersetzt er diese durch eine Zange von recht
trockenem Holz, und findet nun keine Ladung seines Condensators mehr*
Auch bemerkt er, dass die Wirkung um so geringer mit der Hand ist, je
trockener die Finger sind.
Ferner beschreibt er folgenden Versuch. „Ein Stück Natrium oder
Kalium wird an einem Ende gut an einer Zange von Platin befestigt, während
man es am anderen Ende mit einer Zange von Holz oder noch besser von.
Elfenbein fasst. Wenn man es, nachdem es sorgfältig gereinigt ist, mit sehr
reinem Petroleum umgiebt, und nun den Condensator mit dem Ende der,
Platinzange berührt, so bemerkt man gar kein Zeichen von Elektricität
Wenn dagegen das Petroleum entfernt ist, dass keines mehr an dem Metall
vorhanden ist, so sieht man dieses in Berührung mit der Luft sich
oxydiren, und das Elektroskop zeigt eine äusserst starke Elektricität. Kaum
ist der Condensator nöthig, um sie sichtbar zu machen. Wenn man zuweilen
Spuren von Elektricität erhält, wenn das Metall unter dem Petroleum ist,
so liegt das daran, dass man in die Flüssigkeit einige Spuren von Feuchtig»
keit gebracht hat, welche auf der Oberfläche des Metalles vorhanden war,
und deren Wirkung sich leicht bemerken lässt. Im Stickstoff oder Wasser*
stoff haben die beiden Metalle gleichfalls Elektricität entwickelt, und zwar
wegen der Wirkung, welche sie, sei es von den Gasen selbst, sei es von
den Wasserdämpfen, erfahren, von denen man diese unmöglich vollständig
befreien kann; zum Beweise dieser chemischen Wirkung sieht man die Ober-
fläche ihren Metallglanz verlieren und anlaufen, fast wie in der atmo-
sphärischen Luft."
Hier macht sich de la Rive selbst den naheliegenden Einwand, dass der
Erfolg seiner Versuche von dem Mangel an Leitfähigkeit herrühren könnte;
Um diesen Einwand zu widerlegen, stellt er einen ziemlich verwickelten Ver-
such mit einem aus Ebenholz gefertigten Apparat an; den naheliegenden
Nachweis, dass gerade die von ihm benutzte Holzzange genügend leitet, hat
er zu führen unterlassen. In der That lässt sich der Einwand bei fast allen
den von ihm angegebenen Versuchen machen, dass durch dieselben VorgängCj
durch die er chemische Wirkung auf seine Metalle hervorbrachte, er aucfc
die Oberfläche seiner Holzzangen oder Finger leitend gemacht hat. Hierhei
gehört insbesondere das Anhauchen, die Behandlung mit Säuredämpfen u. s. w
Der Kampf irischen der Theorie der BerQhruDgselektricitat u. s. w ac i
er Versuch mit dem Condensator aus Platten von zwei verschie-
tallen, welche durch einen Draht miteinander in Berührung gesetzt
vorauf man die Platten von einander abhebt. Dieser Versuch ist
ndsfreieste vom Standpunkt der chemischen Theorie, weil hier alle
; mit einem feuchten Leiter ausgeschlossen ist; die positive Elek-
?lche bei diesem Versuche regelmässig am Zink, und die negative,
1 Kupfer zu beobachten ist, scheint in der That keiner anderen
als der Berührung der verschiedenen Metalle zugeschrieben werden
L
hner oben erwähnten vorläufigen Mittheilung hatte de la Rivb
i, dass dieser Versuch nur gelinge, wenn eine chemische Wirkung
benden Luft auf das eine Metall, z. B. das Zink stattlinden könne.
Versuch in Stickstoff oder Wasserstoff oder im luftleeren Räume
, so finde unter gleichen Umständen keine Elektricitätsentwicke-
'faff's Vertheidigung. Gegen diese Behauptungen trat alsbald
Parteigänger Volta's, Pfaff in Kiel, auf,1 der insbesondere den
■rit dem Condensator im leeren Räume wiederholte, ohne die von
gegebene Wirkung zu finden. „Ich nahm eine Glasglocke mit zwei
facti. Unter diese Glocke setzte ich ein Goldblatt-Elektrometer mit
Jadensator, dessen eine Platte von Zink, dessen andere von Kupfer
•Messingstab, der durch die eine Stopfbüchse ging, trug die obere
, so dass man mit ihrer Hülfe diese obere Platte des Conden-
k Beheben von der unteren entfernen oder auf sie legen konnte.
: Stopfbüchse gingen zwei Messingdrähte, welche an ihrem
! so gebogen und gerichtet waren, dass in einer bestimmten
e die obere, der andere die untere Platte berührte; da diese
inte mit einander ausserhalb der Glocke metallisch verbunden
^ (Arten sie denselben Dienst, als wenn man die beiden Platten
»Brachen Draht mit einander verbunden hätte. Durch Drehen
^ von aussen konnten sie von den Platten des Condensators
Mittelst dieses ziemlich einfachen Apparates konnte ich
» Fundamental versuch in jedem beliebigen Gase, das so voll-
ausgetrocknet war, und auch im leeren Räume an-
> das Elektrometer von atmosphärischer Luft von gewöhn-
' getrocknet, von Sauerstoff, Stickstoff, Kohlensäure,
terstoff umgeben war, änderte nichts an den
*bieft _ . . stets dieselbe elektrische Spannung, positiv
! ^VWer, von gleicher Intensität. Man sieht ein, dass
c hervorgebrachte Elektricität
en, denn da alle Umstände
nliche blieb, so lehrt uns
45 2 Zwölftes Kapitel.
eine gesunde Philosophie, dass kein anderer Umstand die Ursache sc
konnte, als die, welche gleichfalls nicht gewechselt, nämlich die wechs«
seitige Berührung der Metalle. . . . Damit die Versuche gut gelingen, müss-
die Condensatoren sehr vollkommen sein, die Metallplatten gut aufeinand
geschliffen und dann mit einer sehr dünnen Schicht von Bernsteinlack ütx
zogen werden, welche ich für diesen Gebrauch am geeignetsten gefunden hatx
Ausser diesem direkten Beweis, welchen Pfaff als unbedingt bindei
ansieht, giebt er noch eine Anzahl von indirekten. Wenn die Elektricit
nur von der Oxydation des Zinks herrührt, warum hängt die beobachte
Spannung noch von dem anderen Metali ab? Hierauf hatte de la Ri
bereits die Antwort dahin gegeben, dass die beobachtete Spannung d
Unterschied entgegengesetzter Wirkungen beider Metalle ist. Viel wichtig
ist die folgende Bemerkung gegen die Annahme, dass die Elektricität v<
den chemischen Vorgängen herrührt. „Nun müsste man erwarten, dass ei
gesättigte Lösung von schwefelsaurem Zink, welche sehr rein und von d
aufgenommenen Luft entweder durch Aufkochen oder unter der Luftpum
befreit worden ist, fast gar keine Wirkung geben müsste, wenn man dan
die Pappe der Zwischenschichten befeuchtet, oder die Gefässe der Tasse
kröne füllt, da sie weder eine chemische Wirkung auf das Zink, noch ei
auf das Kupfer ausübt, und dennoch bringt diese Lösung eine viel stärke
Wirkung hervor, als die aller anderen Salze, ausgenommen den Salmial
Dieser letzte Einwand war für jene Zeit schwer zu ejledigen; er wi
mit grösster Deutlichkeit den schwachen Punkt der damaligen chemisch
Theorie nach, welcher in der mangelnden Antwort auf die Frage lag: *
muss ein chemischer Vorgang beschaffen sein, damit er elektrisch wirksa
wird? Obwohl Ritter (S. 189) bereits einmal mit grosser Schärfe auf <
Notwendigkeit einer räumlichen Trennung der beiden Theile des chemisch
Vorganges in der Kette, der Oxydation und der Reduktion, hingewies
hatte, und sich auch bei de la Rive gelegentlich dahin zielende Gedank
finden, müsste noch eine sehr lange Zeit vergehen, bis hierüber Klarh
geschaffen wurde. Gleichzeitig geht aus diesem Einwände die unverhältni
massig günstige Stellung hervor, welche die Contacttheorie durch ihre Fei
haltung von jeder Causalerklärung, die in der Hypothese der Elektricitä
erregung durch blosse Berührung lag, der anderen Theorie gegenüber
behaupten vermochte. Gegen sie war es nicht möglich, derartige Einwän
zu erheben, da sie nichts derartiges behauptete. Die Frage, warum Zir
vitriol besser wirkt als die anderen Salze, beantwortete sie mit dem Sa
dass hier die Berührungselektricität eben stärker sei. Daraus sieht m
alsbald, dass das Verhältniss beider Theorieen von den beiderseitigen V<
tretern von vornherein falsch aufgefasst worden ist Dass an den versch
denen Berührungsstelien Spannungsunterschiede vorhanden sind, wird beid<
seits angenommen; die chemische Theorie versucht zwischen diesen und d
chemischen Vorgängen einen Zusammenhang herzustellen, während <
Contacttheorie von allen möglichen Zusammenhängen absieht Somit
Der Kampf zwischen der Theorie der Berührungselektricität u. s. w. ac*
letztere nicht als die Rivalin, sondern die Vorgängerin jener anzusehen;
chemische Theorie kann die ganze Grundlage der Contacttheorie über-
amen, ohne sie in formaler Beziehung zu ändern, und hat nicht die Auf-
be, sie zu beseitigen, sondern sie zu entwickeln, indem sie Fragen beantw-
ortet, welche diese gar nicht gestellt hat.
Nun bestand aber allerdings in der Contacttheorie noch eine bestimmte
hauptung, welche aber fcein nothwendiger, sondern ein zufälliger Bestand-
eil war. Es war dies die Ansicht, dass in der einfachen zum Kreise
schlossenen Kette Kupfer- Zink -Feuchtigkeit der bei weitem grösste Theil
r vorhandenen Spannung zwischen den beiden Metallen liege, und zwischen
etall und Feuchtigkeit kein wesentlicher Betrag derselben vorhanden sei.
igen diesen Punkt richtete sich, wohl in unbewusster Anwendung des
imals nur in der Ahnung vorhandenen Gesetzes von der Erhaltung der
aergie, der Angriff, indem man einerseits bei dem Fehlen jedes dauernden
organges an der Berührungsstelle der Metalle für die dort angenommene
Irkung keine Ursache sehen konnte, und andererseits für die unzweifelhaft
der Kette vorhandenen chemischen Vorgänge von den Anhängern der
ignerischen Ansicht keine entsprechende Wirkung zugestanden erhielt.
Muinungsmessungen an Ketten konnten die Frage grundsätzlich nicht ent-
heiden (S. 169 und 439); das einzige Mittel, die einzelnen Spannungen zu
essen, gewährte der Condensator, und dieser sprach zu Gunsten der Annahme
»■ Metallelektricität. Deshalb hatte de la Rive seinen Angriff gegen die
ündigkeit dieses Versuches gerichtet, und Pfaff's Verteidigung desselben
:traf die Lebensfrage der VoLTA'schen Anschauung.
8. de la Rive's Antwort. Die Bedeutung dieser Einwände Pfaff's
urde von de la Rive unzweifelhaft sehr empfunden, und in der später
schienenen Hauptabhandlung geht er einigermaassen auf sie ein. Zunächst
klärt er, dass bei der Wiederholung der Versuche von Pfaff er sie völlig
»tätigt gefunden habe; demnach zieht er seine gegenteiligen Behauptungen,
sbesondere über das negative Ergebniss des Condensatorversuches im
eren Räume und in indifferenten Gasen zurück, obwohl er es nicht aus-
rücklich erwähnt.
Was nun seine Vertheidigung der chemischen Theorie diesen That-
ichen gegenüber betrifft, so tritt hier der Fall ein, dass durch Ungeschick
er an sich guten Sache der erheblichste Schaden zugefügt wird, de la
jve macht nun geltend, dass es nicht möglich sei, einen absolut luftleeren
aum, oder absolut sauerstofffreie und trockene Gase herzustellen, und dass
aher dennoch die von Pfaff beobachteten Ladungen von chemischen Wir-
ungen herrühren können. Wenn er die Erwägung von vornherein gegeben
ätte, wäre alles gut gewesen; in der That ist gegen sie nichts einzuwenden,
ber nachdem er zuerst behauptet hatte, dass unter diesen Umständen sich
Hne Elektricität entwickle, und nun auf den Nachweis, dass er sich geirrt
itte, auseinandersetzt, dass es nach der chemischen Theorie gerade so zu
warten gewesen sei, wie sein Gegner es beobachtet hatte, ist der Eindruck
454 Zwölftes Kapitel.
nicht abzuweisen, dass die chemische Theorie, wie de la Rive sie handhal
für jede beliebige Thatsache mit einer „Erklärung" bei der Hand sei. U
ein solcher Vorwurf ist in der That nicht abzulehnen; es fehlt der chemisch
Theorie in ihrer damaligen Gestalt durchaus an der zahlenmässigen Bestimu
heit, welche allein eine wirkliche Prüfung einer Anschauung ermöglicht
Zum weiteren Beweise, dass nur, wenn chemische Wirkung möglich i
der fragliche Versuch gelingt, überzieht de la Rive eine Condensatorpla
aus Zink, an welche ein Messingdraht geiöthet ist, vollständig mit Firni
und erwartet nun, dass sie sich, da die Oxydation ausgeschlossen ist, «
eine Platte aus unangreifbarem Metali verhalten werde. Zuerst erhielt
noch die gewohnten Wirkungen des Zinks; er schrieb diese aber dem U
stände zu, dass die dünne Firnissschicht das Zink nicht genügend geg
die Luft schütze, und gelangte auch nach ausgiebiger Verstärkung der Schi«
dazu, dass die Wirkung aufhörte. Auch behauptet er, dass diese Platte si
völlig wie eine Messingplatte bei dem Condensatorversuch erhalten ha1
so dass sie mit einer nicht gefirnissten Zinkplatte negativ geworden :
Man darf gegen die Richtigkeit dieses Versuches einigen Zweifel hegen, u
er ist auch später von Fechner experimentell widerlegt worden.
Schliesslich bedient sich de la Rive noch einer aus seinen Versucl
über die Polarisation der Metallplatten in Flüssigkeiten gezogenen Anschauu
dass die Eiektricität beim Übergange aus einem Leiter in einen ande
eine Schwierigkeit erfahre, weiche sehr schwache Eiektricitäten ganz
Durchgange hindere, um einige Thatsachen im Sinne seiner Theorie
deuten. Indem er für den Übergang der Eiektricität von einem Metalle
ein anderes die gleiche Schwierigkeit voraussetzt (ohne sie jedoch exp
menteil erwiesen zu haben), und zwar in der Art, dass der Durchgang
die eine Art Eiektricität leichter sei als für die andere, erklärt er, war
er keine Eiektricität wahrnehmen konnte, als er den Messingdraht an sei
geschützten Zinkplatte mit verdünnter Salpetersäure behandelte und so c
starke chemische Wirkung hervorrief.
Die nun folgenden Untersuchungen über die Eiektricitätsentwickeh
beim Reiben verschiedener Metalle aneinander, sowie seine Betrachtunj
über die thermoelektrischen Erscheinungen können wir übergehen, ebe
seine Erörterungen über die Elektricitätsentwickelung bei der Berühn
fester Körper mit flüssigen. Dagegen ist die Wiedergabe seiner Grür
welche ihn zu einem Gegner der Contacttheorie gemacht haben, i
Interesse.
„Unser Zweck war, die Contacttheorie durch direkte Thatsachen \
Gründe zu bekämpfen. Es wäre uns leicht gewesen, sie auch in sich se
anzugreifen. . . . Wir hätten fragen können, was es denn für eine mysteri
Kraft ist, weiche man die elektromotorische nennt, und was bei der Ber
rung der heterogenen Stoffe die positive Eiektricität in den einen, und
negative in den anderen treibt. Wir hätten in der Unmöglichkeit, c
genaue Spannungsreihe der Stoffe zu entwerfen, und in der Unzahl '
Der Kampf zwisdien der Theorie der Berührungselektricität u. s. w. Ate
^Änderungen, welche durch eine Menge äusserer Umstände in dieser Reihe
^hervorgebracht werden, einen wie mir scheint unwiderleglichen Einwand
das Princip selbst finden können, welches der Theorie zur Grundlage
Wir hätten fragen können, worauf der Unterschied begründet ist,
j^den man zwischen den Leitern erster Klasse, welche Erreger sind, und denen
Zureiter Klasse, welche nur Leiter sind, und keine oder nur eine sehr schwache
elektromotorische Kraft besitzen, macht, obwohl die letzteren in chemischer
Beziehung den ersteren gegenüber stärker positiv oder negativ sind. Endlich
hatten wir untersuchen können, auf welcher Grundlage die zahlreichen Hypo-
thesen ruhen, die man annehmen muss, um die Wirkungen der elektro-
'■ motorischen Kraft zu erklären. . . ."
Wie man sieht, sind diese Einwendungen von verschiedenem Werthe.
In erster Linie tritt das unbewusste Energieprincip (S. 428) in den Vorder-
grund: der Mangel einer zureichenden Ursache für die elektrischen Vorgänge
in der Contacttheorie wird lebhaft empfunden, obwohl ein klarer Ausdruck
(fieses Mangels noch nicht formulirt werden kann.
Es ist bemerkenswerth, dass de la Rive objektiv genug ist, eine
Schwierigkeit der chemischen Theorie selbst zuzugeben, weiche von Pfaff
erwähnt worden war. Man erhält, wie schon Volta gefunden hatte, mit
Braunstein oder Mangansuperoxyd besonders wirksame Ketten, nicht nur
wenn man Zink verbindet, sondern sogar Platin wird positiv gegen Braun-
stein, wo doch eine chemische Wirkung ausgeschlossen erscheint. Ohne es
fest behaupten zu wollen, ist de la Rive in diesem Falle geneigt, der Rei-
bung oder auch thermoelektrischen Erregungen die Ursache der Erscheinung
zuzuschreiben.
9. de la Rive's dritte Abhandlung. Den beiden Abhandlungen,
über welche hier berichtet worden ist, Hess de la Rive zwei Jahre später
eine dritte folgen,1 in welcher er wesentlich seine theoretischen Anschauungen
in endgültiger Formulirung auseinandersetzte. Er stellte drei Grundsätze
auf, aus denen er alle Erscheinungen der VoLTA'schen Kette und Säule zu
erklären unternahm. Diese Grundsätze sind:
,,i) Werden zwei verschiedene Körper, die sich in Berührung
befinden, in eine Flüssigkeit oder ein Gas gebracht, welche eine
chemische Wirkung auf beide üben, oder auf einen von ihnen
übt, so findet eine Entwickelung von Eiektricität statt.
„2) Erfahren zwei sich berührende Körper von Seiten des
Gases oder der Flüssigkeit, in welcher sie sich befinden, keinerlei
chemische Wirkung, so findet keine Entwickelung von Eiektricität
statt, wenigstens wenn keine thermische oder mechanische Wir-
kung vorhanden ist.
„3; Die durch die chemische Wirkung hervorgebrachte Eiek-
tricität hat nicht in allen Fällen und unter allen Formen eine
1 Mein, de la Societe de Phys. de Geneve, 7, 457. 1836.
456 Zwölftes Kapitel.
Intensität, die der chemischen Wirkung, die sie hervorbringt,
proportional ist. Zwei Umstände können hauptsächlich diese
Intensität abändern, nämlich die unmittelbare Wiedervereinigung
der beiden elektrischen Principien, und die besondere Natur dei
chemischen Vorganges, welcher die Elektricität hervorbringt"
Wie man sieht, sind die ausgesprochenen Grundsätze alles weniger, ab
von bestimmter, zahlenmässiger Beschaffenheit; der dritte insbesondere ist
ausdrücklich dazu aufgestellt, um jeder quantitativen Controle von vorn-
herein aus dem Wege zu gehen. Es wird dadurch der schwache Punk
der chemischen Theorie, von dem schon früher (S. 428) die Rede war, an
das Schärfste gekennzeichnet. Es kann demgemäss nicht Wunder nehmen
wenn aus solchen Grundsätzen, und bei einem so wenig scharfen Denker
wie ihr Autor es ist, Ergebnisse erhalten wurden, die nur wenig befriedigem
waren und alsbald bei ihren Zeitgenossen lebhaften Widerspruch erregten
Immerhin wird es lehrreich sein, die Art kennen zu lernen, in welcher sid
de la Rive auf Grund dieser Voraussetzungen von den einzelnen Thatsacho
der Elektrochemie Rechenschaft zu geben versucht, sei es auch nur al
abschreckendes Beispiel gegen oberflächliches Hypothesenmachen.
Die Entwickelung der Elektricität stellt sich de la Rive so vor, das
bei einem chemischen Vorgange die po.sitive Elektricität in den angreifende]
Stoff übergeht, und die negative in den angegriffenen. „Diese beiden Elek
tricitäten suchen sich wegen ihrer gegenseitigen* Anziehung zu vereinigei
und diese unmittelbare Vereinigung findet um so vollkommener statt, j
besser die beiden Stoffe, der angegriffene und das angreifende Mittel leitet
und namentlich, je leichter der Übergang der Elektricität von dem einen x
dem anderen erfolgt."
Gegen diese Anschauung hatte Pfaff eingewendet, dass die Ursach«
welche die Trennung der Elektricitäten bewirkt, auch fähig sein müsse, di
getrennten auseinander zu halten, de la Rive bemerkt dazu: „Indessen \s
wie wir eben auseinandergesetzt haben, diese Wiedervereinigung eine gan
natürliche Folge der Art, wie die Entwickelung der Elektricität bei ch<
mischen Vorgängen stattfindet; auch ist sie eine nothwendige Folge de
Thatsache, dass die durch diese Vorgänge bewirkte elektrische Spannun
eine Grenze hat, die man unmittelbar erreicht." Diese letzte Wendung u
besonders überraschend. Es wird hier zur Stütze einer schwachen Hype
these die Existenz der Thatsache selbst herangezogen, welche durch dies
Hypothese erklärt werden soll.
Die Schwierigkeit, in der sich de la Rive hier befindet, ist scho
früher auf ihre Ursachen zurückgeführt worden; sie wäre um jene Ze
schon ihrer Lösung weit näher zu bringen gewesen, wenn man die klare
Begriffe benutzt hätte, welche Ohm in die Elektrik eingeführt hatte, un
welche um jene Zeit schon etwa zehn Jahre lang jedermann zugänglic
waren, de la Rive hat sich dieses Hülfsmittels nicht bedienen mögen; i
einer um die gleiche Zeit geschriebenen geschichtlichen Skizze über di
Der Kampf «wischen der Theorie der Berührungselektricität u. s. w. 457
Fortschritte der Elektricitätslehre l sind die Arbeiten Ohm's von ihm nicht
einmal der Erwähnung gewürdigt worden, und noch im Jahre 1841, wo
endlich die Omf'sche Theorie dem französisch lesenden Theil des wissen-
schaftlichen Publikums durch einen im ersten Bande der „Archives de
Fäectricitö" erschienenen Artikel von E. Wartmann auseinandergesetzt worden
war, bemängelt de la Rive diese Theorie, weil Ohm ein Anhänger der
VourVschen Ansichten war, und ihm seine grundlegenden Ausgangspunkte
nicht „hinlänglich klar" erschienen!
Durch eine Anzahl von Versuchen zeigt nun de la Rive, dass die Aus-
schläge des mit dem Condensator verbundenen Elektrometers für eine und
dieselbe chemische Reaktion sehr verschieden ausfallen können, je nachdem
man den Versuch verschieden anordnet. Gegen den Einwand, dass in vielen
Fallen die chemischen Vorgänge, welche er zur Erklärung der Elektricitäts-
erregung annimmt, nur in sehr geringem Umfange stattfinden können, macht
er die ganz begründete, und um jene Zeit von Faraday auch messend
erläuterte Thatsache geltend, dass die Elektricitätsmengen, welche einer
bestimmten Stoffmenge entsprechen, ausserordentlich gross schon für sehr
geringe Stoffmengen sind.
de la Rive geht nun zu der Aufstellung einer Theorie der Säule über,
welche so ziemlich den schwächsten Punkt seiner ganzen theoretischen
Stellung bildet, und die daher auch alsbald angegriffen und aus der Welt
geschafft wurde. „Es sei in einer aus einer beliebigen Zahl von Paaren
bestehenden Säule, die unter einander alle ganz gleich sind, b ein beliebig
herausgegriffenes Paar Zink-Kupfer, dessen Zink mit derselben Flüssigkeit in
Berührung steht, wie das Kupfer des vorhergehenden Paares a und dessen
Kupfer mit dem Zink des nachfolgenden Paares c in die gleiche Flüssigkeit
taucht. Die chemische Wirkung der Flüssigkeit entwickelt im Paare b eine
gewisse Menge Elektricität; ein grösserer oder geringerer Antheil der beiden
getrennten elektrischen Principien neutralisirt sich alsbald, während ein
anderer frei bleibt. Welches auch die Gründe sein mögen, welche das Ver-
haltniss zwischen dem sich unmittelbar verbindenden Antheile, und dem
frei bleibenden und allein nachweisbaren, bestimmen, dieses Verhältniss muss
in allen Paaren dasselbe sein, weil alle einander ähnlich und zu einander
symmetrisch angeordnet sind. Darauf wird nun die positive Elektricität
von b, die durch die chemische Wirkung in die Flüssigkeit übergeführt
worden ist, in welche das Kupfer von a taucht, die negative Elektricität
dieses letzteren Paares neutralisiren, welche ihr vollkommen gleich ist, und
welche von der Einwirkung der Flüssigkeit auf das Zink von a herrührt.
Ebenso wird die negative Elektricität von by welche durch die chemische
Wirkung auf das Zink übergegangen war, und von da sich in das damit in
Berührung stehende Kupfer verbreitet hat, die positive Elektricität in c neu-
tralisiren, welche ihr ebenso völlig gleich ist, und welche von der chemischen
1 Bibl. uiiivers. de Geneve, 52, 225. 1833 u. ff.
458 Zwölftes Kapitel.
Wirkung herrührt, die dieselbe Flüssigkeit, in welche das Kupfer von *
taucht, auf das Zink von c ausübt Es bleibt demnach ein Überseht»!
positiver freier Elektricität in der Flüssigkeit übrig, in welche das Zink von a ;
taucht, und ein ganz ebenso grosser Überschuss von negativer Elektricität
in dem Kupfer von c, und daher in der angrenzenden Flüssigkeit Diese
treien Überschüsse werden aber durch die gleichen und entgegengesetztes
Elektricitäten der nachfolgenden Paare neutralisirt, über welche man die
gleichen Überlegungen anstellen kann. Es ergiebt sich daher ein Uberschu»
positiver Elektricität an der nach a belegenen Seite der Säule, und em
gleich grosser Überschuss negativer Elektricität an der nach c belegene»
Seite. Verbindet man diese beiden Enden durch einen Leiter, so neutrali-
siren sich die beiden Elektricitäten und bilden den Strom; die Intensität
dieses Stromes muss, wie auch die Erfahrung lehrt, genau gleich der des
Stromes sein, welcher sich in der Säule selbst zwischen den Paaren entwickele
und welcher, wie wir gesehen haben, von der nicht unterbrochenen Neu-
tralisation der entgegengesetzten und gleichen Elektricitäten herrührt"
Aus dieser Theorie geht zunächst hervor, dass die Anzahl der Paare
ganz ohne Einfluss auf die Wirkung der Säule sein müsste, da unter allen
Umständen nur die äussersten Glieder zur Geltung kommen, indem sich dk
„Elektricitäten" der inneren Paare völlig aufheben.
Diese Schlussfolgerung hat de la Rive allerdings nicht auszusprechen
gewagt, da sie den Thatsachen zu sehr widerstreitet und Volta's epoche-
machende Erfindung der Säule als eine überflüssige Umständlichkeit erscheinec
Hesse; doch sind unter den von ihm gezogenen Schlüssen noch mehrere
welche nicht weniger mit der Erfahrung im Streite stehen. Die Spannung
an den Polen hängt nach ihm einerseits von der Intensität der chemischer
Wirkung, andererseits von dem Betrage der Wiedervereinigung ab, und muss
daher um so grösser sein, je grösser die erste, und je beträchtlicher dei
Widerstand in der Säule ist. Dass die Spannung bei Säulen, die mit Wasse
aufgebaut sind, nicht verschieden ist von der an Säulen mit Salzlösungen
obwohl bei letzteren die Leitung viele Male besser ist, wird darauf zurück-
geführt, dass die chemische Wirkung und die Leitung einander proportiona
seien, und dadurch das Ergebniss beider, die Spannung, denselben Wertf
behalte. Wird aber die Salzlösung durch Säure ersetzt, welche annähernc
ebenso leitet wie die Salzlösung, während ihre chemische Wirkung aui
das Zink unvergleichlich viel grösser ist, so ist, wie bekannt, die Span*
nung immer noch dieselbe; hierauf hat de la Rive keine Rücksicht
genommen.
Eine weitere Folge seiner Theorie ist von ihm ganz richtig dahin
gezogen worden, dass wenn eine bestimmte Oberfläche der Metalle gegeben
ist, die Anordnung zu einer einzigen Kette die vortheilhafteste zur Erlangung
der grössten Wirkung sein müsse. Denn da die aufeinander folgenden
Plattenpaare ihre Wirkung gegenseitig zerstören, muss diese am grössten in
dem Falle sein, wo die gegenseitige Strömung Null ist, d. h. im Falle der
Der Kampf zwischen der Theorie der BerühniDgselektricität u. s, w. ACQ
dachen Kette. „Die Erfahrung lehrt uns, dass diese Folge der Theorie
h nur bestätigt, wenn der Leiter, welcher die beiden Pole der Säule ver-
idet, ein vollkommener Leiter ist . . . sie bestätigt sich nicht mehr, wenn
r Leiter ein sehr unvollkommener ist.
„Die Ursache dieser Verschiedenheiten erklärt sich leicht, wenn man
denkt, dass wenn die beiden Elektricitäten an den beiden Enden der Säule
gehäuft sind, sich ihnen zwei Wege bieten, sich zu neutralisiren, nämlich
r durch die Säule selbst, wie wir oben gesehen haben, und der durch
n Leiter, welcher beide Pole der Säule verbindet. Das grössere oder
änere Verhältnisse der beiden Elektricitäten, welche diesen beiden Wegen
Igen, hängt von der relativen Leichtigkeit ab, die diese der Vereinigung
rten. Wenn die Säule nur etwas besser leitet, als der zwischen den Polen
Endliche Körper, so wird kein Antheil des Stromes durch den Körper
;hen, oder es wird nur ein sehr geringer Theil sein. Daher muss man
e Zahl der Paare der Säule darnach berechnen, wie die Leitfähigkeit des
örpers ist, den der Strom durchsetzen soll, und nicht, wie man geglaubt
it, nach der Art der Wirkung, welche der Strom hervorbringen soll. Die
ihl der Paare in der Säule muss immer so bestimmt werden, dass sie selbst
hlechter leitet, als die zwischen ihre Pole geschalteten Körper." Es ist
erbei nur übersehen worden, dass durch Einschaltung eines Nichtleiters in
e Säule der Rückstrom der Elektricität ganz vermieden und so die Säule
if das Maximum ihrer Wirkung gebracht werden könnte! Dabei schliesst
:la Rive diesen Theil seiner Darlegungen mit den vertrauensvollen Worten:
Die Thatsachen, auf welche ich mich gestützt habe, sind allen Physikern
Scannt genug, dass es überflüssig ist, bei ihnen zu verweilen. Ich begnüge
ich zu bemerken, dass ich viele Male Gelegenheit gehabt habe, ihre
enauigkeit mit Hülfe der oben beschriebenen Galvanometer zu beweisen,
h glaube daher, dass in dieser Beziehung die Theorie in vollkommener
bereinstimmung mit der Erfahrung ist, und dass man aus ihr einige prak-
iche Anwendungen über die vortheilhafteste Construction der VoLTA'schen
iulen entnehmen kann." Schade, dass er die oben gemachte Anwendung
iner Theorie nicht versucht hat, praktisch auszuführen!
Die naheliegenden und wohlbegründeten Angriffe, welche de la Rive
ezüglich dieser Theorie der Säule erfuhr, lassen sich hier nicht im Ein-
sen wiedergeben; insbesondere beschäftigten sich Marianini und Poggen-
orff mit ihrer Widerlegung. Es kann nicht Wunder nehmen, dass eine
bemische Theorie, die zu solch absurden Schlüssen führte, gerade von dem
>gisch und mathematisch gebildeteren Theile der Physiker mit Protest
i)geiehnt wurde, und den Anspruch, die brauchbaren Grundlagen der che-
iischen Theorie von ihren missverstandenen Auswüchsen zu trennen, konnte
an ihren principiellen Gegnern gegenüber am wenigsten erheben.
10. Vertheidigung der VoLTA'schen Theorie durch Marianini.
egen die Ansichten, welche de la Rive in den beiden ersten Abhandlungen
sgesprochen hatte, wendete sich unter anderen Marianini, Professor am
460 Zwölftes Kapitel.
Königlichen Lyceum in Venedig, in einer langen Abhandlung1 über die cl
mische Theorie der einfachen und zusammengesetzten Elektromotoren. In seil
Einleitung bemerkt er, dass er anfangs wegen des offenbaren Zusamm
hanges der chemischen Erscheinungen mit den elektrischen geneigt war,
chemische Theorie anzunehmen, dass er aber bei dem Versuche, sie dur
zufuhren, in solche Schwierigkeiten gekommen sei, dass er sich im Geg
theiie bald in den Stand gesetzt sah, die Unnahbarkeit der chemisc!
Theorie zu erweisen.
Marianini bereitet seinen Angriff als geschickter Stratege vor. ]
ausgedehnte erste Theil seiner Abhandlung enthält die Auseinandersetzi
des grossen Einflusses, welchen geringe Änderungen in der Oberfläch
beschaffenheit der metallischen Platten auf ihre Stellung in der „Spannui
reihe" haben. Insbesondere wenn die Platten vorher als Leiter in eir
zusammengesetzten Stromkreise gedient hatten, änderten sie, den I
deckungen von Ritter über die secundäre Säule entsprechend, ihre Stell
im höchsten Grade, ebenso aber auch durch Behandlung mit verschiede
Flüssigkeiten, mit Abreiben u. dergl. Indem er diese Einflüsse von vornhe
im VoLTA'schen Sinne, als Beeinflussungen der Contactspannung behanc
hat er später keine Schwierigkeit, alle von den Vertretern der chemisc
Theorie gegen Volta geltend gemachten Umkehrungen in der wech
seitigen Stellung der Metalle auf derartige Oberflächenwirkungen und Sf
nungsänderungen zurückzuführen. Aus welchem Grunde die erwähl
Ursachen aber gerade die beobachteten Änderungen hervorbringen, brai
er gemäss der VoLTA'schen Theorie nicht weiter zu erörtern, da mit <
Satze: die Stellung in der Spannungsreihe hat sich verändert, eben •«
gesagt ist, was im Sinne der Theorie gesagt werden kann. Aus solc
Wendungen tritt die schon erwähnte formale Stärke und causale Schwa
der VoLTA'schen Theorie deutlich hervor.
Hat sich Marianini so in den Stand gesetzt, für alle vorkommen
Erscheinungen in seinem Sinne eine „Erklärung" zu geben, so wird es
andererseits nicht schwer, auf Grund der falschen Ansicht de la Rivers, <
die sichtbare chemische Wirkung die Elektricitätsentwickelung bedii
jedem von diesem angegebenen Versuch einen anderen gegenüber zu ste!
welcher gerade das Gegentheil zeigt. Um ein Beispiel zu geben, sei
Erörterung Marianini's über einen Versuch von de la Rive angeführt,
in Folgendem besteht: Taucht man Stäbe von Gold und Platin, welche
den Enden eines Galvanometers verbunden sind, gleichzeitig in reine
petersäure, welche keines der beiden Metalle angreift, so findet auch k
Ablenkung der Nadel statt; wird aber zu der Flüssigkeit etwas Salzsi
gesetzt, wodurch sie das Gold angreifen kann, so entsteht ein Strom,
nach der von de la Rive aufgestellten Regel in der Richtung geht, als \i
das angegriffene Metall sich wie Zink gegen Silber verhielte.
1 Ann. chim. phys. 46, 28. 1830.
p
Der Kampf zwischen der Theorie der Berührungselektricitit u. s. w. a6\
Hiergegen bemerkte Marianini, dass zunächst Gold und Platin sich in
der Spannungsreihe sehr nahe stehen. Ferner finden weitere Wirkungen statt,
die von der chemischen Theorie nicht vorgesehen werden. „Zwei Platten
yon reinem Golde, die gleichzeitig in Salpetersäure, die mit einigen Tropfen
Salzsäure vermischt ist, gesenkt werden, bringen keine Bewegung des Galvano-
meters hervor. Werden die feuchten Platten gereinigt und wieder in die
Säure gesteckt, so ist die Wirkung wieder Null; senkt man aber die eine
Platte vor der anderen ein, so findet eine erhebliche Ablenkung nach der
Seite der zuerst befeuchteten Platte ein, d. h. diese elektrisirt sich negativ.
„Lässt man zwischen den beiden Eintauchungen längere Zeit verstreichen,
: so ist die Wirkung ausgeprägter. In etwas weniger als zwei Minuten erhält
; man das Maximum der Wirkung. . . .
„In Versuchen mit zwei Platinplatten erhielt ich ähnliche Wirkungen
„Man kann nicht sagen, dass diese Erscheinungen von der Elektricität
herrühren, welche unmittelbar aus der chemischen Wirkung der Säure auf
die Metalle entsteht; erstens weil auch die untergetaucht gebliebene Platte,
wenn man sie einige Zeit an die Luft hält und dann mit der anderen in
die Flüssigkeit taucht, gleichfalls negativ gegen die andere erscheint, zweitens
«eil, wenn man die eingetauchte Platte an der Luft trocknen lässt, sie sich auf
Tage und Monate, ja vielleicht auf Jahre negativer hält, als die, welche gar
nicht in die Flüssigkeit getaucht war; drittens, weil diese Wirkungen auch
eintreten, wenn man die Platten während der ganzen Zeit, dass sie in die
Flüssigkeit tauchen, oder auch während der ganzen Zeit der Versuche, zum
Meer (zur Erde) abgeleitet hält.
„Wird man, um diese Erscheinungen nach der neuen Theorie zu
erklären, sagen, dass die zuletzt in die Flüssigkeit gesenkte Goldplatte stets
die weniger angegriffene ist? Ich glaube nicht, dass es so ist; denn wenn
man die feuchte und die trockene Platte in eine andere Flüssigkeit über-
trägt, so erregt man einen Strom, welcher noch immer in dem gleichen
Sinne verläuft, und selbst wenn die neue Flüssigkeit Salpetersäure ist, die
mit zwanzig oder dreissig Theilen Wasser verdünnt ist, und sogleich diese
nach dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse weder Gold noch Platin
angreift, so ist dennoch die Ablenkung dreimal so gross, wie sie in der
concentrirten Säure ist.
„Wenn man also wie de la Rive die beiden Metalle in Salpeter -Salz-
säure taucht, so steigert man an beiden die relative elektromotorische Fähig-
keit; da sie aber beim Platin mehr, als beim Golde zunimmt, so wird dieses
negativ, und das andere positiv. Dies ist so wahr, dass wenn man zuerst
die Platinplatte eintaucht, und dann die Goldplatte, man eine grössere
Wirkung erhält, obwohl die chemische Wirkung nicht Zeit genug hat, sich
energisch gegen das Gold zu bethätigen, wie sie es dem Platin gegenüber
schon gethan hat Taucht man umgekehrt die Goldplatte zuerst ein, so
ist die Wirkung geringer, als wenn man beide Metalle gleichzeitig ein-
taucht
462 * Zwölftes Kapitel.
„Und noch eine Bemerkung: lässt man das Gold während mehr
anderthalb Minuten unter der Flüssigkeit, bevor man das Platin eintau«
so sieht man letzteres sich positiv.elektrisiren, und das Gold, obwohl
sicherlich stärker als das Platin angegriffen wird, elektrisirt sich negativ/
In ähnlicher Weise zeigt Marianini noch an einer grossen weiteren 2
von Beispielen, wie die Ansichten von de la Rive häufig mit den Thatsacl
in Widerspruch gerathen. Auch in Bezug auf die S. 450 erwähnten \
suche weiss er die schwachen Seiten seines Gegners herauszufinden und
Angriffen zu benutzen. In dem letzten Theile seiner Schrift bringt
schliesslich noch das beliebteste Argument gegen die chemische Theorie 1
dass nämlich gleiche Spannung bei Ketten aus denselben Metallen beobacl
wird, wenn diese einmal in Flüssigkeiten tauchen, die sie sehr stark angrei
das andere Mal in solche, welche keinen sichtbaren Angriff ausüben. A
versäumt er nicht hervorzuheben, dass die chemische Theorie für die Stei
rung der Spannung beim Aufschichten der einfachen Ketten zu Säulen k<
Erklärung habe. Dies letztere Argument ist um so schlagender, als
Abhandlung vor Veröffentlichung der dritten Arbeit de la Rivers (S. 4
geschrieben war, wo de la Rive selbst zu dem Schlüsse gelangte, dass i
solche Steigerung nicht stattfinden könne.
In Summa muss man Marianini in seinen Angriffen auf de la Rive
überall Recht geben; die elektrochemische Theorie in der Form, wie di<
sie aufgefasst hatte, war nicht haltbar. Zwar versuchte de la Rive sich
vertheidigen und bezweifelte die Genauigkeit einzelner Angaben Marianu
in der Hauptsache blieben aber die Einwürfe unbeantwortet, und von
Bemühungen des Genfer Physikers blieb nicht viel mehr übrig, als
immerhin dankenswerthe Anregung zur erneuten Prüfung der Grundla
der VoLTA'schen Theorie.
Gegen die Abhandlung von Marianini wendete sich auch Parrot,1
dem er seine oben (S. 429) erwähnte chemische Theorie wiederholte 1
aus seinem Werke: „Entretiens sur la Physique" eine Anzahl von Ste
wieder abdruckte, welche die Erklärung der Erscheinungen in seinem Si
geben sollten. Es erscheint nicht nützlich, auf diese vielfach ausserord
lieh willkürlichen Darstellungen einzugehen; auf den Fortschritt der Fr
haben sie keinen Einfluss gehabt.
Einen weiteren Vertheidiger fand die VoLTA'sche Theorie in A. Boucü
dat,2 welcher die schon von Wollaston und Ritter angegebenen Versu
über die Beschleunigung der Wasserstoffentwickelung bei der Einwirlc
des Zinks auf Säuren durch die Berührung mit anderen Metallen wie<
holte und erweiterte.
„Wir Hessen gleiche Gefässe aus verschiedenen Metallen, die so 1
als möglich waren, herstellen, ferner machten wir Kugeln von gleicher Ges
und gleichem Gewicht aus den Metallen, die wir dem Versuch unterwei
1 Ann. chim. phys. 46, 361. 183 1. ' Ebenda 53, 284. 1834.
Der Kampf zwischen der Theorie der Berührungselektricität u. s. w. 463
ollten. In jedes Gefäss wurde eine Kugel gethan, dann wurde die gleiche
lenge derselben Säure hinzugefügt, und die Wirkung während vollkommen
lochen Zeiten fortgesetzt. Alle Bedingungen waren identisch; der einzige
filterschied bei allen Versuchen ist die Natur der Gefässe, die einzige ver-
miedene Kraft ist die durch die Berührung der verschiedenen Metalle, der
iefässe und der Kugeln entwickelte elektromotorische Kraft. Die Ver-
chiedenheit der chemischen Wirkung rührt daher ausschliesslich von dieser
Frsache her. . . . Vier Kugeln von destillirtem Zink wurden in vier Gefässe
degt: I) von Platin, 2) von Gold, 3) von Silber, 4) von Glas. Die Wirkung
auerte für jede eine Stunde, mit der gleichen Menge angesäuerten Wassers;
ach Beendigung der Wirkung ergab die Wägung der Kugeln folgende
iahten:
Platin 79, Gold 65, Silber 51, Glas i1^.
„Es ist ersichtlich, dass die Berührung der heterogenen Körper der
bemischen Wirkung eine neue Energie gegeben hat. Diese Unterschiede
od so bedeutend, dass keine Ursachen von Irrthümern herangezogen werden
onnen. Es folgt daher aus diesen Versuchen in unwidersprechlicher Weise,
aas durch die einzige Thatsache der Berührung die Körper in verschiedene
Icktrische Zustände gelangen; das positive Metall ist es um so mehr, je
egativer der Körper ist, mit dem er in Berührung steht. So kann uns die
fessung der chemischen Wirkung ein Maass für die gegenwärtige elektro-
*
Krtorische Kraft der Körper liefern. ... Es scheint uns bewiesen, dass die
weh die alleinige Thatsache der Berührung entwickelte Elektricität einen
nmittelbaren Einfluss auf die chemische Wirkung übt, welche die Flüssig-
st auf das positive Metall haben muss; und dass daher die Elektricitäts-
ntwickelung der chemischen Wirkung vorhergeht, dass die chemische Wir-
img nicht die Ursache der Elektricitätsentwickelung ist, sondern dass im
iegentheil die Energie der chemischen Wirkung von der durch die Berührung
ntwickelten elektrischen Kraft abhängt."
In dem weiteren Verlauf seiner Abhandlung variirt Bouchardat das
jleiche Thema in mannigfaltiger Weise; wir brauchen ihm dabei nicht zu
blgen. Ebensowenig ist das nöthig bei seinen Bemühungen, den Einfluss
ler Gefässe und somit der Berührungselektricität auf eine Anzahl weiterer
Vorgänge, wie Krystallisation, Essigbildung, Alkoholgährung, das Sauerwerden
ler Milch nachzuweisen. Seine allgemeine Schlussfolgerung, „dass die Kraft,
«Iche sich bei der Berührung aller verschiedenartigen Stoffe entwickelt,
inen mehr oder weniger deutlichen Einfluss auf die Energie oder die Natur
ler chemischen Reaktionen hat," ist jedenfalls viel zu weit gefasst.
11. Becquerel's Hauptwerk. Eine Art Abschluss in dem Kampfe
tr Meinungen wurde in einem ausgedehnten Werke angestrebt, in welchem
ecquerel die Ergebnisse seiner und anderer Arbeiten zusammenfasste, und
is von 1834 bis 1840 unter dem Titel „Traitö experimental de l'ölectricitö
du magnetisme" in sieben Bänden erschien. In diesem Werke versuchte
icguEREL ein Gesammtbild des behandelten Gebietes zu geben, gelangte
Über seine theoretischen Ansichten giubt Becquerel die ai
Rechenschaft, dass sie im Laufe seiner Arbeiten sich mehrfach
haben, und zwar vorwiegend unter dem Einflüsse US la Rive's, mit
vielfach in polemischer Weise zusammengetroffen war. Durch di<
er aus einem überzeugten Voltaisten zu einem zwar nicht so unh
Chemiker, wie de i.a Rive, geworden, er hatte sich aber doch die
schau ungskreise so sehr genähert, dass er von den orthodoxen
theoretikern als ein unzweifelhafter Gegner angesehen wurde. Di
grosse Zahl seiner Arbeiten und die Unermüdlichkeit seiner Thätigk
Becquerel sich in der That das Ansehen eines der Führer der „Cl
erworben, obwohl der Schwerpunkt seiner Begabung unzweifelhaft w
in der treufleissigen Sammlung experimentellen Materials, als in der
Pracisirung wissenschaftlicher Fragen und ihrer sachgemässen Bean
lag. So ist denn im Laufe der Zeit von Becquerel's Ansichten nicht
liches übrig geblieben, während von seinen Beobachtungen not
manche zu eingehenderer Verfolgung des eingeschlagenen Weges ai
und andere bereits eine gewisse Bedeutung auch für theoretische
der neuesten Zeit erlangt haben.
Über seine Stellung zu den streitenden Theorieen äussert sich B
folgendermaassen : ]
„Zunächst habe ich die Meinung de la Rive's vollständig angei
dass jedesmal eine Entwickelung von Elektricität eintritt, wenn ch
thermische oder mechanische Wirkung stattfindet. Die vielen \
welche ich seit einer Reihe von Jahren, und bevor de la Rive sich
Frage befasste, über diesen Gegenstand angestellt habe, lassen i
Hinsicht keinen Zweifel. Es blieb daher übrig, die Existenz der vo
Pfafk, Davv, Makianini und mir angenommenen, von Fabroni, Parr<
laston und de la Rive bestrittenen elektromotorischen Kraft zu unt>
Am Anfange meiner Untersuchungen nahm ich die von Davv mit Ni
vorgetragene Meinung an, dass die chemische Wirkung unumgän
dass die durch die Berührung entwickelte Elektricität übertragen wir
Betrachtungsweise ergab sich als ein meesotermine zwischen den M
1 Tndtt, 1, 357. 1833.
Der Kampf zwischen der Theorie der Berührungsclektricität u. s. w. 465
Anhänger der Berührung und der der chemischen Wirkung. Da ich
überzeugt war, dass diese Frage, selbst wenn man die Theorie von
y nicht annimmt, mittelst des Multiplikators nicht entschieden werden
i, so wendete ich mich dahin, zu ermitteln, was bei der Berührung
hieht, indem ich alle möglichen Vorsichtsmaassregeln nahm, um mich
tn mechanische, thermische und chemische Wirkungen zu schützen,
iglich deren mir de la Rive Mangel an Vorsicht vorgeworfen hatte.
„Gewöhnlich benutzt man zur Aufsammlung der bei der Berührung
rickelten Elektricität Condensatorplatten aus Kupfer, welche mehr oder
iger durch die an den Fingern haftenden Flüssigkeiten angreifbar
. Um diesem Übelstande zu entgehen, benutzte ich Platten aus Gold
r aus mit Gold überzogenen Kupferplatten. Andererseits hielt ich mich,
t die elektrische Berührungswirkung der mehr oder weniger an der Luft
r im Wasser oxydirbaren Metalle zu studiren, besonders zu solchen
eralischen und die Elektricität leitenden Stoffen, welche seit Jahrhunderten
Einwirkungen des Wetters ausgesetzt, keinerlei Änderung an der Ober-
be erfahren haben. Diese Stoffe sind Gold, Platin, Manganhyperoxyd,
peteisenstein, Silberamalgam, Schwefelkies, Eisencarburet u. s. w. Ich
1 zunächst mit meinem Apparat, dem ich eine sehr grosse Empfindlich-
I gegeben hatte, dass Platin und Gold bei ihrer gegenseitigen Berührung
le Spur von Elektricitätsentwickelung gaben. Diese Thatsache, auf welche
U Rive sich später gestützt hat, um seine Theorie zu vertheidigen, ist
abar der von Volta entgegen. Ich habe ebenso gefunden, dass beim
buchen der beiden Metalle in eine Flüssigkeit, welche sie nicht angreifen
II, auch kein Strom stattfand; andererseits sind aber Gold und Platin
ihr gegen Manganhyperoxyd und Eisencarburet, und Manganhyperoxyd
fterhaupt negativ bei seiner Berührung mit allen anderen Stoffen, während
4 nichts vermuthen lässt, dass diese Stoffe eine chemische Einwirkung
i der Berührung mit Luft erfahren. Es war hierbei Obacht gegeben
nlcn, dass weder ein Stoss, noch eine sonstige mechanische Wirkung
tot; somit giebt dieser Stoff", ebenso wenig wie die anderen ähnlicher
hr, Ergebnisse, welche der Theorie der Berührung günstig sind. Ich
tte, dass ich ohne diese letzten Resultate mich den Vertheidigern der
Mschen Theorie angeschlossen hätte, obwohl meine Ideen über die Con-
jfcn der Körper mir nahe legen, anzunehmen, dass die Berührung
bicitat entwickelt. Somit habe ich nicht ganz und gar auf ihre Thätig-
ferzichtet."
. An einer späteren Stelle l kommt Becquerel auf dieselbe Frage zurück.
er auseinandergesetzt hat, dass möglicherweise auch die Reibungs-
idtät chemischen Ursprunges sei, da auch durch Reiben chemische
gen entstehen können,2 erörtert er die Möglichkeit, dass bei der
!Traite, 2, 137.
'Die von Becquerel geschilderten Erscheinungen sind ähnlich den früher (S. 221) er-
Versuchen von Vauquei.in und Desormes. Er fand, dass das Pulver von Mesotyp
'»ald. Elektrochemie. * 3°
466 Zwölftes Kapitel.
Berührung des Mangansuperoxydes mit den Fingern doch chemische Wirk
eintreten könne. Für eine solche Annahme spricht ihm besonders der U»
stand, dass die mögliche chemische Wirkung, der Sauerstoffverlust, gerade
das Zeichen der entwickelten Elektricität geben müsste, welches thatsächlick
beobachtet worden is.t, und er ist demnach geneigt, auch in diesen Fällen,
die ihm früher gegen die chemische Theorie zu sprechen schienen, eiact.
chemischen Vorgang als Quelle der beobachteten Elektricität anzunehmen.
Wie weit Becquerel indessen von der richtigen Auffassung der elektro-
chemischen Erscheinungen entfernt war, geht aus folgender Stelle seines
Werkes1 hervor, welche daneben dadurch interessant ist, als dort die ersten
Anfange der constanten Ketten sichtbar werden. „Fahren wir fort^
gesättigte Lösungen der Metallsalze zu nehmen, welche durch das Eintauchen
der Metalle keine merkliche Änderung erfahren; giessen wir daher in das
Gefäss mit der Kupferplatte eine gesättigte Lösung von Kupfernitrat, in die
andere eine gesättigte Lösung von Zinksulfat, und verfahren unter gleichen
Verhältnissen wie vorher (unter Anwendung von verdünnter Schwefelsaure
in beiden Gefässen), damit die Ergebnisse vergleichbar sind. Die Ablenkung
ist alsdann 88° (statt 62 °), und erfährt nur langsam eine Verminderung.
Die Zunahme der Wirkung ist in diesem Falle auf die Wechselwirkung der
beiden Lösungen zurückzuführen; auch ist die chemische Wirkung beider
Metalle auf die Lösungen so gering, dass man sie nicht als die einzige
Ursache der Erscheinung auffassen kann. Ein Zusatz von Salpetersäure
ändert nicht merklich die Stärke des Stromes. Das Gleiche gilt, wenn (nan
einen Tropfen Schwefelsäure in das andere Gefäss giesst, falls das Zink
vorher gereinigt war. Es findet somit hier ein Maximum der Wirkung statte
welches erkennen lässt, dass die Wechselwirkung der beiden Lösungen den
grössten Antheil an der Entstehung des Stromes hat. Diese ist in solchem
Maasse die Ursache der Erscheinung, dass wenn man mit zwei Platten von
Kupfer oder Platin arbeitet, die Wirkung in demselben Sinne statthat, bis
auf die Intensität, welche in dem Maasse geringer ist, als die elektrische
Flüssigkeit eine grössere oder geringere Schwierigkeit findet, von der Flüssig-
keit in das Metall zu gehen."
Becquerel ist hier nicht gewahr geworden, dass er den Normalfall des
galvanischen Elementes hergestellt hatte, in welchem die chemische Wirkung
ausschliesslich an die elektrische, oder, umgekehrt gebunden ist. Wenn er
anstatt der Kupferplatte eine von Platin in die Kupfernitratlösung gestellt
hätte, so hätte er beobachtet, dass sich auf ihr Kupfer abscheidet, während
alkalisch rcagirt, dass beim Reiben einer Platte von Kalkstein mit einem KrystaU von Kalium*
sulfat sich alsbald Kaliumcarbonat und Calciumsulfat bildet, dass Schwefelkies, der an der Luft
unveränderlich ist, beim Feinreiben sich zu Eisenvitriol oxydirt. In neuester Zeit sind ähnliche
Erscheinungen chemischer Reaktionen durch mechanischen Druck von Carey Lra beschrieben
worden; sie beanspruchen nach mehreren Gesichtspunkten ein grösseres Interesse, als ihnen
bisher zu Theil geworden ist.
1 Traite, 2, 84.
Der Kampf zwischen der Theorie der Berührungselektricität u. s. w. 467
• Strom durchgeht, und hätte sich daraus überzeugen können, dass bei
• von ihm zusammengestellten Kette allerdings eine chemische Wirkung
ttfindet, wenn auch die Lösungen nicht unmittelbar auf die Metalle
wirken können; daraus hätte sich ferner ergeben, dass eben nur die
ttelbaren chemischen Vorgänge elektromotorisch brauchbar sind. Damit
re aber endlich der immer wiederholte Einwand gegen die chemische
eorie gefallen, dass es chemische Vorgänge in den Ketten gebe, welche
ht elektromotorisch wirken.
Diese Bemerkungen sind nicht gemacht, um aus ihnen besonderen
del gegen Becquerel herzuleiten, denn es waren noch mancherlei Beob-
itungen und Entdeckungen zu machen, bevor diese einfache Betrachtung
' elektromotorischen Erscheinungen durchgeführt werden konnte. Es war
r darauf hinzuweisen, wie oft man den Schlüssel zu einem lange gesuchten
nkte in der Hand hält, ohne sich dessen bewusst zu werden, und wie
in demgemäss den richtigen Schlüssel verkehrt anwendet, ohne einmal
f den Gedanken zu kommen, wenn er gar nicht schliessen will, ihn in
r umgekehrten Richtung zu drehen.
In dem dritten Bande seines Werkes, welcher im Jahre 1835 erschienen
, giebt Becquerel schliesslich einen Überblick über seine theoretischen
ischauungen. 1 Er knüpft sie an eine von Ampere ausgesprochene Ansicht
, durch welche dieser die in der BERZELius'schen Theorie enthaltene
iiwierigkeit, dass die vereinigten Atome nach dem Ausgleich ihrer Elek-
cftäten keinen Grund mehr haben, vereinigt zu bleiben, zu überwinden
cht. Ampere nimmt an, ebenso wie Berzelius, dass die Elemente mit
stimmten Elektricitäten beladen seien. Dadurch wirke aber jedes geladene
tom auf die neutrale Elektricität der Umgebung, und umkleide sich mit
ner Hülle von der entgegengesetzten Elektricität, ohne sich mit dieser ver-
inden zu können; es stellt also eine Art geladener Leidener Flasche dar.
ei der Verbindung entgegengesetzt geladener Atome gleichen sich nur die
lektricitäten der Hülle aus, und die Atome selbst bleiben mittelst ihrer
igenen Elektricität verbunden, während die Verbindung der Elektricitäten
er Hüllen die Erscheinungen des Feuers u. s. w., welche die Verbindung
egleiten, bedingt.
Gegen diese Ansicht erhebt Becquerel einige Einwände; die seinige,
reiche er alsdann vorträgt, unterscheidet sich indessen kaum von derselben,
lach Becquerel sind insbesondere die Säuren mit, negativer, die Basen mit
ositiver Elektricität behaftet; beide Theilchen umkleiden sich mit einer
lulle der entgegengesetzten Elektricität, die sie bei ihrer gegenseitigen Neu-
alisation verlieren, und bei der Trennung wiedergewinnen.
Der Zusammenhang zwischen Leitung und Zersetzung in Flüssigkeiten,
eiche einen Strom leiten, erscheint ihm nur zufällig, nicht nothwendig, da
e festen Metalle, die Kohle und andere Stoffe ohne Zersetzung leiten
1 Trait£, 3, 406.
30*
468 Zwölftes Kapitel.
können. „Die Elektricität kann somit in diesen wandern, ohne es
nöthig zu haben, materielle Stoffe mit sich zu schleppen; warum soll (
den flüssigen Körpern nicht ebenso sein, deren Constitution dieselb
abgesehen von dem Aggregatzustande, welcher nicht der gleiche ist?"
Neben solchen bedenklichen Ansichten finden sich wieder riecht
und brauchbare, wie z. B. die folgende über die Entstehung des Stron
der einfachen Kette. „Wenn das Zink in's Wasser getaucht wird, r
es darauf, indem es eine sehr langsame Zersetzung hervorbringt, die <
die Elektricität erzeugt wird: der Sauerstoff, der sich von dem Wass<
trennt, um sich zum Metall zu begeben, nimmt seine Atmosphäre von
tiver Elektricität mit sich; da aber das Zinktheilchen einer Atmosphär«
positiver Elektricität bedarf, um sich mit dem Sauerstoff zu verbinden,
es an die Umgebung seine negative Elektricität ab, welche an Intensiv
negativen des Sauerstoffes gleich ist, und sich alsbald, so wie die lei
Verbindung hergestellt ist, zu dem Kupfer begiebt, und von dort i
Flüssigkeit übertritt. Der Wasserstoff im nascirenden Zustande aber, w<
sich von positiver Elektricität umgeben befindet, wird durch den Strom
dem Kupfer transportirt, wo er die negative Elektricität wieder aufn
deren er bedarf, um seinen neutralen Zustand herzustellen. Ohne di
rührung mit dem Kupfer ist die Reaktion schwach und langsam, d
Verwandtschaft des Sauerstoffes zum Zink durch seine Wirkung au:
Wasserstoff aufgehoben wird; nach der Berührung ist sie im Gege
energisch und schnell, weil die beiden elektrischen Kräfte, welche zur 1
tung der Verbindung des Sauerstoffes mit dem Wasserstoff dienten
werden, und indem sie in einem Sinne wirken, welcher dem früherer
gegengesetzt ist, dazu dienen, dieselbe Verbindung zu zerstören."
In ähnlicher Weise wird die Zersetzung durch den Strom erklärt,
Becquerel ausdrücklich im Sinne von Grotthuss hervorhebt, dass c
entgegengesetzten Richtungen wandernden Molekeln dabei nicht frei bl<
sondern eine Reihe abwechselnder Verbindungen und Zersetzungen erl
„Alle die vorgelegten Betrachtungen zeigen, dass zwischen den
wandtschaften und den elektrischen Kräften eine vollständige Identität in
Sinne vorhanden ist, dass die Elektricität, die mit den Theilchen
chemischen Verbindung vereinigt ist, die Wirkung der Verwandtschaf
recht erhält, und daher die Kraft darstellt, welche die Theilchen zusarr
hält, so dass, um diese JCraft zu besiegen und die Theilchen zu tre
man einen elektrischen Strom anwenden muss, der zum mindesten
gleich sein muss, welchen die beiden damit verbundenen Elektricitäter
wickeln würden, wenn sie frei würden. Wir ziehen hieraus nicht den Sc
dass die Ursache der Verwandtschaft eine rein elektrische ist, da alle 1
beobachteten Thatsachen allein beweisen, dass die elektrischen Kräfte, ^
sich an dem Bestände der Verbindungen betheiligen, sich bei der Wi:
der Verwandtschaften entwickeln; es ist also eine Wirkung, welch
Ursache für die Permanenz der Berührung der Theilchen ist Dies i
Der Kampf zwischen der Theorie der Berührungselektricität u. s. w. 469
leinen die Art, wie man die Rolle ansehen muss, welche die Elektricität
a den chemischen Wirkungen spielt.
„Eis folgt aus den Beziehungen, welche wir soeben zwischen den elektrischen
ten und den Verwandtschaften festgestellt haben, dass, wenn man zwei
tenten die elektrischen Zustände mittheilt, welche sie in ihrer Verbin-
ig haben müssen, die Verbindung alsbald eintreten muss, da sie sich
in im nascirenden Zustande befinden. Dieses fruchtbare Princip . . .
it zur Erklärung einer grossen Zahl natürlicher Erscheinungen, deren
ichen erst seit einigen Jahren sich haben aufdecken lassen.
,Wir haben wohl gesehen, dass wenn zwei Körper chemisch auf ein-
ler wirken, sie sich mit Atmosphären von entgegengesetzten Elektricitäten
;ben, welche zur Erhaltung der Verbindung unumgänglich sind; wie
ten aber die Verwandtschaften ein derartiges Phänomen hervorbringen?
[Dies ist uns allen unbekannt. Es fehlt uns an Thatsachen, um in ein solches
[Geheimniss einzudringen."
Die Ansichten von Becquerel theilen mit denen seiner Zeitgenossen die
Eigenschaft, dass aus ihnen sich sehr wenig bestimmte Schlüsse ziehen
;n, und kennzeichnen auf diese Weise den unbefriedigenden Zustand, in
welchem sich zu jener Zeit die auf die gegenseitige Umwandlung der ver-
schiedenen „Kräfte" bezüglichen Ansichten befanden. Da er auch das Gesetz
von Ohm nicht kennt, und mit dem von Faraday (siehe das nächste Kapitel)
tichts anzufangen weiss, so fehlen ihm in der That die einzigen Führer
durch das Labyrinth der Erscheinungen, welche dieselbe messen, und somit
geistig beherrschen lassen.
In dem sechsten Bande seines „Traite" kommt Becquerel nochmals
auf seine theoretischen Ansichten zurück. In einem eigenen Kapitel (S. 333)
setzt er auseinander, was er für festgestellt in diesem Gebiete hält. Zum
grössten Theile handelt es sich um eine wörtliche Wiederholung des früher
Gesagten (S. 467); eine Veränderung zeigt sich nur insofern, als er noch
bestimmter, als früher, sich auf den chemischen Standpunkt stellt und dem
Contact nur eine ganz secundäre Wirkung zuschreibt.
Im Anschlüsse daran beschreibt er eine Methode, um mit Hülfe des
elektrischen Stromes die chemische Verwandtschaft zu messen. Diese hat
freilich nur noch geschichtliches Interesse, da sie im Princip falsch angelegt
ist Bei der Gelegenheit der Prüfung des FARADAv'schen Gesetzes war ihm
aufgefallen, als er Gemenge verschiedener Metallsalze der Zersetzung unter-
warf, dass nur eines von den vorhandenen Metallen, und zwar immer das
edelste, zur Ausscheidung gelangte. Indem er die Menge des anderen Salzes
beständig vermehrte, gelangte er schliesslich bei einem sehr grossen Über-
schüsse dazu, auch das andere Metall abzuscheiden. Das Verhältniss nur,
das zwischen beiden Metallen in der Lösung vorhanden sein muss, damit
gleiche Mengen derselben sich gleichzeitig ausscheiden, sah er als den Aus-
druck der beiderseitigen Verwandtschaft der Metalle zum Sauerstoff und der
Saure an. So hat sich ergeben, dass auf einen Theil Silbernitrat sechzig
470 Zwölftes Kapitel.
Theile Kupfernitrat vorhanden sein müssen, damit ein Gemenge von annähernd
gleichen Theilen beider Metalle ausgeschieden wird; darnach wäre die Ver-
wandtschaft des Kupfers zur Salpetersäure sechzig Mal so gross, wie die des
Silbers.
Die Methode ist später nie angewendet worden, weil sie irrthümlich
ist. Das Verhältniss der Salze in der Lösung ist nicht der einzige Umstand,
durch welchen das Verhältniss der ausgeschiedenen Metalle bestimmt wiri^
sondern das letztere hängt auch noch in entscheidender Weise von de
Stromstärke und der Oberfläche der Elektrode, also von der Stromdicbb
ab, und man kann- durch Regelung dieser Umstände das Verhältniss de
sich abscheidenden Metalle nach Belieben ändern. Becquerel hatte, ab e
das Verfahren angab, die erste Pflicht versäumt, welche in einem solche!
Falle dem Erfinder obliegt, nämlich sich zu überzeugen, dass zwischen de«
zu messenden Dinge und dem Maassstab auch wirklich ein eindeutiges Ver
hältniss besteht. Nur wenn dies zutrifft, ist die Messung möglich; und n
diesem Falle traf es nicht zu.
12. Die deutschen Forscher. Der Theil des Kampfes, welchen wi
bisher kennen gelernt haben, hat sich ausschliesslich auf französischem Boden
d. h. in Zeitschriften vollzogen, welche in französischer Sprache erschienen. Die
fraglichen Arbeiten wurden in's Deutsche übersetzt, und dadurch erhielt aucfc
der damals in Deutschland unbedingt vorherrschende Voltaismus hier eine»
Stoss. Die ersten Stimmen waren, wie es sich erwarten lässt, nur zm
Vertheidigung der Contacttheorie erhoben worden, und als reiner „Chemikern
trat erst später ein Forscher auf, mit dem wir uns noch zu beschäftiget]
haben werden, nämlich Schönbein. Doch zeigt sich der Einfluss der DH
schütterung der überkommenen Ansichten darin, dass mancherlei Versuche]
vorgenommen werden, die beidea entgegenstehenden Meinungen mit einandefj
zu vereinigen, natürlich wie immer mit dem Ergebniss, dass der Vermittelnde*
von beiden Parteien angegriffen wurde.
Von den Forschern, welche uns hier entgegen treten, ist vor allem der
unentwegte Vertheidiger des Voltaismus, C..H. Pfaff, zu nennen. Nebe»
ihm treten als Gleichgesinnte zuerst Ohm, und später Fechner und Poggdi-
dorff auf, welche alle orthodoxe Voltaisten sind; als Vermittler erscheinet
Karsten und Pohl. Auch hier ist es nicht möglich, jede Phase des Kampfei
zu schildern; wir werden uns wie früher damit begnügen, einzelne chanfe*
teristische Momente festzuhalten, und dabei auf die Dinge näher einzugehen
welche sich später als von Bedeutung erwiesen haben.
Mitten in diese Zeit fällt endlich das Auftreten des Mannes, dem dk
wichtigste Entdeckung gelungen ist, die auf dem Gebiete zu machen wtt|
das des englischen Forschers Faraday. Ähnlich, wie zur Zeit, wo <ät
VoLTA'sche Kette aller Orten Gelehrte und Ungelehrte beschäftigte, der Eng
länder H. Davy in einsamer Grösse unter seinen fast völlig unthätigen Landi
leuten hervorragt, aber durch seine Leistungen nicht nur diese, sonder
auch die fleissigen Arbeitsgenossen auf dem Continent weit in den Schatte
Der Kampf zwischen der Theorie der Berührungselektricität u. s. w. 471
stellt, so erscheint Faraday, der Amtsnachfolger Davy's, in gleicher Weise
allein unter seinen Landsleuten, die sich so gut wie gar nicht um den Streit
kummern, und bringt Thatsachen bei, welche die maassgebende Grundlage
für die künftige Entscheidung des Streites bilden. Obwohl es an der
unmittelbaren Anerkennung der Bedeutung seiner Entdeckung des Gesetzes
von der festen elektrolytischen Aktion (siehe das nächste Kapitel) nicht
gefehlt hat, so ist doch die Wirkung desselben auf die Umgestaltung der
theoretischen Ansichten nur sehr langsam vor sich gegangen; ja, man kann
sagen, dass die ganze Bedeutung des Gesetzes erst in den jüngsten Tagen
gewürdigt worden ist. Es ist deshalb möglich, die Geschichtserzählung des
Streites der Theorieen noch durch eine längere Zeit über die Entdeckung
des Gesetzes hinauszuführen, ohne näher auf diese einzugehen, was in einem
besonderen Kapitel geschehen wird. Denn noch lange über das Jahr der
Entdeckung, 1833, hinaus, wird der Kampf der beiden Ansichten mit wesent-
lich denselben Waffen, wie vorher geführt, ohne dass auf die von Grund
aus veränderte Situation Rücksicht genommen wird. Es ist dies eine Erschei-
nung, welche ganz den Schicksalen des ÜHM'schen Gesetzes ähnlich ist;
obwohl es in dem Falle des FARADAY'schen Gesetzes nicht an dem Mangel
der Bekanntschaft liegen konnte, hat es doch fast ebenso lange gedauert,
bis die Anwendung des Gesetzes allgemein wurde. Diese Beispiele zeigen,
wie viel Zeit im allgemeinen jedesmal die Assimilation eines neuen Gedankens
erfordert. Zu seiner Anwendung genügt keineswegs, dass er da und bekannt
ist; vielmehr muss sich die Wissenschaft erst einigermaassen an ihn gewöhnt
haben, bevor eine allgemeinere Anwendung gewagt und die Umgestaltung
der Anschauungen im Sinne der neuen Erkenntniss vorgenommen wird.
13. G. F. Pohl. Auf diesem deutschen Schauplatze des Kampfes tritt
in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre ein Mann auf, der mit der ganzen
Selbstgewissheit seiner Schule — er gehörte der Sekte der Naturphilosophen
an — eine gründliche Verachtung des Experimentes zur Schau trägt, und
der dennoch der einzige unter seinen Zeitgenossen und nächsten Nachfolgern
ist, welcher zu thatsächlich richtigen Kenntnissen über den Sinn der Elek-
tricitätserregung zwischen Metallen und Flüssigkeiten gelangt war. Es war
dies Georg Friedrich Pohl, geboren 1788 in Stettin, gestorben 1849 *n
Breslau. Seine Studien hatte er in Erlangen, dem Mittelpunkte der natur-
philosophischen Schule gemacht, später ist er an verschiedenen Berliner
Schulen Lehrer gewesen und schliesslich an der Universität in Breslau
Professor geworden. Eine vorläufige Bekanntschaft haben wir bei Gelegen-
heit des Berichtes über die Arbeiten von Ohm mit ihm machen können; er
war der gestrenge Kritiker, welcher dessen Werk über die galvanische Kette
jede Bedeutung absprach. Die gleiche kritische Ader nehmen wir auch an
Pohl's anderen Arbeiten wahr, und zwar ist es nicht die ruhig abwägende
Kritik des nüchternen Forschers, sondern es sind die unfehlbaren Urtheils-
sprüche des weit über dem übrigen Tross stehenden Wissenden.
Die wissenschaftliche Auffassung Pohl's erhellt aus dem bei Gelegenheit
472 Zwölftes Kapitel.
einer Verurtheilung Becquerel's l formulirten Ausspruch über das Verhält
zwischen chemischen und elektrischen Erscheinungen. „Die Elektricitat tä
überall, wo sie erscheint, nichts, als die Tendenz zur chemischen Synthes»; ]
sie ist kein materielles, mechanisch bewegtes Substrat, sondern eine
dynamische Thätigkeitsform der Materie selbst; sie ist die ungeöffnete Knospe,
aus welcher, wenn der Kreislauf der Funktionen in sich geschlossen ist, der
Chemismus wie eine aufgeschlossene Blüthe plötzlich hervorbricht Die
Elektricitat geht daher jedesmal vor dem Chemismus voran, niemals folgten
sie ihm, und es ist absolut unrichtig, wenn man wie Herr Becquerel, die
elektrischen Erscheinungen als spätere Erzeugnisse des Chemismus, oder gar :n
als die Folge von capillaren Wirkungen und dergleichen betrachtet."
Seine Ansichten und Versuche hat Pohl hauptsächlich in einem ziem- -A
lieh umfangreichen Werke „Der Prozess der galvanischen Kette" nieder* jü
gelegt. 2 Das Werk ist Alexander von Humboldt gewidmet, und die Vorrede ^
beginnt mit den Worten: „Wenn es gewiss ist, dass Selbstgefühl und An- ^
spnuchslosigkeit beide, falls sie rechter Art sind, aus einer und derselben t
Quelle, der Selbsterkenntniss, hervorgehen, so glaube ich mich nicht scheuen *:
zu dürfen, Ihren grossen und gefeierten Namen dieser Schrift voranzusetzen, r
Das Bewusstsein, welches mich in den Lichtkreis Ihrer Nähe treten lässt, *
würde kein lauteres sein, wenn es nicht zugleich mit der Überzeugung in •
mir vereinigt wäre, dass ich nach meinen Bestrebungen, und nach dem, r
was ich Ihnen darbringe, dieses Lichtes nicht unwürdig sei." -
Der Inhalt von Pohl's Schrift ist ein merkwürdiges Gemisch von rieh- :
tigen und falschen Anschauungen, durchsetzt und überschwemmt von der
Phraseologie seiner Schule. Die wesentliche Rolle, welche die Berührung ,
zwischen den Metallen und den flüssigen Leitern in der Erzeugung der ,
elektrischen Erscheinungen der Kette spielt, hat er wiederholt und energisch =.
betont; doch konnte er sich von der VoLTA'schen Auffassung nicht ganz
frei machen, und nahm daher eine entgegengesetzte Thätigkeit in der Kette
an: die Metalle wirken so aufeinander, dass das Zink gegen Kupfer positiv
wird; durch die Berührung mit der Flüssigkeit werde aber das Zink negativ,
und diese Wirkung sei die überwiegende. Dabei schrieb er einer schwer
verständlichen polaren Anordnung der Flüssigkeit in der Kette eine ent-
scheidende Bedeutung für das Zustandekommen der Wirkung zu.
In der Erkenntniss der Bedeutung, welche die Berührung zwischen
Flüssigkeit und Metall für die Theorie der Kette hat, ist Pohl auf einen
ganz richtigen Weg gelangt. Als ich mich durch seine endlos schwülstigen
Auseinandersetzungen zu seinen positiven Angaben durchgearbeitet hatte,
war ich nicht wenig erstaunt, diese Angaben vollkommen den Erfahrungen
entsprechend zu finden, welche erst in neuester Zeit über diese Frage
gewonnen worden sind. Es war weiter keine ganz leichte Aufgabe, die
thatsächlichen Erscheinungen herauszufinden, aufweiche Pohl diese Angaben
1 Pogg. Ann. 3, 186, 1825. • Leipzig 1826. 430 Seiten.
Der Kampf zwischen der Theorie der Berührungselektricität u. s. w. 473
Ggründet hatte. Denn ihm erscheint der experimentelle Nachweis seiner
asichten eine Sache von sehr geringer Bedeutung; mehr aus freundlicher
achstcht für die Schwäche der zurückgebliebenen Zeit- und Fachgenossen,
eiche m der Physik nach experimentellen Gründen fragen, statt nach dem
eculattven Beweise, als weil er selbst Gewicht darauf zu legen gewillt war,
tt er sich zu einigen kurzen Angaben herabgelassen. Mein Erstaunen
tigerte sich, als ich fand, dass er thatsächlich einen der wenigen Wege
Kunden hatte, die zum Ziele fuhren; freilich war er neben diesem richtigen
rege noch einen falschen gegangen, der ihn durch eine gegenseitige Eli-
ination mehrerer Fehler zu dem richtigen Endziele geführt hatte.
Um bei diesen seltsamen Widersprüchen zwischen der Unzulänglichkeit
«1 Pohi/s Philosophie und der Richtigkeit der durch sie erlangten Ergeb-
jse dem Leser ein ungefärbtes Bild von seiner Denkweise zu geben, theile
1 nachstehend seine eigene Zusammenfassung seiner Ergebnisse und des
rtwickelungsganges seiner Ansichten mit, wie er sie in der Vorrede seines
en genannten Werkes niedergelegt hat.1
„Der ursprüngliche Zweck meiner Darlegungen leitete mich, in dem
reben nach möglichst elementarischer Begründung, auf die Betrachtung
r zweigliedrigen galvanischen Kette mit ungleichen metallischen Berührungs-
chen. Ich suchte diesen Gegenstand um so schärfer in's Auge zu fassen,
t seine eigentliche Natur und sein Verhältniss zu den herrschend gewor-
den Vorstellungen über den Prozess der galvanischen dreigliedrigen Kette
► lange immer noch etwas völlig Räthselhaftes geblieben waren. Ich fand
hr bald, dass hier von einer Contactelektricität der metallischen Armaturen,
ie man sie bis dahin als eigentliche Triebfeder der Kette betrachtet hatte,
ir nicht die Rede sein könne; ich sah mich genöthigt zu schliessen, dass
iese Triebfeder nichts anderes, als nur die in der Contactelektricität der
lüssigkeit und des Metalles angedeutete Thätigkeit sein könne, und die
üahrung, welche ich machte, dass die Abweichungsrichtung der Magnet-
adel in der geschlossenen zweigliedrigen Kette dieselbe blieb, so lange die
lektrische Relation der Flüssigkeit zum Metalle sich nicht änderte und dass
ie in die entgegengesetzte überging, sobald mit einem anderen Metalle
iese Relation auch die entgegengesetzte geworden war, erhob meine Fol-
erung zur entschiedenen Gewissheit.
„Mit dieser Combination war umgekehrt zugleich ein Mittel aufgefunden,
ie elektrische Erregung zwischen der Flüssigkeit und dem Metalle, deren
lenntniss bis dahin nur den so häufig unzulänglichen und zweifelhaften
xgebnissen des Condensators und Duplikators verdankt wurde, theils der
jt, theils auch der Quantität nach, unzweideutig versichtbaren und an der
lagnetischen Bussole ablesen zu können.
„Einer Klasse von Physikern, die ihr Augenmerk mehr auf praktische
ad experimentale Einzelheiten, als auf umfassende spekulative Interessen
1 Der Prozess der galvanischen Kette. S. VIII.
474 Zwölftes Kapitel.
richtet, wird diese Seite meiner Untersuchungen vielleicht beachtungs
als manche der übrigen sein. Mir war sie es nicht. Ich hielt d
was die zweigliedrige Kette unter dem Charakter unumstösslicher G<
mir anvertraut hatte, vergleichend an die Erscheinungen der dreigli
und die zur reinsten Evidenz gesteigerte Überzeugung, dass auch
dreigliedrigen Kette die Relation zwischen Flüssigkeit und Metall a!
eigentliche Seele der Thätigkeit sei, während die Contactelektric
differenten Metalle nur das Reizmittel zur Belebung dieser Thätigkeit
eine Überzeugung, die ich in anderen Arbeiten lange vorher, nur nie
solchen Dokumenten als jetzt ausgesprochen habe — war die unaus
Folge dieser Vergleichung. Ich wurde inne, dass die Physik in ih
her igen Betrachtungsweise des Prozesses der galvanischen Kette, n
Contactelektricität der Metalle, nur so, wie ein Kind nach dem,
meisten in die Augen fällt, gegriffen, und die mehr unsichtbaren, u
baren, aber daher um so wesentlicheren, in der geschlossenen K<
um so kräftiger sich entwickelnden Qualitäten in der Relation der
keiten zu den Metallen, wenn nicht völlig übersehen, so doch fast
vernachlässigt habe.
„Meine seit längerer Zeit gemachten Entdeckungen über du
Thätigkeit des flüssigen Leiters in der geschlossenen Kette, — or
ich damals ihren Zusammenhang mit den nachfolgenden Untersu
bereits so bestimmt, als jetzt durchschaute — bildeten gleichsam, a
sie die von vornherein erwarteten Resultate planmässig unternomme
arbeiten, die wesentlichen Prämissen zu den späteren Combination
als der gemeinsame Mittelpunkt des grossen, alle elektrischen Relati«
Flüssigkeiten und Metalle umfassenden Kreises ergab sich mir ein
die meines Erachtens zu den merkwürdigsten Gesetzen gezählt zu
verdient, welche die Naturlehre kennt, das Gesetz nämlich, dass <
trische Relation irgend zweier Metalle gegen eine und dieselbe Fl
jeder Zeit, theils der Qualität, theils der Quantität nach, die entgegei
von der zwischen den Metallen selbst stattfindenden gegenseitigen
sei. Die Relationen der Metalle und Flüssigkeiten greifen so, wie ;
entgegengesetzten Welten, bedeutungsvoll ineinander, und die starre
linischen Metalle, je mehr sie durch den Drang ihrer gegenseitigen l
im Contact mit einander der entgegengesetzt erregenden Einwirk
Flüssigkeiten Widerstand zu leisten trachten, fallen dadurch um so
dem regen, unaufhaltsamen Fortschritte der allgemeinen Entwic
metamorphose des grossen heiligen Naturlebens anheim."
Der von Pohl angedeutete Weg, auf dem er zu der Erkenntniss \
dass die sogenannten positiven Metalle, wie Zink, Zinn und Eiser
rührung mit Flüssigkeiten thatsächlich negativ werden, während
negativ bezeichneten, wie Kupfer, Silber, Gold, umgekehrt das
Zeichen bei der Berührung mit Flüssigkeiten erlangen, ist folgender,
man gleichzeitig zwei Stücke desselben Metalles, von denen das e
S5*-<
Der Kampf zwischen der Theorie der Berührungselektricität u. s. w. ajc
r
grosse, das andere eine kleine Oberfläche hat, in die Flüssigkeit, während
■ia^j wischen beiden Metallstücken eine Verbindung durch das Galvanometer
kstebt, so nimmt man einen Strom wahr, welcher beim Zink von der
€-T£SI grösseren Flache durch die Flüssigkeit zu der kleineren Fläche geht; beim
en li| Kupfer geht umgekehrt der Strom von der kleineren Fläche durch die
Flüssigkeit zur grossen, oder von der grossen Fläche durch das Galvano-
^=^1 neter zur kleinen. Die Deutung, welche Pohl dieser Erscheinung giebt,
^ "'-liachdem er mit Recht jeden Versuch, sie auf eine etwaige Contactelektricität
r,c~#«ischen grossen und kleinen Metallstücken zurückzufuhren, als absurd
ai&j^arijckgewiesen hat, ist folgende.
JEs sei z eine Metallfläche, die im Contact mit der Flüssigkeit f negativ
elektrisch wird, so wird die letztere in der Berührungsfläche mit z positiv,
■ad am entgegengesetzten Extrem negativ elektrisch. Wird an dieses Extrem
«ae an Grösse und Beschaffenheit nach mit z völlig gleiche Metallfläche
^— ^ fliegt, so hebt sie durch dieselbe elektrische Relation gegen / einen Theil
Ar negativen Erregung der ersteren gänzlich auf, ebenso, wie die ihrige
Arch die erste Metallfläche auf der anderen Seite zum Theil vernichtet wird,
*d beide Metalle sind in gleichem, aber viel schwächeren Grade negativ
«fcktrisch, als jedes von ihnen in der Berührung mit F an und für sich
*b würde. Ist dagegen die berührende Fläche der zweiten Armatur z' bei
Hast gleicher Beschaffenheit beträchtlich kleiner, als die der ersten z, so ist
*ch das Integral ihrer entgegenwirkenden Erregungsthätigkeit beträchtlich
geringer, als bei jener; denn da die Erregungsintensität jedes einzelnen
'Paktes der Kette nur eine Funktion der Erregungsintensität der Masse der-
Jdben in allen ihren Punkten schlechthin ist, so muss z9 wenn auch bei
«mem Contact mit der Flüssigkeit seine eigenthümliche Erregung sich gel-
tend macht, vermöge der das / in der Berührungsfläche mit z positiv, und
/ selbst negativ wird, von dieser negativen Erregung in Conflikt mit der
ton dem grösseren z ausgehenden Erregung doch viel mehr, als z von der
:" «mgen verlieren. Vor der Schliessung der Kette ist also z negativ, und
die kleinere Armatur z ', wenn auch ebenfalls, doch in viel geringerem Grade
negativ als z, so dass sie dem z als eine positiv erregte gegenüber steht,
i und dass es nur noch einer angemessenen Verstärkung der negativen Erregung
des z bedarf, damit der Gegensatz völlig entschieden, und z'y ausser Ver-
mögen, der kräftigeren Thätigkeit gegenüber seine eigene Erregung noch
ferner geltend zu machen, absolut positiv wird."
Diese Darlegung wäre vielleicht trotz der Neigung ihres Verfassers zu
langen Perioden nicht so wortreich gerathen, wenn er nicht einen gewissen
Betrag von Unsicherheit zu verbergen gehabt hätte. Denn es war seit den
Forschungen Volta's ganz wohl bekannt, dass die Spannung einer Kette,
ilso auch die ihrer einzelnen Glieder, von der Grösse der Platten, und somit
t» der Grösse der Berührungsflächen ganz unabhängig ist. Die weitläufige
Darlegung Pohi/s läuft aber darauf hinaus, dass die Spannung der grösseren
Hache als „Integral" der Spannung ihrer Punkte diese der kleineren übertreffen
47 6 Zwölftes Kapitel.
soll. Der Widerspruch, welcher zwischen der von Volta beobachteten
sache und dem thatsächlichen Entstehen eines Stromes bei ungleich
Berührungsflächen zu liegen scheint, ist durch Pohi/s Darlegung kein«
gehoben; denkt man diese klar durch, so müsste ein dauernder Strom
jeden weiteren Aufwand stattfinden können, wenn sie richtig wäre.
Die Lösung des Problems ist in diesen letzten Worten
worden: es handelt sich um eine Ladungserscheinung der Ol
Entsteht zwischen Metall und Flüssigkeit die angenommene Vertheihing,
welcher das erstere negativ ist, so muss durch den Stromkreis eine
tricitätsmenge gehen, die der Oberfläche der Berührung proportional ist,
eine solche Vertheilung der Elektricität herzustellen. Beide Flächen bedil
solche Ladungsströme von entgegengesetzter Richtung; sind beide
flächen gleich, so heben sie sich auf, sind sie ungleich, so zeigt der ül
bleibende Strom an, in welchem Sinne sich die grössere Oberfläche t
Berührung mit der Flüssigkeit ladet.
Pohl scheint somit eine dunkle Vorstellung von der richtigen Deut
des Versuches gehabt zu haben, weil das Endergebniss seiner fehlet
Schlussreihe doch richtig ist. Er hat, wie das in der Wissenschaft gar
so selten ist, durch unbewusste Schlüsse das richtige Ergebniss voi
genommen und war nur, als er seine Schlussreihe bewusst darzulegen vdl
suchte, in eine falsche Richtung gerathen; er hatte seine Resultate, wusstt
aber nicht, wie er zu ihnen kommen könne.
Neben diesen Versuchen, die in der That geeignet sind, das ProWcfl
zu lösen, theilt Pohl noch andere mit, welche mit dem Condensator ange
stellt worden waren, und bei einer ziemlich verwickelten Anordnung dod
den Zweck nicht erreichten, da sie ebenso unbewiesene Voraussetzung*!
enthielten, wie die meisten anderen Versuche, die in dieser Richtung ang©
stellt worden sind. Auf diesen Theil des Buches von Pohl einzugehen, b
demnach nicht nöthig; auch ist es mir nicht gelungen, in den weitläufige!
übrigen Auseinandersetzungen weitere brauchbare Gedanken oder Versuch*
aufzufinden.
Die Ansichten von Pohl haben keinen merklichen Einfluss auf die Zeit
genossen ausgeübt. Die Glanzzeit der Naturphilosophie war bereits vorüber
die Naturforscher begannen auch in Deutschland in der Erfahrung wiede
die einzige Quelle der Erkenntnis anzuerkennen, so dass der Standpunk
des PoHL'schen Werkes von vornherein meist Widerspruch erweckte. Da
Richtige darin wurde von der Last des Zweifelhaften und Falschen zu Bodei
gedrückt, und erst, nachdem man von anderer Seite jenes Richtige erkanr
hatte, war dessen Vorhandensein in jenem Werke erkennbar.
Von Pohl ist ferner ein Versuch angegeben worden, von dem selb*
Pfaff, der sonst stets bereite Vertheidiger der VoLTA'schen Theorie sag
dass er ohne weiteres aus dieser Theorie nicht zu erklären sei. Der Versuc
besteht nach den Worten Pohl's in folgendem:1
1 Poog. Ann. 16, 109. 1829.
Der Kampf zwischen der Theorie der Berührungselektricität u. s. w. Ann
: „Die durch die beigefugte Zeichnung versinnlichte Vorrichtung zur
irstellung des Versuches ist sehr einfach. Eine Anzahl Kupferplatten, &,
A c» 7 9 ß> a* unc^ e*ne Zinkplatte z> etwa 6 Zoll in's Gevierte gross, sind
t-der bezeichneten Ordnung mit feuchten Zwischenplatten aufgeschichtet
A paarweise durch Metalldrähte / bis 4 verbunden. Um die Verbindung
k Leichtigkeit herstellen und wieder aufheben zu können, ist jede Platte
F geeigneter Stelle ihres Vorder- oder Seitenrandes mit einem angelötheten
^pfernäpfchen versehen, das mit Quecksilber gefüllt ist und das eintauchende
Iftlgamirte Ende des Kupferdrahtes aufnimmt und festhält. Die Papp-
heiben, etwas kleiner als die Metallscheiben, sind mit etwa 30 fach ver-
tonter Schwefelsäure durchnetzt und so stark und gleichmässig als möglich
qgepresst, damit die hervorstehenden Metallränder völlig trocken und
male Effekte vermieden bleiben mögen.
„Wenn man zuvörderst die Enden eines elektromagnetischen Multipli-
ers mit den beiden Haupterregerplatten k und z verbindet, und den
idiessungsdraht / dafür fortnimmt, so
M die vom Multiplikator umgebene Nadel
•e Ablenkung erleiden. . . . Wir wollen
Mehmen, dass die Ablenkung der Nadel
tfich sei. Dieses vorausgesetzt findet nun
oter folgendes statt.
„Man schliesse die Kette wieder durch
si Verbindungsdraht /, tauche das Ende
5 Multiplikators, welches vorher mit k
rbunden war, in den zunächst befind-
hen Napf der Platte ay und ebenso das lg* II3'
• lange mit z verbunden gewesene Extrem
den benachbarten Napf von a, nehme hierauf den Verbindungsdraht 2
rt, so wird die Nadel wieder abgelenkt werden, und zwar ist die Ablenkung
t ersten gerade entgegengesetzt; sie ist nun westlich, wenn sie vorher
tlich war.
„Man verbindet die Näpfe a und u wieder durch den Draht 2, nehme
rner das Multiplikatorende von a fort und bringe es in den Napf von b
kd ebenso das von a in den Napf von ß, entferne endlich den Draht j,
findet wiederum eine Ablenkung der Nadel statt, die der unmittelbar
irhergegangenen abermals entgegengesetzt ist. . . .
„Man bringt zuletzt wieder den Verbindungsdraht 3 an seinen Ort,
Bche das vorhin mit b verbundene Extrem des Multiplikators in den Napf
i cy und das andere mit ß verbundene in den Napf von y, und hebe den
aht 4 aus den eben genannten Näpfchen heraus, so hat man eine wenn
ch schwache, so doch gesetzlich bestimmte Ablenkung der Nadel, die der
rhergehenden wieder entgegengesetzt ist. . . .
„Es bedarf keiner Auseinandersetzung, dass ein elektromotorisches Princip
der nach der VoLTA'schen und elektrochemischen, noch nach der de la
478 « Zwölftes Kapitel.
RivE'schen Ansicht die angegebenen Erfolge mit den vorhergehenden auck
nur in eine äusserliche Verknüpfung zu bringen vermöge. Es giebt nur etil
Verständniss dieser Erscheinungen von dem Standpunkte aus, nach welchem
das unmittelbare Thätigkeitsprincip der galvanischen Kette im Chemismuf
selbst liegt, von dem die Elektricität und der Magnetismus nur modificirte
Äusserungen bilden. Im Chemismus sind aber Oxydation und Desoxydation
nicht zufällig neben einander hergehende, sondern von innen heraus polarisch
bedingte Seiten der ganzen Thätigkeitssphäre, sie rufen sich gegenseitig
hervor und treten einander überall ebenso gegenüber, wie allemal der posK
tiven Elektricität, dem Nordmagnetismus der Südmagnetismus gegenüber-
steht. . . . Unsere dermalige Chemie, so weit sie dieses naturgemässe Ver-
halten der Materie entweder nur indirekt oder gar nicht anerkennt und
anschaut, sieht den Wald nicht vor Bäumen. . . . Betrachten wir nun aus
den angegebenen einfachen Gesichtspunkten die zur Darstellung des Ver-
suches angewandte Kette. Ihre Hauptgiieder sind k und z und es leuchtet
ein, dass ihre Wirksamkeit zunächst nur auf den Kreis beschränkt ist, der
ausser k und z noch durch die Platten a und a, die zwischen denselben
befindliche Flüssigkeit und die Verbindungsdrähte / und 2 gebildet wird,
also auf den Kreis kl za2 a. In diesem Kreis ist nun die Richtung, nach.
welcher die Oxydationstendenz herrschend ist, durch die Richtung, nach
welcher die Zinkplatte der Flüssigkeit zugekehrt ist, gegeben. Die Oxydar;
tionstendenz findet nämlich statt in der Richtung uzkla2az.... Die;
Desoxydationstendenz dagegen in der entgegengesetzten Richtung akiza2ai...* <
Alle der ersten Richtung entgegengekehrten Metallflächen, wie insbesondere!
die Zinkplatte z und die Kupferplatte a werden oxydirt; alle der zweiten
Richtung entgegenstehenden Flächen, wie insbesondere die Kupferplatte i
und die Kupferplatte a werden desoxydirt, oder nach jenen hin tritt das
Oxygen, nach diesen das Hydrogen hervor u. s. w. Würde der Schliessungs-
draht / irgendwo unterbrochen, z. B. das Stück // aus ihm herausgenommen,
und die Lücke mit Flüssigkeit gefüllt, so würde, den angegebenen Rich-
tungen gemäss, die Stelle / oxydirt, / desoxydirt; dagegen würde eine
gleiche Unterbrechung des Drahtes 2 \x\ rtn umgekehrt in r eine Desoxy-
dation, in m eine Oxydation des Drahtes zur Folge haben. ... Es wird
folglich auch die Ablenkung der Nadel durch den einen Draht 2 oder an
seiner Statt durch den Draht des Multiplikators unter sonst gleichen Um-
ständen die entgegengesetzte von der sein, welche durch den anderen Draht /
oder dessen Stellvertreter bewirkt wird. . . .
„Die beiden Kupferplatten a und a stehen also, indem in jener die
Tendenz zur Oxydation, in dieser die Tendenz zur Desoxydation angeregt
ist . . . in einem chemischen Gegensatze, der zwar vornehmlich nur in Bezug
auf den eben betrachteten galvanischen Kreis obwaltet, der sich aber auch,
wenngleich beträchtlich schwächer, noch in einer anderen Kette geltend
macht, in welcher dieselben beiden Bleche zugleich als Glieder vorhanden
sind. Diese andere Kette ist die durch den Kreis a 2 aß 36 gebildete. Aus
Der Kampf zwischen der Theorie der Berührungselektricltät u. s. w. 470
1 Hauptkette bringen die Bleche a und a ihre Polarität in diese zweite
ebenkette mit hinein, und es ist nun dasselbe, als wenn eine einfache Kette
idurch zu Stande gebracht wird, dass ein Paar verbundene differente
ietalle, von denen a das Kupfer, a das Zmk repräsentirt, durch eine zweite
etallische Leitung (welche durch die Platten b und ß und den Draht 3
ergestellt wird), mit der Flüssigkeit ebenso, wie in der ursprünglichen Com-
ioation in Wechselwirkung treten. . . . Wem nun die Entstehung dieser
veiten Kette aus der ersten FUuptkette und die damit bedingten Ablenkungen
er Nadel deutlich sind, für den bedarf es hinsichtlich der folgenden Kette
nd ihrer Wirkung auf die Magnetnadel keiner weiteren Auseinandersetzung."
Bezüglich seiner Auseinandersetzung mit Pfaff fährt Pohl fort. „Theils
fegen der Wichtigkeit, die der Versuch in den Augen jedes gründlichen
"heoretikers haben muss, theils wegen des Widerspruches, den Herr Professor
\ H. Pfaff gegen die Constatirung des Versuches erhoben hat, habe ich
ich bewogen gesehen, denselben hier nochmals mit aller Bestimmtheit zur
xache zu bringen. Ein so grosser Kenner und nur zu parteiischer Ver-
Ater des Voltaismus, wie Herr Pfaff, hat gewiss auf den ersten Blick die
xieutsamkeit des Versuches und seinen Einfluss auf ältere theoretische
isichten erkannt; wenn er aber die Realität desselben nicht zugestehen
U, so kann das nur an der Unvollkommenheit der Bedingungen liegen,
ter denen er den Versuch, sei es auch oft, wiederholt hat."
Dieser kräftige Appell hat denn auch seine Wirkung nicht verfehlt, und
äff widmet in seiner „Revision"1 dem Pom/schen Versuch ein ganzes
ipitel, welches ihn zu dem Ergebniss fuhrt, dass zwar die Anschauung
rai/s keine eigentliche Erklärung, sondern nur die Umschreibung der That-
chen in chemische Ausdrücke sei, dass aber auch die VoLTA'sche Theorie
cht im Stande sei, von ihnen alsbald Rechenschaft zu geben.
14. G. Th. Fechner. In Gustav Theodor Fechner tritt uns eine der
iginellsten Gestalten unter den Gelehrten entgegen, mit deren Arbeiten
ir es hier zu thun haben. Am 19. April 1801 als Sonntagskind in Gross-
irchen in der Niederlausitz geboren, verlor er bald seinen Vater und wurde
n Hause seines Onkels in dem kleinen Städtchen Triebel erzogen. Der
ühreife Knabe hatte das Gymnasium in der Nachbarstadt Sorau bereits
ut 14 Jahren erledigt, besuchte aber auf Veranlassung seines Onkels noch
ie Kreuzschule in Dresden, wohin seine Mutter inzwischen übergesiedelt
ar, und ging im Jahre 18 17, 16 Jahre alt, auf die Leipziger Universität,
elcher er von da ab ununterbrochen bis zu seinem Tode im Jahre 1887,
so volle 60 Jahre, angehört hat. In Leipzig wurde er 1823 Magister und
ibilitirte sich in demselben Jahre; als der dortige Professor der Physik,
clbert, der verdiente Herausgeber der Annalen der Physik, 1824 starb,
rtrat er ihn für ein Semester, und begann gleichzeitig seine Experimental-
itersuchungen über die galvanische Kette, deren Ergebnisse ihm den Platz
1 Revision der Lehre vom Galvano- Voltaismus. Altona 1837.
4 go Zwölftes Kapitel.
in unserer Geschichte gesichert haben. Im Jahre 1827 machte er
wissenschaftliche Reise nach Paris, wo er mit Ampere, Biot und Ti
in Beziehungen trat, welche ihn zu der Übersetzung der Schriften der
letzteren veranlasst haben; 1831 erhielt er in Leipzig eine ausserordenü*
Professur ohne Gehalt, 1834 die ordentliche, welcher er allerdings mit
Zögern antrat, da ihm die Thätigkeit in diesem Amte nicht zusagen w<
Gleichzeitig entwickelte sich bei ihm in Folge übermässiger Arbeit ein
hafter Zustand seiner Augen und seines Geistes, welchen er selbst sj
mit grosser Anschaulichkeit und Objektivität geschildert hat, und wel
ihn an den Rand des Grabes brachte. In wunderbarer Weise überwand
indessen die Krankheit; er war inzwischen pensionirt worden und verbi
den ganzen übrigen Theil seines Lebens in dieser Stellung, nach aussen i
den bescheidensten Formen, nach innen in einer Fülle und Mannigfaltig
der Arbeit, wie so leicht kein anderer Gelehrter.
Diese ungewöhnliche Vielseitigkeit Fechner's ist durch seinen
wickelungsgang nicht weniger, als durch die Anlage seines Geistes bedingt]
Während seiner Studienjahre, zu der Zeit, wo der Geist die bleibendsten |
wissenschaftlichen Eindrücke empfängt, gerieth Fechner unter den EinfluAj
der Naturphilosophie; die Schriften Oken's und Schelling's machten, wie
er selbst erklärt hat, in seinem Denken Epoche. Aber die Beschäftigung
mit der exakten Wissenschaft, insbesondere die durch die Noth wendigkeit
des Broterwerbes bedingte Thätigkeit bei der Übersetzung französischer \
Lehrbücher, in denen die mathematischen Methoden mit Erfolg zur Anwen- ]
düng kamen, Hessen ihn bald die ungenügende Beschaffenheit der natur-
philosophischen Phantasieen erkennen; Fechner hat wiederholt mitgetheilt,
wie ihm zwar die ganze Anschauungsweise der Naturphilosophen im Inneren
sympathisch war, wie er aber vergebens versucht habe, sich über den Inhalt
ihrer Theorieen Klarheit zu erringen. So verliess er die verfehlten Phan-
tasieen dieser Schule, behielt aber das werthvolle derselben, die auf das
allgemeinste gerichtete Anschauungsweise, sowie das lebendige Interesse
an den zwischen Physik und Psychologie liegenden Grenzgebieten bei, fiir
welche die damalige exakte Wissenschaft, wie sie wesentlich durch die
französischen Gelehrten gepflegt wurde, keinen Raum bot.
Diese beiden Seiten seines Geistes kamen zeitlich getrennt zur Gel-
tung, indem die Zeit vor seiner Krankheit die der physikalischen Messungen
war. Von diesen ging er zu physiologischen Untersuchungen, vorwiegend
über subjektive Farbenerscheinungen, über; seine oben erwähnte Krankheit
war nicht zum wenigsten durch die Anstrengungen veranlasst, welche er
bei diesen Arbeiten seinen Augen auferlegte. Nach seiner Genesung begann
er die Arbeiten, in welchen sich die Doppelnatur seines Wesens und seiner
Bildung am anschaulichsten zeigte, und welche die anderen an Bedeutung
weit überragen; es sind dies seine bahnbrechenden psychophysischen Unter-
suchungen, durch welche er die Methoden der exakten Wissenschaft auf die
Gebiete des geistigen Lebens übertragen lehrte.
Der Kampf zwischen der Theorie der Berühningselektricität u. s. w. 48 j
Die Seite der Thätigkeit Fechner's, mit der wir uns zu beschäftigen
liegt vollständig vor jener Krankheit, welche sein Leben dem Inhalte
jjarh . in zwei verschiedene Abschnitte theilt. Von der eigentümlich philo-
-ästhetischen Seite seines Wesens, die ihn so wesentlich von allen
Genossen unterscheidet, kommt in diesen Arbeiten nichts zum Vor-
Khem; es sind nüchterne, auf das Quantitative der Erscheinungen gerichtete
[.Untersuchungen, hervorragend durch die Bedeutung der Ergebnisse, die mit
den denkbar einfachsten Mitteln erlangt worden sind. Seiner theoretischen
Stellung nach war Fechner ein überzeugter Anhänger der VoLTA'schen
Theorie, entsprechend dem quantitativen Zuge seiner Arbeiten auf diesem
Gebtete. Demgemäss hat er zu wiederholten ""Malen in diesen Streit ein-
•gegriffen und auch ein „experimentum crucis" angegeben, durch welches
die Unhaltbarkeit der chemischen Theorie endgültig erwiesen sein sollte;
wir werden später sehen, dass auch dieses auf die bereits erwähnte That-
«cbe herauskommt, dass Ketten mit sehr geringer sichtbarer chemischer
Wirkung eine stärkere Spannung haben können, als solche, in welchen
beträchtliche chemische Vorgänge stattfinden.
Viel bedeutsamer ab diese Arbeiten ist eine von Fechner durchgeführte
Untersuchung über die Anwendbarkeit des ÜHM'schen Gesetzes bei hydro-
elektrischen Ketten. Wie oben mitgetheilt, war Ohm, ab er mit solchen
Ketten seine Versuche angestellt hatte, auf eine falsche Formel gelangt, und
erst der Gebrauch thermoelektrischer Ketten Hess ihn das richtige Gesetz
finden. Fechner hat nun die hier verbliebene Lücke in ausgiebigster
Weise ausgefüllt Neben der unmittelbaren Förderung der Wissenschaft, die
darin lag, hat diese Arbeit eine besondere Bedeutung noch darin, dass sie
die erste ausgedehnte Anwendung des ÜHM'schen Gesetzes von Seiten eines
anderen Forschers enthielt, und somit wesentlich zur Anerkennung desselben,
zunächst in Deutschland, beigetragen hat.
Bereits die erste galvanische Arbeit Fechner's lehrt uns ihn als einen
Verfechter der VoLTA'schen Ansichten kennen. In einer Abhandlung über
„Umkehrungen der Polarität in der einfachen Kette"1 unterwirft er die von
de la Rive (S. 445) hervorgehobene Thatsache, dass zwischen denselben
Metallen, je nach der Beschaffenheit der zwischengeschalteten Flüssigkeit die
Erregung in einem und dem entgegengesetzten Sinne statthaben kann, einer
eingehenden Untersuchung, die ihn zu einer mit der VoLTA'schen Theorie
verträglichen Ansicht von der Erscheinung führt. Der Grundgedanke ist
der gleiche, welchen wir schon früher bei Marianini kennen gelernt haben;
doch sei zur Steuer der geschichtlichen Gerechtigkeit darauf hingewiesen,
dass Jena früher erwähnte Arbeit Marianini's später, nämlich 1830, erschienen
ist, während Fechner's Abhandlung von 1828 datirt ist.
Der fragliche Gedanke besteht in der Annahme einer oberflächlichen
Veränderung des Metalles, welche diesem eine andere Stellung in der Span-
nungsreihe giebt, als es vorher eingenommen hatte.
1 Schweigge&'s Journ. f. Chemie u. Physik, 53, 61. 1828.
Ostwald, Elektrochemie. 31
482 Zwölftes Kapitel.
„Wenn dem so ist, so liesse es sich auch als möglich denken, dass
allen den Fällen, wo eine Umkehrung der Pole, nach Beschaffenheit
schiedener zwischenwirkender Flüssigkeiten erfolgt, dies darauf beruhe,
gewisse Flüssigkeiten die Oberfläche der Metalle, die in sie eingeta
werden, oder wenigstens eines derselben, so schnell verändern, dass statt
primären Wirkung der unveränderten Metalle aufeinander gleich anfangs
secundäre der veränderten Metalle erscheine. In der That glaube ich, di
Umstand durch die nachfolgenden Versuche dargethan zu haben.
„Drei Punkte waren es, die ich zu dieser Nachweisung erford
glaubte. Wenn wirklich bei Schichtung z. B. von Schwefelleberlösung
Eisen und Kupfer das Kupfer sofort den positiven Pol bildete, weil es
hierzu hinreichende Veränderung durch die Einwirkung der SchwefeUel
lösung plötzlich erfahren hatte, so muss bei einem gewissen schwäch'
Grade der Einwirkung dieser Übergang erst allmählich erfolgen, und es m
eine . . . Umkehrung im Verlauf des Geschlossenseins mit derselben Fli
keit eintreten, die bei stärkerer Einwirkung sogleich die secundäre
umgekehrte Wirkung würde haben eintreten lassen. Zweitens musste nackt
gewiesen werden, dass die Umkehrung, welche in solchen Fällen erfolgt
nicht etwa auf einer Veränderung der Flüssigkeit beruhe, drittens, dass ääi
Metalle wirklich so dabei verändert werden, um auch bei nachheriger Aid
wendung einer Flüssigkeit, in der sie sonst das gewöhnliche Verhältnis
gezeigt haben würden, wenn sie frisch hineingebracht worden wären, noch
das umgekehrte Verhältniss zu behaupten."
Dieses Programm führt Fechner nun in der That mit bestem Erfolge
durch; insbesondere giebt die Kupfer-Eisenkette in Schwefelleberlösung, je
nach deren Concentration, entgegengesetzte Ablenkungen. Zwischen der
höchsten Concentration, welche nur Ströme in einem Sinne, und der
grossen Verdünnung, welche Ströme in der entgegengesetzten Richtung
giebt, lassen sich mittlere Gehalte ausfindig machen, bei denen der Strom
zuerst in dem Sinne der concentrirteren Lösung geht, dann Null wird, und
sich schliesslich umkehrt.
Die Umkehrungen sind die gleichen, ob man viel oder wenig Flüssig-
keit nimmt, oder ob man diese schon zu solchen Versuchen benutzt hat,
oder nicht, womit der zweite Punkt, der Nachweis, dass es sich nicht um
eine Änderung der Flüssigkeit handelt, seine Erledigung findet Der dritte
machte etwas mehr Schwierigkeiten, da die von einer Kupferplatte erworbene
umgekehrte Stellung sich an der Luft sehr schnell verliert. „Senkt man
Eisen und Kupfer am Multiplikatordraht in eine Schwefelleberlösung von
solcher Concentration, dass die secundäre Wirkung entweder gleich anfangs,
oder nach einiger Zeit durch Umkehrung darauf erscheint, und dann so
schnell als möglich, um die umkehrende Wirkung der Luft zu verhüten,
aus dieser Lösung in reines, gesalzenes oder gesäuertes Wasser, so wird im
Allgemeinen noch die secundäre Wirkung, wie sie in der Schwefelleber-
lösung beobachtet ward, fortbestehen, allein nach einiger Zeit wird sich di<
Der Kampf zwischen der Theorie der Berührungselektricität u. s. w. 4g*
Wirkung wieder in die primäre umkehren, und zwar um so eher, je schwächer
ie Schwefelleberlösung, .und je stärker das (sogenannte) Leitungsvermögen
es Wassers war, so dass unter gehörigen Verhältnissen diese Umkehrung
ler secundären in die primäre Wirkung augenblicklich erscheinen kann."
Was die Bedeutung dieser Versuche für die Theorie anlangt, so ist
nhoii früher betont worden, dass es sich nur um eine Rettung, und nicht
mn einen Erfolg der VoLTA'schen Anschauung handelt; man kann nichts
dagegen sagen, erfahrt aber aus der VoLTA'schen Auffassung nichts mehr,
ab was die blosse experimentelle Thatsache auch giebt
Der übrige Theil von Fechner's Abhandlung enthält eine fleissige Zu-
ttnmenstellung weiterer Umkehrungsfälle, die indessen nichts Neues lehren,
■od daher übergangen werden können.
Weiter beschäftigte sich Fechner eifrig mit dem VoLTA'schen Funda-
nental versuch, und gab1 eine Anordnung vermittelst des BEHRENs'schen
Bektroskopes an, welche die sichere Ausführung desselben gewährleistet.
hl Anschlüsse daran nahm er eine eingehende Untersuchung der von de
la Rive mit metallischem Kalium (S. 450) angegebenen Erscheinungen vor,
■d wies nach,8 dass sie keineswegs so verlaufen, wie de la Rive behauptet
hatte, sondern vielmehr durchaus analog der bekannten Art an anderen
Metallen, nur viel stärker, was von der sehr „positiven" Beschaffenheit des
Kaliums herrührt Eine Prüfung des von jenem angegebenen Verfahrens
teschliesst er mit den Worten: „Man sieht also, dass de la Rive's Versuch
anter Steinöl nach der Art, wie er ihn beschreibt, nicht gelingen konnte,
reder nach der chemischen, noch nach der Contacttheorie, dass er also
iberhaupt nichts beweist. Ich bin aber im Stande gewesen, diese Versuche
io abzuändern, dass ein Beweis daraus gegen die chemische Theorie gezdgen
werden kann."
Dieser abgeänderte Versuch wurde so angestellt, dass eine Kaliumkugel
mit einem eingesteckten Platindraht versehen, mit den Fingern gefasst, und
so an das Elektroskop gebracht wurde, dass der Platindraht dieses berührte.
Es entstand dann ein sichtbarer Ausschlag auch ohne die Anwendung des
Condensators. „Bei der Deutlichkeit der erhaltenen Anzeigen (die bisher
noch keinen Einwand gegen die chemische Theorie begründen) schien es
mir nicht unmöglich, auch bei gänzlicher Isolirung des Kaliums noch An-
zeigen von Elektricität wahrnehmbar zu machen, und so allen Einfluss von
Feuchtigkeit zu beseitigen." Das Verfahren, welches hierzu eingeschlagen
wurde, war ganz sachgemäss; Fechner stellte einerseits ein möglichst kleines
Elektroskop, andererseits eine möglichst grosse Kaliumplatte, letztere durch
Pressen einer Kugel zwischen zwei Metallplatten, nachdem ein Platindraht in
das Kalium versenkt war, her, und überzeugte sich zunächst, dass die
gewöhnlichen Versuche in der Luft gelangen. „Ich setzte jetzt die Kalium-
scheibe mit dem daraus hervorragenden, aufwärts gebogenen Platindrahte in
1 Poggendorff's Ann. 41, 224. 1837. ' Ebenda 42, 481. 1837.
31*
A$A Zwölftes Kapitel.
ein kleines Gläschen, übergoss sie etwa einen halben Zoll hoch mit S1
und entlud nun, während ich das Gläschen mit der Hand fasste, dei
dem Steinöl hervorragenden (das Glas nirgends berührenden) Platindral
Elektrometer. Der Ausschlag nach der Seite, welche die negative
tricität anzeigt, erfolgte hier ebenso constant, deutlich und bestimm
wenn sich das Kalium in der Luft befand. Dass die nöthigen Gegc
suche hierbei nicht vernachlässigt wurden, ward schon oben erwähnt"
„Den Erfolg des Versuches im Sinne der chemischen Theorie zu d<
scheinen sich noch folgende Wege darzubieten:
,,a) Es wurde mit dem Kalium etwas Feuchtigkeit in das Steinö
geführt, dessen chemische Wirkung den Erfolg bedingte.
,,b) Das Steinöl war vielleicht verfälscht, und noch einer chemi
Wirkung auf das Kalium fähig.
„Was nun a) anlangt, so hat dieser Einwand für den ersten Augei
einiges für sich, indem man in der That, wenn man das Kalium au
Luft in Steinöl einfuhrt, einige Zeit hindurch noch einige Gasblasen
dem Kalium aufsteigen sieht, welche augenscheinlich von einer chemi
Einwirkung anhängender Feuchtigkeit herrühren. Allein diese Gasentv
lung ist in Kurzem beendigt, und lange nach dem sie völlig verschwi
ist, noch 24 Stunden nachher, während welcher Zeit das Kalium stets
dem Steinöl untergetaucht blieb (später habe ich nicht beobachtet) hab
die elektrischen Zeichen im Steinöl noch ganz in derselben Stärke '
genommen, als während der Gasentwickelung und als in der Luft selb
dass dieser Einwand hierdurch völlig unhaltbar wird."
Fechner täuscht sich hier über die Beweiskraft seiner Einwendi
gegen diesen möglichen Erklärungsgrund. Denn die Menge der Elektr
welche einer bestimmten chemischen Wirkung entspricht, ist, wie sch<
la Rive hervorgehoben hatte, und wie kurze Zeit hernach von Fai
messend gezeigt wurde, ausserordentlich gross, so dass chemische Wirki
an unbestimmbar kleinen Stoffmengen schon hinreichen, um die von Fe<
beobachteten Erscheinungen zu erklären, zumal dieser den Versuch b
ders dahin eingerichtet hatte, dass sehr kleine Elektricitätsmengen beob<
werden konnten. Die aus der Luft durch das Steinöl diffundirenden S
stoffmengen wären z. B. für die Erklärung der Wirkung im Sinne der ä
chemischen Theorie völlig ausreichend.
Zum Einwand b) bemerkt Fechner sachgemäss, dass er dasselbe S
benutzt habe, unter dem das Kalium jahrelang aufbewahrt worden wa
Weiter wendet sich Fechner gegen den von de la Rive angegel
Versuch mit dem völlig überfirnissten Condensator (S. 454), und stell
von diesem behaupteten Erscheinungen durchaus in Abrede; der völlig
firnisste Condensator verhielt sich ganz wie ein gewöhnlicher.
Nach der Erledigung einer Anzahl anderer Einwände von gering
Gewicht theilt Fechner schliesslich einen Versuch mit, den er selbs
das „experimentum crucis" gegen die chemische Theorie hält
Der Kampf xwischen der Theorie der Berührungselektricität u. s. w. a%c
„Man disponire in einem Trog- oder Becherapparate eine paare Anzahl
Bttk-Kupfer-Plattenpaare (ich wende deren gewöhnlich zehn an) zu einer
ach dem Schema der Säule zusammengesetzten Kette; aber so, dass die
rine Hälfte der Erreger den entgegengesetzten Strom als die andere hervor-
■bringen strebt Die Leitungsflüssigkeit sei Wasser. Ist alles in allen
Wen gleich, so werden beide entgegengesetzten Ströme sich in ihrer Wir-
kung auf den schliessenden Multiplikator compensiren und keinen Ausschlag
kervorbringen. Zuweilen glückt es, das Gleichgewicht merklich genau zu
Wien, und dann besteht dies Gleichgewicht selbst noch fort, wenn man zu
fcr Flüssigkeit in der einen Hälfte der Zellen eine beliebige Menge Salz-
iure fugt, auch diese Zellen viel höher mit der verdünnten Säure anfüllt,
Is die den entgegengesetzten Strom hervorbringenden Zellen mit Wasser
igefiillt sind. Allerdings entwickelt sich, unstreitig vermöge der verän-
raden Einwirkung der Säure auf die Platten, allmählich ein Übergewicht
s einen Stromes, aber nicht die Zellen mit der Säure, in denen
ne tumultuöse Gasentwickelung vor sich geht, sondern die Zellen
it dem Wasser erlangen dieses Übergewicht. Schliesst man dagegen
le Hälfte der Zellen für sich durch den Multiplikator, so wird er durch
s Zellen mit der Säure eine stürmische, durch die mit dem Wasser nur
ic schwache Wirkung erfahren. Wie nun der Erfolg des Versuches nach
r chemischen Theorie zu erklären ist, sehe ich durchaus nicht ein. Nach
r Contacttheorie ist die Erklärung leicht. Nach dieser wirkt nämlich die
fiigung der Salzsäure verstärkend bloss durch Verminderung des in der
tte vorhandenen Leitungswiderstandes, und diese Verminderung kommt
r Elektricität, welche sich in den Zellen ohne Säure entwickelt, in ihrem
eislaufe durch die ganze Kette ebenso gut zu statten, als der Elektricität
r Plattenpaare, welche sich unmittelbar in der sauren Flüssigkeit befinden."1
Dieses FECHNER'sche „experimentum crucis", welches seiner Zeit in der
iat für sehr schlagend angesehen wurde, geht auf denselben Punkt, wie
r früher (S. 448) erwähnte Versuch von Berzelius. Es beweist allerdings,
ss die elektromotorische Kraft der Kette von der sichtbaren chemischen
aktion unabhängig ist, und trifft somit die chemische Theorie der Kette,
t sie von de la Rtve aufgestellt worden war, ist aber kein Beweis gegen
; chemische Theorie überhaupt, d. h. gegen die Annahme, dass die
ktrischen Erscheinungen der VoLTA'schen Säule durch die chemische
tur der betheiligten Stoffe und durch die chemischen Vorgänge zwischen
len ursächlich bestimmt sind.
Schliesslich bestätigt Fechner einen weiteren, von de la Rive ange-
Denen Versuch, der darin besteht, dass ein System von zwei Zinkplatten,
durch einen einerseits befeuchteten Holzstab zusammengehalten sind,
chen von elektrischer Ladung geben, und zwar ist das am feuchten Ende
1 Diesen Versuch hat Fechner bereits 1829 (Schweigger's Journ. f. Chemie und Physik,
9. 1829) beschrieben.
A$6 Zwölftes Kapitel.
befindliche Zink positiv. Nach der Schilderung einiger Abänderungen
Versuches, welche ihn immer bestätigen, schliesst Fechner: „Ich sage it
dass dieser Versuch im Sinne der Contacttheorie bis jetzt erklärt ist, ;
ebenso wenig dürfte jemand einen Beweis für die chemische Theorie <i
finden können." Warum das letztere nicht der Fall sein soll, hat Feci
nicht gesagt.
15. C. J. B. Karsten über Contactelektricität Gleichfalls an Alexai
von Humboldt wendet sich C. J. B. Karsten in einem Schreiben,1 wel
die Darstellung einer eigenen Theorie der Kette zum Gegenstande
Karsten versucht eine Vermittelung zwischen der rein chemischen Th<
und der Contacttheorie, indem er den wesentlichsten Betrag der Elektrici
erregung allerdings an die Berührungsstelle zwischen Metall und Flüssig
legt, daneben aber die Metallberührung als in gleichem Sinne wirksam,
jene ansieht. Die an den Berührungsstellen der Metalle mit den Flu
keiten auftretenden elektromotorischen Kräfte leitet er indessen keines'
von den dort stattfindenden chemischen Vorgängen ab, sondern schreib
einer ziemlich geheimnissvoll bleibenden Wirkung zu, die auf der Vers«
denheit der Aggregatzustände beruhen soll. Einen Überblick über t
Ansichten erhält man aus der von ihm selbst zusammengestellten Reihe
Leitsätzen am Schlüsse seiner Arbeit.
„1) Die Metalle — vielleicht alle starren Körper — werden in
«
Flüssigkeiten positiv, die Flüssigkeiten, in welche sie eingetaucht
negativ elektrisch.
„2) Befindet sich ein starrer Körper in einer Flüssigkeit nicht ganz
getaucht, so zeigen der eingetauchte und der nicht eingetauchte Theil
gegengesetzte elektrische Zustände.
„3) Die starren Körper äussern eine grosse Verschiedenheit in
elektromotorischen Kraft für eine und dieselbe Flüssigkeit, und diese
schiedenheit ist der eigentliche Grund für die elektrische, chemische
magnetische Thätigkeit der galvanischen Kette.
„4) Wenn zwei starre Elektromotore von verschiedener elektrischer
in einer und derselben Flüssigkeit stehen, ohne einander zu berührer
erhält der schwächere Elektromotor die entgegengesetzte Elektricität
stärkeren, wird also negativ elektrisch.
„5) Die aus der Flüssigkeit hervorragende Hälfte des schwächeren st
Elektromotors zeigte ebenfalls die entgegengesetzte Elektricität von der s
eingetauchten Theiles.
„6) Die elektromotorische Thätigkeit einer Flüssigkeit hängt von
Eigenschaft derselben ab, durch zwei starre Elektromotoren von ungle
1 Über Contactelektricität. Schreiben an Alexander von Humboldt von Dr. C.
Karsten, Königl. Preuss. Geheimen Ober-Bergrath, Ritter des eisernen Kreuzes und des
Adler-Ordens mit den Schwertern, ordentlichem Mitgliede der Königl. Akademie der V
schaften zu Berlin, und anderer gelehrter Gesellschaften ordentlichem und Ehren -Mit
Berlin 1836.
Der Kampf zwischen der Theorie der Berührungselektricität u. s. w. 487
ke in einen solchen Zustand versetzt zu werden, dass die starren Elektro-
ore aus ihr die entgegengesetzten Elektricitäten ableiten. Diese Eigen-
besitzen im allgemeinen alle Flüssigkeiten, welche schlechte Leiter für
Elektricität sind; aber weder die Flüssigkeiten, welche die Elektricität
nicht leiten, noch diejenigen, welche gute Elektricitätsleiter sind (Queck-
flüssig gemachte Metalle u. s. f.). Indes ist die Stärke der elektro-
motorischen Kraft der Flüssigkeiten nicht bloss von deren mehr oder minder
Vollkommenen Leitungsfähigkeit für Elektricität, sondern auch, wie es
t, von anderen, bis jetzt noch nicht gehörig bekannten Verhältnissen
^abhängig.
„7) Die elektromotorische Wirkung zweier Metalle, welche in einer
Flüssigkeit zu einer Kette geschlossen sind, beruht auf einer Ausgleichung
md ununterbrochenen Erregung der entgegengesetzten Elektricitäten in der
Flüssigkeit, welche Erfolge durch das elektromotorische Verhalten des stär-
keren und schwächeren Elektromotors zu der Flüssigkeit eingeleitet, durch
das Verhalten des stärkeren Elektromotors zum schwächeren befördert, und
\ durch die unmittelbare Berührung beider Elektromotoren, insofern sie gute
I Elektricitätsleiter sind, beschleunigt werden.
„8) Mit der durch die starren Glieder der Kette bewirkten Ausgleichung
der in der Flüssigkeit angeregten Elektricitäten stehen die chemischen Ver-
änderungen in der Flüssigkeit zwar in Verbindung, ohne dass jedoch beide
Erfolge sich wie Ursache und Wirkung zu einander verhalten.
„9) Bei einem System von Ketten (VoLTA'sche Säule) werden die ent-
gegengesetzten Elektricitäten durch die starren Glieder einer jeden Kette
(Plattenpaare) vollständig ausgeglichen, und es findet kein Übergang der
Elektricität von einer Kette zur anderen statt"
Wie man aus den vorstehenden Sätzen sieht, liegt das ganze Interesse
an der Arbeit von Karsten in der geschichtlichen Vollständigkeit des Be-
richtes über die theoretischen Versuche im Gebiete der VoLTA'schen Erschei-
nungen. Es ist nicht einmal eine bis dahin übersehene Thatsache, oder ein
noch nicht versuchter Gedanke, welche diese „Theorie" hat entstehen lassen.
Dazu kommt, dass Pfaff in seiner alsbald zu besprechenden „Revision" eine
Anzahl der von Karsten mitgetheilten Versuche als irrthümlich nachgewiesen
hat; die theoretischen Gedanken erweisen sich als ein misslungener Versuch,
die VoLTA'schen Ansichten mit der Thatsache des Flüssigkeitseinflusses zu
verbinden, wobei der letztere im VoLTA'schen Sinne als eine reine Berührungs-
wirkung, nicht als eine Quelle der Arbeitsleistungen der Kette aufgefasst wird.
Auf die Entwicklung der Angelegenheit ist demgemäss auch die Arbeit von
keinem Einflüsse gewesen, und ist somit ein weiteres Beispiel für die allge-
meine Thatsache, dass in dem Gebiete der messenden Wissenschaften nur
quantitative Theorieen Erfolg und Wirkung haben können.
16. Pfaff's „Revision der Lehre vom Galvano-Voltaismus."
Eine Art Abschluss erhält die bisher besprochene erste Periode des
Kampfes beider Ansichten durch eine unter dem obigen Titel erschienene
488 Zwölftes Kapitel.
Schrift1 des alten Vertreters der reinen Voi/rA'schen Lehre, in welcher
dieser die Summe des bis dahin Geschehenen, natürlich in seinem Sinne, zu
ziehen sucht. Wie sehr ihm diese Angelegenheit zu einer Herzenssache
geworden war, erhellt aus den beweglichen Schlussworten, in denen seine
Einleitung ausklingt „Es fehlen nur wenige Jahre zu dem halben Jahr* jt
hundert, innerhalb dessen eine der grössten Entdeckungen in der Natur- j:
Wissenschaft von ihrem ersten kleinen Anfange bis zu jenem Umfange sich (:
erweitert, innerhalb dessen die Chemie ihre eigentliche Theorie gefunden, !f
das so lange vergeblich gesuchte Band zwischen Elektricität und Magnetismus !?
geknüpft und die Pulse des grossen Naturlebens, sowie des Mikrokosmos i;
verständlich geworden sind. :
„In die Morgenröthe meiner der Natur gewidmeten Studien fiel auch t
die Morgenröthe jener neuen Lehre. Mit Enthusiasmus begrüsste ich damals t
das neue Licht, und meine dasselbe verkündende Inaugural-Dissertation j
brachte ich als die Erstlinge der Muse auf dem Altar der Wissenschaft dar. £
Ich preise mich glücklich, den hellen Tag, den diese Morgenröthe versprach, J
erlebt zu haben, wenn gleich darüber der Abend meines eigenen Lebens \
herangebrochen ist. Das Individuum muss sich diesem Gesetze der Zu- und 1
Abnahme unterwerfen, kann aber auch nicht ferne von der Grenze, die ihm <
die Vorsehung angewiesen, noch ganz das freudige Gefühl haben, mit dem ;
ich hier die Feder niederlege, das Gefühl, dass die Wissenschaft, für die !
ich selbst thätig gewesen bin, wenn sie ihre Mittagshöhe erreicht, nicht j
wieder sinkt, sondern den entferntesten Geschlechtern gleich der Sonne
in ihrer Culmination leuchtet, und dieses Licht nur mehr und mehr ver-
breitet, indem sie die Nebel zerstreuet, die ihres vollen Lichtes Zugang
noch hindern."
Unter den Nebeln sind natürlich die chemischen Theorieen verstanden,
und es tritt aus diesen Worten die Stellung der Voltaisten gegenüber den
Gegnern sehr deutlich hervor. Für Pfaff war die VoLTA'sche Theorie
offenbar schlechthin unverbesserbar, und der Fortschritt der Wissenschaft
konnte nur auf den von Volta eingeschlagenen Wegen erfolgen.
Was den Inhalt der „Revision" anlangt, so bezieht sich dieser zunächst
auf die grundlegende Frage nach der Elektricitätserregung bei der Berührung
der Leiter erster Klasse. Die Versuche von de la Rive werden kritisch
geprüft (S. 451), und verworfen; über diesen Theil ist bereits berichtet worden.
Ein zweites Kapitel behandelt die Frage nach der Anordnung der Elektricität
in der Säule und die Art, wie sich die Spannungen addiren; wir brauchen
hierbei nicht zu verweilen, da durch die Betrachtungen von Ohm bereits zu
jener Zeit die Angelegenheit als erledigt angesehen werden konnte. Weiter
geht Pfaff sehr ausführlich auf die Frage nach der Elektricitätserregung
1 Revision der Lehre vom Galvano- Voltaismus mit besonderer Rücksicht auf Faraday's,
de la Rive's, Becquerel's, Karsten's u. a. neueste Arbeiten über diesen Gegenstand.
Altona 1837.
Der Kampf zwischen der Theorie der Berührungselektricität u. s. w. ^gg
wischen Metallen und feuchten Leitern ein. Es ist schon wiederholt hervor-
gehoben worden, wie diese immer zu rechter Zeit auftritt, wenn von den
jegnern Fälle angeführt werden, welche sich durch die Theorie der reinen
Metallerregung nicht deuten lassen. Man muss Pfaff das Zeugniss geben,
iass er die Frage mit seinen Hülfsmitteln sehr gründlich bearbeitet hat, und
wenn auch diese aus allgemeinen Gründen kein einfaches Ergebniss ver-
mitteln konnten, so verdient doch der Fleiss, mit welchem er Tausende von
derartigen Versuchen angestellt hat, alle Anerkennung. Eine Wiedergabe
dieser Versuche würde hier keinen Zweck haben, da ihre Deutung unter
den von Pfaff eingehaltenen Bedingungen kaum sicher auszuführen ist.
Sehr eingehend beschäftigt sich Pfaff mit einem Versuch von Faraday,
durch welchen das Vorhandensein eines elektrischen Stromes ganz ohne
Metallcontact bewiesen wird; wir werden diesen Versuch alsbald kennen
lernen. Von dem eingenommenen Standpunkte aus, nach welchem neben
der metallischen Erregung noch die zwischen anderen Leitern angenommen
wird, kann es Pfaff nicht schwer fallen, zu beweisen, dass der Versuch
diesen Anschauungen nicht widerspricht; über die Ursache der Erscheinung
solcher Erregungen brauchte sich ja die reine Contactlehre nicht weiter zu
Gegen die von Faraday vertretene chemische Auffassung der VoLTA'schen
Erscheinungen (s. w. u.) findet Pfaff sehr viel zu erinnern. Ein neuer Gedanke
tritt hierbei kaum auf; die Geltendmachung der zu jener Zeit gebräuchlichen
recht unvollkommenen Ansichten über chemische „Kräfte" den von Faraday
versuchten Gestaltungen seiner Erfahrungen gegenüber hat naturgemäss in
keiner Weise entscheidende Bedeutung. Der Entdeckung des Gesetzes der
festen elektrolytischen Aktion durch denselben Forscher lässt indessen Pfaff
volle Anerkennung zu Theil werden. Er hat die wichtigsten Versuche
selbst wiederholt, und sie völlig bestätigt gefunden. Auch versäumt er
nicht, das Gesetz in Beziehung mit anderen stöchiometrischen Gesetzen
zu bringen, und äussert sich hierüber in einer Weise, welche bemerkenswerth
genug ist.
„Ein sehr merkwürdiges Resultat aus dem allgemeinen Gesetze für die
durchgängige Proportionalität der aller durch dieselbe Menge von Elektricität
bewirkten Zersetzungen, nach dem Atomenge wichte berechnet, ist noch, dass
jedes Atom, wie verschieden auch die Grundstoffe sind, eine gleiche Menge
von Elektricität, um mich so auszudrücken, aufnimmt oder latent macht.
Gäbe es daher in demselben Sinne verschiedene Capacitäten der Massen für
Elektricität, oder verschiedene spezifische Elektricitäten, wie es verschiedene
Wännecapacitäten oder verschiedene spezifische Wärmen giebt, so würde
man für die spezifischen Elektricitäten wie für die spezifischen Wärmen das
allgemeine Gesetz finden, dass die Produkte der spezifischen Elektricitäten
in die Atomengewichte für alle Körper einander gleich sind."
Die weiteren Auseinandersetzungen Pfaff*s mit Karsten, Pohl und
Becquerel können gleichfalls übergangen werden. Dem ersteren werden
490 Zwölftes Kapitel.
experimentelle Fehler nachgewiesen, dem letzteren logische, und in beic
Fällen wird man dem Kritiker Recht geben müssen. Zum Schluss seh
Werkes äussert sich Pfaff allgemein über die elektrochemischen Theorie
und findet insbesondere an Becquerei/s Fassung derselben viel auszusetz
Auch hat er stets die Möglichkeit, an Stelle der chemischen Erregung
solche durch Berührung anzunehmen, und somit die chemische Theo
formell überflüssig zu machen. Als Fälle, welche mehr für die chemisc
Theorie sprechen, lässt er einige Versuche von Pouillet gelten, in dei
sich eine Ladung des Condensators durch auf dem Deckel desselben v
brennende Kohle gezeigt hatte, sowie andere Versuche von Nobili, wek
das Statthaben elektrischer Ströme zwischen Flüssigkeiten, unter vollständig
Ausschluss von Metallberührungen erwiesen hatten, und auf welche spä
einzugehen sein wird. Doch bemerkt er hierzu:
„Indessen fragt sich in diesen beiden Fällen immer noch: War
Elektricitätserregung eine Folge der wirklichen chemischen Verbindu
trat sie erst mit dieser ein, oder ging sie nicht vielmehr dieser vors
war sie nicht auch in diesen Fällen eine Wirkung des Contactes, woi
jeder chemische Prozess beginnt, jener ersten Berührung, welche von ■
wirklichen innigen Verbindung noch wohl zu unterscheiden ist, und jed
chemischen Conflikte nothwendig vorangehen muss, unzertrennlich von de
selben ist? Hier nun liegt die grosse Streitfrage zwischen der gleichs
orthodoxen reinen VoLTA'schen Theorie, und einer Combination dersell
mit der chemischen Theorie."
Es macht einen seltsamen Eindruck, diese Frage, was vorhergehe,
chemische Wirkung oder die Elektricitätserregung, in dieser Weise als wese
lichsten Punkt des Streites bezeichnet zu sehen, da doch überhaupt ni
bewiesen, ja nicht einmal wahrscheinlich gemacht ist, dass überhaupt ei
der Vorgänge dem anderen vorangehe, und nicht beide gleichzeitig erfolg
Man hat in jedem Falle Grund, gegen die Angemessenheit einer solcl
Fragestellung misstrauisch zu sein, wenn wie in diesem Beispiel die B«
wortung der entscheidenden Frage an und für sich als schwerlich auf exp
mentellem Wege erreichbar erscheint. Denn eine gute Theorie muss
der Beschaffenheit sein, dass ihre Grundlage sich messbar darstellen lä
und jede Form der Zusammenfassung eines Thatsachengebietes, wel
unbeweisbare Voraussetzungen und Vorstellungen aufnimmt, ist an e
diesen Stellen mit entbehrlichen Bestandtheilen behaftet und darum n
in strengem Sinne zweckmässig. Dabei soll nicht in Abrede gestellt wert
dass zu pädagogischen Zwecken, wenn das fragliche Gebiet dem üblic
Anschauungskreise besonders fern steht, auch eine Veranschaulichung mitl
hypothetischer Hülfsmittel sich nützlich erweisen könnte; stets wird aber
Bestreben der Wissenschaft dahin gerichtet sein müssen, diese äusserlic
Bestandtheile so bald als thunlich auszuscheiden.
Ausnehmend interessant ist es nun, zu beobachten, wie die in
chemischen Theorie latent liegenden, auf die Dauer unwiderstehlichen Cat
I>er Kampf zwischen der Theorie der Berührungselektricität u. s. w. aqi
riehungen an dieser Stelle, wo der alte Gegner dieser Theorie sich ernst-
ti mit ihrem Inhalte beschäftigt, selbst diesem gegenüber ihre Wirkung
:ht verfehlen- Nachdem Pfaff noch eben seine unerschütterliche Über-
Qgung von der Richtigkeit der VoLTA'schen Ansicht zum Ausdruck gebracht
X, erörtert er an letzter Stelle eine Möglichkeit, die chemische Theorie
it der VoLTA'schen Berührungslehre zu vereinigen, welche von den vor-
schlagenen Wegen in dieser Richtung wenigstens für jene Zeit bei weitem
s der gangbarste zu bezeichnen ist, und welcher von Faraday und Schön-
hn auch mit grösserem Nachdruck verfolgt worden ist. Seine Worte lauten:
„Wenn die Elektrochemie doch in keinem Falle mit den polaren elek-
ischen Kräften allein auskommen kann, um die Erscheinungen vollständig
1 erklären, sondern immer noch eine Verwandtschaftskraft der materiellen
"heilchen selbst gleichsam als Reserve hat, welche ja eben erst die elek-
ische Atmosphäre um die Atome zusammenhält, so wäre vielleicht die
jisicht nicht verwerflich, in dieser Affinität selbst die elektromotorische
jaft aufzusuchen. Die erste Erscheinung ihrer gleichsam anfangenden
hätigkeit wäre die Störung des elektrischen Gleichgewichtes oder die Frei-
lachung der Elektricitäten, welche entweder als überwiegend positive oder
berwiegend negative Elektricität mit den Atomen verbunden wären. So
nge es nicht zu wirklicher chemischer Verbindung gekommen ist, haben
ch auch die Affinitäten der materiellen Theile noch nicht vollkommen
ebunden, sie wirken noch elektromotorisch, erhalten den Zustand der freien
lektrischen Spannung; erreicht der chemische Conflikt sein Ziel, so treten
iese Affinitäten in wechselseitige vollständige Bindung, die Elektricitäten,
ie nun nicht mehr auseinander gehalten werden, schlagen nun gleichsam
usammen, die freie Spannung hört auf, und es tritt Wärme und Licht an
ie Stelle derselben. Was Pouillet und Nobili erhalten haben, sind gleich-
un nur Ergebnisse der der wirklichen Verbindung vorangegangenen Be-
iihrung, der Affinitäten, so lange sie gleichsam nur elektromotorisch wirkten,
nd welche durch Strömung oder Anhäufung im Condensator der unmittel-
baren Ausgleichung entzogen wurden. Nach dieser Ansicht würden die
elativ elektropositiven , sowie die elektronegativen Elemente in einem
bppelten Gegensatze stehen, in einem gegen einander, und in einem gegen
Be entgegengesetzten Elektricitäten, und der chemische Zusammensetzungs-
ind Zersetzungsprozess würde das Resultat bald des Übergewichtes der
Verwandtschaft der materiellen Atome gegen einander über ihre Affinität
ra den entgegengesetzten Elektricitäten, bald des umgekehrten Über-
gewichtes sein."
Es ist ein gutes Zeichen für die Besonnenheit, mit welcher Pfaff in
seinem hohen Alter die Arbeit seines Lebens betrachtet hat, ihn hier frei-
müthig den Weg erörtern zu sehen, auf welchem die Ansicht, zu der er
sich zeitlebens bekannt hatte, beseitigt werden könnte. Die Andeutungen,
«reiche er hier giebt, sind zwar noch vielfach der Erweiterung und Ver-
tiefung bedürftig; in einem wesentlichen Punkte, in der Parallelisirunp^
4Q2 Zwölftes Kapitel.
zwischen elektromotorischer Kraft und chemischer Affinität hat er aber d
vollkommen richtig das gesehen, wovon die weitere Entwickelung
ganzen Frage abhängig ist. Und angesichts dieser Unbefangenheit sei
schliesslichen Urtheiles wird man ihm leicht manche früher begangene 1
seitigkeit vergeben, zumal er in der Vertheidigung seiner Ansichten s
eine wohlwollende Form einzuhalten gewusst und niemals die Kraft sei
Gründe durch Angriffe persönlicher Art seinen Gegnern gegenüber
steigern versucht hat.
Fig. 114. Michael Faraday.1
Dreizehntes Kapitel.
Das Gesetz von Faraday.
1. Michael Faraday. Während der Kampf der beiden Theorieen der
Iranischen Erscheinungen am Heftigsten wogte, erschien auf dem Plane
1 Mann, durch dessen Kingreifen ein Fortschritt in der Frage bewirkt
rde, welcher sich bald als bedeutsamer erwies als alles, was bisher vor-
iracht und geleistet worden war. Dieser Mann war Michael Faradav,
I seine Leistung das nach ihm benannte elektrochemische Gesetz. Die
ieutung des letzteren tritt schon in dem äusserlichen Umstände hervor,
3 der Name dieses Mannes, dessen Entdeckungen zahlreicher sind, als
irgend eines Zeitgenossen, mit diesem einen Gesetze am engsten verknüpft
1 Nach dem Titelbilde in Bence Jones* Werk: „Life and letters of Faraday",
404 Dreizehntes Kapitel.
verblieb, und wenn von dem FARADAY^schen Gesetze schlechthin g<
wird, so ist allein jene elektrochemische Beziehung gemeint
Michael Faraday war 1791 in Newington, Surrey, geboren. Sein Vi
der ein Schmied in ärmlichen Umständen war, siedelte bald nach Mici
Geburt nach London über, wo es ihm indessen nicht besser erging;
Nothjahre 1801 erhielt er öffentliche Unterstützung. Michael wurde in sei]
zwölften Jahre zu einem Buchbinder in die Lehre gegeben, und
Gelegenheit, Bücher kennen zu lernen, wurde entscheidend für seine
wickelung. Er las, was ihm zugänglich war, und wurde insbesondere dl
einen Artikel über Elektricität in einer Encyklopädie gefesselt Durch
Kunden seines Brodherren, Mr. Dance, wurde ihm die Gelegenheit gel
die öffentlichen Vorlesungen Humphry Davy*s in der Royal Institution
hören. Diese machten einen so grossen Eindruck auf ihn, dass er um j<
Preis in eine wissenschaftliche Thätigkeit zu kommen bestrebt war; in
Unkenntniss der Welt und der Einfachheit seines Geistes schrieb er an
damaligen Präsidenten der Royal Society, Sir Joseph Banks, um Rath
Hülfe, erhielt aber keine Antwort Besser gelang ein Versuch bei seil
verehrten Lehrer; er hatte zu Davy*s Vorlesungen sich ausfuhrliche N«
Schriften und Ausarbeitungen gemacht, die er mit der Bitte um Hülfe
diesen sendete. Davy rieth ihm anfangs dringend ab, diese ungewisse
bahn einzuschlagen; Faraday aber liess sich nicht abschrecken. In
späteren Briefe schrieb er: „Mein Wunsch, den Handelsgeschäften zu
fliehen, welche ich für schlecht und selbstisch hielt, und in den Dienst
Wissenschaft zu treten, welche ihre Anhänger, wie ich glaubte, lieben«
und freien Herzens machte, veranlasste mich schliesslich zu dem kül
und einfältigen Schritt, an Sir Humphry Davy zu schreiben, ihm meine Wüi
und die Hoffnung auszudrücken, dass bei kommender Gelegenheit er meii
Wünschen günstig sein möchte." Davy bemühte sich vergeblich, ihm
möglichen, pekuniären Misserfolg eines solchen Versuches und seinen Irrtho|
über die moralischen Wirkungen der wissenschaftlichen Beschäftigung nahe J
legen, und kurze Zeit darauf bot er ihm die Stelle eines „Laboratoriums-Asi
stenten" für 25 Schillinge wöchentlich an, die Faraday mit Freuden annahfl
Die Stellung Faraday's scheint ein Mittelding zwischen der eines wisset
schaftlichen Assistenten und der eines Aufwärters gewesen zu sein. Auq
als Davy bald darauf eine längere Reise antrat, auf der ihn Farad*
begleitete, war er halb ein Sekretär, halb ein Kammerdiener in den Pflicht«!
die ihm auferlegt wurden; insbesondere scheint es Davy^s stolze Gatti
gewesen zu sein, die ihm das Leben sauer machte. Im übrigen war di
Reise für ihn von höchstem Werthe, da sie ihm Gelegenheit gab, mit etat
grossen Zahl der hervorragendsten wissenschaftlichen Männer seiner Zeit j
persönliche Beziehung zu treten.
Nach fast zwei Jahren kehrten beide von der Reise zurück und begänne
das frühere Leben an der Royal Institution von neuem. Faraday hielt bat
hier und da Vorlesungen, und gewann auch die Zeit zu eigenen Arbeitet
Das Gesetz von Faraday. aqc
ndere seine Untersucnhngen über die Verflüssigung von Gasen erregten
ein allgemeines Interesse, leider aber auch ein gewisses Gefühl von
ucht in seinem Vorgesetzten, so dass dieser sich sogar widersetzte, als
ay zum Mitgiiede der Royal Society vorgeschlagen wurde. Die Vor-
enden waren unter anderen Wollaston, Children, Babington und Sir
m Herschel, und die Aufnahme erfolgte, trotz jenes Widerspruches
allen Stimmen gegen eine.
Faraday wurde im Jahre 1827 Davy's Nachfolger an der Royal Institution
blieb in dieser Stellung bis zu seinem Tode, der im Jahre 1 867 erfolgte,
theilte er seine Thätigkeit zwischen seinen Vorlesungen, die wahre
erke waren, und seinen Untersuchungen, deren Bedeutung und Mannig-
eit während seines langen und arbeitsreichen Lebens einen ausser-
ichen Umfang erlangten. Obwohl er in den verschiedensten Gebieten
Physik und Chemie thätig war, sind es doch vor allem seine Arbeiten
der Elektrik, welche den breitesten und wichtigsten Theil seiner Thätigkeit
chen, und an welche sich der wohlverdiente Ruhm seines Namens
engsten geknüpft hat. Auf eine Darstellung und Würdigung dieser
brechenden Untersuchungen kann an dieser Stelle nicht eingegangen
ien. Nur der allgemeine Charakter derselben verdient einige Bemer-
n. Faraday war ohne mathematische Schule, und in seinen Arbeiten
allen Dingen Experimentator. Aus der ungemeinen Fülle von An-
tehauungen thatsächlicher Verhältnisse, die er sich durch sein unausgesetztes
entiren erworben hatte, entstand naturgemäss in ihm oft genug das
ürfriiss der Verallgemeinerung; wie bei seinen Experimenten ging er
aber auch bei seinen theoretischen Ansichten seinen eigenen Weg, und die
■gewohnte Beschaffenheit derselben erregte oft Widerspruch, der indessen
wohl überall nur auf Missverständnissen und vorgefassten Meinungen beruhte,
h neuerer Zeit erst sind Faraday's Ansichten über die elektrischen Erschei-
Mgen in ihrem Werth erkannt worden, nachdem sie durch Maxwell in
dfc entsprechende mathematische Form gebracht worden waren, und gegen-
wärtig beherrschen sie fast vollkommen die Darstellungsweise der Elektrik.
Aus der ununterbrochenen Beschäftigung mit dem Experiment ergab
ach fiir Faraday auch die eigenthümliche Art, die Ergebnisse seiner Arbeiten
■itzatheilen. Er pflegte jedes Beobachtete unmittelbar nach der Beobach-
tang niederzuschreiben, und seine Abhandlungen bestehen wesentlich aus
kurzen Niederschriften der einzelnen Thatsachen, die dann in Reihe
wd Ordnung gebracht, mit fortlaufenden Nummern versehen, und gelegent-
Ich durch kurze allgemeine Betrachtungen, die gleichfalls numerirt waren,
■ Verbindung gesetzt wurden. Diese ungemein originelle Art der Dar-
fldlung machte alsbald Schule und wurde einigermaassen Mode; man findet
• der Zeit, wo Faraday's Experimentalu ntersuchungen über Elektricität in
feer Form die allgemeine Aufmerksamkeit erregt hatten, eine ganze Anzahl
»derer Autoren in derselben Weise die Ergebnisse ihrer Arbeiten dar-
feilend, und es ist nicht in Abrede zu stellen, dass die Form manche
1
aq6 Dreizehntes Kapitel.
Vorzüge hat. Insbesondere war sie eine wohlthätige Reaktion gegen
endlosen Perioden der Naturphilosophen und gegen den blühenden
welchen Andere nach Humboldts Muster zu schreiben liebten.
2. Die Anfänge des elektrolytischen Gesetzes. Es ist
wiederholt bemerkt worden, dass der Annahme einer chemischen
der VoLTA'schen Erscheinungen der Mangel an einem zahlenmässigen
sammenhang zwischen chemischen und elektrischen Erscheinungen
bei den besten Geistern ein entscheidendes Hinderniss bereitete. Di<
Mangel wurde durch die Entdeckung eines grundlegenden Gesetzes at
holfen, welches die mit dem Namen Elektricitätsmenge bezeichnete
trische Grösse mit den fundamentalen Zahlen der Chemie, den Verbindi
gewichten, in eine unmittelbare Beziehung setzt. Die Entdeckung
Gesetzes, welche zu den wichtigsten Leistungen des an Entdeckungen
reichen Faraday gehört, hat in der That einen maassgebenden Einfluss
die Entwickelung der Elektrochemie ausgeübt und die quantitative Ej
derselben begründet.
Die Geschichte dieser Entdeckung ist folgende. Faraday hatte
vorgesetzt, die Frage, ob die gewöhnliche oder Reibungselektricität mit
VoLTA'schen identisch sei oder nicht, in möglichst umfassender Weise
untersuchen, und war, nachdem er am Anfange der dritten Reihe
Experimentaluntersuchungen über Elektricität1 die qualitative Übereinstimmt
beider Elektricitäten erwiesen hatte, zu dem messenden Vergleich dersell
übergegangen, da die vorhandenen Unterschiede alle auf Werthverschiederif
heiten der bestimmenden Grössen, Intensität und Quantität, wie er sie nannte
zurückfiihrbar erschienen.
„361) Nachdem ich die Identität zwischen diesen beiden Elektricitätel
hinlänglich festgestellt glaubte, bemühte ich mich, für die Quantität der durdl
die Maschine und die VoLTA'sche Säule erregten Elektricität ein gemeinsame*
Maass oder eine bekannte Beziehung aufzufinden, nicht bloss um ihre Ideo-
tität zu bestätigen, sondern auch, um gewisse allgemeine Sätze zu beweisen
und den Mitteln zur Erforschung dieses wundervollen und feinen Agens ei«
grössere Ausdehnung zu verschaffen.
„362) Zuerst war zu bestimmen, ob eine gleiche absolute Menge voi
gemeiner Elektricität, unter verschiedenen Umständen durch ein Galvano
meter gesandt, eine gleiche Ablenkung der Magnetnadel erzeugen würde. Id
versah daher das Galvanometer mit einer willkürlichen Skala, an der jede Ab
theilung etwa 40 betrug, und stellte das Instrument wie bei dem früheren Ver
suche auf. Die Maschine, die Batterie und die übrigen Theile des Apparate
wurden in gute Ordnung gebracht, und während der Zeit des Versuches st
nahe als möglich in demselben Zustande erhalten. Mit den Versuchen wurdt
abgewechselt, so dass jede Veränderung in dem Zustande des Apparate
sichtbar ward, und die nöthigen Berichtigungen gemacht werden konnten
1 Phil. Trans, f. 1833. — Pogg. Ann. 20, 274. 1833.
Das Gesetz von Faraday. 497
,363) Sieben Flaschen wurden aus der Batterie fortgenommen, und acht
Gebrauch beibehalten. Es fand sich, dass etwa 40 Umdrehungen die
hen vollständig luden. Sie wurden darauf durch 30 Umdrehungen
en, und nun durch das Galvanometer entladen, während eine dicke
te Schnur von etwa 10 Zoll Länge in den Bogen eingeschaltet war.
eich wurde die Nadel um 5% Abtheilungen nach der einen Seite vom
unkt abgelenkt, und beim Schwingen ging sie so nahe als möglich
5% Abtheilungen nach der anderen Seite.
,364) Jetzt wurden die übrigen sieben Flaschen den acht hinzugefügt,
sämmtliche 15 durch 30 Umdrehungen der Maschine geladen. Ein
Asches Elektrometer stand nicht ganz halb so hoch wie zuvor: allein
die Ladung durch das zuvor zur Ruhe gebrachte Galvanometer geleitet
de, schwang die Nadel sogleich und erreichte genau denselben Theil-
kt wie vorhin. Die Versuche mit acht und fünfzehn Flaschen wurden
rmals wiederholt, und immer mit demselben Erfolg.
„365) Es wurde nun die gesammte Batterie zum Versuch genommen,
ihre Ladung (von 50 Umdrehungen der Maschine) durch das Galvano-
gesandt, doch so modificirt, dass sie zuweilen bloss durch einen
ten Faden ging, zuweilen durch eine mit destillirtem Wasser ange-
tete dünne Schnur von 38 Zoll Länge, zuweilen durch eine zwölf Mal
Schnur von nur 12 Zoll Länge, und getränkt mit verdünnter Säure.
der dicken Schnur ging die Ladung auf einmal durch; mit der dünnen
rauchte sie eine wahrnehmbare Zeit, und mit dem Faden waren zwei
bis drei Sekunden erforderlich, bis das Elektrometer ganz niedersank. Der
Strom musste demnach in diesen drei Fällen ungemein an Intensität ver-
schieden sein, und doch war die Ablenkung der Magnetnadel in allen fast
gleich. Zeigte sich etwa ein Unterschied, so war die Ablenkung an der
dünnen Schnur und dem Faden etwas grösser. Findet, wie Colladon sagt,
[ eine Seitenfortpflanzung durch die Seide des Galvanometergewindes statt,
so muss dies so sein, weil, wenn die Intensität geringer ist, die Seitenfort-
pflanzung schwächer wird.
„366) Hieraus geht hervor, dass, wenn die Elektricität in gleicher
absoluter Menge durch das Galvanometer geleitet wird, die ab-
lenkende Kraft auf die Magnetnadel gleich ist, wie gross audh
ihre Intensität sein mag."
Hierzu ist zu bemerken, dass das Galvanometer die absolute Menge
der Elektricität nur angiebt, wenn die Zeit der Entladung gegen die zur
I Bewegung der Magnetnadel erforderliche Zeit verschwindet. Sonst giebt das
> Galvanometer unmittelbar Stromstärken an, d. h. Elektricitätsmengen, divi-
dnt durch die erforderliche Zeit. Man muss dieses Verhältniss im Auge
behalten, um die nachfolgenden Versuche richtig zu verstehen.
Faraday geht nun zu einigen weiteren experimentellen wie litera-
rischen Nachweisen für den obenstehenden Satz über, die wir fortlassen
können.
Qstwald, Elektrochemie. 32
498 Dreizehntes Kapitel.
M,
,369) Mein nächstes Ziel war nun, eine VoLTA'sche Vorrichtung n
erhalten, die gleiche Wirkung, wie die eben beschriebene ausüben würde
Ein Platin- und ein Zinkdraht, beide durch dasselbe Loch eines Zieheisens
gezogen, und ein Achtzehntelzoll im Durchmesser haltend, wurden auf einen
Träger befestigt, so dass ihre unteren Enden in einem Abstände von 6/ia Zo|
parallel nebeneinander herabhingen. Die oberen Enden wurden mit dd
Galvanometerdrähten wohl verbunden. Es wurde Säure verdünnt, und nacfcl
verschiedenen vorläufigen Versuchen eine solche zur Norm genommen, welcW
aus einem Tropfen concentrirter Schwefelsäure und vier Unzen Wassoti
bestand. Endlich wurde die Zeit aufgezeichnet, welche die Nadel gebrauc
um entweder von der Rechten zur Linken, oder umgekehrt zu schwin
sie war gleich 17 Schlägen meiner Uhr, von denen 150 auf eine Min
gingen. Der Zweck dieser Vorbereitungen war, einen VourA'schen Ap
so einzurichten, dass er beim Eintauchen in eine gegebene Säure wä
einer gegebenen Zeit, die indessen viel geringer war, als die zum Schwinge«
der Nadel in einer Richtung erforderliche, eine ebenso starke Ablenkung
der Nadel hervorbrachte, als die Entladung gemeiner Elektricität aus ddl
Batterie. Nachdem ein neues Stück Zinkdraht in die angegebene Lage zod|
Platindraht gebracht worden war, wurde der vergleichende Versuch angesteMj
„370) Als der Zink- und Platindraht 6/8 Zoll tief in die Säure getaucfaQJ
und 8 Uhrschläge lang darin gelassen, und dann rasch herausgezogen worddl
war, wich die Nadel ab, und fuhr fort, noch einige Zeit nach dem Heraotfl
ziehen des Apparates nach derselben Seite vorzurücken. Sie erreichte die
Mitte zwischen dem fünften und sechsten Theilpunkt, kehrte dann zurück
und schwang nach der anderen Seite ebenso weit. Der Versuch wurde
mehrmals, und immer mit demselben Erfolge wiederholt.
„371) Bloss nach der magnetischen Kraft zu urtheilen, kann man jeW
als eine Annäherung annehmen, dass zwei Drähte, einer von Platin und dd
andere von Zink, die 1/18 Zoll dick sind und in einem Abstände von 6/16 Zol
zu einer Tiefe von 6/8 Zoll in ein Gemenge von einem Tropfen VitrioM
und vier Unzen Wasser von etwa 60 ° F. eingetaucht, und an ihren änderet
Enden mit einem 18 Fuss langen und 1/18 Zoll dicken, als Galvanometer
gewinde dienenden Kupferdraht verbunden worden sind, ebenso viel Elefc
tricität in 8 Schlägen meiner Uhr oder in 8/160 einer Minute liefern, als dl
durch 30 Umdrehungen einer grossen sehr wirksamen Elektrisirmaschial
geladene elektrische Batterie. Trotz dieses ungeheuer scheinenden Missver
hältnisses sind die Resultate in völligem Einklänge mit denen, welche vw
der Elektricität bei Variationen der Intensität und Quantität bekannt sind
„372) Um auch für die chemische Aktion einen Vergleichspunkt £
haben, wurden jetzt die Drähte 6/8 Zoll tief in die Säure getaucht erhalte«
und die Nadel, nachdem sie zur Ruhe gekommen, beobachtet; sie stan*
so genau es das bewaffnete Auge unterscheiden konnte, auf dem Thei
punkt s1!^ Eine bleibende Ablenkung von dieser Grösse kann demna*
als Anzeige eines constanten elektrischen Stromes, welcher in 8 Schlag*
Da» Gesetz von Faraday. 400
aer Uhr so viel Elektricität liefert ab die elektrische Batterie, geladen
sh 30 Umdrehungen meiner Maschine, angesehen werden.
»373) Folgende Vorrichtungen und Apparate sind aus vielen Erfahrungen
gewählt An einem Platindraht von */12 Zoll Durchmesser, und 260 Gran
gend, war das eine Ende eben gemacht, so dass es eine wohl begrenzte
nsfläche von gleichem Durchmesser mit dem Drahte darbot. Er wurde
an abwechselnd mit dem Conduktor der Maschine und mit dem VoLTA'schen
»parat verbunden, und so, dass er immer den positiven Pol bildete und
gleich senkrecht stand, damit er mit seinem ganzen Gewicht auf das
gewandte Reagenspapier drückte. Das Reagenspapier lag seinerseits auf
lern Platinspatel, der entweder mit der Ableitung oder mit dem negativen
aht des VourA'schen Apparates in Verbindung stand; es war vielfach
sammengelegt und alle Mal in gleichem Grade mit einer Normallösung
o Jodkalium angefeuchtet.
w374) Wenn der Platindraht mit dem ersten Conduktor der Maschine
d der Spatel mit der Ableitung verbunden war, so übten 10 Umdrehungen
r Maschine eine solche Zersetzungskraft aus, dass ein blasser, runder Jod-
ck gleich dem Durchschnitt des Drahtes erzeugt wurde; 20 Umdrehungen
ichten einen dunkleren Fleck, und 30 einen so dunklen, dass er auf der
oten Lage des Papiers sichtbar war. Der Unterschied der Wirkung von
<ei bis drei Umdrehungen mehr oder weniger konnte mit Leichtigkeit
Icannt werden.
«375) Draht und Spatel wurden nun mit dem VoLTA'schen Apparat
rbunden, auch das Galvanometer in die Kette eingeschlossen, und nach-
m der Apparat in ein stärkeres Gemenge, bestehend aus Wasser und
dpetersäure so weit eingetaucht war, dass er eine bleibende Ablenkung
«1 5x/3 Abtheilungen gab, das vierfache feuchte Papier zwischen Draht und
Atel gebracht. Dadurch nun, dass das Reagenspapier verschoben wurde,
mnte die Wirkung eines 5, 6, 7 und mehr Uhrschläge anhaltenden Stromes
»bachtet und mit der von der Maschine verglichen werden. Durch viel-
alige wechselweise Wiederholung dieser Vergleichungsversuche wurde
ständig gefunden, dass dieser Normalstrom der VoLTA'schen Elektricität,
Uhrschläge lang unterhalten, in seiner chemischen Wirkung gleich war
3 Umdrehungen der Maschine, und sichtlich 28 solcher Umdrehungen
bertraf.
„376) Hieraus folgt, dass der elektrische Strom der normalen VoLTA'schen
fatterie, wenn er 8 Uhrschläge lang wirkte, sowohl in magnetischer Ab-
akungskraft, wie in chemischer Aktion gloich war dem von der Maschine
& 30 Umdrehungen entwickelten.
„377) Es folgt ferner, dass in diesem Falle von elektrochemischer Zer-
setzung, und wahrscheinlich in allen übrigen Fällen, die chemische wie
üc magnetische Kraft direkt proportional ist der absoluten
Menge von durchgeleiteter Elektricität."
Man muss gestehen, dass die experimentelle Grundlage, auf welcher di^
32*
COO Dreizehntes Kapitel.
grosse, in dem vorstehenden Satze ausgesprochene Verallgemeinerui
beruht, nicht eben breit und genau zu nennen ist; die ganze qua
titative Messung besteht in der Schätzung der Farbe des Jodflecks! We
dadurch wieder einmal bewiesen ist, wie wenig dein genialen Forsch
genügen kann, um einen weitreichenden Gedanken zu fassen, so darf do
andererseits Faraday die Anerkennung nicht vorenthalten werden, dass
der aus solcher Erkenntniss erwachsenden Pflicht, die aufgestellte Verallf
meinerung einer strengen und möglichst vielseitigen Prüfung zu unterzieht
auf das Beste nachgekommen ist. Elektrochemische Untersuchungen v»
drängen bei ihm jetzt die soeben so erfolgreich begonnenen elektromagi
tischen, und auf der breitesten Grundlage der Erfahrung sucht sich Farai
nun Klarheit über das Gebiet zu verschaffen, das ein Blitz des Verständnis
ihm in einem Punkte erhellt hatte.
3. Faraday's weitere Arbeiten. Die vierte Reihe seiner Exj*
mentaluntersuchungen trägt den Titel: „Über ein neues Gesetz der ele
trischen Leitung, und über Leitfähigkeit im Allgemeinen." Man würde int
wenn man unter diesem neuen Gesetz das eben ausgesprochene versteh
wollte; es handelt sich vielmehr um die Beobachtung, dass viele Std
insbesondere Salze, welche bei gewöhnlicher Temperatur Isolatoren sii
mehr oder weniger gute Leiter werden, wenn man sie bis zum Schmelz
erhitzt. Umgekehrt werden flüssige Leiter beim Erstarren Isolatoren, wie
insbesondere am Eise nachwies, welches ein sehr vollkommener Nichtleil
ist. Die Eigenschaft der Leitfähigkeit ist somit auf das Engste mit dl
flüssigen Zustande verknüpft, und sie kommt sehr viel mehr Stoffen zu, j
man bis dahin angenommen hatte.
Noch eine andere Thatsache zeigte sich mit der Leitung verknüpft, <
Zersetzung, und hier kommt Faraday wieder auf den scheinbar verlassen
Hauptpunkt zurück.
„413) In fast allen bisher beobachteten Fällen, die diesem Gesetz unfc
liegen, waren die dem Versuche unterworfenen Stoffe nicht nur zusamm<
gesetzt, sondern sie enthielten auch Elemente, von denen man weiss, da
sie sich an den entgegengesetzten Polen ansammeln; und sie konnten dur
den elektrischen Strom zersetzt werden. Wenn Leitung stattfand, t
auch Zersetzung ein, wenn die Zersetzung aufhörte, hörte auch die Leitu
auf, und es wird eine angemessene und wichtige Frage, ob nicht d
Leitung selbst überall, wo das Gesetz gilt, nicht nur eine Fol;
der Möglichkeit der Zersetzung ist, sondern selbst in dem Akt d
Zersetzung besteht? Und auf diese Frage kann eine andere folgen,
nicht die Erstarrung die Leitung nur dadurch verhindert, dass sie <
Molekeln unter dem Einflüsse der Aggregation an ihren Platz fesselt, u
dadurch ihre schliessliche Trennung in der Art, wie sie für die Zersetzu
nöthig ist, verhindert?"
Gegen die vollständige Verallgemeinerung dieser Ansicht macht h
Faraday indessen geltend, dass es einen (scheinbaren) Fall von Leitung oh
Das Gesetz von Faraday. cq\
I Zersetzung giebt, nämlich beim Quecksilberjodid, und dass andererseits eine
Anzahl von Stoffen vorhanden ist, welche die Bedingung, aus entgegen-
! gesetzten Elementen zu bestehen, erfüllen, und doch weder leiten noch zer-
► •etzt werden. Er verschiebt die Entscheidung der Frage bis auf die Zeit,
■wo ein grösserer Umfang von Thatsachen bekannt sein würde.
Die fünfte Reihe derExperimentaluntersuchungen bezieht sich wieder aus-
schliesslich auf die elektrochemische Zersetzung. Zunächst erwies Faraday die
Entbehrlichkeit der metallischen Pole, indem er Zersetzungen durch Ströme
hervorbrachte, die der zu zersetzenden Flüssigkeit (Salzlösungen auf Lackmus-
papier oder Papier mit Jodkaliumlösung) nicht durch gewöhnliche Leiter,
ern mittelst Spitzenwirkung durch die Luft zugeführt worden waren,
erner wies er nach, dass die Gegenwart des Wassers zur Leitung und Zer-
setzung nicht so nothwendig ist, als allgemein angenommen wurde; so über-
e er sich, dass mit zwei Metallen und den verschiedensten geschmol-
n Stoffen wirksame Ketten hergestellt werden können, wie das schon
er von Davy mit Bleiglätte und Kaliumchlorat gezeigt worden war.
Endlich setzt Faraday seine theoretischen Vorstellungen über den Vor-
der Zersetzung auseinander, worauf wir einzugehen haben. Nach einer
ichtlichen Darstellung früherer Arbeiten auf dem Gebiete (bei denen
iger Weise die Untersuchungen von Berzelius und Hisinger übergangen
n) stellt er fest, was er als sichere Thatsache anerkennen kann. Hierzu
rt zunächst, dass die Zersetzung nicht von einer Anziehung seitens der
herrühren kann, sondern dass vielmehr die Zersetzungsprodukte an den
Stellen, wo der flüssige Leiter endet, herausgetrieben fejeeted) werden.
Es geht dies aus den eben erwähnten Versuchen ohne metallische Pole
kervor, und ausserdem beschreibt er noch einen Versuch, in welchem er
eine Zersetzung gegen eine Wasserfläche sah. Der Versuch besteht darin,
dass man über eine concentrirte Lösung von Ma^nesiumsulfat reines Wasser
schichtet, und dann einen Strom so durchleitet, dass er in der Flüssigkeit
wn der concentrirten Lösung zum Wasser geht: es scheidet sich an der
Grenzfläche dann bald ein Wölkchen von Magnesia aus.1 Auch fand er,
wenn er in eine von einem Strome durchsetzte prismatische Flüssigkeits-
fflasse zwei in bestimmter Entfernung von einander gehaltene, mit dem
Galvanometer verbundene Platinplatten in der Richtung des Stromes einsetzte,
te die Ablenkung des Galvanometers dieselbe blieb, ob sich die Platten
»ahe an einem Pole, oder von ihm entfernt befanden. Aus alledem schloss
&, dass die Zersetzung überall in dem ganzen flüssigen Leiter stattfindet,
«nd nur dort sichtbar wird, wo dieser endigt. „Aus zahlreichen Versuchen
«atnehme ich den folgenden Ausspruch, den ich für richtig halte. . . . Die
Swnme der elektrochemischen Zersetzung ist constant für jeden durch einen
m Zersetzung befindlichen Leiter genommenen Querschnitt, welche Entfernung
von dem Pole er auch haben mag." Kommt dieser Ausspruch auch sachlich
1 Über die richtige Deutung dieses Versuches sind die Meinungen bis heute noch getheilt.
1
CQ2 Dreizehntes Kapitel.
mit dem überein, was iange vorher von Grotthuss ausgesprochen war, i
enthält doch der folgende Satz etwas wesentlich Neues. „505) Ich haM
Grund, anzunehmen, dass der Satz noch allgemeiner gemacht, und folgende)
maassen ausgesprochen werden kann: Dass für eine constante Menge Eid
tricität, welches auch der zersetzte Leiter sein mag . . ., der Betrag dt
elektrochemischen Wirkung auch eine constante Grösse ist, d. h. stets äqd
valent einer chemischen Normalwirkung sein wird, die auf gewöhnlich^
chemischer Verwandtschaft beruht." Bezüglich des Nachweises dieses Satt«
wird auf künftige Veröffentlichungen hingewiesen.
Was nun den Mechanismus der Zersetzung selbst anlangt, so v
Faraday zunächst wieder die gelegentlich ausgesprochene Behauptung,
ginge die ganze, oder ein grösserer Theil der Wirkung von einem
beiden Pole aus. „Urtheilt man nach den Thatsachen allein, so liegt bi
nicht der geringste Grund vor, das Wesen, welches in dem vorhanden i
was wir den elektrischen Strom nennen . . ., als ein zusammengesetztes odfi
verbundenes Wesen zu betrachten. Es ist niemals in einfachere oder de
mentare Wesen aufgelöst worden, und kann vielleicht am besten aufgefäa
werden als eine Axe der Wirkung, welche entgegengesetzte Kräfte trag
die von genau gleichem Betrage, aber entgegengesetzter Richtung sind.
„518) Gehen wir zu der Betrachtung der elektrochemischen Zersetzuli
über, so scheint mir, dass die Wirkung durch eine innere Corpuskularakti«
hervorgebracht wird, welche in der Richtung des elektrischen Stromes an
geübt wird, und welche von einer Kraft herrührt, die sich der chemische
Verwandtschaft entweder hinzufügt, oder ihr Richtung giebt Der in TM
setzung befindliche Körper kann als eine Masse wirkender Theiiche
betrachtet werden, indem alle, welche in den Lauf des elektrischen Stroftti
einbegriffen sind, zu dem schliesslichen Effekt beitragen; und dadurch, dal
die gewöhnliche chemisch^ Verwandtschaft in der einen Richtung paralk
zu dem Gange des elektrischen Stromes durch dessen Einfluss aufgehobd
geschwächt oder theilweise neutralisirt wird, und verstärkt oder vermehrt i
der entgegengesetzten Richtung, haben die sich verbindenden Theilchen <fi
Tendenz, in entgegengesetzter Richtung zu wandern."
„519) Nach dieser Anschauung wird die Wirkung als völlig abhängt
von der gegenseitigen chemischen Verwandtschaft der Theilchen entgegd
gesetzter Art angesehen. Die Theilchen ay a, Fig. 115, können nicht vo
dem einen Pole N zu dem anderen P übertragen werden oder wanden
wenn sie nicht Theilchen b, b der entgegengesetzten Art finden, welct
bereit sind, in der entgegengesetzten Richtung zu wandern; denn nur durc
die Wirkung ihrer erhöhten Verwandtschaft für diese Theilchen, verbünde
mit der verminderten Verwandtschaft zu denen, die hinter ihnen sin
werden sie vorwärts getrieben; und wenn einer der Theile a, Fig. 1 16, »
Pole anlangt, so wird er ausgetrieben oder in Freiheit gesetzt, weil <ft
Theilchen b entgegengesetzter Art, mit dem es unmittelbar vorher in Vc
bindung war, unter dem bestimmenden Einflüsse des Stromes eine grosse
Das Gesetz von Faraday. 503
J^iziehung zu dem Theilchen dy welches sich vor ihm in seiner Bahn
idet, hat, als zu dem Theilchen a, zu dem seine Verwandtschaft ge-
iwächt ist/'
Es mag nicht viele Stellen der Untersuchungen Faraday's geben, welche
rer angeführt und erörtert worden sind als der § 518. Sie erschienen
und wohl auch den meisten anderen als ein unmittelbarer Ausdruck
Thatsachen, während doch der Antheil hypothetischer und unbewiesener
Foraussetzungen darin grösser ist, als sonst bei Faraday üblich. Vor allen
>n war die Annahme, dass in dem Strome die chemische Verwandt-
nach einer Richtung verstärkt, nach der anderen geschwächt sei,
;alisch schwer zu deuten, selbst wenn man im Sinne von Davy und
js die Verwandtschaft auf elektrische Anziehungen zurückführen wollte.
richtige Bestandtheil der Ansichten, die Einsicht, dass die stattfindenden
forgänge nicht auf die Pole beschränkt sind, sondern in der ganzen
©5
i s 10 04' s' i c©
Fig. 115. Fig. 116.
Nach Faraday.
reckung des Leiters stattfinden, war nicht neu, sondern experimentell
:h Erman und theoretisch durch Grotthuss klargelegt worden.
Auch scheint Faraday die Unvollkommenheit seiner Anschauungen
'gefühlt zu haben, denn er verbreitet sich in ungewöhnlich wortreicher Weise
:ftcr den Gegenstand und kommt dabei zu Betrachtungen, welche die
fanachten Voraussetzungen theilweise wieder aufheben. So schreibt er:
„523) Die Theorie, welche ich aufzustellen versucht habe, verlangt das
Zngeständniss, dass in einem zusammengesetzten Stoffe, der der elektro-
chemischen Zersetzung fähig ist, die elementaren Bestandtheile eine gegen-
seitige Beziehung und einen Einfluss aufeinander haben, der über die Theile
fcnausgeht, welche unmittelbar miteinander verbunden sind. So wird im
Wasser ein mit Sauerstoff verbundenes Wasserstofftheilchen nicht als voll-
mundig ohne Einfluss auf andere Sauerstofftheilchen angesehen, obwohl diese
ttit anderen Wasserstofftheilchen verbunden sind; sondern es wird ange-
•ommen, dass sie eine Verwandtschaft oder Anziehung gegen sie haben,
fc zwar unter gewöhnlichen Umständen nicht vergleichbar ist mit der Kraft,
»eiche es mit seinem eigenen Sauerstofftheilchen zusammenhält, welche
aber, unter dem nach bestimmter Richtung wirkenden elektrischen Einflüsse,
te über jene hinaus gesteigert werden kann. Diese allgemeine Beziehung
bereits verbundener Theilchen zu anderen, mit denen sie nicht verbunden
*ßd, tritt deutlich genug in zahlreichen Erscheinungen rein chemischen
Qörakters hervor, namentlich in denen, wo nur theilweise Zersetzungen
antreten, sowie in Berthollet's Versuchen über den Einfluss der Masse auf
die Verwandtschaft: und damit hängt wahrscheinlich die Anziehung der
CQ4 Dreizehntes Kapitel.
Aggregation in festen und flüssigen Körpern unmittelbar zusammen. Es i£
ein bemerkenswerther Umstand, dass bei Gasen und Dämpfen, wo dfe
Anziehung der Aggregation verschwindet, auch die zerlegenden Kräfte der
Elektricität anscheinend verschwinden, und auch die chemische Wirkung dtt
Masse nicht mehr ersichtlich ist. Es erscheint nicht unmöglich, dass dk
Unfähigkeit, Zersetzung zu erfahren, in diesen Fällen von der Abwesenheit
der gegenseitigen Anziehungswirkungen der Theilchen herrührt, welche du
Ursache der Aggregation ist."
Faraday befindet sich hier auf dem später von Clausius und Arrhenio
eingeschlagenen Wege, indem er sieht, dass die thatsächlichen Erscheinung»
der elektrischen Zerlegung mit der Annahme, dass wirklich hierbei überal
in der Flüssigkeit Trennungen und Verbindungen stattfinden sollen, welch
man sich unter dem Bilde mechanischer Wirkungen vorstellt, nicht wohl 8
vereinigen sind. Es hat ausserordentlicher Mühen bedurft, bis eine Befreiunj
von den überkommenen chemischen Vorstellungen, die überall mit eine
vertieften Betrachtung der Thatsachen nicht zu vereinigen waren, erreich
worden war, und wir dürfen es Faraday nicht übel nehmen, dass er seine
Zeit nicht die chemischen Anschauungen, mit denen er an die Betracfc
tung der elektrochemischen Vorgänge herantrat, als den schwachen Thd
aller elektrochemischen Theorieen erkannte, und daher die Verbesserung ai
Stellen zu bewirken suchte, welche derselben zunächst weniger bedurft«
als andere, die er für gesund hielt.
4. Die Hauptabhandlung. Zwischen den soeben erwähnten Arbeiten
und der Hauptabhandlung, in welcher Faraday sein Gesetz der festen eJet
trolytischen Aktion aufgestellt hat, liegt die sechste Reihe der Experiment^
Untersuchungen, die einen scheinbar ganz abweichenden Gegenstand, nämlkk
die Fähigkeit des Platins, die Verbindung des Knallgases bei gewöhnlicher
Temperatur zu bewirken, behandelt. Indessen ist der Zusammenhang eil
ganz unmittelbarer; bei dem Vergleich der durch verschiedene Ströme aus
verdünnter Schwefelsäure entwickelten Knallgasmengen, welche Faraday im
Verlaufe seiner Untersuchungen gemessen hatte, ergaben sich Anomalien,
deren Erklärung schliesslich in dieser Eigenschaft der Platinelektroden gefunden
wurde. Diese Untersuchung ist ein gutes Beispiel für den besonderen Cha-
rakter von Faraday's wissenschaftlicher Begabung; die beständige Aufmerk-
samkeit auf die Gesammtheit der Erscheinungen, und die Fähigkeit, Dinge
zu sehen, die ganz abseits von denen liegen, auf welche eben die Aut
merksamkeit gerichtet ist, hat nicht zum wenigsten die ausserordentliche
Mannigfaltigkeit und vielfach unerwartete Beschaffenheit seiner Entdeckungen
bewirkt.
Die siebente Reihe der Experimentaluntersuchungen, welche am 9. Januai
1834 der Royal Society vorgelegt worden ist, enthält schliesslich den wesent-
lichsten Theil von Faraday^s grosser Entdeckung. Sie beginnt mit refor
matorischen Vorschlägen bezüglich der Nomenklatur der elektrochemische)
Erscheinungen, welche seitdem überall durchgedrungen sind. Faraday hatt
Das Gesetz von Faraday. cqc
•die Notwendigkeit neuer Namen gefühlt, da die alten der Ausdruck be-
stimmter theoretischer Vorstellungen waren, die er verwerfen musste.
„662) Um daher Verwirrung und Umschreibungen zu vermeiden, und
wegen grösserer Schärfe des Ausdruckes, als sie anderweit zu erreichen ist,
habe ich den Gegenstand mit zwei Freunden eingehend erwogen, und unter
deren Beistand und Theilnahme bei der Namengebung beabsichtige ich, in
der Folge einige neue Ausdrücke zu brauchen, welche ich nun definiren
will. Die Pole, wie sie gewöhnlich genannt werden, sind nur die Thore
oder Wege, durch welche der elektrische Strom in den zersetzbaren Körper,
oder aus ihm tritt; auch sind sie natürlich, wo sie mit diesem Körper in
Berührung stehen, die Grenzen seiner Erstreckung in der Richtung des
Stromes. Der Ausdruck ist gewöhnlich auf die metallischen Stoffe ange-
wendet worden, die mit dem zersetzbaren Körper in Berührung stehen; ob
aber die Naturforscher ihn ebenso allgemein auf die Luft- und Wasserflächen
anwenden werden, gegen welche ich elektrochemische Zersetzungen bewirkt
babe, ist einem Zweifel unterworfen. An Stelle des Ausdruckes Pol schlage
ich das Wort Elektrode vor, und verstehe darunter die Substanz, oder
vielmehr die Fläche von Luft, Wasser, Metall oder irgend einem anderen
I Körper, welche die Ausdehnung der zersetzbaren Substanz in der Richtung
des Stromes begrenzt.
„663) Die Flächen, an denen nach der gebräuchlichen Ausdrucksweise
der elektrische Strom in einen zersetzbaren Körper eintritt, oder ihn verlässt,
sind sehr wichtige Stellen der Wirkung, und verdienen besonders von den
Polen unterschieden zu werden, mit denen sie oft, und von den Elektroden,
Hit denen sie immer in Berührung sind. Indem ich nach einer natürlichen
^orm der elektrischen Richtung suchte, aufweiche ich diese beziehen konnte,
md welche gleichzeitig von aller Theorie fern war, habe ich sie in der Erde
m finden geglaubt. Rührt der Magnetismus der Erde von Strömen her,
üe sie umkreisen, so müssen diese eine beständige Richtung haben, welche
iem gegenwärtigen Sprachgebrauch gemäss, von Ost nach West gehen,
ader, was die Erinnerung erleichtern wird, in der Richtung, in der die Sonne
sich zu bewegen scheint. Wenn wir in irgend einem Falle elektrischer Zer-
legung den Körper so gestellt denken, dass der durchgehende Strom in
gleicher Richtung und parallel zu den in der Erde angenommenen Strömen
verläuft, so werden die Flächen, an denen der Strom in die Substanz tritt,
und sie verlässt, eine unveränderliche Beziehung haben, und stets das gleiche
Verhältniss der Kräfte aufweisen. Hiernach gedenken wir die nach Osten
liegende die Anode, und die nach Westen liegende die Kathode zu nennen,
und welche Änderungen auch in Bezug auf unsere Anschauungen über Elek-
tricität und elektrische Wirkungen eintreten mögen, so werden sie die erwähnte
natürliche Norm in gleicher Weise und gleichem Betrage bei jedem zersetz-
baren Stoff, auf den diese Ausdrücke zu irgend einer Zeit angewendet werden
cönnen, ändern, und es scheint daher kein Grund zu sein, dass sie jemals
:u Verwirrung fuhren oder falsche Ansichten unterstützen können. Die
co6 Dreizehntes Kapitel.
Anode ist demnach die Fläche, an der nach unserer gegenwärtigen 1
drucksweise der Strom eintritt; sie ist das negative Ende des zersetzbi
Leiters; dort wird Sauerstoff, Chlor, die Säuren u. s. w. entwickelt; sie
der positiven Elektrode gegenüber. Die Kathode ist die Fläche, an der
Strom den zersetzbaren Körper verlässt, und ist sein positives Ende;
verbrerinlichen Stoffe, Metalle, Alkalien und Basen werden dort entwic
und sie ist in Berührung mit der negativen Elektrode.
„664) Ich werde in diesen Untersuchungen Gelegenheit haben, die S
nach bestimmten Beziehungen ihren elektrischen Wirkungen gemäss ei
theilen; und um diese Beziehungen ohne gleichzeitigen Ausdruck \r\
welcher hypothetischer Ansichten darzustellen, werde ich nachstehende Na
und Bezeichnungen benutzen. Viele Körper werden unmittelbar durch
elektrischen Strom zersetzt, indem ihre Elemente frei werden; diese w
ich Elektrolyte nennen. Wasser ist daher ein Elektrolyt. Stoffe, we
wie Salpetersäure oder Schwefelsäure nur auf secundäre Weise zerlegt wer
sind in diese Beziehung nicht eingeschlossen. Auch werde ich für elel
chemisch zersetzt oft den Ausdruck elektrolysirt benutzen, der in glei
Weise abgeleitet ist, und bedeutet, dass der bezeichnete Körper unter
Einflüsse der Elektricität in seine Bestandteile zersetzt wird; er ist im S
und im Klange dem auf gleiche Weise abgeleiteten Ausdruck analy
ähnlich. Der Ausdruck elektrolytisch wird unmittelbar verstanden wer
Salzsäure ist elektrolytisch, Borsäure nicht.
„665) Schliesslich bedarf ich eines Namens für die Stoffe, welch«
den Elektroden, oder wie sie gewöhnlich genannt werden, den Polen, g<
können. Man spricht häufig von elektronegativen oder elektroposit
Stoffen, je nachdem sie unter dem angenommenen Einflüsse der unmi
baren elektrischen Anziehung zu dem positiven oder negativen
gehen. Diese Ausdrücke sind aber viel zu speciell für den Gebra
den ich im Sinne habe; denn obwohl die Ansichten vielleicht richtig s
sind sie doch nur hypothetisch und können auch falsch sein; und c
thun sie durch einen ganz unmerklichen, aber sehr gefährlichen,
beständigen Einfluss der Wissenschaft erheblichen Schaden, indem sie
gewohnten Anschauungen ihrer Vertreter einengen und begrenzen,
gedenke Stoffe, welche zur Anode des zersetzbaren Stoffes gehen, Anio
zu nennen, und die zur Kathode gehenden Kationen; und wenn ich
beiden gleichzeitig zu reden habe, werde ich sie Ionen nennen. Sc
Bleichlorid ein Elektrolyt; wenn es elektrolysirt wird, entwickelt es
Ionen, Chlor und Blei, von denen das erstere das Anion, das letztere
Kation ist.
„666) Sind diese Ausdrücke einmal gut definirt, so wird ihr Gebra
wie ich hoffe, mancherlei Umschreibung und Zweideutigkeit im Ausdr
zu vermeiden gestatten. Ich beabsichtige nicht, sie häufiger als erfordc
zum Dienst zu pressen, denn ich weiss wohl, dass Namen ein Ding
und die Wissenschaft ein anderes."
Das Gesetz von Faraday. CQ7
Die nun folgenden Betrachtungen über einige allgemeine Bedingungen
r elektrochemischen Zersetzung können wir grösstentheils übergehen.
raday macht zunächst die Bemerkung, dass auffälliger Weise gerade die
äffe, welche wie Wasser und die verschiedenen Oxyde und Halogenver-
ldungen durch besonders kräftige Verwandtschaften zusammengehalten
xden/ am leichtesten der zersetzenden Wirkung des elektrischen Stromes
chgeben, während andererseits Stoffe, die durch schwache Verwandt-
laften gebildet sind, nur selten den Strom durchlassen. Er bemerkt
jrzu: „Man könnte sagen, dass meine eigene Theorie der elektrochemischen
rsetzung zu der Erwartung fuhren muss, dass alle Stoffe unter dem Ein-
sse des elektrischen Stromes nachgeben müssten, und zwar proportional
r Stärke der Verwandtschaft, mit welcher ihre näheren oder ferneren
standtheile verbunden sind. Ich bin nicht sicher, dass dies als eine Schluss-
Igerung aus meiner Theorie abzuleiten ist; wenn aber dieser Einwand als
1 durch die Thatsachen gegebener angesehen wird, so zweifle ich nicht,
iss er beseitigt werden wird, wenn wir eine genauere Bekanntschaft mit
ir Natur der chemischen Verwandtschaft und eine bestimmtere Vorstellung
m derselben, sowie von der Art, wie ein elektrischer Strom sie beeinflusst,
cwonnen haben werden. Ausserdem steht dieser Einwand ebenso unmittelbar
der anderen Theorie der elektrochemischen Zersetzung entgegen, wie der
on mir vorgeschlagenen, denn wenn wie gewöhnlich angenommen wird,
bss die Stoffe sich um so kräftiger verbinden, je entgegengesetzter sie sich
n ihren anziehenden Kräften gegenüber stehen, so findet der Einwand mit
[leicher Kraft Anwendung gegen alle früheren Theorieen der Elektrolyse,
wd vermehrt die von mir gegen sie erhobenen Einwände."
Bei dem Versuch, die elektrolytisch zersetzbaren Stoffe allgemein von
ben zu unterscheiden, welche es nicht sind, kam Faraday schliesslich auf
en Gedanken, dass nur die Stoffe zersetzbar seien, welche entgegengesetzte
lemente zu gleichen Atomen enthalten. Hierzu muss bemerkt werden,
iss um jene Zeit die GMELiN^schen Atomgewichte allgemein gültig waren,
denen die Formeln der meisten Oxyde und Halogenverbindungen mit je
lern Atom des Elementes geschrieben wurden. Bei der Durchfuhrung
ner Ansicht stiess Faraday bald auf allerlei Schwierigkeiten, die er zum
leil auf Grund ungenügender Versuche beseitigen zu können glaubte; so
fc> er beispielsweise die Existenz eines Einfach-Schwefelantimons an, worauf
rzelius ihm seinen Irrthum nachwies. Wir können diese Dinge übergehen,
»nso eine Reihe von einzelnen Mittheilungen über die elektrolytischen
renschaften verschiedener Stoffe.
Der nächste Paragraph ist bezeichnet: über ein neues Maass der Volta-
ktricität, und enthält die Beschreibung des auf der Zersetzung der ver-
mten Schwefelsäure beruhenden Voltameters, das bis auf den heutigen
y in Gebrauch geblieben ist.
„704) Ich habe bereits bei der Beziehung der gemeinen und der
.t Ansehen Elektricität auf ein gemeinsames Maass, und ebenso bei der
5o8
Dreizehntes Kapitel.
Darlegung meiner Theorie der elektrolytischen Zersetzung gesagt, dass <
chemische Zersetzungswirkung eines Stromes constant ist für eine co
stante Menge von Elektricität, unabhängig von der grössten Anden
ihrer Quellen, ihrer Intensität und der Grösse der angewendeten Elektrod
der Natur der Leiter (oder Nichtleiter), durch welche sie gegangen ist, i
von anderen Umständen. Der entscheidende Beweis aller dieser ?Behai
tungen soll alsbald gegeben werden.
„705) Ich versuchte, auf Grund dieses Gesetzes ein Instrument
erbauen, welches die durchgehende Elektricität ausmessen sollte, und welc
K
sn
<t\
Fig. 117.
Fig. 118.
Fig. 119. Fig. 120.
Nach Faraday.
Fig. 121
Fig. 1;
durch Einschaltung in den Lauf des zu irgend einem Versuch gebrauch
Stromes, nach Belieben entweder als eine vergleichende Norm der Wirku
oder als ein wirklicher Maassstab für dies feine Agens dienen soll.
„706) Unter gewöhnlichen Umständen giebt es keinen geeigneteren S
als anzeigenden Körper in einem solchen Instrument als Wasser; denn
wird mit Leichtigkeit zersetzt, wenn es durch Zusatz von Säuren oder Sal
zu einem besseren Leiter gemacht worden ist; seine Bestandteile kön
in zahlreichen Fällen erhalten und gemessen werden, ohne dass Störun
durch Nebenwirkungen eintreten; da sie gasförmig sind, befinden sie j
im geeignetsten Zustande für die Trennung und Messung. Wasser,
Schwefelsäure angesäuert, ist daher der Stoff, auf den ich mich im AI
meinen beziehen werde, wenn es auch in besonderen Fällen oder Forr
des Versuches bequemer sein kann, andere Stoffe zu benutzen."
Die nächsten Paragraphen enthalten Beschreibungen der verschiede
Formen, welche Faraday seinem neuen Instrument gegeben hat, um es
Das Gesetz von Faraday.
509
innigfaltigen Zwecken anzupassen, für die es Verwendung finden kann.
irch die in Fig. 117 bis 127 gegebenen Abbildungen ist wohl die Wieder-
hing der Beschreibungen entbehrlich gemacht
„713) Nächst der Vorsicht in der Sammlung der gemischten Gase
5ser Berührung mit dem Platin, kam die Notwendigkeit, das Gesetz der
ten elektrolytischen Wirkung, wenigstens in Bezug auf Wasser, unter allen
rschiedenheiten der Bedingungen zu prüfen, damit neben der Überzeugung
1 seiner Richtigkeit auch eine Kenntniss aller betheiligten Umstände
amgt würde, auf welche man praktrisch Rücksicht zu nehmen hat.
Fig. 123.
Fig. 124.
Fig. 126.
Fig. 125.
Fig. 127.
Nach Faraday.
„714) Der erstq untersuchte Punkt war der Einfluss oder die Indifferenz
«m beträchtlichen Änderungen der Grösse der Elektroden, für welchen
foeck Instrumente nach Fig. 125 benutzt wurden. Eines derselben hatte
Taften von 0,7 Zoll Breite und nahezu 4 Zoll Länge, ein anderes Platten
on 0,5 Zoll Breite und 0,8 Zoll Länge, ein drittes Drähte von 0,02 Zoll
Wchmesser und 3 Zoll Länge, und ein viertes ähnliche Drähte von nur
f, Zoll Länge. Wenn aber diese mit verdünnter Schwefelsäure gefüllt waren
nd, indem sie nach einander geschaltet waren, von einem und demselben
Metrischen Strome durchsetzt wurden, so wurde sehr nahe die gleiche
Icnge Gas in allen entwickelt. Der Unterschied lag zuweilen zu Gunsten
es einen, und dann wieder auf der Seite des anderen; jedoch war das
Bgemeine Ergebniss, dass die grösste Menge des Gases an den kleinsten
lektroden entwickelt wurde, nämlich denen aus blossem Platindraht.
„715) Versuche ähnlicher Art wurden mit der geraden, einplattigen
Öhre (Fig. 121), sowie mit den gekrümmten Röhren (Fig. 124) gemacht,
cio Dreizehntes Kapitel.
und führten zu gleichen Ergebnissen; und wenn diese mit den frühere«
Röhren auf mannigfaltige Weise angeordnet wurden, so ergab sich immer
das gleiche Resultat bezüglich der Gleichheit der Wirkung bei grossen oder!
kleinen metallischen Flächen, wenn sie den gleichen Strom von Elektricitäfc
abgaben oder aufnahmen. Als Beispiel seien die folgenden Zahlen gegebene
Ein Instrument mit zwei Drähten entwickelte 74,3 Volume des Gasgemisches^)
ein anderes mit Platten 73,25 Volume, während die Summe von Sauerstoff
und Wasserstoff in zwrei getrennten Röhren auf 73,65 Volume ging. Befej
einem anderen Versuch waren die Volume 55,3, 55,3, und 54,4." I
Faraday ging nun zu einer genaueren Untersuchung über, welche aU
Ursache dieser kleinen Abweichungen die Löslichkeit der Gase in erster
Linie ergab. Um diese Fehler möglichst zu vermeiden, empfiehlt er, einer<
seits möglichst nur vergleichende Versuche anzustellen, andererseits nur deaj
Wasserstoff zu sammeln und zu messen, da dieser weit weniger löslich s&Ji
als der Sauerstoff. In der Folge hat sich noch erwiesen, dass nicht nur;
die leichtere Löslichkeit des Sauerstoffes, sondern auch seine Neigung, Vetv
bindungen, wie Wasserstoffsuperoxyd oder Überschwefelsäure zu bilden, die
Menge des entwickelten Gases herabsetzt, so dass auch wegen dieser Um-
stände der letzte Vorschlag von Faraday zu empfehlen ist. Dieser schlieft:
die Abtheilung mit den Worten: „Aus den vorstehenden und vielen andere*
Versuchen folgt, dass Veränderungen in der Grösse der Elektrode»
keine Veränderung in der Wirkung einer gegebenen Elektricitäts-
menge auf Wasser bewirken."
„723) Der nächste Punkt, bezüglich dessen das Gesetz der constanten
elektrochemischen Wirkung geprüft wurde, war die Änderung der Inten-
sität. Erstens wurden die obigen Versuche unter Anwendung von Batterieen
wiederholt, die bei gleicher Plattenzahl stark und schwach geladen waren;
die Ergebnisse waren aber die gleichen. Dann wurden* sie mit Batterieen
wiederholt, die zuweilen vierzig und dann nur fünf Plattenpaare enthielten;
die Ergebnisse waren noch immer dieselben. Daher bringen Änderungen
in der Intensität, die durch Verschiedenheiten in der Ladung der Platten,
oder in der Zahl der benutzten Paare verursacht werden, keine Verschie-
denheit in der gleichen Wirkung grosser und kleiner Elektroden hervor.
„724) Diese Ergebnisse bewiesen indessen noch nicht, dass die Ände-
rung der Intensität des Stromes nicht von entsprechenden Änderungen der
elektrochemischen Wirkung begleitet war, da die Wirkungen an allen
Flächen gleichzeitig zu- und abgenommen haben können. Diesem Mangel
in der Beweisführung wird indessen vollkommen durch die früher mit-
getheilten Versuche mit Elektroden von verschiedener Grösse abgeholfen,
da mit der Änderung der Grösse auch eine Änderung in der Intensität
eingetreten sein muss. Die Intensität eines elektrischen Stromes, welcher
durch Leiter von gleicher Natur, Beschaffenheit und Länge geht, ist wahr-
scheinlich gleich der Elektricitätsmenge, welche durch einen gegebenen
Querschnitt fliesst, dividirt durch die Zeit; wenn daher grosse Platten mit
i Faraday.
_5JJ
Nach Faraday.
-ähten verglichen wurden, die von einander durch die gleiche Länge der
netzbaren Flüssigkeit getrennt waren, und bei denen der elektrische Strom
irch beide Anordnungen gehen musste, so muss die Elektricität bezüglich
r Tension einen sehr verschiedenen Zustand zwischen den Platten und
Tseheo den Drähten gehabt haben; die chemischen Resultate waren indessen
: gleichen.
„725) Der Unterschied der Intensitäten unter den beschriebenen Um-
mden kann leicht praktisch gezeigt werden, indem man zwei Zersetzungs-
parate wie in Fig. 128 anordnet, in denen
: gleiche Flüssigkeit der zersetzenden ' i
irkung desselben Stromes ausgesetzt wird,
r in dem Gefäss A zwischen grossen Platin-
Uten übergeht, im Gefässe B aber zwischen
nen Drähten. Wird ein dritter Zersetzungs-
parat, wie Fig. 127 mit den Drähten a b,
g. 128 verbunden, so kann er sehr gut
irch den Betrag der Zersetzung, welche
ihm stattfindet, dazu dienen, den rela-
itn Zustand der Platten bezüglich der In-
osität nachzuweisen; wird er dann in gleicher Weise als Prüfmittel des
Blandes der Drähte in ä b' benutzt, so wird er durch die Zunahme der
ssetzung zeigen, wie viel grösser die Intensität dort ist, als an den früheren
unkten. Die Verbindungen der Punkte P und N mit der VoLTA'schen
rtterie müssen natürlich während der ganzen Zeit bestehen bleiben."
Sehr auffällig ist in diesen letzten Auslassungen die Unsicherheit Fara-
irs in Bezug auf den Ausdruck Intensität. Einerseits versteht er darunter
m, was man jetzt die Stromdichte nennt; andererseits ist der letzte Ver-
leb, wohl in der Absicht angestellt, den Unterschied der Spannungen an
eiden Elektroden zu messen. Gegenwärtig wissen wir, dass er wesentlich
ie Verschiedenheit des Widerstandes zwischen den Elektroden in beiden
allen zur Anschauung gebracht hat. In dem Jahre 1834, wo diese Abhand-
ing geschrieben wurde, war das OuM'sche Gesetz längst nicht nur ver-
fentlicht, sondern auch bestätigt; man sieht in diesem Falle besonders
artiich, in welchem Maasse die von Faraday selbst wiederholt beklagte
nkenntniss der deutschen Sprache ihn an dem Fortschritt in seinem
gensten Gebiete gehindert hat.
„726) Eine dritte Form des Versuches, in welcher Unterschiede der
tensität hergestellt wurden, um das Princip der gleichen chemischen Wir-
ng zu prüfen, bestand darin, drei VoLTA-Elektrometer so anzuordnen,
ss, nachdem der elektrische Strom eines durchsetzt hatte, er in zwei Theile
iheilt wurde, von denen jeder eines der übrigen Instrumente durchsetzen
isste. Die Summe der Zersetzungen in den beiden letzteren Gefässen
r immer gleich der Zersetzung in dem ersten. Die Intensität des getheilten
omes konnte nicht die gleiche sein wie im ursprünglichen Zustande;
c 1 2 Dreizehntes Kapitel.
daher hat eine Änderung der Intensität keinen Einfluss auf das Result
wenn die Menge der Elektricität dieselbe bleibt. Thatsächlich kommt <
Versuch auf eine Vergrösserung der Elektrode hinaus.
„727) Der dritte Punkt, bezüglich dessen das Princip der gleid
elektrochemischen Wirkung auf Wasser geprüft wurde, war die Änderu
der Stärke der benutzten Lösung. Um das Wasser leitend zu mach
war Schwefelsäure dazu gesetzt worden, und es schien nicht unwahrsche
lieh, dass dieser Stoff, und viele andere, das Wasser mehr oder weniger lei
zersetzbar machen konnte, wenn die Elektricität dieselbe der Menge nach bli
Dies erwies sich aber als nicht zutreffend. Es wurde verdünnte Schwefelsä
von verschiedener Stärke in verschiedene Zersetzungsapparate gebracht 1
diese gleichzeitig der Wirkung desselben Stromes unterworfen. Eis tra
kleine Unterschiede auf, wie früher bald in einer Richtung, bald in
anderen; das schliesslich^ Ergebniss war aber, dass genau die gleiche Mei
Wasser in den verschiedenen Lösungen durch die gleiche Elektricitätsmei
zersetzt wurde, obwohl die Schwefelsäure in einigen sieben Mal so st
war wie in anderen. Die angewendeten Stärken waren 1,495 un<i ger*nf
„728) Hat die Säure ein spezifisches Gewicht von 1,336 ungefähr,
sind die Ergebnisse am gleichförmigsten, und Sauerstoff und Wassers
am ehesten in dem richtigen gegenseitigen Verhältniss. Eine solche Sä
gab mehr Gas, als eine viel schwächere unter der Wirkung desselben Strom
wahrscheinlich, weil sie ein geringeres Lösungsvermögen hat. War die Sä
sehr stark, so trat ein auffallendes Verschwinden des Sauerstoffes ein;
gab eine aus zwei Volumen starken Vitriolöls mit einem Volum Wasser
42 Vglume Wasserstoff nur zwölf Volume Sauerstoff. Der Wasserstoff beti
nahezu ebenso viel, wie der aus Säure vom spezifischen Gewicht 1,232 e
wickelte. Ich habe noch nicht Zeit gehabt, die Umstände genau zu unt
suchen, welche das Verschwinden des Sauerstoffes in diesem Falle begleit
doch ich glaube, dass es auf der Bildung von Wasserstoffhyperoxyd beru
welches nach Th£nard durch die Gegenwart der Säure befördert wird.
„729) Obwohl es für die praktische Anwendung des beschriebenen Inst
mentes nicht von Belang ist, so habe ich doch wegen der wichtigen Bezieht]
zu der constanten elektrochemischen Wirkung auf Wasser die von ein<
durch wässerige Lösungen von Säuren, Salzen und möglichst verschieder
Verbindungen gesandten Strom ausgeübte Wirkung untersucht, und fand, d
sie erstaunlich übereinstimmende Ergebnisse lieferten. Viele von ihnen, 1
denen seeundäre Wirkungen auftraten, werden indes besser später beschrieb
„730) Wenn Lösungen von kaustischem Kali oder Natron, oder v
Magnesium- oder Natriumsulfat der Wirkung des elektrischen Stromes unt
worfen werden, so wird aus ihnen genau so viel Sauerstoff und Wasserst
entwickelt als aus der verdünnten Schwefelsäure, mit der sie verglich
wurden. Wenn eine Lösung von Ammoniak, die durch den Zusatz v
Ammoniumsulfat besser leitend gemacht worden war, oder eine Lösung v
Kaliumcarbonat versucht wurde, so betrug der entwickelte Wasserst«
Das Gesetz von Faraday. cj-j
ebenso viel, als der aus verdünnter Schwefelsäure, mit der sie verglichen
-wurden. Daher ändern Änderungen in der Natur der Lösungen
nicht die Constanz der elektrolytischen Wirkung auf Wasser.
„731) Ich habe bei den grossen und kleinen Elektroden bereits bemerkt,
dass eine Änderung der Reihenfolge die allgemeine Wirkung nicht ändert
(715). Das gleiche, fand mit den verschiedenen Lösungen oder mit ver-
■ schiedenen Intensitäten statt; und wie auch die Umstände eines Versuches
j verändert werden mochten, die Resultate ergaben sich ausserordentlich über-
{ einstimmend, und bewiesen, dass die elektrochemische Wirkung immer die
gleiche war.
„732) Ich betrachte die vorhergehende Untersuchung als genügend, um
das sehr ungewöhnliche und wichtige Princip bezüglich des Wassers zu
beweisen, dass, wenn es dem elektrischen Strome unterworfen
wird, eine Menge desselben zersetzt wird, welche genau propor-
tional der durchgegangenen Menge der Elektricität ist; unabhängig
Ton den tausend Verschiedenheiten, der Bedingungen und Umstände, unter
denen es sich jeweilig befinden mag; und weiter, dass, wenn die Wirkung
gewisser seeundärer Einflüsse (742 u. ff.), die Auflösung und Wiederverbin-
dong der Gase, und die Ausscheidung von Luft vermieden werden, die
Produkte der Zersetzung mit solcher Genauigkeit gemessen
werden können, dass sie ein sehr gutes und werthvolles Hülfs-
mittel abgeben, die bei dieser Entwickelung betheiligte Elek-
tricität zu messen."
In den folgenden Abschnitten erörtert Faraday die verhältnissmässigen
Vorzüge der früher beschriebenen Formen und schlägt vor, dies Hülfsmittel
zur Messung der Elektricitätsmengen das VoLTA-Elektrometer zu nennen.
»Dies Instrument stellt den einzigen wirklichen Messer der VoLTA'schen
Elektricität dar, welchen wir zur Zeit kennen. Denn indem er weder durch
die Änderungen der Zeit oder Intensität, noch durch Änderungen des
Stromes selbst von irgend welcher Art oder durch irgend welche Ursache,
noch auch selbst durch Unterbrechung der Thätigkeit im Geringsten beein-
flusst wird, verzeichnet es mit Genauigkeit die Elektricitätsmenge, welche
bindurch gegangen ist, und lässt diese Menge durch den Anblick erkennen;
ich habe ihn daher ein VoLTA-Klektrometer genannt."
Es ist bekannt, dass Faraday sich über die Bedeutung seines Instru-
mentes nicht getäuscht hat; es ist in den verschiedensten Formen bis auf
den heutigen Tag in Gebrauch, und dient nicht nur zu gewöhnlichen
Messungen, sondern ist gleichzeitig ein Hülfsmittel, die absolute Menge der
Elektricität in der genauesten Weise zu bestimmen, deren die Wissenschaft
überhaupt fähig ist.
Das nun folgende sechste Kapitel ist überschrieben : „Über den primären
und seeundären Charakter der an den Elektroden entwickelten Stoffe", und
enthält eine Auseinandersetzung der Ansichten, zu welchen Faraday bezüglich
des Verhältnisses der an den Elektroden auftretenden Stoffe zu den durch
0«twald, Elektrochemie. 33
514 Dreizehntes Kapitel.
den Strom daselbst ursprünglich abgeschiedenen gelangt war. Dass zwisclH
beiden ein Unterschied bestehen könne und müsse, ist ein Schluss, auf <U
Faraday nothwendig kommen zu müssen glaubt; man darf nicht in Abrw
stellen, dass er hier zu irrthümlichen oder wenigstens überflüssigen Ansicht«
Ursache gegeben hat, welche später bei der weiteren Entwicklung d
Wissenschaft nur mit Mühe haben beseitigt werden können.
„742) Bevor das Voi/TA-Elektrometer die Beständigkeit der elektn
chemischen Zersetzung als ein allgemeines Gesetz beweisen konnte, war »
nöthig, einen Unterschied zu untersuchen, welcher bereits unter den wisse
schaftlichen Männern anerkannt ist, was die Produkte dieser Wirkung anlanf
nämlich deren primären oder secundären Charakter; und womöglich dun
eine allgemeine Regel oder ein Princip zu bestimmen, wann sie von d
einen oder der anderen Art sind. Es wird sich später zeigen, dass dun
die Verwechselung der beiden Klassen grosse Irrthümer bezüglich der elektr
chemischen Zersetzung und ihrer Folgen entstanden sind.
»743) Wenn ein Körper an den Elektroden diejenigen Stoffe unverbundi
und unverändert liefert, welche der elektrische Strom getrennt hat, so könne
diese als die primären Ergebnisse angesehen werden, auch wenn sie Vc
bindungen sind; so sind Sauerstoff und Wasserstoff aus dem Wasser primäi
Produkte; und ebenso Säure und Alkali (obwohl sie zusammengesetzt sin
aus schwefelsaurem Natron. Wenn aber die durch den Strom getrennte
Stoffe an den Elektroden verändert werden, bevor sie erscheinen, so lasse
sie seeundäre Produkte entstehen, wenn auch zuweilen die entbundene
Stoffe elementar sind.
„744) Diese secundären Produkte entstehen auf zwei Wegen, indem si
zuweilen sich aus dem entwickelten Stoffe und dem Material der Elektrod
bilden, zuweilen durch ihre Wirkung auf die in dem zersetzten Leiter en
haltenen Stoffe. So erscheint, wenn Kohle als positive Elektrode in ve
dünnter Schwefelsäure verwendet wird, an Stelle des Sauerstoffes Kohlenoxy
und Kohlendioxyd, denn der Sauerstoff wirkt auf die Substanz der Elektroc
und bringt diese secundären Produkte hervor. Oder wenn die positfl
Elektrode in einer Lösung von Bleiacetat oder Bleinitrat aus Platin besteh
so erscheint Bleisuperoxyd, welches wie früher ein seeundäres Produkt fc
nur dass es hier durch die Wirkung des Sauerstoffes auf die Substanz
der Lösung entsteht. Wenn weiter Ammoniak zwischen Platinelektrod«
zersetzt wird, so erscheint Stickstoff an der Anode; obwohl er ein eleme
tarer Stoff ist, ist er in diesem Falle ein seeundäres Produkt, denn er stami
von der Wirkung des dort elektrisch entwickelten Sauerstoffes auf d
Ammoniak in der umgebenden Lösung. In gleicher Weise sind die bei d
Zersetzung metallischer Salze an der Kathode durch den Strom angesetzt
Metalle, obwohl Elemente, immer seeundäre Produkte, und keine unmitt
baren Ergebnisse der zersetzenden Wirkung des elektrischen Stromes. . . .
„746) Die Natur der abgeschiedenen Stoffe ermöglicht oft ein richtig
Urtheil bezüglich ihres primären oder secundären Charakters, ist aber all<
Das Gesetz von Faraday. c\ c
t genügend, um diesen Punkt zu entscheiden. So wird behauptet, dass
Stickstoff bald vom positiven, bald vom negativen Pole angezogen werde,
nach den Stoffen, mit denen er verbunden ist, und wird bei dieser
enheit offenbar als ein primäres Produkt angesehen; ich hoffe jedoch
zeigen, dass er, wenn er an der positiven Elektrode oder besser an der
aAnode erscheint, ein secundäres Produkt ist. So haben auch Sir Humphry
Dity und mit ihm die grosse Zahl chemischer Forscher (ich selbst einge-
pddossen) das Auftreten von Kupfer, Blei, Zinn, Silber, Gold u. s. w. an der
Kgativen Elektrode, wenn deren Lösungen der Wirkung des elektrischen
Stromes unterliegen, als Beweise angesehen, dass die Metalle als solche
IB dieser Fläche gezogen werden; sie haben daher angenommen, dass in
den Fällen die Metalle die primären Produkte sind. Ich hoffe indessen
Mchzuweisen, dass diese alle secundäre Produkte sind: die Resultate blosser
diemischer Wirkung, und keine Beweise der angenommenen Anziehung und
te entsprechenden Gesetzes. x
„747) Nehmen wir aber das Gesetz von der constanten elektro-
Aemischen Wirkung zu Hülfe, welches in Bezug auf Wasser bereits bewiesen
»Orden ist (732), und welches ich in Bezug auf alle anderen Stoffe befriedigend
sszudehnen hoffe (821), und betrachten sowohl die Menge der Elektricität
ie die der in Freiheit gesetzten Stoffe, so kann allgemein ein sicheres Urtheil
ber den primären oder secundären Charakter der Produkte gefällt werden:
td dieser wichtige Punkt, welcher so wesentlich für die Theorie der elek-
schen Zerlegung ist, da er entscheidet, welche Stoffe unmittelbar der
irkung des elektrischen Stromes unterliegen (und sie so von denen unter-
heiden, welche nicht beeinflusst werden), und welche Produkte erwartet
axlen können, kann mit einem solchen Grade von Gewissheit festgestellt
irden, dass er unzählige Zweideutigkeiten und zweifelhafte Annahmen aus
esem Gebiete der Wissenschaft zu beseitigen vermag.
„748) Wir wollen diese Principien auf den Fall des Ammoniaks und
e angenommene Überführung des Stickstoffes an die eine oder andere
ektrode anwenden. Eine reine, starke Lösung von Ammoniak ist ein so
hlechter Leiter, wie reines Wasser, und daher ebenso wenig zu elektrischer
Tlegung geeignet. Wenn aber Ammoniumsulfat darin aufgelöst wird, so
rd das Ganze ein Leiter; Stickstoff, welcher fast, und gelegentlich ganz
in ist, erscheint an der Anode, und Wasserstoff an der Kathode; das
?rhältniss des ersteren zu dem letzteren ist verschieden und wechselt
rischen 1 zu 3 oder 4. Dieses Ergebniss scheint zunächst dahin zu führen,
ss der Strom Ammoniak zersetzt hat, und dass der Stickstoff zu der
«itiven Elektrode geführt worden ist. Wurde aber die benutzte Elektricität
1 „Eis ist bemerkenswert!! , dass bis 1804 die allgemeine Meinung war, dass die Metalle
rch den nascirenden Wasserstoff reducirt würden. Zu jener Zeit wurde die allgemeine
inung durch HiSiNGER und Berzelius umgekehrt, welche behaupteten, dass die Metalle
nittelbar durch die Elektricität abgeschieden würden; mit welcher Meinung, wie es scheint,
: der Zeit Davy einverstanden war."
33*
c 1 6 Dreizehntes Kapitel.
durch das VoLTA-Elektrometer gemessen, so ergab sich, dass der erhalt
Wasserstoff genau in der Menge vorhanden war, wie er durch die Zersetz
des Wassers geliefert worden wäre, während der Stickstoff überhaupt kein"
constantes Verhältniss zeigte. Als bei abgeänderten Versuchen gerundet
wurde, dass bei Anwendung einer stärkeren oder schwächeren Lösung
oder einer mehr oder weniger kräftigen Batterie das an der Anode
wickelte Gas ein Gemisch von Sauerstoff und Stickstoff, sowohl nach V
hältniss wie Menge veränderlich war, so konnte kein Zweifel besteh
bleiben, dass der Stickstoff an der Anode ein secundäres Produkt
welches von der chemischen Wirkung des durch den elektrischen Strom
der Fläche entwickelten Sauerstoffes auf das gelöste Ammoniak herrüh
Es war daher das Wasser, welches elektrolysirt wurde, und nicht
Ammoniak. Somit giebt der Versuch keinen wirklichen Nachweis von
Tendenz des Elementes Stickstoff zu der einen oder der anderen Elektn
auch weiss ich keinen Versuch mit Salpetersäure, oder mit anderen Sti
Stoffverbindungen, welcher eine Tendenz dieses Elementes zeigte, unter d
Einflüsse des elektrischen Stromes in der einen oder anderen Richtung
Laufes zu wandern.
„749) Als ein anderes Beispiel secundärer Vorgänge kann die Wirku
auf eine Lösung von essigsaurem Kali angeführt werden. Wurde eine
starke Lösung angewendet, so entwickelte sich an der Anode mehr
als an der Kathode, nahezu im Verhältniss 4 zu 3; das an der Anode
ein Gemisch von Kohlensäure und Kohlenoxyd, das an der Kathode
Wasserstoff. Wurde eine viel schwächere Lösung benutzt, so erschi
weniger Gas an der Anode als an der Kathode, und es enthielt nun KohleiK
Wasserstoff neben Kohlenoxyd und der Kohlensäure. Dieses Erscheinen vor
Kohlenwasserstoff an der Kathode hat, wenn man es als eine unmittelbare
Folge von der zersetzenden Wirkung des Stromes betrachtet, ein sehr unge-
wöhnliches Ansehen. Indessen ist er, ebenso wie das Kohlenoxyd und die!
■1
Kohlensäure nur ein secundäres Produkt; denn nur das Wasser erleidet!
elektrische Zerlegung, und es ist der an der Anode entwickelte Sauerste^
welcher auf die Essigsäure wirkt, in deren Mitte er entsteht, und die Stofle
hervorbringt, welche schliesslich daselbst auftreten. Dies wird vollständig
durch Versuche mit dem VoLTA-Elektrometer bewiesen; denn dann wird
der Wasserstoff, welcher sich an der Kathode entwickelt, immer in bestimmter
Menge, genau proportional der durchgegangenen Elektricitätsmenge, und ifl
gleicher Menge, wie der in dem Volta- Elektrometer selbst entwickelte
WTasserstoff, gefunden. Das Erscheinen von Kohlenstoff mit Wasserstoff ver-
bunden an der positiven und sein Nichterscheinen an der negativen Elek-
trode steht in sonderbarem Gegensatze zu den Ergebnissen, welche man auf
Grund des allgemein angenommenen Gesetzes über die endgültige Stellung
der Elemente hätte erwarten sollen."
An diese Darlegungen schliesst Faraday die Schilderung einer grossen
Zahl weiterer Versuche, welche ihn zu der Überzeugung brachten, dass die
Das Gesetz von Faraday. t\j
cundären Vorgänge bei weitem die vorwiegendsten sind, und primäre nur
rhältnissmässig selten auftreten.
Die hier von dem grossen Forscher vertretenen Ansichten haben sich
Laufe der Zeit nicht als haltbar erwiesen. Insbesondere seine Vorstellung,
ss die bei der Elektrolyse ausgeschiedenen regulinischen Metalle secundäre
odukte seien, ist später vollständig aufgegeben worden, und hat der
agekehrten Ansicht Platz gemacht, dass die Metalle primär, und der bei
t Elektrolyse der Salze der Leichtmetalle auftretende Wasserstoff secundär,
irch die Einwirkung des zuerst entstandenen Metalles auf das Lösungs-
isser gebildet seien. Endlich ist in jüngster Zeit auch diese Wendung in
age gestellt worden, indem der Unterschied zwischen primärer und secun-
irer Elektrolyse gar nicht in dem von Faraday gegebenen Sinne aus-
sprachen werden darf. Denn dieser unterscheidet zwischen den durch
m Strom zerlegten Stoffen, und denen, welche an den Elektroden aus-
schieden werden. Nun wissen wir aber gegenwärtig, dass der Strom die
boffe überhaupt nicht zerlegt, sondern dass diese in der Lösung sich bereits
i Zustande der elektrolytischen Dissociation befinden. Die Unterscheidung
lüsste dann in dem Sinne gefasst werden, dass man die Ionen, welche die
•eitung besorgen, mit denen, welche an den Elektroden in den unelek-
rischen Zustand gebracht werden, vergleicht, und von primärer Zer-
etzung spricht, wenn diese beiden gleich sind, sowie von secundärer, wenn
ie verschieden sind; wie es sich aber in der Folge zeigen wird, ist dieser
Jnterschied von geringem Belang. Auch das von Faraday benutzte Kri-
erium, dass die Produkte der secundären Zersetzung nicht seinem Gesetz
altsprechen, sondern wechselnd der Menge und Substanz nach sind, kann
lur so lange als zutreffend erachtet werden, als man den in der Lösung
mthaltenen Stoß als einheitlich ansieht; ist aber erst die Erkenntniss ge-
wonnen, dass dies im Allgemeinen keineswegs der Fall ist, sondern gerade
He elektrolytischen Lösungen dissociirt sind, so muss man auch die Mög-
lichkeit zugeben, dass die primären Produkte verschieden, mit der Strom-
fichte, der Concentration und anderen Umständen wechselnde, sein können.
Ohnedies muss wegen des Äquivalenzgesetzes für die als secundär ange-
sehenen rein chemischen Reaktionen das FARADAY'sche Gesetz in der Gestalt
gleichfalls gültig sein, dass die Gesammtmenge der ausgeschiedenen Sub-
stanzen, jede mit ihrem Äquivalent berechnet, der durchgegangenen Elek-
tricitätsmenge proportional ist. An späterer Stelle (S. 531 und 532) spricht
übrigens auch Faraday diese ihm ursprünglich entgangene Erkenntniss aus.
Die Quelle für die hier vorhandenen Unzulänglichkeiten in Faraday's
Auffassung der elektrolytischen Vorgänge liegt nur zum Theil in den eben
erörterten Verhältnissen, deren Aufklärung erst eine viel spätere Zeit hat
bringen können. Eine andere Quelle von Missverständnissen war in seinen
Ansichten über die in den Salzen anzunehmenden Ionen gegeben. Wir
werden alsbald sehen, dass der Schöpfer dieses Begriffes zum Theil ganz andere
Stoffe mit diesem Namen bezeichnet hat, als wir es gegenwärtig thun. In Über-
c 1 8 Dreizehntes Kapitel.
einstimmung mit den zu seiner Zeit gültigen Anschauungen hielt er Saun
anhydrid und Metalloxyd für die Bestandtheile der Salze, und daher fli
deren Ionen, während gegenwärtig Säurerest resp. Halogen und Metall al
die Ionen der Salze angesehen werden müssen. Der Einfluss von Berzewjj
welchen er für die als falsch angesehene Auffassung der Metalle als de
primären Produkte bei der Elektrolyse verantwortlich macht (S. 515, Anm.
wirkt hier in unbewusster Weise dahin, dass Faraday seinerseits zu thad
sächlich unrichtigen Ansichten veranlasst wird.
5. Des elektrolytischen Gesetzes zweiter Theil. Die unter dei
Namen des FARADAY^schen Gesetzes begriffene Beziehung ist zweifacher All
indem sie einerseits einen Zusammenhang zwischen der Elektricitätsmeng
und der Stoffmenge bei einem und demselben Elektrolyt zum Ausdrud
bringt, andererseits für die derselben Elektricitätsmenge entsprechenden Stol
mengen bei verschiedenen Elektrolyten das Gesetz giebt Die vorstehende
Untersuchungen bezogen sich auf den ersten Theil; die Arbeiten, weldn
die andere Beziehung begründen, und welche Faraday unmittelbar an dh
eben mitgetheilten Untersuchungen angeschlossen hat, sind folgende.
Über die Bestimmtheit und den Bereich der elektrochemische:
Zersetzung.
„783) In der dritten Reihe dieser Untersuchungen (S. 496) habe ich, nad
dem ich die Einerleiheit der aus verschiedenen Quellen herstammenden Elefc
tricität bewiesen, und durch Messungen die ausserordentliche Menge der i
einem sehr schwachen VoLTA^schen Apparat (371. 376) entwickelten Elefc
tricität dargethan, ein aus Versuchen hergeleitetes Gesetz aufgestellt, welche!
mir für die Elektricitätslehre überhaupt, und für den Elektrochemie genanntes
Zweig derselben insbesondere, von der äussersten Wichtigkeit zu sein schieß.
Dies Gesetz drückte ich so aus: Die chemische Kraft eines elektrischei
Stromes ist direct proportional der absoluten Menge von durch-
gegangener Elektricität (377).
„784) Im weiteren Verfolg der Untersuchungen habe ich oft Gelegenheit
gehabt mich auf dasselbe Gesetz zu beziehen, zuweilen unter Umständen,
welche kräftige Bestätigungen seiner Wahrheit lieferten (456. 504. 505), und
auch die gegenwärtige Reihe liefert viele neue Fälle, in welchen es sich als
gültig erweist (704. 722. 726. 732). Jetzt ist meine Absicht, diesen wichtigen
Satz näher zu betrachten und einige der Folgerungen, zu welchen er fuhrt;
ausführlich zu entwickeln. Damit der Beweis deutlicher und anwendbare!
werde, will ich Fälle von Zersetzungen anführen, welche möglichst wenig »
seeundären Resultaten Anlass geben, und bei Körpern von grosser Einfach
heit aber vieler Bestimmtheit in ihrer Natur stattfinden.
„785) Zuvörderst betrachte ich das Gesetz als so völlig erwiesen fu
die Zusammensetzung des Wassers, und unter Umständen, die mögliche
Das Gesetz von Faraday.
519
r •
einen Einfluss auf dasselbe hätten ausüben können, dass ich es für
halte, hier noch dieserhalb in ein weiteres Detail einzugehen oder
tr die Resultate aufzuzählen (732). Ich verweise deshalb auf diejenige
btheilung dieser Untersuchungen, welche von dem VoLTA-Elektrometer
tadelt (S. 507 u. ff.).
„786) Dann betrachte ich das Gesetz auch als erwiesen für die Salz-
uire, und zwar durch die Versuche und Gründe, welche ich bei dieser
obstanz in dem Abschnitt von den primären und secundären Resultaten
igefährt habe.
„787) Ferner betrachte ich das Gesetz auch als erwiesen für die Jod-
rasserstoffsäure, gemäss den bereits in einer früheren Reihe dieser Unter-
■chung mitgetheilten Versuchen und Betrachtungen.
,,788) Ohne gerade mit derselben Zuversicht sprechen zu wollen, glaube
di doch aus den beschriebenen und vielen anderen nicht beschriebenen
Fig. 129.
Fig. 130.
Nach Faraday.
ersuchen mit der Fluorwasserstoff-, Cyanwasserstoff-, Eisencyanwasserstoff-
nd Schwefelcyanwasserstoffsäure, und aus der grossen Analogie dieser Körper
lit den Wasserstoffsäuren des Chlors, Jods, Broms u. s. w. schliessen zu
irfen, dass auch diese Substanzen unter das nämliche Gesetz gehören und
e Richtigkeit desselben beweisen.
„789) In den vorhergehenden Fällen, mit Ausnahme des ersten, ist das
fasser als unwirksam angesehen; um aber jeden Zweifel, der aus der Gegen-
art desselben entspringen könnte, zu vermeiden, suchte ich Substanzen
if, die ganz frei von demselben seien. Mit Zuhilfeziehung des bereits ent-
ickelten Gesetzes der Leitung (S. 500) fand ich auch bald viele, unter
men das Zinnchlorür zuerst und auf folgende Weise der Zersetzung
iterworfen wurde. Ein Platindraht, der an einem Ende zu einem Knöpfchen
ifgerollt und sorgfältig gewogen worden war, wurde in eine Röhre von
aschenglas hermetisch eingeschmolzen, so dass der Knopf sich am Boden
r Röhre befand (Fig. 129); dann wurde die Röhre an einen Platindraht
C20 Dreizehntes Kapitel.
aufgehängt, damit sie durch eine Weingeistflamme erhitzt werden kon
Nun brachte ich frisch geschmolzenes Zinnchlorür hinein, in solcher Mei
dass es, wenn es floss, die Röhre zur Hälfte füllte. Den Draht der Rc
verband ich mit einem VoLTA-Elektrometer, das seinerseits mit dem nc
tiven Ende einer VoLTA'schen Batterie in Verbindung stand; und ei
Platindraht, der am positiven Ende derselben Batterie befestigt war, taue
ich in das geschmolzene Chlorür der Röhre; er war so gebogen, dass
bei etwaigem Zittern der Hand oder des Apparates nicht die nega
Elektrode am Boden des Gefässes berühren konnte. Die ganze Vorricht
ist in Fig. 130 (S. 519) abgebildet.
„790) Unter diesen Umständen wurde das Zinnchlorür zersetzt
an der positiven Elektrode entwickelte Chlor bildete Zinnchlorid, welc
in Dämpfen davon ging, und das an der negativen Elektrode ausgeschied
Zinn verband sich mit dem Platin, eine Legirung bildend, welche bei
Temperatur, der die Röhre ausgesetzt ward, schmolz, und deshalb nien
eine metallische Verbindung ganz durch das zersetzt werdende Chic
bildete. Nachdem der Versuch so lange fortgesetzt worden, dass er in d
VoLTA-Elektrometer eine gehörige Menge Gas gegeben hatte, wurde
Batterie geöffnet, die positive Elektrode entfernt, und die Röhre mit d
übrig gebliebenen Chlorür erkalten gelassen. Als sie kalt war, wurde
Röhre zerbrochen, wo sich dann das Chlorür und das Glas leicht von d
Platindraht und dessen Knopf von Legirung ablösen Hess. Der letzt«
nach dem Abwaschen gewogen, gab durch seine Gewichtszunahme die Mei
des reducirten Zinns.
„791) Zur Erläuterung der Anstellungsweise dieses und afnderer V
suche, deren Resultate ich anzuführen Gelegenheit nehmen werde, will
die Einzelheiten eines solchen Versuches angeben. Die negative Elektrc
wog anfangs 20 Gran; nach dem Versuch wog sie mit ihrem Knopf \
Legirung 23,2 Gran. Das durch den elektrischen Strom an der Katho
entwickelte Zinn wog demnach 3,2 Gran. Die Menge des in dem Vol
Elektrometer gesammelten Sauerstoffes und Wasserstoffes war 3,85 Kut
zoll. Da 100 Kubikzoll Wasserstoff und Sauerstoff in dem zur Wasserbildi
erforderlichen Verhältniss etwa 12,92 Gran wiegen, so würden die 3,85 Kut
zoll 0,49742 Gran wiegen, und dies wäre demnach das Gewicht des Wass
welches derselbe elektrische Strom zersetzte, der im Stande war so viel Zi
chlorür, als 3,2 Gran metallischen Zinns liefert, zu zersetzen. Nun
0,49742:3,2=9 (das Äquivalent des Wassers): 57,9, welch letztere 2
demnach das Gewicht des Zinns sein würde, wenn der Versuch fehlet
angestellt, und die elektrochemische Zersetzung in diesem Fall auch
stimmt wäre. In einigen chemischen Werken wird das Äquivalent zu
angegeben, in anderen zu 57,9. Beide kommen dem obigen Resultat
nahe, und der Versuch selbst ist so geringen Ursachen zur Veränder
unterworfen (wie z. B. die aus der Absorption des Gases im VoLTA-Elek
mejter u, s. w.), dass die Zahlen wenig Zweifel übrig lassen hinsieht
Das Gesetz von Faraday. j 2 I
Anwendbarkeit des Gesetzes der festen Aktion in diesen und allen
fihnlichen Fällen von elektrochemischer Zersetzung.
„792) Nicht oft habe ich in den Zahlen eine solche Übereinstimmung
Iten wie in dem eben angeführten Fall. Bei vier Versuchen schwankten
föeim VoLTA-Elektrometer entwickelten Gasmengen von 2,95 bis 10,29 Kubik-
\wdL Das Mittel aus diesen vier Versuchen gab 58,53 für das elektroche-
vosche Äquivalent des Zinns.
„793) Das nach dem Versuche übrig gebliebene Chlorzinn war reines
Chlorür, und Keiner wird nur einen "Augenblick zweifeln, dass an der Anode
[das Äquivalent Chlor entbunden ward, da sich als secundäres Resultat Zinn-
[ddorid bildete und davon ging.
,794) Auf eine ähnliche Weise wurde mit Bleichlorid experimentirt,
jinsser dass die positive Elektrode von anderer Substanz genommen wurde.
jDenn da das an der Anode entbundene Chlor kein höheres Bleichlorid
[lüdet, sondern auf das Platin wirkt, so würde es, falls man Platin anwendete,
eine Lösung von dem Chloride dieses Metalles in dem Bleichlorid erzeugen,
;«d dem gemäss eine Portion Platin zu der Kathode überfuhren, wodurch
4s Resultat fehlerhaft werden würde. Ich suchte deshalb nach, und fand
■ dem Graphit eine Substanz, die mit Sicherheit als positive Elektrode in
riehen Körpern, wie Chloride, Jodide u. s. w., angewandt werden kann.
Qüor und Jod wirken nicht auf den Graphit, sondern werden isolirt ent-
wickelt. Unter jenen Umständen hat auch der Graphit keine Wirkung auf
ftschmolzenes Chlorid oder Jodid, in das er getaucht wird. Selbst wenn
durch die Hitze oder die mechanische Wirkung des entwickelten Gases einige
Flitterchen Graphit abgelöst werden sollen, können sie dem Chlorid nicht
schaden.
»795; Das Mittel aus drei Versuchen gab die Zahl 100,85 als das
Äquivalent des Bleis. Das chemische Äquivalent ist 103,5. Den Fehler
meines Versuches schreibe ich der theilweisen Lösung des Gases in dem
VoLTA-Elektrometer zu: allein die Resultate lassen für mich keinen Zweifel
übrig, dass Blei und Chlor in diesem Falle durch die Wirkung einer
gegebenen Menge Elektricität in fest bestimmter Menge entwickelt
worden sind. ...
»797; fch bemühte mich mit Bleioxyd zu experimentiren, welches
durch Schmelzen und Glühen des salpetersauren Salzes in einem Platintiegel
erhalten worden war, stiess aber dabei auf grosse Schwierigkeiten, wegen
der zur vollkommenen Schmelzung erforderlichen Temperatur, und wegen
der grossen Lösekraft dieses Oxyds. Röhren von grünem Glase zeigten
sich wiederholentlich als untauglich. Zuletzt schmolz ich das Oxyd in einem
kleinen Porzellantiegel, der im Kohlenfeuer stark erhitzt wurde; und da
es wesentlich war, dass das Blei an der Kathode unterhalb der Oberfläche
ausgeschieden wurde, ward die negative Elektrode, bekleidet mit einer Röhre
von grünem Glase, so an dieselbe angeschmolzen, dass nur der Knopf des
522
Dreizehntes Kapitel.
Platins am unteren Ende (Fig. 131; entblösst blieb, damit dieser unter die
Oberfläche gebracht, und dadurch alle Luft oder deren Sauerstoff voaj
dem daselbst reducirten Blei ausgeschlossen werden konnte. Als positive
Elektrode wurde ein Platindraht angewandt, da derselbe von dem an ihm
entwickelten Sauerstoff nicht angegriffen werden konnte. Die ganze Voiw
richtung zeigt Fig. 132.
„798) Bei solch einem Versuche fand sich das Äquivalent für dsm
Blei = 93,17. Dies war sehr viel zu klein, vermuthlich, weil die positr
und die negative Elektrode einander in» dem Bleioxyde zu nahe stan
wodurch der von dem Sauerstoff an der Anode gebildete Schaum hin
wieder leicht das an der Kathode reducirte Blei berühren und wi
oxydiren konnte. Als ich mich bemühte, diese Fehlerquelle durch An
düng einer grösseren Menge Bleioxyd zu beseitigen, so veranlasste die
Hitze, die nöthig war, um dieselbe in Fluss zu erhalten, eine schnei
/
k
Fig. 131.
Fifc. 132.
Nach Faraday.
ä
\
■ 1
Wirkung auf den Tiegel; derselbe wurde bald durchgefressen und damit
der Versuch unterbrochen.
„799) Bei einem Versuche dieser Art gebrauchte ich borsaures Bio.
Unter dem Einfluss des elektrischen Stromes wurde dabei an der Anode
Blei und an der Kathode Sauerstoff abgeschieden; und da die Borsäure
bei der Operation weder direct (408) noch secundär zersetzt wird, ver-
muthete ich, dass das Resultat von dem Bleioxyd herrührte. Das bor-
saure Bleioxd ist kein so heftiges Flussmittel als das Bleioxyd; allein es
erfordert zu seiner vollen Schmelzung eine höhere Temperatur; und wenn
es nicht sehr heiss ist, bleiben die Sauerstoffblasen an der positiven Elek-
trode hängen, und verzögern den Durchgang der Elektricität. Das Äqui-
valent für das Blei ergab sich zu 101,29, so nahe an 103,5, dass die Wir-
kung des Stromes offenbar eine bestimmte war.
„800) Wismuthoxyd. — Diese Substanz erforderte, fand ich, eine zu
hohe Temperatur, und wirkte zu kräftig als Flussmittel, als dass ich mit
demselben bei der geringen Müsse und Sorgfalt, die darauf verwendet werden
konnte, einen Versuch hätte anstellen können.
Das Gesetz von Faraday. 523
„801) Nun wurde das gewöhnliche Antimonoxyd, bestehend aus einem
erbindungsgewicht Metall und anderthalb Verbindungsgewichten Sauerstoff
em elektrischen Strome unterworfen, in einer grünen Glasröhre (789), die
1 Platinblech eingehüllt und im Kohlenfeuer erhitzt worden. Die Zersetzung
legann, und ging anfanglich ganz gut, scheinbar in Übereinstimmung mit dem
iDgemeinen Gesetze (S. 500) zeigend,, dass dieses Oxyd eine Verbindung
non solchen Elementen und in solchem Verhältnisse sei, die unter die
fcrrschaft des elektrischen Stromes gebracht werden könne. Dieser Erfolg
ann, wie ich bereits wahrscheinlich zu machen suchte, herrühren von
er Anwesenheit des wahren Oxyds, bestehend aus gleich vielen Ver-
indungsgewichten seiner Bestandteile. Die Wirkung verminderte sich
ber bald und hörte endlich ganz auf, weil sich an der positiven Elek-
ode ein höheres Antimonoxyd bildete. Diese Verbindung, wahrscheinlich
ütimonperoxyd, war unschmelzbar und in Antimonoxyd unlöslich; sie
Ödete deshalb eine krystallinische Kruste um die positive Elektrode, isolirte
leselbe und verwehrte dadurch der Elektricität den Durchgang. Ob sie,
enn sie schmelzbar und löslich gewesen wäre, zersetzt worden sein
iirde, ist zweifelhaft, da sie von der erforderlichen Zusammensetzung
bweicht Sie war ein sehr natürliches secundäres Produkt an der posi-
ven Elektrode. Beim Öffnen der Röhre ergab sich, dass an der negativen
ilektrode ein wenig Antimon abgeschieden worden war, allein in zu kleiner
fenge, als dass ein quantitatives Resultat hätte damit erlangt werden
önnen.
„802) Bleijodid. — Mit dieser Substanz kann man in Röhren über
iner Weingeistflamme experimentiren (789); allein ich erhielt keine guten
Resultate mit ihr, ich mochte positive Elektrode von Platin oder Graphit
Jiwenden. Bei zwei Versuchen ergaben sich mir für das Blei -Äquivalent
lie Zahlen 75,46 und 73,45 statt 103,5. Dies leitete ich davon ab, dass
ich an der positiven Elektrode HyperJodid bildete, sich in dem flüssigen
odid löste, dadurch mit dem an der negativen Elektrode abgeschiedenen
ilei in Berührung kam, dasselbe auflöste und dadurch seinerseits wiederum
mm einfachen Jodid wurde. Solch ein HyperJodid giebt es; sehr selten
<ann ein durch Fällung dargestelltes und wohl gewaschenes Jodid geschmolzen
verden, ohne dass sich nicht, aus anwesendem HyperJodid, Jod entwickelte.
Selbst durch blosses Zusammenreiben von Jodid mit Jod bildet sich eine
Portion HyperJodid. Und wiewohl dies zersetzt wird, wenn man es schmilzt
and einige Minuten lang dunkelroth glüht, so ist damit doch nicht ganz die
Möglichkeit ausgeschlossen, dass ein wenig von dem, welches sich im grossen
L'berschuss von Jod an der Anode gebildet hatte, durch rasche Ströme in
ier Flüssigkeit bis an die Kathode geführt wurde.
„803) Diese Ansicht von den Resultaten wurde durch einen dritten
Versuch verstärkt, bei welchem der Abstand zwischen den Elektroden bis
u einem Drittelzoll vergrössert wurde. Denn nun waren die störenden
Wirkungen sehr verringert, und die Zahl für das Blei ergab sich = 89,04.
tj24 Dreizehntes Kapitel.
Völlig bestätigt wurde dies durch die Resultate, welche in den sogleich
beschreibenden Fällen (818) von Überführung erhalten wurden.
„Die Versuche mit Bleijodid bieten daher keine Ausnahme von dem U
Rede stehenden allgemeinen Gesetze dar, sondern können, nach
meinen Betrachtungen, als in dasselbe eingeschlossen betrachtet werden.
„804) Zinnchlorür. — Geschmolzen leitet es den elektrischen S
und wird von demselben zersetzt; an der Anode scheidet sich Zinn a
und an der Kathode, als secundäres Resultat, Zinnchlorid (779. 790).
zu seiner Schmelzung erforderliche Temperatur ist zu hoch, als dass
Produkte liefern konnte, die zur Wägung geschickt gewesen wären.
„805) Nun wurde Jodkalium in einer Röhre (Fig. 129) der ele
tischen Aktion ausgesetzt. Die negative Elektrode bestand aus ei»
Bleikügelchen; mittelst dieses hoffte ich das Kalium zurückzuhalten,
Resultate zu bekommen, die gewogen und mit den Angaben des Volt
Elektrometer verglichen werden könnten. Allein die aus der erforderliche^
hohen Temperatur entspringenden Schwierigkeiten, die Wirkung auf das
Glas, die durch das anwesende Blei veranlasste Schmelzbarkeit des Platinr
und andere Umstände hinderten mich dergleichen Resultate zu bekommen;
Wie in den früheren Fällen wurde das Jodid zersetzt, unter AbscheiduHf
von Jod an der Anode und von Kalium an der Kathode.
„806) Bei einigen dieser Versuche wurden mehrere Substanzen hinter
einander angebracht und gleichzeitig durch einen nämlichen elektrische^
Strom zersetzt. So Hess ich den Strom gleichzeitig auf Zinnchlorür, Bio*
chlorid und Wasser einwirken. Es ist überflüssig, zu sagen, dass die Resul-
tate vergleichbar waren, dass Zinn, Blei, Chlor, Sauerstoff und Wasserstoff
in fester und den elektrochemischen Äquivalenten entsprechender Menge
entwickelt wurden.
„807) Wenden wir uns nun zu einer anderen Art von Erweisen der
festen chemischen Aktion der Elektricität. Gäbe es irgend einen
Umstand von Einfluss auf die Menge der bei elektrolytischer Aktion ent-
wickelten Substanzen, so sollte man denken, würde er eintreten, wenn Elek-
troden von verschiedenen Substanzen, begabt mit sehr ungleicher chemischer
Verwandtschaft zu den entwickelten Körpern, angewandt würden. Platin
hat in verdünnter Schwefelsäure kein Vermögen, sich mit dem Sauerstoff an
der Anode zu verbinden, wiewohl der letztere im Entstehungszustande an
ihr entwickelt wird. Kupfer andererseits verbindet sich sogleich mit dem
Sauerstoff, so wie es mittelst des Wasserstoffes durch den elektrischen Strom
in Freiheit gesetzt wird. Und Zink ist nicht allein im Stande sich mit
Sauerstoff zu verbinden, sondern vermag auch denselben, ohne Hülfe der
Elektricität, geradezu aus dem Wasser abzuscheiden unter gleichzeitiger
Entwickelung von Wasserstoffgasblasen. Und doch, als diese drei Substanzen
nach einander in drei ähnlichen Portionen derselben Schwefelsäure von 1,336
speeifisches Gewicht als Elektroden gebraucht wurden, ward durch den
elektrischen Strom genau dieselbe Menge Wasser zersetzt; und genau die-
Das Gesetz von Faraday. C2C
»'
Wasserstoff an den Kathoden in den drei Lösungen in Freiheit
,808) Der Versuch ward so angestellt. Portionen von jener verdünnten
wefelsäure wurden in drei Schalen gegossen, und drei Volta- Elektro-
er von der Form Fig. 131 und 133 mit derselben Säure gefüllt und in
1 Schalen umgekehrt, in jeder eins. Ein mit dem positiven Ende
tr VoLTA'schen Batterie verbundener Zinkstreif wurde in die erste Schale
aucht, hier die positive Elektrode bildend, und der Wasserstoff, der sich
•ch direkte Einwirkung der Saure reichlich an ihr entwickelte, entweichen
assen. Ein Kupferstreif, welcher in die Säure der zweiten Schale tauchte,
rde mit der negativen Elektrode der ersten Schale verbunden und ein
itinstreif, welcher in die Säure der dritten Schale tauchte, wurde verbunden
t der negativen Elektrode der zweiten Schale. Die negative Elektrode
r dritten Schale wurde mit einem VoLTA-Elektrometer verbunden (711)
d dieses wiederum mit dem negativen Ende der VoLTA'schen Batterie.
„809) Gleich nach dem Schlüsse der Kette begann die elektroche-
ische Aktion in allen Gefässen. Der Wasserstoff stieg in anscheinend
»verminderter Menge von der positiven Zink-Elektrode in der ersten Schale
iC An der positiven Kupfer -Elektrode in der zweiten Schale entwickelte
:h kein Sauerstoff, wohl aber ward hier schwefelsaures Kupferoxyd gebildet.
n der positiven Platin-Elektrode in der dritten Schale entwickelte sich
igegen reines Sauerstoffgas, ohne dass sie angegriffen wurde. In allen
chalen aber war die Menge des an den negativen Platin-Elektroden ent-
ickelten Wasserstoffes gleich und ebenso gross als das im VoLTA-Elektro-
leter entwickelte Wasserstoffvolum, dadurch zeigend, dass der Strom in
Ben Gefässen eine gleiche Menge Wasser zersetzt hatte. Bei diesem Ver-
lieh hatte sich demnach die chemische Aktion der Elektricität als
ollkommen bestimmt erwiesen.
„810; Ein ähnlicher Versuch wurde mit einer durch ein gleiches Volum
Vasser verdünnten Salzsäure angestellt. Die drei positiven Elektroden waren
on Zink, Silber und Platin. Das erste vermag ohne Hülfe des Stromes
Hör abzuscheiden und sich mit demselben zu verbinden; das zweite kann
ich mit dem Chlor nur nach dessen Abscheidung durch den elektrischen
>trom verbinden; und das dritte ist fast ganz unfähig zu einer Verbindung
nit demselben. Die drei negativen Elektroden waren wie zuvor Platinstreifen,
»efestigt in Glasröhren. Bei diesem Versuche, wie bei dem vorhergehenden,
rar die an den Kathoden entwickelte Wasserstoffmenge gleich bei allen,
md ebenso gross als die des im VoLTA-Elektrometer entwickelten Wasser-
toffes. Ich habe bereits meine Gründe angeführt, die mich glauben lassen,
ass es die Salzsäure sei, welche direkt durch die Elektricität zersetzt wird
'64 -f und die Resultate beweisen, dass die so zersetzten Mengen voll-
ommen bestimmt sind und proportional der durchgegangenen Elek-
icitätsmenge.
„81 1) Bei diesem Versuch verzögerte das in der zweiten Schale gebildete
C2Ö Dreizehntes Kapitel.
Chlorsilber den Durchgang des elektrischen Stromes, vermöge des zuui
beschriebenen Leitungsgesetzes (394), so dass es während des Versuch
vier bis fünf Mal abgewaschen werden musste. Doch dadurch entstand kd
Unterschied zwischen dem Resultate dieses Gefässes und den der andera
„812) Nun wurde Holzkohle sowohl in Schwefel- als in Salzsäure a
positive Elektrode gebraucht (808. 810); allein ohne dass sich dadurch di
Resultate veränderten. Eine positive Zink-Elektrode, in schwefelsaurem Natro
oder einer Lösung von Kochsalz angewandt, gab ebenso constante Resultat!
„813) Versuche ähnlicher Art wurden nun mit Körpern in ganz va
schiedenem Zustande angestellt, z. B. mit geschmolzenen Chloriden un
Jodiden. Bereits beschrieb ich einen Versuch mit geschmolzenem Chloa
silber, wobei die Elektroden von metallischem Silber waren, die negativ
durch das sich ansetzende Metall dicker und länger, die positive ab«
angefressen und aufgelöst wurde. Dieser Versuch wurde wiederholt, c
dem Ende zwei gewogene Stücke Silber als Elektrode angewandt, und ei
VoLTA-Elektrometer mit in die Kette eingeschlossen. Grosse Sorgfalt wurd
darauf verwandt, die negative Elektrode so regelmässig und stetig heran*
zuziehen, dass die Krystalle des reducirten Silbers niemals eine metallisch
Communication unter der Oberfläche des geschmolzenen Chlorids herstellten
Nach Beendigung des Versuches wurde die positive Elektrode abermal
gewogen und ihr Verlust bestimmt. Das von der negativen Elektrode m
successiven Portionen abgenommene Gemenge von Chlorsilber und Metall
wurde zur Bestimmung des Chlorids mit Ammoniakflüssigkeit digerirt und
das zurückbleibende metallische Silber gewogen. Dies war das an der Ka-
thode Reducirte; es betrug genau so viel wie das an der Anode Gelöste;
und jede Portion war so nahe wie möglich gleich dem Äquivalent des im
VoLTA-Elektrometer zersetzten Wassers.
„814) Die Unschmelzbarkeit des Silbers in der angewandten Temperatur,
sowie die Länge und Verästelung seiner Krystalle machen die Anstellung
des eben beschriebenen Versuches schwierig
und dessen Resultate unsicher. Ich arbeitete
daher mit Chlorblei, und brauchte dabei eine
grüne Glasröhre, gestaltet wie Fig. 133. lt
den Boden einer kleinen Röhre wurde, wii
Fig. 133. Nach Faraday. zuvor beschrieben (789), ein gewogener Platin
draht eingeschmolzen, dann die Röhre, etw;
einen halben Zoll von ihrem geschlossenen Ende entfernt, unter einen
Winkel gebogen, und endlich der Theil zwischen dem Knie und dem End<
nachdem er weich gemacht worden, etwas in die Höhe gezogen, um ein
Brücke oder vielmehr* eine Scheidewand zu bilden, für zwei kleine Va
tiefungen oder Mulden a, by in der Röhre, wie Figur es zeigt. Diese V01
richtung wurde, damit eine Weingeistflamme darunter gestellt werden könnt«
wie früher, an einem Platindraht aufgehängt, und zwar so geneigt, das
während der Schmelzung des Bleichlorids alle Luft entweichen konnte. Di
Das Gesetz von Faraday. 527
■tive Elektrode bestand aus einem Platindraht, aufgerollt an einem Ende
feinem Knopf, an den etwa 20 Gran metallischen Bleis angeschmolzen
pren, und übrigens eingeschlossen in eine kleine enge Glasröhre, die später-
k zerbrochen wurde. So vorgerichtet, wurde der Draht mit seinem Knopf
pogen und das Gewicht aufgezeichnet.
r »815) Jetzt wurde Chlorblei in die Röhre gebracht und sorgfältig ge-
1, auch dann die verbleite Elektrode eingeführt, worauf das Metall an
Ende baldig schmolz. In diesem Zustande der Dinge wurde die
bis c mit geschmolzenem Bleichlorid gefüllt, das Ende der in die
b eingeschmolzenen Elektrode negativ gemacht, und die in die Mulde a
ichte Elektrode von geschmolzenem Blei, durch Verknüpfung mit dem
iht einer VoLTA'schen Säule positiv gemacht. Auch wurde ein Volta-
Hneter in die Kette eingeschaltet.
„8 16) Sogleich nach geschlossener Verknüpfung mit der VoLTA'schen
rie ging der Strom durch und die Zersetzung vor sich. An der posi-
Elektrode entwickelte sich kein Chlor; allein, da das geschmolzene
)rid durchsichtig war, konnte man bemerken, dass sich bei b allmählich
ön Knopf von Legirung bildete und vergrösserte, während bei a das Blei
ßch und nach abnahm. Nach einiger Zeit wurde der Versuch unter-
jochen, die Röhre erkalten gelassen und dann zerbrochen. Die Drähte
•t ihren Knöpfen wurden gesäubert und gewogen, und ihre Gewichtsver-
fcderungen mit den Angaben des VoLTA-Elektrometers verglichen.
„817) Bei diesem Versuche hatte die positive Elektrode gerade ebenso
iel Blei verloren als die negative gewonnen (795), und der Verlust oder
ewinn entsprach sehr nahe dem Äquivalent des im VoLTA-Elektrometer
ersetzten Wassers, gab nämlich für das Blei die Zahl 101,5. Es ist also
diesem Beispiele klar, dass es keine Veränderung in der festen Aktion
s elektrischen Stromes hervorbringt, man mag während des Versuches
ne starke Affinität oder gar keine für die an der Anode abgeschie-
me Substanz wirksam sein lassen (807).
„818; Ein ähnlicher Versuch wurde nun mit Bleijodid angestellt, und
if diese Weise alle aus der Bildung von HyperJodid entspringende Störung
rmieden $03). Während der ganzen Aktion entwickelte sich kein Jod,
\d zuletzt war der Bleiverlust an der Anode ebenso gross als der Blei-
winn an der Kathode, oder entsprach, durch Vergleichung mit dem
sultat in dem VoLTA-Elektrometer, der Zahl = 103,5.
„819) Nun wurde Zinnchlorür auf dieselbe Weise dem elektrischen Strom
terworfen, natürlich unter Anwendung einer positiven Elektrode von Zinn.
bildete sich kein Zinnchlorid (779. 790). Bei Untersuchung der beiden
jktroden hatte die positive genau so viel verloren als die negative gewonnen ;
j durch Vergleich mit dem VoLTA-Elektrometer fand sich für das Zinn
Zahl 59.
.,820) Bei diesen und ähnlichen Versuchen ist es sehr nothwendig, das
ere der Knöpfe von Legirung an den Enden der Leitdrähte zu unter-
528 Dreizehntes Kapitel.
suchen, denn zuweilen sind sie, besonders die positiv gewesenen, \
Höhlen, Portionen von dem angewandten Chlorid oder Jodid einschlies*
welche entfernt werden müssen, ehe man das Gewicht ermittelt Hau
ist dies der Fall beim Blei als beim Zinn.
„821) Alle diese Thatsachen, glaube ich, beweisen auPs Übe
stimmendste und Unwiderleglichste die Wahrheit des wichtigen Sa
welchen ich zu Anfang aussprach, nämlich: dass die chemische K
eines elektrischen Stromes direkt der absoluten Menge
durchgegangener Elektricität proportional sei (S. 499). Sie
weisen ferner, dass dieser Satz nicht bloss für eine Substanz, z. B. Wai
richtig ist, sondern überhaupt für alle elektrolytischen Substanzen, sowie ü
dies, dass die mit irgend einer Substanz erhaltenen Resultate nicht t
unter einander stimmen, sondern auch mit denen von anderen Substan2
so dass sich alles zusammen combinirt zu einer Reihe fest bestimir
elektrochemischer Aktionen (504). Ich will hiermit nicht sagen, das*
keine Ausnahmen gebe; vielleicht giebt es deren, besonders unter den di
schwache Verwandtschaft zusammengehaltenen Substanzen; allein ich gla
nicht, dass irgend eine den aufgestellten Satz ernstlich erschüttern wc
Wenn in der wohl erwogenen, wohl untersuchten, und ich kann sicher sai
wohl festgestellten Lehre von der Bestimmtheit der gewöhnlichen chemisc
Verwandtschaft solche Ausnahmen vorkommen, wie es wirklich häufig
Fall ist, ohne dass sie unser Zutrauen zu dieser Lehre im allgeme:
schwächen, so muss man auch billig urtheilen, wenn sich hier, an
Eröffnung einer neuen Ansicht von der elektrochemischen Aktion, l
nahmen zeigen sollten, muss sie nicht denen, die mit der Vervollkommn
dieser Ansicht beschäftigt sind, als Hemmnisse entgegenstellen, sondern
eine Weile bei Seite legen, in der Hoffnung, dass sie zuletzt eine vollstän«
und befriedigende Erklärung finden werden."
6. Zum FARADAY'schen Gesetz. Die vorstehend wiedergegebenen
theilungen gehören zu dem Wichtigsten, was in der Geschichte der Elek
chemie zu verzeichnen ist, denn sie enthalten die zahlenmässige Grundl
von der weiterhin alles abhängt, was an quantitativen Gesetzen in die
Gebiete geschaffen und' erkannt worden ist, an Bedeutung vergleichbar <
Gesetze der Verbindungsgewichte in der Stöchiometrie. Man kann a
mit der Anerkennung nicht zurückhalten, dass Faraday sich um die q
titative Durchführung seines Gesetzes alle Mühe gegeben hat; bei dem
wiegend qualitativen Zuge seiner Arbeitsweise war es sicher keine ger
Anstrengung für ihn, diese ungewohnte Arbeit gut und umfangreich du
zufuhren. In der Mannigfaltigkeit der untersuchten Fälle, der chan
ristischen Einfachheit der Hülfsmittel und dem entscheidenden Chan
der Versuche sind diese Arbeiten als klassisch im besten Sinne zu bezeich
und gewähren eine Fülle von Belehrung und Anregung für den Anfä
wie den Forscher.
Ein Gesetz von so umfänglicher Bedeutung, wie das in Frage stehe
Das Gesetz von Faraday. 529
Mdeit nothwendig dazu auf, die theoretische Tragweite zu bestimmen, und
Ee Fortschritte zu bezeichnen, welche in den angrenzenden Gebieten der
Wissenschaft dadurch gewonnen werden. Auch Faraday hat sich alsbald
in diese Aufgabe gemacht Wenn dabei neben sehr vielem Treffenden auch
timges Verfehlte untergelaufen ist, so hat unser grosser Forscher darin den
allgemeinen Tribut der Menschlichkeit zahlen müssen. Mit einer wirklich
(rossen Entdeckung geht es wie mit einem wirklichen Kunstwerk: ihre Trag-
löte wird erst allmählich völlig erkannt, und insbesondere der Urheber
ann selbst von vornherein die ganze Bedeutung schwerlich überschauen. So
>ar es auch mit Faraday's Entdeckung; ein halbes Jahrhundert hat man sie
du den verschiedensten Seiten betrachtet, und dennoch sind noch in den
euesten Zeiten übersehene Seiten derselben von fundamentaler Wichtigkeit
ds Licht gezogen worden.
Faraday fasst zunächst den Inhalt seiner Entdeckung in eine Reihe von
ätzen zusammen, die hier folgen.
„822) Die eben auseinander gesetzte und, wie ich glaube, festgestellte
.ehre von bestimmter chemischer Aktion fuhrt zu einigen neuen An-
ichten in Betreff der Beziehungen und Klassifikationen der Körper, welche
ieser Aktion unterworfen oder mit ihr verknüpft sind. Einige derselben
IUI ich nun betrachten.
„823) Zuerst können die zusammengesetzten Körper in zwei grosse
üassen getheilt werden, nämlich in die durch den elektrischen Strom zersetz-
wen und durch ihn nicht zersetzbaren. Von den letzteren sind einige Leiter,
mdere Nichtleiter der Volt Ansehen Elektricität. l Die ersteren hängen, was
hre Zersetzbarkeit betrifft, nicht bloss von der Natur ihrer Bestandteile ab
denn aus denselben zwei Elementen können Körper gebildet werden, von
Jenen einer zu der ersten und der andere zu der zweiten Klasse gehört),
sondern wahrscheinlich auch von dem Verhältniss derselben. Es ist ferner
nerkwürdig, dass mit sehr wenigen, vielleicht gar keinen Ausnahmen
414. 691), diese zersetzbaren Körper genau diejenigen sind, welche von dem
früher von mir beschriebenen (394) merkwürdigen Gesetz der Leitung be-
herrscht werden; denn dieses Gesetz erstreckt sich nicht auf die vielen
schmelzbaren zusammengesetzten Substanzen, die von dieser Klasse ausge-
schlossen sind. Ich schlage daher vor, die Körper dieser Klasse Elektro-
lyte ;6Ö4) zu nennen.
„824) Ferner bilden die Substanzen, in welche diese unter dem Einfluss
fcs elektrischen Stromes zerfallen, eine ausserordentlich wichtige allgemeine
flasse. Sie sind verbindbare Körper, stehen in direkter Beziehung zu den
umdamentalsätzen der Lehre von der chemischen Verwandtschaft, und jeder
lerselben wird während der elektrolytischen Aktion in einem festen Ver-
tähnisse entwickelt. Als Benennungen habe ich vorgeschlagen für diese
1 „Unter VOLTA'scher Elektricität verstehe ich hier bloss eine Elektricität aus sehr ergie-
iger Quelle und von sehr geringer Intensität."
Ostwald, Elektrochemie. 3><\
C*o Dreizehntes Kapitel.
Körper im Allgemeinen: Ionen, und im besonderen, je nachdem sie an d
Anode oder Kathode erscheinen: Anionen und Kationen, und für <&
relativen Mengen, in denen sie entwickelt werden: elektrochemisch
Äquivalente. Wasserstoff, Sauerstoff, Chlor, Jod, Blei und Zinn sin
Ionen, die drei ersten sind Anionen, die beiden Metalle Kationen, und
i, 8, 36, 125, 104, 58 sind nahe ihre elektrochemischen Äquivalente
„825) Eine Übersicht von gewissen bereits ausgemittelten Punkten q
Betreff der Elektrolyte, Ionen und elektrochemischen Äquivalent^
lässt sich in folgender allgemeiner Form von Propositionen geben, ohocj
wie ich hoffe, einen merklichen Fehler einzuschliessen.
„826) I. Ein einzelnes, d. h. mit einem anderen nicht verbundenes lo^
hat keine Neigung zu dieser oder jener Elektrode zu gehen, und verfaß
sich vollkommen indifferent gegen den durchgehenden Strom, sobald d
nicht selbst eine Verbindung elementarer Ionen ist, und so einer wirkliche!
Zersetzung unterliegt. Auf diese Thatsache ist grösstentheils der BewdJ
gegründet, den ich zu Gunsten der neuen Theorie der elektrochemi
Zersetzung beigebracht, und in einer früheren Reihe dieser Untersuchu
aufgestellt habe (518 u. s. w.).
„827) IL Wenn ein Ion im richtigen Verhältnisse (697) verbunden
mit einem anderen, ihm in seinen gewöhnlichen chemischen Beziehu
sehr entgegengesetzten, d. h. wenn ein Anion verbunden ist mit
Kation, so werden beide wandern, das eine zu der Anode, das andere
der Kathode des in Zersetzung begriffenen Körpers (530. 542. 547).
„828) III. Wenn daher ein Ion zu einer der Elektroden geht, mi
auch ein anderes Ion gleichzeitig zu der anderen Elektrode gehen, wi
es, wegen secundärer Aktion, vielleicht nicht zum Vorschein kommt (74;
„829) IV. Ein direkt durch den elektrischen Strom zersetzbarer Kö
d. h. ein Elektrolyt, muss aus zwei Ionen bestehen und diese also bcj
dem Akt der Zersetzung ausgeben.
»830) V. Unter Körpern, aus denselben zwei Ionen zusammengesett|
giebt es nur einen Elektrolyten, wenigstens scheint es nur einen zu gebet
gemäss dem Gesetz (697), dass die elementaren Ionen nur in gleid
viel elektrochemischen Äquivalenten und nicht in Multiplis de«
selben zu den Elektroden gehen können. *
„831) VI. Ein für sich nicht zersetzbarer Körper, wie Borsäure, wi*
auch in einer Verbindung nicht direkt durch den elektrischen Strom zersetl
(780). Er kann als ein Ion wirken, kann als Ganzes zu der Anode odM
Kathode gehen, giebt aber nicht seine Elemente aus, ausgenommen zu
durch eine secundäre Aktion. Vielleicht ist es überflüssig zu bemerken,
dieser Satz keine Beziehung hat zu dergleichen Körpern wie das W
welche durch die Anwesenheit anderer Körper bessere Elektricitätsleiter
darum leichter zersetzt werden.
»832) VII. Die Natur der Substanz, aus welcher die Elektrode
vorausgesetzt nur, dass sie leitend sei, bewirkt keine Verschiedenheit in
Das Gesetz von Faraday. zi\
lektrochemischen Aktion, weder in deren Art noch deren Grad (807. 813);
bcr einen starken Einfluss hat sie, vermöge secundärer Aktion (744) auf
len Zustand, in welchem die Ionen zuletzt erscheinen. Aus diesem Satie
ann man einen Vortheil ziehen, indem man solche Ionen, die im freien
Zustand unbehandelter sein würden,1 im verbundenen auffängt.
„833) VHI. Eine Substanz, welche, als Elektrode angewandt, sich ganz
out dem an ihr entwickelten Ion zu verbinden vermag, ist, glaube ich, auch
ein Ion, und verbindet sich in dergleichen Fällen in der durch ihr elektro-
chemisches Äquivalent vorgestellten Menge. Alle von mir angestellten
Versuche stimmen mit dieser Ansicht, und sie erscheint mir gegenwärtig
als eine nothwendige Folgerung aus denselben. Ob sich aus den secundären
Aktionen, wo das Ion zwar nicht auf die Substanz der Elektrode, wohl aber
auf die umgebende Flüssigkeit einwirkt (744), dieselbe Folgerung ergebe,
erfordert zu seiner Entscheidung eine ausgedehntere Untersuchung.
„834) IX. Zusammengesetzte Ionen sind nicht nothwendig zusammen-
gesetzt aus elektrochemischen Äquivalenten einfacher Ionen. Schwefelsäure,
Borsäure, Phosphorsäure z. B. sind Ionen, aber keine Elektrolyte, d. h.
sind nicht aus elektrochemischen Äquivalenten einfacher Ionen zusammen-
gesetzt
„835) X. Elektrochemische Äquivalente sind immer übereinstimmend,
4 h. die nämliche Zahl, welche das Äquivalent der Substanz A vorstellt,
wenn diese von der Substanz B getrennt wird, stellt auch dasselbe vor, wenn
A von C getrennt wird. So ist 8 das elektrochemische Äquivalent des
Sauerstoffes, wenn er vom Wasserstoff oder Zinn oder Blei abgeschieden
wird, und ebenso ist 103,5 das elektrochemische Äquivalent des Bleis, dies
mag vom Sauerstoff, oder Chlor oder Jod getrennt werden.
„836) XL Die elektrochemischen Äquivalente sind den gewöhnlichen
chemischen gleich."
Die vorstehenden Sätze erfordern in mehreren Punkten eine Erläuterung,
welche auf die inzwischen als falsch oder zweifelhaft erkannten Seiten von
Farad ay^s Auffassung hinweist. Es wird hierbei nöthig sein, manches, was
erst viel später inhaltlich besprochen werden kann, schon jetzt vorauszu-
nehmen; doch habe ich geglaubt, dies nicht vermeiden zu sollen, da sich
sonst diese unbrauchbaren Vorstellungen festsetzen könnten, so dass später
ihre Beseitigung schwieriger wird.
Zu I. Gegenwärtig betrachtet man die Ionen als elektrisch geladen,
und kann daher, gemäss dem Gesetze, dass immer beide Elektricitäten in
1 „Oft können die angewandten Elektroden von solcher Natur sein, dass sie mit der
Flüssigkeit, in welche sie eingetaucht sind, einen elektrischen Strom hervorbringen, entweder
*on gleicher oder entgegengesetzter Richtung mit dem der VoLTA'schen Batterie, wodurch, oder
^urch eine direkte chemische Aktion, sie dann die Resultate bedeutend trüben. Mitten unter
aHen diesen störenden Einwirkungen bringt indes der elektrische Strom, welcher in irgend einer
Dichtung durch den zersetzt werdenden Körper geht, seine eigene bestimmte elektrolytische
Aktion hervor."
c*2 Dreizehntes Kapitel.
gleichen Mengen vorkommen, die Existenz eines einzelnen Ions ohne die
Gegenwart eines anderen, überhaupt nicht zugeben (bestimmte, später zu
besprechende Fälle ausgenommen). Dadurch fällt auch der Satz, dass das
Ion sich indifferent gegen den Strom verhalte. So lange sich der Stoff im \
Ionenzustande befindet, folgt er den Gesetzen der elektrischen Anziehung, j
und bewegt sich nach der Seite seines fallenden Potentials, wenn es sich in
einem Stromkreise befindet. Hat dagegen der Stoff seine elektrische Ladung
an der Elektrode verloren, so gelten die von Farad ay für ihn aufgestellten
Regeln.
Zu II bis IV ist nichts zu bemerken, wohl aber zu V. Farad ay war i
durch eine ungenügende Induktion zu der Ansicht gekommen, dass nur ,
solche Stoffe Elektrolyte sind, welche aus gleichen Atomen ihrer Bestand* i
theile bestehen, und nahm z. B. deshalb #ie Existenz eines Antimonoxyds
SbO an, weil das gewöhnliche Oxyd Sba08 ein Elektrolyt ist, obwohl die
Chemie ein solches nicht kannte, und Berzelius insbesondere nachwies, dass
die von Faraday angeführten Gründe dafür nicht stichhaltig waren. Gegen-
wärtig, wo als Atomgewichte zum Theil andere Werthe, als die von Faraday
benutzten GMELiN'schen Äquivalentgewichte, angenommen werden, giebt es
eine grosse Zahl von Elektrolyten, welche die Ionen nicht zu gleichen Atomen j
enthalten, und ebenso sind zahlreiche Fälle bekannt, wo mehrere Verbin* 1
düngen zwischen denselben Elementen Elektrolyte sind. i
In VI tritt die von Faraday noch festgehaltene Ansicht auf, dass ein
Stoff wie Wasser durch die Gegenwart eines anderen ein besserer Leiter;
werden könne. Gegenwärtig ist die Vorstellung von diesen Vorgängen .
gerade die umgekehrte: nicht das Wasser wird durch die Gegenwart des
anderen Stoffes ein Leiter, sondern der andere Stoff wird durch das Wasser,
d. h. durch seine Auflösung darin, ein Leiter, indem er in seine Ionen
dissociirt wird. Diese Wendung der Ansichten hängt mit der bereits er-
wähnten Anschauung zusammen, dass ein Stoff, um ein Elektrolyt zu sein,
nicht durch die Elektricität zersetzt werden darf, sondern sich bereits im
dissociirten, d. h. in Ionen zerfallenem Zustande befinden muss. Diesen
Zustand hervorzubringen, ist nun das Wasser besonders befähigt
Zum Schluss von VII ist dasselbe zu bemerken, was zu I gesagt worden
ist. Das gleiche gilt für den Anfang von VIII. Der sachliche Inhalt def
Abschnittes, dass nämlich auch die secundären Wirkungen dem Äquivalenz»
gesetze folgen, hat sich in der Folge als vollkommen richtig erwiesen, und
zwar sowohl für secundäre Wirkungen mit der Elektrode, wie für solche
mit der umgebenden Flüssigkeit.
Zu IX. Schwefelsäure, Borsäure, Phosphorsäure sind in der gegen-
wärtigen Auffassung keine Ionen.
Zu XI gilt dasselbe, was zu V bemerkt worden ist Die elektro-
chemischen Äquivalente sind zwar den chemischen Äquivalenten gleich*
nicht aber den chemischen Atomgewichten. Zu der Zeit, wo Faradat
seine Sätze aussprach, war der Unterschied zwischen Atom und Äquivalent ■
Das Gesetz von Faraday. c^i
och nicht gemacht, da damals noch nicht der Molekularbegriff entwickelt
rorden war.
„837) Durch den Versuch und die vorhergehenden Sätze kann man
,uf verschiedene Weisen zur Kenntniss der Ionen und ihrer elektrochemischen
äquivalente gelangen.
„838) Zunächst können sie direkt bestimmt werden, wie es in vielen
bereits angeführten Versuchen mit dem Wasserstoff, Sauerstoff, Blei und
Zinn geschehen ist
»839) Dann lässt sich aus den Sätzen II und III die Kenntniss vieler
anderer Ionen und auch deren Äquivalente ableiten. Als bei Zersetzung
iron Bleichlorid Platin angewandt wurde (395) konnte kein Zweifel mehr
darüber obwalten, dass das Chlor zur Anode ging, wiewohl es sich mit
dem Platin daselbst verband; denn wenn die positive Elektrode von Graphit
war (794) entwickelte es sich daselbst im freien Zustande. Ebenso konnte
es in keinem der Fälle zweifelhaft bleiben, dass nicht für jede 103,5 Th.
Wei, die sich an der Kathode ausschieden, 36 Th. Chlor an der Anode
entwickelt wurden, denn das übriggebliebene Bleichlorid war unverändert
So auch wenn in einer Metalllösung ein Volum Sauerstoff oder eine so viel
Sauerstoff enthaltende secundäre Verbindung an der Anode erschien, konnte
kein Zweifel darüber entstehen, dass nicht zwei Volume Wasserstoff zur
Kathode übergegangen waren, wenn sie auch, vermöge einer secundären
Aktion, zur Reduktion der Oxyde von Blei, Kupfer oder anderen Metallen
verwandt worden waren. Auf diese Weise lernen wir aus den in diesen
Abhandlungen beschriebenen Versuchen, dass Chlor, Jod, Brom, Fluor,
Calcium, Kalium, Strontium, Magnesium, Mangan u. s. w. Ionen sind, und
dass ihre elektrochemischen Äquivalente gleich sind den gewöhn-
lichen chemischen.
„840) Die Sätze IV und V erweitern unsere Mittel, Belehrung einzu-
sammeln. Denn wenn ein Körper von bekannter chemischer Zusammen-
setzung sich zersetzbar erweist, und die Natur der an einer der Elektroden
als primäres oder selbst secundäres Resultat (723. 777) ausgeschiedenen
Substanz bestimmt worden ist, lässt sich das elektrochemische Äquivalent
dieses Körpers aus der bekannten festen Zusammensetzung der ausgeschie-
denen Substanz herleiten. Wenn so z. B. geschmolzenes Zinnchlorür durch
den VoLTA'schen Strom zersetzt wird (804), kann daraus geschlossen werden,
dass beide, Jod und Zinn", Ionen sind, und dass die verhältnissmässigen
Mengen, in welchen sie sich in der geschmolzenen Verbindung vereinigt
befanden, ihre elektrochemischen Äquivalente ausdrücken. Ferner lässt sich
folgern, dass das geschmolzene Jodkalium (805) ein Elektrolyt ist, und dass
die chemischen Äquivalente auch die elektrochemischen sind.
„841) Der Satz VIII, einer ausführlichen Experimental- Untersuchung
unterworfen, wird nicht bloss die durch Anwendung der übrigen Sätze
erhaltenen Resultate bestätigen helfen, sondern auch reichliche Belehrung
über die aus ihm selbst fliessenden geben.
534 Dreizehntes Kapitel.
„842) In vielen Fällen werden die secundären Resultate, entstandet
durch Einwirkung des ausgeschiedenen Ions auf die in der um gebende!
Flüssigkeit oder Lösung enthaltenen Substanzen, das elektrochemische Äqui-
valent liefern. So ward aus einer Lösung von essigsaurem Blei, und, so
weit ich untersucht habe, auch aus anderen Oxydulsalzlösungen, die der;
reducirenden Wirkung des an der Kathode in Entstehung begriffeneai
Wasserstoffes ausgesetzt waren, das Metall in gleicher Menge gefällt, wies
wenn es ein primäres Edukt gewesen wäre (vorausgesetzt nur, dass keift
freier Wasserstoff entwich), und es gab daher genau die Zahl, welche da
elektrochemische Äquivalent desselben vorstellt.
„843) In Folge dieses Satzes können seeundäre Resultate zuweilen all
Messer des VoLTA-elektrischen Stromes benutzt werden (706. 740); doch giebt
es nicht viele Metalllösungen, die diesem Behufe wohl entsprechen; dem
wenn das Metall nicht leicht fällbar ist, wird Wasserstoff an der Kathode
entwickelt und dadurch das Ergebniss fehlerhaft. Wenn an der Anode eil
höheres Oxyd gebildet wird, oder wenn das gefällte Metall quer durdl
die Lösung krystallisirt und die positive Elektrode berührt, werden ähnlich«
fehlerhafte Resultate erhalten. Ich glaube, dass die Lösungen einiger vege*
tabilischen Salze, wie die von essigsaurem Quecksilber- oder Zinkoxyd, für
obigen Zweck geeignet sein werden.
„844) Nach den ersten Versuchen zur Feststellung der bestimmt«!
chemischen Aktion der Elektricität, habe ich nicht angestanden, die direfc
teren Resultate der chemischen Analyse auf die Berichtigung der als elektn*
lytische Resultate erhaltenen Zahlen anzuwenden. Dies lässt sich offenbar ifl
vielen Fällen thun, ohne dass man sich gegen die Strenge wissenschaftliche*
Untersuchung zu viel Freiheit herausnimmt. Die Reihe der Zahlen, welche
die elektrochemischen Äquivalente vorstellen, bleiben nothwendig, wie (fie
gewöhnlichen Äquivalente chemisch wirkender Körper, einer beständige!
Berichtigung durch den Versuch und durch vernünftige Schlüsse unterworfen
„845) Ich gebe die folgende kurze Tafel von Ionen und ihren elelctro»
chemischen Äquivalenten mehr als Beispiel eines ersten Versuches denn ak
eine Abhülfe des sehr schnell merkbaren Mangels einer vollständigen uik
vollkommenen Übersicht dieser Klasse von Körpern. In Betracht des aussei
ordentlichen Nutzens einer solchen (vorausgesetzt richtig entworfenen) Taft
für die Entwicklung der innigen Beziehung der gewöhnlichen chemische
Verwandtschaft zu den elektrischen Aktionen und für die Identificirun)
beider, nicht nach blosser Phantasie, sondern durch überzeugende Grund«
mag es erlaubt sein, die Hoffnung auszusprechen, dass die Bemühung immc
darauf gerichtet sein möge, sie zu einer Tafel von wirklichen und nid
hypothetischen elektrochemischen Äquivalenten zu machen; denn sott
übersehen wir die Thatsachen und verlieren die direkt auf Unserem Weg
liegenden Kenntnisse ganz aus dem Auge und Gedächtniss.
„846) Die folgenden äquivalenten Zahlen behaupten nicht genau zu seil
ad fast sämmtlich aus den chemischen Resultaten anderer Naturforsch
Das Gesetz von Faradav.
53S
lommen, zu denen ich in diesem Bezüge mehr Zutrauen als zu mir
st setze.
„847) Tafel über die Ionen:
stoff .
rfelsäure
erstoff
m .
im
im
m .
dum
im
esium
an
Anion<
en.
8
Selensäure . .
, . 64
Weinsäure . . .
. 66
35,5
Salpetersäure .
■ • 54
Citronensäurc . .
• 58
126
Chlorsäure . .
• • 75,5
Kleesäure . . .
• 35
78,3
Phosphorsäure
. • 35.7
Schwefel (?) . .
. 16
18,7
Kohlensäure .
. . 22
Selen (?)
26
Borsäure . .
. . 24
Schwefelcyan
40
Essigsäure . .
•
Kation
• • 5i
en.
1
Kupfer . . .
. . 31,6
Kali
39,2
Kadmium . .
• • 55,8
• 31,3
23,3
Cerium . . .
. . 46
Lithion ....
, 18
10
Kobalt . . .
• • 29,5
Baryt ....
• 7^7
68,7
Nickel . . .
• . 29,5
Strontian . . .
51,8
43,8
Antimon
. . 64,5?
. . 71
Kalk ....
28.«;
20,5
Wismuth . .
Talkerde . . .
. 20,7
12,7
Quecksilber
. . 200
Thonerde . . .
. (?)
27,7
Silber . . . .
. . 108
Oxydule überhaupt.
32,5
Platin . . .
. . 98,6?
. 171,6
57,9
Gold . . . .
. (?)
Cinchonin . . .
. 160
io3,5
Morphin . .
. 290
28
Ammoniak . .
• 17
Pflanzenbasen überhaupt."
Zu dieser Tabelle sind die gleichen Bemerkungen zu machen, wie sie
lern ersten FARADAY'schen Satze oben (S. 531 u. ff.) gemacht worden sind.
damals üblichen chemischen Ansichten, welche die Analogie zwischen
Haloidsalzen und den Sauerstoffsalzen nicht zum Ausdruck brachten,
lern die letzteren aus den bezüglichen Anhydriden bestehen Hessen,
igen Faraday, als Ionen beide Arten der in den Salzen angenommenen
andtheile anzuerkennen. Während Chlorkalium, KCl, keine anderen
n haben kann, als K und Cl, war für Kaliumnitrat, welches bei dem
als angenommenen Atomgewicht des Sauerstoffes, 0 = 8, KNO6, ge-
ieben wurde, sowohl die Möglichkeit der Theilung in K und NO6, wie
in KO und NO6 vorhanden. Berzelius bevorzugte unter der Nach-
ung der irrthümlichen Lehre Lavoisier's, dass alle Säuren Sauerstoff
alten müssten, von vornherein die letztere Auffassung, und nahm ursprüng-
zu deren Gunsten einen Sauerstoffgehalt in den Halogenen, insbesondere
3hlor an. Als diese Ansicht sich als nicht durchführbar erwies, ging er
t vollständig zu der anderen über, sondern behielt die ursprüngliche
den Salzen sauerstoffhaltiger Säuren bei, wo sie formell noch möglich
und hielt es für das geringere Übel, die Analogie zwischen beiden
n von Salzen als die ganze Anschauung aufzugeben; thatsächlich war
allerdings die schlechtere Wahl. Denn jeder erhebliche Fortschritt in
(ji6 Dreizehntes Kapitel.
der wissenschaftlichen Auffassung eines Thatsachengebietes lässt sich kun
dahin charakterisiren, dass die älteren Ansichten auf den Kopf gestellt
werden. Auch hier hätte es der Fall sein müssen; Berzelius aber zog vor,
nur die Hälfte der Theorie in der angedeuteten Weise umzugestalten, und
gelangte dadurch zu einem Gebilde, welches sich nach nicht allzu langer
Zeit als lebensunfähig erweisen musste.
Die Beseitigung dieser durch den damaligen chemischen Lehrbegriff
bedingten Inkonsequenz in der Auffassung der Ionen durch Faraday wurde
später durch Daniell bewerkstelligt, welcher auch auf den Zusammenhang
der Ionentheorie mit der allgemeinen chemischen Theorie der Salze in sach-
gemässer Weise aufmerksam gemacht hat. Wir kommen bald auf diese
Fragen zurück.
Auch kann nicht verschwiegen werden, dass Faraday die richtige Att»
.sieht etwas näher hätte liegen müssen, als den meisten anderen gleich»
zeitigen Forschern. Denn jene einheitliche Auffassung der Salze war voi
seinem Lehrer H. Davy vertreten worden, welcher auch die lange Diskussion
über die Frage nach der Einheitlichkeit des Chlors gegen die französischen
Chemiker und Berzelius siegreich durchgeführt hatte. Faraday war also
unzweifelhaft mit dieser Ansicht bekannt, und hat in diesem Falle gezeigt,
dass die chemische Seite der Wissenschaft seinem Geiste allerdings ferner lag
als die physikalische.
Die Bemerkungen, welche Faraday zu seiner Ionentabelle macht, sind
folgende:
„848) Diese Tafel könnte ferner in Gruppen solcher Substanzen ange-
ordnet werden, die entweder mit einander wirken oder einander ersetze!.
So z. B. wirken Säuren und Basen in Beziehung auf einander; aber ae
wirken nicht in Gesellschaft mit Sauerstoff, Wasserstoff oder elementare«
Substanzen. Es leidet indes wenig oder gar keinen Zweifel, dass wenn man
die elektrischen Beziehungen der Körpertheilchen genau untersuchte, diese
Eintheilung gemacht werden müsste. Die einfachen Substanzen, nebst Cyaii
und Schwefelcyan, und einem oder zwei anderen zusammengesetzten Körper«
werden wahrscheinlich die erste Gruppe bilden, sowie die Säuren und Base%
nebst solchen analogen Verbindungen, die sich als Ionen erweisen, <fe
zweite Gruppe. Ob diese alle Ionen einschliessen werde, oder, ob einfi
dritte Klasse von verwickelterer Beschaffenheit erforderlich sei, müsset
künftige Untersuchungen entscheiden.
„849) Alle unsere jetzigen elementaren Körper sind wahrscheinlich
Ionen, aber gewiss ist es noch nicht. Von einigen ist es wünschenswert^
baldmöglichst entschieden zu sehen, ob sie ein Recht auf den Titel ein»
Ions haben; solche sind: Kohle, Phosphor, Stickstoff, Kiesel, Bor, Aluminium^
Es giebt auch einige zusammengesetzte Körper, namentlich die Thonente
und die Kieselerde, von denen zu wünschen wäre, dass ihnen baldigst durck
unzweifelhafte Versuche ihre Klasse angewiesen würde. Es ist auch mög*
J'ch, dass alle verbindbaren Körper, zusammengesetzte wie einfache, in die
Das Gesetz von Faraday.
537
»r
-.'i i in
der Ionen gehören; doch scheint es mir für jetzt nicht wahrschein-
Die experimentellen Beweise, welche ich besitze, sind noch so gering
Vergleich mit denen, welche in Bezug auf diesen Punkt gesammelt
len müssen, dass ich mich scheue, eine entschiedene Meinung hierüber
sprechen.
,850) Ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn ich die Lehre von der
ten elektrochemischen Aktion für äusserst wichtig halte. Durch ihre
tchen berührt sie, unmittelbarer und inniger als es irgend eine frühere
iche oder eine Reihe von Thatsachen gethan, die schöne Idee, dass
gewöhnliche chemische Verwandtschaft eine blosse Folge sei der elek-
len Anziehungen zwischen den Theilchen verschiedenartiger Substanzen;
id wahrscheinlich wird sie uns zu Mitteln fuhren, durch welche wir im
ide sind, das, was gegenwärtig dunkel ist, aufzuklären, und entweder die
fahrheit dieser Idee vollständig zu erweisen, oder das, was etwa ihre Stelle
Einnehmen könnte, aus einander zu setzen.
„851) Ein sehr grosser Nutzen der elektrochemischen Äquivalente wird
sein, mittelst ihrer in zweifelhaften Fällen zu entscheiden, welches das
^wahre chemische Äquivalent oder bestimmte Verbindungs- oder Atom-
Ifgewicht eines Körpers sei. Denn ich habe eine solche Überzeugung, dass
die nämliche Kraft sei, welche die elektrochemische Zersetzung und die
femeine chemische Anziehung beherrscht, bin so überzeugt von dem über-
väkigenden Einfluss derjenigen Naturgesetze, welche die erstere bestimmt
['machen, dass ich keinen Anstand nehme zu glauben, auch die letztere sei
inen unterthan. Ist aber dies der Fall, so kann ich nicht zweifeln, dass,
bei Annahme von Wasserstoff = 1, und mit Vernachlässigung kleiner Brüche
behufs der Einfachheit der Zahlen, das Äquivalent oder das Atomgewicht
des Sauerstoffes sei 8, des Chlors 39, des Broms 78,4, des Bleis 103,5, des
Zinns 59 u. s. w., ungeachtet eine sehr hohe Autorität mehrere dieser Zahlen
in Zweifel zieht."
7. Allgemeine Betrachtungen. An die Schilderung seiner experimen-
tellen Untersuchungen hat Faraday eine Anzahl allgemeiner Auseinander-
setzungen geknüpft, welche in hohem Maasse lesenswerth sind, da in ihnen
die Grundgedanken der Auffassung niedergelegt sind, welche seitdem sich
ab die maassgebende verbreitet hat. Nur auf eine Unvollkommenheit muss
schon jetzt hingewiesen werden. In Übereinstimmung mit der Ansicht
aller seiner Zeitgenossen und auch einer noch langen Reihe nachfolgender
Physiker betrachtet Faraday die Elektricitätsmenge als das wesentliche Maass
der elektrischen Wirkungen; dadurch werden die Vergleiche, welche er
zwischen den galvanisch zu entwickelnden Elektricitätsmengen und den
entsprechenden elektrostatischen Mengen zieht, unsachgemäss. Denn das
eigentliche Maass der elektrischen Wirkungen oder die elektrische Energie
ist dem Produkte aus Elektricitätsmenge und Spannung oder Potential pro-
portional; theoretisch gesprochen kann daher eine beliebig grosse Wirkung
mit einer beliebig kleinen Elektricitätsmenge verknüpft sein und umgekehrt.
eßg Dreizehntes Kapitel.
Das von Faraday gefundene Gesetz bezieht sich aber nicht auf die elek
Energie selbst, sondern nur auf den einen Faktor desselben, die Elektr
menge; es ist daher nicht zulässig, irgend welche Wirkungen verschi«
elektrischer Entladungen mit einander zu vergleichen, wenn nur di
sprechenden Elektricitätsmengen einander gleich sind: es wäre dies ei
fahren, als wollte man die Wirkungen verschiedener bewegter Masse
nach der Masse vergleichen, ohne die Geschwindigkeit zu berücksic
Auch diese Bemerkungen sind nur gemacht, um dem Anfang
Festsetzung einer irrthümlichen Vorstellung zu ersparen, nicht um Fi
zu tadeln. Denn zu jener Zeit war der EnergiebegrifT noch nicht entv
geschweige in der Elektrik angewendet, und die Unklarheit, in welch<
Faraday hier befand, hat er mit allen seinen Zeitgenossen und vielen
folgern getheilt. Nur war es nöthig, schon hier auf den Punkt hinzm
da alsbald gerade das hier erwähnte Missverständniss den Ausgang
heftiger Angriffe auf das Gesetz selbst gebildet hat.
Um an einem Beispiele die völlige Unabhängigkeit des Faraday
Gesetzes von irgend welchen Arbeits- oder Wirkungsbetrachtungen k
machen, denke man sich in denselben Stromkreis einmal eine Kupfer
zwischen zwei Elektroden von Kupfer, das andere Mal zwischen solche
Platin elektrolysirt. Im ersten Falle wird auf der einen Seite eben«
Kupfer niedergeschlagen, als auf der anderen Seite gelöst wird, ur
chemische Zersetzungsarbeit ist Null, da die Lösung ihren Gehalt glei
nicht ändert. Im zweiten Falle wird dagegen eine der durchgegai
Elektricitätsmenge entsprechende Menge Kupfer metallisch ausgesd
wobei eine äquivalente Menge Sauerstoff entwickelt und freie Schweb
gebildet wird; hier ist also die chemische Arbeit der Zerlegung des K
sulfats in Metall, Sauerstoff und freie Säure zu leisten gewesen. Die »
gegangene Elektricitätsmenge war in beiden Fällen für die gleiche K
menge dieselbe. Was aber verschieden sein musste, ist die Spannung,
welcher der Strom stand; während im ersten Falle eine beliebig
Spannung den Strom unterhalten konnte, war im zweiten eine besä
nicht unbeträchtliche Spannung erforderlich, um überhaupt einen
durch das Gebilde schicken zu können. Die von Faraday gesucht
Ziehung zwischen der chemischen Verwandtschaft und den elektr
Erscheinungen drückt sich nicht in der durch sein Gesetz geregelten
tricitatsmenge, sondern in der für die Zersetzung erforderlichem :
nung aus.
Von der absoluten Elektricitätsmenge, die den TheiLch«:- :
Atomen der Materie beigesellt ist.
„SsJ Die Theorie der festen elektrolytischen oder eleferocböc
Aktion berührt, wie mir scheint, unmittelbar die Frage von cLer ab>:
(Quantität vier den verschiedenen Körpern angehangen Elektrxäa
elektrischen Kra* " Seht ist es unmöglich über diesen Punkt xc sei
Das Gesetz von Faraday. cjg
»hne den gegenwärtigen Bereich der Thatsachen zu überschreiten, und
loch ist es ebenso unmöglich, ja vielleicht selbst unpolitisch, diesen Gegen-
tand nicht zu erörtern. Freilich wissen wir nichts von dem was ein Atom
st, aber wir können doch nicht umhin, uns darunter ein kleines Theilchen
:u denken, welches dasselbe in der Idee vorstellt; und wiewohl wir uns in
ebenso grosser, wenn nicht gar in grösserer Unwissenheit hinsichtlich der
Elektricität befinden, so dass wir nicht sagen können, ob sie eine besondere*
Materie sei, oder ob sie aus mehreren Materien bestehe, ob sie eine blosse
Bewegung der gewöhnlichen Materie sei oder eine dritte Art von Kraft oder
Agens — so giebt es doch eine unermessliche Zahl von Thatsachen, welche
ans zu dem Glauben berechtigt, die Atome der Materie seien begabt oder
vergesellschaftet mit elektrischen Kräften, welchen sie ihre hauptsächlichsten
Eigenschaften verdanken, und unter diesen auch ihre gegenseitige Verwandt-
schaft. Seitdem wir, durch Dalton's Lehre, wissen, dass die chemischen
Kräfte, unter wie verschiedenartigen Umständen sie auch sich äussern, be-
Wmmt sind für jeden Körper, wissen wir auch den in solchen Körpern
>rhandenen relativen Kraftgrad zu schätzen, und wenn zu dieser Kenntniss
:h die Thatsache kommt, dass die Elektricität, welche wir für fähig halten,
mter Beibehaltung ihrer chemischen Kraft, ihren Wohnsitz für eine
feile zu verlassen und von Ort zu Ort zu wandern, gemessen werden kann,
sie, so gemessen, sich ebenso bestimmt in ihrer Wirkung erweist
irgend eine jener Portionen, welche mit den Theilchen der Materie ver-
liipft bleiben und diesen ihr chemisches Verhalten ertheilcn — so
leinen wir das Glied gefunden zu haben, welches den frei gewordenen
iktricitätsantheil verknüpft mit jenem, der den Körpertheilchen in ihrem
itürlichen Zustande angehört.
»853) Nun ist es wunderbar zu beobachten, wie klein die Menge eines
tosammengesetzten Körpers ist, welche durch eine gewisse Portion Elektricität
^ersetzt wird. Betrachten wir beispielshalber diese und einige andere Punkte
bei dem Wasser. Ein Gran Wasser, das zur besseren Leitung angesäuert
forden ist, erfordert zu seiner Zersetzung einen elektrischen Strom von
$,75 Minuten Dauer, und dieser muss stark genug sein, um einen Platindraht
*°n V104 Z°N Dicke1 während dieser ganzen Zeit in Berührung mit der Luft
1 „Ich habe die Länge des angewandten Drahtes nicht angegeben, weil ich durch Versuche
ftode, wie es sich auch theoretisch erwarten Hess, dass sie gleichgültig ist Dieselbe Elektricitäts-
**nge, welche, eine gegebene Zeit lang durchgeleitet, ein Zoll langes Stück Platindraht von
{ewisser Dicke rothglühend machen kann, ist auch im Stande 100 oder 1000 Zoll oder jede
Länge desselben Drahtes auf denselben Grad zu erhitzen, vorausgesetzt nur, dass in beiden
tauen die abkühlenden Ursachen an jeder Stelle gleich seien. Ich habe dies durch das Volta-
Öektrometer erwiesen. Ich habe auch gefunden, dass, es mochten ein Zoll oder acht Zoll
llrändraht in einer constanten dunkeln Rothglühhitze erhalten werden, dennoch in beiden
I^Ülen gleiche Mengen Wassers zersetzt wurden. Wenn ein 1ji Zoll langes Drahtstück ange-
wandt wurde, kam es bloss in der Mitte zum Glühen. Ein dünner Draht kann selbst als ein
»War roher, aber bequemer Regulator des elektrischen Stromes benutzt werden; denn wenn man
Em mit in die Kette bringt, und man die mit ihm verbundenen dickeren Drähte näher zusammen
caq Dreizehntes Kapitel.
rothglühend zu erhalten, und einen sehr hellen und anhaltenden Lichtstrom
zu geben, wenn er irgendwo durch Kohlenspitzen unterbrochen wird. Erwägt
§ man die instantane Entladung der Spannungselektricität, wie sie durch die
schönen Versuche von Herrn Wheatstone erläutert wird,1 und erinnert sich
dessen, was ich früher über die Beziehung zwischen der gemeinen und
VoLTA'schen Elektricität auseinander gesetzt habe (371. 375), so ist nicht n
•viel gesagt, dass diese erfordert werdende Elektricitätsmenge gleich ist einer
sehr kräftigen Blitzentladung. Und doch haben wir sie völlig in unserer
Hand, können sie direkt entwickeln und nach Belieben anwenden; und
wenn sie das Werk der Elektrolysirung vollständig ausgeführt hat, hat
nur die Elemente eines einzigen Gran Wassers getrennt.
„854) Andererseits ist der Zusammenhang zwischen Elektricitätsleitungj
und Wasserzersetzung so innig, dass die eine nicht ohne die andere statt-
finden kann. Wird dem Wasser nur die geringe Veränderung ertheÜ^
welche zwischen ihm im starren und flüssigen Zustande besteht, so ist
Leitung vernichtet und damit auch die Zersetzung. Man mag die Leitung^
als von der Zersetzung abhängig betrachten oder nicht (413. 703), so a£
doch die Beziehung zwischen den beiden Funktionen gleich innig und uiuer»- .
trennlich.
„855) Erwägt man diese innige und doppelte Beziehung, nämlich, da»-"
ohne Zersetzung keine Durchleitung der Elektricität stattfindet, und dass fir-
eine gegebene bestimmte Menge durchgegangener Elektricität eine ebenso
bestimmte und feste Menge Wassers oder anderer Substanz zersetzt wird;
erwägt man ferner, dass das Agens Elektricität einfach angewandt wird, ma
die elektrischen Kräfte, welche in dem seiner Einwirkung unterworfene!
Körper vorhanden sind, zu überwältigen, so erscheint es als eine wahrschein-
liche und fast natürliche Folgerung, dass die durchgeleitete Elektricitätsmenge
das Äquivalent von der der getrennten Theilchen und deshalb ihr gleich
sei, d. h. wenn die elektrische Kraft, welche die Elemente von einem Graft
Wasser in Verbindung erhält, oder welche ein Gran Sauerstoff und Wasser-
stoff, die in richtigem Verhältnisse stehen, zu Wasser vereinigt, in den Zustand
eines Stromes versetzt werden könnte, so würde dieser genau dem Strome
gleich sein, welcher zur Zersetzung jenes Grans Wasser erforderlich wäre.
„856) Diese Ansicht von dem Gegenstand giebt eine fast erdrückende
Idee von der ausserordentlichen Menge oder dem ausserordentlichen Grade
elektrischer Kraft, welche den Körpertheilchen im natürlichen Zustande
angehört; allein sie ist nicht im Geringsten unvereinbar mit den Thatsachen,
welche zur Stütze dieses Punktes beigebracht werden können. Um dies so
erläutern, muss ich einige Worte über die VoLTA'sche Säule sagen.*
oder weiter auseinander schiebt, so dass das Drahtstück in der Kette nahe in derselben Tem-
peratur erhalten wird, so ist der durchgehende Strom von nahe gleicher Starke."
1 „Literary Gazette, i. u. 8. März 1833. — Phil. Mag. 3, 204. 1833. — L'InstituL 261. 183$."
8 „Unter VoLTA'scher Säule verstehe ich solchen Apparat oder solche Anordnung von
Metallen, als man seither mit diesem Namen belegt hat, und wobei Wasser, Salzlösung, Säuren,
Das Gesetz von Faraday. ca\
„857) Da ich beabsichtige, die in der gegenwärtigen und den früheren
leihen dieser Untersuchungen mitgetheilten Resultate späterhin zu einer
läheren Ausmittelung der Quelle der Elektricität des VoLTA'schen Instru-
nentes anzuwenden, so habe ich mich jeder entschiedenen Meinung über
fiesen Gegenstand enthalten; und ohne läugnen zu wollen, dass der metal-
lische Contact oder der Contact verschiedenartiger, zwar leitender, aber nicht
metallischer Substanzen, etwas mit der Entstehung des Stromes zu schaffen
hätte, bin ich doch vollkommen der Meinung Davy's, dass dieser Strom
wenigstens durch chemische Aktion unterhalten werde, und dass das, was
den Strom constituirt, fast ganz aus dieser Aktion entspringt.
„858) Diejenigen Körper, welche, zwischen die Metallplatten einer
VoLTA'schen Säule gebracht, diese wirksam machen, sind sämmtlich
Elektrolyte (476). Ich kann nicht umhin, Jeden, der sich mit diesem
Gegenstand beschäftigt, dringend aufmerksam zu machen, dass in jenen (für
die Säule so wesentlichen) Körpern Zersetzung und Durchleitung des Stromes
10 innig zusammenhängen, dass die eine nicht ohne die andere eintreten
kann. Dies habe ich beim Wasser und in vielen anderen Fällen zum Über-
fluss gezeigt (402. 476). Wenn also die Enden eines Trogapparates mit
einem zersetzbaren Körper, wie Wasser, verbunden sind, haben wir durch
diesen Apparat einen continuirlichen Strom, und während er in diesem Zu-
stand ist, kann man den Theil, wo die Säure die Platten angreift, und den,
*o der Strom auf das Wasser einwirkt, als wechselseitige Dinge betrachten,
h beiden Theilen haben wir die zwei in Körpern wie diese unzer-
trennlichen Erscheinungen, nämlich den Durchgang des Stromes und die
Zersetzung. Und dies gilt sowohl für die Zellen in der Batterie als für die
Wasserzelle; denn bis jetzt ist noch keine VoLTA'sche Batterie erbaut worden,
in welcher die chemische Aktion auf die einer Verbindung beschränkt ge-
wesen wäre; immer ist eine Zersetzung eingeschlossen, und sie ist, glaube
ich, ein wesentlicher chemischer Theil.
„859) Der Unterschied zwischen den beiden Theilen der geschlossenen
Batterie, nämlich zwischen der Zersetzungs- oder Experimentirzelle und den
erregenden Zellen, ist einfach dieser. In der ersteren treiben wir den Strom
durch, allein er ist, wie es scheint, nothwendig von einer Zersetzung begleitet;
in den letzteren veranlassen wir Zersetzungen durch gewöhnliche chemische
Aktionen (welche ihrerseits jedoch elektrisch sind), und in Folge dessen haben
wir einen elektrischen Strom. Und da in der ersten die vom Strom ab-
hängende Zersetzung bestimmt ist, so ist in den letzteren der mit der Zer-
setzung vergesellschaftete Strom auch bestimmt (862 ff.).
„860) Wenden wir dies an zur Stütze dessen, was ich hinsichtlich der
ungeheuren elektrischen Kraft eines jeden Theilchens oder Atoms der Materie
oder andere wässerige Lösungen oder zersetzbare Substanzen (476) zwischen den Platten befind-
lich sind. Andere Arten elektrischer Apparate mögen künftig erfunden werden, und ich hoffe
finen zu constniiren, der nicht zur Klasse der von Volta erfundenen gehört."
CA2 Dreizehntes Kapitel.
vermuthet habe (856). In einer früheren Reihe dieser Untersuchungen,
der Maassbeziehung zwischen gemeiner und VoLTA'scher Elektricität,
ich gezeigt, dass zwei Drähte, einer von Platin und der andere von Zink,
jeder l/19 Zoll dick, und 6/16 Zoll von einander entfernt, eingetaucht bis n
einer Tiefe von 6/8 Zoll in eine Säure, bestehend aus einem Tropfen VitrioBI
und vier Unzen destillirten Wassers von etwa 60 ° F., und verbunden ai
ihren anderen Enden durch einen Kupferdraht von 18 Fuss Länge und
lj1Q Zoll Dicke, in etwas mehr als drei Sekunden Zeit ebenso viel Elektricität
liefern als eine Leidener Batterie, die durch 30 Umdrehungen einer sehr]
grossen und kräftigen Scheibenmaschine geladen worden ist (371). Diese ]
Menge, welche zur Tödtung einer Ratte oder Katze hinreichend gewesen
sein würde, wenn sie als Blitz auf einmal durch den Kopf derselben gegangen :
wäre, wurde durch die gegenseitige Aktion eines so kleinen Stückes Zink- :
draht und des umgebenden Wassers entwickelt, dass der Gewichtsverlust^
den beide erlitten, mit unseren empfindlichsten Instrumenten unwägbar sein
würde. Namentlich musste die Menge des Wassers, welches durch jenen
Strom zersetzt worden war, unmerklich sein, denn während jener drei Sekunden
erschien auf dem Platin kein Wasserstoff.
„861) Welch ungeheure Menge von Elektricität ist demnach zur Zer-
setzung eines einzigen Grans Wasser erforderlich! Bereits haben wir gesehen,
dass sie so gross sein muss, um einen Yio* Zoll dicken Platindraht in 3,75
Minuten langer Berührung mit der Luft rothglühend zu erhalten (853), und
diese Menge ist fast unendlich grösser als die, welche mit dem eben erwähnten
kleinen Volt Aachen Normalapparat entwickelt werden konnte (860. 371).
Ich habe mich bemüht, durch den Gewichtsverlust eines solchen Drahtes in
einer gegebenen Zeit, und in einer solchen Säure, einen Vergleich anzu-
stellen, gemäss eines sogleich zu beschreibenden Satzes und Versuches (862);
allein das Verhältniss ist so gross, dass ich mich fast scheue, es anzugeben.
Es würde sich nämlich daraus ergeben, dass 800000 solcher Entladungen
der eben erwähnten Leidener Batterie nöthig wären, um die zur Zersetzung
eines einzigen Grans Wasser erforderliche Elektricität zu liefern, oder, wenn
ich nicht irre, diejenige Elektricitätsmenge, welche mit den Elementen eines
Grans Wasser im natürlichen Zustande verknüpft ist, und dieselben mit ihrer
gegenseitigen chemischen Verwandtschaft versieht
„862) Zum ferneren Erweise dieses hohen elektrischen Zustandes der
Körpertheilchen und der Gleichheit der Elektricitätsmenge, welche
ihnen eigen ist, und welche zu ihrer Zersetzung erfordert wird,
will ich einen sehr einfachen Versuch beschreiben, der ungemein niedlich
ist, wenn man ihn in Bezug auf die Entwicklung eines Stromes und dessen
zersetzende Kräfte betrachtet.
„863) Eine verdünnte Schwefelsäure, gemacht aus etwa einem Maass-
theil Vitriolöl und 30 Maasstheilen Wasser, wirkt kräftig auf ein Stück Zink-
blech in seinem gewöhnlichen und einfachen Zustand; allein, wie Herr
Sturgeon gezeigt hat, gar nicht oder kaum, wenn die Oberfläche des
Das Gesetz von Faraday. ca*
Falles zuvor amalgamirt worden ist; und dennoch wirkt das amalgamirte
lk als Elektromotor sehr kräftig mit Platin, indem an letzterem Metall
asserstoff entwickelt, und das Zink oxydirt und gelöst wird. Die Amal-
mation lässt sich am besten bewerkstelligen, wenn man einige Tropfen
jecksilber auf die Zinkfläche spritzt, die letztere mit verdünnter Säure
nässt und nun mit den Fingern reibt, um so das Quecksilber über die
tnze Fläche auszubreiten. Das überflüssige Quecksilber, welches Tropfen
if dem Zink bilden würde, muss abgewischt werden. l
„864) Zwei so amalgamirte Zinkplatten wurden getrocknet und genau
wogen. Die eine, welche wir A nennen wollen, wog 163,1 Gran: die andere,
er B genannt, wog 148,3 Gran. Sie waren ungefähr 5 Zoll lang und
4 Zoll breit Eine irdene pneumatische Wanne wurde mit Schwefelsäure
>n der eben beschriebenen Stärke angefüllt (863) und eine mit derselben
iure angefüllte Glasflasche darüber umgekehrt.2 Ein Platinstreif von bei-
ihe derselben Länge, aber drei Mal grösserer Breite als die Zinkstreifen
iirde in die Flasche gebracht. Dann wurde auch der Zinkstreif A in die
asche eingeführt und mit dem Platin in Berührung gesetzt; in demselben
oment wurde auch der Zinkstreif B in die Säure der Wanne gelegt, jedoch
jsser Berührung mit einer metallischen Substanz.
„865) Sogleich wie sich Zink und Platin berührten, trat in der Flasche
ine starke Wirkung ein. Wasserstoff stieg vom Platin auf und sammelte
ch in der Flasche; allein von keiner der Zinkplatten stieg Wasserstoff auf.
1 etwa 10 — 12 Minuten, nachdem sich eine hinreichende Menge Wasserstoff
esammelt hatte, wurde der Versuch abgebrochen. Im Verlauf desselben
rschienen ein Paar Blasen auf dem Streifen B, aber keine auf dem Streifen A.
He Streifen wurden in destillirtem Wasser gewaschen, getrocknet und aber-
lals gewogen. Der Streifen B wog 148,3 Gran wie zuvor, ^hatte also nichts
urch die direkte chemische Aktion der Säure verloren. Der Streifen B
'°S 1 54/55 Gran; es waren mithin 8,45 Gran von ihm während des Ver-
uches oxydirt und gelöst worden.
„866) Das Wasserstoffgas wurde nun über einen Wassertrog gebracht
nd gemessen; es betrug 12,5 Kubikzoll bei 52 ° F. und 28,2 Zoll Baro-
leterstand. Auf vollkommene Trockenheit, mittlere Temperatur und mitt-
len Druck reducirt, betrug es 12,15453 Kubikzoll, wozu noch halb so viel
n Sauerstoff kommt, welcher zu der Anode, d. h. zu dem Zink gegangen
ein musste. Es waren also 18,232 Kubikzoll Sauerstoff und Wasserstoff
us dem durch den elektrischen Strom zersetzten Wasser entwickelt worden,
«ach der früher (791) angenommenen Schätzung des Gewichtes der ge-
1 „Der Versuch kann mit reinem Zink angestellt werden, das, wie die Chemiker wohl
is*^n, verhältnissmässig weniger von verdünnter Schwefelsäure angegriffen wird als das gewöhn-
he Zink, welches hierbei einer Unzahl VoLTA'scher Aktionen unterworfen ist. Siehe de la
ive in der Bibliotheque universelle, 1830, p. 391 (Pogg. Ann. 19, 221)."
* ,,Die Säure war eine Nacht lang mit einem Stückchen unamalgamirten Zinks stehen
a>,sen, damit die Luft entwiche, welche sich etwa hätte entwickeln können.'*
tAA Dreizehntes Kapitel.
wi^
mengten Gase, ist dieses Volum gleich 2,3535544 Gran, und dies daher &
Gewichtsmenge des zersetzten Wassers. Diese Menge verhält sich zu 8,4$
der Menge des oxydirten Zinks, wie 9 zu 32,31. Nimmt man nun 9 ar
Äquivalentzahl des Wassers, so ist 32,5 die Äquivalentzahl des Zinks;1 eine
hinreichend nahe Übereinstimmung, um zu zeigen, was in der That nicht
anders sein konnte, dass für ein Äquivalent oxydirten Zinks ein Äquivalent
Wasser zersetzt worden sein musste.
„867) Betrachten wir aber, wie das Wasser zersetzt wird. Es
elektrolysirt, d. h. voltaisch zersetzt, und nicht (wie es scheint) in der gewöhn«^
liehen Weise chemischer Zersetzungen; denn der Sauerstoff erscheint an der.
Anode und der Wasserstoff an der Kathode des zersetzt werdende^'
Körpers, und diese standen in vielen Theilen des Versuches über einen Zofl^
auseinander. Ferner war die gewöhnliche chemische Verwandtschaft untet-
den Umständen des Versuches nicht stark genug, das Wasser zu zersetze^,
wie es zur Genüge die Wirkungslosigkeit auf die Platte B erwies. Du*
VoLTA'sche Strom war also wesentlich. Um jede Idee zu entfernen, als WirtF
die chemische Verwandtschaft allein hinreichend zur Zersetzung des Wasseft
gewesen, und als möchte unter den obigen Umständen ein schwächerer
Elektricitätsstrom den Wasserstoff zum Hingange zur Kathode veranlasst
haben, brauche ich mich nur auf die Resultate zu berufen, welche ich (807-
8 1 3) gegeben habe, um zu zeigen, dass die chemische Aktion an den Elek-
troden nicht den geringsten Einfluss auf die zwischen ihnen zersetzt werdende*
Mengen von Wasser und anderen Substanzen ausübt, sondern dass diese
gänzlich von der Menge der durchgegangenen Elektricität abhängen.
„868) Was ergiebt sich nun aus dem ganzen Versuch als eine notfc»
wendige Folgerung? Wohl dies: dass die chemische Aktion auf 32,31 Thek
oder ein Äquivalent Zink in dieser einfachen VoLTA'schen Kette im Stande
war, eine solche Menge Elektricität in Gestalt eines Stromes zu entwickeln,
die beim Durchgang des Wassers 9 Theile oder ein Äquivalent von dieser
Substanz zersetzen konnte. Erinnert man sich der bestimmten Elektricität»-
relationen, wie sie in den früheren Theilen dieses Aufsatzes entwickelt worden
sind, so zeigen die Resultate, dass die Elektricitätsmenge, welche, wenn sie
im natürlichen Zustande mit den Körpertheilchen verknüpft ist, diesen ihre
Verbindungskraft verleiht, fähig ist, in einen Strom versetzt, diese Theilchefl
aus ihrem Verbindungszustand heraus zu reissen, oder, mit anderen Worten
dass die Elektricität, welche eine gewisse Menge von S übst an*
zersetzt, und die, welche bei der Zersetzung derselben Mengt
entwickelt wird, gleich sind.
„869) Die Harmonie, welche diese Theorie von der bestimmten Ent-
Wickelung und der entsprechenden bestimmten Wirkung der Elektricität eitt"
fuhrt in die verwandten Theorieen von bestimmten Proportionen und von
der elektrochemischen Affinität, ist sehr gross. Ihr gemäss sind die äqui-
1 „Der Versuch wurde mehrmals mit demselben Erfolg wiederholt"
Das Gesetz von Faraday. cac
:en Gewichte der Körper einfach diejenigen Mengen von ihnen, welche
e Elektricitätsmengen enthalten oder gleiche elektrische Kräfte besitzen.
: die Elektricität, welche die Äquivalentzahl bedingt, weil sie die
ndungskraft bedingt Oder wenn wir die Atomtheorie annehmen, sind
2 in ihrer gewöhnlichen chemischen Aktion zu einander äquivalenten
e der Körper, welche im natürlichen Zustande mit gleichen Mengen
Elektricität verknüpft sind. Aber ich muss bekennen, ich bin vorsichtig
lern Ausdruck Atom;* denn wiewohl es sehr leicht ist von Atomen
den, ist es doch sehr schwierig, sich eine klare Idee von deren
zu machen, besonders wenn zusammengesetzte Körper in Betracht
len.
,870) Ich kann nicht umhin, hier an die schöne Idee zu erinnern,
e, glaube ich, Berzelius in der Entwickelung seiner Ansichten über die
ochemische Theorie der Affinität ausgesprochen hat , dass nämlich
le und Licht, die bei kräftigen Verbindungen entwickelt werden, die
der in dem Momente der Verbindung stattfindenden elektrischen Ent-
g sind. Diese Idee stimmt vollkommen überein mit der von mir
£en Ansicht über die mit den Körpertheilch'en verknüpfte Elektricitäts-
re
,871) Bei dieser Darstellung des Gesetzes von der bestimmten Wirkung
lektricität und deren entsprechenden Proportion in den Körpertheilchen
ipte ich nicht, schon jeden Fall von chemischer oder elektrochemischer
n unter die Herrschaft desselben gebracht zu haben. Es giebt, beson-
in Bezug auf die zusammengesetzten Theilchen der Materie und die
irenden elektrischen Kräfte, welche diese besitzen müssen, viele Betrach-
n theoretischer Natur, welche erst mit der Zeit ihre Entwickelung finden
n; und ebenso giebt es viele experimentelle Fälle, wie z. B. die durch
iche Verwandtschaften gebildeten Verbindungen, die gleichzeitige Zer-
ig von Wasser und Salzen u. s. w., welche noch einer näheren Unter-
ng bedürfen. Was indes auch die Resultate hinsichtlich dieser und
anderer Punkte sein mögen, so glaube ich doch nicht, dass die von
.ufgestellten Thatsachen oder die aus ihnen hergeleiteten allgemeinen
ie dadurch irgend eine bedeutende Änderung erleiden werden; und sie
*n, ungeachtet Vieles unvollkommen und ungethan blieb, Wichtigkeit
, um ihre Bekanntmachung zu rechtfertigen. In der That ist es ein
x Vorzug unserer Wissenschaft, der Chemie, dass Fortschritte in
ben, seien sie gross oder klein, statt den Gegenstand der Untersuchung
ichöpfen, vielmehr Thore öffnen zu neuen und umfassenderen Kennt-
. die denen, welche die leichte Mühe einer Experimentaluntersuchung
scheuen, Freude und Nutzen in Fülle gewähren.
872) Die Bestimmtheit der Elektricitätsentwickelung verbunden mit der
imtheit ihrer Wirkung beweist, meiner Meinung nach, dass der elek-
t Strom durch chemische Zersetzung oder vielmehr durch chemische
1, und nicht bloss durch den Contact unterhalten wird. Allein hier,
•rald, Elektrochemie. 35
Das Gesetz von Famday. 547
Äwris, dass beide Grössen wirklich einander proportional sind, konnte
durch unmittelbare unabhängige Messung beider geliefert werden. Faradav
dann die Lücke ausgefüllt; indem er die Proportionalität seiner aller-
p ziemlich roh durch die Anzahl der Umdrehungen seiner Elektrisir-
chine gemessenen Elektricitätsm engen mit der chemischen Wirkung einer-
i, und mit der Wirkung auf das Galvanometer andererseits nachwies,
irte er beide Hiilfsmittel . zur unabhängigen Messung der Elektricitäts-
gen anwenden und sein Gesetz bezüglich der chemischen Wirkung des
mes mit Hülfe des Galvanometers prüfen.
Die Proportionalität zwischen der chemischen und der magnetischen
kang ihrerseits ist bereits von Ohm aus den Versuchen von Bischof
Igert ;S. 400, unten) und mit klaren Worten ausgesprochen worden.
i befand sich hier in einer noch vorteilhafteren Stellung für den wissen-
ftlich zulänglichen Nachweis der Beziehung, da er mittelst eines Gesetzes
Einfluss des Widerstandes und der Polarisation (s. w. u.)
lechnung bringen konnte, während Faraday für seine
eiSFuhrung auf die Anwendung von Elektricitätsmengen
sehr hoher Spannung, wie sie die Reibungselektrisir-
chine liefert, angewiesen war.
Was den anderen Theil des Gesetzes, die Übereinsrim-
ig zwischen der chemischen und der elektrischen Äqui-
nz, anlangt, so hat er auch hier einen Vorgänger, welcher
entliehe Theile des Gesetzes klar erkannt hatte, nicht
• den weiten Blick besass, um die Tragweite seiner ganz
hgen Erwägungen zu überschauen, und die entsprechen- Nach döbereiner.
Anwendungen zu machen. Dieser Mann ist der Jenenser
siker Döbereiner, der Entdecker der katalytischen Eigenschaften des fein-
seilten Platins gegenüber dem Knallgase und der Erfinder des Platin-
rzeugs.
In seinen „Fortgesetzten physikalisch-chemischen Bemerkungen"1 äussert
ich wie folgt:
„Ich finde, dass eine aus Zink und Platindraht zusammengesetzte ein-
e VoLTx'sche Kette zur grössten chemischen, viele Tage andauernden
tigkeit aufgeregt wird, wenn man das Zink, statt mit verdünnter Säure,
einer Auflösung von Salmiak umgiebt, und ich benutze nun seit einem
b dies einfache Mittel, um chemisch reines Wasserstongas aus verdünnter
säure und verschiedene Metalle völlig rein aus ihren Auflösungen in
irine und Säuren darzustellen.
„Die ganze Vorrichtung dazu besteht, wie man aus der Fig. 134 ersieht,
ms aus einem schmalen Streifen Zinkblech cc von ungefähr 3 oder 4 Zoll
je> welcher an einem Ende mit Platindraht von einer der seinen beinahe
:hen Länge verbunden ist; zweitens in einer 3 bis 4 Zoll hohen, 4 bis
< Gilbert'! Ann. 68, 85. 1821.
ca& Dreizehntes Kapitel.
5 Linien weiten, unten bei x mit Blase zugebundenen Glasröhre bbbb,
welche bestimmt ist, die Flüssigkeit aufzunehmen, auf die der Platindraht
elektrisch einwirken soll; und drittens in einem gläsernen Cylinder aaaa
von i a/2 bis 2 Zoll Höhe und 7 bis 9 Linien Weite, welcher zur Aufnahme
der Salmiaklösung, des Zinkbleches und der eben erwähnten Glasröhre dient,
die mit der elektrochemisch zu behandelnden und mit dem Zinkstreifen
durch den Platindraht verbundenen Flüssigkeit angefüllt ist.
„In diesem, in dem vierten Theile seiner natürlichen Grösse abgebil-
deten kleinen netten Apparate wird mit Wasser verdünnte Salzsäure in
Wasserstoffgas und Chlorine, und fast jedes Metallchlorid in Metall und
Chlorine, sowie endlich die mit Wasser verdünnte Schwefelsäure in oxydirte
Schwefelsäure und Wasserstoffgas zerlegt.
„Das .Wasserstoffgas, welches sich aus der Salzsäure entwickelt, ist
chemisch rein. . . . Das Metall, welches ausgeschieden wird, lagert sich an
dem in die Metallauflösung gesenkten Theil des Platindrahtes, und die frei
gewordene Chlorine, sowie die oxydirte Schwefelsäure geht durch die Blase x
an das mit dieser durch die Salmiakauflösung in Berührung stehende Zink
An diesem selbst geht keine Gasentwickelung vor sich, weil es bloss Chloriiw
oder die oxydirte Schwefelsäure anzuziehen hat; es löst sich bloss von unter
her allmählich auf, und das, was aufgelöst wird, ist stets nur ein äquivalent©
Theil von dem, was in der Röhre entwickelt oder niedergeschlagen wird
Man könnte daher diese Kette eine stöchiometrisch-elektrische nennen."
Diese Stelle lehrt unzweifelhaft, dass Döbereiner sich völlig darübe
klar war, dass die von einander getrennt an den beiden Polen der Kettt
erfolgenden chemischen Vorgänge einander nothwendig äquivalent seil
müssen; damit ist ein Theil des später von Faraday entdeckten Gesetze
gegeben. Gleichzeitig wird aber ersichtlich, dass ihm das Ergebniss al
einigermaassen „selbstverständlich" erschien, derart, dass er wohl auf da
vorhandene Verhältniss hinwies, es aber nicht zum Ausgang weiterer Über
legungen nahm. Im Gegensatz zu dem philosophischen nil admirari besteh
aber eine wesentliche Eigenschaft des Naturforschers darin, dass er sich an
richtigen Orte zu wundern versteht, d. h. dass er sich beständig die Fraget
vorlegt: wohin führt das? und was hat das für Folgen? Die grössten Ent
deckungen werden an den Dingen gemacht, die in Jedermanns Händen sind
und die grössten Wunder sind die offenbaren.
Auch in einem zweiten Punkt war Döbereiner einer wichtigen Erfindung
sehr nahe: sein Apparat unterscheidet sich in nichts von dem, der zu ein
fachen galvanoplastischen Versuchen dient. Wenn er an seinem Platin
draht irgend einen leitenden Körper befestigt hätte, so hätte er ihn mit den
ausgeschiedenen Metall überziehen oder darin abformen können. Hier wa
das Mittel gegeben, die Aufgabe, die dadurch gelöst werden konnte, wa
aber noch nicht gestellt worden und so ging die Beobachtung unbeachte
vorüber. Auch hieraus lässt sich eine nützliche Lehre von allgemeiner Be
schaffenheit ziehen.
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i Das Gesetz von Faraday. 540
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l Einige weitere Beobachtungen Döbereiner's an seiner Kette verdienen
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gleichfalls hervorgehoben zu werden. „Behandelt man in dieser elektrischen
Kette eine Auflösung von Eisen in Chlorine (eine Lösung von Eisenchlorür),
welche freie Salzsäure enthält, so wird zuerst die Salzsäure unter Entwicke-
lung von Wasserstoff und sodann das Eisehchlorür zerlegt. . . . Wendet man
eine mit freier Salzsäure begabte Kupferauflösung an, so wird kein Wasser-
stoff, sondern gleich metallisches Kupfer ausgeschieden, und erst wenn
dieses ganz niedergeschlagen ist, beginnt die Entwickelung des Wasserstoff-
gases."
9. Faraday's elektrochemische Ansichten. Der Inhalt der bis-
bisherigen Untersuchungen Faraday's hat sich noch nicht auf die Hauptfrage
jener Zeit bezogen, die nach der Ursache der elektrischen Erscheinungen
in der VourA'schen Kette. Mit dieser Frage beschäftigt sich unser Forscher
in der achten Reihe seiner Experimentaluntersuchungen über Elektricität,
welche vom 31. März 1834 datirt und in den Philosophical Transactions von
demselben Jahre veröffentlicht worden ist. In diesen Arbeiten bekennt sich
Faraday völlig als ein Vertreter der chemischen Theorie, und weist die
VoLTA'sche Berührungslehre unbedingt ab. Unter den Gründen, welche er
für seine Überzeugung anführt, kann er allerdings keinen unbedingt der
erweiterten Contacttheorie widersprechenden namhaft machen, wie denn
schon wiederholt betont worden war, dass solche experimentelle Beweise
jener Zeit nicht zu Gebote standen; dagegen spielen Betrachtungen über
die Arbeitsquelle des Stromes, also energetische, eine entscheidende Rolle
fiir die Annahme der Notwendigkeit des chemischen Vorganges als Quelle
des elektrischen. Wenn auch Faraday zu jener Zeit nicht im Stande war,
diesen Gesichtspunkt in seiner ganzen Kraft und Bedeutung zur Geltung zu
bringen, und sogar später, als das Gesetz von der Erhaltung der Energie
klar ausgesprochen worden war, durch eine Reihe recht verfehlter Erörte-
rungen bewies, wie schwer es auch den grossen Geistern jener Zeit wurde,
diesen Gedanken in seiner ganzen Einfachheit und Klarheit aufzufassen, so
[ lässt sich doch sein Einfluss nicht verkennen, und wir werden später eine
ganze Anzahl von Äusserungen Faraday's zu verzeichnen haben, in denen
dieser Gedanke mehr oder weniger deutlich zu Tage tritt.
„Über die einfache VoLTA'sche Kette.
„875) Die grosse Frage über den Ursprung der Elektricität in der
VoLTA'schen Säule hat so viele aasgezeichnete Physiker beschäftigt, dass ein
Unbefangener, welcher zwar diese Aufgabe nicht studirt hätte, aber doch
die Talente dieser Männer zu würdigen verstände, glauben könnte, die Wahr-
heit wäre hier einigermaassen aufgedeckt. Wenn aber derselbe in diesem
Glauben eine Vergleichung der Resultate und Schlüsse unternähme, würde
er bald auf solche Widersprüche gerathen, auf solches Gleichgewicht der
entgegengesetzten Meinungen, solche Variation und Combination der Theorie,
dass er völlig in Zweifel bleiben müsste, was er für die wahre Auslegung
cco Dreizehntes Kapitel.
der Natur zu halten habe. Er würde genöthigt sein, die Versuche zu wieder
holen, und dann statt des Urtheils Anderer sein eigenes zu gebrauchen.
„876) Diese Sachlage mag mich in den Augen Derer, die bereits übe
diesen Gegenstand nachgedacht haben, entschuldigen, dass ich auf eint
Untersuchung desselben eingegangen bin. Meine Ansichten über die fest«
Wirkung der Elektricität auf die in Zersetzung begriffenen Körper (783) um
über die Einerleiheit der dabei angewandten Kraft mit der zu überwältigendei
(855), gegründet nicht auf eine blosse Meinung oder oberflächliche Kenntnis«
sondern auf ganz neue, meiner Einsicht nach genaue und entscheidend
Thatsachen, setzen mich, glaube ich, in den Stand, die Aufgabe unter V01
theilen zu untersuchen, die keiner meiner Vorgänger besass und die mir Ersat
für deren höheren Scharfsinn leisten. Betrachtungen dieser Art haben mic
veranlasst, zu glauben, ich möchte zur Entscheidung der Frage Einiges be
tragen können, und im Stande sein, an dem grossen Werke der Eni
fernung zweifelhafter Kenntnisse mitzuwirken. Solche Kenntnisse bilde
das frühe Dämmerungslicht in jeder fortschreitenden Wissenschaft und sir
wesentlich für deren Entwickelung; aHein der, welcher sich bemüht, d
Trügerische in derselben zu zerstreuen und das Wahre deutlicher an's Lic
zu ziehen, ist ebenso nützlich an seinem Platz und ebenso nothwendig f
den Fortgang der Wissenschaft als der, welcher zuerst in die intellectuel
Finsterniss einbricht und zuvor unbekannte Bahnen zur Erkenntniss ai
schliesst.
„877) Die Einerleiheit der Kraft, welche den Volta* sehen Strom od
das elektrische Agens ausmacht, mit derjenigen, welche die Elemente ele
trisch zusammenhält (855), oder in anderen Worten, mit der chemisch«
Verwandtschaft, schien darauf hinzudeuten, dass die Elektricität der Sä«
nichts anderes sei als eine Äusserungs-, Erscheinungs- oder Daseinswei
der wahren chemischen Aktion oder vielmehr ihrer Ursache; und i<
habe demgemäss bereits gesagt, dass ich mit Denen übereinstimme, welcl
glauben, dass die Elektricität von chemischen Kräften hergegeben werde (85;
„878) Allein die grosse Frage, ob sie ursprünglich von dem Meta
contact oder der chemischen Aktion herrühre, d. h. ob jener oder diese d
Strom erzeuge und bedinge, war mir noch zweifelhaft; und der schöi
und einfache Versuch mit Platin und amalgamirtem Zink, welchen ich, nel
den Resultaten, umständlich beschrieben habe (863 u. ff.), entscheidet die»
Punkt nicht; denn in jenem Versuch findet die chemische Aktion nicht ohi
Berührung der Metalle statt, und der Metallcontact ist unwirksam ohne d
chemische Aktion. Mithin kann jener wie diese als die bedingende Ursacl
des Stromes angesehen werden.
„879) Ich hielt es für nothwendig, diese Frage durch die möglichst ei
fachsten Formen des Apparates und des Versuches zu entscheiden, dan
kein Trugschluss sich unversehens einschleiche. Die bekannte Schwierigke
Zersetzungen durch ein einfaches Plattenpaar hervorzubringen, es sei da
in der diese Platten zur Thätigkeit anregenden Flüssigkeit selbst (863), schi
Das Gesetz von Faraday. c r j
mir bei dergleichen Versuchen ein unübersteigliches Hinderniss in den Weg
tu legen; allein ich erinnerte mich der leichten Zersetzbarkeit einer Jod-
kaliumlösung (316), und da ich keinen theoretischen Grund einsah , warum,
wenn Metallcontact unwesentlich sei, nicht ohne denselben eine elektro-
chemische Zersetzung erhalten werden sollte, ging ich an einen solchen
Versuch, und zwar mit Erfolg.
„880) Eine Zinkplatte, etwa 8" lang und o",5 breit, wurde gereinigt und
in der Mitte rechtwinklig gebogen #, Fig. 135. Eine Platinplatte, etwa 3"
lang und o",5 breit, wurde an einem Platindraht befestigt und
letzterer wie b in der Figur gebogen. Beide Metalle wurden wie
in der Zeichnung zusammengestellt, allein noch' ausserhalb des
Gefisses c und seines Inhaltes, welcher aus verdünnter, mit
etwas Salpetersäure gemengter Schwefelsäure bestand. Bei x
wurde ein zusammengeschlagenes und mit Jodkaliumlösung be-
feuchtetes Stück Fliesspapier auf das Zink gelegt, und das Ende
des Platins darauf gedrückt. Wenn alsdann die Platten in die
Säure des Gefässes c getaucht wurden, trat bei x sogleich
eine Wirkung ein; das Jodid wurde zersetzt, und das Jod er- Flß# I35'
Nacli Fara-
schien an der Anode (663), d. h. an dem Ende des Platin- DAY
drahtes.
„881) So lange die Enden der Platten in der Säure blieben, beharrten
der elektrische Strom und die Zersetzung bei x. Bei Fortrückung des
Drahtendes von Stelle zu Stelle auf dem Papier war die Wirkung offenbar
sehr kräftig; und als ich ein Stück Kurkumäpapier zwischen das weisse
Papier und das Zink legte (beide Papiere mit Jodkaliumlösung befeuchtet)
wurde Alkali an der Kathode (663), d. h. am Zink entwickelt, im Ver-
hältniss zur Jodentwickelung an der Anode. Mithin war die Zersetzung
vollkommen polar und entschieden abhängig von einem elektrischen Strom,
der vom Zink durch die Säure zum Platin im Gefässe c und vom Platin
zurück durch die Lösung zum Zink am Papiere x ging.
„882) Dass die Zersetzung bei x eine wahre elektrolytische Aktion war,
herrührend von einem durch die Umstände in dem Gefässe c erzeugten
Strom, und nicht von einer blossen direkten chemischen Aktion des Zinks
und Platins auf das Jodid, und selbst nicht von einem etwa durch Wirkung
der Jodidlösung auf die Metalle bei x hervorgerufenen Strom, zeigte sich
zunächst durch Herausziehen der Platten aus der Säure in dem Gefässe c,
wobei alle Zersetzung bei x aufhörte, und dann indem man die Metalle ent-
weder in oder ausser der Säure in Berührung setzte, wobei zwar eine Zer-
setzung des Jodids bei x eintrat, aber in umgekehrter Ordnung; denn
nun erschien das Alkali am Ende des Platindrahtes und • das Jod am Zink,
der Strom ging also gegen vorhin in umgekehrter Richtung und ward
erzeugt durch den Unterschied der Wirkung der im Papier enthaltenen
Losung auf die beiden Metalle. Daher verband sich dann das Jod mit
dem Zink.
c c 2 Dreizehntes Kapitel.
„883) Bei Anstellung dieses Versuches mit Zinkplatten, die auf ihrer
ganzen Oberfläche amalgamirt waren (863), wurden die Resultate mit gleicher
Leichtigkeit und in gleichem Sinne erhalten, selbst wenn das Gefass c
(Fig. 135) nur verdünnte Schwefelsäure enthielt. Was für ein Ende des
Zinks auch in die Säure getaucht war, so blieben doch die Wirkungen sich ^
gleich, so dass, wenn man auch annehmen wollte, das Quecksilber hätte H
hierbei den Metallcontact abgegeben, doch die Umkehrung des amal-
gamirten Stückes diesen Einwurf vernichtet haben würde. Der Gebrauch
von unamalgamirtem Zink (880) entfernt übrigens jede Möglichkeit eines
Zweifels.
„884) Als in Verfolgung anderer Ansichten (930) das Gefäss c statt der
Säure mit einer Lösung von Ätzkali gefüllt wurde, ergaben sich die näm-
lichen Resultate. Ungehindert trat die Zersetzung des Jodids ein, wiewohl
kein Metallcontact von ungleichen Metallen stattfand, und der elektrische
Strom gleiche Richtung hatte wie bei Anwendung von Säure.
„885) Selbst eine Kochsalzlösung im Glase c brachte alle diese Wir-
kungen hervor.
„886) Ein Galvanometer mit Platindrähten, eingeschaltet in die Bahn
des Stromes zwischen der Platinplatte und dem Zersetzungsort xy zeigte
durch seine Ablenkung Ströme von gleicher Richtung an, wie sie durch die
chemische Aktion nachgewiesen waren.
„887) Betrachten wir diese Resultate im Allgemeinen, so fuhren sie zu
sehr wichtigen Folgerungen. Zunächst beweisen sie aufs Entschiedenste,
dass Metallcontact nicht nothwendig ist zur Erzeugung eines
VoLTA'schen Stromes, und dann zeigen sie eine höchst ungewöhnliche
Beziehung zwischen den chemischen Verwandtschaften der Flüssigkeit, die =
den Strom erregt, und derjenigen, welche durch diesen Strom zersetzt 7
wird. \
„888) Um die Betrachtung zu vereinfachen, wollen wir zum Versuch
mit amalgamirtem Zink zurückkehren. Das so zubereitete Metall zeigt keine
Wirkung, ehe der Strom durchgeht; es führt zugleich keine neue Wirkung
herbei, sondern entfernt bloss einen Einfluss, welcher entweder für die
Erzeugung oder für die Wirkung des elektrischen Stromes fremdartig ist,
und welcher, wenn er zugegen ist, bloss die Resultate verwirrt.
„889) Man bringe eine Platinplatte P parallel
v^ l._ __H. ^ über eine amalgamirte Zinkplatte Z (Fig. 136) und
y z zwischen dieselben, an einem Ende, einen Tropfen
Fig. 136. Nach Faraday. verdünnter Schwefelsäure y. Es wird nun an dieser
Stelle keine merkliche chemische Wirkung eintreten,
bis nicht die Platten irgendwo, wie bei PZ, durch einen Elektricität leitenden
Körper verbunden werden. Ist dieser Körper ein Metall oder Kohle von
gewisser Beschaffenheit, so geht der Strom über, und, da er durch die
Flüssigkeit bei y circulirt, erfolgt daselbst Zersetzung.
Das Gesetz von Faraday. c c 3
„890) Entfernt man nun die Säure bei y und bringt einen Tropfen Jod-
kaliuxnlösung nach x (Fig. 137), so hat man dieselbe Reihe von Erschei-
nungen, ausgenommen, dass wenn bei P Z der Metall-
contact vollzogen wird, der Elektricitätsstrom gegen N ~"~ ( (\
früher eine umgekehrte Richtung hat, wie es durch 2 *
die Pfeile angedeutet ist, welche die Richtung des Fig. 137. Nach Faraday.
Stromes bezeichnen (667).
„891) Nun sind beide Lösungen Leiter; allein die Leitung in ihnen ist
wesentlich mit einer Zersetzung in constanter Ordnung verknüpft (858), und
deshalb ergiebt sich aus dem Auftreten der Elemente an gewissen Orten,
1 in welch einer Richtung der Strom bei Anwendung dieser Lösungen gegangen
l ist Überdies finden wir, dass wenn sie an den entgegengesetzten Enden
r
j; der Platten angewandt werden, wie in den beiden letzten Versuchen (889.
890}, und der Metallcontact an den anderen Enden vollzogen wird, die
Ströme entgegengesetzte Richtungen haben. Wir haben es also offenbar in
unserer Macht, die gleichzeitige Wirkung zweier Flüssigkeiten an den ent-
gegengesetzten Enden der Platten einander gegenüber zu stellen, und die
eine Flüssigkeit als Leiter für die Entladung des Elektricitätstromes zu ge-
brauchen, welchen die andere zu erzeugen trachtet; und in der That brauchen
wir sie nur für den Metallcontact zu substituiren und beide Versuche zu
einem zu combiniren (Fig. 138). Unter diesen Um-
standen findet ein Entgegenwirken der Kräfte statt. \ ? . 0
Die Flüssigkeit, welche die stärkere chemische Ver- r z x
\ wandtschaft für das Zink in Thätigkeit setzt (d. h. die Fig. 138. Nach Faraday.
verdünnte Säure), überwältigt die Kraft der anderen,
und bedingt die Bildung und Richtung des elektrischen Stromes; sie macht
nicht nur den Strom durch die schwächere Flüssigkeit gehen, sondern kehrt
wirklich die Tendenz um, welche die Elemente der letzteren, falls ihnen
nicht so entgegengewirkt würde, zu dem Zink und Platin besitzen, und
zwingt sie, einer entgegengesetzten Richtung als sie geneigt sind, zu folgen,
damit jener Strom freien Lauf gewinne. Entfernt man die vorwaltende
Aktion bei yy indem man daselbst den Metallcontact herstellt, so erlangt die
Flüssigkeit bei x wiederum ihre Kraft; oder bringt man die Metalle bei y
nicht zum Contact, sondern schwächt nur die Verwandtschaften der Lösung
daselbst, während man zugleich die bei x verstärkt, so gewinnen die letzteren
das Übergewicht und die Zersetzungen gehen in umgekehrter Ordnung
Vor sich.
„892) Ehe ich aus dieser gegenseitigen Abhängigkeit der chemischen
Verwandtschaften zweier getrennten Portionen wirkender Flüssigkeiten (916)
eine Schlussfolgerung ziehe, will ich noch umständlicher die verschiedenen
Umstände untersuchen, unter welchen die Reaktion des zersetzten Körpers
auf die Aktion des den VoLTA'schen Strom erzeugenden Körpers, auch in
dem Akt der Zersetzung, sichtbar gemacht wird.
„893) Der Nutzen des Metallcontactes bei einfachen Plattenpaaren
eij4 Dreizehntes Kapitel.
und die Ursache seines grossen Vorzuges vor jeder anderen Art von C<
wird nun sehr einleuchtend. Wenn eine amalgamirte Zinkplatte in verd
Schwefelsäure getaucht wird, ist die chemische Verwandtschaft zwischer
Metall und der Flüssigkeit nicht stark genug, um auf den Berührungsfl
eine merkliche Wirkung hervorzurufen und durch die Oxydation des M<
eine Wasserzersetzung zu veranlassen; allein sie ist kräftig genug, um
Elektricitätszustand (oder eine die chemische Verwandtschaft bedingende
zu erregen, welcher einen Strom erzeugen würde, falls der Weg für <
gebahnt wäre (916. 956), und dieser Strom würde unter den Umst;
die für die Wasserzersetzung nöthigen Bedingungen vervollständigen.
„894) Das Platin, welches zugleich das Zink und die zu zerset
Flüssigkeit berührt, öffnet durch seine Gegenwart nun der Elektriciti
erforderliche Bahn. Seine direkte Communication mit dem Zink i
weitem wirksamer als mit demselben Metall irgend eine andere, die, \
dem schon beschriebenen Versuche (891), mittelst zersetzbarer leit
Körper, oder, in anderen Worten, mittelst Elektrolyte vollzogen
weil die chemischen Affinitäten zwischen solchen Elektrolyten und den:
eine umgekehrte Wirkung hervorrufen, die der der verdünnten Seh
säure widerstreben würde; wenn nun auch diese Aktion nur schwac
muss doch die Verwandtschaft ihrer (der Elektrolyte) Bestandteile zi
ander überwältigt werden, denn sie (die Elektrolyte) können nicht leiten
zersetzt zu werden; diese Zersetzung wirkt erfahrungsgemäss at
Kräfte zurück, welche in der Säure den Strom zu erregen trachten
910 u. s. w.), und in vielen Fällen heben sie dieselben ganz auf. Wo dii
Contact zwischen Zink und Platin stattfindet, werden diese Hemmkräfte
in Thätigkeit gesetzt, und deshalb wird dann die Erzeugung und Circu
des elektrischen Stromes, sowie die begleitende Zersetzungswirkung ung<
begünstigt.
„895) Es ist jedoch klar, dass man eine dieser entgegengesetzten
kungen fortlassen, und dennoch einen Elektrolyt zur Schliessung der
zwischen dem getrennt in verdünnte Säure getauchten Zink und \
anwenden kann. Denn wenn man in Fig. 135 das Platin mit der
platte a bei x in unmittelbarer Berührung erhält, und das Platin irgei
wie bei s, durch eine Jodidlösung unterbricht, so übt diese Lösung, wc
auf beiden Seiten mit Platin in Berührung steht, keine chemische Verw
schaft auf dieses Metall oder mindestens auf beiden Seiten eine gleiche
Ihr Vermögen, einen Strom von umgekehrter Richtung, wie der durc
Wirkung der Säure im Gefässe c bedingte, hervorzurufen, ist also a
hoben, und es bleibt nur ihr Widerstand gegen die Zersetzung durc
von der verdünnten Schwefelsäure ausgeübten Verwandtschaften zu übt
tigen übrig.
„896) Dies sind die Umstände bei einem einfachen Plattenpaar, bei
Metallcontact stattfindet. In solchen Fällen haben die im Gefässe t
waltenden Verwandtschaften nur ein Paar entgegenwirkender Verw
Das Gesetz von Faraday. ccc
.Schäften zu überwinden; dagegen sind zwei Paare solcher Verwandtschaften
xu besiegen, wenn kein Metallcontact zugelassen ist (894).
„897) Es ist für schwierig, ja für unmöglich gehalten, Körper durch
den Strom eines einfachen Plattenpaares zu zersetzen, selbst wenn dies so
kräftig wirkt, dass es Metallstäbe zum Rothglühen bringt, wie z. B. der
ÜARE'sche Calorimotor, wenn man ihm die Einrichtung einer einfachen
VoLTA'schen oder der so wirksamen WoLLASTON^schen Kette giebt. Diese
Schwierigkeit entspringt gänzlich aus dem Antagonismus der den Strom
erzeugenden chemischen Verwandtschaft mit der zu überwältigenden, und
bangt durchaus von der relativen Intensität beider ab. Denn wenn die
Summe der Kräfte jener ein gewisses Übergewicht über die Summe der
Kräfte dieser besitzt, erlangen die ersteren die Oberherrschaft, bedingen den
Strom und überwältigen die letzteren, so dass die Substanz, welche diese
letzteren äussert, ihre Bestandteile, sowohl der Richtung als der Menge
nach, in völliger Übereinstimmung mit dem Laufe derer ausgiebt, die die
stärkere Wirkung ausüben.
„898) In der Wasserzersetzung hat man im Allgemeinen ein chemisches
Prüfmittel für den Durchgang eines elektrischen Stromes gesucht. Allein
nun begann ich den Grund des Misslingens einzusehen, so wie auch den
einer lange zuvor von mir beim Jodkalium beobachteten Thatsache (315.
316), der nämlich, dass Körper, nach der Beschaffenheit und Intensität ihrer
gewöhnlichen chemischen Verwandtschaften, mit ungleiche/ Leichtigkeit
durch einen gegebenen elektrischen Strom zersetzt werden. Dieser Grund
schien mir in ihrer Rückwirkung auf die den Strom zu erregen suchenden
Verwandtschaften zu liegen, und ich hielt es für wahrscheinlich, dass es viele
Substanzen gäbe, die durch den Strom einer einfachen, in verdünnte
Schwefelsäure getauchten Zink-Platin-Kette zersetzt werden könnten, wiewohl
das Wasser deren Wirkung widersteht. Ich fand bald, dass dies der Fall
sei, und da die Versuche neue und schöne Beweise von der direkten Be-
ziehung und Gegenwirkung der den Elektricitätsstrom erzeugenden und der
ihm sich widersetzenden chemischen Verwandtschaften dar-
bieten, so werde ich sie in der Kürze beschreiben.
„899) Der Apparat war wie in Fig. 139 eingerichtet.
Das Gefäss v enthielt verdünnte Schwefelsäure; Z war die
Zinkplatte, P die Platinplatte; a, 6, c waren Platindrähte. Die
Zersetzungen geschahen bei x, und gewöhnlich war bei g ein
Galvanometer in den Bogen eingeschaltet; es ist hier nur die A^i
Stelle desselben angegeben; der Kreis bei g hat keine Be-
ziehung zur Grösse des Instrumentes. Bei x waren die Ein- Nach Faraday.
richtungen verschieden, je nach der Art der Zersetzung, die
daselbst vorgenommen werden sollte. Sollte auf einen flüssigen Tropfen
eingewirkt werden, wurden bloss die beiden Drahtenden in denselben ein-
getaucht; sollte eine in den Poren von Papier enthaltene Flüssigkeit zersetzt
werden, wurde einer der Drähte verbunden mit einer Platte, auf welcher
:*
4>y
556
Dreizehntes Kapitel.
das Papier lag, während der andere Draht auf dem Papier e ruhte (Fig
zuweilen, wie bei Anwendung von Glaubersalz, lagen auf der Plati:
zwei Stücke Papier, und eint
Enden von a und c ruhte auf
Stück (Fig. 141). Die Pfeile
die Richtung des elektrischen S
an (667).
„900) Eine Jodkaliumlösun;
in damit benässtem Papier a
Unterbrechungsstelle bei x ge
worden, wurde leicht zersetzt. D
entwickelte sich an der Anod
das Alkali an der Kathode.
„901) Geschmolzenes Zinn
rür, zersetzte sich ebenfalls leicht
gab Zihnchlorid an der Anode (779) und Zinn an der Kathode.
„902) Geschmolzenes Chlorsilber entwickelte Chlor an der A
und glänzendes metallisches Silber an der Kathode, entweder in Häi
auf der Oberfläche der Flüssigkeit oder in Krystallen darunter.
„903) Mit Schwefelsäure gesäuertes Wasser, verdünnte Salzsäure, Gl
Salzlösung, geschmolzener Salpeter, geschmolzenes Chlor- oder Jodblei a
durch ein bloss durch Schwefelsäure angeregtes einfaches Plattenpaar
zersetzt.
„904) Diese Versuche beweisen genugsam, dass ein einfaches P
paar Körper elektrolysiren und in ihre Bestandteile zerlegen kann
zeigen auch in niedlicher Weise die direkte Beziehung und Gegenwi
der chemischen Verwandtschaften an den beiden Wirkungspunkten. I
Fällen, wo die Summe der widerstrebenden Verwandtschaften bei .
reichend kleiner war als die Summe der thätigen Verwandtschaften
fand eine Zersetzung statt; allein in den Fällen, wo die erstere S
grösser warj widerstand der Körper der Zersetzung und kein Strom
über (891).
„905) Es ist jedoch klar, dass die Summe der thätigen Verwandtsc
bei v erhöht werden kann, wenn man andere Flüssigkeiten als vert
Schwefelsaure anwendet; im letzteren Falle ist es, glaube ich, bloss di
wandtschaft des Zinks zu dem im Wasser bereits mit Wasserstoff v*
denen Sauerstoff, durch deren Äusserung der Strom erregt wird (919
wenn die Verwandtschaften so erhöht sind, führen die von mir vorgetn
Ansichten lu dem Schluss, dass Körper, welche in den vorhergehende
suchen widerstanden, zersetzt werden müssen, wegen des vergrösserten
schiedes zwischen ihren und den so erhöht thätigen Verwandtschaften
bestätigt sich folgendermaassen.
„906) Zu der Flüssigkeit im Gefässe v wurde etwas Salpetersäure \
um eine Mischung zu erhalten, die ich verdünnte Salpeter- Schwef«
Das Gesetz von Faradav.
557
lennen werde. Bei Wiederholung der Versuche mit dieser Mischung wurden
ille zuvor zerlegten Körper wiederum zersetzt, und zwar viel leichter. Allein
iberdies gaben jetzt viele, die zuvor der Elektrolysirung widerstanden, ihre
Elemente aus. So gab Glaubersalzlösung, mit der Lackmus- und Kurkuma-
Hpier befeuchtet worden, Säure an der Anode und Alkali an der Ka-
:hode; Salzsäure, gefärbt durch Indigo, lieferte Chlor an der Anode und
Wasserstoff an der Kathode; Lösung von salpetersaurem Silber gab Silber
an der Kathode aus. Ferner zeigten sich geschmolzener Salpeter, geschmol-
»enes Jodblei, geschmolzenes Chlorblei zersetzbar durch den Strom eines
einfachen Plattenpaares, was früher (903) nicht der Fall war.
„907) Eine Lösung von essigsaurem Blei wurde anscheinend durch dies
Plattenpaar nicht zersetzt, auch mit Schwefelsäure angesäuertes Wasser schien
anfangs nichts auszugeben (973).
„908} Die Erhöhung der Intensität des von einer einfachen VoLTA'schen
ffctte hervorgebrachten Stromes mit der Verstärkung der chemischen Aktion
;>k hier genugsam deutlich. Um sie jedoch in ein noch helleres Licht zu
letzen und um zu zeigen, dass die Zersetzungswirkung in den letzteren
fällen nicht bloss von der Fähigkeit zur Entwicklung von mehr Elektricität
fohange, wurden Versuche angestellt, bei denen die entwickelte (Elektricitäts;-
Äenge, ohne Veränderung in der Intensität der erregenden Ursache, ver-
wässert war. So wurden die Versuche, bei denen verdünnte Schwefelsäure
lebraucht war (899), mit Anwendung derselben Säure, aber grosser Platten
on Zink und Platin wiederholt; allein die Körper, welche vorhin der Zer-
etzung widerstanden, thaten es auch jetzt. Nun nahm ich Salpeter-Schwefel-
äure und tauchte in dieselbe blosse Drähte von Platin und Zink; allein
Qgeachtet dieser letzteren Abänderung wurden nun die Körper zersetzt,
*elche früher dem durch die verdünnte Schwefelsäure erregten Strom wider-
änden. Salzsäure z. B. konnte durch ein einfaches, in verdünnte Schwefel-
iure eingetauchtes Plattenpaar nicht zersetzt werden; Verstärkung der
chwefelsäure oder Vergrösserung des Zinks und Platins erhöhten die Wirk-
fcmkeit dieses Plattenpaares nicht; allein als ein wenig Salpetersäure zu der
erdünnten Schwefelsäure gesetzt ward, erlangte die entwickelte Elektricität
ie Kraft, Salzsäure zu zersetzen, Chlor an der Anode und Wasserstoff an
er Kathode zu entwickeln: selbst wenn die Metalle als blosse Drähte
ngewandt wurden. Diese Verstärkungsart der Intensität des elektrischen
Stromes schliesst die von der Vermehrung der Plattenpaare oder selbst die
im der Concentration der Säure abhängige Wirkung aus, und ist daher der
leschaffenheit und Stärke der in Thätigkeit gesetzten chemischen Verwandt-
chaften zuzuschreiben; sie kann, sowohl ihren Principien nach als in Praxis,
b völlig verschieden von jeder anderen Verstärkungsart angesehen werden."
Die Versuche, über welche Faraday vorstehend berichtet hat, zeigen,
ass galvanische Vorgänge ohne Metallcontact möglich sind. Thatsächlich
ihren sie nichts mehr, als die von Davy in den ersten Tagen der Säule
ebauten Ketten aus einem Metall und zwei verschiedenen Flüssigkeiten, in
ccß Dreizehntes Kapitel.
denen gleichfalls der Metallcontact vermieden war, denn auch gegen
Versuche konnte dasselbe angewendet werden, was gegen jene gesagt woi
war: dass nämlich der vorhandene Strom von den Contactkräften zwisc
Metall und Flüssigkeit herrührte. Auch ist dieser Einwand, welcher fo
unwiderlegbar war, alsbald von Pfaff und anderen erhoben worden. AI
etwas anderes, was für die Lehre von der chemischen Quelle des di
trischen Stromes in der Kette von grösster Bedeutung werden sollte,
gleichzeitig hervor, und wurde von Faraday richtig verwerthet Auch
dieser Gelegenheit zeigt sich die specielle Begabung dieses grossen
achters in ihrem glänzendsten Lichte. Während das nächste Ziel ganz «i
anders lag, versäumte er nicht, sein Augenmerk auf ein Nebenresultat seind
Versuche zu richten, welches bald eine höhere Bedeutung erlangen soOft^
als jenes unmittelbare Ziel einer Kette ohne Metallcontact Es war dies <kj
unzweifelhafte Zusammenhang zwischen der zersetzenden Wirkung der eoi
fachen Kette und der Stärke der chemischen Verwandtschaft, welche datrt)
einerseits in der Kette befriedigt wurde, andererseits in der Zersetzungsxdl
getrennt werden sollte. Der lange gesuchte Zusammenhang zwischen dl
chemischen' Verwandtschaft und den entsprechenden elektrischen Gros«
der VoLTA'schen Kette trat hier zum ersten Male deutlich zu Tage; tflti
insbesondere der in (908) enthaltene Nachweis, dass nicht die Menge di
entwickelten Elektricität, sondern das, was Faraday ihre Intensität nenfll
und was wir jetzt mit dem Namen der Spannung oder des Potentials bc
zeichnen, den Sinn des Stromes, und somit den Gang der Zersetzaa)
bestimmt, ist für die Hauptfrage von entscheidender Bedeutung. Freifid
dauerte es noch lange, bis die hier vorhandenen, im Grunde einfachen Va
hältnisse völlig klar eingesehen wurden, und es war der Elektrochemie nod
ein weiter Umweg beschieden, bevor das so nahe daliegende Ziel errekl
wurde; die Anfänge des richtigen Weges lagen indessen hier schon vor.
In der That waren in diesen Untersuchungen Faraday's die entschd
denden Grundlagen der chemischen Theorie des Galvanismus gegebei
Durch das Gesetz von der Proportionalität zwischen der Menge der durcft
gehenden Elektricität und dem Betrage der chemischen Zersetzung wa
ausgesprochen, dass bei jeder Elektricitätsbewegung durch eine Elcktrodi
d. h. durch die Grenzfläche zwischen einem metallischen Leiter und ein«
Elektrolyt ein proportionaler chemischer Vorgang eintreten muss. Da na
VoLTA'sche Ketten nothwendig solche Grenzflächen enthalten, war hierdurc
bewiesen, dass keine solche Kette den geringsten Strom ohne chemisch
Wirkung in Bewegung setzen oder durchlassen kann. Damit war es ein fi
alle Mal unmöglich gemacht., von Ketten ohne chemische Wirkung 1
sprechen. Die Elektricitätsmenge, welche durch solche Ketten in Bewegofl
gesetzt wurde, war somit fest bestimmt, sie war der Menge der durch de
Strom umgesetzten Stoffe proportional. Die andere entscheidende elektrisd
Grösse, die Spannung, war weiter als der chemischen Verwandtschaft vc
muthlich proportional, oder doch wenigstens mit ihr in gleichem Sinne *i
Das Gesetz von Faraday.
559
abnehmend erkannt worden; hiermit war eine vollständige chemische
>rie der VoLTA'schen Kette in der Grundlage gegeben.
Wenn es dennoch zunächst keineswegs gelang, diese einfachen Grund-
alsbald zur Geltung zu bringen, und wenn weiterhin noch ein halbes
tundert vergehen musste, bevor der Schritt in genügender Weise gethan
le, so ist dies wieder ein Beweis für die immer wiederholte Erfahrung,
ausserordentlich schwer es ist, gerade das ganz Einfache zu sehen. Wir
len mit Erstaunen wahrnehmen, wie gerade Faraday später selbst den
Feg einschlug, auf welchem er seinem Gesetz den besten Theil seiner Kraft
die Aufklärung der schwebenden Frage nahm, indem er neben der dem
unterworfenen elektrolytischen Leitung in den Leitern zweiter Klasse
eine metallische zugab. Dadurch war der durch das strenge Gesetz
ausgewiesenen Idee einer Kette ohne chemische Wirkung wieder ein
tilg geöffnet, und die auf jener strengen Anwendung beruhenden Schlüsse
ten nicht gezogen werden. Und als nach langer Zeit in Folge gedul-
und genauer Arbeit sich ergeben hatte, dass in der That das ganz
:he und strenge Gesetz gülti'g ist, und dass keinerlei metallische Leitung
der elektrolytischen jemals nachgewiesen werden konnte, da war das
jin von der Macht dieses Gesetzes in der Frage der Theorie des
tismus schon so weit geschwunden, dass es lange Zeit dauerte, bis
sich auf den oben gegebenen Schluss besann.
10. Faraday's elektrochemische Verwandtschaftslehre. Aus den
[nchstehenden Darlegungen Faraday's ersieht man, dass ihm die grosse
'Bedeutung des von ihm soeben ausgesprochenen Zusammenhanges zwischen
der „Intensität" seiner Ketten und der chemischen Verwandtschaft der
betheiligten Stoffe sehr lebhaft gegenwärtig war. Die in (912) mitgetheilte
Reihenfolge der Zersetzbarkeit seiner Elektrolyte ist daher eine Reihenfolge
der entsprechenden chemischen Verwandtschaften, und in diesem Sinne
um grösster Bedeutung. Auch ist besonders auf die Vorsicht hinzuweisen,
■it welcher er auf die mögliche Mitwirkung der Elektroden an den che-
mischen Vorgängen hinwies, durch welche der chemische Prozess, und
demgemäss auch die entsprechenden elektrischen Verhältnisse erhebliche
Änderungen erfahren können.
„909) Die direkte Beziehung, welche so in der einfachen VoLTA'schen
Kette zwischen der Intensität des elektrischen Stromes und der Intensität
der an dem Orte, wo das Dasein und die Richtung des elektrischen Stromes
bedingt wird, in Thätigkeit gesetzten chemischen Aktion experimentell nach-
(ewiesen ist, fuhrt zu dem Schluss, dass man bei Anwendung geeigneter
Körper, wie geschmolzener Chloride, Salze, Lösungen von Säuren u. s. w.,
»eiche auf die angewandten Metalle mit verschiedenen Graden von chemischer
Kraft einwirken, und auch bei Anwendung von Metallen in Verknüpfung
■it Platin oder mit anderen, welche in dem Grade der zwischen ihnen und
der erregenden Flüssigkeit oder dem Elektrolyte ausgeübten chemischen
Aktion verschieden sind — in den Stand gesetzt werde, eine Reihe von
c6o Dreizehntes Kapitel.
vergleichungsweise constanten, durch elektrische Ströme von verschieden«
Intensität hervorgebrachten Wirkungen zu erhalten, und nach diesen eine
Skale zu entwerfen, in welcher durch künftige Untersuchungen die relativen
Intensitätsgrade genau festzusetzen sind.
„910) Ich habe bereits über die Zersetzung an der Experimentirstelle
die Ansicht aufgestellt, sie sei die direkte Folge der an einem anderen Orte
ausgeübten Kraft von gleicher Art mit der zu überwältigenden, und sei
folglich das Resultat eines Antagonismus von Kräften gleicher Natur (89!.
904). Die Kräfte an dem Zersetzungsort haben eine Einwirkung auf die
erregenden und bestimmenden Kräfte proportional mit dem, was zur Übet^
wältigung ihrer selbst erforderlich ist, und daraus entspringt das sonderbare
Resultat eines Widerstandes durch Zersetzungen, gegen die ursprünglich
bedingende Kraft, und folglich auch gegen den Strom. Dies zeigt sich gut in
den Fällen, wo Körper, wie Chlorblei, Jodblei und Wasser durch den von einer
einfachen Zink-Platin-Kette in Schwefelsäure erzeugten Strom nicht zersetit
werden (903), obschon es mittelst eines intensiveren, durch stärkere chemische;
Kräfte hervorgerufenen Stromes geschieht. In dergleichen Fällen geht keia
merklicher Theil des Stromes durch (967); die Wirkung ist gehemmt; und
ich bin jetzt der Meinung, dass bei dem Leitungsgesetz, welches ich in der 1
vierten Reihe dieser Untersuchungen beschrieben habe (413), die Körper,
welche im flüssigen Zustande elektrolysirt wurden, darum in fester Gestalt
keine Elektrolysirung mehr erlitten, weil die Anziehungen, welche die Theilchen
in Verbindung und in ihrer relativen Lage erhielten, zu mächtig waren für!
den elektrischen Strom. Die Theilchen blieben also in ihrer Stellung, und j
da die Zersetzung verhindert war, war es auch der Durchlass der Elektricität ;
Wenn man auch eine Batterie von vielen Platten anwendet, wird doch, felis :;
sie nur genau von der Art ist, dass keine fremdartige oder indirekte Wir-
kung (1000) hinzutreten kann, das Ganze der die Thätigkeit jener Batterie
betreffenden Verwandtschaften aufgehoben und aufgewogen.
„911) In Bezug auf den Widerstand in einzelnen Zersetzungsfallcn
erhellt indes, dass, da diese an Stärke verschieden sind, je nach den Ver-
wandtschaften, durch welche die Elemente der Substanz ihre Orte zu behalten
streben, sie auch Fälle liefern werden, die eine Reihe von Graden ausmachen,
durch welche die ursprünglichen Intensitäten einfacher VoLTA'scher oder
anderer Elektricitätsströme gemessen werden können, und welche, verbunden
mit der durch die verschiedenen Grade der wirkenden Kraft bestimmten
Intensitätsskale (909), wahrscheinlich eine hinreichende Reihe von Unter-
schieden darbieten werden, um fast jedem wichtigen Fall, wo eine Bezug-
nahme auf die Intensität erforderlich wäre, zu entsprechen.
„912) Nach den Versuchen, welche ich bisher habe anstellen können,
finde ich, dass die folgenden Körper elektrolytisch sind in nachstehender
Ordnung, worin jeder durch einen schwächeren Strom zersetzt wird als der
nächstfolgende. Diese Ströme waren immer die eines einfachen Plattenpaares,
und können als elementare VoLTA'sche Ströme angesehen werden.
Das Gesetz von Faraday. 561
Jodkalium (gelöst) Jodblei (geschmolzen)
Chlorsilber (geschmolzen) . Salzsäure (gelöst)
Zinnchlorür (geschmolzen) Wasser, gesäuert durch Schwefel-
Chlorblei (geschmolzen) säure.
„913) Bei allen Bemühungen > die zur Zersetzung verschiedener Körper
»forderliche relative elektrolytische Intensität zu bestimmen, ist es wesent-
kh, dass man die Natur der Elektrode und der anderen anwesenden Körper,
»eiche secundäre Aktionen begünstigen könnten (986), beachte. Wenn bei •
iner Elektrozersetzung eines der abgeschiedenen Elemente eine Verwandt-
chaft zu der Elektrode oder zu den in der umgebenden Flüssigkeit befind-
ichen Körpern besitzt, so wird dadurch die der Zersetzung widerstrebende
Verwandtschaft zum Theil aufgewogen, und man findet nicht den wahren
)rt des Elektrolyts in einer Tafel der obigen Art. So verbindet sich Chlor
wt der positiven Platinelektrode leicht, Jod aber beinahe gar nicht, und
aber, glaube ich, steht das Bleichlorid in der vorhergehenden Tafel oben an.
Venn ferner bei der Wasserzersetzung nicht bloss Schwefelsäure, sondern
uch etwas Salpetersäure zugegen ist, so wird das Wasser leichter zersetzt,
enn der Wasserstoff an der Kathode wird zuletzt nicht ausgetrieben, son-
lera findet in der Salpetersäure Sauerstoff, mit dem er sich zu einem secun-
laren Produkt verbinden kann. Auf diese Weise sind die der Zersetzung
iriderstrebenden Verwandtschaften geschwächt, und die Bestandteile des
Wassers können durch einen Strom von geringerer Intensität getrennt
irerden.
„914) Dieses Princip kann man benutzen, um in der bereits (909. 911)
erwähnten Skale der Initial-Intensitäten kleinere Grade, als daselbst voraus-
gesetzt wurden, zu interpoliren; denn indem man die Kraft eines Stromes
von constanter Intensität verbindet mit dem Gebrauch von Elektroden, die
ui den aus dem zersetzten Elektrolyt entwickelten Elementen mehr oder
weniger Verwandtschaft haben, lassen sich verschiedene intermediäre Grade
erhalten.
„915) Kehren wir zu der Erörterung über die Herkunft der Elektricität
i8;8 etc.) zurück, so giebt es einen anderen Beweis der vollkommensten Art,
dass der Metallcontact nichts mit der Erzeugung der Elektricität in der
VoLTA'schen Kette zu schaffen habe, und ferner, dass die Elektricität nur
eine andere Art der Äusserung chemischer Kräfte sei. Diesen Beweis giebt
die Erzeugung des elektrischen Funkens, ehe der Metallcontact vollzogen
ist, bloss durch die Wirkung rein und ungemischt chemischer Kräfte.
Der Versuch, den ich weiterhin beschreiben werde (956), besteht in der Dar-
stellung eines elektrischen Funkens durch Vollziehung des Contactes zwischen
einer Zink- und Kupferplatte, die beide in verdünnte Schwefelsäure einge-
taucht sind. Um die Vorrichtung so einfach als möglich zu machen, wurden
keine amalgamirten Flächen angewandt, sondern der Contact durch einen
iupferdraht vollzogen, der mit der Kupferplatte verbunden war, und dann
nit einer blanken Stelle der Zinkplatte in Berührung gesetzt ward. Nun
Ostwald, Elektrochemie. 36
562 Dreizehntes Kapitel.
■
erschien der elektrische Funke, der also notwendiger Weise übergesprungea
sein musste, ehe Zink und Kupfer in Berührung kamen.1
„916) Um die Grundsätze deutlicher zu machen, welche ich aufzustellen
bemüht gewesen bin, will ich sie, nach meiner jetzigen Ansicht, in ihrer
einfachsten Form auseinander setzen. Die Elektricität der VoLTA'schen
Säule ist, sowohl ihrem Ursprünge als ihrer Fortdauer nach, nicht ab-
hängig von der gegenseitigen Berührung der Metalle (880. 915). Sie rührt
•gänzlich von chemischer Wirkung her (882), und ist in ihrer Intensität pro»
portional den zu ihrer Erzeugung beitragenden Verwandtschaften (909), sowie
ihrer Menge nach proportional der Menge von Substanz, welche während
ihrer Entwicklung chemisch thätig ist (869). Diese feste Erzeugung ist
wiederum einer der strengsten Beweise, dass die Elektricität chemischen
Ursprunges ist.
„917) Wie die Erzeugung der VoLTA'schen Elektricität ein Fall von ,
chemischer Aktion ist, so ist auch die Zersetzung durch VoLTA'sche Elek-
tricität ein blosser Fall von dem Übergewicht einer Gruppe von kräftigeren
chemischen Verwandtschaften über eine andere Gruppe von schwächeren; und
wenn man das Beispiel zweier entgegenwirkender Gruppen solcher Kräfte (891)
erwägt und sich ihrer wechselseitigen Beziehung und Abhängigkeit erinnert,
scheint es nicht nöthig, in Bezug auf solche Fälle einen anderen Ausdruck
als den: chemische Verwandtschaft zu gebrauchen (wiewohl der: Elektricität,.
sehr passend sein mag), so wenig es nöthig ist, irgend ein neues Agens ab ;
mitwirkend zur Erzeugung der Resultate vorauszusetzen; denn wir können ■
i
annehmen, dass die Kräfte an den beiden Orten der Wirkung durch Ver-
mittelung der Metalle (Fig. 138) in direkter Gemeinschaft stehen und gegen
einander balancirt werden (891), auf ähnliche Art wie es bei mechanischen
Kräften mittelst des Hebels der Fall ist
„918) Alle diese Thatsachen zeigen uns, dass die Kraft, die man
gewöhnlich chemische Verwandtschaft nennt, durch Metalle und gewisse
Kohlenarten in Distanz mitgetheilt werden kann, dass der elektrische Strom
nur eine andere Form der chemischen Verwandtschaftskräfte ist, dass seine
Kraft den ihn erzeugenden chemischen Verwandtschaften proportional geht,
dass wenn er Mangel an Kraft leidet, ihm durch chemische Kräfte aufge-
holfen werden kann, dass der Mangel der ersteren durch ein Äquivalent der
letzteren ersetzt wird; dass, mit anderen Worten, die Kräfte, welche man
Affinität und Elektricität nennt, eines und dasselbe sind. 1
„919) Prüft und vergleicht man die Umstände bei der Erzeugung der |
Elektricität in der gewöhnlichen Voi/TA'schen Kette, so erhellt, dass dk
Quelle jenes Agens (darunter immer die Elektricität verstanden, welche cir-
culirt und den Strom in dem VoLTA'schen Apparat vervollständigt, diesem
Apparate Kraft und Charakter giebt (947. 996)) existirt in der chemischen ]
1 Den Beweis aus dem Erscheinen des Funkens vor der Berührung hat Fajladay spater
zurückgenommen, so dass wir uns nicht weiter mit ihm zu beschäftigen haben.
Bas Gesetz von Faraday. 563
Aktion, welche direkt stattfindet zwischem dem Metall und dem sich mit
diesem verbindenden Körper, und durchaus nicht in der späteren Wirkung
der dabei erzeugten Substanz auf die vorhandene Säure.1 So ist, wenn
Zink, Platin und verdünnte Schwefelsäure gebraucht werden, die Vereinigung
des Zinks mit dem Sauerstoff des Wassers das Bedingende des Stromes;
and wiewohl die Säure wesentlich ist zur Fortschaffung des dabei gebildeten
Oxydes, damit eine andere Portion Zink auf eine andere Portion Wasser
wirken könne, so bringt sie doch durch Verbindung mit jenem Oxyde keine
merkliche Portion des circulirenden Stromes hervor. Denn die Quantität
der Elektricität hängt ab von der Quantität des oxydirten Zinks und hat
ein festes Verhältniss zu derselben; und die Intensität der Elektricität ist
proportional der Verwandtschaft des Zinks zu dem Sauerstoff unter den
obwaltenden Umständen, und sie erleidet kaum, wenn überhaupt, irgend eine
Abänderung durch den Gebrauch von starker oder schwacher Säure (908).
„920) Wenn ferner Zink, Platin und Salzsäure gebraucht werden, scheint
die Elektricität von der Verwandtschaft des Zinks zum Chlor abzuhängen,
und genau im Verhältniss zu der, in der That zu einander äquivalenten
Anzahl der sich verbindenden Zink- und Chlortheilchen in Circulation gesetzt
xu werden.
„921) Allein, wenn man die Oxydation oder eine andere direkte Ein-
wirkung auf das Metall selbst als die Ursache und Quelle des elektrischen
Stromes betrachtet, ist es von der äussersten Wichtigkeit zu bemerken, dass
der Sauerstoff oder andere Körper sich in einem besonderen Zustand, näm-
Bch in dem Zustand der Verbindung befinden muss, und nicht bloss dies,
sondern, ferner beschränkt, in einem solchen Verbindungszustand und solchem
Verhältniss, worin er einen Elektrolyten constituirt (823). Eine Zink- und
eine Platinplatte, in Sauerstoffgas miteinander verknüpft, vermögen nicht
einen elektrischen Strom zu erzeugen oder als eine VoLTA'sche Kette zu
wirken, selbst wenn man die Temperatur so steigert, dass das Zink sich bei
Weitem rascher oxydirt als im Fall das Plattenpaar in verdünnte Schwefel-
säure getaucht wäre, denn dieser Sauerstoff macht keinen Theil eines Elek-
trolyten aus, und kann daher die Kräfte vermittelst Zersetzung oder gar
wie die Metalle durch sich selbst nicht weiter leiten. Sollte jemand an dem
gasigen Zustand Anstoss nehmen, so denke er sich flüssiges Chlor. Dies
erregt, indem es sich mit dem Zink verbindet, keinen Elektricitätsstrom durch
die beiden Platten, denn seine Theilchen können nicht die an dem Ver-
bindungspunkt thätige Elektricität zu dem Platin durchleiten. Es ist an sich
kein Leiter wie die Metalle, auch ist es kein Elektrolyt, also während der
Zersetzung nicht der Leitung fähig, und folglich findet an der Stelle eine
blosse chemische Aktion und kein elektrischer Strom statt.2
1 Wollaston, Phil. Trans. 1801, p. 427.
9 „Ich will nicht behaupten, dass in solchen Fällen gar keine Spuren von Elektricität
«scheinen. Ich meine nur, dass auf keine Weise Elektricität erregt werde, die von den die
VbLTA'sche Elektricität erregenden Ursachen herrührte, oder zu ihnen Bezug hätte, oder ihner
J6*
k
cQa Dreizehntes Kapitel.
„922) Man könnte auf den ersten Blick vermuthen, ein leitender, aber
nicht elektrolytischer Körper vermöge die dritte Substanz zwischen dem
Zink und Platin abzugeben, und wahr ist, dass es dergleichen giebt, welche
fähig sind, eine chemische Wirkung auf die Metalle auszuüben. Sie müssen
jedoch aus den Metallen selbst genommen werden, denn ausser diesen und
der Kohle giebt es keine Substanzen dieser Art Um diesen Gegenstand
durch einen Versuch zu entscheiden, machte ich die folgende Vorrichtung.
Von geschmolzenem Zinn brachte ich so viel in eine V-förmig gebogene
Röhre, dass deren Arme zur Hälfte gefüllt wurden (Fig. 142) und steckte
darauf zwei dicke Platindrähte bis zu einer gewissen Tiefe
in das Zinn, Hess nun das Ganze erkalten, und verband
die Enden / und w mit einem empfindlichen Galvano-
meter. Darauf erhitzte ich bei x die Röhre aufs Neue}
während der Arm y kalt gelassen wurde. Sogleich wurde
das Galvanometer durch den thermoelektrischen Strom
ergriffen. Ich steigerte die Hitze bei x fortwährend, l»
endlich Zinn und Platin sich daselbst verbanden, was
bekanntlich unter einer starken chemischen Aktion und I
Fig. 142. lebhafter Erglühung geschieht; allein dennoch wurde die
Wirkung auf das Galvanometer nicht im Mindesten dabei
erhöht. Während der ganzen Zeit war keine andere
Ablenkung zu beobachten als die von dem thermoelektrischen Strom her-
rührende. Wiewohl hier also ein Leiter, und zwar ein chemisch auf das
Zinn wirkender, angewandt wurde, Hess sich doch, da derselbe kein Elek- ;
trolyt war, nicht die geringste Wirkung eines elektrischen Stromes ver- '\
spüren (947).
„923) Diesem nach ist es augenscheinlich, dass die Eigentümlichkeit _
eines Elektrolyts ein wesentlicher Theil der VoLiVschen Kette ist; und wenn
man die Natur eines Elektrolyten in Betracht zieht, ergeben sich gute Gründe,
warum er, und nur er allein, wirksam sein kann. Ein Elektrolyt ist immer
ein zusammengesetzter Körper; er ist leitend, aber nur während er zersetzt
wird. Seine Leitung hängt ab von seiner Zersetzung und von der Fort-
führung seiner Theilchen in parallelen Richtungen mit dem Strom; und
so innig ist diese Verknüpfung, dass, wenn der Fortführung Einhalt geschieht,
auch der Strom gehemmt ist, wenn die Bahn der ersteren verändert wird,
die Bahn und Richtung des letzteren ebenfalls geändert werden. Die Theilchen
eines elektrolytischen Körpers sind alle so wechselseitig verknüpft, stehen,
durch ihre ganze Erstreckung in Richtung des Stromes, in solcher Beziehung
zu einander, dass, wenn das letzte nicht abgegeben wird, das erste auch
nicht die Freiheit hat, in die neue Verbindung einzugehen, welche die
proportional wäre. Die zuweilen auftretende Elcktricität ist der kleinstmögliche Brach von der,
welche die th&tige Substanz erzeugen kann, wenn sie zu einer Volt Ansehen Wirkung vorge-
richtet wild; wahrscheinlich ist sie von dieser nicht Viooooo» seihst nicht Viooowo» und sehr wahr-
st sie aus einer ganz anderen Quelle her."
Das Gesetz von Faraday. 565
füge Verwandtschaft des wirksamsten Metalles zu erzeugen trachtet; und
in ist der Strom selbst gehemmt; denn die Abhängigkeiten des Stromes
1 der Zersetzung sind so gegenseitig, dass gleichviel, wer von ihnen
prünglich bedingt sein mag, d. h. ob die Bewegung der Theilchen oder die
wegung des Stromes, die eine unveränderlich in Begleitung der anderen
eugt wird und in Beziehung zu ihr steht
„924) Betrachten wir nun Wasser als den Elektrolyten und auch als
1 oxydirenden Körper. Die Anziehung des Sauerstoffes zum Zink ist unter
sen Umständen grösser als die des Sauerstoffes zum Wasserstoff; allein
lern er sich mit dem Zink verbindet, sucht er einen Elektricitätsstrom in
wisser Richtung in Circulation zu setzen. Diese Richtung hängt zusammen
ie durch unzählige Versuche gefunden) mit der Übertragung des Wässer-
tes vom Zink zum Platin hip, und mit der entgegengesetzten Fortfuhrung
n frischem Sauerstoff vom Platin abwärts gegen das Zink, so dass der
rom nur in einer Linie fortschreiten kann und, während er fortschreitet,
it Erneuerung der Vorgänge auf der Zinkfläche, die anfangs zugleich die
)mbination und Circulation bedingten, bestehen und sie begünstigen kann.
aher die Fortdauer sowohl der Wirkung daselbst als die des Stromes. Es
•giebt sich mithin als ganz ebenso wesentlich, dass ein Elektrolyt in der
ette zugegen sei, damit die Wirkung in einer gewissen constanten
.ichtun g vorwärts gefuhrt werden könne, als dass ein oxydirender oder
in anderer direkt auf das Metall zu wirken fähiger Körper daselbst befind-
en sei; und es zeigt sich auch als nothwendig, dass beide Umstände in
inen zusammenfliessen, oder dass der direkt auf das Metall chemisch ein-
wirkende Körper eines von den Ionen des angewandten Elektrolyten sei.
\iag nun der VoLTA'sche Apparat durch die Lösung einer Säure, oder eines
\lkalis, oder Sulfurets, oder durch eine geschmolzene Substanz (476) angeregt
worden sein, so ist dieser Körper bisher doch immer, so viel ich weiss, ein
Anion (943) gewesen; und ich schliesse aus einer Betrachtung über die
Principien der elektrischen Aktion, dass es nothwendig ein Körper dieser '
Klasse sein muss.
„925) Betrachtet man die Wirkung der in der VoLTA'schen Kette ange-
wandten Schwefelsäure, so findet man, dass sie unzulänglich ist, durch ihre
Verbindung mit dem gebildeten Oxyd, irgend eine merkliche Portion der
Elektricität des Stromes hervorzubringen, aus dem einfachen Grunde, weil
ihr eine der wesentlichsten Bedingungen abgeht. Sie bildet keinen Theil
eines Elektrolyten, noch steht sie in Beziehung zu irgend einem in der
Lösung anwesenden Körper, welcher eine gegenseitige Überführung der
ITieilchen und die damit verknüpfte Überführung der Elektricität erlaubte.
Freilich, da die Fläche, an welcher die Säure das durch Wirkung des Wassers
gebildete Oxyd auflöst, mit dem metallischen Zink in Berührung steht, so
icheint keine Schwierigkeit in der Betrachtung, dass das Oxyd daselbst einen,
einer chemischen Wirkung auf die Säure proportionalen elektrischen Zustand
lern ohne Zersetzung leitenden Metall mittheilen könne. Allein an der Seite
egg Dreizehntes Kapitel.
der Säure ist keine Substanz zur Vervollständigung des Stromes da;
Wasser als Wasser kann ihn nicht leiten, oder wenigstens einen so kle
Antheil, dass die Wirkung rein zufällig und fast unwahrnehmbar ist (c
und als ein Elektrolyt kann es ihn nicht leiten, weil ein Elektrolyt vero
der gegenseitigen Beziehung und Wirkung seiner Theilchen leitet,
weil weder eines der Elemente des Wassers noch das Wasser selbst, so
wir beobachten können, gegen Schwefelsäure ein Ion ist (848). *
„926) Diese Ansicht von dem secundären Charakter der Schwefels
als eines Agens bei der Erzeugung des VoLTA'schen Stromes wird fi
unterstützt durch die Thatsache, dass der erzeugte und durchgelassene Si
direkt und genau proportional ist der Menge des zersetzten Wassers
der Menge des oxydirten Zinks (868. 991), und er ist derselbe wie
welcher zur Zersetzung einer gleichen Menge Wasser erfordert wird,
also die Wasserzersetzung zeigt, dass sie die Elektricität hergegeben
so bleibt keine andere Elektricität zu erklären, oder irgend eine an
Wirkung herzuleiten als die zwischen dem Zink und dem Wasser s
findende.
„927) Der allgemeine Fall [denn er schüesst den früheren (924)
bei Säuren und Basen lässt sich theoretisch folgendermaassen angeben.
sei a (Fig. 143) eine trockene Sauerstoffsäure und b
' \ trockene Base, die sich in c berühren, und an i
■BMgM&Kfc,.^ ] Enden durch die Platinplatten p, p und den Platindra
/»lEKHes^äf* in elektrischer Gemeinschaft stehen. Wenn nun ;
a b
Säure und Base flüssig wären und bei c eine Verbinc
Fig. 143.
Nach Farad ay. stattfände, mit einer so mächtigen Verwandtschaft,
sie einen elektrischen Strom hervorzurufen vermö«
so würde der Strom doch nicht in einem bedeutenden Grade circul
weil erfahrungsmässig weder a noch b ohne Zersetzung leiten kör
denn sie sind unter allen Umständen, ausgenommen gegen sehr schw
Ströme (970. 986), entweder Elektrolyte oder sonst Isolatoren. Nun
die Verwandtschaften bei c nicht von der Art, dass sie die Elem
von a oder b zu trennen suchten, sondern sie haben nur das Bestrc
beide Körper zu einem Ganzen zu vereinigen. Der Wirkungsort ist d
isoiirt, die Wirkung selbst lokal (921. 947), und es kann kein Strom zu St
kommen.
tt Wenn Säure und Base in Wasser gelöst sind, dann ist es 1
kleiner Antheil der von chemischer Wirkung herrührei
dem Wasser ohne Zersetzung fortgeleitet werde (966. <
fcheil wird so klein sein, dass er zu dem, welcher von
chemischen Kraft herrührt, in gar keinem Verhältniss s
dies stimmt mit Humphry Davy, welcher experimentell zu der A
aiw.iUq bei ihrer Verbindung keinen elektrischen Strom nerval
Das Gesetz von Faraday. r(J*r
und da er nicht die wesentlichen Principien der VoLTVschen Säule involvirt,
gehört er nicht zu den hier untersuchten Erscheinungen.1
,,929) Wenn statt der Sauerstoffsäure eine Wasserstoffsäure, z. B. Salz-
säure, genommen wird (927), so sind die Umstände ganz verändert; dann
kann ein Strom, entsprungen aus der chemischen Wirkung der Säure auf
die Base, möglicher Weise stattfinden. Allein nun wirken beide Körper als
Elektrolyte, denn jeder liefert nur einen Bestandtheil zur gegenseitigen Ver-
bindung, z. B. einer Chlor, der andere Metall; und der Wasserstoff der
. Saure und der Sauerstoff der Base stehen bereit, mit dem Chlor der Säure
und dem Metall der Base in Übereinstimmung mit dem Strom, und gemäss
den allgemeinen bereits ausfuhrlich entwickelten Grundsätzen, zu wandern.
,930) Die Ansicht, dass die Oxydation oder eine andere direkte
lemische Einwirkung auf das Metall die alleinige Ursache des elektrischen
>mes in der gewöhnlichen VoLTVschen Säule sei, wird unterstützt durch
Vorgänge, welche stattfinden, wenn Lösungen von Alkalien oder Schwefel-
ten (93 *• 943) ^^ der verdünnten Schwefelsäure als elektrolytische
ter angewandt werden. Die bereits (884) erwähnten Versuche ohne Metall-
itact und mit alkalischen Lösungen als erregende Flüssigkeiten wurden
le zur Erläuterung dieses Punktes angestellt.
„931) Es wurden nun die Versuche über die Zersetzung der Körper
ein einfaches Plattenpaar wiederholt (899), jedoch unter Anwendung
Ätzkalilauge, statt der Schwefelsäure, in dem Gefässe v (Fig. 141), und
Benutzung der Vortheile, die der Metallcontact darbietet (895). Alle
rheinungen waren den früheren gleich; das Galvanometer wurde abge-
:; Lösungen von Jodkalium, salpetersaurem Silber, Salzsäure und Glauber-
wurden bei x zersetzt; und die Orte, wo die abgeschiedenen Bestand-
erschienen, sowie die Ablenkungen des Galvanometers zeigten einen
von gleicher Richtung, wie wenn Säure im Gefässe v war, d. h.
Abe ging vom Zink durch die Lösung zum Platin, und zurück durch
Galvanometer und das zersetztwerdende Agens zu dem Zink.
,932) Die Ähnlichkeit in der Wirkung der verdünnten Schwefelsäure
der Kalilauge geht indess noch viel weiter, selbst bis zur Identität
>hl in der Menge als in der Richtung der erzeugten Elektricität. Eine
lirte Zinkplatte erleidet für sich in einer Kalilauge keine merkliche
irkung; berührt man sie aber in der Lösung mit einer Platinplatte, so
an der Oberfläche dieser letzteren Wasserstoff entwickelt, und das Zink
irt, genau wie wenn es in verdünnte Schwefelsäure eingetaucht wäre
Demgemäss wiederholte ich den zuvor beschriebenen Versuch mit
jenen Zinkplatten (864 u. s. w.), gebrauchte aber dabei Kalilauge statt
w:
1 „Es versteht sich, glaube ich, von selbst, dass ich hier nicht behaupte, jede kleine, zu-
und bloss mögliebe Wirkung, die während der chemischen Aküon aus unbedeutenden
m des elektrischen Fluidums entspringen kann, in Rechnung zu ziehen, sondern bloss
die Aktionen, von denen die Kraft der Volt Ansehen Batterie wesentlich abhängt, zu
leiden und zu identificiren."
568 Dreizehntes Kapitel.
verdünnter Schwefelsäure. Wiewohl eine viel längere Zeit, als bei Anwen-
dung von Säure, nämlich drei Stunden, für die Oxydation von 7,55 Gran
Zink erfordert wurde, so fand ich doch, dass der an der Platinplatte ent-
wickelte Wasserstoff zu dem an der Zinkoberfläche gebildeten Oxyde äqui-
valent war. Mithin findet die ganze Schlussfolge, welche auf das frühen
Beispiel anwendbar war, auch hier seine Anwendung: der Strom geht in
derselben Richtung, und seine zersetzende Wirkung hat gleichen Grad von
Stärke, wie wenn Säure statt des Alkalis angewandt worden wäre (688).
„933) Es scheint mir daher der Beweis vollständig, dass die Verbindung
der Säure mit dem Oxyd in dem vorhergehenden Versuch nichts mit der
Erzeugung des elektrischen Stromes zu schaffen habe) denn derselbe Strom
wird erzeugt, wenn statt der Wirkung der Säure die umgekehrte des Alkais
zugegen ist. Ich glaube nicht, dass man für einen Moment annehmen könne,
das Alkali wirke chemisch als eine Säure auf das gebildete Oxyd. In
Gegentheil führen unsere allgemeinen chemischen Kenntnisse zu dem Schluss,
dass die gewöhnlichen Metalloxyde eher als Säuren denn als Alkalien wirken;
und doch würde diese Art von Wirkung im gegenwärtigen Fall einei
umgekehrten Strom zu erregen trachten, wenn das Oxyd des erregende*
Metalles bei seiner Verbindung mit dem dazu vorhandenen Körper überhaupt
einen Strom hervorbrächte. Allein statt irgend einer Verschiedenheit dieser
Art war die Richtung der Elektricität constant, und die Menge derselbe«
auch proportional dem zersetzten Wasser oder dem oxydirten Zink. Hu ,
hat Gründe zu glauben, dass Sauren und Alkalien, wenn sie mit Metallen
in Contact stehen, auf die sie nicht direkt einwirken können, doch einen
Elnfluss auf deren Anziehungen zum Sauerstoff (941) ausüben. Allein afle
Wirkungen in den obigen Versuchen beweisen, glaube ich, dass es die notb-
wendig von der Elektrolysirung des Wassers (921. 923) abhängige und mit
ihr verknüpfte Oxydation des Metalles ist, welche den Strom erzeugt; das»
die Säure oder das Alkali bloss als Lösemittel wirkt, durch Fortschaflimg
des oxydirten Zinks anderen Portionen gestattet neues Wasser zu zersetzen
und so die Entwicklung oder Bestimmung des Stromes unterhält
„934) Ich änderte nun die Versuche dahin ab, da»
ich eine Ammoniaklösung statt der Kalilösung anwandte,
und da sie im Zustande der Reinheit ein schlechter Leiter
ist, wie das Wasser (554), wurde sie durch Zusatz von
schwefelsaurem Ammoniak leitender gemacht Allein in
allen Fällen waren die Wirkungen dieselben wie vorhin;
Zersetzungen gleicher Art fanden statt, und der elektrische
Strom, welcher dieselben hervorrief, hatte dieselbe Richtung
wie in den eben beschriebenen Versuchen.
»935) Um die gleiche und ähnliche Wirkung von Säure
und Alkali auf eine noch strengere Probe zu stellen, wurden Vorrichtungen wie
in Fig. 144 gemacht. Das Glasgefäss A enthielt verdünnte Schwefelsäure, das
andere B verdünnte Kalilauge, PP war eine in beide Flüssigkeiten eingetauchte
Du Gesetz von FvuUy. c(5g
latinplatte, und ZZ waren amalgamirte Zinkplatten, die mit einem empfind •
eben Gahranometer in Verbindung standen. Wenn diese gleichzeitig in
ie baden Gelasse getaucht wurden, zeigte sich gewöhnlich zuerst eine
Jnrache Wirkung, und zwar zu Gunsten des Alkalis, d. h. der elektrische
trom suchte durch die Gefasse in Richtung des Pfeiles zu gehen, also in
ngekehrter Richtung, wie sie von der Säure in A allein hervorgebracht
orden sein würde. Allein die Wirkung hörte augenblicklich auf und die
Wirkung der Platten in den Gefässen war so gleich, dass, da sie wegen der
ngekehrten Stellung der Platten entgegengesetzt war, kein dauernder Strom
iraus entsprang.
„936) Manchmal nahm ich statt der Platten PP eine Zinkplatte, und
itt den Platten ZZ Platinplatten; allein dies verursachte keinen Unterschied;
ch eine Kupferplatte als mittlere Platte angewandt, brachte keine Änderung
rvor.
»937) ^a d'e Entgegenstellung der elektromotorischen Plattenpaare andere
sultate erzeugte, als die von dem blossen Unterschied ihrer unabhängigen
«klingen herrührenden (Ion. 1045), so ersann ich eine andere Form des
jparates, wobei die Wirkung der Säure und des Alkalis noch direkter ver-
gehen werden konnte. Ein cylindrisches Glas-
£iss, inwendig etwa zwei Zoll tief und einen
dl im Durchmesser , von wenigstens einen
iertelzoll dicken Wänden, wurde in der Mitte
»unter in zwei Hälften zerschnitten (Fig. 145).
in breiter Messingring, von grösserem Durch-
itsser als das Gefass, wurde mit einer Schraube „
Flg. 145. flg. 146.
trsehen und um die beiden Hälften gelegt, so Nac|, kakaday.
ass, wenn man die Schraube fest anzog, diese
lälften zu einem wasserdichten Gefass gegen einander gedrückt wurden.
Tiesspapier von verschiedenen Graden der Permeabilität wurde nun in
itücke von solcher Grösse zerschnitten, dass es leicht zwischen die ge-
lten Hälften des Gefässes eingeschoben werden konnte, und wenn diese
larauf wieder dicht zusammen geschraubt wurden, eine poröse Scheidewand
0 der Mitte des Gefässes bildete, die zweien Flüssigkeiten zu beiden Seiten
krselben keine andere als eine sehr langsame Vermischung gestattete, aber
hnen doch erlaubte, ungehindert als ein Elektrolyt zu wirken. Die beiden
»gebildeten Räume will ich die Zellen A und B nennen [Fig. 146). Dies
Instrument habe ich bei Untersuchung der Beziehungen von Flüssigkeiten
Md Metallen unter sich und unter einander von sehr allgemeiner Anwend-
barkeit gefunden. Verbindet man es noch mit einem Galvanometer, so
ist es leicht, damit die Beziehung eines Metalles zu zwei Flüssigkeiten, oder
»eier Metalle zu einer Flüssigkeit, oder zweier Flüssigkeiten zu zwei Metallen
Wnumitteln.
»93^) Verdünnte Schwefelsäure vom spezifischen Gewicht 1,25 wurde
<l die Zelle A gegossen und eine starke Lösung von Ätzkali in die Zelle B.
570 dreizehntes Kapitel.
Sie mischten sich langsam durch das Papier, und zuletzt bildete sich
dem Papier, zur Seite des Alkalis, eine dicke Kruste von schwefelsaui
Kali. In jede Zelle wurde eine saubere Platinplatte eingesteckt und
einem empfindlichen Galvanometer verbunden; allein es konnte kein el
trischer Strom beobachtet werden. Also war der Contact der Säure
der einen Platinplatte und der des Alkalis mit der anderen unfähig ei
Strom zu erzeugen, und ebenso wenig war die Verbindung der Säure
dem Alkali wirksamer (925).
»939) Wurde eine der Platinplatten fortgenommen und durch eine Z
platte ersetzt, so entstand, diese mochte amalgamirt sein oder nicht,
starker elektrischer Strom. Allein es war gleich, ob das Zink in die Sä
und das Platin in das Alkali getaucht, oder die umgekehrte Anordn
getroffen war: immer ging der elektrische Strom vom Zink durch den E
trolyten zum Platin, und von da durch das Galvanometer zurück zu <
Zink. Am stärksten schien der Strom zu sein, wenn das Zink in <
Alkali und das Platin in der Säure befindlich war.
„940) Bei diesen Versuchen schien also die Säure kein Übergew
über das Alkali zu haben, vielmehr schwächer als dieses zu sein. Folg
hat man auch keinen Grund zu der Annahme, die Verbindung des gt
deten Oxyds mit der umgebenden Säure habe einen direkten Einfluss
die Hervorbringung der erregten Elektricität; vielmehr scheint diese g
von der Oxydation des Metalles herzurühren (919).
„941) In der That hat das Alkali ein Übergewicht über die Säure
der Fähigkeit, das Metall in den sogenannten positiven Zustand zu verseö
Denn wenn Platten von gleichem Metall, z. B. Zink, Zinn, Blei oder Kuj
zugleich in die Säure und das Alkali eingetaucht werden, geht der d
trische Strom von dem Alkali durch die Zelle zur Säure und zurück du
das Galvanometer zum Alkali, wie schon Humphry Davy früher angegebc
Dieser Strom ist so mächtig, dass, wenn man amalgamirtes Zink oder Z
oder Blei anwendet, das Metall in der Säure, sogleich wie es mit dem Mc
in dem Alkali verbunden wird, Wasserstoffgas entwickelt, nicht verm«
einer direkten Einwirkung der Säure auf sich, denn wenn der Contact un
brochen wird, hört die Wirkung auf, sondern weil es in Bezug auf
Metall in dem Alkali stark negativ wird.
„942) Die Überlegenheit des Alkalis geht ferner daraus hervor, d
wenn man Zink und Zinn, oder Zinn oder Blei anwendet, das in dem AI
befindliche Metall, was für eines es auch sei, positiv wird, und das in
Säure negativ. Was für ein Metall sich auch im Alkali befinde, so wird
doch oxydirt; das in der Säure dagegen behält seinen Metallglanz, so ,
dies vom elektrischen Strom abhängt.
„943) Dasselbe ergiebt sich auch, wenn man Lösungen von Sulphun
anwendet (930), um zu zeigen, dass es die chemische Wirkung des Met
1 „Elements of chemical Philosophy, p. 149, oder Phil. Trans. 403. 1826/*
Das. Gesetz von Faxaday. 571
nd eines der Ionen des angewandten Elektrolyten sei, welche alle Elek-
ricität der VoLTx'schen Kette erzeugt So geht der Strom, wenn Eisen und
Enpfer in verdünnte Säuren getaucht werden, von dem Eisen durch die
•Bissigkeit zum Kupfer, wie Humphry Davy gezeigt hat;1 in Kalilauge hat
r dieselbe Richtung, aber in einer Lösung von Schwefelkalium geht er
mgekehrt In den beiden ersten Fällen ist es der mit dem Eisen sich
erbindende Sauerstoff, in dem letzteren der mit dem Kupfer sich ver-
indende Schwefel, durch den der elektrische Strom erzeugt wird. Allein
iese beiden Ionen existiren als solche in dem gleichzeitig zersetzt werdenden
lektrolyt; und was mehr ist, sie beide sind Anionen, denn sie entlassen
ie Elektrolyten an ihren Anoden, und wirken gerade wie Chlor, Jod oder
gend ein anderes Anion gewirkt haben würde, welches statt der zuvor
ie VoLTA'sche Kette in Thätigkeit setzenden genommen worden wäre.
„944) Der folgende Versuch vervollständigt die Reihe der Beweise über
en Ursprung der Elektricität in der VoLTA'schen Säule. Ein flüssiges
malgam von Kalium, von diesem Metall nicht mehr als ein Hundertel ent-
iltend, wurde in Wasser gebracht und durch ein Galvanometer mit einer
; demselben Wasser befindlichen Platinplatte verbunden. Sogleich ging ein
ektrischer Strom von dem Amalgam durch den Elektrolyt zum Platin,
ieser Strom konnte nur durch die Oxydation des Metalles hervorgerufen
in, denn es war weder eine Säure noch ein Alkali vorhanden, um sich
it ihm zu verbinden oder auf ihn einzuwirken.
„945) Ferner brachte ich eine Platin- und eine blanke Bleiplatte in
iines Wasser. Sogleich ging ein starker Strom von dem Blei durch die
lüssigkeit zum Platin. Er war so stark, dass er eine Jodkaliumlösung zer-
fzte, die unter Anwendung des schon (880) Fig. 135, S. 551 beschriebenen
pparates in die Kette gebracht worden war. Hier gab es keine Wirkung
m Säure oder Alkali auf das aus dem Blei gebildete Oxyd, welche die
lektricität geliefert haben könnte; diese rührte also bloss von der Oxy-
ition des Metalles her."
Die vorstehende Zusammenfassung von Faraday*s Ansichten ist von
rosser Wichtigkeit Die in (916) ausgesprochenen Grundlagen seiner che-
lischen Theorie der galvanischen Erscheinungen hat sich in der Folge als
nrchaus richtig erwiesen. Wenn auch zu jener Zeit nur der auf die
lektricitätsmenge bezügliche Theil der Sätze als wissenschaftlich erwiesen
brachtet werden durfte, und der auf die Proportionalität zwischen der
ntensität" oder der elektromotorischen Kraft und der chemischen Ver-
indtschaft bezügliche schon deshalb dem Beweise nicht zugänglich war
nl die Chemie noch keinerlei Mittel besass, ihrerseits die Stärke der
emischen Verwandtschaft zu messen, so war doch in der hier gegebenen
jffassung die Lücke ausgefüllt, welche früher wiederholt als der wesent-
hste Mangel der chemischen Theorie des Galvanismus hat bezeichnet
1 „Elements of chemical Philosoph, p. 148.
«4
C72 Dreizehntes Kapitel.
werden müssen: es war der zahlenmässige Zusammenhang zwischen deJ9
chemischen und den elektrischen Grössen hergestellt Auf diesem Weg*
allein war es für die chemische Theorie möglich, die ältere Lehre zu übo»
winden, und nicht nur das gleiche, sondern erheblich mehr zu leiste«,
als jene.
Freilich wurde durch Faraday selbst die Wirkung seiner Erkenntnis
abgeschwächt, indem er in (918) die elektrische und die chemische Krafl
völlig identificirt, statt sie nur, wie es die wissenschaftliche Vorsicht erfordert;
in das Verhältniss gegenseitiger Abhängigkeit bei gegebenen Bedingungen
zu setzen. Er hat selbst das meiste dazu beigetragen, Beweise gegen die*;
Identität zu liefern, indem er Wege kennen lehrte, elektrische Ströme ohfl£
jedes Zuthun chemischer Vorgänge, durch Induktion, zu erhalten. Eben»
ist seine Auffassung, dass nur die Oxydation des Zinks, und nicht dfe
Verbindung des entstandenen Oxyds mit der Säure (919) für die Strom
bildung von Belang ist, zu den vorübergehenden Theilen seiner Ansichtet
zu rechnen; doch auch hier ist es der ungeeignete Zustand der chftj
mischen Anschauungen seiner Zeit, welcher ihn zu unhaltbaren Ansichten
kommen lässt. j
Sehr wesentlich ist dann wieder der in (921) betonte Punkt, dass dfej
chemischen Vorgänge, um elektrisch wirksam zu sein, zwischen Metallen und
Elektrolyten stattfinden müssen, und dass die Gegenwart eines zusammen*,
gesetzten Stoffes dieser Klasse ganz unumgänglich nothwendig ist, um &\
Entstehung elektrischer Erscheinungen auf chemischem Wege zu ermöglichet.
Die darauf folgenden Paragraphen geben mit aller Klarheit den weseflfc"
liehen Fortschritt in der Auffassung der elektrochemischen Vorgänge wieder*
welcher durch Faraday's Entdeckungen bewerkstelligt worden ist, und vef»
dienen als die Grundlage unserer jetzigen Ansichten das sorgsamste Studium
jedes, der in diesen Dingen klar zu sehen wünscht. Dabei sind in Einzel-
heiten allerdings Irrthümer nicht ausgeschlossen; so wirkt die Ansicht,
dass die Säuren bei der Leitung ihrer wässerigen Lösungen nur seeundtf
betheiligt seien, störend auf die Auffassung einzelner Fragen (926 u. ffi), und
der in (933) versuchte Beweis dafür, dass die Säure mit der Wirkung nichls
zu thun habe, beruht auf der jetzt aufgegebenen Ansicht, dass die Säuret
und Basen als solche Ionen sein können. Auch die in den folgenden Para-
graphen beschriebenen Versuche müssen gegenwärtig anders gedeutet werdet.
Die von Faraday ganz richtig erkannte Überlegenheit alkalischer Flüssig*
keiten in der Erregung des „positiven" Zustandes im Metall beruht aul
Gründen, die erst in jüngster Zeit erkannt worden sind und die eine gute
Bestätigung der chemischen Theorie abgeben.
In den nun folgenden Auseinandersetzungen geht Faraday auf d«
Unterschied ein, der zwischen den chemischen Vorgängen, welche zu einen
elektrischen Strom Anlass geben und mit der entstehenden Elektricitats
menge durch das Gesetz der Proportionalität verknüpft sind, und denc
besteht, welche ohne entsprechende elektrische Erscheinungen erfolgen. Scho
Das Gesetz von Faraday. 573
der sorgfältigen Unterscheidung der beiden Fälle liegt ein wesentliches
iches Verdienst, denn die Vermengung derselben hat von jeher
wichtigste Waffe der Contacttheoretiker gegen die andere Ansicht gebildet
Allerdings kommt er nicht dazu, den Normalfall, in welchem nur die der
elektrischen Wirkung proportionale chemische Wirkung stattfindet, allgemein
«faistellen, wohl aber giebt er wenigstens einige Beispiele, in welchen
dfcser Fall nahezu verwirklicht ist. Es ist sehr bemerkenswert!!, dass mit
kr Lösung dieser theoretischen Frage auch die einer praktischen von ganz
cninenter Bedeutung verbunden war, nämlich die Herstellung einer con-
Jturten VoLTA'schen Kette. Die Erkenntniss freilich, dass beide Fälle einen
enzigen bilden, war erst einer viel späteren Zeit vorbehalten.
II. Weitere Spekulationen. Am Schlüsse seiner experimentellen
Darlegungen giebt Faraday endlich einige theoretische und hypothetische
Betrachtungen. Obwohl diese des Vergänglichen weit mehr enthalten, als
Ee früheren Paragraphen, so theile ich sie doch mit, da es von grösstem
nteresse ist, zu sehen, in welcher Gestalt sich unser Forscher die von ihm
entdeckten Thatsachen veranschaulicht. An den Schwierigkeiten, die er hier
m überwinden versucht, hat in der Folge noch ein halbes Jahrhundert
bearbeitet, und erst in jüngster Zeit sind sie gehoben worden.
„946) Es giebt, meiner Meinung nach, in der Elektricitätslehre keinen
wichtigeren Punkt, als den Zustand des Metalles und des elektrolytischen
Leiters in der einfachen VoLTA'schen Kette vor und in dem Augenblick
der ersten Vollziehung des Metallcontactes. Verständen wir ihn recht, würde
uns sicher der Schlüssel zu den Gesetzen, nach denen die grosse Mannig-
faltigkeit der direkten und zufälligen VoLTA'schen Erregungen vor sich
geht, unmittelbar gegeben und viele neue Felder für die Untersuchung
geöffnet sein.
„947) Es scheint, dass wir in vielen Fällen von chemischer Verwandt-
schaft (z. B. dem vom Zink mit dem Sauerstoff des Wassers u. s. w.) bis zu
einem gewissen Grade entscheiden können, welche von den beiden
Wirkungsweisen der Anziehungskraft ausgeübt werde (996). Bei der
einen Weise können wir die Kraft nach aussen fortleiten und sie anderswo
das Äquivalent ihrer Wirkung ausüben lassen (867. 917); bei der anderen
wird sie nicht fortgeführt, sondern an dem Orte (ihrer Entstehung) gänzlich
ausgeübt. Das erste ist der Fall bei der voltaelektrischen Erregung, das
andere bei der gewöhnlichen chemischen Verwandtschaft; allein beide sind
chemische Aktionen, und stammen von einer Kraft oder einem Princip ab.
„948) Die allgemeinen Umstände der ersten Wirkungsweise finden sich
bei allen VoLTA'schen Strömen; allein in ihrer Vollkommenheit und frei von
denen der zweiten Weise nur in einigen Fällen, z. B. wenn Zink und Platin
in Kalilauge, oder amalgamirtes Zink und Platin in verdünnte Schwefelsäure
getaucht sind.
„949) Angenommen, es sei durch die vorhergehenden Versuche und
Betrachtungen hinreichend erwiesen, dass, bei Anwendung von Zink, Platin
574 Dreizehntes Kapitel.
und verdünnter Schwefelsäure, die elektromotorische Wirkung von der Vi
wandtschaft zwischen dem metallischen Zink und dem Sauerstoff des W;
abhänge (921. 924), so ist ersichtlich, dass das Metall für sich unter den
obigen Umständen nicht Kraft genug hat, den Sauerstoff aufzunehmen
den Wasserstoff aus seiner Verbindung zu treiben; denn in der That, sol
eine Wirkung findet nicht statt. Allein es erhellt auch, dass es durch
Anziehung zu dem Sauerstoff der mit ihm in Berührung stehenden Thei
so weit zu wirken vermag, um die ähnlichen Kräfte, welche zwischen di<
und den anderen Sauerstofftheilchen und den Wasserstofftheilchen des W;
bereits wirksam sind, in einen eigenthümlichen Zustand von Spannung
Polarität zu versetzen, und wahrscheinlich auch, um die Kräfte seiner eigen
Theilchen, welche mit dem Wasser in Berührung sind, in einen ähnli
Zustand überzuführen. So lange dieser Zustand verbleibt, tritt keine fern
Wirkung ein: allein wenn er durch Schliessung der Kette erhöht wird, if
welcher die in Bezug auf das Zink und den Elektrolyt nach entgegen-
gesetzten Richtungen wirkenden Kräfte einander genau zu neutralisiren ver-
mögen, dann findet zwischen den Sauerstoff- und Wasserstofftheilchen des
Wassers zwischen der Berührungsstelle des Platins und dem Orte der Wirksam-
keit des Zinks eine Reihe von Zersetzungen und Wiederzusammensetzungen
statt, denn diese dazwischen befindlichen Theile stehen offenbar in inniger \
Abhängigkeit und Beziehung zu einander. Das Zink bildet eine direkte Ver-
bindung mit denjenigen Sauerstofftheilchen, welche unmittelbar vor ihm in
getheilter Relation zu ihm und dem Wasserstoff stehen: das Oxyd wird durch
die Säure fortgenommen, und dadurch eine frische Berührungsfläche zwischen 1
dem Zink und Wasser hergestellt, um die Wirkung zu erneuen und zu
wiederholen.
„950) Praktisch wird der Spannungszustand am besten erhöht, wenn
man das Metall, welches eine schwächere Anziehung zum Sauerstoff hat ab
das Zink, in verdünnte Schwefelsäure taucht und es auch mit Zink in
Berührung setzt. Die Kraft der chemischen Verwandtschaft, welche in den
Wassertheilchen durch die vorherrschende Anziehung des Zinks zum Sauer-
stoff influencirt oder polarisirt worden ist, wird dann in sehr ausserordent-
licher Weise durch die beiden Metalle fortgeführt, so dass sie längs der Kette ■
wieder eintritt in den elektrolytischen Leiter, welcher sie nicht ohne Zer-
setzung, wie es die Metalle thun, fortleiten oder überfuhren kann; oder >
wahrscheinlicher wird sie dann durch die Kraft, die gleichzeitig die Verbin- j
düng des Zinks mit dem Sauerstoff des Wassers vervollständigt, genau 1
balancirt und neutralisirt. In der That sind die Kräfte der beiden Theilchen, <
die gegen einander wirken, und folglich entgegengesetzte Richtung haben, i
die Quelle zweier entgegengesetzten Kräfte oder Kraftrichtungen in dem ;
Strom. Sie sind nothwendig zu einander äquivalent Da sie in entgegen*
gesetzter Richtung fortgeführt werden, so erzeugen sie den sogenannten
Strom; und es scheint mir unmöglich, der Idee zu widerstehen, diesem
Strome müsse in der Flüssigkeit und zwischen der Flüssigkeit und dem Zink
Das Gesetz von Faraday. 575
a Zustand der Spannung vorausgegangen sein: die erste Folge der
ffinität des Zinks zum Sauerstoff des Wassers.
»95 *) Ich habe mich sorgfältig bemüht, einen Spannungszustand in dem
iktrolytischen Leiter aufzufinden, und in der Meinung, dass er entweder
t oder nach der Entladung etwas einer Struktur Ähnliches erzeugen möge,
sucht, dasselbe durch polarisirtes Licht sichtbar zu machen. Für eine
asplatte, 7" lang, i1/," breit und 6" tief, richtete ich zwei Paare Platin-
iktroden vor, ein Paar für deren Enden und das andere für deren Seiten.
ie für die Seiten waren 7" lang und 3" hoch, und wurden in der Zelle
irch einen mit Kattun überzogenen Holzrahmen von einander gehalten, so
ss, wenn sie durch Verbindung mit einer Batterie zur Wirksamkeit auf
5 in die Zelle gegossene Flüssigkeit angeregt worden, die alsdann auf-
itgenden Gasblasen den mittleren Theil der Flüssigkeit nicht trüben
«inten.
„952) Ich goss eine concentrirte Auflösung von schwefelsaurem Natron
die Zelle und verband die Elektroden mit einer Batterie von 1 50 Paaren
jrzölliger Platten. Der Strom ging so ungehindert durch die Zelle, dass
z Entladung ebenso gut war wie bei Anwendung eines Drahtes. Es wurde
in quer gegen die Bahn des elektrischen Stromes ein polarisirter Licht-
•ahl durch die Flüssigkeit geleitet und mittelst einer Zerlegungsplatte unter-
cht. Allein, wiewohl er von der, der Einwirkung der Elektricität unter-
jrfenen Lösung eine sieben Zoll dicke Schicht durchdrungen hatte, und
ewohl der Metallcontact während der Beobachtung bald vollzogen, bald
ifgehoben und bald im umgekehrten Sinne hergestellt wurde, war doch
cht die mindeste Spur einer Einwirkung auf den Strahl wahrzunehmen.
»95 3) Nun wurden die grossen Elektroden fortgenommen, und die
eineren, für die Enden der Zelle eingerichteten, eingesetzt. In jede der-
lben war ein Schlitz eingeschnitten, damit man hindurchsehen konnte. Die
ihn des polarisirten Strahles war nun dem Strom parallel oder in Richtung
>n dessen Achse (517); allein dennoch konnte weder bei Schliessung noch
n Öffnung der Kette irgend eine Wirkung wahrgenommen werden.
„954) Bei Anwendung einer starken Lösung von salpetersaurem Blei
att des schwefelsauren Natrons waren die Resultate ebenso negativ.
„955) Da ich es für möglich hielt, dass die durch die successiven Zer-
tzungen und Wiederzusammensetzungen des Elektrolyten geschehene Ent-
dung der elektrischen Kräfte jede etwaige Wirkung des anfänglichen Span-
jngszustandes neutralisirt und deshalb zerstört haben möchte, so nahm
h eine Substanz, die im flüssigen Zustand ein vortrefflicher Elektrolyt, im
sten aber ein Isolator ist, nämlich borsaures Blei, in Form einer glasigen
atte, und verband die Seiten und die Ränder dieser Masse mit den Metall-
atten und letztere bald mit den Polen einer VoLTA'schen Batterie, bald,
n eine Elektricität von höherer Intensität anzuwenden, mit einer Elektrisir-
aschine, und leitete nun einen polarisirten Strom bald in dieser, bald in
aer Richtung durch die Masse; allein auch jetzt konnte ich nicht die
cyß Dreizehntes Kapitel.
geringste Anzeige von einer Wirkung auf das Licht beobachten. Hiera«
schliesse ich, dass die Elektrolyte, ungeachtet des neuen und ungewöhnlicher
Zustandes, welchen sie entweder während der Zersetzung (wo offenbar eine
ungeheure Menge Elektricität durch sie geht) annehmen müssen, oder ia
dem Spannungszustand, welchen sie vorausgesetztermaassen vor der Zersetzung
oder in starrer Gestalt besitzen, nicht die Fähigkeit haben, auf einen polari» i
sirten Lichtstrahl einzuwirken, da auf keine Weise eine Art von Struktur
oder Tension in ihnen sichtbar gemacht werden kann.
„956) Es giebt jedoch einen schönen experimentellen Beweis, dass die ,
Metalle und die Elektrolyte vor der Erzeugung des elektrischen Stromes und i
ehe die heterogenen Metalle in Berührung gesetzt werden (91$!
einen Spannungszustand annehmen. Ich nahm einen VoLTA'schen Apparat j
bestehend aus einem Cylinder von amalgamirtem Zink und einem doppelter^
Cylinder von Kupfer. Diese stellte ich in eine Flasche mit verdünnter |
Schwefelsäure, x wo sie nach Belieben durch einen Kupferdraht, der zur Ein*
tauchung in zwei an den Platten befestigten Näpfchen mit Quecksilber vof*'
gerichtet war, in Berührung gesetzt werden konnten.
„957) Bei dieser Vorrichtung fand keine chemische Wirkung statt, »
lange nicht die Platten in Verbindung gesetzt waren. Allein bei Voll«
ziehung des Contactes kam ein Funke zum Vorschein,8 und die Lösung
wurde sogleich zersetzt. Bei Aufhebung des Contactes wurde wieder def
gewöhnliche Funke erhalten und die Zersetzung hörte auf. Klar ist, ctaif
hier der Funke vor der Vollziehung des Metallcontactes entstanden seil'
muss, denn er ging durch eine Luftschicht, und ebenso muss er vor der^
elektrolytischen Wirkung übergesprungen sein, denn diese konnte nicht cbh
treten, ehe nicht der Strom überging, und der Strom konnte nicht übel-,
gehen, ehe nicht der Funke erschien. Hierdurch, glaube ich, ist es genugsnfli
bewiesen, dass, so wie das Zink und das Wasser durch ihre gegenseitige
Einwirkung die Elektricität des Apparates erzeugen, sie auch durch ihre
erste gegenseitige Berührung in einen kräftigen Spannungszustand verscüt
werden (951), welcher, obschon nicht fähig eine wirkliche Zersetzung de*
Wassers zu verursachen, doch im Stande ist, einen elektrischen Funken
zwischen dem Zink und einem geeigneten Entlader überspringen zu machen
sobald der Abstand dazu klein genug ist. Der Versuch beweist die direkte
Erzeugung eines elektrischen Funkens durch rein chemische Kräfte.
„958) Mit der Hervorbringung dieses Funkens durch ein einzelnen
Plattenpaar sind jedoch einige Umstände verknüpft, die man kennen mus^
1 „Gebraucht man Salpeter -Schwefelsäure, so ist der Funke kräftiger; allein et
dann örtliche chemische Wirkungen eintreten, die fortdauern, ohne den Metallcontact zu erfordern.*
* „Es ist allgemein angenommen worden, dass bei Schliessung einer einfachen Kette keil
Funken entstehe ; allein die bereits in diesem Aufsatz aufgestellten Beobachtungen führten arid
darauf, einen solchen zu erwarten. Der Verbindungsdraht muss indess kurz sein; denn bei
Anwendung eines langen Drahtes treten Umstände ein, die einen grossen Einfluss auf den Funktf
ausüben." Vgl. indessen die Anmerkung auf S. 562.
Das Gesetz von Faraday. tjj
etm der Versuch gelingen soll. Wenn die amalgamirten Berührungsflächen
inz blank und trocken sind, ist der Funke bei Vollziehung des Contactes
yeoso glänzend, wo nicht glänzender als bei Aufhebung desselben. Befindet
ch dagegen auf der Quecksilberoberfläche ein Häutchen von Oxyd oder
chmutz, so ist der erste Funke oft schwach, oder er bleibt ganz aus,
öhrend man bei Aufhebung des Contactes einen hellen Funken bekommt,
üesst man etwas Wasser auf das Quecksilber, so verliert der Funke bedeu-
md an Glanz, erscheint aber ganz regelmässig, sowohl bei Vollziehung als
ei Aufhebung des Contactes. Macht man die Berührung zwischen blankem
latin, so ist der Funke auch sehr klein, allein gleichmässig auf beiden Wegen,
adess ist der wahre elektrische Funke sehr klein, und, wenn man Queck-
Iberflächen anwendet, wird der grösste Theil des Lichtes von der Ver-
rennung dieses Metalles erzeugt Die mit der Verbrennung des Quecksilbers
erknüpften Umstände sind am günstigsten bei Aufhebung des Contactes;
enn der Akt der Trennung legt blanke Metallflächen bloss, während bei
roIlziehung des Contactes oft eine dünne Schicht von Oxyd oder Schmutz
azwischen kommt. Daraus ist die allgemeine Meinung entsprungen, dass
er Funke nur bei Aufhebung des Contactes erscheine.
„959) In Bezug auf die andere Klasse von Fällen, nämlich die, wo eine
bemische Verwandtschaft ausgeübt wird (947), aber keine Fortfuhrung der
jraft in die Ferne stattfindet und kein elektrischer Funke erzeugt wird, ist
inleuchtend, dass bei solchen Verbindungen Kräfte der intensivsten Art
rirksam, und auf irgend eine Weise in ihrer Wirksamkeit balancirt sein
lüssen, da diese Kräfte so unmittelbar und ausschliesslich gegen einander
;erichtet sind, dass keine Anzeigen von dem mächtigen Elektricitätsstrom,
len sie erzeugen können, zum Vorschein kommen, wiewohl derselbe End-
ustand der Dinge erhalten wird, wie wenn ein Strom übergegangen wäre.
Ls war, ich glaube, Berzelius, welcher zuerst die Wärme- und Lichtent-
nckelung bei Verbrennungen als Folgen dieser Äusserungsweise der elek-
rischen Kräfte der sich verbindenden Theilchen ansah. Allein wir bedürfen
iner genaueren und ausgedehnteren Kenntniss von der Natur der Elektricität,
md von der Art, wie sie den Atomen der Materie beigesellt ist, ehe wir
lie Wirkung dieser, die Atome so vereinigenden Kraft einsehen, und die
^'atur des grossen Unterschiedes, welchen sie in den beiden soeben unter-
schiedenen Wirkungsweisen darbietet, begreifen können. Wir können uns
jedanken darüber machen, aber diese sind zur Zeit unter die grosse Masse
zweifelhafter Kenntnisse (876) zu rechnen, welche wir eher zu verringern
ils zu vermehren suchen müssen; denn die vielen Widersprüche in diesen
Kenntnissen selbst zeigen, dass sich nur ein kleiner Theil von ihnen zuletzt
ds wahr erweisen kann.
„960) Von den beiden Wirkungsweisen der chemischen Verwandtschaft
st es wichtig zu bemerken, dass die, welche den elektrischen Strom erzeugt,
•ben so bestimmt in ihren Wirkungen ist als die, welche die gewöhnlichen
Gemischen Verbindungen hervorbringt, so dass, wenn man die Erzeugung
Ostwald, Elektrochemie. 37
578 Dreizehntes Kapitel.
oder Entwicklung der Elektricität bei Verbindungen oder Zersetzung«
untersucht, es nöthig ist, nicht bloss gewisse, von einem Elektricitätsstron
abhängige Effekte zu beachten, sondern auch deren Menge; und wiewohl
in einzelnen Fällen von chemischer Aktion die dabei thätigen Kräfte zum
Theil auf die eine, zum Theil auf die andere Weise ausgeübt werden, so
sind es doch nur die zur Erzeugung des Stromes wirksamen, welche eine
Beziehung zur VoLTA'schen Aktion haben. So sind, wenn sich Sauerstoff
und Wasserstoff zu Wasser verbinden, elektrische Kräfte von der unge-
heuersten Grösse thätig (86 1. 873); allein auf welche erdenkliche Weise auch I
bis jetzt die Flamme, welche sie bei ihrer energischen Verbindung erzeug«, :
untersucht worden ist, so hat man doch nur höchst geringe Spurea
von jenen Kräften aufgefunden. Diese können daher nicht als Beweise
von der Natur der Wirkung angesehen werden, sondern sind nur zufallig
und in Bezug auf die thätigen Kräfte unvergleichlich klein; sie geben keinen
Aufschluss über die Art, wie die Theilchen auf einander wirken, oder wie .
ihre Kräfte zuletzt angeordnet werden.
„961) Dass solche chemische Aktionen keinen elektrischen Strom ;
erzeugen, stimmt völlig mit dem, was wir vom VoLTA'schen Apparate wissen,
bei welchem es wesentlich ist, dass eines der sich verbindenden Elemente
einen Theil von einem elektrolytischen Leiter ausmache oder in direkter
Beziehung zu ihm stehe (921. 923). Dass. solche Fälle keine freie Span-
nungselektricität erzeugen, und dass sie dagegen, wenn sie in VoLTA'sche
Aktionen verwandelt werden, einen Strom liefern, in welchem die entgegen-
gesetzten Kräfte so gleich sind um einander zu neutralisiren, beweist die
Gleichheit der Kräfte in den gegen einander wirkenden Körpertheilchen, und
deshalb die Gleichheit von elektrischen Kräften in denjenigen Quantitäten
der Substanzen, welche elektrochemische Äquivalente genannt werden (824
Dies ist ein fernerer Beweis, dass die elektrochemische Aktion (783 u. s.w.)
bestimmter Natur ist, und dass die chemische Verwandtschaft und die Elek-
tricität ein und dieselbe Kraft ausmachen (917 u. s. w.).
„962) Die direkte Beziehung der Wirkungen, welche in der VoLTA'schen
Säule an dem Orte der experimentellen Zersetzung ausgeübt werden, a
den chemischen Verwandtschaften, die an dem Orte der Erregung thatig
sind (891. 917), giebt eine sehr einfache und natürliche Ansicht von der
Ursache, weshalb die entwickelten Körper oder Ionen in gewissen Richtungen
wandern; denn nur wenn sie in diesen Richtungen wandern, sind ihre Kräfte
im Stande, neben den überlegenen Kräften, die an dem Orte, wo die Wir-
kung des Ganzen bedingt wird, vorwalten, zu bestehen und sie zu kompen-
siren (wenigstens in der Richtung). Wenn z. B. in einer VoLTA'schen Kette,
deren Thätigkeit durch die Anziehung des Zinks zum Sauerstoff des Wassefi
bedingt wird, das Zink von rechts nach links wandert, so wird jedes andere
in die Kette eingeschlossene Kation, welches ein Theil eines Elektrolyten
ist oder in dem Moment einen Theil eines solchen ausmacht, sich auch von
der Rechten zur Linken bewegen; und wie der Sauerstoff des Wassers sich!
Du Gesetz i
579
möge seiner natürlichen Verwandtschaft zum Zink, von der Linken zur
echten bewegt, so wird auch jeder andere Körper, der in dieselbe Klasse
»hört {d. h. jedes andere Anion) und zur Zeit unter seiner Herrschaft steht,
ch von der Linken zur Rechten bewegen.
„963) Dies lässt sich durch Fig. 147 erläutern, wo der doppelte Kreis
ine geschlossene VoLTA'sche Kette vorstellen mag, deren Kräfte bestimmt
nd, wenn wir für einen Moment annehmen, das Zink b und das Ratin c
äen Platten von den auf das Wasser d, e und andere Substanzen ein-
irkenden Metallen, deren Wirksamkeit jedoch durch Anwendung einer
atterie bei a so verstärkt worden, dass sie verschiedene Zersetzungen
^vorbringen. Diese An-
ibme ist erlaubt, weil
ie Wirkung der Batterie
ar in einer Wiederholung
Essen besteht, was zwi-
:hen b und c vorgeht,
a Fall b und c wirklich
ur ein einfaches Platten-
aar ausmachen. Das
tnk b und der Sauer-
off d suchen sich, ver-
löge ihrer gegenseitigen
erwandtschaft, mit ein-
nder zu verbinden; allein
a der Sauerstoff bereits
üt dem Wasserstoff e ver-
eiden ist, und die ihm
inwohnenden chemischen
Jäfte zur Zeit neutralisirt *"iB- '47- Nach Kakauav,
nd durch die des Wasser-
offes, so muss dieser Wasserstoff e den Sauerstoff d verlassen, und in Richtung
es Pfeiles vorschreiten; sonst kann das Zink b sich nicht in derselben Rich-
mg bewegen, um sich mit dem Sauerstoff d zu verbinden, noch kann sich der
auerstoff d in der entgegengesetzten Richtung bewegen, um sich mit dem
ink b zu verbinden, da die Relation der ähnlichen Kräfte von b und e zu
in entgegengesetzten Kräften von d dies verhindert. So wie der Wasser-
off e vorrückt und bei dem, einen Theil der Kette ausmachenden Platin cf
llangt, theilt er durch dieses seine elektrischen oder chemischen Kräfte
an nächsten Elektrolyt in der Kette mit, nämlich dem geschmolzenen
blorblei gh, dessen Chlor, in Übereinstimmung mit der Richtung des Sauer-
offes, bei d wandern muss, denn es hat die Kräfte zu kompensiren, die
seinem Theil der Kette gestört sind durch den überwiegenden Einfluss
t durch die Batterie a unterstützten Kräfte zwischen dem Sauerstoff und
nk bei d, b; und aus einem ähnlichen Grunde muss das Blei in der durch
37"
jptfM
'
c8o Dreizehntes Kapitel.
den Pfeil angedeuteten Richtung wandern, damit es zu dem ersten bewegenden
Körper seiner eigenen Klasse, nämlich dem Zink b in richtige Relation
komme. Wenn Kupfer von i bis k in den Bogen kommt, wirkt es, wie es
früher das Platin that, und wenn bei /, m ein anderer Elektrolyt, z. B. Jod-
zinn, vorhanden ist, so muss das Jod /, als ein Anion, sich übereinstimmend
mit dem erregenden Anion, nämlich dem Sauerstoff d bewegen, und das
Kation Zinn m wandert in Übereinstimmung mit den übrigen Kationen 4, t
und hy damit längs dem ganzen Bogen die chemischen Kräfte, sowohl ihrer
Richtung als ihrer Menge nach, im Gleichgewicht seien. Sind die Anionen
fähig bei ihrer Circulation sich mit den Metallen an den Anoden der
respektiven Elektrolyte zu verbinden, wie es beim Platin /und beim Kupfer i
der Fall sein würde, so werden diese Körper Theile der Elektrolyte, und
wandern sogleich unter dem Einfluss des Stromes; allein wegen ihrer Relation
zum Zink b ist es offenbar unmöglich, dass sie in anderer Richtung wandern
können als in der, welche mit dessen Lauf übereinstimmt, und deshalb
können sie nicht anders, als von der Anode zu der Kathode überzugehen
suchen.
„964) Bei einem Kreise, wie der gezeichnete, lassen sich daher alle
bekannten Anionen innerhalb, und alle Kationen ausserhalb zusammen-
stellen. Wenn irgend eine Anzahl derselben als Ionen in die Constitution
der Elektrolyten eintritt, und sie, einen Bogen bildend, gleichzeitig einem
gemeinschaftlichen Strom unterworfen sind, so müssen die Anionen, in Über-
einstimmung mit einander, in der einen Richtung, und die Kationen in der
entgegengesetzten wandern. Noch mehr! Es müssen äquivalente Mengen
dieser Körper in entgegengesetzten Richtungen wandern. Das Vorrücke*
von jeden 32,5 Theilen Zink b muss begleitet sein von einem Zurückweichen -j
von 8 Theilen Sauerstoff bei d, von 36 Theilen Chlor bei^*, von 126 Theilca
Jod bei /; sowie von einem Vorschreiten elektrochemischer Äquivalente von
Wasserstoff, Blei, Kupfer und Zinn, bei e, k, k und tn.
„965) Nimmt man die vorstehende Darstellung für einen richtigen Aus-
druck der Thatsachen, so wird sie doch nur eine Bestätigung gewisser allge-
meiner Ansichten sein, welche Humphry Davy in seiner BAKER'schen Vorlesung
von 1806 ausgesprochen,1 und im Jahre 1826 in einer anderen BAKER'schett
Vorlesung verbessert aufgestellt hat.8 (S. 323 und 350.) Sein allgemeiner Satt
ist der: Chemische und elektrische Anziehungen werden durch die
nämliche Ursache erzeugt, die in dem einen Fall auf Theilchen,
in dem anderen auf Massen von Substanz einwirkt; und ein und
dieselbe Eigenschaft, verschiedentlich abgeändert, ist die Ur-
sache aller Erscheinungen bei den verschiedenen VoLTA'scben
Combinationen.3 Diesen Satz halte ich für wahr; allein indem ich ihn
annehme und vertheidige, muss ich mich gegen die Voraussetzung ver-
wahren, als wollte ich Allem, was damit in jenen beiden Aufsätzen verknüpft
1 Philos. Trans. 1807. * Ebenda 383. 1826. * Ebenda 389. 1826.
Das Gesetz von Faraday. rgj
, beistimmen oder die Experimente, welche daselbst als entscheidende
weise der Wahrheit des Satzes angeführt werden, gutheissen. Wäre dies
ane Meinung gewesen, würde ich diese Untersuchungen nicht unternommen
ben. Vielleicht glauben einige, ich wäre verpflichtet gewesen, jene Auf-
ze durchzugehen, das, was ich anerkenne, von dem, was ich verwerfe,
unterscheiden, und für beide Fälle gute experimentelle oder philosophische
weise anzuführen; allein dann wäre ich auch gezwungen gewesen, alles,
s für und wider die Nothwendigkeit des Metallcontactes, für und wider
n Ursprung der VoLTA'schen Elektricität bei chemischen Aktionen ge-
lrieben worden ist, ebenfalls zu recensiren, und diese Arbeit mochte ich
:ht im gegenwärtigen Aufsatz unternehmen." x
12. Ströme ohne Elektrolyse. In dem zweiten Haupttheil der achten
ihe seiner Untersuchungen, den er „Über die zur Elektrolysirung noth-
ndige Intensität" überschrieben hat, geht Faraday auf die Frage ein, ob
m Ströme von so geringer Intensität durch einen Elektrolyten senden könne,
ss überhaupt keine Elektrolyse erfolgt, und bejaht diese Frage auf Grund
liger Versuche, die wir gegenwärtig schwerlich als bindend anerkennen
nnen. Die sehr weitgehenden Schlüsse, welche er aus diesen Versuchen zog,
ste er selbst am Schlüsse der Abtheilung zusammen: „Es scheint, dass ein
H.TA'scher Strom von einer gewissen Intensität, die von der Stärke der ihn
rvorrufenden chemischen Verwandtschaften abhängt, einen gegebenen Elek-
Jyten ohne Beziehung auf die Menge der durchgegangenen Elektricität zer-
tzen kann, indem die Intensität allein entscheidet, ob der Elektrolyt
rsetzt werde, oder nicht. Wenn sich dieser Schluss bestätigt, werden wir
t Umstände so einrichten können, dass dieselbe Menge von Elektricität
>ergeht in derselben Zeit, durch dieselbe Oberfläche, in denselben Körper,
denselben Zustand, und dass sie dabei doch an Intensität verschieden ist,
ld daher in dem einen Falle zersetzt, und in dem anderen nicht. Denn
mint man eine Elektricitätsquelle von einer zum Zersetzen unzureichenden
itensität, und ermittelt die in einer gegebenen Zeit übergegangene Elek-
icitätsmenge, so ist es leicht, eine andere Quelle von zureichender Intensität
i nehmen, und durch Dazwischensetzung schlechter Leiter die Menge der
lektricität auf dasselbe Verhältniss, wie im ersten Strom zurückzuführen,
ad dann werden alle Bedingungen zur Hervorbringung der beschriebenen
esultate erfüllt sein."
An diesen Sätzen ist so gut wie alles irrthümlich. Zunächst scheint
äraday hier nicht gewahr geworden zu sein, dass die von ihm angenommene
1 „Ich beabsichtigte früher in einer Anmerkung sämmtliche Aufsätze derjenigen Physiker
feafohren, welche den Ursprung der Elektricität in der VoLTA'schen Säule von dem Contact
er von der chemischen Aktion oder von beiden Ursachen ableiten ; allein nach dem Erscheinen
i ersten Theiles von Herrn Becquerel's wichtigem und werthvollem Traitf. de V EUctricite
du Magnitisme hielt ich es für besser, hinsichtlich dieser Citate und der von jenen Physikern
"gestellten Ansichten auf dieses Werk zu verweisen. Man sehe S. 86, 91, 104, 110, 112,
7, Il8, I20, 151, 152, 224, 227, 228, 232, 233, 252, 255, 257, 258, 290 U. S. W. —
Juli 1834."
c82 Dreizehntes Kapitel.
Leitung der Elektrolyte ohne Zersetzung das von ihm ausgesprochene Gesetz
aufheben würde, wie denn die zuletzt von ihm erörterte Möglichkeit zweier
Ströme von gleicher Stärke, von denen der eine zersetzend wirkt, der
andere nicht, in vollem Widerspruche mit dem Gesetz von der festen elek-
troly tischen Wirkung steht1 Sodann ist es auffallend, dass er, der sonst
jeden Gedanken in einen Versuch zu übersetzen pflegte, diesen Versuch
nicht angestellt zu haben scheint, der doch so leicht auszuführen war. Wir
wissen gegenwärtig, dass ein solcher Versuch nicht ausführbar ist, dass die
von dem Urheber selbst als möglich angesehene Verletzung seines Gesetzes
nicht stattfindet, und dass keine Elektricitätsbewegung, auch nicht die
geringste, in einem Elektrolyten ohne die entsprechende Bewegung der
Ionen eintreten kann. Die Erscheinungen, welche Faraday getäuscht haben,
und welche darin bestehen, dass der von Zink und Platin in verdünnter
Schwefelsäure entwickelte Strom dauernd durch verdünnte Säure zwischen
Platinelektroden gehen kann, ohne dass eine Spur der durch den Strom zu
erwartenden Gase an den Platten erscheint, sind erst viel später durch
Helmholtz aufgeklärt worden, welcher sie auf die Diffusion der gelösten
Gase durch die Flüssigkeit, und den daraus erfolgenden Verbrauch derselben
an der anderen Elektrode zurückzuführen lehrte.
Die folgende Abtheilung von Faraday*s Arbeiten bezieht sich auf „zu-
sammengesetzte VoLTA'sche Ketten oder die VoLTA'sche Batterie," und
beginnt mit einer wichtigen Auseinandersetzung des Verhältnisses der ver-
stärkten Elektricität der Batterie zu dem Gesetz der festen elektrolytischen
Wirkung. „Geht man von der Betrachtung einfacher Ketten zu deren Ver-
einigung in einer VoLTA'schen Batterie über, so ist einleuchtend, dass, wenn
die Sachen so geordnet werden, dass zwei Gruppen von Verwandtschaften}
statt gegen einander, mit einander wirken müssen, sie dann statt einander
zu stören, vielmehr einander unterstützen müssen. Dies ist der einfache
Fall von zwei Plattenpaaren, welche zur Bildung einer Kette angeordnet sind.
Bei solchen Anordnungen wird die Thätigkeit des Ganzen bekanntlich erhöht,
und wenn man zehn oder hundert, oder eine noch grössere Zahl solcher
Alternationen zweckmässig zusammenstellt, so wird die Kraft Verhältnis^
massig erhöht, und wir erhalten jenes vortreffliche Instrument zu physi-
kalischen Untersuchungen, die VoLTA'sche Batterie.
„990) Aus den bereits aufgestellten Grundsätzen von der festen Wirkung
ist aber klar, dass die Quantität der Elektricität in dem Strom nicht erhöht
werden kann mit Vergrösserung der Quantität des Metalles, welches an
jeder neuen Stelle der chemischen Aktion gelöst und oxydirt wird. Eine
1 Bei einer späteren Gelegenheit fällt es Faraday allerdings auf, dass die Annahme einer
Leitung ohne Zersetzung seinem Gesetze widerspricht (1032); er meint aber, dass der Antbti
des Stromes, welcher ohne Zersetzung geleitet werde, dem anderen gegenüber als zu unbedeutesd
nicht in Betracht komme. In der oben gegebenen Darlegung hat er selbst gezeigt, dass ms»
die beiden Antheile in ein beliebiges endliches Verhältniss bringen könnte (felis jene Anskkt
richtig wäre), und sich somit im Voraus widerlegt.
Das Gesetz von Faraday. cg?
einfache Zink-Platin-Kette versetzt vermittelst der Oxydation von 32,5 Gran
Zink ebenso viel Elektricität in den Zustand des Stromes, als eine tausend
Mal grössere Menge, oder nahezu fünf Pfund desselben Metalles, durch seine
Oxydation in einer regulären Batterie von tausend Plattenpaaren liefern
würde. Denn es ist einleuchtend, dass die Elektricität, welche in der ersten
Zelle vom Zink durch die Säure zum Platin geht, und die von der Zer-
setzung einer festen Menge Wasser in der ersten Zelle begleitet oder gar
erzeugt ist, in der zweiten Zelle nicht vom Zink durch die Säure zum Platin
gehen kann, ohne dort dieselbe Menge Wasser zu zersetzen und dieselbe
Menge Zink zu oxydiren. Dasselbe geschieht in allen übrigen Zellen; in
jeder muss das elektrochemische Äquivalent Wasser zersetzt werden, ehe der
Strom durch dieselbe gehen kann. Denn die Menge der durchgegangenen
Elektricität und die Menge des zersetzten Elektrolyten müssen äquivalent
zu einander sein. Die Wirkung einer jeden Zelle geht also nicht dahin, die
in irgend einer Zelle in Bewegung gesetzte Quantität zu vergrössern, sondern
diejenige Quantität forttreiben zu helfen, deren Übergang mit der Oxydation
des Zinks in dieser Zelle vereinbar ist, und in dieser Weise erhöht sie jene
Eigentümlichkeit des Stromes, welche wir mit dem Namen Intensität
bezeichnen, ohne die Quantität zu vermehren, welche der in jeder Zelle der
ganzen Reihe oxydirten Menge des Zinks entspricht.
„991) Um dies zu beweisen, stellte ich zehn Plattenpaare von Platin
und amalgamirtem Zink mit verdünnter Schwefelsäure zu einer Batterie
zusammen. Als ich diese Batterie schioss, wirkten alle Platten, und an den
Platinflächen entwickelte sich Gas. Dies wurde gesammelt, und es ergab
sich, dass die Menge desselben in allen Zellen gleich war; und ebenso stand
die Menge des an jeder Platinplatte entwickelten Wasserstoffes in demselben
Verhältniss zu der des an jeder Zinkplatte gebildeten Zinkoxyds, wie das früher
bei den Versuchen mit der einfachen Kette der Fall war. Es war also
gewiss, dass gerade so viel und nicht mehr Elektricität durch die Reihe von
lehn Plattenpaaren durchgegangen war, als durch ein einziges Paar gegangen
oder in Bewegung gesetzt sein würde, ungeachtet im ersten Falle eine zehn
Mal grössere Menge Zink verbraucht wurde. . . .
»99 3) Dass die Zersetzungskraft einer Batterie die eines einfachen Platten-
paares übertrifft, ist auf zweierlei Weise einleuchtend. Elektrolyte, welche
durch eine so starke Verwandtschaft zusammengehalten werden, dass sie
dem einfachen Plattenpaare widerstehen, geben ihre Elemente unter dem
von vielen Plattenpaaren erregten Strome aus; und ein Körper, welcher
durch die Wirkung eines Plattenpaares, oder weniger Paare zersetzt wird,
zerfallt entsprechend leichter in seine Ionen, wenn auf ihn die von einer
grösseren Zahl von Plattenpaaren erregte Elektricität einwirkt.
„994) Beide Wirkungen sind, glaube ich, leicht verständlich. Was auch
die Intensität sein mag (und sie muss natürlich von der Natur der Elek-
tricität abhängen, ob diese nun aus einer oder mehreren Arten von Flüssig-
keiten bestehe, aus Vibrationen eines Äthers oder irgend einer anderen Art
t%A Dreizehntes Kapitel.
oder einem Zustande von Materie), so ist doch nicht schwierig einzusehen,
dass der Grad der Intensität, mit welcher ein Elektricitätsstrom von dem
ersten VourA'schen Element entwickelt wird, eine Verstärkung erfahrt, wenn
dieser Strom der Wirkung von einem zweiten Voi/TA'schen Element aus-
gesetzt wird; und da die Zersetzungen bloss widerstrebende Wirkungen sind,
aber von genau gleicher Art wie die, welche den Strom erzeugen, so scheint
es eine natürliche Folgerung, dass die Verwandtschaft, welche der Kraft einer
einzelnen Zersetzungswirkung widerstehen kann, unfähig sei, den Kräften so
vieler Zersetzungswirkungen, welche in der Voi/TA'schen Säule gemeinsam
thätig sind, Widerstand zu leisten.
„995) Dass ein Körper, welcher einem Strom von schwacher Intensität
unterliegt, noch leichter einem von grösserer Stärke weicht, und dabei
keinen Widerspruch mit dem Gesetz von der festen elektrolytischen Wirkung
darbietet, ist vollkommen erklärlich. Alle Thatsachen, und auch die Theorie,
welche ich aufzustellen wagte, zeigen, dass der Akt der Zersetzung dem
Übergange des elektrischen Stromes eine gewisse Kraft entgegensetzt, und
dass dieser Widerstand mehr oder weniger leicht überwunden wird, in dem
Maasse, als der zersetzende Strom eine grössere oder geringere Kraft besitzt,
stimmt mit allen unseren Kenntnissen von dem elektrischen Wesen voll-
kommen überein."
Wir sehen hier Faraday zwar auf vollkommen richtigen Wegen, indem
er die beiden wichtigsten elektrischen Grössen, die Elektricitätsmenge und
die Spannung oder „Intensität", richtig unterscheidet und in ihren charak-
teristischen Eigenschaften erkennt. Die vollständige Herrschaft über dieses
Gebiet war ihm aber nicht gegeben, und dies zu einer Zeit, wo die Mög-
lichkeit dazu durch Ohm bereits lange erwiesen war. Alles, was hier aus-
einandergesetzt worden war, ist eine unmittelbare Folgerung aus dem
OHM'schen Gesetz, und die Kenntniss desselben hätte Faraday eine grosse
Summe von Mühe und Arbeit erspart. Dazu wäre der Vortheil gekommen,
dass die Bedeutung dieses Gesetzes von der Seite eines überzeugten An-
hängers der chemischen Theorie gewürdigt worden wäre. In Deutschland
hatten sich nur die Gesinnungsgenossen des grossen Entdeckers, die Contact-
theoretiker, mit dem OHM'schen Gesetz beschäftigt, und die Fülle von Auf-
klärung, die es wie über alle anderen Gebiete, auch über das der Zersetzung
durch den Strom bringen konnte, wurde erst in viel späterer Zeit geerntet
So hat auch nach dieser Richtung jener lange Kampf geschadet, welchem
eine solche Unsumme von Zeit und Arbeit mit so geringen Ergebnissen
geopfert worden war.
In dem weiteren Verfolge seiner Arbeiten beschäftigt sich Faraday mit
der Untersuchung der günstigsten Anordnungen VourA'scher Batterieen, und
schlägt als die beste amalgamirtes Zink und Platin in verdünnter Schwefel-
säure vor, da in diesem Falle der ideale Grenzzustand, dass nur gleichzeitig
mit dem Strome und proportional demselben die chemische Wirkung statt-
findet, sehr nahe erreicht werden kann. Die Anwendung des amalgamirten
Das Gesetz von Faraday. cgc
iks scheint ziemlich gleichzeitig von Kemp1 und Sturgeon2 vorgeschlagen
rden zu sein. Für die Ursache , dass beim amalgamirten Zink in ver-
einter Säure kein Angriff erfolgt, nimmt Faraday ganz richtig den Umstand
Anspruch, dass durch die flüssige Beschaffenheit der amalgamirten Ober-
:he alle vorhandenen Unterschiede durch die Anwesenheit beigemengter
teile aufgehoben werden, so dass die Bildung kleiner örtlicher Ketten,
j bei unreinem Zink stattfindet, vermieden wird. Zur Stütze dieser An-
ht weist er auf die Versuche von de la Rive hin, durch welche nach-
wiesen worden war, dass reines Zink von Säuren fast gar nicht angegriffen
rd.s
Am Schlüsse der achten Reihe seiner Experimentaluntersuchungen geht
1 Jameson's Edinburgh Journ. Oct 1828. (Cit nach Faraday.)
* Recent Experimental Researches, etc. 1830, p. 74. (Cit nach Faraday.)
8 Diese Versuche von de la Rive sind in der Biblioth. univers. 43, 391, auch in Pogg.
in. 19, 221. 1830 mitgetheilt, und ergeben, dass die Geschwindigkeit der Lösung des Zinks
Sauren von der Reinheit des Zinks in Bezug auf metallische Beimengungen abhängt, und
mi um so grosser wird, je mehr fremde Metalle vorhanden sind. Möglichst reines, destillirtes
ok löst sich überhaupt kaum in verdünnter Schwefelsäure auf.
• Dass die Erscheinung elektrischer Natur ist, vermuthete er alsbald, und fand es auch
ich seine Versuche bestätigt. Als er reines Zink, welches für sich so gut wie kein Wasser-
»figas gab, mit dünnem Platindraht umwickelte und so in die Säure that, erhielt er alsbald
eder eine heftige Gasentwickelung, welche, wie schon Wollaston beobachtet hatte (S. 153),
r vom Platin ausging. Ferner fand er, dass Schwefelsäure von verschiedenen Verdünnungen
ch verschieden schnell wirkte, und als er die Leitfähigkeit dieser Lösungen ermittelte (über
s Verfahren dazu finden sich keine näheren Angaben vor), so ergab sich, dass die bestleitende
nre auch die war, welche das Zink am schnellsten auflöste.
Die Theorie, welche sich DE LA Rive über die Erscheinungen gemacht hatte, ist folgende.
He geringe chemische Aktion, welche immer bei reinem Zink stattfindet, erregt einen elek-
schen Strom zwischen jedem Zinktheilchen und dem es berührenden Theilchen von fremdem
etalle. Diese kleinen Molekularströme zersetzen das Wasser, welches sie durchdringen, führen
n Wasserstoff zum beigemengten Moleküle, welches in allen hier angewendeten Gemengen
gativ ist, und den Sauerstoff zum Zinkmoleküle, welches positiv ist. Letzteres Molekül ver-
ndet sich, sowie es oxydirt ist, mit der in der Flüssigkeit vorhandenen Schwefelsäure, und
Idet schwefelsaures Zinkoxyd, welches aufgelöst bleibt. Die Wasserzersetzung, und folglich
e Wasserstoffentwickelung in einer gegebenen Zeit wird demnach um so beträchtlicher sein,
i die elektrischen Ströme zwischen den einzelnen Theilchen stärker sind. Die Intensität dieser
rttane hängt aber vom Leitungsvermögeu der Säure ab, und wie wir gesehen haben, ist die
isentwickelung desto beträchtlicher, je stärker dieses Leitungsvermögen ist. Auch rouss die
tensität von dem Unterschiede der Oxydirbarkeit des Zinks und ,des demselben beigemengten
etattes abhängen, jedoch sehen wir, dass das Zink -Eisen von allen Gemengen die grösste
nkung hervorbringt"
DE LA Rive geht nun dazu über, diesen letzteren Widerspruch gegen seine Voraus-
taugen zu erklären ; doch gelingt ihm dies kaum befriedigend, und wir brauchen nicht in eine
örterung über die Stichhaltigkeit seiner Betrachtungen einzugehen. Von Interesse ist an der
iseinandersetzung, die allerdings nach dem heutigen Standpunkte in manchen Stücken anders
d namentlich einfacher lauten würde, dass hier wohl zum ersten Male ein Zusammenhang
ischen der elektrischen Leitfähigkeit und der chemischen Reaktionsgeschwindigkeit aufgestellt
rd. Ein solcher Zusammenhang besteht in einem weit ausgedehnterem Maasse, als de la
ve hier angedeutet hat, doch gehört die Entdeckung desselben ganz der neuesten Zeit an.
g86 Dreizehntes Kapitel.
Faraday auf den „Widerstand der Elektrolyte gegen elektrolytische Aktie
ein, und erörtert die Wirkung der Zwischenplatten. Auf die vielen alte
Arbeiten, welche seit Gautherot und Ritter (S. 173) über diesen Gegenst
veröffentlicht worden sind, geht er nicht ein. Einen wesentlichen Fortsei
in der Auffassung der Erscheinung, welche inzwischen mit dem Namen
Polarisation bezeichnet worden war, macht er insofern, als er zu dem &
kommt: „Die allgemeine und hauptsächliche Ursache dieser Erscheinunj
ist der Widerstand gegen chemische Zersetzungen." Zum Beweise desseib
der ohnedies aus seiner ganzen Auffassung der elektrochemischen Erscl
nungen folgt, zeigt Faraday, dass, wenn man in der Zersetzungsstelle s
verdünnter Schwefelsäure allein ein Gemenge derselben mit Salpetersä
hat, die Schwächung eine viel geringere ist. „Dies scheint eine Folge da\
zu sein, dass die Schwierigkeit der Zersetzung des Wassers vermindert
wenn dessen Wasserstoff, statt frei ausgetrieben zu werden, auf den Sau
Stoff der Salpetersäure zur Bildung eines seeundären Produktes an der ¥
thode übertragen werden kann, wie hier. Denn gemäss den schon ai
gesprochenen Ansichten von dem elektrischen Strom und seinen Wirkung
widersteht das Wasser nun nicht mehr der Zersetzung mit dem voll
Betrage der auf der gegenseitigen Anziehung seines Sauerstoffes und Was»
Stoffes entspringenden Kraft, sondern diese Kraft ist theilweise aufgewog
und folglich geschwächt durch die Anziehung des Wasserstoffes an c
Kathode zu dem Sauerstoff der Salpetersäure daselbst, mit welchem er si
zuletzt verbindet, statt frei zu entweichen."
Bei der Benutzung verschiedener Zwischenplatten erhielt Faraday c
schon von Ritter gefundene Ergebniss, dass Zink nur wenig, Kupfer v
mehr dem Strome hinderlich war, und zwar das letztere erst nach einig
Augenblicken. „Dies scheint daher zu rühren, dass die Flächen jen
besonderen Zustand annehmen, vermöge dessen sie den umgekehrten Stn
zu erregen trachten. Denn wenn eine oder mehrere dieser Platten umj
kehrt wurden, was sich vermittelst der Tassenkrone leicht bewerkstellig
Hess, wurde der Strom auf einige Augenblicke kräftig erneuert, und hö
dann abermals auf. . . . Alle diese Verzögerungseffekte, die sich durch Z
Setzungen an Flächen äussern, die zu den ausgeschiedenen eine gros»
oder geringere oder gar keine Verwandtschaft haben, zeigen in allgemeii
und hübscher Weise die chemischen Beziehungen und den Ursprung <
elektrischen Stromes, st>wie den Gleichgewichtszustand der Verwandtschafi
an dem Entstehungs- und Zersetzungsorte. Auf diese Weise vermehren
die Beweise zu Gunsten der Einerleiheit der beiden. Denn sie beweisen <i
Antagonismus der chemischen Kräfte in dem elektromotorischen Theil
den chemischen Kräften in dem eingeschalteten Theil; sie zeigen, dass
ersteren elektrische Wirkungen erzeugen, die letzteren sich diesen wid
setzen; sie bringen die beiden in ein unmittelbares Verhältniss; sie thun c
dass jede von ihnen die andere bedingen kann, sie kehren augenscheinl
Ursache und Wirkung um, und beweisen, dass die chemische und elektria
Das Gesetz von Faraday. c37
Wirkung nur zweierlei Äusserungen eines einzigen Wesens oder einer einzigen
Kraft darstellen."
Den hier von Faraday gezogenen Schluss von der gegenseitigen Be-
dingtheit der chemischen und elektrischen Vorgänge auf die Gleichheit ihres
Wesens wird man heute nicht mehr als berechtigt anerkennen dürfen,
obwohl solche Schlüsse auch jetzt noch häufig gezogen werden. Denn diese
Bedingtheit tritt nur in bestimmten Fällen ein; es sind ebenso chemische
Vorgänge ohne elektrische, wie auch insbesondere elektrische ohne chemische
möglich und wirklich, und in allen solchen Fällen könnte man die behauptete
Gleichheit beider nur durch unbeweisbare und unzweckmässige Hypothesen
formal herstellen. Vielmehr ist uns heute die gegenseitige Bedingtheit zweier,
Terschiedenen Gebieten angehöriger Erscheinungsreihen eine so geläufige
Thatsache, dass wir ganz allgemein solche Beziehungen zwischen je zwei
beliebigen Energiearten erwarten. Um bei der chemischen Energie zu bleiben,
können wir eben solche Beziehungen, wie sie zu der elektrischen vorhanden
sind, zu der mechanischen Energie wie zur Wärme aufweisen, ohne dass
irir uns dadurch für berechtigt halten, das Wesen der chemischen Erschei-
nungen mit dem der Wärme oder der mechanischen Arbeit gleich zu setzen.
Das Gemeinsame, was in allen diesen Fällen vorhanden ist, besteht in der
gegenseitigen Umwandlung der Energie; diese ist durch bestimmte Be-
ziehungen zwischen den Faktoren der verschiedenen Energiearten geregelt,
mid da alle diese Umwandlungen gegenseitig sind, ist es nicht statthaft,
einer der Arten der Energie einen Vorzug vor der anderen zu geben.
Diese Verhältnisse sind zwar einfach genug, wenn man sie sich einmal
klar gemacht hat, doch schien es nöthig, sie hier ausdrücklich auszusprechen,
um ein für alle Male den richtigen Gesichtspunkt für die Beurtheilung einer
Anschauungsweise zu gewinnen, wie sie uns hier an Faraday entgegen-
getreten ist, und wie sie später sich immer wieder zeigen wird.
Bei der weiteren Erörterung der Polarisationserscheinungen weist Faraday
darauf hin, dass die Wirkung durch die chemische Veränderung der an den
Hatten liegenden Flüssigkeit nur das unmittelbar anliegende Häutchen zu
treffen brauche, um merkbar zu sein, und fuhrt für die Zähigkeit, mit
welcher Stoffe an Oberflächen hängen bleiben, folgenden hübschen Versuch
aa. ^Eine polirte Platinplatte wurde nur auf einen Augenblick in heisse
ooncentrirte Schwefelsäure getaucht und dann in destillirtes Wasser, darin
herumgeführt, herausgenommen, und trocken gewischt; darauf wurde sie in
dne zweite Portion destillirten Wassers gebracht, darin herumbewegt und
abermals trocken gewischt; jetzt ward sie in eine dritte Portion destillirten
Wassers getaucht, darin beinahe acht Sekunden herumbewegt, und nun ohne
Abwischen in eine vierte Portion destillirten Wassers gebracht, und fünf
Jmuten darin gelassen. Die beiden letzten Portionen Wasser wurden nun
«f Schwefelsäure geprüft; die dritte zeigte keine merkbaren Spuren von
fcser Säure, aber die vierte gab nicht nur sichtbare, sondern auch für diese
Anstände sehr reichliche Anzeigen von derselben."
1*38 Dreizehntes Kapitel.
Neben der Ursache der Ausscheidung solcher Stoffe, welche eine
entgegengesetzte elektromotorische Kraft an den Platten bewirken, nimmt
Faraday noch eine zweite Ursache an, welche „in dem ungewöhnlichen
Zustande der Metalloberfläche" liegen soll, dessen erste Beobachtung er aal
Ritter zurückfuhrt, und deren Beweis er in der langen Dauer der ent-
sprechenden Wirkung auch nach Ausschaltung der zersetzenden Kette sieht
Gegenwärtig wissen wir, dass dieser zweite Umstand von dem ersten nkrhl
wesentlich verschieden ist, d. h. dass es sich gleichfalls um eine Wirkung
elektrolytisch ausgeschiedener Stoffe handelt. Die längere Dauer dies«
Wirkung, die sich insbesondere bei kathodischer Polarisation von Platin-
platten zeigt, rührt von dem absorbirten Wasserstoff her, welcher in das
Platin eindringt, und nur langsam wieder entweicht. Auch in diesem Falk
sind die Erscheinungen insbesondere durch Helmholtz klar gestellt worden.
13. Rückblick. Überschaut man die Summe von Faraday's Leistungen
für die Elektrochemie, so findet man sie ausserordentlich gross. Durch die
Entdeckung seines Gesetzes der festen elektrolytischen Wirkung hat er für
unser Gebiet etwa dasselbe gethan, war Ohm für die Lehre von dem elek-
trischen Strome gethan hatte, nämlich das zahlenmässig ausdrückbare Grund-
gesetz gefunden, auf welches alle weiteren Messungen zurückzufuhren sind,
und welches erst gestattet, Gesetz und Ordnung in die Fülle der Erschei-
nungen zu bringen. Aber dies ist nicht das einzige Verdienst dieser Arbeiten.
Die sachgemässe Unterscheidung der beiden elektrischen Grössen, der Elek-
tricitätsmenge und der Spannung oder Intensität, ist zwar nicht Faraday*3
Werk allein, denn sie war schon von Volta in wesentlich derselben Weise
durchgeführt worden. Von grösster Bedeutung aber, und ganz Faraday*!
Verdienst ist die richtige Zuordnung, welche er zwischen diesen elektrischen
Grössen und den entsprechenden chemischen bewerkstelligt hat, indem ä
die Elektricitätsmenge mit der Stoffmenge, die elektrische Spannung mä
der chemischen Verwandtschaft in Beziehung brachte. Dadurch hatte o
die Grundlagen der künftigen chemischen Theorie der VoLTA'schen Ketfc
gelegt, denn nach mehr als einem halben Jahrhundert angestrengter Arbeit
ist die Forschung genau auf den gleichen Standpunkt gelangt. Die inzwischei
zu leistende Arbeit bestand vornehmlich in der Ausbildung des Begriffe
der chemischen Verwandtschaft, welcher zu Faraday's Zeiten noch keinef
scharf definirbaren, und noch weniger einen zahlenmässig aufweisbaren Inhal
besass. Als dieser gefunden war, Hess sich der von Faraday nur postuliitx
Zusammenhang in der That aufweisen und so die chemische Theorie dei
galvanischen Erscheinungen durchfuhren.
Neben diesen ungemeinen Fortschritten waren einzelne Missgriffe hervor
zuheben, wie die nicht ganz richtige Bestimmung der Ionen, und die Aft
nähme der metallischen Leitung in den Elektrolyten neben der rein elektro
lytischen. Es ist bereits hervorgehoben worden, dass zwar der erste Miss
griff ziemlich bald beseitigt worden ist, und daher nicht viel Behinderun)
des Fortschrittes verursacht hatte, dass aber der zweite seine schädlich
Das Gesetz von Faraday. egg
Virkung sehr viel länger und einschneidender gezeigt hat. Einen Vorwurf
larf man hieraus für Faraday schwerlich ableiten, denn den ersten Irrthum
heilte er mit seiner ganzen Zeit, und zu dem zweiten wurde er gerade
lurch die Sorgfalt veranlasst, mit welcher er die Gültigkeit seines Gesetzes
>riifte. Während der Anfanger in der Wissenschaft fast immer geneigt ist,
len von ihm gefundenen Regelmässigkeiten eine allzuweite Geltung beizu-
egen, wird der erfahrene Forscher in dieser Beziehung immer vorsichtiger,
lenn er sieht nur zu oft die ursprünglich vermuthete Bedeutung solcher
Mlgemeinheiten sich mehr und mehr einschränken. Dadurch entsteht ein
gewisses Misstrauen auch in solchen Fällen, wo zunächst keine Ausnahme
aufzutreten scheint, und man ist aus berechtigter Vorsicht geneigt, wider-
sprechenden Instanzen eine grössere Bedeutung zuzuschreiben, als ihnen
zukommt. Nun ist die Entdeckung und erste Prüfung eines Gesetzes eine
ganz andere Thätigkeit, als seine spätere messende Durcharbeitung, und es
wäre in den meisten Fällen verlorene Arbeit, beide Aufgaben gleichzeitig
lösen zu wollen. Faraday war also ganz berechtigt, diese zweite Aufgabe
zu verschieben, oder Anderen zu überlassen; dass dieser naturgemässe Vor-
gang in diesem Falle ungünstige Wirkungen gehabt hat, ist wesentlich eine
Folge der ausserordentlichen Bedeutung des Gesetzes.
14. Aufnahme des FARADAY'schen Gesetzes. Nachdem Faraday sein
Gesetz veröffentlicht hatte, blieb es ihm nicht erspart, dasselbe sowohl gegen
Angriffe auf seine Gültigkeit, wie auch gegen Aneignung durch Andere ver-
teidigen zu müssen. Die ersten Angriffe gingen von keinem Geringeren
aus, als von Berzelius, der in seinem Jahresberichte aus den Arbeiten von
Faraday sehr wenig sachgemässe Auszüge gab. Es ist hier ganz auffallend
zu beobachten, in welchem Maasse die Abweichung der Ansichten über die
Theorie der elektrischen Erscheinungen — Berzelius war Anhänger der
Contactlehre, nachdem er zuerst der chemischen Theorie angehangen
hatte — selbst bei einem so ausgezeichneten Manne wie Berzelius nicht
nur die Sicherheit des Urtheiles, sondern sogar die Gerechtigkeit und
Unparteilichkeit des wissenschaftlichen Berichterstatters beeinträchtigt hat.
In seinem ersten Bericht über das Gesetz1 äussert sich Berzelius zwar
kritisch, aber doch noch nicht unbedingt abweisend. Nachdem er die von
Faraday angegebenen Versuche ziemlich unvollständig berichtet hat, schreibt
er: „Bei der Beurtheilung dieser Versuche will es scheinen, als wäre der
Satz, dass dasselbe Quantum Elektricität stets dieselbe Grösse der Zersetzung
gebe, nicht so vollkommen bewiesen, als man wünschen könnte. Die Sache
^ vielleicht richtig. Dies darf jedoch nicht von einer näheren Kritik des
Weises abhalten. Jeder, der Gelegenheit hatte, das Quantum von che-
mischer Zersetzung, welches eine neu aufgebaute Säule bewirkt, zu ver-
gleichen mit dem, welches nach 24 Stunden dadurch hervorgebracht wird;
'er gesehen hat, in welchem Grade der Abstand nicht allein zwischen den
1 15. Jahresber. för 1834. Tübingen 1836. S. 30 u. ff.
cqo Dreizehntes Kapitel.
Platten der Säule, d. h. die Dicke des zwischenliegenden Liquidums, som
auch zwischen den Leitungsdrähten in der Flüssigkeit auf den Gang
Zersetzung influirt, findet nicht in Faraday^s Arbeit angegeben, wie
messen kann, was diese wirken in Beziehung auf die Quantität des
durchgehenden Stromes. ... In den Resultaten dieser Versuche finde
nichts, was entscheidend genug wäre, um mehr zu beweisen, als dass, \
Wasser und geschmolzenes Chlorblei nach einander von demselben <
trischen Strome durchsetzt werden, die Quantitäten des reducirten Bleis
Wasserstoffes Äquivalente sind. Aber auch hier bedingt . . . die Gegen
der Schwefelsäure im Wasser eine Unsicherheit. . . . Noch eine andere F
kann hier aufgeworfen werden; ist dasselbe Quantum von Elektricität nö
um ein Atom Silber und ein Atom Sauerstoff von einander zu trennen,
um ein Atom Kalium und ein Atom Sauerstoff zu trennen, d. h. um K
von einem so unermesslichen Unterschiede der Grösse aufzuheben? K
die Intensität an Kraft ersetzen, wie sie zur Überwindung einer gross
Kraft vorauszusetzen ist? Wäre nicht der Umstand denkbar, dass Verwa
schatten von gleicher Grösse von demselben Strom gleich überwur
werden, und Verwandtschaften von verschiedenem Grade mit so gerinj
Unterschiede in der Quantität, dass er im Kleinen in die Beobachtungsft
fällt? Es ist bekannt, dass das Blei nur mit Schwierigkeit und u
Kochen das Chlor vom Wasserstoff scheidet, dass also diese Verwa
schatten sehr nahe liegen. Man sieht hieraus, dass die Untersuchung
einem weit umfassenderen Gesichtspunkt aus genommen werden in
ehe das m Resultat, das Farad ay daraus entnommen hat, als gültig betrac
werden kann."
Aus diesen Darlegungen wird der Irrthum klar, welcher Berzeuuj
seinen Zweitein an dem Gesetz von Faraday veranlasst hat: es ist die
sieht, dass gleiche Elektricitätsmenge gleiche wirksame Kräfte bedei
Nach dem, was früher dargelegt worden ist, kann Faraday keine Schule
diesem Missverständnisse beigemessen werden, denn er hat völlig sachgei
die Elektricitätsmenge von der Intensität unterschieden, und das Verhäl
beider insbesondere daran klar gemacht, dass er zeigte, wie in einer S
von beliebig vielen Plattenpaaren die Elektricitätsmenge stets dieselbe
wenn an einer Zinkplatte eine bestimmte Menge Metall gelöst wird,
dass durch den Aufbau zur Säule nur die Intensität wächst. Berzelius
sich hierüber nicht klar geworden, und daher rührt sein Einwand.
Eine Entschuldigung für Berzelius liegt indessen in dem Umsta
dass Faraday sich anderen Einwürfen ausgesetzt hatte, welche durc
berechtigt waren, und in welchen Berzelius unzweifelhaft competenter
als sein Gegner. Es ist dies der fehlerhafte Satz, dass nur aus glei
Atomen zusammengesetzte Verbindungen der Elektrolyse unterliegen ;S.
Es wurde bereits bemerkt, dass Faraday, um diesen Satz aufrecht zu ha
die Existenz eines Antimonoxyds SbO angenommen hatte, und Berz
musste es leicht werden, in einer experimentellen Untersuchung das Irrt!
Das Gesetz von Faraday. cgj
bc dieser Behauptung zu zeigen.1 Es ist ganz menschlich , wenn er an-
richte dieser wenig begründeten Behauptung seines Gegners auch dessen
dere Ergebnisse in Zweifel ziehen zu dürfen glaubte.
In seinein nächsten Jahresbericht referirt Berzelius über die achte Reihe
ti Faraday*s Untersuchungen , und machte gegen die Beweiskraft von
sen Experimenten über Ströme ohne metallische Berührung die nahe-
gende Einwendung, dass die Contactkräfte zwischen Metall und Flüssigkeit
r „Erklärung" ausreichen. Auf das elektrolytische Gesetz bezieht sich die
gende Bemerkung. „Ferner hat er (Faraday) zu zeigen gesucht, was
ch jedem die Erfahrung zeigt, der sich mit hydroelektrischen Versuchen
schäftigt hat, dass jeder verschiedene Verwandtschaftsgrad, um überwunden
werden, auch einen verschiedenen Intensitätsgrad des elektrischen Stromes
fordert, und dass zersetzbare flüssige Körper Ströme von geringerer Inten-
ät leiten können, als zu ihrer Zersetzung nöthig sind. Hier fragt man
h: Was wird dann aus dem Gesetz, dass eine gleiche elektrische Quantität
der Circulation immer gleiche Äquivalente trennt? denn es ist klar, dass
i jeder Zersetzung, die einer bestimmten Kraft bedarf, eine bestimmte
wtion des Stromes übrig bleibt, welcher durch den Verwandtschaftsgrad
is Gleichgewicht gehalten wird. Faraday beantwortet die Frage damit,
iss diese Quantität im Verhältniss zu der, welche zur Aufhebung der
tonischen Verwandtschaft aufgehe, so gering sei, dass sie bei den Ver-
leben über das Quantitative nicht in Rechnung komme. Aber ganz zuge-
gen, dass die Quantität des elektrischen Stromes und der chemischen
Ersetzung einander wirklich entsprechend sein muss, so dürfte qs doch,
wohl aus dem nun angeführten, wie aus den im vorigen Jahresberichte
m mir gemachten Einwürfen klar sein, dass jede hydroelektrische Zer-
tzung von so viel Nebenumständen begleitet sei, dass das gefundene quan-
ative Messungsresultat unmöglich mit dem theoretischen vollkommen über-
stimmen kann/'
Berzelius ist auch hier in seiner Kritik, die den gleichen Irrthum
züglich der „Kraft" des Stromes enthält, viel zu weit gegangen. Aus
n späteren Untersuchungen hat sich in striktem Gegensatz zu seinen Ein-
inden ergeben, dass das Gesetz von Faraday zu den wenigen gehört, von
:nen eine messbare Abweichung nicht hat nachgewiesen werden können,
e also innerhalb der Grenzen der bisher erreichten Genauigkeit als völlig
nau angesehen werden dürfen.
Viel heftiger noch, als im Jahresberichte, äussert sich Berzelius später
der vierten Auflage seines Lehrbuches. Diese enthält zunächst abweichend
» den früheren Auflagen die Beschreibung des mehrfach erwähnten Ver-
iches, durch welchen Berzelius sich selbst von einem Anhänger der chemi-
hen Theorie zu einem der Contacttheorie gemacht hat, und der durch
t Fig. 148 genügend veranschaulicht wird; darin bezeichnet K Kupfer,
1 15. Jahresber. S. 142. * 16. Jahresber. S. 33.
S9?_
Dreizehnte!! Kapitel.
Z Zink, SZ Zinksulfat, SF Salpetersäure. Berzelius schüesst seine
Schreibung des Versuches mit den Worten: „Aus diesem einfachen
suche folgt also unwidersprechlich , dass die in dem feuchten Leite
Säule auftretenden chemischen Erscheinutagen nicht die Ursache des el
sehen Zustandes, sondern umgekehrt eine Folge davon sind und in dt
bestimmt werden, dass sie sogar das Umgekehrte davon werden können
sie waren, ehe die elektrischen Ströme ihren Lauf begannen.
Fig. 148. Nach Berzelius.
„Die Gegner der Contacttheorie haben ganz unzulässige Erklän
von diesem Experiment versucht, um das Resultat desselben mit der
nannten chemischen Theorie der Säule, die dadurch vollkommen wid
wird, scheinbar in Einklang zu bringen. Es giebt noch manche ander«
ganz ebenso entscheidende Beweise gegen diese Theorie, deren Anfül
ich hier für überflüssig halte."
Bei der Auseinandersetzung der Theorie der Elektrolyse polemisirt
zelius beinahe gegen alle Ansichten, welche Faradav ausgesprochen ha'
erwähnt den Satz, dass ein Elektrolyt nur leiten kann, indem er ze
wird und bemerkt dazu: „Diese Annahme hat insofern einige Wahrst
lichkeit für sich, als es zu den seltenen Ausnahmen gehört, dass ein £
durch einen solchen flüssigen Körper geht, ohne allmählich seine Bes
theile zu trennen; aber solche Ausnahmen giebt es, und sie beweisen,
wenn auch die Trennung der Bestandtheile eine meistens eintretende Wii
des Durchganges des elektrischen Stromes ist, sie doch nicht die Bedin
dazu ausmacht. Es ist ausserdem bekannt, dass der Strom der Fric
elektricität mit Leichtigkeit durch sie hindurchgeht ohne Zeichen der
Setzung, während doch die Elektricität in beiden dieselbe ist, wiewol
letzterwähnte nur einen äusserst kurzen Zeitmoment dauert, in welcher
Vis inertiae der Materie nicht überwunden werden kann. Wäre der .
nommenc Umstand richtig, so würden sich diese flüssigen Körper »
stens wie Nichtleiter für den momentanen Strom der Frictionselekt
verhalten.
„Diese Naturforscher (es ist Faradav gemeint) nehmen auch an,
wenn ein und derselbe hydroelektrische Strom nach einander durch me
einzelne zusammengesetzte flüssige Körper geht und sie zersetzt, die re
Anzahl von getrennten Atomen oder Mischungsgewichten bei allen \
Das Gesetz von Faraday. rgo
t, aus welchen verschiedenen Grundstoffen sie auch zusammengesetzt
ein mögen; so dass nach dieser Annahme derselbe elektrische Strom,
reicher ein Atom Silber von einem Atom Sauerstoff scheidet, auch ein
itom Kalium von einem Atom Sauerstoff trennt, während die erste Ver-
ladung eine der losesten, und die letztere eine der festesten ist, die wir
ennen. Als faktischen Beweis dafür fuhrt Faraday an, dass ein und der-
elbe hydroelektrische Strom, der zuerst durch Wasser und dann durch
eschmolzenes Chlorblei, gegangen ist, aus beiden an* der negativen Seite
Reiche Mischungsgewichte Blei und Wasserstoff abgeschieden habe. Die
fereinigungskraft zwischen Blei und Chlor und zwischen Sauerstoff und
Vasserstoff sind der Grösse nach nicht bedeutend von einander verschieden ;
usserdem sind% die Versuche mit zu kleinen Quantitäten angestellt, um aus
len gefundenen Quantitäten ein Resultat ziehen zu können, welches sich
Ugemein uns auf alle Verbindungen anwenden Hesse, sie mögen auf grosser
der kleiner Vereinigungskraft beruhen. Es ist durchaus zu früh, auch nur
-ermuthungsweise die Zuiässigkeit dieses Resultates für ein allgemein gelten-
les Naturgesetz anzunehmen. Gleichwohl hat man schon angefangen, dies
xl thun, und hat es das Gesetz der festen elektrolytischen Aktionen
genannt. Es zeigt sich sogleich, dass dies Gesetz auf dem angenommenen
Satz beruht, dass ein flüssiger Körper den Strom nicht anders als durch
Trennung seiner Bestandtheile leiten könne; aber wenn dies, wie wir sahen,
licht als eine Naturnotwendigkeit angesehen werden kann, und wenn ge-
schmolzene Körper in dem Maasse ihres grösseren Leitungsvermögens, und
dem ungleichen Grade von Vereinigungskraft, der ihre Bestandtheile zu-
sammenhält, einem grösseren oder kleineren Theil des Stromes den Durch-
gang gestatten, ohne dass dieser Theil Zersetzung bewirkt, so finde^ keine
Vergleichung statt zwischen der Quantität dessen, was in ungleichen Körpern
getrennt wird, und der Grösse des Stromes. Das Gesetz der fixen elektro-
lytischen Aktion erfordert ausserdem eine Menge von Annahmen, welche die
Wahrscheinlichkeit gegen sich haben, wie z. B. dass keine anderen Verbin-
dungen als die erster Ordnung von dem elektrischen Strome getrennt werden
können, und dass, wenn die Versuche zeigen, dass auch andere zerlegt
»erden, dies seeundär ist in Folge des Vereinigungsstrebens des Wasser-
stoffs an der negativen und des Sauerstoffs an der positiven Seite, indem
tfese hier, so wie sie aus dem Wasser frei werden, neue Verbindungen ein-
Wien; — Schlüsse, die nur einer kleinen Anwendung von Logik bedürfen,
^ verworfen zu werden."
So ungerecht im Ganzen diese Kritik ist, so hat doch Berzelius mit
Hnem <lurch die Gegnerschaft gesteigerten Scharfblick die schwachen Punkte
* dem von Faraday eingenommenen Standpunkte ganz sachgemäss bezeich-
tf, und weder die „metallische" Leitung der Elektrolyte, noch der Satz,
iss nur Verbindungen, die aus gleichen Atomen zusammengesetzt sind, der
ektrolyse unterliegen, hat sich halten können. Dagegen ist der aus der
rrschiedenheit der Verwandtschaften hergenommene Einwand unhaltbar, da
0«twa)d, Elektrochemie. $$
CQA Dreizehntes Kapitel.
die Arbeit des Stromes nicht in der durchgeleiteten Elektricitätsmenge, son<
in der Polarisation, welche sich der Ausscheidung der Zersetzungsprod
an den Elektroden widersetzt, zum Ausdruck kommt. Um die Zeit, wo
geschrieben wurde, waren eben die richtigen Gesichtspunkte im Wei
begriffen, und der Einwand konnte bald beantwortet werden, wenn es <
noch geraume Zeit dauerte, bis der Irrthum völlig ausgerottet war.
Der andere Angriff, welchen Faraday zu bestehen hatte, war einer
das Eigenthum. Im" Januar 1835 veröffentlichte C. Matteucci1 eine
Oktober 1834 datirte Abhandlung, welche im wesentlichen das Faraday*:
Gesetz, allerdings in einer weit weniger klaren Weise brachte, ohne das
der Arbeiten von Faraday Erwähnung that, welche mehr als ein Jahr vo
veröffentlicht worden waren. Matteucci's Versuche bestanden darin, das
Ketten aus verschiedenen Metallen bildete, und diese durch eine Silberlös
zwischen Platinplatten schloss. Aus seinen Messungen zog er den folgen
Schluss: „Eine gegebene Menge eines beliebigen Metalles, in einer beliebi
Säure schneller oder langsamer, je nach der Concentration einer Säure,
Temperatur des Lösungsmittels u. s. w. aufgelöst, entwickelt immer <
gleiche Menge elektrochemischer Kraft, während die galvanometrische Wirk
sehr veränderlich ist/'
Die Versuche wurden dergestalt ausgeführt, dass kleine Säulen, gewc
lieh aus vier Paaren Zink mit Platin, Kupfer oder Gold gebildet wun
deren Strom so lange durch die Silberlösung geleitet wurde, bis das Z
das immer in gleicher Menge angewendet wurde, völlig aufgelöst war.
hält schwer, zu glauben, dass solche Versuche wirklich das angegeb
Resultat gegeben haben. Denn auf die vom Strome unabhängige Wirk
der Säuren auf das gewöhnliche Zink, welches je nach den Umständen ei
ganz verschiedenen Bruchtheil der Gesammtmenge ausmachen kann, ist n
die mindeste Rücksicht genommen, auch erwähnt Matteucci nicht, das
etwa amalgamirtes Zink angewendet hätte.
Als zweites Ergebniss seiner Versuche theilt er den Satz mit: „L
man durch verschiedene Metallsalzlösungen den durch eine gewisse tleV
chemische Wirkung entwickelten Strom gehen, so sind die in diesen
schiedenen Lösungen reducirten und ausgeschiedenen Metalle verschie
und welches auch ihre relativen Dichten seien, so verhalten sie sich imi
wie die chemischen Äquivalente derselben Metalle." (Die ungenaue 1
drucksweise ist nicht Schuld der Übersetzung, sondern dem Original n
gebildet.) Der Nachweis dieser Beziehung erfolgte, indem hinter eina
geschaltete Lösungen von Silber- und Kupfersalzen gleichzeitig zersetzt wur
nach einem einwurfsfreien Verfahren.
Ein dritter Satz, welchen Matteucci ausspricht, lautet: „Ordnet
verschiedene Metalle so zu Säulen an, dass sich ihre zersetzten Mengen
halten, wie ihre chemischen Äquivalente, so erhält man eine gleiche elel
*
1 Ann. chim. phys. 58, 75, 1835.
Das Gesetz von Faraday. cqc
chemische Wirkung/' Der Nachweis dieser Beziehung wird auf eine sehr
seltsame Weise erbracht „Ich habe dazu sehr kleine Platten von Blei und
Kupfer mit solchen von Platin verbunden; die letzteren waren an Gewicht
gleich, die anderen im Verhältniss ihrer Äquivalente. Nachdem die kleinen
Säulen so angeordnet waren, konnte ich die Platten von Kupfer und Blei
mit Hülfe von Salpetersäure auflösen. Die abgeschiedene Silbermenge (in
einem Silber- Voltameter) war in beiden Fällen gleich." Hier hat Matteucci
das Gesetz, welches er entdeckt zu haben behauptet, nicht einmal verstanden,
denn Faraday selbst hatte schon deutlich genug auseinandergesetzt, dass die
unmittelbare Lösungsreaktion der Reagentien auf die Metalle überhaupt nichts
rar Entstehung des Stromes beiträgt.
Gegen diesen Versuch der Aneignung erhob sich mit grosser Energie
Poggendorff in einer Anmerkung, mit der er die Übersetzung der achten
Reihe von Faraday^s Untersuchungen begleitete. * Nachdem er die Prioritäts-
firage erledigt hat, fährt er fort: „Wem von beiden also hier die Ehre der
Priorität gebühre, liegt klar am Tage. Möglich, wenngleich nicht sehr wahr-
scheinlich, dass die Arbeiten des Auslandes so spät zur Kenntniss der Floren-
tiner Physiker gelangen (man erinnere sich nur, wie schnell ihnen die Kunde
von der Magnet-Elektricität zugekommen ist); — wie aber in Paris die Ent-
deckung Faräday's so unbekannt sein (oder ignorirt werden) kann, dass
daselbst der Aufsatz Matteucci's ein Jahr hernach ins Publikum gebracht
wird, ist in der That unbegreiflich. Der Wissenschaft freilich gilt es gleich,
durch wen sie erweitert wird (wiewohl keiner diesen Satz anerkennt, wenn
er selbst dabei betheiligt ist); — aber eine so wichtige Entdeckung, wie die
letzte des Herrn Faraday, unstreitig der einzige wahre Fortschritt in der
Kenntniss der chemischen Wirksamkeit der Elektricität seit dem Jahre 1800,
dem Jahre der Entdeckung der Wasserzersetzung durch die Säule, — eine
solche Entdeckung fordert doch wohl zu einigem Dank gegen ihren Urheber
auf, und die öffentliche Anerkennung seiner wohlbegründeten Prioritätsrechte
ist sicher der geringste Dank, den man ihm bringen kann."
Diese Episode hat indessen nicht gehindert, dass zwischen Faraday und
Matteucci sich später freundschaftliche Beziehungen entwickelt haben, welche
sowohl in persönlichem wie brieflichem Verkehr zum Ausdruck kamen.
1 Poog. Ann. 35, 260. 1835.
38*
Fig. 149. Christian Friedrich SchOnbein.
Vierzehntes Kapitel.
Die Entwicklung der Elektrochemie bis zur
Entdeckung des Energieprinzipes.
1. Einleitung. Durch die Entdeckung des ersten quantitativen '
setzes in der Elektrochemie durch Faraday war dieser Wissenschaft (
neue Bahn eröffnet worden, indem sie aus dem Kindheitsstadium, das du
das blosse Kennenlernen der Erscheinungen in qualitativem Sinne geke
zeichnet ist, in das reifere Entwickelungsalter übertrat, in welchem die Fi
des zahlen massigen Zusammenhanges mit dem Ganzen der natürlichen
scheinungen gestellt und beantwortet werden kann. Allerdings erwies
das FARADAv'sche Gesetz nach dieser Richtung zunächst noch wenig fru
bar, wohl weil der Übergang desselben in das Bewusstsein der Fora
noch eine längere Zeit beanspruchte. Ferner aber war jene Zeit eine
Die Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 507
Vorbereitung auf die grosse Frage nach den allgemeinen Gesetzen jenes
Zusammenhanges überhaupt, und die Beantwortung derselben, wie sie in
dem Gesetz von der proportionalen Umwandlungsfähigkeit und der Erhaltung
der Energie gefunden wurde, war eine nothwendige Voraussetzung für die
Entwickelung der entsprechenden Seite der Elektrochemie. So sehen wir in
der nun zu schildernden Zeit die verschiedensten Wege alle auf diesen einen
Punkt, den Zusammenhang der Naturkräfte, oder vielmehr der Energieformen
unter einander zusammenlaufen, und die spezielle Geschichte der Elektro-
chemie zeigt besonders deutlich das ungeheure Maass von Klärung und För-
derung, welches durch die Beantwortung dieser Frage gewonnen wurde.
Im Übrigen ist diese Zeit durch eine Reihe kleinerer Fortschritte aus-
gefüllt, die, im Einzelnen vielleicht von geringerer Bedeutung, durch ihren
Zusammenhang mit den allgemeinen Fragen wesentlich zur Entwickelung des
Ganzen beitragen. Unser Gebiet ist noch immer ein vorwiegend experimen-
telles, und wie schon früher haben wir beständig Thatsachen zu registriren,
welche sicher beobachtet und festgestellt sind, aber mit den vorhandenen
Ansichten über das Wesen und den Zusammenhang der elektrochemischen
Erscheinungen sich nur schwierig oder gar nicht in Zusammenhang bringen
lassen. Deshalb liegen auch hier zahlreiche Anfänge von Gedankenreihen
und thatsächlichen Beziehungen vor, mit denen ihre Zeit und ihre Entdecker
nichts anzufangen wussten, als sie auf der grossen Credit-Seite des wissen-
schaftlichen Contobuches einzutragen, und ihre Begleichung einer ausgiebigeren
Zukunft zu überlassen.
Aus diesem Grunde wird es hier mehr noch als früher nöthig sein, die
-inzelnen Fäden unserer Geschichte neben einander zu verfolgen, ohne dass
'uf ihren Zusammenhang, der sich erst viel später geltend macht, einge-
;angen werden kann. Dadurch, dass diese einzelnen Gedankenreihen bis
u ihrem jetzigen Ergebniss einzeln dargestellt würden, könnte man sich von
er Noth wendigkeit einer derartigen Behandlung allerdings einigermaassen
ei machen. Der dadurch zu gewinnende Vortheil, dass man das eng Zu-
ammengehörige in der That bei einander hat, würde aber durch den Nach-
heil erkauft werden, dass das Bild von der jeweiligen GesammtaufTassung
ies Gebietes in einer bestimmten Zeit verloren ginge, und dass dadurch gerade
die lehrreichste Erscheinung unserer Geschichte, die gegenseitige Befruchtung
der auf verschiedenen Stellen gewonnenen Fortschritte, nicht zur Anschauung
gelangen könnte.
2. Becquerel's Sauerstoffkette. Es ist schon an früherer Stelle
(S. 438) angegeben worden, dass Becquerel ganz am Anfange seiner elektro-
chemischen Arbeiten eine Kette entdeckt hat, welche die Entstehung elek-
trischer Ströme durch chemische Vorgänge besonders deutlich zu machen
schien: die Säure -Alkali -Kette. Als dann später der Kampf der beiden
rheorieen entstanden war, ist diese Kette der Gegenstand vielfacher Er-
örterungen geworden. Insbesondere die erst später von Becquerel an
-einer Kette beobachtete Erscheinung, dass sich an der in der Kalilauge
::-.- -J» _
egg Vierzehntes Kapitel.
stehenden Platinplatte Sauerstoff entwickelt, wenn man die andere Platte ia '
concentrirter Salpetersäure stehen hat, erregte besonderes Aufsehen, und
wurde viel discutirt. Die Herstellung und das Verhalten beschreibt Becquerel
folgendermaassen : l
„Man nehme ein Glasrohr von 5 — 6 mm Weite, verschliesse es durch
feinen Thon, der mit einer concentrirten Lösung von Ätzkali oder Atznatron
angefeuchtet ist, und fülle nun den übrigen Theil der Röhre gleichfalls mit
dieser Flüssigkeit an. Dann stelle man die Röhre in eine Flasche mit con-
centrirter Salpetersäure, und setze Säure und Alkali in Verbindung mittels
zweier Platinstreifen, die durch einen Platindraht vereinigt sind. Sogleich
findet an der in Alkalilauge stehenden Platte eine ziemlich starke Gasent-
wickelung statt, während sich an der anderen keine zeigt. Das aufsteigende
Gas ist reiner Sauerstoff. Der Strom, welcher diese Zersetzung bewirkt,
rührt von der Wirkung der Säure auf das Alkali her, und in Folge dessen
nimmt die erste positive, und das letztere negative Elektricität an."
Becquerel stellt nun weiter fest, dass an der anderen Platte zwar kein
Wasserstoff erscheint, wohl aber die Salpetersäure reducirt wird. Ferner
erhält man ähnliche Wirkungen, wenn man an Stelle des Alkalis ein Neu-
tralsalz nimmt. „Man sieht also, dass in diesem ausserordentlich einfachen
Apparat alle Körper zersetzt oder angegriffen werden, wie wenn sie der
Wirkung einer gewissen Zahl von Plattenpaaren unterworfen wären. . . .
Nichts widersteht also der Wirkung dieses elektrochemischen Apparates,
welcher, wenn er zweckmässig eingerichtet wird, den grossen Vorzug hat,
dass er mehrere Tage in Wirkung bleibt, ohne dass die Intensität des Stro-
mes ... in einer auch für die empfindlichsten Instrumente wahrnehmbaren
Weise modificirt würde."
Der Strom dieser Kette sollte nach Becquerel eine ganz besondere
Eigenschaft besitzen, nämlich zwar chemische Zersetzungen hervorzubringen,
aber keine Wärme.2 An der Platinplatte, welche in die Alkalilösung taucht,
entwickelt sich Sauerstoff, und die Geschwindigkeit dieser Entwickelung :
(10 cem in 24 Stunden!) wird durch die Einschaltung eines dünnen Platin-
drahtes von ^so mm Durchmesser nicht merklich gehemmt, auch zeigt der
Draht keine merkliche Erwärmung.
Die Erklärung seiner Beobachtung hätte sich Becquerel aus dem Ohm'* ',
sehen Gesetze selber geben können. In der Säure-Alkali-Zelle befand sich j
ein sehr grosser Widerstand, indem die beiden Flüssigkeiten durch einen ,
befeuchteten Thonpfropf getrennt waren; dementsprechend war die Strom-
stärke sehr gering, und der Widerstand des dünnen Platindrahtes war nur
ein kleiner Bruchtheil von dem des Apparates. Somit konnte auch in diesem
keine merkliche Erwärmung stattfinden. Diese Eigenschaft hätte aber ebenso
jeder andere Strom unter gleichen Umständen gezeigt.
1 Bibl. univers. 00, 215. — Pogg. Ann. 37, 429. 1836.
■ Bibl. univers. 59, 218. 1836. — Pogg. Ann. 37, 433. 1836.
Die Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. cqq
3. Discussionen. An die Mittheilung von Becquerel über seinen
ipparat, den er später die Sauerstoffkette (pile ä oxyg£ne) nannte, knüpften
ich alsbald weitere Erörterungen. F. Mohr (der Erfinder der Quetschhahn-
ürette) glaubte1 nachweisen zu können, dass sich überhaupt kein Sauerstoff
1 der Kette entwickele, sondern dass sich Becquerel durch das Auftreten
on Stickoxyd habe täuschen lassen. Dies wurde von Jacobi in Dorpat2
urechtgestellt, der auch gleichzeitig der OHM'schen Theorie gemäss die Auf-
lärung dafür gab, dass die Kette mit ihrem sehr grossen inneren Wider-
tande scheinbar keine Wärme in einem dünnen Drahte entwickelte.
Jacobi erörtert des weiteren den Widerspruch zwischen der von Davy
i 352) beobachteten Unwirksamkeit der Säure- Alkalikette und der Wirk-
amkeit der BECQUEREi/schen, und findet die mögliche Lösung darin, dass
tsterer den schwachen Strom dieser Kette nicht habe beobachten können.
Tatsächlich liegt, wie hier gleich vorausnehmend bemerkt sein mag, kein
Widerspruch vor, denn das Wesentliche der BECQUEREi/schen Kette liegt in
er oxydirenden Wirkung der benutzten concentrirten Salpetersäure. Ver-
iinnte Salz- oder Schwefelsäure, wie Davy sie anwandte, können eine
ilche Wirkung nicht ausüben, und daher entsteht bei ihrer Anwendung nur
q kurzer Stromstoss, aber kein dauernder Strom.
Die Notwendigkeit der Salpetersäure wurde von Mohr8 bei Gelegenheit
1er Vertheidigung gegen die Angriffe, welche sein erster, fehlerhafter Auf-
tz über die BECQUEREi/sche Kette veranlasst hatte, erkannt, ohne dass er
rilich die Ursache dieser Notwendigkeit aufzeigen konnte.
Auch Dulk4 bestätigte auf Grund von gemeinsam mit Moser angestellten
ersuchen, dass die BECQUEREL'sche Kette die Eigenschaft hat, Sauerstoff zu
twickeln, was Mohr auch in seiner zweiten Mittheilung in Abrede gestellt
tte. Ferner konnte, da die Kette in grösserem Maassstabe ausgeführt
>rden war, die Wärmeentwickelung in einem dünnen Draht leicht nach-
wiesen werden.
Ähnliche Ströme, wie mit dieser Kette, wurden erhalten, als geschmoi-
ne Phosphorsäure mit Bleioxyd oder Kali unter Einschaltung von Platin-
iktroden zur Berührung gebracht wurden. „Als unabweisliche Thatsache
?llt sich aus allen diesen . . . Versuchen heraus, dass bei jeder chemischen
erbindung, bei jedem chemischen Process Elektricität frei wird, ohne dass
e gleichzeitige Zersetzung eines zusammengesetzten Körpers, wie des Was-
rs, nöthig, oder der Eintritt des chemischen Processes an eine gewisse Be-
haffenheit der zusammengesetzten Körper, dass sie nämlich aus 1 und 1
stehen müssten, gebunden wäre; immer und überall wird Elektricität frei, wo
:h zwei Körper mit einander chemisch verbinden, gleichviel, ob sie einfach
er zusammengesetzt, ob sie durch Wasser oder durch Wärme in den flüssigen
stand versetzt werden, wenn sie sich nur in recht vielen Punkten berühren."
1 Pogg. Ann. 39, 12g. 1836. a Pogg. Ann. 40, 67. 1837.
3 Pogg. Ann. 42, 76. 1837. * Pogg. Ann. 42, 91. 1837.
500 Vierzehntes Kapitel.
Zu der so weitgehenden Verallgemeinerung sind Dulk und Moser ins-
besondere durch den Umstand gebracht worden, dass auch bei der Ver-
einigung von Nichtelektrolyten, nämlich von Blei, Zink und Zinn mit Queck-
silber, „zwar nicht bedeutende, aber doch entschiedene Ablenkungen der
Nadel" beobachtet wurden. Diese letztere Behauptung hat später zu Er-
örterungen Anlass gegeben, bei denen es sich herausstellte, dass die beob-
achteten Ströme Thermoströme waren, welche durch die bei der Amalgam-
bildung auftretende Temperaturveränderung veranlasst waren.
Von anderer Seite versuchte Grove1 der BBCQUEREi/schen Kette beizu-
kommen. Wenn man in derselben die Salpetersäure durch verdünnte Schwefel-
säure ersetzt, so wird der Strom äusserst schwach, und Grove vermuthete,
dass die Ursache davon die sei, dass mit dem Strom eine Wasserzersetzung
an den Platinelektroden nöthig ist, welche hervorzubringen der durch die
Wechselwirkung von Säure und Alkali entstehende Strom zu schwach sei
Da nun die Wasserzersetzung viel leichter mit unedlen Metallen vor sich
geht, so versuchte er, die Platinplatten der BECQUEREi/schen Kette folgeweise
durch Eisen, Kupfer und Zink zu ersetzen, und erhielt seiner Erwartung
gemäss auch viel stärkere Ströme. Mit Zink wurden die stärksten erhalten*
„Aber die bemerkenswertheste Thatsache ist die, dass die in der Saure
befindliche Zinkplatte, obwohl sie viel mehr chemisch angegriffen wird, stet»
die positive Elektricität annahm, d. h. dass sie das Kupfer der gewöhnliche«
VoLTA'schen Kette darstellte."
Grove hat nicht unternommen, diesen Widerspruch gegen die chemische
Theorie jener Zeit aufzuklären, obwohl er ihr Anhänger war. Wenn er dm
Versuch quantitativ mit den Mitteln seiner Zeit durchgeführt hätte, so hatte
er sich überzeugen können, dass in diesem Falle auch das Zink im Alkali
das einzige angegriffene Metall ist, und das in der Säure, welches er durch
Amalgamiren gegen zufällige Reaktionen hätte schützen können, überhaupl
keinen Gewichtsverlust erleidet. Er hätte so eine Bestätigung des Satzes
gefunden, dass stets das angegriffene Metali den negativen Pol bildet
Pfaff versäumte nicht, sich gleichfalls über die Kette zu äussern,2 (b
sie der Contacttheorie zu widersprechen schien. Nachdem er das Irrthüm-
liehe der Behauptungen Mohr's (S. 599) aufgezeigt, und seine Meinung dahif
ausgesprochen hatte, dass sich die neue Kette bezüglich ihres Stromes k
nichts von anderen schwach wirkenden unterscheide, fahrt er fort: „Dtf
Erfolg bei allen diesen Versuchen erklärt sich, ohne seine Zuflucht zur Mit-
wirkung einer chemischen Aktion nehmen zu müssen, sehr befriedigend nad
der Contacttheorie, wenn man berücksichtigt, dass die Metalle mit den Laugel
viel stärker elektronegativ bei der blossen Berührung werden, als mit dci
Säuren, worüber meine eben erschienene „Revision der Lehre vom Galvano
Voltaismus" die weiteren Belege enthält."
Durch diese Wendung, deren Erfindung auf Marianini und Fechsej
1 Comptes rendus 8, 802. 1839. * Pou<;. Ann. 40, 443. 1837.
Die Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 6oi
(S. 460) zurückgeht, war freilich die Contacttheorie wieder gerettet; ob aber
<fe Wissenschaft dadurch eine Förderung erfahren hatte, darf billig bezweifelt
werden, und wurde auch von den Zeitgenossen bezweifelt
Wie man sieht, haben die vorstehend berichteten Arbeiten zwar eine
ganze Reihe einzelner Thatsachen zu Tage gefördert, dagegen aber keinen
Weg gezeigt, um diese zusammenzufassen und im Zusammenhange zu ver-
stehen. Auch in der Folgezeit ist die BECQUEREi/sche Kette noch lange ohne
Erklärung geblieben, und die Ursache ihrer ziemlich erheblichen elektro-
motorischen Kraft, welche mehr als die Hälfte von der eines ÜANiELi/schen
Elementes beträgt, ist erst in neuester Zeit aufgeklärt worden.
4. Constante Ketten. Schon oben wurde die Eigenschaft der
ÜBCQUEREi/schen Kette, auch bei ziemlich langdauernden Stromschlusse einen
recht constanten Strom zu geben (S. 598), erwähnt. Becquerel legte darauf
ein grosses Gewicht, und in einer Abhandlung über eine constante Kette1
beschreibt er dieselbe Kette in etwas abgeänderter Form. Über die Theorie
derselben ist er ein wenig klarer, als früher, jedoch schreibt er immer noch
<bs Wesentliche der Elektricitätsentwickelung der Wirkung der Säure auf
<bs Alkali zu.
Das Problem der constanten Kette war ein hochwichtiges für den ge-
ttnmten Galvanismus. Es ist bereits berichtet worden, wie Ohm durch die
Veränderlichkeit der gewöhnlichen Ketten zuerst über die Gesetze der Strom-
Wdung in die Irre geführt worden war, und welche Schwierigkeiten Fechner
xu überwinden hatte, um mit diesen unvollkommenen Hülfsmitteln Messungen
ion einiger Zuverlässigkeit zu erlangen. Neben diesen praktischen Fragen
kamen aber noch andere von unmittelbarster wissenschaftlicher Bedeutung
: in Betracht. So lange die Ketten von veränderlicher elektromotorischer Kraft
I waren, enthielten sie noch ein bestimmendes Element von unbekanntem und
j daher unbeherrschtem Betrage; dass ein solches Objekt nicht geeignet ist,
wn darüber eine zuverlässige Theorie zu machen, ist einleuchtend, und so
. bnge es nicht gelang, die Ursache dieser Unregelmässigkeiten aufzufinden
; und zu beseitigen, war auch die Hoffnung vergeblich, eine solche Theorie
■ ausfindig zu machen. Denn quantitative Beziehungen sind nur möglich
: «tischen Dingen, welche ihrerseits quantitativ bestimmt sind, und die Volta'-
[ sehe Kette war das in ihrer bisherigen Gestalt sicher nicht. Als dann später
L & Theorie der VoLTA'schen Kette sich wirklich entwickelte, waren es in der
That die constanten Ketten, weiche die ersten Ergebnisse in dieser Rich-
r tung gaben.
Die erste Kette, welche den Namen einer constanten Kette im heutigen
Sinne verdient, ist von Daniell2 construirt worden. Daniell hat sich als
oner der begabtesten und erfolgreichsten Nachfolger Fakaday's auf dem
elektrochemischen Gebiete erwiesen, und neben der Erfindung seiner con-
1 Ann. chim. phys. 66, 84. 1837.
1 Phil. Trans. 1836, 107. — Poüg. Ann. 42. 2(13. 1837.
Ö02 Vierzehntes Kapitel.
stanten Kette verdanken wir ihm noch weitere erhebliche Förderungen der
Wissenschaft, auf welche bald einzugehen sein wird.
John Frederic Daniell1 war am 12. März 1790 in London geborea,
hatte nach einem guten Unterricht zunächst eine technische Laufbahn ii
einer Zuckerraffinerie eingeschlagen, wo er bereits durch die Einfithrun|
erheblicher Verbesserungen im Betriebe seine Begabung verrieth, doch vcf
Hess er bald diese Beschäftigung, um sich der Wissenschaft zu widmen. In
Jahre 181 3 wurde er bereits zum Mitgliede der Royal Society erwählt; sein
Beschäftigungen waren damals wesentlich meteorologischen Untersuchunga
gewidmet, in welchem Gebiete er bahnbrechendes geleistet hat; noch gegen
wärtig ist das von ihm erfundene und nach ihm benannte Hygrometer eb
Zeugniss dieser Thätigkeit. Daneben beschäftigten ihn sehr verschieden
artige andere Arbeiten, wie die Gasgewinnung aus Harz, die Messun(
hoher Temperaturen, die Erscheinungen der Krystallisation u. s. w. Sei«
elektrochemischen Arbeiten, welche für uns von besonderem Interesse stn4
begann er im Jahre 1836 mit der Erfindung der constanten Säule, welch
gleichfalls seinen Namen noch heute uns in Erinnerung bringt; hierfiii
wurde er durch die Verleihung der CoPLEY-Medaille ausgezeichnet. Weiten
wichtige Arbeiten, insbesondere über das FARADAY^sche Gesetz folgten; untn
ihnen ist besonders die Untersuchung über die Elektrolyse zusammengoß
setzter Verbindungen hervorzuheben, welche ihn zu der Verbesserung dd
von Faraday begangenen Fehlers bezüglich der Natur der Ionen führt»
er erkannte, dass die Säuren und Basen keine Ionen sind, sondern nur dk
Metalle oder metallähnlichen Compiexe einerseits, und die Halogene, sowk
die diesen entsprechenden Atomgruppen der zusammengesetzten Säure*
andererseits.
Am 13. März 1845 hatte Daniell, der seit 1831 Professor der Chemk
am Kings College in London war, seine Vorlesung gehalten, und war ifl
bester Gesundheit zu einer Sitzung der Royal Society gegangen, als er plöts
lieh von einem Schlaganfalle ergriffen und trotz schleuniger Hülfe in wenige*
Minuten dahingerafft wurde.
Die erste Arbeit Daniell's, mit der wir uns hier zu beschäftigen haben, ä
zunächst mehr dem Lehr-, als dem Forschungszwecke gewidmet; sie enthäl
die Beschreibung einer besonders eingerichteten Kette, mittelst deren nun
das FARADAY'sche Gesetz anschaulich demonstriren kann.2
In dem zweiten Theile dieser Arbeit wird dagegen der Apparat bc
schrieben, welcher bis auf den heutigen Tag seine Bedeutung behalten hart
die constante Batterie, welche den Namen der ÖANiELL'schen trägt.
„Fig. 1 50 stellt eine der zehn Zellen dieser Batterie im Durchschnitt d*
ab cd ist ein Kupfercylinder, 6 Zoll hoch und 3^ Zoll weit, oben bei *
offen, unten aber geschlossen bis auf die Düse ef, die, anderthalb Zoll wei
1 Phil. Mag. 28, 409. 1846.
*"Philos. Transactions 1836, 107. — Pogg. Ann. 42, 263. 1837.
Die Entwickeluog der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Encrgieprinapes. OOl
Pfropfen trägt, durch welchen der Glasheber gkijk gesteckt ist.
bei a b ist eine zweite Kupferdüse, entsprechend der am Boden, und
;n durch zwei horizontale Arme. Vor der Einsteckung des Pfropfens
untere Düse ef wird durch diese ein Stück einer Ochsengurgel ge-
und an der oberen Düse Imno
1"'
i^r
vim festgebunden. Nachdem
häutige Röhre auch unten
den eingesteckten Pfropf ge-
sefestigt worden ist, bildet sie
nere Kammer, welche mit dem
ber in Gemeinschaft steht, so
wenn sie bis m o mit einer
keit gefüllt worden ist, jeder
Zusatz durch die Öffnung k
it pq ist eine amalgamirte
inge, 6 Zoll lang und */j Zoll
jetragen durch den Rand der
Düse mittelst des Holzstückes
s durch ein in ihr oberes Ende
tes Loch gesteckt ist; t ist
jpfchen mit Quecksilber, von
und einer Vertiefung in dem
Ende der Zinkstange aus
i die beiden Metalle der ver-
•nen Zellen mit einander in
düng gesetzt werden,
^ehn solche Zellen stehen auf
Tisch im Kreise, die Heber nach innen gekehrt, mit den Öffnungen
nem Gefäss, welches zur Aufnahme der aus ihnen fliessenden Flüssig-
stimmt ist. Über der inneren Kammer jeder Zelle befindet sich ein
t, gehalten durch einen seitwärts stehenden Träger.
)er Zweck bei der Construction dieser Batterie war: i. die Zinkfläche
nst klein zu machen; 2. das gebildete Zinkoxyd, das für die Wirkung
ttterie so schädlich ist, zu entfernen; und 3. das am Kupfer frei
de Wasserstoffgas ohne Fällung einer das Metall verschlechternden
nz zu absorbiren.
'ur Erreichung des ersten Zweckes wurde die amalgamirte Zinkstange
in genommen, dass ihre Oberfläche nicht mehr als 10 Quadratzoll
während die Innenfläche des Kupfercy linders beinahe 72 Quadratzoll
Jm das gebildete Zinkoxyd (Zinksalz) zu entfernen, war über der
1 Kammer der Trichter befestigt, aus welchem fortwährend frische
in abgepasster Menge zufioss, während die schwerere Lösung des
ydes in demselben Maasse am Boden durch den Heber abfloss.
Nach Dani ell.
604
Vierzehntes Kapitel.
>y
et
Iß-
1
Um endlich das Wasserstoffgas zu absorbiren, wurde der Raum z
der Hautröhre und dem Cylinder mit einer Lösung von schwefe
Kupferoxyd gefüllt.
„Diese Batterie, richtig construirt, entwickelt durchaus kein Gas
am Zink, noch am Kupfer, weder vor, noch nach der Schliessun
Kupfer erschien kein Wasserstoff, sondern statt desselben ein schöi
Überzug von reinem Kupfer, so dass die Fläche dieses Metalles fort
erneuert wurde. Sowie aber ein Voltameter in den Kreis einges
ward, zeigte sich darin eine sehr lebhafte Gasentwickelung. Sie w
weit stetiger und andauernder, als bei gewöhnlichen Batterieen; aber \
war eine allmähliche, wenn auch langsame Abnahme zu spüren, wah
lieh, weil in Folge der Fällung des Kupfers die Kupfervitriollösung sc
und weniger leitend wurde.
„Um diesem Mangel abzuhelfen, wurde, wie Fig. 151 zeigt, di
Düse bdeg ringförmig mit einem Kupfersiebe aefh umgeben, das ;
Rande des Cylinders ruht und mit zerstossenem Kupfervitriol gefüllt
wie nun, bei der Wirkung der Batterie,
sung schwächer wird, löst sich der Kupi
. auf, und erhält sie stets bei gleicher Concei
Dies Mittel entsprach dem Zweck vollk
sechs Stunden lang erhielt sich der Strom
veränderter Kraft."
Durch eine eingehende Untersuchunj
nun Daniell, dass der Zinkverbrauch sei
der durch das FARADAY'sche Gesetz erf<
Menge entsprach, wenn er ihn mit den
den gleichen Strom in einem Voltamet
wickelten Wasserstoff verglich; auch stellte
schiedene Versuche an, welche die Bestä
der Batterie bestätigten.
In der hier beschriebenen Gestalt
I Batterie noch einige Übelstände, welche
/ finder folgeweise beseitigte. Zunächst sl
JHB ■■■ fest, dass die beständige Erneuerung de
"^H ^^F am Zink nicht erforderlich ist, so dass er
^^l ^^ ständiiehe Einrichtung der Tropftrichter f<
Fig. 151. Nach Daniell. konnte, ohne der Wirkung zu schaden.
erwiesen sich die Cylinder aus Ochsengurg
Blase als nicht haltbar; sie wurden x durch solche aus dünnem Thor
welche dem Zweck vollkommen entsprachen, und viel bequemer im G
waren. Für die Wirkung ergab es sich als wesentlich, den Widerst
Elementes so klein .als möglich zu machen, und Daniell, der dan
K.-A
1 Philos. Trans. 1839, 92.
ie Entwkkehuig der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 605
nasche Gesetz noch nicht kannte, vertiefte sich in eine grosse Reihe von
itersuchungen über den Einfluss der Gestalt und Lage seiner Metalle auf
r Stromstärke. Bei dieser Gelegenheit beobachtete er gleichfalls die ausser-
lentlich starke Abnahme des Widerstandes seiner Flüssigkeiten beim Er-
nnen.
5. Andere Erfinder. Die von Daniell gegebene Anordnung der
tte war fast gleichzeitig von F. W. Mullins1 zu dem gleichen Zwecke
lutzt worden, um einen beständigen Strom zu erhalten. „Ich hatte eine
ir dünne Kalbsblase vorbereitet, und nachdem ich eine Spule von dünnem
pferblech nebst einer kleinen Menge einer Lösung von Kupfersulfat hinein-
bracht hatte, that ich beides in einen thönernen Topf, in welchem ein
ikcylinder enthalten war, welcher genau an seine innere Oberfläche sich
schloss, und I lj4 Zoll von dem Kupferblech abstand, dazu eine genügende
mge verdünnter Schwefelsäure aus 5 Theilen Säure. auf 100 Theile Wasser,
s ich die Kraft der Säule mit dem Voltameter prüfte, fand ich, dass
ihrend mehrerer Stunden die erste Ablenkung nur geringe Verminderung
fahr, obwohl ich weder die benutzten Flüssigkeiten, noch irgend etwas
ideres an der ursprünglichen Anordnung abgeändert hatte. Der bei diesem
rersuch benutzte Topf war nur 21/a Zoll weit und 3 Zoll tief. Bei einem
Reiten Versuch mit derselben Batterie und denselben Lösungen verband
4 sie mit einem Elektromagnet von Hufeisengestalt. . . . Der Magnet hielt
jo Pfand während dreier Stunden."
Mullins berichtet darauf über Versuche bezüglich der besten Gestalt
ad Entfernung der Platten und der angemessensten Flüssigkeit, als welche
sr eine Lösung von Salmiak erkannte, und fährt fort: „Nachdem ich so
aperimentell die geeignetsten Entfernungen, sowie die besten Flüssigkeiten
^stimmt hatte, erbaute ich eine VoLTA'sche Batterie, in welcher ich die
»wähnten Grundsätze zur Geltung brachte, so weit die zwischengeschaltete
fanbran und die anderen Umstände es gestatten, und von der ich nun eine
rorze Beschreibung geben will. In einen thönernen Topf, 6 Zoll tief und
\ Zoll weit, stelle ich einen Cylinder aus amalgamirtem Zink, welcher auf
Irci Beinen von einem halben Zoll Höhe steht, die aus dem Cylinder ge-
chnitten sind, und dessen Höhe, die Beine eingeschlossen, nur 2 Zoll beträgt,
n diesem Cylinder steht in einem Abstände von 3/8 Zoll ein kupfernes Ge-
fcs mit einem */4 Zoll weiten Rande an seinem oberen Umfange, um welchen
fe Blase gespannt ist; der Boden des Gefässes ruht auf einem kreisförmigen
tacke von getrocknetem Buchsbaumholz, welches den Cylinder um einen
fiertelzoll überragt; eine dünne längliche, wohl gereinigte und befeuchtete
Base ist über das Ganze gezogen und um den oberen Rand mit einer
ichnur befestigt; das Holzstück schützt sie gegen die Berührung mit dem
fopfer, welches die Blase beschädigen würde. Dieser Cylinder, von der
föhe des Topfes, ist in der Mitte der Höhe mit sechs Löchern versehen,
1 Phil. Mag. 9, 283. 1836.
6o6
Vierzehntes Kapitel.
die mit einem inneren Cylinder communiciren, der von dem äusseren d
einen Raum von 3/t Zoll getrennt ist, und dessen Boden auf gleicher 1
mit den Löchern steht, während er oben an dem äusseren Cylinder
gelöthet ist. Diese Kammer dient dazu, Krystalle von Kupfersulfat, '
das erforderlich ist, und ebenso die Flüssigkeit aufzunehmen, welche
über den oberen Rand der Löcher steigen soll. Eine kleine Menge
Salmiaklösung wird ausserhalb des Cylinders in den Topf gegossen, b:
den Rand des Zinkcylinders überragt; diese Lösung braucht nicht em
zu werden; die andere erfordert die Hinzufügung einiger Krystalle
Kupfersulfat alle vier Stunden."
Ein weiterer unabhängiger Erfinder der cbnstanten Kette ist M. H. J*
der um dieselbe Zeit, wie Daniell die gleiche Kette erfunden hatte, ii
Veröffenüichung aber später kam. Jacobi ist nach anderer Seite eine
interessante Persönlichkeit: er hat nicht nur die Galvanoplastik erfui
sondern war auch der erste, welcher mit einigem Erfolg versucht hat
elektromagnetischen Kräfte zu mechanischen Arbeitsleistungen zu beni
Gerade seine Bemühungen in dieser Richtung hatten ihn zu der Erfin
der constanten Säule geführt, die, wie er bemerkt, für diese Sache
Lebensfrage war.
„Die in Fig. 152 angegebene Construction hat alle meine Erwarte
übertroffen. Das Prinzip war, zwei durch eine Membrane getrennte Fli
Die Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 607
eiten anzuwenden, von denen jede den Eigenthümlichkeiten des in sie
uichenden Metalles entsprach. . . . Sie vereinigt Leichtigkeit der Manipulation
lit allen sonstigen Bedingungen, die man von einem Volt Aachen Apparat
-fallt wünscht Dabei ist er so kräftig, wie man es bei diesen Dimen-
onen nur verlangen kann. In Fig. 152 ist A ein Kupfergefäss, 7V4" (Zoll)
s Durchmesser und mit 3" hohem Rande; B ein angelötheter Trog, der
ireh ein Gitter von A getrennt ist. C ist ein hölzerner Reif von Längen-
)lz gebogen, */4" stark, */,, besser 1" hoch und 6ljz" im Durchmesser,
r ist mit einer Thierblase, am besten Rindsblase, bespannt, und ruht auf
trei Glasstäbchen xx, die eine Linie hoch sind, so dass der Abstand der
lembrane vom Kupfer nur 1'" beträgt. Zwei Glasstäbchen, ebenfalls 1'"
ach, sind in dem Rahmen befestigt und auf ihnen ruht die Zinkplatte Z
Mi 6" Durchmesser. Die obere Seite der Zinkplatte ist mit Siegellack-
rniss überzogen, und ein Quecksilbergefäss darauf angebracht. Der Raum
irischen Blase und Zinkplatte wird mit Salmiaklösung (1 Vol. concentrirte
Äsung, 20 — 25 Vol. Wasser) angefüllt, und der Raum zwischen Thierblase
ad Kupfer mit Kupfervitriollösung, so concentrirt als möglich. Zur Unter-
idtung der Concentration wird der Trog B mit pulverisirtem Kupfervitriol
gefüllt. E ist eine Röhre zum Ablassen der Flüssigkeit; man hat nur nöthig,
das Rohr von dem Haken G loszumachen und herunterzubiegen, was die
Kautschuk- Verbindung zulässt Dieser Krahn ist einfach, leicht herzustellen
und äusserst bequem."
Jacobi beschreibt nun eine Reihe von Versuchen, aus denen die unge-
wöhnliche Beständigkeit des neuen Apparates hervorgeht. Meist nahm die
Ablenkung der in einen einfachen Ring gestellten Magnetnadel während der
chiiessung in den ersten Stunden zu, was er mit Recht auf eine vergrösserte
eitfähigkeit der Flüssigkeit zurückführte; auch einige andere Ursachen fuhrt
an. „Jedenfalls ist es interessant, auch einmal eine Kette zu haben, die
drei Stunden um ii° zunimmt."
Jacobi giebt alsdann die Regeln für den Gebrauch seiner Kette, welche
it den heute geltenden ganz übereinstimmen. „Obgleich immer einige
afsicht nöthig ist, liegt der Vortheil eigentlich darin, dass man überhaupt
1 Stande ist, die Kette constant zu erhalten, was bei allen anderen einiger-
aassen kräftigen Apparaten bisher nicht möglich war, man mochte sich
lälen, wie man wollte. Ich habe wer weiss was angestellt, um diesen
chtigen Zweck zu erreichen; alles hatte aber seine Grenzen, die, wenn
: überschritten waren, keine Wiederherstellung der Kraft zuliessen. Die
iherigen galvanischen Apparate konnten einen wirklich zur Verzweiflung
ingen."
Über die Theorie der Kette scheint sich Jacobi klarer gewesen zu sein,
Dantell, denn während dieser die Schwefelsäure beim Zink für wesentlich
it, hat Jacobi von vornherein eine neutrale Flüssigkeit benutzt; auch be-
riet er, dass das Zink „beinahe alles auf VoLTA'sche Weise aufgelöst"
d, und dass die Nebenwirkungen unbedeutend sind. „Jedenfalls ist der
ßo8 Vierzehntes Kapitel.
Verlust unbedeutend im Vergleich mit der Wärme, welche ungenützt durch
den Schornstein fliegt." Genauer hat er sich in der kurzen brieflichen Mit-
theilung leider nicht ausgesprochen.
6. Streit mit Becquerel. Über die Priorität der Erfindung der con-
stanten Kette entstand ein Streit zwischen Edmond Becquerel, dem Sohne
von Antoine Becquerel, der diese Ehre für seinen Vater in Anspruch
nahm, und Daniell, welcher in den Spalten der Annales de chimie et cfc
physique ausgefochten wurde.1 Hierbei stellte sich die bemerkenswert^
Thatsache heraus, dass zwar der ältere Becquerel unzweifelhaft ähnliche Zu-
sammenstellungen, wie sie Daniell benutzt hat, schon viel früher hergestellt
hatte, dass er auch sie auf ihre Constanz geprüft hat, dass er sie aber in-
constant gefunden hat So wurde von ihm insbesondere2 eine Zusammen-
stellung von Zink in Zinksulfat und Kupfer in Kupfernitrat benutzt, bei der
beide Flüssigkeiten durch poröse Scheidewände von Goldschlägerhaut ge-
trennt waren, also eine fast vollständig der DANiELL'schen Form entsprechende
Kette; Becquerel fand aber ihren Strom gleich 840, 7 2° und 68° an seinen
Galvanometer nach dem Ablauf von je einer Viertelstunde, also nichts weniger
als constant. Auch erörtert er alsbald die Herstellung constanter Ketten,
und bemerkt dazu: „Auch muss ich betonen, dass die Kette in sich die
Ursache der Verminderung der Intensität des elektrischen Stromes trägt
welche sie beständig erfährt. Denn von dem ersten Augenblicke ab, hl
welchem sie thätig ist, finden Zersetzungen und Übertragungen der Stofc
statt, welche die Platten polarisiren, so dass sie einen dem ursprünglichen
entgegengesetzten Strom hervorrufen. Die Kunst besteht also darin, die«
Absätze in dem Maasse, wie sie sich bilden, mittelst passend angebrachter
Flüssigkeiten wieder aufzulösen. Man gelangt dazu mittelst des Verfahren*
welches ich angegeben habe; so dient bei dem Versuche 5 (Kupfer in ver^
dünnter Schwefelsäure und Zink in verdünnter Schwefel- und Salpetersäurt
die in der Kupferabtheilung vorhandene Schwefelsäure dazu, einen
Zink aufzulösen, welcher auf die Kupferplatte übergeführt wird; ei
bemächtigt sich die Salpetersäure, welche in der anderen Abtheilung
eines Theiles des Kupfers der Lösung, welche die beiden Scheide
durchdrungen hat und vom Zink reducirt wird. Vermindert man auf
Weise die Stärke des seeundären Stromes, so erhält man merklich con
Wirkungen."
Wie man aus dieser Darlegung sieht, war Becquerel weit davon
fernt, die Eigenschaft der von ihm benutzten Zusammenstellung der
talle in den Lösungen ihrer Salze zu erkennen, auf denen die W
des DANiELL'schen Elementes beruht, und es ist unbegreiflich, wie er
der letzterwähnten, unzweifelhaft ganz inconstanten Kette die Zahlen 62,
und 61 für die Ablenkungen seines Galvanometers in Zwischenräumen
Ann. dum. phys. (III), 3, 436. 1841. — ibid. 5, 401 und 412.
Lnn. chim. phys. 41, 22. 1829.
Die Entwickehing der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzip es. 609
iner Viertelstunde hat erhalten können, während die wirklich constante
rdnung ihm unter gleichen Umständen eine Abnahme von 20 Prozent
rben hatte. Jedenfalls war Daniell berechtigt, den von E. Becquerel
benen Anspruch zurückzuweisen, und die allgemeine Meinung hat ihm
>t gegeben, indem sie seinen Namen mit der Kette bis auf den heutigen
in Verbindung gelassen hat, und auch künftig wird lassen müssen.
Im Anschluss an seine Vertheidtgung beschreibt Daniell1 die letzte
alt, welche er seiner Kette gegeben hat. Die beistehende Wiederholung
:r Zeichnung (Fig. 1 53) giebt eine genügende Vorstellung davon, so dass
einer Beschreibung abgesehen werden kann.
Fig. 153. Nach Daniell.
7. Andere constante Ketten. Daniell's wichtige Erfindung hat ais-
eine Reihe weiterer Versuche angeregt, die von diesem erlangten Vor-
; auch auf andere Weise zu erreichen. Den erheblichsten Erfolg auf diesem
ete errang William Robert Grove, ursprünglich Rechtsanwalt, sodann
ssor an der London Institution durch die Erfindung der nach ihm be-
ten Kette mit concentrirter Salpetersäure. Grove hat sich ausserdem
1 die Construction einer Kette bekannt gemacht, welche zwar von keiner
ischen Anwendung, desto mehr aber von theoretischem Interesse war:
gleichfalls nach ihm benannten Gasbatterie.
Die GROVE"sche Kette war nicht nur von Bedeutung als die erste von
Sicherer elektromotorischer Kraft, sondern auch als die erste nach einem
n Prinzip in der Anwendung eines starken Oxydationsmittels an der
ode. Die wissenschaftlichen Zeitschriften jener Jahre sind voll der An-
mung über die Kraft und Beständigkeit seiner Kette, und manche Arbeit
ohne sie nicht ausgeführt werden können.
1 Phil. Mag. 20, 194. 1843.
<w>ld,
6lO Vierzehntes Kapitel.
Die erste Mittheilung über seine Batterie machte Grove der Pai
Akademie1 durch die Vermittelung Becquerei/s.
„Seit einiger Zeit habe ich mich der porösen Diaphragmen als M
zum Studium der VoLTA'schen Ströme bedient, und ich habe sie mit Ei
zur Erklärung einer Erscheinung angewendet, die man bisher nicht für
elektrische hielt, nämlich die Auflösung des Goldes in Salpetersalzsi
(Königswasser), welche nicht ohne eine der beiden Säuren stattfindet
scheint mir, dass die nachstehenden Versuche keine Zweifel über die c
trische Natur der Erscheinung lassen.
„i. Auf dem Boden eines kleinen Glases habe ich einen gewöhnlk
Pfeifenkopf befestigt; in diesen goss ich reine Salpetersäure, in das i
Salzsäure bis zu der gleichen Höhe. In der letzten Flüssigkeit Hess ich ei
Stückchen Goldblatt während einer Stunde, worauf sie eben so blank
schienen, als in dem Augenblicke des Eintauchens. Nun wurde ein G
draht so angebracht, dass er gleichzeitig die Salpetersäure und ein G
blättchen berührte: das berührte Blättchen wurde sofort aufgelöst, währ
die anderen nicht angegriffen wurden.
„2. Der Versuch wurde umgekehrt angestellt, doch machte er eil
Schwierigkeiten, dass das Gold nicht lange in der Salpetersäure blei
konnte, ohne angegriffen zu werden, was auf die Gegenwart der salpetri
Säure zurückzuführen ist; doch war das Ergebniss überzeugend genug,
festzustellen, dass die Berührung keinerlei Wirkung auf das Gold in di<
Säure hervorbrachte, während das auf der Seite der Salzsäure immer ;
gelöst wurde.
„3. Ich stellte die Verbindung mit einem Platindraht an Stelle e:
Golddrahtes her; die Wirkung blieb stets die gleiche.
a •
„4. Das Äussere des Pfeifenkopfes wurde auf fast der ganzen Oberflä
mit Blattgold überzogen; ein Stückchen desselben wurde wie gewöhnlicl
die Salzsäure gebracht. Als die Verbindung mit der Salpetersäure hei
stellt worden war, wurde dieses Blättchen aufgelöst, während das Gold
der Oberfläche des Pfeifenkopfes nicht angegriffen worden war.
„5. Ich färbte die Salpetersäure mit etwas Lackmus; als die Verbind
hergestellt worden war, konnte ich in der Salzsäure nicht die mindeste 1
bung beobachten.
„6. Ich bediente mich des Kupfernitrats an der Stelle der Salpetersä
die Wirkung war ähnlich, doch fand die Auflösung langsamer statt; auf <
negativen Metalle sah ich keine Fällung.
„7. Ich brachte in Salzsäure zwei Goldblättchen, die mit den be
Enden einer VoLTA'schen Kette in Verbindung standen; die Säure wi
zersetzt und das positive Blättchen aufgelöst
„Alle diese Versuche zeigen, dass, sowie der elektrische Strom, wel
von der Wechselwirkung der beiden Säuren durch das Diaphragma heni
1 Comptes rendus 8, 567. 183Q.
Die Entwkkehwg der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 6 1 1
schlössen wird, die Säuren zersetzt werden: der Wasserstoff der Salz-
ure verbindet sich mit einem Theile des Sauerstoffes der Salpetersäure,
ld das Chlor verbindet sich mit dem Golde. Bei allen diesen Versuchen
urden die Ströme mit einem Galvanometer nachgewiesen, und in jedem
alle wirkte das aufgelöste Gold wie das Zink in einer gewöhnlichen Volta'-
:hen Kette. Die grösste Ablenkung wurde mit Platin, Gold und den
eiden Säuren erhalten. Indem ich über die Wirkung nachdachte, kam ich
uf den Gedanken, dass, da Gold, Platin und die beiden Säuren einen so
arken elektrischen Strom hervorbrachten, a fortiori die gleiche Zusammen-
teilung mit Zink an Stelle des Goldes eine Kette bilden müsste, welche
ärker ist, als alle bisher bekannten. Ich habe nicht gesäumt, diesen Ge-
anken dem Versuche zu unterwerfen, und habe einen vollständigen Erfolg
rzielt: ein einziges Paar aus einer amalgamirten Zinkplatte, i Zoll lang
ad */* Zoll breit, ein Platincylinder von 3/4 Zoll Höhe, dazu ein Pfeifen-
;>pf und ein kleines Glas, bilden ein VourA'sches Element, welches leicht
igesäuertes Wasser zersetzt Bei dieser Zusammenstellung ist die Wirkung
>nstant, und eine Fällung eines Metalles auf einem anderen findet nicht
att; auch bietet sie den grossen Vortheil, dass man die concentrirteste
alpetersäure benutzen kann.
„Ich versuchte die gleiche Anordnung mit kaustischem Kali an Stelle
?r Salzsäure, auf welche ich durch den schönen Versuch von Becquerel
^kommen war: die Wirkung war gleichfalls mächtig. Da man in diesem
alle die Zinkplatte nicht zu amalgamiren braucht, so würde ich diese An-
rdnung vorziehen, wenn nicht ein unüberwindliches Hinderniss vorhanden
äre: das Kaliumnitrat krystallisirt in den Poren des Thones und sprengt
in; somit muss man, wenn man nicht eine andere Scheidewand ausfindig
lacht, welche die Wirkungen der concentrirten Säuren vertragen kann, diese
usammenstellung verlassen. Ich lud nun den Apparat mit concentrirter Sal-
etersäure und mit Schwefelsäure, welche mit sechs Theilen Wasser verdünnt
ar: der Strom hatte fast die gleiche Stärke, wie mit Salzsäure, wodurch
ne grosse Ersparniss und die Vermeidung jeder Gefahr für das Platin er-
ficht wurde. Die Salpetersäure muss übrigens immer concentrirt sein, denn
enn sie einen Theil ihres Sauerstoffes verloren hat, so dass der Wasser-
off nicht mehr absorbirt, sondern an der Oberfläche entwickelt wird, nimmt
ie Wirkung ab und wird unbeständig.
„Man wird einen grossen Vortheil darin finden, sich einer durch eine
oröse Scheidewand getheilten Zelle auch in Flüssigkeiten zu bedienen, in
eichen sich Zersetzungsplatten befinden. Braucht man be^pielsweise Sauer-
off, so muss die negative Elektrode in concentrirte Salpetersäure gesetzt
erden, die positive in verdünnte Schwefelsäure. Wünscht man Chlor, so
setzt man die Schwefelsäure durch Salzsäure; braucht man Wasserstoff,
werden die beiden Elektroden in verdünnter Salzsäure untergebracht,
dem man als positive Elektrode amalgamirtes Zink nimmt u. s. w. Mit
»sen Mitteln und einer kleinen Säule von der oben angegebenen Construction
39*
6l2 Vierzehntes Kapitel.
kann ein Reisender in seiner Tasche ein elektrochemisches Laboratorium mit
sich führen.
„Ich habe eine runde Säule herstellen lassen, welche nicht mehr als
4 Zoll im Durchmesser und i l/4 Zoll Höhe besitzt. Diese Säule besteht aus
sieben sehr kleinen Gläsern und sieben Pfeifenköpfen; sie hat im Ganzen
20 Quadratzoll metallische Oberfläche und giebt etwa I Kubikzoll Gas in
2 Minuten. Sie rivalisirt also mit einer gewöhnlichen Säule von 50 bis
60 Platten."
8. Die Zink-Kohle-Kette. Die grossen Vorzüge der GROVE'schet
Säule wurden alsbald anerkannt; insbesondere beschrieben Schönbein1 unc
Poggendorff ihre Wirkungen so eindringlich, dass ihre Anwendung sid
bald verbreitete. Auch dauerte es nicht lange, bis der Ersatz des theurer
Platins durch leitende Kohle gefunden wurde. Hier rührt die Mittheilun§
von Schönbein her, welcher über eine nach dem GROvE*schen Prinzip ge
baute Kette mit Kathoden von Retortenkohle von ihrem Erfinder Cooper ii
London Nachricht erhalten hatte, und diese Nachricht alsbald durch eigen«
Versuche bestätigen konnte.2 Die Wirkung einer winzigen derartigen Ketb
kam der einer Platinkette sehr nahe.
Die Anwendung der Kohle an Stelle des Platins in der GROVE'schei
Kette ist etwas später auch von Bunsen angegeben worden. Dadurch, das
dieser ein Verfahren fand, aus Steinkohle und Koke eine geeignete Kohl
in beliebiger Gestalt herzustellen, ermöglichte er eine viel leichtere und aufl
giebigere Fabrikation solcher Elemente, und es ist daher auch in der Folg
sein Name mit dieser Zusammenstellung in Verbindung geblieben.
In einem bestimmten Punkte unterschied sich indessen anfangs et
BuNSEN^sche Kette von der GROVE*schen. Bunsen benutzte die Porositä
seiner Kohle dazu, um die Thonzelle zu ersparen, indem er die Kohle i
die Gestalt eines hohlen Cylinders brachte, welcher mit Salpetersäure gt
tränkt und dann unmittelbar in die verdünnte Schwefelsäure gestellt wuitJ
welche den Zinkcylinder enthielt. Durch eine angemessene Discussion de
ÜHM'schen Formel hatte er nachgewiesen, dass man auf eine gegebene Meng
Zink die grösste Wirkung erhält, wenn man den inneren Widerstand da
Elementes so klein wie möglich macht, und daraus ergab sich die Cot*
struetion, welche die möglichste Näherung der beiden Flächen bezweckte
In der Folge hat man allerdings wieder die Thonzelle eingeführt, da sie
Anwendung einer grösseren Menge Salpetersäure gestattet und auch
Zink besser gegen diese schützt.
Die Figuren 154 und 155 zeigen die Einzelheiten jener ältesten F<
des Kohlenelementes; Fig. 155 bezieht sich auf das von Bunsen voi
bene Verfahren, den Überschuss der Salpetersäure durch Einblasen von
in den Kohlencylinder zu entfernen.
i
1 Poog. Ann. 49, 589. 1840. * Pogg. Ann. 49, 589. 1840.
* Pogg. Ann. 54, 417. 1841. — ibid. 55, 265. 1842.
J
Die Entwkkelnng der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieminzipes. Öl%
Bald darauf kehrte indessen auch Bunsen1 zu der Anwendung des
Tosen Thoncylinders zurück, und gab seiner Kette die Gestalt, die
sich im wesentlichen unverändert bis
heute erhalten hat Die Figuren 156
und 157 bedürfen keiner weiteren Er-
klärung.
Nach Bunsen.
9. Die elektrolytischen Erscheinungen und die Theorie der
onen. Einen fast noch erheblicheren Fortschritt, als die Erfindung der
istanten Kette, verdanken wir Daniell in seinen Untersuchungen über die
iktrolyse secundarer Verbindungen, welche den ersten wesentlichen
■ritt über den von Faraday gewonnenen Standpunkt hinaus darstellen.
besondere hat Daniell den Irrthum Faradav's bezüglich der Ionennatur
Säureanhydride und der Metalloxyde (S. 535) berichtigt, und aus den
.■fliehen Äusserungen Faraday's geht hervor, dass er selbst mit dieser
besserung der Anschauungen ganz einverstanden war. Daniell legte
■ Ann. chim. phyi. 8, 28. 1843 (Mittheilung von Reiset). — Pogg. Ann. 00, 401. 1843.
614
Vierzehntes Kapitel.
seine Ansichten in drei Briefen an Faraday dar, welche in den Philosophie
Transactions von 1839 u. ff. veröffentlicht sind.
Der erste dieser Briefe l geht von der folgenden Frage aus: Nach
Faraday wird bei der Elektrolyse wässeriger Lösungen wesentlich nur Wasser
zersetzt; nach den Beobachtungen Davy's (S. 190) entsteht hierbei, wenn ein
Salz zugegen ist, immer Säure und Alkali in freiem Zustande. Welche Be-
ziehung haben diese gleichzeitigen Vorgänge? Zur Beantwortung wurden
quantitative Elektrolysen ausgeführt.
„Die Versuchszelle, welche ich zuerst anwandte, bestand aus e
dicken Glascylinder, dessen Inhalt etwa 14 Kubikzoll betrug, und welcher
ursprünglich an beiden Enden geschlossen war. Er wurde der Länge nach
in zwei gleiche Hälften geschnitten, um zwischen beide eine dünne Thon-
platte einzuschliessen, welche, wenn das Ganze wieder mittelst zweier mes-
singener Ringe mit Schrauben zusammengehalten wurde, das Gefäss in zwei
Abtheilungen trennte. Durch den Boden jeder Abtheilung ging der Draht
einer Platinelektrode von 2s/4 Zoll Länge und 1 Zoll Breite; an den oberen
Enden war je eine gebogene Glasröhre eingeschliffen, um die bei den Ver-
suchen entwickelten Gase aufzufangen. Die Figuren 158 und 159 stellen ejoe-
Nach Dan [ELL.
Vorder- und eine Seitenansicht des Apparates dar. abcd ist der Glascylinder,^
ef das poröse Diaphragma, g h die Messingringe und -schrauben, mit denen j
die beiden Hälften zusammengeschraubt sind; i und k sind die beiden EleV-j
troden; / und w die Queckailbernäpfe, mittelst deren die Verbindung «fcl
1 Philo*. Tran». 18J9, 97.
Die Entwkkefang der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 615
Batterie hergestellt wurde; n o und p q sind die gebogenen Röhren, durch
he die gasförmigen Produkte gesammelt wurden."
Nach einigen Mittheilungen über die Brauchbarkeit des Apparates und
Hülfsmittel zur Bestimmung von freier Säure und freiem Alkali be-
eibt Danisll seine Versuche:
„1. Versuch. Die Zelle wurde mit einer Lösung von Natriumsulfat ge-
n, deren specifisches Gewicht 1,052 war, so, dass die Elektroden bedeckt
»n und die Zelle etwa zur Hälfte gefüllt war. Als die Verbindung mit
Batterie hergestellt wurde, ergab sich, dass gute Leitung vorhanden war;
die Zersetzung wurde fortgeführt, bis 20 Kubikzoll Wasserstoff von
Platinode und 9 Kubikzoll Sauerstoff von der Zinkode gesammelt wor-
waren.
„Die Lösung von der Platinode wurde mit einem gläsernen Heber sorg-
g abgezogen und erwies sich stark alkalisch; mittelst des Alkalimeters
ib sie einen Gehalt von 12 Gran freien Natrons. Die Lösung von der
code war sehr sauer, und neutralisirte so viel Soda, als 15,1 Gran Schwefei-
re entspricht.
„Daher ergaben die Resultate dieses ersten Versuches, dass die Zer-
;ung eines Äquivalentes Wasser begleitet war von der Zersetzung eines
au gleichen Äquivalentes von schwefelsaurem Natron, denn die Unter-
iede sind nur von geringem Betrage." In der That ergab die Berech-
\g 12,8 Natron und 16,1 Schwefelsäure an Stelle der gefundenen Werthe
und 15,1.
„Diese genau äquivalenten Ergebnisse sind an und für sich sehr be-
rkenswerth; ich war aber nun eifrig, zu bestimmen, ob sich die Kraft
Stromes, wie bisher angenommen wurde, zwischen den beiden Elektro-
:n genau getheilt hatte.
„2. Versuch. Der vorige Versuch wurde in ganz gleicher Weise wieder-
t; nur wurde ein Voltameter, dessen Platten die gleiche Grösse hatten,
die der Zelle, und das mit der gewöhnlichen verdünnten Schwefei-
re geladen worden war, in den Stromkreis eingeschaltet. Der Versuch
de fortgeführt, bis 70,8 Kubikzoll der gemischten Gase aus dem Volta-
er gesammelt worden waren; es wurde dabei gefunden, dass der
sserstoff aus der Versuchszelle 47,5 und der Sauerstoff von der Zinkode
>5 Kubikzoll betrug. Der erstere ist fast genau gleich dem durch das
tameter angegebenen Wasserstoff, während der letztere etwas weniger
ägt, als die äquivalente Menge des Sauerstoffes. Immerhin kann kein
ifel bestehen, dass die Menge der gemischten Gase aus der Salzlösung
die aus der verdünnten Schwefelsäure gleich waren.
„Betrachten wir nun, wie gewöhnlich, die Leitung des Stromes als
:h den Übergang des Sauerstoffes und Wasserstoffes allein bedingt, so
inen wir zuerst zu der ausserordentlichen Schlussfolgerung geführt zu
len, dass der gleiche Strom, welcher zur Trennung von einem Äquivalent
rrstoff und einem Äquivalent Wasserstoff in dem einen Gefass eben aus-
6i6
Vierzehntes Kapitel.
reicht, in dem anderen Gefässe während derselben Zeit ein Äquivalent Sauer-
stoff und Wasserstoff trennt, und ausserdem ein Äquivalent Schwefelsaure
von der entsprechenden Menge Natron. Die Aufklärung eines solchen Er-
gebnisses musste offenbar von grösster Bedeutung sein."
10. Die Uberführungserscheinungen. Bevor Danieix indessen an
die Aufklärung dieses Widerspruches ging, beschäftigte er sich erst mit da
schon von Porret1 beobachteten Erscheinung, dass nach dem Durchleitea
des Stromes die Höhe der Flüssigkeit in den beiden durch die poröse
Scheidewand getrennten Abtheilungen verschieden war, und rwar wurde die
Lösung im Sinne des positiven Stromes mitgenommen, um so stärker, je
schlechter sie leitete.
Femer construirte er einen neuen Apparat, um den Übelstand zu ver-
meiden, dass durch die Scheidewand die getrennten Flüssigkeiten sich dock
ziemlich schnell vermischten. Der neue Apparat ist in Fig. 160 dargestellt;
Fig. ]6o. N'ach.DANiF.LL. 3
er unterscheidet sich von dem alten wesentlich dadurch, dass an Stelle einer j
porösen Scheidewand deren zwei angebracht wurden, welche die Ende* ]
eines heberförmigen Glasrohres schlössen, auf welches die beiden Gefässe ftr j
die Lösung aufgeschliffen waren. Die Scheidewände wurden in diesem Falle ]
aus Thierblase hergestellt I
„ab cd und efgk sind die beiden Glaszellen; ikl ist die gebogene
Glasröhre, welche in dem hölzernen Träger mn befestigt ist; o und/ sind
1 Annals of Philotophy, July ]8l6.
Die Entwicketang der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 6x7
lie beiden Elektroden, die mit den Quecksilbergefässen s und / durch
He Drähte aq und fr verbunden sind; st und uw sind die beiden
gebogenen Glasröhren, welche zur Aufsammlung der entwickelten Gase
iienen."
Die mit diesem Apparate ausgeführten Versuche entsprachen durchaus
lern oben geschilderten; sie wurden zunächst wieder mit schwefelsaurem
fatron wiederholt, und gaben die gleichen Resultate; ferner wurden ähnliche
/ersuche mit verdünnter Schwefelsäure angestellt, aus denen Daniell schloss,
bss etwa ein Viertel des Äquivalentes von der Kathode zur Anode über-
geführt wird, und zwar war diese Überfuhrung die gleiche, ob an der Anode
wm Platin sich Sauerstoff entwickelte, oder ob an Stelle des Platins amal-
gamirtes Zink benutzt wurde, welches beim Stromdurchgang in entsprechen-
der Menge in Lösung ging.
Daniell stellte sich nun die Frage, ob vielleicht Säure und Alkali bei
der Elektrolyse des schwefelsauren Natrons eine überschüssige Menge von
Bektricität mit sich führten, welche an den Elektroden die Zersetzung des
Wassers bewirken. Um diese Frage zu beantworten, schaltete er in den
itromkreis geschmolzenes Bleichlorid ein. Rührten beide Zersetzungen von
ahgefuhrter Elektricität her, so musste das ausgeschiedene Blei der Summe
eider Produkte äquivalent sein, im anderen Falle war nur die Äquivalenz
tit dem einen Produkt zu erwarten. Die Messung mit dem Schwefelsäure-
oltameter sah Daniell nicht mehr als entscheidend an, weil auch die
chwefelsäure übertragen wird, und daher ähnliche Verhältnisse, wie bei den
icutralsalzen vorliegen konnten. Das Ergebniss war, dass das ausgeschiedene
fei dem Wasserstoff oder dem Alkali allein äquivalent war, dass also der
Viderspruch bestehen blieb, wonach in der Lösung des Neutralsalzes der
»trom eine doppelte Zersetzung zu bewirken schien.
Weitere Versuche wurden mit den Lösungen anderer Salze angestellt,
unächst mit Chlornatrium. „Eine Platte von reinem Zinn, deren Gewicht
75,8 Gran war, wurde als Zinkode (Anode) in der Doppelzelle benutzt,
reiche in allen ihren Theilen mit einer concentrirten Lösung von Chlor-
latrium angefüllt war. Während des Stromdurchganges erschien nicht die
jeringste Gasspur an der Zinnelektrode, und kein Geruch nach Chlor wurde
ntwickelt. Der Versuch wurde unterbrochen, nachdem 24 Kubikzoll Wasser-
toff von der Platinode entwickelt worden waren. Die Zinnelektrode wog
tun 546,1, der Verlust war 29,7 Gran oder fast genau ein halbes Äquivalent,
nd entsprach der Menge des entwickelten Wasserstoffgases. Die Lösung
n der Platinode war alkalisch und zeigte 15 Gran Natron an; fugen wir
Gran Natron aus der Verbindungsröhre hinzu, deren Inhalt schwach
[kaiisch war, so haben wir genau ein halbes Äquivalent. . . . Dieser Ver-
teil wurde wiederholt, indem eine Röhre mit geschmolzenem Bleichlorid
den Strom eingeschaltet wurde. Die Ergebnisse sind in der folgenden
ibelle aufgeführt und mit den genauen chemischen Äquivalenten ver-
chen.
618 Vierzehntes Kapitel.
Versuch Berechnet
Entwickeiter Wasserstoff ... 12,6 11,8
Reducirtes Blei 24,9 26,0
Gelöstes Zinn 16,3 14,6.
„Nun ist der einfachste Weg für das Verständniss der Ergebnisse dieses
Versuches, anzunehmen, dass für ein Äquivalent des in der ersten Zelle
elektrolysirten Bleichlorids ein Äquivalent Natron in der zweiten Zelle elek-
trolysirt wurde; das Chlor des letzteren wurde von der Zinnelektrode auf-
genommen, und das Natrium an der Platinode reagirte auf das Wasser, und
gab als secundäres Produkt ein Äquivalent Wasserstoff; nach dieser Annahme
musste der Strom durch das Chlornatrium allein übergeführt worden sein,
und es ist kein Wasser elektrolysirt worden.
„Denn wir müssen in der That bei der Erörterung der Ergebnisse aller
dieser Versuche den Grundsatz annehmen, dass die Kraft, welche wir an
einem Punkte des Stromkreises durch ihre bestimmte Wirkung gemessen
haben, an keinem Punkte desselben Kreises mehr als die äquivalente Menge
Arbeit thun kann; dass der Strom, welchen wir durch die Elektrolyse eines
einfachen Äquivalentes Bleichlorid gemessen haben, nicht im Stande sei»
kann, gleichzeitig ein Äquivalent Chlornatrium und ein Äquivalent Wasser
an denselben Elektroden zu elektrolysiren. Die Summe der Kräfte, welche
irgend eine Zahl von Ionen in einem zusammengesetzten Elektrolyt m*
sammenhält, konnte übrigens nur gleich der Kraft sein, welche die Elemente
eines einfachen Elektrolyten zusammenhielt, welcher gleichzeitig in demselben
Strome elektrolysirt wurde."
Diese Darlegungen enthalten Scharfsinniges und Falsches in merk»
würdigem Gemisch. Die Grundlage der Erörterung ist richtig: das Gesell
von Faraday gestattet nicht, dass an der einen Stelle des Stromkreises Ä
gleiche Elektricitätsmenge durch die einfache, an der anderen Stelle durch
die doppelte Menge Ionen geführt wird, denn es spricht eben die Äquivalä» \
zwischen den verschiedenen Ionen auch in elektrischer Beziehung aus. Vot
Kräften (force) ist aber hier überall nicht die Rede; vielmehr ist der Zu»
sammenhang zwischen der Elektricitätsmenge und der Stoffmenge ganz us*
abhängig von solchen Fragen. Als Zeichen dafür, wie schwer es damak
auch besonnenen und physikalisch gut gebildeten Forschern war, diese Dingt1
klar zu unterscheiden, ist die Stelle immerhin von Interesse; der heftige
Widerspruch, welchen Berzeltus gegen das FARADAY^sche Gesetz erhob (S. 589)^
Wird dadurch verständlicher.
„Wie aber sollen wir nun diesen Grundsatz auf die Elektrolyse <fc»^
schwefelsauren Natrons und die Ergebnisse der Versuche damit anwenden!:
Wasser schien elektrolysirt zu werden; und gleichzeitig erschienen Säiat
und Alkali mit dem Wasserstoff und dem Sauerstoff an den entspreche»*
den Elektroden. Wir können nicht annehmen, dass nach der Zersetaug
des Wassers noch ein Kraftüberschuss für die Zersetzung des Salzes ixba§
war; sondern wir müssen annehmen, dass der einzige zersetzte Elektrolyt
Die Entwicklung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 6 IQ
hwefelsaures Natron war, "dessen Ionen aber nicht die Säure und das
Ikali des Salzes waren, sondern ein Anion, bestehend aus einem Äquivalent
rhwefel und vier Äquivalenten Sauerstoff, und dem metallischen Kation
itrium; aus dem ersten bildete sich an der Anode durch secundäre Wirkung
Awefelsäure unter Entwickelung von einem Äquivalent Sauerstoff, und aus
m letzteren an der Kathode durch secundäre Wirkung des Metalles Natron
iter der Entwickelung eines Äquivalentes Wasserstoff.
„Diese elektrochemischen Betrachtungen sind übrigens auf viele andere
lzartige Verbindungen anwendbar, wie ich nachher zeigen werde; und
hren bezüglich der mitgetheilten Versuche zu dem Ergebnisse, dass die
lemischen Formeln der benutzten Salze, insofern sie Elektrolyte sind, folgen-
nrnaassen abgeändert werden müssen:
Chemische Formel Elektrolytische Formel
Schwefelsaures Natron . . . . (S + 3O) + (Na + O) (S + 4O) + Na
Schwefelsaures Kali (S + 3 O) + (K + O) (S + 4 O) + K
Salpetersaures Kali (N+ 5O) + (K + O) (N+ 60) + K
Phosphorsaures Natron . . . . (P + 2V80) + Na + O) (P + 37,0)4- Na.
„Diese Ansicht fuhrt mich zu einer Änderung der Meinung, welche ich
isher über die Zersetzung des Kupfersulfates in der constanten Batterie
ehegt habe, sowie über die Elektrolyse der Salze, deren metallische Basis*
ir sich unfähig ist, das Wasser zu zersetzen. Ich habe immer das Erscheinen
es Kupfers auf der Platinode der secundären Wirkung des daselbst ent-
nckelten Wasserstoffes zugeschrieben; die eben entwickelten Betrachtungen
öthigen mich aber, das Kupfer als das Ergebniss einer primären Wirkung
nzusehen, indem die elektrolytische Formel des Kupfersulfates nicht
5 + 3O) + (Cu + O) ist, sondern (S + 4O) + Cu."
Zum Verständniss der vorstehenden wichtigen Ausführungen sei bemerkt,
bss Daniell durchweg Äquivalentformen schreibt, in welchen die Atom-
[ewichte der zweiwerthigen Elemente Sauerstoff, Kupfer, u. s. w. nur halb
0 gross angenommen werden, wie gegenwärtig; die einwerthigen Elemente
lagegen hatten damals die gleichen Zahlen, wie jetzt. Was ferner die
ormel des phosphorsauren Natrons anlangt, so ist das gewöhnliche Bi-
atriumphosphat gemeint, dessen Formel gegenwärtig HNa8P04 geschrieben
drd; verdoppelt man den alten Atomgewichten entsprechend die Zahl der
iauerstoffatome, und nimmt den Wasserstoff als mit Sauerstoff zu Wasser
erbunden an, so ergiebt sich die von Daniell benutzte Formel.
„Die nachstehenden Versuche wurden angestellt, um den Punkt noch
eiter aufzuklären.
„14. Versuch. Die Zelle mit der doppelten Scheidewand wurde an der
latinode mit einer gesättigten Lösung von schwefelsaurem Kupfer gefüllt;
ie Verbindungsröhre und die Zelle mit der Zinkode wurden mit Schwefel-
ure von gewöhnlicher Stärke geladen, und ein Voltameter in den Strom-
eis geschlossen. Der Vorgang wurde unterbrochen, nachdem 35 Kubikzoll
t gemischten Gase gesammelt worden waren. Das auf der Platinode ge-
Ö20 Vierzehntes Kapitel.
fällte Kupfer wog 15,5 Gran, und die Lösung a in der Zelle mit der Platii
welche sauer war, zeigte durch die Neutralisation mit Soda 18,8 Gran 1
Schwefelsäure an. Alle diese Ergebnisse nähern sich sehr den gen
Aquivalentverhältnissen, wie es die nachstehende Tabelle ausweist:
Beobachtet Berechnet
Sauerstoff und Wasserstoff ... 35 Kubikzoll 35,4 Kubikzoll
Gefälltes Kupfer 16,5 Gran 16 Gran
Freie Schwefelsäure 18,8 „ 20 „ .
„15. Versuch. Der letzte Versuch wurde wiederholt, indem an *
der Zinkode von Platin eine solche von Zink eingesetzt wurde; die Ei
iiisse und deren Vergleich mit den genauen Äquivalentzahlen ergeben
aus der Tabelle:
Beobachtet Berechnet
Sauerstoff und Wasserstoff ... 35 Kubikzoll 35,4 Kubikzoll
Gefälltes Kupfer 16,7 Gran 16 Gran
Gelöstes Zink 16,4 „ 16 v
Freie Schwefelsäure 18,8 „ 20 „ .
„Das Auftreten von freier Schwefelsäure in der Platinode-Zelle an
an der Zinkode ist sehr merkwürdig. Der Ansicht zufolge, welche ich
gelegt habe, muss man sich von dem Ergebniss folgende Vorstellung mac
Der Transport des Stromes in der Doppelzelle musste durch die Elektrc
des zusammengesetzten Elektrolyts Kupfersulfat (S + 4O) + Cu und des
fachen Elektrolyts Wasser H + O bewerkstelligt worden sein, indem
Ladung durch den einen bis zu seiner Berührungsstelle mit dem and
gebracht und dort diesem abgeliefert wurde. Beginnen wir der Bequem
keit wegen mit dem Kupfersulfat, so ist das Metall auf der Platinode a
setzt worden, und das zusammengesetzte Anion (S + 4O) wandert bi
dem angesäuerten Wasser, da es aber nichts antrifft, womit es sich
binden kann, so tritt die Zersetzung des Wassers ein, dessen Wasse
sich mit einem Atom Sauerstoff des zusammengesetzten Anions (S +
vereinigt, während Schwefelsäure (S + 3O) nachbleibt; gleichzeitig gehl
Strom mit dem Äquivalent von Sauerstoff aus dem Wasser weiter,
dieser wird entweder an der Platin-Zinkode abgegeben oder vom Zink
genommen."
Diese Darlegungen zeigen, wie schwer es selbst demjenigen, der
richtige Ansicht zum ersten Male erfasst hat, werden kann, diese Ar
folgerichtig durchzufuhren. Zwei Seiten weiter zeigt Daniell in ders«
Abhandlung, dass man die Säuren als Wasserstoflverbindungen auff
müsse, deren Ionen einerseits Wasserstoff, andererseits der mit Wasse
verbundene einfache Stoff oder Stoffcomplex sind. Demgemäss hätte ei
Vorgang so schildern müssen, dass an der Stelle, wo die Kupferlösun
die verdünnte Schwefelsäure grenzt, das Ion SO4 ungestört weiter wai
da auch in der Schwefelsäure dasselbe Ion vorhanden ist; erst an der A
braucht dann eine etwaige chemische Reaktion angenommen zu we
Die Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 62 1
\llerdings entsteht hierbei, wenn man das Ion nicht im freien Zustande
«andern lassen will, sondern eine Reihe von abwechselnden Trennungen
wd Verbindungen nach dem Vorgange von Grotthuss annimmt, die Noth-
arendigkeit, an der Berührungsstelle das dort vorhandene CuSO4 mit dem
fPSO* das Ion SO4 tauschen zu lassen; doch giebt diese Annahme gleich-
zeitig Rechenschaft von dem Auftreten der freien Schwefelsäure an der
Kathode, und ist somit in Danieli/s Sinne durchaus consequent.
Derartige Erscheinungen, dass die geistige Energie eines Mannes wohl
zureicht, um eine grundlegende Umgestaltung einer fehlerhaften Ansicht
xq bewerkstelligen, dass sie aber bei der Durchfuhrung des Gedankens an
einzelnen Stellen plötzlich versagt, und den Entdecker dort in den eben
überwundenen Fehler zurückfallen lässt, sind keineswegs selten. Die An-
strengung für die ganz consequente Durchfuhrung einer ungewohnten An-
sicht ist eben erheblich grösser, als die zur Conception des Gedankens
erforderliche, und die Übung in dem Gebrauch des neuen Denkhülfsmittels,
welche seine Anwendung so wesentlich erleichtert, muss erst noch gewonnen
werden.
11. Bestimmung der wahren Ionen. „Ein anderer naheliegender
Pönkt von grossem Interesse war, zu bestimmen, welche Beziehung zu dem
Strome die Produkte der Elektrolyse der Ammoniaksalze aufweisen würden;
£s zeigte sich folgendes.
„16. Versuch. Die Doppeldiaphragma -Zelle wurde mit einer Zinkode
*on Zinn versehen, mit einer starken Lösung von Salmiak geladen, und ein
Voltameter wurde in den Kreis geschaltet. Das Gas von der Platinode
•rurde über Quecksilber gesammelt. Als 35 Kubikzoll der gemischten Gase
entwickelt waren, wurde der Versuch unterbrochen.
„An der Zinkode war kein Gas abgegeben worden; der Verlust des
Zinns betrug 30,4 Gran. Von der Platinode wurden 23,5 Kubikzoll Wasser-
stoffgas'gesammelt; die Lösung in dieser Zelle roch sehr stark ammoniaka-
lisch und ergab durch Neutralisation einen Gehalt von 8^4 Gran Ammoniak
in freiem Zustande. Die Annäherung dieser Zahlen an die Äquivalente er-
giebt sich aus der folgenden Tabelle:
Versuch Berechnet
Gemischte Grase aus dem Voltameter . . . 35,0 35,4
Wasserstoff von der Platinode 23,5 23,6
Zinn 30,4 29,0
Ammoniak 8,25 8,5.
„Salmiak erwies sich somit als ein Elektrolyt, dessen einfaches Anion
Chlor ist, und dessen zusammengesetztes Kation aus Stickstoff mit vier
Äquivalenten Wasserstoff besteht. Seine elektrolytische Formel ist daher
licht (Cl + H) + (N + 3H), sondern Cl + (N + 4H)."
An diesen Versuch schliesst Daniell einen ähnlichen mit Ammonium-
ulfat, dessen Ergebnisse zu dem entsprechenden Schlüsse fuhren, dass die
Wien SO4 und NH4 sind.
Ö22 Vierzehntes Kapitel.
„Es ist unmöglich, nicht von der merkwürdigen und für mich
kommen unerwarteten Übereinstimmung betroffen zu werden, welch«
eben dargelegten Ergebnisse mit zwei berühmten Hypothesen haben
der von Berzelius bezüglich der Constitution des Salmiaks, und mi
von Davy, bezüglich der Natur der Säuren und deren salzartigen V<
düngen.
„Der erste ist durch Analogieen, welche hier zu wiederholen unr
ist, zu der Ansicht gekommen, dass der Salmiak das Chlorid eines !
thetischen Radikals ist, welches er Ammonium genannt hat, und w<
aus einem Äquivalent Stickstoff und vier Äquivalenten Wasserstoff zusair
gesetzt ist; das Oxyd dieses Radikals sieht er als die Basis seiner Saue
salze an. Nach dieser Ansicht ist Salmiak nach der Formel (N + 4H)
zusammengesetzt, und schwefelsaures Ammoniak nach (N+4H + 0) + (SH
Die erste Formel stimmt genau mit der Schlussfolgerung, welche wi
der Elektrolyse dieses Salzes gezogen haben; die letztere weicht abei
der elektrolytischen Ansicht ab, welche nicht eine Verbindung von !
und Basis annehmen lässt, sondern eine von Ammonium und dem zusam
gesetzten Anion (S + 4O).
„Die Hypothese von Davy war, dass die Salze der Sauerstoffsäuren
ähnliche Constitution haben könnten, wie die binären Verbindunger
Chlors mit den Metallen, und dass die Säurehydrate als Wasserstoffs
angesehen werden müssen. Wie Salzsäure eine einfache Verbindung
Elemente Chlor und Wasserstoff ist, oder Cl + H, so kann Schwefels
hydrat eine Verbindung eines zusammengesetzten Radikals mit Wass*
oder (S + 4O) + H sein.
„Lässt man Salzsäure auf Natron wirken, so wird Wasser und Nat
chlorid oder Cl + Na gebildet. Lässt man Schwefelsäure auf Natron w
so wird gleichfalls Wasser gebildet, und eine binäre Verbindung eine
sammengesetzten Radikals mit Natrium, oder (S + 4O) + Na.
„Die allgemeine Ansicht, welche er darlegte, war, dass ein Ra
welches einfach wie Chlor, oder zusammengesetzt wie Cyan oder (S -
sein kann, mit Wasserstoff eine Säure bildet und mit einem Metall ein
Die Ansicht war durch mancherlei Analogieen unterstützt; sie hat jed<
den Vortheil, dass sie die Constitution einer natürlichen Gruppe von Sl
welche einander so ähnlich sind, wie die Salze, und welche die frü
Theorieen in die beiden verschiedenen Klassen der Sauerstoffsalze un
Haloidsalze spalteten, als ähnlich erweist. Der Fortschritt der organi
Chemie und die Lehre von der Substitution haben die Wahrscheinli
verstärkt, welche diese Hypothese auszeichnet, und die Ergebnis»
Elektrolyse, welche ich eben dargelegt habe, werden vermuthlich ä
mittelbare Beweise ihrer Richtigkeit angesehen werden. Die einzig
scheinung, welche sie nicht umfasst, ist die Zersetzung der verdi
Schwefelsäure, denn es ist kein Grund zu sehen, warum das Säurel
nicht in Schwefelsäure und ein Äquivalent Sauerstoff an der Zinkode
Die Entwicklung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 623
isserstoff an der Platinode zerfallen soll, oder in (S + 4O) + H anstatt
„Betrachten wir dagegen das Wasser als den Elektrolyten, welcher bei
ser Gelegenheit zersetzt wird, so ist es nicht weniger schwierig zu ver-
len, warum ein Viertel Äquivalent Schwefelsäure den Sauerstoff zur
kode begleitet, und wie die Leitung mit ihrer Gegenwart zusammenhängt,
in obwohl, wie wir gesehen haben, die übergehende Menge Schwefelsäure
allen Fällen dieselbe ist, so nimmt die Leichtigkeit der Elektrolyse in
n Verhältnisse ab, als der Antheil an Säure unter das Verhältniss von
in zu eins in der Mischung fallt."
Die Schwierigkeit, welche Daniell hier in den Erscheinungen bei der
lwefelsäure sieht, sind später der Ausgangspunkt hochwichtiger Forschungen
vesen, welche das Wesen der elektrolytischen Leitung in entscheidender
nse aufgeklärt haben. Es wird daher später, bei der Besprechung der
rschungen Hittorf's, Gelegenheit sein, auf diese Frage zurückzukommen,
shalb ihre Erörterung an dieser Stelle noch unterbleiben kann. Nur soviel
l gesagt werden, dass es sich hier nicht um einen Widerspruch, sondern
1 eine Erweiterung und Vertiefung derselben Ansicht handelt, zu denen
xiell hier den Grund gelegt hatte. Es ist dies eine sich häufig wieder-
lende Erscheinung, dass gerade die Stellen, an denen eine sonst gute und
luchbare neue Anschauung Schwierigkeiten findet, später den Ausgang
uer und wichtiger Entwickelungen bilden. Es ist daher nichts unzweck-
issiger, als wie es vielfach halb unbewusst geschieht, solche Stellen ver-
cken zu wollen, um dem Credit des Gedankens nicht zu schaden. Ist
r Gedanke gut, so wird sicher eine solche unebene Stelle der Ansatz-
nkt einer entwickelungsfahigen Knospe sein; eine solche verdecken heisst
1 Entwickelung stören. Hat aber der Gedanke keine Lebenskraft, so kann
nicht schnell genug beseitigt werden, und für den Urheber selbst ist es
herlich besser, wenn dies früher, als wenn es später geschieht.
12. Fortsetzung. In einer zweiten Mittheilung über die Elektrolyse
:undärer Verbindungen,1 welche wie die erste in Form eines Briefes an
raday veröffentlicht wurde, beschreibt Daniell einige sehr interessante
rauche. Er wünschte zu beweisen, dass wirklich das Metall und nicht das
cyd als Kation wandert, und verfuhr zu diesem Zweck folgen dermaassen:
„Eine kleine Glasglocke, welche oben eine Öffnung besass, war unten
rch eine darüber gespannte Membran verschlossen. Sie wurde zur Hälfte
t einer nur schwachen Lösung von kaustischem Kali gefüllt und in ein
isgefäss gehängt, welches eine starke neutrale Lösung von Kupfersulfat
:hielt, unter deren Oberfläche sie eben getaucht wurde. Eine Platinelek-
de, welche mit dem letzten Zinkstabe einer grossen constanten Batterie
1 zwanzig Zellen verbunden war, wurde in die Kalilösung gesteckt; eine
1 Philos. Trans. 1840, 20Q.
624 Vierzehntes Kapitel
andere, die mit dem Kupfer der ersten Zelle verbunden war, wurde in
Kupfersulfat unmittelbar unter dem Diaphragma angebracht, welche
beiden Lösungen trennte. Der Kreis leitete sehr gut, und die Wirkunj
sehr energisch. Wasserstoff wurde an der Platinode oder der in das
tauchenden Elektrode abgegeben, und Sauerstoff an der Zinkode im Ki
sulfat. Eine kleine Menge Gas sah man auch von der Oberfläche
Diaphragmas aus sich entwickeln. Nach etwa 10 Minuten fand ma
untere Fläche des Diaphragmas mit einem schönen Überzuge von m
schem Kupfer bedeckt, durchsetzt mit Kupferoxyd von schwarzer und K
oxydhydrat von hellblauer Farbe.
„Die Erklärung dieser Erscheinung ist offenbar. In der Versucl:
haben wir zwei Elektrolyte, welche durch eine Scheidewand getrennt
der Strom muss durch beide gehen, um den Kreislauf zu vollenden.
Kupfersulfat wird in seine Bestandtheile, das zusammengesetzte 1
Schwefelsäure plus Sauerstoff, und das einfache Kation Kupfer getrennt
Sauerstoff des ersteren entweicht an der Zinkode, das Kupfer wird abe
seiner Wanderung nach der Platinode an der Oberfläche des zweiten
trolyts aufgehalten, als welches wir für den Augenblick Wasser an
können, dessen Leitfähigkeit durch die Gegenwart des Kalis verbessert w<
ist. Das Metall findet hier nichts, womit es sich verbinden kann, um s
Lauf zu vollenden; da es gezwungen wird, stehen zu bleiben, giebt es
Ladung dem Wasserstoff des zweiten Elektrolyts ab, welcher an die Plat
geht und entwickelt wird. Der entsprechende Sauerstoff bleibt gleic
an der Scheidewand stehen, indem er seine Ladung dem Anion des Ki
sulfats abgiebt. Kupfer und Sauerstoff, welche derart an der Zwischei
zusammentreffen, treten theilweise in Verbindung, und bilden das seh
Oxyd; wegen der Geschwindigkeit der Wirkung ist aber für das Ganze
Zeit zur Verbindung, so dass ein Theil des Kupfers im metallischer
stände bleibt und ein Theil des Sauerstoffes entweicht. Die Fällunj
blauen Hydroxyds stammt unzweifelhaft von der Mischung eines kleine
theiles der beiden Lösungen her."
Ähnliche Versuche stellte Daniell noch mit verschiedenen an
Metallsalzen an, und erhielt mit Silber, Blei, Palladium, Quecksilbei
sogar mit Eisen metallische Ausscheidungen; Magnesium konnte da
nicht auf diese Weise erhalten werden.
Was die Deutung dieser seltsamen Beobachtungen anlangt, so
diese im Sinne der gegenwärtigen Ansichten erst an viel späterer Stell
geben werden; auch soll schon hier betont werden, dass in dieser Bezi<
noch manches aufzuklären ist. Daniell betrachtete sie als einen bind
Beweis zu Gunsten seiner Ansicht von der Natur der Ionen, und gin|
halb dazu über, dieser Ansicht entsprechend die Nomenclatur der
neu zu gestalten. „Bevor ich in den Einzelheiten meiner Experimental
suchungen weiter gehe, muss ich Ihre Nachsicht für einige Bemerkunj
Hinsicht der Nomenclatur erbitten, in welcher ein Wechsel nach einer s<
Die Bntwickehing der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 625
iderang der Ansichten ganz nothwendig erscheint; ohne sie scheint es
im möglich, Umschreibungen von der umständlichsten Art zu vermeiden,
von Sie sich in dem Vorstehenden genugsam überzeugen können. Wenn
' von Salzen als Elektrolyten sprechen, bedürfen wir dringend bezeichnen-
• Namen für die zusammengesetzten Anionen, mit denen ihre metallischen
tionen verbunden sind So habe ich, wenn vom Kupfersulfat als Elek-
lyten die Rede war, dessen Anion als Schwefelsäure plus Sauerstoff be-
zhnen müssen, obwohl nichts umständlicher und der Wortbedeutung nach
eher sein kann. Nach vielem Nachdenken über den Gegenstand kam ich
•auf, dass der Ausdruck Ion, welchen Sie eingeführt haben, um gleichartig
beiden Bestandteile eines Elektrolyts zu bezeichnen, und welchen Sie
tter zu Kation und Anion zusammengesetzt haben, um die Elemente zu
nennen, welche beziehungsweise nach der Kathode oder der Anode wan*
rn, als eine allgemeine Endigung benutzt werden könnte, um die Ver-
ldungen zu bezeichnen, welche bei der Elektrolyse der Salze nach der
ikode wandern, und diese insbesondere unterschieden werden können, in-
m man den leicht abgeänderten Namen der Säure vorsetzt So kann,
detrolytisch betrachtet, das Kupfersulfat das Oxysulfion des Kupfers ge-
nnt werden, und Kaliumnitrat Kalium-Oxynitrion. Das Oxysulfion des
iteren, welches zu der Zinkode der Batterie wandern würde, besteht aus
+ 4O); das Oxynitrion des letzteren aus (N + 60). Das Ammonium-
xysulflon oder (S + 4O) + (N + 4H) würde das Ammoniumsulfat be-
lehnen."
Nach einer Apologie für diese Neuerung und einer Erörterung der
iwierigkeit, dass die angenommenen zusammengesetzten Ionen nicht für
& herstellbare Stoffe seien, schildert Daniell einige Versuche, diese zu
)üren. In der Voraussetzung, dass diese Stoffe bei niedriger Temperatur
ständiger sein werden, unternahm er die Elektrolyse der Schwefelsäure bei
va — 200 C, und fand auch, dass viel weniger Sauerstoff entwickelt wurde,
; dem Wasserstoff entsprach. Doch gelang es ihm nicht, die entstandene
tie Verbindung zu isoliren; er vermuthet, dass eine Verbindung von
hwefel mit sieben Äquivalenten Sauerstoff entstanden sein könnte,1 doch
irden die Versuche abgebrochen.
Der von Daniell erwähnte Einwand ist derselbe, welcher seinerzeit gegen
ivy's Theorie gemacht worden war, und gleiches wurde gegen die Radikal-
eorie der Chemie zur Geltung gebracht. Es Jiat langer Zeit bedurft, bis
in im letzteren Falle eingesehen hat, dass es gerade in der Natur eines
idikals begründet ist, dass es nicht isolirt werden kann, und erst in neuester
it beginnt man anzuerkennen, dass es ähnlich mit den Ionen bestellt sein
iss, nachdem auf diesem Boden wiederholt Einwände gegen die Ionen-
1 Diese Voraussicht hat sich später wesentlich bewährt, indem als Produkt der Elektrolyse
er diesen Umständen Überschwefelsäure entsteht, deren Formel (H^K)8 in gegenwärtiger
reibart) Daniell's Vermuthung entspricht.
Ottwald, Elektrochemie. 40
626
Vierzehntes Kapitel.
theorie erhoben worden sind, welche von den Einsprechenden fiir unwider-
leglich gehalten wurden.
Weitere Versuche Danibll's beziehen sich auf die schon oben erwähne
Anomalie, welche die freien Säuren bezüglich der Überfuhrung zeigen. V»
suche mit freien Basen ergaben, dass diese sich an der anderen Elektrode
der Kathode, anhäuften, aber gleichfalls in viel geringerer Menge, als den
Äquivalent des Stromes entsprach. Auch dieser Befund erfuhr erst durd
HrrroRF seine Erklärung. Es wird nicht nöthig erscheinen, auf diese V«
suche näher einzugehen; ebenso wird der kurze Bericht genügen, dass e
bei der Elektrolyse von Ammoniumoxalat an der Anode Kohlensäure erttet
in welche sich das Anion der Oxalsäure, das Oxalion C*0*, verwandelte
Bei der Elektrolyse von äthylschwefelsaurem Kali erschien an der Anode
wie erwartet, Äthylschwefelsaure und Sauerstoff, an der Kathode Wasserstau
und Kali.
13. Theorie der Elektrolyse. Nach der in diesen letzten Versuche*
angedeuteten Richtung wurden diese Untersuchungen nach einigen Jahre«1
fortgesetzt und abgeschlossen. An der Arbeit betheiligte sich diesmal da
Schüler und Assistent Daniell's, W. A. Miller. Ein neuer Apparat, dead
Einrichtung aus der bei
stehenden Fig. 161 kädj
zu ersehen ist, und wel
eher gleichfalls mit emt
doppelten Scheide«»
ausgestattet war, dieat
hierbei; sein Vorzug nj
dem älteren bestand darl
dass seine Form «4
günstiger für die Ld
fähigkeit des Ganzen «1
wodurch die unbequef
Erwärmung durch d
Strom vermieden werdj
konnte. Es wurden zunächst die verschiedenen Salze der Phosphors»
elektrolyslrt; aus den Versuchen wurde der nicht ganz gerechtfertigte Schi
gezogen, dass in den Salzen, welche ein, zwei oder drei Atome Natrium et
halten, drei untereinander verschiedene Phosphorsäuren enthalten sind,
muss beachtet werden, dass die Lehre von den mehrbasischen Sa«
damals noch nicht mit der Sicherheit gehandhabt werden konnte, die
zur Zeit durch die Entwicklung des Molekularbegriffes erhalten hat;
Missgriff ist also durchaus entschuldbar.
Bei der Untersuchung der Salze der arsenigen Säure wurde die Be
Achtung gemacht, dass sich kein Sauerstoff entwickelte, da er die ;
1 Philos. Trans. 1844, 1.
Fig. 161. Nach Daniell.
Die Entwkkching der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 627
» — —
an der Anode zu Arsensäure oxydirte. „Es könnte vermuthet werden,
ler Sauerstoff, welcher mit der arsenigen Säure nach der Zinkode
rte, sich mit dieser (unterwegs) verbunden und Arsensäure gebildet
doch dies fand nicht statt." Auch für diese auffällige Erscheinung ist
klärung erst viel später gefunden worden.
Nichtige Ergebnisse wurden erhalten, als Ferrocyankalium untersucht
Aus den Erscheinungen, die hier nicht im Einzelnen geschildert
1 sollen, ging unzweifelhaft hervor, dass Kalium nach der einen Seite
rte und das Ferrocyanion nach der anderen. Gleiche Ergebnisse
i sich mit anderen complexen Salzen heraus. Daxiell geht ziemlich
über diese Erscheinungen fort; in späterer Zeit sollten sie sich als
•osser Bedeutung für die Theorie der Salze erweisen.
en breitesten Raum in der Abhandlung nimmt die Untersuchung der
ungen ein, welchen der Gehalt der den Versuchen unterworfenen Salz-
en in den Zellen erfuhr. Diese Erscheinung war den Forschern ganz
tändlich, denn sie hatten folgende Überlegung angestellt, aus der sie
sen zu müssen glaubten, dass die Änderung des Gehaltes an beiden
xlen gleichförmig stattfinden müsse. Indem sie von den früher (S. 623
j6) erwähnten Versuchen über die Concentrationsänderungen saurer und
:her Lösungen reden, fahren sie fort: „Indessen war damals ein Umstand
hen worden, auf welchen bei der Rechnung Acht gegeben werden muss,
h dass die Entwickelung eines ganzen Äquivalentes der Ionen an den
xien unter den gemachten Voraussetzungen von der Übertragung nur
talben Äquivalentes an jeder Seite begleitet wird. Dies geht klar aus dem
Jen Diagramm hervor
52\ Es soll A, B, C
eine Reihe von Chlor-
1 darstellen, ay b, c
. eine Reihe von Ka-
lmen, welche mit den
tomen der oberen
verbunden sind. X,
eine Mittellinie oder
ewand, Z und P sind
lektroden. Stellt 1
tordnung dar, bevor
om durchgeht, wobei
ind a, ß und b u. s. w.
den sind und zusam-
»etzte Theilchen von Chlorkalium bilden, so wird 2 die Anordnung
nachdem ein einzelnes Äquivalent der Ionen an den Elektroden ent-
worden ist. Jedes Theilchen wird nothwendig einen halben Schritt
ms gegangen sein, indem es sich mit dem anliegenden Theilchen ver-
hat, so dass nun £a, Cb, De u. s. w. die Kette zwischen den
40*
Fig. 162. Nach Daniell.
628 Vierzehntes Kapitel.
Elektroden bilden. Wird nun angenommen, dass ein zweites Äquivalent an!
den Elektroden in Freiheit gesetzt wird, so wird ein Atom von jedem loa
die Mittellinie überschritten haben, ein Äquivalent ist daher übertragen
worden, während zwei entwickelt worden sind, wie Fig. 162 zeigt."
Diese Überlegung ist ein ausgezeichnetes Beispiel für die schädlich«]
Folgen einer „selbstverständlichen", d. h. nicht eingehend geprüften Voraus*
setzung. Auf den ersten Blick scheint keine Einwendung gegen den Schi«
möglich zu sein, und in der That haben lange Zeit hindurch alle Physika
so fest an die Bündigkeit der Darlegung geglaubt, dass Hittorf, der aaf
die Willkürlichkeit der „selbstverständlichen" Annahme, die hier gemacht
worden ist, hinwies, zuerst überhaupt nicht verstanden wurde. Die Willk&f;
liegt in der Annahme, dass die beiden Ionen gleich grosse „Schritte-1
machen. Es ist von vornherein gar kein Grund zu der Annahme vorhanden
dass jedes der beiden Ionen gerade die Hälfte des gemeinsamen W
zurücklegt; es kann das eine auch zwei Drittel wandern, während das an«
nur ein Drittel des Weges macht, und so ist jedes andere Verhältniss
lieh. Und in der That hat sich erwiesen, dass dies der Schlüssel zu
den Erscheinungen ist, welche Daniell sich nicht hat erklären können. W
er nur einmal alle Voraussetzungen, welche er bei seinen Schlüssen bem
hat, ausdrücklich ausgesprochen oder hingeschrieben hätte, so hätte er
Willkür der einen eben erwähnten bemerken müssen. Der Fehler, wel
hier unser sonst so scharfsinniger Forscher begangen hat, kommt a
ordentlich häufig vor, ja man kann ihn wahrscheinlich die fruch
Fehlerquelle nennen, die überhaupt in der Wissenschaft ihre schädli
Wirkungen übt. Das Mittel, sie zu vermeiden, ist schon angegeben woi
es besteht in der pedantisch genauen Aufzählung der gemachten V01
Setzungen. Dass es in allen Fällen ein sicherer Schutz ist, kann leider
behauptet werden, da es kein Kriterium für die Vollständigkeit einer so!
Aufzählung giebt; dass aber bei seiner regelmässigen Anwendung uniahto
unbegründete Behauptungen nicht aufgestellt werden würden, ist unzweifeflnl
In einem Rückblicke auf die Gesammtergebnisse seiner Arbeiten fid^
Daniell die wichtigsten Punkte derselben folgendermaassen zusammen:
„Überblicken wir die in den vorstehenden Versuchen erhaltenen
gebnisse und die Schlüsse, welche wir aus ihnen zu ziehen berechtigt
so wird, wie wir glauben, zugegeben werden, dass viele von ihnen
höchstem Interesse und grosser Wichtigkeit sind; auch sind mehrere vti
ihnen im Widerspruch mit den grundlegenden Prinzipien der Elektrolyt
"i
wie sie bisher angenommen worden sind. i
„Wir haben gesehen, dass die bestimmte Wirkung des Stromes I
jedem Augenblicke stattfindet, und sein Durchgang durch einen zusammd
gesetzten flüssigen Leiter ist immer begleitet von der Entwickelung vfl
Wasserstoff oder dem metallischen Element oder aber eine Gruppe *■
Stoffen wie Ammonium, welche eine äquivalente Verbindung darsteM
sowie von der gleichzeitigen Ausscheidung des nichtmetallischen Elemenft
Die Entwickelnng der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 629
oder einer Gruppe von Stoffen von gleichen elektrischen Eigenschaften an
der Zinkode. Es wird bequem sein, folgende Klassen derartiger Elektrolyte
zu unterscheiden.
„1) Ein Elektrolyt kann aus einfachen Ionen bestehen, und muss dann
zusammengesetzt sein aus einem einfachen Äquivalent Metall (oder Wasser-
stoff) als Kation, und einem einfachen Äquivalent eines nichtmetallischen
Elementes als Anion; wie z. B. K, J; Ag, Cl; u. s. w. Solche Stoffe können
einfache Elektrolyte genannt werden.
„2) Ein Elektrolyt kann aus einem zusammengesetzten Kation, von dem
ein einzelnes Äquivalent an der Stelle des Metalles steht, und aus einem
einzelnen eines einfachen nichtmetallischen Anions bestehen, wie z. B. NH4, Cl.
Wahrscheinlich bilden die organischen Basen Kationen von dieser zusammen-
u gesetzten Beschaffenheit, und wenn ihre Salze elektrolysirt werden, so wird
J immer Wasserstoff neben ihnen an der Platinode entwickelt, wie das z. B.
beim Ammoniak geschieht. Diese und die folgenden können wir complexe
Bektrolyte nennen.
„3) Ein Elektrolyt kann aus einem zusammengesetzten Anion, von dem
einzelnes Äquivalent die Stelle eines einfachen nichtmetallischen Elementes
einnimmt, und einem einfachen Kation, einem Metall oder Wasserstoff be-
len, wie z. B. H, CN*; K, SO4; Na, NOfl.
,,4) Ein Elektrolyt kann aus einem einzelnen Äquivalent eines zusammen-
;n Kations und einem einzelnen Äquivalent eines zusammengesetzten
bestehen, wie z. B. NH4, SO4.
Diese vier Klassen können unter dem Namen der einbasischen Elek-
trolyte vereinigt werden, da ein einzelnes Äquivalent der Kraft (wie sie
*farch das Voltameter gemessen wird) einzelne Äquivalente der Elektrolyte
«kktrolysiren würde.
„5) Ein Elektrolyt kann auch zwei oder mehrere Äquivalente eines
metallischen Kations (oder Wasserstoff) oder einzelne Äquivalente von zwei
«der mehreren verschiedenen metallischen Kationen enthalten, während das
Anion aus einem einzelnen Äquivalent eines zusammengesetzten Ions besteht,
wie K*, FeCy8. Dieses zusammengesetzte Ion enthält im Falle eines Sauer-
ttoftsalzes die sogenannte wasserfreie Säure verbunden mit so vielen Äqui-
ten Sauerstoff, als metallische Ionen oder Wasserstoff) vorhanden sind,
wie Na3, PK)6, O8.
,In diesem Falle werden so viele Äquivalente der Kraft erforderlich
»sein, um ein Äquivalent des Elektrolyts zu elektrolysiren, als Äquivalente
[Metall (oder Wasserstoff) in dem Kation vorhanden sind. Solche Elektrolyte
mehrbasische heissen.
„Bei diesen zusammengesetzten Anionen und Kationen scheint der
inerstoff, welcher mit der sauren Gruppe wandert, und der Wasserstoff,
icher mit der alkalischen Gruppe entwickelt wird, unter dem Einflüsse
5 Stromes in einer anderen Weise mit den anderen Elementen verbunden
i sein, als wie diese Elemente unter einander. Denn wir haben gefunden,
63O Vierzehntes Kapitel.
dass in den meisten Fällen diese Verbindung unmittelbar gelöst wird, so wie sie
aus dem Einflüsse des elektrischen Stromes sich entfernt, während in anderen
Fällen ihre scheinbare dauernde Verbindung nur die Folge einer seeundären
Wirkung ist, wenn der Sauerstoff eine chemische Verbindung von höherem
Oxydationsgrade zu bilden vermag; wie andere seeundäre Wirkungen ähn-
licher Art ist auch diese von verschiedenem Betrage.
„Die Ausscheidung des Kations und Anions eines Elektrolyts in äqui-
valenten Verhältnissen erfolgt nicht immer, wie sie gewöhnlich dargestellt
wird, durch deren gleichzeitige Übertragung in entgegengesetzten Richtungen
nach den Elektroden, in dem genauen Verhältnisse von je einem halben
Äquivalent; sondern sie erfolgt zuweilen dadurch, dass ein ganzes Äquivalent
des Anions zur Zinkode geht, während ein ganzes Äquivalent des Kations
unverbunden an der Platinode übrig gelassen wird, oder auch, indem nicht
äquivalente Theile derselben in entgegengesetzten Richtungen wandern, deren
Summe indessen ein ganzes Äquivalent der nach der einen oder der anderen
Richtung beförderten Stoffe ausmacht; oder genauer gesprochen, durch den
Transport von soviel Stoff, als ein Äquivalent chemischer Kraft auszuübet j
vermag, so dass, wenn das nach der Zinkode übertragene Anion mehr ab:
ein halbes Äquivalent beträgt, das nach der Platinode beförderte Kation unf
ebensoviel weniger als ein halbes Äquivalent ausmacht, und umgekehrt; Ä
frei werdenden Mengen des Kations und des Anions sind dabei immer ht
äquivalenten Mengen. In keinem Falle ist indessen der Übergang einen
ganzen Äquivalents des Kations unter Ausschluss des Anions bemertt
worden. 1
„Diese Thatsachen sind, wie wir glauben, unvereinbar mit irgeni
welchen molekularen Hypothesen, soweit bisher solche zur Erklärung def
Erscheinungen der Elektrolyse erdacht worden sind; auch haben wir selbal
nichts befriedigenderes an deren Stelle zu setzen. Wir ziehen daher vor^
die Aufklärung den nachfolgenden Arbeiten zu überlassen, anstatt die schod
viel zu grosse Zahl der übereilten Generalisationen um eine weitere zu vei«
mehren."
Zum Verständniss der unter 2 bis 5 benutzten Formeln sei wiederholt
daran erinnert, dass Daniell die älteren Äquivalentformeln braucht; del
Ausdruck „Äquivalent" hat aber bei ihm nicht die genau definirte Bedeutung
wie heute, sondern dient mehrfach für das, was wir jetzt Molekel nenne«
In den Ausdrucksformen der gegenwärtigen chemischen Anschauungen wirf
man im Sinne der obigen Auseinandersetzungen ein- und mehrwerthigj
Ionen unterscheiden, welche sowohl einfach oder elementar, wie auch ztf(
sammengesetzt sein können. Auch werden in der heutigen SchreibweM
der Salze die Ionen meist unmittelbar zum Ausdruck gebracht, die Iond
des Trinatriumphosphates Na3P04sind 3 Na und PO4. Abweichungen kommq
bei der Formulirung der complexen und Doppelsalze vor, doch ist aud
hier die allgemeine Annahme einer die Ionen darstellenden Schreibweise mri
eine Frage kurzer Zeit.
Die Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 63 1
In dem letzten Absätze spricht Daniell endlich aus, dass die Ionen
ineswegs nur gleiche Wege wandern, sondern dass der auf jedes der beiden
nen fallende Wegantheil jeden Werth zwischen 1 und o haben kann, indem
t Wegantheil des anderen Ions diesen Bruch zu Eins ergänzt So ein-
zh schliesslich diese Erkenntniss ist, so schwierig war es, auf sie zu kommen,
id so folgenreich hat sich später die Messung der entsprechenden Weg-
itheile durch Hittorf gezeigt In dem Ausklingen dieser werthvollen
rbeiten auf den eben bezeichneten Punkt zeigt sich die charakteristische
igenthümlichkeit einer guten Experimentaluntersuchung: indem die Haupt-
ige, welche Stoffe als die Ionen anzusehen sind, befriedigend beantwortet
t, ergiebt sich aus der Antwort selbst ein neues und fruchtbares Problem,
fir werden die gleiche Erscheinung wiederfinden, wenn von den Arbeiten
ir Beantwortung dieses Problems die Rede sein wird.
Die Gedanken, welche in diesen Arbeiten ausgesprochen sind, haben
ch nur ziemlich langsam verbreitet; die vorgeschlagenen Namen sind bis-
er noch nicht in den allgemeinen Gebrauch genommen worden, wiewohl
erade in jüngster Zeit sich das Bedürfniss nach solchen kurzen Bezeichungen
rieder gezeigt hat Die gegen den Schluss berührten Schwierigkeiten,
reiche darin liegen, dass die Ionen, so lange sie wandern, beständig sind,
rährend sie alsbald nach der Ausscheidung zerfallen, ist bis auf den heutigen
Tag empfunden worden, und hat eine Verschärfung noch dadurch erfahren,
lass man gegenwärtig die Ionen nicht nur so lange sie unter dem Einflüsse
les elektrischen Stromes wandern, in einem freien Zustande befindlich an-
immt, sondern einen solchen Zustand überhaupt beständig in jeder elek-
rolytischen Lösung als vorhanden ansieht Die Erwägung, welche am
besten zum Verständniss dieser Verhältnisse fuhrt, ist die, dass die Ionen
rit elektrischen Ladungen von sehr grossem Betrage behaftet sind, welche
ie an den Elektroden verlieren. In dieser Veränderung des Zustandes der
men hat man die Veränderung ihrer Beständigkeit zu suchen, wenn auch
in weiterer Einblick in das Wesen dieses Zusammenhanges nicht vorhan-
en ist.
15. Die Messung galvanischer Constanten. Unmittelbar nach der
Erfindung der constanten Ketten trat das Bedürfniss auf, die Constanten
ieser Vorrichtungen in hinlänglich genauer Weise zu messen, und es begann
Se Ausbildung der galvanischen Messverfahren, deren Bedeutung seit jenen
Tagen bis heute immer mehr zugenommen hat Und zwar lag eine doppelte
Uifgabe vor: es mussten einerseits Instrumente ausgebildet werden, welche
1 sich vergleichbare Messungen für die entsprechenden Grössen gaben, und
Reitens entstand alsbald das Bedürfniss, die Sprache der individuellen In-
trumente unter einander vergleichbar zu machen, so dass ein Physiker die
fessung des anderen verstehen und wiederholen konnte, ohne sich des-
dben Instrumentes bedienen zu müssen. In dem Zeitraum, mit dem wir
ös zu beschäftigen haben, wurde nur der erste Theil dieser Aufgabe be-
ledigend gelöst. Für den zweiten, die Ausbildung allgemeiner oder ab-
6?2 Vierzehntes Kapitel.
soluter Messungen wurde ein wichtiger und entscheidender Anfang gei
doch liegt die eigentliche Entwickelung dieser Seite der messenden E
in einer viel späteren Periode.
Die Grundlage beinahe aller galvanischer Messmethoden ist das Oh:
Gesetz. Um die etwas umständlichen Darlegungen, in welchen dei
decker die so überaus mannigfaltigen Seiten seines Gesetzes zur Ansch
gebracht hat, für den unmittelbaren Gebrauch ins Enge zu ziehen, sc
nochmals erinnert, dass wenn i die Stromstärke, oder die in der Zeite
durch einen Querschnitt des Leiters geflossene Elektricitätsmenge,
elektromotorische Kraft und r den Widerstand darstellt, das OHM'sche <
die einfache Form erhält:
e
l = .
r
Dabei setzen sich die Grössen e und r additiv aus allen elektrom
sehen Kräften und Widerständen zusammen, welche in dem ganzen l
kreise vorhanden sind.
Von der ausserordentlichen Mannigfaltigkeit, welche dieses so üt
einfache Gesetz in seinen Anwendungen erlangen kann, hat Ohm
selbst eine Anschauung in seinen Abhandlungen (S. 388 bis 417) gej
Die nachstehenden Darlegungen werden zeigen, dass das Gebiet der Ai
düngen dadurch bei weitem nicht erschöpft war, und bis auf den hei
Tag ergiebt sich neues und wichtiges aus der Benutzung des Gesetze
Lösung neuer Aufgaben.
16. Die Messung der Stromstärke. An dem gewöhnlichen Gal
meter war es sehr bald als ein Übelstand empfunden worden, dass di
Theilkreise abgelesenen Grade keineswegs der Stärke des elektrischen St
proportional sind, und es finden sich mancherlei Angaben, wie die Messi
vergleichbar gemacht werden können. Zu einem wirklichen Messappan
erst Pouillet1 das Galvanometer entwickelt, indem er die Tangenten
die Sinusbussole erfand.
„Die Tangentenbussole besteht aus einem starken Bande von K
dessen Länge 1,6 m, dessen Breite 0,02 m, und dessen Dicke 0,002 i
trägt; es ist mit Seide bedeckt und in solcher Weise gebogen, dass es
genau einen Kreis von 0,412 m Durchmesser bildet. Die übersteh
Enden des Bandes sind aufeinander gelegt, und tauchen in zwei Queclc
näpfe, wo sie den Strom aufnehmen. Der Kreis ist senkrecht aufgc
in seinem Mittelpunkte schwebt an einem Coconfaden eine Magne
von s bis 6 cm Länge, welche einen leichten Zeiger von Holz oder I
16 cm lang, trägt; dieser dient zum Ablesen, da sein Ende sich aul
Umfange eines getheilten Kreises bewegt. Befindet sich die Kreiseber
Bandes im magnetischen Meridian, so steht die Magnetnadel auf Null;
sich ein stärkerer oder schwächerer Strom durch das Band begiebt, sc
1 Comptes rendus 4, 268. 1837.
ie Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 633
r Nadel östlich oder westlich um einen Betrag abgelenkt, welcher von
r Stärke des Stromes abhängt Ist das Gleichgewicht hergestellt, d. h. ist
r Kraft des Erdmagnetismus, welche die Nadel nach dem Meridian treibt,
r entgegengesetzten Kraft gleich, mit welcher der Strom die Nadel aus
jser Lage treibt, so wird die Stromstärke durch die Tangente der Ab-
tkung der Nadel gemessen.
„Die Sinusbussole besteht aus einem ähnlichen Kupferbande, welches
er in Gestalt eines Rechteckes gebogen ist; die grossen horizontalen Seiten
ben 2 dem, die kleinen senkrechten 5 bis 8 cm, je nach dem zu er-
chenden Grade der Empfindlichkeit. Das Rechteck ist auf einem ge-
eilten Kreise angebracht, und bildet so zu sagen dessen Alhidade, und
ie Magnetnadel ist in der Mitte des Rechteckes so aufgehängt, dass ihr
ittelpunkt in der Normalen des Kreismittelpunktes liegt Wenn ein Strom
ireh das Rechteck geht, so wird die Nadel abgelenkt; man folgt aber ihrer
swegung, so dass sie sich immer in der Ebene des Rechteckes befindet,
s sie dort stehen bleibt, und von der Magnetkraft und der Kraft des
romes im Gleichgewicht gehalten wird. In diesem Falle ist die Strom-
ärke proportional dem Sinus der Abweichung der Magnetnadel.
„Für sehr schwache Ströme richtet man die beiden beschriebenen Büs-
ten mit einem Multiplicator statt mit einem einfachen Stromkreise her."
Pouillet benutzte diese beiden Instrumente, um für die Abhängigkeit
a- Stromstärke vom Widerstände eine Reihe von Formeln nachzuweisen,
eiche mit den von Ohm gegebenen identisch sind. Aus diesem Grunde
t wiederholt versucht worden, ihm die Ehre der Entdeckung dieser Ge-
ize zuzuwenden, und man hat zu diesem Zwecke die Sage verbreitet, Ohm
itte sein Gesetz nur theoretisch abgeleitet, und erst Pouillet hätte es
cperimentell geprüft und bewährt. Aus den oben (S. 383) gegebenen
achweisen geht hervor, dass gerade umgekehrt Ohm sein Gesetz zunächst
npirisch gefunden, und erst später die allgemeine Ableitung desselben in
nlehnung an die FomuER'sche Theorie der Wärmeleitung entwickelt hat.
Die beiden eben beschriebenen Instrumente haben eine sehr grosse
erbreitung gefunden. An der Tangentenbussole lehrte bald darauf (s. w. u.)
riLH£LM Weber die Stromstärke in absolutem Maasse messen, und die
nusbussole, welche für schwächere Ströme empfindlicher ist, erfuhr durch
)ggendorff eine vielfältige Anwendung und lebhafte Empfehlung. Für
hr schwache Ströme hatte Nobili das Galvanometer ausgebildet; hier wurde
a ganz bedeutender Fortschritt durch die Änderung der Art der Ablesung
zielt
Neben diesen und noch einigen anderen wenig verbreiteten elektro-
Dtorischen Apparaten zur Messung der Stromstärke war noch das von
juday erfundene Voltameter in Gebrauch, dessen Gestalt lange die von
m Entdecker gegebene blieb. Es galt nur noch, genau nachzuweisen,
ss beide Arten von Messinstrumenten genau und nicht nur annähernd
)portionale Angaben machen.
634 Vierzehntes Kapitel.
17. Die Spiegelablesung. Die gegenwärtig in so allgemeinem Ge-
brauche befindliche Methode, kleine Winkel an Messinstrumenten, deren
messende Theile eine Drehung ausfuhren, mit Hülfe von Spiegel und Skala
abzulesen, rührt von Poggendorff her, welcher sie im Jahre 1826 zum
Messen der täglichen Änderungen der magnetischen Declination vorschlug.1
Nachdem er zuerst ein auf der Benutzung eines Theodoliten beruhendes
ziemlich umständliches Spiegelverfahren zur Messung der gesammten Decli-
nation beschrieben hat, legt er dar, wie die Beobachtung der Veränderungen
dieser Grösse sich sehr viel leichter bewerkstelligen lässt „Man braucht,
wie leicht zu erachten, den Magnetstab zu diesem Zweck nur mit einem
einzigen, in einer beliebigen Verticalebene gestellten Spiegel zu versehen,
und statt des Theodoliten ist nur ein . . . horizontal befestigtes Fernrohr und
eine horizontal liegende geradlinige Theilung . . . nöthig. Die Winkelbewe-
gungen des Magnetstabes sind dann leicht gefunden."
Angewendet wurde das Verfahren erst später von Gauss und Weber
bei ihren grundlegenden Untersuchungen über den Erdmagnetismus. Das
Verfahren, das Galvanometer mit Spiegel und Skala abzulesen, hat sich un-
mittelbar daraus ergeben, und 1842 spricht Poggendorff2 davon wie von
einer in Deutschland längst bekannten Sache, „während sonderbar genug in j
Frankreich der Apparat noch ganz unbekannt zu sein scheint".
18. Vergleich des Voltameters mit der Tangentenbussole.
Wenn auch die von Faraday (S. 497) mitgetheilten Versuche genügten, um
die Überzeugung von der nahen Proportionalität zwischen der magnetischen
und der chemischen Wirkung des Stromes zu begründen, so waren sie doch
nicht geeignet, die Frage zu entscheiden, ob die Proportionalität eine strenge
oder nur angenäherte sei; ja Faraday selbst hatte durch seine Annahme
von Strömen, welche durch Wasser gehen können, ohne es zu zersetzen,
ein constantes Verhältniss beider in Frage gestellt. In einer sehr sorgfältigen
Arbeit wies M. Jacobi3 nach, dass allerdings eine strenge Proportionalität
besteht, wenigstens so weit die Genauigkeit der Versuche reicht. Zu diesem
Zwecke bediente er sich einer Tangentenbussole nach Nervander, in welcher
die Ausschläge bis zu 60 Graden benutzt werden konnten; das Ergebnis»
war die strenge Gültigkeit des Gesetzes. Unter Hinzuziehung einer Versuchs-
reihe von Pouillet (S. 632) konnte er aussprechen, dass zwischen den Grenzen
von 0,2 bis 77 ccm Knallgas in der Minute das Gesetz gültig ist „Hat
man daher eine Bussole ein- für allemal auf einen Elektrolyten bezogen, so
kann man dadurch mit eben derselben Sicherheit wie mit dem Volta-
Elektrometer das Atomgewicht der Körper bestimmen. Ja, die Angaben
dieser Bussole sind dann als absolute Maasse zu betrachten, so dass sich
die Physiker leichter über angegebene und etwa bestrittene Effekte ver-
ständigen können."
1 Poog. Ann. 7, 127. 1826. * Pogg. Ann. 56, 370. 1842.
8 Pogg. Ann. 48, 26. 1839.
Die Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 635
Neben diesem bemerkenswerthen Hinweis auf das Bedürfniss absoluter
essungen im Gebiete des Galvanismus enthält die Arbeit noch eine für
ne Zeit sehr nothwendige Betonung der Thatsache, dass specifische Unter-
hiede verschiedener Ströme von übrigens gleicher Stärke für das Galvano-
eter in keiner Weise vorhanden sind. Zu solchen Annahmen war nicht
ar de la Rive und Becquerel geneigt, sondern die mehrfach erwähnte An-
cht Faraday's kommt im Grunde auf die gleiche Annahme hinaus, obwohl
. Faraday selbst die wesentliche Gleichheit der Elektricität verschiedenen
frsprunges nachgewiesen hatte.
19. Widerstandsmessungen. Neben den Stromstärken erwiesen sich
ar relativen Messung alsbald die Widerstände, zunächst der metallischen
,eiter, als geeignete Objecte. Von allen elektrischen Grössen sind diese
m leichtesten aufzubewahren und in gleichem Betrage wiederherzustellen;
luch gewähren sie weit leichter als die anderen die Möglichkeit, sie mess-
ar zu verändern. In der Herstellung und Handhabung der Widerstände
nacht sich daher am meisten der Fortschritt der messenden Elektrik
geltend, und es ist kein Zufall, dass von allen elektrischen Normalmaassen
fas des Widerstandes am ersten hergestellt wurde und in allgemeinen Ge-
brauch kam.
Die Forscher, welche sich zunächst in diesem Zweige der Physik Ver-
dienst erwarben sind der Petersburger Jacobi und der Engländer Wheat-
Roke, und zwar haben beide nicht nur gleichzeitig gearbeitet, sondern die
Form ihrer Instrumente ist eine so übereinstimmende geworden, dass es
■dmrer hält, an ihre gegenseitige Unabhängigkeit zu glauben, die indessen
•eher bezeugt ist und keinem Zweifel unterworfen werden kann.
Jacobi nannte sein Instrument, welches er zu einer grossen Zahl genauer
Messungen benutzte, Voltagometer.
Das Instrument1 besteht wesentlich aus einem auf einen isolirenden
ylinder aufgewickelten gleichförmigen Drahte, auf dem ein mit einer kleinen
uth versehenes Röllchen läuft. Die Axe des Cylinders ist einerseits mit
Bern Schraubengewinde versehen, welches dieselbe Steigung hat, wie die
Indungen des Drahtes, und welches in einer festen Mutter läuft. Dreht
an den Cylinder, so können zwischen dem Röllchen und dem einen Ende
s Drahtes beliebige Drahtlängen eingeschaltet werden. Bringt man daher
*s Ende und das Röllchen in leitende Verbindung mit dem Stromkreise,
kann man in diesen stetig so viel Widerstand bringen, als man will, und
nn die benutzte Drahtlänge und damit den Widerstand an der Zahl der
indungen und ihren Bruchtheilen ablesen. Die Einzelheiten der Einrich-
ig sind aus den Figuren 163 bis 165 zu entnehmen; es sind dort zwei
liehen gezeichnet, von denen nur eines zum gewöhnlichen Gebrauch dient;
; andere wird zum Kalibriren des Drahtes benutzt.
Das entsprechende, ganz ähnliche Instrument, welches Wheatstone con-
1 Pogg. Ann. 59, 145. 1843.
Vieriehntes Kapitel.
6|6
struirt hat, wird weiter unten 2
selben Forschers beschrieben werden.
mit den übrigen Instrumenten des-
Fig. 163. Nach Jacobt.
20. Das Differentialgalvanometer. Um die Leitfähigkeit derMe-,
talle zu messen, hatte bereits 1826 Becquerei.2 ein sehr sinnreiches Verfahren
ersonnen, welches vollkom-
men zuverlässige Werfe
gab, obwohl damals die
OHu'sche Theorie deseWt-
frischen Stromes noch nicht
bekannt war. Es beruht
auf der Anwendung eine
neuen Instrumentes, da
DirTerenti a 1- Galvaii ometers,
und der Benutzung einer
NuIIraethode, d.h. eines
Verfahrens, bei dem die
Wirkung auf das strom-
prüfende Instrument durch
passende Anordnung auf-
gehoben wird, so da» j
dieses nur den Zweck hat, .
zu erweisen, dass die ge*
suchten Bedingungen er-
füllt sind, nicht aber zur
eigentlichen Messung ver-
wendet wird. Der grosse
Vortheil derartiger Methoden liegt darin, dass sie weder eine Kenntniss de)
Verhältnisses zwischen dem Strom und dem Nadelausschlag, noch eine solche
der Stromgesetze überhaupt voraussetzen, dass die Stromquelle nicht constant
Fig. 164. Nach Jai
1 Ann. chirn. phyi. 82, 410. tStb.
Die Entwicklung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Eneigieprinzipes. 637
a> sein braucht, und dass das Prüfungsinstrument sehr empfindlich gemacht
veraen darf, da es nur das Nichtvorhandensein einer Wirkung anzuzeigen,
licht aber eine Wirkung zu messen hat.
Fig. 165. Nach Jacobi.
„Nehmen wir an, dass wir an jedem Ende einer Säule zwei Drahte von
demselben Metall befestigen, die an Länge und Durchmesser einander gleich
sind, so ist es einleuchtend, dass, wenn man sie paarweise verbindet, man
»ei elektrische Ströme von gleicher Stärke haben wird, da beiderseits alles
gleich ist Nehmen wir nun zwei Kupferdrahte von etwa 20 m Lange und
'/j mm dick, mit Seide besponnen, und wickeln wir diese beiden Drähte
m die Büchse eines Galvanometers, so haben wir vier Enden. Setzen wir
liese Enden mit den vier Drähten in Verbindung, die an der Säule be-
estigt sind, so haben wir im Galvanometer zwei Ströme von gleicher Stärke;
ind richten wir uns so ein, dass die Ströme entgegengesetzte Wege ein-
schlagen, so wird die Nadel allseitig gleich und entgegengesetzte Wirkungen
irfahren, und daher in ihrer Gleichgewichtslage bleiben. Dies ist das erste
Mnzip, von dem wir Gebrauch machen werden. . . .
„Es seien P und N (Fig. 166) die beiden Enden einer Säule, G G' ein
oalvanometer, Pa, Pd, Nc, Nb die vier Drähte, die von den Enden aus-
gehen, und welche nach den vier Queck-
ülbernäpfen a, b, c und d geführt sind,
n die gleichfalls die vier Drahtenden a e,
Vj cS un<^ dk münden, welche so ge-
kreuzt sind, dass zwei gleiche und ent-
gegengesetzte Ströme entstehen. Nehmen
*ir ausserdem an, dass die Entfernungen
*b und cd gleich seien, so wird, wenn Fig ,66, Nacb becqubreu
nan a mit b, und e mit d durch zwei
Drähte verbindet, die einander an Länge und Dicke gleich sind, die Magnet-
ladel von ihrer Gleichgewichtslage nicht abgelenkt werden, denn da die
rheilströme, welche durch ab und cd gehen, einander an Intensität gleich
iind, so sind es auch die anderen Ströme, welche die grossen Kreise durchl-
aufen. Dieser Gleichgewichtszustand wird immerfort bestehen, welches auch
lie Änderungen seien, die die Ladung der Säule erfährt... . Dies ist das
638
Vierzehntes Kapitel.
zweite Prinzip, dessen wir uns bedienen wollen, um das Problem der elek-
trischen Leitfähigkeit der Metalldrähte zu lösen."
Entsprechend der richtigen Methode sind auch die Ergebnisse der Mes- !
sungen Becquerei/s einwurfsfrei, was die Zahlenwerthe der beobachtetet 4
Leitfähigkeiten anlangt. Zwar gestattete ihm sein Verfahren zunächst nur,
die Gleichheit der Widerstände zweier Drähte zu erweisen. Indem er aber :
ermittelte, welche Änderung er in der Dicke eines Drahtes vornehmen
musste, um ihn, nachdem er seine Länge geändert hatte, auf den gleichen
Widerstand wie den ungeänderten Draht zu bringen, konnte er die Beziehung
feststellen, welche zwischen diesen beiden Bestimmungsstücken des Wider-
standes besteht. Darnach ergab sich, übereinstimmend mit dem, was Davt
gefunden hatte, dass verschiedene Drähte desselben Metalles gleich gut leiten,
wenn sich ihre Querschnitte verhalten wie ihre Längen, oder dass der 1
Widerstand proportional der Länge und umgekehrt proportional dem Quer-
schnitt zunimmt. Für Drähte von verschiedenen Metallen sind die Leitfähig-
keiten bei gleichen Dimensionen verschieden, und zwar fand Becqderel
folgende Coefficienten:
Kupfer
Gold.
Silber
Zink .
Zinn .
ioo
93>6o
73»6o
28,50
15,50
Platin . .
Eisen . .
Blei . .
Quecksilber
Kalium .
16,40
15,80
8,3<>
3,45
i,33-
Metalle, welche sich nicht zu Draht ziehen Hessen, wurden in geschmol-
zenem Zustande in kalibrirte Glasröhren aufgesogen. Die erhaltenen Zahlen-
werthe sind, wie erwähnt, ziemlich richtig; auch hatte Becquerel auf den
Einfluss der Temperatur sachgemäss Rücksicht genommen; unbekannt war
ihm jedoch noch der grosse Einfluss fremder metallischer Beimischungen,
wodurch einige seiner Zahlen beeinflusst sind.
21. WHEATSTONE's.Methoden. Einen bedeutenden Fortschritt machte
die Technik der elektrischen Messungen im Jahre 1843, wo Charles Whkat-
stone1 eine Anzahl von Apparaten und Methoden für diesen Zweck beschrieb,
von denen einige bis auf unsere Zeit im Gebrauch geblieben sind. Insbe-
sondere ist in dieser Abhandlung die Differentialschaltung zur Messung von
Widerständen angegeben, welche unter dem Namen der WHEATSTONE'schen
Brücke in täglichem Gebrauche steht.
Wheatstone beginnt seine Abhandlung mit einer Darstellung der Ohm'-
sehen Theorie, deren grossen praktischen Werth er bei Gelegenheit seiner
Arbeiten zur Einführung des elektrischen Telegraphen in den grossen Betrieb
kennen gelernt hatte, und schlägt dann einige neue Namen vor, von denen
allerdings nur einer oder der andere in Gebrauch gekommen ist Eine
Stromquelle nennt er einen Rheomotor; je nachdem sie einfach oder zu-
sammengesetzt ist, heisst sie ein rheomotorisches Element oder eine rheo-
1 Philos. Trans, f. 1843. — Pooo. Ann. 62, 499. 1845.
Die Kutirickelnng der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 639
otorischc Reihe. Das Messinstrument zur Bestimmung der Stromstärke
isst ein Rbeometer. Durch ein Rheotom wird der Strom periodisch unter-
ochen, durch einen Rheotrop umgekehrt, ein Rheoskop zeigt nur das Dasein
s Stromes an, ohne ihn messen zu lassen. Ein Rheostat dient dazu, den
röm beständig zu halten; er besteht aus einem Widerstände, welchen man
r.h Bedarf verändern kann. Von allen diesen Bezeichnungen ist fast nur
e letzte von allgemeiner Anwendung geblieben.
Die erste Aufgabe, mit der sich Wheatstone beschäftigt, ist die der
essung elektromotorischer Kräfte. Er benutzt dazu das Verfahren, dass er
treh veränderliche Widerstände die Ströme der zu vergleichenden Quellen
eich macht; alsdann müssen sich die elektromotorischen Kräfte umgekehrt
malten, wie die Widerstände. Sind in den Stromkreisen, wie gewöhnlich,
ibekannte Widerstände vorhanden, so macht man zwei weitere Beobach-
ugen mit einer anderen gleichen Stromstärke. Dann verhalten sich die
aterschiede der hinzuzufugenden Widerstände umgekehrt wie die elektro-
rtorischen Kräfte.1
Um diese Widerstandsveränderungen in bequemer und genau messbarer
eise auszuführen, benutzte Wheatstone zwei auf dem gleichen Prinzip be-
hende Apparate, welche gleichfalls mit dem Agometer Jacobi's {S. 635)
»ereinstimmen. Die Figuren 167 und 168 lassen die Einzelheiten derselben
kennen.
„Das eine Instrument ist in Fig. 167 abgebildet; g ist ein Cylinder aus
alz und k einer aus Messing, beide von gleichem Durchmesser und mit
1 Ist £ die elektromotorische Kraft, / die Stromstärke und W der Widerstand, 10 ist
h dem OmTschen Gesetz / = E\ W und in dem zweiten Stromkreise /' = E'j W. Macht
] beide Stromstärken gleich, so gilt E\ W= E'j W, Wird nun in beiden Ketten Wider-
d hinzugefugt, bis sie eine neue gleiche Stromstärke haben, so ist Ej(W+w) = £'/(»"+ vi'),
aus mittelst der ersten Gleichung folgt Ejw = E' \vf.
040
Vierzehntes Kapitel.
ihren Axen einander parallel. Auf dem Holzcy linder ist ein Schraubengaa,'
eingeschnitten, und an einem seiner Enden trägt er einen Messingring,
welchem das Ende eines langen und sehr dünnen Drahtes befestigt
dieser wird auf den Holzcylinder gewickelt, so dass er den Schraubengaaj
gänzlich füllt, und dann mit seinem zweiten Ende an dem jenseitigen B
des Messingcylinders befestigt. Zwei Federn / und k, von denen die <
auf dem Messingring des Holzcylinders, die andere auf das Ende des \
singcylinders h drückt, sind mit zwei Klemm seh rauben b verbunden, um
Drähte der Kette aufzunehmen. Die abnehmbare Handhabe m dient ,-.
Drehen der Cylinder um ihre Axen. Steckt man sie auf den Cylinder i
und dreht nach der Rechten, so wird der Draht vom Holzcylinder ab-
auf den Messingcylinder aufgewickelt; steckt man sie dagegen auf den Cy!»-
der g und dreht nach der Linken, so geschieht das Umgekehrte. Da die
Fig. 168. Nach Wbeatstoke.
Windungen auf dem Holzcylinder isolirt sind und durch den Schraubengaft{
von einander fern gehalten werden, so durchläuft der Strom auf di
Cylinder den Draht seiner ganzen Länge nach; allein auf dem Messing*
cylinder, wo die Windungen nicht isolirt sind, geht der Strom von deo
Punkte, wo der Draht den Cylinder berührt, sogleich zur Feder i. Df
wirksame Theil der Drahtlänge ist also das veränderliche Stück, welche
sich auf dem Holzcylinder befindet"
Während dieser Rheostat für grössere Widerstände dient, werden kleinere
durch ein etwas anders eingerichtetes Instrument erzeugt, bei welchem d«
Draht fest auf einen Cylinder gewickelt ist, und ein parallel der Cylinderaxe
verschiebbarer Contact vor- oder zurückgeschoben wird, wenn man de»
Cylinder dreht. (Vgl. Fig. 168.)
Die Entwicklung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 64 1
Um ein Grundmaass des Widerstandes zu haben, welches nach Bedarf
der hergestellt werden kann, schlägt Wheatstoke einen Kupferdraht von
icm Fuss Länge und 100 Gran Gewicht vor. Die scheinbar näher liegende
tfioition des Drahtes durch seine Dicke verwirft er aus dem sehr ver-
nftigen Grunde, dass ein Gewicht viel leichter mit Genauigkeit zu bestimmen
, als ein Drahtdurchmesser. Wir haben es hier mit dem ersten Wider-
indsnormal zu thun; freilich hat es sich nicht bewährt, weil der Wider-
ind des Kupfers gegen die Anwesenheit von äusserst geringen Beimischungen
tderer Metalle ungemein empfindlich ist, und ausserdem von dem mecha-
schen Zustande desselben abhängt.
Um grössere Widerstände in einen Stromkreis zu schalten, wo die
beostaten nicht ausreichen, stellt Wheatstone Widerstandsrollen her,
dches Instrument sich gleichfalls einen bleibenden Platz erworben hat „Es
steht aus sechs Rollen eines mit Seide besponnenen Kupferdrahtes von
wz 1/200 Zoll Durchmesser. Zwei dieser Rollen halten je 50 Fuss Draht,
e übrigen resp. 100, 200, 400 und 800 Fuss. Die beiden Drahtenden
ler Rolle sind oben befestigt an kurze dicke Drähte, die dazu dienen, alle
aufrollen zu einer Länge zu vereinigen; die beiden Drähte a und b bilden
t Enden sämmtlicher Rollen und dienen dazu, sie mit der Kette zu ver-
ligen. An der oberen Fläche einer jeden Rolle befindet sich eine doppelte
ehbare Messingfeder, deren Enden nach Belieben entweder auf die Enden
r dicken Verbindungsdrähte gebracht oder von ihnen entfernt und bloss
f das Holz geschoben werden können. In der letzten Stellung muss der
rom durch die Drahtrolle gehen, in der ersten aber geht er durch die
ider und schliesst den ganzen Widerstand der Drahtrolle von der Kette
is. . . . Dreht man die Federn gehörig, so kann man jedes Multiplum von
) Fuss, bis zu 1600 Fuss aufwärts, in die Kette bringen."
Mit diesem Hülfsmittel bestätigte Wheatstone nun mehrere Sätze aus
ir Theorie der Ketten, welche bis dahin nicht eingehender geprüft worden
aren; so stellte er fest, dass die elektromotorische Kraft nicht von der
rosse der Berührungsflächen abhängt, und dass sie beim Aneinanderschalten
ehrerer Elemente proportional der Anzahl derselben wächst. Auch fand
, dass eine Kupfer-Zinkkette dieselbe elektromotorische Kraft aufwies,
mn statt der Kupfervitriollösung das Sulfat, Acetat oder Chlorid dieses
etalles verwendet wurde. Das Nitrat gab infolge von Nebenreaktionen etwas
»weichende Zahlen. Dies Ergebniss, welches scheinbar sehr zu Gunsten
r Contacttheorie spricht, von den Anhängern aber auffalligerweise nicht
diesem Sinne verwerthet worden ist, hat erst in neuester Zeit seine Er-
trung und die erforderliche Ausdehnung und Einschränkung seiner Gültig-
t erfahren.
Ebenso maass Wheatstone die Polarisation in verdünnter Schwefelsäure
sehen Platinplatten und fand 2,3 Daniell, unabhängig von der Ström-
te innerhalb der eingehaltenen Grenzen von 3 bis 6 Elementen.
Auch die elektromotorischen Kräfte einiger noch nicht untersuchter
)stwaldt Elektrochemie. 41
642
Vierzehntes Kapitel.
Metalle wurden bestimmt; so fand er insbesondere Kaliumamalgam gegei
Kupfer in Kupfervitriol gleich 2,0 Daniell, gegen Platin in Platinchkxü
2,3 Daniell; die letzte Combination zerlegt Wasser mit Leichtigkeit Bkx-
hyperoxyd in verdünnter Schwefelsäure gab endlich mit Kaliumamalgaa
3,3 Daniell; es ist dies wohl eine der grössten elektromotorischen Kräfte^
welche bekannt sind.
Im Gegensatze dazu ergab die thermoelektrische Kraft zwischen Wismutk
und Kupfer zwischen dem Gefrier- und dem Siedepunkte des Wassers sich
zu etwa 7ioo Daniell.
Zur Bestimmung der Widerstände von Ketten giebt Wheatstonk vier
verschiedene Methoden an, die im einzelnen nicht wiedergegeben zu werden
brauchen; sie stellen alle Fälle dar, in welchen das OHM'sche Gesetz eine be-
sonders einfache Gestalt annimmt, und daher die Berechnung des Resultat«
sich ohne Mühe bewerkstelligen lässt. Um Flüssigkeitswiderstände zu messen,
dient das Instrument Fig. 169, welches aus einer Glasröhre
besteht, von der ein der Axe paralleler Theil weggeschliffefl
ist, so dass eine Rinne nachbleibt. In dieser bewegt sich eine
Platinplatte, welche im Verein mit einer zweiten, am Ende der
Rinne befestigten Platinplatte die Länge der Flüssigkeitssaale
begrenzt. „Um den Widerstand einer Flüssigkeit zu mes«%
verfahre ich dann so: Ich schliesse eine kleine constante Bat-
terie, bestehend aus drei Elementen, dem Rheostat und dei*
Widerstandsrollen und der eben beschriebenen Messröhre, vtt
Kette. Bei einem Abstände des Stempels von der festen Platte
gleich einem Viertelzoll fülle ich den Zwischenraum mit der
Flüssigkeit, deren Widerstand gemessen werden soll Durch
Einstellung des Rheostates bringe ich die Nadel des Galvano-
meters auf einen bestimmten Punkt, und nachdem dieser auf-
gezeichnet worden ist, ziehe ich den Stempel des Apparates
um den ganzen Zwischenraum von einem Zoll zurück und
fülle das Ganze wieder mit Flüssigkeit. Hierdurch sinkt die Abweichung
der Nadel. Ich verringere nun den Widerstand der Kette mittelst des Rheo-
states und der Widerstandsrollen, bis die Nadel genau auf dem Punkt steht,
wo sie stand, als die eingeschaltete Flüssigkeitssäule nur einen ViertelxoB
betrug. Die reducirte Länge des aus der Kette gebrachten Drahtes ist das
Maass von einem Zoll der Flüssigkeit. Die aus der Zersetzung der Flüssig-
keit entspringende elektromotorische Gegenkraft bleibt bei dem ganzen Vor
gang dieselbe, und hat daher keinen Einfluss auf das Endresultat"
Wheatstone giebt dazu einige Vorsichtsmaassregeln, um den durch d*
Elektrolyse der Flüssigkeit entstehenden Fehler zu vermindern, und settt ;
auseinander, welche Bedeutung die genaue zahlenmässige Kenntniss da*
Widerstandes der Flüssigkeiten haben würde. Bestimmte Angaben werdet:
noch nicht gemacht.
Um ein und dasselbe Galvanometer zur Messung starker und schwacher
Fig. 169.
Nach Wheat-
stone.
Dit Entwickehing der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 643
ie benutzen zu können, beschreibt er weiter die Anwendung eines
Anschlusses. „Wenn man den Strom zugleich zwei Wege gehen lässt,
denen der erste aus dem Galvanometerdraht, und der andere aus einem
en, die Enden des ersteren verbindenden Drahte v besteht, so theilt er
zwischen beiden im umgekehrten Verhältniss von deren Widerständen.
q man hierbei zur Abzweigung des Stromes verschiedene Drähte an-
et, kann man die Wirkung auf die Galvanometernadel beliebig schwächen,
t man die verhältnissmässigen Kräfte für das Galvanometer ohne den
ctionsdraht, so werden sie in demselben Verhältniss bleiben, wie auch
Viderstand des letzteren sein mag." Auch dieses Verfahren ist seitdem
uernder Anwendung geblieben.
12. Die WHBATSTONE'sche Brücke. Die wichtige Schaltung, mit
Vheatstone's Name dauernd verbunden geblieben ist, beschreibt er
dem Namen des Differential- Widerstandsmessers; gegenwärtig nennen
e die WHEATSTONE'sche Brücke.
fach einer Darlegung, dass die gewöhnliche Methode zuweilen, z. B.
ihr kleinen Widerständen, versagt, und dass die Schwankungen der
istärke, deren Beständigkeit ja vorausgesetzt ist, die Messung falschen
:n, erwähnt er das Differentialgalvanometer von Becquerel, dem er
1 die praktische Brauchbarkeit abspricht. „Alle die von diesem In-
ente erwarteten Vortheile können ohne einen der damit verknüpften
el erlangt werden mittelst einer einfachen Vorrichtung, die überdies
ortheil hat, dass sie sich an jedem Galvanometer unmittelbar anbringen
statt dass früher ein besonders dazu construirtes Instrument erforder-
en
=L
1 1
5
=3
Fig. 170. Nach Wheatstone.
Fig. 170 stellt diese Vorrichtung dar. Es ist ein Brett, auf welchem
iupferdrähte, Zb, Za> C a, Cb, befindlich sind, deren Enden an mes-
ten Verbindungsschrauben befestigt sind. Die beiden Verbindungs-
iben Z und C haben den Zweck, die von den beiden Polen eines
notors kommenden Drähte aufzunehmen, und die mit a und b bezeich-
Schrauben dienen zum Halten der Enden des Galvanometerdrahtes.
41*
644 Vierzehntes Kapitel.
Vermöge dieser Vorrichtung geht von jedem Pole des Rheomotors ein Drahl
zu jedem Ende des Galvanometerdrahtes, und wenn die vier Drähte an
Länge, Dicke und Substanz gleich sind, so ist ein vollkommenes Gleicb
gewicht hergestellt, so dass auch ein noch so kräftiger Rheomotor nicht dk
geringste Ablenkung der Galvanometernadel hervorbringt Die Schliessung^
ZbaCZ und ZabCZ sind in diesem Falle genau gleich; allein da beidk
Ströme in entgegengesetzter Richtung durch das Galvanometer zu geha
trachten, welches ein gemeinschaftlicher Theil beider Schliessungen ist, a
wird kein Effekt auf die Nadel hervorgebracht. . . . Allein wenn in einen
der vier Drähte ein Widerstand eingeschaltet wird, so findet sich das Gleich
gewicht am Galvanometer gestört. . . .
„Nachdem das Gleichgewicht durch Einschaltung eines Widerstandes ii
einen der vier Drähte gestört worden ist, kann es wieder hergestellt werden
indem man in einen der anliegenden Drähte einen gleichen Widerstand ein-
schaltet. Um den Maasswiderstand und den zu messenden Widerstand an-
zuschalten, sind die Drähte Zb und Cb unterbrochen und in cy d und e,J
Verbindungsschrauben zur Aufnahme von Drahtenden angebracht. Wem
einmal das Gleichgewicht hergestellt ist, wird durch Schwankungen da
Stromstärke das Galvanometer in keiner Weise gestört.
-3 &—
Fig. 171. Nach Wheajstone.
„Fig. 1 7 1 zeigt eine andere und in mancher Hinsicht bequemere Draht-
vorrichtung. Zur Bezeichnung dieser sind Buchstaben benutzt, und es gelt«
dieselben Bemerkungen, wie vorher.
„Geringe Unterschiede in der Länge und selbst in der Spannung dtf
Drähte sind hinreichend, um das Gleichgewicht zu stören. Es ist dahff
nöthig, eine Einrichtung zu haben, mittelst deren man, wenn zwei Drahte
in Ca und Za angebracht sind, ein vollkommenes Gleichgewicht herstelta
kann. .Hierfür ist bei dem Instrument Fig. 170 ein Metallstück» mit einer
Zwingschraube eingelassen, und ein anderes Stück m dreht sich um n, wäh-
rend sein freies Ende immer auf dem Drahte ruht So wie dieses beweg-
liche Metallstück einen grösseren Winkel mit dem festen macht, wird <kf
Widerstand in dem Zweige Zb vermindert; ist jedoch das GleichgewkU
dadurch gestört, dass Cb zu gross ist, so muss das bewegliche Metallstöd
nach der anderen Seite gedreht werden."
Die weiteren Darlegungen Wheatstone's beziehen sich auf einige Ai
Ordnungen von geringerem Interesse, und brauchen nicht wiedergegeben >
werden.
Die Entwickelang der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 645
Die Summe der in dieser Arbeit niedergelegten neuen Methoden ist
Ar gross, und die messende Elektrik hat durch sie einen bedeutenden
Ulfschwung erfahren. Bei ihm und bei Jacobi, welche um diese Zeit die
rheblichsten Verdienste um die Ausgestaltung des Messwesens in unserem
lebiete sich erworben haben, macht sich geltend, dass beide praktische
3ele verfolgten: Wheatstone das Telegraphenwesen und Jacobi die elektro-
aagnetischen Maschinen. In der Praxis macht sich die Ersparniss, welche
lurch vorgängige genaue Berechnung der obwaltenden Verhältnisse sich
jegenüber einem blossen Probiren gewinnen lässt, am schnellsten geltend,
md so wird die Ausbildung des Messwesens erzwungen. Der Forscher im
Moratorium wird nicht so dringend darauf hingewiesen, und so zeigt es
ach häufig, dass lange Zeit über eine Frage beobachtet und gestritten wird,
ahne dass man zu einer Entscheidung gelangen kann, weil es an Zahlen-
massigen Gründen fehlt. So wie aber eine exacte Messung vorliegt, ist die
Angelegenheit entschieden. Beispiele hierfür gewährt uns die Geschichte
unseres Gegenstandes in Fülle; ich brauche nur an die Erörterungen über
den Übergangswiderstand zu erinnern, die in dem Augenblicke verschwanden,
wo Lenz durch seine Messungen erwiesen hatte, dass sein Werth Gesetzen
unterworfen ist, welche mit dem Wesen eines Widerstandes nicht, wohl aber
mit dem einer elektromotorischen Kraft vereinbar sind. Nach dieser Rich-
ung kann die Praxis ebenso schulend auf die Theorie einwirken, wie es die
Vissenschaft auf anderer Seite der Praxis gegenüber thut. In gewissem
5inne ist ja, wie Mach wiederholt hervorgehoben hat, die Wissenschaft eine
konomische Methode: sie ermöglicht, ein Maximum an Thatsachen mit einem
Iinimum von geistiger Anstrengung zu beherrschen, und daher das Gebiet
es Beherrschbaren entsprechend auszudehnen. Auf diesen ökonomischen
iesichtspunkt wird aber die Praxis beständig gewaltsam hingewiesen, und sie
bringt ihn dem wissenschaftlichen Forscher, der ihn nur zu leicht vergisst,
rirksam wieder in Erinnerung.
23. Die Sätze von Ohm und Kirchhoff. Wheatstone hatte die
iinrichtung seiner Brücke angegeben, ohne auf das ihr zu Grunde liegende
Mnzip näher einzugehen. Die hier auftretende Frage war die nach der
Leitung in einem System zusammengesetzter linearer Leiter, welche sich
/erzweigen und zusammenlaufen, und sie war bereits zur Hälfte von Ohm
n seinem Werke über die galvanische Kette gelöst worden. Später ver-
vollständigte Kirchhoff noch als Student1 diese Lösung und gab ihr eine
»ehr elegante Form, so dass sie in der Folge fast nur unter seinem Namen
bekannt geworden ist. Die Darlegungen Ohm's lasse ich zunächst ihrer Be-
deutung wegen folgen.
„Die bisherigen Betrachtungen reichen auch hin, den Hergang zu ent-
cheiden, der stattfindet, wenn sich die galvanische Kette irgendwo in zwei
>der mehrere Zweige spaltet. Zudem mache ich darauf aufmerksam, dass
1 Poüg. Ann. 64, $13. 1845.
646 Vierzehntes Kapitel.
schon oben, zugleich mit der Gleichung S = A/L die Regel aufgefunden
worden ist, dass die Grösse des Stromes in irgend einem homogenen Theüe
der Kette durch den Quotienten aus dem Unterschiede der an den Enden
des Theiles vorhandenen elektrischen Kräfte und seiner reducirten Langt
gegeben wird. Zwar ist diese Regel dort nur für den Fall aufgestellt worden,
dass die Kette sich nirgend in mehrere Zweige spaltet, aber eine ganz ein-
fache, aus der Gleichheit der ab- und zuströmenden Elektricitätsmenge m
allen Querschnitten eines jeden prismatischen Theiles hergenommene und
der dortigen ähnliche Betrachtung giebt die Überzeugung, dass dieselbe Regd
auch für jeden einzelnen Zweig im Falle der Spaltung der Kette noch gültig
bleibt. Nimmt man nur an, dass sich die Kette z. B. in drei Arme spaltet,
deren reducirte Längen )n, ^ und A3 sein mögen, setzt man zudem vorauf
dass an jeder von diesen Stellen die ungespaltene Kette und die einzelnen
Zweige gleiche elektrische Kraft besitzen, und sonach keine Spannung da-
selbst eintritt, und bezeichnet man den Unterschied der an diesen beiden
Stellen befindlichen elektrischen Kräfte mit a, so ist in Folge der angeführten
Regel die Grösse des Stromes in den drei Zweigen beziehentlich:
a n a
Aj /.j Aj
woraus zunächst folgt, dass sich die Ströme in den drei Zweigen umgekehrt
wie deren reducirte Längen verhalten, so dass ein jeder sich finden lässt,
sobald man die Summe der drei kennt Die Summe aller drei zusammen
ist aber offenbar der Grösse des Stromes an jeder anderen Stelle des nicht
gespaltenen Theiles der Kette gleich, weil ausserdem, was hier immer noch
vorausgesetzt wird, der bleibende Zustand der Kette nicht eingetreten wäre.
Bringt man damit die aus den obigen Betrachtungen sich ergebende Schluss-
folge in Verbindung, dass nämlich durch die Grösse des Stromes und die
Natur eines jeden homogenen Theiles der Kette das Gefälle der ihm ent-
sprechenden, die Elektricitätsvertheilung darstellenden geraden Linie gegeben
ist, so erhält man die Gewissheit, dass die zu dem nicht gespaltenen Theile
der Kette gehörige Vertheilungsfigur so lange dieselbe bleiben muss, als der
Strom in ihr dieselbe Grösse behält, und umgekehrt; woraus folgt, dass die
Unveränderlichkeit des Stromes in dem nicht gespaltenen Theile der Kette
nothwendiger Weise eine Unveränderlichkeit des Unterschiedes der an den
Enden dieses Theiles hervortretenden elektrischen Kräfte voraussetzt."
Ohm zeigt nun, wie man auf Grund dieser Voraussetzungen die Strom-
stärke in den Zweigen berechnen kann, und bemerkt, dass er „auch diese
entlegenere und bisher weniger beachtete Eigenthümlichkeit der galvanischen
Kette in der Erfahrung auf völlig entscheidende Weise bestätigt gefun-
den habe."
Indessen ist diese Darstellung noch in gewissem Sinne unvollständig;
sie giebt zwar Rechenschaft über die Stromstärke in den einzelnen Zweigen
eines gespaltenen Leiters nicht aber unmittelbar mehr in dem Falle, da»
Die Entwickching der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 647
irischen zwei solchen Zweigen noch eine Zwischenverbindung besteht, wie
» B. gerade der Galvanometerzweig in der WHEATSTONE'schen Brücke.
Hier ist es nun, wo die zweite von Kirchhoff gegebene Regel ein-
ritt Kirchhofes kurze Darlegung ist die folgende, wobei auch die Über-
nnstimmung seines ersten Gesetzes mit dem von Ohm unmittelbar zu
Tage tritt
„Wird ein System von Drahten, die auf eine ganz beliebige Weise mit
anander verbunden sind, von galvanischen Strömen durchflössen, so ist:
i. wenn die Drähte i, 2, . . . . fu in einem Punkte zusammenstossen:
A + /, + •••■ + //. = o,
wo /x, 72, . . . die Intensitäten der Ströme bezeichnen, die jene Drähte
dorchfliessen, alle nach dem Berührungspunkte zu als positiv gerechnet;
2. wenn die Drähte 1, 2, 3, . . . v eine geschlossene Figur bilden:
Ix wx + I2 w% H + Ivwv,
gleich der Summe der elektromotorischen Kräfte, welche sich auf dem Wege
h 2, ... v befinden, wo wl9 w%i ... die Widerstände der Drähte, Ix, I% . . .
Üe Intensitäten der Ströme bezeichnen, von denen diese durchflössen werden,
lue nach einer Richtung als positiv gerechnet.
„Der erste Theil dieses Satzes ist eine unmittelbare Folge davon, dass
lern Berührungspunkt der Drähte 1, 2, . . . p ebensoviel Elektricität zugeführt
ds entzogen wird; der Beweis des zweiten Theiles ist folgender. Die elek-
tische Spannung eines Punktes im Drahte / ist tnt — ntlt, wo /, die Ent-
erbung desselben vom Anfangspunkt dieses Drahtes bezeichnet; nennen wir
Üe ganze Länge dieses // und die elektromotorische Kraft, die ihren Sitz
in der Berührungsstelle dieses und des folgenden Drahtes hat, Kt-, so er-
halten wir durch die Betrachtung der Spannungen der Berührungspunkte je
zweier auf einander folgender Drähte die Gleichungen:
mi ~~ ni K "+" ^-i = m2 >
mv — : nv ly + Kv = mx .
„Es ist also:
»i/i' + »2/2'+--+^/>Ari +K2 + ■••• + A'„;
da aber J£=zntkiqt und w,- = /J/ktqt ist, wo ki die Leitungsfähigkeit und
9i den Querschnitt des Drahtes i bezeichnet, so können wir die Gleichung
Schreiben:
Ix wx + 72 w% H h IyWy = Kx + K2 + h K¥,
fc'. z. b. w.
„Dieser Satz liefert uns durch wiederholte Anwendung immer so viel
Gleichungen, als zur Bestimmung aller / nöthig sind. Wenden wir ihn auf
648 Vierzehntes Kapitel.
den vorliegenden Fall an, so erhalten wir durch ihn, wenn wir die Dra
durch die in Fig. 172 beigeschriebenen Zahlen bezeichnen, da /5 =
sein soll:
/3 + /4 = o, I2 w% - IA w4 = o.
^ Aus dieser Gleichung folgt:
Fig. 172. Nach Kirchhoff.
24. Messung elektromotorischer Kräfte. Verhältnissmässig
meisten Schwierigkeiten bei der genauen Messung machte die dritte Grc
in der OHM'schen Formel, die elektromotorische Kraft, und zwar nicht z
wenigsten wegen ihrer Unbeständigkeit in den meisten VoLTx'schen Ketl
Zur unmittelbaren Messung elektromotorischer Kräfte kann allerdii
das Elektrometer dienen, welches ja schon viel länger als das Galvanome
bekannt war, wenigstens in seinen einfachen Formen als Elektroskop. AI
die vorhandenen Instrumente dieser Art waren um jene Zeit so wenig empfti
lieh, dass sie zur Messung an einzelnen Ketten nicht dienen konnten u
nur bei Säulen aus vielen einzelnen Gliedern Anwendung fanden. Wie <
Galvanometer und der Rheostat zur Messung elektrischer Spannungen
verwenden seien, hat Poggendorff1 gezeigt, indem er das später nach il
benannte Compensationsverfahren angab.
Poggendorff beginnt seine Abhandlung mit einer Übersicht der :
Messung von Spannungen bisher angewendeten Methoden. Die älteste, \
Ohm angegebene besteht darin, dass man aus zwei Messungen der Stro
stärke unter Einschaltung bekannter Widerstände sich zwei Gleichungen v
schafft, aus denen sich die elektromotorische Kraft als Function der Stro
stärken und der Widerstände ergiebt. Es ist dabei die Voraussetzung \
macht, dass bei beiden Messungen die elektromotorische Kraft den gleid
Werth gehabt hat, was jedesmal zweifelhaft ist, wenn polarisirbare Elektroc
in dem Stromkreise vorhanden sind.
Fechner hat dann das vergleichende Verfahren angegeben, dass ir
die zu untersuchende Kette und eine zum Vergleich dienende Normalke
gleichzeitig in denselben Stromkreis schaltet und die Stromstärke abl»
welche man erhält, wenn einmal die beiden Ketten in demselben Sinne 1
dann im entgegengesetzten Sinne verbunden sind. Es ist bei diesem V
fahren keine Widerstandsmessung nöthig, indem der unbekannte Gesami
widerstand des Stromkreises herausfällt, und man erhält unmittelbar 1
m
Verhältniss der beiden elektromotorischen Kräfte; doch gilt gleichfalls
Voraussetzung, dass diese während der Messungen sich nicht veränd
haben.
Gleichfalls auf Fechner geht endlich das dritte Verfahren zurück,
welchem die Kette mit einem empfindlichen Galvanometer und einem §
1 Pogg. Ann. 64, 161. 1841.
Die Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. ÖAQ
ossen Widerstände in einen Kreis geschlossen wird. Ist der Widerstand
r Kette verschwindend klein im Verhältniss zum Gesammtwiderstande,
sind die Stromstärken unmittelbar proportional den elektromotorischen
räften.
25. Poggendorff's Compensationsmethode. Der neue Gedanke,
stehen Poggendorff einführte, bestand darin, dass er die zu messende
)annung durch eine entgegengeschaltete Spannung von veränderlicher Grösse
ifhob, indem er die Grösse der Gegenspannung so lange abänderte, bis
1 eingeschaltetes Galvanometer keinen Strom anzeigte. Zuerst wollte er
?s so ausführen, dass er die veränderliche Spannung einer magnetelek-
schen Maschine entnahm, bei welcher sie proportional der Geschwindigkeit
r Drehung wächst. Später erst kam er auf den einfacheren Einfall, sich
r auf jedem Stromkreise vorhandenen Veränderlichkeit der Spannung zu
iienen, indem er durch Abzweigung von zwei Punkten dieses Kreises
Spannung entnahm. Je mehr Widerstand sich im Verhältniss zu dem
»ammten Widerstände zwischen den Punkten befindet, um so grösser
der Spannungsunterschied zwischen ihnen, und so ist es leicht möglich,
rch passende Änderung des Widerstandes die Spannung zu finden, welche
r zu messende gerade aufhebt. Die Ausführung der Methode beschreibt
ggendorff folgen dermaasse n :
„Man nehme irgend eine constante Kette von grosser Kraft, am besten
te GRovE'sche, und bestimme nach der ÜHM'schen Methode ihre elektro-
dorische Kraft und ihren Widerstand.
„Nun verbinde man sie mit der inconstanten Kette, deren elektromoto-
che Kraft k" ermittelt werden soll, z. B. mit einer gewöhnlichen Zink-
jpfer-Kette auf folgende Weise (Fig. 173): Man ver-
lüpfe durch einen Draht a die Zinkplatten beider
stten, und durch einen Draht b die Zinkplatte der
constanten Kette mit der Platinplatte der constanten,
idlich führe man noch einen Draht c, der irgend
nen empfindlichen Multiplicator einschliesst, von
eser Platinplatte zu der Kupferplatte oder über-
mpt der negativen Platte der inconstanten Kette,
me indes ihn in dauernder Verbindung mit ihr zu
ilten.
„Der Draht a nebst den Flüssigkeiten w der
)nstanten Kette liefern zusammen den Widerstand r\
ir Draht b gewährt den Widerstand r\ Wenn diese beiden Widerstände in
Js rechte Verhältniss zu einander gebracht sind, so wird in dem Drahte c
* Strom Null sein, und dies erkennt man daran, dass bei momentaner
Messung mit diesem Draht die Nadel des Multiplicators durchaus keine
wegung macht."
Die Formel, welche für diesen Zustand gilt, war vorher von Poggen-
iff mittelst der OHM'schen Theorie abgeleitet worden; sie hat die Gestalt
HZ z
Fig. 173.
Nach Poggendorff.
6|o
Vierzehntes Kapitel.
k" = k' — — , ■ Die weitere Auseinandersetzung, wie man nach erstmalig
erfolgter Abgleichung den Versuch wiederholt, nachdem die inconstante Kette
einige Zeit ungeschlossen gestanden hat, um einen genaueren Werth zu er- ,
langen, kann übergangen werden. Dagegen ver-
dient die Bemerkung Erwähnung, dass der Wider-
stand der inconstanten Kette in der Gleichung nicht
vorkommt, und daher beliebig sein kann und
nicht bestimmt zu werden braucht
Die Messung der Drahtwiders tande bewerk-
stelligte Poggendokff mittelst seines Widerstands-
messers, l welcher aus vier etwa meterlangen Neu-
silberdrähten bestand, die über einer Skala befestigt
waren und paarweise durch übergeschraubte starke
Messingklammern verbunden werden konnten. Die
Fig. 174 wird wohl eine eingehendere Beschrei-
bung des Rheochords ersetzen.
Durch die Messung zweier constanten Ketten,
deren elektromotorische Kräfte vorher nach der
OHM'schen Methode bestimmt waren, gegen ein-
ander überzeugte sich Pogcendorff von der Ge-
nauigkeit seiner Methode.
Ausser diesem Verfahren wird noch ein zweites
beschrieben, welches auf der Messung des Strom«
in einem der seitlichen Zweige beruht; es hat
weiter keine Anwendung gefunden und kann daher
an dieser Stelle übergangen werden.
26. Die Abänderung des Compensatio!«-
Verfahrens durch E.duBois-Revmond. Auf eine
besonders elegante Form, nicht nur für die An-
wendung, sondern auch für die Theorie brachte
später Emil du Bois-Reymond * die Pocc.E.'reiORFr'sehe
Compensationsmethode. Seine Worte sind:
„Auf einem Brett, einer Latte, u. d. m., denke man sich nach Art einer
Klaviersaite über zwei Stege mittelst einer Öse an dem einen, eines Wirbel*
an dem anderen Ende einen Messingdraht NS (Fig. 175) von etwa 2 m Länge
und 1,75 mm Dicke ausgespannt, und dessen Enden durch einen Pom/scben
Gyrotropen G mit dem Zink und Kupfer einer DANiELi/schen Kette D ver-
knüpft. Dieser Draht heisst der Nebenschüessdraht An dessen einem
Ende N ist das eine Ende des Multiplicatorkreises Nfi Mr angelothet Da*
andere Ende dieses Kreises r ist an dem Nebenschüessdraht irgendwie be-
weglich gemacht. . . .
Nach Pogcendorff.
1 Pooo. Ann. 52, 511
[841-
* Abliandl. der Berl. Akud. 1862. 107.
Die Entwicklung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 65 I
X
„Es sei:
,yE die elektromotorische Kraft der DxNiELi/schen Kette, an deren Stelle
in sich eine beständige Kette irgend welcher Art denken kann, die die
aasskette heissen soll;
„W der Widerstand der diese Kette enthaltenden Leitung, gemessen bis
m Nebenschliessdraht;
„L der Widerstand des ganzen Nebenschliessdrahtes;
,yX der Widerstand der eigentlichen Nebenleitung, d. h. des Nebenschliess-
ahtes zwischen den Enden der Multiplicatorleitung;
yfM der Widerstand des Multiplicatorkreises; und endlich
,^ eine im Kreise befindliche
ektromotorische Kraft von ent-
jgengesetztem Zeichen wie E,
B. die des in Fig. 175 bei fi
merklichen Muskels, dessen
rom der punktirte Pfeil anzeigt.
„Setzen wir L + W— C, so
t die Stärke der beiden sich
ckenden Ströme im Multipli-
torkreise den Ausdruck:
El- fC
~(C - x) (J/ + x) + Afl '
„Sie wird also = o, wenn
/. = yC. Umgekehrt wird diese
tztere Beziehung hergestellt je-
smal, dass man bei entgegen-
setztem E und y durch pas-
nde Veränderung von A den
rom im Multiplicatorkreise zum
erschwinden bringt. Man hat
sdanny/E = Xj C, und man braucht nur das Verhältniss l : C zu bestimmen,
ler wenn L in Bezug auf W bekannt ist, das von l : L, um das Verhältniss
: L oder den Werth von y als Bruchtheil der elektromotorischen Kraft der
aasskette zu erfahren.
„Dies ist, wie ich kaum zu sagen brauche, nichts als eine leichte Ab-
lderung der von Poggendorff angegebenen Compensationsmethode. . . . Diese
bweichung besteht darin, dass während wir das Ende des Multiplicator-
eises am Nebenschliessdraht verschieben, Herr Poggendorff dieses Ende
st lässt, dafür aber die Länge der eigentlichen Nebenleitung, deren
Widerstand wir k nannten, verändert, bis der Strom verschwindet. Bei Hrn.
)ggendorff bleibt also der Widerstand des die Maasskette enthaltenden
veiges beständig. Bei uns wird dieser Widerstand stets um ebensoviel
rgrössert oder verkleinert, als der der Nebenleitung verkleinert oder ver-
össert.
Fig. 175. Nach E. du Bois-Reymond.
ÖC2 Vierzehntes Kapitel.
„In Folge dessen nimmt die Bedingungsgleichung für das Verschwinde«
des Stromes im Multiplicatorkreise in Hrn. Poggendorff's und in unserem
Falle eine wesentlich verschiedene Gestalt an. In unserem Falle heisst sie
y ■ = c- L Da E und C Constanten sind, so ist y, die zu messende elektro-
motorische Kraft, eine lineare Function von X, und zwar X einfach proportional.
Nicht so bei Hrn. Poggendorff . . . Die Bedingungsgleichung lautet dort
E W
y = ii— t— sp, d. h. y als Function von X wird dargestellt, indem man die
Ordinaten einer gleichschenkligen Hyperbel . . . abzieht von den Ordinalen
einer den Abscissen parallelen Asymptote.
„Es bedarf also bei letzterem Schema noch stets einer gewissen Rechnung,
um die Grösse der Kraft zu finden, während in unserem Falle nichts dam
gehört, als die Messung der Strecke Nr, der Entfernung der Enden des
Multiplicatorkreises auf dem Nebenschliessdraht, der ja der Widerstand l
proportional ist. Mit einem Wort, am Nebenschliessdraht, wie wir ihn an-
wenden, misst sich dje elektromotorische Kraft, wie das Zeug an der Elle.
So viel ich weiss, ist diese merkwürdige Eigenschaft unseres Schemas bisher
der Aufmerksamkeit der Elektriker entgangen/*
Diese Verbesserung der PoGGENDORFF^schen Methode ist wiederum ein
sprechendes Beispiel für den Satz, dass man auf das Einfachste immer erst
zuletzt kommt. Aber noch zu einer anderen Bemerkung giebt sie uns Anlast
Ist man gewohnt, statt mit Stromstärken, mit Spannungen zu denken, so be-
darf es keines analytischen Beweises, dass auf dem Drath NS ein gleich-
förmiges Gefälle der Spannung vorhanden ist, und dass in dem Multiplicator-
kreise kein Strom vorhanden ist, wenn die darin thätige elektromotorische
Kraft gerade der bei r vorhandenen Spannung gleich ist. Auch dass die
Spannung der Messkette D sich zu der im Punkte r verhalten muss, wie
der Widerstand Nr zu dem ganzen Widerstände des Kreises, ist gleichfalls
unmittelbar anschaulich. Nur eine Unsicherheit könnte noch bleiben, nämlich
die, ob man nicht die Leitfähigkeit des Nebenschlusses NAfr berücksichtigen
müsse, wenn man den gesammten Widerstand auswerthet. Doch folgt aus
der Überlegung, dass nach der Voraussetzung durch diesen Kreis kein Strom «
fliesst, auch, dass dieser Kreis nicht als Leiter wirkt und demnach ausser
Rechnung bleibt.
27. Das Additionsgesetz der Spannungen. Durch seine Compen*
sationsmethode (S. 650) hatte Poggendorff die Möglichkeit erhalten, elektro-
motorische Kräfte mit weit erheblicherer Genauigkeit zu messen, als früher,
und er1 benutzte das Verfahren, um das „elektromotorische Gesetz" w
prüfen, d. h., sich zu überzeugen, dass bei drei in derselben FlüssigkÄ
stehenden Metallen die Spannung zwischen zweien derselben gleich der
Summe der Spannungen des ersten zum dritten und des dritten zum zweiten
ist. Für die Anhänger der VoLTA'schen Lehre war hier ein Problem vor-
1 Pogg. Ann. 70, 60. 1847.
Entwicklung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 653
nden, denn es traten bei der Messung verschiedene Metallberührungen auf,
d jene Beziehung kann nicht anders bestehen, als wenn das VoLTA'sche
►annungsgesetz erfüllt ist (S. 133). Nimmt man dagegen an, dass zwischen
n verschiedenen Metallen überhaupt keine Spannungen bestehen, so ergiebt
h dieses Resultat einfach aus dem Begriff der Spannung oder elektro
3torischen Kraft als nothwendig.1
Für jene Zeit war es indessen doch ein Ergebniss von einigem Werthe,
3s das Statthaben jener Beziehung an einer Reihe von Beispielen mit
össerer Genauigkeit nachgewiesen wurde, als die früheren Messungen er-
öglicht hatten. Um ein Beispiel zu geben, sei erwähnt, dass zwischen
ink, Kadmium und Eisen folgende Zahlen gefunden wurden: Zink-Kadmium
= 6,39, Kadmium-Eisen = 3,60; Summe = 9,99. Unmittelbar wurde ge-
mden: Zink-Eisen = 10,12. In ähnlichen Grenzen bewegen sich die anderen
rhaltenen Werthe.
Ein gleiches Gesetz erwies sich auch gültig, als jedes Metall in einer
besonderen Flüssigkeit sich befand. Das hieraus folgende Ergebniss, dass
omit zwischen den verschiedenen Flüssigkeiten keine erheblichen elektro-
notorischen Kräfte bestehen können (oder solche, die dem Spannungsgesetz
interworfen sind) wurde freilich noch nicht ausgesprochen.
Auch bei diesen Messungen trat der Umstand zu Tage, dass die elek-
tromotorischen Kräfte zwischen den verschiedenen Metallen in den Flüssig-
keiten sehr veränderlich waren. Die Contacttheorie leitete dieses Verhalten
von oberflächlichen Veränderungen ab, welche die Metalle in der Flüssigkeit
erfuhren. Dadurch wurde zum Nachtheil der Sache die Frage, unter welchen
Umständen man constante Werthe erlangt (wie sich solche erfahrungsmässig
im DANiELi/schen Element gezeigt hatten), gar nicht gestellt, obwohl es in
der Natur der Sache liegt, dass Naturgesetze nur an Zahlen gefunden werden
können, welche ganz bestimmte Werthe darstellen, auf die keine unbeherrsch-
ten Umstände mehr Einfluss haben.
Auch über den Einfluss, welchen die Temperatur auf die elektromoto-
rische Kraft der VoLTA'schen Kette hat, besitzen wir den ersten zuverlässigen
Versuch von Poggendorff. a Er setzte zwei Ketten aus Kupfer und amal-
gamirtem Zink zusammen und verband sie gegen einander, so dass durch
ein eingeschaltetes Galvanometer kein Strom ging. Nun wurde die eine
Kette erwärmt, während die andere bei Zimmertemperatur verblieb. „Man
1 Um dies einzusehen, stelle man sich die Spannungen der drei Metalle gegen die Flüssig-
#•
*■
*' I
kcit durch entsprechend hohe Senkrechte vor: | ( misst man dann den Unterschied
1 2 3
zwischen 1 und 3, so muss er nothwendig gleich sein der Summe der Unterschiede zwischen
1 und 2 und zwischen 2 und 3. Es ist dies wieder ein drastisches Beispiel dafür, in welchem
Maasse die VoLTA'sche Contacttheorie die Ansicht der einfachsten Verhältnisse complicirt.
* Pogg. Ann. 50, 264. 1840.
6 54 Vierzehntes Kapitel.
kann die Flüssigkeit der einen Kette, wenn sie nur der der anderen gleich
ist, bis zum Sieden erhitzen, ohne die geringste Anzeige eines Stromes a
erhalten. . . . Daraus geht hervor, dass die Wärme keinen Einfluss auf die
elektromotorische Kraft der Hydroketten ausübt"
Die Schlussfolgerung, welche Poggendorff hier für alle Hydrokette«
gezogen hat, ist zu allgemein; er hat zufällig eine der Ketten getroffen,
welche einen sehr kleinen Temperatureinfluss haben, während andere in
dieser Beziehung eine viel grössere Veränderlichkeit zeigen.
28. Absolute Maasse. Durch die vorstehend beschriebenen Methoden
war die Möglichkeit gegeben worden, mit bestimmten Instrumenten Mes-
sungen auszuführen, die eine bestimmte quantitative Bedeutung hatten,
welche dieselbe blieb, so lange die Instrumente die gleichen blieben, oder
wenn andere Apparate gleicher Natur durch unmittelbaren Vergleich auf
jene bezogen waren. Dass es nicht nöthig ist, bei diesem Zustande zu ver-
harren, wies zuerst Gauss durch seine Definition eines absoluten Maasses
für die magnetischen Messungen nach.1 Die Erweiterung des Prinzipes auf
elektrische Messungen verdanken wir dem Freunde und Schüler Gauss*,
Wilhelm Weber.2
Der Gedanke war dabei der folgende:
Von Gauss war schon 1832 gezeigt worden, dass die Wirkungen der
Magnete aufeinander, insofern sie sich als räumliche Kräfte darstellen, in
mechanischem Maasse gemessen, d. h. auf die Einheiten Länge, Zeit und
Masse, zurückgeführt werden können, so dass, wenn diese Einheiten gegeben
sind, eine vorliegende magnetische Kraft unzweideutig ausgedrückt werden
kann. Es ist dies durch die Überlegung einleuchtend, dass die zu messende
Wirkung eben eine mechanische ist, d. h. darin besteht, dass bestimmten
Massen bestimmte Geschwindigkeiten ertheilt werden, oder dass sie bestimmte
Kräfte erfahren, welche wieder durch die erzeugten Geschwindigkeiten ge-
messen werden können. Somit ist die Angabe dieser mechanischen Wir-
kungen ausreichend, um auch für die Ursachen derselben, die magnetischen
Kräfte ein eindeutiges und vollständiges Maass festzustellen. Darnach ist,
wenn wir die jetzt benutzten Einheiten anwenden, als Einheit des Magnetis-
mus die Menge desselben anzusehen, welche auf eine gleiche Menge in der
Einheit der Entfernung (1 cm) wirkend, der Einheit der damit verbundenen
Masse (1 g) die Einheit der Geschwindigkeit (1 cm in der Sekunde) ertheilt
Wie man sieht, gehört zu dieser Definition nichts, als die mechanischen
Begriffe der Länge, Zeit und Masse, und daher nannte Gauss diese Bestim-
mung die absolute, weil sie alle speeifischen magnetischen Grössen vermied1
1 Comment. soc. scient. Gotting. 8, 1833. — Klassiker der exaet. Wiss. 63, 1894.
8 Pogg. Ann. 55, 27. 1842.
* Dass dies doch nicht vollständig der Fall ist, und eine speeifisch magnetische Gröee,
die Magnetisirungsconstante, in der Bestimmung enthalten bleibt, soll hier nur anmerkungsweae
erwähnt werden, um den geschichtlichen Gang der Darstellung nicht zu unterbrechen, Die
Die Entwicklung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 655
Dasselbe Verfahren wendete nun Wilhelm Weber auf die Messung elek-
cher Ströme an. Das Mittel dazu ergiebt sich aus dem Umstände, dass
elektrischer Strom in derselben Weise anziehend und abstossend auf
?n Magnet wirkt, wie ein anderer Magnet; man kann daher die Wir-
ig eines Stromes durch die eines Magnetes ersetzt denken, und wenn
1 einen Strom hat, welcher ebenso wirkt, wie ein mit der Einheit des
^netismus behafteter Magnet, so kann man ihm die Einheit der Strom-
ke zuschreiben.
Freilich tritt hier noch die Nothwendigkeit einer weiteren Bestimmung
, die darin begründet ist, dass ein Strom nicht punktförmig gedacht
den kann, wie .ein Magnetpol. Vielmehr erweist sich die Wirkung eines
3mes als gegeben durch die Fläche, welche er umkreist, projicirt auf die
sne, welche die Pole der Magnetnadel und ihre Drehaxe enthält. Es
ss demnach die Bestimmung hinzugefügt werden, dass der Strom die
che mit dem Radius' Eins umkreisen muss; wenn er dann auf einen in
en Mittelpunkte belegenen Magnetpol eine Kraft ausübt, welche einem
imm die Geschwindigkeit 1 cm/sec ertheilen würde, so hat er die
irke Eins.
Die praktische Ausführung dieses Gedankens gestaltet sich derart, dass
in eine Magnetnadel in den Mittelpunkt eines kreisförmigen Stromes bringt,
in stellt mit anderen Worten eine Tangentenbussole her, deren Radius
nau gemessen ist. Aus der Tangente des Ausschlages und der nach der
vuss'schen Methode bestimmten Intensität des Magnetismus am Orte der
essung ergiebt sich dann die Stromstärke in absolutem Maasse.
Um die umständliche Ausführung absoluter Strommessungen für die
vecke der Laboratoriumsmessungen entbehrlich zu machen, musste der
isammenhang mit irgend einer anderen leicht zu ermittelnden, der Strom-
irke proportionalen Grösse gesucht werden, und Weber machte denn auch
imittelbar nach seiner ersten Mittheilung einen solchen Weg gangbar. Dies
ar unter Benutzung des FARADAY^schen Gesetzes möglich, nach welchem
e Menge eines zersetzten Stoffes nur von der durch denselben gegangene
lektricitätsmenge oder dem Produkte der Stromstärke in die Zeit abhängig
L Wurde ermittelt, welche Wassermenge der Strom Eins in der Zeit Eins
der in einer Sekunde zersetzt, so war damit ein Verfahren gegeben, die
Dnstante macht sich darin geltend, dass die Wechselwirkung zweier Magnete nicht nur von
rer Entfernung und der Menge des Magnetismus abhängt, sondern auch von dem Mittel, in
elchem die Magnete enthalten sind. Hierdurch, und da man auch dem sogenannten leeren
aume eine bestimmte Magnetisirungsconstante zuschreiben muss, ist es unmöglich, einen von
«eifisch magnetischen Grössen freien Ausdruck für die mechanischen Wirkungen zweier Magnete
1 gewinnen, und das von Gauss und Weber erstrebte Ziel muss als gegenwärtig und in an-
hbarer Zeit unerreichbar bezeichnet werden. Trotz dieses Umstandes hat die sogenannte ab-
Iute Messung der elektrischen Grössen sich als von ganz ausserordentlichem Werthe für die
ssenschaftliche wie die technische Entwickelung der Elektrik erwiesen, und muss daher in
serer Darstellung auch eine entsprechende Stelle finden.
656 Vierzehntes Kapitel.
Angaben des Voltameters alsbald in absolute Stromstärke umzurechnen,
und weiter mit Hülfe desselben die Angaben jedes anderen strommessenda
Instrumentes auf absolute Werthe zu reduciren.
Zur Ausführung der Messungen1 benutzte Weber nicht die absolute
Tangentenbussole, sondern eine cylindrische Spule von gemessener Win-
dungsfläche, welche senkrecht zum magnetischen Meridian aufgehängt worden
war und durch den Erdmagnetismus eine Drehung erfuhr, wenn der Strom
durchgeleitet wurde.
Als Ergebniss von fünf Versuchen ergab sich als das elektrochemische
Äquivalent des Wassers in absolutem Maasse der Werth 0,009376. Das
heisst: die absolute Einheit der Elektricitätsmenge bedarf zu ihrem Durch-
gänge durch Wasser der Menge von 0,009376 mg Wasserstoff und Sauer-
stoff, oder damit 1 g Wasser zersetzt wird, sind rund 1 00000 absolute Ein-
heiten Elektricität erforderlich.
Die von Gauss und Weber benutzten mechanischen Einheiten sind
andere, als die gegenwärtigen, nämlich Milligramm, Millimeter und Sekunde.
Unter Berücksichtigung dieser Änderung beträgt der gegenwärtig bekannte
Werth, auf die WEBER'schen Einheiten übertragen, 0,00933. Die Abweichung
jener ersten Bestimmung von dem richtigen Werth beträgt also kaum ein
halbes Procent.
29. Technische Anwendungen der Elektrochemie. Ebenso, wie
die Ausbildung des absoluten Maassystems in den Zeiten, die wir eben be-
trachten, zwar begonnen, aber in neuester Zeit erst ausgeführt und verbreitet
worden ist, verhält es sich mit den praktischen Anwendungen der Elektro-
chemie, wenn man die Benutzung der VoLTA'schen Ketten für telegraphische
Zwecke ausnehmen will. Sowohl für die jetzt zu bedeutender Ausbildung
gelangte elektrolytische Analyse, wie für die elektrochemischen Anwendungen
der grossen Technik lassen sich die Beispiele schon früh nachweisen, und
gerade heute, wo die chemische Technik im Begriffe ist, eine Umwälzung
durch die Einführung elektrochemischer Verfahren zu erleben, ist es von
Interesse, diese ersten Anfange kennen zu lernen.
Der erste Name, welcher uns hier entgegentritt, ist Becquerel. Zwar j
finden wir in Bezug auf die Anwendung des elektrischen Stromes wir 5
chemischen Analyse die ersten Andeutungen bereits in den Arbeiten ÜA?rt
vom Jahre 1805. Bestimmte Gestalt haben sie dann aber erst durch den
unermüdlichen Becquerel gewonnen, welcher ein praktisches Verfahren kennen
lehrte, kleine Mengen Mangan und Blei von anderen Metallen zu scheiden,
und somit zu erkennen.2 Das Verfahren beruht darauf, dass diese Metalle
sich als Hyperoxyde am positiven Pole abscheiden, was andere Metalle, die
keine Hyperoxyde zu bilden vermögen, unter gleichen Bedingungen nicht
thun. Diese Abscheidung gelingt am leichtesten, wenn die Metalle als Acetate
1 Pogg. Ann. 66, 181. 1842. * Ann. chim. phys. 43, 380. 1830.
Die Entwicklung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 657
»rhanden sind oder> was ebenso gut ist, wenn irgend ein Acetat im Über-
husse am positiven Pole zugegen ist
„Nichts ist leichter, als nach dieser Methode das Mangan vom Eisen
1 scheiden; es genügt, eine Lösung dieser Metalle in Essigsäure herzustellen,
ld genügend grosse Platinplatten und eine hinreichend starke Säule zu
ihmen, damit der Versuch schnell genug gehen kann. Arbeitet man derart
it einer kleinen Menge, so genügen zuweilen einige Stunden, namentlich,
enn man die Vorsicht beobachtet, von Zeit zu Zeit das Hyperoxyd, welches
ch am positiven Pole bildet, zu entfernen. Enthält die Lösung 1 g essig-
tures Mangan, so sind 24 Stunden und zuweilen auch mehr erforderlich;
och hängt wie gesagt die Zeit von der Grösse der Platten und der Stärke
er Säule ab. Wenn sich die Platte nicht mehr färbt, so kann man sicher
iin, dass die Lösung kein Mangan mehr enthält, oder wenigstens eine un-
estimmbar kleine Menge, denn 1 mg, und noch weniger, in 1 g Wasser
elöst, wird durch dies Verfahren sichtbar gemacht/'
Auch als Vater der elektrochemischen Metallurgie, welche heute
ine so grosse Rolle spielt, hat man Becquerel zu betrachten. In einer kurzen
Nachricht1 theilt er mit, dass man Silber, Kupfer und Blei aus ihren Erzen
tuf elektrolytischem Wege ausbringen könne. Das Verfahren bestand wesent-
ich darin, dass die Metalle in lösliche Verbindungen übergeführt, und
iann mittelst positiverer Metalle, insbesondere Eisen, ausgefällt wurden. Eine
Anwendung äusserer Stromquellen fand nicht statt. Insofern, als die Aus-
scheidung des Silbers durch Quecksilber in den älteren Amalgamationsver-
fehren lange vorher geübt worden war, haben die von Becquerel angegebenen
Methoden nichts prinzipiell Neues; nur hat er zuerst die elektrische Natur
der hierbei stattfindenden Vorgänge erkannt, und damit ein Mittel gegeben,
sie weit eingehender zu regeln, als bis dahin möglich gewesen war.
30. Galvanoplastik und elektromagnetische Maschinen. Die
erste Nachricht über die Anwendung des Kupferniederschlages zur Herstel-
lung von getreuen Abbildungen geformter Gegenstände, die gegenwärtig
unter dem Namen der Galvanoplastik eine so wichtige Rolle spielt, findet
sich in einem Briefe, welchen Jacobi2 an Faraday richtete, und der im
Jahre 1839 veröffentlicht worden ist. Dieser Brief enthält ausserdem die
erste Nachricht über die Anwendung der elektromagnetischen Kraft im
Grossen, und ist somit nach zwei Seiten ein wichtiges Document zur Ge-
schichte der Elektrotechnik.
„Vor einiger Zeit hat mich ein glücklicher Zufall bei meinen elektro-
magnetischen Arbeiten zu der Entdeckung geführt,3 dass man mit Hülfe
1 Bibl. univ. 15, 432. 1838. — Pogg. Ann. 46, 285. 1838.
• Philos. Mag. 15, 161. 1839.
8 Die gleiche Beobachtung, dass nämlich das in der DANiELL'schen Kette abgesetzte
Kupfer auf das genaueste die Oberfläche der Platte wiedergiebt, auf welcher es niedergeschlagen
ist, hat Daniell schon früher gemacht; er hat aber nicht daran gedacht, dass diese Erscheinung
einer technischen Anwendung fähig wäre.
Ostwald, Elektrochemie. 42
6c8 Vierzehntes Kapitel.
der VoLTA'schen Wirkung erhabene Copieen von gestochenen Kupferplatta
machen kann, von denen auf gleichem Wege umgekehrte Copieen erhaka
werden können, so dass man es in der Gewalt hat, die Kupfercopieen k
jeder beliebigen Anzahl zu erhalten. Durch diesen VoLTA'schen Proces
werden die feinsten, ja mikroskopische Striche wiedergegeben, und die
Copieen sind so identisch mit dem Original, dass auch die strengste Unter-
suchung nicht den kleinsten Unterschied finden kann. . . . Ich kann mir er-
sparen, den von mir gebrauchten Apparat ausführlich zu beschreiben. Es
ist einfach eine VoLTA'sche Kette a cloison, in welcher die gestochene Platte
an Stelle der gewöhnlichen Kupferplatte benutzt ist, indem sie in eine Lösung
von Kupfersulfat getaucht ist. . . . Für den Erfolg der Operation ist es voa
grösster Wichtigkeit, dass die Lösung immer gesättigt erhalten wird. Die
Wirkung muss nicht zu schnell sein; 50 bis 60 Gran Kupfer sollen in 24 Stan-
den auf den Quadratzoll niedergeschlagen werden. . . .
„Natürlich kann man auch das Kupfersulfat reduciren, wenn wir den
Strom eines einfachen VoLTA'schen Paares mittelst Kupferelektroden durch
die Lösung gehen lassen; in dem Maasse, wie die Anode oxydirt wird, to-
deckt sich die Kathode mit reducirtem Kupfer, und man kann sich die Zu-
führung von concentrirter Lösung ersparen. Nach der Theorie sollte mal
erwarten, dass an der einen Seite genau so viel Kupfer reducirt wird, wie-
viel an der anderen oxydirt wird, jedoch habe ich immer einen grösserei
oder kleineren Unterschied gefunden, derart, dass die Anode mehr verliert;
als die Kathode gewinnt. Der Unterschied scheint nahezu constant xa
sein, denn er nimmt nicht weiter zu, wenn der Versuch eine gewisse ZA
gedauert hat. . . .
„Was die technische Bedeutung dieser VoLTA'schen Copieen anlangt, so
möchte ich bemerken, dass man die gestochene Kathode nicht nur von Kupfer
oder negativeren Metallen nehmen kann, sondern auch von positiveren und
deren Legierungen (ausgenommen Messing), obwohl diese Metalle u. s. w. dk
Kupferlösung für sich viel zu heftig zersetzen. So kann man beispielsweise
Stereotypen in Kupfer machen, welche nach Belieben vervielfältigt werden
können. Ich werde binnen kurzem die Ehre haben, Ihnen ein Basrelief aas
Kupfer zu schicken, dessen Original aus einer plastischen Substanz gebildet ist,
die sich allen Bedürfnissen und Capricen der Kunst anschmiegt Durch dies
Verfahren werden alle diese feinen Züge erhalten, welche die hauptsächlichste
Schönheit eines derartigen Werkes ausmachen, und welche beim Giessea
gewöhnlich verloren gehen, da dieser Process sie nicht in aller ihrer Rein-
heit wiedergeben kann. Die Künstler müssen dem Galvanismus sehr dankbar
sein, der ihnen diesen neuen Weg hierzu eröffnet hat."
Jacobi erzählt weiter, wie er im letzten Winter oft seinen grossen Saal
mit DRUMMOND'schem Kalklicht erleuchtet hat, zu dem er das Knallgas durch
Elektrolyse verdünnter Schwefelsäure in dem Maasse erzeugt hatte, als «
in der Lampe verbrannte. Anfangs war die Batterie noch recht unbequem *
zu unterhalten. „Gegenwärtig nimmt eine Batterie mit dem Zersetzung»-
Die Entwitkelnng der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 659
parat, welche 3 bis 4 Kubikfuss elektrolytisches Gas in der Stunde liefert,
:ht viel mehr Platz ein, als eine Seite des Papiers, auf welchem ich Ihnen
ireibe, und ist etwa 9 Zoll hoch. Dies ist sicherlich eine schöne An-
ndung der VoLTÄ*sehen Batterie.
„Bei der Anwendung des Elektromagnetismus zur Bewegung von Ma-
hnen war die grösste Schwierigkeit immer die Umständlichkeit und schwie-
ge Handhabung der Batterieen. Diese Schwierigkeit besteht nicht länger,
ährend des letzten Herbstes, in einer vielleicht schon zu weit vorgeschrit-
len Jahreszeit, habe ich, wie Sie vielleicht aus den Zeitungen ersehen
hen werden, meinen ersten Versuch mit der Schifffahrt auf der Newa in
lerzehnrudrigen Schaluppe mit Radrudern, die durch eine elektromagnetische
aschine in Bewegung gesetzt wurden, gemacht. Obwohl wir während ganzer
ige fuhren, und gewöhnlich mit 10 oder 12 Personen an Bord, so war ich
ich nicht sehr befriedigt von diesem ersten Versuche, denn es ergaben
:h so viele Fehler der Construction und Mängel der Isolirung an den
aschinen und der Batterie, welche nicht auf der Stelle verbessert werden
mnten, dass es mir äusserst unangenehm war. Da jetzt diese Verbesse-
mgen und wichtigen Veränderungen beendigt sind, so werden die Versuche
nnen kurzem wieder aufgenommen werden. Die Erfahrungen des letzten
ihres nebst den Verbesserungen der Batterie ergeben, dass zum Hervor-
ringen einer Pferdekraft (wie bei Dampfmaschinen) eine Batterie von
0 Quadratfuss Platin, in entsprechender Weise angeordnet, erforderlich
t; ich hoffe aber, dass 8 bis 10 Quadratfuss die Wirkung ergeben
erden. Wenn der Himmel mir meine Gesundheit erhält, welche durch
eständige Arbeit ein wenig angegriffen ist, so hoffe ich binnen eines Jahres
in elektromagnetisches Schiff von 40 bis 50 Pferdekraft hergerichtet zu
aben."
31. Die Polarisation. Die Ausbildung der Messhülfsmittel kam zu-
ächst einer Erscheinung zu Gute, welche, zwar lange bekannt, und auch
1 früherer Zeit im wesentlichen richtig verstanden, später eine wunder-
che Reihe verschiedenartiger Auffassungen durchzumachen hatte, bevor
ie einigermaassen wissenschaftlich bewältigt werden konnte. Dies ist
a einem solchen Maasse der Fall, dass noch bis auf unsere Zeit dies
Gebiet zu den wenigst bekannten und verstandenen in dem ganzen weiten
Jmfange der Elektrochemie gehört. Es handelt sich um die Erschei-
nungen, welche sich an den Grenzflächen zwischen den Elektrolyten und
len Elektroden abspielen, wenn ein Strom durch sie geht, die Polari-
► ationserscheinungen.
Von wem der Name Polarisation, welcher seit der Mitte der dreissiger
fahre für die fraglichen Vorgänge üblich ist, in die Wissenschaft eingeführt
vorden ist, habe ich nicht ermitteln können. Es sieht so aus, als wäre der
Vame erst um diese Zeit entstanden, denn in dem dritten Bande von
8ecquerei/s Trait£ kommt der Name bei der Darstellung der von Gautherot
ind Ritter (S. 173) beobachteten Thatsachen nicht vor, dagegen im fünften,
42*
66o Vierzehntes Kapitel.
welcher 1840 erschienen ist, wird er bei dem Bericht über Schönbi
Arbeiten in einer Weise benutzt, als wenn er ganz gebräuchlich wäre.
liegt deshalb nahe, Schönbein als den Erfinder des Namens anzusehen, ;
auch dieser benutzt ihn, ohne ihn besonders zu erklären, also wie ein
kanntes Wort. Dazu kommt, dass elf Jahre früher in einer Abhandlung
Becquerel1 der Ausdruck wieder wie ein bekanntes Wort in ganz demse
Sinne gebraucht wird, wie später. Ich habe deshalb darauf verzichtet,
Entstehungsgeschichte des Namens aufzuklären, und würde für entspreche
Hinweise aus dem Leserkreise dankbar sein.
Die älteste Geschichte der Angelegenheit ist bereits (S. 173) mitgetl
worden. Sowohl die Erscheinung des Gegenstromes nach Abtrennung
Elektroden von der primären Kette, wie auch die Schwächung des Hai
Stromes durch Zwischenschaltung „unthätiger" Kettenglieder ist von Rn
in sehr vollständiger Weise untersucht worden, so dass zunächst die Forsch
wenig über den bereits erlangten Standpunkt hinausgelangte. Wenn glei
wohl eine ausserordentlich grosse Zahl von Arbeiten seit der zweiten Hs
der zwanziger Jahre über den Gegenstand veröffentlicht wird, so erkea
wir in diesem Falle ganz besonders den Einfiuss des Umstandes, dass
Galvanometer so ausserordentlich leicht die Gewinnung eines ausgedehn
Zahlenmateriales gestattet, welches, wenn es auch nicht wissenschaftlich
wältigt wird, doch als „schätzbares Material" den Fachgenossen nicht von
halten zu werden pflegt.
Die neue Reihe von Arbeiten auf dem Gebiete beginnt ziemlich glei
zeitig im Jahre 1825; die hier auftretenden Namen sind Davy, de la E
und Marianini. Die Arbeiten Davy*s sind schon (S. 353) erwähnt word
sie sind wenig umfassend, aber in ihrer Deutung wohl gelungen. Sehr
eingehender, wenn auch weniger glücklich in der Auffassung sind die Arbe
de la Rivers.2 Er beobachtete die Stromschwächung durch eingeschal
Zwischenplatten und zog aus seinen Versuchen folgende Schlüsse: „1. I
eine oder mehrere Metallptatten, welche in eine leitende Flüssigkeit sc
recht zu der Linie, welche die beiden Pole verbindet, angebracht wen
die Intensität des Stromes, welcher sie durchdringt, schwächen. 2. I
diese Schwächung des Stromes fast Null ist, wenn der die Platten dui
laufende Strom sehr energisch ist und von einer aus vielen Paaren bestel
den Säule herstammt; dass aber der Strom in einem um so stärkeren ^
hältniss geschwächt wird, je geringer seine ursprüngliche Intensität ist;
dass daher ein stärkerer Strom erforderlich ist, um die gleiche Menge
durch die Zersetzung zu erhalten, wenn die Flüssigkeit durch Platten ut
brochen, als wenn sie stetig ist.8 3. Dass von zwei Strömen gleicher In
1 Ann. chim. phys. 41, 23. 1829.
* Ann. chim. phys. 28, 208. 1825.
• DE LA Rive's Ausdrucksweise ist an dieser Stelle nicht gut verständlich; ich hat
glaubt, ein Versehen des Abschreibers oder Druckers annehmen zu dürfen, und den Satz
gemäss hergestellt
Die Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energiepriniipes. 66 [
ät, welche der eine ursprunglich, der andere nach dem Durchtritt einer
ler mehrerer Hatten besitzt, der erste viel mehr durch die Einschaltung
ler Platte vermindert wird, als der andere, welcher bereits ähnliche Platten
rrchlaufen hat"
Zur Erklärung dieser Thatsachen weist de la Rive auf die ähnlichen
erhältnisse der Wärme und des Lichtes hin, welche gleichfalls in ihrer
usbreitung durch eingeschaltete Platten, wenn diese auch für sich durch-
ssig sind, behindert werden, doch geht er nicht näher auf diesen Punkt
n. Auch in dieser Beziehung ist ihm Ritter vorausgegangen, was aller-
ngs eher ein negatives, als ein positives Verdienst ist. Wir werden alsbald
hen, dass der gleiche Gedanke
it einer gewissen Zähigkeit auch i — — " -— — |
•i anderen Forschern wiederkehrt. I I
In einer späteren Abhandlung 1
mmt dann de la Rtve auf die
scheinungen der seeundären Säule
rück. Sein Versuch der Erklärung !
nicht eben glücklich. Nachdem
im Anschluss an Ritter nach-
wiesen hatte, dass nicht die ge-
deten Zersetzungsprodukte Säure
.d Alkali die Ursache des Stromes
id, welcher in einer Ladungssäule
(tsteht (wie das von Volta be-
mptet worden war) , indem die
adung auch nach dem Abwaschen
eser Stoffe an den Metallen haften
ieb, setzte er auseinander, dass
an den Strom im Metall als eine — ~ — —
olge von Zersetzungen undWieder- F'K- '76- *>e la Rive.
:rbindungen der in den Metallen
>rhandenen neutralen Elektricität auflassen könne. Wird also, nachdem
sr Strom einige Zeit gedauert hatte, der Draht aus der Leitung genommen,
) würde er an einem Ende einen Oberschuss positiver, am anderen einen
berschuss negativer Elektricität haben. Vermöge einer der magnetischen
iuüichen Coercitivkraft halte der Draht nun diesen Überschuss zurück und
erhindere ihn am Ausgleich.
Nun hatte aber de la Rive selbst eben durch eine Reihe von Versuchen
■wiesen, dass die Wirkung nur eintritt, wenn ein flüssiger Leiter an den
letallischen grenzt. Er erwähnt diesen Einwand mit der Bemerkung, dass
elleicht die Wirkung bei Metallen nur zu schwach sei, um beobachtet
erden zu können, und fährt fort: „Wenn die Leiter, welche zu zweien die
1 Bibl. nnivem. 36, 9». (8l6. — Pogg. Ann. 10, +25. 1827.
662 Vierzehntes Kapitel.
vier Enden verbinden, beide metallischer Natur sind, so ist kein Grund vor-
handen, weshalb das Gleichgewicht sich mehr nach der einen Richtung; all
nach der anderen wiederherstellen sollte, während wenn einer der Leiter m
flüssiger ist, seine Gegenwart, indem er die Kette schliesst (eine nothwendigt
Bedingung zu der Wiederherstellung), nicht hindert, dass der Strom tut
grösserer Leichtigkeit durch den metallischen Leiter gehe, und den Drähtei
erlaubt, sich zu entladen, und auf ihren natürlichen Zustand zurückzu-
kommen."
Man wird dieser „Erklärung" alles eher nachsagen können, als dass sie
befriedigend oder auch nur klar sei.
Um die Ähnlichkeit eines solchen, in den „elektrodynamischen Zu-
stand" versetzten Drahtes mit einem Magnet nachzuweisen, giebt de la Rni
den Versuch an, dass man den Draht durchschneidet und die Richtung
des Stromes untersucht, der entsteht, wenn man die beiden getrennten
Stücke in denselben Leiter taucht. „Wie beim Magneten müssen die ge-
trennten Stücke an den zuvor vereinigt gewesenen Enden entgegengesetzte ,
Pole erhalten. Die Richtung des Stromes zeigt, dass dieses allerdings der ;
Fall ist, aber der Strom ist schwach und oft Null, wie dies immer eintritt,
wenn man sich nicht von den Drähten derjenigen Stücke bedient, welche in
die der Wirkung der Säule ausgesetzte Flüssigkeit getaucht waren." Hwr
sieht man ungemein deutlich die Wirkung der vorgefassten Meinung, der
Autosuggestion. Hätte de la Rive erwartet, dass gar keine Wirkung vor-
handen ist, so hätte er in den erzählten Versuchsergebnissen auch dafär
eine Bestätigung finden können.
32. Arbeiten von Marianini. Gleichzeitig mit de la Rive und un-
abhängig von diesem veröffentlichte Stefano Marianini seine Untersuchungen
über den gleichen Gegenstand.1 Für die Wirkung der Zwischenplatten
glaubte Marianini sogar einen einfachen mathematischen Ausdruck gefunden
zu haben, der einigermaassen an das OHM'sche Gesetz erinnert: Ist * die
Zahl der aktiven, /;/ die der nicht aktiven Elemente und D die Wirkung
eines der ersten, so ist die Wirkung d der zusammengesetzten Kette gleich
d=nDj(n + tn). Die Erklärung sucht Marianini völlig in den analogen
Erscheinungen des Lichtes. „So besitzen zwei Substanzen, durch welche
sich das Licht mit verschiedener Schnelligkeit hindurch bewegt, wie x*B.
Luft und Wasser, einen gewissen Grad von Durchsichtigkeit, wenn sie in
dickeren Schichten über einander gelagert sind; werden sie aber in sehr
dünnen Schichten durch einander gemengt, so bilden sie ein fast undurch-
sichtiges Medium. Auf gleiche Weise würde ein elektrischer Strom bei
1 Die Arbeiten dieses Forschers sind zuerst in einem grösseren Werke: Saggio di op*
rienze electrometriche , Venezia 1825, erschienen. Ein Auszug, dem auch der obensteheadt
Bericht zu Grunde liegt, wurde dann zuerst in den Annales de chimie et de physique 33, HJ-
1826, und alsdann in Schwkiggf.r's Journal der Physik und Chemie, 49, 22. 1827, ab-
gedruckt.
Die Entwicklung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 663
inem Durchgange durch eine metallische und flüssige Schicht von belie-
ger Dicke, wenigstens innerhalb gewisser Grenzen, nur eine geringe Ver-
inderung seiner Intensität erleiden, aber bei jeder Wechsellagerung einer
össeren Zahl minder dicker Schichten würde er neuen Brechungen (Re-
gionen) unterworfen und mit grosser Schnelligkeit geschwächt werden,
iejenigen, welche annehmen, dass der elektrische Strom sich in Wellen-
jwegungen fortpflanze, nach Art des Schalles, würden eine leichte Erklärung
is Phänomens finden, indem sie seine Bewegung in metallischen und in
blechten Leitern mit der des Schalles in festen und in gasförmigen Kör-
Tn verglichen/'
An gleicher Stelle finden sich Untersuchungen über die Veränderung
r elektromotorischen Stellung der Metalle durch ihre Thätigkeit als Leiter.
jch in dieser Beziehung ist Marianini nicht über Ritter hinausgelangt.
Einige Zeit später unternahm derselbe Forscher eine eingehendere Unter-
chung dieser Verhältnisse, 1 wobei es ihm besonders auf den Nachweis des
sammenhanges der Stromschwächung durch Zwischenplatten und der Ver-
derung der elektromotorischen Kraft der Metalle durch deren Einschaltung
einen Stromkreis zwischen feuchte Leiter mit der RiTTER'schen Ladungs-
jle ankam. Auch die (ältere) Theorie Ritter's, dass sich wegen der
tüechten Leitung der feuchten Zwischenschichten die Elektricität in seiner
cundären Säule anhäufe, erschien ihm zweifelhaft, da man bei anders-
tiger Einschaltung schlechter Leiter eine solche Wirkung nicht erhalten
mn. Eine ganze Anzahl anderer Erscheinungen fand er mit dieser Ansicht
eichfalls in Widerspruch, so dass er nicht nur diese Ansicht Ritter's ver-
arf, sondern überhaupt einen Zusammenhang zwischen der Stromschwächung
jrch Zwischenplatten und der Erscheinung des Gegenstromes der secun-
iren Säule in Abrede stellte.
Um zu einer Entscheidung über die Quelle der Spannung der secun-
iren Säule zu gelangen, untersuchte er, ob diese an dem feuchten Leiter
der an dem Metall hafte. Zu diesem Zwecke kehrte er in einer geladenen
sundären Säule die Tuchscheiben um: es ergab sich nur eine Schwächung,
ie der inzwischen vergangenen Zeit entsprach. Ferner legte er die Tuch-
:heiben der geladenen Säule zwischen frische Kupferplatten: die so erhaltene
äule erwies sich als nicht geladen. Dagegen änderte der Ersatz der Tuch-
:heiben durch frische in einer geladenen secundären Säule die elektromoto-
sche Kraft nicht wesentlich. Somit haftet die Ladung am Metall und nicht
n der Flüssigkeit.
Auf die Veränderung der elektromotorischen Stellung des Metalles fuhrt
un Marianini die Ladungssäule zurück, und stellt jede andere Ursache in
brede. Wir haben hier wieder ein anschauliches Beispiel für die Ungründ-
:hkeit, welcher die Anhänger des VouiVschen Erklärungsprinzipes nur zu
icht verfielen. Warum die elektromotorische Kraft des Metalles eine andere
1 Giornale di fisica 9, 253. — Journ. f. Chemie und Physik 49, 300. 1827.
664 Vierzehntes Kapitel.
wird, nachdem es als Elektrode gedient hat, wird gar nicht gefragt; a
genügt der Nachweis der veränderten Stellung in der Spannungsreihe, u
alles zu sagen, was zu sagen ist In dieser Beziehung ist selbst Rtrac
seinem Kritiker voraus gewesen , indem er nach dem Vorgang Brugu*
telli's die chemische Veränderung des Metalles an der Oberfläche, foeffick
in dem unhaltbaren Sinne einer Verbindung mit Wasserstoff, als die Ur-
sache ansah.
Nach einer anderen Richtung liegt in Marianini's Arbeiten allerdings
ein Fortschritt, welcher aber zunächst nicht zur Geltung kam. Es ist diö
die Auffassung der Erscheinung als einer, die nur von der elektromotorischen
Kraft abhängt. Es ist schon bemerkt worden (S. 424), dass die später von
Fechner eingeführte Vorstellung eines Übergangswiderstandes, welchem er
die Stromschwächung zuschrieb, die klare Erkenntniss der Sache einiger-
maassen aufgehalten hat. Allerdings sind bei Marianini diese Begriffe noch
keineswegs so scharf geschieden, dass von einer sicheren Auffassung dieses
Gegensatzes die Rede sein könne, doch geht gerade aus seiner Polemik
gegen Ritter hervor, dass bis zu einem gewissen Grade ein Bewusstsem
desselben bei ihm bestand.
Bei Gelegenheit seines Berichtes über diese Arbeiten kam auch Bio
querel in seinem Trait^1 auf den Gegenstand zu sprechen und gab eine
Erklärung, welche, ohne dass er es zu wissen schien, mit der von Volta
völlig übereinstimmte. Er sah in der seeundären Kette nur einen Fall der
seinigen aus Säure und Alkali (S. 597). „Nun, wenn zwei Platinplatten sich
in einem elektrischen Strome befinden, in welchem auch eine Salzlösung
vorhanden ist, was geschieht? Die Oberfläche der positiven Platte überzieht
sich mit einer sauren, und die der negativen Platte mit einer alkalische!
Schicht; die beiden Platten befinden sich daher in demselben Zustande («
die einer Säure-Alkalikette) . . . und da der elektrische Effekt derselbe ist, ]
so müssen wir schliessen, dass auch die Ursache die gleiche sein muss." _i
33. Christian Friedrich Schönbein. An dieser Stelle tritt uns zum
ersten Male in unserem Gebiete ein Mann entgegen, mit dessen Arbeite* j
und Ansichten wir uns wiederholt zu beschäftigen haben werden. Christiaw ;
Friedrich Schönbein ist am 18. Oktober 1799 in Metzingen in Schwaben
geboren, und wurde, nachdem er einige Jahre als Lehrer thätig gewesen
war, und dann Reisen in England und Frankreich gemacht hatte, im Jahre
1828 Professor der Chemie an der Universität zu Basel, in welcher Stellung .
er 1868 starb.
Unter der grossen Zahl der „Originale", die sich in dem Stande dff
deutschen Gelehrten vielleicht zahlreicher ausbilden, als in irgend eine»
anderen Stande, war Schönbein eines der bestcharakterisirten. Nicht nur
durch seine persönlichen Eigenschaften, die ihn bis zu seinem hohen Ata
an Schnurren aller Art eine unerschöpfliche Freude finden Hessen, und ihn
1 Bd. 3, S. 109.
Die Entwickehiiig der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 565
einem der amüsantesten Gesellschafter machten, den man sich denken
in, sondern auch durch die Art seiner wissenschaftlichen Arbeiten, welche
iz und gar verschieden von der aller anderen war, tritt diese Eigenschaft
■vor. Schönbein liebte eigene Wege zu gehen, und sich mit Aufgaben zu
assen, welche den Anderen nicht in den Sinn kamen; seine berühmteste
tdeckung, die des Ozons, ist ein redendes Beispiel dafür, denn diese Ent-
ikung dürfte die einzige sein, welche wesentlich vermittelst des Geruch-
nes bewerkstelligt worden ist. Während diese Entdeckung durch die
theiligung anderer Forscher ausgebildet worden ist und sich in ihrer Be-
utung, gezeigt hat, liegen von ihm noch zahlreiche Forschungen über
talytische Vorgänge und ähnliches vor, welche noch einer solchen Be-
3eitung harren, und in denen noch ungehobene Schätze von erheblichem
trage zu finden sind. Denn Schönbein war in seinen Arbeiten überall ein
rginner, kein Vollender. Quantitative Messungen lagen ihm sehr fern, und
ir ganz ausnahmsweise sieht man ihn sich bei seinen zahlreichen Arbeiten
ischliessen, die Wage zu benutzen. Die gleiche Eigentümlichkeit macht
:h bei dem Theil seiner Arbeiten geltend, mit dem wir uns hier zu be-
häftigen haben: auch die Elektrochemie verdankt ihm wichtige Anregungen,
>er er hat sie nicht bis zu einem klaren und unzweifelhaften Ergebniss
jrcharbeiten mögen, und so ist die Forschung unter Benutzung der von
im gewonnenen Gesichtspunkte doch bald über ihn fortgeschritten.
Schönbein hat während seines langen Lebens sehr ausgedehnte person-
elle Beziehungen zu seinen Zeit- und Fachgenossen gehabt. Mit Liebig und
Vöhler war er befreundet, und letzterer schreibt über ihn:1 „Schönbein ist
chon seit acht Tagen bei mir. . . . Ich veranlasste ihn, einen Vortrag mit
Versuchen über seine so merkwürdigen Beobachtungen über die Bildung des
alpetrigsauren Ammoniaks zu halten. Es fanden sich etwa 150 Zuhörer
nn, die dem Vortrage des originellen Kerls mit grossem Interesse folgten,
fa, hätten wir nur seinen Magen und ich ausserdem seine Rhinoceroshaut!
Er wird morgen seine Nordpolfahrt, wie er es nennt, antreten, d. h. eine
Excursion auf den Harz machen."
Auch mit Faraday, den Schönbein auf seinen wiederholten Reisen kennen
gelernt hatte, verband ihn eine herzliche Freundschaft, die in einer ganzen
Reihe von Briefen des ersteren, die erhalten sind, zu Tage tritt. Sie hatten
sich als Gesinnungsgenossen bezüglich der chemischen Theorie der Kette
zusammengefunden.
34. Schönbein's Arbeiten. Gegen die Erklärung von Becquerel
nachte Schönbein in seiner ersten Arbeit2 über die elektrische Polarisation
inen schlagenden Einwand geltend. Die von diesem angenommene Wirkung
ann offenbar nicht eintreten, wenn man statt der Salzlösung die einer reinen
läure oder eines Alkalis nimmt; der Versuch ergab indessen, dass die Pola-
1 Hofmann, Aus J. LiEbig's und F. Wöhler's Briefwechsel. II, 122.
* Pogg. Ann. 46, 109. 1839.
666 Vierzehntes Kapitel.
risation sehr kräftig unter den gewöhnlichen Bedingungen eintritt1 Ferner
wurde beobachtet, dass wenn der secundäre Strom durch Schliessung uf
Null herabgesunken war, ein neuer Strom erhalten werden konnte, wen
man nur die leitende Verbindung zwischen beiden Drähten unterbrach, und
sie sich selbst überliess. Beide Versuche sprechen durchaus gegen die An-
sicht von Becquerel. Was seine eigene Ansicht anlangt, so will Schönbedt
zwar eine solche nicht mit Bestimmtheit verlautbaren, er meint aber doch,
dass die eben von ihm studirten Erscheinungen der Passivität des Eisens (S. 696}
mit der Sache zu thun haben. Einer chemischen Veränderung der Metalle
an ihrer Oberfläche glaubt er die Ursache nicht zuschreiben zu dürfen, da
auch die schwächsten Ströme polarisirend wirken; wenn aber der Strom so
schwach ist, dass er Wasser nicht zersetzen kann, wie soll er durch die
Ausscheidung der Elemente des Wassers, d. h. durch Wasserzersetzung die
Polarisation hervorbringen können?
Ferner schildert Schönbein einige Versuche, aus welchen sich ergiebt,
dass auch Flüssigkeiten polarisirt werden können. Zersetzt man verdünnte
Schwefelsäure in einem zweischenkligen Rohre, entfernt die Elektroden nnd
ersetzt sie durch zwei frische Platindrähte, die durch ein Galvanometer ver-
bunden sind, so erhält man gleichfalls einen Strom von derselben Richtung,
wie einen gewöhnlichen Polarisationsstrom. Es wird also die Flüssigkeit
gleichfalls polarisirt, und die Wirkung beschränkt sich nicht nur auf (fie
Elektroden. Auch die Erscheinung der „Erholung" fand bei polarisirten i
Flüssigkeiten statt. Zur Entstehung einer Polarisation in der Flüssigkeit war
aber erforderlich, dass eine Gasentwickelung bei der Elektrolyse stattfand;
war der Strom zu schwach dazu, so konnte auch kein secundärer Strom -j
erhalten werden.
Die naheliegende chemische Erklärung dieser Erscheinungen wurde von
Schönbein zwar erörtert, aber doch verworfen, weil auch nach dem Erhitzen
die polarisirte Schwefelsäure ihre Eigenschaft behielt, während etwaiger Wasser-
stoff entwichen sein musste. Er stellt schliesslich eine Vermuthung des In-
haltes auf, dass durch den schwachen Strom eine Änderung der chemischen
Beziehung zwischen den Bestandteilen des Elektrolyts hervorgerufen sei, j
welche zwar nicht zu einer Trennung der Bestandteile, aber doch zu einer 1
Änderung ihrer gegenseitigen Beziehung und einer Lockerung ihres Zu* 1
sammenhanges gefuhrt habe. „Dieser Zustand der Spannung und einer be- i
stimmten Anordnung hört nun mit seiner Ursache nicht auf, sondern dauert
infolge der Trägheit der Theilchen noch kürzere oder längere Zeit an, und
indem nun die Bestandtheile jedes Moleküles des Elektrolyten allmählich
wieder in ihre normale Relation zu einander treten, z. B. also das Sauerstoff
1 Die Unrichtigkeit der Hypothese, welche Becquerel über die Ursache der Polarastfo*
aufgestellt hatte, wurde auch von Golding Bird (PhU. Mag. 13, 379. 1838) gesehen, der et««
früher als Schönbein nachgewiesen hatte, dass auch bei der Anwendung reiner Sturen oder
Alkalien die Polarisation eintritt.
IMc EntwickHnng der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 667
r Chlortheilchen wieder in die alte innigere Verbindung mit den Wasser-
ftheilchcn zurückkehrt, wird die nämliche Erscheinung veranlasst, die
ritt, wenn Wasserstoff mit Sauerstoff oder Chlor sich verbindet, d. h. es
steht ein VoLTA'scher Strom, der vom Wasserstoff zum Sauerstoff, oder,
» das gleiche ist, der von der Flüssigkeitssäule, die mit dem negativen
drahte in Berührung stand, zu der Säule geht, die mit dem positiven Pol
nittelbar communicirte."
35. Beobachtungen von Henrici. Gleichzeitig mit den ersten Beob-
ltungen Schönbein's wurden solche von Henrici1 veröffentlicht, welche
> Auftreten der Polarisation bei Entladungen der statischen Elektricität
chwiesen. Von den Belegungen einer Leidener Flasche ging eine Leitung
rch eine mit Flüssigkeit gefüllte Röhre. In diesem Stromkreise war eine
rch einen fallenden Hebel bethätigte Unterbrechungsstelle so angebracht,
ss zuerst die Entladung durch die Röhre ging, und einen Augenblick
rauf die beiden Elektroden mit einem Galvanometer verbunden wurden.
i ergab sich in allen Fällen eine Ablenkung des Galvanometers in einem
lchen Sinne, dass der Strom in der Flüssigkeit die entgegengesetzte Rich-
ng der ursprünglichen Entladung hatte.
Bei der Erörterung der möglichen Ursachen stellt Henrici deren drei
if: ungleiche Erwärmung der Platindrahte, elektrische Polarisirung der
atindrähte und elektrische Polarisirung der Flüssigkeit. Den ersten und
m letzten Fall schliesst er aus,* es bleibt somit nur der zweite übrig. Für
iese Polarisirung wurden die bekannten Verhältnisse wiedergefunden : es war
öthig, dass feste und flüssige Körper an einander grenzen, die Polarität
erschwand in der Flüssigkeit ziemlich schnell, Hess sich aber an den heraus-
enommenen Drähten längere Zeit nachweisen, und Kupferdrähte zeigten die
Erscheinung schwächer als Platindrähte.
Über die Ursache der Erscheinung wagt Henrici noch keine Meinung
uszusprechen.
In einer zweiten Abhandlung über die elektrische Polarisirung der Me-
alle8 kam auch er indessen zu dem Schlüsse, dass diese von chemischen
/orgängen an den Platindrähten herrühren, welche durch den entstandenen
Strom hervorgerufen waren. Um diese Vermuthung zu prüfen, stellte er
Cetten aus den Stoffen zusammen, in welche sich die benutzten Flüssigkeiten
>ei der Elektrolyse spalten, und fand in der That, dass jedesmal die Strom-
"ichtung einer so hergestellten Kette mit der übereinstimmte, welche die
Polarisation gegeben hatte. Auch gelang es ihm, durch die Anwendung
wn Reagenspapieren die entstandene Säure und Basis nachzuweisen.
1 Pogg. Ann. 46, 585. 1839.
* Was den dritten Fall anlangt, so hat Henrici einen eigenthümlichen positiven Ladungs-
äckstand in der Flüssigkeit mittelst des Elektroskops beobachtet, dessen Aufklärung ihm nicht
elungen ist. Er giebt an, dass erst eine wiederholte Berührung der Flüssigkeit die Entladung
ollständig gemacht habe. Auf das Galvanometer hatte diese Ladung keinen Einfluss.
8 Pogg. Ann. 47, 431. 1839.
668 Vierzehntes Kapitel.
36. Die chemische Theorie der Polarisation. Kurze Zeit nach
jener ersten Abhandlung veröffentlichte Schönbein eine zweite,1 welche einen
wesentlichen Fortschritt jener gegenüber enthielt, da sie die chemische Ur-
sache der Erscheinung durch eine Anzahl sehr anschaulicher Versuche ausser
Zweifel setzte. Diese Versuche werden von ihm selbst folgendennaassen
kurz zusammengefasst:
„Werden Platindrähte, welche kürzere oder längere Zeit ... als Elek-
troden gedient haben, in einer Weingeistflamme bis zum Rothglühen erhitzt^
so verlieren sie hierdurch ihr elektromotorisches Vermögen. . . .
„Wird ein positiv polarisirter Platindraht auf einen Augenblick in eine
Chlor- oder Bromatmosphäre gebracht, so erscheint dessen elektromotorische
Kraft völlig vernichtet.
„Wird ein positiv polarisirter Platmdraht in eine Atmosphäre von Sauer-
stoff gestellt, so verliert er ebenfalls seine Polarität; damit aber diese Wirkung
eintrete, ist nöthig, dass der Draht etwas länger in dem Gase verweile als
im Chlor.
„Ein negativ polarisirter Platindraht verliert seine elektromotorische
Kraft, wenn man ihn einige Sekunden lang in einer Atmosphäre von Wasser-
stoff stehen lässt.
„Ein Platindraht, sei er positiv oder negativ polarisirt, scheint in seiner
elektromotorischen Beschaffenheit keine Veränderung zu erleiden, wenn er
in die Atmosphäre einer Luftart gebracht wird, welche weder auf den Wasser-
stoff, noch auf den Sauerstoff bei Anwesenheit von Platin wirkt
„Wird ein Platindraht nur auf wenige Sekunden in Wasserstoffgas ge-
taucht, so erlangt er alle Eigenschaften eines positiv polarisirten Drahtes, j
„Gold- und Silberdrähte erlangen kein elektromotorisches Vermögen,
wenn man sie in Wasserstoffgas bringt.
„Ein Platindraht, in Sauerstoff gebracht, wird nicht negativ polarisirt,
ebensowenig Gold und Silber.
„Platin, Gold und Silber, nur auf wenige Augenblicke in gasförmiges
Chlor gebracht, nehmen die elektromotorische Beschaffenheit eines elektro-
negativ polarisirten Drahtes an. Bromgas übt die gleiche Wirkung auf die
genannten Metalle aus.
„Wird Wasser (durch etwas Schwefelsäure leitender gemacht) mit Wasser-
stoffgas geschüttelt, diese Flüssigkeit in eine unten mit Blase verbundene
Glasröhre gebracht, letztere in ein gläsernes Gefäss gestellt, das ebenfalls
gesäuertes aber wasserstofffreies Wasser enthält, und verbindet man beide
Flüssigkeiten mit dem Galvanometer durch Platindrähte, so erhält man einen
Strom, der von der Wasserstofflösung zur anderen Flüssigkeit geht El
verhält sich erstere zur letzteren, wie Zink zu Kupfer, oder wie positiv »
negativ; bestehen aber die beiden Verbindungsdrähte aus Gold oder Sflbefj
^ogg. Ann. 47, 101. 183g.
Die Entwicklung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 669
statt aus Platin, so liefern besagte Flüssigkeiten auch nicht den aller-
»wachsten Strom.
j^Wird der Versuch unter ganz denselben Umständen . . . angestellt,
r dass die eine Flüssigkeit Sauerstoff anstatt Wasserstoff enthält, so er-
t man keinen Strom, seien die Verbindungsdrähte aus Platin, Gold oder
„Führt man den Versuch unter den gleichen Umständen aus, und ent-
It die eine Flüssigkeit etwas Chlor oder Brom anstatt Wasserstoff aufgelöst,
verhält sich das chlorhaltige Wasser zu dem chlorfreien wie Kupfer zu
ik, mögen die Flüssigkeiten mit dem Galvanometer durch Platin-, Gold-
1er Silberdrähte verbunden sein.
„Setzt man der Wasserstofflösung eine gehörige Menge wässeriges Chlor
ler Brom zu, so verliert sie das angeführte elektromotorische Vermögen;
rd umgekehrt die Chlor- oder Bromlösung mit derjenigen des Wasser-
:>ffes in gehöriger Quantität versetzt, so verliert jene die erwähnte Eigen-
haft, einen Strom zu erregen.
„Behandelt man negativ polarisirte Salzsäure oder Bromwasserstoffsäure
it der gehörigen Menge Wasserstofflösung, so wird hierdurch der elektro-
otorische Charakter der Säure zerstört
„Lässt man durch schwefelsäurehaltiges Wasser (enthalten in einer Schen-
dröhre) den Strom einer Säule gehen, so liefert die Flüssigkeit nur in dem
alle einen secundären Strom, wenn dieselbe mittelst Platindrähte mit dem
ralvanometer in Verbindung gesetzt wird. Bei Anwendung von Gold- oder
ilberdrähten als Verbindungsmittel mit dem Multiplicator wird die Nadel
ieses Instrumentes auch nicht im mindesten afficirt.
„Stellt man den Versuch wie erwähnt an, nimmt aber statt schwefel-
äurehaltigen Wassers verdünnte Salzsäure, so erhält man von letzterer einen
ecundären Strom, seien die Verbindungsdrähte aus Platin, Gold oder
Silber."
Nach der Darlegung seiner Versuche geht Schönbein zu ihrer Erörterung
iber. Die meisten der beobachteten Thatsachen sprechen unzweideutig für
sine chemische Quelle der secundären Ströme. Die einzige Schwierigkeit
liegt in dem Umstände, dass in gewissen Fällen nur dann eine Wirkung zu
beobachten ist, wenn Platindrähte als Elektroden benutzt werden. Schönbein
sucht sich auf folgende Weise davon Rechenschaft zu geben. „Die An-
wesenheit des Platins bestimmt die Vereinigung des Wasserstoffes mit dem
Sauerstoff, welche Elemente sich in beiden bei dem Versuche dienenden Flüs-
sigkeiten aufgelöst befinden. (Ich muss hier beiläufig bemerken, dass das
gebrauchte Wasser nicht ausgekochtes war, also Luft, d. h. Sauerstoff, auf-
gelöst enthielt) Diese chemische Aktion veranlasst Störung des elektrischen
Gleichgewichts und es muss, bekannten Gesetzen gemäss, der in Oxydation
begriffene Körper (in diesem Falle also die Wasserstofflösung) sich positiv
verhalten. Gold und Siiber besitzen bekanntlich die Eigenschaft nicht, die
chemische Vereinigung des Sauerstoffes mit dem Wasserstoff zu bewerk-
67 O Vierzehntes Kapitel.
stelligen; und eben in diesem Mangel des Vermögens liegt es begründet,
dass die genannten Metalle, wenn sie. als Schliessungsmittel gebraucht werden,
in der erwähnten Flüssigkeit keinen Strom zu erregen im Stande sind."
In dieser Erklärung ist richtiges und falsches durch einander gemengt
Allerdings hängt die Möglichkeit der Strombildung mit der Fähigkeit des
Platins, die Verbindung der Gase zu befördern, zusammen; aber diese Fähig-
keit ist selbst nur ein Ausdruck der Fähigkeit des Platins, die Gase, insbe-
sondere den Wasserstoff in merklicher Menge zu absorbiren, und sie auf
diese Weise dem elektrochemischen Vorgange zugänglich zu machen. Schök-
bein theilt hier mit allen seinen Zeitgenossen und noch vielen Nachfolgenden
den Irrthum, dass es genüge, nur in einer Flüssigkeit, die mit den Elek-
troden in Berührung steht, irgend eine chemische Wirkung hervorzubringen,
um auch einen entsprechenden Strom zu haben. Schon die strenge An-
wendung des FARADAY'schen Gesetzes würde einen solchen Irrthum un-
möglich machen müssen, indessen war und ist er so weit verbreitet, dass
Schönbein in seiner Voraussetzung überhaupt keine der Untersuchung be-
dürftige Annahme, sondern eine wissenschaftliche Wahrheit sah, über welche
weiter zu reden nicht nöthig ist.
Thatsächlich liegt die Sache so, dass jeder chemische Vorgang, welcher
in der Flüssigkeit ohne Betheiligung des elektrischen Stromes, der von den
Elektroden ausgeht, stattfindet, keinen Beitrag zu diesem Strome liefern kann.
Es sind also nur die durch den Strom vermittelten indirekten, nicht die
unmittelbaren Vorgänge, welche in Betracht zu ziehen sind; dass das Wasser-
stoff- und sauerstoffhaltige Wasser durch Vermittelung der Platinelelctroden
einen Strom gab, liegt nicht an dem Antheil Wasserstoff, welcher auf der
einen Seite durch die Hülfe des Platins sich mit etwa vorhandenem Sauer-
stoff verbindet (denn wenn auch auf dieser Seite gar kein aufgelöster Sauer-
stoff vorhanden ist, findet der Strom statt), sondern der Sauerstoff der einen
Seite geht gleichzeitig mit dem Wasserstoff der anderen unter Vermittelung
des elektrischen Stromes in den Zustand des Wassers über, indem gleich-
zeitig die leitenden Ionen des zwischengeschalteten Elektrolyts durch ihre
Bewegung den chemischen Vorgang vermitteln. Die genauere Beschreibung
dieser Erscheinungen wird erst viel später gegeben werden können; hier
handelte es sich wieder nur darum, der Festsetzung einer irrigen Anschauung
zuvorzukommen.
Durch den Umstand, dass Schönbein in der gebräuchlichen unrichtigen
Vorstellung über die Art, wie der chemische Vorgang den elektrischen be-
dingt, befangen war, wurde er zu ziemlich seltsamen Hypothesen genöthigt,
um zu erklären, wie die chemische Verwandtschaft des an der einen Elek-
trode befindlichen Sauerstoffs zu dem weit entfernten, an der anderen Elek-
trode befindlichen Wasserstoff überhaupt thätig sein könne; wir brauchen
ihm in seine Vermuthungen über die mögliche Bildung eines Wasserstofr
suboxyds aus Wasserstoff und Wasser nicht zu folgen.
Viel bedeutungsvoller sind die Betrachtungen Schönbein's über die Pöla-
i
Die Entwicklung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 671
tion durch sehr schwache Ströme. Wenn die durch gewöhnliche Ströme
wirkte Polarisation sich ab rein chemischer Natur erwiesen hat, so er-
eint es nicht zulässige die ganz ähnlichen durch schwache Ströme be-
iden Erscheinungen einer anderen Ursache zuzuschreiben. Dadurch wurde
genöthigt, auch in dem letzteren Falle das Stattfinden einer chemischen
setzung anzunehmen, und die von Faraday zugegebene Möglichkeit, dass
wache Ströme durch Elektrolyte ohne Zersetzung gehen können, zu
gnen. Dies war ein ungemein wichtiger Schluss, der grossen Einfluss auf
Entwickelung der ganzen Frage gehabt hat.
Schönbein fasst die allgemeinen Ergebnisse seiner Versuche in folgende
r Leitsätze zusammen, welche in der That einen bedeutenden Fortschritt
der Erkenntniss des Wesens der Polarisation darstellen:
„i. Es giebt keine eigentliche VoLTA'sche Polarisation1 weder der festen,
:h der flüssigen Leiter, und alle seeundären Ströme, welche durch soge-
inte polarisirte Körper erregt werden, haben ihre Quelle in einer gewöhn-
len chemischen Aktion, die entweder in der Vereinigung von Stoffen,
er in der Zersetzung einer chemischen Verbindung besteht.
„2. Die Ansicht Faraday's und anderer Physiker ist irrig, gemäss welcher
rch Elektrolyte sehr schwache elektrische Ströme gehen können, ohne
ss jene eine Zersetzung erleiden.
„3. Bei Elektrolyten ist Stromleitung und Elektrolysation eine und die-
be Sache.
„4. Das beste und sicherste Kennzeichen, an welchem das Stattgefunden-
ben einer Elektrolysation erkannt wird, ist der sogenannte polarisirte Zu-
ind der Leiter."
Alle diese Sätze sind nicht nur richtig, sondern auch wichtig; insbe-
ndere ist das im vierten Satze ausgedrückte Hülfsmittel zur Erkennung der
lelctroryse von der vielfaltigsten Anwendung geworden, und hat mehrfach
1 wichtigen Entscheidungen geführt.
Schönbein beschliesst seine Abhandlung mit einer Polemik gegen Pfaff,
st sich gegen einige früher von ihm geäusserte Ansichten ausgesprochen
atte. Wenn es sich auch wieder um die gewöhnlichen, immer wieder hin
nd her gewendeten Argumente handelt, so ist doch der von Pfaff erhobene
inwand bemerkenswert!!, dass die Existenz von Thermo- und magnetelek-
ischen Strömen gegen die chemische Theorie zeuge. Schönbein protestirt
lit Recht dagegen. „Weil durch Reibung und andere mechanische2 Mittel
Värme erzeugt werden kann, dürfen wir etwa aus dieser Thatsache schliessen,
lass auf chemischem Wege keine Wärme erregt werde? Keinem Physiker
1 Schönbein versteht hier unter dem Worte Polarisation eine rein elektrische Ladung,
lie unabhängig von einer chemischen Zustandsänderung ist. Gegenwärtig ist das Wort in dem
%meinen Sinne im Gebrauch, dass es das Vorhandensein einer durch den Stromdurchgang
*Üngten elektromotorischen Gegenkraft ganz ohne Rücksicht auf deren nähere Beschaffenheit
^ Ausdruck bringt
2 Im Original steht durch ein Versehen „chemische".
672 Vierzehntes Kapitel.
ist bis jetzt so etwas zu sagen * in den Sinn gekommen. Wenn nun 2
allgemein angenommen wird, dass Wärme, wie auch Licht, durch sehr '
schiedene Mittel, namentlich auch durch Chemismus entbunden werden köi
warum sollte dies nicht auch mit der Elektricität der Fall sein? Der gros
Beachtung der Physiker scheint mir gerade der Umstand werth zu sein, <
nicht selten die Ursache, welche Wärme erregt, auch Licht hervorbringt
Elektricität entbindet."
Wir haben hier eine der um jene Zeit so zahlreichen Vorahnungen
Energieprinzipes vor uns, und damit wieder ein Beispiel, wie nahe oft
Forscher an den grössten Wahrheiten vorübergeht, ohne sie genauer
Auge zu fassen. Solche Fälle zeigen uns am deutlichsten, wie „geheimn
voll offenbar" uns die Natur gegenübertritt!
Von gleicher Beschaffenheit, wie der hier von Schönbein erledigte E
wand war ein anderer, welchen Poggendorff erhob.1 In einer Erörten
über die Bedeutung des FARADAv'schen Gesetzes für die chemische The<
des Galvanismus stellt er in Abrede, dass dieses eine Stütze der chemiscl
Theorie sei, und erklärt die gegenteilige Meinung für übereilt „Wo
ein Grund, dass das Gesetz nicht bestehen könne, wenn der Strom
Säule von Contact der Metalle oder von irgend einer anderen, vom Cher
mus verschiedenen Ursache erzeugt würde? Wer hat gezeigt, dass das
wähnte Gesetz nur allein für den VoLTA'schen Strom gelte, nicht
elektrische Ströme aus irgend einer anderen Quelle?" Dem gegenüber 1*
freilich zu fragen: wer hat das behauptet?
Und nun beschreibt Poggendorff einen Versuch, welchen er selbst
überflüssig, weil unzweifelhaft, gehalten hat und welcher beweist, dass
Strom einer SAXTON^schen elektromagnetischen Maschine, welcher also si<
nicht chemischen Ursprunges war, ebenso beim Durchgang durch meh
hinter einander geschaltete Voltameter gleiche Wasserstoffmengen aus je<
entwickelt. Daraus schliesst er nun, „dass das Gesetz der festen eleV
lytischen Aktion kein ausschliessliches Eigenthum des VoLTA'schen Stro
ist, und dass es deshalb, ungeachtet seiner grossen Wichtigkeit in and
Beziehung, bei der Frage nach dem Ursprünge der VourA'schen Elektri
gar keine Bedeutung hat"
Poggendorff hat hierbei übersehen, dass gerade nach den Entdeckur
Volta's der Aufbau einer Kette ohne Mitwirkung eines Leiters zweiter Kl
nicht möglich ist; das Vorhandensein eines Stromkreises aus Leitern \x
Klassen ist aber auch die einzige Bedingung, die erfüllt sein muss, d
die Verhältnisse eintreten, unter denen sich das FARADAY,sche Gt
bethätigt. Somit ist allerdings kein Strom in einer VoLTA*schen K
ohne Mitwirkung der durch das Gesetz geregelten Verhältnisse mög
und die Bedeutung desselben für die Theorie der Kette erscheint utt
weichlich.
1 Pogg. Ann. 44, 642. 1838.
Die EntwickehiDg der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 673
37. Matteücci über Polarisation. Um die gleiche Zeit wie Schön-
rx war Matteücci1 zu einer ähnlichen Ansicht über die Natur der Polari-
tion gelangt, die er in folgenden Sätzen zusammenfasse
„i. Platinplatten, welche dazu gedient haben, den Strom einer Säule
irch Wasser zu leiten, und an denen die Gase Sauerstoff und Wasserstoff
:h entwickelt haben, bewahren über eine gewisse Zeit eine Schicht Gas.
„2. Jede Platinplatte, welche man in Wasserstoff- oder Sauerstoffgas
rtaucht hat, überzieht sich mit einer Schicht des Gases, und bewahrt diese
nige Zeit.
„3. Werden zwei Platten, von denen die eine mit Wasserstoff, die andere
it Sauerstoff bedeckt ist, gleichzeitig in Wasser oder in eine andere Flüssig-
st getaucht, so entwickelt sich ein Strom, welcher in der Flüssigkeit vom
Wasserstoff nach dem Sauerstoff geht.
„4. Wird nur eine Platte auf diese Weise mit Gas präparirt und mit
*r anderen in die Flüssigkeit getaucht, so giebt sie einen Strom in dem
inne, wie wenn man gleichzeitig die beiden Platten gebraucht hätte."
Die ausführliche Abhandlung habe ich nicht ausfindig zu machen ver-
locht.
38. Die Polarisation in der Contacttheorie. Während auf diese
Veise die Anhänger der chemischen Theorie sich ohne erhebliche Schwierig-
eren und Widersprüche mit den Vorgängen der galvanischen Polarisation
bzufinden wussten, bestand im Lager der Contacttheoretiker eine grosse
Schwierigkeit, welche auf dem eigentlichen Boden dieses Anschauungskreises,
ler formalen Theorie, erwachsen war. Im Sinne der OHM'schen Theorie
[ab es nämlich zwei Möglichkeiten, die Erscheinung der Stromschwächung
iurch Zwischenplatten und die ähnlichen Erscheinungen aufzufassen : es
rannte dies von einer Verminderung des Zählers in der Formel 1 = e\r. oder
ron einer Vergrösserung des Nenners darin herrühren, d. h. die Strom-
>chwächung konnte von einer neu entstandenen elektromotorischen Kraft
lerrühren, welche sich der ursprünglichen entgegensetzte und durch den
Strom hervorgerufen wurde, oder sie konnte daher stammen, dass sich der
Widerstand in Folge des Stromdurchganges vermehrt hatte. Beide An-
sichten hatten eifrige Vertreter gefunden, die erste in Ohm, die zweite in
Fechner (S. 424).
An diesem Problem zeigte sich zum ersten Male, dass es unter Um-
ständen recht schwierig ist, zwischen den Wirkungen einer elektromotorischen
Gegenkraft und der eines passiven Widerstandes zu unterscheiden, nament-
1 Comptes rendus 7, 741. 1838. Es befinden sich auf dieser Seite zwei Mittheilungen
von Becquerel über den Gegenstand; die erste enthält in kurzer Gestalt die Ergebnisse der
ästen Abhandlung Schönbein's über die Polarisation, die andere ist der Schluss einer von
Matteücci eingereichten Abhandlung, dessen Text oben gegeben ist Für die Erkenntniss,
d*ss Platinplatten durch die Behandlung mit Gasen in einen ähnlichen Zustand gebracht werden
können, wie durch Benutzung als Elektroden, scheint demnach die Priorität Matteücci zu
&bühren.
ütiwald, Elektrochemie. 43
6/4 Vierzehntes Kapitel.
lieh wenn, wie zu jener Zeit, nur das Galvanometer als Messhülfemittel zu
Gebote steht. Zwar einen Punkt mussten die Vertreter des Übergangswider-
standes, zu denen sich ausser Fechner bald Poggendorff gesellte, alsbald
zugeben, dass nämlich mindestens ein Theil der Stromschwächung von einer
entgegengerichteten elektromotorischen Kraft herrührt, denn es war nicht
schwierig, das Vorhandensein einer solchen nach der Öffnung des ursprüng-
lichen Stromes nachzuweisen, wie das seinerzeit schon Ritter gethan hatte
(S. 175). Es blieb somit nur noch die Frage übrig, ob neben der Gegen-
kraft noch ein Ubergangswiderstand vorhanden sei, und diese Frage wurde
von Poggendorff zunächst mit grossem Eifer bejaht.1 Auf der anderen
Seite hatte Ohm2 schon längst gezeigt, dass die von Fechner ausgeführten
Rechnungen keineswegs das Vorhandensein eines solchen Widerstandes be-
weisen, sondern dass seine Beobachtungen sich ebenso gut durch die An-
nahme einer mit der Stromstärke proportional wachsenden Polarisation oder
elektromotorischen Gegenkraft deuten lassen, und daher der Einfachheit wegen
so zu deuten sind. Fechner hat dagegen8 einige Einwendungen geltend
gemacht, welche ihm die Annahme eines Ubergangswiderstandes als die
natürlichere erscheinen Hessen, indessen war doch ein bündiger Beweis auf
diesem Wege unmöglich, da geeignete Annahmen über die Grösse der elek-
tromotorischen Gegenkraft oder des Ubergangswiderstandes immer die that-
sächlichen Erscheinungen darzustellen gestatten, und unabhängige Messungen
einer der in Betracht kommenden Grösse, der Polarisation oder des etwaigen
Übergangswiderstandes, nicht auszuführen waren.
39. Wechselströme. Ein von diesen Schwierigkeiten freies Argument
wurde erst von dem holländischen Physiker Vorsselmann4 de Heer in De-
venter beigebracht. Einige Zeit vorher hatte de la Rive das Verhalten der
von den eben erfundenen magnetelektrischen Maschinen gelieferten Ströme
studirt, welche ihre Richtung schnell hinter einander wechseln, und da-
durch manche Besonderheit zeigen. Eine dieser Besonderheiten, welche
de la Rive besonders aufgefallen war, bestand darin, dass Zwischenplatten
von Platin, welche auf gewöhnliche Ströme in bekannter Weise erheblich
schwächend wirken, auf die Wechselströme der Maschine ohne Einfluss waren.
Ist ein Übergangswiderstand vorhanden, so muss er für die vorwärts und
rückwärts gehenden Ströme in gleicher Weise vorhanden sein, und es ist
kein Grund einzusehen, warum ihn Wechselströme nicht zeigen sollen. Rührt
dagegen die Stromschwächung von einer elektromotorischen Gegenkraft her,
so wird durch die vom ersten Stromstoss herrührende Polarisation der zweite,
entgegengesetzt verlaufende verstärkt, und so fort, so dass schliesslich alle
Polarisation dem Strome wieder zu Gute kommt; eine Schwächung braucht
daher nicht einzutreten.
1 Pooo. Ann. 52, 497. 1841.
* Schweigger's Journ. f. Chemie und Physik 63, 385. 1831.
3 Schweigger's Journ. f. Chemie und Physik 67, 127. 1833.
4 Pogg. Ann. 49, 109. 1840.
Die Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 07 $
Poggbndorff erkannte die Beweisführung an, stellte aber die Thatsache,
welche sie gegründet war, in Abrede, denn nach seinen Versuchen wurde
ir der Übergangswiderstand bei Wechselströmen erheblich kleiner gefun-
i, war aber immerhin noch vorhanden.
Vorsselmann de Heer wies in einer Antwort1 darauf hin, dass de la
e ausdrücklich die Umstände angegeben habe, unter welchen der Ein-
>s der Zwischenplatten verschwindet, und die Poggendorrff nicht einge-
ten habe. Gegen die Bemerkung Poggendorff^s , dass, wenn auch die
Wesenheit der Polarisation erwiesen sei, die Abwesenheit des Übergangs-
lerstandes daraus nicht folge, erwidert Vorsselmann de Heer: „Die Be-
rkung ist vollkommen richtig. Aber dürfte man nicht mit mehr Recht
ii den Vertheidigern der FECHNER'schen Theorie den Beweis verlangen
nnen, dass die Polarisation nicht die alleinige Ursache der Erscheinungen
, noch sein könne, sondern dass man noth wendig ausser dieser noch
le andere Ursache aufsuchen müsse? Bevor man zwei verschiedene Ur-
:hen zur Erklärung einer und derselben Erscheinung annimmt, thut man
mer wohl, sich zu überzeugen, ob nicht eine einzige Ursache hinreiche,
ntia non sunt multiplicanda. Solch ein Beweis ist aber weder von
khner, noch von sonst jemand gegeben."
In einer Nachschrift zu diesem Aufsatze hält zwar Poggendorff seine
nsichten noch aufrecht, bemerkt aber gleichzeitig, dass ihm einige Zweifel
iran gekommen seien, ob wirklich bei seinen Versuchen die Polarisation
^mieden gewesen sei. Indem er es auch als wünsch enswerth bezeichnet,
)n dem Übergangswiderstand absehen zu dürfen, erklärt er doch noch
nige Thatsachen nicht anders verständlich. Es ist dies der Anfang zu seiner
Jlligen Aufgabe dieser Annahme, welche etwas später erfolgte.
40. Messung der Polarisation. Inzwischen war auf dem Boden des
Haschen Gesetzes gleichfalls versucht worden, die Frage zu entscheiden,
var waren hier nur Wahrscheinlichkeitsgründe ausfindig zu machen, diese
ssen sich aber von so überzeugender Beschaffenheit beibringen, dass auch
er der Sieg der von Ohm vertretenen Auffassung blieb. Der Beweisgang
l hier in den quantitativen Verhältnissen der Polarisation. Wurden diese
r verschiedene Umstände festgestellt, so konnte die Frage entschieden
erden, welche von den beiden Auffassungen zu der einfacheren Formel
hrte, und wenn dies auch nicht unbedingt als ein Beweis für die Richtig-
st derselben geltend gemacht werden konnte, so war es doch ein erheb-
:hes Gewicht zu Gunsten ihrer Zweckmässigkeit, und hierin liegt ja der
esentlichste Werth einer wissenschaftlichen Ansicht.
Die ersten, welche sich mit der Aufgabe beschäftigt haben, die Grösse
^ Polarisation zu messen, sind Daniell und Wheatstone2 gewesen. Es
1 Pogg. Ann. 63, 31, 1841.
1 Philos. Trans. 1842. — Pogg. Ann. 60, 387. 1843.
43
•
ftnß Vierzehntes Kapitel.
1 Pogg. Ann. 69, 226. 1843.
E - p E
2 Die erste Annahme wird durch die Formel i = — — — » die zweite durch 1 « -r
W H'+j
ausgedrückt. Befreit man in der zweiten Gleichung durch eine einfache Umformung die rechte
E — ti . «^_
Seite von dem i, so erhält man 1 = — — — » was die Form der ersten Gleichung ist Dk «**
deutung der Buchstaben ist folgende : i = Stromstärke , E = elektromotorische Kraft, f m Fol*
risation, W — Widerstand, u =■ Obergangswiderstand.
war dies das erste Mal, dass die OHM'sche Theorie in England angewendet
worden ist, und jene Forscher sehen die Polarisation ohne weiteres als eine
elektromotorische Kraft an.
Daniell und Wheatstone hatten die Knallgasmengen bestimmt, welche
durch verschiedene Zusammenstellungen von constanten Elementen mit einem
Voltameter erhalten worden waren, wenn man den Strom jedesmal die gleiche
Zeit wirken Hess. Die erhaltenen Zahlen Hessen sich aus der OHM'schen Theorie
durch die folgende Formel A = (nE — e)j(nR + r) darstellen, in welcher A
die in der Zeiteinheit entwickelte Knallgasmenge, also die Stromstärke, E
die elektromotorische Kraft einer DANiELi/schen Zelle, R ihr innerer Wider-
stand, n die Anzahl der Zellen bedeutet; r ist der Widerstand des Volta-
meters und der Zuleitungen, und c ist die elektromotorische Gegenkraft der
Polarisation. Die gemachten Beobachtungen Hessen sich befriedigend unter
der Annahme darstellen, dass die Polarisation e = 2,49 E, also rund der
zweiundeinhalbfachen Werth der elektromotorischen Kraft des DANiEu/schen
Elementes, unabhängig von der Stromstärke, ist. Daraus wäre also zu
schliessen, dass die Polarisation als eine Constante, wenigstens bei derselben
Flüssigkeit, anzusehen ist.
Zu dem gleichen Ergebnisse1 kam auch Lenz in einer Arbeit über die
Gesetze der Wärmeentwickelung durch den Strom, welche ihn zu der Wieder-
entdeckung eines wichtigen Gesetzes führte, mit dem wir uns später zu be-
schäftigen haben werden. Diesen Arbeiten schickte Lenz eine äusserst sorg-
fältige Voruntersuchung über die Mittel der Strommessung voraus, und bei
dieser Gelegenheit musste er das Verhalten eines Voltameters im Stromkreise
untersuchen. Hierbei ergab sich, dass die Beobachtungen sich durch die
Annahme einer constanten, d. h. von der Stromstärke unabhängigen Polari-
sation innerhalb der Versuchsfehler darstellen Hessen; der Werth derselben
betrug 2,9 Daniell.
Gleichzeitig spricht sich Lenz über die Frage aus, ob man einen Über-
gangswiderstand oder eine Polarisation annehmen müsse. Formell kann man
beides, denn ob man in der OHM'schen Formel einen der Stromstärke um-
gekehrt proportionalen Widerstand oder eine von der Stromstärke unab-
hängige Polarisation annimmt, fuhrt rechnerisch zu genau denselben Re-
sultaten.2 Doch entschied sich Lenz für die Verwerfung des Übergang*
Widerstandes aus folgenden Gründen-. „Es ist consequent, für die Erklärung
Die Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. ßjj
er Erscheinung nicht zwei Ursachen anzunehmen, wenn man mit einer
su ausreicht; da nun eine Polarisation der Platten gewiss existirt, und die-
be ausreicht, um die Erscheinungen zu erklären, so ist es consequent,
als alleinige Ursache anzusehen.
„Der Charakter eines Widerstandes in den Erscheinungen des galvani-
len Stromes hat immer etwas passives; es ist diesem Charakter entgegen,
ss ein solcher Widerstand von der Stärke des Stromes abhängen soll,
d in der That finden wir solches auch nicht für feste Körper, noch für
ssige.
„Alle sonstigen Widerstände gegen den galvanischen Strom sind den
lerschnitten des Leiters umgekehrt proportional, sowohl bei festen, wie
i flüssigen Leitern; der Widerstand des Überganges würde auch hiervon
le Ausnahme machen."
Über die Grösse der Polarisation stellt Lenz nach seinen Versuchen
Igende Sätze auf:
„Die Polarisation an den Elektroden erfolgt augenblicklich in ihrer ganzen
ärke auf den Eintritt des Stromes.
„Sie ist unabhängig von der Stärke des Stromes.
„Sie ist unabhängig von der Grösse der Elektroden, wenn diese eine ge-
isse, für stärkere Ströme bedeutendere Grösse überschreitet.
„Sie hängt ab von der Natur der Elektroden und der mit ihnen in Be-
ihrung stehenden Flüssigkeit, nicht aber von der Concentration derselben
►ei der verdünnten Schwefelsäure)."
41. Poggendorff's Wippe. Gegen die Annahme einer von der Strom-
ärke unabhängigen Polarisation wendete sich Poggendorff in einer Arbeit, l
e ursprünglich zu ganz anderen Zwecken begonnen worden war. Zu jener
*it wurde die Frage, ob man mit einem einzigen Elemente Wasser zer-
tzen könne, mit einem gewissen Eifer bearbeitet, und nachdem de la Rive2
nen auf der Anwendung von Inductionsströmen beruhenden Apparat, eine
rt Transformator, hierzu angegeben hatte, machte Poggendorff3 eine Mit-
eilung über ein Verfahren, das auf der Anwendung der Polarisation be-
llte, und darin bestand, dass man eine Anzahl neben einander geschal-
ter4 Voltameter mit einer einzelnen GROVE'schen Kette verband, und
ichdem der Strom einige Augenblicke gedauert hatte, eine Verbindung
ir Voltameter hinter einander herstellte. Dadurch addirten sich die Span-
ingen der Voltameter, wie die der Plattenpaare der Säule, und man erhielt
ne entsprechend vervielfachte elektromotorische Kraft, welche die Polari-
1 Pogg. Ann. 61, 606. 1844. * Ann. chim. phys. 8, 36. 1843.
3 Pogg. Ann. 60, 568. 1843. — Ebenda 61, 586. 1844.
4 Neben einander geschaltet nennt man die Verbindung aller gleichartigen Elektroden,
iter einander die der ungleichartigen. Im ersten Falle gingen alle Drähte von den Kathoden
d alle von den Anoden der Voltameter zu den beiden Polen der Kette, im anderen war
mer eine Kathode mit der Anode des nächsten Voltameters verbunden.
6; 8
Vierzehntes Kapitel.
sation in einer eingeschalteten Zersetzungszelle nun leicht überwinden ko
während die benutzte GROVE'sche Kette dazu nicht im Stande ist
Um nun die erforderlichen Umschaltungen schnell herstellen zu köi
hatte Poggendorff seine Wippe construirt, welche diese Umschaltungen c
eine einfache Bewegung besorgte. Die Einrichtung wird aus den Figurer
und 178 klar; B B sind die Voltameter, welche durch Drähte mit dt
Fig. 177.
X ach IJ< »( . < . E X DORF F.
ein Brett AA gebohrten Quecksilbernäpfen verbunden sind. Über
Näpfe wird ein Brett (Fig. 178) gesetzt, welches um die Stifte bb
schaukelnde Bewegung ausführen kann, wobei die Enden der darauf
festigten Drähte rechts oder links in die Näpfe tauchen. Liegt das
mit der rechten Seite nach unten, so erkennt man, dass die Voltat
neben einander geschaltet sind, und sich in der Verbindung befinder
der sie geladen werden können. Wird dann das Brett, die Wippe,
links gelegt, so sind die Voltameter hinter einander geschaltet, und
elektromotorischen Kräfte addiren sich. Gleichzeitig tauchen in der re<
Lage die Drähte P und Z in zwei Näpfe, welche mit dem Platin und
der GROVE'schen Kette verbunden sind, während in der linken Lage ar
Stellen 0 und H die Ableitung des Stromes erfolgt. Wir lernen hiei
Typus einer Vorrichtung kennen, die seitdem in den mannigfaltigster
stalten in der Elektrik Anwendung gefunden hat.
Die wichtigste dieser Anwendungen ist für uns die zur Messung
Grösse der Polarisation. Um eine solche zu bewerkstelligen, braucht
nur zwischen 0 und H das entsprechende Messinstrument anzubringen
bei freilich dadurch eine Schwierigkeit entsteht, dass die elektromotoi
Kraft der Polarisation ausserordentlich veränderlich ist, und somit ein
fahren angewendet werden muss, welches auch veränderliche Kräfte zu m
gestattet. Ein solches hatte Poggendorff kurz vorher in seiner Cot
sationsmethode ausgebildet (S. 649), und die Wippe erlaubte, die Polarii
immer wieder herzustellen, wenn sie durch den Zeitverlust bei der erfc
liehen Einstellung sich abgeschwächt hatte.
Die Schaltung, welche die Messung nach dem Compensationsverf
gestattet, ist in Für. 1*0 angegeben, wobei '* «olarisirende Kette
Die Eotwicketung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energie prioiipes. 670
richzeitig zur Messung, d. h. zum Vergleich mit der elektromotorischen
■aft der Polarisation, die sich in OH entwickelt, dient. Durch den Ver-
geh mit der Fig. 178, welche die erforderliche Schaltung in dem einfach-
;n Falle angiebt, und die zugehörigen Darlegungen auf S. 678 wird man
:h leicht in der Fig. 179 zurechtfinden.
Poggendorff benutzte nun dies Hülfsmittel, um die verschiedenen Umstände
sündig zu machen, welche auf die elektromotorische Kraft der Polarisation
nfluss haben, und fand, dass diese in der That
hr veränderlich sich erwies. Zunächst hatte die
romstärke, sodann die Stromdichte (Stärke, divi-
rt durch die Plattengrösse) einen Einfluss, und
/ar nimmt die Polarisation mit beiden zu und ab.
ie Natur und Oberflächenbeschaffenheit der Platten
wies sich gleichfalls, wie bekannt, von grosser
;deutung; so wurde gefunden, dass platinirtes
lit galvanisch abgeschiedenem, fein zerthciltem
atin überzogenes) Platin sich viel schwächer po-
risirte, als blankes. Auch die Natur der Flüssig-
st ist von grösster Bedeutung. Atzkali gab eine
rössere Polarisation, ab Schwefelsäure und Sal-
etersäure, und Salzsäure eine noch kleinere. Die
emperatur wirkt derart, dass bei steigender Tem-
eratur die Polarisation abnimmt. .. , r'g' '79'
Nach POGGENDORFF.
42. Das Maximum der Polarisation. Etwa
m die Zeit dieser Arbeiten bildete sich auch die Vorstellung von den
Eigenschaften der Polarisation aus, welche seitdem eine sehr lange Zeit herr-
:hend geblieben ist, obwohl sie in einem wichtigen Punkte das Richtige
erfehlte. Den Ausdruck dieser Ansichten findet man bei Poggendorff, '
tr früher eine abweichende Annahme vertreten hatte, in folgenden Worten :
„Von dieser Intensität (Poggendorff bezeichnet mit diesem Worte nach
hm die Stromdichte, oder die Stromstärke, dividirt durch die Oberfläche der
lektrode) hängt die Polarisation in solcher Weise ab, dass sie anfangs rasch
it derselben steigt, darauf immer langsamer und langsamer, um sich
■ymptotisch einer Grenze zu nähern, über welche hinaus eine fernere Er-
)hung der Intensität keine oder nur eine sehr unmerkliche VergrÖsserung
1 Polarisation bedingt."
Von dieser Zeit ab lassen sich beständig wiederholte Bemühungen der
schied ensten Forscher nachweisen, dieses Maximum der Polarisation zu
essen, und fast jeder neue Arbeiter auf dem Felde hat sich genöthigt ge-
hen, die Ergebnisse seiner Vorgänger für falsch und unbrauchbar zu er-
ären. Die Ursache davon ist, dass ein Maximum der Polarisation unab-
ingig von der Stromdichte thatsächlich nicht besteht; die Polarisation wächst
1 pn<tG. Ann. 70, 178,
6gO Vierzehntes Kapitel.
vielmehr beständig mit dieser, und je nach dem Verfahren mussten demrari
die verschiedenen Forscher die verschiedensten Werthe erhalten.
Sehr anschaulich werden diese Verschiedenheiten durch einen von Pogcen-
dorff in derselben Abhandlung mitgetheilten Versuch, durch welchen sich
ergab, dass die Polarisation zwischen Platinplatten in hohem Maasse dadurch
beeinflusst ist, ob die Platten blank oder mit Platinschwarz überzogen sind
Im letzteren Falle ist die Polarisation um etwa ein Viertel geringer, als mit
blanken Platten; auch ändert sie sich viel weniger mit der Stromstärke und
erreicht schneller ihren endgültigen Werth.
Auch noch eine weitere Bemerkung in dieser Arbeit hat einen länger
dauernden Einfluss geübt. Schon aus seinen früheren Versuchen mit der
Wippe hatte Pocgendokff den Schluss gezogen, dass die Polarisation sich
auf beide Platten gleich vertheilt, so dass gegen eine „neutrale" Platte die
Wasserstoffplatte ebenso stark positiv, wie die Sauerstoffplatte negativ er-
scheint, und an platinirten Platten fand er dies bestätigt Doch kann dies
nur eine annähernde Bestimmung sein, da der elektrische Zustand einer
„neutralen" Platte kein bestimmter ist, sondern von manchen schwer zu
definirenden Umständen abhängt.
Die erste ausgedehntere Arbeit über elektromotorische Kräfte und Pol»-
risation wurde dann von den Petersburgern Physikern Lenz und Sawilje»1
ausgeführt. Während diese den physikalischen Theil ihrer Untersuchung mit
aller für jene Zeit nur möglichen Sorgfalt ausführten, Hess der chemisch«
sehr viel zu wünschen übrig, indem sie unreine Stoffe und unbestimmte
Concentrationen anwendeten. Es ist dies ein Umstand, der auch in der
Folge nicht selten sich geltend gemacht hat; oft genug ist eine unverhahnisj-
mässig grosse Sorgfalt auf die Messung von Grössen verwendet worden,
deren Definition, soweit sie von der chemischen Beschaffenheit der ver-
wendeten Stoffe abhing, ausser allem Verhältniss schlechter war, als die
physikalische der augenblicklich gemessenen Grössen. Bei den Anhängern
der Contacttheorie ist eine derartige Vernachlässigung der chemischen Ver-
hältnisse zwar menschlich erklärlich, sie hat aber vielfach in nachweisbarem
Maasse den Fortschritt der Wissenschaft aufgehalten.
Lenz und Saweljew bemühten sich, ähnlich wie es vorher PMoBBUOM
gethan hatte, nicht nur die gesammte Kraft der beiden Elektroden platten
zu messen, sondern sie massen jede einzeln, wobei sie freilich eine bestimmte
Voraussetzung machen mussten, nämlich die, dass nur dort Polarisation
eintritt, wo Gasentwickelung vorhanden ist; wo kein Gas entsteht, ist nach
ihnen auch keine Polarisation vorhanden. Offenbar ist eine derartige An-
nahme einigermaassen willkürlich, und wohl gleichfalls aus der Abneigung
yeyen die chemische Theorie der Kette und daher gegen die Henicksieb-
tigung der chemischen Verhältnisse überhaupt entstanden. Gegenwärtig
wissen wir, dass die Annahme im Allgenieii
Die Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 68 1
>en die einzelnen Messungen dieser Arbeit keine Bedeutung erlangen
inen.
Dagegen fanden sie ein bestimmtes Gesetz auf, welches zur Berechnung
* elektromotorischen Kräfte beliebiger aus zwei Metallen in zwei Flüssig-
ten zusammengesetzter Ketten brauchbar ist, und zwar lautet dies dahin,
>s diese elektromotorischen Kräfte sich als Summen je zweier Glieder dar-
Uen lassen, welche nur von der Combination jedes Metalles mit seiner
issigkeit abhängig sind, dagegen nicht davon abhängen, welche derartige
mbinationen man mit einander verbindet. Misst man daher alle derartige
>mbinationen von Flüssigkeit und Metall gegen eine einzige solche, so er-
ben sich die elektromotorischen Kräfte aller möglichen Zusammenstellungen
rselben durch Subtraction der entsprechenden Werthe von einander.
So hatte Zink in Zinksulfat gegen Platin in Salpetersäure —4,29, Zink
Zinksulfat gegen Kupfer in Kupfersulfat —2,17 gegeben; der Unterschied
— 2,12. Die unmittelbare Messung von Kupfer in Kupfersulfat gegen
atin in Salpetersäure gab —2,01.
Über die Ursache dieses Gesetzes äussern sie sich nicht; man erhält
i offenbar als eine Folge der Annahme, dass die elektromotorischen Kräfte,
eiche zwischen den verschiedenen Flüssigkeiten vorhanden sind, von ver-
bindend kleiner Grösse den anderen gegenüber sind.
In ähnlicher Weise wie die elektromotorischen Kräfte der verschiedenen
Combinationen" wurden die der Polarisation bearbeitet, und auch hier Hess
ch ein gleiches Gesetz nachweisen; die Polarisation und die ursprüngliche
lektromotorische Kraft addiren sich einfach.
In einer Abhandlung, welche Poggendorff unmittelbar auf die eben
rwähnte folgen Hess, bemerkt er, dass auch er zu einem ähnlichen Ge-
rtz gelangt sei. Er hatte gefunden, dass gewisse Ketten, wenn sie von
Hnem Strome durchflössen werden, welcher ihrem eigenen Strome entgegen-
jerichtet ist, eine grössere elektromotorische Kraft aufweisen, als bei un-
mittelbarer Bethätigung, und sich dann überzeugt, dass diese grössere Kraft
die Summe ihrer eigenen Kraft und der Polarisation ist. Es spricht dies
Gesetz so aus, „dass die ursprüngliche elektromotorische Kraft einer Volta'-
schen Kette durch die Polarisation nicht geändert wird, so dass die Gegen-
kraft, mit welcher bei entgegengesetzter Schaltung zweier Ketten die schwächere
der stärkeren widerstrebt, einfach die Summe ihrer ursprünglichen Kraft und
der Polarisation ihrer beiden Platten ist."
43. Elektrolyse durch eine einfache Kette. Von verschiedenen
Forschern (S. 677) ist ein gewisses Gewicht auf die Thatsache gelegt worden,
dass man mit einer einfachen Kette keine sichtbare Wasserzersetzung hervor-
bringen könne. Während dies zwar in dem meist untersuchten Falle, dass
die Elektroden Platinplatten sind, seine Richtigkeit hat, sind schon aus den
älteren Zeiten des Galvanismus einzelne Thatsachen bekannt, dass unter An-
wendung von Elektroden aus anderen Metallen die Wasserzersetzung ganz
Wohl möglich ist.
(382 Vierzehntes Kapitel.
An eine derartige Beobachtung von Pfaff, l welche von diesem in sehr
ungenügender Weise unter Verletzung des OiWschen Gesetzes erklärt worden
war, knüpfte Henrici2 einige Erörterungen und Versuche an, welche be-
stätigen, dass Elektroden aus anderen Metallen als Platin im Allgemeinen
die Wasserzersetzung ermöglichten. Die Wirkungen waren sehr verschieden,
und die in einer Stunde mittelst eines einfachen Zink-Kupferpaares erhaltenen
Gasmengen waren für Platin =o, Silber =0,3, Kupfer = 12, Messing =19,
Stahl == 34, Zinn = 36, Zink = 72. Es nimmt also die Wasserstoffmenge in ;
dem Maasse zu, als das Metall oxydirbarer wird. Um zu sehen, welche ;
Elektrode die Wirkung zeigt, wendete er solche aus verschiedenen Metallen j
an, und fand, dass die Anode von oxydirbarem Metall sein muss; die Ka- j
thode übt keinen erheblichen Einfluss aus. j
Über die Ursache dieser Erscheinung, die er wiederholt unerwartet und
merkwürdig nennt, zerbricht sich Henrici auf einer ganzen Anzahl Seiten
der „Annalen" den Kopf, ohne auf irgend eine- plausible Erklärung zu ge-
langen. Er hilft sich schliesslich mit der Annahme, dass der Übergangs-
widerstand bei den oxydirbaren Metallen kleiner sei, als bei den anderen i
Bei dieser Gelegenheit gewinnt man einen Einblick über die Ursache der
Beliebtheit dieser willkürlichen Annahme bei den Anhängern der Contact-
theorie: sie enthob sie der Berücksichtigung der chemischen Vorgänge an
den Elektroden, indem sie dafür ebenso einen formalen Ausdruck setzte, wie
das bei der Contactkraft geschehen war. Insofern ist die Ansicht des Über-
gangswiderstandes so recht aus dem Geiste dieser Theorie geschaffen.
In einer etwas späteren Arbeit über den gleichen Gegenstand erntete
Schönbein3 die Früchte, welche auf diesem Boden so reichlich für die An-
hänger der chemischen Lehre zu holen waren. In unerschöpflichen Variationen
führte er den Satz experimentell durch, dass jedesmal die Wasserzersetzung
erreichbar ist, wenn man eine Elektrode so herstellt, dass der an ihr iu
erwartende Bestand theil des Wassers sich dort mit irgend etwas anderem
verbinden kann, wozu er Verwandtschaft hat. Als Typus aller dieser Ver-
suche sei der erste wiedergegeben:
„Zwei Platinstreifen wurden auf die bekannte (elektrochemische) Weise
mit Bleihyperoxyd oder Silberhyperoxyd überzogen und auf das Sorgfältigste
mit reinem Wasser abgespült. Liess ich nun dieselben als Elektroden der
fraglichen Kette (es war eine GROVE'sche Kette mit passivem Eisen an Stelle
des Platins) in reines Wasser eintauchen, so trat an der positiven Elektrode
eine sehr merkliche Entwickelung von Sauerstoffgas ein. Wurde das Wasser
mit einigen Tropfen Salpetersäure versetzt, so fiel die Gasentwickelung an
der positiven Elektrode noch viel lebhafter aus, und dauerte dieselbe so lange
an, bis jede Spur von Hyperoxyd an der negativen Elektrode verschwunden *
war. Mit dem Verschwinden des letzten Theilchens jener Substanz borte
1 Pogg. Ann. 49, 461. 1840. * Pogg. Ann. 52, 387. 1841.
8 Pogg. Ann. 67. 35. 1842.
j
Die Entwicklung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 58 3
die wahrnehmbare Zersetzung des Wassers auf. Es ist kaum nöthig
zufügen, dass die Elektrolyse dieser Flüssigkeit ganz unmerklich aus-
wenn reine Platinelektroden in das reine oder gesäuerte Wasser ein-
len, oder wenn nur die positive Elektrode eine Hülle von Hyperoxyd
Ob beide Platinelektroden mit Hyperoxyd überzogen waren, oder nur
legative allein, schien auf die Lebhaftigkeit der Wasserzersetzung keinen
liehen Einfluss auszuüben/'
Auf gleiche Weise Hess sich eine Entwickelung von Wasserstoff erreichen,
l die Anode aus oxydirbaren Stoffen hergestellt oder von solchen um-
n war. Daraus ergiebt sich der allgemeine Schluss, dass die Wasser-
tzung durch die einfache Kette dann eintritt, wenn durch eine auf
einen oder anderen Seite wirkende chemische Verwandtschaft die zer-
nde Wirkung des Stromes unterstützt wird: gewiss eine schöne Bestä-
ig der von Faraday ausgesprochenen Ansichten über die Wechselbeziehung
:hen den in der Kette befriedigten und den in der Zersetzungszelle ge-
lten Verwandtschaften. Schönbein setzt diese Verhältnisse mit bemerkens-
her Klarheit auseinander.
„Setzen wir nun den Fall, dass in der Zersetzungszelle der einfachen
e sich reines Wasser befinde, und die in diese Flüssigkeit eintauchenden
:troden Platin- oder Goldstreifen seien. Im allerersten Augenblicke schon,
der Strom der Kette durch die Zersetzungszelle geht, wird eine gewisse
ige Wassers zersetzt, und der daraus abgeschiedene Sauerstoff auf die
tive Elektrode, der Wasserstoff auf die negative Elektrode abgesetzt
den. Die unmittelbare Folge hiervon wird sein, dass jene Elektrode
ative Polarität, diese positive erlangt, und zwar wird der Grad dieser
mtäten im Verhältniss stehen zu der Menge des im ersten Augenblicke
der Strömung zersetzten Wassers oder zu der Grösse des anfänglichen
)mes. Im zweiten Augenblicke sucht die Kette einen Strom durch die
setzungszelle zu schicken, ebenso gross, als derjenige war, welcher im
ten Augenblicke durch die Zersetzungszelle ging. Allein dieser Strom,
zweiten Augenblicke erzeugt, wird nicht so gross sein können, als es der
om des ersten Augenblickes war; denn die Polarität der Elektroden ruft
zweiten Moment einen seeundären Strom hervor, der dem von der Kette
ichzeitig erregten entgegengesetzt ist. Es muss daher der letztere um
: Grösse des seeundären Stromes vermindert werden. Würde nun diese
össe gleich sein der Grösse des primären Stromes, welchen die Kette im
eiten Augenblicke hervorruft, so könnte in diesem zweiten Momente gar
ine Elektrolyse mehr stattfinden, d. h. müsste der Secundäre Strom dem
imären gerade das Gleichgewicht halten. Gestatten es nun die Umstände,
ss das ganze Quantum der im ersten Augenblicke der Strömung ausge-
hiedenen Ionen des Wassers an den Elektroden haftete, so würde vielleicht
t durch die Polarisation im zweiten Augenblicke hervorgerufene seeundäre
rom die Stärke des in derselben Zeit durch die Kette erregten primitiven
romes erreichen. Da aber das die Elektrode umgebende Wasser durch
684 Vierzehntes Kapitel.
sein Auflösungsvermögen einen Theil der Ionen von den Elektroden sofort
entfern t, so kann ein solches Stromgleichgewicht nicht eintreten, und rauss v
der Strom der Kette in den ersten Momenten ihrer Thätigkeit den durch i
die Elektroden erregten Gegenstrom überwinden. Dieses Übergewicht wird ;
aber so unbedeutend sein, dass dadurch keine wahrnehmbare Elektrolyse des :
Wassers wird bewerkstelligt werden können. i
„Umhüllen wir aber die. negative Elektrode mit einer Materie, welche
sich mit dem nascirenden Wasserstoffe chemisch verbindet, d. h. schaffen
wir den Wasserstoff, der in Folge der Stromthätigkeit an der negativen
Elektrode auftritt, in dem Augenblicke seines Auftretens daselbst fort, so
wird dadurch die positive Polarisation der Elektrode verhindert, somit die
Grösse des seeundären Stromes vermindert, damit aber auch die Intensität
des primären Stromes gesteigert, und eben dadurch die Elektrolyse des
Wassers befördert."
Diese Darlegung Hesse nichts zu wünschen übrig, wenn nicht Schön-
bein noch unter einem Mangel an Klarheit über die in Betracht kommende» I
elektrischen Grössen gelitten hätte. Er redet immer von Grösse oder Stärke 9
des Stromes, wo er von dessen Spannung reden sollte. Führt man diese 1
Verbesserung aus, so lässt sich seinen Darlegungen auch heute kaum etwas ,
hinzufügen.
Weiter stellt sich nun Schönbein die Frage, ob die erhebliche Steigerung
der Wirkung, wie sie z. B. im Gro Väschen Element stattfindet, nur von der
depolarisirenden Wirkung dieser Säure herrühre, und verneint sie auf Grund
von Überlegungen, welche alle Beachtung verdienen. Er legt dar, dass je
nach der Natur des depolarisirenden Stoffes die Aufnahme des an der Elek-
trode abgeschiedenen Gases mit verschiedener Stärke erfolgen muss, und
dass daher ein Stoff, welcher grössere Verwandtschaft zu diesem hat, auch
eine grössere Steigerung des Stromes bewirken muss. Indem er Betrach-
tungen in der Art der von Grotthuss eingeführten anstellt, nimmt er zunächst
durch die Wirkung der Elektroden eine Richtung der Molekeln an, derart,
dass sich die negativen der positiven Elektrode zuwenden, und umgekehrt
„Denken wir uns nun die Molekeln des Wassers in der Zersetzungszelle
auf die angegebene Weise geordnet, und nehmen wir an, es sei die negative
Elektrode dieser Zelle unmittelbar mit einer Substanz umgeben, welche
zum Wasserstoff eine grosse Verwandtschaft besitzt (z. B. Sauerstoff, Chlor,
Brom u. s. w.), so muss unter den angeführten Umständen eine derartige
Materie gegen den Wasserstoff der ihr benachbarten Wassermolekel eine
chemische Anziehung ausüben. Diese Anziehung ändert nothwendig <te
chemische Verhältniss ab, in welchem der Sauerstoff und Wasserstoff dff
fraglichen Wassermolekel zu einander stehen, d. h. vermindert die Stitfte
der Affinität dieser Elemente zu einander und gestattet eben deshalb de»
Sauerstoff des ersten (mit der negativen Elektrode in unmittelbarer Berührung
stehenden) Wassertheilchens, dass er eine grössere chemische Anziehungskraft
ausübt gegen das ihm 'dem Sauerstoffe) zugekehrte Wasserstoffatom <kf
Die Bntwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 685
ten Wassermolekel. Hierdurch wird in dieser letzteren Molekel ebenfalls
Schwächung der Affinität seiner Bestandteile verursacht, und die Affi-
des Sauerstoffs zu dem Wasserstoffatom der dritten Wassermolekel
*igert. Der veränderte Zustand der dritten Molekel fuhrt nothwendig
ähnliche Veränderung der vierten Molekel herbei u. s. w. Die Elemente
Wassermolekeln, welche sich zwischen den Elektroden befinden, er-
tn somit in ihren chemischen Verhältnissen zu einander die nämliche
inderung, welche in den Bestandteilen der ersten Wassermolekel ver-
cht wird durch den Einfluss der wasserstoffanziehenden Substanz, mit der
negative Elektrode umgeben ist. Alle Wasserstoffatome der zwischen
Elektroden liegenden Wassermolekeln erhalten daher unter den obwalten-
Umständen das Bestreben, gegen die negative Elektrode der Kette hin
zu bewegen, und da der Strom der letzteren die Wasserstoffatome in
gleichen Richtung zu bewegen sucht, so lässt sich leicht begreifen, wie
le Impulse, gleichzeitig wirkend, eine grössere Wirkung hervorbringen,
die, welche nur einer dieser Impulse zu verursachen vermag."
Wenn man von den molekularhypothetischen Ansichten, die in der vor-
tenden Darlegung eine viel zu breite Stelle einnehmen, und leicht durch
emeinere hypothesenfreie Betrachtungen ersetzt werden können, absieht,
kann man die ausgesprochenen Ansichten nur als sachgemäss und im
ne einer wirklich entwickelungsfahigen chemischen Theorie des Galvanis-
s gehalten ansehen. Auch heute würde man als Ursache der beobachteten
atsachen nur den Umstand bezeichnen können, dass der für das Zustande-
nmen des Stromes erforderliche chemische Vorgang verschiedene Arbeit
itet, je nach der Natur der entstehenden Produkte, und dass dem-
näss eine um so grössere Spannung durch ihn erzeugt wird, je grösser
i verfügbare chemische Arbeit ist. Die Frage, wie die* an der einen
*ktrode befindlichen Stoffe ihren Einfluss bis auf die andere Elektrode
lüber üben können, welche Schönbein durch seine molekulare Betrachtung
heben sucht, und welche im Grunde identisch mit der Frage ist, wie
t beiden Zersetzungsprodukte getrennt von einander an den beiden Elek-
)den erscheinen können, findet heute allerdings eine einfachere Antwort
der Erkenntniss von der Freiheit der Ionen im Elektrolyt, welche auch
lion vor der Einwirkung des Stromes vorhanden ist.
44. Die Gaskette. In einer etwas abweichenden und dadurch weit
fälligeren Form wurde der Versuch von Schönbein über die Strombildung
rch Wasserstoff und Sauerstoff (S. 668) in Berührung mit Platin durch
. R. Grove1 angestellt. Dieser hatte seit einiger Zeit, angeregt durch
lNiell's Entdeckung einer constanten Kette, über entsprechende Zusammen-
hängen mit einem Metall gearbeitet (S. 610), indem er abwechselnde
rtten von Metall und unglasirtem Porzellan in einen Trog kittete, und mit
rschiedenen Flüssigkeiten versuchte. Unter anderem benutzte er einen
1 Philos. Mag. 14, 129. .1839.
(336 Vierzehntes Kapitel.
derartigen Trog mit Platinplatten , und wurde dadurch zu dem folger
Versuch geführt:
„Zwei Streifen von Platin, 2 Zoll lang und 3/8 Zoll breit, aufrecht i
bei einander stehend, waren in dem Boden einer Glasglocke hermetisch c
angebracht Die heraustretenden Enden waren mit einem empfindlü
Galvanometer verbunden, das Glas wurde mit angesäuertem Wasser ge
und beide Platinstreifen dadurch vollständig gereinigt, dass sie zu posit
Elektroden einer VoLTA'schen Batterie gemacht wurden u. s. w. Nach
die Verbindung mit der Batterie unterbrochen war, wurde über jedem PI
streifen eine Glasröhre von 4/10 Zoll Durchmesser befestigt, eine mit Wa
stoff, die andere mit Sauerstoff gefüllt. Das angesäuerte Wasser reichte
zu einer bestimmten Marke, so dass etwa die Hälfte des Platins mit
Gase, die andere Hälfte mit dem Wasser in Berührung war. In dem Au
blicke, wo die Glasröhren soweit herabgelassen worden waren, dass ein 1
von der Oberfläche des Platins mit den Gasen in Berührung kam, w
die Nadel des Galvanometers abgelenkt, so dass sie mehr als halb hei
schwang; sie blieb bei 15 ° stehen, und das Platin mit dem Wasser
wirkte wie das Zink in der Kette. Wurden die Röhren so weit erho
dass die Streifen mit Wasser bedeckt waren, so ging die Nadel lang
auf Null zurück; in dem Augenblick aber, als die Röhren wieder ges
wurden, wurde die Nadel wieder abgelenkt; wurden die Röhren beziij
des Platins gewechselt, so fand die Ablenkung nach der entgegengeset
Seite statt.
„Die Wirkung war nach den ersten Minuten viel schwächer gewor
wurde aber einigermaassen hergestellt, wenn die Röhren so gehoben wur
dass die Oberfläche des Platins bespült war, und dann wieder gesenkt wur
Nach 24 Stunflen hatte sich das Wasser in der Röhre mit Wasserstoff
einen halben Zoll, und in der mit Sauerstoff um drei Achtelzoll gehoben
zwei anderen Röhren ohne Platin, welche dieselben Gase über derse
Flüssigkeit enthielten, war in der gleichen Zeit das Wrasser kaum merl
gestiegen; die Wirkung konnte daher nicht von einer Lösung herriil
Als die gleichen Platinplatten der Wirkung einer Umgebung von gew<
licher Luft, oder derselben Gase, z. B. beide Sauerstoff, oder beide Wai
stoff, ausgesetzt wurden, wurde das Galvanometer nicht beeinflusst.
wurde das Platin in dem Wasserstoff zu dem positiven, das in dem Sa
stoff zu dem negativen Pole eines einzigen VoLTA'schen Paares gems
das Wasser stieg jetzt mit einer Geschwindigkeit von 3/8 Zoll in der Sti
in der Wasserstoffröhre, und entsprechend in der Sauerstoffröhre; war
Platin nicht durch ein Metallpaar unterstützt, so wurde der Sauerstoff c
als nach seinem Verhältniss absörbirt. Ich hoffe dadurch, dass ich den
such mit einer Reihe Zellen anstelle, die Zersetzung des Wassers mit r
seiner Bildung zu bewerkstelligen."
Durch die gleichzeitige Erfindung seiner constanten Kette (S. 610)
Grove von der Verfolgung seines Versuches mit der Gaskette abgekomi
Die Eotwicketung der Elektrochemie
687
nahm ihn erst 1842 wieder auf,1 da ihn der damals gewagte Ausspruch,
er mittelst der Wasserbildung Wasser zu zersetzen hoffe, nachträglich
t überraschte. Indessen gelang dieser Versuch in der That, als er an-
llt wurde. „Ich Hess daher eine Reihe von 50 Paaren anfertigen, deren
ilt und Anordnung in Fig. 180 gegeben ist. Es bezeichnet darin ox die
Sauerstoff und hy die
Wasserstoff gefüllten
en, und die schwarzen
n in der Axe der
en die platinirten Pla-
eifen, die etwa ein
:elzolI breit waren. Es
!ar, dass die Flüssig-
bei Berührung des
ns sich durch capillare
ehung über die Ober-
e desselben ausbrei-
und somit der Gasab-
tion eine ausgedehnte
he darbot Die Bat-
wurde mit verdünnter Schwefelsäure von 1,2 speeifischem Gewicht ge-
n."
Grove beschreibt nun die verschiedenen Wirkungen der Säule, die mit
:n einer gewöhnlichen Kupfer-Zinksäule von ziemlicher Stärke überein-
mten; insbesondere wurden verschiedene Stoffe mit Leichtigkeit elektro-
ch zersetzt. Ferner versuchte er die Wirkung anderer Gase, fand sie
gleich Null; nur wenn Wasserstoff und Stickstoff verwendet wurden,
hte sich eine schwache Wirkung geltend, die Grove indessen dem nicht
•, au szuschli essenden Sauerstoff im Stickstoff zuschrieb. Während des
mdurchganges verschwanden die beiden Gase sehr nahe in dem Verhält-
;, in welchem sie Wasser bilden.
„Wie ist die Wirkung nach der Contacttheorie zu erklären? Ich hänge
;haus keiner Theorie an und habe mich beständig bemüht, mit dem Auge
Contacttheoristen auf die Erscheinungen der VoLTA'schen Elcktricität zu
iuen, aber ich kann sie in diesem Lichte nicht sehen. Wenn eine Wahr-
in der Contacttheorie ist, so verstehe ich sie entweder nicht, oder mein
st ist unbewusst voreingenommen. Wo ist der Contact in diesem Ver-
he, wenn nicht überall? Liegt er an den Berührungspunkten der Flüssig-
, des Gases und des Platins? Wenn dem so ist, findet dort die chemische
fkung statt, und da Contact immer für die chemische Wirkung nothwendig
so kann man allen Chemismus, oder nach der Theorie von einem uni-
sellen Plenum alle Naturerscheinungen auf den Contact zurückfuhren.
1 Philo«. M*£. 21, 4
1842. - Poe
184 3-
688 Vierzehntes Kapitel.
Contact mag nöthig sein; aber wie kann er in Beziehung stehen zu <
Ursache oder einer Kraft?"
Seine eigene Meinung über die Ursache der Kraft in seiner Gasl
äussert Grove zunächst ziemlich unbestimmt. Die wesentliche Ursache sei
ihm die kataly tische Kraft des Platins zu sein, welche die Verbindung
beiden Gase bewerkstellige. Wie aber die durch eine weite Flüssig!
schicht getrennten Gase auch unter Zuhülfenahme der kataly tischen 1
des Platins zur Verbindung gelangen, war das Räthsel, welches auch G
nicht zu lösen unternahm. Die Erscheinung war die genaue Umkeh
einer gewöhnlichen Elektrolyse; und die gleiche Schwierigkeit besteht
in dem entfernten Auftreten der beiden Gase an den Elektroden.
45. Theoretische Erörterungen über die Gaskette. An die t
setzung der Abhandlung Grove's in seinen Annalen knüpft Poggenih
der um diese Zeit das freiwillige Amt Pfaff*s, die VoLTA'sche Theorie
jeder Gelegenheit zu vertheidigen, übernommen hatte, einige Erörterun
„Zunächst möchte ich die Frage umkehren, möchte fragen: wie ist <
die Wirkung jener Batterie nach der chemischen Theorie zu erklären? D
eine Oxydation des vom Sauerstoff eingehüllten Platins? schwerlich; <
dann müssten ja die in diesem Gase stehenden Platten die zinkwerth
oder positiven Elemente sein, während gerade umgekehrt die vom Wa
stoff berührten Platten sich als solche erweisen. Oder durch die gegense
Verbindung der in den Röhren enthaltenen Gase, des Sauerstoffs und
Wasserstoffs? Doch auch wohl nicht, denn ohne Zweifel tritt der elektri
Strom unmittelbar im Moment des Schliessens der Kette ein, und folg
wenn man nur den Versuch darauf einrichten will, ehe ein Zusammentr
der durch die Flüssigkeit von beiden Gasen verschluckten Theilchen möj
ist. Oder will man vielleicht annehmen, die beiden Gase zersetzten die il
zunächst liegenden Wassertheilchen derart, dass der Sauerstoff, sich
Wasserstoff verbindend, den Sauerstoff, und der Wasserstoff, sich mit &
stoff verbindend, den Wasserstoff antriebe, und so fort. Das wäre denn »
eine zu unwahrscheinliche, wenn nicht gar widersinnige Hypothese. W<
Erklärungsgründe bleiben sonach der sogenannten chemischen Theorie ü
Ich sehe durchaus keine! Wie mir scheint, kann die Unnahbarkeit
Unzulänglichkeit dieser Theorie nicht einleuchtender dargethan werden
gerade durch die zuvor beschriebene Batterie."
Was nun die Erklärung nach der Contacttheorie anlangt, so i
Poggendorff, wie zu erwarten, keine Schwierigkeit Durch die Berüi
mit den Gasen werden die Metalle an ihrer Oberfläche verändert, „gleic
mit einer Schicht eines anderen Metalles überzogen," und daher rührt
der Strom. Poggendorff bestreitet, dass dies eine willkürliche Annahm«
es sei dies im Gegentheil durch vielfältige Versuche erwiesen.
Dies ist offenbar ein Zirkelschluss; denn diese Veränderungen 1
durch den Einfluss anderer Stoffe ein, und erweisen sich mit den mögl
chemischen Vorgängen im engsten Zusammenhange. Es zeigt sich w
Die Entwicklung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 680
die Contacttheorie zwar mit einer formalen „Erklärung" stets bei der
ld ist, jedesmal aber auch auf die vertiefte Betrachtung der Erscheinung
h der causalen Seite verzichtet.
Gegen den Standpunkt von Pfaff macht sich ein Fortschritt bei Poggen-
ff geltend, indem dieser doch zu modern denkt, um sich zu der Annahme
zr unerschöpflichen Ursache, eines Perpetuum mobile zu entschliessen.
enn Volta und seine Vertheidiger vom Contact in diesem Sinne sprechen,
kann es ihnen wohl niemals eingefallen sein, den Contact an sich dabei
inen zu wollen, sondern eine in oder bei dem Contact auftretende Kraft;
l dass es solche Kräfte giebt, die bis jetzt noch nicht mit Sicherheit auf
chemischen Verwandtschaften zurückgeführt werden können, sehen wir
eben an der Capillarkraft, einer Kraft, die an Mächtigkeit keineswegs der
yanischen nachsteht." Hier hätte nur Poggendorff die Analogie noch
wenig weiter fuhren müssen: ebensowenig, wie die Capillarität ununter-
chen einen Strom von Wasser in Bewegung zu setzen vermag, würde
e ihr analoge Contactkraft einen elektrischen Strom zu Stande bringen
inen.
Poggendorff schliesst hier mit den bekannten Worten: dass die Contact-
orie nicht widerlegt und die chemische Theorie nicht erwiesen ist. „Allen
herigen Beweisen für die letztere Theorie gehen Maass und Zahl, die
hren Grundlagen der exacten Naturforschung, ab, und so lange sie fehlen,
lange andererseits nicht die chemischen Verwandschaftskräfte auf dieselben
undlagen zurückgeführt sind, so lange dürfen auch die letzteren nicht un-
lingt als Ursache des Galvanismus angesehen werden."
Mit den letzten Worten hat Poggendorff den entscheidenden Punkt be-
chnet, in welchem es der chemischen Theorie noch fehlte. Es hat aller-
igs noch fast ein halbes Jahrhundert gedauert, bis diese Forderung hat
ullt und die chemische Theorie des Galvanismus auf eine feste Grundlage
stellt werden können.
In einer Abhandlung über die „Sauer-Wasserstoffsäule" versuchte auch
hönbein1 sich von dem Standpunkte seiner chemischen Theorie mit den
scheinungen auseinanderzusetzen. Die grosse Schwierigkeit, welche das
.»rständniss auch den Anhängern der chemischen Theorie bot, kann nicht
sser veranschaulicht werden, als durch den Umstand, dass dieser Forscher,
i dem wir so manche aufklärende Bemerkung über eben diese Fragen
tben rühmen können, das Richtige weit verfehlte. Indem Schönbein ebenso
ie Grove die katalytischen Eigenschaften des Platins als wesentlich für das
jstandekommen des Stromes ansah, glaubte er die erforderliche chemische
Wirkung in der Bildung eines Wasserstoffsuboxydes aus Wasserstoff und
asser sehen zu müssen. Gegen die Ansicht von Grove, dass die Ver-
indung der beiden Gase den Strom bedinge, macht er ungefähr dieselben
inwände geltend, welche wir eben von Poggendorff gehört haben, und wir
1 Pogg. Ann. 68, 361. 1843.
Ostwald, Elektrochemie. 44
6go
Vierzehntes Kapitel.
haben das wunderliche Schauspiel, Freund und Gegner der themisc
Theorie einträchtig gegen eine Auffassung des Vorganges kämpfen zu sei
welche gerade den Blick fast gewaltsam auf die wesentliche Bedingung
Stromerzeugung durch chemische Wirkung, die Trennung der Reaktiot
Nach Grove.
Fig.
zwei räumlich verschiedene Phasen, hinlenkt. Wie weit damals Schösbdm «
dieser Erkenntniss entfernt gewesen ist, der er sich zu anderen Zeiten wie
ziemlich genähert hatte (S. 684), geht aus einem Versuche hervor, weichet
Beweis dafür dienen soll, dass die Verbindung von Sauerstoff und Wassers
nicht die Ursache des Stromes ist Schöm
brachte in die Röhre, welche den Wasser
enthielt, mit Sauerstoff gesättigtes Wasser,
dass dieser Sauerstoff sich unmittelbar mit!
Wasserstoff unter dem Einflüsse des PU
verbinden4konnte: eine Verstärkung des S
mes fand dadurch nicht statt Die Beotx
tung ist ganz richtig, sie entspricht der sc
vielfach betonten Thatsache, dass die un
telbaren chemischen Reaktionen übern;
nichts zur Strombildung beitragen.
46. Weiteres über die Gask«
Die ausführlichsten Mittheilungen über s
Gasbatterie machte Grove in einer lai
Abhandlung, welche im Jahre 1843 ersch
Aus dieser seien zunächst die Formen (Fig,
bis 185; wiedergegeben, die er seinem Apparat ertheilt hat, und die 1
weitere Beschreibung verständlich sein werden; die gestrichelten Linie
Fiß. 183. Nach Gr«
1 Philoi. Trans. 1843; — Hiilos. Mag. 24, 186 1844.
Die Entwickelang der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes.
691
183 stellen den Finger dar, mit dem man die Röhre zum Zwecke des
ausnehmen» versclili essen kann. Als die beste Form empfiehlt er Fig. 182,
denn auch die typische Gestalt geworden ist, in welcher die Gaskette
ien physikalischen Instituten sich verbreitet hat.
Die beschriebenen Versuche entsprechen zum Theil denen, welche schon
ier geschildert worden sind; an neuen sind die folgenden zu erwähnen:
Eine gewöhnliche Sauerstoff-Wasserstoffkette wurde mit einer zweiten
bunden, welche auf der einen Seite Wasserstoff, auf der anderen gar kein
i enthielt. Wenn die Was-
rtoffseite der zweiten Kette
: der Sauerstoffseite der
ten verbunden wurde, so
wickelte sich Wasserstoff
der Röhre, welche vorher
11 Gas enthielt, und in der
leren verschwand es; so
äs durch die Wirkung der
ien Gaskette der Wasser-
pff aus der einen Röhre in
: andere übertragen wurde.
e Erklärung findet Grove
nlich der der Wasserzer-
zung durch ein einzelnes
ir, wenn eine Elektrode
ii mit dem Sauerstoff verbinden kann. „Kurz, obwohl vier Paare erforder-
1 sind, um Wasser zu zersetzen, wenn Platinelektroden angewendet werden,
war doch, da Platin in einer Wasserstoffatmosphäre sich wie ein oxydir-
es Metall verhält, mit dieser Hülfe ein einziges Paar dazu im Stande,
Fig. 185. Nach Grove.
6q2 Vierzehntes Kapitel.
gerade wie ein Paar aus einer gewöhnlichen Batterie mit einer Anode aus j
Kupfer Wasser zersetzen wird."
Im Anschluss an seine Kette mit Salpetersäure (S. 611) versuchte Grove
auch eine solche, deren eine Elektrode Platin in Wasserstoff, deren andere
Platin in Salpetersäure war: die Wirkungen waren recht starke, und vid
deutlicher, als bei einer gewöhnlichen Gaskette. Ebenso Hess sich eine wirk-
same Kette aus Sauerstoff und reducirenden Mitteln, wie Eisenvitriol, bauen,
doch waren die Ketten mit gasförmigem Sauerstoff viel schwächer, als wenn
Wasserstoff genommen wurde. Grove schreibt dies dem Umstände zu, dass
es fast unmöglich ist, aus den Versuchsflüssigkeiten den Sauerstoff auszu-
schliessen, und beweist bei dieser Gelegenheit, dass entgegen der Annahme
von Schönbein ohne Sauerstoff die Kette nicht wirkt. Zwar erhält man
auch mit Wrasserstoff auf der einen Seite allein Wirkungen, aber diese rühren
von dem in den Lösungen vorhandenen Sauerstoff her, und verschwinden
schnell, wenn man durch Schliessen des Stromes diesen Antheil verbraucht
Ebenso hört alle Wirkung auf, wenn man den Sauerstoff durch chemische
Mittel, wie Phosphor, entfernt, so dass auch die Erklärung des ersten Ver-
suches durch „Polarisation" nicht haltbar ist.
Sauerstoff mit Stickstoffoxydul und -oxyd war völlig unwirksam; mit
Äthylen fand eine schwache, aber deutliche Wirkung statt, mit Kohlenoxyd
eine erhebliche; auch konnte Grove die Bildung von Kohlensäure nachweisen.
Mit Chlor gab Sauerstoff anfangs starke Wirkungen, die aber bald verschwan-
den und unregelmässig waren.
Wasserstoff gab Wirkungen mit allen Gasen; da aber die Gegenwart von
Sauerstoff nicht auszuschliessen war, so haben diese Ergebnisse keine Be-
deutung. Nur die Wirkung mit Chlor war unzweifelhaft; sie ist grösser, als
mit Sauerstoff. Ebenso gab Chlor und Kohlenoxyd eine starke Kette.
Ausser einigen weiteren Versuchen von geringerem Interesse beschreibt
Grove in einer Nachschrift einen, der ihn mit besonderem Erstaunen er-
füllte. In der Batterie Fig. 185 hatte er einerseits Stickstoff, andererseits
Wasserstoff in der Hoffnung, dass Ammoniak entstehen möchte. An Stelle
einer Verminderung der Gasvolume nach dem Schluss der Kette trat aber
in der Stickstoffröhre eine Vermehrung ein, und es erwies sich, dass diese
Vermehrung durch Wasserstoff hervorgebracht war, welcher von der einen
Seite auf die andere hinübergewandert war. An Stelle des Stickstoffs konnte
auch Kohlensäure benutzt werden. Der Versuch gelang nur, wenn der
Wasserstoff und die Elektroden sehr rein waren. „Über die Theorie dieser
Versuche will ich keine bestimmte Meinung wagen. Dass gasförmiger Wasser»
stoff Sauerstoff dem Wasserstoff (im Wasser) sollte entreissen können, ohne
dass der letztere eine andere Verbindung bildet, ist eine so neue Thatsache,
dass jeder Versuch einer Erklärung verfrüht erscheint. Wenn wir, entgegen
den Ansichten Dalton's, annehmen, dass gemischte Gase mit einer schwache!
Verwandtschaft zusammengehalten werden, so können wir sagen, dass dk
Verwandtschaft des Wasserstoffs zum Stickstoff oder der Kohlensäure dk
Die Entwicklung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. ÖQ%
kung hervorbringt, . . . aber warum bringt dann Sauerstoff nicht die
"he Wirkung hervor? . . . Andererseits kann es eine Contactwirkung genannt
den; doch giebt die ohne Zusammenhang mit der chemischen Theorie
t Geiste keine andere Vorstellung, als die Thatsache selbst, und gewährt
en Anknüpfungspunkt, um die Erscheinung mit anderen zu verbinden."
Was die wirkliche Erklärung dieses schönen Versuches anlangt, so lässt
sich an dieser Stelle nur andeuten. Die elektromotorische Stellung des
>serstoffs ist eine Function seines Druckes, und die elektromotorische
ft ist immer so gerichtet, dass der Wasserstoff an den Stellen des niederen
ckes entwickelt, an den Stellen höheren Druckes verbraucht wird. Der
>m wirkt mit anderen Worten so, dass die ursprünglichen Druckunter-
ede sich ausgleichen. Dies ist als eine ganz allgemeine Thatsache auf-
ssen; die elektromotorischen Kräfte aller VoLTA'schen Ketten wirken in
1 Sinne, dass eine stabilere Anordnung angestrebt wird, als die vorhan-
e. Somit muss in diesen Versuchen der Wasserstoff sich nach der
Jensäure oder dem Stickstoff hinüberbegeben, da dort sein Partialdruck
l ist. Da die entsprechende elektromotorische Kraft, nachdem die ersten
heile des Gases übergegangen sind, sehr schwach ist, so erklärt sich auch,
5 nur reine Materialien, in welchen keine fremde elektromotorische Kraft
i geltend macht, die Wirkung zeigen.
Ist die Erklärung richtig, so muss sie auch für Sauerstoff gelten, für
chen Grove nichts ähnliches beobachtet hat. Dies hängt aber wohl
lit zusammen, dass die Absorption des Wasserstoffs durch Platin un-
^leichlich viel reichlicher erfolgt, als die des Sauerstoffs, so dass mit letz-
i.m die Wirkung zu langsam wird, als dass man sie beobachten könnte,
1 dass zweitens auch das zweite, indifferente Gas meist schon sauerstoff-
tig sein wird.
An die Auseinandersetzung seiner Versuche schliesst Grove seine Be-
ttungen, welche von allgemeinerem Interesse sind und Beachtung ver-
nen. Es ist zu erinnern, dass sie im Jahre 1843 geschrieben sind, wo in
gland eben die Versuche von Joule den Begriff des mechanischen Wärme-
jivalents experimentell erläuterten.
Nach einer Darlegung von GROTTHUss'schen Ansichten, welche er als
jchaulich, wenn auch wahrscheinlich nicht die Thatsachen vollständig dar-
liend, bezeichnet, fährt er fort:
„Eine Anzahl von Hypothesen kann zur Erklärung dieser und anderer
Tkwürdigen Erscheinungen vorgeschlagen werden, und ist vorgeschlagen
•rden; sie stimmen alle darin überein, dass sie das uns Ungeläufige auf
5 zurückführen, was uns geläufig ist. Als didaktische Erläuterungen sind
unzweifelhaft nützlich, und in diesem Sinne haben sie auch bisher zu
n Fortschritt der Wissenschaft beigetragen. Es ist indessen ein seltsamer
istand, der einiger Betrachtung werth ist, dass die VoLTA'sche Hypothese,
von Grotthuss, die Emissions- und Undulationshypothese des Lichtes,
1 soweit ich sehen kann, alle bisher vorgeschlagenen physikalischen Hypo-
(5g4 Vierzehntes Kapitel.
thesen die natürlichen Vorgänge als Wirkungen von Materie und Be-
wegung darstellen. Diese beiden scheinen die ausgezeichnetsten, wenn
nicht die einzigen Vorstellungen des Geistes bezüglich der Naturerscheinungen
zu sein, und wenn wir versuchen, Zustände der Materie zu erklären oder
zu verstehen, welche nicht offenbare Bewegungen sind, so reduciren wir sie
theoretisch oder hypothetisch auf solche: die Sinne empfinden die ver-
schiedenen Wirkungen von Schall, Licht, Wärme, Elektricität u. s. w., der
Geist scheint aber nur fähig zu sein, sie bloss als Arten der Bewegung zu
begreifen. Ist dies nicht ein Argument dafür, dass alle physikalischen
Wirkungen auf diese Begriffselemente zurückzuführen sind? Oder müssen
wir nach neuen Kräften des Geistes ausschauen, oder wird, mit anderen
Worten, eine grössere Vertrautheit mit anderen, jetzt fern liegenden Erschei-
nungen den Geist befähigen, sie klarer zu verstehen, und so die Notwendig-
keit aufheben, sie theoretisch auf bekanntere, uns einfacher vorkommende
Erscheinungen zurückzuführen? Die Fortsetzung dieser interessanten Unter-
suchung würde mich in eine Discussion führen, welche dem Zwecke meiner
Abhandlung, und dem allgemeinen Charakter der Beiträge an die Royal
Society fremd ist; doch ergiebt sich die Frage so unmittelbar aus dem
Gegenstande und ist so nöthig, um meine eigenen Ansichten zu erklären,
dass ich diese kurze Darlegung für hinreichend hergehörig halten zu dürfen
glaube. Sie berührt die interessante, kaum definirbare Grenze, an welcher
Physik und Metaphysik sich berühren.
„Es sind einige theoretische Punkte vorhanden, an welchen meine Gas-
batterie Veranlassung zu interessanten Betrachtungen giebt; einer derselben
ist die Contacttheorie. Wenn meine Kenntniss dieser Theorie richtig ist,
so ist mir unerfindlich, wie die Wirkung meiner Batterie damit in Einklang
gebracht werden kann. Denn sieht in der That die Contacttheorie die Be-
rührung als die wirksame Ursache der VoLTA'schen Wirkung an, fügt aber
zu, dass diese nur durch chemische Wirkung in Umlauf gesetzt werden
kann, so sehe ich wenig Unterschied ausser in dem blossen hypothetischen
Ausdruck zwischen beiden Theorieen; jeder Schluss, welcher aus der einen
zu ziehen ist, würde sich auch aus der anderen ergeben; es ist keine Zeit-
folge in den Erscheinungen vorhanden, denn die Berührung oder Schliessung
des Stromkreises und die elektrolytische Wirkung erfolgen gleichzeitig, bt
dies die Ansicht der Contacttheorie, so ist der Streit der beiden Theorieen
einer um Worte. Wenn aber die Contacttheorie mit dem Ausdruck Be- -
rührung irgend eine Vorstellung von Kraft verbindet, welche einen Volta1-
sehen Strom unabhängig von der chemischen Wirkung hervorbringt odtf J:
hervorbringen kann, eine Kraft ohne Verbrauch, so kann ich sie nur ab
unvereinbar mit der Gesammtheit der VoLTA'schen Thatsachen und der all-
gemeinen Erfahrung betrachten.
„Ein anderer Punkt, welchen die Gasbatterie nähe legt, ist die Bfr
ziehung zwischen der latenten Wärme in den verschiedenen Zellen der Bat-
terie und dem Voltameter. Gemäss der üblichen Theorie vom Wännestoff
Die Entwicklung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. Qgt
inen Sauerstoff und Wasserstoff die Gasgestalt nicht annehmen, ohne
lbare Wärme latent zu machen. Da nun in der Gasbatterie die aus der
Itameterflüssigkeit entwickelten Gase genau so viel Wärme erfordern und
Anspruch nehmen müssen, als in jeder Zelle durch das Flüssigwerden
Gase frei gemacht wird, so wird es ein bemerkenswerther Gegenstand
1, . . . festzustellen, ob die in dem Voltameter verbrauchte Wärme den
gebenden Körpern entzogen wird, oder ob sie durch die Wirkung der
Serie selbst geliefert wird, d. h. da die chemische Kraft in dem Volta-
tfer umgekehrt gleich ist der chemischen Kraft in jeder Batteriezelle, und
Wärmekraft im Voltameter ebenfalls umgekehrt äquivalent ist der in
er Batteriezelle, ob dann die gleiche gegenseitige Abhängigkeit der letz-
en, wie der ersteren Kräfte vorhanden ist? Die Wirkung im Voltameter
er gewöhnlichen Batterie würde sehr dagegen sprechen, dass die Wärme
r Umgebung entzogen wird, da es bekannt ist, dass das Wasser bei der
iktrolyse seine Temperatur eher erhöht, als erniedrigt. . . . Ein Theil dieser
älligen Wärme mag von dem Widerstände gegen den Strom herrühren,
:lchen die Platten und Drähte des Voltameters ausüben; wird aber ange-
mmen, dass die Gasbatterie genau die genügende Wärme liefert, oder
enn der Ausdruck erlaubt ist) dass die Elektricität in genügend viel Wärme
rwandelt wird, um den Bedürfnissen der sich ausdehnenden Gase zu ge-
gen, so müsste, da jede Zelle durch die (Kondensation ihrer Gase diesen
.darf gerade decken kann, eine Temperaturerhöhung in der ganzen Bat-
rie merkbar sein, die der Wärme gleich ist, welche durch die Verdichtung
t Gase in allen Zellen hervorgebracht wird, minus der Wärme einer Zelle."
Diese Überlegungen, welche um jene Zeit so fremdartig erschienen,
iss Grove wegen der entsprechenden Ausdrücke um Entschuldigung bittet,
id uns heute ganz geläufig als unmittelbare Folgerungen des Gesetzes
>n der Erhaltung der Energie. Es verdient hier bemerkt zu werden, dass
ch Grove sehr bald zu der allgemeinen Auffassung der Energie um wand-
ngen durchgearbeitet hat, und sein Buch über die Wechselwirkung der
aturkräfte, welches 1847 erschien,1 und welches ungefähr denselben Zweck
erfolgt, wie das gleichzeitige Werk von Helmholtz (siehe nächstes Kapitel),
enn auch in weniger strenger Weise, giebt Zeugniss von dem Erfolge
ieser geistigen Arbeit.
Auch soll «die Aufmerksamkeit noch besonders auf die S. 693 gegebenen
Darlegungen gewendet werden. Das ersterwähnte Verfahren, die Naturerschei-
ung als mechanische darzustellen, hat um jene Zeit die Wissenschaft vollkommen
eherrscht, und gilt auch noch heute meist als ein unbezweifelbares Postulat
>em gegenüber macht es sich eben jetzt geltend, dass auf diese Weise eine
ngemessene Darstellung der Wirklichkeit sich nicht erreichen lässt, und eben
eginnt die Wissenschaft den anderen Weg zu gehen, nämlich durch die
Ausbildung angemessener neuer Begriffe und eine entsprechende Schulung
1 On the correlation of physical forces, London 1847.
6ö6 Vierzehntes Kapitel.
des Vorstellungsvermögens die Zusammenfassung der Erscheinungen anzu-
streben, welche die mechanistische Anschauungsweise nicht hat ergeben
wollen. Das neue Begriffsgebiet, um dessen Ausbildung es sich handelt, ist
das der Energie, und die mechanische Weltanschauung sieht in unseren
Tagen ihrer Ablösung durch die energetische entgegen.
An die Erörterung der Polarisationserscheinungen schliessen sich zeitlich
wie inhaltlich die Untersuchungen über den passiven Zusand des Eisens.
47. Passives Eisen. Während dies Metall in seinen galvanischen Ver-
hältnissen sich im Allgemeinen zwischen Zink und Blei stellt, kann es unter
Umständen Eigenschaften annehmen, welche es als ein edles Metall, etwa von
dem galvanischen Verhalten des Platins, erscheinen lassen. Dieser auffällige
Wechsel hat zu einer sehr grossen Anzahl von Untersuchungen Anlass ge-
geben, welche zu dem Ergebniss geführt haben, dass das so veränderte
Eisen sehr wahrscheinlich mit einer Schicht eines metallisch leitenden Oxyds
vom galvanischen Charakter des Manganhyperoxyds überzogen ist, welche
ihm die fragliche Stellung verleiht; doch sind gegen diese Auffassung auch
mannigfaltige Widersprüche geltend gemacht worden.
Wiewohl an die Kenntniss dieser Thatsache sich bisher noch keine
wichtige wissenschaftliche Entwickelung geknüpft hat, so können wir doch
nicht umhin, uns mit den wesentlichsten Erscheinungen auf diesem soviel ]
durchforschten Gebiete bekannt zu machen; einerseits wegen des breiten
Platzes, welchen sie in der Mitte der dreissiger Jahre in der wissenschaft-
lichen Litteratur einnehmen, andererseits, weil in der That noch keineswegs
alle Fragen, die sich hier erheben, bisher befriedigend beantwortet worden
sind, und somit der kommenden Forschung noch manches zu enthüllen
übrig bleibt.
Die ersten Beobachtungen, welche sich hier anfuhren lassen, sind im
Jahre 1790 gemacht worden; sie sind somit ungefähr ebenso alt, wie <fc
Kenntniss der galvanischen Erscheinungen. Der Beobachter ist James Keb,
und die Arbeit steht im 80. Bande der Philosophical Transactions, I7<ft
S. 359. Die ganz in Vergessenheit gerathene Abhandlung ist von Fechsb
aufgefunden und dann durch Schweigger in seinem Journal wieder veröffent-
licht worden.1
Die Haupterscheinung, um welche sich die Versuche Keir's bewegen»
schildert er folgendermaassen: „Ich digerirte ein Stück fein Silber in reiner 1
farbloser Salpetersäure, und während der Auflösung, noch ehe die Sättigung
vollendet war, goss ich einen Theil der Flüssigkeit in ein Weinglas auf reint
und frisch geschabte Stücke von Eisendraht, und bemerkte einen plötzlicher
und reichlichen Niederschlag von Silber. Der Niederschlag war anfangt
schwarz, nahm aber dann die Gestalt des Silbers an, und war fünf bis sechs
Mal grösser im Durchmesser, als das Stückchen Eisendraht, den er umgah.
Die Wirkung der Säure auf das Eisen hielt eine Weile an, worauf sie arf*
1 Schweigger's Journ. f. Chemie und Physik 58, 151, 1826.
ie Entwicklung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 6Q7
i; das Silber löste sich wieder auf, die Flüssigkeit wurde klar, und das
i lag ruhig und glänzend in der Flüssigkeit am Boden* des Gefässes, wo
lehrere Wochen lang blieb, ohne dass es die mindeste Veränderung
, oder einen Niederschlag des Silbers bewirkte.
„Als die Silberauflösung vollkommen gesättigt war, wurde sie, wie schon
mann bemerkt hat, vom Eisen nicht verändert."
Keir fand nun weiter, dass die schützende Wirkung der Silberlösung
auch auf beigemischte Salpetersäure bis zu einem bestimmten Concen-
>nsgrade erstreckt, und dass die Anwesenheit von „phlogistisirter" Sal-
rsäure (salpetriger Säure) die Schutzwirkung vermindert und die Angreif-
eit erhöht.
Ferner ergab sich, dass es sich nicht um eine Veränderung der Lösung,
ern um eine des Eisens handelt, denn die Lösung, welche nicht mehr
das darin liegende Eisen wirkte, war gegen frisches wirksam, während
Eisen, welches von der Lösung nicht mehr verändert wurde, auch in
her Lösung unverändert blieb. Die Veränderung des Eisens war eine
flächliche, denn wenn das ruhige Eisen unter der Lösung gekratzt wurde,
änd wieder die Reaktion statt. Wurde in die Lösung, unter welcher
Eisen ruhig lag, ein frisches Stück Eisen gebracht, so fand nicht nur
liesem eine Fällung statt, sondern auch das ruhig gewesene Eisen wirkte
ler auf die Lösung. Keir hat sich bei der weiteren Untersuchung dieser
rheinung allerdings einen Irrthum zu Schulden kommen lassen, denn er
»t an, dass die blosse Berührung der Lösung mit frischem Eisen auch
ruhige zur Reaktion bringt; thatsächlich ist dazu nicht eine Berührung
Lösung, sondern des veränderten Eisens mit frischem Eisen er-
erlich.
Ebenso wie die Silberlösung fand Keir concentrirte reine Salpetersäure
csam; das damit behandelte Eisen fällte die Silberlösung nicht.
„Die Veränderung, welche auf solche Weise in dem Eisen hervorge-
ht wird, ist bloss in der Oberfläche; das schwächste Reiben bringt frisches
sn hervor, und macht es dadurch zur Einwirkung der Säure fähig.
„Aus dieser Ursache können die veränderten Eisenstücke, ohne ihre
andere Eigenschaft zu verlieren, nur mit besonderer Mühe getrocknet
den; ich brachte sie deshalb aus der Silberlösung oder der concentrirten
^etersäure unmittelbar in die andere Flüssigkeit, die ich zu untersuchen
ischte; doch kann man sie auch vorher in ein Glas mit Wasser thun,
sie in die zu prüfende Flüssigkeit gelegt werden; man muss aber be-
ken, dass sie ihre besondere Eigenschaft verlieren, wenn sie sehr lange
VTasser bleiben; allein in Salmiakgeist können sie unverändert aufbewahrt
Jen."
Die veränderten Eisenstücke verlieren auch die Fähigkeit, Kupferlösungen
allen. Die Nitrate von Biet und Quecksilber vermögen gleichfalls das
n in gleicher Art zu verändern.
48. Untersuchungen von Wetzlar. Am Schlüsse seiner Arbeit
698 Vierzehntes Kapitel.
verspricht Keir in einer späteren Abhandlung seine Meinung über die Uf»
sache dieser ungewöhnlichen Erscheinungen zu sagen, jedoch hat er am
Versprechen nicht gehalten, und die Beobachtungen geriethen gänzlich a i
Vergessenheit. Erst im Jahre 1827 wurden sie durch Dr. Gustav Wetzlo,
praktischen Arzt in Hanau,1 wieder in etwas anderer Gestalt bemerkt
„Bringt man auf die Oberfläche eines blanken Eisenstäbchens einige Reihet ,
einzelner Tropfen einer massig concentrirten Lösung des Salpetersäuren
Kupferoxyds, so wird man mit Erstaunen wahrnehmen, dass das Verhahea
der einzelnen Tropfen ein durchaus verschiedenes ist. Einige zersetzen sich,
sowie sie das Eisen berühren, und überkupfern es; andere erst nach einer j
oder mehreren Minuten; andere nach einer oder etlichen Stunden; einige*
wenige sind noch nach vielen Tagen unzersetzt.
„Bringt man auf mehrere Stäbchen zugleich Tropfen, so findet man, ,
dass, während z. B. auf einem fast alle Tropfen innerhalb einer Stunde zer- .
setzt werden, auf einem anderen die meisten sehr lange unverändert bleiben....
„Vereinigt man mehrere nahe bei einander stehende unzerseUte*
Tropfen zu einem einzigen grösseren, so bleibt auch dieser unverändert;
zieht man aber nun mit einem Glasstäbchen eine Linie von ihm hin a
einer in der Nähe befindlichen, sich überkupfernden Stelle, so verbreitet
sich augenblicklich die Reduction von dieser über die ganze, von den ver-
einigten Tropfen bedeckte Eisenfläche. Offenbar dient letztere aber nur
als negativer Pol zur Anlagerung des gefällten Kupfers, dessen Fällung,
nebst Auflösung des Eisens, fortwährend von jener communicirenden posn
tiven Stelle ausgeht."
Wie man sieht, handelt es sich um ganz ähnliche Erscheinungen, wie
jene von Keir beschriebenen; ein Fortschritt macht sich hier aber dahk
geltend, als Wetzlar auf die elektrochemischen Beziehungen hinweist, auf
welche Keir seinerzeit natürlich nicht hat aufmerksam werden können.
Eine weingeistige Lösung von Kupfernitrat wird durch Eisen gar nicht
gefällt, während eine gleiche Lösung von Kupferchlorid augenblicklich zer»
setzt wird. Ein Zusatz von Silbernitrat zum Kupfernitrat hebt die Fällbar- :
keit gleichfalls auf.
Im weiteren Verlauf seiner Abhandlung2 kommt Wetzlar mehrfach auf
den elektrochemischen Gegensatz, welcher hier entsteht, zurück, und giett
einige Beweise für ihn. So findet er, dass ein unthätig gewordenes Stück ^
Eisen durch Berührung mit einem thätigen, sowie durch jedes positive Metil
wieder in den thätigen Zustand zurückgebracht werden kann. „Berührte
ich ein in einer Kupfervitriollösung liegendes blankes Stäbchen mit defll
Finger, so trat keine Veränderung ein; ebensowenig, wenn ich ein Silber*
blech daran hielt. Nur ein mit der Kupfersolution positiv werdendes Metil
brachte im Augenblick Überkupferung des Stäbchens zuwege, also z. &
1 Schweigger's Journ. f. Physik und Chemie 49, 470. 1827.
8 Ebenda 60, 88 und 129. 1827.
Die Entwicklung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. ßOQ
er dem Eisen auch ein Zink-, Blei- und Stanniolstreifen. . . . Ich habe
i erwähnt, dass die Berührung mit Silber keine Veränderung bei dem
er Kupferlösung liegenden negativen Stäbchen zuwege bringe. Wenn
indessen einen berührenden Silberdraht mit seinem anderen Ende um
Eisenstäbchen wickelte, und letzteres nun in die Solution tauchte
»ei jenes blanke negative von jenem durchaus nicht berührt wurde), so
ie in demselben Augenblicke auch jenes überkupfert. — Hier wird also
Reduction an letzterem durch eine Kette mit Zwischenraum veranlasst"
49. Elektrische Messungen durch Fechner. Unmittelbare Mes-
sen der elektrischen Spannung oder der Stromrichtung zwischen dem
itiv gewordenen und dem gewöhnlichen Eisen hat Wetzlar allerdings
t ausgeführt. Diese Lücke wurde aber alsbald durch Fechner1 ausge-
, der Wetzlar's Ansichten über den elektrochemischen Zustand des
.nderten Eisens völlig bestätigt fand. Nachdem er geschildert hat, wie
:iner officinellen Silbernitratlösung das Eisen gegen Silber zuerst positiv
, sodann aber schwach negativ und schliesslich Null wurde, fährt er fort:
„Als ich den vorigen Versuch mit einem Antheil einer anderswoher
)genen officinellen Silberauflösung anstellte, war die Ablenkung des Eisens
nfalls anfangs positiv, sie ging aber bald in die entgegengesetzte negative
r, und erhielt sich dauernd auf dieser Seite. Da ich fand, dass diese
»erauflösung etwas sauer reagirte, setzte ich auch jener neutralen Silber-
lösung etwas reine concentrirte Salpetersäure zu, und erhielt auch hier
selbe Resultat, d. h. es ging die anfangs positive Ablenkung des Eisens
it nur auf Null zurück, sondern ins negative über. Nachdem dieser
ergang ins negative erfolgt war, goss ich, den Versuch auf die Wetzlar'-
e Art weiter fortsetzend, noch eine sehr bedeutende Menge Säure zu,
dass, wenn ich frisches Eisen und Silber hineintauchte, das Eisen sich
ort aufzulösen begann, und positiv verhielt; es blieb nicht nur das Eisen
nk, sondern seine negative Ablenkung dauerte noch eine Weile fort, bis
'tzlich ein heftiges Auflösen des Eisens, Fällung von Silber, und damit
jleich Überspringen der negativen Ablenkung des Eisens in die positive
olgte, ganz in Übereinstimmung mit Wetzlar's Versuch und Ansicht.
Id verschwand das gefällte Silber, und das Eisen wurde wieder blank und
rkungslos, und in demselben Augenblicke, wo dies geschah, war auch die
gative Ablenkung des Eisens wieder da. Ich habe jedoch bei wieder-
lten Versuchen bemerkt, dass die Erscheinung hierbei gewöhnlich noch
:ht stehen blieb, vielmehr das Auflösen des Eisens und das Wiederblank-
rden nebst Auflösung des gefällten Silbers wohl 4 bis 6 Mal, oft sehr
mell hinter einander, abwechselten, wobei jedesmal die Ablenkung der
ignetnadel auf das Entgegengesetzte übersprang, bis das Eisenstäbchen
letzt jedesmal unwirksam liegen blieb."
Zum Schluss erörtert Fechner die Möglichkeiten einer Erklärung dieser
1 Schweigger's Journ. f. Physik und Chemie 53, 141. 1828.
700 Vierzehntes Kapitel.
Erscheinungen, und betont, dass er eine solche vergeblich gesucht habt
Er hat zuerst an die Bildung eines Überzuges gedacht, doch war er durch
den Augenschein davon abgekommen. „In der That bleibt das Eisen so
blank, dass sich an eine Oxydation desselben nicht denken lässt." Andere
Erklärungsversuche, welche er selbst experimentell als unhaltbar erweist, j
sollen nicht erst angeführt werden. j
Ähnliche Mitteilungen sind alsdann von J. F. W. Herschel1 gemacht
worden; wesentlich Neues enthalten dessen Beobachtungen nicht.
50. Schönbein's Untersuchungen. Die von Keir und Wetzlar
beobachteten Erscheinungen wurden später unabhängig von Schönbein2 ent- ■
deckt, welcher eine Fülle weiterer Versuche daran knüpfte. Sein erster
Versuch wurde in etwas anderer Form ausgeführt, als jene älteren, nämlich
folgendermaassen :
„Wird das eine Ende eines Eisendrahtes rothglühend gemacht, und
nach dem Erkalten in Salpetersäure vom specifischen Gewicht 1,35 getaucht,
so wird weder das fragliche Ende, noch irgend ein anderer Theil des Drahtes
angegriffen werden, obgleich bekanntlich eine solche Säure ziemlich heftig
auf gewöhnliches Eisen wirkt. Um zu sehen, wie weit der Einfluss des
oxydirten Endes des Eisens geht, habe ich einen Eisendraht von 50 Fuss
Länge und lj2 Linie Dicke genommen, das eine Ende auf etwa 3 Zoll er-
hitzt, es in Säure von der oben erwähnten Stärke getaucht und dann das
andere Ende in dieselbe Flüssigkeit gebracht. Es fand keine Wirkung der
Säure auf das Eisen statt."
Bei Temperaturen über 75 ° verschwindet der schützende Einfluss; Ein-
tauchen in Säure von 1,5 specifischem Gewicht bringt dieselbe Wirkung
hervor, wie Erhitzen. Hier schliessen sich die von Schönbein beobachteten
Erscheinungen an jene älteren an.
Wenn ein Draht indifferent gemacht ist, und man verbindet ihn leitend j
ausserhalb der Säure mit einem zweiten, gewöhnlichen Draht, so zeigt sich
dieser nach dem Eintauchen gleichfalls unwirksam. Man kann nun den
ersten Draht entfernen, und mit einem dritten so verfahren, dass man ihn
zuerst mit dem zweiten leitend verbindet, und dann in die Säure bringt; audi
dieser wird unwirksam sein. Ebenso kann man den Zustand auf einen vierten,
fünften u. s. w. Draht übertragen: die Schutzwirkung ist unerschöpflich.
„Eine andere Thatsache, welche meines Wissens bisher nicht beobachtet
worden ist, ist folgende: Ein auf irgend eine der beschriebenen Arten un-
wirksam gemachter Draht wird in Salpetersäure vom specifischen Gewicht 1,35
getaucht, so dass ein beträchtlicher Theil ausserhalb der Flüssigkeit bleibt;
ein anderer, gewöhnlicher Draht wird gleichfalls so in die Säure getaucht, I
dass ein erheblicher Theil hervorragt. Der eingetauchte Theil des Drahtes <
wird natürlich lebhaft angegriffen werden. Lässt man nun die ausserhalb
1 Ann. chim. phys. 64, 87. 1833. — Pogg. Ann. 32, 211. 1834.
* Philos. Mag. 9, 53. 1836. — Pogg. Ann. 87, 390. 1836.
Die Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 70 1
»äure befindlichen Enden der Drähte einander berühren, so wird der
jrente Draht unmittelbar in einen aktiven verwandelt werden, welches
die Länge der nicht eintauchenden Theile der Drähte sei .... ein
1, welches die beiden Enden leitend verbindet, wirkt in gleicher Weise."
^Jach der Beschreibung einiger anderer Versuche von geringerer Be-
ng theilt Schönbein weiter mit, dass dieser passive Zustand, welcher
r fortan beibehalten wird, dem Eisen auch dadurch ertheilt werden
dass man es zur Anode eines Stromkreises in Salpetersäure macht,
nn verbindet es sich nicht mit der Säure, wie das andere Metalle thun,
rn der Sauerstoff entwickelt sich daran, ebenso, als wenn der Draht
Platin wäre. Hierzu ist keine concentrirte Säure erforderlich; auch
verdünnte wirkt in gleicher Art. Andere verdünnte Sauerstoffsäuren
n ebenso, wenn auch etwas schwieriger, dagegen lässt sich in Halogen-
xstoffsäuren der passive Zustand nicht herstellen. An anderen Metallen
:e er keine ähnlichen Zustände erzeugen.
51. Faraday's Erklärung. Schönbein theilte diese Thatsachen in
sndorff's Annalen mit. Gleichzeitig machte er eine Mittheilung darüber
iraday, und ermächtigte ihn, dieselbe nach Belieben zu veröffentlichen,
7araday an der oben angeführten Stelle auch bewerkstelligte, indem er
rseits einen an den Herausgeber des Philosophical Magazine, Phillips,
hteten Brief hinzufügte, in welchem er seine Erfahrungen und Ansichten
die Erscheinung, die ihn auf das Lebhafteste gefesselt hatte, hinzufügte.
Vfittheilung Schönbein's in den Annalen ist ausfuhrlicher und enthält
s Thatsachen, welche in dem Briefe an Faraday nicht mitgetheilt sind,
sondere die Beobachtung, dass durch Glühen im Wasserstoffstrome dem
1 der passive Zustand genommen wird. Der obenstehende Bericht
?sst sich dem englischen Briefe an, auf den sich Faraday in seiner
tigen Antwort bezieht.
Diese briefliche Anknüpfung hatte ausser der wissenschaftlichen noch
►ersönliche Folge, dass sich aus ihr zwischen den beiden so unähnlichen
lern eine Freundschaft entwickelte, welche bis zum Tode Faraday's
rte (S. 665). Zunächst hat diese Beziehung Schönbein allerdings nicht
indert, sich gegen den Erklärungsversuch seines Freundes auszusprechen,
gegen ihn Gründe anzuführen, welche wir gegenwärtig kaum noch als
end werden anerkennen können.
Faraday bestätigte in seinem Schreiben zunächst die von Schönbein
tgebenen Thatsachen, und fuhrt folgende hinzu: Eisen wird von Sal-
rsäure (1,35) zuerst angegriffen, geräth aber bald freiwillig in den pas-
1 Zustand. Es kann augenblicklich dazu gebracht werden, wenn man
inter der Flüssigkeit mit einem Platindraht berührt. Wie Platin wirken
i, Silber, Kohlenstoff in verschiedenen Formen. Daraus erklärt sich auch
freiwillige Passivwerden: sowie von dem im Eisen enthaltenen Kohlen-
" ein Theilchen freigelegt wird, tritt seine schützende Wirkung ein. Um-
shrt wirkt die Berührung mit Zink oder einem anderen leicht oxydirbaren
702 Vierzehntes Kapitel.
Metall: sie hebt den vorhandenen passiven Zustand auf. Passives I
wirkt auch nicht auf Lösungen von Kupfer- und Silbersalzen; bei letz
treten besondere Erscheinungen auf.
Unter Einschaltung eines Galvanometers zeigte sich, dass, solang*
Eisen im gewöhnlichen Zustande war, es sich ähnlich dem Zink vei
hatte es den passiven Zustand angenommen, so zeigte es die elektroi
rischen Eigenschaften des Platins. Wenn die Enden des Galvanometer
Eisen und Platin in Verbindung standen, und man tauchte zuerst das I
dann das Eisen ein, so entstand ein einmaliger, ziemlich starker Strom
worauf das Galvanometer auf Null zurückging. Dies rührte nicht voi
Bildung einer isolirenden Schicht her, denn das System zeigte sich für a
Ströme leicht durchgängig. Macht man das Elsen, welches unter d
Umständen passiv geworden ist, durch Berührung mit einem Stück
wieder aktiv, so entsteht alsbald ein starker Strom, indem das Eisen ;
griffen wird und sich wie Zink gegen Kupfer verhält. „Eines der \*
vollsten Ergebnisse für den gegenwärtigen Zustand der Wissenschaft, wc
diese Versuche darbieten, ist der ergänzende Nachweis, dass die Voi
sehe Elektricität auf chemischer Wirkung und nicht auf Berühi
beruht. Dieser Beweis ist ebenso schlagend wie der, welchen ich in m<
Experimentaluntersuchungen gegeben habe (S. 549). Was kann in der
deutlicher zeigen, dass der Strom durch chemische Wirkung verur
wird, und nicht durch Berührung, als die Thatsache, dass, trotzdem die
rührung bestehen bleibt, der Strom aufhört, wenn die chemische Wir
aufgehört hat?"
Faraday geht nun zu der Frage über, auf welche Ursache diese
thätigkeit des Eisens zurückzuführen ist. Er warnt zunächst, diesen Zu
mit dem des amalgamirten Zinks zu verwechseln; letzteres ist durcl
Amalgamation nur positiver geworden, während das Eisen seine Fäht
sich mit Sauerstoff zu verbinden, verloren hat „Ich habe durchaus
Eindruck, dass die Oberfläche des Eisens oxydirt ist, oder dass die <
flächenschicht des Metalles sich in einem Verhältniss zum Sauerstof
Elektrolyts befindet, welches einer Oxydation äquivalent ist Da
Schicht ihre Verwandtschaft für Sauerstoff befriedigt hat, und untei
vorhandenen Umständen nicht von der Säure aufgelöst wird, so tritt 1
eine Erneuerung der Oberfläche, noch ein Wiederbeginn der Anzie
der successiven Theile des Eisens auf die Elemente der successiven
theile des Elektrolyts ein, und deshalb findet auch nicht die sueo
chemische Wirkung statt, durch welche der elektrische Strom (welche
stimmt ist, sowohl was seine Entstehung, als seine Wirkung anlangt)
gesetzt werden kann."
Zur Unterstützung seiner Meinung erwähnt Faraday, dass bei dem <
von Schönbein beschriebenen Versuche sich durch das Glühen eine C
Schicht nothwendig bilden muss. Wenn man auch bei den auf elektris
Wege passiv gemachten Eisen diese Schicht nicht sehen kann, so is
Die Entwicklung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 70%
jegenbeweis, da auch eine durch Erhitzen erhaltene Schicht, die so
ist, dass sie unsichtbar bleibt, das Eisen passiv machen kann. Ferner
rieh die Schicht mechanisch entfernen, worauf alsbald die Wirkung
it. Alles Passivwerden ist mit der Entwickelung eines kurzdauernden
sehen Stromes verbunden, bei welchem das Eisen als Anode wirkt,
Sauerstoff aufnimmt. Das Aktivwerden durch Zink beruht auf der
tion dieser Oxydschicht
um Schluss beschreibt Faraday sehr seltsame, vielfach wiederholte
hrerscheinungen in saurer Silberlösung, die ganz den von Keir und
er beschriebenen entsprechen, und von gleichzeitigen Wechseln der
richtung in einem eingeschalteten Galvanometer begleitet sind, doch
das Eingehen auf diese Dinge hier zu weit führen.
2. Fortsetzung. Ausser Faraday hatte noch ein anderer Forscher,
>ussox, Professor der Physik am Gymnasium zu Zürich, versucht, die
nen Erscheinungen auf bekannte Ursachen zurückzuführen, jedoch mit
eniger Glück. Mousson ging von der Beobachtung aus, dass starke
ersäure, welche salpetrige Säure enthält, viele Metalle, unter anderen
Eisen nicht angreift. Indem er nun annahm, dass das Eisen zunächst
tlpetersäure zu salpetriger Säure reducirt, welche den Draht umgiebt,
auf ihn zu wirken, versuchte er alle Passivitätserscheinungen auf diesen
md zurückzufuhren.1 Gegenüber dieser Hypothese hatte Schönbein
i schweren Stand2 mit seiner abweisenden Kritik; schon der eine Um-
dass die schützende Wirkung Wochen und Monate dauert, schliesst
nnahme aus, dass der Schutz von einer Flüssigkeitsschicht herrühren
, da eine solche durch Bewegung und Diffusion alsbald von der Ober-
entfernt würde.
\btr auch gegen die von Faraday ausgesprochene Ansicht erhob sich
.beix,3 indem er eine Reihe von Erscheinungen als nicht mit ihr in
mg zu bringen ansah. Zunächst hob er den vollkommenen, ja be-
rs hellen Glanz hervor, welchen ein passiver Eisendraht zeigt; aller-
will er dies nicht als einen unbedingten Widerspruch hinstellen. In
hat war es auch damals wohlbekannt, dass es Schichten von so ge-
• Dicke geben kann, dass sie noch nicht die Farben dünner Blättchen
1, sondern farblos sind. Ferner hob er hervor, dass sich der passive
nd verliert, wenn man das Eisen in verdünnte Salpetersäure bringt;
man es aber unter diesen Umständen als Anode wirken, so bleibt es
r. Die Erklärung nach Faraday liegt nahe: verdünnte Salpetersäure
lie Oxydschicht langsam auf; dient aber das Eisen als Anode, so wird
jehicht immer wieder erneuert, und das Eisen muss passiv bleiben.
*r bezweifelt Schönbein, dass beim Passivwerden in concentrirter Sal-
saure sich eine Oxydschicht bilden könne. Dieser Zweifel ist unbegründet;
1 Pogg. Ann. 39, 330. 1836. * Togg. Ann. 39, 342. 1836.
1 Pogg. Ann. 39, 137. 1836.
704 Vierzehntes Kapitel.
auch beim Oxydiren des Eisens mit verdünnter Salpetersäure scheidet j
sehr leicht ein Oxyd aus, welches in Salpetersäure unlöslich ist. A
glaubt Schönbein das abwechselnde Aktiv- und Passivwerden nicht
Faraday's Ansicht reimen zu können. Bei Berücksichtigung des Umstan
indessen, dass die Auflösung der von der mittelstarken Säure gebilde
Schicht nicht augenblicklich erfolgen kann, lässt sich auch eine durch
plausible Vorstellung von diesem Pulsiren gewinnen.
Fakaday antwortete unmittelbar auf die Angriffe Schön bein*s in ein
Briefe an den Herausgeber des Philosophical Magazine,1 ohne indessen i
auf die Einzelheiten seiner Erklärung einzugehen. Vielmehr betonte
dass er mit Schönbein darin ganz einverstanden sei, dass noch vieles an «
Erscheinung der Erklärung bedürfe. Er hätte nur keine bessere Erkläru
inzwischen ausfindig machen können. Auch wollte er nicht behaupten, d
der Überzug gerade aus einem der bekannten Eisenoxyde bestehe, vieln»
scheine ihm der Zustand der „eines sehr feinen Gleichgewichtes zu sei
auf welches auch die Erscheinungen des Pulsirens hindeuten.
An diese anfänglichen Arbeiten schlössen sich noch manche andere;
ohne zu der Entwickelung des Ganzen viel beizutragen, und die Frage
bis auf den heutigen Tag noch einigermaassen controvers geblieben,
dessen muss doch betont werden, dass die von Farad ay gegebene Erkläru
bei weitem die beste ist, welche bisher hat ausfindig gemacht werden könnt
fugt man die sehr wahrscheinliche Annahme hinzu, dass die gebildete 0x\
schiebt die Eigenschaft metallischer Leitung besitzt, wie sie beispielswe
am Manganhyperoxyd vorhanden ist, so erscheint es allerdings möglich, v
allen Einzelheiten dieser so überaus mannigfaltigen Verhältnisse genügen
Rechenschaft zu geben, wenn auch messende Versuche, die bisher no
nicht vorhanden sind, allein genauer werden sagen können, was im Aug<
blicke der Passivirung mit dem Eisen vorgeht.
53. Theoretische Verwerthung der Passivitätserscheinung. .
einen „neuen Beweis für den chemischen Ursprung der Voi/rA'schen B
tricität" fuhrt Schönbein2 den folgenden Umstand an: „Bringt man eil
passiven Eisendraht in Berührung mit Platin in eine Auflösung von schwe
saurem Kupferoxyd, so scheidet sich an dem letzteren Metalle auch ke
Spur von Kupfer aus, wird aber der passive Eisendraht in besagter Flüss
keit zur chemischen Thätigkeit, d. h. zur Oxydation und Kupferfällung
stimmt (z. B. durch Berührung mit einem gewöhnlichen Eisendraht innert
der Lösung), so erscheint in dem gleichen Augenblicke das Platin mit eir
Kupferhäutchen überzogen. Würde nun durch den blossen Contact zwisc
Platin und Eisen das elektrische Gleichgewicht gestört werden, so mü
nothwendig beim Eintauchen beider Metalle in die Kupfersalzlösung
elektrischer Strom entstehen, und in Folge seiner Richtung am sogenam
negativen Platin sich Kupfer absetzen; was aber, wie schon bemerkt, n
1 Philos. Maj;. 10, 175. 183;. * Pogg. Ann. 39, 351. 1836.
Die Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. jq -
ieht. Aus der Abwesenheit jeder chemischen Wirkung dieser einfachen
auf das elektrisch so leicht zersetzbare Kupfersalz lässt sich auch auf
Abwesenheit eines elektrischen Stromes schliessen. Wollte man an-
en, ein solcher sei dennoch vorhanden, aber zu schwach, um eine
ische Zersetzung zu veranlassen, so muss eine solche Meinung gänzlich
geben werden, wenn man das Galvanometer zu Rathe zieht. Wird mit
einen seiner Drahtenden ein Platindraht, mit dem anderen ein passiver
draht verbunden, und taucht man dann beide Metalle in die Kupfer-
sung, so zeigt sich das Galvanometer nicht im mindesten afficirt; setzt
aber auf irgend eine Weise den passiven Eisendraht in chemische
gkeit, durch heftige Erschütterung z. B. oder durch Berührung mit
i aktiven Metalle, so wird im gleichen Augenblicke die Nadel bewegt
en und das Vorhandensein eines elektrischen Stromes angezeigt sein. . . .
beständige Gleichzeitigkeit beider Erscheinungen setzt aber eine Ab-
igkeit der einen von der anderen voraus, beweist mit anderen Worten,
der Quell der VoLTA'schen Erscheinungen nicht die Berührung hetero-
r Stoffe, sondern die chemische Thätigkeit, und hauptsächlich die Oxy-
>n ist."
54. Passivität anderer Metalle. Weitere Passivitätserscheinungen
e Th. Andrews l kennen, indem er das Vorhandensein dieser Eigenschaft
Vismuth und Kupfer nachwies, wenn sie in Berührung mit Platin in
entrirte Salpetersäure gebracht wurden. Ein Fortschritt gegenüber den
en Beobachtungen wurde insofern gemacht, als Andrews zeigte, dass
1 das Wismuth als Anode einer etwas stärkeren Batterie gebraucht wurde,
ich allerdings löste, nur in anderer Weise, als bei der gewöhnlichen
virkung der Säure, und ohne Gasentwickelung. Auch Eisen verhält sich
Beim ersteren findet auch langsame Lösung statt, wenn es sich in Sal-
rsäure von 1,5 specifischem Gewicht befindet, wo es sofort passiv wird.
Andrews fasst die Gesammtheit seiner Beobachtungen in den Satz zü-
rnen: „Der Contact eines elektronegativen Metalles erhöht die gewöhn-
* Wirkung einer Sauerstoffsäure auf ein positives Metall, wenn die Säure
verdünnt ist, dass es durch Wasserzersetzung oxydirt wird; dagegen
sögert oder vernichtet er diese Wirkung, wenn die Säure so con-
trirt ist, dass jenes Metall vermöge der Zersetzung der Säure selbst
dirt wird/'
Die Beobachtungen von Andrews wurden durch Schönbein2 geprüft und
tätigt. Indessen ergab sich einiger Unterschied zwischen beiden; wäh-
d das Eisen fast ganz ohne Wirkung auf Salpetersäure bleibt, wenn es
siv geworden ist, setzt sich die Auflösung beim Wismuth noch fort, nur
bedeutend verminderter Geschwindigkeit. Es zeigt sich dies daran, dass
Strom zwischen Eisen und Platin in Salpetersäure für ein gewöhnliches
1 Philos. Mag. 12, 305. 1838. -- Pogg. Ann. 45, 121. 1838.
* POGG. Ann. 43» 1. 1838.
)stvald, Elektrochemie. 45
7o6 Vierzehntes Kapitel.
Galvanometer aufhört, sowie die Passivität eingetreten ist;1 beim Wismtfk
folgt auf den ersten starken Ausschlag ein schwächerer, aber dauernder k
gleichem Sinne. Auch verliert Eisen seinen passiven Zustand, wenn es ait
passivem Wismuth unter Salpetersäure zusammengebracht wird, was es*
allgemeine Eigenschaft „positiver" Metalle ist. Endlich verhält sich das Ww
muth insofern abweichend, als es sich mit Sauerstoff, bezw. mit Aniooct
verbindet, wenn es als Anode in einem Stromkreise benutzt wird, während
Eisen sich unter solchen Umständen wie Platin verhält, und den Sauerstof
frei entweichen lässt.
Einige weitere interessante Beobachtungen am passiven Wismuth, welche
inzwischen nicht weiter untersucht worden sind, während sie wohl verdienen,
eingehender erforscht zu werden, können hier nicht erörtert werden, In
den Arbeiten Schönbein's sind noch zahllose andere derartige Beobachtungen
enthalten, und die Durchsicht derselben gewährt noch heute eine unerschöpf-
liche Ausbeute an merkwürdigen Thatsachen und verfolgungswerthen Problemen.
Auch vom Kobalt und Nickel giebt Schönbein2 an, dass sie sich wie
Eisen verhalten.
Weitere Untersuchungen über diese Frage, welche zu wesentlichen Auf-
klärungen gefuhrt hätten, sind aus unserer Zeit nicht mehr anzuführen,
wenn auch noch zahlreiche Veröffentlichungen darüber sich in den Zeit-
schriften finden, und die Forschung ist über den von Faraday (S. 701) ge-
wonnenen Standpunkt nicht hinausgelangt
55. Flüssigkeitsketten. Nobili. Durch die Bemühungen der Ver-
treter der chemischen Theorie waren die Fälle, in denen messbare elektrische
Wirkungen aller Wahrscheinlichkeit nach durch die Wechselwirkung flüssiger
Leiter ohne alle Theilnahme von Metallen entstehen, ziemlich zahlreich ge-
worden, wenn auch ein unzweifelhafter Nachweis solcher Erregungen nur
in wenigen Fällen erbracht worden war. Denn in den meisten Fällen kamen
daneben noch Berührungen mit Metallen in Frage, welche nicht ausgeschaltet
waren, so dass verhältnissmässig spät der einwurfsfreie Nachweis geführt
wurde, dass es wirklich reine „Flüs&igkeitsketten" giebt.
Dieser Beweis wurde von Nobili3 beigebracht, welcher auch auf die er-
forderliche Gleichförmigkeit seiner Elektroden, sowie darauf Rücksicht nahm»
dass diese nur mit gleichartigen Flüssigkeiten in Berührung kamen, eine
Maassregel, welche z. B. Becquerel fast immer vernachlässigt hatte.
„ich fülle zwei kleine Gläser, welche ich A und B nennen will, mit
einer Lösung von Salpeter, und ich tauche die Enden meines Galvanometers
hinein, welche aus zwei kleinen Platinplatten bestehen. Ich nehme dann ein
drittes Glas C, und giesse etwas Salpetersäure hinein. Die Verbindungen
stelle ich durch zwei Bügel von Asbest her, welche ich mit der Lösung
der Gefässe A und B tränke. Mit einem dieser Bügel stelle ich eine Ver-
1 Ganz hört der Strom nicht auf, wie Schönbein später (a. a. O. S. 95) mittelst ein«
sehr empfindlichen Galvanometers fand.
1 A. a. O., S. 18. 3 Ann. chim. phys. 38, 239. 1829.
Die Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. jqj
mg mit einem der Gefässe her, z. B. mit dem, welches ich A genannt
; in der Hand halte ich den zweiten Bügel, nachdem ich an eines seiner
m ein Stück kaustischen Kalis gebracht habe, welches ich zunächst
ti Befeuchten mit der in den Gefässen A und B enthaltenen Lösung
ld gemacht habe. Schliesslich bringe ich das Alkali mit der Salpeter-
\ in Berührung in dem Augenblicke, wo ich das andere Ende des Ver-
ungsbügels in das Gefäss B getaucht habe. Die chemische Wirkung
int alsbald, und die Nadel meines Multiplicators begiebt sich bei ihrer
n Schwingung auf 40 bis 45 °, indem sie einen Strom anzeigt, welcher
er leitenden Flüssigkeit von dem Alkali zu der Säure geht. Ich trage
;e, vor und nach dem Versuche die Gleichförmigkeit der Platinplatten
nessen, in die mein Galvanometer ausläuft. Der grösseren Sicherheit
m pflege ich dem Stromkreise zwei andere Gläser A' und B' einzu-
n, um in diese die Verbindungsbügel zu senken; die in die Gläser A
B tauchenden Platinplatten sind auf diese Weise gänzlich gegen jede
der Säure oder dem Alkali herrührende Änderung geschützt, da diese
in so grosser Entfernung befinden: in jedem Falle hat man durch die
icehrung des Stromkreises ein unmittelbares Mittel, die Ergebnisse zu
ahrheiten. ...
„Bei diesen Versuchen sind die alkalischen und erdigen Stoffe im festen
tande wirksam; gelöst geben sie eine sehr viel schwächere Wirknng, und,
ziemlich sonderbar ist, eine Wirkung, die häufig die entgegengesetzte von
ist, welche sie im festen Zustande hervorbringen. Diese Umkehrung ist
beim Kalkwasser beständig erschienen. Es ist dies ein unerwartetes
ebniss, welches beim eingehenden Studium sich dem Geiste der elektro-
mischen Theorieen wenig günstig erweisen dürfte."
Auf die weiteren Darlegungen Nobili's, in welchen auf die von Becquerel
l Anderen begangenen Fehler bezüglich der widerspruchsfreien Anordnung
Flüssigkeitskette aufmerksam gemacht wird, braucht hier nicht einge-
igen zu werden, ebensowenig auf seine weiteren Messungen, zu denen
selbst bemerkt, dass sie keine vergleichbaren Werthe ergeben, weil die
schaffenheit des benutzten Stromkreises wechselnd war. Dagegen verdient
Zähnung, dass Nobili auch Ströme bei der Auflösung von Salzen und
• Ausführung doppelter Zersetzungen gesehen hat; die letzteren waren
Erdings gering und von unbeständiger Richtung. Die von ihm bei dieser
legenheit gleichfalls angegegebenen thermo-hydro- elektrischen Ströme
ren nicht neu, sondern schon lange vorher von Schweigger beobachtet
»rden (S. 303).
56. Fechner über Flüssigkeitsketten. Wohl nicht ohne den
unsch, die von Nobili angedeuteten Schwierigkeiten für die chemische
leorie zur Geltung zu bringen, hat dann zehn Jahre später Fechner die
itersuchung der reinen Flüssigkeitsströme unternommen.1 Das Verfahren
1 Pogg. AnD. 48, 1. 1829. .
1 k 45
7o8 Vierzehntes Kapitel.
war im wesentlichen das gleiche wie das von Nobili: „In Fig. i8£
a, by A, B vier Glasgefässe. Die Gefässe a und b wurden mit eine:
derselben Flüssigkeit gefüllt, und die an den Enden des Multiplicato
findlichen Platten, in der Regel Platinplatten, hineingestellt. Sie mög
zuleitenden Gefässe heissen. A und B dienten zur Auf
vO Ciy ^er Flüssigkeiten, deren Wirkung auf einander geprüft \
, 2 sollte. Sie sollen die erregenden Gefässe heissen.
(jl\ (ß\ und 3 sind kleine heberförmige, mit capillaren Öffr
versehene Röhren (Fig. 187), welche dazu dienten, die
-_ , z. ' munication zwischen den Gefässen auf die in der Fie^
Nach Fechner. °
gedeuteten Weise zu vermitteln."
Fechner schildert nun weiter die Vorsichtsmaassregeln, welche er 1
Anstellung der Versuche beobachtet hat. Die wichtigste von ihnen I
sich auf die Gleichförmigkeit der als Elektroden ber
f, /) Platinplatten. Nach der mechanischen Reinigung zeigt
sich häufig noch verschieden: „Trotz äusserster Sorg
^T , lß* f der Reinigung der beiden Platten habe ich es wohl ka
Nach Fechner. ö ö
dazu gebracht, dass sich nicht ein kleiner Ausschlag \
hätte, ja oft war er nicht unbedeutend, letzteres gewiss, wenn die Reii
nach vorhergehenden Versuchen nicht auf das Sorgfältigste, mit Vernn
jeder fremden Berührung, ausser durch das Reinigungsmittel bewerk
worden war; auch war er dann oft bleibend. Sonst aber pflegte si<
Ausschlag allmählich zu verlieren, und die Nadel dann genau den
anzunehmen, den sie ohne Schluss des Multiplicators mit den Platte
nahm: ein Beweis, dass meine Platinplatten der Substanz nach vollko
homogen sind. . . . Nie wurden die Versuche eher begonnen, als bis
Punkt völliger Homogenität erreicht war; was mir einige Male viel Ze
Mühe durch oftmalige Wiederholung der Reinigung gekostet hat."
Die ersten Versuche, welche Fechner anstellte, beziehen sich a
BECQUEREi/sche Kette. Er fand, dass in der That, wenn er Salpete
und Kali zwischen Salpeterlösungen in den zuleitenden Gefässen zu
Kreise schloss, ein Ausschlag nach der einen Seite der Säure erfolgte
dagegen Salpeterlösung eingeschaltet wurde, erschien kein Ausschlag,
diesen Versuchen scheint gefolgert werden zu müssen: ,,a) dass die chei
Wirkung Antheil an der Strömung hatte, b) dass die Kraft der Becqi
sehen Kette wirklich auf dieser Wirkung beruht. Wir werden indessen
den Verfolg der Versuche sehen, wie beide Folgerungen in Nichts zerf
1 Die Bedeutung dieser Bezeichnung erläutert Fechner wie folgt durch ein 1
„Die zuleitenden Gefässe, in welchen die Platinplatten stehen, seien mit Salpeterlösu
Gefass A mit Salpetersäure, das Gefass B mit Kali gefüllt. Der Strom geht hier in
regenden Gefässen vom Kali zur Salpetersäure, und der Ausschlag erfolgt mithin so, a
die in das Gefass a tauchende Platte negativ gegen die andere wäre, wenn man sich de
durch die Wirkung der Platten erregt dächte. Dies kurz zu bezeichnen, sage ich: de
schlag erfolgt nach der Seite der Salpetersäure."
Die Entwicklung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 709
Fechner zeigt zunächst, dass wegen der Symmetrie der Anordnung kein
m entstehen kann, wenn sowohl in den zuleitenden Gefassen, wie in
mittleren Heber Salpeter sich befindet. Wenn die Flüssigkeit in den
tenden Gefassen durch Brunnenwasser ersetzt wurde, wodurch die voll-
mene Symmetrie aufgehoben wurde, so entstand wieder ein Strom. An
r grossen Reihe weiterer Beispiele zeigte er, dass diese Bedingung immer
die Strombildung maassgebend ist.
Die Kraft der Kette war gering und schwer zu messen, da die Platin-
en sich schnell polarisirten. Indessen führte Fechner doch Messungen
um sie mit der Kraft zu vergleichen, welche mittelst der Anordnung
Becquerel (Platinplatten in Kali und Salpetersäure) zu beobachten war.
>ei ergab sich die letztere Kraft etwa 70 Mal grösser, als die erstere, und
hner schloss mit Recht daraus, dass die BECQUEREi/sche Kette ihre Kraft
entlich der Wirkung der beiden verschiedenen Flüssigkeiten auf das
in verdanke. Dies Hess sich dadurch bestätigen, dass sich die Kraft als
löchstem Grade abhängig von der Natur der Metalle erwies, welche man
den beiden Flüssigkeiten in Berührung brachte. Wird endlich die
ssigkeitskette so angeordnet, dass die zuleitenden Gefässe Kali enthalten,
giebt sie einen Strom, der dem entgegen gerichtet ist, welcher durch
Einwirkung der Säure auf das Kali nach Becquerel erfolgen sollte. Das
iche findet statt, wenn man Salpetersäure in die zuleitenden Gefässe nimmt.
Wurde die Zahl der Verbindungsheber zwischen Säure und Alkali ver-
hrt, so nahm die Wirkung nicht zu, obwohl der chemische Vorgang eine
rstärkung erfuhr; auch dies sieht Fechner als einen Beweis gegen die
^mische Theorie an, und es ist jedenfalls einer gegen die Auffassung von
CQUEREL.
Ebensowenig wirkte eine grössere oder geringere Vermischung durch
iterschiede, die man dem Stande der beiden sich berührenden Flüssig-
iten gab.
Fechner geht schliesslich zu der Mittheilung einer grossen Zahl ein-
ner Messungen mit den verschiedenartigsten Zusammenstellungen über,
gebnisse aligemeinen Charakters hat er aus ihnen nicht ziehen können,
e denn auch die endlichen Schlussfolgerungen aus der Gesammtheit der
irsuche darauf hinauslaufen, dass man Sicheres überhaupt nicht sagen
nne. „Die Ansicht, welche ich über diese Gegenstände für die wahrschein-
hste halte, ist die: a) dass die Flüssigkeiten unter einander und mit den
stallen ebensogut elektromotorisch wirken können, als die Metalle unter
lander, und unter demselben Gesetz der galvanischen Spannungsreihe
rhen;1 b; dass daher, wenn man nur den nächsten Erfolg der Berührung
Betracht ziehen wollte, keine Strömung in Ketten aus Flüssigkeiten und
stallen, sondern bloss ein Gleichgewichtszustand (wie wenn die Flüssigkeit
1 Fechner hat übersehen, dass das Gesetz der Spannungsreihe hier unmöglich gelten
m. da sonst überhaupt keine Ketten möglich wären, wie schon Volta klar erkannt hatte.
7 i o Vierzehntes Kapitel.
Quecksilber ist) entstehen würde; . . . c) dass durch die entgegengesetzte
Elektricität, welche an den Berührungsflächen entsteht, secundäre Effekte
(chemische und ähnliche Wirkungen) zwischen den Metallen und den m-
sammengesetzten Flüssigkeiten hervorgehen, welche jenen Gleichgewichts- jj
zustand aufheben; . . . d) dass der zusammengesetzte Erfolg dieser secundären
Effekte im Allgemeinen der ist, dass für die Versuche am Cpndensator und
die Strömungswirkungen in geschlossenen Ketten dasselbe Resultat heraus-
kommt, als wenn die Flüssigkeiten mit Vernachlässigung ihrer elektromoto-
rischen Wirkung bloss Leiter wären und alles von der elektromotorischen
Wirkung der Metalle unter einander abhinge, so dass man, wo es sich nicht
darum handelt, auf den letzten Grund der Erscheinungen zurückzugehen,
bei dieser Darstellungsweise stehen bleiben kann."
Wie man sieht, ist an Stelle einer Besiegung der chemischen Lehre
etwas wie eine Insolvenzerklärung der Contacttheorie zu Tage gekommen,
gewiss eine unbeabsichtigte Wirkung bei dem eifrigen Anhänger dieser.
Die Lehre von den Flüssigkeitsketten ruhte nach dieser Bearbeitung
eine lange Zeit; die Aufklärung der Quelle der hier stattfindenden elektro-
motorischen Wirkungen war, wie so manches, erst der jüngsten Zeit vor- '
behalten.
57. Die Fortsetzung des Kampfes der Theorieen. Wenn wir
von unserem gegenwärtigen Standpunkte aus das Werk Faraday's über-
schauen, so sollten wir geneigt sein, anzunehmen, dass mit demselben das
Wesentliche zur Theorie der galvanischen Erscheinungen gegeben war, und
der nachfolgenden Zeit nur übrig blieb, die gefundenen Grundlagen auszu-
bauen und zu erweitern. So ist indessen die Entwickelung nicht verlaufen;
vielmehr dauert auch nach Faraday's Auftreten der Kampf der Meinungen
mit unverminderter Stärke fort, ja er nimmt an Heftigkeit eher zu als ab.
Fragt man, woher diese Erscheinung rühren mag, so findet man nur den
einen Umstand, dass es an einem entscheidenden Versuch gegen die Con-
tacttheorie noch immer fehlte. Zwar Hess sich nicht leugnen, dass Faraday
ein in sich geschlossenes und folgerechtes System der chemischen Theorie
des Galvanismus gegeben hatte. Da aber, wie immer in einem lange dauern-
den Kampfe, es den Betheiligten allmählich unmöglich geworden war, die
Argumente des Gegners unbefangen zu würdigen, und von den verschiedenen
vorgeschlagenen Theorieen diejenige zu wählen, welche relativ die beste war,
sondern jeder den einmal gewählten Standpunkt mit allen Mitteln zu halten
sich bestrebte, so konnte es kommen, dass die Contacttheoretiker das Fara-
DAY^sche Gesetz zwar anerkannten, sein Gewicht zu Gunsten der chemischen
Theorie dagegen keineswegs zugeben wollten. Zwar war durch dies Gesetx
der Proportionalität zwischen der Elektricitätsmenge und der Stoffmenge bei
einem elektrischen Strome durch einen Elektrolyten erwiesen, dass über-
haupt keine Elektricitätsbewegung in einem Leiter zweiter Klasse stattfinden
kann, ohne dass ein entsprechender chemischer Vorgang mit dieser verbun-
den ist. Der chemische Vorgang ist somit unlösbar mit dem elektrischen
Die Entwkkelung der Elektrochemie b
r Entdeckung des Energieprinz ipes.
iipft, und in der VoLTA'schen Kette kann nie der eine ohne den anderen
aden. Soviel mussten auch die Anhänger der Contactlehre zugeben;
achten aber geltend, dass alles dies stattfinden könne, ohne dass die
Hage ihrer Ansichten, dass zwischen den verschiedenen Metallen durch
blosse Berührung Spannungsunterschiede entstehen, dadurch erschüttert
;. Die Chemiker machten allerdings geltend, dass, wenn die chemischen
änge die „Kraft" für den elektrischen Process liefern und zeitlich un-
bar mit diesen verbunden sind, man keinen Grund habe, nach einer
■en Ursache der elektrischen Erregung zu suchen, als sie in der chemi-
i Verschiedenheit der Bestandteile einer Kette gegeben ist; der Ein-
. der Gegner, dass der Condensatorversuch doch thatsächlich das Be-
n eines solchen elektrischen Spannungsunterschiedes erweise, liess sich
:h nicht widerlegen, und die Contacttheorie somit nicht vernichten.
So sehen wir den Kampf noch längere Zeit andauern, und wenn er
;sslich nahezu aufhörte, so geschah dies nicht, weil er entschieden war,
ern weil die gegen einander gestellten Gründe bis zur Erschöpfung
erholt worden waren, ohne dass einer von ihnen unbedingt durchge-
igen hätte. Die ganze Angelegenheit wurde schliesslich der Zukunft
lassen, und noch gegenwärtig dürfte es eine nicht unbedeutende Anzahl
Anhängern der Contacttheorie geben, wenn auch nach der Meinung
Gegner bereits die letzten Vertheidigungswerke niedergelegt worden sind,
unzweifelhaftes Kennzeichen für den Weg, welchen diese Angelegenheit
kicii muss, liegt in dem Umstände, dass sich die Contacttheorie fast
;er in der Defensive befunden hat, und dass sie der chemischen im
fe der Zeit immer weitere Zugeständnisse hat machen müssen. Ein
her Gang, der sich durch fast ein Jahrhundert verfolgen lässt, giebt
en Raum für die Vermuthung, dass er sich noch einmal umkehren wird,
verlorene Boden lässt sich nicht wieder gewinnen, und das Ende kann
anderes sein, ab dass infolge der immer sich vermehrenden Zugeständ-
; endlich die Contacttheorie von der chemischen praktisch nicht zu
xscheiden sein wird.
Ein anderer Umstand kann hierher allerdings auch nicht übersehen
Jen: der, dass die Vertreter der chemischen Theorie den ganzen Werth
FARADAv'schen Entdeckung für ihre Ansicht selbst nicht vollständig er-
:en. Es ist schon dargelegt worden, wie der Entdecker selbst seinem
etze die Scharfe nahm, indem er irrthümlich die Möglichkeit einer me-
inen Leitung neben der elektrolytischen in Leitern zweiter Klasse zugab;
1 in der Folge sehen wir, dass nur langsam sich die Denkgewohnheit
teilt, vermöge deren keine Bewegung der Elektricität ohne die materieller
ilchen in solchen Leitern zugegeben werden darf. Die formale Seite
s solchen Gesetzes lässt sich verhältnissmässig leicht dem Gedächtniss
ragen und gegebenen Falls in Anwendung bringen; das beständige Be-
rtsein der durch das Gesetz geregelten Verhältnisse muss dagegen erst
sam mittelst einer entsprechenden Anpassung erworben werden, und ein
7 I 2 Vierzehntes Kapitel.
solcher Vorgang braucht erfahrungsmässig auch bei einem gut entwickelte»
Intellekt eine ziemlich beträchtliche Zeit. Dies ist auch der Grund dafür,
dass selbst Faraday zuweilen in der Anwendung seines eigenen Geseto
schwankt und Missgriffe begeht.
58. Ohm's Ansichten. Auch Ohm1 hat in dem Kampfe der Meinung«
das Wort ergriffen, um seine Ansicht darzulegen. Er war, wie schon er-
wähnt, ganz und gar Anhänger Volta's, und führte seine Vertretung vot
dessen Lehre wie fast alle seine Gesinnungsgenossen mehr vertheidigend»,
als fördernd; er wies nach, dass die von den Gegnern vorgebrachten Ver-
suche nicht zureichend seien, um die VoLTA'sche Lehre zu widerlegen, zeigte
aber nicht, welche weiteren Aufschlüsse sich über das Problem selbst mit
Hülfe dieser Lehre erhalten lassen. Über die Quelle eines grossen Theiles
der Meinungsverschiedenheiten äussert er sich in sehr sachgemässer Weise,
indem er sie der Benutzung des Multiplicators zuschreibt. „Der Multiplicator
ist sowohl wegen seiner leichten Behandlung, wie auch wegen seiner lautes
Sprache, ein eminentes Mittel zur Entdeckung von wirkenden und die Wir»
kung verändernden Ursachen, aber er giebt seiner Natur nach in der Regel
nur eine summarische Anzeige von dem Vorgefallenen, und lässt uns bat
ganz in Ungewissheit hinsichtlich des einem jeden einzelnen Gliede beinK
legenden Antheiles an der ganzen Wirkung; er pflegt in das von ihm n
verkündende Resultat das Wo und Wie der einzelnen Veranlassungen dazu
nicht aufzunehmen. Daher kommt es, dass die verschiedenen Beobachter
über dieses Wo und Wie so ganz verschiedener Meinung werden. Dam
genau genommen, bleibt es der Willkür eines jeden überlassen, sich diese
beiden Dinge noch ganz beliebig zu dem gegebenen Resultat hinzuzudenken;
darum greift denn auch jeder gerade nach denen, die sein Auge am meisten
auf sich zu ziehen geeignet sind." In der That lässt sich kaum eine bessere
Charakteristik von der Beschaffenheit des Streites geben, und Ohm bescheidet
sich denn auch, bindende Beweise zu Gunsten der von ihm vertretenen
Meinung beizubringen; er begnügt sich mit WahrscheinlichkeitsbewdseiL
Im Gegensatze zu den leicht zu erhaltenden, aber schwer zu entziffern*
den Aussagen des Multiplicators lobt er das Elektrometer, und in gewissem
Sinne mit Recht, denn es giebt in der Spannung eine viel einfachere elek-
trische Grösse, als die von mehreren Umständen abhängige Stromstärke.
Allerdings war er noch nicht gewahr geworden, wie auch die Angaben des
Elektrometers schliesslich verwickelterer Natur sind, als es auf den ersten
Blick erscheint, und dass sie insbesondere immer Summen mehrerer Span-
nungen sind, aus denen die Einzelwerthe sich gleichfalls nicht frei von Willkur
ableiten lassen.
Über die chemische Theorie äussert sich Ohm zunächst nur lobend:
„Der grosse und zuweilen höchst überraschende Einfluss, den ein in der
Kette von selbst eintretender oder erst künstlich hervorgerufener chemischer
1 Schweigger's Journ. 63, 160. 1831.
Die Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 71?
sss auf die Art und Grösse ihrer Wirkung äussert, zieht den Beobachter
tisam mit Gewalt zu der Ansicht hin, dass der chemische Process als
Grundlage aller galvanischen Thätigkeit anzusehen sei; auch finden wir
?r That, dass von der Entdeckung der VoLTA'schen Säule an sich fast
Beobachter zu jener Ansicht hingeneigt, und kürzere oder längere Zeit
ihr verweilt haben. Die genaue Kenntniss des elektrischen Zustandes
• geschlossenen Kette scheint völlig geeignet zu sein, den hier ange-
m Streitpunkt, welcher bis jetzt noch immer Stimmen für und wider
gefunden hat, bis zu seiner endlichen und unwiderruflichen Entscheidung
ihren."
Man kann in der That den Mittelpunkt der Frage nicht schärfer be-
ulen, als es hier geschehen ist; nur ist allerdings die Lösung der Auf-
t mit ebendenselben Schwierigkeiten verknüpft, welche eben für das
Manometer erörtert worden sind. Auch das Elektrometer giebt die ge-
lten Werthe stets als Summen, und es ist nicht möglich, aus den Beüb-
ungen desselben allein die Entscheidung zu finden. Ein Beweis dafür ist,
i noch bis auf den heutigen Tag Meinungsverschiedenheiten darüber be-
en, an welchen der vier verschiedenen Berührungsstellen einer gewöhn-
en Kette, z. B. einer DANiELi/schen, die Spannung sitzt, oder vielmehr,
die gesammte Spannung sich auf diese Stellen vertheilt.
Ohm entscheidet sich auf Grund der mehrfach erwähnten Thatsache,
5 Ketten mit Säuren dieselbe Spannung haben, wie solche mit indifferenten
ktrolyten, gegen die chemische Theorie, und giebt noch eine weitere
sfuhrungsform des Versuches von Berzelius (der mit dem FECHNER'schen
»erimentum crucis identisch ist) an, welche zeigt, dass in einem Element
Kupfer in verdünnter Salpetersäure und Zink in Zinknitratlösung der
om wie gewöhnlich geht, obwohl das Kupfer das angegriffene Metall ist,
id das Zink auf der anderen Seite seinen Metallglanz unverändert bei-
lält". Wenn Ohm seinen Zinkstab vor und nach dem (hinreichend lange
>gedehnten) Versuche gewogen hätte, so hätte er sich allerdings über-
igen können, dass das Zink aufgelöst wird, wenn es auch seinen Metall-
;nz beibehält, und wenn auch die benutzte Lösung für sich keine Wirkung
f Zink äussert.
Die Unzulänglichkeit der gegen die Beweiskraft dieses Versuches durch
la Rive erhobenen Einwände (S. 448) weiss Ohm sehr scharf zu beleuchten,
d er weist die Behauptung de la Rivers, dass die Wirkung wesentlich
f der Berührung der beiden Lösungen beruhe, durch quantitative Ver-
che zurück, aus denen sich ergiebt, dass die Wirkung nur 1/20 von dem
sammten Strome betragen kann, wenn man die von de la Rive gemachten
oraussetzungen annimmt.
Um die VOLTA'sche Ansicht durchfuhren zu können, muss Ohm freilich
\i die Berührung zwischen Metall und Flüssigkeit als eine wesentliche Quelle
)n Spannungen hinweisen. Er tadelt die Gegner ziemlich bitter, dass sie
iesen von Volta schon betonten Gesichtspunkt unbeachtet gelassen hätten;
n i 4 Vierzehntes Kapitel.
indessen ist Volta in der That nicht so schuldlos, wie Ohm ihn erscheinen
lassen möchte. Wenn er diese Wirkung nicht für nahezu Null gehalten
hätte, wäre er nicht berechtigt gewesen, sich beständig feuchter Leiter unter
der Voraussetzung zu bedienen, dass sie nur ableiten, nicht erregen; und
gerade die ausgiebige Anwendung, welche Volta und seine Nachfolger von
diesem experimentellen Hülfsmittel gemacht haben, ist die Ursache, warum
der Vorwurf der Vernachlässigung dieser Grösse von Seiten der Chemiker
nicht verstummen will.
59. Schönbein's Tendenz-Theorie. Die befruchtende Wirkung,
welche unerwartete und mit den vorhandenen Ansichten im Widerspruch
stehende Thatsachen auf die Ausbildung eben dieser Ansichten üben können,
tritt in recht anschaulicher Weise in einer Arbeit hervor, in welcher Schök-
bein1 von einigen Beobachtungen über die elektromotorische Wirkung der
Hyperoxyde Rechenschaft giebt. Die auffallend negative Stellung des Braun-
steins oder Manganhyperoxydes war schon Volta bekannt; später theilte
Munck af Rosenskiöld mit, dass auch Bleihyperoxyd in gleichem, ja noch
stärkerem Sinne wirkt. Schönbein fand im Silberhyperoxyd einen weiteren,
und zwar den stärksten Repräsentanten dieser negativen Hyperoxyde. Wenn
man nun einen mit Hyperoxyd überzogenen Platindraht mit einem reinen
in Salpetersäure schliesst, so findet ein Strom statt, und das Hyperoxyd löst
sich in der Säure auf. Diese Erscheinung steht nun in einem auffalligen
Gegensatze zu der üblichen chemischen Theorie, denn zwischen Salpetersäure
und den genannten Hyperoxyden findet keine irgend bekannte chemische
Wirkung statt, und dennoch erscheint ein Strom.
Um nun diesen Widerspruch zu heben, entschloss sich Schönbein »
einer sehr bemerkenswerthen Änderung der chemischen Theorie, welche
zwar die dauernde Fassung derselben noch nicht ergab, sich dieser aber *.
doch im richtigen Sinne annäherte. Da Schönbein's Ansichten möglichen
Missverständnissen sehr ausgesetzt sind, so sollen sie mit seinen eigenen
Worten wiedergegeben werden, zumal sie von einiger Bedeutung für die
Entwickelung der chemischen Theorie geworden sind:
„Gewöhnlich sagt man, Stoffe, welche in inniger Berührung stehen,
wirken nicht chemisch auf einander, wenn sie nicht eine bestimmte, unter-
scheidbare Verbindung mit einander eingehen, oder wenn, falls wir es mit
zusammengesetzten Materien zu thun haben, die eine nicht unter dem Eon
flusse der anderen zerlegt wird; überhaupt, wenn die Berührung der Sub*
stanzen keine qualitative Veränderung nach sich zieht . . . Würden wir aber,
indem wir ein solches Urtheil fällen, sagen, dass die beiden fraglichen Ma-
terien bei ihrer Berührung durchaus gar keine chemische Aktion auf einander
ausüben, dass sie sich absolut unthätig gegen einander verhielten, so würdet
wir etwas behaupten, nicht nur wozu wir durchaus kein Recht hätten, son-
dern etwas, was höchst unwahrscheinlich wäre und mit aller Analogie i
1 Pogg. Ann. 43, 89. 1838.
1
J
Die Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. n \t
rspruch stände. Es lässt sich wohl als chemisches Axiom der Grund-
lufstellen, dass, so oft verschiedenartige Materien in Conflict gerathen,
zwischen denselben chemische, je nach der verschiedenen Beschaffen-
der Materien mehr oder weniger intensive Anziehungskräfte ins Spiel
nen, mögen letztere irgend eine chemische Verbindung oder Trennung
lassen oder nicht.
Ja wir müssen sogar in den Fällen, wo ein chemisches Resultat wirk-
?rzielt wird, annehmen, dass, bevor dasselbe statt hat, das Spiel der
ischen Ziehkräfte bereits begonnen habe; dass dem aktuellen ein poten-
• chemischer Process vorausgegangen sei, da ersterer nur eine Wirkung
etzteren ist"
Schönbein geht nun zu der Auseinandersetzung einiger Beispiele über,
te die vorgetragene Theorie erläutern. Er betrachtet das Beispiel
er, Schwefelsäure und Zink, und legt dar, wie der Sauerstoff des Was-
chon Anziehung zum Zink äussere, noch bevor es zu einer Verbindung
nt, und wie zu dem Zinkoxyd die Schwefelsäure Verwandtschaft äussere,
* es sich noch gebildet hat, „diese chemischen Anziehungskräfte müssen
orhanden betrachtet werden, und sie sind es, welche das elektrische
hgewicht stören, ehe die wirkliche Oxydation des Zinks erfolgt. Ver-
sich von selbst, dass die Entbindung der Elektricität auch während des
5 der Verbindung des Metalles mit dem Sauerstoff fortdauert."
Auf Grund dieser Annahmen hat nun Schönbein keine Schwierigkeiten,
>eobachteten Erscheinungen, welche er noch in mannigfaltiger Weise
r Gewohnheit gemäss variirt, zu erläutern. Die Frage, wie der Zu-
lenhang zwischen der chemischen und der elektrischen Thätigkeit zu
ehen sei, erklärt er nicht beantworten zu können, und stellt sie mit
X auf den gleichen Boden, wie die Annahme der Voltaisten, dass bei
Berührung der Stoffe die Elektricitäten getrennt würden. Nachdem er
so mit diesen auseinandergesetzt, kennzeichnet er sein Verhältniss zu
bisherigen „Chemikern", welche das Auftreten der Elektricität von dem
haben einer sichtberen chemischen Wirkung abhängig machen: „Ich
egen behaupte, dass schon die blosse Tendenz zweier Körper, sich
lisch zu verbinden, deren elektrisches Gleichgewicht stört, wenn auch
» wirkliche Vereinigung derselben erfolgt. Allerdings nehme ich zu
:her Zeit an, und die Erfahrung rechtfertigt diese Annahme, dass ein
m, der in Folge einer wirklichen Verbindung zweier Stoffe entsteht, un-
ich grösser und stärker ist, als derjenige, der nur durch die Tendenz
gleichen Materien nach Vereinigung hervorgerufen wird."
Die hier von Schönbein in den noch ziemlich unbehülflichen Formen
er Zeit dargelegten Ansichten über den Zusammenhang des elektrischen
»nies der VoLTA'schen Kette mit den „potentiellen" chemischen Vor-
gen in derselben nähern sich in ganz auffälliger Weise den Vorstellungen,
welchen die letzten Entwicklungen der Wissenschaft uns in jüngster Zeit
ihrt haben. Auch die heutige Forschung steht auf dem Standpunkte,
Mittel zu seiner Klärung und Stärkung gewesen.
Zu der Zeit der Aufstellung seiner Theorie war Schönbein freilk
ziemlich weit von dieser Klärung entfernt, wie aus einer bald hernac
öffentlichten zweiten Arbeit hervorgeht, in welcher er für die durch
sehe „Tendenz" erregten Ströme den Ausdruck „Tendenzströme" voi
Der besondere Anlass des Aufsatzes interessirt uns allerdings nicht
lieh — er handelt von den sehr schwachen Strömen zwischen Pia
passivem Eisen — wohl aber der Nachweis, dass fast alle Metalle, a
nicht wasserzersetzenden, nämlich Zink, Kadmium, Kupfer, Blei, Zinn
Quecksilber, wenn man sie mit Platin und Wasser zu einem Kreise s
einen dauernden Strom geben. Hier kommt also, obwohl sich die
unter diesen Umständen nicht unmittelbar oxydiren, doch wegen der
sehen Tendenz der Strom zu Stande, was für Schönbein ein Argui
Gunsten seiner, und gegen die Theorie von de la Rive ist. Freilich
er wieder einen Theil seiner Wirkung durch die Annahme des von I
begangenen Irrthums, dass schwache Ströme durch einen Elektroly
können, ohne ihn zu zersetzen, welche Eigenschaft er gerade für sei
denzströme in Anspruch nimmt; Faraday konnte ihm daher später m
den Vorwurf machen, dass er ein dauerndes Phänomen, wie den
durch einen blossen Zustand erklären wolle, was ein Widerspruch sei
Schönbein hat im Laufe seiner späteren Entwickelung seinen Fehl
Theil wieder gut gemacht, indem gerade er es war, der die Unhal
der Annahme Faraday's nachwies, und zum ersten Male in aller :
darauf aufmerksam gemacht hatte, dass Stromleitung und Zersetz)
Elektrolyt ganz und gar untrennbare Vorgänge sind. Den Beweis fi
Die EntwickeluiJß der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. r \ j
oft schon vernichtete chemische Theorie stand kräftiger und ange-
r da, als je zuvor. Mit unermüdlichem Eifer erhob er wiederum seine
e, 1 um seine Fachgenossen zu warnen, und gleichzeitig stellte er eine
Anzahl von Versuchen an, welche die Vereinbarkeit der Contact-
mit den Thatsachen und die Unrichtigkeit der chemischen Theorie
tn sollten,
mächst ergab sich, dass bei Verbren nungs Vorgängen sich im Allge-
durchaus keine elektrische Ladung des Elektrometers, auf dessen
die Verbrennungen stattfanden, nachweisen Hess,
'rner wurden zahlreiche Versuche über die Erregung zwischen festen
issigen Leitern angestellt, und zwar unter Benutzung des Conden-
Leider hat Pfaff bei diesen Versuchen das, was er erst zu beweisen
nämlich dass bei der Berührung der Metalle mit Wasser oder dem
n Finger keine Erregung eintritt, ohne weiteres vorausgesetzt, und
Versuchen alle Beweiskraft genommen. Der hier begangene metho-
Fehler wiegt um so schwerer, als Pfaff gerade bei diesen Arbeiten
brochen Gelegenheit hatte, sich davon zu überzeugen, dass zwischen
:eiten und Metallen jedenfalls Spannungen entstehen; es war also
ch für den damaligen Standpunkt durch nichts gerechtfertigte An-
dass gerade bei der Berührung mit Wasser oder der undefinirbaren
gkeit des Fingers solche Spannungen ausbleiben sollten. Demgemäss
5, was er als Spannung der Metalle mit den von ihm verwendeten
:eiten maass, nichts, als der Unterschied der Spannungen dieser Me-
t den Flüssigkeiten einerseits und mit Wasser, bezw. „Fingerfiüssig-
ndererseits. Eine Angabe der einzelnen Ergebnisse ist demnach
*ig.
1 besonderes Gewicht legt Pfaff auf folgende Beobachtung: Es
sin Zinkstreif für sich in verdünnte Schwefelsäure getaucht, und die
- gewissen Zeit entwickelte Wasserstoffmenge gemessen. Dann wurde
rsuch wiederholt, aber indem der Zinkstreif mit einem Platinblech
len wurde. Hierdurch löste sich viel mehr Zink, und ein Theii des
^toffe^ erschien am Platin. „In diesem Falle hätte wenigstens ein
er Affinität, durch welche Zink aufgelöst und Wasserstoffgas an dem-
entwickelt wird, auf das Platin tibertragen worden sein, die Entwicke-
es WasserstofTgases am ZUk vermindert und was daran fehlte, am
stoff entwickelt worden teil müssen. Aber an dem Zinkstreifen ent-
t sich in gleicher Zeit chfpHnriel Wasserstoff, als zuvor, und ausser-
it nun eine freilich viel SPjMjjpC» gleichsam accessorische Entwickelung
asserstofTgas am PlatinbkÜBfc Beide Processe gingen also gleichsam
nabhängig ne ch, der chemische Process nach wie
t gleicher J n der durch die Berührung der Me-
"' >m versetzten Elektricität abhängige
7 1 3 Vierzehntes Kapitel.
Zersetzungsprocess, der unter der bestimmten galvanischen Form ai
indem der Wasserstoff sich am Platin, der Sauerstoff am Zink entwic
Es reicht hin, diese Thatsache ausgesprochen zu haben, um ihr ganze«
wicht gegen die chemische Theorie und ihre Beweiskraft für die Coi
theorie zu erkennen."
Leider hat Pfaff unterlassen, den Punkt zu bezeichnen, welcher
eine so grosse Beweiskraft zu haben schien; thatsächlich war der anges
Versuch eine schöne Erläuterung für die von de la Rive vermuthete,
auch noch nicht mit Klarheit durchgeführte Verschiedenheit der flu
Stromwirkung indifferenten örtlichen chemischen Wirkung, und den
dem Strom verbundenen und durch ihn vermittelten elektrochemü
Vorgange.
Auch in Veranlassung der Mittheilung Schönbein^s über die Grove
Kette, in welcher dieser die Erscheinungen derselben zu Gunsten
chemischen Theorie gedeutet hatte, Hess sich Pfaff1 über den glei
Gegenstand aus, und wusste ihn, wie sich erwarten Hess, zu einem ex
mentum crucis gegen die chemische Theorie zu verwerthen. Das Ex
ment bestand darin, dass er an Stelle der Schwefelsäure eine Lösung
Zinksulfat in der GROVE'schen Kette anwendete, und die Wirkung keines
schwächer fand; die Verstärkung, welche er beobachtet haben will, ist
ein Irrthum. Aus der Abwesenheit jedes ursprünglichen chemischen
ganges in der ungeschlossenen Kette leitete nun Pfaff seinen entscheidei
Beweis her.
Wie man sieht, handelt es sich um nichts mehr, als das Fechner'
experimentum crucis, d. h. den Versuch von Berzelius, in etwas abgeänd
Gestalt, und alles, was früher (S. 449 und 485) über den Punkt gesagt wo
ist, gilt auch hier. Es ist dies ein weiteres Beispiel für die Unermüdlich
mit welcher die alten Argumente immer wiederholt wurden, wenn neue 1
ausfindig zu machen waren.
61. Poggendorff's Eintreten für die Contacttheorie. Der
Faraday an die Spitze seiner Untersuchungen über den Ursprung der Vo
sehen Elektricität gestellte Versuch (S. 550), bei welchem Zink und F
einerseits durch verdünnte Schwefelsäure, andererseits durch Jodkaliumlö
verbunden wurden, worauf ein Strom ohne die Berührung verschied
Metalle entstand, konnte natürlich von den Anhängern der Contactlehr
gedeutet werden, dass es sich um den Unterschied der Berührungswirkui
der beiden Flüssigkeiten mit den Metallen handelt. Indessen bemerkt
gendorff, welcher um diese Zeit begonnen hatte, seine bisherige Stel
zwischen den Parteien mit der eines entschiedenen Contactisten zu
tauschen,2 dazu: „Der Versuch ist so auffallend, und die davon gege
Erklärung hat scheinbar so viel annehmliches, dass man sich nicht wun
kann, wenn die Anhänger der chemischen Theorie des Galvanismus <
1 Pogg. Ann. 53, 303. 1841. * Pogg. Ann. 49, 31. 1840.
Die EatwickeluDg der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprmzipes. 7 IQ
anz vorzügliche Stütze ihrer Meinung zu erblicken vermeinen. Auf
rtheidiger der Contacttheorie hat er dagegen wenig Eindruck gemacht,
achlich wohl deshalb, weil sie geglaubt haben, bei den zahlreichen
■fen, die ausserdem der chemischen Theorie gemacht werden können,
ae vereinzelt stehende, scheinbar für dieselbe sprechende Thatsache
Rücksicht nehmen zu brauchen."
jcgemdorff hat nun eine grosse Anzahl weiterer Fälle untersucht, und
die beistehend angedeutete Anordnung gebraucht, welche wohl ohne
; Erklärung verständlich ist. Bei dieser Gelegenheit beschreibt er einen
at, welcher seitdem in vielen tausenden von Exemplaren hergestellt
ngewendet worden ist: es ist dies die Klemmschraube (Fig. 189).
u
=™D
Nach PUC (JENDUR ff.
hier bedarf es keiner näheren Beschreibung. Die kleine Erfindung
/on grosser Bedeutung, denn bis dahin besass man zur galvanischen
ndung der Drähte und Platten nur das eine, unbequeme Mittel, den
ksilbernapf.
Bei der Schilderung seiner Versuche erwähnt Poggendorff mit grosser
"alt alle Vorsichtsmaassregeln, welche er hat nehmen müssen, um einiger-
sen übereinstimmende Werthe zu erlangen. Insbesondere erwiesen sich
;eringfügigsten Umstände bei der Behandlung der Metalle als von Ein-
auf die beobachteten elektromotorischen Kräfte; Verschiedenheiten beim
igen, Bewegen der Platten in der Flüssigkeit können die Ergebnisse
: nur verändern, sondern sogar umkehren. Durch die weitere Geschichte
Versuche, messend in die Lehre von den elektromotorischen Kräften
idringen , zieht sich unaufhörlich dieselbe Klage: die Unbeständigkeit
zu messenden Grössen. Es gehört zu den auffälligsten Erscheinungen
er Geschichte unseres Gebietes, dass eine auf die Frage gerichtete Unter-
ung, unter welchen Umständen man constante und zuverlässige Werthe
diese wichtigen Grössen erhalten könne, lange Zeit überhaupt nicht an-
ellt wurde; man nahm die Unregelmässigkeiten als unvermeidlich in den
f. Die Schuld an dieser Vernachlässigung trägt zum grossen Theil die
lacttheorie. Indem nach dem Vorgange von Fechner die bei der Be-
ung der Metalle auftretenden sichtbaren oder unsichtbaren Änderungen
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jm hsniümge ar.sah. /:ann nicht Wunder nehmen. Er
in di-t beiden Satze zusammen: ..Als Hauotres^Itar meiner Versuche
»ich nun ajf das Bestimmteste herausgestellt, dass — die Grosse der
•r<rfnov>ri%ch'm Kraft im Allgemeinen durch ^ede dem \V
S'jfotanz verändert wird, bald vergrössert. bald verringert, und zwar, w*
wohJ zu merken ist, durch dieselbe Substanz, dem Wasser in demsdxt:
Verhältnis zugesetzt, für eine MetaLI-Combinaiion vergrößert, und für ei
andere verringert wird.
„Ebenso wenig habe ich finden können, dass diese Kraft in einem ge-
raden Verhaltniss zu der Starke der Verwandtschaft zwischen dem positifa
Metall und dem negativen Kestandtheil der Flüssigkeit stehe. Sie ist in
Fallen schwach, wo man diese Verwandtschaft für stark zu halten hat, und
zeigt sich dagegen stark, wo man nur eine schwache Verwandtschaft an-
nehmen muss. Häufig entsteht sogar ein Strom, und bisweilen ein redt
kraftiger, wo nach dieser Verwandtschaft durchaus keine Wirkung w er-
warten wäre."
Wie weit hergeholt unter Umständen die Einwürfe gegen die chemische
Theorie ausfielen, wird aus einer weiteren von Poggendoff1 gemachten Be*
merkung ersichtlich. Zu anderen Zwecken war die Änderung der Strom-
starke gemessen worden, welche im Kreise einer GROVE^schen Zelle durch
Einschalten einer oder mehrerer Kupferplatten zwischen gesättigter Losung
von Kupfervitriol entstanden war; bekanntlich ist diese sehr gering. D*
durch ergab sich, dass eine sehr bedeutende Menge Kupfer, die ein W
beliebiges Vielfaches des Äquivalents vom aufgelösten Zink beträgt, durch
eine gegebene Zinkmenge gelöst und abgeschieden werden kann.
„Diese Erscheinung hat noch ein besonderes Interesse in Bezug »■
die Lehre, nach welcher der galvanische Strom aus der Auflösung d*
Zinks entsteht, und die Wirkung desselben „abhängt von dem Kamp'
der Kräfte an den Orten der Elektricitätserzeugung und der ElcU-
trozersetzung."
1 I'oug. Ann. 55, 292. 1842.
Die Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 72 1
Nach dieser Lehre, sollte man meinen, müsste der Totaleffekt in
auf die Ursache desto kleiner sein, je grösser und zahlreicher die
31 Orten der Elektrozersetzung zu überwindenden Kräfte sind. Die
henden Versuche aber zeigen, dass dieser • Effekt zunimmt mit der
? und Anzahl dieser Kräfte. Es bestand nämlich die angewandte Bat-
aus zwei Plattenpaaren; es wurde daher, als eine Zersetzungszelle
ehaltet war, von zwei Atomen Zink in den Erregungszellen so viel
icität entwickelt, als zur Fällung von einem Atom Kupfer nöthig war.
inschaltung von zwei, drei oder vier Zersetzungszellen fällten dagegen
Uome Zink, resp. zwei, drei oder vier Atome Kupfer auf den negativen
n, und zugleich oxydirten sie eben so viele an den positiven. Der
ch hätte noch viel weiter ausgedehnt werden können, allein so, wie er
:, liefert er den Beweis, dass ein Atom Zink durch die angeblich bei
• Auflösung entwickelte Elektricität eine ganz unbegrenzte Zahl von
*ratomen oxydiren und reduciren kann. Wie dies aber mit jener Lehre
reinbaren sei, ist nicht wohl einzusehen."
Poggendorff hat bei dieser Darlegung nur das eine übersehen, dass bei
«nutzten Versuchsanordnung die gesammte Menge des ausgeschiedenen
?rs Null gewesen ist, da immer an der einen Elektrode ebensoviel gelöst,
an der anderen ausgeschieden wurde. Eine chemische Arbeit wurde
iberhaupt nicht geleistet, und ein Widerspruch gegen jenen von Faraday
.'stellten Satz liegt nicht vor.
61. Napoleon III. als Theoretiker des Galvanismus. Unter den
retern der chemischen Theorie findet sich auch ein Mann, welchen man
zu finden einigermaassen überrascht sein wird: Louis Napoleon, der
ire Kaiser der Franzosen. Während er in der Festung Harn seinen
jbungsversuch abbüsste, schrieb er an Arago einen Brief, welcher
wde Theorie enthielt, die er später auch dem Urtheil Faraday*s unter-
; wie dies gelautet hat, ist unbekannt, da sich in dessen Nachlass die
vort nicht gefunden hat.1
„Die Quelle der Elektricität ist von Volta der Berührung unähnlicher
alle zugeschrieben worden. Davy hat diese Meinung getheilt, indessen
tn seitdem hervorragende Gelehrte, unter ihnen der berühmte Faraday
chemischen Zersetzung des Metalles die einzige Ursache der Elektricität
^schrieben. Indem ich diese letztere Hypothese annahm, habe ich mir
igt: da in der Kette nur ein Metall sich oxydirt, so muss das zweite,
in die Elektricität nur von der chemischen Wirkung herrührt, nur eine
jndäre Rolle spielen. Welches ist nun diese Rolle? Es ist die, wie ich
ibe, die Elektricität, welche durch die chemische Wirkung entwickelt
d, anzuziehen und fortzuleiten, ähnlich wie dies bei der gewöhnlichen
ktrisirmaschine stattfindet. Thatsächlich durchtritt hier die durch die
bung entwickelte Elektricität einen unvollkommenen Leiter, die Luft,
1 B. Jones, Life and letters of Faraday, 2, 169. London 1870.
")$twald. Elektrochemie. 46
722 Vierzehntes Kapitel.
und wird angezogen und geleitet von einem vollkommenen Leiter, dar
Metall. In der Säule geht die durch die Oxydation irgend eines Metalfa
entwickelte Elektricität durch den unvollkommenen Leiter, die Flüssigkeit,
und wird durch einen vollkommenen Leiter gesammelt und fortgeleitet, das
angrenzende Metall.
„Da dieser Gedanke mir klar und einfach erschien, so suchte ich eh
Mittel, durch den Versuch zu prüfen, ob er zutreffend ist, und machte des»
halb die folgende Überlegung. Ist es wahr, dass von den beiden in der
Säule gebrauchten Metallen das eine nur als Leiter dient, so muss man es
durch dasselbe Metall ersetzen können, welches sich oxydirt, vorausgesetrt,
dass es sich in einer Flüssigkeit befindet, welche der Elektricität den Durch-
gang gestattet, ohne das Metall anzugreifen.
„Der Versuch hat meine Voraussicht bestätigt. Ich construirte zwei
Ketten nach dem Prinzip Daniell's, aber mit einem einzigen Metall. Ich
setzte einen Cylinder von Kupfer in eine aus Wasser und Salpetersäure zu-
sammengesetzte Flüssigkeit, welche in einem Gefäss aus porösem Thon ent-
halten war, und umgab dies mit einem anderen Cylinder aus Kupfer, welcher
sich in mit Schwefelsäure angesäuertem Wasser befand, worin Kupfer nicht ■
angegriffen wird. Nachdem ich die Verbindungen wie gewöhnlich berge- .
stellt hatte, konnte ich leicht mit dieser aus zwei Paaren bestehenden Säule j
Jodkalium zersetzen, und nachdem ich an den zwei Polen zwei Kupferplatten '
befestigt hatte, die in eine Lösung von Kupfersulfat getaucht waren, saffl- <
melte ich an dem Pole, welcher mit dem angegriffenen Kupfer in Verbindung
stand, einen Absatz von Kupfer.
„Ich stellte einen zweiten Versuch mit Zink allein an. In das poröse
Gefäss gab ich verdünnte Schwefelsäure, und umgab es mit einem anderen
Zinkcylinder, welcher in lauwarmem Wasser stand. Mit zwei so hergestellten
Paaren zersetzte ich gleichfalls Jodkalium, und erhielt unter Beobachtung
der erforderlichen Vorsichtsmaassregeln einen Kupferniederschlag an dem
Pole, welcher mit dem angegriffenen Zink verbunden war.
„Schliesslich kehrte ich die übliche Anordnung der Metalle um, und
setzte in das Innere der Röhre Kupfer in verdünnter Salpetersäure, und
umgab sie mit Zink in reinem Wasser, und erhielt so gleichfalls eine ziem-
lich starke Säule.
„Ich hätte gern die verschiedene Stärke der Ströme sorgfältig gemessen,
doch war mir dies unmöglich aus Mangel an einem Galvanometer. Meine
Bemühungen, ein solches herzustellen, gelangen nicht, weil die Magnetnadeln
stets durch die Wirkung der eisernen Stäbe abgelenkt wurden, welche sich
vor meinen Fenstern befinden.
„Indessen scheint mir durch die Versuche, welche ich habe ausfährt11
können, nachgewiesen zu sein, dass in der Säule die Ursache der Elek-
tricität rein chemisch ist, da ein einziges Metall ausreicht, um einen Stro^
hervorzubringen, und dass das nicht oxydirte Metall nur den Zweck ha*
die Elektricität zu übertragen, wie bei der gewöhnlichen Elektricit^
Die Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 12%
iesslich, dass jedes Metall positiv oder negativ ist, je nach der Flüssig-
weiche es umgiebt"
Napoleon schliesst mit der Bemerkung, dass er diese Theorie mit grosser
ickhaltung aufstelle, da ihm die nöthigen Fachkenntnisse abgehen.
Der Aufsatz hat ein Interesse, welches über das an der Person seines
assers hinausgeht, denn er enthält eine unbeabsichtigte Kritik der Theorie
de la Rive, die man sich kaum schlagender denken kann. In der That
heinen die gezogenen Schlussfolgerungen von dem Standpunkte dieser
orie aus vollkommen berechtigt, und da wir jetzt wissen, dass die he-
genden Versuche auf Selbsttäuschung beruhen, und die erwarteten Er-
e keineswegs eintreten, so ist hier jene Theorie in der unbefangensten
se ad absurdum geführt.
Der rührende Hinweis auf das Loos des Gefangenen, welches in der
lerkung über die Störung durch die Gitter enthalten ist, wird lediglich
natische Zwecke gehabt haben. Denn die Abweichungen der Magnet-
el, wie sie durch die Gitter veranlasst sein könnten, hätte die Anwendung
Galvanometers keineswegs verhindert, sonst dürfte kein gewöhnliches
)oratorium die Anwendung gestatten, denn in einem solchen sind in
>talt von Gas- und Wasserröhren sicher grössere Eisenmengen vorhanden,
an den Fenstern des Gefängnisses zu Harn.
62. Zweite Vertheidigung der chemischen Theorie durch
radav. Durch das kräftige Eintreten Faraday's für die chemische Theorie
ren die Anhänger der anderen keineswegs entmuthigt worden; wir haben
*eits gesehen, wie namentlich Poggendorff sich bemühte zu zeigen, dass
5 elektrolytische Gesetz gar keine Bedeutung für die Frage selbst habe,
alle Ströme, nicht nur die durch galvanische Ketten erzeugten, dem
setze unterliegen. Indessen wird die Wirkung doch wohl empfunden,
nn auch nicht zugestanden worden sein; jedenfalls ist der Ton der Ver-
Hdiger der VoLTA'schen Lehre seitdem heftiger, der der Chemiker sicherer
worden.
Faraday griff noch ein zweites Mal in die Debatte ein, indem er die
ihl der Fälle, in denen elektrische und chemische Wirkung gleichzeitig
id von einander abhängig eintreten, durch eine weitere Reihe von Ketten
rmehrte, und dazu noch Betrachtungen allgemeiner Art fugte, welche
n schwächsten Punkt der VoLTA'schen Lehre, die Verletzung des Energie-
inzipes, ans Tageslicht brachten. Zwar war um jene Zeit das Prinzip in
iner allgemeinen Gestalt noch nicht ausgesprochen, doch ging eine starke
Drahnung desselben durch viele Forscher jener Zeit, und insbesondere bei
iraday finden sich hier und in der Folge zahlreiche Äusserungen, welche
t Überzeugung von der Einheitlichkeit aller „Naturkräfte" zum Ausdruck
ingen; ja diese Überzeugung beherrschte von dieser Zeit ab in solchem
aasse sein wissenschaftliches Denken, dass seine Arbeitspläne fast alle durch
esen Gedanken der gegenseitigen Abhängigkeit der verschiedenen natür-
hen Agentien bestimmt werden. Allerdings war es ihm nicht gegeben,
46*
Die Entwicklung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 725
DD; denn die beiden Meinungen stehen in solchem Contrast, dass die
Singer der einen gezwungen sind, in jedem Punkt rücksichtlich der wahr-
inlichen und inneren Natur des Agens, welches alle Erscheinungen der
tischen Säule bedingt, von den anderen abzuweichen.
,,1797) Die Contacttheorie ist die Theorie von Volta, dem grossen
iccker der nach ihm benannten Säule; seit seiner Zeit ist sie durch ein
r von Physikern vertheidigt worden, unter denen in neueren Zeiten
mer hervorragen, wie Pfaff, Marianini, Fechner, Zamboni, Matteucci,
sten, Bouchardat, und, was die Erregung der Kraft betrifft, selbst
y, — sämmtlich helle Sterne in den hohen Regionen der Wissenschaft,
chemische Theorie, zuerst von Fabroni,1 Wollaston2 und Parrot8 auf-
teilt) ist seitdem mehr oder weniger entwickelt worden durch Oersted,
la Rive, Pouillet, Schönbein und viele Andere, unter denen Becquerel
irorgehoben zu werden verdient, da er nach und nach eine grosse Masse
strengsten experimentellen Beweise für den Satz, dass chemische Aktion
Qer Elektricität entwickele, herbeigeschafft hat;4 auch de la Rive muss
annt werden, sowohl wegen der grossen Klarheit und Beständigkeit seiner
sichten, als auch wegen der vielen Thatsachön und Argumente, die er
q Jahre 1827 bis auf den heutigen Tag so eifrig geliefert hat.6
„1798) Bei Prüfung dieser Aufgabe durch die Resultate der bestimmten
rtrochemischen Aktion sah ich mich genöthigt, es mit denen zu halten,
den Ursprung der VoLTA'schen Kraft lediglich in die chemische Aktion
een (875. 965), und ich wagte darüber im April 1834 einen Aufsatz zu
treiben (875 u. s. w.),G der besonders die Aufmerksamkeit von Marianini
egt hat.7 Der Rang dieses Physikers, die Beobachtungen von Fechner8
d die Kunde, dass im grösseren Theil von Italien und Deutschland die
ntacttheorie noch vorwaltet, haben mich veranlasst, die Frage auPs Sorg-
tigste wieder vorzunehmen. Ich wünschte nicht bloss, mich vor Irrthum
hüten, sondern strebte auch danach, mich von der Wahrheit der Contact-
Jorie zu überzeugen; denn einleuchtend ist es, dass die contact-elektro-
rtorische Kraft, wenn sie existirte, eine Kraft sein müsste, verschieden von
ier anderen Naturkraft, nicht nur in Bezug auf die von ihr erzeugten
1 Im Jahre 1792 u. 1799. Becquerel's Traite de l'electricite, 1, 81 bis 91; und
cholson's Quarto Journ. 3, 308, 4, 120, oder Journ. de phys. 6, 348.
* Im Jahre 1801, Phil. Trans. 427. 1801.
3 Im Jahre 1801, Ann. de chim. 42, 45. 1829; 46, 361. 1831.
4 Im Jahre 1824 u. s. w., Ann. de chim. 25, 405. 1824; 35, 113. 1827; 46, 1831.
5- 276. 337; 47, 113; 49, 131.
5 Ebenda 37, 225. 1828; 30, 297; 62, 147. 1836. (Pogg. Ann. 15, 98 u. 112; 88,
5; 40, 355.)
8 Philos. Trans. 425. 1834. (Pogg. Ann. 35, 1 u. 222.)
7 Mcmorie della Societa Italiana in Modena, 21, 205. 1837.
8 Philos. Mag. 13, 205. 1838, oder Pogg. Ann. 32, 481. — „Fechner citirt auch Pfaff's
Liderung auf meinen Aufsatz (d. i. Pfaff's Revision der Lehre vom Galvano- Voltaismus).
bedaure unaufhörlich, dass das Deutsche für mich eine versiegelte Sprache ist."
726 Vierzehntes Kapitel.
Erscheinungen, sondern auch in den weit höheren Punkten der Beschränkung,
bestimmten Kraft und endlichen Erzeugung (2065).
„1799) Ich wage zu hoffen, dass die dadurch gewonnenen experimen-
tellen Resultate und Argumente der Wissenschaft nützlich sein werden. Ich
fürchte, das Detail wird ermüdend sein; allein es ist eine nothwendige Folge
der Beschaffenheit des Gegenstandes. Die Contacttheorie hat lange die
Geister eingenommen, ist durch grosse Autorität unterstützt, und hat in
einigen Theilen von Europa Jahre lang fast unumschränkt geherrscht. Wenn
sie ein Irrthum ist, kann sie nur durch eine grosse Anzahl mächtiger
experimenteller Beweise ausgerottet werden, was, nach meiner Meinung,
schon daraus hinlänglich hervorgeht, dass de la Rive's Aufsätze noch nicht
die Bearbeiter dieses Gegenstandes überzeugt haben. Dies ist der Grund,
weshalb ich es für nützlich hielt, mein ferneres Zeugniss dem seinigen und
dem von Anderen hinzuzufügen, und die Thatsachen weit mehr zu verviel-
fältigen, als es für den Beweis und die Verbreitung einer neuen wissen-
schaftlichen Wahrheit nöthig gewesen wäre (2017). Ich habe dadurch hin
und wieder nur erweitert, doch, wie ich hoffe, auch verstärkt, was Andere,
und namentlich de la Rive, bewiesen haben.
„1800) Es wird zur Verdeutlichung der Aufgabe beitragen, zuvörderst
die verschiedenen Ansichten vom Contact anzugeben. Volta's Theorie ist:
dass leitende Körper durch ihren blossen Contact, ohne Veränderung ihrer
Natur, Elektricitätserregung an den Berührungspunkten verursachen, und
dass W'asser und wässerige Flüssigkeiten diese Eigenschaft zwar besitzen,
aber in einem so schwachen Grade, dass sie im Vergleich zu dem Grade,
in welchem sie zwischen den Metallen entsteht, gar nicht in Betracht kommt1
Die jetzigen Ansichten der italienischen und deutschen Contactphysiker sind,
glaube ich, im Allgemeinen dieselben, ausgenommen, dass sie bisweilen
mehr Wichtigkeit auf den Contact der unvollkommenen Leiter mit den
Metallen legen. So hält Zamboni (im Jahre 1837) den Contact der Metalle
unter sich, und nicht den der Metalle mit den Flüssigkeiten, flir die mäch-
tigste Quelle der Elektricität;2 allein Karsten verlegt die elektromotorische
Kraft in den Contact der Flüssigkeiten mit den starren Leitern.8 Marianini
hat dieselbe Ansicht vom Contact, nur dass er noch hinzufugt, der wirkliche
Contact sei nicht nothwendig zur Äusserung der erregenden Kraft, es könnten
vielmehr zwei ungleiche Leiter auf ihren gegenseitigen Zustand einwirken,
wenn sie auch noch durch luftvolle Zwischenräume von 0,0001 Linie und
mehr getrennt seien.4
„1801) de la Rive dagegen streitet flir die blosse und direkte chemische
Aktion, und, so weit ich sehe, nimmt er keinen Strom in der VoLTA'schen
Säule an, der nicht mit einem vollständigen chemischen Effekt verbunden
sei und davon abhänge. Der bewundernswürdige Elektriker Becqueril,
1 Ann. de chimie, 40, 225. 1802.
• Biblioth. universelle, 6, 387. 1836; 8, 189. 1837. * L'inrätut, Nr. 15a
4 Mem. della Soc. Ital. in Modena, 21, 232. 237. 1837.
Die Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 727
ll er sich mit grosser Vorsicht ausdrückt, scheint es für möglich zu
, dass die chemischen Anziehungen, wenn sie nicht stark genug zur
fältigung der Cohäsionskraft sind, elektrische Ströme hervorrufen und
rbindungen verursachen können. l Schönbein behauptet, dass ein Strom
eine Tendenz zur chemischen Aktion erzeugt werden könne, d. h.
Substanzen, die eine Tendenz, sich chemisch zu vereinigen, besitzen,
Strom erzeugen, obgleich die Tendenz nicht durch eine wirkliche Ver-
ng der Substanzen befriedigt werde.3 In diesen Fällen fällt die be-
lete Kraft mit dem VoLTA'schen Contact zusammen, insofern die wir-
m Substanzen während der Erzeugung des Stromes nicht verändert
rn. Davy*s Meinung war, dass ein Contact gleich dem VoLTA'schen
Strom errege^ oder verursache, dieser aber durch chemische Verände-
rn unterhalten werde. Ich selbst bin für jetzt der Meinung de la Rivers,
glaube, dass in der VoLTA'schen Säule der blosse Contact nichts zur
jung des Stromes beiträgt, ausgenommen, dass er die vollständige
ische Aktion vorbereitet und darin ändert (1741. 1745).
„1802) Die Contactansichten sind also verschieden, und gehen, man
wohl sagen, von der einen in die andere über, selbst so weit, dass sie
:hemische Aktion einschliessen; allein die beiden Extreme scheinen mir
3rinzip unvereinbar unter jeglicher Gestalt. Sie sind folgende. Die
acttheorie nimmt an, dass, wenn zwei verschiedene, die Elektricität
ide Körper in Contact stehen, an dem Berührungspunkt eine Kraft da
/ermöge welcher der eine Körper einen Theil seiner natürlichen Portion
Elektricität dem anderen Körper giebt, und der letztere sie zu seiner
len natürlichen Portion aufnimmt; dass die Berührungspunkte, obwohl
onach Elektricität gegeben und empfangen haben, die durch den Contact
nlasste Ladung nicht halten können, sondern ihre Elektricitäten gegen
respektive hinter ihnen befindlichen Massen entladen (2067), dass die
ft, welche am Berührungspunkt die Theilchen veranlasst einen neuen
and anzunehmen, sie nicht befähigen kann, diesen Zustand zu behalten
>9), dass alles dieses ohne bleibende Änderung der in Berührung stehenden
älchen geschieht und keinen Bezug hat zu deren chemischen Kräften
55. 2069).
„1803) Die chemische Theorie nimmt an, dass, an dem Orte der
-kung, die in Berührung stehenden Theilchen chemisch auf einander
ken, und im Stande sind, unter Umständen, mehr oder weniger von der
kenden Kraft in eine dynamische Form zu versetzen (947. 996. 1120),
s unter den günstigsten Umständen das Ganze in dynamische Kraft ver-
adelt wird (1000), dass dann der Betrag der erzeugten Stromkraft ein
laues Äquivalent der ursprünglich angewandten chemischen Kraft ist, und
ss in keinem Fall (bei der VoLTA'schen Säule) ein elektrischer Strom
1 Ann. de chimie, 40, 171. 1825. — Traite de l'electricite, 1, 253. 258.
• Philos. Mag. 12, 227. 311. 314. 1838. — Pogo. Ann. 38, 89 u. 220.
728 Vierzehntes Kapitel.
erzeugt werden kann, ohne thätige Ausübung und Verzehrung eines gleichen
Betrages von chemischer Kraft, und endend mit einem gegebenen Betzag
von chemischer Veränderung.
„1804) Marianini's Aufsatz1 war für mich ein starker Beweggrund, den
Gegenstand wieder aufzunehmen; allein der Weg, den ich einschlug, be-
zweckte nicht so sehr die Beantwortung einzelner Einwürfe, als vielmehr die
Erlangung von Beweisen, die, mochten sie die streitigen Punkte betreffe»
oder nicht, für mich selbst genügend waren, entweder die eine oder die
andere Theorie anzunehmen. Dieser Aufsatz ist daher keine Streitschrift,
sondern eine Sammlung fernerer Thatsachen und Beweise für die Richtigkeit
von de la Rivers Ansichten. Die von Marianini berührten Fälle sind von
hohem Interesse, und alle seine Einwürfe müssen dereinst beantwortet
werden, wenn man numerische Werthe sowohl von der Intensität als Quantität
der Kraft erlangt; allein sie alle sind widerlegbar und hängen, meiner Mei-
nung nach, von Quantitätsveränderungen ab, welche die allgemeine Frage
nicht ernstlich treffen. Wenn dieser Physiker z. B. Zahlenwerthe giebt, *
erhalten durch Betrachtung zweier Metalle, mit Flüssigkeiten an deren ent-
gegengesetzten Enden, welche Gegenströme zu bilden trachten, so glaube
ich, dass der Unterschied, welchen er dem entweder vollzogenen oder
abgebrochenen Metallcontact zuschreibt, erklärlich sei durch zum Thcfl
bekannte Thatsachen rücksichtÜGh entgegengesetzter Ströme; ebenso gro«
und grössere Unterschiede habe ich bei Vollziehung des Metallcontactes in
der Kette beobachtet, und in früheren Aufsätzen (1046) beschrieben.
„1805) In Betreff* desjenigen Theiles seiner Abhandlung, der von Schwefel-
leberlösungen handelt,2 hoffe ich auf die weiterhin gemachten Untersuchungen
verweisen zu dürfen. Ich finde nicht, wie der italienische Physiker,1 dass
in Lösungen von Schwefelkalium Eisen positiv sei gegen Gold und Platin,
sondern finde es im Gegentheil stark negativ, und aus weiterhin folgenden
Gründen (2049).
„1806) Anlangend die Erörterung der Ursache des Funkens vor dem
Contact,4 so nimmt Marianini diesen Funken an, den ich bereits ganz auf-
gegeben habe. Jacobi's Aufsatz6 überzeugte mich, dass ich, hinsjehtlich
dieses Beweises von dem Dasein eines Spannungszustandes in den Metallen
vor ihrem Contact, im Irrthum war (915. 936). Ich brauche daher für jetzt
nicht mehr zu thun als meine eigenen Beobachtungen zurückzunehmen.
„1807) Ich schreite nun zu dem allgemeinen Argument, lieber als »1
einer particulären Controverse oder zur Discussion von Fällen einer schwachen
Kraft oder zweifelhaften Beschaffenheit; denn vom Anfange an hat sich in
mir die Ansicht befestigt, dass wir keinen schwachen Einfluss oder keine
geringfügige Erscheinung zu erklären haben, sondern eine Kraft von grosser
1 Memorie della Societa Italiana in Modena, 21, 205. 1827.
• Ebenda 21, 217. 1827. » Ebenda 21, 217. 1827. « Ebenda 81, «5.
6 Philos. Mag. 13, 40 1. 1838. — POGG. Ann. 44, 633.
Die Entwickclung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 72Q
:, und dass daher die Ursache, sowohl in Intensität als Quantität, im
tniss zu den erzeugten Kräften stehen müsse.
1808) Alle Untersuchungen sind an Strömen und mit Hülfe des
lometers gemacht; denn es schien mir, dass ein solcher Gang und
lches Instrument am besten zur Untersuchung der VoLTA'schen Elek-
geeignet seien. Das Elektrometer ist ohne Zweifel ein höchst wich-
Instrument; allein die Physiker, die dasselbe gebrauchen, stimmen
itlich der Sicherheit und Empfindlichkeit seiner Resultate nicht überein.
selbst wenn man die wenigen Resultate, die bis jetzt durch das Elektro-
geliefert wurden, als richtig ansieht, sind sie bei weitem zu allgemein,
ie Frage, ob Contact oder chemische Aktion das Erregende in der
/sehen Batterie sei, zu entscheiden. Soll das Instrument genau sein
zuverlässige Angaben für irgend eine Theorie liefern, so würde es
l sein, eine Tafel über die Wirkung des Contactes zwischen den zur
ruetion der VoLTA'schen Säule dienenden Metallen und Flüssigkeiten,
'eise genommen, zu entwerfen ( 1 868), und in einer solchen Tafel sowohl
Achtung als den Betrag der Contactkraft auszudrücken.
,1809) Die Anhänger der Contacttheorie nehmen an, dass, wiewohl die
le starke elektromotorische Kräfte an ihren gegenseitigen Berührungs-
ten ausüben, diese dennoch in einer ganz metallischen Kette so auf-
gen werden, dass durch jegliche Anordnung kein Strom erzeugt wird.
B. in Fig. 190 die Contactkraft vom Kupfer K und Zink Z gleich io+>-,
mrd bei m ein drittes Metall fn .
"-F* ^ b ^ b-
a,
zuu> ö nv
copptr
»ehaltet, gleichviel welches,
ringen die Berührungen mit
und Kupfer in b und c
Kraft gleich 10 in der ent- Fig. I90# n^Faraday.
ngesetzten Richtung •«+ her-
Wäre z. B. Kalium eingeschaltet, und dessen Contactkraft bei b = 5 4v,
airde die Contactkraft bei £ = -<+ 15 sein; oder wäre es Gold und dessen
taetkraft bei b = -<f 19, so würde die Contactkraft bei c = +► 9 sein.
st dies eine sehr freie Annahme, die nöthig ist, damit die Theorie mit
Thatsachen übereinstimme; ich glaube jedoch, es ist eine blosse An-
me, denn ich erinnere mich keiner, von jener Theorie unabhängigen
a, welche die Wahrheit derselben beweisen.
„18 10) Andererseits wird angenommen, dass flüssige Leiter und solche
per, welche Wasser enthalten, oder in anderen Worten, diejenigen, die
Elektrolyte genannt habe (664. 823. 921), entweder keine Contactkraft
den Punkten ihrer Berührung mit den Metallen ausüben, oder, wenn
der Fall ist, mit dem sehr wichtigen Unterschiede, dass die Kräfte in
geschlossenen Kette nicht demselben Gesetz der Compensation oder
itralisation unterworfen sind, welches für Metalle gilt (1809). Allein
5 ist, ich darf es wohl sagen, auch eine Annahme; denn es wird nicht
ch eine unabhängige Messung oder durch Thatsachen (1808) unter-
730 Vierzehntes Kapitel.
stützt, sondern nur durch die Theorie, welche selbst dadurch unterstött
werden soll.
„1811) Geleitet von dieser Meinung und in der Absicht zu ermittdiv
was in der geschlossenen Kette durch Contact und was durch chemische
Aktion bewirkt werde, bemühte ich mich unter den Körpern der letztere!
Klasse (1810) einige zu finden, welche keine chemische Einwirkung auf &
angewandten Metalle hätten, also diese Ursache zum Strome ausschlössen,
und dennoch gute Elektricitätsleiter wären, so dass sie Ströme zeigen miissten,
die aus dem Contact dieser Metalle mit einander oder mit den Flüssigkeit«
entsprängen. Schliessend, dass jeder Elektrolyt, der den Thermostrom eines
einzigen Wismuth-Antimonpaares leiten würde, dem verlangten Zweck ent-l
spräche, suchte ich nach solchen, und war bald so glücklich einige w
finden."
Die von Faraday nun beschriebenen Versuche sind mit Schwefel-
kalium als Elektrolyt und Eisen und Platin als Elektroden ausgeführt worden,
und ergaben, dass trotz der grossen „Contactkraft" zwischen den beiden!
Metallen kein Strom in einer so zusammengestellten Kette beobachtet werden 1
konnte. Dass nicht etwa Widerstände diese Erscheinung hervorriefen, bewies I
Faraday dadurch, dass er in den Stromkreis ein Thermoelement aus Antimon i
und Wismuth einschaltete und durch schwache Erwärmung einer der Löth- \
stellen einen kleinen Thermostrom hervorrief; dieser ging leicht durch den *
Kreis und bewies so seine gute Leitfähigkeit. Wurde andererseits an der
Stelle, wo sich Eisen und Platin berührten, ein mit Salzlösung oder Wasser
befeuchtetes Papier eingeschaltet, so entstand alsbald ein Strom, der den
Thermostrom weit an Stärke übertraf. Ähnlich verhielten sich Gold, Palla-
dium und Nickel; alle Zusammenstellungen dieser Metalle unter sich und
mit Eisen und Platin in Schwefelkalium waren wirkungslos, wie sie auch mit
dem Elektrolyten keine chemischen Vorgänge erkennen liessen. Ebenso
verhielten sich die zusammengesetzten Körper von metallischer Leitfähigkeit:
Bleiglanz, Kupferkies, Schwefelkies, Eisenhammerschlag.
Als ein ähnlicher Elektrolyt, wie die concentrirte Schwefelkaliumlösung
erwies sich die „grüne salpetrige Säure", d. h. die Flüssigkeit, welche sich
bildet, wenn man Stickstofifhyperoxyd mit dem gleichen Volum Wasser ver-
dünnt. Auch hier wurde mit Eisen gegen Platin keine Wirkung erhalten,
obwohl die Flüssigkeit gut leitet.
„Wenn aber der Contact' zwischen Platin und Eisen eine elektromoto-
rische Kraft besitzt, warum erzeugt er keinen Strom? Erwärmung oder eiw
geringe chemische Aktion an der Berührungsstelle erzeugt einen Strom unc
die letztere sogar einen starken. Wenn nun alles andere als der Contac
einen Strom erzeugen kann, warum thut es denn dieser nicht? Die einzige!
Antworten darauf sind, dass das passive Eisen dieselben elektromotorische)
Eigenschaften und Relationen, wie das Platin besitze, oder dass die salpetrig
Säure unter demselben Gesetze wie die Metalle stehe, und dadurch di
Summe aller Contacteffekte vernichtet werde, oder ein genaues Aufhebe
ie Entwickdung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 731
rte erfolge. Dass das Eisen insofern dem Platin gleicht, als es an
!ontactpunkten keine elektromotorische Kraft ohne chemische Aktion
glaube ich; dass es aber diesem in seinen elektrischen Aktionen
h ist, erhellt aus der Verschiedenheit zwischen den beiden in con-
r und in verdünnter Salpetersäure, aus der sehr grossen Verschieden-
t der sie elektrische Ströme in Salpetersäure und in Schwefelkalium-
eiten, und auch aus anderen Verschiedenheiten. Dass die salpetrige
vas ihr Contactvermögen anlangt, von den übrigen Elektrolyten ge-
nd mit den Metallen in dem, was bei diesen nur eine Annahme ist,
engestellt werden müsse, ist eine willkürliche Erklärungsweise, deren
igkeit bei dem Schwefelkalium später in Betracht kommen wird."
itere Versuche Faraday's beziehen sich auf passives Eisen und auf
dene Metalle in Kalilösung; auch in diesen Fällen fanden keine
statt, und gleichzeitig keine chemische Wirkung.
1 den Beweis nun auch von der anderen Seite zu fuhren, stellte
t des weiteren eine Anzahl von Versuchen an, in denen Metalle
wurden, auf welche Schwefelkalium chemisch einwirkt. In diesen
wurden immer Ströme, zum Theil recht starke, beobachtet, wie das
ziel früher von Davy angegeben worden war. Derselbe hatte auch
;esehen, dass in gewissen Fällen, z. B. bei Eisen und Kupfer, der Strom
e die entgegengesetzte Richtung hat, wie in Schwefelkalium.
as die von den Contacttheoretikern hierfür gegebene Deutung durch
dene oberflächliche Schichten anlangt, so bemerkt Faraday dazu:
883) Marianini hält es für möglich, dass der Stom aus der Contact-
les gebildeten Sulfurets entspringe. Allein diese Annahme ist hier
Zinn) gänzlich ausgeschlossen, denn wie kann ein nichtleitender
einen Strom erzeugen, sei es durch Contact oder sonst irgendwie?
s hat man einen solchen Fall nachgewiesen, noch liegt er in der
der Dinge. Es kann also nicht der Contact des Sulfids sein, welcher
n Strom hervorruft, und wenn in diesem Falle nicht, warum in irgend
Denn hier geschieht nichts, was nicht in jedem anderen Falle eines
denselben erregenden Elektrolyt erzeugten Stromes geschieht.
1884) Welch schönen Beweis giebt andererseits das Resultat für die
gung der chemischen Theorie! Zinn kann Schwefel aus dem Elektrolyt
Idung eines Sulfids aufnehmen, und während es dies thut, erregt es im
Itniss dazu einen Strom; allein, wenn nur das gebildete Sulfid durch
düng des Metalles die Flüssigkeit ausschliesst, und die fernere chemi-
Virkung verhindert, hört auch der Strom auf. Es ist für diesen Zweck
nöthig, dass es ein Nichtleiter sei; denn leitende Sulfide verrichten
ben Dienst und bringen ungefähr dasselbe Resultat zuwege. Was kann
iarer sein, als dass während der Bildung des Sulfids der Strom
wird, und dass nach seiner Bildung der blosse Contact nichts zu dieser
ng vermag."
»iesen Gedanken bringt nun Faraday in der mannigfaltigsten Weise
732 Vierzehntes Kapitel.
experimentell zur Geltung, und weist eine ganze Reihe von Beispiele
in welchen gleiche Verhältnisse stattfinden. Einen besonders anschai
Versuch theilt er später mit:
„191 1) Bevor ich diesen Abschnitt schliesse, will ich noch der s<
und mannigfaltigen Erscheinungen erwähnen, die sich einstellen, wenn
und Silber oder zwei Stücke, entweder von Silber oder von Kupfer, 1
gelben Lösung eine Kette bilden. Sind die Metalle Kupfer und Sil!
ist das Kupfer anfangs positiv und das Silber bleibt blank-, in kurz
hört aber diese Wirkung auf, und das Silber wird positiv. Zur g
Zeit beginnt es sich mit Schwefel zu verbinden und mit Schwefelsi
überziehen; nach einiger Zeit wird das Kupfer wieder positiv, und so
mehrmals die Wirkung von der einen Seite zur anderen um, und
zeitig auch der Strom, je nachdem die Umstände nach der einei
günstiger sind, als nach der anderen.
„191 2) Wie aber soll man glauben, dass der zuerst entstandene
von der Berührung des gebildeten Schwefelkupfers herrühre, da dessen
wart der Grund ist, warum der anfängliche Strom abnimmt, und das
das anfangs von geringerer erregender Kraft ist und deshalb vom Su!
bleibt, nach einiger Zeit das Übergewicht erlangt und einen Strom c
der den am Kupfer erregten überwältigt? Was anderes kann dies
änderungen erklären, als die chemische Aktion, welche mir, soweit
jetzt gekommen sind, alle hervorgebrachten Wirkungen mit der g
Einfachheit zu erklären scheint, wie mannigfaltig auch die Wirkunj
und die begleitenden Umstände seien?"
Auf diese sechzehnte Reihe seiner Untersuchungen liess Farac
mittelbar die siebzehnte folgen, in welcher dieselben Fragen von ;
Seite behandelt werden. Es wurden Ketten aus einem Metall un<
Flüssigkeit hergestellt, und durch Erwärmung an der einen Elektro
„chemische Kraft erhöht". Die erhaltenen Ergebnisse waren von 2
verwickelter Beschaffenheit, und die grosse Zahl von Einzelbeobach
an welche sich keine bestimmten Schlüsse knüpfen lassen, steht in <
Gegensatze zu dem schnellen und entscheidenden Gang, mit dem bi
Faraday auf sein Ziel loszugehen pflegte. Ebenso bringen die w<
grosser Breite geschilderten Ketten ohne Metallcontact nichts neues ü
früheren entscheidenden Versuche (S. 551) hinaus.
Zum Schlüsse giebt nun Faraday eine Zusammenfassung alles
was er über die Frage der beiden Theorieen zu sagen hat Diese v
Kundgebung ist nachstehend vollständig wiedergegeben. Wie in
Kunstwerke geben diese Betrachtungen nicht nur einen Abschluss de
innerhalb des Rahmens der damaligen Wissenschaft, sondern die an
Stelle ausgesprochenen entscheidenden Überlegungen lassen den Eint
neuen Zeit erkennen, in welcher das entscheidende Hülfemittel unserei
Wissenschaft, das Energiegesetz, das erste Wort in allen wissenscha
Fragen spricht. Noch sollte es zwei Jahre dauern, bis J. R. Mayi
f Entwkketang der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 733
de dies Gesetz in seiner ganzen Einfachheit darlegte, und noch
Seit, bis es auf die Erscheinungen der VoLTA'schen Elektricität
sse Anwendung fand; aber bedeutungsvoll genug ist der Um-
iss auch in der unvollkommenen Gestalt das Gesetz seine Kraft
und Klarheit zu verbreiten begann, noch bevor es selbst klar er-
9) Das Argument ist nun in dem geeigneten Zustand zur Wieder-
: des zuvor erwähnten (1835. J^44) wichtigen Punktes, welcher,
mit Wahrheit von einem Vertheidiger der Contacttheorie vorge-
erden könnte, die Kraft der obigen experimentellen Resultate völlig
n würde, obwohl er diese Theorie nicht völlig in den Stand setzt,
und für die Thätigkeit der Säule und die Existenz eines Stromes
i>en anzugeben; — welcher aber, wenn er falsch ist, die Contact-
anz wehrlos und unbegründet lassen würde.
5o) Ein Anhänger der Contacttheorie kann es sagen, dass die ver-
tn leitenden Substanzen, die in vorstehenden Versuchen angewandt
den Metallen analog seien, d. h. dass sie an ihren Berührungspunkten
Metallen und anderen zur Schliessung der Kette angewandten starren
eine elektromotorische Kraft entwickeln, dass diese aber an jeder
teile eine so abgemessene Stärke habe, dass die Summe der Kräfte
geschlossenen Kette Null sei (1809). Die Wirkungen der Contacte
*ktromotorische Spannungswirkungen, allein aufgewogene, und so
ein Strom entstehen. Allein wo ist eine Erfahrung zur Stütze dieser
ung? Wo sind die gemessenen elektromotorischen Resultate, die
/eisen (1808)? Ich glaube, es giebt keine.
61) Die Contacttheorie nimmt an, dass der blosse Contact von ver-
artigen Substanzen elektromotorische Kräfte entwickle, und überdies,
tschen Metallen und flüssigen Leitern ein Unterschied bestehe (18 10),
eiche Annahme die Theorie den Strom in der VoLTA'schen Säule
klären kann, denn während vorausgesetzt wird, dass in einer ganz
:hen Kette die Contacteffekte immer vollständig aufgewogen werden,
ch angenommen, dass die Contacteffekte der Elektrolyte oder ein-
eten Flüssigkeiten mit den Metallen sich nicht aufheben, sondern so
von jeder Art von Gleichgewicht bleiben, dass kräftige Ströme,
iie kräftigsten einer VoLTA'schen Säule entstehen können. Wenn dem
warum macht aber denn die Schwefelkaliumlösung eine Ausnahme?
keine Ähnlichkeit mit Metallen; sie scheint nicht ohne Zersetzung
n; sie ist ein vortrefflicher Elektrolyt, und in gewissen Fällen (1880)
trefflicher erregender Elektrolyt, welcher, wenn er chemisch wirkt,
ftigsten Ströme erzeugt; in allen diesen Punkten ist sie den Metallen
mähnlich, und in ihrer Wirkung ähnlich den sauren oder salzigen
i, die man gewöhnlich anwendet. Wie kann man denn, ohne einen
n direkten Versuch, und bloss um die Gründe der Gegner zu vereiteln,
e Voraussetzung erlauben, . dass sie ihren Platz unter den Elektrolyten
734 Vierzehntes Kapitel.
verlasse und mit den Metallen in eine Klasse komme; und zwar in
Punkte, der selbst bei diesen eine reine Ausnahme ist (1809)?
„1862) Es ist aber nicht allein das Schwefelkalium, dem man
Vorrecht einräumen müsste; es müsste auch ausgedehnt werden ;
salpetrige Säure (1843. 1847), au^ die Salpetersäure (1849 ete0 un^
auf Kalilösung (1854); alle diese gehören zur Klasse der Elektrolyt
zeigen doch keine Ströme in Ketten, wo sie nicht chemisch wirken
selbe Ausnahme muss ferner für schwache Lösungen von Schwefe
(1842) und Ätzkali (1856) gemacht werden; denn sie zeigen gleiche I
nungen wie die stärkeren Lösungen. Und wenn die Contacttheorii
für diese schwache Lösungen in Anspruch nehmen, wie wollen sie t
mit der schwachen Salpetersäure machen, welche der starken in ihn
kung auf Eisen nicht ähnlich ist (1977), sondern einen kraftvollen
erzeugt?
„1863) Der Anhänger der chemischen Theorie wird von keiner
Schwierigkeiten behelligt; denn erstlich prüft er durch einen eil
direkten Versuch, ob die beiden gegebenen Substanzen in der Kette cl
auf einander wirken. Ist es der Fall, so erwartet er einen entsprec
Strom zu finden, im entgegengesetzten Fall findet er keinen Strom, obw
Kette ein guter Leiter ist und er sorgfältig darnach sieht (1829).
„1864) Ferner, nimmt er den Fall mit Eisen, Platin und Schwefeil
lösung, so ist kein Strom da; ersetzt er aber das Eisen durch Zi
findet er einen kräftigen Strom. Statt des Zinks könnte ich Kupfer,
Zinn, Kadmium, Wismuth, Blei und andere Metalle nehmen; allein ich
Zink, weil es von dem Schwefelkalium gelöst wird, und so den Fall in
sehr einfachen Zustande lässt; die Thatsache ist indes bei jedem 1
Metalle eben so entschieden. Wenn nun die Contacttheorie richtig
wenn Eisen, Platin und Schwefelkalium Contacte gäben, die hinsichtl
elektromotorischen Kraft im vollkommenen Gleichgewicht ständen,
zerstört der Austausch des Eisens gegen Zink " das Gleichgewicht
Tausch eines Metalles gegen ein anderes in einer metallischen Kette
keine Veränderung dieser Art; und dasselbe gilt von der grossen Z
Körper, welche, als starre Leiter, zur Bildung von leitenden (aber cl
unwirksamen) Ketten (1867 etc.) benutzt werden können. Wenn die Sc
kaliumlosung zufolge ihrer Wirkung bei den angeführten Versuchen (18
den Metallen beizuzählen ist, wie kommt es#denn, dass sie, combii
Zink, Kupfer und Silber u. s. w. (1882. 1885 etc.), den Metallen gs
ähnlich wirkt und mit gleicher Kraft wie die besten der anderen K
„1865) Diese Schwierigkeit nöthigt, meiner Meinung nach, die C
theoristen zu einer neuen Annahme, zu der, dass diese Flüssigkeit z
wie das beste Metall oder der beste Leiter erster Klasse wirke, z
aber wie der beste Elektrolyt oder beste Leiter zweiter Klasse. Das
aber sicherlich eine sehr lockere Art des Philosophirens in einer Erfa
Wissenschaft sein (1889); und überdies ist es höchst ungünstig für ein«
_i ■»_
te Entwfckelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 73 c
i, dass diese zweite Bedingung oder Beziehung derselben sich nie-
i selbst einstellt, so dass sie uns einen reinen Fall eines Stromes
sem Contact liefert; er tritt niemals auf ohne jene chemische
auf welche die Chemisten so einfach jeden alsdann entstehenden
irückführen.
66) Ich brauche wohl nicht zu sagen, dass dasselbe Argument auf
, wo salpetrige Säure, Salpetersäure und Kalilösung benutzt werden,
:her Kraft anwendbar ist, und durch die Resultate derselben mit
Stärke unterstützt wird (1843. 1849. 1853).
67) Obwohl es für ganz unnöthig gehalten werden mag, bildete ich doch
Substanzen, die sämmtlich leitend waren, und dem eingeschlossenen
meter viele Ketten, in der Hoffnung eine zu finden, die ohne chemi-
ztion einen Strom gebe, und so eine elektromotorische Contactkraft
. Die Anzahl und Verschiedenartigkeit dieser Versuche, bei denen
Graphit, Sulfurete, Oxyde, alles Leiter selbst für einen Thermostrom, auf
liedliche Weise combinirt wurden, wird aus folgender Übersicht erhellen:
1) Platin
2) Eisen
y
y
8)
9)
Kupferglanz,
Eisenkies,
3) Zink,
4) Kupfer,
5) Graphit,
6) Hammerschlag,
7) Graubraunsteinerz,
10) Kupferkies,
1 1) Bleiglanz,
12) Schwefelkupfer
13) Schwefeleisen,
14) Schwefelwismu
, künstl,
künstl.,
th.
1 und
2
mit
5,
6,
7,
8,
9,
10,
11,
12,
13, 14;
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12.
1868) Marianini giebt nach Versuchen an, Kupfer sei positiv gegen
ifelkupfer;1 nach demselben Physiker ist, übereinstimmend mit den
sten, Schwefelkupfer positiv gegen Eisen (1878) und Eisen positiv gegen
t. Diese drei Körper müssten daher eine sehr kräftige Kette geben;
Memorie della Societa Italiana in Modena 21, 224. 1837.
736 Vierzehntes Kapitel.
allein , was für Schwefelkupfer ich auch gebrauchen mochte, so erhielt id
doch von einer solchen Combination nicht die geringste Wirkung.
„1869) Da ßleihyperoxyd ein Körper ist, der in Schwefelkaliumlö
und überhaupt in jeder Kette, wo er seinen Sauerstoff abgeben kann, ci
kraftvollen Strom liefert, so glaubte ich erwarten zu dürfen, dass er dmtk'
seinen Contact mit Metallen einen Strom hervorbringen werde, wenn ito!
haupt Contact es könne. Ein Theil des nach (1822) bereiteten wurde wohl
getrocknet, was hierbei durchaus wesentlich ist, und zu folgenden Combinfr
tionen verwandt:
Platin, Zink, Bleihyperoxyd;
Platin, Blei, Bleihyperoxyd;
Platin, Kadmium, Bleihyperoxyd;
Platin, Eisen, Bleihyperoxyd.
Sobald nur Temperaturunterschiede ausgeschlossen waren, gab von allen
diesen Combinationen keine die geringste Anzeige von einem Strom, wie-
wohl sie alle, was Leitungsfähigkeit betraf, vollkommen dem Zweck ent-
sprachen, d. h. selbst den sehr schwachen Thermostrom zu leiten vermochten.
„1870) In der Contacttheorie sind es daher nicht allein die Metalle, von
denen angenommen werden muss, dass ihre Contactkräfte in jeder aus ihnen
gebildeten Kette sich bei völliger Vernichtung aufheben (1809), sondern aDe
starren leitfähigen Körper, Kohle, Oxyde, Sulfurete, müssen in dieselbe Ka- 1
tegorie gestellt werden. Dasselbe gilt von allen schon genannten Elektro- «
lyten, Kalilösung, Schwefelkaliumlösung, salpetrige Säure, Salpetersäure, für ■
alle Fälle, wo sie nicht chemisch wirken. In der That alle Leiter, welche
in der Kette nicht chemisch wirken, müssen nach der Contacttheorie als in
diesem Zustand angesehen werden, bis einmal ein VoLTA'scher Strom ohne
chemische Aktion hervorgebracht wird (1858).
„187 1) Selbst wenn man dann zugiebt, es beweisen die von Volta und
seinen Nachfolgern mit dem Elektrometer erhaltenen Resultate, dass der
blosse Contact eine elektromotorische Kraft habe und einen solchen Effekt
hervorbringen könne, so zeigen doch sicherlich alle Versuche mit blossem
Contact allein, dass die elektromotorischen Kräfte in einer Kette immer
aufgewogen sind. Wie könnten sonst die oben genannten, so höchst ver-
schiedenartigen Substanzen in dieser Beziehung übereinstimmen? es sei denn
in der That, alle stimmten darin überein, dass sie durchaus keine solche
Kraft besitzen. Wenn dem aber so ist, wo ist die Quelle der Kraft, welche
zufolge der Contacttheorie den Strom in der VoLTA'schen Säule erklären
soll? Wenn sie nicht aufgewogen sind, wo ist ein genügender Fall, dass
Contact für sich einen Strom erzeuge? Oder wo sind die numerischen Data,
welche die Möglichkeit eines solchen Falles erweisen (1808. 1868)? Die
Contact-Physiker sind verpflichtet, hervorzubringen nicht einen Fall, wo der
Strom unendlich klein ist, denn ein solcher kann den Strom der VoLTA'schen
Säule nicht erklären und fällt immer innerhalb des streitigen Gebietes, welches
Me Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 737
Live so gut vertheidigt hat — sondern einen Fall von solcher Deut-
und Wichtigkeit, dass er werth sei, den vielen von den Chemisten
ebrachten Fällen gegenüber gestellt zu werden (1892); denn ohne
eint mir die Contacttheorie, auf die Säule angewandt, keinen Halt
m, und da sie elektromotorische Contactkraft selbst bei dem Zustand
.ichwichts behauptet, fast ohne Grund zu sein.
372) Um diese und ähnliche Schlüsse zu vermeiden, muss die Con-
>rie sich in der sonderbarsten und unregelmässigsten Weise schmiegen
egen. So muss angenommen werden, der Contact der Schwefel-
3sung mit Eisen sei aufgewogen durch die vereinte Kraft ihres Con-
mit Platin und des Contactes von Eisen und Platin mit einander;
»eim Vertauschen des Eisens gegen Blei wird der Contact des Sulfurets
m letzteren Metall nicht mehr durch die beiden anderen Contacte
)gen, sondern hat plötzlich seine Relation verändert. Nach wenigen
en, wenn sich durch die chemische Aktion ein Häutchen von Sul-
;ebildet hat, hört der Strom auf, wiewohl die Kette ein guter
ist (1885), und nun muss angenommen werden, dass die Lösung
ste Relation zu den Metallen und zu dem Schwefelblei wieder er-
md einen Gleichgewichtszustand der Contacte in der Kette hervor-
it habe.
873) So muss auch bei dieser Schwefellösung und bei Kalilösung
der Theorie angenommen werden, dass Verdünnung keine Ver-
ng in dem Charakter der Contactkraft hervorbringe, dagegen bei der
jrsäure eine starke Veränderung dieser Art (1977). Von den Säuren
Jkalien (wie Ätzkali), in Fällen, wo sie, wie mit Zink und Platin,
* hervorbringen, muss angenommen werden, dass sie ein Übergewicht
•aft nach gleicher Seite hervorbringen, obwohl man von diesen Kör-
egen ihrer so verschiedenen Natur erwarten sollte, sie gäben entgegen-
e Ströme.
1874) Für jeden besonderen Fall eines Stromes sind die Anwälte der
;ttheorie genöthigt, Kräfte von entsprechender Stärke mit den erhal-
Resultaten an den Contactpunkten anzunehmen und die Theorie dar-
zu modeln (1956. 1992. 2006. 2014. 2063), da s*e keine allgemeine
.ung für die angewandten Säuren oder Alkalien oder andere elektro-
ien Lösungen besitzt. Das Resultat läuft demnach darauf hinaus: die
ie kann in Betreff der Resultate nichts voraussagen; sie wird von keinem
;ines ohne chemische Aktion erzeugten Stromes unterstützt, und bei
mit chemischer Aktion schmiegt sie sich den Thatsachen an, genau
echend den Variationen, welche die rein chemische Kraft erfahrungs-
y nachweist.
,1875) Wie einfach dagegen werden die zahlreichen experimentellen
täte von der chemischen Theorie aufgefasst, umschlossen, combinirt
selbst vorausgesagt! Wo ein Strom ist, ist auch chemische Aktion;
diese aufhört, verschwindet auch jener (1882. 1885. J894); die Aktion
twald, Elektrochemie. 47
738 Vierzehntes Kapitel.
findet nach Umständen entweder an der Anode oder der Kathode stall
(2039. 2041); und die Richtung des Stromes ist unveränderlich verknüpt
mit der Richtung, in welcher die thätigen chemischen Kräfte die Anioncü
und Kationen zwingen umherzukreisen (962. 2052).
„1876) Zieht man nun neben diesen Umständen noch in Betracht, das
die vielen Ketten ohne chemische Aktion (1825 etc.) keinen Strom erzeugen,
dass die mit chemischer Aktion fast immer einen Strom hervorbringen; das
es hunderte giebt, in welchen die chemische Aktion ohne Contact eine«
Strom hervorbringt (2017 etc.); dass eben so viele mit Contact, aber ohne
chemische Aktion als unwirksam bekannt sind (1867); — wie kann man da
dem Schlüsse widerstehen, dass die Thätigkeit der VoLTA'schen Batterie in |
der Ausübung chemischer Kraft begründet sei? ... .
„2029) Es mangelt also nicht an Fällen, wo chemische Aktion allein
VoLTA'sche Ströme erzeugt (2017); und wenn wir näher den Zusammenhang
betrachten, welcher zwischen der chemischen Aktion und dem erzeugten
Strome stattfinden muss, so finden wir, dass er desto genauer wird, je
weiter wir ihn verfolgen; zur Erläuterung dieses Satzes werden die folgenden
Fälle hinreichen.
„2030) Chemische Aktion entwickelt Elektricität Dies ist durch
Becquerel und de la Rive zum Uberfluss dargethan. Becquerel's schöne
VoLTA'sche Kette aus Säure und Alkali 1 ist ein höchst überzeugender Be-
weis, dass chemische Aktion überflüssig hinreicht, elektrische Erscheinungen
hervorzubringen. Eine grosse Anzahl der in gegenwärtigen Aufsätzen be-
schriebenen Resultate beweist dasselbe.
„2031) Wo chemische Aktion vorhanden ist, aber vermindert
oder aufgehoben wird, wird auch der elektrische Strom geschwächt
oder vernichtet. — Die Fälle mit Zinn (1882. 1884), Blei (1885), Wismuth
(1895) unc* Kadmium (1905) in Schwefelkaliumlösung sind vortreffliche Bei-
spiele von der Wahrheit dieses Satzes.
„2032) Wenn man ein Stück Körnerzinn in starke Salpetersäure taucht,
so wird es gewöhnlich keine Einwirkung erleiden, in Folge der Oxydschicht,
welche sich auf demselben durch die Hitze gebildet hat, welche bei dem
Process der Zerstücklung desselben angewendet wird. Wenn man dann zwei
Platindrähte, verbunden mit einem Galvanometer, in die Säure steckt und
einen derselben gegen das Zinnstück drückt, wird kein elektrischer Strom
erzeugt. Wenn man hierauf, bei diesem Zustand der Dinge, das Zinn unter
der Säure mit einem Glasstab oder einer anderen nicht leitenden Substanz,
welche die Schicht auf der Oberfläche zu durchbrechen im Stande ist, kratzt,
so wirkt die Säure auf das frisch entblösste Metall und erzeugt einen Strom;
allein wegen Bildung von Zinnoxyd und Erschöpfung der umgebenden
Flüssigkeit (191 8) hört die Wirkung nach einigen Augenblicken auf, und
i
1 Annal. de chim. 35, 112. 1827. — Biblioth. univ. 14, 129. 171. 1838. — POGG.
Ann. 37, 443; 42, 76. 91 und 48, 19.
Die Entwicklung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 1\Q
auch der Strom. Jede Schramme auf der Oberfläche des Zinns ruft
e Reihe von Erscheinungen hervor.
033) Der Fall mit Eisen in starker Salpetersäure, welche im ersten
tt wirkt und einen Strom erzeugt (1843. 1951. 2001), durch diesen
ig aber so viel von seiner Thätigkeit, der chemischen sowohl wie
chen, verliert, gehört ebenfalls hierher.
1034) Werden Blei und Zinn in Salzsäure verknüpft, so ist das Blei
5 positiv gegen das Zinn; dann wird das Zinn positiv und bleibt es.
Wechsel schreibe ich dem Umstand zu, dass das gebildete Chlorblei
heil das Blei einhüllt, und so die Fortdauer der Wirkung verhindert;
*n das Chlorzinn, da es weit löslicher ist als das Chlorblei, leichter in
üssigkeit übergeht, so dass die Wirkung fortdauert und das Metall
id einen positiven Zustand annimmt.
2035) Die schon beim Zinn (19 19) und Kadmium (1918) erwähnte
ng der einhüllenden Flüssigkeit, einige der Resultate mit zwei Metallen
:er und heisser Säure (1966), und diejenigen Fälle, wo das Metall in
• Säure negativ wird gegen dasselbe Metall in kalter Säure (1953 etc.),
on gleicher Art Die letzteren lassen sich schön erläutern durch zwei
\ Blei in verdünnter Salpetersäure. Lässt man sie eine kurze Zeit
so steht die Nadel nahe auf o°; erhitzt man aber die eine Seite, so
las Metall daselbst 200 oder mehr negativ, und bleibt es, so lange die
unterhalten wird. Beim Erkalten »dieser Seite und Erhitzen der anderen
dasjenige Stück Blei, welches zuvor positiv war, negativ, und so fort
ige Male.
2036) Wenn die chemische Wirkung sich umkehrt, thut es
der Strom. — Dies zeigt sich in den Fällen, wo zwei Stücke des-
. aktiven Metalles in dieselbe Flüssigkeit getaucht sind. Werden zwei
e Silber in starker Salzsäure verknüpft, so ist anfangs das eine und
das andere positiv, und die Umkehrungen in der Richtung des Stromes
ehen nicht langsam, wie bei einer allmählichen Aktion, sondern unge-
scharf und plötzlich. Ebenso, wenn Silber und Kupfer in verdünnter
efelkaliumlösung [verknüpft werden, ist das Kupfer chemisch wirksam
positiv, und das Silber bleibt blank, bis plötzlich das Kupfer zu wirken
»rt, und das Silber, zum Beweise der bei ihm anfangenden chemischen
ung, in einem Augenblick mit Sulfuret überzogen wird, und die Nadel
8o° fortspringt. Zwei Stücke von Silber oder von Kupfer in Schwefel-
11 bewirken dasselbe.
„2037) Nimmt man Metalle, welche in den angewandten Flüssigkeiten
*ksam sind, und erleiden die letzteren während der Zeit durch andere
:ände, als Wärme u. s. w. (1838. 1937}, keine Veränderung, so entstehen
\ Ströme, und in Folge dessen keine solche Umkehrungen.
„2038) Wo keine chemische Aktion ist, wird auch kein Strom
ugt. — Dies ist, wie wohl bekannt, der Fall bei den gewöhnlichen starren
Tn, bei Metallen und anderen Körpern (1867). Es hat sich auch als
4M *
i
740
Vierzehntes Kapitel.
richtig erwiesen bei Anwendung flüssiger Leiter (Elektrolyte), alle Mal, wo
diese keine chemische Aktion ausüben, wiewohl so verschiedenartige Körper,
als Säuren, Alkalien und Sulphurete angewandt wurden (1843. 1853. 1825.
1829). Dies sind sehr schlagende Fälle.
„2039) So wie aber die chemische Aktion anfängt, tritt auch
ein Strom auf. — Dieser Satz lässt sich durch folgenden Versuch gut er-
läutern. Man mache eine Vorrichtung, wie in
Fig- l9l> lade die beiden Röhren mit derselbe»
reinen, blassgelben, starken Salpetersäure, ver-
binde sie durch den Eisendraht i und ver-
knüpfe die Platindrähte /, / mit dem Galvano-
meter. Der Apparat ist nur eine andere Form
der einfachen Vorrichtung Fig. 192, wo, nach
Art eines früheren Versuches (389), zwei Platten,
eine von Eisen und eine von Platin, parallel gestellt sind, jedoch getrennt
durch einen Tropfen starker Salpetersäure an jedem Ende. In diesem Zu- \
iron stand wird in keinem der Apparate ein Strom erzeugt;
n \ 1 Z5* setzt man aber bei b, Fig. 192, einen Tropfen Wasser
Fig. 191. Nach Faraday.
platintmv
Fig. 192. Nach Faraday.
hinzu, so beginnt die chemische Aktion, und es ent-
steht ein kräftiger Strom, obwohl ohne Metallcontact
oder sonstigen Contact. Um dies bei dem Apparat Fig. 191 zu beobachten,
wurde in b ein Tropfen Wasser hinzugesetzt. Anfangs gab es keine chemische
Aktion und keinen elektrischen Strom, obwohl Wasser daselbst vorhanden
war; der Contact mit dem Wasser bewirkte also nichts. Nun wurden Saure
und Wasser mittelst des Endes vom Draht i bewegt und mit einander ver-
mischt; in wenigen Momenten trat die chemische Aktion ein, das Eisen ent-
wickelte Salpetergas am Orte seiner Wirkung, und plötzlich erlangte es da-
selbst Positivität und erzeugte einen kräftigen elektrischen Strom.
„2040) Wenn die chemische Aktion, welche einen Strom in
der einen Richtung erzeugt hat oder erzeugen konnte, umgekehrt
oder vernichtet wird, wird auch der Strom umgekehrt oder ver-
nichtet.
„2041) Dies ist ein Prinzip oder Resultat, welches die chemische Theorie
von der Erregung des Voltaismus aufs schlagendste bestätigt und durch
viele wichtige Thatsachen erläutert wird. Volta zeigte im Jahre 1802,1 dass
krystallisirtes Manganhyperoxyd stark negativ ist gegen Zink und ähn-
liche Metalle, oder, nach seiner Theorie, an dem Contactpunkt Elektricität
dem Zink giebt. Becquerel untersuchte diesen Gegenstand im Jahre 1835
mit Sorgfalt, und kam zu dem Schluss, jedoch sich vorsichtig ausdrückend,
dass die Thatsachen für die Contacttheorie günstig seien.2 Im folgenden
Jahre beschäftigte sich de la Rive mit demselben Gegenstand, und zeigte,
1 Ann. de chim. 40, 224. 1802.
1 Ebenda 60, 164. 171. 1835.
Die Entwickehmg der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 741
tens meiner Überzeugung nach, dass das Hyperoxyd eine chemische
lerung erleidet, Sauerstoff verliert, eine Umwandlung, die vollkommen
r Richtung des erzeugten Stromes übereinstimmt.1
2042) Das in grüner salpetriger Säure mit Platin verknüpfte Hyperoxyd
t einen Strom und ist negativ gegen das Platin, während es zugleich
toff abgiebt und die salpetrige Säure in Salpetersäure verwandelt, eine
ierung, die durch einen chemischen Versuch leicht nachzuweisen ist
petersäure ist das Oxyd negativ gegen Platin; allein seine Negativität
ehr erhöht, wenn man ein wenig Alkohol zu der Säure setzt, indem
die Reduction der Säure unterstützt. Verknüpft mit Platin in Ätzkali-
; begünstigt ein wenig Alkohol auffallend die Verstärkung des Stromes
imselben Grunde. Werden Hyperoxyd und Platin in Schwefelkalium-
; verknüpft, so ist, wie zu erwarten, ersteres stark negativ.
2043) Im Jahre 1835 beobachtete Muncke das auffallende Vermögen
leihyperoxyds zur Hervorbringung ähnlicher Phänomene wie das Man-
peroxyd,2 und diese Thatsache führte de la Rive im Jahre 1836 so-
auf entsprechende Umwandlungen zurück.8 Schönbein Hess diesen
ss nicht gelten, und gründete seine Ansicht von „Tendenzströmen"
e von ihm bei diesem Körper beobachteten Erscheinungen, namentlich
1 Unwirksamkeit in Salpetersäure.4 Meine eigenen Resultate bestätigen
Dn de la Rive; denn durch direkte Versuche finde ich, dass das Hyper-
von Körpern wie Salpetersäure eine Einwirkung erleidet. Kali und
starke Salpetersäure, mit Bleihyperoxyd gekocht, lösen es reichlich
Bildung von salpetersaurem Bleioxyd. Es wurde Salpetersäure ver-
t und darauf in zwei Theile getheilt. Der eine wurde mit einer Lösung
Schwefelwasserstoffgas geprüft, zeigte aber keine Spur von Blei; der
e wurde mit etwas Bleihyperoxyd (1822) versetzt, eine Stunde lang in
hnlicher Temperatur stehen gelassen, dann filtrirt und auf dieselbe Weise
ift; er zeigte dann einen reichlichen Bleigehalt.
„2044) Das Bleihyperoxyd ist negativ gegen Platin in Lösungen von
isalz und Kali, Körpern, von denen man glauben möchte, sie wirkten
chemisch auf dasselbe ein. Allein direkte Versuche zeigen, dass sie
hinreichende Wirkung ausüben, um alle Effekte hervorzubringen. Einen
ren Beweis, dass der Strom der aus diesen Körpern gebildeten Volta'-
n Kette chemischen Ursprunges ist, giebt die rasche Abnahme der Kraft
erzeugten Stromes nach dem Moment der ersten Eintauchung.
„2045) Die kräftigste Combination aus Bleihyperoxyd, Platin und einer
sigkeit wurde erhalten, wenn letztere aus gelber Schwefelkaliumlösung
and. Eine zweckmässige Anstellungsweise solcher Versuche ist die, dass
das Hyperoxyd mit etwas destillirtem Wasser zu einem weichen Teig
1 Ebenda 61, 40. 1836. — Biblioth. univ. 1, 152. 158. 1836. — POGG. Ann. 37, 225.
2 Biblioth. univ. 1, 160. 1836. a Ebenda 1, 162. 154. 1836.
4 Philos. Mag. 12, 226. 311. 1838 und Biblioth. univ. 14, 155. 1838. — Pogg. Ann.
229.
742 Vierzehntes Kapitel.
anknetet, mit diesem Teige das untere Ende einer Platinplatte mittelst eines
Glasstabes gleichförmig überzieht, und zwar dick genug, um das Platin wöU !
zu schützen, dann gut trocknet, und endlich diese Platte mit einer blanken
Platinplatte in dem angewandten Elektrolyt verknüpft. Wenn die Platinplatte *:
nicht vollkommen überzogen ist, treten örtliche Ströme ein (1120), welche!
das Resultat stören. Auf diese Weise lässt sich leicht zeigen, dass das Blei- '.
hyperoxyd negativ gegen Platin sowohl in Schwefelkalium als in Salpeter-
säure ist. Mennige giebt in beiden Flüssigkeiten dasselbe Resultat.
„2046) Bei Anwendung von Schwefelkaliumlösung lässt sich indes mit
Protoxyden dieselbe Art von Beweis zur Stütze der chemischen Theorie er-
halten wie mit Hyperoxyden. So zeigte sich Bleioxyd, das durch Glühen
des Nitrats und durch Schmelzen erhalten und auf die Platinplatte (2045)
gestrichen worden, in Schwefelkaliumlösung stark negativ gegen metallisches
Platin. Bleiweiss, auf dieselbe Weise angewandt, verhielt sich ebenso. Beide
Körper waren dagegen in verdünnter Salpetersäure stark positiv gegen
Platin.
„2047) Dieselbe Erscheinung zeigt sich in der Wirkung des oxydirten
Eisens. Wenn man eine Eisenplatte durch Erhitzung mit einem Oxyd von
solcher Beschaffenheit und Festigkeit überzieht, dass es kaum oder gar nicht
von Schwefelkaliumlösung angegriffen wird, so entsteht nur ein schwacher
oder gar kein Strom, indem sich ein solches Oxyd wie Platin in der Lösung
verhält (1840). Oxydirt man aber das Eisen durch Aussetzung der Luft,
oder durch Anfeuchten und Trocknen, oder durch Befeuchten mit etwas
verdünnter Salpeter- oder Schwefelsäure, nachheriges Waschen, anfangs mit
Ammoniak- oder Kalilösung und darauf mit Wasser, und endliches Trocknen,
oder durch Befeuchten mit Kalilösung, Erhitzen in der Luft, Waschen mit
destillirtem Wasser und Trocknen, so giebt es, verknüpft mit Platin in
Schwefelkaliumlösung, einen kräftigen Strom, bis alles Oxyd reducirt ist, und
während der ganzen Zeit ist es negativ.
„2048) Gerostetes Eisen ist in derselben Lösung stark negativ. Auch
eine mit Eisenoxydul, Eisenoxyd oder Spatheisenstein überzogene Platin-
platte (2045) verhält sich so.
„2049) Dies Resultat ist eines von denen, gegen die man sich in den
zuvor (1826. 1886) beschriebenen Versuchen zu hüten hat. Wenn man eine
scheinbar blanke Eisenplatte in- verdünnte Schwefelkaliumlösung taucht, so
ist sie gegen Platin anfangs negativ, dann neutral und zuletzt schwach positiv.
In starker Lösung ist sie zuerst negativ, wird dann neutral und bleibt es.
Eisen kann nicht vollkommen mit Sandpapier gereinigt werden; allein nach
dieser Reinigung ist es negativ, und je frischer und besser es gereinigt
worden ist, desto kürzer dauert diese Negativität. Dieser Effekt rührt von
einer sofort eintretenden Oxydation des Eisens während seiner Berührung mit
der Luft und von nachheriger Reduction dieses Oxydes durch die Lösung her.
Wenn man die Eigenschaften des Eisens in Erwägung zieht, kann dies Resultat
nicht unnatürlich erscheinen. Reines Eisen, in Schwammform, entzünde!
Die Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 743
>n selbst an der Luft, und eine frisch gesäuberte Platte, in Wasser
at oder damit benetzt oder nur der Luft ausgesetzt, bewirkt augen-
h den Geruch nach Wasserstoff. Die dünne Oxydhaut, welche sich
id einer momentanen Aussetzung bilden kann, ist daher vollkommen
*nd, den erzeugten elektrischen Strom zu erklären.
J050) Zum ferneren Beweise der Wahrheit dieser Erklärungen stellte
le Eisenplatte unter die Oberfläche einer Schwefelkaliumlösung, und
e daselbst mit einem Stück Holz, welches einige Zeit mit derselben
y getränkt worden war. Das Eisen war dann gegen das mit ihm ver-
e Platin neutral oder sehr schwach positiv. Während es mit dem
in Verbindung stand, wurde es wieder mit dem Holz gerieben, um
rische Berührungsfläche zu erlangen. Es wurde nun nicht negativ,
ti blieb sehr schwach positiv, zum Beweise, dass die frühere Negativität
n temporäres Resultat der an der Luft gebildeten Oxydschicht war.
2051) Nickel scheint derselben Wirkung wie Eisen unterworfen zu
doch in viel geringerem Grade. Alle Umstände waren analog, und
af das Eisen (2050) angewandte Beweis war auch hier* anwendbar mit
lben Resultat.
2052) So stimmen demnach alle diese Erscheinungen mit Protoxyden
iyperoxyden darin überein, den entstehenden Strom auf chemische
n zurückzuführen, nicht bloss, was die Abhängigkeit des Stromes von
Aktion betrifft, sondern auch in Bezug auf die Abhängigkeit der
tung des Stromes von der Richtung, welche die chemische Verwandt-
das erregende oder elektromotorische Anion anzunehmen zwingt. Und
:, glaube ich, ein höchst schlagender Umstand, dass diese Körper,
e, wenn sie chemisch wirken können und wirken, Ströme erregen,
die geringste Macht dazu haben, sobald blosser Contact verstattet
$69}, obwohl sie vortreffliche Leiter der Elektricität sind und die durch
e und wirksamere Mittel erregten Ströme leicht durchlassen.
,,2053) Bei solch einer Masse von Zeugnissen für die Wirksamkeit und
nglichkeit der chemischen Aktion, wie (1878. 2052) gegeben worden
>ei so vielen wirksamen Ketten ohne Metallcontact (2017), und unwirk-
n mit demselben (1867): was für ein Grund kann vorhanden sein, in
Fällen, wo chemische Aktion und Contact vereinigt sind, die Wirkung
lieh dem Contact oder irgend etwas anderem als chemischer Kraft zu-
lreiben? Solch ein Schluss scheint mir sehr unphilosophisch: es heisst
erwiesene und thätige Ursache entlassen, um eine bloss hypothetische
■ anzunehmen.
Thermo-elektrischer Beweis.
„2054} Die Erscheinungen der schönen Entdeckung . Seebeck's, der
mo-Elektricität, sind zuweilen und noch neuerlich als Beweis der elek-
trischen Kraft des Contactes zwischen Metallen und ähnlichen starren
744 Vierzehntes Kapitel.
Leitern angeführt worden (1809. 1867).1 Eine kurze Betrachtung, gla
ich, reicht hin, zu zeigen, wie wenig Stütze diese Erscheinungen der
sagten Theorie gewähren.
„2055) Wenn der Contact der Metalle einen erregenden Einfluss
VoLTA'schen Ketten ausübt, so kann man kaum bezweifeln, dass die ther
elektrischen Stöme von derselben Kraft herrühren, d. h. von der ^1
locale Temperatur bewirkten Störung des Gleichgewichtes der Kräfte
verschiedenen Contacte in der metallenen oder ähnlichen Kette. Diejeni
welche die Thermo-Effekte als Beweise für die Contact-Effekte anfür
müssen sich zu dieser Ansicht bekennen.
„2056) Bei Annahme einer Contactkraft müssen wir auch annehi
dass Wärme diese Kraft entweder verstärke oder schwäche. Denn wen
Fig« l93 A Antimon und B Wismuth ist, und eine Erwärmung bei x e
x, Strom in Richtung des Pfeiles hervorruft, und v
^^y^/^^^y^^ angenommen wird, dass Wismuth im Contact
Antimon positiv gegen letzteres zu werden suche
muss Wärme diese Positivität schwächen, oder, *
%
Fig. 193. Nach Faraday. ,. * • j j wt ^ i_ *;
vorausgesetzt wird, das Wismuth suche negativ
werden, so muss Wärme den Effekt verstärken. Wie wir zu entsche
vermögen, welche der beiden Ansichten anzunehmen sei, scheint mir t
klar; denn nichts in den thermo-elektrischen Erscheinungen allein kann
Punkt durch das Galvanometer entscheiden.
„2057) Wenden wir uns zu dem Ende zu der VoLTA'schen Kette
finden wir dort die Stellung des Antimons und Wismuths verschieden
nach dem angewandten flüssigen Leiter (2012). Das Antimon, das in Sä
negativ gegen Wismuth ist, ist positiv gegen dasselbe in Alkali und Schw
kalium; und überdies finden wir beide fast in der Mitte der Metallr
In der thermo-magnetischen Reihe dagegen liegen sie an den Enden
stehen so im Gegensatz zu einander wie nur möglich. Dieser Untersc
wurde vor langer Zeit vom Prof. Cumming hervorgehoben;2 wie vertraj
sich mit der Contacttheorie der Volt Ansehen Kette?
„2058) Wenn ferner Silber und Antimon eine Thermokette (Fig.
bilden, und die Berührungsstelle x erhitzt wird, so geht der Strom
Silber zum Antimon. Bilden Silber und Wismuth eine Thermokette (Fig.
und die Stelle x wird erhitzt, so geht der Strom vom Wismuth zum S:
Angenommen, die Wärme erhöhe die Contactkraft (2056), so geben
Resultate die Contactkraft zwischen diesen Metallen so: Antimon < — Sil
und Wismuth — * Silber. Allein in der VoLTA'schen Kette geht der S
an den Contactpunkten vom Silber sowohl zum Antimon als zum 1
muth, sobald verdünnte Schwefelsäure, verdünnte oder starke Salpeter
oder Kalilösung angewandt wird (2012); der Metallcontact wie der ir
1 Fechner's Worte, Philos. Mag. 13, 206. 1838. — Poc.g. Ann. 42, 483.
* Annais of Philosophy 6, 177. 1823.
Die Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 7d$
)kette kann also auf jeden Fall hier sehr wenig zu thun haben. Im
Schwefelkalium geht der Strom an den Contactpunkten vom Antimon
Ov ' -1- r -■ r> 4 "■ * ^>
B S
I
>
Fig. 194. Fig. 195.
Nach Faraday.
m Wismuth zum Silber, ein Resultat ebenso unverträglich als das
mit dem Thermo-Effekt. Wenn farbloses Schwefelwasserstoff-Schwefel-
zur Schliessung der VourA'schen Kette angewandt wird, geht der
an den Contactpunkten vom Wismuth zum Silber, und vom Silber
ntimon, während er in starker Salzsäure an den Contactpunkten gerade
ehrt vom Silber zum Wismuth und vom Antimon zum Silber geht.
5059) Ferner geht in der Thermoreihe der Strom an den Contact-
en der Metalle vom Kupfer zum Gold, vom Zinn oder Blei zum
', Rhodium oder Gold, vom Zink zum Antimon oder Eisen oder selbst
t, vom Wismuth zum Nickel, Kobalt, Quecksilber, Silber, Palladium,
Platin, Rhodium oder Graphit, — also gerade in umgekehrter Rich-
vie bei denselben Metallen, wenn sie mit den gewöhnlichen sauren
*en VoLTA'sche Ketten bilden (2012).
2060) Diese und viele andere Widersprüche, welche bei einem Ver-
der Theorie des Thermocontactes und des VoLTA'schen Contactes er-
en, lassen sich nur erklären durch Annahme einer specifischen Wirkung
ontactes von Wasser, Säuren, Alkalien, Sulfureten und anderen er-
len Elektrolyten für jegliches Metall. Dieser angenommene Contact
n Thermo-Metallcontact nicht nur dadurch unähnlich, dass er in den
?ichförmigen Temperaturen geschlossenen Ketten keinen Gleichgewichts-
d besitzt, sondern auch in der Ordnung der angewandten Metalle
Beziehung zu demselben hat. So müssen Wismuth und Antimon,
* in der Thermoreihe weit auseinander stehen, diesen Extracharakter
Ȋurecontact sehr stark in entgegengesetzter Richtung entwickelt haben,
lit einander eine nur schwache VourA'sche Combination zu bilden. Und
las Silber betrifft, welches in der Thermoreihe zwischen Zinn und Zink
so ist nicht nur dieselbe Abweichung erforderlich, sondern es muss
der Effekt davon so gross sein, dass er so vollständig wie er es thut
;elbst kräftig die Unterschiede umkehrt, welche die Metalle (gemäss der
icttheorie) hervorzubringen trachten.
,2061) Zum ferneren Gegensatz mit solch einer Annahme muss daran er-
: werden, dass, obwohl die Thermoreihe der Kette verschieden ist von der
hnlichen VoLTA'schen (2012), sie doch vollkommen mit sich selbst über-
mmt, d. h. dass wenn Eisen und Antimon schwach mit einander sind
iVismuth stark mit Eisen, dies auch stark mit Antimon ist; ferner, da&«
746 Vierzehntes Kapitel.
wenn der Strom an der heissen Berührungsstelle vom Wismuth zum R
dium geht, und vom Rhodium zum Antimon, es auch an der heissen St
noch kräftiger vom Wismuth zum Antimon übergeht Zur vollen Über
Stimmung mit dieser einfachen und wahren Relation müsste Schwefels
nicht sehr kräftig mit Eisen und Zinn und schwach mit Silber sein, wie
es in der VoLTA'schen Kette ist, da diese Metalle in der Thermoreihe n
weit auseinander stehen; auch dürfte sie sich voltaisch nicht fast gl
gegen Gold und Platin verhalten, da diese in der Thermoreihe weit
einander stehen.
„2062) Endlich findet sich in der Thermokette eine Relation zur Waü
welche zeigt, dass für jegliche Portion von entwickelter elektrischer ¥
eine entsprechende Änderung in einer anderen Kraft oder Kraftform, n
lieh der Wärme, stattfindet, die jene zu erklären vermag. Dies haben ü
einstimmend die Versuche von Seebeck und Peltier gezeigt. Allein
Contactkraft ist eine Kraft, welche Etwas aus Nichts hervorzubringen
ein Resultat der Contactkraft, welches weiterhin (2069. 2071. 2073) be
auseinandergesetzt werden kann.
„2063) Welche, aus den Thatsachen der Thermo-Elektricität ableitba
Beweise für die Contactvvirkung bleiben dann übrig, da sonach die K
auf die Säure oder andere gebrauchte Elektrolyte bezogen werden n
(2060), und da man sie nicht nur unsicher nach jedem Metall, sondern a
in direkter Übereinstimmung mit der Veränderung der chemischen Akt
zu variiren hat (2874. 1956. 1992. 2006. 2014)?
„2064) Die Contacttheoretiker scheinen zu glauben, dass die Anbau
der chemischen Theorie berufen seien, die Erscheinungen der Thermo-E
tricität zu erklären. Ich kann nicht einsehen, dass die SEEBECK'sche K
irgend eine Beziehung zur VoLiVschen habe, und glaube, dass Becquek
Untersuchungen diesen Schluss hinreichend rechtfertigen.1
Unwahrscheinlichkeit der angenommenen Contactkraft
„2065) Sonach habe ich eine gewisse Masse experimenteller Zeugn
und daraus gezogener Schlüsse gegeben, welche mir zur Aufhellung
streitigen Punktes geeignet scheinen, in Zusatz zu den Angaben und Ar
menten der grossen Männer, die bereits ihre Resultate und Meinungen
Gunsten der chemischen Theorie des Voltaismus und gegen die Conti
theorie ausgesprochen haben. Zum Schluss will ich noch ein Argum
hinzufügen, hergenommen von der, nach mir, unphilosophischen Natur
Kraft, auf welche, nach der Contacttheorie, die Erscheinungen bexo|
werden.
„2066) Nach dieser Theorie wird angenommen (1802), dass, wo 1
ungleiche Metalle (oder richtiger: Körper) einander berühren, die unglei
1 Annales de chim. 41, 355. 1829; 46, 275. 1829.
4e Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 747
Theile auf einander wirken und entgegengesetzte Zustände erregen.
,Tie dies nicht, glaube vielmehr, dass eine solche Wirkung in vielen
wischen aneinander liegenden Theilchen stattfinden kann, z. B. vor-
d die Aktion in den gewöhnlich chemischen Erscheinungen, und
»rbereitend denjenigen Akt der chemischen Combination, welcher in
„TA'schen Kette den Strom hervorruft (1738. 1743).
y6j) Allein die Contacttheorie nimmt an, dass diese Theilchen, welche
durch ihre gegenseitige Aktion entgegengesetzte elektrische Zustände
haben, diese Zustände auf einander entladen können, und doch in
.fanglichen Zustande bleiben, in jeder Hinsicht durch den früheren
g nicht verändert werden. Sie nimmt auch an, dass die Theilchen,
:h ihre gegenseitige Wirkung plus und minus geworden sind, während
r dieser inducirten Aktion stehen, sich entladen auf Theilchen gleicher
xiit ihnen und so einen Strom erzeugen.
068) Dies stimmt in keiner Hinsicht mit bekannten Wirkungen überein.
man in Bezug auf chemische Erscheinungen zwei Substanzen, wie
off und Wasserstoff, so kann man sich denken, dass zwei Theilchen
*iden, wenn sie nahe gebracht und erhitzt werden, entgegengesetzte
de an ihren gegenüberliegenden Oberflächen induciren, vielleicht so,
ch Berzelius* Ansicht (1739), und dass diese Zustände, sich immer
steigernd, endlich in eine gegenseitige Entladung der Kräfte über-
wobei die Theilchen sich verbinden und unfähig sind, den Effekt zu
holen. Während sie unter Aktion stehen und ehe die Einwirkung
, können sie ihren Zustand nicht freiwillig verlieren; allein bei Ent-
g der Ursache der gesteigerten Inductionswirkung, nämlich der Wärme,
ier Effekt auf seinen ersten Zustand herabsinken. Wenn die wirkenden
hen in die Constitution eines Elektrolyten eingeschlossen sind, körinen
le Stromkraft erzeugen (921. 924) proportional mit dem Betrage der
tuchten chemischen Kraft (868).
2069) Allein die Contacttheorie, welche gemäss den Thatsachen zu der
ime genöthigt ist, dass die wirkenden Theilchen sich nicht verändern
. 2067 — denn sonst würde sie die chemische Theorie sein), ist auch
mgen anzunehmen, dass die Kraft, welche zwei Theilchen in den Stand
einen gewissen Zustand in Bezug auf einander anzunehmen, unfähig
lieselben in diesem Zustande zu erhalten, und so leugnet sie virtuell
grosse Prinzip der Naturforschung, dass Ursache und Wirkung gleich
(2071). Wenn ein Platintheilchen durch Contact mit einem Zink-
hen seine eigene Elektricität willig dem Zink abtritt, weil durch seine
nwart das Platin einen negativen Zustand anzunehmen sucht, warum
das Platintheilchen von irgend einem hinter ihm liegenden Platintheil-
Elektricität aufnehmen, da dies nur dahin streben würde, eben den
nd zu zerstören, in den es durch das Zink versetzt ward? Dies ist nicht
rall bei der gemeinen Vertheilung (und Marianini nimmt an, die Con-
irkung könne durch Luft und durch messbare Entfernungen hindurch
n a% Vierzehntes Kapitel.
wirken);1 denn dabei nimmt eine Kugel, die durch Vertheilung negati
macht ist, keine Elektricität von umgebenden Körpern auf, wie sie
ringsum unisolirt sein mag; und wenn wir Elektricität in sie hineinzws
so wird sie gleichsam zurückgeschlagen mit einer Kraft, die der de
theilenden Körpers äquivalent ist.
„2070) Oder wenn man vielmehr annimmt, dass das Zinktheilchen
seine vertheilende Wirkung das Platintheilchen positiv zu machen
und das letztere, in Verbindung stehend mit der Erde oder mit ar
Platintheilchen, auf diesen Elektricität hervorruft und so den positive
stand erlangt: warum sollte es diesen Zustand gegen das Zink enl
gerade die Substanz, welche, indem sie das Platin diesen Zustand ann<
macht, natürlicherweise am geeignetsten sein sollte, denselben zu unter!
Oder ferner, wenn das Zink das Platintheilchen positiv zu machen
warum sollte nicht Elektricität vom Zink zum Platin übergehen, da
ersteres ebenso gut als die benachbarten Platintheilchen mit letztere
Contact ist? Oder, wenn das Zinktheilchen im Contact mit dem
positiv zu werden sucht, warum strömt nicht Elektricität zu ihm ai
hinteren Zinktheilchen, so gut als aus dem Platin?2 Für den angenomi
Vorgang ist keine hinlänglich wahrscheinliche oder philosophische Ui
nachgewiesen, noch ist ein Grund gegeben, warum nicht ein oder der 1
der zuvor angegebenen Effekte stattfinden sollte, und, wie ich schon *
holt gesagt habe, ich kenne kein einziges Factum oder keinen Fal
Contactstrom, auf welchen, in Ermangelung solcher wahrscheinlichen Ur
die Theorie sich stützen kann.
„2071) In der That, die Contacttheorie nimmt an, dass eine Kra
mächtige Widerstände zu überwältigen im Stande ist, z. B. den von
odeV schlechten Leitern, welche der Strom durchläuft, so wie den von
trolytischen Aktionen, wo Körper durch sie zersetzt werden, aus Nicht
springen kann; dass, ohne irgend eine Veränderung in der wirkenden N
oder den Verbrauch einer erzeugenden Kraft, ein Strom hervorgerufen v
kann, welcher unausgesetzt gegen einen constanten Widerstand fortgeh
nur gehemmt werden kann, wie in der VoLTA'schen Batterie, durc
Trümmer, welche seine Äusserung in seiner eigenen Bahn angehäu:
Dies würde in der That eine Schöpfung der Kraft sein, und ist
anderen Kraft in der Natur gleich. Wir kennen viele Processe, durch ^
die Form der Kraft so verändert werden kann, dass eine scheinbare
Wandlung der einen in die andere stattfindet So können wir eher
1 Memorie della Societä Italiana in Modena 21, 232. 233. 1837.
8 „Der Einfachheit wegen habe ich mich so ausgedrückt, wie wenn bei Hervort
dieser Vertheilungszustände das eine Metall aktiv und das andere passiv wäre, wähn
Theorie verlangt, dass jedes gegenseitig dem anderen unterworfen ist« Allein dies macht
Unterschied in der Kraft der Argumente; wogegen eine vollständige Angabe der *
Änderungen an beiden Seiten die sich darbietenden Einwürfe, welche indes nach bei«
sichten gleich stark sind, verdunkelt haben würde."
Me Elitwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 740
1 elektrischen Strom und den Strom in elektrische Kraft verwandeln,
lönen Versuche von Seebeck und Peltier zeigen Verwandelbarkeit
irme und Elektricität; und andere von Oersted und mir zeigen die
delbarkeit von Elektricität und Magnetismus. Allein niemals, selbst
ei dem Gymnotus und der Torpedo (1790) findet eine Schöpfung von
tatt, eine Erzeugung von Kraft, ohne eine entsprechende Erschöpfung
was, ihr Nahrung Gebendes.1
072) Man muss sich stets erinnern, dass die chemische Theorie von
Iraft ausgeht, deren Dasein zuvor bewiesen ist, und dass sie deren
>nen folgt, selten etwas voraussetzend, was nicht durch eine ent-
nde einfache chemische Thatsache unterstützt wird. Die Contact-
dagegen geht von einer Voraussetzung aus, der sie andere hinzufugt,
es die Fälle erfordern, bis zuletzt die Contactkraft, statt das feste
lelbare Wesen zu sein, wie es Volta anfangs voraussetzte, so ver-
:h als die chemische Kraft selbst ist.
073) Verhielte es sich anders, als es ist, wäre die Contacttheorie
dann müsste, so scheint mir, die Gleichheit von Ursache und Wirkung
iet werden (2069). Dann würde auch das Perpetuum mobile mög-
in; und es würde gar nicht schwer halten, auf den ersten gegebenen
nes allein durch Contact erzeugten elektrischen Stromes eine elektro-
tische Vorrichtung zu construiren, welche, dem Prinzipe nach, unauf-
■> mechanische Effekte hervorbrächte,
oyal Institution, 26. December 1839."
4. Weitere Discussionen. Auch das zweite Eintreten Faraday*s
? chemische Theorie änderte an der Stellung der einzelnen Forscher
, wie denn in der ganzen Angelegenheit die Beobachtung gemacht
„(Note, 29. März 1840.) — Ich bedaure ein höchst wichtiges Zeugniss für dies philo-
le Argument zuvor nicht gekannt zu haben, nämlich die Meinung, welche Dr. Roget in
im Januar 1829 erschienenen „Treatise on Galvanism" in der „Library o( useful Know-
ausgesprochen hat. Dr. Roget ist durch die Thatsachen der Wissenschaft ein Anhänger
mischen Theorie; allein die schlagendste Stelle, welche ich nun hervorzuheben wünsche,
folgende Paragraph im Art. Galvanism. — Von der VoLTA'schen Contacttheorie sprechend,
„Wäre irgend ein ferneres Raisonnement erforderlich, sie umzustürzen, so Hesse sich
chtiges Argument aus folgender Betrachtung hernehmen. Vermöchte eine Kraft zu be-
welche die ihr von der Hypothese zugeschriebene Eigenschaft besässe, nämlich einer
keit einen unausgesetzten Impuls in einer constanten Richtung zu ertheilen, ohne durch
*ene Wirkung erschöpft zu werden, so würde sie wesentlich verschieden sein von allen
ten Kräften in der Natur. Alle Kräfte und Quellen von Bewegung, mit deren Operation
kannt sind, werden, wenn sie ihre eigentümlichen Wirkungen ausüben, verausgabt in
ben Verhältniss, als diese Wirkungen hervorgebracht werden; und daraus entspringt die
;lichkeit, durch sie einen immerwährenden Effekt, oder, mit anderen Worten, eine immer-
de Bewegung hervorzubringen. Allein die elektromotorische Kraft, welche Volta den in
: stehenden Metallen zuschreibt, ist eine Kraft, welche, so lange der von ihr in Bewegung
n Elektricität ein ungehinderter Lauf verstattet ist, niemals verbraucht wird, und fortwährend
erminderter Kraft erregt wird in der Erzeugung eines unaufhörlichen Effektes. Gegen die
eit einer solchen Voraussetzung sind alle Wahrscheinlichkeiten nur unendlich. — Roget."
7 cq Vierzehntes Kapitel.
werden kann, dass durch all den Ungeheuern Aufwand überzeugungskräftig-
ster Argumente auf beiden Seiten doch niemals eine Bekehrung eines Gegncs
bewerkstelligt worden ist. In der That ist mir in der ganzer weitschichtiget
Litteratur bis auf das gleich zu erwähnende halbe Zugeständniss Schönbedtb
kein Fall begegnet, dass ein Anhänger einer der Theorieen in seiner Ab*
sieht wankend gemacht worden wäre, vielmehr bleibt Jeder, sei er Contacbst
oder Chemiker, „unentwegt" auf seinem Standpunkt stehen und hat für
die gegentheiligen Anschauungen nur ein mitleidiges Erstaunen übrig. Diese
Erscheinung kennzeichnet besser als alles andere den damaligen unent-
wickelten und unfertigen Zustand der Wissenschaft in diesem Gebiete.
Die Unklarheit über die Art der chemischen Wirkung, welche in dem
VoLTA'schen Element vor sich geht, tritt in der ganzen Discussion über die
beiden Theorieen immer wieder hervor. Während schon Ritter die Noth-
wendigkeit eines räumlich getrennten Vorganges zum Behufe der galvani-
schen Wirkung erkannt hatte, sah Poggendorff, x freilich nicht ohne Schuld
der Vertreter der chemischen Theorie selbst, in dem Nachweise, dass es
Ketten ohne primäre, d. h. vor dem Stromschlusse stattfindende chemische ]
Wirkung gebe, einen entscheidenden Einwand gegen die chemische Theorie. ;
Thatsächlich liegt die Sache so, dass nur die erst beim Stromschlusse ein-
tretende Wirkung es ist, die überhaupt mit der elektrischen in Zusammenhang
gebracht werden darf; die primäre, oder besser örtliche Wirkung hat mit
dem Strome nichts zu thun.
Die eben erwähnte Abhandlung Poggendorff^s ist im Übrigen bestimmt,
die von Schönbein und namentlich Faraday untersuchten Fälle, wo Ketten
mit Eisen und Platin oder Silber, die nach der Contacttheorie einen starken
Strom wegen der bedeutenden Verschiedenheit der Metalle in der Spannungs-
reihe geben sollten, thatsächlich keinen, oder nur einen sehr schwachen,
bald verschwindenden geben, im Sinne der Contacttheorie zu „erklären".
Die Erklärung beruht auf demselben Gesichtspunkte, welchen Marianini und
Fechner schon früher geltend gemacht hatten, nämlich der Annahme, da»
durch die Wirkung der Flüssigkeiten auf die Metalle deren Stellung in der
Spannungsreihe abgeändert werde. Diese Wirkung wird ausdrücklich als
eine nicht chemische bezeichnet; was für eine sie thatsächlich ist, bleibt
unentschieden, und so behält diese Deutung allerdings den Charakter der
Willkürlichkeit. Insbesondere fehlt eine Deutung des Zusammenhanges, da»
in solchen Fällen, wo chemische Wirkung und gleichzeitig der Strom aus-
bleibt, auch gerade die oberflächliche Veränderung der Metalle den Werft
erhält, dass die Spannungen sich aufheben. Es ist dies die immer wieder-
holte Erscheinung, dass die Contacttheorie zwar formell mit' den Thatsachen
fertig werden kann, über die weiteren zu Tage tretenden Beziehungen aber
keine Auskunft geben will.
Faraday selbst, welcher sich durch die Anstrengungen bei der Ausfuhrung
1 Pogg. Ann. 54, 353. 1841.
e Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. nc\
i beschriebenen Untersuchungen eine ernstliche Erkrankung zuge-
ttte, von deren Folgen er sich nie wieder vollständig erholen konnte,
sich fernerhin unbedingt, auf die Discussion über den Werth der
rheorieen einzugehen. In einem Briefe an den Herausgeber des
lical Magazine1 erklärt er zunächst, wie es gekommen sei, dass er
rartigen Angriff von Dr. Hare unbeantwortet gelassen habe, und
t: „Mein Grund für diese Ablehnung war nicht ein Mangel an
gegen Dr. Hare, sondern meine feste Überzeugung, dass polemische
und Erwiderungen nur eine unfruchtbare Beschäftigung sind. . . .
t in Ihrer Zeitschrift auch mehrere Angriffe aus Deutschland, Italien
*ien auf die chemische Theorie der VoLTA'schen Batterie und auch
'e meiner Versuche. Für meinen Theil weigere ich mich, öffentlich
en Auseinandersetzungen Notiz zu nehmen, weil in ihnen nichts ent-
st, was meinem Geiste einen neuen Gesichtspunkt giebt, der die
ufklärt, oder mir einen Grund zur Änderung meiner Meinung giebt.
lern ich diesen Punkt erwähne, möchte ich einen Wunsch aussprechen,
ige von den Vertretern der Contacttheorie auf eine Betrachtung ein-
lochten, welche sie bisher auf das Sorgfältigste vermieden zu haben
i, nämlich die unwissenschaftliche Natur der angenommenen Contact-
ie ich sie in § 2065 bis 2073 meiner „Experimentaluntersuchungen"
;en versucht habe, und wie Dr. Roget sie in Worten ausgedrückt
jlche ich meiner Abhandlung angehängt habe. Eine derartige Be-
ig scheint mir die Grundlagen selbst der Contacttheorie zu be-
.... Soviel ich sehen kann, drücken sie ein grundlegendes Prinzip
lches nicht bei Seite gesetzt oder umgangen werden kann von einem
:haftlichen Geiste, welcher nur einen massigen Grad von Strenge
Hessen besitzt, und ich muss gestehen, dass ich, bevor irgend eine
t oder der Schein einer Antwort in Gestalt einer Voraussetzung oder
/ie auf den Ausspruch dessen, was ich als ein Naturgesetz ansehe,
n worden ist, nicht geneigt bin, eine Bedeutung Thatsachen zuzu-
en, welche zwar zu Gunsten der Contacttheorie vorgebracht, von den
*ern der chemischen Theorie jedesmal gleich vortheilhaft für ihre An-
, und gleich übereinstimmend mit ihnen befunden worden sind."
.. Einwand von Jacob 1. Von den gewöhnlichen Argumenten gegen
emische Theorie unterscheidet sich ein von M. Jacobi 2 erhobenes
seine Originalität. Dieser sehr begabte Forscher beschäftigte sich
vor mehr als fünfzig Jahren mit der Aufgabe, die mechanischen Wir-
1 des Elektromagnetismus technisch zu verwerthen, und war dabei zu
obachtung gelangt, dass der Strom seiner Batterie geringer war, wenn
^geschaltete elektromagnetische Motor Arbeit verrichtet, als wenn er
ind. „Man hat also hier eine Maschine, welche, wenn sie einen mecha-
1 Effekt hervorbringt, weniger Zink consumirt, als wenn sie sich in
Philos. Mag. 22, 268. 1843. 9 Pogg. Ann. 48, 41. 1839.
j c 2 Vierzehntes Kapitel.
Ruhe befindet. Das ist bei anderen Triebkräften nicht der Fall, und bleibt
gewiss ein frappantes Factum, wenn es sich auch erklären lässt
„Aber auch die anderen Attribute des galvanischen Stromes bieten ahn»
liehe Phänomene dar . . . überhaupt, wenn man irgend einen Effekt ausser-
halb der Erregungszelle erlangen will, wird in dieser die Zinkconsumtioii
oder die chemische Thätigkeit vermindert. Mir scheint es, dass, da sammt
liehe Effekte zugleich proportional im Strom existiren, derjenigen Weise da
chemischen Aktion, die sich durch die elektrolytische Zersetzung kund giebt
kein grösseres Recht zugestanden werden dürfte, als den übrigen; ja sogar
da sämmtliche Attribute der Elektricität hervorgebracht werden können, ohm
einer elektrolytischen Aktion zu bedürfen, keine elektrolytische aber oh»
gleichzeitige magnetische, Polarisations-, Wärme- und andere Erscheinungen
so ist vielmehr der Chemismus im Nachtheil, wenn von dem Rechte die Red«
ist, als Ursache der verschiedenen Phänomene aufzutreten. Es ist ein logi-
scher und deshalb unüberwindlicher Widerspruch, dass die Ursache std
umgekehrt wie die Wirkung verhalten solle, und das verlangt die Ansicht
welche bei den Hydroketten die Oxydation oder den chemischen Pnocea
als das allein Bedingende ansieht."
Diese Auseinandersetzungen des scharfsinnigen Gelehrten zeigen die
ganze Unsicherheit, in welcher sich selbst tiefer Denkende zu jener Zeit, drei
Jahre vor dem ersten Aufsatze J. R. Mayer's, bezüglich der Fragen da
Energie befanden. Wir wissen jetzt, dass in allen von Jacobi angeführten
Fällen sich eine elektromotorische Gegenkraft entwickelt, welche die Strom«
stärke, und deshalb den Zinkverbrauch vermindert; der maximale Verbraudi
bei ruhender Maschine entspricht einer maximalen Wärmeentwickelung ia
der gesammten Leitung, und die Summe der als Wärme und mechanische
Arbeit oder andere Leistung abgegebenen Energie ist in allen Fällen genau
dem Zinkverbrauch proportional.
Damit wird denn auch der erhobene Einwand hinfällig, als sei die von
der Kette geleistete Wirkung dem Zinkverbrauch umgekehrt proportional
(was auch, wenn Jacobi Recht hätte, ein ungenauer Ausdruck wäre); vielmehr
sind beide direkt proportional, wenn man die gesammte Wirkung in Betracht
zieht, und sich nicht auf eine einzige beschränkt.
Wenn man also auch dem von Jacobi erhobenen Einwände keine Be-
rechtigung zugestehen kann, so unterscheidet er sich doch durch seine
scharfsinnige Beschaffenheit wesentlich von den üblichen der Voltaisten und
hätte eine eingehendere Erörterung verdient, welche fruchtbarer hätte werden
können, als viele andere Discussionen über den Gegenstand zusammen*
genommen.
Die andere Bemerkung Jacobi's steht allerdings nicht auf der Höhe dfl
eben besprochenen, und ist von Schönbein durch den Hinweis widerleg
worden, dass von keinem „Chemiker" behauptet worden ist, es rührte
alle elektrischen Erscheinungen von chemischen Vorgängen her; "letzter
werden vielmehr nur für die hydroelektrischen Vorgänge in Anspruch p
te Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. je?
. Auch ist die Behauptung offenbar unrichtig, dass man keinen
len Vorgang ohne Polarisations- oder magnetische Erscheinung her-
sn könne.
Zweite Formulirung von Schönbein's Tendenztheorie. Auf
lenden Kampf, welcher zwischen den zwanziger und vierziger Jahren
1 des Werthes der beiden Theorieen geherrscht hatte, folgt um die
r vierziger Jahre fast plötzlich eine Stille, ohne dass eine Ursache
ara in dem Übergange der wichtigsten Vertreter der einen Seite auf
ire nachzuweisen wäre. Vielmehr dürfte wohl die Ursache in der
:h entstandenen Erfahrung liegen, dass irgend ein Erfolg von dem
ntiren hin und her nicht zu erreichen war; das Interesse der Forscher
sich daher von dem ergebnisslosen Kampfe ab und anderen Gegen-
zu. Gleichzeitig mag wohl auch eine unbewusste Empfindung dafür
en gewesen sein, dass in der sich eben entwickelnden mechanischen
heorie sich die Gründe für oder wider finden würden, welche zu
ltscheidung fuhren könnten, nachdem alle bis dahin versuchten sich
tt genügend durchschlagend erwiesen hatten. So steht die letzte
, diesem Streite gewidmete Abhandlung1 im Jahre 1849 ziemlich
da und erweckt keinerlei Erwiderungen von Seiten der Gegner.
t somit nach dieser Seite die Arbeit kaum ein Interesse, so ist sie
rwähnenswerth als eine ausfuhrliche Darlegung der von Schönbein
"rüher aufgestellten „Tendenztheorie" der VoLTA'schen Kette. Diese
ist der gegenwärtig als richtig erkannten von allen älteren Versuchen
ilichsten, und wenn sie auch noch genug der vergänglichen Bestand-
nthält, so ist doch andererseits ihr Grundgedanke fruchtbar und lehr-
nd spricht den von den Vertretern der chemischen Theorie immer
en Zusammenhang zwischen den chemischen Verhältnissen und deren
chen Wirkungen in so anschaulicher Gestalt aus, dass sie in dieser
it auch noch jetzt einen gewissen Werth beanspruchen kann. Aller-
lat sie auf ihre Zeit keine Wirkung geübt; die Ursache davon ist die
wiederkehrende: es konnten die Folgerungen aus der Theorie nicht
nässig geprüft und bestätigt werden, und so entging ihr das Grund-
t der Bedeutung jeder wissenschaftlichen Theorie.
ie wichtigsten Stellen aus dieser zweiten Abhandlung Schönbein's lauten :
3ekanntlich bin ich selbst mit den strengsten Contactisten über die
;keit der Annahme einverstanden, dass es viele hydroelektrische Ketten
welche Voltaisch wirksam sind, ohne dass in ihnen vor bewerkstelligter
>sung irgend eine, entweder durch Verbindung oder Zersetzung sich
ide chemische Thätigkeit stattfindet. . . . Nichtsdestoweniger suche ich
iie Ursache der in solchen Ketten auftretenden Erscheinungen nicht
im blossen, von allem Chemismus unabhängigen Contacte zweier ver-
SchOnbein, Über die chemische Theorie der VoLTA'schen Säule, POGG. Ann. 78,
49.
rald, Elektrochemie. 48
«*
754 Vierzehntes Kapitel.
schiedener Materien, z. B. zweier Metalle, sondern in einer allerdings
Berührung bedingten chemischen Anziehung, welche ein Bestandth
Kette . . . gegen das Anion oder Kation einer der zur Kettenbildung
wendeten elektrolytischen Flüssigkeiten ausübt. Der chemischen An:
z. B. einer Sauerstoff- oder wasserstoffgierigen Substanz gegen das eil
das andere Ion des Wassers schreibe ich eine Störung des ursprün
chemischen Gleichgewichts eines Wassermoleküls zu, welches mi
Substanz der angedeuteten Art in Berührung geräth, ohne dass ab(
durch die Verbindung der Bestandtheile des Wassermoleküls aufgehe
werden und einer der Bestandtheile mit der anziehenden Substanz
Wirklichkeit chemisch zu vereinigen braucht. Eine solche Störu
chemischen Gleichgewichts hat nach meinem Dafürhalten auch diejen
elektrischen Gleichgewichts des besagten Wassermoleküls oder den
Zustand zur Folge, welchen ich die elektrische Polarisation zu nennen
Die Wasserstoffseite unseres elektrolytischen Wassermoleküls wird
elektrisch, dessen Sauerstoffseite negativ. Zieht eine Substanz die Sai
seite des Wassers an, was der häufigere Fall ist, so wird die ihr zu
dete Seite des Wassermoleküls negativ, also die Sauerstoffseite sein;
Substanz eine chemische Anziehung gegen den Wasserstoff des Wassc
so kehrt sich ihr die positive oder die Wasserstoffseite des Wassern
zu. Befindet sich auf der einen Seite des Wassermoleküls eine Sa
anziehende, auf der anderen Seite eine Wasserstoff begierige Materie
es klar, dass unter diesen Umständen zwei chemisch elektromotoriscl
Wirkungen auf das Wassermolekül ausgeübt werden, welche nothwen«
Bezug auf die eintretende elektrische Polarisation oder Spannung
wirken müssen, als nur eine einzige, weil dieselben das Wassertheik
demselben Sinne polarisiren. Stellt man an die entgegengesetzten
des Wassertheilchens Substanzen, welche eine gleich starke chemisci
ziehung entweder nur gegen den Sauerstoff oder den Wasserstoff de
trolytischfcn Moleküls ausüben, so sieht man leicht ein, dass keine elel
Polarisation desselben erfolgen kann, weil in diesem Falle die wir
elektrischen Zugkräfte das Wassermolekül mit gleicher Stärke im enl
gesetzten Sinne zu polarisiren suchen. Stehen an den entgegenge
Seiten des Wassermoleküls Substanzen, von denen jede ebenfalls er
nur den Sauerstoff oder den Wasserstoff des Wassers anzieht, sind atw
gegen den gleichen Bestandtheil des Elektrolyts gerichteten chemisch
Ziehungen an Stärke einander ungleich, so tritt zwar unter derartige
ständen auch noch eine Polarisation des Wassermoleküls ein; es wii
die Intensität derselben nur dem Unterschied der Grösse der von
Substanzen gegen das gleiche Ion des Wassers ausgeübten Anzie
proportional sein können. Was im Voranstehenden von der Pola
des Wassers gesagt ist, findet leicht seine Anwendung auf die durch
sehe Ziehkräfte zu bewerkstelligende Polarisation aller elektrolytischen 1
keiten."
ie Entwicklung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 755
:h dieser Darlegung seiner Anschauungen geht Schönbein dazu über,
eisen, dass mit dieser sich die bekannten Thatsachen gut vereinigen
während andererseits die von* den Contactisten erhobenen Einwen-
gegen die chemische Theorie theils dieser gegenüber nicht zutreffen,
if irrthümlicher Auffassung beruhen. Auf diese Einzelheiten, sowie
gleichzeitig gegebenen Nachweis, dass auch die VoLTA'sche Säule
Thatsachen entsprechend nach seiner Theorie deuten lässt, braucht
igegangen zu werden. In seinen Schlussworten bemerkt Schönbein:
übe, dass jetzt die Zeit zum Abschliessen eines Vergleiches zwischen
ien Rivaltheorieen des Voltaismus gekommen ist, denn es liegen
1 Streitenden so viele klar redende Thatsachen vor, dass ihrer Auto-
*r Forscher sich gern unterwerfen wird, dem es mehr um den Besitz
hrheit, als um das Aufrechterhalten seiner bisherigen Meinung zu
, der mit anderen Worten mehr Wahrheitsliebe, als Eitelkeit und
be hat. Was mich selbst betrifft, so stehe ich gar nicht an, offen
/erholen zu bekennen, dass ich früher im Sinne der chemischen
manches vertheidigte, was ich jetzt als Irrthum preisgebe und um-
gewisse Behauptungen der Contactisten als irrthümlich betrachtete,
ich nun für vollkommen begründet halte."
einer schliesslichen Zusammenfassung giebt Schönbein nochmals seine
an, weshalb er trotz seines Entgegenkommens nicht zur strengen
:heorie übergehen könne; sie kommen wesentlich auf die Nichtberück-
ng der doch offenbar vorhandenen chemischen Beziehungen heraus,
ien sich die Richtung des Stromes bei beliebigen Combinationen
igen lässt, während die Contacttheorie dafür keine Anhaltspunkte
luch kann Schönbein die Annahme der Contactkraft nicht billigen,
r man ununterbrochen Arbeit zumuthet, ohne dass ihr gestattet wäre,
zu erschöpfen," während die chemische Theorie auch hierüber nach
en Gesetzen Rechenschaft gebe. Von seiner eigenen Theorie giebt
lass sie wahrscheinlich noch sehr verbesserungsbedürftig ist.
chen wir nach Einwänden gegen die Theorie von Schönbein, so
diese sich wesentlich auf die Frage nach dem Zusammenhange
*ndenzströme" zum Farad Av'schen Gesetze richten. Nach letzterem
cein Strom ohne entsprechende chemische Wirkung zugegeben werden,
muss unweigerlich an die Stelle des durch die chemischen „Zieh-
veranlassten Stromes ohne wirklichen chemischen Vorgang ein solcher
lern, wenn auch unmerklichen chemischen Vorgange treten. Bei der
raday nachgewiesenen ungeheuren Menge der Elektricität, welche mit
chemischen Äquivalent eines jeden Ions verbunden ist, hat eine solche
ne keine Schwierigkeit, wenn auch die vorausgesetzten chemischen
ge nicht analytisch nachzuweisen sind. Auch hat in der That die
i der VoLTA'schen Erscheinungen in der Folge sich in solchem Sinne
:elt
. Die Contacttheorie und das Energiegesetz. Von den der
48*
756 Vierzehntes Kapitel.
neueren Zeit angehörigen Vertretern der Contacttheorie ist häufig der }
wurf, dass diese Theorie mit dem Gesetze von der Erhaltung der En<
im Widerspruch stehe, als unbegründet zurückgewiesen worden. Das
sich bei der Aufstellung dieser Theorie durch Volta in der That um
Annahme der Möglichkeit eines Perpetuum mobile gehandelt hat, ist sc
zeit schon dargelegt worden; dass der gleiche Standpunkt auch
nach fast einem halben Jahrhundert aufrecht erhalten, und was besor
bemerkenswerth ist, gegen die Ansichten von Julius Robert Mayer, den
den ersten klaren Ausspruch des Energiegesetzes verdanken, verthc
worden ist, geht aus der letzten Schrift hervor, welche Pfaff zur Vei
digung der Contacttheorie in hohem Alter herausgegeben hat In d
Arbeit 1 erörtert er ausführlich die inzwischen erschienenen Arbeiten der
treter der chemischen Theorie und, nachdem er diesen gegenüber die
kannten Gesichtspunkte geltend gemacht hat, geht er auf die bereits a
führte Bemerkung Faraday*s (S. 749' ein, in welcher dieser den vom Dr. R
geltend gemachten Einwand bezüglich der Unerschöpflichkeit der von
Contactisten angenommenen Kraft ohne entsprechenden Aufwand zu
seinigen macht, näher ein. Pfaff sieht in diesem Einwände nur ein
kennen des Wesens einer primären Kraft, und in der Annahme, dass
Wirkung nicht ohne fortdauernde Ursache stattfinden könne, einen sc
liehen Irrthum. „Als man damit umging, den durch den elektrischen S
einer galvanischen Kette oder VoLTA'schen Säule erzeugten und unterhalt
Elektromagnetismus als bewegende Kraft der Dampfkraft zu substitu
wurde scheinbar sehr sinnreich bemerkt, dass dabei in der Hauptsache n
gewonnen werden könne, indem zur Erzeugung und Unterhaltung des
trischen Stromes gerade ebenso viele Äquivalente Zink durch Oxyd
verzehrt werden müssten, als unter dem Dampfkessel in den Steink(
oder Coaks Äquivalente von Kohlenstoff und Wasserstoff (durch Oxyd*
verzehrt wurden, und dass es das immer wieder erneuerte Verzehrtwt
des Zinks oder des Kohlenwasserstoffes sei, was die hier erregte beweg
Kraft erzeuge, die im wesentlichen identisch sei, ob sie nun in dem <
Falle sogleich und bloss als Wärme, in dem anderen als Ausgleichung
Elektricitäten auftrete, deren Quantität gerade ebenso viel Wärme erze
müsse, um eine gleiche Bewegung hervorzubringen wie die durch die
brennung erzeugte Wärme. Dieselbe Ansicht einer gleichsam fortdauer
Ernährung der Kraft oder einer fortdauernden neuen Erzeugung ders«
durch einen immer wieder erneuerten chemischen Process, und also H(
Schaffung der Nahrung für denselben, d. h. der Materien, die sich in
selben ausgleichen, hat man in der Erklärung der Lebenserscheim
geltend gemacht, indem man eine Lebenskraft als ein blosses Phantom
1 Parallele der chemischen Theorie und der VoLTA'schen Contacttheorie der gmlvai
Kette, mit besonderer Rücksicht auf die neuesten Einwände Faraday's, Leop. Gmeld
Schönbein's gegen letztere nebst allgemeinen Betrachtungen über das Wesen einer phy
Kraft und ihrer Thätigkeit. Kiel 1845.
He Entwickelung der Elektrochemie bis zur Entdeckung des Energieprinzipes. 7C7
d ihre Thätigkeit in allen Fällen nur als abhängig von der Thätig-
ses Processes ansah. Wenn wir indessen die Verkettung der Ur-
und Wirkungen bis zu ihren ersten Anfängen hinauf verfolgen, so
(i wir erst zu den wahren Kräften der Natur, zu ihren primitiven
n, die zu ihrer Thätigkeit keine anderen erfordern, die ihnen voran-
die keine Nahrung in dem eben erwähnten Sinne erheischen, die
m aus einem unerschöpflichen Grunde Bewegungen immer wieder
"achen und vorhandene unterhalten und beschleunigen können. Wenn
ommen wahr ist, dass in der Natur keine Bewegung vernichtet werden
oder, wie man sich ausdrückt, dass das Quantum der einmal vor-
an Bewegung unverkümmert und unvermindert bleibt, und wenn in
Sinne auch jeder abgeleiteten Ursache der Charakter der Unzerstör-
sommt, so gehört zu den Charaktern einer primitiven Ursache, d. h.
/ahren physischen Kraft, auch das Merkmal der Unerschöpflich-
. . Ein aller Beachtung weither Aufsatz von J. R. Mayer (Bemerkungen
lie Kräfte der unbelebten Natur in den Annalen der Chemie und
icie, 42, 233), der gerade diesen Gegenstand, den wir hier betrachten,
er Aufgabe gemacht hat, wird uns die beste Gelegenheit geben, diese
näher zu beleuchten, und wir hoffen, das Irrige der Ansichten, die
>e aufgestellt hat, und die mit dem von uns behaupteten in einem
n Widerspruche stehen, nachzuweisen.
■ierr Mayer geht ganz richtig von dem Satze aus, dass Kraft und Ur-
von Wirkung identisch sind, und dass die Wirkung das Maass für
Kraft ist, aber sein erster Irrthum besteht darin, dass er diese Ur-
C der Wirkung E gleich setzt, und sie in dieser Wirkung aufgehen,
sam verausgabt werden lässt, indem er ausdrücklich sagt: Hat die ge-
e Ursache C eine ihr gleiche Wirkung E hervorgebracht, so hat eben
C zu sein aufgehört. Dieser Satz hat nur Gültigkeit und Wahrheit
>geleitete Ursachen, nicht aber für primitive, für diejenigen, welche wir
im engeren Sinne Kräfte nennen dürfen, und deren Unzerstörlichkeit
Mayer selbst im Anfange seines Aufsatzes einräumt. . . . Für die Fort-
.ung einer Bewegung durch ein verwickeltes System von Maschinen,
*n, Hebeln u. s. w. gilt dieser letztere Satz unbedingt, aber er gilt nicht,
man ihn weiter auf das Primum movens ausdehnt, wie namentlich
1 die einfache Betrachtung beweist, dass dieselbe Menge von Wärme,
le durch Verwandlung einer gewissen Menge Wasser in Dampf ein ge-
s Quantum von Expansivkraft (entlehnte Kraft) des Wasserdampfes und
1 diese ein gewisses Quantum Bewegung hervorgebracht hat, bei dem
gang dieses Dampfes zum W'asser mit seiner unzerstörten Kraft wieder
jrtritt, und dieselbe Menge von Wasser in Dampf verwandeln kann, und
1 immer neue Wiederholung desselben Vorganges denselben Erfolg in
tum wieder hervorzubringen vermag, ohne damit aufgehört zu haben,
ne zu sein, und mit ihrer unzerstörten, unzerstörbaren und unerschöpf-
1 Repulsivkraft zu wirken."
7j8 Vierzehntes Kapitel. Die Ent Wickelung der Elektrochemie etc.
Durch diese Auseinandersetzung gestattet uns Pfaff einen Blick in srina
Vorstellungskreis zu thun, welcher uns sein zähes Festhalten an derVoutf
sehen Lehre begreiflich erscheinen lässt. Oder es ist vielleicht umge
das Einleben in den VoLTA'schen Vorstellungskreis, welches ihn zu sema
oben dargelegten Ansichten gebracht hat. Diese enthalten wie bei Vota
die Annahme, dass ein Perpetuum mobile ganz wohl möglich sei, und des-
halb sehen wir ihn in seinem Werke noch seitenlang die Ansichten Mayens
bekämpfen, welcher in jedem einzelnen Falle den Verbrauch von „Kraflf
— wir sagen jetzt Energie — behauptet und nachweist, wenn andere
Kraft entstanden ist. Es hat keinen Werth, diese an Mißverständnissen
reiche Polemik im Einzelnen darzustellen; durch seine Verteidigung des
Voltatemus in solchem Sinne hatte Pfaff ihm schon zu jener Zeit eigentüdi
das Urtheil gesprochen. Man darf ihn nicht dadurch retten wollen, dass
man seine Verträglichkeit mit dem Energiegesetz nachweist, nachdem man
die entsprechenden Änderungen gemacht hat. Diese Änderungen treffen das
Wesen der Contactlehre, wie aus den Worten noch zum Überfluss hervor-
geht, mit denen Pfaff seine „Parallele" und gleichzeitig die wichtigste Thätig-
keit seines Lebens schliesst. Er hebt hervor, dass „unwidersprechlich" der
Spannungsunterschied zwischen verschiedenen Metallen nachgewiesen sei,
und dass dadurch die gewöhnlichen Gesetze der elektrischen Vertheilung
eine Abänderung erleiden, deren Verhandensein nur durch eine entsprechende
Kraft gedeutet werden könne. „Gerade das ist unsere unerschöpfliche elektro-
motorische Kraft, die ebenso sicher, wenn die entgegenwirkende Kraft aut-
hört, d. h. wenn die Elektricitäten in der geschlossenen Kette abgeleitet
werden und ihr Ausgleichungsbestreben befriedigen können, und also nicht
mehr entgegenwirken, dieselbe Wirkung von neuem erzeugen, dieselbe neue
Störung zu Stande bringen muss, wovon eben der ununterbrochene elek-
trische Strom abhängt."
Diese Darlegungen eines Vertreters der alten Schule dürfen als Ab-
schluss einer Periode angesehen werden, welche den durch Volta eröffneten
Kreis der Vorstellungen erschöpft und ihm abgewonnen hat, was aus ihm
zu gewinnen war. Schon an verschiedenen Stellen des vorstehenden Be-
richtes ist in die bekannten, immer wiederholten Argumente für und wider
ein neuer Ton hineingeklungen, welcher auf eine Gedankenreihe ganz anderer
Art hinwies, als jene bis zur Erschöpfung hin und her gewendeten „Beweise*,
und es ist kein Zufall, dass der unermüdliche Vertreter jener älteren Ge-
danken auch derjenige ist, welcher deren Gegensatz gegen die neuen Ein*
sichten mit voller Schärfe ausspricht. Die unübersehbare Förderung, welche
die Erkenntniss des Energieprinzips in allen Gebieten der Naturwissenschaft
bewirkt hat, macht sich nicht zum wenigsten auch in dem Gebiete der
Elektrochemie geltend, und mit dieser Erkenntniss, ja schon einige Zeit
vorher, beginnt ein neuer wesentlicher Abschnitt unserer Geschichte.
5 Prescott Joule.
Fünfzehntes Kapitel.
Das Energiegesetz in der Elektrochemie.
.llgemeines. Die Geschichtserzählung hat uns im letzten Kapitel
m Punkte geführt, wo die älteren, ohne Rücksicht auf das Gesetz
irhaltung der Energie gebildeten Anschauungen einerseits sich als
nd erwiesen , dem Fortschritt der thatsach liehen Erkenntniss zu
ndererseits mit den Forderungen dieses Gesetzes in unmittelbaren
ich geriethen, und so sich selbst beseitigten. Dem entsprechend
ler wesentliche Theil der neuen Entwickelung an die Erkenntniss
endung dieses Gesetzes gebunden, und das Gesetz, welches den
lauptfaktor der elektrischen Energie mit den chemischen Grössen
: das Gesetz der elektromotorischen Kräfte entsteht alsbald
- Anwendung, wenn auch zunächst nur in unvollkommener Gestalt.
;sen würde man irren, wenn man annähme, dass die neue Erkennt-
lusgesprochen zu werden brauchte, um sofort zum Allgemeingut
[enossen zu werden. Ganz im Gegensatz zu dieser Erwartung sind
ist nur vereinzelte Forscher, welche sich überhaupt des neuen
■edienen wollen. Wie an der Stelle, wo ein Fluss in das Meer
760 Fünfzehntes Kapitel.
einmündet trotz der freien Diffusion, welche zwischen seinem Wasser ml
dem des Meeres besteht, sich noch lange Strecken hindurch die Strafet
seiner trüben Fluthen zwischen dem klaren Grün des Meerwassers verfolg«
lassen, so finden wir die alten, unhaltbar gewordenen Anschauungen noch?
lange im Gebrauch, und neben den wenigen, aber sich ständig vermehren-
den Forschern, welche sich der neuen Lehre und ihren Consequenzen an*
schliessen, behaupten die Anhänger der alten Ansichten namentlich a
Deutschland sich zunächst noch in fuhrenden Stellen, um allerdings an Zahl
und an Belang ihrer Leistungen in gleicher Weise abzunehmen. Auch
Brackwasserbildungen in Gestalt von Vermischungsversuchen beider An-
schauungen lassen sich bemerken; ihnen ist naturgemäss die geringste Dauer
beschieden.
Die ersten Einflüsse der neuen Erkenntniss lassen sich beobachten,
bevor diese Erkenntniss selbst klar ausgesprochen worden ist, und in dem
vorigen Kapitel hat sich mehrfach die Gelegenheit geboten, auf den Einflus
hinzuweisen, welchen die noch latente Erkenntniss von der Unmöglichkeit
eines Perpetuum mobile auf das wissenschaftliche Denken ausgeübt hat
Insbesondere hat Faraday selbst die Bedeutung dieses Gedankens auf das
lebhafteste gefühlt, und ihn trotz seines mehr speculativen Charakters schliess-
lich für bindender erachtet, als alle seine experimentellen Beweise (S. 749>
Gerade auf diesem Gebiete bricht sich die neue Auffassung zu einer Zeit
Bahn, wo der allgemeine Satz noch gar nicht ausgesprochen war, und wo
deshalb noch ein unsicheres Tasten an Stelle des bewussten Fortschrittes
dienen muss, um den Weg ins Unbekannte zu finden.
Dem gleichen Umwandlungsprocess sind zu etwa derselben Zeit auch
die anderen Gebiete der Physik unterworfen gewesen, wenn auch der Ablauf
desselben mit sehr verschiedener Geschwindigkeit erfolgte. Am schnellsten
und besten hat sich die Thermomechanik entwickelt, da hier wegen der
ausserordentlichen Bedeutung des Gebietes für den wichtigsten Apparat der
Technik, die Dampfmaschine, einerseits werthvolle Vorarbeiten den Fortschritt
erleichterten, andererseits der grosse Umfang experimenteller Bestimmungen
die Bewährung der gefundenen theoretischen Ergebnisse am Versuch er-
möglichten. In unserem Gebiete, der Elektrochemie, war der Gang einer
ähnlichen Entwickelung auf das erheblichste dadurch behindert, dass die Ge-
setze der chemischen Vorgänge in dem Sinne, in welchem sie hierin
Betracht kommen, noch gar nicht bekannt waren, und erst nach sehr langer
Zeit gefunden wurden. Dadurch war der Fortschritt, welchen die Elektrik
ihrerseits ziemlich bald in der neuen Richtung erfahren hatte, für die Elek-
trochemie zunächst von geringem Nutzen; erst mit der Erschliessung der
Thermodynamik oder, wie wir heute sagen würden, der Energetik der
chemischen Vorgänge war die Möglichkeit gegeben, das gegenseitige Ver-
halten der chemischen und elektrischen Energie in Formeln zu fassen, und
die Befruchtung, welche jedes Gebiet durch den neuen Gedankenkreis er-
fahren hatte, auch der Elektrochemie zu gute kommen zu lassen. Da diese
Das Energiegesetz in der Elektrochemie. 761
kelung erst der neuesten Zeit angehört, so werden wir die Fäden,
hier alsbald angesponnen werden, erst nach dem Verlaufe eines
Jahrhunderts aufgenommen sehen, die dann allerdings schnell sich zu
ungemein ausgedehnten und mannigfaltigen Gewebe gestalten.
Die Arbeiten von Joule. An früherer Stelle haben wir bereits
1, wie das Gesetz von der Erhaltung der Energie und von der Un-
lkeit des Perpetuum mobile die Gedanken und Ansichten der Forscher
lsst hat, lange bevor es klar ausgesprochen worden war. Da nun
1 der Folge der wesentlichste Fortschritt, welchen die Elektrochemie
enschaftlicher Hinsicht gemacht hat, auf der Anwendung dieser all-
en Prinzipien beruht, so werden wir mit Sorgfalt insbesondere die
Schritte zu verfolgen haben, mit denen die neue Erkenntniss ihren
1 unser Gebiet gemacht hat. Auch hier tritt uns, und vielleicht noch
jlicher als sonst, die Wahrheit entgegen, dass wirkliche Fortschritte
wissenschaftlichen Erkenntniss und Beherrschung der Thatsachen nur
n Wege quantitativer Messungen erzielt werden können. Zwar wird
abei auch wieder der Umstand geltend machen, dass die ersten
igen, auf welchen die Aufstellung grosser und weittragender Gesetze
*, häufig ein wunderliches Missverhältniss zwischen dem an sie ge-
en Aufwände, was Apparate und auch oft Genauigkeit der Messung
i, und dem Umfange der aus ihnen gezogenen Schlussfolgerungen
;en, indem oft mit den dürftigsten Mitteln die weittragendsten Ent-
igen gelungen sind; — dies ist aber nur eine Bestätigung für den Satz,
ie Entdeckung einer Wahrheit und die Prüfung ihrer Grenzen zwei
erschiedene Geschäfte sind, die nur selten von einer und derselben
gleich befriedigend ausgeführt werden können. Unter den hervor-
sten Entdeckern finden sich zahlreiche schlechte Messkünstler, und
vorragenden Messkünstler haben selten hervorragende Entdeckungen
ht. Nur in einem Punkte hängt die Entdeckung neuer Wahrheiten
hatsachen von der Ausführung genauester Messungen ab, nämlich
es sich um Resterscheinungen, d. h. um solche Phänomene handelt,
r im Verein mit anderen vorkommen, und erst erkannt werden können,
em der Antheil, welcher jener Haupterscheinung zukommt, in Abzug
:ht worden ist. Solche Erscheinungen werden mit dem Fortschritt der
nschaft und dem Abbau der allgemeinsten Verhältnisse immer häufiger,
amit wächst dann auch die Wichtigkeit genauer Messungen auch für
hätigkeit des Entdeckers.
)ie Kenntniss der galvanischen Hnergieverhältnisse ist von der Ent-
ng des Gesetzes abhängig, nach welchem die Wärmeentwickelung in
Stromkreise des VouiVschen Kreises erfolgt. Die allgemeine Bedeu-
eines solchen Gesetzes war zu der Zeit, da es aufgefunden wurde,
ings noch nicht ersichtlich, doch darf es wohl als nicht zufällig ange-
werden, dass der erste Entdecker dieses Gesetzes derselbe Mann war,
em wir die umfassendste und sorgfältigste Messung des zwischen der
762 Fünfzehntes Kapitel.
mechanischen Arbeit und der Wärme bestehenden Verhältnisses verdanket*
Ja bei genauerer Betrachtung dieser Entdeckung des mechanischen Wärm*
äquivalents, welche unabhängig von der etwas früher veröffentlichten Aibei
J. R. Mayer's durch den gleichen Mann gemacht worden war, ergiebt es
sich, dass gerade die Beschäftigung mit den galvanischen Wärmeerscheinungei
den Fortschritt auf das allgemeinere Problem vorbereitet hatte.
Dieser Entdecker war einer der in England nicht seltenen Männer, äe,
obwohl anderen Berufearten angehörig, sich als Liebhaber mit der Wissen-
schaft beschäftigen, und es darin zu erheblichen Resultaten bringen. Jams
Prescott Joule, am 24. December 1818 in der Nähe von Manchester ge*
boren, widmete sich praktischen Berufsarten, und besass in Salford bei
Manchester eine ziemlich bedeutende Brauerei. Seine wissenschaftlichen
Untersuchungen nahmen von dem Bestreben ihren Ausgang, die eben ent-
deckten Elektromagnete zu mechanischer Arbeit zu benutzen, da die sehr
grosse Kraft, mit welcher sie ihren Anker anziehen, die Hoffnung auf be-
trächtliche Arbeitsleistungen nahe legte. Bei dieser Gelegenheit sind Jörn
offenbar die bedeutenden Wärmeentwickelungen entgegengetreten, welche
bei Anwendung starker Ströme in den Drähten entstehen, und um diese
unerwünschte Erscheinung zu beherrschen und womöglich zu vermeiden,
war die Kenntniss ihrer Gesetze erforderlich.
Der kurze Auszug seiner Arbeit, welcher in den Sitzungsberichten
der Royal Society von London mitgetheilt ist, enthält die Entdeckung in
folgenden Worten:1 „Die Untersuchungen des Verfassers sind auf die Er-
mittelung des verschiedenen Grades der Leichtigkeit gerichtet, mit welcher
verschiedene Arten Metall von verschiedener Grösse sich beim Durchgänge
der VoLTA'schen Elektricität erhitzen. Der von ihm hierzu benutzte Apparat
bestand aus einer Spule des dem Versuche zu unterwerfenden Drahtes, der
in ein Gefass mit Wasser gebracht war, dessen Temperaturänderung durch
ein sehr empfindliches Thermometer gemessen werden konnte; und einem
Galvanometer, um die durch den Draht geschickte Menge Elektricität an
messen, welche durch die Wassermenge geschätzt wurde, die durch dieselbe
Elektricität zersetzt wurde. Der aus den Ergebnissen der Versuche gezogene
Schluss ist, dass die Wärmewirkung der durchgeschickten Elektricität dem
Widerstände proportional ist, welcher sich ihrem Durchgange widersetat,
welche auch die Länge, Dicke, Form und Art des Metalles sei, das den
Strom schliesst; und dass, caeteris paribus, die Wärmewirkung im verdop-
pelten Verhältniss (im Quadrat) der durchgeschickten Elektricität ist; somit
auch im doppelten Verhältniss der Geschwindigkeit des Durchganges. Aus
seinen Versuchen schliesst er auch, dass die durch Verbrennung des Zinks
im Sauerstoff entwickelte Wärme ebenso eine Folge eines Widerstandes
gegen elektrische Leitung ist."
Dieser kurzen Darstellung der Ergebnisse seien aus der bald erschienenen
1 Philos. Mag. 18, 308. 1841.
Das Energiegesetz in der Elektrochemie.
763
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üchen Abhandlung1 die Figuren angeschlossen, welche die überaus
m Apparate darstellen, deren sich Joule zu seinen Versuchen be-
F*g* 197 ist sein Galvanometer, ein in einen Holzblock eingelassener
Cupferstab, rechtwinklig ge-
in dessen Mitte sich die
nadel einer Bussole dreht
l ist sein Calorimeter, ein
licher Glascylinder; A stellt
eine Glasröhre gewickelten
dar. Das Ergebniss dieser
le war das oben ange- Fig# I97> Nach j0ÜLE<
jle geht dann zu einer zweiten Versuchsreihe über, welche sich auf
ge bezieht, ob sich die flüssigen Leiter ebenso verhalten, wie die
chen. Er beantwortet die Frage bejahend, obwohl die
n zu diesem Zweck angestellten Versuche keineswegs
eignet sind, die Frage selbst richtig zu beantworten.
spiel dafür sei sein erster Versuch hier wiedergegeben:
;h construirte ein einfaches VoLTA'sches Paar aus dünnen
von amalgamirtem Zink und platinirtem Silber (Hrn.
Anordnung); die Platten waren zwei Zoll breit und
um einen Zoll auseinander gehalten durch ein Stück
an dessen gegenüberliegenden Seiten sie durch eine
befestigt waren. Mit dem oberen Ende wurden zwei
Cupferdrähte mit Hülfe messingener Klammern in gute
;che Verbindung gebracht. Das auf diese Weise ge-
VoLTA'sche. Paar wurde in zwei Pfund Schwefelsäure
37 speeifischem Gewicht gebracht, die in einem thö-
Topf enthalten war. Die ganze Anordnung zeigt
Vurde der Strom geschlossen, so dass der gesammte
sehe Widerstand 0,06 (in einer vorher angegebenen Ein-
ar, so stand das Galvanometer auf 49,5 = 1,84 Q;2 und
,5, wenn der ganze metallische Widerstand auf 1,16 durch die Hinzu-
von 10 Fuss dünnen Kupferdrahtes vermehrt wurde. Daraus folgt
Fig. 198.
Nach Joule.
1,84
<M53
; woraus r,
len von Ohm gegebenen Prinzipien, dass . ,v
& & r > (r+IjI6) (r + 0,06)
iderstand der Zelle, sich gleich 0,299 ergiebt. Unmittelbar nach diesem
:he war die Temperatur der Flüssigkeit 490, und die der Luft 50,2°;
Tom wurde für eine Stunde geschlossen, während welcher Zeit die
anfänglich bis 50 weiter ging, darauf ging sie bis 46 zurück und die
Philos. Mag. 19, 260. 1841.
Diese Angabe bezieht sich auf eine von Joule vorher definirte Einheit, über welche
Erläuterungen hier nicht erforderlich sind.
764 Fünfzehntes Kapitel.
mittlere Lage war 48°44' = 1,8 Q. Die Temperatur der Flüssigkeit wai
53)7°) « hatte also eine Erhöhung von 4,7° stattgefunden."
Um die gesammte Menge der entwickelten Wärme zu erhalten,
ziemlich verwickelte Rechnung an, in welcher zunächst die \
lungsverluste und die Abweichung der specinschen V
seiner Flüssigkeit von der des Wassers in Rechnung gel
wurde. Weiter aber brachte er eine Correktur für die
lösung des Zinkoxyds an, die er für nothwendig hiel
Faradav bewiesen habe, dass dieser Vorgang zur S
bildung nichts beitrage. Er hat daher die Wärmeentwick
bei der Auflösung des Zinkoxyds in Schwefelsaure um
bar gemessen, und die erhaltene Zahl in Abzug geb
Nach Ausführung aller dieser Rechnungen findet er die
*T '**■ 2,1 als Ausdruck für die in seinem Apparat entwi
Stromwärme, während aus dem Vergleich mit den durc
Erwärmung von Drähten gemessenen Wärmemengen 2,03 hätte erf
werden müssen; die Übereinstimmung erscheint ihm genügend.
Weitere Versuche ergaben allerdings zum Theil viel schlechtere I
einstimmungen, indessen genügen sie ihm, um den Satz auszuspre
„Die Warme, welche in einer gegebenen Zeit in einer belieh
Zelle durch wahre VoLTA'sche Wirkung entwickelt wird, ist
portional dem Leitwiderstande des Paares, multiplicirt mit
Quadrat der Stromstärke."
Die Frage, welche Joule hier mit bemerkenswerther Kühnheit in
griff genommen hat, ist thatsächlich viel verwickelter, als sie ihm hier ;
erschienen ist Zwar haben die späteren Untersuchungen den Satz in;
bestätigt, als sich wirklich auch elektrolytische Widerstände ebens<
metallische in Bezug auf ihre Wärmeentwickelung verhalten, doch wa
von Joule gewählte Mittel, die der „wahren VoLTA'schen Wirkung"
sprechende Wärme zu erhalten, allerdings nicht das sachgemässe.
Weiter stellte Joule Versuche über die Wärmeentwickelung an,
er in dem Stromkreise ein Voltameter aus Platinplatten in verdünnter Seh
saure anbrachte. Die Berechnung, welche er daran schliesst, hat ein
verwickeltes und schwerverständliches Aussehen; sein Gedanke ist de
gende: Bei der Elektrolyse entsteht ein Widerstand gegen die Zerset
welcher die Stromstärke vermindert, aber nicht als ein gewöhnlicher V
stand in Rechnung gebracht werden kann. Zieht man diesen Wider
vom gesammten Widerstände ab, so ergiebt sich der thatsächliche V
stand, auf den die Rechnung zu beziehen ist.
Nun ist das Stromhinderniss, welches sich im Voltameter entwi
kein Widerstand, sondern eine elektromotorische Kraft; prüft man aber
diesem Gesichtspunkte die Rechnung Joule's, so findet man, dass er
richtig die von ihm als Widerstand bezeichnete Grösse wie eine eli
motorische Kraft in Rechnung bringt, wenn auch auf einem Umwege
Das Energiegesetz in der Elektrochemie. 765
schwer verstandlich erscheint, dass er dem Leser durch eine gra-
1 Darstellung die Sache zu erleichtern sucht. Seine Angabe, dass die
tat von 31/, Zellen seiner Batterie dazu nöthig war, um den Wider-
gegen die Elektrolyse zu überwinden, lässt keinen Zweifel, dass er
„Widerstand" doch als eine elektromotorische Kraft aufgefasst hat,
ass er nur den einfachen Ausdruck für das vorliegende Verhältniss
and.
ie stillschweigende Voraussetzung bei dieser Rechnung, wie bei der
1 ist offenbar, dass die chemische Wirkung, wie sie sich in einer
eerzeugung bei dem Vorgange ausdrücken würde, sich in elektrische
ng von solcher Art verwandelt, dass durch diese eine gleiche Wärme-
ig hervorgebracht wird. Man erkennt in diesen Gedanken die ersten
se zu der allgemeinen Auffassung des Energiegesetzes, welche Joule
seine späteren Arbeiten bezüglich der Wärme und der mechanischen
: experimentell durchgeführt hat. Auch die auf die elektrochemischen
nge bezügliche Seite des Gesetzes von der Erhaltung der Energie hat
später gemeinsam mit William Thomson von den inzwischen gewon-
klareren Gesichtspunkten aus bearbeitet, doch ist die gleiche Aufgabe
früher allgemein von Helmholtz in seiner Schrift von der Erhaltung *
Iraft in gleichem Sinne gelöst worden.
Den einfachsten Fall, bei welchem keine dieser Voraussetzungen gemacht
irden braucht, untersuchte Joule zuletzt: es war dies die Elektrolyse
Kupfersulfatlösung zwischen Kupferelektroden. „In diesem Falle war
elektrolytischer Widerstand vorhanden, und die Wirkung kann einfach
ine Übertragung von Kupfer von der positiven zur negativen Elektrode
sehen werden. Alle Stromhindernisse bestanden somit in dem Wider-
le gegen Leitung."
Aus der Anwendung des Gesetzes von der Wärmeentwickelung in ein-
n Theilen des Stromkreises zieht nun Joule sehr bemerkenswerthe
üsse auf die Wärmeentwickelung im gesammten Stromkreise. Diese
üsse sind:
„ 1 . Dass, wenn die Elektroden eines galvanischen Paares von gegebener
isität durch einen einfachen Leiter verbunden werden, die gesammte
rA'sche Wärme, welche im ganzen Stromkreise entsteht (vorausgesetzt,
keine örtlichen Wirkungen in dem Paare stattfinden), welches auch der
erstand des Leiters sei, proportional der Anzahl der Atome (Wasser oder
c) sein wird, die bei der Entstehung des Stromes in Betracht kommen.
in wird der Leitwiderstand vermindert, so wird die Stromstärke in dem
chen Verhältnisse vermehrt, und nach dem Gesetze wird die Wärmemenge,
:he dann durch den Strom in einer gegebenen Zeit erzeugt wird, gleich-
1 proportional wachsen; während natürlich die Zahl der in dem Paare
rtrolysirten Atome in dem gleichen Verhältniss zunehmen muss.1
1 Es wird, mit anderen Worten, bei geringerem Widerstände zwar die vom Widerstände
ihrende Wärmeentwickelung proportional vermindert; weil aber gleichzeitig der Strom um-
766 Fünfzehntes Kapitel.
„2. Dass die gesammte Volt Arsche Wärme, welche durch irgend
Paar entwickelt wird, direkt proportional seiner Intensität1 und der Zahl
Atome ist, welche darin elektrolysirt werden. Denn die Stromstärke ist pr*1
portional der Intensität des Paares, und demnach ist die Wärmeentwickduogl
proportional dem Quadrat der Intensität des Paares. Gleichzeitig ist aber!
die Zahl der elektrolysirten Atome der ersten Potenz der Stromstärke
der Intensität des Paares proportional.
„3. Dass wenn irgend eine VoLTA'sche Anordnung, ob einfach oder zu-
sammengesetzt, einen Strom durch irgend einen Stoff, ob einen Elektrolyt
oder nicht, sendet, die gesammte VoLTA'sche Wärme, welche während irgend
einer Zeit entwickelt wird, der Zahl der Atome proportional ist, welche in
jeder Zelle des Stromkreises elektrolysirt werden, multiplicirt mit der vir-
tuellen Intensität2 der Batterie."
Um diese Verhältnisse bequem übersehen zu können, werden einige
einfache Formeln von Nutzen sein. Ist i die Stromstärke, r der Widerstand
und e die elektromotorische Kraft, so heisst das Gesetz von Joule, wenn
wir von dem. Proportionalitätsfaktor absehen:
W=ir2,
wo W die in der Zeiteinheit entwickelte Wärme ist. Nimmt man das Ohm*-
sehe Gesetz / = — hinzu, so ergeben sich die Formen W = ei und W=->
von denen die erste den von Joule schliesslich ausgesprochenen Satz enthalt
Joule schliesst seine Versuche und Betrachtungen mit den Worten:
„Berzelius nimmt an, dass die bei der Verbrennung entwickelten Licht-
und Wärmemengen durch die Entladung der Elektricität zwischen dem Sauer-
stoff und dem verbrannten Körper, welche sich verbinden, veranlasst werden,
und ich bin der Meinung, dass die hier und bei einigen anderen chemischen Vor-
gängen entstehende Wärme die Folge eines elektrischen Leitungswiderstandes
ist. Meine Versuche über die bei der Verbrennung von Zinkspänen in Sauer-
stoff entwickelte Wärme (welche ich, wenn sie genügend vollständig sind, ver-
öffentlichen werde), unterstützen diese Ansicht sehr, und die Bestimmungen der
Wärmemenge, welche Crawford durch die Explosion eines Gemisches von
Sauerstoff und Wasserstoff erhalten hat, können fast als entscheidend angesehen
werden. In seinen einwandfreien Versuchen hat ein Gran Wasserstoff genug
Wärme entwickelt, um ein Pfund Wasser um 9.60 zu erwärmen. Nun wissen
wir aus einem früheren Versuch, dass die in einer GROVE'schen Zelle bei der
Elektrolyse von 25,7 Gran Zink entwickelte Wärme theoretisch 3,46° be-
trägt; und die Wrärme, welche gleichzeitig in dem metallischen Theile des
gekehrt proportional dem Widerstände zunimmt, und die Wärmeentwickelung dem Quadrat
der Stromstärke proportional ist, so ist das Ergebniss eine Zunahme der gesammten Wirme-
entwickelung, proportional der ersten Potenz der Stromstärke.
1 Unter „Intensität'* versteht hier Joule ebenso wie Faraday die elektromotorische Kraft
1 „Ist eine Zersetzungszelle in dem Stromkreise, so wird die virtuelle Intensität der Bat-
terie im Verhältnisse zu deren Widerstand gegen Elektrolyse reducirt."
Das Energiegesetz in der Elektrochemie. 767
sungskreises entwickelt worden ist, beträgt 0,48°; die gesammte
sehe Wärme ist daher 3,94°. Daher würde die gesammte Wärme,
i der Elektrolyse von einem Äquivalent oder 32,3 Gran Zink entwickelt
b95° betragen, was, auf die Capacität von einem Pfund Wasser redu-
9° ausmacht. Aus meinen Messungen über die Intensität der Volta'-
Anordnungen geht aber hervor, dass die Intensität einer GROVE'schen
verglichen mit der Verwandtschaft von Wasserstoff zu Sauerstoff,
trägt; daraus ergiebt sich 9,2 als die Wärme, welche durch die Ver-
ing von einem Gran Wasserstoff nach der Theorie der Widerstände
len müsste: das Ergebniss von Crawford ist nur um 0,4 grösser."
ie Gedankenarbeit, welche Joule in diesen Betrachtungen und Ver-
1 niedergelegt hat, muss als eine sehr beträchtliche bezeichnet werden,
mehr, als sie auf einem noch völlig unbebauten Boden stattfand. An
3enstehenden Darlegungen fehlt nur noch ein kleiner Schritt, um das
eine Ergebniss in den Worten auszudrücken, dass die elektromotorische
einer beliebigen Kette der auf das Äquivalent bezogenen Wärmeent-
ung für den in der Kette stattfindenden chemischen Vorgang propor-
ist. Wie erwähnt, hat Joule diesen Schritt später gemeinsam mit
iomson gethan, und die entsprechende Theorie der galvanischen Kette
ann lange Zeit hindurch als die Grundlage für jede verallgemeinerte
»sung der elektrochemischen Vorgänge in ihrem Zusammenhange mit
^n Energieformen gegolten. Wenn sie auch gegenwärtig als unvoll-
g erkannt worden ist, indem zu diesem Ausdrucke noch ein zweites
von einem unter Umständen sehr erheblichen Betrage treten muss, so
doch in dieser Arbeit Joule's unzweifelhaft die ersten Keime zu alle
vor, was später nach dieser Richtung geleistet worden ist.
\. Die Darstellung von Helmholtz. Während man in der Dar-
tig, welche Joule den von ihm erschlossenen Erkenntnissen giebt, noch
ch die Schwierigkeiten erkennen kann; mit denen er bei der Bildung
Clärung dieser neuen Gedanken zu thun hat, finden sich diese, wie sie
aus dem Gesetz von der Erhaltung der Energie ergeben, mit muster-
r Klarheit in der Schrift ausgesprochen, in welcher zum ersten Male
allgemeine Anwendbarkeit und Fruchtbarkeit dieses Gesetzs über alle
^te der Physik nicht nur angedeutet, sondern auch in den grundlegen-
Ansätzen klar gelegt war. Es ist dies die im Jahre 1847 erschienene
ift von Hermann Helmholtz: Über die Erhaltung der Kraft.1 Die für
n Betracht kommenden Stellen sind nachstehend wiedergegeben:
„Wir haben in Beziehung auf die galvanischen Erscheinungen zwei
ien von Leitern zu unterscheiden: 1) diejenigen, welche nach Art der
lle leiten, und dem Gesetz der galvanischen Spannungsreihe folgen;
Wenigen, welche diesem Gesetze nicht folgen. Alle diese letzteren sind
1 Berlin, bei G. Reimer. 1847. — Klassiker d. ex. Wiss. Nr. 1.
768
Fünfzehntes Kapitel,
zusammengesetzte Flüssigkeiten, und erleiden durch jede Leitung ein
Quantität der geleiteten Elektricität proportionale Zersetzung.
„Wir können danach die experimentellen Thatsachen eintheilen
solche, welche nur zwischen Leitern der ersten Klasse stattfinden, die L
verschiedener sich berührender Metalle mit ungleichen Elektricitäten
2) in solche zwischen Leitern beider Klassen, die elektrischen Spam
unterschiede der offenen und die elektrischen Ströme der geschlossenen i
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die galvan
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sind viel
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durch die
Stellung dt
frischen (
gewichtes,
sie kann
Bewegung der Elektricität hervorgerufen werden ausser bei Lagen
derungen der Leiter selbst durch die geänderte Vertheilung der |
denen Elektricität. Denken wir uns alle Metalle der Erde mit eirtan
Berührung gebracht, und die entsprechende Vertheilung der Elek
erfolgt, so kann durch keine andere Verbindung derselben irgend eint
Änderung seiner elektrischen freien Spannung erleiden, ehe nicht eil
rührung mit einem Leiter zweiter Klasse erfolgt ist. Den Begriff dei
Das Energiegesetz in der Elektrochemie. 7&Q
ft, der Kraft, welche an der Berührungsstelle zweier verschiedenen
\ thätig ist, und ihre verschiedenen elektrischen Spannungen erzeugt
iterhält, hat man bisher nicht näher bestimmt als eben so, weil man
mselben auch die Erscheinungen der Berührung von Leitern erster
eiter Klasse zu umfassen suchte zu einer Zeit, wo man den constanten
esentlichen Unterschied beider Erscheinungen, den chemischen Process,
nicht als solchen kannte. In dieser dadurch nothwendig gemachten
immtheit der Begriffsfassung erscheint nun allerdings die Contactkraft
e solche, welche in das Unendliche Quantitäten freier Elektricität und
nechanische Kräfte, Wärme und Licht erzeugen könnte, wenn es einen
n Leiter zweiter Klasse gäbe, welcher nicht durch die Leitung elektro-
/ürde. Gerade dieser Umstand ist es auch wohl, welcher der Contact-
: trotz ihrer einfachen und präcisen Erklärung der Erscheinungen ein
rschicdenes Widerstreben entgegengesetzt hat.1 Dem von uns hier
ufuhrenden Prinzip widerspricht der bisherige Begriff dieser Kraft also
wenn nicht die Notwendigkeit der chemischen Processe mit in den-
aufgenommen wird. Geschieht dies aber, nehmen wir an, dass die
zweiter Klasse der galvanischen Spannunigsreihe eben deshalb nicht
, weil sie nur durch Elektrolyse leiten, so lässt sich der Begriff der
:tkraft sogleich wesentlich vereinfachen und auf anziehende und ab-
lde Kräfte zurückfuhren. Es lassen sich nämlich offenbar alle Er-
ungen in Leitern erster Klasse herleiten aus der Annahme, dass die
iedenen chemischen Stoffe verschiedene Anziehungskräfte haben gegen
iiden Elektricitäten, und dass diese Anziehungskräfte nur in unmessbar
n Entfernungen wirken, während die Elektricitäten auf einander es auch
Dsseren thun. Die Contactkraft würde danach in der Differenz der
hungskräfte bestehen, welche die der Berührungsstelle zunächst liegen-
detalltheilchen auf die Elektricitäten dieser Stelle ausüben, und das
ische Gleichgewicht eintreten, wenn ein elektrisches Theilchen, welches
lern einen zum anderen übergeht, nichts mehr an lebendiger Kraft ver-
xler gewinnt. Sind ct und cti die freien Spannungen der beiden Me-
at e und ait e die lebendigen Kräfte, welche das elektrische Theilchen e
iinem Übergange auf das eine oder das andere nicht geladene Metall
mt, so ist die Kraft, welche es beim Übergänge von dem einen ge-
en Metall zum anderen gewinnt:
e (a — a ) — e (ct — c ) .
Gleichgewicht muss diese = o sein, also:
die Spannungsdifferenz muss bei verschiedenen Stücken derselben Me-
constant sein, und bei verschiedenen Metallen dem Gesetz der galvani-
1 Spannungsreihe folgen.
1 „Faraday, Experimentaluntersuchungen über Elektricität. 17. Reihe. — Philos. Trans,
p. I. No. 2071 und Pogg. Ann. 53, 568."
itwald, Elektrochemie. 49
770 Fünfzehntes Kapitel.
„Bei den galvanischen Strömen haben wir in Bezug auf die Erhal
der Kraft hauptsächlich folgende Wirkungen zu betrachten: Wärmeentw
lung, chemische Processe und Polarisation. Die elektrodynamischen
kungen werden wir beim Magnetismus durchnehmen. Die Wärmeentwicke
ist allen Strömen gemein; nach den beiden anderen Wirkungen können
sie für unseren Zweck unterscheiden in solche, welche blos chemische
Setzungen, in solche, welche blos Polarisation, und in solche, welche b
hervorbringen.
„Zuerst wollen wir die Bedingungen der Erhaltung der Kraft unteren
an solchen Ketten, bei welchen die Polarisation aufgehoben ist, weil <
die einzigen sind, für welche wir bis jetzt bestimmte durch Messungen
währte Gesetze haben. Die Intensität des Stromes y einer Kette von n
menten wird gegeben durch das OHM'sche Gesetz:
wo die Constante A die elektromotorische Kraft des einzelnen Elemc
und W der Widerstand der Kette genannt wird; A und W sind in di<
Ketten unabhängig von der Intensität. Da während eines gewissen 1
raumes der Wirkung einer solchen Kette nichts in ihr geändert wird,
die chemischen Verhältnisse und die Wärmemenge, so würde das Gt
von der Erhaltung der Kraft fordern, dass die durch die vorgegangt
chemischen Processe zu gewinnende Wärme gleich sei der wirklich
wonnenen. In einem einfachen Stück einer metallischen Leitung vom Wi
stand w ist nach Lenz1 die während der Zeit/ entwickelte Wärme:
wenn man als Einheit von w die Drahtlänge nimmt, in welcher die Eir
des Stromes in der Zeiteinheit die Wärmeeinheit entwickelt. Für verzw«
Schliessungsdrähte, wo die Widerstände der einzelnen Zweige mit wa
zeichnet werden, ist der Gesammtwiderstand w gegeben durch die Gleich
Vf
die Intensität yn im Zweige wn durch:
lwa
Jw
also die Wärme &n in demselben Zweige:
o-n-y%w*-?rt,
un
und die in der ganzen verzweigten Leitung entwickelte Wärme:
& = 2[&a] = y2w
2~,2 V
w
L aj
t = y%w.t.
1 „Pogg. Ann. 59, 203 u. 407. 1843 aus ^em Bull» <*e l'acad. d. scienc. de St I
bourg. 1843."
Das Energiegesetz in der Elektrochemie. 771
h ist die in einer mit beliebigen Verzweigungen der Leitung ver-
1 Kette entwickelte Gesammtwärme, wenn das Gesetz von Lenz auch
»ige Leiter passt, wie es Joule gefunden hat:
Vir haben zweierlei Arten von constanten Ketten, die nach dem Schema
iNiEii/schen und die nach dem der GROVE*schen construirten. Bei
steren besteht der chemische Vorgang darin, dass sich das positive
in einer Säure auflöst, und aus einer Lösung in derselben Säure das
e sich niederschlägt. Nehmen wir als Einheit der Stromintensität
je, welche in der Zeiteinheit ein Äquivalent Wasser zersetzt (etwa
g genommen), so werden in der Zeit/ gelöst njt Äquivalente des
tn Metalles, und ebenso viele des negativen niedergeschlagen. Ist
ie Wärme, welche ein Äquivalent des positiven Metalles bei seiner
tion und Lösung des Oxyds in der betreffenden Säure entwickelt, az,
e gleiche für das negative aCi so würde die chemisch zu entwickelnde
£ sein = njt{a% — ac).
lemische würde also der elektrischen gleich sein, wenn:
A = az — acy
'enn die elektromotorischen Kräfte zweier so combinirten Metalle dem
»chied der bei ihrer Verbrennung und Verbindung mit Säuren zu ent-
nden Wärme proportional wären.
In den nach Art der GROVE^schen Kette gebauten Elementen wird die
sation dadurch aufgehoben, dass der auszuscheidende Wasserstoff
:h zur Reduction der sauerstoffreichen Bestandtheile der Flüssigkeit
tucht wird, welche das negative Metall umgiebt. Es sind dahin zu
*n die GROVE^schen und BuNSEN'schen Elemente: amalgamirtes Zink,
nnte Schwefelsäure, rauchende Salpetersäure, Platin oder Kohle; ferner
lit Chromsäure gebauten constanten Ketten, unter denen genaueren
ingen unterworfen sind: amalgamirtes Zink, verdünnte Schwefelsäure,
ig von saurem chromsaurem Kali mit Schwefelsäure, Kupfer oder Platin.
:hemischen Processe sind in den beiden mit Salpetersäure gebauten
n gleich, ebenso die in den beiden genannten mit Chromsäure; daraus
* gemäss der eben gemachten Deduction folgen, dass auch die elektro-
rischen Kräfte gleich seien, und das ist in der That nach den Mes-
m von Poggerdorff1 sehr genau der Fall. Die mit Kohle gebaute
msäure-Kette ist sehr inconstant, und hat eine beträchtlich höhere elek-
trische Kraft, wenigstens im Anfang; dieselbe ist deshalb hier nicht
rechnen, sondern zu den Ketten mit Polarisation. Bei diesen constanten
m ist also die elektromotorische Kraft unabhängig von dem negativen
11; wir können sie uns auf den Typus der ÜANiELi/schen Kette zunick-
ten, wenn wir als den letzten die Flüssigkeit unmittelbar berührenden
1 „Pogg. Ann. 54, 429. 1841 und 57, 104. 1842."
49*
772 Fünfzehntes Kapitel.
Leiter erster Klasse die dem Platin zunächst liegenden Theilchen von sat !
petriger Säure und Chromoxyd ansehen, so dass wir die GROvE'schen uni
BuNSEN^schen Elemente als Ketten zwischen Zink und salpetriger Säure, dir
mit Chromsäure gebauten als Zink-Chromoxydketten erklären würden.
„Unter den Ketten mit Polarisation können wir solche unterscheiden,
welche bloss Polarisation und keine chemische Zersetzung hervorbringen, und
solche, welche beides bewirken. Zu den ersteren, welche einen inconstanten,
meist bald verschwindenden Strom geben, gehören unter den einfache*
Ketten die von Faraday l mit Lösung von Ätzkali, Schwefelkalium, salpetriger
Säure gebildeten Combinationen, ferner die der stärker negativen Metalle ifl
den gewöhnlichen Säuren, wenn das positivere derselben die Säure nickt
mehr zu zersetzen vermag, z. B. Kupfer mit Silber, Gold, Platin, Kohle in
Schwefelsäure u. s. w.; von den zusammengesetzten alle mit eingeschalteten
Zersetzungszellen, deren Polarisation die elektromotorische Kraft der anderen
Elemente überwiegt. Scharfe messende Versuche haben über die Intensitäten
dieser Ketten bis jetzt wegen der grossen Veränderlichkeit des Stromes nicht
gemacht werden können. Im Allgemeinen scheint die Intensität ihrer Ströme
von der Natur der eingetauchten Metalle abzuhängen, ihre Dauer wächst
mit der Grösse der Oberflächen und mit der Abschwächung der Strom-
intensität; aufgefrischt können sie werden, auch wenn sie fest ganz ver-
schwunden sind, durch Bewegungen der Platten in der Flüssigkeit und durch
Berührung derselben mit der Luft, wodurch die Polarisation der Wasserstoff-
platte aufgehoben wird. Von solchen Einwirkungen mag auch wohl der
geringe, nicht aufhörende Rest des Stromes herrühren, den feinere galvano-
metrische Instrumente immer anzugeben pflegen. Der ganze Vorgang ist
also eine Herstellung des elektrischen Gleichgewichtes der Flüssigkeitsthefl-
chen mit den Metallen; dabei scheinen sich einmal die Flüssigkeitstheilchen
anders zu ordnen, und dann, wenigstens in vielen Fällen,2 auch chemische
Umänderungen der oberflächlichen Metallschichten zu entstehen. Bei den
zusammengesetzten Ketten, wo die Polarisation ursprünglich gleicher Platten
die Wirkung des Stromes anderer Elemente ist, können wir die dabei ver-
lorene Kraft des ursprünglichen Stromes als secundären Strom wiederge-
winnen, nachdem wir die erregenden Elemente entfernt, und die Metalle der
polarisirten unter sich geschlossen haben. Um das Prinzip von der Erhaltung
der Kraft hier näher anzuwenden, fehlen uns bis jetzt noch alle speciellen
Thatsachen.
„Den verwickeltsten Fall bilden diejenigen Ketten, in welchen Polari-
sation und chemische Zersetzung neben einander vor sich gehen; dazu ge-
hören die Ketten mit Gasentwickelung. Der Strom derselben ist, wie der
der blossen Polarisationsketten, zu Anfang am stärksten, und sinkt schneller
1 „Experimentaluntersuchungcn über Elektricitilt. 1 6. Reihe. — Philos. Trans. 1840, p. I.
und Pogg. Ann. 52, 163 und 547. 1841."
* „Ohm in Pogg. Ann. 63. 389. 1844."
Das Energiegesetz in der Elektrochemie. 773
mgsamer auf eine ziemlich constant bleibende Grösse. Bei einzelnen
nten dieser Art, oder Ketten, welche nur aus solchen zusammengesetzt
hört der Polarisationsstrom nur äusserst langsam auf; leichter gelingt
,pegen, schnell constante Ströme zu erhalten, bei Combination von con-
1 Ketten mit einzelnen inconstanten, namentlich, wenn die Platten der
*n verhältnissmässig klein sind. Bisher sind aber an solchen Zusam-
*llungen nur wenige Messungsreihen gemacht worden; aus den wenigen,
1 ich aufgefunden habe, von Lenz1 und Poggendorff,3 geht hervor,
die Intensitäten solcher Ketten bei verschiedenen Drahtwiderständen
durch die einfache OHM'sche Formel gegeben werden können, sondern
man die Constanten derselben bei geringen Intensitäten berechnet,
n die Ergebnisse der Rechnung für höhere Intensitäten zu gross. Man
deshalb den Zähler oder den Nenner derselben, oder beide als Func-
der Intensität betrachten; die bisher bekannten Thatsachen liefern uns
Entscheidung dafür, welcher von diesen Fällen eigentlich stattfinde.
Suchen wir das Prinzip von der Erhaltung der Kraft auf diese Ströme
renden, so müssen wir dieselben in zwei Theile theilen, in den incon-
n oder Polarisationsstrom, über den dasselbe gilt, was wir über die
1 Polarisationsströme gesagt haben, und in den constanten oder Zer-
igsstrom. Auf den letzteren ist dieselbe Betrachtungsweise anwendbar,
ir die constanten Ströme ohne Gasentwickelung. Die durch den Strom
gte Wärme muss gleich sein der durch den chemischen Process zu
genden. Ist z. B. in einer Combination von Zink und einem negativen
le in verdünnter Schwefelsäure die Wärmeentbindung eines Atomes
bei seiner Auflösung und der Austreibung des Wasserstoffes az — a,ky
t die in der Zeit dt zu erzeugende Wärme:
J{a% — ah)dt.
i nun die Wärmeentwickelung in allen Theilen einer solchen Kette pro-
onal dem Quadrate der Intensität, also J2Wdt, so hätten wir wie oben:
y =
az - ah
w
die einfache OHM'sche Formel. Da diese aber ihre Anwendung hier
: findet, so folgt, dass es Querschnitte in der Kette giebt, in denen die
meentwickelung einem anderen Gesetze folgt, deren Widerstand also
: als constant zu setzen ist. Ist z. B. die Entbindung von Wärme in
ld einem Querschnitt direkt proportional der Intensität, wie es unter
Ten die durch Änderung der Aggregatzustände gebundene Wärme sein
s, also & =5 \ij dt> so ist:
J(az - ah) = J*w + 3>,
y =
az - ah - f*
w
1 „Pogg. Ann. 69, 229. 1843." * „Ebenda 67, 531. 1846."
774 Fünfzehntes Kapitel.
Die Grösse (jl würde also mit in dem Zähler der OHM'schen Formel ersehet» ls
Der Widerstand eines solchen Querschnittes würde sein w = -jj = ~ . \
nun aber die Wärmeentwickelung desselben nicht ganz genau proportional §i
der Intensität, also die Grösse fi nicht ganz constant, sondern mit der Intet
sität steigend, so erhalten wir den Fall, welcher den Beobachtungen von
Lenz und Poggendorff entspricht.
„Als elektromotorische Kraft einer solchen Kette würde nach Analogie
der constanten Ketten, sobald der Polarisationsstrom aufgehört hat, &
zwischen Zink und Wasserstoff zu bezeichnen sein. In der Ausdruckswdx
der Contacttheorie wäre es die zwischen Zink und dem negativen Metall,
vermindert um die Polarisation des letzteren in Wasserstoff. Wir müssen
dann nur dieses Maximum der Polarisation für unabhängig von der Inten-
sität des Stromes ansehen, und für verschiedene Metalle um ebenso vid
verschieden, als es die elektromotorischen Kräfte dieser Metalle sind. Der
Zähler der OHM'schen Formel, berechnet aus Intensitätsmessungen bei ver-
schiedenen Widerständen, kann aber ausser der elektromotorischen Kraft
einen Summanden enthalten, welcher von dem Übergangswiderstande her-
rührt, und welcher bei verschiedenen Metallen vielleicht verschieden ist Das
ein Ubergangswiderstand existire, folgt nach dem Prinzip von der. Erhaltung
der Kraft aus der Thatsache, dass die Intensitäten dieser Ketten nicht nach
dem OHM'schen Gesetz zu berechnen sind, da doch die chemischen Processe
dieselben bleiben. Dafür, dass in Ketten, wo die Polarisationsströme aufge-
hört haben, der Zähler der OHM'schen Formel von der Natur des negativen
Metalles abhänge, habe ich noch keine sicheren Beobachtungen auffinden
können. Um die Polarisationsströme schnell zu beseitigen, ist es hierbei
nöthig, die Dichtigkeit des Stromes an der polarisirten Platte möglichst zu
erhöhen theils durch Einfügung von Zellen mit constanter elektromotorischer
Kraft, theils durch Verkleinerung der Oberfläche dieser Platte. In den hier-
her gehörenden Versuchen von Lenz und Saweljew1 ist nach ihrer eigenen
Angabe die Constanz der Ströme nicht erreicht worden, die von ihnen be-
rechneten elektromotorischen Kräfte enthalten demnach noch die der Polari- j
sationsströme. Sie fanden für Zink Kupfer in Schwefelsäure 0,51, für Zink
Eisen 0,76, für Zink Quecksilber 0,90.
„Schliesslich bemerke ich noch, dass ein Versuch, die Gleichheit der auf
chemischem und elektrischem Wege entwickelten Wärme experimentell nach-
zuweisen, gemacht ist von Joule. 2 Doch ist gegen seine Messungsmethoden
mancherlei einzuwenden. Er setzt z. B. für die Tangentenbussole das Gesetx
der Tangenten als richtig voraus bis in die höchsten Grade hinein, hat keine
constanten Ströme, sondern berechnet deren Intensität nur nach dem Mittel
der Anfangs- und Endablenkung, setzt elektromotorische Kraft und Wider-
1 „Bull, de la classe phys. math. de l'acad. d. scienc. de St Petersbourg. 5, I und Pogg.
Ann. 57, 497. 1842."
* „Philos. Mag. 19, 275. 1841 und 20, 204. 1843."
Das Energiegesetz in der Elektrochemie. yyc
von Zellen mit Gasentwickelung als constant voraus. Auf die Ab-
jtng seiner quantitativen Wärmebestimmungen von anderweitig gefun-
Zahlen hat Hess schon aufmerksam gemacht. Dasselbe Gesetz will
cqüerel empirisch bestätigt gefunden haben nach einer Anzeige des-
i in den Comptes rendus (1843. No. 16).
,Wir haben oben uns genöthigt gesehen, den Begriff der Contactkraft
«zufuhren auf einfache Anziehungs- und Abstossungskräfte, um den-
1 mit unserem Prinzip in Übereinstimmung zu bringen. Versuchen wir
Luch, die elektrischen Bewegungen zwischen Metallen und Flüssigkeiten
kzufuhren. Denken wir uns die Theile des zusammengesetzten Atoms
Flüssigkeit mit verschiedenen Anziehungskräften gegen die Elektricitäten
>t, und demgemäss verschieden elektrisch. Scheiden diese Atomtheile
;n metallischen Elektroden aus, so giebt jedes Atom nach dem elektro-
hen Gesetz eine von seinen elektromotorischen Kräften unabhängige
e ±E an dieselben ab. Wir können uns deshalb vorstellen, dass auch
r chemischen Verbindung schon die Atome mit Äquivalenten ± E ver-
en sind, welche für alle ebenso gleich sind, wie die stöchiometrischen
iralente der wägbaren Stoffe in verschiedenen Verbindungen. Tauchen
zwei verschiedene elektrische Metalle in eine Flüssigkeit ein, ohne dass
hemischer Process stattfindet, so werden die positiven Bestandteile der-
n von dem negativen Metall, die negativen vom positiven angezogen.
Erfolg wird also eine veränderte Richtung und Vertheilung der ver-
denen elektrischen Flüssigkeitstheilchen sein, deren Eintreten wir als Pola-
onsstrom wahrnehmen. Die bewegende Kraft dieses Stromes würde die
rische Differenz der Metalle sein, ihr müsste deshalb auch seine anfäng-
Intensität proportional sein; seine Dauer muss bei gleicher Intensität
Menge der an den Platten anzulagernden Atome, also ihrer Oberfläche,
ortional sein. Bei den mit chemischer Zersetzung verbundenen Strömen
mt es dagegen nicht zu einem dauernden Gleichgewicht der Flüssig-
theilchen mit den Metallen, weil die positiv geladene Oberfläche des
:iven Metalles fortdauernd entfernt wird, dadurch, dass sie selbst zum
andtheil der Flüssigkeit wird, also eine stete Erneuerung der Ladung
ix ihr stattfinden muss. Durch jedes Atom des positiven Metalles, wel-
mit einem Äquivalent positiver Elektricität vereinigt in die Lösung
ntt, wofür ein Atom des negativen Bestandteiles neutral elektrisch aus-
idet, wird eine Beschleunigung der einmal begonnenen Bewegung her-
gerufen, sobald die Quantität der Anziehungskraft des ersteren Atoms
+ E, bezeichnet durch as> grösser ist als die des letzteren ae. Die Be-
ung würde dadurch in das Unbegrenzte an Geschwindigkeit zunehmen,
n nicht auch zugleich der Verlust an lebendiger Kraft durch Wärme-
rickelung wüchse. Sie wird deshalb nur wachsen bis dieser Verlust,
Vdty gleich ist dem Verbrauch an Spannkraft J(az —a^)dt oder bis:
J w
776 Fünfzehntes Kapitel.
Ich glaube, dass in dieser Unterscheidung der galvanischen Ströme in sokfc^
welche Polarisation, und in solche, welche Zersetzung hervorbringen, wie m
durch das Prinzip von der Erhaltung der Kraft bedingt wird, der einap
Ausweg zu finden sein möchte, um gleichzeitig die Schwierigkeiten io
chemischen und der Contacttheorie zu umgehen."
Werfen wir auf die in diesen kurzen Auseinandersetzungen enthaltend
Gesichtspunkte einen Blick zurück, so tritt uns zunächst (S. 769) der Nach-
weis entgegen, dass das VoLTA'sche Spannungsgesetz eine Nothwendigkdt
vom Standpunkte des Gesetzes von der Erhaltung der Energie ist Damit
war der entscheidende Einwand gegen die Haltbarkeit der ursprünglichen
Ansicht Volta's (S. 758) ausgesprochen, dass es auch metallische Leiter geben
könne, welche dem Spannungsgesetz nicht unterliegen. Die darauf folgende
Auseinandersetzung über die Annahme verschiedener Anziehungskräfte gegen
die Elektricitäten war so lange zulässig, als man diese als wirkliche Dinge,
etwa als unwägbare Flüssigkeiten ansah; gegenwärtig wo die in Betracht
kommende Grösse, die Elektricitätsmenge, ihren realen Charakter verloren
hat, und als ein Factor der eigentlich realen Grösse, der elektrischen Energie,
angesehen wird, kann man diese Anschauungsweise nicht mehr gutheissen.
Da andererseits die älteren Nachweise von Spannungsunterschieden zwischen
verschiedenen Metallen mit dem Condensator gegenwärtig als völlig zweifel-
haft erwiesen sind, und die unzweifelhafteren Methoden im Gegentheil ergeben
haben, dass wenn überhaupt Spannungsunterschiede bestehen, sie jedenfalls
sehr kleine Werthe haben müssen, so fällt zur Zeit die Notwendigkeit, die
Ergebnisse der Condensatorversuche in die Theorie der Ketten aufzunehmen,
überhaupt fort. Dies wird noch klarer durch die S. 770 von Helmhotz ge-
gebenen Betrachtungen; andererseits ist bereits früher gezeigt worden, dass
die Annahme der elektrischen Erregung Null bei der Berührung der Metalle
sich mit dem Spannungsgesetz gleichfalls im Einklänge befindet
In fler einfachen Formel A = az — ac ist das gleiche Ergebniss enthalten,
welches Joule früher nicht ganz so vollständig in dem Satze gegeben hatte,
dass die „virtuelle Intensität", d. h. die elektromotorische Kraft der Kette der
durch den chemischen Vorgang entwickelten Wärme proportional ist Bei
Helmholtz ist statt der Proportionalität die Gleichheit vorhanden, passende
Maassbestimmungen der vorkommenden Grössen vorausgesetzt, und an Stelle
der unrichtigen Gleichsetzung der chemischen und elektrischen Wärme tritt
die vorsichtigere bedingte Ausdrucksweise, dass, wenn die Gleichheit statt-
finde, die elektromotorische Kraft durch die auf das Äquivalent bezogene
Wärmeentwickelung gegeben wäre. Helmholtz hat selbst später gezeigt,
dass dies im Allgemeinen nicht der Fall ist, und hat, wenn auch nicht als
der erste, doch völlig selbständig den vollständigen Ausdruck für die Be-
ziehung der beiden Grössen aufgestellt.
Weiter ist auf die S. 771 kurz ausgesprochene Schlussfolgerung hinzu-
weisen, dass in galvanischen Elementen mit verschiedenen Elektroden, in
denen aber der gleiche chemische Vorgang stattfindet, auch dieselbe elektro-
Das Energiegesetz in der Elektrochemie. 777
sehe Kraft vorhanden sein müsse. Es gehörte damals einiger Muth
diesen theoretischen Schluss auszusprechen, da eben Poggendorff be-
zu haben schien, dass dies nicht der Fall sei. Die Zukunft hat
oltz recht gegeben, und jene Angabe von Poggendorff wurde als
nlich erkannt; es waren die kleinen Unterschiede, welche sich je
der Beanspruchung des Elementes ergeben hatten, von Poggendorff
:eresse eines Widerspruches gegen die chemische Theorie als wesent-
mgesehen ' worden.
ron grosser Feinheit sind Helmholtz* Darlegungen des Vorganges bei
stmaligen Herstellung des elektrischen Zustandes in der Kette und die
ie der Ladungsströme, welche er bei dieser Gelegenheit giebt. Äusser-
at diese Theorie eine gewisse Ähnlichkeit mit der „Tendenztheorie"
chönbein; sie unterscheidet sich aber von dieser wesentlich dadurch,
Ielmholtz wirkliche Änderungen in dem Zustande der sich berühren-
lächen annimmt, und so den von Faraday gegen jenen mit Recht er-
en Einwand, dass er Ströme ohne entsprechenden Aufwand stattfinden
wolle, sachgemäss vermeidet Nur insofern hat sich die heutige
ie anders entwickelt, als die von Helmholtz noch einigermaassen un-
lmt gelassenen Vorgänge, welche an den Berührungsstellen zwischen
i und Flüssigkeit stattfinden, in allen Fällen als chemische angesehen
n müssen, während Helmholtz noch sehr geneigt ist, im Sinne der
Aschen Ansicht in der Thatsache der blossen Berührung eine Quelle
ischer Bewegung, wenn auch nicht dauernder Art zu sehen.
(.. Die Abhandlung von William Thomson. Schon oben
degentlich der Arbeiten von Joule erwähnt worden, dass das von
letzteren als blosse Proportionalitätsbeziehungen aufgestellte Verhältniss
hen der elektromotorischen Kraft der VoLTA'schen Ketten und dem
ge der Wärme, welcher ihren chemischen Vorgängen entspricht, später
William Thomson in bestimmterer Form ausgesprochen worden ist.
dsätzlich enthält diese Arbeit der Darlegung von Helmholtz gegenüber
s neues oder weiteres; die Art der Darstellung ist allerdings ganz anders,
durch die concrete Gestalt, welche hier dem Beweise gegeben wird,
icht für manchen anschaulicher; einen allgemeineren Charakter besitzt
ifalls die Ableitung von Helmholtz, da sie nicht an ein einzelnes Bei-
anknüpft.
Es liegt vielleicht gerade an dieser concreteren Form, dass die vor-
nde Arbeit eineft viel grösseren Einfluss auf den Entwickelungsgang
Wissenschaft ausgeübt hat, als die um vier Jahre ältere Auseinander-
ing von Helmholtz. Aus diesem Grunde wird es gerechtfertigt er-
inen, auch die wesentlichen Theile dieser Abhandlung * vollständig
.erzugeben.
„1) Gewisse Prinzipien, welche Hr. Joule entdeckt und zuerst in ver-
1 Philos. Mag. (4) 2, 429. 185 1.
yyg Fünfzehntes Kapitel.
schiedenen Abhandlungen mitgetheilt hat, mussten schliesslich ein
Theil der mechanischen Theorie der Chemie werden. Der Gegenstand der-
gegenwärtigen Mittheilung ist, diesen Prinzipien gemäss für jeden Fall ekkto]
lyrischer Zersetzung die Beziehung zwischen der elektromotorischen Intensität, s
den elektrochemischen Äquivalenten der thätigen Stoffe und dem mechaBH
sehen Äquivalent der chemischen Wirkung, welche durch den Verbraud
einer gegebenen Menge der Materialien stattfindet, zu ermitteln; und aas
diesem die elektromotorische Intensität einer einzelnen DANiEu/schen Zefl^j
sowie die elektromotorische Kraft, welche zur Zersetzung des Wassers er-
forderlich ist, nach Versuchen zu berechnen, welche Herr Joule so freund-
lich war, mir mitzutheilen.
„2) Wird ein galvanischer Strom, welcher mit Hülfe einer magnet>
elektrischen Maschine hervorgebracht wird, zur Elektrolyse verwendet, so
wird er in irgend einer Zeit weniger Wärme in seinem ganzen Stromkreise
entwickeln, als der verbrauchten Arbeit entspricht, und zwar um einen Be-
trag, welchen man das thermische Äquivalent der chemischen Wirkung, die
er hervorgebracht hat, nennen könnte. Dies ist die Wärmemenge, welche
erhalten werden würde, wenn man die Elemente der zersetzten Substanz
wieder verbinden und die Verbindung nach allen Beziehungen in ihren erste!
Zustand wieder zurückbringen würde, oder mit anderen Worten, wenn man
alles rückgängig machte, was der elektrochemische Apparat gethan hat Nun
wird die Wärmemenge, welche der gethanen Arbeit äquivalent ist, erhalten
durch Division der Zahl, welche die Arbeit misst, mit der Zahl, welche
in derselben Einheit das mechanische Äquivalent der Wärmeeinheit giebt
Wird daher das mechanische Äquivalent der Wärmeeinheit mit J bezeichnet,
die in irgend einer Zeit gethane Arbeit mit W> die gesammte in derselben
Zeit im Stromkreise entwickelte Wärme mit H9 und das Wärmeäquivalent
der hervorgebrachten chemischen Wirkung mit 0, so haben wir:
welche Gleichung auch in der Form geschrieben werden kann:
W=JH+M, ;*
wenn M benutzt wird, um den Werth von JO oder das mechanische Äqui-
valent der chemischen Wirkung zu bezeichnen, welche in der angegebenen
Zeit hervorgebracht wird.
„3) Um die Nothwendigkeit zu umgehen, veränderliche oder unstetige
Ströme zu betrachten, wollen wir annehmen, dass die Maschine aus einer
metallischen Scheibe besteht, welche an ihrer Axe und an ihrem Umfange
durch feste Drähte berührt wird, und welche in ihrer eigenen Ebene um
eine durch ihren Mittelpunkt gehende Axe gedreht wird, welch letztere in
irgend einer Lage gehalten wird, welche nicht rechtwinklig zu der Richtung
der erdmagnetischen Kraft steht. Werden diese Drähte durch einen Contact
zwischen ihren Enden verbunden, so entsteht bekanntlich in ihnen ein Strom,
Das Energiegesetz in der Elektrochemie. 77g
1 Stärke der Winkelgeschwindigkeit der Scheibe direkt, und dem
stände im ganzen Stromkreise umgekehrt proportional ist. Daher
zwischen den Enden der Drähte, wenn sie durch ein isolirendes Mittel
andergehalten werden, eine elektromotorische Kraft bestehen, welche
int und der Winkelgeschwindigkeit der Scheibe proportional sein wird.
4) Wir nehmen nun an, dass die Enden des Drahtes mit den Elek-
1 eines elektrochemischen Apparates verbunden werden, z. B. einer
tischen Batterie irgend welcher Art, oder eines Apparates zur Zer-
ig des Wassers; auch wollen wir annehmen, dass die elektromotorische
ität zwischen ihnen genügend ist, um einen Strom in der eigenen
ing hervorzubringen. In den vorstehenden Gleichungen wird, wenn
lf diesen Fall angewendet werden, jedes Glied proportional der Zeit
da die Wirkung dauernd und gleichförmig ist, und daher wird es be-
sein, die Zeiteinheit als die Periode anzusehen, während welcher die
V und H bezeichneten Beträge von Arbeit und Wärme, sowie der Be-
fon chemischer Wirkung, deren thermisches und mechanisches Äqui-
: mit 0 und M bezeichnet worden sind, hervorgebracht werden. Be-
let r den Radius der Scheibe, m die Winkelgeschwindigkeit, mit der
jwegt wird, F die Componente des Erdmagnetismus senkrecht zu ihrer
1 und y die Stärke des inducirten Stromes, so wird die in der Zeit-
it durch die Bewegung der Scheibe gegen den durch die Wirkung des
agnetismus auf den entstandenen Strom hervorgerufenen Widerstand
r
ne Arbeit ausgedrückt sein durch das Integral J cos .F .y dz\ wie leicht
o
^weisen ist, ob nun der Strom unmittelbar zwischen dem Mittelpunkt
Jcheibe und dem durch den festen Draht berührten Punkt auf dem
nge durchgeht, oder ob er, wie das in Wirklichkeit stattfinden muss,
mehr oder weniger von der geraden Linie durch die seitliche Ausdeh-
des kreisenden Leiters verbreitet. Hieraus folgt:
W=\r*Fy<o. (3)
„5) Es sei E die Menge (in Masseneinheiten, z. B. Gran) eines der bei
chemischen Vorgange betheiligten Elemente, welche in der Zeiteinheit
rolysirt oder verbunden werden, und & sei die Wärme, welche während
chemischen Wirkung bei der Elektrolyse oder Verbindung von der
jeneinheit jenes Elementes absorbirt wird. Dann haben wir:
0 = *£, (4)
M=J.&E. (5)
„Nun ist von Farad ay gezeigt worden, dass bei elektrochemischen
:ungen irgend welcher Art, die durch einen stetigen Strom hervorge-
ht werden, der Betrag der Wirkung in einer gegebenen Zeit annähernd,
1 nicht genau proportional der Stromstärke ist; und alle folgenden Unter-
ungen haben diesen Schluss bekräftigt. Die einzige Ausnahme, welche
780 Fünfzehntes Kapitel.
bisher meines Wissens entdeckt worden ist, ist die von Faraday entdeckte
Thatsache, dass verschiedene Elektrolyte einen stetigen Strom leiten können,
wenn dessen elektromotorische Intensität unterhalb einer gewissen Grenze
ist, ohne dass sie eine stetige Zersetzung erfahren, * und hieraus können wir
es als wahrscheinlich annehmen, dass im Allgemeinen die mit grösseren und
geringeren elektromotorischen Intensitäten zersetzten Mengen nicht streng
proportional der Stromstärke sind.
„Diese nichtelektrolytische Leitfähigkeit ist indessen, wenigstens in dem
Falle des Wassers als äusserst gering gefunden worden, und es ist nicht
wahrscheinlich, dass, wenn in irgend einem gewöhnlichen Falle die Elektro-
lyse stattfindet, die dadurch geleitete Elektricitätsmenge stets sehr gross im
Vergleiche mit der elektrolytisch geleiteten ist Das normale Gesetz der
wahren elektrolytischen Leitung wird daher als anwendbar für die Leitung
durch den elektrochemischen Apparat angesehen werden können, vorbehalt-
lich der Abänderung in solchen Fällen, wo eine Abweichung davon erwiesen
werden kann. Wenn wir daher mit « das elektrochemische Äquivalent des
besonderen Elementes bezeichnen, an welchem wir die elektrochemische
Wirkung messen, d. h. die Menge desselben, welche in der Zeiteinheit durch
die Wirkung der Stromstärke Eins elektrolysirt oder verbunden wird, so
haben wir, da die wirkliche Stromstärke y ist:
E=*y. (6)
„Die Abweichungen von dem normalen Gesetze, welche in besonderen
Fällen bestehen mögen, können dadurch zum Ausdruck gebracht werden,
dass man für e einen veränderlichen Werth annimmt. Fände es z. B. statt,
dass wenn die elektromotorische Intensität eines Apparates für die Zersetzung
des Wassers eine bestimmte Grösse überschreitet, die Zerzetzung genau pro-
portional der Stromstärke stattfindet, und dass unterhalb dieser Greme ein
schwacher Strom ohne Zersetzung durchgehen würde, so würde e eine un-
stetige Function der Intensität sein, indem es einen constanten Werth hat,
wenn die Intensität grösser ist, und Null wird, wenn sie geringer ist, als die
Grenze der Zersetzung.
„6) Nach dem JouLE'schen Gesetz über die Wärmeentwickelung im Strom-
kreise ist die in der Zeiteinheit entwickelte Wärmemenge streng proportional
dem Quadrat der Stromstärke, wenn der Widerstand in allen betrachteten
Umständen constant ist; wir können daher passend annehmen:
1 „Es ist wahrscheinlich, dass wenn ein Elektromotor von einer unter einer bestimmtet
Grenze liegenden Intensität mit zwei Platinplatten, die in Wasser getaucht sind, in Verbind*"!
gebracht wird, zunächst kein elektrolytischer Widerstand vorhanden ist; und der zerseUewie
Strom geht mit stetig sinkender Stärke durch, bis die Elektroden durch den abgeschieden»
Sauerstoff und Wasserstoff in einen gewissen Zustand gebracht worden sind, so dass sie afc
dem Wasser dazwischen eine Widerstandskraft ausüben, welche der eines Elektromotors stk*
nahe ist, worauf ein sehr geschwächter Strom von gleichförmiger Starke durchgeht, ob* j
weitere Zersetzung zu bewirken. Ich hoffe binnen Kurzem einen Bericht über einige Versack«
mittheilen zu können, welche ich zur Erläuterung dieses Verhaltens angestellt habe."
J
Das Energiegesetz in der Elektrochemie. 78 1
//= Ry*; (7)
r aber nicht sicher sind, dass der gesammte Widerstand von der Strom-
unabhängig ist, wenn sich eine elektrolytische Flüssigkeit im Strom-
befindet, so dürfen wir R nicht als constant annehmen. In dem
stehenden ist über R nur angenommen worden, dass es in allen vor-
lenden Fällen weder unendlich gross, noch unendlich klein wird.
,7) Setzen wir die Ausdrücke (3), (4) und (6), (7) für die drei Werthe
rsprünglichen Gleichung (1) ein, so haben wir:
Ryt = i^!^. _ 0srt (g)
is sich ergiebt:
r = 1 — -j- (9)
,8) Aus dem Resultat wird ersichtlich, dass, je nachdem der Werth
Winkelgeschwindigkeit der Scheibe über oder unter einem gewissen
he ii ist, welcher durch die Gleichung:
0 = rü (IO)
nmt ist, der Werth von y positiv oder negativ wird; und daraus
issen wir, dass, wenn die Winkelgeschwindigkeit genau diesen Werth
die elektromotorische Intensität der Scheibe genau gleich ist der ent-
igerichteten elektromotorischen Kraft, welche auf die festen Drähte
1 den elektrochemischen Apparat, mit dem sie verbunden sind, aus-
t wird.
„Nehmen wir als Einheit der elektromotorischen Intensität die an, welche
^eiter von der Längeneinheit hervorbringt, wenn er durch ein magne-
es Feld von der Einheit der Stärke mit der Einheit der Geschwindigkeit
ner Richtung bewegt wird, welche senkrecht auf seiner eigenen Länge
auf den Kraftlinien des Feldes ist, so kann leicht bewiesen werden,
die elektromotorische Kraft der Scheibe unter den angegebenen Um-
len durch die Gleichung gegeben ist:
i=*\r*Fw. (11)
in daher / die elektromotorische Kraft der Scheibe bezeichnet, wenn sie
de die des elektrochemischen Apparates aufhebt, so haben wir nach (10):
1=706. (12)
„Diese Gleichung enthält einen allgemeinen Ausdruck für den schon
e von Joule ausgesprochenen Satz, dass die von verschiedenen chemi-
n Verbindungen entwickelten Wärmemengen für elektrisch äquivalente
gen der chemischen Wirkung proportional der Intensität der galvanischen
•rdnungen sind, welche das Stattfinden der Verbindungen ermöglichen,
e dass in ihnen irgend eine Wärmeentwickelung eintritt, und der Satz
n allgemein folgendermaassen ausgesprochen werden:
„Die Intensität eines elektrochemischen Apparates ist in ab-
782 Fünfzehntes Kapitel.
solutem Maasse gleich dem mechanischen Äquivalent der chemi-
schen Wirkung von solchem Betrage, als mit einem Strome toi
der Einheit der Stärke in der Einheit der Zeit stattfindet"
W. Thomson schliesst an diese Darlegung einige Betrachtungen über]
das Verhalten der geschilderten Maschine, welche uns hier nicht weiter
beschäftigen haben, und berechnet dann aus thermischen Angaben
Beobachtungen von Joule die elektromotorische „Intensität", d. h. die el(
motorische Kraft der DANiELi/schen Zelle in absolutem Maasse. Zu einer]
Prüfung des ausgesprochenen Proportionalitätsgesetzes fehlten die Unterlagen.
Leider hat er sich nicht entschliessen können, die von den Schöpfern der]
absoluten Methode, Gauss und Weber, eingeführten Einheiten beizubehalten
sondern hat englisches Maass und Gewicht benutzt, wodurch die allgemeii
Einführung des Verfahrens wohl unzweifelhaft nicht gefordert worden ist]
Die Art und Weise einer solchen Berechnung theilt er dann in einem
hange ausführlich mit.
Die hier in ihren wesentlichsten Theilen wiedergegebene Arbeit ist
Zeit hindurch die Grundlage für die theoretische Berechnung der elel
motorischen Kräfte galvanischer Ketten aus thermochemischen Daten
wesen. Sie enthält unter einer etwas abweichenden Gestalt den glei<
Gedankengang, welchen Helmholtz in seiner Schrift über die Erhaltung
Kraft gegeben hatte, ist aber viel bekannter geworden, als jene um
Jahre ältere Darlegung, wohl infolge ihrer für die rechnerische Anwendi ^
eher geeigneten Form. Zur Sache muss schon hier erwähnt werden, daem
die ausdrücklich ausgesprochene Voraussetzung, es dürfe keine lokale Wärme-
entwickelung stattfinden, im Allgemeinen nicht erfüllbar ist. Aus dem Zttjj
sammenhange der oben angegebenen Stelle scheint hervorzugehen, da4
Thomson hier eher die durch örtliche chemische Vorgänge ohne Mitwirkung
des Stromes entstehenden Reaktionen, z. B. die Auflösung des gewöhnlich«
Zinks in Säuren vor dem Schlüsse des Stromes, gemeint hat; aber aucfl
wenn solche Nebenwirkungen ausgeschlossen sind, hat es sich in der Folgl
erwiesen, dass an den Elektroden durch die Stromwirkung selbst Warn»"
Wirkungen stattfinden, deren Vorhandensein gleichfalls die unmittelbare Am
wendung jener Betrachtung unzulässig macht. Doch gehört die Erörtern^
der hier anzubringenden Verbesserung in ein späteres Kapitel unserer GÄ
schichte. *
In der oben gegebenen Darstellungsweise erscheint die BeweisfiihruflJ
verwickelter und undurchsichtiger, als in der Natur der Sache liegt, wil
denn allgemein die einfachste Gestaltung einer wissenschaftlichen Erkenntnis
eine ganz andere Aufgabe ist, als ihre Entdeckung. Bezeichnen wir mit 1
die Elektricitätsmenge, welche mit einem Gramm Wasserstoff oder eine!
äquivalenten Menge eines anderen Ions verbunden ist, so dass beim Dufdl
gang dieser Elektricitätsmenge durch einen beliebigen Elektrolyten ein Gramd^
Äquivalent des betreffenden Ions ausgeschieden oder aufgenommen wird, st
ist die elektrische Arbeit oder Energie, welche eine solche Menge leistet
Das Energiegesetz in der Elektrochemie. 783
gleich 6«, wo ^ die elektromotorische Kraft bedeutet, indem jede
•che Energie gleich dem Produkte der Elektricitätsmenge in die Span-
st, welche diese verliert oder gewinnt. Macht man die oben erwähnte
Setzung, dass die durch die Wärmemenge H gemessene chemische
ty die bei dem entsprechenden chemischen Vorgange entwickelt wird,
»llständig in elektrische Energie verwandelt, so muss die Gleichung be-
sich unmittelbar:
H
n = —
6
Da nun nach dem FARADAY^schen Gesetz 6 einen constanten Werth
ctrochemisch äquivalente Ionenmengen hat, so besagt der Satz die
ule ausgesprochene Proportionalität zwischen der elektromotorischen
nnd der Wärmeentwickelung H, und giebt gleichzeitig, wenn alle
menden Grössen in absolutem Maasse ausgedrückt sind, die einfache
ge für die rechnerische Bestimmung der elektromotorischen Kraft
Wärmetönung und umgekehrt. Gleichzeitig sieht man, dass, wenn
lachte Voraussetzung, dass alle Wärme in elektrische Energie über-
icht erfüllt ist, die elektromotorische Kraft grösser oder kleiner ist,
berechnete, je nachdem die Kette sich beim Stromdurchgange ab-
ier erwärmt, indem im ersten Falle eine grössere Menge elektrischer
erscheint, als durch die Reaktionswärme gedeckt wird, so dass der
: Wärme aus der Umgebung aufnehmen muss, und umgekehrt,
ss die ältere Ableitung so viel verwickelter aussieht, als die eben
te, liegt daran, dass um jene Zeit es nöthig war, erst an einem Bei-
tchzuweisen, in welcher Art eine chemische und eine elektrische
in einander überfuhrbar und mit einander in Zusammenhang zu
sind; die Verwickelung liegt nur in der Hineinnahme dieser Dar-
in den Ansatz, denn sachlich erhält er denselben Gedanken, der
ti möglichst kurzer Gestalt zur Anschauung gebracht worden ist.
Joule's spätere Arbeiten. Die in der älteren Arbeit von 1841
:nen Versuche wurden von Joule später mit grosser Sorgfalt fort-
1 das Ergebniss derselben theilte er der Pariser Akademie im Jahre
m Zwecke einer Preisbewerbung mit, ohne dass die Arbeit jedoch
erreichte. Die Abhandlung war als eine Methode zur Bestimmung
rmeentwickelung bei chemischen Vorgängen gedacht; gegenwärtig
* Interesse wesentlich nach der umgekehrten Richtung, bezüglich
ammenhanges zwischen den thermischen und elektrischen Erschei-
le beginnt mit der Wiederholung der folgenden drei Sätze, welche
Jetrachtungen zu Grunde liegen, und welche er bereits früher2 aus-
len hatte:
üios. Mag. (4) 3, 481. 1852.
em. of the Lit. and Philos. Soc. of Manchester (3), 19, 275.
784 Fünfzehntes Kapitel.
,,i) Dass der Leitungswiderstand fester oder flüssiger Leiter die lufr
wickelung einer Wärmemenge veranlasst, welche für eine gegebene Zeit 4c
Grösse des Leitungswiderstandes und dem Quadrat der durchgelassa»
Elektricität proportional, ist.
„2) Dass der Widerstand gegen Elektrolyse, welchen das Was»
leistet, keine Ursache für die Wärmeentwickelung in der Zersetzungszdk
giebt. Gleichzeitig wird die gesammte Wärmemenge, die in dem gan&t
Stromkreise entwickelt wird, wegen der Verminderung der elektromotorischei
Kraft des Stromes infolge des Widerstandes gegen die Elektrolyse kleiner.
Es ist vernünftig, anzunehmen, dass die Verminderung der vom Strome
entwickelten Wärme durch die Wärmeabsorption in der Zersetzungszelle ve*
ursacht ist.
„3) Dass der durch die RrrrER'sche Polarisation verursachte Widerstand
. eine Wärmeentwickelung an der Oberfläche hervorruft, an welcher diese
Erscheinung stattfindet; und so geschieht es, dass die Verminderung der
Wärmeentwickelung infolge der verminderten Intensität der Säule genau
compensirt wird, so dass die gesammte Wärme, welche in dem ganzen
Stromkreise entwickelt wird, aus den chemischen Vorgängen in der Säule
berechnet werden kann, als wenn keine Polarisation vorhanden wäre."
Bei diesen drei Sätzen handelt es sich um die einfache Beziehung
dass die gesammte durch einen bestimmten chemischen Vorgang gegebeoe
Wärmeentwickelung sich schliesslich in dem Stromkreise wiederfinden muss,
und zwar in den Leitern als infolge des Widerstandes entwickelte Wärme,
während für die am Orte des chemischen Vorganges entwickelte Wärme
die Voraussetzung gemacht wird, dass sie sich vollständig in elektrische
Energie verwandelt. Die thatsächlichen Verhältnisse, wie sie sich später
herausgestellt haben, entsprechen völlig dem ersten Theil der Voraus-
setzung, da dieser ein einfacher Ausdruck des Gesetzes von der Erhaltung
der Energie ist, dem zufolge die durch den chemischen Vorgang er-
haltene Wärme davon unabhängig sein muss, ob sie unmittelbar bei dem
Process erhalten worden ist, oder ob noch die Zwischenform der elektrischen
Energie vorhanden gewesen war. Der zweite Theil dagegen ist nicht richtig,
denn eine Zersetzungszelle entwickelt im Allgemeinen nicht die Wärmemenge,
welche ihrem Widerstände entspricht, sondern eine andere, welche grösser,
aber auch kleiner sein kann, als jene. Dem entsprechend ist auch die elek-
tromotorische Gegenkraft der Polarisation nicht, wie Joule angenommen
hatte, der entsprechenden chemischen Wärmeentwickelung proportional. Bei
Joule findet sich ausserdem noch die Bezeichnung der Polarisation als eines
Widerstandes, wodurch die Darstellung etwas weniger durchsichtig wird.
Die Versuche Joule's enthalten zunächst sorgfältige Bestimmungen der
Wärmeentwickelung, welche gemessene Ströme in gemessenen Widerständen
hervorrufen, um auf diese als Normen die späteren Messungen beziehen xu
können. Dabei ergab sich eine erneute Bestätigung des Gesetzes der gal-
vanischen Wärmeentwickelung für einen ziemlich bedeutenden Umfang von
Das Energiegesetz in der Elektrochemie.
785
iedenen Stromstärken und Widerständen. Alsdann ging Joule zu seiner
ichen Aufgabe über, die Verbindungswärme der Metalle mit Sauerstoff
•und der oben gegebenen Annahmen zu bestimmen; der Gang seiner
:he wird aus der Beschreibung* des ersten, die ich hier
geben will, ersichtlich werden:
Ich nahm ein Glasgefäss (Fig. 201), gefüllt mit 3 Pfund
Lösung, die aus 24 Theilen Wasser, 7 Theilen krystalli-
Kupfervitriols und 1 Theil starker Schwefelsäure bestand,
se Lösung wurden zwei Platten gesenkt, die eine von
, die andere von Kupfer, und jede war mittelst einer
ne mit einem dicken Kupferdrahte verbunden, welcher
lork des Gefässes durchsetzte, und in dem Quecksilber-
1 endete. Ein sehr feines Thermometer, von dem jeder
23*28
Grad Celsius entsprach, war gleichfalls im Kork be-
Fig. 201.
Nach Joule.
, so dass seine Kugel sich nahezu in der Mitte der Flüs-
t befand. Endlich wurde ein gläserner Rührer b eingeführt.
,Die Versuche wurden folgendermaassen ausgeführt: Eine
au£ vier grossen DANiELi/schen Zellen wurde mit dem
nometer b durch zwei dicke Kupferdrähte verbunden, von
t der eine ganz, der andere an zwei Quecksilbernäpfen cc
Drochen war. Die Verbindung zwischen diesen Quecksilbergefässen
* zuerst durch einen kurzen dicken Kupferdraht hergestellt, und die
ikung des Galvanometers beobachtet. Die durch diese Ablenkung an-
>ene Stromstärke werde ich A nennen. Nun wurde der dicke Kupfer-
aus den Näpfen c c entfernt, und die Normalwiderstandsrolle aus Silber
n Wasser gehalten wurde, um ihre Erhitzung zu vermeiden) wurde an
n Stelle gebracht, und die Ablenkung wieder bemerkt. Den in diesem
*n Falle beobachteten Strom will ich B nennen. Die Silberdrahtrolle
e nun entfernt und an ihre Stelle das oben beschriebene Voltameter
zt; die Elektrolyse wurde genau 10' lang ausgeführt, wobei der Stand
^adel in regelmässigen Zwischenräumen abgelesen wurde. Den durch
Beobachtung gegebenen Strom will ich C nennen. Die Ströme B und
irden dann wieder in der umgekehrten Ordnung beobachtet, die Mittel
dieser und der vorigen Messung genommen, um auf diese Art etwaige
.Tungen in der Kraft der Säule auszugleichen.
„Die Temperatur der Lösung wurde mit den gebräuchlichen Vor-
smaassregeln beobachtet, unmittelbar vor dem Anfange und nach
Ende der Elektrolyse. Der Betrag der Elektrolyse wurde aus dem
icht der negativen Kupferelektrode vor und nach jedem Versuch be-
ut.
„Nennen wir x den Widerstand eines Metalldrahtes, welcher den Strom
leicher Weise schwächt, wie die elektrolytische Zelle, indem wir den
erstand der Rolle Silberdraht Eins setzen, so haben wir:
st wald*, Elektrochemie. 50
ygg Fünfzehntes Kapitel.
(A- QB.
(A- B)C'
und dieser Werth giebt mit C multiplicirt "^ ^- für die Wärmewirkunj
des Stromes C, welcher durch den Draht mit dem Widerstände x geht«
Die Wärmewirkung der Normalsilberdrahtrolle wurde durch Versucht
festgestellt, die an dem vorangegangenen Tage gemacht worden waren, und
ebensolche wurden an dem folgenden Tage angestellt Dies geschah, um
die etwaige Veränderlichkeit des Erdmagnetismus auszuschalten. Die aus-
führlichen Versuchszahlen brauchen nicht mitgetheilt zu werden, es genügt
die Angabe, dass die Ergebnisse sich von der Wahrheit nicht sehr weit ent-
fernen. Die bei der Zersetzung des Kupfersulfats in Metall, Sauerstoff und
Schwefelsäure, welches der im Voltameter stattfindende chemische Vorgab
ist, verbrauchte Wärmemenge findet Joule, in die gegenwärtig benutzten
Einheiten übertragen, gleich 527 AT, während aus den neueren Messungen
von J. Thomsen 560 K folgt Um die Oxydationswärme des Kupfers zu be-
stimmen, maass Joule ausserdem noch die bei der Verbindung des Kupfer-
oxyds mit Schwefelsäure freiwerdende WTärmemenge, und erhielt nach Abzug
derselben die Oxydationswärme des Kupfers zu 380 K, welche Zahl von der
als genau anzusehenden 372 AT noch weniger abweicht Alle diese Werthe
beziehen sich auf ein Verbindungsgewicht oder 63,5 g Kupfer, und die
Wärmeeinheit K ist die, welche 1 g Wasser von o° bis ioo° erwärmt
In ähnlicher Weise führte Joule Messungen über die Verbrennungswänne
des Zinks und des Wasserstoffs aus, indem er Zinksulfat und verdünnte
Schwefelsäure elektrolysirte. Das Ergebniss für Zinkoxyd ist ziemlich falsch,
775 AT statt 853; dagegen nähert sich das für Wasser sehr der Wahrheit:
671 K statt 684.
Da bei diesen Berechnungen nur von der ersten Voraussetzung, der
der Erhaltung der Energie Gebrauch gemacht worden ist, so ist das Ver-
fahren als prinzipiell einwurfsfrei zu bezeichnen, und wir sehen auch hier
Joule auf einem damals nur von wenigen verstandenen Wege seine Ergeb-
nisse gewinnen. Die Bedeutung dieses Mannes ist fast nur in der Richtung
bisher gewürdigt worden, dass er als der Erste genauere experimentelle Mes-
sungen über das mechanische Äquivalent der Wärme angestellt hat, an
dessen Entdeckung er ein selbständiges Anrecht hat, wenn auch J. R. Mayer
das Gesetz weiter aufgefasst und früher veröffentlicht hat Bei Gelegenheit
dieser Arbeiten lernen wir Joule von einer neuen Seite schätzen, von der
eines selbständigen Denkers von hervorragender Originalität, und wir er-
halten gleichzeitig einen deutlichen Einblick in seine Gedankenwerkstatt,
denn gerade diese Untersuchungen und daran sich anschliessende über die
Verwendung von Elektromagneten zur Erzeugung mechanischer Arbeit hatten
ihn zu seiner grossen Entdeckung geführt.
7. Arbeiten von J. Bosscha. Die von Joule und William Thomsos
gegebene Anregung blieb recht lange Zeit ohne Nachfolge; erst im Jahre
Das Energiegesetz in der Elektrochemie. 737
wurde durch den holländischen Physiker Bosscha in Leiden1 eine er-
Untersuchung darüber angestellt, ob die von den Genannten gemachten
ssetzungen sich mit der Wirklichkeit decken. Bei dieser Gelegenheit
e sich wie häufig der petrificirende Einfluss geltend, welcher den Über-
eines wissenschaftlichen Gedankens aus der ersten Hand in die zweite
:et: während Helmholtz und Thomson es noch unbestimmt gelassen
, ob wirklich alle durch den chemischen Vorgang entwickelte Energie
inerhalb der Kette in elektrische umwandelt, betrachtet Bosscha es
sowohl als seine Aufgabe, diese Voraussetzung zu prüfen, als vielmehr,
beweisen. Naturgemäss bezogen sich seine ersten Messungen auf die
mmenste der damals bekannten Ketten, die ÜANiELi/sche, und bei
fand er, den Thatsachen gemäss, allerdings die chemische Energie so
gleich der elektrischen, dass er die noch vorhandenen Unterschiede als
chsfehler auffassen zu dürfen glaubte. Als er dann in der Folge2 mit
tn Thatsachen bekannt wurde, welche zu der Voraussetzung nicht
en wollten, so untersuchte er nicht deren Haltbarkeit, sondern ersann
\nzahl besonderer neuer Annahmen, welche die Thatsachen mit jener
lssetzung in Übereinstimmung bringen' sollten.
Da ähnliche Vorgänge sich in der Entwickelungsgeschichte der Wissen-
: beständig wiederholen, ist es von Werth, in den einzelnen Fällen ihre
laffenheit etwas eingehender zu untersuchen. Fast immer könnten
s Missgriffe vermieden werden, wenn man sich die Mühe nähme, die
ichlich gemachten Voraussetzungen ausdrücklich auszusprechen. Die
;ch gegebene Notwendigkeit, sich diese wenigstens vor Augen zu fuhren,
e in vielen Fällen vor entsprechenden Missgriffen unmittelbar bewahren;
kommt der wesentliche Vortheil, dass dadurch, wenn auch nicht der
r, so doch der eine oder andere Leser dazu angeregt wird, die Zulässig-
derselben zu prüfen. Indessen ist die mit der Erfassung eines wesent-
i Fortschrittes der Wissenschaft verbundene Mühe für die meisten so
i, dass nach der Erreichung dieses Zieles des Verständnisses Kraft
Lust zur Prüfung des Bodens, auf welchem es begründet worden ist,
Wanderer ausgegangen sind, und er empfindet es als eine Belästigung,
1 an ihn die Anforderung gestellt wird, auf dem Gipfel, den er mit so
ser Anstrengung erklommen hat, auch noch Untersuchungen vorzuneh-
, ob er aus festem Felsen, oder veränderlichem Eis und Schnee besteht.
In seiner zweiten Mittheilung geht Bosscha auf die elektromotorische
"t anderer Zusammenstellungen ein, und findet da manche Widersprüche
chen der aus der chemischen Wärme berechneten und der thatsäqhlich
>achteten elektromotorischen Kraft. So ergiebt sich aus den verschie-
:n Beobachtungen der bei der Elektrolyse des Wassers entstehenden
risation, dass diese rund 2,3 Mal so gross gefunden wird, als die elek-
lotorische Kraft eines ÖANiELi/schen Elementes. Berechnet man die
1 Pogg. Ann. 101, 517. 1857. * Pogg. Ann. 103, 487. 1858.
50*
ygg Fünfzehntes Kapitel.
Wärmeentwickelung, welche dieser elektromotorischen Kraft entsprecht
würde, so erhält man viel zu grosse Zahlen gegenüber der unmittelbar be-
stimmten Verbrennungswärme des Wasserstoffs im Sauerstoff. Die beiden
Werthe stehen im Verhältniss 114:71. „Wie seltsam auch dies Resultat
auf den ersten Blick erscheinen mag, so glaube ich doch nicht, dass es
schwer hält, eine Erklärung davon zu finden. In der That, die Gase, welche
sich bei der Elektrolyse des Wassers entwickeln, besitzen andere Eigen-
schaften, als die, welche Favre und Silbermann in ihren Calorimetern ver-
brannten. Der bei der Elektrolyse in Freiheit gesetzte Sauerstoff bildet jene
Modification, welche man mit dem Namen Ozon oder als aktiven Sauerstoff
bezeichnet hat. Der gleichfalls im Statu nascendi entwickelte W asserstoff kann
bei Metallsalzen Reductionen hervorbringen, welche der gewöhnliche Wasser-
stoff nicht zu Stande bringt. Die Gase also, welche durch Elektrolyse in
Freiheit gesetzt werden, charakterisiren sich durch eine grössere chemische
Verwandtschaft. Nun ist ganz unbestreitbar, dass eine chemische Verbin-
dung eine desto stärkere Wärmeentwickelung liefert, je grösser die Ver-
wandtschaft der sich vereinigenden Substanzen ist. Man konnte also im
Voraus erwarten, dass die durch die elektromotorische Kraft des Polarisa-
tionsstromes bestimmte Verbindungswärme der aktiven Gase grösser sein
werde, als die, welche die Herren Favre und Silbermann fanden, als sie
diese Gase sich im gewöhnlichen Zustande verbinden Hessen. Nach diesen
Erklärungen würde die durch unsere Messungen gelieferte Zahl das elektro-
thermische Äquivalent der Verbindung von Wasserstoff und Sauerstoff im
aktiven oder Entstehungszustande vorstellen."
In den vorstehenden Darlegungen ist so gut wie alles fehlerhaft, und
es ist um so wichtiger, schon hier auf die zweifelhaften Bestandtheile dieser
Argumentation hinzuweisen, als die hier gegebene Auffassung die Wissen-
schaft lange Zeit beherrscht hat, und vermuthlich auch noch heute eine
Anzahl Vertreter besitzt. Zunächst ist die Zahl für die elektromotorische
Kraft der Polarisation, von welcher ausgegangen wird, keine richtige. Sie
stellt die Polarisation in dem Falle dar, wo ein mehr oder weniger starker
Strom durch die Lösung geht; nun ist aber die Polarisation von der Strom-
stärke abhängig, und es muss zuerst festgestellt werden, welcher Werth
eigentlich als der richtige den Rechnungen zu Grunde zu legen ist Die
Forschungen der neuesten Zeit haben gelehrt, dass in der That die Polari-
sation mehr als zweimal zu hoch geschätzt worden ist, und dass eine dauernde
Zersetzung des Wassers (unter Ausschluss seeundärer Vorgänge) bei einer
elektromotorischen Kraft möglich ist, welche der eines DaNiELi/schen Ele-
mentes nahe liegt.
Ein zweiter bedenklicher Schritt ist die Einfuhrung zweier Arten von
chemischen Vorgängen an der Elektrode: solcher, welche mit dem Strome
verknüpft sind, und solcher, welche davon unabhängig sind. Zwar hat
Hosscha hier einen sehr hochstehenden Vorgänger, nämlich Faraday, von
dem die Unters^^ung primärer und seeundärer Vorgänge an den Elek-
Das Energiegesetz in der Elektrochemie. 789
a herrührt; nichtsdestoweniger hat sich durch diese Idee ein immer
er Ausweg gezeigt, Widersprüche zwischen der Annahme der vollstän-
Umwandlung der chemischen Energie . in elektrische durch den Hinweis
ie Möglichkeit solcher Nebenwirkungen formell zu beseitigen. Hierbei
ich fast immer eine seltsame Umkehrung der logischen Forderungen
Beweises geltend gemacht, denn die Vertreter solcher Ansichten hielten
Aufgabe meist für erledigt, wenn sie darauf hingewiesen hatten, dass
>rhandenen Unterschiede durch Nebenreaktionen erklärt werden könnten,
zahlenmässigen Beweis, dass in der That die vorausgesetzten Neben-
onen gerade die erforderliche Wärmeentwickelung geben, haben sie
owenig anzutreten versucht, wie hier ihr Vorgänger, sondern im Gegen-
von der anderen Seite verlangt, sie sollten beweisen, dass überhaupt
Nebenreaktionen stattfinden, was bei der Unbestimmtheit dieses Be-
s allerdings nicht wohl auszufuhren war.
Sachlich sei noch zu dem bestimmten Falle bemerkt, dass das Ozon
als geringfügiges Nebenprodukt bei der Elektrolyse auftritt, und dass
Annahme, aller Sauerstoff entstehe in der Gestalt von Ozon, eine will-
:he und unbewiesene Voraussetzung ist. Die Existenz eines Ozonwasser-
s ist zwar von Osann behauptet worden, der Beweis konnte aber nicht
irt werden, und in der That kann der gewöhnliche Wasserstoff alles
n, was der elektrolytische thut.
Für die kautschukartige Natur der gegebenen „Erklärung" findet sich
ld in der Abhandlung ein Nachweis. Bosscha geht auf den Umstand
dass die Polarisation verschieden gefunden worden sei. „Es scheint mir
schwierig, dies Phänomen zu erklären. Wir haben angenommen, dass
Verlust oder Gewinn an Spannkraft oder lebendiger Kraft, welcher an
Oberfläche der Elektroden stattfindet, die elektromotorische Kraft modi-
n müsse. Ebenso wie die Aktivität der durch die Elektrolyse ent-
elten Gase die elektromotorische Kraft des Polarisationsstromes erhöht,
so muss die Zurückführung der Gase in den gewöhnlichen Zustand,
1 sie an der Oberfläche der Elektroden geschieht, den Werth von p
Polarisation) verringern." Auf die Schwierigkeit, dass gleichzeitig an
elben Elektrode die höhere Polarisation, welche durch die Ozonbildung
ngt ist, und die niedere, welche durch die Rückverwandlung des Ozons
ewohnlichen Sauerstoff bedingt ist, bestehen soll, ist nicht eingegangen
den. Es müsste denn weiter die Annahme gemacht werden, dass je
1 der Stromstärke ein Theil der Gase in dem einen, und der andere
il in dem anderen Zustande abgeschieden wird.
Weiter geht Bosscha auf den Schluss aus seinen Voraussetzungen ein, dass
elektromotorische Kraft verschiedener Ketten, in denen der gleiche chemi-
1 Vorgang stattfindet, z. B. solcher aus Zink und einem anderen Metall in
ren, gleich gross sein müsse, wie auch Svanberg angab, gefunden zu haben.1
1 Pogg. Ann. 73, 298. 1848.
7QO Fünfzehntes Kapitel.
Hier zeigt er indessen eine anerkennenswerthe Objectivität des Urthdkv
indem er diese Angabe in Zweifel zieht, und durch den Versuch thatsadt»
liehe Verschiedenheiten ermittelt. Die Erklärung wird auf ähnlichem Wep
gesucht: es wird, wie schon William Thomson angedeutet hatte, angenoo-
men, dass der Entwickelung des Wasserstoffes an verschiedenen Metalki
ein von der Natur desselben abhängiger Widerstand sich entgegensetze, iw
dem die Unterschiede herrühren.
8. Die thermochemischen Forschungen. P. Favre. Die weitere
Entwickelung der von Joule, Helmholtz und W. Thomson angeregten Ideei
war im höchsten Maasse davon abhängig, dass die maassgebenden Grössen,
die Wärmeentwickelungen bei chemischen Vorgängen, einer genaueren Unter-
suchung unterzogen wurden. Die Geschichte dieses interessanten Kapitels i
kann an dieser Stelle nicht gegeben werden, es sei nur so viel erwähnt,
dass, nachdem aus dem Anfange des Jahrhunderts einzelne Messungen von
Lavoisier und Laplace, sowie dem Grafen Rumford vorlagen, lange Zeit
keine weiteren Untersuchungen über diesen Gegenstand vorgenommen wurden.
Erst 1823 stellte die Pariser Akademie eine Preisfrage über die Quellender
thierischen Wärme, bei welcher Gelegenheit C. S. Despretz,1 welcher auch
den Preis erhielt, einige Bestimmungen über die Verbrennungswärmen der
in Betracht kommenden Stoffe ausgeführt hat, die er später auch auf Metalle
ausdehnte. Später folgte Dulong, dessen Versuche aber erst nach seinein
Tode herausgegeben wurden.3
Der erste, welcher systematische Messungen auf Grund richtiger Prinapien
vornahm, war dann G. H. Hess, dessen Arbeiten im Jahre 1839 begannen,8 und
die ihn noch vor der Aufstellung des Gesetzes von der Erhaltung der Energie
zu der Aufstellung des Gesetzes von den constanten Wärmesummen führten,
welches nichts als eine Vorausnahme eines Theiles jenes allgemeinen Gesetxes
ist. Die Entdeckung von Hess besagt nämlich, dass die gesammte Wärme-
menge, welche bei einem chemischen Vorgange entwickelt wird, nur vom
Anfang und Ende dieses Vorganges abhängt, nicht aber von den Zwischen-
stufen, welche der Vorgang durchläuft.4
Fast gleichzeitig mit den Arbeiten von Hess erschienen dann die thermo-
chemischen Untersuchungen von Andrews6 und Graham,6 welche einzelne
besondere Fragen betrafen. Von viel grösserer Bedeutung waren die 1
1 Ann. chim. phys. 26, 337. 1824. — Rech. exp. sur les causes de la chaleur aninufc
Paris 2824. (Die Abhandlung in den Ann. chim. phys. ist unvollständig.)
* Comptes rendus 7, 871. 1838.
9 Zusammen abgedruckt im 9. Bande der „Klassiker der exakten Wissenschaften "♦
Leipzig 1890.
4 Der Satz ist nur richtig, wenn der Druck, unter welchem alle Reaktionen erfolgen, der
gleiche ist. Ein besonderer Fall ist der, dass keine Volumänderung stattfindet, und somit über-
haupt keine äussere Arbeit geleistet wird. Die erste Bedingung war von Hess immer einge-
halten worden, wenn er ihre Nothwendigkeit auch nicht gekannt hat.
5 Trans. Irish Acad. 19, 228. 1841 u. ff.
6 Chem. Soc. Mem. 1, 106. 1841—43. — Journ. f. prakt. Chem. 80, 152. 1843 *• ^ •
Das Energiegesetz in der Elektrochemie. ng \
inenen Arbeiten von Favre und Silbermann,1 durch welche ein unge-
ausgedehntes, wenn auch nicht immer fehlerfreies Versuchsmaterial
Vissenschaft zugänglich gemacht wurde. Auf diese Arbeiten haben
dann noch ziemlich lange Zeit die Rechnungen in unserem Gebiete
tzt, bis später durch die Forschungen von Julius Thomsen und Mar-
* Berthelot die Grundlagen unserer gegenwärtigen Kenntnisse in diesem
*te gelegt wurden.
Von den beiden oben genannten Forschern ist Pierre Favre für uns
rch von besonderer Bedeutung, dass er die Wärmeerscheinungen bei
VoLTA'schen Ketten zum Gegenstande sehr ausgedehnter Arbeiten
tte. Waren auch durch Joule die grundlegenden Verhältnisse bereits
elegt worden, so gab es doch noch im Einzelnen sehr viel zu arbeiten,
diesen Aufgaben hat sich unser Forscher mit der grössten Ausdauer
•zogen.
Pierre Antoine Favre ist am 20. Februar 181 3 in Lyon geboren. Seine
jnschaftliche Ausbildung erhielt er durch Peligot, dessen Assistent am
>ervatoire des Arts et Metiers er nach kurzer Zwischenthätigkeit im phy-
gischen Gebiete wurde. Während dieser Stellung befreundete er sich
Silbermann, welcher gleichzeitig am physikalischen Institut derselben
talt unter Pouillet Assistent war, und beide vereinigten sich zu der aus-?
Anten Arbeit über die Wärmeentwickelungen bei chemischen Vorgängen,
:he die erste weitumfassende Untersuchung dieser Art war. Auch in der
je blieb Favre diesem Gebiete getreu, und hat darin bis zu seinem Ende
•beitet Er wurde nacheinander Professor an der Facult£ de Mtedecine in
s, Professor der Chemie an der Facult£ des Sciences in Marseille und
ren derselben Facultät. 1878 musste er wegen Krankheit seine Stellungen
jeben, und verschied nach langem Leiden in Marseille am 17. Februar
o im Alter von 67 Jahren.2
Bereits in der gemeinsam mit Silbermann ausgeführten Arbeit hatte
rKE auch die Verhältnisse der VoLTA'schen Kette berücksichtigt; genauer
g er auf sie 1853 3 ein. An diese Mittheilung schloss sich eine Reihe
terer kleinerer Aufsätze in den Comptes rendus vom Jahre 1854 an,
che zu einer Gesammtarbeit zusammengefasst in den Memoires der
ademie des Sciences, Bd. 25, 1877, veröffentlicht wurden.
Die ersten Versuche beziehen sich auf die Frage, ob das Gesetz von
- Erhaltung der Energie sich auch bei den hydroelektrischen Erscheinungen
itätigt. Es wurde eine Kette in das Quecksilbercalorimeter gebracht, und
entwickelte Wärme gemessen, indem einmal die beiden Elektroden nur
-ch einen kurzen, praktisch widerstandsfreien Kupferdraht geschlossen
ren, während bei anderen Versuchen längere oder kürzere Widerstands-
1 Comptes rendus 18 — 29. Zusammengefasst in den Ann. chim. phys. 34, 357; 36, I;
406. 1852—53.
2 Comptes rendus 90, 329. 1880. 3 Ann. chim. phys. 40, 293. 1853.
7Q2 Fünfiehntes Kapitel.
drähte eingeschaltet wurden. Als Ketten dienten solche aus Zink und PI
in verdünnter Schwefelsäure nach Smee, und der Betrag der chembd
Fig. :
Nach Favre.
Wirkung
Fig. 202
wurde durch das Volum des entwickelten Wasserstoffes gemessen.
und 203 geben die Zusammensetzung der Elemente und den Auf-
bau von mehreren in dem Queck-
silbercalorimeter zu erkennen. Letz-
teres ist wesentlich nichts als ein grosses
Thermometer aus Eisen, in dessen
Inneres mehrere unten geschlossene
Röhren ragen, welche Favre Muffeln
nennt. Diese Muffeln nehmen die
Röhren auf, in welchen die chemischen
Vorgänge stattfinden, in diesem Falle
die Ketten, und die in ihnen ent-
wickelte Wärme theüt sich dem Queck-
silber des Calorimeters mit, welches
dadurch eine Ausdehnung erfährt. Der
Betrag dieser Ausdehnung kann in
dem getheilten Rohre TC TC ge-
messen werden, und um den Queck-
silberfaden vor dem Versuch auf N°»
zu bringen dient die Schraubenpumpe "
EE sind die Messröhren, in denen
das in den Ketten entwickelte Was-
serstorTgas aufgefangen wird.
Fig. 103. Nach Fav
Das Energiegesetz in der Elektrochemie.
793
Zunächst ergab sich, dass die für i g Wasserstoff entwickelte Wärme
längig von dem Widerstände des Stromkreises ist, und gleich der
lemenge, welche sich beim Auflösen des Zinks in verdünnter Schwefel-
unmittelbar entwickelt Es hat also keinen Einfluss auf die gesammte
leentwickelung, ob vorher ein grösserer oder kleinerer Theil der Energie
lektrische in den äusseren Stromkreis gewandert war. Als aber in
Stromkreis gleichzeitig ein Voltameter mit verdünnter Schwefelsäure
schaltet wurde, ergab sich eine geringere Wärmemenge, und zwar
ie um so viel geringer, als die Verbrennungswärme des im Voltameter
ekelten Knallgases beträgt. Dabei mussten natürlich mehrere (fünf)
ente hintereinander geschaltet werden, um die zur Elektrolyse erforder-
elektromotorische Kraft zu erzeugen, und demnach wurde nur die einem
:el des aufgelösten Zinks entsprechende Menge Knallgas gebildet. Die
m sind:
Ein Äquivalent Zink bei unmittelbarer Auflösung giebt . . 188 K
Nach Einschaltung des Voltameters 117 ,,
Verbrennungswärme von l/5 Äquivalent Knallgas ... 69 „
Summe 186 K.
Die Summe der beiden Wirkungen, 186 K, ist innerhalb der Versuchs-
r gleich der unmittelbaren Wärmeentwickelung von 188 K. l
Als zweite Aufgabe stellte sich Favre den Nachweis des Erhaltungs-
tzes für den Fall, dass
elektrische Strom me-
lische Arbeit leistet. Zu
am Zwecke wurde ein
1er elektromagnetischer
or in ein besonderes
mmeter eingeschlossen,
rend eine Batterie von
' SMEE'schen Elementen
dem früher beschriebe-
Calorimeter unterge-
cht war. Die von dem
tor geleistete Arbeit
inte durch die Höhe be-
nmt werden, auf welche
gewisses Gewicht ge-
icht wurde, und der ganze
ifbau ist in Fig. 204 sehe-
risch dargestellt.
Die ohne äussere Arbeit Fig. 204. Nach Favre.
1 Als Wärmeeinheit K dient hier wie in dem ganzen Werke die Wärmemenge, welch*»
Wasser von o° bis 100° erwärmt.
iqa Fünfzehntes Kapitel.
von einem Äquivalent Zink entwickelte Wärme betrug 187 AT. Wenn
Motor ohne Bewegung in den Strom eingeschaltet war, so entwickelte
durch seinen Widerstand 22 AT, während in der Batterie 164 K en
wurden: die Summe ist wieder 186 K. Lief der Motor, ohne ein
zu heben, so entwickelte er 48 AT, die Kette 139 K\ Summe 187 K.
der Motor endlich ein Gewicht, so entwickelte er 29 K, die Kette 154
Die Summe ist geringer als früher, nämlich nur 183 K\ der Un
von 4 oder 5 K entspricht der geleisteten Arbeit, welche 131 Kilo:
meter oder 4,5 K betrug.
Da bei diesem Versuch der Betrag der Arbeit so gar klein war,
er kaum erheblich über die Versuchsfehler hinausging, so wied
Favre die Bestimmung unter günstigeren Verhältnissen. Zahlen sind über
diese Versuche leider nicht mitgetheilt, sondern nur das Endergebnis»
dass das mechanische Wärmeäquivalent gleich 413 statt 426 gefunden |-
worden war.
Weitere Versuche über die Wärmeentwickelung bei der Magnetisirung,
sowie bei der Induction unter verschiedenen Umständen, brauchen hier nicht
mitgetheilt zu werden; sie bestätigen gleichfalls den Satz von der Erhaltung
der Energie.
An diese Messungen, bei denen bereits zu jener Zeit neue Entdeckungen
nicht zu erwarten waren, schloss sich etwas später1 eine weit interessantere
und schwierigere Frage: wieviel von der chemischen Energie kann in Gestalt
der elektrischen aus einem galvanischen Elemente erhalten werden?
Auf diese Frage war Favre dadurch gelangt, dass es ihm nicht ge-
lungen war, auch durch Anwendung sehr grosser, ausserhalb des Calorv
meters angebrachter Widerstände alle Wärme aus der Kette nach aussen
zu ziehen; es blieb immer ein nicht unbeträchtlicher und die Versuchsfehler
weit übersteigender Betrag der Wärme im Element zurück. Da der innere
Widerstand in seinen SMEE^schen Ketten gegen den äusseren verschwindend
klein war, so erschien diese Unmöglichkeit, alle chemische Wärme in elek-
trische zu verwandeln, von prinzipieller Wichtigkeit, und Favre widmete der
Frage ein besonderes Interesse, ohne freilich die richtige Antwort zu finden.
Als Beispiel für die Erscheinung sei der folgende Auszug aus einer seiner
Tabellen angeführt:
Wärme in Wärme im
Calorimeter Widerstände
Die Batterie allein 187 K —
Bussole dazu 146 „ 41 K
r = 1000 mm 50 „ 136 „
r = 2000 „ 42 „ 144 „
r = 4000 „ 37 „ 150 „
r = 6000 „ 33 „ 154
»t •
Wie man sieht, nimmt die Wärmeentwickelung in der Batterie immer
1 Comptes rcndus 46, 658. 1858.
Das Energiegesetz in der Elektrochemie. 7QC
ine jedoch Null zu werden, und es lassen sich nur etwa 6/e der ge-
ten Wärme der Batterie entziehen, das letzte Sechstel bleibt aber darin.
rAVRE prüfte verschiedene Erklärungsversuche. Zunächst zeigte sich,
Dei fortgesetztem Betrieb des SMEE^schen Elementes sich zuweilen Zink
en Platinplatten absetzte; die zur Zersetzung des Zinksulfats erforder-
Energie musste daher dem Strome entzogen werden, und da sich das
allmählich wieder auflöst, so wird die entsprechende Wärme frei. In-
i erwies sich diese Erklärung als nicht ausreichend, denn wenn Ele-
? angewendet wurden, in welchen die Flüssigkeiten durch eine poröse
getrennt waren, so dass eine Zinkabscheidung nicht möglich war,
m dennoch 41 bis 45 K in der Batterie zurück, welche nicht übertrag-
baren.
Schliesslich wurde Favre zu derselben Ansicht gefuhrt, welche Bosscha
*8) ausgesprochen hatte, dass nämlich die Wärme daher rühre, dass
Vasserstoff in einem anderen Zustande ausgeschieden werde, als er ge-
dieh ist, und dass der Übergang aus diesem aktiven Zustande in den
►hnlichen die örtliche Wärmeentwickelung bedingt Er spricht dies
ndermaassen aus: „Die Wärmeschwingungen und die elektrodynami-
1 Schwingungen können somit gleichzeitig in dem Strome entstehen,
dass die ersten die Umwandlungen der letzteren bedingen; und um-
hrt."
Es muss an dieser Stelle wieder auf den seltsamen Entwicklungsgang
^wiesen werden, welchen diese Frage genommen hat. Das Energiegesetz
ngt, dass die in einander umgewandelten Energiemengen einander äqui-
it sind, d. h. dass wenn die umgewandelten Beträge wieder zurückver-
lelt werden, sie genau den verschwunden gewesenen gleich sind. Ob
in einem gegebenen Falle die Umwandlung vollständig oder unvoll-
lig erfolgt, darüber sagt der erste Hauptsatz nicht das geringste aus.
Stelle der von Helmholtz formulierten Aussage, dass, wenn die Um-
ilung der chemischen Energie in die elektrische vollständig ist, die be-
tte Beziehung zwischen der Reaktionswärme und der elektromotorischen
t bestehen müsse, hat sich die Annahme gesetzt, die Umwandlung müsse
tändig sein, und anstatt die Thatsache, dass ein Unterschied besteht,
n auszusprechen, dass eben Fälle vorliegen, in denen die Umwandlung
theilweise erfolgt, glaubt Favre wie Bosscha Auskunft darüber geben
nüssen, warum sie nicht vollständig erfolgt. Um also eine wohlbeob-
ete Thatsache mit einem gar nicht existirenden Gesetze in Einklang zu
*en, wird eine Hypothese gemacht, die anderweitig nicht begründet
so schwierig ist es zuweilen, die Thatsachen in ihrer Einfachheit auf-
>sen.
8. F. M. Raoult. Nachdem die Arbeiten Favres bis zu diesem Punkte
ehen waren, trat eine längere Unterbrechung derselben ein, während
her ein anderer französischer Forscher, der später durch seine Unter-
ungen über den Gefrierpunkt der Lösungen berühmt gewordene F. M
ngft Fünfzehntes Kapitel.
Raoult,1 die Untersuchung aufnahm und beträchtlich förderte. Raoul
der erste, welcher einen unmittelbaren Vergleich der in der Kette entwic
und der auf elektrischem Wege übertragbaren Energie in Gestalt von V
ausführte, und die im Allgemeinen vorhandene Verschiedenheit der „<
sehen" und der „elektrischen" Wärme auffand. Daneben sind von ih
Stimmungen elektromotorischer Kräfte ausgeführt worden, die, wenn sie
nichts prinzipiell Neues ergaben, doch zur Aufklärung einiger Punkt
Werth waren.
Der erste Theil von Raoult's Arbeiten bezieht sich auf die Mi
der elektromotorischen Kräfte, für welche er zwei Verfahren angieb
Oppositions- und die Derivationsmethode; sie beruhen beide auf de
setzen der verzweigten Ströme und haben kein besonderes Interesse,
die Messung der elektromotorischen Kraft führte er das ÜANiELL'sche El
als Norm ein, und gab ihm d
stehend abgebildete Form, in w
es in der Folge vielfach angei
worden ist. Die beiden Gefäss
halten je Kupfer- und Zinl
lösung, in welche Platten odei
von dem entsprechenden Metal
chen; der verbindende Heber
den Enden mit Blase gescl
und wird jedesmal nach dem Gebrauche entfernt und entleert, um
Vermischung der Flüssigkeiten zuvorzukommen.
Die Untersuchung erstreckte sich zunächst auf die Frage, ob dii
tromotorische Kraft einer Kette dieselbe bleibt, wenn ein Strom du:
geht, und wenn dies nicht der Fall ist. Es ergab sich eine sehr £
Abnahme der Kraft beim Stromdurchgange sowohl im Falle des Daniell
wie des SMEt'schen Elementes und Raoult spricht daher den Satz aus:
elektromotorische Kraft einer VoLTA'schen Kette ist die gleiche währei
Zersetzung und unmittelbar darauf, während einer intensiven Wirkunj
wenn die Wirkung Null ist, wenn nur die Stoffe sich nicht ändern,
mit den Polflächen in unmittelbarer Berührung sind."
Ferner beschäftigte sich Raoult mit der Frage nach der Zusa:
Setzung der elektromotorischen Kräfte in den Elementen mit zwei N
und zwei Flüssigkeiten. Jedes Metall in seiner Flüssigkeit nannte
Halbelement, und aus der Messung verschiedener Zusammenstellungen :
Halbelemente gelangte er zu dem Satze: „Die elektromotorische Kraft,
durch die Zusammenstellung zweier Halbelemente hervorgebracht wi
gleich der algebraischen Differenz der Kräfte, die durch jedes bei <:
rührung mit einem dritten beliebigen Halbelemente hervorgebracht i
' Comptes renduä 87, 501.). 1863; 58, 521. 1864. — Ann. chim. phys. (4),
1864 und 4, 39;. 1865.
Fig. 105. Nach Raoult.
Das Energiegesetz in der Elektrochemie. 797
geschieht, als wenn durch die Berührung der Flüssigkeiten unter ein-
keine elektromotorische Kraft hervorgebracht würde."
ür die Richtigkeit dieses Satzes werden zahlreiche Beobachtungen bei-
:ht; er gilt sowohl für ruhende Elemente, wie auch für die Polarisation
liedener Platten. Dass ein solcher Satz bestehen kann, hängt mit der
;en elektromotorischen Kraft der Flüssigkeiten gegen einander zusam-
auf deren Betrachtung Raoult nun übergeht.
)ie von Becquerel gemachte Annahme, dass bei der Berührung von
oder Platin mit Flüssigkeiten keine elektromotorische Kraft entstehe,
verworfen, weil, wie Raoult mit Recht bemerkt, die Änderung der
lung einer solchen Platte in der Flüssigkeit im Laufe der Zeit ganz
liehe Werthe annehmen kann, wie sie bei der Zusammenstellung mit
Kupferplatte in Kupfersulfat (welche ihre Spannung unverändert bei-
t) nachweisen lässt. Man darf daher nicht annehmen, dass eine Grösse,
le sich um 0,4 eines DANiELi/schen Elementes ändern kann, Null ist.
einen Einblick in den Betrag der elektromotorischen Kräfte von Flüssig-
cetten zu erhalten, untersuchte Raoult den Fall, welchen schon Nobiu
Fechner hergestellt hatten: zwei gleiche Elektroden in der gleichen Flüs-
it, zwischen denen die anderen Flüssigkeiten sich befanden. Die dabei
achteten elektromotorischen Kräfte waren sehr klein. Raoult sprach
r den Satz aus: „Die bei der Berührung zweier Flüssigkeiten entstehende
romotorische Kraft ist sehr nahe gleich dem Unterschiede der Kräfte,
he bei der Berührung jeder derselben mit einer beliebigen Flüssigkeit
:ehen." Es besteht mit anderen Worten zwischen den Flüssigkeiten das
itz der Spannungsreihe, wie es Volta für die Metalle angenommen hatte;
hier wie dort lässt sich sagen, dass am einfachsten dem Gesetz der
nnungsreihe genügt wird, wenn die Spannungen selbst Null sind.
Raoult nahm indessen das Bestehen ziemlich bedeutender Spannungen
inzelnen Flüssigkeitsketten, insbesondere der Säure-Alkali-Kette an. Hierzu
te ihn folgende Überlegung: „Ein Äquivalent Kali entwickelt bei der
bindung mit Schwefelsäure 160 K. Die elektromotorische Kraft xy welche
der Wirkung des Kalis auf die Schwefelsäure herrührt, beträgt demnach,
h dem- Prinzip der Übereinstimmung der elektromotorischen Kräfte mit
1 Wärmeentwickelungen berechnet, gemäss der Proportion = - ,
o > c> r IOO 2^g
= 67, wo 239 die in einem DANiELL'schen Elemente für ein Äquivalent
^findende Wärmeentwickelung ist, und die elektromotorische Kraft des-
3en gleich 100 gesetzt wird."
Diesen Schluss versucht Raoult auf eine ganz bemerkenswerthe Weise
prüfen. Eine Kali-Schwefelsäure-Kette gab mit frischen Platinplatten vor
Polarisation 70, mit Gold 79, mit Kohle 73; mit Sauerstoff bis zur Sät-
mg polarisirte Platinplatten gaben 77; da nun so verschiedene Elektroden
lezu gleiche Werthe gaben, erscheint es unwahrscheinlich, dass es sich
eine speeifische Eigenschaft der Elektroden handelt, und die constante
7g8 Fünfzehntes Kapitel.
elektromotorische Kraft muss dem constant bleibenden Faktor in
Ketten zugeschrieben werden, nämlich der Berührung zwischen Säure
Alkali.
Diese Schlussweise ist jedenfalls viel besser begründet, als die
über diese Frage gehegten Vermuthungen, sie ist aber dennoch nicht ri
Die theoretisch beste Kette von den untersuchten ist die mit sauerstoffhaltige!!
Platinplatten, da sie die einzige constante ist; die theoretische Au
derselben, welche in neuester Zeit erbracht worden ist, ergiebt, dass
elektromotorische Kraft doch an der Berührungsstelle der Platinplatten dI-
den Flüssigkeiten liegt, und an der Berührungsstelle der beiden Lösung«
nur etwa 6 in den gebrauchten Einheiten vorhanden ist. Die Gleichheit
der elektromotorischen Kräfte bei den verschiedenen Elektroden rührt daher,
dass in allen Fällen der gleiche chemische Vorgang an ihnen stattfindet,
indem beim Stromdurchgang einerseits Sauerstoff, andererseits Wasserstoff
ausgeschieden wird. Die mit Sauerstoff gesättigten Elektroden werden da-
durch nich polarisirt, da einerseits der auftretende Wasserstoff oxydirt wird,
andererseits die vorhandene Sättigung mit Sauerstoff nicht geändert wird,
wenn auch neuer Sauerstoff erscheint.
Raoult wendet sich nun zu der Frage nach der Polarisation der Elek-
troden. Um sie zu bestimmen, benutzt er eine Wippe, welche die polarisirte
Platte abwechselnd mit der polarisirenden Säule und dem compensirendei
Stromkreise verbindet, in welchem die elektromotorische Kraft gemessen wiid
Auf Grund vorgängiger Versuche hatte er gefunden, dass bei ioo Strom-
wechseln in der Sekunde ein Werth für die Polarisation beobachtet wird,
welcher bei weiterer Steigerung der Geschwindigkeit der Wippe nicht mekr
zunimmt; diesen hat er daher für den thatsächlichen Werth genommen
Von den beobachteten Einzelheiten sei angeführt, dass er ein Maximum der
Wasserstoffpolarisation beim Platin in verdünnter Schwefelsäure fand, welche*
vom Oberflächenzustande des Metalles nur in geringem Grade abhängig war.
Verschiedene Metalle gaben verschiedene Polarisationen; am grössten war
die des Quecksilbers. Die Sauerstoffpolarisation war bei nicht angreifbares
Elektroden wesentlich unabhängig von der Beschaffenheit der letzteren, und
auch ziemlich unabhängig von der Natur der benutzten Lösung; nur Alkalica
gaben abweichende Werthe. Als allgemeine Ursache der Polarisation siebt
Raoult chemische Vorgänge an den Elektroden an.
Der zweite Theil von Raoult's Arbeit * bezieht sich auf den VergtekJ
der chemischen und elektrischen Energie. Um von allen Benutzung««
zweifelhafter fremder Werthe unabhängig zu sein, bestimmte er beide Wertke
besonders im Wärmemaass, indem er ein Quecksilbercalorimeter nach Favii
und Silbermann (S. 792) dazu benutzte. Letzteres war sehr einfach aus einem
starkwandigen Glaskolben mit zwei Hälsen construirt; der eine Hals erhielt
eine aus gefirnisstem Kupferblech gefertigte Muffel, der andere zwei Hahn*
1 Ann. chim. phys. (4), 4, 392. 1865.
Das Energiegesetr in der Elektrochemie.
nit Gyps eingekittet, von denen die eine i
rath, die andere zur Messröhre führte.
i eine Pipette mit Queck-
Fig. 206 zeigt die Ein-
Fig. 106. Nach Raoult.
; C ist das Calorimeter, A eine Sinusbussole, B eine Tangenten-
erstere maass die Spannung an den Polen des Elementes, letztere
nstärke. Fig. 207 stellt eines
tzten Elemente dar; die innere
t durch einen angekitteten un-
Pfeifenkopf gegen die äussere
Dssen, um die Vermischung
sigkeiten zu hindern.
ächst bestimmte Raoult die
«enge, welche seiner elektri-
nheit entsprach. Als Einheit
romotorischen Kraft wählte er
DANiELb'schen Elementes, als
ler Elektricitätsmenge die mit
■serstorT oder einer äquivalenten Menge eines anderen Ions verbun-
nge; letztere wurde durch das in einem eingeschalteten Kupfer-
:r {Kupfersulfat zwischen zwei Kupferplatten} abgeschiedene Kupfer
1, erstere durch den Vergleich mit einem Normal-Daniell mittelst
isgalvanometers. Als Wärmemenge, welche diesen Einheiten ent-
.vurden 239 K gefunden; diese Wärme wird entwickelt, wenn die
Elektricitätsmenge einen Anfall der Spannung um den Betrag der
atorischen Kraft eines Daniell erleidet.
Wärmeentwickelung, welche der Fällung eines Äquivalents Kupfer
Sulfat durch Zink entspricht, beträgt nach Favre und Silbermasü's
oult bestätigten Messungen 232 A"; es besteht also, wie auch Joule
scha gefunden hatten, eine fast vollkommene Übereinstimmung
Fig. 207. Nach Raoult
3oO Fünfzehntes Kapitel.
zwischen beiden. Bei anderen Elementen findet sie sich nicht in
Maasse wieder.
So berechnet Raoult aus seinen Messungen der elektromotorischen
und Favre und Silbermann's thermochemischen Messungen folgende Vi
gleichstabelle:
Substitution des Kupfers durch Zink im Sulfat . . . 232 K 233 K
„ „ Bleis durch Zink 156 „ 1 25 „
„ ,, Silbers durch Kupfer 163 „ 98 „
„ „ Wasserstoffs durch Zink 184 „ 136 „
Eigene Messungen der Wärmeentwickelung im Element, wenn dieset
durch einen kurzen Draht geschlossen war, gaben mit der aus der elektro-
motorischen Kraft berechneten Wärme verglichen:
Kupfer im Sulfat, Eisen im Sulfat 191 K 146 A'
Platin in Salpetersäure, Zink in Schwefelsäure. . . . 433 „ 406 „
Platin in Salpetersäure, Zink in Kali 472 „ 502 „
Kupfer im Sulfat, Zink in Kalilauge 302 „ 323 „
Chlor in Chlorwasserstoff mit Kohle, Kupfer im Sulfat 302 „ 323 „.
Um also die elektrische Energie eines beliebigen Elementes zu berechnen,
braucht man nur seine elektromotorische Kraft in Einheiten des DAKiEii/schcn
Elementes zu bestimmen, und mit dem Faktor 239 K zu multipliciren; die
erlangte Zahl giebt die Wärmemenge an, welche das Element in elektrischer
Form nach aussen leisten kann, wenn ein Äquivalent in Grammen der be-
theiligten Stoffe verbraucht wird.
Das letzte Element ist gleichfalls nach den Bestimmungen . von Favbi
und Silbermann berechnet.
Wie man sieht, stimmen beide Reihen keineswegs überem. Auch iÄ
sich Raoult im Gegensatz zu den meisten, welche über diese Angelegenheil
arbeiteten, vollkommen klar darüber, dass dies keineswegs der Fall zu seil
braucht. „Wenn bei dem in der Säule erfolgenden chemischen Vorgange
alle Theilwirkungen, die an der thermischen Wirkung sich betheiligen, <fcf
auch an der elektrischen Wirkung thäten; wenn alle Wärmequellen, wie &
Oxydation, die Verbindung der Säuren mit den Basen, die Zustandsände-
rungen der Stoffe, die Lösung, die Diffusion u. s. w. — wenn alle diese
Ursachen, welche fähig sind, eine bestimmte Menge lebendiger Kraft als
Wärme zu entwickeln oder zu verbrauchen, auch fähig wären, eine gleiche
Menge als Elektricität hervorzubringen oder zu verschlucken, so müsste d*
VoLTA'sche Wrärme gleich der chemischen sein. Dies findet aber nicht notb-
wendig statt, und je nachdem die zu elektrischer Wirkung unfähige Ursache
Wärme entwickelt oder verbraucht, wird die Volt Ansehe Wärme grösser oder
kleiner als die chemische sein können."
In dieser klaren Einsicht der Freiheit des Verhältnisses zwischen beiden
Grössen ist Raoult seinen Zeitgenossen weit voraus, und nur in eineffl
Punkte macht er noch eine unbegründete Voraussetzung, nämlich darin,
dass er annimmt, gewisse Theilvorgänge verwandeln ihre Energie völlig in
elektrische, und andere gar nicht.
i
Das Energiegesetz in der Elektrochemie. 8oi
iin solcher Unterschied kann nicht gemacht werden, und es wäre rich-
gewesen, einfach zu erklären, dass die chemische und die elektrische
ie zwar sich häufig nahe kommen, dass aber ein bestimmtes Verhält-
wischen beiden allgemein nicht besteht. Es hängt von der chemischen
der reagirenden Stoffe ab, wie gross der Umwandlungscoefficient ist.
£s mag gleich bei dieser Gelegenheit ein Irrthum berichtigt werden,
er häufig zu Gunsten der vorausgesetzten Gleichheit beider Grössen
igen worden ist. Man findet gelegentlich die Bemerkung, es sei nach
besetz von der Erhaltung der Energie unmöglich, dass mehr elektrische
jie aus einer Kette entwickelt werde, als sie in chemischer Gestalt liefern
?. Die Antwort darauf ist, dass ein Überschuss an Energie der Umgebung
/arme entzogen werden kann, so dass keinerlei Verletzung des ersten
»tsatzes erforderlich ist. In den wohlbekannten Erscheinungen der Lö-
und der Verdampfung hat man ohnedies eine grosse Gruppe von Vor-
en, bei denen mit einer freiwillig eintretenden Zustandsänderung die
ahme von Energie aus der Umgebung verbunden ist, oder eine Ab-
mg während des Vorganges stattfindet.
Ausser den Wärmemessungen an Elementen stellte Raoult auch noch
:e an Voltametern an. Er fand in den untersuchten Fällen (Kupfer-
t und verdünnte Schwefelsäure zwischen Platinplatten) die Wärmeent-
elung stets grösser, als sie nach dem Widerstände des Voltameters sein
*, doch war der Betrag dieser „lokalen Wärme" mit der Stromstärke
:hieden, so dass sich Allgemeines nicht hierüber sagen lässt.
Diese Arbeiten Raoult's fanden, obwohl sie einen reellen Fortschritt
den damals eingenommenen Standpunkt hinaus darstellten, keine An-
nnung zu ihrer Zeit, und Raoult musste sich sogar mehrfach seine
-ität gegenüber später Gekommenen wahren. Auch hat er die so gut
mnenen Arbeiten auf elektrischem Gebiete nicht weiter fortgesetzt und
h sehr bedeutende Forschungen auf einem ganz anderen Felde sich die
*nschaftliche Anerkennung erworben, welche ihm hier zu Unrecht so lange
igt worden ist.
9. Favre's spätere Arbeiten. Mit dem Jahre 1860 tritt bei Favre
längere Pause in seinen Untersuchungen über die elektrochemischen
meerscheinungen ein. Erst sechs Jahre später werden sie wieder auf-
immen;1 die Erörterungen knüpfen wieder an die Unterschiede an;
he der Versuch zwischen der chemischen und elektrischen Wärme zu
nnen gab. Da diese Unterschiede bei den mit Gasentwickelung ver-
lenen Vorgängen am auffälligsten waren, beschäftigte sich Favre vpr-
end mit diesen.2
Die bekannte Eigenschaft des Palladiums, Wasserstoff aufzunehmen, wurde
von Favre benutzt, um über die Rolle des letzteren in der Kette wei-
1 Aufschluss zu erlangen. Mit Platin gab eine Kette 198 K; wurde unter
1 Comptes rendus 63, 369 1866. * Ebenda 67, 1014. 1868.
iwald, Elektrochemie. 5 I
802 Fünfzehntes Kapitel.
gleichen Umständen Palladium an Stelle des Platins benutzt,
Wasserstoff entwickelt wurde, so entstanden 240 AT, also 42 K
vorher. Nun wurde die Kette durch einen grossen, ausserhalb des ^st
meters befindlichen Widerstand geschlossen, und unter RerücksichtigULjr-^
durch den geringen Widerstand innerhalb der Kette bedingten Wä
Wickelung, ergab sich die nicht transformirbare Wärme im Palladium-EU
zu 89 K, die im Platin-Elemente zu 47 K. Der Unterschied betragt
42 AT, gerade die Zahl, welche für die Bindung des Wasserstoffe diK
Palladium gefunden worden war. Diese Wärme lässt sich 9omit
elektrische Energie verwandeln.
Durch eine Reihe anderer Versuche, bei denen das Palladium
trode in einem Voltameter benutzt wurde, konnte dies Ergebniss n
bestätigt werden: niemals bethätigte sich die bei der Absorption des ""^tä^
Stoffs frei werdende Energie elektromotorisch. Favre deutet dies Brgfrfrfr
in seinem Sinne des aktiven Wasserstoffs, gegenwärtig wissen wir, das*
unabhängig von sogenannten molekularen Umwandlungen des Wasserstau
jede Elektrode, welche mit gasförmigem Wasserstoff im Gleichgewicht«*;
auch das gleiche Potential haben muss. Demgemäss können wir in da
Sätzen, in welchen Favre dann seine Versuchsergebnisse zusarnmeafa^
keineswegs den Ausdruck wirklicher Erfahrungsthatsachen sehen, sondern
nur den einer bestimmten theoretischen Ansicht, welche weder die einzig
mögliche, noch auch die beste ist. Favre schreibt:
„Die in dem VoLTA'schen Kreise bethätigte Wärme rührt allein von
den elektrolytischen Vorgängen her, welche sich im Kreise vollziehen; sie
ist gleich der gesammten Wärme, welche durch diese Reaktionen ent-
wickelt wird.
„Die Wärmemenge, welche in den Ketten verbleibt, stammt von all»
molekularen Reaktionen her, welche auf die elektrolytische Reaktion folg»
oder ihr auch vorhergehen können, und welche sich nicht durch den Streu*
kreis bethätigen; sie ist gleich der algebraischen Summe aller einzelnen bfl
diesen Vorgängen entwickelten Wärmemengen."
Zur Zeit müssen wir den ersten Satz als unrichtig bezeichnen; er nw»
lauten: die im Stromkreise bethätigte Wärmemenge ist äquivalent dem Vcr-
hist an freier Energie,1 welcher durch den elektrolytischen Vorgang beÄtf
ist Der zweite Satz enthält eine richtigere Ansicht; in der That «ad dfc
nicht an den Stromkreis gebundenen, und daher auch nicht dem Farawi'*
sehen Gesetz unterliegenden Vorgänge für die Umwandlung in elektrische
Energie unzugänglich.
Ein sehr langes und interessantes Kapitel2 widmet Favre der „Von*-
sehen Energie", die er so definirt: „Ich verstehe unter dem Namen d*
VoLTA'schen Energie die Wärmemenge, welche in einem chemischen Elekto-
1 Der Begriff der freien Energie wird weiter unten erläutert werden.
1 Comptes rendus 69, 34. 186g und 73, 767 u. ff. 187 1.
Das Energiegesetz in der Elektrochemie. $03
entwickelt wird, und in den Stromkreis in elektrodynamischer Gestalt
sgbar ist, und welche zur Leistung irgendwelcher Arbeit verwendet
a kann." (Es ist gerade diese Grösse, welche ab die freie Energie
OLTAJschen Kette zu bezeichnen ist) Um diese Grösse zu bestimmen,
rt Favre im Allgemeinen so, dass er die Kette in das Calorimeter
» und sie durch einen grossen Widerstand ausserhalb des Calorimeters
wt; dann entwickelt sich die übertragbare Energie als Wärme im
"Stande, und nur der nicht übertragbare Theil bleibt im Calorimeter
c Ausserdem bleibt im Calorimeter noch der von dem Widerstände
Lette herrührende Theil der Stromenergie, doch kann dieser sehr klein
srhältniss zu dem äusseren Widerstände gemacht und ausserdem noch
Ler Kenntniss beider Grössen als Correction in Rechnung gebracht
:n, da nach dem Gesetz von Joule sich die entwickelten Wärmemengen
Ke Widerstände verhalten. Die untersuchten Ketten bestanden alle
eits aus Zink in . verdünnter Schwefelsäure, andererseits aus verschie-
Oxydattoosmittela, die nachstehend angeführt sind. In der folgenden
le sind zunächst diese Oxydationsmittel angegeben, sodann die ge-
te Wärme, bezogen auf ein Gramm-Äquivalent, und in letzter Reihe
bertragbare Wärme.
Gesammt- Übertragbare
Wärme Wärme
Kupferenlfat, gelöst 254 K 243 Ä"
Mercuristüfat, in Wasser aufgeschlämmt . . . 397 „ 296
Chromsäure mit Schwefelsäure 590 „ 3Q6
Salpetersäure, reine käufliche 418 „ 468
Rauchende Salpetersäure 527 >» 498
Übermangansaure und Schwefelsäure .... 607 „ 392
Unterchlorige Säure 629 ,, 508
Wasserstoff hyperoxyd mit Salzsäure 664 „ 216
tiese Tabelle ist ausserordentlich lehrreich. Ausser in dem Falle des
x'schen Elementes, welches in erster Reihe verzeichnet ist, findet
en der gesammten und der übertragbaren Wärme keine auch nur an-
rrte Gleichheit statt, und man sieht, dass es ein besonderer Zufall war,
welchen sowohl Joule und William Thomson, wie auch Bosscha gerade
all genauer untersucht haben, in welchem die chemische Energie sich
mau in elektrische verwandelt. In der Mehrzahl der übrigen Fälle ist
jertragbare Wärme kleiner, als die gesammte; besonders gross ist
Unterschied beim Wasserstoffhyperoxyd, wo weniger als ein Drittel
arme übertragen wird. Sehr bemerkenswerth ist aber, dass auch in
Falle, dem des GROVE^schen Elementes, mit gewöhnlicher (also ver-
ch etwa sechzigprocentiger) Salpetersäure die übertragbare Wärme
er ist, als die in der Kette entwickelte, so dass sich die Kette durch
rom abkühlen muss, statt sich wie die übrigen Ketten zu erwärmen,
scheinung kam Favre sehr unerwartet, und er stellte eine Anzahl von
hen über die Einwirkung der Salpetersäure auf das Zink an, „um
hi Aufklärung darüber zu erhalten". Er erhielt sie aber nicht
51*
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,-A Fünfzehntes Kapitel.
Jas- :iun folgende Kapitel beschäftigt sich mit der Elek.j,
.Ca- iapK von allen. Das allgemeine Ergebniss der hier mii .. ■ ■■
.»iMpwemten Versuche entspricht dem, welches die Untersuchung de^ti
»mit» ^tiehrt hatte: auch hier ist die Wärmeentwickelung nbgHe*
v rmus?c*iung entsprechend, dass die chemische Energie genau in M
linsT^wn. sondern es finden immer Nebenwirkungen statt, für die
ssbw iricamng wie früher dient, die Annahme von Zustandsander
u^wctBsienen Stoffe. Die Versuchsanordnung war die folgende
•aar SMEE'sche Zellen waren in ebensovielen Muffeln des CalorinMBJ
i:rKr-£ebracht; daneben enthielt dasselbe Calorimeter einen grossen Witte-
sa=c- Ein zweites Calorimeter nahm das Voltameter auf, in welchem
.äe Flüssigkeit befand, deren Zersetzung untersucht werden sollte.
W^ierstand dieses Voltameters war gegenüber dem im ersten Calorimets
«rscöwindend klein. Auf diese Weise kam im zweiten Calorimeter nur die
srcundare Warme zur Geltung; und bei einem Elektrolyt, welcher genau
so viel elektrische Energie verbraucht, als der Verbindungswärme seiner
Ionen entspricht, würde im zweiten Calorimeter überhaupt keine Wanne
ru beobachten sein. Thatsächlich ergab sich fast immer eine Erwärmung
im zweiten Calorimeter; dadurch wurde bewiesen, dass das Voltameter im
Trennung der Stoffe mehr Energie verbrauchte, als bei ihrer Verbindung
frei wird, und Favre nahm, wie angegeben, an, dass diese Energie zur Um-
wandlung der im aktiven Zustande abgeschiedenen Stoffe in den gewöhn-
lichen verbraucht würde.
Eine sehr bemerkenswerthe Ausnahme von dieser sonst allgemeinen
Kegel fand sich bei der Chlor- und Bromwasserstonsäure, denn diese beiden
gaben bei der Elektrolyse im Voltameter eine Abkühlung zu erkennen, die
erstere unmittelbar, die zweite nach Abzug der durch die Auflösung da
freigewordenen Broms in der überschussigen Säure entwickelten Wärme.
Favre begnügt sich damit, diesen Umstand hervorzuheben, ohne sich ad'
seine Erörterung einzulassen. Und doch hätten ihn gerade Erscheinungen.
wie diese und die oben erwähnte mit der GROVE'schen Kette, dazu zwingen
müssen, seine als „selbstverständlich" angenommene Voraussetzung, dass die
chemische und die elektrische Wärme einander gleich sein sollen, auf ihre
Berechtigung ernstlich zu prüfen.
Auf die Einzelheiten der Messungen, deren Überblick vielfach durch
einige rmaassen verzwickte und schwerlich überall berechtigte Betrachtungen
und Rechnungen erschwert ist, würde einzugehen nicht lohnend sein, zumal
diese keinen Einfluss auf die Entwicklung der Wissenschaft geübt haben.
Doch verdienen einige Thatsachen Erwähnung wegen ihres Zusammenhanges
mit späteren Ergebnissen.
Die Messungen der Wärmemengen, welche bei der Elektrolyse verschie-
dener Salze und Säuren im Voltameter verbleiben, ergab für Kupfersulfät
und -nitrat naheliegende Werthe, ebenso von jenen verschiedene, aber unter
sich stimmende Werthe Tür Schwefel- und Salpetersäure. Hieraus und aus
Das Energiegesetz in der Elektrochemie. 80<
bn ähnlichen Erfahrungen zieht Favre den Schluss, „dass in einem fie-
ge mehrerer, in einer genügenden Wassermenge gelöster Salze ein* atchi-
dlisches oder metallisches Molekül nicht angesehen werden kann, als
Mte es besonders diesem oder jenem Metall oder Nichtmetall. Nimmt
daher durch Elektrolyse vermittelst eines hinreichend energischen. Stro-
irgend ein Molekül, ein nichtmetallisches oder metallisches heraus, so
der Gleichgewichtszustand nicht gestört, weil gleichzeitig an 'der ent-
mgesetzten Elektrode ein anderes, metallisches oder nichtmetallisches
*kül austritt."
Diese Darlegung enthält eine merkwürdige Vorausnahme der später aus-
Ideten Theorie der freien Ionen, durch welche die gegenseitige Unab-
jigkeit der Ionen, falls nur Kationen und Anionen in äquivalenten Mengen
landen sind, ausgesprochen wird. Diese Ansichten sind übrigens keineswegs
durch die elektrolytischen Erscheinungen hervorgerufen worden, wenn sie
i in ihnen ihre beste Stütze gefunden haben, denn bereits im Jahre 1839
Gay-Lussac auf Grund rein chemischer Betrachtungen l die Überzeugung
gesprochen, dass in einer Lösung, die mehrere Salze neben einander
lält, die „Säuren und Basen" in jeder möglichen Weise mit einander Ver-
den sind, und sich keineswegs mit bestimmter Auswahl paaren. Bei Ge-
rnheit einer Erörterung der Theorie von Berthollet, nach welcher sich
unlöslichen und die flüchtigen Verbindungen unter den möglichen mit
•liebe bilden, weist er darauf hin, dass in diesen Verhältnissen zwar eine
ache der Abscheidung, aber keine der Bildung liegen kann, denn die
enschaften von Stoffen, die sich noch nicht gebildet haben, können un-
glich eine Ursache sein, dass sie sich bilden. Daher muss man annehmen,
s alsbald nach dem Zusammenbringen der Stoffe sich alle möglichen
rbindungen bilden. „Man kann diesen verschiedenen Ursachen der Tren-
lg (Unlöslichkeit und Flüchtigkeit) nicht genügen, ausser durch die An-
lme, dass im Augenblicke der Vermischung, vor aller Abscheidung ein
kliches Durcheinander (un veritable pele-mele) zwischen Säuren und Basen
ttfindet, d. h. dass die Säuren sich mit jeder beliebigen Base verbinden
i umgekehrt. Anf die Anordnung der Verbindung kommt wenig an,
in nur die Acidität und Alkalinität befriedigt wird, und diese sind offen-
• immer befriedigt, welcher Austausch zwischen Säuren und Basen auch
:tfinde."
Gay-Lussac nennt die Grundlage seiner Betrachtung il*s Piinzip der
quipollenz"; bis zu dem Schritt, dass er diese nach keiner Seite durch
gezeichnete Kräfte zusammengehaltenen Bestandtheile als thatsächlich frei
usehen sich entschlossen hätte, konnte er freilich nicht gelangen. Waren
:h schon diese Betrachtungen den damaligen Chemikern so fremdartig,
s sie in keiner Weise von den Zeitgenossen berücksichtigt wurden, und
: viel später, als die elektrolytischen Erscheinungen auf ähnliche Betrach-
1 Ann. chim. phys. 70, 407. 1839.
3q6 Fünfzehntes Kapitel.
tungen geführt hatten, wurde jenes alte Zeugniss für die Lehre von der
Freiheit der Ionen1 ans Tageslicht gebracht
An letzter Stelle beschäftigt sich Favre mit der Elektrolyse der Vo-
bindungen der Alkalimetalle. Er erwartete bei deren grossen Btldungswärmet
einen bedeutenden Bedarf an elektromotorischer Kraft zur Elektrolyse, uai
war nicht wenig erstaunt, dass er mit so geringen Beträgen auskam, wie er
thatsächlich beobachtete. Denn da jedes SitEE'sche Element die W
menge 1 50 K ungefähr ausgiebt, und die Bildungswärme des Kaliumsuite
die der Schwefelsäure um 580 K übertrifft, welche letztere etwa 480 K
Elektrolyse braucht, so erwartet Favre für das Kaliumsulfat einen Bedarf
von 1060 Ky entsprechend der Wirkung von mehr als 7 SwEE'schen Ele-
menten von je 150 K. Statt dessen genügten schon 5 Elemente, denn die;
der Batterie entzogene Wärmemenge betrug 640 K beim Kaliumsulfat, uad
fast ebenso viel beim Natriumsulfat Ebenso zeigten die verschiedenen lös-
lichen Basen, Kali, Natron, Baryt, Strontian, alle nahezu den gleichen Be-
darf an Energie, nämlich etwa 510 K.
Bei der Erklärung dieser Erscheinungen geräth Favre in grosse Schwierig-
keiten. Er nimmt zunächst an, dass die Salze der Leichtmetalle nicht amkß
etektrolysirt werden, als die Schwermetalle, d. h. in Metall und Kation. Um
aber die geringe Stromarbeit zu erklären, muss er weiter annehmen, dass
entgegen den sonstigen Annahmen, die seeundäre Reaktion der ausgeschie-
denen Metalle auf das Lösungswasser hier elektromotorisch wirksam ist,
während doch sonst den seeundären Reaktionen die elektromotorische Wirk-
samkeit abgesprochen wird, und seine ganze Theorie der Abweichungen der
chemischen Wärme von der elektrischen auf der Voraussetzung beruht, das
jene elektrisch unwirksam sind. Auch in dieser Angelegenheit hat erst die
neueste Zeit Aufklärung auf Grund der Erkenntniss gebracht, dass die An-
nahme einer Abscheidung der Alkalimetalle und deren unmittelbar darauf
eintretenden Reaktion auf das Lösungswasser unlogisch ist. Denn wenn das
Metall als Ion vorhanden war, so sollte es nach dieser Annahme den Ioncs-
zustand verlassen, und diesen alsbald durch die Reaktion auf das Wasser
wieder annehmen. Ist aber der Strom fähig, das Metall aus dem Iooeo-
zustand zu bringen, so ist es widersinnig, anzunehmen, dass er das ausge-
schiedene Metall nicht auch im neuen Zustande erhalten und nicht verhtf-
dem kann, dass es in seinen früheren Zustand wieder zurückkehrt
An dieser Stelle nehmen wir von Favre Abschied. Seine Arbeit hat
trotz der ungemeinen Mühe und Sorgfalt zu keinem dauernden Ergebnis*»
was die allgemeine Auffassung der von ihm untersuchten Thalsachen as-
langt> gefuhrt, und als Ursache dieses Misslingens erkennen wir die Ablenkung
seines Blickes von der unbefangenen Betrachtung der Thatsachen durch
1 Es braucht kaum hervorgehoben zu werden, dass die von Gay-Lussac den Ansichten
seiner Zeit gemäss gewählte Ausdrucksweise, nach welcher Säuren und Basen, statt der Anion«
und Kationen, als die Bestandteile der Salze angesehen werden, auf das Wesen der Betracb-
über die Freiheit der Salzbestandtheile keinen Einfluss hat.
Das Energiegesetz in der Elektrochemie. %qj
rassetzung, die er nicht geprüft hatte, weil er sie für unzweifelhaft hielt.
Irrthum, dem er verfallen war, wurde auch nach ihm noch von Vielen
eilt; an ihm empfinden wir ihn aber um so mehr, als Favre in der
:en Anlage seiner Untersuchungen eine bemerkenswerthe Originalität
:. Ich mache besonders aufmerksam, in welchem Maasse Favre in den
riüen seiner Lieblingswissenschaft , der Thermochemie, zu denken weiss;
'dem seine Arbeiten die elektrischen Eigenschaften der VoLTA'schen
en zum Gegenstände haben, macht er weder vom Omf'schen, noch
JouLE'schen, kaum vom FARADAY'schen Gesetze einen ausdrücklichen
rauch, sondern weiss alle in Betracht kommenden Grössen in die ther-
:he Sprache zu übersetzen. Ob diese Beschränkung eine freiwillige oder
ei willige, durch die Ungewohntheit ihrer Handhabung erzwungene war,
: wenig zur Sache, da wir unseren Forscher auf dem einmal gewählten
len mit völliger Sicherheit und Richtigkeit (soweit nicht jene unrichtige
aussetzung in Frage kommt) sich bewegen sehen. Gerade für die ge-
chtliche Betrachtung der Angelegenheit ist dieser Umstand von beson-
?m Interesse; er zeigt, wie auch in der Beschränkung auf einen kleinen
*nkreis durch die Vertiefung der Arbeit in diesem Kreise Erhebliches ge-
:et werden kann.
10. Weitere Forscher. Mit der Messung der Beziehung zwischen der
mischen Wärmeentwickelung und der elektromotorischen Kraft beschäf-
en sich auch Mari£-Davy und L. Troost, l indem sie die elektromotori-
en Kräfte einer grossen Reihe von Zusammenstellungen maassen, deren
irmetönungen durch die Messungen von Favre und Silbermann festgestellt
ren. Das Verfahren bestand in Strommessungen mittelst einer genauen
ngentenbussole unter Benutzung bestimmter Widerstände, also im wesent-
len nach der Methode von Ohm. Wenn die Zusammenstellungen für sich
nen genügenden Strom gaben, wurden sie in einen Kreis mit anderen
tten geschaltet, deren Constanten vorher bestimmt waren; durch Messungen
r elektromotorischen Kraft des zusammengesetzten Stromkreises und Ab-
hen des von der Hülfekette herrührenden Werthes konnten die gesuchten
hlen gefunden werden.
Um der Bestimmung der erforderlichen Constanten zu entgehen, he-
tzten sie ein Mittel, welches zwar einfach, aber keineswegs einwurfsfrei ist.
ir eine bestimmte Kette, die SMEF/sche, aus Zink und platinirtem Platin in
rdünnter Schwefelsäure ermittelten sie die elektromotorische Kraft in den
fälligen Einheiten ihrer Tangentenbussole und ihres Widerstandes; indem
r nun annahmen, dass die zu beweisende Beziehung in diesem Falle wirk-
h bestehe, konnten sie den Faktor berechnen, welcher ihre elektromoto-
chen Kräfte in Wärmeeinheiten übersetzte. Für die Auflösung des Zinks
ter Wasserstoffentwickelung hatten Favre und Silbermann 185 K gefunden;
fanden für die elektromotorische Kraft der SMEE^schen Kette 21 530;
1 Ans. chim. phys. 53, 423. 1858.
808 Fünfzehntes Kapitel.
folglich ist 0,00857 der Faktor, welcher mit der beobachteten elektrom
rischen Kraft zu multipliciren ist, um die Wärmetönung zu geben.
Die Ergebnisse der auf diese Weise angestellten Versuche zeigen,
leicht es ist, Zahlen zu erhalten, welche einer einmal gemachten V01
Setzung entsprechen, die theoretisch begründet erscheint, so dass an
Richtigkeit kein Zweifel erhoben wird. Die nachstehende Tabelle übe
Neutralisation des Kalis durch verschiedene Säuren zeigt eine Überein
mung auf etwa ein Procent, obwohl die von Favre und Silbermann ;
gebenen Werthe nachweislich um etwa 10 Procent fehlerhaft sind,
sind durch die Methode der Berechnung die Fehler theilweise eliminirt,
bleibt immerhin die Übereinstimmung sehr auffällig, zumal man weiss,
die vorausgesetzte Beziehung keineswegs zutreffend ist.
Die elektrischen Messungen der den Neutralisationswärmen entspre
den elektromotorischen Kräfte wurden ausgeführt, indem eine Kette
Zink in Kali und Platin in der Säure gebildet wurde; die der Auflösung
Zinks in Alkali und der Wasserzersetzung entsprechenden Wärmemei
resp. elektromotorischen Kräfte wurden in Rechnung gebracht
Säuren Kette Calorimeter
Schwefelsäure 160 161
Salpetersäure 155 155
Salzsäure 158 157
Brom wasserstoffsäure 155 155
Jodwasserstoffsäure 155 157
Oxalsäure 142 142
Weinsäure 134 134
■■ Essigsäure 139 140
Citronensäure 137 137
Ameisensäure 125 — .
Die Übereinstimmung ist sehr auffällig, noch auffälliger ist allere
dass bei der Ameisensäure, bei welcher calorimetrische Messungen
vorlagen, auf elektrischem Wege eine um etwa 9 Procent kleinere Zah
funden wurde, als bei Essigsäure, während wir jetzt wissen, dass beide &
fast genau gleiche Neutralisationswärmen haben.
Aus diesen Übereinstimmungen und Widersprüchen wird man
Schluss auf den Werth der Arbeit machen können. Sie ist intere
als eines der deutlichsten Beispiele einer Autosuggestion, welche gerad
diesem Gebiete noch wiederholt ihre schädlichen Einflüsse geübt hat.
11. Das JouLE'sche Stromgesetz. Die soeben bis an die Sc!
der neueren Entwickelung verfolgte, von Joule zuerst aufgestellte Bezic
zwischen der chemischen Wärmeentwickelung der VoLTA'schen Kette
ihrer elektromotorischen Kraft war, wie man sich erinnern wird, nicli
Ergebniss eines unmittelbaren Schlusses, sondern das Endglied einer zi
mengesetzten Schlussreihe, welche ihren Ausgang von dem experimer
Gesetze nahm, dass die in einem Leiter entwickelte Wärmemenge dem V
stände und dem Quadrat der Stromstärke proportional ist, und durc
Das Energiegesetz in der Elektrochemie. 80Q
rendung dieses Schlusses auf die ganze Kette unter einer bestimmten
Aussetzung das Resultat ergeben hatte.
Während naturgemäss dieser Schluss dem Verständniss zunächst man-
lei Schwierigkeiten bot, war das Stromgesetz von Joule leicht aufzufassen
zu prüfen, und so finden wir bald mehrere Forscher damit beschäftigt,
e Prüfung vorzunehmen. Es wird genügen, hier deren Namen zu nennen,
ceiner von ihnen etwas wesentliches hinzugethan hat; es sind Edmond
juerel,1 Lenz,3 Botto8 und Poggendorff,4 die sich zunächst mit der
he beschäftigten, und alle zu einer Bestätigung der JouLE'schen Formel
ngten.
Die letztgenannte Abhandlung giebt von den Schwierigkeiten, welche
ausserhalb des Energiebegriffes aufgewachsenen und verbleibenden Phy-
rn das volle Verständniss des JouLE'schen Gesetzes bot, eine deutliche
;chauung.
Indem Poggendorff die mit Hülfe des OtiM'schen Gesetzes aus dem
Aschen folgende Beziehung W = e i betrachtet, wo W die Wärmeent-
<elung in der Zeiteinheit, i die Stromstärke und e die elektromotorische
ft bedeutet, kommt er zu dem Schluss, dass zunächst bei gleichbleibender
:tromotorischer Kraft die Wärmeentwickelung proportional der Stromstärke
somit der in der Zeiteinheit aufgelösten Zinkmenge ist. „Dies für die chemi-
* Theorie scheinbar so günstige Resultat ist neuerdings noch von Botto
:h. de l'&ectr. 5, 353) hervorgehoben worden, aber derselbe hat unbe-
kt gelassen, dass sich die Sache ganz anders gestaltet, wenn man die
>mstärke constant setzt und die elektromotorische Kraft variabel nimmt.
in ist die gesammte Wärmemenge, welche die Kette in einer gegebenen
entwickelt, proportional dieser Kraft und folglich kann sie in Ketten
;chiedener Art bei einer und derselben Menge von elektrolytisch aufge-
em Zink sehr ungleich sein."
Es ist nicht einzusehen, wie dieser ganz richtige Satz im Widerspruch
der chemischen Theorie stehen sollte. Denn in diesen verschiedenen
ten finden neben der Auflösung des Zinks noch ganz verschiedene
nische Wirkungen statt, und es ist der chemischen Theorie ganz ent-
chend, wenn sich für diese Verschiedenheiten des Vorganges verschie-
1 Stromwärmen ergeben.
Poggendorff hat das Ergebniss seiner Betrachtung auch der Prüfung
:h den Versuch unterworfen, indem er einmal eine GROVE'sche, das
;re Mal eine Danieli/scIic Batterie in einen Stromkreis brachte, welcher
*n einer Sinusbussole und einem Rheostat noch ein thermometerartiges
ument enthielt, in dessen Gefäss Alkohol enthalten war, in welchem
Spule dünnen Drahtes lag; aus dem Steigen des Alkohols konnte die
wickelte Wärme ermessen werden. Es ergab sich in der That, dass bei
1 Ann. chim. phys. (3) 9, 21. 1843. * Pogg. Ann. 81, 18. 1844.
* Archives de l'electr. 5, 353. 1845. 4 Poüg. Ann. 73, 366. 1848.
SlO Fünfzehntes Kapitel.
gleicher Stromstärke beide Batterien in dem „Galvanothermometer" frlsj
gleiche Wärmemenge entwickelten; da nun die reducirten Längen des ß»|t je
sammten Widerstandes sich wie die elektromotorischen Kräfte verhalt«
müssen, damit die Stromstärken gleich sind, ist damit erwiese«, dass
die Wärmeentwkkelungen beider Batterieen den elektromotorischen KriÜta
derselben proportional sind.
Gegenwärtig ist uns dies Ergebniss, welches diesem tüchtigen Physhtr
so viele Denkschwierigkeiten bereitete, fest eine „selbstverständliche" Er-
sieht. Denn die elektrische Energie, welcher die entwickelte Wärmemenge
proportional sein muss, ist durch das Produkt der elektromotorischen Kraft
in die Elektricitätsmenge gegeben; die in der Zeiteinheit durch einen Quo1*
schnitt des Leiters gehende Elektricitätsmenge ist aber das, was man die
Stromstärke nennt. Somit drückt die oben aus dem JouLE'schen Gesetz ab-
geleitete Gleichung \V=ei nichts aus, als die Gleichheit der elektrisd«
Energie mit der aus dieser entstehenden Wärme, und das JouLE^sche Gesetz
lässt sich umgekehrt aus dem Energiegesetz ableiten, wenn man das Ohm*-
sehe als gegeben annimmt.
Weiter beschäftigte sich Poggendorff mit dem Umstände, der aus der-
selben Gleichung sich ergiebt, da$s die in der Zeiteinheit entwickelte Wärme-
menge keineswegs constant ist, oder ein Maximum hat, sondern über alk
Grenzen zu wachsen vermag, wenn man die Stromstärke entsprechend grosser
werden lässt. Auch dies sagt nichts anderes, als dass die in der Zeiteinheit
umgesetzte Energie beliebig wachsen kann, wenn man den erforderlichen
chemischen Aufwand entsprechend wachsen lässt.
Ferner gelangt Poggendorff durch einfache Betrachtungen zu dem Er-
gebniss, dass bei gegebener Kette dann ein Maximum der WärmeentwickehiDg
eintreten müsse, wenn der Widerstand, in welchem die Wärme gemessen
wird, gleich dem Widerstände in und neben der Kette ist. Auch dies &■
gebniss liess sich bestätigen, und Poggendorff betrachtete es als einen Beweis
dafür, dass das JouLE'sche Gesetz in der That für den ganzen Stromkids
gültig ist.
Poggendorff findet diese Beziehungen auffallend und merkwürdig; be-
ruhigt sich aber über die Merkwürdigkeit dieses Verhaltens durch eiset
Vergleich zwischen der Wärmewirkung und der magnetischen Wirkung des
Stromes, da für diese, wenn man sie auf die Summe aller Querschnitte be-
zieht, gleichfalls der Gesammtbetrag bis ins Unbegrenzte wachsen kann.
Angesichts einer solchen Betrachtung begreift man wohl, wie er im Jahre
vorher dazu gekommen war, der Abhandlung über die Erhaltung der Kraft,
welche ihm Helmholtz für seine Annalen angeboten hatte, die Aufaahoe
zu versagen, ebenso, wie er es sechs Jahre früher mit der Abhandlung xok
J. R. Mayer gemacht hatte. Denn ein Vergleich dieser beiden Grössen ist
deshalb ganz unzulässig, weil es sich im Falle der Wärme um eine Energie-
oder Arbeitagrösse handelt, während die magnetische Kraft keine Arbeit
bedeutet, sondern nur «n*n Faktor einer solchen. Auch erreicht Pocgeü-
Das Energiegesetz in der Elektrochemie. 3 1 1
p seinen Zweck nur durch Summirung aller magnetischen Kräfte, welche
dem Querschnitt des Leiters wirksam sind, für welche Grösse eiae pfay-
ische Bedeutung nicht ganz naheliegend ist. Von ähnlicher Beschaflen-
ist die sich unmittelbar anschliessende Betrachtung, dass gemäss der
rniuss'schen Theorie in allen Querschnitten des Elektrolyts unaufhörlich
Atzungen stattfinden, und somit auch die Summe der chemischen „Wir-
ren" beliebig gross gemacht werden kann. Eine ähnliche Betrachtungs-
£ Pogg£ndorff>s ist schon früher als missverständlich erwähnt worden
21}; hier kehrt sie in der gleichen Gestalt wieder.
Zum Schluss erörtert Poggendorff, welche Gesetze man für die Ge-
räidigkeit aufstellen müsse, mit welcher die elektrische Materie in dem
er äiesst. Es hat keinen Zweck, diese Betrachtungen hier wiederzugeben;
sind ein belehrendes Beispiel dafür, wie ein allen ungewohnten theo-
chen Betrachtungen so abholder Mann, wie Poggendorff, sich Mayer
Helmholtz gegenüber erwiesen hatte, sich in vollkommen hypothetische
zulationen vertiefen kann, wenn nur diese sich auf gewohntem Boden
egen. Denn allen den an dieser Stelle mitgetheilten Betrachtungen über
Geschwindigkeit der Elektricität und die Menge derselben, die sich in
m gegebenen Letter in Bewegung befindet, sind von solcher rein hypo-
ischer Beschaffenheit, da ihnen nirgendwo eine messbare und aufweisbare
sse entspricht. Die Physik hat aber nur mit messbaren, nicht mit ge-
lten Grössen zu thun.
Es ist nicht die Absicht, den verdienten Forscher wegen dieses Ver-
ens besonders zur Rede zu stellen, sondern nur eine ungemein und häufig
retende Erscheinung in einem besonderen Falle zu charakterisiren. Auch
sre heutige Wissenschaft ist noch vielfach geneigt, auf die Ermittelung
Beziehungen zwischen rein hypothetischen Grössen einen ganz unbilligen
rth zu legen. So pflegt man es Clausius hoch anzurechnen, dass er die
chwindigkeit der Gasmolekeln berechnet hat. Formulirt man dieses Er-
niss nach seinem thatsächlichen Inhalt, so heisst es: wenn man sich ein
aus kleinen Theilchen bestehend denkt, welche den Druck durch elasti-
?n Stoss auf die Wände des Gelasses ausüben, so müssen diesen Theil-
n gewisse, berechenbare Geschwindigkeiten zugeschrieben werden, um
thatsächlich stattfindenden Druck zu erhalten. An dieser Gestalt des
Lihmten Ergebnisses, in welcher nichts falsches oder unbilliges liegt, er-
it man, wie dürftig es im Grunde ist.
Von ähnlicher Beschaffenheit sind so manche Dinge, welche ab wichtige
tandtheile der Wissenschaft angesehen werden. Um von diesem Gesichts-
kte aus das Vorhandene zu prüfen, braucht man sich nur in jedem Falle
fragen: handelt die fragliche Gleichung von messbaren Grössen, oder
lt? So lange nicht alle in der Gleichung auftretenden Grössen messbar
aufweisbar sind, lehrt die Gleichung physikalisch nichts ganz bestimmtes/
es muss an den der Messung noch nicht zugänglichen Werthen die
riffliche Analyse ausgeführt werden (S. 7), bis dies Ziel erreicht ist
3i2 Fünfzehntes Kapitel. Das Energiegesetz in der Elektrochemie.
Dies ist die allgemeine Bedeutung des KiRCHHOFF'schen Wortes über
Mechanik, dass sie die Erscheinungen zu beschreiben habe; die Aufg
der messenden Wissenschaften im Allgemeinen ist, zahlenmässige Beziehui
zwischen den vorhandenen messbaren Grössen aufzustellen. Ist dies
reicht, so ist die wissenschaftliche Aufgabe gelöst, und alles übrige
vom Übel.
Diese Betrachtung fuhrt uns schliesslich wieder auf den Punkt zur
von dem wir in diesem Kapitel ausgegangen waren. Die ausserorden
grosse Bedeutung des Energiegesetzes liegt wesentlich darin, dass die Em
dasjenige ist, was allem physischen Geschehen gemein ist, so dass alle
Ziehungen, welche man zwischen den verschiedenen Gebieten der N<
erscheinungen aufstellen kann, in letzter Instanz Energiebeziehungen !
Für die ältere Physik war der Kraftbegriff der grundlegende; jeder Auij
gegenüber wurde zunächst die Frage gestellt, auf welche Kräfte lässt
die Erscheinung zurückführen? So dürfen wir bei klarer Erfassung
Energiegesetzes nicht mehr fragen, denn die Kraft ist ein Begriff, wel
nur einer von den vielen vorhandenen Formen der Energie, der med
sehen, angehört. Vielmehr lautet die richtige Frage: welche Energiea
betheiligen sich an der Erscheinung? und aus der Antwort auf diese Fi
und der Kenntniss der Gesetze der vorhandenen Energieen ergiebt sich
was sich wissenschaftlich über die Sache sagen lässt.
FiR. Io8. W. H[TTOHF.
Sechzehntes Kapitel.
e Leitung der Elektricität in den Elektrolyten.
Vorbemerkung. Bereits bei der Beobachtung der ersten Erschei-
i der Elektrolyse war den Forschern ein räthselhaftes Phänomen ent-
fetteten, dessen Erklärung alsbald die allergrössten Schwierigkeiten
;: das getrennte Auftreten der Bestandtheile des Elektrolyts an Stellen,
von einander so weit entfernt waren, dass die Möglichkeit ganz aus-
jssen war, diese Bestandtheile könnten von der Trennung einer und
len Stoffmenge herrühren. Jeder, der unbefangenen Blicks an diese
chen herantrat, musste sich sagen, dass hier ein Widerspruch mit
vorhanden war, was man aus den vorhandenen Annahmen bezüglich
solchen Zersetzung hätte erwarten sollen. Es ist schon (S. 3 12) mit-
t worden, in welcher Weise die Schwierigkeit durch Gkotthuss zu
jen versucht worden war; in Ermangelung einer besseren Erklärung
nan sich damit zufrieden gegeben, ohne dass doch die vorhandenen
iprüche wirklich beseitigt worden wären. Zwar für die Haupterschei-
8 14 Sechzehntes Kapitel.
nung, das getrennte Auftreten der Bestandteile, war ein Bild gegebe
mehr als diese Thatsache hatte Grotthuss zu erklären nicht untern
können, da die Kenntniss seiner Zeit über die dieser einen Thatsache
hinausging. Es dauerte aber keineswegs lange, so erschienen neue
achtungen, welche sich unter dem gegebenen Bilde schwerlich be
Hessen.
Die bemerkenswerthesten desselben waren die von Davy anges
Beobachtungen über das Wandern der Stoffe durch einander (S. 197
welchen hervorging, dass die chemische Verwandtschaft zwischengek
Stoffe keineswegs im Stande ist, Säuren von ihrer Wanderung nacl
positiven Pol, Alkalien von ihrer zu dem negativen zurückzuhalten. I
man sich allenfalls mit Grotthuss denken, dass bei einer gleichartigen
sigkeit, wie Wasser, die „Kraft" eines eben fretgewordenen Wasserstof
gerade hinreichen könnte, um das nächstliegende Sauerstoffatom de
grenzenden Wasser zu entrassea (wenn auch diese Annahme bei gen
Analyse auf sehr böse Schwierigkeiten föhrt), und so fort, so versagte
Vorstellung doch, wenn man das Kali ausser seinem schwefelsauren
durch freie Schwefelsäure sich bewegen sah, ohne dass diese es in j
Laufe aufhalten konnte. Denn wie sollte die Schwefelsäure, welche ;
die Kathode umgebende Wasser grenzte, ihr Atom Kali an das Wass
geben, da doch die zu trennende Verwandtschaft zwischen ihr un<
Kali so viel grösser ist, als die gleichzeitig befriedigte Verwandtschaft z?
Kali und Wasser? Um hier die Ansicht von Grotthuss durchzufuhren,
nichts übrig, als die weitere Annahme, dass die beim Eintritt des ¥
die Schwefelsäure gewonnene Verwandtschaft bei der ganzen Wan
durch die Schwefelsäure aufbewahrt und wirksam bleibt, um sich ers
Austritt aus derselben wieder zu bethätigen, und diesen Austritt de
zu ermöglichen. In der That hat sich keiner der Vertheidiger der
Huss'schen Ansicht zu diesem Schlüsse verstanden.1
Die Aufhebung dieser grossen Schwierigkeit ist auf einem W<
lungen, welcher von allen möglichen als der fernstliegende erschien,
die zu überwindende Schwierigkeit lag nicht in den elektrischen, son<
den chemischen Ansichten; auf dem Boden der üblichen Chemie,
die Ionen der Elektrolyte als mit einander verbunden ansah, war
That ein unbedingter Widerspruch der Anschauungen mit der Erf
vorhanden. Als aber, zunächst in Veranlassung ganz anderer Gründe
Ansicht aufgegeben wurde, und den Ionen in den Elektrolyten eine
1 Im Text ist die Sache gemäss den damals geltenden Ansichten dargesteöt wort
Kali und Schwefelsäure die Ionen des Kaliumsulfats sind. Ein kleines Nachdenken «
der Einwand auch vollkommen in Kraft bleibt, wenn man die heutigen Annahmen
Ionen benutzt; es ist immer möglich, durch Hintereinanderschichten verschiedener Lös«
Ion zu zwingen, aus einem Gebiet, wo es durch grössere Verwandtschaften zurückgenaltei
in ein anderes zu treten, in welches es durch geringere Verwandtschaften gezogen f
keinem dieser Fälle bleibt die Überführung aus.
Die Leitung der Elektricit&t in den Elektrolyten. g i c
t Unabhängigkeit und Freiheit zugeschrieben wurde, verschwanden die
iertgkeiten ganz und gar, und die Gesammthert der elektrolytischen
Sachen erfuhr eine einfache und klare Deutung.
Der Weg, welcher bis zu dieser Erkennt niss geführt hat, ist ein un-
rin langer und schwieriger gewesen. Stufe für Stufe mussten die Eigen-
ten erkannt werden, welche den elektrischen Vorgängen in Elektrolyten
tnmen, und die vielfachen Streitigkeiten bei dieser Gelegenheit sind ein
lauliches Zeugniss dafür, in welchem Maasse die wirklich sich ergeben-
Verhäitnisse dem widersprachen, was man auf Grund jener unzweck-
igen Ansichten erwarten zu müssen glaubte. So sehen wir hier ver-
issmässig einfache Dinge nur unter den grössten Anstrengungen in das
nthum der Wissenschaft übergehen, und werden Zeugen davon, wie sehr
prüfte Voraussetzungen die Entwickelung der Wissenschaft zu hemmen
tögen. Wenn man die Geschichte der grossen Entdeckungen betrachtet,
berzeugt man sich leicht, dass mindestens die Hälfte derselben dadurch
acht worden sind, dass Dinge, weiche der ganzen Zeit bis dahin als
>stverständlich" gegolten hatten, in Zweifel gezogen, geprüft und falsch
nden worden sind.
Zwei Fragen sind es, deren Beantwortung den Inhalt der Entwickelungs-
hichte der Lehre von der Stromleitung in den Elektrolyten ausmacht
eine bezieht sich auf den gesetzmässigen Zusammenhang zwischen der
egung der Elektricität und der gleichzeitig erfolgenden der Ionen, oder
wägbaren Begleiter der Elektricitätsbewegung; ihre Beantwortung ist
:h das FARADAY*sche Gesetz angebahnt, und durch W. Hittorf und F. Kohl-
ch auf ihren gegenwärtigen Stand geführt worden. Die andere lautet:
sind die Thatsachen der elektrolytischen Leitung mit denen der allge-
len Chemie vereinbar; der erste Versuch ihrer Beantwortung liegt in
Theorie von Grotthuss vor, ein zweiter ist im Jahre 1857 durch Claüsius
acht worden, und der entscheidende Gedanke wurde dann nicht früher
1887 von Svante Arrhenius ans Licht gebracht. Zwischen den durch
? Männer gekennzeichneten wichtigen Entwicklungsstufen liegen zahl-
te einzelne Fortschritte von geringerem Belange, und noch zahlreichere
ümer und verfehlte Versuche.
2. Ältere Messungen der elektrischen Leitfähigkeit Die ersten
enden Versuche über die verschiedene Leitfähigkeit der Metalle für Elek-
ät wurden von Davy1 angestellt. Bei dem damaligen Mangel an Mess-
mitteln in diesem Gebiete (das Galvanometer wurde erst einige Jahre
r erfunden) ist es von Interesse, zu sehen, wie sich Davy geholfen hat:
bloss eine Batterie durch einen Wasserzersetzungsapparat, und brachte
zu untersuchenden metallischen Leiter als Nebenschluss parallel zu dem
terzersetzungsapparat an. Wurden wenige Plattenpaare genommen, so
te dadurch die Wasserzersetzung aufgehoben werden; bei der Vermeh-
1 Pbilos. Trans. 1821. — Pogg. Ann. 71, 241. 1822.
3x6 Sechzehntes Kapitel.
rung der Plattenpaare trat sie wieder ein, und Davy bestimmte d
die Anzahl der Paare, welche durch einen Draht von 6 Zoll Länge
V220 Zoll Dicke „entladen" wurden. Die Reihe war: Silber 65, Kupfer
Zinn 12, Platin n, Eisen 6, Blei 5 bis 6; sie giebt in der ThatdieR
folge der Leitfähigkeiten annähernd wieder, doch klagt Davy selbst darül
dass seine Ergebnisse nicht recht übereinstimmend erhalten werden Ig
Von den Gesetzen, welchen die Leitfähigkeit der Metalle unterw«
ist, entdeckte er zunächst das, dass sie mit steigender Temperatur abni
Er erläutert dies durch einen hübschen Versuch: „Hat man in einem Vom1
sehen Kreis einen 5 bis 6 Zoll langen, so dünnen Platindraht angebracht, das
die Elektricität, welche durch ihn hindurchgeht, ihn in seiner ganzen Lange
rothglühend macht, und bringt man nun irgend einen Theil desselben durck
eine untergehaltene Spirituslampe zum Weissglühen, so erkaltet augenblick-
lich der übrige Theil des Drahtes bis unter die Temperatur des sichtbar«
Glühens. Und hält man umgekehrt an irgend eine Stelle des rothglühenden
Drahtes ein Stück Eis, oder treibt einen Strom kalter Luft darauf, so werden
augenblicklich die übrigen Stellen des Drahtes viel heisser, und kommen
vom Roth- zum Weissglühen."
Ferner fand Davy, dass die Leitfähigkeit der Drähte ihrer Länge um-
gekehrt proportional war, indem die Zahl der entladenen Plattenpaare sich
umgekehrt wie die Länge verhielt. Deshalb konnte er die Versuche über
die Leitfähigkeit nunmehr so anstellen, dass er die Drahtlangen ermittelte,
welche die gleiche Zahl von Plattenpaaren entluden. Die Ergebnisse waren:
Platin 1, Silber 6, Kupfer 5,5, Gold 4, Blei 3,8, Palladium 0,9, Eisen o£
„Ich habe ferner gefunden, dass in VoLTA'schen Batterieen von der eben
beschriebenen Art und Anzahl von Plattenpaaren das Leitvermögen eines
Drahtes für Elektricität (bei gleicher Länge) nahe der Masse desselben direkt
proportional war, wie sich das erwarten Hess." Von der Form des Quer-
schnittes und demnach der Oberfläche war die Leitung dagegen unabhängig,
denn sechs dünne Drähte leiteten ebenso gut, wie ein gleich langer Draht
vom sechsfachen Gewichte. Auch Hess Davy einen Draht flach walzen, und
fand ihn gleich gut leitend, wie einen gleich schweren und langen runden
Draht. „In der Luft zeigte sich der flache Draht als der bessere Leiter aus
dem Grunde, weil er sich schneller abkühlte; als aber beide Drähte von
Wasser umgeben waren, Hess sich keine Verschiedenheit in ihrem Leitver-
mögen wahrnehmen."
V ersuche, die Leitfähigkeit von Flüssigkeiten zu bestimmen, scheiterten,
„doch scheint sich aus den Versuchen wenigstens soviel zu ergeben, dass
das Leitvermögen der besten flüssigen Leiter mehrere hunderttausendmal
schwächer ist, als das der schlechtesten Leiter unter den Metallen/'
Über die Frage, ob die Leitfähigkeit der Metalle von der Beschaffenheit
des elektrischen Stromes abhänge, kommt Davy zu keinen recht bestimmten
Ergebnissen; diese Angelegenheit ist dann erst von Ohm (S. 388) erledigt
worden. Dagegen hat er wohl die ersten Beobachtungen darüber gemacht
li
\1
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 8l7 "
die Wärmeentwickelung dem Widerstände proportional ist. Nach quali-
en Versuchen über den Grad der Erhitzung, welchen die verschiedenen
die erfahren, ergab sich, dass die Reihe der Erhitzung mit der Reihe
Leitfähigkeiten in umgekehrter Ordnung läuft. „Es erhellte ferner aus
n Versuche, bei welchem ähnliche Drähte aus Platin und aus Silber
in dem Schliessungsbogen unter gleichen Mengen Ol befanden, dass
Erzeugung der Wärme nahe in dem umgekehrten Verhältniss, wie ihr
ingsvermögen steht; denn während das Silber die Temperatur des Öls
um 4° vermehrte, erhöhte das Platin sie um 22°; — dass endlich die Be-
mgen zur Wärme dieselben sind, welche Intensität auch die Elektricität
als ich die Entladungen von Leidener Batterieen durch Drähte, welche
unter Wasser befanden, hindurchgehen Hess; diese erhitzten sich näm-
in derselben Folge, wie durch die Voi/TA'sche Batterie, indem dabei
Eisen eher schmolz, als Platin, dieses eher als Gold, und so weiter/'
Die von Davy mit so unvollkommenen Mitteln entdeckten Beziehungen
:hen der Gestalt der Leiter und deren Leitfähigkeit wurden dann, nach-
in dem Galvanometer ein bequemes und genaues Messhilfsmittel ge-
en worden war, völlig bestätigt. Zuerst geschah dies durch Becquerel,
mit Hülfe seines Differentialgalvanometers noch ohne Kenntniss des
'sehen Gesetzes recht genaue Messungen anstellte (S. 638), indem er
einfaches Substitutionsverfahren anwandte, d. h. einen angenommenen
naldraht durch andere ersetzte, deren Länge und Dicke er so wählte
abänderte, dass sie die gleiche Wirkung gaben, wie jener Normaldraht.
Durch Ohm wurde nun weiter festgestellt, dass die Leitfähigkeit oder
Widerstand eines gegebenen Leiters eine von der Stromstärke oder
elektromotorischen Kraft unabhängige Grösse ist; in dieser Entdeckung
ht ja das eigentliche Wesen des OHM'schen Gesetzes. Auch verfehlte
nicht, einige Bestimmungen der Widerstandseigenschaften von Metallen
ufuhren.
Bei Gelegenheit seiner Maassbestimmungen über die galvanische Kette
:e dann Fechner (S. 422) fest, dass die auf die Form der Leiter bezüg-
n Gesetze auch für flüssige Leiter gelten, und gab gleichzeitig als erster
Methode, durch Berücksichtigung der Polarisation zu genauen Messungen
*r Grösse bei zersetzlichen Leitern zu gelangen. Ohne Rücksicht auf
* Grösse hatte Poggendorff gelegentlich seiner Arbeit über den Multipli-
r (S. 375) die eigenthümliche Erscheinung des Maximums der Leitfähig-
der Schwefelsäure bei einer mittleren Verdünnung beobachtet.
Endlich ist zu erwähnen, dass das entgegengesetzte Verhalten der flüs-
1 Leiter in Bezug auf den Einfluss der Wärme durch Ohm1 zuerst er-
lt worden ist. In dem Fig. 209 abgebildeten Apparate fand er eine
sere Ablenkung am Galvanometer, wenn die mit Flüssigkeit gefüllte
re zz erwärmt wurde. Da im übrigen alles unverändert blieb, konnte
1 Pogg. Ann. 63, 403. 1844.
stwald, Elektrochemie. 52
8i8
Sechzehntes Kapitel.
die vergrösserte Ablenkung nur der Erwärmung zugeschrieben werden. AI
in der Folge diese Beobachtung bestätigt wurde, bildete sich die Memail*^-
aus, es sei dies ein charakteristisches Kennzeichen der Elektrolyte im Gega*^
satz zu den Metallen; hm
dessen ist dies Verhata
H
Ol
1-
m,
%r-
Fig. 209. Nach Ohm.
nt/ zwar bei weitem das hat
X gere, doch giebt es auf bfr^J
den Seiten Ausnahmen.
Ebenso, wie das Difc
rentialgalvanometer zu der Messung der Leitfähigkeiten die Möglichkeit ge-
geben hatte, wandte auch der Erfinder der Tangentenbussole, Poüillet,
(S. 632) sein Instrument zu gleichem Zwecke an.1 Wenn auch die Mühe»-
lung der erhaltenen Zahlen wenig Interesse hat, ausser der Beobachtung,
dass schon sehr geringe Beimischungen fremder Metalle die Leitfähigkeit
bedeutend herabdrücken, so ist die Arbeit doch insofern nicht ohne Be- fc
deutung, als hier Poüillet selbständig, wenn auch noch in ziemlich unvoDr fc
kommener Gestalt einen Theil des OHM'schen Gesetzes ausspricht „In meinem
Apparate wirkten die elektromagnetischen Kräfte, welche zur Messung des
Leitungsvermögens dienten, proportional den Tangenten der Ablenkung der
Nadel, und als von einem und demselben Draht nach einander die Langes
l\> 4> 4 etc- genommen wurden, standen die Tangenten /j, /a, /s etc. der
Ablenkungen niemals im umgekehrten Verhältniss dieser Längen. Dagegen
verhielten sie sich umgekehrt, wie die um eine Grösse X vermehrten
Längen. Die Grösse A blieb für verschiedene Längen eines und desselben
Drahtes constant. ... Es scheint mir demnach, dass die Leitfähigkeit sich
in aller Strenge umgekehrt wie die Länge der Drähte verhält, vorausgesettt,
dass man den Widerstand, welchen die Elektricität beim Durchgange durch
die zwischen den Plattenpaaren befindliche Flüssigkeit und die verschiedenen
Leiter, die zu den Drähten hinfuhren, erleidet, in Rechnung zieht"
Eine systematische Untersuchung der elektrischen Leitfähigkeit fester
und flüssiger Körper wurde dann im Jahre 1846 durch Edmond Becquerel,
den Sohn von Antoine Becquerel, vorgenommen,2 der sich gleichfalls des
DirTerentialgalvanometers bediente. Die Versuchsanordnung ist in Fig. 210
dargestellt; EE' ist ein Rheostat nach Wheatstone mit kleinen Abänderungen
(S. 639), AA' ist der zu untersuchende Draht, von dem durch einen gleiten-
den Contact C verschiedene Längen nach einander eingeschaltet wurden;
dadurch konnten die Widerstände der Zuleitungen unschädlich gemacht
werden, indem man nur die Unterschiede des Widerstandes maass, welche
zwei verschiedenen Stellungen von C entsprachen.
Becquerel untersuchte auch den Einfluss, welchen die Temperatur auf
die Leitfähigkeit hat, genauer, indem er den aufgespulten Draht in ein mit
1 Timite de Physique 1, 754. 1827; nach Pogg. Ann. 15, 91. 1829.
od. cfaim. phv- 1846.
Die Leitung der Elekiricitäl i:
B Elektrolyten.
8-9
hermometer ausgestattetes Gefass brachte, in welchem sich Wasser
dessen Temperatur man verändern konnte. Es ergab sich bei diesen
en der Temperaturcoefncient der Lettfähigkeit, d. h. die verhält-
Fig. i
Nach Becquerel,
ige Abnahme der Leitfähigkeit für einen Grad, bezogen auf die
;keit bei 0° als Einheit, ziemlich verschieden, von 0,00104 beim
ber bis zu 0,0062 beim Zinn. Von der später durch Clausus er-
Regelmässigkeit, dass bei reinen Metallen dieser Coefricient gleich
dem Ausdehnungscoefficienten der Gase nahezu übereinstimmend
Becquerel nichts bemerkt.
weiterer Theil der Arbeit bezieht sich auf die Leitfähigkeit der
;iten. Der dazu dienende Apparat ist gleichfalls geeignet, richtige
u geben, und
heidet sich
Form nach
n, welchen
i. Nach Becquerel.
Apparate wurden in die beiden Zweige des Differentialgalvanometers
iltet und ins Gleichgewicht gebracht. War dies geschehen, so
e eine Elektrode um ein gemessenes Stück verschoben, und durch
erstand die entstandene Änderung der Leitfähigkeit ausgeglichen;
^schaltete Drahtwiderstand ist dem ausgeschalteten Flüssigkeitswider-
leich.
820 Sechzehntes Kapitel.
Was die allgemeinen Ergebnisse anlangt, so findet Becquerel i
Klassen von Salzen. Die der ersten vermindern mit zunehmendem Gchakl^
den Widerstand, und zwar, wie er zu finden glaubte, nach einer linem]
Function; ist R der Widerstand und q der Gehalt in der Volumeinheit,
gilt die Formel R = A H , wo A und B Constanten sind. Die Salze der]
zweiten Klasse sind die sehr leichtlöslichen; sie vermindern anfangs da
Widerstand, aber über einen gewissen Gehalt hinaus vermehren sie Da
wieder mit zunehmendem Gehalte. Hierzu gehören Zinksulfat und Kupfer-
nitrat. Alle von Becquerel untersuchten Salzlösungen vermindern ihm
Widerstand beim Erwärmen.
Fast gleichzeitig wurde auch in Deutschland eine umfassendere und voa
gröberen Fehlern freie Untersuchung über die elektrische Leitfähigkeit von
Lösungen im Giessener Laboratorium unter Buff's Leitung von E. N. Hors-
ford ausgeführt.1 Das Verfahren war das von Wheatstone angegebene
(S. 642), indem die Polarisation berücksichtigt wurde. Zunächst wurde erneut
festgestellt, dass der Widerstand der Länge direkt und dem Querschnitt um-
gekehrt proportional ist, so dass sich für den Widerstand einer Flüssigkeit
ein specifischer Coefficient angeben lässt.
Zur Untersuchung gelangten Lösungen von Schwefelsäure, Zink- und
Kupfervitriol, Kochsalz, Chlorkalium, Chlorbaryum, Chlorstrontium, Chlor-
calcium, Chlormagnesium und Chlorzink. Aus den erhaltenen Zahlen sind
keine Schlüsse gezogen worden, weil der Verfasser seine Arbeit fortzusetzen
gedachte. Doch ist es nicht dazu gekommen; Horsford legte sich in Amerika
auf die Fabrikation von Backpulver und wurde ein reicher Mann.
Prüft man die mitgetheilten Zahlen, so ergiebt sich folgendes, was spater
von Anderen wiedergefunden ist. Schwefelsäure hat ein Minimum des spc-
cifischen Widerstandes bei einem specifischen Gewicht zwischen 1,24 und
1,30. Lösungen desselben Salzes ändern ihren Widerstand angenähert um-
gekehrt proportional dem Gehalt, doch ist der Widerstand verdünnterer Lö-
sungen kleiner, als der Proportionalität entspricht.
3. Nochmals die metallische Leitung der Elektrolyte. Für die
weitere Entwicklung klarer Ansichten über die Elektricitätsleitung in den
Elektrolyten war es nothwendig, zu einer Entscheidung darüber zu gelangen,
ob, wie Faraday angenommen hatte, eine nichtelektrolytische Leitung neben
der elektrolytischen in Flüssigkeiten möglich ist, oder nicht. Allerdings lässt
sich eine solche Frage auf experimentellem Wege nie absolut beantworten;
alles, was der Versuch uns lehren kann, ist, ob innerhalb einer bestimmten
angebbaren Grenze eine solche metallische Leitung neben der elektrolytischen
stattfindet, oder nicht Mehr aber brauchen wir nicht zu wissen; ist diese
Grenze hinreichend weit hinausgerückt, dass der mögliche Betrag auf keinen
Vorgang einen sieht- oder messbaren Einfluss äussert, so hat es wenig Be-
70. -
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 321
ung> wenn dem gegenüber prinzipiell hervorgehoben wird, dass ein
ireis" gegen die Möglichkeit der metallischen Leitung nicht gegeben sei.
Durch die Untersuchungen von Schönbein und Henrici über die Pola-
ion (S. 667) war in der That dieser Beweis in einem sehr weiten Um-
e gefuhrt worden. Erkennt man die Polarisation als einen chemischen,
h die Wirkung der elektrolytisch ausgeschiedenen Ionen veranlassten
yang an, so kann aus jenen Nachweisen, dass kein Strom, sei er auch
1 so schwach, durch eine Elektrode und einen Elektrolyt von geeigneter
:haffenheit gehen kann, ohne erstere zu polarisiren, der unzweifelhafte
uss gezogen werden, dass bis zu jener Grenze der Nachweisbarkeit der
ine auch die Leitung eine elektrolytische gewesen ist. Freilich war nicht
iesen, dass nicht nur ein Theil der Ströme elektrolytisch gewesen ist,
der andere metallisch; jedenfalls war aber die von Farad ay angenom-
le Möglichkeit, dass ganz schwache Ströme ohne jede Elektrolyse durch-
en könnten, bis zur Grenze des Messbaren widerlegt.
Neben diesen qualitativen Nachweisen wurden im Laufe der Zeit auch
ntitative erbracht. In einer sorgfältigen Arbeit — wohl der besten, die
t gelungen ist — hat Buff1 die Proportionalität zwischen der an dem
vanometer gemessenen Stromstärke und der elektrolytischen Wirkung
>rüft und bis zu sehr geringen Stromstärken bestätigt gefunden.
In seiner ersten Arbeit über das elektrolytische Gesetz2 verglich er die
ichzeitige Wirkung des von einem sehr constanten Daniell-Element ge-
erten Stromes auf ein empfindliches graduirtes Galvanometer und auf eine
Dernitratlösung zwischen Silberelektroden. Von den verschiedenen Ver-
den seien die nachstehenden angeführt; in der ersten Reihe steht die
uer / des Stromes in Minuten, in der zweiten der gefundene, in der dritten
: berechnete Silberniederschlag in Milligrammen, in der letzten endlich
: Silbermenge, welche in der Zeit von 6000 Minuten niedergeschlagen
>rden wäre. Die Übereinstimmung der beiden mittleren Reihen lässt nichts
wünschen übrig.
;
gefunden
ucugc
berechnet
In 6000 Min.
2934
63,1
63,09
129
1510
63,3
63,37
251,5
960
76,55
76,88
478,4
83
72,3
72,43
5226 .
Die Stromstärken verhalten sich etwa wie 1 : 40, ohne dass die Pro-
>rtionalität gestört wäre. Die Berechnung der Silbermengen beruht auf
;r vorgängigen Messung der in den Stromkreis eingeschalteten Widerstände.
3enso wurde bewiesen, dass auch der zweite, auf die Äquivalenz verschie-
ner Ionen bezügliche Theil des FARADAv'schen Gesetzes bei schwachen
römen keine Abänderung erfährt.
1 Liebig's Ann. 86, 1. 1853 und 94, 15. 1855.
8 Liebig's Ann. 85, 1. 1853.
322 Sechzehntes Kapitel.
In einer späteren Arbeit,1 in welcher sich auch ein Bericht über
inzwischen mit Foucault (s. w. u.) geführte Auseinandersetzung befindet,
erweitert Buff seine Versuche auf die Messung des Wasserstoffe, der duni
sehr schwache Ströme abgeschieden wird. Durch die Anwendung Woiu-
sTON'scher Spitzen (S. 154) und vorherige Sättigung der Flüssigkeit mit de«
abzuscheidenden Gase bemühte er sich, die Versuchsfehler infolge der Ab-
sorption der kleinen Gasmengen nach Möglichkeit zu verringern. Als Bei-
spiel sei eine mit einer Lösung von Natriumsulfat erhaltene Reihe mitgetheüt:
Stromstärke
gefunden
Gasmenge
berechnet
1,032
o,449
0,481
0,889
0,257
0,239
0,422
0,257
0,239
o,330
0,110
0,127
2,856
0,891
0,875 •
„Obgleich die ... Unterschiede der gefundenen und berechneten Gas-
mengen verhältnissmässig nicht gering sind, so gehen sie doch nicht über
die Grenzen der unvermeidlichen Beobachtungsfehler und finden auch, wie
man bemerkt, nicht immer in demselben Sinne statt. ... Es gleichen sich
die einen jeden einzelnen Versuch betreffenden Unterschiede im Ganzen
einer Reihe fast vollständig wieder aus. Eine solche Übereinstimmung der
berechneten mit den gefundenen Gasmengen wäre unmöglich, wenn nicht
die Zersetzung mit der circulirenden Elektricitätsmenge bei allen Stromstärken
stets gleichen Schritt gehalten hätte."
Die Arbeit von Buff war um so willkommener, als eben von anderer
Seite der gegentheilige Nachweis, dass in den Elektrolyten eine metallische
Leitung vorhanden sei, zu fuhren versucht wurde. Es war Lüon Foucault,1
der dieses unternahm. Der Versuch, auf welchen er sich stützt, kommt
darauf hinaus, dass, wenn man in einer symmetrischen Kette aus Leitern
beider Klassen die Dicke der Flüssigkeitsschichten unsymmetrisch macht,
man einen Strom erhält. „Man nehme zwei Ketten von Zink und Platin,
völlig übereinstimmend, verbinde sie Pol an Pol und schalte ein Galvano-
meter zwischen zwei gleichnamige Platten ein; es ist klar, dass bei jener
Annahme und aus Gründen der Symmetrie kein Strom stattfinden darf,
weder im einen, noch im anderen Sinne. Für diejenigen, welche die metal-
lische Leitung der Flüssigkeiten leugnen, ist alle Wirkung aufgehoben; fär
die, welche sie annehmen, ist in jeder Kette eine schwache Wirkung nach-
geblieben; da sie aber beiderseits gleich sind, so kann der Galvanometer-
draht keinen Strom durchlassen. Ist dies gegeben, so nähern wir nur die
Platten des einen Paares, ohne das andere zu berühren; nach der Annahme,
wonach keine Leitfähigkeit der Flüssigkeit vorhanden ist, hat sich nichts
geändert; nach der umgekehrten Annahme ist eine Verminderung des Wider-
1 LutBiü's Ann. 96, 1. 1855. * Comptes rendus 37, 580. 1853.
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 823
ides zu Gunsten des zweiten Paares eingetreten , und dieses muss starker
rorden sein, als das erste: thatsächlich findet dies statt."
Es soll hier nicht auf die etwas bedenkliche Schlussweise dieser Dar-
jng eingegangen werden, obwohl es leicht sein würde, den Beweisführen-
l mittelst seiner eigenen Voraussetzungen ad absurdum zu fuhren. Der
indversuch selbst hat sich als nicht stichhaltig erwiesen, indem die beob-
itete Wirkung von anderen Ursachen, insbesondere von der Änderung der
tctrischen Beschaffenheit der Platinplatte durch die Bewegung innerhalb
• Flüssigkeit herrühren. Dieser Nachweis ist von de la Rive erbracht
rden;1 auch hat Buff (a.a.O.) durch einen einfachen Versuch gezeigt,
>s die beobachteten Ströme andere Ursachen hatten, als die von Foucault
rausgesetzten; umgiebt man nämlich die zu bewegenden Platten mit Cylin-
rn von porösem Thon, so hat es keinen Einfluss, ob man sie nähert oder
tfernt.
4. Faraday's Meinung. Faraday Hess sich indessen durch diese Nach-
ise nicht völlig überzeugen und schrieb einen ziemlich langen Aufsatz
•er die Frage, der trotz seiner Breite sehr lesenswerth ist, da in ihm dem
oblem der elektrolytischen Leitung mit seltener Energie zu Leibe gegangen
rd. Ich lasse den Aufsatz mit einigen Kürzungen folgen.'
„Seit der Zeit, in welcher das Gesetz der festen elektrolytischen Wir-
ing zum ersten Male aufgestellt worden war, ist die Frage entstanden, ob
e Stoffe, welche die Klasse der Elektrolyte bilden, nur in der Weise leiten,
iss sie die ihnen eigene Veränderung unter dem Einflüsse des elektrischen
tromes erfahren, oder ob sie leiten können, wie es die Metalle, trockenes
iolz, Spermaceti u. s. w. in verschiedenen Graden thun, d. h. ohne gleich-
artige chemische Veränderung in ihnen. Die erste Art der Leitung wird
Is die elektrolytische bezeichnet, und die Übertragung der elektrischen
Iraft wird dabei als nothwendig mit den eintretenden chemischen Ände-
ungen verknüpft angesehen; die zweite Art mag als eigentliche Leitung
»ezeichnet werden, und hier lässt der Vorgang der Leitung den Körper in
jenau demselben Zustande zurück, wie er ihn vorgefunden hat. Elektro-
nische Leitung ist mit dem flüssigen Zustande eng verbunden, ebenso mit
ler zusammengesetzten Natur und den chemischen Verhältnissen der Stoffe,
n denen sie vorkommt, und man sieht sie als dem Grade (d. h. der Leichtig-
<eit) nach als mit den Verwandtschaften der Bestandteile dieser Stoffe ver-
knüpft an; daneben giebt es aber andere Umstände, welche offenbar, und
das in hohem Maasse, die Geschwindigkeit der Übertragung beeinflussen, wie
die Temperatur, die Gegenwart anderer Stoffe u. s. w. Die eigentliche Lei-
tung ist dem Grade nach insofern verschieden, als die Menge der Elektricität,
welche durch hunderte von Meilen Kupferdraht in einer unbestimmbar kurzen
Zeit hindurchgehen würde, Jahrhunderte brauchen würde, um durch die
gleiche Länge eines anderen Stoffes, wie Schellack, zu gelangen; und dennoch
1 Ann. chim. phys. 46, 41. 1856. * Philos. Mag. 10, 98» 1855.
$24 * Sechzehntes Kapitel.
bietet das Kupfer und die ähnlichen Stoffe dem Strome einen Widerstand
dar, und Schellack wie seine Verwandten leiten.
„Der Fortschritt und die Bedürfnisse der Wissenschaft haben es in den j
letzten vier oder fünf Jahren und insbesondere im gegenwärtigen Augen» !
blicke von Wichtigkeit gemacht, die Frage, ob ein Elektrolyt irgend einen
Grad von eigentlicher Leitung zeigen kann, genauer zu betrachten, und die
Versuche zur Entscheidung der Frage sind bis zu einem beträchtlichen Grade
der Feinheit getrieben worden. . . .
„Die Frage bezüglich der Elektrolyte kann in drei Formen gestellt werden.
Sie können immer einen Grad von eigentlicher Leitfähigkeit haben; oder sie
können immer frei von solcher Leitfähigkeit sein; oder sie können eigentliche
Leitfähigkeit bis zu einem bestimmten Zustande hinauf haben, welcher entweder
durch die zur Elektrolyse erforderliche Intensität oder durch andere Um-
stände bestimmt ist, so dass, wenn dieser Zustand erreicht wird, die eigent-
liche Leitung in elektrolytische übergeht. Und diese drei Formen können
ferner verändert variirt werden, je nach dem physischen Zustande des Elek-
trolyts, insofern er fest oder flüssig, heiss oder kalt, rein oder mit anderen
Stoffen vermischt ist.
„Seit der Zeit, in welcher die Frage von mir selbst erhoben wurde, seit
zwanzig Jahren bis zum heutigen Tage, habe ich es als nothwendig erachtet,
die Frage offen zu lassen. Denn so genaue Thatsachen in einigen Fällen
von- denen herangezogen worden sind, welche in allen Fällen, in denen ein
Elektrolyt den Theil eines Leiters gebildet hat, chemische Zersetzungen er-
halten zu haben glauben, und so gern ich diese Thatsachen und Schlüsse
anerkannt haben würde, wenn nicht entgegenstehende Betrachtungen vor-
handen wären, so bin ich doch genöthigt, mein Urtheil zurückzuhalten, weil
thatsächlich solche Betrachtungen vorhanden sind. Erstens wird zugegeben,
dass alle Stoffe, welche nicht Elektrolyte sind, selbst Gase (Becquerel) eigent-
liche Leitung besitzen; wir haben daher a priori Grund zu der Erwartung,
dass auch die Elektrolyte solche besitzen werden. Beschränken wir die
Betrachtungen der verschiedenen Körper auf die Elektrolyte, so ist, wenn
auch der Betrag der Elektricität von bestimmter Spannung, welche sie im
flüssigen Zustande elektrolytisch leiten, oft fast unendlich viel grösser ist,
als sie im festen Zustande leiten können, doch immerhin die Leitung in dem
letzteren Falle sehr deutlich. Ein Stück von vollkommen trockenem, festem
Salpeter entladet ein Goldblattelektrometer sehr leicht, und wie ich glaube
durch eigentliche Leitung; und ist dies der Fall, so sehe ich nicht ein, wie
die Annahme der höchsten elektrolytischen Leitfähigkeit im flüssigen Zu-
stande ein Grund dafür sein soll, dass eine Eigenschaft, welche dem Körper
im festen Zustande zukam, im flüssigen absolut verschwinden soll, wenn
auch jene die letztere weit übertreffen mag, und sie zur Zeit unmerklich
machen kann. Diese Betrachtungen gründen sich indessen mehr auf die
Abwesenheit eines endgültigen und strikten Beweises auf der Gegenseite, als
dass sie selbst von positivem Charakter wären, doch scheint mir, dass die
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 325
:heinungen der statischen Elektricität uns verschiedene Gründe von posi-
• Natur für die Annahme der eigentlichen Leitfähigkeit bei Elektrolyten
rn können. Einige derselben will ich kurz darzulegen versuchen, indem
den Gegenstand durch die Beziehung auf Wasser darlege, welches in
em Zustande nur einen geringen Grad von elektrolytischer Leitung
tzt
„Die gewöhnlichen Erscheinungen der statischen Ladung und Influenz
wohlbekannt Wird ein geriebener Glasstab oder ähnlicher Körper
e an eine leichte vergoldete Kugel gehalten, die durch einen Metalldraht
ier Hand getragen ist, so stört die Influenzwirkung die Anordnung der
rtricität in der Kugel, und diese wird stark angezogen; wird an Stelle
Kugel eine Seifenblase genommen, so geschieht dasselbe. Wird eine
ale mit reinem destillirten Wasser gefüllt und dieses mit der Erde durch
>es Filtrirpapier verbunden, und wird eine Kugel von elektrisirtem Schel-
: 2 oder 3 Zoll oberhalb der Mitte des Wassers aufgehängt, und wird
i Platte von trockener isolirender Guttapercha von 8 Zoll Länge und
loll Breite mit einem Ende zwischen das Wasser und den Schellack ge-
lt, so kann sie hernach fortgezogen und untersucht werden, und man
let sie ohne Ladung, selbst wenn sie den Schellack berührt hat; ist aber
ein Ende mit dem Wasser unter dem Lack in Berührung gekommen
d sie kann eingetaucht werden), so dass sie eine Schicht davon mit der
ktricität, welche das Wasser durch Influenz erworben hat, davonträgt, so
iebt sich, dass sie, wie zu erwarten war, in einem Zustande gefunden
d, der dem des Schellacks entgegengesetzt ist."
Faraday beschreibt nun noch einige andere Versuche, welche alle das-
be beweisen, nämlich dass Wasser wie ein gewöhnlicher Leiter durch
luenz geladen werden kann. „Es kann aber gesagt werden, dass in allen
sen Fällen, welche mit Leitung verbunden sind, eine entsprechende und
)portionale elektrolytische Wirkung stattgefunden haben kann, und dass
sich daher um Fälle elektrolytischer Leitung handelt; die nachstehende
►Ige eines solchen Gedankens machte mich indessen glauben, dass die
sultate die eigentliche Leitung des Was-
rs beweisen. Nehmen wir eine Wasser-
ise an, welche sich mitten zwischen einer
>sitiven und einer negativen Fläche be-
idet, wie in der Fig. 212, so werden die ^. _. \ ^
' . . . Fig. 212. Nach Faraday.
leile in und um p positiv, und die in
ld um n negativ geladen werden, und zwar ausschliesslich durch die
:örung der ursprünglich in der Blase vorhandenen elektrischen Kraft, d. h.
me unmittelbare Leitung der elektrischen Kraft von P oder N; die Theile e
ier q werden keine elektrische Ladung haben, und von diesen bis zu den
heilen / und n wird die Ladung stufenweise zunehmen. Die Elektricität,
eiche in / und n und überall sonst erscheint, ist geleitet worden von
en einen Theilen der Blase zu den anderen, und wenn die Blase durch
g26 Sechzehntes Kapitel.
zwei Halbkugeln von Metallen ersetzt wird, welche an den äquatorialen
Theilen e und q etwas getrennt sind, so wird sich die Elektricität (bevor
sie in der stetigen Blase geleitet wird) als ein heller Funke zeigen. Nu
können die Theile an irgend einer Stelle der Wasserblase unter zwei Ge-
sichtspunkten betrachtet werden: als Leiter eines Stromes durch sich, oder
als Empfänger einer Ladung; in beiden Auffassungen liefert die Idee der
eigentlichen Leitung ausreichenden und befriedigenden Grund für das Er-
gebnisse die Idee der elektrolytischen Leitung scheint mir aber hier mit
Schwierigkeiten behaftet zu sein. Denn betrachten wir die Theile am Äqua-
tor eq\ sie nehmen keine dauernde Ladung an, und sie haben geleitet, wie
die oben erwähnte Wirkung der Halbkugeln zeigt; auch sind sie nicht in
einem Zustande gegenseitiger Spannung, wie sich das durch sehr einfache
Versuche mit den Halbkugeln beweisen lässt. Es muss daher Sauerstoff
von e nach n gegangen sein, und Wasserstoff von e nach /, d. h. nach den
Theilen, zu denen die Elektricität geführt worden ist, denn ohne solchen
Übergang der Anionen und Kationen würde kein Übergang der Elektricität
stattgefunden haben, und somit keine elektrolytische Leitung. Nun entsteht
aber die Frage: Wo erscheinen diese Elemente? ist das Wasser um n oxy-
dirt, und das um p hydrogenisirt? und sind die Elemente schliesslich gegen
die Luft diffundirt, wie das im Falle der Elektrolyse gegen Luftpole eintritt?
(S. 501.) Mit Rücksicht auf solche Fragen entstehen andere Betrachtungen
rücksichtlich der Theile um / und n, und des Zustandes der Ladung, welche
sie angenommen haben. Sie haben die Elektricität aufgenommen, welche
als ein Strom durch die äquatoriale Zone zu ihnen gegangen ist, sie haben
aber keinen Strom, oder keinen verhältnissmässigen Strom in sich gehabt —
die Leitung hat bis zu ihnen geführt, nicht aber durch sie; so ist beispiels-
weise keine Elektricität durch die Punkte / und n gegangen, doch ist zu
ihnen durch eine Art Leitung mehr Elektricität gegangen, als zu irgend
einem anderen Punkt der Blase. Es ist mit unseren Vorstellungen von der
elektrolytischen Leitung nicht zu vereinigen, wenn wir annehmen, dass diese
Theile durch solche Leitung geladen seien, denn zur Ausfuhrung dieser
Function ist es ebenso wesentlich, dass die Elektricität das zersetzte Theü-
chen ver lässt auf der einen Seite, wie dass es dahin gejit auf der anderen
Seite; das blosse Entweichen des Wasserstoffs und Sauerstoffs genügt nicht,
um das Ergebniss zu erklären, denn ein solches Entweichen kann allerdings
angenommen werden in dem Falle von Elektroden, welche in das Wasser
tauchen; wenn aber die Elektricität nicht von den zersetzten Theilchen in
die Elektroden und weiter in die Drähte übergehen kann, so dass sie irgend-
wo anders im Stromkreise ihr volles Äquivalent elektrischer Arbeit thun
kann, so findet keine elektrolytische Zersetzung an den letzten Theilchen
des Elektrolyts, noch eine Leitung durch seine Masse statt Selbst in dem
oben angeführten Falle mit Luft erfolgt ein vollständiger Übergang durch
die letzten Theilchen des Elektrolyts.)
„Enthält die obige Überlegung keinen Irrthum, und kann sie als aus-
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 827
:hend angesehen werden, um zu beweisen, dass die Theile/ und n nicht
letrolysirt werden, so reicht sie auch aus, zu beweisen, dass keines der
eilchen zwischen / und n elektrolysirt worden ist; denn wenn auch eines
1 ihnen bei e und q einen Strom erfahren hat, so konnte es seine Ele-
nte nicht ausgeben, ausser wenn die benachbarten Theilchen vorbereitet
ren, sie in einem vollkommen äquivalenten Grade aufzunehmen. Hebt
n die Elektrolyse bei n und /, d. h. an den Theilen der Oberfläche, wo
bewegte Elektricität stehen bleibt, auf, so heisst das, entsprechend unseren
jenwärtigen Ansichten über die Elektrolyse, dass man sie an allen zwischen-
jenden Stellen aufhebt; und hebt man die Elektrolyse auf, so hebt man
r elektrolytische Leitung auf, und es bleibt nun nichts anderes übrig, als
1 eigentliche Leitung, um über die sehr sichtbaren Leitungswirkungen,
Iche in dem Falle vorhanden sind, Rechenschaft zu geben.
„Es könnte angenommen werden, dass ein gewisser Zustand polarer
»annung in diesen Fällen statischer Influenz eintreten mag, welcher ein
ttelding zwischen dieser und der elektrolytischen Leitung ist, oder dass
1 gewisser vorbereitender und gleichsam unvollständiger Zustand voraus-
setzt werden kann, welcher den Fall der statischen Influenz in einer
asserkugel, wie ich sie betrachtet habe, von dem gleichen Falle bei Me-
Ukugeln unterscheidet. Unsere künftige weitere Kenntniss wird uns viel-
icht einen solchen Zustand zeigen; jedoch bei unseren gegenwärtigen be-
immten Anschauungen über eigentliche und elektrolytische Leitung muss
?merkt werden, dass eine solche Entdeckung ebenso gut mit der einen
nsicht, wie mit der anderen übereinstimmen könnte, wiewohl sie sehr wahr-
:heinlich beide ändern und verbessern würde.
Kommen wir auf die Betrachtung der Theilchen zwischen / und n
jrück, so finden wir, dass sie, ob wir sie in Bezug auf den Strom, den
e erfahren, oder die Ladung, die sie angenommen haben, betrachten, eine
:etige Reihe bilden; der Theil in e hatte den grössten Strom, der bei n
einen, und der bei r einen massigen, und es sind Theile vorhanden, welche
»den zwischenliegenden Grad durchgelassen haben. Dasselbe gilt für die
.adung; sie ist am grössten in n und Null in e, und zwischen beiden kommt
eder Zwischenwerth vor. Diese oberflächlichen Theilchen enthalten somit
ile die bestehende Ladung, und somit befindet sich alle Elektricität, welche
geleitet ist, in ihnen; folglich müssen alle Resultate der Elektrolyse dort
»ein; und dies würde der Fall sein, wenn wir auch eine volle Kugel von
kVasser an Stelle der Blase nehmen. Denn wenn die Theilchen, welche
nehr Strom erfahren haben, auch mehr von den elektrolytischen Resultaten
am sich haben sollten, als die anderen, so müsste die Elektricität, welche
thatsächlich vorwiegend, wenn nicht vollständig mit diesen anderen verbunden
ist, sie durch wirkliche Leitung erreicht haben, welche gerade als nicht
existirend angesehen wird. Zu Gunsten der elektrolytischen Ansicht wollen
wir annehmen, dass die Leitung an diesen oberflächlichen Theilen en
und dass dort diese elektrolytischen Produkte sich ansammeln, inden
828 Sechzehntes Kapitel.
für den Augenblick den früheren Einwand übergehen, dass die Elektricift
diese Theilchen erreicht hat, ohne durch sie gegangen zu sein. Nehmen
wir daher ein Theilchen bei r und betrachten wir seinen elektrolytisdn
Zustand als proportional der Elektricität, welche dieses Theilchen erreich
und es geladen hat, so können wir annehmen — denn wir haben die Mög-
lichkeit, die Influenzwirkung in beliebigem Grade zu vermindern — , dass
die Elektricität, deren Leitung an dem dort befindlichen Theilchen aufge-
hört hat, gerade genügt hat, um es zu zerlegen, und das oberflächliche
Theilchen, welches sich früher unten befunden hatte, geladen zu hinter-
lassen. In diesem Falle wird ein anderes, starker geladenes und näher an n
gelegenes Theilchen, wie in s, genügend Elektricität an seinen Ort geleitet
erhalten, um zwei Theilchen Wasser zu zersetzen; doch kann dies offenbar
nicht das zunächst an r belegene Theilchen sein, sondern es müssen noch
viele Theilchen mit zwischenliegenden Ladungen zwischen beiden existireo.
Nun entsteht die Frage: wie können diese Theilchen zwischenliegende La-
dungen durch elektrolytische Leitung allein erhalten? Elektrolytische Wirkung
ist bestimmt, und die Theorie der elektrolytischen Leitung nimmt selbst an,
dass die Theilchen des Sauerstoffs und Wasserstoffs bei ihrer Wanderung
nicht beliebige, sondern ganz bestimmte Kraftmengen mit sich fuhren, die
nicht getheilt werden können, sondern als Ganzes von einem solchen Theil-
chen genommen und einem anderen gegeben werden müssen. Wie kann
aber irgend eine Anzahl von Theilchen, oder irgend eine Wirkung solcher
Theilchen den Bruchtheil der Kraft tragen, welche mit jedem einzelnen Theil-
chen verbunden ist? Es ist allerdings kein Zweifel, dass, wenn zwei ge-
ladene Theilchen ihre Ladung entweder an ein einziges abgeben können,
oder auf drei oder mehr Theilchen, dass dann alle Schwierigkeiten ver-
schwinden. Durch eigentliche Leitung kann dies geschehen: da wir uns
aber nicht ein halb zerlegtes Theilchen vorstellen können, so kann ich nicht
einsehen, wie dies durch elektrolytische Leitung geschehen kann, d. h. wie
die zwischen r und s belegenen Theilchen zu zwischenliegenden und unbe-
stimmten Graden geladen werden können, wenn Leitung ohne Elektrolyse
bei ihnen und ihrer Umgebung in Abrede gestellt wird.
„Wird angenommen, dass die zwischen e und n belegenen Theilchen
elektrolytisch mittelst des Stromes leiten, welcher durch sie geht (indem
wir zeitweilig ausser von anderen ernstlichen Einwänden davon absehen,
dass die Produkte nicht an den Orten gefunden werden, an welche die
Elektricität geführt worden ist), so wird das gegenwärtige Argument immer
noch seine Kraft behalten. Es soll bei r genug Elektricität durchgegangen
sein, um zwei Theilchen Wasser zu zersetzen, und bei s nur genug, um
eines zu zerlegen — wie kann ein Theilchen zwischen r und s seine Ele-
mente mit den nach r oder nach s gelegenen Theilchen austauschen, wenn
nur elektrolytische Leitung zugegeben wird? oder wie kann, wie oben er-
wähnt, ein Theilchen seine Kraft von zweien erhalten, oder sie an zwei
abgeben? Viele andere Betrachtungen ergeben sich bei der Betrachtung
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. g2Q
Wasserblase unter statischer Influenz; doch liefern die eben dargelegten,
1 die, welche sich auf den Sitz der elektrolytischen Wirkung beziehen,
an dem Platze des Stromes oder der Ladung, eine solche Summe von
iwierigkeiten, dass diese allein genügen, um mich zur Zeit alle Schlüsse
der fraglichen Sache vertagen zu lassen.
„Die Leitfähigkeit des Wassers kann unter einem anderen Gesichts-
akte betrachtet werden, nämlich bezüglich der absoluten Ladung, welche
er Flüssigkeit gegeben werden kann. Eine Spitze an der Elektrisir-
schine kann die benachbarten Theilchen der Luft laden, und diese strö-
:n davon. Das Gleiche kann mit Theilchen von Kampher oder Terpentinöl
»chehen — und ebenso mit den Theilchen des Wassers. Werden zwei
nne Drähte mit dem RuHMKORFF'schen Apparate verbunden und in destil-
:es Wasser etwa einen halben Zoll von einander entfernt getaucht, so
gen die gewöhnlich vorhandenen Stäubchen alsbald, wie das Wasser eine
düng aufnimmt, und wie die geladenen Wassertheile in Strömen fort-
hen und sich gegenseitig in der Masse entladen. Nun ist eine solche
.düng nicht mit Elektrolyse verbunden, denn die Bedingung derselben ist,
ss die Elektricität durch das Wasser geht und nicht darin festgehalten
rd. Die blosse Ladung des Wassers giebt uns keine Vorstellung, wo
jendwelche durch die Elektrolyse freigemachte Bestandtheile sich entwickeln
nnen, und dennoch kommt die Leitung sehr bei dem Akt der Ladung
Betracht. Ein Regenschauer fallt durch einen Luftraum, welcher elek-
scher Wirkung unterliegt, und jeder Tropfen wird geladen; Tröpfchen
>nnen von einem elektrisirten Springbrunnen mit sehr hoher Ladung ge-
3rfen werden; in beiden Fällen ist die Leitung in hohem Grade thätig,
h finde es aber sehr schwierig zu verstehen, wie diese Leitung eine elek-
olytische sein kann.
„Wenn entgegengesetzt elektrisirte Wassertropfen einander genähert
erden, so leiten sie durch Fortführung, d. h. als Träger der Elektricität;
erühren sie sich, so entladen sie einander, und die Function der Leitung
ndet alsbald statt. Wird die oben erwähnte Wasserblase aus dem Influenz-
ebiete entfernt, so neutralisiren sich die entgegengesetzten Elektricitäten
ei n und /, indem sie durch die Wassertheilchen geleitet werden. Müssen
ir in diesem Falle annehmen, dass die Leitung eine eiektrolytische ist?
nd wenn, wo sind die getrennten Bestandtheile, und wo sollen sie er-
cheinen? Es muss eine feste Überzeugung sein, welche in solchen Fällen
ie eigentliche Leitung leugnen wollte, und wenn sie hier nicht geleugnet
/ird, warum wird sie dann überhaupt geleugnet?
, ,Das Ergebniss alles Nachdenkens, welches ich über den Gegenstand mit-
teilen kann, ist ein vertagtes Urtheil. Ich kann nicht sagen, dass die eigent-
che Leitung in den Elektrolyten zur Zeit widerlegt ist; aber ich kann auch
icht sagen, dass ich einen Fall weiss, dass ein noch so schwacher Strom
litttelst Platinelektroden durch angesäuertes Wasser geleitet worden wäre,
hne dass diese polarisirt worden wären. Es kann sein, dass die Gegei
8 -50 Sechzehntes Kapitel.
von metallischen Elektroden durch ihre Eigenthümlichkeiten die nothwendige
Bedingung zur Entwickelung der Elemente vervollständigen, welche bei dm
gleichen Grade der Elektrisirung ohne die Metalle nicht entwickelt werden
würden; andererseits kann es sein, dass, nachdem die Metalle polarisirt sai
und ein entsprechender Spannungszustand entstanden ist, ein Betrag von
eigentlicher Leitung zwischen ihnen und dem Elektrolyt neben der elektri-
schen Wirkung gleichzeitig stattfinden mag. Darüber besteht jetzt loa
Zweifel, dass bezüglich der Elektrolyse und ihrer Gesetze sich alles so iw»
hält, als gäbe es nur elektrolytische Leitung; bezüglich der statischen Er-
scheinungen, welche ebenso wichtig sind, und der Stufen, durch die sie ii
dynamische Wirkungen übergehen, ist es aber wahrscheinlich, dass eigent-
liche Leitung bei Elektrolyten in genau der Weise stattfindet, wie bei anderen
zusammengesetzten Körpern, denn dies ist bisher nicht widerlegt, wird durch
starke Wahrscheinlichkeitsgründe gestützt und ist möglicherweise wesentlich.
Indessen sind die äussersten Grenzen der elektrischen Intensität so weit von
einander entfernt, und so unendlich verschieden nach der entgegengesetzten
Richtung sind die Stoffmengen, welche die wesentlichen Erscheinungen beider
Arten hervorbringen können und hervorbringen, dass diese Trennung der
Leitungswirkung denen vollkommen und ganz erscheinen kann, deren Geist
eher geneigt ist, eigentliche Leitung durch elektrolytische ersetzt zu sehen,
als anzunehmen, dass sie zwar reducirt, aber nicht zerstört ist; dass sie
gleichsam für Elektricität von grosser Menge und kleiner Intensität ver-
schwindet, aber reichlich genügt für alle natürlichen und künstlichen Er-
scheinungen, wie die beschriebenen, bei denen sowohl Intensität wie Zeit
sich vereinigen, um die schliesslich erforderten Ergebnisse zu begünstigen.
„Indessen sollen wir über Naturgesetze nicht dogmatisiren, oder ohne
Beweis über ihre physische Natur entscheiden; und in der That sind die
beiden Arten der elektrischen Wirkung, die elektrolytische und die statische,
so verschieden, und doch beide so wichtig — die eine alles durch Quantität
leistend bei sehr geringer Intensität, die andere viele ihrer Hauptresultate
durch Intensität mit kaum einer verhältnissmässigen Quantität gebend —
dass es gefährlich sein würde, zu schnell die wirkliche Leitung in den wenigen
Fällen, in denen Wasser der Leiter ist, zu leugnen, während man doch
weiss, dass sie in den meisten Leitern wesentlich ist, allein aus dem Grunde,
weil, wenn Wasser als Elektrolyt benutzt wird, die elektrolytische Leitung
für jeden Fall der elektrolytischen Wirkung wesentlich ist"
5. Elektrostatische Elektrolyse. Der von Faraday in der vor-
stehenden Abhandlung ausgesprochene Zweifel, ob sein Gesetz bei den Er-
scheinungen der statischen Influenz noch gültig ist, hat L. Soret in Genf1
veranlasst, einen entsprechenden Versuch anzustellen, welcher ergab, dass
allerdings auch für diese Vorgänge das Gesetz als* gültig angenommen
werden muss.
1 Ann. chim. phys. 47, 119. 1856. — BibL univers. de Gentve, Man 1856.
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 831
„Der Versuch, den ich mir vorgenommen habe, ist der folgende:
imt man zwei in einander stehende Gefässe von Glas, füllt beide bis zu
x gewissen Höhe mit-Wasser und verbindet das Wasser des inneren Ge-
es mit dem Leiter einer Elektrisirmaschine, das des äusseren Gefässes
dem Boden, so hat man eine wirkliche Leidener Flasche mit Belegungen
Wasser. Setzt man die Maschine in Bewegung, so werden wir der
wohnlichen Sprache ge uäss sagen, dass die positive Elektricität sich aus
1 Conductor der Maschine in das Wasser begiebt, um sich an der inneren
she des Glases anzusammeln, während die negative Elektricität, durch
positive der inneren Belegun \ angezogen, aus dem Boden durch einen
rallischen Leiter sich in das äussere Wasser begiebt, und sich an der
seren Seite des inneren Glases anhäuft. Es handelt sich darum, zu
en, ob die Elektroden, d. h. die Enden der metallischen Leiter, welche
das Wasser tauchen, polarisirt werden, was ein sicherer Beweis für die
setzung des Elektrolyts, nach der Meinung der meisten Physiker, sein
rde. . . .
„Folgendermaassen wurde der Versuch ausgeführt. Ein sehr reines und
ckenes Glas wurde zur Hälfte mit gewöhnlichem oder schwach ange-
lertem Wasser gefüllt; der besseren Isolierung wegen stand es auf einem
rzkuchen. In dieses Wasser wurden zwei Platinplatten getaucht, die vor-
r nach der von Faraday angegebenen Methode gereinigt worden waren. . . .
ese beiden, mit Platindrähten versehenen Platten wurden durch Glasröhren
tgehalten, die an den Rändern des Glases befestigt waren; das Ganze war
t Siegellack befestigt, so dass die Platten keine Bewegung auszuführen
rmochten.
„In dieses Gefäss wurde ein zweites gestellt, welches aus einer langen
isernen Probirröhre von etwa 0,7 m Höhe bestand. Die Röhre war ausser-
Jb mit Gummilack gefirnisst und der Rand war mit einem Wulst von
egellack versehen. In das Innere war eine gewisse Menge Wasser mit
t Vorsicht gegossen worden, dass die Wände oberhalb des Wassers nicht
jnetzt wurden. Vermöge dieser Einrichtungen ist man sicher, dass keine
lektricität aus der Maschine längs der Wände des inneren Gefässes ent-
eicht; wie man unten sehen wird, kann man sich hiervon auch durch einen
imittelbaren Versuch überzeugen.
„Alsdann wurde das Innere der Probirröhre mit dem Conductor einer
lektrisirmaschinc mittelst einer Messingkette verbunden."
Bevor der Versuch ausgeführt wurde, überzeugte man sich von der
rleichheit der beiden Elektroden in dem äusseren Gefässe. Eine einmalige
adung dieser Leidener Flasche gab keine messbare Polarisation. Als aber
ie Ladung sechzehnmal hinter einander wiederholt wurde, indem jedesmal
ie Flasche inzwischen durch einen anderen Leiter entladen wurde, ergab
ch zwischen dem Platin, welches mit dem Boden verbunden gewesen war
nd die Zuleitung der negativen Elektricität besorgt hatte, und der unbe-
jhrt gebliebenen zweiten Platinplatte ein Strom, als die beiden durch
g^2 Sechzehntes Kapitel.
empfindliches Galvanometer geschlossen wurden. „Es scheint also, da
eine Zersetzung stattgefunden hat, wie schwierig es auch ist, sich einefafrlh
Wickelung des Sauerstoffs an der Oberfläche des Glases vorzustellen/* 1k
Nachdem einige weitere Versuche auseinandergesetzt worden sindi wekfels
die gute Isolirung des Apparates beweisen, und welche einen ÜbergafJ
des elektrischen Stromes an der Oberfläche des Wassers ausschliessen ß
wurde Terpentinöl auf die Oberfläche desselben gegossen, ohne dass de
Ergebnisse sich änderten), wurde schliesslich noch ein Versuch angestel,
welcher die Polarität dieser Art elektrischer Zersetzung zur Anschawnf
brachte. „Anstatt die Platinplatte unmittelbar mit dem Boden in Verbindmj
zu setzen, wurde neben dem äusseren Glase ein ganz ähnliches Gefass an-
gebracht, in welches gleichfalls zwei wohl gereinigte Platinplatten von gleicher
Grösse wie die anderen tauchten. Von der Platinplatte des ersten Gefass«
ging ein Kupferdraht in das Wasser des zweiten, und eine der Platinplatten
dieses Gefässes wurde mit dem Boden in Verbindung gesetzt; dann wurde
der frühere Versuch wiederholt. Nach sechzehn Entladungen wurden nach
einander die beiden Plattenpaare mit dem Galvanometer in Verbindung ge-
setzt, und sie gaben sehr nahe die gleiche Ablenkung.
„Somit ist der Betrag der Zersetzung, wie es durch die Polarisation der
Elektroden gemessen wird, der gleiche, ob der Strom durch eine Elektrode,
oder durch zwei geleitet wird. . . .
„Diese Versuche widersprechen sonach der Hypothese einer eigenen
(metallischen) Leitfähigkeit der Flüssigkeiten." |
In späterer Zeit sind die hier gewonnenen Ansichten bestehen geblieben,
und es hat sich bis auf unsere Zeit trotz der so ausserordentlich gesteigerten
Mannigfaltigkeit und Feinheit der Untersuchungsmittel kein Umstand ergeben,
welcher zu der Annahme einer metallischen Leitung neben der elektrolyti-
schen in irgend einem Leiter zweiter Klasse Anlass gegeben hätte. Es fuhrt
dies zu dem Schlüsse, dass allerdings eine Ursache zu existiren scheint,
welche das gleichzeitige Vorkommen der beiden Arten der Leitung neben
einander ausschlieft; vielleicht wird gerade dieser Umstand einmal da*u
führen, die Ausgestaltung bestimmterer Vorstellung über das Wesen der
metallischen Leitung zu vermitteln.
6. Die Wanderung der Ionen. Aus den früher (S. 614) geschilderten
Arbeiten Daniell's hatte sich ergeben, in welchem Maasse die genauere
Untersuchung der elektrolytischen Vorgänge im Lichte des FxRADAY'schen
Gesetzes Klarheit und Sicherheit in die Beurtheilung derselben zu bringen
vermag. Diese Arbeiten schlössen, nachdem die vorgenommene- Aufgabe
erledigt war, mit einem Problem, das in hohem Maasse zu einer weiterei
Verfolgung einlud. Denn sie endigten mit der Frage, wie die Bewegung
der Ionen, die von dem Vorgange der elektrolytischen Stromleitung unzer
trennlich ist, von der Natur derselben abhängig ist, und welchen Anthei
daher in einem gegebenen Elektrolyt jedes der vorhandenen Ionen an de
gesammten Stromleitung habe.
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 333
Zu der Zeit, wo jene Arbeiten mit dieser Frage abschlössen, wurde das
dem kaum verstanden. Ein Beweis dafür ist, dass nicht nur zunächst
land die Frage aufgenommen hat, sondern auch, nachdem zehn Jahre
er die Aufgabe bearbeitet, und mit schönstem Erfolge gelöst wurde,
allgemeine Ablehnung der Empfang war, welcher diesen bahnbrechen-
Untersuchungen zu Theil wurde. Der Forscher, dem wir hier eine
wesentlichsten Förderungen verdanken, welche die Elektrochemie er-
en hat, musste in reichlichstem Maasse das Schicksal derer erfahren,
? was davon erkannt," und wenn er in unseren civilisirten Zeiten nur
isch „gekreuzigt oder verbrannt" worden ist, so hat er doch ein halbes
ischenalter darauf warten müssen, bis seine Forschungen gebührend ge-
digt worden sind, und seine Gedanken die Verbreitung erhalten haben,
welcher sie erst ihre allgemeine Fruchtbarkeit entfalten konnten.
Die Arbeiten, von denen hier die Rede ist, sind die im Jahre 1853 a
onnenen Untersuchungen von Wilhelm Hittorf in Münster über die
nderungen der Ionen bei der Elektrolyse.1 Die hier niedergelegten
schungen haben den grössten Einfluss auf die Ausbildung unserer jetzigen
sichten über die Beschaffenheit der Elektrolyte und die Vorgänge der
ctrolytischeri Leitung gehabt, und ihr Studium fuhrt uns mitten in die
rriffswelt hinein, in welcher die Gegenwart sich bewegt.
Der neue Gesichtspunkt, unter welchem diese Versuche ausgeführt
rden sind, wird in der ersten Abhandlung bereits auf das klarste in den
jenden Worten ausgesprochen:
„Es würde gewiss von grosser Wichtigkeit sein, wenn wir diese Be-
gungen, welcher die kleinsten Theilchen eines Elektrolyten während des
irchganges eines Stromes unterworfen sind, genauer, als in den allgemein-
n Umrissen darstellen könnten. Sie werden nicht allein über das Wesen
r Elektricität, sondern auch über die chemische Constitution der. Körper
:ht verbreiten.
„Es scheint möglich, durch den Versuch die relativen Wege, welche
i beiden Ionen während der Elektrolyse zurücklegen, in vielen Fällen zu
stimmen. Da uns im Folgenden dieser Punkt allein beschäftigen wird,
wollen wir ihn in der Zeichnung ebenfalls allein hervortreten lassen. Zu
*sem Ende wählen wir die Darstellungsart, die Berzelius in seinen Werken
*bt, in welcher die beiden Ionen sich unter einander befinden und in
rizontaler Richtung an einander verschieben (Fig. 213). Gesetzt, der Elek-
>lyt sei durch ein indifferentes, den Strom nicht leitendes Lösungsmittel
den flüssigen Zustand gebracht. Vermögen wir die Flüssigkeit an irgend
1er bestimmten Stelle zu spalten, so werden wir nach der Elektrolyse in
lern Theil die Ionen in einem anderen Verhältnisse finden, als vor der-
ben. Dieses Verhältniss wird durch die Wege bedingt, welche jedes Ion
hrend des Durchganges des Stromes zurücklegt.
1 Pogg. Ann. 89, 177. 1853.
9 Gesammtausgabe in den Klassikern der exakten Wiss. Nr. 21 und 23.
Ostwald, Elektrochemie. 53
834
Sechzehntes Kapitel.
„Machen wir z. B. die Annahme, welche in den älteren Darstellung«
stillschweigend vorausgesetzt wurde, dass die Wege einander gleich sein,
demnach die beiden wandernden Ionen sich in der Mitte der ursprünglich*
Entfernung begegnen, so lehrt ein Blick auf die Fig. 213, dass nach der*
Elektrolyse der Theil der Flüssigkeit, der an die Anode grenzt, ein hau»!1
Äquivalent des Anions mehr, ein halbes Äquivalent des Kations weniger
enthalten wird, wie vor derselben. Für den anderen Theil, der mit dff
Anode in Berührung stand,
••••••••••••
I
r
li
••••••••
Fig. 213. Nach Hittorf.
gilt natürlich das Umge-
kehrte. Unter Äquivakat
ist die Menge des freige-
wordenen Bestandteils ver-
standen.
„Legen die beiden Ionen
nicht gleiche Wege zunick,
begegnen sie sich nicht in
Mitte, so wird die Seite der
Flüssigkeit, auf der das
schneller sich bewegende
Ion auftritt, um mehr ab
ein halbes Äquivalent desselben vermehrt, und um weniger als ein halbes
Äquivalent des anderen vermindert worden sein. Die Fig. 214 zeigt das für
die Annahme, dass das Anion l/s, das Kation 2/s des Weges zurücklegt
088888 888888«©
8888888888888 ob©
88888888888888
888888888888888c©
8888888888883888©
888888888888888880
8888888888(88888888
*►
Fig. 214. Nach Hittorf.
Die Seite der Flüssigkeit an der Anode enthält nach der Zersetzung 1/t Äqui-
valent des Anions mehr, */, Äquivalent des Kations weniger, als vor der-
selben. Die andere Seite zeigt das umgekehrte Verhältniss.
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 335
„Es gilt offenbar dieses Resultat allgemein. Legt das eine Ion — des
jes zurück, das andere -^-^ — > so wird die Seite der Flüssigkeit, in
:her ersteres auftritt, — Äquivalent desselben mehr, ~~ Äquivalent
anderen weniger enthalten. Die entgegengesetzte Beziehung wird für
andere Seite des Elektrolyten gelten."
In dieser kurzen Darlegung, welche an Klarheit und Durchsichtigkeit
its zu wünschen übrig lässt, ist das Programm der Untersuchungen ent-
en, welche sich, wie Hittorf selbst bemerkt, viel weiter ausgedehnt
en, als anfangs beabsichtigt worden war, und welche den Zeitgenossen
unverständlich blieben. Hittorf beginnt damit, die älteren Bemühungen
zulegen, die an den Elektroden auftretenden Concentrationsänderungen
erklären. Er erwähnt zuerst mit lebhafter Anerkennung die Arbeiten
. Daniell und knüpft dann an eine Mittheilung von Pouillet (Pogg. Ann.
474) an, welcher nach der Elektrolyse einer Lösung von Goldchlorid die
ssigkeit an. der negativen Elektrode ihres Goldes beraubt gefunden hatte,
i daraus den Schluss zog, dass nur die negative Elektrode überhaupt
setzende Wirkung ausübe. „Es ist sonderbar, wie dieser einfache Versuch
allgemein missverstanden worden ist. Die Verdünnung, welche die Lö-
tg am negativen Pole erleidet, beweist keineswegs, dass das betreffende
tall bei der Elektrolyse nicht wandert. Wir überzeugen uns davon so-
ich, wenn wir einen Blick auf die Fig. 213 oder 214 zurückwerfen. Das
tion ist im obigen Falle im freien Zustande ein fester Körper, verlässt
0 als solcher beim Ausscheiden durch den Strom das Lösungsmittel. Die
*. 213 ist unter der Annahme entworfen, dass die Ionen gleiche Wege
ücklegen, und lehrt, dass die Seite an der Kathode um 1/1 Äquivalent
s Kations nach der Elektrolyse vermehrt ist. Da nun ein Äquivalent
sselben fest geworden, so wird die Lösung um l/2 Äquivalent vermindert,
i. um Yi Äquivalent des Salzes verdünnt sein. Die Verdünnung muss
so auch, wenn das Kation wandert, am negativen Pol eintreten; sie muss
offenbar unter allen Umständen, so lange nicht das Kation allein wandert,
is Anion ruht. Erst in diesem und einzigen Falle wird an der Kathode
e ursprüngliche Concentration bleiben.
„Gerade diese Verdünnung, welche die Flüssigkeit um den negativen
)1 in den Fällen erleidet, wo das Kation die Lösung verlässt, kann vor-
ifflich benutzt werden, um die Überführung quantitativ zu bestimmen.
hne Einschaltung von Asbest oder eines Diaphragmas wird leicht eine ge-
iue Spaltung des Elektrolyten erreicht."
Hittorf geht nun zu der Beschreibung seiner Apparate über, welche
den Figuren 215 und 216 abgebildet sind. Da er später diesen ziem-
h verwickelten Apparat durch andere, einfachere ersetzt hat, so kann
n der eingehenderen Beschreibung hier abgesehen werden. Der Zweck
r verschiedenen Theile ist, die Trennung der Flüssigkeit in der
53*
836
Sechzehntes Kapitel.
gestatten, nachdem die Elektrolyse ausgeführt ist. Mit diesem Appant
wurde zunächst durch die Elektrolyse einer Lösung von Kupfersulfat da
Folgende festgestellt:
Die Stromstärke hat keinen Einfluss auf die Überfuhrungszahl; dm
Versuche, bei denen sich die Stromstärken wie 1 1 : 42 : 96 verhielten, gab«
für die Überführung des Kupfers die Zahlen 29,1, 28,5, 28,9; „es uute-
liegt keinem Zweifel, dass die Überfuhrung von der Intensität des Stromes
unabhängig ist."
Die Verdünnung der Lösung hat einen Einfluss; als der Gehalt vm
6,35 Theilen Wasser auf ein Theil Salz bis zu 148,3 Wasser geändert wurden
änderte sich die Überfuhrung von 27,6 fto-
cent bis 36,2 Procent.
Die Temperatur zeigt zwischen 41
und 210 keinen messbaren Einfluss.
r
a
As
Fig. 215.
Fig. 216.
Nach Hittorf.
Ähnliche Versuche mit Silbernitrat ergaben gleichfalls eine
keit der Überführung von der Verdünnung, die aber nur bei grösseren
Concentrationen merklich war, und von einer etwa siebenprocentigen Lösung
ab verschwand, indem bei grösseren Verdünnungen die Zahlen constant blieben.
Weiter untersuchte Hittorf Silbersalze anderer Säuren, von denen er
das Sulfat und das Acetat wählte. Er fand relativ zum Silber die Geschwin-
digkeit des Ions der Schwefelsäure am grössten, dann kam das der Salpeter-
säure, und schliesslich das der Essigsäure. Da er glaubte, dass diese drei
Zahlen auch die Reihenfolge der Verwandtschaftsgrade der drei Säuren in«
Silber ausdrückten, so wurde ihm eine Beziehung der chemischen Verwandt
schaft zur Wanderungsgeschwindigkeit wahrscheinlich.
• •
i
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 3^7
„Um den bemerkten Zusammenhang zu deuten, drängt sich leicht
ende Betrachtung auf. Von mehreren Anionen werden wir dasjenige,
zhes in der Vereinigung mit demselben Kation den grössten Weg zur
>de zurücklegt, für das elektronegativste erklären. Analoges gilt von
ireren Kationen, die mit demselben Anion vorliegen. Je weiter andere
i Stoffe in der Spannungsreihe von einander abstehen, desto kräftiger
rheint ihre chemische Verwandtschaft. Wir würden danach in den Wegen,
che die Ionen während der Elektrolyse zurücklegen, ein Maass für ihre
mische Verwandtschaft suchen dürfen." Hittorf fugt alsbald eine Ver-
lrung hinzu, diesen theoretischen Versuch als erwiesen zu nehmen; er
damit sehr recht gehabt, denn diese Betrachtung hat sich in der Folge
ganz irrthümlich erwiesen, und dürfte sich bei eingehender Untersuchung
h logisch nicht wohl halten lassen.
Weiter theilt Hittorf noch einen Versuch darüber mit, ob der bei der
ktrolyse von Eisensalzen entwickelte Wasserstoff primär oder sekundär
Das Eisen war theilweise als Oxyd vorhanden, die gesammte Eisen-
nge erwies sich aber der durch denselben Strom im Voltameter ausge-
iedenenen Silbermenge äquivalent, so dass Hittorf den Wasserstoff für
undär erklärt.
Endlich wurde, um den Einfluss des Lösungsmittels zu prüfen, eine
oholische Silbernitratlösung verwendet; es ergab sich, dass der Unter-
lied zu Gunsten des Ions der Salpetersäure, welcher bei der wässerigen
sung beobachtet worden war, bei der alkoholischen stärker ausgeprägt
h zeigte. „Dieses Resultat, das man nicht erwartet, mahnt zur Vorsicht
der Deutung unserer Zahlen."
Dies ist in Kürze der Inhalt der ersten Mittheilung Hittorf's. Für den
utigen Leser ist in der Abhandlung nichts enthalten, was den Widerspruch
irgend einem Maasse herausforderte; man empfindet im Gegentheil un-
mein wohlthuend gegenüber so manchen zeitgenössischen Arbeiten die
hlichte Klarheit der Auffassung, welche dabei einen Gesichtskreis mit
fitesten Ausblicken eröffnet. Um so seltsamer muthet uns der Wider-
ruch an, welcher sich allseitig gegen diese Forschungen erhob; von den
rschiedensten Seiten werden Einwendungen geltend gemacht und andere
uffassungen des elektrolytischen Vorganges dargelegt. Von allen diesen hat
:h keine als stichhaltig erwiesen. Wir haben es hier mit einem der nicht
ltenen Vorgänge zu thun, dass eine neue, von dem Gewohnten abwei-
lende Ansicht, welche durch einen einfachen und klaren Gedanken über
ne ganze Reihe bisher bestandener Schwierigkeiten hinweghilft, mit beson-
drem Eifer verworfen wird. Als wollte man sich das Gute, welches unge-
jcht kommt, nicht gefallen lassen, werden alle möglichen Gründe, auch
ie fadenscheinigsten, hervorgesucht, um es ablehnen zu dürfen, und mit
iner seltsamen Genugthuung bemüht man sich, nachzuweisen, dass die
Knge doch nicht so einfach seien, wie sie im Lichte des neuen Gedankens
rscheinen. Oft genug wird, wie auch in unserem Falle, die Entwickelung
g^g Sechzehntes Kapitel.
der Wissenschaft durch dies Gebahren verzögert, und erst einer spätere» lc
Zeit bleibt es vorbehalten, Gerechtigkeit zu üben und — sich selbst dam ■*
eine Lehre zu ziehen.
7. R. Kohlrausch's Schwierigkeit. Als ein entsprechendes Zeog-
niss dafür, in welchem Maasse die hier von Hittorf vorgetragene Anschauung
welche uns jetzt vollkommen einfach und selbstverständlich erscheint, audk
bei hervorragenden Forschern Schwierigkeiten des Verständnisses begegnete,
kann eine von R. Kohlrausch unter dem Titel: Über die elektrisch«
Vorgänge bei der Elektrolyse veröffentlichte Arbeit1 dienen. Zunächst
findet sich eine klar aufgefasste Darstellung der Stoffbewegung bei der
Elektrolyse, welche wir noch heute als fast völlig sachgemäss bezeichnet
müssen; alsdann bringt sich aber unser Forscher selbst in einen Widersprach,
welcher thatsächlich gar nicht vorhanden ist, und nur aus einer missverstand-
lichen Entwickelung aus der richtigen Voraussetzung entstanden ist
„Nach dem jetzigen Stande der Wissenschaft, wenigstens soweit man
ihn aus der Litteratur erkennen kann, scheint es als eine ausgemachte Sacbe
betrachtet zu werden, dass der elektrische Strom in einem Elektrolyten
etwas wesentlich anderes ist, als der Strom im metallischen Theile des
Schliessungsbogens. Während man im letzteren die beiden Elektricitäten
in entgegengesetzten Richtungen von Atom zu Atom des Metalles wandern,
diese Atome aber selbst an ihrer Stelle bleiben lässt, wird der Elektrolyt
gewissermaassen als ein Isolator betrachtet, und der Strom kommt in ihm
nur dadurch zu Stande, dass die ponderablen Atome selbst, die einen
überladen mit positiver Elektricität in der Richtung des Stromes, die anderen
überladen mit negativer Elektricität in der entgegengesetzten Richtung fort-
wandern, so dass hier die Bewegung der Elektricitäten an die Bewegung
der ponderablen Masse geknüpft erscheint. Nach der elektrochemischen
Theorie erhalten aber die Atome ihre Überladung an Elektricität nicht eist
an den Polplatten der Zersetzungszelle, oder durch die elektromotorische
Kraft, sondern sie besitzen dieselbe schon von vornherein. Im Wasseratom
z. B. hat bei der chemischen Verbindung das Wasserstoffatom freie positive,
das Sauerstoffatom ebensoviel negative Elektricität erhalten, und diese freien
Elektricitäten, indem sie an die getrennten Atome geknüpft bleiben und mit
ihnen wandern, bilden den Strom in den Elektrolyten. Auf diese Art erklärt
sich einfach der Zusammenhang zwischen der mit dem Magneten gemessenen
Stromintensität im Drahte und der Menge der Zersetzungsprodukte.
„Diese Betrachtungsweise des Stromes im Elektrolyten soll im Folgenden
die elektrolytische Hypothese genannt werden. Sie erscheint so einfach
und abgerundet, dass man sie gerne als eine ausgemachte Wahrheit betrachten
möchte, und dass sie vielfach als solche wirklich gelehrt wird. Fragt man
aber die Gelehrten privatim um ihren Glauben an die Sache, so erfahrt man,
dass dieser keineswegs auf sehr festen Füssen steht; der eine hat
1 Pogg. Ann. 97, 397. 1856.
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 839
andere jenes Bedenken. In solchen Fällen bleibt nichts übrig, als die
pothese, soweit es thunlich ist, in ihre Consequenzen zu verfolgen, ent-
ler, um die Natur über diese Consequenzen zu befragen, oder die Über-
stimmung zwischen ihnen und bekannten Naturgesetzen auf theoretischem
rge zu prüfen."
Als eine solche Consequenz, welche zu einem unerwarteten Ergebniss
rt, untersucht nun Kohlrausch die Vorgänge bei dem Übergange der
tung aus einem Elektrolyten in ein Metall und umgekehrt. Nachdem er
verschiedenen hier möglichen Vorstellungen geprüft hat, legt er die
:hfolgende dar, die ihm als die angemessenste erscheint:
„Nach dieser Ansicht enthält jeder Körper in seinem unelektrischen
stände ein gewissermaassen zu seiner Existenz gehöriges Quantum von
jtraler Elektricität. Als die Bestandteile des Wassers sich chemisch ver-
öden, hat eine . Zerlegung der Elektricitäten stattgefunden; das Wasser-
ffatom gab eine gewisse Menge — q seines negativen Theiles der neutralen
?ktricität an das Sauerstoflatom ab, und dieses rückwärts eine Menge + q
ler wenn man will, q') seines positiven Theiles an das Wasserstofjatom.
is letztere hat dann den Überschuss 2q an freier positiver Elektricität,
ch ist das eine q dieses positiven Überschusses eigentlich als ein Mangel
negativer Elektricität zu betrachten. Wird das Atom wieder von seinem
ichbar getrennt und in die Lage gebracht, in einen unelektrischen Zustand
rückkehren zu können, so wird es die an dem negativen Theile seiner
mtralen Elektricität fehlende Menge — q aufnehmen, das überschüssige + q
>er abgeben.
„Darnach würde die . . . Auffassungsweise die sein, dass die Polplatte
der Richtung des positiven Stromes die Hälfte des mit dem positiven
estandtheile des Elektrolyten ankommende Elektricität aufnähme und fort-
hrte, während in entgegengesetzter Richtung ein negativer Strom diesem
estandtheile die zu seiner unelektrischen Existenz nothwendige, aber noch
blende andere Hälfte an negativer Elektricität zuführte. Und eben dieselbe
trömung im metallischen Theile des Schliessungsbogens würde an der
nderen, nämlich der positiven Polplatte genügen, dem negativen Bestand-
leile bei seiner Ankunft das ihm Fehlende zu geben und seinen Überschuss
ntzuleiten.
„Wenn nun, und das sind die Prämissen,
a) in jeder Sekunde an jede der Polplatten doppelt so viel Elektricität
[elangt, als diese in derselben Richtung fortfuhrt, und wenn
b) nach der GROTTHUss'schen Ansicht die in der Sekunde an den Pol-
)latten ausgeschiedenen Quantitäten der Bestandtheile ebenfalls durch alle
ibrigen Querschnitte des Elektrolyten gleichfalls hindurchgehen, so kommt
ler eigenthümliche Schluss zu Stande, dass der Strom im Elektrolyten
ioppelt so stark sein muss, als der im metallischen Theile des Schliessungs-
>ogens. Denn, um es rücksichtlich des positiven Stromes zu wiederholen:
7ür die Elektricitätsmenge +2q, welche im Elektrolyten in der Richtung
340 Sechzehntes Kapitel.
des positiven Stromes wandert, geht im Draht nach derselben Richtung ar
+ q\ es wird aber durch das zweite q des Elektrolyten keine positive Beb
tricität an der Kathode angehäuft, indem dies + ? lediglich darum ab fri
erscheint, weil dem hier ausgeschiedenen Bestandtheil die gleiche Mop
derjenigen negativen Elektricität fehlt, welche ihm in seinem unelektrischa
Zustande zukommt, dieser fehlende Theil — q aber von der Polplatte weg».
des negativen Stromes im Drahte im Augenblicke der Ausscheidung aaf :
den betreffenden Bestandtheil des Elektrolyten übergeht
„Man täuscht sich, wenn man etwa glaubt, durch Anwendung einer der
anderen Auffassungsweisen, oder von einer vierten, diesem Schlüsse, dass in
Elektrolyten der Strom die doppelte Intensität haben müsse, wie der ia
metallischen Schliessungsbogen, aus dem Wege zu gehen. Man kommt •
dadurch, so lange man die obigen Prämissen festhält, entweder genau u
demselben Schlüsse, oder zu dem gleich bedeutenden: dass im Drahte ein
einfacher Strom ist von derselben Intensität, wie jeder der beiden Strome,
welche in entgegengesetzter Richtung den Elektrolyt durchlaufen."
Und nun geht Kohlrausch auf die Beschreibung einer Versuchsanord-
nung über, mittelst deren er diesen Schluss geprüft hat Sie bestand im
Wesentlichen aus einem Leiter, welcher einen langen prismatischen Trog
mit einem Elektrolyten enthielt. Über dem Troge und ebenso über einem
anderen horizontalen Theile des Leiters befanden sich zwei Magnetnadeln,
deren Lage durch Fernrohr und Skala an einem Spiegel abzulesen war.
Der Strom wurde durch das Leitersystem, das im übrigen so eingerichtet
war, dass die anderen Theile keine ablenkende Wirkung auf die Magnete
übten, hindurchgeleitet, und aus den Ablenkungen die Drehmomente des
Stromes im Elektrolyten und im metallischen Leiter berechnet Diese Rech-
nung gestaltete sich ungemein verwickelt, da einerseits der Einfluss der
räumlichen Ausdehnung des elektrolytischen Leiters, andererseits die gegen-
seitige Einwirkung der Magnete auf einander und die der entfernteren Theik
des Schliessungsbogens auf jeden der beiden Magnete zu berechnen war;
so nimmt denn auch die Mittheilung dieser Rechnungen allein mehr ab
zwölf Seiten ein. Das Ergebniss war *'= 0,98635 /, wo 1 die Stromstärke
im Elektrolyten, i die im metallischen Leiter bezeichnet, d. h. beide Ströme
sind gleich.
Nachdem nun nachgewiesen ist, dass der früher gezogene Schluss un-
gültig ist, geht Kohlrausch auf eine Erörterung ein, wie dies Ergebniss mit
der Theorie zu vereinigen sei, und giebt eine sehr umständliche Ausein-
andersetzung, welche schliesslich in die einfache Überlegung mündet, dass m
der Trennung eines Sauerstoffatoms von einem Wasserstoffatom nicht jedes
Atom den ganzen Weg zurückzulegen braucht, sondern nur den halben,
oder mit Rücksicht auf die Arbeit von Hittorf, dass eines der Atome den
einen und das andere den anderen Theil des Weges macht, so dass der
gesammte Weg der Elektricitäten nicht der doppelte, sondern wirklich nur
der einfache ist Ein Blick auf die Fig. 213 und 214 lehrt dieses alsbald;
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 84 1
i um sich vollkommene Klarheit darüber zu verschaffen, braucht der
ser nur unter diesem Gesichtspunkte die obenstehende Auseinandersetzung
:hmals durchzusehen, um sich zu überzeugen, dass bei den dort ange-
cnmenen Elektricitätsbewegungen nicht die einfache, sondern die doppelte
nge der Zersetzungsprodukte ausgeschieden werden würde, als voraus-
setzt, so dass zu deren Entladung im metallischen Leiter auch der dop-
Ite Strom erforderlich wäre. Überhaupt muss man sich unmittelbar sagen,
ss die erste Darlegung schon deshalb einen Fehler enthalten musste, weil
r doppelte Strom in einem Theile des Leiters unvermeidlich zu einer
ihäufung freier. Elektricität an den Elektroden proportional der Dauer des
romes fuhrt, was nicht möglich ist.
Kohlrausch hat sich zu dieser Erkenntniss offenbar mit einigen Schwierig-
sten hindurchgekämpft, denn er giebt eine ungemein lange und umständ-
he Auseinandersetzung dieser einfachen Verhältnisse, welche eher geeignet
, den Leser zu verwirren, als ihn aufzuklären, wenn sie auch an sich
irchaus einwurfsfrei ist Von Werth ist indessen der ausdrückliche Aus-
ruch der Voraussetzungen, die zu machen sind, um die elektrolytische
ypothese (S. 838) der Stromleitung mit der Erfahrung in Einklang zn bringen,
arnach ist vorauszusetzen, dass die Wirkung eines mit dem Ion bewegten
ektrischen Theilchens proportional seiner (elektrischen) Masse und seiner Ge-
hwindigkeit in der Stromrichtung und umgekehrt proportional dem Quadrat
iner Entfernung sei, und dass die Wirkung einer negativen Elektricitäts-
iwegung gleich der einer gleichen positiven Elektricitätsmenge in entgegen-
setzter Richtung sei. Da dies alles Voraussetzungen sind, welche in den
)rigen Theilen der Elektricitätslehre als richtig angesehen werden, so liegt
nn schliesslich überall eine vollkommene Übereinstimmung der Erfahrung
it der Theorie vor.
Von grösserem Interesse, als diese anschauliche Demonstration, wie
iwer es oft ist, die Dinge in ihrer Einfachheit zu sehen, sind einige Stellen,
welchen die Analyse des Zersetzungsvorganges bei der Elektrolyse der
LOTTHUSs'schen Auffassung gemäss im einzelnen durchgeführt wird. Die
ischauung, welche sich Kohlrausch schliesslich von diesen Erscheinungen
Lcht, ist durch die Fig. 217 vorgestellt. Darin bedeuten aa die Wasser-
>me, deren Bestandteile durch - ,
und — gekennzeichnet sind, und -4r J+ —|r J+ -+
; mit Pfeilspitzen bezeichneten ^""^L.. TT^T « ^^777^™
r Fig. 217. Nach R. Kohlrausch.
lien stellen die Wege dar, welche
rse Bestandtheile zurücklegen müssen, bevor sie sich mit dem nächsten
tgegenkommenden Atom vereinigen können, um die neuen Wassertheil-
znbb zu bilden, und Kohlrausch betont ausdrücklich, dass gegen diese
ege die Entfernungen der beiden Elektricitäten in den Doppelatomen ver-
iwindend klein sind. Um die letzteren bewegen sich aber nur die beiden
ome im verbundenen Zustande, während die ganzen übrigen Wege inj
ien Zustande zurückgelegt werden müssen. Daraus folgt aber mit Noth-
g^2 Sechzehntes Kapitel.
wendigkeit ein Schluss, welchen R. Kohlrausch freilich nicht gezogen bb
nämlich dass die der Elektrolyse unterliegenden Verbindungen während des lc
allergrössten Theiles der Zeit, während welcher sie an der Stromleitung \& |t
theiligt sind, sich nicht im verbundenen, sondern im getrennten Zustande
befinden müssen; die Bewegung der einzelnen Atome allein kann de
Stromleitung bewirken, und die stromleitenden Atome müssen daher not-
wendig frei sein.
Es ist sehr merkwürdig, wie dieser unmittelbare und auf Grund der
gemachten Voraussetzungen gar nicht zu umgehende Schluss von keinem
der Forscher, die sich bis dahin und in der Folgezeit mit diesen Fragen
beschäftigt haben, gezogen und ausgesprochen worden ist, bis dies im Jahre
1887 durch Arrhenius geschah. Es darf wohl nicht angenommen werden,
dass der Gedanke keinem der betreffenden Männer gekommen sei; dazu
war er doch zu naheliegend. Wohl aber hat offenbar jeder einen solchen
Gedanken für ganz unzulässig gehalten, da er allem widersprach, was die
Chemie lehrte und behauptete, und die weitere Erkenntniss, dass auch aus
der Chemie eine Menge von Widersprüchen und Unklarheiten durch eine
entsprechende Reform der Anschauungen beseitigt werden würde, konnte
sich nicht entwickeln. Auch hat es geschichtlich in der That einer Reihe
neuer Erkenntnisse bedurft, um den Schluss, zu welchem die altbekannten
Thatsachen längst berechtigten, endlich ziehen zu lassen. An jene alten
Widersprüche hatte man sich eben gewöhnt, und ihre Beseitigung um den
Preis einer fundamentalen Umwälzung erschien als eine zu weitgehende For-
derung. Als aber eine ganz neue und damals noch wenig bewährte Theorie,
die Gastheorie der Lösungen van t' Hof^s, die Umgestaltung forderte, da
wurde sie zu Gunsten derselben durchgeführt, und erst im Anschlüsse daran
ergaben sich die unzähligen weiteren Vortheile, welche die Reform mit
sich brachte.
8. Hittorf's Arbeiten. Fortsetzung. In seiner zweiten Mittheilung
beschreibt Hittorf1 zunächst nochmals die Grundlagen seines Verfahrens,
und verbessert es nach zwei Richtungen. Einmal wird die Analyse der
Veränderung im Salzgehalt nicht mehr wie früher auf das Volum der Lö-
sung bezogen, sondern auf das Gewicht des Lösungsmittels; es verschwindet
dadurch eine Fehlerquelle, welche allerdings so geringfügig ist, dass sie in J
den früheren Fällen keine die Versuchsfehler überschreitende Abweichung !
hat bewerkstelligen können. Zweitens beschreibt er zwei neue Apparate,
deren Construction dadurch nothwendig geworden war, dass er die Sabe
der Alkalimetalle in den Kreis seiner Arbeiten zog, und auf die bei deren
Elektrolyse auftretenden Erscheinungen besonders Rücksicht zu nehmen
hatte. Die Apparate sind in den Fig. 218 und 219 dargestellt; der eine ist
ohne Diaphragmen, der andere mit solchen ausgeführt Letztere erleichtern
sehr die Arbeit und sind von Hittorf benutzt worden, nachdem er sich
1 Pogo. Ann. 08, 1. 1856.
Die Leitung der ElektriciUt in den Elektrolyten.
843
erzeugt hatte, dass er bei der Anwendung derselben die gleichen Resultate
lielt, wie ohne solche. Zu bemerken ist wesentlich das Hülfsmittel, durch
isen Anwendung er die Gasentwickelung an beiden Elektroden vermied,
Iche durch Vermischung der Schichten seinen Zweck vereitelt hätte: er
nutzte statt des üblichen unangreifbaren Metalles eine Kathode von Cad-
urn, wodurch an Stelle von Sauerstoff (resp. Chlor oder dergl.) sich ein
dmiumsak bildet, welches in Folge des grossen specirischen Gewichts
ner Lösung an den Boden
5 Glases sich begiebt, ohne
die oberen Schichten zu
.ndem.
Als Einwand gegen die
lässigkeit des Verfahrens
x die Erscheinung geltend
macht worden, dass unter
nständen durch den Strom
: gesammte Salzlösung fort-
führt wird, wenn ein porö-
1 Diaphragma sich in der
rombahn befindet (S. 845).
1 gerade in derselben Zeit
s Gesetze dieser Erschei-
ng durch Gustav Wiede-
nn einer genauen Unter-
:hung unterzogen worden
ren, lag der Einwand in
r That nahe.' Auch diesen
nkt konnte indessen Hit-
w befriedigend erledigen:
Fortführung der gesamm-
Flüssigkeit durch den
om und die Wanderung
• Ionen geschehen unab-
lgig von einander, so dass man die Verhältnisse der Weglängen der Ionen
-echnen darf, als fände die Fortführung der Flüssigkeit überhaupt nicht statt.
Den auf den ersten Augenblick etwas überraschend aussehenden Satz,
>s das Ergebniss der Überfuhrungsmessungen nicht geändert wird, wenn
der Anode (resp. an der Kathode) sich beliebige andere Salze bilden,
wenn die Elektroden mit beliebigen anderen Salzlösungen umgeben sind,
gründet Hittorf durch folgende Überlegung:
„Wie ich in der ersten Mittheilung gezeigt, werden die Überführungen,
Iche wir suchen, dadurch bedingt, dass die Ionen eines jeden Querschnittes
1 eine bestimmte Strecke des Zwischenraumes, der ihn von dem nächsten
nnt, den betreffenden Elektroden sich nähern. Ich habe daselbst durch
Nach Hittorf.
Nach Hittori.
g44 Sechzehntes Kapitel.
die Figuren 213 und 214 (S. 834) zu veranschaulichen gesucht, dass die
Zahlen, welche wir finden, die relativen Wege ausdrücken, welche die beiden
Ionen jedes Querschnittes bei jeder
Zersetzung und Wiedervereinigung
nach den Polen zurücklegen. Oboe
Einfluss auf dieselben muss die Natur
der Elektroden sein, welche wir nadi
Faradav als die Begrenzungen des
Elektrolyten, als die Thüren, durch
welche der Strom aus- und eintritt,
anzusehen haben. Unsere Zahlen
werden nicht geändert, welche Me-
talle wir zu den Polen nehmen, wenn :
nur dadurch die Losung in der Nähe
der Trennungsstelle nicht verän-
dert wird. Ich wählte die Anode bis
jetzt stets aus dem Metall, dessen !
Salz in der Lösung sich befand, weil
dadurch ein dreifacher Zweck am ein- '
fachsten zu erreichen war. Einmal wurde die störende Gasentwickelung an .,
diesem Pole vermieden; sodann entstand daselbst eine specirisch schwerere
Flüssigkeit, und endlich gelangte kein anderes Salz in die Lösung. Wir
dürfen aber zur Anode jedes Metall benutzen,, sobald es nur mit dem Ank*
eine lösliche Verbindung eingeht, wenn
wir nur Sorge tragen, dass das ent-
stehende Salz um die Anode bleibt,
wenigstens nicht in die Nähe der
Trennungsstelle gelangt In analoger
Weise verhält es sich mit der Ka-
thode. Wird die Lösung um den
positiven Pol zur Analyse benutzt, so
dürfen wir den negativen mit einem
anderen Elektrolyten umgeben, wenn
er nur nicht während der Elektrolyse
bis zur Trennungsstelle vordringt''
Der auf Grund dieser Überlegungen
entstandene Apparat ist durch Fig. 218 dargestellt, wo die Anode aus amalgi-
mirten Cadmium sich in dem untersten Gefässe befindet, und die Trennung der
beiden Flüssigkeitsantheile zum Zweck der Analyse mit Hülfe der Diaphrag-
men erfolgt. Mit diesem Apparate wurden zunächst die Alkalisalze untersucht'
Bevor Hittorf indessen auf die Mittheilung seiner Versuchsergebnis«
eingeht, nimmt er auf eine Äusserung R. Bunsen's Bezug,1 nach welcher
Nach Hittork.
1 Pog«. Ann. 91, 61^
.854.
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten,
JS45
itromdichte die Kraft des Stromes wachse, Verwandtschaften zu
m, und setzt auseinander, wie dies zwar fiir die praktischen Er-
ler Elektrolyse gelte, nicht aber für die Wanderungserscheinungen,
als von der Stromstärke, und somit -dichte unabhängig erwiesen
elmehr handelt es sich bei dem Ausspruche Bunsen's nur um die
die sogenannte primäre oder secundäre Reaktion das Übergewicht an
ode hat, und nur darauf kann sich jene Äusserung beziehen. Die
der Wanderungsgeschwindigkeit ist aber, wie eben gezeigt, unab-
von der besonderen Beschaffenheit der an den Elektroden statt-
Reaktionen.
len Alkalisalzen wurden nun alsbald viel einfachere Ergebnisse er-
; vorher mit den Salzen des Kupfers und Silbers, denn die Über-
ahlen erwiesen sich als unabhängig von der Verdiinnung.
, deren Gehalt an Chlor-
vischen 1 : 4,8 und 1 : 449
, gaben dieselben Werthe,
in dem Sinne, dass beide
eile nahezu gleich schnell
nur das Chlor etwas schnei-
Überführung des letzteren
; im Mittel zu 0,5 1 5 ; die des
lemgemäss 0,485. Ebenso
sich Brom- und Jodkalium,
erführungen auch zahlen-
lit der des Chlorkaliums
nfallen ; Chlorammonium
sich diesen Salzen an.
rat, -sulfat und -acetat
;egen eine geringere Uber-
des Anions, aber die
Jnabhängigkeit von der
"g-
Untersuchungen von G. Wiedemann. Gleichzeitig mit den
welche die Aufklärung des Vorganges bei der elektrolytischen
lurch die Untersuchung der an den Elektroden auftretenden Con-
sanderungen zum Gegenstande hatten, beschäftigte sich ein anderer
dessen Name uns noch vielfach entgegentreten wird, Gustav Wiede-
einer anderen Gruppe von Vorgängen, deren Gesetze er bei dieser
it mit grosser Vollständigkeit ermittelte. ' Es handelt sich um die
en, welche die gesammte elektrolytische Flüssigkeit erfährt, wenn
;s Diaphragma in die Strombahn eingeschaltet ist. Die Erschei-
bereits von Danieli. erwähnt worden, doch hat der von diesem
185*.
846
Sechzehntes Kapitel.
genannte englische Forscher Porret, welchen er als den ersten Beobachter
nennt, einen Vorgänger in Rbuss,1 welcher in Moskau 1809 solche Beob-
achtungen gemacht hatte.
An dein Apparate Fig. 223 wurde zunächst die Thatsache, dass die
Flüssigkeit im Sinne des positiven Stromes fortgeführt wird, geprüft und
bestätigt. Die Einrichtung desselben ist leicht zu erkennen: es sind zwei
Glasgefässe von geeigneter Gestalt mit ihren abgeschliffenen Rändern unter
Zwischenfügung einer Thonplatte an einander gelegt, und werden in dieser
Stellung durch Schrauben mit Muttern zusammengehalten. Die horizontalen
Offnungen dienen zur Einfuhrung der Elektroden, die oberen zur Einsetzung
von Wasserstandröhren. Die Erscheinung trat bei den meisten Flüssigkeiten
auf, deutlicher bei schlechtleitenden, weniger bei besser- und gar nicht bei
gutleitenden, wie verdünnter Schwefelsäure.
Messende Versuche wurden mit dem Apparate Fig. 224 ausgeführt,
der aus einer Thonzelle besteht, an die ein gläserner Aufsatz gekittet ist,
Nach G. WlEDEMANN.
welcher die übergeführte Flüssigkeit abzuleiten und zu messen gestattete.
In der Thonzelle befand sich die eine cylindrische Elektrode, ausserhalb
derselben die andere. Wurde ein Strom von der äusseren Elektrode rur
inneren geleitet, so floss die mitgeführte Flüssigkeit in die vorgelegte Flascbe.
Das Ergebniss der Messungen war zunächst, dass die Menge der über-
geführten Flüssigkeit der Stromstärke proportional ist. Diese Menge ist im
übrigen unabhängig von der Grösse und Dichte der porösen Wand. Von
deren Natur zeigte sich indessen die Grösse abhängig; so gaben Zellen aus
dichterem Material eine geringere Überführung, als porösere.
Von der Natur der Flüssigkeit Hess sich keine genauere Abhängigkeit
nachweisen, als dass die Überführung dem Widerstände derselben parallel
ging, ohne dass man eine Proportionalität auszusprechen berechtigt wäre.
1 Sevkfek's Gesch. Darst. de« Galvan. 1848, 541; nach WiKDEUANN a. 4. O.
Die Leitung der Elektricilät in den Elektrolyten
847
Der Apparat (Fig. 225) wurde nun dahin abgeändert, dass nicht die
rehgeflossene Flüssigkeitsmenge, sondern der erzeugte Druck gemessen
rde, welcher die Überführung eben aufzuheben vermochte. Dazu wurde
die Stelle der Ausflussröhre ein Manometer gebracht. Dabei ergab sich,
ss die Druckhöhen, bis zu welchen die Flüssigkeiten durch den galvani-
len Strom aufsteigen, der Intensität des Stromes direkt proportional sind.
; sind bei verschiedenen Oberflächengrösscn derselben Zelle der Oberfläche
igekehrt proportional, und wachsen ferner direkt proportional der Dicke
r Zellwand.
Versuche mit Kupfervitriollösungen verschiedenen Gehaltes ergaben
dlich, dass die Druckhöhen den Widerständen der Losung direkt pro-
rtional sind.
Im Anschlüsse an seine Untersuchungen über die elektrische Fortführung
r Flüssigkeiten durch poröse Scheidewände betheiligte sich auch G. Wiede-
,nn an der Untersuchung der Concentrationsanderung an den Elektroden,1
Nach G. WlHDEMANN.
ldem er den durch Fig. 226 dargestellten Apparat verwendete. Die mit
emselben erhaltenen Ergebnisse waren theilweise durch Versuchsfehler ge-
rübt, und im Allgemeinen weniger einer einfachen Deutung fähig als die
on Hittorf über diese Frage erhaltenen. Dagegen veranlassten ihn die
nit der Fortfuhrung der Flüssigkeiten zusammenhängenden Betrachtungen,
ine Beziehung aufzustellen, welche sich, nachdem sie längere Zeit als fast
ioffnungslos angesehen worden war, doch als in der Natur der Sache be-
gründet erwies: eine Beziehung zwischen der elektrischen Leitfähigkeit der
.ösungen, und den Bewegungshindernissen, welche sich den Ionen ent-
gegenstellen, und für welche in erster Annäherung die innere Reibung der
Flüssigkeiten in Betracht zu ziehen ist Mit Hülfe des in Fig. 227 darge-
stellten Apparates ermittelte er für Lösungen, deren Leitfähigkeit er be-
1 Pooo. Ann. », 177. 1856.
84»
Sechzehntes Kapitel.
7. Nach G. WlEDEMANN.
stimmte, auch die inneren Reibungen. Der Apparat besteht aus der Vorriek-
tung d a bf, welche zur Herstellung eines constanteo Druckes nach den
Prinzip der MAKiOTTE*schen Flasche zusammengestellt ist, und einem hori-
zontal liegenden Capiliarrohr nebt
Pipette kkl, welche die zu unter-
suchende Flüssigkeit aufnahmen. Durch
Beobachtung der Zeit, welche die
der Pipette enthaltene Flüssigkeit ge-
brauchte, um mittelst des vorhanden«
Druckes durch die Capillare gepresst n
werden, ergab sich die relative Zähig-
keit oder innere Reibung.
Die elektrischen Leitfähigkeiten
wurden nach der von Becquerel und
Wheatstone angegebenen Weise tlurch
Substitution gemessen.
Aus dem Vergleich beider Zahlen-
reihen ergab sich schliesslich als anl
nähernde Regel, dass der Widerstand
der Losungen der Zähigkeit der Flüs-
sigkeiten direkt, ihrem Salzgehalt umgekehrt proportional sei. Wiedemans
» bemerkt ausdrücklich, dass diese Regel nur die Annäherung sei, doch weist
er in mehreren Fällen deren gute Übereinstimmung mit den Messungen
nach. Auch weist er darauf hin, dass die Zähigkeit nicht das eigentlich;
Maass für die Bewegungshindernisse der Ionen sei, da sich die Ionen am
Lösungsmittel reiben, bei der Bestimmung der Zähigkeit aber die Losung
an sich selbst.
11. Die elektrolytischen Untersuchungen von G. Magnus. Um
die Bedeutung des Verdienstes ganz zu würdigen, welches sich Hittokf um
jene Zeit durch seine experimentellen Arbeiten ebenso, wie durch die Klar-
heit seiner Anschauungen erworben hat, besitzt man einen Maassstab in
einer Abhandlung, welcher einer der damals namhaftesten Physiker Deutsch-
lands, Gustav Magnus, Professor der Physik in Berlin, unter dem Titel:
„Elektrische Untersuchungen"1 veröffentlichte. Magnus hat sich bedeutende
Verdienste auf dem Gebiete der messenden Physik und insbesondere da-
durch erworben, dass er als der erste in Deutschland den jüngeren Physikern
die Gelegenheit gab, durch Arbeiten im Laboratorium sich in der Technik
des Experimentirens auszubilden. Die hier zu betrachtenden Arbeiten ver-
mehren Magnus' Verdienste indessen nicht.
Magnus geht gleichfalls von den Beobachtungen Danieix's (S. 614) aus,
und wendet gegen dessen Ansichten von der Natur der Salze und dem
Wesen der elektrolytischen Zersetzungen ein, dass die von ihm angenom-
1 Pogg. Ann. 102,
185?-
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 849
jnen Stoffe, wie Oxysulfion, Oxynitrion u. s. w. nie dargestellt worden
en; er glaubt der Änderung der chemischen Anschauungen, welche diese
inahme mit sich bringt, durch eine passende Änderung der Auffassung der
»ktrolyse entgehen zu können.
Über Hittorf's Untersuchungen wird bemerkt, dass sie in anderer Be-
hung von grossem Interesse seien, dass sie aber nicht den Zweck hätten,
1 ÜANiELi/schen Beobachtungen zu erklären!
Um dies nun selbst zu thun, zersetzte Magnus in einem dem Daniell'-
len (S. 614) ähnlichen Apparate mit senkrecht stehender einfacher Scheide-
md Kupfersulfat zwischen Platinelektroden, und untersuchte nach einiger
it die Lösungen. „Auf diese Weise zeigte sich, dass für das an der nega-
en Elektrode ausgeschiedene Metall ein volles Äquivalent Schwefeläure
ri geworden war; allein von diesem waren nur 60 bis 70 Procent in der
gativen Zelle enthalten, die übrigen befanden sich in der positiven. Es
rd folglich von den beiden zur positiven Elektrode wandernden Substanzen
ir von dem Sauerstoff ein volles Äquivalent übergeführt, nicht aber von
r Säure, wenigstens nicht bei Anwendung einer Scheidewand von thie-
icher Base.
„Dieses Resultat ist der DANiELi/schen Hypothese entgegen, denn wenn
is schwefelsaure Kupferoxyd aus Kupfer und Oxysulfion bestände, so
üsste dieses letztere als solches zur positiven Elektrode gelangen."
Auf diesen einen, ohne die von Hittorf so nachdrücklich als nothwendig
wiesenen Vorsichtsmaassregeln ausgeführten Versuch gründet Magnus seine
erurtheilung der DANiELi/sshen Ansicht!
Seine eigene Ansicht, durch welche er den von Daniell aufgedeckten
Widerspruch zu heben glaubt, ohne die übliche chemische Theorie verlassen
1 müssen, stellt er folgendermaassen dar:
„Zwar glaube ich, dass es möglich ist, dieses Verhalten des Stromes
jf bekannte Erscheinungen zurückzuführen, allein es wird mir schwer, die
orstellung, welche ich mir von der elektrischen Zersetzung entworfen habe,
ier mitzutheilen. Theils sind in neuerer Zeit so viele Theorieen über den
rorgang der Elektrolyse veröffentlicht worden, dass ich dieselben nicht gern
urch eine neue vermehre, theils ist die Vertheilung der Elektricität auf eine
leihe isolirter Leiter, auf welche, wie ich glaube, die elektrolytischen Er-
cheinungen sich zurückführen lassen, noch nicht so vollständig bekannt,
m diese Zurückflihrung in allen Theilen durchführen zu können. Ich würde
eshalb meine Ansicht ganz unterdrücken, wenn ich nicht glaubte, dass
lieselbe besonders geeignet sei, die Versuche in einen übersichtlichen Zu-
ammenhang zu bringen. Nur als ein Mittel hierfür betrachte ich die fol-
gende Auseinandersetzung:
„Es scheint mir zunächst unmöglich, anzunehmen, dass die Elektricität
;ich in dem Leiter bewege, wie die Flüssigkeit in einer Röhre, so dass sie
:u einer bestimmten Zeit an einer Stelle derselben, und bald darauf an einer
anderen, entfernteren angekommen ist. Ich kann mir nur vorstellen, dass
Ostwald, Elektrochemie. 54
8 CO Sechzehntes Kapitel.
die Elektricität sich von Schicht zu Schicht in ähnlicher Weise in dem Leiter
fortpflanzt, wie die Wirkung eines leuchtenden Körpers fortgepflanzt wird
Ob man dabei annehmen dürfe, dass die elektrische Fortpflanzung wie <Bc
des Lichtes auf Schwingungen eines Äthers beruhe, oder in welcher andern
Weise sie vor sich gehe, muss, wie ich glaube, für jetzt dahingestellt bleib«.
Aber auch ohne die Art der Fortpflanzung genauer kennen zu lernen, st
man genöthigt, anzunehmen, dass sie von Schicht zu Schicht erfolge. Fehlen
auch die Beweise hierfür in Bezug auf die Fortpflanzung in einem metalli-
schen Leiter, so lässt sich wenigstens mit vieler Wahrscheinlichkeit zeigen,
dass in einer zersetzbaren Flüssigkeit die Fortpflanzung in jener Weise statt-
findet, und zwar ähnlich, wie die Fortpflanzung der Reibungselektricität oder
der Elektricität von hoher Spannung durch eine Anzahl isolirter Leiter.
„Um etwas bestimmter anzudeuten, was ich meine, stelle man sich zw«
gleiche Metallplatten A und B vor, die in einiger Entfernung parallel einander
gegenüberstehen, und zwischen denselben eine Anzahl isolirter Kugeln, deren
Durchmesser nur klein im Verhältniss zur Grösse der Platten A und B ist
Liegen diese Kugeln in gleichen Abständen von einander, alle in einer
geraden Linie, welche zwei homologe Punkte der beiden Platten verbindet,
und erhalten die beiden Platten fortwährend gleiche Mengen Elektricität,
die Platte A von positiver, und die Platte B von negativer, so nehmen
sämmtliche Kugeln beide Elektricitäten durch Vertheilung an, und zwar die
positive Elektricität nach der der Platte B zugewandten Seite, die negative
nach der entgegengesetzten.
„Sobald die Elektricitäten dieser Kugeln so stark geworden sind, dass
ein Funke übergeht, geht ein solcher zwischen je zwei Kugeln, sowie zwischen
den Platten und den ihnen zunächst befindlichen Kugeln über. Man sagt
dann, die Elektricität hat sich entladen, oder sie hat sich von der einen
Platte zur anderen fortgepflanzt. Wird den Platten fortwährend Elektricität
zugeführt, so finden die Entladungen immer von neuem statt Je besser
das Leitungsvermögen der Kugeln ist, um so leichter laden sie sich, und
um so schneller entladen sie sich wieder; um so mehr Elektricität wird also
in der Zeiteinheit durch die Kugelreihe fortgepflanzt.
„Wenn man diese Art der Ausgleichung oder Fortpflanzung der Elek-
tricität als einen Strom bezeichnen darf, so ist hiernach die Intensität dieses
Stromes, d. i. die Quantität der Elektricität, welche in der Zeiteinheit über-
geht, um so grösser, je besser das Leitungsvermögen der Kugeln ist.
„Ähnlich wie die Entladung durch solche isolirte Leiter stelle ich mir
den Übergang der Elektricität durch einen Elektrolyten vor. Denn man
kann sich diesen ebenfalls aus einzelnen Theilen bestehend denken, auf
welche die Elektricität der Elektroden in ähnlicher Weise einwirkt, wie dk
elektrischen Platten A und B auf die zwischen ihnen befindlichen Kugeln.
Der wesentliche Unterschied ist nur der, dass bei der Entladung der Elek-
tricität durch die Kugelreihe die +E der einen Kugel sich mit der — £
der nächsten verbindet, während in den Elektrolyten sich auch zugleich ein
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 35 I
•ktropositiver Bestandtheil des einen Theilchens mit einem elektronegativen
standtheil des nächsten Theilchens vereinigt. . . .
„Denkt man sich parallel mit jener Reihe von Kugeln eine zweite oder
össere Anzahl solcher Reihen, alle aus gleichen und gleich weit von ein-
ider abstehenden Kugeln, und sieht man von den Störungen, welche die
ugeln der einen Reihe in Bezug auf die Vertheilung der Elektricität in der
ideren Reihe hervorbringen, ab, so findet in jeder Reihe der Übergang
ir Elektricität in gleicher Weise statt, und daher geht durch jede Ebene,
e parallel den Platten A und B ist, dieselbe Menge von Elektricität in
jrselben Zeit, analog dem Durchgange durch einen Elektrolyten."
Es hält schwer, sich auf Grund dieser Betrachtung davon zu überzeugen,
iss ausser der Bewegung der Elektricität noch etwas anderes in dem Leiter
attfindet; insbesondere erscheint die elektrolytische Zersetzung an den Elek-
oden als etwas Zufälliges, und von einer Berücksichtigung des FARADAY^schen
ektrolytischen Gesetzes ist überhaupt nicht die Rede!
Die Erscheinung, welche Magnus als die wichtigste für das Verständniss
er elektrolytischen Vorgänge erscheint, und welcher er daher auch experi-
lentell die grösste Aufmerksamkeit widmet, ist die Thatsache, dass bei dem
orhandensein zweier oder mehrerer Elektrolyte die Abscheidung der Ionen
on der Stromdichte abhängig ist, dergestalt, dass bei geringer Dichte nur
as am leichtesten abscheidbare Ion auftritt, während bei zunehmender Dichte
uch die anderen nach Maassgabe ihrer Abscheidbarkeit auftreten. Wir
issen jetzt, dass diese Erscheinung nur von dem abhängt, was unmittelbar
1 der Elektrode vorhanden ist, und mit der eigentlichen Leitung des
tromes nichts zu thun hat
Auch nach anderer Seite zeigen sich die Ansichten von Magnus als
ngenügend, und den bereits gemachten Fortschritten nicht entsprechend.
o lässt er die zersetzende Wirkung noch immer von den Elektroden aus-
sen, während doch Faraday ausgesprochen und noch kurz vorher Kirch-
dff durch die Bearbeitung der ÜHM'schen Theorie vom Standpunkte der
ektrostatischen Gesetze eingehend gezeigt hatte, dass die Wirkung überall
dem ganzen Stromkreise, proportional dem Gefälle der Spannung, statt-
idet. Auch hat Magnus in seiner ganzen Arbeit vermieden, sich der An-
chten und Bezeichnungen von Faraday zu bedienen und diese Enthaltung
»legentlich durch das Bedürfniss nach wissenschaftlicher Strenge und Voraus-
rtzungslosigkeit zu begründen versucht.
So wenig diese Arbeit und eine ihr folgende (s. w. u.) auch Dauerndes
der Wissenschaft hinterlassen hatten, so war doch die Gegnerschaft des
achangesehenen Berliner Physikers dadurch von grosser Bedeutung für die
ntwickelung der Sache, dass durch sie die Berücksichtigung der Arbeiten
jttorf's auf lange Zeit verhindert wurde. Die ferneren Mittheilungen
nseres Forschers über die Wanderung der Ionen beginnen alle mit polemi-
:hen Auseinandersetzungen, und wie berechtigt wir auch jetzt die Mehrzahl
nner Angriffe auf die zeitgenössischen Ansichten finden müssen, wie schla-
54*
g{?2 Sechzehntes Kapitel.
gend uns seine Logik, mit der er diese auf ihren wahren Werth zurück-
zuführen weiss, jetzt erscheint — auf seine Zeit hat er dadurch keinen
dauernden Eindruck hervorzubringen vermocht. Erst nach langer Zeit sind,
zuerst durch die Arbeiten von F. Kohlrausch über die elektrische Leitfähig-
keit der Elektrolyte, Hittorf's Arbeiten zur verdienten Beachtung und Be-
nutzung gekommen.
Den Inhalt von Magnus* Arbeit übersehen wir am besten an dem
Auszuge, in welchem der Verfasser schliesslich seine Ergebnisse zusam-
menfasst :
,,i) Es bedarf der ÜANiELi/schen Annahme eines Oxysulphion, Oxy-
nitrion und dergl. nicht, um die von ihm und Hrn. Miller beobachtete so-
genannte doppelte Zersetzung zu erklären. Die Annahme wird sogar dadurch
widerlegt, dass sich aus der positiven Elektrode niemals Verbindungen wie
S + 4O oder N + 60 abscheiden. Zwar zeigt sich an dieser Elektrode
stets ein dem abgeschiedenen Metall entsprechendes volles Äquivalent Sauer-
stoff, allein von der Säure findet sich nur ein Theil, oft nur 60 Proc. Der
übrige Theil wird bei Anwendung einer porösen Scheidewand in der nega-
tiven Zelle gefunden.
„2) Sind mehrere Salze in derselben Flüssigkeit vorhanden, so zersetzt
der Strom bei einer gewissen Intensität nur eins derselben. Ebenso wird,
wenn ein Salz gelöst in Wasser zur Elektrolyse angewandt wird, bei einer
gewissen Stromstärke nur Salz, nicht aber das Wasser zersetzt. Es giebt
daher für jeden zusammengesetzten Elektrolyten eine Intensitätsgrenze, bei
welcher nur der eine seiner Bestandteile zersetzt wird.
„3) Bei Anwendung von Strömen, deren Intensität geringer ist, als die
Grenze, geht die ganze Menge der Elektricität an die Substanz über, auf
welche sich dieselbe bezieht. Diese Substanz wird allein zersetzt. Die Graue
entspricht daher dem Maximum der Elektricität, welche an diese Substanz
übergehen kann, oder dem Maximum dieser Substanz, das bei unverändertem
Elektrolyten und unveränderten Elektroden in einer gegebenen Zeit zersetzt
werden kann.
„4) Diese Grenze ist abhängig von der Grösse der Elektroden, von der
Zersetzbarkeit der verschiedenen Bestandtheile eines Elektrolyten, von dem
Verhältniss, in welchem sich diese in ihm vorfinden.
„5) Da bei Anwendung derselben Intensität die Elektroden einander
näher oder ferner sein können, so ist auch das Maximum der besserleiten-
den Substanz, das durch denselben Strom und dieselben Elektroden zersetzt
wird, dasselbe, die Elektroden mögen einander näher oder ferner sein.
„6) Die Intensitätsgrenze ist der Grösse der Elektroden proportional)
vorausgesetzt, dass der Querschnitt des Elektrolyten gleich dem der Elek-
troden ist.
„Diese Proportionalität gilt aber nur so lange die Zusammensetzung des
Elektrolyten ungeändert bleibt.
„7) Die Leitung der Elektricität durch einen Elektrolyten und die dabei
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 852
ittfindende Zersetzung lassen sich auf die Vertheilung der Elektricität auf
>lirten Leitern zurückfuhren.
„8) Dadurch lässt sich die von Daniell erhobene Schwierigkeit der so-
mannten doppelten Zersetzung beseitigen.
„9) Es bedarf derselben Kraft, um eine einfache Substanz aus einer
nären Verbindung auszuscheiden, die nöthig ist, um sie aus einer zusam-
engesetzten salzartigen Verbindung zu tre/inen.
„10) Ebenso ist dieselbe Kraft erforderlich, um dieselbe Menge Chlor
is den Chlorüren und Chloriden von Zinn und Kupfer abzuscheiden. Aber
lan erhält dabei aus den Chlorüren doppelt soviel Metall, als man durch
enselben Strom aus den Chloriden erhält.
„11) Auch ist dieselbe Kraft erforderlich, um aus einer Auflösung von
)dsäure und aus verdünnter Schwefelsäure, die in getrennten Gefässen zer- -
Jtzt werden, gleiche Menge Sauerstoff zu erhalten. Dabei wird aber für
in Äquivalent Wasserstoff, das aus der letzteren ausgeschieden wird, nur
in Fünftel Äquivalent Jod erhalten.
„12) Das FARADAY^sche Gesetz ist in seiner vollsten Ausdehnung an-
wendbar, indem auch aus zusammengesetzten salzartigen Verbindungen stets
quivalente Mengen ausgeschieden werden. Doch sind die galvanischen
äquivalente nicht dieselben, wie die chemischen.
„13) Die Salztheile verändern in dem Elektrolyten ihre Stelle theils
lurch die fortwährenden Zersetzungen und Verbindungen, theils durch Dif-
usion. Auf die Diffusion hat das specifische Gewicht der Lösung einen
>edeutenden Einfluss, der indessen bei verschiedenen Salzlösungen ver-
schieden ist."
Fast jeder dieser Sätze hat sich in der Folge der Zeit als falsch oder
>chief erwiesen. Dass trotzdem diese Arbeit als eine hervorragende Leistung
n dem Gebiete der Elektrochemie zu ihrer Zeit angesehen worden ist, kenn-
zeichnet die gedanklichen Schwierigkeiten, welche damals die Beurtheilung
dieser Verhältnisse verursachte.
12. Elektrolytische Studien von H. Buff. Ein weiterer Kämpfer
in diesem so plötzlich entstandenen Streite ist H. Buff in Giessen gewesen,
welcher in „elektrolytischen Studien"1 sich über die Ansichten von Magnus
und Wiedemann aussprach; die von Hittorf zu erwähnen, hielt er offenbar
für überflüssig, denn in seinen hier in Betracht kommenden Arbeiten hat er
sorgfältig vermieden, Hittorf's Namen auch nur zu nennen. Seine Erörte-
rungen beziehen sich wesentlich auf die von Magnus ausgesprochenen An-
sichten, und man darf zu seinem Lobe anfuhren, dass deren schwache Seiten
richtig angegeben werden. Das Positive, was Buff liefert, verdient freilich
ein geringeres Lob.
Buff beginnt mit der Auseinandersetzung der üblichen Ansichten über
den Gang der elektrolytischen Zersetzung, welche sich im wesentlichen an
1 Ann. d. Chemie und Pharm. 105, 145. 1858.
gi?4 Sechzehntes Kapitel. '
Grotthuss anschliesst, obwohl er Fechner als seinen Gewährsmann nennt
Ferner aber vertritt er die Ansichten Danieli/s bezüglich der Constitution
der Salze Magnus gegenüber. In dieser Discussion spiegelt sich der Wider-
spruch, in welchem sich nicht lange vor jener Zeit die beiden angesehensten
und einflussreichsten Chemiker befunden hatten, und der nur mit dem Tode
des einen geendet hatte. Berzelius und Liebig, die vorher nahe befreundet
gewesen waren, hatten sich infolge ihrer entgegengesetzten chemischen An-
sichten von einander entfernt, und waren schliesslich in bittere Fehde ge-
rathen. Einer der Streitpunkte war auch der über die Auffassung der Säuren
und Salze gewesen. Für Berzelius bestanden die beiden Klassen der Sauer-
stoffsalze und der Haloidsalze; erstere waren aus Metalloxyd und Säurean-
hydrid zusammengesetzt, die anderen aus Metall und Halogen. Für Liebig
waren alle Salze von gleicher Constitution, sie bestanden aus Metall und
Halogen, resp. einer zusammengesetzten Atomgruppe, welche dessen Stelle
vertrat. Diese zusammengesetzten Gruppen waren aber identisch mit den
von Daniell angenommenen Ionen. Dementsprechend hielt auch noch im
Jahre 1857 Magnus, der ein Schüler Berzelius' war, an der alten Salz- I
theorie fest und bemühte sich, die entgegenstehende Ansicht von Daniell
zu. widerlegen, während Buff als ein Mitglied des LiEBic'schen Kreises die
hier vorhandene Unterstützung der neueren chemischen Ansichten willkom-
men hiess.
Es fällt Buff nicht schwer, den schwachen Punkt der MAGtfus'schen
Theorie aufzuzeigen. Nach der Darstellung seiner Lehre fahrt er fort:
„Niemand wird in Abrede stellen können, dass zwischen den gleich-
artigen Molekülen einer Flüssigkeit, die, wenn auch nur durch den kleinsten
Raum von einander getrennt sind, ein auf die beschriebene Weise zu ein-
ander erfolgender Übertritt der elektrischen Ladungen zu einander denkbar,
ja sogar wahrscheinlich ist. Allein dies zugegeben, was wird dadurch ge-
wonnen zur Aufklärung gerade dessen, was den wesentlichen Unterschied
im Verhalten der Elektrolyten bilden soll, nämlich des Phänomens der elek-
trischen Zersetzung und der damit zusammenhängenden Vorgänge? Weder
die Ausscheidung der Bestandtheile an getrennten Stellen, noch die Propor-
tionalität der Zersetzung mit der Stromstärke, noch ihre Constanz wird da-
durch im geringsten verständlicher gemacht."
Gegen die Vorstellung der Kugelreihen macht Buff ferner einen weiteren
Einwand geltend, der sich auf die alsdann zu erwartende untere Grenze der
Leitung bezieht: „Wäre nun dieses Beispiel passend und überhaupt dem
Vorgange bei der Elektrolyse entsprechend, so müsste es, wenigstens so
scheint mir die Sache, für jeden Elektrolyten eine Tension geben, für welche
zwar seine Moleküle den Zustand der elektrischen Vertheilung annehmen,
aber den Übergang des Fluidums von Molekül zu Molekül nicht mehr ge-
statten könnten. Dann wäre also der Strom unterbrochen. Diese Grenze
müsste z. B. im Wasser bei Anwendung einer geringen elektromotorischen
Kraft durch allmähliche Vergrösserung der eingetauchten Platten bald er-
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 355
icht werden können. Nun hat man aber gefunden, dass durch Vergrösse-
ng der Platten der Strom gefördert wird."
Bis auf die letzte irrthümliche Wendung — die Spannung ist in diesem
die offenbar von der Plattengrösse nicht abhängig — ist der Einwand zu-
iffend. Er trifft allerdings, wie Clausius gezeigt hat, nicht nur die Hypo-
ese von Magnus, sondern auch die von Grojthuss.
Weiter widerlegt Buff die Behauptung von Magnus, dass bei geringer
>annung nur der am leichtesten zersetzbare Antheil eines gemischten Elek-
)lyten zerlegt wird, durch einige Versuche nach dem ursprünglich von
wy gegebenen Schema. In den unteren Theil eines U-Rohres wird der
mischte Elektrolyt gegossen, und an der Seite, an welcher seine Wan-
rung untersucht werden soll, mit reinem Wasser überschichtet. Nach
irzerer oder längerer Zeit konnten dann immer sämmtliche vorhandenen
itionen oder Anionen in dem Wasser und an der Elektrode nachgewiesen
Tden, zum Beweise dafür, dass sie sich sämmtlich an der Stromleitung
theiligten. In vollkommen sachgemässer Weise waren so die störenden
iflüsse vermieden, welche durch die Nebenreaktionen an den Elektroden
rvorgerufen werden.
Weniger glücklich ist Buff bei seinem Versuch, die Überftihrungsver-
Itnisse zu deuten. Seine wenig klaren und ziemlich umständlich vorge-
genen Ansichten hier wiederzugeben, würde zu weit führen, zumal da
iter eine Probe seiner Betrachtungen gegeben werden soll; der entschei-
de Punkt, in welchem Buff die Ursache der Erscheinung sucht, liegt in
ier Darlegung, nach welcher der zur Stromleitung und Zersetzung bereits
nutzt gewesene Antheil des Elektrolyts immer wieder die Stromleitung
ernehmen soll, und dadurch viel weniger davon zur Elektrode geführt
rde, als dem FARADAY^schen Gesetz entspreche.
Wenn man die zum Schluss von Buff gegebene Zusammenstellung seiner
uptergebnisse durchsieht, so findet man sie immerhin bedeutend besser,
die entsprechende Darlegung von Magnus. Er schreibt:
„1) Die zuerst von Daniell gegebene Anschauungsweise, dass die Salze
rch den elektrischen Strom in eine metallische Grundlage und einen ein-
hen oder auch zusammengesetzten Salzbildner gespalten werden, entspricht
- grösseren Mehrzahl der Zersetzungserscheinungen unmittelbar, und steht
t keiner einzigen bis jetzt untersuchten in Widerspruch. Sie ist ausserdem
entbehrlich, um die Elektrolyse der Salze mit dem FARADAY'schen Gesetze
Übereinstimmung zu bringen.
„2) Wenn eine Flüssigkeit, durch die ein elektrischer Strom geht, meh-
e Elektrolyte enthält, so betheiligen sie sich alle, nach Maassgabe ihres
itvermögens an der Fortpflanzung des elektrischen Fluidums, und alle,
veit sie leiten, befinden sich im Zustande der fortschreitenden Zersetzung.
„3) Die elektrolytische Wanderung ist unzertrennlich von der Leitung
r Elektricität durch diese Flüssigkeiten, und hält mit derselben gleichen
hritt.
+
a b c d e f
a "b c d e f
3-6 Sechzehntes Kapitel.
„4) Die VoLTA'sche Theorie mit der von Fechner gegebenen Ergänzung
ist ausreichend zur Erklärung aller bis jetzt wohl untersuchten elektrisch-
chemischen Erscheinungen."
In dem Bewusstsein, dass seine oben erwähnte Auseinandersetzung über
das Wesen der elektrolytischen Leitung doch verbesserungsbedürftig sei,
wohl auch veranlasst durch die von Hittorf ausgesprochenen Einwände, gab
Buff bald darauf eine erneute Darlegung seines Standpunktes:1
„Man denke sich eine elektrische Kette durch Platinelektroden geschlos-
sen, die in Wasser tauchen. Der Strom sei beständig geworden, Zersetzung
sei eingetreten, und die Elemente des Wassers seien in der Richtung der
Zersetzung geordnet.
„Betrachten wir den Zustand der Flüssigkeit in dem Augenblicke, da
an dem positiven Pole Sauerstoff, an dem negativen Wasserstoff ausgeschie-
den worden; O und H mögen chemisch proportionale Mengen beider Stoffe
und E eine Elektricitätsmenge bezeichnen, die als •(-£ im H und gleich-
zeitig als -£ im O eines Äquivalents Wasser enthalten ist Bezeichnen
wir ferner in Fig. 228 mit den Buchstaben a, b, c u. s. w. bestimmte Stellen
im Inneren der durch die eingetauchten Platinplatten begrenzten Schicht
des Elektrolyten. Die mit + und — bezeichneten Kreise mögen die be-
züglichen Lagen der durch den Strom geordneten Wasserstoff- und Sauer-
stoffatome andeuten.
Ein Wasserstofftheilchen des Wasserfadens I, dessen Sauerstoff soeben
frei geworden ist, befindet sich in diesem Augenblicke in der Stellung a
zunächst der positiven Elektrode, und erscheint verbunden mit dem 0 des
nächsten Wasseratoms, dessen H sofort zu dem O des dritten Wasseratoms
getreten ist u. s. w. bis zu dem (n — 1) Atome H, welches in demselben
Augenblicke mit dem #-ten Atome O verbunden erscheint, das sein H eben
an die negative Elektrode abgegeben hatte.
„Da auf den Polplatten fortwährend Elektricität angehäuft ist, so wird
Hx des Wasserfadens I abgestossen, Oa angezogen; beide wechseln Ire
Stellen und pflanzen diese Wirkung durch die ganze
j Reihe fort, deren Bestandteile sämmtlich in die
unter II bezeichnete Stellung eintreten.
"~ „Bei a (Fig. 228, II) ist auf diese Weise +£
II entfernt und — iE" zugeführt worden. Der elektrische
Zustand an dieser Stelle hat sich also um 2 E ver-
ändert; oder, was dasselbe ausdrückt, um bei *
III die frühere, in I betrachtete elektrische Beschaffen-
~. ft M , heit wieder herzustellen, würde + E zugeführt wer-
den müssen. Es ist ganz so, als wäre +2E in
der Richtung gegen den negativen Pol abgeflossen, oder auch — 2E von
dieser Seite her zugeströmt. Dasselbe gilt für jeden anderen Punkt in der
1 Ann. d. Chemie und Pharm. 106, 203. 1858.
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 357
»ihe; in jedem zeigt sich gegen vorher ein elektrischer Unterschied 2E.
ahrend also + E in der Richtung vom positiven zum negativen Pole, und
E in entgegengesetzter Richtung von Atom zu Atom, je nur um einen
:hritt vorwärts gegangen, ist, wenn man nur das Resultat ins Auge fasst,
mau dasselbe eingetreten, als wäre in derselben Zeit, durch jeden Quer-
hnitt des Wasserfadens, von der einen Polplatte zur anderen + E in der
nen Richtung und — E in der umgekehrten Richtung gegangen; oder
ich, als wäre durch jeden Querschnitt in der Richtung vom positiven zum
jgativen Pole + 2 E gegangen, oder endlich auch, könnte man sagen, aber
rtzt im umgekehrten Sinne, durch jeden Querschnitt — 2 E.
„Diesen 2E, welche sich durch die Flüssigkeit bewegen, müssen andere
E entsprechen, welche gleichzeitig durch die eine Elektrode ein- und durch
ie andere austreten. In der That erfordert, wie bereits hervorgehoben
urde, die Herstellung des anfanglichen in II betrachteten Zustandes der
lüssigkeit das Zuströmen von + 2 E von der Seite der positiven Elektrode,
der von — 2 E von Seite der negativen Elektrode. Gleiche Elektricitäts-
lengen sind also gleichzeitig durch jeden Querschnitt der geschlossenen
Cette, sowohl durch die flüssigen wie die festen Bestandteile derselben ge-
wandert.
„Werfen wir jetzt einen Blick auf das Verhalten der Bestandtheile der
Flüssigkeit, der Träger des elektrischen Fluidums. So oft die elektroposi-
Iven Moleküle gegen den negativen Pol, die elektronegativen gegen den
Positiven Pol je um einen Schritt vorrücken, treten zwei beliebig gewählte
angleichwertige Atome, die beim Beginn der Zersetzung noch zu Wasser
verbunden waren, je um die Summe ihrer respectiven Wege aus einander.
Ebenso gross ist folglich der Weg, den die elektrischen Massen, womit die
Atome beladen sind, in derselben Zeit beschreiben.
„Die Bewegung einer Elektricitätsmenge 2E durch die Wegstrecke / im
Inneren der Flüssigkeit entspricht also der Bewegung von O und H je durch
den Weg 1/a /; oder allgemeiner ausgedrückt: es ist / gleich der Summe
der Wege von O und H.
„Der Eintritt von zwei Äquivalenten Elektricität von den Elektroden
in die Flüssigkeit ist gleichbedeutend mit der Ausscheidung von zwei Äqui-
valenten der Bestandtheile des Elektrolyten. Die elektrische Zersetzung von
zwei Äquivalenten Wasser entspricht also der Zuführung von einem Äqui-
valent Sauerstoff zum positiven und einem Äquivalent Wasserstoff zum nega-
tiven Pole.
„Aber wie ist es möglich, dass an dem positiven Pole 2 O und an dem
negativen 2H frei werden können in derselben Zeit, in deren Verlauf dem
einen dieser Pole nur O und dem anderen nur H zugeführt wird? In der
That wird es nur dadurch möglich, dass die Polflächen in die Flüssigkeit
eintauchen, und dass die Lücken, welche in die Reihen der wandernden
Elemente des Wassers durch ihre Fortführung von den Polen entstehen,
sich immer wieder ausfüllen können. Indem z. B. (Fig. 228, II) Ha von der
I
gcg Sechzehntes Kapitel.
positiven gegen die negative Elektrode vorgeschoben, O, aber ausgeschieden
worden, ist eine Lücke entstanden, die sich jedoch unmittelbar wieder aus- .
füllt, weil noch ein zweites Wasseratom zersetzt wird, dessen H nunmehr n
die Reihe eintritt, und an dieser Seite momentan das Ende derselben bildet
Der umgekehrte Vorgang findet gleichzeitig an der negativen Elektrode
statt. So wird der anfängliche in I dargestellte Zustand immer wieder er-
neuert (Fig. 228, III), und die beschriebenen Vorgänge können sich immer
wiederholen, ohne dass die bereits fortgeführten Elemente in ihren Bewegungen
gestört werden."
Beim Durchlesen dieser langathmigen Auseinandersetzungen, und beim
Vergleich derselben mit der kurzen und klaren Darlegung Hittore's (S. 833}
darf man wohl sagen, dass es kaum möglich ist, eine an sich einfache Sache
umständlicher und unverständlicher falsch darzustellen, als es hier geschehen
ist. Man kann die Beschaffenheit dieser Arbeit nicht schlagender kennzeich-
nen, als Hittorf es mit der Bemerkung gethan hat: „Wem die Auffassung
der Überführungsverhältnisse noch nicht ganz geläufig geworden ist, den
wird gewiss die Lektüre dieses Aufsatzes wieder verwirren."
Um indessen das Gute, was der Aufsatz dennoch enthält, dem Leser
(der hieran prüfen mag, wie weit er die Darlegung Hittorf's aufgenommen
hat) nicht vorzuenthalten, fuge ich die folgende Stelle hinzu:
„Alles, was bisher bezüglich des Fortschreitens der Elektricität durch
die Masse eines einfachen Elektrolyten, wie des Wassers gesagt wurde, lässt
sich in gleicher Weise leicht auch bei zersetzbaren wässerigen Lösungen in
Anwendung bringen, sobald man nur die Ausgangspunkte unserer Unter-
suchung nicht aus dem Auge verliert. Allerdings ist es sehr wahrscheinlich,
dass die Atome eines aufgelösten Salzes nicht mehr in ununterbrochener
Berührung stehen, gleich denen des Wassers, dass sie vielmehr um so weiter
auseinander liegen, je verdünnter die Lösung ist. Man wird daher die ohnehin
nicht zu umgehende Hypothese gestatten müssen, dass die Bestandteile
eines aufgelösten Elektrolyts während der durch die Lösung fortschreitenden
Zersetzung und Wanderung sich vermöge ihrer elektrischen Ladungen bis
zu gewissen Abständen von einander entfernen können, ohne gleichwohl
aufzuhören, in wechselseitiger chemischer Beziehung zu bleiben."
Es ist beachtenswerth, wie auch Buff auf den gleichen Gedanken ge-
führt wird, welchen wir soeben bei Kohlrausch bemerkt haben, oder viel-
mehr, dass er bei seiner Paraphrase der Auseinandersetzungen von Kohlrausch
auch diesen auffallenden und den damaligen Ansichten einigermaassen wider-
sprechenden Gedanken nicht einfach fallen liess, dass die Annahme wenig-
stens einer zeitweiligen Freiheit der Ionen bei der Elektrolyse nicht um-
gangen werden kann. Die hier gebrauchte Wendung klärt den Widerspruch
gegen jene älteren Ansichten keineswegs auf, und so sehen wir die Forscher
jener Zeit sich dicht an dem Gedanken hin und her bewegen, welcher in
unseren Tagen endlich zur Befreiung der Geister auf diesem Gebiete geführt
hat: die Erkenntniss von der Freiheit der Ionen im Elektrolyt
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 859
13. Hittorf's Vertheidigung. Durch die eben besprochenen Arbei-
1, welche sich alle mehr oder weniger scharf gegen seine Ergebnisse ge-
jidt hatten, war Hittorf veranlasst worden, der weiteren Mittheilung seiner
beiten eine „Rechtfertigung"1 vorauszuschicken, in welcher er sich mit
len auseinandersetzt.
Die Rechtfertigung beginnt wieder mit der Darlegung der Grundlagen
ner Anschauungen, wie wir sie bereits S. 833 kennen gelernt haben; es
ir dies nothwendig, da diese in der That von allen anderen Autoren mehr
er weniger missverstanden war, am meisten von Magnus, gegen den sich
ttorf deshalb besonders wendet.
Ein zweiter Punkt mehr experimenteller Natur wird gegen die Arbeit
n Wiedemann (S. 847) zur Sprache gebracht; er tadelt nicht ohne Berech-
nung den Umstand, dass bei dessen Apparat keine vollkommene Sicherheit
gen die Vermischung der Schichten an den Elektroden gegeben sei, und
tont den wesentlichsten Punkt, dass zwischen den Elektroden eine Schicht
veränderter Flüssigkeit erhalten bleiben muss. Bei dieser Gelegenheit
merkt er: ich glaube nicht, dass diese (seine eigenen) Apparate durch
ssere und genauere ersetzt werden können — eine Bemerkung, welche
n einige Vorwürfe eingebracht hat. Ebenso macht Hittorf einige Aus-
zungen über die Rechnungsweise.
Ferner wird der von Wiedemann herangezogene fortführende Einfluss
f die Gesammtheit der Lösung erörtert. Wenn die verschiedene Gehalts-
derung an den Elektroden hierauf beruhte, so müssten die Ergebnisse
von abhängig sein, ob die Lösung bis zu den Elektroden reicht, oder
)se von anderen Lösungen umgeben sind. Hittorf weist nun nach, dass
rser Umstand auf die Ergebnisse der Überführungsversuche keinen Einfluss
sübt, so dass auch nach dieser Seite seine Auffassung und sein Verfahren
rechtfertigt erscheint. Bezüglich der Ursache der fortführenden Wirkung
iliesst er sich einer von Quintus-Icilius2 ausgesprochenen Ansicht an,
nach die Erscheinung von der porösen Wand bedingt ist, und ohne sie
:ht stattfindet. Auch hierin hat ihm die Zukunft Recht gegeben.
Die Notwendigkeit der Vertheidigung gegen die anderen Ansichten hat
rroRF ferner veranlasst, verschiedene wichtige Punkte seiner Auffassung
stimmter und ausführlicher als früher darzulegen, sowie auch einen Irr-
im zu berichtigen. In seiner zweiten Mittheilung hatte er geglaubt, eine
theiligung des Wassers bei der Elektrolyse annehmen zu müssen, weil er
i sehr verdünnten Chlorkaliumlösungen Abweichungen gefunden hatte, für
1 er hierin die Ursache suchte. Inzwischen hatte er sich durch Rechnung
erzeugt, dass bei der bekannten sehr geringfügigen Leitfähigkeit des reinen
assers der entsprechende Antheil weit unterhalb der Versuchsfehler liegen
isse. Um die Grundlage dieser Überlegung zu beweisen, nämlich dass
j vorhandenen Ionen sich alle nach Maassgabe ihrer Leitfähigkeit an der
1 Pogg. Ann. 103, 1. 1858. 2 Experimentalphysik, S. 642.
36o Sechzehntes Kapitel.
Stromleitung betheiligen, stellte er folgenden wichtigen Versuch an. Er
unterwarf eine Lösung aus äquivalenten Mengen von Chlor- und Jodkaiiaa
der Elektrolyse und bestimmte die Überführung. Nach der namentlich vw
Magnus ausgesprochenen Ansicht hätte das „leichter zersetzbare" Jodkalinn
allein die Leitung besorgen müssen, da ja auch an der Anode Jod alkb
ausgeschieden wird, und demnach hätte die Concentration des Chlors an
den Elektroden keine Änderung erfahren dürfen. Statt dessen ergab sich,
dass die Änderung die beiden Halogene in gleicher Weise betroffen hatten
wie denn auch die Überfuhr ungs Verhältnisse der beiden Salze die gleiches
sind. Es war hierdurch bewiesen, dass in der That die „Festigkeit der
Bindung" der Ionen keinen Einfluss auf ihre Fähigkeit ausübt, den Strom
zu leiten und durch ihn bewegt zu werden. Auf diesen nach vielen Rich-
tungen folgenreichen Versuch werden wir noch zurückzukommen Anlass
haben.
Die Leitsätze, welche seiner Auffassung der Elektrolyse zu Grunde
liegen, fasst Hittorf wie folgt zusammen:
„Die Veränderung (der Concentration an den Elektroden) ist demnach
bedingt durch die Bewegungen, welche die Ionen in den unveränderten
Schichten vollbringen.
„Die Zahlen für die Überführung drücken daher die relativen Wege aus,
welche an der Trennungsstelle die Ionen in dem die Salz-Moleküle tren-
nenden Abstände zurücklegen, oder die relativen mittleren Geschwindig-
keiten, welche sie daselbst besitzen.
„Das Loos, welches die Ionen an den Polen erfahren, braucht bei der
Bestimmung der Überführung nicht beachtet zu werden, und hat keinen Ein-
fluss auf die Zahlen, vorausgesetzt, dass dadurch keine Unterbrechung dö
Stromes herbeigeführt und die Lösung an der Trennungsstelle nicht
geändert wird."
Insbesondere der letzte Satz ist von der grössten Bedeutung für die
Technik der Überfuhrungsversuche, da er eine ungemein grosse Freiheit für
vortheilhafteste Anordnung der Versuche gewährt. „So braucht die Anode
nicht aus dem Metalle zu bestehen, welches der Elektrolyt enthält; wenn
dasselbe sich nur mit dem Anion zu einer löslichen Verbindung vereinigt
und das neu entstandene Salz nicht bis zur Trennungsstelle diffundirt, müssen
dieselben Zahlen resultiren. Wir dürfen auch das Anion frei auftreten lassen,
sobald für unsere Apparate eine solche Einrichtung getroffen ist, dass von
der Flüssigkeit, die an der Anode entsteht, keine Spur an die Trennungs-
fläche gelangt. Ja, es wird gestattet sein, von vornherein die Anode mit
einer bekannten Quantität von einer der Zusammensetzung nach gegebenen
Lösung eines beliebigen Elektrolyten zu umgeben und auf sie die zu unter-
suchende Lösung zu lagern. Werden die Schichten derselben an der Tren-
nungsstelle dadurch nicht afficirt, so gewinnt man richtige Zahlen. In ana-
loger Weise ist es erlaubt, mit der Umgebung der Kathode zu verfahren,
oder gleichzeitig die Flüsc' beiden Polen abzuändern.
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 86 1
„Denn in all diesen Fällen sind die Pole von vollständig bekannten
Izlösungen umgeben, welche die flüssigen Elektroden für den mittleren
ektrolyten, dessen Uberfuhrungsverhältnisse wir suchen, bilden. Die Be-
rgungen seiner Ionen an der unveränderten Trennungsstelle können durch
ise Verhältnisse nicht berührt werden."
Durch den Nachweis, dass man in der That die gleichen Überführungs-
hlen bekommt, ob man sich diese Freiheiten nimmt oder nicht, hat Hittorf
wiesen, dass die Grundlagen seiner Überlegungen richtig sind, und er hat
:h gleichzeitig durch diese weitreichenden Verallgemeinerungen die Mög-
hkeit errungen, eine Anzahl von Fällen zu untersuchen, die sonst unzugäng-
:h gewesen wären.
Endlich beweist Hittorf durch einige Versuche, dass die Einschaltung
ner porösen Scheidewand an den Ergebnissen nichts ändert, dass also die
jrtfuhrung der gesammten Lösung, so weit sie unter den vorhandenen
erhältnissen auftritt, mit der Überführung der Ionen nichts zu thun hat.
Bei der Erörterung seiner Ergebnisse kommt Hittorf auch auf die eben
röffentlichte Theorie von Clausius (s. w. u.) zu sprechen. Nachdem er sie
kurzen Zügen geschildert hat, fährt er fort: „Der Schluss, zu dem er
s diesen Prämissen gelangt, ist unbestreitbar. Das FARADAY^sche Gesetz,
jlches für die schwächsten Ströme sich als gültig erwiesen, tritt in Wider-
ruch mit den Vorstellungen der heutigen Chemie über die Beschaffenheit
les flüssigen zusammengesetzten Körpers. Die Ionen eines Elektrolyten
nnen nicht in fester Weise zu Gesammtmolekülen verbunden sein, und
ise in bestimmter regelmässiger Anordnung bestehen.
Hittorf hat diesen Gedanken nicht weiter verfolgt; vielleicht wäre er sonst
iion dreissig Jahre früher auf die Dissociationstheorie der Elektrolyte gelangt,
hebt alsbald eine Inconsequenz der damaligen Theorie hervor, die darin
gt, dass an der Oberfläche des leitenden Cylinders eine Schicht von freier
*ktricität angenommen werden muss, um das Spannungsgefälle zu erzeugen,
lches die Ionen in entgegengesetzter Richtung in Bewegung setzt. Wäre
r Gedanke von der Freiheit der Ionen weiter verfolgt worden, so hätte
h alsbald die Möglichkeit ergeben, diese Oberfläch eniadung durch eine
tsprechende Ansammlung freier Ionen von dem gleichen Zeichen aufzu-
sen, wobei durch die bekannten sehr grossen Elektricitätsmengen, die an
a Ionen haften, die Menge der ponderablen Substanz, die solchen Ladungen
tspricht, ausserordentlich klein anzunehmen ist.
14. Entgegnungen. Auf die in Hittorf's „Rechtfertigung" erhobenen
nwände versäumten die betreffenden Forscher nicht zu antworten. Wäh-
ld Wiedemann l in seiner Erwiderung namentlich einige gegen seinen
>parat gemachte Einwendungen zu entkräften unternahm, in Bezug auf
1 Auffassung der Erscheinung aber sich seinem Gegner zu nähern begann
*ilich nicht ohne Abweichungen, welche eine weitere Erwiderung hervor-
1 Pogg. Ann. 104, 162. 1858.
gg2 Sechzehntes Kapitel.
riefen), und Clausius sich darauf beschränkte, einen von Hittorf begangen
Irrthum bezüglich einer Äusserung zu berichtigen, ohne auf die Frage ein»
gehen, wie die freie Elektricität auf die Oberfläche des Elektrolyts gelange, ragte
Magnus l sich völlig unbekehrt. In einer gegen Hittorf gerichteten Abhand-
lung, in welcher übrigens diesem die Ehre der Erwähnung in der
nur unter dem Text in einer kurzen Anmerkung gewährt wird, hält er
früheren Ansichten aufrecht, und giebt ein Schema für die Elektrolyse des
Kupfersulfats, nach welchem das Auftreten des metallischen Kupfers an der
Kathode nur dadurch zustande kommt, dass gleichzeitig Wasser zerseW
wird, dessen Wasserstoff das Kupferoxyd reducirt. Aus dem Schema cr-
giebt sich beiläufig, dass nothwendig neben dem Kupfer auch in neutraler
Lösung Wasserstoff auftreten muss, und zwar in dem Verhältniss mehr, als
die Lösung verdünnter ist, was mit den Thatsachen in vollständigem Wider-
spruche steht.
Im übrigen enthält die Abhandlung eine Polemik gegen Osann, welcher
angegeben hatte, dass elektrolytisch ausgeschiedener Wasserstoff mit Hülfe
von Platinschwarz oder Kohle Silbersulfat reduciren könne. Magnus stellt
dies auf Grund einiger Versuche in Abrede, durch welche er zeigt, dass in
der gewöhnlichen Batteriekohle ziemlich viel Eisen enthalten ist, dem er die
vorhandenen Wirkungen zuschreibt. Auch hier hat er sich geirrt; gasförmiger
Wasserstoff ist sehr wohl im Stande, bei Gegenwart von platinirtem Platin
nicht nur Silbersalze, sondern sogar Kupfersalze zu reduciren. Und so sehen
wir Magnus auf allen Punkten seines Feldzuges zu Gunsten der elektro-
chemischen Anschauungen seines Lehrers Berzelius unglücklich und ohne
wissenschaftlichen Erfolg operiren.
15. Hittorf's dritte Arbeit In seiner dritten und letzten Mittheilung
über die Wanderungen der Ionen2 giebt Hittorf den grössten und bedeutend-
sten Theil seiner Arbeiten über den Gegenstand. Bis auf den heutigen Tag
ist dieser im besten Sinne klassischen Untersuchung keine gefolgt, in welcher
an Umfang, Genauigkeit und Bedeutung der Ergebnisse ähnliches geleistet
worden wäre, und diese Arbeit ist noch immer die ausgiebigste Quelle
unserer Kenntnisse in dem Gebiete.
Der erste Theil der Arbeit wird wieder von einer ausfuhrlichen Aus-
einandersetzung mit den Gegnern eingenommen. Die Discussion mit Wede-
mann wird zu Ende geführt, indem einige früher gegen seinen Apparat
erhobene Bedenken als durch die Antwort (S. 861) erledigt zurückgenommen
werden. Um so länger und unergiebiger ist die Auseinandersetzung mit
Magnus. Hittorf lässt sich die Mühe nicht verdriessen, Punkt fiir Punkt
die Widersprüche aufzuweisen, in welchen sich dessen Ansichten mit der
Erfahrung befinden. Es scheint indessen nicht, als wenn trotz der schlagen-
den Logik der Beweisführung und den unzweideutigen Ergebnissen der Er-
fahrung es Hittorf gelungen wäre, auf seine Zeitgenossen seine Überzeugung
1 Pogg. Ann. 104, 553. 1' f Ebenda 106, 337. 1859.
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 863
1 übertragen. In den Lehr- und Handbüchern jener Jahre werden diese
rbeiten zwar den Ergebnissen nach kurz angeführt, den Darlegungen der
egner wird aber überall viel mehr Beachtung gezollt Diese durch äussere,
it der Wissenschaft ausser Zusammenhang stehende Gründe verursachte
rscheinung hat auf die Entwickelung richtiger Ansichten in diesem schwie-
gen Gebiete eine überaus schädliche Wirkung ausgeübt, und eine grosse
nzahl von Fortschritten, die der neueren Zeit angehören, hätte sich bei
tchgemässer Beachtung der Forschungen Hittorf's weit früher bewerk-
elligen lassen, als es geschehen ist Erst in unseren Tagen sind die
chätze der Aufklärung gehoben worden, welche hier so lange ohne die
chuld des Entdeckers brach liegen mussten.
Wir brauchen der Auseinandersetzung mit Magnus nicht im einzelnen
achzugehen, da dessen Ansichten gegenwärtig wohl bis auf die letzten
puren verschwunden sind. Zur Kennzeichnung der Stimmung, mit welcher
Iittorf an diese Arbeit ging, mögen die einleitenden Worte dazu wieder-
egeben werden:
„Der Hauptgegner meiner Arbeiten bleibt Hr. Magnus. . . . Das Ver-
alten, welches ich in Betreff desselben zu beachten habe, vermag ich kaum
ufzufinden. Hr. Magnus hat in seiner ersten Abhandlung meine elektrischen
arbeiten erwähnt, und angegeben, dass dieselben mit der Zersetzung, welche
lie Elektrolyte durch den Strom erfahren, nichts zu thun hätten, und über
lie DANiELi/sche Theorie, nach welcher die Sauerstoffsalze in Metall am
legativen Pol und Säure plus Sauerstoff am positiven zerfallen, nichts lehren,
vährend sie doch die Methode enthalten, um jene festzustellen, und für
iiese die ersten experimentellen Belege liefern. Es fanden ferner darin die
Erscheinungen, welche in den Lösungen der schweren Metalle an den Elek-
troden auftreten, und die den Gegenstand meiner ersten Mittheilung bilden,
*ine Deutung, mit welcher kein einziges Ergebniss meiner quantitativen Be-
stimmungen zu vereinigen ist Hr. Magnus vertheidigte endlich in Bezug
auf die elektrolytischen Vorgänge den Standpunkt, welchen Berzelius ein-
nahm und in der letzten Auflage seines Lehrbuches Bd. I, S. 93 u. ff. erörtert.
Berzelius bestritt bekanntlich in Folge dieser Auffassung auf das heftigste
das elektrolytische Gesetz von Faraday und verdammte noch 1843 (S. 100)
ohne genauere Prüfung eine Entdeckung, welche unstreitig zu den wichtigsten
unseres Jahrhunderts gehört und in allen Fällen so glänzend sich bewährt.
So weit kann gegenwärtig niemand demselben mehr folgen."
In dem weiteren Verlaufe seiner allgemeinen Erörterungen kommt Hit-
torf auf einen ungemein wichtigen Punkt zu sprechen, der sich auf das
Verhältniss zwischen der Zersetzlichkeit im chemischen Sinne und der elek-
trolytischen Leitfähigkeit, die ja auch als ein Zersetzungs Vorgang aufgefasst
wurde, besteht Da hier die Keime einer hochwichtigen späteren Gedanken-
reihe zu erkennen sind, so gebe ich die Stelle ganz wieder:
„Unter den Elektrolyten besitzen diejenigen, deren Ionen durch eine im
chemischen Sinne schwache Verwandtschaftskraft vereinigt sind, keineswegs
g^4 Sechzehntes Kapitel.
das bessere Leitungsvermögen. So lange, als die galvanische Zersetnm ,
selbst, ist ja der grosse Widerstand, den das reine Wasser dem elektrischen '.
Strome bietet, aufgefallen. Liegt auch keine zuverlässige Bestimmung des-
selben vor, wir werden ihn nicht überschätzen, wenn wir ihn im Folgendes
millionenmal grösser wie denjenigen annehmen, welchen die Mehrzahl der
Salze im geschmolzenen Zustande zeigt. Zu den bestleitenden Salzen ge-
hören ferner die des Kaliums, Natriums, wie C1K, CINa, S04K, S04Na,
NOeK, N06Na,J während die Verbindungen des Quecksilbers (ClHg, JHg,
BrHg, CyHg) einen nicht viel geringeren Widerstand, als das reine Wasser
besitzen. Die Chemie betrachtet aber die Bestandteile des Chlorkaliums
als durch eine der grössten Verwandtschaftskräfte vereinigt., Quecksilber-
chlorid wird von ihr zu den schwächeren Verbindungen gezählt Sie kommt
zu diesem Schlüsse, weil sie über eine Menge Metalle, welche letzteres zer-
setzen, verfugt, während keines ersteres zu trennen vermag. Ich kann hier
noch nicht untersuchen, ob dieser Schluss über jeden Zweifel erhaben, und
ob die Lehre von der Verwandtschaft, unstreitig der schwächste Theil der
Wissenschaft, in ihren Prinzipien begründet ist. Obige Beispiele, deren Zahl
sich leicht vermehren Hesse, zwingen aber schon an dieser Stelle vorläufig
einen Unterschied zu machen zwischen der Zersetzbarkeit einer Verbindung
durch den Strom und derjenigen, welche auf den gewöhnlichen chemischen
Mitteln basirt. Derselbe wird vielfach übersehen, und ist von Hrn. Magnus
überall bei seinen Untersuchungen ausser Acht gelassen. Wir bemerken
keine Abhängigkeit unter diesen beiden Eigenschaften einer Verbindung und
nichts ist weniger gerechtfertigt, als die Annahme einer Proportionalität
zwischen ihrem elektrischen Widerstand und der Verwandtschaft, welche
ihren Ionen die heutige Chemie beilegt.
„Eigentümliche Verhältnisse, welche uns jetzt ebenso unbekannt sind,
wie das Wesen der Elektricität und des chemischen Processes werden in
der Constitution der Elektrolyte obwalten und den übrigen Verbindungen
fehlen."
Prophetische Worte, die auf das schärfste die Entwicklung kennzeich-
nen, welche die Angelegenheit dreissig Jahre später genommen!
Und an etwas späterer Stelle: „Wenn die Ionen des Salzes im freien
Zustande oder im Status nascens das Lösungsmittel nicht zersetzen, wird
kein Chemiker sich veranlasst fühlen, ihnen diese Fähigkeit während der
Überführung beizulegen. Bei solchen Elektrolyten findet daher unsere Auf-
fassung keine Schwierigkeit. Die Sache gestaltet sich anders, wenn die
Ionen diese Eigenschaft besitzen. Entschieden treten diese Verhältnisse bei
den Kalium Verbindungen ein, also gerade da, wo nach meiner zweiten Mit-
theilung die Zahlen für die Überfuhrung von der Concentration fast unab-
hängig erscheinen und daher die Bewegung der Ionen zwischen den unzer-
1 Hittorf benutzt hier die früheren Aquivalentgewichte, bei denen die zweiwerthigen
Elemente O, S u. s. w. mit dem halben jetzigen Atomgewichte angesetzt waren.
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 865
trt bleibenden Wassertheilchen am unzweideutigsten darstellen. Die Ver-
andtschaftslehre, der gegenwärtig die Mehrzahl der Chemiker huldigt, und
eiche die hervorragendsten Forscher zu ihren wärmsten Vertretern zählt,
inn solche Vorgänge nicht erwarten, und ich glaube nicht zu irren, wenn
h in diesem Umstände die Ursache erblicke, weshalb die consequente
urchftihrung der Gesetze von Ohm und Faraday bei der Elektrolyse bis
tzt unterlassen wurde."
Auch hier wird der entscheidende Punkt mit grösster Sicherheit be-
lehnet: als die Gesetze von Ohm und Faraday auf die Elektrolyse und die
lektrolyte in aller Strenge angewendet wurden, erwies sich die Grundlage
»r neuen Theorie, die Annahme der freien Ionen in den Elektrolyten, als
avermeidlich.
Hittorf geht nun zu der Schilderung einer grossen Anzahl von Ver-
ichen über, bei denen er die ungemein grosse Ausgiebigkeit der neuen
(ethode, den Zustand der Salze in Lösung zu ermitteln, allseitig erwies. So
onnte er feststellen, dass im Uranylchlorid (UOaCl, nach heutiger Schreib-
eise) die Ionen wirklich UOa und 2CI sind, entsprechend der Theorie *von
eligot und im Widerspruch mit der Auffassung von Berzelius, ferner, dass
ie Salze der Alkaloide in Halogen und ein dem Ammonium analoges
lation zerfallen, dass die Lösungen von Zinnchlorid vollkommen in gelöstes
innoxyd und freie Salzsäure zerfallen sind u. s. w. Es ist nicht thunlich,
ie ganze Summe neuer und bis dahin unzugänglich gewesener Erkenntnisse
ufzuzählen, welche durch diese Forschungen, abgesehen von der Bestim-
mung der Zahlenwerthe der Überführung, erschlossen wurde. Als besonders
fichtig sei noch die Unterscheidung erwähnt, welche Hittorf zwischen
ien gewöhnlichen Doppelsalzen vom Typus des Alauns und den Salzen
on der Art des Ferrocyankaliums , welche inzwischen als complexe
i a 1 z e bezeichnet worden sind , zu machen gelehrt hat. Während die
rsteren in ihren Lösungen in die Bestandtheile zerfallen, und sich daher
^ie Gemische zweier Salze verhalten, erweisen sich die anderen als einfache
*alze, in denen der eine metallische Bestandtheil (im Blutlaugensalz das
iisen) nicht als Kation auftritt, sondern einen Bestandtheil des zusammen-
gesetzten, „complexen" Anions ausmacht. Dies kann dadurch erwiesen
Verden, dass dieses zweite Metall bei der Elektrolyse nicht nach der Ka-
hode geht, sondern mit den anderen Bestandtheilen des Anions zur Anode,
ialiumeisencyanür, Cyansilberkalium, Natriumplatinchlorid erwiesen sich als
eguläre complexe Salze, während bei einigen anderen der mit zunehmender
IVassermenge fortschreitende Übergang in gewöhnliche Doppelsalze nach-
weisbar ist. Am auffälligsten erwies sich das Verhalten des Kadmiumjodids,
welches sozusagen mit sich selbst ein complexes Salz bildet, indem scheinbar
überhaupt kein Kadmium zur Kathode geht, da nach der Elektrolyse in der
Flüssigkeit daselbst weniger Kadmium vorhanden ist, als vorher. Hittorf
deutete dies dahin, dass in der Lösung zusammengesetzte Kadmiumjodmole-
keln vorhanden sind, etwa der Formel Cd3J6 entsprechend, welche in die
Ostwald, Elektrochemie. 55
355 Sechzehntes Kapitel.
Ionen Cd und Cd,J6 zerfallen, so dass mit dem Anion Cd,J6 mehr Kadmran
von der Kathode fortgeführt wird, als durch die Bewegung des Kations Cd
dahin gelangt. Diese Deutung ist vielfach in Zweifel gezogen worden, dod;
hat sie sich in der Folge durchaus bestätigen lassen.
An die Mittheilung der Ergebnisse seiner zahlreichen Versuche schhcat:
Hittorf Erörterungen allgemeiner Beschaffenheit, welche zu der Zeit ihrer .
Veröffentlichung wohl noch mehr Widerspruch und Ablehnung verursacht
haben mögen, als die mitgetheilten Thatsachen, an deren Richtigkeit sich
schliesslich nicht zweifeln Hess. Um so bedeutsamer erscheinen sie ans
jetzt als Zeichen dafür, mit welcher Unwiderstehlichkeit schon damals, auch
ohne Kenntniss der entsprechenden Thatsachen auf den angrenzenden Ge-
bieten, sich die Ansichten geltend machten, welche in der neuesten Zeit, i
wenn auch nicht ohne Kampf, als die richtigen von der Mehrzahl der zum
Urtheil Berufenen angenommen worden sind. Gleichzeitig liefern diese Dar-
legungen einen weiteren Beleg dafür, in welchem Maasse ausgesprochene
und gut begründete Einwände gegen ein angenommenes System wirkungslos
bleiben können, wenn nicht an die Stelle des falschen gleichzeitig ein besseres
dargeboten wird, welches die Fehler vermeidet, im übrigen aber mindestens
das gleiche leistet, wie das alte.
Zunächst weist Hittorf auf einen bisher vollkommen übersehenen Zu-
sammenhang hin, welcher zwischen der Fähigkeit, elektrolytisch zu leiten
und chemische Reaktionen auszuüben besteht: „Nur bei denjenigen
Verbindungen vermag die Elektricität den Austausch unter den
Molekülen hervorzurufen, welche denselben auch durch die ge-
wöhnlichen Erscheinungen der Wahlverwandtschaft gegen andere
ähnlich constituirte Körper zeigen. Wir vermissen nämlich diesen
Austausch bei denjenigen zusammengesetzten Stoffen, welche den Strom
isoliren, entweder vollständig, oder sehen ihn nur unter besonderen Be-
dingungen sich einstellen.
„Die nichtbasischen Oxyde, sowie die äquivalenten Verbindungsstufen
ihrer Radikale mit Chlor, Brom, Jod, Schwefel sind vortreffliche Belege ftr
unsere Behauptung.
„Faraday hat zuerst auf die ihnen gemeinsame Isolation des galvanischen
Stromes aufmerksam gemacht, welche vor ihm bloss bei einzelnen derselben
von H. Davy und de la Rive bemerkt worden war. Er fand die flüssige
wasserfreie Schwefelsäure, die geschmolzene Borsäure, den Jodschwefel,
Realgar, Auripigment, AsCl8, SnCl4, SnJ4 und die Chloride von Schwefel,
Phosphor, Kohle nicht leitend. Schwefelkohlenstoff, condensirte Kohlensäure
und schweflige Säure können hinzugefügt werden. Ohne Zweifel verhalten
sich flüssige wasserfreie Salpetersäure, Untersalpetersäure, Stickoxydul auf
gleiche Weise.
„Ich kann nicht mit Faraday annehmen, dass diese Verbindungen des-
halb isoliren, weil ihre Bestandteile nicht nach gleichen Äquivalenten ver-
bunden sind. ... Ich suche den inneren Grund darin, dass sie nicht mit den
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. ^ 367
asischen Verbindungen und unter einander den Austausch der Bestand-
aeile zeigen, dass ihre Moleküle dieses Austausches unfähig sind,
linige Beispiele werden diesen Gesichtspunkt klarer hervortreten lassen.
„Ich habe mich überzeugt, dass die wasserfreie geschmolzene Chfom-
äure CrOs den Strom von fünf GROVE'schen Elementen für ein empfind-
ches Galvanometer mit astatischen Nadeln vollständig isolirt, wenn die
geringste Schicht die Platindrähte trennt. Ebenso isolirend verhält sich
Zhromoxy chlorid, Cr02Cl2.
„Unsere früheren Elektrolysen lehren, dass Chromsäure in den Verbin-
lungen mit basischen Oxyden vom Strome nicht zersetzt wird. Verbin-
lungen der Chromsäure mit Säuren sind unbekannt. Bei dem Zusammen-
commen der chromsauren Salze mit anderen Salzen tritt niemals eine Spaltung
ler Chromsäure ein.
„Vergleichen wir damit das Verhalten des Uranoxyds U08 und des
Jranoxychlorids UOaCl2, Verbindungen, deren Formeln ganz analoge sind.
Das Uranoxychlorid leitet im geschmolzenen Zustande und wird, wie in der
wässerigen Lösung, in U02 und 2CI zersetzt. Dieselbe Spaltung erleidet
es gegen salpetersaures Silberoxyd. Das schwefelsaure Uranoxyd giebt mit
Chlorbaryum schwefelsauren Baryt und Choruranyl. Es zeigt hier den Aus-
tausch von (S03 + O) und U02, den auch der Strom veranlasst. Könnten
wir U08 schmelzen, so würde es als Leiter sich zeigen und in U02 und O
zerfallen. . . .
„Ebenso lehrreich sind die Verbindungen, welche die Alkoholradicale
Methyl, Äthyl, Amyl u. s. w. mit den früher aufgezählten Anionen bilden.
Die Chemiker haben bekanntlich geschwankt, ob diese Körper zu den Salzen
zu zählen sind, da bei denselben, sie mögen in Wasser oder Alkohol gelöst
sein, die doppelten Zersetzungen gegen andere Salze gewöhnlich ausbleiben.
Der Austausch tritt meistens erst bei höherer Temperatur ein. Alle diese
Verbindungen sind aber Isolatoren für unsere Galvanometer, die stärkste
galvanische Batterie bewirkt keine wahrnehmbare Zersetzung.
„Das Verhalten, welches Quecksilber -Chlorid, -Bromid, -Jodid und
-Cyanid gegen den Strom beobachten, wird von der herrschenden Theorie
über die Elektrolyse nicht erwartet. Die drei ersten Verbindungen schmelzen
bekanntlich leicht im wasserfreien Zustande, leiten aber alsdann, wie Faraday
zuerst fand, die Elektricität so schlecht, dass die Zersetzungsprodukte kaum
qualitativ erkannt werden können. In den Versuchen, welche Beetz1 mit
geschmolzenem Jodid anstellte, schied der Strom einer sechspaarigen Zink-
eisensäule in 14 Stunden im gleichzeitig eingeschalteten Voltameter bloss
0,162 g Silber ab. Unsere Salze lösen sich, mit Ausnahme des Jodids, noch
gut in Wasser, vermindern aber den Widerstand desselben so wenig, dass
an eine quantitative Bestimmung der elektrolytischen Verhältnisse nicht ge-
dacht werden kann.
1 „Pogg. Ann. 92, 459. 1854.4'
55 1*
o^g Sechzehntes Kapitel.
„Es liegen uns hier zusammengesetzte Körper vor, welche ihre beiden
Elemente nach einfachen Äquivalenten enthalten, welche von den meisten
Metallen zersetzt werden, und in denen daher die heutige Chemie eine relativ
schwache Verwandtschaft voraussetzt. Dennoch trotzen sie in obiger Weise
dem Strome, dem Bezwinger der Kaliumsalze, dem keine Verwandtschaft*-
kraft nach der gewöhnlichen Auffassung widerstehen soll.
„Das Räthsel löst sich sogleich, sowie wir die Zersetzungen der doppelten
Wahlverwandtschaft mit ihnen hervorbringen wollen. Da finden wir, wie die
Sauerstoffsäuren, welche als die stärksten betrachtet werden, weder in ver-
dünntem, noch in concentrirtem Zustande, weder in der Kälte, noch in der
Wärme dieselben zerlegen und keinen Chlorwasserstoff oder Bromwasserstoff
oder Jodwasserstoff, ja nicht einmal Blausäure austreiben. Die Sauerstoff-
salze des Quecksilberoxydes werden im neutralen Zustande sämmtlich vom
Wasser zersetzt und liefern die bekannten schwerlöslichen, basischen Ver-
bindungen. Wir können aber die wässerigen Lösungen unserer Haloi'dsalze
mit beliebigen Sauerstoffsalzen versetzen und erhitzen, ohne eine Veränderung
wahrzunehmen. Der Austausch der Bestandteile der Moleküle stellt sich
nicht ein. Phosphorsaures Natron, Oxalsäure und lösliche Oxalsäure Salze
geben in den sauren Lösungen des Quecksilberoxydes sogleich Niederschlage.
Bei den Haloidsalzen bleiben sie aus. Die Lösung von Quecksilbercyanid
gibt mit salpetersaurem Silberoxyd kein Cyansilber, sondern es krystallisirt
das von Wöhler entdeckte Doppelsalz 2CyHg + N06AgO heraus. Eine
analoge Verbindung liefert chromsaures Kali, 2CyHg + CrOsKO, ohne dass
ein Austausch der Ionen sich einstellt
„In anderen Fällen tritt freilich die doppelte Zersetzung ein. Salpeter-
saures Silberoxyd giebt mit der Lösung des HgCl und HgBr Chlor- und
Bromsilber. Ebenso zersetzt Kalihydrat die letztgenannten Haloidsalze und
gibt den Niederschlag von Quecksilberoxyd. Das HgCl und HgBr zeigen
gegen die Jodmetalle den Austausch der Bestandtheile, und Quecksüber-
cyanid, welches den Sauerstoffsäuren trotzt, wird von C1H, BrH, JH, ja von
SH leicht zersetzt und liefert die dort vermisste Blausäure. Die Chemie
vermag uns nicht zu erklären, warum der Austausch in dem einen Falle
erfolgt, in dem anderen ausbleibt. Da jene Salze den Austausch unter ein-
ander zeigen, so wird die Ursache zuletzt in der Beschaffenheit der Queck-
silberverbindungen zu suchen sein. In einzelnen Fällen werden die Hinder-
nisse, welche hier bestehen, durch die Beschaffenheit der anderen Moleküle
noch überwunden, in den meisten geschieht es nicht.
„Dieser Schwierigkeit geht aber der grosse Leitungswiderstand des
Chlorides, Bromides u. s. w. parallel, während das Chlorür und Bromür des
Quecksilbers, als basische Verbindungen, leicht vom Strome zersetzt werden."
Die vorstehenden Betrachtungen sind von äusserster Wichtigkeit, denn
sie gewähren uns Ausblicke nach einer Richtung, welche zwar in neuerer
Zeit manche Ausbeute gegeben hat, im ganzen aber noch des entscheiden-
den Fortschrittes harrt. Der hier von Hittorf zum ersten Male gesehene
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. gßg
usammenhang zwischen elektrolytischer Leitfähigkeit und chemischer Reak-
onsfahigkeit ist zwar gegenwärtig in einzelnen Fällen, namentlich dem der
äuren und Basen, völlig aufgeklärt und seinen Gesetzen nach bekannt, da-
chen bleibt aber ein grosses Gebiet noch unbekannt, welches man als das der
Jgemeinen elektrochemischen Affinitätslehre bezeichnen kann. Es sprechen
lancherlei Anzeichen dafür, dass uns in Zukunft eine Ionentheorie der
nemischen Vorgänge bevorsteht, und es ist daher von Wichtigkeit, auf
iese erste Quelle dieser Entwickelung hinzuweisen.
Mit der Gewissenhaftigkeit, welche den echten Forscher kennzeichnet,
at Hittorf nicht unterlassen, im Falle der Quecksilberverbindungen darauf
inzuweisen, dass einzelne Punkte in den Reaktionen derselben für ihn noch
nerklärlich seien. Diese Punkte haben inzwischen alle Aufklärung erhalten,
nd wie immer in solchen Fällen eine gute Theorie sich am besten zeigt,
o hat auch hier die endliche Aufklärung nur die Richtigkeit der allgemeinen
Jesichtspunkte um so besser bewiesen. Die fraglichen Unterschiede der
Leaktionen rühren daher, dass zwar die Halogenverbindungen des Queck-
ilbers nur sehr wenig leiten und des Umtauschens fähig sind, aber doch in
inetn bestimmten geringen Grade diese Eigenschaft haben. Deshalb sind
hre Reaktionen zwar beschränkt, aber nicht aufgehoben, und es hängt von
len näheren Bestimmungsstücken der Reaktion, insbesondere von der Un-
öslichkeit der entstehenden Niederschläge ab, ob sich der Stoff als reaktions-
ähig oder -unfähig erweist.
„Bei den Versuchen, welche ich mit Platinchlorid und Goldchlorid an-
gestellt, zeigte sich in der Lösung derselben stets freie Salzsäure. Es war
dies für meine Zwecke zu bedauern, da diese Verbindungen sich sonst wie
das Chlorid des Quecksilbers verhalten hätten. Ihre Lösungen würden einen
ihnlichen grossen Widerstand gezeigt und das interessante Schauspiel ge-
Doten haben, wie der Strom gerade die schwächsten Verwandtschaftskräfte,
Areiche bei den Metallen vorkommen, nicht zu überwinden vermag. H. Rose1
tiat für ihre Lösungen ähnliche Anomalien aufgeführt, wie sie vorher mit-
ijetheilt wurden.
„Die Spaltung, welche die Doppelsalze vom Strome erfahren, zeigt viel-
leicht am deutlichsten, von welchem Momente die elektrolytische Natur be-
dingt wird. Wir sahen bei denselben die Ionen der Alkalisalze, welche die
stärkste Verwandtschaftskraft nach der heutigen Chemie fesselt, sich trennen,
und die schwächsten Verbindungen, wie CyAg, PtCl2, HgCl, AuCl3 daneben
unzerlegt bleiben. Dieselbe Spaltung ist dem Chemiker aus jeder Zersetzung
der doppelten Wahlverwandtschaft, welche die Doppelsalze veranlassen, ge-
läufig. Bei der Elektrolyse erwartet man sie aber so wenig, dass selbst
da, wo ihre Folgen vollständig beobachtet waren und nicht anders erklärt
werden können, Niemand auch nur die Möglichkeit ausgesprochen hat.
Die Verbindung, welche mit dem Alkalisalz vereinigt ist, mag, wie Jodcad-
1 „Ausfuhrl. Handbuch der analytischen Chemie 1, 197 und 233. 1851."
1
g^Q Sechzehntes Kapitel.
mium, im freien Zustande ein Elektrolyt sein; hier bietet sie dem stärksten
Strome Trotz.
„Nachdem die erörterten Thatsachen vorliegen, halte ich mich berech-
tigt, das Wesen der Elektrolyse in den Molekularvorgang zu verlegen, welcher
nach Bergmann von der doppelten Wahlverwandtschaft bewirkt wird.
„Alle Elektrolyte sind Salze im Sinne der neueren Chemie
Während der Elektrolyse findet der Austausch zwischen denselben
Bestandtheilen ihrer Moleküle statt, wie bei der doppelten Wahl-
verwandtschaft. Derselbe vermittelt die Fortpflanzung der Mole-
kularbewegung, welche wir elektrischen Strom nennen. Je nach-
dem dieser Austausch in den verschiedenen Elektrolyten bei derselben
veranlassenden Ursache schneller oder langsamer vor sich geht, werden, wie
ich glaube, die verschiedenen Leitungswiderstände hervorgerufen. Ich hoffe,
in dem Nachtrag zu meinen elektrochemischen Arbeiten diesen Zusammen-
hang durch eine Anzahl Widerstandsmessungen bestimmter darlegen zu
können, als es mir jetzt möglich ist. Die hier bestehenden Unterschiede
machen sich in den chemischen Erscheinungen erst geltend, wenn sie ausser-
ordentlich gross sind. Für alle Elektrolyte, bei welchen wir in der Chemie
den Austausch theilweise oder vollständig vermissen, stellt sich ein solches
Verhältniss heraus.
„Der grosse Leitungswiderstand des reinen Wassers rührt ebenfalls
daher, dass der Austausch von Wasserstoff und Sauerstoff sehr schwierig
unter den Molekülen vor sich geht; denn die Resultate, welche die wäs-
serigen Lösungen der untersuchten Elektrolyte ergaben, sind, wie bereits
hervorgehoben, nur möglich, wenn die Salze unzerlegt in der Lösung ent-
halten sind, mit anderen Worten, wenn der Austausch zwischen den Ionen
des Salzes und des Wassers so gut wie fehlt. Wäre er vorhanden, so lägen
ja sehr verschiedenartige Moleküle, Säurehydrate, basische Oxyde, Salze und
Wasser dem Strome vor und würden sehr verwickelte Theilungen desselben
veranlassen. Da die Salze den Austausch unter einander zeigen, so haben
wir den Grund, wie bei dem Chloride, Cyanide des Quecksilbers, in der
Beschaffenheit der Wassermoleküle zu suchen.
„Aus den Erscheinungen der Chemie lässt sich das Fortbestehen der
gewöhnlichen Salze in der Lösung blos vermuthen, nicht beweisen. Man ist
bekanntlich auch nicht einig, bei welchen Verbindungen die Zersetzung ein-
tritt, sobald sie sich nicht durch einen Niederschlag oder eine Gasentwickelung
geltend macht. Die Elektrolyse lässt hierüber keinen Zweifel, wie ich bei
Zinnchlorid (S. 864) nachgewiesen habe.
„Es scheint mir sehr beachtenswerth, dass die Moleküle des Wassers
mit den meisten isolirenden Chlor-, Brom-, Jod- und Schwefelverbindungen
unter bedeutender Wärmeentwickelung sich zersetzen, Wasserstoffsäuren und
die Hydrate von Sauerstoffsäuren bilden.
„Kommt dagegen eine Wasserstoffsäure und die Sauerstoffverbindung
eines basischen Radicals zusammen, so geht gerade der entgegengesetzte
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 871
organg, die Bildung des Haloi'dsalzes und des Wassers, und zwar ebenfalls
ater Wärmeentwickelung vor sich. Bei der Mischung zweier neutralen Salz-
isungen wird eine Erwärmung nicht beobachtet, so lange kein Niederschlag
itsteht
„Die Verbindung des Wasserstoffs mit dem Sauerstoff ist nicht die ein-
ge, welche einen so grossen Widerstand besitzt und, gepaart mit sauren
)xyden, so leicht vom Strom zersetzt wird. Es wiederholt sich diese Er-
lernung bei der Blausäure. Sie wird ebenso schwer wie das Wasser
erlegt; gepaart dagegen mit Eisencyanür und anderen Cyanmetallen, wird
ie leicht vom Strome gespaltet. Die Blausäure vermag nicht die Sauerstoff-
alze zu zerlegen, Kohlensäure auszutreiben. Die Eisenblausäure theilt da-
egen das Verhalten der gewöhnlichen Säurehydrate.
„Die Leitungswiderstände der Elektrolyte werden in entgegengesetzter
Veise, wie diejenigen der Metalle, von der Wärme verändert Sie erscheinen
ämmtlich kleiner in höherer Temperatur und weisen dadurch auf eine Er-
eichterung des Austausches hin.
„Der Widerstand der Lösungen muss nicht allein von der Natur des
Salzes, sondern auch von der Beschaffenheit des Lösungsmittels, sowie von
ler Concentration abhängen. Diese Verhältnisse lassen sich erst mit Erfolg
läher erörtern, wenn eine Anzahl passend gewählter Widerstandsbestim-
nungen vorliegt.
„In meinen elektrochemischen Arbeiten wollte ich mir den unbefangenen
Standpunkt des Beobachters wahren und benutzte deshalb mit Vorliebe die
pARADAY^sche Nomenclatur, welche nur thatsächliche Verhältnisse ausdrückt
und nichts Hypothetisches über unbekannte Kräfte und Fluida einschliesst.
Ich versuche nicht, den Molekularvorgang, welcher in der Elektrolyse und
doppelten Wahlverwandtschaft sich geltend macht, tiefer zu ergründen, und
bin weit entfernt, mich an eine Theorie desselben, die mehr oder weniger
^ine Theorie der chemischen Processe überhaupt sein würde, zu wagen.
Ich halte jedoch, und dieser Überzeugung möchte ich Ausdruck geben, ich
halte das Studium der Elektrolyse sehr geeignet, eine bestimmtere und rich-
tigere Auffassung der chemischen Erscheinungen anzubahnen. Der Mole-
Vcularvorgang bietet sich hier in der einfachsten und deshalb günstigsten
^eise der Forschung dar, weil er, wie schon bemerkt, zwischen gleichartigen
Massentheilchen vor sich geht.
„In der That lassen die quantitativen Bestimmungen der chemischen
Verhältnisse bei der Elektrolyse, wie ich sie in meinen Mittheilungen ver-
sucht, bereits eine Seite desselben hervortreten, welche in den gewöhnlichen
chemischen Erscheinungen der Beobachtung nicht zugänglich wird, und über
einen Cardinalpunkt der Chemie, wie ich glaube, entscheidet.
„Ich nehme hier die S. 864 angeregte Frage auf, welche nicht länger
umgangen werden kann.
„Wenn in der Elektrolyse keine Umwandlung der Stoffe eintritt, so
lässt sich die Thatsache, dass die Ionen des Salzes an den Elektroden ver-
g^2 Sechzehntes Kapitel.
mehrt und vermindert werden, ohne dass die mittleren Schichten der Lösung
eine Änderung in der quantitativen Zusammensetzung erfahren, nur begreifen,
wenn erstere an den Theilchen des Lösungsmittels sich vorbeibewegen, ohne
sie zu zersetzen. Die Verhältnisse der Überfuhrung treten bei keinen Ver-
bindungen so unzweideutig hervor, wie gerade bei den Kaliumsalzen, wo sie
fast unabhängig von der Concentration der wässerigen Lösung bleiben.
„Bewegen sich aber Kaliumtheilchen in Entfernungen von ihren Anionen,
welche sehr gross sind gegen ihre Abstände von dem nächsten Wasseratome,
und lassen letzteres unzersetzt, nimmt ferner die Intensität der chemischen
Kraft nach höheren Potenzen der Entfernung, wie der zweiten, ab, so können
hier nicht mehr die Verwandtschaftsverhältnisse bestehen, welche wir im
freien Zustande der Körper finden.
„Die Chemiker gehen in ihren Grundanschauungen gegenwärtig sehr
auseinander. Bekzelius1 denkt sich den stärksten elektropositiven Körper,
das Kalium, vereinigt mit dem stärksten elektronegativen Körper, dem Sauer-
stoff, mit einer grösseren Kraft, als wodurch irgend eine andere Verbindung
zusammengehalten wird, und diese Vereinigungskraft wird direkt von keiner
anderen Kraft, als der des elektrischen Stromes überwunden. Das „Ver-
einigungsstreben ist eine Folge der elektrischen Relationen der Atome, wobei
sie sich mit entgegengesetzten vorherrschenden Polen einander anziehen und
sich, wenn sie sich in frei beweglichem Zustande befinden, zusammenlegen und
einander mit derselben Art von Kraft festhalten, wie die ist, womit zwei Mag-
nete mit entgegengesetzten Polen zusammenhaften, von welcher grossen Kraft
uns die sogen. Elektromagnete so staunenerregende Beweise gegeben haben."
„Die Verwandtschaft," so beginnt Bunsen die dritte Abhandlung der
photochemischen Untersuchungen,2 „oder die Kraft, welche die Theile sub-
stantiell verschiedener Körper zu einer Verbindung zusammenfuhrt, ist etwas
dem Wesen und der Grösse nach unabänderlich Gegebenes, das, wie alk
Kräfte und wie die Materie selbst, weder zerstört, noch erzeugt werden kann.
Es ist daher nur ein übelgewählter Sprachgebrauch, wenn man von Ver-
wandtschaftskräften redet, die ein Körper unter Umständen erlangt, und die
er unter anderen Umständen wieder verliert."
„Darnach ist die chemische Vereinigung zweier Körper nur ein einfaches
Phänomen der Anziehung zwischen je zwei ihrer Theilchen. Die denselben
innewohnenden Kräfte bewegen sie in grössere Nähe zu einander und halten
sie daselbst zusammen.
„Nach dieser Vorstellungsweise wird die bei chemischen Processen ent-
stehende Wärme die Quantität der lebendigen Kraft sein, welche durch die
bestimmte Quantität der chemischen Anziehungskräfte hervorgebracht werden
kann." Helmholtz, Erhaltung der Kraft S. 32. - —
„Diese Auffassung wird aber entschieden von anderen Forschern zurück-
gewiesen. Dieselben erklären sich zwar nicht weiter über das Wesen des
1 „Lehrbuch 1, 106." » „Pogg. Ann. 100, 481. 1857."
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten« 873
lemischen Processes, stellen aber bestimmt in Abrede, dass die sogenannten
erwandtschaftsverhältnisse, wie sie die freien Körper zu einander zeigen,
r die Erscheinungen, welche dieselben Stoffe in ihren Verbindungen ver-
tlassen, maassgebend sind. Davy und Dulong, sowie alle Anhänger der
Inartheorie der Salze nehmen diesen Standpunkt ein. Gerhardt hielt ihn
>enfalls in seinen Speculationen fest, wie seine eigenen Worte darthun
ögen: 1
„„Es versteht sich von selbst, dass ich, wenn ich von einem Radical
>reche, damit keinen Körper bezeichnen will von der Form und den Eigen-
:haften, die er im isolirten Zustande hätte, sondern ich unterscheide einfach
ie Beziehung, nach welcher gewisse Elemente oder Gruppen von Elementen
ch substituiren, oder aus einem Körper in den anderen übergehen. Übrigens
igt die oberflächlichste Beobachtung, wie gross der Unterschied ist zwi-
hen einem Element, wie es sich in freiem Zustande zeigt, und demselben
lement, wenn es eine Verbindung eingegangen; es wird Niemandem ein-
Uen, die chemischen Eigenschaften der schwarzen Kohle oder des Diamanten
it denen des Kohlenstoffes identificiren zu wollen, wie er in jenen Tausen-
rn der sogenannten organischen Verbindungen vorkommt; die gewöhnlichste
>gik zwingt zu derselben Unterscheidung bezüglich des Chlors und des
rasserstoffs, und im Allgemeinen rücksichtlich aller einfachen und zusammen-
setzten Körper.""
„In den Isomerien finden wir nicht nur die physikalischen Eigenschaften
isselben chemischen Stoffes, sondern auch die Verwandtschaftsäusserungen
rändert. Der gewöhnliche Phosphor reducirt die Salze des Kupfers, des
Ibers und anderer Metalle; der rothe ist indifferent. Das Ozon scheidet
>d, Brom aus den Salzen; der gewöhnliche Sauerstoff vermag es nicht.
iese Unterschiede in dem Verhalten sind von verschiedenen Wärmeverhält-
ssen bedingt, die sich stets, wo die Umwandlung eines isomerischen Zu-
andes in einen anderen vor sich geht, geltend machen. In einer Notiz
>er die Allotropie des Selens2 zeigte ich, dass der gewöhnliche farblose
losphor eine grössere Wärmemenge enthalten müsse, wie der rothe, und
eselbe beim Übergange in letzteren verliere. Silbermann und Favre fanden
irklich einige Zeit nachher die Verbrennungswärme des farblosen Phosphors
jträchtlich über 1/0 höher, wie diejenige des rothen, nämlich 5953 Wärme-
nheiten für ersteren und bloss 5070 für letzteren. Könnten wir Ozon in
-össerer Menge darstellen, so würden wir eine Wärmeentwickelung bei
iner Umwandlung in gewöhnlichen Sauerstoff und eine grössere Verbin-
imgswärme wie bei letzterem beobachten.
„Unsere Kenntnisse über die Isomerien der Körper sind noch ganz und
ar fragmentarisch, und ohne prophetische Gaben in Anspruch zu nehmen,
irf man der Chemie nach dieser Seite grosse Entdeckungen vorhersagen,
/ie dürftig aber auch die jetzt zu Gebote stehenden Thatsachen sind, sie
1 „Lehrbuch d. organ. Chemie 4, 606." * „Pogg. Ann. 84, 219. 185 1."
$7A Sechzehntes Kapitel.
genügen, um zu zeigen, dass der chemische Process noch etwas anderes, 1
als ein blosses Anziehungsphänomen im Sinne Newtons sein muss. Dl
nämlich die Phosphorsäure, welche aus dem rothen Phosphor entsteht, ab*
solut identisch ist mit derjenigen, welche der gewöhnliche liefert, so könnet
doch nicht beide Verwandtschaftskräfte den Phosphor in dieselbe begleiten.
Berzelius1 wollte wirklich die allotropischen Zustände der Elemente in die
Verbindungen übergehen lassen und bemühte sich, die Isomerien der lett-
teren auf diesen Umstand zurückzuführen. Ich glaube nicht, dass dieses
Speculationen die thatsächlichen Verhältnisse entsprechen.
„Wir dürfen nicht übersehen, dass chemische Verbindungen vorliegen,
welche bei der Zersetzung eine bedeutende Wärmeentwickeluug zeigen,
trotz der Vergasung, welche gleichzeitig die Bestandteile erleiden; letztere
müssen daher sehr beträchtliche Wärmemengen binden, wenn sie mit ein-
ander sich vereinigen.
„Erwägen wir diese Verhältnisse, so werden wir unser Urtheil über das
Wesen des chemischen Processes suspendiren und Faraday beipflichten, dass
nach unserem heutigen Wissen blos das Gewicht der Stoffe in den Verbin-
dungen als unverändert zu erkennen ist.
„Sobald wir die Zustände, welche die Stoffe isolirt und in den Ver-
bindungen besitzen, unterscheiden, verlieren die Resultate meiner Arbeiten
das Widerstrebende, welches manche Forscher darin gefunden. Sie zeigen
sich in vollkommener Übereinstimmung mit den Erfahrungen der Chemie
und lassen wenigstens die Möglichkeit, eine wirkliche Theorie derselben vor-
zubereiten, durchblicken. Wir wundern uns nicht mehr, dass die Kalisalze
millionenmal leichter vom Strome zersetzt werden, als das Wasser, das sie
leichter spalten, als die meisten anderen Salze. Denn diese Verhältnisse
beutet der Chemiker fast in jedem seiner Versuche aus. Er war so gewöhnt,
an den Processen in den wässerigen Lösung nur die Salze sich betheiligen
zu sehen, dass er nicht wenig staunte, wie zuerst eine Einwirkung des
Wassers auf die Resultate der doppelten Wahlverwandtschaft bei dem ge-
wöhnlichen phosphorsauren Natron beobachtet wurde. Dieselben Vorgänge
machen bei der Elektrolyse gerade den entgegengesetzten Eindruck: man
sucht nach der Zersetzung des Wassers, während bloss Salze derselben
unterliegen.
„Das Studium der Leitungswiderstände halte ich für ein grosses Bedürf-
niss der Chemie; wir gewinnen dadurch ein Maass für die Spaltbarkeit der
verschiedenen Salze, für ihre basischen und sauren Eigenschaften, welche
wesentlich von derselben abhängen. Die herrschende Verwandtschaftslehre
kann keine Erklärung der doppelten Zersetzung geben und hat überhaupt,
wenn wir aufrichtig sein wollen, nur dadurch Dienste geleistet, dass sie die
Wissenschaft gegen die Übereilung der Aichemisten schützte. Eine neue
Tha^sache ist aus derselben nicht hervorgegangen.
1 „Pogg. Ann. 61, i. 1844."
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 875
„Man hält sie gewöhnlich für unentbehrlich, um von den Fällen der
ifachen Wahlverwandtschaft, in welchen ein freier Körper einen verbundenen
scheidet und substituirt, Rechenschaft zu geben. Diesen Thatsachen ver-
nkt sie ihren Ursprung, ist aber nur eine sehr mangelhafte und unbe-
tnmte Umschreibung derselben.
„Der Apparat, welcher in Pogg. Ann. Bd. 98 (S. 843) abgebildet und
r so nützlich gewesen ist, eignet sich sehr gut, um diesen Vorwurf zu
gründen und zu veranschaulichen. Wir nehmen zur Anode im Glas-
en A eine amalgamirte Zink- oder Cadmiumplatte, füllen dasselbe nebst
m Gefasse B mit einer concentrirten Lösung von Chlorkalium, während C
le verdünntere Lösung eines Kupfer- oder Silbersalzes und die Kathode
s einem dieser Metalle erhält. Es entsteht dadurch ein DANiELi/sches
ement von anderer, als der gewöhnlichen Form, in dem sich die Flüssig-
sten sehr langsam mischen. Der Strom desselben, welcher nach der Ver-
ndung der beiden Pole entsteht, ist zwar durch die Länge der flüssigen
eiter sehr geschwächt, aber sehr constant, und wird für wissenschaftliche
rbeiten manchmal gute Dienste leisten.
„Für das Kupfer oder Silber, welches auf der Kathode sich ansetzt,
ird genau ein Äquivalent Zink oder Cadmium gelöst. Da die Flüssigkeit
11 positiven Pol ungetrübt bleibt, so treten diese Metalle mit einem Äqui-
üent Chlor in Verbindung. Es wird nicht das Wasser, wie man vielleicht
Igemein annimmt, zersetzt, sondern die Verhältnisse sind genau dieselben,
ie in meinen früheren Versuchen, wo blos ein stärkerer Strom die Vor-
chtung durchfloss. Durch die quantitative Analyse kann man sich Über-
zügen, dass 0,485 des Äquivalentes Kalium aus dem Gefasse A wandert
nd 0,515 des Äquivalentes Chlor hineintritt.
„Alle Metalle, welche in der elektrischen Spannungsreihe elektropositiver
ls Kupfer oder Silber sind, substituiren hier das Kalium. Letzteres
krird nämlich nicht frei, sondern verdrängt an der Grenzfläche mit der zweiten
~ösung das Kupfer und Silber aus der Verbindung. Wir können das Wasser
ranz ausschliessen, das Zink oder Cadmium mit feuerflüssigem Chlorkalium,
las Silber mit geschmolzenem Chlorsilber umgeben, und erhalten dasselbe
Resultat. Wenn die gewöhnliche chemische Theorie des Galvanismus noch
lurch Beispiele widerlegt werden müsste, so könnte die Contacttheorie jene
Kombination als treffliches experimentum crucis benutzen.
„Taucht die Elektrode von Kupfer oder Silber in das Chlorkalium, in
welchem Zink oder Cadmium sich befindet, so stellt sich sogleich der Gegen-
strom ein, und der primäre sinkt fast auf Null. Die letztgenannten Metalle
bleiben so gut wie unverändert und verhalten sich, wie wenn sie allein in
der Flüssigkeit wären.
„In unserem DANiELi/schen Elemente ist die Gesammtwärme, welche der
Strom erregt, gleich der Wärmemenge, die bei der Bildung des Chlorzinks
oder Chlorcadmiums frei wird, vermindert um diejenige, welche zur Reduction
gyg Sechzehntes Kapitel.
des Chlorsilbers nöthig war. Darin bestehen ja die einzigen Veränderungei,
welche derselbe hervorbringt. Der Erfolg der chemischen Processe, wekfe
der einfachen Wahlverwandtschaft zugeschrieben werden, ist daher bedingt,
von der Wärmemenge, welche die Äquivalentgewichte der Körper im isolirta
Zustande mehr enthalten, wie im verbundenen. Soll ein gegebener Stoff
einen anderen in einer Verbindung substituiren und letzteren in den isolirta
Zustand versetzen, so darf das Wärmeäquivalent des ersteren nicht kleiner
sein, wie das des letzteren. Es bedingt die sogenannte Verwandtschaft,
und von ihm wird die elektromotorische Kraft des galvanischen Stromes
abhängen.
„Diese Verbindungswärme kann aber nur zum kleinsten Theil als
chemische Spannkraft gedacht werden; denn tritt die Zersetzung der flüs-
sigen Verbindungen unter solchen Verhältnissen ein, wo die Bestandteile
nicht die Eigenschaften des isolirten Zustandes annehmen, so ist die Zer-
setzbarkeit der elektrischen Leitungsfähigkeit proportional und
steht in gar keiner Beziehung zur Verbindungswärme.
„Die Arbeit, welche der Strom bei der Elektrolyse verrichtet, wenn die
Ionen an den Elektroden frei werden, und welche durch die Polarisation
angezeigt ist, wird nur zum allerkleinsten Theil auf die Trennung verwendet
Dieselbe dürfte vielleicht fast ganz darin bestehen, dass den Ionen der Zu-
stand der Bewegung zurückgegeben, ihre Moleküle mit der lebendigen Kraft
wieder versehen werden, welche sie im isolirten Zustande besitzen, und von
welcher ihre Eigenschaften abhängen. Die meisten zusammengesetzten Ionen,
welche wir in unseren Versuchen gefunden, bestehen im isolirten Zustande
nicht fort. Die Isomerien, an deren Studium wir grosse Erwartungen knüpfen
dürfen, stellen die ausserordentlich wichtige Thatsache fest, dass dieselbe
chemische Materie verschiedene Wärmemengen binden kann und in diesen
Zuständen eine verschiedene Verwandtschaft äussert und mit verschiedenen
physikalischen Eigenschaften versehen ist. . . ."
Auf diese Darlegungen folgen einige Seiten polemischer Erörterungen,
welche sich einerseits auf eine von Kohlrausch und Weber versuchte
Bestimmung der Arbeit zur Trennung einer gewissen Menge von Wasser
in seine Elemente beziehen, andererseits die Ansichten von Clausius zum
Gegenstande haben. Ich habe geglaubt, sie hier fortlassen zu können, da
namentlich die letzteren sich auf die heute gelöste Schwierigkeit bezüglich
der Oberflächenladung der Elektrolyte beziehen, welche schon früher (S. 861)
erörtert worden ist. Kann dieser Einwand als erledigt angesehen werden,
so gilt doch nicht das Gleiche für einige andere Einwände, welche die kine-
tische Theorie der Flüssigkeiten treffen, und welche daher nachstehend wieder-
gegeben sind:
„Für Chlorkalium habe ich die Untersuchung (zweite Mittheilung, S.859)
auf sehr verdünnte wässerige Lösungen (etwa i Theil Salz in 500 Theile
Wasser) ausgedehnt und gefunden, wie immer noch für die Analyse die
Zersetzung das Salz allein trifft. Die Überführungen von Chlor und Kalium
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 377
id fast dieselben, wie bei der stärksten Concentration. Wir haben in
esem Falle auf i Molekül CIK etwa 4000 Moleküle HO. Wie oft muss
is erstere, ehe es einmal einem gleichartigen Moleküle begegnet, mit Wasser-
eilchen zusammenstoßen! Die eigenthümlichen Lagen, in denen zwei Ionen
lsscheiden, und welche für die Elektrolyse allein in Betracht kommen,
innen unmöglich die am häufigsten eintretenden sein. Diese Molekular-
:wegungen müssen daher äusserst lebhaft sein, wenn sie den Bedürfnissen
>n nur massigen Strömen genügen sollen. Die Wände der Gefässe, welche
itende Flüssigkeiten enthalten, erleiden aber keinen anderen Druck, wie
snjenigen, welchen die Schwere erzeugt. In den Diffusionserscheinungen
ihen wir, wie äusserst langsam die Salztheilchen ihren Platz verlassen und
n Wasser sich bewegen. Ob man für die Stromintensität eine Grenze sich
enken darf, will ich gar nicht erörtern.
„Es scheint mir eine sehr merkwürdige Thatsache, dass Verbindungen
ie C1H, welche flüssig zu den bestleitenden Elektrolyten gehören, im gas-
►rmigen Zustande den Strom vollständig für unsere sehr empfindlichen Gal-
anometer isoliren. Es lässt sich dieselbe nicht, wie Clausius glaubt, aus
er geringen Dichtigkeit des letztgenannten Zustandes, wie er gewöhnlich
arliegt, erklären. Denn bei den sehr verdünnten Lösungen der Salzsäure,
eiche ich benutzt, enthalten gleiche Volumina weniger Moleküle von C1H,
ls sich in dem Gase bei dem gewöhnlichen Drucke der Luft finden. Dennoch
ifft die Spaltung im ersten Falle die Theilchen von C1H so gut wie allein.
:h beabsichtige diese Thatsache experimentell etwas näher zu untersuphen,
renn ich mir die nöthigen Apparate verschaffen kann.
„In meinen elektrolytischen Mittheilungen habe ich mir die Freiheit
enommen, die Theorieen von Forschern zu erörtern und theilweise zu be-
ämpfen, deren hohe Verdienste um die Wissenschaft ich nicht weniger als
ie eifrigsten Anhänger derselben bewundere. Ich würde mir diese Oppo-
tion nicht erlaubt und meine individuelle Auffassung der ihrigen unter-
eordnet haben, wenn nicht nackte Thatsachen damit in Widerspruch ge-
ethen, welche nach einem sehr einfachen Verfahren, in möglichst einfachen
Apparaten, durch analytische Bestimmungen gewonnen wurden, die häufig
uf ein blosses Abdampfen und Wägen hinauslaufen. Das Bedenken, dass
ennoch diese Thatsachen unrichtig sein können, suche ich durch die Er-
wägung zurückzudrängen, dass der Fehler alsdann bald und leicht von dem
inbefangen Prüfenden gefunden werden wird, und nur mir, nicht der Wissen-
chaft, Nachtheil bringen kann. Anders verhält es sich mit den Theorieen
hrer Autoritäten. So segensreich sie wirken, wenn sie begründet, so ver-
lerblich hemmen sie den Fortschritt oft Jahrhunderte lang, wenn sie un-
ichtig waren."
16. Ausländische Urtheile. Es braucht kaum gesagt zu werden,
lass es nicht nur die deutschen Forscher waren, welche die Schwierigkeiten
m Verständniss der Überführungserscheinungen empfanden; auch in den
nglischen und französischen Veröffentlichungen der Zeit findet man genug
878
Sechzehntes Kapitel.
3 2 1
Nach Napier.
Zeichen davon. Als Beispiel mag eine Abhandlung von Napier1 c
welcher im Anschluss an einige Versuche, durch welche er Abweict
von dem FARADAY'schen Gesetz nachzuweisen glaubte, eine Theor
elektrolytischen Zersetzung darlegte, welche von der (gleichfalls ir
liehen) alleinigen Wanderung der Säure nach dem positiven Pol Reche
geben sollte:
„Die doppelte Reihe (Fig. 229) stellt eine Linie von zusammenge
Atomen dar, welche einen Elektrolyten bilden; darin ist a die Säui
das negative Element, und b di<
oder das positive Element, und cc
die Drähte oder festen Leiter dar,
die Elektricität zu der Zersetzui
führen; die letzten Theile, die \
Berührung mit dem Elektrolyt Ix
können als Elektroden angesehen \
Die Theilchen a b werden durch ih
wandtschaft an einander gehalten.
„Nun soll angenommen werden, dass ein Äquivalent Elektrici
positive Ende der Batterie verlässt und sich längs der festen The
Leiters bewegt; so wird der Theil, auf welchem die Elektricität stehen
um diese Zeit sich in einem höheren Zustande der Erregung befind
die anderen Theile. Kommt der elektrische Strom zu dem letztei
der festen Kette, welche mit dem Elektrolyten in Berührung ist, :
ursacht seine erhöhte Erregung, dass es den nächsten sauren Theil
zieht und bindet; sind diese verbunden, so geht die Elektricität a
ersten basischen Theil bx über und giebt ihm eine erhöhte Erregung,
ihn veranlasst, sich mit dem sauren Theil a% zu verbinden; die elel
Kraft geht auf b2 über, welches seinerseits erregt wird, und a3 nimn
so durch die Kette bis zu dem letzten Theil b3, welcher keine weiten
hat, um sich zu verbinden, und deshalb seine Elektricität an den
Leiter abgiebt, welche dann nach der Batterie weiter geht. ... Ai
Weise sehen wir, dass jede äquivalente Zersetzung ein Äquivalent Si
die positive Elektrode bringt. Dies ist genau das, was wirklich der
rung gemäss stattfindet.2 Dass diese Zersetzungen und Wiederverbin
zwischen den Theilchen eines Salzes auch eine Strömung des Sal
Sinne des Stromes und elektrische Endosmose hervorbringen können
sehr leicht eingesehen werden."
Als ein weiteres Zeugniss für die in der Geschichte der Phyi
unerhörte Einstimmigkeit, mit welcher die Ergebnisse der Beobacl
Hittorf's verworfen wurden, seien einige Sätze aus dem 1856 erschi
zweiten Bande von de la Rive's Traite de l'&ectricite' (S. 323) angefüh
Erklärung für die ungleiche Concentrationsänderung an den Elektro<
1 Philos. Mag. 29, 92. 1846.
* Dies ist ein Irrthum.
.*■
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 870
ir Elektrolyse des Kupfersulfats hatte d'Almeida die ganz verfehlte Dar-
ellung gegeben, dass es sich um eine gleichzeitige Zersetzung des Salzes
ad beigemischter Säure handle; der Wasserstoff der letzteren sollte dann
ttnndär Kupfer reduciren. Diese Ansicht wird mit Beifall vorgetragen, und
.1 Anschluss hieran fährt de la Rive fort: „Bei den Versuchen Hittorf's
nd die beobachteten Erscheinungen gemischter Natur. Ein Theil des redu-
rten Metalles rührt von der unmittelbaren Zersetzung des Salzes her, ein
iderer von der Reduction durch den Wasserstoff, welcher von der Zer-
rtzung des sauren Wassers stammt, das in den metallischen Lösungen,
e so schwer neutral zu haben sind, enthalten ist. Was die Richtigkeit
eser Erklärung beweist, ist, dass je verdünnter die Lösung ist, desto be-
hütender der Antheil des unmittelbar reducirten Metalles ist, weil man die
raft des angesäuerten Wassers vermindert." Dass man gleichzeitig die
Craft" des gelösten Salzes in demselben Verhältniss vermindert, scheint
cht bemerkt worden zu sein. Weiter wird die Vermuthung ausgesprochen,
iss an der Anode sich die dort angekommene Säure nicht vollständig mit
:m Metall der Anode verbindet (was für die Überführung vollkommen
eichgültig ist), und da im Falle des Silberacetats sich die Angaben von
[ttorf mit den Voraussetzungen des Berichterstatters im Widerspruch be-
iden, so werden hier kurzweg Ungenauigkeiten der Beobachtungen an-
kommen. Aus der ganzen Stelle geht hervor, dass auch de la Rive in
ls Verständniss der Erscheinung nicht tiefer als ungefähr Magnus einge-
ungen war.
Diese auffallende Erscheinung giebt Anlass zum Nachdenken. Gegen-
irtig kommen uns die Ansichten Hittorf's so einfach und klar vor, dass
ir nicht begreifen mögen, wie man ihnen gegenüber überhaupt im Zweifel
in kann, ob sie brauchbar sind oder nicht. Kann man es sich denken,
iss zu jener Zeit sämmtliche Geister so mit Blindheit geschlagen waren,
iss sie diese einfachen Dinge nicht sehen konnten? Wenn eine andere
ischauliche Hypothese vorgelegen hätte, durch welche die Blicke in eine
^stimmte Richtung gelenkt gewesen wären, so könnte man sich eine solche
Wirkung allenfalls vorstellen, und man hätte aus der Geschichte der Wissen-
:haft eine hübsche Anzahl von Beispielen für ein solches Verhalten. Hier
>er war das nicht der Fall; jeder von den Gegnern Hittorf's hatte seine
gene Hypothese über den Vorgang der Elektrolyse, und einig waren sie
ur in dem Punkte, dass jedenfalls Hittorf nicht Recht hätte. Dieser Unl-
and drängt zu der anderen möglichen Auffassung hin, dass es in der That
er Einfluss einiger im Besitz der damaligen öffentlichen Meinung befind-
:hen Physiker war, die sich Magnus, dem ausgesprochensten Gegner Hit-
drf's, anschlössen, und durch das Gewicht ihrer Meinung den Credit jener
xbeiten in solchem Maasse verminderten, dass auch die nicht unmittelbar
etheiligten sich einer genaueren Prüfung dieser mit solcher Energie abge-
hnten Arbeiten überhoben glaubten. Wie dem auch sei; die Wirkung ist
*ine dauernde gewesen. Zwar spät, aber dann um so nachdrücklicher hat
A
17. Chemische Schwierigkeiten. Die Thatsachen der El
und der dabei stattfindenden Leitungsvorgänge hatten schon sehr
Notwendigkeit ergeben, die üblichen chemischen Ansichten über
sammengesetzten Stoffe, nach welchen diese die Atome in einen
' Verbände enthalten sollten, erheblich abzuändern. Der erste Ve
dieser Richtung war der von Grotthüss gewesen, und wie nothwc
darin ausgesprochene Erweiterung der chemischen Vorstellungen w
daraus hervor, dass sie sich in fast unbestrittener Herrschaft di
ein halbes Jahrhundert gehalten hat und noch heute, wo sie du
bessere und den Thatsachen strenger sich anschliessende ersetzt is
Anhänger zählt.
Während diese Hypothese einen vorläufig befriedigenden A
über das grösste Räthsel der Elektrolyse giebt, das getrennte *
der Bestandtheile des Elektrolyts an den Elektroden, wie weit :
von einander entfernt seien, so lässt eine eindringendere Überlegt!
nicht unbedeutende Schwierigkeiten bezüglich der Bedingungen c
welche die Erscheinung ermöglichen sollen. Die von Grotthüss S€
wickelte Ansicht, dass zwar die elektrostatische Anziehung von d
ab geringer wird, dass aber die Abnahme der einen Anziehung
einen Pole durch die Zunahme der anderen von dem anderen Pol
zu einem constanten Summenwerthe ergänzt wird (S. 3 1 3), ist ganz u
da sie mathematisch fehlerhaft ist. Indessen lässt sich hier Aushülfe
Von Kirchhoff ist gezeigt worden, dass die Thatsachen der ele
Leitung zu der Voraussetzung freier Elektricität von regelmässig 1
licher Spannung, d. h. eines stetig veränderlichen elektrischen Potc
Die Leitung der Elektricitiit in den Elektrolyten. 38 1
Hiernach gehen die Kräfte, welche allerdings, wie Grotthuss angenommen
atte, elektrostatischer Natur sind, nicht von den Polen aus, sondern von
er Oberfläche des Leiters, und so lassen sich alle Eigenschaften der Leitung
erstellen, welche bei den Leitern beider Klassen durchaus gleich sind. Die
Tatsächlich vorhandenen Verschiedenheiten machen sich nicht früher geltend,
b bis Elektroden in den Leitern zweiter Klasse vorhanden sind, und
[ihren daher nicht von der Leitung als solcher her, sondern von den Vor-
ängen, welche den Übertritt des elektrischen Stromes aus den Elektrolyten
i andere Leiter begleiten.
Eine andere Schwierigkeit blieb aber für die GRorrHuss'sche Theorie
estehen, welche allerdings von keinem ihrer Anhänger oder Gegner betont
orden ist Sie liegt in der Frage nach den Vorgängen an der Grenz-
äche zweier Elektrolyte. So lange alle binären Complexe, durch deren
echselseitige Umsetzung der Strom geleitet werden soll, von gleicher Natur
nd, kann man allenfalls gelten lassen, dass der Austausch entsprechender
heilstücke zwischen den Nachbarn in Summa keine Arbeit weder erfordert
der liefert,1 wie aber, wenn verschiedene Elektrolyte an einander grenzen?
s gehe z. B. der Strom aus einer Lösung von Chlorkalium in eine von
Kaliumjodid über. So lange ein Kaliumatom innerhalb der ersten Lösung
randert, findet es immer wieder ein Chloratom vor, nachdem es sich eben
on einem solchen getrennt hat, und die Trennung erfordert keine grössere
Arbeit, .als durch die folgende Verbindung gewonnen werden kann. An der
rrenze aber muss das Kalium sein Chloratom aufgeben, um sich mit einem
odatom zu vereinigen, während es doch zu dem letzteren eine weit ge-
ingere „Verwandtschaft" hat, als zum ersteren. Trotzdem nimmt man nicht
lie geringste Schwierigkeit bei diesem Übergange wahr, und die elektrische
-eitfähigkeit ist dieselbe, als wenn zwei ganz indifferente Leiter an einander
grenzten. An Stelle dieses einen Beispieles Hessen sich hunderte anfuhren;
1 Bei strengerer Analyse fuhrt indessen auch die Grundansicht von Grotthuss zu einem
inigermaassen unerwarteten Ergebniss. Die von ihm angenommene Möglichkeit, dass ei n# Atom,
achdem es eben aus seiner Verbindung mit einem anderen frei geworden ist, fähig sein soll,
inen benachbarten Complex zu zersetzen, um unter Entziehung des anderen Bestandteiles ein
im genau gleiches Atom frei zu machen, bedingt die Annahme, dass eine ruhende Kraft (um
i der Sprache jener Anschauungen zu bleiben) durch eine genau gleich grosse einwirkende
Itslü aufgehoben werden könne. Eine mechanische Analogie für solche Vorgänge ist nicht
orhanden, vielmehr bedingt die Wechselwirkung zweier gleicher und entgegengesetzter Kräfte
ichts anderes als Ruhe. Damit also die von Grotthuss zur Erklärung der Elektrolyse an-
enommene reihenweise Umsetzung eintreten soll, muss die weitere Annahme gemacht werden,
ass die zwischen den Atomen vorhandenen und sie verbindenden Kräfte unendlich klein seien
n Vcrhältniss zu den treibenden elektrostatischen Kräften, welche die Leitung und den nach
rROTTHüSS erforderlichen wechselseitigen Austausch verursachen. Da nun aber diese elektro-
aüschen Kräfte ihrerseits beliebig klein gemacht werden können, ohne dass die Leitung auf-
Ort, so bleibt schliesslich nur die Annahme übrig, dass diese Kräfte eben gleich Null sind,
. h. dass die Atome des elektrolytischen Complexes gar nicht verbunden sein können, sondern
ei sein müssen. Dies ist genau der Standpunkt, auf welchen die letzte Entwickelung der
rage auch wirklich geführt hat.
Ostwald, Elektrochemie. 56
gg2 Sechzehntes Kapitel.
immer zeigt es sich (vgl. insbesondere die Versuche von H. Davy, S. 197;
bei der Leitung durch aneinandergrenzende Elektrolyte trotz der grösstei
Verschiedenheiten der chemischen Verwandtschaft, welche man zwischen da
verschiedenen Bestandteilen voraussetzt, dass diese Verschiedenheiten durch-
aus keinen Einfluss auf die Leitung haben, und sie in keinem Falte weder
schwächen, wenn sie überwunden, noch stärken, wenn sie befriedigt wendoi
Im Sinne der Theorie von Grotthuss bleibt nur übrig, zu schliessen, das
die Verschiedenheit der Affinitätskräfte zwischen den Bestandteilen der Elek-
trolyte für den gegenseitigen Austausch überhaupt nicht in Betracht kommen,
d. h. nicht vorhanden sind. Es bleibt mit anderen Worten nur die Annahme
übrig, dass zwischen den Bestandteilen gar keine Kräfte wirken, und dass
diese daher sich unabhängig von einander bewegen können, also thatsächlick
frei sind.
Einen solchen Schluss hätte schon Davy im Jahre 1805 ziehen können
Dass er weder von ihm, noch von einem seiner Nachfolger gezogen worden
ist, trotzdem die Thatsachen offenkundig dalagen, wird wohl unzweifelhaft
auf den strikten Widerspruch zurückzuführen sein, in welchem dieser Schluss
mit allem stand, was damals über die chemische Verwandtschaft und den
Zustand der Stoffe in Lösung als gültig und keinem Einwände unterworfen
angenommen wurde. Die galvanischen Erscheinungen hatten so viel Uner-
wartetes und mit den gewohnten Ansichten im Widerspruche Stehendes ge-
bracht, dass es unwissenschaftlich erscheinen musste, die „wohlbewährten"
älteren Ansichten auf Grund von Widersprüchen zu opfern, die auf einem
eben erst entdeckten und mit dem Vorhandenen allseitig kaum zu vereinigen-
den Gebiete entstanden waren. Es lag mit anderen Worten weit näher,
die Ursache des Widerspruches in der Beschaffenheit der elektrischen Er-
scheinungen, als in der der chemischen Ansichten zu sehen, und erst, als
eine viel weiter gehende Vertrautheit mit jenen erreicht war, entstand dring-
lich das Bedürfniss, den noch immer nicht hergestellten Einklang zu finden,
und trat die Möglichkeit in den Gesichtskreis, dass die Ursache des Wider-
spruches nicht bei der Elektrik, sondern bei der Chemie zu suchen sein
könnte.
18. Grovb's Schwierigkeit. Zu den Forschern, welche am frühesten
die Unzulänglichkeit der GROTTHuss'schen Theorie bemerkt haben, gehört
W. R. Grove, der Entdecker der Gasbatterie. Es waren gerade die Erschei-
nungen an diesem Apparat, welche ihn auf einen schwachen Punkt dieser
Anschauung aufmerksam werden Hessen.1 „Letztlich ist es mir schlagend
entgegengetreten, dass die Gasbatterie einen erheblichen Einwand gegen die
Theorie von Grotthuss liefert, oder dass sie mit anderen Worten uns in
ein Dilemma bringt, demzufolge wir entweder diese Theorie aufgeben müssen,
oder die allgemein angenommenen Ansichten (ich glaube sagen zu dürfen,
die festgestellten Gesetze) der chemischen Verwandtschaft. Folgendes ist
1 Philos. Mag. 27, 348. 1845.
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. ggj
neine Schwierigkeit. In einem einfachen Paar der Gasbatterie müssen wir
ier GROTTHUss'schen Theorie gemäss annehmen, dass freier Sauerstoff und
Wasserstoff verbundenen Wasserstoff und Sauerstoff auseinander reissen, denn
ib wir annehmen, dass die Wirkung an der Wasserstoffseite des Elektrolyts,
xter an der Sauerstofiseite, oder an beiden gleichzeitig stattfindet: die Kraft,
welche die Bildung des Wassers hervorbringt, wird als hinreichend stark
ingesehen, um die Kraft zu überwinden, mit der seine Bestandteile bereits
verbunden sind, d. h. die Kraft ist gleich und ungleich zu derselben Zeit.
„Auch bietet die Gasbatterie einen Fall, bei welchem eine schwächere
Verwandtschaft eine stärkere überwindet, z. B. wenn Wasser der Elektrolyt
ist und Stickstoffhyperoxyd und Sauerstoff die Gase sind: thatsächlich haben
wir einige Fälle in der Chemie, bei denen die Ordnung der Verwandtschaft
umkehrbar ist, wie bei der Zersetzung des Wassers durch Eisen und die
von Eisenoxyd durch Wasserstoff, vorausgesetzt, dass es in beiden Fällen
dasselbe Eisenoxyd ist, was vielfach angezweifelt wird. Wir haben aber,
soviel mir bekannt, keinen Fall, wo die ruhenden und die zersetzenden Ver-
wandtschaften identisch sind, wie dass beispielsweise die Verwandtschaft von
Sauerstoff und Wasserstoff Wasser, und dass die von Sauerstoff zu Eisen
Eisenoxyd zersetzt Wenn Wasser durch eine Reihe von Gasketten an den
Elektroden zersetzt wird, tritt diese Schwierigkeit nicht auf, denn abgesehen
von allen Theorieen über eine Übertragung in den Ketten der Batterie, liegt
nichts unzulässiges in der Thatsache, dass die vervielfältigte Kraft einer Reihe
von Affinitäten eine einer einzelnen gleiche oder stärkere Affinität überwin-
den sollten, gerade wie wir Kali durch eine Reihe von Affinitäten zwischen
Zink und Sauerstoff zerlegen können. In der einfachen Zelle findet aber
eine solche Steigerung der Intensität nicht statt.
„Es könnte gesagt werden, dass das feinzertheilte Platin die chemischen
Energieen der Gase steigert, doch ist dies, wie ich glaube, unvereinbar mit
allem, was wir über die katalytische Wirkung des Platins wissen. Alle beob-
achteten Thatsachen sprechen dafür, dass Platin die Gase in Zustände bringt,
welche ihrem nascirenden Zustande entsprechen, d. h. dem, in welchem ihre
chemischen Energieen die höchsten sind; es ändert aber ihre specifischen
Energieen nicht ab; so befähigt Platin den gasförmigen Sauerstoff, sich mit
gasförmigem Wasserstoff zu verbinden, aber es giebt nicht dem Sauerstoff
die Affinitäten des Chlors und dem Wasserstoff die des Kaliums. Selbst die
Annahme einer solchen Hypothese hilft uns nicht, denn welche besonderen
Kräfte das Platin auch bezüglich der Gase besitzen mag, es muss die gleichen
auch bezüglich des Elektrolyts besitzen: man kann ihm schwerlich die Eigen-
schaft zuschreiben, die Verbindung zu befördern, und dennoch bei derselben
Molekel nicht die Trennung zu verhindern. Es findet also in allen Fällen
Gleichheit statt
„Auch kann nicht angenommen werden, dass die Wirkung der Flüssig-
keit in dem Falle der Gasbatterie verschieden ist von den anderen Fällen
der Elektrolyse; aber der Strom der Gasbatterie wirkt auch auf den Magnet,
56*
gg4 Sechzehntes Kapitel.
und es würde gegen alle Analogie sein, hier eine Ausnahme in Bezug auf
seine Wirkung in einem Theile des Kreises anzunehmen. Eine Hypothese
könnte gebildet werden, nach welcher auf lösliche Superoxyde des Wasser-
stoffs und Superhydride des Sauerstoffs Bezug genommen wird; dann müsste
aber eine gleiche Hypothese auf alle Fälle der Elektrolyse ausgedehnt werden,
und diese Ansicht bietet manche Schwierigkeit. Vielleicht kann einer der
Leser das Problem lösen ; denn wie geistreich und nützlich auch die Grott-
Huss'sche Theorie ist — wenn sie nicht mit den Thatsachen stimmt, so ist
sie nur eine Theorie, während die Gasbatterie eine Thatsache ist; und in
dem Falle der Collision beider braucht nicht gesagt zu werden, welche von
ihnen an die Wand gedrückt werden muss."
19. Williamson's Ansichten. Während Grove seine Bemerkungen
darauf beschränkt hatte, einen Widerspruch aufzudecken, in welchem sich
die Thatsachen mit den üblichen chemischen Ansichten befanden, machte
Willi amson im Jahre 185 1 den ersten Versuch, eine Reform dieser letzteren
anzubahnen. Obwohl der Ausgangspunkt hierbei keineswegs im Gebiete der
Elektrochemie lag, ist es doch von Wichtigkeit, diese Ansichten genauer
kennen zu lernen, denn seine Frucht hat der Gedanke Williamson's schliess-
lich doch viel mehr auf diesem Felde gebracht, als auf dem, für welchen
er ursprünglich bestimmt war.
Das chemische Problem, welches von Willi amson in seiner Arbeit be-
handelt wurde, war das der Ätherbildung. Wir können uns hier nicht in
die chemischen Erörterungen vertiefen, welche damals mit dem wohlbe-
kannten chemischen Vorgange verbunden waren, dass durch die Einwirkung
der Schwefelsäure auf Alkohol Äther erhalten wurde. Es genügt, zu be-
merken, dass die Fragen wesentlich auf den Punkt hinausliefen, ob im Äther
ein Alkoholrest, oder deren zwei vorhanden sind. Während die ältere Theorie
den Äther einfach als ein Anhydrid des Alkohols aufgefasst hatte, und ihm
daher ebensoviel Kohlenstoffatome zuschrieb, als im letzteren enthalten sind,
war andererseits geltend gemacht worden, dass bei der Annahme von zwei
Alkoholradikalen im Äther die Dampfvolume der beiden übereinstimmten.
Heute würde das letzte Argument als unbedingt durchschlagend sofort an-
erkannt werden; es darf aber nicht vergessen werden, dass die heutige Mole-
kulartheorie, auf welche hin man diese Entscheidung fällen würde, eben erst
im Entstehen war und gerade durch die Erörterung des Ätherproblems
einen wichtigen Theil ihrer Entwickelung und Befestigung erfuhr. Es war
also höthig, auf einem unabhängigen Wege den Nachweis zweier Alkohol-
radikale im Äther zu führen, und dies gelang Williamson auf einem Wege,
der seitdem für solche Zwecke klassisch geworden ist: er stellte einen Äther
mit zwei verschiedenen Alkoholradikalen her. Ein solcher ist nur unter
der Voraussetzung möglich, dass in der That zwei Alkoholradikale im Äther
vorhanden sind, und der Nachweis seiner Existenz ist somit gleichbedeutend
mit dem Nachweis der doppelten Ätherformel.
Bei Gelegenheit der Versuche zur Darstellung dieser gemischten Äther
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 385
r es nun nöthig gewesen, auf den chemischen Vorgang bei der Äther-
iung etwas näher einzugehen, und da ergab sich bald die Nothwendig-
t, unter gleichen äusseren Umständen die Möglichkeit einer gleichzeitigen
düng und Zersetzung eines und desselben Stoffes (hier der Ätherschwefel-
ire) anzunehmen. Dies führte Williamson weiter zu der allgemeinen An-
bt, dass die chemischen Verbindungen keineswegs den starren Bestand
3en können, welchen man ihnen für gewöhnlich zuschreibt, sondern dass
ischen ihren Bestandteilen ein unaufhörlicher Austausch angenommen
rden muss, welcher unaufhörlich die Atome der verschiedenen Molekeln
ft. In der Folge hat sich gezeigt, dass eine solche Annahme vielzu weit
tit; insbesondere in der organischen Chemie ist sie am wenigsten zulässig.
i Beispiel für viele: fände ein solcher fortwährender Austausch statt, so
isste ein Gemenge von Methylacetat und Äthylformiat sich alsbald theil-
ise in ein solches von Äthylacetat und Methylformiat umsetzen, und in
inem Verhalten identisch sein, mit einem Gemenge aus den letzteren Stoffen.
es ist nicht der Fall, vielmehr lassen sich aus dem ersten Gemenge seine
sonderen Bestandtheile ebenso durch fractionirte Destillation abscheiden,
e aus dem letzteren, und nur bei sehr langer Einwirkung lässt sich der
nfang der Umsetzung nachweisen. Bei in Wasser gelösten Salzen ist dies
erdings ganz anders; aus einem Gemenge von Kaliumsulfat und Natrium-
trat erhält man unter allen Umständen genau die gleichen Produkte, wie
is einem Gemenge von Natriumsulfat und Kaliumnitrat (äquivalente Mengen
tr Stoffe jedesmal vorausgesetzt), und in allen ihren Eigenschaften zeigen
:h die aus den verschiedenen Ausgangsstoffen gemischten Lösungen voll-
>mmen identisch.
In den Darlegungen von Williamson ist also sehr viel richtiges enthalten,
it findet es gerade auf die von ihm gewählten Gebiete keine Anwendung,
h lasse die wesentlichsten Stellen folgen:1
„Häufig finden in der Wissenschaft Neuerungen nur dadurch Boden,
iss sie Vorstellungen vernichten, welche ihnen vorangingen und mehr oder
eniger zu ihrer Aufstellung dienten; wenn indessen der Gesichtspunkt, den
h hier gegeben habe, als ein Schritt weiter in das Verständniss des Gegen-
andes betrachtet wird, so ertrage ich gern den Vorwurf der Neuerung;
rnn mein Resultat besteht darin, den Zusammenhang und die Verträglich-
st von Ansichten zu zeigen, die bisher als entgegengesetzt betrachtet wurden,
uf diese Weise ist durch meine Versuche die bestmögliche Rechtfertigung
;r berühmten Forscher gegeben, die die eine oder die andere der beiden
:h streitenden Theorieen verfochten haben; es werden ihre Schlüsse mit
men ihrer gleich ausgezeichneten Gegner in Übereinstimmung gebracht.
„Bevor ich den Gegenstand der Ätherbildung verlasse, möchte ich einige
rorte über eine Anwendung hinzufugen, die sioh ungezwungen von selbst
is der Thatsache ergiebt, auf der der Process beruht. Ich meine die Über-
1 Liebig's Anoden 77, 45. 1851.
g36 Sechzehntes Kapitel.
tragung von homologen Molekülen in abwechselnd entgegengesetzter Rich-
tung, was, wie ich zu zeigen mich bemüht habe, die Ursache der fortwähren-
den Wirkung der Schwefelsäure in jenem merkwürdigen Process ist Es
liegt nahe, zu fragen, woher es kommt, dass der Wasserstoff und der Kohlen-
wasserstoff fortwährend ihre Plätze wechseln? — Grössere Affinität des einen
Moleküls als des anderen, oder ähnliche Verhältnisse können die Ursache
nicht sein; denn momentan sieht man bei einem neuen Molekül die Über-
tragung sich wiederholen, die in dem vorhergehenden Augenblick bewirkt
worden ist. Bei Betrachtung dieser merkwürdigen Thatsache leuchtet es
sofort ein, dass die Leichtigkeit eines Austausches um so grösser sein muss,
je näher die auszutauschenden Moleküle einander stehen; so dass, wenn
Wasserstoff und Amyl in einer Verbindung einander vertreten können, Was-
serstoff und Äthyl, als einander in Eigenschaften und Zusammensetzung
näher stehend, sich leichter in derselben Verbindung ersetzen können, und
die Leichtigkeit des Austausches zwischen dem noch viel ähnlicheren Wasser-
stoff und Methyl noch viel grösser sein muss. Wenn dies aber wahr ist,
muss dann nicht auch der Austausch eines Moleküles durch ein anderes
von identischen Eigenschaften der leichteste von allen sein? Sicherlich muss
es das sein, wenn es überhaupt einen Unterschied giebt, und wenn das ist,
so verbietet die Analogie unserer Vorstellungen, anzunehmen, dass diese
Thatsache eine dem Wasserstoff besonders eigene unter vielen Verbindungen
sei, die ihm in anderer Beziehung so sehr gleichen. Wir werden auf diese
Weise zu der Annahme gefuhrt, dass in einem Aggregat von Molekülen
jeder Verbindung ein fortwährender Austausch zwischen den in ihr enthal-
tenen Elementen vor sich geht. Angenommen z. B., ein Gefäss mit Salzsäure
würde durch eine grosse Zahl von Molekülen von der Zusammensetzung GH
ausgefüllt, so würde uns die Betrachtung, zu der wir gelangt sind, zu der
Annahme führen, dass jedes Atom Wasserstoff nicht in ruhiger Gegenein-
anderlagerung neben einem Atom Chlor bleibe, mit dem es zuerst verbunden
war, sondern dass ein fortwährender Wechsel des Platzes mit anderen Was-
serstoffatomen stattfindet. Natürlich ist dieser Wechsel für uns nicht direkt
wahrnehmbar, weil ein Atom Chlorwasserstoff wie das andere ist; aber an-
genommen, wir mischen Salzsäure mit schwefelsaurem Kupferoxyd (unter
deren Atomen ein ähnlicher Platzwechsel stattfindet), so werden die basischen
Elemente, Wasserstoff und Kupfer, ihren Platzwechsel nicht auf den Kreis
von denjenigen Atomen beschränken, mit denen sie zuerst verbunden waren.
Der Wasserstoff wird sich nicht blos von einem Atom Chlor zum anderen
bewegen, sondern auch abwechselnd ein Atom Kupfer vertreten, indem sich
Schwefelsäure und Kupferchlorid bildet Auf diese Weise sind zu jeder Zeit,
wenn wir eine Mischung untersuchen, die Basen unter den verschiedenen
Säuren getheilt, und in gewissen Fällen, wo die Verschiedenheiten der Eigen-
schaften der entsprechenden Moleküle sehr gross sind, findet man, dass die
stärkeren Säuren und stärkeren Basen fast gänzlich zusammen verbunden
bleiben und die schwächeren Säuren sie** " den schwächeren Basen ver-
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. g%j
Ligen. Dies ist wohl bekannt für eine Mischung von Schwefelsäure und
jrem Boraxsalz, und bildet eine wichtige Bestätigung unserer Fundamental-
inahme, dass je grösser die Verschiedenheit in den Eigenschaften, um so
iwieriger der abwechselnde Austausch der Moleküle sei.
• „Angenommen dagegen, wir mischten die Salzsäure statt mit schwefel-
urem Kupferoxyd mit schwefelsaurem Silberoxyd in wässeriger Lösung
d es träte in dem ersten Augenblick eine ähnliche Theilung der Basen
iter die Säuren ein, indem sich die vier Verbindungen: S04Ha, S04Aga,
H und ClAg bildeten, so ist klar, dass die letztere Verbindung wegen
rer Unlöslichkeit in Wasser sich -trennen und aus dem Kreis der Um-
tzung, der durch die Löslichkeit veranlasst wurde, austreten muss. Die
ei in Lösung bleibenden Bestandteile setzen aber natürlich den Austausch
rer Bestandteile fort, und geben Anlass zur Entstehung neuer Mengen
Ag, so lange, bis alle in der Flüssigkeit enthaltenen Bestandtheile sich zu
eser Verbindung vereinigt haben, während nur ein sehr geringer Theil
jlöst in dem Kreise der Umsetzung bleibt
„Um meine Ansicht klarer zu machen, will ich noch ein Beispiel an-
hren, dessen Beziehung zur Ätherbildung interessant ist Es ist bekannt,
iss wenn Kalihydrat in Alkohol gelöst wird, so ist es zum Theil nicht als
dches in der Lösung enthalten, denn durch Kohlensäure wird nur ein Theil
s kohlensaures Salz niedergeschlagen, während das übrige ein Doppelsalz
lit dem Äther bildet. Es ist diese Thatsache eine nothwendige Folge
leiner Ansichten, dass in einem flüssigen Gemenge von Salzen ein bestän-
iger Austausch der analogen Bestandtheile stattfindet, denn es muss sich
H C H
jf diese Weise in dem Gemenge der Verbindungen ^O und 2t_t60 eine
C H
swisse Quantität der zwei anderen, HsO und 8|r50 in jedem Augenblicke
3rfinden, die sich mit der hinzutretenden Kohlensäure verbindet
„So ist der allgemeine Process der chemischen Zersetzung. Wie es
ch von selbst versteht, wird eine Verbindung ebensowohl dadurch aus dem
reise der Zersetzung gezogen, dass sie unter den Bedingungen des Ver-
iches gasförmig wird, als dass sie einen in dem Auflösungsmittel unlöslichen
üssigen Körper bildet
„Ich glaube, dass diese Erklärung in dem zweiten Theile mit derjenigen
jereinstimmt, welche bereits vor vielen Jahren von Berthollet gegeben
urde, ohne von der atomistischen Hypothese Gebrauch zu machen, auf
e sich die meine gründet. Dieser ausgezeichnete Forscher bezog sich blos
lf die Theilung der Säuren in die Basen, eine Thatsache, die ich aus der
*wegung der Atome abgeleitet habe. Es ist bekannt, dass die allgemeine
batsache, auf welche Berthollet seine Ansicht gründete, von vielen jetzigen
deutenden Chemikern geleugnet wird; ich glaube indessen, dass die Fälle,
e dieselben anfuhren, blos scheinbare Ausnahmen von dem Gesetze sind,
id sich bei genauerer Prüfung als neue Bestätigungen der Wahrheit der
WD
Sechzehntes Kapitel.
Auffassung des grossen Savoyers erweisen werden — wie ich fiir den FaB
der Borsäure und Schwefelsaure bereits gezeigt habe.
„Die Chemiker haben mit der Änderung der atomisüschen Theorie ■
den letzten Jahren eine unsichere und, wie ich glaube, unbegründete Hypo-
these verknüpft, nämlich die, dass die Atome im Zustande der Ruhe seien.
Ich verwerfe diese Hypothese und gründe meine Ansichten auf die breibare
Basis der Bewegung der Atome."
Die Darlegungen Willi amson 's wurden, wie erwähnt, nicht mit Rück-
sicht auf die elektrochemischen Erscheinungen ausgearbeitet, und wurden
auch für diesen Zweck zunächst nicht benutzt. Diesen Schritt that sechs
Jahre später Robert Claüsius.
20. Claüsius' Theorie der elektrolytischen Leitung. Ziemlich
gleichzeitig mit den Versuchen Hittorf's über die Wanderung der Ionen
erschien1 eine Arbeit von Clausus,
durch welche die Frage, wie über-
haupt die Leitung in den Elektro- :
lyten zu Stande kommt, ihrer Lö-
sung um einen wesentlichen Schritt
entgegengefahrt wurde. Auf die
Schwierigkeiten, welche der erste
Versuch der Beantwortung dieser
Frage noch übrig gelassen hatte,
ist bereits hingedeutet worden; die
weiteren Schritte, durch welche
diese beseitigt wurden, geschahen
in langen Zwischenräumen, und
nicht ohne den Widerspruch der
in ihren gewohnten Anschauungen
gestörten Chemiker.
Der wesentliche neue Gedanke,
welcher bei Claüsius auftritt, hegt
in der Erkenntniss, dass die Er-
scheinungen bei der elektrolytischen
Leitung mit der Annahme eines festen Zusammenhanges der Bestandtheile
der Elektrolyte, der Ionen, nicht vereinbar sind. Die Gründe, welche dagegen
sprechen, hat Claüsius selbst so anschaulich dargelegt, dass ich auf seine
gleich wiederzugebenden Auseinandersetzungen nur verweisen kann ; von
Interesse ist es, den Weg kennen zu lernen, auf dem er zu seinen Ansichten
kam. Diese sind keineswegs unmittelbar aus der Betrachtung der elektrc-
lytischen Erscheinungen entstanden, sondern mehr ein beiläufiges Ergebniss
von Ansichten, welche auf einem ganz anderen Boden erwachsen waren.
Dieser Boden war die kinetische Hypothese.
Fig. 130. Robert Claüsius.
' POGO. Ann. 101, 338. 1857.
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. ggg
In Clausius* wissenschaftlicher Brust wohnten zwei Seelen, welche er
brigens selbst ziemlich sorgfältig auseinander hielt. Einerseits war er einer
er erfolgreichsten Förderer der mechanischen Wärmetheorie in ihrem voraus-
etzungslosesten Sinne, d. h. des Theiles der Wissenschaft, welcher sich mit
ler Erforschung der Zusammenhänge der verschiedenen Arten der Energie
«schäftigt, ohne etwas mehr, als die erfahrungsmässigen Zusammenhänge
nessbarer Grössen vorauszusetzen. Andererseits war er ein eifriger Pfleger
ler kinetischen Hypothese, d. h. der Ansicht, dass alle Energieformen, zu-
lächst die Wärme, nichts anderes sind, als mechanische Energie, die nur
i so kleinen Abmessungen sich bethätigt, dass der unmittelbare Nachweis
irer mechanischen Natur nicht möglich ist
Auf dem Boden dieses zweiten hypothetischen Gebietes entstand nun
*ner Gedanke, durch welchen Clausius die bessere Deutung der elektro-
nischen Erscheinungen fand, als vorher innerhalb der starren Bindungs-
nschauung möglich war, welche damals die Vorstellungen der Chemiker fest
ollständig beherrschte. Obwohl Clausius sich dessen bewusst war, dass die
Vahrheit dieser Hypothese an sich unbeweisbar ist, so war er doch in
olchem Grade davon überzeugt, durch sie das Richtige getroffen zu haben,
lass er sich nicht scheute, einer seiner Hauptabhandlungen die Überschrift
u geben: „Über die Art der Bewegung, welche wir Wärme nennen."
Diese dogmatische Behauptung der Wahrheit einer Ansicht, für welche
üe mehr als die Zweckmässigkeit im besten Falle erwiesen werden kann, ist
ron den Zeitgenossen keineswegs zurückgewiesen, sondern im Gegentheil fast
einstimmig willkommen geheissen worden, und der seitdem üblich gewordene
Nfame der „mechanischen Theorie der Wärme" drückt die der Hypothese
:u Grunde liegende Vorstellung in schärfster Weise aus.1 Zwar soll nicht
verschwiegen werden, dass die hervorragendsten Vertreter der neuen Wissen-
schaft sich der hypothetischen Beschaffenheit dieses Gedankenkreises immer
>ewusst blieben, und nicht versäumt haben, auf den Unterschied der voraus-
etzungslosen reinen Thermodynamik, die wir jetzt als einen Zweig der all-
gemeinen Energetik auffassen müssen, von der hypothetischen Vorstellung
ler kinetischen Gastheorie hinzuweisen, und zu betonen, dass jene ihre
jültigkeit behaupten, wenn diese auch als falsch, oder richtiger, als unzu-
eichend erwiesen werden. Aber wie das in solchen Fällen immer geht: was
1 Zum Zustandekommen dieser Verwechselung hat allerdings der gebräuchliche Name
*hermodynamik oder mechanische Wärmetheorie einiges beigetragen. Geschichtlich hatte sich der
Tarne aus der Aufgabe entwickelt, zwischen der Wärme und der mechanischen Arbeit die vor-
an denen Umwandlungsbeziehungen aufzustellen, weil dies die erste Energieumwandlung war,
eren Gesetze entdeckt wurden. Durch das Vorhandensein einer hoch ausgebildeten theoretischen
fechanik war auch für die anderen Energieformen die Beziehung auf die mechanische Energie
er nächstliegende und sicherste Schritt, und so trat diese eine Energieform mehr in den Vorder-
rund, als theoretisch nothwendig war. Erst in unserer Zeit besinnt man sich auf das richtige
'erhältniss, und der Name Thermodynamik wird mehr und mehr durch Energetik ersetzt,
elctier keine bestimmte Energieform in den Vordergrund stellt, und dadurch erkennen lässt,
iss es sich eben um die Gesetze der Umwandlungen jeder Form in jede andere handelt
ggo Sechzehntes Kapitel.
die fuhrenden Männer nur als anschauliche und zweckmässige Hypothese xo
behandeln unternommen hatten, das hielten die Schüler für ausgemachte
Wahrheit, und es erregt auch noch gegenwärtig in den weitesten wissen-
schaftlichen Kreisen ein unwilliges Befremden, wenn man darauf hinweist,
dass, wissenschaftlich gesprochen, jene Vorstellungen völlig in der Luft
schweben, und dass nicht der geringste Beweis dafür vorhanden ist, dass
den ausgebildeten Anschauungen die Wirklichkeit auch nur annähernd ent-
spricht
Dadurch soll nicht behauptet werden, dass jene Anschauungen nicht
auch ihren Nutzen gehabt hätten. Vielmehr muss von vornherein zugegeben
werden, dass jenes Bild mit der Wirklichkeit manche Züge gemein hat, und
dass das Bild daher wohl geeignet war, auf gewisse Seiten der Wirklichkeit
aufmerksam zu machen, welche der unmittelbaren Beobachtung sich nickt
dargestellt hatten, und deshalb übersehen worden waren. Ein solcher Nutzen
liegt in unserem Gebiete vor, indem auf Grund der hypothetischen Vor-
stellung eine Art Rechtfertigung dafür gegeben wurde, von der üblichen
Auffassung der Beschaffenheit und Constitution der chemischen Verbindungen
abzuweichen, und dabei die schlimmsten der Widersprüche abzuschaffen,
in welche jene älteren Auffassungen allmählich mit der Erfahrung gekom-
men waren.
Die fragliche Anschauung kommt bekanntlich im Wesentlichen darauf
hinaus, dass die Gase aus kleinsten Theilchen oder Molekeln bestehend an-
genommen werden, welche sich alle in sehr schneller und heftiger Bewegung
befinden, und durch ihr Aufprallen an die Gefässwände die Druckerscheinung
bewirken. Es lässt sich leicht nachweisen, dass ein solches mechanisches
Gebilde manches von den Eigenschaften eines Gases besitzen muss. So
verhält sich insbesondere der Druck umgekehrt wie der eingenommene
Raum, und macht man die weitere Voraussetzung, dass die Temperatur
eines Gases der lebendigen Kraft der Molekeln proportional sei, so ergeben
sich auch die allgemeinen Gesetze bezüglich der Wärmeausdehnung der Gase.
Auf die Schwierigkeiten und Widersprüche, in welche sich diese Hypo-
these an anderen Stellen verwickelt hat, soll hier nicht eingegangen werden,
sondern auf eine weitere, von Maxwell zuerst durchgeführte Schlussfolgerung,
dass in einem solchen Gebilde die Geschwindigkeiten der Molekeln nicht
unter einander gleich sein können, sondern zwischen Null und Unendlich
alle möglichen Werthe nach einem bestimmten Gesetze haben müssen. Diese
Ansicht half in sehr glücklicher Weise über eine allgemeine Schwierigkeit
hinaus, in welche die früher in der Chemie benutzten Hypothesen über die
Natur der chemischen Verbindungen geführt hatten. Diese älteren Hypo-
thesen fassten den Bestand einer chemischen Verbindung als den eines
mechanischen, von Kräften zusammengehaltenen Gebildes auf, und die
chemische Zersetzung war ihnen die Überwindung der kleineren, zwischen
den Bestandtheilen der Verbindung bestehenden Kraft durch die grössere
des hinzugesetzten Stoffes eines der Bestandteile. Diese Ansicht
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 8oi
erlangte ausschliessliche Reaktionen; lag eine Verbindung AB vor und
atte ein hinzukommender Stoff C zu A eine grössere Anziehung, als sie
vischen A und B bestand, so wurde die Verbindung unweigerlich voll-
ändig zersetzt und die neue A C ebenso vollständig gebildet.
In dieser Vorstellung war kein Raum für die Thatsache, dass alle solche
Versetzungen immer nur theilweise erfolgen. Obwohl bereits am Ende des
origen Jahrhunderts Berthollet das allgemeine Gesetz erkannt hatte, dass
Ue chemischen Vorgänge nur unvollständig sind, und dass das chemische
Gleichgewicht, das unveränderte Nebeneinanderbestehen gewisser Mengen
er ursprünglichen Stoffe und der Produkte ihrer Wechselwirkung neben
inander, der normale Fall des chemischen Processes ist, so hatte sich doch,
esentlich zu Gunsten der herrschenden Anziehungshypothese (welcher
brigens auch Berthollet merkwürdiger Weise anhing), ein so energischer
Widerspruch gegen die Anerkennung dieser Thatsache erhoben, dass die
issenschaftliche Welt mit Vergnügen die Gelegenheit benutzte, welche ihr
inige von Berthollet gemachte Fehler gaben, das unwillkommene Kind
lit dem Bade auszuschütten, um sich von diesem den Besitz jener Hypo-
lese nicht rauben zu lassen.
Es ist kein erhebendes Zeugniss für die Beschaffenheit des menschlichen
md insbesondere des wissenschaftlichen Geistes, dass die Beseitigung jener
inzulänglichen Anziehungshypothesen nicht eher gelang, als bis für das ver-
oren gegangene Spielzeug ein neues, ebenso hypothetisches geboten werden
tonnte. Durch jene von Maxwell ausgesprochene Consequenz der kineti-
schen Hypothese besann man sich endlich auf die längst bekannten That-
achen der unvollständigen Vorgänge, und nachdem man ihre Berechtigung
»ich durch die hypothetische Passkarte gesichert hatte, wurden unter deren
jarantie denn auch endlich die revolutionären Thatsachen zugelassen, welche
)is dahin sorgfaltig sekretirt oder diskreditirt worden waren. Die Verschie-
lenheit in den Bewegungszuständen der Molekeln machte die Möglichkeit
heilweiser Reaktionen „verständlich", und verschaffte ihnen die Beachtung,
velche sie unter dem alten Regiment der reinen Anziehungslehren nicht
latten gewinnen können.
Das wesentliche Verdienst, welches die kinetische Hypothese sich er-
vorben hat, ist also die Befreiung der Geister von jenem nicht durch
lie Thatsachen, sondern durch das Bedürfniss ihrer Schematisirung ent-
tandenen Vorurtheil. Zwar war diese Hülfe nicht ganz wohlfeil erkauft,
lenn an die Stelle des verworfenen Bildes trat ein anderes, welches die
rhatsachen allerdings in dem eben erwähnten Zuge getreuer darstellte, als
las frühere, welches aber auch seinerseits nicht verfehlte, eine ähnliche
Jcheuklappenwirkung auf die weitere Entwicklung der Wissenschaft zu
lussern, wie jenes ältere Bild. Für diese hypothetischen Bilder, auf welche
>is heute noch insbesondere die Chemie einen unverhältnissmässigen Werth
egt, lässt sich die Umkehrung des tiefsinnigen Wortes anwenden: alles Ver-
;ängliche ist nur ein Gleichniss. — In der That lehrt die Geschichte der
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. ggg
99*
,4) Wir wollen nun auf die Art, wie man sich die Elektricitätsleitung
terhalb eines Elektrolyten vorstellen muss, etwas specieller eingehen.
„Die Moleküle des Elektrolyten werden durch den Strom in zwei Be-
ndtheile zerlegt, welche entweder einfache Atome oder selbst auch schon
s mehreren Atomen zusammengesetzte Moleküle sein können, wie z. B. im
ipfervitriol der eine Bestandtheil Cu einfach und der andere S04 zusam-
Migesetzt ist Ich werde diese Bestandtheile, mögen sie nun aus einem
er aus mehreren Atomen bestehen, die Theilmoleküle nennen, und ein
nzes Molekül des Elektrolyten, wo es zur Unterscheidung nöthig ist, ein
rsammtmolekül.
„Aus der Art, wie die Zersetzung des Elektrolyten mit der Elektricitäts-
tung zusammenhängt, muss man schliessen, dass die beiden Theilmoleküle
ihrer Verbindung zu einem Gesammtmolekül entgegengesetzte elektrische
stände haben, welche auch nach ihrer Trennung fortbestehen. Unter der
>raussetzung, dass es zwei Elektricitäten gebe, muss man also annehmen,
ss das eine Theilmolekül einen Überschuss an positiver, das andere einen
enso grossen Überschuss an negativer Elektricität habe; unter der Voraus-
tzung von nur einer Elektricität dagegen muss man annehmen, dass das.
le Theilmolekül mehr und das andere weniger Elektricität besitze, als zum
utralen Zustande nöthig ist.
„Dass zwei Moleküle von verschiedener Natur bei ihrer Berührung solche
tgegengesetzten elektrischen Zustände annehmen können, ist sehr wohl
nkbar. Ebenso liegt keine Schwierigkeit darin, sich diese Zustände auch
ch der Trennung als fortbestehend zu denken, so lange man nur annimmt,
ss nirgends innerhalb des Leiters eine grössere Anzahl positiver Theil-
oleküle allein oder negativer Theilmoleküle allein angehäuft sei, sondern
ss beide Arten von Theilmolekülen überall so gleichmässig verbreitet seien,
ss sich in jedem messbaren Räume gleichviel Moleküle beider Arten be-
iden. In diesem Falle kann nämlich aus den Kräften, welche die an einem
leilmolekül haftende Elektricitätsmenge von den Elektricitätsmengen der
^gebenden Theilmoleküle erleidet, wegen der entgegengesetzten Wirkungen
r positiven und negativen Theilmoleküle, keine starke Resultante entstehen,
4che jene erstere Elektricitätsmenge nach einer bestimmten Richtung zu
riben und dadurch von seinem Molekül, wenn dieses an der Bewegung
rhindert wäre, zu trennen suchte.
„Wäre dagegen in einem Räume eine grosse Anzahl von Molekülen be-
dlich, welche alle mit gleicher Elektricität geladen wären, so würde die
sktricitätsmenge irgend eines zur Betrachtung ausgewählten Moleküls von
n Elektricitätsmengen aller anderen abgestossen werden, und diese Kräfte
irden, wenn sich das betrachtete Molekül nicht gerade in der Mitte der
tsse befände, durch ihre Vereinigung eine beträchtliche in der Richtung
n innen nach aussen wirkende Kraft bilden können. Da auch die an den
deren Molekülen haftenden Elektricitätsmengen ganz ähnlichen Wirkungen
terworfen wären, indem jede durch die Gesammtwirkung aller übrigen
3q4 Sechzehntes Kapitel.
nach aussen gedrängt würde, so würde in dem elektrischen Zustande der
ganzen Masse eine Spannung obwalten, welche sich nur dann unverändert
erhalten könnte, wenn die Masse absolut nicht leitend wäre. Im ander«
Falle würde die freie Elektricität aller Moleküle, je nach der Güte der Lei-
tung mehr oder weniger schnell nach aussen strömen, zunächst an die Ober-
fläche der Masse, und von da, wenn die Masse nicht vollkommen isotirt
wäre, in die weiteren Umgebungen.
„5) Betrachten wir ferner den Vorgang der Zersetzung selbst, wie er i
der Flüssigkeit, welche als Elektrolyt dient, oder den Elektrolyten aufgelöt
enthält, stattfindet, so darf zunächst so viel als feststehend betrachtet werden,
dass nicht die an der einen Elektrode frei werdenden Theilmoleküle skA
durch die Flüssigkeit bis zur anderen Elektrode fortbewegen, sondern das
in der ganzen zwischen den beiden Elektroden befindlichen Flüssigkeitsmasse
überall Zersetzungen und neue Verbindungen geschehen, so dass die posi-
tiven Theilmoleküle, welche während der Zeiteinheit an der Kathode an-
kommen, zwar der Anzahl nach mit denen übereinstimmen, welche von
der Anode ausgehen, aber nicht dieselben sind, und ebenso in Bezug auf
die negativen Theilmoleküle, welche an der Anode ankommen.
„Die Art, wie die in den verschiedenen Flüssigkeitsschichten stattfinden-
den Zersetzungen unter einander zusammenhängen, bedarf aber noch einer
näheren Feststellung, und namentlich muss eine Ansicht, welche ziemlich
nahe zu liegen scheint, welche aber entschieden unrichtig ist, von vornherein
ausgeschlossen werden.
„Man könnte sich nämlich möglicherweise vorstellen, dass die Zersetzung
von der einen Elektrode, z. B. von der Anode, ausginge, dass die negativen
Theilmoleküle der zersetzten Gesammtmoleküle hier festgehalten würden, die
positiven dagegen zur nächsten Flüssigkeitsschicht gingen und dort eine
neue Zersetzung bewirkten, indem sie sich mit den negativen Theilmolekülen
dieser Schicht verbänden, und die positiven frei machten, dass diese letzteren
dann weiter zur folgenden Schicht gingen, und hier abermals dieselbe Wir-
kung ausübten u. s. f. Hiernach würde die Zersetzung einer Schicht die
Ursache für die Zersetzung der folgenden Schicht sein, und die Wirkung
der in dem Leiter vorhandenen treibenden Kraft würde ich darauf be-
schränken, erstens die frei gewordenen positiven Theilmoleküle der vorigen
Schicht nach der folgenden zu bewegen, und zweitens dadurch, dass sie die
positiven Theilmoleküle dieser Schicht ebenfalls vorwärts drangt, die Zer-
setzung zu erleichtern.
„Die Unrichtigkeit dieser Vorstellungsweise ergiebt sich aber "sogleich
daraus, dass nach ihr innerhalb der Flüssigkeit während des Stromes stets
ein Überschuss von positiven Theilmolekülen, und somit auch von freier
positiver Elektricität vorhanden sein müsste, was, wie schon erwähnt, nach
den Gesetzen über die Vertheilung der freien Elektricität für einen stationären
Strom ebenso unzulässig ist, wie für den Gleichgewichtszustand. In der-
selben Weise würde man, wenn man die vorher beschriebene Art der Fort-
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 895
iflanzung der Zersetzungen in umgekehrter Richtung von der Kathode
air Anode annehmen wollte, einen Überschuss von negativen Theilmole-
cülen innerhalb der Flüssigkeit erhalten, welcher natürlich gleichfalls un-
statthaft ist
„Als Grundbedingung für alle weiteren Betrachtungen müssen wir an
lern Satze festhalten, dass sich innerhalb jedes messbaren Raumes
ler Flüssigkeit gleich viel positive und negative Theilmoleküle
befinden, mögen diese nun alle je zwei zu Gesammtmolekülen verbunden
lein, oder mögen einige im unverbundenen Zustande zwischen den Gesammt-
molekülen zerstreut sein.
„Hieraus folgt, dass in einer elektrolytischen Flüssigkeit, welche sich in
ihrem natürlichen Zustande befindet, indem keine Art von Theilmolekülen
in ihr überwiegt, unter dem blossen Einflüsse derjenigen Kraft, welche dazu
dient, den Leitungswiderstand zu überwinden, solche abwechselnde Zer-
setzungen und Wiederverbindungen der Moleküle, wie sie zur Elektricitäts-
leitung nöthig sind, stattfinden können.
„Die Erklärung dieser Thatsache bietet eine eigenthümliche Schwierig-
keit dar, welche, wie es mir scheint, nur dadurch geboten werden kann,
dass man ein durchaus anderes Verhalten der Flüssigkeiten annimmt, als es
l>isher gebräuchlich war. Ich will versuchen, dieses in den nächsten Para-
graphen auseinander zu setzen.
„6) Es sei eine Flüssigkeit gegeben, welche entweder ganz oder zum
Theil aus elektrolytischen Molekülen besteht, und wir wollen zunächst einmal
annehmen, diese Moleküle hätten sich im natürlichen Zustande der Flüssig-
keit in irgend einer bestimmten Anordnung gelagert, in welcher sie, so lange
keine fremde Kraft auf sie einwirkt, verharrten, indem die einzelnen Mole-
küle zwar vielleicht um ihre Gleichgewichtslagen oscilliren, aber nicht ganz
aus denselben heraustreten könnten; ferner sei, wie man es bei jeder der-
artigen Anordnung voraussetzen muss, die Anziehung zwischen zwei Theil-
molekülen, welche zu einem Gesammtmolekül verbunden sind, und daher
einander sehr nahe sind, grösser, als die Anziehung zwischen dem positiven
Theilmolekül eines Gesammtmoleküls und dem negativen eines anderen.
Wenn nun innerhalb dieser Masse eine elektrische Kraft wirkt, welche die
positiv elektrischen Theilmoleküle nach einer und die negativ elektrischen
nach der entgegesetzten Richtung zu treiben sucht, so fragt es sich, welchen
Einfluss diese auf das Verhalten der Moleküle ausüben muss.
„Die erste Wirkung würde offenbar, sofern die Moleküle als drehbar
vorausgesetzt werden, darin bestehen, alle Moleküle in gleicher Weise zu
richten, indem die beiden entgegengesetzt elektrischen Bestandteile jedes
Gesammtmoleküls sich nach den Seiten drehen würden, wohin sie durch die
wirksame Kraft getrieben werden.
„Ferner würde die Kraft die zu einem Gesammtmolekül vereinigten
Theilmoleküle zu trennen und nach entgegengesetzten Richtungen zu be-
gg5 Sechzehntes Kapitel.
wegen suchen, und wenn diese Bewegung einträte, so würde dadurch
positive Theilmolekül des einen Gesammtmoleküls mit dem negatives
folgenden zusammenkommen und sich mit ihm verbinden. Nun muss
um die einmal verbundenen Theilmoleküle zu trennen, die Anziehung,
sie auf einander ausüben, überwunden werden, wozu eine Kraft von
stimmter Stärke nöthig ist, und dadurch wird man zu dem Schlüsse gefuhÜ
dass, so lange die in dem Leiter wirksame Kraft diese Stärke
nicht besitzt, gar keine Zersetzung der Moleküle stattfinden könitJ
dass dagegen, wenn die Kraft bis zu dieser Stärke angewachsei]
ist, sehr viele Moleküle mit einem Male zersetzt werden müsset,
indem sie alle unter dem Einflüsse derselben Kraft stehen, nid
fast gleiche Lage zu einander haben. In Bezug auf den elektrisch«
Strom kann man diesen Schluss, wenn man voraussetzt, dass der Leiter nnr
durch Elektrolyse leiten könne, so ausdrücken: So lange die im Leiter
wirksame treibende Kraft unter einer gewissen Grenze ist, bewirkt
sie gar keinen Strom, wenn sie aber diese Grenze erreicht hat,
so entsteht plötzlich ein sehr starker Strom.
„Dieser Schluss widerspricht aber der Erfahrung vollkommen. Schon
die geringste Kraft1 bewirkt einen durch abwechselnde Zersetzungen und
Wiederverbindungen geleiteten Strom, und die Intensität dieses Stromes
wächst nach dem OHiu'schen Gesetze der Kraft proportional.
„Demnach muss die obige Annahme, dass die Theilmoleküle eines Elek-
trolyten in fester Weise zu Gesammtmolekülen verbunden sind, und diese
eine bestimmte regelmässige Anordnung haben, unrichtig sein. Man kann
dieses Resultat noch allgemein folgendermaassen aussprechen: Jede Annahme,
welche darauf hinauskommt, dass der natürliche Zustand einer elektrolytischcn
Flüssigkeit ein Gleichgewichtszustand ist, in welchem jedes positive Theil-
molekül mit einem negativen fest verbunden ist, und dass ferner um die
Flüssigkeit aus diesem Gleichgewichtszustande in einen anderen überzuführen,
welcher dem vorigen im Wesentlichen gleicht, und sich nur dadurch von
ihm unterscheidet, dass eine Anzahl positiver Theilmoleküle mit anderen
negativen als vorher verbunden ist — auf diejenigen Moleküle, welche diese
Veränderung erleiden , sollen, eine Kraft von bestimmter Stärke wirken muss
— steht im Widerspruche mit dem OHM'schen Gesetze.
„Ich glaube daher, dass die folgende Annahme, bei welcher dieser
Widerspruch gehoben ist, und welche, wie es mir scheint, auch mit den
sonst bekannten Thatsachen vereinbar ist, einige Beachtung verdient
1 „Ich muss hierbei noch einmal ausdrücklich hervorheben, dass hier, wie in dieser ganzen
Abhandlung, nicht von den Kräften die Rede ist, welche an den Elektroden wirken, wo die
Zersetzungsprodukte ausgeschieden werden, und die Polarisation überwunden werden muss,
sondern lediglich von der Kraft, welche innerhalb des Elektrolyten selbst wirkt, wo jedes Theil-
molekül, welches von dem bisher mit ihm verbundenen Theilmolekül getrennt wird, sich so-
gleich wieder mit einem anderen Theilmolekül derselben Art verbindet, so dass die Masse im
Wesentlichen un geändert bleibt und nur der Leitungswiderstand zu Überwinden ist."
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. ggrr
;,7) In meiner Abhandlung „Über die Art der Bewegung, welche wir
arme nennen",1 habe ich die Ansicht ausgesprochen, dass in Flüssigkeiten
i Moleküle nicht bestimmte Gleichgewichtslagen haben, um welche sie nur
rilliren, sondern dass ihre Bewegungen so lebhaft sind, dass sie dadurch
ganz veränderte und immer neue Lagen zu einander kommen, und sich
regelmässig durch einander bewegen.
„Denken wir uns nun in der elektrolytischen Flüssigkeit zunächst ein
1 ein einzelnes Theilmolekül, z. B. ein elektro-pösitives, befindlich, von
Ichem wir voraussetzen wollen, dass sein elektrischer Zustand noch ganz
■selbe sei, wie in dem Momente, wo es aus einem Gesammtmolekül aus-
schieden wurde. Ich glaube nun, dass, indem dieses Theilmolekül sich
[sehen den Gesammtmolekülen umherbewegt, unter den vtelen Lagen, die
annehmen kann, auch zuweilen solche vorkommen, in welchen es das
jative Theilmolekül irgend eines Gesammtmoleküls mit stärkerer Kraft
rieht, als die, mit welcher die beiden zu dem Gesammtmolekül gehörigen
leilmoleküle, deren Lage zu einander auch nicht ganz unveränderlich ist,
h in diesem Augenblicke gegenseitig anziehen. Sobald es in eine solche
treten ist, verbindet es sich mit diesem negativen Theilmolekül, und das
»her mit demselben verbundene positive Theilmolekül wird dadurch frei,
eses bewegt sich nun ebenfalls allein umher und zerlegt nach einiger Zeit
1 anderes Gesammtmolekül auf dieselbe Art u. s. f., und alle diese Be-
rgungen und Zersetzungen geschehen ebenso unregelmässig, wie die Wärme-
wegungen, durch welche sie veranlasst werden.
„Betrachten wir ferner das Verhalten der Gesammtmoleküle unter ein-
der, so glaube ich, dass es auch hier zuweilen geschieht, dass das positive
leilmolekül eines Gesammtmoleküls zu dem negativen .eines anderen in
le günstigere Lage kommt, als jedes dieser beiden Theilmoleküle im Augen-
cke gerade zu dem anderen Theilmolekül seines eigenen Gesammtmoleküls
t. Dann werden sich jene beiden bisher fremden Theilmoleküle zu einem
sammtmolekül verbinden, und die beiden dadurch frei werdenden Theil-
)leküle (das negative des ersten und das positive des zweiten Gesammt-
)leküls) werden sich entweder ebenfalls unter einander verbinden, oder
nn die Wärmebewegung sie daran verhindern sollte, so werden sie sich
ter die übrigen Gesammtmoleküle mischen, und dort ähnliche Zersetzungen
rvorbringen, wie sie vorher von einem einzelnen Theilmolekül beschrieben
rden.
„Wie häufig in einer Flüssigkeit solche gegenseitige Zerlegungen vor-
mmen, wird erstens von der Natur der Flüssigkeit abhängen, ob die Theile
r einzelnen Gesammtmoleküle mehr oder weniger innig zusammenhängen,
d zweitens von der Lebhaftigkeit der Molekularbewegung, d. h. von der
mperatur.
„8; Wenn nun in einer Flüssigkeit, deren Moleküle sich schon von
1 „Pooo. Ann. 100, 353. 1857."
Ostwald, Elektrochemie. 57
ggg Sechzehntes Kapitel.
selbst in einer solchen Bewegung befinden, wobei sie ihre Theilmolekük
in unregelmässiger Weise austauschen, eine elektrische Kraft wirkt, wefck
alle positiven Theilmoleküle nach einer und alle negativen nach der eä\
gegengesetzten Richtung zu treiben sucht, so lässt sich leicht einse
welcher Unterschied dadurch in der Art der Molekularbewegung
treten muss.
„Ein freies Theilmolekül wird dann nicht mehr ganz den unregelmäs9f
wechselnden Richtungen, nach welchen es durch die WärmebewegungM
getrieben wird, folgen, sondern es wird die Richtung seiner Bewegung m
Sinne der wirksamen Kraft ändern, so dass unter den Richtungen der freia
positiven Theilmoleküle, obwohl sie noch sehr unregelmässig sind, doch eine
gewisse Richtung vorherrscht, und ebenso die negativen Theilmoleküle sidt
vorherrschend nach der entgegengesetzten Richtung bewegen. Ausserdem
werden bei der Einwirkung eines Theilmoleküls auf ein Gesammtmolekül
und bei der Einwirkung zweier Gesammtmoleküle auf einander solche Zer-
legungen, bei welchen die Theilmoleküle in ihren Bewegungen zugleich der
elektrischen Kraft folgen können, erleichtert werden und daher häufiger statt-
finden, als ohne die Kraft, indem auch in Fällen, wo die Lage der Moleküle
noch nicht günstig genug ist, dass die Zerlegung von selbst eintreten könnte,
die Mitwirkung der elektrischen Kraft ihr Eintreten veranlassen kann. Um-
gekehrt, solche Zerlegungen, bei denen die Theilmoleküle sich der elektri-
schen Kraft entgegen bewegen müssten, werden durch diese Kraft erschwert
und dadurch seltener gemacht werden.
„Betrachtet man im Inneren dieser Flüssigkeit, während die elektrische
Kraft wirkt, ein kleines auf der Richtung der Kraft senkrechtes Flächenstück,
so gehen durch dieses während der Zeiteinheit mehr positive
Theilmoleküle in positiver als in negativer Richtung hindurch,
und mehr negative Theilmoleküle in negativer als in positiver
Richtung. Da nun für jede Art von Theilmolekülen zwei in entgegen-
gesetzter Richtung stattfindende Durchgänge sich gegenseitig in ihrer Wirkung
aufheben, und nur der für die eine Richtung bleibende Überschuss von
Durchgängen in Betracht kommt, so kann man das Vorige auch einfacher
so ausdrücken: es geht eine gewisse Anzahl positiver Theilmoleküle ■
in positiver und eine Anzahl negativer Theilmoleküle in negativer
Richtung durch das Flächenstück. Die Grösse dieser beiden Zahlen
braucht nicht gleich zu sein, weil sie ausser von der treibenden Kraft, welche
für beide gleich ist, auch noch von dem Grade der Beweglichkeit abhängt,
welcher bei verschiedenartigen Theilmolekülen aus mehreren Gründen ver-
schieden sein kann.
„Diese entgegengesetzte Bewegung der beiden Arten von Theilmolekülen
bildet den galvanischen Strom innerhalb der Flüssigkeit. Um die Starke
des Stromes zu bestimmen, ist es nicht nöthig, die Anzahl der in positiver
Richtung durch das Flächenstück gehenden positiven Theilmoleküle und die
Anzahl der in negativer Richtung hindurchgehenden negativen Theilmoleküle
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. ggg
inzeln zu kennen, sondern es genügt, wenn man die Summe beider Zahlen
ennt. Mag man nämlich von der Vorstellung ausgehen, dass es zwei Eiek-
icitäten gebe, und dass ein negativ elektrisches Theilmolekül mit einer ge-
issen Quantität freier negativer Elektricität begabt sei, oder von der Vor-
rellung, dass es nur eine Elektricität gebe, und dass ein negativ elektrisches
'heilmolekül weniger Elektricität besitze, als für den neutralen Zustand nöthig
t, in beiden Fällen muss man annehmen, dass es zur Vermehrung eines
alvanischen Stromes gleich viel beiträgt, ob ein positiv-elektrisches Theil-
lolekül sich nach der Richtung des Stromes, oder ob ein ebenso stark
egativ-elektrisches Theilmolekül sich nach der entgegengesetzten Richtung
ewegt Wenn wir also für den Fall, dass die Molekularbewegung derart
•äre, dass nur für die positiven Theilmoleküle ein Überschuss der Bewegung
ach einer Richtung stattfände, und dass während der Zeiteinheit n positive
Tieilmoleküle in positiver Richtung durch das Flächenstück gingen, die
adurch bedingte Stromstärke mit C . n bezeichnen, so müssen wir dem
ntsprechend bei einer Bewegung, bei welcher gleichzeitig n positive Theil-
loleküle in der positiven und n negative Theilmoleküle in der negativen
Lichtung hindurchgehen, die Stromstärke mit C(n + n) bezeichnen.
„9) Bei dieser Auffassung des Zustandes der Flüssigkeiten fällt die oben
rwähnte Schwierigkeit fort. Man sieht leicht, dass der Einfluss, welchen
je elektrische Kraft auf die schon von selbst stattfindenden, aber noch un-
egelmässigen Zersetzungen und Bewegungen der Moleküle übt, nicht erst
»eginnt, wenn die Kraft eine gewisse Stärke erreicht hat, sondern dass
chon die geringste Kraft in der vorher angegebenen Weise ändernd auf
lieselben einwirken, und dass die Grösse dieser Wirkung mit der Stärke der
Craft wachsen muss. Der ganze Vorgang stimmt also mit dem OHM'schen
jesetze sehr gut überein.
„Weshalb das elektrische Leitungsvermögen, welches von der Leichtig-
eit, mit welcher die Zerlegungen der Moleküle innerhalb der Flüssigkeit
eschehen, abhängt, bei verschiedenen Flüssigkeiten so verschieden ist, wes-
alb z. B. bei den Molekülen des Schwefelsäurehydrats die Zerlegungen so
thx viel leichter stattfinden, als bei den Wassermolekülen, und woher der
edeutende Einfluss kommt, welchen die Verdünnung der Schwefelsäure auf
ie Güte der Leitung ausübt, ist freilich bisher nicht hinlänglich erklärt, in-
essen sehe ich darin auch nichts, was als Widerspruch gegen die vorstehende
heorie geltend gemacht werden könnte.
„Der Unterschied dagegen, dass bei Leitern zweiter Klasse das Leitungs-
srmögen mit wachsender Temperatur zunimmt, erklärt sich aus dieser
heorie in sehr ungezwungener Weise, indem die grössere Lebhaftigkeit der
neren Bewegung offenbar dazu beitragen muss, die gegenseitigen Zer-
gungen der inneren Moleküle zu erleichtern.
„Vergleichen wir die ältere GROTTHUss'sche Theorie mit der hier ent-
tckelten, so liegt der Unterschied hauptsächlich darin, dass in jener ange-
>mmen wird, die Bewegung werde erst durch die elektrische Kraft hervor-
57*
OOO Sechzehntes Kapitel.
gerufen, und finde nur nach zwei bestimmten Richtungen statt, indem (fiele:
Zersetzungen regelmässig von Molekül zu Molekül fortschreiten, währe»i«x
nach dieser die schon vorhandenen Bewegungen nur geändert werden, unllc
auch das nicht so, dass sie vollkommen regelmässig werden, sondern nnJL
so, dass in der noch immer grossen Mannigfaltigkeit von Bewegungen de
beiden bestimmten Richtungen vorherrschen.
,,io) Nachdem ich die vorstehende Ansicht über das Verhalten elektro»
lytischer Flüssigkeiten niedergeschrieben hatte, erfuhr ich in der Unterhaltung
mit einem Chemiker, dass eine ähnliche Ansicht über das Verhalten zusam-
mengesetzter flüssiger und luftförmiger Körper, schon von Williamson in
einer Abhandlung über die Theorie der Ätherbildung1 ausgesprochen ist
Es heisst in dieser Abhandlung unter anderen:2 „„Wir werden auf diese
Weise zu der Annahme geführt, dass in einem Aggregat von Moleküleo
jeder Verbindung ein fortwährender Austausch zwischen den in ihr enthal-
tenen Elementen vor sich geht. Angenommen z. B., ein Gefass mit Salz-
säure würde durch eine grosse Zahl von Molekülen von der Zusammen-
setzung C1H ausgefüllt, so würde uns die Betrachtung, zu der wir gelangt
sind, zu der Annahme führen, dass jedes Atom Wasserstoff nicht in ruhiger
Gegeneinanderlagerung neben dem Atom Chlor bleibe, mit dem es zuerst
verbunden war, sondern . dass ein fortwährender Wechsel des Platzes mit
anderen Wasserstoffatomen stattfindet.""
„Hiernach scheint Williamson sogar eine noch grössere Wandelbarlceit
in der Gruppirung der Theilmoleküle anzunehmen, als zur Erklärung der
Elektricitätsleitung nöthig ist. Er spricht von einem fortwährenden Wechsd
eines Wasserstoffatoms mit anderen Wasserstoffatomen, während es zur Er-
klärung der Elektricitätsleitung genügt, wenn bei den Zusammenstössen der
Gesammtmoleküle hin und wieder und vielleicht verhältnissmässig selten ein
Austausch der Theilmoleküle stattfindet. ]
„Williamson führt zur Bestätigung seiner Ansicht das Verhalten an,
welches stattfindet, wenn in einer Flüssigkeit zwei Verbindungen mit ver-
schiedenen elektro- positiven und verschiedenen elektro- negativen Bestand-
teilen gelöst sind, dass dann die beiden ursprünglichen Verbindungen nicht
einfach bestehen bleiben, oder eine andere Anordnung der Art entsteht, bei
welcher ein elektro-positiver Bestandtheil ausschliesslich mit einem der beiden
elektronegativen Bestandteile verbunden ist, und umgekehrt, sondern dass
alle vier mögliche Combinationen sich in einem gewissen Verhältnisse bilden,
woher es kommt, dass, wenn .irgend eine der vier Verbindungen unlöslich
ist, diese sich ausscheidet. Auch ich glaube, dass dieses Verhalten sich sehr
natürlich daraus erklärt, dass die Verbindungen je zweier Theilmoleküle nicht
fest, sondern wandelbar sind, und dass ein positives Theilmolekül nicht blos
1 „Annalen der Chemie und Pharmacie 77, 37. Gelesen vor <Jer British Association zu
Edinburg."
9 „Ebenda S. 46."
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. goi
i positives Theilmolekül derselben Art, sondern auch ein solches von
derer Art verdrängen kann, und ich habe dieses Verhalten bei der Auf-
dlung der oben entwickelten Theorie gleich mit im Auge gehabt. Indessen
lte ich es auch hierbei nicht für nöthig, dass alle Moleküle in fortwähren-
m Wechsel begriffen sind, sondern es scheint mir zu genügen, wenn sie
h hin und wieder gegenseitig austauschen, denn wenn die Anzahl der
istausche auch im Verhältniss zur Anzahl der Stösse gering ist, so kann
doch, an sich betrachtet, noch sehr gross sein, und daher in kurzer
it eine bedeutende Änderung in der ursprünglichen Verbindungsart her-
rbringen.
„Da ich zu dem Schlüsse über die im Inneren einer Flüssigkeit statt-
denden Austausche der Theilmoleküle ganz unabhängig und auf einem
rchaus anderen Wege wie Willi amson gelangt bin, so habe ich, auch
chdem ich die Abhandlung desselben kennen gelernt habe, doch noch
glaubt, meine Betrachtungen unverändert mittheilen zu dürfen, indem es
durch am besten ersichtlich sein wird, inwiefern diese beiden Betrachtungs-
*isen einander gegenseitig zur Bestätigung dienen.
,,ii) Es ist in neuerer Zeit mehrfach die Frage erörtert, ob in Leitern
reiter Klasse neben der Leitung durch Elektrolyse auch noch eine Elek-
citätsleitung der Art, wie in Leitern erster Klasse stattfinde.
„Vom theoretischen Gesichtspunkte aus scheint mir der Annahme, dass
;ide Arten von Leitung in demselben Körper gleichzeitig stattfinden können,
chts entgegen zu stehen. Die Bestimmung aber, wie sich in einzelnen
allen die beiden verschiedenen Leitungen ihrer Grösse nach zu einander
erhalten, wird bei dem Mangel an genau festgestellten Thatsachen, welche
s Grundlage für theoretische Schlüsse dienen könnten, für jetzt wohl ganz
it experimentellen Untersuchung überlassen bleiben müssen.
„Für diejenigen Körper, welche bis jetzt in dieser Beziehung untersucht
id, und welche ihrer vielfachen Anwendung wegen die wichtigsten sind,
tt sich gezeigt, dass die Leitung ohne Elektrolyse, wenn sie überhaupt
:istirt, jedenfalls sehr gering ist, und es wird daher nicht nöthig sein, auf
ese Art von Leitung, welche übrigens theoretisch nichts wesentlich Neues
trbieten würde, hier näher einzugehen."
Zu den vorstehenden klaren und anschaulichen Schilderungen ist nur
*nig hinzuzufügen, da das wesentliche Allgemeine schon in der Ein-
itung bemerkt worden ist. Nur bezüglich der Frage, in welchem Maasse
e von Clausius vorausgesetzte Dissociation oder der theilweise Zerfall
s Elektrolyts in seine Ionen im gegebenen Falle vorhanden ist, müssen
lige Bemerkungen gemacht werden. Clausius hebt besonders hervor,
5S dieser Betrag nur sehr gering zu sein braucht (S. 901), offenbar, um
n Einwendungen der Chemiker zu begegnen, welche gerade die frag-
hen Verbindungen, wie Schwefelsäure, Salzsäure, Kaliumsulfat u. s. w.,
e als Elektrolyt^ wirken, als durch die stärksten Verwandtschaften züsam-
engehalten ansahen. In dieser Beziehung steht er in einem bemerkens-
Q02 Sechzehntes Kapitel.
werthen Gegensatze zu dem Chemiker Williamson, der seinerseits einen «•
begrenzten und unaufhörlichen Austausch annahm, und Clausius versaraÄ
auch nicht, darauf hinzuweisen, dass man ohne diese extreme Annahme
auskommen kann. Dies ist gerade der Punkt, an welchem die spätere
Forschung eingesetzt hat. Erst nachdem man sich entschlossen hat, die»
Zugeständniss aufzugeben, und die durch andere Entdeckungen nahe gelegte
Annahme zu machen, dass gerade in den bekannten Fällen die Zahl der
zerfallenen Molekeln eine relativ sehr grosse ist, wurde es möglich, für <fc
von Clausius gegebene Erklärung den Boden zu finden, auf dem allein die
Bündigkeit einer Anschauung geprüft werden kann, nämlich das Gebiet der
zahlenmässigen Bewährung.
Bevor es hierzu kam, war allerdings noch ein langer Weg zurückzu-
legen, welcher zunächst in die Fragen nach der Leitfähigkeit der Elektrolyte
führte, deren Bedeutung fiir die Aufgabe bereits Hittorf klar erkannt und
ausgesprochen hatte.
21. Die Leitfähigkeit der Elektrolyte. Die älteren Arbeiten über
die elektrische Leitfähigkeit der Elektrolyte hatten zunächst nur die Erforschung
der vorhandenen Beziehungen in allgemeiner Gestalt zum Zwecke, und che-
mische Gesichtspunkte sind bei jenen Arbeiten über die vorher (S. 815) be-
richtet worden ist, auf keine Weise in Frage gekommen. Auch die weitere
Entwickelung hat sich chemischen Fragen zunächst nicht zugewendet; viel-
mehr war die zunächst bearbeitete Aufgabe die nach einer möglichst ein-
fachen und genauen Methode zur Messung dieser Grösse. Denn hier lag
eine Schwierigkeit vor, von welcher die Messung metallischer Widerstände
frei ist: die Polarisation. Zwar ändert diese nicht den Widerstand im Strom-
kreise, sondern nur die elektromotorische Kraft; da aber alle Widerstands-
messungen in letzter Instanz auf Strommessungen begründet sind, so macht
sich jede Änderung des anderen bestimmenden Faktors der Stromstärke,
der elektromotorischen Kraft, ebenso geltend, wie es eine Widerstandsände-
rung thun würde, und muss experimentell oder rechnerisch eliminirt werden,
wenn man ein richtiges Ergebniss haben will.
Das Verfahren, welches für diesen Zweck zuerst angewendet wurde, ist
von Wollaston (S. 642) angegeben worden, und besteht darin, dass man
zwei Versuche mit verschiedenem Flüssigkeitswiderstande anstellt, bei denen
man die Polarisation constant erhält. Man erhält dadurch zwei Gleichungen
des OHM'schen Gesetzes, aus denen man die elektromotorische Kraft der
Polarisation eliminiren kann. Um die Voraussetzung des Verfahrens zu er-
füllen, hat man dafür zu sorgen, dass die Stromstärke constant bleibt; man
muss daher den Unterschied der beiden Flüssigkeitswiderstände durch solche
aus Draht ersetzen, wenn man von dem einen zu dem anderen übergeht,
und hat in diesem Drahtwiderstande ein Maass des Flüssigkeitswiderstandes.
Die Ausführung des Versuches lehrte, dass es recht schwer ist, die
Polarisation auch unter solchen Bedingungen constant zu erhalten, und
wir können im Laufe der sechziger T ' "*;e stufenweise Entwickelung der
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 003
.n verfolgen, die zur Vermeidung dieser Schwierigkeit ersonnen
sind.
1 leichtesten Hess sich die Polarisation in dem Falle vermeiden, dass
ctrolyt ein Salz eines Metalles war, aus welchem die Elektroden be-
Durch die Erfahrungen an der DANiELi/schen Kette war die Un-
-lichkeit solcher Elektroden auch beim Durchgang stärkerer Ströme
geworden. Dazu kam dann die von E. du Bois-Reymond * gelegentlich
arbeiten aus der Elektrophysiologie gemachte Beobachtung, dass die
laft der Nichtpolarisirbarkeit in ganz besonders hohem Grade dem
lirten Zink in Zinkvitriollösungen zukommt. Für diesen Fall wenig-
>sen sich Flüssigkeitswiderstände ebenso bequem und sicher messen,
allische, und wir verdanken W. Beetz eine entsprechende, sehr sorg-
sgeführte Untersuchung, welche uns die ersten unzweifelhaften Werthe
m Gebiete geliefert hat.2 Als weiterer Vorzug der Arbeit muss er-
verden, dass in ihr von einem streng vergleichbaren Maass zum
Aale für diesen Zweck Gebrauch gemacht wird: die Widerstände
auf die vor kurzem von Werner Siemens eingeführte Einheit, den
and eines Quecksilberfadens von 1 m Länge und 1 mm2 Querschnitt,
•
Nichtpolarisirbarkeit der Zinkelektroden gab ferner Gelegenheit, eine
:h in Betracht kommende Frage zu entscheiden: die nach dem Vor-
ein eines etwaigen Übergangswiderstandes. „Um über diesen ins
1 kommen, stellte ich folgende Versuche an: In die . . . Röhre wurde
zahl amalgamirter Zinkklötze gebracht, welche stempelartig an die
rände anschlössen und in ihrer Axe mit einem feinen Bohrer durch-
aren. Die Klötze hafteten in der Regel, sobald sie sich berührten,
einander, doch konnten einige immer durch Neigen des Rohres von
• getrennt werden. Lagen alle Klötze dicht an einander und auch
• Polplatte, so trat der Strom nur an den beiden Enden der Flüssig-
e aus dem Metall in die Flüssigkeit und durchlief dann dieselbe,
die Klötze von einander und von der Polplatte abgerückt, so musste
ere Male aus dem Metalle in die Flüssigkeit übertreten, die Länge
hlaufenen Flüssigkeit aber blieb immer die gleiche."
fangs fand Beetz nach diesem Verfahren bei mehreren Unterbrechungen
rgrösserten Widerstand. Als er jedoch die Klötze in Zinkvitriollösung
te, verschwand diese Erscheinung, und er fand:
Bei 3 Unterbrechungen 460,2
„2 „ 460,0
„ 1 Unterbrechung 459»9
„ o „ 459,7 •
in Übergangswiderstand im eigentlichen Sinne des Wortes existirt
tzungsber. der Berl. Akademie 1859. 465. * POGG. Ann. 117, 1. 1862.
Q04 Sechzehntes Kapitel.
Was die übrigen Ergebnisse der Arbeit anlangt, so haben wir uns mit
ihnen kaum zu beschäftigen. Sie bestanden wesentlich in der Bestätigung
und zahlenmässigen Feststellung der von den älteren Autoren beobachteten
allgemeinen Verhältnisse, nach welchen der Widerstand mit steigender Tem-
peratur zu- und mit steigendem Gehalt an gelöstem Elektrolyt abnimmt;
letzteres jedoch im vorliegenden Falle bis zu einem bestimmten Gehalt, bei
dem der Widerstand ein Minimum war; darüber hinaus nahm der Wider-
stand mit steigendem Salzgehalt zu. Dieses Minimum verschiebt sich mit
steigender Temperatur nach der Seite der höheren Concentrationen.
Von Interesse sind schliesslich die Angaben von Beetz, auf welche
Weise er andere Flüssigkeiten auf ihre Leitfähigkeit zu untersuchen beab-
sichtigte.. Um alle Störungen durch Elektroden zu vermeiden, bemühte er
sich, in einer in sich zurücklaufenden Flüssigkeitsmasse Ströme zu erzeugen,
welche bei gleicher elektromotorischer Kraft sich verhalten müssen wie die
Leitfähigkeiten. Erstens Hess er sich einen Multiplicator aus einer Glasröhre
herstellen, in welchem er einen Magnet aufhängte. Der Multiplicator lief in
ein gleichfalls aus Glas hergestelltes Solenoid aus, in welchem durch Unter-
brechung eines daneben verlaufenden Stromes Inductionsströme erzeugt wer-
den konnten; das Ganze war mit Flüssigkeit gefüllt. Indessen gelang es
nicht, auf diese Weise gute Messungen zu erhalten, da die Störungen durch
den primären Strom im Verhältniss zu den schwachen entstehenden Induc-
tionsströmen zu gross waren. Ebensowenig gelang ein anderer Versuch, die
dämpfende Wirkung, welche die Umgebung mit leitender Flüssigkeit auf
eine schwingende Magnetnadel ausübt, und welche gleichfalls der Leitfähig-
keit proportional ist, für die Messung zu benutzen. Auch hier liegt es an
der Kleinheit der auftretenden Kräfte, die durch die verhältnissmässig sehr
geringe Leitfähigkeit der Flüssigkeiten verursacht wird. In einer anderen
Gestalt ist der Plan später1 von Guthrie und Boys ausgeführt worden, in-
dessen waren auch hier die erhaltenen Wirkungen so gering, dass von einer
praktischen Anwendung des Verfahrens nicht die Rede sein konnte. Heute,
wo die Technik dem Experimentator durch mehrphasige Wechselströme
rotirende Magnetfelder von grosser Stärke zur Verfugung stellt, hat die
Wiederholung derartiger Versuche viel bessere Aussicht auf Erfolg.
Auf einem anderen Wege versuchte Paalzow2 die in der Polarisation
liegenden Schwierigkeiten zu beseitigen. Er behielt die von Beetz ange-
wendeten Elektroden von amalgamirtem Zink in Zinkvitriollösung bei, und
brachte die zu untersuchende Flüssigkeit zwischen die Lösungen. Da zwi-
schen verschiedenen Flüssigkeiten nur sehr geringe, schwierig nachweisbare
Polarisation entsteht, die man vernachlässigen kann, so war dadurch die
Aufgabe im Allgemeinen gelöst, wenn auch im Einzelnen mancherlei Schwie-
rigkeiten nachblieben.
Von allgemeinerer Anwendung ist auch dieses Verfahren nicht geworden,
1 Philos. Mag. (5) 4, 328. 1880. * Pogo. Ano. 136, 489. 1869.
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. qqc
ia fast um die gleiche Zeit die Ausarbeitung einer anderen Methode be-
gann, welcher die Zukunft angehören sollte. Es ist dies das gleich zu be-
sprechende Verfahren von Kohlrausch, welches auf der Anwendung von
Wechselströmen beruht
Diese Methode entwickelte sich so zweckmässig, dass auch die später
ron Fuchs1 und Lippmann2 angegebene elektromotorische Methode, die gleich-
älls die Polarisation vermeidet, indem statt des einen dauernden Strom er-
brdernden Galvanometers ein Elektrometer benutzt wird, welches nur eine
einmalige Ladung beansprucht, sie nicht zu verdrängen vermocht hat Bei
veitem das meiste, was für elektrochemische Fragen von Belang geworden
st, ist durch die Anwendung der Methode von Kohlrausch gefunden worden,
;o dass ein Eingehen auf deren Entwicklung von Interesse ist
Die erste Mittheilung über das Verfahren ist in einer Arbeit von
Friedrich Kohlrausch und W. A. Nippoldt3 enthalten, die unter dem Titel:
Über die Gültigkeit der OHM'schen Gesetze für Elektrolyte und
sine numerische Bestimmung des Leitungswiderstandes der ver-
dünnten Schwefelsäure durch alternirende Ströme im Jahre 1869
erschien. Hier befinden sich die ersten Anfänge der Methode, die in ihrer
vervollkommneten Gestalt mehr wie jede andere dazu beigetragen hat, unsere
Kenntniss dieser wichtigen Grössen zu vermehren und die schon von Hittorf
erhoffte fordernde Wirkung auf die Erkenntniss auch der chemischen Ver-
hältnisse der Lösungen auszuüben.
Kohlrausch und Nippoldt erörterten zunächst die Methoden, die bei
der Leitfähigkeitsbestimmung von Elektrolyten auftretenden Polarisationen
zu vermeiden. Nachdem sie das Verfahren von Beetz, welches nur für
solche Lösungen anwendbar ist, fiir die es unpolarisirbare Elektroden giebt,
und das von Paalzow besprochen haben, bei dem dieser Übelstand aller-
dings im Wesentlichen vermieden ist, weisen sie auf eine weitere Mög-
lichkeit hin, die Polarisation unschädlich zu machen, nämlich durch die
Anwendung sehr kurz dauernder Ströme, bei denen die Polarisation keine
Ceit hat, sich auszubilden. Nur tritt hier der Ubelstand ein, dass zwar im
Ersten Augenblicke keine Polarisation vorhanden ist, eine solche aber in
:ürzester Frist entsteht, so dass die Versuche, einzelne durch Magnetinduction
rhaltene Stromstösse zu benutzen, an diesen Nachwirkungen scheiterten.
„Man vermeidet diese Nachwirkung der Polarisation vollständig, wenn
ian immer paarweise gleiche Inductionsstösse in abwechselnder Richtung
nwendet. Denn zwei entgegengesetzte Ströme von gleichem Integralwerth
cheiden an jeder der Elektroden die beiden Bestandtheile des Elektrolyten
1 chemisch äquivalenten Mengen aus. Nimmt man an, dass dieselben sich
ofort wieder zu der ursprünglichen chemischen Verbindung vereinigen, so
>t jede Elektrode nach dem Durchgange der beiden Ströme wieder im
1 Pogg. Ann. 156, 162, 1875. * Comptes rendus 83, 192. 1876.
» Pogg. Ann. 138, 280. 1859. *
qo6 Sechzehntes Kapitel.
Anfangszustande, wobei natürlich vorausgesetzt wird, die Stärke des einzeln«
Stosses bleibe unterhalb der Grenze, wobei eine Entwickelung von Gasbläs-
chen eintritt, und ferner, die Aufeinanderfolge geschehe so rasch, dass nicht
in der Zwischenzeit eine merkliche Menge des ausgeschiedenen Stoffes durch
Diffusion verschwinde. Sollte nun auch die Wiedervereinigung nicht mo-
mentan erfolgen, so weiss man doch aus den Versuchen von de la Rive
und von Poggendorff, dass sie in kurzer Zeit geschieht, indem bei hin-
reichend raschem Wechsel kräftiger Ströme die Gasentwickelung aufhörte.
Man sieht aber zugleich, dass die Polarisation an beiden Elektroden gleich
ist, wenn diese sich in symmetrischen Verhältnissen befinden, insbesondere
also gleiche Grösse haben, so dass sie keinen Strom hervorbringen kann."
Auf Grund dieser Überlegung wird nun dargelegt, dass die erforder-
lichen entgegengesetzt gleichen Ströme durch die Drehung eines Magnets
in einem Galvanometergewinde sich leicht herstellen lassen, dass ferner die
durch Ungleichheiten der Elektroden etwa noch möglichen Reste der Polari-
sation dadurch beliebig verkleinert werden können, dass man die Elektroden
möglichst gross macht, indem die elektromotorische Kraft einer bestimmten
ausgeschiedenen Menge des polarisirenden Stoffes in erster Annäherung seiner
Dichte proportional, also der Grösse der Elektroden umgekehrt proportional
sein wird.
Die Anwendung des Gedankens setzt ein Hilfsmittel voraus, mit dem
man solche gleiche entgegengesetzte Ströme messen kann; auf ein gewöhn-
liches Galvanometer wirken sie nicht, indem sie ihre ablenkende Wirkung
abwechselnd aufheben. Dagegen ist das Elektrodynamometer von Wilhelm «
Weber1 ein solches Instrument. Es besteht aus zwei Rollen von Draht, von
denen die eine fest ist, die andere innerhalb jener drehbar aufgehängt ist
Stehen die Rollen anfangs einander parallel, und schickt man durch beide
einen Strom, so erfolgt eine elektrodynamische Abstossung der Stromkreise,
und die Rollen suchen sich senkrecht zu einander zu stellen. Die Ausschläge
sind dem Quadrat der Stromstärke proportional und von der Stromrichtung
unabhängig; sie erfolgen daher auch, wenn Wechselströme durch den Ap-
parat gehen.
Die erste Ausfuhrung des Verfahrens erfolgte durch unmittelbare Sub-
stitution, indem zuerst bei gegebener Drehungsgeschwindigkeit des Magnets
der Ausschlag bei eingeschaltetem Flüssigkeitswiderstande gemessen wurde,
und dann ein Drahtwiderstand aufgesucht wurde, welcher den gleichen Aus-
schlag bewirkte. Durch passende Auseinanderschaltung der Versuche wurde
der Einfluss der Veränderlichkeit der Drehungsgeschwindigkeit des Magnets
(der durch eine Sirene bethätigt wurde, deren Tonhöhe die Drehungsge-
schwindigkeit maass) ausgeschaltet.
Die Ursache, diese unbequeme Methode an Stelle einer der bequemen
„Nullmethoden", des DirTerentialmultiplicators oder der WHEATSTONE,schen
1 Elektr. Maassbestimmungen I. Abh. d. K. sächs. Ges. d. Wiss. 1846.
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. qq7
brücke anzuwenden, sahen Kohlrausch und Nippoldt in dem Umstände, dass
lie Ausschläge des Dynamometers dem Quadrat der Stromstärke proportional
ind, also in der Nähe des Nullpunktes einen zu kleinen Werth annehmen;
udem ist die Richtung des Ausschlages von der Stromrichtung unabhängig,
o dass man aus ihm nicht ersehen kann, nach welcher Seite man die Wider-
tände ändern soll. Erst nach Vollendung der Arbeit ergab sich ein Aus-
cunftsmittel: „Es ist dabei übersehen, dass man den Schwierigkeiten entgeht,
venn man die beiden Rollen des Dynamometers in verschiedene Zweige
ler Leitung bringt Dadurch werden die obigen Methoden ebenso leicht
mwendbar, wie bei dem gewöhnlichen Galvanometer, was die beabsichtigte
Ausdehnung der Messungen auf andere Flüssigkeiten wesentlich erleich-
tern wird."
Bevor die Methode zu Messungen angewendet wurde, ging eine Unter-
suchung über die Grösse der Polarisation voraus, welche unter den vorhan-
denen Umständen zu erwarten war. Ein einzelner Stromstoss zerlegte nicht
mehr als etwas über ein Milliontel Milligramrfi Wasser, wobei rund 0,002 Kubik-
millimeter Wasserstoff ausgeschieden wurden. Mit Elektroden von 108 Quadrat-
millimeter Oberfläche ergab sich eine sehr starke Polarisation. „Dies über-
raschende Resultat lässt zwei Deutungen zu. Entweder sind die elektro-
motorischen Kräfte so dünner Gasüberzüge, wie die eben genannten, Grössen
von derselben Ordnung, wie die elektromotorischen Kräfte der Hydroketten,
oder man müsste Zweifel an der Richtigkeit des OHM'schen Gesetzes für
Elektrolyte hegen."
Indessen entschied der Versuch die Frage alsbald im ersten Sinne. Als
Elektroden von je 2900 Quadratmillimeter Oberfläche angewendet wurden,
/erschwanden die Abweichungen, welche früher bei verschiedener Drehungs-
jeschwindigkeit des Inductors beobachtet waren, und der Flüssigkeitswider-
stand verhielt sich ganz wie ein metallischer, indem bei Steigerung der
Tonhöhe der Sirene um vier Oktaven, also auf die sechzehnfache Geschwin-
digkeit, die Ausschläge für den flüssigen und den metallischen Widerstand
einander gleich blieben.
Indessen wurde die hier einmal angeregte Frage nach der Gültigkeit
des OHM'schen Gesetzes für Elektrolyte weiter untersucht, indem immer ge-
ringere und geringere elektromotorische Kräfte angewendet, und die ent-
sprechenden Stromstärken gemessen wurden. Da die Anwendung von Wech-
selströmen an der unzureichenden Empfindlichkeit des Dynamometers sehr
bald eine Grenze fand, so wurde die von Beetz benutzte Zusammenstellung:
Zink in Zinksulfatlösung, angewendet; die erforderlichen kleinen Spannungen
gab ein Thermoelement. Dabei wurde bis auf 0,00006 von der elektro-
motorischen Kraft eines GROVE'schen Elementes herabgegangen, ohne dass
eine die Versuchsfehler überschreitende Abweichung beobachtet werden
konnte; das OHM'sche Gesetz war also für alle Stromstärken und Spannungen,
die irgend für den Zweck in Frage kommen konnten, als gültig bei Elek-
trolyten erwiesen worden.
go8 Sechzehntes Kapitel.
„Aus der elektromotorischen Kraft des Thermoelementes lässt sich leicht
überschlagen, dass der schwächste der obigen Ströme, das elektrolytische
Gesetz von Faraday als allgemein gültig vorausgesetzt, in einer Sekunde
4. iO"~8 Milligramm Wasser zersetzt haben würde. Buff hat nachgewiesen,
dass für einen etwa doppelt so starken Strom in angesäuertem Wasser (aller-
dings zwischen Platinspitzen) das FARADAY^sche Gesetz noch gültig ist Er-
lauben wir uns daher, auch für unseren Fall anzunehmen, dass eine Zer-
setzung stattfand, so folgt, dass die geringste elektrische Scheidungskraft, '.
welche auf die Theile eines Elektrolyten gewirkt hat, grösser ist, als die
chemischen Affinitätskräfte derselben. Man wird also in der That der An-
nahme von Clausius, dass eine Stabilität chemischer Verbindungen im ge-
wöhnlichen Sinne gar nicht vorhanden sei, nahe geführt."
An diesem Schluss ist nur auszusetzen, dass kein Recht vorliegt, ihn
auf alle chemischen Verbindungen auszudehnen. Denn er gilt nach der Art,
wie man zu ihm gelangt ist, offenbar nur für solche chemische Verbin-
dungen, welche der Elektrolyse fähig sind, und dies ist nur eine kleine Zahl
unter allen. Werthvoll ist aber diese Bemerkung als ein unverdächtiges
Zeugniss dafür, mit welcher Gewalt sich bei der unbefangenen Betrachtung
der Leitungserscheinungen die Erkenntniss von der Freiheit der Ionen auf-
drängt.
Die nach der Methode zunächst an verschiedenen Lösungen von Schwefel-
säure ausgeführten Bestimmungen brauchen hier keinen Platz zu finden, da
sie später durch genauere ersetzt worden sind. Dagegen muss erwähnt
werden, dass schon in dieser Arbeit dafür Sorge getragen wird, die beob-
achteten Zahlen auf vergleichbares Maass zu überrechnen. Zu dem Zwecke
wurde die Länge und der Durchmesser der Röhre, in welcher die Messungen
vorgenommen worden waren, sowie der Ausbreitungswiderstand von den
Enden der Röhre bis zu den Platinelektroden bestimmt, und daraufhin die
Umrechnung auf Quecksilbereinheiten vorgenommen, so dass die erhaltenen
Zahlen angaben, um wieviel die untersuchten Flüssigkeiten mehr Widerstand
aufwiesen, als ein gleichgeformtes Stück Quecksilber. Auch in dieser Be-
ziehung ist die Abhandlung von grossem vorbildlichen Werthe.
22. Polarisationserscheinungen bei Wechselströmen. Die Be-
nutzung von Wechselströmen bei der Messung der elektrischen Leitfähigkeit
bot für F. Kohlrausch auch den Anlass, die elektromotorische Kraft zu
untersuchen, welche durch sehr kleine an den Elektroden ausgeschiedene
Mengen der Zersetzungsprodukte entsteht.1 Durch Becquerel2 war nach
einer allerdings etwas rohen Methode bereits wahrscheinlich gemacht worden,
dass bei kleinen Werthen der Polarisation diese den ausgeschiedenen Mengen
des polarisirenden Stoffes proportional ist. Der hier auftretende Faktor hat
aber ein bedeutendes Interesse, da er in engem Zusammenhange mit den
sogenannten molekularen Dimensionen der Stoffe steht, oder besser gesagt,
1 Pogg. Ann. 148, 143. 1873. " Comptes rendus 22/381. 1846.
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. QOQ
t Grenze der Schichtdicke erkennen lässt, bei welcher die Stoffe die Eigen-
laften zu verlieren beginnen, die sie in Masse besitzen.1
Um zu einer Kenntniss der vorhandenen Polarisation zu gelangen, ent-
ckelte Kohlrausch die Gleichungen des elektrischen Stromes, welcher in
tinellem Wechsel einen zwischen zwei Elektroden befindlichen Elektrolyt
rchsetzt, indem er auf die elektromotorische Gegenkraft der dabei ent-
senden Polarisation unter der Voraussetzung Rücksicht nahm, dass sie
r durchgegangenen Elektricitätsmenge und daher der Menge der abge-
hiedenen Stoffe proportional ist. Seine Versuche bestanden in der Messung
s Ausschlages des Elektrodynamometers, wenn in den Kreis einmal der
üssigkeitswiderstand, das andere Mal ein annähernd gleicher Metallwider-
md eingeschaltet war. Die Rechnung ergiebt, dass alsdann infolge der
>larisation der Ausschlag mit der Flüssigkeit nicht nur kleiner, sondern
ch unter bestimmten Umständen grösser sein kann, als mit dem polarisa-
»nsfreien Widerstände, und die Beobachtung bestätigte die Rechnung, und
mit auch die gemachten Voraussetzungen.
Das Zahlenergebniss war, dass die Polarisation von der elektromoto-
chen Kraft eines Daniell hervorgebracht wird durch Schichten von
xdooooooi 5 Milligramm Wasserstoff und 0,000000012 Milligramm Sauer-
>rT auf ein Quadratmillimeter. Die entsprechende Wassermenge würde eine
hicht von 0,000000001 35 cm bilden. Setzt man das annähernde Maxi-
jm der Polarisation auf 2,4 Daniell, so würde diese Wasserschicht rund
XX) 000 003 cm dick sein. Über die thatsächlich vorhandene Schichtdicke
ist sich natürlich nichts aussagen; vielmehr muss als wahrscheinlich ange-
immen werden, dass eine bestimmte Schichtdicke gar nicht anzugeben ist,
ndern ein zwar schneller, aber doch stetiger Übergang von der Elektrode
5 zum Elektrolyt stattfindet.
23. Ausbildung der Methode. Die weitere Entwicklung der Methode
r altemirenden Ströme ging dann in einzelnen Stufen vor sich. In einer
I74 erschienenen Arbeit, welche in erster Linie die eben erwähnten Er-
heinungen der Phasenverschiebung wechselnder Ströme unter der Einwirkung
ner elektrolytischen Zelle zum Gegenstande hat, beschreibt F. Kohlrausch2
1 Es ist eine allgemeine experimentelle Thatsache, dass die Eigenschaften der StofTe andere
:rden, wenn sie in sehr dünnen Schichten untersucht werden; was wir gewöhnlich die physi-
lischen Eigenschaften einer bestimmten Substanz nennen, hat seine Gültigkeit somit nur bis
einer bestimmten Grenze. Diese Grenze kann durch sehr verschiedene Methoden ermittelt
:rden, und zeigt sich in merkwürdiger Übereinstimmung ziemlich unabhängig von der Be-
laffenheit des Stoffes und der Natur der untersuchten Eigenschaft bei rund 1/10ooooooo cm
legen. Man hat diese Zahl mit der Grösse der Molekeln in Zusammenhang gebracht, und
)hl auch die Thatsache einer solchen Grenze als einen Beweis für die wirkliche Existenz der
olekeln angesehen. Thatsächlich handelt es sich, wenn man sich von allen Hypothesen frei
lten will, in allen diesen Fällen nur um den bereits erwähnten Umstand, dass die Eigen-
laften der Materie in Masse andere sind, als die in Schichten, welche dünner sind, als die
en angegebene Grenze.
* Pogg. Ann. Jubelband, 290. 1874.
9io
Sechzehntes Kapitel.
zwei Verbesserungen, von denen namentlich die zweite von bedeutende!
Wichtigkeit ist. Zunächst ersetzte er die früher als Motor bei der Er-
zeugung der Wechselströme benutzte Sirene durch ein Räderwerk, vermittek
dessen ein Magnet in einer Drahtspule gedreht werden konnte. Der Apparat
ist beistehend wiedergegeben; durch verschiedene Belastung des Anbiete
können sehr verschiedene Geschwindigkeiten hergestellt werden.
Fig. 231. Nach F. Kohlrausch.
Diese Vorrichtung ist nur in beschränktem Umfange im Gebrauch ge-
blieben, da in dem Induction sapparate bald ein viel einfacheres Mittel ge-
funden wurde, die erforderlichen Wechselströme herzustellen.
Der zweite Fortschritt bestand in der Herstellung geeigneter Elektroden.
Die Theorie zeigt, dass der Einfluss der Polarisation auf die Messung um so
geringer wird, je grösser unter gleichen Umständen die Elektroden sind
Bei gleichbleibender Plattengrösse kann man nun eine sehr bedeutende Ver-
grösserung der wirksamen Elektro den fläche erzielen, wenn man die Elektroden
platinirt. Das Platin pflegt sich nämlich bei der Elektrolyse nicht als :u-
sammenhängende metallische Schicht auszuscheiden, sondern in Gestalt eines
pulverigen, sammetschwarzen Niederschlages, welcher vermöge dieser Be-
schaffenheit eine unvergleichlich grössere wirksame Oberfläche hat, als eine
blanke Platte. Diese Verbesserung ist für die Entwickelung des Verfahrens
von grosser Bedeutung gewesen, da erst durch sie die Herstellung kleiner
und handlicher Apparate möglich geworden ist.
Das folgende Jahr bringt nun eine ausgedehnte Untersuchung der Leit-
fähigkeit einer bestimmten Klasse von Elektrolyten, der Chloride, welche
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten.
QU
Kohlrausch und Grotrian1 ausgeführt worden ist. Die benutzte Ver-
isanordnung ist durch die Fig. 232 wiedergeben, in welcher ab das Elek-
lynamometer, 5
Sinusinductor,
den elektrolyti-
len Widerstand,
den Rheostaten
i C einen Com-
rator darstellt; die
len mit 100 be-
chneten Stücke
l zwei Wider-
ide von 100 Ein-
Fig. 232. Nach F. Kohlrausch.
en, welche zwei Arme des WHEATSTONE'schen Brücke bilden.
Der eigentlichen Messung wurde eine sehr sorgfältige Untersuchung der
glichen Fehlerquellen des Verfahrens vorausgeschickt, welche dasselbe als
ig vertrauenerweckend kennzeichneten. Die Hauptfrage war, in welchem
isse es gelungen war, den Einfluss der Polarisation zu beseitigen. Dass
ier That bei Anwendung der platinirten Elektroden die hiervon veran-
ten Fehler unter den Werth der übrigen Versuchsfehler gebracht worden
en, ergab sich daraus, dass erstens der Widerstand einer gegebenen
ssigkeit sich unabhängig von der Umdrehungszahl des Sinusinductors
ies, und dass zweitens eine Zinkvitriollösung die gleichen Werthe ergab,
n sie einerseits zwischen unpolarisirbaren Zinkelektroden mit constantem
andererseits zwischen Platinelektroden mit Wechselstrom untersucht
de. Die beobachteten Zahlen sind, auf gleiche Temperatur reducirt,
,49, 537,41, 537,20. Es ist nicht leicht, irgend eine andere Eigenschaft
s flüssigen Stoffes nach ganz verschiedenen Methoden mit einer gleichen
auigkeit zu bestimmen. „Zugleich wird durch die letzte der drei Prü-
fen der nicht überflüssige Nachweis geführt, dass die Arbeit der Wechsel-
me (bei denen die Bestandtheile der Elektrolyte nur sehr kleine Pendel-
vingungen gegen einander ausführen) dem OHM'schen Gesetz für constante
•me folgt."
Zur Untersuchung gelangten die Chloride von Kalium, Natrium, Ammo-
n, Lithium, Calcium, Magnesium, Baryum, Strontium, sowie Salpetersäure;
benutzten Lösungen waren meist ziemlich concentrirt, die verdünntesten
lielten etwa 5 Procent. Aus der Betrachtung der erhaltenen Werthe,
:he auf runde Procentgehalte umgerechnet wurden, ergaben sich viele
eine Beziehungen, aber kaum durchgreifende Regelmässigkeiten. Am
5ten wird die Übereinstimmung hervorgehoben, welche sich in der Ver-
*rlichkeit der Leitfähigkeit mit der Temperatur bei den Chloriden zeigt.
ie merkwürdige quantitative Übereinstimmung des Temperatureinflusses
1 Pogg. Ann. 154, 1. 1875.
gi2 Sechzehntes Kapitel.
findet für die Chloride in verdünnter Lösung statt.
tigen Lösungen liegt der Coefncient für o° zwischen l/j
der Coefncient für i8° . . . zwischen '/« urK* Vir ^er
diesen Grössen ist allerdings viel grösser, als dass er
achtungen zurückgeführt werden könnte, aber doch ai
als bei sonstigen Naturgesetzen von nur angenäherter
Dui.oNoPErnJschen Gesetze für die specifischen Wärmen <
Was die Leitfähigkeiten selbst betrifft, so wird zur
meinsam ist allen diesen Curven ihr stetiger Verlauf; e
Leitungs Vermögens bei irgend einer Concentration fi
Übrigen aber begegnet man, sowohl was die absolute
Vermögens verschiedener Substanzen, als was die Geseta
das letztere bei einem und demselben Körper von dei
hängt, einer Mannigfaltigkeit, die wenigstens bei den (
muss." Während dies für die concentrirten Lösungen
die verdünnten einfachere Verhältnisse erwarten, unc
gleichbare Zahlen zu haben, ist auf den Grenzwerth t
das Verhältniss zwischen dem Leitvermögen und der
steigender Verdünnung annähert. Setzt man das L<
k = xp(i — Xp), wo p der Procentgehalt an Salz und
welche Formel das Verhälfniss beider ziemlich gut darstt
erhalten - - = x, welches diesen Grenzwerth, das „sp
mögen des Körpers in wässeriger Lösung" darstellt.
Die wichtigste Bemerkung, welche über diesen We
die folgende: „Sucht man nun nach einein Zusammen!
Leitungsvermögen x mit anderen physikalischen Eigen:
Körper, so bemerkt man leicht, dass x ungefähr die u
folgt, wie das chemische Äquivalentgewicht der was
kann Ax des specifische Lei tungsver mögen nach Aquü
o° stellen sich folgende Zahlen heraus:
BaCI, O.00102 NajCl, . .
SrCI, 0,00098 1 MgCI* • .
KjCt, 0,00125 1-ijCl, . .
CaCI, 0,00094 ' (NIV.Cl, .
Man sieht also, dass bei gleichen Mengen Chlor ir
tungsvermögen verdünnter Lösungen von derselben Ol
Dies Ergebniss hätte noch genauer dahin ausgesprc
dass die kleinen Unterschiede bei den vergleichbaren (
der zweiwerthigen Metalle parallel den Atomgewichten
Weiter findet sich eine Analogie zwischen der I
specifischen Gewicht der festen Salze.
Diesen Ergebnissen sieht man es nicht an, in w
die Verhältnisse der elektrischen Leitfähigkeit der l
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. qi?
strische Ausbeute gegeben haben. Wie es damals bei den Physikern all-
mein üblich war, ist auch hier das Leitvermögen auf Gewichtseinheiten
;r gelösten Stoffe bezogen worden, und die dem Chemiker so nahe liegende
Dehnung auf chemisch vergleichbare, d. h. äquivalente Mengen, deren Be-
itzung übrigens auch schon durch das FARADAY^sche Gesetz geboten war,
tt nur in der Gestalt einer abgeleiteten Function auf. Es hat auch in
:r Folge noch einige Zeit gedauert, bis diese natürlichere und angemes-
nere Ausdrucksweise für die hier betrachtete Eigenschaft in Aufnahme
^kommen ist
Es ist vielleicht nicht überflüssig, bei dieser Gelegenheit die Bemerkung
i machen, dass die in der Physik traditionell gebräuchliche Beziehung der
rrschiedenen Grössen auf Gewichts- oder Volumeinheiten, die Bestimmung
?r „speci fischen" Grössen, sich der Erkenntniss allgemeinerer Gesetzmässig-
iiten vielfach hindernd in den Weg gestellt hat. Fast ausnahmelos hat die
osse Umrechnung solcher Grössen (oder geeigneter Functionen derselben)
lf chemisch vergleichbare Mengen, Äquivalent- oder Molekulargewichte,
imittelbar zu der Erkenntniss einfacher Gesetzmässigkeiten gefuhrt. Unsere
tzige Kenntniss solcher Beziehungen lässt uns einsehen, dass die chemi-
:hen Verbindungsgewichte eine viel allgemeinere Norm, einen viel bestim-
menderen Faktor darstellen, als die Masse oder das ihr proportionale Gewicht,
i allen diesen Fällen hat die übliche Vernachlässigung des chemischen
esichtspunktes in nachweisbarem Maasse nicht nur den Fortschritt der
/issenschaft behindert, sondern auch den Ausdruck und das Verständniss
sr bekannten Beziehungen erschwert.
Einen weiteren Schritt in der Erkenntniss der möglichen Beziehungen
vischen der inneren Reibung und dem elektrischen Widerstände bei Elek-
olyten versuchte O. Grotrian zu thun,1 indem er den Temperatureinfluss
ii beiden Grössen in Vergleich setzte und eine grosse Ähnlichkeit der
iiden aussprach. Die Widerstände wurden nach der Methode der alter-
renden Ströme bestimmt, die Reibungen nach einer zuerst von Coulomb
igegebenen, mittelst einer in der Flüssigkeit schwingenden Scheibe. Zwar
ld solche Versuche viel schwieriger anzustellen und zu berechnen, als die
i der gleichen Grösse fuhrenden Messungen der Durchlaufszeit durch capil-
re Röhren, wie sie u. A. Wiedemann (S. 848) für diesen Zweck angewendet
itte. Es scheint jedoch, als wenn gerade der Umstand, dass ein ganz be-
nders grosser mathematischer Apparat angewendet worden war, um unter
ancherlei vereinfachenden Annahmen die Ergebnisse der Schwingungsver-
che auf die Reibungsconstante zu berechnen, die Vorstellung hervorgerufen
.t, dass die Ergebnisse von entsprechend grosser Genauigkeit gewesen seien,
es vorauszusetzen, ist unter solchen Umständen immer bedenklich, denn
verwickelter die Theorie eines Messapparates ist, um so weniger kann
an sicher sein, dass diese Theorie auch genügend ist; in dem vorliegenden
1 Pogg. Ann. 157, 130. 1876.
Ostwald, Elektrochemie. 58
qxa Sechzehntes Kapitel.
Falle hat sich in der That gezeigt, dass die verwickelte Theorie nicht «lr
Stande gewesen war, Fehler zu verhindern, welche nicht nur 20 bis ftlc
sondern in einigen Fällen sogar einige Hundert Procent betragen haben. iE1
In dem Falle, der uns hier beschäftigt, ist allerdings die Sache nicht »If
bedenklich. Denn die Fehler in den Zahlenwerthen der Reibungsconstante^lii
zu denen die Theorie Anlass giebt, sind systematische, d. h. solche, wekk«^
mit den Werthen der gesuchten Grössen zugleich regelmässig zu- und &|s
nehmen. In Fällen, wo es sich wie hier nur um den Vergleich nahestehe»
der Zahlen handelt, haben solche Fehler nur einen geringen Einfluss, wd
sie für naheliegende Werthe nahezu gleich gross sind, und sich dadurch am (c
den Differenzen, die hier in Frage kommen, wesentlich herausheben.
Die erwarteten Regelmässigkeiten in den Beziehungen zwischen den
Änderungen der elektrischen Leitfähigkeit und der „Fluidität" mit der Tem-
peratur stellten sich allerdings als viel gerinfiigiger heraus, als erwartet
worden war; eine allgemeine Ähnlichkeit liess sich allenfalls behaupten,
jedoch waren mancherlei charakteristische Erscheinungen, welche die eine
Grösse zeigte, bei der anderen nicht vorhanden, und umgekehrt. Auch giebt
sich Grotrian schliesslich im Anschlüsse an eine Bemerkung von G. Win»-
mann (Galv. I, 633) sachgemäss Rechenschaft hiervon: „Übrigens ist ohne
weiteres eine genaue Übereinstimmung der Temperaturcoefficienten für Flui-
dität und Leitungsvermögen nicht zu erwarten; denn bei ersterer handelt es
sich um die Reibung, welche die unzerlegten Flüssigkeitsmoleküle bei einer
gegenseitigen Verschiebung erleiden, bei letzterer kommt dagegen die Rei-
bung in Frage, welche die in entgegengesetzter Richtung an einander vorbei-
bewegten Ionen, also die Theile der Salzmoleküle zu überwinden haben.
Dass beide Arten der Reibung sich nicht in gleicher Weise mit der Tem-
peratur zu ändern brauchen, ist unschwer einzusehen."
In dem folgenden Jahre theilte Kohlrausch1 eine weitere Reihe von
Messungen der elektrischen Leitfähigkeit mit, welche insbesondere eine Anzahl
verschiedener Säuren behandeln. In der Einleitung finden sich einige ent-
schuldigende Bemerkungen darüber, dass er so viel Mühe auf die Messung
dieser Grössen verwendet habe, von denen sich kein entsprechender Nutzen
absehen lasse. „Aber wenn man zunächst nicht weiss, an welcher Seite eine
Erscheinung Gesetzmässigkeiten zeigen wird, so bleibt kaum ein anderer
Weg, als sie vollständig zu untersuchen."
In der Erörterung seiner Ergebnisse beschäftigt sich Kohlrausch zunächst
wieder ziemlich ausfuhrlich mit den Erscheinungen des Maximums der (spe-
eifischen) Leitfähigkeit, aus welcher Ergebnisse von Belang indessen bisher
nicht erlangt worden sind. Die Rechnungen werden wieder auf Procent-
gehalte der untersuchten Lösungen gefuhrt, und es wird ähnlich, wie bei
den Chloriden (S. 912) schliesslich aus einer Interpolationsformel die speeifische
Leitfähigkeit bei unendlicher Verdünnung berechnet. Aus diesen Zahlen
1 Pogg. Ann. 159, 233. i8;6.
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. g\c
hält dann Kohlrausch durch Multiplication mit den Äquivalentgewichten
ls „specifische Leitungsvermögen nach Äquivalenten". Die Zahlen sind:
0 = 0,0323, HBr = o,03io, HJ=o,03i9, HN03=o,0336, |(H2S04)= 0,0203,
H2CaO*) = o,075, |(H8P04) = 0,0021. „Man bemerkt, dass diese Grösse
r die vier einbasischen Säuren nahezu gleich ist, dagegen für die mehr-
isischen beträchtlich kleiner." Über diese letzteren Zahlen ist zu bemerken,
lss sie aus viel zu concentrirten Lösungen abgeleitet sind und nicht die
igenommene Bedeutung haben. Schwefelsäure, Oxalsäure und Phosphor-
ure ändern sämmtlich auch noch bei hohen Verdünnungen ihre Leitfähig-
it in so hohem Maasse, dass die benutzte Interpolationsformel ganz un-
:htige Resultate giebt.1
„Rechnet man den Gehalt der vier genannten einbasischen Säuren in
Dleculzahlen in gleichem Volumen um, so kommt man .... auf das merk-
irdige Resultat, dass wässerige Lösungen von HNO8, HCl, HBr und HJ
e letzteren beiden zunächst innerhalb der untersuchten Grenzen) bei glei-
er Moleculzahl in der Volumeinheit ein nahe gleiches Leitungsvermögen
ben. . . . Auf die Bedeutung dieser Thatsache für eine Mechanik der Elek-
►lyse werde ich im Zusammenhange mit anderen Beobachtungen zurück-
mmen.2 Einstweilen lässt sich, unter Zuhülfenahme nur des FARADAY*schen
setzes, der obige Satz auch so aussprechen: In wässerigen Lösungen von
sicher Molekülzahl HNO3, HCl (HBr oder HJ) werden die Bestandteile
rch gleich grosse Scheidungskräfte mit nahe gleicher wechselseitiger Ge-
iwindigkeit an einander vorbeibewegt."
Eine weitere wichtige Erörterung widmet Kohlrausch dem Verhältniss
ischen elektrischer Leitfähigkeit und chemischer Zusammensetzung:
„Im § 8 wurde nachgewiesen, dass in dem Leitungsvermögen der wäs-
igen Schwefelsäure für das Mischungsverhältniss, in welchem die beiden
rper zu der chemischen Verbindung H^ + H2S04 zusammentreten, ein
limum vorhanden ist.
„Ferner hat sich gezeigt, dass das äusserst geringe Leitungsvermögen
• gesättigten H2S04 verbessert wird durch Zusatz sowohl von Wasser, wie
1 Schwefelsäureanhydrid.
„Ich glaube, dass diese beiden Thatsachen auf denselben Grund zurück-
nmen, wie die dritte, dass zwei Nichtleiter, nämlich Wasser und Essigsäure
: einander gemischt einen Leiter geben.
„Nach dem unerwarteten Auffinden des erstgenannten Minimums der
iwefelsäure habe ich die anderen beiden Erscheinungen erwartet, und da
se Ansicht sich bestätigt hat, so will ich die Erwägungen, welche sich mir
r aufdrängten, kurz mittheilen.
1 Der Missgriff wäre nicht begangen worden, wenn die „äquivalente Leitfähigkeit" an den
littelbar erhaltenen Beobachtungszahlen für die verschiedenen Verdünnungen berechnet worden
e, anstatt an dem Ergebniss der Extrapolation der specifischen Leitfähigkeiten. Bei den
jren Zahlen tritt das Gesetz der Zunahme mit der Verdünnung viel deutlicher hervor.
* Nachr. v. d. K. Ges. der Wiss. z. Göttingen, 1876, 213.
58*
gi5 Sechzehntes Kapitel.
„Wir kennen nicht eine einzige Flüssigkeit, welche in gewöhnfidw
Temperatur für sich ein gut leitender Elektrolyt wäre. Als Beispiele nidt
leitender einfacher Verbindungen mögen Wasser, schweflige Säure, Kohlen-
säure, Essigsaure, geschmolzene Borsäure, Chromsäure, wasserfreie Schwett!
säure, Chromoxychlorid, Schwefelkohlenstoff, Chlorschwefel, Chlorzinn dienen ]
An Alkohol, Äther, fette und ätherische Ole brauche ich kaum zu erinnern...!
„In gewöhnlicher Temperatur kann man nur wenige in wässeriger I>l
sung gut leitende Körper bis zu vollständiger Concentration verfolgen. Aber
von denjenigen, die man wenigstens bis zu bedeutender Concentration ver-
folgen kann, weiss man, dass sie ein Maximum des Leitungsvermögens für
ein bestimmtes Mischungsverhältniss mit Wasser besitzen, von wo ab eine
weitere Verstärkung der Lösung die Leitung verringert.
„Dabei neigt sich der Gang der Curven überall schliesslich für den
Punkt vollkommener Sättigung dem Nullpunkt zu. Ich vermuthe, dass
flüssiges HCl und HNO3 ein sehr geringes Leitungsvermögen besitzen, ja
vielleicht Nichtleiter sind. An der bis 87 Proc. verfolgten wässerigen Lösimg
der Phosphorsäure ist die Endrichtung der Curve nach dem Nullpunkte iu
auffallend. Ähnliches findet man bei dem leichtlöslichen essigsauren Kall
Atznatron -Lösung hat in der stärksten von mir untersuchten Lösung nur
etwa den vierten Theil ihres Maximal-Leitungsvermögens; noch weiter ver-
hältnissmässig geht das wässerige Ammoniak herunter. Auch bei Chlor-
magnesium kommt man in gesättigter Lösung bereits auf die Hälfte des
Maximums.
„Wenn man hiernach nur Gemische mehrerer Flüssigkeiten kennt, welche
(in gewöhnlicher Temperatur) gut leiten, so liegt die Vermuthung nahe, dass
die Elektrolyte erst durch die Vermischung gut leitend werden. (Hieraus
würde sofort folgen, dass im Allgemeinen bei bestimmten Lösungsverhält-
nissen Maxima des Leitungsvermögens eintreten müssen). . . . Eine Ursache
für den günstigen Einfluss des Lösungsmittels ergiebt sich leicht durch fol-
gende Erwägungen:
„Die Moleküle werden durch die elektrischen Kräfte zerrissen. Man
sagt nun zwar, x und natürlich mit vollem Recht, dass die zu dieser Zer-
reissung verbrauchte Arbeit wieder gewonnen wird, sobald zwei wandernde
Theilmoleküle zusammentreffen und ein neues Gesammtmolekül bilden. Aber
dieser Gewinnst ist doch wohl nicht so zu verstehen, dass das neu gebildete
Molekül um den vollen Betrag der auf die frühere Trennung verwendeten
Arbeit leichter elektrolytisch zerreissbar wäre. Die Wirkung der vorher aul
die Ionen verwandten Stromarbeit wird sich darin äussern, dass das neu
gebildete Molekül mit grösserer lebendiger Kraft seiner inneren Bewegung
versehen ist, mit anderen Worten, dass es eine höhere Temperatur besitzt,
als die vorher getrennten Moleküle. Freilich ist es schon hierdurch leichter
1 „Vgl. z. B. Hittorf, Pogg. Ann. 103, 52. 1858; Quincke, ebenda 144, 6. 1871
WiEDEMANN, Galvanismus (2) I, 631."
Die Leitung der Elektricitat in den Elektrolyten. Q17
Teissbar geworden, wie wir aus der Lockerung des chemischen Zusammen-
nges durch die Wärme wissen, und auch aus der Zunahme des elektri-
len Leitungsvermögens mit der Temperatur vermuthen können. Allein
ss kommt hier gar nicht in Betracht.
„Denn wenq wir Leitungsvermögen messen, so thun wir dies bei einer
stimmten Temperatur und entziehen zu diesem Zwecke beständig die
rch den Strom gebildete Wärme, d. h. die eben genannte Lockerung des
emischen Zusammenhanges, ehe wir weiter elektrolysiren. Oder auch,
iem wir die Entziehung nicht momentan und vollständig ausführen können,
sagen wir, der Elektrolyt ist, weil er durch den Strom erwärmt
Drden ist, besser leitend geworden, und müssen diesen Einfluss aus dem
jsultat eliminiren.
„Also es wird, ohne dass die Theilchen der Moleküle dauernd in Frei-
it gesetzt werden (welche Wirkung nicht zum Leitungswiderstand, sondern
r Polarisation der Elektroden gehört), bei der Trennung und Wiederver-
ligung auch eine gewisse Menge elektrischer Arbeit in Wärme verwandelt,
lche Menge mit der chemischen Verwandtschaft zusammenhängt; und die
ere, fast verlassene Anschauung des Leitungswiderstandes als einer Äusse-
ig der chemischen Kräfte1 scheint doch nicht immer ganz grundlos ge-
sen zu sein. Freilich darf sie nicht allgemein angewandt werden, und
1 wenigsten darf man den Leitungswiderstand einfach mit dem chemischen
sammenhang der Moleküle gleich setzen.
„Ist das Vorige richtig, so müssen wir also, wenn wir eine gute Leitung
ben wollen, die wandernden Bestandteile vor dem häufigen Zusammen-
flfen schützen, und diesen Dienst verrichtet eben das Lösungsmittel, welches
1 Ionen die Möglichkeit giebt, einen Theil ihres Weges — und zwar einen
1 so grösseren Bruchtheil, je mehr Lösungsmittel vorhanden ist — ohne
ubildung von Molekülen zurücklegen.
„Es ist, wie man sieht, der so beschriebene Vorgang nichts anderes,
eine Umschreibung des kürzeren Ausdruckes; die Reibung der elektro-
isch wandernden Moleküle an einander ist grösser, als an den Theilen
1er fremden Flüssigkeit. Hieraus würde dann ohne weiteres folgen, dass
5 Leitungsvermögen mit der Menge des gelösten Elektrolyten nicht pro-
rtional, sondern verzögert wächst, was bei allen mir bekannten Lösungen
r Fall ist."
Schliesslich weist Kohlrausch auf die grosse Ähnlichkeit hin, welche
ischen dem Gange des Widerstandes und der Erstarrungstemperatur der
1 „In einer eben veröffentlichten Arbeit Züllner's „Über die Beziehungen zwischen hydro-
lamischen und elektrodynamischen Erscheinungen" (I^cipz. Ber. 1876, Febr. 12.) finde ich
: langer Zeit zum ersten Male wieder, und zwar mit Hinweisung auf die von mir geäusserte
inung, dass chemische Verbindungen an sich immer schlecht leiten (München. Sitzungsbcr.
75, 304.) die Behauptung ausgesprochen, dass der elektrische Leitungswiderstand mit di»r
seit beim Zerreissen eines Moleküles zusammenhängt, jedoch ohne weitere Ausführung des
^enstandes."
gi3 Sechzehntes Kapitel.
Schwefelsäuren und Essigsäuren besteht. „Einem hochgelegenen Erstarrungs-
punkt entspricht ohne Ausnahme ein hoher Widerstand. . . . Die Schwefel-
säure zeigt noch weitergehende Analogieen. Die Erstarrungstemperatur er-
reicht Maxima ... für dieselben Mischungsverhältnisse, bei denen auch der
Widerstand Maxima zeigt. Auch das zweite Minimum der Erstarrungstem-
peratur, welches von Pfaundler und Schnegg auf den Gehalt 93,4 Procent
gelegt wird, fällt nicht weit von dem zweiten Minimum des Leitungswider-
standes. Die ersten Minima liegen weiter auseinander. ... Es ist von vorn-
herein klar, wie die Neigung, fest zu werden, mit dem grösseren Reibungs-
widerstand der Bestandtheile bei ihrer elektrolytischen Wanderung in einem
inneren Zusammenhange stehen kann."
Diese Darlegungen sind interessant wegen der Schwierigkeiten, welche
sich sichtlich überall herausstellen, wo man die älteren Ansichten über den
festen Zusammenhang der Bestandtheile der Elektrolyte mit den Thatsachen
der elektrolytischen Leitung in Einklang zu bringen versucht.
24. Die unabhängige Wanderung der Ionen. Den erheblichsten
theoretischen Fortschritt in der Auffassung der Erscheinungen der elektrischen
Leitfähigkeit machte Fr. Kohlrausch in einer Arbeit, welche am 17. Mai
1876 der Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften vorgelegt wude.1
„Ich erlaube mir, als einen Nachtrag zu einer früheren Mittheilung einige
Bemerkungen zur Mechanik der Elektrolyse vorzulegen. In dem genannten
Aufsatze habe ich zusammen mit Hrn. Grotrian nachgewiesen, dass wäs-
serige verdünnte Lösungen der Chloride von den sämmtlichen Alkalien und
alkalischen Erden ein nicht sehr verschiedenes Leitungsvermögen besitzen,
wenn eine gleiche Anzahl von Äquivalenten gelöst wird.
„Hält man die noch bleibenden Unterschiede mit den Überfuhrungs-
zahlen der wandernden Bestandtheile zusammen, wie sie von Wiedemann,
Weiske und vor allem von Hittorf in dessen klassischer Arbeit über die
„Wanderungen der Ionen während der Elektrolyse" festgestellt worden sind,
so bemerkt man alsbald einen offenbaren Zusammenhang zwischen den
beiden Grössen. Bei weiterer Verfolgung des Gegenstandes wird man dann
zu einer durch ihre Einfachheit ausgezeichneten Annahme über das Wesen
des elektrischen Leitungs Widerstandes verdünnter Lösungen geführt, welche
ich hier an früheren, sowie an einigen seitdem von mir beobachteten Bei-
spielen entwickeln will.
„Dem reinen Wasser kommt ein merkliches Leitungsvermögen nicht zu,
und deswegen ist es am natürlichsten, die Stromleitung in der wässerigen
Lösung eines Körpers so anzusehen, dass nicht das Wasser, sondern die
gelösten Theile den Strom leiten. Diese Auffassung dürften jetzt die meisten
Physiker theilen. Hiernach dient das Wasser nur als das Mittel, in welchem
die elektrischen Verschiebungen vor sich gehen, und elektrischer Leitungs-
1 Göttinger Nachrichten 1876, 213.
j
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. gjg
ierstand der Lösung würde der Reibungswiderstand sein, welchen die
ndernden Elemente des Salzes u. s. w. an den Theilchen des Wassers und
ch aneinander finden.
„Ist nun die Lösung sehr verdünnt, so wird diese Reibung vorwiegend
den Wassertheilchen stattfinden. Darnach wird man weiter zu schliessen
rsucht sein — und dies ist ein Schluss, der meines Wissens bisher noch
:ht gezogen worden ist — dass jedem elektrochemischen Elemente (z. B.
m Wasserstoff, Chlor oder auch einem Radicale, wie NO8) als solchem
1 bestimmter Widerstand in verdünnter wässeriger Lösung zukommt, gleich-
*1, aus welcher Verbindung es elektrolysirt wird. Da wir aber von dem
esen einer Lösung wenig wissen, so ist klar, dass eine solche Annahme
ir durch erfahrungsmässige Belege eine Berechtigung gewinnt.
„Ich denke nun für eine grosse Gruppe von Körpern, nämlich für
mmtliche auf ihr Leitungsvermögen untersuchten einbasischen Säuren und
re Salze den Nachweis fuhren zu können, dass die Thatsachen dem obigen
itze sehr nahe entsprechen.
„Stellen wir uns zu diesem Zwecke verdünnte Lösungen vor, welche in
»ichem Räume eine gleiche Anzahl elektrolytischer Moleküle enthalten. Ich
?rde solche Lösungen als elektrochemisch gleichwerthig bezeichnen. Als
»ktrolytisches Molekül wird selbstverständlich nicht immer das von der
lemie jetzt angenommene Molekül angesehen, sondern derjenige Bruchtheil
s letzteren, der durch die gleiche Strommenge zersetzt wird, wie ein Molekül
s zwei chemisch einwerthigen Bestandtheilen.
„Jede Lösung bilde eine Säule von dem Querschnitt Eins, und werde
>n der elektrischen Scheidungskraft (dem Potential-Gefälle) Eins angegriffen,
enn alsdann die Ionen die entgegengesetzten Geschwindigkeiten u0 und u
rsitzen, so ist nach dem FARADAY*schen Gesetze, nach welchem jeder wan-
;rnde Molekül-Theil eine von seiner Natur unabhängige Elektricitätsmenge
it sich fuhrt, die Stromstärke proportional mit u0 + u (und mit der Anzahl
ir in der Längeneinheit der Säule enthaltenen Moleküle, welche ja aber in
len Lösungen gleich sein soll).
„Andererseits ist bekanntlich die Stromstärke im Querschnitt Eins bei
;r elektrischen Spannungskraft Eins nichts anderes, als was man das Lei-
ngsvermögen / der Lösung nennt, welches demnach mit u0 + u proportional
in muss.
„Das Verhältniss der Geschwindigkeiten u0 und u ist von Hittorf für
tie grosse Anzahl von Verbindungen bestimmt worden. Wir nennen mit
ittorf n = - — ^— - die Überfuhrungszahl des Bestand theiles, welcher die
(«o + *)
eschwindigkeit u0 besitzt.
„Es seien nun zwei elektrochemisch gleichwerthige Lösungen zweier
erbindungen I und II gegeben, welche einen gemeinsamen Bestandteil
iben, z. B. denjenigen, welchem die Geschwindigkeit u zukommt, wäh-
nd der andere Bestandtheil bez. u und u" haben möge. Die Leitungs-
">t-'jUL*^m^i JSJCttK-
920
vermögen der I»sungcn mcgen bex. / raid /" i>*>wr.ri Das räd nk
'/bigem;
/ *
„Unsere Hypothese verlangt also, dass die I x:r unga-imargg eja2<
chemisch gleichwerthiger Lesungen zweier EfcktroJyte. vekäie einen Bea
theil gemeinsam haben, sich umgekehrt verhaken, wöe die Über3äbr=ngaaH
des gleichen Bestandteiles;
'>der auch, dass das Product aus dem Lerömgsverinrigcn der Loso
und der Cberfuhrungszahl des gemeinsamen Bestandtheijes asf beüa Sä
gleich sei,
„Diese Folgerung bestätigt sich nun an der folgenden Zgsa-nrreagcH
sammtlichen mir vorliegenden Materiales aus Elektrolyten mit embaszsd
Sauren:
KCl 977 0,510
KNO» 927 0,459
KHr
1044
o,5 '4
KJ
1048
0,50
NaCl
<)77
0,410
',
«t
*»
NaCl
807
0.63
1.21
* • *
XH*a
949
0.51
1.03
1.00
CaJCl
742
0.68
1.32
Mg ; Cl
712
0.69
i-sr
• * •
*0?
BaJCl
800
0.62
1.22
1 "
SrlCl
777
0.65
1.26
HCl
3230
0,161
a3©2
0.516
AgXO»
810
<>o3
1.14
1.07
HNO3
33*0
0.142
0.275
0,2*;
HBr
3100
0,178
0.329
0.340
HJ
3100
0,258
0.328
0.510
KBr
1044
0,468
o,94
aoQ
KJ
1048
0,50
o.93
1.02
KNO»
927
o*5<>5
1,05
1.03
KCIO»
843
o,55
1,16
1.12
KAc
699
0,676
1,40
1.38.
„In der ganzen Zusammenstellung findet sich nur eine bedeuti
Differenz zwischen den Verhältnissen von n und /, nämlich bei HJ. Gc
hier ist aber schon aus dem Gange der Überfuhrungszahlen, weche Hrr
angiebt, wahrscheinlich, dass n für Jod zu gross gefunden worden ist
nur eine Beobachtung zu Grunde liegt, und da bei den Säuren nicht,
bei den Salzen, Gegenversuche an beiden Elektroden angestellt wc
können, so ist ein solcher Irrthum leicht möglich.
„Die Annahme von der unabhängigen Beweglichkeit der Ionen
sich zweitens durch die Uberführungszahlen allein prüfen, und hierc
auch an Körpern, deren Leitungsfähigkeit noch nicht bekannt ist, besta
oder widerlegen. Man sieht nämlich leicht ein, dass zwischen den (
ftihrungszahlen der vier Verbindungen, welche aus zwei Paaren elc
chemischer Atome AA' und B B' gebildet werden können, die folg
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 02 i
iehung bestehen muss. Es mögen zu den Elektrolyten AB, AB', A' B,
B' die Uberführungszahlen tnlnl, m2n2, w3n9, m4n4 gehören, wo m
ner zu A, n zu B gehört und natürlich stets m + n = / ist.
„Dann verlangt unsere Annahme offenbar, däss:
fit * Äff j ftl* Wj
— . — — ^_ ^^S ^— — — •
„In den folgenden sechs Beispielen aus Hittorf's Bestimmungen, mit
iehung der Zahlen für HNO8 nach Wiedemann, dürften die Abweichungen
der verlangten Beziehung kaum mehr betragen, als die Unsicherheit der
bachtung erwarten lässt:
A
A'
B
B'
n
n
n
n
ttt* fn*
»1«4
K
Na
Cl
NO8
0,51
0,495
0,63
0,614
0,60
0,60
Na
Ba
;ci
NO8
0,63
0,614
0,616
0,61
0,38
o,39
H
Ca
Cl
NO8
0,161
0,142
0,68
0,62
3,18
2,84
K
Na
Cl
J
0,51
0,50
0,63
0,62
0,59
0,59
K
Na
Cl
Ac
0,51
0,324
0,63
0,443
1,21
1,23
K
Ag
Cl
NO8
0,324
0,495
0,627
0,626
1,88
1,72.
„Ich bin nach diesen beiden an der Erfahrung geprüften Folgerungen
Ansicht, dass der hier aufgestellte Satz eine grosse Wahrscheinlichkeit
tzt, das heisst, dass wir von der Beweglichkeit eines elektrolytischen
tandtheiles im Wasser sprechen dürfen. Hiernach stelle ich einstweilen
ende Zahlen für diese Beweglichkeiten auf, die des Wasserstoffs gleich
5 gesetzt:
Br Cl J K NH NO* Ag CIO8 Ba Na Ca Sr Mg Ac
o, 1 9 o, 1 9 o, 1 8 o, 1 8 o, 1 7 o, 1 5 o, 1 5 o, 1 5 o, 1 2 o, 1 1 0,10 0,10 0,09 0,09.
„Die Beweglichkeit des Wasserstoffs übertrifft also die der anderen
nente um das 5- bis 8-fache, und es lässt sich wohl mit Sicherheit be-
3ten, dass das gute Leitvermögen der Säuren eben daher rührt, dass
Wasserstoff ihr einer wandernder Bestandtheil ist. Vielleicht trifft diese
lerkung auch die gute Leitung in den gelösten Ätzalkalien.1
„Die obigen Zahlen geben nun auch die Möglichkeit, das Leitungsver-
;en einer verdünnten Lösung eines Elektrolyts zu berechnen, dessen Be-
dtheile die Beweglichkeiten u und u besitzen. Enthält ein Gewichtstheil
Lösung / Gewichtstheile des Elektrolyts, bedeutet A sein elektrochemi-
s Molekulargewicht, so ist das auf Quecksilber bezogene Leitungs vermögen
»r Lösung nahezu gegeben durch:
, (u + u')p
k = 0,027 -A— Z- •
Faktor von / stellt also das specifische Leitungsvermögen vor.
„Endlich lässt sich noch, ähnlich, wie das von W. Weber und R. Kohl-
ch zuerst für das Wasser gezeigt worden ist, freilich unter anderen
1 Die letzte Vermuthung hat sich in dieser Gestalt nicht als richtig erwiesen; die gute
ag der Ätzalkalien rührt daher, class das in ihnen enthaltene Hydroxyl OH ein schnell
;rndes Ion, nächst dem Wasserstoff das schnellste, ist
Q22 Sechzehntes Kapitel.
elektrolytischen Voraussetzungen, welche den unserigen nicht entsprechen,
die treibende Kraft, welche zu einer bestimmten Geschwindigkeit eines der
obigen Bestandtheile gehört, in mechanischem Maasse ausdrücken. Durch
Einfuhrung des absoluten Widerstandes des Quecksilbers und des elektro-
chemischen Äquivalents erhält man z. B. für Wasserstoff die Geschwindigkeit
2,9 mm/io12 sec als diejenige, welche zu der elektrischen Scheidungskraft
Eins in absolutem magnetischen Maasse gehört (Millimeter, Milligramm und
Sekunde als Grundeinheiten). Hieraus folgt, dass, wenn auf eine Säule von
verdünnter HCl (oder HBr, HNO3 u. s. w.) von a mm Länge eine elektro-
motorische Kraft von a Daniell wirkt, der Wasserstoff mit einer Geschwind^-
keit von 0,33 mm /sec verschoben wird. Durch Multiplication dieser Zahlen
mit u entsteht die Geschwindigkeit eines anderen Ions unter gleichen Ver-
hältnissen.
„Rechnet man die elektromotorische Kraft in mechanische Maasse um,
indem man annimmt, dass der Wasserstoff durch die Kraft bewegt wird,
welche auf die mit ihm wandernde Elektricitätsmenge von der elektromoto»
tischen Kraft ausgeübt wird, so findet sich, dass um den Wasserstoff ml
einer Geschwindigkeit von 1 mm /sec elektrolytisch durch Wasser hinduri
zu pressen, auf jedes Milligramm Wasserstoff eine Kraft gleich dem Gewichte
von 33000 kg wirken muss.1 Dividirt man mit dem Product aus dem elek-
trochemischen Molekulargewicht und der Zahl u eines anderen Bestandteiles
in 33000, so erhält man die für diesen geltende Zahl.
„Wie weit die hier entwickelten Gesetze sich verallgemeinern lasse*,]
oder auf gewisse Gruppen von Stoffen beschränkt bleiben, wie weit sie ferner
genau, oder nur angenähert gelten, dies kann nur durch weitere ExperH
mentaluntersuchungen entschieden werden. Jedenfalls muss ich hier seh«
erwähnen, dass von den auf ihr Leitungsvermögen untersuchten Körpöij
einer ganz ausserhalb der obigen Beziehungen steht, nämlich die
sobald man nach Analogie mit den essigsauren Salzen annimmt, dass Wa
stoff das eine Ion bildet. Danach müsste nämlich die Essigsäure ein
guter Leiter sein, während sie in Wirklichkeit auch in wässeriger
unter den hier angeführten Körpern nicht einmal den schlechtest leit
nahe kommt. Es dürfte aus diesem ganz abnormen Verhalten zu fo
sein, dass bei der Essigsäure andere Bedingungen vorliegen, als bei
anderen Säuren oder auch bei den essigsauren Salzen, sei es in Betreff
chemischen Constitution oder der Art ihrer Lösung in Wasser. Es
wenn auch nicht zu den Beispielen dieser Mittheilung gehörig, ein
ähnlicher Fall in der wässerigen Ammoniaklösung vor. Da nämlich
seits die Ammoniaksalze vorzüglich gut leiten, und andererseits die Ät
Kali und Natron weit besser, als ihre Salze, so erwartete ich, dass
besonders gut das wässerige Ammoniak leiten würde. Aber statt de«
1 „Diese Zahlen beruhen lediglich auf den Leitungswiderständen, haben also nkÜ*
der Überwindung der chemischen Affinitätskräfte zu thün, welche sich in der Polarisati*
Elektroden aussprer1
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 923
erhält sich diese Substanz wie die Essigsäure als ein so schlechter Leiter,
ass sie offenbar einer ganz anderen Gattung von Körpern angehört. Diese
Tatsache giebt der Meinung einiger Chemiker, dass dass wässerige Ammo-
iak keine den Atzalkalien ähnliche Verbindung NH*OH enthalte, sondern
lass sie eine blosse Auflösung von NH3 sei, eine Stütze.1
„Die weitere Behandlung derartiger Fälle spare ich mir auf, sowie ich
iber die von mir beobachteten mehrbasischen Säuren und ihre Salze einst-
weilen nur bemerke, dass ihr Leitungsvermögen, aus den obigen Überfuhrungs-
ahlen der Bestandteile berechnet, zu gross ausfällt.
„Zum Schluss möchte ich noch auf einen Vergleichspunkt zwischen
ien Leitungsvermögen und den Überfuhrungszahlen gelöster Elektrolyte hin-
weisen, auf welchen Hr. Hittorf selbst mich freundlichst aufmerksam ge-
dacht hat.
„Die meisten untersuchten Elektrolyte weisen nämlich eine mit steigen-
ler Concentration abnehmende Überfuhrungszahl des Kation auf. Einige
•ewahren aber auch in stärkerer Lösung nahe dasselbe Verhältniss der Über-
ihrung, wie in verdünnter. Es sind dies mehr oder weniger die Kalisalze
nd demnächst das einzige untersuchte Ammoniaksalz, das Chlorammonium.
„Nun zeigt auch das Leitungsvermögen der letztgenannten Körper eine
tinliche Übereinstimmung und einen Gegensatz gegen die übrigen. Bei
en meisten Elektrolyten nimmt das Verhältniss des Leitungsvermögens zum
rocentgehalt der Lösung stetig und beträchtlich ab; häufig ja so stark, dass
ie bekannte Erscheinung des Maximums auftritt. Gerade bei den Kali- und
Linmoniaksalzen aber ist dies Verhältniss viel constanter.
„Aus diesem, wie gesagt, von Hrn. Hittorf bemerkten Zusammenhange
rürde das interessante Resultat sich ergeben, dass die Bewegungshindernisse,
reiche in dichterer Lösung auftreten, im Allgemeinen mehr das Kation, als
as Anion treffen. Doch fuge ich gleich hinzu, dass auch dem letzteren
ine verminderte Beweglichkeit zugeschrieben werden muss, um die beob-
chteten Leitungsvermögen stärkerer Lösungen zu erklären."
Die vorstehenden Darlegungen sind für die Kenntniss der elektrolytischen
-eitfähigkeit von grösster Bedeutung geworden, denn die Zukunft hat gezeigt,
lass die hier versuchte Betrachtungsweise sich allgemein durchfuhren lässt
lnd somit eine sachgemässe Darstellung der thatsächlichen Verhältnisse er-
möglicht. Gleichzeitig hat der Gedanke von der unabhängigen Wanderung
k* Ionen in wirksamster Weise den Gedanken von der unabhängigen
-*istenz der Ionen schon vor der Elektrolyse vorbereitet. Die hier aus-
bildete Anschauung verlangt, dass z. B. das Kaliumion des Chlorkaliums
^ grössten Theil seines Weges (einen um so grösseren, je verdünnter die
■^Ung ist) in unverbundenem Zustande zurücklegt, bis es wieder auf ein
*lorion trifft, und das thatsächlich vorhandene Gesetz, dass die Bewegungen
1 Alle diese Widersprüche haben durch die Theorie der elektrolytischen Dissociation Auf-
^Oiig erfahren, worüber weiter unten Auskunft gegeben werden wird.
Q24 Sechzehntes Kapitel.
des einen Ions durch die Natur des anderen nicht messbar bestimmt werden,
beweist, dass die Zeit, während welcher die Bewegungen des einen Ions von
dem entgegengesetzten beeinflusst sind, verschwindend klein gegen die Zeit
ist, während welcher solche Einflüsse nicht stattfinden. Von dieser Erkennt-
niss bis zu der, dass die Ionen thatsächlich frei sind, auch wenn keine" elek-
trolytische Bewegung an ihnen stattfindet, ist nur ein kleiner Schritt; aller-
dings ist dieser erst später gemacht worden.
Kohlrausch's Theorie von der unabhängigen Wanderung der Ionen
bildet in der der Lehre von der elektrolytischen Leitfähigkeit den Übergang
von den älteren Anschauungen und Kenntnissen zu den neueren. Wie in
allen anderen Gebieten der Elektrochemie hat auch in diesem die alsbald
zu erörternde Theorie der freien Ionen von Arrheniüs entscheidend gewirkt,
indem sie das Vorhandene zusammenfasste und eine Fülle neuer Aussichten
eröffnete. Dadurch ist das Verständniss der weiteren Entwicklung des Ge-
bietes von der Kenntniss dieser Theorie abhängig und sie kann nur im An-
schluss an diese dargestellt werden.
An dieser Stelle soll daher nur noch über die technische Ausgestaltung
der Methode der Leitfahigkeitsbestimmungen einiges bemerkt werden. In '
ihrer älteren Gestalt war sie von der Benutzung des Sinusinductors (S. 910
und des Elektrodynamometers, zweier Apparate, die nicht überall vorhanden
sind, abhängig. In einer 1879 veröffentlichten ausführlichen Arbeit von
Fr. Kohlrausch 1 wurde zunächst der Sinusinductor durch den gewöhnlichen
Inductionsapparat ersetzt. Dieser liefert zwar Wechselströme, die an Elek-
tricitätsmenge gleich sind; im Verlauf der Stromstärke sind aber die Offnungs-
ströme von den Schliessungsströmen sehr verschieden, und es war von
vornherein nicht abzusehen, ob nicht diese Verschiedenheit einen Fehler
in den Messungen bedingen würde. Vergleichende Versuche nach verschie-
denen Methoden ergaben indessen, dass solche Fehler nicht auftraten; da-
durch war, da ein Inductionsapparat in jedem Laboratorium zu finden ist,
eine bedeutende Erleichterung des Verfahrens erreicht.
Die in der Anwendung des Telephons an Stelle des Dynamometers
liegende noch erheblichere Vereinfachung beschrieb Kohlrausch 1880.*
25. Schluss. Gleichzeitig einen Rück- wie einen Vorblick enthält eine
1878 geschriebene Arbeit Hittorf's, und wir können unser Kapitel nicht
angemessener schliessen, als durch die Wiedergabe seiner Erörterungen.
Hittorf hatte3 noch einmal Gelegenheit genommen, seine allgemeinen An-
schauungen zu erörtern, nachdem sein Satz „Elektrolyte sind Salze" von
Bleekrode bei Gelegenheit von Untersuchungen über die Leitfähigkeit ver-
schiedener organischer Verbindungen angegriffen worden war. Er beginnt
mit seiner lesenswerthen Darlegung der geschichtlichen Entwickelung der
1 WiED. Ann. 6, I. 1879.
* Verh. d. phys. u. med. Ges. zu Würzburg, 21. Febr. 1880; auch WiED. Ann. Vi
653. 1880.
8 Wied. Ann. 4, 374. 1878.
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. Q2$
Ansichten über die Elektrolyse; bei der Schilderung des Gegensatzes zwischen
Berzelius und Farad ay bemerkt er: „Berzelius war, indem er sowohl das
elektrolytische Gesetz, wie die übrigen Resultate Faraday's verwarf, ganz
consequent; denn beide stehen im vollen Widerspruch mit der Auffassung,
welche am Ende des vorigen Jahrhunderts über das Wesen der chemischen
Verbindung durch die Erfolge des NEWTON'schen Gesetzes in der Astronomie
und durch den Einfluss von Laplace auf Lavoisier und Berthollet sich
gebildet hatte, und welche von dem schwedischen Forscher ohne prinzipielle
Änderung seinem Systeme zu Grunde gelegt worden war. . . . Wie con-
trastiren mit der Thatsache, dass bei der Elektrolyse einer verdünnten Chlor-
kaliumlösung nur das Salz, dagegen kein Wasser zersetzt wird, die theore-
tischen Vorstellungen von Berzelius und die noch immer herrschenden
Ideen der Chemie! C1K und S04K sind Verbindungen, deren Bestandtheile
bezüglich der Grösse der sogenannten Verwandtschaft, mit welcher sie an
einander gebunden sein sollen, von keiner anderen übertroffen werden. Und
dennoch sucht sich dieselben der elektrische Strom für seine Fortpflanzung
aus, wenn sie nur in winzigen Mengen neben grossen Quantitäten von
Wasser vorkommen. Er muss sie zu dem Ende in ihre Bestandtheile Cl
und K oder SO4 und K zerlegen und diese Ionen zwischen den unverändert
bleibenden Molekülen Wasser bewegen. Ihre relativen Geschwindigkeiten
erscheinen unabhängig von der Zahl der Wassermoleküle, zwischen denen
sie gesondert vorbeigehen. Und doch zersetzt das Kalium, welches hier als
Ion so indifferent gegen die Moleküle des Wassers sich verhält, wenn es den
freien Zustand angenommen hat, das Wasser sogleich auf das energischste
und scheidet Wasserstoff ab.
„Noch wunderbarer wird uns das Schauspiel, wenn wir beachten, dass
wir für die Spaltung dieser Salze keineswegs, wie man oft noch irrthümlich
annimmt, jener grossen Zahl galvanischer Elemente, mit welchen H. Daw
zuerst die Alkalimetalle darstellte, bedürfen. Das schwächste Thermo-
element bewirkt proportional der Stärke und der Dauer seines Stromes
jene Spaltung und Überführung, sobald wir nur Sorge tragen, dass ein
Strom überhaupt zu Stande kommen kann, dass er die Ionen Cl und K
oder SO4 und K nicht in den freien Zustand zu versetzen braucht. Dies
bewirken wir aber leicht, wenn wir die Lösungen der Kaliumsalze z. B.
zwischen Lösungen von ZnSO, in denen amalgamirte Zinkplatten als Elek-
troden dienen, einschalten. . . .
„Die elektrolytischen Thatsachen, welche ich festgestellt habe, lehren
unzweideutig, dass die Wärmeentwickelung bei der Verbindung, und der
Zusammenhalt der Bestandtheile in der Verbindung nicht in der Abhängig-
keit von Ursach und Wirkung stehen. Die von fast allen Chemikern noch
immer festgehaltene Auffassung, dass, je grösser jene ist, desto stärker
dieser erscheint, befindet sich in vollem Widerspruch mit dem Vorgange
der Elektrolyse. Hier zeigen sich die beiden Momente gesondert und ohne
Abhängigkeit von einander. Als elektromotorische Kraft erscheint die Wärme-
Q26 Sechzehntes Kapitel.
entwickelung1 und im Leitungswiderstande der flüssigen Verbindung offenbart
sich die Beweglichkeit der Bestandteile.
„Zu den vortrefflich leitenden Elektrolyten gehören fest alle Kaum»
Verbindungen, welche gegenwärtig bekannt sind. Dieselben enthalten db
jenigen Ionen, welche bei der Vertauschung des freien Zustandes mit dem-
jenigen, den sie in den Verbindungen haben, die stärkste Wärmeentwicl«'
lungen von allen Stoffen geben. Infolge dessen vermag kein anderes Metal
bei niedrigen Temperaturen das Kalium aus seinen Verbindungen in da
freien Zustand zu versetzen, während umgekehrt das freie Kalium alle Me-
talle und die meisten anderen Stoffe aus ihren Verbindungen verdrängt
„Wenn bei der Elektrolyse von Kaliumsalzen die Ionen an den Elek-
troden frei werden, so entsteht daher die stärkste Polarisation, welche wir
kennen. Ist die elektromotorische Kraft desselben auch noch nicht bestimmt,
sie wird gemäss der von Joule erkannten Abhängigkeit von der Grösse jener
Wärmeentwickelung diejenige von vier DANiELi/schen Elementen nicht viel
übersteigen. Um daher die Elektrolyse eines Elektrolyten auch unter den
ungünstigsten Umständen, wenn beide Ionen frei werden, zu veranlassen,
werden wir nirgend einer Kette bedürfen, deren elektromotorische Kraft die
eben genannte zu übersteigen braucht. Bleiben dagegen die Ionen des
Elektrolyten in demjenigen Zustande, den sie in der Verbindung haben, so
genügt zur Elektrolyse, wie bemerkt, das schwächste Thermoelement
„Diesen Thatsachen gegenüber vermochte ich den von manchen For-
schern festgehaltenen Glauben, dass der chemische Process ein Anziehungs-
phänomen im Sinne des grossen Newton sei, und dass die bei demselben
auftretende Wärme „die Quantität derjenigen lebendigen Kraft sei, welche
aus einer bestimmten Quantität der chemischen Anziehungskräfte hervor-
gebracht werde" nicht zu bewahren. Das Studium der Elektrolyse hat mich
frühzeitig der Lehre Boscowich's2 entfremdet, und den Ansichten Faraday^
zugeführt.
„Stahl mit seiner phlogistischen Theorie steht meinem Gefühle nach der
Wahrheit viel näher, als Laplace, Lavoisier und Berthollet, sobald wir das
Phlogiston nicht als Materie, sondern als lebendige Kraft deuten. Die leben-
dige Kraft der intramolekularen Bewegung, welche Elemente wie Cl und K
im unverbundenen Zustande besitzen, geht zum Theil denselben als Wanne-
bewegung bei dem so räthselhaften Vorgange, den wir chemische Verbin-
dung nennen, verloren. Dadurch haben aber diese Stoffe ganz andere
Eigenschaften gewonnen. Sie verhalten sich jetzt bei der Fortpflanzung des
1 Dieser Satz drückt die Voraussetzung aus, dass Wärmeentwickelung und elektromotorisch?
Kraft einander proportional seien, wie das früher ziemlich allgemein angenommen wurde. E*
wird später ausführlich gezeigt werden, dass dies nicht richtig ist, und dass die aus der Wirnw-
tönung berechnete elektromotorische Kraft der wirklichen zwar oft ziemlich nahe kommt, tber
im Allgemeinen nicht mit ihr übereinstimmt.
2 „c. Th. Young, A course of Lectures on Natural Philosophy; new edition by Kellahd
(1874), P. 471."
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. Q27
elektrischen Stromes, wie sie sich in dem bekanntesten und gemeinsten aller
chemischen Vorgänge, bei dem Austausche gegen andere Salze in derselben
Lösung zeigen. Wenn dem Chlorkalium das essigsaure Silber begegnet, so
entzieht das schwache Ag dem starken K das starke Cl; das Kalium muss
sich mit dem schwachen Anion der Essigsäure begnügen. Die Wassermole-
küle bleiben bei diesem Vorgange des Salzaustausches ebenso unbetheiligt,
wie bei demjenigen der Elektrolyse.
„Längst waren vorurtheilsfreie Chemiker, wie Gay-Lussac, Williamson,
zur Einsicht gekommen, dass dieser Austausch der Salze nicht als Wahl-
verwandtschaft gedeutet werden kann, sondern dass Salze diejenigen chemi-
schen Verbindungen sind, welche ununterbrochen ihre Bestandtheile gegen
einander austauschen, und dadurch von den anderen Verbindungen, welche
zur Zersetzung noch besserer Bedingungen bedürfen, unterscheiden.
„Die Allotropieen, welche gegenwärtig schon für so viele unzerlegbare
Stoffe bekannt sind, machen es wahrscheinlich, dass die Wärme allein die
Veränderung in den Eigenschaften bedingt. Denn dieselbe Materie der
Kohle, des Phosphors u. a. m. zeigt in den isomerischen Zuständen, welche
sie unter Aufnahme oder Abgabe von Wärme annimmt, ebenso grosse
Unterschiede in den Eigenschaften, als sie sonst nur durch chemische Ver-
bindung mit anderen Substanzen gewinnt. Der elektrische Strom, welcher
an den Elektroden für jedes Ion diese ausserordentliche Metamorphose, diesen
grossartigen Zustandswechsel bewirkt, muss zum mächtigsten Hilfsmittel der
Forschung werden, wenn sie einst diesen Vorgang an den Elektroden seinem
M/esen nach besser wie heute ergründet hat, und infolge davon modificirend
*n denselben eingreifen kann.
„Als das wichtigste Ergebniss meiner mühevollen und zeitraubenden
Ajialysen betrachte ich den Nachweis, dass die so räthselhafte potentielle
Energie in der Natur bei den unverbundenen chemischen Stoffen nicht in
<ler Arbeit von Anziehungskräften bestehen kann, wenn sie auch in Arbeits-
einheiten gemessen werden muss. Für die Entwickelung ist es unbedingt
**öthig, die Grenzen unseres sicheren Wissens überall bestimmt zu be-
zeichnen. Das offene Bekenntniss, dass wir das Wesen des chemischen
I^rocesses nicht verstehen, dass wir mit den gegenwärtigen Hilfsmitteln nur
*iie Massen der Bestandtheile in den Verbindungen unverändert erkennen,
Mnd über die Eigenschaften, welche sie behalten haben, nichts bestimmtes
anzugeben vermögen, ist dem Fortschritt förderlicher, als die Behauptung,
*3ass jeder Vorgang in der Natur dem Wesen nach ein Anziehungsphänomen
im Sinne Newtons sei. Heute, wo Mathematiker wie W. Thomson, Helm-
*ioltz, Maxwell das Verdienst Faraday's, welcher diesen Satz bekämpft und
fdas Jahrhundert daran erinnert hat, dass schon Leibnitz denselben als scho-
lastisch bezeichnete, offen anerkennen, darf meine vor 20 Jahren aus den
^lektrolytischen Thatsachen gezogene Folgerung bei den Physikern und Che-
mikern keinen Ansloss mehr erregen."
Der nächste Punkt, welchen Hittorf nun erörtert, ist die Annahr
IMUIUI^KCIL clll^ClUHIL WClUCll. IVIIKIIUUC AJCUCLUUllg ^CW 1I1I1CI1 blCCI
sie logische Folgerungen gestatten, welche den Kreis der Thatsa
weitern. Diese Probe hat die Theorie der elektrischen Fluida ri
standen. Die vielen neuen fundamentalen Thatsachen, welche .seit
Stellung der herrschenden Theorie das elektrische Gebiet so auss<
lieh erweiterten, dasselbe mit fast allen Zweigen der exaeten F<
verknüpften und ihm universelle Bedeutung ertheilt haben, sind c
gefunden worden. Der grösste Entdecker aller Zeiten, er, der die
des elektrischen Wissens so ausserordentlich erweiterte, den
Natur mit dem feinsten Gefühl für die Wahrheit auf diesem Geb
stattete, Faraday, wurde der entschiedenste Gegner jener schol
Annahmen.
„Wäre die Oberfläche unserer Erde stets mit Wasserdämpfen
so würde die Entwickelung der elektrischen Wissenschaft einen
Gang genommen haben. Vor den Erscheinungen der sogenannten s
Klektricität wäre man auf die Thatsachen der Elektrolyse aufmerk
worden. Man würde nämlich beachtet haben, wie der Wassers
Kupfer, Silber etc., welche ein Zinkstückchen beim Eintauchen in
züglichen Salzlösungen reducirt, an der Oberfläche eines an sich indi
Metalls, wenn dieses irgendwo das Zink berührt, erscheinen, und
dem elektrischen Strome zuerst begegnet. Niemand würde es d
gefallen sein, bei der Formulirung der elektrolytischen Erscheinung*
den chemischen Stoffen noch zwei FTuida als Träger aufzustellen. D
sachen der sogenannten statischen Elektricität wäre keine andere
geworden, als diejenige, welche Faraday zuerst in der elften Reil
Experimentaluntersuchungen niedergelegt hat.
Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten. 920
Referate über meine zweite Mittheilung die gröbsten Fehler nachweisen.
Als ich dieselben zurückwies, wurde meine für die Chemiker inhaltreiche
dritte Mittheilung nur einer Titelanzeige (Jahresber. 1859, S. 36) gewürdigt.
Diese Handlungsweise und der Umstand, dass die damaligen ausländischen
Berichterstatter meine Aufsätze vollständig ignorirten, hatte zur Folge, dass
meine Arbeiten in chemischen Kreisen lange Zeit absolut unbekannt blieben.
Wie sich leicht aus der heutigen Litteratur nachweisen lässt, huldigen die
Chemiker mit wenigen Ausnahmen bezüglich der Elektrolyse noch immer
den Irrthümern von Berzelius und lassen in ihren Theorieen diese funda-
mental wichtige Erscheinung und das FARADAY^sche Gesetz unberücksichtigt.
Und doch werden alle Erklärungen, welche auf der Stärke der sogenannten
Affinität beruhen, durch dasselbe hinfällig und erscheinen demjenigen, welcher
*
sich die unerbittlichen Consequenzen der elektrolytischen Thatsachen klar
gemacht hat, als leere Phrasen."
Hittorf geht nun im einzelnen dazu über, die Beobachtungen von
Bleekrode mit seinem Satze: „Elektrolyte sind Salze" zu vergleichen. Unter
sachgemässer Betonung der Übergangsstufen, welche in dieser Beziehung
me in jeder anderen vorhanden und zu erwarten sind, legt er wiederholt
ien Zusammenhang zwischen chemischer Reaktionsfähigkeit und elektro-
nischer Leitfähigkeit dar; in dieser Sache ist auf seine früheren Ausein-
indersetzungen S. 866 u. ff. zu verweisen. Der bemerkenswertheste Punkt
n diesen Erörterungen ist die Thatsache, dass die wasserfreien Halogen-
vasserstoflfsäuren im flüssigen Zustande nicht leitend sind. Die Beobachtung
aar schon von Gore gemacht worden und Bleekrode hatte sie bestätigt.
rlirroKF gesteht, dass er diese interessante Thatsache nicht erwartet hat,
<ann aber nicht finden, dass sie seinem allgemeinen Satze gefährlich wird.
,Diesem isolirenden Verhalten der Wasserstoffverbindungen im wasserfreien
Sustande geht parallel die Schwierigkeit des Austausches gegen andere Salze,
welche sie dann zeigen. Die interessanten Versuche von Gore1 lehren, dass
basische Oxyde und kohlensaure Salze keine Veränderung in Berührung
nit der tropfbar flüssigen wasserfreien Salzsäure erleiden. Sie zeigen, dass
ias Resultat, welches Pelouze schon vor 50 Jahren in dem Aufsatze:2 „Über
ien Einfluss des Wassers auf eine grosse Anzahl chemischer Reaktionen"
nittheilte, allgemein gültig ist. Der letztgenannte Chemiker fand nämlich,
iass die freien Säuren, in absolutem Alkohol gelöst, sich ganz anders als
m Wasser verhalten, nämlich des Austausches mit den meisten anderen
Salzen unfähig sind und insbesondere die kohlensauren Salze nicht mehr
^ersetzen." Über die Ursache dieser Eigentümlichkeit vermag Hittorf
illerdings nur Vermuthungen zu äussern; erst der zehn Jahre später sich
entwickelnden Theorie der elektrolytischen Dissociation war die Aufklärung
rorbehalten.
1 Philos. Mag. u) 20, 541. 1865.
9 Ann. chim. phys. (2) 50, 314 u. 434. 1832. — Pogg. Ann. 26, 343. 1832.
Ostwald, Elektrochemie. 5 9
930 Sechzehntes Kapitel. Die Leitung der Elektricität in den Elektrolyten.
Hittorf's Schlussworte sind: „Ich darf meine Rechtfertigung mit der
Versicherung schliessen, dass die Überzeugung, welche ich bezüglich der
chemischen Natur der Elektrolyte aus meinen früheren Studien gewonnen
habe, durch die Versuche von Bleekrode nur befestigt worden ist Wer
den Satz: „Elektrolyte sind Salze" nicht festhält, dem muss die Elektro-
chemie wieder das Chaos werden, weiches ich in der Einleitung zu schildern
versuchte. Es ist hohe Zeit, dass aus Lehrbüchern der Physik und der
Chemie die Irrthümer, welche die Autorität von Berzelius hineingebracht
hat, verschwinden , und dass die sogenannte elektrische Spannungsreihe, in
welche die von jenen falschen Ideen geleitete Phantasie des schwedischen
Forschers die elementaren Stoffe ordnen wollte und welcher die thatsäch-
liehen Verhältnisse so sehr widersprechen, nicht mehr abgedruckt wird
Die Chemie der Zukunft kehrt niemals zur elektrochemischen Theorie von
Berzelius oder einer ähnlichen zurück. Dagegen wird sie den Thatsachen
der Elektrochemie und ihren unerbittlichen Consequenzen Rechnung tragen
müssen."
Fitf- 233. RU1KH.K Kom.r
Siebzehntes Kapitel.
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen.
1. Vorerinnerung. Wie bei verschiedenen Gelegenheiten betont worden
lag der wesentlichste Grund für den Streit der beiden Theorieen der
trochemischen Erscheinungen in den von Volta aufgefundenen That-
en der Spannungserscheinungen bei der Berührung zweier Metalle. Zwar
s sich allmählich herausgestellt, dass ein einwandfreier Nachweis für das
landensein einer solchen Spannung auf den meisten Wegen, die Volta
eschlagen hatte, nicht zu erreichen war; ein Versuch war aber übrig
ieben, der den Voltaisten als entscheidend galt, und, den auch Faradav
Gelegenheit seines Kampfes gegen die Contacttheorie nicht angegriffen
S9*
q^2 Siebzehntes Kapitel.
hatte. Es war dies der Condensatorversuch, der Versuch, dass ein aus zwei
verschiedenen Metallen gebildeter Condensator, zwischen dessen Platten sich
nur Luft befindet, nach der metallischen Verbindung der Platten und der
darauf erfolgenden Trennung derselben sich elektrisch geladen zeigt Die
Ordnung und ungefähre Grösse der Spannung erwies sich übereinstimmend
mit der, welche man beim Eintauchen derselben beiden Metalle in Wasser
fand; allerdings mit einem merkwürdigen Unterschiede. Während beim
Condensatorversuche sich das Zink nach der Trennung positiv gegen das
Kupfer erweist, hat in einer Kette aus den beiden Metallen, die man in eine
wässerige Flüssigkeit taucht, das Zink negative Spannung gegen das Kupfer.
Für die Voltaisten lag darin keine Schwierigkeit, denn gerade dies Resultat
muss auftreten, wenn man die elektromotorische Kraft in die Berührungsstelle
zwischen den beiden Metallen verlegt. Um dies einzusehen, denke man sich
der Einfachheit wegen das Elektrometer, mittelst dessen die Spannung beob-
achtet wird, aus dem gleichen Metalle, wie die eine Condensatorplatte, z. B.
aus Kupfer hergestellt. Die Kupferplatte der Zink-Kupferkette sei zur Erde
abgeleitet, habe also die Spannung Null. Dann wird auch nach der Volta'-
schen Theorie das Zink die Spannung Null haben müssen, da zwischen den
Metallen und dem Wasser keine Erregung stattfinden soll. An der Stelle
aber, wo die Zinkplatte mit dem Kupfer des Elektrometers in Verbindung
gesetzt wird, entsteht eine elektromotorische Wirkung in der Art, dass das
Kupfer gegen das Zink negativ wird, und das Elektrometer muss negative
Elektricität anzeigen, die aber nach dieser Ansicht nicht vom Zink herrührt,
sondern von dem Metall des Elektrometers, wo dies das Zink berührt Ganz
das gleiche Ergebniss wird erhalten, wenn man das Elektrometer aus Zink
oder einem anderen Metall hergestellt denkt; jedesmal sind Metallberührungen
in solcher Zahl und Ordnung vorhanden, dass die thatsächlich eintretende
Spannung der von der Theorie vorhergesagten entspricht.
Dass dies so sein kann, ohne dass darum die Theorie als richtig an-
erkannt zu werden braucht, liegt, wie gleichfalls erinnert sein soll, in dem
Umstände begründet, dass immer die Zahl der Berührungen verschiedener
Stoffe grösser ist, als die Zahl der zwischen ihnen möglichen unabhängigen
Messungen der Spannung. Dadurch ist bedingt, dass man noch eine voll-
kommen willkürliche Annahme über diese machen darf, ohne dass man mit
den Thatsachen irgendwie in Widerspruch zu gerathen braucht, und ebenso
widerspruchsfrei, wie nach der VoLTA'schen Annahme, lassen sich die Er-
scheinungen darstellen, wenn man die Spannung zwischen verschiedenen
Metallen gleich Null setzt, und nur die Berührungen zwischen den Metallen
und den Nichtmetallen oder Leitern zweiter Klasse als wirksam ansieht. Man
wird dann allerdings genöthigt, auch die Luft als einen Leiter zweiter Klasse
anzusehen, was mit den isolirenden Eigenschaften derselben in einigem Wider-
spruch steht. Indessen braucht immerhin dieser Einwand nicht als ein ab-
soluter angesehen zu werden, da ein unbedingter Unterschied zwischen
einem Leiter und einem Nichtleiter schwerlich angenommen werden darf.
Die elektrochemischen Spannungserscheizrangen. q-j?
er Condensatorversuch erklärt sich dann folgendermaassen: Das Zink wird
rgen Luft, wie gegen Wasser negativ, das Kupfer positiv elektrisch. Ver-
rietet man beide Metalle mit einander, so macht man dadurch ihre Span-
ing gleich, und der in der Kette Kupfer-Luft-Zink vorhandene Spannungs-
iterschied findet sich nicht mehr zwischen den Metallen vor, sondern in
rr dazwischenliegenden Luft. Das Zink ist negativ gegen Luft; wird es
Lher auf die Spannung Null gebracht, so muss die an das Zink grenzende
jft positiv erscheinen. Ebenso ist es mit dem Kupfer; es ist positiv gegen
lft, und wird, wenn es seinerseits auf die Spannung Null gebracht ist, die
[grenzende Luft negativ erscheinen lassen. Diese Ladungen der Lufthülle
ld es aber, welche wir nach der Trennung des Condensators am Elektro-
eter messen; darum muss das Kupfer beim Condensatorversuch auch bei
x zweiten Annahme negativ, das Zink positiv erscheinen.
Von den Vertretern der chemischen Theorie hatte sich in dem bisher
^handelten Zeiträume keiner zu dieser Überlegung, welche den Streit im
resentlichen beendet hätte, durchgearbeitet Vielmehr war von diesen, vor
len von de la Rive auf das Zustandekommen der Spannung wenig ein-
sangen worden; man begnügte sich mit der Behauptung, dass diese durch
lemische Vorgänge bedingt sei, ohne dass ein klarer Ausspruch der Be-
ugungen bewerkstelligt worden wäre, die erfüllt sein müssen, damit der
lemische Vorgang elektrisch wirksam wird. Denn dass zahllose chemische
-ocesse stattfinden, ohne von sichtbaren elektrischen Erscheinungen begleitet
i sein, steht ausser Zweifel; es ist also noch noth wendig ein besonderer Unl-
and vorhanden, welcher für die elektrischen Erscheinungen noth wendig ist,
id den aufzufinden die eigentliche Lebensfrage der chemischen Theorie war.
tatt dessen sehen wir de la Rive sich mit dem Hinweis begnügen, dass zwar
dem chemischen Vorgang ein proportionaler elektrischer entspreche, dass
>er ein grösserer oder geringerer Theil der erzeugten Elektricität sich wäh-
:nd des Vorganges innerhalb der reagirenden Massen ausgleichen könne,
ine für unsere Instrumente sichtbar zu werden.
Wir können de la Rive hieraus keinen besonderen Vorwurf machen,
snn zu der Zeit der Aufstellung seiner chemischen Theorie war das elek-
olytische Gesetz noch nicht bekannt, und der Zusammenhang zwischen der
eitung der Elektricität in Elektrolyten und den entsprechenden chemischen
orgängen nicht durchschaut. Aber auch Faraday ist es nicht gelungen,
esen Schritt zu thun, zu welchem ihn die Kenntniss seines Gesetzes aller-
ngs befähigt hätte; ihm waren noch nicht die elektrochemischen Anord-
mgen bekannt, welche dem theoretischen Ideal sich so weit als möglich
inähern. Erst Daniell verwirklichte durch seine Kette dieses Ideal eines
ektrochemischen Apparates, an welchem diese entscheidende Frage beant-
Drtet werden konnte; selbst hat er freilich sich mit der Frage nicht be-
häftigt.
Ab dann durch Joule der Zusammenhang zwischen der (als Wärme
messenen) chemischen Energie und der elektrischen aufgedeckt wur^~
Q7A Siebzehntes Kapitel.
war die ÜANiELi/sche Kette die erste, und auch fast die einzige, welche einen
Vergleich in dieser Beziehung ermöglichte. Für die chemische Theorie war
dies ein ungemein erheblicher Fortschritt; es handelte sich um nichts weniger,
als den endlichen klaren Ausdruck für den immer vorausgesetzten, hoch mt-
mals aber zahlenmässig nachgewiesenen ursächlichen Zusammenhang der
chemischen Erscheinungen mit den elektrischen. Die Frage, wie die ge-
sammte Spannung des Daniellelementes sich auf die vier Berührungssteüeo
vertheilt, die in dieser Kette vorhanden sind, wurde allerdings hierbei nicht
beantwortet, denn die gefundene Beziehung enthält nur einen Zusammenhang
zwischen der gesammten messbaren Spannung der Kette und der gesammten
chemischen Energie des entsprechenden Vorganges, lässt aber die Frage
nach der Vertheilung dieser Grössen auf die verschiedenen Stellen der Kette
offen. Dagegen brachte die Notwendigkeit, zu dem Zwecke der theore-
tischen Berechnung der elektromotorischen Kraft die Wärmeentwickelung
eines bestimmten chemischen Vorganges zu berechnen, es mit sich, dass
der Rechnung wesentlich nur solche Ketten unterzogen wurden, in welchen
solche genau definirbare Processe verlaufen; diese sind es aber gerade, welche
jene Bedingung des gesetzmässigen Zusammenhanges zwischen der Menge
der chemisch veränderten Stoffe und der bewegten Elektricität erfüllen.
So hat denn der erhebliche von Joule angebahnte Fortschritt, obwohl
die Richtigkeit seines Gedankens namentlich nach seiner erneuten Darlegung
und zahlenmässigen Bestätigung durch William Thomson allgemein anerkannt
wurde, doch den endgültigen Sieg der chemischen Theorie nicht bewerk-
stelligen können; dazu gehörte nothwendig ausser dem Nachweis der Be-
ziehung zwischen den Gesammtwerthen der Spannung und der chemischen
Energie noch die Analyse der einzelnen Spannungen in der Kette. So sehen
wir denn diese Aufgabe von verschiedenen Forschern bearbeitet. Zuerst
ganz im Sinne der VoLTA'schen Theorie; und obwohl jeder Versuch, die
Zahlenwerthe für die elektromotorische Kraft bei der sogenannten Metall-
berührung mit einer auch nur massigen Genauigkeit zu bestimmen, ander
ungemein grossen Veränderlichkeit eben dieser Werthe scheiterte, und bis
auf den heutigen Tag gescheitert ist, so hat dieser üble Ausfall des Ver-
suches, für die VoLTA'sche Theorie die grundlegenden Zahlen zu messen,
die Überzeugung von ihrer Bedeutung nicht etwa erschüttert, sondern im
Gegentheil durch eine Art Reaktionswirkung gesteigert In der Veränder-
lichkeit der beobachteten Werthe sah man nicht den Nachweis, dass noch
unbeherrschte Einflüsse, von denen die VoLTA'sche Theorie nichts wusste,
die Zahlen maassgebend beeinflussen, sondern man sah darin nur die grosse
Schwierigkeit, zu der genauen Kenntniss jener mystischen Werthe vorzu-
dringen, deren Ermittelung der so lange vertheidigten Theorie die uner-
schütterliche Grundlage geben sollte, und mit der Schwierigkeit wuchs der
Eifer und der Glauben.
Die chemische Theorie befand sich in diesem Punkte nicht in günstiger
Lage. Wenn sie auch die Bedeutung der nach der VocrVschen Methode
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. g?c
tialtenen Ergebnisse anzweifeln und sie auf minimale chemische Vorgange
rückfuhren mochte, so hatte sie doch nichts bestimmtes an die Stelle zu
tzen und besass keine Methode, welche ihr gestattet hätte, ihrerseits die
rgelegten Zahlen, so schwankend sie waren, durch bessere, nach einwurfs-
rier Methode gefundene zu ersetzen. Alles, was sie zu sagen vermochte,
ir, dass zwischen Stoffen, die auf einander keine chemische Wirkung aus-
>en, auch keine elektrische Spannung entstehen könne, und dass somit
in Grund vorliegt, an der Berührungsstelle zweier Metalle eine elektro-
Dtorische Kraft anzunehmen. Aber man muss gestehen, dass ein solches
-gument nur auf den eine Wirkung äussern wird, der bereits von der
chtigkeit der chemischen Theorie überzeugt ist.
Diesen Verhältnissen entsprechend beschränken sich die Versuche, in
t Vertheilung der Spannungen an der VoLTA'schen Kette einzudringen,
nächst ausschliesslich auf die Wiederholung und zahlenmässige Ausgestal-
rig des VoLTA'schen Verfahrens. Dabei macht sich derselbe Umstand
ltend, welchen wir wiederholt in der Entwickelungsgeschichte unseres Ge-
ntes zu bemerken Gelegenheit gehabt haben. Während der erste Forscher,
r sich mit der Frage beschäftigt und die Unsicherheit dieser Bestimmungen
nnen gelernt hat, seinen eigenen Zahlen gegenüber sich durchaus skeptisch
rhält, und ihnen nur einen ganz vorläufigen Charakter zuspricht*, hegen
2 späteren nicht mehr Zweifel über die prinzipielle Zulässigkeit des Ver-
lrens, sondern nur über die mehr oder weniger grosse Zweckmässigkeit
r verschiedenen möglichen Ausfuhrungsformen. Erst spät wird ein unab-
*igiger Weg gefunden, auf welchem sich der Spannungsunterschied zwischen
rschiedenen Metallen zeigen müsste, wenn er vorhanden wäre. Die auf
esem zweiten Wege erhaltenen Ergebnisse erwiesen sich als im vollstän-
gsten Gegensatze zu den VoLTA'schen Zahlen stehend, und es konnte
.rum nicht fehlen, dass die Anhänger der alten Anschauung die Richtig-
st des neuen Weges in Frage stellten. Die Vertreter der chemischen
nschauung ihrerseits sind die Unterstützung, welche sie hier finden konnten,
ige nicht gewahr geworden, weil der neue Weg ganz nach physikalisch-
athematischer Seite lag. Denn diese neue Methode der Messung von
>annungsunterschieden zwischen Metallen beruhte auf den Erscheinungen
x Wärmeentwickelung und -absorption an der Verbindungsstelle der Me-
lle, wenn durch beide ein elektrischer Strom geleitet wird, und schien
nächst mit unserer Frage nichts zu thun zu haben.
Endlich gehört der neuesten Zeit noch die Auffindung eines dritten
eges an, welcher wieder mehr auf chemischer Seite liegt, und welcher
Übereinstimmung mit den eben erwähnten Forschungen gleichfalls dazu
fuhrt hat, dass den Metallen die Erzeugung erheblicher elektromotorischer
-äfte bei gegenseitiger Berührung nicht zugesprochen werden kann. Dieser
n Lippmann und Helmholtz gangbar gemachte Weg beruht auf den Er-
heinungen der Oberflächenspannung bei der Polarisirung von Quecksilber-
►erflächen, und hat nicht nur jene alte Frage nach der Thätigkeit rW
(Vif) Siebzehntes Kapitel.
Metalle entschieden, sondern auch die Zahlenwerthe aller in der Kette w-
handenen einzelnen Spannungen zu messen gestattet
Dies ist in grossen Zügen der Entwickelungsgang, welchen die vor-
liegende Frage genommen hat. Wir gehen nun dazu über, die einzelne»
Abschnitte dieses langen Weges kennen zu lernen, und das Spiel der ver-
zögernden und beschleunigenden Kräfte zu verfolgen, welche auf die Fort-
bewegung der Wissenschaft in dieser Richtung eingewirkt haben.
2. Die Arbeiten von R. Kohlrausch. Seit der Zeit, wo Eehai
und Ritter die Spann ungserscheinungen an den Polen der VoLTA'schei
Kette untersucht hatten (S. 265), war keine neue Arbeit über den Zu-
sammenhang der elektroskopischen Eigenschaften der VoLTA'schen Ketten
erschienen, obwohl durch die Aufstellung der OHu'schen Theorie ein be-
sonderes Interesse dafür entstanden war. Es lag dies wesentlich an dem
Missverhältniss, welches zwischen der Empfindlichkeit der Elektroskope und
der des Galvanometers bestand; waren doch auch jene Messungen nur grobe
Schätzungen gewesen, obwohl die vielfach gesteigerte Spannung vtelgliednger
Säulen untersucht wurde.
Mit der Herstellung eines empfindlichen Elektrometers hatten sich dam
mehrere Physiker beschäftigt; zu einer Entwicklung gelangte aber zunächst
nur ein von Dellmann1 angegebener Apparat. Dieser war ursprunglich nicht
zu dem Zwecke erfunden worden, ein Pracisionsinstrument zu werden, son-
dern sollte im Gegentheil nur möglichste Einfachheit und Wohlfeilheit an-
streben; so bestand es in seiner ersten Gestalt aus einem Zuckerglase, einigen
a Drahten und Korken, wie Fig. 234 zeigt. Der wesent-
-*-*ty - — f lichste Theil war ein an einem Seidenfaden aufgehängter
Hebel aus sehr dünnem Silberdrahte, dessen beide Arme
etwas aus der Mittelebene herausgebogen waren, so
dass zwischen ihnen ein Streifen von leitendem Material
Platz fand. Nachdem beide gleichzeitig geladen worden
\ Jp | -i— waren, stiessen sie sich ab, bis die Torsion des Fadens
1 -J h — '* der abstossenden Kraft das Gleichgewicht hielt.
Fig „. Unter den Händen von Rudolf Kohlrausch ' ent-
Nach Dei.lmann. wickelte sich das Instrument chen zu einem genauen
wissenschaftlichen Hilfsmittel, welches der Elektrik eine
Anzahl wesentlicher Dienste geleistet hat. Der Vergleich der Fig. 235-
welche die Anordnung von Kohlrausch darstellt, mit der Fig. 234 macht
den schnellen Entwickelungsprocess des Apparates sehr anschaulich.
Zum Verständniss der Fig. 235 sei angegeben, dass der aus dünnstem Silber-
draht gefertigte drehbare Hebel, der rechts bei a sichtbar ist, an einem Glas-
faden hängt, welcher durch die oben gezeichnete Vorrichtung einer messbaren
Torsion unterworfen werden kann. Die zu messende elektrische Spannung wird
dem Hebel durch die Zuleitung tu m mitgetheilt, welche gehoben und gesenkt
1 Pogg. Ann. 56, 301. 1842; 88, 49. 1843 ' Ebend» 72, 353. 1847.
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen.
937
'den kann; tn berührt beim Heben zunächst den festen Bügel a a, dessen
ne so gebogen sind, dass sie den Hebel zwischen sich aufnehmen können.
ch der feste Hebel kann gehoben und gesenkt werden; in ersterer Lage
ührt der den drehbaren Hebel,
der zweiten lässt er ihn frei.
1 daher das Instrument zum
ssen benutzt werden, so stellt
n den Hebel senkrecht zum
gel, hebt den Bügel und die
leitung, wodurch alle drei
eile metallisch verbunden sind;
dann wird erst die Zuleitung
;enkt und abgetrennt, sodann
• Bügel gesenkt und der Hebel
gegeben. Dreht man dann
1 Träger des Glasfadens in
Nulllage zurück, so folgt der
bei nicht, sondern bleibt in-
je der Abstossung unter einem
nkel stehen, den man mit der
pe q an dem Kreise K ab-
en kann. Das ringförmige
isgefass r enthalt concentrirte
iwe feisäure, um das Innere
cken und gut isolirend zu
ten.
Über die Handhabung des
^ktrometers, die erforderlichen
rrekturen und die Berechnung
• Resultate giebt Kohlrausch
dann eine musterhaft sörg-
ige Untersuchung, bei welcher
zeigt, dass das Instrument für viele Zwecke der CouLOMß'schen Drehwage
•zuziehen ist. Auf diese Einzelheiten ist hier nicht einzugehen.
Die erste Aufgabe, welche Kohlrausch mit seinem neuen Hilfsmittel zu
en unternahm, war, die von der OHM'schen Theorie vorausgesetzte Über-
stimmung der „elektroskopischen Kraft" mit der elektromotorischen Kraft,
sie in der bekannten Formel Ohm's auftritt, nachzuweisen. Dass dieser
:hweis. gelang, geht aus dem Titel der Arbeit1 hervor, in welcher er über
le Ergebnisse berichtet: „Die elektromotorische Kraft ist der elektro-
pischen Spannung an den Polen der geöffneten Kette proportional," wozu
bemerkt: „die Richtigkeit der in der Überschrift aufgestellten Behauptung
Fig. 235. Nach R. Kohlrausch.
1 Pogg. Ann. 76, 88 u. 220. 1848.
ai
Siebzehntes Kapitel.
ist gewisss von den meisten Physikern stillschweigend angenommen wc
obschon eine direkte Bestätigung derselben wegen der Unvollkomm
der Messwerkzeuge nicht versucht werden konnte". Allerdings war
das Dei.t.m an tische Elektrometer in der verbesserten Form nicht empü
genug, um die Spannung eines einzelnen Elementes mit einem gen
kleinen Fehler messen zu lassen, und Kohlrausch meint, dass „es
ausser dem Bereiche der Möglichkeit liegen möchte, die Empfind]
eines Elektrometers bis zur genauen Angabe dieser ausnehmend ge
Spannung selbst zu steigern". Kohlrausch construirte deshalb dazu
Condensator mit möglichst constanter Verstärkungszahl, um die zu me
Spannung entsprechend zu erhöhen, und giebt an, dass es ihm dadui
lungen sei, die elektroskopische Spannung einfacher VoLTA'scher Ketti
mit derselben Genauigkeit zu messen, mit welcher man ihre elektror
sehen Kräfte galvanometrisch bestimmt
Fig. 236. Nach R. Kohlrausch.
Der Condensator ist nach der von Kohlrausch mitgetheilten Zeit
in Fig. 236 abgebildet. Man erkennt die beiden horizontal ;ingebr
Platten, die der besseren Isolirung wegen an Seidenschnüren hängen
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. Q39
tere liegt fest, die obere ist durch eine Führung parallel sich selbst ver-
liebbar; die stets gleich sich herstellende kleine Entfernung der beiden
itten wird dadurch erzielt, dass die untere an drei Stellen ihrers Umfanges
ane angeschmolzene Platten von Schellack trägt, deren Dicke die gegen-
tige Lage der beiden Plätten bestimmt. In dm sieht man die Zuleitung
11 Elektrometer, hinter dem Condensator ist das zu messende Element
jebracht.
Anfangs erhielt Kohlrausch nicht die Übereinstimmung seiner Zahlen,
er nach der Genauigkeit seiner Messhilfsmittel erwarten durfte; die Ur-
he dafür ergab sich bald darin, dass seine inconstanten Ketten sehr schnell
:h dem Offnen ihre Spannung vermehrten, so dass sie grösser war als
, welche sie während des Stromschlusses und der galvanometrischen Mes-
ig zeigten. Um dieser Fehlerquelle zu entgehen, brachte er die in ppqq
gedeutete Wippe an, welche ihm ermöglichte, die Spannung unmittelbar
± dem Offnen des Stromes zu messen, und erhielt auf diese Weise fei-
nde Vergleichstabelle. In derselben bedeuten die Zahlen der ersten Reihe
i galvanometrisch gemessenen elektromotorischen Kräfte, die der beiden
deren Reihen sind die elektroskopischen Spannungen, und zwar in der
;ten Spalte aus Ausschlagswinkeln, in der zweiten aus den Torsionswinkeln
rechnet, welche erforderlich waren, um jedesmal dieselbe Ablenkung der
del herzustellen. Die Übereinstimmung lässt, wie man sieht, nichts zu
nschen übrig, wobei bemerkt werden mag, dass die Zahlen der obersten
ihe einander willkürlich gleich gesetzt worden sind, um die Werthe der
ii Spalten auf vergleichbares Maass zu bringen.
Elektro- Spannung der
motorische geöffneten Kette
Kraft I II
Sink in Zinkvitriol-Platin in Salpetersäure von 1,357 spec. Gew. 28,22 28,22 28,22
Sink in Zinkvitriol, jedoch die Salpetersäure von 1,213 spec. Gew. 28,43 27,71 27,75
Sink in Zinkvitriol, Kohle in Salpetersaure von 1,213 spec. Gew. 26,29 26,15 26,19
Sink in Zinkvitriol-Kupfer in Kupfervitriol 18,83 18,88 19,06
1) Silber in Cyankalium-Kochsalz-Kupfer in Kupfervitriol. . . 14,08 14.27 I4>29
>) Desgleichen, später 13*67 13.94 13,82
:) Desgleichen, noch später I2,35 12,35 12,26
„Ein Blick auf diese Zahlen wird hinreichen, um den Satz, dass die
:ktromotorische Kraft der Spannung der frisch geöffneten Kette
Dportional ist, ausser allen Zweifel zu setzen."
An der GROvE'schen Kette machte Kohlrausch noch eine Beobachtung,
Iche von einigem Interesse ist, wenn sie auch nicht weiter verfolgt worden
„Bei dieser letzteren (der Kette mit Salpetersäure von 1,213) zeigte
1 aber am deutlichsten, dass die Spannung der geöffneten Kette und die
<tromotorische Kraft denselben Grund haben. Sobald nämlich die Kette
chlossen war, stiegen Blasen an der Platinplatte empor, die Spannung
nun momentan geöffneten Kette war nur noch 12,93, die elektromoto-
:he Kraft, so gut sie bei der Unruhe der Nadel zu bestimmen war, 12,8.
QAO Siebzehntes Kapitel.
Plötzlich hörte die Gasbildung auf, und die Galvanometernadel, welche m*^
47 gestanden hatte, setzte sich in Bewegung und legte, ohne dass andtrlP^
eingeschalteten Drahtmasse das geringste geändert wurde, in i bis 2 Minttoj1^"
den Weg bis 59 zurück. Damit war rücksichtlich der Triebkraft derZt
stand eingetreten, wie ihn die Messungen Nr. 2 angeben. Diese Erscher—*
habe ich mehrmals beim Gebrauch einer schwachen Säure beobachtet*
Hierzu bemerkt auch Poggendorff in einer Anmerkung, dass auch ihm dieses
Verhalten bekannt sei (Pogg. Ann. 53, 444. 1841). An der angeführt«
Stelle ist die Erscheinung auch ganz richtig dahin gedeutet, dass es s&
um eine plötzliche Änderung des chemischen Vorganges handelt In der
ersten Art wirkt die Kette, um es kurz auszudrücken, wie eine SiiEE'säie,
d. h. die Salpetersäure wird nur als Säure, nicht als Oxydationsmittel bean-
sprucht; in der zweiten Art wirkt die Salpetersäure oxydirend, und damit
hängt die höhere elektromotorische Kraft zusammen. Poggendorff hat das
Argument zu Gunsten der chemischen Theorie, welches in diesem Versuche
liegt, gar wohl gefühlt, denn er fügt hinzu: „Es ist wohl schwer zu sagen,
ob diese Änderung (des chemischen Vorganges) Ursache oder Wirkung des
Sprunges sei, aber so viel ist einleuchtend, dass die Anhänger der chemi-
schen Theorie aus diesem Vorgange keine Stütze ihrer Ansicht entnehmen
können; denn der erwähnte Process ist in seinen beiden Stufen kein rem
chemischer Process, sondern ein von dem elektrischen Strom selbst bewirkter
Process, bei dem noch dazu, da er am Platin vorgeht, kein Metall gelöst
wird." Thatsächlich ist die Erscheinung ein vorzügliches Beispiel dafür, wie
mit der Änderung des chemischen Vorganges auch die elektromotorische
Kraft sich sprungweise ändert, obwohl alle Contacte die gleichen bleiben.
Es ist nur das eine dabei auffallend, dass sich keiner der Anhänger der
chemischen Theorie dieses vortrefflichen Argumentes zu bedienen ge-
wusst .hat.
Von dem Nachweise der Übereinstimmung zwischen der elektromotori-
schen Kraft und der elektroskopischen Spannung bei verschiedenen Ketten
ging Kohlrausch alsbald1 zu dem Nachweise der Spannungsvertheilung in
dem Stromkreise der einfachen Kette über. Auch hier waren ihm Ermak
und Ritter für den Fall der Säule vorausgegangen; doch bot immerhin der
Nachweis der gleichen Verhältnisse an der einfachen Kette ein genügendes
Interesse. Auch diese Versuche wurden mit Hülfe des DELLMANN*schen Elek-
trometers und des Condensators ausgeführt
„Ein sehr feiner langer Draht bildete in Form eines Zickzackes den
Schliessungsbogen der einfachen Kette. Zu dem Ende war er mit Hülfe
von Stecknadeln auf einen leichten Holzrahmen so gespannt, dass alle Win-
dungen gleiche Länge hatten.
,,a) Wird ein Punkt dieses Drahtes abgeleitet und ein anderer Punkt,
welcher dem positiven Strome entgegen liegt, mit dem Condensator ver-
1 Pogg. Ann. 78, 1. 1849.
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. 041
aden und so geprüft, so zeigte dieser positive Elektricität; lag aber der
prüfte Punkt auf der anderen Seite des abgeleiteten, so entstand eine
gative Ladung.
,,b) Lag dieselbe Drahtlänge zwischen dem abgeleiteten und dem ge-
üften Punkte, so zeigte das Elektrometer genau dieselbe Spannung an,
) auch im Schliessungsbogen die Prüfung vorgenommen wurde.
,,c) Blieb irgend ein Punkt beständig abgeleitet und wurden nun suc-
ssive immer weiter von ihm abliegende Punkte geprüft, so steigerte sich
> Elektricität und zwar genau proportional den zwischenliegenden Draht-
gen. Nehmen wir irgend eine Längeneinheit an, mit welcher wir die
ahtlängen messen, so wächst also bei jeder Längeneinheit die Elektricität
1 gleich viel, und wenn wir dieses auf die Längeneinheit erfolgende Wachs-
im das Gefälle der Elektricität nennen, so würde also aus diesen Ver-
:hen hervorgehen, dass in einem homogenen Theile des Schliessungsbogens
1 unverändertem Querschnitt das Gefälle überall dasselbe ist."
Ein zweiter Versuch betraf den Einfluss der verschiedenen Drahtdicke
das Gefälle. „Gleiche Längen von verschieden dickem Silberdrahte
rden gewogen, woraus das Verhältniss ihrer Querschnitte sich ergab,
chdem sie in der Weingeistflamme an dem einen Ende zusammenge-
imolzen waren, wurde ein Zickzack aus ihnen gebildet, welches zur Hälfte
» dem dickeren, zur Hälfte aus dem feineren Drahte bestand und mit
sem Schliessungsbogen die Kette geschlossen.
,,a) In einem einzelnen der beiden Theile dieses Bogens herrschte überall
»selbe Gefälle.
,,b) Wurde das eine Ende des feinen Drahtes abgeleitet und das andere
de desselben geprüft, wobei das Elektrometer Elektricität von der Stärke E
Ute, und wurde nun mit der dickeren Hälfte des Zickzackes ebenso ver-
ren, so zeigte sich hier eine Elektricität e> welche sich zu E verhielt, wie
* Querschnitt des dünneren Drahtes zu dem des dickeren. Mit anderen
:>rten: es verhielten sich die Gefälle umgekehrt, wie die Querschnitte.
,,c) Blieb ein Punkt in dem dickeren Drahte abgeleitet und wurde nun
nählich die Prüfung nach dem dünneren Drähte hin fortgesetzt, so zeigte
h bei der Ankunft in diesem keineswegs ein Sprung in der elektrischen
annung, sondern nur ein rascheres Wachsen von da an. Der letzte Quer-
initt des dicken und der erste des dünnen haben also keine verschiedene
annung der Elektricität."
Weitere Versuche bezogen sich auf Schliessungskreise aus verschiedenen
tallen; die Widerstände der Drähte waren vorher auf galvanometrischem
*ge bestimmt worden. Als Ergebniss verzeichnet Kohlrausch:
,,a) Dass bei Drähten von verschiedenem Metalle, aber gleichem Quer-
initt, die Gefälle direkt wie die specifischen Widerstände der Metalle,
,,b) bei Drähten von verschiedenem Metalle und ungleichem Querschnitt
Gefälle direkt wie die specifischen Widerstände und umgekehrt wie ihre
erschnitte sich verhalten werden."
942
Siebzehntes Kapitel.
War somit alles, was über den metallischen Schliessungskreis
war, geprüft worden, so blieb noch übrig, den flüssigen Leiter ebenso *l
untersuchen. Zu diesem Zwecke diente die in Fig. 237 dargestellte panU
epipedische Wanne voll Kupfervitriollösung, in welche einerseits ein Knpfo
blech eingesenkt war, das die eine Schmalseite völlig ausfüllte, an
anderen Ende stand ein Thonbecher mit Zinkvitriollösung und einer Züj
platte, so dass das Ganze ein DANizi.i,'sches Element darstellte. Die Sp»'
nung wurde an verschiedenen Stellen durch feine, bis auf die untere Qoaw
schnittsflache isolirte Kupferdrähte (Fig. 237) abgeleitet, welche an beliebig«
Stellen in die Flüssigkeit getaucht werden konnten. Diese Anordnung die*
einerseits dazu, nachzuweisen, dass das Gesetz von dem Gefalle der Spa-
nung auch für den flüssigen Leiter gilt, andererseits, dass in einem gegeben
Querschnitt des Leiters überall die gleiche Spannung herrscht
„Die vorigen Versuche bestätigen in allen Stucken die OnM'sche A>
sieht von der elektroskopischen Beschaffenheit der geschlossenen Kette. On
giebt aber mehr; seine Theorie lehrt die elektroskopische Kraft jeder
zelnen Stelle aus der Gesammtspannung der offenen Kette und der Kennt-
niss der reducirten Längen aller einzelnen Theile genau vorherbestimmen.
Es soll jetzt ein Versuch vorgelegt werden, welcher, die früheren in sien
fassend, als Prüfung der gesammten Theorie angesehen werden kann.
„Die Anordnung des Versuches wird leicht aus Fig. 237 zu entnehmen
sein. Ein hölzerner, mit Wachs innen überzogener und mit drei Stellschrauben
versehener Kasten enthalt
die DANiEix'sche Kette
geschlossen wird dieKette
durch einen langen, im
Zickzack geformten, sehr
feinen Draht , welcher
durch Hülfe von Steck-
nadeln auf einen leichten
Holzrahmen gespannt ist
Die Enden dieses Drahtes
sind an zwei dicke Kupfer-
drähte gelöthet, welche in
dem Holzrahmen stecken
und in die Quecksilber-
näpfchen c und d ein-
tauchen. Soll nun die
Kette geöffnet werden,
so neigt man den Rah-
men vom über. In der
Figur bemerkt man, wie diese Bewegung bewerkstelligt worden ist; eine
Spiralfeder zieht den Rahmen zurück, ein Stift bei e verhindert aber sein
weiteres Zurückweichen, so dass er zum Schlüsse der Kette aufrecht steht.."
Nach R. Kohli
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. njs
An dieser Zusammenstellung nimmt nun Kohlrausch die Messung der
»annung an den verschiedenen Stellen vor. Bevor er auf die Berechnung
Liier Ergebnisse eingeht, erörtert er noch die verschiedenen möglichen
nnahmen über den Sitz der elektrischen Spannung in der DANiELi/schen
ette, und zeigt, dass das thatsächliche Ergebniss der Messung von diesen
nnahmen unabhängig ist, da durch den zur Messung dienenden ableiten-
5n Kupferdraht dem Gesetz der Spannungsreihe gemäss immer wieder die
Leichen Spannungen herauskommen müssen, wie man sich die Einzelwerthe
ach vertheilt denkt Geht man beispielsweise von der Drahtleitung zur
aipferplatte und der Vitriollösung über, so kann man nicht erwarten, den
pannungsunterschied zwischen dem Kupfer und der Lösung, welcher an
eser Stelle besteht, am Elektrometer zu Gesichte zu bekommen, denn
jrch die Prüfelektrode (Fig. 237) wird gerade eine gleiche und entgegen-
setzte Spannung, wie die zwischen der Kupferplatte und der Lösung
fischen diese und das Elektrometer gebracht, so dass sich die Lösung ver-
Jten muss, wie ein metallischer Leiter. Dies fand sich denn auch durch
n Versuch bestätigt, und daher war es möglich, den Verlauf der Spannung
der ganzen Zusammenstellung zu berechnen und mit der Messung zu
rgleichen, nachdem die Widerstände der einzelnen Theile des Stromkreises
r sich gemessen worden waren. In der nachstehenden Tabelle sind die
gebnisse des Versuches und der Rechnung mit einander verglichen, indem
e Kette geschlossen war und der Quecksilbernapf d abgeleitet war.
Berechnet Beobachtet
a) Der zweite untere Winkel des Zickzackes 0,93 0,85
b) „ vierte „ „ „ „ 1,86 1,85
c) „ sechste „ „ „ „ 2,80 2,69
d) Das Quecksilbernäpfchen c der Kupfertafcl 3,73 3,70
e) Die Lösung des Kupfervitriols 2,02 Zoll von der Kupferplatte 4,80 5,03
0 » »» » •• 4>°2 »» f. .. » 5»86 5>99
g) „ m » ,» 6 „ „ „ „ 6,91 6,93
h) „ ,, ,, 1, 8 „ ,, ,, „ 7,98 7>9° .
Die vorstehenden Zahlen zeigen, wenn auch der Grad der Übereinstim-
ung in einigen Fällen zu wünschen übrig lässt, die OHM'sche Theorie in
nem solchen Maasse erfüllt, dass an deren Geltung, auch was die elektro-
opischen Eigenschaften des Stromkreises der einfachen Kette anlangt, nicht
r mindeste Zweifel bestehen kann.
3. Die einzelnen Spannungen. Nach der Erledigung der Messungen
r OHM'schen Theorie der Ketten wendete Kohlrausch sich der Frage zu,
e die einzelnen Spannungen in der DANiELi/schen Kette vertheilt sind,
n hierauf eine Antwort zu erlangen, musste er sich eines Condensators
dienen, der nicht nur die beiden Metalle, sondern auch die beiden Flüssig-
iten einander gegenüber zu stellen gestattete. Ersteres konnte leicht durch
itten aus Zink und Kupfer erreicht werden; das letztere ermöglichte er
durch, dass er die Flüssigkeit durch Fliesspapier aufsaugen Hess, das auf
qaa Siebzehntes Kapitel.
einer Glasplatte ausgebreitet war, und solche Platten mit entspr
Metallplatten verband. Zwar war der Faktor des lezten Condensators
dem des ersten verschieden, doch Hess sich diese Verschiedenheit
passende Anordnung der Messungen mittelst Rechnung beseitigen. Im
zelnen ergaben seine Versuche das Folgende: '■.
Die Messungen am Zink-Kupfer-Condensator ergaben für die Spann
zwischen den beiden Metallen 4,17, welche Grösse in der Folge mit Zn|
bezeichnet werden wird. Wurden die beiden Metalle einer Danlell'
Kette mit den gleichnamigen Platten des Condensators verbunden, so
die Spannung F = 4,5i erhalten. „F besteht nun aus der Differenz
elektrischen Erregungen zwischen Zink und Zinkvitriol und zwischen Kapfcr
und Kupfervitriol, indem, wie sich nachher zeigen wird, die beiden Vitridb
bei ihrer gegenseitigen Berührung ganz oder fast ganz neutral verhaKa.
Es kann also F durch Zn | ZnSO4 — Cu | CuSO4 dargestellt werden, und »
ist, weil hier derselbe Condensator gebraucht wurde, die Gleichung gegeben:
Zn | Cu : (Zn | ZnSO4 - Cu | CuSO4) = 4,17 : 4,5 1 .
„Ich bediente mich nun einer Methode, welche Hr. Buff (Ann. der
Chemie und Pharm. 42, 5) angegeben hat, um die elektrischen DifferenJ»
zwischen Metallen und Flüssigkeiten ungetrübt von fremden Einflüssen n
erhalten. Zu dem Ende ward als untere Condensatorplatte die Zinkplatte
benutzt, als obere eine Glasplatte, auf welcher eine mit Zinkvitriol getränkte
Scheibe mit Löschpapier lag. Nachdem die Zinkplatte durch einen Zink-
draht mit dem Zinkvitriol verbunden war, zeigte der letztere positive Elek-
tricität, und zwar mit der Stärke 4,41. Es darf aber diese Zahl nicht in
unmittelbare Beziehung zu den oben gefundenen Zahlen gesetzt werden, wcO
hier ein Condensator von anderer condensirender Kraft gebraucht ist"
Ein ähnlicher mit Kupfervitriol angestellter Versuch ergab, als die Zink-
platte des Condensators mit diesem durch einen Kupferdraht verbunden 1
wurde, — 2,94. Hieraus folgt die zweite Gleichung:
Zn | ZnSO4 : (Zn I Cu — Cu | CuSO4) = 4,41 : 2,94.
„Aus den beiden gefundenen Gleichungen lässt sich aber das Verhält-
niss der Grösse der einzelnen Erregungen auf algebraischem Wege ableiten.
Wird die elektrische Differenz zwischen Zink und Kupfer durch die Zahl 4,17
vorgestellt, so ist die Differenz zwischen Zink und Zinkvitriol gleich 5,21
und die zwischen Kupfer und Kupfervitriol gleich 0,70.
„Das sieht nun so freilich recht hübsch aus, aber man darf
diesen Zahlen ein zu grosses Gewicht nicht beilegen." Und nun
setzt Kohlrausch mit bemerkens weither Unparteilichkeit gegen seine eigenen
Bestimmungen die mannigfaltigen Fehlerquellen auseinander, welche die Er-
gebnisse trüben können. Eine andere Versuchsreihe, die er als die ab-
weichendste bezeichnet, hatte die Zahlen zu 4,17, 6,07 und 1,56 statt der
früheren ergeben, wo die erste des Vergleiches wegen beiderseits gleich ge-
setzt worden ist.
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. 945
. Um nun noch die oben erwähnte Frage nach der gegenseitigen Er-
cgung der beiden Flüssigkeiten zu prüfen, wurde zuerst der Condensator
.11s Zink und Zinkvitriol hergestellt und gemessen. Alsdann wurde das
ünkvitriol auf der Glasplatte durch Kupfervitriol ersetzt, von dem die Ab-
»tung durch einen mit Zinkvitriol getränkten Faden bewerkstelligt wurde.
»Dadurch fand nun dieselbe Ladung des Condensators statt, wie in dem
Luderen Falle, wenigstens so genau, dass die kleinen Abweichungen voll-
kommen in die Fehlergrenzen der Beobachtungen fallen. Sollte dennoch
sine Erregung zwischen den beiden Vitriolen stattfinden, so beträgt sie
^hwerlich mehr als 1/20 von der Differenz zwischen Zink und Kupfer/'
Die durch die Studie am Daniell-Element angebahnte Untersuchung
ler elektromotorischen Kräfte zwischen den Metallen und den Flüssigkeiten
^urde von Kohlrausch nach kurzer Zeit fortgesetzt,1 indem er die Stellung
Einiger anderer Metalle in der Spannungsreihe zu ermitteln suchte. In der
Einleitung dazu macht er mit Recht aufmerksam, dass alle galvanometrischen
Methoden immer nur Summen von Spannungen geben, und dass alle Glei-
chungen, welche man mit Hülfe solcher Messungen bilden kann, immer
Mindestens eine Unbekannte zu viel enthalten, so dass sie nicht numerisch
aufgelöst werden können. So darf man z. B. bei den Versuchen von Pog-
ibndorff (S. 719) für das Verhalten der Flüssigkeit zu den Metallen jede
aeliebige Annahme machen, ohne dass die vorhandene Beziehung gestört
arird, wenn man das VourA'sche Spannungsgesetz als gültig annimmt; eben- *
deshalb können solche Versuche nichts über den wirklichen Spannungsunter-
schied zwischen den Metallen allein lehren. Auch entgeht ihm nicht, dass
selbst der „äusserste Standpunkt der chemischen Theorie" mit Poggendorff\s
Messungen verträglich ist, denn die Beziehungen bleiben auch bestehen,
wenn man die Erregung zwischen den Metallen gleich Null setzt. „Will man
die elektrischen Differenzen der Metalle ohne den störenden Zutritt der Flüs-
sigkeiten studiren, so bleibt der Gebrauch der Magnetnadel ausgeschlossen,
und als Untersuchungsmittel nach unserem jetzigen Stande der Wissenschaft
nur der Condensator mit dem Elektrometer übrig."
Nun entstand aber die Schwierigkeit, dass der von der Entfernung der
Platten abhängige Faktor des Condensators schwerlich gleich erhalten werden
kann, wenn man verschiedene Platten benutzen muss. Um sich hiervon un-
abhängig zu machen, verfuhr Kohlrausch in folgender Art:
„Verbindet man mit den Condensatorplatten eine Elektricitäts-Quelle k
in der Art, dass man den Pol, welcher + E liefert, durch in die Spannungs-
reihe gehörige Körper mit der positiveren, den anderen mit der negativeren
verbindet, so bekommt der Condensator eine Ladung, welche der Elektrici-
täts-Quelle k + d entspricht, wenn d die elektrische Differenz der beiden
Metalle vorstellt, aus denen der Condensator besteht. Verknüpft man aber
n der umgekehrten Weise, so bekommt man eine Ladung, welche der
1 Pogg. Ann. 82, 1. 1851.
Oatwald, Elektrochemie. 6O
Bis hier ist alles methodisch in schönster Ordnung. Nun a
sich Kohlrausch das Bedenken, dass es keine ganz constante 1
gebe, und um den hierin liegenden Fehler zu vermeiden, verfii
dass er zwei Condensatoren neben einander untersucht, einen vo:
Kupfer und den zweiten von den zu untersuchenden Metallen. D<
der benutzten Hydrokette (einer DANiELi/schen) wird dann nach d
niss der Messung an dem Kupfer-Zink-Condensator bestimmt,
dann die Spannung des anderen Condensators verglichen. Dies
wäre einwurfsfrei, wenn bewiesen wäre, dass ein Kupfer-Zink-C
immer unveränderlich die gleiche Spannung besitzt. Kohlrausch
bar in dem damaligen Stadium seiner Versuche eine solche An
„selbstverständlich" gehalten, denn er hat die Thatsache, dass
Annahme vorliegt, nicht einmal besonders hervorgehoben. Man
fehl gehen, wenn man dieses Übersehen des sonst so musterhaft
Beobachters seiner festen Überzeugung von der Richtigkeit de
theorie zuschreibt, die ihm einen Zweifel an der Gültigkeit d
setzung bestimmter und constanter Spannungsunterschiede zwi
Metallen gar nicht kommen Hess. In der Folge hat allerdings ¥
selbst das Beste dazu gethan, die Trüglichkeit dieser Voraussetzu
stens soweit sie die Ergebnisse der Condensatorversuche anlang
zelnen nachzuweisen.
Vor der Ausführung der Versuche überzeugte sich Kohlrai
dass an der Stelle massiver Platten sich solche von beliebigem
wenden lassen, die mit einer Schicht des zu untersuchenden Met
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. 047
:hwendigkeit ergiebt, den Condensator anders einzurichten. Eine massive
iplatte war noch ganz blank mit ihren Lackstellen versehen, konnte aber
t am anderen Tage geprüft werden, wo sie schon ihren Glanz zumeist
"ioren hatte. Sie wurde gegen eine Kupferplatte geprüft, und es stellten
h an diesem Tage für Pb|Cu die Zahlen 92,7 und 90,1 heraus, am
genden Tage 81,9 und am dritten 74,0. Aller Glanz war jetzt auch ver-
hwunden und das Blei ganz angelaufen." Ähnliche Ergebnisse wurden
it anderen Metallen, insbesondere Zinn beobachtet, so dass Kohlrausch
ine Untersuchung mit folgendem „Bedenken" schliesst:
„Statt die Arbeit mit anderen Metallen fortzusetzen, breche ich sie hier
Drerst ab. Die Versuche mit dem Bleie zeigen zu Genüge, dass die Er-
?bnisse nur dann Werth haben, wenn die Oberflächen der Condensator-
iatten rein metallisch sind, und so möchte es vorerst am nöthigsten sein,
ese so einzurichten, dass sie ganz frei von Lack sind und jeden Augen-
ick abgeputzt werden können. Wer kann auch dafür einstehen, dass nicht
e an der Oberfläche der Metalle condensirten Gase, wie sie es bei den
osER'schen Bildern gethan, so auch hier eine Rolle spielen? So gern ich
ch der Ansicht wäre, dass meine Messungen die Stelle der edlen Metalle
der Spannungsreihe einigermaassen richtig bestimmen, so will ich doch
:ht leugnen, dass ich neue Versuchsreihen mit' neuen Instrumenten anzu-
illen für nöthig erachte. Der Grund, weshalb ich dennoch eine halbfertige
-beit veröffentliche, ist, abgesehen davon, dass der grösste Theil dessen,
is ich geschrieben habe, doch geschrieben werden musste, in unseren
itverhältnissen zu suchen,1 welche eine Unterbrechung der Arbeiten als
Dglich erscheinen lassen."
4. Kohlrausch's spätere Arbeit. Aus dem von Kohlrausch be-
igten halbfertigen Zustande ist dann die Arbeit nicht herausgekommen,
rei Jahre später veröffentlichte er einen Nachtrag2 dazu, von dem er gleich-
ls erklärt, dass er nur unvollständig sei, und nur veröffentlicht werde, weil
»n anderer Seite die gleiche Frage in Angriff genommen sei. Der Nach-
ig „liegt schon seit anderthalb Jahren und wartet auf Vollendung, doch
iben mich interessantere Untersuchungen aus diesem Gebiete gedrängt, da
le genauere Bestimmung der Zahlen schwerlich einen praktischen Zweck
t, das Theoretische mir aber trotz der ungenauen Zahlen ziemlich ver-
:hert erscheint"
Kohlrausch hatte inzwischen einen Condensator gebaut, welcher den
iher gestellten Anforderungen entsprach, und mit demselben in der That
:mlich abweichende Ergebnisse erhalten. Eine Anschauung des Conden-
tors giebt Fig. 238; er besteht aus zwei aufrecht stehenden Platten, die
rmittelst einer entsprechenden Anzahl von Feinbewegungen einander genau
rallel gestellt, und nach stattgehabter Entfernung wieder auf gleichen
1 Die Arbeit ist datirt: Cassel, den 15. October 1850.
* Pogg. Ann. 88, 464. 1853.
6O*
I
948
Sicbzebotes Kapitel.
Abstand genähert werden können. Um die erfon
quem ausfuhren zu können, ist mit Hülfe von
Schaltbrett hergestellt, welches wie folgt beschriebt
„Ein hölzerner, mit Blei ausgegossener Klotz '
Quecksilbernäpfchen und ebenso eine Anzahl Kupl
Fig. 138. Nach R. Kohluausch.
durch seitliche Klemmschrauben in richtiger Hör
etwas hellere Theil stellt das Schellack vor; das Me
an der Seite einen hervorragenden Stift.
„In den Trägern der Condensatorplatten sine
feine Drähte befestigt, die mittelst eines kleinen ai
Stifte der Quecksilbernäpfchen o und d gehängt u
Ende der Drähte ist amalgamirt.
„Die beiden isolirten und ebenfalls mit Kle
Näpfchen haben unten Messingschrauben, welche i
sind. Mit diesen Näpfchen werden durch die Dräl
stallten Kette verbunden.
„Die Kupferhaken sind in geschlitzten Holzsäui
sie in das Quecksilber getaucht, so ist das betrei
Erde abgeleitet, denn das andere Ende des Hakens
gelotheten, feinen Spiraldraht mit einem metalliscr
welches seinerseits durch die Fortsetzung r mit de
„Der Draht / verbindet das Quecksilbernäpfcht
draht des Elektrometers. . . .
„Der Gebrauch des Condensators ist nun sehr
Zinkplatte, t eine Kupferplatte, q' der Draht, w
Ö *N:i:i L\schcn Kette führt. .-" --: "- "' :. * *
Vliher (S. 943) gegebene Me::: - ..'. t=z.l-
'c^nzen der Metalle die M.-:;-.:. .—
»SLtors: erstens, wenn di-_ . :. :r:. . -_— ir"
3 unden werden, zweit-n- v -r:: . '
i<.T ÜANiKLi/schen K/r.-. -::* .r- ..*: ."
**C^upferpole geschieh: . -:»: .:—* " " * .
"xiacht wird.
„Das erste <.rr- • :V -.-: * t.
■r-c-rbindet, das zw. *-. v ::: :;..
rnittleren durch I- •:•■::.• - .-
dlurch die Vorri •::::.".. : *•-.-:■- . -
^.Avei Drahten, 5chv..L:\ .- . -
^^amirt."
Mit diesen V. r- r : '
TMaasse die beirr. : *.' : .
czlem Oberfliic ;:•.-..-- *.--* .- --
^Ietallen wieder:: *J -- . _-
lichste der I-V." :.* :. :-
i n dem Sinne, •::•>• - - -
vvar. Kupfer ar. .•:-: ; .'
Mit Riicksirh* i..' . - - - - _ .
*Jie folgenden Z-v*. ■:" . - •-
-\g = 109, Au = ■ := '■•
paar Kinheiten . . .-.'■. —
=sind ziemlieh b: :-."■■: ■ —
Auch di-. "."*•. •.■•-.
lallen und F. .— :• -■-
"wie früher Zr. ...=-. *
- 2,67 1 .
Wie mar. «.'"*•.-
wohl Anla^ :.-.**- :- ••- -
Prüfung zu •:-••:*: •„• -
immer sich '.%::•;.-• -
V« Uta 'sehen '!''•'.- ■ • - . ._
die Unb»-stan 1 ;•• • • - - . .
Weichlingen. •.•*;•• . ^ ,. cn
/-eigen, müs-\- .••*••-_ cr-
dass die Gr.*- -
luichst ein M«.«. •■- ^ cnrn
Gewalt hat. r.-r .. ^ . _ ;iber,
methode g«/.- . _^ | {\\r
welche ihm.-. - :- _ sjrht,
von den m:* . - _
gcQ Siebzehntes Kapitel.
und bis auf den heutigen Tag wird noch von vielen diesen Werfhen, dem
schwankende Beschaffenheit bei jedem neuen Bestimmungsversuch nur immor
deutlicher zu Tage getreten ist, eine grundlegende Bedeutung für die Theorie
der VoLTA'schen Ketten und der Elektricitätserregung überhaupt beigelegt
Es lässt sich dies nur aus dem Umstände erklären, dass die Theorie bestraf
lange bevor die schwankende Beschaffenheit ihrer Grundlage zu Tage p*
treten war, und dass es sehr schwer ist, die Herrschaft einer einmal ange-
nommenen Theorie zu brechen und die einer nicht angenommenen her»
stellen, selbst wenn zu Gunsten der letzteren die experimentellen Gründe viel
deutlicher sprechen, als für die erste.
5. Weitere Spannungsmessungen. An die Arbeiten von Kohl-
rausch zur Bestimmung der Spannungsunterschiede zwischen Metallen unter
sich und mit Flüssigkeiten schlössen sich viele andere, welche im Wesen die
gleichen Resultate gaben, wie jene grundlegende Untersuchung. An diesen
Arbeiten sieht man am deutlichsten, in welchem Maasse eine vorgefesste
Meinung blind gegen die Thatsachen machen kann. Weil nach der Vor-
sehen Hypothese die Metalle gegen einander grosse Spannungsunterschiede
haben sollten, verschloss man sich gegen die Erkenntniss, dass die mittelst
des Condensators, der einzigen vorhandenen Methode, gemessenen Werthe
ausserordentlich weit von der Beständigkeit und Bestimmtheit entfernt waren,
welche von so allgemeinen Naturconstanten beansprucht werden muss.
Einer der betheiligten Forscher nach dem anderen klagt darüber, dass die
beobachteten Spannungen so ungemein von unbeherrschbaren Zufälligkeiten
abhängen, und wenn auch für diese Unregelmässigkeiten die stets bereite
Theorie Auskunft durch angenommene oder nachgewiesene Oberflächen-
schichten gab, so war damit allerdings eine augenblickliche Ausflucht ge-
geben, aber kein Mittel, für die grundlegenden Grössen der Theorie irgend-
welche einwurfsfreien Zahlenwerthe zu finden. Trotzdem sehen wir einen
Forscher nach dem anderen sich der hoffnungslosen Aufgabe hingeben, und
heute sind nach all der Arbeit diese Zahlen nicht wesentlich genauer be-
kannt, als R. Kohlrausch sie uns seinerzeit kennen gelehrt hatte; alle Ver-
feinerung der Messhilfsmittel hat zu nichts gedient, als die Veränderlichkeit
der Zahlen deutlicher ins Licht treten zu lassen.
Der Zeit nach sind die ersten weiteren Arbeiten, nach denen von
R. Kohlrausch, die von W. Hankel ausgeführten. 1 Die Methode war wieder
die des Condensators, nur war das ÜELLMANN'sche Elektrometer durch eines
eigener Construction ersetzt, welches wesentlich aus einem BBHRENs'schen
(S. 290) mit mikroskopischer Ablesung bestand. Um gegen die Veränderlichkeit
frisch geputzter Platten gesichert zu sein, wurden alle Messungen gegen eine
unverändert bleibende Kupferplatte ausgeführt, deren Zustand als dauernd
angenommen wurde. Über die grosse Abhängigkeit des elektromotorischen
1 Abhandlungen der kgl. sächs. Ges. der Wiss., phys.-math. Klasse, 0, 1 und 7, 585.
1864/ 1865.
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. gc\
Zustandes der Platten von der vorangegangenen Behandlung wird Folgendes
xnitgetheilt:
„Die nachfolgenden Versuche werden darthun, dass die Spannung, welche
l>ei den zuvor beschriebenen Messungen zwischen Zink und Kupfer sich
zweigt, gar sehr von der Beschaffenheit dieser Oberflächen abhängt, weshalb
es nothwendig wird, stets genau anzugeben, in welchem Zustande sich die
Oberflächen der Platten befunden haben, oder welchen Operationen sie zuvor
unterworfen worden sind; selbst die edlen Metalle verändern durch blosses
Liegen an der Luft ihre Oberflächen. Ferner werden durch Wasser und
andere Flüssigkeiten, auch wenn man die Platten sofort nach dem Benetzen
damit wieder abtrocknet, Änderungen erzeugt, und unter Umständen so
schnelle, dass ein infolge der blossen Annäherung der Hand eingetretener
Beschlag einer Platte, der sofort wieder verschwindet, hinreicht, um merk-
liche Modificationen hervorzurufen."
Gegenüber solchen Erfahrungen muss billig gefragt werden, ob denn
überhaupt die Möglichkeit vorhanden ist, eine unveränderte Oberfläche irgend
einer Metallplatte zur Messung zu bringen. Denn die in solchen Fällen ein-
tretenden Änderungen haben alle die Eigenschaft, dass sie langsam auf-
hören, mithin in den ersten Augenblicken nach der Behandlung der Platte
mit den Reinigungsmitteln am schnellsten verlaufen. Dadurch bleibt jeder
einzelne Versuch dem Einwände ausgesetzt, dass die grösste Änderung bereits
vor sich gegangen ist, bevor die erste Messung hat ausgeführt werden können.
Und neben dieser unüberwindlichen Schwierigkeit ist noch die andere, noch
bedenklichere vorhanden, dass nämlich überhaupt keine Reinigungsoperation
im Stande ist, eine wirklich reine Oberfläche zu liefern. Denn immer muss
die Platte mit anderen Stoffen, den Reinigungsmitteln, berührt und gerieben
werden; und man kann hundert gegen eins wetten, dass von diesen Stoffen
sich Bestandtheile auf der Oberfläche der Platte ansammeln müssen. Dass
man durch bestimmte Reinigungsmethoden schliesslich constante Werthe
erlangen kann, beweist nichts, als dass durch das Verfahren eine stets gleich-
bleibende Verunreinigung der Oberfläche erzeugt wird, keineswegs aber,
dass die Oberfläche rein ist. Um ein Bild von der Veränderlichkeit solcher
Platten zu geben, seien die Versuche mit einer Goldplatte angeführt, bei
welcher man sie am wenigsten erwartet. „Der grösste Ausschlag, den eine
frisch geputzte Goldplatte gab, war —0,65 Skalentheile; er sank in 1/2 bis
3/4 Minuten auf —0,50 Skth., nach einer neuen halben Minute auf —0,40,
und nach 10 Minuten betrug er nur noch —0,20 Skth."
Das Gleiche wird aus der von Hankel schliesslich zusammengestellten
Tabelle (S. 952) ersichtlich, welche die beobachteten Werthe und ihre Ver-
änderlichkeit angiebt.
Zum Verständniss der Tabelle sei bemerkt, dass die Spannung zwischen
frisch gereinigtem Zink und Kupfer gleich 100 gesetzt worden ist, dass aber,
um Zeichenwechsel zu vermeiden, die Stellung des Zinks mit 200, und die
des Kupfers demgemäss mit 100 bezeichnet worden ist. Wie man sieht,
952
Siebzehntes Kapitel.
beträgt in einem Falle die Veränderlichkeit fast den ganzen Betrag des
Spannungsunterschiedes zwischen Zink und Kupfer, also etwa 8/4 Volt o
moderner Messung.
Name des Metallcs
Ort in der Spannungsreihe
I!
unmittelbar
nach dem
Putzen
i — 2 Tage 4 — 7 Tage
nach dem Putzen
;' Betrag der
Ä . ; beobachtetes
2 Monate xr » .
Veränderung
II
Aluminium . . .
Amalgamirtes Zink
Zink
•
Kadmium . . .
Zinn
Blei
Antimon. . . .
Wismuth . . .
Neusilber . . .
Messing ....
Quecksilber . . .
Eisen
Stahl
Gusseisen . . .
Kupfer ....
Gold
Palladium . . .
Silber ....
Coke
Platin
225
200:
200
176
177
156
131
128
125
122
119
116
109
108
100
100
85
83
78
77
188
116
110
60
165
164
164
«35
122
110
140
85
100
86
81
70
78
157
43
139
37
152 .
25
»51
:i
»13
18
106
22
105
20
—
59
92
-4
93
16
96
12
—
i «4
—
19
82
12
Als ein weiteres Beispiel solcher Unterschiede sollen die Beobachtungen
Hankei/s an einer Kadmiumplatte dienen. Die gegossene Platte war an-
fangs etwas zu klein gerathen; sie gab in diesem Zustande sofort nach dem
Putzen den obenstehenden Werth 176, d. h. 24 gegen Zink. Als nun die
Platte durch Hämmern ausgedehnt worden war, gab sie, ebenfalls gleich
nach dem Putzen, den Werth 19 gegen Zink; der erste nach dem Hämmern
und Abschleifen erhaltene Werth war gar nur 12!
Ein zweiter Theil von Hankei/s Arbeit ist der Messung der Spannung
zwischen Metallen und Flüssigkeiten gewidmet. Auch hier machten sich
ausserordentlich schnell vor sich gehende Veränderungen geltend, die zwar
an sich nicht ohne Interesse sind, den erhaltenen Werthen aber jede be-
stimmte theoretische Bedeutung rauben. Das Verfahren bestand darin, dass
ein oben eben geschliffener Trichter mit aufgebogener Röhre so unter der
oberen Platte des Condensators angebracht wurde, dass die in ihn gegossene
Flüssigkeit mit ihrer oberen Fläche die untere Platte des Condensators er-
setzte. In die aufgebogene Röhre des Trichters wurde nun das zu prüfende
Metall getaucht, und der Spannungsunterschied zwischen den beiden Flächen
des Condensators gemessen. Von früher her war der Spannungsunterschied
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. gci
sehen dem Metall und der oberen Condensatorplatte bekannt; durch Ab-
hen derselben von der eben beobachteten Spannung, welche die Summe
• Spannungen Metall | Wasser und Metall | Condensatorplatte darstellt, konnte
in die Spannung Metall | Wasser erhalten werden. Nachstehende Beschrei-
tig eines Versuches giebt eine weitere Verdeutlichung des Verfahrens.
„Auf den Rand des leeren Trichters wurde eine in der früher ange-
Denen Weise polirte Zinkplatte gelegt, und ihre Differenz gegen die obere,
t langer Zeit in der Luft ruhig schwebende Kupferplatte in bekannter
eise gemessen. Das Elektrometer zeigte einen Ausschlag von — 8,49 Skth.
„Darauf wurde an die Stelle der Zinkplatte eine frisch geputzte Kupfer-
itte gelegt, und gleichfalls ihre Spannung gegen die obere kupferne Con-
osatorplatte gemessen. Der erhaltene Ausschlag betrug —0,18 Skth.
„Nach Entfernung der Kupferplatte wurde der Trichter mit destillirtem
asser gefüllt, und sodann nach dem Niederlassen der oberen Condensator-
itte bis zu dem gewohnten Abstände von 10 Theilstrichen des Ocular-
krometers ein durch Putzen mit Schmirgelpapier polirtes und durch einen
nnen Kupferdraht mit der Erde in leitender Verbindung stehendes Kupfer-
ck in die Flüssigkeit der mit dem Trichter zusammenhängenden seidichen
hre getaucht. Die obere Condensatorplatte war ebenfalls mit der Erde
leitende Verbindung gesetzt worden; diese letztere Verbindung wurde
er noch während des Eintauchens des Kupferstückes in das Wasser auf-
hoben. Nach dem Aufziehen der oberen Condensatorplatte musste das
?ktrometer einen Ausschlag zeigen, der der im Augenblicke der Unter-
teilung der zuletzt genannten Ableitung vorhandenen Spannung entsprach.
vorliegenden Falle beobachtete ich einen Ausschlag von 0,96 Skth.
„Das Kupferstück blieb ruhig eingetaucht. Als dann nach ungefähr
bis 1 Minute die obere Condensatorplatte wieder niedergelassen und nach
lfhebung ihrer Ableitung zur Erde wieder emporgezogen wurde, gab das
?ktrometer einen Ausschlag von —0,21 Skth.
„Bei Wiederholung eben dieses Verfahrens nach abermals 3/4 bis 1 Minute
id ich einen Ausschlag von + 0,09 Skth. Zehn Minuten nach dem Ein-
teilen betrug der Ausschlag + 0,38 Skth. und blieb von da an für längere
it constant.
„Aus der Differenz der mittelst der Zink- und Kupferplatte erhaltenen
isschläge 8,49 —0,18 Skth. ergiebt sich die Grösse des Ausschlages, wel-
*r der Spannung Zn|Cu entspricht, =8,31 Skth.
„Aus der Vergleichung der mit der Kupferplatte und der beim Ein-
teilen des Kupferstückes in Wasser beobachteten Ausschläge lässt sich
ner die zwischen Wasser und Kupfer eintretende elektrische Spannung
rechnen und mittelst des soeben gegebenen Werthes in der von uns ge-
hlten Einheit Zn | Cu ausdrücken.
„Bildete nämlich die polirte Kupferplatte die untere Condensatorfläche,
wurde ein Ausschlag von —0,18 erhalten. Derselbe stieg auf —0,96,
QtA Siebzehntes Kapitel.
als die untere Condensatorfläche aus Wasser bestand, in welches ein frech
polirtes Kupferstück soeben eingetaucht wurde. Daraus folgt, dass bei diesem
Versuche im Momente des Eintauchens das Wasser gegen das Kupfer poatw
war, und zwar betrug diese Spannung in Skalentheilen des Elektrometers
0,96 — 0,18 = 78 Skalentheil, oder nach der von uns gewählten Einheit
+ 0,09 Zn | Cu."
Hankel hat nun mit grosser Geduld das Verhalten einer Anzahl Metalle
gegen Wasser je nach der Dauer der Berührung untersucht Als allgemeines
Ergebniss spricht er aus, dass alle Metalle im ersten Augenblick negativ
gegen Wasser sind, doch verschiebt sich die Spannung sehr bald nach der
positiven Seite. Die unedlen Metalle, wie Zink, zeigen kaum Spuren dieser
ersten negativen Stellung, und werden sehr schnell positiv, doch glaubt
Hankel auch bei ihnen ein entsprechendes Verhalten annehmen zu dürfen.
Wir werden später auf dies Ergebniss zurückzukommen haben.
6. Spätere Versuche. Ein weiterer Beobachter in dem dornigen Ge-
biete der messenden Bestimmung der zwischen den Metallen am Condensator
merklichen Spannungen war E. Gerland.1 Seine Messungen zeigen des
weiteren, dass so viele verschiedene Zahlen erhalten werden, als Beobachter
sich bethätigen; es hat demnach kaum einen besonderen Werth, auf sie
näher einzugehen. Dagegen verdient ein Irrthum erwähnt zu werden, welchen
er hier begeht, und welcher sich später mehrfach wiederholt hat Indem er
im Sinne der chemischen Theorie die Erwägung macht, dass voraussichtlich
die in der Luft enthaltene Feuchtigkeit die Ursache des Spannungsunter-
schiedes sein muss, da sonstige Verschiedenheiten der Gase, in denen der
VoLTA'sche Versuch angestellt wird, keinen merklichen Einfluss ausüben,
schliesst er, dass es eine Bestätigung der chemischen Theorie wäre, wenn
die mittelst des Condensators in Luft gemessenen Spannungsunterschiede
zwischen verschiedenen Metallen gleich denen in Wasser gemessenen sein
würden. Da quantitative Messungen nicht vorliegen, vergleicht er die ent-
sprechenden Spannungsreihen, und deutet das Ergebniss im ungünstigsten
Sinne für die chemische Theorie. Das umgekehrte würde richtiger gewesen
sein und entspricht, wie wir jetzt wissen, den Thatsachen.
Bei dieser Gelegenheit giebt Gerland nun die unrichtige Ableitung,
nach welcher die elektrische Differenz zweier Metalle gleich dem halben
Unterschiede zwischen den elektrischen Erregungen der Metalle und Wasser
sein soll. Der hier begangene Irrthum beruht darauf, dass Gerland annimmt,
es werde eine bestimmte Elektricitätsmenge durch die Berührung der
Metalle mit Wasser freigemacht, während der Inhalt des VoLTA'schen Ge-
setzes dahin lautet, dass unabhängig von der erforderlichen Elektricitätsmenge
eine bestimmte Spannung sich herstellt. Es liegt somit nicht, wie Gerund
bemerkt, ein Fehler bei Wüllner (Experimentalphysik II, 825) vor, der gan*
richtig beide Differenzen einander gleich setzt, sondern bei ihm selbst Ahn-
1 Pogg. Ann. 138, 513. 1868. * Ebenda 137, 552. 1869.
J
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. nee
ie Fehler sind auch in der Folge begangen worden, weshalb hier die
vähnung von Interesse ist.
Die Mittheilung seiner Messungsergebnisse leitet Gerland mit den charak-
istischen Worten ein: „So leicht es ist, mit dem beschriebenen Apparate
düngen zu bekommen, so schwer ist es, mit ihm solche zu erhalten, von
len man sicher sein kann, dass sie nicht in zufalligen Störungen ganz
sr theilweise ihren Grund haben."
An die hier geschilderten Arbeiten haben sich in der Folge noch zahl-
che ähnliche angeschlossen, deren Ergebnisse von denen der ersten zwar
ofern verschieden waren, als andere Zahlen gefunden wurden; der allge-
:ine Charakter derselben, die grosse Unbestimmtheit und Veränderlichkeit blieb
r gleiche. Auch auf den Einwand von de la Rive, dass die beobachteten
ktromotorischen Kräfte durch den Einfluss der umgebenden Gase entstehen,
rde Rücksicht genommen; und da nach dieser Richtung noch die entschei-
idsten Beobachtungen gemacht wurden, so mögen sie hier erwähnt werden.
Von William Thomson ist1 ein Verfahren zum Nachweis und zur Mes-
lg des scheinbaren Spannungsunterschiedes angegeben worden, welches
ar anscheinend von den früheren Methoden wesentlich verschieden ist, that-
:hlich aber auf das gleiche, nämlich den Spannungsunterschied eines Luft-
idensators aus zwei verschiedenen Metallen herauskommt. Der Versuch
ruht auf der unmittelbaren Anwendung des von demselben Forscher er-
idenen Halbring- und Quadrantelektrometers, und da dieses Instrument
die Entwickelung der Experimentalforschung auf diesem Gebiete von
iger Bedeutung geworden ist, so soll hier etwas näher auf seine Geschichte
gegangen werden.
Als ältestes Datum seiner Erfindung giebt William Thomson selbst das
ir 1857 an> in welchem er die erste Nachricht darüber in italienischer
räche 2 veröffentlicht hat. In der That findet sich hier das Wesentliche des
trumentes bereits so vollständig angegeben, dass der nachfolgende aus-
gliche Auszug der italienischen Abhandlung gleichzeitig als älteste Mit-
rilung und als sachgemässe Darstellung des Prinzipes dienen kann..
Diese erste Darstellung William Thomson's hat ihr besonderes geschicht-
les Interesse dadurch, dass sie den Zusammenhang seines Instrumentes
t den älteren Formen der Elektrometer durch die eigene Darstellung des
finders hervortreten lässt, ein Zusammenhang, dessen Vorhandensein später
llständig in den Hintergrund getreten ist.
„1) Idiostatisches Abstossungselektrometer.
„Die Gestalt des elektroskopischen Elektrometers, welcher ich bisher
ch vielen Versuchen den Vorzug gegeben habe, ist eine Abänderung des
1 Proc. Litt, and Philos. Soc. Manchester, 21. Jan. 1862; — Ges. Abhandl. I. 308.
2 Atti deU' Accademia pontificia de' nuovi Lincei 11, 177, 1857. Sessione del 7. Marzo
;8. (In der deutschen Übersetzung von William Thomson's gesammelten Abhandlungen,
rlin 1890, S. 258, ist irrthümlich das Datum dieser Mittheilung auf den Februar 1857 angegeben.)
gc5 Siebzehntes Kapitel.
ÜELLMANN'schen Elektrometers, das in Poggbndorff's Annalen beschrieben ist
Wie bei dem ÜELLMANN'schen Elektrometer und der von Faraday verbesserten
CouLOMß'schen Drehwage dient ein Glasfaden dazu, den beweglichen Zeiger
zu tragen, und die elektrische Kraft wird durch die Torsionselasticität an-
gezeigt. In Nachahmung des Instrumentes von Dellmann (welches ich mit
grosser Befriedigung 1857 in Kreuznach durch die Freundlichkeit seines Er-
finders in Thätigkeit gesehen habe), benutzte ich einen festen Leiter, welcher
zwei metallische Streifen trägt, welche so angeordnet sind, dass sie einen
länglichen, leichten und beweglichen Streifen abstossen; der eine und der
andere von beiden muss zu Anfang des Versuches elektrisirt werden. Mein
Instrument weicht aber von dem Dellmann's dadurch ab, dass durch seine
Anordnung der bewegliche Leiter in beständiger Verbindung mit dem festen
gehalten wird vermittelst eines feinen Platindrahtes, der an der Mitte des
ersten befestigt ist und ein kleines Gewicht von Glas oder Blei trägt; dies
hängt untergetaucht in Schwefelsäure, die in einem Gefässe von Blei ent-
halten ist, das den untersten mittleren Theil des festen Stückes bildet Dieser
feste Theil ist isolirt auf der Spitze eines langen Trägers aus Krystallglas
(3 bis 4 Zoll sind ausreichend) in der Mitte eines gläsernen Gehäuses be-
festigt. Der bewegliche Leiter ist an einem sehr feinen Glasfaden aufgehängt,
der 4 oder 5 Zoll lang ist, und wie bei der CouLOMß'schen Wage von einem
getheilten Kreise herabhängt. Die Form des beweglichen Leiters, welche
vielleicht am besten für ein Instrument zu genauen Beobachtungen geeignet
ist, besteht wie bei Dellmann aus einem Stück feinen Metalldrahtes, in der
Mitte gewunden, um eine bequeme Aufhängung
zu ermöglichen, und an den Enden ein wenig
durch Schlagen mit einem Hammer abgeplattet:
™ t. ™ 2^9 er bildet so eine Nadel von etwa zwei Zoll Länge,
Nach W. Thomson. ~
Fig. 239 I. Ich habe diese Nadel noch nicht in
meinem Elektrometer versucht, sondern bediene mich für Vorlesungszwecke
eines doppelten Streifens von Goldpapier. Die letzte dieser Formen, die ich
versucht habe, hat die Gestalt II
und ist einfach hergestellt, in-
dem zwei Stücke Goldpapier
zusammengeklebt und in die
angegebene Form geschnitten
worden sind. Diese Nadel ist
v 4l/2 Zoll lang und ungefähr in
Fig. 239 II. Nach w. Thomson. den Verhältnissen der Figur.
Ich habe es wichtig gefunden,
wenn sie sich krümmt, und ihre Enden aus ihrer Ebene heraustretet
dass sie durch Ankleben eines sehr feinen Glasfadens versteift werden muss;
auch muss sie in eine sehr trockene Atmosphäre gebracht werden, drei
oder vier Tage lang, wenn sie sich gekrümmt hat Alsdann wirkt sie wie
ein sehr bequemes Elektrometer und ist empfindlicher, als irgend eines
=JU
.
Ü
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen.
957
deiner Goldblattelektroskope. Ich ziehe es diesem vor, um die elementare
Theorie der VoLTA'schen und galvanischen Versuche mit Hülfe des Con-
lensators zu zeigen. . . .
„2) Heterostatisches Elektrometer und Elektroskop.
„Ich habe gleichfalls zwei oder drei Formen sehr empfindlicher Elektro-
kope construirt, mit denen ich unmittelbar die elektrische Spannung eines
einfachen Kupfer-Zink-Paares ohne die Hülfe des Condensators zeigen kann.
Jber die beste Form dieses Instrumentes zu genaueren Untersuchungen bin
ch noch nicht ganz im reinen; doch will ich kurz eine Form beschreiben,
im in Vorlesungen unmittelbar die Spannungswirkung eines einfachen Zink-
iupfer-Paares, oder die bei der schnellen Trennung zweier 2- bis 3-zölliger
5latten von Zink und Kupfer zu zeigen. Für Vorlesungen habe ich eine
7orm bequem gefunden, welche die positive und negative Elektricität durch
mtgegengesetzte Bewegungen unterscheiden lässt.
„Der feste Leiter in dieser Zusammenstellung besteht wesentlich aus
len beiden Hälften eines breiten Ringes (aus Messingblech, aussen 41/a, innen
6/8 Zoll im Durchmesser), Fig. 240, der durch einen
uf den inneren Rand gelötheten cylindrischen Streifen
erstärkt ist. (Ohne diesen Streifen geht es nicht,
enn man nicht den Ring aus viel stärkerem Mes-
ngblech in den Verhältnissen, wie sie die Figur
lgiebt, herstellt. Ich habe die Absicht, ein neues
istrument in solcher Weise an Stelle des beschrie-
*nen herstellen zu lassen, und ich hoffe, es empfind-
:her zu finden.) Dieser Ring wurde zunächst ganz
sdreht und dann mittelst einer feinen Säge auf die
älfte geschnitten. Die beiden Hälften werden durch
rlasstäbe auf einem Fusse festgehalten und sind durch Schrauben und Führungen
instellbar, so dass sie in dieselbe Horizontalebene gebracht und voneinander
ur durch eine so dünne Luftschicht getrennt festgestellt werden können, als
s nur ohne metallische Berührung möglich ist. (Bei meinem gegenwärtigen
istrumente, das ziemlich roh ist, beträgt die Entfernung der beiden Stücke
ings des Sägeschnittes etwa 1/30 Zoll.) Zwei an diesen Messingstücken be-
istigte Drähte gehen durch zwei Öffnungen in der Wand des Glasgefasses
nd bilden die Prüfelektroden des Instrumentes; ein Streifen von vergoldetem
'apier, etwa 8/8 Zoll breit, in der Form ausgeschnitten, wie die Fig. 240
eigt, und im Gleichgewicht gehalten durch ein Gewichtchen von Glas oder
letall, befindet sich an einem feinen Glasfaden in C aufgehängt; auch ist
lit guter metallischer Verbindung ein dünner Platindraht daran befestigt.
)ieser Platindraht hängt mit einem gläsernen Gewicht am Ende unter der
)berfläche der Schwefelsäure, die in einem bleiernen Becher enthalten ist,
er auf einem mit der inneren Belegung einer Leidener Flasche verbundenen
Fig. 240.
Nach W. Thomson.
958_
Siebzehntes Kapitel.
Ständer steht; die Flasche befindet sich in dem gläsernen Gehäuse des Elek-
trometers.1 Die Flasche wird von aussen durch eine an ihr befestigte hori-
zontale Elektrode elektrisirt; diese erstreckt sich an einer Seite bis zur Wand
des Gehäuses, wo sich eine Öffnung befindet,
die man nach Belieben öffnen und schliessen
kann. Ist die Flasche geladen, so schliesst
man diese Öffnung, bis man die Ladung er-
neuem muss.
„Ist das Glas der Flasche sorgfaltig ge-
I wählt, so können zwei oder drei Tage ver-
gehen, bevor es nöthig wird, die Ladung
zu erneuern für alle Arten von Versuchen. Bei
meinem gegenwärtigen Instrumente schab*
ich, dass sie nach wenigen Stunden erneuert
werden muss, da es von geringer Empfind-
lichkeit ist.
„Hat man sich die verschiedenen Theile
derartiger Instrumente und ihre Anordnung
klar gemacht, so sieht man leicht, dass, wenn
die eine Hälfte des Ringes mit der Erde, die
andere Hälfte mit einer Elektricitätsquelle in
Verbindung gesetzt wird, sich der Zeiger C nach der einen oder der anderen
Seite bewegen wird, je nachdem die Elektricität mit der des Zeigers gleich
oder entgegengesetzt ist. Die Empfindlichkeit eines solchen Instrumentes ist
derartig, dass, wenn ich abwechselnd die eine der Hauptelektroden (die mit
den Halbringen verbundenen Drähte) mit der Hand, und die andere mit
einem Stück Kupfer oder Zink berühre, der Zeiger einen sichtbaren Aus-
schlag nach entgegengesetzter Richtung macht. Sind die Stücke Zink und
Kupfer mit den beiden Hauptelektroden verbunden, und ich berühre das
Zink der einen, das Kupfer der anderen mit den Händen, so lässt der
Zeiger eine beträchtliche Wirkung erkennen. Ist die dauernde Elektrisirung
des Zeigers +, so wird er gegen den Halbring gehen, welcher mit der Hand
berührt wird, und wird so die Spannung eines einzelnen Elementes Zink-
Kupfer zeigen.
„Auch die VoLTA'sche Contactelektricität lässt sich sehr bequem mit
dem gleichen Instrumente zeigen: um dies zu thun, ist nur nöthig, die
Scheiben von Ztnk und Kupfer (welche gewöhnlich gebraucht werden, um
den Versuch mit dem Condensator zu zeigen) mittelst dünner Drähte mit
den Hauptelektroden in Verbindung zu setzen; nachdem man sie an den
gläsernen Handgriffen gegen einander gedrückt hat, trennt man sie schnell
mit einer Bewegung, die senkrecht zu ihrer Berührungsfläche ist. Augen-
1 „Der Platindraht, welcher das eingetauchte Gewicht von Blei trtgt, iit twei oder A"
Mal langer, im Verhältniss zu den anderen Theilen, als in der Figiu gezeichnet."
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. 959
icklich bewegt sich der Zeiger nach dem Halbringe, welcher mit dem
upfer verkünden ist, und zeigt den negativen Charakter des Kupfers und
en positiven des Zinks."
Nach einigen Bemerkungen über die Herstellung des Zeigers aus dünnem
Juminiumblech beschreibt Thomson ferner einige Versuche zur Theorie des
alvanischen Stromes, erwähnt die Herstellung eines absoluten Elektrometers,
hne auf dessen Beschreibung einzugehen, und erklärt schliesslich die von
im eingeführten Ausdrücke „idiostatisch" und „heterostatisch". Ein idio-
tatisches Elektrometer macht Angaben, die nur von der zugefuhrten Elek-
ricität [des zu untersuchenden Körpers abhängen; so ist ein gewöhnliches
loldblattelektroskop idiostatisch. Ein heterostatisches Instrument enthält da-
ngen bereits irgend eine Elektrisirung, von deren Zeichen und Betrage der
)inn und die Grösse des Ausschlages abhängt. Das BoHNENBERGER'sche
'Jektrometer ist heterostatisch. Das beschriebene Elektrometer ist es gleich-
üls. „In einem reinen heterostatischen Gebilde ist die auftretende Kraft
in fach proportional dem Potential, oder dem Unterschied der Potentiale,
ie gemessen werden."
In der Folge ist nur eine Änderung von Belang vorgenommen worden :
n Stelle des einfachen Sägeschnittes durch den Ring sind zwei senkrecht
u einander stehende angebracht worden, so dass der Ring in vier Quadranten
rfällt, welche übers Kreuz mit einander verbunden sind. Man erreicht da-
urch den Vortheil, dass die Nadel nicht mehr einseitig zu sein braucht,
>ndern symmetrisch um die Drehaxe ausgeführt werden kann; gleichzeitig
höht sich die Empfindlichkeit. Diese wurde weiter gesteigert und bestän-
ger gemacht, indem man die Quadranten zu hohlen Kästchen ausbildete,
deren Innerem die Nadel schwingt.
Der S. 955 erwähnte Versuch besteht nun darin, dass die beiden Halb-
ige (der älteren Form) aus zwei verschiedenen Metallen, z. B. Zink und
upfer, hergestellt wurden. Nachdem die Nadel über den einen Spalt ge-
acht und die metallische Verbindung der beiden Halbringe hergestellt
orden ist, fuhrt man der Nadel eine elektrische Ladung zu. Ist diese
^sitiv, so wendet sie sich zum Kupfer, ist sie negativ, zum Zink, zum
wichen, dass ersteres als negativ, letzteres als positiv elektrischer Körper
ich aussen wirkt.
So abweichend die äussere Gestalt des Versuches erscheint, so ist er
3ch nichts, als der gleiche Condensatorversuch, von dem bisher die Rede
*wesen ist, nur dass das Elektrometer unmittelbar mit den Erregerplatten
irbunden ist. Und es bleibt auch derselbe Einwand bestehen. Der Ver-
ich beweist, dass Kupfer durch die Luft negativ wirkt, und Zink positiv;
o aber der Sprung in der Spannung der beiden leitend verbundenen Me-
lle an ihrer Berührungsstelle unter einander, oder an ihren Berührungs-
ellen mit der Luft befindlich ist, darüber sagt der Versuch nichts mehr,
s jene älteren. Auch die gleiche Veränderlichkeit der hier auftretenden
pannungen wird von Thomson erwähnt.
q£q Siebzehntes Kapitel.
An diesen Versuch von William Thomson knüpft nun J. Brown as,
indem er ihn mit verschiedenen Metallen in verschiedenen Gasei
wiederholte. Seine Ergebnisse sind entscheidend.
In einer „Theorie der VoLTA'schen Wirkung" betitelten Abhandlang1
spricht er sich folgendermaassen aus:
„Die Entstehung eines Potentialunterschiedes durch VoLTA'sche Wirfang
wird von Einigen primär dem Unterschiede der chemischen Anziehung wi-
schen den beiden Elementen eines VoLTA'schen Paares für einen Bestandthd
(Ion) eines zusammengesetzten Stoffes (Elektrolyts) zugeschrieben, der mit
beiden in Berührung steht, wobei das Element mit der grösseren Verwandt-
schaft das positive ist. Von Anderen wird behauptet, dass sie einfach von
der „Berührung" der beiden Elemente, ohne Dazwischenkunft eines dritten
Stoffes, herrührt, und sie ist in dem Falle zweier Metalle wie Kupfer und
Zink ihrer gegenseitigen chemischen Anziehung zugeschrieben worden. !-
Faraday konnte indessen keinen Strom bei der Verbindung zweier Metalle
entdecken (Zinn und Platin), obwohl die Wärmeentwickelung bedeutend war1 '
(S. 964), und er nahm an, dass die Quelle der Energie in der VoLTA'schen
Kette die chemische Verbindung des aktiven Ions mit der positiven Platte
sei, indem Zersetzung nothwendig zur Entwickelung dieser Art Elektricität
sei. Es können zahlreiche alte Versuche angeführt werden, welche zeigen,
in welchem Maasse die elektrischen Beziehungen in den VourA'schen Paaren
verändert werden können, ohne dass ihre Berührung verändert wird.
„Die nachstehenden Versuche scheinen ausreichend zu sein, die Wahr-
heit der erstgenannten (chemischen) Theorie nachzuweisen.
„Wird eine Spannungsreihe A durch Eintauchen verschiedener Metall-
paare in einen oxydirenden Elektrolyt und Messung des entstehenden Stromes
gebildet, und eine zweite B durch die Benutzung von Condensatorplatten
in der gewöhnlich von den Contacttheoretikern angewendeten Methode, so
findet man die beiden Reihen auffallend übereinstimmend. Der einfachste
Schluss scheint zu sein, dass die sogenannte „Contactkraft" auf die An-
wesenheit einer Schicht zwischen den Platten zurückzufuhren ist, welche
Wasser, Kohlendioxyd oder andere Sauerstoffverbindungen entljä^,4 welcher
Schicht man alle Eigenschaften eines oxydirenden Elektrolyts zuschreiben
kann, mit Ausnahme ihrer Leitfähigkeit.
„Bilden wir eine ^4-Reihe mit einem anderen Elektrolyten, welcher ein
anderes aktives Ion, z. B. Schwefel enthält, so erhalten wir eine völlig andere
Reihe, welche nach der Bemerkung von Professor Fleming Jenkin6 „gänzlich
anormal und unvereinbar mit der einfachen Potentialtheorie" ist.
1 Philos. Mag. 6, 142. 1878.
1 Sir William Thomson, Electrostatics and Magnetism, § 400; — Tatt, Rccent A*
vanccs, p. 305 u. ff.
8 Philos. Transactions 1834, p. 436. * G. Wiedemann, Galvanismus p. 12.
6 Electricity and Magnetism p. 217.
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. gß \
„Ist aber die chemische Theorie richtig, so müssen wir bei der Bildung
er Ä-Reihe* wenn wir für die gewöhnliche, Wasser und andere Sauerstoff-
bindungen enthaltende Atmosphäre eine andere nehmen, die eine passende
iwefelverbindimg enthält, die Anomalie verschwinden sehen, und wir müssen
gleiche Reihe erhalten, wie vorher mit dem schwefelhaltigen Elektrolyten.
i dies zu prüfen, wurde der folgende Versuch angestellt. Von der That-
he ausgehend, dass Eisen gegen Kupfer in einem oxydirenden Elektrolyten
e Wasser) positiv ist, während Kupfer gegen Eisen in einer Lösung, die
iwefelkalium oder einen ähnlichen Elektrolyten enthält, positiv ist, ver-
tigte ich einen Condensator mit Scheiben von 4^3 Zoll Durchmesser, eine
1 Kupfer, die andere von Eisen, und beide gut aufeinander geschliffen.
? eiserne Scheibe war an dem unteren Ende eines eisernen Stabes fest-
schraubt, der in einer Messingröhre gleitete, die in dem hölzernen Deckel
es Glasgefässes mit Schellack festgemacht war. Das Gefass stand auf
em hölzernen Untersatze, durch dessen Mitte sich ein ähnlicher isolirter
ib erhob, welcher die Kupferscheibe trug. Für die Bewegung der Scheiben
rallel zu einander und für die Füllung des Gefässes mit Gasen waren die
orderlichen Mittel vorhanden.
„Um die durch den „Contact" der Platten erregte Ladung zu messen,
nte ein Quadrant-Elektrometer, das eine Ablenkung von 5 mm für die
annung einer Bichromatzelle gab. Wurden die Condensatorplatten (in
wohnlicher Luft) zur Berührung gebracht, mit den entgegengesetzten Quad-
itenpaaren verbunden und dann entfernt, so bewegte sich der Lichtzeiger
er 1 cm und zeigte, dass das Eisen positiv war, wie erwartet. Alsdann
rde Schwefelwasserstoff in das Glasgefäss geleitet; als dann die Verbin-
ig und Trennung der Platten wiederholt wurde, erwies sich das Eisen
raüv und der Lichtfleck bewegte sich etwa 3 cm entgegen seiner ersten
:htung. Dies wurde einigemale wiederholt; und als nach dem Versuche
Kupferplatte untersucht wurde, zeigte sie sich von tief blauer Farbe,
hrend das Eisen kaum verändert war. Es ist zu bemerken, dass hier die
zige Veränderung in den Umständen des Versuches die Änderung der
roosphäre war, welche die Platten umgab. Alle Contacte blieben die-
ben; und in der schwefelhaltigen Atmosphäre erlangten die Platten die
iche elektrische Beziehung, wie wenn sie in einen schwefelhaltigen Elek-
lyten getaucht worden wären. Selbst das Spannungsverhältniss zwischen
1 Platten in Luft und Schwefelwasserstoff ist nahe gleich dem Verhält-
s ihrer elektromotorischen Kräfte in Wasser und einer Lösung von Schwe-
<alium.
„Der nächste Versuch scheint in ausgesprochener Weise die Ansicht zu
stätigen, dass der Potentialunterschied zwischen zwei Metallen wesentlich,
nn nicht vollständig, von dem Unterschiede ihrer Verwandtschaften zu
lern Element oder einer Verbindung in der umgebenden Atmosphäre he-
mmt ist. Der Versuch ist eine Abänderung eines von Sir William Thomson
schriebenen (Papers on Electricity and Magnetism, 317). „„Ein isolirter
O s t w a 1 d , Elektrochemie. 6 I
962
Siebzehntes Kapitel.
Metallstab, welcher sich um eine Axe drehen kann, die senkrecht zu der
Ebene eines Metallringes ist, der zur Hälfte aus Zink, zur anderen Hätte
aus Kupfer besteht, und dessen Hälften zusammengelöthet sind, dreht sich
vom Zink gegen das Kupfer, wenn er mit Glaselektricität, und vom Kupfer
gegen das Zink, wenn er mit Harzelektricität elektrisirt wird/*" An Stelle
eines Ringes aus Kupfer und Zink benutzte ich einen
aus Kupfer ufid Eisen, CI, von 3,1 Zoll äusserem
Durchmesser und mit einer Öffnung von 1 Zoll. Er
stand auf einem Dreifuss innerhalb eines gläsernen
Gehäuses mit ebenen Wänden, welches durch einen
Gummischlauch mit einem Entwickelungsapparat für
Schwefelwasserstoff verbunden werden konnte. Um
das erste Auftreten dieses Gases zu erkennen, war
im Inneren des Gehäuses ein Stück Bleipapier ange-
bracht. Auf dem Gehäuse stand eine senkrechte
Glasröhre mit einem Torsionskopf, von dem ein
Platindraht von 0,0025 Zoll Durchmesser und 19 Zoll
Länge herabhing, der die Nadel oder den Stab n von
dünnem Aluminiumblech trug (i1^ Zoll lang und
8/lfl Zoll breit), ferner einen Spiegel von 4 Fuss
Brennweite und ein Glasgewicht W> das in ein Gefiss
mit Wasser tauchte, um die Schwingungen zu be-
ruhigen. Der Dreifuss mit dem Ringe ruhte auf drei
Schrauben, die von aussen bethätigt werden konnten,
und mittelst deren die Ringebene so gestellt werden
konnte, dass gleiche Ausschläge nach beiden Seiten
der Nulllinie erhalten wurden. Die Nadel hing 1 oder 2 mm über dem
Ringe, möglichst nahe an der Verbindungsstelle der beiden Metalle, und
mit dem Aufhängefaden im Mittelpunkte des Ringes. Sie wurde durch
Verbindung mit dem positiven oder negativen Pole einer WiNTKR'schen Elek-
trisirmaschine geladen.
„Pei Vorversuchen mit einem Kupfer-Zink-Ringe wurden Ablenkungen
von 5 cm nach beiden Seiten mit Leichtigkeit erhalten. Mit dem Kupfer-
Eisen-Ringe ergaben sich indessen nur Ablenkungen von 1/a bis 1 cm, wobei
sich das Eisen wie Zink gegen das Kupfer verhielt Da das Potential der
Nadel unter den angewendeten Verhältnissen nicht constant gehalten werden
konnte, so wechselte der Betrag der Ablenkung beständig; wurde aber dk
Maschine sorgsam gehandhabt, so waren diese Veränderungen gering und
störten das Ergebniss nicht. Das Folgende ist ein Auszug meiner Auf-
zeichnungen über die dritte Ausfuhrung des Versuches. Die Nadel war
negativ geladen und der Ausschlag betrug etwa lj% cm gegen das Eisen;
das Gehäuse wurde nun mit dem Schwefelwasserstoffentwickler verbunden
und dieser durch Schwefelsäure in Thätigkeit versetzt. Nach 2l/t Minuten
begann das Bleipapier sich an den Rändern dunkel zu färben; eine halbe
Fig. 242.
Nach J. Brown.
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. Q63
linute später ging die Nadel durch die Nulllinie und wendete sich nach
em Kupfer des Ringes; der Ausschlag war etwa lj% cm. Nun wurde die
Tadel mit dem positiven Leiter verbunden und wendete sich unmittelbar
egen das Eisen; wieder negativ gemacht, ging sie zum Kupfer; und so fort,
is etwa 10 Minuten nach dem Zuleiten des Gases die Ausschläge unbe-
immt wurden, indem sich das Kupfer mit Sulfid bedeckt hatte, welches
eine Verwandtschaft zum Schwefel hat."
Diese Versuche wurden bald darauf vervielfältigt und verfeinert;1 unter
Veglassung der Einzelheiten bezüglich der technischen Ausführung seien
ie neuen Thatsachen angegeben.
„Da Kupfer in Wasser negativ gegen Nickel ist, in Salzsäure aber
ositiv, so wurde ein Ring aus diesen beiden Metallen gemacht. Hier war
ie Ablenkung in Luft etwa 4 cm, Kupfer war negativ. Nun wurde Chlor-
rasserstoffgas in das Gehäuse geleitet: nach einigen Schwankungen über-
tritt die negativ geladene Nadel den Nullpunkt und wendete sich zum
Tupfer; die Ablenkung wuchs langsam bis 1,5 cm. Der Zufluss des Gases
urde dann unterbrochen, und die Ablenkung nahm langsam ab. Nach vier
tunden war sie auf 1 mm gefallen. Dann wurde sie wieder grösser; die
ufuhrung frischen Gases veranlasste sie aber, kleiner zu werden, eine Er-
:heinung, deren Erklärung nicht leicht ist. Die Umkehrung des Potentials
zr beiden Metalle beim Zulassen des Gases war indessen vollkommen ent-
:hieden. Der Versuch wurde nicht wiederholt wegen der ätzenden Wirkung,
e den Apparat zu zerstören drohte. Das Verhältniss der Potentialunter-
:hiede ist natürlich nur angenähert, da der Apparat sich nicht für genaue
essungen eignete.
„In einer einfachen VoLTA'schen Zelle, die aus einer Kupfer- und einer
inkplatte besteht, die beide in eine oxydirende Flüssigkeit tauchen, fliesst
zr durch den chemischen Vorgang der Kette veranlasste Strom in der
lüssigkeit vom Zink zum Kupfer. Trennen wir daher den Elektrolyt durch
ne nichtleitende Platte, so muss positive Elektricität sich auf der Seite
*gen das Zink ansammeln, und negative an der Seite
jgen das Kupfer. Um dies zu erweisen, wurden auf
ne Kreisscheibe von dünnem Vulcanit, die in der Mitte
ne Öffnung und dazu einen radialen Schlitz cd hatte,
vei Segmente von Papier befestigt. Diese wurden mit
/asser befeuchtet und das Ganze in dem Apparat an
teile des Ringes aus zwei Metallen gesetzt. Die Nadel
urde über den Schlitz cd gebracht und von den Punkten
ö *ig. 243.
und b des Papiers wurden zwei Streifen von feuchtem Nach j Brown.
iltrirpapier nach aussen geführt. Die äusseren Enden
srselben lagen neben einander auf einer Vulcanitplatte. Die Berührung
nes der Enden mit einem Stücke Zink oder Kupfer, oder mit einem Ende
1 Philos. Mag. 7, 109. 1879.
61*
q^4 Siebzehntes Kapitel.
eines zusammengelötheten Zink -Kupfer -Paares brachte auf die elektrisirtc
Nadel keine messbare Wirkung hervor; wurde aber auf das eine Ende das
Zink, auf das andere das Kupfer des Paares gelegt, so wich alsbald der
Lichtfleck des Zeigers um etwa 10 cm aus, und zeigte, dass das mit dem
Zink berührte Papier positiv war. Wurde ein Kupfer- Eisen- Paar benutzt,
so war die Seite des Eisens positiv; als aber ein Tropfen Kaliumsulfid auf
das feuchte Papier an die Stelle der Berührung mit dem Kupfer gebracht
wurde, wurde die Kupferseite positiv. War das Paar Kupfer-Eisen nicht
zusammengelöthet, sondern durch einen Tropfen Wasser verbunden, so
erfolgte keine Ablenkung, oder nur eine sehr geringe; die Zufiigung von
etwas Kaliumsulfid verursachte eine starke Ablenkung der Nadel und der
mit dem Kupfer in Berührung stehende Theil war nun negativ wegen
des Stromes, der durch den verbindenden Tropfen vom Kupfer zum
Eisen floss."
Eine dritte ausfuhrlichere Mittheilung erschien dann im Jahre 1886. l
Diese enthielt eine weitere Anzahl ähnlicher Versuche, bei denen die Ver-
hältnisse nach Möglichkeit abgeändert waren. An Stelle der stark auf die
Metalle einwirkenden Gase Schwefelwasserstoff und Chlorwasserstoff wurde
in einigen Versuchen Ammoniak angewendet, dem man eine solche Wirkung
nicht wohl zuschreiben darf; das Ergebniss war dasselbe, dass die Polarität
eines Kupfer-Eisenpaares sich umkehrte, wie sie es auch thut, wenn man
eine Kette aus den beiden Metallen und Wasser zusammenstellt und dann
Ammoniak hinzufügt.
Weiter geht Brown auf die Auseinanderlegung der Vorstellungen ein,
die man sich von der Vertheilung der Spannungen bei dem Voi/rVschen
Versuche und ähnlichen Anordnungen machen muss; die Auffassung wird
am kürzesten dadurch gekennzeichnet, dass man die Luft als einen Elektro-
lyten betrachtet. Zwar findet sich eine solche Ansicht nicht unmittelbar hier
ausgesprochen, und die chemische Theorie unseres Verfassers besitzt noch
ziemlich viel von der Unbestimmtheit, welche der de la Riw/schen Gestalt
der chemischen Theorie zum Vorwurf zu machen war. In dem Lichte der
neueren Entwicklung lassen sich indessen die Ergebnisse und Betrachtungen
Brown's am einfachsten in dieser Art zusammenfassen; der Unterschied
besteht wesentlich darin, dass er das Vorhandensein eines elektrolytischen
Oberflächenhäutchens als den wesendichsten Umstand betrachtet und die Luft
als einen vollständigen Isolator ansieht.
In dieser Richtung ist von besonderem Interesse ein Versuch, bei dem
zwei möglichst ebene Platten von Zink und Kupfer durch eine Schrauben-
vorrichtung einander auf eine sehr geringe Entfernung genähert wurden.
Die Platten waren in einen Stromkreis geschlossen, der ausserdem ein
galvanisches Element, ein Galvanometer und ein Telephon enthielt Bei
grosser Nähe, die indessen von der vollständigen Berührung noch entfernt
1 Proceedings of the Roy. Soc. 41, 294. 1887.
1
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. QÖ^
*r> ging ein schwacher Strom durch den Zwischenraum der beiden Platten,
*r im Galvanometer eine (unregelmässig wechselnde) Ablenkung und im
elephon ein zischendes Geräusch hervorbrachte. Die Dicke der Schichten
urde annähernd mit einer Mikrometerschraube bestimmt und etwa 0,002 Zoll,
50 1/ao Millimeter, gefunden. Der Widerstand entsprach bei dieser Anord-
mg etwa 100 Ohm im Condensator.
Waren diese Versuche auch wohl geeignet, weitere Belege zu der Un-
:herheit zu liefern, mit welcher die VoLTA'sche Theorie gerade in ihren
rundlagen behaftet ist, so konnte durch sie doch nur nachgewiesen werden,
iss der „Fundamentalversuch" niemals den wahren Potentialunterschied
'ischen den beiden Metallen giebt, sondern der Ausdruck eines ziemlich
ibestimmten elektrochemischen Vorganges ist. Wie sich thatsächlich die
>annungen vertheilen, geht aus diesen Versuchen nicht hervor, und sie
igen auch keinen Weg, der zu diesem Ziele fuhren könnte.
7. Ein neuer Weg. Die Versuche, die Summe der drei Spannungen
der einfachen Kette mittelst des Condensators in ihre Summanden auf-
lösen, beruhten auf der stillschweigend oder ausdrücklich gemachten Vor-
ssetzung, dass bei dem aus zwei Metallen zusammengesetzten geschlossenen
ndensator Spannungen nur an einer Stelle, nämlich an der Berührungs-
Ue der beiden Platten, vorhanden seien. Die mitgetheilten Versuche
ben, zunächst durch die Unbeständigkeit der Messungsergebnisse, sodann
f unmittelbarere Weise durch das Experiment von Brown gezeigt, dass
r Voraussetzung unhaltbar ist. Damit ist der Bankerott der ganzen
jthode ausgesprochen, und wenn die Frage überhaupt beantwortet werden
lte, so musste dies auf einem ganz neuen Wege geschehen.
Ein solcher neuer Weg wurde erst im Jahre 1867 gangbar gemacht,
lag in einer Richtung, in welcher man ihn nicht vermuthet hatte, näm-
h nach der Seite der thermoelektrischen und der reciproken elektro-
jrmischen Vorgänge.
Über die ersteren ist bereits (S. 380) das Geschichtliche mitgetheilt
rden; dass der Entstehung elektrischer Ströme durch Temperaturunter-
üede ein Erscheinungsgebiet der Entstehung von Temperaturunterschieden
rch elektrische Ströme entsprechen müsse, ist ein Gedanke, der uns heute
ar ziemlich geläufig ist; seinerzeit begegnete die entsprechende Beobach-
ig zunächst dem Zweifel und sodann der Missachtung.
Es war im Jahre 1834, dass der Uhrmacher und Liebhaber der Physik
.Tier1 diese Beobachtung machte, welche völlig unerwartet war, und wegen
ser Beschaffenheit lange Zeit nicht beachtet wurde, da in ihr kein Zu-
imenhang mit anderen Thatsachen zu finden war. Die Erscheinung
iteht darin, dass, wenn ein Strom durch einen aus verschiedenen Me-
en zusammengesetzten Leiter geht, an den Stellen, wo diese zusammen-
1 Ann. chim. phys. 56, 371. 1834.
g66
Siebzehnte! Kapitel.
stossen, je nach der Reihenfolge der Metalle und der I
bald Wärme, bald Kälte entsteht, so dass die bis da
gesehene Wirkung des elektrischen Stromes, die durch
wärmen, in diesem Falle eine Ausnahme erleidet: di
abkühlend wirken.
Peltter kam auf diese Entdeckung durch die t
welche er bei seinen Versuchen erhielt, die relative I
müths und des Antimons zu bestimmen. Es entstand
entgegengesetzter Richtung, wie die, welche er für der
durch die Erwärmung der Lothstelle eines thermoeli
Kupfer und Zink erzeugt hatte, und da er diese mit Re<
elektrischen Wirkungen des Wismuths veranlasst ven
sich die Temperaturunterschiede an den Verbindungsstel
Metalle so genau wie möglich zu messen. Zu diesem
sich eine the
Temperaturgrade.) An der Lothstelle Kupfer-Zink gal
wenn er vom Kupfer zum Zink ging, 26°, der positi
Beispiel muss hinreichen, um die Thatsache festzuste
Tafel der verschiedenen Differenzen, welche die Verl
Metalle verursacht, würde eine besondere Arbeit vert;
durch der Wissenschaft ein Fortschritt zu Theil würde
„Es giebt andere Metalle, welche nicht nur eine |
erhöhung geben, sondern an deren Löthstellen man
niedrigung beobachtet Diese Metalle sind solche, die 1
muth und Antimon, und wahrscheinlich auch Arsenik. ',
wie krystallisirt ist, hat sie mir in einem sehr geringei
weichem Eisen in Drahtform habe ich sie nicht erhalt
„Ich habe eine Platte von Wismuth an eine von
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen.
967
diesen zusammengesetzten Leiter von einem elektrischen Strom von wachsen-
der Stärke durchsetzen lassen; folgende Ergebnisse habe ich an der Löth-
stelle erhalten, an welcher der negative Strom eintrat:
ein Strom von
15'
20l
gab eine Temperatur von —2,5'
-4*5° "
280 30° 350
4,5° o° +4°.
„An der positiven Löthstelle fand eine Temperaturerhöhung von 10 ° bis
50 ° statt."
Somit verhält sich diese Zusammenstellung für stärkere Ströme wie die
früher untersuchten, welche nur eine Verschiedenheit der Erwärmung, nicht
aber entgegengesetzte Temperaturänderungen ergaben.
Über die Ursache dieser Erscheinung äussert Peltier die ziemlich un-
bestimmte Vermuthung, dass sie von der ungleichen Leitfähigkeit der Metalle
für die Elektricität herrühren, verschiebt aber die Entscheidung, da er über
diese Grösse noch keine genügenden Messungen hat anstellen können.
Um den Einwand zu prüfen, welchen einige Physiker gemacht hatten,
dass die mit der thermoelektrischen Zange beobachteten Ströme nicht von
Temperaturänderungen an den berührten Stellen,
sondern von einer Art Induction herrühren,
änderte Peltier den Versuch dahin ab, dass er
an Stelle der Zange ein Luftthermoskop von
einfacher Einrichtung, Fig. 245, anwendete; das
Ergebniss war das gleiche.
Wie man sieht, hatte Peltier nicht erkannt,
dass zwischen den von ihm beobachteten Er-
scheinungen und den thermoelektrischen ein
enger Zusammenhang besteht. Die Aufdeckung
desselben erfolgte erst sehr viel später; sie war
eine Frucht der inzwischen entwickelten Thermo-
dynamik in ihrer Anwendung auf die elektrischen
Erscheinungen. Das Verdienst dieses Fort-
schrittes kommt zunächst William Thomson1
zu; nur wenig später veröffentlichte Clausius2
eine ganz ähnliche Arbeit, die unabhängig zu den gleichen Formeln führte.
Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Theorieen besteht darin, dass
Thomson die sogenannte CARNOT^sche Function noch als im wesentlichen
unbekannt und empirisch aus gewissen Daten (über Dampfdruck und latente
Wärme des Wassers) abzuleiten ansah, während Clausius bereits die absolute
Temperatur des Gasthermometers als den Ausdruck der fraglichen Function
erkannt hatte. Das gemeinsame Ergebniss beider Ableitungen ist eine Be-
ziehung zwischen der thermoelektromotorischen Kraft und dem Betrage der
Fig. 245. Nach Peltier,
1 Philos. Mag. (4) 3, 529. 1852. — Vorgel. der Edinb. Roy. Soc. am 15. Dec. 1852.
* POGG. Ann. 90, 513. 1853. — Vorgel. der Berliner Akad. im Nov. 1853.
Q^g Siebzehntes Kapitel.
Peltier -Wirkung an der Grenzstelle zweier Metalle, die in ihrer einfachsten
Gestalt die folgende Form annimmt: j-f = jff> wo öt die thermolektris(*e
Kraft (die Veränderung der Spannung / mit der Temperatur Z), Wdie beim
Durchgang der Elektricitätsmenge E entwickelte Wärme darstellt und die
Temperatur T in absoluter Zählung oder von — 273 ° unter dem Eispunkt
ab gerechnet ist.
Dieser Zusammenhang zwischen den beiden Grössen rührt nun daher,
dass die PELTiER'sche Wärme als die Folge eines Potentialunterschiedes auf-
gefasst wird, der an der Löthstelle der beiden Metalle besteht Infolge dieses
Unterschiedes kann die Elektricität nicht anders als unter Abgabe oder Auf-
nahme von Energie durch diese Sprungstelle der Spannung gehen, ebenso
wie eine Wassermenge einen Niveauunterschied nicht ohne positive oder
negative Arbeitsleistung überwinden kann. Bestimmt man, um in dem letz-
teren Bilde zu bleiben, die Wassermenge und den Betrag der aufgenommenen
oder ausgeschiedenen Energie, so kann man hieraus den Unterschied der
Wasserhöhen berechnen, wenn diese nicht unmittelbar zugänglich sind. In
gleicher Weise kann man aus der Messung des bethätigten Energiebetrages
und der durchgegangenen Elektricitätsmenge die Spannung berechnen, welche
im positiven oder negativen Sinne an der Löthstelle vorhanden ist
Um diese hydromechanische Analogie auf die elektrischen Verhältnisse
zu übertragen, machen wir folgende Überlegung. Aus dem Gesetz von Jon*
hatte sich mittelst des OHM'schen Gesetzes die einfache Formel Q = ni er-
geben (S. 766), d. h. die in der Zeiteinheit entwickelte Wärme Q ist der
elektromotorischen Kraft n und der Stromstärke i proportional, und beide
sind gleich, wenn sie in übereinstimmendem Maasse gemessen werden. Sind
von diesen Grössen zwei bekannt, so kann man aus einer entsprechenden
Messung die dritte ableiten. Misst man also in einem gegebenen Falle die
Stromstärke und die Wärmeentwickelung, so kann man daraus den vor-
handenen Spannungsunterschied berechnen. Dieser Spannungsunterschied
kann nun von zweierlei Art sein; er kann einerseits von dem Widerstände
des Leiters herrühren und ist dann unabhängig von der Stromrichtung.
Zweitens kann an der Grenzstelle zweier Leiter ein dauernder Spannungs-
unterschied bestehen. Die von diesem verursachte Wärmeentwickelung muss
von der Richtung des Stromes abhängig sein. Denn geht der Strom in der
Richtung, dass der Spannungsunterschied, in gleicher Richtung gerechnet,
eine Erhöhung der Spannung ergiebt, so muss an einer solchen Stelle
elektrische Arbeit geleistet werden, und die dazu erforderliche Energie wird
als Wärme aus der Umgebung aufgenommen; findet umgekehrt in der
Richtung des Stromes ein Fall der Spannung statt, so verschwindet aus
dem Strome an dieser Stelle ein entsprechender Betrag der elektrischen
Energie, und dieser muss in der Gestalt von Wärme erscheinen. Solche
Vorgänge, bei welchen je nach dem Sinne des Stromes Wärme verschwindet
oder entwickelt wird, sind nun die von Peltier entdeckten, und daher kann
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. QÖQ
an aus dem Betrage dieser Wärmewirkungen auf den Betrag
*r an der Grenzfläche zweier Leiter vorhandenen Spannung
:hliessen.
Dieser uns jetzt ziemlich einfach erscheinende Schluss ist seinerzeit weder
>n W. Thomson noch von Clausiüs gezogen oder ausgesprochen worden.
Der erste, bei dem ich eine klare Erkenntniss dieser Beziehung aufge-
nden habe, ist F. P. le Roux, der in einer am 20. August 1866 vor der
iriser Akademie gelesenen Abhandlung1 über die thermoelektrischen Er-
heinungen den folgenden Satz ausspricht: „Wenn in einem Strom-
eise Absorptionen oder Entwickelungen von Wärme stattfinden,
eiche der Stromstärke proportional sind und demgemäss mit
*r Stromrichtung ihr Zeichen ändern, so entsprechen diese Wir-
ingen proportionalen elektromotorischen Kräften von gleichem
ler entgegengesetztem Sinne, deren Sitz offenbar an den Stellen
t, wo sich diese Absorptionen oder Entwickelungen der Wärme
rltend machen."
le Roux wendet den Satz nur auf thermoelektrische Verhältnisse an,
lern er verspricht, bei einer anderen Gelegenheit auf seine Bedeutung für
droelektrische Ketten zurückzukommen; diese letztere Arbeit ist indessen
der nicht erschienen. Aus der ersten seien folgende Darlegungen wieder-
geben:
„Ich habe die PELTHSR'sche Wirkung beim Durchgange eines Stromes
ischen Kupfer und einer Anzahl von Metallen gemessen. Nehmen wir
ispielsweise das Paar Kupfer- Wismuth.
„Ich stellte eine Art Hufeisen aus zwei rechtwinkligen Stäben von Wis-
ith her, die gleichen Querschnitt und gleiches Gewicht hatten und an
en oberen Enden durch ein Querstück aus demselben Metall verbunden
ren. An jedes untere Ende wurden Kupferstreifen gelöthet, welche unter
tander so gleich wie möglich waren; durch diese wurde die Verbindung
t der Säule hergestellt. Die beiden Arme des Hufeisens tauchen in
lorimeter von vergoldetem Messing mit 120 g Wasser; diese Calorimeter
rhen auf drei Spitzen von Holz, sind umgeben von Cylindern aus polirtem
eissblech und mit Deckel und Rührer versehen. In jedes taucht ein in
hntelgrade getheiltes Thermometer; da der Zwischenraum zwischen je
ei Theilstrichen etwa 1 mm beträgt, so lässt sich leicht ein Hundertstel-
ad schätzen.
„Wegen der Bequemlichkeit der Arbeit wie der Sicherheit der Ergeb-
;se ist es wichtig, wie gleich auseinandergesetzt werden soll, dass der
rom eine vollkommen constante Intensität beibehält. . . . (Es folgt nun eine
Schreibung der benutzten Batterie u. s. w.) . . .
„Nehmen wir an, um eine Vorstellung zu haben, dass der Strom in
s rechte Calorimeter eintritt; in diesem geht er daher vom Kupfer zum
1 Ann. chim. phys. (4) 10, 201. 1867.
970
Siebzehntes Kapitel.
Wismuth und bringt eine Erwärmung hervor. Im linken Calorimeter geht
er vom Wismuth zum Kupfer und bedingt Abkühlung. Daneben erwärmt
sich aber jedes Calorimeter um einen Betrag, welcher dem Widerstände der
eingetauchten Leiter proportional ist; es sind alle Vorsichtsmaassregeln ge-
troffen, um diese Erwärmung so gleich wie möglich zu machen. Indessen
wird dieses Ergebniss selten erreicht; gewöhnlich findet zwischen den beiden
Zweigen des Paares eine kleine Ungleichheit der Widerstände statt Wären
keine hiervon herrührenden Ungleichheiten vorhanden, so würde der Unter-
schied der Temperaturerhöhungen beider Calorimeter den doppelten Werth
der Peltier -Wärme angeben, wenn man von den Wärmeverlusten durch
Strahlung und Leitung absieht. Um diesen Unterschied herausfallen zu
lassen, kehrt man den Strom um und lässt ihn ebenso lange, wie das erste
Mal gehen bei gleicher Intensität; die Summe der Unterschiede der Erwär-
mungen der beiden Calorimeter am Ende jeder dieser beiden Perioden giebt
den vierfachen Werth der Wärmeentwickelung, welche man messen will"
Auf diese Weise hat nun le Roux die Werthe der folgenden Tabelle
ermittelt. Um die beobachteten Wärmemengen auf eine bekannte elektro-
motorische Kraft zurückzufuhren, ist er davon ausgegangen, dass bei dem
DANiELi/schen Element die chemische und die elektrische Wärme sehr nahe
gleich sind. Indem er diese für ein Gramm-Äquivalent gleich 236 K nahm,
und die beobachtete Wärmeentwickelung auf die gleiche Elektricitätsmenge,
welche ein Gramm-Äquivalent Kupfer im DANiELi/schen Element abscheidet,
bezog, konnte er durch Division der beobachteten Wärmemenge mit 236
die entsprechende elektromotorische Kraft oder Spannung berechnen, welche
an der Berührungsstelle der verschiedenen Metalle thätig ist Demgemäss
beziehen sich die nachstehenden Werthe auf die Kraft der DANiBix'schen
Kette als Einheit. Alle Metalle sind gegen Kupfer gemessen.
Legirung SbCd mit 20 Procent Wismuth 0,014g
Antimon des Handels 0,0055
Eisen 0,0028
Cadmium 0,00055
Zink 0,0004
Neusilber —0,0027
Reines Wismuth —0,0218
Wismuth mit 10 Procent Antimon —0,0294.
Die fünf ersten Metalle geben eine Temperaturerniedrigung im Sinne
des positiven Stromes, bei ihnen steigt also die Spannung beim Übergange
vom Kupfer zum Metall; bei den übrigen ist es umgekehrt.
Wie man sieht, sind die Spannungsunterschiede zwischen den verschie-
denen Metallen weit davon entfernt, den mittelst des Condensators gemessenen,
die der Voi/rA'schen Theorie entsprechen, gleich zu sein; sie sind von gam
anderer Grössenordnung, hundertmal kleiner, als jene, und auch im übrigen
ohne ersichtliche Beziehung zu ihnen. So entspricht der grösste VoLTA'scbe
Spannungsunterschied dem Element Kupfer-Zink. Nach dem Ergebniss der
Messungen der Peltier- Wärme ist gerade .dieser Unterschied der kleinste.
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. Q7 i
8. Die Arbeiten von Edlund. Wenn auch die Messungsergebnisse
ler Arbeit von le Roux Beachtung fanden, so scheint die theoretische Über-
sgung, welche er ihnen hinzufugte, keine Aufmerksamkeit erregt zu haben.
>o erklärt es sich, dass einige Jahre später, und wieder mit gleichem nega-
iven Erfolge nach aussen ganz ähnliche Betrachtungen von einem Physiker
im anderen Ende Europas angestellt worden sind. In einer am 14. April
869 vor der schwedischen Akademie gelesenen Abhandlung1 setzt E. Edlund
tuseinander, dass die Bedeutung der von Peltier beobachteten Abkühlungs-
jrscheinungen darin liege, dass mit ihrer Hülfe die wahren Potentialunter-
ichiede zwischen den Metallen unabhängig von ihrer wechselnden Ober-
lächenbeschaffenheit sich bestimmen lassen. Seine allgemeinen Darlegungen
lecken sich im Wesentlichen mit denen seines Vorgängers, doch sollen sie
wiedergegeben werden, um den Leser mit dem fraglichen Gedanken um so
/ertrauter zu machen.
„Angenommen, man habe einen Elektromotor von ganz beliebiger Be-
schaffenheit, dessen Pole vermittelst eines Leiters mit einander vereinigt sind.
Arenn die elektromotorische Kraft gleich e und der gesammte Widerstand
m Elektromotor zusammen mit dem im Leiter gleich / ist, so ist die ganze
om Strom entwickelte Wärmemenge gleich -= l = e — oder , wenn s die
Stromstärke bedeutet, = es. Aber ebensoviel Wärme muss nach dem eben
ngefiihrten im Elektromotor verschwinden oder in Elektricität verwandelt
werden. Daselbst geschieht also eine Wärmeabsorption, welche der elektro-
lotorischen Kraft, multiplicirt mit der Stromstärke, proportional ist. Wenn
lan zwei Elektromotore hat, deren elektromotorische Kräfte e und e' sind,
nd diese in gleicher Richtung wirken, so beträgt die ganze vom Strom
ntwickelte Wärmemenge a lt = (e + e')st3 wenn st und lt die Strom-
tärke und den ganzen Widerstand bieten. Diese Wärmemenge muss also
n beiden Elektromotoren zusammen absorbirt werden. Hieraus folgt, dass
n jedem Elektromotor eine Wärmeabsorption entsteht, welche der gemein-
chaftlichen Stromstärke, multiplicirt mit der elektromotorischen Kraft pro-
>ortional ist. Das Resultat wird natürlich dasselbe, wenn auch eine grössere
£ahl von Elektromotoren da ist, sobald diese nur in gleicher Richtung wirken.
„Wenn die elektromotorischen Kräfte in entgegengesetzter Richtung
virken und e grösser als e* ist, so erhält man einen Strom in der Richtung
ier ersteren Kraft. Die ganze vom Strom entwickelte Wärmemenge wird
n diesem Falle = (e — e') s , wenn s die Stromstärke ist. Eine ebenso
jrosse Wärmemenge muss in den beiden Elektromotoren verschwinden. Aber
n dem ersteren wird die Wärmemenge e $ti absorbirt, welche grösser ist, als
lie vom Strom erzeugte. Der Unterschied zwischen beiden ödes e* slt muss
ilso in dem anderen Elektromotor erzeugt werden, so dass die algebraische
Summe der Wärme, welche entsteht, und der, welche verschwindet, gleich
1 Poog. Ann. 187, 474. 1869.
Q72 Siebzehntes Kapitel.
Null werden kann. Hieraus folgt also, dass, wenn ein Strom einen Elektro-
motor in entgegengesetzter Richtung gegen den Strom durchgeht, welcher
von diesem erzeugt wird, in demselben Elektromotor eine Wärmeproduktk»
entsteht, welche dem Produkte der elektromotorischen Kraft in die Strom-
stärke proportional ist. Hieraus ergiebt sich also das Schlussresultat: Wenn
ein galvanischer Strom einen Elektromotor in derselben Richtung
durchläuft, wie der Strom, welcher vom Elektromotor erzeugt
wird, so entsteht Absorption von Wärme; geht der Strom dagegen
in entgegengesetzter Richtung, so entsteht Produktion von Wärme;
die Wärmemenge, welche im ersten Falle absorbirt und im letzten
producirt wird, ist proportional der durchgegangenen Stromstärke,
multiplicirt mit der elektromotorischen Kraft an der Stelle, wo
die Wärmeveränderung geschieht/'
Die Anwendung auf die elektromotorischen Kräfte an der Berührungs-
stelle verschiedener Metalle ergiebt sich hieraus unmittelbar, und die Peltier-
schen Erscheinungen stellen sich hiernach als ein Mittel dar, diese Kräfte
zu messen. Edlund macht alsbald darauf aufmerksam, dass nach diesem
Verfahren sich ganz andere Zahlen ergeben könnten, als nach der üblichen
Condensatormethode, und verspricht, so bald als möglich Messungen in dieser
Richtung auszuführen.
Im Jahre 1870 theilte dann Edlund die ersten Ergebnisse seiner Ver-
suche über die Bestimmung der Spannungsunterschiede zwischen Metallen
nach der angegebenen Methode mit. * Auf das Verfahren und die erhaltenen
Zahlen soll nicht eingegangen werden, da in einer späteren Arbeit beide
verbessert worden sind. Nur das allgemeine Resultat muss erwähnt werden:
die aus den Peltier- Erscheinungen erschlossenen Spannungsunterschiede
zeigten nicht den mindesten Zusammenhang mit den nach der Condensator-
methode gewonnenen Werthen. „Es ist deshalb höchst wahrscheinlich, dass
die elektrische Spannung (bei der Condensatormethode) nicht ausschliesslich
von dem Contact zwischen den beiden Metallen, sondern von der Gas- oder
Wasserschicht, die auf ihrer Oberfläche condensirt wird, abhängig ist; eine
Ansicht, für die bekanntlich mehrere Gründe sprechen. Dahingegen zeigt
es sich, dass die thermo-elektrische Reihe mit der für die elektromotorischen
Kräfte gleich ist. Die Metalle, welche beim Contact mit einander die grösste
elektromotorische Kraft erzeugen, geben auch den grössten thermoelektrischen
Strom bei der Erwärmung der Contactstelle; aber diese thermoelektrischen
Ströme sind nicht bei allen Combinationen proportional den entsprechenden
elektromotorischen Kräften."
Die Hauptabhandlung Edlund's2 bestätigte dies vorläufige Ergebniss in
allen Punkten. Das Verfahren bestand darin, dass die beiden Berührungs-
stellen des zu untersuchenden Metallpaares in die beiden gleich gebauten
Gefässe eines Differential- Luftthermometers eingesetzt wurden; die dem
1 Pogg. Ann. 140, 435. 1870. * Ebenda 148, 404. 1871.
Die elektrochemischen Spannuagsergcheinungeo.
973
uadrat der Stromstärke proportionale „JouLE'sche" Wärme wirkte dann
eichmässig auf beide Seiten des Thermometers und brachte in dem zwischen
:iden befindlichen Manometer keinen Ausschlag hervor; die PELTtER-Wirkung
ar dagegen auf beiden Seiten entgegengesetzt und verursachte in dem einen
efass eine relative Abkühlung, in dem anderen eine entsprechende Erwär-
mung, so dass der Ausschlag verdoppelt wurde. Die Figuren 246 und 247
Nach Edlcnd.
eben eine Vorstellung von der Anordnung; a und b sind die beiden von
sn Schutzhüllen g und g" umgebenen Gefässe des doppelten Luftthermo-
leters; k k ist die Verbindungsröhre, in welcher sich ein flüssiger Index
Fig. 247. Nach Edlund.
:findet, und die die in den beiden Gefässen entstehenden Druck verschieden-
sten abzulesen gestattet, nachdem der ganze Apparat einen am Gradbogen k
>zulesenden Winkel gegen die Horizontalebene erhalten hat; cc und cV sind
e dem Versuch unterworfenen Drähte. Die elektrischen Verbindungen
nd nicht gezeichnet
Das endliche Ergebniss seiner Untersuchung fasst Edlund schliesslich in
e folgenden Sätze zusammen:
„1) Die elektrische Spannungsreihe der Metalle, wie sie gegründet auf
ektroskopische Versuche aufgestellt worden ist, steht in keinem unmittel-
iren Zusammenhange mit den elektromotorischen Kräften beim Contact
m- Metalle, weshalb man von dieser Reihe nicht auf die Grösse oder die
eschaffenheit dieser Kräfte schliessen kann.
„2) Die Ordnung der Metalle in der elektromotorischen und der thermo-
ektrischen Reihe ist vollkommen dieselbe.
„3} Die contact- elektromotorische Kraft für die elf untersuchten Metall-
qja Siebzehntes Kapitel.
Berechnet
Cu | Ag
- 4»95
CujFe
-26,4
Cu , Pt
+ 3>27
Cu | Zn
- 3.53
Cu Cd
- 6,17
Cu , Ni
+ 46,8
— 2,12
Mikrovolt
-11,28
»?
+ 1,40
»1
- i.5i
»t
- 2,64
»»
+ 20,03
»»
combinationen nimmt mit der Temperatur zu, wenn die Versuche bei einer
Temperatur angestellt werden, die nicht +30 Grade übersteigt.
„4) Die thermo- elektrischen Kräfte, welche bei gegebenen Metallcom-
binationen bei einer gegebenen Temperaturveränderung entstehen, sind nicht
proportional den elektromotorischen Kräften derselben Metallcombinationen."
Der Satz 4 hat sich in der Folge als unrichtig ergeben, die PEi/riER-Wir-
kungen sind den thfcrmoelektrischen Kräften allerdings proportional.
Es geht dies aus einer späteren Untersuchung von H. Jahn l hervor, der
die Peltier- Wärmen mittelst des Eiscalorimeters maass und folgende Ver-
gleichstabelle für die durch die Stromstärke Eins entwickelte Wärme erhielt:
Gefunden
- 4,13
-31»6
+ 3»30
- 5,85
- 6,16
+ 43,6
Während ein Theil der Zahlen sehr gut stimmt, zeigen sich bei anderen
Abweichungen. Doch muss bemerkt werden, dass die beobachteten Grössen
sich als Unterschiede der gesammten und der JouLE^schen Wärme ergaben
und häufig weniger als den zehnten Theil der ersteren betrugen, so dass
eine starke relative Vermehrung der Versuchsfehler vorhanden ist
Die in letzter Reihe verzeichneten Zahlen geben die thermoelektro-
motorischen Kräfte der bezeichneten Metalle für einen Grad Temperatur-
unterschied bei Null Grad in Mikrovolt. Mit 273, der Temperatur des
Eispunktes in absoluter Zählung multiplicirt, geben sie den Spannungsunter-
schied, der zufolge der Theorie zwischen den Metallen bestehen muss.
Die von le Roux und Edlund übereinstimmend gezogenen Schlüsse über
die wahren Potentialunterschiede der Metalle blieben zunächst vollkommen
unbeachtet, und wurden nicht einmal einer Widerlegung gewürdigt. Da-
gegen entstand für die beiden, wie es scheint unbekannter Weise, ein Eides-
helfer in dem hervorragenden englischen Physiker James Clerk Maxwell,
welcher in seinem berühmten Werke über die Elektricität und den Mag-
netismus2 genau den gleichen Gedanken entwickelte und dabei betonte, dass
dies Verfahren das einzige einwurfsfreie sei, um die fraglichen Grössen zu
bestimmen.3
1 Wied. Ann. 34, 755. 1888.
* A treatise on Elcctricity and Magnetism I, § 249. 1873.
8 Die Beweiskraft der von le Roux, Edlund und Maxwell benutzten Überlegung be-
züglich der Messung der wahren Contactkraft zwischen den Metallen aus der PELTiEE'schen
Erscheinung wurde von F. Kohlrausch (Pogg. Ann. 157, 601. 1875) au^ Grund einer be-
sonderen Hypothese in Frage gestellt, welche darauf hinausläuft, dass es als im Wesen &*
elektrischen Stromes begründet angesehen wird, dass er von einer Wärmebewegung begM<t
ist, und umgekehrt. Es nimmt gemäss dieser Annahme mit anderen Worten strömende Elek-
tricität Wärme mit, und strömende Wärme Elektricität.
Wir brauchen auf die Durchfuhrung dieser Hypothese im Einzelnen nicht einzugehen. E>
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. 07 *
Durch diese Überlegungen und Versuche war von den über die elektro-
motorische Kraft der Ketten vorliegenden Frage eine beantwortet worden:
die Spannung zwischen den verschiedenen Metallen ist jedenfalls nicht die
Ursache des Spannungsunterschiedes an den beiden Polen einer VoLTA'schen
Kette. Denn jener Betrag hatte sich nach der einzigen Methode, welche
dafür zur Verfügung stand, als verschwindend klein im Verhältniss zu dem
zu erklärenden Werthe ergeben. Folglich musste dieser letztere an den
anderen vorhandenen Berührungsstellen, denen zwischen Metallen und Elek-
trolyten, gesucht werden. Die Beantwortung der hier auftretenden Fragen
geschah in zwei Stufen; zunächst wurde der Zusammenhang zwischen der
chemischen und der elektrischen Energie in der Kette in richtiger Form er-
mittelt, wodurch die Berechnung der elektromotorischen Kraft aus den
Wärmetönungen der chemischen Vorgänge in sachgemässer Weise möglich
gemacht wurde. Diese Theorie gab von dem Gesammtbetrage der elektro-
motorischen Kraft allerdings Rechenschaft; wie dieser sich aber auf die beiden
wirksamen Berührungsstellen vertheilt, konnte auch diese neue Theorie nicht
beantworten.
Dieser letzte Aufechluss wurde wiederum auf einem ganz fern abliegen-
den Wege gefunden. Ähnlich wie die PELTiER-Wirkung die Messung des
Spannungsunterschiedes an einer einzigen Berührungsfläche gestattete,
Während alle anderen Methoden immer nur Summen von mehreren Span-
nungen ergaben, so wurde auch für die Berührung zwischen Metallen und
Elektrolyten ein Weg gefunden, der eine einzelne Spannung ergab. Da-
durch konnte der letzte Schritt gethan werden, und gegenwärtig sind wir
über den Betrag aller einzelnen Spannungen, wie sie z. B. an den vier Be-
rührungsstellen der DANiELi/schen Kette vorkommen, ausreichend unterrichtet.
Wir wissen, dass nicht nur nach dem eben dargelegten zwischen den beiden
Metallen Zink und Kupfer kein Potentialunterschied besteht, der ein Tausendstel
Volt überschritte, sondern dass dies auch für die Berührungsstelle der beiden
Lösungen (wenn man beiderseits die Sulfate von gleicher molekularer Con-
centration benutzt) gilt. Von dem Betrage der gesammten elektromotorischen
gelingt mittelst derselben ganz wohl, von den bekannten Erscheinungen ein Bild zu geben, zur
Entdeckung unbekannter hat sie aber nicht geführt, und kann deshalb in dieser Beziehung als
entbehrlich bezeichnet werden. Daneben aber scheint sie mit einigen Thatsachen, die auf
anderen Gebieten bekannt sind, in Widerspruch zu stehen. Wenn in einem neutralen Leiter
«durch Influenz eine ungleiche Vertheilung der Elektricität bewerkstelligt worden ist, so ist dies
durch einen elektrischen Strom geschehen, und da dieser nach der Hypothese Wärme mitge-
nommen hat, so muss die Temperatur des Leiters verschieden geworden sein. Jetzt lassen wir
den Leiter in diesem Zustande verweilen; die elektrische Ladung kann sich unter günstigen
Verhältnissen viele Stunden halten, während es nicht möglich ist, ein Gleiches für die ent-
standene Temperaturungleichheit zu behaupten, da wir für Wärme keinen Isolator kennen. Es
muss also ein umgekehrter Wärmestrom eintreten, der aber keinen proportionalen Strom von
Elektricität mit sich fuhren kann, die elektrische Ladung bleibt ja bestehen, während sie sonst
verschwinden müsste.
Man darf daher annehmen, dass durch diese Hypothese die Gültigkeit der oben darge-
legten Betrachtungen nicht erschüttert oder widerlegt ist.
Q~ß Siebzehntes Kapitel.
Kraft 1,1 Volt liegen 0,5 Volt an der Grenzstelle Zink | Zinksulfat und die
übrigen 0,6 Volt an der Grenzstelle Kupfersulfat | Kupfer. Die Darlegung der
beiden Entwicklungsstufen dieser Frage wird der Gegenstand der nun fol-
genden Mittheilungen sein.
9. Die Reform der thermochemischen Theorie der elektro-
motorischen Kraft. Während in der eben geschilderten Weise das älteste
Dogma in dem Gebiete der elektromotorischen Kräfte, die Lehre von der
Contactelektricität der Metalle, überwunden war, bereitete sich gleichzeitig
ein anderer Umschwung vor, welcher sich auf einen anderen, nicht weniger
hartnäckig festgehaltenen Satz bezog. Auch hier zeigt sich die Erscheinung,
dass die begriffliche Bewältigung der aufgedeckten Verhältnisse, so einfach
sie uns jetzt erscheint, seinerzeit so fern lag, dass die vorhandenen Beob-
achtungen zunächst unbeachtet gelassen, und dass später die Versuche,
Rechenschaft von diesen zu geben, mehr oder weniger schroff abgelehnt
wurden. Der hier verlaufende Streit hat in seinen einzelnen Phasen die
grösste Ähnlichkeit mit dem Streit der beiden Theorieen des Galvanismus,
und hier wie dort ist das Schlussergebniss des Streites erst sehr viel später
anerkannt als mitgetheilt worden. Auch insofern ist Übereinstimmung vor-
handen, als zwar die Gründe der Neuerer gegen die alten Theorieen gut waren,
nicht aber, wenigstens zunächst nicht, das Neue, was sie an die Stelle des
Alten setzen wollten. Erst die stufenweise Verbesserung an dieser Seite hat
das Wesentliche für die schliessliche Entscheidung geliefert
Die erste auffällige Beobachtung wurde im Jahre 1875 an Flüssigkeits-
ketten gemacht; ihre theoretische Tragweite, so bedeutend sie war, wurde
allerdings gar nicht richtig gewürdigt. Bei Gelegenheit von Untersuchungen
über die Leitfähigkeiten von Elektrolyten, bei denen Berührungsstellen zwischen
verschiedenen Lösungen vorkamen (S. 904), stellte A. Paalzow einige Beob-
achtungen über Flüssigkeitsketten an1 und bemerkte dabei zunächst, dass
deren elektromotorische Kraft nicht verschieden ist, ob die Flüssigkeiten
mit einer scharfbegrenzten Trennungsfläche an einander grenzen, oder
eine Vermischung über kürzere oder längere Strecken stattgefunden hat
Paalzow beschreibt, auf welchem Wege er anfänglich scharfbegrenzte Tren-
nungsflächen erhalten hatte, und fährt dann fort: „Als ich nun eine solche
Kette compensirt hatte und durch Umrühren mit einem Glasstabe der Reihe
nach die Trennungsflächen zerstörte, blieb die elektromotorische Kraft die-
selbe und die Nadel der WiEDEMANN'schen Bussole blieb ruhig auf Null.
... So überraschend dieses Resultat war, so hätte es doch vorhergesehen
werden können, denn nur bei festen Körpern ist eine scharfe Trennung^
fläche möglich; bei Flüssigkeiten wird eine solche niemals existiren, es wird
sich sofort eine neue Schicht aus dem Gemische der beiden Flüssigkeiten
bilden. Bei einer sogenannten scharfen Trennungsfläche werden wir dann
auf einem kleinen Intervall, bei einer durch Umrühren zerstörten auf einem
1 Pogg. Ann. Jubelband, 643. 1874.
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. qjj
rösseren alle Mischungsgrade finden, und für diesen Unterschied allein giebt
3 keinen zureichenden Grund, eine Änderung der elektromotorischen Kraft
j erwarten."
Paalzow geht weiter zu Erörterungen über die Quelle der Kraft in den
lüssigkeitsketten über. „Nach dem Prinzip von der Erhaltung der Kraft
rwarten wir für den Strom, welchen die Hydroketten liefern, einen Ersatz
i der Kette selbst In der bisher betrachteten Kette Zinkvitriol j Schwefel-
iurehydrat | Wasser | Zinkvitriol würde man diesen Ersatz in den calorischen
rocessen zwischen den sie constituirenden Flüssigkeiten suchen. Von diesen
eben sich die chemischen Processe, wie früher gezeigt, ihren calorischen
Berthen nach auf, es findet nur eine mechanische Verschiebung der Flüssig-
eren statt. Es bleiben also für den Ersatz nur die Diffusionsprocesse übrig,
tiesen ihn zuzuschreiben, halte ich für unmöglich, seitdem ich eine Kette
efunden habe, bei welcher durch die Diffusionsprocesse nur Kälte geliefert
ird und welche dennoch einen kräftigen Strom liefert. Es ist dies die
ombination Zinkvitriol | Salzsäure | essigsaures Zinkoxyd j Zinkvitriol zwischen
inkelektroden. Von den hier zu betrachtenden Diffusionsprocessen liefert
alzsäure mit Zinkvitriol gemischt eine Temperaturerniedrigung, ebenso Salz-
iure njit essigsaurem Zinkoxyd; essigsaures und schwefelsaures Zinkoxyd
it einander gemischt zeigen gar keine Temperaturveränderung.
„Nun unterscheide ich aber bei den Hydroketten überhaupt die che-
ischen und Diffusionsprocesse, welche auch bei der offenen Kette auftreten
üssen, von denen, welche erst durch den Schluss der Kette hervorgerufen
erden; nur den calorischen Werthen der letzteren kann der Ersatz für die
Tomarbeit zugeschrieben werden. Es möge dies an dem DANiELi/schen
lemente erläutert werden. Wählt man für dasselbe amalgamirtes Zink,
elches vor dem Schlüsse des Elements fast gar nicht angegriffen wird,
inn ist nach dem Schlüsse der ganze calorische Werth des chemischen
-ocesses in der Kette der Stromarbeit äquivalent. Wird aber nicht amal-
imirtes Zink zu derselben genommen, so sind zwei chemische Vorgänge zu
iterscheiden: die Auflösung des Zinks, welche auch bei offener Kette ein-
eten würde, und diejenige, welche der Strom erst veranlasst hat. Ich habe
lieh durch den Versuch davon überzeugt, dass die rein chemische Auf-
sung des Zinks in der geschlossenen Kette gleich der ist, welche auch in
»r offenen Kette auftreten würde, und dass die Stromarbeit nur der Zink-
enge entspricht, welche durch den Strom aufgelöst wird. . . .
„Wollte man die Stromarbeit der Flüssigkeitsketten den calorischen
Berthen der Diffusionsprocesse zuschreiben, so dürften das nur diejenigen
in, welche erst in der geschlossenen Kette auftreten, und es müsste der
achweis geliefert werden, dass der Diffusionsprocess in der geschlossenen
ette anders erfolgt, als in der offenen. Zur Zeit fehlt derselbe. Aber nach
?n Erfahrungen an der Kette Zinkvitriol | Salzsäure | essigsaures Zink | Zink-
triol könnte man hier die Stromarbeit weder dem einen, noch dem anderen
schreiben, da ja hier durch die Diffusion nur Kälte producirt wird.
Ostwald. Elektrochemie. 62
978
Siebzehntes Kapitel.
„Ich neige daher, wenigstens für die Flüssigkei
Nobili's zu: dass die Ströme, welche sie liefern, ähr
die Thermoströme sind, und dass der Ersatz für die S
aussen absorbirten Wärme zu suchen ist. Mit den ex
dieser Ansicht bin ich noch beschäftigt"
In diesen Überlegungen ist Richtiges und Falscl
mischt. Die Unterscheidung zwischen primärer und s
der Kette ist vollkommen richtig, wenn auch nicht
ausgesprochen; die Ansicht aber, dass ein unter Wärtr
der chemischer Vorgang nicht die Ursache eines Stn
ruht auf einer Verwechselung, die nicht selten bega
noch begangen wird. Der zweite Hauptsatz der mechai
welcher von Clausius in der Gestalt formulirt worden i;
nicht von selbst von einem kälteren zu einem
ist von seinem Entdecker dahin erläutert worden, ds
processe ' Arbeit irgend welcher Art aus Wärme entste
vorhandene Wärme von gleicher Temperatur war.
untersuchten Kette entsteht allerdings elektrische Ene:
zeitig Wärme von constanter Temperatur sich in diesi
der Energie verwandelt; es ist dies aber nicht die Folg
sondern eines einseitig verlaufenden Vorganges, welche
rungen der wirkenden Stoffe, nämlich zu chemischen
ihnen führt. Solche Vorgänge aber, welche unter A
aus der Umgebung (die constante Temperatur haben
leisten können, sind wohlbekannt; als Beispiel sei di
Flüssigkeit angeführt. Lässt man diese unter geeign«
finden, so kann man aus ihr Arbeit gewinnen, währe:
freiwillig abkühlt. Hier geht also Wärme ohne Sei
kälteren Körper in einen wärmeren über, wenn mai
dampfung zu erhaltende Arbeit beispielsweise dazu b<
masse zusammenzudrücken, die sich dabei über die
gebung erwärmt; es ist dies aber auch kein Kreispix»
seitig verlaufender Vorgang, nach dessen Ende die wirl
anderen Zustande sind, als zu Anfang.
Auch der schliesslich angedeutete Vergleich mit
nicht ganz zutreffend. Eine solche wirkt nur, wenn ai
schiede hervorgebracht werden, und verbraucht Wän
peratur als die der Umgebung zur Stromarbeit.
Dagegen gestattet Paalzow's Beobachtung einen
nicht geringer Bedeutung: seine Kette ist ein bündi|
Annahme, dass in den Ketten die elektrische Energie d
1 Unter einem Kreisprocesse verstellt man einen solchen Vo
alle thäligen Stoffe wieder in demselben Zustande sind, nie tu Auf
Die elektrochemischen SpaDnungserscheinungen. Q7Q
r entsprechenden chemischen Vorgänge äquivalent sei. Wäre dies der*
11, wie Helmholtz vorläufig vermuthet, Thomson und seine Nachfolger als
her angenommen hatten, so könnten offenbar nur solche chemische Vor-
nge einen elektrischen Strom in der Kette geben, welche Wärme ent-
skeln; chemische Vorgänge, welche unter Wärmeaufnahme verlaufen,
issten elektrisch indifferent sein. Durch den Nachweis, dass dies nicht
r Fall ist, und dass chemische Vorgänge, die unter Wärmeverbrauch ver-
ifen, allerdings eine wirksame Kette geben können, ist unzweifelhaft be-
?sen, dass die gemachte Voraussetzung falsch ist und dass zwischen der
emischen und der elektrischen Energie mehr oder weniger grosse Unter-
liede bestehen können.
Es hat später ziemlich langer Kampfe bedurft, jenen Irrthum bezüglich
s Verhältnisses zwischen chemischer und elektrischer Wärme klarzustellen,
d auch die PAALzow'sche Kette ist für diesen Zweck, wenn auch nicht
n ihrem Entdecker, verwerthet worden.
10. Erörterungen von Edlund. Der Widerspruch, welchen Edlund
ischen den bis dahin als richtig angesehenen Werthen für die Spannung
ischen den Metallen und den nach seiner Methode vermöge der Peltier-
irkung sich ergebenden gefunden hatte, ist für ihn unzweifelhaft auch die
•sache gewesen, die andere, bis dahin nicht bezweifelte Ansicht in dem
wichen Gebiete, die Frage nach dem Zusammenhang zwischen dem Betrage
r als Wärme bei dem Vorgange erscheinenden chemischen Energie der
jtte und der elektrischen Energie, welche sie liefert, der Prüfung zu unter-
.khen. Wir haben (S. 786) gesehen, wie aus der vorläufigen Annahme, die
elmholtz gemacht hatte, und der einmaligen Bestätigung derselben, die
. Thomson gefunden hatte, sich schnell die Überzeugung herausgebildet
.tte, dass es sich hier um ein allgemeines Naturgesetz handele, trotzdem
isser dem Falle des DANiELi/schen Elementes fast alle anderen untersuchten
Ule dieser Annahme widersprachen; man hatte sich nach dem Vorgange
>sscha's (S. 788) hier mit der weiteren willkürlichen Annahme geholfen,
iss in der Kette neben den eigentlichen elektrochemischen Vorgängen noch
eitere, ihnen proportionale stattfinden, welche zur Entstehung der elek-
schen Energie nichts beitragen, und aus diesem Grunde (ein anderer Grund
: in der That nicht beigebracht worden) als secundäre Vorgänge angesehen
ld bezeichnet wurden.
Edlund hat als der erste1 das erhebliche Verdienst, die Unvereinbarkeit
eser Ansicht, die im Bewusstsein der damaligen Forscher allmählich den
ang eines unbezweifelbaren Naturgesetzes eingenommen hatte, mit experi-
entellen Thatsachen nachgewiesen und die Unabhängigkeit jener beiden
lergiegrössen ausgesprochen zu haben:
„Aus den experimentellen Versuchen, die angestellt worden sind, um
e Wärmeerscheinungen in der galvanischen Säule und in deren Leitungen
1 Pogg. Ann. 159, 420. 1876.
02
q3q Siebzehntes Kapitel.
kennen zu lernen, hat man den Schluss gezogen, dass die Wärmemenge,
welche in Folge des Durchgangs des Stromes durch die ganze Leitung (die
Säule darin mitverstanden) während einer bestimmten Zeit entsteht, ebenso
gross ist, wie die Wärmemenge, welche in der Säule selbst durch die che-
mischen Vorgänge in derselben Zeit hervorgerufen wird, wobei man jedoch
vorausgesetzt hat, dass der Strom keine äussere Arbeit verrichte, z. B. indu-
cire, chemische Zersetzungen bewirke u. dergl. mehr, und dass unter den
genannten Vorgängen nur die verstanden werden müssten, welche primär
sind und mit der Strombildung in direkter Verbindung stehen. Um im
Folgenden diese beiden Wärmemengen von einander unterscheiden zu können,
wollen wir diejenige, welche durch den Gang des Stromes durch die Leitung
verursacht wird, die galvanische Wärme, und die Wärmemenge, welche durch
die chemischen Vorgänge in der Säule entsteht, die chemische Wärme
nennen. Man hat dann aus den angestellten Versuchen den Schluss gezogen,
dass unter der erwähnten Voraussetzung die chemische Wärmemenge der
galvanischen an Grösse gleich sei. Wenn die galvanische Wärmemenge^»
genannt wird, so ist nach dem bekannten Gesetz von Joule gw = Mil/t, wo
M eine Constante ist und i die Stromstärke, / den Leitungswiderstand in
der Säule und der Leitung zusammen und / die Zeit, während welcher der
Strom in Thätigkeit ist, bedeuten. Bezeichnet E die elektromotorische Kraft
der Säule, so kann man auch gw = MEit schreiben, woraus man in Folge
des gezogenen Schlusses kw = MEit erhält, wenn kw die durch die pri-
mären chemischen Vorgänge in der Säule entwickelte Wärme bedeutet Wenn
n die Anzahl der chemischen Äquivalente bedeutet, welche durch die Wir-
kung des Stromes an der positiven Polscheibe der Säule zersetzt werden, so
ist nach dem elektrolytischen Gesetz n = mit, wo m eine Constante be-
deutet, welche von der Beschaffenheit der elektrolytischen Flüssigkeit unab-
hängig ist. Man schliesst hieraus, dass kw = , und also für ein Aqui-
tu
ME
valent kw = , woraus folgt, dass die Wärmemenge, welche in der Säule
Www
von den primären chemischen Vorgängen erzeugt wird, während an der posi-
tiven Polscheibe ein Äquivalent zersetzt wird, ein Maass der elektromotorischen
Kraft der Säule ist.
„Wenn die galvanische Wärme wirklich ebenso gross wie die primäre
chemische ist, so kann man folglich gewissermaassen sagen, dass die ganze
Wirksamkeit des Stromes nur darin besteht, dass derselbe die chemische
Wärme nach allen Theilen der geschlossenen Leitungsbahn herumfuhrt und
davon an jeder Stelle gerade so viel absetzt, als dem Widerstände an der-
selben Stelle entspricht, obgleich es allerdings sehr schwer ist, sich einen
klaren Begriff von dem wirklichen physikalischen Process bei diesem Herum-
führen zu bilden. Wenn man durch ein direktes Messen der in der Säule
entstandenen Wärmemenge finden würde, dass diese Wärmemenge grosser
als die durch den Durchgang des Stromes verursachte galvanische Wärme-
menge wäre, oder mit anderen Worten die Wärmemenge überstiege, welche
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen, ggj
der Strom in einem metallischen Leiter von gleichem Widerstände mit dem
der Säule hervorrufen würde, so müsste man annehmen, dass dieser Wärme-
überschuss von den secundären Processen, die in der Säule stattfinden mögen
und mit der Strombildung nichts gemein haben, herzuleiten sei. Auf diese
Weise hat man auch solche Überschüsse in den Fällen, wo sie beobachtet
worden sind, zu erklären gesucht. Ist eine chemische Zersetzungszelle oder
ein Voltameter in die Leitung eingeschaltet, so dass der Strom Gelegenheit
hat, z. B. Wasser zwischen Platinpolen zu zersetzen, so kann nach der dar-
gelegten Betrachtungsweise nicht alle primäre chemische Wärme, welche
in der Säule entsteht, in galvanische Wärme übergehen, sondern ein Theil
derselben wird zu der mechanischen Arbeit, die zur Erzeugung der polari-
sations-elektromotorischen Kraft und der chemischen Zersetzung in der Zer-
setzungszelle erforderlich ist, verbraucht. Man kann sich vorstellen, dass
dies auf die Weise zugehe, dass der zu dieser Arbeit nothwendige chemische
Wärmevorrath durch den Strom aus der Säule in die Zersetzungszelle ge-
führt wird, wo derselbe für den genannten Zweck angewandt wird. In der
Zersetzungszelle kann folglich keine andere Wärmeentwickelung entstehen,
als die, welche durch den Gang des Stromes durch die elektrolytische Flüssig-
keit verursacht wird. Die Wärmeerzeugung, welche man in der Zersetzungs-
zelle erhält, muss also derjenigen gleich sein, die beim Gange des Stromes
durch einen metallischen Leiter, dessen Widerstand dem der Flüssigkeit
gleich ist, hervorgerufen wird. Da man nun beim direkten Messen die in
der Zersetzungszelle entstandene Wärmemenge grösser als die galvanische
gefunden hat, so hat man die Ursache davon in den secundären chemischen
Processen, die dort stattfinden mögen und vom Strome unabhängig sind,
gesucht.
„Schon vor mehreren Jahren habe ich eine andere Erklärung der frag-
lichen Wärmeerscheinungen gegeben.1 Diese Erklärungsweise war in Kürze
die folgende: Wenn der Strom keine äussere Arbeit verrichtet, besteht
seine ganze Wirkung darin, dass er Wärme in dem durchgegangenen Leiter
hervorruft. Nachdem der Strom aufgehört hat, findet man von der Thätig-
keit der Säule keine anderen Produkte, als die chemischen Veränderungen
in der Säule, und die Wärme, die theils in der Säule, theils in der äusseren
Leitung entstanden ist. Es ist aber einleuchtend, dass diese Wärmemenge
den chemischen Veränderungen äquivalent sein muss, dass heisst mit anderen
Worten, dass die erzeugte Wärmemenge gerade so gross sein muss, wie die
Wärmemenge, welche durch dieselben chemischen Veränderungen entstanden
wäre, wenn kein Strom stattgefunden hätte, denn sonst hätte man ja ent-
weder chemische Arbeit oder Wärme aus Nichts erhalten. Der Strom hat
also im Ganzen gar keine Wärme erzeugt; seine totale Wärmeproduktion ist
gleich Null. Nun weiss man aber, dass der Strom, um den galvanischen
Leitungswiderstand zu überwinden, eine gewisse mechanische Arbeit ver-
1 Oefvere. Kg. Vet. Akad. Vörhandl. 1869. — Pogg. Ann. 137, 474. 1869.
g32 Siebzehntes Kapitel.
richtet, und diese Arbeit geht in Wärme über. Der Strom bringt also in
der Leitung eine wirkliche Produktion von Wärme hervor. Weil aber die
totale Wärmeproduktion des Stromes gleich Null sein muss, kann dies nur
dadurch geschehen, dass ein Verbrauch von Wärme an irgend einer Stelle
der Leitung stattfindet, und diese Stelle kann natürlich keine andere sein,
als die, wo die elektromotorische Kraft ihren Sitz hat. Man kommt folglich
zu dem Resultate, dass die elektromotorische Kraft, um den Strom hervor-
zubringen, eine Wärmemenge verbraucht, die ebenso gross ist, wie die gal-
vanische Wärmemenge, die der Strom, um den galvanischen Leitungswider-
stand zu überwinden, in der Leitung erzeugt. Der Wärmeverbrauch der
elektromotorischen Kraft ist also gleich gw\ doch folgt hieraus nicht, dass
dieser Verbrauch auch gleich kw sei, oder dass gw und kw dieselbe
Grösse haben.
„Wenn nur ein einziger Elektromotor in die geschlossene Leitung ein-
geschaltet ist, und dieselbe Bezeichnung wie vorher beibehalten wird, so hat
man gw = Mi%lt — M Eit. Im Elektrometer wird also in der Zeiteinheit
eine Wärmemenge verbraucht, welche dem Produkte der elektromotorischen
Kraft und der Stromstärke proportional ist. Während der Auflösung eines
Äquivalents Zink wird also die ganze, vom Elektromotor verbrauchte Wärme-
menge gw = — -• Dies gilt, wie man auch / verändern mag, d. h. wie
auch die Stromstärke vermehrt oder vermindert wird. Sind zwei Elekto-
motoren E und E in derselben Richtung thätig, so muss in der Zeiteinheit
die ganze Wärmeconsumption in beiden zusammen M{E -f- E') i' werden,
wenn i' die entstandene Stromstärke bezeichnet Hieraus wird deutlich MEt
im ersteren und ME'i' im letzteren verbraucht. Wenn E grösser als E
ist, und der eine Elektromotor in entgegengesetzter Richtung gegen den
anderen wirkt, so wird die ganze verbrauchte Wärmemenge M(E — E)i",
wenn i" die Stromstärke bezeichnet. Im ersten Elektromotor wird nun die
Wärmemenge M ei' verbraucht, diese ist aber grösser, als die ganze Wärme-
menge, welche der Strom infolge des Leitungs Widerstandes erzeugt to
dem anderen Elektromotor muss deshalb eine Wärmemenge erzeugt werden,
die mit ME'i" gleich ist. Folglich, wenn der Strom in derselben Richtung,
in welcher die elektromotorische Kraft wirkt, den Elektromotor durchläuft,
wird eine Wärmemenge verbraucht, die dem Produkt der elektromotorischen
Kraft und der Stromstärke proportional ist, geht aber der Strom in ent-
gegengesetzter Richtung, so wird statt dessen eine ebenso grosse Wärme-
menge erzeugt.
„Man sieht hieraus, dass die beiden Betrachtungsarten in einer Hinsicht
mit einander übereinstimmen, nämlich darin, dass die Wärmesumme, die der
Strom im Ganzen erzeugt, gleich Null ist; aber in dem einen Falle wird die
Wärme, welche der chemische Process in der Säule hervorbringt, nach den
verschiedenen Theilen der Leitung herumgeführt, im anderen Falle wird
dagegen Wärme vom Strom überall in der Leitung wirklich erzeugt; jedoch
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. 983
ist die ganze erzeugte Wärmemenge derjenigen gleich, welche die elektro-
motorische Kraft verbraucht. In anderen Hinsichten fuhren beide Betrach-
tungsweisen zu verschiedenen Resultaten; so ist z. B. nach der einen Be-
trachtungsweise die primäre chemische Wärmemenge der galvanischen
Wärmemenge gleich, weshalb auch die erstere ein Maass der elektromoto-
rischen Kraft abgiebt; nach der anderen hingegen können die beiden
genannten Wärmemengen verschieden sein, und infolge dessen kann die
primäre cherrtische Wärmemenge nicht als Maass für die elektromotorische
Kraft dienen u. s. w."
Es ist vielleicht für das Verständniss dieser wichtigen Frage von Nutzen,
sie noch einmal mit etwas anderen Worten gestellt und beantwortet zu
sehen. Die ältere, von Edlünd bekämpfte Ansicht besagt, dass die gesammte
als Wärme auftretende chemische Energie sich in elektrische verwandelt,
wenn der chemische Vorgang in einer VoLTA'schen Säule stattfindet. Nun
wird die elektrische Energie durch das Produkt ihrer beiden Faktoren: elek-
tromotorische Kraft und Elektricitätsmenge, ausgedrückt. Von diesen beiden
Faktoren ist der eine bereits bestimmt, denn gemäss dem FARADAY^schen
Gesetze entspricht einer bestimmten Stoffmenge, welche in der Kette eine
chemische Veränderung erleidet, eine proportionale Elektricitätsmenge, und
alle Ketten ohne Ausnahme setzen dieselbe Elektricitätsmenge in Bewegung,
wenn chemisch äquivalente Stoffmengen in ihnen umgesetzt werden. Be-
ziehen wir somit die Rechnung auf solche chemisch äquivalente Stoffmengen,
so sind die entsprechenden chemischen Wärmen je nach der Natur der
Reaktionen verschieden, und ebenso nach den Voraussetzungen die elek-
trischen Energieen. In den letzteren ist aber der eine Faktor, die Elek-
tricitätsmenge, immer derselbe; folglich muss der andere Faktor, die elek-
tromotorische Kraft, die ganze Veränderlichkeit enthalten, und daher der
chemischen Wärme proportional sein.
Nun ist es durch keinen Umstand als nothwendig erwiesen, dass in der
Kette die entstehende chemische Energie gleich der als Wärme gemessenen
verschwindenden chemischen Energie ist. In der Dampfmaschine z. B. ist
Entsprechendes bei weitem nicht der Fall; von der chemischen Energie der
Kohle tritt nur etwa 1/10 als mechanische Arbeit auf, die übrigen 9/io ge^en
in Wärme über, und ähnlich verhält es sich mit vielen Energieumwand-
lungen. Es ist daher sehr wohl möglich, dass die in der Kette entstehende
elektrische Energie weniger, ja auch dass sie mehr beträgt, als die ver-
schwindende chemische Energie; wir dürfen nur erwarten, dass der Unter-
schied der beiden durch die Änderung einer anderen Energiemenge sichtbar
wird; als Wärmeentwickelung, wenn die chemische Energie kleiner ist, als
die elektrische, als Wärmeabsorption, wenn das umgekehrte der Fall ist.
Da ferner die elektrische Energie dem Produkt von Elektricitätsmenge
und Spannung proportional ist, so wird in einem geschlossenen Stromkreise,
wo die Elektricitätsmenge constant ist, überall dort elektrische Energie ver-
schwinden, wo die Spannung abnimmt, und an ihrer Stelle muss eine
Q%A Siebzehntes Kapitel.
proportionale Wärmemenge erscheinen (wenn wir andere Umwandlungen
ausschliessen); umgekehrt erfolgt überall, wo die Spannung im Sinne der
Stromrichtung zunimmt, eine Vermehrung der elektrischen Energie, und
dies ist nicht möglich, ohne dass an derselben Stelle eine gleiche Menge
einer anderen Energie, z. B. Wärme, verschwindet Dies ist der Grund,
warum in einem Elektromotor, d. h. in einem Gebilde, in welchem die
Spannung eine plötzliche Änderung erleidet, Wärme, oder allgemein Energie
verbraucht wird, wenn ein Strom ihn in der Richtung durcheilt, in welcher
er selbst einen Strom hervorrufen würde. Denn in dieser Richtung ist im
Elektromotor ein Sprung von niederer zu höherer Spannung vorhanden,
und jede Elektricitätsmenge, welche über diese Stelle geschickt wird, bedarf
zu ihrer Hebung auf die höhere Spannung eines proportionalen Energie-
aufwandes.
Es bietet sich hier wieder von selbst das schon von Ohm benutzte Bild
des Wasserstromes dar. Man denke sich einen ringförmig in sich zurück-
laufenden Kanal, welcher die Leitung darstellt An einer Stelle sei eine
Vorrichtung,' z. B. ein Wasserrad, angebracht, welche das Wasser auf eine
höhere Lage hebt; das Rad werde durch einen Motor angetrieben, dessen
Energieverbrauch man messen kann. Lässt man den Motor an, so wird er
eine Energiemenge verbrauchen, welche der in Bewegung gesetzten Wasser-
menge (Elektricitätsmenge) und der Hebung des Wassers (Spannung der
Elektricität) proportional ist. Diese Energie wird bei der Bewegung des
Wassers durch den Kanal wieder in Gestalt von Wärme abgesetzt Jede
Bewegung des Wassers in dem ursprünglichen Sinne ist mit einem ent-
sprechenden Energieverbrauch an der Stelle des Rades verknüpft, weil dort
eine Hebung stattfindet; jede entgegengesetzte Bewegung des Wassers lässt
umgekehrt eine entsprechende Menge Energie an der gleichen Stelle frei
werden, welche, wenn sie keine andere Form annehmen kann, nothwendig
als Wärme erscheinen muss.
Zwischen der Strömungsenergie und dem Energieaufwand des Motors
muss also nothwendig Gleichheit bestehen, keineswegs aber braucht diese
Gleichheit sich auf eine dritte Energieform zu beziehen, aus welcher der
Motor gespeist wird. Ist z. B. dieser Motor eine Dampfmaschine, so wird
diese an chemischer Energie der erforderlichen Kohlen etwa das Zehnfache
von der Energie beanspruchen, welche sie in Gestalt von mechanischer
Arbeit an den Strom abgiebt; die übrigen neun Zehntel erscheinen im
Kühlwasser als Wärme. Ersetzen wir aber die Dampfmaschine durch eine
solche, die mit verflüssigter Kohlensäure getrieben wird, so findet umge-
kehrt an der Arbeitsstelle eine bedeutende Wärmeabsorption statt; ein Theil
dieser Wärme geht in Strömungsenergie über, während ein anderer zur
Überführung der flüssigen Kohlensäure in gasförmige dient Diese Um-
stände geben ein Bild dafür, wie die chemische Energie in der Kette sowohl
grösser, wie kleiner sein kann, als die elektrische Energie, welche in ihr
entsteht
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. q3c
Edlund geht nun dazu über, die beiden Betrachtungsweisen an den
ersuchen von Favre und Raoult (S. 790) einer Prüfung zu unterwerfen,
d findet nur die zweite den Thatsachen entsprechend. Zunächst werden
1 Unterschiede, welche von beiden zwischen der galvanischen und che-
schen Wärme gefunden und auf „secundäre" chemische Vorgänge ge-
hoben worden sind, erörtert, und es wird der Widerspruch hervorgehoben,
r darin hegt, dass bei ebendemselben Vorgange (der Entwicklung von
asserstoff an Platin) diese secundäre Wärme bald positiv, bald negativ sein
11. Dann aber geht Edlund zu der Berechnung einiger Versuche von
ioult über die Wärmeentwickelung in Zersetzungszellen über und erlangt
er eine zahlenmässige Bestätigung seiner Anschauungen.
Raoult hatte verdünnte Schwefelsäure und Kupfersulfat mit verschie-
den Stromstärken und verschiedenen Elektroden zersetzt und dabei fol-
;nde lokalen Wärmeentwickelungen erhalten:
Bei der Zersetzung des Wassers
e L L'
A 2,04 14898 cal. 14294 cal.
B i,75 7596 „ 7363 ff
C 2,16 17626 „ 17162 „
Bei der Zersetzung des schwefelsauren Kupferoxyds
A 1,59 7594 cal. 8396 cal.
B 1,58 7997 » . 8i57 »
C 1,36 2828 „ 2899 „
Unter e stehen die beobachteten elektromotorischen Kräfte der Polari-
ition in Einheiten der ÜANiELL'schen Kette, unter L die lokale Wärme.
Achtet man nun darauf, dass nach den übereinstimmenden Versuchen
ix beiden genannten Forscher für die einem Äquivalent entsprechende elek-
ische Arbeit des DANiELL'schen Elements 23900 cal. in Rechnung gesetzt
erden können, so wird man die lokale Wärme berechnen können, wenn
an von dem Produkt dieser Zahl mit der unter ? stehenden elektromoto-
schen Kraft der Polarisation, die ja in ÜANiELL-Einheiten ausgedrückt ist,
e zur chemischen Zersetzung des Wassers resp. des Kupfersulfats in seine
estandtheile verbrauchten Wärmemengen abzieht. Diese betragen nach
*n Versuchen der gleichen Forscher 34462 resp. 29605 cal.; fuhrt man
ie Rechnung aus, so erhält man die oben unter L' verzeichneten Zahlen,
eiche von denen unter L um nicht mehr abweichen, als die Versuchsfehler
^statten, und dadurch die Richtigkeit der Rechnungsweise bestätigen.
Unter den weiteren Bestätigungen seiner Auffassung, welche Edlund
abringt, sei noch die folgende wegen ihrer Anschaulichkeit erwähnt:
„W. Thomson und später Bosscha haben folgenden Versuch angestellt1
wei gleiche Voltameter wurden mit derselben Quantität schwefelsauren
fassers gefüllt und dann nach einander in die Leitung einer starken gal-
mischen Kette eingeschaltet. Die Elektroden in dem einen Voltameter
1 Pogg. Ann. 103, 487. 1858.
og(5 Siebzehntes Kapitel.
bestanden beide aus Platin, in dem anderen aber war nur die positive Elek-
trode aus diesem Metalle, wogegen die negative aus amalgamirtem Zink
bestand. Obgleich derselbe Strom die beiden Voltameter durchlief und folg-
lich eine gleiche chemische Zersetzung in beiden stattfand, so stieg dock
die Temperatur in dem Voltameter, welche Zink zur negativen Elektrode
hatte, viel schneller als im anderen. Bosscha ist der Ansicht, dass das Ver-
mögen des Zinks, den Wasserstoff aus dem aktiven in den gewöhnlichen
Zustand überzuführen, von demjenigen verschieden ist, welches das Platin
in dieser Hinsicht besitzt.
„Ich habe den Versuch wiederholt und dasselbe Resultat erhalten. Bei
Anwendung der zweiten Vorstellungsweise ist es leicht, die Ursache der ver-
schiedenen Temperaturerhöhungen zu finden. In den beiden Voltametern
befindet sich eine elektromotorische Kraft, welche in entgegengesetzter Rich-
tung gegen den Strom der Kette wirkt. In dem Voltameter, dessen beide
Elektroden aus Platin bestehen, wird diese Kraft ausschliesslich von der
Polarisation des Wasserstoffs und Sauerstoffs verursacht. In dem anderen
Voltameter scheidet sich auch Sauerstoff auf das Platin und Wasserstoff auf
den Zink aus; aber ausser der Polarisation, die hieraus entsteht, wirkt dies
Voltameter überdies als eine Säule entgegengesetzter Richtung gegen den
Strom. Dass das Platin-Zinkgefäss eine grössere Gegenkraft als das andere
Gefäss entwickelt, davon kann man sich leicht überzeugen, indem man erst
das eine Gefäss in die Stromleitung einschaltet, dann dieses wieder heraus-
nimmt und statt dessen das andere hereinsetzt. Man findet dann, dass der
Strom der Kette bedeutend mehr durch das Platin-Zinkgefäss, als durch das
andere geschwächt wird. Die Wärmemenge, welche daraus entsteht, dass
der Strom in entgegengesetzter Richtung gegen die in den beiden Volta-
metern wirkenden elektromotorischen Kräfte läuft, muss deshalb im Platin-
Zinkgefäss grösser als im anderen werden."
ii. Untersuchungen von F. Braun. Etwas später als Edlukd
und auf Grund wesentlich anderer Betrachtungen gelangte F. Braun1 zu
der gleichen Ansicht, dass die von Helmholtz und Thomson angenommene
Proportionalität zwischen Wärmeentwickelung und elektromotorischer Kraft
thatsächlich nicht vorhanden ist. Obwohl seine ersten Erörterungen über
den Gegenstand noch mancherlei Irrthümliches enthalten, haben sie doch
ihren Werth, da sie ihn zu der experimentellen Verfolgung der Frage ver-
anlassten und so die einigermaassen zweifelhaften theoretischen Betrachtungen
durch unzweifelhafte Versuchsergebnisse ergänzten und verstärkten.
Der Kernpunkt von Braun' s Betrachtungen ist die Frage, ob die elek-
trische und die chemische Energie sich ohne Rest ineinander und in mecha-
nische Energie verwandeln lassen, oder ob auch hier ein Verhalten wie bei
der Wärme vorliege. Bei der letzteren hat es sich bekanntlich ergeben,
dass niemals die gesammte Wärme, welche von irgend einer Wärmequelle
1 WiED. Ann. 5, 182. 1878.
Die elektrochemischen SpannungserscheinuDgen. 037
J9
bestimmter Temperatur geliefert wird, sich in mechanische Arbeit oder andere
Energie dnrch einen Kreisprocess verwandeln lässt, sondern nur ein Bruch-
theil, der gegeben ist durch den Quotienten aus dem Unterschiede der Tem-
peraturen, zwischen denen die Maschine arbeitet, dividirt durch die absolute
Temperatur der Wärmequelle. Die Frage Braunes war, ob die genannten
anderen Energieen ähnliche Eigenschaften aufweisen.
In die Einzelheiten seiner Untersuchung, die er an einzelnen bestimmten
Seispielen durchfuhrt, brauchen wir Braun nicht zu folgen; sein Ergebniss
fasst er dahin zusammen:
„Stellt man die Grössen, um welche es sich hier handelt, nach ihrem Ver-
-wandlungswerth geordnet zusammen, so würden sie die Reihenfolge haben:
i). elektrische potentielle Energie,
,2) mechanische Arbeit,
,3) Wärme,
so dass 1) fast vollständig in 2) und vollständig in 3); 2) vollständig in 3),
aber nur theilweise in 1); 3) im Allgemeinen niemals vollständig weder in 1),
noch in 2) übergeführt werden kann."
Heute wissen wir, dass dies Ergebniss nicht richtig ist. Mechanische
und elektrische Energie, wie wir sie zu messen pflegen, sind vollständig in-
einander verwandelbar, wenigstens im theoretischen Sinne; praktisch ist die
Umwandlung der einen Energie in die andere bis zu dem Betrage von
90 Procent eine Leistung, welche die Technik mit Sicherheit auszuführen
vermag. Für die Wärme gilt dagegen das Gesagte.
Um nun von diesen Betrachtungen den Übergang auf die chemischen
Vorgänge zu machen, denkt sich Braun, dass durch diese stets zuerst Wärme
erzeugt wird. Die hierbei auftretenden beobachtbaren Temperaturen sind
allerdings viel zu gering, als dass man den als elektrische Energie zu er-
haltenden Betrag hieraus ableiten könne. „Bei der chemischen Vereinigung
aber muss, wenn auch nur eine sehr kurze Zeit lang das Molekül, welches
sich eben gebildet hat, eine sehr hohe Temperatur besitzen. Wenn es ge-
länge, diese, die Verbindungstemperatur selbst, als höchste Temperatur einer
arbeitenden Maschine zu verwenden, so würde man ungleich günstigere mecha-
nische Effekte erzielen. Dies scheint aber einzutreten, wenn man die che-
mische Umsetzung im Kreise eines geschlossenen Stromes vor sich gehen
lässt. In diesem Falle wird das Molekül selbst zur arbeitenden Maschine,
die Wärme von hoher Temperatur wird nicht erst übertragen auf Wärme
von niederer Temperatur, sondern sofort in diejenige Bewegungsform um-
gesetzt, welche man strömende Elektricität nennt, und welche ihrerseits dann
Arbeit vollbringen kann."
Diese Betrachtungen sind interessant durch die Unbefangenheit, mit
welcher die thermodynamischen Ableitungen mit molekularhypothetischen
• • •
Annahmen vermischt werden, ohne dass dem Autor der Übergang von dem
sicheren Boden der ersteren auf das trügerische Gebiet der letzteren ins
Bewusstsein zu treten scheint. Es entspricht dies der Denkweise, welche
qgg Siebzehntes Kapitel.
noch bis auf den heutigen Tag die vorherrschende ist, obwohl eine täglich
sich mehrende Erfahrung uns zeigt, dass wirklich bleibende Ergebnisse nur
auf dem ersten Boden sich gewinnen lassen, und dass die molekularen Be-
trachtungen, sobald sie über das Gebiet der chemischen Erscheinungen hin-
ausgehen, zu deren Darstellung sie ausgebildet worden sind, regelmässig
in die Brüche führen. Auch in diesem Falle war es nicht anders, und
Braun hat die Tragweite seiner werthvollen Beobachtungen erheblich durch
die hypothetische Gestaltung abgeschwächt, welche er ihnen geben zu
müssen glaubte.
Auf seine erste theoretische Abhandlung Hess F. Braux zwei Jahre
später eine zweite folgen,1 in welcher er zur Bestätigung seiner Zweifelan
der Gültigkeit des THOMsoN'schen Satzes ein umfangreiches experimentelles
Material beibringt. Die Arbeit hat eine bedeutende Aufmerksamkeit erregt
und so die oft wiederholte Erfahrung bestätigt, dass theoretische Zweifel
und Widersprüche einem allgemein angenommenen Gedanken gegenüber so
lange wirkungslos zu bleiben pflegen, bis der Gegensatz auf einen Punkt
gefuhrt worden ist, welcher dem unmittelbaren Versuche zugänglich ist und
durch ihn entschieden werden kann. So war es auch nach Veröffentlichung
der Arbeiten Braun's für die Anhänger des THOMSON^schen Satzes die erste
Sorge, die Bündigkeit der Versuche Braun's anzuzweifeln und die auf-
gewiesenen Abweichungen auf „Nebenreaktionen" zurückzufuhren.
Braunes Gesichtspunkte ergeben sich aus den folgenden Einleitungs-
worten seiner Abhandlung:
„Gegen die THOMsoN'sche Theorie, obschon sie durch die ÜANiELi/sche
und einige andere Kettencombinationen bewiesen zu werden scheint, habe
ich vor einiger Zeit Widerspruch erhoben. Sie setzt stillschweigend voraus,
dass chemische Energie eine mit mechanischer Arbeit wesentlich gleiche,
d. h. unbeschränkt in sie verwandelbare Energieform ist. Nun sind uns
Fälle bekannt, in welchen ebenso gut wie in der geschlossenen Kette alk
Bedingungen dafür erfüllt sind, dass sich die chemische Energie vollständig
in mechanische Arbeit umsetzen könnte (z. B. bei den Explosionen einer
Gaskraftmaschine); wir wissen aber, dass dies thatsächlich nicht eintritt, dass
die potentielle chemische Energie, welche während des chemischen Vor-
ganges in andere Energieformen übergeht, sich ebenso verhält wie Wärme,
welche dem schon gebildeten Verbindungsprodukte von aussen zugeführt
wird. In der That, die dissoeiirbaren Verbindungen (und dissoeiirbar sind
in letzter Instanz wohl alle), speciell die in einen festen und einen flüssigen
resp. gasförmigen Körper zerfallenden Stoffe scheinen unbedingt die An-
nahme zu fordern, dass chemische Energie von der Energieform der Wärme
ist, da man durch Zufuhren einer der Verbindungsenergie gleichen Wärme-
menge wieder den ursprünglichen Gehalt an potentieller Energie im System
herbeiführen kann. Durch derartige Erwägungen war ich zu der Ansicht
1 Wied. Ann. 16, 560. 1882.
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. OSO
nmen, welche in meiner ersten auf den Gegenstand bezüglichen Publi-
1 stillschweigend zu Grunde gelegt ist, und von ihr ausgehend hatte
eitere Schlüsse gezogen. Insbesondere den folgenden: Bei jedem che-
en Process, welcher innerhalb einer Kette (Zersetzungszelle) nach dem
)AY,schen Gesetz verläuft, geht ein Theil, aber auch nur ein Theil der
ndungswärme in Stromarbeit über; der Rest der chemischen Wärme
als solche im Element und macht einen Bestandteil der sogenannten
me durch secundäre Processe" aus. Denjenigen Bruchtheil der che-
en Energie, welcher in Stromenergie verwandelt wird, will ich den
omotorischen Nutzeffekt des Processes nennen. Er soll nach meinen
en Betrachtungen um so geringer sein, je leichter die im elektro-
len Process entstehende oder zerfallende Verbindung durch die Wärme
iirt wird.
.Wenden wir diese Betrachtung auf die DANiELi/sche Kette an, so müsste
elektromotorische Kraft bestimmt sein aus der Zahlengleichung
D = x . (Zn, O, SO3 aq) - y . (Cu, O, SO3 aq) , ( i)
und y echte Brüche sind.1 Thatsächlich wissen wir aber . . . , dass
*hr grosser Annäherung auch:
D = (Zn, O, SO3 aq) - (Cu, O, S03aq) (2)
ld aus Gleichung 2 hat man seither immer geschlossen, dass x =*y = 1
ie es die THOMSON'sche Theorie verlangt."
)ie Versuche, welche Braun zur Prüfung der THOMsoN'schen Theorie
teilt hat, sind sehr zahlreich. Aus ihnen lassen sich folgende
sse ziehen:
.Diejenigen Elemente, welche combinirt sind aus den Sulfaten von Zink,
r und Cadmium zeigen . . . eine sehr gute Übereinstimmung mit der
>ON*schen Theorie. Das Gleiche gilt für die Acetate dieser drei Metalle."
t man nun an, dass bei diesen Verbindungen alle chemische Energie
ktrische übergeht, und berechnet aus der elektromotorischen Kraft der
1, in welche Bleiacetat eingeht, die Wärmeentwickelung bei der Bildung
tzteren, so findet man Werthe zwischen 145 und 153 der benutzten
iten, während die wirkliche Wärme nur 132 beträgt. Der Unterschied
;1 grösser, als durch die Beobachtungsfehler zu erklären wäre, und die
1 mit Bleiacetat haben daher die Eigenschaft, dass sie sich beim Strom-
gang abkühlen müssen. Umgekehrt verhalten sich die Silbersalze; die
sehe Wärme ist um etwa 35 Einheiten grösser als die elektrische, und
etten erwärmen sich beim Stromdurchgange mehr, als ihnen infolge
Widerstandes nach dem JouLE^schen Gesetz zukommt. Dies gilt für
all, dass das Silber in der Kette Kathode ist; wirkt es umgekehrt als
t, so würde beim Stromdurchgange die entsprechende Wärmemenge
„Das Zeichen aq hinter der Formel bedeutet, dass die angegebene Verbindung in Wasser
st; die Klammern drücken die Wärmeentwickelung bei der Verbindung der in derselben
eben Elemente oder Atomgruppen aus."
ggO Siebzehntes Kapitel.
verschwinden. Auf „secundäre Processe" lässt sich das Ergebniss nidrt
zurückführen, denn weder die Silber- noch die Bleielektrode hat in den an-
gewendeten Lösungen eine Polarisation, welche 0,003 Daniell überschreitet
„Die Annahme, dass in den Combinationen der Sulfate und Acetate
von Zink, Kupfer und Cadmium die ganze chemische Energie der einzelnen
an den Elektroden sich abspielenden Processe in Stromarbeit übergehe, fuhrt
also in ihren Consequenzen zu unlösbaren Widersprüchen."
Nachdem Braun noch eine weitere Zahl solcher Widersprüche auf-
gezeigt hat, geht er zu der Frage über, auf welche Weise die Abweichungen
von der THOMsoN^schen Theorie zu erklären seien. Er stellt die Alternative,
entweder auf einen Zusammenhang der beiden in Betracht kommenden
Grössen ganz zu verzichten, oder anzunehmen, dass an jeder Elektrode nur
ein Bruchtheil der dort erscheinenden chemischen Energie in elektrische
übergehe. Die Coefficienten des elektrischen Nutzeffektes x und y (S. 989;
lassen sich freilich aus den vorhandenen Beobachtungen nicht unmittelbar
bestimmen; vielmehr kann eine beliebig grosse Zahl von Werthen ange-
nommen werden, welche die Bedingungen erfüllen; doch glaubt Braun zu-
nächst durch Benutzung solcher Metalle, deren Verbindungswärmen mit den
in Betracht kommenden Elementen möglichst klein ist, zu Grenzwerthen
gelangen zu können, zwischen denen diese Coefficienten liegen müssen.
Jedenfalls war es ihm möglich, worauf er grossen Werth legt, die Coeffi-
cienten x und y immer so zu bestimmen, dass sie kleiner als Eins waren,
dass also für den Übergang in elektrische Energie immer nur ein Theil der
chemischen in Anspruch genommen zu werden brauchte.
In einer folgenden Arbeit,1 welche zunächst der Widerlegung einer
Anzahl von F. Exner mitgetheilter Betrachtungen und Messungen gewidmet
ist, giebt Braun einen Weg an, auf welchem er zu einer unmittelbaren Be-
stimmung der „ Arbeitsfähigkeiten " für die in seinen Ketten erfolgenden
chemischen Vorgänge zu gelangen hofft. Exner hatte in seiner Arbeit die
elektromotorischen Kräfte von Ketten, die nur aus Grundstoffen zusammen-
gesetzt sind, zu messen geglaubt (z. B. zwei Metalle in flüssigem Brom) und
die erhaltenen Zahlen in Übereinstimmung mit seiner Annahme über die
vollständige Umwandlung der chemischen Wärme in elektrische Energie
gefunden. Bei der Prüfung dieser Angaben stellten sich die erheblichsten
Widersprüche heraus; die gefundenen elektromotorischen Kräfte waren kleiner,
als sie sein sollten. Als Beispiel diene eine Kette, welche aus Blei, Brom
und Platin zusammengesetzt war; sie gab eine elektromotorische Kraft von
1,20 Dan., während aus den Wärmetönungen sich 1,29 berechnet Während
hier noch ganz wohl von einer Übereinstimmung geredet werden konnte,
gab eine Kette aus Zink mit sorgfältig getrocknetem Brom gleich nach der
Herstellung 0,52, nach 2X\% Monaten 0,12 Dan., während der berechnete
Werth 1,52 beträgt. Hier kann von einer Übereinstimmung nicht mehr
1 Wied. Ann. 17, 593. 1882.
Die elektrochemischen Spannungserschcinungen. qqi
die Rede sein. Endlich soll noch das Element Silber- Jod-Kohle angeführt
-werden; es gab 0,60 bis 0,63; berechnet ist 0,55. Hier ist die elektro-
motorische Kraft merklich höher, als die berechnete. Da diese Thatsache
den Ansichten Braun's einigermaassen entgegen war, so hat er die Be-
stimmung wiederholt, doch nie eine Zahl erhalten, welche der berechneten
gleich kam.
Die so gewonnenen Zahlen benutzte nun Braun, um seine „Nutzeffekte"
zu berechnen. Für die Zusammenstellung Silber, Brom, Kohle war beispiels-
weise die elektromotorische Kraft 0,84 Dan. gefunden worden. Indem Braun
annahm, dass diese Kraft von der einzig möglichen chemischen Wirkung
zwischen den Bestandteilen, der Bildung des Bromsilbers, herrühre (was eine
nicht unbedenkliche Annahme war), konnte er folgende Schlüsse machen:
Eine Kette Zink, Bromzink, Bromsilber Silber, gab 0,80 Dan. Diese Kraft
ist die Differenz zwischen dem Nutzeffekt des Zinkbromids und dem des
Silberbromids ; somit ist der Nutzeffekt des Zinkbromids gleich 0,80 + 0,84 = 1 ,64.
Die Wärmetönung entspricht einer Kraft von 1,82; somit ist der Coefficient,
welcher den Antheil der umwandelbaren Energie bei der Bildung des Zink-
bromids angiebt, — ^ = 0,92 .
1,04
Auf ähnliche Weise berechnete er für eine grosse Anzahl von chemi-
schen Verbindungen die Nutzeffekte, und erhielt im Allgemeinen Zahlen für
die Coefficienten, welche unterhalb der Einheit lagen, seiner Theorie ent-
sprechend. Nur bei einigen Jodverbindungen, insbesondere bei dem eben
erwähnten Jodsilber ergaben sich die umwandelbaren Energiemengen grösser,
als die Wärmetönungen. „Dieses sonderbare Resultat fällt weg, der Nutz-
effekt wird kleiner als Eins, wenn man die Hypothese macht, dass man die
Verbindungswärme mit gasförmigem Jod einzufuhren habe." Braun sucht
nun auch diese Annahme weiter zu begründen; es ist nicht erforderlich,
hierauf einzugehen, weil sich beweisen lässt, dass die latenten Schmelz- und
Dampfwärmen überhaupt nichts mit der elektromotorischen Kraft zu thun
haben, und dass z. B. bei der Temperatur und dem Druck, bei welchen
festes, flüssiges und gasförmiges Jod neben einander existiren, alle drei, wenn
sie Glieder einer Voi/TA'schen Kette sein können, auch dieselbe elektromoto-
rische Kraft geben müssen.
Zum Schluss giebt Braun einige bemerkenswerthe Betrachtungen, welche
die Überlegung zum Inhalte haben, dass auch möglicherweise die auf die
beschriebene Weise bestimmten Arbeitsfähigkeiten chemischer Vorgänge be-
stimmend für die rein chemischen, ohne Mitwirkung der Elektricität erfolgen-
den gegenseitigen Verdrängungserscheinungen sind. „Dem von Berthelot
aufgestellten Prinzip . . . der maximalen Wärmetönung . . . hätten wir dann
ein anderes zu substituiren, welches mit mehr Recht den Namen „„Prinzip
der maximalen Arbeitsfähigkeit"" fuhren könnte." Indessen glaubt
Braun dennoch, dass Thatsachen vorliegen, die sich nicht dieser Form fügen,
und will seine Bemerkung nur als eine Vermuthung gelten lassen.
qq2 Siebzehntes Kapitel.
Diese Arbeiten haben, wie schon bemerkt, einen bedeutenden Einflnss
ausgeübt. Obwohl gegenwärtig fast alles an den theoretischen Betrachtungen |
als abänderungsbedürftig bezeichnet werden muss, so liegt den mitgetheilten
Erwägungen doch ein richtiger Kern zu Grunde, welcher nur einer andern
und sachgemässeren Ausprägung bedurfte, um einen grossen Fortschritt in
der Auffassung des Problems zu bedingen. Ich gehe daher nicht auf eine
Kritik der einzelnen Aufstellungen ein; aus den Arbeiten, über die alsbald
zu berichten ist, ergiebt sich diese Kritik und die Scheidung des Richtigen
von dem Vergänglichen von selbst.
12. Die Forschungen von Willard Gibbs. Mitten in die Zeit
hinein, wo in Deutschland die Frage nach dem Verhältniss der chemischen
und galvanischen Wärme in Angriff genommen und ihrer Lösung näher
geführt wurde, fällt die Veröffentlichung der Arbeit eines amerikanischen
Forschers, in der die Frage wesentlich im gleichen Sinne entschieden wurde,
in welchem kurz darauf Helmholtz sie beantwortete. Allerdings wurde diese
Übereinstimmung erst in viel späterer Zeit bekannt, denn es hat nicht leicht
in der Geschichte der Wissenschaft eine Arbeit gegeben, bei welcher die
Bedeutung in solchem Missverhältniss zu der Beachtung gestanden. hätte, die
sie zunächst gefunden hat. Es ist die Rede von der grossen Abhandlung
von Willard Gibbs: „Über das Gleichgewicht heterogener Stoffe."1
Um die Bedeutung dieser Arbeit zu bezeichnen, braucht nur gesagt zu
werden, dass ein sehr bedeutender Theil der Gesetze und Beziehungen,
welche inzwischen in der allgemeinen (der sogenannten physikalischen) Chemie
entdeckt worden sind, und welche zu einer so erstaunlichen Entwickelung
dieses Gebietes in dem letzten Jahrzehnt geführt haben, sich in derselben
mehr oder weniger ausführlich dargelegt findet. In beispiellos umfassender
und vollständiger Weise sind die Fragen behandelt, welche die Gleichge-
wichtszustände zusammengesetzter Systeme zum Gegenstande haben, und
neben den gewöhnlich allein betrachteten Einflüssen, wie sie Druck und
Temperatur auf diese Zustände haben, finden sich die Wirkungen der
Schwere, der Elasticität, der Oberflächenspannung, der Elektricität erörtert
Nur langsam hat die experimentelle Forschung die Wege zu gehen be-
gonnen, deren Richtung und Ziele sich in dieser Arbeit bezeichnet finden,
und noch jetzt harrt eine Fülle wissenschaftlicher Schätze ihres experi-
mentellen Abbaues, der an vielen Stellen fast ein einfacher Tagebau zu
nennen ist.
Gegenüber solchen Verhältnissen muss man fragen: Warum hat die
Arbeit keinen ihrer Bedeutung entsprechenden Erfolg gehabt, warum sind
nicht alsbald nach ihrem Erscheinen die Wirkungen eingetreten, die später
auf anderem Wege stattgefunden haben? Die Antwort ist eine mehrfache.
Vor allen Dingen trägt die Schuld die recht schwer zugängliche Gestalt, in
1 Transactions of the Connecticut Acadcmy, III, 1876 — 1878. — Deutsch in W. Gibb*.
Thermodynamische Studien, Leipzig 1892.
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. 993
:her der Verfasser seine Ergebnisse niedergelegt hat. In streng mathe-
scher Formulirung mit so concentrirtem Text, dass das Verständniss
r Seite die ernsthafteste Mitarbeit des Lesers fordert, fuhrt uns der Ver-
*r durch seine 700 Gleichungen, nur selten die erhaltenen Ergebnisse
:h anschauliche Anwendungen erläuternd. Die Abhandlung ist zu inhalt-
1 gewesen, um eine unmittelbare Wirkung zu äussern; wenn ihr Inhalt,
: auf 300 Seiten zusammengedrängt zu sein, mit Rücksicht auf den Leser
len fünffachen Raum auseinander gezogen gewesen, und der Welt nicht
einmal, sondern in einzelnen, zeitlich hinreichend getrennten Abhand-
en mitgetheilt worden wäre, so hätten es die zeitgenössischen Forscher
iter gehabt, sich der hier enthaltenen Schätze zu bemächtigen. Noch
, wo die dort ausgesprochenen Gedanken weite Verbreitung gefunden
an, ist das Studium der Abhandlung nicht leicht, und die Kenntniss ihres
dtes nicht so verbreitet, wie sie sein sollte.
Für unseren Gegenstand sind wesentlich die Darlegungen über die elek-
lotorischen Kräfte wichtig; sie gehören glücklicherweise zu den wenigen
ilen des Werkes, wo sich einiges Eingehen auf experimentelle Einzel-
en findet. Auch hier soll unter Weglassung des mathematischen An-
es das wesentliche Ergebniss in des Autors eigenen Worten gegeben
den. Nach der Aufstellung der Gleichung für die möglichen Änderungen,
in einer Zelle infolge des Stromdurchganges stattfinden können, fährt Gibbs
: „Die auf die Wärmezufuhr oder die Änderung der Entropie bezüg-
en Grössen werden bei Betrachtung der Ketten, deren Temperatur als
stant angenommen wird, häufig vernachlässigt. Es wird mit anderen
rten häufig angenommen, dass weder Wärme, noch Kälte beim Durch-
ge des Stromes durch einen vollkommenen elektrochemischen Apparat
vorgebracht wird . . . und dass in der Zelle nur Wärme durch Vorgänge
indärer Natur erzeugt werden kann, welche nicht noth wendig und un-
elbar mit dem Vorgange der Elektrolyse verknüpft sind.
„Diese Annahme scheint durch keinen genügenden Grund gerechtfertigt
sein. Es ist in der That leicht, einen Fall zu finden, in welchem die
tromotorische Kraft völlig durch das von der Entropie abhängige Glied
immt wird, während alle anderen Glieder in der Gleichung verschwinden.
5 gilt für Grove's Gasbatterie, welche mit Wasserstoff und Stickstoff ge-
n ist (S. 692). In diesem Falle geht der Wasserstoff zum Stickstoff über
ein Vorgang, welcher die Energie der Zelle nicht ändert, wenn diese
constanter Temperatur erhalten wird. Die vom äusseren Drucke gethane
eit ist offenbar gleich Null, ebenso die Gravitationsarbeit. Dennoch wird
elektrischer Strom hervorgebracht. Die vom Strom geleistete (oder leist-
j) Arbeit ist ein Äquivalent der Arbeit (oder eines Theiles derselben),
:he durch die Diffusion der Gase ineinander gewonnen werden könnte.
;e ist, wie Lord Rayleigh gezeigt hat,1 gleich der Arbeit, welche durch
1 Philos. Mag. 49, 311. 1875.
stwald, Elektrochemie. 63
GQA Siebzehntes Kapitel.
die Ausdehnung der einzeln genommenen Gase auf das gemeinsame End-
volum bei constanter Temperatur gewonnen werden kann. Sie ist . . . gleich
der Zunahme der Entropie des Gebildes, multiplicirt mit der Temperatur.
„Es ist möglich, die Construction der Zelle so abzuändern, dass Stick-
stoff oder ein neutrales Gas nicht nöthig ist. Die Zelle werde aus einer
U-förmigen Röhre von genügender Höhe gebildet, und enthalte reinen Was-
serstoff von sehr ungleichem Druck (z. B. eine und zwei Atmosphären),
welch letztere durch passend belastete Kolben, die in den Schenkeln der
Röhren gleiten, constant erhalten werden. Der Druckunterschied der das-
massen an beiden Polen muss natürlich durch den Höhenunterschied des
angesäuerten Wassers im Gleichgewicht gehalten werden. Es ist kaum daran
zu zweifeln, dass ein solcher Apparat eine elektromotorische Kraft haben
wird, welche in der Richtung eines Stromes wirkt, der Wasserstoff aus der
dichteren in die weniger dichte Masse überführt. Sicherlich könnte das Gas
durch die Wirkung einer äusseren elektromotorischen Kraft nicht ohne Auf-
wand von soviel elektromotorischer Arbeit in entgegengesetzter Richtung
bewegt werden, als der mechanischen Arbeit, das Gas aus einem Schenkel
in den anderen zu pumpen, gleich ist. Und könnten wir durch eine pas-
sende Modification der metallenen Elektroden die passiven Widerstände auf
Null reduciren, so dass der Wasserstoff umkehrbar von einer Masse zur
anderen ohne endliche Änderung der elektromorischen Kraft gefuhrt werden
könnte, so würde der einzig mögliche Werth der elektromotorischen Kraft
j 1
durch den Ausdruck T- -— in sehr grosser Annäherung bestimmt werden.
Es ist zu bemerken, dass, obwohl die Schwere in einer derartigen Zelle eine
grosse Rolle spielt, indem sie den Druckunterschied in den Wasserstoffmassen
erhält, die elektromotorische Kraft der Schwere nicht zugeschrieben werden
kann, da die Arbeit der Schwere bei dem Übergange des Wasserstoffs aus
der dichteren Masse in die dünnere negativ ist.
„Weiter ist es völlig unwahrscheinlich, dass die durch Concentrations-
unterschiede von Salzlösungen verursachten elektrischen Ströme (wie in
einer Zelle,, welche Zinksulfat zwischen Zinkelektroden oder Kupfersulfat
zwischen Kupferelektroden enthält, wobei die Salzlösungen an den Elektroden
verschiedene Concentration haben), welche neuerdings von den Herren Helm-
holtz und Moser (S. iooi) untersucht worden sind, sich auf solche Fälle be-
schränken, in denen das Vermischen der Lösungen verschiedener Concen-
tration Wärme entwickelt. Denn in den Fällen, wo die Vermischung der
beiden verschieden concentrirten Lösungen keine Wärme entwickelt oder
bindet, müsste die elektromotorische Kraft in einer solchen Zelle gleich Null
sein. Und wenn bei der Vermischung Kälte entsteht, so würde dieselbe
Regel nur einen Strom zulassen, durch den der Unterschied der Concen-
tration gesteigert wird. Derartige Schlussfolgerungen sind aber mit der von
Professor Helmholtz gegebenen Theorie der Erscheinung ganz unvertraglich.
1 T = absolute Temperatur, rj = Entropie, e = Elcktricitütsmcngc.
Die elektrochemischen Spannungserscheinungcn. ggc
„Ein noch schlagenderes Beispiel von der Notwendigkeit, die Ände-
rungen der Entropie bei den a-priori-Bestimmungen der elektromotorischen
Kraft in Betracht zu ziehen, liefern Elektroden von Zink und Quecksilber
n einer Lösung von Zinksulfat. Da Wärme bei der Auflösung des Zinks
n Quecksilber absorbirt wird, so wird die Energie der Zelle durch den
Transport von Zink zum Quecksilber bei constanter Temperatur vermehrt.
[Dennoch wirkt bei dieser Zusammenstellung die elektromotorische Kraft so,
iass ein solcher Transport stattfindet. Das Element zeigt gewisse Anoma-
ien, wenn eine erhebliche Zinkmenge mit dem Quecksilber vereinigt ist.
Die elektromotorische Kraft ändert ihre Richtung, so dass dieser Fall ge-
wöhnlich als eine Illustration des Satzes citirt wird, nach welchem die elek-
rromotorische Kraft in solcher Richtung wirkt, dass die Energie der Zelle
/ermindert wird, d. h. dass solche Änderungen hervorgebracht oder ermög-
licht werden, welche, wenn sie unmittelbar stattfinden, Wärme entwickeln.
Was aber auch die Ursache der elektromotorischen Kraft sein mag, welche
in der. Richtung vom Amalgam durch den Elektrolyt zum Zink beobachtet
worden ist (und welche nach den Bestimmungen des Hrn. Gaugain1 nur
1 25 von der *st, welche zwischen Zink und reinem Quecksilber nach der
entgegengesetzten * Richtung stattfindet), so können doch diese Anomalien
nicht die allgemeinen Schlüsse beeinträchtigen, mit denen allein wir es hier
zu thun haben. Sind die Elektroden reines Zink und ein Amalgam mit
nicht mehr Zink, als das Quecksilber ohne Verlust seiner Flüssigkeit lösen
kann, und ist die einzige Wirkung des Stromes, ausser der thermischen, die
Übertragung des Zinks von der einen Elektrode zur anderen — Bedingungen,
welche möglicherweise nicht bei allen den angeführten Versuchen erfüllt
gewesen sind, welche aber in einer theoretischen Untersuchung vorausgesetzt
werden dürfen, und welche sicher nicht als unverträglich mit der Thatsache
anzusehen sind, dass bei der Auflösung des Zinks in Quecksilber Wärme
gebunden wird — so ist es unmöglich, dass die elektromotorische Kraft die
Richtung hat, dass der Strom Zink vom Amalgam zum reinen Zink über-
trägt. Denn da das durch den elektrolytischen Vorgang aus dem Amalgam
entfernte Zink unmittelbar darauf wieder im Quecksilber aufgelöst werden
könnte, so würde eine solche Richtung der elektromotorischen Kraft die
Möglichkeit bedingen, eine unbegrenzte Menge elektromotorischer und daher
auch mechanischer Arbeit zu erlangen, ohne anderen Aufwand von Wärme,
als solcher von der constanten Temperatur der Zelle.
„Keiner der betrachteten Fälle bedingt Verbindungen nach constanten
Verhältnissen und die elektromotorischen Kräfte sind ausser dem Falle der
Zelle mit Elektroden von Zink und Quecksilber sehr klein. Es kann mög-
licherweise vermuthet werden, dass bezüglich solcher Zellen, in denen Ver-
bindungen nach bestimmten Verhältnissen stattfinden, die elektromotorische
Kraft sich genau genug aus der Verminderung der Energie ohne Rücksicht
1 Comptes rendus 42, 430. 1856.
63'
Qo6 Siebzehntes Kapitel.
auf die Entropie berechnen Hesse. Jedoch scheint der Vorgang der chemi-
schen Verbindung im Allgemeinen nicht die Möglichkeit anzudeuten, das
aus der Verbindung von Stoffen durch beliebige Processe ein der entwickelte!
Wärme äquivalenter Betrag von mechanischer Arbeit erlangt werden könnte.
„Beispielsweise liefert i kg Wasserstoff beim Verbrennen mit 8 kg
Sauerstoff zu flüssigem Wasser unter dem Drucke einer Atmosphäre eine
Wärmemenge, welche in runder Zahl 34000 Calorien beträgt . . . Diese
Wärme kann aber nicht bei jeder beliebigen Temperatur erhalten
werden. Eine sehr hohe Temperatur hat die Wirkung, die Verbindung der
Elemente mehr oder weniger zu verhindern. So kann nach Hrn. Saint*
Claire Deville1 die durch Verbrennung von Sauerstoff und Wasserstoff er-
zielte Temperatur nicht erheblich, wenn überhaupt, 25000 C. übersteigen,
was bedingt, dass weniger als die Hälfte des vorhandenen Wasserstoffe und
Sauerstoffs sich bei dieser Temperatur vereinigen können. Dies gilt für die
Verbrennung unter dem Drucke einer Atmosphäre. Nach den Bestimmungen
von Professor Bunsen2 bezüglich der Verbrennung im geschlossenen Räume
kann nur ein Drittel der Mischung von Sauerstoff und Wasserstoff bei der
Temperatur von 28500 und dem Drucke von zehn Atmosphären eine che-
mische Vereinigung erfahren, und nur etwas mehr als die Hälfte, wenn durch
die Beimischung von Stickstoff die Temperatur auf 20240 herabgedrückt
worden ist und der Druck nach Abzug des auf den Stickstoff kommenden
Theiles etwa drei Atmosphären beträgt.
„Nun sind 10 Calorien bei 25000 anzusehen als umkehrbar verwandelbar
in eine Calorie bei 40 und die mechanische Arbeit, die der Energie von
9 Calorien äquivalent ist. Wenn daher alle 34000 Calorien, die bei der
Verbindung von Sauerstoff und Wasserstoff frei werden, bei der Temperatur
von 25000 und keiner höheren erlangt werden könnten, so könnten wir die
elektromotorische Arbeit eines vollkommenen elektrochemischen Apparates,
in welchem die Elemente bei gewöhnlicher Temperatur und bei atmosphä-
rischem Druck verbunden oder getrennt werden, als 9/10 der 34000 Calorien
ansehen, und die im Apparat entwickelte oder verbrauchte Wärme würde
1/10 von 34000 Calorien betragen. Dies würde natürlich eine elektromoto-
rische Kraft von 9/10 des Betrages ergeben, welche aus der Annahme der
vollständigen Umwandelbarkeit aller 34000 Calorien in elektrische oder mecha-
nische Arbeit berechnet werden kann. Nach allen Anzeichen ist aber die
Schätzung der Temperatur von 2500 als der, bei welcher wir alle Verbin-
dungswärme erlangen können, bedeutend zu hoch,3 und wir müssen den
1 Comptes rendus 44, 199. 1857. — 64, 67. 1867.
2 Pogg. Ann. 131, 161. 1867.
8 ,,Wenn die allgemein angenommenen Vorstellungen über das Verhalten der Gase bei
hohen Temperaturen nicht ganz irrig sind, so ist es möglich, den allgemeinen Charakter eine*
Vorganges (welcher höchstens solche Schwierigkeiten bedingt, wie sie in theoretischen Erörte-
rungen vernachlässigt werden) anzugeben, durch welchen Wasser in getrennte Massen von
Wasserstoff und Sauerstoff verwandelt werden kann, ohne anderen Aufwand» als den der dem
J
Die elektrochemischen Spann ungserscheinungen. 097
theoretischen Betrag der zur Elektrolyse des Wassers erforderlichen elektro-
motorischen Kraft als erheblich unter 9/io Jenes Betrages liegend ansehen,
den wir unter der Voraussetzung berechnen, dass alle beim Vorgang aus-
tretende Energie elektromotorisch wirksam ist."
W. Gibbs fuhrt die gleichen Überlegungen weiter an dem Beispiele der
Chlorwasserstoffsäure durch und weist auf eine Anzahl von Thatsachen hin,
die von Favre ermittelt worden sind, und seiner Auffassung entsprechen,
während sie mit der Annahme einer vollständigen Umwandlung der chemi-
schen Energie in elektrische im Widerspruch stehen. Von allgemeinerer
Wichtigkeit sind dann wieder die folgenden Darlegungen über den Einfluss,
welchen die latente Wärme der Aggregatzustandsänderung auf die elektro-
motorische Kraft haben müsste, wenn die ältere Ansicht richtig wäre.
„Es geschieht oft in einer galvanischen oder elektrolytischen Zelle, dass
ein an einer Elektrode freiwerdendes Gas theilweise als solches erscheint,
theils von der elektrolytischen Flüssigkeit und theils von der Elektrode ab-
sorbirt wird. In solchen Fällen wird eine geringe Veränderung der Um-
stände, welche die elektromotorische Kraft nicht merklich beeinflusst, ver-
ursachen, dass das Ion ganz auf die eine der drei erwähnten Arten aus-
geschieden wird, wenn der Strom genügend schwach ist. Dies bedingt
einen erheblichen Unterschied in der Energiedifferenz der Zelle, und die
elektromotorische Kraft kann sicherlich nicht in allen diesen Fällen aus
dieser allein berechnet werden. Die Correctur wegen der gegen den äusse-
ren Druck geleisteten Arbeit, wenn das Ion als Gas in Freiheit gesetzt wird,
hilft uns nicht zu der Ausgleichung dieser Unterschiede, denn aus der ge-
naueren Betrachtung geht hervor, dass die Correctur die Verschiedenheit im
Allgemeinen vergrössern wird. Ebensowenig ist klar, welchen von diesen
Fällen wir als normal, und welchen als mit secundären Vorgängen behaftet
anzusehen haben.
„Giebt es überhaupt einen Fall, bei welchem secundäre Vorgänge aus-
geschlossen sind, so können wir erwarten, dass dies eintritt, wenn das Ion
der Substanz nach identisch mit der Elektrode ist, an welcher es abge-
lagert wird, oder von welcher aus es sich in den Elektrolyt begiebt. Aber
auch in diesem Falle entgehen wir der Schwierigkeit der verschiedenen
Formen nicht, in welchen der Stoff erscheinen kann. Ist die Temperatur
des Versuches gleich dem Schmelzpunkt des Metalles, aus dem die Elektrode
besteht und welches das Ion bildet, so wird eine kleine Änderung der Tem-
peratur die Ursache sein, dass das Ion sich im festen oder im flüssigen
Energieunterschiede der Materie in den beiden Zuständen entsprechenden Wärme, die weit
unterhalb 2500° geliefert werden kann. Die wesentlichsten Theile des Vorganges würden sein:
1. Verdampfung des Wassers und Erhitzung desselben auf eine Temperatur, bei der ein erheb-
licher Theil dissoeiirt ist; 2. thcilweUc Trennung des Sauerstoffs und Wasserstoffs durch Fil-
tration; 3. Abkühlung der beiden Gasmassen, bis der in ihnen enthaltene Dampf verdichtet ist.
— Eine kleine Rechnung ergiebt, dass, bei einem stetigen Vorgange alle bei der Abkühlung der
Produkte erhaltene Wärme zur Erhitzung neuer Wassermengen benutzt werden kann."
ggg Siebzehntes Kapitel.
Zustande ausscheidet, oder wenn der Strom umgekehrt verläuft, dass es aus
einem festen oder aus einem flüssigen Körper austritt. Da hierdurch eine *■
erhebliche Änderung im Energieunterschiede bedingt wird, so erhalten wir
verschiedene Werthe oberhalb und unterhalb des Schmelzpunktes des Me-
talles, wenn wir nicht auf die Änderung der Entropie Rücksicht nehmen.
Die Erfahrung deutet nicht auf solche Unterschiede hin, l und aus der Glei-
chung ergiebt sich, dass kein Unterschied vorhanden zu sein braucht, da
dieser, die Schmelzwärme eines elektrochemischen Äquivalents des Metalles,
sich aus der Gleichung heraushebt.
„Wenn thatsächlich solche Unterschiede vorhanden wären, so würde es
leicht sein, Anordnungen zu erfinden, bei denen die von einem Metall beim
Übergang aus dem flüssigen in den festen Zustand entwickelte Wärme ohne
weiteren Aufwand in elektromotorische und daher mechanische Arbeit um-
gewandelt werden könnte."
13. Helmholtz' Eingreifen. Unabhängig von den eben mitgetheilten
Darlegungen von Willard Gibbs arbeitete sich auch Helmholtz zu ähnlichen
und in einigen wesentlichen Punkten noch weiter entwickelten Ansichten
hindurch. Infolge des Umstandes, dass sich diese Arbeiten über einen
längeren Zeitraum erstrecken, in welchem sich die Ansichten, mit denen
der grosse Forscher an die Aufgabe herantrat, wesentlich geändert haben,
besitzen wir hier ein ausgezeichnetes Beispiel für die Überwindung einer ohne
hinlängliche Prüfung angenommenen, weil „selbstverständlich" erschienenen
Ansicht durch die sorgfältige und unerschrockene Verfolgung widersprechen-
der Einzelergebnisse.
Es ist bereits erwähnt worden, dass Helmholtz in seiner Schrift über
die Erhaltung der Kraft aus dieser Annahme, dass sich die chemische
Energie vollständig in elektrische verwandele, den Betrag der entsprechenden
elektomotorischen Kraft berechnet hatte, dass er aber gleichzeitig die An-
nahme selbst mit einiger Zurückhaltung aufgestellt hatte. Erst im Jahre
1873 begann er sich experimentell mit derartigen Fragen zu beschäftigen,
und wir finden ihn zunächst, vermuthlich durch den Einfluss der Veröffent-
lichung von William Thomson (S. 777), ganz und gar auf dem von diesem
eingenommenen Standpunkte, indem er die Möglichkeit der Wasserzersetzung
durch Kräfte, die unterhalb des aus der Verbrennungswärme berechneten
1 „Herr Raoult hat mit einem galvanischen Element experimentirt, welches eine Elektrode
von Wismuth in Berührung mit wismuthhaltiger Phosphorsäure enthielt (Comptes rendus 08,
643. 1869). Da dies Metall beim Schmelzen 885 Calorien für das Äquivalent erfordert, während
ein DANiELL'sches Element etwa 24000 Calorien elektromotorischer Arbeit für ein Äquivalent
des Metalles liefert, so musste der Übergang des Wismuths aus dem festen Zustande in den
flüssigen eine Änderung der elektromotorischen Kraft um von 0,037 eines DAXiELL'schen Ele-
mentes bedingen. Bei dem Versuch von Raoult zeigte sich aber kein plötzlicher Sprung in
der elektromotorischen Kraft in dem Augenblicke, wo das Wismuth seinen Aggregatzusttfd
änderte. Thatsächlich verursachte eine Temperaturveränderung von etwa 150 oberhalb zu 15'
unterhalb der Schmelztemperatur nur eine Änderung der elektromotorischen Kraft um 0,002
eines DANiELL'schen Elementes. Versuche mit Blei und Zinn gaben ähnliche Resultate."
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. QQQ
„theoretischen" Werthes liegen, leugnet, da sie dem Gesetz von der Er-
haltung der Energie widersprechen würde. Seine Worte sind:1
„Es ist bekannt, dass wenn ein Danieli/scIics Zink-Kupfer-Element durch
eine Wasserzersetzungszelle mit Platinelektroden geschlossen wird, ein Strom
entsteht von schnell abnehmender Stärke, der bei der gewöhnlichen Art,
den Versuch anzustellen, zwar nach kurzer Zeit sehr schwach wird, aber
selbst nach sehr langer Zeit nicht ganz aufhört. Wir wollen diesen Strom
den polarisirenden nennen. Wenn wir nachher die Zersetzungszelle von
dem DANiELi/schen Elemente trennen, und ihre Platinplatten mit dem Gal-
vanometer2 verbinden, so erhalten wir einen anderen Strom, den depola-
risirenden, der in der Zersetzungszelle entgegengesetzte Richtung hat, als
der polarisirende, und ebenfalls anfangs stark ist, unter den gewöhnlichen
Bedingungen der Beobachtung aber meist bald bis zum Unwahrnehmbaren
schwindet
„Es ist im Wesentlichen dieser einfache Versuch, auf den sich meine
Untersuchungen beziehen. Die zu lösende Frage war: worauf beruht die,
wie es scheint, unbegrenzt lange Fortdauer des polarisirenden Stromes? In
einer Kette von der angegebenen Zusammensetzung kann nämlich, wenn
nicht noch andere Veränderungen darin vorgehen, die nach dem
FARADAY^schen Gesetze erfolgende elektrolytische Leitung in den Flüssigkeiten
nicht zu Stande kommen ohne eine Verletzung des Gesetzes von der Er-
haltung der Kraft. Wenn nämlich keine anderen Äquivalente potentieller
Energie verbraucht werden, müsste in einer solchen Kette das mechanische
Äquivalent der in dem Stromkreise erzeugten Wärme gleich sein dem Arbeits-
äquivalent der bei der Elektrolyse wirksam gewordenen und verbrauchten
chemischen Kräfte. Letzteres ist aber, wenn die Zersetzung nach dem Ge-
setze der elektrolytischen Äquivalente vor sich geht, negativ, und kann also
nicht einer durch den Strom zu erzeugenden positiven Wärmearbeit gleich
sein. Wasserzersetzung kann also, wenn das FARADAY^sche Gesetz ausschliess-
lich gültig ist, durch ein DANiELi/sches Element auch in der minimalsten
Menge nicht dauernd unterhalten werden. In der That wird ein Freiwerden
der Gase, welche das Wasser zusammensetzen, bei dem oben beschriebenen
Versuche nicht beobachtet, wenn auch der Strom noch so lange fortdauert."
Helmholtz erledigt dann noch einige andere Annahmen, die man machen
könnte, um von dem Strom Rechenschaft zu geben, indem er zeigt, dass,
welche Zwischenzustände man auch für die beiden Gase annehmen möge,
die gesammte Arbeit für das freie Erscheinen derselben immer die gleiche
bleibt, und geht dann dazu über, auf Grund der von ihm sogenannten Con-
vectionserscheinungen die Thatsachen zu erklären. Mit dieser Seite
der Frage haben wir uns hier nicht zu beschäftigen; von Belang ist nur
die mit Sicherheit ausgesprochene Ansicht, dass durch elektrische Energie
nicht ein chemischer Vorgang hervorgebracht werden könne, welcher mehr
1 Pogg. Ann. 150, 483. 1873. 2 Im Original steht irrthümlich „Voltameter".
lOoo Siebzehntes Kapitel.
Wärme verbraucht, als durch die Umwandlung der elektrischen Energie ge-
liefert werden kann. Die auf S. 804 erwähnten Versuche von Favre sind
bereits ein Beweis dafür, dass eine solche Ansicht irrthümlich ist, denn
dort ist Chlorwasserstoff unter Wärmeabsorption elektrolytisch zersetzt, und
diese Wärmeabsorption ist unmittelbar gemessen worden.
In der That kennen wir eine grosse Anzahl anderer Vorgänge, welche
freiwillig unter Wärmeaufnahme erfolgen, indem sie gleichzeitig nach aussen
Arbeit leisten; alle diese, wie z. B. die Verdampfung des Wassers bei con-
stanter Temperatur unter Überwindung eines entsprechenden Druckes, müssten
nicht möglich sein, wenn die angewandte Schlussweise richtig wäre. Der
Irrthum in der Schlussweise liegt darin, dass das Gesetz der Erhaltung der
Energie jedesmal in solchen Fällen aufrecht erhalten werden kann, indem
der arbeitende Körper den erforderlichen Zuschuss von Energie ab Wärme
aus seiner Umgebung aufnimmt. Dieser Betrag ist genau gleich dem, den
das Gesetz verlangt, und von einer Verletzung desselben ist keine Rede.
Wohl aber liegen Gesetzmässigkeiten nach anderer Seite, der des zweiten
Hauptsatzes vor, welche die hier möglichen Vorgänge regeln. Helmholtz
selbst hat zur Aufklärung dieser Gesetze in dem weiteren Verlauf seiner
Arbeiten wesentlich beigetragen.
Den gleichen Standpunkt nahm Helmholtz noch acht Jahre später ein,
denn in seiner Faraday- Vorlesung vor der Londoner chemischen Gesellschaft1
äussert er sich sehr positiv in solchem Sinne:
„Wenden wir das FARADAv'sche Gesetz an, so muss ein bestimmter
Betrag von Elektricität, welcher durch den Stromkreis geht, einem bestimmten
Betrage chemischer Zersetzung entsprechen, welche in jeder elektrolytischen
Zelle desselben Stromkreises stattfindet. Nach der Theorie der Elektricität
ist die durch eine solche bestimmte Elektricitätsmenge beim Stromdurch-
gange gethane Arbeit proportional der elektromotorischen Kraft zwischen
beiden Enden des Leiters. Sie sehen daher, dass die elektromotorische Kraft
einer galvanischen Kette proportional sein muss und thatsächlich auch ist
der Wärme, welche durch alle chemischen Vorgänge in allen elektrolytischen
Zellen während des Durchganges derselben Elektricitätsmenge erzeugt wird
In den Zellen der galvanischen Batterie werden chemische Kräfte in den
Stand gesetzt, Arbeit zu leisten; in den Zellen, wo Zersetzung stattfindet,
muss Arbeit gegen die entgegengerichteten chemischen Kräfte geleistet
werden; der Rest der geleisteten Arbeit erscheint als die durch den Strom
entwickelte Wärme, soweit als sie nicht verbraucht wird, um Magnete zu
bewegen, oder andere Arbeitsäquivalente zu leisten.
„Sie sehen, das Gesetz von der Erhaltung der Energie verlangt, dass
die elektromotorische Kraft jeder Kette genau dem Gesammtbetrage der
chemischen Kräfte entsprechen muss, welche ins Spiel kommen, und zwar
nicht nur die gegenseitigen Anziehungen der Ionen, sondern auch diese
1 Journ. Chem. Soc. 1881, 2;;. — Abhandlungen III, 52. 1895.
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. IOOI
ingeren molekularen Anziehungen, welche durch das Wasser und die
leren Bestandteile der Flüssigkeit hervorgebracht werden."
14. Die Überwindung des Irrthums. Inzwischen hatte Helmholtz
elektrochemischen Probleme noch nach einer anderen Seite zu bearbeiten
;onnen, indem er sich, möglicherweise durch die inzwischen aufgefundenen
iersprüche jener älteren Ansicht über die elektromotorischen Kräfte mit
Erfahrung veranlasst, die Aufgabe stellte, auf anderem, von der Betrach-
g der Wärmeentwickelung unabhängigem Wege, elektromotorische Kräfte
berechnen. Den Weg hatte er denn auch im Jahre 1877 gefunden,1
l wenn auch scheinbar das Ergebniss nur von bescheidener Beschaffen-
: war, da es sich auf eine einzige, bis dahin kaum beachtete Art von
±en bezog, so hat doch die spätere Entwickelung der Sache gelehrt, dass
der That in diesem ersten Versuch die entscheidenden Gedanken bereits
ührt worden sind, welche zu der späteren Entwickelung des Gebietes
l zu der Ausdehnung der gefundenen Lösung auf Ketten aller Art ge-
rt haben. Wesentlich für die Kennzeichnung des neuen Weges ist, dass
Lösung der Aufgabe nicht mehr wie früher nur der erste Hauptsatz der
phänischen Wärmetheorie benutzt wird, sondern dass der zweite dabei
* entscheidende Rolle spielt.2
Die Aufgabe, mit der sich Helmholtz in dieser Arbeit beschäftigt, ist
der Concentrationsketten; der Gedankengang dabei ist der folgende:
Wenn zwei Salzlösungen von ungleicher Concentration einander berühren,
suchen sie ihre Gehaltsverschiedenheit auszugleichen, indem die Lösung
1 der Seite der grösseren zu der der geringeren Concentration diffundirt.
1 giebt es zwei Wege, um die Verschiedenheit des Gehaltes auf umkehr-
em Wege unter Arbeitsleistung auszugleichen. Man kann entweder aus der
dünnteren Lösung so viel Wasser verdampfen lassen, dass dieses, wenn man
der concentrirteren Lösung hinzufügt, die beiden Lösungen gleich macht.
zy man kann in die beiden Lösungen Elektroden aus demselben Metall,
ches sie enthalten, setzen, und diese leitend mit einander verbinden. Dann
>teht ein Strom, welcher so wirkt, dass die concentrirtere Lösung durch
>scheidung des Metalles und Fortwanderung des Anions verdünnter, die
dünnte Lösung durch Auflösen des Metalles unter Mitwirkung des hin-
'anderten Anions concentrirter wird. Bei beiden Vorgängen lässt sich
>eit gewinnen; bei dem ersten, weil der Dampfdruck über der verdünnten
1 Monatsber. Berl. Akad. 26. Nov. 1877. — WiED. Ann. 3, 201. 1878.
2 Auf eine Darlegung des Inhaltes und der Entwickelung des „zweiten Hauptsatzes" kann
nicht eingegangen werden; es würde dies ein eigenes Buch erfordern. Doch soll bemerkt
len, dass in dem Texte dieser Darlegungen soviel von dem Wesen dieses wichtigen Satzes
Anschauung kommen wird, dass auch der Leser, dem dieser nicht geläufig ist, auf keine
>erwindlichcn Schwierigkeiten des Verständnisses stossen wird, wenn ihm auch freilich die
ichtliche Gedankenarbeit, welche von der älteren Gestalt dieses Satzes zu den von Helm-
rz gefundenen Anwendungs formen desselben geführt hat, nicht vollkommen anschaulich
len kann.
J002 Siebzehntes Kapitel.
Lösung grösser ist, als über der concentrirten, also der Dampf mit dem
Unterschied der beiden Drucke von jener zu dieser überzugehen bestrebt
ist. Bei dem zweiten Vorgange stellt der elektrische Spannungsunterschied,
welcher zwischen den beiden Elektroden besteht, eine solche Arbeitsquelle
dar, deren Betrag gleich diesem Unterschied, multiplicirt mit der durch-
gehenden Elektricitätsmenge ist Die letztere aber ist durch das FARADAY'sche
Gesetz und die HrrroRF'sche Uberführungszahl bestimmt, denn wie auf S. 854
dargelegt worden ist, beträgt die Concentrationsänderung an den Elektroden
nicht soviel, als dem elektrochemischen Äquivalent der durchgegangenen
Strommenge entspricht, sondern ist ein durch das Verhältniss der Wan-
derungsgeschwindigkeiten bestimmter Bruchtheil davon.
Da nun beide Vorgänge umkehrbar ausgeführt werden können, so muss
nach einem allgemeinen Gesetze, welches als der zweite Hauptsatz der
Energetik bezeichnet werden kann, und welches dahin lautet, dass der bei
umkehrbaren Vorgängen zu gewinnende Arbeitsbetrag nur von dem An-
fangs- und Endzustande des Gebildes, nicht aber von der Beschaffenheit der
Zwischenzustände abhängt, der beiderseits zu berechnende Arbeitsbetrag gleich
gross sein. Daraus folgt, dass eine Gleichung bestehen muss zwischen den
Dampfdrucken und Dampfvolumen der Salzlösungen einerseits, und der elek-
tromotorischen Kraft der Concentrationskette, sowie der Überfuhrungszahl
des vorhandenen Elektrolyts andererseits. Man kann also jede dieser Grössen
berechnen, wenn die anderen gegeben sind, und erhält insbesondere aus
den Dampfdrucken der Lösungen und der Überfuhrungszahl die elektro-
motorische Kraft der Concentrationskette.
So bescheiden dies Ergebniss im Verhältniss zu dem früher als richtig
angesehenen, welches aus der Wärmeentwickelung die elektromotorische Kraft
jeder beliebigen Kette zu berechnen gestattete (S. 771), auch erscheinen mag,
da es nur eine besondere Art von Ketten betrifft, deren Vorhandensein nach
den ersten, 70 Jahre alten Beobachtungen von Bucholz und Ritter (S. 187
inzwischen völlig in Vergessenheit gerathen war, so hatte es doch wenigstens
den einen unleugbaren Vorzug, dass es richtig war, was leider von dem
anderen nicht gesagt werden konnte. In der Folge hat sich aber diese w
anspruchslos auftretende Arbeit als bahnbrechend für die richtige Auffassung
der Ketten aller Art erwiesen, und wenn wir gegenwärtig im Stande sind,
fast alle Fragen in diesem Gebiete, prinzipiell gesprochen, zu beantworten,
so ist es nur die Fortentwickelung der hier niedergelegten Gedanken, zu-
nächst durch Helmholtz selber, dann durch andere Forscher gewesen, welche
uns dies Ziel hat erreichen lassen. Es sind deshalb die allgemeineren Be-
trachtungen dieser Abhandlung, so weit sie ohne den beigefugten mathe-
matischen Apparat verständlich sind, nachstehend wiedergegeben.1
Die Abhandlung beginnt mit einer Auseinandersetzung des Begriffes der
Uberführungszahl, die wir nicht zu wiederholen brauchen; sie schliesst mit
1 WiED. Ann. 3, 201. 1878. - Monatsber. d. Berl. Akad. 26. Nov. 1877.
Die elektrochemischen Spann ungserscheinungen. 1003
lern Satze: „Ist das Metall der Elektrode gleich^aemjenigen, welches in
Ler Lösung enthalten ist, so ist das ganze Resultat der Elektrolyse das-
elbe, als wenn ein Äquivalent Metall von der Anode an die Kathode und
1 -— n) Äquivalent Salz in der Lösung von der Kathode zur Anode ge-
ührt wäre.
„Wenn nun die Salzlösung an der Kathode concentrirter ist, als an
ler Anode, so werden durch diese Überfuhrung die Unterschiede der Con-
entration ausgeglichen. Die Flüssigkeit nähert sich hierdurch dem Gleich-
gewichtszustände, dem die Anziehungskräfte zwischen Salz und Wasser auch
n den Vorgängen der Diffusion zustreben, nämlich dem Zustande gleich-
nässiger Vertheilung des Salzes. Also werden die in dieser Richtung wir-
renden chemischen Kräfte ihrerseits auch wiederum den elektrischen Strom,
Ler in ihrem Sinne wirktA unterstützen können.
„Dass nun die hierbei eintretende Arbeit der chemischen Kräfte in
iiesem Falle nach demselben Gesetze, wie andere elektrolytische chemische
'rocesse als elektromotorische Kraft wirkt, lässt sich aus der mechanischen
Värmetheorie herleiten.
„Einen reversiblen Process ohne Temperaturänderung, wie er zur An-
wendung des CARNOT'schen Gesetzes gefordert wird, können wir uns auf
olgende Weise herstellen:
„1) Wir lassen in die Anode das Quantum positiver Elektricität E lang-
am in constantem Strome eintreten, nehmen dagegen aus der Kathode das
Quantum + E weg, oder, was zu demselben Resultate führt, wir lassen
+- \E in die Anode ein-, — \E austreten, umgekehrt an der Kathode.
»Venn Pa und P* die Werthe der elektrostatischen Potentialfunction für die
>eiden Elektroden sind, so ist
E(Pa - Pk)
lie Arbeit, welche geleistet werden muss, um diese Durchströmung zu be-
werkstelligen. Ist die Dauer der Durchströmung gleich t, so ist die Strom-
ltensität nach elektrostatischem Maass gegeben durch die Gleichung:
7 t =£.
„2) Unter dem Einflüsse dieser Durchströmung kommt in der elektro-
nischen Zelle, die wir mit zwei gleichartigen Metallelektroden versehen und
lit einer Lösung desselben Metalles von ungleicher Concentration gefüllt
enken, eine Überführung des Salzes im Elektrolyten zu Stande. Die Ver-
nderung, welche dadurch im Zustande der Flüssigkeit entsteht, können wir
ber dadurch beseitigen, dass wir aus allen Schichten der Flüssigkeit, wo
er Strom die Lösung verdünnt, so viel Wasser, als zugeführt wird, ver-
ampfen lassen, umgekehrt, wo der Strom die Flüssigkeit concentrirt, die
ntsprechende Menge von Wasser durch Niederschlag von Dämpfen zu-
ihren. Wenn man in dieser Weise den Zustand innerhalb der Flüssigkeit
ollkommen constant erhält, so muss das Anion ganz an seiner Stelle bleiben,
»reil sich von diesem an keinem Ende etwas ausscheidet, und nichts dazu-
ommt. Vom Kation muss dagegen durch jeden Querschnitt der Strombahn
I004 Siebzehntes Kapitel.
eine der Stromstärke vollkommen äquivalente Menge gehen, da an der
Anode ein volles Äquivalent aufgelöst, an der Kathode niedergeschlagen
wird. Da nun die Verschiebung des Anions gegen das Wasser sich zu der
des Kations gegen das Wasser wie (i — n) zu n verhält, so muss das Wasser
mit einer Geschwindigkeit vorwärts gehen, welche (i — n) von der des Ka-
tions beträgt. Wenn also ein elektrolytisches Äquivalent des Salzes ver-
bunden ist mit q Gewichtstheilen Wasser, und durch ein Flächenstück d'ja
der Strom von der Dichtigkeit i die Quantität idw des Kations, in Äqui-
valenten ausgedrückt, fuhren soll, so müssen durch dasselbe q(i — n)i.d"^
Gewichtstheile Wasser gehen, um die Theile des Anions an ihrer Stelle zu
erhalten.
„Diese q{\ — n)i.diu betragende Menge Wasser fuhrt mit sich als auf-
gelöste Bestandtheile (i — n) i.dw Äquivalente des Kations, sowie des Anions.
Die Elektrolyse treibt durch denselben Querschnitt n.i.dw des Kations
vorwärts und (i — n)i.dzu des Anions rückwärts, daher in Summa ein Äqui-
valent des Kations vorwärts geht, und das Anion an seiner Stelle bleibt"
Nach Ausfuhrung einer entsprechenden Rechnung erhält dann Helmholtz
das Resultat: „Das Wasser also, welches sich im ganzen Inneren sammelt,
und nach unserer Voraussetzung durch Verdampfung entfernt werden soll,
wird gerade genügen, um an den Elektrodenflächen wieder niedergeschlagen
die dort verlangte Zufuhr zu geben. Hierbei kann natürlich sowohl die
Ansammlung des Wassers im Inneren, wie der Niederschlag an der Ober-
fläche stellenweise auch negative Werthe haben.
„3) Die Verdampfung, beziehentlich wo sie negativ ist, der Niederschlag
des Dampfes kann so gefuhrt werden, dass man durch Zuleitung der Wärme
zu jedem der Volumelemente die Temperatur während der Verdampfung
constant erhält. Solange Wasser aus einem Volumelemente entfernt werden
soll, lässt man den Dampf damit in Berührung. Schliesslich trennt man
beide, und lässt den Dampf unter weiterer Zufuhrung von Wärme bei con-
stanter Temperatur sich so weit dehnen, bis er einen bestimmten Druck/!
erreicht hat. Wo die Verdampfung negativ sein soll, wird der Dampf
natürlich aus dem Druck px entnommen, und unter Abgabe von Wärme bei
constanter Temperatur zunächst ohne, nachher mit Berührung der Flüssig-
keit comprimirt, bis er Wasser geworden ist. Da der Dampf, der mit den
concentrirteren Theilen der Flüssigkeit in Berührung ist, geringeren Druck
hat, als der mit verdünnteren Theilen in Berührung stehende, so wird bei
der Verdampfung Arbeit gewonnen, wenn das Wasser aus den verdünnten
Theilen in die concentrirten übertragen wird, verloren, wenn umgekehrt.
„4) Die elektrische Strömung kann so langsam gemacht werden, dass
die dem Quadrat ihrer Intensität proportionale Wärmeentwickelung wegen
Widerstandes der Leitung verschwindend klein wird im Vergleich mit den-
jenigen Wirkungen, die wir bisher besprochen haben, und die der ersten
Potenz der Intensität proportional sind.
„Ebenso könnte die Diffusion, welche zwischen den verschieden con-
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. 1005
centrirten Theilen der Lösung vor sich geht, durch Einschaltung enger Ver-
bindungsröhren auf ein Minimum zurückgeführt werden, ohne dass die
elektromotorische Kraft des Apparates, die wir berechnen wollen, dadurch
geändert wird.
„Wir können deshalb diese beiden irreversiblen Processe vernachlässigen
und das CARNOT-CLAUSius'sche Gesetz auf die reversiblen anwenden. Da alle
an dem Process theilnehmenden Körper dauernd gleiche Temperatur haben
sollen, und alle dieselbe, so kann keine Wärme in Arbeit und durch die
reversiblen auch keine Arbeit in Wärme verwandelt werden. Es.muss also
die Summe der gewonnenen und verlorenen Arbeiten, für sich genommen,
gleich Null sein, und ebenso die Summe der ab- und zugefuhrten Wärme."
Helmholtz geht nun dazu über, diese Überlegung in Formeln zu klei-
den, indem er die elektrische und die bei der Verdampfung und Wieder-
verdichtung zu gewinnende mechanische Arbeit berechnet. Diese Rechnung
soll nicht wiedergegeben werden; das Ergebniss, welches unter der Voraus-
Setzung erhalten wird, dass die Änderung des Dampfdruckes nach dem Ge-
setze von Wüllner dem Salzgehalt proportional ist, und dass der Wasser-
dampf den Gasgesetzen folgt, hat die Gestalt:
Pk-Pa = t.V0[i-n).log.9-±,
wo b und V0 Constanten sind, und q eine der Concentration umgekehrt
proportionale Grösse ist, die man als die Verdünnung bezeichnen kann; die
Zeichen k und a beziehen sich auf die Kathode, resp. Anode.
Die Prüfung der Formel wurde sowohl in relativer Weise vorgenommen,
indem aus einer Anzahl von Messungen an Kupfersulfatlösungen verschie-
denen Gehaltes das Verhältniss der elektromotorischen Kräfte P* — Pa
zwischen je zwei Lösungen ermittelt wurde, wodurch die Constante der
Gleichung nicht ihrem absoluten Werthe nach bekannt zu sein brauchte.
Ferner aber ging Hetmholtz zu der Berechnung der Constanten in abso-
lutem Maasse über, indem er für diesen Zweck Messungen der Dampfdrucke
über Kupfersulfatlösungen benutzte, welche auf seine Veranlassung von
J. Moser ausgeführt worden waren. Beide Berechnungen gaben eine aus-
reichende Übereinstimmung zwischen Beobachtung und Theorie. Auf ihre
Wiedergabe kann hier verzichtet werden, da später die gleichen Fragen in
einfacheren Formen behandelt werden sollen.
Durch die Ergebnisse dieser Arbeit war Helmholtz in einen vollstän-
digen Widerspruch mit seinen früheren Ansichten gekommen. Denn seine
Schlussgleichung enthielt als bestimmende Grössen für die elektromotorische
Kraft die Überfiihrungszahl und die Concentrationen seiner Salzlösungen,
dagegen durchaus kein Glied, das der Wärmeentwickelung bei dem hier
stattfindenden Vorgange, der Verdünnung der Salzlösung entsprach. Ja,
man konnte aus der Formel abnehmen, dass auch die verdünntesten
Lösungen, bei denen die Verdünnungswärmen bis zur Unmerklichkeit
abnehmen, elektromotorische Kräfte von derselben Grössenordnung geben
IOOÖ
Siebzehntes Kapitel.
müssen, wie concentrirtere. Dazu kam, dass einige d
wie Chlorzink, Wärmeentwicklung, andere Wärmeabi
dünnung zeigen, während die elektromotorische Kraft
von immer so Hegt, dass die in der concentrirteren I
trode als Kathode wirkt.
Solche Widersprüche konnten einem Manne wie
borgen bleiben, und er war auch nicht der Mann da
grund zu schieben, und sich ihrer Beachtung zu entz
sich mit Sicherheit annehmen, dass gerade das Auftret«
ihn zu der Prüfung seiner Ausgangspunkte veranlas:
diesem Umstände die Fortschritte verdanken, die wii
sehen. Schon ein Jahr nach jener FARADAY-Vorlesur
Gesichtspunkt gewonnen, von dem aus eine widersp
der elektrochemischen Vorgänge möglich war, und es
lichung seiner drei Abhandlungen zur Therm ody na
Vorgänge, welche auf die Entwickelung der Sache ein
ausgeübt haben.
Das Resultat der hier niedergelegten Gedankenart
Worte fassen: für die Umwandlung in andere Ener
gemeinen nie die gesammte Energie maassgebend, v
benen Änderung eines Gebildes frei wird, sondern ein
welchen Helmholtz die freie Energie nennt. Dies
kleiner oder auch grösser sein, als die Gesammtenerg
Je nach den Bedingungen, welchen die Umwam
erlangt die freie Energie verschiedene Definitionen. Fii
welche Helmholtz zunächst betrachtet hat, und welcr
wichtigste ist, im Vordergründe: es ist die freie Energ
peratur, oder die freie Energie im engeren Sinne. 1
Folgendes. Ist für einen Vorgang die freie Energie
der gesammten, so geht alle auftretende Energie in
und kein Antheil derselben erscheint in unvenvandelba
Ist, wie das der häufigste Fall ist, die freie Energie
rung der gesammten, so erscheint der Überschuss als
bilde erhöht seine Temperatur. Ist schliesslich die fre
miiss Energie als Wärme aus der Umgebung aufger
das Gebilde kühlt sich freiwillig ab, wenn die Ur
Wenden wir diese Sätze auf die Umwandlung chemis
frische an, so erhalten wir die möglichen Fälle des \
Ketten, wie sie von Raoui.T und Favre beobachtet
Die Kenntniss dieser wesentlichen Gesichtspunkte wirc
nachfolgenden Darlegungen von Helmholtz erleichtern,
Abhandlung zur Thermodynamik chemischer Vorgang
1 Si (zunähe r. Berl. AIemI
- Ges. Alihandl.
Die elektrochemischen Spanmmgserscheinun^en. 1007
„Die bisherigen Untersuchungen über die Arbeitswerthe chemischer
Vorgänge beziehen sich fast ausschliesslich auf die bei der Herstellung und
Lösung der Verbindungen auftretenden oder verschwindenden Wärmemengen.
Nun sind aber mit den meisten chemischen Veränderungen Änderungen des
Aggregatzustandes und der Dichtigkeit des betreffenden Körpers unlöslich
verbunden. Von diesen letzteren aber wissen wir schon, dass sie Arbeit in
zweierlei Form zu erzeugen oder zu verbrauchen fähig sind, nämlich
erstens in der Form von Wärme, zweitens in der Form von anderer
unbeschränkt verwandelbarer Arbeit. Ein Wärmevorrath ist bekanntlich
nach dem von Herrn Clausius präciser gefassten CARNOT'schen Gesetze nicht
unbeschränkt in andere Arbeitswerthe verwandelbar; wir können das immer
nur dadurch und dann auch nur theilweise erreichen, wenn wir den nicht
verwandelten Rest der Wärme in Körper von niederer Temperatur über-
gehen lassen. Wir wissen, dass beim Schmelzen, Verdampfen, bei Aus-
dehnung von Gasen auch Wärme aus den umgebenden gleich temperirten
Körpern herbeigezogen werden kann, um in andere Form überzugehen.
Da solche Veränderungen, wie gesagt, unlöslich mit den meisten chemischen
Vorgängen verbunden sind, so zeigt schon dieser Umstand, dass man auch
bei den letzteren nach der Entstehung dieser zwei Formen von Arbeits-
äquivalenten fragen und sie unter den Gesichtspunkt des CARNOT'schen Ge-
setzes stellen muss. Bekannt ist längst, dass es von selbst eintretende und
ohne äussere Triebkraft weitergehende chemische Processe giebt, bei denen
Kälte erzeugt wird. Von diesen Vorgängen wissen die bisherigen theore-
tischen Betrachtungen, welche nur die zu entwickelnde Wärme als Maass
für den Arbeitswerth der chemischen Verwandtschaftskräfte betrachten, keine
Rechenschaft zu geben.1 Sie erscheinen vielmehr als Vorgänge, welche
gegen die Verwandtschaftskräfte zu Stande kommen. Der Hauptsache nach
ist die ältere Ansicht, die ich selbst in meinen früheren Schriften vertreten
habe, allerdings gerechtfertigt. Es ist keine Frage, dass namentlich in den
Fällen, wo die mächtigeren Verwandtschaftskräfte wirken, die stärkere Wärme-
entwickelung mit der grösseren Verwandtschaft zusammenfällt, soweit letztere
durch die Entstehung und Lösung der chemischen Verbindungen zu er-
kennen ist. Aber beide fallen doch nicht in allen Fällen zusammen. Wenn
wir nun bedenken, dass die chemischen Kräfte nicht bloss Wärme, sondern
auch andere Formen von Energie hervorbringen können, letzteres sogar,
ohne dass irgend eine der Grösse der Leistung entsprechende Änderung der
Temperatur in den zusammenwirkenden Körpern einzutreten braucht, wie
z. B. bei den Arbeitsleistungen der galvanischen Batterien: so scheint es mir
nicht fraglich, dass auch bei den chemischen Vorgängen die Scheidung
zwischen dem freier Verwandlung in andere Arbeitsformen fähigen Theile
ihrer Verwandtschaftskräfte und dem nur als Wärme erzeugbaren Theile
vorgenommen werden muss. Ich werde mir erlauben, diese beiden Theile
1 B. Rathke, Über die Prinzipien der Thermochemie in Abhandl. d. Xaturforsch.-Gesellsch.
zu Halle, Bd. XV.
IOo8 Siebzehntes Kapitel.
der Energie im Folgenden kurzweg als die freie und die gebundene
zu bezeichnen. Wir werden später sehen, dass die aus dem Ruh«
und bei constant gehaltener gleichmässiger Temperatur des Syste
selbst eintretenden und ohne Hülfe einer äusseren Arbeitskraft fortg
Processe nur in solcher Richtung vor sich gehen können, dass (
Energie abnimmt. In diese Kategorie werden auch die bei constai
tener Temperatur eintretenden von selbst und fortschreitenden che
Processe zu rechnen sein. Unter Voraussetzung unbeschränkter G
des CLAUSius'schen Gesetzes würden es also die Werthe der freien
nicht die der durch die Wärmeentwickelung sich kundgebenden ge
Energie sein, die darüber entscheiden, in welchem Sinne die chemis
wandtschaft thätig werden kann.
„Die Berechnung der freien Energie lässt sich der Regel nach
solchen Veränderungen ausführen, die im Sinne der thermodyn«
Betrachtungen vollkommen reversibel sind. Dies ist der Fall h
Lösungen und Mischungen, die innerhalb gewisser Grenzen nach b
Verhältnissen hergestellt werden können. Auf solche beziehen si
die von G. Kirchhoff1 über Lösungen von Salzen und Gasen anj
Untersuchungen. Für die nach festen Äquivalenten geschlossenen ch<
Verbindungen im engeren Sinne dagegen bilden die elektrolytischen
zwischen unpolarisirbaren Elektroden einen wichtigen Fall reversil
gänge. In der That bin ich selbst durch die Frage nach dem Zu
hange zwischen der elektromotorischen Kraft solcher Ketten und de:
sehen Veränderungen, welche in ihnen vorgehen, zu dem hier
wickelnden Begriff der freien chemischen Energie geführt wordei
auch hier drängen sich Fragen auf, wie die, ob und wann die latent«
der sich entwickelnden Gase oder die durch Auskrystallisiren eines
Elektrolyse erzeugten Salzes freigewordene Wärme auf die elektrom
Kraft Einfluss habe oder nicht. Die von mir am 26. November
machte Mittheilung „„Über galvanische Ströme, verursacht durch
trationsunterschiede"" (S. 1001) fällt schon in dieses Gebiet hinein/'
Helmholtz geht nun dazu über, auf den Fall einer umkehrbai
die beiden Hauptsätze der mechanischen Wärmetheorie anzuwende
er den Zustand des Elements als durch seine Temperatur und
einem bestimmten Ausgangspunkte aus gerechnete Elektricitätsme
im positiven oder negativen Sinne durch das Element gegangen ist,
ansieht. Vermöge der gewöhnlichen Methoden, wie sie z. B. auc
Ermittelung des Zusammenhanges zwischen der latenten Wärme de
und der Änderung des Dampfdruckes mit der Temperatur benutz
sind, gelangt er zu einer Gleichung, die in vereinfachter Gestalt
Form hat:
1 Pogg. Ann. 103, 17; u. 206. 1858; 104, 612. 1858.
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. IOOQ
Hier bedeutet d Q die Wärmemenge, welche der Kette zugeführt werden
*j damit sie beim Stromdurchgange ihre Temperatur beibehält; T ist
fcbsolute Temperatur, P die elektromotorische Kraft und de die durch-
ingene Elektricitätsmenge. Da bei constanten Ketten dQ und de ein-
rr proportional sind, so kann man die Gleichung für diesen Fall auch
eiben:
n t dP
v; dT
Die Deutung des Ausdruckes ist leicht; — ist die Veränderlichkeit der
tromotorischen Kraft mit der Temperatur, und die Gleichung besagt
nach: nimmt die elektromotorische Kraft mit der Temperatur zu, so
s der Kette während des Stromdurchganges Wärme zugeführt werden,
it ihre Temperatur constant bleibt, d. h. die Kette kühlt sich freiwillig
nimmt dagegen mit steigender Temperatur die elektromotorische Kraft
so erwärmt sich die Kette. Nun ist die Grösse Q, die zuzuführende
me, folgendermaassen bestimmt. In der Kette verschwindet der Energie-
ag, welcher als elektrische Energie nach aussen geht, es entsteht da-
sn dort die Energiemenge, welche durch den chemischen Vorgang frei
.. Ist der erste Betrag kleiner, als ,der letzte, so muss der Kette Wärme
'fuhrt werden, wenn sie ihre Temperatur beibehalten soll, und umge-
"t Somit lässt sich die Deutung der Gleichung auch so aussprechen:
iie elektrische Wärme grösser, als die chemische, so nimmt die elektro-
orische Kraft mit der Temperatur zu; ist sie kleiner, so erfolgt Ah-
me. Bestimmt man also die Veränderlichkeit der elektromotorischen
ft mit der Temperatur, so kann man daraus die „locale" Wärme in der
te berechnen.
Gleichzeitig sieht man, unter welchen Bedingungen der THOMSON^sche
i richtig ist: er gilt für solche Ketten, deren elektromotorische Kraft sich
it mit der Temperatur ändert. Zufällig hat gerade die DANiELi/sche
te diese Eigenschaft, und daraus hatte sich die zu enge Auffassung der
enseitigen Beziehung der beiden Energieen ergeben.
Nachdem Helmholtz diesen besonderen Fall behandelt hat, erörtert er
Verallgemeinerung, welcher die Betrachtung unterzogen werden kann,
rm an Stelle der beiden elektrischen Veränderlichen e und P beliebige
ere Veränderliche treten, welche mit jenen nur die Eigenschaft gemein
laben brauchen, dass das Produkt von je zweien eine Energie ist, und
; je einer von diesen Faktoren als zustandsbestimmender Parameter auf-
ssen ist. In die Einzelheiten der mathematischen Erörterungen wollen
ihm nicht folgen; die allgemeinen Ergebnisse hat er selbst in der oben
hergegebenen Einleitung auseinandergesetzt.
15. Die freie Energie. Um den wichtigen Begriff der freien
rgie dem Leser noch besser vertraut zu machen, wird es zweckmässig
, eine Anzahl von Sätzen, welche Robert von Helmholtz, der früh-
est waid, Elektrochemie. 64
IOIO Siebzehntes Kapitel.
\
*■
»
verstorbene begabte Sohn des grossen Forschers, zusammengestellt hat,1
anzuführen.
,,i) Jedem (chemischen) Körper oder System von Körpern kommt da
bestimmtes Quantum von freier Energie zu, welches nur von seinef
Temperatur und seinem augenblicklichen Zustand (z. B. Aggregatzustand)
abhängt, nicht aber von dem Wege, auf welchem dieser Zustand erreicht
wurde.
„Davon zu unterscheiden ist die Gesammtenergie, welche ausser der
freien Energie noch das Äquivalent der im Körper enthaltenen unverwandd-
baren Wärme umfasst.
„2) Die Arbeit, welche durch irgend eine isotherme Zustandsanderurig
(z. B. chemischen Process, Lösung, Aggregatänderung, Änderung der Capillar-
fläche) in maximo geleistet werden kann, ist zu messen durch die eintretende
Abnahme der freien Energie, während die Differenz der Gesammtenergie
das Maximum der gewöhnlichen Wärmeabgabe angiebt
„Die freie Energie spielt also für chemische Systeme dieselbe Rolle, wie
die potentielle Energie für mechanische.
„3) Demgemäss ist ein chemisches System nur dann im stabilen Gleich-
gewicht, wenn seine freie Energie den kleinsten bei der herrschenden Tem-
peratur möglichen Werth angenommen hat.
„Von selbst eintretende Processe sind daher immer solche, welche das
jjj, System von einem Zustande grösserer zu dem der kleinsten freien Energie
-■■ hinfuhren.
h *.
I
i
JS'
Beides gilt nicht von der Gesammtenergie, z. B. nimmt dieselbe bei
Kältemischungen von selbst, d. h. durch Aufnahme äusserer Wärme zu
„4) Im Allgemeinen kann man also sagen, dass, wenn zwei Zustande
eines Körpers in gegenseitiger Berührung vorkommen, ohne sich zu stören,
dieselben gleiche freie Energie besitzen müssen.
„5) Unter den möglichen isothermen Zustandsänderungen sind speciell
} die reversiblen die günstigsten. Denn nur sie leisten wirklich das Maximum
j der Arbeit, welche die Abnahme der freien Energie misst. Darum können
aber auch, wenn zwei isotherm-reversible, jedoch sonst beliebige Wege zur
rl- Verfügung stehen, die gelieferten Arbeitsgrössen unmittelbar gleich gesettt
r^* und auf diese Weise Beziehungen zwischen den beiderseitigen Kräften und
Wegparametern gewonnen werden.
„Auch die bei diesen Processen auftretenden Wärmemengen sind vom
Wege unabhängig, nämlich gleich der Differenz der nicht verwandelbaren
Wärme. Dieselbe ist aber nicht identisch mit der sogenannten Wärme-
tönung chemischer Processe, welche vielmehr nur durch einen vollständig
irreversiblen, d. h. arbeitslosen Process mit wenigstens gleichen Endtempe-
i raturen geliefert wird, und der Änderung der Gesammtenergie entspricht
i\ „6) Ist im Besonderen der von dem Zustande A in den Zustand B
1 Wied. Ann. 30, 401. 1887.
I
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. IOI I
überzuführende Körper ein verdampfbarer, so ist ein stets verwendbarer
isotherm-reversibler Process der folgende: Man verwandelt den im Zustande A
befindlichen Körper in seinen gesättigten Dampf, verändert dann dessen
Druck isotherm und ausser Berührung mit etwa nicht verdampften Theilen
des Körpers, bis der dem Zustande B entsprechende Sättigungsdruck des
Körpers erreicht ist. Darauf comprimirt man wieder in Berührung mit
schon vorher im Zustande B befindlichen Substanztheilen. Dann wird sich
der Dampf als Körper B niederschlagen. Diesen Process werde ich kurz
den Verdampfungsprocess nennen. Die von ihm gelieferte Arbeit ist mit
Hülfe des MARiorrE-GAY-LussAc'schen Gesetzes oder einer anderen Zustands-
gieichung für Dämpfe in Dampfdrucken ausdrückbar.
„7) Allgemein ergiebt sich dabei, dass dem Zustande grösserer freier
Energie auch grösserer Dampfdruck, Zuständen gleicher freier Energie auch
gleiche Dampfdrucke entsprechen, und umgekehrt."
16. Helmholtz' zweite Abhandlung. Einige Monate nach seiner
ersten Mittheilung veröffentlichte Helmholtz seine zweite Abhandlung zur
Thermodynamik chemischer Vorgänge.1
Die Mittheilung enthält wesentlich die Darlegung eines theoretisch be-
sonders einfachen Falles, in welchem aus den Dampfdrucken die elektro-
motorische Kraft berechnet werden kann (vergl. S. iooi). Es ist dies der
Fall zweier gegen einander geschalteter Ketten aus Zink, Zinkchlorid, Queck-
siberchlorür, Quecksilber. „Ein Strom, der in der Richtung vor sich geht,
wie ihn die elektromotorische Kraft dieser Elemente zu erzeugen strebt, löst
Zink auf, während eine äquivalente Menge des Chlorürs reducirt wird und ihr
Chlor abgiebt. Es entsteht also neugebildetes Zinkchlorid, ZnCl2, was in
Lösung übergeht. Andererseits zerfällt ungelöstes, festes Quecksilbersalz,
HgKTl2, in Hg2, welches sich dem übrigen Quecksilber zumischt, und Cl2,
welches an das Zink tritt. Bei umgekehrter Stromrichtung wird im Gegen-
theil Zink aus der Lösung reducirt und neues Mercurochlorid gebildet. Bei
verschiedener Concentration der Flüssigkeit ändert sich in diesen Vorgängen
nur, dass das neugebildete Zinkchlorid in eine anders concentrirte Lösung
desselben Salzes eintritt, beziehentlich das ausgeschiedene aus einer solchen
austritt. Ausser den chemischen Kräften, welche die Bildung des Chlorzinks
auf Kosten des Kalomels begünstigen, kommen noch in Betracht diejenigen,
welche das gebildete Chlorzink in die wässerige Lösung überzuführen suchen;
diese werden in den verdünnteren Lösungen, wie gleich von vornherein zu
vermuthen ist, wirksamer sein, als in concentrirteren. In der That zeigen
die Versuche sogleich, dass die verdünnteren Lösungen den Elementen eine
grössere elektromotorische Kraft geben.
„Wenn man, wie bei den Versuchen geschah, zwei Elemente mit ver-
schieden concentrirten Lösungen einander entgegensetzt, so wird ein Strom,
der durch beide geht, in einem so viel ZnCl2 bilden, als im anderen zerlegt
1 Sitzungsber. Berl. Akad., 27. Juli 1882. — Ges. Abhandl. II, 979.
ÜA *
1 0 1 2 Siebzehntes Kapitel.
I
wird. Aber wenn in eine verdünntere Lösung Chlorzink eintritt, und die-
selbe Quantität aus einer concentrirteren austritt, so wird dies ein Vorgang
sein, der Arbeit leisten, also auch als elektromotorische Kraft einen Strom
erregen kann. Dieser Process ist übrigens bei geringer Stromintensität, bei
welcher die dem Quadrate derselben proportionale Wärmeentwickelung im
Schliessungsbogen verschwindet, und nur die der Intensität direkt propor-
tionalen Grössen zu beachten sind, vollkommen reversibel.
„Nun können wir aber die Concentration einer solchen Lösung auch
auf einem zweiten, vollkommen reversiblen Wege, nämlich durch Verdunstung
ändern. . . . Erstens müssen wir die Wassermenge dW aus reinem Wasser
verdampfen lassen. . . . Dann müssen wir den Dampf ausser Berührung mit
Wasser sich weiter dehnen lassen, bis er das specifische Volum des über
der Salzlösung stehenden gesättigten Dampfes hat. . . . Endlich ist der
Dampf mit der Salzlösung unter dem constant bleibenden Drucke zu com-
primiren."
Indem Helmholtz diese Rechnung allgemein ansetzt, kann er durch
Subtraction der zu zwei verschiedenen Concentrationen gehörigen Arbeits-
werthe die Arbeit berechnen, welche der Überführung des Wassers aus der
weniger concentrirten in die concentrirtere Lösung entspricht. Für die zahlen-
massige Ausrechnung ist die Kenntniss der Dampfdrucke über den ver-
schiedenen Lösungen von Zinkchlorid erforderlich; Helmholtz bedient sich
für diesen Zweck einer Reihe von Messungen, welche unter seiner Leitung
von J. Moser ausgeführt worden waren. Das Ergebniss war, dass die be-
berechnete elektromotorische Kraft in einem bestimmten Falle im Mittel
0,11541 Volt betrug, während die Berechnung je nach den benutzten For-
meln 0,11579 und 0,11455 ergab. Die Übereinstimmung ist also genügend.
„Ein bemerkenswerther Zug in diesen Vorgängen scheint mir darin zu
liegen, dass die Anziehung des Wassers zu dem zu lösenden Salze einen so
grossen Theil der wirksamen chemischen Kräfte zwischen den sich gegen-
seitig verdrängenden Elementen (Zink und Quecksilber) ausmachen kann.
In den vorliegenden Messungen beträgt die elektromotorische Kraft der
Lösung allein etwa nur ein Achtel von der ganzen Kraft der concentrir-
teren Lösungen. Aber die Kraft der Lösung kann sich bei den weiteren
Verdünnungen, welche nicht mehr hinreichende Constanz für genauere Mes-
sungen hatten, noch erheblich vermehren, und nach der gegebenen Formel
könnte sich diese Kraft bei immer weiter wachsenden Werthen der Ver-
dünnung bis zu jedem beliebigen Grade steigern. Daraus würde folgen,
dass in sehr verdünnten Lösungen oder in ganz salzfreien Säuren Metalle,
die wir sonst als unoxydirbar in der betreffenden Säure betrachten, sich
spurenweise bis zu einer gewissen Grenze unter Wasserstoffentwickelung
würden lösen können. Ich bemerke, dass ganz ähnliche Verhältnisse auch
bei der Lösung der Gase nach der mechanischen Wärmetheorie stattfinden
müssen, woraus sich zum Theil ganz veränderte Ansichten über das Wesen
der galvanischen Polarisation ergeben möchten."
J
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. IOI3
Die letzten Bemerkungen enthalten, wie oft bei Helmholtz, den Keim
einer ganzen weiteren Gedankenreihe von grosser Wichtigkeit. Die fragliche
Formel ergiebt die freie Energie F für den Übergang des Wassers von einer
verdünnteren zu einer* concentrirteren Lösung in der Gestalt F= K.\og-,7>
wo c' und c" die beiden Concentrationen sind, und K eine Constante be-
deutet. Lässt man die Concentration c" gleich Null werden, so wird die
freie Energie unendlich gross, d. h. keine Kraft kann verhindern, dass etwas
von dem Salz in das reine Wasser übergeht. Das gilt ganz allgemein;
reines Wasser muss nicht nur die unlöslichsten Stoffe, sondern auch die
edelsten Metalle bis zu einem bestimmten Betrage lösen; mit anderen Worten:
es giebt überhaupt kein reines Wasser, sondern alles Wasser enthält etwas
von allem gelöst, womit es in Berührung war. Dieser Gedanke erweitert
unseren Gesichtskreis in sehr bedeutendem Maasse, und hat in der Folge
vielfach zu einer richtigeren und fruchtbaren Auffassung chemischer Ver-
hältnisse geführt
Eine dritte und letzte Abhandlung elektrochemischen Inhaltes veröffent-
lichte Helmholtz im folgenden Jahre.1 Sie beschäftigt sich mit d^n Er-
scheinungen der galvanischen Polarisation und wird im Zusammenhange mit
anderen Arbeiten über die gleiche Frage später besprochen werden. Für
uns von Interesse ist die Einleitung, in welcher Helmholtz das Verhältniss
seiner Forschungen zu denen von W. Gibbs, Braun und Anderen darlegt.
„Zur Vorgeschichte der in meiner ersten Mittheilung zur Thermodynamik
chemischer Vorgänge vom 2. Februar 1882 entwickelten Sätze erlaube ich
mir hier nachzutragen, dass zunächst Lord Rayleigh in einem von der Royal
Institution am 5. März 1875 gehaltenen Vortrage es als allgemeines Prinzip aus-
gesprochen hat, dass nicht die Wärmeentwickelung allein über die Möglich-
keit entscheidet, ob eine chemische Veränderung in bestimmter Richtung
eintrete, sondern dass dies nur geschehen könne, wo dabei die Entropie
(dissipation of energy) wachse, oder wenigstens nicht abnehme.2
„Dass die Wärmeentwickelung allein genommen namentlich nicht für
die Grösse der elektromotorischen Kräfte galvanischer Elemente entscheidend
sei, hat Herr F. Braun in einer Reihe von Aufsätzen vom Jahre 1878 an-
fangend ausgesprochen und durch eine Anzahl wichtiger Versuche erwiesen.
Die theoretischen Anschauungen freilich, von denen er in den ersten dieser
Aufsätze ausgegangen ist, namentlich der Satz, dass „„die chemische Energie
von der Natur der Wärme sei"", dass jeder chemische Vorgang zunächst
immer nur Wärme erzeuge, und dass es nur von zufälligen Nebenumständen
abhänge, wie viel von der hohen Temperatur der eben verbundenen Atome
in reversible Arbeit anderer Art verwandelt werde, ist meines Erachtens in
1 Sitzungsber. Berl. Akad., 31. Mai 1883. — Ges. Abhandl. III, 92.
1 Das hier Lord Rayleigh durch Helmholtz zugeschriebene Verdienst kommt tbat-
säcfilich Horstmann zu, der die Anwendung des zweiten Hauptsatzes auf chemische Erschei-
nungen in prinzipiell richtiger Weise bereits 1873 (Liebig's Annalen 170, 192. 1873) dargelegt hat.
IOI4 Siebzehntes Kapitel.
Widerspruch mit den Thatsachen, welche zeigen, dass galvanische Ketten
auch unter Bindung von Wärme arbeiten können. Ein Process, wie ihn
Herr Braun dort angenommen hat, würde nicht reversibel sein, und also,
wenn er bei der Auflösung eines Metalles eintritt, nicht auch bei der Aus-
scheidung desselben in gleicher Weise vor sich gehen können. Da übrigens
der genannte Autor sich neuerdings mit meiner analytischen Formulirung
des Princips einverstanden erklärt hat, so wird weitere Discussion dieser
theoretischen Frage nicht nöthig sein.
„Die grosse Vereinfachung der thermodynamischen Sätze ferner, welche
sich durch die Darstellung der Energie und Entropie eines Körpersystems
durch die Differentialquotienten einer Integralfunction ergiebt, hat vor mir
schon im Jahre 1877 Herr Massieu gefunden und wenigstens für zwei
Variable vollständig durchgeführt, aber ohne Beziehung auf chemische Pro-
cesse. ... In sehr umfassender und allgemeiner Weise sind endlich die
thermodynamischen Beziehungen für molekulare und chemische Vorgänge in
Körpersystemen, die aus beliebig vielen verschiedenen Stoffen zusammen-
gesetzt oder gemischt sind, von Herrn J. W. Gibbs (1878) analytisch ent-
wickelt worden. Herrn Massieu's charakteristische Function ist darin eben-
falls gefunden und Kräftefunction für constante Temperatur genannt.
Die allgemeinen Ergebnisse aller dieser Untersuchungen zeigen natürlich
keine wesentlichen Unterschiede, soweit sie einfach Folgerungen aus den
wohlbekannten Principien der Thermodynamik sind.
„Für die Theorie der galvanischen Polarisation haben nun diese Folge-
rungen aus der Thermodynamik deshalb grosse Wichtigkeit, weil sich zeigt,
dass der Überschuss freier Energie des Knallgases über die des Wassers in
hohem Grade von dem Druck abhängt, während die Wärmeentwickelung
bei der Verbindung davon fast unabhängig ist. So lange man die elektro-
motorische Kraft der Polarisation nach letzterer berechnen zu müssen glaubte
(was ich selbst in meinen früheren Arbeiten gethan habe), musste sie als
eine fast unveränderliche Grösse erscheinen, und das machte gewisse Vor-
gänge bei der Polarisation eines Voltameters fast unerklärlich. Wenn man
aber die elektromotorische Kraft nach der freien Energie berechnet, so er-
scheint sie im höchsten Grade veränderlich mit der Gassättigung der letzten
den Elektroden anliegenden Flüssigkeitsschichten, und dadurch wird die Er-
klärung eines grossen Theiles der Polarisationserscheinungen wesentlich ver-
ändert, und das meiste, was bisher räthselhaft war, erscheint verständlich."
17. Prüfung der HELMHOLTz'schen Formel. Das Ergebniss der
Theorie von Helmholtz, insbesondere der Zusammenhang zwischen der
localen Wärme und der Veränderlichkeit der elektromotorischen Kraft mit der
Temperatur (dem Temperaturcoefficienten) der umkehrbaren Ketten wurde
bald der Gegenstand einiger experimenteller Untersuchungen, doch nur mit
halbem Erfolge. Zuerst beschäftigte sich unter Helmholtz* Leitung S. Czapski1
1 Wied. Ann. 21, 209. 1884.
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. I O I 5
mit der Frage, etwas später auf Braun's Veranlassung A. Gockel.1 Das
Verfahren war etwas verschieden, indem Czapski die Unterschiede der elek-
tromotorischen Kraft maass, welche sich bei Veränderung der Temperatur
an den ganzen Ketten zeigten, während Gockel alle einzelnen thermoelek-
tromotorischen Kräfte an den Berührungsstellen der verschiedenen Bestand-
teile seiner Ketten bestimmte, und den hieraus sich ergebenden Gesammt-
betrag der Veränderlichkeit mit der Temperatur durch Summirung berechnete.
Zur Prüfung der Formel ist wohl das erste Verfahren als das rationellere
zu bezeichnen, da bei dem zweiten die Versuchsfehler der einzelnen Be-
stimmungen sich summiren und das Ergebniss entsprechend unsicherer
machen.
Aus beiden Untersuchungen ging hervor, dass zwar qualitativ die Helm-
HOLTz'sche Theorie mit den Messungen übereinstimmte insofern, als das
Zeichen des Temperaturcoefficienten und das der localen Wärme die erforderte
Gleichheit zeigten; die Zahlen werthe der beiden Grössen wiesen aber nicht
die theoretische Beziehung zu einander auf, sondern zeigten Abweichungen,
die zum Theil erheblich waren und über die zu erwartenden Versuchsfehler
hinausgingen. Insbesondere die mit Mercurosalzen, wie Calomel, angesetzten
Ketten, die wegen ihrer Beständigkeit und bequemen Messbarkeit besonders
geeignet schienen, die Theorie zu prüfen, zeigten grosse und regelmässige
Abweichungen in dem Sinne, dass die Temperaturcoefficienten viel zu klein
im Verhältniss zu den aus den thermochemischen Zahlen berechneten localen
Wärmeentwickelungen waren. Keiner von beiden hatte unmittelbare calori-
metrische Messungen an seinen Ketten gemacht, sondern sie hatten beide
die Zahlen von J. Thomsen als vollkommen zuverlässig benutzt.
Das Urtheil, welche beide über das Ergebniss ihrer Messungen fällen,
zeigt eine bemerkenswerthe Verschiedenheit. Czapski, der Schüler Helm-
holtz', ist überzeugt, dass die Theorie richtig sein muss und sucht die
Ursache der Abweichung wesentlich in der Unsicherheit der thermochemi-
schen Daten. Gockel, der unter der Leitung Braun's gearbeitet hatte, und
deshalb der genannten Theorie kühler gegenüber stand, betont, dass die
thermochemischen Daten so weite Fehlergrenzen nicht erwarten lassen, wie
sie thatsächlich aufgetreten sind, und erklärt strict, dass die Theorie un-
richtig sein müsse. Insbesondere hat er bei Thermoketten mit Quecksilber,
Quecksilberchlorür und verschiedenen gelösten Chloriden sehr verschiedene
Temperaturcoefficienten erhalten, und findet mit Recht diese Thatsache un-
vereinbar mit der Theorie von Helmholtz. Indessen hat sich inzwischen
diese Beobachtung als unrichtig erwiesen.
Die Aufklärung kam dann schliesslich auf eine unerwartete Weise: es
ergab sich ein bedeutender Fehler in den thermochemischen Zahlen für
Quecksilber, der kein gewöhnlicher Messungsfehler war, sondern in der Wahl
einer ungeeigneten Reaktion (die für sich richtig gemessen war, die aber
1 Wied. Ann. 24, 618. 1885.
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IOl6 Siebzehntes Kapitel.
anders verlief, als in der Berechnung vorausgesetzt! wurde) lag. Verbessert
man diesen Fehler,1 so fallen die grossen Abweichungen fort, und es bleiben
in der That nur solche noch übrig, welche sich cflurch die Versuchsfehler
erklären lassen.
Versuche, bei denen sowohl die elektrischen wie <Äie thermischen Grössen
an denselben Ketten gemessen wurden, sind endlich \ von H. Jahn* ausge-
führt worden, und haben zu einer vollständigen Bestätigung der Theorie
von Helmholtz geführt, wie aus der nachstehenden Zusammenstellung her-
vorgeht:
Kupfer-Zink-Sulfat — 4,2 — 4,3
Kupfer-Blei-Acetat — 54,4 —48,4
Silber-Zink-Chlorid +46,6 4-51,5
+21,8 +26,4
+22,4 +25,4
Silber-Zink-Bromid + 1 1 ,6 +1 3,3
Silber-Blei-Nitrat +79,5 . +7&,9
Silber-Kupfer-Nitrat +89,2 +89,2.
Die erste Spalte giebt die Zusammensetzung der Kette in leicht ver-
ständlicher Weise; Kupfer-Zink-Sulfat bedeutet beispielsweise die DANmu/sche
Kette aus Kupfer- und Zinkelektroden in den Lösungen ihrer Sulfate. Die
drei Zink-Silber-Chloridketten enthalten Chlorzinklösungen von verschiedener
Concentration. Die Zahlen geben die seeundären oder localen Wärmen in der
Kette, und zwar in erster Reihe die unmittelbar beobachteten, in zweiter die
aus dem Temperaturcoefficienten berechneten. Wenn auch die Zahlen noch
ziemlich grosse Unterschiede erkennen lassen, so ist zu bedenken, dass sie
als Differenzen viel grösserer Werthe auftreten, die ihrerseits mit Versuchs-
fehlern behaftet sind, so dass eine bedeutende Häufung der relativen Fehler
eintritt.
18. Die einzelnen Potentialunterschiede. Durch die theoretischen
Fortschritte von W. Gibbs und Helmholtz war der Zusammenhang zwischen
der elektromotorischen Kraft der Ketten und dem chemischen Vorgange,
der in ihnen verläuft, vollkommen klar gelegt worden; die erhaltenen For-
meln beziehen sich indessen nur auf die Gesammtkraft der Kette und
lassen die Frage nach der Vertheilung dieser Kraft auf die einzelnen Be-
rührungsstellen unbeantwortet. Das Scheitern der Bemühungen, die Frage
nach der VoLTA'schen Methode des Luftcondensators zu beantworten, und
die elektrothermischen Thatsachen in ihrer Deutung durch le Roux und
Edlund hatten die Annahme erheblicher Potentialsprünge an den Berüh-
rungsstellen der Metalle vollends ihres Haltes beraubt. Es blieb also nur
der Schluss übrig, dass die elektromotorischen Kräfte an den Berührungs-
stellen der Metalle mit den Elektrolyten, oder allenfalls an der Berüh-
rungsstelle der letzteren liegen mussten; der zweite Fall war leicht aus-
1 W. Nernst, Ztschr. f. phys. Chemie 2, 23. 1888.
» Wied. Ann. 29, 21. 1886.
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. I O I 7
uschli essen , da es zahlreiche Ketten giebt, in denen nur eine einzelne
Jektrolytische Flüssigkeit vorhanden ist, und die dennoch wesentlich dieselbe
elektromotorische Kraft haben, wie die Ketten aus gleichen Metallen mit ver-
chiedenen Elektrolyten. Dies stimmte sehr gut mit dem Ergebniss der
hermodynamischen Behandlung der Ketten überein: war die Änderung der
rheinischen Energie (der freien, nicht der gesammten) die Ursache der elek-
romotorischen Kraft, so musste geschlossen werden, dass der Ort der letz-
eren mit dem Orte zusammenfallt, wo die Änderung der chemischen Energie
ind ihre Umwandlung in elektrische stattfindet, d. h. an den Berührungs-
itellen der Metalle mit den Elektrolyten, denn der chemische Vorgang ist
vesentlich auf diese Stellen beschränkt.
Wie aber die Spannung sich auf die beiden Berührungsstellen, z. B.
Cupfer Kupfersulfat und Zink ! Zinksulfat in der DANiELi/schen Kette vertheilt,
var durch jenen theoretischen Fortschritt nicht entschieden, und konnte auch
lurch ihn nicht entschieden werden. Denn der chemische Vorgang, die
\uflösung des Zinks und die Fällung des Kupfers waren zwar örtlich ge-
rennt, aber zeitlich untrennbar, und es war mit den vorhandenen Kenntnissen
licht möglich, die entsprechende Frage zu beantworten: welcher Antheil
ler gesammten Wärmeentwickelung kommt der Fällung des Kupfers, und
welcher der Lösung des Zinks zu? Hier mussten ganz andere Betrachtungen
eintreten, und zwar solche, welche eine gesonderte Behandlung der ein-
zelnen Elektrode gestatteten.
Der Weg, welcher zu diesem Ziele geführt hat, war ähnlich wie der
ilektrothermische Weg bezüglich der Frage nach den Spannungsunterschieden
wischen zwei Metallen ein ganz unerwarteter. Die ersten Anfänge haben
vir bereits kennen gelernt; sie reichen in die ersten Jahre der VoLTA'schen
Cette zurück, und wir finden, wie bei so vielen anderen wichtigen Dingen,
f. W. Ritter unter den ersten, die sich damit beschäftigt haben. Die That-
»chen, um die es sich hier handelt, sind die Bewegungserscheinungen
im polarisirten Quecksilber (S. 170).
Nach den ersten Beobachtungen Ritter's über diesen Gegenstand haben
»ich im Laufe der Zeit zahlreiche Forscher mit diesen merkwürdigen und
.inerklärlichen Erscheinungen beschäftigt. Da keiner von ihnen etwas wesent-
iches zum Verständniss der Sache beigebracht, wenn auch fast jeder neue
Formen der Erscheinungen beschrieben hat, die noch keineswegs alle voll-
commen ins Klare gesetzt worden sind, so begnüge ich mich mit einer
Zusammenstellung der Litteratur1 in der unterstehenden Anmerkung.
1 Ritter, Voigt's Magazin 4, 637. 1802. — Hellwig, Gilb. Ann. 32, 289. 1809. —
tERBoin, Ann. de Chimie 41, 196. 1802. — Erman, Gilb. Ann. 32, 261. 1809. — Her-
chel, Philos. Trans. 1824, 162. — Pfaff, Schweigg. Journ. 49, 190, 1826; Schweigger,
ebenda 324. — Nobili, Schweigg. Journ. 44, 45. 1828. — Serullas, Ann. chim. phys.
*4, 192. 1827. — Runge, Pogg. Ann. 8, 107. 1826 und eine Reihe weiterer Arbeiten in
lerselben Zeitschrift. — Draper, Philos. Mag. 26, 185. 1845. — Paalzow, Pogg. Ann.
.04, 419. 1858.
jQjg Siebzehntes Kapitel.
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Die wissenschaftliche Bewältigung dieser Dinge datirt von dem Jahre
1873, wo von einem bis dahin unbekannten Forscher eine Erstlingsarbeit
unter dem Titel: Beziehungen zwischen den capillaren und den elektrischen
Erscheinungen veröffentlicht wurde.1 Gabriel Lippmann, der Verfasser dieser
Arbeit, setzte seine Untersuchungen später fort, und im Anschluss an seine
Forschungen hat sich dann eine Gedankenreihe von erheblicher Wichtigkeit
entwickelt. Der Anfang jener ersten Abhandlung lautet:
„Vorliegende Untersuchung wurde im Laboratorium des Herrn Professor
Kirchhoff ausgeführt, dem ich für seinen Rath und gütige Unterstützung
meinen herzlichsten Dank schuldig bin. — Es wäre wohl schwierig ge-
wesen, die Beziehung zwischen den elektrischen Variabein und den soge-
nannten Capillarconstanten a priori aufzusuchen; ich gelangte in der That
nur allmählich dazu, indem ich von einem Experiment ausging, das ich
Herrn Professor W. Kühne in Heidelberg verdanke, und das im Folgenden
besteht. Ein Quecksilbertropfen wird in verdünnte Schwefelsäure gebracht,
welche eine Spur von gelöstem doppeltchromsaurem Kali enthält; ein blanker
Eisendraht wird in der Nähe so befestigt, dass er in die Säure taucht und
den Rand des Quecksilbertropfens berührt. Sobald die Berührung statt-
gefunden hat, geräth der Tropfen in regelmässige Schwingungen, welche
Stunden lang dauern können. Die Verwandtschaft dieser Erscheinung mit
den Bewegungen von Quecksilberelektroden (siehe G. Wiedemann, Galv.
§ 368. 1872) ist auffallend und die Erklärung offenbar dieselbe. Sie wäre
folgende nach der bisher angenommenen Anschauung. Die chromsäure-
haltige Flüssigkeit würde die Oberfläche des Tropfens oxydiren und so eine
Abdachung desselben hervorbringen. Bei dieser Berührung mit dem Eisen
bildet sich eine Eisen -Quecksilberkette. Der entstehende Strom würde die
Oberfläche elektroiytisch reduciren, der Tropfen sich contrahiren, der Contact
mit dem Eisen aufgehoben sein. Dann würde dasselbe Spiel wieder beginnen,
und so immer weiter. Wenn man hinreichend concentrirte Chromlösungen
nimmt, so sieht man diese Vorgänge wirklich stattfinden. Hier bei verdünnter
Lösung bleibt aber die Oberfläche immer blank. In der That haben messende
Versuche bewiesen, dass die Polarisation der Oberfläche eines Quecksilber-
tropfens mit Wasserstoff die Zusammenziehung desselben bewirkt, und dass
man also nur an die bekannte depoiarisirende Wirkung der Chromsäure zu
denken braucht, um sich die beschriebene Bewegung zu erklären.
„Versuche, die ich nun ausführlicher mittheilen will, haben gezeigt: dass
die Capillarconstante (Oberflächenspannung, Coefficient der La-
I | PLACE'schen Formel) an den Berührungsflächen von Quecksilber
und verdünnter Schwefelsäure eine stetige Function ist von der
elektromotorischenKraft derPolarisation an derselben Oberfläche."
Die Abhandlung verbreitet sich dann über folgende Gegenstände: Ver-
änderung der Capillarconstante mit der elektromotorischen Kraft der Polari-
f :•
i
1 Pogg. Ann. 140, 546. 1873.
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen.
IOI9
1 f
H-,.U
, das Capillarelektrometer, die Elektrocapillar-Kraftmaschine, Elektrici-
wickelung und Polarisation bei Capillarerscheinungen, Polarisation durch
trkräfte. Über die wichtigsten Theile der Arbeit sei nachstehend mit
/orten des Autors berichtet:
Der Apparat bestand aus einer vertikalen kalibrirten Glasröhre GG',
>n unten mittelst eines Gummischlauches in Verbindung stand mit
Quecksilberreservoir A (Fig. 248). Das Quecksilber stieg also in die
GG', erlitt aber
st eine Capillarde-
>n, die mit dem
:ometer gemessen
, und aus der die
larconstante nach
iter Weise ermittelt
Der obere Theil
lasröhre war mit
inter Schwefelsäure
rol. Säure) gefüllt,
\ den Quecksilber-
zusM benetzte und
urch den Glasheber
in das Glasgefass B
zte, welches gleich-
et der verdünnten
gefüllt war. Der
dieses Gefässes
nit einer Queck-
chicht B bedeckt,
5 zweite Elektrode
t sollte. Die Capil-
ression des Queck-
in der Röhre GG' wurde natürlich von dem Druck der verdünnten
corrigirt. Um eine bekannte EKP (elektromotorische Kraft der
>ation) in M hervorzurufen, wurden die beiden Quecksilbermassen,
:h die in B und die Masse A M respektive mit zwei Punkten P Q des
ssungskreises eines Daniells verbunden mittelst der zwei Platindrähte a
?, die man die Pole des Apparates nennen kann. Ein Zweigstrom
lief den Apparat, der nun als Zersetzungszelle arbeitete, und zwar so
bis die hervorgerufene EKP gleich war dem Potentialunterschiede
ien ^ und Q. Dann steht die EKP zu der elektromotorischen Kraft
Daniell im selben Verhältniss, wie der Widerstand P Q zu dem Wider-
: des ganzen Schliessungskreises des Daniells. Dieses Verhältniss Hess
ius der Ablenkung einer in diesen Schliessungskreis eingeschalteten
mtenbussole ableiten. Das Verhältniss der Quecksilberoberflächen in
Fig. 248. Nach Lippmann.
'4
I020
Siebzehntes Kapitel.
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iJ/ und in B wurde absichtlich sehr klein genommen, damit die F. KP in
M allein in Betracht komme; denn es ist ersichtlich, dass eine Elektriritals-
menge, welche genügt, um in AI eine beliebige Wasserstoffpolarisation her-
vorzurufen, auf der viele zehntausendmal grösseren Fläche B keine merkliche
Sauerstoffpolarisation geben wird. So hatte man denn aus den Angaben
der Bussole die EKP in AT, aus den Angaben des Kathetometers die gleich-
zeitige Capillarconstante. Um in AI die EKP auf Null zu reduciren, braucht
man nur eine einfache metallische Schliessung zwischen a und ß einzu-
schalten. — Die zu messenden Grössen sind nicht gering. So ist die De-
pression in einer Röhre vom Radius 0,32 mm gleich 14,0 mm für EKP = o.
Für EKP= 1 Daniell ist sie 18,90 mm; die Niveauänderung also 4,90, gleich
0,35 der anfänglichen Depression. Die Capillarconstante ist demnach gleich
30,4 für EKP=o-, gleich 40,6 für EKP = 1 Daniell."
Lippmann beschreibt nun eine andere Form des Versuches, bei welchem
eine aufrecht stehende Röhre angewendet wurde, die am Ende zu einer
sehr feinen, etwas kegelförmigen Capillare ausgezogen
war und mit dieser in ein Glas mit Schwefelsaure
tauchte, auf dessen Boden sich Quecksilber befand
(Fig. 249). Es wurde zunächst der Druck für
EKP = o bestimmt, bei welchem das Quecksilber
an einer bestimmten, mit dem Mikroskop abgelesenen
Stelle der Capillare sich befand; dann wurde' eine be-
stimmte EKP angelegt, und der Druck verändert,
bis wieder das Quecksilber an derselben Stelle er-
schien. Es verhalten sich, gemäss der Theorie der
Capillarität, alsdann die Capillarconstanten wie die
Drucke, da der Meniscus in beiden Fällen die gleiche
Gestalt hatte, indem er an derselben Stelle der
Röhre entstand. In dem untersuchten Falle betrug
der anfängliche Druck für EKP = 0,750 mm;
nach Einschaltung eines Daniell mussten 260 mm
Quecksilber dazugeschaltet werden, welche 0,35 des
anfänglichen Werthes ausmachen, wie früher ge-
funden.
Auf Grund dieser Beobachtungen construirte
nun Lippmann ein äusserst empfindliches Elektrometer,
welches er das Capillar-Elektrometer nannte. Seine
ig. 49. ac ippma . irjnrjchtung entspricht der eben beschriebenen zweiten
Versuchsanordnung; die umstehenden, einer späteren Veröffentlichung üpp-
mann's entnommenen Figuren 250 und 251 geben eine Anschauung von der
Einrichtung des Apparates. Fig. 250 ist schematisch; man erkennt in A die
obere Quecksilbersäule, welche durch den sehr kleinen Meniscus in der unten
befindlichen Capillare am Ausfliessen verhindert wird; der Stand des letz-
teren wird durch das Mikroskop AT abgelesen. In der Fig. 251 ist die Ein-
Die elektrochemischen Spann ungierscheinungen. 102 I
richtung zum Hervorbringen und Messen des Zusatzdruckes ersichtlich; durch
die Schraube V wird ein Gummibai! zusammengepreßt und die in ihm
enthaltene Luft drückt einerseits auf das Quecksilber in der Röhre A,
andererseits auf das des seitlich stehenden Manometers. Jedem Stande des
Manometers entspricht eine bestimmte zwischen u und ß eingeschaltete
Nach Lippmann.
elektromotorische Kraft. Lippmann bemerkt hierzu: „Sehr überraschend aber
war bei allen diesen Versuchen, wo der Kreis geschlossen war, d. h. wo
zwischen a und ß entweder ein einfacher Draht oder eine constante elektro-
motorische Kraft eingeschaltet war, die Constanz der Resultate, d. h. der
Capillarconstante, und die Un Veränderlichkeit der Gleichgewichtslage des
Meniscus. Man war ja von jeher an gewisse „Störungen" gewöhnt, die in
Capillarversuchen bei der gewöhnlichen Anordnung, d. h. ohne elektrische
Schliessung vorkommen, und die sich auch natürlich hier wiederfanden,
sobald a und ß von einander isolirt blieben. Diese Störungen bestehen
darin, dass i, die Gleichgewichtslage eine verschiedene ist, je nach dem
Sinne der eben vorhergegangenen Bewegung der Quecksilbersäule; 2. die-
selbe sich bei einer Erschütterung, z. B. beim Anklopfen plötzlich andern
kann; 3. dass sich ausserdem die Gleichgewichtslage mit der Zeit langsam
ändert, und nur nach Stunden sich zu verschieben aufhört. — Schloss man
aber die Leitung, indem man z. B. einen einfachen Draht zwischen a und ß
einschaltete, so verschwand plötzlich jede Unregelmässigkeit, und es ward
I022 Siebzehntes Kapitel.
unmöglich, eine solche wieder hervorzurufen, d. b. die Gleichgewichtslage
wurde dermaassen constant, dass sich der Meniscus auf das Fadenkreui
immer wieder einstellte mit einer Schärfe, die trotz der angewandten
22ofachen Vergrosserung nichts zu wünschen übrig Hess. Es gelang auch
übrigens, die Ursache dieser Störungen nachzuweisen (S. 1025)."
Eine andere interessante Anwendung der von ihm erschlossenen Er-
scheinungen zeigte Liitmann in der Erbauung eines Capillar-Motors. „Ein
solcher Motor, der im physikalischen Institut zu Heidelberg sich befindet;
Fig. 252. Nach Lippmann.
besteht aus einem mit verdünnter Schwefelsaure ä i5°/0 Vol. gefüllten Glas-
kasten KK', der zwei Gläser bb' enthält, welche zum Theil mit Quecksilber
gefüllt sind. Diese Quecksilbermassen bb' können respective durch Platin-
drähte ee', deren oberer Theil vor der Berührung mit der Saure durch
Glasröhrchen geschützt ist, mit den Polen eines Daniells D in Verbindung
gesetzt werden. In der Schliessung ist eine Wippe W enthalten, welche
diese Verbindungen umzukehren erlaubt, so dass jede Quecksilbermasse sich
successive mit Wasserstoff polarisirt. Auf jeder Quecksilbermasse schwimmt
ein Bündel Glasröhren BB', welche etwa 2 mm Durchmesser haben und
oben und unten offen sind; ca. 300 dieser Röhren bilden ein vertikales
Bündel, welches durch Platindrähte zusammengehalten ist, und 60 mm Höbe,
60 mm Durchmesser hat. In der Axe jedes Bündels ist ein Glasstab mit
\
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. IO23
eingeklemmt, welcher die Rolle des Stieles eines Stempels spielt. Die untere
Hälfte des Bündels taucht in Quecksilber, während die obere unter der
Säure steht und ganz mit derselben gefüllt ist. Das Bündel schwimmt frei
auf dem Quecksilber; es bleibt deswegen vertikal, weil der Glasstab, der
ihm als Stiel dient, in einen metallischen Bügel Ulf gefasst ist, dessen
untere Enden nicht frei sind, sondern in die untere Seite eines doppelten
horizontalen Hebels eingreifen, welcher um eine feste horizontale Axe dreh-
bar ist und wie ein Wagbalken oscilliren kann; an ihm hängen die beiden
Bündel gleichsam nach oben, wie die Wageplatten nach unten, und halten
sich das Gleichgewicht Mittelst des vertikalen Bügels V, der Stange s
jnd des Krummzapfens z kann die oscillirende Bewegung vom Hebel in
*ine drehende des Schwungrades R umgesetzt werden; die Welle des
Schwungrades trägt einen zweiten Krummzapfen z'3 der die Wippe in Be-
legung setzt. Das Ganze erinnert stark an gewisse Schiffsdampfmaschinen.
Wird nun die Maschine mittelst der Schraubenklemmen 00' in Verbindung
nit einem Daniell gesetzt, so polarisirt sich die eine Quecksilbermasse mit
Wasserstoff, die andere mit Sauerstoff. Auf der einen Seite werden die
3apillarconstante, die Capillardepression in und zwischen den Röhren,
und somit die Kraft, mit welcher das Bündel in die Höhe getrieben wird,
um 0,35 ihres Werthes vergrössert, und dies Bündel steigt in die Höhe;
auf der anderen Seite findet das Entgegengesetzte statt. Das Rad fangt
an, sich zu drehen; nach vollendeter Excursion wird der Strom durch
die Wippe umgelegt, und das Spiel fängt im entgegengesetzten Sinne
wieder an."
Diese Maschine hat zwar keine praktische Bedeutung gewonnen, ist
aber als der Typus einer neuen Art der Erzeugung mechanischer Energie
aus elektrischer von bedeutendem Interesse. Wenn man sie dreht, ohne
dass die Klemmschrauben mit einer Kette verbunden sind, so ergiebt sie
sich als eine Stromquelle, und ein zwischen den Klemmschrauben ange-
brachtes Galvanometer wird abgelenkt. Der Zusammenhang zwischen den
capillaren und den elektrischen Erscheinungen ist also ein umkehrbarer,
wie der Strom eine Änderung der Oberfläche hervorruft, so bringt eine
Änderung der Oberfläche einen Strom hervor.
„Diese Ströme lassen sich auf einfache Weise erzeugen und messen.
„Zur Messung diente der bereits beschriebene Apparat (Fig. 248). Die
Pole aß wurden respective mit den Enden eines Spiegelgalvanometers von
2000 Windungen verbunden. Um einen Versuch zu machen, wurde das
2uecksilberreservoir A entweder gesenkt oder gehoben; dadurch änderte
jich das Niveau in der Glasröhre, zugleich schlug die Galvanometernadel
ius, und zwar genügte es, Niveauänderungen von einigen Millimetern vor-
zunehmen, um Messungen machen zu können; man erhält sonst solche
ütröme, dass der nicht astasirte Magnet an die Hemmung schlägt. Wenn
ias Niveau gehoben wird, vergrössert sich die Berührungsfläche des Queck-
silbers mit der Säure in M. Dann zeigt das Galvanometer einen Strom
VJ
!024
Siebzehntes Kapitel.
an, der durch die verdünnte Säure von der sich vergrössernden
Elektrode zur anderen geht Bei der Senkung ändert sich der Sinn
des Stromes.
„Es wurde mit verschiedenen Hubhöhen und verschiedenen Glasröhren
experimentirt. Sei a der beobachtete Ausschlag des Galvanometers, / die Hub-
höhe, r der Radius der Röhre; alle gefundenen Zahlen genügten der Bedingung:
das heisst: die entwickelte Elektricitätsmenge ist der Vergrösserung
der Oberfläche proportional und von deren Form unabhängig."
Lippmann theilt nun die Bestimmung dieser Elektricitätsmenge in ab-
solutem Maasse mit. Sein Ergebniss lässt sich anschaulich in dem Satze
wiedergeben; „Darnach würde eine Oberflächen vergrösserung von i m1 eine
Elektricitätsmenge entwickeln, die nahezu 130 mg Wasser zersetzen würde....
„Man kann dieselben elektrischen Ströme auf sehr einfache Weise er-
zeugen. Ein Glasgefäss enthält Quecksilber und verdünnte Schwefelsäure.
Ein Glastrichter, mit Quecksilber gefüllt, wird so befestigt,
dass seine untere feine Öffnung in die Säure taucht Wenn
nun die zwei Quecksilbermassen, die in dem Glasgefäss
und dte in dem Trichter respective mit den Draht-
enden eines Galvanometers verbunden sind, so bleibt
die Nadel so lange abgelenkt, als das Ausfliessen des
Quecksilbers dauert. Die Ausdehnung der Oberfläche
eines jeden sich bildenden Tropfens bedingt die Ent-
stehung des Stromes.
„Man kann den Trichter durch ein ausgezogenes
Rohr, das Gefäss durch ein zweites ähnliches Rohr er-
setzen und so den einfachen Elektromotor (Fig. 253'
construiren. Dann fliesst das Quecksilber durch beide
Röhren hindurch; wenn der stationäre Zustand erreicht
ist, bleibt die Ablenkung der Galvanometer constant"
Eine weitere Folge der Umkehrbarkeit der Erschei-
nung ist die, dass die Berührungsflächen zwischen Queck-
silber und Säure sich polarisiren müssen, wenn man sie
dehnt oder verkleinert. Darauf beruht die Polarisation
durch Capillarkräfte. „Wenn man nach aufgehobener
metallischer Verbindung zwischen den Polen aß eine
Verschiebung des Quecksilbers vornimmt, befindet man sich eben in
den gewöhnlichen Umständen, da man ja bisher in Capillarversuchen
für eine elektrische Schliessung nicht gesorgt hat Dann bemerkt man
Erscheinungen, von denen ein Theil als „unerklärte Störungen" wohl
bekannt ist Wenn man das Reservoir A hebt, also die Oberfläche in .1/
vergrössert und zugleich den Pol ß zur Erde ableitet, so ladet sich der
Draht a mit freier negativer Elektricität, wie dies mittels des THoicsotrschcn
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. 102 5
lektrometers constatirt wurde; der Ausschlag des Elektrometers kann/"V
ross werden, als hätte man seine Pole mit denen eines DANiELi/schen Bf: \,
jrbunden. Zugleich bemerkt man, dass die Depression in der Glasröhre
rösser ist, als bei geschlossener Leitung. Mit anderen Worten, die Capillar-
)nstante ist grösser, als vorher. Nun ist die Vergrösserung der elektro-
totorischen Kraft zwischen Quecksilber und verdünnter Säure mit gleich-
jitiger Vergrösserung der Capillarconstante der gemeinsamen Oberfläche
:>en das, was man Polarisation durch Wasserstoff nennt; man wird also die
rscheinung so deuten: wenn man auf mechanischem Wege die Be-
ihrungsfläche zwischen Quecksilber und saurem Wasser ver-
rössert, polarisirt sich dieselbe dadurch mit Wasserstoff."
Es wird gut sein, alsbald einem möglichen Irrthum zuvorzukommen,
elcher an dieser Stelle durch die gewählte ungenaue Ausdrucksweise ent-
ehen könnte. Unter Polarisation mit Wasserstoff darf nur eine katho-
ische Polarisation verstanden werden; ob bei dem erwähnten Vorgange
eier Wasserstoff an der Fläche erscheint, oder nur eine vorhandene ano-
sehe oder Sauerstoffpolarisation geringer wird, kann durch die Versuche
cht entschieden werden. Offenbar hat Lippmann die unausgesprochene
oraussetzung gemacht, dass die Berührungsfläche zwischen Quecksilber
id Säure an und für sich polarisationsfrei sei, und alsdann giebt es aller-
ngs für die beobachtete Verschiebung nach der kathodischen Seite keinen
ideren Ausdruck. Inzwischen hat sich in der Folge herausgestellt, dass ^j
e „natürliche" Grenzfläche zwischen Quecksilber und Säure allerdings einen
:>tentialunterschied in einem solchen Sinne besitzt, wie er einer anodischen
>larisation entsprechen würde; unter diesen Bedingungen ist man nicht
irechtigt, die bei der Vergrösserung der Fläche auftretende Verschiebung
;s Potentialunterschiedes zwischen den beiden Stoffen als eine Polarisation
it Wasserstoff zu bezeichnen.
„Darauf begründet sich ein recht frappanter Versuch, den man mit &
im Capillarelektrometer ausführen kann. Wenn man durch Anblasen oder
lugen mit dem Munde den Luftdruck über der Quecksilbersäule variiren
sst, so kann man ganz ohne Anstrengung die Quecksilbersäule in der feinen
Ditze in Bewegung setzen; dies aber nur so lange, als die metallische
:hliessung zwischen a und ß besteht. Wird diese aufgehoben, so wird
omentan das Quecksilber unbeweglich, wie festgefroren. Dies erklärt sich
: wenn man z. B. hineinbläst, so fängt die Quecksilberfläche an, sich zu
rgrössern, dabei polarisirt sie sich, und die Vergrösserung der Capillar-
mstante bedingt eine Vergrösserung des Capillardruckes, die für die Lunge
tüberwindlich ist. Das Entgegengesetzte findet beim Saugen statt."
In ausführlicherer und zum Theil auch methodisch abgerundeterer Ge-
ilt hat Lippmann dann seine Arbeit zwei Jahre später in französischer
>rache veröffentlicht;1 die Gesammtheit der von ihm untersuchten Er-
1 Ann. chim. phys. (5) 5, 494. 1875.
Ostwald, Elektrochemie. 65
t iTä
I026
Siebzehntes Kapitel.
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scheinungen fasst er in die beiden Gesetze zusammen, welche er auch mathe-
matisch formulirt:
„Die Oberflächenspannung an der Trennungsfläche zwischen
verdünnter Schwefelsäure und Quecksilber ist eine Function der
an dieser Fläche bestehenden elektrischen Differenz.
„Wenn man durch mechanische Mittel die Oberfläche ändert,
so ändert sich die elektrische Differenz dieser Oberfläche in sol-
chem Sinne, dass die zufolge des ersten Gesetzes entwickelte
Oberflächenspannung der Fortsetzung der Bewegung widerstrebt"
Von grosser Wichtigkeit ist noch, die Form der Function kennen zu
lernen, welche zwischen Oberflächenspannung und elektrischer Differenz be-
steht. In der beistehenden Fig. 254 ist der Verlauf nach Lippmann wieder-
gegeben; als Ab-
scissen sind die
elektrischen Span-
nungsunter-
schiede in Daniell-
Einheiten, als Or-
dinaten die Werthc
der Oberflächen-
spannung aufge-
tragen. Wie man
sieht, erreicht bei
dem Werthe von
von etwa 0,9 Da-
niell die Oberflächenspannung ein Maximum. Diese Thatsache wird sich
später als von grosser Bedeutung erweisen.
Was die mathematische Theorie anlangt, welche Lippmann von den
Vorgängen giebt, so ist sie rein formaler Natur und zeigt, in welcher Weise
unter der Voraussetzung, dass die Vorgänge umkehrbar sind (was sehr nahe
zutrifft) der Verlauf der Spann ungscurve mit den elektrischen Capacitäts-
grössen der Trennungsfläche zusammenhängt. Über die Art, wie die gegen-
seitige Beeinflussung der beiden Grössen zu Stande kommt, hat er sich nicht
geäussert.
Wie alle neuen und ungewohnten Dinge hatte auch die Entdeckung
Lippmann^s zunächst ziemlich eifrigen Widerspruch erfahren, doch vermochte
der Entdecker leicht, die Irrthümer seiner Gegner nachzuweisen. l Allerdings
ist durch diese Gegnerschaft wenigstens in Deutschland einige Zeit lang eine
eingehendere Beschäftigung mit diesen Sachen behindert worden, und noch
jetzt macht sich vielfach eine geringe Vertrautheit mit diesen schönen und
interessanten Erscheinungen geltend.
19. Die Theorie der Doppelschichten. In der bisher dargelegten
°'K_ °-5
0,9 1,0
Fig. 254. Nach Lippmann.
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i"
1
1 Wieü. Ann. 11, 316. 1880.
1
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. 1027
restalt scheint die von Lippmann untersuchte Erscheinung mit unserem
roblem, der Frage nach dem Betrage der Potentialunterschiede an der
rrenzfläche zwischen Metall und Elektrolyt, keinerlei Zusammenhang zu
aben. Dass thatsächlich ein solcher, und zwar in sehr inniger Weise be-
teht, ist dann durch Helmholtz nachgewissen worden.
Helmholtz* Arbeiten über diese Frage nehmen ihren Ausgang von
dnen Untersuchungen über die galvanische Polarisation. In weiterem
lusbau der von Varley und Maxwell betonten Ähnlichkeit einer Zer-
?tzungszelle mit einem Condensator von ungeheurer Capacität wurde er
azu geführt, nach den beiden Belegungen dieses Condensators zu fragen,
i seinen Studien über elektrische Grenzschichten vom Jahre 18791 stellte
r dann zuerst den Begriff der elektrischen Doppelschicht auf. Wenn
wei Leiter an einander grenzen, welche trotz der Berührung auf einem
erschiedenen Potential stehen, so muss an ihrer Grenzfläche eine An-
äufung freier Elektricitäten stattfinden, die an ihrem Ausgleiche durch die
rrsache gehindert werden, welche den Spannungsunterschied hervorgebracht
at. Solches findet z. B. an den Berührungsstellen der Metalle mit den
lektrolyten statt. Die beiderseits angehäuften entgegengesetzten Elektrici-
ten vermehren ihre Menge im umgekehrten Verhältnisse ihres Abstandes,
> dass das Produkt desselben gleich bleibt; die hierbei aufgehäufte Energie-
icnge ist proportional dem Quadrat des Spannungsunterschiedes und um-
kehrt proportional dem Abstände beider Schichten. Die Energiemenge
ürde also unendlich gross werden, wenn die beiden elektrischen Schichten
ch bei der Berührung der Stoffe unendlich nahe kämen; da es aber
nen Widerspruch enthält, dass an einer endlichen Menge Materie eine
nendliche Menge Energie enthalten sein könne, so muss die Entfernung
er beiden elektrischen Schichten eine endliche sein, und sie ergiebt sich
us der Messung der Capacität solcher Systeme, d. h. aus der Messung der
Jektricitätsmenge, welche zur Ladung eines polarisirbaren Systems zu
inem bestimmten Potential erforderlich ist. Die Beobachtungen geben für
iese Zahl Grössen, die um ein zehnmilliontel Millimeter sich bewegen
rgl S. 909).
Die Anwendung der Begriffe auf die von Lippmann untersuchten elek-
•ocapillaren Erscheinungen erfolgte bei Gelegenheit einer von Helmholtz
eranlassten Untersuchung über diesen Gegenstand. Während nach der
xperimentellen Seite diese von A. König durchgeführte Arbeit2 nicht ein-
'urfsfrei erscheint, da alle späteren Untersuchungen in Bezug auf einen
'ichtigen Punkt (die Gleichheit des Maximaiwerths der Oberflächenspannung
1 verschiedenen Elektrolyten) abweichende Verhältnisse gezeigt haben, so
edingen die von Helmholtz hinzugefügten Bemerkungen allerdings einen
rheblichen Fortschritt auch über den von Lippmann (S. 1027) erreichten
tandpunkt hinaus.
1 WiED. Ann. 7, 337. 1879. 8 Wied. Ann. 16, i. 1882.
65*
» . ■
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UE"
jQ2g Siebzehntes Kapitel.
Nach einigen Bemerkungen über das an einer polarisirten Fläche be-
stehende Gleichgewicht fährt Helmholtz fort:
„Dass wir bei wirklich ausgeführten Versuchen über galvanische Polari-
sation uns diesem Gleichgewicht bis auf eine fast verschwindend ldeine
Differenz genähert haben, erkennen wir daraus, dass die elektrische Be-
wegung, der vorher bestehende galvanische Strom aufhört, oder nur in
verschwindend kleinen Bruchtheilen seiner ursprünglichen Stärke bestehen
bleibe. Dem Potentialunterschiede, der dann noch zwischen mindestens
einer der Elektroden und der Flüssigkeit, meistens aber zwischen beiden
t Elektroden und der letzteren bestehen muss, wird an der Grenzfläche selbst
eine elektrische Doppelschicht entsprechen, wie eine solche sich nach den
allgemeinen Gesetzen der Elektricitätsvertheilung an jeder Fläche ausbilden
muss, an der ein Sprung im Werthe des Potentials stattfindet. Ich habe
schon früher nachgewiesen , dass die Grösse der Potentialdifferenz P durch
das Moment der Doppelschicht ;;/ gegeben ist, indem
P = 4^;«.
* r\ Unter Moment der Doppelschicht verstehe ich die Dichtigkeit der positiven
j . | Flächenbelegung, multiplicirt mit dem Abstände von der negativen Flachen-
belegung. Jede elementare Elektricitätsmenge in einer solchen Doppelschicht
wird abgestossen von der benachbarten gleichnamigen Menge derselben
Schicht, angezogen durch die entgegengesetzte der anderen Schicht. Da
aber die Theiie der eigenen Schicht näher sind, als die gleich grossen der
entgegengesetzten, und näher den tangentialen Richtungen in der Fläche
\A ili liegen, so wird die Abstossung in der Richtung der Fläche die Anziehung
überwiegen und in jeder mit einer Doppelschicht belegten Fläche muss die
;it - elektrostatische Kraft eine Dehnung der Fläche hervorzubringen streben.
Wenn also die elektrisirte Fläche eine capillare Contractionskraft von ge-
wisser Grösse hat, so wird die mit einer Doppelschicht belegte Fläche eine
Verminderung der capillaren Spannung zeigen müssen. Es wäre also unter
» fei; diesen Umständen zu erwarten, dass die capillare Spannung im unbeladenen
*mw. Zustande eine Maximum sein müsste.
„Nun haben wir es bei den polarisierten Elektrodenflächen offenbar mit
,,.«;' einer viel complicirteren Anordnung zu thun, da die Elektricität, welche im
^ I i : Elektrolyten sich anhäuft, nach Faraday's Gesetz jedenfalls ponderable Ionen
des Elektrolyten mit herangeführt hat. Aber die eben angestellte Betrachtung
lässt sich noch erheblich verallgemeinern auf einem Wege, der schon von
Herrn Lippmann eingeschlagen ist, wobei nur die Voraussetzung festgehalten
zu werden braucht, dass die Kräfte, unter deren Einfluss die Grenzschichten
sich bilden, conservative Kräfte seien, und die dabei eintretenden Änderungen
daher vollkommen reversibel. Das thatsächliche Vorhandensein der Rever-
sibilität dieser Processe ist durch die Versuche von Herrn Lippmann gleich-
zeitig grossentheiis bestätigt worden."
Helmholtz geht nun auf eine rechnerische Erörterung ein, indem er
die Arbeiten bestimmt, welche zur Vergrösserung einer mit einem Elektro-
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. I02Q
lyten in Berührung stehenden Elektrodenfläche erforderlich ist, und gelangt
dadurch zu der einfachen Gleichung, in der T die Oberflächenspannung,
P den Potentialunterschied und e die Dichtigkeit der Elektricität in der
Grenzfläche bedeutet
dT _
~dP — "" *'
*
„Letztere Gleichung sagt aus, dass für einen Grenzwerth der Oberflächen-
spannung T die Dichtigkeit der Elektricität a = o sein müsse. Ausserdem
zeigt die Gleichung, dass der absolute Werth der angesammelten Elektri-
cität « durch Messungen von T und P in absolutem Maasse gefunden
werden kann.
„Die Voraussetung, dass es conservative Kräfte sind, die das
Gleichgewicht an der polarisirten Fläche bestimmen, führt also
notwendig zu der Vorraussetzung, dass in diesem Zustande der
maximalen Spannung der Oberfläche die letztere frei von jeder
elektrischen Doppelschicht sei und dass eben dann auch kein
Potentialunterschied zwischen dem Quecksilber und der Flüssig-
keit bestehe. "Diese Folgerung kann durch weitere Versuche geprüft werden,
da man jede Ladung der Quecksilberfläche durch schnelle Vergrösserung
derselben, wie sie beim Abtropfen vorkommt, muss beseitigen können.
„Faraday's elektrolytisches Gesetz, dessen strenge Gültigkeit alle spä-
teren Versuche nur bestätigt haben, zeigt, dass, wo keine Elektrolyse möglich
ist, auch keine Elektricität vom Metall zum Elektrolyten oder umgekehrt
übergehen kann. Einen scheinbaren Widerspruch dagegen könnte man in
den bekannten älteren Versuchen über galvanische Ströme, die durch un-
gleichzeitiges Eintauchen zweier gleichartigen Elektroden in die gleiche
Flüssigkeit erregt werden, zu finden glauben. Diese zeigen allerdings, dass
sogar ohne vorangegangene Stromwirkung an der zuerst eingetauchten Platte
in den ersten Sekunden oder Minuten nach dem Eintauchen Veränderungen
vor sich zu gehen pflegen, welche den Potentialunterschied zwischen dem
Metall und der Flüssigkeit verändern.
„Das Quecksilber, als Elektrode angewendet, hat bei den hierherge-
hörigen Versuchen einen wichtigen Vortheil vor den festen Metalien. Seine
Berührungsfläche mit der Flüssigkeit ist dehnbar und kann beliebig ver-
kleinert oder vergrössert werden, und wenn man die oberflächlichen Theiie
des Quecksilbers sich in eine Reihe von Tropfen sammeln und abfallen lässt,
so können sich fortdauernd aus dem Inneren des reinen Metalles neue
Theiie an der Oberfläche entwickeln, die vorher weder mit der Luft, noch
mit der Flüssigkeit in Berührung gewesen waren. In der That hat auch
schon Hr. Quincke, wie mir scheint mit Recht, auf die Analogie der durch
schnell abtropfendes Quecksilber erregten Ströme mit denen aufmerksam
gemacht, welche bei festen Metallen durch ungleichzeitiges Eintauchen erregt
werden.
„Der Sinn dieser von selbst eintretenden Veränderung an der Oberfläche
1030
Siebzehntes Kapitel.
der neugebildeten Quecksilberoberfläche ergiebt sie
und Hrn. Quinckes Beobachtungen. Nach des letzte
Versuchen geht der positive Strom, der durch abl
unteren Theile des Elektrolyten wieder sammelndes Qi
in den bisher untersuchten Elektrolyten immer in de
den Quecksilbers, d. h, dass die sich unten sammelnd
deren Oberfläche die Schichten, die die Änderung
sich concentriren, hat positiveres Potential, als die
immer wieder erneuerte Fläche.
„Eine solche Potentialdifferenz erfordert eine elf
deren positive Hälfte im Inneren des unteren Qu«
dagegen, am Anion der Flüssigkeit haftend, in dei
durch ist der Sinn der elektrischen Ladung gegeben, w
Geschwindigkeit an der Oberfläche des Quecksilbers
schwindigkeit eine massige ist, folgt aus dem Umstar
Tropfenstrom schwache Potential unterschiede hervor!
wie Hr. Quincke gezeigt hat, bei wachsender Geschi
Stromes sich bald einem Maximum nähern, welches d
der Geschwindigkeit nicht mehr überschritten wird,
treten, sobald die neuen Theile der oberen Quecksi
Tropfen übergehen, dass sie sich nicht mehr merk]
sie abreissen, und daher die obere Fläche in vollstar
stände bleibt.
„Nach Faradav's Gesetz würde der hierbei vo
positiver Elektricität in das Metall nur vermittelst
finden, die einen Stoff beträfe, der eine noch geringt
tiven Elektricität hat, als das Quecksilber. Zunäc
atmosphärischen Sauerstoff zu denken, dem man, we
in der Flüssigkeit aufgelöst, ausreichende Verwandtscl
tricität zuschreiben könnte, um diese dem Quecksi
dafür positive an das Metall abzugeben. Die La
würde sich dadurch erklären, dass dieser gelöste Sa
Menge vorhanden ist, und nur langsam durch Dil
kann. . . . Wäre einer der in grösserer Menge vornan
Flüssigkeit an der Elektrolyse schuld, so würde wo!
der Ladung zweier sich berührender Flächen in
Zeitperioden zu Stande kommen können.
„Ich möchte aber die hier hingestellte Hypothes
solche anerkannt wissen. Für das Folgende genügt
sache, dass unter den bisher eingehaltenen Bedii
Quecksilber in Berührung mit elektrolytischer Flüssi
positiv gegen die Flüssigkeit ladet
„Die Langsamkeit dieser Ladung bei beschrän
übrigens viel auffallender in Hrn. Lippmann's Versuc
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. IOßl
elektrometer gezeigt, insofern der feine Quecksilberfaden desselben aus jedem
Grade der Ablenkung, wenn er so gut isolirt, als der Apparat das gestattet,
sich selbst überlassen bleibt, allmählich sich immer wieder einer bestimmten
Gleichgewichtslage nähert, die verschieden ist von der, die frisch abgetropftes
Quecksilber annimmt In der feinen Capillarröhre des LippMANN'schen In-
strumentes geschieht die Diffusion nur ausserordentlich viel langsamer, als
in den besprochenen Tropfapparaten, und braucht Stunden, während eine
unmittelbare elektrolytische Ausgleichung mit der Säure, falls eine solche
möglich wäre, im Querschnitt der Röhre ohne Verzögerung von Statten
gehen könnte.
„Daraus schliesse ich, dass wenn eine schnell abtropfende
und übrigens isolirte Quecksilbermasse durch die tropfende Spitze
mit einem Elektrolyten in Berührung ist, das Quecksilber und der
Elektrolyt kein verschiedenes Potential haben können. Denn
hätten sie es — wäre z. B. das Quecksilber positiv — so würde
jeder fallende Tropfen eine Doppelschicht an seiner Oberfläche
bilden, welche + E aus dem Quecksilber wegnähme und dessen
positives Potential immer kleiner und kleiner machte, bis es dem
der Flüssigkeit gleich wäre/'
Dieser letzte Satz ist nun, obwohl Helmholtz diesen Schluss nicht selbst
gezogen hat, der Ausgangspunkt der erwähnten wichtigen Entwicklung ge-
wesen. Durch den ganzen Streit über den Sitz der elektromotorischen Kraft
in der VoLTA'schen Kette zog sich die Schwierigkeit, dass eine Messung der
an den einzelnen Stellen der Berührung befindlichen Spannungen nicht zu
ermöglichen war, da bei jeder experimentellen Anordnung immer mehr Be-
rührungsstellen entstanden, als unabhängige Messungen ausführbar waren.
Der von den Gegnern der Contacttheorie an dem Condensatorversuch ge-
machte Einwand lässt sich gleichfalls in der Gestalt aussprechen, das dabei
die Voraussetzung gemacht ist, an den Berührungsstellen zwischen Metall
und Luft bestehe keine Spannung, was auf keine Weise bewiesen worden
ist Hier ist endlich ein Mittel gegeben, ein Metall und einen Elektrolyten
so zu verbinden, dass zwischen beiden kein Potentialunterschied besteht, und
dadurch wird das bis dahin vollkommen unzugängliche Gebiet der einzelnen
Spannungen zwischen verschiedenen Körpern der Messung zugänglich. Es
ist eine bemerkenswerthe Erscheinung, dass dieser wichtige Schluss weder
von Helmholtz selbst, noch von A. König, der sich unter Helmholtz' Leitung
mit Versuchen über den Gegenstand beschäftigte, gezogen worden ist. Dies
geschah erst fünf Jahre später durch W. Ostwald.
Im Anschluss an diese Darlegung theilt Helmholtz Versuche von
A. König mit, aus denen sich eine Bestätigung der oben gezogenen Schlüsse
ergiebt. Wenn eine schnell abtropfende Quecksiibermasse durch einen me-
tallischen Leiter mit einem Quecksilbertropfen verbunden wurde, der sich
in derselben Flüssigkeit befand, so nahm dieser das Maximum der Ober-
flächenspannung an, und seine Oberflächenspannung verminderte sich, wenn
io32
Siebzehntes Kapitel.
irgend eine elektromotorische Kraft zwischen geschaltet wurde, unabhängig
von der Richtung dieser. Ebenso ergab sich, dass, wenn eine vorhandene
Quecksilberobernäche plötzlich erneuert wurde, sie eine höhere Oberflächen-
spannung aufwies, als vorher. „Quecksilber, dessen Oberfläche seit längerer
Zeit mit einem lufthaltigen Elektrolyten in Berührung ist, wird also im allge-
meinen positiv geladen sein, und bedarf der Wasserstoffzuführung durch
einen kathodischen Strom, um in seiner Capillarspannung zuzunehmen. Das
ist der von Herrn Ltpfmann vorzugsweise beobachtete gewöhnliche FalL
Dehnung der Fläche verdünnt die vorhandene elektrische Doppelschicht der-
selben und vermindert dadurch den Potential unterschied zwischen Queck-
silber und Elektrolyten. Dadurch wird die vorhandene elektromotorische
Kraft der Zelle in dem Sinne geändert, dass ein anodischer Strom be-
günstigt wird. Jenseits des Maximums muss aber sich alles dies umgekehrt
verhalten."
20. Messung absoluter Potentialunterschiede. Nachdem Helm-
holtz die Sache bis unmittelbar an den Punkt geführt hatte, wo seine Über-
legungen die Möglichkeit ergaben, das alte Hauptproblem der VoLTA'schen
Kette zu lösen, Hess er sie ruhenj um nie mehr wieder auf sie zurück-
zukommen. Welches der Grund dieser Zurückhaltung war, lässt sich schwer-
lich vermuthen; im Zusammenhange damit mag gestanden haben, dass er
bis an sein Lebensende ein Anhänger der VoLTA'schen Theorie insofern
gewesen zu sein scheint, als er die nach der Condensatormethode gefundenen
grossen Potential unterschiede zwischen den Metallen für reell ansah, und sie
einer von den verschiedenen Metallen verschieden ausgeübten „Anziehung
für die Electricitat" zuschrieb.
Der erste Versuch, auf Grund der Überlegungen von Helmholtz in das
Problem der einzelnen Spann ungsunterschiede einzudringen, wurde dann von
Bichat und Blondlot1 gemacht. Indem sie ein LrppMANn'sches Capillar-
elektrometer mit zwei verschiedenen Flüssigkeiten füllten und für jede die
elektromotorische Kraft aufsuchten, durch deren Einschaltung das Queck-
silber bis zum Maximum derOberflächenspannung polarisirt wurde, ermittelten
sie die Potential unterschiede, welche im gewöhnlichen Zustande zwischen
diesen Flüssigkeiten und dem Quecksilber bestehen.* Aus je zwei so unter-
suchten Flüssigkeiten und zwei Elektroden von Quecksilber bildeten sie nun
eine Kette, und maassen deren elektromotorische Kraft. Da aus den vorigen
1 Comptes rendus 100, 791. 1885.
* Damit die angewandte elektromotorische Krad nur auf die zu untersuchende GranAachc
wirkt, nimmt man diese möglichst klein und begrenzt den Elektrolyten andererseits durch eint
recht grosse Quecksilberiläche, Bringt man nun zwischen beide Quecksilbermassen eine be-
stimmte elektromotorische Kralt, so wird durch die erfotgende Polarisation auf den beiden
Flachen eine gleiche Eleklricitatsmenge zugleich mit chemisch äquivalenten Mengen entgegen-
gesetzter Ionen ausgeschieden. Da aber die Potential anderung durch die Polarisation der pro
Flächeneinheit ausgeschiedenen Ionenmenge proportional ist (S. 908), so beträgt sie u B. nui
Vimo an ^cr flössen Elektrode, wenn diese 1000 Mal grösser ist, als die kleinere, was experi-
mentell sehr leicht in erreichen ist. Der Kunstgriff rührt von Lippmann her.
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. I033
Versuchen die Potentialunterschiede zwischen dem Quecksilber und den
Flüssigkeiten bekannt war, so konnten sie durch Abziehen dieser Werthe
von der der Gesammtkraft den Potentialunterschied zwischen den Flüssig-
keiten erhalten, auf dessen Bestimmung ihre Arbeit gerichtet war.
Die Erkenntniss indessen, dass in jenen Überlegungen von Helmholtz
in der That die Lösung der Hauptfrage vorhanden sei, wurde erst 1887
durch W. Ostwald1 ausgesprochen. Unter Benutzung des Ergebnisses von
le Roux und Edlund (S. 969), dass zwischen den Metallen keine Potential-
unterschiede von Belang bestehen, zeigte er, dass mittelst einer Queck-
silber-Tropfelektrode sich die Potentialunterschiede beliebiger Metalle und
Elektrolyte messen lassen, und bestimmte gleichzeitig mit einer Anzahl solcher
Grössen die Grenzen der Genauigkeit, innerhalb welcher auf diese Weise
die Messung ausfuhrbar war.
Aus der Mittheilung seien folgende Stellen angeführt:
„Die gebräuchlichen galvanometrischen und elektrometrischen Methoden
zur Bestimmung der elektromotorischen Kraft geben diese stets als eine
Summe von mindestens drei Potentialunterschieden, welche nicht in ihre
Bestandtheile aufgelöst werden kann. Den theoretischen Erörterungen über
den Sitz der elektromotorischen Kraft im galvanischen Element, sowie über
das Verhältniss zwischen chemischer und galvanischer Energie wird durch
diesen Umstand eine Schranke gezogen, welche sich wiederholt als im
höchsten Maasse hinderlich erwiesen hat.
„Das Problem ist offenbar ein fundamentales. Zu seiner Lösung sind
bereits einige Schritte geschehen; den letzten und entscheidenden hat man
bisher zu thun versäumt. Was zunächst die Potentialunterschiede an den
Berührungsstellen der Metalle anlangt, so hat Edlund sehr wahrscheinlich
gemacht, dass dieselben mittelst der PELTiER'chen Wirkung gemessen werden
können. Sie haben sich als sehr klein ergeben und übersteigen nach den
Messungen von le Roux meist nicht den Werth von wenigen Millivolts."
Nach einem Bericht über die Versuche von Bichat und Blondlot und
nach ihrer Bemerkung, dass das Verfahren mit dem Capillarelektrometer oft
dadurch unausführbar wird, dass das Quecksilber seine Beweglichkeit verliert,
heisst es weiter:
„Nachstehend werde ich eine Methode beschreiben, welche von diesem
Übelstande frei ist. Sie gestattet nicht nur Potentialunterschiede zwischen
Flüssigkeiten, sondern auch solche zwischen Flüssigkeiten und Metallen un-
mittelbar zu messen und ermöglicht dadurch die Beantwortung einer grossen
Reihe von Fragen, die bisher unzugänglich waren. Die Methode beruht auf
der Anwendung einer tropfenden Elektrode, welche schon vor langer
Zeit von W. Thomson zur Messung von Luftpotentialen angegeben worden
ist. Für Flüssigkeiten bedient man sich des Quecksilbers.
1 Festschrift der Polytechnischen Schule zu Riga, Riga 1887. — Ztschr. f. phys. Chemie
1, 583. 1887.
b
ig]. Siebzehntes Kapitel.
„In einer Untersuchung über elektrische Grenzschichten äussert sich
H. von Helmholtz (S. 1031): „„Daraus schHesse ich, dass wenn eine
schnell abtropfende und übrigens isolirte Quecksilbermasse durch
die tropfende Spitze mit einem Elektrolyten in Berührung ist, das
Quecksilber und der Elektrolyt kein verschiedenes Potential haben
können. Denn hätten sie es, wäre z. B. das Quecksilber positiv, so würck
jeder fallende Tropfen eine Doppelschicht an seiner Oberfläche bilden, welche
positive Elektricität aus dem Quecksilber wegnähme, und dessen positives
Potential kleiner und kleiner machte, bis es dem der Flüssigkeit gleich wäre.""
„Eine abtropfende Quecksilbermasse ist somit eine Elektrode,
mittelst deren man Flüssigkeiten mit dem Elektrometer ohne
Potentialänderung verbinden kann. Die Anwendung dieses Ergeb-
nisses auf die Messung einzelner Potentialunterschiede ist evident. Im Gegen-
satz zu allen anderen Elektroden bringt die Tropfelektrode keinen neuen
unbekannten Potentialunterschied in den Versuch und gestattet somit, jedes
von einer Flüssigkeit behauptete Potential direkt mit einer beliebigen Genauig-
keit zu messen.
„Dabei ist freilich vorausgesetzt, dass die Entladung des Quecksilbers
vollständig erreicht wird. In Berührung z. B. mit verdünnter Schwefel-
säure ladet sich Quecksilber zwar nicht absolut momentan, aber doch ziem-
lich schnell positiv. Durch die Tropfenbildung wird diese Ladung immer
wieder entfernt, und es wird sich aus dem Kampf zwischen Ladung und
Entladung ein Zustand zwischen beiden feststellen, der dem letzteren um so
näher kommt, je grösser die in der Zeiteinheit gebildete Tropfenoberfläche
im Verhältniss zu der sich ladenden Grenzfläche der Elektrode ist Durch
einen von A. König1 ausgeführten Versuch wird erwiesen, dass eine annä-
hernd vollständige Entladung durch eine Tropfelektrode erreicht werden
kann; innerhalb welcher Grenzen aber noch Ladung nachbleibt, geht aus
dem Versuch nicht hervor.
„In diesem Zustande befand sich die Angelegenheit, als ich (im April
18S6) den Plan fasste, Flüssigkeitspotentiale mittelst tropfender Quecksilber*
elektroden zu messen. Die Ausführung des Planes war unmittelbar davon
abhängig, wie weit auf diesem Wege eine Entladung der Elektroden iu
erzielen war.
„Ich begann damit, zwei Tropftrichter mit etwa 60 cm langen Röhren
mit Ausflussspitzen zu versehen und sie isolirt neben einander aufzustellen.
Die Ausflussspitzen waren so eng, dass das Quecksilber, womit die Trichter
gefüllt wurden, in Form eines Staubes austrat, wenn die Spitzen in eine
Flüssigkeit gebracht wurden. Ich liess beide Spitzen sich in derselben Flüssig-
keitsmasse entladen und verband das Quecksilber des einen Trichters mit
der Erdleitung, das des anderen mit dem Elektrometer. War die Entladung
eine vollständige, so musste das Elektrometer in Ruhe bleiben. Dies war
' „Wied. Ann. 16, 35. i88s."
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. 1035
im Allgemeinen nicht der Fall; beide Spitzen zeigten meist einen sehr merk-
lichen Potentialunterschied, bis zu 0,1 Volt
„Da das Quecksilber sich gegen die meisten Flüssigkeiten (es wurde
gewöhnlich verdünnte Schwefelsäure benutzt) positiv ladet, so folgt, dass die
Tropfelektrode, welche sich positiv gegen die andere zeigte, schlechter war
als diese. Die schlechtere Spitze wurde nun geändert; gelang es, sie zu
verbessern, so wurde sie meist besser, als die andere. Jetzt wurde diese in
Arbeit genommen und verbessert, und so abwechselnd weiter. Doch gelang
es mir nicht, auf diesem Wege zwei hinlänglich gleich wirkende Spitzen zu
erhalten; Unterschiede von einigen Hundertsteln Volt blieben bestehen und
liessen sich nicht beseitigen; auch änderte sich das Verhältniss zweier Spitzen
häufig während des Gebrauches.
„Um mich nun zu überzeugen, wie weit die Entladung vollständig war,
führte ich den Versuch von König in folgender Form aus. Ein LippMAXN'sches
Capillar-Elektrometer wurde mit verdünnter Schwefelsäure beschickt und mit
einem Tropftrichter leitend verbunden, welcher sich in verdünnter Schwefel-
säure von gleicher Beschaffenheit (aus demselben Vorrath) entlud. Das unten
angesammelte Quecksilber wurde mit der Erdleitung verbunden und der
Meniskus durch Anwendung des erforderlichen Druckes wieder an das Faden-
kreuz des Ablese-Mikroskops gebracht. Wenn ich jetzt zwischen den Tropf-
trichter und das Elektrometer positive oder negative elektromotorische Kräfte
einschaltete, so sank in beiden Fällen der Quecksilberfaden des Elektro-
meters. Dies geschah aber erst, wenn die elektromotorischen Kräfte ziemlich
bedeutend, 0,05 bis 0,1 Volt waren; innerhalb dieser Grenzen hatten sie gar
keinen Einfluss, obwohl das Elektrometer sonst noch 0,0002 Volt erkennen
Hess. Dieser Versuch zeigte also nur, dass die Entladung annähernd
erreicht war. Es Hess sich aber doch erkennen, dass die Entladung nicht
ganz voUständig war, denn bei Einschaltung positiver Kräfte wurde der
Quecksilberfaden viel eher in Bewegung gesetzt, als mit negativen Kräften.
Eine Verschiebung Hess sich schon bemerken bei + 0,05 Volt, aber anderer-
seits bei — 0,08 bis — 0,10 Volt.1
„So unbefriedigend der Versuch in dieser Form war, so lehrte er doch,
dass die Entladung der von mir angewandten Tropfelektroden noch nicht
vollständig erfolgte. Es begann nun für mich eine Reihe von Versuchen,
die Tropfelektroden zu verbessern, welche meine Geduld auf die härteste
Probe gestellt haben. Die einzelnen Stationen dieses langen Weges zu schil-
dern, würde zu weit fuhren; ich begnüge mich, die Form der Tropfelek-
troden zu beschreiben, welche ich schliesslich als die zweckmässigste erkannt
habe. Dieselbe ergab sich aus der Beobachtung, dass es für jede Ausfluss-
spitze von bestimmter Beschaffenheit einen bestimmten Druck giebt, bei
welchem sie sich am vollständigsten entladet; niedere, sowie auch höhere
Drucke bedingen eine Verschlechterung. Dieser kritische Druck (der sich
1 „Diese Beobachtungen zeigen deutlich die grosse Unemprindlichkeit der Methode von
Bichat und Blondlot (S. 141 )."
lO^ö Siebzehntes Kapitel.
innerhalb einiger Centimeter Quecksilber ohne Schaden ändern darf) ist um
so höher, je kleiner die Ausflussöffnung ist. Sucht man für mehrere gege-
bene Spitzen diesen Druck auf und vergleicht ihre Wirkungen, so überzeugt
man sich, dass man auf diese Weise ziemlich übereinstimmende Elektroden
erlangen kann. Dabei erweisen sich meist die feineren Spitzen, welche mit
höherem Druck arbeiten, als die besseren. Doch ist auch das Umgekehrte
zu beobachten, so dass ausser dem Querschnitt der Öffnung noch ihre
Form einen nicht unbedeutenden Einfluss auf die Güte der Elektrode hat . . .
„Ob die besten auf diesem Wege herstellbaren Tropfelektroden voll-
kommen genau das gleiche Potential annehmen, wie die Flüssigkeit, kann
nicht in Frage kommen, sondern nur, wie gross die unter allen Umständen
noch vorhandenen Unterschiede sind. Um dies festzustellen, suchte ich den
Versuch von A. König genauer zu gestalten. Während nämlich die elektro-
motorische Kraft, welche das Maximum der Oberflächenspannung erzielt,
innerhalb der Grenze von etwa 0,1 Volt wechseln kann, ohne dass jene
merklich verschieden ausfällt, kann man unter der wohlbegründeten Voraus-
setzung, l dass oberhalb und unterhalb des Maximums die Änderung der
Oberflächenspannung mit dem Potentialunterschied symmetrisch verläuft,
mit viel grösserer Genauigkeit jene zum Maximum gehörige elektromotorische
Kraft bestimmen. Man sucht zu diesem Zwecke je zwei zusammengehörige
Werthe der elektromotorischen Kraft auf, bei welchen die Oberflächenspan-
nung gleich gross ist; das Mittel aus beiden ist der gesuchte Werth."
Beim Vergleich der Versuchsergebnisse mit dem Capillarelektrometer
und der Tropfelektrode fand sich, dass beide zwar naheliegende, aber nie
identische Werthe gaben; die Trofelektrode blieb immer etwas zurück, wie
zu erwarten war, und zwar betrug der Unterschied durchschnittlich 0,05 Volt
und stieg in einzelnen Fällen auf 0,12 Volt an. Ostwald beschreibt ein
Verfahren, um durch Anwendung zweier Elektroden von verschiedener Güte
die erforderliche Correction zu ermitteln, und zeigt, dass sich dadurch der
Fehler auf durchschnittlich weniger als 0,01 Volt einschränken lässt. Indessen
soll auf diese Einzelheiten nicht eingegangen werden, da in der Folge die
Tropfelektroden so weit verbessert worden sind, dass solche Correctionen
nicht mehr erforderlich waren.
„Ehe ich zur Beschreibung der mittelst tropfender Elektroden unter-
suchten Erscheinungen übergehe, will ich noch einige gelegentlich während
der Vorarbeiten gemachte Beobachtungen und Messungen besprechen, an
die sich ein Interesse knüpft.
„Bekanntlich hat Lippmann gezeigt, dass die Oberflächenspannung zwi-
schen Quecksilber und einer elektrolytischen Flüssigkeit eine stetige Function
des dort herrschenden Potentialunterschiedes ist. Ist letzterer gleich Null, so
muss (nach Helmholtz) jene einen höchsten Werth annehmen, der von der
1 „Larmor, Philos. Mag. (5) 20, 426. 1885." (Es hat sich später erwiesen, dass die
Voraussetzung in vielen Fällen nicht zutrifft, indes fällt der dadurch bedingte Fehler hier nicht
ins Gewicht.)
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. I037
Natur der Flüssigkeit (bis auf secundäre Abweichungen) unabhängig ist. Ich
beobachtete die in der folgenden Tabelle gegebenen „natürlichen" Ober-
flächenspannungen, d. h. solche, welche sich ohne Anwendung äusserer
elektromotorischer Kräfte herstellten, indem ich die Quecksilbersäulen mass,
welche zur Einstellung des Quecksilberfadens auf den Nullstrich der Okular-
scala im Capillarelektrometer erforderlich waren; sie sind unter A verzeichnet.
Unter e stehen die elektromotorischen Kräfte, nach deren Einschaltung die
Oberflächenspannung den Maximalwerth annahm, unter B die zugehörigen
Quecksilberhöhen. Endlich sind unter e' und B' weitere Werthe von ein-
geschalteter elektromotorischer Kraft und zugehörigem Quecksilberdruck ver-
zeichnet:
Lösung
A
e
B
e
B'
B-B'
H«S04 = 2 1
485
870
640
370
575
67
„ = 20 1
489
880
640
380
598
42
„ = 200 1
502
890
642
390
604
38
H»P04 = 3I .
504
900
639
400
606
33
„ =30l
510
900
641
400
608
33
„ = 300 1
524
910
642
410
615
27
HCl = 1 1
547
590
638
90
579
59
„ = 10 1
561
590
642
90
589
53
„ = 100 1
564
650
644
150
605
39
HBr =» 10 1
534
570
639
10
547
92
„ = 100 1
547
530
644
30
580
64 .
„Die Werthe der der Oberflächenspannung proportionalen Quecksilber-
höhen sind in Millimetern gegeben, die der elektromotorischen Kräfte in
Millivolts. Mann sieht zunächst, dass die „natürlichen" Oberflächenspan-
nungen unter A sehr verschieden, von 485 bis 564 schwankend, sich er-
weisen. Bringt man dieselben auf das Maximum B, so verschwinden diese
Unterschiede fast völlig; die Werthe bewegen sich zwischen 638 und 644,
weichen also um nicht ganz ein halbes Procent vom Mittel ab. Dies ist
wohl als ein experimenteller Beweis für die Richtigkeit des Schlusses, zu
welchem v. Helmholtz auf theoretischem Wege gelangt war, anzusehen, dass
die fraglichen Maximalwerthe die eigentlichen, von secundären Einflüssen
befreiten Oberflächenspannungen sind. Die vorhandenen Unterschiede rühren
indessen nicht von Versuchsfehlern her, sondern von der verschiedenen Be-
schaffenheit der entsprechenden Lösungen, welche kleine Abweichungen der
beobachteten Art von vornherein erwarten Hessen. Denn die eigenen Ober-
flächenspannungen der verschiedenen Salzlösungen sind verschieden, und
demgemäss auch die an der Grenzfläche mit Quecksilber.
„Von grossem Interesse sind die folgenden Spalten. Die elektromoto-
risphen Kräfte e' betragen jedesmal 500 mv weniger, als die, welche den
Maximalwerth geben; die zugehörigen Oberflächenspannungen B' sind also
durch eine Polarisation von jedesmal 500 mv entstanden. Sie sind keines-
wegs gleich; die Unterschiede B — B' schwanken von 27 bis 92 mm. Die
gleiche Polarisation bewirkt also nicht eine gleiche Änderung der Ober-
1038
Siebzehntes Kapitel.
II
\ j;i
i ■
V'
i"
i I
flächenspannung, sondern eine von der Natur und Concentration der Lösung
in hohem Maasse abhängige. Die hier auftretenden Grössen stehen in engster
Beziehung mit den molekularen Dimensionen der polarisirenden Ionen und
können zur Bestimmung der letzteren dienen (S. 1028). Indessen soll an
dieser Stelle auf solche Anwendungen nicht eingegangen werden, da uns
dies zu weit vom Hauptgegenstande entfernen würde; ich begnüge mich mit
der Bemerkung, dass nach den vorstehenden Zahlen zwischen den moleku-
laren Distanzen der Doppelschichten bei verschiedenen Elektrolyten sehr
bedeutende Unterschiede bestehen."
Ostwald ging nun dazu über, das Verfahren auf die Messung der
Potentialunterschiede zwischen verschiedenen Metallen und Elektrolyten anzu-
wenden, indem er diese zusammenstellte, in den Elektrolyten eine Tropf-
elektrode brachte, und den zwischen dieser und dem Metalle vorhandenen
Spannungsunterschied mass. Von der Mittheilung der Zahlenwerthe soll
Abstand genommen werden, da sie später durch andere ersetzt worden sind.
Auch hier machten sich wieder die von allen Forschern in diesem Gebiete
beobachteten und beklagten Unregelmässigkeiten geltend, deren Quelle erst
später aufgedeckt worden ist.
Über die allgemeinen Ergebnisse werden die folgenden Bemerkungen
gemacht.
„Die Natur des Metalles hat auf die fraglichen Werthe offenbar den
grössten Einfluss. Zink und Cadmium werden in allen untersuchten Säuren
negativ, Kupfer, Antimon, Wismuth, Silber und Quecksilber in allen positiv;
Zinn, Blei und Eisen zeigen positive und negative Werthe von 0,1 bis 0,2 Volt
Im Mittel erhält Zink das Potential — 0,7 Volt, Cadmium —0,3, Zinn, Eisen
und Blei ± o, Kupfer + 0,3 bis 0,4, Wismuth + 0,4, Antimon + 0,3, Silber
4- 0,5 und Quecksilber + 0,8 Volt. Das ist ein Ausdruck der „Spannungs-
reihe" der Metalle in wässerigen Lösungen, welche im Grossen und Ganzen
von der Natur der letzteren nur in secundärer Weise beeinflusst wird, wenig-
stens so lange einigermaassen analoge Stoffe, d. h. solche, welche ähnliche
Reactionen auf die Metalle ausüben, in Betracht kommen.
„Die Natur der gelösten Säure hat indessen innerhalb dieser engeren
Grenzen eine sehr ausgeprägte Bedeutung. Insbesondere unterscheiden sich
die Halogenwasserstoffsäuren auf das deutlichste von den Sauerstoffsäuren,
welche eine gesonderte Gruppe für sich bilden.
„Ein Überblick über die Sauerstoffsäuren zeigt zunächst, dass bei den
meisten Metallen die beobachteten Werthe innerhalb der Grenzen von etwas
mehr als einem Zehntelvolt unabhängig von der Natur der Säuren sind.
Namentlich bei verdünnteren Lösungen tritt diese Beziehung ein, die nur in
einzelnen Fällen durch Ausnahmen durchbrochen wird.
„Die Halogenwasserstoffsäuren weisen besondere Verhältnisse auf, indem
sie untereinander und von den Sauerstoffsäuren viel mehr verschieden sind,
als die letzteren unter sich
„Auch für den Einfluss der Verdünnung lassen sich einige allge-
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. 1039
neine Gesetzmässigkeiten aufstellen. In bei weitem den meisten Fällen rücken
lie Zahlen mit steigender Verdünnung nach der negativen Seite: negative
Potentiale werden numerisch grösser, positive kleiner. Gleichzeitig nähern
rieh die mit verschiedenen Säuren erhaltenen Werthe einander mit zuneh-
mender Verdünnung, so dass vorhandene Unterschiede sich ausgleichen und
die oben erwähnten Gesetzmässigkeiten bei grosser Verdünnung genauer zu-
ireffen, als bei geringer.
„Ob der Einfluss der Verdünnung gross oder klein ist, hängt sowohl
tfon der Natur des Metalles, wie von der Säure ab. Zink, Eisen, Wismuth
sind Metalle, bei welchen die Verdünnung der Säuren grosse Veränderungen
in dem erwähnten Sinne mit sich bringt; bei Cadmium, Blei, Kupfer, Wis-
rnuth, Silber und Quecksilber sind die Werthe viel weniger veränderlich.
Insbesondere sind die Zahlen dann meist unabhängig von der Verdünnung,
wenn das Salz, welches durch die Einwirkung der Säure auf das Metall ent-
steht oder entstehen könnte, unlöslich ist.
„Regeln solcher Art, wie die eben angegebenen, rufen naturgemäss die
Frage nach ihrer Ursache, und nach der Ursache der vorhandenen Aus-
nahmen hervor; diese Frage aber fuhrt zu der weiteren, wodurch die beob-
achteten Potentialunterschiede überhaupt bedingt sind.
„Der alte Kampf zwischen der Contacttheorie und der chemischen Theorie
des Galvanismus ist gegenwärtig wohl ziemlich allgemein im Sinne H. Davy's
entschieden, wonach die Potentialdifferenz durch die Berührung chemisch
verschiedener Stoffe bedingt wird — der Contacttheorie entsprechend — ,
während die zur Unterhaltung des galvanischen Stromes erforderliche Energie
durch den chemischen Process beschafft wird, wodurch die chemische Theorie
zu ihrem Rechte kommt Nun wird aber durch das FARADAY^sche elektro-
lytische Gesetz eine ganz bestimmte Beziehung zwischen beiden Gebieten
gegeben, nach welcher die elektromotorische Kraft durch die Stromenergie
in eindeutiger Weise bestimmt wird: es wird somit die verfugbare chemische
Energie die mögliche und nothwendige elektromotorische Kraft bedingen.
Die frühere Annahme, dass sich die chemische Energie glattauf in elektrische
verwandle, ist von W. Gibbs, H. von Helmholtz, F. Braun und Anderen
als unhaltbar erwiesen worden; gegenwärtig weiss man, dass nur ein be-
stimmter Bruchtheil der chemischen Energie in elektrische verwandelbar ist.
„Der chemische Vorgang nun, welcher in dem untersuchten Falle mög-
lich ist, und wohl auch mehr oder weniger stattfindet, ist die Zersetzung
der Säurelösungen durch die Metalle unter Bildung der entsprechenden Salze
und unter Freiwerden von Wasserstoff, und es liegt die Frage vor, in welcher
Beziehung die Energieänderungen bei diesen Vorgängen zu den beobachteten
Potentialunterschieden stehen.
„Von Andrews ist schon vor langer Zeit der Satz ausgesprochen worden,
dass die Wärmetönung bei der Zersetzung einer Säure durch ein Metall nur
von der Natur des letzteren, nicht aber von der der Säure abhänge. Die
spätere Forschung hat den Satz als nicht vollkommen richtig erwiesen; der-
b
* *
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JO40 Siebzehntes Kapitel.
selbe ist nur annähernd wahr und erleidet in einigen Fällen bedeutende Aus-
nahmen. Der entsprechende galvanische Parallelsatz würde dahin lauten,
dass die elektromotorische Kraft zwischen Metall und Säure wesentlich von
der Natur des ersteren, und viel weniger von der der letzteren bedingt wird
Dies ist auch thatsächlich der Fall, wie oben hervorgehoben wurde. Die
Ausnahmen von ÄNDREws'schen Satze treten namentlich bei den Verbindungen
der Halogene, insbesondere mit Silber und Quecksilber auf, wo gleichfalb
die Potentialunterschiede sich unregelmässig verhalten.
„Aber noch weiter gehen die auf den ersten Blick zu erkennenden
Analogien. Von den untersuchten Metallen zersetzten Zink, Cadmium, Eisen
und allenfalls Zinn die wässerigen Säuren unter Wärmeentwickelung, die
fl | übrigen würden dagegen hierzu Wärme verbrauchen, wenn der Vorgang
stattfände. Von den zuerstgenannten Metallen werden die beiden ersten
immer, die beiden anderen meist negativ in Säuren, die anderen, Kupfer,
Wismuth, Antimon, Silber und Quecksilber, nehmen ein positives Potential
an. Es steht also offenbar das Zeichen der Wärmetönung des wirklichen
l 1 * oder möglichen chemischen Vorganges in engster Beziehung zu dem Zeichen
i\ l der elektrischen Differenz.1"
\ Ostwald führt nun einen zahlenmässigen Vergleich zwischen den ge-
*1 » messenen Potentialunterschieden und den aus den Wärmeströmungen be-
rechneten Werthen, und fährt fort:
„Wie man sieht, stimmen in den seltensten Fällen die beobachteten
elektromotorischen Kräfte mit den aus den Wärmetönungen berechneten
numerisch überein, während ein Parallelgehen in den meisten Fällen un-
zweideutig vorhanden ist. Man könnte fragen, ob nicht die früher erwähnte
Unvollkommenheit in der Entladung der Tropfelektrode die Ursache davon
ist. Doch sind fast alle berechneten elektromotorischen Kräfte kleiner (oder
negativ grösser) als die beobachteten; die Fehler der Tropfelektrode aber
liegen im entgegengesetzten Sinne. . . .
„Man könnte ferner die Annahme machen, dass die in Betracht zu
ziehende Reaktion nicht die Ausscheidung von molekularem Wasserstoff, H«,
sei, sondern die von einzelnen Wasserstoffatomen. Da durch die Ver-
bindung von Wasserstoffatomen zu Molekeln unzweifelhaft Wärme entwickelt
wird, so würde der Ausscheidung des atomistischen Wasserstoffes eine ge-
ringere positive Wärmeentwickelung, resp. ein grösserer Wärmeverbrauch
entsprechen. Dadurch würden allerdings die beobachteten und die be-
rechneten Zahlen einander näher rücken. Indessen ist die freilich nur erst
ziemlich hypothetisch bestimmte Verbindungswärme der Wasserstoffatome %
so gross gefunden worden (rund 1000 K für 1 g Wasserstoff), dass überhaupt
keines der untersuchten Metalle unter dieser Annahme negative Potentiale
zeigen könnte.
1 „Lehrbuch der Allg. Chemie, Bd. II. Leipzig i88;.4t
* „K. Wieüemanx, WiED. Ann. 18, 509. 1883."
1
Die elektrochemischen Spannungserscheinungen. 1041
„Auch müssten dann die in der letzten Spalte verzeichneten Differenzen
constante Werthe zeigen, was bei weitem nicht der Fall ist.1
„Die vorstehenden Zahlen sind somit auch in ihrer Art eine Bestätigung
des Satzes, dass die chemische Energie nicht völlig in elektrische übergehen
kann. Demgemäss bietet der Fall, wo bei der Reaktion zwischen Säure
und Metall Wärme frei wird, dem Verständniss weiter keine Schwierigkeit:
statt der Potentialdifferenz, welche der ganzen chemischen Energiedifferenz
entspricht, erscheint nur ein Bruchtheil davon. Der andere Fall aber, wo
das Zeichen der Wärmetönung und dem entsprechend das Zeichen der
Potentialdifferenz sich umkehrt, ist viel schwieriger zu verstehen. Der ent-
sprechende chemische Vorgang wäre nicht eine Bewegung des Säureradikals
zum Metall, sondern eine Entfernung desselben; nicht eine Bildung, sondern
eine Zerlegung des Metallsalzes mit Hilfe von freiem Wasserstoff.
„Ein derartiger Vorgang findet nun in wägbarem Maasse sicher nicht
statt. Doch braucht man deshalb diese Betrachtung nicht von der Hand
zu weisen, da die Potentialdifferenz eben nicht durch den wirklich statt-
findenden, sondern so zu sagen durch den potentiellen Vorgang, durch die
Natur der sich berührenden Stoffe bedingt wird. Die in allen Lösungen
von Elektrolyten nach der wohlbegründeten Annahme von Clausius vor-
handenen freien Ionen können auch den erwähnten Vorgang in unwägbarem
Maasse bedingen. Doch muss freilich zugestanden werden, dass diese Vor-
stellungen noch nicht zu genügender Klarheit durchgearbeitet sind, um eine
befriedigende Darstellung der Erscheinungen zu geben.
„Etwas anschaulicher gestalten sich molekulare Betrachtungen. Nach
dem FARADAY'schen Gesetz sind zwar die jeder Valenz entsprechenden
Elektricitätsm engen an den Ionen gleich gross; die Erfahrung verlangt
aber den Zusatz, dass das Potential dieser Elektricitätsmengen bei der
Wechselwirkung der Ionen sehr verschiedene Werthe haben kann. Bilden
sich nun an der Berührungsstelle des Elektrolyts mit dem Metall die elek-
trischen Doppelschichten aus, so wird es von dem Werth der Potentiale
der verschiedenen in Wechselwirkung tretenden Ionen (Metall, Säureradikal,
Wasserstoff) abhängen, welches Potential das Metall zeigen wird. Hierdurch
erscheint insbesondere der Wechsel des elektrischen Zeichens mit dem
Wechsel der Reaktionswärme erklärlich.
„Ich habe die hypothetischen Veranschaulichungen der oben mit-
getheilten Beobachtungen absichtlich in grösster Kürze angedeutet Bei
dem ungeheuren Umfang des neuerschlossenen Gebietes und der fast völligen
Unbekanntschaft mit den Hauptpunkten desselben ist in erster Linie eine
weitere experimentelle Durchforschung desselben von Nöthen; die theo-
1 „Durch Bestimmung der Temperaturcoefficienten, mit welchen die untersuchten Potential-
unterschiede behaftet sind, würden sich die zugehörigen AVärmetönungen gemäss der v. Helm-
HOLTz'scben Theorie ermitteln lassen. Ich habe noch nicht die Zeit gefunden, entsprechende
Untersuchungen auszufuhren."
Ostwald, Elektrochemie. 66
1042
Siebzehntes Kapitel. Die elektrochemischen Spannungserscheinungen.
retische Nachkonstruktion darf nicht in die Einzelheiten gehen, bevor diese
selbst mannigfaltig und sicher genug festgestellt sind."
Die letzten Theile dieser Darlegungen geben manchen Bemerkungen
Raum und dürfen keinen Anspruch erheben, eine befriedigende Erklärung
der beobachteten Erscheinungen zu enthalten. Sie sind mitgetheilt worden,
um an einem weiteren Beispiele die Unsicherheit zu zeigen, welche vor der
Aufstellung der Theorie von Arrhenius in der Beurtheilung fast aller elektro-
chemischen Verhältnisse herrschte. In dem gleichen Hefte der Zeitschrift
für physikalische Chemie, in dem diese Abhandlung abgedruckt war, ist die
Arbeit enthalten, die die Grundlage aller weiteren Fortschritte in unserem
Gebiete bildet, und von der aus auch die hier beschriebenen Vorgänge ihre
sachgemässe Aufklärung gewonnen und ihre eigentliche Fruchtbarkeit ent-
faltet haben.
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Fig. 255. Hermahn Helmholtz. (Bildniss aas den achtziger Jahren.)
Achtzehntes Kapitel.
Einzelne Fortschritte der Elektrochemie
bis zur Aufstellung der Theorie der elektrolytischen
Dissociation.
1. Allgemeines. Ähnlich wie die Aufstellung des Gesetzes von der
Erhaltung der Energie einen plötzlichen und bedeutenden Fortschritt in
dem Verstandniss der elektrochemischen Erscheinungen bewirkte, fand eine
wesentlich veränderte und verallgemeinerte Auffassung in diesem Gebiete durch
die Aufstellung der Theorie der elektrolytischen Dissociation statt. Auch sind
beide Epochen insofern ähnlich, als sie durch eine Anzahl einzelner Fort-
schritte und theilweiser Erkenntnisse vorbereitet sind, welche dem rückwärts-
schau enden Auge des Geschichtsforschers wie ganz unmittelbare Annähe-
rungen an den Hauptpunkt des Fortschrittes erscheinen und leicht den
Eindruck erwecken, als sei der schliesslich entscheidende Schritt nur ein
sehr kleiner gewesen. Um sich hiervon ein richtiges Bild zu verschaffen,
braucht man indessen nur auf die unmittelbare Wirkung zu achten, welche
eben dieser Schritt hervorbringt: der mehr oder weniger eifrige Widerspruch
1044 Achtzehntes Kapitel.
der Zeitgenossen pflegt darüber keinen Zweifel zu lassen, wie lebhaft der
Gegensatz des neuen Gedankens zu dem üblichen Anschauungskreise em-
pfunden wird.
Dem entsprechend sind es zwei Leitmotive, die sich aus dem Chorus
der „Merker", der Vertreter des jeweils orthodoxen Anschauungskreises, bei
bedeutenden Fortschritten immer wieder heraushören lassen. Zunächst
wird der Vorwurf der Neuerung, des Widerspruchs gegen „anerkannte
Wahrheiten" erhoben, indem als Grundlage für das verwerfende Urtheil
gewöhnlich die Giltigkeit derjenigen Ansichten angenommen wird, welche
durch die neue Einsicht als unzureichend gekennzeichnet werden. Hat sich
dann dieses Stadium erfolgreich überwinden lassen, so ertönt die zweite
Weise: die Sache ist nicht neu. Dann werden jene früher erwähnten Vor-
stufen zu dem entscheidenden Schritte hervorgesucht, und es wird klärlich
bewiesen, dass man schon lange so weit war. Erst nachdem auch diese
Stufe überwunden ist, tritt die unbefangene, streng abwägende geschichtliche
Einschätzung in ihre Rechte und giebt Jedem das Seine.
Aus diesem Grunde ist es nöthig, bevor wir an die Schilderung des
letzten und wichtigsten Kapitels unserer Geschichte gehen, noch einmal die
einzelnen Fäden aufzunehmen, die in den früheren Kapiteln angesponnen
sind, und sie bis zu dem Punkte zu verfolgen, wo sie in das Gewebe der
heutigen Elektrochemie übergegangen sind. Wir werden dadurch in den
Stand gesetzt, einerseits wahrzunehmen, wie schwierig, ja unmöglich es war,
innerhalb des älteren Anschauungsgebietes zu der einfachen Auffassung der
Erscheinungen, zu der wissenschaftlichen Beherrschung des täglich anwachsen-
den Thatsachenvorrathes zu gelangen, und andererseits, wie unwiderstehlich
eben diese Thatsachen auf jene allgemeinen Auffassungen hindrängten, deren
klarer Ausspruch im Jahre 1887 erfolgte. Ein besonderes eindringliches
Beispiel bot uns bereits die Lehre von der elektrolytischen Leitfähigkeit;
S andere finden sich in den Kapiteln über den Sitz der elektromotorischen
Kraft und den inneren Vorgang der VoLTA'schen Kette, und noch an vielen
anderen Punkten. Der Eindruck der Zusammenhangslosigkeit, welchen diese
vorbereitende Übersicht nothwendig machen muss, giebt den Zustand der
J Wissenschaft in jener Zeit vollkommen sachgemäss wieder, und bietet den
passenden Hintergrund für das geschlossene und einheitliche Bild, welches
uns die heutige Elektrochemie Dank jenem grossen Fortschritt gewährt.
Derartige Zustände in der Wissenschaft bringen häufig alsbald das Hilfs-
mittel hervor, welches in Ermangelung einer zusammenfassenden Theorie
die Bewältigung des Thatsachenmateriales ermöglicht: die sachgemässe litte-
rarische Verarbeitung desselben. So besitzen wir auch in dem Gebiete der
Elektrik ein Werk, welches der Wissenschaft in solchem Sinne sehr be-
: 1 deutende Dienste geleistet hat, und welches in seinen aufeinanderfolgenden
j \ Auflagen seit dem Jahre 1861 jeweils ein sehr vollständiges Bild von dem
Thatsachenbestand des Galvanismus gegeben hat. Es ist dies die von
Gustav Wiedemann 1861 zum ersten Male herausgegebene, gegenwärtig in
11
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. Einzelne Fortschritte der Elektrochemie u. s. w. 1045
vierter Auflage erscheinende „Lehre vom Galvanismus und Elektromagnetis-
mus'^ welche in der dritten Auflage zu einer Lehre von der Elektricität
erweitert wurde. Es war dies lange fast das einzige Werk, aus welcher über
die Thatsachen der Elektrochemie Zusammenhängendes zu erfahren war,
und ist auch noch gegenwärtig, was die Zusammenstellung des erfahrungs-
massigen Materiales anlangt, an Vollständigkeit und Zuverlässigkeit nicht
übertroffen. Durch diese Eigenschaften gewähren die in den aufeinander-
folgenden Auflagen enthaltenen Darstellungen des experimentellen wie
des theoretischen Zustandes der entsprechenden Perioden ein vorzügliches
Bild für die stufenweise Entwicklung des Gebietes und sind eine un-
schätzbare Fundgrübe litterarischer Nachweise für jeden Arbeiter und Schrift-
steller in der Elektrik.
2. Die elektrolytische Abscheidung der Leichtmetalle. Der von
Davy so erfolgreich betretene Weg der elektrolytischen Reduktion der Leicht-
metalle (S. 206) führte zunächst nicht weiter, als bis zur Herstellung von
Kalium und Natrium; von ihm und seinen Zeitgenossen finden sich zwar
einige Mittheilungen, nach denen auch die Metalle der alkalischen Erden
reducirt sein sollen, indessen handelt es sich hier nur um die Amalgame
und die reinen Metalle sind nicht dargestellt worden. Der erste weitere
Schritt wurde dann fast ein halbes Jahrhundert später durch Robert Bunsen
gethan, ' welcher das Magnesium aus dem geschmolzenen Chlorid darstellen
lehrte. „Geschmolzenes Chlormagnesium wird so leicht durch den Strom
zersetzt, dass man daraus in kurzer Zeit mit wenigen Kohlenzinkelementen
einen mehrere Gramm schweren
Metallregulus erhalten kann. . . .
„Als Zersetzungszelle dient ein
ungefähr 31/1 Zoll hoher und 2 Zoll
weiter Porzellantiegel (Fig. 256), der
durch ein bis zur halben Tiefe hin-
einreichendes Diaphragma aa in
zwei Hälften getheilt ist, in deren
einer das abgeschiedene Chlor auf-
steigt und von dem in der anderen
abgesetzten Magnesium fern gehal-
ten wird. Das Diaphragma lässt sich
aus einem dünnen Porzellan decke 1
herstellen, den man mittelst eines
Schlüsseleinschnittes wie Glas leicht
brechen und in die passende Gestalt bringen kann. Der Tiegel wird mit
einem aus einem gewöhnlichen Ziegelstein gefeilten, doppelt durchbohrten
Deckel (Fig. 257) bedeckt, durch welchen die beiden Pole cc gesteckt sind.
Man feilt diese Pole aus derselben Masse, woraus die Cylinder der Zink-
1 Ann. d. Chemie und Pharm.
\qa,6 Achtzehntes Kapitel.
Kohlenketten gefertigt werden; dies gelingt ohne Schwierigkeit, da diese
Kohlenmasse eine solche Beschaffenheit hat, dass sie sich bohren, drechseln,
feilen, und selbst mit Schraubengewinden versehen lässt. Zur Befestigung
der Kohlenpole im Deckel dienen die Kohlenkeile dd, zwischen welchen man
auch die beiden Platinstreifen zur Zu- und Ableitung des Stromes einklemmt
Die sägeförmigen Einschnitte am negativen Pole sind zur Aufnahme des
reducirten Metalles bestimmt, welches in Gestalt eines Regulus darin haften
bleibt. Ohne diese Vorrichtung würde dasselbe in der specifisch schwereren
Flüssigkeit aufsteigen und an der Oberfläche theilweise wieder verbrennen.
Man beginnt den Versuch damit, dass man den Tiegel sammt seinem Deckel
mit den darin befestigten Polen bis zum Rothglühen erhitzt, mit geschmol-
zenem Chlormagnesium bis an den Rand vollgiesst, und dann die Kette
in dem soeben angedeuteten Sinne schliesst. Um aber die zu jeder Zeit
des Versuches reducirte Menge Magnesium und den Gang der Operation
verfolgen zu können, muss die Stromstärke mittelst einer eingeschalteten
Tangentenbussole von Zeit zu Zeit beobachtet werden. Nennt man den
Radius des Bussolenringes in Millimetern gemessen R, T die absolute
Intensität der horizontalen Componente des Erdmagnetismus, und q> den
Ablenkungswinkel der Nadel, so ist bekanntlich die absolute Intensität des
Stromes J= — tgqp. Ist ferner w das elektrochemische Äquivalent des
Wassers, d. h. die in Milligrammen ausgedrückte Wassermenge, welche in
der Sekunde durch die Stromeinheinheit zersetzt wird, so ist die in der
Zeit t durch den Strom J zersetzte Wassermenge *£<?• In diesem
Ausdrucke ist T je nach der Zeit und dem Orte der Beobachtung variabel,
und bedarf daher einer besonderen Bestimmung. Da aber das elektro-
chemische Äquivalent des Wassers mit grosser Schärfe ermittelt ist, so lässt
sich mit Hülfe desselben der Werth von T oder die Intensität des horizon-
I J talen Theiles des Erdmagnetismus durch einen einfachen Versuch leicht
\ finden, bei welchem man nur die Wassermenge w zu bestimmen hat, welche
ein mit einer WEBER'schen Tangentenbussole gemessener Strom in der Zeit /
zersetzt."
Bunsen beschreibt nun eingehender seine zu solchem Zweck angestellten
Versuche, weiche die allerersten elektrochemischen Arbeiten sind, bei denen
die benutzten Stromstärken in absolutem Maasse angegeben sind, und giebt
auch für einen Reduktionsversuch mit Chlormagnesium die entsprechenden
Angaben. „Die dieser Stromquantität entsprechende Menge reducirten Mag-
nesiums beträgt daher 4,096 g. Der wirklich erhaltene Regulus wog aber
im mit Einschluss der kleineren abgeschiedenen Metallkörner nur 2,450 g, also
■ ungefähr 3/6 der theoretischen Menge. Diese Differenz muss ausserordentlich
■ gering erscheinen, wenn man erwägt, dass ein Theil des reducirten Metalles
als feinzertheiltes Pulver im Chlormagnesium zurückbleibt, ein anderer Theil
aber auf Kosten des an der Anode abgeschiedenen Chlors wieder ver-
brennt. . . .
i
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Einzelne Fortschritte der Elektrochemie u. s. w.
IO47
„Nach der Leichtigkeit, mit der das Magnesium durch den Strom ab-
geschieden wird, hätte man erwarten sollen, dass auch Baryum, Calcium
und Strontium sich auf demselben Wege würden darstellen lassen. Allein
die Zersetzungen der Chlorüre und Jodüre dieser Metalle bieten sehr sonder-
bare Erscheinungen und Schwierigkeiten dar, auf die ich in einer späteren
Arbeit zurückkommen werde."
Von den versprochenen weiteren Mittheilungen sind zunächst solche
über die Herstellung des Aluminiums1 von Bunsen veröffentlicht worden.
Nach der Bemerkung, dass er sich in seiner ersten Abhandlung weitere
Mittheilungen vorbehalten habe, fährt er fort: „Obgleich Hr. Deville sich
seitdem mit demselben Gegenstande und namentlich mit der Bereitung des
von Wöhler entdeckten Aluminiums im Grossen beschäftigt hat, scheint
mir dessenungeachtet eine kurze Mittheilung des Verfahrens nicht überflüssig,
durch welches man nach der von mir angegebenen Methode das Aluminium
in grösseren regulinischen Massen und zwar leichter noch als das Magnesium
gewinnen kann, wenn man sich zur Reduktion eines der bekannten Doppel-
chlorüre des Aluminiums bedient, welche die zur Elektrolyse nöthige Schmelz-
barkeit zeigen."
Bunsen schildert nun zunächst ein bequemes Verfahren, um durch Er-
hitzen von mit Kohle gemischter Thonerde im Chlorstrome beliebige Mengen
Chloraluminium zu bereiten. „Wird die so erhaltene Chlorverbindung mit
Kochsalz zu gleichen Atomen in einer Digerirflasche erwärmt, so erhält man
das bekannte, weit unter 2000 schmelzbare Chloraluminium -Natrium, aus
dem das Aluminium nach der in meiner Arbeit über das Magnesium an-
gegebenen Methode reducirt werden kann. Da sich das Metall bei niederer
Temperatur pulverförmig ausscheidet, so trägt man während der Elektrolyse
allmählich so viel pulverisirtes geschmolzenes Kochsalz in die Mischung ein,
dass man die Temperatur endlich beinahe bis zum Schmelzpunkt des Silbers
steigern kann. Nach beendigtem Versuch findet man in der erkalteten
Chlorverbindung das Metall in grossen regulinischen Kugeln, die man durch
Eintragen in weissglühend geschmolzenes Kochsalz, in dem sie untersinken,
zu einem Regulus zusammenschmelzen kann, der sich leicht zu quadratzoll-
grossen Blechen aushämmern lässt."
Zum Schluss erwähnt Bunsen, dass sich sein Schüler Dr. Matthiessen
aus London mit der Abscheidung des Natriums, Calciums u. s. w. beschäftige
und bereits günstige Ergebnisse erhalten habe. Die ausführliche Mittheilung8
erschien im Jahre 1855; sie enthält eine Anzahl technischer Einzelheiten
von Interesse; auch erwies sich, dass die früheren Beobachter reines Calcium
nicht in Händen gehabt hatten, da seine Eigenschaften andere waren, als
die beschriebenen. Prinzipiell Neues ist indessen hier nicht zu erwähnen.
Sowohl bei Bunsen wie bei seinem Schüler spielt ein von dem ersteren
1 Pogg. Ann. 92, 648. 1854.
• Ann. der Chemie und Pharm. 93, 277. 1855.
IO48 Achtzehntes Kapitel.
. 1
aufgestellter Satz, dass mit der Dichte des Stromes seine Kraft, Verwandt-
schaften zu überwinden, zunimmt, eine grosse und nicht ganz sachgemässe
Rolle. Die viel erörterte Stelle1 lautet:
„Den wichtigsten Einfluss auf die chemischen Wirkungen übt die
Dichtigkeit des Stromes aus, d. h. die Stromstärke, dividirt durch die
Polfläche, an der die Elektrolyse erfolgt. Mit dieser Dichtigkeit wächst die
Kraft des Stromes, Verwandtschaften zu überwinden. Leitet man z. B. einen
Strom von gleichbleibender Stärke durch eine Lösung von Chromchlorid in
Wasser, so hängt es von dem Querschnitt der reducirenden Polplatte ab,
ob man Wasserstoff, Chromoxyd, Chromoxydul oder metallisches Chrom
erhält. Ein nicht minder erhebliches Moment bildet die relative Masse der
Gemengtheile des vom Strome durchflossenen Elektrolyten. Vermehrt man
z. B. bei stets gleichbleibender Stromstärke und Poloberfläche den Chrom-
chlorürgehalt der Lösung, so erreicht man bald einen Punkt, bei welchem
die Chromoxydulausscheidung von einer Reduktion des Metalles begleitet
und endlich von dieser ganz verdrängt wird."
Diese Beobachtungen sind noch heute von grösster Bedeutung für die
elektrolytische Abscheidung leicht oxydirbarer Metalle; ihre Deutung beruht
auf der Frage der sogenannten Nebenreaktionen. Die Stromleitung
wird in dem besprochenen Falle so gut wie ausschliesslich von den Chrom-
ionen besorgt. Findet die elektrolytische Ausscheidung langsam an einer
grossen Elektrode statt, so hat das ausgeschiedene Metall Zeit, sich auf
Kosten des Wassers zu oxydiren, oder besser gesagt, es scheidet sich statt
des Metalles Wasserstoff ab; dabei muss die Lösung basisch werden, da an
der Anode eine äquivalente Menge Chlor entweicht. Je grösser die Strom-
dichte wird, um so weniger kann diese Nebenreaktion stattfinden, und man
gelangt so zu einer Grenze, bei der das Ion, welches die Leitung bewerk-
stelligt, sich auch allein an der Elektrode abscheidet.
3. Elektrolyse organischer Verbindungen. Während in den
Arbeiten von Daniell (S. 614) der wohlgelungene Versuch gemacht worden
war, in die Constitution der gelösten anorganischen Elektrolyte durch die
Untersuchung der Ergebnisse der elektrolytischen Zersetzung einzudringen,
wurde ein ähnlicher Schritt bezüglich der organischen Verbindungen von
Kolbe2 versucht. Kolbe hatte früher3 beobachtet, dass der galvanisch aus-
geschiedene Sauerstoff eine besonders starke oxydirende Wirkung ausübt,
und gedachte sich der zerlegenden Wirkung des Stromes in dem folgenden
Falle zu bedienen:
„Von der Hypothese ausgehend, dass die Essigsäure eine gepaarte
Oxalsäure sei,4 welche Methyl als Paarung enthält, hielt ich es jenen nicht
1 Pogg. Ann. 91, 619. 1854.
2 Ann. der Chemie und Pharm. 69, 257. 184Q.
8 Mein, and Proc. of the Chemical Society 3, 285. 185 1.
4 Zur Erklärung dieser Auffassung diene, dass damals die Formel der Oxalsäure als die
Hälfte der gegenwärtigen geschrieben wurde, und daher mit dem zusammenfiel, was wir jetzt
Einzelne Fortschritte der Elektrochemie u. s. w.
IO49
für unwahrscheinlich, die Elektrolyse möchte eine Spaltung derselben in ihre
beiden zusammengepaarten Bestandtheile etwa in der Weise bewirken, dass
infolge gleichzeitiger Wasserzersetzung am positiven Pole Kohlensäure als
Oxydationsprodukt der Oxalsäure, am negativen eine Verbindung von Methyl
mit Wasserstoff, nämlich Grubengas, auftreten. Die vermuthete Zersetzung
ist, wie sich aus den nachstehenden Versuchen ergiebt, zwar nicht genau in
dem ausgesprochenen Sinne erfolgt, aber die Resultate sind darum nicht
minder interessant, und dürften eine noch grössere Beachtung verdienen,
da sie uns die Aussicht eröffnen, durch die elektrolytische Zersetzung orga-
nischer Verbindungen über ihre chemische Constitution wichtige Aufschlüsse
zu erhalten."
Die Versuche, welche Kolbe anstellte, betrafen hauptsächlich das Ka-
liumsalz der Valeriansäure. Bei der Elektrolyse entstand Kohlensäure,
Wasserstoff, ein riechendes kohlenstoffhaltiges Gas und schliesslich ein flüs-
siger Kohlenwasserstoff, der Valyl genannt wurde, nebst einer geringen
Menge eines Esters. Von diesen Produkten erschien an der Kathode nur
Wasserstoff, alle anderen an der Anode. Von einer Zerlegung der Säure in
dem angenommenen Sinne konnte also nicht die Rede sein. Dagegen war
allerdings das erwartete Radikal der Valeriansäure erschienen, denn der
flüssige Kohlenwasserstoff entsprach der Formel C4H9 in der damaligen
Schreibweise; heute würde er C8H18 formulirt werden, da die Dampfdichte
gleich 4,05 gefunden wurde. Das riechende Gas, das dem Wasserstoff bei-
gemischt war, erwies sich als der Formel OH8 entsprechend; es war nach
der heutigen Bezeichnung ein Butylen. Endlich enthielt die rohe ölförmige
Flüssigkeit neben dem „Valyl" noch Butylvalerat (valeriansaures Valyloxyd
nach Kolbe's Bezeichnung).
„Die oxydirende Wirkung des im Kreise des galvanischen Stromes sich
ausscheidenden Sauerstoffes bringt demnach in der Auflösung des valerian-
sauren Kalis dreierlei Erscheinungen hervor:
1) Die Zerlegung der Säure selbst in Valyl und Kohlensäure,
HO . {C8H*jC203 + O = C8H9 + 2 CO2 + HO.
Valeriansäure Valyl
2) Die Zerlegung des Valyls in Ditetrylgas und Wasser,
C8H9+0 = 2C4H* + HO.
Valyl Ditetryl
3) Eine direkte Oxydation des Valyls zu Valyloxyd, welches letztere
im Entstehüngsmomente sich dann mit freier Valeriansäure verbindet,
C«H9 + O + (CWJCTO» = C8H90 . (C^CK)8.
Valyl Valeriansäure valeriansaures Valyloxyd
„Die beiden letzten Processe scheinen neben und völlig unabhängig
von einander vor sich zu gehen. Es ist mir indes nicht gelungen, genau
Carboxyl, COOH, nennen. Es handelt sich also wesentlich um die Geltendmachung der An-
sicht, welche heute als gültig angesehen wird.
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■ ■*
IO50
Achtzehntes Kapitel.
1
die Umstände zu ermitteln, welche die Bildung des einen oder des anderen
Produktes vorzugsweise begünstigen."
Eine weitere Versuchsreihe betraf die Zerlegung des Kaliumsalzes der
Essigsäure. Die erhaltenen Produkte waren im Wesentlichen Kohlensäure
und „Methyl", nämlich ein Gas, das Kolbe als C2H8 formulirte, ganz ent-
sprechend seiner Voraussetzung über die Bestandtheile der Essigsäure, nur
dass es auch an der Anode, nicht an der Kathode erschien. Die heutige
Formel des Gases ist C2H6 und sein Name Äthan.
Diese Arbeiten Kolbens erregten zu ihrer Zeit ein bedeutendes Aufsehen,
da sie den experimentellen Beweis für seine theoretische Auflassung der
Constitution der Säuren zu enthalten schienen. Indessen hat er sie nicht
fortgesetzt, obwohl der Titel den Vermerk „Erste Abhandlung" trägt. Auch
hat sich in der Folgezeit ergeben, dass die von Kolbe isolirten Kohlen-
wasserstoffe die doppelte Molekulargrösse besassen, als den angenommenen
Radikalen zukommen müsste; die letzteren haben sich als nicht existenz-
fähig erwiesen.
Was die elektrochemische Auffassung des Vorganges bei der Elektro-
lyse der untersuchten Salze anlangt, so waren sie, wie aus den angeführten
Worten Kolbe's hervorgeht, ganz irrthümlich. Zu jener Zeit waren die
Untersuchungen von Daniell (S. 614) bereits veröffentlicht, und Liebig hatte
auch auf rein chemischem Gebiete die neuere Auffassung der Salze als aus
Metall und Säureradikal bestehend bereits zur Geltung gebracht; Kolbe wäre
also wohl in der Lage gewesen, sich ein sachgemässeres Bild von dem
stattfindenden Vorgange zu machen. Indessen wurden zu jener Zeit die
Ergebnisse physikalisch -chemischer Versuche von den „reinen" Chemikern
noch weit weniger beachtet, als diese heute zu geschehen pflegt, und so
dauerte es noch eine beträchtliche Zeit, bis die richtigen Gesichtspunkte ge-
funden wurden.
Da die Arbeit trotz des grossen Interesses, das sich an ihre Ergebnisse
geknüpft hatte, weder von Kolbe, noch von einem anderen Forscher alsbald
fortgeführt worden ist, so dauerte es eine lange Zeit, bis die richtigen Ge-
sichtspunkte für den Vorgang der Elektrolyse bei Salzen organischer Säuren
gefunden und ausgesprochen wurden; dies geschah erst 1864 durch KekulS1
in einer gleichfalls nur begonnenen, nicht fortgesetzten Arbeit. Seine Dar-
legungen, die man heute in kürzerer und einfacherer Gestalt aussprechen
würde, lauten:
„Wenn der galvanische Strom auf die wässerige Lösung des Salzes
einer organischen Säure einwirkt, so wird zunächst, wie bei nahezu allen
metallhaltigen Verbindungen, am negativen Pol das Metall in Freiheit ge-
setzt Kann dieses das Wasser zersetzen, so wird Wasserstoff abgeschieden
und es findet gleichzeitig an der Hydrode (—Pol) Anhäufung von Base statt
Der Rest des organischen Salzes wird durch die molekularen Zersetzungen,
1 Ann. d. Chemie und Pharm. 131, 79. 1864.
Einzelne Fortschritte der Elektrochemie u. s. w.
IOJI
welche den Strom ausmachen, fortwährend nach dem positiven Pol hinge-
schoben und kann sich dort in zweierlei Weise verhalten. Er kann ent-
weder, wenn das organische Molekül unmittelbar mit der Elektrode in Be-
-ührung steht, in einfachere Bestandteile zerfallen; es kann andererseits,
wenn das organische Salz durch Wasser von der Elektrode getrennt ist,
versetzend auf dieses einwirken; dadurch wird Sauerstoff in Freiheit gesetzt
und gleichzeitig die organische Säure regenerirt, die sich deshalb an der
Oxode ( + Pol) anhäuft.
„Die Zersetzung der organischen Säure kann dabei immer als secun-
däre Reaktion angesehen werden. Man kann annehmen, sie werde durch
den Sauerstoff hervorgerufen, der sich als Gas entwickelt haben würde, wenn
keine oxydirbare Substanz zugegen gewesen wäre. Die Produkte dieser
Zersetzung lassen sich daher mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit aus
folgenden Betrachtungen voraussehen.
„Der am + Pol verwendbare Sauerstoff muss dem Wasserstoff äqui-
valent sein, der am — Pol in Freiheit gesetzt wird; er muss also auch
äquivalent sein der Menge Metall, die im organischen Salz enthalten ist; er
wird mithin direkt durch die Basicität der Säure angezeigt. Da ferner ein
Molekül Wasser die zur Oxydation von zwei Äquivalenten Metall nöthige
Menge Sauerstoff liefern kann, so sieht man leicht, dass bei zweibasischen
Säuren die Reaktion zwischen einem Molekül Wasser stattfinden kann; dass
bei einbasischen Säuren dagegen zwei Moleküle des organischen Salzes mit
einem Molekül Wasser in Wirkung treten müssen u. s. w.
„Die Basicität einer Säure wird nun ausserdem ausgedrückt durch die
Anzahl derjenigen Sauerstoffatome, die direkt und vollständig an Kohlenstoff
gebunden, nach der Ausdrucksweise der Typentheorie im Radikal enthalten
sind. Man hat also mit der Anzahl der so gebundenen Sauerstoffatome,
oder wenn man will, mit der Anzahl der Carbonylradikale einen zweiten
Maassstab für den Grad der Oxydation. Man weiss ferner, dass der durch
zwei seiner Verwandtschaftseinheiten an den Sauerstoff gebundene Kohlen-
stoff (Radical Carbonyl) sich bei vielen Reaktionen von der organischen
Gruppe loslöst; dass er bei Oxydationen z. B. als Kohlensäure austritt. Man
kann daher mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit erwarten, dass er auch bei
elektrolytischen Oxydationen als Kohlensäure abgeschieden wird, indem er
den zur völligen Oxydation nöthigen Sauerstoff der organischen Gruppe
entzieht
„Man sieht aus dieser Betrachtung, dass aus der Basicität allein folgende
Werthe abgeleitet werden können:
„1) Die Anzahl der Moleküle des organischen Salzes, die auf ein Mo-
lekül Wasser in Wirkung treten; 2) die Menge des am — Pole frei werden-
den Wasserstoffs; 3) die Menge der durch die Zersetzung entstehenden
Kohlensäure. Daraus lässt sich dann die wahrscheinliche Zusammensetzung
des Hauptproduktes herleiten.
1052
Achtzehntes Kapitel.
* 3:
„Man könnte diese Betrachtungen durch die folgende allgemeine Formel
ausdrücken, in welcher n die Basicität der Säure bezeichnet:
n
C.+MO„+, + - H20 = C H 0_ + n CO. + — M«0 + - H*.
m + n o n p + n '2 m o p — n ' 2 2
„Diese Formel ist direkt anwendbar, wenn die Säure zweibasisch (oder
überhaupt paarbasisch) ist; alle Glieder müssen mit 2 multiplicirt werden,
wenn die Säure einbasisch (oder überhaupt unpaar- basisch) ist. Man
hat dann:
2Cm. HJVIO. + «H20 = 2C H Oo_n + 2«C02 + «MJ3 + «H8.
m + n o n p + n * 2 m o p — n ' « • • • 2
„Ich lege diesen Formeln nicht mehr Werth bei, als sie verdienen, und
ich will für den Augenblick nur darauf aufmerksam machen, dass sie direkt
andeuten, dass alle Säuren, deren Basicität ebenso gross ist, als ihre Atomig-
keit, bei der Zersetzung durch den galvanischen Strom Kohlenwasserstoffe
erzeugen müssen.
„Man könnte die Produkte der Zersetzung solcher Säuren durch den
Strom auch direkt aus den rationellen Formeln ableiten, z. B.:
zweiatomig-zweibasische Säuren einatomig-einbasische Säuren
~7ccv)7
M.
co.o
M
CO.O
M
„Es ist einleuchtend, dass diese Formeln nur dann eine Zersetzung aus-
drücken, wenn diese in voller Reinheit verläuft. Man sieht aber leicht ein,
dass die Reaktion durch die mannigfaltigsten Umstände gestört oder ge-
wissermaassen getrübt werden kann. Es ist zunächst denkbar, dass die
Oxydation ganz aufhört, obwohl der Strom die Flüssigkeit durchstreicht.
Es findet dies dann statt, wenn die Flüssigkeit allzu verdünnt ist, und für
zweibasische Säuren auch dann, wenn die Lösung am positiven Pole stark
sauer geworden ist. Es ist weiter möglich, dass die Oxydation auf halbem
Wege einhält, oder mit anderen Worten, dass der Rest des organischen
Salzes sich nicht in die kleinstmöglichen Gruppen spaltet, sondern dass Pro-
dukte einer weniger weitgehenden Zerstörung gebildet werden, die der an-
gewandten Substanz noch näher stehen. Es kann endlich vorkommen, dass
das nach den oben mitgetheilten Gleichungen entstehende Produkt sehr
leicht zersetzbar oder oxydirbar ist; man kann dann die Bildung secundärer
Zersetzungsprodukte erwarten.
„Was schliesslich den am — Pole in Freiheit gesetzten Wasserstoff an-
geht, so kann derselbe sich entweder als Gas entwickeln oder er kann
chemisch auf die angewandte Substanz einwirken; der letztere Fall wird
dann eintreten, wenn die organische Säure die Eigenschaft besitzt, sich ad-
ditioneil mit dem Wasserstoff vereinigen zu können, oder wenn sie, wie die
meisten Nitrokörper und einige andere Substanzen, durch nascirenden Wasser-
stoff reducirt werden kann."
Wenn auch der Gedanke der vorstehenden Darlegungen etwas um-
ständlicher zum Ausdruck gekommen ist, als nöthig, so ist er doch voll-
Einzelne Fortschritte der Elektrochemie u. s. w.
1053
commen richtig und sachgemäss. Heute würden wir sagen, dass das Salz
*iner organischen Säure R.COOM bei der Elektrolyse in die beiden Ionen
R.COQ und M gespalten wird, und dass der Complex R.COO nach dem
Verlust seiner elektrischen Ladung an der Anode unbeständig wird und meist
in R und CO* zerfallt, welches erstere je nach seiner Zusammensetzung
weitere Schicksale erfahrt
Die Versuche, welche Kekul£ angestellt hat, beziehen sich auf die Salze
einiger zweibasischen Säuren. So gab, den Voraussetzungen gemäss, bern-
steinsaures Natron, CaH\-r)rw > bei der Elektrolyse Kohlendioxyd und
Äthylen, C'H4; fumarsaures Salz, C2H2~q~n , gab Kohlendioxyd und Ace-
tylen, C8H8. Weitere Versuche mit anderen Salzen waren noch nicht ab-
gerundet genug, um sie mitzutheilen, und Kekul£ verspricht, Genaueres in
einer späteren Abhandlung zu geben; indessen hat auch diese spätere Ab-
handlung das Schicksal gehabt, nicht an das Licht der Welt zu kommen.
Den gleichen theoretischen Standpunkt, wie Kekul£, nimmt in einer
später erschienenen Arbeit Edme- Alfred Bourgoin1 ein, wenn es auch in
seiner Darstellung den Anschein hat, als sei er der Autor der Theorie. An
einer Anzahl weiterer Beispiele zeigt er die möglichen Reaktionen, welche
der Säurerest je nach den verschiedenen Versuchsumständen erfahren kann,
und er fasst seine Ergebnisse in die folgenden Sätze zusammen:
„1) Der Strom wirkt auf gleiche Weise auf die anorganischen wie orga-
nischen Säuren und ihre Salze: er scheidet das basische Element, Wasser-
stoff oder Metall, ab, welches an den negativen Pol geht, während der Rest
der Säure oder des Salzes an den positiven Pol geht.
,Dies ist die ursprüngliche Wirkung des elektrischen Stromes.
,2) Das Wasser ist kein Elektrolyt: es wird durch den Strom bei der
Elektrolyse der Säuren und Salze nicht zersetzt und wirkt nur als Lösungs-
mittel oder hydratisirend.
„3) Die organischen Säuren und ihre Salze geben je nach den Um-
ständen, unter denen man arbeitet, am positiven Pole Erscheinungen der
Hydratation oder der Oxydation.
„Hydratation. — Die Elemente der wasserfreien Säure bilden inner-
halb des Wassers die gewöhnliche Säure zurück, wie das der Fall bei den
Mineralsäuren ist.
„Oxydation. — 1. Fall. Der dem basischen Element entsprechende
Sauerstoff reagirt auf die Elemente der anhydrischen Säure und bringt eine
erste regelmässige Oxydation hervor; der Abkürzung wegen schlage ich
vor, dies die charakteristische Reaktion der organischen Säure zu
nennen.
„2. Fall. Die Säure erfährt eine tiefere Oxydation und ergiebt ver-
schiedenartige Oxydationsprodukte."
1 Ann. chim. phys. (4) 14, 157. 1868.
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B
1054
Achtzehntes Kapitel.
!
Nach einigen weiteren Sätzen über Concentrationsänderungen an den
Polen, die sich durch die HirroRF^schen Arbeiten erledigen, schltesst Boür-
goin seine Arbeit mit dem Ausspruch: „Der Strom kann uns nicht die
Constitution der organischen Säuren aufdecken, und die als rationell aus- 1,
gegebenen Formeln, die sich auf seine Wirkung gründen, haben keinerlei
wissenschaftlichen Werth."
Seit jener Zeit haben die hier angeregten Fragen fast vollständig geruht,
und erst in unseren Tagen sind sie wieder erörtert worden.
4. Einheiten und Constanten. Durch die Aufstellung der Beziehung
zwischen elektromotorischer Kraft und Wärmeentwickelung, sowie durch die
entsprechende Entwickelung der anderen Gebiete der Elektrochemie waren,
wie auch in der allgemeinen Elektrik, die Bedürfnisse nach messenden Be-
stimmungen und, als Grundlage für diese, nach allgemeinen Einheiten ent-
standen. Die Aufgabe, solche allgemein gültige Einheiten aufzustellen, war,
wie berichtet (S. 654), durch die Aufstellung des absoluten Maasssystems von
Gauss und Weber bereits gelöst worden; die Annahme desselben Hess in-
dessen lange genug auf sich warten. Es ist bemerkenswerth, dass es schliess-
lich nicht wissenschaftliche, sondern technische Bedürfnisse waren, welche
den Ausschlag gaben, und eine Einigung über allgemein angenommene
Grundmaasse zu Stande brachten. Gegenwärtig ist bekanntlich jener Gauss-
WEBER'sche Grundgedanke in der gesammten Elektrik, der wissenschaftlichen
wie der technischen, allgemein durchgeführt; ehe es aber so weit gekommen
war, sind eine ganze Anzahl anderer Versuche gemacht worden, von denen
auch einige während einiger Zeit Erfolg gehabt haben. Da die ausführliche
Darstellung der Entwickelungsgeschichte dieser Angelegenheit der Aufgabe
dieses Werkes zu fern liegt, so muss auf sie verzichtet werden, so vielfach
interessant sie auch sein würde.
Die erste elektrische Grösse, welche in befriedigender Weise festgestellt
wurde, war die Elektricitätsmenge, und zwar geschah dies, wie bereits
mitgetheilt, indem mit Hülfe des Farad Ansehen Gesetzes die auf absolute
elektromagnetische Einheiten bezogene Elektricitätsmenge festgestellt wurde,
die mit einem Milligramm Wasserstoff verbunden ist und sich in einem Elek-
trolyt gleichzeitig mit diesem bewegt. Bereits Weber hatte eine solche
Messung ausgeführt (S. 655) und einige Zeit darauf wurde eine sorgfaltige
Neubestimmung derselben durch Casselmann1 im Auftrage Bunsen's ausge-
führt. Auch hat dieser darauf hingewiesen (S. 1046), dass umgekehrt mittelst
des elektrochemischen Äquivalents der Elektricitätseinheit oder, wie wir uns
kürzer ausdrücken können, mittelst der FARADAY^schen Constanten absolute
Messungen von Elektricitätsmengen auf die einfachste Weise ausgeführt werden
können. Dieses Prinzip ist bis auf den heutigen Tag in Anwendung ge-
blieben, und die im Jahre 1893 erfolgte gesetzliche Bestimmung der elek-
1 Über die Kohlcnzinkkctte, Dissert. Marburg.
Einzelne Fortschritte der Elektrochemie u. s. w. 1055
frischen Einheiten macht bezüglich der Elektricitätsmenge von der Definition
mittelst der FARADAY'schen Gesetzes Gebrauch.
Von weiteren elektrischen Einheiten ist die der Spannung oder des
elektrischen Potentials dann zuerst Gegenstand einer sorgfältigen Definition
gewesen.
Als bequemste Norm bot sich zunächst das DANiELi/sche Element dar,
dessen Beständigkeit von allen Beobachtern bestätigt worden war. Indessen
gaben doch auch DANiBLi/sche Ketten, die auf verschiedene Weise zusammen-
gestellt waren, zuweilen ziemlich verschiedene Werthe, und es war deshalb
ein verdienstliches Unternehmen, die Ursachen dieser Schwankungen zu er-
forschen, um sie womöglich zu beseitigen. Eine solche Arbeit verdanken
wir dem schwedischen Physiker A. F. Svanberg, l dem es alsbald nach seinen
Angaben gelungen war, die Schwankungen auf weniger als ein Tausendstel
des Werthes der elektromotorischen Kraft herabzudrücken.
Zunächst stellte Svanberg fest, in welchem Grade die elektromotorische
Kraft von der Concentration der benutzten Flüssigkeiten abhing. Dabei
ergab es sich, dass sie zunahm, wenn die Kupferlösung concentrirter wurde.
Beim Zink war der Einfluss verschieden, je nachdem gewöhnliches oder
amalgamirtes Zink benutzt wurde; bei gewöhnlichem Zink war die elektro-
motorische Kraft, wenn Zinksulfat angewendet wurde, um so grösser, je
verdünnter die Zinklösung war; wurde aber Schwefelsäure benutzt, so sank
die elektromotorische Kraft. Wurde aber amalgamirtes Zink benutzt, so
dass keine Gasentwickelung stattfand, so war die Kraft mit Säure grösser,
als die mit Zinkvitriol; in letzterem hatten beide Arten Zink die gleiche Kraft.
Diese Bezugsgrösse der elektromotorischen Kraft ist sehr lange im Ge-
brauch gewesen, namentlich da sie G. Wiedemann in seinem grossen Werke
über den Galvanismus2 angenommen hatte und durchgängig benutzte. Später
hat sie freilich der systematischen Definition, die sich aus dem Gauss- Weber'-
schen System ergab, weichen müssen; das Prinzip indessen, die elektro-
motorische Kraft praktisch durch Bezugnahme auf eine bestimmmte Kette
zu definiren, ist gleichfalls bis jetzt im Gebrauch geblieben.
Prinzipiell ist nun durch die Definition der beiden Faktoren der elek-
trischen Energie, der Elektricitätsmenge und der Spannung das System der
elektrischen Einheiten vollkommen festgelegt, indem alle anderen elektrischen
Grössen sich durch diese beiden mit Hülfe von zeitlichen und räumlichen
Grössen ausdrücken lassen. Doch hat es sich praktisch erwiesen, noch ein
reproducirbares Grundmaass für eine dritte elektrische Grösse einzuführen,
den Widerstand. Die Ursache dazu ist, dass von allen elektrischen Grössen
Widerstände am leichtesten sich herstellen, vergleichen, und unverändert
aufbewahren lassen. Deshalb sind die meisten elektrischen Messmethoden
auf die Anwendung gemessener Widerstände gegründet, und man braucht
1 Pogg. Ann. 73, 290. 1848.
1 Die Lehre vom Galvanismus und Elektromagnetismus, Braunschweif; 1861.
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IO56 Achtzehntes Kapitel.
nur beispielsweise die von Wheatstone (S. 638) gegebenen Methoden darauf-
hin anzusehen, um die Bemerkung bestätigt zu finden.
Einer der ersten, welche einen bestimmten Widerstand als Einheit defi-
nirten, war Lenz,1 welcher als solche einen Fuss Kupferdraht „No. II" be-
nutzte. Ähnlich verfuhr Wheatstone, nur dass er statt einer Nummer der
Drahtlehre das Gewicht von einem Fuss seines Drahtes angab: er sollte
100 Grain wiegen. Dies war allerdings ein Fortschritt, aber kein genügender,
denn es stellte sich alsbald heraus, dass „Kupfer" keine ausreichende Be-
stimmung war, denn einmal ändert dieses seinen Widerstand beträchtlich
mit der Temperatur, und dann zeigen verschiedene Kupferproben so be-
deutende Verschiedenheiten ihres Widerstandes, dass jede Genauigkeit ver-
eitelt wird. Dies zeigte sich auch bei dem ersten Versuche, die Physiker
auf eine bestimmte Widerstandsgrösse zu einigen, welchen Jacobi im Jahre
1848 machte,2 indem er an verschiedene namhafte Elektriker Kupferdrahte
versandte mit der Bitte, deren Widerstand als Einheit bei ihren Unter-
suchungen anzunehmen. Leider waren die Drähte entweder nicht mit ge-
nügender Sorgfalt abgeglichen worden, oder sie hatten sich später stark
verändert; jedenfalls stellte es sich bald heraus, dass die verschiedenen
jACOBi'schen Einheiten sehr bedeutende Unterschiede unter einander zeigten.
Inzwischen entwickelte sich die elektrische Telegraphie und machte die
Frage nach einer Einheit des Widerstandes dringend. Zunächst entstanden
in den verschiedenen Verwaltungen lokale Einheiten, gerade wie es bei der
Ausbildung der Längen- und Gewichtseinheiten zugegangen war. Durcb
einen wohlüberlegten Vorschlag, und insbesondere durch die Herstellung
praktischer und genauer Messapparate hatte dann seit dem Jahre 1860
Werner Siemens8 die nach ihm benannte Einheit in allgemeinen Gebrauch
eingeführt. Die SiEMENs'sche Einheit ist definirt als der Widerstand eines
Quecksilberfaden von 1 qmm Querschnitt und I m Länge bei o°. Sie hatte
allen früher vorgeschlagenen gegenüber den Vorzug, dass die mit der
Structur des Metalles zusammenhängenden Verschiedenheiten, welche in
ihren Ursachen noch unbekannt waren, und jede genaue Definition ver-
eitelten, wegen des flüssigen Zustandes des Quecksilbers wegfielen; zudem
ist kaum ein Metall so leicht rein herzustellen, wie dieses. Durch diese
Umstände, und namentlich durch die grosse Verbreitung der von der Firma
Siemens & Halskje hergestellten und auf die Quecksilbereinheit bezogenen
Messapparate ist diese Grösse etwa zwanzig Jahre lang in fast allgemeinem
Gebrauch gewesen.
Allerdings begann fast unmittelbar nach der Aufstellung der Quecksilber-
einheit ein Kampf gegen diese, welcher ihr anfangs keinen erheblichen
Abbruch thun konnte, im Laufe der Zeit aber doch zu ihrer Verdrängung
geführt hat. Es sind dies die Bemühungen, das WEBER'sche absolute Maass
des Widerstandes herzustellen und als Norm zu benutzen.
1 Pogü. Ann. 45, 105. 1838.
8 Pogg. Ann. 110, 1. 1860.
* Comptcs rendus 34, 277. 1848.
Einzelne Fortschritte der Elektrochemie u. s. w. 1057
Weber selbst hatte nicht unterlassen, bei Gelegenheit der Entwicklung
seines Systems einen gegebenen Draht zu untersuchen, und seinen Wider-
stand in absoluten Einheiten auszudrücken; auch waren Copieen dieses Wider-
standes von anderen Physikern benutzt worden, doch gelangte auch dieses
Maass seinerzeit nicht zu allgemeiner Einführung. Auf den Vorschlag
William Thomson's, der sich mehrfach mit dieser Frage beschäftigt hatte,
ernannte im Jahre 1861 die British Association for the Advancement of
Science, eine freie wissenschaftliche Gesellschaft, zur Untersuchung und För-
derung dieser Frage einen Ausschuss, der sich zunächst dafür entschied,
die WEBER'sche Widerstandseinheit ihren Arbeiten zu Grunde zu legen,
und der dann mit Geldmitteln, die zum Theil von der Londoner Royal
Society herrührten, die praktische Herstellung der WEBER'schen Einheit
unternahm.
Zur Ausfuhrung der Arbeiten vereinigten sich Clerk Maxwell und
Fleming Jenkin, welche ihre Ergebnisse 1863 und 1864 der British Asso-
ciation mittheilten. Für den praktischen Gebrauch sollte nicht die WEBER'sche
Einheit unmittelbar dienen, da sie viel zu klein ist, sondern eine, die
1 0000000000 mal grösser ist, als diese auf Millimeter und Sekunde be-
zogene Einheit Gleichzeitig wurde auf den Vorschlag von Latimer Clarr
die neue Einheit auf den Namen Ohm's getauft, indem sie Ohmad genannt
wurde. Dieser Name ist der kürzeren Form Ohm beibehalten worden;
ebenso das Prinzip, die Einheiten nach verdienten Männern des Gebietes zu
benennen; freilich ist durch eine Reihe von Umständen, die auch anders
hätten gestaltet werden können, keiner von den beiden Schöpfern des ab-
soluten Maasssystems, weder Gauss noch Weber, in angemessener Weise
berücksichtigt worden.
Diese ersten Versuche zur Einfuhrung fanden zunächst keinen beson-
deren Anklang, obwohl der Ausschuss #eine grössere Anzahl von Copieen
der „Ohmad" herstellen liess, die er theils an namhafte Physiker verschenkte,
theils auch käuflich abliess. Namentlich auf dem Continente blieb die
SiEMENs'sche Einheit fast in alleiniger Anwendung.
Dieser Zustand änderte sich erst mit der Entwicklung der Elektro-
technik. Bis dahin war bei dem Betriebe der elektrischen Telegraphen fast
ausschliesslich Widerstände in Frage gekommen, und ein Anlass, andere
Grössen zu benutzen, trat kaum ein. Mit der Einfuhrung der elektrischen
Energie in die technischen Betriebe mussten aber nothwendig Messungen
von Spannungen , magnetischen Feldern , Inductionscoefficienten u. dergl.
vorgenommen werden, und hier erst traten die Vorzüge des WEBER'schen
Systems, welches alle diese Grössen in Zusammenhang brachte, unabweislich
in den Vordergrund. Beendet wurde diese Entwickelung durch einen inter-
nationalen elektrischen Congress, der 1881 in Paris tagte und folgende Be-
schlüsse fasste:
1) Als Grundeinheiten der elektrischen Maasse gelten das Centimeter,
die Maasse eines Gramms und die Sekunde.
Ostwald, Elektrochemie. 67
IOC8 Achtzehntes Kapitel.
2) Die bis jetzt angewandten Einheiten, das Ohm und Volt,1 behalten
ihre gegenwärtigen Bedeutungen: I08 für ersteres und ioB für letzteres.
3) Die Widerstandseinheit Ohm wird dargestellt durch eine Quecksilber-
säule von i qmm Querschnitt bei o° C.
4) Eine internationale Commission soll beauftragt werden, durch neue
Versuche die Länge einer Quecksilbersäule von i qmm Querschnitt bei o°
zu bestimmen, welche den Werth Ohm darstellt.
5) Man nennt Ampere die Stromstärke, welche ein Volt in einem Ohm
hervorruft.
6) Man bezeichnet als Coulomb die Elektricitätsmenge, welche durch
ein Ampere in einer Sekunde geliefert wird.
7) Man definirt als Farad die Capacität, welche durch die Bedingung
bestimmt ist, dass ein Coulomb in einem Farad ein Volt giebt
Die Commission, von der unter Punkt 4 die Rede ist, beschloss das
Ohm als den Widerstand einer Quecksilbersäule von 106 cm Länge und
1 qmm Querschnitt bei o° festzustellen, obwohl aus den verschiedenen Mes-
sungen, die vorlagen, bereits wahrscheinlich wurde, dass der wahre Werth
etwas grösser ist. Im Jahre 1893 ist dieser Werth abgeändert und auf
106,3 cm festgesetzt worden; diese letztere Zahl ist wahrscheinlich auf *jim
genau. Die erste Einheit der British Association war auf 104,8 cm bestimmt
worden, enthielt also einen Fehler von 1,5 Procent. Die seitdem von anderen
hervorragenden Physikern bestimmten Werthe schwankten zwischen dieser
Zahl und 107,1 und es bestätigte sich auf diese Weise das von Werner
Siemens erhobene Bedenken gegen die Einführung der absoluten Einheit, die
darauf hinausgingen, dass man Widerstände sehr viel genauer copiren und
vergleichen kann, als man den absoluten Werth herstellen kann; William
Thomson hatte dagegen um jene Zeit, als der erste Ausschuss der British
Association tagte, gesagt, es würde gut möglich sein, die Einheit alsbald auf
Viono &enau zu erhalten.
Um die verschiedenen Einheiten von einander zu unterscheiden, ist
man übereingekommen, das Ohm von 106,0 cm das legale, das neuere vnn
106,3 cm das internationale zu nennen. Die vom Curatorium der phy-
sikalisch-technischen Reichsanstalt ausgearbeiteten Bestimmungen, die sehr
ähnlich auch für die meisten anderen Länder angenommen sind, lauten:
„Als Ohm gilt der elektrische Widerstand einer Quecksilbersäule von
der Temperatur des schmelzenden Eises, deren Länge bei durchweg gleichem
Querschnitt 106,3 crn und deren Masse 14,452 g beträgt, was 1 qmm Quer-
schnitt der Säule gleich geachtet werden darf.
„Ein unveränderlicher Strom hat die Stärke von 1 Amp., wenn er . . .
0,001 118 g Silber in einer Sekunde mittlerer Sonnenzeit niederschlagt"
Die Definition der Einheit der elektromotorischen Kraft mit Hülfe eines
1 Voll ist die Einheit der elektromotorischen Kraft oder Spannung; die elektromotorische
Kraft eines DANlELL'schen Elementes hclräct 1,07 Volt.
Einzelne Fortschritte der Elektrochemie u s. w.
IO59
Normalelementes, z. B. des von Lahmer Clark * (Quecksilber, Merkurosulfat,
gesättigte Lösung von Zinksulfat, amalgamirtes Zink), steht noch aus.
5. Die galvanische Polarisation. Durch die Beziehung der elektro-
motorischen Kräfte der Ketten vom Typus der DANiEix'schen auf die Wärme-
entwickelung der in ihnen stattfindenden chemischen Reaktion hatte sich ein
Gesichtspunkt ergeben, welcher in gleicher Gestalt auf alle anderen, von
chemischen Vorgängen abhängigen elektromotorischen Kräften anwendbar
war. Von solchen anderen Vorgängen waren es wesentlich die der galva-
nischen Polarisation, auf welche sich gleiche Betrachtungen anwenden Hessen,
und wir haben bereits gesehen, wie in den Arbeiten von Bosscha, Favre
und Raoült(S. 787 u.ff.) solche versucht worden sind, ohne allerdings zu einem
befriedigenden Ergebnisse zu fuhren. Auch die von diesen Forschern zur
Erklärung angenommene Hypothese der secundären Reaktionen erwies sich
als unhaltbar, und es ist bereits (S. 999) mitgetheilt worden, wie die hier
auftretenden Widersprüche Helmholtz zu der richtigen Theorie der Ketten
geführt haben. Helmholtz hat dann nicht versäumt, die gefundenen rich-
tigeren Anschauungen auf die Polarisationserscheinungen anzuwenden, und
wir verdanken ihm in diesem Gebiete neben der Ermittelung der allgemeinen
Grundlagen auch den Nachweis einer Anzahl von secundären Umständen,
welche gerade den meist untersuchten Vorgang der Polarisation bei der
Elektrolyse der verdünnten Schwefelsäure zwischen Platinelektroden in seinen
Einzelheiten verstehen lehrte.
Bevor wir indessen auf die Darstellung dieser letzten Fortschritte ein-
gehen, wird es gut sein, auf die ältere Entwickelung bis zu diesem Punkte
einen schnellen Rückblick zu werfen.
Eine erste Gesetzmässigkeit, die freilich nur unter bestimmten Bedingungen
zur Geltung kommt, ist von Svanberg* mitgetheilt worden. Er stellte einer
Zinkplatte in verdünnter Schwefelsäure Platten von verschiedenen anderen
Metallen gegenüber, leitete den Strom von drei DANiELL'schen Elementen
durch, und bestimmte die entstandene kathodische Polarisation Diese erwies
sich ab nahezu unabhängig von der Natur des zweiten Metalles, wenn dessen
Oberfläche nur polirt war, denn sie betrug in seinen Einheiten3 für Platin
3,09, Kupfer 2,98, Eisen 3,08, Silber 2,71; sogar Zink gab die Zahl 2,95.
„Das Verhalten wäre folglich ein solches, wie wenn der Wasserstoff durch
die Wirkung des Stromes auf der Oberfläche aller Metalle zu gleichem
Dichtigkeitsgrad condensirt würde und der solchergestalt verdichtete Wasser-
stoff dem für die Metalle gültigen elektromotorischen Gesetze folgte, nämlich
die Kraft bloss abhinge von den äussersten in die Flüssigkeit tauchenden
Metallen. . . . Dies Gesetz kann indessen nicht absolut sein, sondern bloss
angenähert für negative Metalle gelten."
Etwa um dieselbe Zeit beschäftigte sich Wilhelm Beetz4 mehrfach mit
1 Journ. Tel. Eng. 7, 53. 1878. * Pogg. Ann. 73, 298. 1848.
3 Die elektromotorische Kraft eines DANIELL-Elementes betragt in diesen Einheiten 15,6.
4 Pogg. Ann. 77, 493. 1849. — Ebenda 90, 42. 1853.
IOÖO Achtzehntes Kapitel.
den Polasisationserscheinungen und ihren Zusammenhang mit den elektro-
motorischen Kräften der entsprechenden GROVE'schen Gasketten. Von seinen
Zahlenergebnissen sei erwähnt, dass er die elektromotorische Kraft der Sauer-
stoff- Wasserstoffkette viel kleiner, etwa nur halb so gross fand, wie die Pola-
risation bei der elektrolytischen Ausscheidung der beiden Gase aus „Wasser",
d. h. verdünnter Schwefelsäure, denn der erste Werth betrug nicht viel mehr,
als die elektromotorische Kraft eines ÜANiELL-Elementes. Dagegen stimmten
bei der Elektrolyse der Salzsäure beide Werthe nahezu überein.
Wie Chlor verhielt sich Brom und Jod; Beetz giebt darüber folgende
Vergleichstabelle :
Polarisation Elektrom. Kraft
Jod 3,59 3,36
Brom 4,89 6,98
Chlor IO>58 io,io
Wasserstoff 19,08 *7»89
Chlor 4- Wasserstoff 28,83 27»99 •
Die Einheit ist so, dass die elektromotorische Kraft einer DANiELi/schen
Kette 21,22 beträgt. Die Übereinstimmung ist recht befriedigend. Die an-
gegebenen einzelnen Polarisationen sind gegen eine „unveränderte" Platin-
platte gemessen, d. h. gegen eine solche, an welcher keine Polarisation vor-
genommen worden war. Es ist dies allerdings eine schlechte Methode, da
, eine Platinplatte je nach der vorangegangenen Behandlung ganz verschiedene
Stellen in der Spannungsreihe einnimmt
Im übrigen ist aus den Zahlen für die elektromotorischen Kräfte ver-
schiedener Gasketten ersichtlich, dass diese auf das Deutlichste mit den
chemischen Verwandtschaften der Gase zu einander zusammenhängen. Auf
diesen Umstand einzugehen, fühlte Beetz als Anhänger der Contacttheorie
keine Veranlassung. Die von Beetz gefundene Reihenfolge, bei der indessen
viele scheinbare (durch Verunreinigungen, insbesondere Sauerstoffgehalt der
Gase veranlasste) Grössen vorhanden sind, lasse ich nebst den Zahlenwerthen
der elektromotorischen Kräfte folgen; die Einheit ist die frühere:
Chlor 31,49, Brom 27,97, Sauerstoff 23,98, Stickstoffoxydul 21,33,
Cyan 21,16, Kohlensäure 20,97, Stickoxyd 20,52, Luft 20,50, Schwefel-
kohlenstoff 19,60, Äthylen 18,36, Phosphor 16,06, Kohlenoxyd 13,02,
Schwefelwasserstoff 3,05, Wasserstoff 0,00.
Die Zahlen sind, wie ersichtlich, alle auf Wasserstoff bezogen, und geben
somit die Kraft einer Kette, deren zweites Glied Wasserstoff ist Alle
anderen Gase zeigen sich dabei negativ gegen Wasserstoff. Zink in ver-
dünnter Schwefelsäure steht um 19,68 Einheiten hinter dem Wasserstoff.
Als Elektrolyt diente in allen Fällen verdünnte Schwefelsäure 1 : 100; ob
die Natur desselben einen Einfluss auf die Grösse der Kraft übt, ist nicht
untersucht worden.
Ahnlichen Arbeiten, wie diese, deren Inhalt wesentlich Zahlen als
„schätzbares Material" bringt, weitere Schlüsse aber thunlichst vermeidet,
Einzelne Fortschritte der Elektrochemie ü. s. w. t 06 1
können wir im Verlaufe unserer Geschichte häufig begegnen, wenn wir auch
nicht Anlass haben werden, viel Notiz von ihnen zu nehmen. Es entspricht
diese Art zu arbeiten, einem um jene Zeit weit verbreiteten Zuge der wissen-
schaftlichen Forscher. Die üblen Folgen des wüsten Speculirens waren an
den Naturphilosophen offenbar geworden, und die Generation, welche ihre
Entwicklung in der darauf folgenden Periode der Ernüchterung durchge-
macht hatte, wich allen weitergehenden Erörterungen mit einer bewussten
Scheu aus. In dem Bedürfniss, streng auf dem Boden der Wirklichkeit zu
bleiben, verwechselten sie jene haltlosen Phantasieen mit den Bestrebungen,
zwischen verschiedenen Erscheinungsgebieten Zusammenhänge, die sich in
Gestalt von bestimmten Gleichungen darstellen lassen, aufzustellen, und ver-
warfen alles, was über den engen Kreis der unmittelbaren Beobachtung
hinauszugehen schien. Dieser Geistesrichtung, welche vielleicht am schärf-
sten bei dem Berliner Physiker Magnus ausgeprägt war, erschien nicht nur
die „Speculation" im Allgemeinen als verwerflich, sondern auch die Ver-
bindung der mathematischen mit der experimentellen Physik, und es haben
sich aus jener Zeit drastische Äusserungen erhalten, in denen solchen Über-
zeugungen Ausdruck gegeben wurde.
Es braucht wohl kaum besonders hervorgehoben zu werden, dass eine
solche Erscheinung keineswegs in der besonderen Beschaffenheit der zu
jener Zeit thätigen Männer ihren Ursprung gehabt hat, sondern als die
normale und unvermeidliche Reaktionserscheinung dem vorhergegangenen
Excess gegenüber zu erwarten war. Es wäre daher kurzsichtig, aus diesem
Verhalten jenen Männern einen besonderen Tadel machen zu wollen. Für
die Entwickelung der Naturwissenschaften, namentlich in Deutschland, war
die Reaktion nicht nur unvermeidlich, sondern auch wohlthätig und im
hohen Maasse nützlich; freilich ist ein Heilmittel, so segensreich es wirken
kann, darum doch kein Nahrungsmittel. Die Wissenschaft hat bald jene
Hungerkur, nachdem sie ihre Wirkung gethan hatte, aufgegeben, wenn auch
nicht ohne hernach wieder einige Zeit in das entgegengesetzte Extrem zu
verfallen, von dem sie sich in der Gegenwart wieder zu befreien scheint
Einen bedeutsameren methodischen Fortschritt machte dann die Lehre
von der galvanischen Polarisation durch eine Arbeit von A. Crova,1 indem
dieser an die Stelle der ziemlich unbestimmt gebliebenen allgemeinen Er-
fahrung, dass die Polarisation mit der Stromstärke wächst, einen bestimmten
Formelausdruck setzte, dessen Übereinstimmung mit der Erfahrung er in
einigem Umfange nachwies. Ist auch dieser Ausdruck zunächst nichts mehr,
als eine Interpolationsformel gewesen, deren Form dem Verlauf der Er-
scheinung möglichst entsprechend gewählt worden war, ohne dass sie durch
irgend einen inneren Grund gerechtfertigt worden wäre, so war doch ein
wichtiger Fortschritt insofern dabei vorhanden, als die Formel zu der Bildung
eines neuen Begriffes führte, der sich in der Folge als recht bedeutungsvoll
1 Ann. chim. phys. 60, 413. 1863.
[
IOÖ2 Achtzehntes Kapitel.
erwiesen hat. Die Formel lautet: P = C — Ne~Ia, wo C, N und a Con-
stanten sind, während e die Basis der natürlichen Logarithmen, P die elek-
tromotorische Kraft der Polarisation und / die Stromstärke ist. Lässt man
/ von Null bis Unendlich wachsen, so ändert sich P zwischen zwei be-
stimmten Grenzen, denn für 7=o ist P=C—N und für /= oo ist P=C.
Die Polarisation kann also zwischen den Grenzen C—N und C wachsen;
C—N ist die Anfangspolarisation und C das Maximum der Polarisation.
Wenn auch in neuerer Zeit mehr und mehr ersichtlich geworden ist, dass
es ein Maximum der Polarisation im eigentlichen Sinne nicht giebt, indem
diese fortwährend, wenn auch nur mit langsamer Beschleunigung bei steigen-
§.>* der Stromstärke wächst, so hat sich doch der andere Begriff, die Anfangs-
polarisation, als um so wichtiger bewiesen. Der Werth C—N entspricht
dem Falle, dass die Stromstärke Null ist, d. h. dass eben die elektromoto-
rische Kraft der Batterie die Gegenkraft der Polarisation zu überwinden
beginnt. Dieser Werth ist also in viel besserem Sinne ein Maass für die
„Kraft", welche zur Überwindung der entgegenstehenden chemischen Ver-
wandtschaft erforderlich ist, als das präsumirte Maximum der Polarisation.
Indessen hat Crova diese Seite seiner Formel gerade nicht hervorgehoben
und die Verwerthung des Begriffes des Minimums der Polarisation ist erst
der neueren Zeit vorbehalten geblieben.
Bezüglich des Einflusses verschiedener Umstände auf die Polarisation
kam Crova zu dem Ergebnisse, dass der Druck überhaupt keinen messbaren
Einfluss ausübt (was nicht richtig ist), während mit steigender Temperatur
die Polarisation kleiner wird. Sie folgt übrigens bei ioo° denselben Gesetzen,
wie bei niedriger Temperatur und auch die Constante N behält ihren Werth;
nur C verändert sich. Dies folgt daraus, dass die Curven, welche die Pola-
risation in ihrer Abhängigkeit von der Stromstärke darstellen, bei verschie-
denen Temperaturen einander parallel bleiben. In Worten heisst dies, dass
das Minimum und das Maximum der Polarisation durch die Temperatur in
gleichem Betrage verändert werden.
Ändert man die polarisirte Oberfläche (es wurden immer Platinelektroden
in verdünnter Schwefelsäure benutzt), so zeigt sich der Maximalwerth in
solchem Sinne veränderlich, dass er mit Verkleinerung der Fläche steigt;
das Minimum der Polarisation ist dagegen von der Elektrodenfläche unab-
hängig, wie das auch zu erwarten war, da es die Polarisation für die Strom-
stärke Null darstellt. In der That hat hier Crova versäumt, zu beachten,
dass die entscheidende Grösse für die Polarisation nicht die Stromstärke,
sondern die Strom dichte, d. h. die Stromstärke, dividirt durch die Ober-
fläche der Elektrode ist. Ferner wurde die Beobachtung von Poggendorff
bestätigt (S. 679), dass der Zustand der Oberfläche einen ungemein erheb-
lichen Einfluss auf die Grösse der Polarisation ausübt. Crova schliesst aus
der Gesammtheit dieser Versuche, dass die elektromotorische Kraft der Pola-
risation innerhalb gewisser Grenzen von der Masse der auf der Oberfläche
der Elektroden condensirten Gase abhängt. „Thatsächlich ist, so lange keine
Einzelne Fortschritte der Elektrochemie u. s. w. IO63
Gasentwickelung auf der Oberfläche stattfindet, die elektromotorische Kraft
des Voltameters gleich der der Säule, wenn deren Kraft von Null bis zu
dem Werthe der Anfangspolarisation ansteigt; darüber hinaus tritt Gasent-
wickelung ein, und indem die Intensität des Stromes, der durch das Volta-
meter geht, sowie die an der Oberfläche der Platten entwickelte Gasmenge
zunimmt, fährt die Polarisation fort, langsamer und langsamer zu wachsen.
Auf diese Weise wird man zu der Vorstellung gefuhrt, dass auch während
der Gasentwickelung die Änderung der elektromotorischen Kraft des Volta-
meters von der Zunahme der Gasverdichtung an der Oberfläche der Platten
herrührt, dass diese Verdichtung um so langsamer anwächst, je erheblicher
die Gasentwickelung bereits ist, und dass sie sich einer bestimmten Grenze
nähert, welche erreicht ist, wenn die Gasentwickelung hinreichend schnell
geworden ist Die Wärme vermindert diese Verdichtung, und wir haben
gesehen, dass sie die Polarisation um einen constanten Betrag vermindert,
welches auch die Geschwindigkeit der Gasentwickelung sei. Endlich müsste
die Natur dieser Verdichtung ganz verschieden von der sein, welche man
durch eine Steigerung des Druckes erreichen kann."
Um die erhaltenen Ergebnisse zu prüfen, benutzte Crova noch das
andere Verfahren der Messung der Polarisation, indem er durch eine mecha-
nische Vorrichtung, eine „Wippe" (S. 679), das Voltameter von dem zer-
setzenden Strome abtrennte, und es gleichzeitig mit dem messenden Kreise
verband. Seine Wippe bestand aus zwei auf derselben Axe sitzenden Rä-
dern, in welche je acht radiale Streifen aus Metall eingelegt waren, die unter
sich und mit einem Ring auf der Axe in leitender Verbindung standen; von
einander waren sie isolirt. Durch passend angebrachte Federn wurde der
Strom ab- und zugeleitet, und die Federn konnten so gestellt wurden, dass
die Voltameterplatten entweder unmittelbar nach ihrer Abtrennung von der
Kette in den messenden Kreis geschaltet wurden, oder eine beliebige Zeit
später; ebenso konnte die relative Dauer der Berührung beliebig verändert
werden.
Mittelst dieses Apparates wurde zunächst die wichtige Thatsache be-
wiesen, dass der depolarisirende Strom bei genügend rascher Drehung der
Räder die gleiche Stärke hatte, wie der polarisirende; die durch den letzteren
ausgeschiedenen Zersetzungsprodukte gaben also bei ihrer Verbindung die
gleiche Elektricitätsmenge aus, welche für ihre Zerlegung erforderlich ge-
wesen war.
Ferner wurde ermittelt, dass alle Flüssigkeiten Polarisation mit allen
Elektroden geben, wenn auch oft sehr kleine. Gewöhnlich wird ein Metall
in der Lösung eines seiner Salze als unpolarisirbar angesehen; es ist es in-
dessen keineswegs im strengen Sinne, sondern nähert sich nur diesem Zu-
stande bei Strömen von geringer Dichtigkeit. Crova sucht die Ursache
dieser Erscheinung darin, dass das frisch abgeschiedene Metall immer negativ
gegen älteres sei, indessen ist diese Erklärung nicht richtig. Es ist vielmehr
ein Concentrationsstrom (S. 1001), aufweichen die Polarisation in solchen
IO64 Achtzehntes Kapitel.
Fällen zurückzuführen ist. Durch die Elektrolyse wird zwar die gesammte
Zusammensetzung einer solchen Voltameterflüssigkeit nicht geändert, wohl
aber ihre Concentration an den beiden Elektroden, indem diese an der
Anode grösser, an der Kathode kleiner wird, als zuvor. Da nun zwei gleiche
Elektroden, in verschieden concentrirte Lösungen ihrer Salze tauchend, einen
Spannungsunterschied in solchem Sinne zeigen, dass durch den verursachten
elektrischen Strom dieser Unterschied ausgeglichen werden würde, so ist
die Ursache einer „Polarisation" ersichtlich. Nur ist es keine Ionenpolari-
sation, wie man die gewöhnliche nennen könnte, sondern eine Concen-
trationspolarisation.
Weiter wurde mit dem Apparat eine Bestätigung der früheren Formeln
über die Abhängigkeit der Polarisation von der Stromstärke erhalten.
Der Betrag der Polarisation in verdünnter Schwefelsäure wurde immer
etwas grösser, als die elektromotorische Kraft zweier DAKiELi/scher Elemente
gefunden; wurden zwei solche dem DepoIarisationsst.ro me, wie er vom Unter-
brecher geliefert wurde, entgegengestellt, so machte sich ein kleiner Über-
schuss an elektromotorischer Kraft zu Gunsten des Voltameters geltend.
Um sich schliesslich Rechenschaft zu geben, in welcher Art die Ver-
änderlichkeit der elektromotorischen Kraft im Voltameter zu Stande kommt,
da es sich doch immer um dieselben Stoffe handelt, und in den bekannten
Fällen die Menge derselben auf die elektromotorische Kraft keinen Einfluss
hat ;dicke oder dünne Zinkplatten geben genau die gleiche Spannung), weist
Crova auf den einzigen ihm bekannten Fall hin, wo thatsächlich eine Ab-
hängigkeit der elektromotorischen Kraft von der Stoffmenge (genauer von
der Concentration) stattfindet. Es ist dies beim Zinkamalgam der Fall.
Wenn in einem solchen der Gehalt von 5 Procent bis auf 0,8 Procent ab-
nahm, konnte er keine Änderung der elektromotorischen Kraft einer damit
gegen Kupfer in Kupfersulfat gebauten ' Kette beobachten; bei 0,4, 0,16 und
0,11 Procent sank diese aber auf 0,92, 0,90 und 0,77 ihres früheren Werthes,
und Crova spricht die Vermuthung aus, dass auch das Gesetz der Abnahme
der Kraft mit dem Gehalte einen ähnlichen Gang zeigen würde, wie die
Polarisation. Die Ursache dieser Veränderlichkeit schreibt er der mit der
relativen Menge zunehmenden „Verwandtschaft" des Quecksilbers zu dem
anderen Metalle zu, und er weist auf eine Anzahl ähnlicher Beobachtungen
von Gatjgain und E. Bf.cquf.rhl hin.
Heute wissen wir, dass die Erscheinung der Abhängigkeit der elektro-
motorischen Kraft von der Concentration der betheiligten Stoffe ganz allge-
mein ist, und dass nur die Stoffe constanter Concentration, wie die reinen
Metalle, eine von der Menge unabhängige elektromotorische Stellung be-
sitzen. So wird man denn auch mit Interesse von den nachstehenden Dar-
legungen Crova's Kenntniss nehmen, wenn diese auch in einigen Punkten
das Rechte verfehlen :
„Wirklich hat auch in dem Falle eines Voltameters mit angesäuertem
Wasser die elektromotorische Kraft des direkten Stromes die Folge, dass
Einzelne Fortschritte der Elektrochemie u. s. w. IOÖ5
zuerst die Molekeln des Wassers, oder vielmehr der Verbindung S04H
(Äquivalentformel!) gerichtet werden, so dass die Atome des Wasserstoffs
nach dem negativen Pole, die des Sauerstoffs oder des Radikals SO4 nach
dem positiven weisen; alsdann findet ihre Zersetzung statt.
„Alsdann strebt aber der auf der negativen Platte abgeschiedene Was-
serstoff, die nichtzersetzten Moleküle nach der gerade entgegengesetzten
Richtung zu stellen; das Gleiche thut der auf der positiven Platte abge-
schiedene Sauerstoff. Die Summe der beiden Wirkungen subtrahirt sich von
dem ursprünglichen Strome. Wenn das Metall, aus welchem die Elektroden-
platten bestehen, keine Wirkung auf die Gase hätte, die sich an ihren Ober-
flächen entwickeln, so würde die Summe der eben besprochenen Wirkungen
constant sein und gleich der, welche die einzelnen Gase ausüben; die Polari-
sation müsste dann unabhängig von der Gasmenge, die sich an den Polen
entwickelt, also auch unabhängig von der Stromstärke sein. Aber eben da-
durch, dass die Platinplatten auf ihrer Oberfläche eine gewisse Gasmenge
verdichten, üben sie auf diese eine Anziehung aus und vermindern die Kraft,
mit welcher sie die Moleküle des Wassers im umgekehrte Sinne zu richten
streben. So lange die Gasschicht sehr dünn ist, macht sich der Einfluss des
Metalls in hohem Grade geltend, und die Kraft der Polarisation kann sich
von Null bis zu einer gewissen Grenze ändern; über diese hinaus macht
sich der Einfluss des Metalls in dem Maasse, als die Masse des angehäuften
Gases auf den Platten zunimmt, immer weniger und weniger geltend und
wird schliesslich unmerklich. Die Polarisation, d. h. die Summe der elektro-
motorischen Wirkungen, welche von den Gasen auf die Flüssigkeit ausgeübt
werden, wird mehr und mehr von dem fremden Einflüsse befreit, den die
Natur der Metallplatten ausübt, und nähert sich einer Grenzpolarisation,
welche die ausschliesslich von der Natur der Gase herrührende ist."
So zutreffend diese Darstellung in manchen Stücken ist, bleibt sie doch
eine Aufklärung darüber schuldig, woher der grosse Einfluss der Oberflächen-
beschaffenheit der Elektroden auf den Grenzwerth der Polarisation rührt.
Die nothwendige Ergänzung liegt in der Berücksichtigung der Über-
sättigungserscheinungen, deren Stätte die Elektroden sind; die Gase
entwickeln sich keineswegs augenblicklich, sowie die entsprechende Sättigung
der Flüssigkeit eingetreten ist, sondern erst, wenn ein mehr oder weniger
erheblicher Überschuss vorhanden ist. Daher rührt es, dass die Concen-
tration der abgeschiedenen, aber noch nicht in Gasform übergegangenen Ele-
mente sehr viel grösser wird, als dem Gleichgewichtszustande entspricht;
damit wächst auch die elektromotorische Kraft der Polarisation, und alle
Umstände, welche Einfluss auf die Übersättigung haben, werden auch den
Grenzwerth beeinflussen müssen. Als sin solcher Umstand ist in erster Linie
die Oberflächenbeschaffenheit der Elektrode zu nennen.
6. Die Untersuchungen von Helmholtz. Es ist schon bemerkt
worden (S. 999), dass die ersten experimentellen Arbeiten, durch welche
Helmholtz zu seiner Theorie der VoLTA'schen Ketten gefuhrt wurde, sich
jq66 Achtzehntes Kapitel.
I
I
I,
auf die Polarisation bezogen und dass er damals1 noch in der irrthümlichen
Vorstellung befangen war, dass die Wärmeentwickelung des chemischen Vor-
ganges der elektromotorischen Kraft proportional sei. Daraus glaubte er
umgekehrt schliessen zu müssen, dass durch eine geringere elektromotorische
Kraft, als dem Wärmeverbrauch eines bestimmten Zersetzungsvorganges ent-
spricht, der betreffende Stoff nicht elektrolytisch zersetzt werden könnte.
Gegen diesen Schluss lagen Widersprüche in dem Verhalten des Wassers
oder vielmehr der verdünnten Schwefelsäure gegen geringe elektromotorische
Kräfte vor, und diese Widersprüche bilden den Ausgangspunkt von Helm-
holtz' Untersuchungen. Als erste Erscheinung, deren Wirksamkeit die
dauernden schwachen Ströme erklären kann, welche eintreten, wenn beispiels-
weise ein Voltameter mit Platinplatten in verdünnter Schwefelsäure und ein
ÜANiELL-Element in einen Kreis geschaltet wvrden. Der Verbindungswärme
der abgeschiedenen Gase Wasserstoff und Sauerstoff würde eine elektromoto-
rische Kraft von etwa 1,3 Daniell entsprechen, und daher dürfte, den eben
erwähnten Ansichten gemäss, ein DANiELL-Element überhaupt keinen Strom
durch das Voltameter schicken können. Thatsächlich beobachtet man einen
Strom, wenn auch einen schwachen, welcher beliebig lange andauern kann.
Zur Erklärung dieses Stromes giebt Helmholtz folgende Betrachtungen:
„Wenn nun ein elektrischer Strom durch eine Wasserzersetzungszelle
geht, deren Flüssigkeit Wasserstoff gelöst enthält, oder deren Elektroden ihn
occludirt haben, so wird an derjenigen Elektrode, zu welcher der Strom den
Sauerstoff hindrängt, dieser wieder zu Wasser werden können, indem eine
entsprechende Menge gelösten Wasserstoffs aus der Flüssigkeit oder occlu-
dirten Wasserstoffs aus der Elektrode dazu verbraucht wird. Andererseits
wird statt dieses bisher freien (wenigstens nicht mit Sauerstoff chemisch ver-
einigten) Wasserstoffs eine gleiche Menge elektrolytisch ausgeschiedenen
Wasserstoffs an der anderen Elektrode wieder erscheinen und entweder in
der Flüssigkeit sich lösen, oder, wenn Zeit und Raum dazu ist, in die Platin-
elektrode selbst hineingedrängt werden. Obgleich hierbei also Elektrolyse in
der Flüssigkeit stattfindet, kommen doch schliesslich beide Produkte der Elek-
trolyse nicht zum Vorschein, sondern das Endresultat ist, dass freier Wasser-
stoff an oder in der einen Elektrode verschwindet und an der anderen in
vermehrter Menge wieder auftritt. Ich möchte mir erlauben, für diesen Vor-
gang, der bei den Polarisationsströmen eine hervorragende Rolle spielt, den
Namen der elektrolytischen Convection vorzuschlagen. Es ist bei diesem
Processe von der den Strom treibenden elektromotorischen Kraft nicht die
Arbeit gegen die chemischen Verwandtschaftskräfte des Wrasserstoffs und
Sauerstoffs zu leisten, welche geleistet werden muss, wenn Wasser in diese
seine beiden Elemente endgültig getrennt werden soll, und elektrolytische
Convection kann deshalb durch eine schwache elektromotorische Kraft
unterhalten werden, welche durchaus nicht im Stande ist, Wasser wirk-
1 Pogg. Ann. 150, 483. 1873.
Einzelne Fortschritte der Elektrochemie u. s. w. IOÖ7
lieh zu zersetzen, wie z. B. durch die Kraft von einem DANiEix'schen
Elemente.
„Das Gleiche gilt, wenn die Flüssigkeit sauerstoffhaltig ist, oder die
Platinplatten Sauerstoff oecludirt enthalten sollten. Dann verschwindet durch
die elektrolytische Convection freier Sauerstoff auf der einen Seite, während
die gleiche Menge auf der anderen Seite zum Vorschein kommt.
„Der auf solche Weise bei dem Vorgange der Convection an der einen
Elektrode frei gewordene Wasserstoff oder Sauerstoff ist, soweit er nicht in
der Elektrode oecludirt wird, offenbar ebenso frei in der Flüssigkeit zu diffun-
diren, durch Strömungen in derselben fortgeführt zu werden, beziehentlich
sich als Gas zu entwickeln, wie die bei der gewöhnlichen Elektrolyse ent-
wickelten Gase. Indem er in die Flüssigkeit diffundirt, wird er auch wieder
an die andere Elektrode gelangen können, um wieder der elektrolytischen
Convection zu verfallen und auf diese Weise in fortdauerndem Kreislaufe
einen gewissen Grad elektrischer Strömung unterhalten zu können.
„Ein DANiELi/sches Element kann also in einer Wasserzersetzungszelle
mit Platinelektrode nicht bloss dann, wenn die Flüssigkeit mit Luft in Be-
rührung ist, einen nie aufhörenden schwachen Strom unterhalten, sondern
auch in einem vollkommen abgeschlossenen Gefässe; wenn dessen Elek-
troden mit Sauerstoff gesättigt sind und seine Flüssigkeit Sauerstoff aufgelöst
enthält."
Das Gleiche gilt offenbar auch für Wasserstoff. Helmholtz prüfte die
Richtigkeit seiner Ansichten durch die Herstellung eines Voltameters mit
möglichst gasfreier Flüssigkeit; dies erreichte er entweder durch lange fort-
gesetztes Auspumpen mit der Quecksilberluftpumpe, oder durch elektro-
lytischen Verbrauch des im Uberschuss vorhandenen Gases. Ein solches
Voltameter Hess zwar bei Anbringung einer elektromotorischen Kraft einen
Strom erkennen, dieser blieb aber nicht bestehen, sondern nahm schnell auf
ein unmessbares Minimum ab.
„Wenn nun die elektromotorische Kraft des ÜANiELL'schen Elements in
unserem Falle keine sichtbare Wasserzersetzung zu Stande bringt, so bringt
sie doch Polarisation an der Elektrode hervor, und diese ist selbst ein
Arbeitsäquivalent. Denn die polarisirten Platten sind nachher, von dem
polarisirenden Element getrennt, im Stande, selbständig für eine gewisse
Zeit einen elektrischen Strom hervorzubringen, also Wärme im Leitungs-
draht zu entwickeln, beziehentlich bei passender Anordnung alle anderen
Formen der Arbeit zu leisten, welche galvanische Ströme leisten können.
Im Zustande der Polarisation haben wir es offenbar mit einer veränderten
Anordnung der ponderablen Atome und der Elektricitäten in der Zer-
setzungszelle und in den Elektroden zu thun, über deren besondere Be-
schaffenheit wir hier keine specielleren Annahmen zu machen oder Ver-
muthungen aufzustellen nöthig haben, so lange es sich nur um die Berück-
sichtigung der Arbeitswerthe handelt. Der Zustand der Polarisation ist zu
betrachten als ein neuer Gleichgewichtszustand, dem die Zersetzungszelle
jq68 Achtzehntes Kapitel.
unter dem Einflüsse der Elektrisirung der Elektroden zustrebt, und der, wenn
die an den Elektroden angehäufte Elektricität sich entladen kann, wieder in
den Zustand elektrisch neutralen Gleichgewichts zurückstrebt. Da aber zur
Herstellung eines Gleichgewichts in einem begrenzten System von Körpern,
wie die Zersetzungszelle ist, immer nur ein endlicher Betrag von Arbeit
nöthig ist, so kann die Herstellung der Polarisation immer nur einen Strom
von endlicher Dauer geben, oder einen solchen, dessen Intensität sich asym-
ptotisch der Null nähert, und der polarisirende Strom könnte im Ganzen
nur ebenso viel Elektricität in der einen Richtung strömen machen, als der
depolarisirende in der entgegengesetzten Richtung.
— m „In so weit dies der Fall ist — und meine Versuche zeigen, dass man
I in gasfreien Flüssigkeiten und bei gasfreien Elektroden einem solchen Zu-
stande wenigstens sehr nahe kommen kann — wirkt die Zersetzungszelle
wie ein Condensator von sehr grosser Capacität. In der That, wenn man
nach der gewöhnlichen Vorstellungsweise negativ geladenen Sauerstoff der
einen Elektrode, positiv geladenen Wasserstoff der anderen Elektrode ge-
I nähert denkt, aber so, dass der Austausch der Elektricität zwischen der
J li^ Elektrode und den genannten Bestandteilen des Wassers nicht möglich ist,
i s:> wird sich auf der Elektrode selbst die entsprechende Menge der ent-
gegengesetzten Elektricität anhäufen können, und jede Elektrode würde dann
t mit der Flüssigkeit einen Condensator von verschwindend kleiner Dicke der
isolirenden Schicht und eben deshalb von ungeheurer Capacität bilden.
Diese Analogie ist neuerdings von den Herren Varley1 und Maxwell* be-
tont worden.
„In der That entsprechen die Erscheinungen, welche bei Einschaltung
eines polarisirbaren Plattenpaares in einem Stromkreis entstehen, in ihren
Hauptzügen denen, die ein Condensator von sehr grosser Capacität dar-
bieten würde. Der polarisirende Strom ist der Strom, welcher den Conden-
sator ladet, der depolarisirende der, welcher ihn entladet. Man muss sich
die Capacität des Condensators nur so gross vorstellen, dass seine Ladung
und Entladung wahrnehmbare Zeiträume, Sekunden oder Minuten in An-
spruch nimmt."
Helmholtz stellt sich nun die Frage, ob der andauernde Strom in einer
gewöhnlichen Zersetzungsstelle mit der unvollständigen Isolirfahigkeit der
Zwischenschicht eines schlechten Condensators in Vergleich zu setzen sei,
I so dass man der FARADAY'schen Ansicht gemäss ihr einen Rest metallischer
j Leistungsfähigkeit im Elektrolyt zuschreiben könnte, doch gelangt er zu der
' Überzeugung, dass eine solche Annahme nicht erforderlich ist, indem die
ioben dargelegten Erscheinungen der elektrolytischen Convection vollständige
Auskunft über die thatsächlich zu beobachtenden Erscheinungen giebt.
Die vorstehend wiedergegebene Arbeit ist in mehrfacher Hinsicht be-
I
1 Proceed. Roy. Society, 12. Jan. 1871.
* A Treatise on Electricity and Magnetism. Oxford 1873. h Z22-
Einzelne Fortschritte der Elektrochemie u. s. w. IOÖQ
merkenswerth. Sie ist die erste einer Reihe von überaus wichtigen Unter-
suchungen, welche Helmholtz über elektrochemische Fragen angestellt hat,
und es finden sich in ihr eine ganze Anzahl von Gedankenansätzen, aus
denen sich später wichtige Fortschritte entwickelt haben. Aber auch das
thatsächliche und Anschauungsmaterial, welches sie bringt, hat einen bedeuten-
den Einfluss auf die Entwickelung der hier behandelten Fragen geübt, und
eine strengere Auflassung der Erscheinungen eingeführt, als sie bis dahin
erlangt worden war. Wir werden in der Folge vielfach auf die hier nieder-
gelegten Gedanken zurückzukommen haben.
Wie sich aus diesen Keimen dann die richtige Theorie der elektro-
motorischen Kräfte entwickelt hat, ist bereits (S. 999) geschildert worden;
Helmholtz ist dann zehn Jahre später in seiner dritten und letzten Abhand-
lung über die Thermodynamik chemischer Vorgänge * auf die Erscheinungen
der galvanischen Polarisation auf Grundlage der Theorie der freien Energie
wieder eingegangen, und er zeigt auch auf diesem Gebiete, wie gross die
Aufklärung ist, die man durch derartige Betrachtungen erlangen kann.
In der Einleitung stellt Helmholtz das Verhältniss fest, in welchem sich
seine Forschungen mit denen von Willard Gibbs, Braun und Anderen be-
finden, und weist auf den wesentlichen Unterschied hin, welchen die Be-
trachtung der freien Energie im Gegensatz zu der früher üblichen Betrachtung
der gesammten Energie für die Elektrolyse gerade in dem bekanntesten
Falle, wo Sauerstoff * und Wasserstoff entstehen, ergiebt. Die freie Energie
ist vom Druck und der Gassättigung in hohem Maasse abhängig, die Wärme-
entwickelung fast gar nicht. Demgemäss ist auch die elektromotorische
Kraft der Polarisation nicht, wie ältere irrthümliche Theorieen voraussetzen
Hessen, nahezu unabhängig von jenen Grössen, sondern in weitestem Umfange
abhängig, wie dies auch die Erfahrung gezeigt hat. Helmholtz fasst seine
Vorstellungen über den Vorgang der Elektrolyse folgendermaassen zusammen:
„Die Grundvorstellungen, von denen ich immer ausgegangen bin, und
die ich festhalte, sind das Gesetz von der Constanz der Energie und die
strenge Gültigkeit von Faraday's elektrolytischem Gesetz. Letzterem ent-
sprechend halte ich die Voraussetzung fest, dass Elektricität der Flüssigkeit
an die Elektroden nur unter äquivalenter chemischer Zersetzung übergehen
kann, und dass dieser Übergang nicht stattfinden kann, vielmehr die Grenz-
fläche wie eine vollkommen isolirende Zwischenschicht wirkt, wenn die zur
Zerlegung der chemischen Verbindungen nöthige Arbeit nicht durch die
vorhandenen elektrischen Kräfte geleistet werden kann.
„Wenn in einem Voltameter die beiden Elektroden elektrisch geladen
werden und verschiedenes Potential erhalten, so werden zunächst, dem Ab-
fall des Potentials entsprechend, elektrische Kräfte im Inneren der Flüssig-
keit wirksam, welche +£ gegen die Kathode, —E gegen die Anode treiben.
Diese Bewegung der Elektricität geschieht, wie wir wissen, niemals ohne die
1 Sitzungsber. der Berl. Akad. 31. Mai 1883. — Ges. Abb. III, 92.
i
1™
1070 Achtzehntes Kapitel. I
Bewegung der Ionen der Elektrolyten, an denen die bewegte +£ und -£
haftet. Es geht also positiv geladener Wasserstoff ff+ ff—; zur negativ
geladenen Kathode, und negativ geladener Sauerstoff [— O— ) an die positiv
geladene Anode.1 Wenn es nachher zur Entwickelung der Gase kommt,
so sind die ausgeschiedenen Gase elektrisch neutral. Also muss nach deai
consequent durchgeführten Prinzip des FARADAir'schen Gesetzes der ent-
wickelte Wasserstoff (ff+ .ff—) sein und den frei gewordenen Sauerstoff
entweder {—0—.+0+) oder ' — 0+). Da die Molekeln des entwickelten
Sauerstoffs aus zwei oder (Ozon) drei Atomen bestehen, so halte ich die
erste Form wahrscheinlicher; Ozon würde sein; (— Ö — . +0— . +0+ .
„Die hierbei entstandene Ansammlung von (//+) an der negativ ge-
ladenen Kathode und von {—O—) an der positiv geladenen Anode ergiebt
zunächst die condensatorischen Ströme zu den sich polarisirenden Elek-
troden. Bei diesen verhalten sich die beiden Elektrodenflächen wie zwei
Condensatorflächen von colossaler Capacitat, letztere bedingt durch den
ausserordentlich geringen, nur molekularen Abstand der entgegengesetzt ge-
ladenen beiden Schichten. Verbindet man die beiden Elektroden nach Aus-
schaltung der Batterie durch einen einfachen Leitungsdraht, so entladen sieb
die beiden Condensatoren wieder, und geben den depolarischen Strom.
Der hierbei stattfindenden Electricitätsbewegung, welche die Grenzen des
flüssigen Leiters nicht überschreitet, scheinen die chemischen Kräfte inner-
halb der Flüssigkeit gar keinen Widerstand entgegenzusetzen, da unter dem
Einflüsse verteilender Kräfte sich elektrolytische Leiter ebenso vollständig
in elektrostatisches Gleichgewicht setzen, wie metallische. Das zeigt bis m
einem hohen Grade von Genauigkeit Sir William Thomson water dropping
collector, in dem die schwächsten elektrostatischen Kräfte die Oberfläche der
sich lösenden Wassertropfen bis zum vollkommensten elektrostatischen Gleich-
gewicht zu laden im Stande sind. Ich selbst habe in möglichst luftleer ge-
machten Zersetzungszellen die bei sehr geringen elektromotorischen Kräften
leicht zu constatirende Proportionalität zwischen elektromotorischer Kraft und
Grösse der condensatorischen Ladung bis hinab zu 0,0001 Daniell verfolgen
können. Dagegen ist der Übergang der Elektricität von den geladenen
Ionen der Grenzschicht an das Metall offenbar dem Widerstände der chemi-
schen Kräfte unterworfen. Erst die elektrische Entladung der Ionen löst
definitiv die chemische Verbindung. Solange sie noch nicht entladen sind,
können sie noch aus der Ansammlung an den Grenzschichten bei langsamer
Schwächung der sie festhaltenden elektrischen Anziehungskraft ohne in Be-
1 Helmholt?, setzt hier die Wasserstoffionen , der Formel des freien Wasserstoffes ent-
sprechend, als aus zwei Atomen bestehend voraus. Gegenwärtig wissen wir, dass Wasserstoff-
ionen die halbe Molekulargrüssc des gasförmigen Wasserstoffes haben. Ebenso ist das andere
Ion des Wassers nicht zweiwerthiger Sauerstoff, sondern das einwerthige Hydroa vi OH. In
solchem Sinne wäre also der Text zu andern, um ihn mit den iniwischen erlangten Kenntnissen
im Einklang zu halten. Das Wesentliche der Darlegungen wird durch diese Umstände nur in
geringem Grade berührt.
Einzelne Fortschritte der Elektrochemie u. s. w.
IO7 1
acht kommende Wärmeentwickelung in ihre frühere Verbindung zurück-
*hren. Dies fuhrt zum Schluss, dass der mächtigste und wesentlichste
heil der chemischen Kräfte, der namentlich die eigentlich typischen Ver-
ladungen zusammenhält, in der verschiedenen Anziehung der elementaren
ubstanzen gegen die beiden Elektricitäten begründet ist. Faraday^s Gesetz
wingt dabei zu der Annahme, dass jede Valenzstelle jedes Elements immer
lit einem ganzen Äquivalent, sei es positiver sei es negativer Elektricität
eladen sei, und dass die Grösse dieser elektrischen Äquivalente ebenso un-
bhängig von dem Stoffe ist, mit welchem sie sich verbinden, wie die Atom-
ewichte der einzelnen chemischen Elemente unabhängig sind von den Ver-
indungen, die sie eingehen, gerade so, als wäre die Elektricität selbst in
itome getheilt.
„Dass die elektrischen Kräfte, die hierbei in Betracht kommen, durch-
us nicht zu klein sind, um die grossen bei den chemischen Scheidungen
md Wiedervereinigungen auftretenden Arbeitsbeträge zu leisten, ergiebt sich,
irenn man die colossale Grösse der bei diesen Processen ausgetauschten
lektrischen Äquivalente berücksichtigt. Meine in der FARADAY^schen Lec-
ure veröffentlichte Berechnung ergiebt, dass wenn das an den Atomen von
mg Wasserstoff haftende +E auf eine Kugel, dass — E auf eine andere,
jin Kilometer entfernte ohne Verlust übertragen werden könnte, beide Ku-
geln sich mit dieser Kraft anziehen würden, welche der Schwere von
02180 kg gleich sein müsste. Eben wegen der colossalen Grösse dieser
^adungen der Atome sind auch die verhältnissmässig schwachen Anziehungs-
:räfte, welche ein oder zwei DANiELi/sche Elemente in einer elektrolytischen
Flüssigkeit hervorbringen, verhältnissmässig so grosser Leistungen fähig.
Schwach sind diese Kräfte nur den kleinen Mengen freier Elektricität gegen-
iber, welche durch unsere Elektrisirmaschinen geliefert werden.
„Die für die Herstellung des elektrischen Gleichgewichts nöthige Aus-
)ildung der elektrischen Doppelschichten erklärt einen grossen und wesent-
ichen Theil der Vorgänge bei der Polarisation, nämlich die starken An-
angsströme bei Ladung und Entladung der Elektroden. Erheblich ver-
ängert werden können diese Ströme, wenn gleichzeitig Occlusion eines oder
>eider Gase im Metall der Elektroden vorkommt. Aber keiner dieser Pro-
:esse erklärt die unbegrenzte Dauer der Ströme bei schwächeren elektro-
notorischen Kräften."
Die nun folgenden Auseinandersetzungen über die Erscheinungen der
"onvection stimmen im Wesentlichen mit den bereits früher erwähnten
S. 1066) Darlegungen überein, so dass sie hier übergangen werden können.
Ebenso ist hier nicht auf die Rechnungen einzugehen, durch welche
-Ielmholtz die freie Energie des Knallgases bestimmt. Es ergiebt sich, dass
liese mit dem Logarithmus des Volums der Gase veränderlich ist (ähnlich
vie bei den Concentrationsketten, S. 1005), und somit alle Werthe zwischen
^ull und Unendlich annehmen kann. Das Gleiche gilt für die entsprechen-
len elektromotorischen Kräfte. Auch die Berücksichtigung der Lösungs-
[072 Achtzehntes Kapitel.
erscheinungen fuhrt zii ähnlichen Betrachtungen. Endlich erfährt ein weitem
Umstand Berücksichtigung, der bis dahin nicht in Betracht gezogen war,
nämlich die Bildung der Gasblasen.
Wenn eine Gasblase in einer Flüssigkeit vorhanden ist, so hat das ein-
geschlossene Gas nicht nur den hydrostatischen Druck, welcher der Tiefe
der Blase unter der Flüssigkeitsoberfläche entspricht, sondern dazu einen
weiteren Druck, welcher dadurch entsteht, dass sich die Oberfläche der Blase
in Folge der CapiLlarkraft zu verkleinern strebt. Dieser Druck ist um sc
grösser, je kleiner die Blase ist, und zwar nimmt er umgekehrt proportiona
dem Radius der Blase zu, erlangt also für die kleinsten Blasen die grösstei
Werthe. Wenn daher in der Flüssigkeit noch keine Blase vorhanden ist, st
ist für die Entstehung einer solchen ein sehr viel grösserer Druck zu über-
winden, als für die Vergrösserung einer bereits vorhandenen Blase, und darauf
ergiebt sich ein sehr bedeutender Widerstand gegen die erste Ausscheidung
gasförmiger Zersetzungsprodukte bei der Elektrolyse, welcher in einer ent-
sprechenden Vergrösserung der Polarisation seinen Ausdruck findet. „Dk
elektrolytischen Gase zeigen ein entsprechendes Verhalten. Man muss an-
fangs eine grössere elektromotorische Kraft gebrauchen, um die ersten Blasen
zu erhalten, ab nachher nöthig ist, um die Entwickelung zu unterhalten
Wenn diese begonnen ist, kann man in kleineren Schritten zu schwächeren
Kräften absteigen. Dann steigen die Blasen schliesslich nur noch von einer
oder einigen Stellen des Drahtes auf. Unterbricht man die Entwickelung
auch nur auf wenige Minuten durch zu grosse oder zu schnelle Abschwächung
der elektromotorischen Kraft, so muss man von neuem eine viel grössere
Kraft zur Einleitung eines neuen Blasenstromes einführen. Offenbar hat sich
dann die Rissstelle zwischen Flüssigkeit und Elektrode geschlossen und muss
neu gebildet werden.
„Es kann daher der Anfang der Blasenbildung von vielen kleinen Zu-
fälligkeiten an der Oberfläche der Elektroden abhängen. Platinirtes Platin
bildet leichter Blasen als glattes.
! uAuf die elektromotorische Gegenkraft des Voltameters, d. h. auf die
Grösse, die man als Stärke der Polarisation zu bezeichnen pflegt, muss die
i Gasentwickdung einen wesentlichen Einfluss haben insofern, als die chemisch»
Arbeit nach dem oben gegebenen Theorem von der Gasbeladung der letzter
Flüssigkeitsschichten abhängt und diese durch die Entwickelung der Gas
r I t blasen herabgesetzt wird. Darin könnte auch die Erklärung für die ver
r 1 , schiedene elektromotorische Kraft der galvanischen Elemente mit eine
[ | . Flüssigkeit liegen, in denen sich Wasserstoff an verschiedenen Metallen ent
wickelt. Wo die Blasen sich schwer bilden, wird der Wasserstoff sich ii
einer mit diesem Gase stärker gesättigten Flüssigkeit ausscheiden müssen
war mehr freie Energie verlangt. Dies könnte an den unedlen Metallen in
Gegensatz zum Platin der Fall sein und ihr abweichendes Verhalten erklären
Diese Umstände erschweren nun auch in hohem Grade die Messung dei
elektromotorischen Kräfte, welche im gegebenen Falle nöthig sind, um eint
U"
Einzelne Fortschritte der Elektrochemie u. s. w. 1073
ndauernde Gasentwickelung einzuleiten, und zwar ist das Hinderniss für die
Blasenbildung verhältnissmassig grösser in den Fällen, wo die Flüssigkeit
geringere Gasmengen enthält, weil aus diesen schwerer an einem gegebenen
*unkte diejenige Gasmenge zu sammeln sein wird, welche nöthig ist, um
len bei gleicher Grösse der Gasblasen gleichbleibenden capillaren Druck der
:apillaren Fläche das Gleichgewicht zu halten. Hierzu wird bei gleich grossen
Blasen immer dieselbe Menge Gas herbeigeschafft werden müssen, während
lie Menge, welche den Druck der über der Flüssigkeit stehenden Atmo-
phäre trägt, diesem Drucke proportional ist, so dass in demselben Maasse
nehr Gas zur Füllung der Blase verlangt wird, als die Flüssigkeit mehr
lavon enthält."1
7. Oxydations- und Reduktionsketten. Schon wiederholt ist betont
vorden, dass der Grund, weshalb die chemische Theorie der VoLTA'schen
Cetten nicht längst den Sieg über die Contacttheorie erfochten hat, zu einem
grossen Theile in der ungenügenden Beantwortung der Frage liegt, wie ein
:hemischer Vorgang beschaffen sein müsse, damit er elektrisch
1 An dieser Stelle möge die Veröffentlichung einer Reihe von schnell auf einander
Agenden Publicationen erwähnt werden, welche im Jahre 1878 begännen und in ungewöhn-
ichem Maasse das Interesse der betheiligten Forscher erregten. Es wurden darin die von
►E la Rive aufgestellten Ansichten der radikalen chemischen Theorie unter Zuziehung der Helm-
roLTZ-THOMSON'schen Meinung von der Proportionalität zwischen Wärmetönung und elektro-
lotorischer Kraft vertreten. Der Verfasser derselben, Franz Exner, brachte ein grosses Zahlen-
laterial bei, welches überall auf das Beste zu den Ansichten passte, die dadurch bewiesen
rerden sollten. Bei der alsbald von verschiedenen Seiten vorgenommenen Prüfung dieses Ma-
?rials ergaben sich allerdings fast unglaubliche Resultate. Fast nirgends konnten die mitgetheilten
Wahlen bestätigt werden; ja es wurden Fälle nachgewiesen, in denen die zu erwartenden Zahlen
rrthümlich berechnet worden waren, und wo dennoch die Beobachtungen mit den Berechnungen
uf das Beste übereinstimmten.
So ist denn von diesen Arbeiten trotz der mit grosser Ausdauer geführten Verteidigung
lerselben durch ihren Verfasser nichts in den Bestand der Wissenschaft übergegangen; auch
ind die Ansichten, die ihnen zu Grunde lagen, soweit sie neu waren, als irrthümlich erwiesen
vorden und haben keinen weiteren Anklang gefunden. Nur wegen der grossen Breite, welche
liese Angelegenheit in der elektrochemischen Litteratur eingenommen hat, ist hier ihre geschicht-
iche Erwähnung nöthig gewesen; das nachstehende Litteraturvcrzeichniss wird dem Leser, der
ich für diese Episode aus irgend einem Grunde intercssirt, es leicht machen, die Belege für
lie angegebenen Verhältnisse zu prüfen.
Exner, Sitzungsber. Wien. Akad. 77, Febr. 1878; Wied. Ann. 6, 388. 1878. — Der-
elbe, Sitzungsber. 77, Mai 1878; Wied. Ann. 6, 336. 1879. — Derselbe, Sitzungsber. 79,
uli 1878; Wied. Ann. 6, 353. 1879. — Derselbe, Sitzungsber. 80, Juli 1879; Wied. Ann.
), 591. 1880. — Derselbe, Sitzungsber. 80, Dec. 1879; Wied. Ann. 10, 265. 1880. —
Seetz, Wied. Ann. 10, 348. 1880. — Exner, Sitzungsber. 81, Mai und Juli 1880; Wied.
Vnn. 11, 1034 und 1036. 1880. — Derselbe, Sitzungsber. 82, Nov. 1880; Wied. Ann. 12,
»30. 1881. — Beetz, Wied.' Ann. 12, 290. 1881. — Schultze-Berge, Wied. Ann. 12,
^07 und 319. 1881. — Julius, Wied. Ann. 13, 276. 1881. — Hallock, Wied. Ann. 16,
;6 und 82. 1882. — Exner, Sitzungsber. 84, Juli 1881; Wied. Ann. 15, 412. 1881. —
Derselbe, Sitzungsber. 86, 551. 1882. — Uijanin, Wied. Ann. 30, 699. 1887. — Exner,
sitzungsber. 95, März 1887; Wied. Ann. 32, 53. 1887. — Hallwachs, Wied. Ann. 32,
>4. 1887 u. s. w.
Ostwald, Elektrochemie. °8
II
Achtzehntes Kapitel.
}
II
1
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1
4 — i
ii
"I074
wirksam wird. Es muss zugestanden werden, dass erst in jüngster Zeit
die hier zu erfüllende Bedingung in das allgemeinere Bewusstsein überzu-
gehen begonnen hat, und bis auf den heutigen Tag findet sich in den
wenigsten Lehrbüchern eine klare Auseinandersetzung dieser Bedingung, ja
kaum jemals die Aufstellung der Frage überhaupt.
Es ist dies um so auffallender, als die Frage bereits in den Anfangs-
zeiten der Elektrochemie richtig gestellt und richtig beantwortet worden ist;
freilich haben die Arbeiten, in denen sich Frage und Antwort findet, kaum
irgend welche Beachtung gefunden. Der Grund hierfür ist wie schon mehr-
fach in ähnlichen Fällen darin zu suchen, dass die vorgetragenen richtigen
Ansichten sich nur schwer mit den üblichen chemischen Vorstellungen ver-
einigen Hessen; und an den letzteren zu zweifeln, wagte bis vor kurzer Zeil
kaum einer.
Der hier zu erörternde Punkt ist bereits mehrfach berührt worden; es
handelt sich um die schon von Ritter gefundene Erkenntniss, dass nur
solche chemische Vorgänge elektrisch wirksam sind, welche sich
in zwei Theile zerlegen lassen, die zwar gleichzeitig, aber örtlich
getrennt, an den beiden Elektroden verlaufen. Das ÜANiELi/sche
Element bietet hierfür das beste Beispiel dar. Sein chemischer Vorgang
besteht in der Fällung einer Kupfersulfatlösung durch metallisches Zink, eine
Reaktion, die sofort eintritt, sowie man die beiden Stoffe mit einander in
Berührung bringt. In der DANiELi/schen Kette finden die beiden Theile,
aus denen der Vorgang besteht, gleichzeitig aber von einander getrennt
statt; das metallische Zink wird an der Anode aufgelöst, und gleichzeitig
das Kupfersulfat an der Kathode zersetzt. Durch die räumliche Trennung
der beiden reagirenden Stoffe wird bewirkt, dass die Reaktion nur in dem
Maasse stattfinden kann, als sich die entgegengesetzten Elektricitäten an
den beiden Metallen ausgleichen können, und diese Elektricitätsbewegung ist
nach dem FARADAY^schen Gesetz dem Betrage des gleichzeitigen chemischen
Vorganges proportional. Daraus ergiebt sich ein anderer Ausdruck der
gleichen Erkenntniss: elektrisch wirksam sind nur die Vorgange in der
Kette, die dem Farad AY'schen Gesetz gemäss erfolgen; alle Vorgänge, für
welche die Bedingungen örtlich zusammen vorhanden sind, finden ohne
Beziehung auf dies Gesetz statt, und kommen daher elektrisch nicht in
Betracht. Endlich kann man überlegen, um diese wichtige Sache von
allen Seiten anzuschauen, dass dem Farad AY'schen Gesetz nur solche Vor-
gänge unterliegen, bei denen die Ionen des vorhandenen Elektrolyts be-
theiligt sind; alle elektrochemisch wirksamen Reaktionen müssen sonach
Ionenreaktionen sein.
Diese weiteren Gesichtspunkte sind, wie bemerkt, erst spät allgemein ver-
standen, wenn auch schon früh ausdrücklich ausgesprochen worden. Der
Forscher, bei welchem ich sie zuerst in genügender Gestalt angetroffen habe, ist
ein sonst nicht weiter bekannt gewordener Engländer, namens R. Arrott, über
welchen selbst Poggendorff's biographisches Handwörterbuch nichts bringt.
Einzelne Fortschritte der Elektrochemie u. s. w. 1075
Seine Arbeit1 bezieht sich auf Ketten aus einem Metall und zwei Flüssig-
keiten, einer reducirenden und einer oxydirenden, wie sie schon von Davy
(S. 157) gebaut worden waren; ihre Wirkungen schliesst er an die Erschei-
nungen der Polarisation an. Seine in mancher Beziehung bemerkenswerthe
Abhandlung hat allerdings zu ihrer Zeit keine Beachtung gefunden, und erst
in der neuesten Zeit ist der hier gebahnte Weg wieder begangen worden.
„Nachdem ich seit einiger Zeit mit der Untersuchung einiger bemerkens-
werther VoLTA'scher Wirkungen beschäftigt gewesen bin, die in bisher noch
nicht beobachteten oder wenigstens nicht ihrer Wichtigkeit entsprechend
bearbeiteten Fällen eintreten, sehe ich mich veranlasst, die Ergebnisse meiner
Untersuchungen mitzutheilen.
„Es ist eine Thatsache, welche jedem bekannt ist, der die Erscheinungen
bei der chemischen Zersetzung durch Elektricität sorgfältig beobachtet hat,
dass die in der zersetzten Flüssigkeit befindlichen Elektroden die Eigenschaft
annehmen, einen Strom in der entgegengesetzten Richtung hervorzubringen,
wenn sie mit einander verbunden werden, ohne dass sie aus der Flüssig-
keit entfernt worden sind. ...
„Ich habe beobachtet, dass ein Strom in vielen Fällen hervorgebracht
wird, wo aus der Natur der angewandten Flüssigkeiten die Entstehung des
Stromes weder auf die Neutralisation von Säure und Alkali, noch auf die
Wirkung der Flüssigkeiten auf die angewandten Metalle zurückgeführt werden
kann. So fand ich, dass die Lösungen von Ferro- und Ferrisalzen einen
Strom hervorbringen, wenn sie mit einander in Berührung gebracht und
durch Platin verbunden werden; das Ferrisalz wird reducirt und das Ferro-
salz oxydirt.
„Der Strom schien in diesem Falle von der Oxydation und Reduktion
der Flüssigkeiten mit Hülfe der Elemente des Wassers, das zersetzt wurde,
herzurühren, und es erschien wahrscheinlich, dass bei der Anwendung von
Stoffen, welche eine grössere Anziehung zu Sauerstoff und Wasserstoff be-
sitzen, auch grössere Wirkungen beobachtet werden könnten. Von diesem
Gesichtspunkte aus versuchte ich Lösungen von Chlor und fand die Wirkung
bedeutend verstärkt. Alsdann versuchte ich es mit einer Lösung von Jod in
Wasser und in einer Lösung von Jodkalium; die Wirkung war sehr schwach,
und dies ist genau, was zu erwarten war, denn Jod hat fast eine gleiche
Tendenz, sich mit Sauerstoff wie mit Wasserstoff zu verbinden, wie aus der
Art hervorgeht, in welcher es das Wasser zersetzt. Zu der Zeit, wo ich
diese Versuche machte, wusste ich nicht, dass Schönbein mittelst Chlor einen
Strom erhalten hatte.
„Wir haben eine äusserst einfache und hübsche Veranschaulich ung
dieser Wirkungen in dem Falle der Eisensalze. Werden zwei Röhren an
einem Ende mit Gyps verschlossen, und füllt man die eine mit Ferro-, die
andere mit Ferrisulfat, und setzt beide in ein Gefäss mit verdünnter Schwefel-
1 Philos. Mag. 22, 427. 1843. Vorgelegt der Chem. Soc. am 15. Nov. 1842.
AK*
1076
Achtzehntes Kapitel.
11
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säure, so bemerkt man keine Änderung, wenn man rothes Blutlaugensah
zu dem Ferrisalz, und Schwefelcyankalium zu dem Ferrosalz fügt; werdet
aber die beiden Lösungen durch einen Platinstreifen verbunden, so tretei
augenblicklich Zeichen von Oxydation in der einen, von Reduktion in de
anderen auf. Auch habe ich einen Apparat in der Form einer Batterii
erbaut, welcher gleichzeitig die fragliche Wirkung erläutert und als eine be
queme und sparsame Vorrichtung zur Anstellung der gewöhnlichen galva
nischen Versuche dienen kann. Sie besteht aus sechs kleinen cylindrischei
Gefässen, in welchen Röhren aus gebranntem Thon befestigt sind. Klein
Cylinder von Platinblech, 0,6 Zoll breit und 1,5 Zoll lang, stehen in de:
porösen Röhren, und ausserhalb derselben breitere Cylinder von 1,8 Zo
Durchmesser und 1,5 Zoll Höhe. Das Ganze war als Kette verbunder
indem der äussere Cylinder des ersten Gefässes mit dem inneren des zwei
ten u. s. f. verbunden war; die poröse Röhre wurde dann mit starker Sal
petersäure und das Gefäss mit einer Lösung von Schwefelkalium gefiilli
Diese Anordnung entspricht vollkommen der DANiELi/schen Kette, nur das
die metallischen Flächen ausschliesslich aus Platin bestanden.
„Mit einem Apparat von obenstehenden Abmessungen habe ich in
Voltameter 0,5 Kubikzoll der gemischten Gase in der Minute erhalten, un<
die Wirkung blieb während mehrerer Stunden unter geringer Abnahme be
ständig.
„Ich finde, dass die Stoffe, welche unter ähnlichen Umständen einei
Strom hervorbringen, sehr zahlreich sind; z. B. die Oxyd- und die Oxydul
salze des Eisens, Zinns und Mangans, alkalische Sulfide, Hyposulfite, Hypo
phosphite oder eine Wasserstoffsäure auf der einen Seite, und Chlor odei
Salpeter- oder Chromsäure auf der anderen.
„Die Stärke der Wirkung ist übrigens bei den verschiedenen Zusammen
Stellungen sehr verschieden; so ist sie mit Eisensalzen sehr gering, wahrem
mit Chlor oder Salpetersäure und einem Alkalisulfid eine solche Starb
hervorgebracht wird, dass die Wirkung eines einzigen Paares genügt, Wasse
zu zersetzen.
„Man bemerkt, dass jede Zusammenstellung aus einem oxydirendei
und einem reducirenden Stoffe besteht, und die eintretende Änderung is
in allen die gleiche: der oxydirende Stoff wird reducirt, und der reducirend
oxydirt.
„Benutzen wir einen Stoff, z. B. Chlor allein, so findet das entsprechend
Element des Wassers nichts, womit es sich verbinden kann, und wird abge
schieden; in diesem Falle ist aber die Intensität der Wirkung sehr vermindeii
„Die Art, in welcher die Versuche ausgeführt wurden, ist sehr einfad
Ein kleines Gefäss aus gebranntem Thon war innerhalb eines Weinglase
befestigt; die beiden Flüssigkeiten wurden dann in dies Gefäss und da
Weinglas gegossen, bis sie in gleicher Höhe standen; auf diese Weise warei
sie in freier Berührung, während ihre wirkliche Mischung nur sehr langsan
vor sich ging; dann wurden Metallplatten, die in allen Fällen aus Platin be
Einzelne Fortschritte der Elektrochemie u. s. w. 1077
standen, in die Flüssigkeiten getaucht; sie waren vorher sorgfältig mit Sal-
petersäure und Kali gereinigt und mit Wasser gewaschen.
„Ich will nun die Schlüsse auseinandersetzen, zu denen ich bezüglich
der Gesetze gelangt bin, welche die Wirkung der gewöhnlichen Voi/rVschen
Batterie, sowie die in den oben beschriebenen Anordnungen regeln.
„Ich finde diese in vollkommener Übereinstimmung mit denen der ge-
wöhnlichen mechanischen Kräfte, nämlich dass Wirkung und Gegenwirkung
einander gleich und entgegengesetzt sind. Wenn ein Metall aus seiner Lö-
sung reducirt wird, so scheint die gleiche Gegenwirkung als eine Consequenz
aus dem Gesetz der festen elektrolytischen Wirkung zu folgen, und in Fällen,
wo kein fester Stoff ausgeschieden wird, gilt das gleiche Gesetz.
„Um dies zu beweisen und gleichzeitig zu zeigen, dass die Wirkung
nicht von irgend einem besonderen Zustande des Metalles abhängt, füllte
ich ein poröses Gefäss mit einer Mischung von starken Lösungen von
schwefelsaurem Eisenoxydul- und -oxydsalz; dies Gefäss wurde dann in
ein anderes, mit derselben Mischung gefülltes, gestellt, eine Platinplatte wurde
in jedes Gefäss gebracht, und der Kreis durch ein empfindliches Galvano-
meter geschlossen. Es fand nicht die geringste Wirkung statt. Die Platten
wurden nun mit den Polen einer Batterie verbunden, und die durchgehende
Strommenge mittelst des Voltameters gemessen. In den Lösungen entwickelte
sich kein Gas, auch wurde kein Eisen reducirt, aber die Menge des Oxyd-
salzes nahm auf der einen Seite zu, und die des Oxydulsalzes auf der
anderen. Nachdem So Maass Gas gesammelt worden waren, wurde die
Batterie entfernt, und die Platten wie früher durch ein Galvanometer ver-
bunden. Es entstand ein kräftiger Strom in der entgegengesetzten Richtung
des Batteriestromes; die Wirkung war mit frischen Platten die gleiche, und
wenn diese einfach mit Wasser gewaschen wurden, konnten sie aus einem
Gefäss in das andere gebracht werden, ohne dass der kleinste Einfluss auf
den Strom hervorgebracht wurde, vorausgesetzt, dass auch die Verbindung
mit dem Galvanometer gewechselt wurde. Das Ganze wurde wieder mit
der Batterie derart verbunden, dass der Strom in der entgegengesetzten
Richtung des früheren Batteriestromes durchgehen musste, und als 80 Maass
Gas wieder gesammelt und die Batterie entfernt worden war, konnte nicht
de* geringste Strom beobachtet werden, als die Platten mit dem Galvano-
meter verbunden wurden, und alles befand sich in genau dem Zustande,
wie zu Anfang. Die Kraft der Lösung, einen Strom hervorzubringen, nimmt
stufenweise ab, wird aber nicht eher vollständig aufgehoben, bevor der
zweite oder Rückstrom den gleichen Betrag erreicht hat, wie der erste. Die
Menge des Rückstromes kann nicht genau ohne Hülfe der Batterie, welche
ihn beschleunigt, gemessen werden, denn die Lösungen vermischen sich er-
fahrungsmässig unvermeidlich, und daraus entstehen grosse Irrthümer. Ein
gleicher Versuch wurde mit Salpetersäure ausgeführt, welche grosse Mengen
von niederen Oxydationsstufen des Stickstoffs enthielt, und ergab völlig
ähnliche Resultate.
1078
Achtzehntes Kapitel.
!
„Auch wenn der Kreis vollständig metallisch, aber nicht homogen is
findet ein Rückstrom statt, denn die in einer thermoelektrischen Kette en
wickelte Wärme verursacht einen Strom in der umgekehrten Richtung, w
der erzeugende. In diesem Falle können wir aber nicht den Betrag b
stimmen, da es unmöglich ist, die Wärme davor zurückzuhalten, dass sie sie
ausbreitet und in die Theile vordringt, welche kalt bleiben sollen. Mö;
licherweise findet das Gleiche in einem homogenen Kreise statt, und n
die äusserst geringe Intensität, welche nur der gleich ist, welche den Stro
zum Durchgang veranlasst, verhindert uns daran, ihn zu beobachten.
„Aus diesen und ähnlichen Beobachtungen kann man als ein allg
meines Gesetz aufstellen, dass, wenn ein Strom durch eine Reihe von Leite
geht, er einen Zustand hervorruft, welcher einen gleichen und entgege
gesetzten Strom verursachen kann, vorausgesetzt, dass die hervorgebracht
Änderungen dauernd sind.
„Es kann die Gültigkeit dieses Gesetzes in allen Fällen bewiesen werde
in denen eine Flüssigkeit im Stromkreise ist, mit der einzigen Ausnahn
des Falles, wo zwei Stücke desselben Metalls durch eines ihrer Salze ve
bunden sind; hier sind die Erscheinungen die gleichen, als wenn ein re
metallischer Stromkreis vorhanden wäre (Faraday).
„Diese Ergebnisse scheinen zu zeigen, dass etwas von der Natur eim
Kraft durch den Strom geleitet wird, und die Erscheinungen der Spannuc
scheinen diesen Gedanken sehr zu unterstützen, denn hier haben wir Körpc
die wirklich in Bewegung gesetzt werden.
„Nehmen wir nun an, dass jede Molekel fähig ist, eine anziehende Kra
auf jede andere Molekel in seiner Nachbarschaft auszuüben, so sind die Ei
scheinungen des VoLTx'schen Stromes genau dieselben, welche aus eine
solchen Anziehung hervorgehen müssen, und die VoLTA'sche Wirkung scheii
chemische Wirkung unter einer anderen Gestalt zu sein, indem die Wirkun
in dem einen Falle zwischen Molekeln stattfindet, welche sich in sehr g<
ringen Entfernungen befinden, und im anderen zwischen solchen in eim
erheblichen und sichtbaren Entfernung.
„Wird irgend eine Zahl von Molekeln oder verschiedenen Stoffen nebe
einander gebracht, so dass sie sich frei bewegen können, so ordnen sie sie
derart an, dass ihre Kräfte sich im Gleichgewicht befinden; und bis die»
Zustand erreicht ist, befinden sich die Molekeln in einem Zwangszustand
Wenn z. B. Chlor, Wasserstoff und Wasser in Berührung gebracht werde
so verbinden sie Chlor und Wasserstoff zu Chlorwasserstoff, und dies ist ei
Gleichgewichtszustand. Die Form, in welcher dieser Zustand erreicht wir
scheint der folgende zu sein:
Das Atom Cl verbindet sich ir
dem vorher mit O verbunden gewesenen H, während das O sich mit de
freien H vereinigt, so dass C1H und HO gebildet werden; befinden sie
aber Cl und H von einander entfer durch Wasser getrenc
Einzelne Fortschritte der Elektrochemie u. s. w. 1070
CSaSaSa^aÜaS) > so kann keine Wirkung stattfinden, denn die Molekeln
können keine solche Anordung finden, dass ein vollständiger Kreis gebildet
wird, ohne welchen sie ihre Anziehung nicht ausüben können. Wird aber
H und Cl durch ein Metall verbunden (hYoYhYoYTT)(^ einen Körper,
dessen atomistische Constitution der einer Flüssigkeit ähnlich ist, so ist der
Kreis geschlossen, HCl wird gebildet und das Gleichgewicht wiederherge-
stellt. Die Anziehung, welche vorher zwischen H und Cl bestanden hatte,
war wegen deren grossen Nähe nicht zur Beobachtung gelangt; nun aber
pflanzt sie sich durch den ganzen Stromkreis fort, und wir haben dadurch
die Mittel, die hervorgebrachten Erscheinungen zu beobachten.
„Ist Cl das einzige freie Element, so ordnen sich die Atome folgender-
massen /^v^n indem Cl und H sich verbinden und O frei gemacht wird,
sind O und Cl in dem Augenblicke der Entwickelung des O nicht in Be-
rührung, sondern in einiger Entfernung, so haben wir dieselben Erscheinungen
wie im ersten Falle, nur dass das O, weil es nichts findet, womit es sich
verbinden kann, an der Oberfläche des Metalls in Freiheit gesetzt wird. In
diesem Falle geht die Wirkung viel schneller vor sich, als wenn kein Metall
angewendet wird, in Folge der grossen Anziehung zwischen den positiven
und negativen Atomen des Platins1 (denn die Anziehung durch den Strom-
kreis ist gleich der stärksten Anziehung an irgend einem Punkte desselben).
Es ist nicht nothwendig, dass die auf solche Weise wirkenden Atome ele-
mentare Stoffe seien, denn zusammengesetzte Stoffe, wie Cyan, viele Neu-
tralsalze und organische Verbindungen wirken in gleicher Weise.
„Das Ergebniss der Wirkung ist dasselbe, ob wir die Flüssigkeiten ein-
fach mischen, oder aus ihnen wie oben einen VoLTA'schen Kreis bilden.
Mischen wir z. B. ein Äquivalent Cl mit einem Äquivalent SnCl,2 so wird
Äquivalent SnCl2 gebildet. Wenn wir, anstatt die Flüssigkeiten zu mischen,
sie in poröse Gefässe thun, die wir in verdünnte Salzsäure stellen, und sie
durch einen Streifen Platin verbinden, so ist das Ergebniss dasselbe, wie
früher, und die Menge der Säure bleibt dieselbe, da sie bloss gedient hat,
die Flüssigkeiten mit einander zu verbinden, und entbehrt werden könnte,
wenn nicht die unvermeidliche Vermischung, welche bei unmittelbarer Be-
rührung der beiden Flüssigkeiten eintreten würde, die Ergebnisse sehr un-
befriedigend machen würde. Nehmen wir an Stelle der oben genannten
Lösungen das Proto- und Perchlorid des Eisens, so dauert die Bildung
1 Der Text lautet: „in consequence of the great attraction between the zincous and the
chlorous Atoms of the platina" und ist wahrscheinlich so zu deuten, dass der Verfasser das
Platin als aus polarisirbaren Atomen, wie eine Flüssigkeit, bestehend annimmt.
* Der Verfasser schreibt die seiner Zeit gebräuchlichen Äquivalentformeln; SnCl ist Zinn-
chlorür, SnCl* Zinnchlorid.
io8o
Achtzehntes Kapitel.
J
i
1
des Per- und Protochlorids an, bis die Menge dieser Salze in beiden Ge
gleich wird.
„Daraus geht hervor, dass das Ergebniss das gleiche sein würd<
es durch Diffusion hervorgebracht wird.
„Die Wirkung ist, wie früher erwähnt, ähnlich bei H und Cl; 1
und HO, HS, HJ, KO, KS, KJ; es wird Wasserstoff- und Metalle
gebildet, und das verbundene Radikal wird abgeschieden. Dies Ges<
allgemein, und gilt für gewöhnliche chemische Reaktionen; hier abet
die Ergebnisse durch die seeundären Umstände geändert, unter denc
Abscheidung stattfindet. So wird kein Sauerstoff entwickelt, wenn
KO gefugt wird, doch ist dieses Verschwinden des Sauerstoffe ein dui
seeundäres Ergebniss, da der Sauerstoff im Augenblicke seiner Bildu
Berührung mit Cl und KO ist, von denen er absorbirt wird unter B
von Kaliumchlorat. Bei der VoLTA'schen Anordnung kann aber kein s
Resultat entstehen, denn der Sauerstoff ist im Augenblicke seiner Ent
lung nicht in Berührung mit Cl, und erscheint deshalb als Gas. Ein ai
Unterschied zwischen VoLTA'scher und chemischer Wirkung ist der;
bei der ersteren Stoffe sich verbinden, welche bei einfacher Mischung
Wirkung auf einander sind, wie z. B. Sauerstoff und Wasserstoff,
rührt aber von der kräftigen Anziehung der Platinmolekeln her, welcl
den Sauerstoff und den Wasserstoff wirken. Dadurch wird die Intensil
zu dem Punkte gesteigert, dass Verbindung eintritt.
„Es wird nun ersichtlich, weshalb kein Strom durch die Verbii
einer Säure und eines Alkalis erzeugt werden kann; ist z. B. Kali mil
säure in Berührung, so haben wir einfach einen Austausch der Eier
indem K mit Cl sich verbindet, während der befreite Sauerstoff mit d
der Salzsäure sich verbindet,
und der Strom ist daher ai
vier Elemente beschränkt, welche in diesem Falle nicht auseinandc
nommen werden können; dasselbe gilt für Schwefelsäure, indem SC
Cl gesetzt wird. Salpetersäure, Chromsäure und mehrere andere
können in ganz verschiedenem Sinne wirken. Das ganze Atom NC
ist fähig, wie Cl zu wirken, indem sie sich mit dem positiven Bestar
der Verbindung vereinigt, welche damit in Berührung ist, und das R
in Freiheit setzt, wie bei der Kette aus Salpetersäure und Kali von Becq
In diesem Falle aber wird die Säure zu Stickoxyd und -peroxyd re«
Der Zuwachs der Intensität bei der Anwendung von Kali scheint dun
Verwandtschaft desselben zu einer weiteren Menge Sauerstoff un
Bildung von Kaliumperoxyd verursacht zu sein, welches unmi
durch Wasser zersetzt wird; nimmt man Baryt, so wird kein Sauersto:
wickelt.
„„Die Veränderungen, welche eintreten, wenn organische Stoffe i
geordnet werden, dass ein Strom gebü bieten ein interessante
Einzelne Fortschritte der Elektrochemie u. s. w. 1 08 1
für Untersuchungen, und es scheint wahrscheinlich, dass viele als katalytisch
bezeichnete Wirkungen das Ergebniss von Wirkungen solcher Natur sind.
Denn es ist nicht nothwendig, dass der die Flüssigkeiten verbindende Stoff
ein Metall ist; jeder leitende Stoff wird den gleichen Zweck erfüllen; auch
ist es nicht nothwendig, dass der Stoff eine merkliche Grösse hat, denn ein
einzelnes Atom kann eine veränderte Anordnung von Molekeln des Stoffes
hervorrufen, mit dem es in Berührung ist, wie in dem Falle von gemischten
Sauerstoff und Wasserstoff das Platin durch die Anziehung seiner Atome,
und diese veränderte Anordnung wird von der Natur des Stoffes abhängen,
welcher die Zersetzung verursacht, indem die Anordnung der Atome, welche
die gewöhnlichen Molekeln zusammensetzen, bei beiden ähnlich ist.
„„Hieraus wird hervorgehen, dass Volt Ansehe Wirkung nichts anderes
als chemische ist, die unter besonderen Umständen stattfindet, welche uns
ermöglichen, viele von den Erscheinungen zu beobachten, zu deren Entstehung
sie Anlass giebt, und welche wir in den gewöhnlichen Fällen nicht beob-
achten können; und dass die chemische Wirkung das Resultat der Tendenz
der Molekeln ist, sich in den Gleichgewichtszustand zu begeben, ähnlich wie
das mechanische Kräfte thun.""
Wenn man in diesen Auseinandersetzungen die Vorstellung der mecha-
nischen Kräfte zwischen den Atomen durch die rationellere der Unterschiede
der freien Energie der Stoffe vor und nach der Reaktion ersetzt, wird man
sie fest durchgängig zutreffend finden. Indessen sind sie, wie schon erwähnt,
ohne alle Wirkung geblieben, und heute, wo die gleichen Fragen behandelt
werden, ergiebt sich, dass die Angelegenheit eben dort wieder aufgenommen
werden muss, wo Arrott sie gelassen hat. Ihre letzte Aufklärung hat auch
sie in der Theorie der elektrolytischen Dissociation gefunden.
8. Accumulatoren. Die ältere Geschichte der jetzt zu so hoher Be-
deutung gelangten seeundären Säulen oder Accumulatoren ist schon gegeben
worden; sie ist wesentlich in den Arbeiten von J. W. Ritter (S. 176) enthalten.
Inzwischen ist noch die Wippe von Poggendorff und die THOMSEN'sche Po-
larisationsbatterie zu nennen, welche beide bestimmte Aufgaben mit Hülfe
der Polarisationsströme zu lösen lehrten.
Auch die neuere Entwickelung .der Sache hat einen rein wissenschaft-
lichen Ausgangspunkt genommen in einer Arbeit von Gaston Planta über
das Verhalten der verschiedenen Metalle bezüglich des seeundären Stromes
nach der Polarisation. l Es ergab sich, dass die grösste Wirkung beim Silber
stattfand; darnach kam ^das Blei. Über die Ursache war Planta ganz im
klaren: wenn die übrigen Bedingungen gleich sind, ist der seeundäre Strom
um so stärker, je mehr das gebildete Oxyd gegenüber dem Metall elektro-
negativ ist. Bei dem Silber findet sich diese Eigenschaft im höchsten Grade.
Das durch die Säule gebildete Oxyd dieses Metalls2 ist elektronegativer als
selbst das Platin.
1 Comptes rendus 49, 402. 1859. * Es ist Silbersuperoxyd gemeint.
io82
Achtzehntes Kapitel.
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„Der stärkste secundäre Strom bei der Anwendung von angesäuerte
Wasser wird von Silberelektroden hervorgebracht; nach dem Silber komi
Blei, Zinn, Kupfer, Gold, Platin und Aluminium."
In einer etwas späteren Mittheilung ist dann die Verwendung dies
Ergebnisses zur Construction kräftiger Ladungssäulen enthalten.1 „Die t
sondere Untersuchung, welche ich über diese Ströme angestellt habe, 1
mir gezeigt, dass die von Bleielektroden in angesäuertem Wasser geliefo
elektromotorische Gegenkraft etwa 21/a mal so gross ist, wie die von pla
nirten Platinelektroden, und 6*/2 mal grösser als die von Elektroden a
gewöhnlichem Platin. Diese elektromotorische Kraft ist, obwohl sie v
Platten aus demselben Metall geliefert wird, erheblich grösser als <
eines Elements nach Grove oder Bunsen; es rührt dies von der gross
Verwandtschaft des Bleisuperoxyds zum Wasserstoff her, welche bereits v
de la Rive so glücklich für die Herstellung VoLTA'scher Ketten verwerti:
worden ist. Ich habe gefunden, dass der Werth dieser elektromotorisch
Kraft sehr nahe gleich 1,5 ist, wenn man die eines BuNSEN^schen Elemei
zur Einheit nimmt.
„Diese Beobachtungen haben mich veranlasst, eine secundäre Säule
erbauen, welche wie ich hoffe, den Physikern von Nutzen sein wird. D
welche ich der Akademie vorzulegen die Ehre habe, besteht aus 9 E
menten, die eine Oberfläche von 10 Quadratmetern haben. Jedes Element
aus zwei langen und breiten Streifen von Blei gebildet, welche unter Trennui
durch ein grobes Gewebe schneckenförmig aufgewickelt sind und in ang
säuertes Wasser mit 1/10 Schwefelsäure tauchen. Der Hauptstrom, welch
zur Bethätigung dieser Batterie erforderlich ist, hängt von der Art ab, wie c
9 secundären Paare verbunden sind. Sind sie so angeordnet, wie in de
vorgelegten Apparate, dass sie zu drei Elementen von der dreifachen Otx
fläche vereinigt sind, so genügen 5 kleine BuNSEN-Elemente, deren rin
förmige Zinke 7 cm tief eintauchen, um nach einigen Minuten der Ei
Wirkung einen Funken von aussergewöhnlicher Stärke zu geben, wenn m
den Kreis der Batterie schliesst Der Apparat wirkt genau wie ein Condc
sator; denn er gestattet, in einen Augenblick die Arbeit zusammenzu dränge
welche die Säule binnen einer gewissen Zeit geliefert hat."
Die ausfuhrliche Darstellung der Ergebnisse Plante's findet sich in eir
Arbeit, welche am 22. Juni der Pariser Akademie eingereicht worden isi
diese bringt einige weitere Angaben über besondere Formen und A
Wendungen der Ladungssäule, aber keinen Fortschritt von Belang. Der t
reits in der ersten Mittheilung angegebene theoretische Standpunkt, dass c
Ursache der Wirkung in der Bildung des Bleisuperoxydes liege, wird etw
eingehender ausgeführt.
Der wesentliche Fortschritt, welchen Plante über diesen Standpur
hinaus machte, liegt in der Entdeckung der beträchtlichen Vergrösserui
1 Comptes rendus 50, 640. 1860.
n. (4) 15, 5. 1868.
Einzelne Fortschritte der Elektrochemie u. s. w. IO83
der Capacität, welche die Bleiplatten nach längerem Gebrauch, d. h. nach
wiederholter Ladung und Entladung annehmen. Die Mittheilungen darüber
sind 1879 in einem besonderen Werke1 erfolgt, in welchem sich auch weitere
Angaben über die Herstellung solcher secundärer Ketten finden. Die weitere
Entwickelung der Sache, insbesondere die Erfindung Favres, durch Über-
ziehen der Bleiplatten mit einem Gemisch von Mennige und Schwefelsäure
von vornherein eine grosse Capacität zu erlangen, haben ausschliesslich
technisches Interesse.
9. Elektromotorische Kräfte zwischen Flüssigkeiten. Abgesehen
von vereinzelten Messungen, welche R. Kohlrausch mittelst eines Conden-
sators anstellte (S. 944), rühren die ersten Bestimmungen der elektromoto-
rischen Kraft der Flüssigkeitsketten von E. du Bois-Reymond2 her. Dieser
war bei Gelegenheit seiner Arbeiten über die elektrischen Erscheinungen im
Thierkörper auf solche Kräfte gestossen, und vermittelst der von ihm aus-
gebildeten PoGGENDORFF'schen Methode (S. 650) konnte leicht eine syste-
matische Untersuchung der Verhältnisse in Angriff genommen werden.
du Bois-Reymond begnügte sich zunächst mit einem allgemeinen orientiren-
den Einblick in das neue Gebiet und veranlasste dann einen seinen Schüler,
Jacob Worm-Müller, 8 zu einer systematischen Untersuchung desselben. Wenn
auch bei diesem ersten Angriff das Gebiet noch keineswegs erobert war, so
wurden doch einige Beziehungen gefunden, welche sich ziemlich allgemein
bewährt haben und welche später ihre theoretische Begründung fanden, so
insbesondere, dass die beobachteten Kräfte ganz wesentlich von der Concen-
tration der benutzten Lösungen abhingen und in arithmetischer Reihe zu-
nahmen, wenn die Verdünnung einer Lösung sich in geometrischer Reihe
änderte. Allerdings waren die elektromotorischen Kräfte der Flüssigkeits-
ketten in noch höherem Grade als die der gewöhnlichen Ketten nur als
Summen von mehreren Einzelwerthen zu erhalten, und die Zerlegung dieser
Grössen in ihre Summanden konnte nur vermuthungsweise versucht werden.
Leider war Worm-Müller bei der Deutung seiner Zahlen in eine ganz ver-
fehlte Richtung gerathen, indem er annahm, dass das Wasser als Glied der
Flüssigkeitsketten keine elektromotorische Kraft gegen die verschiedenen
Lösungen entwickelt, sondern nur die Lösungen gegen einander. Dadurch
verfehlte er auch die Deutung der zwischen den verschiedenen Lösungen
wirkenden Kräfte. Gegenwärtig wissen wir, dass gerade umgekehrt das
Wasser die grössten Kräfte gegen die Lösungen entwickelt. Worm-Müller
hätte auch seinerseits auf diese Vermuthung kommen können, da er viel-
fach die Beobachtung machen musste, dass die Ketten, in denen Wasser als
ein Glied vorhanden war, eine sehr veränderliche, von der Beschaffenheit des
Wassers (frisch destillirt oder alt) abhängige Kraft aufwiesen.
1 Recherches sur l'electricite. Paris 1879.
1 Reichert und du Bois-Reymond's Archiv 1867, 453.
8 Untersuchungen über Flüssigkeitsketten, Leipzig 1869. — Pogg. Ann. 140, 114. 1870.
1084
Achtzehntes Kapitel.
Was die thermoelektrischen Erscheinungen
erwähnt, die ersten, welche überhaupt beobachtet w
rührungsstellen zwischen Metallen und Elektrolyten g<
Als dann Seebeck (S. 379) die thermoelektrischen
Metallen aHein und Peltier die Umkehrung derselbei
hervorgebrachten Wärmeerscheinungen an den Grenzfl
lag es nahe, auch an den Berührungsstellen zwisch
trolyten nach ähnlichen Erscheinungen zu suchen.
sind, wurde dann von Wild1 gezeigt, welcher die
gänge an der Grenzfläche zweier Elektrolyte nachv
suchte. Die Umkehrung gelang ihm nicht, weder er
der vor ihm2 den Versuch angestellt hatte, konnte
Stromes durch die Grenzfläche zweier Elektrolyte ein
abhängige Wärmeerscheinung beobachten.
Die Ursache hiervon lag wesentlich in den vi
gungen dieses Versuches bei den Elektrolyten, welch
sehr geringe Leitfähigkeit und grosse Wärmecapacit
durch den Widerstand veranlasste Wärmeentwickelur
als die „Peltier- Wärme", und daneben die hervo
anderung viel kleiner. Dass dennoch derartige Wir
wurde durch Carl Schultz-Sellack8 nachgewiesen,
Differentialthermometern das Vorhandensein und dei
kungen beobachten konnte. Es wurden sowohl LufttV.
elektrische Ketten angewendet, doch gelang nur der
für eine eintgermaassen zuverlässige Messung waren
kungen zu klein.
ro. Photoelektrische Erscheinungen. Vo:
Licht elektrochemische Erscheinungen hervorruft, sint
querel, den Sohn von Antoine Becquerel, beobachte
vorläufigen Mittheilungen seit 1839 gab er im Jah
Beschreibung seines photoelektrischen Apparates, ii
zu seinen weiteren Versuchen beibehalten hat.
„Der Apparat, Fig. 258, besteht zunächst aus eir
2 bis 3 m Länge, der mit einem getheilten Maass:
dessen sich eine quadratische Holztafel mit sehr
schieben lässt, welche ein Wassergefäss trägt
„Dieses Wassergefäss ist ein Würfel von 1 Dec
findet sich Wasser, welches durch sehr wenig N;
Tropfen Salpeter- oder Schwefelsäure schwach leite:
dieses tauchen zwei Platten von Silber, jede 25 qcm
Dicke. Diese laufen in zwei silberne Stäbe aus,
1 Pogg. Ann. 103, 353. 1858.
* Pogg. Ann. 14X, 467. 1870.
• Mon»taber, der
r
Einzelne Fortschritte der Elektrochemie u. s. w.
IO85
äulen befestigt sind. Diese Säulen stehen auf der Holztafel und gestatten,
ie beiden Platten mit den Enden eines sehr empfindlichen Galvanometers mit
.ngem Draht zu verbinden. Vor dem Wassergefäss sind auf der Tafel zwei
chirme angebracht: der eine ist von Kupfer und enthält einen Spalt von
cm Breite und der Höhe des Gefässes, der Mitte desselben entsprechend,
Fig. 258. Nach E. Becquerel.
o dass, wenn man Licht auf den Schirm fallen lässt, nur der Theil der
Jilberplatte unmittelbar hinter der Öffnung erleuchtet wird und die Wirkungen
ler Strahlung empfängt. Mittelst zweier Platten, welche genähert oder ent-
ernt werden können, wie bei den Diffractionsapparaten, kann der Spalt nach
belieben breiter oder schmäler gemacht werden.
„Der zweite Schirm ist ganz undurchsichtig und weiss bemalt, er steht
inmittelbar vor dem ersten, wenn man jede Wirkung der Strahlung aufheben
md den Theil des Sonnenspektrums kennen lernen will, welcher auf die
ditte des ersten Schirmes fallt.
„Es ist nothwendig, das Gefäss mit Wasser zu füllen, welches sehr wenig
eitet, denn der Versuch lehrt, dass, je besser die Flüssigkeit leitet, um so
geringer die Stärke der zu beobachtenden Ströme ist; so kann es geschehen,
lass man überhaupt keine Wirkung beobachtet, wenn man zu stark ange-
iäuertes Wasser nimmt.
„Das Actinometer muss in einem vollkommen dunklen Zimmer stehen,
n welches das Licht nur durch eine Öffnung im Fensterladen eindringen
cann, und es ist am besten, das Galvanometer in einem anderen Zimmer
interzubringen. Nachdem man die Oberflächen der Platten gut gereinigt
lat, setzt man eine derselben Joddämpfen aus, bis die Schicht des Jod-
ilbers gelblich erscheint Das Jodiren muss so stattfinden, dass nicht das
nindeste Licht auf die Platten fällt, und das Innere des Dunkelzimmers muss
lurch eine sehr entfernt aufgestellte Kerze erleuchtet sein, damit das Jodid
licht beeinflusst wird.
„Sind die Platten jodirt, so stellt man sie in das Wassergefäss, welches
in drei Seiten geschwärzt und mit Wasser gefüllt ist, derart, dass eine Platte
hre jodirte Seite dem Spalt im Schirme zuwendet, während die jodirte
5eite der anderen Platte gegen eine der schwarzen Seiten des Gefässes ge-
io86
Achtzehntes Kapitel.
II
H
wendet ist, so dass sie nicht das geringste von den chemischen Strahlen
hält, welche die andere Platte beeinflussen. Sind sie an den kupfer
Trägern befestigt, so verbindet man sie mit den Enden eines vorzüglic
Galvanometers mit langem Draht.
„Im ersten Augenblicke entsteht ein ziemlich kräftiger elektrischer Str
welcher von der Ungleichheit der Platten herrührt; überlässt man aber
Apparat sich selbst, so bleibt die Nadel zuweilen auf Null stehen oder wei
Grade neben dem Nullpunkte. Ist sie nicht auf Null, so bringt man ei
kleinen Magnetstab von ferne heran, mit dem man die Lage des astatisc
Paares beeinflusst, bis es auf Null zurückgeführt ist . . ."
Lässt man nun auf die eine Platte des so vorgerichteten Apparates L
fallen, so zeigt sich ein elektrischer Strom, der mit der Stärke des Lid
zunimmt und daneben von der Wellenlänge desselben abhängig ist. A
zeigt sich ein Unterschied, je nachdem man die Platte schon belichtet h
oder nicht; während auf unbelichtete Platten das rothe Licht nur eine s
geringe Wirkung hat, wird die Platte, nachdem sie einmal belichtet wor
ist, auch gegen Roth empfindlich. Becquerel unterschied daher anfangei
und fortsetzende Strahlen, doch bezieht sich die beobachtete Erschein)
nicht auf die Beschaffenheit der Strahlen, sondern durch die erste Belicht
ist die empfindliche Schicht eine andere geworden und hat demnach a
andere photoelektrische Eigenschaften erlangt.
In einer späteren Abhandlung1 theilte Becquerel zunächt ein Verfah
mit, um möglichst empfindliche und constante Platten zu erlangen, wc
sich herausstellte, dass je nach der Behandlung der Platten die erzeug
Ströme bald in der einen, bald in der anderen Richtung gingen. Für irg
eine Theorie dieser Erscheinungen ist ein solcher Umstand natürlich <
grosse Schwierigkeit, und so sieht sich auch Becquerel ausser Stande,
dieser Beziehung etwas beizubringen.
Dagegen zeigte er, dass die photoelektrischen Erscheinungen sehr
gemein auftreten; es bedarf dazu nicht besonders präparirter Platten, s
dem mit hinreichend empfindlichen Messinstrumenten kann man fast imi
elektrische Erregungen beobachten, wenn man eine von zwei gleichartig
in einem Elektrolyten befindlichen Elektroden belichtet. Ähnliche Ersc
nungen wurden von Grove, Hankel2 und Anderen beobachtet; so liei
nach Gouy und Rigollot3 zwei bis zum Rothwerden oxydirte Kupferplai
in verdünnten Lösungen eines Halogensalzes sehr ausgeprägte photoe
trische Erscheinungen, und von Minchin4 ist eine sehr grosse Zahl von
sammenstellungen untersucht und beschrieben worden, durch welche 2
Theil sehr bedeutende Wirkungen entstehen.
Aus diesen Untersuchungen ist so viel klar geworden, dass es sich
eine Veränderung der elektromotorischen Kraft zwischen der Elektrode 1
1 Ann. chim. phys. (3) 32, 176. 1851.
8 Comptes rendus 106, 1470. 1888.
• Wied. Ann. 1, 402. 1877.
4 P> (5) 81, 207. 1891.
Einzelne Fortschritte der Elektrochemie u. s. w. IO87
der umgebenden Flüssigkeit handelt. Diese entsteht und verschwindet sehr
schnell und wird am grössten in wenig leitenden Flüssigkeiten.1 Den Ver-
such einer Theorie dieser Vorgänge hat Griveaux2 gemacht, doch ist hier
noch fast Alles von der Zukunft zu erwarten.
II. Zum FARADAY'schen Gesetz. Es ist schon wiederholt bemerkt
worden, dass die Erkenntniss der ganzen Tragweite des Farad AY'schen Ge-
setzes eine Sache langer Arbeit und weitreichender wissenschaftlicher Ent-
wickelung gewesen ist. Während es zuerst wesentlich nur als ein Gesetz
aufgefasst wurde, welches die bei der Elektrolyse auftretenden Mengen
zersetzter Substanz bestimmt, hat schon Faraday selbst betont, dass es
auch auf die Vorgänge in der VoLTA'schen Kette selbst Anwendung finden
müsse, und es ergab sich allgemein, dass sämmtliche Elektricitäts-
bewegungen in einem Elektrolyt durch das Gesetz bestimmt und von ihm
abhängig sind.
Für den Fall der Kette lautet das Gesetz dahin, dass bei der Auflösung
von einem Äquivalent des positiven Metalls immer die gleiche Elektricitäts-
menge entwickelt werden muss, gleichgültig, welches Metall angewendet wird
und welche chemische Reaktion im Übrigen stattfindet. Wohlgemerkt handelt
es sich hier um die Elektricitätsmenge, nicht um die elektrische Energie;
diese letztere tritt aber dem Gesetz zufolge ausschliesslich in dem Werthe
der entsprechenden elektromotorischen Kraft auf und hat auf die Elektricitäts-
menge keinen Einfluss.
Dieser Theil des FARADAY^schen Gesetzes ist von Bernard Renault8 in
eingehender Weise geprüft und, wie zu erwarten war, bestätigt worden.
Da in dieser Arbeit noch mancherlei andere nicht unwichtige Dinge zur
Sprache gekommen sind, rechtfertigt sich ein Eingehen darauf. Denn
es wurde bei dieser Gelegenheit gleichzeitig ein anderer Punkt berührt,
nämlich, ob einem und demselben Elemente verschiedene elektrische Äqui-
valente zukommen können. So ist das Eisen im Chlorür mit zwei, im
Chlorid mit drei Atomen Chlor verbunden. Nach dem FARADAY^chen
Gesetz muss es bei seiner Ausscheidung aus dem ersteren zwei, aus dem
letzteren drei Äquivalente Elektricität abgeben. Nun scheidet sich aus Eisen-
chlorid an der Kathode aus schwachen Strömen überhaupt kein Eisen ab,
sondern es wird Eisenchlor ür gebildet; bei grösserer Stromdichte entsteht
auch Eisen. Doch ist hier der Einwand möglich, dass alsdann das Eisen
secundär aus zuerst gebildetem Chlorür entstanden sei, und die Frage ist
nicht ganz unzweifelhaft beantwortet.
Diese Lücke füllen nun die Versuche von Renault dadurch aus, dass
er das FARADAY^sche Gesetz nicht für die Ausscheidung, sondern für die Auf-
1 Die stärksten von Minchin beobachteten Wirkungen finden statt, wenn man als leitende
Flüssigkeit organische Stoffe, wie Aceton u. dergl. verwendet, deren Leitfähigkeit äusserst gering
ist. Deshalb müssen die Wirkungen auch mit einem Elektrometer beobachtet werden; ein
Galvanometer ist nicht anwendbar.
1 Comptes rendus 107, 837. 1888. 8 Ann. chim. phys. (4) 11, 137. 1867.
io88
Achtzehntes Kapitel.
14
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lösung des Metalls zur Prüfung brachte. Wenn je nach der Natur
Lösungsmittels ein und dasselbe Metall auf die gleiche gelöste Menge
schiedene Elektricitätsmengen in Bewegung setzt, so ist der Einwand
secundären Wirkung (der ohnehin nicht sehr stichhaltig ist) völlig ai
schlössen und die Möglichkeit bewiesen, dass in der That gleich zusam
gesetzte, z. B. elementare Ionen verschiedene Elektricitätsmengen enth
können, welche natürlich, den chemischen Gesetzen gemäss, in einfa
rationalen Verhältnissen stehen müssen.
Die Versuchsanordnung war sehr einfach. Ein Porzellangefass, we
der besseren Isolation wegen (überflüssiger Weise) mit Wachs in e
zweiten grösseren befestigt war, enthielt die Kathode von Platin oder B
in einer geeigneten oxydirenden Flüssigkeit. Darin stand das poröse G
mit der zweiten Flüssigkeit, und das zu prüfende Metall wurde mittelsi
Zange festgehalten und in die Flüssigkeit gesenkt. Von den beiden ]
troden wurde der Strom in den einen Draht eines Differentialgalvanom
geleitet; durch den anderen Draht ging der Strom eines ähnlich einge
teten Elementes, in welchem Zink die Anode bildete. Dadurch, das«
Metalle mehr oder weniger tief eingetaucht wurden, d. h. durch Verände
des Widerstandes der Kette, wurden beide Ströme gleich stark gemach
dass das Differentialgalvanometer keinen Ausschlag gab. War der S
genügend lange geschlossen gewesen, so wurden die beiden Metalle he:
genommen und gewogen. Um beim Zink die örtliche Wirkung auszuschlie
wurde es in eine Lösung von Kochsalz gethan; aussen befand sich gew
lieh Salzsäure, so dass sich Wasserstoff an der Kathode entwickelte.
Auf diese Weise ergab sich, dass Kupfer, welches in seinen gew
liehen Salzen zweiwerthig ist, sich in Chlornatrium und Salzsäure sowi
ammoniakalischen Flüssigkeiten als einwerthiges Metall löst. Wismuth
Antimon sind dreiwerthig, Zinn je nach dem Lösungsmittel zwei- oder
werthig.
Eisen konnte nicht anders als zweiwerthig gelöst werden, auch i
sich Kaliumchlorat oder -bichromat an der Anode befanden. Wurde c
gelbes Blutlaugensalz zur Lösung gesetzt, so liess sich erkennen, dass
bei Gegenwart der oxydirenden Flüssigkeiten in unmittelbarer Nähe
Kathode immer die Reaktion der Ferrosalze auftrat; das Ferrisalz ente
erst in einiger Entfernung von derselben.
Zinn löste sich fast nur zweiwerthig; nur in einer alkalischen Lö
von Kaliumnitrat und in Alkalipolysulfiden erwies es sich als vierwei
Quecksilber wurde von Cyankalium zweiwerthig gelöst, von anderen Lösi
mittein einwerthig. Tellur ging in Salzsäure zweiwerthig, in Alkalien
werthig in Lösung.
Für die Deutung seiner Versuche bedient sich Renault einer
E. Becquerel ausgesprochenen Regel, wonach die Zahl der negativen At
die in der Verbindung sind, maassgebend für ihr elektrolytisches Verh
sein soll, indem durch den gleichen Strom immer so viel Metall ausgeschi
Einzelne Fortschritte der Elektrochemie u. s. w. IO80
werden soll, als mit je einem Atom Halogen verbunden ist. Zu jener Zeit war
der Ausspruch ziemlich richtig, da man damals noch kaum mehrwertige
Anionen zu formuliren pflegte, während mehrwerthige Kationen vielfach bekannt
waren. Später hat man einsehen müssen, dass eine solche Regel ebensowenig
haltbar ist, wie eine sich auf die Kationen beziehende es in dieser Form wäre.
Die hier vorhandenen Schwierigkeiten liegen nicht in dem elektrochemischen
Theil der Beziehung, denn dieser lautet einfach dahin, dass chemisch äqui-
valente Mengen gleiche Elektricitätsmengen transportiren. Vielmehr liegt die
Schwierigkeit allein auf rein chemischem Gebiete, in der Aufklärung des
Verhältnisses zwischen chemischen Äquivalenten und Atomgewichten. Erstere
sind rein erfahrungsmässige Zahlen, die unter anderem ergeben, dass einem
und demselben Element unter Umständen verschiedene Äquivalente zukommen
können; überall aber sind die chemischen Äquivalente identisch mit den
elektrischen. Die Atomgewichte dagegen sind hypothetische Grössen, über
sie können die Meinungen getheilt sein und sind es gewesen; das Verhält-
niss des FARADAY'schen Gesetzes zu diesen Zahlen ist also nicht ein durch
die Erfahrung bestimmtes, sondern es muss durch eine Definition mit Rück-
sicht auf die Definition der Atomgewichte willkürlich festgelegt werden. Hält
man diese Voraussetzungen fest, so wird man keine Schwierigkeiten finden,
in den zuweilen etwas verwirrenden Verhandlungen über diese Frage den
richtigen Standpunkt einzunehmen.
12. Das Dilemma von Lippmann. Für den offenbaren Widerspruch,
in welchem die gebräuchlichen chemischen Vorstellungen sich mit den ein-
fachen Thatsachen der elektrolytischen Elektricitätsbewegung befinden, ist
unter anderem die nachstehende Darlegung Lippmanns1 ein Beispiel. Sie
liefert den passendsten Übergang zn dem folgenden Kapitel, und man kann
ihr nur den einen Vorwurf machen, dass sie die unvermeidliche Consequenz
nicht gezogen hat, auf welche ihre Erörterungen hinführen.
„Es sei eine in einem Glasgefäss enthaltene Wassermenge durch einen
Platindraht mit dem Erdboden in Verbindung gesetzt. Wenn man diesem
Wasser eine geriebene Harzstange nähert, so wird die positive Elektricität
des Bodens angezogen und auf der Oberfläche des Wassers ausgebreitet.
Da der Platindraht als Eintritts-Elektrode einer Fluth von positiver Elek-
tricität dient, so bekleidet er sich mit Sauerstoffblasen in einer der eintreten-
den Elektricität proportionalen Menge; dies geschieht wenigstens, wenn man
eine Elektrode von sehr kleiner Oberfläche anwendet, z. B. eine Wollaston'-
sche Spitze. Die Sauerstoffentwickelung unter diesen Umständen ist übrigens
eine wohlbekannte Thatsache; sie ist namentlich durch Herrn Buff und
Herrn Soret bestätigt.
„Da der Sauerstoff in Freiheit gesetzt worden ist, so muss der mit ihm
verbunden gewesene Wasserstoff überschüssig in dem Wasser oder auf dessen
Oberfläche bleiben. Dieser der Ladung proportionale Überschuss von Wasser-
1 Comptes rendus 81, 280. 1875. — Pogg. Ann. Erg- ?» 33°» l876*
Ostwald, Elektrochemie. 69
J
ü
!?!
!
I
IOOO Achtzehntes Kapitel. Einzelne Fortschritte der Elektrochemie u. s. w.
stoff bleibt gewissermaassen versteckt, so lange das Wasser elektrisch b
er entwickelt sich aber im Augenblicke der Entladung.
„Es reicht hin, die Harzstange zu entfernen. Die Ladung, die d
Influenz festgehalten worden war, fliesst durch die Platinspitze in den
den. Da diese Spitze die Ausfluss-Elektrode einer positiven Elektricitäts
ist, bekleidet sie sich mit Wasserstoffblasen. Der versteckte Wa
stoff kommt also bei der Entladung wieder zum Vorschein, und zwar
ständig.
„Denn nach dem FARADAY^schen Gesetz entwickelt dieselbe Elektric
menge, die beim Eintritt i Äq. Sauerstoff frei gemacht hat, beim Au
i Aq. Wasserstoff.
„Da der versteckte Wasserstoff vollständig wieder erscheinen muss
kann man keinen Theil wieder davon entfernen, weder durch Diffusion,
durch Oxydation, noch irgend einen physikalischen oder chemischen
gang, welcher die elektrische Ladung unverändert lässt Mit anderen Wo
der versteckte Wasserstoff ist weder verbunden, noch gelöst, und den
ist er wirklich da, weil man ihn durch Entfernung der Harzstange in
heit setzen kann.
„Übrigens Hessen sich die Worte verbunden und gelöst nur
Wasserstoff anwenden, welcher im Inneren einer gewissen Masse enth
wäre; hier aber haben wir zum ersten Male, wie es scheint, ein Bei
einer anderen Art von materieller Verknüpfung. Der versteckte Wassei
ist ganz an der Oberfläche des Wassers enthalten, ich meine in dem '
des Körpers, in welchem die elektrische Ladung sich ausgebreitet befii
„In der That kann man jeden Theil der inneren Wassermasse d
Luft ersetzen; so lange man die Oberfläche nicht verändert, ändert siel
elektrische Ladung und folglich auch die Menge des versteckten Wa
Stoffes nicht. Man kann also die Masse aushöhlen, ohne die Menge
versteckten Wasserstoffes zu ändern, folglich befindet sich dieser an
Oberfläche.
„Ebenso enthält eine entgegengesetzt elektrisirte Wassermasse einen
elektrischen Ladung proportionalen Überschuss von Sauerstoff/'
F'g- 259- Svante
Neunzehntes Kapitel. ■
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation.
i. Allgemeines. Die Elektrochemie ist in dem Jahre 1887 in ein
wesentlich neues Stadium getreten, indem in diesem Jahre eine Ansicht auf-
gestellt worden ist, welche in einem ungeahnten Umfange eine ganze Anzahl
von bisher ungelöst gebliebenen Problemen zu erledigen und eine geschlos-
sene Theorie der elektrochemischen Erscheinungen zu entwickeln gestattet hat.
Vermöge dieser Theorie sind nicht nur die meisten bisher bekannten That-
sachen des Gebietes in gegenseitigen Zusammenhang und logische Ordnung
gebracht worden, sondern eine Reihe noch nicht bekannt gewesener Er-
scheinungen und Beziehungen konnte durch sie vorausgesehen werden; die
Voraussicht hat sich durchgängig an der Erfahrung bestätigt. Wir sind
somit in unserer Geschichte in der ungewöhnlich günstigen Lage, nicht nur
äusserlich, sondern auch sachlich einen Abschluss des Entwicklungsganges
und ein deutliches und ansehnliches Ziel unserer Wanderung aufweisen zu
können, indem die meisten und wichtigsten Fragen, die uns bisher beschäftigt
haben, ihre befriedigende Lösung finden. Dass damit die ganze wissen-
schaftliche Angelegenheit selbst nicht abgeschlossen ist, braucht kaum betont
zu werden. Die Eigenschaft jeder guten zusammenfassenden und aufklären-
den Theorie, dass sie neben der Erledigung einer Anzahl von älteren Pro-
blemen eine Fülle von neuen Aufgaben bringt, kommt der hier zu be-
sprechenden Anschauung im höchsten Maasse zu; und so ist die Zeit des
Abschlusses der älteren Aufgaben der Elektrochemie auch die Zeit ihrer
69'
jqq2 Neunzehntes Kapitel.
!
lebendigsten Weiterentwickelung geworden. Nur ist der Charakter der E
wickelung gegenwärtig ein ganz anderer geworden. Während die alte
J Arbeiten mehr an kühne und mehr oder minder glückliche Streife
in unbekanntes Land von unübersehbarer Ausdehnung gemahnen, wel
uns zwar mit mancherlei Wundern und Merkwürdigkeiten aus diesem
biete bekannt machten , einen Überblick über die ganze Gestalt dessel
aber nicht ermöglichten, sind wir jetzt in der Lage, ein allgemeines ]
von der Form und Beschaffenheit des Landes und seines Inhaltes uns mac
zu können, und der vom Zufall, Glück und Instinkt abhängige Forschui
reisende — oder Abenteurer — wird durch den systematisch vordringen
Arbeiter ersetzt.
Zu dieser entscheidenden Wendung hat eine ganze Reihe von Umsi
den mitgewirkt. Ist auch die eben erwähnte neue Auffassung des Zustar
der elektrolytischen Leiter, die wir Svante Arrhenius verdanken,
Mittelpunkt dieser neuen Entwickelung gewesen, so hätte doch der F
schritt nicht entfernt der sein können, der wirklich stattgefunden hat, w
nicht auf einer ganzen Anzahl anderer, für die Sache gleichfalls in Fr
kommender Gebiete, insbesondere der Lehre von der chemischen Ener
gleichzeitig Fortschritte von nicht geringem Belang gemacht worden wä
jj Selten sind die zur Vollendung des „grossen Werkes" erforderlichen l
stände in so kurzer Zeit und unter so günstigen allgemeinen Verhältnis
zusammengetroffen, wie in diesem Falle, und selten hat demgemäss <
wissenschaftliche Frage grossen Umfanges eine so alle Erwartung üben
gende Entwickelung erfahren, wie die Frage nach dem Zusammenhange
, chemischen und elektrischen Erscheinungen in der VoLTA'schen Kette.
I Bei der Darstellung dieser Entwickelung wird es daher nöthig s
etwas weiter auszugreifen, und die wesentlichsten Thatsachen aus der neue
l. t T-: allgemeinen Chemie gleichfalls kurz zu erwähnen. Es ist schon mehr!
[ I ii betont worden, dass die Entwickelung der Elektrochemie in dem Umsta
ein wesentliches Hinderniss gefunden hatte, dass die allgemeinen Ges
der chemischen Vorgänge, soweit sie die dabei stattfindenden Änderun
der Energie und die zu gewinnenden Arbeitsleistungen anlangen, bis in
neueste Zeit unbekannt geblieben waren. Als diese Lücke ausgefüllt woi
war, Hess auch die Anwendung der gefundenen Gesetze auf die elek
chemischen Vorgänge nicht auf sich warten, und hat alsbald die wertlr
.. sten Früchte gezeitigt.
.1 t 2. Arrhenius* erste Abhandlung. Im Juni 1883 legte Svante A
I 1 '% henius der schwedischen Akademie der Wissenschaften eine Arbeit über
galvanische Leitfähigkeit sehr verdünnter wässeriger Lösungen vor, we
1884 gedruckt wurde.1 Das allgemeine Ergebniss der Arbeit war, dass
Lösungen bei grosser Verdünnung ihre Leitfähigkeit sehr nahe proporti
dem Gehalt an elektrolytischer Substanz ändern. Bei grösserer Concentra
H
1 Bijhang tili K. Svenska Vet-Akad. Handl. 8, No. 13. 1884.
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation. IOQ3
finden hiervon Abweichungen in solchem Sinne statt, dass die Leitfähigkeit
weniger schnell zunimmt, als dem steigenden Gehalt entspricht. Der Betrag
der Abweichung ist bei verschiedenen Stoffen sehr verschieden und bei
chemisch ähnlichen Stoffen übereinstimmend. Er fasst selbst seine Ergeb-
nisse in die folgenden Sätze zusammen:
,,l) Die Leitfähigkeit einer elektrolytischen Lösung ist proportional der
Menge des gelösten Elektrolyts (oder der Zahl der gelösten Molekeln), wenn
die anderen Umstände als unveränderlich angesehen werden können.
„2) Sind zwei oder mehrere Salze in demselben nichtleitenden Lösungs-
mittel aufgelöst, so ist die Leitfähigkeit der Lösung gleich der Summe der
Leitfähigkeiten, welche die Lösung besitzen würde, wenn einmal nur das
eine Salz, das andere Mal das andere allein aufgelöst wäre.
„3) Die Leitfähigkeit einer verdünnten Salzlösung ist gleich der Summe
der Leitfähigkeiten der Salzlösung, indem das Lösungsmittel als nichtleitend
betrachtet wird, plus der eigenen Leitfähigkeit des Lösungsmittels." Dieser
Satz ist besonders wichtig, um die stets vorhandene eigene Leitfähigkeit des
Lösungsmittels, z. B. des Wassers, die meist von der Gegenwart anderer Elek-
trolyte herrührt, von denen es sehr schwer völlig zu befreien ist, in Rech-
nung zu bringen. Er ist anfangs mehrfach angezweifelt worden, hat sich
aber in der Folge als im Wesentlichen stichhaltig erwiesen.
,,4) Wenn bei der Verdünnung einer Lösung die Leitfähigkeit sich nicht
proportional dem Gehalt ändert, so muss nothwendig ein chemischer Vor-
gang in der Lösung durch den Zusatz des Lösungsmittels stattfinden.
„5) Sind zwei Stoffe gleichzeitig gelöst, und findet der Satz 2 keine
Anwendung, so muss ein chemischer Vorgang zwischen den beiden Stoffen
stattgefunden haben."
Besondere Verhältnisse zeigten sich bei den sehr verdünnten Lösungen
der starken Säuren und Basen, denn hier nähert sich das Verhältniss zwischen
Leitfähigkeit und Gehalt (die molekulare Leitfähigkeit) nicht einem grössten
Grenzwerthe, sondern nimmt bei sehr grossen Verdünnungen wieder ab.
Arrhenius führte mit Recht diese Erscheinungen auf Vorgänge zwischen
dem gelösten Stoffe und den im Wasser vorhandenen Verunreinigungen
zurück.
Weiter wird der Vorgang der elektrolytischen Leitung den üblichen
Ansichten gemäss als mit einer Reibung zwischen den Ionen des Elektrolyts
und dem Lösungsmittel verbunden angesehen, und aus einer Betrachtung
der hierbei maassgebenden Umständen werden die folgenden weiteren Sätze
abgeleitet:
„7) Der Widerstand einer elektrolytischen Lösung ist um so grösser, je
grösser die innere Reibung ist.
„8) Der Widerstand einer elektrolytischen Lösung ist um so grösser, je
complicirter die Ionen sind.
„9) Der Widerstand einer elektrolytischen Lösung ist um so grösser, je
grösser das Molekulargewicht des Lösungsmittels ist."
IQQA Neunzehntes Kapitel.
Von diesen Sätzen ist der letzte wahrscheinlich mit den Thatsac
im Widerspruch, da die Leitfähigkeit sehr verdünnter Lösungen in Aa
grösser ist, als die der entsprechenden wässerigen Lösungen.
Diese Sätze dienen nur dazu, die Veränderlichkeit der Leitfähigkeil
erklären, welche die Elektrolyte mit veränderlicher Verdünnung zeigen,
diesem Ende betrachtet Arrhenius die gelösten Zustände als zum gros»
oder geringeren Theil aus complexen Molekeln bestehend, indem er
auf eine Darlegung in Fehling's Handwörterbuch der Chemie1 stützt,
welcher für diese Annahme einige Gründe angegeben werden, die man h
allerdings als wenig bindend anerkennen würde. Je complexer der gel
Stoff ist, um so schlechter muss er leiten; andererseits ist es eine g
gerechtfertigte Annahme, dass die Complexität mit steigender Verdünn
geringer wird, wobei die Leitfähigkeit den Beobachtungen gemäss zunin
Dies wird in folgenden Sätzen ausgesprochen:
,,io) Die Complexität einer Salzlösung ist um so grösser, je leichter
Bestandtheile des Salzes Doppelverbindungen bilden.
,,ii) Die wässerigen Lösungen aller Elektrolyte enthalten den gelä
Elektrolyten mindestens theilweise im Zustande molekularer Complexe.
„12) Verdünnt man die Lösung eines normalen Salzes, so nähert :
die Complexität asymptotisch einer unteren Grenze.
„13) Die Grenze, der sich die Complexität eines gelösten norm;
Salzes bei äusserster Verdünnung annähert, ist für alle normalen Salze ^
gleichen Grade. Wahrscheinlich wird diese Grenze erst erreicht, wenn
Salze sich in einfache Molekeln zertheilt haben, wie sie durch die chemis
Molekularformel dargestellt werden."
Wie man aus diesen Darlegungen sieht, ist bei Arrhenius bereits
Grundgedanke vorhanden, dass die Zunahme der molekularen Leitfahig
.j mit steigender Verdünnung das Zeichen für einen Vorgang ist, der an
mit dem Elektrolyten stattfindet. Nur suchte er ihn in entgegengeset
Richtung, als er sich später herausgestellt hat. Nicht der Übergang c
plexer Molekeln in einfache, sondern der Übergang der einfachen Mole)
in ihre Theilstücke oder Ionen hat sich als der bestimmende Grund erwie
Dass Arrhenius damals jene Ansicht haben konnte, liegt zum Theil da
■ dass Mittel zur Bestimmung der Molekulargrösse gelöster Stoffe noch 11
I bekannt waren, denn die erste Arbeit von van*t Hoff über den Gegensl
^ erschien erst zwei Jahre später. Gleichzeitig ersieht man hieraus, welc
1
lerer Ansichten über den Zustand gelöster Elektrolyte haben musste; in
i[ grossen Einfluss die Auffindung dieser Mittel auf die Entwickelung ratio
I
;} * <% ' That ist später gerade auf diesem Wege der Gedanke der elektrolytisc
Dissociation entstanden.
Unmittelbar auf diesen ersten, experimentellen Theil seiner Arbeit
Arrhenius einen theoretischen folgen, in welchem ein neuer wichtiger
1 Neues Handwörterb. der Chemie IV, 156. 1882.
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation. IOQ5
nke auftritt, der des Zusammenhanges zwischen elektrischer Leit-
higkeit und chemischer Reaktionsfähigkeit. Zwar hatte schon
ttorf (S. 866) auf den hier vorhandenen Zusammenhang hingewiesen,
>ch war erst Arrhenius in der Lage, ihn zahlenmässig zu verfolgen, und
n Satz von der Proportionalität der beiden auszusprechen.
Zunächst beginnt Arrhenius damit, für den auch ihm offenbar nicht
nz befriedigend erscheinenden Begriff der Complexität der gelösten Elek-
Jyten einen anschaulicheren zu entwickeln. Er weist zu diesem Zwecke
f die Verhältnisse beim Ammoniak hin, wo man in der Lösung ein Ge-
sch von Ammoniak, NH3, und Ammoniumhydroxyd, NH4OH, annehmen
nne. Das erste ist als Nichtleiter, das andere als Elektrolyt anzusehen,
id da die Menge des Hydroxyds mit steigender Verdünnung zunehmen
jss, so muss dies auch die molekulare Leitfähigkeit thun.
Von den Säuren, die damals bezüglich ihrer Leitfähigkeit bekannt waren,
rhält sich die Essigsäure ganz ähnlich wie das Ammoniak. Über diese
rd bemerkt: „In welcher Beziehung sich die beiden Antheile (der leitende
er aktive und der nichtleitende oder inaktive) von einander unterscheiden,
*ibt aufzuklären. Wahrscheinlich ist der aktive Theil wie beim Ammoniak
le Verbindung des inaktiven Stoffes mit dem Lösungsmittel. Oder es mag
r Unterschied zwischen dem aktiven und dem inaktiven Theil in rein
lysikalischen Eigenschaften bestehen, wie weiter unten gezeigt werden soll."
e Stelle, auf welche hier verwiesen wird, enthält folgende Überlegung,
le elektrolytisch leitenden Theile müssen des doppelten Austausches fähig
in, den sich Arrhenius den damaligen Ansichten entsprechend so vor-
illte, dass die sich austauschenden Molekeln einen geschlossenen Kreis
den müssen, worauf die gegenseitige Umwechselung der Theilmolekeln
ittfinden kann. Wenn nun ein Elektrolyt auf solche Art constituirt ist,
ss in einer gegebenen Zeit nur ein Theil — desselben an solcher Be-
rgung theilnehmen kann, so ist offenbar der Coefncient seiner Aktivität
sich — Es ist also nicht nöthig, dass ein chemischer Unterschied zwischen
n beiden Antheilen bestehe.
Arrhenius' Vorstellungen über den Vorgang des doppelten Austausches
id der davon abhängigen elektrolytischen Leitung sind interessant kennen
lernen, da sie der Punkt sind, in welchem später seine eigene Ent-
ckelung eingesetzt hat. „Wenige Hypothesen sind von der wissenschaft-
hen Welt so allgemein angenommen, wie die von Williamson und Clausius.
ese Hypothese nimmt bekanntlich an, dass eine elektrolytisches Molekel in
1er Lösung in zwei Ionen getheilt ist, welche frei beweglich sind, wenn
ch kein Strom durch die Lösung geht. Wenn aber das Kation der einen
Dlekel in die Nachbarschaft des Anions einer anderen gelangt, so können
:h die beiden Ionen verbinden, worauf das Anion der ersten Molekel und
s Kation der zweiten (wenn sie sich nicht mit einander verbinden) zwischen
IOq6 -Neunzehntes Kapitel.
die anderen Molekeln hineinwandern, bis sich jedes mit dem entgegengeset
Ion verbindet. In diesem Falle werden neue Ionen frei und setzen
Vorgang fort.
„Nun wollen wir die Folgerungen aus dieser Hypothese entwict
Alle Ionen sind mit einer gewissen Menge Elektricität verbunden, die Anic
mit negativer, die Kationen mit positiver. Aus Symmetriegründen1
diese Mengen für alle Ionen gleich gross. Wenn sich nun das Kation e
Molekel mit dem Anion einer anderen, und das Kation dieser mit dem Ai
einer dritten verbindet u. s. f., so kann der Vorgang nur dadurch schlies
dass das Kation der letzten Molekel sich mit dem Anion der ersten
bindet oder mit einem von diesem in Freiheit gesetzten Anion. Natüi
geschieht dies alles so schnell, dass man annehmen kann, dass das e
Kation sich mit dem zweiten Anion in demselben Augenblicke verbin
wo das letzte Kation an das erste Anion tritt. Während dieser Vorg
stattfindet, hat sich offenbar eine gewisse Menge Elektricität (die mit eil
Ion verbundene) in einer geschlossenen Linie bewegt. Wir wollen die
schriebene Erscheinung einen Kreisstrom nennen. In einem Elektr
finden demnach beständig Kreisströme statt,
y „Indessen könnte man vermuthen, dass die Kreisströme aufhören müs
5 weil man nicht annehmen darf, dass der Widerstand gegen diese Stri
{Ä gleich Null ist, namentlich, wenn man den Widerstand als ein Reibui
hinderniss gegen die Bewegung der Ionen auffasst. Dennoch geschieht
nicht, weil, wenn die Energie des Kreisstromes durch den Widerstand
mindert wird,* diese sich in Wärme verwandelt, d. h. die Temperatur
Lösung wird höher. Wenn man nun wie gewöhnlich annimmt, dass
gesammte Energie das Streben hat, dass ein bestimmter Bruchtheil dersel
als Bewegung der Ionen vorhanden ist (wie dies Hr. Claüsius annimmt),
wird sich bald ein beweglicher Gleichgewichtszustand herstellen, welcher
[ [* \\ ft durch gekennzeichnet ist, dass der Energieverlust der Kreisströme in e
gewissen Zeit durch eine gleiche Energiemenge compensirt wird, die aus
Umwandlung der gesammten Energie herstammt."
Aus diesen Darlegungen ersieht man besonders deutlich, welche Seh
rigkeiten für eine wirklich befriedigende Analyse der Erscheinungen
beiden stillschweigend angenommenen Hypothesen von dem Zusammen!]
der Ionen und von der kinetischen Natur der Wärme machen, wenn i
sie vollständig durchfuhren will. Auch hat es nicht an Widerspruch gc
diese Darstellung von Arrhenius gefehlt, doch fällt ein solcher sichei
^ 1 t 1 weniger den gezogenen Schlüssen, als der Beschaffenheit der Ausgangspui
i\ [ I zur Last.
Aus seinen Betrachtungen leitet Arrhenius nun die elektrolytisc
Gesetze ab, indem er insbesondere die Notwendigkeit des Faraday'sc
i
1 „Dieser Satz kann strenger bewiesen werden, was im folgenden Paragraphen
schehen wird.*'
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation. IOQ7
setzes nachweist, wenn man das Gesetz, dass niemals freie positive oder
gative Elektricität allein erzeugt werden kann, voraussetzt. Ferner zieht
den wichtigen Schluss: „Jeder Stoff, welcher durch doppelte Zersetzung
emisch auf einen Elektrolyten einwirkt (so dass dessen Ionen getrennt
rden), ist gleichfalls eine Elektrolyte, und dasselbe sind die Produkte der
nsetzung." Auch dieser Satz ist vielfach angezweifelt worden; gegenwärtig
er in so vielen Fällen bewiesen worden, dass an seiner allgemeinen Gültig-
it kein Zweifel bestehen kann.
Was nun die Hauptfrage, den Zusammenhang zwischen der Leitfahig-
it und der chemischen Affinität oder Reactionsfähigkeit der Elektrolyte
langt, so spricht Arrhenius den Satz aus: „Die molekulare Leitfähigkeit
s aktiven Antheils einer Säure (in verdünnter Lösung) ist constant und
abhängig von der Natur der Säure."
Dieser Satz enthält einen falschen und einen richtigen Bestandtheil. Der
weis beruht auf der falschen Voraussetzung, dass die Wanderungs-
schwindigkeit des Anions der Säure in unbegrenzter Verdünnung unab-
ngig von dessen Natur ist. Der Irrthum (welcher indessen später auch
n Anderen begangen worden ist) war dadurch entstanden, dass man an-
igs fast nur Salze mit einfachen anorganischen Anionen untersucht hatte,
ren Wanderungsgeschwindigkeiten von einander wenig verschieden sind;
später eine grössere Zahl von Fällen zur Kenntniss gelangte, musste man
h überzeugen, dass es sich hier bloss um eine Annäherung handelt und
ss die Wanderungsgeschwindigkeiten gesetzmässig verschieden sind. Der
enstehende Satz muss daher umgeformt werden in: Die molekulare Leit-
ligkeit des aktiven Antheils einer Säure ist konstant und gleich der Summe
r Wanderungsgeschwindigkeiten des Anions und des Wasserstoffs. Aus
•sem Satze ergeben sich alsbald die weiteren von Arrhenius ausgesprochenen
►lgerungen: „Je besser die verdünnte Lösung einer Säure leitet, um so
5sser ist ihr aktiver Antheil", und unter Anwendung der Betrachtung, dass
r der aktive Antheil des doppelten Austausches fähig ist: „Eine Säure ist
i so stärker, je grösser ihr Aktivitätscoefficient (ihre molekulare Leitfahig-
it) ist." Derselbe Satz gilt auch für Basen.
Diese weitreichenden Schlussfolgerungen konnte Arrhenius seinerzeit
r auf wenige Thatsachen stützen, da damals nur fünf oder sechs Säuren
sichzeitig in Bezug auf ihre Leitfähigkeit und auf ihre chemische „Stärke"
tersucht waren. Doch hat er sich in der Zukunft (mit einer geringen Ab-
derung, welche auf dem eben angegebenen Umstände beruht) als voll-
mmen richtig bewährt, derart, dass gegenwärtig die elektrische Methode
e anderen für diesen Zweck verdrängt hat. Der Nachweis dieser Be-
hung in einer grösseren Anzahl von Fällen (über dreissig) wurde unmittel-
r nach der Veröffentlichung von Arrhenius* Arbeit durch W. Ostwald
führt.1
1 Journ. f. prakt. Chemie 30, 39. 1884.
jqq3 Neunzehntes Kapitel.
An diese grundlegenden Ansichten knüpft Arrhenius nun eine Ableit
der allgemeinen Gleichgewichtsverhältnisse zwischen Elektrolyten, die
hier trotz ihres wissenschaftlichen Werthes nicht vollständig wiedergebe^
sie sich viel mehr auf chemische, als auf elektrische Fragen bezieht
Nur einige Bemerkungen, welche sich in der Folge auch als für
uns hier beschäftigenden Aufgaben wesentlich herausgestellt haben, sc
Erwähnung finden. So insbesondere die, dass bei sogenannten unlöslic
Stoffen immer eine bestimmte, wenn auch noch so geringe Löslichkeit
ausgesetzt werden muss, woraus sich das erfahrungsmässig für die
sprechenden heterogenen Gleichgewichte aufgestellte Gesetz, dass die v
same Menge unlöslicher Stoffe konstant ist, unmittelbar ergiebt Ferner
Arrhenius betont, dass der Aktivitätscoefficient der gelösten Stoffe von
Verdünnung in verschiedenem Maasse abhängig ist, und dass deshalb
constantes Verhältniss der Affinitätsgrössen z. B. zweier Säuren nicht
stehen kann. Vielmehr muss, da alle Säuren bei unendlicher Verdünn
schliesslich vollkommen aktiv werden, das Verhältniss der Aktivität und di
das der Affinität zweier Säuren sich um so mehr der Einheit nähern,
die Verdünnung grösser wird. Auch dieser Satz und der entspreche)
dass alle Säuren bei maximaler Verdünnung gleich stark werden müs
hat in der Folge durchaus Bestätigung gefunden. Die Kühnheit seiner i
Stellung ist um so bemerkenswerther, als die zu jener Zeit vorliegenden T
Sachen nur wenig zu seiner Unterstützung beitrugen und die aus di<
Thatsachen gezogenen Anschauungen weit von solchen Schlüssen entf
waren. Auch in diesem Falle ergaben Versuche, welche W. Ostwald
stellte, um möglichst „starke" Säuren ausfindig zu machen,1 dass es \i
lieh ein Maximum für die Stärke der Säuren giebt, und dass eine Vereinig
aller Umstände, die für die Beförderung der Stärke bekannt waren, k<
weitere Steigerung über dies Maximum hinaus (das bei der Salz- und
petersäure nahezu erreicht ist) nicht zu bewerkstelligen vermochte.
Endlich beschäftigt sich Arrhenius noch mit der bereits von Hess b(
achteten und von allen späteren Thermochemikern wiedergefundenen T
sache, dass für viele Säuren und Basen die Wärmeentwickelung bei
Neutralisation in verdünnter Lösung den gleichen Werth, unabhängig
der Natur der Säure und der der Base, hat. „Der Einfachheit wegen wc
wir die Wärmeentwickelung bei der Umwandlung eines Stoffes aus <
aktiven Zustande in den inaktiven die Aktivitätswärme dieses St<
nennen.
„Verbindet sich nun eine Säure mit einer Basis, beide als vollkomi
aktiv vorausgesetzt, so darf man diesen Vorgang als die Verdrängung e
schwachen Säure (des Wassers) aus ihrem Salze (dem basischen Hyc
durch eine starke Säure ansehen. Wenn daher das Wasser vollkomi
aktiv wäre (wie die Salze der starken Säure und des Wassers), so würde
1 Journ. f. prakt. Chemie 30, 235, 1884.
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation. IOQO
Neutralisationswärme des Wassers (als Säure betrachtet) gemäss der eben
ausgesprochenen Hypothese gleich der der starken Säure sein. Das heisst,
es würde keine Wärmeentwickelung stattfinden. Verwandelt sich nun das
vollkommen aktive Wasser in inaktives, so wird seine Aktivitäts wärme frei
gemacht Thatsächlich muss man annehmen, dass unmittelbar nach seiner
Bildung das Wasser vollkommen aktiv ist, denn es bildet sich durch das
Zusammentreffen seiner Ionen H und OH, die mit Bewegung behaftet sind.
Die Aktivität geht indessen augenblicklich verloren und es entsteht gewöhn-
liches, fast inaktives Wasser. Auf diese Weise wird bewiesen, dass die Neu-
tralisationswärme bei dem Übergange einer Säure und einer Basis, die voll-
ständig aktiv sind, in Wasser und ein gewöhnliches Salz nichts als die Akti-
vitätswärme des Wassers ist."
Auch mit dieser Betrachtung hat Arrhenius wesentlich das Rechte ge-
troffen, und wie verschieden auch sich in der Folge die Auffassung des Neu-
tralisationsvorganges entwickelt hat, das ist doch geblieben, dass es sich
hierbei um einen Vorgang handelt, an dem das gebildete Wasser entschei-
dend betheiligt ist und nicht das Anion der Säure und das Kation der Basis.
Schliesslich soll die allgemeine Bemerkung gemacht werden, dass bereits
in dieser ersten Arbeit sich die grosse Bedeutung ankündigt, welche die Unter-
suchung der elektrischen Verhältnisse für die Beurtheilung der chemischen
Vorgänge inzwischen gewonnen hat. Was seinerzeit von Berzelius erfolglos
angestrebt worden ist, die Entwickelung einer elektrochemischen Affinitäts-
lehre, hat hier seine wissenschaftliche Unterlage gewonnen, und es sind zur
Zeit bereits gegründete Aussichten vorhanden, dass das Gebiet dieser Be-
ziehungen weit über das der gewöhnlich so genannten Elektrolyte hinaus-
reichen wird, da in letzter Linie jeder nicht metallisch leitende Stoff als
Elektrolyt im weiteren Sinne aufzufassen ist.
3. Prüfung und Bestätigung. Die beiden Abhandlungen von Arr-
henius erregten, da ihr Verfasser noch völlig unbekannt war und dem behan-
delten Gegenstande zu jener Zeit von der Mehrzahl der Forscher wenig Inter-
esse entgegengetragen wurde, nur geringe Aufmerksamkeit und fanden, wo
man sie beachtete, keinen besonders freundlichen Empfang. An einer Stelle
indessen war das Gegentheil der Fall.
Seit einer Reihe von Jahren hatte W. Ostwald l sich mit der Frage be-
schäftigt, wie die sogenannte Affinitätsgrösse oder die chemische Verwandt-
schaft der verschiedenen Stoffe zu messen sei, und seine Arbeiten hatten
sich aus experimentellen Gründen wesentlich auf Säuren bezogen. Dabei
hatte er gefunden, dass für die verschiedenartigsten Wirkungen dieser Stoffe
bestimmte Coefficienten maassgebend sind, welche von der Natur der statt-
findenden Reaktion unabhängig und für die verschiedenen Säuren charak-
teristisch sind. Ob die Wirkung der Säuren in der Zersetzung gelöster oder
in der Auflösung unlöslicher Salze, in der Inversion des Zuckers, der Ver-
x Journ. f. prakt. Chemie 16, 385. 1877.
I j oo Neunzehntes Kapitel.
seifung der Ester oder Amide sich äussert, immer findet sie nach Maassj
bestimmter „Affinitätscoefficienten" statt, welche sich somit ab wicl
Grössen allgemeinsten Charakters herausstellten.
Die Messung solcher Affinitätscoefficienten war ursprünglich ungei
mühsam; mit seinen ersten Bestimmungen an drei oder vier Säuren hatte <
wald etwa ein halbes Jahr zugebracht. Wenn auch später andere Meth<
gefunden wurden, durch welche die Ergebnisse weit schneller erhalten we
konnten, so war doch dem Satze von Arrhenius gegenüber, dass die A:
tätscoefficienten der elektrischen Leitfähigkeit der betreffenden Lösungen
portional seien, ein doppeltes Interesse vorhanden. Einrnal konnte die Be
tung der gefundenen Coefficienten auf ein neues und unerwartetes &
ausgedehnt werden, sodann aber war, wenn sich die Beziehung bestät
ein ungemein ausgiebiges Mittel zur Messung dieses Coefficienten gege
durch welches die Kenntniss dieser Werthe sich sehr bedeutend
weitern Hess.
Ostwald beeilte sich demgemäss, die Gültigkeit jener Beziehung
prüfen; das Ergebniss war eine glänzende Bestätigung der Theorie
Arrhenius, wie aus der nachstehenden ersten Mittheilung1 über den Gej
stand hervorgeht:
„Da nach dem FARADAY^schen Gesetz jedes elektrolytische Atom ui
hängig von seiner Natur eine gleiche Elektricitätsmenge transportirt, sc
das Leitungsvermögen für Elektricität, eine gleiche Zahl von elektrolysirb
Molekülen vorausgesetzt, nur abhängig von der Geschwindigkeit, mit wei
die Ionen den Transport ausfuhren. Diese aber hängt wieder, der von C
sivs entwickelten Theorie ' der Elektrolyse gemäss, wesentlich von der Fä
keit der Elektrolyte ab, ihre Ionen auszutauschen. Von dieser Fäl
keit wird nun auch die Geschwindigkeit der chemischen Re
g.l tionen bedingt. In meinen Studien zur chemischen Dynamik2 habe
r \[ gezeigt, dass die Geschwindigkeiten irgend welcher unter dem Einfluss
Säuren verlaufender Reaktionen unter einander proportional sind, so dass
durch eine bestimmte Eigenschaft jeder speciellen Säure bedingt erschei:
welche ich ihre Äffinitätsgrösse genannt habe; es liegt somit der Seh
nahe, dass die Reaktionsgeschwindigkeiten dem elektrischen I
tungsvermögen der Säuren proportional sind.
„Zur experimentellen Prüfung dieser Anschauung habe ich seit eil
halben Jahre Vorarbeiten gemacht, die indessen durch andere Arbeiten i
fach unterbrochen wurden. Inzwischen ist durch eine Ideenreihe, die
kTi | anderem Wege zu einem gleichen Resultat fuhrt, Hr. Svante Arrhenius
i i l -* ähnlichen Versuchen geleitet worden und hat dieselben, sowie eine aus ih
entwickelte, sehr beachtenswerthe Theorie der chemischen Verwandtscha
zwei Abhandlungen veröffentlicht8 Dem Autor dieser Abhandlungen,
1 Journ. f. prakt. Chemie 30, 39. 1884.
2 Journ. f. prakt. Chemie (2) 27, 1. 1883; 28, 449. 1881.
8 Bijhang tili K. Svenska Vet-Akad. HandL 8, N TC4.
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation. I IOI
zu dem Bedeutendsten gehören, was auf dem Gebiete der Verwandtschafts-
lehre publicirt worden ist, kommt nicht nur die Priorität der Publikation,
sondern auch die der Idee zu; denn obwohl mir die Wahrscheinlichkeit von
Beziehungen zwischen den Affinitätsgrössen und den Leitungsfähigkeiten seit
der Veröffentlichung von Kohlrausch's grundlegenden Arbeiten über die
letzteren nahegetreten war, habe ich die oben mitgetheilten Überlegungen
erst machen können, nachdem ich die allgemeinen Gesetzmässigkeiten der
Geschwindigkeiten chemischer Reaktionen erkannt hatte, d. h. seit etwa
einem halben Jahre. Nun ist aber die Arbeit von S. Arrhenius bereits am
6. Juni 1883 der schwedischen Akademie vorgelegt worden; veröffentlicht
wurde sie, wie es scheint, etwa im Mai dieses Jahres; zu meiner Kenntniss
gelangte sie im Juni dieses Jahres, als der Verfasser die Freundlichkeit hatte,
sie mir zuzuschicken.
„Ich gebe diese Einzelnheiten, um, indem ich die Unabhängigkeit meiner
Bestrebungen auf diesem Gebiete von Arrhenius' Arbeiten darlege, nicht in
den Schein einer unmotivirten Prioritätsreklamation zu gerathen. Anderer-
seits ist aber die Angelegenheit bedeutend genug, um die Veröffentlichung
meinerseits inzwischen angestellter Versuche zu rechtfertigen, durch welche
das nicht eben erhebliche Vergleichsmaterial, welches dem schwedischen
Forscher zu Gebote stand, sehr beträchtlich erweitert wird. Ich hebe gleich
hervor, dass die Proportionalität zwischen dem elektrischen Leitungsvermögen
und den Constanten der Geschwindigkeit chemischer Reaktionen sich in
weitem Umfange bestätigt hat, so dass die Bestimmung des ersteren sich den
Methoden der Affinitätsbestimmung gleichwerthig anreiht.
„Meine Versuche habe ich an normalen Säurelösungen nach der vor-
züglichen Methode von Kohlrausch1 mit den Wechselströmen eines kleinen
Inductoriums und dem Telephon ausgeführt. Da es sich um vergleichende
Messungen handelt, benutzte ich als constanten Vergleichswiderstand in dem
einen Zweige der WHEATSTONE-KiRCHHOFF^schen Anordnung ein mit verdünnter
Salzsäure gefülltes Widerstandsgefäss von gleicher Grösse wie das, welches
die zu untersuchenden Flüssigkeiten aufnahm; dadurch wurde gleichzeitig der
Einfluss der Temperatur auf Fehler zweiter Ordnung herabgemindert. Die
Bestimmungen sind im Übrigen nur vorläufige, die ich durch genauere
zu ersetzen beabsichtige, sowie ich in den Besitz der erforderlichen
feineren Messinstrumente gelangt sein werde; sie können Fehler von 3 bis
5 Procent ihres Werthes enthalten. Immerhin ist diese Genauigkeit bei
Weitem ausreichend, um die fragliche Beziehung über jeden Zweifel zu
erheben.
„In der nachfolgenden Tabelle habe ich das Leitungsvermögen der an-
gegebenen Säuren unter I verzeichnet, indem das der Salzsäure = 100 gesetzt
wurde. Unter II sind die Geschwindigkeitsgrössen verzeichnet, welche ich
bei der Katalyse des Methylacetats durch dieselben Säuren erhalten habe,
1 WiED. Ann. 11, 653. 1880.
II02
Neunzehntes Kapitel.
i
unter III die entsprechenden Werthe für die Inversion des Rohrzu
Eine Übereinstimmung, wie sie die drei Reihen bieten, habe ich selbst
erwartet; dieselbe ist wohl geeignet, jeden Zweifel an der Bedeutung
Affinitätsgrössen zu heben.
i. Salzsäure, HCl
2. Brom Wasserstoff, HBr ....
3. Salpetersäure, HNO8 ....
4. Äthylsulfonsäure, C8H5 . S08OH
5. Isäthionsäure, C8H*OH . SO"OH
6. Benzolsulfonsäure, CW.SO'OH
7. Schwefelsäure, H8SO* ....
8. Ameisensäure, HCOOH . . .
9. Essigsäure, CH8. COOH . . .
10. Monochloressigsäure, CH2C1 . COOH
11. Dichloressigsäure, CHC18. COOH
12. Trichloressigsäure, CCl8.COOH.
13. Glycolsäure, CH8OH . COOH .
14. Methylglycolsäure, CH8. OCH8. COOH
15. Äthylglycolsäure, CH8. OC8H6. COOH
16. Diglycolsäure, 0(CHa. COOH)8 . .
17. Propionsäure, C2H\ COOH . . .
18. Milchsäure, C8H*OH . COOH . .
19. 0-Oxypropionsäure, C8H4OH . COOH
20. Glycerinsäure, C2H8(OH)8. COOH .
21. Brenztraubensäure, C8HsO . COOH .
22. Buttersäure, C8H7.COOH. . . .
23. Isobuttersäure, C8H7. COOH. . .
24. Oxyisobuttersäure, C8H6OH . COOH
25. Oxalsäure, (COOH)2
26. Malonsäure, CH8(COOH)8. ...
27. Bernsteinsäure, C8H4(COOH)8 . .
28. Äpfelsäure, C8H8OH(COOH)8 . .
29. Weinsäure, C8H8(OH)8(COOH)8 . .
30. Traubensäure, C8H8(OH)8(COOH)8 .
31. Brenzweinsäure, C8H«(COOH)8 . .
32. Citronensäure, C8H«(OH) . (COOH)8
33. Phosphorsäure, PO(OH)' ....
34. Arsensäure, AsO(OH)8
I.
II.
in.
IOO
IOO
IOO
101,0
98
III
99,6
92
IOO
79,9
98
91
77,8
98
92
74,8
99
104
65,1
73,9
73,2
1,68
i»3i
i,53
0,424
o,345
0,40
4,90
4,30
4,84
25,3
23,0
27,1
62,3
68,2
75,4
1.34
—
1,31
1,76
—
1,82
1,30
—
i,37
2,58
—
2,67
0,325
0,304
—
1,04
0,90
1,07
0,606
—
0,80
i,57
— *
1,72
5,60
6,70
6,49
0,316
0,300
—
0,311
0,286
o,33
1,24
0,92
1,06
19,7
17,6
18,6
3,IQ
2,87
3,o8
0,581
0,50
o,55
i,34
1,18
1,27
2,28
2,30
—
2,23
2,30
—
1,08
—
1,07
1,66
1,63
i,73
7,27
—
6,21
5,38
—
4,81
„Bedenkt man, dass weder die Temperatur, noch die Verdünnuni
den drei verglichenen Versuchsreihen dieselbe war, so darf man die 1
einstimmung der drei Reihen, deren Unterschiede im Übrigen ganz g<
massig verlaufen, wohl befriedigend nennen.
„In Bezug auf die weitgehenden Consequenzen, welche aus diesen
gebniss gezogen werden können, muss ich auf die oben citirten Arb
von S. Arrhenius verweisen. Auch findet sich wohl in Zukunft Gelegei
auf die Verschiedenheit der Vorstellungen einzugehen, welche der gen;
Forscher und ich uns von der Natur der chemischen Verwandte
machen."
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation. 1 103
In einer etwas später veröffentlichten Arbeit1 wurden diese Ergebnisse
durch genauere Messungen bestätigt und auf verschiedene Verdünnungen
erweitert Die Einzelheiten brauchen nicht wiedergegeben zu werden, da
sie durch spätere Untersuchungen überholt worden sind; von allgemeinen .
Ergebnissen seien die folgenden erwähnt
Zunächst fand sich, dass bei den schlechter leitenden Säuren die mole-
kulare Leitfähigkeit annähernd proportional der Quadratwurzel aus der Ver-
dünnung zunahm. Für einzelne Fälle hatte bereits Kohlrausch diese Be-
ziehung bemerkt; hier trat sie allgemein auf. Ferner stellte es sich heraus,
dass völlig entsprechend den Ansichten von Arrhenius ein Maximum der
Leitfähigkeit der Säuren vorhanden ist, welches von keinem Stoffe über-
schritten wird. Auch ergaben sich deutliche Anzeichen, dass dieser Maxi-
malwerth nahezu der gleiche war, dem auch die anderen Säuren zustrebten,
was gleichfalls der Theorie von Arrhenius entspricht. Die Verhältnisse mehr-
basicher Säuren wiesen deutliche Abweichungen auf, über welche indessen
erst bei späteren Arbeiten Klarheit geschafft wurde.
Die Gesetzmässigkeit, nach welcher sich die molekulare Leitfähigkeit
der Säuren mit der Verdünnung ändert, bildete dann den Gegenstand einer
dritten Mittheilung,3 deren Einleitungsworte sind: „Der unerwartet grosse
Wechsel, welchen die Reaktions- und die dieser proportionale elektrische
Leitfähigkeit schwacher Säuren bei zunehmender Verdünnung zeigt, scheint
die Bedeutung der von mir nach verschiedenen Methoden übereinstimmend
gefundenen Affinitäts- oder Reaktionswerthe der Säuren auf ein ziemlich ge-
ringes Maass herabzudrücken. Denn wenn auch die Gültigkeit dieser Zahlen-
werthe für die Reaktionsfähigkeit unabhängig von der besonderen Art der
Reaktion bestehen bleibt, und diese somit unzweifelhaft das messen, was
man die Affinität oder Stärke der Säuren nennt, so kann doch der Charakter
von Naturconstanten nicht ferner Werthen beigelegt werden, die unter Um-
ständen bei wachsender Verdünnung sich wie 1 zu 100 ändern.
„Die Frage nach den Gesetzen, welchen die Reaktions- oder was das-
selbe ist, die elektrische Leitfähigkeit der Säuren unterliegt, musste daher
erheblich vertieft werden, insbesondere muss es erforscht werden, ob nicht
der Einfluss der Verdünnung, der bald so überaus gross, bald sehr gering
ist, sich nicht selbst gesetzmässig darstellen lässt. Ich hoffe nun zeigen zu
können, dass derartige Gesetze vorhanden sind. Es hat sich ergeben, dass
der Einfluss der Verdünnung auf die Leitfähigkeit der verschiedensten Säuren
durch eine und dieselbe Function ausgedrückt wird, dergestalt, dass die
Natur der Säure eine Constante darin bestimmt. Diese Constante lässt sich
aus einer einzigen Beobachtung ableiten, und durch sie ist die jedem Ver-
dünnungsgrade zugehörige Leitfähigkeit im Voraus gegeben."
Die fragliche Gesetzmässigkeit ergab sich folgendermaassen. Zunächst
wurde an einer grösseren Zahl starker Säuren nachgewiessen, dass ihre
1 Journ. f. prakt Chemie 30, 225. 1884. * Ebenda 31, 433. 1885.
no4
Neunzehntes Kapitel.
i
molekulare Leitfähigkeit sich bei steigender Verdünnung einem Maxie
nähert, welches für die verschiedenen Säuren nahezu dasselbe ist. Ob
Werthe wirklich völlig gleich sind, wurde unentschieden gelassen; in
Folge hat es sich herausgestellt, dass eine Gleichheit nicht stattfindet, son
nur eine ziemlich grosse Annäherung. Die schwachen Säuren venne
sämmtlich ihre molekulare Leitfähigkeit schnell mit steigender Verdünr
und zwar immer in der Weise, dass die Zunahme der Leitfähigkeit für glc
Verhältnisse der Steigerung der Verdünnung um so geringer wird, je gre
die Leitfähigkeit schon selbst ist „Aber noch weit enger sind die
Ziehungen zwischen den verschiedenen Säuren. Dem Werth 1,76, weh
Ameisensäure bei 2 Liter zeigt, kommt der der Buttersäure bei 32 L
1,81 nahe. Die weiteren Werthe sind:
Ameisensä
iure
Butt
ersäure
2 Liter . . .
. . 1,76
32 Liter
. . . . 1,81
4 »» • <
, . 2,47
64 ,,
2,56
8 M
• • 3,43
128 „
• 3*59
16 „
. . 4,80
256 „
• 5.04
32 ,,
. . 6,63
512 „
7,02
64 .,
. . 9,i8
1024 „
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„Beide Reihen verlaufen vollkommen parallel, indem die Werthe
Buttersäure immer um etwa 5 Procent grösser sind. Ameisensäure
Buttersäure haben also stets nahezu gleiches molekulares Leitvermögen, v
letztere 16 mal verdünnter ist, als erstere.
„Versucht man, diese Beziehungen auf die anderen Säuren gleich
anzuwenden, so gelingt dies ohne Schwierigkeiten; wir kommen somii
dem Schlüsse, dass die Verdünnungen, bei denen die molekuh
Leitfähigkeiten der einbasischen Säuren gleiche Werthe hat
stets in constanten Verhältnissen stehen .... Betrachtet man
Logarithmen der Verdünnungen und die zugehörigen molekularen Leitß
keiten als Coordinaten einer Curvc, so erscheinen die den einzelnen Sä
zugehörigen Züge als Theile einer und derselben Curve, wel
allen Säuren gemeinsam ist. Nur muss, um den Anschluss der einze
Säuren zu bewirken, der Anfangspunkt auf der Axe der Logarithmen
Verdünnungen für jede Säure besonders gewählt werden .... Dies
gebniss ist identisch mit dem eben gefundenen, denn wenn gleiche W<
der Leitfähigkeit verschiedener Säuren sich bei gleichen Verhältnissen
Verdünnungen ergeben, so müssen die Logarithmen der Verdünnui
constante Unterschiede zeigen .... Da es sich hier ohne Zweifel um
Naturgesetz von allgemeiner Beschaffenheit handelt, von dem nach me
bisherigen Erfahrungen an 90 bis 100 einbasischen Säuren keine Ausna
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation. { jqc
vorhanden ist, so liegt der Gedanke nahe, dass die fragliche Curve sich
durch einen verhältnissmässig einfachen analytischen Ausdruck müsse dar-
stellen lassen. Meine Bemühungen, denselben zu finden, haben indessen
bisher zu keinem Erfolg geführt, welcher mich befriedigt."
Auf die angestellten Versuche in dieser Richtung braucht nicht einge-
gangen zu werden. Die zu jener Zeit vorliegenden Beobachtungen waren
durch eine stetig wirkende Fehlerquelle getrübt, welche zwar an sich nicht
bedeutend war,1 aber die Eigenschaft besass, beständig zunehmende Ab-
weichungen von den wahren Werthen zu verursachen, so dass hierdurch
das richtige Bild einseitig verzerrt wurde. Während so zwar die allgemeinen
Verhältnisse der Leitfähigkeit der Säuren, insbesondere deren Abhängig-
keit von ihrer Natur und Zusammensetzung, in einem weiten Umfange sich
aufklären Hessen,2 blieb die Frage nach dem wahren Verdünnunggesetz
ungelöst3
4. Die Theorie der Lösungen. In diesem hoffnungsvollen Anfange
der Neuentwickelung der elektrochemischen Beziehungen waren zwei dunkle
und schwierige Punkte geblieben, von deren Aufklärung der weitere Fort-
schritt abhängig war. Einmal waren die Betrachtungen, durch welche sich
Arrhenius den so tiefgreifenden Unterschied zwischen den leitenden oder
aktiven und den nichtleitenden oder inaktiven Molekeln zu verdeutlichen
suchte, wenig befriedigend, und verlangten dringend eine Verbesserung.
Andererseits erwies sich bei jedem neu untersuchten Stoff das „Verdünnungs-
gesetz" für die Leitfähigkeit der Säuren als immer zutreffend, und die Frage
nach einem rationellen Ausdruck dafür und seine Beziehung auf anderweit
bekannte Thatsachen musste nothwendig beantwortet werden, ehe hier an
einen erheblichen Fortschritt zu denken war.
Beide Aufgaben sind bald darauf gelöst worden, und zwar nicht nur
diese beiden Aufgaben, sondern auch noch viele andere, die uns bereits
früher auf anderem Gebiete entgegengetreten waren. Es geschah dies durch
J. H. van*t Hoff's Theorie des osmotischen Druckes.
Seit dem Anfange des Jahrhunderts ist die Thatsache bekannt, dass
beim Übereinanderschichten verschieden concentrirter Lösungen desselben
Stoffes sich dieser entgegen der Schwere aus den unten liegenden concen-
1 Sie lag in einem geringen Ammoniakgehalt des zu den Verdünnungen benutzten Wassers.
1 Journ. f. prakt Chemie 32, 300. 1885.
8 Es ist dem Verfasser wohl erinnerlich, dass er bei seinen Bemühungen, die fragliche
Formel zu finden, auch den jetzt als richtig erkannten Ausdruck versucht hat, zumal er auf
Grund der bekannten Thatsache, dass die Leitfähigkeit zuerst proportional der Quadratwurzel
aus der Verdünnung und nachher langsamer bis zu einem Maximum wächst, ziemlich nahe lag.
Die oben erwähnte Fehlerquelle verursachte aber regelmässige und stetig zunehmende Abwei-
chungen, so dass die Formel verworfen wurde. Als später die richtige Formel auf theoretischer
Grundlage entwickelt wurde, wollte es ein günstiges Geschick, dass an dem inzwischen be-
zogenen neuen Wohnorte des Verfassers sich ein Wasser erhalten Hess, welches von diesem
Fehler fast frei war, und dass gleichzeitig mit der besseren Theorie auch bessere Messungen er-
halten wurden, die sich einander gut anschlössen.
Ostwald, Elektrochemie. 70
j jq£ Neunzehntes Kapitel.
trirten Schichten in die höher befindlichen verdünnteren begiebt, und
diese Bewegung nicht eher aufhört, als bis eine vollständig gleichfön
Vertheilung des gelösten Stoffes eingetreten ist. Stört man diese
wegung durch Einschaltung einer Zwischenwand, welche dem Durcl
des gelösten Stoffes Hindernisse in den Weg stellt, so macht sich
Druck auf die Wand geltend. Namentlich in den Zellen der Pflanzen
Thiere sind solche Erscheinungen bemerkbar, und die Frage nach den
hältnissen der von dieser ungleichen Bewegung des Lösungsmittels und
gelösten Stoffe herrührenden Erscheinungen, welchen man den Namen
osmotischen gab, hat die Botaniker und Physiologen um so mehr
schäftigt, als man ihre Bedeutung für die im Organismus zu Stande komi
den Vorgänge nicht nur nicht verkannt, sondern zu Zeiten sogar ein *
überschätzt hatte.
Im Jahre 1877 machte die experimentale Seite der Angelegenheit d
die Arbeiten des Botanikers Wilhelm Pfeffer, damals in Bonn, einen 1
tigen Fortschritt. Während die von den älteren Forschern in diesem
biete ausgeführten Untersuchungen sich immer auf Scheidewände bez
hatten, die zwar Lösungsmittel und gelösten Stoff mit verschiedener L
tigkeit durchliessen , aber schliesslich doch für beide durchgängig w
hatte Pfeffer feste Scheidewände hergestellt, welche nur dem Lösungsr
den Durchgang gestatten, für den gelösten Stoff aber eine ebenso undi
dringliche Schicht darstellen, wie eine Wand von Glas oder Metall,
gehörte einige Kühnheit dazu, eine solche Möglichkeit auch nur ;
nehmen; und nur die in dieser Beziehung ganz unzweideutigen Erscheinu
im lebenden Organismus, in welchen solche Stofftrennungen durch düi
Zellhäute sich sehr häufig nachweisen lassen, konnten zu Versuchen in c
Richtung ermuthigen. Dadurch, dass er zwei Lösungen, die sich g<
seitig unter Bildung eines Niederschlages von colloider Beschaffenheit f
in den Zwischenräumen eines Gefässes aus porösen Thon zusammenti
Hess, gelangte er zu solchen halbdurchlässigen Schichten.1 So hat
auf solche Weise erzeugte Schicht von Ferrocyankupfer die Eigenschaft,
einer wässerigen Zuckerlösung zwar das Wasser, nicht aber den Zi
durchtreten zu lassen, und innerhalb solcher Schichten machen sich du
den gelösten Stoffen herrührenden oder osmotischen Drucke in i
ganzen Betrage geltend.
Stellt man nämlich eine mit solchen Scheidewänden versehene osmot
Zelle, die Zuckerlösung enthält, in reines Wasser und verschliesst sie
t einem Manometer, so nimmt man wahr, dass das Manometer bald <
Druck anzeigt, welcher langsam zunimmt und schliesslich bei einem
* 1 bestimmten Werthe stehen bleibt. Die auf diese Weise entstehenden Di
sind von auffälliger Grösse; eine einprocentige Zuckerlösung giebt z. B.
2/3 Atmosphären. Sie rühren unzweifelhaft von dem gelösten Körper
1 Die erste Herstellung der „Niederschlagsmembranen4' und der Nachweis ihrer Un
lässigkeit für bestimmte Stoffe rührt von Traube her.
i
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation. I j Q7
nn sie sind erstens der Concentration desselben proportional, und anderer-
its können sie vom Wasser nicht herrühren, denn das Wasser vermag in
lchen Zellen überhaupt keinen dauernden Druck auszuüben, da die Zellen
asser durchfiltriren lassen, wenn man sie mit reinem Wasser füllt, und
»ses unter Druck setzt.
Die Erscheinung war zur Zeit ihrer Entdeckung für die Physiker ganz
verständlich. Pfeffer theilte seine Beobachtungen R. Clausius mit, erregte
er keinen Glauben bei ihm; und als er ihn schliesslich veranlasst hatte,
:h die Versuche selbst anzusehen, war ein schweigendes Kopfschütteln
es, was Clausius zur Sache äusserte.1 Auch blieben in der weiteren Zeit
jse Beobachtungen den Physikern und Chemikern meist ganz unbekannt,
d Pfeffer verfolgte sie nur nach der physiologischen Seite, nachdem er
nach der physikalischen soweit durchgearbeitet hatte, als er dessen für
ne Zwecke bedurfte.
Durch ein zufälliges Gespräch auf einem gemeinsamen Spaziergange mit
nem botanischen Collegen de Vries, der sich gleichfalls vom physiologischen
Endpunkte aus mit den Spannungserscheinungen in Pflanzenzellen be-
läftigte, wurde van't Hoff auf die hier vorliegenden merkwürdigen That-
:hen aufmerksam gemacht. Ihm traten sie vor allen Dingen als physi-
lische Erscheinungen gegenüber, und er suchte ihre allgemeinen Be-
hungen festzustellen. Diese fand er in der Analogie zwischen dem
lösten und dem gasförmigen Zustande.
Dass zwischen beiden eine Ähnlichkeit besteht, war schon zu wieder-
lten Malen ausgesprochen worden, zunächst ziemlich unbestimmt, be-
mmter unter Anderen von Horstmann2 in dem Satze, dass wegen der
ereinstimmenden Form der Gesetze des chemischen Gleichgewichts bei
isen und bei gelösten Stoffen die Entropiefunction bei beiden die gleiche
rstalt haben müsse. Von diesen allgemeinen Äusserungen war aber zu
r bestimmt formulirten Anschauung van't Hoff,s noch ein wesentlicher
hritt zu thun, der in der Auflassung des osmotischen Druckes als einer
m Gasdrucke wesensgleichen Grösse lag.
Auf die Entwicklung dieses Gedankens und den Nachweis, dass that-
:hlich unter Benutzung des osmotischen Druckes sich für jeden gelösten
>ff eine Gleichung zwischen dem osmotischen Druck, dem Volum und
r Temperatur aufstellen lässt, welche nicht nur der Form nach mit der
sgleichung pv = RT übereinstimmt, sondern, was noch viel wichtiger ist,
welcher die Constante R für die gleiche Stoffmenge in der Lösung den-
ben Werth hat, wie für den Gaszustand,3 kann hier nicht näher eingegangen
rden. Nach dem, was eben über die freie Energie gesagt worden ist, liegt
1 Persönliche Mittheilung an den Verf. — Später hat sich Clausius allerdings günstiger
lssert, doch ist er nie näher auf diese Dinge eingegangen.
1 Liebig's Ann. 170, 205. 1873.
* Die Einzelheiten dieser wichtigen Entdeckung können nachgesehen werden in des Ver-
ers Lehrb. der Allgem. Chemie, 2. Aufl., I, 651 u. ff.
70*
uo8
Neunzehntes Kapitel.
\
i i
\
,1 ,
die Bedeutung dieses Fortschrittes auf der Hand. Während früher die
einem chemischen Vorgange leistbaren Arbeitsbeträge nur für den
förmigen Zustand berechenbar waren, ermöglichte die Theorie van*t H<
die Anwendung derselben Formeln auf gelöste Stoffe, und gestattet«
unmittelbar die elektromotorischen Kräfte für die Vorgänge zwischen sol<
zu berechnen. Beispielsweise ergiebt die Berechnung des Unterschiedes
freien Energie des gelösten Salzes für den Durchgang der Elektricitätsm«
Eins durch eine Concentrationskette (S. 1002) unmittelbar die elektromc
sehe Kraft derselben, ohne dass man der Kenntniss des Dampfdruckes
einer anderen Eigenschaft der Lösungen bedarf.1
5. Eine Schwierigkeit Indessen entstand der Lösungstheorie
van't Hoff alsbald eine sehr erhebliche Schwierigkeit Während eine gl
Anzahl von Stoffen sich ohne Widerspruch den mannigfaltigen Ges«
fugten, welche sich aus der sachgemässen Anwendung der Theorie des
motischen Druckes auf die an den Lösungen stattfindenden Vorgänge,
besondere die des Gefrierens und Verdampfens, ergaben, zeigte sich
Reihe von Stoffen widerspenstig, und zwar in einem Sinne, welcher
dem bisherigen Standpunkte nicht vorausgesehen werden konnte. Die
falligste Gesetzmässigkeit nämlich, die sich aus der Theorie des osmotis«
Druckes ergeben hatte, war die folgende. Bei Gasen ist bekanntlich, v
man chemisch vergleichbare oder „molekulare" Mengen derselben der
trachtung unterzieht, die Constante R der Gasgleichung von der Art
Stoffes unabhängig. Daraus ging hervor, dass auch bei Lösungen
Zahlenwerthe gewisser Grössen (die durch die Constante R bestimmt 1
für äquimolekulare Mengen der gelösten Stoffe von deren Natur unabhä
werden müssen. So muss beispielsweise der Einfluss, den der gelöste !
auf den Gefrierpunkt der Lösung hat, für äquimolekulare Mengen
schiedener Stoffe gleich gross sich erweisen. Dies traf in. vielen Fällen
in anderen, und zwar sehr wichtigen, aber nicht; die Ausnahmen betr
zumeist die bekanntesten Stoffe, wie die Salze und Säuren der anorganis*
Chemie. Wären diese Ausnahmen solche gewesen, wie sie bei man<
organischen Stoffen auftraten, dass nämlich die aus den Beobachtungei
berechnenden Molekulargewichte zu gross gewesen wären, so hätte
Sache keine besondere Schwierigkeit gemacht; sie erwiesen sich abei
klein, und das war weniger leicht zu erledigen. Zu grosse Moleküls
wichte war man nämlich lange gewohnt gewesen; sie kommen verhält
massig häufig vor, und hatten ihre Erklärung durch die Annahme <
molekularen Condensation, einer Verbindung mehrerer Molekeln zu i
einzigen erhalten. Zu kleine Molekulargewichte Hessen sich aber auf diese
freilich nicht erklären, und van't Hoff half sich vorläufig formal dadurch,
* In dem angeführten und allen ähnlichen Fällen wird allerdings die Frage etwas
die Dissociation des gelösten Salzes verwickelt, insofern die aus dem Molekulargewicht b
nete freie Energie noch mit einem Faktor zu verschen ist; doch macht dieser Umstand
prinzipielle Schwierigkeit.
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation. t iqq
er die Constante R in der Gasgleichung pv = RT mit einem Coefficienten i
versetzte, so dass letztere die Gestalt pv = iR T annahm.
6. Andere Zeichen der Zeit. Während durch die oben geschilderte
Arbeit von Arrhenius, dem damals völlig unbekannten jungen Physiker,
nach langer Pause der erste namhafte theoretische Fortschritt in der Auf-
fassung der elektrochemischen Erscheinungen eingeleitet worden war, regte
sich das Interesse an diesen Dingen auch an anderen Orten. In besonders
deutlicher Gestalt trat ein solches an das Tageslicht, als im Jahre 1885
durch Olivier Lodge an die British Association for the Advancement of
Science ein Bericht über den wissenschaftlichen Zustand der Frage von der
Elektrolyse erstattet wurde, und auf eine Anregung desselben Physikers hin
ein „Electrolysis-Committee" gegründet wurde, welches das vorhandene Ma-
terial auf dem Gebiete sammeln, wichtige Fragen lösen und die ganze An-
gelegenheit nach Möglichkeit fördern sollte. In den folgenden Jahren ist
dies Committee wiederholt zusammengetreten und hat einen lebhaften Brief-
wechsel mit verschiedenen Gelehrten unterhalten; von einem bestimmten
Erfolg dieser Thätigkeit kann aber kaum die Rede sein. Es ist dies nur
ein Beweis dafür, dass sich zwar vorgeschriebene Messungen, Catalogisirungen
oder ähnliche Arbeiten mit festem Programm auf solche Weise organisiren
lassen, nicht aber Entdeckungen und wissenschaftliche Fortschritte, die von
neuen Gedanken abhängen. Solche werden immer der schöpferischen Thätig-
keit Einzelner überlassen bleiben müssen. Auch hat sich den Mitgliedern
dieser Vereinigung, zu der die namhaftesten Physiker Englands gehören, in-
zwischen offenbar diese Wahrheit gleichfalls aufgedrängt, da sie in den
letzten Jahren nicht mehr zusammengetreten ist, und auch eine begonnene
Thätigkeit in Bezug auf die Sammlung und Zusammenstellung der in dies
Gebiet schlagenden Arbeiten, die mit solchen Mitteln ganz wohl ausfuhrbar
ist, aufgegeben oder aufgeschoben hat.
7. Die Theorie der freien Ionen. Der interessanteste Theil aus der
Thätigkeit des Electrolysis-Committee für unsere Geschichte ist ein Brief,
welchen Arrhenius im Anfang des Jahres 1887 an den Schriftführer des-
selben, Oliver Lodge, gerichtet hat,1 und der die erste Nachricht über den
fundamentalen Gedanken enthält, durch welchen Arrhenius die letzte Ent-
wickelung der Elektrochemie begründet hat
„In dem Folgenden beabsichtige ich mitzutheilen, dass ich eine Me-
thode gefunden habe, um das Dissociationsverhältniss oder den Aktivitäts-
■
coefficienten eines Stoffes zu bestimmen. Aus Ihren letzten Arbeiten ver-
muthe ich, dass Sie ein besonderes Interesse an dieser Frage nehmen
werden.
„In einer ungemein geistreichen und wichtigen Abhandlung, die neulich
in den Verhandlungen der schwedischen Akademie veröffentlicht worden ist,
hat van^t Hoff gezeigt, dass, wenn eine Gramm-Molekel eines beliebigen
1 Sixtb Circular des British Association Committee for Electrolysis, May 1887.
1 1 1 0 Neunzehntes Kapitel.
Stoffes gleichförmig in einem gegebenen Räume vertheilt ist, sei es als
oder gelöst in einer Flüssigkeit, er auf die Wände des Raumes den glei<
Druck ausübt, welches auch die Natur des Körpers und des Lösungsm
(auch der leere Raum als solches betrachtet) sei.
„Dies Gesetz ist auf den von Raoult bezüglich der Erniedrigung
Gefrierpunktes erhaltenen Zahlen begründet, und befindet sich in voller L
einstimmung njit der Erfahrung; auch beruht es auf starken theoretis«
Beweisen. Nachdem ich die Beweise untersucht habe, kann ich kaum iq
einen Zweifel an der Gültigkeit dieses Gesetzes haben.
„Eigentümlicherweise treten aber für ein Lösungsmittel, nämlich Wa
sehr bedeutende Ausnahmen auf: der Druck ist grösser, als das obige G
verlangt. Doch giebt es einen analogen Fall, wenn der Stoff gasförmig
nämlich den Fall des Jods (ebenso des Broms und Chlors) bei hoher 1
peratur. Dies wird einwandsfrei dadurch erklärt, dass man die Jodmok
als bei höherer Temperatur dissoeiirt ansieht.
„Dementsprechend ist es natürlich, anzunehmen, dass die Stoffe, we
zu grosse Drucke in wässerigen Lösungen geben, gleicherweise dissoeiirt
„Andererseits war ich im Jahre 1883 durch den Umstand, dass
molekulare Leitfähigkeit sehr verdünnter Lösungen sich einem bestimi
f Werthe nähert, zu dem Schlüsse geführt, dass bei unbegrenzter Verdüni
alle Elektrolyte in einfachere (aktivere) Molekeln zerlegt werden. Nach
Williamson-Clausius' sehen Hypothese werden die Ionen der aktiven Mole
als frei von einander betrachtet: mit anderen Worten, aktive Molekeln s<
in ihre Ionen dissoeiirt sein. Wird diese Hypothese gemacht, so muss
jede verdünnte Lösung das Dissociationsverhältniss gleich dem Verhäl
der vorhandenen molekularen Leitfähigkeit zu der Leitfähigkeit bei un
licher Verdünnung, d. h. zu dem Maximum der molekularen Leitfi
I keit sein.
„Geht man von dieser Hypothese aus, so kann man nun das Ver
niss des Druckes eines Elektrolyts zu dem Drucke bestimmen, welchei
ausüben würde, wenn er nicht dissoeiirt wäre. Dieses Verhältniss n
van't Hoff /, und es kann leicht aus Raoült's Zahlen berechnet wer
Stimmen die beiden berechneten Werthe überein, so wird es sich zei
ob unsere Hypothese richtig ist. Ich habe diese Rechnung gemacht,
hier sind die Zahlen für 1 g des Stoffes, gelöst in 100 g Wasser.
„Die erste Spalte giebt die aus Raoult's Daten berechnete Zahl;
zweite Spalte die aus der Leitfähigkeit berechnete. Die in der Tabelle
geführten Zahlen sind 1 + (n — 1) cc, wo a der Aktivitätscoefificient un
die Zahl der Ionen in der Molekel ist, z. B. 3 für BaCla, 3 für H*SO*, 2
NaOH oder HCl u. s. w.
(Tabelle siehe Seite un.)
„Die mit (C) bezeichneten Zahlen in der ersten Spalte rühren nicht
Raoult her, sondern von älteren Versuchen Rüdorff's. Die Zahlen
zweiten Spalte sind berechnet nach Ostwald für Säuren und Basen, r
Die Theorie der elcktroly tischen Dissociatioo. Uli
Kohlrausch für die meisten Salze, für einige auch nach Long, Grotrian,
Klein und Ostwald. Für die besser leitenden Salze mögen die Zahlen um
10 bis 15 Procent falsch sein, da vielfach Inter- und Extrapolation erforder-
lich war. Für schlechterleitende Salze sind die möglichen Fehler kleiner,
und für die Säuren und Hasen ist er höchstens 5 Procent. Über die Ge-
nauigkeit von Raoult's Zahlen bin ich nicht im Klaren; ein Fehler von
5 bis 10 Procent erscheint möglich. Besonders zu bemerken ist, dass die
Leitfähigkeiten bei 180 oder 250 gemessen worden sind, die Gefrierpunkts-
erniedrigungen um o°. Mit Rücksicht auf diese Umstände erscheinen mir
die Zahlen ziemlich übereinstimmend, ausgenommen die neun, welche mit
einem ! versehen sind. Von diesen sind zwei ältere von Rüdorff und die
übrigen gedenke ich nachzuprüfen. Ich werde voraussichtlich im nächsten
Jahre an diese Arbeit gehen können. Das Verhalten der Kieselfluorwasser-
stoßsaure ist aus ihrer theilweisen Dissociation (nach Ostwald) in SiO" und
6HF1 erklärlich.
I. Nichtl
o.94
0,94
o.93
°-97
1.04
0.98
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1,81
Äthylalkohol . .
PropyUlkohol. .
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1,83
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. 1.78
1,83
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K'C'O*
. :.9"
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Aceton
001
2,14
090
2.17
Athyl-Acetit . .
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2,61
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Ameisensäure . .
Biittersüure . . .
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1,96
2,40
1,05
1,561
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1.99
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CuSO4 ....
. 0,97
. 0,98
1
I
1
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1
I
III2
Neunzehntes Kapitel.
„Ich glaube daher, dass mar
trolyten in massiger Verdünnung
NaOH 88
KOH ' 93 »
HCl 90
HfSO* 60 „
i nun sagen kann, dass die meisten I
erheblich dissociirt sind. Beispielswei«
Essigsäure nur etwa 1 Procent
KCl 86
K*SO* 67
BaCl» 77
MgSO4 40 „
11
jeder Stoff in seinem hundertfachen Gewicht Wasser gelöst.
„Wie oben bemerkt, üben die anderen versuchten Lösungsmittel kc
dissociirenden Einfluss auf die gelösten Stoffe aus. Die wenigen hier
angestellten Versuche beweisen, dass diese Lösungen auch schlechte L
oder Nichtleiter sind. Ist die obige Hypothese richtig, so kann es nui
gelöste Stoff sein, nicht das Wasser, welcher leitet, denn nur der erstere
den „osmotischen" Druck aus.
„Ich hoffe, dass, obwohl ich mich nur kurz ausgesprochen habe,
Gedankengang verständlich sein wird. Da die Hypothese noch nich
einem Experimentum crucis geführt hat, so kann sie nicht als vollkom
gewiss angesehen werden, doch glaube ich, dass die obenstehende Ta
von Ihnen als genügend erachtet werden wird, um sie für eine Discu:
reif zu machen. Von chemischer Seite werden wahrscheinlich Einwendui
erhoben werden, doch sind diese, so weit ich sie kenne, nicht besor
gefahrlich."
Die ausführliche Darlegung dieses Gedankens gab Arrhenius dann V
Zeit darauf in den Berichten der schwedischen Akademie vom 8. Juni
9. November 1887; zugänglicher ist die Abhandlung in dem ersten B
der Zeitschrift für physikalische Chemie.1 In dieser ausführlicheren Abh
lung werden zunächst die gleichen Gesichtspunkte geltend gemacht, w
dem mitgetheilten Briefe. Dann folgt eine Tabelle, welche bedeutend
gedehnter ist als jene, aber sachlich das Gleiche enthält. Auch über
möglichen chemischen Einwendungen gegen seine Theorie äussert
Arrhenius recht kurz: „Die Einwendungen, welche von chemischer :
wahrscheinlich hervorgehoben werden können, sind hauptsächlich diese
welche gegen Clausius' Hypothese erfunden worden sind und welche
früher (in der oben angeführten Schrift) als vollkommen unhaltbar di
stellen gesucht habe. Eine Wiederholung dieser Einwände dürfte also z
lieh überflüssig sein. Nur einen Gesichtspunkt will ich hervorheben:
gleich der gelöste Körper gegen die Wand des Gefasses einen osmotis
Druck ausübt, ganz als ob er in seine Ionen theilweise dissociirt wäre, s
doch die Dissociation, die hier in Frage kommt, nicht völlig gleich mit
die z. B. beim Zerfallen eines Ammoniumsalzes bei höheren Temperat
vorkommt. Im ersten Falle sind nämlich die Produkte der Dissociation
Ionen) mit sehr grossen Quantitäten Elektricität von entgegengesetzter
■ l Ztschr. f. phys. Chemie, 1, 631. 1887.
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation. 1 1 1 3
geladen, wodurch gewisse Bedingungen (die Incompressibilität der Electri-
cität) eintreten, aus denen folgt, dass dje Ionen nicht ohne einen grossen
Aufwand von Energie in merkbarem Grade von einander getrennt werden
können. Dagegen kann man bei gewöhnlicher Dissociation, wo keine solchen
• *
Bedingungen vorkommen, im Allgemeinen die Produkte der Zersetzung von
einander trennen."
Arrhenius zieht nun aus der Annahme einer mehr oder weniger voll-
ständigen Dissociation eine Reihe wichtiger Schlüsse, welche einen weiten
Vergleich der Theorie mit den Beobachtungen ermöglichen. Diese Prüfungen
gruppiren sich alle um den Satz, dass die Eigenschaften einer verdünnten
Salzlösung additiv in Bezug auf die der beiden Ionen sein müssen. Das
heisst Folgendes. Da die verdünnten Lösungen der Salze wesentlich ihre
beiden Ionen enthalten, so müssen ihre Eigenschaften die Summen der
Eigenschaften sein, welche den beiden Ionen einzeln zukommen. Nun ist
es meist nicht möglich, die Eigenschaften der Ionen einzeln zu messen, da
diese eben nicht einzeln vorkommen. Hat man aber zwei Salze AB und
A B\ so ist der Unterschied der Zahlenwerthe, welche irgend eine Eigen-
schaft für diese hat, gleich A + B — {A + B') = B — B\ wenn wir mit den
Buchstaben A und B gleichzeitig diese Eigenschaftswerthe bezeichnen. Für
ein anderes Salzpaar A' B und A' B' beträgt der Unterschied A' + B—{A' + B')
= B — B', hat also wieder den früheren Werth. Es ist daher der Unter-
schied der Eigenschaftswerthe solcher Salzpaare, welche ein gemeinsames
Ion enthalten, von der Natur dieses Ions unabhängig, und diese Beziehung
lässt sich allerdings leicht an der Erfahrung prüfen. Thatsächlich war ein
solches Verhalten der Salze längst experimentell aufgefunden worden, bevor
die Theorie es als nothwendig nachwies.
Am deutlichsten werden diese Verhältnisse, wenn man eine ganze Reihe
von Salzen so ordnet, wie es die nachstehende Tabelle andeutet:
A + B A+B' A+B" A + B'"
A' + B A' + B' A' + B" A' + B
A" + B A" + B' A" + B" A" + B
A'"+B A"'+B' A'"+B" r+B
in
in
m
Dann müssen die Unterschiede der Eigenschaftswerthe zwischen allen Gliedern
von je zwei horizontalen oder vertikalen Reihen einander gleich sein. Bildet
ferner man diese Unterschiede gegen die Glieder irgend einer Reihe, z. B. der
ersten horizontalen und der ersten vertikalen, so erhält man Summanden, dij
man zu den Werthen, welche den Gliedern jener ersten Reihen angehören, nur
zu addiren braucht, um den Werth jedes entsprechendes Gliedes der Tabelle
zu finden. Solche Summanden sind von Valson, der sie bei der Dichte der
Salzlösungen gefunden hatte, Moduln genannt worden, und das Vorhanden-
sein einer Modularbeziehung ist eine Folge von der additiven Beschaffenheit
der Eigenschaften der betreffenden Stoffe.
Solche Modularbeziehungen weist Arrhenius nun an einer sehr grossen
!
HIA Neunzehntes Kapitel.
Anzahl verschiedener Eigenschaften der Salzlösungen nach. Insbeson
sind es die specifischen Gewichte und Volume, die Brechungsverhälti
die Capillaritätserscheinungen, das elektrische Leitvermögen (vergl. S. <
die Gefrierpunktserniedrigung, die Thermoneutralität. Den interessant
Fall bildet die Neutralisationswärme. Es ist schon erwähnt worden, dass i
henius bereits auf Grund seiner älteren unvollkommeneren Theorie von
Aktivität der leitenden Molekeln zu dem Schlüsse gelangt war, dass
Neutralisationswärme aller Säuren und Basen, vollständige Aktivität voi
gesetzt, gleich gross sein muss, doch war der damalige Beweis nicht <
durchsichtig. Nach der Theorie der freien Ionen ist die Sache sehr
fach. In einer Säure ist das Anion und der Wasserstoff getrennt vornan
in der Basis ebenso das Kation und das Hydroxyl. Verbinden sich t
zu einem Neutralsalz, so ist in dessen Lösung Anion und Kation gleicl
getrennt; diese haben also keine Veränderung erfahren. Nur Wassei
und Hydroxyl sind nicht mehr getrennt, sondern haben sich zu Wasser
bunden. Der Vorgang der Neutralisation besteht also im Grenzfalle
schliesslich in der Wasserbildung aus den beiden Ionen Wasserstoff
Hydroxyl; dieser Vorgang ist aber bei allen Säuren und Basen der»
und daher ist auch die dabei stattfindende Wärmeentwickelung dieselbe
Dies ist der wesentlichste Inhalt jener Abhandlung, welche seitdem e
so grossen Einfluss auf die Entwickelung der Elektrochemie ausgeübt
Der Widerspruch, welchen Arrhenius vorausgesehen hatte, blieb nicht
und in den nächsten Jahren hatten die wenigen Anhänger der Ansicht
Arrhenius ungemein viel zu thun, um Angriffe gegen diese abzuwet
Zwar handelte es sich bei diesen Angriffen meist um Missverständnisse;
der Zähigkeit aber, mit der diese Missverständnisse immer wieder begai
wurden, ging doch hervor, wie sehr die neue Ansicht allen gewohnten '
Stellungen der Chemiker widersprach.
Jedoch war für die Entwickelung dieses Gedankenkreises um jene Zeit
durch ein sehr günstiger Umstand eingetreten, dass soeben die Zeitscl
für physikalische Chemie ins Leben getreten war, deren Herausg
W. Ostwald und van't Hoff sich die Vertretung der neuen Anschauui
zur Pflicht machten. Ohne ein solches Organ wäre es den neuen Gedai
leicht ebenso schlecht gegangen, wie so vielen anderen fundamenl
Änderungen der Ansichten, z. B. der Idee von der Erhaltung der Ene
die auch etwa zehn Jahre ein geduldetes Dasein führen musste (wenr
überhaupt Aufnahme fand), ehe ihr das Recht zugestanden wurde, in
wissenschaftlichen Zeitschriften zu existiren.
8. M. Planck über die molekulare Constitution verdüni
Lösungen. In demselben Heft der Zeitschrift für physikalische Chemu
dem die Abhandlung von Arrhenius über die Dissociation der in Wassei
lösten Stoffe erschien, veröffentlichte Max Planck eine kurze Arbeit, welche
anderem Wege zu einem ähnlichen Ergebnisse führte, wie jene Untersuch
Durch die Entwickelung einer von dem Entropiebegriff ausgehenden The
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation. 1 1 1 5
die er auf verdünnte Lösungen anwandte, war er zu den gleichen Formeln
für den Einfluss gelöster Stoffe auf dem Gefrierpunkt (und den Dampfdruck)
verdünnter Lösungen gelangt, wie sie van t'Hoff auf Grund des Begriffes
des osmotischen Druckes entwickelt hatte. Er fand ebenso, wie van't Hoff,
die an den Salzlösungen erhaltenen Erscheinungen im Widerspruch mit den
gebräuchlichen Anschauungen über die Molekularbeschaffenheit der gelösten
Salze, ging aber einen Schritt weiter als dieser. Statt durch Einfuhrung eines
Coefficienten, wie des van't HoFF^schen „z", sich formal mit dem Widerspruch
abzufinden, hob er ihn hervor, und sprach aus, dass hier eine Dissociation
vorliegen müsse. „Wir können demnach folgende Sätze aussprechen: In
den verdünnten Lösungen in Essigsäure, Ameisensäure, Benzol, Nitrobenzol
existiren die Moleküle der meisten gelösten Stoffe in normaler Grösse (i= i),
nur für gewisse Stoffe, die Raoult 1. c. namhaft gemacht hat, wird (i = 1/2)>
d. h. es existiren in der Lösung Doppelmoleküle. In wässerigen Lösungen
erleiden dagegen im Gegensatz zu Raoult's Annahme die meisten minera-
lischen Stoffe eine Zersetzung, deren Grad durch den Werth von i bestimmt
wird. Für die gelösten Baryum- und Strontiumchlorüre fand Raoult z. B.
die molekulare Gefrierpunktserniedrigung ungefähr = 50. Daraus folgt i
nahezu =3, d. h. die Molekülzahl ist in der Lösung nahezu verdreifacht."
Über die Art der Dissociation und die bei derselben entstehenden Pro-
dukte, sowie überhaupt über die chemische Seite der Frage sprach sich
Planck nicht aus. Auch fehlt jeder Hinweis auf den Zusammenhang mit
der elektrolystischen Leitfähigkeit. So werthvoll daher auch seine Schluss-
folgerung für die Bestätigung der Ansichten von Arrhenius waren, welche
wesentlich die Betrachtungen von van't Hoff benutzten, so kann die Arbeit
doch nicht als von gleicher Bedeutung für die Entwickelung unserer An-
sichten, wie die von Arrhenius angesehen werden.
9. Weitere Entwickelung der Dissociationstheorie. Der Über-
gang der noch ziemlich unbestimmten Idee der „aktiven Molekeln" zu der
bestimmten der dissociirten Ionen war, wie wir gesehen haben, bei Arr-
henius durch den Einfluss der Theorie der Lösungen von van't Hoff be-
werkstelligt worden, wobei gleichzeitig diese Theorie selbst von einer recht
unbequemen Schwierigkeit, die in dem Coefficienten i lag, befreit worden
war. Die gegenseitige Befruchtung der Theorieen beider ging indessen noch
viel weiter, und dieser Fortschritt wurde durch W. Ostwald bewerkstelligt.
Die Lehre von der Dissociation und die damit zusammenhängende vom
chemischen Gleichgewicht hatte um jene Zeit bereits ziemlich erhebliche
Fortschritte gemacht. Nachdem diese Erscheinungen zunächst qualitativ
durch Deville bearbeitet und durch die Bemühungen einerseits der Schüler
Deville's, insbesondere Debray und Isambert, von G. Wiedemann anderer-
seits auch für die einfacheren Fälle quantitive Gesetze ermittelt worden
waren, wurde die umfassende Theorie solcher Erscheinungen für den Fall
der Gase in allgemeiner Weise aufgestellt. Den Grundgedanken hierzu,
die Anwendung der Thermodynamik und insbesondere der Lehre von
1 1 1 6 Neunzehntes Kapitel.
«
l- *>
i
der Entropie, hatte Horstmann gegeben; die allgemeine Entwicklung
hierher gehörigen Formeln und deren Anwendung auf die wenigen dan
bekannten Fälle verdanken wir Willard Gibbs, der auch diese Fragen
seiner oben (S. 992) erwähnten Abhandlung in fast erschöpfender W
bearbeitet hatte. Spätere Forscher hatten einzelne besondere Aufgaben
handelt und in W. Ostwald's Lehrbuch der allgemeinen Chemie war
in dem Gebiet bekannt Gewordene übersichtlich bearbeitet: es war j
hier ein einigermaassen bekannter und bebauter Boden vorhanden,
nur deshalb keine reichlicheren Früchte trug, weil es nur verhältnissmä
wenig gasförmige Verbindungen giebt, und unter diesen wieder nur ein
ringer Bruchtheil die Erscheinungen des chemischen Gleichgewichts in m
barer Weise beobachten lässt. Im Gegensatze dazu treten solche bei gelö«
Stoffen unvergleichlich viel reichlicher und mannigfaltiger auf.
Dieses Verhältniss einer guten Theorie ohne rechtes Object, und ei
ausgiebigen Objects ohne gute Theorie wurde nun mit einem Male and
als van't Hoff die Gültigkeit der Gasgesetze und Arrhenius das Stattfin
der Dissociation in Lösungen nachgewiesen hatte. Alle die Formeln für
chemischen Gleichgewichte der Gase fanden Anwendung; viele von ih
wurden hier zum ersten Male geprüft, und in allen Fällen war der Umi
der möglichen Prüfung ungemein viel weiter, als ihn die Gase bisher
stattet hatten.
Die erste kurze Mittheilung über die Anwendung dieses Theiles
Gasgesetze auf die dissoeiirten Lösungen wurde im Januar 1888 l gema
Eine weitere Mittheilung erfolgte einige Monate später2 und bald da
theilten van't Hoff und Reicher mit, dass sie die Formel gleichfalls gep
und mit der Erfahrung im besten Einklänge gefunden hatten.3
Jene erste Mittheilung Ostwald's „Zur Theorie der Lösungen" laut
„Die Untersuchungen von van^t Hoff, Planck und Arrhenius über
dünnte Lösungen4 haben in neuester Zeit dazu gefuhrt, eine vollstän«
Analogie derselben mit Gasen nachzuweisen. Eines der merkwürdigsten
gebnisse dieser Forschungen ist, dass die nach dem gewöhnlichen Spn
gebrauch durch die kräftigsten Verwandtschaften zusammengehaltenen 1
bindungen, wie z. B. Chlorkalium, Chlorwasserstoff, Kaliumhydroxyd, t
sächlich in verdünnten Lösungen als in sehr weitgehendem Maasse disso
angesehen werden müssen.
„Da dieses Ergebniss auf Grundlage zum mindesten sehr plausil
wenn nicht unzweifelhafter Voraussetzungen nach den Gesetzen der Ther
1 dynamik abgeleitet worden ist, lässt sich, so sehr es die gebräuchlichen
I I schauungen geradezu auf den Kopf stellt, nicht viel dagegen sagen.
man aber zu einer derartigen Wandlung der Anschauung sich entschli
hat man das Bedürfniss, die Berechtigung derselben einer möglichst scha
Prüfung zu unterziehen.
1 Zcitschr. f. phys. Chemie 2, 36. 1888. " Ebenda 2, 270. 1888.
8 Ebenda 2, 777. 1888. 4 Ebenda 1, 481. 577 und 631. 1887.
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation. 1 1 1 7
„Eine solche Prüfung wird erzielt, wenn man möglichst weitgehende
Consequenzen der Theorie zieht, um sie mit der Erfahrung zu vergleichen.
Die vorliegenden Zeilen bezwecken die Entwickelung einer derartigen Con-
sequenz und die vorläufige Mittheilung der Ergebnisse ihrer Prüfung.
„Wenn die Elektrolyte in wässerigen Lösungen dissociirt sind, und dazu
Gesetzen unterliegen, welche den Gasgesetzen analog sind, so müssen die
für Gase entwickelten Dissociationsgesetze auch für die Lösungen Anwendung
finden, fm einfachsten Falle, wo eine Molekel in zwei zerfällt, führt nun die
Theorie zu folgender für Gase gültigen Formel: l
R [oS*Pä = t + const->
AA, T
welche für constante Temperatur und den Fall, dass keines der Zersetzungs-
produkte überschüssig vorhanden ist, die Gestalt:
** = <
annimmt, wo p der Druck des unzersetzten, p} der des zersetzten Antheiles
und c eine Constante ist.
„Nun lässt sich nach den oben erwähnten Arbeiten der „Druck" in
der Lösung proportional den vorhandenen Mengen u und ux der Stoffe
und umgekehrt proportional dem Volum setzen; die Gleichung wird, da
P'.p1~ — : — > zu — iV = c. Ferner lassen sich die Mengen u und uY aus
dem elektrischen Leitvermögen berechnen, wie Arrhenius (1. c.) gezeigt hat.
Nennt man fiv die molekulare Leitfähigkeit eines Elektrolyts beim Volum v
und fji^ den Grenzwerth der Leitfähigkeit bei unendlicher Verdünnung, so
ist u:u1 = (jjl^ — Hv):^, da die Leitfähigkeit fiv proportional der dissociirten
Menge des Elektrolyts ux ist. Daraus folgt als für alle binären Elek-
trolyte gültiges Verdünnungsgesetz:
/V
v = const.
„Die Prüfung dieser Beziehung lässt sich mit grosser Schärfe an den
Säuren und Basen ausführen, über welche zahlreiche Messungen der elek-
trischen Leitfähigkeit vorliegen. Unter Vorbehalt künftiger eingehender Mit-
theilungen begnüge ich mich einstweilen hervorzuheben, dass das Ergeb-
niss meiner Rechnungen mit aller Entschiedenheit zu Gunsten der
Theorie spricht. Die Formel enthält nicht nur sämmtliche allgemeine
Gesetze, welche ich über den Einfluss der Verdünnung auf Säuren und
Basen, zusammen über hundert Stoffe, früher empirisch gefunden habe, son-
dern sie fuhrt auch zu numerischen Ergebnissen, die zum Theil vollständig
stimmen, zum Theil Abweichungen aufweisen, deren Betrag von der Grössen-
ordnung derjenigen ist, welche man an Gasen constatirt hat."
Während so auf einer Seite die Dissociationstheorie die wünschens-
wertheste Unterstützung und Bestätigung erfuhr, erregten ihre Voraussetzungen
1 „Ostwald, Allg. Chemie II, 723." (1. Aufl. 1887.)
j j lg Neunzehntes Kapitel.
N
1
und Schlüsse gleichzeitig mannigfaltigen Widerspruch, der sich allerd
zunächst mehr mündlich als schriftlich äusserte. Gelegentliche Angri
konnten zwar erledigt werden;2 doch erschien es nothwendig, die ne
Anschauungen, welche sich aus der elektrolytischen Dissociationstheorie
geben hatten, im Zusammenhange zu erörtern und nach einigen noch
berührt gebliebenen Seiten mit der Erfahrung zu vergleichen. Diesem Zwe
war zunächst die oben erwähnte zweite Mittheilung „über die Dissociatk
theorie der Elektrolyten von W. Ostwald gewidmet, aus der die wes
lichsten Erörterungen hier eine Stelle finden mögen:
„Selten hat ein glücklicher Gedanke in so hohem Maasse Licht ü
weite und schwierige Gebiete geworfen, wie die von Arrhenius3 entwick
Idee, dass die Elektrolyte in wässerigen Lösungen in meist ziemlich *
gehendem Maasse in ihre Ionen dissociirt sind. Der Genannte hat
zeigt, wie die bisher unerklärten Anomalien, welche sich in Bezug auf
Beeinflussung des Gefrierpunktes und des Dampfdruckes durch Salze, Säi
und Basen gezeigt haben, durch jene Annahme verschwinden, und fi
henius hat insbesondere weiterhin die sehr umfassende Übereinstimm
dargelegt, in welcher die Thatsachen der elektrolytischen Leitfähigkeit
jenen stehen.
„Trotzdem scheinen diese Anschauungen bei den Fachgenossen Beder
zu erregen. Man scheut sich, Stoffe, welche ,durch die kräftigsten Verwa
Schäften zusammengehalten werden', wie Chlorkalium, Chlorwasserstoffsä
Kaliumhydroxyd, als in der Lösung dissociirt anzusehen; man kann
nicht denken, dass Kaliumatome, welche einzeln in wässerigen Flüssigke
herumschwimmen, nicht auf das Wasser einwirken sollten, um Kaliumhydrc
und Wasserstoff zu bilden.
„Diese Bedenken sind indessen nur scheinbare. Einerseits liegt
Verwechselung zwischen den Verwandtschaften, welche die Elemente e
Verbindung zusammenhalten, und denen, welche diese Verbindung and
Stoffen gegenüber bethätigt, vor. Beide Eigenschaften sind nicht übei
stimmend, sondern entgegengesetzt. Je energischer ein Stoff zu reagirer
Stande ist, um so leichter spaltet er seine Atome ab, und je fester s
Elemente verbunden sind, um so träger muss er reagiren. Wenn St
wie Salzsäure und Kali mit grösster Leichtigkeit unter Verlust von Wai
Stoff oder Hydroxyl auf andere Körper reagiren, so dürfen wir doch r
schliessen, dass sie dieselben besonders festhalten; wenn andererseits Me
und Alkohol den Wasserstoff oder das Hydroxyl nur schwierig und L
sam, oder nur unter besonders energischen Einflüssen aufgeben, so kör
wir die Verwandtschaft, welche diese mit dem übrigen Molekularcom
verbindet, schwerlich anders als stark und schwierig zu überwinden
zeichnen. Die Überlegungen aber befinden sich in voller Übereinstimm
mit der Annahme, dass die Elektrolyte, d. h. diejenigen Stoffe, welche di
1 Zeitschr. f. phys. Chemie 2, 241. 1888. * Ebenda 2, 243 und 343. 188!
8 „Zeitschr. f. phys. Chem. 1, 631. 1887."
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation. 1 1 I Q
die Fähigkeit, leicht und schnell zu reagiren, ausgezeichnet sind, sich leicht in
ihre Ionen trennen, bezw. in wässeriger Lösung mehr oder weniger dissociirt sind.
„Was den zweiten Punkt anlangt, so hat Arrhenius bereits darauf hin-
gewiesen, dass der Zustand der Ionen mit ihren enormen elektrischen La-
dungen in keiner Weise vergleichbar mit dem der betreffenden Elemente
im sogenannten freien Zustande ist. Ein Stück Zink, das von Salzsäure im
gewöhnlichen Zustande heftig angegriffen wird, verliert diese Eigenschaft
völlig, wenn man es mit dem positiven Pole eines galvanischen Elementes
von passender elektromotorischer Kraft in Verbindung setzt. Es ist eine
altbekannte Thatsache, dass der elektrische Zustand die chemischen Affinitäten
in mannigfaltigster Weise abändert; es kann somit nicht Wunder nehmen,
dass die freien Kaliumatome, welche in einer Lösung von Chlorkalium
existiren, durch ihre sehr bedeutenden positiven Ladungen an der Einwirkung
auf das Lösungswasser verhindert werden. Geben sie aber, wie bei der
Elektrolyse einer Chlorkaliumlösung geschieht, ihre Elektricität an der Ka-
thode ab, so wirken sie alsbald auf das Wasser, und bilden Kaliumhydroxyd
und Wasserstoff.
„Um sich die hier obwaltenden Verhältnisse anschaulich zu machen,
denke man sich folgenden selbstverständlichen' Versuch ausgeführt. Zwei
Gefasse A und B seien mit Chlorkaliumlösung gefüllt und isolirt aufgestellt;
durch den mit derselben Lösung gefüllte
Heber H seien sie zunächst leitend verbun- h
den. Jetzt nähere man dem Gefässe A i
einen z. B. negativ elektrisch geladenen
Körper; durch die Influenzwirkung des- ' ' Fig ^ Nach 0sTWALD
selben werden in dem leitenden System
A HB die Elektricitäten getrennt, A wird positiv, B negativ elektrisch. Ent-
fernt man jetzt den Heber H und darauf den Körper K, so behält man A
positiv und B negativ geladen. Es ist der alte elementare Influenzversuch,
nur an einem Leiter zweiter Klasse ausgeführt.
„Nun kann aber in dem Leiter zweiter Klasse nach dem Gesetz von
Faraday die Elektricität nicht anders, als gleichzeitig mit den Ionen wandern.
Dass A positiv elektrisch wird, kann somit nur auf die Weise geschehen,
dass positiv elektrische Kaliumatome sich in A versammeln; in B häufen
sich negativ elektrische Chloratome an. Die Menge beider hängt von der
Intensität der 9 Influenzwirkung ab. Bleibt nach der Trennung A positiv
elektrisch, so kann dies nicht anders stattfinden, als indem positiv ge-
ladene unverbundene Kaliumatome in der Flüssigkeit enthalten
sind. Entsprechendes gilt für B. Führt man, um A zu entladen, einen
mit der Erde verbundenen Platindraht in die Lösung ein, so schwimmen die
Kaliumatome zu ihm hin, geben ihre Elektricität ab und wirken alsbald in
gewöhnlicher Weise auf das Wasser ein, indem sie Kalium bilden und Was-
serstoff entwickeln, welcher, wenn die Elektricitätsmenge gross genug war,
in Bläschen erscheint, in jedem Falle aber den Platindraht polarisirt. . . .
j j 20 Neunzehntes Kapitel.
„Ausser den thermodynamischen und den aus den elektrostatisc
Verhältnissen geschöpften Gründen für die Annahme der Dissociation
l Elektrolyte giebt es noch solche chemischer Natur; insbesondere erfal
die empirischen Affinitätsgesetze eine bis in die letzten Einzelheiten du:
führbare Erklärung und Veranschaulichung durch diese Theorie, wie
theilweise schon von Arrhenius gezeigt worden ist.
„Durch meine während einer Reihe von Jahren fortgesetzten Bemühun]
die Affinitätseigenschaften der Stoffe in Maass und Zahl auszudrücken,
sich ergeben, dass die Wirkungen der Säuren durch Coefficienten gere
werden, welche unabhängig von der Beschaffenheit des chemischen >
ganges sind. Diese immer wiederkehrenden Affinitätscoefficienten sind
elektrischen Leitfähigkeit sehr nahe proportional. Im Lichte der von /
henius entwickelten Anschauungen sind diese Affinitätscoefficienten ni
als die Maasszahlen des Dissociationszustandes der Säuren,
mehr eine Säure, deren specifische Wirkung in dem Austausch ihres Was
stoffatoms gegen andere Elemente oder Atomgruppen besteht, in Wasser
ynd das andere Ion dissociirt ist, um so leichter erfolgt die Verbind
dieses Ions, oder des Wasserstoffs, mit anderen Gruppen.
„Befindet sich daher eine Säure in einem bestimmten Dissociati
zustande, so wird jede Wirkung, die sie zu üben vermag, nach Maasj
dieses Zustandes, der unabhängig von dem Objekt ist, auf das sie vi
erfolgen. Damit ist die Notwendigkeit für die Existenz der Affinitätsee
cienten, und gleichzeitig die Bedingung, unter welcher sie rein in die
scheinung treten, gegeben. Üben nämlich vorhandene andere Stoffe e
Einfluss auf den Dissociationszustand aus, so muss der Affini tätscoeffi«
einen anderen Werth annehmen. Arrhenius zeigt in der nachstehenden
handlung, wie die bisher völlig räthselhaften Einflüsse, welche die Gegen
neutraler Salze auf die Wirkungsfahigkeit freier Säuren hat, durch sc
Änderungen des Dissociationszustandes sich nicht nur begreifen, sondern ;
numerisch vorausberechnen lassen.
„Was nun das Verhältniss der Affinitätscoefficienten zu der elektris«
Leitfähigkeit anlangt, so wurde schon bei früherer Gelegenheit hervorgehe
dass beide zwar annähernd, aber nicht genau proportional sind. Die <
trolytische Leitfähigkeit hängt in erster Linie davon ab, wie gross die Ar
freier Ionen ist, in zweiter aber davon, wie schnell diese Ionen wanc
Denkt man sich bei verschiedenen Säuren die Dissociation vollständig,
wird der Theil der Leitfähigkeit, welcher von der Wanderungsgeschwindif
des Wasserstoffs abhängt, überall gleich sein; der Theil dagegen, wel
von der Wanderungsgeschwindigkeit des negativen Ions bedingt wird, h
1 V von der Beschaffenheit dieses Ions ab.
t ■ „Da die Wanderungsgeschwindigkeit des Wasserstoffs die der schnell
1 | negativen Ionen um mehr als das Fünffache übertrifft, so können die Ui
schiede im Allgemeinen nicht gross sein, denn selbst wenn das neg<
Ion sich gar nicht bewegte, könnte die Leitfähigkeit der entsprechet
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation. I 1 2 1
Säure nur um x/e kleiner sein als die der bestleitenden, vollständige Dis-
sociation, wie erwähnt, vorausgesetzt. Bei weitem der grösste Theil der
ungemein beträchtlichen Unterschiede in der Leitfähigkeit der freien Säuren
kommt somit auf Rechnung des Dissociationszustandes. Wenn man den
letzteren in erster Annäherung der elektrischen Leitfähigkeit einfach pro-
portional setzt, so kann der dadurch begangene Fehler im äussersten Falle
nicht mehr als 16 Proc. betragen und wird meist sehr viel kleiner sein. . . .
„Aus dem Gesagten ergiebt sich, dass die Bestimmung des Dissociations-
zustandes die erste und wichtigste Aufgabe ist, die uns hier entgegentritt.
Dieselbe ist, wie Arrhenius a. a. O. gezeigt hat, durch den Vergleich der
für den nicht dissociirten Stoff berechneten mit den thatsächlich eintretenden
Änderungen des Dampfdruckes und Gefrierpunktes möglich, am genauesten
geschieht sie aber mit Hülfe der elektrischen Leitfähigkeit, denn diese ist
einfach proportional der Anzahl dissociirter Ionen. Auf diesem Gebiete er-
geben sich daher die ausgiebigsten und genauesten Hilfsmittel, um die
Dissociationstheorie der Elektrolyte auf ihre Fähigkeit, die thatsächlichen
Erscheinungen darzustellen, zu prüfen.
„Für die wässerigen Lösungen der Elektrolyte sind nun folgende Gesetz-
mässigkeiten empirisch gefunden worden:
„i) Die molekulare Leitfähigkeit aller Elektrolyte nimmt mit steigender
Verdünnung zu und nähert sich asymptotisch einem Maximalwerth.
„2) Diese Maximalwerte sind für Säuren einerseits, Basen andererseits
und drittens für Salze, bezogen auf äquivalente Mengen von gleicher Grössen-
ordnung, aber nicht völlig gleich.
„3) Die Maximalwerthe lassen sich als Summen zweier Grössen dar-
stellen, von denen die eine nur vom positiven, die andere nur vom negativen
Ion abhängt.
„4) Für Elektrolyte von grösseren Concentrationen, sowie für schwache
Säuren und Basen gilt das letztere Gesetz nicht; eine Annäherung daran
zeigt sich, wenn man Gruppen von Salzen vergleicht, deren Ionen gleich-
werthig sind.
„5) Schlechtleitende Elektrolyte, wie schwache Säuren und Basen, ver-
mehren ihre molekulare Leitfähigkeit sehr schnell mit steigender Verdünnung.
Bei einbasischen Säuren und einsäurigen Basen zeigt sich dabei die Be-
ziehung, dass die Leitfähigkeit zuerst proportional der Quadratwurzel aus der
Verdünnungsgrade (dem Volum) zunimmt.
„6) Die Zunahme der molekularen Leitfähigkeit erfolgt bei allen ein-
basischen Säuren und einsäurigen Basen nach dem gleichen Gesetz. Vergleicht
man solche Elektrolyte bei Verdünnungen, bei welchen ihre Leitfähigkeiten
gleiche Bruchtheile des Maximalwertes sind, so stehen die Verdünnungs-
grade oder Volume in constantem Verhältniss.
„Alle diese empirischen Gesetzmässigkeiten lassen sich als
nothwendige Folgerungen aus der Dissociationstheorie ableiten.
Es braucht dazu nur noch der weitere, von van't Hoff ausfuhrlich begrün-
Ostwald, Elektrochemie. 71
1122 Neunzehntes Kapitel.
dete Satz hinzugezogen zu werden, dass die Stoffe in verdünnten Lösunj
Gesetzen folgen, die den Gasgesetzen vollkommen analog sind."
Ostwald wiederholt nun die S. 1117 gegebene Ableitung der Fora
V
und fahrt fort:
„Diese Gleichung rauss, wenn die Dissociationstheorie (
Elektrolyte richtig ist, das gesammte Verhalten der elektrisch
Leitfähigkeit binärer Elektrolyte ausdrücken. Wir wollen sie
den oben zusammengestellten empirischen Thatsachen Punkt für Punkt \
gleichen :
„1) Lässt man v unbegrenzt wachsen, so muss der Bruch — - — ^ =
sich der Null nähern. Da fiv einen endlichen Werth hat, so muss p^ -
bei steigender Verdünnung kleiner, d. h. (jlv immer grösser werden, bis
beim Grenzwerth fi^ anlangt.
„2) und 3) Der Werth (i^ ist die Leitfähigkeit des vollständig du
ciirten Elektrolytes. Da in demselben die beiden Ionen sich unabhär
bewegen, so setzt sich fi^ aus den Bewegungsantheilen der Ionen rein ade
zusammen, ohne dass in Betracht kommt, mit welchem anderen Ion voi
eine Verbindung stattfand. Vergleicht man solche Elektrolyte, welche
gleiches Ion haben, und deren anderes Ion keine grossen Verschiedenhe
in der Wanderungsgeschwindigkeit zeigt, so müssen die Summen beider
schwindigkeiten von gleicher Grössenordnung sein.
„4) Bei Lösungen von endlicher Concentration gelten diese Beziehun
im Allgemeinen nicht, weil in die Leitfähigkeit als Faktor der Dissociati<
grad eingeht, welcher von Fall zu Fall verschieden sein kann. Die gre
Verschiedenheit zeigt derselbe bei Säuren und Basen; Salze dagegen, nam
lieh solche von analoger Formel, befinden sich erfahrungsgemäss bei glei<
Verdünnung in annähernd gleichem Dissociationszustande. In diesem F
sind die molekularen Leitfähigkeiten gleiche Bruchtheile der Maximalwe
und die oben erörterten additiven Eigenschaften derselben bleiben bestel
nur dass nicht die eigentlichen Geschwindigkeiten der Ionen, sondern
selben, multiplicirt mit dem Dissociationsgrad, die Addenden bilden.
„5) Bei schlechtleitenden Basen und Säuren, wo fiv gegen ju^ klein
bleibt (jl^ — (jlv nahezu constant und die Formel giebt (iv% = v . const
heisst: wenn die Leitfähigkeit gering ist, so wächst sie mit steigender y
dünnung so, dass ihr Quadrat dem Volum proportional, oder sie selbst
Quadratwurzel aus dem Volum proportional zunimmt
„6) In der Gleichung 5 — — • v = c hängt, wenn man die gen
senen Leitfähigkeiten auf den Maximalwerth bezieht, nur die Constante c
der Natur des Elektrolytes ab; alle Elektrolyte ändern somit ihre auf
Maximum bezogene Leitfähigkeit nach demselben Gesetz. Bestimmt man
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation. 1123
Verdünnungen vl3v% . . . für mehrere Elektrolyte, bei welchen die relative
Leitfähigkeit gleich ist, so werden in der Formel die Werthe — — ^
V T) 1)
gleich und wir haben — = — = — = oder vx : v2 : v3 • . . = cx : c2 : cs . . •,
Cl ^8 c8
d. h. die Verdünnungen, bei welchen- die relativen Leitfähigkeiten verschie-
dener Elektrolyte gleiche Werthe annehmen, stehen in constanten Verhält-
nissen, welche nur von der Natur der Elektrolyte abhängen.
„Aber nicht nur die allgemeinen Verhältnisse der Elektrolyte werden
durch die Dissociationstheorie dargestellt, sondern die Formel lässt noch eine
exakte numerische Bestätigung zu. Schreibt man sie in der Gestalt:
m*
(i — m) v
c,
wo tn = — die auf das Maximum bezogene Leitfähigkeit bedeutet, so muss
ein binärer Elektrolyt durch alle Verdünnungen hindurch denselben Werth
für die Constante C geben. Dies trifft nun vollkommen zu; die Grösse C
erweist sich in so weitem Umfange constant, wie nie die Dissociationsformel
an gasförmigen Verbindungen geprüft wurde und geprüft werden konnte."
Es werden nun Tabellen über verschiedene Säuren mitgetheilt, welche
durch die Unveränderlichkeit der nach der vorstehenden Formel berech-
neten Constanten C die Richtigkeit der Formel beweisen. Dieser Befund
wurde sehr bald darauf durch Messungen von van't Hoff und Reicher 1 be-
stätigt, welche ihre Mittheilung mit den Worten schliessen: „Es ist wohl
überflüssig, auf die treffliche Bestätigung hinzuweisen, welche hiermit das
OsTWALü'sche Verdünnungsgesetz erfahren hat; kein einziger Fall von ge-
wöhnlicher Dissociation ist innerhalb so weiter Grenzen geprüft worden."
Nur wenig später als von Ostwald ist die Anwendung der für Gase
gültigen Dissociationsgesetze auf gelöste Elektrolyte von M. Planck2 versucht
worden; es stand ihm indessen kein geeignetes Versuchsmaterial zu Gebote
und so misslang der Versuch.
Indessen erreichte auch diese Auseinandersetzung nicht vollkommen ihren
Zweck. Selbst von namhaften Physikern wurde die Bündigkeit der oben
(S. 1 1 19) benutzten, auf der vollkommenen Gültigkeit des FARADAY^schen Gesetzes
beruhenden Beweisführung in Zweifel gezogen und diesen Zweifeln mit einem
gewissen Ingrimm Ausdruck gegeben. Es ist eine häufig zu beobachtende
Erscheinung, dass ein neuer Gedanke, der eine bedeutende Umgestaltung
des Denkens nothwendig macht, schon an und für sich in dem Erhaltungs-
gesetz der wissenschaftlichen Anschauungen oder dem intellectuellen Träg-
heitsgesetze eine Gegnerschaft findet, die um so heftiger sich zu äussern
pflegt, je erheblicher der erforderte Umschwung ist und je unsicherer die
vorgebrachten Gegengründe sich erweisen. Auch in diesem Falle blieben
diese Erscheinungen nicht aus, und ihr Ablauf musste abgewartet werden,
1 Zeitschr. f. phys. Chemie 2, 777. 1888. 9 Wied. Ann. 34, 147. 1888.
71*
1 1 24 Neunzehntes Kapitel.
\
bevor eine ruhige Prüfung der Sachlage an Stelle des leidenschaftlic
Kampfes in den Vordergrund trat.
Die Hauptschwierigkeit blieb immer die Annahme der freien Ionen,
man sich durchaus nicht anders als mit den Eigenschaften der betreffen
Elemente behaftet denken mochte. Bewusst oder unbewusst war es im
wieder dieser Umstand, welcher als wesentlichster Widerspruch empfun
wurde. Sonst wäre es nicht erklärlich gewesen, wie gegen die Theorie
grösstem Eifer Gründe hätten geltend gemacht werden können, die n
den Zweck hatten, eine einfachere oder klarere Auffassung der betreffer
Thatsachen zu ermöglichen, sondern deren einzige Qualifikation d
bestand, dass sie Aussicht gaben, der Dissociationstheorie Verlegend
zu bereiten.
Aus dieser Zeit des Kampfes soll noch die nachstehende, von Os*n
und Nernst geschriebene Mittheilung „über freie Ionen" auszugsweise wie
gegeben werden, welche einige wesentliche Punkte der Angelegenheit
leuchtet und einiges zur Beendigung des Streites beigetragen haben dür
„Die von Clausius eingeführte Annahme, dass in elektrolytisch leitei
Flüssigkeiten ein Theil der elektrolytischen Molekeln in die Ionen zerfi
sei, hat bekanntlich in neuerer Zeit von S. Arrheniüs insofern eine
wickelung erfahren, als er den Bruchtheil der Gesammtmenge des Elektro
bestimmen lehrte, welcher unter gegebenen Verhältnissen in Ionen zerf!
ist. Als übereinstimmendes Ergebniss einer ganzen Anzahl verschied
Bestimmungsmethoden stellte sich heraus, dass nicht, wie bisher angenom
war, ein verschwindend kleiner Antheil des Elektrolyts die Zerlegung erf
sondern dass bei den meisten Neutralsalzen, sowie den starken Säuren
Basen umgekehrt nur ein kleiner Bruchtheil unzerlegt in der Lösung exi
während die Hauptmenge sich in Ionen zu spalten pflegt.
,',Während man mit der älteren unbestimmten Theorie sich so gut
ausnahmelos einverstanden erklärt hat, stösst die neuere bestimmte F
derselben immer noch auf Widerspruch. Zwar ist durch einen von
der Nachweis geführt worden, dass man in elektrostatisch geladenen I
trolyten freie Ionen annehmen muss, wenn man sich nicht mit den Gr
gesetzen der Elektripitätslehre in Widerspruch setzen will, doch ist
Möglichkeit der experimentellen Ausführung des dort angegebenen Versu
Schemas uns gegenüber gesprächsweise von so maassgebender Seite in Z\*
1 Zeitschr. f. phys. Chemie 3, 120. 1889. — Die im Texte erwähnte Veranlassung 1
durch A. Kundt gegeben, welcher bei einem Besuche der beid«n, damals in dem Verhäl
von Professor und Assistent zu einander stehenden Verfasser der Note seinen Zweifel ai
Möglichkeit der wirklichen Ausführung des S. 1119 schematistrten Versuches auf sehr enerj
Weise aussprach. Nach ihrer Rückkehr nach Leipzig nahmen sie am folgenden Tage die
suche auf, und innerhalb weniger Stunden waren diese so weit gediehen, dass der Erfc
den Berliner Collegen berichtet werden konnte. Den erwarteten Eindruck zu Gunstei
'neuen Ansichten hat er allerdings nicht sofort gemacht.
\9 „Zeitschr. f. pfcys. Chemie 2, 271. 1888." (S. n 19.)
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation. I 1 2 5
gezogen worden, dass wir es für unsere Pflicht gehalten haben, auch in
experimenteller Richtung jeden möglichen Zweifel zu entfernen.
„Bekanntlich sind die bei elektrolytischen Vorgängen bewegten Elek-
tricitätsmengen ausserordentlich gross gegenüber denen, welche elektrostatisch
gehandhabt werden können, und um elektrolytische Wirkungen statischer
Elektricität zu beobachten, ist daher eine besondere Feinheit der Mittel er-
forderlich. Wurden wir doch u. a. darauf hingewiesen, dass ein bis zur
Schlagweite geladener Luftcondensator eine nach Quadratkilometern zu be-
messende Ausdehnung haben müsse, um bei der Entladung nur i mg
Wasserstoff in Freiheit zu setzen.
„Doch ist i mg Wasserstoff sehr viel mehr, als zum Nachweis der
Elektrolyse erforderlich ist. Diese Menge nimmt einen Raum von 12 bis
13 ccm unter gewöhnlichen Verhältnissen ein. Überlegt man, dass man
unter der Lupe leicht ein Bläschen von 0,1 mm Durchmesser, unter dem
Mikroskop ein solches von 0,01 mm sehen kann, so schrumpft die erwähnte
riesige Ausdehnung des Condensators erheblich, nämlich auf den zehn million-
sten, resp. zehntausendmillionsten Theil ein, und seine Seiten bemessen sich
nur mehr nach Decimetern oder Centimetern.
„Die günstigsten Verhältnisse, welche wir für die Beobachtung der kleinen
Wasserstoffmengen aufzufinden wussten, liegen in den Capillaren des Lipp-
MANN^schen Elektrometers vor, und in der That gelingen die Versuche mittelst
desselben so leicht, dass sie mit den geringsten Mitteln und ohne jede be-
sondere Maassnahme ausgeführt werden können. Folgende Anordnung ge-
stattet bequemes und sicheres Arbeiten.
„Ein mit einem Glashahn versehenes Rohr von 30 bis 40 cm Länge
wird an einem Ende zu einer Capillare ausgezogen, deren Lumen so be-
messen wird, dass der Druck des bis zur Höhe eingefüllten Quecksilbers
soeben den capillaren Gegendruck überwindet und das Metall auszutrbpfen
beginnt Man befestigt die Röhre senkrecht in einem Halter und lässt ihre
Spitze in verdünnte Schwefelsäure tauchen. Durch Saugen am oberen Ende
" wird das Quecksilber in der Capillaren gehoben und die Schwefelsäure dringt
nach; durch passendes Handhaben des Hahnes bringt man dann die Grenz-
fläche zwischen Quecksilber und Schwefelsäure an einen geeigneten Ort,
etwa in der Mitte der Capillare. Ein in das Rohr eingeschmolzener Platin-
draht vermittelt die Leitung zum Quecksilber. Mit dieser Vorrichtung haben
wir folgende Versuche gemacht:
„1) Ein grosser Glaskolben wurde mit verdünnter Schwefelsäure gefüllt,
nachdem sein Bauch aussen mit Stanniol beklebt und sein Hals der besseren
Isolirung wegen mit Schellack gefirnisst war. Der Inhalt des Kolbens stand
durch einen nassen Faden mit der Schwefelsäure des vorbeschriebenen In-
strumentes, das wir Capillarelektrode nennen wollen, in Verbindung, der
Kolben selbst war durch eine Hartgummiplatte, auf der er stand, isofirt.
Der positive Pol einer kleinen Elektrisirmaschine wurde mit der äusseren
Belegung des Kolbens in Verbindung gebracht, das Quecksilber der Capillar
1 1 26 Neunzehntes Kapitel.
elektrode mit der Erde verbunden. Sowie die Elektrisirmaschine in
wegung gesetzt wurde, ging der Meniscus der Capillarelektrode heftig n
oben, und in demselben Augenblicke hatten sich mehrere Glasbläschen «
geschieden, welche den Quecksilberfaden an einigen Stellen getheilt hat
„Untersuchen wir nun die Vorgänge näher. Durch Zuführung posit
Elektricität an die äussere Belegung des Kolbens wurde die negative E
tricität im Inneren desselben angezogen und festgehalten, die positive
gegen abgestossen. Letztere ging durch den Faden in die Capillarelekü
über, \ind durch den Platindraht der letzteren in die Erde. Ein geschloss<
Strom ist nicht vorhanden, die ganze eintretende Bewegung der Elektro
geschieht durch Influenz.
„Nun beruht der von einem von uns (a. a. O.) gegebene Beweis für
Dasein freier Ionen in elektrisch geladenen Elektrolyten auf dem Farai
sehen Gesetz, nach welchem in Elektrolyten die Elektricität nicht anders
gleichzeitig mit den Ionen sich bewegt. Fände, wie uns von hochgeschäl
Seite als möglich eingewendet wurde, bei der Influenzwirkung eine me
lische Leitung durch den Elektrolyten statt, so wäre kein Grund für
Auftreten von Wasserstoff an der Elektrode vorhanden; umgekehrt bev
letzteres, dass elektrolytische Leitung stattfand, d. h. das freie Ionen
handen waren und sich bewegt hatten.
„Es findet sonach in Übereinstimmung mit der früheren Betracht
(S. 11 19) folgendes statt:
„In dem Maasse, als sich die äussere Belegung des Kolbens po
ladet, findet eine Anziehung der negativen Ionen SO4 der Schwefels;
statt. Die positiven Ionen H werden dagegen abgestossen und verschie
sich durch den nassen Faden bis an das Quecksilber, wo sie ihre Elektrii
abgeben und als gewöhnlicher Wasserstoff erscheinen.
„Man könnte gegen diesen Versuch einwenden, dass durch das 1
hindurch eine elektrolytische Elektricitätsbewegung stattfinden könnte
dass .die Ausscheidung von Wasserstoff von dieser, und nicht von der
fluenzelektricität herrühre. Dieser Einwand entfällt schon dadurch, dass
benutzte Leidnerflasche ihre Ladung sehr gut hielt; er wird ausserdem di
folgenden Versuch widerlegt.
„2) Während die äussere Belegung des Kolbens mit der Erde vert
den ist, führt man der Schwefelsäure im Inneren desselben mittelst e
nassen Fadens positive Elektricität zu. Dann unterbricht man die Leit
zur Elektrisirmaschine und stellt, ebenfalls mittelst eines nassen Fadens,
1 Verbindung der Schwefelsäure des Kolbens mit der der Capillarelekti
- her, während das Quecksilben derselben zur Erde abgeleitet ist. Alsl
zeigen sich die gleichen Erscheinungen wie früher, der Quecksilberfa
zuckt nach oben und zwischen ihm und der Schwefelsäure sind Gasbläsc
sichtbar.
„Die Erklärung dieses Versuches ist g** "* *;ch der des erste
Indem die Elektrisirmaschine positive Ele1 hwefelsäure zufi
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation. 1127
neutralisirt sie die negativen Ionen derselben, welche an der Stelle, wo der
nasse Faden den Conductor berührt, sich mit dem Metall desselben ver-
binden. Die positiven Ionen ordnen sich den Gesetzen der statischen Elek-
tricität gemäss an der Oberfläche des Leiters, insbesondere der äusseren
Belegung gegenüber an. Verbindet man alsdann die Schwefelsäure durch
Vermittelung der Capillarelektrode mit der Erde, so bewegt sich die posi-
tive Elektricität mit dem Wasserstoff bis zum Quecksilber; erstere geht
dort weiter, der letztere bleibt unelektrisch zurück und scheidet sich gas-
förmig aus
„4) Verbindet man das obere Quecksilber eines LiPPMANN^schen Capillar-
elektrometers mit einer isolirt aufgestellten Metallkugel und unterwirft diese
durch Nähern und Entfernen von geriebenen Glas- oder Ebonitstangen einer
Influenzwirkung, so bewegt sich der Quecksilberfaden des Elektrometers um
erhebliche Strecken in dem vorauszusehenden Sinne. Die Bewegungen im
Capillarelektrometer entstehen bekanntlich durch Änderungen der Ober-
flächenspannung, welche ihrerseits durch Änderungen der Potentialdifferenz
der elektrischen Doppelschicht an der Grenzfläche von Quecksilber und
Schwefelsäure bedingt werden. Es findet mit anderen Worten durch die
Influenzwirkung eine Polarisation des Quecksilbermeniscus statt. Eine
Polarisation kann aber nur durch materielle Änderungen an der Grenzschicht
hervorgerufen werden; die Elektricitätsbewegung, welche bei diesem Ver-
suche in der Schwefelsäure des Elektrometers bewirkt wird, ist somit eine
elektrolytische, d. h. mit Ionenbewegung verbundene, und selbst diese
äusserst geringen Elektricitätsmengen werden nicht etwa durch eine Spur
metallischer Leitung vermittelt.
„Um schliesslich uns davon zu überzeugen, dass bei den gewählten
Dimensionen ein Auftreten deutlich sichtbarer Elektrolyse nichts Unwahr-
scheinliches hat, wurde Versuch i) unter Berücksichtigung der quantitativen
Verhältnisse wiederholt. ... Es hätten unter gewöhnlichen Temperatur- und
Druckverhältnissen 6,3 X io~~7 ccm H in der Capillare zum Vorschein kom-
men müssen.
„Thatsächlich fand sich in ihr nach Beendigung des Versuches ein Gas-
bläschen vor, dessen Länge etwa das Doppelte des inneren Durchmessers
der Capillare betrug. . . . Schätzen wir das Volum des Gasbläschens als Ellip-
soid mit den Axen r, r und 2r, so ergiebt sich dasselbe zu 4,3 X io~7ccm,
also in einer Übereinstimmung mit dem berechneten Werthe, welche in
Anbetracht der vielen eingehenden Faktoren, die theilweise mit sehr grosser
Unsicherheit behaftet sind, als genügend angesehen werden kann.
„Es steht somit fest, dass die Elektricitätsbewegung in Elektrolyten dem
FARADAY^schen Gesetz entsprechend nur unter gleichzeitiger Bewegung pon-
derabler Massen, der Ionen, erfolgen kann, und dass somit in elektrostatisch
geladenen Elektrolyten eine der Elektricitätsmenge entsprechende Anzahl
freier Ionen vorhanden sind. Dieselben werden sich, den elektrostatischen
Gesetzen gemäss, wesentlich an der Oberfläche des Leiters anordnen.
j j 28 Neunzehntes Kapitel.
„Ks kann nun aber noch die Frage aufgeworfen werden, ob nicht di
freien Ionen erst im Augenblicke der elektrostatischen Ladung in Frei!
gesetzt worden sind, so dass gleichzeitig mit der Scheidung der Elektricitä
eine Art Elektrolyse im Inneren der Flüssigkeit selbst verbunden wäre. Gei
diese Annahme hat indessen schon Clausius seine unwiderlegt gebliebe
Einwände erhoben,1 welche wesentlich darauf hinauslaufen, dass die E
tricitätsbewegung in Elektrolyten den allerschwächsten elektromotorisc
Impulsen gehorcht, was nicht möglich wäre, wenn die Elektricität voi
eine merkliche Arbeit leisten müsste. Durch die nachfolgenden Betn
tungen hoffen wir zu erweisen, dass eine solche Annahme nicht nur
von Clausius angeführten Verhältnissen widerspricht, sondern auch zu C
Sequenzen fuhrt, die mit den Hauptsätzen der Thermodynamik unver
bar sind.
„Denken wir uns zunächst einen metallischen Leiter in Form einer *
dünnen horizontalen Kreisscheibe angeordnet, welche um eine durch il
Mittelpunkt gehende senkrechte Axe drehbar ist. An einer Stelle sei ol
halb wie unterhalb der Scheibe je eine Platte eines Condensators angebra
zwischen beiden bestehe eine bestimmte Potentialdifferenz. Setzt man
Scheibe in Bewegung, so ist dazu keine Arbeit erforderlich, vorausges<
dass die Bewegung so langsam ist, dass die durch die Verschiebung
Elektricitäten in dem Leiter von sehr kleinem Widerstände bedingte Joule's
Wärme, die dem Quadrat der Stromstärke proportional ist, vernachläs
werden kann. Ersetzen wir jetzt die Metallscheibe durch einen gleicl
formten Elektrolyten, so ist zur Drehung desselben, wenn das Coulomb's
Gesetz auch für elektrolytische Leiter Geltung hat, gleichfalls keine Ar
erforderlich. Nimmt man nun an, dass bei der elektrostatischen Lad
eines Elektrolyten Arbeit zur Trennnng der Ionen verbraucht werde,
muss dieselbe als Wärme der Umgebung entzogen werden, und der T
des Elektrolyts, welcher zwischen die Condensatorplatten tritt, muss :
abkühlen. Beim Austritt aut dem elektrischen Felde werden sich die Io
wieder vereinigen und eine gleiche Wärmemenge erzeugen. Wir hä
somit einen Apparat, in welchem wir ohne Arbeitsaufwand fortdauernd T
peraturdifferenzen erzeugen können, was dem zweiten Hauptsatze widerspric
An diesen anschaulichen Beweis schloss sich noch ein rechnerisc
welcher zu denselben Ergebnissen führte. Auch die bei diesen Bewe
gemachte Voraussetzung, dass sich ein elektrolytischer Leiter bezüglich se
elektrostatischen Wirkungen vollkommen wie ein metallischer verhalte, wi
geprüft und mit der Erfahrung im Einklänge gefunden, indem die Lad
,| » einer Elektrisirmaschine durch einen elektrolytischen, mit der Erde vert
denen Schirm nach aussen ebenso unwirksam gemacht werden konnte,
durch ein metallisches Gehäuse. Auch hierdurch wird die Nothwendig
der Annahme freier Ionen bewiesen.
1 „Pogo. Ann. 101, 338. 1857.
(«
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation. 1 1 2Q
Zum Schluss stellen die Verfasser die Erscheinungen der elektrolytischen
Stromleitung gemäss der Theorie von Arrhenius dar und zeigen, in welch
einfacher Weise sich diese Räthsel, die seit Nicholson und Carlisle die wissen-
schaftliche Welt beschäftigt hatten, auf Grund jener Annahme lösen lassen:
„Es sei ein Elektrolyt, etwa eine Lösung von Chlorkalium, gegeben, in
welchem an zwei Querschnitten die Potentiale + V und — V herrschen. Die
erste Wirkung wird darin bestehen, dass sich dem ÜHM'schen Gesetz gemäss
eine elektrostatische Ladung von + V bis — V auf der Oberfläche des Leiters
herstellt, die, wie oben nachgewiesen wurde, durch eine Ansammlung posi-
tiver, resp. negativer Ionen an der Oberfläche hervorgebracht wird. Hier-
durch wird, wie das von Kirchhoff für metallische Leiter auseinandergesetzt
wurde, eine Triebkraft auf die im Inneren vorhandenen Elektricitäten in dem
Sinne hervorgerufen, dass die negative Elektricität nach einer, die positive
nach der anderen Seite sich bewegt. In Elektrolyten ist aber die Elektricität
an die Ionen gebunden; die Triebkraft, welche für die beiden Elektricitäten
gleich und entgegengesetzt wirkt, setzt die Ionen mit Geschwindigkeiten in
Bewegung, welche umgekehrt proportional den Reibungswiderständen sind,
welche sie erfahren. Die in der Zeiteinheit transportirte Elektricitätsmenge
ist also proportional: erstens der Potentialdifferenz, zweitens der Anzahl
freier Ionen, drittens der Summe der Wanderungsgeschwindigkeit der
letzteren.
„Dies ist der primäre Vorgang bei der elektrolytischen Leitung, wie er
sich z. B. realisiren lässt, wenn man einen in sich geschlossenen Leiter zweiter
Klasse in einem ungleichförmigen Magnetfelde bewegt. Die gegen die elek-
trodynamischen Kräfte hierbei geleistete Arbeit erscheint als JouLE^sche Wärme
im Leiter.
„Verwickeitere Verhältnisse treten ein, wenn die Elektricität in einem
aus Leitern erster und zweiter Klasse gebildeten System in Bewegung ge-
setzt wird. Wir nennen die Theile des ersteren, welche an den Elektrolyt
grenzen, Elektroden. An diesen verlässt die Elektricität ihre Träger, die
Ionen, um sich auf eine noch nicht näher gekannte Weise (die vielleicht der
im Elektrolyt stattfindenden ähnlich ist) im Metall fortzubewegen. Die Ionen
bleiben unelektrisch zurück und bilden, da sie in diesem Zustande nicht
beständig sind, entweder miteinander Molekeln (wie H, Cl und andere
elementare Ionen), oder sie reagiren auf das Lösungsmittel (wie das Ion
der Schwefelsäure, SO4, welches nach der Gleichung 2S04 + 2H20 = 2H2SO*
+ Oa Schwefelsäure und Wasserstoff giebt), oder endlich, sie reagiren auf
die Substanz der Elektrode, wenn diese von geeigneter Beschaffenheit ist.
„Der Übergang der Elektricität von den Ionen auf die Elektroden er-
folgt im Allgemeinen nicht ohne weiteres, sondern er setzt eine bestimmte
Potentialdifferenz voraus. Solange diese nicht erreicht ist, verhält sich das
aus Elektrolyt und Elektrode gebildete System wie ein Condensator, indem
sich an der Berührungsfläche eine Ansammlung von gleichnamig geladenen
Ionen herstellt, welche die entgegengesetzte Elektricität in der Elektrode
Neunzehntes Kapitel.
.1
II30 ^__ _ ■
bindet und die gleichnamige abströmen lässt. Es bedingt somit, wie befc
auch die geringste elektromotorische Kraft in einem zusammengese
System einen Strom, derselbe dauert aber nur an, bis der Condeosatof
laden ist, und hört dann auf, falls Convection ausgeschlossen ist
können hier des weiteren nur auf die grundlegenden Arbeiten hinwe
durch welche v. Helmholtz diesen Theil der elektrolytischen Vorgänge
Klare gesetzt hat."
10. Die Theorie der isohydrischen Lösungen. Während so
meist vergebliche Versuch gemacht wurde, die zahlreichen Gegner der n
Anschauungen durch Auseinandersetzungen von Fall zu Fall zu überzei
wurde das erfolgreichere Verfahren nicht verabsäumt, möglichst viele
Gebiete der Herrschaft der Theorie zu unterwerfen und dadurch ihre wi
schaftliche Bedeutung zu erweisen. Diese Art der Arbeit, gleichsam mit
Speer in der einen und der Kelle in der anderen Hand, ist der Sache s
zuträglich gewesen, da sie in die Thätigkeit eine gewisse Frische
Lebendigkeit brachte, die sonst vielleicht nicht vorhanden gewesen \
auch ist auf die Dauer der Erfolg nicht ausgeblieben.
Zunächst nahm Arrhenius die Anwendung der Gesetze der Gasd
ciation auf gelöste Elektrolyte auf und wies nach,1 dass sich aus ihnen
Anzahl Beziehungen ableiten lassen, welche er selbst vorher8 empirisch
funden hatte. Es handelt sich um die gegenseitige Beeinflussung meh
Elektrolyte in Bezug auf ihre elektrische Leitfähigkeit. Arrhenius hatte
züglich derselben, ohne damals noch von irgend einer bestimmten Th
geleitet zu sein, eine Anzahl von Gesetzen gefunden, die wesentlich au
Folgende herauskommen. Mischt man zwei beliebige Lösungen verschiec
Säuren3 mit einander, so zeigt sich die Leitfähigkeit des Gemisches
schieden von der Summe der Leitfähigkeiten der Bestandteile. Doch j
es im Allgemeinen zu jeder Lösung der einen Säure eine solche der ande
dass keine gegenseitige Veränderung der Leitfähigkeit bei der Vermiscl
eintritt. Arrhenius nannte solche Lösungen isohy drisch und fand fu
folgende Sätze: Lösungen, die in einem bestimmten Verhältniss vermi
isohydrisch sind, sind es in allen Verhältnissen; und verschiedene Lösui
die einzeln mit einer und derselben bestimmten Lösung isohydrisch
sind es auch unter einander.
1 Zeitschr. f. phys. Chemie 2, 284. 1888. * Wied. Ann. 30, 51. 1887.
8 Es wurden für die Versuche Lösungen von Säuren benutzt, weil diese eine viel gl
Veränderlichkeit des Leitvermögens mit der Verdünnung zeigen, als Neutralsalze, und
etwaige Beziehungen sicherer zur Anschauung bringen mussten.
4 Dies gilt thatsächlich nur unter der Einschränkung, dass zwar zu jeder Lösun
schwächeren von beiden Säuren eine Lösung der stärkeren existirt, für die das im Te:
sagte richtig ist, während für die concentrirteren Lösungen der stärkeren Säure von ein«
stimmten Gehalte ab eine entsprechende Lösung der schwächeren nicht mehr möglich ist.
die obenstchenden Darlegungen hat diese Einschränkung, die im übrigen gleichfalls sie
der Theorie voraussagen Hess, keinen Einfluss.
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation. 1 1 3 1
Nun sind Säuren solche Elektrolyte, welche ein bestimmtes Ion gemein-
sam besitzen, nämlich das Ion Wasserstoff. Unter Berücksichtigung dieser
Thatsache und unter Benutzung der bereits bekannten Gesetze über das
chemische Gleichgewicht konnte Arrhenius nicht nur die eben ausgesprochenen
Gesetze theoretisch ableiten, sondern alsbald auch eine Reihe weiterer merk-
würdiger Thatsachen erklären, welche bis dahin vollkommen unverständlich
gewesen waren. Die auffälligste unter diesen war der ungemein grosse Ein-
fluss, welchen die Gegenwart von Neutralsalzen auf gewisse von freien Säuren
oder Basen bewirkte Reaktionen ausübt. So wird beispielsweise die Inversion
des Rohrzuckers durch Essigsäure auf einen kleinen Bruchtheil ihrer Ge-
schwindigkeit herabgesetzt, wenn man der Lösung Natriumacetat hinzusetzt.
Ebenso verlangsamen Ammoniaksalze in einem ganz ausserordentlichen Maasse
die Verseifung von Estern durch freies Ammoniak. Arrhenius hatte sich,
gleichfalls vor Aufstellung der Theorie der freien Ionen, mit dieser Frage
beschäftigt1 und dabei festgestellt, dass die letztere Wirkung ausschliesslich
den Ammoniaksalzen eigen ist und von anderen Salzen nicht ausgeübt wird.
Ebenso findet der oben erwähnte Einfluss auf die Wirkung der Essigsäure
nur durch Acetate statt, nicht durch andere Salze.
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation gab nun von diesen Er-
scheinungen einfache Rechenschaft. In einer Lösung von Ammoniak ist ein
kleiner Theil des vorhandenen Ammoniumhydroxyds in seine Ionen NH4 und
OH dissociirt, und es findet zwischen diesen Ionen und dem unzersetzten
Ammoniumhydroxyd ein Gleichgewicht statt, welches von den Concen-
trationen der drei Bestandteile abhängt und sich verschiebt, wenn man
eine ändert. Bezeichnen die Formeln gleichzeitig die Concentrationen, so
giebt die Theorie des chemischen Gleichgewichts die einfache Beziehung
4—— - = Const. Setzt man nun zu der Lösung von Ammoniak ein
Ammoniumsalz, so vermehrt man dadurch sehr stark den Faktor NH4, denn
die Ammoniumsalze sind fast vollständig dissociirt. Dadurch muss in dem-
selben Verhältnisse der Faktor OH kleiner werden, denn da die Dissociation
des Ammoniumhydroxyds nur gering ist, so kann die Vergrösserung des
Faktors NH^H, des nichtdissociirten Ammoniumhydroxyds, auch nur wenig
betragen. Nun hängt aber die Geschwindigkeit der Verseifung von der Con-
centration des Hydroxyls ab und muss daher eine sehr bedeutende Vermin-
derung erfahren, wie es auch der Versuch ergeben hat. Ja, so weit ging
die Übereinstimmung der Theorie mit dem Versuch, dass auch der zahlen-
mässige Betrag dieses Einflusses aus den anderweit vorliegenden Messungen
über die Leitfähigkeit des Ammoniaks sich vorausberechnen Hess und in
bester Übereinstimmung mit den Beobachtungen gefunden wurde. Alle diese
Bestätigungen der elektrolytischen Dissociationstheorie waren um so werth-
voller, als das bezügliche Versuchsmaterial gesammelt worden war, bevor an
eine solche Anwendung desselben gedacht werden konnte.
1 Zeitschr. f. phys. Chemie 1, no. 1887.
j I ^2 Neunzehntes Kapitel.
In der gleichen Gedankenrichtung bewegt sich eine andere Arbeit
Arrhenius,1 welche die allgemeinen Gleichgewichtserscheinungen zwis
Elektrolyten zum Gegenstande hat. Auch hier haben sich die aus
älteren Arbeiten über die Stärke oder Avidität der Säuren und die theifo
Zersetzung der Neutralsalze durch solche gezogenen experimentellen Schi
aus theoretischen Betrachtungen gewinnen lassen; gleichzeitig ergab
Theorie der elektrolytischen Dissociation vielfach eine weitere und allgemei
Auffassung, als bis sie dahin möglich gewesen war. Doch kann aut <
Dinge nicht näher eingegangen werden, da ihre Bedeutung mehr auf
chemischem Boden, als auf elektrochemischem liegt.
Dasselbe gilt von den gleichzeitigen Arbeiten W. Ostwald's über
Zusammenhang zwischen der Zusammensetzung und Constitution der Sä
und ihren in der elektrischen Leitfähigkeit zu Tage tretenden Affini
grossen.2 An einem etwa 240 Stoffe umfassenden Versuchsmaterial kon
derartige Zusammenhänge in ausgiebigster Weise nachgewiesen werden
dass alsbald die gewonnenen Einsichten benutzt werden konnten, um sc
bende chemische Fragen zu entscheiden; in der Folge sind diese Arb
von zahlreichen Forschern fortgesetzt worden.
Näher mit unserer Frage steht dagegen eine Arbeit im Zusammenh;
durch welche Arrhenius8 wieder an einem Beispiele die Fähigkeit der n
Ansichten zeigte, unerwartete Erscheinungen voraussagen zu lassen,
handelt sich hier um den Unterschied, den die Temperaturänderung
die Leitfähigkeit der beiden Klassen von Leitern zeigt. Metalle vermin
sie bekanntlich bei steigender Temperatur, Elektrolyte vermehren sie;
dies Verhalten ist so allgemein, dass sich allmählich die Überzeuj
herausbildete, es müsse so sein, und der umgekehrte Fall sei grundsät
unmöglich. Auf Grund der folgenden Überzeugung erwartete Arrhe
dass bei Elektrolyten auch der umgekehrte Fall eintreten könne, un<
gelang ihm alsbald, Beispiele hierfür ausfindig zu machen.
Der Übergang eines nicht dissoeiirten Stoffes in Ionen muss wie
Zustandsänderung mit positiven oder negativen Wärmewirkungen verbu
sein. Der Betrag solcher Wärmewirkungen ist der Messung nicht 1:
gänglich. Denn nach den Darlegungen von S. 11 14 ist die Neutralisat
wärme beliebiger völlig dissoeiirter Säuren und Basen constant und g
der Bildungswärme des Wassers aus seinen Ionen. Wie erwähnt, hat
Beobachtung diesen Schluss bestätigt; die fragliche Wärmetönung ist
135 K. Wenn man nun eine Säure hat, welche nur theilweise dissoeiir
^ « und sie giebt mit einer ganz dissoeiirten Basis eine Neutralisationswä
- die geringer ist, als 135 K, so muss ihre Dissociation Wärme verbrauc
3 ist dagegen die Neutralisationswärme grösser, so muss sie Wärme bei
Dissociation entwickeln. Die Messungen der Thermochemiker, insbeson
1 Zeitschr. f. phys. Chemie 6, 1. 1890. * Ebenda 3, 170. 1888.
3 Zeitschr. f. phys. Chemie 4, 96. 1889.
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation. 1 1 3 3
von J. Tohmson, zeigen eine ganze Anzahl von Säuren, welche zum zweiten
Falle gehören; unter ihnen zeichnen sich z. B. Schwefelsäure und die Säuren
des Phosphors durch grosse Neutralisationswärmen und daher positive Disso-
ciationswärmen aus.
Andererseits steht nach den Gesetzen der Thermodynamik das chemische
Gleichgewicht in einem engen Zusammenhang mit der Wärmetönung, und
zwar so, dass bei einer Erhöhung der Temperatur sich immer das Gleich-
gewicht im Sinne der mit Wärmeverbrauch verbundenen Reaktion verschiebt,
und umgekehrt. Demgemäss muss die Dissociation der Phosphorsäure mit
steigender Temperatur geringer werden. Da weiter die elektrische Leitfähig-
keit mit dem Betrage der Dissociation zu- und abnimmt, so ist in diesem
Umstände eine vermindernde Ursache für die Leitfähigkeit gegeben.
Allerdings ist dieser Einfluss nicht der einzige, denn gleichzeitig nehmen
mit steigender Temperatur die Reibungswiderstände, die das Ion bei seiner
Wanderung erfahrt, ziemlich schnell ab, und dieser Umstand bewirkt die so
allgemeine Zunahme der Leitfähigkeit der Elektrolyte mit der Temperatur.
Es galt daher, solche Stoffe zu finden, bei denen der erste Einfluss den
zweiten überwiegt. Eine entsprechende Rechnung zeigte Arrhenius, dass
bei gewissen Lösungen von unterphosphoriger Säure und von Phosphor-
säure die beiden Umstände so zusammenwirken, dass zuerst die Leitfähigkeit
mit steigender Temperatur wie gewöhnlich zunehmen, dann ein Maximum
erreichen, und dann wieder kleiner werden muss. Entsprechende Versuche
waren leicht auszuführen, und sie ergaben alsbald eine völlige Bestätigung
der unerwarteten Beziehung und gleichzeitig einen schlagenden Beweis für
die Sicherheit, mit welcher die Dissociationstheorie die Verhältnisse im voraus
zu beurtheilen gestattete.
II. Die Theorie der VoLTA'schen Ketten. Wenn ein Gas an
einen leeren Raum grenzt, so tritt sofort eine sehr schnelle Bewegung ein,
die zu einer gleichförmigen Vertheilung des Gases in dem gesammten Räume
fuhrt. Stellt man die analoge Erscheinung bei Lösungen her, indem man
über eine Lösung irgend eines Stoffes das reine Lösungsmittel schichtet, so
tritt gleichfalls die Bewegung ein; sie ist aber sehr langsam und erfordert
Tage und Wochen für dasselbe Ergebniss, welches die Gase in Sekunden
zeigen. Woran liegt dieser grosse Unterschied, da doch nach der Theorie
von van't Hoff die gleichen Drucke auf die gleichen Massen wirken? Die
Antwort ist leicht zu geben: während das Gas bei seiner Ausbreitung
keine erheblichen Hindernisse erfährt, müssen die Theilchen des gelösten
Stoffes einen bedeutenden Reibungswiderstand bei der Bewegung durch das
Lösungsmittel überwinden.
Somit ergiebt sich aus dieser Betrachtung zunächst die Ursache der
Diffusionserscheinungen, und überlegt man, dass der Druckunterschied,
welcher in zwei aneinandergrenzenden Schichten der Lösung von ver-
schiedener Concentration wirksam ist, eben diesem Concentrationsunterschiede
proportional ist, so hat man auch die Grundlage einer Theorie der Diffusion,
1 1 34 Neunzehntes Kapitel.
i
welche mit der von Fick aufgestellten und an der Erfahrung bestätigten i
einstimmt. Weiter kann man aber aus den gemessenen Geschwindigki
der Diffusionsbewegung unter gegebenen Umständen die Reibungswi
stände berechnen, welche der gelöste Stoff erfährt. Sie ergeben sich
sehr bedeutend.
Diese naheliegenden Schlüsse aus der Theorie von van*t Hoff wui
von Walter Nernst 18881 ausgesprochen und zunächst auf die Diffusion
differenter Stoffe angewendet. Als er jedoch auch gelöste Elektrolyte der
trachtung unterzog, ergab sich ein neuer Umstand. Da die Ionen in
Lösungen eine individuelle und gesonderte Existenz "fuhren, so müssen
auch individuelle Diffusionsgeschwindigkeiten haben. Daraus folgt aber,
bei der Diffusion einer elektrolytischen Lösung gegen reines Wasser
Trennung der Ionen eintreten muss, indem das schnellere Ion voraus^
und das langsamere zurückbleibt. Daraus folgt aber weiter, dass elek
motorische Kräfte zwischen den verschiedenen Theilen der Lösung
treten müssen. Denn die Ionen sind mit ihren elektrischen Ladungen
bunden und nehmen sie mit sich; wandert also wie z. B. bei den Säuren
Kation schneller, als das Anion, so muss der verdünntere Theil der Lös
in welchen die Wasserstoffionen vordringen, positiv gegen den concentrirt
sein, in welchem die langsameren Anionen zurückgeblieben sind.
Die Folgerungen, welche sich aus dieser Überlegung für die Diffi
ergeben, sollen nicht näher erörtert werden; nur möge bemerkt wer
dass durch diese Potentialunterschiede das langsamere Ion beschleunigt,
schnellere zurückgehalten wird, bis schiesslich doch die Diffusion tx
Ionen mit gleicher Geschwindigkeit erfolgt. Dadurch gestaltet sich
Theorie der Diffusion gelöster Elektrolyte viel verwickelter, als die indifferc
Stoffe; doch hat Nernst für die einfachsten Fälle die entsprechei
Gleichungen gegeben. Die erhaltenen Formeln gaben Anlass zu einem
merkenswerthen Vergleich.
Durch die Messungen der elektrischen Leitfähigkeit des Elektrolytes
nämlich F. Kohlrausch (S. 922) bereits in der Lage gewesen, die
wegungswiderstände zu berechnen, welche die Ionen in der Lösung erfar
wenn sie von bekannten elektrostatischen Kräften getrieben werden,
musste nun erwarten, dass die aus solchen Beobachtungen berechn
Reibungswiderstände, welche die Ionen bei ihrem elektrischen Am
durch die Lösung erfahren, gleich den aus den Diffusionserscheinungen
rechneten Reibungswiderständen ausfallen müssen, welche sich bei dem
tritt der Ionen durch den osmotischen Druck zeigen. Das Erget
dieses von Nernst vorgenommenen Vergleiches erwies die Angemesser
dieser Betrachtungen; beide Widerstandscoefficienten zeigten sich nicht
der Grössenordnung nach übereinstimmend, sondern fielen auch zahlenmi
so nahe zusammen, als man immer nur erwarten konnte.
1 Zeitschr. f. phys. Chemie 2, 613. 1888.
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation. 1 1 3 5
Neben diesem an sich hinlänglich interessanten Ergebnisse fand sich
auf gleichem Wege noch eine andere Ausbeute, welche sich in der Folge als
noch weit wichtiger erweisen sollte. Es ist eben erwähnt worden, dass durch
die verschiedene Wanderungsgeschwindigkeit der Ionen bei der Diffusion
eines gelösten Elektrolyten sich elektromotorische Kräfte zwischen den
verschieden concentrirten Theilen herausstellen. Solche elektromotorische
Kräfte müssen naturgemäss auch auftreten, wenn überhaupt zwei verschieden
concentrirte Lösungen eines Elektrolyten an einander grenzen, und somit
war die Möglichkeit gegeben, nicht nur das Auftreten von Spannungen an
den Grenzflächen verschiedener Lösungen, d. h. die Existenz von Flüssig-
keitsketten (S. 706) zu erklären, sondern man konnte sogar die hier vor-
handenen Spannungen aus anderweit zu bestimmenden Grössen voraus-
berechnen.
Dieser Schluss findet sich in der erwähnten Arbeit nur angedeutet;
seine Entwickelung und Prüfung erfuhr er erst im folgenden Jahre in Nernst s
Habilitationsschrift über die elektromotorische Wirkung der Ionen.1
Durch diese Arbeit wurde den neuen Theorieen ein bis dahin noch un-
berührtes Feld erschlossen. Denn während die oben geschilderten Arbeiten
von Arrhenius und Ostwald sich um die Erscheinungen der elektrischen
Leitfähigkeit und die damit zusammenhängenden Fragen des chemischen
Gleichgewichts in Lösungen gruppirten, fand sich hier das immense Gebiet
der elektromotorischen Kräfte zum ersten Male auf dem neuen Wege
in Angriff genommen und, wie gleich hinzugefügt werden mag, zum grossen
Theile erobert. Zwar lagen hier bereits die Arbeiten von Helmholtz vor,
welche die Frage allgemein für die Fälle gelöst hatten, in denen man irgend
einen anderen berechenbaren Vorgang ausfindig machen konnte, mittelst
dessen das Ergebniss des Stromdurchganges durch eine Zelle rückgängig
gemacht wird. Aber solche Vorgänge hatten sich nur in ganz beschränktem
Maasse ausfindig machen lassen.
Weiter führte der Weg, welchen Nernst ging. Er verfolgte die oben
angedeutete, bei der Betrachtung der Diffusion aufgefundene Spur, welche
ihn in folgerichtiger Ausbildung der zunächst gewonnenen Anschauungen
zu der Möglichkeit führte, das Problem der allgemeinen VoLTA'schen Kette
wenigstens formal zu lösen; die Auffindung aller hier auftretenden Zahlen-
werthe nnd damit die Vollendung der Analyse war allerdings einer späteren
Zeit vorbehalten.
Die erste Frage, welche Nernst behandelt, ist die nach dem Potential-
unterschied zwischen zwei verschieden concentrirten Lösungen desselben
Elektrolyten. Indem er die beim Durchgange der Elektricitätsmenge Eins
durch die Trennungsfläche erfolgenden Concentrationsänderungen bestimmt,
kann er nach dem Gesetze von van't Hoff die zugehörige Arbeit berechnen;
diese auf die Elektricitätsmenge Eins bezogene Arbeit ist aber numerisch
1 Zeitschr. f. phys. Chemie 4, 129. 1889.
I l ^5 Neunzehntes Kapitel.
gleich dem Potentialunterschied an der Trennungsstelle. So ergiebt sich
Formel E' — E" = * — v p^ln^j, wo E' und E" die beiden Potentiale
u -f- v r u /
Lösungen, p' und p" die osmotischen Drucke in ihnen (die den Conc
trationen proportional sind), u und v die Wanderungsgeschwindigkeiten
beiden Ionen und In den natürlichen Logarithmus bezeichnet; /0 ist <
von der Wahl der Einheiten abhängige Constante. Aus der Formel erg
sich zunächst, dass, wenn beide Ionen gleich schnell wandern, also «— v
ist, gar keine Potentialunterschiede auftreten; ferner, dass die elektromotoris
Kraft E'—E" nur von dem Verhältniss der beiden osmotischen Dn
/' und /" abhängt, nicht von ihren absoluten Werthen. Stellt man
zwei Ketten her, indem man in einer alle Lösungen »mal concentr
nimmt als in der anderen, so müssen sie beide gleiche Potential untersch
zeigen. Allerdings wird hierbei die Gültigkeit der Lösungsgesetze und *
ständige Dissociation vorausgesetzt. Nernst hat diesen letzten Satz ab
gemeines Prinzip, welches er das Superpositionsprinzip nannte, se
anderen Erörterungen vorausgeschickt.
Da ein Mittel, die einzelnen Spannungen an den Berührungsflächen
schieden concentrirter Lösungen zu messen, nicht vorhanden war, so mi
Nernst, um eine experimentelle Prüfung seiner Formel zu erlangen,
Flüssigkeitsketten construiren, in denen die verschiedenen auftretenden S
nungen alle berechenbar waren, was sich mit Hülfe des Superpositionsprii
auch ausfuhren Hess. Die Ergebnisse der Versuche stimmten mit der R
nung dem Sinne und der Grössenordnung nach überall zusammen; aucl
zahlenmässige Übereinstimmung mochte in Anbetracht der Häufung der
suchsfehler als genügend erscheinen, wenn sie auch zu wünschen übrig
Um nun den Übergang von diesem Punkte auf die gewöhnlichen Vo
i sehen Ketten zu finden, mussten entsprechende Betrachtungen über die
J gänge an den Elektroden angestellt werden. Der einfachste Fall ist hiei
eines Metalls in der Lösung eines seiner Salze. Hier wissen wir, dass
Elektricitätsbewegung mit dem Eintritt von Metall in den Elektrolyt
umgekehrt proportional verbunden ist. Gleichzeitig mit der Elektrici
bewegung erfolgt also' eine osmotische Arbeit, indem das Element des
treffenden Ions aus dem Zustande, in welchem es in der Elektrode befin<
war, in den Zustand der Lösung versetzt wird (oder umgekehrt), und
rechnen wir diese Arbeit für die Elektricitätsmenge Eins, so erhalten
wieder die vorhandene elektrische Spannung.
Nun lässt sich diese Berechnung nicht vollständig ausfuhren, da wii
den Zustand des Ionenelements im Metall kein Maass haben; wohl aber köi
3 wir die Unterschiede dieser Arbeit berechnen, welche eintreten, wenr
Ion in der Lösung einmal den Gegendruck /', ein andermal den Drucl
findet, und die Rechnung ergiebt, dass die Arbeit und somit auch die elektri
Spannung dem Logarithmus des osmotischen Druckes proportional ist
unbekannte, von der Beschaffenheit der Elektrode abhängige Grösse erscl
i
Die Theorie der elektrolvtischen Dissociation.
"37
als eine unbekannte Integrationconstante. Nernst macht darauf aufmerksam,
dass man diese Grösse formal so behandeln kann, als wäre sie ein Druck,
und erhält für die Spannung E an der Elektrode dadurch den Ausdruck
P
E = Kln — , wo/ der osmotische Druck der Metallionen, K ein von den
Maasseinheiten abhängiger Faktor und P die eben erwähnte Integrations-
constante ist, die von der Natur des Metalls abhängt. Um für diese eine
anschauliche Deutung zu erlangen, stellt Nernst folgende Betrachtung an:
„Die Thatsache, dass bei der Verdampfung fester und flüssiger Körper
die Molekeln desselben in einen Raum getrieben werden, in welchem sie
unter einem bestimmten Drucke sich befinden, nämlich dem Partialdrucke
des bei diesem Vorgange entstehenden Gases, gab Veranlassung, dem ver-
dampfenden Körper ein Expansionsvermögen zuzuschreiben; den Druck,
unter welchem sich die gasförmigen Verdampfungsprodukte befinden, nach-
dem Gleichgewichtszustand eingetreten ist, bezeichnet man als die Dampf-
tension des betreffenden Körpers.
„Wenn wir nun im Sinne der van't HoF^schen Theorie annehmen,
dass auch die Molekeln eines in Lösung befindlichen Körpers unter einem
bestimmten Drucke stehen, so müssen wir einer in Berührung mit einem
Lösungsmittel sich auflösenden Substanz ebenfalls ein Expansionsvermögen
zuschreiben, weil auch hier ihre Molekeln in einen Raum hineingetrieben
werden, in welchem sie unter einen gewissen Druck gelangen; offenbar wird
jeder Körper so weit in Lösung gehen, bis der osmotische Partialdruck der
bei diesem Vorgange entstehenden Molekeln der „Lösungstension" des Kör-
pers gleich geworden ist.
„Demgemäss haben wir in der Verdampfung und Auflösung gänzlich
analoge Vorgänge zu erblicken, was übrigens schon mehrfach vermuthet
worden ist, jedoch ohne Kennlniss des osmotischen Druckes einer sicheren
Begründung entbehrte.
„So einfach und beinahe selbstverständlich diese Betrachtungen sind, so
fuhren sie doch unmittelbar zu manchen weitgehenden und bemerkenswerthen
Schlussfolgerungen, die eine Prüfung der van't HoFF'schen Theorie von ganz
neuen Gesichtspunkten aus ermöglichen; hier sei jedoch nur auf das für
unseren augenblicklichen Zweck Wichtige hingewiesen.
„Wie wir offenbar für jedes Gas einen, sei es festen, sei es flüssigen
Körper ausfindig machen können, dessen Dampf- oder Dissociationsspannung
mit dem Drucke dieses Gases in Concurrenz tritt, welcher also, sei es durch
einfache Verdampfung, sei es durch Zersetzung, letzteres entwickelt, so werden
wir auch für jede in Lösung und zwar im freien Bewegungszustande befind-
liche Molekel, daher auch für jedes Ion, die Existenz von Substanzen an-
nehmen müssen, bei deren Auflösung Molekeln dieser Gattung entstehen.
Da liegt es nun sehr nahe, oder bietet sich vielleicht als einzige Möglichkeit
dar, um den eben ausgesprochenen Satz aufrecht zu erhalten, nämlich den
Metallen die Fähigkeit zuzuschreiben, als Ion in Lösung gehen zu können.
Ostwald, Elektrochemie. 72
i , ja
Neunzehntes Kapitel.
Hiernach besässe jedes Metall in Wasser eine eigen
deren Grösse mit P bezeichnet werden möge.
„Beachten wir nun, was für Vorgänge entste
von der elektrolytischen Lösungstension P in eine
Metall gebildeten Salzes eintauchen, in welch li
Metalles unter dem Drucke / stehen. Es sei zunä
ersten Augenblicke der Berührung, getrieben von
Anzahl -+- geladener metallischer Ionen in Lösung
letztere eine gewisse +■ Elektricitätsmenge aus d<
transportirt wird, erhält die Flüssigkeit eine positiv
Gestalt der in ihr enthaltenen positiven Ionen an i
gleichzeitig wird natürlich im Metall eine entsprech
frei, welche gleichfalls an die Oberfläche geht
dass an der Berührungsfläche von Metall und Elekt
tricitäten in Form einer Doppelschicht anhäufen m
kanntlich durch Herrn v. Helmholtz schon vor eini
Wege wahrscheinlich gemacht worden ist
„Diese Doppelschicht liefert nun eine Kräfte
recht zur Berührungsfläche von Metall und Lösu
metallischen Ionen aus dem Elektrolyten zum Met:
elektrolytischen Lösungstension somit entgegenwi:
zustand wird offenbar so beschaffen sein, dass be
aufheben; als schli essliches Resultat erhalten wir d
motorischen Kraft zwischen Metall und Elektrolyt,
Strom in der Richtung von Metall zur Flüssigkei
irgend welche Vorrichtungen das Zustandekommei
„Wenn P <p, findet natürlich der umgekehr
aus dem Elektrolyten so lange metallische Ionen
auf dem Metall nieder, bis die elektrostatische I
durch entstandene 4 Ladung des Metalls und —Li
osmotischen Druck das Gleichgewicht hält Es 1
elektromotorische Kraft zwischen Metall und Elel
geeigneten Bedingungen hier einen galvanischen S
Richtung veranlassen würde. In beiden Fällen sind
ordentlich grossen elektrostatischen Capacität der 1
die in Lösung gehen bezw. ausfallen, sehr klein.
„Wenn schliesslich P — p ist, befindet sich i:
Berührung Metall und Elektrolyt im Gleichgewicht
beiden keine Potentialdifferenz auf. Wenn wir c
matisch formuliren, gelangen wir sofort auf einei
zu den früheren Gleichungen.
„Da P der Natur der Sache nach immer ein
muss, so folgt, das für / = o, d. h. in reinem Wa
endlich stark negativ laden; dies Resultat steht in ■
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation. I j *g
kürzlich von Hrn. v. Helmholtz erhaltenen, wonach sich für eine Con-
centrationskette, deren einer Pol von reinem Wasser bespült wird, unendlich
starke elektromotorische Kräfte ergeben, welche einen in der Kette vom
letzteren Pol zum anderen verlaufenden galvanischen Strom zu veranlassen
suchen. Der Umstand, dass wir zu etwas physikalisch so Unmöglichem, wie
unendliche Potentialdifferenzen gelangen, bedeutet natürlich, dass Metall und
reines Wasser neben einander nicht existiren können; dies stimmt sehr gut
mit den obigen Ent Wickelungen, in denen wir den Metallen die Fähigkeit
zuschrieben, spurenweise als Ion in Lösung gehen zu können."
Auf Grund dieser Betrachtungen entwickelt Nernst zunächst die Theorie
der Concentrationsketten, und gelangt zu den gleichen Schlussergebnissen,
wie Helmholtz sie auf thermodynamischen Wege erlangt hatte, nur dass
in seinen Formeln die drei vorhandenen Spannungen gesondert auftreten,
während Helmholtz bloss ihre Summe erhalten hatte. Eine Anzahl von Mes-
sungen ergab eine gute Bestätigung der Theorie.
Weiter werden einige Messungen über Flüssigkeitsketten mit Elektrolyten,
die ein gemeinsames Ion enthalten, mitgetheilt, doch wird deren Theorie
nicht durchgeführt; dies geschah erst später1 durch Max Planck, der die
allgemeine Theorie der Flüssigkeitsketten entwickelte. Auch weitere Rech-
nungen und Messungen über elektrolytische Thermoketten müssen hier
übergangen werden. Zum Schluss erörtert Nernst die Verhältnisse gal-
vanischer Elemente, indem er zu dem Begriff der umkehrbaren Elektroden
erster Art (ein Metall in der Lösung seines Salzes) den der umkehr-
baren Elektroden zweiter Art fugt, deren Typus durch eine Elektrode von
Quecksilber unter einer Lösung eines Chlorids und bedeckt mit Queck-
silberchlorür gegeben ist. Durch die Gegenwart dieses „unlöslichen" Salzes
verlaufen die Erscheinungen gerade so, als wenn die Elektrode „aus einer
metallisch leitenden Modification des Chlors bestände," denn beim Strom-
durchgange vermehrt oder vermindert sich die Concentration des Chlors im
Elektrolyt, wie sich die des Metalls bei einer Elektrode erster Art ver-
ändert. Indessen hat Ostwald später2 gezeigt, dass thatsächlich dieser Fall
auf den ersten zurückkommt, und nur durch die bestimmte Löslichkeit des
„unlöslichen" Salzes der formale Anschein einer zweiten Art Elektroden be-
wirkt wird.
Die Theorie der gewöhnlichen VoLTA'schen Ketten konnte nicht voll-
ständig behandelt werden, da die Kenntniss der maassgebenden Grössen P,
der „Lösungstensionen" der verschiedenen Metalle, noch ausstand. Die
vorher erhaltenen Ergebnisse waren gewonnen worden, indem diese un-
bekannten Grössen durch Benutzung zweier gleicher Elektroden in der Kette
ausgeschaltet wurden. Zu weiteren Schlussfolgerungen bot sich noch der
Umstand, dass diese Grössen P von der Concentration der Ionen im
1 Wied. Ann 40, 561. 1891.
8 Lehrbuch der allgemeinen Chemie, II. Aufl. 2, I, 878. 1893.
72*
H40 Neunzehntes Kapitel.
Elektrolyt unabhängig sein musste; einige beziiglic
Spannung des DAMELi/schen Elements von der C
Losungen bereits früher beobachtete Thatsachen erg
Überei nsti mmung.
„Suchen wir schliesslich die Wirkungskreise d<
durch einen Vergleich zu veranschaulichen, so d
ein genähertes Bild davon geben. In einem Reser
Kohlensäure, in einem zweiten eine dieselbe lebhat
z. B. Ätzkalk, und dazwischen eine Cylinder- und
die Druckdifferenzen in Arbeit umzusetzen. Die Ma
bis alle Kohlensäure sich verflüchtigt hat, gerade
bis zum Verbrauch des Zinks wirksam ist"
Durch diese Arbeit war ein sehr bedeutender I
chemie angebahnt. Auf den hier eingeschlagenen
eine vollständige Theorie der galvanischen Erschein
welche überall den Thatsachen entspricht und in d
Beobachtungen in diesem vielbebauten Gebiete ka
einen Rest gelassen hat. Auch die in den Schi
Arbeit ausgesprochene Hoffnung: „Schliesslich werd
lingen sollte, die elektrolytischen Lösungstensionen ,
welche die umkehrbaren Elektroden charakterisiren,
ermitteln, einen wesentlichen Fortschritt in der B'
versprechen dürfen, die seit Volta's Zeiten die P]
inzwischen in Erfüllung gegangen.*
12. Zusammenfassung. Auf die eben gescl
Zeitraum dreier Jahre zusammengedrängten grundl
n«turgemäss eine Periode, in welcher der Ausbau
wurde und die zahlreichen Aufgaben, welche die neui
zur Bearbeitung gelangten. Zu einem zusammen*
es dann im Beginn des Jahres 1893, wo W. Ostwa
bearbeitung der Elektrochemie für die zweite Auflag
allgemeinen Chemie" das ganze Gebiet einer Betr;
Gesichtspunkten aus unterzog. Das Ergebniss dieser
Erwartungen; obwohl dem Verfasser die Ausgiebigl
aus vielfacher Erfahrung wohl bekannt war, hatte
Ergebnisse nicht gefasst gemacht, die ihm bei die
gesucht entgegentraten.3
1 Ostwald, Lehrb. d. allgem. Chemie S, I, 1893.
' Ein Zeugniss hierfür ist in dem fraglichen Werke seit
eigentlichen Bearbeitung hatte der Verfasser eine geschichtliche 1
gegeben, und schloss diese mit den Worten: ,,Es ist somit alh
diesem Wege die vollständige und controlirbare Theorie des Vc
gewinnen lassen, so dass das Problem desselben nach fast gen
Lösung erfährt." Am Schlüsse des Buches war diese Hoffnung
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation. 1 1 4 1
Von den einzelnen Resultaten sei zunächst die Vervollständigung der
Theorie der umkehrbaren Ketten erwähnt. Dass sich die „Elektroden zweiter
Art" auf solche erster Art zurückfuhren Hessen, ist schon bemerkt worden.
Weitere Erörterungen betrafen die Theorie der anomalen Spannungen.
Es giebt gewisse Lösungen, in welchen die Metalle keineswegs ihre gewöhn-
lichen Spannungen zeigen, sondern weit abweichende; so hatte schon Jacobi
beobachtet, dass Silber in Cyankalium etwa den Platz von Zink in Schwefel-
säure einnimmt. Ostwald wies nun darauf hin, dass die Metalle in solchen
Fällen sich immer verhalten, als wären sie weniger edel, und dass/iie Ab-
weichungen nur in solchen Fällen auftreten, wo die Metalle mit den vor-
handenen Elektrolyten complexe Verbindungen bilden.
Der Begriff der complexen Verbindungen war bereits viel früher1 von
Ostwald aufgestellt worden, um einen Ausdruck für die sogenannten ano-
malen analytischen Reaktionen zu schaffen. Während nämlich alle Salze
v ernes Metalls, die in gewöhnlicher Weise in die Ionen dissociirt sind, über-
\. einstimmende Reaktionen aufweisen, zeigen sich in gewissen Fällen ab-
| weichende Erscheinungen. Ein Beispiel ist das Ferrocyankalium, welches
"keine Eisenreaktion zeigt, obwohl es Eisen enthält. Es wurde nachgewiesen,
& dass in allen solchen Fällen das betreffende Metall nicht als Ion vorhanden
*i ist, sondern einen Bestandteil eines zusammengesetzten Ions (in dem er-
:$ wähnten Falle des Ferrocyanions, Fe(CN)6) bildet. Gleichzeitig wurde betont,
| dass theoretisch gesprochen immer eine, wenn auch noch so kleine Menge
^ des complexen Ions dissociirt sein muss; allerdings kann diese Menge oft so
v gering sein, dass sie sich jedem analytischen Nachweis entzieht.
■*: Diese Überlegungen Hessen sich unmittelbar für das Verständniss der
*.»
•*••. p
„f anomalen Potentiale verwerthen. Aus der S. 1 1 38 gegebenen Formel £ = Kln —
\ji • • • .
'% i!j?h* hervor, dass für das Potential E nur der osmotische Druck / der Me-
£ taüllonen in Frage kommt; hat der Elektrolyt daher die Beschaffenheit,
: dass diese verschwinden, indem das Metall in eine complexe Verbindung
>;.uberg<eht, so muss der Druck / sehr klein werden,2 und damit die ent-
■':[ sprechende Spannung zwischen dem Metall und dem Elektrolyt eine wesent-
• :'• lieh andere, und zwar in solchem Sinne, wie es der Versuch ergeben hat.
:. Durch solche Betrachtungen und ähnliche, die sich auf schwerlösliche Salze
• beziehen, Hessen sich sämmtliche anomalen Potentiale erklären, und damit
' #äf es möglich, alle Fälle der umkehrbaren Elektroden der Theorie zu unter-
werfen. Eine Anzahl Arbeiten, die in Veranlassung dieser theoretischen
Erwägungen von Ostwald's Schülern unternommen worden waren,8 be-
1 Zeitschr. f. phys. Chemie 3, 596. 1889.
8 Gleich Null kann der Druck p nie werden, wie es die Theorie übereinstimmend mit
der Erfahrung ergiebt.
1 Behrend, Elektrometrische Analyse, Zeitschr. f. phys. Chemie 11, 466. 1893. —
Brandenburg, Abnorme elektrische Kräfte des Quecksilbers, ebenda 11, 552. 1893. — Freu-
denberg, Über die Bedeutung der elektromotorischen Kraft für elektrolytische Metall trennungen,
1 142 Neunzehntes Kapitel.
stätigten durchgängig die Folgerungen dieser Theorie und zeigten ihre vii
faltige Anwendbarkeit.
Ein zweiter Fall anomaler elektromotorischer Kräfte tritt, wie schon a
gedeutet, ein, wenn das betreffende Metall mit dem Elektrolyten ein „unk
liches" Salz bildet. Aus Betrachtungen, die schon von Helmholtz (S. ioi
gegeben worden sind, folgt, dass prinzipiell gesprochen, kein Salz unlösli
ist, wenn auch die Löslichkeit häufig geringer ist, als dass sie sich mit d
gewöhnlichen Hilfsmitteln nachweisen Hesse. Somit muss, wenn auch c
Elektrolyt so beschaffen ist, dass er mit dem Metall der Elektrode ein „1
lösliches" Salz giebt, doch in jenem eine bestimmte, wenn auch sehr klei
Concentration der betreffenden Metallionen vorhanden sein, und diese reg
dann den osmotischen Druck / und damit das Potential E der Elektrode
Aus dieser Überlegung folgt der interessante Schluss, dass die Empfir
lichkeit einer chemischen Fällungsreaktion und die elektromotorische Kr
der entsprechenden Kette einen parallelen Gang zeigen müssen, denn bei
wachsen mit abnehmender Löslichkeit des Niederschlages. So reagiren Bromi
empfindlicher auf Silbersalze als Chloride, und Jodide empfindlicher
Bromide; dem entsprechend nehmen die Potentiale einer Silberelektrode
der gleichen Reihenfolge zu, wenn sie mit Chloriden, Bromiden oder Jodid
in Berührung ist.
Weiter lässt sich die Messung solcher Potentiale zur Bestimmung <
Löslichkeit „unlöslicher" Salze verwenden, da sich aus der gemesser
Spannung im Vergleich mit der, welche ein Elektrolyt mit bekanntem (
halt an Metallionen ergiebt, der osmotische Druck und daher die Conc<
tration der Metallionen in der Lösung des „unlöslichen^ Salzes berechn
lässt. Es ist von Goodwin (a. a. O.) nachgewiesen worden, dass solche M
sungen mit den unmittelbaren Bestimmungen, wo solche möglich sind, gleic
Ergebnisse liefern; sie haben aber den Vorzug, dass sie bis in so gerir
Concentrationen brauchbar sind, wo alle anderen Methoden versagen,
dieser Beziehung stellen solche Bestimmungen gegenwärtig bei weitem <
empfindlichste Mittel zum Nachweis und zur Messung bestimmter Stoffe £
und sie übertreffen das bisher empfindlichste Verfahren, die Spektralanalj
um mindestens ebenso viel, als diese ihrer Zeit sich den gewöhnlicl
Methoden des analytischen Nachweises überlegen gezeigt hatte.
13. Oxydations- und Reductionsketten. Gasketten. Wähn
auf solche Weise sich die Theorie derjenigen Ketten vollständig hatte aufstel
lassen, in welchen die Elektroden sich chemisch an dem Vorgange betheilig
blieb eine Anzahl von Ketten übrig, bei welchen der ganze chemische V
gang im Elektrolyten verläuft, und den Elektroden nur die Rolle der Le:
der Elektricität verbleibt. Es waren dies die von H. Davy zuerst be<
ebenda 12, 97. 1894. — Zengelis, Über die elektromotorischen Kräfte unlöslicher und c
plexer Salze, ebenda 12, 298. 1894. — Goodwin, Studien zur VoLTA'schen Kette, ebenda
577, 1894.
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation. 1143
achteten, dann von Arrott (S. 1074) näher untersuchten Ketten, welche
aus einer oxydirenden und einer reducirenden Flüssigkeit nebst zwei unan-
greifbaren Elektroden bestehen. Die Frage, ob in solchen Ketten die Span-
.nung an der Berührungsstelle der beiden Flüssigkeiten oder an den beiden
Elektroden befindlich ist, konnte zunächst durch eine von W. Bancroft1
ausgeführte Untersuchung im zweiten Sinne entschieden werden. Es ergab
sich, dass die elektromotorische Kraft solcher Ketten eine rein additive Grösse
ist, d. h. sich aus zwei Summanden zusammensetzte, die den Elektroden
einzeln zukommen; die Art der Zusammensetzung der beiden Elektroden
mit ihren Flüssigkeiten zu Ketten ist ganz ohne Einfluss.
Um nun zu verstehen, wie durch eine derartige Zusammenstellung eine
elektromotorische Kraft entstehen kann, muss man sich der Bedingungen
erinnern, welche überhaupt für die VoLTA'sche Kette erforderlich sind. Es
hatte sich ergeben, dass in einer Kette ein chemischer Vorgang derart statt-
finden muss, dass' ein Theil desselben an der einen, der andere an der
anderen Elektrode sich vollzieht; gleichzeitig müssen diese Vorgänge mit
dem Übertritt gleicher Mengen entgegengesetzter Elektricitäten aus dem
Elektrolyt in die Elektroden verbunden sein. Wie sind denn diese Be-
dingungen in unserem Falle erfüllt?
Die Antwort ergiebt sich, wenn man überlegt, dass Oxydationsmittel
immer solche Stoffe sind, welche negative Ionen bilden oder posi-
tive verschwinden lassen; umgekehrt verhalten sich die Reduc-
tionsmittel.2 Die Bestätigung dieses Satzes ergiebt sich alsbald, wenn
man irgend welche Fälle untersucht. Stellen wir beispielsweise eine Kette
aus Chlorwasser und Eisenchlorür zusammen, und verbinden beide Flüssig-
keiten durch Platinelektroden, so zeigt sich ein Strom, indem positive Elek-
tricität durch den Draht vom Chlor zum Eisenchlorür geht. Denn das Chlor
hat die Tendenz, in negativ geladene Chlorionen überzugehen, die Elektrode
muss daher die entsprechende Menge positiver Elektricität abfuhren. Um-
gekehrt haben die positiv zweiwerthigen Ferroionen die Tendenz, noch eine
dritte Einheit positiver Elektricität aufzunehmen, um in dreiwerthige Ferri-
ionen überzugehen. Stelle man die elektrische Leitung her, so können beide
Vorgänge gleichzeitig und proportional erfolgen, indem die beim' Chlor frei-
werdende positive Elektricität zur Ferroelektrode übergeht, und die Be-
dingungen einer constanten Kette sind gegeben.
Durch diese Betrachtungen ist auch das Räthsel der GROVE'schen Gas-
kette (S. 685) gelöst. Sauerstoff und Wasserstoff sind nichts als Oxydations-
und Reductionsmittel, und zwar ist der im Elektrolyten gelöste Theil der
wirksame; der gasförmige Antheil dient nur, um die Concentration des
ersteren constant zu halten. Ostwald hat diese Theorie8 bis in ihre Einzel-
heiten entwickelt, wobei sich mehrere Folgerungen ergaben, die mit den
1 Zeitschr. f. phys. Chem. 10, 387. 1892. * Ostwald, Lehrbuch II, 1, 891. 1893.
8 Ebenda II, 1, 893. 1893.
I i 4.4 Neunzehntes Kapitel.
älteren Messungen im Widerspruch standen, während andere überhaupt nc
nicht experimentell geprüft waren. In einer dadurch veranlassten Art
von F. Smale1 über diese Frage ergab sich indessen eine so vollständ
Bestätigung der aus der Theorie gezogenen Schlussfolgerungen, dass
deren Gültigkeit kein Zweifel mehr übrig blieb.
Gleichzeitig fand sich auf diesem Wege ein doppeltes Ergebniss bezi
lieh einer sehr alten und einer sehr neuen Frage. Die alte Frage war
nach der Stromquelle bei der Säure -Alkali -Kette von Becquerel (S. 4;
Da die Verbindung einer Säure mit einer Basis kein Oxydations- und Red
tionsvorgang ist, kann er nicht elektromotorisch wirken, und wenn dennc
ein Strom erfolgt, so muss dieser eine andere Ursache haben. Als sob
erkannte Ostwald die Gegenwart des Sauerstoffes aus der Luft an (
beiden Elektroden. Sauerstoff hat die Tendenz, in das negative Ion Hydro
überzugehen, und ist daher ein Oxydationsmittel. Nun muss aber zugegel
werden, dass die Concentration des gelösten Luftsauerstoffs in den bei<
Lösungen einer BECQUEREi/schen Kette ziemlich gleich sein wird, und da!
keine Ursache für eine elektromotorische Kraft vorhanden ist Dies
zwar richtig, dafür besteht aber ein grosser Unterschied in Bezug auf <
osmotischen Gegendruck der Hydroxylionen, und dieser ist die gesuc
Ursache. In der Kalilösung ist der Gegendruck sehr bedeutend, da 1
Kali fast vollständig in Kaliumionen und Hydroxylionen dissoeiirt ist.
der Säurelösung würde man anzunehmen geneigt sein, dass die Concentrat
der. Hydroxylionen Null ist, da dort ein Überschuss von Wasserstoffioi
vorhanden ist, die sich mit jenen verbinden können. Indessen ist dies ;
den mehrfach betonten Gründen nicht möglich, da sonst die elektromotoris<
Kraft unendlich gross sein würde; vielmehr ist eine allerdings sehr gern
Menge Hydroxylionen vorhanden, deren Betrag gesetzmässig mit der D
sociation des Wassers in Wasserstoff und Hydroxyl zusammenhängt u
diese wichtige Grösse kennen lehrt. Dies ist die neue Frage, und fuhrt nc
die entsprechende Rechnung aus, so findet man, dass reines Wasser et
ein Zehnmilliontel normal in Bezug auf seine Ionen ist, d. h. dass in zc
Millionen Liter Wasser etwa 1 g Wasserstoff- und 17 g Hydroxylionen v
handen sind.
Unmittelbar, nachdem Ostwald diese Zahl zum ersten Male berech
hatte, wurde der gleiche Werth auf verschiedenen anderen Wegen bestim
und es gehört zu den glänzendsten Ergebnissen der an solchen Siegen reiel
Geschichte der neueren Elektrochemie, dass alle diese von einander un
hängigen und auf gänzlich verschiedene Messungen sich beziehenden Wi
zu dem gleichen Zahlenergebnisse führten.2
Schliesslich mögen noch die Fortschritte erwähnt werden, welche
1 Zeitschr. f. phys. Chemie 14, 577. 1894.
8 Ostwald, Zeitschr. f. phys. Chemie 11, 52. 1893. -«- WlJs» ebenda 11, 492 und
514. 1893. — Arrhenius, ebenda 11, 826. 1893. — Bred^ '» H, 829. 1893
Nernst, ebenda 14, 155. 1894. — Kohlrausch und Hf od« 14, 317. 1
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation. I \ac
Theorie der Elektrolyse und Polarisation durch die neuen Ansichten
erfahren hat. Es ist schon mehrfach erwähnt worden, dass der unglück-
liche Gedanke eines Polarisationsmaximums unbillig viel Zeit und Kraft
in Anspruch genommen hat, ohne zu einem anderen Ergebniss zu fuhren,
als dass jeder Forscher je nach der Art seiner Versuchsanordnung andere
Werthe für diese vermeintliche Constante erhielt. Die sachgemässe Frage
ist nicht die nach einem Maximum der Polarisation, welches es nicht giebt,
wie man sich durch die Anwendung der Betrachtungen von Helmholtz
(S. 1072) überzeugen kann, sondern die nach dem Minimum der Polari-
sation, d. h. der kleinsten elektromotorischen Kraft, welche einen stetigen
Strom durch eine gegebene Zusammenstellung von Elektrode und Elektrolyt
treibt. Diese Kraft wird offenbar gleich sein der elektromotorischen Kraft,
die von vornherein an dieser Grenzfläche besteht, und wird daher nach der
S. 11 38 gegebenen Formel zu berechnen sein. Es ist dabei nicht einmal
die Kenntniss der einzelnen Spannungen erforderlich, sondern man kann
sich mit den experimentell unmittelbar zugänglichen Summen begnügen,
indem man irgend eine beliebige constante Elektrode willkürlich zum Null-
punkt macht Man erhält auf diese Weise die einzelnen Spannungswerthe
plus oder minus einer unbekannten, aber für alle gleichen Constanten.
Diese Zurückfuhrung des Polarisationsproblems auf seine einfachste
Gestalt ist wesentlich das Ergebniss der Arbeiten von Le Blanc,1 welcher
zuerst die systematische Erforschung der Polarisationsminima sich zur Auf-
gabe gemacht hat und gleichzeitig die Erscheinungen an den Elektroden
einzeln der Messung unterzog. Bei Gelegenheit dieser Arbeiten hat sich
gleichzeitig ein anderer Fortschritt der Erkenntniss geltend gemacht, welcher
in der Beseitigung des lange benutzten Begriffes der secundären Reak-
tionen liegt. Man findet bis auf den heutigen Tag fast überall z. B. die
Elektrolyse der Alkalisalze an der Kathode so geschildert, dass zuerst durch
den Strom das Alkalimetall abgeschieden werde und dann dieses das Wasser
unter Freiwerden von Wasserstoff zersetze. Die Messung der Polarisation an
einer solchen Kathode ergiebt aber, dass die dort vorhandene elektromoto-
rische Kraft viel geringer ist, als die vom Metall unter den vorhandenen
Umständen entwickelte; es ist also gar nicht möglich, dass dies sich ab-
scheidet. Vielmehr muss man den an der Kathode entwickelten Wasser-
stoff, dem auch die dort vorhandene Polarisation entspricht, als das primäre
Produkt der Elektrolyse ansehen. Es ist nöthig, zwischen den Ionen, welche
die Leitung der Elektricität besorgen, und denen, welche an der Elektrode
unelektriseh abgeschieden werden, sorgfältig zu unterscheiden. Die Elektri-
citätsleitung erfolgt proportional der Concentration und der Wanderungsge-
schwindigkeit der vorhandenen Ionen; zur Abs c hei düng gelangen dagegen
diejenigen Ionen, deren Umwandlung in den unelektrischen Zustand den
geringsten Spannungsunterschied erfordert. Es ist ersichtlich, dass beide
1 Zeitschr. f. phys. Chemie 8, 299. 1891; 12, 333. 1893.
I j4Ö Neunzehntes Kapitel.
keineswegs die gleichen zu sein brauchen. In dem erwähnten Falle wi
die Leitung allerdings durch das Alkalimetall besorgt; an der Kathode si
aber neben den Ionen des letzteren noch Wasserstoffionen vom dissociirl
Lösungswasser vorhanden, und da die Umwandlung der letzteren in d
unelektrischen Zustand den geringsten Spannungsaufwand erfordert, so werd
sie abgeschieden. Der entsprechende Betrag an Hydroxylionen bleibt
Wasser, und von diesen rührt die alkalische Reaktion her, die sich an <
Kathode ausbildet.
14. Die Lösung des VoLTA'schen Problems. Indem wir uns ni
mehr zu dem Abschlüsse unserer gesammten Erörterungen wenden, schiel
wis uns an, die allgemeine Antwort auf die Hauptfrage der Elektrocher
zu geben: Welches sind die Spannungen an den verschiedenen Berührun
flächen der Bestandtheile einer Volt Ansehen Kette?
Zunächst ist zu erinnern, dass bei der Berührung der Metalle nur s<
kleine Spannungswerthe auftreten (S. 970); das Gleiche gilt in den meis
Fällen für die Berührung der Flüssigkeiten unter sich. Der Sitz der elekt
motorischen Kraft fällt mit dem Sitze der chemischen Vorgänge in der Kc
zusammen und ist in den Berührungsflächen zwischen Metallen und El
trolyten zu suchen. Wie diese Werthe einzeln zu bestimmen sind, ist glei<
falls schon (S. 1034) gezeigt worden; doch fällt von dem gegenwärtig
reichten Standpunkte so viel weiteres Licht auf die ganze Frage, dass sie h
noch einmal aufzunehmen ist.
Wenn die Aufgabe so gestellt wird: gegeben ist ein Metall und
Elektrolyt; wie gross ist der Potential unterschied zwischen beiden? so m
die Beantwortung abgelehnt werden: denn die Aufgabe ist unbestimmt 1
Elektrolyt, welcher von dem Metall noch nichts enthält, mit dem er in ]
rührung steht, kann nicht in diesem Zustande bleiben; er muss alsbald ett
davon in Gestalt von Ionen aufnehmen. Die Spannung, welche sich r
herstellt, ist nach der Formel von Nernst (S. i 138) von der Concentrat
abhängig, in welcher das fragliche Ion vorhanden ist; so lange diese G
centration zufällig bleibt, ist die Angabe eines bestimmten Spannungsuni
schiedes unmöglich. Diese Betrachtung giebt eine Erklärung dafür, wesh
die verschiedenen Beobachter so verschiedene Werthe für derartige \
sammenstellungen gefunden haben. Sie zeigt auch, dass die auf S. i(
erwähnten Messungen von W. Ostwald dem gleichen Einwände unterlieg
und es entsteht die Frage, ob derartige Bestimmungen nicht unter solcl
Bedingungen ausgeführt werden können, welche eine vollständige Bestimi
heit des Problems gestatten.
Die Antwort ist, dass dies möglich ist, und dass schon unter jenen V
t suchen einige sind, bei denen die wesentliche Bedingung einer bestimmt
Concentration des in Betracht kommenden Ions, hier des Quecksilberic
erfüllt war. In dem Falle nämlich, dass die untersuchte Säure ein „unl
liches" Salz mit dem Quecksilber bildet, sind die Spuren des Metalls,
vermöge der oxydirenden Wirkung des Luftsauerstoffes in Lösung geh
\
Die Theorie der elektrolytischen Dissociation. i 147
vollkommen ausreichend, um eine Sättigung der Lösung zu bewerkstelligen;
eine weitere Oxydation bringt einen Niederschlag des Salzes hervor, ohne
die Concentration zu ändern, und so sind die erforderlichen constanten Ver-
hältnisse hergestellt. Der Fall, in welchem diese Bedingungen am günstigsten
zusammentreffen, ist der des Quecksilbers in Berührung mit einem Chloride,
wobei sich Spuren von „unlöslichem" Quecksilberchlorür bilden; für diesen
ergiebt sich nach den übereinstimmenden Messungen von Ostwald,1 Paschen2
(der die Methode der Tropfelektroden nicht unerheblich vervollkommnet hat)
und Rothmund3 (der ein anderes Verfahren, das des Maximums der Ober-
flächenspannung, anwendete), dass zwischen Quecksilber und einer normalen
Chlorkaliumlösung der Potentialunterschied 0,560 Volt in solchem Sinne
beträgt, dass das Metall positiv, der Elektrolyt negativ ist. Auf diese „Normal-
elektrode" lassen sich nun alle anderen Spannungen beziehen, indem man
sie mit den zu untersuchenden Metallen und Flüssigkeiten zu einer Kette
zusammenstellt und von dem gesammten Werthe der Spannung den Betrag
von 0,560 Volt sachgemäss in Abrechnung bringt; auch ist gegebenen Falles
auf die geringe Spannung zwischen den beiden Elektrolyten Rücksicht zu
nehmen (vergl. S. 1140).
Auf solche Weise sind die wichtigsten Spannungsunterschiede zwischen
Metallen und den normalen Lösungen ihrer Salze gemessen worden. Dabei
hat es sich herausgestellt, dass die alte „Spann ungsreihe" im wesentlichen
richtig bestimmt ist, wenigstens was die Reihenfolge der Metalle anlangte.
Die absoluten Werthe4 gestalten sich derart, das Magnesium, Zink, Alu-
minium, Cadmium und Eisen negativ gegen den Elektrolyten sind, und zwar
um 1,22, 0,61, 0,22, 0,19 und 0,09 Volt; Blei, Kupfer, Quecksilber und
Silber sind dagegen positiv um 0,10, 0,56, 0,99 und 1,05 Volt. Der Wasser-
stoff nimmt eine Mittelstellung ein, wie das schon von Berzelius vermuthet
worden ist; er steht zwischen Blei und Kupfer nahe am ersteren.
15. Rückblick und Schluss. Lassen wir die einzelnen Punkte des
letzten Kapitels nochmals an unserem Geiste vorüberziehen, so muss es
einen auffälligen Eindruck machen, wie fast die ganze Ernte der Arbeit von
Generationen durch die wenigen Männer unter Dach gebracht worden ist,
von denen in diesem Kapitel die Rede war. Von einem Punkte aus, aus
den Räumen des Leipziger physikalisch-chemischen Instituts sind nach Ver-
öffentlichung von Arrhenius' grundlegender Abhandlung fast alle die Ar-
beiten ausgegangen, durch welche die alten Räthsel ihre Lösung gefunden
haben und Gebiet auf Gebiet dem Reiche der wissenschaftlichen Elektro-
chemie hinzugefügt wurde. In der Geschichte der Wissenschaften sind nur
wenige Beispiele für eine derart zusammengedrängte Gestalt des Fortschrittes
vorhanden; am besten sind vielleicht diese Ereignisse mit der Durchführung
der antiphlogistischen Theorie der Chemie durch Lavoisier und seine Arbeits-
1 A. a. O. * Wied. Ann. 41, 42. 1890.
8 Zeitschr. f. phys. Chemie 15, 1. 1895.
4 Ostwald, Lehrb. II, 1, 946. — Neumann, Zeitschr. f. phys. Chem. 14, 229. 1894.
I 1 48 Neunzehntes Kapitel. Die Theorie der. elektrolytischen Dissociation.
genossen zu vergleichen. Auch hier waren es wenige Männer, die in j
meinsamer Arbeit die Gedanken entwickelten, die zuerst mit Hohn und 7a
abgelehnt und bekämpft, doch schliesslich ihren Weg durch die Welt machl
und der Wissenschaft ein neues Gesicht gaben.
Die Ähnlichkeit" zwischen den beiden Ereignissen geht aber wohl nc
weiter; wir werden nicht irren, wenn wir gerade in dem Umstände, d«
ebenso wie damals, die von Arrhenius verkündete neue Lehre zuerst i
nur Gegner und nur ganz wenige Anhänger gefunden hat, die Ursache i
für suchen, dass die reichen Früchte, welche sie liefern konnte, nur el
diesen Wenigen zufielen. Bis in die letzten Jahre, wo sie endlich als
rechtigt von der wissenschaftlichen Welt anerkannt zu werden begann,
von dem übrigen Kreise der Chemiker und Physiker sich fast niemand
Hilfsmittel bedienen wollen, welche die- Theorie der freien Ionen gewähi
kann es dann Wunder nehmen, dass die Schätze, welche sie erschloss, jei
nicht in die Augen fielen, die sie entweder von vornherein als unsinnig
lehnten, oder sich mit ihr nur beschäftigten, um sie zu „widerlegen"?
Heute ist das schon anders geworden. Eine ganze Anzahl litterarisc
Erscheinungen der allerletzten Zeit, welche sich mehr oder weniger unmit
bar auf die oben skizzirte Darstellung der neuen Lehren stützen, giebt <
Beleg dafür, dass der Sieg dieser Ideen auch der grossen Allgemeini
gegenüber endgültig errungen ist. Wenn nach einigen Jahren die weitere l
wickelungsgeschichte der Elektrochemie zu schreiben sein wird, so wird c
Leser bereits ein wesentlich anderes Bild entgegentreten. An Stelle der weni|
eng unter einander verbundenen Forscher wird eine grosse Zahl solcher
den verschiedensten Mittelpunkten der Wissenschaft sein, denen die weite
Fortschritte des Gebietes zu danken sein werden, und in der Breite, wel
durch eine gleichzeitige rapide technische Entwicklung die Angelegen
dann angenommen haben wird, werden leicht die engen Anfänge verges
werden, von denen sie ausgegangen ist. Denn die Bedeutung, wel
gerade die Elektrochemie für die nächste Gestaltung der Culturwelt annehi
wird, lässt sich kaum überschätzen. Es ist hier nicht der Ort, darzulq
wie von dieser Seite für eine nahe Zukunft eine Umwälzung zu erwai
ist, welche an Bedeutung der durch die Dampfmaschine verursachten n
nachstehen wird.1 Wenn aber diese Entwickelung sich vollzogen ha
wird, so wird es dem Culturforscher jener Zeit wiederum merkwürdig i
lehrreich sein, alle die Keime kennen zu lernen, aus denen der gewal
Baum erwachsen ist, und er wird mit Nachsicht auf den in dem vorlieg
den Werke gewagten ersten Versuch blicken, den Lehrinhalt der Elek
chemie aus ihrer Entwickelungsgeschichte begreiflich zu machen.
1 Zeitschr. f. phys. Chemie 15, 415. 1894.
Autoren-Register.
Ackermann, J. F. 42.
Aldini, G. 50. 1152.
Alibert, C. 41.
Allizeau 299.
Amoretti 231. 233. 235. 242.
Ampere 367. 411. 467.
Andrews, Th. 705. 790. 1039.
Arago 300. 367.
Aretin, von, 244.
Arnim, L. A.von, 163. 168. 231.
Arrhenius, Svante 504. 1091.
1092 fr. 1100. 1 109 ff. n 16.
1121. 11 30 ff. 1144. 1147.
Arrott, R. 1074^ 1 143.
Ash 113.
Assalini 364.
Aymar, J. 254.
Baader, Franz 68. 231. 234.
Babington 495.
Banks, J. 16. 87. 117. 302.
Barlow 407.
Baronio 45.
Basse, F. H. 220. 275fr.
Beccaria 10.
Beck 308.
Becquerel, A. C, 351. 377.
398. 407. 411. 437 fr. 463 fr.
472. 581. 597 f. 601. 608 f.
635. 636fr. 656 f. 659. 660.
604. 725- 738.
Becquerel, E. 608. 775. 809.
8i8ff. 1064. 1084fr.
Beddoes 191.
Beetz, Wilhelm 903. 1059 f.
Behrend 1141.
Behrens, G B. 290 f. 359.
361. 950-
Bennet, A. 75 ff. 83 ff.
Bergmann, T. 184.
Bernoulli, Chr. 1 7 7 ff.
Berthelot 791.
Berthollet 308. 316. 329. 891.
926.
Berzelius 197. 292. 317 ff.
335 ff- 347. 515. 535-589ff.
622. 863. 872. 925.
Bichat 1032.
Biot 305 ff. 430.
Bischof, G. 400. 431 f.
Blagden 16.
Le Blanc 1 145.
Bleekrode 924. 929.
Blondlot 1032.
Böckmann 168.
Bohnenberger* 291.
du Bois-Reymond, E. 264.
650 fr. 903. 1082. 1083.
Bonaparte 304.
Boscowich 926.
Bosscha, J. 786fr. 803. 985.
1059.
Botto 809.
Bouchardat, A. 462 f. 725.
Bourgoin 1053 f.
Boys 904.
Branchi, J. 223.
.Brandenburg 1141.
Braun, F. 986 fr. 1013 f.
Bredig 1144.
Brennecke 308.
Brown, J. 960 ff.
Brugnatelli, L. 180. 181. 215 f.
227.
Bucholz, C. F. 187 f. 190. 220.
245. 246. 1002.
Buff, H. 820. 821 f. 853 fr.
Bunsen, Robert 612 f. 872.
1045 ff.
Campetti 231 ff. 237 ff. 243.
246 f. 1152.
Canton 73.
Carlisle 130 fr. 146. 220.
Casselmann 1054.
Castberg 227.
Cavallo 49. 73 ff. 90 ff.
Cavendish 13 fr. 16. 294.
Caesalpin 227.
Charles 59.
Chenevix, R. 172.
Children 495.
Cicero 244.
Cingari 41.
Clark, Latimer 1057.
Clausius 504. 861. 862. 877.
888 f. 892 fr. 967. 969. 1095.
1107.
Claytield 191.
Conde, Prinz von, 254.
Cooper 612.
Cotugni 42.
Coulomb 59. 93 ff.
Crawford 767.
Creve, Carl Caspar 42. 49.
Crova, A. 1061 ff.
Cruikshank, W. 148. 149 ff. 443.
Cumming, J. 376 f.
Cuthbertson 22.
Czapski, S. 10 14. 1015.
Dance 494.
Daniell 536. 601 ff. 608 f. 613fr.
657. 675 f. 832. 933. 1048.
»050.
Davy, H. 146. 148. 154. 155fr.
190 fr. 230. 323fr. 335. 347.
348 fr. 351fr. 362.398.430.
447. 494. 5 '5- 536. 557-
622. 660. 725. 727. 814.
815 ff. 882. 925. 1142.
Debray 11 15.
Deimann 20. 21 ff.
Dellmann 936.
Desfontaines 308.
Desormes 220 f.
Despretz, C. S. 790.
Deville, Sainte-Claire 996. 1 1 1 5.
Döbereiner 547 ff.
Dollfuss 16.
Donovan 430.
Draper 10 17.
Dulk 599 f.
Dulong 790.
Ebeling 217.
Edlund 971 ff. 979ff. 985 f.
I033-
Egen 101.
Einhof, Heinr. 219.
Erdmann 219.
Erman, P. 146. 168. 180. 255.
264 ff. 280. 290. 342. 362.
373- 1017.
Ermendingcr 264.
Ernst von Sachsen-Gotha 360.
Exner, F. 990.
Fabbroni 102 ff. 222. 226. 725.
Faraday 146. 354. 420. 469.
471. 484. 489. 49i. 493 ff-
549 ^ 596. 613. 633. 634.
635- 657- 665. 701 ff. 704.
Parrot, G. F. 101. 221. 429^
. 462. 725-
Paschen 1 147.
Pearson 24.
Peel, W. 229. 230.
Pellegrini, Therese 301.
Pclletan 59.
Pelouze 929.
Peltier 965 ff.
Pennet 233.
Pfaff (Erlangen) 417.
Pfaff, C. H., (Kiel) 42. 52. 54.
61. 66. 67. 115. 183. 185fr.
.248. 293. 430. 432. 451 f.
453- 455- 4/0. 47<>. 479.
487 ff. 558. 600. 671. 682.
7i6ff. 725. 756fr. 1017.
Pfeffer, Wilhelm 1106. 1107.
Pictet 367.
Pignotti 222.
Planck, M. 11 14 f. 11 16. 1123.
11 39-
Plant6, Gaston io8if.
Poggendorff 371. 373fr. 379.
387. 402. 459. 470. 595.
612. 633. 634. 648 fr. 652 fr.
672. 674. 675. 677 fr. 681.
688 f. 7i8ff. 750. 774. 777.
809 fr. 940. 1081.
Pohl, G. F. 417 fr. 470. 471fr.
1152.
Poisson 1 o 1 .
Porret 616.
Pouillet 632 f. 725. 818.
Priestley, J. uff. 75. 81. 113.
184.
Quincke 916.
Quintus-Icilius 859.
Raoult 795 fr. 985. 998. 1006.
1059. 11 10. IUI.
Rathke 1007.
Rayleigh, Lord 1013.
Recke, v. d. 307.
Redi 227.
Reicher 1 1 1 6.
Reil 42. 43.
Reinhold 169.
Renault, Bernard 1087 f.
Rialpi 31.
Richmann 72 ff.
Riffault 226. 229.
Rigollot 1086.
Rio, da, 226.
Ritter, J. W. 25. 55. 62. 66.
67fr. n 1 ff. 153. 155. 158fr.
163. 167fr. 168. 169. 170fr.
175 fr. 181. 182 fr. 188 ff.
217. 228 f. 231fr. 246 f. 254.
Autoren-Register.
265. 273 f. 299. 302. 350.
353- 359 f. 3<>6- 426 f. 444.
452. 586. 1002. 1017. 1073.
1081.
Rive, de la, 367. 442 fr. 453 ff.
483. 484. 543. 585. 635.
66off. 674. 677. 713. 723.
725. 726. 738. 741. 823.
! 878 f. 933.
Robertson 216. 287 f.
•■ Roget 749. 751. 756.
| Rothmund 1147.
Le Roux, F. P. 969 f. 1033.
| Rüdorff iiio. IUI.
Rumford 790.
Runge 1017.
Sabathier 59.
Salva 280.
Saussure 300.
Saweljew 680 f.
Schelling 68. 231. 234. 243.
480.
Schmidt, G. G. 431.
Schmuck, E. J. 42.
Schönbein 491. 596. 612. 664 fr.
668 ff. 682 ff. 689. 700. 703.
704. 705. 706. 714 fr. 725.
727. 741- 753 ff. 821.
Schultz-Seilack, Carl 1083.
Schweigger 301fr. 347. 371.
372 f. 374- 378. 379- 696.
1017.
Seebeck 379 ff.
Serullas 1017.
Siemens, Werner 903. 1056.
Siemens & Halske 1056.
Silbermann 788. 791.
Simon, PL. 101. 163. 164fr.
220. 226. 288 f. 546.
Singer 430.
Smale, F. 1144.
Sömmering 280 ff.
Soret 830 fr.
Sprenger 217 f. 219.
Stahl 926.
Sturgeon 585.
Sue 41. 173. 216.
Sulzer, J. G. 41.
Svanberg, A. F. 1055. 1059.
Sylvester, Ch. 229.
Tenzel 254.
Thenard 305. 348.
Thomsen, J. 780. 791. 1081.
Thomson, J. J. 19.
Thomson, William 777 ff. 803.
927. 934- 955 ff. 967. 969.
979. 985. 1057.
Threllfall 19.
Tilloch 230.
Torricelli 227.
Traube 1106.
Treviranus 214 f.
Trommsdorf 245.
Troost, L. 807.
Troostwijk, P. van, 2021 ff.
Uttini 41.
Valli, Eusebio 43. 44. 61.
Valson II 13.
Varley 1068.
Vasalli 43. 51.
Vauquelin 59. 308.
Venturi 59.
Volta, A. 9. 25. 45 ff. 80 ff.
92fr. u6ff. 170. i8of. 216.
219 f. 227 f. 255. 256 fr.
293fr. 299. 30of. 304. 427.430.
Voltaire 300.
Vries, de, 11 07.
Walker, Ezechiel 430.
Wartmann, E. 457.
Watson, W. 1672.
Weber, Wilhelm 42. 633. 654.
655 f. 1057.
Webster 430.
Weiss 236.
Weisse, Chr. F. 307.
Wcstrumb 220.
Wetzlar 697 ff.
Wheatstone 540. 635. 638 ff.
675 f. 902. 1056.
Wiedemann, G. 845 ff. 853.
859. 861. 862. 913. 916.
1044. 1055. 11 15.
Wienhold 243.
Wijs u 44.
Wild 1083.
Wilkinson, C. 229.
Williamson 316. 884 ff. 900.
901. 927. 1095.
Winklcr 274.
Winterl 245 f.
Wolke, C. H. 217.
Wollaston 148. 153 fr. 172.
430- 495- 725.
Worm-Müllcr, Jacob 1082 f.
Wtillner 954. 1005.
Yelin, von 351.
Young, Th. 926.
Zambeccari 31.
Zamboni 359. 363 f. 725
Zengelis 11 4 2.
Zöllner 917.
Berichtigungen und Zusät;
t „ 31 „ „ i H „Ungehörigen" statt „AjigeliGrigei
i „ 5 „ „ „ „vorhandenen" statt „fraglichen".
) Anmerkung „ „75- B. 372. 1785" Blatt „65, B.
[ Z. 8 von oben „ „1790" statt „1793".
) „17 11 unten hat „und Geschmacks-" auszufallen.
i „ 14 „ oben' lies-' „Kette" statt „Platte".
( „ 18 "„ unten „ „Anziehung umgekehrt proportio
portionai".
; „ 14 „ oben „ „Silber" statt „Kupfer".
i „11 „ unten „ „GBUNEE" statt „Gecbek".
( „ 3 „ „ „ ,, Grüner" statt „Ghuiier".
5. „ 13 „ oben „ „mittelst" statt „mittelt"
l „ 6 „ unten „ „(S. 180)" statt „(5. 18D".
5 „ 8 „ oben hat „bald" auszufallen.
1 ist die Anmerkung zwischen Anführungszeichen zu seü
j Z. 20 von unten lies „Versuchen" statt „Vessuchen".
7 „ I „ „ Die Bemerkung findet sich in „An
{Campetti ist wegen Heimweh 1810
> »<S/>6„ „ lies „mit denen wir uns jetzt beschäfti
wir uns jetzt wenden wollen."
i „ zo ii i< ., „regelmässigen" statt , Regelmässig
J „ 4 „ oben füge hinzu: „Um dieselbe Zeit mac'
Versuch in kleinerem Maassstabe (Phi
} ■■ II » ,, ist hinter „war" einzuschalten: „sie h.
die elektrische Kraft an Säulen, an Co:
der Zahl der Platten proportional ist"
8 „ 17 „ ,, ist nach „können" einzuschalten: „\
44, 37. .»;»."
; „ 9 „ „ ist nach „beschrieb" hinzuzufügen: Ein
sich im Philo*. Mag. 60, 253. 1822.
! Die Nummern der Abschnitte 6. 6. 7. 8 verschieben s
: Die Unterschrift unter Fig. 105 hat zu lauten: Nach C
| Die Unterschrift unter Fig. 106/107 hat zu lauten: Na
l Z. 9 von oben lies „dass" statt „das".
i „ 7 „ „ ist nach „gezeigt" hinzuzufügen: POHI
von der ÜHM'schen Theorie begriffen.
> „ 10 „ „ lies „Verhaltniss" statt „Verhältnisse".
* „ r6 „ unten ., „Chemiker" statt „Physiker".
; „ jpinz unten fehlt * vor „Pbilos. Tradsacüons".
) „ 15 von oben hat das Wort „umgekehrt" auszufallen
I ., 6 „ unten lies „Abfall" statt „Anfall".
l „ 14 „ oben hat das Komma hinter „Poggenoohf
: „ 21 „ unten hat „und" vor „häufig" auszufallen.
! „ 1 2 „ „ lies Wheatstone statt Wollaston.
i „ 9 .. » - ..»■ *■ Wi
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