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Full text of "Elektrochemie, ihre Geschichte und Lehre"

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ELEKTROCHEMIE 


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• 


5:  IHRE  GESCHICHTE  UND  LEHRE 


VON 


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•  ^ 


Dr.*WILHELM  OSTWALD, 

PROFESSOR  DER  CHEMIE  AN  DER  UNIVERSITÄT  LEIPZIG. 


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MIT  260  NACHBILDUNGEN  GESCHICHTLICHER  ORIGINALFIGUREN. 


LEIPZIG, 

VERLAG   VON   VEIT   &   COMP. 

i89<8ClENCE  OEPT. 


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Druck  toh  Mutiger 


HERRN  GEH.  MEDICINALRATH 


Dr.   PAUL  ZWEIFEL 


IN  AUFRICHTIGER  DANKBARKEIT 


GEWIDMET. 


Vorrede. 


Bei  der  Abfassung  dieses  Werkes  habe  ich  mir  eine 
doppelte  Aufgabe  gestellt.  Einmal  beabsichtigte  ich,  die  Ent- 
wicklung der  wissenschaftlichen  Anschauungen  auf  einem  der 
schwierigsten  und  bestrittensten  Gebiete  in  ihrem  Zusammenhange 
aufzudecken,  um  aus  dieser  Entwickelungsgeschichte  heraus  die 
Anhaltspunkte  zur  Beurtheilung  und  Klärung  des  gegenwärtigen 
Standes  dieser  Lehre  zu  gewinnen.  Denn  eine  stets  wiederkehrende 
Erfahrung  als  Forscher  wie  als  Lehrer  hat  mich  überzeugt,  dass  es 
kein  wirksameres  Mittel  zur  Belebung  und  Vertiefung  des  Studiums 
giebt,  als  das  Eindringen  in  das  geschichtliche  Werden  der  Pro- 
bleme. Wir  sehen  da  oft,  dass  Anschauungen,  welche  uns  gegen- 
wärtig wie  unerschütterliche  Säulen  des  wissenschaftlichen  Gebäudes 
erscheinen,  zur  Zeit  ihrer  Entstehung  der  Gegenstand  heftiger  An- 
griffe gewesen  sind  —  meist  um  so  heftigerer,  je  bedeutender  sie 
waren  — ,  während  wieder  andere  Dinge,  die  von  ihrer  Zeit  als 
weht  in  Frage  zu  ziehende  Selbstverständlichkeiten  behandelt 
wurden,  uns  gegenwärtig  so  widersinnig  erscheinen,  dass  wir  nicht 
tagreifen  können,  wie  man  nur  hat  auf  sie  kommen  mögen.  Solche 
Erscheinungen,  welche  dem  Wanderer  in  der  Geschichte  der 
Wissenschaft  beständig  entgegentreten,  sind  von  unschätzbarem 
Werth  für   die   Beurtheilung  der  Erscheinungen   des  Tages,    und 


rw 


k-::fe    iTsi    Sicherheit    des    Unheils    mehr    als    alles 


FJr.e  %e:tere  Bedeutung  hat  das  Studhim  der  Wissenschafts- 
>;t  y/'.v hr*:  f-r  der.  Forscher  auf  theoretischem  wie  praktischem 
Ge*/-rte,  h\  'r.'-y.A.  v/:rk!:ch  nicht  sehr  vi-I  Neues  unter  der  Sonne; 
z&h^ov:  Xfxsj'z.  d:e  uns  ^e^enwärticj  neu  erscheinen,  sind  Gejjen- 
•c*r;.':  vor.  hrwajf-ngen  und  Versuchen  früherer  Forscher  gewesen, 
und  ar.derers/rhs  Irenen  in  der  älteren  Litteratur  zahllose  Beob- 
acht  .r:i":Ti  -r.d  Gedanken  verborgen,  welche  jederzeit  zu  neuem 
\j-y.*i?\  er.tehen  können,  sowie  die  Verhältnisse  ihre  fruchtbare 
Knt'A'ick':!  -ng  gestatten.  Auch  hierzu  gewährt  allein  die  geschicht- 
liche Fory.hung  den  Zugang. 

Drittens  v/il  die  Geschichte  der  Elektrochemie  auch  dem  An- 
fänger das  Stadium  diese-»  Wissensgebietes  erleichtern.  Während 
die  anderen  Gebiete  der  Flektrik  sich  hoher  wissenschaftlicher  wie 
techniviier  Ausbildung  erfreuen,  war  die  Kenntniss  und  die  prak- 
tiv.he  Anwendung  der  Elektrochemie  unleugbar  zurückgeblieben. 
Da  nun  der  geschichtliche  Entwickelungsgang  eines  Gebiets  im 
Allgemeinen  stets  mit  dem  logischen  zusammenfällt,  so  ist  der 
Weg  des  geschichtlichen  Studiums  zwar  nicht  eben  der  kürzeste, 
wohl  aber  der  erfolgreichste  und  reizvollste  zum  Eindringen  in  die 
Wissenschaft  Die  Form  der  geschichtlichen  Darstellung  hat  mir 
die  Möglichkeit  gegeben,  den  Lehrinhalt  der  Elektrochemie 
in  aufsteigender  Folge,  vom  Einfachen  bis  zum  Verwickeltsten, 
an  dem  Faden  der  stufenweisen  Fintfaltung  so  zur  Darstellung 
zu  bringen,  dass  auch  der  nicht  besonders  vorgebildete  Leser 
auf  keine  Schwierigkeiten  des  Verständnisses  stossen  wird  und 
sich  schliesslich  im  Besitze  der  wesentlichsten  Begriffe  und  Kennt- 
nisse  befinden  soll,  zu  denen  die  letzte,  besonders  reiche  Ent- 
Wickelung  dieses  Gebietes  geführt  hat. 

Die  andere  Aufgabe,  die  mir  vorgeschwebt  hat,  war  die, 
an  einem  besonders  geeigneten  Beispiele  die  Analyse  der  Ent- 
wickelungsgcschichte  eines  begrenzten  Gegenstandes  durchzufuhren, 
um  auf  diesem  Wege  einen  Beitrag  zur  Beantwortung  der  Frage 
zu    liefern,    ob   es   überhaupt   möglich   ist,    für   das    geschichtliche 


Vorrede.  VII 

Werden  allgemeine  Gesetze  aufzustellen.     Als  ein  Experiment  in 

dieser  Richtung,    nicht   als    eine    Entscheidung    der   Frage    selbst 

möchte  ich  meinen  Versuch   angesehen  wissen;   das  Resultat   des 

Experiments  glaube    ich   aber    bereits  jetzt  im  bejahenden   Sinne 

deuten  zu  dürfen. 

Um  den  Leser  nach  Möglichkeit  mit  dem  Geist  und  Charakter 
der  betheiligten  Forscher  vertraut  zu  machen,  habe  ich  reich- 
liche und  ausfuhrliche  Citate  gegeben,  und  insbesondere  an  ent- 
scheidenden Stellen  stets  die  Forscher  in  eigenen  Worten  reden 
lassen.  Ebenso  sind  die  Abbildungen  ausnahmelos  getreue  Nach- 
bildungen der  in  den  Originalwerken  enthaltenen.  Auf  diese  Weise 
hoffe  ich  von  dem  eigenthümlichen  Reiz,  der  den  persönlichen 
Kundgebungen  der  vergangenen  grossen  Geister  anhaftet,  so  viel 
als  möglich  für  den  Leser  gesichert  zu  haben.  — 


Im  Laufe  der  20  Monate,  welche  die  Herausgabe  des  Werkes 
in  Anspruch    nahm,    hat    sich  die  Stellung  der  Elektrochemie  im 
Bewußtsein  der  Zeitgenossen  ungewöhnlich  schnell  geändert.  Gleich- 
zeitig mit  einem  rapiden  Aufschwünge  ihrer  praktischen  Bedeutung 
ist   ein    lebhaftes  Interesse   nach   ihrem   wissenschaftlichen    Inhalte 
erwacht;  ein  Zeugniss  davon  geben  die  verschiedenen  Lehrbücher 
und  anderen  litterarischen  Hilfsmittel,   wie  Zeitschriften,  Jahresbe- 
richte u.  dergl.,  in  unserem  Gebiete  ab,  welche  jüngst  mit  einer  selbst 
für  unsere  raschlebige  Zeit  erstaunlichen  Geschwindigkeit  ans  Licht 
gekommen  sind.    Da  diese  Werke  ausnahmelos  auf  dem  in  diesem 
Buche  vertretenen  wissenschaftlichen  Standpunkte  stehen,  so  konnte 
die  bezügliche  Schilderung  wesentlich  auf  die  Arbeiten  eingeschränkt 
werden,  welche  zur  Erreichung  dieses  Standpunktes  dienten,  und 
vieles,   was  auf  dem  eroberten  Gebiete   zu  dessen   Urbarmachung 
und  Bebauung  geschah,    durfte  übergangen   oder    kurz   behandelt 
werden,    wenn    es    auch    sachlich    bedeutsamer   war,    als    manche 
Arbeiten  früherer  Zeit,  die  Berücksichtigung  gefunden  hatten.    War 
uns  doch  im  ganzen  Verlauf  unserer  Geschichte  immer  wieder  die 
Wahrheit  entgegengetreten,   dass    für  den  Geschichtsforscher    aus 


Viii  Vorrede. 

Irrthümern  mindestens  ebensoviel  zu  lernen  ist,  wie  aus  richtigen 
Gedanken.  — 

Der  Druck  dieses  Werkes  ist  im  Februar  1894  begonnen 
und  im  October  1895  abgeschlossen  worden.  Am  Lesen  der  Cor- 
rekturen  hat  sich  in  dankenswerther  Weise  Herr  Dr.  Le  Blanc 
betheiligt;  auch  verdanke  ich  aufmerksamen  Lesern  eine  Reihe 
Bemerkungen  und  Verbesserungen,  die  thunlichst  benutzt  worden 
sind.  Mit  dem  Dank  für  die  geleistete  Hilfe  spreche  ich  die  Bitte 
an  alle  Leser  aus,  über  weitere  Fehler  und  Unvollkommenheiten, 
die  sie  bemerken,  mir  Nachricht  geben  zu  wollen. 


Leipzig,  October   1895. 


W.  Ostwald. 


Inhalt. 


Einleitung  (S.  1—9). 

Das  Problem  i.  Bedingungen  der  wissenschaftlichen  Entwickelung  2.  Was  ist  Wissen- 
schaft? 3.  Kirch hoff's  Forderung  der  „Beschreibung"  4.  Die  wissenschaftliche  Methode  6.  Die 
Elektrochemie  8. 

Erstes  Kapitel.     Vorgeschichte   der  Elektrochemie.     Die   chemischen 
Wirkungen  der  Reibungselektricität  (S.  10 — 26). 

Älteste  Beobachtungen;  Beccaria  io.  Wirkung  des  Funkens  auf  atmosphärische  Luft; 
Versuche  von  Priestley  ii;  von  Cavendish  13;  von  Gilpin  16.  Untersuchungen  von  van 
Marim  17.  Die  Zerlegung  des  Wassers  durch  den  Funkenstrom ;  Paets  van  Troostwijk 
und  Deimann  21.  Andere  Elektrolysen;  Ritter  25.  Elektricitätserregung  durch  chemische 
Vorgänge;  Volta,  Lavoisier  und  de  Laplace  25. 

Zweites  Kapitel.     Galvani  (S.  27 — 44). 

Galvani's  Entdeckung;  der  Commentarius  de  viribus  electricitatis  27.  Erste  Versuche  27. 
Die  thierische  Elektricität  29.  Die  Wirkung  der  metallischen  Belegungen  34.  Identität  der 
thierischen  Elektricität  mit  der  gewöhnlichen  36.  Galvani's  Theorie:  der  Muskel  als  Leidener 
Flasche  36;  die  elektrischen  Lebensgeister  38.  Rückblick  und  Kritik  39.  Übersehen  einer 
wichtigen  Beobachtung  40.  Biographisches  über  Galvani  40.  Vorgänger  Galvani's:  Sulzer 
41;  Cotugni  42.  Ausbreitung  der  Entdeckung  Galvani's;  erstes  Auftreten  Pfaff's  42; 
Ansicht  von  Reil  42.     Valli  und  Vasalli  43.     Eine  Muskel-  und  Nervensäule  44. 

Drittes  Kapitel.     Alessandro  Volta  (S.  45 — 71). 

Erstes  Auftreten  Volta's  in  der  Sache  45;  Anschluss  an  Galvani  46;  Galvani's  Ant- 
wort 47.  Volta's  Fortschritte  und  sein  Gegensatz  zu  Galvani  48;  die  Wichtigkeit  verschie- 
dener Metalle  49.  Physikalische  Deutung  der  Versuche  Galvani's;  der  Frosch  als  Elektro- 
meter 49.  Anlange  der  Theorie  der  Berührungselektricität  50.  Die  erste  Spannungsreihe  51. 
Die  ausführlichere  Reihe  52;  entsprechende  Versuche  von  Pfaff  54.  Volta's  Theorie  der 
Ekktricitatserregung  durch  Berührung  der  Leiter  55.  Der  Sitz  der  Elektricitätserregung  57; 
schwankende  Meinungen  darüber  bei  Volta   58.     Implicitc  Verletzung  des  Energiegesetzes  in 


X  Inhalt. 

Volta's  Ansichten  58.  Sind  die  galvanischen  Vorgänge  elektrischer  Natur?  59.  Humboldt 
dagegen;  Bericht  der  Pariser  Commission  59.  Nichtelektrische  Beschaffenheit  der  Nervenlcitung; 
Versuch  61.  Unmittelbarer  Nachweis  der  elektrischen  Natur  des  galvanischen  Vorganges  62. 
Versuche  mit  dem  Duplicator  63;  der  VoLTA'sche  Fundamentalversuch  64.  Weitere  Versuche 
über  den  Sitz  der  elektromotorischen  Kraft;  Entstehung  eines  Irrthums  64.  Gleichzeitige 
Forscher;  Humboldt  66;  Pfaff  67.  J.  W.  Ritter:  Schilderung  seiner  Persönlichkeit  67; 
Einfluss  der  Naturphilosophie  68.  Ritter  über  die  Beziehung  zwischen  chemischen  und  elek- 
trischen Erscheinungen  70. 


Viertes  Kapitel.     Die  Anfänge  der  Elektrometrie  (S.  72 — 101). 

Richmann's  elektrisches  Gnomon  72.  Cavallo's  Elektrometer  73.  Bennet's  Goldblatt- 
Elektroskop  75;  Versuche  damit  77;  Verbindung  mit  einem  VOLTA'schen  Condensator  79. 
Volta's  Beschreibung  des  Condensators  80.  Bennet's  Elektricitätsverdoppler  83.  Nicholsons 
Duplicator  87.  Cavallo's  Condensator  90.  Elektrometer  von  de  Luc  und  Volta  92.  Die 
Dreh  wage  von  Coulomb  93;  sein  Grundgesetz  der  Elektricität  97:  dessen  Prüfung   10 1. 


Fünftes  Kapitel.     Begründung  der  chemischen  Theorie  des 

Galvanismus  (S.  102 — 115). 

Allgemeines  102.  Fabbroni  ist  nicht  der  Begründer  der  chemischen  Theorie  103,  sondern 
Ritter  1 1 1 ;  Zusammenhang  der  VoLTA'schen  Spannungsreihe  mit  der  Oxydationsreihe  der 
Metalle  112;  auch  in  der  anorganischen  Natur  ist  der  Galvanismus  wirksam  113.  Ältere  Ver- 
suche von  Ash   113;   Humboldt  dazu   114;  Ritter   114.     Der  einfache  Galvanismus  115. 


Sechstes  Kapitel.     Die  Volta'sche  Säule  (S.  116 — 147). 

Einleitung;  ironische  Wendung  Volta's  116.  Volta's  Brief  an  Banks  117.  Die 
Tassenkrone  122.  Das  Additionsgesetz  der  Spannungen  124.  Der  künstliche  Zitterhsch  125. 
Wirkung  auf  die  Sinnesorgane  127.  Rückblick  128.  Volta's  Übersehen  der  elektrolytischcn 
Erscheinungen  129.  Die  Zerlegung  des  Wassers;  Nicholson  und  Carlisle  129.  Volta's 
Erstaunen  darüber  132.  —  Das  VoLTA'sche  Spannungsgesetz  133.  Messung  der  einzelnen 
Spannungsunterschiede  und  Darstellung  der  Theorie  135.  Rückblick  143;  Kritik  des  Spannungs- 
gesetzes  144.  —  Weitere  Forschungen;  allgemeiner  Überblick   145. 


Siebentes  Kapitel.    Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule 

(S.  148 — 212). 

Die  englischen  Forscher:  Cruikshank  149;  Henry  152;  Haldane  152;  ein  Unge- 
nannter 152.  Erörterung  des  getrennten  Auftretens  der  beiden  Zerlegungsprodukte ;  Ritter 
darüber  153;  Wollaston  153;  dessen  Versuche  über  Zerlegungen  durch  Reibungselektricität 
153;  Woi.LAsTON'schc  Spitzen  154.  —  Humphry  Davy  155;  die  Arten  VoLTA'scher  Ketten 
157.  --  Deutsche  Forscher;  Ritter's  gleichzeitige  Versuche  156;  sein  vermeintlicher  Nachweis, 
dass  Wasser  nicht  zerlegt  wird  160.  Versuche  von  Simon  und  L.  A.  von  Arnim  dagegen  163. 
Quantitativer  Versuch  von  Simon  163;  Gilbert  167.  —  Welches  ist  die  typische  Form  der 
Säule?  168;  Äusserungen  von  Arnim,  Gilbert,  Erman,  Böckmann,  Grüner  168.  Ritter 
dazu  169;  Reinhold  169.  —  Die  Bewegungserscheinungen  des  Quecksilbers;  Ritter's  Ver- 
suche 170.  —  Ritter  über  die  elektrischen  Verhältnisse  der  Lcgirungen  171.  Palladium  172. 
—  Die  Ladungssäule.  Gautherot's  Versuche  über  die  Polarisation  173.  Ritter  175.  Die 
Ladungssäule  17b.     Der  galvanisirtc  Lcmisd'or  177.     Vermeintlicher  Magnetismus  einer  galvani- 


Inhalt.  XI 

arten  Nadel  179.  Volta's  Theorie  der  Ladungssäule  180;  Brugnatelli  dazu  181.  —  Ritter's 
elektrisches  System  der  Körper  181.  Heidmann  über  Spannungsreihen  184;  Pf  afp  dazu  185. 
Versuche  von  Bucholz  über  die  Reduction  von  Metallen  durch  sich  selbst  187;  Ritter  dazu 
188.  —  Davyts  spätere  Forschungen;  über  das  Auftreten  von  Säure  und  Alkali  in  „reinem" 
Wasser  190;  Angreifbarkeit  fast  aller  Stoffe  durch  Wasser  195;  Fortführung  von  Stoffen  durch 
den  Strom  197;  die  Entdeckung  der  Alkalimetalle  205;  Beschreibung  ihrer  Eigenschaften  207; 
Theorie  ihrer  Bildung  208.     Wirkung  von  Davy's  Entdeckung  212. 


Achtes  Kapitel.     Galvanische  Phantasieen  (S.  213 — 254). 

Gelegenheit  zu  Irrthümern  212.  Der  Weltgalvanismus  von  Treviranus  214. —  Brugna- 
telli'» elektrische  Säure  215.  —  Galvanismus  und  Magnetismus;  die  magnetische  Säule  von 
LCdicke  216.  Ritter  dazu  217. —  Galvanische  Kuren  217.  Sprenger's  Ars  voltacustica  217; 
Volta's  Glauben  daran  219;  Enttäuschung  220.  —  Säuren  und  Basen  aus  Wasser  220;  Ver- 
suche von  Desormes;  Erklärung  von  Parrot  221.  Pacchiani  der  Grosse  222.  Volta's 
Kritik  227.  Ritter  dazu  229;  Grüner,  Wilkinson  und  die  galvanische  Societät  229.  Syl- 
vester und  Peel  229. —  Die  unterirdische  Elektrometrie ;  Humboldt  empfiehlt  die  Erforschung 
der  Rhabdomantie  231.  Ritter's  Versuche  mit  Campetti  231.  Anonyme  Kundgebungen  241; 
Differenzen,  Polaritäten  und  dynamische  Kräfte  242.  Pendelschwingungen;  Bucholz  und 
Wixterl  in  vertauschten  Rollen  245.  Ritter's  Siderismus  246;  seine  Berichte  an  die  Mün- 
chener Akademie  247.  Aufklärung  der  Pendelversuche  248.  Leibniz  über  den  Ruthengänger 
Jacob  Aymar  254. 


Neuntes   Kapitel.     Physikalische   Erscheinungen   an   der   Volta'schen 

Säule  (S.  255 — 291). 

Allgemeines  255.  Der  Commissionsbericht  des  Pariser  Instituts  256;  die  endgültige  For- 
mulirung  der  Contacttheorie  264. —  Paul  Erman;  Biographisches  264;  seine  Arbeiten  über  die 
elektroskopischen  Erscheinungen  der  VoLTA'schen  Säule  265.  Ritter  über  den  gleichen  Gegen- 
stand 273.  —  Die  Anfange  der  elektrischen  Telegraphie;  Versuche  von  Basse  275  und  Erman 
280  über  die  Leitung  durch  den  Erdboden.  Sömmering's  elektrolytischer  Telegraph  280.  — 
Gal\anoskop^  und  Galvanometer:  Robf.rtson's  unmöglicher  Apparat  28";  „Galvanisomctcr" 
nach  Hlth  287:  Simon's  Galvanoskop  288;  Elektro-Mikrometer  von  Markchaux  289;  Elek- 
trometer von  Behrens  290. 


Zehntes  Kapitel.     Elektrochemische  Theorieen  (S.  292 — 357). 

Einleitung;  Volta's  Abneigung  gegen  die  chemischen  Ansichten  292;  seine  zweite  Ab- 
handlung über  die  Säule  293.  Die  Ausbreitung  der  VoLTA'schen  Theorie  299;  ihre  Kritik 
durch  einen  Ungenannten  300.  Schluss  der  Arbeiten  Volta's  und  Biographisches  über  ihn  300. 
Versuche  von  Schweigger  zur  Kritik  der  VoLTA'schen  Lehre  301 ;  Ritter  dazu  302.  Beob- 
achtung einer  thermoelektrischen  Erscheinung  303.  —  Die  französischen  Forscher  304:  Napoleon 
Bon aparte's  Interesse  an  galvanischen  Dingen  304;  die  galvanische  Gesellschaft  305;  Biot  305. 
—  Die  Theorie  der  galvanischen  Zerlegung  von  Grotthuss  307;  Biographisches  über  ihn  307. 
Kritik  der  Theorie  von  Grotthuss  316.  —  Die  elektrochemische  Theorie  von  Berzelius  317; 
seine  Versuche  mit  Hisinger  318.  Humphry  Davy's  elektrochemische  Ansichten  323;  warum 
er  die  chemische  Theorie  aufgegeben  hat?  334.  Fortbildung  der  Ansichten  von  Berzelius  335; 
Die  elektrochemische  Reihe  der  Elemente  339;  Kritik  dieser  Lehre  346.  Davy's  letzte  elektro- 
chemische Arbeit  347.  Ältere  Versuche  von  Yelin  351.  Faraday's  Theilnahmc  an  Davy's 
Arbeit  354.     Ansichten  von  Grotthuss  355;  Vorausnahmen  moderner  Ideen  357. 


Xu  Inhalt. 

Elftes  Kapitel.     Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das 

Ohm'sche  Gesetz   (S.  358—425). 

Pause  in  der  Entwickelung  der  Elektrochemie  358.  Die  trockenen  Säulen,  erfunden  durch 
Ritter  359  und  Behrens  361.  Untersuchung  durch  Erman  362,  durch  de  Luc  362.  Bio- 
graphisches über  de  Luc  362.  Zamboni's  Beschäftigung  mit  der  trockenen  Säule  363;  das 
elektrische  Perpetuum  mobile  363  und  seine  Schicksale  365.  —  Die  elektromagnetischen  Er- 
scheinungen, ihre  Entdeckung  durch  Oersted  366;  Biographisches  über  ihn  366.  Die  Er- 
findung des  Multiplikators  durch  Schweigger  372,  durch  Poggendorff  373,  durch  Cumming 
376.  Compensationsvorrichtungen  von  Cumming  376,  von  Becquerel  377.  Nobili's  astatische 
Nadel  377;  Prüfung  der  Empfindlichkeit  des  Galvanometers  878.  —  Die  thermoelektrischen 
Ströme;  Beobachtungen  von  Seebeck  379.  —  Georg  Simon  Ohm;  Biographisches  382;  seine 
ersten  Arbeiten  383.  Das  falsche  Gesetz  384,  das  richtige  395.  Theorie  der  VoLTA'schen 
Säule  397,  des  Multiplikators  401.  Bedeutung  der  Entdeckung  Ohm's  403.  Theorie  der 
elektroskopischen  Erscheinungen  an  der  Säule  405.  „Die  galvanische  Kette,  mathematisch 
bearbeitet"  417;  die  Kritik  darüber  417.     Förderung  durch  Fechnkr  420. 

Zwölftes  Kapitel.     Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der 
Berührungselektricität  und  der  chemischen  Theorie  der  galvanischen 

Erscheinungen    (S.  426 — 492). 

Der  Gegensatz  der  beiden  Theoricen  426.  Ansichten  von  Parrot  429;  Discussion  eng- 
lischer Forscher  und  biblische  Belege  für  die  chemische  Theorie  430.  Bischof  und  von 
Münchow  gegen  den  VoLTA'schen  Fundamentalversuch  431;  Pfaff  dazu  432.  DE  Luc's 
Dissection  der  Säule  432;  sein  Vergleich  der  Elektricitätsbewegung  mit  der  des  Wassers  436. 
Die  elektrochemischen  Arbeiten  von  Becquerkl.  Biographisches  437.  Die  Säure- Alkali-Kette 
in  der  ältesten  Gestalt  438.  Capillarströmc  439.  Seine  Stellung  zur  VoLTA'schen  Theorie  440; 
Trugschlüsse  441.  August  de  la  Rive;  Biographisches  442;  erste  Arbeiten  443;  deren  An- 
griff auf  die  VOLTA'sche  Theorie  444.  Der  Hauptangriff  446;  seine  Kritik  der  VoLTA'schen 
Versuche  449.  Pfaff's  Verteidigung  derselben  451  und  de  la  Rive's  Antwort  453.  Seine 
dritte  Abhandlung;  Formulirung  seiner  chemischen  Theorie  455;  schwache  Seiten  desselben  458. 
Vertheidigung  der  VoLTA'schen  Theorie  durch  Marianiki  459,  durch  Bouchardat  462. 
Becquerel's  „Traite"  463;  seine  elektrochemischen  Ansichten  464.  Deutsche  Forscher: 
Pfaff  470,  Pohl  471,  Fechner  479;  dessen  Experimentum  crucis  485.  Karsten  über 
Contactelektricität  486.     Pfaff's  „Revision  der  Lehre  vom  Galvano- Voltaismus"  487. 

Dreizehntes  Kapitel.     Das  Gesetz  von  Faraday  (S.  493 — 595). 

Michael  Faraday  493.  Die  Anfänge  des  elektrolytischen  Gesetzes;  Einerleiheit  der 
Elektrici täten  verschiedenen  Ursprunges  496;  elektrolytische  Leitung  von  der  Zersetzung  un- 
trennbar 500;  theoretische  Betrachtungen  darüber  502.  Die  Hauptabhandlung  Faraday's  504; 
Vorschlage  zur  Nomenclatur  505.  Das  VoLTA-Elektrometer  (Voltametcr)  507.  Primäre  und 
seeundäre  Zerlegung  514.  Des  elektrolytischen  Gesetzes  zweiter  Theil  518.  Die  Lehre  von 
der  bestimmten  chemischen  Aktion  des  Stromes  529.  Elektrochemische  Äquivalente  533.  Tafel 
über  die  Ionen  535;  Bemerkungen  dazu  535.  Allgemeine  Betrachtungen  537.  Vorgänger 
Faraday's:  Ohm  547,  Döbereiner  547.  Faraday's  elektrochemische  Ansichten  549;  seine 
elektrochemische  Vcrwandtschaftslehre  559.  Vermeintliche  Ströme  ohne  Elektrolyse  581.  Fara- 
day über  VoLTA'sche  Ketten  582;  Amalgamiren  des  Zinks  nach  Kemp  und  Sturgeon  585: 
Unangreifbarkeit  des  reinen  Zinks  nach  de  la  Rive  585.  Zwischenplatten  586.  Rückblick 
über  Faraday's  Leistungen  588.  Aufnahme  des  FARADAY'schen  Gesetzes;  Berzelius  589. 
Aneignungsversuch  durch  Matteucci  594;  Poggendorff  dazu  595. 


taialt.  xm 

Vierzehntes  Kapitel.     Die  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur 

Entdeckung  des  Energieprinzipes  (S.  596 — 758). 

Einleitung  596.    Becquerel's  Sauerstoffkette  597 ;  Erörterungen  darüber  598.  —  Constante 
Ketten:    Daniell  601.     Gleichzeitige  Erfindung  durch  Mullins  605   und  Jacobi  606;    Streit 
mit  Becquerel  608.     Andere  constante  Ketten;  Grove  609.     Die  Zink-Kohle-Kette;  Cooper 
612;  Buxsen  612.  —  Daniell's  Untersuchungen  über  die  Elektrolyse  secundärer  Verbindungen 
613.     Der  Widerspruch  615    und  seine  Lösung  619.     Die  Bestimmung  der  wahren  Ionen  621. 
Die  Theorie  der  Elektrolyse  626;  die  Wege  der  Ionen  631.  —  Die  Messung  galvanischer  Con- 
stanten 631.  —  Stromstärke:  die  Tangenten-  und  die  Sinusbussole  Pouillet's  632.    Erfindung 
der  Spiegelablesung  durch  Poggendorff  und  Gauss  634.     Vergleich  des  Voltameters  mit  der 
Tangentenbussole  durch  Jacobi  634.     Messung  von  Widerstanden;  Jacobi's  Voltagometer  635. 
Becquerel's  Differentialgalvanometer  636.    Die  Methoden  von  Wheatstone  638 ;  seine  Rheo- 
staten    639;    Widerstandsrollen    641.      Die    WHEATSTONE'sche    Brücke    643.      Die    Stromver- 
theilungssätze    von    Ohm    und    Kirchhoff    645.      Messung    elektromotorischer    Kräfte    648; 
Poggendorff's   Compensationsmethode  649;    Verbesseningen   durch  du  Bois-Reymond  650. 
Das  Additionsgesetz    der    Spannungen    nach    Poggendorff   652;    seine  Messungen    über   den 
Einfluss  der  Temperatur  auf  die  elektromotorische  Kraft  653.  —  Absolute  Maasse;  Gauss  654; 
Weber  655.     Das  elektrochemische  Äquivalent  des  Wassers  656.  —  Technische  Anwendungen 
der  Elektrochemie;  zur  Analyse  durch  Becquerel  656;  in  der  Metallurgie  durch  denselben  657. 
Galvanoplastik  und  elektromagnetische  Maschinen;  Jacobi  657.  —  Die  Polarisation  659.    de  la 
Rive   darüber    660;    Marianini  662.     Christian  Friedrich  Schönbein;    seine  Persönlich- 
keit 664;    seine   ersten  Arbeiten   über  Polarisation  665.     Henrici   über  dieselbe  667.     Schön- 
bein's  chemische  Theorie  der  Polarisation  668.    Einwendungen  von  Pfaff  und  Poggendorff 
671.     Matteucci    über    Polarisation    673.     Die    Polarisation    in    der  Contacttheorie   673;    der 
Übergangswiderstand    674 ;     Entscheidung    durch    Wechselströme ;     Vorsselmann    de    Heer 
674.    Messung   der    Polarisation    durch    Daniell  und  Wheatstone   675;    durch  Lenz   676; 
durch  Poggendorff  mittelst  der  „Wippe"   677.     Das  Polarisationsmaximum  679;    Lenz  und 
Saweijew  680.     Elektrolyse  durch   eine  einfache  Kette  681;    Pfaff,    Henrici,    Schönbein 
682.  —  Grove's   Gaskette  685;    als  Argument  gegen   die  Contacttheorie   687;    Poggendorff 
dazu  688;    Schönbein   689.     Grove's   spätere   Arbeit  690;    Widersprüche   gegen   die  üblichen 
Hypothesen  693;    Vorahnung  des  Energiegesetzes  695.  —  Passives  Eisen;    Beobachtungen  von 
Keir  696,    von   Wetzlar   697,    von  Fechner  699,    von  Schönbein  700.     Faraday's  Er- 
klärung 701.     Mousson's  verfehlter  Erklärungsversuch  703;    Schönbein  dazu  703.  —  Flüssig- 
keitsketten.   Nobili  706;  Fechner  707.  —  Die  Fortsetzung  des  Kampfes  der  Theorieen  710; 
Ohm  712;  Schönbein's  Tendenz-Theorie  714;  Pfaff  der  Unvermeidliche  716.   Poggendorff's 
Eintreten  718;  die  Klemmschraube  719.    Napoleon  III.  als  Theoretiker  des  Galvanismus  721. 
Zweites  Eintreten  Faraday's    723.     Ketten    ohne    Strom    730;    Stromumkehrungen    732.     Zu- 
sammenhang   zwischen   chemischer  und  elektrischer  Wirkung  738.     Thermoelektrischer  Beweis 
743-     Gegen   die   Contactkraft    746;    Argument    aus    dem   unmöglichen  Perpetuum  mobile   749. 
Weitere  Discussionen.    Poggendorff  749;  Faraday's  Ablehnung  751.    Einwand  von  Jacobi 
751.     Zweite   Forraulirung  von  Schönbein's  Tendenztheorie   753;    Kritik   derselben   755.     Die 
CoDtacttheorie  und  das  Energiegesetz  755;  Pfaff  über  Julius  Robert  Mayer  757. 

Fönfzehntes  Kapitel.    Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie 

(S.  759—812). 

Allgemeines  759.  Die  Arbeiten  von  Joule  761;  Biographisches  über  ihn  762;  sein 
Gesetz  über  die  Stromwärme  764.  Anwendung  auf  die  VOLTA'sche  Kette  765.  Helmholtz 
.,Cber  die  Erhaltung  der  Kraft";  Schluss  auf  die  elektromotorische  Kraft  VoLTA'schcr  Ketten  767. 
Die  Abhandhing  von  William  Thomson  777.     Joule's  spätere  Arbeiten  783.     Arbeiten  von 


XIV  Inhalt. 

J.  Bosscha;  Versteinerung  des  Satzes  von  den  elektromotorischen  Kräften  zum  Dogma  786. 
Die  thermochemischen  Forschungen  790.  P.  Favre,  Biographisches  791.  Arbeiten  über  die 
Geltung  des  Energiegesetzes  in  der  Kette  791.  Vergleich  der  chemischen  und  der  elektrischen 
Energie  794;  die  Hypothese  ätiotroper  Gase  705.  F.  M.  Raoult  795;  Widerspruch  gegen 
den  Satz  von  Helmholtz  und  Thomson  800.  Favre's  spätere  Arbeiten  801.  Die  VoLTA'sche 
Energie  802.  Andeutung  der  Theorie  der  freien  Ionen  805;  Gay-Lussac's  Äquipollenz  805. 
Elektrolyse  der  Alkalisalze  806.  Weitere  Forscher;  Marie-Davy  und  Troost  807.  Prüfung 
des  JouLE'schen  Stromgesetzes  und  seiner  Folgen  808;  Poggfndorff  darüber  809.  Allgemeine 
Betrachtungen  811. 

Sechzehntes  Kapitel.    Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten 

(S.  813—930). 

Vorbemerkung;  die  Schwierigkeiten  der  Theorie  von  Grotthuss  813.  Ältere  Messungen 
der  elektrischen  Leittähigkeit;  Davy  815,  Ohm  817,  Fechner  817,  E.  Becquerel  818,  Hors- 
FORI)  820.  Nochmals  die  metallische  Leitung  der  Elektrolyte  820;  Buff  darüber  821; 
Foucault  822.  Faraday's  Meinung  823;  wie  kommt  die  elektrostatische  Ladung  des  Wassers 
zu  Stände?  825.  Nachweis  der  elektrostatischen  Elektrolyse  durch  L.  Sokf.t  830.  Die  Wan- 
derung der  Ionen.  Anschluss  an  Daniell  832.  Untersuchungen  von  W.  Hittorf  833.  Un- 
gleiche Wege  der  Ionen  832.  Einfluss  der  Stromstärke,  der  Concentration  und  der  Temperatur 
auf  die  Überführung  836.  Aufnahme  der  Arbeit  Hittorf's  837.  Die  Schwierigkeit  von 
R.  Kohlrausch  838,  und  ihre  Lösung  840.  Die  Bewegung  freier  Ionen  841.  Fortsetzung 
von  Hittorf's  Arbeiten  842.  Untersuchungen  von  G.  Wiedemann,  von  G.  Magnus  845; 
dessen  Gegnerschaft  gegen  Hittorf  851.  Buff's  elektrolytische  Studien  853.  Hittorf's  Ver- 
theidigung  859;  Magnus  dagegen  861.  Hittorf's  dritte  Arbeit;  Polemik  863;  Beziehung 
zwischen  Leitung  und  chemischer  Verwandtschaft  863.  Ergebnisse  der  Cberfuhrungsbeobaeh- 
tungen  865 ;  complexe  und  Doppelsalze  865 ;  doppelte  Wahlverwandtschaft  866.  Elektrolyte 
sind  Salze;  die  Zcrsetzbarkeit  steht  in  keinem  Verhältniss  zur  Verbindungswärme  876.  Aus- 
ländische Urtheilc  über  Hittorf's  Arbeiten  877.  Chemische  Schwierigkeiten  880.  Erwägungen 
von  Grove  882.  Willjamson's  Ansichten  884.  Clausius'  Theorie  der  elektrolytischen  Lei- 
tung 888;  die  kinetische  Hypothese  als  deren  Quelle  889.  Clausius'  Abhandlung  893.  — 
Messung  der  elektrischen  Leitfähigkeit  der  Elektrolyte  902;  Versuche  von  Beetz  903;  der 
Übergangswiderstand  903.  Versuche  von  Paalzow  904.  Anwendung  von  Wechselströmen 
durch  Fr.  Kohlrausch  905.  Das  OHM'schc  Gesetz  für  Elektrolyte  907.  Polarisationscrschei- 
nungen  bei  Wechselströmen  908.  Ausbildung  der  Methode  von  Kohlrausch  909.  Erkennt- 
niss  einzelner  Regelmässigkcitcn  910.  Beziehung  auf  chemisch  vergleichbare  Mengen  912.  Be- 
dingung der  Leitfähigkeit  915.  Die  unabhängige  Wanderung  der  Ionen  918.  Berechnung  der 
Reibungswiderstände  der  Ionen  922.  Bemerkung  von  Hittorf  923.  Schluss;  Betrachtungen 
von  Hittorf  924. 

Siebzehntes  Kapitel.    Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen 

(S.  931  — 10421. 

Vorerinnerung  über  das  VoLTA'sche  Problem  931.  Der  Condensatorversuch  933.  Erfolg- 
losigkeit des  JouLE'schen  Gedankens  934.  Die  Arbeiten  von  R.  Kohlrausch  936;  Dell- 
mann's  Elektrometer  936,  seine  Ausbildung  durch  Kohlrausch  937.  Die  elektromotorische 
Kraft  ist  der  elektroskopischcn  Spannung  proportional  937;  weitere  Prüfung  der  ÜHM'schen 
Theorie  940.  Die  einzelnen  Spannungen  943.  Die  Unbeständigkeit  der  Oberflächen  947. 
Kohlrausch's  spätere  Arbeiten  947.  Weitere  Spannungsmessungen;  Hankel  950.  Wieder 
die  Unbeständigkeit  der  Oberflächen  951.  Gerland  954.  Elektrometer  von  William 
Thomson  955;  idiostatisches  955;  heterostatisches  957.  Sein  Versuch  zum  Nachweis  der  Cön- 
tactelcktricität  958.     Versuche   von  J.  Brown   in  verschiedenen   Gasen  960.     Widerlegung  des 


Inhalt  XV 

Furidamentalversuches  965.  —  Ein  neuer  Weg;  die  PELTiER'sche  Erscheinung  965;  ihre  Ver- 
verthung  durch  W.  Thomson  und  Clausius  967.  Bestimmung  der  Spannung  zwischen  zwei 
Metallen  aus  der  PELTiER-Wirkung;  Le  Roux  969;  Edlund  971.  —  Die  Reform  der  therrao- 
chemischen  Theorie  der  elektromotorischen  Kraft  976.  Die  Beobachtung  von  Paalzow  976. 
Erörterungen  von  Edlukd;  Widerlegung  des  Irrthums  979.  Untersuchungen  von  F.  Braun  986; 
molekularhypothetische  Betrachtungen  987;  Versuche  988.  Der  elektrische  Nutzeffect  990.  Die 
Forschungen  von  Willard  Gibbs  992.  Theoretischer  Nachweis  der  Unrichtigkeit  des  Helm- 
holtz-Thomson 'sehen  Satzes  993.  —  Helmholtz*  Eingreifen;  er  steht  anfangs  noch  auf  dem 
alten  Standpunkte  998.  Die  Überwindung  des  Irrthums;  Concentrationskctten  1001.  Die 
Thermodynamik  chemischer  Vorgänge  1007.  Die  freie  Energie  1008.  Rohert  von  Helmholtz 
über  freie  Energie  1010.  Helmholtz'  zweite  Abhandlung  1011;  unendliche  elektromotorische 
Kräfte  bei  der  Concentration  Null  1012.  Die  dritte  Abhandlung  1013.  Prüfung  der  Formel 
von  Helmholtz:  C/apski  1015;  Gockel  1015.  Erklärung  der  Widersprüche  10 16.  —  Die 
einzelnen  Potentialunterschiede  an  den  Elektroden  1016.  Die  Bewegungserscheinungen  am  pola- 
risirten  Quecksilber  1017.  Liitmann's  Arbeit  1018.  Das  Capillarelektrometer  1020.  Die 
Theorie  der  Doppelschichten  von  Helmholtz  1027.  Eine  Elektrode  ohne  Spannungsunter- 
schied 1031.  Versuche  von  Bichat  und  Blondlot  1032.  Messung  absoluter  Spannungsunter- 
schiede durch  Ostwald;  Tropfelcktroden  1034. 

Achtzehntes  Kapitel.     Einzelne  Fortschritte  der  Elektrochemie 
bis  zur  Aufstellung  der  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation 

(S.  1043 — 1090}. 

Allgemeines  1043;    Wiedemann's   „Lehre   vom  Galvanismus"    1044.     Die  elektrolytische 
Abscheidung  der  Leichtmetalle  durch  Bunsen;  Magnesium  1045;  Aluminium  1047.    Die  Strom- 
dichte 1048.  —  Elektrolyse  organischer  Verbindungen.    Koi.be  1048;  Kekule  1050;  Bourgoin 
1033.    —    Einheiten  und  Constanten:   Definition  der  Elektricitätsmcnge  1054;   der  elektromoto- 
ri^hen   Kraft    1055;    des   Widerstandes   1055.      Die   Einheiten   von   Lenz,    Wheatstone  und 
jAr«iBi    1056;    von   Siemens    1056;    die   absolute   Einheit  der  British   Association    1057.     Die 
Beschlüsse  des  Pariser  Congresses   1058.     Legales   und   internationales  Ohm   1058.    —    Die  gal- 
\~unische  Polarisation.     Svanberg   1059;  Beetz   1059.     Zusammenhang  mit  der  Gaskette  1060. 
Die    Arbeit   von    Crova   1066.      Die   Zelle   als   Condensator  1068.      Bezugnahme   auf  die  freie 
Energie   1069:  Valenzladungcn   1069;  Bildung  der  Gasblasen   1072.  —  Oxydations-  und  Reduc- 
tion5ketten    1073;    die    Arbeit    von    Arrott    1074.  —  Accumulatorcn.     G.  Plante   1081.  — 
Elektromotorische    Kräfte    zwischen    Flüssigkeiten     1084.    —    Photoelektrische    Erscheinungen; 
E.  Becquexei.   1084.  —  Zum  FARADAY'schcn  Gesetz;  Versuche  von  Renault   1087.  —  Das 
Dilemma  von  Lippmann   1088. 

Neunzehntes  Kapitel.    Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation 

(S.  1091 — 1148). 

Allgemeines;  der  Abschluss  eines  hundertjährigen  Problems  1091.  Zusammentreffen  der 
erforderlichen  Umstände  1092.  Arrhenius*  erste  Abhandlung  1092;  die  Deutung  der  Leit- 
tähigkeitsverhältnisse  1093.  Zusammenhang  zwischen  Leitung  und  chemischer  Reaktionsgeschwin- 
digkeit 1095.  Einfluss  der  Verdünnung  auf  die  Stärke  der  Säuren  1098;  die  Aktivitätswärmc 
1098.  Prüfung  und  Bestätigung  durch  Ostwald  1099.  Dessen  „Verdünnungsgesetz44  1103. 
Van't  Hoff's  Theorie  der  Lösungen  1105;  Pfefker's  halbdurchlässige  Zellen  1106  und  die 
Theorie  des  osmotischen  Druckes;  Übereinstimmung  der  Gesetze  gelöster  und  gasförmiger  Stoffe 
1107.  Der  fatale  Coefficient  1  1108.  Das  Electrolysis  Committee  1109.  Die  Theorie  der 
freien  Ionen  von  ARRHENIUS  1109;  Beziehung  zwischen  elektrischer  Leitfähigkeit  und  Gefrier- 
punkberDiedrigung  und  die  Deutung  des  Coefticicntcn  1  11 10.  Die  additiven  Eigenschaften  der 
Salzlösungen   r  1 13.      *I.  Planck  über  die  molekulare  Constitution  der  verdünnten  Lösungen  1 1 14. 


XVI  Inhalt 

Die  Entwicklung  der  Theorie;  Ostwald's  Anwendung  der  Dissociationsgesetze  auf  gelotte' 
Elektrolyte  1116;  Bestätigung  11 17.  Beseitigung  von  Missverständnissen ;  die  Existenz  4er  freien 
Ionen  1118.  Vergleich  der  Erfahrung  mit  den  Folgerungen  der  Dissociationstheorie  lfll.  jlifc. 
stätigung  durch  van't  Hoff  und  Reicher  1123.  Ableitung  der  gleichen  Formel'  donfe. 
Planck  1123.  Ostwald  und  Nernst  über  freie  Ionen;  Beseitigung  eines  Einwand*  <JCi%f^ 
Therm odyDami scher  Beweis  11 28.  Theorie  der  Elektricitätsleitung  und  Elektrolyse  im  tttWt; 
der  Dissociationstheorie  11 29.  Arrhenius'  Theorie  der  isohydrischen  Lösungen  1130  und -äfR 
chemischen  Gleichgewichts  zwischen  Elektrolyten  1132.  Negative  Temperaturco€fficienten 
Leitfähigkeit  bei  Elektrolyten  1132.  Die  Theorie  der  VoLTA'schen  Ketten  1133. 
Theorie  der  Diffusion  1 1 34 ;  Anwendung  auf  Elektrolyte ;  Auftreten  elektromotorischer 
1135.  Die  elektromotorische  Wirkung  der  Ionen  1135.  Flüssigkeitsketten  1135.  VoltaV 
Ketten  1136.  Die  Deutung  der  Lösungstension  1 1 37.  Vergleich  der  VoLTA'schen  Kette 
mit  einer  Gasmaschine  11 40.  Zusammenfassung;  W.  Ostwald's  Lehrbuch  1140.  Theorie 
der  anomalen  Spannungen  1141,  der  Oxydations-  und  Reductionsketten  1142,  der  Gasketten 
1143.  Die  BECQUEREL'sche  Kette  und  die  Dissociation  des  Wassers  1144.  Theorie  der  PoJarK 
sation;  Arbeiten  von  Le  Bla>x  1145.  Die  Lösung  des  VoLTA'schen  Problems;  bestimmte 
Formulirung  desselben  1146;  die  absoluten  Spannungen  der  Metalle  1 147.  Rückblick  lüftd 
Schluss  1147. 


Autoren-Register »1 199 

Berichtigungen  und  Zusätze 


BüsclicWntlmlung  der  grossen  Tkvlek 'sehen  Elckltisirmaschiu' 
Nach  van  Marum.1 


Einleitung. 


i  Das  Problem.  Wenn  in  den  ruhigen  Fluss  der  wissenschaftlichen 
Knhrickelune  gelegentlich  eine  den  früheren  Anschauungen  völlig  wider- 
Wcchende  TViatsache  von  erheblicher  Bedeutung  geworfen  wird,  so  vollzieht 
seh  eine  der  merkwürdigsten  Wandlungen.  Während  das  geringfügigere 
Neue  wie  es  der  Tag  bringt,  entweder  aufgelost  und  angepasst  wird,  oder, 
«am  es  für  den  augenblicklichen  Zustand  zu  abweichend  ist,  als  fremder 
K"rper  zu  Boden  sinkt,  um  dort,  vom  Niederschlage  der  Zeiten  bedeckt,  erst 
spat  oder  nie  zur  Wirkung  zu  gelangen,  übt  das  bedeutende  Neue  alsbald 
einen  sichtbaren  Einfluss  auf  den  ganzen  Zustand  aus.  Eine  heftige  Be- 
1  Vurhanilcl.  "'*"•  •'■  Tevler'k  tweede  Gcaootschap,  3.  St.  Haarlcm   I/H5. 

i'n.-fd,   Kiekt"**™!*  ' 


Einleitung. 


wegung  der  Ideen  herüber  und  hinüber  tritt  ein,  und  über  kurz  oder  lang 
krystallisirt  das  Produkt  der  Wechsel wjrlcung  in  Gestalt  einer  Theorie  aus, 
welche  den  Zweck  hat,  das  Neue  gedanklich  zu  bewältigen  und  dem  Be- 
kannten anzuschliessen. 

Nur  in  den  seltensten  Fällen  sind  die  Verhältnisse  so  günstig  und  ist  die 
Krystallisationskraft  der  neuen  Gedankenreihe  so  gross,  dass  beim  ersten 
Anschuss  ein  reines  und  beständiges  Produkt  erhalten  wird.  In  der  Regel 
enthält  derselbe  vielmehr  zahllose  Einschlüsse  aus  der  Mutterlauge  des  zeit- 
gemässen  Gedankenkreises,  in  welchem  er  entstanden  ist:  oft  in  solcher 
Menge,  dass  die  Beschaffenheit  der  Hauptsubstanz  davon  ganz  verdeckt  wird. 
Alsdann  bedarf  es  langer  Zeit  und  wiederholten  Umschmelzens,  um  das 
fremde  Material  auszuscheiden,  und  nicht  selten  zeigt  es  sich  dann,  dass  das 
reinere  Produkt  ganz  andere  Gestalt  besitzt,  als  der  erste  Anschuss,  der  sich 
gebildet  hatte,  nicht  weil  seine  Form  absolut  genommen  die  beständigste, 
sondern  weil  sie  zur  Zeit  seiner  Bildung  die  nächstliegende,  durch  die  Iso- 
rqorphie  bereits  vorhandener  ähnlicher  Ideen  hervorgerufene  war. 

Wenn  auch  im  Laufe  der  Zeit  die  Abscheidung  der  gröbsten  Verun- 
reinigungen gelingt,  so  lehrt  doch  die  Erfahrung,  dass,  wie  zu  erwarten,  der 
Reinigungsvorgang  nie  zu  einem  absoluten  Ergebniss  führt,  sondern  seinem  , 
Endziel  nur  asymptotisch  sich  nähern  kann,  dergestalt,  dass  die  Beseitigung  • 
des  letzten  Angehörigen  um  so  schwieriger  wird,  je  weiter  die  Reinigung 
selbst  schon  gediehen  ist.  Gewisse  Verunreinigungen  lassen  sich  durch  die 
wiederholte  Anwendung  ähnlicher  Hilfsmittel  überhaupt  nicht  beseitigen,  und 
dann  tritt  leicht  der  Fall  ein,  dass  dieselben  für  einen  wesentlichen  Bestand- 
teil des  reinen  Produktes  gehalten  werden.  Dies  ist  der  Zustand,  in  welchem 
sich  die  meisten  Gebiete  der  Wissenschaft  befinden.  Das  einzige  Hilfsmittel 
in  diesem  Falle  ist  ein  völliger  Wechsel  des  Verfahrens;  grosse  Änderungen 
in  der  allgemeinen  wissenschaftlichen  Anschauung,  einer  völligen  Änderung 
des  Krystallisationsmittels  vergleichbar,  haben  regelmässig  den  Erfolg,  dass 
sie  die  Abscheidung  erheblicher  Irrthümer  ermöglichen.  Freilich  währt  es 
meist  eine  lange  Zeit,  bis  dieses  Verfahren  auf  jeden  Theil  des  Vorhandenen 
Anwendung  gefunden  hat,  und  zahllose  Irrthümer  dauern  fort,  nicht  weil  ihre 
Beseitigung  mit  den  vorhandenen  Mitteln  unausführbar  wäre,  sondern  weil 
man  sich  noch  nicht  entschlossen  hat,  die  erforderlichen  Operationen  vor- 
zunehmen. 

Diese  beiden  Faktoren,  das  Gesetz  des  Isomorphismus,  welches  die  Neu- 
bildung, und  das  Trägheitsgesetz  oder  Beharrungsvermögen,  welches  den 
Fortbestand  der  Ideen  in  den  wesentlichsten  Zügen  bestimmt,  lassen  sich 
bei  jedem  geistigen  Entwickelungsvorgang  nachweisen,  und  die  Kenntniss  ihrer 
nie  ausbleibenden  Wirksamkeit  ist  die  wesentlichste  Vorbedingung  zum  Ver- 
ständniss  des  Werdens  und  Seins  geistiger  Dinge.  In  besonders  durch- 
sichtiger Gestalt  lassen  sich  diese  Faktoren  in  der  Entwicklung  der  Wissen- 
schaften, vorwiegend  der  Naturwissenschaften  erkennen.  Denn  im  Gegensatz 
zu  den  politischen,  socialen  und  künstlerischen  Gebieten  hat  man  es  hier  mit 


Einleitung. 


Erscheinungen  zu   thun,  deren  Verlauf,  durch  wenige  durchsichtige  Motive 
bestimmt,  auf  ein  wohlbekanntes,  allen  gemeinsames  Ziel  gerichtet  ist,  und 
deren  Ergebnisse  in  Gestalt  der  entdeckten  Gesetze  spezielleren  oder  allge- 
meineren Charakters  sich  leicht  aufweisen  und  sogar  einigermassen  zahlen- 
massig   schätzen  lassen.    Dazu  kommt,  dass  für  die  meisten  dieser  Gebiete 
die   eigentliche  Entwickelungsgeschichte   erst   ziemlich   spät,   vor   höchstens 
drei  oder  vier  Jahrhunderten  beginnt,  so  dass  die  Quellen  zu  ihrer  Geschichte 
in   der  wissenschaftlichen  Zeitlitteratur  weder  schwer  zugänglich,  noch  auch 
eines  ausgedehnteren  kritischen  Apparates   bedürftig  sind.     Alle  diese  Um- 
stände  vereinigen  sich,    um  das  Studium   der  geschichtlichen  Entwickelung 
der  Wissenschaft  zu  einem  besonders  werth-  und  reizvollen  zu  machen,  und 
es   darf   die  Überzeugung  ausgesprochen  werden,   dass  wenn  irgendwo  die 
vorbildlichen  Fälle  gefunden  werden  können,  an  welchen  einfache  und  durch- 
greifende Gesetze  des  geschichtlichen   Werdens  nachweisbar  sind,    die  Ge- 
schichte der  Naturwissenschaften  sie  darbieten  wird. 

Ich  habe  deshalb  in  dem  vorliegenden  Buche  versucht,  einen  derartigen 
Fall  in  seinen  Einzelheiten  so  sachgemäss  und  treu  zu  schildern,  als  ich  es 
vermag.    Die  Geschichte  der  Elektrochemie  erscheint  unter  den  angegebenen 
Gesichtspunkten  von  besonderem  Interesse,  weil  hier  die  einzelnen  Bestand- 
teile des  Entwicklungsprozesses  sich  mit  besonderer  Deutlichkeit  sondern; 
der  Beginn   der  entscheidenden   Fortschritte  nach   lange  vorausgegangenem 
Stillstand,  die  Erfindung  der  Volta'schen  Säule  und  die  Entdeckung  ihrer 
chemischen   Wirksamkeit,   lässt   sich    fast    auf  den   Tag    angeben,    und  das 
Interesse    der   wissenschaftlichen  Welt    wendet   sich    alsbald    so   lebhaft  den 
neuen  Erscheinungen  zu,  dass  auch  die  Zufälligkeit,  die  in  der  besonderen 
Beschaffenheit  der  Personen  liegt,  die  sich  zunächst  mit  der  Sache  befassen, 
sehr  vollständig  ausgeschaltet  wird.    Auch  fehlt  es  nicht  an  Berührungen  mit 
anderen  grossen  Aufgaben,  welche  die  Zeit  bewegen,  und  andererseits  sind 
die  neuen  Thatsachen  so  fremdartig  und  von  dem  Bekannten  verschieden, 
dass    sich  der  allmähliche  Anpassungsprozess  des  Denkens  aus  den  vorhan- 
denen Formen  in  die  dem  Gegenstand  angemesseneren  nur  langsam  vollziehen 
konnte,   und   weithin  eine  Unterscheidung  der  beiden   Bestandtheile  durch- 
zuführen ist. 

Eine  derartige  Darstellung  erscheint  gegenwärtig  als  besonders  nützlich, 
da  in  jüngster  Zeit  erhebliche  Fortschritte  auf  dem  Gebiet  gemacht  worden 
sind,  und  der  Kampf  der  Meinungen  über  ihre  Bedeutung  noch  lange  nicht 
abgeschlossen  ist  Im  Lichte  der  geschichtlichen  Betrachtung  wird  es  uns 
leichter  werden,  die  Notwendigkeit,  und  daher  die  Berechtigung  der  letzten 
Entwicklungen  zu  begreifen,  und  andererseits  uns  gegenwärtig  zu  halten, 
dass  bei  all  den  glänzenden  Erfolgen  der  gegenwärtigen  Anschauungen  neben 
den  in  ihnen  enthaltenen  dauerhaften  und  entwickelungsfähigen  Elementen 
auch  vergängliche  Bestandtheile  angenommen  werden  müssen,  deren  Er- 
kennung und    Beseitigung  ebenso  schwierig  wie  wichtig  ist 

2.  Was   ist   Wissenschaft?    Ehe  indessen  an  die  Schilderung  des  Ent- 


■■*■ 


Einleitung. 


wickelungsganges  der  wissenschaftlichen  Elektrochemie  gegangen  werden 
kann,  ist  eine  Verständigung  über  die  Grundzüge  wissenschaftlicher  Ent- 
wickelung  überhaupt  erforderlich.  Denn  es  herrscht  über  diese  Frage  noch 
mancherlei  Unklarheit,  welche  nach  Möglichkeit  zu  beseitigen  ist,  bevor  die 
Untersuchung  mit  Nutzen  vorgenommen  werden  kann. 

Als  letzter  Zweck  der  Wissenschaft  wird  meist  die  Erforschung  der 
Wahrheit  bezeichnet.  Insofern  als  jede  wohlbeobachtete  Thatsache  eine 
Wahrheit  ist,  besagt  diese  Bestimmung  zu  wenig,  denn  die  Aufgabe  der 
Wissenschaft  geht  weiter,  als  bis  zur  blossen  Feststellung  des  Thatsächlichen. 
Dieses  Weitere  hat  zu  verschiedenen  Zeiten  sehr  verschiedene  Benennung 
erfahren;  von  den  Platonischen  Ideen  bis  zum  mathematisch  formulirten 
Naturgesetz  der  modernen  Forschung  lassen  sich  alle  möglichen  Übergänge 
erkennen.  Insbesondere  lässt  sich  als  Rest  jener  Platonischen  Auffassung 
noch  bis  auf  unsere  Tage  die  Neigung  verfolgen,  in  den  Naturgesetzen  etwas 
Höheres,  über  den  Erscheinungen  Stehendes  zu  sehen,  dem  die  Erschei- 
nungen „gehorchen"  müssen.  Dem  gegenüber  zeigt  es  sich  gegenwärtig 
immer  klarer,  dass  das  Naturgesetz  nicht  über,  sondern  in  den  Erschei- 
nungen zu  suchen  ist,  dass  es  nicht  den  Zweck  hat,  zu  dekretiren,  was  in 
einem  gegebenen  Falle  geschehen  soll,  sondern  anzugeben,  was  thatsäch- 
lich  geschieht.  In  dieser  nüchternen  Auffassung  der  Naturgesetze  ist  ein  Mann 
vorangegangen,  welchem  man  bei  aller  Anerkennung  seiner  Verdienste  doch 
oft  und  gern  den  Vorwurf  zu  weitgehender  Spekulation  gemacht  hat:  Julius 
Robert  Mayer,  der  Entdecker  des  mechanischen  Wärmeäquivalents.  Seine 
Äusserungen1  lauten  in  dieser  Beziehung  ganz  unzweideutig: 

„Die  wichtigste,  um  nicht  zu  sagen  einzige  Regel  für  die  echte  Natur- 
forschung ist  die,  eingedenk  zu  bleiben,  dass  es  unsere  Aufgabe  ist,  die  Er- 
scheinungen kennen  zu  lernen,  bevor  wir  nach  Erklärungen  suchen  oder 
nach  höheren  Ursachen  fragen  mögen.  Ist  einmal  eine  Thatsache  nach  allen 
ihren  Seiten  hin  bekannt,  so  ist  sie  eben  damit  erklärt,  und  die  Aufgabe 
der  Wissenschaft  ist  beendigt." 

In  besonders  eindringlicher  Weise  ist  der  gleiche  Standpunkt  von 
G.  Kirchhoff2  in  der  Vorrede  und  dem  ersten  Kapitel  seiner  klassischen 
Mechanik  betont  worden,  und  hat  zu  mancherlei  Diskussionen  Anlass  ge- 
geben. Kirchhoff's  Worte  sind:  „Aus  diesem  Grunde  stelle  ich  es  als  die 
höchste  Aufgabe  der  Mechanik  hin,  die  in  der  Natur  vor  sich  gehenden 
Bewegungen  zu  beschreiben,  und  zwar  vollständig  und  auf  die  einfachste 
Weise  zu  beschreiben.  Ich  will  damit  sagen,  dass  es  sich  nur  darum  han- 
deln soll,  anzugeben,  welches  die  Erscheinungen  sind,  die  stattfinden,  nicht 
aber  darum,  ihre  Ursachen  anzugeben." 

Was  hier  von  der  Aufgabe  der  Mechanik  gesagt  ist,  gilt  für  die  ge- 
sammten  messenden   und  beobachtenden  Wissenschaften,  wobei  freilich  die 


1  Bemerkungen  über  das  mechanische  Äquivalent  der  Wärme.     Heilbronn    1864. 
a  Vorlesungen  über  mathematische  Physik.     Mechanik.     Leipzig  1876. 


Einleitung.  5 


I 

f 


Bedeutung  des  Wortes  „beschreiben"  noch  genauer  festzustellen  ist.  Kirch- 
hoff thut  dies  in  der  Folge; l  nachdem  er  die  Mechanik  als  die  Wissenschaft 
von  der  Bewegung  definirt  hat,  fährt  er  fort: 

„Eis  soll  die  Beschreibung  der  Bewegungen  eine  vollständige  sein. 
Die  Bedeutung  dieser  Forderung  ist  vollkommen  klar:  es  soll  eben  keine 
Frage,  die  in  Betreff  der  Bewegungen  gestellt  werden  kann,  unbeantwortet 
bleiben.  Nicht  so  klar  ist  die  Bedeutung  der  zweiten  Forderung,  dass  die 
Beschreibung  die  einfachste  sei.  Es  ist  von  vorn  herein  sehr  wohl  denkbar, 
dass  Zweifel  darüber  bestehen  können,  ob  eine  oder  die  andere  Beschreibung 
gewisser  Erscheinungen  die  einfachere  ist;  es  ist  auch  denkbar,  dass  eine 
Beschreibung  gewisser  Erscheinungen,  die  heute  unzweifelhaft  die  einfachste 
ist,  die  man  geben  kann,  später  bei  weiterer  Entwicklung  der  Wissenschaft 
durch  noch  einfachere  ersetzt  wird.  Dass  Ahnliches  stattgefunden  hat,  dafür 
bietet  die  Geschichte  der  Mechanik  mannigfaltige  Beispiele  dar." 

Entsprechend  dem  Bestreben,  die  beiden  Forderungen  der  Vollständig- 
keit   und   Einfachheit  zu   erfüllen,    vollzieht  sich   nun  die  Entwickelung  der 
Wissenschaft.      Die  Vollständigkeit   ist    ein    unbegrenzt    entferntes    Ziel,    für 
welches  es  nur  ein  Annähern,  kein  Erreichen  giebt,  und  die  Einfachheit  ist 
dem   verdriesslichen  Naturgesetz  unterworfen,    dass   man  auf  das  Einfachste 
immer  erst  zuletzt  kommt.    Indem  man  die  Vollständigkeit  in  der  „Beschrei- 
bung" der  natürlichen  Gegenstände  und  Vorgänge  sucht,  hat  man  den  Weg 
iwischen  den  beiden  Klippen  zu  finden,  dass  einerseits  die  sicher  bekannten 
und  daher  in  die  „Beschreibung"  aufnehmbaren  Beziehungen  sich  nur  über 
enge   Gebiete  erstrecken,  andererseits   die  für  weite  Gebiete  versuchten  Be- 
schreibungen sich  bei  genauem  Nachsehen  als  unzutreffend  erweisen,  indem 
Widersprüche    und    Ausnahmen    sich    herausstellen,    durch    welche    die    auf 
Grund   der  Beschreibung  gegebenen  Antworten  auf  gewisse  Fragen  sich  als 
falsch  erweisen. 

Die  Hilfsmittel  der  Beschreibung  im  Sinne  Kirchhofes,  d.  h.  der  wissen- 
schaftlichen Darstellung,  sind  die  Allgemeinbegriffe  und  die  Naturgesetze.  Aus 
der  unendlichen  Mannigfaltigkeit  unserer  Welt,  in  welcher  niemals  zwei  Dinge 
oder  Vorgänge  in  strictem  Sinne  gleich  sind,  werden  Gruppen  von  Erschei- 
nungen ausgeschieden,  die  unter  einander  möglichst  geringe  Verschieden- 
heiten aufweisen,  und  zunächst  unter  stillschweigendem  oder  ausdrücklichem 
Verzicht  auf  die  Beachtung  der  letzteren  mit  bestimmten  Namen  belegt.  Es 
liegt  in  der  Natur  der  Sache,  dass  der  Antheil  des  Übereinstimmenden 
zwischen  den  verschiedenen  Gliedern  einer  Gruppe  in  umgekehrtem  Ver- 
haltniss  zur  Grösse  der  Gruppe  stehen  wird:  in  dem  Maasse,  wie  sich  der  Be- 
griff äusserlich  ausdehnt,  verarmt  er  innerlich.2  Die  Wissenschaft  hat  nun 
die  Aufgabe,  diesen  Gegensatz  aufzuheben:  möglichst  umfassende  Be- 
griffe mit  möglichst  bestimmtem   Inhalt  zu  bilden.     Es  geschieht  dies  durch 


1  A.  a.  O.  S.    1. 

*  Afan  betrachte  z.  B.  die  Reihe :  Sperling,  Vogel,  Thier,  Organismus,  Ding. 


Einleitung. 


die  Naturgesetze,  deren  Wesen  darin  besteht,  dass  die  unendliche  Mannig- 
faltigkeit der  formal  denkbaren  Möglichkeiten  sich  als  thatsächlich  mehr  oder 
weniger  eingeschränkt  erweist,  wodurch  die  allgemeinen  Begriffe  einen  weit 
bestimmteren  Inhalt  erhalten,  als  ihnen  ursprünglich  zukam.  So  fallen  die 
astronomischen  Erscheinungen  unter  den  Begriff  der  periodischen  Be- 
wegungen; durch  das  erfahrungsmässige  Naturgesetz,  dass  diese  Bewegungen 
sich  durch  die  Wirkung  einer  dem  Quadrat  der  Entfernung  umgekehrt  pro- 
portionalen Kraft  darstellen  lassen,  ist  die  vollständige  Beschreibung  derselben 
auf  die  Ermittelung  einer  kleinen  Anzahl  constanter  Zahlen  zurückführbar 
geworden,  und  wir  können  jeder  neu  beobachteten  derartigen  Erscheinung, 
die  wir  als  eine  Bewegung  erkennen,  mit  der  Erwartung  gegenübertreten, 
dass  auch  sie  sich  auf  diese  besondere  Weise  wird  beschreiben  lassen.  Wie 
bekannt,  ist  gerade  im  astronomischen  Gebiet  diese  Erwartung  ausnahmelos 
in  Erfüllung  gegangen. 

Die  Wirksamkeit  solcher  Naturgesetze  in  der  Einschränkung  des  Mög- 
lichen anf  das  Thatsächliche  ist  nun  ausserordentlich  verschieden,  und  nach 
dem  Betrag  dieser  Reduction  bemisst  sich  die  Bedeutung  des  fraglichen 
Gesetzes. 

In  mathematischer  Zeichensprache  stellt  sich  die  Bildung  des  Natur- 
gesetzes so  dar,  dass  zunächst  zwischen  irgend  welchen  Grössen  a,  b,  c,  ... 
ein  gegenseitiger  Zusammenhang  entdeckt  wird,  so  dass  man  die  Existenz 
einer  Gleichung  von  der  allgemeinen  Gestalt 

f  (a,  b,  c,  . . .)  =  o 
erkennt,  wo  f  eine  unbekannte  Function  der  dahinter  stehenden  Grössen 
bedeutet.  Die  erste  Aufgabe  besteht  darin,  sämmtliche  Glieder  a,  b,  c,  ... 
kennen  zu  lernen,  welche  sich  gegenseitig  bedingen,  derartig,  dass  bei  der 
Änderung  einer  der  Grössen  die  anderen  sich  gleichzeitig  ändern.  Die 
Kenntniss  des  Umstandes,  dass  ein  solcher  Zusammenhang  besteht,  bedingt 
die  Aufstellung  eines  allgemeinen  Begriffs.  Gelingt  es  nun,  zwischen  zwei 
oder  mehreren  Gliedern  a,  b,  c,  ...  einen  bestimmten,  durch  eine  Gleichung 
mit  numerischen  Coefficienten  darstellbaren  Zusammenhang  aufzufinden,  so 
ist  dadurch  von  den  zahllosen  möglichen  Functionen,  welche  in  die  ursprüng- 
liche allgememeine  Gleichung  f{a,  b,  c}  ...)  =  o  treten  können,  die  thatsäch- 
lich gültige  bestimmt,  und  aus  der  unbestimmten  Gleichung  wird  eine  be- 
stimmte. 

Der  Weg,  um  zur  Lösung  dieses  Problems  zu  gelangen,  ist  immer  der 
gleiche:  man  ändert  eine  der  Grössen,  z.  B.  a,  und  beobachtet  messend  die 
Änderung,  welche  eine  andere,  z.  B.  b,  dabei  erfährt,  wobei  man,  um  den 
etwaigen  Einfluss  anderer  Grössen,  c,  d ...  auszuschalten,  diese  constant  er- 
hält. Ist  diese  Aufgabe  erledigt,  so  untersucht  man  eine  weitere  Beziehung, 
z.  B.  die  zwischen  b  und  c>  und  so  fort,  bis  für  alle  Veränderlichen  die 
gegenseitige  Abhängigkeit  gefunden  ist.  Von  diesem  normalen  Wege  finden 
sich  in  der  Wissenschaft  insofern  Abweichungen,  als  häufig  nach  der  Analogie 
oder  aus  anderen  Gründen  Beziehungen  als  vorhanden  angenommen  werden, 


Einleitung. 


welche  thatsachlich  ganz  andere  Form  haben;  derartige  mit  dem  Schein 
des  „Selbstverständlichen"  umkleidete  Trugschlüsse  sind  häufig,  und  es  ist 
oft  schwer,  sich  auf  ihre  Beschaffenheit  zu  besinnen. 

Wenn  man  das  soeben  dargelegte  Schema  betrachtet,  so  mag  nichts 
einfacher  erscheinen,  als  durch  passende  Experimente  die  fraglichen  Be- 
ziehungen zu  ermitteln,  und  man  fragt  sich,  wie  es  kommt,  dass  die  Wissen- 
schaft so  langsam  fortschreitet,  da  doch  das  Rezept  gegeben  ist,  nach  welchem 
auf  dem  geradesten  Wege  der  Fortschritt  zu  bewerkstelligen  ist.  Die  Ant- 
wort liegt  in  dem  zweiten  Theil  der  Forderung,  welche  Kirchhoff  an  die 
Mechanik  und  somit  an  die  gesammte  Wissenschaft  stellt:  die  Beschreibung, 
d.  h.  der  Nachweis  der  vorhandenen  Beziehungen,  soll  auf  die  einfachste 
Weise  erfolgen.  Da  aber,  wenn  die  Grössen  ay  by  c  ...  für  ein  bestimmtes 
Erscheinungsgebiet  gegeben  sind,  die  Form  ihrer  Beziehungen  feststeht,  und 
nur  aufgefunden  zu  werden  braucht,  so  scheint  überhaupt  keine  Wahl,  keine 
Möglichkeit,  eine  vorhandene  Beziehung  zu  vereinfachen,  gegeben  zu  sein. 
Die  Antwort  ist,  dass  die  Wahl,  und  damit  auch  die  Qual,  in  der  Aufstellung 
der  Grössen  a,  by  c>  . . .  selbst  gelegen  hat.  Es  ist  allerdings  ausgeschlossen, 
dass,  nachdem  die  Veränderlichen  ay  by  cy  ...  einmal  bestimmt  sind,  ver- 
schiedene Beziehungen  von  verschiedenen  Graden  der  Einfachheit  zwischen 
ihnen  möglich  sind;  wohl  aber  bleibt  die  Frage  offen,  ob  nicht  die  vor- 
handenen oder  noch  aufzufindenden  Beziehungen  eine  einfachere  Gestalt 
annehmen ,  wenn  an  die  Stelle  der  Grössen  a,  by  c,  ...  andere,  ay  ßy  y,  ... 
gesetzt  werden,  welche  sich  auf  das  gleiche  Thatsachengebiet  beziehen,  wie 
jene  ersten. 

So  wissen  wir,  um  dafür  ein  Beispiel  zu  geben,  dass  das  Volumen  eines 
Gases  durch  Änderung  seines  Wärmezustandes  geändert  wird.  Soll  das 
Gesetz  hierfür  gefunden  werden,  so  kann  man  etwa  als  zweite  Veränderliche 
neben  dem  Volumen  die  Wärmemenge  wählen,  welche  man  dem  Gase  zu-  oder 
abfuhrt  Führt  man  die  Versuche  aus,  so  findet  man  bei  einzelnen  Gasen, 
dass  die  Änderungen  beider  Grössen  einander  proportional  sind,  bei  anderen 
sind  sie  es  nicht;  der  Proportionalitätsfactor  ist  für  einige  Gase  gleich,  für 
andere  verschieden,  kurz,  es  ergiebt  sich  kein  einfaches  oder  allgemeines 
Naturgesetz,  und  unsere  „Beschreibung"  der  Erscheinung  muss  auf  der  pri- 
mitiven Stufe  einer  Tabelle  stehen  bleiben.  Ganz  anders  wird  das  Bild, 
wenn  wir  an  Stelle  der  Wärmemenge  eine  andere  Wärmegrösse  setzen, 
nämlich  die  Temperatur.  Vergleicht  man  die  gleichzeitigen  Änderungen 
dieser  und  des  Volumens,  so  findet  man,  dass  beide  einander  proportional 
verlaufen,  und  dass  der  Proportionalitätsfactor  unabhängig  von  der  Natur  des 
Gases  ist.  An  die  Stelle  der  früheren  Mannigfaltigkeit  ist  die  grösste  Ein- 
fachheit getreten,  und  die  wissenschaftliche  Beschreibung  hat  einen  sehr 
erheblichen  Fortschritt  gemacht. 

In  der  geeigneten  Wahl  des  Veränderlichen,  d.  h.  in  der  begriff- 
lichen Analyse  der  Erscheinung,  liegt  also  der  wesentlichste  Umstand  für 
den  wissenschaftlichen  Fortschritt,   und  für  diese  lassen  sich  allerdings  nicht 


g  Einleitung. 


allgemeine  Regeln  aufstellen.  Hier  ist  das  Gebiet,  in  welchem  die  Phantasie 
den  Boden  absucht,  während  der  kritische  Scharfsinn  die  Beute  zu  prüfen 
und  zu  erlegen  hat.  Wie  oft  dabei  eine  Katze  für  einen  Hasen  geschossen 
wird,  das  wissen  die  Götter! 

3.  Die  Elektrochemie.  /Die  soeben  geschilderten  allgemeinen  Ver- 
hältnisse in  der  Entwickelungsgeschichte  der  Wissenschaft  lassen  sich  in 
jedem  einzelnen  Falle  mehr  oder  weniger  deutlich  nachweisen.  Die  Ge- 
schichte der  Elektrochemie  bietet  aber  in  dieser  Beziehung  eine  besondere 
Vielseitigkeit,  weil  ihre  Probleme  auf  zwei  verschiedenen  grossen  Gebieten, 
der  Elektrik  und  der  Chemie,  liegen.  Hierdurch  wird  die  gegenseitige  Ab- 
hängigkeit der  wissenschaftlichen  Fortschritte  ungemein  deutlich  gemacht; 
wir  sehen,  wie  über  dieses  Grenzgebiet  hinweg  die  beiden  Disciplinen 
einander  immer  wieder  beeinflussen  und  befruchten,  zunächst  ohne  dass 
lebensfähige  Produkte  erzeugt  werden  können.  So  tritt  die  elektrochemische 
Theorie  der  chemischen  Verbindungen  auf,  um  wieder  zu  verschwinden,  und 
der  Streit  um  die  Kontakttheorie  oder  die  chemische  Theorie  der  Volta'schen 
Ketten  verzehrt  eine  Unsumme  von  Zeit,  Kraft  und  Papier,  ohne  zu  einem 
unzweifelhaften  Ende  gebracht  werden  zu  können.  Die  schnelle  und  glän- 
zende Entwickelung  der  physikalischen  Theorie  der  elektrischen  Erscheinungen 
hat  lange  Zeit  keine  andere  Wirkung,  als  die  Unklarheiten  und  Widersprüche 
der  chemischen  Probleme  zu  vermehren,  und  erst  in  jüngster  Zeit,  nachdem 
endlich  auch  eine  quantitative  Theorie  der  chemischen  Wirkungen  reif  ge- 
worden ist,  vermögen  beide  sich  in  dem  Maasse  zu  befruchten,  dass  das  lange 
mit  zweifelhaftem  Erfolg  bebaute  Feld  des  Segens  die  Fülle  bringt. 

Eine  zusammenfassende  Darstellung  der  Entwickelungsgeschichte  der 
wissenschaftlichen  Anschauungen  auf  diesem  Gebiete  darf  demnach  von  vorn- 
herein das  Interesse  sowohl  des  Chemikers  wie  des  Physikers  beanspruchen. 
Dazu  kommt,  dass  kaum  ein  anderer  Theil  in  der  Geschichte  der  Wissen- 
schaft so  viel  allgemein  Lehrreiches  in  Bezug  auf  die  Entwickelung  der 
wissenschaftlichen  Erkenntnisse  enthält.  Nirgend  treten  so  deutlich  die  unsäg- 
lichen Mühen  und  Wehen  zu  Tage,  unter  denen  ein  klarer  Gedanke  sich 
ans  Licht  ringt,  nirgend  kann  man  so  sicher  die  mannigfaltigen  und  oft 
wunderlichen  Wege  verfolgen,  die  der  menschliche  Geist  zu  gehen  verurtheilt 
ist,  bevor  er  an  sein  Ziel  gelangt,  das  unserem  rückschauenden  Auge  in 
unmittelbarster  Nähe  liegend  erscheint. 

Die  Ursache  dieser  Art  der  Entwickelung  liegt  darin,  dass  die  ersten 
Versuche,  die  Natur  gedanklich  zu  erfassen,  nicht  an  den  Problemen  ge- 
macht werden,  welche  am  leichtesten  zu  lösen  sind,  sondern  an  denen,  welche 
sich  dem  forschenden  Geiste  am  dringendsten  entgegenstellen.  So  beginnen 
die  griechischen  Philosophen  ihre  Untersuchungen  nicht  mit  der  Frage  nach 
der  Entstehung  beispielsweise  des  Regens,  sondern  mit  der  nach  der  Ent- 
stehung der  Welt  So  wurde  das  biologische  Problem  nicht  so  gestellt: 
wie  setzt  sich  das  Leben  von  heute  auf  morgen  fort?  sondern:  was  ist  das 
Leben,  und  wie  ist  es  entstanden? 


Einleitung. 


Auch  in  dem  besonderen  Gebiete,  das  wir  betrachten  wollen,  in  der 
Elektrochemie,  sind  die  Ausgangspunkte  äusserst  dunkle  und  schwierige  ge- 
wesen. Im  Jahre  1790  beobachtet  der  Arzt  Aloysio  Galvani  in  Bologna, 
dass  die  Schenkel  eines  todten  Frosches  zucken,  wenn  in  ihrer  Nähe  aus 
dem  Conductor  einer  Elektrisirmaschine  ein  Funke  gezogen  wird.  Er  setzt 
diese  Versuche  fort  und  findet,  dass  ähnliche  Zuckungen  hervorgerufen 
werden,  wenn  er  Nerven  und  Muskeln  eines  enthäuteten  Frosches  durch 
metallene  Bogen  verbindet  Alsbald  erscheinen  ihm  diese  beiden  Theile  wie 
die  Belegungen  einer  Leidener  Flasche,  und  er  gelangt  zu  der  Überzeugung, 
dass  der  Organismus  beständig  Elektricität  hervorbringe,  ja  dass  die  Elektricität 
das  Lebensprincip  im  Organismus  sei.  Das  Problem,  welches  er  in  diesen 
Erscheinungen  sieht,  ist  ihm  ganz  und  gar  ein  biologisches. 

Es  ist  bekannt,  dass  die  Frage  Galvani's  nach  dem  Zusammenhange 
der  elektrischen  Erscheinungen  mit  denen  des  Lebens  trotz  der  hundert- 
jährigen Arbeit  im  Wesentlichen  noch  unbeantwortet  ist,  dass  aber  die  For- 
schung, welche  von  der  Beobachtung  Galvanos  ihren  Ausgang  genommen 
hat,  die  Lehre  von  der  strömenden  Elektricität  oder  vom  Galvanismus,  zu 
den  glänzendsten  Gebieten  der  physikalischen  Wissenschaften  gehört.  Es 
geschah  dies  durch  stufenweises  Herabsteigen  von  der  Höhe  der  ersten 
Fragestellung. 

Volta  machte  sich  zunächst  langsam  und  mühsam  von  der  Herrschaft 
des  präparirten  Froschschenkels  frei,  indem  er  in  seinem  früher  erfundenen 
Condensator  ein  Mittel  zur  Erkennung  der  geringen  elektrischen  Erregungen 
besass,  welche  bis  dahin  nur  mittelst  jenes  physiologischen  Hilfsmittels  der 
Beobachtung  zugänglich  waren.  So  vermochte  er  den  GALVANi'schen  Ver- 
such auf  die  für  ihn  einfachste  Gestalt  der  Verbindung  von  drei  Leitern, 
von  denen  zwei  der  einen,  der  dritte  der  anderen  Klasse  derselben  angehört, ' 
zurückzufuhren. 

Diese  Analyse  ist  dann  von  Volta  weiter  zu  fuhren  versucht  worden, 
indem  er  den  Sitz  der  beobachteten  elektrischen  Spannungen  an  die  Re- 
ruhrungssteüe  der  Metalle  verlegte.  Dies  Problem,  die  einzelnen  Spannungs- 
unterschiede an  den  verschiedenen  Berührungsflächen  zu  ermitteln,  hat  dann 
seit  Volta's  Tagen   bis  heute  die  Forschung  in  Athem  gehalten. 


Fig.   2.     Zerstäubung  von  Eisendraht  durch  den  elektrischen  Funken  nach  VAN   MaEUM.1 

Erstes  Kapitel. 

Vorgeschichte  der  Elektrochemie.    Die  ehemisehen 
Wirkungen  der  Reibungselektricität 


i.  Älteste  Beobachtungen.  Die  geringen  Elektricitätsmengen, 
welche  die  früheren  unvollkommenen  Elektrisirmaschinen  zu  liefern  ver- 
mochten, waren  nicht  genügend,  um  irgend  welche  auffällige  chemische 
Erscheinungen  hervorzubringen.  So  sehen  wir  die  Physiker  Jahrhundertc 
lang  elektrische  Experimente  der  mannigfaltigsten  Art  machen,  ohne  dass 
dabei  chemische  Vorgänge  beobachtet  wurden. 

Die  älteste  Nachricht,  welche-ich  über  chemische  Wirkungen  der  Elektri- 
cität  aufgefunden  habe,  ist  die  „Revivification"  einiger  Metalle  aus  ihren  Kalken, 
welche  der  Pater  Beccaria1  um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  ausführte, 

'  Verhandel.   uitg.  d.  Tevi.ER'b  twccile  Gcnootschap.      4.      St.  Haarlcm    1 78". 
'  Lctttrc   dcll'  elcttricismo,   p.   28T;   nach  Prtesti.f.v,  Gesch.  der  FJektr.,   deutsch   von 
KhCnit/,  Berlin   177»,  S.   185. 


Vorgeschichte  der   Elektrochemie.     Die  chemischen  Wirkungen  der  Reibungselektricität.      1 1 

indem  er  den  durch  die  Leidener  Flasche  verstärkten  elektrischen  Funken 
wischen  zwei  Stücken  der  metallischen  Kalke  (Oxyde)  überschlagen  liess. 
So  erhielt  er  verschiedene  Metalle,  unter  anderen  Zink  in  regulinischem  Zu- 
stande, auch  Quecksilber  aus  Zinnober. 

Irgend  eine  Verwerthung  dieser  Erscheinung  zu  weiteren  Folgerungen 
hat  zu  jener  Zeit  nicht  stattgefunden,  denn  die  elektrischen  Erscheinungen 
waren  den  Forschern  jener  Tage  nach  allen  Richtungen  so  neu  und  wunder- 
bar, dass  die  sich  fast  nur  mit  deren  Aufsuchung  und  Vermehrung  beschäf- 
tigten, ohne  sich  um  ihre  wissenschaftliche  Verwerthung  viel  zu  bemühen.  So 
rindet  sich  bei  Gelegenheit  dieser  Beobachtung  kein  Versuch,  sie  in  irgend 
einem  Sinne  zur  Aufklärung  des  Wesens  der  Elektricität  oder  der  chemischen 
Verwandtschaft  zu  verwerthen. 

2.  Wirkung  des  Funkens  aui  atmosphärische  Luft.  Eine  der- 
artige Wechselwirkung  beider  Wissensgebiete  beginnt  steh,  wenn  auch  eben 


nicht  in  hervorragender  Weise,  bei  einer  Beobachtung  von  Priestixv1  zu 
»igen,  dass  gewöhnliche  atmosphärische  Luft  durch  elektrische  Entladungen, 
«eiche  sie  durchsetzen,  in  Säure  verwandelt  wird.  Ich  lasse  den  Entdecker  reden: 

1  Experiment»    and     Observation*    on    varinns    kinds    nf  air.    Manchester    1775.      Deutsche 
Aatfjbe,  Wien   und   Leipzig   1778,  1,   178. 


12  Erstes  Kapitel. 


„Ich  nahm  daher  eine  gläserne  Röhre,  die  ungefähr  l/l0  Zoll  im  Durch- 
messer hatte  (Fig.  3  a.  v.  S.,  16).  An  das  eine  Ende  derselben  kittete  ich  ein  Stück 
Draht  b,  worauf  ich  eine  metallene  Kugel  steckte.  Den  untersten  Theil 
von  a  füllte  ich  mit  Wasser,  das  ich  mit  Lackmus  oder  Orseille  blau,  oder 
vielmehr  purpurn  färbte.  Man  kann  diese  Röhre  sehr  leicht  vermittelst  der 
Luftpumpe  füllen,  wenn  man  das  Rohr  in  ein  Gefäss  mit  dem  gefärbten 
Wasser  setzt. 

„Nachdem  ich  nun  Alles  so  zubereitet  hatte  und  ungefähr  ein  Minute 
lang  elektrische  Funken  zwischen  den  Draht  b  und  das  gefärbte  Wasser  a 
hatte  schlagen  lassen,  so  fing  der  obere  Theil  desselben  an  roth  durchzu- 
scheinen, und  in  zwei  Minuten  darauf  hatte  es  sich  vollkommen  roth  ge- 
färbt .  .  . 

„Allein  unter  allen  diesen  Beobachtungen  war  wohl  diese  die  aller- 
wichtigste,  aber  auch  unerwartetste,  dass  die  Flüssigkeit  in  eben  dem  Ver- 
hältnisse, wie  sie  roth  zu  werden  anfing,  dem  Draht  näher  kam,  so  dass  der 
Raum  der  Luft,  in  der  der  Funke  geschlagen  hatte,  vermindert  wurde;  und 
zwar  betrug  die  Verminderung,  wie  ich  endlich  noch  fand,  ungefähr  1/6  des 
ganzen  Raumes.  Auch  fortgesetztes  Elektrisiren  brachte  keine  Verminderung 
weiter  hervor. 

„Um  nun  zu  bestimmen,  ob  die  Ursache  der  veränderten  Farbe  in  der 
Luft  oder  in  der  elektrischen  Materie  enthalten  wäre,  dehnte  ich  die  Luft, 
welche  in  der  Röhre  vermindert  worden  war,  mittelst  einer  Luftpumpe  so 
aus,  dass  sie  das  blaue  Wasser  heraustrieb  und  Hess  an  dessen  Stelle  neues 
hinein.  Nun  brachte  aber  die  Elektricität  weiter  keine  merkliche  Wirkung 
hervor,  weder  in  der  Luft,  noch  in  der  Flüssigkeit,  so  dass  man  augen- 
scheinlich sehen  konnte,  dass  die  elektrische  Materie  die  Luft  zersetzt  und 
daraus  etwas  einer  Säure  Ähnliches  niedergeschlagen  habe. 

„Um  ferner  zu  bestimmen,  ob  der  Draht  etwas  zu  der  Wirkung  bei- 
getragen habe,  nahm  ich  Drähte  von  verschiedenen  Metallen,  Eisen,  Kupfer, 
Messing  und  Silber.     Allein  bei  allen  war  der  Erfolg  derselbe. 

„Dieses  erfolgte  auch,  als  ich  den  elektrischen  Funken  ganz  ohne  Draht 
durch  eine  gebogene  Glasröhre  auf  folgende  Art  schlagen  Hess.  Ich  setzte 
einen  jeden  Schenkel  der  Röhre  (Fig.  3,  19)  in  ein  Gefäss  mit  Quecksilber,  das 
ich  unter  der  Luftpumpe  zu  der  Höhe  aa  in  einem  jeden  Schenkel  so  steigen 
Hess,  dass  der  Raum  zwischen  a  und  b  in  jedem  Schenkel  mit  dem  blauen 
Wasser  und  der  Raum  zwischen  b  und  b  mit  gemeiner  Luft  angefüllt  war. 
Nach  dieser  Vorbereitung  Hess  ich  den  elektrischen  Funken  von  einem 
Schenkel  zum  anderen  überschlagen,  so  dass  er  von  der  Flüssigkeit  in  dem 
einen  Schenkel  der  Röhre  bis  zu  der  Flüssigkeit  in  dem  anderen  durch  den 
mit  der  Luft  angefüllten  Raum  schlug.  Es  wurde  hierauf  das  Wasser  in 
beiden  Schenkeln  roth  und  der  mit  Luft  angefüllte  Raum  wurde  kleiner, 
wie  vorher." 

Die  weiteren  Bemerkungen  und  Versuche  Priestley's  beziehen  sich  auf 
die  Bestimmung  der  Natur  der  Säure,  welche  bei  diesem  Versuch  entstanden 


Vorgeschichte  der  Elektrochemie.    Die  chemischen  Wirkungen  der  Reibnngselcktricität       1 1 


ist  Er  gelangt  zu  dem  Ergebnisse  dass  Kohlensaure  gebildet  worden  sei, 
und  belegt  dies  durch  eine  Anzahl  Versuche.  Wir  wissen  jetzt,  dass  sich 
nicht  Kohlensäure,  sondern 
Salpeter-  und  salpetrige 
Säure  unter  diesen  Um- 
ständen bildet;  da  sich  aus 
der  Darlegung  Priestley's 
ergiebt,  dass  er  die  Bil- 
dung von  Kohlensäure  er- 
wartet hat,  so  zeigt  sich, 
wie  leicht  selbst  ein  ge- 
übter Experimentator,  wie 
Priestley  einer  war,  Dinge 
sieht,  welche  er  zu  sehen 
erwartet,  auch  wenn  sie 
nicht  vorhanden  sind. 

3.  Versuche  von 
Cavendish.  Priestley's  Irr- 
thum    wurde    bald    darauf 


Fig.  4.    Nach  Cavendish. 


durch  Cavendish  verbessert,  der  den  merkwürdigen  Versuch  mit  der  ihm 
eigenen  Sorgfalt  und  Genauigkeit  wiederholte,  und  die  Natur  der  Säure, 
welche  dabei  gebildet  wurde,  richtig  erkannte.  Cavendish 
schildert1  seine  Beobachtungen  folgen dermassen. 

,,Der  Apparat  (Fig.  4),  welcher  zum  Versuch  benutzt 
wurde,  war  folgender.  Die  Luft,  durch  welche  der  Funke 
gehen  sollte,  war  in  eine  Glasröhre  M  eingeschlossen,  die 
im  Winkel  gebogen  war  und  nach  der  Fällung  mit  Queck-  DU 
silber,  in  zwei  Gläsern  mit  derselben  Flüssigkeit  umgekehrt 
wurde,  wie  die  Figur  zeigt.  Die  zu  untersuchende  Luft  wurde 
dann  durch  eine  Röhre,  wie  solche  zu  Thermometern  benutzt 
werden,  eingeführt,  welche  in  der  durch  ABC  (Fig.  5)  an- 
gegebenen Form  gebogen  war,  und  deren  gebogenes  Ende, 
nachdem  sie  mit  Quecksilber  gefüllt  war,  unter  das  Glas  DEF 
wie  in  der  Figur,  geführt  wurde,  welches  in  Wasser  umge- 
kehrt stand  und  das  gewünschte  Gas  enthielt,  das  Ende  C 
der  Röhre  wurde  dabei  mit  dem  Finger  verschlossen;  wenn 
der  Finger  entfernt  wurde,  senkte  sich  das  Quecksilber  in 
den  Arm  BC  und  der  Raum  wurde  durch  die  Luft  aus 
dem  Glase  DEF  erfüllt  Nachdem  so  die  gewünschte 
Menge  Luft  in  die  Röhre  ABC  gebracht  war,  wurde  diese 
mit  dem  Ende  C  nach  oben  gehalten  und  mit  dem  Finger  verschlossen; 
und  das  Ende  Ay   welches  zu  diesem  Zwecke  dünner  gemacht  war,  wurde 


Fitf.  5.     Nach 
Cavendish. 


\         lm<*.   Trans.  66,  B.  372.  1775. 


M 


Erstes  Kapitel. 


Fig.  6.     Nach  Cavendish. 

mittelst  eines  Hebers  entfernte. 


in  ein  Ende  der  gebogenen  Röhre  M  (Fig.  4)  geführt,  worauf  die  Luft, 
nach  Entfernung  des  Fingers  von  C  durch  den  Druck  des  Quecksilbers  im 
Arm  B  C  in  diese  Röhre  gepresst  wurde.  Durch  dieses  Mittel  war  ich  im 
Stande,   jede    gewünschte  Menge    irgend    einer   Gasart  in  die  Röhre  M  zu 

schaffen,  und  auf  gleiche  Weise  konnte  ich 
irgend  eine  Menge  Seifensiederlauge  oder 
eine  andere  Flüssigkeit,  welche  mit  dem 
Gase  in  Berührung  sein  sollte,  aufsteigen 
lassen. 

„In  einem  Falle  indessen,  wo  ich#Luft 
oftmals  während  eines  Versuches  in  die  Röhre 
bringen  musste,  benutzte  ich  den  in  Fig.  6 
dargestellten  Apparat,  welcher  aus  der  engen 
Röhre  AB,  der  Kugel  C  und  der  weiten 
Röhre  D  E  bestand.  Dieser  Apparat  wurde 
zuerst  mit  Quecksilber  gefüllt,  und  dann  wurde 
die  Kugel  C  und  die  Röhre  AB  mit  dem 
Gas  gefüllt,  indem  man  die  Spitze  A  unter 
ein  umgekehrtes  in  Wasser  stehendes  Glas 
brachte,  welches  das  gewünschte  Gas  ent- 
hielt und  das  Quecksilber  aus  dem  Arm  ED 
Nachdem  der  Apparat  so  mit  Gas  beschickt 
war,  wurde  er  gewogen,  und  die  Spitze  A  in  eine  Öffnung  der  Röhre  M 
eingeführt  und  während  des  Versuches  dort  belassen;  das  Mittel,  um  die 
Luft  aus  diesem  Apparat  in  die  Röhre  M  zu  pressen,  bestand  darin,  dass 
in  die  Röhre  ED  ein  hölzerner  Cylinder  eingeführt  wurde,  welcher  die  Öff- 
nung fast  vollständig  ausfüllte;  in  die  Röhre  wurde  gelegentlich  Quecksilber 
nachgegossen,  um  das  zu  ersetzen,  welches  in  die  Kugel  C  getrieben  war. 
Nachdem  der  Versuch  geschlossen  war,  wurde  der  Apparat  wieder  gewogen, 
woraus  sich  ergab,  wie  viel  Luft  während  des  ganzen  Versuches  in  die 
Röhre  M  getrieben  war;  denn  ihr  Volumen  war  gleich  dem  der  Quecksilber- 
menge, deren  Gewicht  der  Gewichtszunahme  des  Apparates  gleich  war. 

„Das  Lumen  der  Röhre  M,  welche  in  den  meisten  der  folgenden  Ver- 
suche benutzt  wurde,  betrug  etwa  ein  ljl0  Zoll  und  die  Länge  der  Luftsäule, 
welche  den  oberen  Theil  der  Röhre  einnahm,  war  im  Allgemeinen  von  i1/, 
bis  3/4  Zoll  .... 

.  .  .  „Wenn  der  elektrische  Funken  durch  gewöhnliche  Luft  getrieben 
wurde,  welche  durch  zwei  kurze  Säulen  von  Lackmustinctur  abgeschlossen 
war,  so  nahm  die  Lösung  eine  rothe  Farbe  an,  entsprechend  dem,  was 
Dr.  Priestley  beobachtet  hatte. 

„Wurde  Kalkwasser  statt  der  Lackmuslösung  angewendet  und  der 
Funke  durchgeleitet,  bis  keine  Verminderung  der  Luft  mehr  bewirkt  werden 
konnte,  so  konnte  nicht  die  leiseste  Trübung  im  Kalkwasser  beobachtet 
werden;  die  Luft  war  aber  auf  zwei  Drittel  ihres  ursprünglichen  Volumens 


Vorgeschichte  der  Elektrochemie.    Die  chemischen  Wirkungen  der  Reibungselektricität.       j  e 

vermindert;  dies  ist  eine  grössere  Verminderung,  als  sie  durch  blosse  Phlo- 
gistisation  (Entziehung  von  Sauerstoff)  hätte  erfahren  können,  da  diese  wenig 
mehr  als  ein  Fünftel  des  Ganzen  beträgt. 

„Der  Versuch  wurde  dann  mit  etwas  unreiner  dephlogistisirter  Luft 
Sauerstoff)  wiederholt.  Dies  Gas  wurde  sehr  stark  vermindert,  ohne  dass 
die  geringste  Trübung  im  Kalkwasser  entstanden  wäre.  Auch  wurde  keine 
Trübung  bemerkt,  als  etwas  fixe  Luft  (Kohlensäure)  zugelassen  wurde;  auf 
die  fernere  Zufügung  von  etwas  kaustischem  flüchtigem  Alkali  (Ammoniak) 
wurde  alsbald  ein  brauner  Niederschlag  bemerkt. 

„Daraus  können  wir  schliessen,  dass  das  Kalkwasser  durch  etwas  ge- 
sättigt war,  was  beim  Versuch  gebildet  wurde;  denn  in  diesem  Falle  ist  es 
offenbar,  dass  durch  die  fixe  Luft  die  Erde  nicht  gefällt  werden  konnte, 
während  das  kaustische  flüchtige  Alkali  beim  Hinzutreten  die  fixe  Luft  ab- 
sorbiren  musste,  mild  wurde  und  unmittelbar  die  Erde  fällte,  während  sie, 
wenn  die  Erde  im  Kalkwasser  nicht  mit  einer  Säure  gesättigt  gewesen  wäre, 
von  der  fixen  Luft  hätte  gefällt  werden  müssen.  Was  die  braune  Farbe 
des  Niederschlages  anlangt,  so  ist  dieselbe  sehr  wahrscheinlich  durch  etwas 
aufgelöstes  Quecksilber  veranlasst  .... 

„Ist  die  Luft  durch  Seifensiederlauge  abgeschlossen,  so  geht  die  Ver- 
minderung erheblich  schneller  vor  sich,  als  mit  Kalkwasser;  aus  diesem 
Grunde,  und  weil  die  Lauge  im  Verhältniss  zu  ihrem  Volumen  so  viel  mehr 
alkalische  Substanz  enthält,  ist  die  Lauge  viel  geeigneter,  die  Natur  der  ent- 
stehenden Säure  zu  bestimmen,  als  Kalkwasser.  Ich  machte  deshalb  einige 
Versuche,  um  zu  bestimmen,  von  welchem  Grade  der  Reinheit  die  Luft  sein 
musste,  um  am  schnellsten  und  im  höchsten  Maasse  vermindert  zu  werden, 
und  ich  fand,  dass,  wenn  gute  dephlogistisirte  Luft  benutzt  wurde,  nur  eine 
geringe  Verminderung  eintrat;  wenn  vollständig  phlogistisirte  Luft  (Stickstoff) 
genommen  wurde,  fand  keine  merkliche  Verminderung  Platz;  wenn  aber  fünf 
Theile  reine  dephlogistisirte  Luft  mit  drei  Theilen  gewöhnlicher  Luft  ge- 
mischt wurde,  so  konnte  fast  die  ganze  Luft  zum  Verschwinden  gebracht 
werden. 

„Es  muss  berücksichtigt  werden,  dass  gemeine  Luft  aus  einem  Theil 
dephlogistisirter  Luft,  vermischt  mit  vier  Theilen  phlogistisirter  besteht;  so 
dass  ein  Gemenge  von  fünf  Theilen  reiner  dephlogistisirter  Luft  und  dreien 
gewöhnlicher  Luft  dasselbe  ist,  wie  ein  Gemenge  von  sieben  Theilen  dephlo- 
gistisirter Luft  auf  drei  Theile  phlogistisirter. 

„Nach  diesen  vorläufigen  Versuchen  brachte  ich  in  die  Röhre  ein  wenig 
Seifensiederlauge  und  Hess  dann  etwas  dephlogistisirte  und  gemeine  Luft,  in 
dem  oben  angegebenen  Verhältniss  vermischt,  eintreten,  welche  beim  Auf- 
steigen zu  dem  höchsten  Punkt  der  Röhre  M  die  Lauge  in  die  beiden 
Schenkel  drängte.  Sobald  die  Luft  durch  den  elektrischen  Funken  ver- 
mindert war,  Hess  ich  neue  von  derselben  Beschaffenheit  hinzutreten,  bis 
keine  weitere  Verminderung  stattfand:  worauf  ein  wenig  dephlogistisirte  und 
hernach  ein  wenig  gemeine  Luft  zugefügt  wurde,  um  zu  sehen,  ob  das  Auf- 


j6  Erstes  Kapitel. 


hören  djr  Verminderung  nicht  in  einer  Unvollkommenheit  in  dem  Verhält- 
niss  der  beiden  Arten  Luft  zu  einander  begründet  war;  jedoch  ohne  Wirkung. 
Die  Lauge  wurde  dann  aus  der  Röhre  geschüttet  und  von  dem  Quecksilber 
getrennt;  sie  schien  völlig  neutralisirt,  denn  sie  verfärbte  nicht  ein  mit  dem 
Saft  blauer  Blumen  gefärbtes  Papier.  Nach  dem  Verdunsten  zur  Trockne 
Hess  sie  ein  wenig  eines  Salzes,  welches  offenbar  Salpeter  war,  wie  sich  aus 
der  Weise,  in  welcher  ein  mit  der  Lösung  getränktes  Papier  brannte,  ergab. 

.  .  .  „Ein  Umstand  trat  indessen  auf,  welcher  zuerst  zu  zeigen  schien, 
dass  dies  Salz  etwas  Salzsäure  enthielt:  es  fand  nämlich  eine  deutliche  Fällung 
statt,  wenn  zu  einer  wässerigen  Lösung  desselben  etwas  Silberlösung  gesetzt 
wurde,  obwohl  die  benutzte  Lauge  völlig  frei  von  Salzsäure  war,  und  ob- 
wohl, um  aller  Gefahr  einer  Fällung  durch  einen  Ueberschuss  von  Alkali 
darin  zuvorzukommen,  etwas  gereinigte  Salpetersäure  vor  dem  Zusatz  der 
Silberlösung  zugefügt  worden  war.  Beim  Nachdenken  vermuthete  ich  in- 
dessen, dass  die  Fällung  daher  rühren  könnte,  dass  die  Salpetersäure  darin 
phlogistisirt  war;  und  deshalb  versuchte  ich,  ob  stark  phiogistisirter  Salpeter 
(salpetrigsaures  Kalium)  Silber  aus  seiner  Lösung  fällt.  Zu  diesem  Zweck  setzte 
ich  etwas  Salpeter  in  einer  irdenen  Retorte  dem  Feuer  aus,  bis  er  eine  ziem- 
liche Menge  dephlogistisirter  Luft  abgegeben  hatte,  und  dann  nachdem  ich 
ihn  in  Wasser  aufgelöst  und  etwas  wohlgereinigten  Salpetergeist  (Salpetersäure) 
zugefugt  hatte,  bis  er  deutlich  sauer  war,  um  sicher  zu  sein,  dass  das  Alkali 
nicht  vorwaltete,  tropfte  ich  etwas  Silberlösung  dazu,  welche  unmittelbar  einen 
sehr  reichlichen  Niederschlag  hervorbrachte.  Diese  Lösung  verlor  übrigens, 
nachdem  sie  von  einigem  Phlogiston  durch  Verdampfung  zur  Trockne  und 
Aussetzung  an  die  Luft  während  einiger  Wochen  befreit  war,  ihre  Eigen- 
schaft Silber  zu  fällen,  ein  Beweis,  dass  diese  Eigenschaft  allein  von  ihrer 
Phlogistication  und  nicht  von  der  Aufnahme  von  Kochsalz  aus  der  Retorte 
oder  anders  woher  herrührte." 

Der  letzte  Theil  dieser  durch  Sorgfalt  und  Umsicht  ausgezeichneten 
Abhandlung  ist  der  Erklärung  der  beobachteten  Erscheinungen  auf  Grund- 
lage der  Phlogistontheorie  gewidmet  und  kann  daher  übergangen  werden. 
Über  die  Frage,  worauf  die  Wirkung  des  elektrischen  Funkens  bei  diesem 
Vorgang  beruhe,  hat  Cavenüish  keine  Untersuchungen  oder  Betrachtungen 
angestellt. 

Später1  hat  Cavendish,  als  Zweifel  an  dem  Gelingen  des  Versuches 
ausgesprochen  wurden,  den  damaligen  Sekretär  der  Royal  Society,  Herrn 
Gi MMN,  zur  Wiederholung  desselben  veranlasst  Das  erste  Experiment  dauerte 
vom  6.  December  1777  bis  zum  28.  Januar  1778,  und  das  entstandene 
Produkt  wurde  in  Gegenwart  der  Herren  Jos.  Banks,  Blagden,  Dollfuss, 
Fordyck,  IIeberden,  J.  Hunter,  Macie  und  WAison  untersucht  und  erwies 
sich  nach  den  angegebenen  Erscheinungen  als  ein  Gemenge  der  Nitrate  und 
Nitrite  von  Kalium   und  Quecksilber.     Es  war  demnach  mehr  Salpetersäure 


1  Philos.  Trans.  78,   26.   1778, 


VofgdchicbM  der  Elektrochemie.     Die  ehemischen  Wirkungen  der  Reibungwlektricitat.      i  j 

erzeugt  worden,  als  zur  Sättigung  des  Kalis  nöthig  war.  Ein  zweiter  Ver- 
such, der  am  29.  Februar  bis  zum  19.  März  dauerte,  gab  ähnliche  Resultate. 
4.  Untersuchungen  von  van  Marum.  Einen  wesentlichen  Fort- 
schritt machte  die  Kenntniss  der  Abhängigkeit  chemischer  Erscheinungen 
von  elektrischen  durch  den  Umstand,  dass  auf  Kosten  der  TEYLKn'schcn 
Stiftung  in  Rotterdam  eine  Elektrisirmaschine  von  gewaltigen  Dimensionen 
gebaut  wurde.  Derartige  Renommirstücke  haben  allerdings  nicht  selten  die 
von  ihnen  erwarteten  Erfolge  vermissen  lassen;  durch  einen  wissenschaftlichen 
Glücksfall   gerieth    aber   diese  Maschine   (Fig.  7)   in  die  Hand   eines   ebenso 


FBiTvyJH^fl  I   \    y    1  Uli  ILzä 


FiK-   7 


Die  gros&e   TEVLtK'schc  Elcktrisirmasuhinc.      Nach   V 


eifrigen  wie  begabten  Experimentators,  van  Marum,  und  es  konnte  nicht 
fehlen,  dass  die  von  dem  Apparat  gelieferten  relativ  bedeutenden  Elektricitäts- 
mt-ngen  auch  entsprechende  chemische  Wirkungen  zu  Tage  treten  Hessen. 
Die  hergehörigen  Beobachtungen,  über  welche  van  Marum  in  seiner  ersten 
Mittheilung1  berichtet,  sind  zunächst  von  ziemlich  geringem  Umfange  und  Inter- 
esse. Er  untersuchte  eine  Anzahl  Gase  auf  ihr  Verhalten  in  dem  Funkenstrom 
der  Maschine  und  fand  folgendes.  Dephlogistisirte  Luft  (Sauerstoff  erfuhr  keine 
Änderung.  Salpetergas  (Stickstoffoxyd)  verminderte  sein  Volumen  auf  die 
Hälfte  und  weniger,  während  das  Quecksilber  angegriffen  wurde.  Der  Rück- 
stand verhielt  sich  wie  phlogistisirte  Luft  (Stickstoff).  Brennbare  Luft 
mittelst  Eisen  (Wasserstoff)  gab  ausser  einer  auffalligen  rothen  Färbung  des 
Funkens  keine  besondere  Erscheinung.  Brennbare  Luft  aus  Weingeist  und 
Schwefelsaure  (Äthylen)  vergrösserte  ihr  Volumen  um  das  Dreifache;  das 
entstandene  Gas  verhielt  sich  wie  brennbare  Luft  mittelst  Eisen.  Fixe 
Luft  {Kohlensäure)  vergrösserte  ihr  Volumen  um  ein  Geringes  und  verlor  zum 
Theil  ihre  Fähigkeit,  vom  Wasser  verschluckt  zu  werden.  Luft  aus  Schwefel- 
saure, durch  Erhitzen  mit  Holzkohle  erhalten  (also  eine  Gemenge  von 
Schwefeldioxyd  und  Kohlendioxyd),  verminderte  etwas  ihr  Volumen,  gab 
schwarze  Flecken  auf  dem  Quecksilber  und  wurde  vom  Wasser  nicht  mehr 


1  Yahiadct  vitg.  <1.  TEVLEk's  II.  Genootsch.,  3,   ii6ff.   1785. 


|8  Erstes  Kapitel. 


verschluckt.  Salzsäuregas  Hess  keine  Einwirkung  erkennen,  ebensowenig  Luft  aus 
dem  Späth  von  Derbyshire  (wahrscheinlich  Siliciumfluorid).  „Akalische  Luft" 
(Ammoniak)  vergrößerte  ihr  Volumen  von  27/8  Zoll  auf  4lj4>  verlor  ihre  Fähig- 
keit, vom  Wasser  verschluckt  zu  werden  und  explodirte  beim  Anzünden. 
Atmosphärische  Luft  bildete  Spuren  von  Säure.  Schlussfolgerungen  zieht 
van  Marum  aus  diesen  Versuchen  zunächst  nicht. 

In  der  ersten  Fortsetzung  dieser  Untersuchungen 1  werden  zunächst  sehr 
ausfuhrliche  Untersuchungen  über  das  Schmelzen  und  Verbrennen  von 
Metallen  durch  den  elektrischen  Schlag  mitgetheilt  Es  konnten  beim  Blei, 
Zinn,  Eisen,2  Kupfer,  Silber  und  Gold  solche  Verbrennungen  hervorgerufen 
werden;  auch  hebt  van  Marum  hervor,  dass  die  Erscheinungen  bei  den 
edlen  Metallen  Silber  und  Gold  ganz  denen  bei  den  anderen  entsprechen, 
und  somit  auch  bei  diesen  eine  „Verkalkung"  annehmen  lassen. 

Schon  bei  dieser  Gelegenheit  macht  sich  das  später  immer  mehr  zur 
Geltung  kommende  Bestreben  sichtbar,  die  mit  Hülfe  der  Elektricität  beob- 
achteten Erscheinungen  für  die  Beantwortung  chemischer  Fragen  zu  ver- 
werthen.  Um  jene  Zeit,  in  den  achtziger  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts, 
war  soeben  der  Streit  zwischen  Stahl's  Phlogistöntheorie  und  der  Sauer- 
stofftheorie von  Lavoisier  entbrannt.  Van  Marum,  der  wie  alle  Zeitgenossen 
bis  dahin  die  Phlogistöntheorie  angenommen  hatte,  wurde  bald  durch  seine 
Versuche  ein  überzeugter  Anhänger  der  neuen  Anschauungen  und  richtete 
seine  Forschungen  alsbald  auf  Punkte,  an  denen  ihm  eine  Entscheidung 
möglich  schien.  So  glaubte  er  schon  in  der  Thatsache,  dass  der  elektrische 
Schlag  Metalle  sowohl  verkalken,  wie  Metallkalke  „revivificiren"  kann,  einen 
Beweis  gegen  die  Phlogistöntheorie  zu  finden.  Finden  wir  auch  gegen- 
wärtig seine  bei  dieser  Gelegenheit  entwickelten  Überlegungen  wenig  über- 
zeugend, so  hat  er  doch  eine  Anzahl  von  Versuchen  über  das  Verhalten 
der  Metalle  in  verschiedenen  Gasen  beim  elektrischen  Schlage  beigebracht, 
welche  um  so  entscheidender  sind.  So  fand  er,3  dass  in  Stickstoff  die 
Metalle  sich  nicht  verkalken,  sondern  nur  schmelzen,  während  Blei  in  Sauer- 
stoff ein  vollständigeres  Verkalken  zu  einem  gelbgefärbten  Stoff  erkennen 
Hess,  als  in  der  Luft,  wo  das  Produkt  grau  war.  Beim  Eisen  und  Zinn  liess 
sich  kein  Unterschied  entdecken.  Auch  in  „Salpetergas"  oder  Stickoxyd 
wurden  die  Metalle  verkalkt;  die  Thatsache  erschien  van  Marum  anfangs 
sehr  schwer  verständlich,  wurde  aber  von  ihm  richtig  aus  dem  Sauerstoff- 
gchalt  dieses  Gases  gedeutet. 

Auch  Versuche,  die  Verkalkung  der  Metalle  in  Wasser  zu  bewirken, 
hat  van  Marum  angestellt.  Es  gelang  ihm  in  der  That,  die  Bildung  von 
Wasserstoff  bei  der  Anwendung  eines  Zinndrahtes  nachzuweisen,  doch  war 
die  Gasmenge,  welche  er  erhielt,  sehr  gering,  und  er  verschob  weitere  Ver- 


1  Verhandel.  uitg.  d.  Teyler's  II.  Genootsch.  4,   1787. 

1  Die  Abbildung  auf  S.  10  stellt  nach  van  Marum  die  Erscheinung  dar,  welche  ein  über 
einem  Papierblatte  zerstäubender  Eisendraht  hinterlässt. 
8  A.  a.  O.  S.  127. 


Vorgeschichte  der  Elektrbchemie.     Die  chemischen  Wirkungen  der  Reibungselektricität.      \g 

suche,  da  die  Ladung  seiner  Batterie  durch  das  feuchte  Wetter  des  Herbstes 
1786  sehr  erschwert  war,  auf  günstigere  Zeiten. 

Versuche  über  das  Verhalten  verschiedener  Gase  gegen  den  Funken1 
ergaben  im  Wesentlichen  Ähnliches,  wie  die  früher  mitgetheilten.  Sauer- 
stoff verband  sich  reichlich  mit  dem  absperrenden  Quecksilber,  auch  wenn 
der  Funke  nicht  unmittelbar  auf  dieses,  sondern  auf  ein  hervorragendes 
Stück  Eisen  schlug.  Auch  diese  Beobachtung  verwerthet  van  Marum  als 
Beweis  für  die  Sauerstofftheorie.  Stickstoff  schien  keine  materielle  Änderung 
zu  erfahren,  zeigte  aber  eine  merkliche  Vergrösserung  des  Volumens,  die  nach 
einigen  Tagen  an  dem  sich  selbst  überlassenen  Gase  wieder  verschwand.1 
Von  Salpetergas  (Stickoxyd),  welches  über  Kalilauge  elektrisirt  wurde,  ver- 
schwanden drei  Viertel  dem  Volumen  nach,  und  die  Lauge  erhielt  die  Fähig- 
keit, Papier  nach  dem  Tränken  und  Trocknen  verglimmbar  zu  machen. 
Indessen  überzeugte  sich  van  Marum,  dass  auch  ohne  die  Anwendung 
der  Elektricität  das  Salpetergas  von  Lauge  verschluckt  wurde,  wenn 
auch  unvergleichlich  viel  langsamer.  Wasserstoff  erfuhr  keine  Veränderung, 
Ammoniak  die  bekannte  Zersetzung.  Endlich  wurde  auch  der  Versuch 
von  Cavendish  über  die  Bildung  der  Salpetersäure  aus  Luft  und  Sauerstoff 
wiederholt,  in  der  Hauptsache  zwar  mit  Erfolg,  im  Einzelnen  indessen. mit 
gewissen  Abweichungen. 

In  der  zweiten  Fortsetzung8  seiner  Beobachtungen  beschäftigt  sich 
van  Marum  mit  der  Frage,  „ob  die  Elektricität  Wärme  enthält",  und  beant- 
wortet sie  bejahend  auf  Grund  einiger  Versuche,  welche  sich  auf  die  Bil- 
dung von  Gasen  aus  Flüssigkeiten  unter  dem  Einflüsse  elektrischer  Funken 
beziehen.  Schon  Priestlev4  hatte  angegeben,  dass  Äther  und  Öl  unter 
dem  Einflüsse  elektrischer  Entladungen  gasförmige  Stoffe  ausgeben,  doch 
konnte  van  Marum  bei  einer  Wiederholung  dieser  Versuche  zuerst  keine 
deudichen  Resultate  erhalten.  Erst  als  er  die  Flüssigkeiten  in  den  leeren 
Raum  eines  Barometers  brachte,  dessen  Röhre  von  einem  Platindraht  durch- 
setzt war,  gelang  ihm  die  Bildung  von  Gasen.  Er  erhielt  aus  Alkohol  und 
Kampher  fast  reinen  Wasserstoff,  aus  wässerigem  Ammoniak  ein  Gemenge 
von  Wasserstoff  und  Stickstoff,  ebenso  aus  Ammoniumcarbonatlösung.  Auch 
mit  Wasser  stellte  er  Versuche  an.  Er  erhielt  ein  Gas,  welches,  wenn  es 
einige  Zeit  sich  selbst  überlassen  wurde,  sein  Volumen  verminderte.  Der 
Rückstand  verhielt  sich  wie  Wasserstoff;  er  explodirte  für  sich  nicht  durch 
den  Funken,  wohl  aber  nach  Zusatz  von  Luft. 

Van  Marum  ist  sich  klar  darüber,    dass  er  eigentlich  nach  der  Theorie 

1  a.  a.  CX  S.  196. 

*  In  neuester  Zeit  wurden  ähnliche  Beobachtungen  von  J.  J.  Thomson  mitgetheilt,  doch 
sind  sie  von  Threllfall  als  von  Verunreinigungen  herrührend  erklärt  worden. 

s  Veriiandel.  uitg.  d.  Teyler's  II.  Genootsch.  9,  1795:  Exp6riences,  qui  fönt  voir,  qu'il 
>'  a  de  la  calorique  dans  le  fluide  electrique. 

4  Eip.  and  observ.  1,   195,   Birmingham    I7W>,  S.  84. 


2o  Erstes  Kapitel. 


von  Lavoisier  ein  Gemenge  von  Wasserstoff  und  Sauerstoff  hätte  erhalten 
müssen.  „Die  Bildung  des  Wasserstoffgases  aus  Wasser,  ohne  jede  Bildung 
von  Sauerstoffgas,  kann  im  ersten  Augenblicke  etwas  schwer  erklärbar  er- 
scheinen, da  der  Wasserstoff  nicht  ohne  Abtrennung  des  anderen  Bestand- 
theils  des  Wassers,  des  Sauerstoffs,  aus  dem  Wasser  gebildet  werden  kann. 
Woher  kommt  es  denn  (könnte  man  fragen),  dass  dieser  vom  Wasserstoff 
getrennte  Sauerstoff  sich  nicht  ebenso  wie  jener  mit  der  Wärme  der  elek- 
trischen Flüssigkeit  vereinigt,  und  man  ihn  nicht  gleichfalls  als  Gas,  gemengt 
mit  dem  Wasserstoffgas,  vorfindet?  Vielleicht  ist  aber  diese  Verbindung 
des  Sauerstoffs  schwieriger,  als  die  des  Wasserstoffs.  Auch  haben  wir  früher 
gesehen,  dass  die  elektrische  Flüssigkeit  den  Sauerstoff  zersetzt,  und  der 
Sauerstoff  sich  mit  dem  Quecksilber  verbindet  und  es  oxydirt,  wenn  man 
den  Versuch  über  Quecksilber  macht,  oder  dass  der  Sauerstoff  vom  Wasser 
absorbirt  wird,  wenn  man  ihn  über  Wasser  anstellt.  Es  ist  daher  wahr- 
scheinlich, dass  das  eine  oder  das  andere  auch  bei  diesem  Versuch  statt- 
findet, wenn  auch  die  Oxydation  des  Quecksilbers  hier  nicht  so  erheblich 
ist,  als  dass  sie  bemerkt  werden  könnte." 

Wie  wir  bald  sehen  werden,  ist  dieser  Versuch  bald  darauf  mit  befrie- 
digendem Ergebnisse  von  einem  früheren  Mitarbeiter  van  Marum's,  Paets 
van  Troostwijk  in  Gemeinschaft  mit  Deimann,  ausgeführt  und  zu  Gunsten 
der  Theorie  von  Lavoisier  verwerthet  worden. 

Auf  die  Aufforderung  Anderer  hin  hat  van  Marum  die  Wirkung  der 
elektrischen  Entladung  auf  verschiedene  Flüssigkeiten  untersucht.  Concentrirte 
Schwefelsäure  gab  keinerlei  besondere  Wirkung.  Salpetersäure  entwickelte  ein 
Gas,  welches  bald  wieder  absorbirt  wurde,  ebenso  Salzsäure  und  Chlorwasser. 
Potaschelösung  erfuhr  keinerlei  Veränderung,  ebensowenig  Lackmustinctur, 
geschmolzener  Salpeter,  Chlorsilber,  sowie  Lösungen  der  Salze  von  Silber, 
Kupfer,  Eisen,  Blei,  Quecksilber,  Gold  und  Zinn.  Das  Kapitel  schliesst  mit 
den  charakteristischen  Worten:  „Die  Ergebnisse  der  eben  beschriebenen 
Versuche  haben  mich  nicht  angeregt,  sie  weiter  zu  treiben.  Ich  erwähne 
sie  nur,  um  die  Wünsche  derjenigen  zu  erfüllen,  welche  zu  wissen  wünsch- 
ten, ob  diese  Versuche,  mit  Hülfe  der  grossen  Kraft  unserer  Maschine  aus- 
geführt, irgend  welche  lehrreiche  Erscheinung  hervorrufen  würden."  Wenige 
Jahre  später  zeigte  Ritter  die  Zersetzung  von  Silbersalzen  mit  Hülfe  einer 
gewöhnlichen  kleinen  Elektrisiermaschine. 

Eine  interessante  Wirkung  der  Elektricität  beobachtete  van  Marum,1 
wie  schon  früher  Beccaria  in  der  „Revivification  der  Metallkalke."  Mennige 
Hess  schon  nach  wenigen  Schlägen  Bleikügelchen  erkennen,  ebenso  Blei- 
weiss.  Zinn-  und  Eisenoxyd  erfuhren  keine  Veränderung,  Quecksilberoxyd 
wurde  reducirt.  Eine  weitere  Fortsetzung  der  Versuche  ergab  wenig  gün- 
stige Resultate,  da,  nachdem  etwas  Metall  sich  gebildet  hatte,  es  die  Elektri- 
cität fast  allein  leitete  und  das  übrige  Oxyd  gegen  ihre  Wirkung  schützte, 

1  A.  a.  O.  S.  176. 


Vorgeschichte  der  Elektrochemie.     Die  chemischen  Wirkungen  der  Refbungsclektricität.     21 

so  dass  die  Zersetzung  in  kürzester  Frist  aufhörte.  Deshalb  wurden  auch 
diese  Versuche  aufgegeben. 

Endlich  wurden  die  Verkalkungsversuche  wiederholt  und  ausgedehnt, 
ohne  indessen  viel  Neues  zu  ergeben.  Ein  Platindraht  zeigte  ganz  dieselben 
Zerstäubungserscheinungen  wie  die  Drähte  von  Eisen  und  Silber,  und  van 
Marum  spricht  seine  Überzeugung  aus,  dass  sich  unter  diesen  Umständen 
das  Platin  ebenso  oxydire,  wie  jene  Metalle. 

Die  vorstehend  dargestellten  Arbeiten  van  Marum's  hatten,  wie  ersicht- 
lich, einen  wesentlich  orientirenden  Charakter;  sie  bahnten  vielerlei  an, 
brachten  aber  keine  Ergebnisse  allgemeinerer  Natur,  so  werthvoll  einige  von 
ihnen  sich  auch  zur  Klärung  der  schwebenden  Probleme  erwiesen.  Insbe- 
sondere tritt  die  polare  Beschaffenheit  der  elektrochemischen  Wirkung, 
welche  in  der  Trennung  der  Bestandtheile  und  ihrer  Absonderung  an  ver- 
schiedenen Stellen  sich  zeigt,  noch  gar  nicht  in  den  Vordergrund. 

5.  Die  Zerlegung  des  Wassers  durch  den  Funkenstrom.  Die 
erste  unzweideutige  Zerlegung  eines  zusammengesetzten  Stoffes  durch  die 
Wirkung  der  Electricität  haben  Paets  van  Troostwijk  und  Deimann  im  Jahre 
1789  beobachtet.  In  einem  Briefe  an  de  la  Metherie,  welchen  dieser  in 
der  von  ihm  herausgegebenen  Zeitschrift l  veröffentlichte,  theilten  sie  die  merk- 
würdige Thatsache  mit,  dass  Wasser  auf  diese  Weise  in  brennbare  Luft 
und  Lebensluft  geschieden  werden  kann.  Es  ist  charakteristisch  für  die 
Geschichte  unseres  Gebietes,  dass  bereits  in  diesem  ihrem  ersten  Kapitel 
die  beobachtete  Erscheinung  als  bedeutungsvoll  für  die  Lösung  schwebender 
chemischer  Fragen  erkannt  wird.  Ich  lasse  die  wichtigsten  Theile  des 
Briefes  hier  folgen: 

„Wir  bitten  Sie  in  Ihrer  Zeitschrift  die  Überlegungen  und  Versuche  zu 
veröffentlichen,  welche  wir  die  Ehre  haben  Ihnen  zu  senden,  und  welche 
sich  auf  eine  der  berühmtesten  und  wichtigsten  Fragen  der  Physik  und 
Chemie  beziehen. 

„So  überzeugend  die  Versuche  sind,  aus  denen  Hr.  Lavoisier  und  die 
-Mehrzahl  der  französischen  Chemiker  die  Theorie  des  Wassers  abgeleitet 
haben,  so  muss  man  doch  gestehen,  dass  ihnen  noch  einiges  fehlt,  um  ganz 
entscheidend  zu  sein. 

„Die  Vertreter  der  beiden  entgegenstehenden  Theorien  sind  gegen- 
wartig in  Bezug  auf  folgende  Punkte  einig.  Erstens  dass  man,  wenn  man 
brennbare  Luft  (Wasserstoffgas)  mit  Lebensluft  (Sauerstoff)  verbrennt,  nicht 
nur  Wasser,  sondern  auch  Säure  erhält;  zweitens,  dass  diese  Säure  nicht  aus 
einer  Säure  stammt,  welche  zufällig  in  den  angewandten  Luftarten  vorhanden 
war,  sondern  dass  sie  sich  thatsächlich  während  der  Verbrennung  bildet. 
So  ist  es  nicht  mit  dem  Wasser,  welches  man  als  vorher  in  den  Gasen 
vorhanden    annehmen    kann,    namentlich   wenn   man  findet,    dass  man   mit 

1  Observation?  sur  la  physique  etc.  35,  369—378,  1789.  —  Auszug  in  Grf.n's  Journal 
te  Physik  2,  i$o,    1 79°' 


22  *  Erstes  Kapitel. 


vorher  getrockneten  Gasen  eine  kleinere  Wassermenge  erhält.  Jedenfalls 
scheint  es,  dass  die  Gegner  der  neuen  Theorie  das  Wasser  mit  demselben 
Recht  als  einen  zufälligen  Stoff  ansehen  können,  wie  ihre  Vertheidiger  es 
mit  der  entstehenden  Säure  thun. 

„Die  Zersetzung  des  Wassers,  welche  diese  Frage  entscheiden  würde, 
wenn  sie  vollkommen  bewiesen  wäre,  ist  nicht  geringeren  Schwierigkeiten 
ausgesetzt.  Man  hat  bisher  das  Wasser  nur  mittelst  Eisen  zersetzen  können, 
aus  welchem  man  durch  Wärme  allein  das  Gas  erhalten  kann,  welches  man 
als  eines  der  Elemente  des  Wassers  ansieht.  Man  könnte  daher  vermuthen, 
dass  das  Wasser  bei  diesem  Versuch  nur  dazu  dient,  um  das  Gas  leichter 
und  in  grösserer  Menge  zu  entwickeln,  als  das  Metall  dies  für  sich  thut. 
Ausserdem  ist  diese  Theorie  der  Zersetzung  des  Wassers  gänzlich  auf  der 
noch  nicht  allgemein  angenommenen  Voraussetzung  begründet,  dass  die  Ver- 
kalkung der  Metalle  einzig  ihrer  Verbindung  mit  der  Grundlage  der  Lebens- 
luft (Sauerstoff)  zuzuschreiben  ist.  Auch  die  Thatsache  selbst,  die  Verkalkung 
des  Metalls  bei  diesem  Versuch,  scheint  nicht  völlig  sicher  gestellt  zu  sein. 
Mehrere  Naturfoscher  sind  darüber  im  Zweifel. 

„Obwohl  wir  anerkennen,  dass  die  neue  Theorie  der  französisschen 
Chemiker  über  die  Natur  des  Wassers  bisher  nicht  mit  Strenge  bewiesen  ist, 
so  sind  wir  doch  weit  entfernt,  das  alte  System  vertheidigen  zu  wollen.  Wir 
glauben  im  Gegentheil  viel  zur  Bestätigung  der  neuen  Theorie  beitragen  zu 
können,  da  es  uns  gelungen  ist,  ein  Mittel  zu  entdecken,  um  Wasser  gleich- 
zeitig in  brennbare  Luft  (Wasserstoffgas)  und  Lebensluft  (Sauerstoffgas)  zu 
verwandeln,  und  es  daher  in  einer  Weise  zu  zerlegen,  welche  uns  nicht  zu 
gestatten  scheint,  diese  Produkte  einem  anderen  Stoffe  zuzuschreiben. 

„Indem  wir  uns  gemeinsam  mit  Hrn.  Cuthbertson,  welcher  uns  im 
Verlauf  dieser  Versuche  erhebliche  Hilfe  geleistet  hat,  und  mit  dem  wir 
gerne  die  Ehre  dieser  Entdeckung  theilen,  damit  beschäftigten,  die  Wirkung 
des  elektrischen  Schlages  auf  verschiedene  Stoffe  zu  untersuchen,  kamen 
wir  auf  den  Gedanken,  diese  Wirkungen  auch  in  Bezug  auf  das  Wasser  zu 
prüfen.  Zu  diesem  Ende  füllten  wir  mit  destillirtem  Wasser  eine  Röhre 
von  1/8  Zoll  (englisch)  Durchmesser  und  12  Zoll  Länge.  Ein  Ende  dieser 
Röhre  war  hermetisch  geschlossen,  doch  war  beim  Zuschmelzen  ein  Gold- 
draht eingeschlossen,  welcher  172  Zoll  lang  in  die  Röhre  hineinragte.  In 
der  Entfernung  von  6/8  Zoll  vom  Ende  dieses  Drahtes  befand  sich  in  der 
Röhre  ein  anderer  Draht,  welcher  zum  offenen  Ende  heraustrat,  und  welcher, 
ebenso  wie  dieses  Ende,  sich  in  einem  kleinen,  mit  destillirtem  Wasser  ge- 
füllten Glasgefäss  befand.  Um  den  elektrischen  Schlag  von  einem  Draht 
zu  anderen  und  demgemäss  durch  das  zwischen  beiden  in  der  Röhre  be- 
findliche Wasser  gehen  zu  lassen,  stellten  wir  die  Röhre  mit  ihrem  geschlos- 
senen Ende  gegen  eine  isolirte  Kugel  von  Kupfer  in  einiger  Entfernung  vom 
ersten  Conductor  unserer  Maschine  auf,  indem  wir  das  Ende  des  Drahtes, 
welches  sich  in  dem  mit  Wasser  gefüllten  Gefäss  befand,  mittelst  eines 
anderen  Leiters  mit  der  äusseren  Belegung  c  iner  Leidener  Flasche  verbanden, 


Vorgeschichte  der  Elektrochemie.     Die  chemischen  Wirkungen  der  Reibungselcktricität.     23 

deren  Knopf  mit   dem   ersten  Conductor   in  Verbindung  gesetzt  war,    und 
welche  eine  Belegung  von  einem  Quadratfuss  besass. 

„Als  wir  in  dieser  Weise  die  Wirkungen  des  elektrischen  Schlages  auf 
Wasser   untersuchten    und   die   kupferne  Kugel    nur   in  geringe  Entfernung 
von    dem    ersten  Conductor   gesetzt   hatten,   bemerkten    wir  anfänglich  gar 
keine    Entwickelung   von  Gas.      Dadurch,    dass   wir  diese   Entfernung    und 
damit   die  Stärke  des  Schlages  vermehrten,   so  dass  bei  jedem  Schlage  an 
den  Enden   der  Drähte    ein  Funke   erschien,   bildeten   sich    in  Wasser   bei 
jedem  Schlage   eine  Menge   sehr   feiner  Luftblasen,   welche  wie  ein  bestän- 
diger Strom    zwischen   beiden  Enden   erschienen.     Diese  Bildung  von  Gas 
wurde  beträchtlicher   und  gleichzeitig  wurden  die  Bläschen  viel  grösser,  als 
wir   die   Entfernung   zwischen   der  Kupferkugel   und   dem  Conductor   noch 
vermehrten,    so   dass   man   manchmal   einen   kleinen  Strahl   vom  Ende  des 
oberen  Drahtes  in  das  Wasser  schiessen  sah.    Die  auf  diese  Weise  erhaltene 
Luft  begab  sich  an  das  obere  Ende  der  Röhre,  sammelte  sich  daselbst  und 
bildete  dort  eine  Luftsäule,  welche  sich  in  dem  Maasse  vermehrte,    als  wir 
fortfuhren,    die  Schläge  durch  das  Wasser  zu  senden,   bis  zu  dem  Punkte, 
dass  sie  das  Ende  des  oberen  Drahtes  erreicht  hatte,  wo  plötzlich  der  elek- 
trische   Funke,   welcher   durch    das   Gas   zu    gehen    hatte,    um    vom   Ende 
des  Drahtes  zum  Wasser  zu  gelangen,  es  genau  wie  brennbare  Luft  (Wasser- 
stoffgas) entzündete  und  bis  auf  einen  sehr  geringen  Rest  verschwinden  Hess. 
Nachdem    wir    diesen  Rest  hatten  austreten  lassen,    leiteten  wir  von  Neuem 
f     die  Schläge  durch  das  Wasser:  es  fand  eine  neue  Entwickelung  von  Gas  statt, 
welches  nach  Erreichung  des  Endes  des  oberen  Drahtes  sich  ganz  wie  früher 
entzündete   und  bis  auf  eine  geringe  Menge  verschwand.     Wir  wiederholten 
diesen  Versuch    mehrmals    hinter   einander   und  beobachteten  jedesmal  die- 
selben Erscheinungen,  mit  dem  einzigen  Unterschiede,  dass  der  Gasrückstand 
nach  jeder  Entzündung  geringer  zu  werden  schien." 

Der  weitere  Inhalt  der  Mittheilung  bezieht  sich  auf  die  Frage,  ob  das 
entstandene  Wasserstoffgas  allein  aus  dem  Wasser  stamme,  oder  ob  die 
„elektrische  Materie"  in  seiner  Zusammensetzung  enthalten  sei.  Die  Ver- 
fasser entschieden  sich  auf  Grund  entsprechender  Versuche  mit  Salpeter- 
saure  und  Schwefelsäure,  bei  denen  sie  nur  eine  Entwickelung  von  Sauer- 
stoff beobachteten,  im  ersteren  Sinne:  ...  „Vergleicht  man  diese  Versuche, 
so  erscheint  es  uns  bewiesen,  dass  der  elektrische  Schlag  keine  andere  Wir- 
kung auf  das  Wasser  hat,  als  die  Grundlage  der  brennbaren  Luft  (Wasser- 
stoflgas)  zu  veranlassen,  Gasform  anzunehmen,  ebenso  wie  er  in  den  Säuren 
die  Ursache   ist,  dass  die  Lebensluft  (Sauerstoff)  diesen  Zustand  annimmt." 

„Es  blieb  noch  nachzuweisen  übrig,  ob  die  Lebensluft  (Sauerstoff), 
deren  Existenz  sich  durch  die  Explosion  der  brennbaren  Luft  zeigte,  dem 
Wasser  zuzuschreiben  war,  oder  einem  Reste  atmosphärischer  Luft,  welche 
im  Wasser  aufgelöst  sein,  oder  an  den  Röhren  der  Wände  haften  konnte." 

Um  diesen  Zweck  zu  erreichen,  machten  die  Verfasser  das  Wasser 
unter  der  CurHBERTSON'schen  Luftpumpe    möglichst   luftfrei    und  versuchten 


1. 


24  Erstes  Kapitel. 


auch  die  Zersetzung  über  Quecksilber  vorzunehmen.  Letzteres  war  nicht 
durchführbar,  da  alsdann  die  Röhren  stets  durch  den  Schlag  zerbrachen; 
es  wurde  deshalb  ein  mehrfach  gekrümmtes  Rohr  angewendet,  um  den 
Zutritt  aufgelöster  Luft  aus  dem  Glasgefässe  zu  dem  Antheil,  welcher 
der  Zersetzung  unterlag,  möglichst  zu  beschränken.  Es  wurde  nun  der 
Versuch  in  der  früher  beschriebenen  Weise  vielmals  hintereinander  aus- 
geführt, der  Rückstand  an  unverbrennlichem  Gase  wurde  jedesmal  ge- 
ringer, bis  er  sich  auf  eine  Blase  von  1/80  Zoll  beschränkte.  Die  Ver- 
fasser glauben  sich  demnach  im  Recht,  auch  den  Sauerstoffgehalt  des 
Gasgemenges  gleicherweise  dem  Wasser  zuzuschreiben,  und  sehen  demnach 
die  Lehre,  dass  das  Wasser  aus  Sauerstoff  und  Wasserstoff  bestehe,  als 
sowohl  durch  Analyse  (erste  Phase  des  Versuches)  wie  durch  Synthese 
(Verschwinden  des  Gasgemenges  bei  der  Explosion  ohne  merklichen  Rück- 
stand) bewiesen  an. 

Während  so  das  vorliegende  chemische  Problem  befriedigend  gelöst 
wird,  bleibt  die  Frage,  auf  welche  Weise  die  Elektricität  die  Zerlegung  des 
Wassers  bewirke,  noch  sehr  dunkel.  Die  Verfasser  erinnern  an  den  Versuch 
von  Cavendish,  nach  welchem  sich  aus  atmosphärischer  Luft  durch  den  Funken 
Salpetersäure  bildet,  und  meinen,  ihn  durch  das  starke  Licht  des  Fun- 
kens erklären  zu  können.  Denn  im  Licht  giebt  Salpetersäure,  wie  Ber- 
thollet  gefunden  hat,  und  Schwefelsäure,  wie  sie  selbst  durch  Anwendung 
des  Brennglases  fanden,  Sauerstoff  ab;  es  scheint  ihnen  nicht  unwahrschein- 
lich, dass  das  Licht,  ebenso  wie  es  in  einem  Falle  Zersetzung  bewirkt,  auch 
im  anderen  Falle  Verbindung  bewirken  könne. 

Über  die  Ursache,  durch  welche  unter  diesen  Umständen  das  Wasser 
zersetzt  wird,  konnten  auch  die  anderen  Physiker  jener  Zeit  zu  keiner  be- 
friedigenden Anschauung  gelangen.  Meist  wurde  die  Elektricität  als  eine 
Art  Materie  angesehen,  und  die  aus  dem  Wasser  enthaltenen  Produkte  als 
Verbindungen  der  Elektricität  entweder  mit  dem  Wasser,  oder  mit  dessen 
Bestandtheilen.  Erstere  Meinung  vertrat  Lichtenberg1  in  einem  geistvollen 
Aufsatz,  nachdem  er  die  Annahme,  der  Funke  könne  die  Zersetzung 
durch  mechanische  Erschütterung  bewirkt  haben,  als  gegen  alle  Analogie 
verstossend,  abgelehnt  hatte.  Er  nahm  an,  die  Elektricität  sei  ein  zu- 
sammengesetztes Wesen,  welches  unter  dem  Einflüsse  des  Wasserdampfes 
zerfalle  und  damit  einerseits  Wasserstoff,  andererseits  Sauerstoff  bilde. 
Pearson3  sagt:  eine  „fast  vollständige  Induktion  berechtigt  uns  zuschliessen, 
dass  Feuer,  wenn  es  nur  in  hinreichender  Stärke  und  Dichte  zugeführt 
wird,  alle  zusammengesetzte  Stoffe  in  ihre  Bestandtheile  zu  trennen  ver- 
mag." Indem  er  nun  annimmt,  die  Elektricität  sei  ein  sehr  verdichtetes 
Feuer,  hat  er  keine  Schwierigkeit,  die  Zersetzung  des  Wassers  zu 
erklären. 


1  Giuiert's  Ann.  2,   142,   1799. 

*  Gilbert's  Ann.  2,  167,   1799;  Nicholson's  Journ.   1797. 


Vorgeschichte  der  Elektrochemie.    Die  chemischen  Wirkungen  der  Reibungselekricität      25 


Der  Versuch  der  Wasserzerlegung  ist  in  der  Folge  von  G.  PEARson1 
wederholt  worden,  welcher  die  Anordnung  genau  beschrieb,  die  zum  Ge- 
lingen erforderlich  ist.  Die  Zahl  der  Entladungen  muss  sehr  bedeutend  sein, 
wenn  eine  einigermaassen  beträchtliche  Gasmenge  erzeugt  werden  sollte;  um 
in  einer  x/9  Zoll  weiten  Röhre  eine  Blase  von  1/3  Zoll  Länge  zu  erhalten, 
waren  1200  bis  1600  Entladungen  der  KLEistfschen  Flaschen  erforderlich. 
Mit  14600  Schlägen  hatte  er  7s  Kubikzoll  Gas  erzeugt. 

6.  Andere  Elektrolysen.     Auch  bei  den  zuletzt  beschriebenen  Ver- 
suchen ,  welche  bereits  an  eigentliche  elektrolytische  Erscheinungen  erinnern, 
wurden  die  Gase  nicht  gesondert,  sondern  gemischt  erhalten.     Die  Ursache 
davon  liegt,   wie  wir  jetzt  wissen,  in  dem  oscillatorischen  Verlauf,  welchen 
die    elektrischen  Ladungen   unter   den    eingehaltenen  Umständen   aufweisen. 
Als  später  nach  den  alsbald  zu  besprechenden  Entdeckungen  Galvani's  und 
Volta's  die  einseitige  Wirkung  des  elektrischen  Stromes  bekannt  wurde,  stellte 
Ritter3  zur  Entscheidung   der  Frage,   ob  bei  der  gewöhnlichen  Reibungs- 
elektricität  ebenso  ein  polarer  Gegensatz  in  der  Ausscheidung  der  Stoffe  an 
den  Poldrahten  sich  geltend  mache,  eine  Anzahl  von  Versuchen  an,  welche 
bejahend    ausfielen.     Namentlich  Hess  sich  bei  der  Anwendung  von  Silber- 
lösung  zwischen   Silberdrähten   beobachten,   dass   der   negative   Draht   bald 
anlief  und  nach  50  bis  60  Entladungen  einer  eingeschalteten  Leidener  Flasche 
einen  deutlichen  Absatz  von  reducirtem  Silber  zeigte.    Beim  Umkehren  der 
Pole  verschwand  dieses,  und  trat  an  dem  anderen  Draht  wieder  auf. 

Kurze  Zeit  vorher  hatte  van  Marum3  keinerlei  Wirkung  bei  Lackmus- 
tinctur/  Chlorsilber,  den  salpetersauren  Lösungen  von  Silber,  Kupfer,  Eisen, 
Blei  und  Quecksilber,  sowie  bei  den  Lösungen  von  Gold  und  Zinn  in  Königs- 
wasser beobachten  können. 

7.  Elektricitätserregung  durch  chemische  Vorgänge.  Die  bis- 
her behandelten  Forschungen  bezogen  sich  auf  die  Hervorrufung  chemischer 
Vorgänge  durch  elektrische;  die  umgekehrte  Frage,  ob  durch  chemische 
Vorgänge  elektrische  Erscheinungen  hervorgerufen  werden  können,  hat  sich 
Alessandro  Volta  gestellt,  und  zwar  auf  einem  ganz  anderen  Gebiete,  als 
das  ist,  mit  dem  er  später  seinen  Namen  so  eng  verknüpft  hat. 

Den  Ausgang  von  Volta's  Arbeiten  nach  dieser  Richtung  bildeten  seine 
Studien  über  die  Luftelektricität,  mit  der  er  sich  sehr  eingehend  beschäftigt 
hatte.  Da  er  beim  Regen  und  im  Nebel  starke  Zeichen  von  elektrischer 
Ladung  beobachtete,  so  kam  er  auf  die  Vermuthung,  dass  durch  die  Ver- 
dampfung des  Wassers,  und  die  Wiederverdichtung  des  Dampfes  Elektricität 
entstehe.  Die  unempfindlichen  Elektrometer,  mit  denen  er  arbeiten  musste, 
gaben  davon  nichts  zu  erkennen;  als  er  1782  seinen  Condensator  erfunden 
hatte,  wiederholte    er  die  Versuche  mit  etwas  besserem   Erfolg;   gleichzeitig 

• 

1  Philosoph.   Trans.    i?97»   *42  und  Gilhert's  Ann.  2,   154,   1799. 
*  Gilbert  9,    1,   1801. 
3  Gilbert  I,  266,   1799. 


26    Erstes  Kapitel.  Vorgeschichte  d.  Elektrochemie.  Die  chera.  Wirkungen  d.  Reibungselektrirität. 


stellte  er1  gemeinsam  mit  Lavolsier  und  de  Laplace  die  Versuche  an,  über 
welche  er  folgendermaassen  berichtet: 

„Diese  Beobachtung  wurde  am  13.  April  1782  (in  Paris)  auf  folgende 
Weise  ausgeführt.  In  einem  offenen  Garten  war  eine  grosse  Metallplatte 
isolirt,  welche  durch  ein^ri  langen  Eisendraht  mit  dem  Metalldeckel  des 
Condensators  verbunden  war,  der  auf  einem  Stück  Marmor  lag,  welches  be- 
ständig durch  untergelegte  Kohlen  warm  gehalten  war.  Alsdann  wurden 
einige  Wärmebecken  mit  brennender  Holzkohle  auf  die  grosse  isolirte  Platte 
gesetzt.  Die  Verbrennung  der  Kohle  wurde  durch  einen  leichten  Wind 
unterstützt.  Einige  Minuten  später  wurde  der  Eisendraht,  durch  den  die 
Metallplatte  mit  dem  Deckel  des  Isolators  verbunden  war,  entfernt;  als  dann 
der  Deckel  von  der  Marmorplatte  mittelst  seines  isolirenden  Handgriffes  ent- 
fernt, und  mit  Herrn  Cavallo's  Elektrometer  in  Berührung  gebraucht  wurde, 
divergirten  dessen  Kugeln  mit  negativer  Elektricität.  Der  Versuch  wurde 
wiederholt,  indem  auf  die  grosse  isolirte  Platte  an  Stelle  der  Kohlenbecken 
vier  Schalen  gestellt  wurden,  welche  Eisenfeile  und  Wasser  enthielten;  als- 
dann wurde  genügend  Vitriolsäure  in  diese  vier  Gefasse  gegossen,  um  ein 
lebhaftes  Aufbrausen  zu  bewirken,  und  als  das  stärkste  Aufsieden  stattfand, 
wurde  der  Deckel  des  Condensators  vom  Marmor  entfernt;  als  er  geprüft 
wurde,  elektrisirte  er  nicht  nur  das  Elektromenter  mit  negativer  Elektricität, 
sondern  gab  einen  merklichen  Funken.  Als  zur  selben  Zeit  versucht  wurde, 
Elektricität  durch  das  Verdampfen  von  Wasser  zu  erhalten,  waren  die  Er- 
gebnisse zweideutig  und  kaum  merklich;  dasselbe  geschah  einige  Tage  später, 
während  wir  dagegen  klare  Zeichen  von  Elektricität  aus  den  Effervescenzen 
erhielten,  bei  denen  sich  fixe  Luft  (Kohlendioxyd)  und  Salpeterluft  (Stick- 
stoffoxyd) entwickeln.  Diese  Versuche  wurden  in  einem  grossen  Zimmer 
gemacht." 

Zur  Deutung  dieser  Versuche  entwickelt  Volta  eine  Anschauung,  dass, 
ebenso  wie  Wärme  bei  der  Verdampfung  latent  werde,  dies  auch  mit  der 
Elektricität  geschehen  könne. 


1  Philosoph.  Trans.   1782,  274  und  XXIX. 


Zweites  Kapitel. 

Galvani. 


1  i.   Galvani's  Entdeckung.    Im  Jahre   1791   wurde  die  wissenschaftliche 

1  Welt  durch  ein  dünnes  Heft  in  Quart,  von  58  Seiten  Umfang  und  mit  vier 
|  grossen  Kupfertafeln  geziert,  überrascht,  welches  unter  dem  Titel:  „Aloysii 
'  Galvani  de  Viribus  Electricitatis  in- Motu  Musculari  Commentarius,  Bononiae 
1791",  als  ein  Theil  der  Commentarü  der  Akademie  in  Bologna  erschien,1 
und  nach  dem  Urtheil  der  Zeitgenossen  eine  der  schönsten  und  über- 
raschendsten Entdeckungen  enthielt.  Galvani  berichtet  über  seine  Entdeckung 
folgend  ermaassen : 

„Die  Sache  fing  so  an.  Ich  secirte  einen  Frosch  und  präparirte  ihn, 
wie  in  Fig.  9,  ß,  und  legte  ihn  mich  alles  andern  versehend  auf  einen  Tisch, 
auf  dem  eine  Elektrisirmascliine  stand ,  von  deren  Conductor  weit  getrennt 
und  durch  einen  nicht  gerade  kurzen  Zwischenraum  geschieden.  Wie  nun 
der  eine   von   den  Leuten,   die   mir   zur   Hand  gingen,   mit  der  Spitze  des 


1  De  Bononiensi  Scicntianim  c 
M*3-<J5.  '79<- 


28 


Zweites  Kapitel. 


Skalpellmessers  die  inneren  Schenkel  nerven  DD  des  Frosches  zufällig  ganz 
leicht  berührte,  schienen  sich  alle  Muskeln  an  den  Gelenken  wiederholt  derart 
zusammenzuziehen,  als  wären  sie  anscheinend  von  heftigen  tonischen  Krämpfen 
befallen.  Der  andere  aber,  welcher  uns  bei  Elektricitätsversuchen  behilflich 
war,  glaubte  bemerkt  zu  haben,  dass  sich  das  ereignet  hätte,  während  dem 
Conductor  der  Maschine  ein  Funken  entlockt  wurde,  Fig.  9,  1  B.  Verwundert 
über  diese  neue  Erscheinung  machte  er  mich,  der  ich  etwas  gänzlich  anderes 


vorhatte  und  in  Gedanken  versunken  war,  darauf  aufmerksam.  Daraufhin 
wurde  ich  von  einem  unglaublichen  Eifer  und  Hegehren  entflammt,  dasselbe 
zu  erproben  und  das,  was  darunter  verborgen  wäre,  ans  Licht  zu  ziehen. 
Ich  berührte  daher  selbst  mit  der  Messerspitze  den  einen  oder  den  andern 
Schenkelnerv  und  in  dem  Momente  rief  einer  von  den  Anwesenden  einen 
Funken  hervor.  Die  Erscheinung  trat  ganz  auf  dieselbe  Weise  ein.  Un- 
zweifelhaft heftige  Contractionen  traten  in  den  einzelnen  Muskeln  der  Gelenke 
in  demselben  Momente,  in  dem  der  Funken  übersprang,  ein,  wie  wenn  das 
präparirte  Thicr  vom  Tetanus  befallen  wäre." 

Galvami  schildert  nun  weiter  die  verschiedenen  Stufen,  welche  seine 
Bemühungen  um  Aufklärung  der  Erscheinungen  durchliefen.  Zunächst  fand 
sich,  dass  die  Wirkungen  mit  demselben  Skalpell  bald  auftraten,  bald  aus- 
blieben; die  Ursache  ergab  sich  darin,  dass  das  Instrument  einen  beinernen 
Griff  hatte.  Solange  es  an  letzterem  gehalten  wurde,  fehlte  die  Wirkung; 
sowie   aber  das  Metall,   seien  es  nur  die  Stifte,  mittelst  deren  der  beinerne 


Galvani.  2Q 

Stiel  befestigt  war,  mit  den  Fingern  berührt  wurde,  trat  sie  ein.  Wurde 
statt  des  Skalpells  ein  Glasstab  genommen,  so  fehlte  alle  Wirkung;  ein  Eisen- 
stab dagegen  liess  die  Zuckungen  regelmässig  beim  Ziehen  des  Funkens 
aus  dem  Conductor  erscheinen.  Dies  liess  die  elektrische  Natur  der  Er- 
scheinung sehr  wahrscheinlich  werden. 

Bestätigt  wurde  dieser  Schluss  dadurch,  dass  sich  die  Wirkung  durch 
lange  metallische  Leiter,  die  isolirt  aufgehängt  waren,  fortleiten  liess;  über 
hundert  Ellen  Draht  Hessen  noch  Zuckungen  hervorrufen;  Fig.  9,  3  zeigt 
in  F  den  Draht  und  in  A  den  präparirten  Frosch,  welcher  der  Bequem- 
lichkeit wegen  in  ein  Glasgefäss  gesetzt  war,  dessen  Boden  mit  einem 
leitenden  Stoffe,  Wasser  oder  feinem  Schrot  bedeckt  wurde.  War  die  Lei- 
tung nicht  isolirt,  so  Hessen  sich  zwar  einige,  aber  nur  geringe  Zuckungen 
beobachten. 

Eine  Anzahl  weiterer  Beobachtungen  über  Leiter  und  Isolatoren,  welche 
in  die  Leitung  eingeschaltet  wurden,  bestätigte  die  Auffassung  von  der  elek- 
trischen Ursache  dieser  Erscheinungen.  Besonders  deutlich  wurden  sie, 
wenn  die  Füsse  des  Froschpräparates  leitend  mit  dem  Boden  verbunden 
waren.  Ebenso  wie  die  positive  Elektricität  wirkte  die  negative,  statt  der 
Elektrisirmaschine  liess  sich  der  Elektrophor  verwenden;  auch  blieben  die 
lirscbetnungen  nicht  aus,  wenn  das  Froschpräparat  völlig  isolirt  in  einen 
aus  zwei  Flaschen  zusammengesetzten  Glasapparat  (Fig.  9,  6;  geschlossen 
wurde  (welcher  oben  und  unten  Schrot  enthielt,  der  mit  dem  Nerv,  resp. 
den  Beinen  in  Berührung  war)  und  in  dessen  Nähe  ein  elektrischer  Funke 
aus  der  Maschine  gezogen  wurde. 

Endlich  wurde  festgestellt,  dass  die  Erscheinungen  auch  an  lebenden 
Thieren  auftraten,  und  auch  nicht  auf  die  kaltblütigen  beschrankt  waren; 
auch  Warmblüter,  wie  Hühner  und  Schafe,  gaben  die  gleichen  Zuckungen. 

2.  Die  thierische  Elektricität.  Eine  wichtige  neue  Beobachtung 
«-T^ab  sich,  als  Galvani  die  Frage  prüfte,  ob  auch  die  atmosphärische  Elek- 
tricität wirksam  sei.  Seine  Versuchsanordnung  ist  in  Fig.  ro,  S.  30  dargestellt, 
und  die  Versuche  gelangen  vollkommen.  Sowie  Blitze  sich  entluden,  oder 
Gewitterwolken  nahe  an  dem  Leiter  AB  vorüberzogen,  zuckten  die  präpa- 
rirten Thiere.  Aber  auch  wenn  keinerlei  Gewittererscheinungen  am  Himmel 
sichtbar  waren,  traten  zuweilen  Zuckungen  auf,  und  hieran  schliessen  sich 
die  wichtigsten  Versuche  Galvani's,  welche  er  in  seinem  dritten  Theil  über 
die  Wirkungen  der  thierischen  Elektricität  auf  die  Muskelbewegung  mit 
folgenden  Worten  beschreibt: 

„Die  Kräfte  der  atmosphärischen  Eektricität  bei  Gewittern  hatten  wir 
untersucht,  die  Begierde,  was  jene  bei  stillem  und  heiterem  Himmel  ver- 
mögen, ward  nun  in  uns  rege. 

* 

„Aus  dieser  Ursache,  da  ich  manchmal  aui  dem  eisernen  Geländer  des 
Gärtchens,  welches  unser  Haus  umgab,  die  Frösche,  welche  zu  den  Ver- 
suchen zubereitet,  mit  eisernen  Häkchen  durch  das  Rückenmark  gestochen 
waren,   in  die  gewöhnlichen  Zusammenziehungen  auf  diesen  Geländern  ge- 


JO  Zweites  Kapitel. 

raten  sah,  und  zwar  nicht  nur  wenn  es  blitzte,  sondern  auch  bei  heiterem 
und  ruhigem  Wetter,  so  glaubte  ich,  die  Ursache  dieser  Zusammenziehungen 
liege  in  den  Veränderungen,  die  über  Tags  in  der  atmosphärischen  Elek- 
tricität  vorgingen.  Ich  unternahm  also  nicht  ohne  Hoffnung,  den  Wirkungen 
dieser  Veränderungen  auf  die  Muskelbewegungen  fteissig  nachzuforschen  und 
auf  alle  möglichen  Arten  zu  versuchen.  Ich  beobachtete  deshalb  diese  zube- 
reiteten Thiere  zu  verschiedenen  Stunden  und  an  mehreren  Tagen  nach  einander, 


aber  ich  bemerkte  kaum  einige  Bewegung  in  ihren  Muskeln.  Des  langen 
Wartens  müde,  bog  und  drückte  ich  die  metallenen  Haken,  womit  ihr  Rücken- 
mark durchstochen  war,  an  das  eiserne  Geländer,  um  zu  sehen,  ob  durch 
diesen  Kunstgriff  Muskelbewcgungen  hervorgebracht  würden,  und  ob  nach 
dem  verschiedenen  Stande  der  Atmosphäre  und  Elektricität  irgend  eine  Ver- 
änderung oder  Verschiedenheit  sich  zeigen  würde.  Nicht  selten  bemerkte 
ich  zwar  Zusammenziehungen,  aber  keine  in  Rücksicht  auf  den  verschiedenen 
Stand  der  Atmosphäre  und  der  Elektricität. 

„Da  ich  aber  diese  Zusammenziehungen  nur  in  freier  Luft  gesehen  hatte 
(noch  hatte  ich  nirgends  anders  Versuche  angestellt),  so  fehlte  wenig,  dass 
ich  nicht  solche  Zusammenziehungen  der  atmosphärischen  Elektricität  zuge- 
schrieben hatte,  die  in  das  Thier  strömt,  sich  in  demselben  häuft,  und  sich 
durch  die  Berührung  des  Hakens  mit  dem  eisernen  Geländer  heftig  entladet 
Aber  wie  leicht  betrügen  wir  uns  in  Versuchen;  was  wir  zu  sehen  und  zu 
finden  wünschen,  das  glauben  wir  nur  zu  oft  gesehen  und  gefunden  zu  haben. 


Galvani. 


31 


„Da  ich  einen  Frosch  in  ein  geschlossenes  Zimmer  gebracht,  denselben 
auf  eine  eiserne  Scheibe  gelegt,  und  den  in  das  Rückenmark  gesenkten 
Haken  dem  Eisen  genähert  hatte,  so  erschienen  die  nämlichen  Zusammen- 
ziehungen. Ich  versuchte  nun  also  gleich  das  nämliche,  mit  anderen  Metallen 
an  verschiedenen  Orten  zu  verschiedenen  Stunden,  aber  der  Erfolg  war 
immer  derselbe;  ausser  dass  die  Zusammenziehungen  nach  der  Verschieden- 
heit der  Metalle  auch  verschieden  waren,  mit  einigen  nämlich  heftiger,  mit 
anderen  schwächer.  Mir  fiel  es  nun  aber  ein,  auch  andere  wenig  oder  gar 
nicht  leitende  Körper,  als  da  sind  Glas,  Gummi,  Harz,  Stein,  trockenes 
Holz  u.  s.  w.,  zu  diesen  Versuchen  anzuwenden;  es  gelang  uns  aber  nicht 
und  wir  sahen  keine  Bewegungen  und  Zusammenziehungen  in  den  Muskeln. 
Über  solch  einen  Erfolg  verwunderten  wir  uns  nicht  wenig,  und  allmählich 
vermuteten  wir  eine  dem  Thiere  anklebende  Elektricität.  Diese  Vermuthung 
wurde  noch  vermehrt,  da  wir  von  ohngeiähr  einen  scheinbaren  Umlauf  des 
dünnsten  Nervensaftes  zur  Zeit  der  Erscheinung  von  den  Nerven  in  die 
Muskeln  zu  bemerken  glaubten,  welcher  dem  Umlaufe,  der  in  der  Leidener 
Flasche  geschieht,  nahe  kömmt. 

JDenn  als  ich  mit  der  einen  Hand  einen  zubereiteten  Frosch  an  den 
durch  das  Rückenmark  gestochenen  Haken  so  hielt,  dass  die  Füsse  eine 
alberne  Schale  berührten,  mit  der  anderen  aber  den  Oberteil  oder  die  Seiten 
der  silbernen  Büchse,  worauf  die  Füsse  des  Frosches  waren,  mit  einem  me- 
tallenen Körper  berührte,  so  gerieth  das  Thier  wider  alle  Hoffnung  in  heftige 
Bewegungen,  und  das  zwar  so  oft,  als  ich  mich  dieses  Kunstgriffes  bediente. 

„Ich  bat  nun  den  Herrn  Rialpi,  einen  sehr  gelehrten  Spanier,  einen 
ehemaligen  Jesuiten,  der  sich  eben  damals  mit  mir  auf  dem  Landhause  des 
Herrn  Zambeccari  aufhielt,  dass  er  mir,  wie  er  es  bei  anderen  Versuchen 
sehr  gern  gethan  hatte,  auch  in  diesen  beistehen  möchte.  Ich  berührte  nun 
die  Schale,  um  die  Art  des  Versuches  abzuändern.  Aber  wider  alles  Er- 
warten unterblieben  die  Zusammenziehungen;  nun  machte  ich  einen  Versuch 
wie  zuvor  ganz  allein,  und  sogleich  erschienen  sie  wieder. 

„Dies  bewog  mich,  dass  ich  mit  einer  Hand  das  Thier,  mit  der  anderen 
aber  die  Hand  des  Rialpi  nahm,  um  gewissermaassen  eine  elektrische  Kette 
zu  bilden,  ihn  zugleich  bewog,  mit  seiner  anderen  Hand  an  die  silberne 
Schale  zu  schlagen,  oder  nur  zu  berühren,  und  nicht  ohne  Verwunderung 
sahen  wir  die  gewöhnlichen  Zusammenziehungen,  die  aber  sogleich  wieder 
verschwanden  oder  wiederkamen,  sowie  wir  unsere  Hände  ausliessen  oder 
ergriffen. 

„Um  diese  Versuche,  die  eine  so  wichtige  und  so  grosse  Neuheit  in 
sich  enthalten,  immer  mehr  und  mehr  zu  bestätigen,  verfolgte  ich  meinen 
Gegenstand  also,  dass  Rialpi  und  ich  ohne  Berührung  der  Hände,  mittelst 
eines  elektrischen  Körpers,  einer  Glasstange  nämlich,  und  bald  mittelst 
eines  leitenden,  eines  metallenen  Cylinders,  gleichsam  eine  Kette  bildeten. 
Nach  gemachten  Versuchen  hatten  wir  mit  Vergnügen  wahrgenommen,  dass 
das  Phänomen   so  oft  erschien,  als  wir  uns  des  eisernen  Cylinders  bedienten, 


32 


Zweites  Kapitel. 


gänzlich  aber  bei  dem  Gebrauche  der  Glasstange  aufhorte,  und  dass  man 
alsdann  die  Schale  umsonst  mit  dem  Leiter  berührt,  oder  selbst  auch 
stärkere  Streiche  daraufführen  kann. 

„Aus  diesem  glaubten  wir  nun  erfahren  zu  haben,  dass  die  Elektricität, 
auf  welche  Art  sie  auch  immer  wirke,  diese  Zusammenziehungen  hervor- 
bringe. 

„Um  dies  in  ein  noch  grösseres  Licht  zu  setzen,  glaubte  ich  nichts 
Besseres  thun  zu  können,   als  den  Frosch  auf  eine  elektrische  Scheibe  von 


(lalvani  de  viribus  electricilaüs  III. 


Glas  oder  Harz  zu  legen,  und  mich  bald  eines  leitenden,  bald  wieder  eines 
ganz  oder  nur  zum  Theil  elektrischen  Bogens  zu  bedienen  und  einen  Schenkel 
desselben  und  den  Haken  des  Rückenmarkes,  den  anderen  aber  an  die 
Schenkelmuskeln  oder  an  die  Füsse  zu  bringen.  Bei  dem  Versuche  sahen 
wir,  dass  die  Zusammenziehungen  bei  dem  Gebrauche  des  leitenden  Bogens 
(Fig.  11,9)  sogleich  erschienen,  hingegen  gänzlich  unterblieben,  als  wir  uns 
des  halbelektrischen  und  halbleitenden  Bogens  Fig.  1 1,  10  bedienten.  Der 
Bogen  bestand  aus  Eisendraht,  der  Haken  aber  aus  Kupfer. 

„Nach  dieser  Entdeckung  erschien  es  uns,  dass  die  Zusammenziehungen, 
die,  wie  wir  gesagt  haben,  an  Fröschen  auf  einer  metallenen  Scheibe  er- 
scheinen, wenn  der  ins  Rückenmark  gesenkte  Haken  mit  der  Scheibe  in 
Berührung  kommt,  einem  ähnlichen  Bogen  zuzuschreiben  sind,  dessen 
Stelle  die  metallene  Scheibe  gewissennaassen  vertritt,  und  daher  ge- 
schieht es  auch,  dass  sie  in  Fröschen  auf  bloss  elektrischen  Scheiben  auch 


Galvani.  ^  ^ 

bei     der    Anwendung    eben    derselben    Kunstgriffe     nicht    hervorgebracht 
wrerden. 

„Unsere  Meinung  würde  durch  eine  von  ohngefahr  bemerkte  ange- 
nehme Erscheinung,  wie  ich  glaube,  gänzlich  bestätigt:  Wenn  ein  Frosch 
an  einem  Schenkel  mit  den  Fingern  so  gehalten  wird,  dass  der  Haken  des 
Rückenmarkes  irgend  eine  silberne  Scheibe  berührt,  der  andere  aber  frei  auf 
die  nämliche  Scheibe  fällt  (Fig.  1 1,  1 1),  so  geschieht  es,  dass,  sowie  der 
Schenkel  die  silberne  Fläche  berührt,  sich  auch  die  Muskeln  zusammenziehen ; 
daher  steigt  der  Schenkel  und  wird  in  die  Höhe  gezogen,  lässt  aber  sogleich 
wieder  nach  und  fällt  wieder  zurück,  steigt  aber  aus  eben  derselben  Ursache 
sogleich,  wie  er  die  Scheibe  berührt,  wieder  in  die  Höhe,  und  so  fahrt  er 
wechselweise  fort  zu  steigen  und  zu  fallen,  und  gleicht  zu  nicht  geringem 
Staunen  und  Vergnügen  des  Forschers  einem  elektrischen  Pendel. 

„Bei  dieser  Erscheinung  ist  leicht  zu  sehen,  wie  füglich  und  bequem 
sie  mittelst  einer  Scheibe  wiederholt  werden  kann,  die,  wenn  der  freie 
Schenkel  sie  berührt,  die  Stelle  eines  für  den  oben  erwähnten  Umlauf  schick- 
lichen Bogens  vertritt,  sowie  der  Schenkel  aber  sich  zurückzieht,  diesen 
Umlaufe  nun  stört.  Von  der  Metallscheibe,  welche  die  Stelle  eines  Bogens 
vertritt,  sind  dies  weder  zweifelhafte  noch  dunkle  Anzeigen. 

„Worin  die  Fähigkeit  und  Kraft  der  metallenen  Scheiben,  Muskelbe- 
wegungen hervorzubringen,  besteht,  lässt  sich  kaum  sagen;  jene  Kraft  näm- 
lich, durch  welche  starke,  häufige  und  manchmal  einige  Zeit  anhaltende 
Zusammenziehungen  erhalten  werden,  nicht  nur,  wenn  der  im  Rückenmark 
steckende  Haken  entweder  an  die  Metallscheibe  gedrückt  oder  an  derselben 
gerieben  wird,  sondern  auch,  wenn  der  Haken  die  Scheibe  nur  berührt,  oder 
wenn,  nachdem  er  sie  berührt  hat,  die  Berührungspunkte  durch  einen  schwachen 
Schlag  auf  die  Scheibe  selbst,  vor  den  auf  das  1  hier  liegt,  oder  auf  jene 
Körper,  die  mit  derselben  in  Verbindung  stehen,  verrückt  werden. 

„Ehe  wir  aber  von  dem  Gebrauche  des  Bogens,  und  dessen  Kniffen 
reden,  dürfen  wir  dasjenige,  was  sein  Vermögen,  ich  möchte  sagen  seine 
Notwendigkeit  zur  Hervorbringung  dieser  Muskelbewegungen  am  meisten 
beweist,  nicht  übergehen.  Man  erhält  nämlich  dieselben  nicht  selten  ge- 
schwinder und  schöner,  nicht  mit  einem,  sondern  mit  zwei  Bogen,  derer  man 
sich  folgendermaassen  bedient:  man  setzt  das  eine  Ende  des  einen  Bogens  an 
die  Muskeln,  das  andere  des  zweiten  Bogens  an  die  Nerven,  die  beiden 
übrigen  Enden  aber  beider  Bogen  werden  mit  einander  zur  Berührung  oder 
wenn  es  noth wendig  ist,  zur  Reibung  gebracht  (Fig.  1 1,  12).  Hier  bemerkt  man 
besonders,  dass  die  Zusammenziehungen  hervorbringende  Elektricität  weder 
durch  die  Berührung  der  Hände  mit  beiden  Bogen,  noch  durch  die  wieder- 
holte Berührung  der  Bogen  mit  den  Theilen  der  Thiere  sich  vermindert  oder 

zerstreut  wird. 

„Als  etwas  Besonderes  und  Bemerkungswürdiges  ist  anzuführen,  was 
w  oft  in  Ansehung  der  Conductoren  der  Bogen,  und  leitenden  Schei- 
ben,  vorzüglich    bei   schon  ermatteten  Kräften   der  also  zubereiteten  Thiere 

n:tw*1d,    Elektrochemie.  3 


7  4  Zweites  Kapitel. 


zu  bemerken  Gelegenheit  hatten,  dass  nämlich  verschiedene  und  mannig- 
faltige zusammen  vereinigte  metallische  Substanzen  sehr  viel,  sowohl  bei 
der  Hervorbringung  der  Muskelbewegung,  als  bei  der  Vermehrung  derselben, 
vermögen,  und  zwar  ungleich  mehr,  als  eine  eben  dieselben  metallischen 
Substanzen  für  sich  allein.  So  z.  B.,  wenn  der  ganze  Bogen,  der  Haken,  und 
die  leitende  Scheibe  allein  von  Eisen  sind,  geschieht  es  äusserst  oft,  dass  die 
Bewegungen  entweder  gänzlich  aufhören,  oder  äusserst  schwach  werden;  — 
wenn  aber  nur  ein  Stück  derselben  von  Eisen,  ein  anderes  aber  von  Kupfer, 
oder  Silber  ist  (Silber  scheint  uns  vor  allen  anderen  Metallen  zur  Leitung 
der  thierischen  Elektricität  am  geschicktesten  zu  sein),  so  geschehen  die  Zu- 
sammenziehungen alsogleich,  stärker  und  von  längerer  Dauer.  Das  Näm- 
liche geschieht  auch,  wenn  die  Oberfläche  einer  und  derselben  Scheibe  an 
zwei  von  einander  getrennten  Orten,  mit  Metallblättchen,  z.  B.  an  einem 
Orte  mit  Stanniol  und  dem  anderen  aber  mit  Kupferblättchen,  überzogen  wird, 
da  bekommt  man  grösstentheils  stärkere  Zusammenziehungen,  als  wenn 
beide  Theile  mit  einerlei  Metalle,  selbst  mit  Silber  überzogen,  oder  wie  die 
Physiker  sagen,  belegt  wären. 

„Nachdem  wir  diesen,  dem  elektrischen  Feuer  ähnlichen  Umlauf  der 
Nervenflüssigkeit  entdeckt  hatten,  schien  daraus  zu  folgen,  dass  eine  zwei- 
fache, und  das  zwar  ungleiche  oder  besser  entgegengesetzte  Elektricität  zu- 
gleich diese  Erscheinung  hervorbringe,  so  wie  jene  Elektricität  der  Leidener 
Flasche,  oder  des  magischen  Quadrats  zweifach  ist,  durch  welche  die  elek- 
trische Flüssigkeit  ihren  Kreislauf  verrichtet.  Der  Beweis  eines  Überganges 
oder  Umlaufes  der  Elektricität  kann  von  der  Wiederherstellung  des  Gleich- 
gewichts, und  zwar  einzig  oder  grösstentheils  zwischen  entgegengesetzten 
Elektricitäten  hergenommen  werden.  Dass  sie  in  einem  und  ebendemselben 
Metalle  lagen,  schien  allerdings  der  Natur  und  den  Untersuchungen  zuwider 
zu  sein:  nun  war  nur  noch  übrig  zu  vermuthen,  dass  beide  im  Thiere  lagen. 

„Damit  aber  auch  nicht  der  geringste  Verdacht  übrig  bliebe,  als  ob  ich 
selbst  den  Thieren  im  Versuchen  hatte  Elektricität  zufliessen  lassen  können, 
Hess  ich  einen  kupfernen  Bogen  mit  Silberblättchen  überziehen,  befestigte 
ihn  an  eine  Glasröhre,  die  ich  zu  der  Hand  hielt,  wenn  ich  den  Bogen  an  die 
Thiere  setzte;  aber  trotz  dieser  Vorsicht  erfolgten  die  Bewegungen  dennoch." 

3.  Wirkung  der  Belegungen.  Durch  diese  Versuche  war  Galvani 
somit  zu  der  Vorstellung  gekommen,  dass  in  den  thierischen  Theilen,  welche 
durch  die  Berührung  mit  metallischen  Leitern  in  Zuckungen  gerathen,  schon 
an  und  für  sich  die  Elektricität  vorhanden  sei,  von  deren  Wirksamkeit  in 
dieser  Hinsicht  er  sich  vorher  überzeugt  hatte.  Um  diese  zu  entdecken  und 
ihre  Natur  festzustellen,  machte  er  verschiedene  Versuche,  die  allerdings  in 
Bezug  auf  diese  Frage  keine  Antwort  gaben,  wohl  aber  eine  neue  und  un- 
erwartete Erscheinung  beobachten  Hessen.     Er  berichtet  darüber: 

„Um  diese  verborgene  und  schwere  Sache,  den  Sitz  der  beiden  Elek- 
tricitäten zu  entdecken,  schien  mir  nichts  geschickter,  als  die  Elektricität 
zu  vergrössern   und  zu  vermindern;   ich  dachte  also  fleissig  über  die  Mittel 


_35 


ach,  um  es  zu  bewerkstelligen.  Die  Analogie  leitete  mich  auf  eines,  näm- 
ch  die  Nerven,  in  welchen  viel  Elektricität  zu  sein  scheint,  und  deren  Be- 
:hanenheit  wir  schon  kannten,  mit  einen  Metallblättchen,  vorzüglich  mit  einem 
on  Zinn  zu  belegen,  so  wie  es  die  Physiker  mit  ihren  magischen  Quadraten, 
nd  der  Leidener   Flasche  zu  machen  gewohnt  sind  (Fig.  12,   18). 

„Durch  diesen  Versuch  wurden  die  Muskelbewegungen  wunderbar  ver- 
arkt,  so  dass  dieselben  auch  ohne  Bogen  durch  die  Berührung  der  belegten 


«rven  mit  irgend  einem  andern  leitenden  oder  isolirenden  Körper  ent- 
änden,  wenn  nur  die  Thiere  frisch  zubereitet  waren  und  Kräfte  genug 
atten;  dass  die  Wirkung  des  angewandten  Bogens  und  der  anderen  Ha  nd- 
rine lange  andauerte;  dass  sogar  sehr  heftige  und  andauernde  Zuckungen 
n  vor  der  Section  ermatteten  Thieren  bewirkt  wurden,  die  sogar  zuweilen 
ndauerten,  wenn  der  Bogen,  oder  die  anderen,  mit  dem  armirten  Nerven 
1  Berührung  stehenden  Körper  entfernt  werden, 

„Noch  mehr!  Die  Eigenschaft  und  Kraft  dieses  Versuches  in  derVermeh- 
ung  der  Elektricitätskräfte  ist  so  gross,  dass  die  Mittheilung  oder  der  Übergang, 
ler  bei  der  Anwendung  der  Haken  und  des  Bogens  zuvor  kaum  sichtbar 
■ar,  so  glücklich  und  leicht  vor  sich  ging,  dass  er  nicht  nur  durch  zwei, 
indem  auch  durch  drei  und  mehrere,  eine  Kette  bildende  Menschen  in 
en  Frosch  erfolgte  und  die  Muskelbewegung  wie  gewöhnlich  hervorge- 
racht  wurde,'  und  das  vorzüglich  zu  Sommerszeit,  mit  schon  älteren  Thieren, 
e  blosse  Muskeln  hatten,  und  besonders  bei  annahenden  Gewittern.    Über- 


^6  Zweites  Kapitel. 

zog  ich  das  entblösste  Gehirn  oder  das  Rückenmark  zubereiteter  Frösche 
zum  Theil  mit  Stanniol,  so  bekamen  wir  bei  de**  gewöhnlichen  Anwendung 
des  Bogens  heftige  und  geschwinde  Zusammenziehungen,  was  uns  sonst 
ohne  den  Kunstgriff*  weder  mit  Bogen,  noch  auf  eine  andere  Art  ge- 
lungen war/' 

4.  Identität  der  thierischen  Elektricität  mit  der  gewönlichen. 
Eine  Prüfung,  ob  auch  diese  „thierische  Elektricität"  die  gleichen  Leitungs- 
verhältnisse zeige,  wie  die  gewöhnliche  oder  künstliche,  ergab  ein  durchaus 
bejahendes  Resultat.  Auch  hier  verändert  Galvani  die  Versuche  in  der 
mannigfaltigsten  Weise,  um  alle  möglichen  Einwände  und  Zweifel  zu  heben, 
und  seine  Vielseitigkeit  in  der  Ersinnung  neuer  Anordnungen  sowie  seine 
Geduld  in  ihrer  Ausführung  verdienen  alles  Lob. 

5.  Die  F lasch entheorie.  Schliesslich  geht  Galvani  dazu  über,  die 
Gesammtheit  seiner  Beobachtungen  zusammenzufassen,  und  eine  Hypothese 
aufzustellen,  nach  welcher  sie  zu  erklären  sind.  Bei  dem  engen  Umfang 
der  damals  bekannten  Thatsachen  der  Elektrik  wendet  er  naturgemäss  sein 
Augenmerk  auf  den  interessantesten  und  merkwürdigsten  Apparat  jener 
Zeit,  die  KLEisi^sche  oder  Leidener  Flasche,  uud  fasst  demgemäss  den  Muskel 
als  eine  Batterie  solcher  Leidener  Flaschen  auf.  Seine  Worte  über  diesen 
Gegenstand  sind: 

„Aus  dem  bisher  Untersuchten  und  Bekannten,  glaube  ich,  erhellt  es 
klar,  dass  die  Thiere  eine  selbständige  Elektricität  besitzen:  diese  erlaube 
man  uns  nach  dem  berühmten  Bertolon  und  Anderen  mit  dem  allgemeinen 
Namen  einer  thierischen  zu  belegen.  Sie  ist,  wenngleich  nicht  in  allen, 
dennoch  in  den  meisten  Theilen  der  Thiere  enthalten,  in  den  Muskeln  und 
den  Nerven  aber  zeigt  sie  sich  am  deutlichsten.  Ihre  besondere  und  vorher 
unbekannte  Eigenschaft  scheint  zu  sein,  dass  sie  von  den  Muskeln  zu  den 
Nerven,  oder  vielmehr  von  diesen  zu  jenen  übergeht,  und  sogleich  in  einen 
Bogen,  eine  Menschenkette,  oder  jeden  anderen  leitenden  Körper  eindringt, 
die  sie  einen  kürzern  und  leichtern  Weg  von  den  Nerven  zu  den  Mus- 
keln leitet,  dass  sie  durch  dieselben  auf  das  Schnellste  von  jenen  zu  diesen 
fliesst.  Daraus  scheint  zweierlei  zu  folgern,  nämlich,  dass  in  diesen  Theilen 
eine  zweifache,  eine  positive  und  eine  negative,  d.  h.  eine  von  der  andern 
ganz  verschiedene  Elektricität  sei,  ausser  welchen  Umstand  bei  herge- 
stelltem Gleichgewicht  keine  Bewegung,  kein  Ausfluss  der  Elektricität, 
keine  Erscheinungen  von  Muskelzusammenziehungen  stattfinden. 

„In  welchen  aber  von  diesen  genannten  Theilen  die  eine  oder  die  andere 
Elektricität  ihren  Sitz  hat,  ob  nämlich  eine  im  Muskel  und  die  andere  im 
Nerven,  oder  beide  in  eben  demselben  Muskel,  und  aus  welchem  Theile  sie 
fliesst,  ist  sehr  schwer  zu  bestimmen.  Wenn  es  aber  erlaubt  ist,  in  dieser 
Dunkelheit  einige  Muthmassung  zu  wagen,  so  bin  ich  dafür,  den  Sitz  beider 
Elektricitäten  in  den  Muskel  zu  setzen. 

„Wenn  es  gleich  mehrentheils  nothwendig  ist,  um  Muskelzusammen- 
ziehungen zu  erhalten,  dass  das  eine  Ende  des  Bogens  an  die  Nerven  ausser- 


Galvani.  37 

halb  der  Muskeln,  das  andere  an  die  Muskeln,  wie  wir  gesagt  haben,  gesetzt 
werde,  so  folgt  doch  nichts  daraus,  dass  in  den  Nerven  die  eine  Elektri- 
cität, die  andere  in  den  Muskeln  ihren  Sitz  haben  wie  in  der  Leidener  Flasche, 
denn  obgleich  das  eine  Ende  an  die  äussere  Oberfläche  dieser  Flasche, 
das  andere  aber  an  den  Conductor  der  Flasche  gebracht  zu  werden  pflegt, 
so  lässt  sich  doch  daraus  am  wenigsten  die  Folge  ziehen,  dass  die  Elektri- 
cität, die  sich  im  Conductor  findet,  eine  besondere,  und  von  der,  welche  in 
der  Flasche  auf  dem  Boden  gesammelt  worden  ist,  verschieden  sei.  Es  ist 
vielmehr  bekannt,  dass  sie  allerdings  zur  innern  gefüllten  Oberfläche  gehört, 
und  dass  beide,  obgleich  entgegengesetzte  Elektricitäten,  in  der  nämlichen 
Flasche  enthalten  sind.  Betrachtet  man  die  grosse  Zahl  der  Zusammen- 
ziehungen, welche  man  in  einem  zubereiteten  Thiere  erhält,  welcher  Zahl 
die  sehr  geringe  Menge  Elektricität  in  den  zubereiteten  Muskeln,  welche 
nach  der  Zerschneidung  in  den  kleinen  übrigbleibenden  Nerventheile  ent- 
halten sein  muss,  am  wenigsten  entsprechen  kann;  zieht  man  überdies 
die  vielen  von  den  thierischen  Verrichtungen  hergenommenen  Beweise  in 
Knvägung,  welche  darthun,  dass  die  von  uns  schon  bewiesene  elektrische 
Xervenflüssigkeit  frei  und  aufs  schnellste  durch  die  Nerven  ausfliesse;  ist 
man  endlich  auf  die  andere  dunkle  und  schwere  Erklärung  der  Erschei- 
nungen beider  in  eben  demselben  Muskel  sitzenden  Elektricitäten  aufmerk- 
sam, so  wird  man  nicht  ohne  Ursache,  wie  wir  zeigen  werden,  schliessen. 
dass  der  Muskel  der  eigentliche  Sitz  der  von  uns  entdeckten  Elektricität  sei, 
der  Nerv  aber  die  Stelle  des  Conductors  vertrete. 

„Dies  vorausgesetzt,  wird  die  Hypothese  und  Muthmassung  weder  un- 
schicklich, noch  der  Wahrheit  unähnlich  sein,  die  eine  Muskelfiber  einer 
kleinen  Leidener  Flasche  oder  einem  ähnlichen  elektrischen,  mit  jener  zwei- 
fachen und  entgegengesetzten  Elektricität  versehenen  Körper  vergleicht,  den 
Nerven  für  den  Conductor  der  Flasche  nimmt,  und  folglich  den  ganzen 
Muskel  für  eine  Menge  Leidener  Flaschen  ansieht.  Dass  diese  zweifache  und 
entgegengesetzte  Elektricität  in  einem  und  eben  demselben  Muskel  ihren  Sitz 
haben  könne,  wird  jeder  der  Wahrheit  gemäss  zulassen,  welcher  eine  Muskel- 
fiber genau  betrachten  wird,  die,  obgleich  dem  Anblicke  nach  äusserst 
einfach,  dennoch  aus  verschiedenen  sowohl  harten  als  flüssigen  Theilen  zu- 
sammengesetzt ist,  welche  keine  geringe  Verschiedenheit  in  dieselbe  bringen. 
Dass  die  Substanz  der  Nerven  von  jener  der  Muskeln  allerdings  verschieden 
sei,  lehrt  sehr  deutlich  die  Empfindlichkeit,  welche  in  jedem  Punkte  der 
Fiber  gegenwärtig  ist  Was  verbietet  uns  nun,  diese  nervische  Substanz 
in  jedem  Theilchen  der  Fiber,  ohngeachtet  sie  den  Nerven  nicht  ähnlich, 
noch  mit  Augen  zu  entdecken  ist,  sondern  nur  durch  die  Empfindlich- 
keit erkannt  wird,  für  eine  wenigstens  zum  Theil  von  der  sichtbaren  Sub- 
stanz des  Nerven  verschiedene,  oder  auf  eine  andere  Art  geordnete  Sub- 
stanz zu  halten,  die  dieserwegen  elektrischer  Natur  ist,  während  der  aus 
der  Muskelfiber  gezogene  Nerv  leitender  Natur  ist.  Doch  das  wird  viel- 
leicht durch    das,    was   wir   weiter   unten    zu    sagen  haben,    klarer  werden. 


3  8  Zweites  Kapitel. 


Ungleich  schwerer  wird  derjenige  die  zweifache  Elektricität  in  ebenderselben 
Muskelfiber  leugnen  können,  welcher  sieht,  was  gewiss  weder  schwer 
noch  unwahrscheinlich  ist,  dass  diese  Fiber  zweierlei  und  zwar  entgegen- 
gesetzte Oberflächen,  eine  innere  und  eine  äussere,  habe,  er  nehme  nur 
Rücksicht  auf  die  Höhlung,  welche  von  Einigen  in  der  Muskelfaser  ange- 
nommen wird,  oder  aber  auf  die  Verschiedenheit  der  Bestandteile,  aus 
welchen,  wie  wir  gesagt  haben,  sie  zusammengesetzt  ist. 

„Endlich,  wenn  Jemand  nur  ein  wenig  den  Turmalin  betrachtet,  in 
welchem  eine  solche  zweifach  entgegengesetzte  Elektricität  nach  den  Ent- 
deckungen der  Neueren  zu  finden  ist,  der  wird  einen  neuen,  von  der  Analogie 
hergenommenen  Grund  finden,  durch  welche  diese  Hypothese  an  Gewicht 
gewinnt.  Aber  wie  sich  die  Sache  auch  immer  verhalte,  wir  haben  eine  so 
grosse  Übereinstimmung  der  Ursachen  und  Erscheinungen  zwischen  der 
Entladung  der  elektrischen  Flüssigkeit  aus  der  Leidener  Flasche  und  unsern 
Zusammenziehungen  bemerkt,  dass  wir  von  dieser  Vergleichung  kaum  mehr 
abweichen  und  wir  uns  nicht  enthalten  können,  diese  sowohl  als  jene  einer 
und  derselben  Ursache  zuzuschreiben." 

An  diese  Erörterungen  schliesst  Galvani  einen  erneuten  Vergleich  der 
„thierischen"  Elektricität  mit  der  gewöhnlichen,  wobei  er  in  sechs  Punkten 
Übereinstimmung  findet:  beide  zeigen  gleiches  Verhalten  zu  Leitern  und 
Nichtleitern,  beide  suchen  den  kürzesten  Weg,  beide  zeigen  entgegengesetzte 
(positive  und  negative)  Natur,  bleiben  lange  an  den  Körpern  haften,  erneuern 
sich  in  kürzester  Frist,  und  erfahren  endlich  durch  Belegung  mit  Metallfolie 
eine  wesentliche  Verstärkung. 

Unterschiede  bestehen  insofern,  als  die  „elektrische  Atmosphäre"  (die 
Fernewirkung  und  Influenz)  fehlt,  und  als  Anziehungen  und  Abstossungen 
nicht  nachzuweisen  waren,  weder  unmittelbar,  noch  an  Elektrometern. 

6.  Theorie  der  Lebensgeister.  Der  übrige  Theil  der  Abhandlung 
Galvani's  enthält  physiologische  und  pathologische  Spekulationen  von  ziem- 
lich phantastischer  Beschaffenheit.  Er  glaubt,  dass  die  elektrische  Flüssigkeit 
vom  Gehirn  bereitet,  und  zwar  aus  dem  Blut  ausgesondert  wird,  und  dass 
sie  von  dort  durch  die  Nervenröhren  in  die  Muskeln  fliesst. 

„.Wenn  es  sich  so  verhält,  so  wird  endlich  die  verborgene  und  seit  lange 
schon  umsonst  gesuchte  Natur  der  Lebensgeister  neue  Deutlichkeit  be- 
kommen." Galvani  setzt  des  breiteren  auseinander,  wie  er  sich  den  Vor- 
gang der  Muskelcontraction  durch  elektrische  Entladung  vom  Nerven  aus 
vorstellt,  und  fährt  fort:  „Wird  dies  zugelassen,  so  öffnet  sich  uns  ein  Weg, 
die  Muskelbewegungen  zu  erklären,  die  im  lebenden  Thier  geschehen,  welche 
wir  nun  betrachten  wollen.  Was  die  willkürlichen  Bewegungen  betrifft,  so 
kann  vielleicht  die  Seele  durch  ihre  wunderbare  Kraft  entweder  dem  Hirn, 
oder,  was  leichter  zu  glauben  ist,  ausser  demselben  einem  ihr  beliebigen 
Nerven  einen  Anstoss  geben,  wodurch  die  elektrische  Nervenflüssigkeit  so- 
gleich in  jenem  Theil  des  Nerven  zusammenfliesst,  zu  welchem  sie  durch 
den  Antrieb  geleitet  wird;   ist  sie  dahin  gekommen,  so  wird  sie  den  nicht 


Galvani.  og 

leitenden  Theil  der  Nervensubstanz  durch  ihre  Anhäufung  überwältigen,  und 
von  derselben  ausfliessend  entweder  von  der  äusseren  Feuchtigkeit  der  Nerven, 
oder  von  den  Häutchen,  oder  von  anderen  benachbarten  Theilen,  welche 
die  Stelle  der  leitenden  Körper  vertreten,  aufgefangen,  und  durch  diese  wie 
durch  einen  Bogen  zu  den  Muskeln,  von  welchen  sie  ausgeflossen  war, 
wieder  zurückgebracht." 

Galvani  verfehlt  nicht,  auf  diese  Betrachtungen  alsbald  auch  eine  Patho- 
logie zu  begründen,  und  des  weiteren  auszuführen,  welche  schädlichen  Folgen 
sowohl  eine  „übermässig  gehäufte,  verdorbene"  Elektricität,  wie  auch  ein 
Mangel  daran  haben  muss,  woraus  sich  alsdann  eine  elektrische  Therapie  er- 
giebt  Indessen  verdient  doch  die  Vorsicht  und  Zurückhaltung,  mit  welcher 
er  den  hypothetischen  Charakter  seiner  Darlegungen  wiederholt  betont,  alle 
Anerkennung. 

7.  Rückblick  und  Kritik.  Es  ist  überaus  lehrreich,  sich  den  Weg, 
welchen  Galvani  gegangen  ist,  nochmals  kurz  zu  vergegenwärtigen.  Nach- 
dem die  Zuckungen  zunächst  in  Folge  von  elektrischen  Entladungen  in  der 
Nahe  der  präparirten  Froschschenkel  beobachtet  waren,  ergab  sich,  dass 
ganz  ähnliche  Erscheinungen  erhalten  werden  konnten,  ohne  dass  irgend 
welche  äussere  elektrische  Mittheilung  oder  Bewegung  nachweisbar  war.  Der 
Schluss,  dass  somit  in  dem  Präparat  selbst  elektrische  Vorgänge  erfolgen 
müssten,  wenn  die  Zuckungen  auftraten,  ist  ganz  wohlbegründet,  und  erhielt 
durch  den  Umstand  seine  Bestätigung,  dass  eine  Unterbrechung  des  leitenden 
Bogens  durch  Luft  oder  andere  Isolatoren  alsbald  die  Erscheinung  aufhob. 
So  weit  ist  Alles  in  Ordnung. 

Nun  aber  entstand  die  Frage  nach  dem  Sitz  elektrischer  Ladung.  Diese 
Fragestellung  scheint  völlig  unverfänglich,  und  doch  war  sie  für  den  Irrthum 
Galvani's  entscheidend.  Denn  sie  setzt  voraus,  dass  im  Präparat  die  elek- 
trische Ladung  bereits  vorhanden  ist.  Eine  solche  Annahme  wäre  an 
und  für  sich  wissenschaftlich  berechtigt  gewesen,  wenn  sie  ausdrücklich  aus- 
gesprochen und  demgemäss  geprüft  worden  wäre;  sie  wurde  aber  von  Gal- 
vani als  „selbstverständlich"  vorausgesetzt,  d.  h.  er  untersuchte  gar  nicht  die 
flüchtig  berührte  (S.  34)  Möglichkeit,  dass  es  anders  sein  könne.  Wir  haben 
hier  eine  der  ergiebigsten  Quellen  wissenschaftlicher  Irrthümer  blossgelegt, 
deren  Wirkung  man  in  unzähligen  Fällen  nachweisen  kann.  Sie  besteht  in 
der  Benutzung  unausgesprochener,  und  daher  ungeprüfter  Voraussetzungen. 
Das  Mittel,  solche  Fehler  zu  vermeiden,  besteht  naturgemäss  darin,  dass 
man  in  einer  jeden  wissenschaftlichen  Schlussreihe  die  gemachten  Annahmen 
ausdrücklich  angiebt,  und  sie  dann,  zunächst  rein  formal,  daraufhin  unter- 
sucht, ob  sie  die  einzig  denkbaren  sind.  Gewöhnlich  sind  noch  andere 
Möglichkeiten  vorhanden,  über  welche  darin  das  Experiment  oder  die  Beob- 
achtung zu  entscheiden  hat.  Freilich  hängt  die  Wirksamkeit  eines  solchen 
Verfahrens  davon  ab,  wie  vollständig  man  die  Tabelle  der  Möglichkeiten 
entwirft,  und  da  man  der  Vollständigkeit  im  Allgemeinen  nie  völlig  sicher 
sein  kann,  so  bleibt  an  dieser  Stelle  stets  noch  ein  Irrthum  möglich. 


aq  Zweites  Kapitel. 


Der  von  Galvani  aufgegriffene  Gedanke,  dass  der  Muskel  eine  Samm- 
lung kleiner  Leidener  Flaschen  sei,  entwickelt  sich  nun  völlig  naturgemäss. 
In  dieser  Vorrichtung  hat  man  die  Möglichkeit,  dass  beträchtliche  elektrische 
Energie  ohne  hohe  Spannung  angehäuft  werden  kann,  wodurch  der  Um- 
stand, dass  der  Muskel  keine  elektrischen  Erscheinungen  zeigt,  sehr  gut 
verständlich  wird.  Auch  die  ungemeine  Verstärkung  der  Wirkungen  durch 
die  „Belegung"  des  Nerven  mit  Stanniolblättchen  unterstützte  diese  Meinung; 
kurz,  nachdem  einmal  der  erste  Schritt  vom  Wege  geschehen  war,  lässt  sich 
das  weitere  Verfahren  Galvanos  wissenschaftlich  sehr  wohl  rechtfertigen. 

Nur  ein  Tadel  muss  noch  ausgesprochen  werden.  Galvani  hatte  bei 
seinen  Versuchen  nicht  übersehen,  dass  die  Entstehung  von  Zuckungen, 
wie  sie  ohne  Zuhilfenahme  äusserer  elektrischer  Ladungen,  bloss  durch  Ver- 
bindung von  Nerv  und  Muskel  durch  einen  leitenden  Bogen  erfolgten,  in 
höchstem  Maasse  von  der  Natur  dieses  Bogens  abhängig  war,  und  dass  sie 
ganz  vorwiegend  kräftig  erfolgten,  wenn  der  Bogen  aus  zwei  verschiedenen 
Metallen  bestand.  Hierfür  war  bei  der  Entladung  der  Leidener  Flasche 
keine  Analogie  vorhanden,  und  dieser  Umstand  hätte  Galvani,  wenn  er  ihn 
näher  untersucht  hätte,  bald  auf  Widersprüche  gegen  seine  Hypothese  ge- 
führt, welche  ihm  ihre  Unnahbarkeit  klar  gemacht  hätten.  Zwar  darf  man 
niemals  darauf  rechnen,  wenn  man  einem  neuen  Erscheinungsgebiet  gegen- 
über eine  erste  hypothetische  oder  theoretische  Zusammenfassung  versucht, 
dass  nicht  an  einigen  Orten  ungelöste  Widersprüche  nachbleiben  werden. 
Solche  Punkte  sind  aber  die  wichtigsten  für  die  weitere  wissen- 
schaftliche Entwickelung  der  Frage.  Denn  es  ist  eine  verhältniss- 
mässig  leichte  Aufgabe,  nachdem  einmal  ein  einigermassen  zureichendes 
Schema  gefunden  ist,  die  Fälle  zu  bearbeiten,  welche  unter  das  Schema 
fallen  und  durch  dessen  Führung  zugänglich  sind;  die  Dinge  aber,  welche 
im  Widerspruch  mit  dem  Schema  stehen,  erfordern  bei  ihrer  Untersuchung 
ein  bedeutend  höheres  Maass  von  Vorsicht  und  Umsicht. 

Beide  hier  hervorgehobenen  Punkte  haben  als  Ausgang  für  die  weitere 
wissenschaftliche  Entwickelung  der  Frage  gedient,  die  wesentlich  durch  Volta 
bewerkstelligt  wurde.  Galvani  aber  blieb  zeitlebens  anderen  Anschauungen 
unzugänglich,  und  hat  unzweifelhaft  den  Widerspruch  gegen  seine  Theorie 
schmerzlicher  empfunden,  als  ihm  die  Bestätigung  seiner  Versuche,  welche 
alsbald  von  allen  Seiten  erfolgte,  Freude  gemacht  hat.  Hängen  wir  doch 
Alle  an  solchen  Dingen  weit  mehr  als  an  den  von  uns  beobachteten  That- 
sachen.  Denn  diese  letzteren  stehen,  sobald  sie  der  Welt  mitgetheilt  sind, 
objeetiv  und  ausser  uns,  zum  Gebrauch  für  Freund  und  Feind  da;  in  der 
Form  aber,  durch  welche  wir  uns  die  geistige  Herrschaft  über  die  That- 
Sachen  gesichert  haben,  oder  zu  haben  glauben,  bleibt  viel  mehr  von  unserem 
eigenem  Wesen  enthalten;  hier  sind  wir  verletzlich  und  daher  empfindlich, 
während  eine  gut  beobachtete  Thatsache  unverrückt  dasteht,  und  in  ihrer 
Beschaffenheit  durch  keinerlei  Angriffe  geändert  werden  kann. 

8.  Biographisches.     Was  die  persönlichen  Verhältnisse  Aloysius  Gal- 


Galvani.  4 1 

van^s  anlangt,  so  ist  er  am  7.  September  1737  in  Bologna  geboren.1  Er 
wurde  frühzeitig  durch  Lehre  und  Beispiel  unterrichtet,  denn  unter  seinen 
Verwandten  befanden  sich  mehrere,  die  sich  in  der  Theologie  und  Juris- 
prudenz hervorgethan  hatten.  Nach  Vollendung  seiner  Studien  widmete  er 
sich  der  Medicin  und  heirathete  bald  darauf  die  Tochter  des  Professor  Ga- 
leazzi.  Er  kam  sehr  frühzeitig  zu  angesehener  Stellung.  Seine  wissenschaft- 
lichen Arbeiten  bezogen  sich  grösstenteils  auf  vergleichende  Anatomie  und 
Physiologie.  Seine  Entdeckung  machte  er  1793,  im  Alter  von  53  Jahren. 
Galvani's  Lebensende  war  ein  vielfach  getrübtes.  „Dieser  berühmte 
Mann  wurde  die  Beute  alles  Unglücks,  welches  ein  emptängliches  und  zärt- 
liches Gemüth  betrüben  kann.  Er  sah  in  seinen  Armen  seine  theure  Lucia 
wie  er  seine  Gattin  zu  nennen  pflegte)  verscheiden;  er  verlor  alle  seine 
Stellungen,  da  er  sich  standhaft  weigerte,  den  von  der  cisalpinischen  Re- 
publik geforderten  Bürgereid  zu  schwören.  Der  Tod  entriss  ihm  fast  aut 
einmal  die  Seinigen.  Er  selbst  wfurde  lange  durch  grausame  Schmerzen 
in  Folge  eines  Magenleidens  gequält,  welches  von  den  Ärzten  auf  eine  Ver- 
t     engerung   des  Pylorus  gedeutet  wurde,    und  fiel  in  einen  Zustand  des  Hin- 

1 

i  siechens  und  des  Marasmus,  dessen  Fortschritte  die  sachgemässe  und  sorg- 
faltige  Pflege  der  Arzte  Cingari  und  Uttini  nicht  zu  hindern  vermochte.  Er 
starb  am  4.  December  1798,  im  Alter  von  60  Jahren." 

9.  Vorgänger  Galvani's.  Das  Aufsehen,  welches  die  Versuche 
Galvani's  erregten,  war  ungemein  gross;  insbesondere  in  Italien,  Deutsch- 
land und  England  beeilte  man  sich,  sie  zu  wiederholen,  während  die  französi- 
schen Gelehrten  längere  Zeit  verstreichen  Hessen,  bevor  sie  sich  mit  der 
Frage  zu  beschäftigen  anfingen.  Wie  es  bei  solchen  Gelegenheiten  nie  aus- 
bleibt, wurden  in  der  älteren  Literatur  verschiedene  Notizen  aufgestöbert, 
welche  mehr  oder  weniger  berechtigt  als  Vorausnahmen  der  Entdeckung 
Galvani's  angesehen  wrurden.  Von  diesen  älteren  Berichten  ist  am  merk- 
würdigsten eine  Beobachtung,  welche  J.  G.  Sulzer  1760  beschrieben  hat:2 
„Wenn  man  zwei  Stücke  Metall,  ein  bleiernes  und  ein  silbernes,  so  mit  ein- 
ander vereinigt,  dass  ihre  Ränder  eine  Fläche  ausmachen,  und  man  bringt 
sie  an  die  Zunge,  so  wird  man  einen  gewissen  Geschmack  daran  merken, 
der  dem  Geschmack  des  Eisenvitriols  ziemlich  nahe  kommt,  da  doch  jedes 
Stück  besonders  nicht  die  Spur  von  diesem  Geschmack  hat.  Nun  ist  es 
nicht  wahrscheinlich,  dass  bei  dieser  Vereinigung  der  beiden  Metalle  von 
dem  einen  oder  dem  anderen  eine  Auflösung  vor  sich  gehe,  und  die  auf- 
gelösten Theilchen  in  die  Zunge  eindringen.  Man  muss  also  schliessen,  dass 
die  Vereinigung  dieser  Metalle  in  einem  von  ihnen  oder  in  allen  beiden  eine 


1  Die  Darstellung  folgt  Sue,  Hist.  du  galvanisme,  Paris  1802,  1,  4.  Die  Angaben  sind 
d**m  Nekrolog  v^n  C.  Au  BERT  in  den  Mem.  de  la  soc.  med.  d'emulation  de  Paris,  tome  4, 
entnommen. 

*  Mem.  de  Berlin,  1760.  —  Theorie  der  angenehmen  und  unangenehmen  Empfindungen. 
Berlin  1762.  —  Im  Göttinger  Taschenkalender  für  1794,  S.  186,  wurde  die  Stelle  zuer>t  wieder 
nachgewiesen. 


42  Zweites  Kapitel. 


zitternde  Bewegung  der  Theilchen  verursache,  und  dass  diese  zitternde  Be- 
wegung, welche  nothwendig  die  Nerven  der  Zunge  rege  machen  muss,  den 
oben  erwähnten  Geschmack  hervorbringe." 

Eine  andere  Historie  —  wie  der  Anatomieprofessor  Dr.  Cotugni  in  Neapel 
sich  von  einer  Maus  am  Fusse  gebissen  fühlte,  diese  einfing,  und  zur  Strafe 
bei  lebendigem  Leibe  anatomiren  wollte,  worauf  aber  die  Maus  mit  ihrem 
Schwänze  heftig  gegen  seinen  dritten  Finger  schlug,  wovon  er  einen  Schlag 
durch  den  ganzen  Arm,  Zittern,  Schmerz  in  der  Schulter  und  eine  Er- 
schütterung des  Kopfes  empfand,  worüber  er  dann  dem  Ritter  Virenzio  in 
einem  Briefe  vom  3.  Oktober  1784  ausfuhrlich  berichtet  hat  —  spielt,  da 
Volta  selbst  sie  erzählt  hat,  eine  gewisse  Rolle  in  den  älteren  historischen 
Arbeiten  über  den  Galvanismus,  ohne  dass  man  doch  berechtigt  wäre,  die 
Erscheinung,  welche  diesem  seltsamen  Ereigniss  zu  Grunde  liegt,  für  eine 
galvanische  zu  erklären. 

10.  Ausbreitung  der  Entdeckung  Galvanos.  In  Deutschland  wurde 
die  erste  Nachricht  über  die  thierische  Elektricität  durch  Dr.  J.  F.  Ackermann 
in  der  „Medicinisch-chirurgischen  Zeitung"  mitgetheilt,  und  die  folgenden 
Jahre  bringen  eine  ganze  Reihe  von  Schriften.  C.  C.  Creve,  E.  J.  Schmuck 
veröffentlichten  selbst  einige  Abhandlungen,  Gren  und  Reil  theilten  ihre  Erfah- 
rungen in  dem  „Journal  der  Physik"  mit.  Hier  tritt  auch  zuerst  der  sorg- 
fältige Historiker  des  Galvanismus  und  eifrige  Vertheidiger  des  Voltaismus, 
der  spätere  Kieler  Professor  C.  H.  Pfaff,  auf,  der  zuerst  in  einer  lateinischen 
Dissertation  von  1793,  später  in  einem  grösseren  Werk1  sehr  brauchbare 
Zusammenstellungen  aus  der  älteren  Litteratur  des  Galvanismus  gab. 

Es  war  dies  nöthig,  denn  die  Zahl  der  Publikationen,  welche  unmittelbar 
durch  die  Entdeckung  Galvani's  hervorgerufen  wurde,  war  sehr  erheblich, 
namentlich  in  Italien.  Diese  Arbeiten  enthalten  meist  Bestätigungen  der 
Versuche  Galvanos  nebst  gelegentlichen  Erweiterungen,  und  haben  deshalb 
keinen  Anspruch  auf  eingehendere  Darstellung.  Was  von  diesen  Unter- 
suchungen wichtig  geworden  ist,  soll  an  geeigneter  Stelle  Erwähnung  finden. 
Unmitttelbar  nach  dem  Bekanntwerden  der  Galvanischen  Versuche  in  Deutsch- 
land wiederholte  Gren,  der  Herausgeber  des  „Journals  der  Physik"  im  Verein 
mit  seinen  Freunden  Forster,  Klügel,  Reil  und  Weber  dieselben,  und  zwar 
mit  dem  gleichen  Erfolge.2  Was  die  Deutung  anlangt,  so  urtheilten  sie  viel 
nüchterner,  als  der  Entdecker;  insbesondere  berichtet  Gren  über  eine  von 
Reil  geäusserte  Auffassung,  welche  völlig  mit  der  übereinkommt,  von  der 
aus  später  Alessandro  Volta  seine  Entdeckungen  gemacht  hat.  Folgender 
Wortlaut  lässt  darüber  keinen  Zweifel: 

„Wie  wäre  es",  meinte  mein  Freund  Reil,  „wenn  alle  die  von  Herrn 
Galvani  und  Valli  beobachteten  Erscheinungen  Wirkungen  der  schon  längst 
bekannten  Reizbarkeit  der  Muskeln  und  der  schon  längst  bekannten  Reizung 

1  Über  thierische  Elektricität  und  Reizbarkeit     Leipzig   1795. 
•  Gren's  Journ.  d.  Phys.  6,  402,   1792. 


Galvani.  A7 

der  elektrischen  Materie  auf  sie  wären  ?  Bedürfte  es  dann  wohl  einer  eigenen 
thierischen  Elektricität,  um  sie  zu  erklären?  Seiner  näheren  Bestimmung 
nach  würde  bei  der  Berührung  zwischen  dem  Metalle  des  Ausladers  und 
dem  davon  verschiedenen  der  Belegung  des  Nerven  oder  vielmehr  durch  die 
Berührung  zwischen  dem  mit  dem  Muskel  in  Verbindung  stehenden  Metalle 
und  der  Belegung  des  Nerven  Elektricität  erregt,  d.  h.  das  Gleichgewicht  der 
natürlichen  Elektricitäten  würde  gestört;  vielleicht  wäre  der  Muskel  das 
empfindlichste  Elektroskop,  und  auch  für  die  Reizung  der  elektrischen  Materie 
empfindlicher,  als  für  andere  Reize.  Folglich  würde  auf  diese  Weise  die 
Crispation  der  Muskelfaser  nur  Wirkung  der  bekannten  Irritabilität  derselben, 
der  bekannten  Sensibilität  des  Nerven  nnd  der  bekannten  Reizung  der  künst- 
lichen Elektricität  sein,  die  hier  erregt  wird.  Die  erzählten  Wirkungen  der 
künstlichen  Elektricität  scheinen  diese  Meinung  sehr  zu  unterstützen.  Bei 
dem  Uebergange  des  Funkens  aus  dem  Conductor  in  einen  benachbarten 
Leiter  wird  auch  in  der  umgebenden  Luft  das  Gleichgewicht  der  Elektricität 
plötzlich  gestört;  so  auch  plötzlich  in  dem  auf  dem  Nerven  oder  dem  Muskel 
stehenden  Leiter  in  dieser  Atmosphäre;  und  so  erfolgt  dadurch  ein  Reiz,  der 
die  Zusammenziehung  des  Muskels  zur  Folge  hat,  so  lange  dieser  Vitalität 
besitzt.  Durch  den  Funken  aus  der  Leidener  Flasche  wird  unter  denselben 
Umständen  keine  Zuckung  hervorgerufen,  weil  dadurch  in  der  umgebenden 
Luft  kein  Gleichgewicht  der  Elektricität  gestört  wird." 

Aus  einem  gleichzeitig  veröffentlichten  Briefe  Reii/s  an  Gren2  entnehme 
ich  noch  folgende  Stelle,  die  den  gleichen  Gedanken  zum  Ausdrucke  bringt: 

„Aufschlüsse  über  die  Lebenskraft,  die  den  Muskeln  das  Vermögen  zur 
Zusammenziehung  mittheilet,  erwarte  ich  von  diesen  Erscheinungen  nicht. 
Mir  scheinen  dieselben  weiter  nichts  anzuzeigen,  als  dass  die  Muskeln  sehr 
empfindlich  gegen  die  Elektricität  sind,  die  als  Muskelreiz  wirkt  und  in  der 
kleinsten  Quantität,  wie  sie  sich  bei  der  Berührung  der  verschiedenen  Metalle 
entwickelt,  Zusammenziehungen  hervorbringen  kann.  Ob  diese  Versuche  in 
der  Folge  dazu  dienen  werden,  die  Elektricität  der  verschiedenen  Metalle 
dadurch  zu  bestimmen,  oder  uns  auf  neue  Hilfsmittel  gegen  paralytische 
Krankheiten  zu  leiten,  muss  die  Zeit  lehren." 

Die  Nachricht  von  den  Versuchen  Galvani's  wurde  in  Italien  und  Frank- 
reich durch  Eüsebio  Valu3  weiter  verbreitet,  welcher  in  einer  Reihe  mehr- 
fach abgedruckter  Briefe  die  oben  berichtete  Entdeckungsgeschichte  erzählte, 
und  einen  guten  Auszug  aus  den  Arbeiten  Galvani's  und  den  Ansichten,  zu 
denen  er  gelangt  war,  gab.  Er  nennt  Vassali  als  einen  Vorgänger  Galvani'? 
insofern,  als  jener  bereits  die  Mitwirkung  der  Elektricität  bei  den  Vorgängen 
im  lebenden  Thiere  ins  Auge  gefasst  und  durch  Versuche  verfolgt  habe; 
eine  Beschreibung  derselben  (wo,  ist  nicht  mitgetheilt)  sei  schon  1789  ge- 
geben worden,  doch  sei  Galvani  viel  weiter  gegangen,  als  Vassali. 


1  Gren 's  Journ.  d.  Physik  6,  413,  1792. 

-  Journ.  de  Physique  41,  57,   1792;  Gren 's  Journ.  d.  Physik  6,  371,   1792. 


44  Zweites  Kapitel. 


In  den  weiteren  Briefen  Valli's  ist  die  Beschreibung  zahlreicher  Ver- 
suche physiologischen  Inhaltes  enthalten,  die  für  uns  kein  Interesse  bieten. 
Beachtenswerth  ist  indessen  eine  Schlussbemerkung,  die  ich  wörtlich  hersetze: 

„Ein  Gelehrter  machte  gegen  mich  die  Bemerkung,  dass  man,  um  zu 
entscheiden,  ob  das  Nervenfluidum  wirklich  die  elektrische  Flüssigkeit  wäre, 
einen  Elektrometer  zu  Hülfe  nehmen  müsse.  Da  ich  in  dem  Augenblicke 
kein  recht  empfindliches  hatte,  so  nahm  ich  meine  Zuflucht  zu  folgendem 
Versuche: 

„Ich  präparirte  vierzehn  Frösche,  deren  Cruralnerven  ich  in  einer  Belegung 
verband.  Nachdem  ich  diese  Batterie  in  Ordnung  gebracht  hatte,  und  die 
leitende  Verbindung  zwischen  den  Nerven  und  den  Muskeln  herstellte,  so 
erweckte  ich  dadurch  die  Elektricität  und  folglich  die  Erschütterungen.  In 
dem  Augenblicke  der  Entladung  wurden  zwei  kleine  Strohhalme,  die  ein 
wenig  von  einander  entfernt  waren  und  beinahe  den  Apparat  berührten, 
sogleich  einander  genähert.  Beweist  dieser  Versuch  nicht  eben  das,  was  ein 
Elektrometer  thun  würde?" 

Es  ist  ziemlich  unzweifelhaft,  dass  es  sich  hier  um  eine  Selbsttäuschung 
Valli's  handelt.  Bemerkenswerth  ist  aber  die  Nachricht  insofern,  als  sie  wohl 
den  ersten  Versuch  darstellte,  die  galvanischen  Wirkungen  durch  Vereinigung 
mehrerer  Glieder  zu  verstärken.  Das  Verfahren  war  von  der  Zusammenstel- 
lung der  Leidener  Flaschen  zu  Batterien  her  den  Elektrikern  geläufig,  und  es 
hat  später  in  der  Hand  Volta's  zur  Erfindung  der  „Säule"  geführt 


Drittes  Kapitel. 

Alessandro  Volta. 


i .  Viel  bedeutsamer,  als  solche  gelegentliche  Versuche,  die  die  Angelegen- 
leit  mehr  in  die  Breite,  als  in.  die  Tiefe  wachsen  Hessen,  sind  von  vornherein 
lie  Arbeiten  von  Alessandro  Volta. 

Im  Gegensatze  zu  Galvani,  dem  Anatomen  und  Physiologen,  war  Volta 
:in  geschulter  Physiker,  der  seinen  Scharfsinn  bereits  durch  die  Erfindung 
les  Elektrophors  und  des  Condensators  glänzend  bewährt  hatte.  Durch 
k'oi.TA's  Eingreifen  wurde  denn  auch  der  Schwerpunkt  des  Problems  bald 
«in  physiologi sehen  Boden  auf  den  physikalischen  verlegt. 

In  seiner  ersten  Abhandlung, '  einem  Briefe  an  Barunkj  vom  3.  April  1 792, 

1  (üoriiale  Fisico- Medice)  2,  \tl.  1791.  —  Collc*.  dcll*  operc  de]  Cavalicre  Conte  ALKS- 
"Asiiio  Vor.TJi,   Fircmc   1816. 


46  Drittes  Kapitel. 


sehen  wir  Volta  zunächst  noch  auf  fast  demselben  Boden  wie  Galvani;  ins- 
besondere nimmt  er  dessen  Theorie  an,  dass  die  Muskeln  als  Leidener  Flaschen 
aufzufassen  sind.  Er  weist  zunächst  darauf  hin,  dass  ein  unverletzter  Frosch 
einer  ziemlich  merklichen  Entladung,  die  der  Spannung  von  vier  bis  fünf 
Graden  des  HENLEY'schen  Quadrantelektrometers  entspricht,  bedarf,  um  in 
Zuckungen  versetzt  zu .  werden.  Wird  dem  Thiere  der  Kopf  abgeschnitten 
und  eine  Nadel  in  das  Rückenmark  gesteckt,  so  genügen  ein  bis  zwei  Grad. 
Schneidet  man  den  Frosch  durch,  und  präparirt  ihn  so,  dass  das  Rückenmark 
nur  durch  die  Cruralnerven  mit  den  Schenkeln  zusammenhängt,  so  genügen 
Ladungen,  die  an  den  empfindlichsten  Elektrometern,  denen  von  Cavallo, 
Bonnet  und  Volta  selbst  nur  eben  merklich  sind,  während  wenn  man  die 
Nerven  mit  Zinnfolie  belegt,  die  Schenkel  auf  Ladungen  reagiren,  die  überhaupt 
durch  kein  Elektrometer  kenntlich  zu  machen  sind.  Je  mehr  man  also  die 
Entladung  auf  den  Nerven  concentrirt,  um  so  wirksamer  ist  die  Elektricität. 

Dafür,  dass  den  Muskeln  eine  eigene,  natürliche  und  angeborene  Elektri- 
cität innewohne,  glaubt  Volta  einen  Beweis  in  folgendem  Versuche  zu  finden: 

„Diese  eigenthümliche,  angeborene,  nicht  von  aussen  in  den  Körper 
übertragene  Elektricität  offenbart  sich  in  dem  präparirten  Frosche  und  auch 
in  anderen  warm-  und  kaltblütigen  Thieren,  wenn  man  den  Kunstgriff 
braucht,  die  Nerven  durch  Entblössung  gleichsam  zu  isoliren  und  durch  eine 
Metallbekleidung  zu  waffnen;  sie  offenbart  sich,  sage  ich,  wie  die  künstliche, 
ohne  dass  diese,  schwach  oder  stark,  dabei  im  geringsten  ins  Spiel  kommt, 
durch  gleiche,  krampfhafte  Muskelbewegungen,  wenn  man  mittelst  vollkommen 
leitender  Körper  eine  Verbindung  zwischen  den  Muskeln  und  Nerven  herstellt. 

„Ein  solcher  Körper  sei  z.  B.  ein  in  Form  eines  C  gebogener  Messing- 
draht. Dieser  Draht  besitzt  nicht  mehr  und  nicht  weniger  als  sein  natür- 
liches Maass  elektrischer  Materie;  er  kann  also  auch  einem  anderen  Körper, 
z.  B.  einem  präparirten  oder  nicht  präparirten  Frosche,  der  ebenfalls  mit 
seinem  natürlichen  Maasse  Elektricität  begabt  ist,  elektrische  Materie  weder 
geben  noch  nehmen.  Man  halte  nun  diesen  Messingdraht  mit  dem  einen  Ende 
an  den  Muskeln,  mit  dem  anderen  an  den  Nerven,  und  man  wird  augenblick- 
lich die  vorerwähnten  Zuckungen  entstehen  sehen.  Es  liegt  also  am  Tage,  dass 
die  elektische  Materie  dieser  Theile  in  einem  gewissen  Missverhältnisse  ge- 
standen hat,  und  dass  durch  den  als  Entlader  wirkenden  Messingdraht  das 
Gleichgewicht  hergestellt  worden  ist.  Hierauf  beschränkt  sich  seine  ganze  Wir- 
kung; er  kann  die  elektrische  Materie  nicht  dahin  ziehen,wo  sie  nicht  von  selbst 
hinstrebt;   ihr  einen  bequemen  Weg  darzubieten,  ist  alles,  was  er  vermag." 

Volta  geht  sogar  schliesslich  dazu  über,  das  Zeichen  der  von  ihm  ver- 
mutheten  Ladung,  die  so  schwach  ist,  dass  kein  Elektrometer  sie  anzeigt, 
zu  ermitteln.  Zu  dem  Ende  stellte  er  folgende  sinnreiche  Überlegung  an: 
Verband  er  einmal  die  innere,  das  andere  Mal  die  äussere  Belegung  einer 
(äusserst  schwach)  positiv  geladenen  Leidener  Flasche  mit  dem  Nerven,  so 
musste  in  einem  Falle  das  Zeichen  der  Ladung  der  Flasche  mit  dem  des 
Nerven    übereinstimmen,   im    anderen   mussten   die  Zeichen  entgegengesetzt 


Alessandro  Volta. 


47 


sein.  Im  ersten  Falle  konnte  nur  eine  schwache  oder  gar  keine  Entladung 
und  Zuckung  erfolgen,  im  anderen  Falle  war  eine  starke  zu  erwarten.  Es 
ergab  sich  in  der  That  ein  derartiger  Unterschied,  und  zwar  in  dem  Sinne, 
dass,  wenn  der  Nerv  mit  dem  positivem  Theile  der  Flasche  zusammen- 
gebracht wurde,  starke  Zuckungen  auftraten,  während  sie  ausblieben,  wenn 
die  negative  Seite  den  Nerv  berührte.  Daraus  schloss  Volta,  im  Gegensatze 
zu  Galvani,  dass  der  Nerv  negativ,  das  Äussere  des  Muskels  positiv  ist. 

Wir  haben  hier  ein  vorzügliches  Beispiel,  wie  eine  vorläufige  hypothe- 
tische Erklärung  in  einen)  neuen  Erscheinungsgebiet  durch  die  Erfahrung 
„bestätigt"  werden  kann,  obwohl  sie  falsch  ist.  Es  ist  in  der  That,  um 
einen  modernen  Ausdruck  zu  brauchen,  eine  „überraschende  Bestätigung" 
der  Flaschenhyphothese,  wenn  man  die  aus  ihr  fliessende  Consequenz,  dass 
die  Wirkung  einer  von  aussen  angebrachten  Elektricität  von  dem  Zeichen 
der  elektrischen  Ladung  abhängen  müsse,  thatsächlich  .nachweisen  kann,  und 
Volta  ist  für  seinen  Schluss  nicht  zu  tadeln.  Im  Gegentheil,  es  verdient  die 
höchste  Anerkennung,  dass  er  sich  in  der  Folge  von  dieser  scheinbar  so 
glänzend  durch  den  Versuch  bestätigten  Theorie  loszumachen  wusste,  und 
die  Augen  für  die  thatsächlichen  Verhältnisse  offen  behielt,  welche  ihn  später 
lehrten,  dass  die  blosse  Schliessung  der  Kette  durch  einen  Leiter  nicht  ge- 
nügt, um  Zuckungen  hervorzurufen,  sondern  dass  es  auf  dessen  Natur 
wesentlich  ankommt. 

Galvani  antwortete  hierauf  alsbald  in  einem  Briefe  an  den  Professor 
Carminati,  indem  er  sich  zum  Theil  Volta  anschliesst,  zum  Theil  ihn  be- 
kämpft. Insbesondere  glaubt  er  an  seiner  Ansicht  über  den  Sinn  der  Ladung 
des  Muskels  festhalten  zu  müssen,  und  entwickelt  zu  ihren  Gunsten  eine 
physikalisch  recht  unklare  Theorie  der  Überladung  der  Elementarflaschen 
des  Muskels.  Man  sieht  hier  wieder  überaus  deutlich  den  Unterschied  zwischen 
dem  Mediciner  und  dem  Physiker:  während  Volta  den  Frosch  als  Elek- 
troskop  auffasst,  und  sich  für  die  Zuckungen  nur  insofern  interessirt,  als  sie 
ihm  das  Stattfinden  elektrischer  Ladungen  erweisen,  kümmert  sich  Galvan^ 
wenig  um  die  physikalische  Abrundung  und  Vertiefung  seiner  Anschauungen, 
und  legt  das  Hauptgewicht  auf  die  Aussicht,  das  Problem  der  willkürlichen 
Muskelbewegung  überhaupt  auf  diesem  Wege  zu  lösen. 

Volta  ging  stetig  auf  seinem  Wege  weiter,  der  ihn  immer  weiter  von 
Galvani  entfernte.  Der  wissenschaftliche  Streit,  welcher  in  diesem  Anlass 
zwischen  beiden  entbrannte,  hat  sein  Interesse  wesentlich  in  den  stetigen 
Fortschritten,  welche  Volta  in  dem  Verständniss  der  physikalischen  Be- 
dingungen der  fraglichen  Erscheinungen  machte.  Galvani  verharrte  durch- 
aus auf  seinem  Standpunkte,  und  die  Versuche,  welche  er  und  seine  An- 
hänger zu  ihren  Gunsten  beibrachten,  insbesondere  die  von  ihnen  nachge- 
wiesene Möglichkeit,  ganz  ohne  metallischen  Leiter  zwischen  Nerv  und  Muskel 
bei  sehr  empfindlichen  Froschpräparaten  Zuckungen  hervorzurufen,  haben 
zwar  nicht  unerhebliches  Interesse  physiologischer  Art,  sind  aber  für  die 
physikalische  Seite   des  Problems  ohne  Bedeutung  geblieben.     Hier  fiel  die 


48  Drittes  Kapitel. 


Führung  unbedingt  Volta  zu,  und  dieser  hat  seine  Aufgabe  in  ausgezeich- 
netster Weise  gelöst.  Charakteristisch  ist  schon  in  der  vorerwähnten  ersten 
Mittheilung,  wo  er  noch  ganz  auf  dem  Boden  der  Anschauungen  Galvanos 
steht,  der  quantitative  Zug  seiner  Experimente,  sein  Bestreben,  wenigstens 
annähernd  die  von  ihm  studirten  Verhältnisse  nach  Maass  und  Zahl  zu  über- 
sehen und  darzustellen. 

2.  Volta's  Fortschritte.  Gegensatz  zu  Galvani.  Sehr  bald  nach 
diesem  Briefe  veröffentlichte  Volta  zwei  lange  Abhandlungen,  deren  erste 
er  als  Dissertation  am  5.  Mai  1792  bei  Gelegenheit  einer  Promotion  in  der 
Aula  der  Universität  zu  Pavia  vorgetragen  hat.1  Wiederum  von  Galvani's 
Anschauungen  ausgehend,  gelangt  er  stufenweise  dazu,  diese  eine  nach  der 
anderen  zu  verwerfen.  Das  Studium  dieser  lehrreichen  Arbeiten  ist  etwas 
durch  die  grosse  Ausführlichkeit  und  Breite  erschwert,  in  welcher  Volta 
seine  Gedanken  und  Versuche  vorzutragen  pflegt;  doch  gewährt  die  experi- 
mentelle und  logische  Stetigkeit  der  Entwicklung  eine  Entschädigung  dafür. 

Zunächst  fiel  die  Vorstellung,  dass  der  Muskel  als  Leidener  Flasche 
oder  als  ein  System  solcher  aufzufassen  sei.  Der  Versuch,  welcher  die  Un- 
haltbarkeit  dieser  Annahme  erwies,  war  folgender.  Ein  Frosch  wurde  so 
präparirt,  dass  ein  möglichst  langes  Stück  des  Cruralnerven  frei  gemacht 
wurde.  Das  Ende  desselben  erhielt  die  übliche  metallische  Belegung;  die 
zweite  Belegung  wurde  aber  nicht  am  Muskel,  sondern  an  einer  unteren 
Stelle  desselben  Nerven,  bevor  er  in  den  Muskel  trat,  angebracht.  Wurden 
nun  durch  beide  Belegungen  die  sehr  schwache  Ladung  einer  kleinen  Lei- 
dener Flasche  geleitet,  so  gerieth  der  Muskel  in  kräftige  Zuckungen.  Die 
Muskeln  befinden  sich  bei  diesem  Versuche  ganz  ausserhalb  des  leitenden 
Kreises,  und  wenn  trotzdem  Zuckungen  stattfinden,  so  ist  zu  schliessen,  dass 
die  elektrische  Entladung  ein  Nervenreiz  ist,  der  wie  jeder  andere  die  ent- 
sprechende Muskelbewegung  hervorruft.  Wurde  nun  eine  ähnliche  doppelte 
Belegung  am  Schenkelnerven  angebracht,  wobei  aber  verschiedene  Metalle 
(z.  B.  Zinn  und  Silber)  zur  Anwendung  kommen  müssen,  so  genügt  schon 
die  leitende  Verbindung  beider  durch  irgend  ein  Metall,  um  Zuckungen 
hervorzurufen.  „Es  ist  nicht  leicht  begreiflich,  wie  sich  die  elektrische  Ma- 
terie zwischen  zwei  so  nahe  belegenen  Orten  desselben  Nerven  durch  die 
blosse  Anwendung  von  Belegungen  und  ihre  äusseren  Verbindung  bewege, 
und  warum  unähnliche  Belegungen  erforderlich  sind.  Doch  ist  dies  eine 
durch  Versuche  bestätigte  Wahrheit,  von  der  wir  weiter  unten  reden  werden." 

Volta  kommt  noch  an  mehreren  Stellen  seiner  Abhandlung  auf  die 
Notwendigkeit  zurück,  zwei  verschiedene  Metalle  anzuwenden,  und  verspricht, 
in  Zukunft  sich  eingehender  über  den  Grund  dieses  Umstandes  zu  äussern. 
Er  erwähnt  nur,  das  auch  Galyani  das  Gleiche  bemerkt  habe,  ohne  eine 
Erklärung  dafür  zu  geben. 

Es   mag    hier    eingeschaltet  werden,  dass,   fast  gleichzeitig   mit  Volta, 


1  Brugnatelli,  Giornale  Fisico-Medico,  2,   146.  241,   1792. 


Alessandro  Volta.  aq 


Cihl  Caspar  Cr£ve  *■    einern    ähnlichen  Versuch  anstellte,  den  er  freilich  ganz 
anders  deutete.    Er   hatte    in  gewöhnlicher  Weise  den  Nerv  mit  Stanniol  um- 
wkkelt,  verband  aber  diese  Belegung  nicht  mit  den  Muskeln,  sondern  legte  den 
anmrten  Nerven  bloss    a.iaf   eine  Silbermünze.    Jede  Berührung  und  Bewegung 
des  StantüoVs  auf  der    Münze  ruft  dann  Zuckungen  hervor.    Cr£v£  bemerkt 
ganz  richtig,  dass   dieser    Versuch  die  Hypothese  Galvanos  völlig  widerlegt, 
zieht  aber  gleichfalls    den   Schluss,  dass  auch  die  „gemeine  Elektricität"  nicht 
die  Ursache  der  Erscheinungen  sein  könne.     Auch  konnte  er  bei  gemein- 
samen Versuchen ,    die    er    mit  Lichtenberg  anstellte,  mittelst  eines  Bennet'- 
schen  Elektroskops   Weine    Spur  von  Elektricität  beobachten. 

Den  übrigen   Raum    in  Volta's  zweitem  Brief  nimmt  die  Darlegung  ein, 

dass  die  Elektricität    primär   nur  auf  den  Nerven  wirkt,  und  dieser  den  Reiz 

auf  den  Muskel  üherträgt.      Ferner  wird  der  Zungenversuch  in  der  gleichen 

Art  wie  bei  Sitlzeä   (S.  41)  beschrieben,  und  wieder  auf  die  Notwendigkeit, 

'    zwei  verschiedene   Metalle  dabei  anzuwenden,  hingedeutet. 

So  schliesst  denn  Volta  diese  beiden  Abhandlungen  mit  einem  Räthsel, 
an  dessen  Losung  er  alsbald  mit  eifriger  Arbeit  ging.  Er  hat  schon  im 
Laufe  desselben  Jahres  den  entscheidenden  Gedanken  klar  erfasst,  vermeidet 
aber  zunächst  noch,  näher  auf  ihn  einzugehen.  Die  Fortschritte  des  Jahres 
1792  gehen  aus  einigen  weiteren  in  diesem  Jahre  geschriebenen  Abhand- 
lungen hervor.  Zunächst  theilte  er  seine  Ergebnisse  an  Tiberius  Cavallo 
in  einen  vom  25.  October  1792  datirten,  französisch  geschriebenen  Briefe 
mit;  dieser  legte  die  Arbeit  der  „Royal  Society"  in  London  am  31.  Januar 
*793  vor,  in  deren  Transactions  sie  dann2  veröffentlicht  wurde. 

In  diesem  Briefe  setzte  Volta  zunächst  auseinander,  dass  die  Beobach- 
tung Galvani's  sich  auf  zwei  wohlbekannte  Thatsachen  zurückfuhren  lasse: 
erstens,  dass  in  Leitern  der  Elektricität,  welche  sich  in  der  Nähe  von  Con- 
duetoren  befinden,  bei  der  Entladung  der  letzteren  gleichfalls  elektrische  Be- 
wegungen stattfinden,  und  zweitens,  dass  elektrische  Bewegungen  in  lebenden 
iider  frisch  getödteten  Muskeln  Contractionen  hervorrufen.  Galvani's  Beob- 
achtungen, die  er  in  den  beiden  ersten  Theilen  seines  Werkes  beschreibt, 
beweisen  nur,  dass  das  Froschpräparat  ein  ausserordentlich  empfindliches 
Elektroskop  sei,  welches  weit  geringere  Elektricitätsmengen  entdecken  lasse, 
.  ak  die  empfindlichsten  der  gebräuchlichen  Instrumente.  Durch  eigene  Ver- 
suche überzeugte  sich  Volta  von  der  ungemeinen  Empfindlichkeit  dieses 
„animalischen  Elektrometers",  und  dies  Hilfsmittel  führte  ihn  alsbald  zu  seiner 
neuen  Entdeckung,  die  sich  auf  die  von  Galvani  in  dem  anderen  Theil 
seines  Werkes  geschilderten  Versuche  bezieht.  „Auf  diese  Weise  habe  ich 
ein  neues  Gesetz  entdeckt,  welches  nicht  sowohl  ein  Gesetz  der  thierischen 
Elektricität,   sondern  eines  der  gewöhnlichen   ist,   welcher  man  die  meisten 

1  Beyträge   zu  Galvani's  Versuchen   über  die  Kräfte   der  thierischen  Elektricität  auf  die 
Bewegung  der  Muskeln,  Frankf.  u.  Leipzig  1793. —  Auszug  in  Gren's  Journ.  d.  Physik,  7,  323, 

'793- 

*  Philos.  Trans.  1793,  I,  S.  10—44. 

Oswald,  Elektrochemie.  i 


co  Drittes  Kapitel. 

der  Erscheinungen  zuschreiben  muss,  die  nach  den  Versuchen  von  Gal- 
vani,  und  denen,  die  ich  im  Anschluss  an  diese  selbst  angestellt  habe, 
durch  eine  wahre  spontane  thierische  Elektricität  hervorgerufen  schienen, 
was  sie  doch  nicht  sind;  thatsächlich  sind  es  die  Wirkungen  einer  sehr 
schwachen  künstlichen  Elektricität,  welche  in  einer  Weise  erregt  wird,  die 
man  nicht  erwartet  hatte,  nämlich  einfach  durch  die  Anbringung  zweier  Ab- 
leitungen von  verschiedenen  Metallen,  wie  ich  das  schon  angedeutet  habe, 
und  weiterhin  besser  darlegen  will/' 

Diese  Darlegung  findet  sich  in  der  angeführten  Abhandlung  noch  nicht; 
dieselbe  enthält  ausserdem  eine  Reihe  von  Beobachtungen,  welche  zwar  für 
die  Elektrophysiologie  von  grosser  Bedeutung  sind,  mit  der  Frage  nach  der 
Elektricitätserregung  bei  der  Berührung  verschiedener  Stoffe  aber  nichts  un- 
mittelbar zu  thun  haben. 
y  3.  Anfänge  der  Theorie  der  Berührungselektricität.  Mit  völliger 
Deutlichkeit  findet  sich  die  neue  Anschauung,  zu  welcher  Volta  gelangt 
war,  in  einer  kurzen,  „vorläufigen  Mittheilung"  ausgesprochen,  welche  in 
Brugnatelli^s  „Giornale  Fisico-Medico"  enthalten  ist. l  Nachdem  er  berichtet 
hat,  dass  er  in  der  wohlausgeglühten  Kohle  ein  besonders  wirksames  Mittel 
gefunden  hat,  Zuckungen  und  ähnliche  physiologische  Wirkungen  zu  erregen, 
welches  dem  Silber  und  Gold  sich  noch  überlegen  gezeigt  hat,  beschreibt 
er,  wie  man  durch  Anbringung  zweier  verschiedener  Metalle  an  Mund  und 
Auge  subjective  Lichtwirkungen  hervorrufen  kann,  welche  beim  Schluss  der 
Kette  auftreten,  und  giebt  noch  einen  weiteren  Versuch  an,  Geschmacks- 
und Lichtempfindungen  gleichzeitig  auf  diese  Weise  zu  erzeugen.  Geruchs- 
und Geschmacksempfindungen  hervorzurufen  gelang,  ihm  dagegen  nicht. 

Alle  diese  Versuche  sprechen  gegen  eine  eigene  thierische  Elektricität 
und  für  die  Entstehung  elektrischer  Erscheinungen  durch  die  Metalle  und 
feuchten  Leiter.  „Ich  habe  Versuche  gemacht,  welche  einen  gleichen  Über- 
gang der  elektrischen  Flüssigkeit  anzeigen,  wenn  Metalle  verschiedener  Art 
an  alle  möglichen  nicht  animalischen  Körper  gebracht  werden,  auch  an 
andere  feuchte  Gegenstände,  als  Papier,  Leder,  Tuch  u.  s.  w.,  welche  mit 
Wasser  getränkt  wurden,  und  noch  besser  an  Wasser  selbst.  Dieses  ist 
zuletzt  der  ganze  Erfolg  einer  derartigen  Verbindung  der  Metalle,  sie  sind  unter 
diesen  Umständen  nicht  nur  Abieiter,  wie  in  anderen  Fällen,  sondern  wahre 
Beweger  und  Erreger  der  Elektricität,  und  dies  ist  eine  kapitale  Entdeckung." 

Mit  der  wissenschaftlichen  Bearbeitung  dieser  Entdeckung  war  Volta 
nun  zwei  Jahre  lang  beschäftigt.  Zwar  findet  sich  in  der  Zeitschrift  von 
Brügnatelli  ein  Brief  an  Giovanni  Aldini2  vom  24.  November  1792,  derselbe 
enthält  aber  nichts  Anderes,  als  die  früheren  Mittheilungen,  und  hat  wesent- 
lich den  Zweck,  auf  eine  von  diesem  inzwischen  veröffentlichte  Neuausgabe 
der  Abhandlung  Galvani's,  welcher  Aldixi  einige  polemische  Erörterungen 

2  Giornale  Fisico-Medico,  Novembre  1792,  S.   192. 
*  Giornale  Fisico-Medico   1793,  I,  63. 


Alessandro  Volta. 


51 


gegen  Volta  hinzugefügt  hatte,  zur  Antwort  zu  dienen.  Zu  diesem  Zweck 
fuhrt  Volta  namentlich  den  Geschmacks-  und  Lichtversuch  an,  welche  die 
erregende  Thätigkeit   der  Metalle  erweisen. 

Auch  die  nächstfolgenden  zwei  Briefe,  welche  Volta  diesmal  an  Vasalli 

richtete,1  enthalten     zunächst  wesentlich   eine  Vertheidigung  Volta's  gegen 

die  Anhänger  Galvanos.     Doch   ist  der  erste  dadurch  interessant,   dass  er 

die  erste  „Spannungsreihe"  enthält    Volta  setzt  wiederum  auseinander, 

dass  durch  die  beiden  Metalle  eine  elektrische  Erregung  stattfinde,  und  dass 

wenn  diese  auf  Nerven  treffe,  die  entsprechende  Thätigkeit,  z.  B.  eine  Zuckung, 

hervorgerufen    werde.      „Wenn  sich  an  Stelle  der  zur  Bewegung  dienenden 

Nerven  die   am  Rande    und  an  der  Spitze   der  Zunge  befindlichen,  welche 

zum  Geschmack    dienen,    oder   die,    welche   zum   Sehen   dienen,   in    dem 

leitenden  Kreise     befinden,    so   wird  eine   entsprechende   Empfindung   von 

Geschmack  oder  von  Licht  erregt,  und  diese  Empfindungen  und  Bewegungen 

sind  um  so   lebhafter,  je  mehr  die  angewandten  beiden  Metalle  in  der  hier 

genannten  Ordnung    von    einander   abstehen:  Zink,  Stanniol,  gewöhnliches 

Zinn  in  Platten,  Blei,  Eisen,  Messing  und  Bronzen  verschiedener  Art,  Kupfer, 

Piatina,  Gold,  Silber,  Quecksilber,  Graphit." 

Des  Weiteren  enthält  der  Brief  die  kritische  Aufklärung  eines  Versuches, 
welchen  die  Anhänger  Galvanos  immer  wieder  der  Auffassung  Volta's  ent- 
gegensetzten: dass  es  nämlich  mit  einem  Bogen  von  einem  einzigen  Metall 
möglich  ist,  Zuckungen  im  Froschpräparat  zu  erregen.  Volta  zeigte,  dass 
diese  Wirkung  im  Allgemeinen  viel  schwächer  ist,  als  bei  der  Anwendung 
eines  aus  zwei  Metallen  zusammengesetzten  Bogens,  und  dass  alle  Umstände, 
durch  welche  an  den  beiden  Enden  des  Bogens  aus  einem  Metall  Ver- 
schiedenheiten hervorgerufen  worden,  wie  Erhitzen,  Hämmern  u.  dergl.,  die 
Entstehung  von  Zuckungen  befördern.  Andererseits  ist  es  möglich,  durch 
sorgfaltige  Zubereitung  die  beiden  Enden  so  gleichartig  zu  machen,  dass  sie 
auch  bei  den  empfindlichsten  Präparaten  keine  Zuckung  bewirken.  Durch 
dies  Alles  wird  bewiesen,  dass  auch  Ungleichheiten  im  Zustande  eines  und 
desselben  Metalles  ebenso  wirken,  wie  zwei  verschiedene  Metalle,  so  dass 
doch  wieder  die  Ursache  der  Erscheinung  in  diesem  zu  suchen  ist,  und  nicht 
in  einer  „natürlichen  Elektricität"  des  Frosches. 

In  dem  zweiten  Briefe  an  Vasalli  werden  die  Auseinandersetzungen  mit 
den  Anhängern  Galvani's  fortgesetzt,  und  Volta  führt  mit  sieghafter  Logik 
die  Unhaltbarkeit  der  Lehre  von  der  thierischen  Elektricität  als  die  Ursache 
der  fraglichen  Erscheinungen  durch;  Neues  an  Thatsachen  oder  Ideen  ent- 
halt aber  dieses  Schreiben  kaum.  Ähnlich  ist  der  Inhalt  des  dritten  Briefes 
an  Vasalli,2  welcher  aus  Como  vom  24.  Octobcr  1795  datirt  ist,  und  sich 
mit  dem   anderen  Einwand   beschäftigt,    den  die  Anhänger  der  thierischen 


1  Annali  di  Chimica  del  Sig.  Brügnatelli,  11,  84.  Deutsch  herausg.  v.  Dr.  J.  Mayer, 
Pirtg  1796. 

3  Brügnatelli,  Giornale  Fisico-Medico,  1794,  II,  248  und  1794,  III,  97.  Deutsch 
Gren's  Neues  Journ.  d.  Phys.  2,  141,  1795. 


A* 


5  2  Drittes  Kapitel. 


Elektricität  geltend  gemacht  hatten.  Es  ist  nämlich  möglich,  Zuckungen  des 
Froschschenkels  ganz  ohne  Anwendung  metallischer  Leiter  hervorzurufen. 
Volta  zeigt  nun,  dass  diese  Erscheinungen  nur  an  sehr  empfindlichen  Prä- 
paraten erhalten  werden,  und  bei  diesen  auch  nur  dann,  wenn  möglichst 
verschiedenartig  beschaffene  Theile  einander  berühren.  Insbesondere  sind 
Überzüge  mit  verschiedenen  Flüssigkeiten,  Blut,  Schleim,  Urin,  Salzwasser  u.  s.  w. 
wirksam,  und  Volta  deutet  demgemäss  die  Erscheinungen  in  Überein- 
stimmung mit  seinen  anderen  Anschauungen  dahin,  dass  auch  bei  der 
Berührung  verschiedenartiger  Flüssigkeiten  die  Elektricität  in  Bewegung  ge- 
setzt wird,  wenn  auch  in  viel  geringerem  Maasse,  als  wenn  Metalle  be- 
theiligt sind. 

Die  Spannungsreihe.  Ferner  ist  in  diesem  Briefe  eine  ziemlich  aus- 
führliche Tabelle  der  metallischen  und  metallähnlichen  Elektricitätserreger 
enthalten,  über  die  Volta  Folgendes  bemerkt: 

„Seit  dieser  Zeit  (1792)  bin  ich  immer  mehr  und  mehr  in  der  Meinung 
einer  eigentlichen  künstlichen,  durch  eine  äussere  Ursache  hervorgebrachten 
Elektricität  bestärkt  worden,  welche  ich  auf  mehrere  Art  bewiesen  habe, 
vorzüglich  durch  die  Versuche  über  den  Geschmack,  den  ich  mittelst  der 
Metalle  auf  der  Zunge  zu  erregen  entdeckt  habe.  Dieser  Geschmack  ist 
entweder  sauer  oder  alkalisch,  je  nachdem  die  Metalle,  z.  B.  das  Silber  oder 
das  Zink,  welche  mit  der  Zunge  den  Leiterkreis  bilden,  die  Spitze  derselben 
berühren.  .  .  .  Durch  diese  Versuche  habe  ich  noch  die  Richtung  des  durch 
dergleichen  Berührungen  hervorgebrachten  Laufes  der  elektrischen  Flüssig- 
keiten entdeckt:  vom  Zinn  oder  Zink  nämlich  mittelst  des  dazwischen  ge- 
legten nassen  Leiters  zum  Gold  oder  Silber  und  insgemein  von  dem  oberen 
Metall  (der.  Tabelle)  auf  das  untere,  dadurch  dass  sie  den  Leiter  zweiter 
Klasse  oder  den  nassen  Leiter  durchdringt,  und  zwar  mit  um  so  grösserer 
Stärke,  je  weiter  die  Leiter  der  ersten  Klasse,  die  Metalle,  von  einander  ab- 
stehen. 'Und  zwar  in  der  Ordnung,  wie  ich  sie  hier  unten  auf  einander 
folgen  lasse.  Diese  auf  meine  Versuche  gegründete  Ordnung  entwarf  ich 
schon  zu  Anfang  des  Jahres  1793.  Meine  Ordnung  weicht  sehr  wenig  ab 
von  der,  welche  der  Dr.  Pfaff  ebenfalls  im  Jahre  1793  ans  Licht  gestellt 
hat.  Freilich  war  sie  dazumal  auf  wenig  Metalle  eingeschränkt;  gegen  Ende 
1 794  wurde  sie  dadurch  vermehrt,  dass  verschiedene  Halbmetalle,  Kiese  und 
Erze  in  dieselbe  aufgenommen  wurden."  (Vgl.  Journ.  der  Physik  von  Gren, 
Bd.  8.   1794.) 

Tabelle. 

„Die  Leiter  erster  Klasse,  welche  eine  besondere  Kraft  besitzen,  die  elek- 
trische Flüssigkeit  zu  reizen,  und  sie  vorwärts  in  die  feuchten  Leiter  oder 
vorwärts  in  die  der  zweiten  Klasse  zu  treiben. 

Zink, 


Alessandro  Volta. 


53 


Einige  Arten  Zinnfolie,  welche  fälschlich  Siberpapier 
genannt  werden, 

Verschiedene  Arten  Zinn, 


:) 


Blei, 

Einige  Arten  Blei  in  Platten  oder  in  Stäben, 

Regulus  antimonii, 

Andere  Arten  Zinn, 

Einige  Arten  Eisen, 

Regulus  bismuthi, 

Andere  Arten  Eisen, 

Verschiedene  Bronzen, 

Messing, 

Kupfer, 

Kobaltregulus, 

Pyritisches  Eisen,  nicht  krystallisirt, 

Würfelbleierz  oder  Bleiglanz, 

Platin, 


Quecksilber, 

Schwefelkies, 

Krystallisirter  Arsenkies, 

Gold, 

Silber, 

Graues  Manganerz  (Braunstein), 

Kupferkies, 

Graphit, 

Einige  Arten  Holzkohle. 

„In  Bezug  auf  diese  Tabelle  muss  ich  zwei  Anmerkungen  machen.  Die 
erste  ist,  dass  die  punktirten  Linien  unter  einigen  der  genannten  Körper 
ebenso  viele  Entfernungsgrade  oder  den  Unterschied  der  vermehrten  Kraft 
anzeigen.  Im  Gegentheil  besteht  da,  wo  die  hergestellten  Körper  unmittel- 
bar auf  einander  folgen,  der  Unterschied  nur  in  einem  Grade,  und  ist  mit- 
unter so  klein,  dass  mir  noch  mancher  Zweifel  nach  so  vielen  über  diesen 
Gegenstand  angestellten  Versuchen  übrig  bleibt.  .  .  . 

„Die  zweite  Anmerkung  ist,  dass  nicht  nur  die  Metalle,  sondern  auch 
viele  Erze,  vorzüglich  Schwefelverbindungen,  obgleich  sie  viel  mehr  nicht- 
leitenden Schwefel  enthalten,  dennoch  beinahe  ebenso  gute  Leiter  abgeben, 
wie  reine  Metalle.  Im  Gegensatz  dazu  zeigen  sich  andere  reiche  Erze,  ja 
selbst  die  reichsten,  wenn  sie  oxydirt  oder  in  einem  kalkartigen  Zustande 
sind,  als  sehr  schlechte  Leiter. 

„Ich  komme  nun  auf  unseren  Gegenstand  zurück.  So  oft  zwei  solcher 
Elektricitätserreger  oder  Leiter  der  ersten  Klasse  von  verschiedener  Art,  der 
eine  von  dieser,  der  andere  von  jener  Seite,  zugleich  nasse  zusammen- 
hängende Leiter  der  zweiten  Klasse  berühren,  und  endlich  einer  den  anderen 
entweder  unmittelbar,  oder  mittelst  eines  dritten  berühren  und  auf  diese  Art 
einen  Kreis  von  Leitern  bilden,  so  wird  die  elektrische  Flüssigkeit  in  Be- 
wegung gesetzt  und  bewegt  sich  in  einem  Kreise,  und  zwar  in  der  Richtung, 
dass  sie  von  den    in  der  Tabelle  höher  stehenden  Leitern  der  ersten  Klasse 


54  Drittes  Kapitel. 


auf  die  niedriger  stehenden  übergeht,  indem  sie  den  dazwischen  befindlichen 
nassen  Leiter  durchdringt.  Auf  diese  Art  verfolgt  sie  ihren  Kreislauf  so 
lange,  als  dieser  nicht  an  irgend  einer  Stelle  unterbrochen  wird.  Dieser 
Lauf  ist  um  so  stärker,  je  mehr  die  Leiter  der  ersten  Klasse  von  einander 
verschieden  und  auf  der  Tabelle  von  einander  entfernt  sind.  Alles  dies  habe 
ich  mit  so  vielen  entscheidenden  Versuchen  dargethan,  dass  dieserhalb  gar 
kein  Zweifel  mehr  obwaltet." 

Es  ist  sehr  merkwürdig,  dass  Volta  seine  Tabelle  der  Reihenfolge  der 
metallischen  Erreger  nur  nebenbei  in  einer  Anmerkung  mittheilt,  nnd  dass 
er  gar  kein  Gewicht  darauf  legt,  dass  eine  solche  Reihenfolge  über- 
haupt möglich  ist.  Denn  es  ist  von  vornherein  keineswegs  nothwendig, 
dass  wenn  ein  Körper  A  mit  dem  Körper  B  in  einem  bestimmten  Sinne 
wirkt,  und  dieser  mit  dem  Körper  C  in  gleichem  Sinne,  dass  dann  A  auf 
C  ebenfalls  in  demselben  Sinne  und  in  stärkerem  Maasse  einwirken  muss. 
Umgekehrt  beweist  die  Möglichkeit,  eine  solche  Tabelle  aufzustellen,  das 
Statthaben  einer  bestimmten,  zahlenmässig  feststellbaren  Eigenschaft  der 
Metalle  in  Beziehung  auf  ihre  elektricitätserregenden  Fähigkeiten.  Es  liegt 
also  in  der  Aufstellung  der  fraglichen  Tabelle  nicht  nur  eine  einfache  Auf- 
stellung unmittebar  beobachteter  Thatsachen,  sondern  der  Ausdruck  eines 
bestimmten  Naturgesetzes,  welches  später  von  Volta  auch  ausdrücklich 
erkannt  worden  ist,  und  seinen  zahlenmässigen  Ausdruck  erhalten  hat. 

Dass  eine  solche  einheitliche  Tabelle  keineswegs  selbstverständlich  war, 
geht  aus  einer  gleichzeitigen  Arbeit  von  Pfaff  hervor,1  welcher  gleichfalls 
die  verschiedene  Stärke  der  Erregung  zu  bestimmen  versuchte.  Er  stellte 
für  die  Belegung  der  Nerven  mit  verschiedenen  Metallen  die  entsprechenden 
Reihen  auf  und  fand  folgende  Ordnungen: 

Zinn:  Blei,  Eisen,  Kupfer,  Silber,  Kohle,  Gold. 

Silber:  Kupfer,  Kohle,  Gold,  Eisen,  Zinn,  Blei,  Quecksilber. 

Kupfer:  Silber,  Kohle,  Gold,  Eisen,  Zinn,  Blei,  Quecksilber. 

Blei:  Quecksilber,  Zinn,  Eisen,  Kupfer,  Silber,  Kohle,  Gold. 

Hierbei  ist  das  erste  Metall  stets  dasjenige,  mit  welchem  der  Nerv  in 
Berührung  gebracht  wurde.  Man  sieht,  dass  die  verschiedenen  Reihen  keines- 
wegs übereinstimmen. 

Die  Ursache  der  Abweichungen  dieser  an  sich  richtigen  Beobachtungen 
von  der  Darstellung  Volta's  liegt  in  dem  Umstände,  dass  das  Froschpräparat 
das  Vorhandensein  der  elektrischen  Erregung  sowohl  im  positiven,  wie  im 
negativen  Sinne  anzeigt.  Pfaff  hat  die  einzelnen  Reihen  nach  dem  Absolut- 
werthe  der  Wirkung  geordnet,  ohne  auf  das  Zeichen  Rücksicht  zu  nehmen, 
bei  Volta  findet  sich  an  der  fraglichen  Stelle  noch  keinerlei  Andeutung 
über  den  Weg,  auf  dem  er  zu  seinem  Ergebnisse  kam,  und  es  macht  fast 
den  Eindruck  einer  unbewussten  Inspiration. 

1  Gren's  Neues  Journ.  d.  Phys.  8,   196,   1794  nach  einer  lateinischen  Dissertation.  Stutt- 
.   ßart  1793. 


Alessandro  Volta. 


55 


4. Die  VoLTA'sche  Theorie.  Ein  systematischer  Bericht  Volta's  über 
dieEkktricitatsentwiclcelung  bei  der  Berührung  verschiedener  Stoffe  vom  phy- 
sikalischen Standpunkt  beginnt  mit  dem  Jahre  1796  in  einer  Reihe  von 
Briefen  an  Gren,  den  Herausgeber  des  Neuen  Journals  für  Physik.  Die- 
selben sind  zum  Theil  in  dieser  Zeitschrift,  ausfuhrlicher  in  den  Annali  di 
Chimica  von  Brugnatelu  von  1796  und  1797,  Bd.  13  und  14,  abgedruckt 
Aus  diesem  sind  sie  dann  von  J.  W.  Ritter  ins  Deutsche  übersetzt,  und  in 
dessen  „Beiträgen  zur  näheren  Kenntniss  des  Galvanismus",  Bd.  I, 
drittes  Stück,1   mitgetheilt  worden. 

Das  erste  Schreiben  an  Gren2  enthält  charakteristisch  genug  einen 
einzigen  Versuch  zur  Erläuterung  von  Volta's  Anschauungen,  und  dieser 
ist  wieder  physiologischer  Natur.     Ich  setze  den  ganzen  Text  her: 

„Man  fülle  einen  zinnernen  Becher  mit  Seifenwasser,  Kalkmilch  oder 
besser  mit  massig  starker  Lauge,  fasse  den  Becher  mit  einer  oder  beiden 
Händen,  die  man  mit  blossem  Wasser  feucht  gemacht  hat,  und  bringe  die 
Spitze  der  Zunge  auf  die  Flüssigkeit  im  Becher.  Sogleich  wird  man  die 
Empfindung  von  einem  sauren  Geschmack  auf  der  Zunge  erhalten,  welche 
die  alkalische  Flüssigkeit  berührt.  Der  Geschmack  ist  sehr  entscheidend,  und 
im  ersten  Augenblick  ziemlich  stark;  er  verwandelt  sich  aber  bald  nachher 
in  einen  davon  verschiedenen,  minder  sauren,  mehr  salzigen  und  stechenden, 
bis  er  endlich  scharf  und  alkalisch  wird,  so  wie  die  Flüssigkeit  mehr  auf  die 
Zunge  wirkt,  und  die  Wirksamkeit  ihres  eigentümlichen  Geschmackes  und 
ihre  jetzt  mehr  entwickelte  chemische  Thätigkeit  mehr  und  mehr  die  Em- 
pfindung des  sauren  Geschmackes  unterdrückt,  der  durch  den  Strom  von 
elektrischer  Flüssigkeit  veranlasst  wird,  welcher  vom  Zinn  zum  alkalischen 
Liquor,  und  von  da  zur  Zunge,  und  dann  durch  die  Person  zur  Wasser- 
schicht und  von  da  zum  Zinn  durch  eine  beständige  Circulation  übertritt. 

„Ich  erkläre  so  das  Phänomen  nach  meinen  Grundsätzen  und  kann  in 
der  That  keine  andere  Erklärung  geben.  Alles  bestätigt  indessen  meine 
Behauptung  und  beweist  sie  auf  tausenderlei  Weise.  Die  Berührung  ver- 
schiedener Leiter  nämlich,  besonders  metallischer,  der  Kiese  und  anderer 
Krze  und  die  Holzkohle  mit  einbegriffen,  die  ich  alle  trockene  Leiter  oder 
von  der  ersten  Klasse  nenne;  die  Berührung  dieser  Leiter,  sage  ich,  mit 
anderen  feuchten  Leitern,  oder  mit  Leitern  der  zweiten  Klasse,  erschüttert 
und  trübt  das  elektrische  Fluidum  und  giebt  ihm  einen  gewissen  Antrieb. 
Fragen  Sie  mich  noch  nicht  nach  dem  Wie:  es  ist  genug,  dass  dies  eine 
Thatsache  ist,  und  eine  allgemeine  Thatsache.  Dieser  Antrieb,  sei  es  nun 
Anziehung,  Abstossung  oder  irgend  eine  Impulsion,  ist  verschieden  und  un- 
gleich, sowohl  in  Ansehung  der  verschiedenen  Metalle,  als  der  verschiedenen 
feuchten  Leiter,  dergestalt,  dass,  wo  nicht  die  Richtung,  doch  wenigstens  die 
Kraft,  mit  welcher  das  elektrische  Fluidum  getrieben  oder  sollicitirt  wird, 
Ja  verschieden  ist,    wo  der  Leiter  A  an  den  Leiter  By   und  da,   wo  er  an 

1  Jena    1800.  *  Neues  Journ.  d.  Phys.  3,  479,  1796. 


ij6  Drittes  Kapitel. 


einen  anderen  C  applicirt  wird.  Jedesmal  also,  dass  in  einem  vollständigen 
Kreise  von  Leitern  entweder  einer  von  der  zweiten  Klasse  zwischen  zwei 
unter  einander  verschiedenen  von  der  ersten  Klasse,  oder  umgekehrt  einer 
von  der  ersten  Klasse  zwischen  zwei  auch  unter  einander  verschiedene  von 
der  zweiten  Klasse  gestellt  wird,  wird  durch  die  vorwaltende  Kraft  zur  Rechten 
oder  zur  Linken  ein  elektrischer  Strom  veranlasst  werden;  eine  Circulation 
dieses  Fluidums,  die  nur  bei  Unterbrechung  des  Kreises  aufhört,  und  so- 
gleich und  jedesmal  wieder  hergestellt  wird,  wenn  der  besagte  Kreis  wieder 
vollständig  wird." 

In  dem  weiteren  Verfolg  seiner  Mittheilung  variirt  Volta  in  den  mannig- 
faltigsten Weise  seine  Versuche.  Er  zeigt,  dass  aus  zwei  Leitern  niemals 
Verbindungen  hergestellt  werden  können,  welche  das  Froschpräparat  erregen; 
es  sind  dazu  mindestens  drei  erforderlich,  wovon  allerdings  der  thierische 
Körper  selbst  einer  sein  kann.  Ferner  wird  keine  Wirkung  hervorgebracht, 
wenn  zwei  verschiedene  Metalle  vorhanden  sind,  welche  sich  nicht  unter 
einander  berühren,  sondern  von  denen  jedes  an  feuchte  Leiter  grenzt,  und 
ebensowenig  tritt  eine  solche  ein,  wenn  der  Leiter  aus  drei  Stücken  Metall 
besteht,  von  denen  zwei  gleiche  den  Frosch  berühren,  während  der  dritte 
beide  verbindet.  Sowie  aber  an  einer  dieser  letzten  Verbindungsstellen  die 
Metalle  sich  nicht  unmittelbar  berühren,  sondern  eine  Spur  eines  feuchten 
Leiters  zwischen  sich  haben,  tritt  eine  Wirkung  ein. 

„Um  also  bei  Fröschen  Contractionen,  auf  der  Zunge  Geschmack,  in 
den  Augen  die  Empfindung  des  Lichts  u.  s.  w.  zu  erregen,  ist  es  schlechter- 
dings nothwendig,  dass  sich  zwei  verschiedene  Metalle  oder  Leiter  der  ersten 
Klasse  auf  einer  Seite  unter  einander  berühren  oder  einen  heterogenen  zu- 
sammengesetzten Metallbogen  bilden,  während  sie  mit  ihren  .  gegenüber 
stehenden  Enden  den  oder  die  Leiter  der  zweiten  Klassen  berühren  und 
zwischen  sich  fassen,  die  den  anderen  Bogen  bilden." 

Indem  Volta  den  Grundsatz  anwendet,  dass  jedesmal  eine  Wirkung  er- 
folgt, wenn  nicht  die  nach  seiner  Annahme  an  den  Berührungsstellen  ent- 
stehenden Kräfte  durch  die  symmetrische  Anordnung  der  Berührungen  sich 
aufheben,  kann  er  die  bei  Anordnungen  aus  vier  und  mehr  Gliedern  auf- 
tretenden Wirkungen  voraussagen.  In  die  grosse  Mannigfaltigkeit  der  hier 
erörterten  Versuche  brauchen  wir  ihm  nicht  zu  folgen,  da  sie  alle  nur  den 
Grundsatz  bestätigen. 

Von  Belang  ist  die  von  Volta  betonte  Thatsache,  dass  man  auch 
Wirkungen  erhält,  wenn  man  statt  eines  feuchten  Leiters  und  zweier  Metalle 
ein  Metall  und  zwei  feuchte  Leiter  anwendet;  nur  müssen  die  beiden  letzteren 
recht  verschieden  von  einander  sein,  etwa  Seife-  und  Salzlösung.  Doch 
bemerkt  er  bereits,  dass  für  die  verschiedenen  Metalle  auch  verschiedene 
Flüssigkeitspaare  die  wirksamsten  sind.  Für  die  meisten,  aber  keineswegs 
alle  Metalle  gilt  folgende  Reihe:  Reines  Wasser,  ein  halbflüssiger  Brei  aus 
Thon  oder  Kreide  mit  Wasser,  Zuckerlösung,  Alkohol  und  Äther,  Milch, 
schleimige  Flüssigkeiten,   thierische  eiweisshaltige  Flüssigkeiten,  verschiedene 


Alessandro  Volta. 


57 


Weine,  Essig  und  andere  vegetabilische  Säfte,  Speichel,  Nasenschleim,  Blut, 
Harn,  starkes  Salzwasser,  Seifenauflösung,  die  mineralischen  Säuren,  Kalk- 
milch, starke  alkalische  Lauge,  gesättigte  Kalilösung,  Schwefelkali  und  andere 
Schwefellebern. 

In  gewissen  Fällen  erhält  man  indessen  auch  Zuckungen  bei  der  An- 
wendung eines  feuchten  Leiters  und  eines  einzigen  Metalles,  insbesondere 
des  Eisens,  wenn  dieses  an  beiden  Enden  verschiedene  Härte  besitzt. 

Auch  aus  lauter  feuchten  Leitern  lassen  sich  wirksame  Verbindungen 
zusammenstellen,  doch  muss,  dem  Grundsatz  gemäss,  ihre  Zahl  mindestens 
drei  betragen.  Indessen  sind  diese  Wirkungen  weit  schwächer  und  daher 
schwieriger  nachzuweisen.     Der  Brief  schliesst  mit  folgenden  Worten: 

„Sie  sehen  jetzt,  worin  das  ganze  Geheimniss,  die  ganze  Magie  des 
Galvanismus  besteht.  Sie  ist  nichts  als  eine  durch  die  Berührung  heterogener 
Leiter  in  Bewegung  gesetzte  künstliche  Elektricität.  Diese  verschiedenen  Leiter 
sind  es,  welche  hierbei  thätig,  welche  die  wahren  Erreger  derselben  sind, 
und  dies  Gesetz  gilt  nicht  etwa  bloss  für  die  Metalle  oder  die  Leiter  der 
ersten  Klasse,  wie  man  hätte  glauben  sollen,  sondern  mehr  oder  weniger 
für  alle,  nachdem  sie  ihrer  Natur  und  Güte  nach  mehr  oder  weniger  von 
einander  verschieden  sind,  und  folglich  auch  in  einigem  Grade  für  die 
feuchten  oder  Leiter  zweiter  Klasse.  So  lange  Sie  von  diesen  Gesetzen  aus- 
gehen, werden  Sie  alle  bisher  angestellten  Erfahrungen  leicht  erklären  können, 
ohne  zu  irgend  einem  eingebildeten  anderen  Prinzip  einer  activen  thierischen 
und  den  Organen  eigentümlichen  Elektricität  Ihre  Zuflucht  nehmen  zu 
dürfen;  Sie  werden  mit  Hilfe  desselben  sogar  neue  Versuche  erfinden,  und 
ihren  Erfolg  vorher  sagen  können,  wie  ich  es  gethan  habe  und  nachträglich 
thue.  Verlassen  Sie  aber  diese  Grundsätze,  so  werden  Sie  in  diesem  weiten 
Felde  von  Versuchen  nichts  als  Ungewissheiten ,  Anomalien  und  Wider- 
sprüche ohne  Ende  antreffen,  und  alles  wird  Ihnen  ein  unlösbares  Räthsel 
werden/' 

3.  Der  Sitz  der  Elektricitätserregung.  Nachdem  Volta  nun  festge- 
stellt hatte,  dass  durch  die  Annahme,  dass  an  den  Berührungsstellen  hetero- 
gener Stoffe  eine  Trennung  der  Elektricitäten  eintrete,  die  Gesammtheit  der 
beobachteten  Erscheinungen  sich  erklären  lässt,  ging  er  zu  der  Aufgabe 
über,  den  hauptsächlichen  Sitz  dieser  Kraft  zu  bestimmen.  Er  hebt  aus- 
drücklich hervor,  dass  er  zunächst  geneigt  war,  ihn  an  den  Berührungs- 
stellen zwischen  den  Metallen  und  den  feuchten  Leitern  zu  suchen;  denn 
das  Vorhandensein  solcher  Kräfte  wird  durch  die  Zusammenstellungen  aus 
einem  Metall  und  zwei  Flüssigkeiten  sehr  wahrscheinlich  gemacht.  Aber 
Versuche,  welche  er  mittelst  seines  Condensators,1  sowie  mittelst  des  von 
Nicholson  erfundenen  Duplicators2  anstellte,  brachten  ihn  zu  der  Über- 
zeugung, dass  der  grösste  Theil  der  Wirkung  zwischen  den  verschiedenen 
Metallen  stattfinden  müsse. 

1  Phil.  Trans.   72.  I.   1782.  *  Ebenda  78,  403,   i;88. 


58  Drittes  Kapitel. 

Wie  sehr  Volta  geschwankt  hat,  wo  er  den  wesentlichsten  Theil  der 
elektrischen  Erregung  in  der  Kette  zu  suchen  habe,  ob  an  der  Berührungs- 
stelle der  Metalle  unter  sich,  oder  an  den  Stellen,  wo  Metall  und  Flüssigkeit 
sich  berühren,  geht  aus  den  nachstehenden  Stellen  eines  seiner  Briefe  an 
Gren1  hervor: 

„Ich  gestehe  es,  dass  ich  mich  im  Vorigen  sehr  zur  letzten  Voraus- 
setzung geneigt  habe,  dass  ich  nämlich  die  das  elektrische  Fluidum  in  Be* 
wegung  setzende  Action,  statt  sie  vom  wechselseitigen  Kontakt  der  beiden 
Metalle  unter  einander  herzuleiten,  in  die  Berührung  eines  jeden  von  ihnen 
mit  den  feuchten,  oder  den  Leitern  der  zweiten  Klasse  gesetzt  habe.  Auch 
kann  man  wirklich  nicht  leugnen,  dass  nicht  durch  die  Berührung  der  Metalle 
mit  diesen  feuchten  Leitern  einige,  bald  stärkere,  bald  schwächere  Action 
bestimmt  werde,  wie  alle  in  den  vorigen  Paragraphen  erzählten  Versuche 
beweisen,  dass  man  in  einem  Frosch  starke  Contractionen  dadurch  erregt, 
dass  man  mit  einem  Bogen  von  bloss  einem  homogenen  Metalle,  auf  der 
einen  Seite  Wasser  oder  einen  anderen  wässerigen  Leiter,  und  auf  der  anderen 
eine  mucilaginöse,  salzige  .  .  .  Flüssigkeit  in  Berührung  bringt.  Demunge- 
achtet  aber  haben  mich  neue,  erst  vor  Kurzem  entdeckte  Thatsachen  über- 
zeugt, dass  bei  der  gewöhnlichen  Art,  galvanische  Versuche  anzustellen, 
indem  man  nämlich  zwei  hinlänglich  von  einander  verschiedene  Metalle  an 
bloss  wässerige  oder  andere  nicht  beträchtlich  von  diesen  verschiedene 
feuchte  Leiter  applicirt,  die  erhaltene  Wirkung  weit  mehr  auf  Rechnung  de& 
wechselseitigen  Kontakts  dieser  Metalle  unter  einander,  als  ihrer  beiderseitigen 
Berührung  mit  den  genannten  feuchten  Leitern  komme." 

.  .  .  „Es  erzeugt  sich  sonach  bei  der  wechselseitigen  Berührung,  z.  B.  des 
Silbers  mit  dem  Zinn,  eine  Action,  eine  Kraft,  vermöge  welcher  das  erstere 
elektrisches  Fluidum  abgiebt,  das  zweite  hingegen  es  aufnimmt,  oder 
jenes  dasselbe  in  dieses  ergiesst.  Diese  Action  erzeugt,  wenn  übrigens  der 
Kreis  durch  feuchte  Leiter  vollständig  gemacht  wird,  einen  Strom,  eine 
continuirliche  Circulation  dieses  Fluidums,  welches,  der  oben  angezeigten 
Richtung  gemäss,  aus  dem  Silber  nach  dem  Zinn,  und  von  da  durch  den 
feuchten  Leiter  wieder  zurück  nach  dem  Silber  geht;  um  so,  indem  es  von 
Neuem  nach  dem  Zinn  strömt,  das  vorige  Spiel  zu  wiederholen." 

Diese  letzte  Vorstellung,  welche  uns  gegenwärtig  undenkbar  erscheint, 
da  sie  eine  Verletzung  des  Energieprinzipes  bedingt,  muss  Volta  ganz  be- 
sonders gefallen  haben,  denn  er  citirt  aus  einem  Gedicht  von  Mascheroni* 
zum  Lobe  der  Universität  Pavia  die  folgenden  Verse: 

E  quindi  in  preda  a  lo  Stupor  li  parve 
Chiaro  veder  quella  virtu,  che  cieca 
Passa  per  interposti  umidi  tratti 
Dal  vile  stagno  al  ricco  argento,  e  torna 
Da  questo  a  quello  con  perenne  giro. 

1  Ritter,  Beitrage  zur  Kenntniss  des  Galvanismus  1,  drittes  Stück,  S.  47,    1800. 

2  Invito  a  .Lesbia.     Milano   1793. 


Alessandro  Volta. 


59 


Zu  deutsch  etwa: 

Und  eine  Beute  des  Erstaunens,  glaubt  er 
Nun  klaren  Aug's  zu  schaun  die  Kraft,  die  blindlings 
Den  Weg  sich  bahnt  durch  feuchte  Zwischenschichten 
Vom  schlechten  Zinn  zum  reichen  Silber,  wendend 
Von  dem  zu  jenem  sich  in  ew'gem  Kreislauf. 

5.  Sind  die  galvanischen  Vorgänge  elektrischer  Natur?  Volta 
|  hat  wie  Galvaxi  von  vornherein  die  galvanischen  Erscheinungen  als  elek- 
trische angesehen.  Diese  Meinung  stützte  sich  vor  allen  Dingen  auf  die  ersten 
Beobachtungen  Galvani's,  nach  welchen  die  Zuckungen  durch  in  der  Nähe 
erfolgende  elektrische  Bewegungen,  also,  wie  wir  jetzt  sagen  würden,  durch 
elektrische  Induction  hervorgerufen  wurden.  Zweifelhaft  wurde  diese  Deutung 
allerdings  zunächst  dadurch,  dass  die  Zuckungen  auch  ohne  Elektrisirmaschine 
hervorgerufen  wurden;  die  hierbei  vorausgesetzten  elektrischen  Ladungen 
suchte  Galvaxi  im  Organismus,  Volta  dagegen  im  Leiter. 

Dass  es  sich  hier  wirklich  um  elektrische  Erscheinungen  handelte,  war 
schliesslich  nur  durch  die  Leitungsverhältnisse  wahrscheinlich  gemacht; 
Isolatoren  der  Elektricität  hemmten  die  Wirkung,  Leiter  gestatteten  sie. 

Dieser  Beweis  wurde  sogar  vorübergehend  durch  den  von  Humboldt1 
angegebenen  Unterschied  erschüttert,  dass  einige  „gute"  Leiter  der  gewöhn- 
lichen Reibungselektricität  die  galvanische  Wirkung  unterbrechen.  Von  solchen 
nennt  Humboldt  die  Flamme,  trockene  thierische  Knochen,  die  Toricellische 
I^ere,  Wasserdampf,  rothglühendes  Glas.  Auch  eine  aus  den  Bürgern 
Coulomb,  Sabathier,  Pelletan,  Charles,  Foucray,  Vauquelin,  Guyton  und 
Halle  bestehende  Commission,  welche  die  Pariser  Akademie  zur  Prüfung 
der  GAVANi'schen  Entdeckungen  ernannt  hatte,  bestätigte2  dies  Ergebniss. 
Indessen  wurde  in  Folge  der  späteren  Entdeckungen  Volta's  über  diesen 
Einwand  meist  hinweggegangen,  und  gegenwärtig  wissen  wir,  dass  die  frag- 
lichen Leiter  entweder  thatsächlich  sehr  schlechte  Leiter  sind  oder,  wie  die 
Toricellische  Leere,  nur  eine  Funkenentladung  bei  vorhandener  grosser  Span- 
nung ermöglichen. 

Die  oben  erwähnte  Commission  der  Pariser  Akademie,  welcher  sich 
später  noch  Venturi  aus  Modena  und  Alexander  von  Humboijdt  anschlössen, 
hat  einen  sehr  ausgedehnten  Bericht3  über  ihre  Arbeiten  erstattet,  welche 
ihre  Unsicherheit  in  Bezug  auf  die  Hauptfrage  unter  einer  Fülle  wohlklingen- 
der aber  nicht  eben  sehr  inhaltreicher  Auseinandersetzungen  erkennen  lässt 
und  ein  Muster  dafür  ist,  wie  mit  möglichst  vielen  Worten  möglichst  wenig 
Bestimmtes  und  Verpflichtendes  zu  sagen  ist.    Nachstehend  sind  die  Haupt- 


1  Versuche   über  die  gereizte  Muskel-  und  Nervenfaser. 

2  Ritter,  Beiträge  zur  näheren  Kenntniss  des  Galv.  1,  98,   1800. 

*  Journ.  de  Physique  4,  392  u.  441,  an  6  (1798).     Deutsch  in  Ritter's  „Beiträgen*4,  1, 
f'*.  1800. 


6o  Drittes  Kapitel. 


stellen  aus  den  zusammenfassenden  Schlussbetrachtungen,  die  der  Beschrei- 
bung unzahliger  Versuche  angeschlossen  wurden,  wiedergegeben: 

.  .  .  „Es  zeigt  sich,  dass  die  galvanischen  Erscheinungen  uns  im  Organis- 
mus ein  Prinzip  nachweisen,  dessen  Natur  möglicher  Weise  sehr  lange  un- 
bekannt bleiben  wird,  in  welchem  aber  offenbar  das  Wesen  der  gegen- 
seitigen Beziehungen  zwischem  dem  Nerven-  und  dem  Muskelsystem  besteht. 

„Aus  der  Art,  wie  sich  die  Wirkungen  dieses  Prinzips  zwischen  den 
lebenden  Theilen  fortpflanzen,  aus  seinem  'Gang  und  der  augenblicklichen 
Schnelligkeit  seines  Einflusses,  aus  den  künstlichen  Mitteln  der  Mittheilung, 
welchen  es  gehorcht,  aus  dem  Zusammenhange  dieser  Mittheilung  mit  zwei 
Arten  von  Stoffen,  von  denen  die  einen  sie  durchlassen,  die  anderen  sie 
hemmen,  ergiebt  sich  eine  deutliche  Analogie  zwischem  dem  Galvanismus 
und  der  Elektricität. 

„Diese  Analogie  scheint  eine  neue  Stütze  aus  der  mehr  oder  weniger 
erheblichen  Entfernung  zu  gewinnen,  in  welcher  der  Galvanismus  sich  über 
die  Oberfläche  der  Körper  auszudehnen  scheint,  indem  es  sie  mit  einer  Art 
Atmosphäre  umgiebt,  deren  Ausdehnung  in  geradem  Verhältniss  mit  der 
Intensität  dieses  Einflusses,  und  mit  der  mehr  oder  minder  leitenden  Be- 
schaffenheit des  Mittels  steht,  durch  welches  seine  Ausstrahlungen  sich  fort- 
pflanzen. 

„Sie  befestigt  sich  weiter  durch  die  Bestätigung  des  Versuches,  durch 
welchen  Humboldt  mittelst  der  Empfindungen  und  Zuckungen,  die  gleich- 
zeitig in  mehreren  Personen  in  einem  und  demselben  galvanischen  Kreise 
hervorgerufen  wurden,  die  Transmission  dieses  Einflusses  durch  die  ver- 
schiedenen Theile  des  erregenden  Bogens  beweist. 

„Wie  weit  aber  auch  die  Analogie  gehen  mag,  so  sieht  man  doch  auch, 
dass  sie  noch  weit  davon  entfernt  ist,  die  Charaktere  einer  völligen  Gleich- 
heit erkennen  zu  lassen;  auch  scheint  die  Identität  nicht  vereinbar  mit  dem 
Bestehenbleiben  der  galvanischen  Erscheinungen  innerhalb  elektrischer 
Atmosphären,  und  noch  weniger  mit  den  Eigenschaften  der  Stoffe,  welche 
gleichzeitig  Leiter  des  einen  und  Nichtleiter  des  anderen  Einflusses  sind. 

., Welcher  Natur  übrigens  dieses  Prinzip  sein  mag,  so  zeigen  doch  die 
Versuche,  durch  welche  es  nachgewiesen  wird,  mit  neuer  Evidenz  einen 
Vorgang  der  thierischen  Ökonomie,  welcher  zwar  bekannt  ist,  welchen  man 
aber  von  nun  an  besser  als  bisher  wird  beurtheilen  können:  es  ist  die  That- 
sache,  dass  die  Anzeichen  des  Lebens  in  den  verschiedenen  Theilen  des 
Thieres  lange  Zeit  bestehen  bleiben  können,  nachdem  das  gesammte  Leben 
zerstört  ist,  und  das  Thier  aufgehört  hat  zu  existiren,  weil  die  Functionen, 
welche  die  Harmonie  des  Ganzen  und  der  Theile  erhalten,  die  Athmung 
und  der  Blutumlauf,  aufgehört  haben  sich  zu  vollziehen. 

„Dies  ist  nicht  Alles.  Indem  die  galvanischen  Erscheinungen  uns  voll- 
kommen mit  der  Wirkung  der  Ursachen  bekannt  machen,  welche  diese 
Functionen  unterbrechen,  und  welche  das  Leben  des  Thieres  durch  Ersticken 
suspendiren    oder   vernichten,   lassen   sie    uns    zwischen    ihren   zerstörenden 


AJessandro  Volta.  gl 

Eigenschaften  Unterschiede    entdecken,  welche  von  den  Verschiedeneiten  der 

Angriffe  abtengen,  welche    diese  Ursachen  den  Lebensfähigkeiten  gegenüber 

entwickeln  und  deren    Grade    nicht  nur  mit  der  Stärke,  sondern  auch  mit 

der  Art  ihrer  Wirkung    im  Zusammenhang  stehen;  wird  diese  Kenntniss  uns 

nicht  eines  Tages  dazu    führen,  sowohl  die  Diagnose  wie  die  Behandlung  der 

Asphyxien  zu  verbessernd 

„Ungeachtet  der  Hoffnungen,  welche  diese  Ausblicke  und  Ähnlichkeiten 
naturgemäss  entstehen  lassen,  hemmen  uns  andere  Beobachtungen  und  be- 
grünen die  Schlüsse ,  z.u  welchen  die  grossen  Ähnlichkeiten  uns  das  Recht 
zu  geben  scheinen.  Aais  der  Reihe  der  Thatsachen,  welche  wir  dargelegt 
haben,  und  insbesondere  aus  dem  Bestehenbleiben  der  galvanischen  Wir- 
kungen ungeachtet  der  Unterbindung  oder  Durchschneidung  des  Nervs,  aus 
der  Mittheilung  derselben  Wirkungen  zwischen  Nerven  und  Muskeln  aus 
verschiedenen  Theilen  und  von  verschiedenen  Thieren,  ergiebt  sich  ein  Ver- 
haken,  welches  mit  dem  nicht  in  Übereinstimmung  zu  sein  scheint,  welches 
in  der  natürlichen  Ordnung  der  Dinge  den  Einfluss  der  nervösen  Organe 
auf  den  Muskel  regelt,  da  im  lebenden  Thiere  dieser  Einfluss  untrennbar 
an  die  Unverletztheit  und  Stetigkeit  des  Nervs  gebunden  ist.  Auch  wird 
ersichtlich,  wie  weit  die  künstlichen  Mittel,  mit  deren  Hülfe  wir  die  galva- 
nischen Erscheinungen  hervorrufen,  uns  fern  von  denen  lassen,  deren  sich 
die  Natur  bedient,  um  die  Bewegungen  des  thierischen  Organismus  zu  be- 
stimmen, abzuändern  und  zu  richten. 

„Und  wenn  man  dennoch  bei  den  künstlichen  Versuchen  die  Weise 
betrachtet,  wie  dieser  Einfluss  gleichzeitig  Empfindungen  und  Bewegungen 
hervorruft,  so  kann  man  nicht  umhin,  in  der  Gesammtheit  von  Nerv  und 
Muskel,  und  in  ihrem  Zusammenhang  mit  dem  Blut-  und  Lymphsystem 
eine  Gruppe  von  Apparaten  zu  vermuthen,  deren  Wirkungsweise  sich  uns 
von  bisher  unbekannter  Seite  zeigen  und  eines  Tages  zur  Entstehung  einer 
ganz  neuen  Physiologie  Anlass  geben  wird,  welche  uns  in  den  Stand  setzt, 
dieses  bewegende  Prinzip,  welches  das  wesentliche  und  unterscheidende  Ele- 
ment in  der  Physik  der  organisirten  und  lebenden  Körper  bildet,  zu  erfassen, 
zu  bestimmen  und  möglicher  Weise  zu  berechnen."  .  .  . 

Eine  andere  Frage  ist  es,  ob  das  Agens,  welches  sich  im  Nerv  fort- 
pflanzt und  im  Muskel  Zuckung  hervorruft,  elektrischer  Natur  ist.  Auch 
hierauf  hatte  Galvani,  wie  berichtet,  unbedingt  bejahend  geantwortet  Doch 
vrurde  durch  Valli  und  Pfaff  ein  Versuch  bekannt,  welcher  dieser  An- 
schauung eine  erhebliche  Schwierigkeit  bereitete,  die  von  den  Forschern  auf 
diesem  Gebiete  vielfach  empfunden,  von  Humboldt1  ausdrücklich  als  eine 
der  grössten  anerkannt  wurde.     Der  Versuch  besteht  in  Folgendem: 

Stellt  mn  (Fig.  14)  einen  Froschschenkel  nebst  daran  hängendem  Nerven 
dar,  so  erhält  man  Zuckungen,  wenn  man  zwei  Metalle  a  und  b  (z.  B.  Zink 
und  Silber)  mit  einander  und  mit  dem  Nerv  bei  a  und  ß  in  Berührung  setzt. 

1  Versuche   über  die  gereizte  Muskel-  und  Nervenfaser,  S.  482. 


52  Drittes  Kapitel. 


Diese  Zuckungen  entstehen  auch,  wenn  man  an  der  Stelle  n  v  zwischen 
cc  und  ß  den  Nerv  unterbindet,  durchschneidet  und  wieder  zusammenfugt! 
ihn  mit  ätzenden  Flüssigkeiten  behandelt  oder  sonst  auf  irgend  eine  Weise 
tödtet,  oder  seinen  organischen  Zusammenhang  unterbricht;  so 
lange  nur  elektrische  Leitfähigkeit  vorhanden  ist,  lassen  sich 
Zuckungen  beobachten. 

Ganz  anders  verhält  es  sich,  wenn  die  todte  Stelle  n  —  v 
des  Nervs  ausserhalb  des  durch  die  Metalle  eingeschlossenen 
Theiles  nach  der  Seite  des  Muskels  liegt,  wie  in  Fig.  15  ange- 
deutet ist;  alsdann  bleiben  alle  Zuckungen  aus. 

Den  Schluss,  welcher  aus  diesem  Versuch  mit  Notwendig- 
keit folgt,  hat  J.  W.  Ritter  bestimmt  gezogen,1  dass  nämlich  der 
Vorgang,  welcher  durch  seinen  Verlauf  im  Muskel  Zuckung  her- 
r  vorruft,  von  dem  Vorgang,  welcher  in  einer  galvanischen  Platte 

verläuft,  verschieden  ist.  Dadurch  wurde  in  unzweifelhafter 
Weise  das  Gebiet  der  galvanischen  Vorgänge  aus  dem  organisch- 
physiologischen entfernt  und  in  das  anorganisch-chemische  übertragen.  Wie 
Volta  von  vornherein  erkannt  hatte,  dient  das  Froschpräparat  nur  als  ein 
hochempfindliches  Elektroskop,  und  der  physiologische  Zu- 
sammenhang beschränkt  sich  darauf,  dass  die  Elektricität  sich 
als  besonders  leicht  und  bei  geringster  Bethätigung  wirksamer 
Reiz  erweist,  welcher,  wenn  er  den  Nerv  an  irgend  einer  Stelle 
trifft,  an  seinem  Ende  den  im  Übrigen  noch  völlig  unbekannten 
Vorgang  veranlasst,  durch  welchen  die  Zuckung  des  Muskels 
hervorgebracht  wird. 

6.    Unmittelbarer  Nachweis  der    elektrischen   Natur 
des  galvanischen  Vorganges.     Trotz    der   grossen    Überein- 
stimmung, welche  sich  zwischen  den  galvanischen  und  den  elek- 
trischen Erscheinungen  in  Bezug  auf  ihre  Leitung  gezeigt  hatte, 
'  blieb    es   eine  Aufgäbe  von    grosser  Bedeutung,    die  elektrische 

Natur  jener  unmittelbar,  mit  Hilfe  der  an  der  Elektricität  wohl- 
bekannten Eigenschaften  der  Anziehung  und  Abstossung,  sowie 
der  Funkenbildung  zu  erweisen.  Volta  hatte  die  Wichtigkeit  dieser  Aufgabe 
wohl  erkannt,  und  sich  in  den  Jahren  1795  bis  1796  mit  ihrer  Lösung  eifrig 
beschäftigt.  Die  erste  Mittheilung  über  den  günstigen  Erfolg  seiner  Ver- 
suche ist  in  seinem  zweiten  Briefe  an  Gren,2  der  vom  August  1796  datirt 
ist,  enthalten: 

„Ist  der  Kreis  unterbrochen,  so  entsteht,  wenn  beide  Metalle  isolirt  sind, 
in  dem  Zinn  eine  Anhäufung  des  genannten  Fluidums  auf  Kosten  des  Silbers, 
eine  Elektricität   nämlich,   die   positiv   oder   plus   ist   in   dem   ersteren   und 


1  Beiträge  zur  näheren  Kenntniss  des  Galvanismus  1,   125  ff.     Jena  1800. 
*  Brüonatelli,  Annali  di  Chimica  14,  3,  1797.    Deutsch  in  Ritter's  Beiträgen,  Bd.  1, 
3.  Stück,  S.  50. 


Alessandro  Volte.  63 


gaihr  oder  minus  in  dem  letzteren:  eine  Elektricität,  die  zwar  sehr  gering 
id  weit  unter  dem  Grade  ist,  welcher  nöthig  wäre,  um  sich  an  den  ge- 
Shnüchen  Elektrometern  durch  Zeichen  merklich  zu  machen,  mit  der  es 
ir  aber  doch  endlich,  und  besser,  als  ich  erwartete,  gelungen  ist,  sie  mit 
ilfe  meines  Condensators  der  Elektricität,  und  noch  besser  mit  dem  Dupli- 
itor  des  Herrn  Nicholson,1  einem  Instrumente  von  der  sinnreichsten  Er- 
ldung,  das  mit  dem  Condensator  auf  gleichen  Prinzipien  beruht,  wirklich 
merkbar  zu  machen,  ja  sogar  sie  bis  zum  Funken  zu  verstärken." 

Nachdem  Volta  Einiges  über  den  Gebrauch  und  die  Empfindlichkeit 
s  Duplicators  vorausgeschickt  hat,  beschreibt  er  seinen 

Ersten  Versuch.  „Nachdem  ich  den  Duplicator  einige  Stunden, 
einen  oder  einige  Tage  in  Ruhe,  und  seine  drei  messingenen  Scheiben 
iter  einander  und  mit  der  Erde  in  Verbindung  gelassen  habe,  bis  ich 
auben  kann,  dass  aller  Rückstand  von  der  in  den  vorigen  Versuchen  vor- 
indenen  Elektricität  sich  völlig  daraus  verloren  habe,  hebe  ich  jene  Ver- 
ödungen auf,  so  dass  nun  die  bewegliche  Scheibe  sowohl,  als  die  beiden 
deren  unbeweglichen,  jede  besonders,  isolirt  sind.  Hierauf  bringe  ich 
it  jener  beweglichen,  oder  mit  einer  der  unbeweglichen  messingenen 
heiben  eine  Silberplatte  auf  eine  beliebige  Zeit  in  Berührung,  nehme 
wieder  weg,  und  fange  jetzt  an,  die  bewegliche  Scheibe  in  Umdrehung 
versetzen.  Nach  20,  30,  40  Umdrehungen  schon,  je  nachdem  die 
rührung  mehr  oder  weniger  vollkommen  war  (und  das  Instrument  in 
sserem  Zustande  und  die  Luft  trockener  ist)  erschienen  in  der  beweg- 
hen  Scheibe  Zeichen  von  positiver  Elektricität,  wenn  das  Silber  mit 
•  in  Berührung  gestanden  hatte,  die  unbeweglichen  Scheiben  hingegen 
ben  Zeichen  von  negativer  Elektricität,  die  durch  jene  veranlasst 
id;  war  aber  das  Silber  mit  einer  der  unbeweglichen  Scheiben  in  Be- 
hrung,  so  ist  das  Verhältniss  umgekehrt:  diese  nämlich  geben  Zeichen 
n  positiver  und  jene  von  negativer  Elektricität.  In  beiden  Fällen 
igen  sich  diese  Elektricitäten  an  sehr  empfindlichen  Elektrometern  mit 
>ldblättchen  sowohl,  als  auch  an  den  minder  empfindlichen  Strohhalm- 
ektrometern,  mit  denen  die  genannten  Scheiben,  jede  für  sich,  in  Ver- 
cidung  gesetzt  worden,  an,  und  wachsen,  wie  die  Zahl  der  Umdrehungen 
nimmt. 

„Zweiter  Versuch.  Statt  jene  Messingscheibe  mit  einer  Silber- 
atte zu  berühren,  bringe  man  sie  mit  einer  von  Zinn  in  Verbindung; 
e  berührte  Scheibe  wird  vermittelst  des  gewöhnlichen  Spiels,  und 
rar  bei  einer  minderen  Zahl  von  Umdrehungen  als  vorhin,  Zeichen 
>n  negativer,  und  die  unberührte  folglich  von  positiver  Elektricität 
ben. 

„Das   Nämliche   erfolgt,   und   noch  weit   schneller,   wenn  die  genannte 

:heibe  von  Messing  mit  einer  Zinkplatte  berührt  wurde.  .  .  . 

i 

1  Die  Beschreibung  dieser  Instrumente  wird  weiter  unten  mitgetheilt  werden. 


64  Drittes  Kapitel. 


„ Dritter  Versuch.  Man  nehme  Scheiben  oder  Platten  von  ver- 
schiedenen Metallen,  als  von  Silber,  Messing,  Eisen,  Blei,  Zinn,  Zink  u.  s.  w., 
die  ungefähr  drei  Zoll  im  Durchmesser  haben.  Es  ist  von  keinem  sonder- 
lichen Vortheil,  wenn  sie  grösser  sind,  nachtheilig  aber  würde  es  sein, 
wenn  sie  um  ein  Beträchtliches  kleiner  wären;  übrigens  muss  man  sie 
durch  gläserne  Fussgestelle  oder  Säulen  bequem  isoliren  können.  Man 
bringe  also  eine  isolirte  Silberplatte  mit  der  Fläche  einer  iscrtirten  Zinn- 
platte auf  kurze  Zeit,  oder  auch  nur  auf  einen  Augenblick,  in  möglichst 
genaue  Berührung:  das  Silber  wird  durch  diese  kurze  Berührung  mit  dem 
Zinn  eine  negative,  das  letztere  aber,  das  Zinn,  eine  positive  Elektricität 
erhalten  haben." 

Volta  wurde  bei  fortgesetzter  Beschäftigung  mit  dem  Duplicator  in- 
dessen mit  Recht  misstrauisch  gegen  die  von  Zufälligkeiten  vielfach  ab- 
hängigen Angaben  dieses  Instrumentes,  und  bemühte  sich  erfolgreich  um 
einfachere  Versuchsanordnungen.  In  seinem  dritten  Briefe  an  Gren,1  der 
im  Jahre  1797  geschrieben  worden  ist,  beschreibt  er  die  seitdem  unter  dem 
Namen  des  VoLTA'schen  Fundamentalversuches  klassisch  gewordene 
Anordnung  folgendermaassen : 

„Man  hat  zu  diesen  Versuchen  nichts  weiter  nöthig,  als  Platten  von 
verschiedenen  Metallen,  wie  ich  sie  bereits  im  vorigen  Brief  beschrieben 
habe,  und  ein  BENNET^sches  Elektrometer  mit  Streifen  des  feinsten  Gold- 
blattes. .  .  .  Um  bei  dem  einfachsten  anzufangen,  wiederhole  man  die  bereits 
angeführten  Versuche,  nur  mit  dem  einzigen  Unterschiede,  dass  man  die 
mit  einander  in  Berührung  gestandenen  Platten  nicht  mehr  mit  dem  Dupli- 
cator, sondern  sogleich  unmittelbar  mit  dem  Knopf  eines  sehr  empfind- 
lichen Elektrometers  in  Berührung  bringt;  die  Pendel  desselben,  die 
Goldblättchen,  werden  etwas  divergiren,  und  damit  einige  Elektricität  an- 
zeigen, welche  positiv  oder  negativ  sein  wird,  je  nach  der  Natur  des  Me- 
talles, welches  man  untersucht,  und  des  anderen,  mit  dem  dies  vorher  in 
Berührung  stand." 

7.  Sitz  der  elektromotorischen  Kraft.  Aus  dem  Umstände,  dass  mit 
einem  einzigen- Metalle  im  Froschschenkel  Zuckungen  hervorgebracht  werden 
können,  wenn  die  beiden  Enden  desselben  mit  möglichst  verschiedenen 
Flüssigkeiten  in  Berührung  kommen,  hatte  Volta  bereits  geschlossen,  dass 
auch  zwischen  Metallen  und  Flüssigkeiten  Elektricitätserregung  stattfindet; 
die  Versuche  mit  dem  Duplicator  bestätigten  dies  Ergebniss,  wie  er  in  seinem 
zweiten  Briefe  an  Gren  gleichfalls  mittheilte. 

„Ich  gehe  jetzt  weiter,  um  durch  unmittelbare  Versuche  zu  erweisen, 
was  ich  oben  bereits  erwähnt  habe,  nämlich  dass  die  Metalle  ihre  Eigen- 
schaft, durch  Berührung  mit  anderen,  vorausgesetzt  nur,  dass  sie  verschie- 
dener Art  sind,  die  elektrische  Flüssigkeit  in  Bewegung  zu  setzen,  sie  abzu- 
geben oder  aufzunehmen  u.  s.  w.,  ebenfalls  auch  äussern,  wenn  sie  mit 
feuchten  Leitern  oder  solcherf  zweiter  Klasse  in  Berührung  kommen;  nur 
dass  unter  diesen  Umständen  der  Grad,  mit  dem  es  geschieht,  im  Allgemeinen, 


Alessandro  Volta. 


_  ^  „65 

und  wenn   man   sie   mit  wässerigen  oder  vom  Wasser  wenig  verschiedenen 
Leitern  zusammenbringt,  weit  geringer  ist  als  mit  jenen. 

„Ich  sage  im  Allgemeinen,  und  wenn  die  Leiter,  die  man  mit  den 
Metallen  in  Berührung  bringt,  rein  oder  fast  rein  wässeriger  Art  sind;« 
denn  die  elektrische  Wirkung,  welche  sich  bei  der  Berührung  einer  Menge 
salziger  Flüssigkeiten,  vorzüglich  gewisser  Säuren  mit  gewissen  Metallen, 
und  der  concentrirten  Alkalien  mit  fast  allen  Metallen  erzeugt,  ist  häufig 
stärker  und  ausgezeichneter  als  die,  welche  die  wechselseitige  Beziehung 
zweier  wenig  von  einander  verschiedenen  Metalle  hervorbringt,  wie  die  hier- 
über bereits  an  ihrem  Orte  erzählten  Versuche  zeigen,  in  denen  ein  ent- 
weder unvollkommen  präparirter  oder  nur  in  schwachem  Grade  erregbarer 
Frosch,  den  man  auf  die  gewöhnliche  Art  in  zwei  Gläser  mit  Wasser  ge- 
bracht hat,  in  Ruhe  bleibt,  wenn  man  den  Kreis  mit  zwei  solchen  wenig 
verschiedenen  Metallen,  wie  Silber  und  Kupfer,  Messing  und  Eisen  u.  s.  w. 
schliesst,  da  er  im  Gegentheil  heftig  bewegt  wird,  wenn  man  beide  Gläser 
durch  einen  Bogen  aus  bloss  einem  Metall,  z.  B.  aus  Eisen  allein,  oder  aus 
Zinn  allein,  verbindet,  an  dessen  eines  Ende  man  etwas  starkes  Salzwasser, 
Salpetersäure  oder  Alkaliauflösung  gebracht  hat. 

„Ich  beschränke  mich  also  auf  die  Leiter  der  wässerigen  oder  dieser 
nahekommenden  Art,  und  wähle  dazu  grünes  Holz,  feuchtes  Papier,  mit 
Wasser  getränkte  Ziegeln  oder  andere  Steine  poröser  Natur.  Alle  diese 
Körper  bringe  ich  einzeln  und  isolirt  mit  Platten  von  Silber,  Messing,  Zinn, 
Zink  u.  s.  w.  in  Berührung,  trenne  diese  hierauf  von  jenen  und  nehme  dann 
wie  gewöhnlich  den  Duplicator  zu  Hülfe.  So  finde  ich,  dass  sie  alle  von 
ihren  elektrischen  Flüssigkeiten  verloren  oder  eine  negative  Elektricität 
erhalten  haben.  Diese  negative  Elektricität  ist  indessen  sehr  geringe,  vor- 
züglich beim  Zink,  und  bei  weitem  kleiner  als  die,  welche  eine  Silberplatte, 
die  man  an  eine  von  Zinn  applicirt,  oder  auch  als  die,  welche  dieses  Zinn 
erhält,  wenn  man  es  mit  einer  Zinkplatte  verbindet,  geschweige  denn  als 
die,  welche  jenes  erste  Metall  bei  der  Berührung  mit  diesem  letzterem  erhält. 
Die  Elektricität  der  Metallplatte,  die  mit  einer  von  jenen  feuchten  Materien 
in  Berührung  war,  ist,  die  Platte  sei  übrigens  von  welchem  Metall  sie  wolle, 
so  klein,  dass,  um  sie  entdecken  zu  können,  der  Duplicator  von  aller 
fremden  Elektricität  befreit  sein  muss,  und  selbst  dann  sind  noch  eine  Menge 
Umdrehungen  erforderlich,  um  sie  bis  zu  einem  gewissen  Grade  zu  ver- 
stärken/' 

Wir  stehen  hier  an  einem  Punkte,  wo  der  folgenreichste  Irrthum  der 
Elektrochemie  beginnt,  dessen  Bekämpfung  weiterhin  fast  den  grössten  Theil 
der  wissenschaftlichen  Arbeit  auf  diesem  Gebiete  in  Anspruch  genommen 
hat  Einen  Vorwurf  für  Volta  kann  man  aus  dem  Vorstehenden  nicht 
ableiten.  Volta  hat  die  Erscheinungen  genommen,  wie  sie  sich  ihm  dar- 
boten. Untersuchungen  über  die  Quelle  der  elektrischen  Erregungen,  die 
er  beobachtete,  anzustellen,  war  erst  die  Aufgabe  einer  späteren  Zeit,  nach- 
dem ihm  der  Nachweis  gelungen  war,  dass  solche  überhaupt  unter  den  von 

Ottwald,  Elektrochemie.  5 


66  Drittes  Kapitel. 


ihm  angegebenen  Bedingungen  stattfinden.  Dass  er  die  Aussagen  seiner 
Messinstrumente  so  auffasste,  wie  sie  sich  ihm  unmittelbar  darboten,  entspricht 
völlig  dem  regelmässigen  Gange  der  wissenschaftlichen  Entwickelung;  ebenso 
hat  man  beispielsweise  unter  dem  Einfluss  des  Augenscheines  zu  einem 
Zweifel,  dass  die  Sonne  sich  um  die  Erde  bewegt,  zunächst  keinen  Anlass. 
Erst  die  wissenschaftliche  Untersuchung  der  Frage,  d.  h.  das  Bedürfhiss, 
diese  Erscheinung  mit  einer  Anzahl  anderer  im  Zusammenhange  aufzufassen, 
lässt  erkennen,  dass  diese  Beschreibung  der  Beziehung  zwischen  Sonne  und 
Erde  unzweckmässig  ist  und  durch  die  umgekehrte  ersetzt  werden  muss. 
Ganz  in  derselben  Weise  ist  erst  später  mehr  und  mehr  die  Notwendigkeit 
in  den  Vordergrund  getreten,  die  Vorgänge  zwischen  den  Metallen  und  den 
feuchten  Leitern  in  Betracht  zu  ziehen,  und  damit  sind  die  Zweifel  an  der 
Bündigkeit  des  Augenscheines  bei  diesem  Versuche  erwacht.  Wenn  also 
ein  Vorwurf  zu  machen  ist,  so  gebührt  er  den  späteren  „unentwegten"  An- 
hängern der  VoLTA'schen  Lehre,  die  zu  Zeiten,  wo  reichlicheres  und  ent- 
scheidenderes Material  gegen  diese  vorlag,  die  VourA'sche  Lehre  nicht  zu 
prüfen,  wohl  aber  zu  vertheidigen  stets  mit  Eifer  bereit  waren. 
\  8.  Gleichzeitige  Forscher.    Unter  den  zahlreichen  Forschern,  welche 

durch  Galvanos  Entdeckungen  zu  weiteren  Untersuchungen  angeregt  wurden, 
nimmt  Volta,  wie  das  aus  der  vorangegangenen  Darstellung  sich  ergab, 
unbedingt  die  erste  Stellung  ein.  Er  setzte  seine  Auffassung  der  fraglichen 
Erscheinungen  so  siegreich  gegen  Galvani  durch,  dass  er  alsbald  die  Füh- 
rung in  der  weiteren  Förderung  der  Sache  übernahm,  und  in  den  ersten 
Decennien  des  Galvanismus  sehen  wir  ihn  die  maassgebenden  Entdeckungen 
und  Ideen  so  gut  wie  allein  an  das  Licht  bringen.  Seine  auf  gleichem  Ge- 
biete strebenden  Zeitgenossen  stehen  daher  in  völliger  Abhängigkeit  von 
ihm,  und  was  sie  bringen,  ist  neben  Volta's  Arbeiten  durchaus  zweiter 
Ordnung. 

Unter  diesen  gleichzeitigen  Mitarbeitern  sind  insbesondere  drei  Deutsche 
zu  nennen:  Alexander  von  Humboldt,  C.  H.  Pfaff  und  J.  W.  Ritter. 

Humboldt  hatte  sich  schon  als  Freiberger  Bergstudent  eifrig  mit  dem 
Galvanismus  zu  beschäftigen  begonnen;  seine  ungemein  zahlreichen  Beobach- 
tungen hat  er  in  einem  zweibändigen  Werke:  Versuche  über  die  ge- 
reizte Muskel-  und  Nervenfaser,1  veröffentlicht  Humboldt  nimmt  in 
seiner  Auffassung  der  Erscheinungen  insofern  eine  abgesonderte  Stellung 
ein,  als  er  einerseits  die  elektrische  Natur  der  galvanischen  Erscheinungen 
in  Zweifel  zieht,  wodurch  er  als  Gegner  Galvanos  erscheint,  und  anderer- 
seits durch  mannigfaltige  Versuche  bestätigt,  dass  auch  mit  möglichst  homo- 
genen Metallen,  ja  ganz  ohne  solche  der  Froschschenkel  zum  Zucken  ge- 
bracht werden  kann,  wodurch  er  sich  mit  Volta  in  Gegensatz  stellt   Seine 


1  Versuche  Über  die  gereizte  Muskel-  und  Nervenfaser  nebst  Vermuthungen  über  den 
chemischen  Prozess  des  Lebens  in  der  Thier-  und  Pflanzenwelt  von  Friede.  Alexander  v.  Hum- 
boldt.   Posen  und  Berlin,  1797,  2  Bde. 


Alessandro  Volta. 


67 


Versuchungen  sind  für  die  Entwickelung  der  Lehre  von  der  strömenden 
Mtricitat  nicht  von  Wichtigkeit  geworden,  wohl  aber  später  für  die  Elektro- 
►hysiologie.  Auch  an  den  Zusammenhang  der  galvanischen  Erscheinungen 
nit  chemischen  hat  Humboldt  gedacht  (ebenda  I,  472),  er  verhält  sich  aber 
ler  Annahme  eines   solchen  gegenüber  wesentlich  ablehnend. 

Christian    Heinrich   Pfaff   (geb.  1773  in  Stuttgart,   gest.  1852  in  Kiel) 
hat  ach  insbesondere    um   die  Verbreitung  der  Kenntniss  der  galvanischen 
Erscheinungen    in   Deutschland  Verdienste  erworben.     Er  schrieb  1793  eine 
lateinische  Dissertation  darüber,  welche  1794  in  Gren*s  Annalen  deutsch  ab- 
gedruckt wurde ; x    im  folgenden  Jahre  veröffentlichte  er  eine  sehr  erweiterte 
Ausgabe  seiner  Arbeit  unter  dem  Titel  „Über  thierische  Elektrität  und 
Reizbarke itf*;2    als  Mitarbeiter  des  „neuen  Gehler"8  hat  er  die  Geschichte 
des  Galvanismus    in   Gehler's  physikalischem  Wörterbuch  später  (1828)  mit 
dankenswerther   Sorgfalt  und  Umsicht  bearbeitet. 

In  gleicher  Weise  wie  um  die  Entdeckungen  Galvanos  hat  sich  Pfaff 
um  diejenigen  Volta's  verdient  gemacht.  Er  ist  bis  an  sein  Lebensende  ein 
überzeugter  Anhänger  der  Kontakttheorie  Volta's  geblieben,  und  hat  1837 
und  1845  Streitschriften  zur  Vertheidigung  derselben  gegen  die  inzwischen 
ausgebildete  „chemische  Theorie"  geschrieben. 

9.  J.  W.  Ritter.  Eine  der  merkwürdigsten  Gestalten  aus  jener  Zeit  ist 
der  Jenaer  Physiker  Johann  Wilhelm  Ritter.  Aus  Poggendorff's  Hand- 
wörterbuch entnehme  ich  über  seine  äusseren  Schicksale  folgende  Daten. 
Er  ist  1776  zu  Samitz  in  Schlesien  geboren,  wurde  Pharmaceut,  lebte  dann 
in  Jena,  Gotha  und  Weimar  studirend  und  als  Privatgelehrter,  wurde  1804 
an  die  Akademie  zu  München  berufen  und  starb  daselbst  am  23.  Januar  18 10. 
Der  Eindruck  der  wissenschaftlichen  Persönlichkeit,  welchen  man  aus 
seinen  zahlreichen  Schriften  erhält,  ist  der  eines  Mannes  von  ungewöhn- 
licher geistiger  Regsamkeit  Eine  immerfort  auf  das  Lebhafteste  thätige 
Phantasie  veranlasste  ihn  zunächst  zu  ungewöhnlich  intensiver  Arbeit;  jeder 
Gegenstand,  den  er  ergreift,  zeigt  sich  seinem  geistigen  Auge  von  so  mannig- 
faltigen Seiten,  dass  die  angestrengteste  Thätigkeit  der  Hand  erforderlich  ist, 
um  einigermaassen  mit  dem  Fluge  des  Geistes  Schritt  zu  halten,  und  eine 
Fülle  experimenteller  Untersuchungen  kennzeichnet  insbesondere  seine  Theil- 
nahme  an  der  Entwickelung  der  Lehre  vom  Galvanismus  bis  zur  Entdeckung 
der  VoLTA'schen  Kette.  Daneben  macht  sich  eine  bemerkenswerthe  Kraft 
und  Kühnheit  des  Denkens  geltend.  Ritter  gehört  nicht  zu  den  zahllosen 
Menschen,  die,  wenn  ihr  Denken  sie  zu  unerwarteten  Ergebnissen  gefuhrt 
hat,  aus  Angst  vor  dem  Absurden  die  unabweislichen  Forderungen  nicht 
zu  ziehen  wagen;  er  hat  im  Gegentheil  stets  die  Augen  nach  möglichst 
weitgehenden  Folgerungen  aus  den  beobachteten  Thatsachen  offen,  und  kennt 
sehr  wohl  die  weittragende  Gewalt  einer  logisch  scharfen  Fragestellung  und 

1  Gren's  Ann.  der  Physik  8,  196,  1794«  *  Leipzig  1795- 

■  J.  S.  T.  GEHLER's  Physikalisches  Wörterbuch,  neu  bearbeitet  von  Brandes,  Gmelin, 
Horner,  Muncke,  Pfaff.    I-eipzig  1825-45. 

5* 


68  Drittes  Kapitel. 


ihrer  erfahrungsmässigen  Beantwortung.  So  finden  wir  in  seinen  Schriften 
zahlreiche  Beispiele  dafür,  wie  durch  ihrem  Inhalte  nach  wohl  überlegte,  in 
ihrer  Ausführung  einfache  Experimente  wichtige  und  weittragende  Angelegen- 
heiten entschieden  werden,  und  er  steht  in  dieser  Beziehung  vielfach  hoch 
über  seinen  Zeitgenossen,  welche  durch  unendliches  Experimentiren  allein 
den  Weg  durch  das  Labyrinth  des  Galvanismus  zu  finden  suchen. 

Neben  diesen  grossen  Vorzügen  fällt  auch  schon  in  seinen  älteren 
Schriften  als  Mangel  ein  schlechter  Stil  auf,  der  durch  philosophisch  ange- 
hauchte Wendungen,  endlose  Satzbildungen  und  eine  durchgängige  Neigung 
an  Stelle  des  einfachen  und  unmittelbaren  Ausdruckes  umständliche  und  ge- 
zwungene Perioden  zu  bevorzugen,  das  Lesen  von  Ritter's  Arbeiten  für  den 
modernen  Menschen  recht  unbequem  macht.  Viel  von  diesen  Untugenden  mag 
auf  die  Gewohnheiten  jener  Zeit  zurückzuführen  sein,  in  welcher,  um  nur  einen 
anzuführen,  Jean  Paul  die  allerhöchste  litterarische  Verehrung  genoss.  Aber 
wir  sehen  diese  Eigentümlichkeit  bei  Ritter  nicht  vorübergehen,  sondern 
sich  steigern.  Von  Jahr  zu  Jahr  wird  der  Stil  schwülstiger,  der  Inhalt  seiner 
Schriften  unverständlicher,  aus  dem  exakten  Experimentator,  dem  wir  die  Ent- 
deckung der  Polarisationssäule  verdanken,  die  jetzt  in  der  Gestalt  des  Accu- 
mulators  ihre  technischen  Triumphe  feiert,  der  zuerst  die  ultravioletten  Strahlen 
nachgewiesen  hat,  der  experimentell  die  Verschiedenheit  des  im  gereizten 
Nerven  verlaufenden  Vorganges  vom  elektrischen  Strom  ausser  Zweifel  zu 
setzen  wusste,  wird  ein  Mystiker,  welcher  im  Verein  mit  Franz  Baader  und 
Schelling  einem  Betrüger  zum  Opfer  fällt,  der  mit  geheimen  Kräften  aus- 
gestattet zu  sein  behauptet.  J.  W.  Ritter  ist  an  der  Naturphilosophie  jener 
Zeit  zu  Grunde  gegangen,  und  angesichts  solcher  Opfer  findet  man  den 
Ausdruck  Liebig's  nicht  zu  hart,  wenn  er  in  Erinnerung  an  seine  eigenen 
Erlebnisse  erklärt:  „Anch  ich  habe  diese  an  Worten  uud  Ideen  so  reiche, 
an  wahrem  Wissen  und  gediegenen  Studien  so  arme  Periode  durchlebt,  sie 
hat  mich  um  zwei  kostbare  Jahre  meines  Lebens  gebracht;  ich  kann  den 
Schreck  und  das  Entsetzen  nicht  schildern,  als  ich  aus  diesem  Taumel  zum 
Bewusstsein  erwachte." 

Wer  ist  nicht  einverstanden,  wenn  Ritter  sich  in  der  Vorrede  einer 
Schrift  von  17981  folgendermaassen  äussert: 

„Ich  bemühte  mich  daher,  alle  Versuche  und  die  daraus  gezogenen 
Resultate  einer  genauen  Prüfung  zu  unterwerfen,  verwarf  alle  Folgerungen, 
denen  andere  Thatsachen  widersprachen,  und  empfand  es,  dass  es  schmerz- 
haft sei,  ein  schönes  hypothetisches  Gebäude  auf  einmal  niederstürzen  zu 
sehen.  Ich  wurde  immer  kräftiger  überzeugt,  dass  es  nur  eine  wahre 
Theorie  aller  Naturerscheinungen  geben  könne,  und  dass  diese  alle,  auch 
die  kleinsten  Umstände  erklären  müsse.  Sobald  sich  der  geringste  wahre 
Widerspruch   gegen  eine  Theorie  findet,  so  kann  sie  nicht  die  wahre  sein, 


1  Beweis,   dass   ein   beständiger  Galvanismus  den  Lebensprozess   im  Thierreich  begleite. 
Weimar  1798. 


Alessandro  Volta. 


69 


man  muss  sie  verlassen.  Aber  etwas  muss  sie  mit  der  wahren  gemein 
haben,  sonst  könnte  sie  nichts,  und  je  mehr  sie  mit  ihr  gemein  hat,  desto 
mehr  muss  sie  zu  erklären  scheinen." 

In  derselben  Schrift  aber,  welche  im  Wesentlichen  eine  Bestätigung  und 
Erweiterung  der  VoLTA'schen  Arbeiten  enthält1,  die  sich  durch  Scharfsinn 
und  Vielseitigkeit  auszeichnet,  finden  wir  gegen  den  Schluss  folgende  Sätze: 

„Bei  Aufstellung   des  Beweises,   dass   ein  beständiger  Galvanismus  den 
Lebensprozess  in  dem  Thierreiche  begleite,   hatten  wir  gar  nicht  nöthig  zu 
fragen,    ob    nothwendig   thierische  Theile   als   gegenwärtig  in  der  Kette  für 
eine  Action  in  derselben  erfordert  würden,   genug,   dass  wir  wussten,    dass 
auch  thierische  Theile  allein  wirksame  Ketten  geben.  .  .  .  Aber  was  ist  denn 
ein    thierischer  Theil    und   was  der  Körper,    zu  dem  er  gehört?     Es  ist  ein 
System  in  einander  wirkender  Kräfte,  sein  Theil  ist,  was  es  ist,  durch  sein 
Ganzes,  und  das  Ganze  durch  seine  Theile  begründet;  beides  ist  sich  wechsel- 
seitig Mittel  and  Zweck,  und  das  Product  alle  Augenblicke  ein  anderes  und 
doch   wieder    dasselbe:   ein    dynamisches    durch  seine  Thätigkeit  eben  diese 
Thätigkeit    von    neuem,    und   damit   Dauer   seiner   Existenz   begründendes 
System.     Von  diesem  nun  ist  das  einzelne  Organ  ein  Theil,  ein  bestimmtes 
dynamisches  Verhältniss,  und  drei  dergleichen  verschiedene  sind  es,  welche 
wirksame  Ketten  geben.     Aber  jenes  System  ist  selbst  das,  was  es  ist,  nicht 
durch   sieh   allein,    nur   insofern   ist  es  dies,   als  es  Theil  ist  eines  höheren 
dynamischen,   des  vollkommensten,  aber  organischen  System,    der  Natur, 
und  dass  es  überhaupt  ist,  verdankt  es  selbst  der  Natur.     Sie  ist  das  Ideal 
aller  organischen  Wesen,  absolut  in  sich  beschlossen,  ewig  in  sich,  und  ewig 
das   was    sie  ist,    bleibend,    bleibend  —  Natur.     Weltkörper  sind  ihre  Blut- 
kugelchen,   Milchstrassen  ihre  Muskeln,  und  Himmelsäther  durchströmt  ihre 
Nerven.     Und,   o  welches  Verhältniss!    nur  in  diesen  Punkten  sich  nahend, 
trillionenmal  kleiner,  denn  jener  Blutkügelchen  kleinstes,  in  diesen  nur  sollte 
sich    Thätigkeit    unter    jener    bestimmten    Form    (der   geschlossenen    Kette) 
äussern?     Fürwahr!    ich    begreifs    nicht;    es    ist    unmöglich,    dass    sie  nicht 
überall  stattfinde  in  der  ganzen  Natur.    Wo  ist  eine  Sonne,  wo  ist  ein  Atom, 
das   nicht   Theil   wäre,    die    nicht   gehörte    zu   diesem    organischen  All, 
lebend  in  keiner  Zeit,  jede  Zeit  fassend  in  sich?  —  Wo  bleibt  denn 
der  Unterschied  zwischen  den  Theilen  des  Thieres,  der  Pflanze,  dem  Metall 
und    dem    Steine?  —    Sind    sie    nicht   sämmtlich   Theile    des    grossen   All- 
Thiers,    der  Natur?  —  —  Ein   allgemeines,   bisher    noch   nicht  gekanntes 
Naturgesetz  scheint  uns  entgegen  zu  leuchten!  —  Doch  die  Folge  wird  viel- 
leicht darthun,  dass  es  mehr  sei  als  Schein." 

Versucht  man,  diesem  Wortschwall  einen  verständlichen  Sinn  beizulegen, 
so  reducirt  sich  dieser  auf  die  Vermuthung,  dass  unter  geeigneten  Verhält- 
nissen, nämlich  bei  der  Berührung  dreier  Leiter,  stets  galvanische  Wirkung 
stattfinden  würde,  unabhängig  von  ihren  Dimensionen. 

Dass*  bei  solchem  Spiel  mit  Worten  Sätze  entstehen,  welche  uns  jetzt 
wie  geniale  Voraussicht   kommender  Entwickelung  erscheinen,    ergiebt  sich 


yo  Drittes  Kapitel. 


aus    den    unmittelbar   folgenden  Darlegungen  über  das  Verhältniss  des  Gal- 
vanismus  zur  Elektricität,  und  dieser  zur  Chemie: 

„Und  da  im  totalen  dynamischen  Prozess,  dem  sogenannten  che- 
mischen, auch  der  partielle,  der  elektrische,  enthalten  ist,  wie  im  Ganzen 
der  Theil,  darf  dann  die  Ankündigung  befremden,  dass  das  System  der 
Elektricität,  nicht  wie  es  jetzt  ist,  sondern  wie  es  einst  sein  wird, 
zugleich  das  System  der  Chemie  und  umgekehrt  werden  wird?"  — 
Sehen  wir  aber  zu,  welches  der  Ideengang  ist,  der  Ritter  zu  diesem 
Ergebniss  geführt  hat,  so  finden  wir  folgende  wunderliche  Darlegung,  die 
jenem  Ergebniss  unmittelbar  vorausgeschickt  ist: 

„Wenn  die  Aufgabe  entstände,  die  Bedingungen  anzugeben,  unter  denen 
drei  ausser  einander  befindliche,  voneinander  verschiedene  Raumerfüllungs- 
individuen, ohne  gänzlichen  Übergang  der  Dreiheit  in  Einheit  (der  Qua- 
lität), ohne  sogenannte  chemische  Einung,  und  zwar  jedes  auf  das  andere 
unmittelbar  und  zugleich  mittelbar  wirken  könnten,  wie  würde  man 
diese  Aufgabe  lösen?  Durch  die  Radical- Formel  des  Galvanismus.  ... 
„Aber  auf  drei  reducirt  sich  auch  die  combinirteste  galvanische  Kette, 
so  viel  aber  auch  müssen  der  verschiedenen  Glieder  zur  wirksamen  Kette 
nothwendig  sein. 

„Ferner:  Wieviel  verschiedene  Raumerfüllungs-Individuen  können  auf 
einmal  unmittelbar  allein,  indem  sie  einander  berühren,  so  auf  einander 
wirken,  dynamisches  Gleichgewicht  herstellen,  ohne  gänzlichen  Übergang 
der  Differenz  zur  Einheit?  —  Zwei.  Und  das  Product  ist?  —  Elektricität 
„Wie  aber  nennt  man  den  Prozess,  wo  zwei  Raumerfüllungs-Individuen 
differenter  Qualität  gänzlich  zur  Einheit  der  Qualität  übergehen?  —  Che- 
misch. 

„Und  so  ergiebt  sich  das  Verhältniss  des  Galvanismus  zur  Elektricität, 
und  dieser  zu  der  Chemie.  Darf  man  sich  nun  noch  verwundern,  beim 
Galvanismus  so  genaue  Beziehung  auf  chemische  Verhältnisse  zu  finden? 
Darf  man  sich  noch  wundern  über  den  so  genauen  Zusammenhang  zwischen 
galvanischen  und  elektrischen  Erscheinungen?  .  .  .  Und  da  im  totalen 
dynamischen  Prozess,  dem  sogenannten  chemischen,  auch  der  par- 
tielle, der  elektrische,  enthalten  ist,  wie  im  Ganzen  der  Theil,  darf  dann 
die  Ankündigung  befremden,  dass  das  System  der  Elektricität,  nicht 
wie  es  jetzt  ist,  sondern  wie  es  einst  sein  wird,  zugleich  das 
System  der  Chemie  und  umgekehrt  werden  wird?"  — 

Der  vorher  so  geistreich  erschienene  Schlusssatz  ergiebt  sich  hier  in 
seinem  Zusammenhange  als  eine  Phrase.  Denn,  wieder  aus  dem  Naturphilo- 
sophischen ins  Deutsche  übersetzt,  heisst  die  Deduction:  Weil  zum  galvani- 
schen Vorgange  drei,  zum  elektrischen  zwei  Stoffe  gehören,  und  beim 
chemischen  Vorgange  (zuweilen)  ein  einziger  entsteht,  ist  zwischen  diesen  drei 
Vorgängen  eine  Beziehung,  wie  die  vom  Theil  zum  Ganzen,  vorhanden. 

Es  ist  psychologisch  unmöglich,  dass  derselbe  Kopf,  welcher  die 
S.  68    angeführte   meisterhafte  Darlegung  geliefert   hat,   die    letzte  Schluss- 


Alessandro  Volta.  »| 


reihe,  wie  sie  ihres  Wortschmuckes  entkleidet  dasteht,  in  ihrer  nackten  Sinn- 
losigkeit bewusst  durchdacht  hat.  Vielmehr  muss  man  allen  Ernstes  an- 
nehmen, dass  Ritter,  sowie  er  in  die  Denk-  oder  vielmehr  Ausdrucksweise 
der  Naturphilosophie  gerieth,  auf  die  nüchterne  Überlegung  dessen,  was  er 
schrieb,  verzichtete.  Die  ganze  Erscheinung  zeigt  sich  bei  ihm  und  seinen 
Geistesgenossen  als  eine  Art  von  bewusstem  Somnambulismus,  als  eine 
Selbsthypnose:  in  dem  Augenblicke,  wo  den  Adepten  der  Geist  überkam, 
trug  er  für  nichts  mehr  Sorge,  als  dass  die  Fülle  der  Gesichte  durch  keine 
Störung  von  Seiten  des  trockenen  Schleichers  Verstand  unterbrochen  wurde. 
Eine  nachträgliche  Prüfung  der  Producte  solcher  Eingebungen  auf  ihren 
sachlichen  Inhalt  wäre  jedem  aus  der  Gilde  als  ein  Sacrilegium  erschienen, 
für  welches  als  strenge  aber  gerechte  Strafe  der  ewige  Ausschluss  aus  dem 
Heiligthum  der  Inspiration  in  Aussicht  stand. 

Auf  die  Ergebnisse  der  wissenschaftlichen  Arbeiten  Ritter's  wird  auch 
in  der  Folge  wiederholt  zurückzukommen  sein.  Er  hat  sich  wesentliche 
Verdienste  um  die  Lehre  vom  Zusammenhange  zwischen  chemischen  und 
galvanischen  Erscheinungen  erworben,  ist  aber  an  der  wissenschaftlichen  Ver- 
werthung  seiner  Beobachtungen  vielfach  dadurch  behindert  worden,  dass  er 
als  eifriger  Gegner  der  eben  entstandenen  Sauerstofflheorie  die  von  ihm 
gesehenen  Vorgänge  einer  meist  gezwungenen  und  zuweilen  abenteuer- 
lichen Deutung  unterwarf.  Als  Zeitgenosse  Volta's  und  Mitstreber  auf  dem 
gleichen  Gebiete  erscheint  er  in  seinem  übertriebenen  Wesen  recht  unvor- 
teilhaft neben  der  ruhigen  Genialität  des  grossen  Italieners;  doch  fügt  die 
unbedingte  Verehrung,  die  er  diesem  bei  jeder  Gelegenheit  zollt,  und  die 
völlige  Freiheit  seiner  Schriften  von  jedem  Ausdrucke  eines  Concurrenzneides 
seinem  erfolgreicheren  Fachgenossen  gegenüber  einen  überaus  wohlthuenden 
Zucr  in  das   Bild,  welches  die  Nachwelt  von  ihm  erhalten  hat. 


'b 


Fig.   16.     Richmann's  elektrisches  Gnomon. 


Viertes  Kapitel. 

Die  Anfänge  der  Elektrometrie. 


I.  Richmann's  elektrisches  Gnomon.  Da  für  die  Entwicklung  der 
Lehre  von  der  Beruh  rungselektricität  die  Hülfsmittel  der  Messung  insbesondere 
schwacher  elektrischer  Potentiale  oder  die  Elektrometer  von  grösster  Be- 
deutung waren,  so  soll  eine  kurze  Geschichte  der  Elektrometrie  hier  ein- 
geschaltet werden. 

Die  Erscheinung,  welche  man  zunächst  ausschliesslich  zu  elektrometrischen 
Messungen  verwerthet  hat,  ist  die  Fernewirkung  elektrisch  geladener  Leiter, 
und  die  davon  abhängige  Bewegung.  Die  älteste  mir  bekannte  Nachricht 
über  ein  ausgeführtes  Instrument  dieser  Art  fuhrt  auf  den  Physiker  Richmann 
zurück,  welcher  dasselbe  um  1752  bereits  besass,  und  an  welchem  er  am 
6.  August  1753  seinen  Tod  fand,  als  er  es  zum  Behuf  der  Beobachtung  der 
Gewitterelektricität  mit  einer  Auffangestange  verbunden  hatte:  .eine  heftige 
elektrische  Entladung  sprang  von  dem  Apparat  auf  seine  Stirn  über,  und 
tödtetc  ihn  sofort. 

Die  Beschreibung  dieses  Electritätsmessers  oder  elektrischen  Gnomons 
entnehme  ich  dem  Bericht,  welchen  W.  Watson  der  Royal  Society  in  London 
über  Richmann's  Tod  erstattete.1 


1  Philos.  Transactions  1754,  765. 


Die  Anfange  der  Elektrometrie. 


11 


Die  Beschreibung  von  Professor  Richmann's  Apparat  wurde  von  ihm  an 
sor  Heinsius  in  Leipzig  gesendet    Er  nannte  ihn  ein  elektrisches  Gno- 

Zur  Herstellung  dieses  Gnomons  war  ein  metallener  Stab,  ein  Glas- 
.  ein  Leinenfaden  von  anderthalb  Fuss  Länge,  an  dessen  einem  Ende 
ilber  Gran  Blei  befestigt  war,  und  ein  Quadrant  erforderlich  (Fig.  16), 
letallstab  CD  stand  in  dem  Glasgefäss  F.,  welches  Metallfeilicht  enthielt 
.einen  faden   C  G  war  in   C  am  Stab  befestigt  und  hing,  wenn  der  Ap- 

nicht    elektrisch   war,   senkrecht   an    ihm   herab.     Der  Radius  des  in 

getheilten  Quadranten  war  zwei  Linien  länger  als  anderthalb  Fuss. 
sor  Richmann  fugte  diesem  Apparat  zuweilen  eine  Glasflasche  mit 
•r  HI  nach  der  Weise  von  Muschenbroek  hinzu,  welche  in  einem 
gefäss  I K  stand,  das  seinerseits  auf  Glas  ruhte.  Der  Draht  von  der 
jngderFlasche  q 

vurde  während 
•witters  mit  B  C 
nden.  Durch 
i  Zusatz  fand  er 
llektricität  aus 
uft  viel  stärker 
ine  ihn.  Links 
ler  Flasche  war 
:  weites  elektri- 
Gnonion  ange- 
t.  Wenn  dieses 
zt  wurde,  sn 
■n    die    Drähte 

und  ///.  mit 
'. ,  dem  Con- 
r  einer  Elektri- 
ichine  oder  der- 
en, verbunden, 
lzeitig  war  auch 
r  Kette  AB  ein 

Draht  /.'ATbe- 

,      welcher     in  Fi(,    |?      Cavai-uV,  Elrktronwter. 

rung  mit  dem 

;  I K  stand.  Hierdurch  wurden  beide  Gnomoncn  elektrisirt,  wenn  die 
isirmaschine  in  Bewegung  gesetzt  wurde." 

.  Cavai.lo's  Elektrometer.  Als  erster  Erfinder  des  Elektroskops 
häutig  John  Canton  genannt,  welcher  zwei  an  Leinenfaden  von  acht 
neun  Zoll  Länge  hängende  Korkkugeln  von  der  Grosse  einer  kleinen 
1   benutzte,    um   die  Wirkung  der  elektrischen   Influenz   nachzuweisen. 


Philo?.  Tr; 


■7S3.  35°- 


74  Viertes  Kapitel. 

Doch  handelt  es  sich  liier  nur  um  eine  Vorrichtung  ad  hoc,  nicht  um  ein 
eigentliches  Elektroskop  oder  gar  Elektrometer.  Zu  einem  solchen  wurde 
es  erst  durch  Tiberius  Cavallo  '  gemacht,  welcher  die  pendelnden  Kügelchen 
in  ein  Glasgefäss  schloss,  und  so  gegen  Zug  und  andere  zufällige  Störungen 
schützte.     Seine  Beschreibung  lautet  folge ndermaassen: 

„Die  Figur  (Fig.  17)  ist  eine  geometrische  Darstellung  meines  neuen  atmo- 
sphärischen Elektrometers  in  natürlicher  Grösse.  Ich  habe  dieses  Instrument, 
für  welches  ich  die  erste  Idee  von  meinem  geistreichen  Freunde  Thomas  Ronavne 
erhielt,  bereits  im  Jahre  1 777  zu  dem  gegenwärtigen  Zustande  der  Vollendung  ge- 
bracht, und  unmittelbar  darauf  wurden  einige  nach  diesem  Muster  durch  Hrn. 
Adams,  Mechaniker  in  Fleetstreet,  angefertigt.  Die  grosse  Schwierigkeit  bei 
der  Herstellung  dieses  Instrumentes  hat  mich  lange  abgehalten,  eine  Be- 
schreibung davon  zu  veröffentlichen;  auch  hatte  ich  die  Royal  Society  nicht 
damit  in  Anspruch  genommen,  wenn  nicht  die  Beobachtungen  einiger  meiner 
Freunde,  welche  es  in  England  und  auswärts  benutzt  haben,  sowie  meine 
eigenen  wiederholten  Beobachtungen  nicht  unzweifelhaft  seine  Überlegenheit 
über  alle  anderen  Instrumente  dieser  Art  bewiesen  hätten.  Seine  besonderen 
Vortheile  sind:  [.  Kleinheit,  2.  Bereitschaft  zum  Versuch,  ohne  Furcht  vor 
Verwickelung  der  Fäden  oder  Entstehung  eines  zweideutigen  Ergebnisses  in 
Folge  von  Trägheit  der  Bewegung,  3.  Unabhängigkeit  vom  Winde,  5.  Em- 
pfindlichkeit und  5.  die  Fähigkeit,  die  mitgetheilte  Elektricität  länger  zu  halten 
als  irgend  ein  bisher  benutztes  Elektrometer. 

Der  Haupttheil  des  Instrumentes  ist  eine  Glasröhre  CDAFN,  die  unten 
in  das  hölzerne  Stück  AB  gekittet  ist,  an  welchem  Theil  das  Instrument 
gehalten  wird,  wenn  es  für  die  Atmosphäre  gebraucht  wird;  auch  dient  der- 
selbe dazu,  um  das  Instrument  beim  Nichtgebrauch  in  dem  hölzernen  Ge- 
häuse ABO  (Fig.  17)  festzuschrauben.  Der  obere  Theil  der  Röhre  verjüngt 
sich  und  ist  völlig  mit  geschmolzenem,  nicht  in  Spiritus  aufgelöstem  Siegel- 
lack überzogen.  In  diesem  verjüngten  Theil  ist  eine  schmale 
Röhre  befestigt,  welche  mit  ihrem  unteren  Theil  das  flache 
Stück  H  von  Elfenbein  berührt,  das  an  der  Röhre  mit 
Kork  befestigt  Est.  Das  obere  Ende  des  Drahtes  erhebt 
sich  etwa  einen  Viertelzoll  über  die  Röhre  und  lässt  sich 
in  die  messingene  Kappe  EF  schrauben,  welche  unten 
offen  ist  und  zum  Schutze  des  Lacküberzuges  gegen 
Regen  u.  s.  w.  dient.  In  Fig.  18  ist  die  Kappe  durch- 
sichtig gezeichnet,  um  ihre  innere  Gestalt  und  die  Art 
zu  zeigen,  wie  sie  auf  den  Draht  geschraubt  ist,  der  über 
Fig.  18.  cavai.i.o's  die  Röhre  L  hervorragt.  Die  schmale  Röhre  L  und  der 
obere  Theil  der  breiten  Röhre  CDMN  erscheinen  wie 
ein  stetiges  Stück  wegen  des  Siegellacks,  welches  beide  bedeckt.  Die 
konischen  Korke  p   des  Elektrometers,   welche   durch    ihre  Abstossung  die 


Die  Anfinge  der  Elelctrometrie. 


_/5 


Ekktricität  anzeigen,  sind  so  klein,  als  sie  sich  nur  eben  herstellen  lassen, 
und  sind  mit  äusserst  feinen  Silberdrähten  aufgehängt,  letztere  sind  oben  zu 
Ringen  gebogen,  mittelst  deren  sie  sehr  locker  in  dem  flachen  Elfenbein- 
stück H  hängen,  das  zwei  Locher  zu  diesem  Zwecke  hat  Durch  diese 
Aufhängungsweise  ist  die  Reibung  beinahe  auf  Null  herabgebracht,  und 
dadurch  ist  das  Instrument  für  sehr  geringe  Grade  der  Elektricität  empfind- 
lich. IM  und  K N  sind  zwei  schmale  Streifen  Zinnfolie,  welche  an  der 
Innenseite  von  C  D  MN  festgeklebt  und  mit  dem  hölzernen  Fuss  A  B  ver- 
bunden sind;  sie  dienen  dazu,  die  Elektricität  abzuleiten,  welche  dem  Glase 
mitgetheilt  werden  würde,  wenn  die  Korke  es  berühren,  und  welche  bei 
ihrer  Anhäufung  die  freie  Bewegung  der  Korken  stören  würde." 

Die  Beschreibung  lässt  Einiges  an  Deutlichkeit  zu  wünschen  übrig;   so 


scheint  S.  74  ein  Satz  ausgefallen  zu  sein,  welcher  die  Form  und  Lage  des 
Drahtes  beschreibt,  auf  den  die  Kappe  geschraubt  wird;  auch  erscheint  bei 
der  schlecht  leitenden  Eigenschaft  des  Elfenbeins  der  Übergang  der  Elektri- 
cität von  der  Kappe  zu  den  Korkkugeln  nicht  sicher. 

3.  Bennet's  Goldblatt-Elektroskop.  In  der  Folge  wurden  die  an 
Leinenfäden  oder  Silberdraht  befestigten  beweglichen  Theile  durch  andere 
ersetzt.  Die  gegenwärtig  noch  gebräuchlichen  Goldblättchen  wurden  vom 
Rev.  Abraham  Bennet1  eingeführt,  welcher  sein  Elektroskop  in  einem  Briefe 
aus  Wicksworth,   14-  September  1786,  an  Jacou  I'riestley  beschreibt; 


1  Fhilos.  Trans.    rjS?,  26. 


76 


Viertes  Kapitel. 


„Ich  sende  Ihnen  die  Beschreibung  meines  Elektrometers,  welche  der 
Royal  Society  vorgelegt  werden  kann,  nachdem  es  die  Ehre  Ihrer  An- 
erkennung erlangt  hat. 

„Es  besteht  aus  zwei  Streifen  von  Goldblatt  aa,  welche  in  einem  Glase  £  auf- 
gehängt sind  {Fig.  i  g — 21).  DerFuss<?kann  aus  Holz  oder  Metall  sein,  die  Klappet 
ist  aus  Metall.  Die  Kappe  ist  oben  eben  gehalten,  damit  Platten,  Bücher, 
verdampfendes  Wasser  und  andere  zu  elektrisirende  Dinge  bequem  darauf 
gesetzt  werden  können.  Die  Kappe  ist  um  etwa  einen  Zoll  grösser  im 
Durchmesser,  als  das  Glas,  und  ihr  Rand  ist  etwa  dreiviertel  Zoll  breit  und 
liegt  parallel  dem  Glase,  um  den  Regen  abzuhalten  und  das  Glas  isolirend 
bleiben  zu  lassen.  Innerhalb  dieses  Randes  ist  ein  zweiter  kreisförmiger 
Ansatz,  etwa  halb  so  breit  wie  der  andere  und  innen  mit  Seide  oder  Sammet 
überzogen,  welcher  genau  auf  die  Aussenseite  des  Glases  passt;  auf  solche 
Weise  sitzt  die  Kappe  fest  und  kann  leicht  abgenommen  werden,  um,  wenn 
irgend  ein  Unfall  mit  den  Goldblättern  geschehen  ist,  ihn  auszubessern. 
Innerhalb  dieses  Ansatzes  ist  eine  zinnerne  Röhre  c,  welche  von  dem  Mittel- 
punkt der  Kappe  herabhängt  und  etwas  länger  ist,  als  der  innere  Ansatz. 
In  der  Röhre  ist  ein  kleiner  Pflock  f  befestigt,  der  nach  Bedarf  herauszu- 
nehmen ist.  An  dem  Pflock,  welcher  an  einem  Ende  rund  und  am  anderen 
flach  ist,  sind  zwei  Streifen  mit  Goldblatt  mit  Kleister,  Gummilösung  oder 
Firniss  befestigt.  Nachdem  die  Streifen  an  dem  Pflock  und  dieser  in  der 
Röhre  im  Mittelpnnkt  der 
Kappe  befestigt  sind,  hängen 
sie  inmitten  des  Glases,  etwa 
drei  Zoll  lang  und  einen  Viertel- 
zoll breit.  Auf  einer  Seite  der 
Platte  befindet  sich  eine 
schmale  Röhre ,  um  Drähte 
darein  zu  setzen.  Es  ist  offen- 
bar, dass  ohne  das  Glas  die  Goldblättchen  durch  die  geringste  Bewegung 
der  Luft  so  in  Bewegung  gerathen  würden,  dass  sie  unbrauchbar  wären; 
, und  wenn  die  Elektricität 

1 


der  Oberfläche  des  Gla- 
ses mitgetheilt  werden 
sollte,  so  würde  sie  die 
Abstossung  der  Goldblätt- 
chen beeinflussen;  deshalb 
sind  zwei  lange  Stücke  kh 
von  Zinnfolie  mit  Firniss 
an  entgegengesetzten  Sei- 
ten auf  der  inneren  Glas- 
fläche dort  befestigt,  wo  die  Goldblättchen  anschlagen  würden,  und  sind  mit 
dem  Fuss  verbunden.  Das  obere  Ende  des  Glases  ist  mit  Siegellack  bis 
zur  Länge  des  äusseren  Randes  herab  überzogen  und  bedeckt,  um  die  Iso- 


Fig.  sj.     Nach  Bennet. 


Die  Anfänge  der  Elektrometrie. 


77 


lation  zu  verbessern.  Fig.  21  stellt  das  Instrument  zusammengesetzt  und 
gebrauchsfertig  dar. 

„Die  folgenden  Versuche  werden  die  Empfindlichkeit  dieses  Instrumentes 
zeigen  (vgl.  Fig.  22  bis  27). 

„I.  Gepulverte  Kreide  war  in  einen  Blasebalg  gethan  und  wurde  auf  die 
Kappe  geblasen.  Diese  wurde  positiv  elektrisirt,  wenn  die  Kappe  etwa  sechs 
Zoll  von  der  Öffnung  des  Blasebalges  war;  derselbe  Strom  von  Kreidepulver 
elektrisirte  sie  aber  negativ  aus  der  Entfernung  von  drei  Fuss,  wie  in  Fig.  22 
und  23  dargestellt  ist.    Bei  diesem  Versuche  findet  vermöge  der  Dispersion 


* ' ./ 


Fig.  24.     Nach  Ben  net. 


Fig.  25.     Nach  Ben  net. 


oder  weiteren  Diffusion  des  Pulvers  in  der  Luft  ein  Wechsel  vom  Positiven 
zum  Negativen  statt.  Das  Gleiche  wird  bewirkt,  wenn  man  ein  Bündel  feinen 
Draht,  Seide  oder  Federn  in  das  Mundstück  des  Blasebalges  steckt,  und  das 
Pulver  ist  völlig  negativ,  wenn  man  es  aus  einem  Blasebalg  ohne  das  eiserne 
Rohr  bläst,  so  dass  es  in  einem  breiteren  Strom  herauskommt;  der  letztere 
Versuch  gelingt  nicht  so  gut  bei  trockenem  Wetter,  wie  bei  feuchtem.  Die 
positive  Elektricität  der  geblasenen  Kreide  wird  mitgetheilt,  da  ein  Theil  des 
Pulvers  an  der  Kappe  haftet;  die  negative  wird  aber  nicht  mitgetheilt  und 
die  Goldblättchen  fallen  zusammen,  sowie  die  Kreidewolke  sich  verzogen  hat. 
„2.  Wird  ein  Stück  Kreide  über  eine  Bürste  gezogen,  oder  wird  gepul- 
verte Kreide  in  die  Bürste  gethan  und  auf  die  Kappe  gestäubt,  so  wird  sie 
negativ  elektrisirt;  die  Elektricität  wird  aber  nicht  mitgetheilt  (Fig.  24}. 

„3.  Gepulverte  Kreide,  welche  mit  dem  Mund  oder  Blasebalg  von  einer 
metallenen  Platte  fortgeblasen  wird,  die  auf  der  Kappe  liegt,  elektrisirt  sie 
dauernd  positiv  (Fig.  25).  Wird  die  Kreide  von  der  isolirten  oder  nicht 
isolirten  Platte  geblasen,  so  dass  das  Pulver  über  die  Kappe  fortgeht,  so 
wird  es  auch  positiv,  wenn  es  nicht  zu  weit  entfernt  ist.  Oder  wenn  eine 
Bürste  auf  die  Kappe  gelegt  wird,  und  ein  Stück  Kreide  wird  darüber  ge- 
zogen, so  gehen,  wenn  die  Hand  fortgenommen  ist,  die  Goldblättchen  stetig 
mit  positiver  Elektricität  auseinander,  sowie  die  Kreidewolke  sich  zerstreut. 
„4.  Gepulverte  Kreide,  die  von  einer  Platte  auf  eine  andere  fällt,  die  aut 
dem  Instrument  liegt,  elektrisirt  es  negativ  (Fig.  26). 


78 


Viertes  Kapitel. 


•',:''&' 


Fig.  26.     Nach  Bennet. 


„Andere  Methoden,  Elektricität  mit  Kreide  und  anderen  Pulvern  hervor- 
zubringen, sind  versucht  worden,  so  die  Kreide  von  einem  Gänseflügel  zu 
stäuben,  den  Schnitt  eines  Buches  zu  bekreiden,  und  dieses  plötzlich  zu- 
sammenzuschlagen, das  Pulver  auf  die  Kappe  zu 
sieben;  alles  dies  elektrisirte  es  negativ:  als  aber 
das  Instrument  auf  einen  staubigen  Weg  gestellt 
und  der  Staub  in  der  Nähe  mit  einem  Stock 
aufgerührt  wurde,  nahm  es  positive  Elektricität 
an.  Das  Springen  einer  Glasthräne  auf  einem 
Buche  elektrisirte  es  negativ,  wahrscheinlich  durch 
die  Reibung  bei  der  Erschütterung,  denn  wenn 
die  Glasthräne  in  Wasser  zerbrochen  wurde,  elek- 
trisirte sie  es  nicht. 

„Weizenmehl  und  Mennige  sind  in  allen  Fällen 
stark   negativ,  wenn  Kreide   positiv  ist.     Die  fol- 
genden   Pulver    waren    wie    Kreide:    rother    und 
gelber  Ocker,  Harz,  Kohlenasche,  gepulverter  crocus  metallorum,  Musivgold, 
Graphit,  Lampenschwarz  (welches  nur  nach  den  zwei  ersten  Verfahren  merk- 
lich   war),    gepulverter  Ätzkalk,    Umbra,    lapis    calaminaris,    Spanischbraun, 

gepulverter  Schwefel,  Eisenfeile,  Eisenrost, 
Sand.  Harz  und  Kreide,  welche  einzeln 
übereinstimmend  waren,  wurden  durch 
Mischung  geändert;  dies  wurde  oft  bei 
trockenem  Wetter  versucht,  gelang  aber 
nicht  bei  feuchtem;  Bleiweiss  wurde  gleich- 
falls zuweilen  positiv  und  zuweilen  nega- 
tiv, wenn  es  von  einer  Platte  geblasen 
wurde. 

„IsteinMetallgefäss  mit  rothglühenden 
Kohlen  darin  auf  die  Kappe  gestellt  und 
wird  ein  Löffel  Wasser  darauf  gegossen, 
so  wird  das  Gefäss  negativ  elektrisirt:  wird 
ein  gebogener  Draht  mit  einem  daran  zur 
Vergrösserung  der  Oberfläche  befestigten 
Papier  in  die  Kappe  gesteckt,  so  kann 
die  Elektricität  von  Nebel  und  Regen  gut 
dadurch  veranschaulicht  werden,  dass  man 
Wasser  durch  einen  isolirten  Durchschlag 
giesst,  welcher  glühende  Kohlen  enthält, 
wo  dann  die  aufsteigenden  Dämpfe  posi- 
tiv, die  fallenden  Tropfen  negativ  sind  (Fig.  27). 

„Die  Empfindlichkeit  dieses  Elektrometers  kann  erheblich  durch  Därauf- 
stellen  einer  Kerze  vermehrt  werden.  Durch  dieses  Mittel  wird  eine  Kreide- 
wolke, welche   sonst  die  Goldblättchen  nur  eben  öffnet,  sie  für  eine  lange 


Fig.  27.    Nach  Bennet. 


Die  Anfänge  der  Elektrometrie. 


79 


Fig.  28. 
Nach  Ben net. 


Zeit  zum  Anschlagen  bringen,  und  die  Elektricität,  welche  vorher  nicht  mit- 
getheilt wurde,  geht  nun  in  das  Elektrometer  und  veranlasst  die  Goldblätt- 
chen sich  abzustossen,  wenn  es  fortgebracht  wird.  Selbst 
Siegellack  theilt  auf  diese  Weise  sein  (elektrisches)  Feuer  über 
eine  Entfernung  von  wenigstens  zwölf  Zoll  mit,  was  es  anderer- 
seits durch  Reiben  der  Kappe  kaum  thun  würde. 

„Eine  Wolke  von  Kreide  oder  Weizenmehl  kann  in  einem 
Zimmer  hervorgebracht  werden,  und  das  Elektrometer  kann 
beliebig  aus  einem  anderen  Zimmer  herzugebracht  werden, 
und  die  Wolke  wird  es  elektrisiren,  bevor  es  sehr  nahe  ge- 
kommen ist  Die  Luft  in  einem  Zimmer,  zunächst  einem,  in 
welchem  die  Elektrisirmaschine  benutzt  wurde,  war  sehr  merk- 
lich elektrisirt,  was  festgestellt  wurde,  indem  das  Instrument 
mit  seiner  Kerze  hindurchgetragen  wurde  (Fig.  28). 

„Die  Elektricitätsmenge,  welche  erforderlich  ist,  um  eine 
Abstossung  der  Goldblättchen  hervorzubringen,   ist  so  gering, 
dass  die  schärfsten  Spitzen  und  Kanten  sie  nicht  ohne  Berüh- 
rung herausziehen,  daher  ist  es  unnöthig,  bei  der  Construction  des  Instru- 
mentes Spitzen  oder  Kanten  zu  vermeiden. 

„Appendix.    Die  metallische  Kappe  des  Elektrometers  muss  (zum  Zweck 
der  Verbindung   mit  Volta's  Condensator)    eben 
geschliffen   und   polirt   werden,   damit   ein  Stück 
Marmor  darauf  passt,   welches  gleichfalls  beider- 
seits  polirt  und  mit  Firniss  überzogen  ist    In  der 
Seite  der  Marmorplatte  ist  ein  Handgriff  aus  Glas 
oder  getrocknetem   Holze   befestigt.     Endlich    ist 
auf  der    oberen  Seite   eine   kleinere  Metallplatte, 
welche  gleichfalls  mit  einem  isolirenden  Griff  ver- 
sehen  ist     Die   ganze  Construction   ergiebt   sich 
aus  der   beigefügten   Zeichnung  (Fig.  29).     Wird 
eine  kleine    elektrische  Ladung  dem  Metall  in  A 
mitgetheilt,  während  die  Marmorplatte  B  abgeleitet 
ist,  so  wird  der  einfache  Condensator  geladen  und 
seine    Elektricität    wird   (falls    sie   in    genügender 
Menge  vorhanden  ist)  ersichtlich,  wenn  die  Marmor- 
platte an  dem  Handgriff  C  aufgehoben  wird.    Ist 
noch   nichts  sichtbar,   so  berühre  man  die  kleine 
Platte  D   nach   dem  Abheben,   entferne  sie  vom 
Marmor  mittelst  ihrer  isolirenden  Handhabe,  und  FiS-  29-    Elektroskop  mit  Con- 
bringe  sie   an   die  Kappe  des  Elektrometers,   so       dcnsator'    Nach  Bennet' 
wird   (felis  sie   noch  immer  zu  gering  ist)   ein  Auseinandergehen  der  Gold- 
blattchen  mit  derselben  Elektricität  erfolgen,  welche  ursprünglich  der  Kappe, 
in  welcher  eine  kleine  Menge  Elektricität  verbleibt,  mitgetheilt  wurde.    Auf 
diese  Weise   ist   sowohl  der  grössere  wie  der  kleinere  Condensator  Volta's 


80  Viertes  Kapitel. 


mit  dem  Elektrometer  so  verbunden,  dass  sie  auf  die .  einfachste,  geschwin- 
deste und  bequemste  Weise,  die  ich  erdenken  kann,  zu  benutzen  sind.  Ihre 
erstaunliche  Kraft,  die  Elektricität  zu  condensiren,  ist  in  Volta's  Abhand- 
lung, die  früher  in  den  Phil.  Trans  abgedruckt  worden  ist,  genügend  aus- 
einandergesetzt worden." 

4.  Volta's  Condensator.  Ein  ausgezeichnetes  Hilfsmittel,  um  mittelst 
dieser  Apparate  Elektricität  geringster  Spannung  nachzuweisen,  ist  der  soeben 
erwähnte,  von  Volta  erfundene  Condensator.  Dieser  ist  fünf  Jahre  vorher 
von  Volta  in  einer  italienisch  geschriebenen  Abhandlung:  Del  modo  di 
render  sensibilissima  la  piü  deboli  Elettricitä  sia  Naturale,  sia  Artificiale,1  be- 
schrieben worden.  Da  eine  vollständige  Wiedergabe  der  Abhandlung,  die 
in  der  von  Volta  beliebten  Breite  (25  Quartseiten)  verfasst  ist,  nicht  ange- 
messen wäre,  so  begnüge  ich  mich,  die  Hauptpunkte  mit  seinen  eigenen 
Worten  mitzutheilen : 

„Das  ganze  Verfahren  kann  auf  die  folgenden  wenigen  Bemerkungen 
reducirt  werden.  I.  Es  muss  ein  Elektrophor2  beschafft  werden,  dessen 
Harzschicht  sehr  dünn  und  nicht  elektrisirt,  oder  von  aller  Elektricität  be- 
freit ist. 

IL  Sein  gewöhnlicher  Metalldeckel  muss  auf  diese  unelektrisirte  Harz- 
platte  gelegt  werden,  dass  er  sie  vollständig  und  eben  berührt,  doch  muss 
Sorge  getragen  werden,  dass  er  in  keinem  Punkte  die  Metallplatte  berührt, 
auf  welcher  die  Harzschicht  gewöhnlich  befestigt  ist. 

III.  Sind  die  Platten  so  vereinigt  aufgestellt,  so  muss  eine  leitende  Ver- 
bindung, nämlich  ein  Draht,  von  dem  atmosphärischen  Leiter  (im  Falle  die 
Elektricität  der  Luft  untersucht  wird)  bis  zur  Berührung  mit  dem  metallenen 
Deckel,  und- diesem  allein,  gebracht  werden. 

IV.  Der  Apparat  muss  eine  gewisse  Zeit  in  dieser  Lage  gelassen  werden, 
nämlich  bis  der  Metalldeckel  eine  genügende  Menge  Elektricität  durch  die 
leitende  Verbindung,  welche  sie  sehr  langsam  vom  atmosphärischen  Leiter 
heranbringt,  empfangen  hat. 

V.  Schliesslich  muss  die  leitende  Verbindung  von  dem  Metalldeckel 
entfernt  werden;  dann  wird  der  Deckel  von  der  Harzplatte  mittelst  des  iso- 
lirenden  Handgriffes  abgehoben,  worauf  er  im  Zustande  ist,  Anziehungs- 
wirkung zu  üben,  ein  Elektrometer  zu  laden  oder,  wenn  die  Elektrisirung 
stark  genug  ist,  Funken  zu  geben  u.  s.  w.,  während  gleichzeitig  der  atmo- 
sphärische Leiter  selbst  entweder  gar  keine  Elektricität  zeigt,  oder  ausser- 
ordentlich kleine  Zeichen  derselben.  .  .  . 

„Was  die  leitende  Verbindung  zwischen  dem  atmosphärischen  Leiter 
und  dem  Metalldeckel  anlangt,  so  muss  Sorge  getragen  werden,  dass  sie  so 
wenig  Verbindungsstellen  als  möglich  erhält,  oder  besser  aus  einem  Stück 
gemacht  ist,  da  die  Schwierigkeit,  kleine  Elektricitätsmengen  durchzulassen, 


1  Philos.  Trans.  1782,  237;  englische  Übersetzung  ebenda  Appendix  VII. 

2  Der  Elektrophor  ist  gleichfalls  von  Volta  im  Jahre  1775  erfunden  worden. 


Die  Anfenge  der  Elektrometrie.  gj 


durch  jede  Unterbrechung  erheblich  vergrössert  wird  und  daher  völlig  Ver- 
hinderung eintreten  kann,  wie  es  oft  bei  Anwendung  einer  Kette  der  Fall  ist 
„Was  den  zu  benutzenden  Elektrophor  anlangt,  so  muss  weiter  bemerkt 
werden,  dass  es  von  grösster  Wichtigkeit  ist,  ihn  sehr  dünn  zu  haben,  denn 
es  ist  bemerkt  worden,  dass  eine  um  so  grössere  Elektricitätsmenge  in  dem 
metallenen  Deckel  angehäuft  werden  kann,  je  dünner  die  Harzschicht  ist, 
und  dies  ist  der  Fall,  ob  die  Elektricität,  wie  im  obenerwähnten  Falle,  aus 
der  Atmosphäre  gebracht  wird,  oder  aus  irgend  einer  anderen  elektrischen 
Kraft  stammt  Die  Dicke  von  l/t0  Zoll,  oder  die  einer  gewöhnlichen  Firniss- 
schicht, ist  sehr  angemessen,  während,  wenn  das  Harz  einen  Zoll  oder  mehr 
dick  war,  der  Versuch  sehr  schlecht  entsprach. 
I  „Zweitens  muss  die  Fläche  der  Harzschicht  ebenso  wie  die  untere  Fläche 

des  Deckels  so  eben  und  glatt  als  möglich  sein,  damit  die  beiden  Flächen 
recht  vollkommen  zusammenfallen,  wenn  sie  auf  einander  gelegt  werden. 
Es  ist  wohlbekannt,  wie  sehr  dieser  Umstand  die  Wirkung  des  Elektrophors 
verbessert;  ich  habe  dies  deshalb  als  eine  wesentlich  zu  beachtende  Sache 
in  meiner  Veröffentlichung  über  dies  Instrument1  empfohlen.  Dieser  Um- 
stand ist  aber  noch  viel  wesentlicher,  wenn  derselbe  Apparat  als  Conden- 
sator  der  Elektricität  dienen  soll. 

„Schliesslich  muss  wiederholt  werden,  dass  die  Harzplatte,  wenn  sie  für 
unser  Experiment  benutzt  werden  soll,  völlig  frei  von  den  letzten  Spuren 
Elektricität  sein  soll,  da  sonst  der  Versuch  nicht  zuverlässig  ist.  Wenn  daher 
die  Harzplatte  vorher  elektrisirt  worden  war,  so  muss  alle  mögliche  Sorgfalt 
darauf  gewendet  werden,  sie  von  aller  Elektricität  zu  befreien,  was  indessen 
nicht  leicht  zu  machen  ist  Die  wirksamste  Methode  dazu  ist,  die  Harzplatte 
den  heissen  Strahlen  der  Sonne  oder  eines  Feuers  auszusetzen,  so  dass  die 
Oberfläche  leicht  geschmolzen  wird,  wodurch  sie  gänzlich  ihre  Elektricität 
verlieren  wird.  Die  Flamme  einer  Kerze  oder  von  brennendem  Papier  be- 
freit leicht  das  Harz  von  seiner  Elektricität,  wenn  es  durch  die  Flamme  ge- 
zogen wird.  Um  zu  beobachten,  ob  die  Harzplatte  völlig  frei  von  Elektricität 
ist,  muss  der  Metalldeckel  darauf  gelegt,  dort  mit  dem  Finger  berührt,  und 
dann  nach  dem  Aufheben  in  gewöhnlicher  Weise  einem  feinen  Haar  genähert 
werden;  wird  das  Haar  nicht  angezogen,  so  kann  man  schliessen,  dass  die 
Harzplatte  keine  Elektricität  enthält  und  der  Apparat  daher  geschickt  ist,  als 
Condensator  der  Elektricität  zu  dienen. 

„Wenn  ich  gefragt  würde,  in  welchem  Grade  die  Elektricität  condensirt 
werden  kann,  oder  um  wieviel  das  elektrische  Phänomen  durch  diesen  Apparat 
gesteigert  werden  kann,  so  würde  ich  antworten,  dass  dies  nicht  leicht  zu 
bestimmen  ist,  da  es  von  verschiedenen  Umständen  abhängt.  .  .  . 

„Um  die  Unbequemlichkeit  (dass  die  Harzschicht  elektrisch  wird)  zu 
vermeiden,  habe  ich  daran  gedacht,  die  Harzplatte  durch  eine  Platte  zu 
ersetzen,    welche    nicht    völlig   idioelektrisch,    oder   völlig  undurchlässig  für 

1  Vgl.  die  beiden  Briefe  an  Dr.-PRIESTLEY,  abgedruckt  in  der  Scelta  d'opusculi  intercssanti 
di  Müano.    1775- 

Oitirald,  Elektrochemie.  6 


82  Viertes  Kapitel. 


Elektricität  ist,  sondern  nur  ein  unvollkommener  Leiter,  so  dass  er  nur  in 
einem  gewissen  Grade  den  freien  Durchgang  der  elektrischen  Flüssigkeit 
durch  seine  Substanz  hindert.  Es  giebt  viele  Leiter  dieser  Art,  beispielsweise 
eine  reine  und  trockene  Marmortafel,  oder  eine  Platte  von  Holz  (gleicherweise 
rein  und  sehr  trocken  oder  mit  einer  Schicht  Firniss  oder  Wachs  überzogen) 
und  ähnliches.  Die  Oberfläche  solcher  Körper  nimmt  keine  Elektricität  an, 
und  hängt  ihnen  einige  Elektricität  an,  so  verschwindet  sie  schnell  wegen 
ihrer  halbleitenden  Natur;  aus  diesem  Grunde  taugen  sie  nicht  zur  Anwendung 
im  Elektrophor,  mehr  aber  zu  Condensatoren  der  Elektricität. 

„Ausser  den  oben  erwähnten  Vortheilen  entsteht  noch  ein  anderer  durch 
den  Ersatz  der  Harzplatte  durch  einen  unvollkommenen  Leiter,  nämlich  dass 
eine  daraufgelegte  Metallplatte  thatsächlich  eine  grössere  Elektricitätsmenge 
annehmen  und  condensiren  wird,  als  wenn  sie  auf  eine  Harzplatte  oder  eine 
vollkommen  idioelektrische  Platte  gelegt  wird,  da,  wie  oben  bemerkt,  die 
Harzplatte  unserem  Zwecke  um  so  besser  entspricht,  je  dünner  sie  ist;  und  im 
Falle  eines  gefirnissten  oder  mit  Wachs  gehöhnten  Brettes  diese  Schicht 
ausserordentlich  dünn  ist,  und  Null  wird,  wenn  ein  unvollkommener  Leiter, 
wie  Marmor  oder  sehr  trockenes  Holz  u.  s.  w.,  benutzt  wird." 

Volta  ergeht  sich  ferner  des  Breiteren  über  die  besten  Arten  von 
Marmor  für  diesen  Zweck,  und  giebt  an,  dass  auch  der  schlechte  (leitende) 
Marmor  geeignet  gemacht  werden  kann,  wenn  er  mit  Kopal-,  Bernstein-  oder 
Schellackfirniss  lackirt  wird. 

„Bei  der  Anwendung  von  Firniss  kann  selbst  eine  Metallplatte  an  Stelle 
des  Marmor  benutzt  werden.  .  .  .  Hier  kann  gesagt  werden,  dass  wir  that- 
sächlich zum  Elektrophor  zurückgekehrt  sind.  Dies  ist  wahr.  .  .  .  Indessen 
hat  die  gefirnisste  Metallplatte  vor  dem  Elektrophor  den  Vorzug,  dass  der 
Firniss  erstens  stets  dünner  ist,  als  die  gewöhnliche  Harzplatte  des  Elektrophors. 
Zweitens  nimmt  der  Firniss  eine  glättere  und  ebenere  Oberfläche  an,  so  da» 
der  Metalldeckel  leichter  und  mit  besserem  Erfolg  angepasst  werden  kann. . . . 

„Die  oben  erwähnte  Tafel  aus  Marmor  oder  gefirnisstem  Metall  kann 
mit  gleichem  Vortheil  durch  irgend  eine  beliebige  Platte  ersetzt  werden,  die 
mit  trockenem  und  reinem  Oltuch  oder  geölter  Seide  oder  Satin  oder 
anderem,  nicht  zu  dicken  Seidenstoff,  überzogen  ist;  dies  wird  sehr  gut 
wirken,  ohne  mehr  zu  erfordern  als  vielleicht  eine  kleine  Erwärmung. 
Seidene  Stoffe  sind  geeigneter  für  den  Zweck,  als  solche  aus  Wolle;  und 
diese  geeigneter  als  Leinen.  Übrigens  können  durch  vorheriges  Trocknen 
und  Warmhalten  während  des  Versuches  Papier,  Leder,  Holz,  Elfenbein, 
Knochen  und  beliebige  andere  halbleitende  Stoffe  bis  zu  einem  gewissen 
Maasse  brauchbar  gemacht  werden.  ... 

„Ich  will  nicht  unterlassen,  zu  bemerken,  dass  der  Apparat  vereinfocht 
werden  kann,  indem  man  die  Seide  oder  eine  andere  halbleitende  Schicht 
auf  dem  mit  einem  gläsernen  Handgriff  versehenen  Metalldeckel  anbringt, 
an  Stelle  der  Marmortafel  oder  einer  anderen  Platte,  welche  alsdann  unnöthig 
wird;  denn  an  ihrer  Stelle  kann  irgend  eine  beliebige  Platte  dienen,  wie  ein 


Die  Anfänge  der  Elektrometrie.  gs 


gewöhnlicher  Tisch  von  Holz  oder  Marmor,  selbst  wenn  er  nicht  sehr  trocken 
ist,  ein  Stück  Metall,  ein  Buch  oder  ein  anderer  Leiter,  ob  vollkommen  oder 
unvollkommen,  wobei  nur  eine  ebene  Oberfläche  nöthig  ist."  . .  . 

Volta  geht  nunmehr  zur  Beschreibung  einiger  mit  dem  Condensator 
anzustellender  Versuche  über,  welche  hier  übergangen  werden  können.  In 
einem  zweiten  Theil  der  Abhandlung  setzt  er  dann  seine*  theoretischen  An- 
schauungen über  den  Gegenstand  auseinander;  diese  sollen  wegen  ihrer  be- 
achtenswerthen  Klarheit  hier  wiedergegeben  werden. 

„Die  ganze  Sache  kann  darauf  zurückgeführt  werden,  dass  der  Metall- 
deckel eine  viel  grössere  Capäcität,  Elektricität  zu  halten,  besitzt,  wenn  er  auf 
einer  passenden  Fläche  liegt,  als  wenn  er  ganz  isolirt  steht,  etwa  in  der 
Luft  an  seidenen  Fäden  oder  an  seinem  isolirenden  Griff  hängend,  oder  auf 
einer  dicken  Lage  von  Harz  oder  ähnlichem  liegend. 

„Es  ist  leicht  zu  verstehen,  dass  je  grösser  die  Capäcität,  Elektricität  zu 
halten,  wird,  um  so  kleiner  die  Intensität  werden  muss;  es  ist  nämlich  eine 
grossere  Elektricitätsmenge  erforderlich,  um  die  Intensität  auf  einen  gegebenen 
Grad  zu  bringen,  so  dass  die  Capäcität  der  Intensität  umgekehrt  propor- 
tional ist;  unter  dem  letzten  Worte  verstehe  ich  das  Bestreben,  mit  welchem 
die  Elektricität  von  allen  Theilen  eines  elektrisirten  Körpers  zu  entweichen 
strebt,  welchem  Bestreben  oder  Tendenz  die  elektrischen  Erscheinungen  der 
Anziehung,  Abstossung  und  speziell  die  Grade  der  Erhebung  eines  Elektro- 
meters entsprechen/' 

Diese  letzten  Auseinandersetzungen  sind  sehr  merkwürdig.  Sie  drücken 
genau  den  Standpunkt  aus,  auf  welchem  man  gegenwärtig,  nach  mehr  als 
hundert  Jahren,  wieder  angelangt  ist,  und  sogar  die  benutzte  Terminologie 
zeigt  die  überraschendste  Übereinstimmung  mit  der  gegenwärtigen. 

Volta  zeigt  nun  an  einer  grösseren  Anzahl  von  Versuchen  die  Richtigkeit 
seiner  Sätze,  wobei  freilich  neben  vielem  Richtigem  einiger  Irrthum  unterläuft. 
Da  diese  Auseinandersetzungen  unserem  gegenwärtigen  Zwecke  fernliegen, 
sollen  sie  übergangen  werden. 
^  5.  Bennet's  Elektricitätsverdoppler.  Das  Prinzip  des  VoLTA'schen 
Condensators  wurde  in  der  Folge  vielfach  benutzt,  um  möglichst  empfindliche 
Elektroskope  herzurichten.  So  ging  zunächst1  der  schon  erwähnte  Abraham 
Bennet  von  der  ursprünglich  von  ihm  benutzten,  noch  etwas  plumpen  Form 
mit  der  Marmorplatte  zu  dem  Condensator  mit  dünnen  Firnissschichten  über, 
und  erfand  dazu  das  Prinzip  der  wiederholten  Vervielfältigung  der  Elektricitäts- 
mengen  mit  Hülfe  des  Condensators.  Die  Beschreibung  seiner  Erfindung 
theilte  er  unter  dem  Titel  mit:  Nachricht  von  einem  Elektricitäts- 
verdoppler oder  einer  Maschine,  mittelst  deren  die  kleinstdenkbare 
Menge  positiver  oder  negativer  Elektricität  beständig  verdoppelt 
werden  kann,  bis  sie  mit  einem  gewöhnlichen  Elektrometer  er- 
kennbar oder  in  Funken  sichtbar  wird. 


1  Philos.  Trans-  i7«7»  **8. 


84 


Viertes  Kapitel. 


„Ich  setze  auf  mein  früher  beschriebenes  Elektrometer  (S.  75)  eine  ! 
kreisförmige  Messingplatte,  von  drei  oder  vier  Zoll  Durchmesser,  polirt  und  ' 
auf  der  oberen  Seite  dünn  gefirnisst.  Auf  diese  Messingplatte  setze  ich  eine 
zweite  von  gleichem  Durchmesser,  beiderseits  polirt  und  gefirnisst,  mit  einem 
isolirenden  Handgriff  am  Rande.  Eine  dritte  Platte  wird  gleichfalls  vorgesehen, 
von  gleichem  Durchmesser,  polirt  und  gefirnisst  auf  der  unteren  Seite,  und  mit 
einem  senkrechten  Handgriff  in  der  Mitte  der  oberen  Seite  versehen,  ähnlich  der, 
welche  ich  im  Appendix  zu  meiner  letzten  Abhandlung  (S.  79)  beschrieben  habe. 
„Das  Verfahren,  Elektricität  aus  der  Atmosphäre  zu  sammeln,  und  sie 
so  oft  erforderlich,  zu  verdoppeln,  ist  folgendes.  Ist  das  Wetter  trocken,  so 
bringe  ich  in  die  freie  Luft  eine  brennende  Fackel,  die  nicht  leicht  aus- 
zublasen ist,  oder  eine  kleine  Laterne  mit  einer  brennenden  Kerze  darin,  an 
deren  Boden  mittelst  einer  Dille  ein  isolirender  Handgriff  aus  Glas,  mit 
Siegellack  überzogen,  befestigt  ist,  in  der  anderen  Hand  wird  eine  Leidener 
Flasche  gehalten;  alsdann  erhebe  ich  die  Flamme  etwas  über  meinen  Kopf, 
berühre  sie  mit  dem  Knopf  der  Flasche  und  halte  sie  in  dieser  Stellung 
etwa  eine  halbe  Minute.  Ich  kehre  dann  in's  Haus  zurück  (wo  der  oben 
beschriebene  Verdoppler  trocken  gehalten  wird,  indem  er  in  der  Nähe  des 
Feuers  aufgestellt  ist),  berühre  die  untere  Seite  der  ersten  Platte,  die  un- 
mittelbar auf  dem  Elektrometer  liegt,  mit  dem  Knopf,  und  gleichzeitig  die 
zweite  Platte  mit  einem  Finger  der  anderen  Hand.  Dann  stelle  ich  die 
Flasche  zur  Seite,  hebe  die  zweite  Platte  mittelst  ihres  isolirenden  Handgriffes 

auf,  und  wenn  die 
Elektricität  vom 
Elektrometer  noch 
nicht  angegeben 
wird,  so  lege  ich 
die  dritte  Platte  mit- 
telst ihres  isoliren- 
den Handgriffes  auf 
die  erhobene  zweite 
Platte.  Dann  be- 
rühre ich  die  dritte 
Platte,  indem  ich 
einen  Finger  über 
den  Ansatz  des  iso- 
lirenden Handgrif- 
fes hinaus  bewege, 
und  nachdem  ich 
den  Finger  zu- 
rückgezogen habe,  trenne  ich  wieder  die  dritte  Platte  von  der  zweiten.  Dem 
Elektriker  wird  klar  sein,  dass  in  dieser  1,-age  zwei  Platten  gleiche  Art 
Elektricität  besitzen,  und  nur  eine  die  andere  Art.  Ich  berühre  dann  mit 
der    dritten   Platte    die    untere   Seite    der    ersten   Platte,    welche    auf   dem 


Fig.  30.    Nach  Bennet. 


Die  Anfinge  der  Elektrometrie. 


«5 


ektrometer  bleibt,  und  indem  ich  gleichzeitig  diese  erste  Platte  mit  der 
reiten  bedecke,  berühre  ich  diese  durch  Ausstrecken  des  Fingers  über  den 
osatx  des  isolirenden  Handgriffes;  indem  ich  dann  zuerst  die  dritte  Platte 


Fig.  31.     Nach  Bennet. 


Fig.  32.    Nach  Bennet. 


Ttnehme,  den  Finger  von  der  zweiten  entferne  und  sie  von  der  ersten  ab- 

jbe,  wird  die  Elektricität  verdoppelt   Wird  durch  diese  erste  Operation  die 

lektricität  nicht  im  Elektrometer  sichtbar,  so  wiederhoe   ich  sie  zehn  oder 

ranzig  Mal,  wodurch  vermöge  der  jedesmaligen  Verdolppelung  die  kleinst- 

mkbare  Menge  von  Elek- 

icität    sichtbar    gemacht 

ird,  indem  sie  nach  der 

ranzigsten  Operation  auf 

twa  das  500  000  fache  ver- 

lehrt  wird.    Und  obwohl 

ie     zwanzigmalige    Ver- 

oppelung  nach  der  oben- 

ehenden       Beschreibung 

oiständlich        erscheinen 

tag,   so    nimmt  sie  doch 

eniger  als   40  Secunden 

Anspruch,  wenn  der 
xperimentator  sie  mit  ei- 
ger  Fertigkeit  (welche 
Jd  erworben   wird)  aus- 

lirt    Die  Sammlung   der  Elektricität  aus  der  Luft  und  das  Berühren  und 
mdhaben   der  Platten  findet  sich  in  den  Figuren  30 — 35  dargestellt.  .  .  . 

„Das  Experiment,  durch  welches  die  Verdoppelung  der  Elektricität  bei 
t  Operation  erwiesen  wird,  ist  folgendes.  Werden  die  beiden  Goldblättchen 


Fig.  33.    Nach  Bennet. 


86 


Viertes  Kapitel. 


Fig.  34.  Nach  Bennet. 


des  Elektrometers  durch  den  obigen  Prozess  auf  irgend  eine  Entfernung 
divergiren  gemacht,  so  wird  durch  Wiederholung  desselben  die  Entfernung 
nahezu  verdoppelt.     Ein  anderer  Beweis  dieser  verdoppelten  Anhäufung  ist, 

dass,  wenn  die  dritte  Platte  an 
die   erste   gebracht   wird,   die 
Entfernung  der  Goldblättchen 
ersichtlich  unverändert  bleibt, 
obwohl    in    dieser  Lage    ihre 
Elektricität  sich  über  die  dop- 
pelte Oberfläche  ergossen  hat... 
„Es  ist  offenbar,  dass  ei- 
nige Vorsicht  nöthig  ist,  Ver- 
suche von  solcher  Feinheit  aus- 
zuführen, da  durch  die  kleinste 
Reibung  der  Hand  an  den  ge- 
firnissten  Flächen  der  Platten 
oder  der  isolirenden  Handgriffe, 
oder  wenn  die  metallische  Fläche 
einer  Platte  zufällig  an  der  ge- 
firnissten  der  anderen  gerieben  wird,  einige  Elektricität  hervorgebracht  wird, 
welche  durch  die  Verdoppelung  sichtbar  gemacht  wird,  und  so  den  Versuch 
zweideutig  macht 

„Um    diese    Unbequemlichkeiten    zu    vermeiden,    befestige    ich    einen 

leitenden  Handgriff  mit- 
telst eines  isolirenden 
Zwischenstückes  an  jede 
Platte.  Dieser  Handgriff 
ist  aus  ungetrocknetem 
Mahagoni  gedreht  und 
etwa  drei  Zoll  lang;  am 
Ende  ist  ein  Stück  von 
gebackenem  (im  Ofen  ge- 
trockneten) Holz,  etwa  ein 
halb  Zoll  lang  und  mit 
Siegellack  bedeckt,  ein- 
gefügt, an  welchem  die 
messingene  Dille  der  Plat- 
ten befestigt  ist  Hierdurch  ist  es  nicht  nöthig,  das  Siegellack  des  isoliren- 
den Stückes  zu  berühren,  sondern  man  kann  erforderlichen  Falles  den  Finger 
über  ihn  weg  strecken,  um  die  Platte  zu  berühren,  während  der  Griff  von 
Mahagoni  in  der  Hand  gehalten  wird. 

„Da  ich  durch  wiederholte  Versuche  gefunden  hatte,  dass  zwei  reine 
Metallplatten  oder  zwei  gleich  gefirnisste  Platten  beim  Reiben  keine  Elektricität 
hervorbrachten,  firnisste  ich  die  zweite  Platte  auf  beiden  Seiten,  jedoch  dünner, 


Fig.  35.    Nach  Bennet. 


Die  Anfinge  der  Elektrometrie. 


87 


t 
! 


als  wenn  nur  eine  Seite  gefirnisst  wurde,  und  bei  einigen  Versuchen  benutzte 
ich  Fingerhüte  an  den  berührenden  Fingern.  Auf  diese  Weise  wurde  die 
Unbequemlichkeit  zufalliger  Elektrisirung  efnigermaassen  vermieden,  aber  viel 
weniger,  als  ich  zuerst  erwartete,  denn  es  wird  ungeachtet  der  äussersten 
Sorgfalt,  Elektricität  ohne  vorherige  Mittheilung  hervorgebracht.  In  Versuchen, 
welche  eine  zu  häufige  Verdoppelung  der  Elektricität  erfordern,  kann  daher 
ihre  Mittheilung  nachgewiesen  werden,  indem  man  sie  einmal  der  ersten, 
ein  anderes  Mal  der  zweiten  Platte  mittheilt,  so  dass  positive  Elektricität,  die 
der  ersten  Platte  mitgetheilt  worden  ist,  im  Elektrometer  positiv  erscheint, 
während  dieselbe  Elektricität,  wenn  sie  der  zweiten  Platte  mitgetheilt  wird, 
wahrend  die  erste  berührt  ist,  negative  Elektricität  im  Elektrometer  hervor- 
ruft." 

Hieran  schliesst  Bennet  einige  Bemerkungen  über  die  Theorie  seines 
Instruments,  auf  die  er  aber  nicht  näher  eingeht,  und  über  atmosphärische 
Elektricität. 

6.  Nicholson^  Duplicator.  Nach  dem  gleichen  Prinzip  construirte 
unmittelbar  darauf  Nicholson  seinen  rotirenden  Elektricitätsverdoppler,  welcher 
die  von  Bennet  vorgeschriebenen  Bewegungen  und  Berührungen  mittelst 
einer  einfachen  Kurbeldrehung  hervorzubringen  ermöglichte.  Wenn  dies 
Instrument  auch  zu  Messzwecken  aus  gleich  zu  besprechenden  Gründen  sich 
als  nicht  verwendbar  erwies,  so  hat  es  dennoch  ein  nicht  geringes  Interesse, 
da  es  als  Ausgang  für  die  Construction  der  erst  viel  später  zur  Bedeutung 
gelangenden  Influenz-Elektrisirmaschinen  anzusehen  ist.  Die  Beschreibung 
ist  nachstehend  mit  des  Erfinders  eigenen  Worten  gegeben. 

„Beschreibung  eineslnstruments,  welches  durch  Drehung  einer 
Kurbel  die  beiden  Zustände  der  Elektricität 
ohne  Reibung  oder  Verbindung  mit  der  Erde 
hervorbringt  In  einem  Brief  von  Hrn.  William 
Nicholson  an  Sir  Joseph  Banks,  Bart.  P.  R.  S.  Gelesen 
am  5.  Juni  1788.1 
Sir, 

„Die  folgende  Nachricht  von  dem  Instrument,  wel- 
ches ich  Ihnen  und  anderen  wissenschaftlichen  Freun- 
den im  letzten  Märzmonat  zu  zeigen  die  Ehre  hatte, 
wird,  wie  ich  hoffe,  hinreichend  interessant  sein,  um 
sie  der  gelehrten  Gesellschaft  mitzutheilen,  der  Sie  in 
so  würdiger  Weise  vorstehen. 

„Fig.  36  stellt  den  Apparat  dar,  wie  er  auf  einer    Fig. 36.  Nach  Nicholson. 
Glassäule   von  61/,  Zoll  Länge  aufgebaut  ist.     Er  be- 
steht aus  folgenden  Theilen.     Zwei  feste  Platten  aus  Messing  A  und  C  sind 
einzeln  isolirt  und  in  derselben  Ebene  angeordnet,   so  dass  eine   drehbare 
Platte  B  sehr  nahe  an  ihnen  vorbeigehen  kann,  ohne  sie  zu  berühren.   Jede 


1  Phflos.  Trans.  78,  403— 4<>7.  V**- 


88  Viertes  Kapitel. 

von  diesen  Platten  hat  zwei  Zoll  Durchmesser  und  sie  haben  hinten  Stell- 
vorrichtungen, welche  dazu  dienen,  sie  genau  in  die  erforderliche  Stellung 
zu  bringen.  D  ist  eine  Kugel  aus  Messing,  gleichfalls  von  zwei  Zoll  Durch- 
messer, befestigt  an  dem  Ende  einer  Axe,  welche  die  Platte  B  tragt  Ab- 
gesehen von  den  wesentlicheren  Zwecken,  welche  dieser  Ball  erfüllen  soll, 
ist  er  innen  einseitig  so  belastet,  dass  er  der  beweglichen' Platte  das  Gleich- 
gewicht hält,  und  dieser  ermöglicht,  in  jeder  Lage  in  Ruhe  zu  bleiben.  Die 
anderen  Theile  lassen  sich  deutlich 
in  Fig.  37  erkennen.  Die  schraf- 
firten  Theile  stellen  Metall  dar,  die 
weissen  gefirnisstes  Glas.  CA'  ist 
eine  Achse  aus  Messing,  die  durch 
das  Stück  M  geführt  ist,  welches 
seinerseits  die  Platten  A  und  C 
trägt.  An  einem  Ende  ist  die  be- 
reits erwähnte  Kugel;  das  andere 
ist  durch  einen  Glasstab  verlängert, 
welcher  einzeln  isolirt  den  Hand- 
griff L  und  das  Stück  GH  tragt 
Fig.  37.     Nach  Nicholson.  E  und  F  sind  Stifte,  welche   aus 

den  Platten  A  und  C  bis  zu  un- 
gleichen Entfernungen  von  der  Axe  hervortreten.  Das  Querstück  GH  und 
das  Stück  K  liegen  in  einer  Ebene,  und  ihre  Enden  sind  mit  kleinen  Stückchen 
Klaviersaitendraht  versehen,  so  dass  sie  die  Stifte  E  und  F  an  bestimmten 
Punkten  ihres  Umlaufs  vollkommen  berühren.  Ebenso  ist  im  Stück  M  ein 
Stift  /  vorhanden,  welcher  einen  kleinen  Draht  berührt,  welcher  von  der  dreh- 
baren  Platte  B  ausgeht. 
\  „Die  berührenden  Drähte  sind  durch  Biegen  so  angeordnet,  dass,  wenn 

die  drehbare  Platte  gerade  der  festen  Platte  A  gegenüberliegt,  das  Quer- 
stück  GH  die  beiden  festen  Platten  verbindet,  während  der  Draht  und  Stift  in 
/  die  Verbindung  zwischen  der  drehbaren  Platte  und  der  Kugel  herstellt 
Wenn  andererseits  die  drehbare  Platte  der  festen  Platte  C  gegenübersteht, 
so  ist  die  Kugel  mit  dieser  letzteren  verbunden,  indem  F  durch  das  Stück  K 
berührt  wird;  dann  haben  die  beiden  Platten  A  und  B  keine  Verbindung  . 
mit  anderen  Theilen  des  Apparates.  In  jeder  anderen  Stellung  sind  die  drei 
Platten  und  die  Kugel  ohne  Verbindung  unter  einander. 

„Herrn  Cavallo's  Entdeckung,  die  er  in  der  letzten  Baker -Vorlesung 
so  gut  dargelegt  hat,  dass  kleine  Unterschiede  der  Elektrisirung  an  Körpern, 
ob  sie  durch  Kunst  oder  Natur  hervorgebracht  sind,  in  endlicher  Zeit  nicht 
zerstört  werden  können,  kann  zur  Erklärung  des  gegenwärtigen  Instrumentes 
angewendet  werden.  Stehen  die  Platten  A  und  B  einander  gegenüber,  so 
können  die  beiden  festen  Platten  A  und  C  als  ein  Körper  betrachtet  werden, 
und  die  rotirende  Platte  B  bildet  zusammen  mit  der  Kugel  D  eine  andere 
Masse.     Alle  bisher  gemachten  Versuche  stimmen  überein  zu  beweisen,  dass 


Die  Anfänge  der  Elektrometrie.  89 


diese  beiden  Massen  nicht  denselben  elektrischen  Zustand  besitzen  werden, 
sondern  dass  ihre  Elektricität  in  Beziehung  auf  einander  plus  und  minus 
sein  wird.  Diese  Zustände  wären  einfach  und  ohne  alle  Compensation,  wenn 
die  Körper  von  einander  weit  entfernt  wären;  da  dies  aber  nicht  der  Fall 
ist,  so  wird  ein  Theil  der  überschüssigen  Elektricität  die  Form  einer  Ladung 
in  den  gegenüberstehenden  Platten  A  und  B  annehmen.  Aus  anderen  Ver- 
suchen finde  ich,  dass  die  Wirkung  der  Compensation  an  Platten,  welche 
einander  in  der  Entfernung  von  1/40  Zoll  gegenüberstehen,  derart  ist,  dass 
zur  Hervorbringung  der  gleichen  Intensität  mindestens  die  hundertfache 
Elektricitätsmenge  erforderlich  ist,  als  wenn  die  Platten  einzeln  und  von  ein- 
ander entfernt  wären.  Die  überschüssige  Elektricität  wird  daher  in  den  be- 
trachteten Körpern  ungleichmässig  vertheilt  sein;  die  Platte  A  wird  etwa 
99  Theile  der  entgegengesetzten  Elektricität  enthalten,  und  die  Kugel  D 
einen.  Die  Drehung  hebt  die  Berührung  auf,  und  erhält  dadurch  die  un- 
gleichförmige Vertheilung  und  bringt  B  von  A  nach  C,  während  gleichzeitig 
der  Fortsatz  K  die  Kugel  mit  der  Platte  C  verbindet.  In  dieser  Stellung 
wirkt  die  Elektricität  in  B  auf  die  in  C  und  ruft  in  Folge  der  Verbindung 
zwischen  C  und  der  Kugel  den  entgegengesetzten  Zustand  hervor;  letztere 
muss  daher  Elektricität  von  derselben  Art  annehmen,  wie  die  drehbare 
Platte.  Die  Drehung  hebt  aber  auch  diese  Berührung  auf,  und  bringt  B 
in  seine  erste  Lage  gegenüber  A  zurück.  Hier  finden  wir,  wenn  wir  die 
Wirkung  der  ganzen  Umdrehung  beachten,  dass  die  elektrischen  Zustände 
der  einzelnen  Körper  stark  gesteigert  sind:  denn  die  99  Theile  in  A  und  B 
bleiben,  und  der  eine  Theil  Elektricität  in  C  hat  so  zugenommen,  dass  er 
nahezu  99  Theile  der  entgegengesetzten  Elektricität  in  der  drehbaren  Platte 
B  compensirt,  während  die  Berührung  eine  gleiche  Änderung  in  der  Elek- 
tricität der  Kugel  hervorgebracht  hat.  Eine  zweite  Umdrehung  wird  natür- 
lich eine  proportionale  Vermehrung  dieser  vergrösserten  Mengen  verursachen, 
und  das  fortgesetzte  Drehen  wird  bald  die  Intensitäten  auf  ihr  Maximum 
bringen,  welches  durch  eine  Entladung  zwischen  den  Platten  begrenzt  ist. 

„Ist  einer  der  Theile  mit  einem  Elektrometer  z.  B.  dem  von  Bennet  ver- 
bunden, so  werden  diese  Wirkungen  sehr  anschaulich.  Der  Funke  wird 
gewöhnlich  durch  elf  bis  zwanzig  Umdrehungen  hervorgerufen  und  das 
Elektrometer  wird  durch  noch  weniger  sichtlich  beeinflusst.  Wird  einer  der 
Theile  gelegentlich  mit  der  Erde  verbunden,  oder  wird  die  Einstellung  der 
Platten  geändert,  so  finden  einige  Änderungen  der  Wirkung  statt,  welche 
unschwer  auf  die  allgemeinen  Grundlagen  zurückzuführen  sind,  aber  auf- 
fällig genug  erscheinen,  um  das  Nachdenken  der  in  diesem  Gebiete  der 
Wissenschaft  erfahrensten  Personen  hervorzurufen.  Die  Rücksicht  auf  Kürze 
macht  es  noth wendig,  von  Auseinandersetzungen  darüber  abzusehen. 

„Wird  die  Kugel  mit  dem  unteren  und  die  Platte  A  mit  dem  oberen 
Theil  des  BENNET'schen  Elektrometers  verbunden,  und  wird  dem  Elektro- 
meter etwas  schwache  Elektricität  mitgetheilt,  während  der  Apparat  so  steht, 
dass  das  Querstück  GH  die  beiden  Stifte  berührt,  so  werden  einige  wenige 


QO  Viertes  Kapitel. 


Drehungen  sie  sichtbar  machen.  Jedoch  wird  hier  wie  beim  gewöhnlichen 
Verdoppler  die  Wirkung  dadurch  unsicher  gemacht,  dass  die  Elektricität 
stark  genug  sein  muss,  alle  andere  Elektricität,  welche  die  Platten  etwa  be- 
sitzen, zu  zerstören  und  zu  überwinden.  Ich  brauche  kaum  zu  bemerken, 
dass,  wenn  diese  Schwierigkeit  später  überwunden  werden  sollte,  das  Instru- 
ment grosse  Vortheile  als  Vervielfacher  der  Elektricität  bieten  würde,  sowohl 
in  der  Leichtigkeit  seines  Gebrauchs,  wie  auch  der  grossen  Schnelligkeit 
seines  Arbeitens   und   der   unzweideutigen  Beschaffenheit  seiner  Ergebnisse. 

Ich  habe  die  Ehre  zu  sein  etc. 

W.  Nicholson/' 

6.  Cavallo's  Condensator.  So  sinnreich  diese  Constructionen  waren, 
so  schössen  sie  zunächst  doch  weit  über  das  Ziel  hinaus.  Indem  sie  alle 
vorhandenen  Elektricitätsmengen  vervielfältigten,  reagirten  sie  auf  zufallig 
vorhandene  ebenso  wie  auf  die  zugefiihrte,  und  nach  einer  mehr  oder  weniger 
grossen  Anzahl  von  Verdoppelungen  erhielt  man  fast  ausnahmelos  elektrische 
Erscheinungen,  ganz  unabhängig  davon,  ob  von  aussen  Ladungen  heran- 
gebracht wurden,  oder  nicht.  Über  diese  leidige  Eigenschaft  sprach  sich 
zunächst  T.  Cavallo  in  einer  vor  der  Royal  Society  in  London  gehaltenen 
Baker- Vorlesung  aus. l  Zur  Vermeidung  etwaiger  am  Firnissüberzug  sitzen- 
der Elektricitätsmengen  Hess  er  diesen  ganz  fort,  indem  er  als  isolirende 
Zwischenschicht  Luft  benutzte,  und  durch  einfache  mechanische  Mittel  er- 
reichte, dass  die  Platten  einander  sehr  nahe  gestellt  werden  konnten,  ohne 
sich  zu  berühren.  Cavallo  ist  daher  als  Erfinder  des  Luftcondensators 
anzusehen,  der  späterhin  vielfach  zu  Messzwecken  verwerthet  wurde. 

„Nachdem  ich  diese  Platten  construirt  hatte,  glaubte  ich  die  beabsich- 
tigten Versuche  ohne  weitere  Störung  ausfuhren  zu  können,  doch  darin  fand 
ich  mich  völlig  getäuscht:  denn  beim  Versuch,  mit  diesen  neuen  Platten  zu. 
multipliciren,  wenn  ihnen  vorher  keine  Elektricität  mitgetheilt  war,  fand  ich 
sie  nach  zehn-,  fünfzehn-  oder  zwanzigmaligem  Verdoppeln  so  voll  Elektricität, 
dass  sie  sogar  Funken  lieferten.  Alle  meine  Versuche,  sie  von  der  Elektri- 
cität zu  befreien,  erwiesen  sich  als  fruchtlos.  Weder  die  Behandlung  ins- 
besondere der  gläsernen  Träger  mit  der  Flamme  brennenden  Papiers,  noch 
wiederholtes  Anhauchen,  noch  Stehenlassen  über  einige  Tage,  ja  einen  ganzen 
Monat,  während  welcher  Zeit  die  Platten  mit  der  Erde  durch  gute  Leiter 
verbunden  waren,  konnte  sie  von  jeder  Spur  Elektriciiät  befreien,  so  dass 
sich  nach  zehn-,  fünfzehn-  oder  höchstens  zwanzigmaligem  Verdoppeln  keine 
gezeigt  hätte. 

„Die  in  ihnen  entstehende  Elektricität  war  nicht  immer  gleicher  Art, 
zuweilen  war  sie  während  zweier  oder  dreier  Tage  negativ,  und  dann  war 
sie  für  andere  zwei  oder  drei  Tage  positiv;  oft  wechselte  sie  bei  jeder  Ope- 
ration.   Dies  Hess  mich  vermuthen,  dass  möglicherweise  der  Ursprung  dieser 


] 


1  Philos.    Trans.    1788,    1 — 22.      Die    Abhandlung   hat  speziell    die    Elektrometrie    zum 
Gegenstande  und  liegt  den  meisten  späteren  historischen  Darstellungen  darüber  zu  Grunde. 


t  der  Elek  trenne  tric. 


9' 


Jektrirität  von  meinem  Körper  herrührte,  und  nachdem  sie  durch  den  be- 
törenden Finger  der  ersten  Platte  mitgetheilt  war,  später  multiplicirt  wurde, 
'm  diesen  Verdacht  zu  klaren,  versuchte  ich  die  Platten  zu  verschiedenen 
eilen,  nämlich  vor  und  nach  einem  grösseren  Spaziergang,  vor  und  nach 
em  Essen  u.  s.  w.,  indem  ich  sehr  genau  die  Beschaffenheit  der  jedesmal 
ervorgebrachten  Elektricität  aufschrieb.  Die  Wirkungen  schienen  aber  völlig 
usser  Zusammenhang  mit  den  oben  erwähnten  gleichzeitigen  Umständen, 
as  noch  weiter  durch  die  Beobachtung  erhärtet  wurde,  dass  sich  die 
kktricität  auch  dann  von  wechselnder  Beschaffenheit  zeigte,  wenn  ich  die 
latten  nicht  mit  dem  Finger,  sondern  mit  einem  Draht  berührte,  der  mit 
er  Erde  verbunden  war,  und  mittelst  eines  isolirenden  Handgriffes  bewegt 
wde.' 


Fig.  38.     Nach  Cavallo. 


Fij>.  39.     Nach  Cavallo. 


Cavallo  fügt  eine  Anzahl  weiterer,  ähnlicher  Erfahrungen  hinzu,  und 
schliesst:  „Aus  all  den  oben  erwähnten  Versuchen  mit  verdoppelnden  oder 
mulb'plicirenden  Platten  können  wir  zu  dem  Schluss  kommen,  dass  die  Er- 
findung sehr  sinnreich  ist,  dass  aber  auf  ihre  Anwendung  gar  kein  Verlass  ist." 

Wenn  es  sich  darum  handelt,  kleine  Elcktricitätsmengen  sichtbar  zu 
machen,  so  empfiehlt  er  den  einmaligen  Gebrauch  des  Luftcondcnsators, 
der  mit  einem  genügend  empfindlichen  Elektrometer  zu  verbinden  ist.  Eine 
praktische  Form  desselben  beschreibt  er  kurz  nachher.1  Dasselbe  enthält 
der  früheren  Gestalt  gegenüber  die  Verbesserung,  dass  die  condensirende 
Wirkung  durch  die  Anwendung  zweier  zur  Erde  abgeleiteter  Platten,  welche 
auf  beiden  Seiten  der  condensirenden  stehen,  verdoppelt  wird.  Die  beiden  bei- 
stehenden P'iguren  (38  u.  39)  zeigen  das  Instrument  in  geschlossenem  und  offenem 
Zustande;  die  mittlere  Platte  Cist  isolirt,  die  beiden  äusseren  X  und  Y  sind 


1  Philo».  Tran».  1788,  255—260. 


Q2  Viertes  Kapitel. 


zur  Erde  abgeleitet  Man  setzt  C  bei  geschlossenem  Condensator  mit  dem 
zu  prüfenden  Leiter  in  Berührung,  entfernt  letzteren  und  öffnet  dann  das 
Instrument,  wodurch  die  Spannung  der  auf  C  befindlichen  Elektricität  um 
das  vielfache  gesteigert  wird. 

7.  Elektrometer  von  de  Luc  und  Volta.  Obwohl  die  vorstehend 
beschriebenen  Instrumente  in  Bezug  auf  ihre  Empfindlichkeit  genug,  ja  zu 
viel  leisteten,  waren  sie  doch  nur  Elektroskope,  keine  eigentlichen  Elektro- 
meter zu  nennen.  Zwar  hatte  es  nicht  an  Versuchen  dazu  gefehlt,  und  ins- 
besondere der  Gedanke,  die  anziehenden  und  abstossenden  Wirkungen  der 
Elektricität  mittelst  der  Schwere  zu  messen,  ist  wiederholt  ausgesprochen 
worden,  doch  sind  diese  ersten  Elektrometer  alle  im  Versuchstadium  stecken 
geblieben.  Hierher  gehört  beispielsweise  das  Elektrometer  von  Achard,1 
bei  welchem  die  Gewichte  der  Kügelchen  am  elektrischen  Pendel,  sowie  der 
Winkel,  um  welchen  es  von  einem  senkrechten  Stabe  abgestossen  wurde,  zur 
Messung  gelangten.  Ähnliche  Einrichtung  hatte  das  „Fundamentalelektro- 
meter" von  de  Luc,2  welches  aus  einem  festen  und  einem  beweglichen 
Pendel  (hohle  Silberkugeln  an  Strohhalmen)  bestard.  Aus  der  Beschreib .ug, 
welche  de  Luc  von  seinem  Elektrometer  giebt,  geht  hervor,  dass  er  den 
Winkel  des  Pendels  proportional  der  Ladung  annahm,  ohne  jedoch  darüber 
Versuche  angestellt  zu  haben,  wie  weit  diese  Annahme  zutreffend  ist 

Die  gleiche  Voraussetzung  findet  sich  bei  Volta,8  welcher  gleichfalls 
ein  Pendelinstrument  benutzte,  das  zwei  aus  Stroh-  oder  Grashalmen  ge- 
machte, in  feinen  Drahtringen  aufgehängte  Pendel  besass.  Da  mit  diesem 
Instrument  die  Messungen  ausgeführt  worden  sind,  auf  welche  Volta  später 
sein  berühmtes  Gesetz  der  „Spannungsreihe"  begründete,  so  verdient  der 
Wortlaut  seiner  Beschreibung  einiges  Interesse. 

„Etwas,  was  als  eine  Kleinigkeit  erscheint,  aber  wirklich  von  grosser 
Bedeutung  ist,  besteht  darin,  dass  man  die  Gestalt  und  Materie  der  Pendel 
ändert  und  die  Kügelchen  von  Hollundermark  oder  dergleichen  aufgiebt  und 
an  Stelle  der  feinen  Metalldrähte  zwei  nackte  Strohhalme  von  etwa  zwei 
Zoll  Länge  benutzt,  welche  mittelst  kleiner  Ringe  sehr  beweglich  angebracht 
werden,  und  neben  einander  in  Berührung  oder  fast  in  Berührung  ihrer 
ganzen  Länge  nach  hängen.  Wählt  man  zwei  sehr  feine  und  trockene  Stroh- 
halme (höchstens  ein  Viertel  Linie  stark),  so  sind  sie  leichter,  als  die  feinsten 
Metalldrähte,  vollends  weit  leichter,  als  Drähte,  die  wie  gewöhnlich  unten 
Kügelchen  haben.  Übrigens  stossen  sie  sich  ihrer  grösseren  Oberfläche 
wegen  bei  gleichen  Graden  der  Elektricität  auch  stärker  ab  und  gehen 
weiter  auseinander."  — 

Volta   schildert   nun   weiter,   wie   er  sich  zwei  Elektrometer  verfertigt 

1  Beschäft  der  Bcrl.  Ges.  naturf.  Freunde  I.  53.   Berlin  1775. 

*  Nouvellcs  Idees  sur  la  Meteorologie,   1786. 

•  Opere  I,  2,  S.  8.  Firenze  18 16.  —  Brugnatelli,  Bibliotheca  Fisica  d'Europ*  I,  73.  — 
Ales.  Volta's  meteorologische  Briefe.  Leipzig  1793.  Das  Original  ist  eine  briefliche  Mit- 
theilung an  Lichtenberg. 


Die  Anfänge  der  Elektrometrie.  g* 


hat,  von  denen  das  feinere  fünfmal  grössere  Ausschläge  gab,  als  das  andere, 
und  dieses  zweimal  so  gross,  wie  ein  gewöhnliches  Quadrantelektrometer,  und 
fahrt  fort: 

„Recht  gut!  werden  Sie  sagen,  wenn  nur,  was  aber  wohl  schwerlich  der 
Fall  sein  wird,  das  angegebene  Verhältniss  zwischen  den  Graden  der  drei 

Elektrometer   die  ganze  Skala  durch  gälte Aus  der  zahllosen  Menge 

von  Versuchen,  welche  ich  in  dieser  Absicht  angestellt  habe,  wähle  ich 
einen,  vorzüglich  genauen,  der  statt  vieler  dienen  kann,  und  die  Sache 
augenscheinlich  machen  wird.  Ich  brachte  vermittelst  eines  eisernen  Drahtes 
die  Hütchen  der  zwei  Elektrometer  in  Verbindung,  so  dass  sie  einen  einzigen 
Leiter  ausmachten.  Hierauf  berührte  ich  den  Leiter  mit  einer  geladenen 
Leidener  Flasche,  wodurch  die  Pendel  beim  empfindlichen  Elektrometer  auf 
zwanzig  Grad,  folglich  beim  anderen  auf  vier  Grad  auseinander  getrieben 
wurden.  Ich  Hess  sodann  die  Elektricität  von  selbst  wieder  abnehmen.  Als 
das  erste  Elektrometer  auf  17*/^  Grad  gefallen  war,  sah  ich  das  andere  auf 
3^  stehen,  und  so  wie  jenes  nach  und  nach  an  15,  I21/,,  10,  y1/^  5  kam, 
fiel  dieses  genau  auf  3,  2l/t>  2,  i1/,,  1 Ich  habe  dergleichen  Beobach- 
tungen in  grosser  Menge  und  Mannigfaltigkeit  mehrere  Male  mit  der  äussersten 
Genauigkeit  angestellt,  und  immer  gefunden,  dass  beide  Elektrometer  sogar 
bis  auf  Viertelgrade  auf  das  vollkommenste  übereinstimmten."  .  .  . 

„Die  Eigenschaft  des  Elektrophors,  dass  die  Stärke  der  Funken,  welche 
der  aufgehobene  Deckel  giebt,  durch  Ruhe  nicht  weiter,  wenigstens  auf  keine 
in  die  Augen  fallende  Weise  geschwächt  wird,  hat  mich  auf  folgendes  Ver- 
fahren geleitet.     Ich   lasse  zwei,    drei  bis  vier  Funken    in   den  Haken  einer 
Leidener  Flasche  schlagen,  bis  ich  bei   der  Berührung  des  Hütchens   meines 
Elektrometers  mit  dem  Haken  die  Pendel  um  einen  oder  ein  Paar  Grad  aus- 
einander   gehen    sehe.      Finde    ich    nun,    dass    z.   B.    drei    solche   Funken 
nöthig  sind,  um  die  Pendel  auf  zwei  Grad  auseinander  zu  treiben,  so  lasse 
ich  in  den  Haken  der  Flasche  noch  drei  Funken  schlagen  und  berühre  das 
Elektrometer  wiederum.     So  gehen  die  Pendel  just   um  vier  Grade   ausein- 
ander.    Durch  die  neue  Funken  werden  sie   auf  sechs,    und    durch    immer 
gleiche  Vermehrung  der  Ladung  auf  acht,  zehn,  zwölf,  vierzehn,  sechszehn, 
achtzehn,  zwanzig,  zweiundzwanzig  Grad  auseinander  getrieben."  — 

Dieses  Ergebniss,  zu  dem  Volta  bei  seinen  messenden  Versuchen  kommt, 
ist  einigermaassen  unerwartet.  Denn  bei  einem  derartigen  Instrument  sollte 
der  Ausschlag  wesentlich  proportional  dem  Quadrat  der  Ladung  sein.  Es 
mögen  die  bei  stärkerer  Ladung  erheblicheren  Fehler  des  Instrumentes,  die 
alle  im  Sinne  einer  Verminderung  des  Ausschlages  wirken,  die  Annäherung 
an  die  einfache  Proportionalität  bewirkt  haben;  auch  ist  quantitative  Be- 
obachtung nicht  eben  die  stärkste  Seite  von  Volta's  Begabung. 

8.  Die  Dreh  wage  von  Coulomb.  Bei  all  diesen  Versuchen,  Maass- 
bestimmungen der  elektrischen  Erscheinungen  auszufuhren,  blieb  man  indessen 
bis  auf  Volta  in  den  ersten  Anfangen  mehr  qualitativen  Charakters  stehen. 
Zwar  liegt  in  der  Natur  der  Sache,  dass  die  Messung  einer  Erscheinung  das 


Ö4  Viertes  Kapitel. 


Vorhandensein  eines  Messinstrumentes  voraussetzt  Andererseits  setzt  aber 
die  Benutzung  jedes  Messinstrumentes  wieder  eine  Kenntniss  der  Gesetze 
voraus,  nach  welchen  die  Ablesungen  am  Instrument  mit  dem  Werth  der 
zu  messenden  Grösse  in  Verbindung  stehen,  und  so  scheint  es,  als  wenn 
man  sich  hier  in  einem  unlösbaren  Zirkel  bewegte.  Thatsächlich  wird  das 
Problem  häufig  so  gelöst,  dass  man  die  Wirkungen  des  zu  erforschenden 
Agens  mit  gleichartigen  Wirkungen  anderer,  ihrem  Maasse  nach  bekannter 
Ursachen,  welche  am  Instrument  entsprechende  Ausschläge  oder  Ablesungen 
hervorrufen,  vergleicht,  und  beide  Ursachen  einander  proportional  setzt 
Diesem  Gedankengang  entsprechend  ist,  wie  oben  erwähnt,  vielfach  versucht 
worden,  die  elektrostatischen  Fernwirkungen  in  mechanischem,  insbesondere 
in  Gewichtsmaass  zu  messen.  Die  Versuche  konnten  aber  so  lange  keinen 
Erfolg  haben,  als  über  die  Abhängigkeit  dieser  Fernwirkungen  von  der  Ent- 
fernung, sowie  von  der  Gestalt  der  beweglichen  Theile  des  Elektrometers 
nichts  bekannt  war. 

Die  erste  dieser  fundamentalen  Fragen,  die  nach  dem  Gesetz  der  elektro- 
statischen Fernwirkung,  wurde  um  dieselbe  Zeit  (1785)  beantwortet,  in  welche 
die  oben  erörterten  Bestrebungen  zur  Construction  empfindlicher  Elektro- 
meter fallen.  Auf  Grund  der  vorher  (1784)  studirten  Gesetze  der  Torsions- 
elasticität  der  Drähte1  construirte  Coulomb  seine  elektrische  Wage,* 
mittelst  deren  er  das  seinen  Namen  tragende  Gesetz  entdeckte,  dass  die 
elektrische  Abstossung  und  Anziehung  proportional  dem  Qua- 
drat der  Entfernung  der  wirkenden  Theilchen  ist  Da  dieses  Gesetz 
fundamental  nicht  nur  für  die  gesammte  Elektrometrie,  sondern  auch  für  die 
spätere  Entwickelung  der  allgemeinen  Elektricitätslehre  geworden  ist,  so  soll 
die  erste  Abhandlnng  Coulomb's  hier  wiedergegeben  worden,8  in  welcher  das 
fragliche  Gesetz  zunächst  für  die  Abstossung  gleichartig  geladener  Kugeln 
bewiesen  wird;  die  zweite  Abhandlung  bringt  den  gleichen  Nachweis  für  die 
Anziehung  in  Folge  entgegengetetzter  Ladung. 

„Construction  und  Anwendung  einer  elektrischen  Wage,  die  auf 
der  Eigenschaft  der  Drähte  beruht,  eine  dem  Torsionswinkel  pro- 
portionale Gegenkraft  der  Torsion  zu  besitzen.  Experimentelle  Be- 
stimmung des  Gesetzes,  nach  dem  die  Elemente  gleichartig  elek- 
trisirter  Körper  sich  gegenseitig  abstossen.  In  einer  der  Akademie 
im  Jahre  1784  überreichten  Abhandlung  habe  ich  an  der  Hand  des  Versuchs 
die  Gesetze  der  Torsionskraft  eines  Drahtes  bestimmt,  und  habe  gefunden, 
dass  diese  Kraft  in  geradem  Verhältniss  zum  Torsionswinkel  und  zur  vierten 
Potenz  des  Durchmessers  des  Aufhängedrahtes  und  im  umgekehrten  Ver- 
hältniss zu  seiner  Länge  stand,  indem  man  das  Ganze  noch  mit  einem  con- 


1  Hist.  et  mem.  dcl'Ac.  Roy.  des  Sc,  Paris  1784,  S.  229 — 269. 
*  Kbenda   1785,  S.  569—577. 

8  Nach  «1er  von  W.  König  besorgten  deutschen  Ausgabe  in  Ostwali/s  Klassikern  der 
exakten   Wissenschaften,  Nr.  13.    Leipzig  1890. 


Die  Anfinge  der  Elektrometrie.  gc 


stauten  Coefficienten  zu  multipliciren  hatte,  der  von  der  Natur  des  Metalles 
abhängt  und  durch  den  Versuch  leicht  zu  bestimmen  ist 

„In  derselben  Abhandlung  zeigte  ich,  dass  es  mit  Hilfe  dieser  Torsions- 
kraft möglich  war,  sehr  geringfügige  Kräfte  mit  Genauigkeit  zu  messen,  wie 
z.  B.  ein  Zehntausendstel  eines  Grans  [0,005  cm-  81*-  sec- _2]-  Auch  habe  ich 
in  derselben  Abhandlung  eine  erste  Anwendung  dieser  Theorie  ergeben,  in- 
dem ich  in  der  Formel,  welche  die  Reibung  der  Oberfläche  eines  festen, 
in  einer  Flüssigkeit  bewegten  Körpers  ausdrückt,  die  constante,  der  Adhäsion 
zugeschriebene  Kraft  zu  berechnen  suchte. 

„Ich  legte  heute  der  Akademie  eine  nach  denselben  Prinzipien  con- 
struirte  elektrische  Wage  vor;  sie  misst  mit  der  grössten  Genauigkeit  den 
elektrischen  Zustand  und  die  elektrische  Kraft  eines  Körpers,  wie  gering  auch 
der  Grad  der  Elektrisirung  sei. 

„Construction  der  Wage.  Obwohl  mich  die  Erfahrung  belehrt  hat, 
dass  tür  die  bequeme  Ausführung  mehrerer  elektrischer  Versuche  an  der 
ersten  Wage  dieser  Art,  die  ich  habe  anfertigen  lassen,  einige  Mängel  ver- 
bessert werden  müssen,  will  ich  sie  dennoch  beschreiben,  weil  sie  bis  jetzt 
die  einzige  ist,  deren  ich  mich  bedient  habe;  doch  bemerke  ich,  dass  ihre 
Form  und  ihre  Grösse  verändert  werden  können  und  müssen  je  nach  der 
Natur  der  Versuche,  die  man  anzustellen  beabsichtigt.  Die  Figur  40  stellt 
perspectivisch   diese  Wage  dar,  deren  Einzelheiten  folgende  sind. 

„Auf  einen  Glascylinder  AB  CD  von  12  Zoll  [32,48  cm]  Durchmesser 
und  \2  Zoll  Höhe  legt  man  eine  Glasplatte  von  13  Zoll  Durchmesser,  die 
das  Glasgefäss  vollkommen  bedeckt;  in  diese  Platte  sind  zwei  Löcher  von 
ungefähr  20  Linien  [4,51  cm]  Durchmesser  gebohrt,  das  eine  in  der  Mitte, 
in  /;  über  ihm  erhebt  sich  eine  Glasröhre  von  24  Zoll  [64,97  cm]  Höhe; 
diese  Röhre  ist  auf  dem  Loche  /  festgekittet  mit  dem  bei  den  elektrischen 
Apparaten  gebräuchlichen  Kitt;  an  dem  oberen  Ende  der  Röhre  in  //  ist  ein 
Torsionsmikrometer  angebracht,  das  man  in  seinen  Einzelheiten  in  der 
Figur  41  erblickt.  Der  obere  Theil,  Nr.  1,  trägt  den  Kopf  b,  den  Index  io 
und  die  Aufhängeklemme  q;  dieses  Stück  passt  in  das  Loch  G  des  Stückes 
Nr.  2;  dieses  Stück,  Nr.  2,  besteht  aus  einem  Kreise  ab,  dessen  Rand  in 
360°  getheilt  ist,  und  aus  einer  kupfernen  Röhre  </>,  welche  in  die  Röhre  //, 
Xr.  3,  hineinpasst;  letztere  ist  in  das  Innere  des  oberen  Endes  der  Glas- 
röhre fh  der  Fig.  40  eingekittet.  Die  Klemme  q,  Fig.  41,  No.  1,  hat  fast  die 
Form  des  Endes  einer  starken  Reissfeder,  die  mittelst  des  Ringes  q  zusammen- 
gepresst  werden  kann;  in  die  Zange  dieser  Reissfeder  ist  das  Ende  eines  sehr 
feinen  Silberdrahtes  eingeklemmt;  das  andere  Ende  des  Silberdrahtes  steckt 
Fig.  42)  in  P  in  der  Klemme  eines  Cylinders  Po  von  Kupfer  oder  Eisen, 
dessen  Durchmesser  kaum  eine  Linie  [0,22  cm]  beträgt,  und  dessen  Ende/* 
gespalten  ist  und  eine  Zange  bildet,  welche  mittelst  des  Schieberinges  </>  zu- 
sammengepresst  wird.  Dieser  kleine  Cylinder  hat  in  C  eine  Verdickung  mit 
einer  Durchbohrung,  in  die  sich  die  Nadel  ag  (Fig.  40 )  hineinschieben  lässt: 
das  Gewicht  dieses  kleinen  Cylinders  muss  gross  genug  sein,  um  den  Silber- 


96 


Viertes  Kapitel. 


draht  zu  spannen,  ohne  ihn  zu  zerreissen.  Die  Nadel,  welche  man  (Fig.  40) 
in  ag  etwa  in  der  halben  Höhe  des  grossen  Gdasses,  das  sie  umgiebt, 
horizontal  aufgehängt  sieht,  besteht  entweder  aus  einem  mit  Siegellack  über- 
zogenen Seidenfaden,  oder  aus  einem  ebenfalls  mit  Siegellack  überzogenen 
Strohhalm,  und  trägt  von  q  bis  a,  auf  18  Linien  [4,06  cm]  Länge,  eine 
cylindrische  Fortsetzung  von  Schellack:  am  Ende  a  dieser  Nadel  befindet 
sich  eine  kleine  Kugel  von  Hollundermark  von  zwei  bis  drei  Linien  [0,45  bis 


Fig.  40.     Nach  Coulomb. 


Fig.  41.    Nach  Coulomb. 


0,68  cm]  Durchmesser;  in  g  eine  kleine  verticale  Scheibe  von  Papier,  das 
mit  Terpentin  getränkt  ist,  welche  der  Kugel  a  als  Gegengewicht  dient  und 
die  Schwingungen  dämpft. 

„Wir  sagten,  dass  der  Deckel  A  C  von  einem  zweiten  Loche  in  m  durch- 
bohrt ist;  in  dieses  zweite  Loch  fuhrt  man  einen  kleinen  Cylinder  m  <Pt  ein, 
dessen  unterer  Theil  0/  aus  Schellack  besteht;  in  t  befindet  sich  gleichfalls 
eine  Hollundermarkkugel ;  um  das  Gefäss  herum,  in  der  Höhe  der  Nadel, 
ist  ein  in  3C0  Grade  getheiiter  Kreis  sQ  aufgetragen;  der  grösseren  Einfachheit 


Die  Anfinge  der  Elektrometrie. 


97 


halber  bediene   ich  mich  eines  in  360°  getheilten  Papierstreifens,   den  ich 
in  der  Höhe  der  Nadel  um  das  Gefäss  herum  klebe. 

„Zum  Beginn  der  Hantirung  mit  diesem  Instrumente  stelle  ich  den  Deckel 
so  ein,  dass  das  Loch  m  ungefähr  dem  ersten  Theilstrich  oder  dem  Punkte  o 
der  Kreistheilung zOQ  auf  dem  Gefasse  entspricht   leb  stelle  den  Index  o i 
des  Mikrometers  auf  den  Punkt  o  oder  den  ersten  Theilstrich  dieses  Mikro- 
meters; ich  drehe  darauf  das  ganze  Mikrometer  in  der  senkrechten  Röhre/A, 
bis  man  beim  Visiren  durch  den  senkrechten  Draht,  der  die  Nadel  trägt,  und 
durch  den  Mittelpunkt  der  Kugel  die  Nadel  ag  auf  den  ersten  Theilstrich 
z  0  Q  einspielen  sieht     Ich  führe  darauf  durch  das  Loch  tn  die  andere,  am 
Drahte  nt  <bt  befestigte  Kugel  /so  ein,  dass  sie  die  Kugel  a  berührt,  und 
dass  man  beim  Visiren  durch  den  Mittelpunkt  des  Aufhängedrahtes  und  die 
Kugel  /  auf  den  ersten  Theilstrich  o  des  Kreises  z  O  Q  trifft.     Die  Wage  ist 
nun  bereit  für  alle  Operationen;  wir  wollen  als  Beispiel  derselben  das  Ver- 
fahren schildern,  dessen  wir  uns  bedient  haben,  um  das  Grundgesetz,  nach 
dem  die  elektrisirten  Körper  sich  abstossen,  zu  ermitteln. 

„Grundgesetz  der  Elektricität  Die  abstossende  Kraft  zweier 
kleiner,  gleichartig  elektrisirter  Kugeln  steht  in  umgekehrtem 
Verhältniss  zum  Quadrat  des  Abstandes  der  Mittelpunkte  der 
beiden  Kugeln.  —  Experiment  Man  elektrisirt  (Fig.  43)  einen  kleinen 
Conductor,  der  nichts  anderes  ist  als 
eine  Stecknadel  mit  grossem  Kopf,  welche 
dadurch  isolirt  ist,   dass  ihre  Spitze  in  Fig#  43>    Nach  Coulomb. 

das  Ende  eines  Siegellackstäbchens  ein- 
gedrückt ist;  man  steckt  diese  Nadel  durch  das  Loch  ;;/  und  bringt  sie  mit 
der  Kugel  /  in  Berührung,  die  ihrerseits  die  Kugel  a  berührt;  beim  Zurück- 
ziehen  der  Nadel   besitzen  die  beiden  Kugeln  eine  gleichartige  elektrische 
Ladung  und  stossen  einander  ab  bis  in  eine  Entfernung,  die  man  misst,  in- 
dem man  durch  den  Aufhängedraht  und  den  Mittelpunkt  der  Kugel  a  nach 
dem  entsprechenden  Theilstrich  des  Kreises  z  0  Q  visirt:   indem  man  darauf 
den  Index  des  Mikrometers  in  dem  Sinne  p  n  o  dreht,  tordirt  man  den  Auf- 
hängedraht l P  und   erzeugt   eine  dem   Torsionswinkel   proportionale  Kraft, 
■.veiche    die  Kugel  a  der  Kugel  /  zu   nähern  sucht     Man  beobachtet  nach 
diesem  Verfahren  die  Entfernung,  bis  zu  der  verschiedene  Torsionswinkel  die 
Kugel  a   nach   der  Kugel  /  hin  zurückführen,  und  indem  man  die  Torsions- 
kräfte mit  den   entsprechenden  Entfernnngen  der  beiden  Kugeln  vergleicht, 
erhält  man  das  Gesetz  der  Abstossung. 

„Ich  werde  hier  nur  einige  Versuche  anführen,  die  leicht  zu  wieder- 
holen sind,  und  die  das  Gesetz  der  Abstossung  sofort  erkennen  lassen. 

„Erster  Versuch:  Nach  Elektrisirung  der  beiden  Kugeln  mittelst  des 
Stecknadelkopfes  hat  sich  die  Kugel  a  der  Nadel  von  der  Kugel/  um  36° 
entfernt,  während  der  Index  des  Mikrometers  auf  o  steht. 

„Zweiter  Versuch:  Nachdem  der  Aufhängedraht  mittels  des  Knopfes  o 
des    Mikrometers    um     126   Grad    gedreht    worden     ist,    haben    sich    die 

Ottwald,   Elektrochemie.  7 


gS  Viertes  Kapitel. 


beiden  Kugeln  bis  auf  einen  schliesslichen  Abstand  von    1 8  Grad  einander 
genähert. 

„Dritter  Versuch:  Nach  Torsion  des  Aufhängedrahtes  um  5670  haben 
sich  die  beiden  Kugeln  bis  auf  Sl/2  °  genähert. 

„Erklärung  «nd  Ergebniss  dieses  Experiments.  Solange  die 
Kugeln  noch  nicht  elektrisirt  sind,  berühren  sie  sich,  und  der  Mittelpunkt  der 
an  der  Nadel  befestigten  Kugel  a  ist  von  dem  Punkte,  in  welchem  die  Torsion 
des  Aufhängedrahtes  Null  ist,  nur  um  die  Hälfte  der  Durchmesser  der  beiden 
Kugeln  entfernt.  Es  muss  bemerkt  werden,  dass  der  Silberdraht  l  Py  der 
die  Aufhängung  bildete,  28  Zoll  [75,80  cm]  Länge  hatte,  und  so  fein  war, 
dass  ein  Fuss  von  diesem  Draht  nur  Yie  Gran  [1  m-.o,oi  gr]  wog.  Indem 
ich  die  Kraft  berechnete,  deren  es  bedurfte,  um  diesen  Draht  zu  tordiren, 
wenn  man  sie  im  Punkte  a,  der  vier  Zoll  [10,83  cm]  von  dem  Drahte  IP 
oder  dem  Aufhängungsmittelpunkte  entfernt  ist,  angreifen  lässt,  fand  ich  mit- 
telst der  Formeln,  die  in  einer  im  Jahrgange  1784  der  Akademie  gedruckten 
Abhandlung  über  die  Gesetze  der  Torsionskraft  der  Drähte  auseinandergesetzt 
sind,  dass  man,  um  diesen  Draht  um  360 °  zu  tordiren,  nur  eine  Kraft  von 
V340  Gran  [0,153  cm  gr  sec~2]  im  Punkte  a,  wirkend  am  Hebelarme  a  P  von 
vier  Zoll  Länge  anzuwenden  braucht:  da  nun  die  Torsionskräfte,  wie  in  jener 
Abhandlung  bewiesen  ist,  sich  wie  die  Torsionswinkel  verhalten,  so  entfernte 
die  geringste  abstossende  Kraft  zwischen  den  beiden  Kugeln  sie  beträchtlich 
von  einander. 

„Wir  finden  bei  unserem  ersten  Versuche,  bei  dem  der  Index  des  Mikro- 
meters auf  dem  Punkte  o  steht,  dass  die  Kugeln  einen  Abstand  von  36  ° 
haben,  was  zu  gleicher  Zeit  eine  Torsionskraft  von  36°=  1/3W0  Gran  bewirkt; 
beim  zweiten  Versuch  beträgt  der  Abstand  der  Kugeln  180,  aber  da  man 
das  Mikrometer  um  1260  gedreht  hat,  so  folgt  daraus,  dass  bei  einem  Ab- 
stände von  18  °  die  abstossende  Kraft  1440  betrug:  also  ist  bei  der  Hälfte 
der  ersten  Entfernung  die  Abstossung  der  Kugel  viermal  so  gross. 

„Bei  dem  dritten  Versuche  hat  man  den  Aufhängedraht  um  597  °  tor- 
dirt,  und  die  beiden  Kugeln  befanden  sich  nur  noch  in  8^3  °  Entfernung. 
Die  gesammte  Torsion  betrug  folglich  576°,  viermal  so  viel,  wie  die  des 
zweiten  Versuches,  und  es  fehlte  nur  ein  halber  Grad,  damit  die  Entfernung 
der  beiden  Kugeln  bei  diesem  dritten  Versuche  gerade  auf  die  Hälfte  der- 
jenigen des  zweiten  Versuches  zurückgeführt  wäre.  Es  geht  also  aus  diesen 
drei  Versuchen  hervor,  dass  die  abstossende  Wirkung,  welche  zwei  gleich- 
artig elektrisirte  Kugeln  auf  einander  ausüben,  dem  umgekehrten  Verhältniss 
des  Quadrats  der  Entfernungen  folgt. 

„Erste  Anmerkung.  Wenn  man  das  vorstehende  Experiment  wieder- 
holt, so  wird  man  bemerken,  dass  bei  Verwendung  eines  so  feinen  Silber- 
drahtes, wie  wir  ihn  angewandt  haben,  der  für  eine  Torsion  um  einen  Winkel 
von  50  nur  eine  Kraft  von  ungefähr  ein  V24000  Gran  [0,002  cm  gr  sec~*2]  ver- 
langt, die  natürliche  Lage  der  Nadel,  bei  der  die  Torsion  Null  ist,  nur  auf 
ungefähr  2  oder  3  °  bestimmt  werden  kann,  wie  ruhig  auch  die  Luft  sei  und 


Die  Anfänge  der  Elektrometrie.  qq 

welche  Vorsichtsmaassregeln  man  treffe.  Daher  muss  man,  um  einen  ersten 
Versuch  zu  haben,  den  man  mit  den  folgenden  vergleichen  kann,  nach  der 
Elektrisirung  der  beiden  Kugeln  den  Aufhängedraht  um  30 — 40  °  tordiren, 
was  zusammen  mit  dem  Abstände  der  beiden  beobachteten  Kugeln  eine  hin- 
reichende Torsionskraft  ergeben  wird,  damit  die  2  oder  30  Unsicherheit  in 
der  Anfangslage  der  Nadel,  in  der  die  Torsion  Null  ist,  keinen  merklichen 
Fehler  in  den  Ergebnissen  hervorrufen.     Es  muss  ferner  bemerkt  werden, 
dass  der  Silberdraht,  dessen  ich  mich  bei  diesem  Experiment  bedient  habe, 
so  fein  ist,  dass  er  bei  der  geringsten  Erschütterung  reisst;  ich  habe  in  der 
Folge  gefunden,  dass  es  bequemer  ist,  bei  den  Versuchen  einen  Aufhänge- 
draht von  fast  doppelt  so  grossem  Durchmesser  anzuwenden,  obwohl  seine 
Torsionsfähigkeit  vierzehn-  bis  fünfzehnma    geringer  war,  als  die  des  ersten. 
Man  muss  Sorge  tragen,  diesen  Silberdraht  vor  dem  Gebrauch  zwei  oder 
drei  Tage  lang  mit  einem  Gewicht  gespannt  zu  halten,  welches  ungefähr  die 
Hälfte  von  demjenigen  beträgt,  das  er  tragen  kann,  ohne  zu  reissen;  auch 
ist  zu  bemerken,  dass  man  bei  Anwendung  dieses  letzteren  Silberdrahtes  ihn 
niemals  über  300  °  hinaus  tordiren   darf,  weil  er  nach  Überschreiten  dieser 
Torsionsgrenze  anfängt  sich  zu  deformiren  und  nur  noch  mit  einer  Kraft  reagirt, 
die  kleiner  als  der  Torsionswinkel  ist,  wie  wir  es  in  der  bereits  genannten 
1784  gedruckten  Abhandlung  bewiesen  haben. 

„Zweite  Anmerkung.    Die  Elektricität  der  beiden  Kugeln  vermindert 
sich  ein  wenig  während  der  Dauer  des  Versuchs;  ich  habe  gefunden,  dass 
an  dem  Tage,  an  dem  ich  die  vorstehenden  Versuche  ausgeführt  habe,  die 
elektrisirten  Kugeln,  während  sie  sich  in  Folge  ihrer  Abstossung  in  30°  Ent- 
fernung von  einander  befanden,  bei  einem  Torsionswinkel  von  50 °  sich  um 
einen  Grad  in  drei  Minuten  näherten ;  da  ich  aber  nur  zwei  Minuten  brauchte, 
um   die  obigen  drei   Versuche  auszuführen,    so  kann    man   bei  diesen  Ex- 
perimenten den  Fehler  vernachlässigen,  der  aus  dem  Elektricitätsverluste  ent- 
springt.   Wenn  man  eine  grössere  Genauigkeit  wünscht,  oder  wenn  die  Luft 
tl-ucht  ist  und  die  Elektricität  sich  schnell  verliert,  so  muss  man  durch  einen 
Vorversuch  den   Abfluss  oder  die  Verminderung  der  elektrischen   Wirkung 
der  beiden  Kugeln  in  jeder  Minute  bestimmen  und  sich  später  dieser  ersten 
Beobachtung  bedienen,  um  die  Ergebnisse  der  Versuche,  die  man  an  jenem 
Tage  angestellt  hat,  zu  verbessern. 

„Dritte  Anmerkung.  Der  Abstand  der  beiden  Kugeln,  wenn  sie  sich 
in  Folge  ihrer  gegenseitigen  abstossenden  Wirkung  von  einander  entfernt 
haben,  wird  genau  gemessen  nicht  durch  den  Winkel,  den  sie  bilden,  sondern 
durch  die  Sehne  des  Bogens,  die  ihre  Mittelpunkte  verbindet;  ebenso  wie 
der  Hebelarm,  an  dessen  Ende  die  Wirkung  angreift,  nicht  durch  die  halbe 
l-ange  der  Nadel  oder  durch  den  Radius  gemessen  wird,  sondern  durch  den 
Cosinus  der  Hälfte  des  Winkels  zwischen  den  beiden  Kugeln;  diese  beiden 
Grossen,  deren  eine  kleiner  ist  als  der  Bogen  und  folglich  den  durch  den 
Bogen  gemessenen  Abstand  vermindert,  während  die  andere  den  Hebelarm 
verkleinert,  gleichen   sich  einigermaassen  aus;   und  man  kann  sich  bei  Ver- 


f  * 


IOO  Viertes  Kapitel 


i 


suchen  von  der  Art  derjenigen,  mit  denen  wir  beschäftigt  sind,  ohne  merk- 
lichen Fehler  mit  der  Berechnung,  die  wir  gegeben  haben,  begnügen,  wenn 
der  Abstand  der  beiden  Kugeln  25  bis  30 °  nicht  überschreitet:  andernfalls 
muss  man  die  Berechnung  streng  durchführen. 

„Vierte  Anmerkung.  Da  die  Erfahrung  lehrt,  dass  man  in  einem 
wohl  verschlossenen  Zimmer  mit  dem  ersten  Silberdraht  die  Nulllage  der 
Nadel  bis  auf  ungefähr  2  oder  3  °  bestimmen  kann,  was  nach  der  Berechnung 
der  den  Torsionswinkeln  proportionalen  Torsionskräfte  eine  Kraft  von. höch- 
stens V40000  Gran  [0,0013  cm  gr  sec-2]  ergiebt,  so  werden  sich  die  schwächsten 
Grade  der  Elektrisirung  leicht  mit  dieser  Wage  messen  lassen.  Um  dies  zu 
bewerkstelligen,  steckt  man  (Fig.  44)  durch  einen  Siegellack- Stöpsel  einen 
kleinen  Kupferdraht  c  d,  welcher  in  c  in  einen  Haken  und  in  d  in  eine  kleine 

vergoldete  Hollundermarkkugel  endet,  und  setzt  den  Stöpsel  A 
in  das  Loch  tn  der  Wage  Fig.  40  derart  ein,  dass  der  Mittel- 
punkt der  Kugel  d  beim  Visiren  durch  den  Aufhängedraht  auf 
den  Nullpunkt  des  Kreises  z  0  Q  fällt;  nähert  man  darauf  einen 
elektrisirten  Körper  dem  Haken  c,  so  zeigt,  wie  gering  auch  die 
Elektrisirung  dieses  Körpers  sei,  die  Kugel  a  dadurch,  dass  sie 
sich  von  der  Kugel  d  entfernt,  die  Elektrisirung  an  und  der  Ab- 
stand der  beiden  Kugeln  misst  ihre  Stärke,  nach  dem  Grund- 
satz vom  umgekehrten  Verhältniss  des  Quadrats  der  Entfernungen. 
„Aber  ich  muss  als  vorläufige  Mittheilung  gleich  hinzufugen, 
dass  ich  seit  jenen  ersten  Versuchen  verschiedene  kleine  Elek- 
trometer nach  denselben  Grundsätzen  der  Torsionskraft  habe 
herstellen  lassen,  indem  ich  mich  als  Aufhängefadens  eines  Seiden- 
Fig.  44.  fadens,  so  wie  er  sich  vom  Cocon  abwickelt,  oder  eines  Angora- 
ziegenhaares bediente.  Eines  dieser  Elektrometer,  welches  bei- 
nahe dieselbe  Form  wie  die  in  dieser  Abhandlung  beschriebene  elektrische 
Wage  hat,  ist  viel  kleiner;  es  hat  nur  5 — 6  Zoll  [14 — 16  cm]  Durchmesser, 
eine  Röhre  von  einem  Zoll  [2,71  cm];  die  Nadel  ist  ein  kleiner  Schellack- 
faden von  12  Linien  [2,71  cm]  Länge,  der  in  a  eine  kleine,  sehr  leichte 
Scheibe  von  Rauschgold  trägt;  die  Nadel  und  das  Rauschgold  wiegen  un- 
gefähr */4  Gran  [0,13  gr];  der  einem  Cocon  entnommene  Aufhängefaden  von 
4  Zoll  [10,8  cm]  Länge  besitzt  eine  solche  Torsionsfähigkeit,  dass  es  bei 
einem  Hebelarm  von  einem  Zoll  [2,7 1  cm]  nur  Vöoooo  Grans  [0,0009  cm  gr 
sec~2]  bedarf,  um  ihn  um  einen  ganzen  Kreisumfang  oder  um  360  °  zu  tor- 
diren:  wenn  man  bei  diesem  Elektrometer  eine  durch  Reibung  elektrisirte, 
gewöhnliche  Siegellackstange  dem  Haken  C  der  Fig.  44  bis  auf  3  Fuss  [97  cm] 
Entfernung  nähert,  so  wird  die  Nadel  auf  mehr  als  90 °  abgestossen.  Wir 
werden  in  der  Folge  diese  Elektrometer  genauer  beschreiben,  wenn  es  sich 
darum  handeln  wird,  die  Natur  und  den  Grad  der  Elektrisirung  verschiedener 
Körper  zu  bestimmen,  welche  durch  Reibung  an  einander  einen  sehr  schwachen 
Grad  von  Elektrisirung  annehmen." 

Das   Gesetz    von   Coulomb    ging   sehr  schnell   in    den   Besitzstand    der 


Die  Anfinge  der  Elektrometrie.  jqi 


Wissenschaft  über,  nachdem  von  dem  Entdecker  selbst,  und  noch  ausführ- 
licher und  umfassender  von  Poisson,  nachgewiesen  worden  war,  dass  die  be- 
kannten Erscheinungen  der  Ausbreitung  der  statischen  Elektricität  auf  Leitern 
sich  nur  vermittelst  des  fraglichen  Gesetzes  sachgemäss  darstellen  Hessen,  und 
andere  Möglichkeiten  ausschliessen.  Einige  Widersprüche  dagegen,  welche 
auf  Grund  ungenügender  Experimente  später  von  Kämtz,  Simon1  und  Parrot1 
erhoben  wurden,  liessen  sich  durch  genauere  Messungen  beseitigen,  in  welcher 
Hinsicht  sich  Egen8  Verdienste  erwarb.  Indessen  hat  die  Kenntniss  dieses 
Gesetzes  zunächst  nicht  viel  Anwendung  auf  die  Elektrometrie  gefunden;  die 
Forschung  nahm  zunächst  einen  vorwiegend  qualitativen  Charakter  an,  und 
spater  fand  sich  im  Galvanometer  ein  Messinstrument,  dessen  Anwendung 
relativ  leicht  und  bequem  war,  so  dass  das  Elektrometer  für  lange  Zeit  ganz 
verdrängt  wurde. 


1  Gilbert's  Ann.  28,  277.   1808.  *  Gilberts  Ann.  60,  26.    18 19. 

1  Poggendorff's  Ann.  5,  202.    1825. 


Fünftes  Kapitel. 

Begründung  der  chemischen  Theorie  des  Galvanismus. 


i.  Allgemeines.  Wie  aus  der  vorangegangenen  Darstellung  hervor- 
geht, ist  den  beiden  leitenden  Entdeckern  auf  dem  Gebiete,  Galvani  und 
Volta,  der  Gedanke  eines  Zusammenhanges  der  von  ihnen  untersuchten 
Erscheinungen  mit  chemischen  Vorgangen  nicht  gekommen.  Galvani  war 
Anatom,  ihm  lagen  solche  Erwägungen  ganz  fern.  Volta  dagegen  war 
zwar  wesenüich  Physiker,  hat  sich  aber  doch  auch  vielfach  mit  chemischen 
Dingen  beschäftigt,  so  dass  ihm  diese  Beziehung  eher  hätte  auffallen  können. 
Doch  muss  freilich  zugestanden  werden,  dass  die  Gestalt,  in  welcher  sich 
ihm  die  Berührungselektricität  darbot  (vgl.  S.  50),  nicht  geeignet  war,  seine 
Aufmerksamkeit  in  die  Richtung  zu  lenken. 

Als  Schöpfer  der  chemischen  Theorie  der  galvanischen  Erscheinungen 
wird  gewöhnlich  Giovanni  Valentino  Mattia  Fabbroki  (geb.  1752  in  Florenz. 

1  Nach   einem   Stich   in :   A.  v  Humboldt.    Eine   wissensch.  Biographie.    I. 


Begründung  der  chemischen  Theorie  des  Galvanismus.  \qo 


gest.  1 822  ebenda}  bezeichnet  Die  Abhandlung,  auf  welche  dieser  Anspruch 
zurückgeführt  wird,  rührt  aus  dem  Jahre  1792  her  und  einen  Auszug  aus 
ihr  hat  Fabbrom  im  Journal  de  physique  par  Delam£th£rie,  49,  348.  1799 
mitgetheilt;  weiter  unten  ist- eine  Übersetzung  derselben  gegeben. 

Wie  man  bei  der  Durchsicht  dieser  Arbeit  sehen  wird,  ist  Fabbroxi 
keineswegs  der  Begründer  einer  elektrochemischen  Theorie,  sondern  er 
leugnet  fast  unbedingt  bei  den  fraglichen  Vorgängen  die  Bethätigung  der 
Elektricität  und  fuhrt  sie,  sogar  die  Geschmacks-  und  Lichtempfindungen, 
auf  chemische  Vorgänge  zurück.  In  dieser  Beziehung  hat  er  freilich  weit 
über  das  Ziel  hinausgeschossen;  durch  seine  kräftige  Betonung  des  chemischen 
Antheils  an  den  Erscheinungen  der  Metallelektricität  hat  er  aber  in  hohem 
Maasse  anregend  gewirkt,  und  die  Aufmerksamkeit  dauernd  auf  diese  anfangs 
vernachlässigte  Seite  des  Problems  gelenkt. 

2.  Die  Abhandlung  von  Fabbroni.  Die  erwähnte  Abhandlung 
hat  den  Titel:  Über  die  chemische  Wirkung  der  verschiedenen  Me- 
talle unter  einander  bei  gewöhnlicher  Lufttemperatur,  und  über 
die  Erklärung  einiger  galvanischer  Erscheinungen,1  und  lautet  wie 

folgt: 

„Man  hat  unter  die  galvanischen  Erscheinungen  die  aufgenommen,  von 
welcher  Sulzer  in  seiner  Theorie  des  Vergnügens  spricht,  welche   1767 
erschien;  nämlich  die  geheimnissvolle  Empfindung,  welche  sich  auf  der  Zunge 
bei  der  Annäherung  zweier  in  gegenseitiger  Berührung  befindlicher  Metalle 
geltend  macht,  die  ihrerseits  keine  Empfindung  verursacht  hätten,  wenn  man 
<ie  einzeln  an  das  Organ  gelegt  hätte.    In  der  That  bin  ich  überzeugt,  dass 
dasselbe   Prinzip,    welches   in   diesem    Falle   eine   unerwartete    Geschmacks- 
empfindung hervorruft,  gleichfalls  die  thierische  Faser  in  Zuckung  versetzen 
kann,  sowie  es  gleichzeitig  die  empfindenden  und  die  erregbaren  Theile  un- 
mittelbar berührt.   Aber  weit  entfernt,  wie  alle  Welt  diese  Wirkungen  einem 
fast  unbekannten  Agens,  wie  es  das  elektrische  Feuer  ist,  zuzuschreiben,  habe 
ich  mir  zuerst  vorgenommen,  zu  beweisen,  dass  sie  nur  von  einem  chemischen 
Vorgange  herrühren,  ebenso  wie  es  vielleicht  auch  die  Geschmacksempfindung 
selbst  ist,  wodurch  mir  der  Mechanismus  verständlicher  gemacht  wurde.    Ich 
dachte  nach  und  machte  Versuche  über  diesen  merkwürdigen  Gegenstand,  und 
berichtete  darüber  1 792  an  die  Akademie  zu  Florenz.   Der  Band  ist  noch  nicht 
gedruckt;  ich  glaube,  dass  Brugnatelli  davon  in  seinem  Journal  gesprochen 
hat,  doch  habe  ich  weder  seinen  Bericht,  noch  meine  Abhandlung  zur  Hand, 
und  ich   werde  hier  nichts  wiederholen,  als  was  mir  mit  Sicherheit  im  Ge- 
dachtniss  geblieben  ist. 

„Ich  habe  schon  häufig  bemerkt,  dass  das  laufende  Quecksilber  lange 
Zeit  seinen  schönen  Metallglanz  behält,  wenn  es  allein  ist;  sowie  man  es 
aber  mit  irgend  einem  anderen  Metall  amalgamirt,  so  wird  es  schnell  trübe  oder 
oxydirt  sich,  und  nimmt  in  Folge  der  fortschreitenden  Oxydation  an  Gewicht  zu. 

1  Journal  de  physique,  ...  par  Delametherie  49,  348—357.     An  VII  (I7QQ>. 


104  Fünftes  Kapitel. 


„Ich  habe  seit  vielen  Jahren  feines  Zinn  aufbewahrt,  ohne  dass  es  sich 
in  seinem  silberähnlichen  Glänze  geändert  hätte,  während  verschiedene  Le- 
girungen  dieses  Metalls,  die  ich  zu  technischen  Zwecken  hergestellt  hatte, 
sich  anders  verhalten  haben. 

„Ich  habe  im  Museum  zu  Cortonne  [Catania?]  etruskische  Inschriften 
auf  Platten  von  reinem  Blei  gesehen,  welche  sich  noch  heute  vollständig  er- 
halten haben,  obwohl  sie  aus  sehr  alter  Zeit  stammen;  im  Gegensatz  dazu 
habe  ich  in  der  Galerie  von  Florenz  mit  Überraschung  gefunden,  dass  die 
sogenannten  piombi  oder  bleiernen  Medaillen  verschiedener  Päpste,  zu  welchen 
man  Zinn  und  möglicherweise  etwas  Arsenik  gemischt  hatte,  um  sie  schöner 
und  fester  zu  machen,  vollständig  zu  einem  weissen  Pulver  zerfallen  waren 
oder  sich  in  Oxyde  verwandelt  hatten,  obwohl  sie  in  Papier  eingeschlagen 
und  in  Schubladen  verschlossen  waren. 

„Ebenso  habe  ich  bemerkt,  dass  die  Legirung,  welche  zur  Löthung  der 
Kupferplatten  auf  dem  beweglichen  Dache  des  Observatoriums  zu  Florenz 
benutzt  worden  ist,  sich  sehr  schnell  verändert  hat  und  an  ihren  Berührungs- 
stellen mit  letzeren  in  weisses  Oxyd  übergegangen  ist 

„Ich  habe  ausserdem  in  England  gehört,  dass  die  eisernen  Nägel,  deren 
man  sich  früher  bedient  hat,  um  die  Kupferplatten  festzumachen,  die  zum 
Schiffsbeschlag  dienen,  sie  durch  die  Berührung  derartig  angriffen,  dass  die 
Löcher  sich  vergrösserten,  bis  sie  über  den  Kopf  des  Nagels  gingen,  welcher 
sie  festhielt. 

„Es  schien  mir,  als  wenn  dies  genügte,  um  zu  erkennen,  dass  die  Me- 
talle in  diesem  Fall  eine  gegenseitige  Einwirkung  ausüben,  und  dass  man 
dieser  die  Ursache  der  Erscheinungen  zuschreiben  muss,  welche  sie  bei 
ihrer  Vereinigung  oder  Berührung  äussern. 

„Man  weiss,  dass  die  Metalle  im  allgemeinen  fähig  sind,  sich  mit  ein- 
ander zu  legiren,  sich  gegenseitig  aufzulösen.  Man  kann  sich  daher  vor- 
stellen, dass  wie  bei  jedem  anderen  chemischen  Reagens  ihre  Tendenz  zu 
gegenseitiger  Verbindung  beginnt,  sowie  ihre  Molekeln  sich  berühren.  Nur 
die  ungeheuere  Überlegenheit  ihrer  Cohäsion  verhindert  sie,  sich  gegenseitig 
aufzulösen  oder  in  der  Kälte  zu  legiren.  Das  Feuer  dient  nur,  sie  zu  lockern, 
um  ihren  Molekeln  Beweglichkeit  zu  geben.  Man  sieht  dies  bei  den  Amal- 
gamen, welche  ohne  Feuer  hergestellt  werden  können;  man  weiss,  dass 
beispielsweise  das  Eisen  bei  der  Herstellung  des  Weissbleches  vom  Zinn 
durchdrungen  wird,  ohne  dass  jenes  Metall  in  den  flüssigen  Zustand  gebracht 
worden  wäre.  Möglicherweise  ist  es  auch  diese  Cohäsionskraft,  welche  die 
oxydirbaren  Metalle  verhindert,  den  Sauerstoff  schnell  anzuziehen:  wenn  eine 
schnelle  Bewegung  die  Molekeln  einer  Quecksilbermenge  unter  Wasser  zu 
zertheilen  sucht,  so  braucht  es  nichts  mehr,  um  den  Beginn  einer  Oxydation 
in  sehr  kurzer  Zeit  sehen  zu  lassen,  wobei  der  Sauerstoff  dem  Wasser  ent- 
zogen wird.  Diese  Thatsachen  hätten  wie  viele  andere  ähnliche  und  wohl- 
bekannte den  Beobachtern  beweisen  müssen,  dass  die  Metalle,  indem  sie 
ihre  gegenseitige  Anziehung  ausüben,   um  ebensoviel  von  ihrer  respectiven 


Begründung  der  chemischen  Theorie  des  Galvanismus.  \qc 


Cohäsionskraft  verlieren  müssen;  dass  sie,  obwohl  keines  von  ihnen  den 
Sauerstoff  aus  der  Luft  anziehen  oder  dem  Wasser  entreissen  kann,  die 
Fähigkeit  dazu  durch  die  einfache  mechanische  Berührung  erlangen,  da  sie 
in  neue  Verbindungen  übergehen«  Man  durfte  daher  vermuthen,  dass  wenig- 
stens einige  von  den  Wirkungen  der  metallischen  „Armaturen"  an  Nerven 
und  Muskeln  einem  chemischen  Vorgange  zugeschrieben  werden  können, 
einem  Übergange  des  Sauerstoffs  aus  irgend  einer  Verbindung  in  eine  neue, 
der  Bildung  eines  löslichen  oder  schmeckenden  Prinzips,  welches  sich  so 
deutlich  am  Geschmacksorgan  geltend  macht. 

„Galvani,  Aldini,  Volta  und  andere  gleich  geschickte  Physiker,  welche 
sich  mit  so  viel  Erfolg  Untersuchungen  solcher  Art  gewidmet  haben,  hielten 
sich  nicht  gegenwärtig,  dass  die  chemische  Wirkung  sich  mit  der  Schnelle 
des  Blitzes  bethätigt,  und  haben,  überrascht  von  der  Geschwindigkeit,   mit 
welcher  diese  beiden  Metalle  ihre  Wirkung  auf  die  thierische  Faser  geltend 
machen,  geglaubt,  sie  nur  der  elektrischen  Flüssigkeit  zuschreiben  zu  können. 
Die  Übertragung  des  Galvanismus  in  die  Ferne  und  durch  die  Kette  be- 
günstigte ihre  Anschauung,  welche  schliesslich  allgemein  angenommen,  trotz 
der  erheblichen  Einwände,  welche  man  wenigstens  in  einigen  Fällen  ihrem 
System  entgegensetzen  kann.    Allerdings  hat  man  einige  Zeichen  von  Elek- 
tricität bemerkt,   wenn  man  zwei  vorher  zur  Berührung  gebrachte  Metalle 
trennt,  man  weiss  aber  sehr  gut,  dass  auch  verschiedene  chemische  Vorgänge 
von  einer  „Gleichgewichtsstörung*'  des  elektrischen  Feuers,  und  daher  von 
merklichen  Anzeichen  der  Elektricität  begleitet  sind.    So  hat  man  Blitze  bei 
vulkanischen  Ausbrüchen  bemerkt;  es  ist  dies  einer  der  Fälle,  wo  die  Phy- 
siker  als   Ursache    dieser   Entzündungen    etwas  angesehen  haben,   was  nur 
Wirkung    derselben    war.     Es   genügt,   etwas   Schwefel   oder  Chocolade   zu 
schmelzen,  um  Zeichen  von  Elektricität  zu  haben;  es  genügt  sogar,  ganz  ein- 
fach Wasser  in's  Sieden  oder  in  den  Dampfzustand  zu  versetzen;  sicherlich 
ist  das  elektrische  Feuer  nicht  die  Ursache  des  Schmelzens  oder  des  Ver- 
dampfens  dieser  Stoffe. 

„Ich  beanspruche  nicht,  alle  elektrischen  Einflüsse  bei  den  wunderbaren 
Wirkungen  des  Galvanismus  auszuschliessen;  ich  wünsche  nur  zu  beweisen, 
dass  dieses  Prinzip  keinerlei  Antheil  an  dem  Phänomen  von  Sui^zer  hat,  und 
dass  mehrere  ähnliche  Thatsachen  aus  der  gleichen  Quelle  stammen. 

„Da  die  Metalle  Verwandtschaft  zu  einander  haben,  müssen  sich  ihre 
Molekeln  gegenseitig  anziehen,  so  wie  sie  in  Berührung  gelangen.  Man  kann 
die  Kraft  dieser  Anziehung  nicht  auswerthen,  doch  glaube  ich,  dass  sie  ge- 
nügt, um  die  ihrer  Cohäsion  zu  schwächen,  so  dass  sie  geneigt  werden,  neue 
Verbindungen  einzugehen  und  leichter  der  Wirkung  der  schwächsten  Auf- 
iosungsmittel  nachzugeben. 

„Ich  habe  bei  der  Wiederholung  des  Versuches  von  Sulzer  beobachtet, 
dass,  wenn  ich  meine  Zunge  so  gut  als  möglich  gereinigt  hatte,  die  Em- 
pfindung bei  der  Berührung  mit  zwei  verbundenen  Metallen  bis  beinahe  zur 
Unmerklichkeit  vermindert  war.    Der  Speichel  oder  die  Lymphe  oder  irgend 


I06  Fünftes  Kapitel. 


eine  Feuchtigkeit  ist  also  auf  irgend  eine  Weise  bei  diesem  Phänomen  wesent- 
lich. Diese  ist  es  wohl,  welche  ganz  oder  theilweise  mit  dem  Metall,  dessen 
Cohasion  durch  den  Contact  mit  einem  anderen  Metall  abgeschwächt  ist, 
welches  Verwandtschaft  zu  diesem  hat,  eine  schmeckende  Verbindung  bildet 
Um  mich  aber  der  Wahrheit  meiner  Annahme  zu  vergewissern,  that  ich  in 
verschiedene  mit  Wasser  gefüllte  Becher: 

i)  getrennte  Stücke  z.  B.  von  Gold  in  den  einen,  von  Silber  in  den  an- 
deren, von  Kupfer  in  den  dritten,  ferner  Zinn,  Blei  etc. 

2)  In  andere,  ähnliche  Becher  that  ich  dieselben  Metalle,  wie  vorher, 
aber  paarweise  in  denselben  Becher  ein  weniger  und  ein  mehr  oxydables 
Metall,  aber  getrennt  von  gegenseitiger  Berührung  mittelst  eines  kleinen 
Streifchens  Glas. 

3)  Endlich  that  ich  in  andere  Becher  Metalle  von  verschiedener  Art, 
die  sich  paarweise  in  unmittelbarer  Berührung  befanden.  Die  beiden  ersten 
Reihen  wiesen  keine  merklichen  Änderungen  auf,  während  in  der  letzten  das 
oxydirbare  Metall  sich  wenige  Augenblicke  nach  der  Berührung  mit  einem 
anderen  sichtlich  mit  Oxyd  bedeckte.  Dieses  nahm  stufenweise  zu,  bis 
es  das  unten  liegende  Metall  überragte,  Massen  bildete  und  wie  ein  Wasser- 
fall längs  der  Wände  sich  herunterzog.  Diese  Erscheinung  beginnt,  obwohl 
unmerklich,  im  Augenblicke  der  Berührung  selbst;  jedoch  habe  ich  während 
längerer  Zeit  die  obigen  Metalle  in  Berührung  gelassen,  um  zu  sehen,  was 
weiter  daraus  würde.  Nach  einem  Monate  untersuchte  ich  sie;  ich  fand  zu- 
nächst, dass  die  beiden  Metalle  sich  so  fest  verbunden  hatten,  dass  ich,  um 
ein  Stück  Messing  (welches  nur  etwa  2  cm  gross  war)  von  einer  Zinnplatte 
abzulösen,  nicht  weniger  als  zwei  Kilogramm  Kraft  brauchte;  ferner  be- 
obachtete ich,  dass  die  Metalle  sich  nicht  nur  mit  Oxyd  beladen  hatten, 
sondern  auch  kleine  Salzkrystalle  von  verschiedener  Gestalt  gebildet  waren. 
Es  schien  mir  daher,  als  ob  eine  offenbare  chemische  Wirkung  stattgefunden 
hätte,  und  dass  es  nicht  nöthig  sei,  die  Natur  des  neuen  Stimulus,  welchen 
man  bei  dem  Versuche  von  Sulzer  „Galvanismus"  genannt  hat,  anderweit 
zu  suchen.  Es  war  offenbar  eine  Verbrennung,  eine  Oxydation  des  Metalls. 
Das  stimulirende  Prinzip  könnte  daher  entweder  die  Wärme  sein,  die  sich 
entwickelt,  oder  der  Sauerstoff,  welcher  in  neue  Verbindungen  übergeht,  oder 
endlich  das  neue  metallische  Salz:  dies  habe  ich  nicht  gut  ermitteln  können. 
Ich  habe  zuweilen  das  Wasser,  in  welches  ich  die  Metalle  that,  mit  Lack- 
mus gefärbt;  ich  habe  aber  nichts  anderes  beobachten  können,  als  eine  Fül- 
lung dieses  färbenden  Pflanzenstoffes,  ohne  dass  seine  natürliche  Farbe  irgend 
geändert  worden  wäre.  Ich  habe  bemerkt,  dass  das  Wasser,  in  welchem  der 
Versuch  ausgeführt  worden  war,  einen  leichten  metallischen,  ich  möchte  fast 
sagen  arsenikalischen  Geschmack  annimmt,  welcher  einige  Zeit  andauert,  und 
Speichelfluss  veranlasst,  ohne  dass  es  doch  von  den  Metallen  Mengen  ent- 
hielt, welche  für  die  empfindlichsten  Reagentien  nachweisbar  waren.  Ich  habe 
mich  daher  auf  die  Ansicht  beschränken  müssen,  dass  die  Erscheinung  nur 
eine  langsame  Verbrennung  des  Metalls  ist,  weldie  von  einer  Anziehung  des 


Begründung  der  chemischen  Theorie  des  Galvanismus.  107 


Sauerstoffe  sowie  von  der  Entwicklung  von  Licht  und  Wärme  begleitet  sein 
muss.     Man  weiss,  dass  sowie  man  ein  Metall  amalgamirt,  z.  B.  Gold  mit 
Quecksilber,  sofort  Wärme  ausgetrieben  wird,  und  möglicherweise  nicht  wegen 
des  Festwerdens  des  Quecksilbers,  sondern  weil  die  Verminderung  der  Aggre- 
gationskraft  des  letzteren  Metalls  eine  Ursache  der  Verbrennung  entstehen 
lässt.     Die  langsame  Gewichtsvermehrung,  welche  man  bei  den  Amalgamen 
beobachtet,  kommt  nur  von  dem  Sauerstoff,  welchen  sie  aus  der  Luft  an- 
ziehen.    Ich  habe  vergeblich  versucht,  die  Wärme  zu  messen,  welche  sich 
bei   der  einfachen  Berührung  zweier  festen  Metalle  unabhängig  von  ihrem 
Gewicht  entwickelt;  diese  Menge  ist  zu  gering,  sozusagen  zu  sehr  über  eine 
grosse  Fläche   ausgedehnt,   und  unsere  Instrumente  sind  nicht  empfindlich 
genug.     Jedoch  kann  man  sehr  gut  das  Licht  sehen,  welches  bei  diesem 
Versuche  auftritt,  wenn  das  Auge  selbst  in  dem  Versuche  theilnimmt,  indem 
die  Verbrennung   mit   Hülfe   seiner   eigenen  Feuchtigkeit   stattfindet.     Man 
braucht  beispielsweise  nur  ein  Stück  Silber  im  Munde  zu  halten,  und  ein 
Stück  Zinn   an   den  Augapfel  zu  legen;  so  wie  man  beide  Metalle  sich  un- 
mittelbar,  oder  auch  mit  Hülfe  eines  dritten  Metalls  berühren  lässt,   sieht 
man  sehr  deutlich  ein  schwaches  Licht,  welches  weder  ein  elektrischer  Funke 
ist,  noch  auch  eine  convulsivische  Erregung  ist;  denn  obwohl  dies  Licht  das 
Auge  nur  im   ersten  Augenblicke  zu   erregen  scheint,   da  dieses  sich  sehr 
schnell  an   diese  schwache  Empfindung  gewöhnt,   so  kann   man  sich  doch 
vergewissern,  dass  in  diesem  Falle  die  Lichtentwickelung  andauernd  ist;  denn 
lasst   man    das  berührende   Metall  abwechselnd  auf  die  durchsichtigen  und 
undurchsichtigen  Stellen   der  Hornhaut  gleiten,  so   kann  man  beständig  ein 
stärkeres  Leuchten  bemerken,    wenn  das  Metall  von   dem  durchsichtigeren 
Theil    dieses  Organs    berührt  wird.     Ausserdem    braucht   man,    wenn    man 
diesen  Versuch  wie  gehörig  im  Dunkeln  anstellt,  nur  auf  den    Augenblick 
zu  achten,  in  welchem  man  die  Berührung  der  beiden  Metalle  unterbricht; 
man   überzeugt  sich,  dass   man  alsdann  eine  tiefere  Dunkelheit  sieht,  wenn 
ich  mir  den  Ausdruck  erlauben  darf;  dies  ist  ein  Beweis  des  dauernden  Vor- 
handenseins irgend  eines  Lichtes  vorher.     Ich  spreche  nicht  von  dieser  Art 
Aufleuchten,  welches  einige  gesehen  haben  sollen,  wenn  die  beiden  Metalle 
einfach  an  die  Zunge  und  das  Zahnfleisch  gelegt  werden,  ohne  dass  das  Auge 
theilnimmt     Ich  habe  meinerseits  die  Sache  nicht  bestätigen  können,  und 
ich    habe  bemerkt,   dass  manche  Personen  zu  sehen  angaben,  was  andere 
nicht  konnten,  so  dass  es  sich  höchstens  um  eine  krampfhafte,  anscheinend 
illusorische  Empfindung   handelt,    ähnlich   dem   Feuer,   welches   man    beim 
Drücken  des  Auges  mit  dem  Finger  sieht,  oder  wenn  man  einen  Schlag  in 
der  Nähe  desselben  erhält     Es  scheint  daher,  dass  in  diesem  Falle  die  Ge- 
schmacksempfindung  sowie  der  Lichtschein  nur  die  Ergebnisse  eines  che- 
mischen Vorganges  sind.     Diejenigen  aber,  welche  dies  der  Elektricität  zu- 
geschrieben haben,  ermangeln  nicht  wahrscheinlicher  Bemerkungen  zu  Gunsten 
ihrer  Hypothese.   Man  hat  beispielsweise  bemerkt,  dass  man  die  obigen  Em- 
pfindungen erhält,  wenn  man  beide  Metalle  mittelst  einer  Kette  oder  eines  langen 


I08  Fünftes  Kapitel. 


metallischen  Leiters  verbindet;  aber  man  weiss,  dass  das  elektrische  Feuer 
sich  durch  das  Mittel  auf  unbegrenzte  Entfernungen  fortleiten  lässt,  und  ich 
habe  bemerkt,  dass  etwa  6  oder  7  Meter  die  äusserste  Grenze  sind,  bis  zu 
der  die  Wirkung  der  Metalle  auf  das  Auge  oder  die  Zunge  merklich  ist 
Sicherlich  ist  ihre  Wechselwirkung  genau  in  dem  Moment  der  Berührung 
beider  Metalle  am  stärksten;  es  ist  aber  natürlich,  anzunehmen,  dass  die 
am  meisten  betroffenen  Molekeln  die  Kraft,  welche  sie  empfangen  haben, 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  von  Punkt  zu  Punkt  den  benachbarten 
Molekeln  weitergeben  werden.  Sie  muss  sich  unter  Abschwächung  fort- 
pflanzen, ganz  ebenso  wie  die  Kreise,  welche  der  Fall  eines  Körpers  auf 
ruhendem  Wasser  hervorruft;  und  seine  Wirkungsweite  ist  hier  annähernd 
die  gleiche,  wie  ich  sie  eben  angegeben. 

„Indem  ich  meine  Versuche  auf  verschiedene  Weise  abänderte,  be- 
merkte ich,  dass  die  Oxydation  nur  in  geringer  Weise  eintrat,  wenn  ich 
das  Wasser  des  Bechers,  in  welchem  sich  die  beiden  in  Berührung  stehenden 
Metalle  befanden,  mit  einer  leichten  Ölschicht  bedeckte,  und  dass  sie  völlig 
stehen  blieb,  wenn  sie  bis  zu  einem  gewissen  Punkte  vorgeschritten  war. 
Dies  rührt  aber  sicherlich  nicht  daher,  dass  sich  die  Dazwischenkunft  eines 
nicht  leitenden  Körpers  dem  Ablauf  eines  chemischen  Vorganges  widersetzt 
hätte,  wie  es  auf  den  ersten  Blick  scheinen  könnte.  Denn  ich  habe  den 
Versuch  gemacht,  dass  ich  unter  das  Öl  einen  metallischen  Leiter  gesenkt 
habe,  um  die  Verbindung  des  Wassers  und  der  Metalle  mit  dem  gemein- 
samen Reservoir  zu  unterhalten,  und  die  Oxydation  ist  ebensowenig  fortge- 
schritten, wie  vorher.  Ebenso  wird  sie  unterbrochen  und  begrenzt,  wenn 
man  die  freie  Berührung  mit  der  Luft  mittelst  einer  kleinen  über  Queck- 
silber umgekehrten  Glocke  ausschliesst,  welches  sich  dem  Durchgang  der 
Elektricität  gar  nicht  widersetzt:  ohnedies  glauben  die  Galvanisten,  dass  ihre 
Phänomene  nicht  von  der  allgemeinen  Elektricität  abhängen,  sondern  sozu- 
sagen von  der  specifischen  Elektricität  der  verschiedenen  Metalle.  Wäre 
das  der  Fall,  so  wäre  nicht  zu  verstehen,  warum  sich  die  Wirkung  nicht  im 
Augenblicke  der  Berührung  vollziehen  sollte,  wie  es  bei  der  Annäherung 
zweier  Leidener  Flaschen  erfolgt,  die  mit  verschiedenen  Arten  oder  Mengen 
Elektricität  geladen  sind.  Übrigens  müsste  nichts  die  Fortdauer  der  Er- 
scheinung hindern,  wenn  die  Metalle  sich  berühren,  welches  auch  die  Be- 
schaffenheit der  Umstände  sei.  Allerdings  könnte  man  mir  vielleicht  ein- 
wenden, dass,  wenn  die  beiden  Metalle  die  Fähigkeit  das  Wasser  zu  zersetzen 
durch  ihre  einfache  Berührung,  die  einfache  Anordnung  ihrer  Anziehung 
oder  gegenseitigen  Verwandtschaft  erlangen,  eine  dünne  Ölschicht  oder  eine 
umgekehrte  Glocke  sich  auch  nicht  der  Fortsetzung  ihrer  vollständigen  Oxy- 
dation widersetzen  dürfte  und  könnte,  so  lange  sie  noch  von  Wasser  umgeben 
sind.  Ich  habe  bemerkt,  dass  zum  Stattfinden  der  Erscheinung  es  der  freien 
Berührung  mit  der  Luft  bedarf,  da  es  nothwendig,  dass  das  Wasser  jenen 
Antheil  von  Sauerstoffgas  enthält,  welcher  sich  stets  darin  befindet,  nachdem 
es   einige  Zeit   in  Berührung  mit  der  Atmosphäre  gewesen   ist:   es   scheint 


Begründung  der  chemischen  Theorie  des  Galvanismns.  jqq 

mir,  dass   sein  Wasserstoff  sozusagen  mit  dem   Sauerstoff  „in  der  Quart" 
steht,  wie  das  Gold  zum  Silber,  damit  die  Lösung  oder  Trennung  stattfindet. 
Es  ist  daher  die  freie  Berührung  mit  der  Luft  für  den  Becher  in  dem  obigen 
Versuch  nothwendig,  damit  das  Wasser  den  zur  Fortsetzung  der  Wirkung 
erforderlichen  „Quarf'-Zustand  annehmen  kann;  indem  es  von  neuem  Sauer- 
stoffgas in  dem  Masse  absorbirt,  als  ihm  die  Verbrennung  z.  B.  des  Zinns 
das  Radikal  entzieht     Führt  man  diesen  Versuch  an  einem  ruhigen  Orte 
aus,  so  kann  man  eine  Art  Häutchen  auf  der  Oberfläche  des  Wassers  be- 
obachten,  welche  senkrecht  über  dem  sich  oxydirenden  Metall  liegt,   und 
dessen  Gestalt  hat,  was  sogar  die  Punkte  der  Oberfläche  und  die  Säulen 
des  Wassers  anzudeuten  scheint,  welche  zum  Durchlassen  des  Sauerstoffs  der 
Luft  gedient  haben.    Diese  Absorption  ist  so  wahr,  dass,  wenn  man  in  einigen 
Fällen    die    freie  Berührung   mit   der  Luft  durch  ein  recht  sauerstoffreiches 
Metalloxyd  ersetzt,  man  sehr  gut  die  Verbrennung  des  dem  Versuch  unter- 
worfenen Metalls  erzielen  kann.     Man  weiss,  dass  Eisen  Wasser  ganz  allein 
zersetzt,  wenn  auch  sehr  langsam,   und  daraus  Wasserstoff  entwickelt:   fügt 
man  rothes  Bleioxyd  auf  dem  Grunde  des  Wassers  hinzu,  so  geht  das  Eisen 
in  schwarzes  Oxyd  über,  ohne  dass  das  Wasser  dabei  zersetzt  wird 

„Ich  habe,  wenn  auch  nach  sehr  langer  Zeit,  die  Oxydation  von  Zinn 
in  Berührung  mit  Silber  in  einer  mit  Wasser  gefüllten  und  fest  hermetisch 
geschlossenen  Flasche  von  Flintglas  erhalten;  aber  ich  habe  bemerkt,  dass 
das  Blei,  welches  ein  Bestandteil  dieser  Art  Glas  ist,  seinen  Sauerstoff  ab- 
gegeben hat,  und  sich  in  ein  schwarzes  und  undurchsichtiges  Oxyd  ver- 
wandelt hat,  ganz  ebenso,  wie  es  geschieht,  wenn  man  zwischen  glühenden 
Kohlen  eine  mit  Wasserstoffgas  gefüllte  Flasche  aus  Flintglas  erhitzt;  dieser 
verbrennt  und  entzieht  den  Sauerstoff  dem  Blei,  welches  revivificirt  wird, 
wie  es  das  Zinn  in  dem  obigen  Falle  thut. 

„Es  erscheint  daher  evident,  dass  der  Versuch  von  Sulzer  nur  eine 
Verbrennung,  ein  chemischer  Vorgang  ist,  und  nicht  nur  das  Resultat,  auch 
die  Dauer  bezeugt  dies,  denn  die  Elektricität  wirkt  stets  auf  augenblickliche 
Weise,  während  die  Wirkungen  der  chemischen  Verwandtschaft  so  lange 
dauern,  als  ungesättigte  Stoffe  vorhanden  sind.  Ich  habe  sehr  lange  Zeit 
Stücke  von  Silber  aufbewahrt, die  in  mehrfachen  Lagen  von  Zinnfolie  eingewickelt 
waren:  ich  habe  solche  zu  verschiedenen  Zeiten  herausgenommen  und  habe 
den  Fortschritt  der  Verbrennung  genau  proportional  der  Zeit  gefunden.  Bei 
den  letzten,  welche  ich  herausgenommen  habe,  war  das  Zinn  durchdrungen, 
durch  und  durch  angegriffen  in  allen  seinen  Falten,  wie  wenn  es  in  Säure 
getaucht  worden  wäre.  Bedürfte  man  aber  anderer  Beweise  um  sich  zu 
überzeugen,  dass  die  Elektricität  gar  keinen  Theil  an  der  fraglichen  Erschei- 
nung hat,  so  könnte  man  die  Versuche  derart  abändern,  dass  man  gar  nicht 
diese  Wirkungen  der  elektrischen  Flüssigkeit  hindert,  und  sich  durch  den 
Augenschein  überzeugt,  dass  die  Verbrennung,  welche  stattfindet,  von  der 
Disposition  der  Metalle  und  ihrer  chemischen  Verwandtschaft  abhängt. 

„Zum   Beispiel:     i)  Legt  man  ein  ziemlich  dickes  Stück  Zinn   an    das 


HO  Fünftes  Kapitel. 


Auge,  und  berührt  es  an  der  entgegengesetzten  Seite  mit  einem  Silberstab, 
so  findet  weder  Zersetzung  der  Feuchtigkeit,  noch  Verbrennung,  noch  Licht 
statt;  und  dennoch  müsste  die  Berührung  der  beiden  Metalle  diese  sinn- 
fälligen Wirkungen  hervorbringen,  wenn  sie  von  der  Mittheilung  ihrer  Elek- 
tricität  herrührten.  2)  Hält  man  ein  Stück  Zinn  an  das  Auge,  ein  anderes 
im  Munde  und  stellt  die  Verbindung  zwischen  beiden  durch  einen  silbernen 
Stab  her,  so  sieht  man  ebensowenig  Licht,  wie  bei  dem  ersten  Versuch. 
3)  Man  bringt  ein  Stück  Gold  an  das  Auge,  ein  Stück  Silber  an  die  Zunge 
und  stellt  die  Verbindung  durch  einen  eisernen  Schlüssel  her:  keine  Licht- 
erscheinung, wie  früher.  4)  Ebensowenig  sieht  man  Licht,  wenn  man  Eisen 
an  das  Auge  und  Zinn  an  die  Zunge  bringt,  während  beide  mit  einander 
verbunden  sind.  5)  Gold  und  Silber,  die  man  einzeln  an  beide  Organe 
bringt,  geben  kaum  einige  schwache  Spuren  von  Empfindungen  bei  der 
Berührung.  6)  Das  Gleiche  geschieht,  wenn  man  zwei  Stücke  Silber  benutzt, 
die  man  durch  Eisen  verbindet.  7)  Ebenso  ist  es,  wenn  man  Kupfer  an 
das  Auge,  Zinn  auf  die  Zunge  bringt  und  die  Verbindung  durch  Eisen  be- 
werkstelligt. 8)  Nicht  stärker  ist  die  Empfindung,  wenn  man  Silber  an  das 
Auge,  Gold  auf  die  Zunge  bringt,  und  sie  durch  Kupfer  verbindet.  9)  Im 
Gegentheil  sieht  man  ein  bedeutendes  Licht,  wenn  das  Eisen  das  Auge,  das 
Silber  die  Zunge  berührt,  und  Kupfer  die  Verbindung  bildet.  10)  Ebenso 
ist  es,  wenn  man  das  Silber  durch  Gold  ersetzt  oder  1 1 )  wenn  man  das  am 
Auge  befindliche  Eisen  mit  dem  Gold  auf  der  Zunge  durch  einen  silbernen 
Spatel  verbindet.  12)  Auch  sieht  man  Licht,  wenn  das  Eisen  am  Auge  und 
das  Silber  auf  der  Zunge  unmittelbar  in  Verbindung  stehen.  13)  Das  Gleiche 
gilt,  wenn  man  die  Ordnung  beider  Metalle  umkehrt.  14)  Oder  wenn  man 
Gold  statt  Silber  nimmt  1 5)  Endlich  kann  man  das  Licht  der  Verbrennung 
sehen,  wenn  man  statt  eines  der  Metalle  an  die  Zunge  zu  legen,  man  beide 
an  die  Augen  bringt. 

„Man  ersieht  aus  diesen  Versuchen,  den  einzigen,  deren  ich  mich  in 
diesem  Augenblick  erinnere,  und  welche  sehr  leicht  zu  wiederholen  und 
auf  verschiedene  Weise  abzuändern  sind,  dass  es  nicht  die  Elektricität  ist, 
welche  die  Resultate  hervorbringt,  denn  man  weiss  wohl,  dass  die  elektrische 
Flüssigkeit  alle  Metalle,  welche  ihre  Leiter  par  excellence  sind,  ganz 
und  gar  und  augenblicklich  durchdringt,  welches  auch  ihre  Stellung  und 
Beziehung  sei. 

„Ist  es  aber  wahr,  dass  in  dem  betrachteten  Falle  das  Wasser  seinen 
Sauerstoff  an  das  Metall  abgiebt,  so  wird  man  fragen,  was  aus  dem 
Wasserstoff  geworden  ist.  Zunächst  ist  zu  bemerken,  dass,  da  die  Be- 
rührung mit  der  Luft  in  dem  Maasse  Sauerstoff  nachliefert,  als  durch 
die  Verbrennung  des  Metalls  verbraucht  wird,  sehr  wenig  Wasser  zersetzt 
werden  wird. 

„Ich  habe  gesagt,  dass  ich  den  Versuch  mit  verschiedenen  Metallen 
sehr  lange  fortgesetzt  habe;  als  ich  sie  schliesslich  untersuchte,  habe  ich 
nicht   nur    krümeliges  Oxyd    in   Menge   gefunden,   sondern   ich    habe   auch 


Begründung  der  chemischen  Theorie  des  Galvanismus.  m 


regelmässige  salzartige  alaunähnliche  Krystalle  gefunden,  welche  namentlich 
an  den  Silberstücken  hafteten,  sowie  wohl  definirte  Salze,  welche  aus  zwei 
vierseitigen  mit  der  Basis  verbundenen  Tetraedern  bestanden,  und  welche 
mir  nur  Wasserstoffzinn  zu  sein  schienen. 

„Man  weiss  bereits,  dass  der  Wasserstoff  mehrere  Metalle  auflöst,  denn 
man  findet  im  Wasserstoff  selbst  Eisen,  Zink,  Arsenik  u.  s.  w.;  man  weiss, 
dass  das  Amalgam  aus  Zink  und  Quecksilber  Wasserstoff  enthält,  welchen 
man  durch  Warme  austreiben  kann. 

,,Ich  will  hinzufügen,   dass  ich  zuweilen  meinen  Apparat  aus  Zinn  und 
Silber  statt  in  Wasser  in  Alkohol  lange  Zeit  gelassen  habe;    ich   habe   auf 
dem  Silber  parallelepipedische  sehr  durchsichtige  Krystalle  gefunden,  welche 
wegen  ihrer  schwach  grünlichen  Farbe  Kupfer  zu  enthalten  schienen.    Dieses 
Kupfer  rührte  vielleicht  von  dem  Silberstück  her,    denn  ich  benutzte  vor- 
wiegend grosse  Thalerstücke,  da  ich  gesehen  hatte,  dass  die  Unregelmässig- 
keiten ihrer  Oberfläche  infolge  der  Buchstaben  und  des  Wappens  sehr  die 
Bildung  von  Krystallen  begünstigten,  welche  sich  in   den  Vertiefungen   und 
an  den  Rändern  ansiedelten.    Ich  habe  versucht,  dieselben  Metalle  in  Ammo- 
niak zu  bringen,  welches  in  einer  Glasflasche  verschlossen  war,  jedoch  ohne 
merkliche  Wirkung;    vielleicht  war  die  Bindung   des  Wasserstoffs   zu    stark 
und  der  Sauerstoff  der  Luft   konnte   nicht   an   der  Zersetzung  des  Metalls 
mit  jenem    theilnehmen.     Das  Ammoniak  nahm  nur  eine  leichte  bläuliche 
Färbung  an,   welches  erkennen  Hess,    dass  es  dem  hineingebrachten  Silber- 
stück etwas  Kupfer  entzogen  hatte. 

„Man  ersieht  sehr  klar  aus  den  Ergebnissen,  welche  ich  durch  die  ein- 
fache Berührung  der  Metalle  erlangt  hatte,   dem  Oxyd  und   den  salzartigen 
Kristallen,  dass  es  sich   um   einen  chemischen  Vorgang  handelt,   und   dass 
man    diesem    die   Empfindungen    zuschreiben    muss,    welche    man    auf  der 
Zunge    und    im    Auge   spürt.      Mir   scheint    es    daher   wahrscheinlich,    dass 
man   diesen   neuen  Verbindungen  oder  ihren  Elementen   diesen  geheimniss- 
vollen Stimulus  zuschreiben    muss,    welcher   die  Zuckungen    der  thierischen 
Faser    bewirkt,  wenigstens  bei  einem   grossen  Theil  der  Erscheinungen  des 
Galvanismus." 

3.  J.  W.  Ritter's  Arbeiten.  Wie  aus  den  Darlegungen  Fabbroni's 
hervorgeht,  wird  er  mit  Unrecht  ab  der  Begründer  der  chemischen  Theorie 
des  Galvanismus  bezeichnet;  er  stellt  sich  vielmehr  die  Aufgabe,  zu  beweisen, 
dass  die  bei  der  Berührung  der  Metalle  auftretenden  Erscheinungen  rein 
chemischer  Natur  seien  und  mit  galvanischen  oder  elektrischen  nichts  zu 
thun  haben.  Als  derjenige,  auf  den  die  Erkenntniss  des  Zusammenhanges 
zwischen  beiden  zurückzuführen  ist,  muss  unzweifelhaft  J.  W.  Ritter  ge- 
nannt werden. 

Die  erste  hierhergehörige  Entdeckung,1  welche  wir  ihm  verdanken,  ist 
die,  dass    die  VoLTA'sche  Spannungsreihe  der  Metalle   (52)  mit   der 

1  Beweis,  dass  ein  beständiger  Galvanismus  den  Lebensprozess  im  Thicrreich  begleite, 
W.-imar   1798. 


H2  Fünftes  Kapitel. 


Reihe  ihrer  Verwandtschaft  zum  Sauerstoff,  oder  genauer  ge- 
sprochen, mit  der  Reihe  übereinstimmt,  in  welcher  die  Metalle 
einander  aus  ihren  Salzen  fällen. 

Zu  dieser  fundamentalen  Entdeckung  war  Ritter  folgendermaassen  ge- 
langt. Er  hatte  sich  eingehender  mit  der  von  Pfaff1  und  Michaelis1  ent- 
deckten Thatsache  beschäftigt,  dass  es  beim  galvanischen  Versuch  nicht 
einerlei  ist,  in  welcher  Anordnung  man  die  Metalle  mit  dem  Froschpräparat 
in  Berührung  bringt.  Arbeitet  man  mit  Zink  und  Silber,  so  erfolgen  starke 
Zuckungen,  wenn  man  den  Nerv  mit  dem  Zink,  das  Silber  mit  dem  Muskel 
in  Verbindung  setzt;  liegt  umgekehrt  Silber  am  Nerv,  Zink  am  Muskel,  so 
erfolgt  eine  geringere  oder  gar  keine  Zuckung  beim  Schliessen.  Das  Um- 
gekehrte zeigt  sich  beim  Öffnen;  dann  ist  die  zweite  Anordnung  viel  wirk- 
samer als  die  erste.  Hierdurch  war  ein  Mittel  gegeben,  zwei  Richtungen 
der  elektrischen  Erregung  zu  unterscheiden,  und  die  Metalle  in  eine  solche 
Reihe  zu  ordnen,  dass  jedes  mit  den  vorangehenden  in  einem,  mit  den 
nachfolgenden  im  anderen  Sinne  wirksam  war. 

Diese  Versuche  führte  Ritter  in  der  Anordnung  Fig.  46  aus,  wo  a  und 
b  zwei  leitend  verbundene  Froschschenkel,  c  und  d  ihre  Nerven,  e  und/ 
die  zu  untersuchenden  Metalle  sind.  Ist  e  z.  B.  Silber,  und  f  Zink,  so  zuckt, 
wenn  die  Metalle  bei  g  zur  Berührung  gebracht  werden,  der  Schenkel  a, 
und  bei  der  Trennung  in  g  zuckt  b\  das  Umgekehrte  zeigt  sich,  wenn  man 
die  Metalle  verwechselt.  Werden  nun  an  die  Stelle  von  Silber 
und  Zink  zwei  andere  Metalle  gebracht,  so  zeigt  sich  alsbald,  wei- 
ches von  ihnen  dem  Silber,  und  welches  dem  Zink  anzureihen  ist 
Die  erstaunlichen  Satzungeheuer,  welche  Ritter  zum  Ausdruck  des 
oben  mitgetheilten  Ergebnisses  geschaffen  hat,  seien  zur  weiteren 
Charakteristik  des  merkwürdigen  Mannes  in  ihrer  ursprünglichen 
Gestalt  hier  vorgeführt. 

„Wenn  /  und  e  zwei  verschiedene  Metalle  (bei  völlig  gleich- 
artigen erfolgt  bekanntlich  nichts)  waren,  so  wurde  bei  Schliessung  der 
Kette  allemal  die  mit  dem,  dem  Sauerstoff  unter  beiden  am  nächsten 
verwandten  Metalle,  armirte  Seite  am  stärksten  oder  allein  contrahirt. 
(Bloss  das  Eisen,  das  auch  in  anderen  Rücksichten  Besonderheiten  hat,  machte 
auch  hier  eine  scheinbare  Ausnahme,  indem  es  nicht  in  diesen  Versuchen,  wie  es 
nach  der  durch  Versuche  über  Niederschlagung  eines  Metalls  aus  Säuren  durch 
das  andere  im  metallischen  Zustande,  aufgefundenen  Reihe  in  Gren's  Hand- 
buch der  allgemeinen  Chemie,  Theil  IV,  S.  162,  die  aber  freilich  sehr  un- 
bestimmt den  reinen  Verwandtschaftsgrad  eines  Metalles  zum  Sauerstoff  angeben 
muss,  da  hier  sich  zugleich  die  verschiedene  Verwandtschaft  des  Metalls,  oder 
richtiger  seines  Kalks,  und  andere  Umstände,  einmischen,  die  aber  doch 
sonst  mit  der  durch  galvanische  Versuche  aufgefundenen,  vielleicht  den 
reinen  Verwandtschaftsgrad  zum  Sauerstoff  anzeigenden  Reihe  ziemlich  gleich 

1  Ueber  thicr.  Elektr.  u.  Reizbarkeit.    1795.   S.  28,  101. 
*  Gren's  Journ.  d.  Phys.  4,  10.   1791. 


Begründung  der  chemischen  Theorie  des  Galvanismus.  j  j  i 

läuft,  —  hätte  sein  sollen,  sich  gleich  hinter  das  Zink,  sondern  zwischen 
Blei  und  Kupfer  stellte.)" 

Die  derart  nachgewiesene  Beziehung  zwischen  dem  chemischen  und  dem 
galvanischen  Vorgange  wurde  von  Ritter  alsbald  weiter  verfolgt;  in  einer 
kurzen  Mittheilung  seiner  Ergebnisse1  Hess  er  mit  gesperrter  Schrift  als 
wichtige  Entdeckung  den  Satz  drucken:  „Auch  in  der  anorgischen 
Natur  ist  der  Galvanismus  wirksam."  Und  in  der  That  müssen  wir 
diese  Erkenntniss  als  einen  wichtigen  Fortschritt  anerkennen,  da  sie  das 
Problem  aus  dem  physiologischen  Gebiet  in  das  physikalisch-chemische  ver- 
legen half  und  somit  seiner  Lösung  um  den  wesentlichsten  Schritt  näher 
brachte. 

Die  Versuche,  aus  denen  Ritter  seinen  Schluss  zog,  sind  denen  Fab- 
bronis  ganz  ähnlich;  ferner  weist  er  darauf  hin,  dass  gleiche  Beobachtungen 
schon  von  Priestley2  gemacht  worden  sind;  auch  hat  Humboldt  entsprechende 
Beobachtungen  des  Dr.  Ash  erwähnt.  Um  Ritter's  Verdienst  an  der  Sache 
ersichtlich  zu  machen,  seien  aus  den  Erörterungen  Humboldt's  über  die  gleiche 
Frage8  einige  Stellen  hergesetzt: 

„Wenn  wir  aufmerksam  auf  die  Zusammensetzung  galvanischer  Ketten 
sind,  so  sehen  wir,  dass  die  Berührung  verschiedenartiger  Metalle  eine  der 
wichtigsten  Rollen  dabei  spielt.  Wirkt,  dachte  ich  oft,  dieses  Verhältniss 
bloss  dadurch,  dass  es  den  Strom  des  Fluidums  G  (des  Galvanismus)  aufhält, 
und  eine  Anhäufung  veranlasst,  oder  sollte  nicht  dieser  Contact  irgend  eine 
Veränderung  in  den  unbelebten  unorganischen  Stoffen  hervorbringen?  Ein 
Freund,  dessen  Scharfsinn  und  ausgebreitete  Gelehrsamkeit  ich  schon  ehemals 
benutzt,  Dr.  Ash  aus  Oxford,  hat  mich  der  Beantwortung  dieser  Frage  näher 
gebracht.  Meine  ganze  Aufmerksamkeit,  schrieb  er  mir  am  10.  April  1796, 
ist  seit  einiger  Zeit  auf  die  Metalle  selbst  gerichtet.  Ich  wünschte  den  Ver- 
änderungen auf  die  Spur  zu  kommen,  welche  durch  die  Berührung  gleich- 
artiger oder  ungleichartiger  Metalle  hervorgebracht  werden.  Aus  einigen 
Versuchen  scheint  es  mir  mehr  als  wahrscheinlich,  dass  sich  in  den  Metallen, 
welche  die  grösste  galvanische  Wirksamkeit  zeigen,  eine  bemerkbare  chemische 
Mischungsveränderung  ereignet.  Legen  Sie  zwei  homogene  Zinkplatten  mit 
Wasser  befeuchtet  aufeinander,  so  dass  sie  sich  in  so  vielen  Punkten  als 
möglich  berühren,  so  werden  Sie,  wenn  die  Stoffe  recht  gleichartig  sind, 
äusserst  wenig  Wirkung  bemerken.  Legen  Sie  aber  auf  die  nämliche  Art 
Zink  und  Silber  zusammen,  und  Sie  werden  bald  sehen,  dass  sie  einen 
starken  Effect  auf  einander  hervorbringen.  Das  Zink  scheint  sich  zu  oxydiren 
und  die  ganze  Oberfläche  der  angefeuchteten  Silberplatte  ist  mit  einem  feinen 
weissen  Staube  (Zinkkalk)  bedeckt.  Blei  und  Quecksilber  wirken  ebenso 
stark  auf  einander,  wie  Eisen  und  Kupfer. 


1  Gilbert's  Ann.  2,  80,  1799;  ausführlicher  in  den  Bcitr.  zur  näheren  Kenntniss  des  Galv.  I, 
in.  1800. 

2  Experiments  and  Observations.     Deutsche  Ausgabe   1780,  S.  119. 

3  Alex,  v.  Humboldt,  Versuche  über  die  gereizte  Muskel-  und  Nervenfaser  I,  471.   1 7 9 7 • 
Ostwald,  Elektrochemie.  8 


I' 

1 1 4  Fünftes  Kapitel. 


„Diese  Entdeckung,  welche  ich  Herrn  Ash  verdanke,  ist  überaus  merk- 
würdig. .  .  .  Ich  bin  noch  beschäftigt,  die  Experimente  des  Dr.  Ash  zu  ver- 
vielfältigen. .  .  .  Haben  aber  diese  Phänomene  etwas  mit  dem  Gal- 
vanismus  gemein?  Lassen  sie  auf  eine  besondere  Kraft  schliessen,  welche 
durch  den  Contact  zweier  heterogener  Metalle  in  Umlauf  gesetzt  wird?  Diese 
Fragen  sind  schwer  zu  beantworten,  da  sie  isolirte  Thatsachen  betreffen,  „des 
pierres  d'attente  (wie  sie  Hr.  Pictet  nennt)  que  les  physiciens  posent  ja  et 
lä  dans  leurs  travaux,  et  qui  trouveront  un  jour  leur  place".  .  .  .  Wenn  also 
die  grössere  Menge  des  entstandenen  Zinkkalkes  auf  dem  Silber  von  der 
Menge  der  dabei  rege  gewordenen  E.  herrührte,  so  könnte  das  Experiment 
allerdings  auf  etwas  hindeuten,  was  mit  dem  Galvanismus  in  naher  Beziehung 
stände.  .  .  .  Aber  so  lange  noch  andere  Erklärungsarten  möglich  sind,  welche 
auf  längst  bekannte  Naturkräfte  hinweisen,  darf  man  nicht  allein  zu  un- 
bekannten Wirkungen  seine  Zuflucht  nehmen.  Sollte  jenes  merkwürdige 
Experiment  sich  nicht  auf  eine  Zusammengesetze  Verwandtschaft  gründen? 
Das  Silber  hat  unter  jeder  Temperatur  einige  Ziehkraft  zum  Sauerstoff.  Liegt 
nun  eine  dünne  Wasserschicht  zwischen  dem  Zink-  und  Silberplättchen,  so 
sind  die  Ziehkräfte  beider  Metalle  thätig,  dieselbe  zu  zerlegen.  Wir  kennen 
mehrere  Fälle  aus  der  Experimentalchemie,  in  denen  zwei  heterogene  Stoffe 
leichter  als  einer  einen  dritten  in  seine  Bestandtheile  auflösen." 

Diese  Auseinandersetzungen  sind  sehr  charakteristisch.  Bis  auf  den 
heutigen  Tag  werden  derartige  pseudomechanische  „Erklärungen"  chemischer 
Vorgänge  als  bare  Münze  gegeben  und  genommen;  im  vorliegenden  Falle 
scheint  nicht  bedacht  worden  zu  sein,  dass  sowohl  Zink  wie  Silber  am  Sauer- 
stoff „ziehen",  und  nicht  etwa  das  eine  von  ihnen  am  Wasserstoff.  Es 
läge  also  nur  ein  Grund  zur  Zerlegung  des  Sauerstoffs,  nicht  aber  des 
Wassers  vor.  ^ 

RrrTfcR  verfolgte  indessen  seine  Entdeckung  und  theilte  in  seiner  Schrift: 
Beweis,  dass  die  galvanische  Action  oder  der  Galvanismus  auch 
in  der  Anorgischen  Natur  möglich  und  wirklich  sey,1  seine  Be- 
obachtungen über  die  beschleunigte  Oxydation  mit,  welche  verschiedene 
Metalle  bei  leitender  Verbindung  mit  einem  edleren  erfahren.  Mit  der  ihm 
eigentümlichen  Neigung  zu  weitgehenden  Schlussfolgerungen  gelangt  er  als- 
bald zu  dem  Resultat:  „Dieser  Prozess  der  Niederschlagung  des  einen  Metalls 
durch  das  andere  aus  der  Auflösung  in  Säuren  im  metallischen  Zustande 
ist  also  ein  völlig  galvanischer  Prozess." 

Auch  hier  zeigt  sich  bei  Ritter  dieses  seltsame  Gemisch  von  Scharfsinn 
und  Mysticismus,  das  uns  an  ihm  so  oft  entgegengetreten  ist.  Er  macht  sich 
selbst  den  Einwand,  dass  die  Fällung  des  Silbers  durch  Zink  als  galvanischer 
Vorgang  völlig  verständlich  sei,  nachdem  das  erste  Silbertheilchen  vorhanden 
ist,  und  zwischen  beiden  Metallen  und  der  Flüssigkeit  der  gewohnte  Vorgang 
eintritt.    „Wo  kommt  aber  das  erste  Silberstäubchen  her,  was  sich  an  dem 


1  Ritter,  Beiträge  I,  in.  1800. 


Begründung  der  chemischen  Theorie  des  Galvanismus.  n  c 


Zink  ansetzt,  und  auf  welches  alles  ankommt,  was  sich  im  Verfolg  des  Pro- 
zesses zutragen  soll?  . .  .  Und  ist  Triplicität,  wie  alles  zeigt,  die  Fundamental- 
bedingung  das  Galvanismus,  wo  ist  hier  das  dritte  Glied  zu  suchen?  .  .  . 
Giebt  es  Fälle,  wo  jenes  dynamische  Etwas,  welches  bei  der  Gegenwart  sicht- 
barer Triplicität  in  den  einzelnen  Factoren  derselben  ja  ohnehin  nur  als  in 
einem  Gefäss  enthalten  ist,  auch  ohne  diese  Hülle  gegenwärtig  sein  kann,  in 
die  es  sich  erst  dann  zurückzieht,  wenn  es,  nachdem  es  in  jenem  Zustand 
so  gut  wie  in  diesem  seine  Function  verrichtet  hat,  sich  dieselbe  selbst  erst 
bilden  geholfen  hat,  und  ist  der  vorige  ein  Fall  dieser  Art?  Vielleicht  dürfte 
die  Idee  einer  Qualität  ohne  Hülle  nicht  so  sonderbar  sein,  wie  es  auf  den 
ersten  Blick  scheinen  möchte;  denn  in  welcher  Gestalt  erseheint  denn  diese 
nämliche  Qualität  gegen  ihren  Träger,  ihre  Hülle  selbst,  und  was  ist  der 
allgemeine  Magnetismus  der  Erde  in  Bezug  auf  einzelne  Individuen  auf  dieser, 
was  ist  selbst  das  Licht  anderes,  als  eine  solche  Qualität  ohne  Maske?  Und 
muss  nicht  jede  Kraft  in  um  so  weniger  Hülle  gefasst  sein,-  je  allgemeiner  die 
Rolle  ist,  welche  sie  spielt  ?"  — 

In  gleicher  Weise  geht  es  noch  einige  Zeit  fort.  Es  wird  neben  den 
äusseren  Galvanismus  ein  innerer  gesetzt,  und  Ritter  schliesst  mit  den 
Worten:  „Dass  übrigens  eine  solche  Vereinigung  beider  aus  dem  Galvanismus 
den  Schlüssel  zum  Eingang  in  das  Innere  der  Natur  machen  würde,  bedarf 
keiner  Erwähnung." 

4.  Übergang.  Der  Nachweis  des  Zusammenhanges  zwischen  gal- 
vanischen und  chemischen  Erscheinungen,  welchen  wir  Ritter  verdanken, 
war  unter  schwierigeren  Verhältnissen  erbracht  worden,  als  sie  bald  darauf  be- 
standen. Denn  bis  zum  Jahre  1800  dauerte  die  von  Pfaff  sogenannte  Pe- 
riode des  einfachen  Galvanismus;  die  Hilfsmittel  der  Elektricitätserregung 
beschränkten  sich  bis  dahin  auf  die  typische  Zusammenstellung  zweier  Metalle 
und  eines  feuchten  Leiters,  durch  welche,  um  in  der  Sprache  der  heutigen 
Wissenschaft  zu  reden,  keine  höheren  elektromotorischen  Kräfte,  als  etwa  ein 
Volt  erlangt  wurden.  Daher  konnte  die  Erscheinung  der  Elektrolyse,  der 
chemischen  Zerlegung  durch  den  Strom,  noch  nicht  willkürlich  hervor- 
gebracht werden,  da  die  dabei  entstehende  Polarisation,  die  überwunden 
werden  muss,  meist  mehr  beträgt.  Die  Forschung  war  somit  auf  die  in  den 
Ketten  beim  Stromschluss  selbst  verlaufenden  chemischen  Vorgänge  be- 
schränkt; wie  Ritter  dieses  Gebiet  zu  ergründen  gewusst  hat,  haben  wir 
soeben  gesehen.  Ein  unvergleichlich  ausgiebigeres  Hilfsmittel  wurde  um  diese 
Zeit  von  Volta  durch  die  Erfindung  der  Säule  geschaffen,  womit  eine  neue 
Periode  in  unserer  Geschichte  beginnt. 

1 


8* 


Fig.  47.      VOLTA'f 


Sechstes  Kapitel. 
Die  Volta'sche  Säule. 

1.  Einleitung.  Volta  schliesst  seine  Briefe  an  Gren  einigermaassen 
ironisch  mit  einigen  Bemerkungen  über  etwaige  weitere  Ansprüche,  die  an 
den  Nachweis  der  elektrischen  Natur  des  galvanischen  Agens  gestellt  werden 
könnten.  „Doch  giebt  es  noch  verschiedene  Leute,  auf  welche  solche  Ver- 
suche mehr  Eindruck  machen,  wo  die  Zeichen  der  erhaltenen  Elektricität 
recht  stark  sind,  wo  die  Elektrometer  recht  viel  Grade  angeben  oder  ihre 
Pendel  sich  zu  einem  recht  grossen  Winkel  öffnen  und  endlich  gar  gegen 
die  Wände  des  Glases  schlagen,  welches  sie  einschliesst.  Auch  diesen  Leuten 
muss  ich  noch  Genüge  leisten,  ohne  mich  jedoch  auch  hier  an  eine  andere 
Elektricität,  als  die  durch  Berührung  der  Metalle  erzeugte  zu  halten,  welche 
Elektricität  gewissermaassen  unter  meiner  Jurisdiction  steht,  und  welche  mit 
dem  Namen  metallische  Elektricität  zu  belegen  man  mir  nicht  verwehren 
wird;  auch  die,  sage  ich,  welche  so  auffallende  Zeichen  solcher  Elektricität 
begehren,  habe  ich  jetzt  noch  zu  befriedigen;  auch  den  Funken  möchten 
sie  verlangen." 

Volta  beschreibt  nun,  wie  mit  Hilfe  recht  grosser  und  ebener  Platten 
von  Silber  und  Zinn  oder  besser  Zink  durch  etwa  hundertmaliges  Laden  des 
Condensators  diesen  Anforderungen  in  der  That  Genüge  geleistet  werden 
kann.  So  spöttisch  er  aber  die  Sache  behandelt,  so  scheint  doch  die  Frage, 
wie  die  Erscheinungen  der  Metallelektricität  beliebig  gesteigert  werden  können, 
ihn  weiter  lebhaft  beschäftigt  zu  haben,  denn  nach  einem  Schweigen,  welches 
drei  Jahre  währte,  und  welches  nach  seiner  vorangegangenen  überaus  leb- 
haften Thätigkeit  besonders  auffällig  wirkt,  theilt  er  in  einem  Briefe  aus  Como 
vom   20.  März   1800   an   den    damaligen  Präsidenten   der  Royal  Society  in 


Die  Volta'sche  Säule. 


117 


London  diejenige  Entdeckung  mit,  die  unstreitig  den  Glanzpunkt  seiner  Ar- 
beiten bildet,  und  die  gerade  die  unbegrenzte  Steigerung  betrifft,  welche  man 
der  Berührungselektricität  durch  angemessene  Schichtung  der  wirksamen 
Bestandteile,  Metalle  und  feuchte  Leiter,  ertheilen  kann:  die  VoLTA'sche 
Säule. 

Für  die  Elektrochemie  bildet  diese  Entdeckung  einen  wesentlichen  Ab- 
schnitt, da  erst  die  Säule  vermöge  ihrer  beliebig  zu  steigernden  Spannung 
die  chemische  Wirkung  des  elektrischen  Stromes  frei  zu  Tage  treten  lässt. 
Allerdings  hat  Volta  in  seiner  ersten  Mittheilung  gerade  diesen  Punkt  nicht 
berührt;  es  findet  sich  von  ihm  keine  Andeutung,  dass  er  die  chemischen 
Vorgänge,  welche  beim  Einsenken  der  Poldräthe  seiner  Säule  in  Leiter 
zweiter  Classe  alsbald  eintreten,  gesehen  oder  beachtet  habe.  Vielmehr  be- 
schränkt er  seine  Mittheilungen  auf  die  elektroskopischen  und  insbesondere 
die  physiologischen  Wirkungen,  und  der  Brief  läuft  in  eine  Darstellung  aus, 
wie  man  mittelst  der  Säule  die  Wirkungen  der  elektrischen  Fische  nachahmen 
könne.  Es  ist  dies  der  letzte  erhebliche  Einfluss,  welchen  die  physiologischen 
Ausgangspunkte  des  Galvanismus  geltend  gemacht  haben;  unmittelbar  nach 
dem  Bekanntwerden  der  VoLTA'schen  Kette  wird  von  Nicholson  und  Carlisle 
die  Wasserzersetzung  mittelst  derselben  entdeckt,  und  damit  tritt  das  Problem 
endgültig  (wenn  auch  nicht  ohne  gelegentliche  vorübergehende  Rückfälle)  in 
das  physikalisch-chemische  Gebiet  über. 

2.  Volta's  Brief  an  Banks  über  die  Elektricität,  welche  durch 
die  blosse  Berührung  leitender  Stoffe  hervorgerufen  wird.1  Como, 
den  20.  März  1800.  „Nach  einem  langen  Stillschweigen,  das  ich  nicht  ver- 
suchen werde  zu  entschuldigen,  habe  ich  das  Vergnügen,  Ihnen  und  durch 
Sie  der  Königlichen  Gesellschaft  einige  auffallende  Ergebnisse  mitzutheilen, 
zu  welchen  ich  in  der  Verfolgung  meiner  Versuche  über  die  Elektricität 
gelangt  bin,  die  durch  die  blosse  gegenseitige  Berührung  von  Metallen  ver- 
schiedener Art,  und  sogar  durch  die  anderer,  gleichfalls  unter  einander  ver- 
schiedener Leiter,  seien  sie  flüssig  oder  nur  einige  Feuchtigkeit  enthaltend, 
welcher  sie  ihre  eigentliche  Leitfähigkeit  verdanken,  hervorgerufen  wird.  Das 
Wesentlichste  dieser  Ergebnisse,  welches  nahezu  alle  anderen  umfasst,  ist  die 
Herrichtung  eines  Apparates,  welcher  durch  seine  Wirkung,  d.  h.  durch  die 
Schläge,  welche  er  in  den  Armen  u.  s.  w.  hervorbringt,  einer  Leidener  Flasche 
oder  vielmehr  einer  schwach  geladenen  elektrischen  Batterie  ähnlich  ist, 
welche  aber  unaufhörlich  wirkt,  oder  deren  Ladung  nach  jeder  Explosion 
sich  von  selbst  wiederherstellt;  welcher,  mit  anderen  Worten,  eine  uner- 
schöpfliche Ladung,  eine  beständige  Wirkung  auf  die  elektrische  Flüssigkeit 
oder  Impulsion  besitzt;  welcher  aber  im  übrigen  völlig  von  ihr  verschieden 
ist,  sowohl  durch  diese  ihm  eigenthümliche  dauernde  Wirkung,  wie  auch 
darin,  dass  der  neue  Apparat  statt  wie  die  gewöhnlichen  elektrischen  Flaschen 
und  Batterieen  aus    einer  oder   mehreren   isolirenden   Platten,    oder    dünnen 


1  Philos.  Trans.  1800,  II,  405 — 431. 


1 1 8  Sechstes  Kapitel. 


Schichten  dieser  Stoffe,  die  als  die  allein  elektrischen  angesehen  werden, 
belegt  mit  Leitern  oder  sogenannten  anelektrischen  Stoffen,  zu  bestehen,  im 
Gegentheil  ausschliesslich  aus  mehreren  dieser  letzteren  Stoffe  erbaut  ist, 
welche  unter  den  besten  Leitern  ausgewählt  sind,  und  welche  daher  nach 
allgemeinem  Glauben  am  weitesten  von  elektrischer  Natur  entfernt  sind.  Ja, 
der  Apparat,  von  dem  ich  rede,  und  welcher  Sie  zweifellos  in  Erstaunen 
versetzen  wird,  ist  nichts,  als  die  Anordnung  einer  Anzahl  von  guten  Leitern 
verschiedener  Art,  die  in  bestimmter  Weise  aufeinanderfolgen.  Dreissig,  vierzig, 
sechszig  oder  mehr  Stücke  von  Kupfer  oder  besser  Silber,  von  denen  jedes 
auf  ein  Stück  Zinn,  qder  viel  besser  Zink  gelegt  ist,  und  eine  gleich  grosse 
Anzahl  von  Schichten  Wasser  oder  irgend  einer  anderen  Flüssigkeit,  welche 
besser  leitet,  als  gewöhnliches  Wasser,  wie  Salzwasser,  Lauge  u.  s.  w.,  oder 
Stücke  von  Pappe,  Leder  u.  s.  w.,  die  mit  diesen  Flüssigkeiten  gut  durch- 
tränkt sind,  diese  Stücke  zwischen  jedes  Paar  oder  jede  Verbindung  von 
zwei  verschiedenen  Metallen  geschaltet:  eine  derartige  Wechselfolge  in  stets 
gleicher  Ordnung  der  drei  Arten  von  Leitern,  das  ist  alles,  woraus  mein 
neues  Instrument  besteht,  welches,  wie  gesagt,  die  Wirkungen  der  Leidener 
Flaschen  oder  der  elektrischen  Batterieen  nachahmt,  indem  es  dieselben  Er- 
schütterungen giebt,  wie  diese,  wobei  es  allerdings  weit  unterhalb  der  Wirk- 
samkeit stark  geladener  Batterieen  bleibt,  was  die  Kraft  und  das  Geräusch 
der  Explosionen,  den  Funken,  die  Schlagweite  u.  s.  w.  anlangt;  es  gleicht 
nur  bezüglich  der  Wirkung  einer  sehr  schwach  geladenen  Batterie,  die  aber 
eine  ausserordentliche  Capacität  besitzt,  übertrifft  aber  die  Kraft  und  das 
Vermögen  dieser  Batterieen  unendlich  darin,  dass  es  nicht  wie  diese  vorher 
durch  fremde  Elektricität  geladen  zu  werden  braucht,  und  dass  es  den  Schlag 
zu  geben  fähig  ist  jedesmal,  wenn  man  es  passend  berührt,  wie  oft  auch 
diese  Berührungen  erfolgen  mögen. 

„Diesen  Apparat,  der,  wie  ich  zeigen  werde,  sowohl  seinem  Wesen  nach 
als  auch  sogar,  wie  ich  ihn  construirt  habe,  in  der  Gestalt  dem  natürlichen 
elektrischen  Organ  des  Zitterrochens,  des  Zitteraals  u.  s.  w.  viel  ähnlicher 
ist,  als  der  Leidener  Flasche  und  den  bekannten  elektrischen  Batterieen, 
möchte  ich  ein  künstliches  elektrisches  Organ  nennen.  Und  ist  er  nicht  in 
der  That  wie  dieses,  einzig  aus  leitenden  Stoffen  zusammengesetzt?  ist  er 
nicht  überdies  von  selbst  thätig,  ohne  jede  vorherige  Ladung?  Ohne  die 
Mitwirkung  irgend  einer  durch  irgend  eines  der  bisher  bekannten  Mittel 
erregten  Elektricität,  ohne  Aufhören  und  Ermüden  thätig;  fähig  in  jedem 
Augenblicke  je  nach  den  Umständen  stärkere  oder  schwächere  Schläge  zu 
geben,  Schläge,  welche  sich  bei  jeder  Berührung  erneuen,  und  welche,  nach 
häufiger  Wiederholung  oder  während  einer  gewissen  Zeit  fortgesetzt,  dieselbe 
Betäubung  der  Glieder  hervorbringen,  welche  der  Zitterrochen  u.  s.  w.  bewirkt. 

„Ich  gebe  Ihnen  hier  eine  eingehendere  Beschreibung  dieses  Apparates 
und  einiger  anderer  ähnlicher,  sowie  die  entsprechenden  bemerkenswerthesten 
Versuche. 

„Ich  verschaffe  mir  einige  Dutzend  kleiner  runder  Platten  oder  Scheiben 


Die  Volia'sche  Säule. 


I1? 


aus  Kupfer,  Messing,  oder  besser  Silber,  einen  Zoll  oder  etwas  mehr  oder 
weniger  im  Durchmesser  (z.  B.  Münzen)  und  eine  gleiche  Anzahl  Platten  von 
Zinn,  oder,  was  viel  besser  ist,  Zink,  von  annähernd  gleicher  Gestalt  und 
Grösse;  ich  sage  annähernd,  denn  eine  Genauigkeit  ist  nicht  erforderlich  und 
die  Grösse  wie  die  Gestalt  der  Metallstücke  ist  im  Allgemeinen  willkürlich: 
man  muss  nur  Acht  geben,  dass  man  sie  bequem  über  einander  in  Gestalt 
einer  Säule  ordnen  kann.  Ich  verfertige  ausserdem  eine  genügende  Zahl 
runder  Scheiben  von  Pappe,  Lcder  oder  anderem  porösem  Material,  welches 
fähig  ist,  viel  Feuchtigkeit  oder  Wasser  aufzunehmen  und  zurückzuhalten, 
womit  sie  gut  getränkt  sein  müssen,  damit  der  Versuch  gelingt.  Diese 
Schichten  oder  Scheiben,  welche  ich  feuchte  Platten  nenne,  stelle  ich  etwas 
kleiner  her,  als  die  metallischen  Platten,  damit  sie  über  diese  nicht  hervor- 
ragen, wenn  sie  in  der  gleich  anzugebenden  Weise  zwischen  sie  gelegt  sind. 

„Wenn  ich  alle  diese  Stücke  in  gutem  Zustande  zur  Hand  habe,  d.  h. 
die  metallischen  Platten  gut  rein  und  trocken,  und  die  nichtmetallischen  gut 
mit  gewöhnlichem  Wasser,  oder  besser  mit  Salzwasser,  getränkt  und  dann 
leicht  abgetrocknet,  damit  die  Flüssigkeit  von  ihnen  nicht  abtropft,  so 
brauche  ich  sie  nur  angemessen  zu  ordnen;  und  diese  Ordnung  ist  einfach 
und  leicht 

„Ich  lege  also  horizontal  auf  einen  Tisch  oder  irgend  eine  andere  Unter- 
lage eine  der  metallischen  Platten,  z.  B.  eine  von  Silber,  und  auf  diese  zweite 
passe  ich  eine  von  Zink,  hierauf  lege  ich  eine  der  feuchten  Platten,  darauf 
eine  zweite  Silberplatte,  worauf  unmittelbar  eine  von  Zink  folgt,  auf  die  ich 
wieder  eine  feuchte  Platte  lege.  In  gleicher  Weise  fahre  ich  fort,  indem  ich 
stets  eine  Zinkplatte  mit  einer  von  Silber,  und  zwar  stets  in 
demselben  Sinne  paare,  d.  h.  stets  Silber  unten  und  Zink 
oben,  oder  umgekehrt,  je  nachdem  ich  angefangen  habe, 
und  indem  ich  zwischen  jedes  dieser  Paare  eine  feuchte  Platte 
lege;  ich  fahre  so  fort,  sage  ich,  aus  mehreren  dieser  Stock- 
werke eine  so  hohe  Säule  zu  bauen,  als  sie  sich  halten  kann, 
ohne  umzufallen. 

„Ist  sie  soweit,  dass  sie  20  bis  30  dieser  Stockwerke 
oder  Paare  von  Metallen  enthält,  so  wird  sie  bereits  fähig 
sein,  nicht  nur  am  Elektrometer  von  Cavallo  mit  Hülfe 
des  Condensators  Anzeigen  über  to  oder  15 
Grade  zu  geben,  den  Condensator  durch  ein- 
fache Berührung  zu  laden,  so  dass  er  einen 
Funken  giebt  u.  s.  w.,  sondern  auch  den  Fin- 
gern, die  sie  an  beiden  Enden,  dem  Kopf  und 
Fuss  einer  solchen  Säule,  berühren,  einen  oder 
einige  kleine  Schläge  zu  geben,  die  sich  wieder- 
holen, wie  man  diese  Berührung  erneut;  jeder  dieser  Schläge  ist  völlig  der 
leichten  Erschütterung  ähnlich,  welche  eine  schwach  geladene  Leidener 
Flasche   oder  eine   noch  viel  schwächer  geladene  Batterie   oder  endlich  ein 


Fig.  48.    Nach  VOLTA. 


120  Sechstes  Kapitel. 


\ 


erschöpfter  Zitterrochen  giebt,  welcher  noch  besser  die  Wirkungen  meines 
Apparates  nachahmt,  infolge  der  wiederholten  Schläge,  die  er  ohne  Aufhören 
geben  kann. 

„Um  solche  leichte  Erschütterungen  von  dem  eben  beschriebenen  Ap- 
parat zu  erhalten,  der  für  grössere  Wirkungen  noch  zu  klein  ist,  müssen  die 
Finger,  mit  welchen  man  gleichzeitig  beide  Enden  berühren  will,  feucht  sein, 
so  dass  die  Haut,  die  sonst  nicht  genügend  leiten  würde,  gut  benetzt  ist 
Um  endlich  sichereren  Erfolg  zu  haben  und  erheblich  stärkere  Erschütterungen 
zu  erhalten,  muss  man  den  Fuss  der  Säule,  d.  h.  die  unterste  Platte  mittelst 
einer  hinreichend  breiten  Platte  oder  eines  dicken  metallenen  Drahtes  mit 
dem  Wasser  eines  ziemlich  grossen  Gefässes  oder  Topfes  in  Verbindung 
setzen,  in  welche  man  einen,  zwei  oder  drei  Finger  oder  die  ganze  Hand 
gesenkt  hat,  während  man  den  Kopf  oder  das  obere  Ende  (die  letzte  oder 
eine  der  letzten  Platten  der  Säule)  mit  dem  blanken  Ende  einer  gleichfalls 
metallenen  Platte  berührt,  die  man  fest  in  der  anderen  Hand  hält,  wobei 
man  eine  recht  grosse  Fläche  dieser  Platte  berührt  und  stark  drückt.  Wenn 
ich  so  verfahre,  kann  ich  bereits  einen  kleinen  Stich  oder  eine  leichte  Er- 
schütterung in  einem  oder  in  zwei  Gelenken  des  in  das  Wasser  des  Gefässes 
getauchten  Fingers  wahrnehmen,  wenn  ich  mit  der  in  der  anderen  Hand 
gehaltenen  Platte  das  vierte,  oder  selbst  das  dritte  Plattenpaar  berühre;  be- 
rührt man  darauf  das  fünfte,  sechste  Paar  und  nach  und  nach  die  anderen 
bis  zum  letzten,  so  ist  es  interessant,  wahrzunehmen,  wie  die  Erschütterungen 
stufenweise  an  Kraft  zunehmen.  Und  diese  Kraft  ist  derartig,  dass  ich  von 
einer  solchen  Säule  aus  20  Plattenpaaren  (nicht  mehr)  Schläge  erhalte,  die 
über  den  ganzen  Finger  gehen  und  ihn  sogar  ziemlich  schmerzhaft  ergreifen, 
wenn  er  allein  in  das  Wasser  des  Gefässes  gesteckt  ist;  welche  sich  (ohne 
Schmerz)  bis  zum  Handgelenk  und  selbst  zum  Ellenbogen  erstrecken,  wenn 
die  Hand  grösstenteils  oder  vollständig  untergetaucht  ist,  und  welche  sich 
auch  im  Gelenk  der  anderen  Hand  fühlbar  machen. 

„Ich  setzte  immer  voraus,  dass  man  bei  dem  Aufbau  der  Säule  alle 
erforderliche  Sorgfalt  beobachtet  hat,  dass  jedes  Paar  der  Metalle  aus  einer 
Platte  von  Silber  in  Berührung  mit  einer  von  Zink  mit  dem  folgenden  durch 
eine  genügende  Feuchtigkeitsschicht  verbunden  ist,  welche  besser  aus  Salz- 
wasser als  aus  gewöhnlichem  besteht,  oder  durch  eine  Scheibe  von  Pappe, 
Leder  oder  anderem  ähnlichen  Stoff,  der  mit  solchem  Salzwasser  wohl  ge- 
tränkt ist;  diese  Scheibe  sei  nicht  zu  klein,  und  sei  in  guter  Berührung  mit 
den  Oberflächen   der  metallenen  Platten,  zwischen  denen  sie  sich  befindet. 

„Diese  genaue  und  ausgedehnte  Berührung  der  feuchten  Platten  ist  sehr 
wichtig,  während  die  metallenen  Platten  jedes  Paares  sich  nur  in  wenigen 
Punkten  zu  berühren  brauchen,  vorausgesetzt  nur,  dass  die  Berührung  eine 
unmittelbare  ist. 

„Hieraus  ergiebt  sich  (um  es  im  Vorübergehen  zu  sagen),  dass  während 
die  Berührung  der  Metalle  in  einigen  Punkten  allein  hinreichend  ist  (da  sie 
alle  ausgezeichnete  Leiter  sind),  um  einen  mittelstarken  elektrischen  Strom 


Die  Volta'sche  Säule.  121 


rci  durchgehen  zu  lassen,  dies  bei  Flüssigkeiten,  oder  mit  Feuchtigkeit  ge- 
tankten Körpern  nicht  der  Fall  ist,  da  diese  viel  unvollkommenere  Leiter  sind 
md  daher  einer  reichlichen  Berührung  mit  den  Metallen,  und  noch  mehr 
tiit  einander  bedürfen,  damit  die  elektrische  Flüssigkeit  mit  Leichtigkeit 
lurchgehen  kann,  und  nicht  in  ihrem  Laufe  aufgehalten  wird,  insbesondere 
venn  sie  nur  geringe  Kraft  besitzt,  wie  in  unserem  Falle. 

„Übrigens  sind  die  Wirkungen  meines  Apparates  (die  Schläge,  die  man 
rrhält)  in  dem  Maasse  sehr  viel  fühlbarer,  als  die  Temperatur  der  umgeben- 
len  Luft,  des  Wassers  oder  der  feuchten  Platten,  welche  sich  in  der  Säule 
«finden,  und  selbst  des  Wassers  im  Gefass,  höher  ist,  denn  die  Wärme 
nacht  das  Wasser  besser  leitend.  Was  diese  Wirkung  aber  noch  besser 
lervorbringt,  sind  fast  alle  Salze,  und  besonders  das  gewöhnliche  Salz.  Dies 
st  einer  der  Gründe,  wenn  nicht  der  einzige,  warum  es  vortheilhaft  ist,  dass 
las  Wasser  des  Gefässes,  und  vor  allem  das  zwischen  den  metallenen  Paaren, 
las  Wasser,  womit  die  Pappscheiben  u.  s.  w.  getränkt  sind,  gesalzen  ist,  wie 
ch  bereits  erwähnt  habe. 

„Alle  diese  Hilfsmittel  und  Maassregeln  haben  aber  schliesslich  nur  eine 
begrenzte  Wirkung,  und  lassen  nie  sehr  starke  Erschütterungen  erreichen, 
o  lange  der  Apparat  nur  aus  einer  Säule  von  nur  20  Plattenpaaren  besteht, 
venn  es  auch  die  besten  Metalle  zu  diesem  Versuch,  nämlich  Zink  und 
Silber,  sind;  denn  wären  es  Silber  und  Blei  oder  Zinn,  oder  Kupfer  und 
£inn,  so  würde  man  nicht  die  Hälfte  der  Wirkung  erlangen,  wenn  nicht  die 
grössere  Anzahl  der  Paare  die  geringere  Kraft  jedes  einzelnen  ersetzt.  Was 
tber  thatsächlich  die  elektrische  Kraft  des  Apparates  vermehrt,  und  sie  soweit 
Weigert,  dass  sie  der  des  Zitterrochens  und  des  Zitteraales  gleichkommt  und 
ie  auch  übertrifft,  ist  die  Zahl  der  Platten,  wenn  sie  in  der  beschriebenen 
.Veise  und  mit  den  angegebenen  Vorsichtsmaassregeln  angeordnet  werden. 
;ügt  man  den  oben  beschriebenen  20  Paaren  noch  20  oder  30  weitere  in 
Reicher  Ordnung  hinzu,  so  sind  die  Erschütterungen  der  so  verlängerten 
>äuie  ich  werde  alsbald  angeben,  wie  man  sie  aufrecht  halten  kann,  dass 
ie  nicht  umfällt,  oder  wie  man  sie  besser  in  zwei  oder  mehr  Säulen  theilen 
:ann}  schon  weit  stärker,  und  erstrecken  sich  durch  die  Arme  bis  zur  Schulter, 
lamentlich  in  dem  Arm,  dessen  Hand  in  das  Wasser  getaucht  ist,  welche 
-fand  nebst  dem  ganzen  Arm  mehr  oder  weniger  betäubt  bleibt,  wenn  man 
iurch  häufige  Wiederholung  der  Berührungen  diese  Schläge  schnell  und 
)hne  Aufhören  sich  folgen  lässt.  Dies  erfolgt,  wenn  man  die  Hand  ganz 
>der  fast  ganz  in  das  Wasser  des  Gefässes  taucht;  senkt  man  aber  nur  einen 
^inger  ganz  oder  theilweise  ein,  so  werden  die  Erschütterungen  fast  völlig 
mf  ihn  concentrirt,  und  werden  entsprechend  schmerzhafter  und  so  schnei- 
dend, dass  sie  unerträglich  werden. 

„Eis  ist  wohl  zu  erwarten,  dass  diese  aus  40  oder  50  Metallpaaren  ge- 
ödete Säule,  welche  mehr  als  mittlere  Schläge  in  den  Armen  einer  Person  her- 
orruft,  noch  merkliche  an  mehrere  Personen  ertheilen  kann,  welche  sich  an  den 
hinreichend  feuchten)  Händen  halten  und  eine  ununterbrochene  Kette  bilden. 


I  2  2  Sechstes  Kapitel. 

„Um  auf  die  mechanische  Anordnung  meines  Apparates  zurückzukommen, 
welche  mehrerer  Abänderungen  fähig  ist,  werde  ich  hier  zwar  nicht  alle, 
welche  ich  ausgedacht  und  in  grossem  oder  kleinem  Maassstabe  ausgeführt 
habe,  beschreiben,  sondern  nur  einige,  welche  besonders  interessant  oder  nützlich 
sind;  welche  einen  wirklichen  Vortheil  besitzen,  indem  sie  sich  leichter  oder  be- 
quemer herstellen  lassen,  sicherer  in  ihren  Wirkungen  oder  länger  in  gutem 
Zustande  zu  erhalten  sind. 

„Und  um  mit  einer  anzufangen,  welche  fast  alle  diese  Vortheile  ver- 
einigt, und  dabei  am  meisten  der  Gestalt  nach  von  dem  oben  beschriebenen 
Säulenapparate  abweicht,  welche  aber  den  Nachtheil  hat,  eine  viel  grössere 
Maschine  zu  sein,  stelle  ich  Ihnen  diesen  neuen  Apparat,  weichen  ich  die 
Tassenkrone  (couronne  de  tasses)  nenne,  in  der  beistehenden  Figur  49  dar. 


Fig.  49.      Volta's  Tassen  kröne. 

„Man  ordnet  eine  Reihe  von  mehreren  Tassen  oder  Töpfen  von  belie- 
bigem Stoffe  ausser  Metall  an,  hölzerne  Tassen,  Muscheln,  irdene  Gefasse, 
besser  gläserne  (kleine  Trinkgläser  oder  Becher  sind  die  geeignetsten),  die 
zur  Hälfte  mit  reinem  Wasser,  oder  besser  mit  Salzwasser  oder  Lauge  ge- 
füllt sind;  man  verbindet  sie  und  bildet  aus  ihnen  eine  Art  Kette  mittelst 
ebenso  vieler  metallener  Bögen,  von  denen  ein  Arm  A  a  oder  auch  nur  das 
Ende  A,  welches  in  einen  der  Becher  taucht,  aus  Kupfer,  Messing  oder 
besser  aus  versilbertem  Kupfer  ist,  während  der  andere  Z,  welcher  in  den 
folgenden  Becher  taucht,  aus  Zinn  oder  besser  aus  Zink  ist.  Ich  bemerke 
hier  beiläufig,  dass  Lauge  oder  andere  alkalische  Flüssigkeiten  vorzuziehen 
sind,  wenn  eines  der  eingetauchten  Metalle  Zinn  ist;  Salzwasser  ist  vorzu- 
ziehen, wenn  es  Zink  ist.  Die  beiden  Metalle,  aus  denen  jeder  Bogen  be- 
steht, sind  an  irgend  einer  Stelle  oberhalb  deren,  die  in  die  Flüssigkeit 
taucht,  zusammengelöthet;  letztere  muss  sie  in  einer  genügend  grossen 
Fläche  berühren,  es  ist  daher  passend,  dass  dieser  Theil  aus  einer  Platte 
von  einem  Zoll  im  Quadrat  oder  nur  wenig  kleiner  besteht;  der  übrige 
Theil  des  Bogens  kann  so  schmal  sein,  wie  man  will,  selbst  ein  einfacher 
Metalldraht.  Er  kann  auch  aus  einem  dritten  Metall  bestehen,  welches  von 
denen  verschieden  ist,  die  in  die  Flüssigkeit  der  Becher  tauchen;  denn  die 
Wirkung  auf  die  elektrische  Flüssigkeit,  welche  von  allen  Berührungen  meh- 
rerer unmittelbar  auf  einander  folgender  Metalle  herrührt,  oder  die  Kraft, 
mit  welcher  diese  Flüssigkeit  an  das  Ende  getrieben  wird,  ist  absolut  oder 
nahezu  dieselbe,  welche  sie  durch  die  unmittelbare  Berührung  des  ersten 
Metalles  mit  dem  letzten,  ohne  irgend  eines  der  Zwischenmetalle,  empfangen 


Die  Volta'sche  Säule. 


123 


haben  würde,  wie  ich  dies  durch  unmittelbare  Versuche  bestätigt  habe,  von 
denen  ich  anderweit  zu  sprechen  Gelegenheit  haben  werde. 

„Eine  Reihe  von  30,  40,  60  dieser  Becher,  die  auf  diese  Weise  ver- 
knüpft sind,  und  die  in  einer  geraden  Linie  oder  in  irgend  einer  Curve  oder 
in  beliebiger  Weise  geordnet  sind,  bildet  den  ganzen  neuen  Apparat,  welcher 
im  Grunde  und  wesentlich  derselbe  ist,  wie  die  oben  beschriebene  Säule; 
die  Hauptsache,  welche  in  der  unmittelbaren  Verbindung  zweier  verschie- 
dener Metalle  besteht,  die  jedes  Paar  bilden,  und  in  der  mittelbaren  eines 
Paares  mit  dem  anderen,  nämlich  durch  den  feuchten  Leiter,  findet  sich  bei 
einem  Apparate  wie  dem  anderen. 

„Was  die  Art  anlangt,  wie  man  den  Becherapparat  erprobt,  und  bezüg- 
lich der  Versuche,  zu  denen  er  dienen  kann,  habe  ich  nicht  viel  zu  sagen 
nach  dem,  was  ich  bei  Gelegenheit  der  Säule  erwähnt  und  ausgiebig  erklärt 
habe.  Man  wird  leicht  verstehen,  dass  es  genügt,  um  Schläge  zu  erfahren, 
wenn  man  die  Hand  in  einen  Becher  steckt,  und  einen  Finger  der  anderen 
Hand  in  einen  anderen  Becher,  der  von  jenem  hinreichend  entfernt  ist;  dass 
dieser  Schlag  um  so  stärker  sein  wird,  je  mehr  beide  Gefässe  von  einander 
entfernt  sind,  d.  h.,  je  mehr  Gefässe  dazwischen  sind;  und  man  wird  daher 
den  stärksten  Schlag  erhalten,  wenn  man  den  ersten  und  den  letzten  Becher 
der  Kette  berührt  Man  wird  auch  verstehen,  wie  und  warum  die  Versuche 
viel  besser  gelingen,  wenn  man  mit  der  gut  angefeuchteten  Hand  eine  ziem- 
lich grosse  Metallplatte  fest  anfasst  (damit  die  Verbindung  hinreichend  voll- 
kommen und  in  einer  grossen  Anzahl  von  Punkten  stattfindet,  und  mit 
dieser  Platte  das  Wasser  des  bestimmten  Bechers,  oder  besser  den  metal- 
lenen Bogen  berührt,  während  die  andere  Hand  in  den  anderen ,  entfernten 
Becher  getaucht  ist,  oder  man  durch  eine  ebenso  angefasste  Platte  dessen 
Bogen  berührt.  Schliesslich  wird  man  das  Ergebniss  einer  grossen  Zahl  von 
Versuchen,  die  man  mit  dieser  Tassenkrone  leichter,  anschaulicher  und  so 
zusagen  mehr  zu  den  Augen  sprechend  als  mit  der  Säule  ausfuhren  kann, 
verstehen  und  sogar  vorhersagen  können.  Ich  erspare  mir  daher  die  Be- 
schreibung einer  grossen  Zahl  leicht  zu  erfindender  Versuche,  und  erwähne 
nur  einige,  welche  nicht  weniger  belehrend  als  ergötzlich  sind. 

„Es  seien  dreimal  zwanzig  dieser  Tassen  oder  Becher  geordnet  und  mit 
einander  durch  metallene  Bogen  verkettet,  aber  in  der  Weise,  dass  in  den 
ersten  zwanzig  die  Bogen  nach  derselben  Seite  gewendet  sind,  z.  B.  die  Arme 
mit  dem  Silber  nach  links  und  die  mit  dem  Zink  nach  rechts;  in  den 
zweiten  zwanzig  aber  im  umgekehrten  Sinne,  d.  h.  das  Zink  nach  links,  das 
Silber  nach  rechts,  schliesslich  in  den  letzten  zwanzig  das  Silber  wieder  nach 
ünks,  wie  zuerst.  Nachdem  die  Sachen  so  geordnet  sind,  tauchen  Sie  einen 
Finger  in  das  Wasser  des  ersten  Bechers,  und  berühren  Sie  mit  der  in  der 
anderen  Hand  gehaltenen  Platte  in  der  beschriebenen  Weise  den  ersten 
metallenen  Bogen  (den,  welcher  den  ersten  Becher  mit  dem  zweiten  ver- 
bindet, sodann  den  zweiten  Bogen  zwischen  dem  zweiten  und  dritten  Becher, 
und   nach  einander  die  anderen  bis  zum  letzten.     Wenn   das  Wasser  wohl 


124  Sechstes  Kapitel. 


I 


gesalzen  und  warm  ist,  und  die  Haut  der  Hand  gut  befeuchtet  und  erweichtj  ' 
so  werden  Sie  eine  kleine  Erschütterung  in  den  Fingern  bereits  empfinden,  ■* 
wenn  Sie  zum  vierten  oder  fünften  Bogen  gelangt  sind  (ich  habe  sie  einige  r 
Male  ziemlich  deutlich  durch  die  Berührung  des  dritten  empfunden),  und  : 
indem  Sie  folgeweise  auf  den  sechsten,  siebenten  u.  s.  w.  übergehen,  nehmen  ■ 
die  Schläge  stufenweise  an  Stärke  zu  bis  zum  zwanzigsten  Bogen,  d.  h.  bis  '■ 
zu  dem  letzten  in  einem  Sinne  gewendeten;  gehen  Sie  aber  weiter  zum  21.,  : 
22.,  23.,  oder  ersten,  zweiten,  dritten  der  zweiten  Zwanzig,  so  werden  die  ": 
Schläge  bei  jedem  Schritt  schwächer,  und  zwar  so,  dass  sie  beim  36.  oder  ": 
37.  unmerklich  und  absolut  Null  beim  40.  werden;  ist  dieser  überschritten  • 
(und  werden  die  dritten  Zwanzig  begonnen,  die  den  zweiten  entgegengesetzt,  • 
aber  den  ersten  analog  sind),  so  werden  die  Schläge  bis  zum  44.  oder  45.  • 
unmerklich  sein;  sie  werden  von  da  ab  aber  merklich  werden  und  stufen- 
weise zunehmen  in  dem  Maasse,  wie  Sie  bis  zum  60.  vorschreiten,  wo  sie 
ebenso  stark  sein  werden,  wie  beim  20.  Bogen. 

„Wenn  nun  die  zwanzig  mittleren  Bogen  in  demselben  Sinne  gewendet 
wären,  wie  die  zwanzig  vorhergehenden  und  die  zwanzig  folgenden,  wenn 
also  alle  60  zusammenwirkten,  um  die  elektrische  Flüssigkeit  in  demselben 
Sinne  zu  treiben,  so  versteht  man,  wieviel  grösser  die  Wirkung  und  stärker 
die  Erschütterung  schliesslich  sein  würde,  und  man  versteht  im  Allgemeinen, 
wie,  und  bis  zu  welchem  Punkte  sie  abgeschwächt  werden  muss,  wenn  eine 
grössere  oder  geringere  Anzahl  dieser  Kräfte  vermöge  der  umgekehrten 
Stellung  der  Metalle  einander  entgegengesetzt  sind.  Wenn  die  Kette  irgendwo 
unterbrochen  ist,  weil  das  Wasser  in  einem  Becher  fehlt,  oder  weil  ein  me- 
tallischer Bogen  entfernt  oder  in  zwei  Stücke  getheilt  worden  ist,  so  werden 
Sie  keinen  Schlag  spüren,  wenn  Sie  einen  Finger  in  das  Wasser  des  ersten, 
den  zweiten  in  das  des  letzten  Gefässes  tauchen,  Sie  werden  ihn  aber  in 
dem  Augenblicke  haben,  stärker  oder  schwächer  je  nach  den  Umständen, 
wenn  (während  die  Finger  eingetaucht  bleiben)  die  unterbrochene  Verbin- 
dung hergestellt  wird,  wenn  etwa  eine  andere  Person  in  die  beiden  Tassen, 
wo  der  Bogen  fehlt,  zwei  ihrer  Finger  steckt  (welche  ihrerseits  auch  einen 
leichten  Schlag  erhalten  werden),  oder  besser,  wenn  man  den  entfernten 
Bogen  oder  irgend  einen  anderen  wieder  einsenkt;  oder,  wenn  man  im  Fall 
des  in  zwei  Stücke  getheilten  Bogens  diese  wieder  zu  gegenseitiger  Berührung 
bringt  (auf  diese  Art  wird  der  Schlag  stärker,  als  vorher),  oder  endlich,  wenn 
man  im  Falle  der  leeren  Tasse  Wasser  in  diese  giesst,  so  dass  es  die  beiden 
in  dieser  Tasse  befindlichen,  vorher  trockenen  Bogen  erreicht 

„Ist  die  Tassenkette  oder  -kröne  genügend  lang  und  im  Stande,  einen 
starken  Schlag  zu  geben,  so  wird  man  sogar  einen  allerdings  viel  schwächeren 
spüren,  wenn  man  beide  Finger  oder  beide  Hände  in  ein  einziges  ziemlich 
grosses  Gefäss  mit  Wasser  taucht,  in  welchem  der  erste  und  letzte  metallene 
Bogen  endigt,  vorausgesetzt,  dass  eine  oder  die  andere  der  eingetauchten 
Hände,  oder  besser  beide,  mit  diesen  Bogen  in  Berührung,  oder  ziemlich 
nahe  sind;    man  wird,   sage  ich,    einen  Schlag  fühlen,   sowie  (nachdem  die 


Die  Volta'sche  Säule.  J2C 


ettc  irgendwo  unterbrochen  war)  die  Verbindung  wieder  hergestellt  und 
sr  Kreis  auf  irgend  eine  der  erwähnten  Arten  geschlossen  wird.  Nun 
>nnte  man  überrascht  sein,  dass  in  diesem  Kreise  der  elektrische  Strom, 
wohl  er  freien  Durchgang  durch  eine  ununterbrochene  Wassermasse,  näm- 
:h  das  Wasser  des  Gefasses,  hat,  diesen  guten  Leiter  verlässt,  um  durch 
en  Körper  der  Person,  welche  ihre  Hände  in  dies  Wasser  getaucht  hält, 
11  gehen,  und  so  einen  längeren  Weg  zurückzulegen.  Aber  diese  Über- 
ischung  wird  aufhören,  wenn  man  überlegt,  dass  die  lebenden  und  warmen 
[tierischen  Stoffe  und  insbesondere  ihre  Feuchtigkeiten  im  allgemeinen  bessere 
Äter  sind,  als  das  Wasser.  Es  gewährt  daher  der  Körper  der  Person, 
reiche  die  Hände  in  das  Wasser  gesteckt  hat,  dem  elektrischen  Strome 
rinen  leichteren  Durchgang,  und  dieser  muss  ihn  vorziehen,  obwohl  er  etwas 
änger  ist.  Da  übrigens  die  elektrische  Flüssigkeit,  wenn  sie  in  Masse  unvoll- 
kommene Leiter  und  insbesondere  feuchte  Leiter  durchdringen  muss,  sich  in 
iinen  breiteren  Canal  auszubreiten,  oder  sich  in  mehrere  zu  theilen  liebt,  ja 
sogar  Umwege  geht,  wenn  sie  dort  geringeren  Widerstand  findet,  als  wenn 
sie  dem  kürzesten  Wege  folgt:  so  nimmt  in  unserem  Falle  nur  ein  Theil  des 
elektrischen  Stromes  diesen  neuen  Weg  durch  die  Person  und  entfernt  sich 
vom  Wasser,  der  andere,  grössere  oder  geringere  Theil  geht  durch  das 
Wasser  des  Gefasses.  Dies  ist  der  Grund,  weshalb  der  Schlag,  den  man 
fühlt,  viel  schwächer  ist,  als  wenn  der  elektrische  Strom  ungetheilt  bleibt, 
indem  die  Person  allein  die  Verbindung  von  einem  Bogen  zum  anderen 
bildet l 

„Lassen  wir  nun  aber  den  Zitterrochen  und  sein  natürliches  elektrisches 
Organ,  und  kehren  zu  dem  künstlichen  elektrischen  Organ  meiner  Erfindung 
zurück,  und  insbesondere  zu  dem,  welches  das  erstere  auch  in  seiner  Ge- 
stalt 'von  der  der  Becherapparat  sich  entfernt)  nachahmt,  nämlich  dem  Säulen- 
apparat Ich  hätte  einiges  über  die  Construction  des  genannten  Becher- 
oder Tassenapparates  zu  sagen,  z.  B.  dass  es  gut  ist,  die  erste  und  letzte 
Tasse  recht  gross  zu  nehmen,  um  nach  Bedarf  die  ganze  Hand  hinein- 
senken zu  können,  doch  würde  es  zu  weit  führen,  auf  alle  diese  Einzelheiten 
einzugehen. 

„Was  den  Säulenapparat  anlangt,  so  habe  ich  Mittel  gesucht,  ihn  erheb- 
lich durch  Vervielfältigung  der  metallischen  Platten  zu  verlängern,  ohne  dass 
er  umfällt;  ferner  ihn  bequem  und  tragbar  und  vor  Allem  dauerhaft  zu 
machen;  und  ich  habe  unter  anderen  Mitteln  folgende  gefunden,  welche  ich 
Ihnen  durch  die  beifolgenden  Figuren  vor  Augen  bringe.     (Fig.  47  bis  50.) 

In  der  Fig.  48,  S.  119  sind  m,m}m,m  Säulen  oder  Stäbe,  drei,  vier  oder 
mehr  an  der  Zahl,  welche  sich  vom  Fuss  der  Säule  erheben  und  wie  ein 
Käfig  die  auf  einander  gelegten  Platten  oder  Scheiben  von  beliebiger  Zahl 
und  Höhe  umfassen  und  sie  so  verhindern,  umzufallen.     Die  Stäbe  können 


1  Es  erfolgt  eine  hypothetische  Darlegung  über  die  Art,  wie  der  Zitterrochen  seine  Schläge 
rj  Stande  bringen  könnte,  die  hier  fortgelassen  ist 


126 


Sechstes  Kapitel. 


von  Glas,  Holz  oder  Metal!  sein;  nur  muss  man  im  letzteren  Falle  ver 
dem,  dass  sie  die  Platten  unmittelbar  berühren;  dies  kann  geschehen,  im 
man  die  Metallstäbe  mit  Glasröhren  umgiebt,  oder  zwischen  sie  und 
Säule  einige  Streifen  Wachstuch,  Ölpapier  oder  sogar  gewöhnliches  Pa 
oder  endlich  irgend  einen  anderen  Körper  bringt,  welcher  isolirt  oder 
schlechter  Leiter  ist:  Holz  und  Papier  sind  es  genug,  wenn  sie  nur  n 
sehr  feucht  oder  nass  sind. 

„Das  beste  Mittel  aber,  wenn  man  einen  Apparat  aus  einer  gm 
Zahl  von  Platten  bauen  will,  z.  B.  über  60,  80  oder  100,  besteht  darin, 
Säule  in  zwei  oder  drei  oder  mehrere  zu  theilen,  wie  man  in  den  Fig. 
und  50  sieht,  wo  die  Stücke  alle  ihre  Stellungen  und  Verbindungen  ha 
als  wenn  es  eine  einzelne  Säule  wäre.  Man  kann  in  der  Tliat  die  Fig. 
und   50  als  eine  umgebogene  Säule  ansehen. 

„In  allen  Figuren  sind  die 
schiedenen  metallenen  Platten  mit 
Buchstaben  A  und  Z  bezeichnet 
dies  die  Anfangsbuchstaben  von  an 
C  sind;,  und  die  zwischenge 
ten  feuchten  Platten  [von  Pappe,  L 
u.  s.  W.)  sind  schwarz  gemalt. 

„Die  punktirten  Linien  geben 
Verbindung  der  Metalle  mit  einai 
in  jedem  Paar,  ihre  w 
seisei tige  Berührung 
irgend  einer  Zahl 
Punktenan;  diesistglt 
gültig,  auch  könner 
-.  xr   .   ,,„.,,  verlöthet    sein,    was 

r  lg.   50.      Nach   VOI.TAi 

mancher  Hinsicht  gui 
cc,  cc,  cc  sind  die  Metall  platten,  welche  eine  Säule,  oder  einen  Säulen 
mit  dem  anderen  verbinden,  und  b,  b,  b,  b,  b  sind  Gefässe  mit  Wasser, 
mit  den  Füssen  oder  Enden  der  Säulen  in  Verbindung  stehen. 

„Der  so  aufgebaute  Apparat  ist  recht  bequem,  nicht  gross,  und 
könnte  ihn  noch  leichter  und  sicherer  mit  Hülfe  einiger  Röhren  oder  Hü! 
in  welche  man  jede  Säule  einschliesst  und  verwahrt,  tragbar  machen. 
ist  nur  schade,  dass  er  nicht  lange  in  gutem  Zustande  bleibt;  die  feuc 
Platten  trocknen  nach  ein  bis  zwei  Tagen  aus,  so  dass  man  sie  von  ne 
befeuchten  muss;  man  kann  dies  indessen  ausführen,  ohne  den  Apparat 
einander  zu  nehmen,  indem  man  die  ganzen  Säulen  in  Wasser  taucht 
(nach  dem  Herausnehmen  über  eine  kleine  Weile»  sie  äusserlich  mit  L« 
wand  oder  sonstwie,  so  gut  man  kann,  abtrocknet 

„Das  beste  Verfahren,  um  ein  so  dauerhaftes  Instrument  zu  erha 
als  man  es  nur  wünschen  kann,  wäre,  das  Wasser  in  jedem  Paar  ei 
schliessen   und  zurückzuhalten,    und   die  Platten   an  ihrer  Stelle  zu  erha 


Die  Volta'sche  Säule. 


127 


[cm  man  sie  mit  Wachs  oder  Pech  umgiebt;  die  Sache  ist  aber  ein  wenig 
iwierig  auszuführen,  und  man  braucht  viel  Geduld  dazu.  Sie  ist  mir  in- 
sen  gelungen,  und  ich  habe  auf  diese  Weise  zwei  Cylinder  von  zwanzig 
aren  hergestellt,  welche  jetzt,  nach  zwei  Wochen,  noch  sehr  gute  Dienste 
$ten,  und  es,  wie  ich  hoffe,  auch  nach  Monaten  thun  werden. 

„Man  hat  die  Bequemlichkeit,  diese  Cylinder  bei  den  Versuchen  nicht 
r  aufrecht,  sondern  nach  Belieben  geneigt,  liegend,  selbst  in  Wasser  ge- 
lcht,  so  dass  ihre  Spitze  allein  hervorragt,  anwenden  zu  können;  sie  könnten 
ch  völlig  untergetaucht  Schläge  geben,  wenn  sie  eine  grössere  Zahl  von 
itten  enthielten,  oder  wenn  mehrere  solcher  Cylinder  mit  einander  vereinigt 
iren ;  wäre  noch  irgend  eine  Unterbrechung  vorgesehen,  welche  man  nach  Be- 
ben entfernen  könnte  u.  s.  w.,  so  würden  sie  ziemlich  gut  einen  Zitteraal  vor- 
llen;  um  einem  solchen  auch  im  Äusseren  ähnlicher  zu  sein,  könnten  sie  durch 
jgsame  Metalldrähte  oder  Spiralfedern  verbunden  werden,  mit  einer  Haut 
erzogen  und  mit  einem  wohlgeformten  Kopf  und  Schwanz  versehen  sein 
s.  w. 

„Die  von  unseren  Organen  empfundenen  Wirkungen,  welche  ein  Apparat 
s  40  bis  50  Plattenpaaren  (oder  auch  ein  kleinerer,  wenn  die  Metalle  Silber 
er  Kupfer  und  Zink  sind),  beschränken  sich  nicht  auf  die  Schläge  allein: 
r  Strom  der  elektrischen  Flüssigkeit  erregt,  wenn  er  von  einer  solchen 
hl  und  Art  verschiedener  Leiter,  Silber,  Zink  und  Wasser,  die  in  der  be- 
triebenen Weise  abwechselnd  geschichtet  sind,  in  Bewegung  gesetzt  und 
trieben  wird,  nicht  nur  Zusammenziehungen  und  Krämpfe  in  den  Muskeln, 
ehr  oder  weniger  heftige  Convulsionen  der  Glieder,  welche  er  in  seinem 
lufe  durchströmt,  sondern  er  erregt  auch  die  Organe  des  Geschmacks,  des 
nichts,  des  Gehörs  und  des  eigentlichen  Gefiihlssinnes,  und  bringt  hier  die 
dem  eigenen  Empfindungen  hervor. 

„Was  zunächst  den  Gefuhlssinn  anlangt:  wenn  ich  durch  eine  reichliche 
?riihrung  der  (gut  befeuchteten)  Hand,  mit  einer  Metallplatte  oder  besser 
irch  tiefes  Eintauchen  der  Hand  in  das  Wasser  des  Gefässes  einerseits  eine 
jte  Verbindung  mit  einem  Ende  meines  elektromotorischen  Instrumentes 
lan  muss  Instrumenten,  die  nicht  nur  der  Form  nach,  sondern  auch  nach 
ren  Wirkungen  oder  nach  den  Prinzipien,  von  denen  sie  abhängen,  neu 
nd,  auch  neue  Namen  geben)  herstelle,  und  ich  bringe  das  andere  Ende 
1  die  Stirn,  das  Augenlid,  die  Nasenspitze,  die  gleichfalls  befeuchtet  sind, 
der  an  irgend  eine  andere  Stelle  des  Körpers,  wo  die  Haut  dünn  genug 
t;  wenn  ich,  sage  ich,  einen  dieser  empfindlichen  Körpertheile  gut  befeuchtet 
nter  etwas  Druck  mit  der  Seite  eines  Drahtes  berühre,  welcher  mit  dem 
ideren  Ende  des  genannten  Apparates  passend  verbunden  ist,  so  fühle  ich 
dem  Augenblicke,  wo  der  leitende  Kreis  geschlossen  wird,  an  der  be- 
ihrten  Stelle  der  Haut  und  etwas  darüber  hinaus  einen  Schlag  und  einen 
rieh,  welche  schnell  vorübergehen  und  sich  so  oft  wieder  einstellen,  als  man 
m  Kreis  öffnet  und  schliesst;  so  dass,  wenn  diese  Unterbrechungen  oft  er- 
igen, sie  ein  sehr  unangenehmes  Schütteln  und  Prickeln  verursachen.    Wenn 


128  Sechstes  Kapitel. 


aber  die  Verbindung  ohne  diesen  Wechsel,  ohne  die  mindeste  Unterbrechung 
bestehen  bleibt ,  so  fühle  ich  während  einiger  Augenblicke  nichts  mehr, 
worauf  alsdann  an  der  mit  dem  Ende  des  Metalldrahtes  berührten  Stelle 
sich  eine  andere  Empfindung  geltend  macht,  welche  ein  scharfer  Schmerz 
(ohne  Stoss)  ist,  der  sich  genau  auf  die  Berührungsstelle  beschränkt,  ein  Brennen, 
welches  nicht  nur  andauert,  sondern  immer  stärker  wird,  bis  es  nach  kurzer 
Zeit  unerträglich  wird,  und  welches  nicht  aufhört,  bevor  man  den  Kreis 
unterbricht. 

„Welchen  augenscheinlicheren  Beweis  für  die  Fortdauer  des  elektrischen 
Stromes  während  der  ganzen  Zeit,  dass  die  Verbindungen  zwischen  den. 
Körpern,  die  den  Kreis  bilden,  bestehen  bleiben,  kann  es  geben?  und  dass 
erst  beim  Unterbrechen  desselben  ein  solcher  Strom  aufgehoben  wird?  Dieses 
endlose  Kreisen  der  elektrischen  Flüssigkeit  (dieses  perpetum  mobile)  kann 
paradox,  ja  unerklärlich  erscheinen,  es  ist  aber  nichtsdestoweniger  wahr  und 
wirklich,  man  fasst  es  sozusagen  mit  der  Hand.  Ein  anderer  evidenter  Be- 
weis kann  gleichfalls  daraus  gezogen  werden,  dass  man  bei  derartigen  Ver- 
suchen oft  in  dem  Augenblicke,  wo  man  den  Kreis  plötzlich  unterbricht, 
gleichfalls  einen  Schlag,  einen  Stich,  eine  Erschütterung  verspürt,  ganz  wie 
im  Augenblicke,  wo  der  Kreis  geschlossen  wird;  mit  dem  einzigen  Unter- 
schiede, dass  diese  durch  eine  Art  von  Rückfluss  der  elektrischen  Flüssigkeit 
oder  durch  den  Stoss  vermöge  der  plötzlichen  Aufhebung  ihres  Stromes 
hervorgerufenen  Empfindungen  schwächer  sind.  Jch  habe  aber  nicht  nöthig, 
und  es  ist  hier  nicht  der  Ort,  Beweise  für  ein  derartiges  endloses  Kreisen 
der  elektrischen  Flüssigkeit  in  einem  Kreise  von  Leitern  anzuführen,  unter 
denen  es  welche  giebt,  die  gemäss  ihrer  verschiedenen  Natur  durch  ihre 
gegenseitige  Berührung  das  Amt  der  Erreger  oder  Motoren  ausüben:  dieser 
Satz,  welchen  ich  seit  meinen  ersten  Untersuchungen  und  Entdeckungen  im 
Gebiete  des  Galvanismus  stets  behauptet  habe,  wird,  wie  ich  hoffe,  keine 
Widersacher  mehr  finden."  ... 

Der  übrige  Theil  des  Briefes  beschäftigt  sich  mit  der  Wirkung  der 
Säule  auf  die  verschiedenen  Sinnesorgane,  und  kann  daher  an  dieser  Stelle 
fortbleiben. 

3.  Rückblick.  Wenn  wir  die  überaus  breite  Darstellung,  in  welcher 
sich  Volta  bei  dieser  Mittheilung  noch  mehr  als  sonst  gefallt,  in's  Enge 
ziehen,  so  ergiebt  sich  eine  ganze  Anzahl  wesentlicher  und  wichtiger  Fort- 
schritte, die  besonders  bezeichnet  werden  müssen.  Zunächst  ist  von  Volta 
erkannt  worden,  dass  durch  seine  Anordnung  eine  stufenweise  Summa tion 
der  elektrischen  Wirkungsfähigkeit  oder  Spannung,  die  ein  einzelnes  Element 
aus  zwei  Metallen  und  einem  feuchten  Leiter  hervorbringt,  erreicht  wird. 
Wenn  er  als  Messhilfsmittel  auch  nur  die  Stärke  der  Erschütterungen  zur 
Verfügung  hat,  so  darf  doch  der  Nachweis  dieser  fundamentalen  Erscheinung 
als  erbracht  angesehen  werden.  Ebenso  hat  er  bewiesen,  dass  die  Um- 
kehrung der  Anordnung  eines  Elements  eine  entsprechende  Verminderung 


Die  Volta'sche  Säule. 


129 


der  Gesammtspannung  zur  Folge  hat,   so  dass   man  die  Spannungen  wie 
algebraische  positive  und  negative  Grössen1  behandeln  kann. 

Weiter  sind  Volta  die  Verhältnisse  der  Leitfähigkeit  zwischen  Metallen 
und  Leitern  zweiter  Ciasse,  ferner  der  Einfluss  des  Salzgehaltes  und  der 
Temperatur  auf  letztere  klar  geworden.  Ferner  finden  sich  die  ersten  An- 
deutungen seines  späteren  Gesetzes  der  Spannnungsreihe,  indem  er  die  Ein- 
flusslosigkeit  der  zwischenliegenden  Metalle  in  einer  zusammengesetzten  Kette 
'S.  122)  erkannt  hat.  Endlich  sind  S.  125  sogar  einige  Vorahnungen  des 
OüM'schen  Gesetzes  sichtbar,  nach  welchem  sich  der  Strom  gemäss  der  Leit- 
fähigkeit zwischen  gleichlaufenden  Leitern  vertheilt. 

Dem  gegenüber   ist  allerdings  auch  zu  betonen,   dass  Volta  in  seiner 
Säule  ein  wahres  perpetuum  mobile  gefunden  zu  haben  glaubt,  wie  er  dies 
nicht  nur  hier  (S.  128;,  sondern  auch  wiederholt  in  der  Folge  ausspricht. 
Das  allmähliche  Aufhören  der  Wirksamkeit  schreibt  er  ausschliesslich  dem 
Austrocknen   der  feuchten  Platten  zu,    und  glaubt  einen  Apparat  von  be- 
liebiger Dauer  erlangen   zu  können,  wenn   er  dieses  verhindert.     Die  recht 
auffälligen  Oxydationsvorgänge  an  den  Platten  hat  er  ausser  Acht  gelassen, 
ja  aus  den  Versuchen,   über  die  er  S.  124  berichtet,  geht  hervor,  dass  er 
von  beiden  Enden  seiner  Säule  Drähte  in  dieselbe  Wassermasse  gebracht 
hat,  so  dass  nothwendig  Elektrolyse  und  Gasentwicklung  eintreten 
musste,   ohne  dass  er,   der  sonst  mit  grösster  Sorgfalt  jede  einzelne  Er- 
scheinung erwähnt  und  beschreibt,  auch  nur  eine  Andeutung  macht,   dass 
er  derartiges  gesehen  hat,  wie  er  dann  in  seiner  ganzen  Mittheilung  von  et- 
waigen   chemischen   Vorgängen,    die    er  gesehen    haben    könnte,    nicht  die 
leiseste  Andeutung  giebt.     Selbst  ein  so  begeisterter  Verehrer  Volta's,  wie 
Ritter,    fasst   dies  auffällige  Verhalten  als  absichlich  auf;   und    in  der  That 
findet  sich   auch  in  den  ferneren  Veröffentlichungen  Volta's  kein  Versuch, 
die  alsbald  in  mannigfaltigster  Weise  beobachteten   und  beschriebenen  che- 
mischen Vorgänge    zwischen    den  Enddrähten  der  Säulen,    sowie    in    ihrem 
Inneren   zu   berücksichtigen.     Er  hatte  seine  Theorie  von    der  Berührungs- 
clektricität    der  Metalle  fertig  ausgebildet,    bevor  ihm  die  chemischen  Vor- 
gänge   in    zwingender    und    nicht   zu    übersehender  Weise    entgegengetreten 
waren,  und  in  dieser  Theorie  war  für  die  chemischen  Vorgänge  kein  Platz. 
Diese  verhängnissvolle  Übereilung  hat  ihre  Folgen  bis  auf  den  heutigen  Tag 
tühlbar  gemacht. 

4.  Die  galvanische  Zerlegung  des  Wassers.  Bevor  noch  der  Brief 
Vulta's  an  Banks  in  den  Philosophical  Transactions  veröffentlicht  worden 
.var,  hatte  sich  die  Kenntniss  seines  Inhaltes  unter  den  Londoner  Physikern 
verbreitet.  Nicholson  schreibt  in  einem  Bericht2  über  Volta's  Apparat: 
..Seit  zwei  Monaten  beschäftigen  diese  Entdeckungen  unsere  Physiker,  unter 
denen  sie  die  grösste  Aufmerksamkeit  erregt  haben;  doch  hielt  ich  es  nicht 

1   Ich  möchte  vorschlagen,  Grössen  solcher  Art  Polaren  zu  nennen. 
s  Nicholsons  Journ.  of  nat.  philos.  4,  179.  1800. 

Ostwald,   Elektrochemie.  (J 


130  Sechstes  Kapitel. 


für  schicklich,  eher  von  ihnen  zu  reden,  als  Volta's  Briefe  in  der  Societät 
vorgelesen  wurden.  Banks  hatte  sie  indessen  schon  früher  meinem  Freunde 
Antony  Carlisle  Esq.  mitgetheilt,  der  sie  mit  mir  durchlas,  und  sich  sogleich 
nach  Volta's  Angaben  einen  Apparat  verfertigte." 

Nicholson  giebt  nun  einen  kurzen  Auszug  aus  Volta's  Brief;  er  beschreibt 
alsdann,  wie  Carlisle  die  Säule  gebaut  hat,  schildert  die  Versuche,  durch 
welche  beide  sich  überzeugten,  dass  die  Enden  der  Säule  wirklich  elektrisch 
waren,  und  fährt  dann  fort:1 

„Bald  nach  dem  Anfang  dieser  Versuche  bemerkte  Carlisle,  dass,  als 
ein  Tropfen  Wasser  auf  die  obere  Platte  gebracht  worden  war,  um  die  Be- 
rührung gewisser  zu  machen,  um  den  berührenden  Draht  herum  Gas  entbunden 
wurde,  welches,  so  wenig  dessen  auch  war,  mir  doch  wie  Wasserstoffgas  zu 
riechen  schien,  wenn  der  verbindende  Draht  von  Stahl  war.  Dies  und 
andere  Thatsachen  bewogen  uns  am  2.  Mai,  den  galvanischen  oder  elek- 
trischen Strom  durch  zwei  Messingdrähte  zu  fuhren,  welche  sich  in  einer 
mit  Korkstöpseln  verschlossenen,  lj%  Zoll  weiten  Röhre  voll  frischen  Fluss- 
wassers, i3/4  Zoll  von  einander  endigten.  Der  eine  Draht  dieses  Ausladers 
wurde  mit  der  oberen,  der  andere  mit  der  unteren  Platte  einer  aus  36  halben 
Kronenstücken  und  ebensoviel  Zink-  und  Pappscheiben  zusammengesetzten 
Säule  in  Berührung  gesetzt.  Sogleich  erhob  sich  in  der  Röhre  aus  der 
Spitze  des  unteren  mit  dem  Silber  verbundenen  Drahtes  ein  feiner  Strom 
kleiner  Luftblasen,  und  die  darüber  stehende  Spitze  des  anderen  Drahtes 
begann  anzulaufen.  .  .  .  Das  ganze,  während  dritthalb  Stunden  entbundene 
Gas  betrug  2/30  eines  Kubikzolls.  Gemischt  mit  einer  gleichen  Menge  at- 
mosphärischer Luft,  explodirte  es  bei  der  Annäherung  eines  brennenden 
Wachsstockes. 

„Gleich  beim  ersten  Erscheinen  des  Wasserstoffgases  hatten  wir  eine 
Zersetzung  des  Wassers  in  diesem  Versuche  erwartet;  dass  sich  aber  der 
Wasserstoff  nur  an  dem  Ende  des  einen  Drahtes  entwickelt,  während  sich 
der  Sauerstoff  mit  dem  anderen  verband,  der  beinahe  2  Zoll  von  jenem  ab- 
stand, überraschte  uns  nicht  wenig.  Diese  neue  Erscheinung  ist  uns  noch 
unerklärbar,  und  scheint  auf  irgend  ein  allgemeines  Gesetz  der  Wirkungs- 
weise der  Elektricität  bei  chemischen  Vorgängen  hinzuweisen. 

„Um  zu  bestimmen,  ob  diese  Erscheinung  auch  bei  einer  grösseren 
Entfernung  beider  Drahtspitzen  eintreten  würde,  nahmen  wir  eine  Röhre  von 
3/4  Zoll  Durchmesser  und  36  Zoll  Länge;  hier  blieb  die  Wirkung  aus,  ob- 
gleich dieselben  Drahtstücke,  in  eine  kürzere  Röhre  eingesetzt,  sehr  heftig 
wirkten.  Nach  dem  Resultat  mehrerer  Versuche  scheint  es  uns,  dass  die 
Zersetzung  desto  stärker  vor  sich  geht,  je  näher  sich  die  beiden  Drahtenden 
sind;  dass  sie  aber  ganz  aufhört,  wenn  sie  sich  berühren. 

„Den  6.  Mai  wiederholte  Carlisle  den  Versuch  mit  kupfernen  Drähten 
und  Lackmustinctur.     Der  mit  der  Zinkplatte  verbundene,  sich  oxydirende 


1  Gilbert's  Ann.  6,  340.   1800. 


Die  Volta'sche  Säule.  131 

untere  Draht  färbte  in  ungefähr  10  Minuten  die  Lackmustinctur,   soweit  er 
reichte,  roth,  indess  das  Übrige  blau  blieb.  .  . . 

„.  .  .  Es  sei  hier  im  Allgemeinen  bemerkt,  . . .  dass  der  Prozess  der 
Wasserzersetzung  auch  zwischen  jedem  Paar  Platten  . .  .  vor  sich  geht,  wobei 
das  Zink  auf  der  nassen  Oberfläche  oxydirt  und  zugleich  Wasserstoffgas  ent- 
bunden wird;  dass  ferner  hierdurch  das  Kochsalz  zersetzt  wird  und  das 
Natrum  desselben  (das  vermuthlich  vom  Wasserstoff  ausgetrieben  wird)  rings 
um  die  Kanten  der  Säule  efflorescirt.  . .  . 

„.  .  .  .  Unter  Anderem  versuchte  ich  das  Verhalten  solcher  Metalle,  welche 
sich  schwer  oxydiren  lassen.  Ich  befestigte  nämlich  zwei  Platindrähte  .  .  . 
in  eine  kurze  Röhre  von  }/4  Zoll  innerem  Durchmesser.  Als  dieser  Con- 
ductor  mit  der  Säule  in  Verbindung  gesetzt  wurde,  gab  der  mit  dem  Silber 
verbundene  Draht  einen  sehr  reichlichen  Strom  feiner  Luftbläschen,  und  auch 
aus  dem  mit  dem  Zink  verbundenen  Draht  strömte  ein  Luftstrom,  doch 
minder  stark,  hervor.  ...  Es  war  natürlich,  zu  vermuthen,  dass  der  von 
der  Silberseite  herkommende  grössere  Strom  Wasserstoffgas,  der  kleinere,  von 
der  Zinkseite  herströmende  Sauerstoflgas  sei." 

Ein  quantitativer  Versuch  gab  kein  genügendes  Resultat;  das  Vorhanden- 
sein von  Sauerstoff  wurde  indessen  ausreichend  erwiesen. 

Es  ist  sehr  interessant  zu  sehen,  wie  die  von  Volta,  wie  es  scheint,  ab- 
sichtlich gemiedenen  chemischen  Erscheinungen  der  Säule  das  erste  sind, 
was  sich  den  anderen  Forschern  alsbald  aufdrängt,  sobald  sie  nur  den  Ap- 
parat in  die  Hand  genommen  haben,  und  wie  sich  daraus  eine  Anzahl  wich- 
tiger Entdeckungen  fast  ohne  ihr  Zuthun  entwickeln.  Neben  der  fundamen- 
talen Thatsache  der  Zerlegung  selbst  ergab  sich  bereits  die  merkwürdige 
Erscheinung,  dass  die  Zersetzungsproducte  gleichzeitig  an  verschiedenen 
Stellen  auftreten,  ohne  dass  abzusehen  ist,  wie  z.  B.  der  Sauerstoff  des 
Wassers,  dessen  Wasserstoff  an  dem  einen  Drahte  entweicht,  es  macht,  um 
unsichtbar  bis  zu  dem  anderen,  mehr  oder  weniger  weit  abstehenden  Draht 
zu  gelangen,  um  erst  dort  seinerseits  Gasgestalt  anzunehmen.  An  der  Be- 
antwortung dieser  Frage  hat  seither  die  Wissenschaft  unausgesetzt  gearbeitet, 
und  es  hat  langer  Zeit  und  mühsamer  Arbeit  bedurft,  um  das  Problem  be- 
friedigend zu  lösen. 

Eine  fernere  wichtige  Thatsache  ist  der  Nachweis  der  Bildung  von 
Saure  und  Alkali.  Auch  hieran  knüpft  sich  eine  wichtige  Entwicklung,  denn 
in  den  Händen  von  Berzelius  wird  diese  Beobachtung  der  Ausgangspunkt 
für  eine  der  einflussreichsten  chemischen  Theorieen.  Endlich  ist  die  Auf- 
merksamkeit darauf  zu  lenken,  dass  Nicholson  und  Carlisle  auch  die  che- 
mischen Vorgänge,  die  in  der  Kette  selbst  während  ihrer  Thätigkeit  erfolgen, 
beobachtet  haben.  Hier  tritt  die  erste  der  vielen  Thatsachen  auf,  welche 
gegen  die  von  Volta  aufgestellte  Ansicht  über  die  Ursache  der  elektrischen 
Vorgänge  in  der  Säule  sprechen. 

Die    Summe   der  in  der  kurzen  Mittheilung   enthaltenen    neuen   That- 


132 


Sechstes  Kapitel. 


sachen  ist  somit  ungewöhnlich  gross.     Sehen  wir,   wie  sich  die  Forschung 
mit  ihnen  abzufinden  sucht! 

5.  Volta  über  die  chemischen  Wirkungen  der  Säule.  Die  Nach- 
richt von  der  Zersetzung  des  Wassers  durch  die  Säule  kam  Volta  durch 
einen  Brief  von  Landriani  zu,  der  ihm  unter  dem  7.  August  1800  die  Er- 
scheinungen beschrieb,  welche  er  bei  der  Wiederholung  der  Versuche  von 
Nicholson  und  Carlisle  erhalten  hatte.  Die  Figur  51  giebt  den  von  ihm 
gebrauchten    Apparat   wieder.     In  der   Nachricht  ist  bemerkenswerth,    dass 

Landriani  bereits  die  Be- 
stimmung der  Menge  des 
zersetzten  Wassers  be- 
nutzen wollte,  um  einen 
etwaigen  Einfluss  der  be- 
nutzten Leitungsdrähte  zu 
ermitteln,  indem  er  das 
entwickelte  Wasserstoffgas 
zu  messen  vorschlug;  auch 
die  grössere  oder  geringere 
Wirksamkeit  der  verschie- 
denen Metalle  sollte  auf 
diese  Weise  bestimmt 
werden. 

Auf  diesen  Brief  ant- 
wortete Volta  aus  Como, 
am  22.  September  1800 
in  einem  seltsamen  Schrei- 
ben. In  gewohnter  Um- 
ständlichkeit spricht  er  dem 
Freunde  seinen  Dank  aus,  und  erwähnt,  dass  ihm  bereits  die  Versuche  von 
Nicholson  und  Carlisle,  sowie  deren  Wiederholung  in  Wien  und  Paris  be- 
kannt seien.  „Auch  theile  ich  Ihnen  mit,  dass  die  fragliche  Erscheinung  der 
Calcination  der  Metalle  durch  Wasser  und  die  Zersetzung  des  letzteren 
durch  die  Kraft  des  bewegten  elektrischen  Stromes,  welcher  durch  meinen 
Apparat  in  ewigem  Kreislauf  erhalten  wird,  mir  nicht  völlig  neu  sind.  Meine 
eigenen  Versuche  haben  mir  einiges  Ähnliche,  um  nicht  zu  sagen,  dasselbe 
Resultat  gezeigt,  und  ich  war  nicht  weit  von  dieser  Entdeckung  Nicholson^ 
entfernt,  oder  hätte  doch  wenigstens  leicht  zu  ihr  geführt  werden  können. 
Denn  ich  habe  bereits  bei  dem  ersten  Versuche  mit  diesem  von  mir  er- 
fundenen Apparate,  insbesondere  an  der  Tassenkrone  bemerkt,  dass  der  be- 
wegte elektrische  Strom  in  besagtem  Apparate  in  ganz  besonderer  Weise  die 
Calcination  der  verschiedenen  metallischen  Platten  an  den  Theilen  veranlasste 
und  beförderte,  welche  sich  im  Wasser,  ob  dieses  rein  oder  mit  Salz  ver- 
setzt war,  befanden,  und  zwar  am  meisten  die  der  Zinkplatten."  .  .  . 

Volta  geht  dann  auf  die  noch  viel  auffälligeren  Oxydationserscheinungen 


!r/////////^/////^^^^ 


Fig.  51.     Nach  Landriani. 


Die  Volta'sche  Säule. 


133 


ein,  welche  Dräthe,  die  mit  den  Enden  der  Säule  verbunden  sind,  beim  Ein- 
senken in  Wasser  zeigen. 

„Eine  derartige  baldige  und  schnelle  Calcination  der  Metalle  in  kaltem 
gewöhnlichem  Wasser,  ist  allerdings  sehr  merkwürdig.  Aber  noch  wunder- 
barer ist,  dass  auf  gleiche  Weise,  mit  gleicher  Schnelligkeit  und  augenschein- 
lich nicht  nur  Zink,  Zinn,  Eisen,  Kupfer  und  die  anderen  unedlen  Metalle 
sich  calciniren,  deren  Calcination,  wie  ich  bemerkt  habe,  ausserordentlich 
durch  die  elektrische  Wirkung  meines  Apparates,  durch  den  von  ihm  ange- 
regten und  unterhaltenen  beständigen  Strom  dieses  Fluidums  befördert  wird, 
sondern  auch  die  edlen  Metalle,  Silber,  Gold  und  Platin1:  was  ich  nicht 
geglaubt  hatte,  und  worin  die  Hauptsache  der  Entdeckung  besteht.  Und 
wie  mögen  die  besagten  Metalle,  von  denen  das  erste  nur  von  Scheide- 
wasser oder  Salpetersäure  gelöst  und  calcinirt  wird,  die  anderen  beiden  nur 
von  Königswasser  (Salpeter- Salzsäure)  oder  von  oxygenirt  salzsaurem  Gas 
[Chlor],  und  die  im  übrigen  der  Calcination  widerstehen,  so  dass  sie  unverändert 
und  unverletzt  aus  der  grössten  Hitze  und  dem  heftigsten  Feuer  in  Berüh- 
rung mit  der  Luft,  selbst  der  reinsten,  oder  dem  Sauerstoff*  kommen;  wie 
mögen  diese  vollkommenen  Metalle  dazu  gelangen,  eine  so  schnelle  und 
leichte,  dem  Auge  sichtbare  Calcination  in  gewöhnlichem  kaltem  Wasser  zu 
erfahren?  Welches  neue  wunderbare  chemische  Agens!  und  wie  wirksam  ist 
das  elektrische  Fluidum,  welches  sich  ohne  grosse  Gewalt,  ganz  zart,  durch 
die  Dräthe  von  Gold,  Silber  oder  anderen  Metallen  und  eine  kleine  Schicht 
von  Wasser  zieht,  die  sich  zwischen  ihnen  befindet,  und,  wie  die  besprochenen 
Versuche  ergaben,  dieses  Wasser  zersetzt,  das  brennbare  Radikal  in  Gasge- 
stalt entwickelt,  und  den  Sauerstoff  auf  die  fraglichen  Metalle  zieht,  und  mit 
ihnen  verbindet  oder  sie  oxydirt." 

In  diesem  Tone  geht  es  weiter;  der  ganze  Brief  ist  nichts,  als  ein  viel- 
fältig variirter  Ausdruck  des  Erstaunens  über  die  neuen  Thatsachen.  Es 
geht  daraus  hervor,  wie  weit  Volta  davon  entfernt  war,  Derartiges  zu  er- 
warten, und  wie  wenig  in  das  Bild,  welches  er  sich  von  der  Natur  der  von 
ihm  entdeckten  und  mit  so  grossem  Erfolge  bearbeiteten  Erscheinungen 
machte,  die  neuen  Thatsachen  passen  wollten.  Auch  späterhin  hat  Volta 
beide  Gebiete  nicht  zu  vereinigen  gewusst  und  hat  wiederholt  betont,  dass 
die  chemischen  Vorgänge  in  der  Säule  nur  nebensächliche  Bedeutung  haben. 

6.  Volta's  Spannungsgesetz.  Blieb  es  somit  Volta  versagt,  seinen 
Ideenkreis  so  weit  auszudehnen,  um  auch  den  chemischen  Erscheinungen 
seiner  Säule  den  angemessenen  Raum  darin  anzuweisen,  so  verdankt  die 
Wissenschaft  doch  seinem  auf  das  physikalische  Gebiet  gerichteten  Scharf- 
sinn noch  eine  wesentliche  Entdeckung,  indem  es  ihm  gelang,  die  von  ihm 
gefundene  Spannungsreihe  der  Metalle  zu  dem  Ausdrucke  des  Span- 
nungsgesetzes zu  entwickeln.  Die  ersten  Schritte  zu  diesem  Ziele  finden 
sich   bereits   in    seinen   früheren    Arbeiten    angedeutet;    die   vollendete    Ent- 


1  Letzteres  ist  ein  Irrthnm  Volta's. 


1 34  Sechstes  Kapitel. 


deckung  wurde  in  einer  Vorlesung  mitgetheilt,  welche  Volta  auf  die  Auf- 
forderung der  Pariser  Akademie  im  „Institut"  am  30.  Brumaire,  an  X  (2 1 .  No- 
vember 1801)  in  Gegenwart  des  Consuls  Bonaparte  hielt.  Dieser  war  in 
hohem  Maasse  von  Volta's  Entdeckung  gefesselt;  er  veranlasste  die  Über- 
reichung einer  goldenen  Medaille  an  Volta  und  stiftete  zur  Förderung  der 
Forschungen  auf  diesem  Gebiete  zwei  Preise,  einen  grossen  fiinfjährlichen, 
und  einen  kleinen  jährlichen.  Auch  in  der  Folge  hat  Napoleon  Bonaparte 
wiederholt  sein  Interesse  an  der  Entwickelung  dieses  Gebietes  der  Wissen- 
schaft gezeigt  und  bethätigt;  es  hat  ihn  dies  freilich  nicht  gehindert,  den 
ihm  von  Sömmering  vorgelegten  Plan  eines  elektrischen  Telegraphen  mit  den 
wegwerfenden  Worten  zu  kritisiren:  „Cest  une  id£e  germanique."  Er  hat 
wahrer  gesprochen,  als  er  glaubte! 

Die  Richtung  der  Arbeiten  Volta's  nach  der  Entdeckung  seiner  Säule 
ist  durch  die  Aufgabe  bestimmt,  die  Identität  des  „galvanischen  Fluidums" 
mit  dem  elektrischen  nachzuweisen.  An  die  Stelle  des  noch  in  der  oben 
mitgetheilten  ersten  Schrift  im  Vordergrunde  stehenden  physiologischen  Hilfs- 
mittels, der  Stärke  des  Schlages,  benutzt  Volta  nun  ausschliesslich  das 
Elektrometer,  dessen  mangelnde  Empfindlichkeit  er  durch  Anwendung  des 
Condensators  auszugleichen  sucht.  Und  auf  diesem  Wege  findet  er  auch 
alsbald  das  quantitative  Gesetz,  welches  seinen  Namen  trägt. 

Dem  erwähnten  Vortrage  im  Institut  ging  ein  Brief  an  Delam£therie  l 
voraus,  welcher  einen  Theil  der  in  dem  Vortrage  gegebenen  Resultate  ent- 
hält, doch  unvollständiger  ist,  als  jener. 

Die  letztere  Arbeit  stellt  das  wissenschaftliche  Glaubensbekenntniss 
Volta's  dar;  er  hat  die  hier  ausgesprochenen  Ansichten  nicht  geändert, 
und  sie  sind  für  den  grössten  Theil  der  Physiker,  die  über  diesen  Gegen- 
stand gearbeitet  haben,  maassgebend  gewesen.  Es  wird  daher  gerechtfertigt 
sein,  den  Text  dieses  wichtigen  Documents  in  wesentlich  unverkürzter  Form 
hier  wiederzugeben. 

„I.  Die  Haupteinwürfe  gegen  die  Identität  des  galvanischen  Fluidums, 
welche  denen,  die  in  der  Lehre  von  der  Elektricität,  insbesondere  in  der 
Elektrometrie  fremd  sind,  allerdings  bedenklich  scheinen  müssen,  werden 
von  Folgendem  hergenommen:  a)  Von  dem  gänzlichen  Mangel  einiger  und 
der  Geringfügigkeit  anderer  Symptome  der  Elektricität,  indess  die  Schläge 
und  Sensationen,  die  durch  den  Contact  verschiedener  Metalle  (Zink  und 
Silber)  und  besonders  durch  Vereinigung  mehrerer  solcher  Metallplatten 
mittelst  feuchter  Leiter  hervorgebracht  werden,  sehr  empfindlich  und  schmerz- 
haft sind,  b)  Von  dem  Unvermögen  verschiedener  Stoffe,  die  man  für  treff- 
liche Leiter  hält,  z.  B.  verdünnte  Luft,  die  Flamme  u.  s.  w.,  die  Action  der 
einfachen  oder  zusammengesetzten  galvanischen  Kette  durch  sich  hindurch 
zu  lassen,  c)  Von  der  bewundernswürdigen  Zersetzung  des  Wassers  in 
meinem  Apparate,  welche  man  einer  so  schwachen  Elektricität,  die  selbst 


1  Volta,  Operc.  II,  2,  S.  153. 


Die  Volta'sche  Säule.  j  ^  c 


für  das  empfindlichste  Elektrometer  unmerklich  ist,  zuzuschreiben  ansteht, 
da  die  stärksten  Entladungen  der  mächtigsten  Elektrisirmaschinen  und  die 
schnellsten,  nach  so  lange  fortgesetzten  elektrischen  Strömungen  sie  nicht 
zu  bewerkstelligen  vermögen. 

IL  Um  diese  Einwürfe  vollständig  zu  heben,  scheint  es  mit  nöthig  zu 
sein,  mit  möglichster  Genauigkeit  den  Grad  der  Elektricität,  der  in  der 
Berührung  zweier  verschiedener  Metalle  rege  wird,  zu  bestimmen. 
Ich  wähle  dazu  die  Metalle,  die  sich  am  meisten  entgegengesetzt  und  daher 
verhältnissmässig  am  wirksamsten  sind,  Silber  und  Zink.  Beide  wohl  ge- 
reinigt und  polirt,  mit  einander  in  einem  oder  mehreren  Punkten  in  Berüh- 
rung gebracht,  verlieren  ihr  elektrisches  Gleichgewicht;  das  elektrische  Flui- 
dum  zieht  sich  aus  dem  Silber  nach  dem  Zink,  wird  in  jenem  verdünnt,  in 
diesem  verdichtet,  und  erhält  sich  in  ihnen  in  diesem  Zustande  der  Ver- 
dünnung und  Verdichtung,  wofern  sie  nicht  mit  anderen  Leitern  in  Verbin- 
dung stehen,  die  dem  Gesetze  des  elektrischen  Gleichgewichts  gemäss  jenem 
die  fehlende  Elektricität  zufuhren,  aus  diesem  die  angehäufte  ableiten.  Bis 
auf  welchen  Grad  wird  nun  das  elektrische  Fluidum  hierbei  aus  seiner  Stelle 
getrieben  oder  impellirt;  im  Silber  vermindert,  im  Zink  vermehrt?  Mein 
Strohhalm -Elektrometer  zeigt  im  Silber  1/60  Grad  negative,  und  im  Zink 
J,M  Grad  positive  Elektricität.  Ich  werde  weiter  unten  die  Belege  dazu 
liefern. 

III.  Eine  elektrische  Spannung,  die  kaum  auf  l/60  Grad  steigt,  ist  offen- 
bar viel  zu  gering,  um  an  einem  Strohhalm -Elektrometer,  oder  selbst  an 
Bexxet's  Goldblatt-Elektrometer  wahrgenommen  zu  werden,  ungeachtet  dieses, 
das  feinste  aller  Elektrometer,  viermal  empfindlicher  als  jenes  ist.  Doch 
kann  ich  diese  geringe  Elektricität  an  beiden  merkbar  machen,  ja  selbst  ihre 
Art,  ob  sie  positiv  oder  negativ  ist,  bestimmen,  wenn  ich  dabei  den  Con- 
densator  zu  Hülfe  nehme  —  ein  Instrument,  dessen  Construction  die  sorg- 
fältigste Aufmerksamkeit  verdient. 

IV.  Der  beste  Condensator,  den  ich  am  häufigsten  brauche,  besteht  aus 
zwei  Messingscheiben,  jede  von  2  bis  3  Zoll  Durchmesser,  deren  Oberfläche 
gut  gereinigt,  auf  einander  abgerieben  und  polirt  sind,  so  dass  sie  genau  auf 
einander  schliessen.  Die  Flächen,  welche  bestimmt  sind,  auf  einander  zu 
liegen,  werden  mit  einer  sehr  dünnen  Lage  von  Siegellack,  oder  besser  Schel- 
lack-, Kopal-  oder  Bernsteinfirniss,  überzogen,  welche  sie  zwar  hindern,  sich  un- 
mittelbar zu  berühren,  nicht  aber,  sich  möglichst  einander  zu  nähern,  welches 
bei  so  geringer  Elektricität  besonders  nöthig  ist.  An  der  entgegengesetzten 
Seite  haben  sie  in  ihrer  Mitte  gläserne,  mit  Siegellack  überzogene  Handgriffe, 
damit  man  sie  völlig  isolirt  erhalten  und  sie  isolirt  von  einander  entfernen 
könne.  Man  kann  eben  so  gut  auch  andere  Metallscheiben  nehmen,  ja  auch 
hölzerne  Scheiben,  die  man  ganz  oder  theilweise  mit  Stanniol  oder  Blattsilber 
bekleidet  und  mit  Wachsleinwand  oder  Taflet  überzieht,  und  zwar  haben 
letztere  den  Vorzug,  dass  sie  sich  von  beträchtlicher  Grösse  machen  lassen, 
ohne   zu   schwer  zu  werden.     Allein  diese  Art  von  Condensatoren    ist  von 


1^6  Sechstes  Kapitel. 


einem  sehr  viel  eingeschränkteren  Gebrauche;  sammelt  sich  auch  gleich  hier 
die  Elektricität  in  der  einen  Scheibe,  vermöge  der  Einwirkung  der  entgegen- 
gesetzten Elektricität  in  der  anderen,  mit  der  Erde  in  Verbindung  stehenden 
Scheibe,  der  eigenthümlichen  Wirkung  der  elektrischen  Atmosphären  gemäss 
an,  so  zerstreut  sie  sich  doch  sehr  schnell  und  geht  in  wenigen  Minuten  oder 
Secunden  in  die  andere  Scheibe  über,  wofern  der  Überzug  nicht  ausser- 
ordentlich trocken  ist;  und  besonders  ist  Wachsleinwand  ein  sehr  schlechtes 
Trennungsmittel.  In  Scheiben,  die  mit  Siegellack  oder  Harzfirniss  überzogen 
und  gehörig  trocken  sind,  hält  sich  dagegen  die  angesammelte  Elektricität 
mehrere  Stunden  lang,  wenn  die  Luft  nicht  allzu  feucht  ist 

V.  Mit  einem  solchen  Condensator  stelle  ich  nun  folgende  Versuche  an. 
Ich  bringe  zwei  gleiche  Scheiben  Z  aus  Zink  und  5  aus  Silber,  z.  B.  eine 
Münze,  zur  Hälfte  übereinander,  dass  die  Peripherie  der  einen  durch  das 
Centrum  der  anderen  geht,  und  befestige  sie  in  dieser  Lage  mittelst  einer 
Schraube,  eines  durchgeschlagenen  Nagels  oder  durch  Löthung  so,  dass  kein 
fremder  Körper  sich  zwischen  ihnen  befindet.  Darauf  fasse  ich  die  Zink- 
scheibe Z  mit  den  Fingern  und  bringe  die  Silberscheibe  5  eine  Zeit  lang 
mit  dem  Deckel  des  Condensator,  dessen  untere  Platte  mit  dem  Boden  ver- 
bunden ist,  in  Berührung,  wobei  sich  die  Elektricität  des  Silbers  in  ihm  an- 
häuft, seiner  Capacität  und  der  Kraft  entsprechend,  welche  ihm  die  Einwir- 
kung der  unteren  Platte  ertheilt,  wie  ich  dies  in  meiner  Theorie  dieses 
Instrumentes  gezeigt  habe.  Nehme  ich  nun  die  Silberscheibe  fort  und  hebe 
den  Deckel  des  Condensators  ab,  so  zeigt  er,  mit  dem  Hute  meines  Elektro- 
meters in  Berührung  gebracht,  an  diesem  Elektrometer  2,  3,  wohl  selbst 
4  Grade  negativer  Elektricität. 

VI.  Fasse  ich  dagegen  das  Silberstück  5  mit  den  Fingern  und  bringe 
das  Zinnstück  Z  mit  dem  Deckel  des  Condensators  in  Berührung,  so  zeigt 
der  ansammelnde  Deckel  am  Strohhalm-Elektrometer  3  bis  4  Grad  positiver 
Elektricität. 

VII.  Hierbei  muss  jedoch  bemerkt  werden,  dass,  wenn  der  Deckel  des 
Condensators  aus  Kupfer  besteht,  das  Zink  ihn  nicht  unmittelbar  berühren 
darf:  denn  das  Kupfer  treibt  das  elektrische  Fluidum  fast  mit  gleicher  Stärke 
wie  das  Silber  dem  Zinke  zu,  so  dass  dieses  sich  dann  zwischen  zwei  fast 
gleichen,  einander  entgegenwirkenden  Kräften  befinden  würde,  bei  denen 
sich  im  Deckel  nur  höchst  wenig,  kaum  wahrnehmbare  Elektricität  anhäufen 
könnte.  Man  muss  dann  zwischen  beide  einen  Leiter  zweiter  Klasse,  d.  h. 
einen  feuchten  Körper  bringen,  da  diese  anderer  Natur  sind,  und  in  der 
Berührung  mit  den  Metallen  ein  sehr  viel  geringeres  Erregungsvermögen 
besitzen,  als  zwei  Metalle  gegenseitig.  Gewöhnlich  lege  ich  ein  Stück  nass 
gemachter  Pappe  auf  den  colligirenden  Deckel  und  bringe  damit  das  Zink 
in  Berührung.  Das  elektrische  Fluidum,  welches  unaufhörlich  vom  Silber 
zum  Zink  getrieben  wird,  strömt  nun,  ohne  Widerstand  zu  finden,  durch  den 
feuchten  Leiter  in  den  colligirenden  Deckel,  und  dieser  äussert  nun  beim 
Aufheben  ungefähr  3  Grad  positiver  Elektricität,  während  bei  unmittelbarer 


Die  Volta'sche  Säule. 


137 


Berührung  zwischen  dem  Zink  und  dem  Kupferdeckel  keine  Wirkung  wahr- 
zunehmen ist. 

VIII.  Wenn  der  Condensatordeckel  aus  Kupfer  mit  dem  Silber  in  Be- 
rührung steht,  so  gelingt  der  Versuch  ohne  Dazwischenkunft  des  feuchten 
Leiters  (V),  weil  diese  beiden  Metalle  eine  fast  gleiche  Kraft  besitzen,  und 
bei  ihrer  gegenseitigen  Berührung  nur  ein  sehr  schwacher  Andrang  vom 
Silber  nach  dem  Kupfer  entsteht,  der  es  nicht  zu  hindern  vermag,  dass, 
vermöge  des  entgegengesetzten  Andranges  vom  Silber  zum  Zinke,  das  elek- 
trische Fluidum  aus  ersterem  in  das  letztere  überströmt.  Das  seiner  Elek- 
tricität beraubte  Silber  entzieht  dem  Deckel  Elektricität,  und  so  zeigt  sich 
endlich  in  diesem  ungefähr  3  Grad  negative  Elektricität. 

DC  Diese  und  ähnliche  Versuche  scheinen  mir  darzuthun,  dass  die  Kraft, 
welche  das  elektrische  Fluidum  impellirt,  nicht  in  der  Berührung  eines 
Metalles  mit  einem  feuchten  Leiter,  sondern  in  der  gegenseitigen  Berührung 
der  beiden  Metalle  in  ihrem  Berührungspunkte  ihren  Ursprung  hat.  Denn 
der  erste  und  zweite  Versuch  (V,  VI  und  VII)  zeigen,  dass  der  Condensator  mit 
ungefähr  3  Grad  Elektricität  geladen  wird,  gleichviel,  ob  die  Zwischenwirkung 
eines  feuchten  Leiters  ins  Spiel  tritt  oder  nicht. 

X.  Dass  die  Berührung  des  Metalls  und  der  Finger  an  dieser  Erregung 
der  Elektricität  keinen  Antheil  hat,  zeigt  sich  sogleich,  wenn  man  die  Ver- 
suche so  anstellt,  dass  die  Finger  oder  andere  feuchte  Leiter  ganz  ausser 
Spiel  bleiben.  Zu  dem  Ende  braucht  nur,  während  die  eine  Metallplatte  den 
Deckel  des  Condensators  berührt,  die  Capacität  der  anderen  isolirten  sehr 
erhöht  zu  werden,  welches  z.  B.  geschieht,  wenn  man  sie  mit  der  inneren 
Belegung  einer  nicht  geladenen  Leidener  Flasche  in  Berührung  setzt,  die 
nicht  isolirt  sein  muss,  um  viel  Elektricität  aufnehmen  zu  können.  Dann 
ladet  sich  der  Deckel  des  Condensators  zwar  nicht  wie  zuvor  bis  zu  3  Grad, 
aber  doch,  je  nach  Verschiedenheit  der  Umstände,  auf  1  oder  2  Grad  —  E 
oder  4-  E,  je  nachdem  er  mit  dem  Silber  oder  dem  Zink  in  Berührung  steht. 

XI.  Schon  vor  mehreren  Jahren  habe  ich  ein  anderes  Verfahren  be- 
schrieben, welches  mir  dieselben  Resultate  gegeben  hat.  Zwei  mit  isolirenden 
Handgriffen  versehene  Platten,  eine  von  Zink,  die  andere  von  Silber,  die 
genau  zusammenpassten  und  wohl  polirt  waren,  und  eben  dadurch,  ab- 
gesehen von  ihrem  Vermögen,  Elektricität  zu  erregen,  fähig  wurden,  zugleich 
als  Condensatoren  zu -wirken,  wie  ich  das  früher  weiter  auseinandergesetzt 
habe,  zeigten,  als  sie  einige  Zeit  auf  einander  gelegen  hatten,  beim  Trennen 
an  meinem  Strohhalm -Elektrometer  ungefähr  3  Grad  Elektricität,  das  Zink 
positive,  das  Silber  negative.  Da  hier  der  Erfolg  ohne  alle  Zwischenwirkung 
feuchter  Leiter  stattfindet,  welcher  Ursache  lässt  sich  da  der  Impuls  der 
elektrischen  Flüssigkeit  anders  zuschreiben,  als  lediglich  der  gegenseitigen 
Berührung  der  verschiedenen  Metalle? 

XII.  Wird  das  elektrische  Fluidum  denn  aber  gar  nicht  bei  der  Be- 
rührung eines  Metalles  mit  einem  feuchten  Leiter  impellirt  und  erregt: 
Dass  dieses  wirklich  geschieht,    habe  ich  durch  viele  andere  Versuche  be- 


I^g  Sechstes  Kapitel. 

wiesen,  die  man  in  meinen  früheren  Schriften  findet.  Nimmt  man  zum 
feuchten  Leiter  reines  oder  salziges  Wasser,  so  ist  indessen  dieser  Impuls 
so  äusserst  schwach,  dass  er  sich  mit  dem  Impulse  bei  der  Berührung 
zweier  verschiedener  Metalle  nicht  vergleichen  lässt,  wie  Zink  und  Silber 
oder  Kupfer.  Einige  concentrirte  Säuren,  einige  alkalische  Flüssigkeiten,  die 
Schwefelalkalien  u.  s.  w.,  machen  jedoch  eine  Ausnahme,  da  sie  in  der  Be- 
rührung mit  den  verschiedenen  Metallen  eine  sehr  merkliche  Impulsion 
bewirken. 

XIII.  So  wurde  fast  einerlei  Menge  von  negativer  Elektricität,  nämlich 
3  Grad,  im  kupfernen  Deckel  des  Condensators  aufgehäuft,  die  Silberscheibe 
mochte  ihn  im  ersten  Versuche  (V)  unmittelbar  oder  mittelst  einer  im  Wasser 
getränkten  Pappe  berühren.  Und  gerade  soviele  positive  Elektricität  häufte 
sich  in  ihm  auf,  wenn  die  Zinkscheibe  mit  der  nassen,  auf  ihm  liegenden 
Pappe  in  Besührung  gewesen  war  (VII). 

XIV.  Da  zwei  sich  berührende  Platten  Zink  und  Silber,  gleichviel,  welches 
ihre  Grösse  und  Gestalt  ist,  stets  einem  guten  Condensator,  wie  ich  ihn  be- 
schrieben habe,  diese  Grade  von  Elektricität  mittheilen,  und  ich  die  an- 
sammelnde Kraft  des  Condensators,  dessen  ich  mich  bediene,  mit  grosser 
Genauigkeit  bestimmt  habe,  durch  Versuche,  die  anzuführen  hier  zu  weit- 
läufig sein  würde,  so  war  es  mir  nun  leicht,  die  Intensität  oder  Spannung 
zu  bestimmen,  welche  die  Elektricität  in  einer  Zink-  und  Silberplatte,  die 
sich  berühren,  haben  muss;  Spannungen,  die  sich  in  ihnen  erhalten  oder 
erneuern,  so  lange  die  Platten  in  Berührung  bleiben,  oder  aufs  Neue  in 
Berührung  gebracht  werden.  Ein  Condensator,  der  die  Elektricität  bis  zum 
1 20  fachen  anhäuft,  bringt  so  z.  B.  nach  der  Berührung  mit  einer  der  beiden 
Platten  das  Elektrometer  zu  einer  Divergenz  von  2  Grad,  woraus  ich  schliesse, 
dass  die  elektrische  Spannung  des  colligirenden  Deckels,  so  lange  er  auf  der 
unteren  Platte  des  Condensators  aufstand,  120  mal  kleiner,  mithin  nur 
a/60  Grad  gewesen  sei,  und  dass  die  Zink-  und  die  Silberscheibe,  die  mit  ihm 
in  Berührung  war,  wenigstens  dieselbe  elektrische  Spannung  gehabt  haben  müsse, 
weil  sie  dieselbe  diesem  Deckel  hat  mittheilen  können,  so  wie  sie  solchen  jedem 
anderen  Leiter,  selbst  der  Leidener  Flasche,  wie  wir  weiterhin  sehen  werden, 
mittheilt.  Dasselbe  schliesse  ich  daraus,  dass  bei  einer  180,  240-,  300-fachen 
Condensirung,  die  sich  leicht  mit  einem  guten  Condensator,  dessen  Platten 
gehörig  polirt  und  überfirnisst  sind,  erhalten  lässt,  das  Strohhalm-Elektrometer 
um  3,  4,  5  Grade  divergiren  wird;  welches  gleichmässig  auf  1/60  Grad 
Spannung  in  der  Scheibe  deutet,  die  man  mit  dem  Deckel  des  Collectors  in 
Berührung  gebracht  hat. 

XV.  Dieses  sind  die  Resultate,  die  ich  erhalte,  auf  so  verschiedene  Art 
ich  auch  die  beschriebenen  Versuche  abändere.  Sie  beweisen  insgesammt, 
dass  die  elektrische  Spannung,  die  bei  der  gegenseitigen  Berührung  von  Zink 
und  Silber  in  jedem  dieser  beiden  Metalle  entsteht,  Veo  Grad  eines  Stroh- 
halm-Elektrometer beträgt,  und  im  Zink  positiv,  im  Silber  negativ  ist.  Andere 
Metalle   geben   bei    ihrer   gegenseitigen   Berührung   eine    um    so    geringere 


Die  Volta'sche  Säule. 


139 


»pannung,  je  weniger  sie  in  ihrem  Vermögen,  die  Elektricität  zu  erregen, 
on  einander  verschieden  sind,  und  je  näher  sie  in  der  folgenden  Reihe  oder 
itufenfolge  einander  stehen:  Silber,  Kupfer,  Eisen,  Zinn,  Blei,  Zink,  in 
reicher  Ordnung  das  elektrische  Fluidum  stets  vom  vorhergehenden  zum 
olgenden  getrieben  wird.  Es  giebt  indessen  einige  Materien,  welche  die 
elektricität  mit  noch  mehr  Kraft  ab  das  Silber,  den  anderen  Metallen,  ins- 
>esondere  dem  Zink  zuzutreiben  scheinen;  nämlich  Reissblei,  mehrere  Arten 
vohle,  und  besonders  der  schwarze  krystallinische  Braunstein.  Letzterer  er- 
zeugt bei  seiner  Berührung  mit  Zinn  eine  fast  doppelt  so  grosse  Spannung, 
ils  Silber  und  Zinn,  nämlich  eine  Spannung  von  */40  bis  1/S5  Grad. 

XVI.  Es  ist  leicht  abzusehen,  dass  die  Zinkplatte,  wenn  sie  mittelst  eines 
rässerigen  Leiters  mit  dem  Deckel  eines  Condensators  in  Verbindung  steht, 
diesem  nur  dann  so  viel  Elektricität,  als  dass  er  bis  zur  Spannung  von  1/60 
Grad  gelangt,  zuführen  kann,  wenn  das  Silberstück  entweder  zwischen  den 
Fingern  frei  gehalten  wird,  oder  mit  der  Erde  verbunden  ist,  oder  wenn  es 
mit  einem  sehr  grossen  Leiter  oder  viel  fassenden  Recipienten,  wie  z.  B. 
einer  grossen  Leidener  Flasche  oder  dergl.,  in  Verbindung  steht.  Denn  wäre 
iie  Silberscheibe  isolirt,  so  könnte  sie  dem  Zink  und  dem  Condensator  nicht 
mehr  Elektricität  ablassen,  als  durch  die  sie  auf  eine  Spannung  von  l/eo 
3rad  käme.  Gute  Leiter  müssen  ihr  die  Elektricität,  die  sie  verliert,  immer 
nieder  zufuhren;  nur  dann  kann  sich  die  Elektricität  in  dem  angezeigten 
jrade  anhäufen.  Dasselbe  ist  umgekehrt  der  Fall,  wenn  das  Silber  den  Con- 
lensator  berührt.  Denn  bliebe  das  Zink  isolirt,  so  würde  es  aus  dem  Silber 
jnd  dem  Condensator  nicht  mehr  aufnehmen,  als  das  wenige  von  Elektricität, 
velches  die  Zinkscheibe  auf  1/60  bringt,  als  das  Maximum  der  möglichen 
Spannung. 

XVII.  Man  sieht  daraus,  dass  wenn  sich  gleich  zwei  verschiedene  Metalle 
berühren,  sie  doch  mittelst  des  besten  Condensators  keine  Spur  von  Elek- 
iricität  geben  können,  wofern  nicht,  während  das  eine  Metall  mit  dem  Con- 
densator in  Berührung  ist,  das  andere  mit  einem  grossen  Leiter  oder  mit 
rinem  Recipienten  von  hinreichender  Capacität  in  leitender  Verbindung  steht, 
l'nd  doch  habe  ich  1796  ziemlich  beträchtliche  Zeichen  von  Elektricität 
cdiglich  mittelst  des  Contacts  zweier  verschiedener  isolirter  Metalle,  ohne  Mit- 
urkung  eines  anderen  Leiters  oder  selbst  eines  Condensators,  erhalten.  Aber 
la  bei  diesem  die  beiden  Metalle  sich  in  grossen,  wohl  polirten  Flächen 
xrruhrten,  so  verrichteten  sie  gleichzeitig  das  Geschäft  des  Erregers  und  des 
Tondensators,  wie  das  in  den  Abhandlungen  bewiesen  ist,  die  ich  im  Jahre 
797  bekannt  gemacht  habe.  Man  findet  in  ihnen  mehrere  Versuche  mit 
erschiedenen  Metallplatten,  die,  wenn  man  sie  in  Berührung  setzt,  und 
larauf  wieder  trennt,  am  Elektrometer  sehr  merkliche  Zeichen  von  Elek- 
ricität  geben. 

X  VIII.   Alle  diese  Versuche,  nach  welchen  die  Zinkscheibe  am  Elektrometer 

iederum    2,   3,  4  Grad    +E,   die    Silberscheibe    ebenso    viele    Grade    —  E 

cigte,   folgen  aus  denselben  Prinzipien,   nämlich  daraus,  dass  bei  der  Be- 


1 

I  40  Sechstes  Kapitel. 

rührung  die  Elektricität  vom  Silber  zum  Zink  so  lange  getrieben  wird,  bis  -s 
eine  Spannung  von  1/60  Grad  negativer  im  ersteren,  positiver  im  letzteren 
entsteht.  Die  Menge  von  Elektricität,  welche,  um  diese  Spannung  hervor-  — 
zubringen,  von  der  einen  Scheibe  der  anderen  mitgetheilt  werden  muss,  ist  -  - 
um  so  grösser,  da  sie  vermöge  ihrer  grossen  Nähe  die  Stelle  vortrefflicher  -~ 
Condensatoren  vertreten,  dem  gegenseitigen  Gleichgewicht  der  entgegen-  — 
gesetzten  Elektricitäten  entsprechend. 

XIX.  So  ist  also  auf  alle  Art  bewiesen,  dass  die  elektrische  Spannung,  : 
die  negative  im  Silber,  die  positive  im  Zink,  ungefähr  1/60  Grad  beträgt,  und  *z 
dass  sie  sich  in  diesem  Zustande  während  der  ganzen  Zeit  erhält,  in  der  die 
beiden  Metalle  sich  berühren,    wofern  diese  nicht    mit    anderen  Leitern   in 
Verbindung  stehen,  welche  das  erregte  elektrische  Fluidum  aufnehmen  und  • 
fortleiten. 

XX.  Der  überzeugendste  Beweis,  dass  dies  die  wahre  Spannung  ist,  welche 
diese  beiden  Metalle  bei  ihrer  gegenseitigen  Berührung  bewirken,  ergab  sich 
durch  eine  Menge  von  Versuchen,  worin  ich  statt  eines  Paares  mich  meh- 
rerer Paare  sich  berührender  Metalle,  Zink  und  Silber  oder  Zink  und  Kupfer,  - 
bediente.  Je  nachdem  ich  2,  3,  4,  oder  mehr  solcher  Paare  nahm,  erhielt 
ich  Spannungen,  die  2  fache,  3  fache,  4  fache,  d.  h.  Spannungen  von  %j%^ 
8/60,  4/60  Grad;  Grössen,  die  ich  mittelst  meines  Condensators  verificirte,  der, 
wenn  er  z.  B.  120  mal  condensirte,  von  einem  einzelnen  Paare  bis  zu  2  Grad 
des  Strohhalm-Elektrometers  geladen  wurde,  dagegen  bei  vereinfachter  Wir- 
kung von  2,  3,  4  Metallpaaren  sich  bis  4,  6,  8  Grad  Divergenz  lud.  Dieses 
war  der  grosse  Schritt,  der  mich  gegen  Ende  des  Jahres  1799  zu  der  Con- 
struction  des  neuen  Apparats  führte,  den  ich  Elektromotor  nenne,  der  alle 
Physiker  in  Erstaunen  gesetzt  und  mir  volle  Genüge  geleistet  hat,  ohne 
mich  jedoch  zu  überraschen,  weil  die  Entdeckung,  die  ich  hier  erzählt  habe, 
mir  im  Voraus  den  Erfolg  verbürgte. 

XXI.  Eine  der  einfachsten  Methoden,  die  Versuche  mit  Metallplatten  an- 
zustellen, ist  folgende:  Man  lege  auf  eine  Silbermünze  eine  Zinkscheibe, 
darauf  eine  mit  Wasser  getränkte  Scheibe  von  Pappe,  Tuch  oder  einem 
anderen  schwammigen  Körper,  und  fahre  in  dieser  Ordnung  fort,  bis  man 
eine  beliebige  Menge  solcher  Lagen  oder  Schichtungen  über  einander  ge- 
häuft hat,  wie  es  beiliegendes  Schema  zeigt,  worin  Z  das  Zink,  S  das  Silber 
und  H  den  feuchten  Leiter  bedeutet: 

SZHSZHSZHSZHSZHSZHSZ 

Ist  der  Apparat  so  vorgerichtet,  so  bringe  man  die  oberste  Platte  eines 
Metallpaares  mit  dem  Deckel  des  Condensators  in  Berührung,  während  man 
die  unterste  Platte  der  Säule  mit  der  Hand  berührt,  oder  mit  dem  Erd- 
boden in  leitende  Verbindung  bringt:  eine  Bedingung,  von  der  ich  angezeigt 
habe,  warum  sie  unumgänglich  ist  (XVI).  So  erhält  der  Condensator  mittelst 
zweier  Plattenpaare  die  Spannung  von  2/60,  und  mittelst  3,  4,  10,  20  Paaren 
von  Metallplatten  Spannungen  von  3/60,  4/60,  10/60,  20/fl0  Grad,  so  dass  wenn 


Die  Volta'sche  Säule. 


141 


Icr  Condensator  120  mal  condensirt,  der  Deckel  desselben  nach  dem  Auf- 
leben das  Strohhalm-Elektrometer  zu  einer  Divergenz  von  4,  6,  8,  10,  20  Grad 
Hingt. 

XXII.  Warum  es  nöthig  ist,  zwischen  jedes  Metallpaar  einen  feuchten 
^eiter  zu  bringen,  erhellt  daraus,  was  ich  unter  VII.  bemerkt  habe.  Ohne  ihre 
Dazwischenkunft  würde  jede  Zinkplatte  auf  beiden  Seiten  mit  je  einem  Silber- 
»tück  in  Berührung  stehen  und  von  zwei  gleichen  und  entgegengesetzten 
Kräften  afficirt  werden,  daher  das  Resultat  aller  Wirkungen  dem  der  obersten 
ind  untersten  Platte  auf  einander  gleich  sein  müsste.  Wären  dies  ver- 
schiedene Metalle,  so  träte  die  Wirkung  eines  einzigen  Plattenpaares  und 
eine  Tension  von  1/60  Grad  ein;  wären  sie  einerlei  Metall,  so  fände  über- 
haupt keine  Wirkung  statt.  Daher  ist  es  unmöglich,  eine  verstärkte  Wirkung, 
d.  h.  eine  grössere  Tension,  als  von  l/eo  Grad,  wie  sie  ein  einziges  Platten- 
paar giebt,  zu  erhalten,  wenn  man  bloss  Silber-  und  Zinkstücke,  ihre  Ge- 
stalt sei,  welche  sie  wolle,  ohne  Zwischenwirkung  eines  dritten  feuchten 
Leiters,  der  von  minderer  Energie  ist,  über  einander  schichtet. 

XXIII.  Selbst  durch  Ubereinanderschichtung  dreier  verschiedener  Metalle 
und  mehrerer,  lässt  sich  ohne  feuchte  Leiter  keine  Verstärkung  der  Elek- 
tricität  bewirken,  weil  die  Kraft,  womit  die  Leiter  erster  Klasse  sie  bei  ihrer 
gegenseitigen  Berührung  aus  dem  einen  in  den  anderen  treiben,  in  einem 
bestimmten  Verhältniss  steht  Das  heisst:  gesetzt,  das  Silber  treibe  das 
elektrische  Fluidum  dem  Kupfer  mit  einer  Kraft  1,  das  Kupfer  dem  Eisen 
mit  einer  Kraft  2,  das  Eisen  dem  Zinn  mit  einer  Kraft  3,  dieses  dem  Blei 
mit  einer  Kraft  1,  endlich  das  Blei  dem  Zink  mit  einer  Kraft  5  zu,  so  treibt 
Silber  dem  Zink,  das  es  unmittelbar  berührt,  die  Elektricität  mit  einer 
Itraft  12,  Kupfer  dem  Zinn  mit  einer  Kraft  5,  und  Eisen  dem  Zink  mit 
einer  Kraft  9  zu,  u.  s.  w.  So  ist  immer  die  Kraft  oder  Impulsion,  mit 
Welcher  zwei  Metalle  auf  das  elektrische  Fluidum  wirken,  der  Summe  der 
Kräfte  der  in  der  Reihe  der  Metalle  zwischen  ihnen  stehenden  gleich.  In 
einem  bloss  aus  Metallen  errichteten  Apparate  ist  es  daher  gleichgültig,  ob 
die  zwischen  der  obersten  und  der  untersten  liegenden  Metallplatten  da  sind, 
oder  nicht;  wie  man  diese  auch  ordnen  möge,  immer  ist  die  elektrische 
Kraft  völlig  dieselbe,  welche  entsteht,  wenn  die  beiden  Endplatten  sich  un- 
mittelbar berühren. 

XXIV.  Dieses  artige  Verhältniss,  diese  regelmässige  Gradation  in  den  elek- 
trischen Kräften  der  Metalle  und  überhaupt  der  Leiter  erster  Klasse,  das  ich 
^Idch  im  Anfange  meiner  hierhergehörigen  Untersuchungen  aufgefunden  und 
in  verschiedenen  Aufsätzen  umständlicher  entwickelt  habe,  benimmt  uns  die 
Möglichkeit,  einen  elektrischen  Apparat  bloss  aus  Metallen  zu  erbauen,  wel- 
ches gewiss  unendlich  bequemer  und  dauerhafter  sein  würde.  Allein  deshalb 
darf  man  die  Erfindung  eines  anderen  Elektromotors,  der  ganz  aus  festen 
Körpern  bestünde,  nicht  für  unmöglich  erklären.  Hierzu  würde  die  Auf- 
findung eines  festen  Leiters  ohne  alle  Erregungskraft  (oder  der  sie  in  einer 
ganz  anderen  Beziehung  besässe),  den  man  statt  der  feuchten  Leiter  zwischen 


142  Sechstes  Kapitel. 


I 


die  Metallpaare  bringen  könnte,  hinreichend  sein  —  eine  Entdeckung,  die  mir 
zwar  sehr  schwierig,  aber  nicht  ganz  unmöglich  scheint. 

XXV.  Zum  Glück  findet  zwischen  den  Metallen  oder  Leitern  erster  Klasse 
und  denen  zweiter  Klasse  kein  solches  regelmässiges  Verhältniss,  und  keine 
solche  bestimmte  Gradation  statt  (sie  würde  sie  zu  einer  Klasse  reduciren;, 
sonst  könnte  selbst  das  Zwischenlegen  feuchter  Leiter  keine  verstärkte  Wir- 
kung vermitteln.  Zwar  äussert  sich  bei  der  Berührung  eines  Metalles  mit 
einem  feuchten  Leiter  eine  kleine  Wirkung,  allein  sie  ist  weit  geringer,  als 
die  zwischen  zwei  sehr  verschiedenartigen  Metallen  (XXII)  und  ist  ausser  allem 
Verhältniss  mit  der,  welche  die  Metalle  gegenseitig  äussern.  Wenn  z.  B.  das 
Silber  das  elektrische  Fluidum  dem  Zink  mit  einer  Kraft  12,  und  das  Zink 
es  dem  Wasser  mit  einer  Kraft  1  zutreibt,  so  würde,  wenn  hier  das  näm- 
liche Verhältniss  stattfände,  das  Silber  die  Elektricität  dem  Wasser  mit  einer 
Kraft  13  zutreiben;  allein  dies  geschieht  nur  mit  einer  Kraft,  die  ebenfalls 
ungefähr  1  ist.  Zwischen  den  Leitern  der  ersten  und  zweiten  Klasse  findet 
daher  nicht  eine  solche  Übereinstimmung  zwischen  Wirkung  und  Kraft  statt, 
wie  sie  den  Metallen  eigen  ist. 

XXVI.  Ist  es  mir  durch  Zwischenlegen  von  feuchten  Leitern  zwischen  je 
zwei  Metallpaare  geglückt,  eine  verstärkte  elektrische  Spannung  zu  erhalten, 
die  lebhaftere  Zeichen  von  Elektricität,  heftigere  Schläge,  Funken  u.  s.  w. 
giebt,  so  ist  dies  bloss  dem  zuzuschreiben,  dass  zwischen  den  elektrischen 
Erregern  der  ersten  und  der  zweiten  Klasse  eine  gänzliche  Verschiedenheit 
in  allen  Verhältnissen  obwaltet. 

XXVII.  Man  wird  fragen,  ob  das  Verhältniss,  das  zwischen  der  elektricitäts- 
erregehden  Kraft  der  Leiter  der  ersten  Klasse  stattfindet  (XXIII),  dem  jedoch 
Leiter  der  beiden  Klassen  bei  ihrer  Berührung  nicht  unterworfen  sind,  sich 
nicht  auch  auf  die  Leiter  der  zweiten  Klasse  erstrecke.  Wäre  dies  der  Fall, 
so  müsste  es  ebenso  wenig  wie  mit  Leitern  der  ersten  Klasse  oder  blossen 
Metallen  möglich  sein,  lediglich  aus  ihnen  einen  Apparat  vorzurichten,  der 
wirksam  genug  wäre,  um  Schläge  und  Funken  zu  ertheilen. 

XXVIII.  Indessen  hat  die  Natur  diesen  schätzbaren  Vorzug  wirklich  den 
elektrischen  Organen  des  Krampffisches  und  des  SurinanVschen  Zitteraals 
(Gymnotus  electricus)  ertheilt,  die  lediglich  aus  feuchten  Leitern  ohne  alles 
Metall  bestehen;  ein  Kunstwerk,  das  man  nicht  säumen  wird,  nachzuahmen. 
Dann  wird  man  aber  bei  diesen  Körpern  ein  durchaus  verschiedenes  Ver- 
hältniss in  ihren  elektrischen  Kräften,  das  nicht  in  regelmässiger  Gradation, 
wie  bei  den  Leitern  erster  Klasse  steht,  annehmen,  oder  sie  noch  weiter 
abtheilen,  und  eine  dritte  Klasse  von  Leitern  aufstellen  müssen,  so  dass  die 
Leiter  jeder  Klasse  für  sich  in  den  Äusserungen  üVer  erregenden  Kraft 
übereinstimmen,  ohne  doch  in  ihren  Wirkungen  mit  denen  anderer  Klassen 
denselben  Verhältnissen  unterworfen  zu  sein. 

XXIX.  Vielleicht,  dass  diese  dritte  Klasse  von  Leitern  als  Erreger  wirkt 
und  aus  Körpern  besteht,  die  mit  Flüssigkeiten  getränkt  sind,  welche  sich 
in  einem  durch  unsere  Sinne  nicht  wahrzunehmenden  Grade  coaguliren  und 


Die  Volta'sche  Säule.  ja* 


fixiren,  in  welchem  Falle  man  sie  nur  uneigentlich  feuchte  Leiter  nennen 
könnte.  Man  müsste  dann  hierher  viele  thierische  Stoffe,  als  Muskeln,  Sehnen, 
Membranen,  Nerven  u.  s.  w.,  rechnen,  die  auch  wirklich  in  frischem  Zustande 
bessere  Leiter  sind,  als  das  reine  oder  salzige  Wasser.  Es  ist  selbst  zu  ver- 
muthen,  dass  in  den  Organen  des  Krampffisches  die  kleinen  Lagen  oder 
Häutchen,  die  in  jeder  Säule  über  einander  liegen,  abwechselnd  aus  Leitern 
bestehen,  die  zur  zweiten  und  zur  dritten  Klasse  gehören,  und  so  gereiht 
sind,  dass  jede  Lage,  oder  jedes  heterogene  Paar  der  dritten  Klasse  von 
dem  anderen  durch  einen  Leiter  der  zweiten  Klasse,  d.  h.  durch  einen 
feuchten  Leiter,  getrennt  ist.  Dies  ist  wenigstens  die  Vorstellung,  die  ich 
mir  von  dem  elektrischen  Organ  des  Krampffisches  mache,  das  bloss  aus 
leitenden  Körpern  besteht,  und  das  sich  lediglich  mit  meinem  elektrischen 
Apparate  vergleichen  lässt,  mit  dem  es  in  Construction,  Gestalt  und  Wir- 
hingen  viel  Ähnlichkeit  hat" 

7.  Rückblick.  Das  vorstehende  Dokument  ist  nach  vielen  Richtungen 
von  Interesse,  vor  allen  Dingen  dadurch,  dass  die  darin  ausgeführte  Betrach- 
tungsweise massgebend  für  einen  grossen  Theil  der  späteren  Entwickelung 
des  Gebietes  geworden  ist.  Wiederum  tritt  uns  bei  Volta  die  Ablehnung 
jeder  Beziehung  auf  die  chemischen  Vorgänge  der  Säule  in  auffalligster  Weise 
entgegen;  obwohl  wir  wissen,  dass  sie  ihm  bekannt  waren.  Ist  es  in  hohem 
Maasse  lehrreich,  den  Gedankengang  eines  genialen  Forschers  zu  verfolgen, 
der  ihn  von  Stufe  zu  Stufe  bis  zu  den  grossen  Entdeckungen  geführt  hat, 
die  wir  nur  zu  leicht  als  plötzliche  und  unvermittelte  Offenbarungen  anzu- 
sehen uns  gewöhnen,  so  ist  es  vielleicht  noch  förderlicher,  die  Stellen,  an 
denen  uns  die  Grenzen  auch  der  ungewöhnlichsten  Begabung  sichtbar  wer- 
den, möglichst  genau  zu  untersuchen.  Lernen  wir  auf  jenem  Wege,  wie  die 
Wissenschaft  gefördert  wird,  so  lernen  wir  auf  diesem,  wie  sie  gehemmt  wird; 
macht  jene  Betrachtung  uns  tüchtiger  zur  Forschungsarbeit,  so  bildet  diese 
den  kritischen  Sinn  und  die  so  schwer  zu  erwerbende  Vorsicht  in  dem  Auf- 
bau eines  wissenschaftlichen  Lehrgebildes  aus. 

Von  welchem  ungeheuren  Einfluss  gerade  die  Irrgänge  des  Genies  sind, 
davon  giebt  die  Entwicklung  der  Lehre  von  der  Berührungselektricität  ein 
vollgültiges  Zeugniss.  Ist  doch  das  Dankgefühl,  welches  wir  dem  genialen 
Forscher  gegenüber  empfinden,  wesentlich  dadurch  bedingt,  dass  er  in  Ge- 
biete, die  bis  auf  ihn  in  hoffnungsloser  Verwirrung  dalagen,  Ordnung  und 
Übersicht  gebracht  hat,  welche  ihre  Beherrschung  ermöglichen.  Die  mathe- 
matische Formel,  der  letzte  Ausdruck  einer  derartigen  Ordnung,  wirkt  in 
der  That  wie  eine  Zauberformel:  wo  bis  dahin  die  Thatsachen  jedem  Ver- 
buche, sie  zu  beherrschen  und  zu  leiten,  widerstrebten,  fügen  sie  sich  nun 
frei  und  leicht  dem  Willen  desjenigen,  der  die  Formel  weiss  und  zu  hand- 
haben versteht.  Demjenigen  nun,  der  uns  einmal  bewiesen  hat,  dass  seine 
Formeln  wirklich  diese  Zauberkraft  besitzen,  wenden  wir  naturgemäss  mit 
unserem  Dank  unser  Vertrauen  zu,  und  dieses  wird  um  so  grösser,  je  mehr 
er    uns    geleistet    hat.     Durch  ein   natürliches  Gefühl    erscheint  es  uns  bald 


144  Sechstes  Kapitel. 


I 


nicht  nur  unnöthig,  sondern  auch  tadelhaft,  Zweifel  in  jedes  Neue  zu  setzen, 
was  er  uns  aus  dem  Schatze  seines  Geistes  schenkt;  Kritik  sieht  wie  Un- 
dank, Urtheil  wie  Überhebung  aus,  und  so  kommt  es,  dass  die  Grenzen  der 
grossen  Geister  für  längere  oder  kürzere  Zeit  auch  die  Grenze  des  wissen- 
schaftlichen Horizontes  der  nächsten  Generationen  werden. 

Freilich  bringt  es  die  Vielheit  der  Persönlichkeiten,  die  an  der  Entwick- 
lung betheiligt  sind,  meist  mit  sich,  dass  die  schwachen  Seiten  der  neuen 
Lehren  nicht  lange  verborgen  bleiben;  das  Resultat  ist  dann  ein  Kampf  der 
Meinungen,  dessen  Dauer  ganz  von  dem  Fortschritt  abhängig  ist,  welchen 
die  wissenschaftliche  Vertiefung  der  Frage  erfährt.  Aber  die  schwache  Seite 
einer  Sache  sehen,  und  Besseres  an  die  Stelle  setzen,  sind  zweierlei  Dinge. 
So  war  es  mit  der  alsbald  entstehenden  „cheniischen"  Theorie  des  Galvanis- 
mus.  Sie  vermochte  zunächst  das  Gesetz  der  Spannungsreihe  weder  abzu- 
leiten, noch  auch  sich  nur  zu  assimiliren,  und  bot  in  der  Versicherung,  dass 
die  galvanischen  Erscheinungen  vom  chemischen  Vorgang  abhängig  seien, 
zunächt  nur  Steine  für  Brot,  oder  vielmehr  einen  Wechsel  auf  die  Zukunft 
für  einen  reellen,  wenn  auch  nicht  gegen  künftige  Entwerthung  gesicherten 
Besitz.  Dies  sind  die  Ursachen,  welcher  der  Auffassung  Volta's  eine  so  grosse 
Dauer  und  ihren  Vertretern  einen  so  grossen  Eifer  in  der  Vertheidigung 
derselben  verliehen  haben. 

Was  nun  den  Nachweis  anlangt,  den  Volta  für  sein  Spannungsgesetz 
bringt,  so  charakterisiren  sich  seine  Messungen  als  ziemlich  grobe  Annähe- 
rungen. Er  giebt  sie  nur  als  solche  in  runden  kleinen  Zahlen.  Eine  ge- 
nauere Mittheilung  seiner  einzelnen  Messungsergebnisse  sucht  man  in  seinen 
Schriften  vergebens:  Die  ganze  zahlenmässige  Unterlage,  auf  welche  Volta 
sein  Gesetz  gestützt  hat,  sind  jene  beiläufigen  Angaben  auf  S.  141.  Nichts- 
destoweniger hat  Volta  den  Nachweis  seines  Gesetzes  mit  weit  grösserer 
Genauigkeit  erbracht,  als  jene  Zahlen  sie  haben.  Dieser  Nachweis  liegt 
darin,  dass  er  die  von  ihm  beobachteten  Spannungen  an  verschiedenen 
Metallen  als  unabhängig  von  zwischenliegenden  Metallen  erkannte,  in  welcher 
Zahl  und  Anordnung  solche  auch  zur  Anwendung  gebracht  wurden.  Durch 
Vermehrung  der  Zahl  der  Abwechselungen  der  Zwischenplatte  konnte  Volta, 
ohne  seine  Maasshilfsmittel  zu  ändern,  jeden  beliebigen  Grad  von  Genauig- 
keit in  dem  Nachweise  der  von  ihm  aufgestellten  Beziehung  erreichen,  und 
er  hat  die  Kraft  dieses  Gedankens  voll  erfasst  und  verwerthet. 

Denken  wir  nun  aber,  Volta  hätte  sich  durch  die  chemischen  Wir- 
kungen seiner  Säule  veranlasst  gesehen,  Zweifel  in  die  Zuverlässigkeit  seiner 
älteren  Versuche  mit  dem  Duplicator  und  dem  Condensator  (S.  57)  zu 
setzen,  er  hätte  den  Ort  der  elektrischen  Spannung  an  die  Berührungsflächen 
der  Metalle  und  des  feuchten  Leiters  gelegt,  und  hätte  angenommen,  dass 
Metalle  mit  einander  keine  Spannung  geben.  Alle  Folgerungen,  die  er 
aus  seinem  Spannnungsgesetz  gezogen  hat,  wären  aus  dieser  An- 
nahme gleichfalls  zu  ziehen  gewesen.  Dass  man  aus  Metallen  allein 
keine  wirksame  Säule  bauen  kann,  ist  nothwendig,  denn  eine  Summe  von 


Die  Volta'sche  Säule. 


145 


Nullen  kann  keinen  endlichen  Werth  geben;    dass  es  bei  einer  beliebigen 
Reihenfolge  von  Metallen  ohne  feuchte  Leiter  nur  auf  die  Endglieder  an- 
kommt, ist  gleichfalls  nothwendig,  denn  nur  die  Endglieder  wirken  erregend, 
da  nur  sie  mit  dem  feuchten  Leiter  in  Berührung  stehen.     Ja,  noch  tiefer, 
als  bis  zum  blossen  Ausspruch  des  Gesetzes  wäre  diese  Betrachtungsweise 
gegangen.    Denn  denkt  man  sich  beliebig  viele  Metalle  in  eine  und  dieselbe 
Flüssigkeit  gebracht,  so  wird  nach  der  Voraussetzung  jedes  Metall  eine  be- 
stimmte Spannung  annehmen,  und  die  Spannung,   welche  man  zwischen  je 
zweien  dieser  Metalle  beobachtet,  ist  nothwendig  der  Unterschied  zwischen 
den  Spannungen  dieser  Metalle  gegenüber  der  Flüssigkeit    Daraus  folgt  aber 
das  VoLTA'sche  Gesetz  mit  Notwendigkeit,   denn  wenn  ich  die   Spannung 
vom  Zink  zum  Blei,  und  die  vom  Blei  zum  Silber  messe,  und  beide  addire, 
so  habe  ich   nichts  gethan,  als  statt  den  Unterschied  der  Spannungen  der 
Flüssigkeit  gegen  Zink  und  gegen  Kupfer  unmittelbar  zu  messen,  in  denselben 
Unterschied  eine  Zwischenstufe  einzuschalten,  indem  die  Spannung  zwischen 
Blei  und  der  Flüssigkeit  einmal  positiv,  das  andere  Mal  negativ  in  Rechnung 
gebracht  wird,  und  somit  herausfallt    Eine  solche  Theorie  wäre  schon 
zu  Volta's  Zeit  möglich  gewesen,   und  sie  hätte  mehr  geleistet,  als  der 
Ausspruch  des  Spannungsgesetzes  durch  Volta,  da  sie  die  von  diesem  dar- 
gestellten Erscheinungen  als  nothwendige  Folge  der  Voraussetzung  hätte  ab- 
leiten  lassen.      Doch   scheint   es,   dass   in  Volta  der  Vorrath   an   verallge- 
meinernder Kraft  für  jene  Zeit  erschöpft  war;  auch  die  Vertreter  der  chemi- 
schen Theorie   haben  sich  damals  nicht  zu  der  ganzen  Einfachheit  in  der 
Auffassung  durcharbeiten  können.    Vielmehr  spielen  die  „Contactkräfte"  auch 
bei  diesen  ihre  Rolle,   und  die  Überlegenheit  des  VoLTA'schen  Geistes  zeigt 
sich  wohl  nirgend  deutlicher,  als  in  der  Thatsache,  dass  die  Gegner,  die  seine 
Fehler  bekämpften,  nicht  im  Stande  waren,  sich  selbst  von  eben  diesen  Fehlern 
frei  zu  machen. 

8.  Weitere  Forschungen.  In  noch  viel  höherem  Maasse,  als  ihrer- 
zeit  die  Entdeckung  Galvanos,  brachte  die  der  VoLTA'schen  Säule  alsbald 
eine  fast  unübersehbare  Fülle  von  Arbeiten  hervor,  die  mehr  als  ein  Aus- 
druck des  ungemeinen  Interesses,  das  die  Sache  hervorrief,  bemerkenswerth 
sind,  als  wegen  des  durch  sie  bewirkten  wissenschaftlichen  Fortschrittes.  Es 
ist  nicht  leicht,  sich  durch  die  Unsumme  von  kleinen  und  grossen  Mitthei- 
iungen  hindurchzufinden,  deren  Hauptzweck  oft  nur  scheint,  zu  zeigen,  dass 
ihr  Verfasser  sich  gleichfalls  eine  VoLTA'sche  Säule  gebaut  hat.  Fast  am 
lehrreichsten  ist  hierbei  die  Beobachtung,  wie  gross  die  Schwierigkeit  ist,  die 
Dinge,  die  man  sieht,  auch  wirklich  genau  zu  sehen.  Denn  auf  dem  neuen 
Gebiete,  wo  keine  Analogie  den  Beobachter  leitet,  ihn  auf  das  zu  Erwartende 
aufmerksam  macht,  und  ihn  warnt,  das  Widersprechende  ohne  wiederholte 
Prüfung  als  thatsächlich  anzunehmen,  zeigt  sich  häufiger  als  sonst,  wie  auf- 
fallend schwer  es  ist,  die  Dinge  zu  sehen,  wie  sie  sind.  Denn  ganz  ohne 
bestimmte  Erwartung  geht  wohl  kaum  jemals  ein  Forscher  an  die  Arbeit; 
seine  Befähigung  dazu  zeigt  sich  darin,  dass  er  versteht,  objectiv  gegen  diese 

Ostwald,  Elektrochemie.  IO 


146  Sechstes  Kapitel. 

vorgefasste  Meinung  zu  sein,  und  sie  aufzugeben,  wenn  sie  sich  unzulänglich   * 
erweist.    Schwerer  noch,  als  diese  Aufgabe,  ist  die  umgekehrte.    Der  Forscher 
geht  nicht  nur  mit  bestimmten  Erwartungen  über  das,  was  er  sehen  wird,   ■ 
an  die  Arbeit,  sondern  meist  mit  noch  viel  bestimmteren  darüber,  was  er  : 
jedenfalls  nicht  sehen  kann.     Wenn  ihm  Derartiges,  was  er  für  unmöglich 
ansieht,   nun  wirklich  entgegentritt,   so  hält  er  es  überaus  leicht  für  eine 
blosse  Täuschung,  er  versäumt  die  genauere  Untersuchung  und  verliert  auf 
diese   Weise   vielleicht    eine   grosse   Entdeckung.      Jeder,    der  selbständige 
Arbeit,  sei  sie  gross  oder  klein,   gemacht   hat,   hat  auch  ungezählte  Male 
diesen  Fehler  begangen;   nur  erlangt  er  in  den  seltensten  Fällen  Kenntniss 
davon,  nämlich  nur,  wenn  bald  darauf  ein  Glücklicher  kommt,  dem  der  Fund 
gelingt.    Tritt  dies  aber  nicht  ein,  so  erfährt  er  nie,  wie  nahe  er  der  Wrahr- 
heit  gewesen  ist;  „geheimnissvoll  offenbar"  hat  sich  ihm  die  Natur  gezeigt, 
und  er  hat  sie  nicht  gesehen. 

Um  in  der  Fülle  der  Mittheilungen,  die  auf  Volta's  Entdeckung  folgen, 
den  Faden  nicht  zu  verlieren,  müssen  wir  die  chronologische  Betrachtung 
der  Arbeiten  aufgeben,  und  sie  nach  den  einzelnen  Zweigen  ordnen,  in  die 
sich  die  Lehre  von  der  strömenden  Elektricität  nun  zu  spalten  beginnt 
Auf  der  einen  Seite  sehen  wir  Volta  selbst  die  physikalische  Theorie  der 
Kette  und  die  der  Säule  ausbilden;  die  chemischen  Erscheinungen  inter- 
essiren  ihn  nicht;  er  geht  ihnen  anfangs  aus  dem  Wege,  und  was  er  später 
über  sie  äussert,  beschränkt  sich  wesentlich  auf  die  Bemerkung,  dass  von 
einem  so  wunderbaren  Dinge,  wie  seiner  Säule,  auch  die  wunderbaren  che- 
mischen Wirkungen  ganz  wohl  erwartet  werden  könnten.  Der  Gedanke, 
dass  diese  chemischen  Wirkungen  mit  dem  elektrischen  Vorgange  causal 
verknüpft  sein  können,  liegt  ihm  ganz  fern.  Auf  der  anderen  Seite  drängen 
sich  die  chemischen  Wirkungen  unabweisbar  in  den  Vordergrund;  nicht  nur 
die  Zersetzungen  durch  den  Strom  fuhren  auf  einen  Zusammenhang  der 
chemischen  und  der  galvanischen  Erscheinungen,  sondern  es  wird  auch  als- 
bald beobachtet,  dass  in  der  Säule  selbst  chemische  Vorgänge  unaufhaltsam 
stattfinden,  und  dass  mit  der  Verhinderung  der  letzteren  auch  der  elektrische 
ein  Ende  nimmt. 

In  der  That  ist  die  Aufgabe  reich  genug,  um  eine  Bearbeitung  von  zwei 
ganz  verschiedenen  Seiten  zu  gestatten.  An  Volta  schliessen  sich  die  Phy- 
siker, welche  die  Gesetze  der  elektrischen  Erscheinungen  an  der  Säule  stu- 
diren;  von  Erman  bis  Ohm  können  wir  eine  glänzende  Reihe  von  Forschern 
zählen,  die  ohne  in  Bezug  auf  die  Ursache  des  elektrischen  Stromes  über 
die  unbefriedigende  Anschauung  Volta's,  dass  die  Berührung  der  Metalle 
diese  Ursache  sei,  auch  nur  einen  Schritt  vorwärts  zu  versuchen,  die  Ge- 
setzmässigkeiten seines  Verlaufes  zum  Gegenstande  schärfster  und  erfolg- 
reichster Analyse  machen. 

Die  andere  Reihe  von  Entdeckern,  von  Nicholson,  Carlisle  und  Davy 
bis  Faraday  suchen  nach  der  Quelle,  aus  welcher  der  elektrische  Strom 
fliesst,  und  finden  sie  im  chemischen  Vorgange.    Die  enge  Beziehung  zwischen 


Die  Volta'sche  Säule.  l/*n 


den  chemischen  und  elektrischen  Erscheinungen  ist  ihnen  ein  Anlass,  die 
einen  auf  die  anderen  gesetzmässig  zu  beziehen,  und  diese  Bestrebungen 
gipfeln  in  Faraday's  Gesetz  der  festen  elektrolytischen  Action. 

Der  Kampf  zwischen  der  Contacttheorie  und  der  chemischen  Theorie 
der  VoLTA'schen  Säule  hat  somit  begonnen,  noch  ehe  die  gesammte  wissen- 
schaftliche Welt  Kunde  von  der  Entdeckung  erhalten  hatte.  Anfangs  werden 
sich  die  Vertreter  der  verschiedenen  Meinungen  ihres  Gegensatzes  kaum  be- 
bewusst;  erst  nachdem  Volta  einige  Jahre  später  seine  Anschauungen  in 
endgültiger  Gestalt  zusammengefasst  hatte,  trat  diesen  sehr  bestimmt  for- 
mulirten  Ideen  die  andere  Anschauung  gegensätzlich  gegenüber.  Bald  spal- 
teten diese  Gegensätze  das  Heer  der  Physiker  in  zwei  feindliche  Lager, 
zwischen  denen  auf  das  erbittertste  gekämpft  wurde.  Der  Kampt  hat  bis 
nahe  in  die  Gegenwart  fortgedauert,  und  scheint  noch  jetzt  nicht  ganz  auf- 
gegeben zu  sein,  wenn  wohl  auch  die  alten  Anschauungen  Volta's  in  un- 
veränderter Gestalt  wohl  von  keinem  mehr  getheilt  werden.  Dass  es  aber 
möglich  war,  so  lange  zu  kämpfen,  dass  der  Zustand,  welchen  Poggendorff 
gelegentlich  dahin  charakterisirt,  dass  die  Contacttheorie  weder  widerlegt, 
noch  die  chemische  bewiesen  sei,  hat  keinen  anderen  Grund,  als  dass  die 
massgebenden  Gesichtspunkte  die  ganze  Zeit  hindurch  unzugänglich  geblieben 
waren.  In  der  That  konnte  so  lange  nicht  von  einer  wirklichen  chemischen 
Theorie  der  VoLTA'schen  Kette  die  Rede  sein,  als  es  der  Chemie  selbst  an 
einer  ausreichenden  Theorie  in  dem  entscheidenden  Gebiete  gebrach.  Erst 
in  neuester  Zeit  ist  es  gelungen,  diese  Lücke  auszufüllen,  und  alsbald  hat 
sich  auch  eine  allseitig  befriedigende  chemische  Theorie  der  Voi/iVschen 
Kette  entwickeln  lassen,  deren  durchsichtige  Klarheit  bald  die  letzten  Nebel 
der  Contacttheorie  zum  Verschwinden  bringen  wird. 

Wir  werden  demgemäss  hauptsächlich  zwei  parallele  Entwickelungsreihen  in 
der  Lehre  von  der  VoLTA'schen  Kette  zu  verfolgen  haben,  von  denen  die  eine 
mehr  physikalischen,  die  andere  mehr  chemischen  Interessen  zugewandt  ist.  Die 
Versuche,  beide  zu  vereinen,  lassen  erst  in  der  Mitte  des  Jahrhunderts  einen 
beginnenden  Erfolg  erkennen,  und  in  unserer  Zeit  darf  man  die  Vereinigung 
als  vollzogen  betrachten. 


10* 


Fig.  52.     Humphrt  Davy. 


Siebentes  Kapitel. 

Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule. 


I.  Die  englischen  Forscher.  Unmittelbar  auf  die  oben  (S.  130)  er- 
wähnte Arbeit  von  Nicholson  und  Carlisle  folgte  eine  ganze  Reihe  weiterer 
Mittheilungen  englischer  Gelehrter,  die  sich  sämmtlich  auf  die  chemischen 
Wirkungen  der  Säule  bezogen.  Diese  Arbeiten  sind  alle  in  Nicholson^ 
Journal  of  Natural  Philosophy  veröffentlicht,  und  bringen  eine  in  eine  ganz 
kurze  Zeit  zusammengedrängte  erhebliche  Förderung  des  tatsächlichen  Ma- 
terials. Sie  bewegen  sich  alle  in  derselben  Richtung,  welche  durch  die  ge- 
nannte Arbeit  angegeben  war:  die  Erforschung  der  in  und  mittelst  der  Säule 
stattfindenden  chemischen  Vorgänge.  Unter  denen,  die  zunächst  auftreten, 
sind  Cruikshank,  Haldane,  Wollaston  und  W.  Henry  zu  nennen;  doch 
zeichnet  sich  neben  diesen  sehr  bald  H.  Davy  aus,  um  in  kurzer  Frist  die 
Führung  zu  übernehmen  und  an  seinen  Namen  die  wichtigsten  Fortschritte 
zu  knüpfen,  welche  auf  dem  Gebiete  gemacht  wurden. 

Der   erste   Forscher,    dem    wir   auf  dem    neuen   Wege   begegnen,    ist 

1  Aus  KOPP's  Gesch.  d.  Chemie.    III.    1846. 


\ 


Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule.  14g 


W.  Cruikshank.1  Er  fand,  dass  Salmiak  viel  geeigneter  war,  die  feuchten 
Zwischenschichten  herzustellen,  als  reines  Wasser.  Seine  Versuche  bestätigten 
zunächst  die  von  Nicholson  und  Carlisle,  was  die  Gasentwickelung  und 
Färbung  von  Lackmus  betrifft;  Neues  ergaben  dagegen  die  Experimente  mit 
Metallsalzlösungen. 

„Es  ist  eine  wohlbekannte  Thatsache,  dass  Wasserstoffgas  in  der  Hitze, 
oder  in  nascirendem  Zustande  die  Metallkalke  reducirt;  ich  erwartete  daher, 
dass,   wenn  ich   die  Glasröhre   mit   metallischen  Lösungen   füllte,   ich   den 
Wasserstoff  vom  Sauerstoff  abscheiden    und   letzteren   in   seinem    einfachen 
oder  reinen  Zustande  erhalten  könnte.     Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  be- 
nutzte  ich  Bleiacetat  zur  Füllung  der  Röhre,   indem  ich  einen  Überschuss 
von  Säure  hinzufügte,    um  der  Wirkung  des  Alkalis  zu  begegnen.     Als  die 
Verbindung  in  gewohnter  Weise  hergestellt  war,  konnte  kein  Gas  beobachtet 
werden,    doch   nach   einer   oder   zwei  Minuten  wurden   einige   feine  Metall- 
nadeln an  dem  Ende  des  mit  Silber  verbundenen  Drahtes  bemerkt     Diese 
vergrösserten  sich  schnell  und  nahmen  die  Gestalt  einer  Feder,  oder  besser, 
die  der  Krystalle  von  Chlorammonium  an.     Das   auf  diese  Weise   gefällte 
Blei  war  in  völlig  metallischem  Zustande  und  sehr  glänzend;  ein  wenig  Gas 
entwich  von  dem  mit  dem  Zink  verbundenen  Drahte,  welcher  wie  gewöhnlich 
stark  angegriffen  wurde." 

Weitere  Versuche  bezogen  sich  auf  Kupfersulfat;  hier  wurde  eine  Art 
von  metallenem  Knopf  gebildet,  der  von  dem  Silberdraht,  an  dem  er  sich 
gebildet  hatte,  nicht  getrennt  werden  konnte.  Verdünnte  Essigsäure  Hess 
den  vom  Zinkende  der  Säule  herkommenden  Silberdraht  stark  angegriffen 
werden,  und  nach  einiger  Zeit  schied  sich  metallisches  Silber  an  dem  an- 
deren Drahte  aus.  In  Chlorammonium  und  Chlornatrium  erhielt  der  Silber- 
draht vom  Zinkende  einen  dicken  Überzug  von  Chlorsilber,  und  die  Flüssig- 
keit am  anderen  Drahte  wurde  alkalisch:  „Dieser  Versuch  erklärt  die  Zer- 
setzung des  salzsauren  Natrons  und  Ammoniaks,  welche  stets  stattfand,  wenn 
die  Pappen  in  der  Säule  mit  diesen  Salzen  befeuchtet  waren." 

Schliesslich  verband  Cruikshank  zwei  Röhren  A  und  B  mit  Wasser 
durch  einen  Silberdraht  C>  und  senkte  in  jede  von  ihnen  ein  Ende  der  von 
der  Batterie  hergeleiteten  Drähte.  „Es  wurde,  wie  gewöhnlich,  Gas  an  dem 
einen  Ende  des  verbindenden  Drahtes  in  A  entwickelt,  und  der  in  derselben 
Röhre  befindliche  Theil  des  Verbindungsdrahtes  C  wurde  wie  gewöhnlich 
aufgelöst;  das  andere  Ende  desselben  Drahtes  in  der  Röhre  B  gab  aber  Gas 
aus,  während  der  zur  Säule  führende  Draht  in  B  aufgelöst  wurde." 

In  einer  zweiten,  bald  darauf  erfolgenden  Mittheilung  theilt  Cruikshank3 
einige  Messungen  über  das  Verhältniss  der  beiden  entwickelten  Gase  mit, 
nachdem  er  die  Vermuthung  von  Nicholson  und  Carlisle,  dass  die  beiden 
Gase  getrennt  erscheinen,  bestätigt  hatte.    Das  Verhältniss,  in  welchem  beide 


1  Nicholsons  Journ.  4,  187.  —  Gilbert's  Ann.  6,  360.  1800. 
*  Nicholsons  Journ.  4,  254.  —  Gilberts  Ann.  7,  88.  1801. 


I  CQ  Siebentes  Kapitel. 


I 


erschienen,  entfernt  sich  noch  ziemlich  weit  von  der  Wahrheit;  er  fand  es 
gleich  1/8,  obwohl  er  bei  seinen  neueren  Versuchen  Platin-  und  Golddrähte 
anwandte,  die  er  früher  nicht  zur  Verfügung  gehabt  hatte.  Die  Gesammt- 
heit  seiner  Versuche  fasst  er  folgendermaassen  zusammen: 

„I.  Dass  Wasserstoffgas  mit  einer  sehr  kleinen  Menge  Sauerstoff  und 
Ammoniak  gemischt  auf  irgend  eine  Weise  an  dem  Draht  entwickelt  wird, 
der  mit  dem  Silberende  der  Maschine  verbunden  ist,  und  dass  diese  Wirkung 
in  gleicher  Weise  erfolgt,  welcher  Natur  der  Draht  auch  sei,  wenn  nur  die 
Flüssigkeit  reines  Wasser  ist. 

II.  Dass,  wenn  metallische  Lösungen  an  Stelle  von  Wasser  gebraucht 
werden,  der  Draht,  welcher  Wasserstoff  giebt,  den  Metallkalk  revivificirt,  und 
dieses  am  Ende  des  Drahtes  in  reinem  metallischen  Zustande  abscheidet;  in 
diesem  Falle  wird  kein  Wasserstoff  abgeschieden.  Der  Draht  kann  für  diesen 
Zweck  von  jedem  beliebigen  Metalle  sein. 

III.  Dass  bei  Lösungen  von  Erden,  die  von  Magnesia  und  Thonerde  allein 
durch  den  Silberdraht  zersetzt  werden,  wobei  die  Bildung  von  Ammoniak 
sehr  begünstigt  wird. 

IV.  Dass,  wenn  der  mit  dem  Zinkende  der  Säule  in  Verbindung  stehende 
Draht  aus  Gold  oder  Platin  besteht,  Sauerstoff,  vermischt  mit  etwas  Stick- 
stoff und  Salpetergas,  entwickelt  wird,  und  die  Menge  des  so  erhaltenen 
Gases  etwas  mehr  als  1/s  des  Wasserstoffes  ist,  welcher  zu  derselben  Zeit  von 
dem  Silberdraht  entwickelt  wird. 

V.  Dass,  wenn  der  mit  dem  Zink  verbundene  Draht  aus  Silber  oder 
einem  anderen  unedlen  Metall  besteht,  zwar  gleichfalls  eine  kleine  Menge 
Sauerstoff  ausgegeben  wird,  dass  der  Draht  aber  selbst  entweder  oxydirt 
oder  aufgelöst  wird;  die  in  diesem  Falle  auf  das  Metall  ausgeübte  Wirkung 
ist  sehr  ähnlich  der  der  concentrirten  Salpetersäure,  durch  welche  ein  grosser 
Theil  des  Metalles  oxydirt  wird,' während  ein  kleiner  Theil  in  Lösung  geht 

VI.  Dass,  wenn  die  entwickelten  Gase  zusammen  aufgefangen  und  über 
Quecksilber  zur  Explosion  gebracht  werden,  fast  die  ganze  Menge  unter 
Wasserbildung  verschwindet,  wobei  wahrscheinlich  eine  kleine  Menge  Salpeter- 
säure entsteht,  denn  einige  Zeit  nach  der  Explosion  zeigen  sich  stets  dicke 
weisse  Dämpfe.  Das  rückständige  Gas  scheint  in  diesem  Falle  Stickstoff 
zu  sein. 

„Denkt  man  über  diese  Versuche  nach,  so  erscheint  offenbar,  dass  in 
einigen  von  ihnen  das  Wasser  zersetzt  werden  musste;  wie  dies  jedoch  hat 
vor  sich  gehen  können,  ist  keineswegs  so  leicht  zu  erklären.  So  erscheint 
es  -beispielsweise  ausserordentlich  geheimnissvoll,  wie  der  Sauerstoff  still- 
schweigend von  dem  Ende  des  Silberdrahtes  zu  dem  des  Zinkdrahtes  hat 
übergehen  können  und  dort  als  Gas  erscheinen.  Auch  muss  bemerkt 
werden,  dass  diese  Wirkung  eintritt,  wo  auch  die  Drähte  angebracht  werden 
mögen,  und  was  für  Biegungen  zwischen  ihren  Enden  angebracht  seien, 
wenn  nur  die  Entfernung  nicht  zu  gross  ist.  Betrachtet  man  diese  That- 
sache  genauer,   so  scheint  mir  die  leichteste  und   einfachste  Weise  der  Er- 


Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule.  151 


ldärung  die  Annahme,  dass  die  galvanische  Wirkung  (was  sie  auch  sein  mag) 
in  zwei  Zuständen,  dem  oxydirten  und  dem  desoxydirten,  zu  existiren  ver- 
mag.    Wenn   sie  von   einem  Metall   zu   einer  sauerstoffhaltigen  Flüssigkeit 
übertritt,  so  erfasst  sie  deren  Sauerstoff  und  wird  oxydirt;  geht  sie  aber  von 
der  Flüssigkeit  zum  Metall  über,  so  nimmt  sie  ihren  früheren  Zustand  an, 
und  wird  desoxydirt     Ist  nun  Wasser  die  zwischenliegende  Flüssigkeit,  und 
der  Strom  tritt  desoxygenirt  von  der  Silberseite  ein  (und  wir  nehmen  immer 
an,  dass  er  von  der  desoxydirten  Seite  zu  der  oxygenirten  geht),  so  ergreift 
er  den  Sauerstoff  des  Wassers  und  entbindet  den  Wasserstoff,  welcher  dem- 
gemäss  als  Gas  erscheint;   tritt  aber  die  Wirkung  von  der  Zinkseite  ein,  so 
entiässt  sie  den  Sauerstoff,   mit  dem  sie  vorher  vereinigt  war,   und   dieser 
entweicht  als  Gas,  verbindet  sich  mit  dem  Metall  zu  einem  Oxyd,  oder  bildet 
mit  einem  gewissen  Theil  Wasser  u.  s.  w.  Salpetersäure,    der   Meinung    der 
deutschen  Chemiker  gemäss.     Ist  die  zwischengebrachte  Flüssigkeit  ein  me- 
tallisches Salz,  so  kann  die  Wirkung  auf  zwei  Weisen  erklärt  werden,  doch 
die  einfachste  ist  die  Annahme,  dass  die  Wirkung  von  der  Silberseite  aus- 
geht,  den  Sauerstoff  des  Metallkalkes  ergreift,    und  diesen  beim  Eintritt  in 
den  Zinkdrath  absetzt    In  diesem  Falle  sollte  kein  Gas  an  dem  Silberdrahte 
erscheinen,  wenn  aber  ein  edles  Metall  benutzt  wird,  so  sollte  Sauerstoff  an 
der  Zinkseite  erscheinen.     Dies  ist,  wie  schon  bemerkt  wurde,  genau  das, 
was  eintritt.    Was  ich  übrigens  als  das  stärkste  Argument  zu  Gunsten  dieser 
Hypothese  betrachte,  ist,  dass  Flüssigkeiten,  die  keinen  Sauerstoff  enthalten, 
unfähig  sind,  den  elektrischen  Strom  zu  leiten,  wie  Alkohol,  Fett,  die  wesent- 
iichen  Ole;    dass  aber  im  Gegentheil  solche,  die  Sauerstoff  enthalten,  mehr 
oder  weniger   gut  leiten,  wie  wässerige  Flüssigkeiten,   metallische  Lösungen 
und  die  Säuren,  besonders  die  Schwefelsäure,  welche  zersetzt  wird.  .  .  .    Ob- 
wohl ich  von  der  Hypothese  selbst  keineswegs  vollständig  befriedigt  bin,  so 
habe  ich  sie  doch  mittheilen  zu  sollen  geglaubt,  da  sie  die  einzige  ist,  durch 
die  ich  die  verschiedenen  Thatsachen  erklären  kann." 

Cruikshank  geht  darauf  dazu  über,  einen  neuen  Apparat  zu  beschreiben, 
welchem  er  bedeutende  Vorzüge  vor  dem  VoLTA'schen  zuschreibt;  es  ist 
dies  der  bekannte  Trogapparat  Dieser  besteht  aus  einer  Anzahl  von  Doppel- 
platten, die  in  die  Rillen  eines  länglichen  Troges  so  eingesetzt  sind,  dass 
sie  diesen  in  eine  Anzahl  von  Abtheilungen  theilen,  in  die  die  Flüssigkeit 
gegossen  wird. 

So  seltsam  uns  diese  Theorie  Cruikshank's  erscheinen  mag,  so  ist  sie 
doch  von  dem,  was  wir  jetzt  als  Wahrheit  annehmen,  nicht  so  weit  entfernt, 
als  es  auf  den  ersten  Blick  aussieht;  nur  dass  wir  uns  umgekehrt  auszu- 
drücken pflegen:  wir  lassen  nicht  die  Elektricität  mit  Sauerstoff  verbunden 
sich  bewegen,  sondern  umgekehrt  den  Sauerstoff  verbunden  mit  der  Elek- 
tricität. Das  Wesentliche,  die  gleichzeitige  Bewegung  der  Elektricität  und 
der  ponderablen  Materie,  hat  Cruikshank  ganz  richtig  zum  Ausdruck 
gebracht. 

Die  weiteren  Mittheilungen  Cruikshank's  in  dieser  Arbeit  beziehen  sich 


IC2  Siebentes  Kapitel. 


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auf  das   Verhalten   ammoniakalischer   Metallsalzlösungen,    und    haben    kein  * 
weiteres  Interesse. 

Von  den  übrigen  Autoren,  die  sich  in  der  Sache  vernehmen  lassen, 
macht  W.  Henry  im  wesentlichen  dieselben  Mittheilungen,1  so  dass  ich  darauf 
verzichten  kann,  sie  anzuführen.  Die  Arbeiten  von  Haldane2  enthalten  da- 
gegen eine  Anzahl  neuer  Beobachtungen.  Insbesondere  ist  er  der  erste,  der 
gefunden  hat,  dass  die  Thätigkeit  der  Säule  im  luftleeren  Räume  aufhört 
Auch  hat  er  die  Wirkung  verschiedener  Metalle  in  der  Säule  versucht,  doch 
mit  zunächst  ziemlich  unbestimmten  Resultaten.  In  einem  Anhange  zu 
Haldane's  Aufsatz,  der  ausserdem  einen  Vergleich  der  Säule  mit  der  Elek- 
trisirmaschine  enthält,  stellte  Nicholson  3  einige  interessante  Berechnungen  an. 
Er  verglich  den  Schlag,  den  er  von  der  Säule  erhielt,  mit  dem  von  einer 
Leidener  Flasche,  und  fand  ihn  annähernd  gleichwerthig  dem  einer  Flasche 
von  einem  Quadratfuss  Belegung,  die  zur  Schlagweite  von  1/40  Zoll  geladen 
war.  Mittelst  wiederholter  Theilung  der  Ladung  der  Flasche  verglich  er 
ferner  ihre  Spannung  mit  der  der  Säule  am  BENNET'schen  Elektrometer,  und 
fand  sie  7  500 mal  kleiner.  Nach  den  Versuchen  von  Cavendish  musste  er 
die  für  einen  gleichen  Schlag  erforderliche  Elektricitätsmenge  dem  Quadrat 
ihrer  Spannung  umgekehrt  proportionol  setzen;  daraus  geht  hervor,  dass 
die  Capacität  der  Säule  etwa  3  500000  mal  grösser  ist,  als  die  der  Leidener 
Flasche. 

In  einer  späteren  Mittheilung  kommt  Haldane4  auf  die  Versuche  mit 
verschiedenen  Metallen  zurück,  ohne  sie  indessen  wesentlich  zu  fördern.  Die 
Thatsache,  dass  die  Säule  im  leeren  Räume  zu  wirken  aufhört,  wird  bestätigt 
und  dahin  erweitert,  dass  die  Wirkung  in  einem  geschlossenen  Lufträume 
bald  aufhört;  befindet  sich  die  Säule  in  Sauerstoffgas,  so  ist  die  Wirkung 
anfangs  viel  kräftiger,  hört  aber  gleichfalls  bald  auf.  In  Stickstoff  findet 
überhaupt  keine  Wirkung  statt.  Als  Sauerstoff  angewendet  wurde,  liess  sich 
eine  deutliche  Absorption  des  Gases  nachweisen.  Haldane  verfehlt  nicht, 
diese  Thatsachen  zu  Gunsten  der  Theorie  von  der  chemischen  Quelle  der 
galvanischen  Erscheinungen  zu  deuten. 

Von  den  Erscheinungen  der  Säule  blieb  die  auffälligste  immer  das  ge- 
trennte Erscheinen  der  Bestandteile  des  Wassers  an  den  beiden  von  ein- 
ander entfernten  Dräthen,  und  ein  ungenannter  Correspondent  in  Nicholson^ 
Journal  äussert  sich  darüber6)  in  drastischer  Weise.  Nachdem  er  auf  die 
Leichtigkeit  hingewiesen  hat,  mit  der  das  neue  System  der  Chemie  die 
meisten  Thatsachen  erklärt,  und  an  das  Erscheinen  der  Gase  an  den  ver- 
schiedenen Stellen  erinnert  hat,  fährt  er  fort: 

„Nun,  Sir,  möchte  ich  wissen,  wie  es  nach  irgend  einem  System  ge- 
schehen kann,  dass  die  beiden  Bestandteile  des  Wassers  veranlasst  werden 
sollen,  in  solcher  Entfernung  von  einander  zu  erscheinen!     Fliegt  etwa  der 


1  Nicholson's  Journ.  4,  223.    1800.       *  Ebenda  4,  241.  I800. 

8  Ebenda  4,  243.    1800.  4  Ebenda  4,  313.  1800.       *  Ebenda  4«  472. 


Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule.  je* 

Wasserstoff  aus  dem  zersetzten  Wassertheilchen  an  der  Zinkseite  der  Säule 
in  dem  Augenblicke  davon,  wo  der  Sauerstoff  an  der  Silberseite  entwickelt 
wird?  Ist  das  so,  warum  sieht  man  nicht  die  Gasblasen  unterwegs?  Oder 
wandert  der  Sauerstoff  von  der  Silberseite  zu  der  Zinkseite?  Oder  finden 
zwei  Ströme  statt?" 

In  einer  späteren  Mittheilung  schlägt  derselbe  Correspondent  folgende 
Theorie  vor:  „In  strikter  Philosophie  können  wir,  soviel  ich  sehe,  nicht  mehr 
sagen,  als  dass  die  eine  Art  der  Elektricität  plus  Wasser  das  eine  Gas  geben, 
und  die  andere  das  andere  Gas.  Ist  es  nicht  eine  blosse  Annahme,  zu 
sagen,  dass  die  Substanz  der  beiden  Gase  Bestandtheile  des  Wassers  ge- 
wesen sind?" 

Die  gleiche  Frage  war  unterdessen  in  Deutschland  von  Ritter  behandelt 
worden  und  dieser  hatte  folgendes  Experiment  beschrieben  (S.  160): 

Eine  V-förmig  gebogene  Glasröhre  wurde  in  ihrer  unteren  Biegung  mit 
concentrirter  Schwefelsäure  gefüllt,  die  an  beiden  Seiten  mit  Wasser  über- 
schichtet war.  Wurde  der  Strom  durch  diese  Anordnung  geleitet,  so  ent- 
wickelte sich  wie  gewöhnlich  an  beiden  Drähten  Gas.  Nun  sah  Ritter  es 
als  unmöglich  an,  dass  Wasser  oder  ein  Bestandtheil  des  Wassers  durch  die 
concentrirte  Schwefelsäure  gehen  könne,  ohne  zurückgehalten  zu  werden, 
und  erachtete  dadurch  den  Beweis  für  erbracht,  dass  Sauerstoff  und  Wasser- 
stoff nicht  Bestandtheile  des  Wassers  sein  können. 

Der  ungenannte  Correspondent  sieht  in  diesem  Versuch  eine  voll- 
ständige Bestätigung  seiner  Vermuthung,  und  hält  das  System  von  Lavoisier 
dadurch  für  widerlegt;  auch  verfehlt  er  nicht,  auf  den  Trümmern  desselben 
alsbald  ein  neues  aufzubauen. 

In  nahem  Zusammenhange  mit  diesen  Erscheinungen  steht  eine  Reihe 
von  Beobachtungen,  die  Wollaston  mitgetheilt  hat.1  Wenn  ein  Stück  Zink 
und  ein  Stück  Silber  in  verdünnte  Säure  gelegt  werden,  ohne  sich  zu  be- 
rühren, so  wird  das  Zink  angegriffen  und  entwickelt  Gas;  das  Silber  bleibt 
dabei  völlig  unverändert  So  wie  aber  beide  Metalle  in  Berührung  kommen, 
so  geht  auch  am  Silber  Gasentwicklung  vor  sich.  Ebenso  entwickelt  sich 
unter  ähnlichen  Umständen  Salpetergas  an  Gold,  welches  sich  in  Berührung 
mit  Kupfer  unter  Salpetersäure  befindet  Ebenso  werden  Metalle  aus  ihren 
Lösungen  auf  edleren  niedergeschlagen,  wenn  diese  mit  weniger  edlen  ver- 
bunden eingetaucht  werden;  so  giebt  Eisen  mit  Silber  verbunden,  in  Kupfer- 
vitriollösung getaucht,  einen  Niederschlag  von  Kupfer  auf  dem  Silber. 

Zur  Erklärung  dieser  auffälligen  Erscheinungen  bezieht  sich  Wollaston 
auf  das  getrennte  Auftreten  der  Gase  bei  Anwendung  der  VoLTA'schen 
Sauie,  und  führt  die  Vorgänge  gleichfalls  auf  elektrische  Wirkungen  zwischen 
den  sich  berührenden  Metallen  zurück.  Zur  Erläuterung  theilt  er  einige 
Versuche  mit  gewöhnlicher  Elektricität  mit,  die  die  gleiche  Eigentümlich- 
keit zeigen.     Diese  Versuche  hat  er  später  an  anderer  Stelle2  ausfuhrlicher 

1  Xicholson's  Journ.  5,  337.  1801. 

*  Philos.  Trans.  1801,  427.  —  Gilbert's  Ann.  11,  107.  1802. 


I  54  Siebentes  Kapitel. 


beschrieben;  sie  zeichnen  sich  durch  die  ihm  eigentümliche  Geschicklich- 
keit in  der  mechanischen  Ausfuhrung  aus.  Bei  dieser  Gelegenheit  gab  er 
die  zweckmässigen  Elektroden  an,  welche  unter  dem  Namen  der  Wol- 
LASTON'schen  Spitzen  seitdem  vielfach  zur  Anwendung  gekommen  sind;  er 
beschreibt  ihre  erste  Herstellung  folgendermaassen:  „Ich  überzog  einen  feinen 
Silberdraht,  der  1/iao  Zoll  im  Durchmesser  hatte,  an  einer  Stelle  2  bis  3  Zoll 
lang  mit  Siegellack  und  schnitt  ihn  in  der  Mitte  dieser  überzogenen  Stelle 
durch,  so  dass  er  hier  bloss  im  Querschnitt  entblösst  wurde."  Die  An- 
wendung dieser  Elektroden  in  Kupfersulfatlösung  liess  an  der  Oberfläche  des 
negativen  Drahtes  nach  100  Umdrehungen  seiner  Maschine  einen  Nieder- 
schlag erkennen,  der  sich,  polirt,  als  Kupfer  zeigte;  der  andere  Draht  war 
ohne  einen  solchen  Überzug.  Bei  der  Umkehrung  des  Stromes  wurde  das 
Kupfer  aufgelöst  und  erschien  an  dem  anderen  Draht 

Mit  der  Wasserzersetzung  hatte  Wollaston  Schwierigkeiten,  die  er  fol- 
gendermaassen überwand:  „Zu  dem  Ende  steckte  ich  einen  höchst  feinen 
Golddraht,  dem  ich  eine  möglichst  scharfe  Spitze  gegeben  hatte,  in  ein  Haar- 
röhrchen von  Glas,  erhitzte  dieses  so,  dass  es  sich  ringsumher  an  die  Spitze 
anlegte  und  sie  überall  bedeckte,  und  schob  dann  den  Draht  ein  wenig 
herab,  bis  er  mittelst  einer  Lupe  nur  so  eben  ausserhalb  des  Glases  zu  ent- 
decken war."  .  .  .  Mit  diesen  Leitern  erhielt  Wollaston  zwar  eine  Wasser- 
zersetzung, wenn  er  Funkenstrecken  in  seiner  Strombahn  hatte,  dagegen 
keine  ohne  solche.  „Um  nun  zu  finden,  wieweit  sich  die  Stärke  des  elek- 
trischen Funkens  verringern  lässt,  wenn  man  das  Ende  des  Drahtes  allmählich 
verkleinert,  trieb  ich  eine  Goldauflösung  in  Königswasser  durch  ein  Haar- 
röhrchen und  verjagte  die  Säure  durch  Erhitzung.  Es  blieb  ein  dünnes 
Goldhäutchen  zurück,  womit  das  Innere  der  Röhre  überzogen  war,  und  das 
sich  durch  Schmelzen  des  Röhrchens  in  einen  Goldfaden,  der  sich  mitten 
durch  das  Glas  hinzog,  verwandelte.  Wurde  die  Elektricität  durch  das  Ende 
dieses  Fädchens  in  Wasser  geleitet,  so  reichte  ein  blosses  Einströmen  der- 
selben in  den  positiven  oder  negativen  Conductor  unmittelbar  berührenden 
Verbindungsdraht  hin,  um  vom  Ende  des  Goldfädchens  einen  zusammen- 
hängenden Strom  Gasblasen  aufsteigen  zu  machen." 

Indessen  fand  Wollaston  doch  noch  einen  Unterschied  zwischen  den 
Erscheinungen  der  Reibungs-  und  Berührungselektricität:  die  entwickelten 
Gase  waren  nicht  reiner  Sauerstoff  und  Wasserstoff,  sondern  beiderseits  Ge- 
menge von  beiden.     (Eine  Trennung  gelang  bald  darauf  Davy.) 

Weitere  Versuche  beziehen  sich  auf  die  Farbreactionen  von  Lackmus, 
und  gelangen  gleichfalls,  wenn  ein  Kartenblatt  mit  Lackmus  gefärbt  und 
mit  zwei  Goldspitzen,  welche  die  Elektricität  zu-  und  ableiteten,  in  Berüh- 
rung gebracht  wurde.  Die  Wirkung  war  besonders  sichtbar,  wenn  das 
Kartenblatt  beinahe  trocken  war.  Dann  waren  wenige  Umdrehungen  der 
Maschine  hinreichend,  um  das  Papier  am  positiven  Draht  sichtbar  zu 
röthen. 


Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule.  j  c  c 


Das  gleiche  Mittel,  die  Wasserzersetzung  sichtbar  zu  machen,  gab  etwas 
später  van  Marum1  an. 

Die  Zersetzung  von  Metallsalzen  durch  Reibungselektricität  war  gleich- 
zeitig oder  noch  etwas  früher  auch  schon  durch  Ritter  (vgl.  S.  25)  aus- 
geführt worden. 

2.  Humphry  Davy.  Unter  der  Schaar  der  an  jenen  ersten  Versuchen 
mit  der  VoLTA'schen  Säule  s£ch  betheiligenden  Forschern  finden  wir  auch 
einen,  der  seine  Arbeitsgenossen  bald  vollständig  in  den  Schatten  stellen 
sollte:  Humphry  Davy,  damals  noch  „Oberaufseher  des  pneumatischen  In- 
stituts". Schon  der  erste  von  ihm  beschriebene  Versuch3  ist  von  bemerkens- 
werther  Originalität: „Ich  setzte  die  Enden  der  Säule  durch  Silber- 
drähte mit  zwei  5  Zoll  von  einander  abstehenden  Gläsern  voll  Wasser,  das 
lange  gekocht  und  noch  warm  war,  und  das  Wasser  in  den  beiden  Gläsern 
durch  meinen  Körper  in  leitende  Verbindung,  indem  ich  einen  Finger  der 
rechten  Hand  in  das  eine,  einen  Finger  der  linken  Hand  in  das  andere  Glas 
tauchte.  Kaum  hatte  ich  den  Schlag  erhalten,  so  fing  der  Draht  des  Zink- 
endes an,  sich  schnell  zu  verkalken Zugleich  bildete  sich  rings  um 

den  Draht  des  Silberendes  im  anderen  Glase  Gas.    Ich  unterhielt  die  Leitung 

eine  halbe  Stunde  lang Das  vom  Draht  der  Silberseite  sich  entwickelnde 

Gas  wurde  in  einen  verkehrt  gesetzten  Glascylinder  aufgefangen,  enthielt, 
wie  die  Probe  mit  Salpetergas  darthut,  gar  kein  Sauerstoffgas,  und  vermin- 
derte sich,  als  es  mit  doppelt  so  viel  atmosphärischer  Luft  verbrannt  wurde, 
so  dass  es  fast  ganz  aus  reinem  Wasserstoffgas  bestehen  musste." 

Davy  wiederholte  den  Versuch  durch  drei  Personen,  die  sich  anfassten, 
hindurch,  sowie  durch  Muskelfaser  und  einen  nassen  Faden,  und  fand  stets 
Zersetzung,  wenn  auch  mit  verschiedener  Stärke. 

Durch  sorgfältige  messende  Versuche  überzeugte  sich  Davy,  dass  Sauer- 
stoff und  Wasserstoff  aus  dem  Wasser  in  demselben  Verhältniss  entwickelt 
werden,  in  welchem  sie  Wasser  bilden.  Als  er  bei  einem  Versuch  mit  Kali- 
losung dasselbe  fand,  schloss  er,  „dass  keine  Zersetzung  des  Kali  vor 
sich  gegangen  war,  und  der  Galvanismus  durch  diesen  Stoff  nur  fähig  ge- 
macht wurde,  den  Sauerstoff  und  Wasserstoff  viel  schneller  als  ohnedies 
aus  dem  Wasser  zu  entbinden".  Eine  Reihe  von  weiteren  Versuchen  mit 
verschiedenen  Säuren,  sowie  mit  Ammoniak  bestätigen  ihm  den  Schluss: 
„Keiner  dieser  zusammengesetzten  Stoffe  scheint  hier  unmittelbar  durch  die 
galvanische  Wirkung  zersetzt  worden  zu  sein." 

Wir  werden  sehen,  dass  diese  Auffassungsweise  zum  Schaden  der  Wissen- 
schaft für  lange  Zeit  die  herrschende  wird.  In  der  That  war  es  aber  zu 
jener  Zeit  nicht  möglich,  anders  zu  schliessen,  da  eine  Erklärung  der  Er- 
scheinung die  Kenntniss  des  erst  ein  Vierteljahrhundert  später  entdeckten 
FARADAY'schen  Gesetzes  voraussetzt. 


1  Ann.  de  Chimie  41,  77.     Gilbert's  Ann.  11,  220.  1802. 

*  Nicholsons  Jonrn.  4,  275  u.  326.     Gilbert's  Ann.  7,  114.  1801. 


I  c6  Siebentes  Kapitel. 


I 


Weitere  Versuche  Davy^s  l  beziehen  sich  auf  die  Anwendung  von  Hob- 
kohle in  der  Säule  und  bieten  nichts  besonders  Bemerkenswerthes.  Weiter 
bestätigte  er  die  Beobachtungen  von  Haldane  (S.  151)  und  fügte  die  Bemer- 
kung hinzu,  dass  bei  einer  mit  Salpetersäure  erbauten  Säule  die  Wirkung 
im  luftleeren  Räume  nicht  aufhörte.  Auch  wies  er  durch  mehrfache  andere 
Versuche  nach,  dass  sowohl  die  Oxydation  des  Zinks  durch  die  Möglichkeit 
einer  galvanischen  Wirkung,  wie  auch  die  letztere  durch  die  Möglichkeit 
eines  chemischen  Vorganges  bedingt  ist.  Er  zieht  aus  der  Gesammtheit 
seiner  Beobachtungen  folgende  Schlüsse: 

„Von  zwei  Phänomenen  oder  zwei  Reihen  von  Phänomenen  können  wir 
nur  dann  behaupten,  dass  das  eine  die  Ursache  des  anderen  ist,  wenn  das  eine 
dem  anderen  regelmässig  vorausgeht,  und  wenn  ihre  Modificationen  mit  ein- 
ander verbunden  sind.  Aus  allen  angegebenen  Thatsachen  scheint  hervor- 
zugehen, dass  Volta's  galvanische  Säule  nur  wirkt,  wenn  die  leitende  Flüssig- 
keit zwischen  den  Platten  das  Zink  oxydirt;  und  das  im  Verhältniss,  als 
mehr  Sauerstoff  in  einer  gegebenen  Zeit  sich  mit  dem  Zink  verbinden  kann, 
auch  die  Kraft  der  Säule,  Wasser  zu  zersetzen  und  den  Schlag  zu  geben, 
zunimmt.  Es  scheint  demnach  vernünftig,  zu  schliessen,  dass,  obwohl  wir 
auf  Grund  der  zur  Zeit  bekannten  Thatsachen  ausser  Stande  sind,  den  ge- 
nauen Verlauf  des  Vorganges  zu  erklären,  die  Oxydation  des  Zinks  in  der 
Säule  und  der  chemische  Vorgang  dabei  auf  irgend  eine  Weise  die  Ursache 
des  auftretenden  elektrischen  Effekts  sind." 

In  weiterer  Verfolgung  dieses  Gedankenganges  bestätigte  Davy  noch  auf 
mannigfaltige  Weise  die  gegenseitige  Abhängigkeit  beider  Reihen  von  Er- 
scheinungen. So  zeigte  er,2  dass  verdünnte  Schwefelsäure,  die  auf  Zink  viel 
stärker  einwirkt,  als  concentrirte,  auch  viel  kräftigere  elektrische  Wirkungen 
hervorbringt,  als  die  letztere.  Ferner  überzeugte  er  sich,  dass  der  gleiche 
chemische  Vorgang,  wie  er  zwischen  den  Verbindungsdrähten  der  Säule 
stattfindet,  auch  in  jedem  Theil  der  Säule  auftritt.  Davy  schliesst  diesen 
Theil  seiner  Untersuchungen  mit  den  Worten;  „Über  diese  Thatsachen  will 
ich  nicht  speculiren.  .  .  .  Viele  neue  Beobachtungen  müssen  noch  gesammelt 
werden,  bevor  wir  werden  behaupten  können,  dass  Wasser  beim  galvanischen 
Vorgang  zersetzt  wird.  Nehmen  wir  seine  Zersetzung  an,  so  müssen  wir 
annehmen,  dass  mindestens  einer  seiner  Bestandteile  fähig  ist,  in  unsicht- 
barer Gestalt  durch  Wasser  und  viele  verbundene  organische  Stoffe  zu  gehen, 
und  eine  derartige  Annahme  steht  ausser  allem  Zusammenhange  mit  den 
bekannten  Thatsachen.  Doch  ist  erst  eine  kurze  Zeit  vergangen,  dass  die 
Forscher  mit  Erstaunen  gesehen  haben,  wie  feste  und  flüssige  Stoffe  neue 
Existenzformen  in  verschiedenen  Gasen  anzunehmen  vermögen.  Gestatten 
uns  die  n£uen  Thatsachen  des  Galvanismus  nicht  zu  hoffen,  dass  wir  in 
nicht  zu  langer.  Zeit  eben  diese  Gase  neuen  Änderungen  werden  unterliegen 
und  neue  und  unbekannte  Formen  annehmen  sehen  werden? " 


1  Nicholsons  Journ.  4,  326.  *  Ebenda  4,  394.  1800. 


Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule.  \tn 

Durch  weitere  Versuche  bestärkte  sich  Davy  mehr  und  mehr  in  der 
Überzeugung,  dass  der  chemische  Vorgang  für  das  Entstehen  des  elektrischen 
wesentlich  ist;  so  erhielt  er  durch  die  Combination  von  Gold  und  Silber, 
die  Volta  unwirksam  gefunden  hatte,  sehr  merkliche  Wirkungen,  als  er  als 
erregende  Flüssigkeit  Salpetersäure  benutzte.  Schliesslich1  gelang  es  ihm 
sogar,  Säulen  aus  einem  einzigen  Metall  zu  erbauen,  inden  er  zwei  Flüssig- 
keiten anwandte,  die  von  sehr  verschiedener  chemischer  Wirkung  auf  das 
betreffende  Metall  sind.  „Bei  der  Beschreibung  der  verschiedenen  galva- 
nischen Combinationen  aus  einem  Metall  und  verschiedenen  Flüssigkeiten 
werde  ich  sie  in  drei  Klassen  theilen,  die  ich  nach  der  Zeitfolge  ihrer  Ent- 
deckung beschreiben  werde. 

„Die  erste  und  schwächste  Klasse  wird  gebildet,  wenn  einfache  me- 
tallene Platten  oder  Bögen  so  angeordnet  werden,  dass  ihre  beiden  Flächen 
oder  entgegengesetzten  Enden  mit  verschiedenen  Flüssigkeiten  in  Berührung 
sind,  von  denen  die  eine  fähig  ist,  das  Metall  zu  oxydiren,  die  andere  da- 
gegen nicht  .  .  .  Werden  Platten  von  polirtem  Zinn  von  etwa  einem  Zoll 
Seite  mit  Scheiben  von  wollenem  Zeug,  die  theilweise  mit  Wasser,  theils 
mit  Salpetersäure  befeuchtet  sind,  in  folgender  Ordnung  geschichtet:  Zinn, 
Säure,  Wasser  und  so  fort,  so  erhält  man  eine  schwache  galvanische 
Batterie.  .  .  . 

„Die  zweite  Klasse  von  galvanischen  Combinationen  wird  gebildet,  wenn 
Platten  oder  Bogen  von  metallischen  Stoffen,  die  fähig  sind,  auf  Schwefel- 
wasserstoff oder  gelöste  Schwefelverbindungen  zu  wirken,  mit  einer  Lösung 
von  Schwefelleber  und  mit  Wasser  so  in  Reihen  geordnet  werden,  dass  eine 
Seite  jeder  Platte  in  Berührung  mit  Wasser  steht,  während  die  Schwefel- 
leber auf  die  andere  einwirkt  Unter  diesen  Umständen  tritt  galvanische 
Wirkung  ein,  wenn  die  Anordnung  regelmässig,  und  die  Zahl  der  Reihen 
gross  genug  ist;  Wasser,  das  mit  Silberdrähten  in  den  Kreis  geschaltet 
wird,  wird  zersetzt,  indem  auf  der  Seite  der  Platten,  welche  chemischer 
Einwirkung  unterliegt,  Oxyd  an  dem  Drahte  abgesetzt  wird,  während  an 
der  mit  Wasser  in  Verbindung  stehenden  Seite  Wasserstoff  entwickelt 
wird.  .  .  . 

„  Silber,  Kupfer  und  Blei  sind  fähig,  diese  Combination  zu  bilden.  .  .  . 
Kupfer  ist  in  dieser  Art  von  Batterieen  wirksamer,  als  Silber,  und  Silber 
wirksamer,  als  Blei.  .  .  . 

„Die  dritte  .  und  wirksamste  Klasse  von  galvanischen  Batterieen  aus 
Flüssigkeiten  und  einem  einzigen  Metall  wird  gebildet,  wenn  Metalle,  die  in 
Säuren  löslich  sind  und  gleichzeitig  auf  Lösungen  von  Sulfureten  wirken, 
als  Platten  mit  Lösungen  von  Schwefelleber  und  oxydirenden  Flüssigkeiten 
so  verbunden  werden,  dass  ihre  verschiedenen  Seiten  verschiedenen  chemi- 
schen Einwirkungen  unterliegen,  wobei  die  Reihenfolge  der  Abwechselungen 
regelmässig  sein  muss. 


1  Nicholson'*  Journal  5,  341.  1801.  —  Philos.  Trans.  1801. 


158  Siebentes  Kapitel. 


„Die  gleichen  Metalle,  die  in  der  zweiten  Klasse  wirksam  sind,  sind  es 
auch  in  der  dritten;    auch  die  Reihenfolge  der  Wirksamkeit  ist  ähnlich. 

„Alle  Säulen  aus  einem  Metall  sind  von  sehr  vorübergehender  Wirkung, 
wenn  sie  mit  Tuchscheiben  construirt  werden.  .  .  .  Jedoch  lassen  sich  die 
verschiedenen  Reihen  mittelst  eines  nach  der  Idee  des  Grafen  Rumford  con- 
struirten  Apparates  so  anordnen,  dass  ihre  Wirkung  von  erheblicher  Dauer 
wird.  Dieser  Apparat  ist  ein  Kasten  aus  drei  Stücken  von  Mahagoni,  die 
mit  Rillen  versehen  sind,  um  die  Platten  aufzunehmen,  die  die  verschiedenen 
Reihen  bilden  sollen,  und  der  innen  mit  einem  nichtleitenden  Firniss  über- 
zogen ist.  Die  Hälfte  dieser  Platten  muss  aus  Hörn  oder  Glas  bestehen,  die 
andere  Hälfte  aus  Metall;  und  die  Leiter  und  Nichtleiter  müssen  ab- 
wechselnd in  den  Rillen  befestigt  werden,  so  dass  sie  wasserdichte  Zellen 
bilden. 

„Soll  der  Apparat  gebraucht  werden,  so  werden  diese  Zellen  in  der 
galvanischen  Ordnung  mit  den  verschiedenen  Flüssigkeiten  gefüllt .  .  .  und 
paarweise  durch  Streifen  von  feuchtem  Zeug  verbunden,  die  über  die  nicht- 
leitenden Platten  gelegt  werden. 

„Eine  Combination  von  50  auf  diese  Weise  geordneten  Kupferplatten 
mit  verdünnten  Lösungen  von  Salpetersäure,  oder  salpetersaurem  Ammoniak, 
und  Schwefelleber  giebt  ziemlich  starke  Schläge,  entwickelt  schnell  Gas  aus 
Wasser  und  beeinflusst  das  condensirende  Elektrometer.  Sie  verliert  ihre 
Wirksamkeit  nicht  während  vieler  Stunden,  und  wenn  diese  verloren  ge- 
gangen ist,  so  kann  sie  durch  den  Zusatz  von  kleinen  Mengen  der  erforder- 
lichen concentrirten  Lösungen  zu  den  Flüssigkeiten  der  einzelnen  Zellen 
wiederhergestellt  werden." 

Wie  aus  den  vorstehenden  Mittheilungen  hervorgeht,  ist  die  Summe  von 
neuen  und  wohlbeobachteten  Thatsachen,  die  Davy  in  kurzer  Zeit  der  Wissen- 
schaft zugeführt  hat,  ungemein  gross.  Davy  verfolgte  den  mit  so  viel  Glück 
beschrittenen  Weg  auf  das  eifrigste  weiter  und  gelangte  so  nach  kurzer 
Zeit  zu  einer  der  glänzendsten  Entdeckungen,  die  auf  diesem  Gebiete  zu 
machen  waren,  zu  der  elektrischen  Abscheidung  der  Alkalimetalle.  Doch 
gehört  die  Geschichte  dieser  Entdeckung  in  eine  spätere  Zeit,  und  wir 
wenden  uns  zu  den  zeitgenössischen  Arbeiten  anderer  Forscher  zurück. 

3.  Deutsche  Forscher.  Ritter's  erste  Arbeiten.  In  Deutschland 
wurde  die  Entdeckung  Volta's  etwas  später  bekannt,  als  in  England,  so 
dass  die  englischen  Forscher  den  deutschen  in  der  Beobachtung  der  Er- 
scheinungen voraus  waren,  die  sich  jedem  auf  den  ersten  Blick  darboten. 
Während  aber  in  England  das  Interesse  an  der  neuen  Entdeckung  ebenso 
schnell  in  den  weiteren  Kreisen  verschwindet,  wie  es  aufgetreten  war,  so 
bleibt  in  Deutschland  die  Arbeit  dauernd  auf  den  Gegenstand  gerichtet,  und 
eine  grosse  Anzahl  fleissiger  Beobachter  ist  bemüht,  den  Thatbestand  der 
Wissenschaft  auf  diesem  Gebiete  zu  vermehren.  Äusserlich  zeigt  sich  das 
daran,  dass  schon  in  den  Jahren  1803  und  1804  die  Anzahl  der  auf  den 
Galvanismus  bezüglichen  Aufsätze  in  den  englischen  wissenschaftlichen  Zeit- 


Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule.  reo 


Schriften  fast  Null  wird,  während  in  den  deutschen  eine  Hochfluth  von 
solchen  durch  eine  ganze  Reihe  von  Jahren  andauert.  Freilich  wiegt  der 
eine  Davy,  der  in  England  diese  Forschungen  fortsetzte,  mehr,  als  die 
meisten  jener  zwar  fleissigen,  aber  doch  wenig  originalen  Arbeiter. 

Die  Thätigkeit  der  deutschen  Forscher  lässt  sich  in  Gilberts  Annalen 
der  Physik  überaus  bequem  übersehen,  da  sich  dort  fast  lückenlos  zu- 
sammengestellt findet,  was  überhaupt  im  Gebiete  des  Galvanismus  geleistet 
worden  ist.  Nur  die  erste  Arbeit,  die  hier  zu  erwähnen  ist,  der  schon  oben 
citirte  Versuch  von  Ritter,  durch  den  die  elementare  Natur  des  Wassers 
erwiesen  werden  werden  sollte,  findet  sich  nicht  hier,  sondern  an  anderer 
Stelle1  abgedruckt 

In  dieser  seiner  ersten  Arbeit  über  die  VoLTA'sche  Säule  theilt  Ritter 
zunächst  mit,  dass  er  ohne  Kenntniss  der  inzwischen  veröffentlichten  Arbeiten 
der  englischen  Forscher  gleichfalls  die  Wasserzersetzung  gefunden  habe;  er 
beschreibt  seine  Versuche,  durch  die  er  sich  überzeugt  hat,  dass  Sauerstoff 
und  Wasserstoff  getrennt  und  in  den  Verhältnissen  erscheinen,  in  welchen 
sie  Wasser  bilden.  Die  Thatsache,  die  allen  denen,  die  sie  zum  ersten  Male 
sahen,  das  grösste  Erstaunen  abnöthigte,  beschäftigt  auch  ihn  sofort  aut 
das  Lebhafteste:  das  getrennte  Auftreten  der  beiden  Gase  an  den  von  ein- 
ander weit  entfernten  Drähten.     Er  schreibt: 

„Jedem  Atom  entbundenen  Oxygens  muss  ein  Atom  entbundenes 
Hydrogen  correspondiren ,  und  beide  machten  in  der  Vereinigung  vorher 
ein  Atom  Wasser,  und  nicht  mehr,  aus.  Kann  sich  aber  das  nämliche  Atom 
Wasser  in  einem  und  dem  nämlichen  Augenblick  zugleich  an  diesem  und 
wieder  an  jenem  Draht  befinden:  Und  doch  müsste  das  der  Fall  sein, 
wenn  beide  Stoffe,  beide  Gasarten,  das  Oxygen  und  das  Hydrogen,  von 
einer  wirklichen  Zersetzung  des  Wassers  herrührten.  Dies  war  die  Be- 
trachtung, die  mich  auf  die  Frage  brachte,  ob 
wohl  die  zwischen  a  und  b  befindliche  Schicht 
Wasser  (Fig.  53)  für  die  Erzeugung  beider  Stoffe 
£anz  zufällig  sei,  und  somit  zu  weiter  nichts  Fig.  53.    Nach  Ritter. 

diene,  als  bloss  zwischen  a  und  b  die  lei- 
tende Verbindung  zu  unterhalten,  der  Vorgang  an  a  also  ganz  unabhängig 
von  dem  an  b ,  kurz  das  Ganze  überhaupt  alles  Andere  lieber,  nur  keine 
Zersetzung  des  Wassers  zu  Grunde  habe?  Diese  Fragen  waren  beantwortet, 
sobald  es  mir  gelang,  beide  Wassercylinder,  den,  der  a  und  den,  der  b  um- 
gab, durch  einen  dritten  Körper  von  einander  zu  trennen,  der,  vom  WTasser 
verschieden,  nicht  vermögend  ist,  eine  Wasserzersetzung  in  sich  zu  unter- 
halten, folglich  auch  nicht  eine  ausser  ihm  beginnende  fortzupflanzen,  und 
damit  für  eine  solche  schon  vorhandene,  nur  —  obgleich  sich  niemand  wohl 
so  etwas  schwerlich  je  wird  vorzustellen  vermögen  —  vertheilte,  nicht  fähig 
ist,  zum  Communicator  werden  zu  können. 


1  Voigt'*  Magazin  f.  d.  neuesten  Zustand  d.  Naturk.  2,  356.  1800. 


l6o  Siebentes  Kapitel. 


„Wir  füllten  zu  diesem  Zweck  zwei  unten  mit  Korkstöpseln,  durch  deren 
jeden  ein  Golddraht  ging,  verwahrte  Glasröhren  mit  Wasser,  verstopften  sie 
oben  gleichfalls,  und  verbanden  das  Wasser  beider  Röhren  durch  eines 
dritten  Golddraht,  der  durch  diese  beiden  oberen  Stöpsel  hindurchgging,  und 
brachten  beide  Röhren  auf  die  gewöhnliche  Weise  in  die  Kette.  Die  Gas- 
entwickelung nahm  sehr  schnell  ihren  Anfang,  aber  keineswegs  bloss  an  den 
inneren  Enden  der  beiden  äusseren  Drähte;  auch  an  denen  des  das  Wasser 
der  Röhre  verbindenden  mittleren  Drahtes  hatte  sie  statt  ...  So  hatten  wir 
also  in  jeder  Röhre  wieder  Wasserstoffgas  und  Sauerstoffgas,  nnd  der  Gold- 
draht, und  wie  fernere  Versuche  lehrten,  Drähte  oder  Stangen  von  irgend 
einem  festen  galvanischen  Leiter,  waren  nicht  die  Körper,  mit  denen  wir  als 
Zwischenmittel  unseren  Zweck  hätten  erreichen  können.  Unter  den  flüssigen 
musste  also  der  Körper  vorkommen,  der  zu  unserem  Vorhaben  geschickt 
war;  auch  musste  er  so  siel  als  möglich  vom  Wasser  befreit  sein. 

„Weingeist  und  Schwefeläther  leiteten  in  unserer  Kette  nicht.  Concen- 
trirte  alkalische  Flüssigkeiten  leiteten  zwar,  aber  es  hatte  auch  die  Gas- 
entwickelung wieder  mehr  oder  weniger  statt.  Und  so  blieben  nur  die 
Säuren  übrig.  .  .  .  Ich  kam  auf  die  Vermuthung,  dass  die  Säuren  in  con- 
centrirtem  Zustande  ihr  Leitungsvermögen  beibehalten  möchten,  ohne  doch 
durch  jene  Golddrähte  einiges  Gas  aus  sich  entwickeln  zu  lassen,  und  so 
war  es  wirklich.  In  der  Röhre  (Fig.  53)  erschien,  als  ich  sie  mit  concentrirter 
rectificirter  weisser  Schwefelsäure  gefüllt  hatte,  an  keinem  der  beiden  Gold- 
drahtenden auch  nur  eine  Spur  von  Gas,  und  doch  war  die  Leitung  auf 
das  vollständigste  vorhanden,  indem  in  einer  zweiten  ähnlichen,  aber  mit 
Wasser  gefüllten,  an  diese  gebrachten  Röhre  die  Gasentwickelung  auf  die 
bekannte  Weise  ungestört  anfing  und  fortging.  Der  Körper,  den  ich  suchte, 
war  also  gefunden,  und  es  kam  nun  bloss  noch  darauf  an,  ihn  schicklich 
anzuwenden. 

,Ich  fand  hierzu  den  Apparat  Fig.  54  sehr  geschickt.     In  die  dort  auf 

einem  Gestell  eingeschraubte,  in  Gestalt  eines  V  ge- 
krümmte, auf  jeder  Seite  etwa  2  Zoll  hohe  Glasröhre 
ab  brachte  ich  mittelst  eines  Trichters  von  der  ge- 
nannten concentrirten  Schwefelsäure  so  viel,  dass  jeder 
Schenkel  der  Röhre  damit  bis  zur  Hälfte  angefüllt 
war,  ohne  jedoch  dabei  von  der  Säure  etwas  unbe- 
hutsamer Weise  an  die  inneren  oberen  Wände  der 
Röhre  gebracht  zu  haben.  Jetzt  Hess  ich  nach  und 
nach  so  viel  destillirtes  Wasser  bald  in  diesen,  bald 
in  jenen  Schenkel  der  Röhre  auf  die  Säure  langsam 
Fig  54.    Nach  Ritter,      herabfliessen,   dass   sie   ganz  davon  bedeckt  wurde, 

ohne  sich  doch  damit  zu  vermischen,  und  füllte  auf 
diese  Art  die  beiden  Schenkel  der  Röhre  endlich  ganz  damit  an  —  eine 
Arbeit,  die  mir  mehrmals  so  gut  gelang,  dass  selbst  mit  Lackmus  ge- 
färbtes Papier   in   dem   oberen   Theil   dieses   aufgegossenen   Wassers   keine 


>y 


Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule. 


I6l 


Veränderung  mehr  erlitt  Ich  schloss  hierauf  die  Öffnungen  dieser  Röhre 
mit  Korkstöpseln,  durch  deren  jeden  ein  Golddraht  in  das  Wasser  so  weit 
hineinging;  dass  zwischen  ihm  und  der  Säure  noch  ein  beträchtlicher  Zwischen- 
raum übrig  blieb.  Nachdem  dieses  Alles  geschehen  war,  verband  ich  den 
Knopf  des  Drahtes  a  mit  dem  Zink,  und  den  von  b  mit  dem  Silber  der 
Batterie.  Im  Augenblicke  der  Schliessung  der  Batterie  fing  der  Oxygen- 
draht  a  sowohl,  wie  der  Hydrogendraht  b  an,  Gas  zu  geben  und  diese  Ent- 
wickelung  dauerte  fort,  so  lange  man  die  Kette  geschlossen  erhielt.  Es  war 
mir  also  wirklich  gelungen,  durch  den  Versuch  darzuthun,  dass  die  beiden 
entbundenen  Gasarten,  deren  wägbare  Grundlagen  man  bis  daher  gewöhn- 
lich als  heterogene  Bestandtheile  eines  und  desselben  Wassers  angesehen 
hatte,  keineswegs  von  einer  Zersetzung  des  Wassers,  wie  man  nach  der 
neuen  chemischen  Theorie  wohl  glauben  mochte,  sondern  durchaus  von 
zwei  ganz  von  einander  verschiedenen  Prozessen  herrührten,  deren  jeder  für 
sich  isolirbar  sei,  und  auf  keine  Weise  mit  dem  anderen  zusammenhänge. 

„Für  den,  der  sich  etwa  in  diesen  Versuchen  irgend  noch  eine  reelle 
Communication  des  Wassers  des  einen  Schenkels  mit  dem  des  anderen 
durch  die  zwischen  beiden  befindliche  Schwefel- 
saure möglich  denken  sollte,  kann  man  die- 
selben dadurch  noch  überzeugender  machen, 
dass  man  beide  Schenkel  von  einander  trennt, 
die  unteren  Enden  derselben  mit  Stöpseln  ver- 
wahrt und  durch  diese  ebenfalls  wieder  Gold- 
drahte steckt,  deren  obere  Enden  aber  noch 
weit  irenug  von  dem  über  der  Säure  befind- 
iichen  Wasser  entfernt  bleiben  müssen,  und 
tiann  beide  durch  einen  dritten  Draht  oder 
testen  Leiter  von  jeder  beliebigen  Art  und  Länge 
mit  einander  verbindet.  Die  Entwickelung  der 
beiden  Gasarten  wird  hier  (Fig.  55)  ebenso  voll- 
kommen und  ungestört  von  Statten  gehen,  als 
es  nur  im  vorigen  Versuche  irgend  möglich 
war,  und  doch  ist  hier  auf  keine  Weise  an 
eine  reelle  Communication  des  Wassers  in  a  mit  dem  in  b  zu  denken." 

Ritter  geht  nun  dazu  über,  die  Schlussfolgerungen  aus  diesen  Ver- 
suchen zu  ziehen.  Er  beschreibt  eine  Anzahl  Anordnungen,  durch  welche 
man  aus  mehreren,  hinter  einander  geschalteten  Gasapparaten,  indem  man 
nur  die  einen,  oder  die  anderen  Enden  der  Drähte  in  die  concentrirte 
Schwefelsäure  tauchen  lässt,  entweder  nur  Wasserstoff,  oder  nur  Sauerstoff 
erhalten  könne.  Auch  versäumt  er  nicht,  auf  die  wichtigen  Consequenzen 
hinzuweisen,  die  sich  aus  diesem  Versuch  ergeben.  Wir  folgen  ihm  nicht 
dahin,  denn  wir  wissen,  dass  der  Grundversuch,  auf  dem  das  alles  beruht, 
ein  Irrthum  ist.  Schon  in  den  Schriften  der  gleichzeitig  arbeitenden  eng- 
lischen Forscher  finden  sich  Angaben  über  das  Verhalten  der  concentrirten 


Fig.   ^5.     Nach  Ritter. 


O  s  t  'v  a  I  d ,  Elektrochemie. 


I  I 


163 


Siebentes  Kapitel. 


Fig.  56.     Nach  Ritter.1 


Schwefelsäure  im  VoLTVschen  Kreise,  aus  denen  hervorgeht,  dass  sie  ganz 
ebenso  zersetzt  wird,  wie  die  anderen  flüssigen  Stoffe,  nur  dass  die  sehr 
concentrirte  Säure  schlecht  leitet,  und  dass  an  Stelle  des  Wasserstoffe  mehr 
oder  weniger  Schwefel  erscheint.  Ritter  hat  hier,  wie  ihm  das  nicht  selten 
geschah,  auf  eine  nicht  hinreichend  sorg- 
faltig untersuchte  Erscheinung  weitgehende 
theoretische  Schlüsse  gebaut,  und  im  Eifer 
des  Schliessens  versäumt,  sich  der  Festigkeit 
der  Unterlagen  seines  theoretischen  Gebäudes 
zu  vergewissern. 

Die  Abhandlung  enthält  im  Übrigen 
noch  eine  Anzahl  gut  beobachteter  That- 
sachen,  die  chemische  Wirkung  der  Säule 
betreffend.  Es  ist  insbesondere  ganz  richtig 
aufgefasst,  dass  an  dem  einen  Pole  stets 
reducirende,  am  anderen  stets  oxydirende 
Wirkung  stattfindet,  dass  es  hierbei  gar  nicht 
auf  die  Natur  des  Metalls  ankommt,  an  dem 
diese  Oxydation  oder  Reductton  vor  sich 
geht,  so  dass  man  mittelst  der  Kette  die  seltsamsten  scheinbaren  Umkehrungen 
der  chemischen  Verwandtschaft  erzielen  kann.  So  hat  er  Zink  auf  Kupfer, 
Kupfer  auf  Silber  oder  Gold  u.  s.  w.  niedergeschlagen.  In  unserer  Zeit,  wo 
die  Vorgänge  der  Galvanoplastik  jedem  geläufig  sind,  können  wir  uns  kaum 
vorstellen,  welchen  überraschenden  Eindruck  diese  allem  Bekannten  wider- 
streitenden Erscheinungen  machen  mussten.  In  seiner  gewohnten  weit- 
greifenden Weise  schliesst  Ritter  die  Mittheilung  dieser  Versuche  mit  den 
Worten: 

„Wie  viel  diese  chemischen  Paradoxieen  zur  Erläuterung  so  mancher 
bisher  so  genannter  Verwandtschaftsanomalieen  beitragen  müssen,  wird  Jedem 
von  selbst  einleuchten;  der  Physiolog  darf  sich  freuen,  an  Platzen,  wo  sich 
freier  und  genauer  darüber  experimentiren  lasst,  das  wieder  zu  finden,  was 
ihm  bis  dahin  bloss  als  Eigentümlichkeit  des  Organischen  bekannt  war,  als 
Assimilation  des  Homogenen,  totale  Umkehrung  der  gewohnten  Ordnung 
der  chemischen  Verwandtschaften  u.  s.  w.,  und  der  denkende  Experimentator 
wird  wissen,  was  ihm  durch  diese  wenigen  Erscheinungen  schon  angedeutet 
sei,  und  wie  unendlich  viel  er  von  nun  an  noch  zu  suchen  und  zu  finden 
habe." 

4.  Weitere  Erörterungen  über  die  Zersetzung  des  Wassers. 
Gegen  die  Bündigkeit  des  Beweises  der  Einfachheit  des  Wassers  durch  Ritter's 
Versuche  wurden   freilich   bald  Einwendungen   gemacht,    am   eingehendsten 


1  Obwohl  für  das  im  Text  lu  BehanJelnde  die  Fig.  56  aus  Ritter's  Arbeit  nicht  näthig 
war,  habe  ich  doch  nicht  unterlassen  wollen,  sie  herüber  zu  nehmen,  da  sie  das  Urbild  einer 
□och  heute  Überaus  verbreiteten  Apparatform  darstellt.  , 


Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule.  j£^ 


von  P.  L.  Simon  *  und  L.  A.  von  Arnim,  2  die  insbesondere  zeigten,  dass  die 
Schwefelsäure  ebenso  wie  Wasser  unter  dem  Einflüsse  der  Säule  Sauerstoff 
und  Wasserstoff  ausgiebt,  nur  letzteren  in  stark  vermindertem  Maasse,  weil 
sich  daneben  Schwefel  in  Substanz  abscheidet. 

Auch  Ritter  ist  später  auf  diese  Frage  zurückgekommen  und  hat8  die 
Unrichtigkeit  seiner  Beobachtung  zugegeben.  Dagegen  erklärte  er,  dass  man 
seinen  Versuch  nur  richtig  aufzufassen  brauche,  um  das  gleiche  Resultat, 
dass  das  Wasser  bei  dem  Versuche  nicht  in  seine  Bestandtheile  gespalten 
werde,  zu  erhalten. 

„So  ist  es  nun;  —  und  doch,  —  wer  sollte  glauben,  dass  dessen  unge- 
achtet in  diesen  Versuchen  der  vollkommenste  Beweis  enthalten  ist  von  dem, 
was  sie  beweisen  sollten.  .  .  .  Aber  so  geht  es  oft,  dass  wir  in  einem  Mittel, 
zu  dem  wir  uns,  um  irgend  etwas  damit  zu  beweisen  getrieben  fühlen,  das 
wahre  Beweisende  anfangs  nicht  erkennen,  sondern  mühsam  eine  andere 
Eigenschaft  darin  aufsuchen,  an  die  wir  unseren  Glauben  heften,  den  das 
dunkle  Gefühl  der  Wahrheit  uns  aufnöthigt.  Wehe  dann,  wenn  darauf  ein 
trockener  Gegner,  indem  er  die  Nichtigkeit  unseres  Beweises  darthut,  damit, 
dass  dieser  Beweis  nichts  galt,  uns  und  Anderen  überhaupt  weiss  macht,  dass 
nichts  zu  beweisen  vorhanden  sei.  .  .  .  Auf  diese  Weise  sind  die  köstlichsten 
!  Dinge  auf  Jahrhunderte  in  die  Vergessenheit  zurückgeschickt  worden." 
I  Der  Beweis,  den  Ritter  nun  mit  gewohnter  Ausführlichkeit  giebt,  lässt 

sich  kurz  dahin  zusammenziehen,  dass  er  zwischen  die  beiden  Wassermengen 
seines  Apparates  (Fig.  54,  S.  160)  auf  den  Boden  des  Schenkelrohres  Flüssig- 
keiten bringt,  die  entweder  Wasserstoff  oder  Sauerstoff  nicht  durchlassen, 
weil  sie  sich  mit  dem  einen  oder  dem  anderen  verbinden.  Für  den  Wasser- 
stoff soll  die  von  ihm  benutzte  Schwefelsäure  diesen  Dienst  thun,  was 
einigermaassen  zweifelhaft  ist,  für  den  Sauerstoff  benutzt  er  eine  Lösung 
von  Schwefelleber  (Schwefelkalium},  gegen  die  in  dieser  Hinsicht  nichts  ein- 
zuwenden ist.  Verfolgt  man  ein  Sauerstofiatom,  nachdem  das  Wasserstoff- 
atom abgetrennt  worden  ist,  auf  seinem  Wege  nach  der  anderen  Seite,  so 
müsste  es  in  dem  Augenblicke,  wo  es  in  die  Schwefelkaliumlösung  eintritt, 
auch  von  diesem  gebunden  werden,  und  könnte  nicht  auf  der  anderen  Seite 
erscheinen,  wie  es  dies  doch  thut. 

In  der  That  lässt  sich  gegen  dieses  Argument  wenig  einwenden.  Nur 
darf  nicht  übersehen  werden,  dass  es  sich  wieder  um  dieselbe  Schwierigkeit 
handelt,  die  bei  allen  Erörterungen  über  die  Zersetzungen  durch  die  Säule 
ungelöst  geblieben  war:  wie  gelangt  der  zweite  Bestandtheil  an  den  anderen 
Draht  in  demselben  Augenblicke,  wo  der  erste  an  dem  einen  Draht  erscheint? 

Konnte  diese  Frage  auch  erst  viel  später  beantwortet  werden,  so  wurde 
doch  nach  einer  anderen  Seite  ein  wissenschaftlicher  Abschluss  der  Ange- 
legenheit bewirkt,  indem  von  P.  L.  Simon,4  Professor  an  der  Bauakademie 
in   Berlin,    eine    bestimmte,    mit   der    Sache    in    nächstem    Zusammenhange 

1  Gilberte  Ann.  8,  32.  1801.  2  Ebenda  S.  182. 

*  Ebenda  9,  284.   1801.  4  Ebenda  10,  282.   1802. 

11* 


l54  Siebentes  Kapitel. 


stehende  Frage  mit  sachgemässen  Mitteln  der  Lösung  zugeführt  worden  ist 
Simon  stellte  sich  nämlich  die  Aufgabe,  zu  untersuchen,  ob  die  bei  der 
galvanischen  Wasserzersetzung  entstehenden  Gase  an  Gewicht  genau  ebenso 
viel  betragen,  als  das  verschwundene  Wasser.  Die  Fragestellung  war  für 
jene  Zeit  keineswegs  so  überflüssig,  wie  sie  uns  jetzt  erscheint,  denn  abge- 
sehen von  den  Ansichten  Ritter's  war  das  Gesetz  von  der  Erhaltung  de* 
ponderablen  Substanz  damals  erst  eine  ziemlich  neue  Erwerbung,  und 
Behauptungen,  wie  die,  dass  bei  der  elektrischen  Zersetzung  Stoffe  aus  den 
Metallen  oder  Flüssigkeiten  der  Säule  in  die  Zersetzungsproducte  übergehen, 
wurden  keineswegs  für  unwahrscheinlich  gehalten.  Hatte  kurz  vorher  Graf 
Rumford  durch  sorgfältige  Wägungen  von  Wasser  und  Eis  nachgewiesen, 
dass  der  „Wärmestoff*'  kein  Gewicht  hat,  so  war  ein  ähnlicher  Nachweis  für 
das  elektrische  „Fluidum"  mindestens  von  demselben  Belange. 

Simon  schildert  nun  zunächst  einen  misslungenen  Versuch,  bei  dem  der 
Gewichtsverlust  des  Wassers  viel  grösser  war,  als  das  Gewicht  der  gebildeten 
Gase.  „Das  Gasgemenge,  welches  sich  im  ersten  Apparate  entwickelt 
hatte,  konnte  aus  diesem  Grunde  am  Gewichte  nur  1.56  französische  Gran 
betragen;  da  aber  das  Wasser  2.2  fr.  Gran  am  Gewichte  verloren  hatte,  so 
waren  0.64  Gran  Wasser  mehr  verschwunden,  als  die  erhaltene  Gas- 
menge wog 

„Woher  nun  diese  Abweichung  in  Rücksicht  des  Gewichts?  —  Ich  hatte 
diese  Abweichung  nicht  erwartet,  sondern  während  des  ganzen  Versuches 
geglaubt,  der  Übereinstimmung  sehr  nahe  zu  kommen.  Dass  diese  Über- 
einstimmung beim  Vergleiche  des  Ganzen  ausblieb,  dafür  konnte  ich  keinen 
anderen  Grund  finden,  als  dass  wahrscheinlich  Wasser  an  die  entweichende 
Gasart  gebunden  und  mit  ihr  herübergeleitet  worden,  oder  dass  ungeachtet 
des  äusserst  engen  Entbindungsrohres  doch  Wasser  verdünstet  sei,  wiewohl 
im  Inneren  des  Rohres  keine  Spur  Wasser  zu  bemerken  war.  Die  erste 
Ursache  hätte  ich  freilich  vorhersehen  können,  wenn  man  immer  an  alles 
dächte,  woran  man  denken  sollte." 

Simon  wiederholte  nun  den  Versuch  unter  Anwendung  der  erforderlichen 
Vorsicht,  indem  er  den  in  Fig.  57  abgebildeten  Apparat  benutzte.  „Ich 
nahm  eine  Röhre  Aß,  (Fig.  57,  S.  165),  in  welche  unten  in  A  ein  Platindraht 
eingeschmolzen  war,  füllte  sie  mit  frischgekochtem  destillirten  Wasser,  und 
kittete  oben  in  B  die  Communicationsröhre  C  nebst  dem  zweiten  Platin- 
drahte gleichfalls  luftdicht  ein.  Das  andere  Ende  der  Communicationsröhre  C 
war  auf  gleiche  Art  mit  einer  zweiten  Röhre  DE  verkittet.  In  diese  Röhre 
wurde  von  D  bis  F  reines  Quecksilber  gegossen;  der  Raum  darüber  von 
E  bis  F  mit  frisch  geschmolzenem  und  gepulvertem  salzsauren  Kalke  gefüllt, 
und  hierauf  in  E  eine  zweite  Communicationsröhre  eingekittet,  die  in  die 
kleine  unten  zugeschmolzene  Röhre  GH,  welche  wieder  mit  reinem  Queck- 
silber gefüllt  war,  bis  nahe  an  den  Boden  derselben  herabging.  Aus  dem 
oberen  Theile  der  Röhre  H  ging  endlich  das  letzte  Entbindungsrohr  F  in 
eine  Schale  mit  Quecksilber  unter  eine  darüber  gestellte  Glasglocke,  die  wie 


Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule. 


165 


im  vorigen  Versuche  mit  frisch  darin  aufgekochtem  Wasser  gefüllt  war.  Bei 
diesem  Apparate,  den  Fig.  57  in  seiner  wahren  Grösse  darstellt,  waren  alle 
Korkstöpsel  vermieden,  alle  Fugen  mit  aufgeschmolzenem  Siegellacke  ge- 
sichert, und  alle  Communicationsröhren  aus  haarförmigen  Thermometerröhren 
gebildet.  Der  salzsaure  Kalk  war  bestimmt,  die  Gasart  von  aller  anhängenden 
Feuchtigkeit  möglichst  zu  befreien,  und  das  Quecksilber  sollte  verhindern, 
dass  der  salzsaure  Kalk 
nicht  bei  zu  grosser 
Nähe  des  Wassers  in 
der  ersten  und  letzten 
Röhre  bei  seinem 
grossen  Hang,  Feuch- 
tigkeit anzuziehen, 
nachtheilige  Verände- 
rungen erlitte,  die  das 
Resultat  dieser  Ver- 
suche zweideutig  ge- 
macht hätten.  Nach- 
dem ich  mich  über- 
zeugt hatte,  dass  alle 
Theile  vollkommen 
luftdicht  schlössen, 
wurde  am  12.  Sep- 
tember der  Apparat 
gewogen  und  mit  einer 
VoLTA'schen  Säule  von 
50  Schichtungen,  wie 
bei  den  ersten  V er- 
suchen in  Verbindung 
gesetzt.  Die  Ge- 
wichtsveränderung be- 
stimmte ich  von  8  zu 
8  Tagen,  und  erhielt 

die  Säule  unausgesetzt  in  voller  Wirksamkeit,  indem  ich  sie,  so  wie  sie  anfing 
schwächer  zu  wirken,  sogleich  mit  frisch  geschichteten  Säulen  vertauschte." 

Dieser  Versuch  wurde  durch  eine  Zeit  von  10  Wochen  und  2  Tagen 
fortgesetzt  und  ergab  schliesslich  eine  Gasmenge  von  27,54  Kubikzoll  oder 
etwas  mehr  als  einem  halben  Liter,  deren  Gewicht  Simon  auf  4,61  Gran 
berechnet.  Der  beobachtete  Gewichtsverlust  betrug  4,60  Gran,  stimmte 
also  völlig  mit  dem  berechneten  Gewichte  der  Gase  überein. 

Durch  das  Ergebniss  dieses  für  jene  Zeit  bemerkenswert!!  genau  und 
gross  angelegten  Versuches  verloren  die  Speculationen  über  die  Überfuhrung 
wägbarer  Stoffe  durch  die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Metallen  ihren 
Boden.   Dieser  Schlag  wurde  von  denen,  die  es  anging,  lebhaft  empfunden, 


Fig.  57.     Nach  Simon. 


l66  Siebentes  Kapitel. 


und  es  finden  sich  in  der  Litteratur  jener  Zeit  sogar  Erörterungen,  die  die 
Unrichtigkeit  der  Versuche  Simonis  beweisen  sollen.  Indessen  wurde  kurze 
Zeit  darauf  durch  J.  F.  Erdmann1  ein  ganz  ähnlicher  Versuch  veröffentlicht, 
welcher  das  gleiche  Resultat  gab.  Dadurch  ist  denn  die  Angelegenheit  end- 
gültig entschieden  worden. 

An  die  Mittheilung  dieser  Versuche  schliesst  Simon  noch  ein  anderes 
Experiment  von  bemerkenswerther  Beschaffenheit.  Er  berichtet  folgendes 
darüber.  „Ich  führte  oben  an,  dass  es  noch  an  Beobachtungen  fehle,  woher 
den  beiden  dargestellten  Basen,  dem  Oxygen  und  dem  Hydrogen,  der 
Wärmestoff  zugeführt  werde,  der  sie  zu  expansiblen  Flüssigkeiten  macht.  .  .  . 

„Eine  gewöhnliche,  mit  zwei  Korken  verschlossene  Glasröhre  wurde  in 
beiden  mit  Platindrähten,  und  zugleich  im  oberen  Korke  mit  einem  kleinen 
äusserst  empfindlichen  Luftthermometer  versehen.  Beide  Drähte  waren  an 
ihrem  Ende  so  gebogen,  dass  sie  an  der  Kugel  anlagen,  und  dass  also  die 
Bildung  der  Gasarten  unmittelbar  an  dem  Glase  der  Thermometerkugel  statt- 
finden musste.  .  .  .  Man  war  nicht  im  Stande,  die  geringste  Veränderung  am 
Thermometer  zu  bemerken,  ungeachtet  die  Gasentwickelung  so  lebhaft  vor 
sich  ging,  dass  in  der  Minute  6  Kubiklinien  Gas  gebildet  wurden.  .  .  .  Die 
VoLTA'sche  Säule  stellt  also  hier  die  beiden  Gasarten  aus  dem  Wasser,  ohne 
die  Temperatur  dieser  Flüssigkeit  zu  verändern,  dar.  .  .  .  Ich  habe  schon 
mehrere  Wahrnehmungen  gemacht,  welche  mir  für  die  Meinung  zu  sprechen 
scheinen,  dass  die  VoLTA'sche  Säule  sehr  geeignet  ist,  mehrere  Stoffe  in 
einen  Zustand  zu  versetzen,  wo  wir  einen  vorzüglichen  Antheil  gebundenen 
Wärmestoffes  in  ihnen  annehmen." 

Diese  letzten  Bemerkungen  weisen  darauf  hin,  wie  selbst  zu  jener  Zeit, 
wo  Volta  noch  glauben  konnte,  in  seiner  Säule  ein  Perpetuum  mobile 
erfunden  zu  haben,  Energiebetrachtungen  sich  den  Forschern,  ihnen  selbst 
unbewusst,  als  wesentlich  aufdrängten.  Bald  darauf  wusste  Davy  die  energie- 
zuführenden Wirkungen  der  Säule  soweit  zu  steigern,  dass  er  die  Alkali- 
metalle aus  ihren  Verbindungen  isolirte. 

Das  Verdienst  dieser  Arbeit  Simonis  erhellt  besonders  deutlich  aus  der 
kurz  vorher  von  W.  Gruber,  Hofapotheker  zu  Hannover,  gemachten  Angabe,2 
nach  welcher  bei  der  Behandlung  des  Wassers  mit  der  VoLTA'schen  Säule 
gar  kein  Gewichtsverlust  erfolgen  soll.  Gruber  beschreibt  sehr  umständlich 
seine  Versuchsanordnung;  er  giebt  an,  dass  seine  Waage  noch  1/4  Gran  sehr 
deutlich  angebe,  und  schliesst:  „Diesen  Versuch  habe  ich  vier  Mal  wieder- 
holt, und  jedes  Mal  nicht  den  geringsten  Verlust  an  der  gebrauchten  Wasser- 
menge erfahren,  welches  mir  zu  beweisen  scheint,  dass  die  entbundene 
Luft  nicht  der  Zersetzung  des  Wassers,  sondern  der  der  galva- 
nischen Materie  zuzuschreiben  sei."  Auch  verfehlt  Gruber  nicht,  als- 
bald auf  die  weitgehenden  Schlussfolgerungen  hinzuweisen,  die  sich  aus  seiner 
Beobachtung  ergeben. 


1  Gilbert's  Ann.  11,   2ii.   1802.  *  Ebenda  8,  227.   1801. 


Die  chriiiischcu  Wirkun|>an  der  Volta'schen  Säule. 


_iö7 


5.  Fortsetzung.   Wir  greifen  wieder  auf  die  Zeit  zurück,  wo  die  erste 
Kunde  von  der  Voi-TA'schen  Säule  sich  in  Deutschland  verbreitete. 

Der  Herausgeber  der  Annalen  der  Physik,  Gilbert,  theilte  alsbald  seine 
Versuche  über  die  Säule  mit1  Neues  enthalten  sie  den  oben  beschriebenen 
Untersuchungen  gegenüber  kaum.  Sie  beschäftigen  sich  hauptsächlich  mit 
der  Erscheinung  des  Funkens  beim  Schluss  der  Säule  durch  einen  Draht. 
Von  einiger  Bedeutung  ist  die  sorgfältige  Beschreibung  der  technischen 
Einzelheiten  für  den  Aufbau  des  Appa- 
rates; die  Abbildung  der  GiLBERT'schen 
Säule  ist  beistehend  'Fig.  58)  gegeben. 

Gleichfalls  von  Bedeutung  für  das 
Technische  der  VoLTA'schen  Säule  ist  die 
Angabe  von  Ritter,1  dass  man  das  bis 
dahin  fast  ausschliesslich  benutzte  Silber 
in  der  Säule  ohne  erhebliche  Einbusse 
an  Wirkung  durch  Kupfer  ersetzen  kann; 
es  war  dies  eine  Verbesserung,  die  als- 
bald in  Gebrauch  kam  und  blieb. 

Nach  einer  Unzahl  kleiner  Nach- 
richten, die  nichts  von  Belang  enthalten, 
ist  dann  von  Ritter3  wieder  der  erste 
grössere  Aufsatz  über  unseren  Gegenstad 
mitgetheilt  worden.  Ritter  beginnt  mit 
einem  Ausspruch  des  der  VoLTA'schen 
Säule  zu  Grunde  liegenden  Additions- 
princips,  von  dem  er  mit  Recht  be- 
merkt, dass  er  es  in  seinen  früheren 
Schriften  deutlich  ausgesprochen  habe. 
In  seinem  „Beweis,  dass  ein  beständiger 
Ga'vanismus  den  Lebensprocess  im  Thier- 
rcich  begleite-'  (vgl.  S.  68'  hat  er  den 
Satz     formulirt:     „Sich     entgegengesetzte  viK.  58.    Nach  Gilbert. 

liestimmungsgründe  für  Actionen  gleicher 

Grosse  heben  einander  auf;  wenn  sie  ungleich  sind,  hebt  der  schwächere  von 
dem  stärkeren  so  viel  auf,  als  er,  der  schwächere,  beträgt;  Überhaupt  aber 
gleicht  die  Grösse  der  wirklichen  Thätigkeit  der  galvanischen  Kette  der 
Differenz  zwischen  der  Grössensumme  der  nach  einer  Richtung  bestimmten 
Actionen,  und  der  Grössensumme  der  nach  entgegengesetzter  Richtung 
bestimmten,   und  ihre  Richtung  ist  die  der  grösseren  der  beiden  Summen." 

Ritter  fährt  dann  in  seinem  Brief  an  Gilbert  fort: 

„Sie  sehen,    wie  leicht  es   gewesen  wäre,    längst  auf  sie  [die  Säule]  zu 
kommen,  und  uns  so  jetzt  im  Besitze  dessen  zu  sehen,  was  sie  uns  binnen 


>  Elt-n.Ia   7.   43'- 


>  7.  3r-> 


l68  Siebentes  Kapitel. 


mehreren  Jahren  erst  entdecken  lassen  muss.  Aber  so  geht  es  uns  überall! 
Hinterher  wissen  wir  immer  ganz  genau,  dass  es  so  sein  musste,  aber  von 
wie  wenigem  wissen  wir,  dass  es  so  sein  wird.  Nur  selten  öffnet  uns  die 
Natur  auf  Augenblicke  die  Augen,  um  es  uns  doch  zu  zeigen,  was  wir  ver- 
möchten, wenn  wir  es  nur  wagen  wollten,  sie  länger  offen  zu  halten.  Denn 
wirklich  dürfen  wir  nur  sehen,  um  zu  finden,  und  selbst  dem  Suchen 
geht  dies  Sehen  überall  voran;  denn  wie  will  man  suchen,  ohne  zu  wissen, 
was.  Es  ist  noch  nicht  bekannt,  auf  welchem  Wege  Volta  zu  seiner  Ent- 
deckung gelangt  ist.  Aber  unverzeihlich  bleibt  es  mir  immer,  ihr  so  in  der 
Nähe  gewesen  zu  sein,  ohne  von  dem,  was  ich  täglich  in  Händen  hatte, 
Anwendung  zu  machen." 

Neben  dieser  lehrreichen  Selbstbetrachtung  enthält  Ritter's  Brief  eine 
Anzahl  sehr  interessanter,  aber  mit  unserem  Gegenstande  nicht  in  näherem 
Zusammenhange  stehende  Beobachtungen  über  die  Wirkung  der  Säule  auf 
die  verschiedene  Sinnesorgane,  die  durch  die  Rücksichtslosigkeit,  mit  der 
sich  Ritter  im  Verfolg  seiner  Versuche  selbst  misshandelte,  nicht  am  wenigsten 
bemerkenswerth  sind. 

6.  Welches  ist  die  typische  Form  der  Säule?     Volta  hatte  seine 

Säule   in   der  Ordnung  Silber,  Zink,  Flüssigkeit,   Silber Flüssigkeit, 

Silber,  Zink  gebaut,  und  nach  dem  gleichen  Schema  verfuhren  die  englischen 
Forscher.  Demnach  war  das  Silberende  der  Säule  negativ  und  das  Zink- 
ende positiv;  der  mit  dem  Silber  verbundene  Draht  entwickelte  Wasserstoff, 
der  mit  dem  Zink  verbundene  oxydirte  sich  oder  gab  Sauerstoffgas  aus  und 
war  positiv.  Dem  gegenüber  betonte  L.  A.  v.  Arnim  \  dass  die  beiden  letzten 
Metallstücke  vollkommen  überflüssig  sind;  man  erhält  ganz  dieselben 
Wirkungen,  wenn  man  sie  fortlässt,  und  die  Säule  in  der  Form  Zink,  Flüssig- 
keit, Silber,  Zink Zink,  Flüssigkeit,  Silber  aufbaut.   Dann  sind  aber 

die  Bezeichnungen  Zink-  und  Silberpol  zu  vertauschen;  der  Zinkdraht  ist 
negativ  und  giebt  Wasserstoff,  der  Silberdraht  ist  positiv  und  giebt  Sauerstoff. 

Dieser  Darlegung  stimmte  der  Herausgeber  der  Annalen  der  Physik, 
Gilbert,  bei  s,  indem  er  bemerkte:  „Die  eigentliche  Wirksamkeit  der  Säule 
beruht  auf  der  Berührung  des  Zinks  mit  einer  liquiden  Flüssigkeit  (!),  welche 
das  Zink  zu  oxydiren  vermag.  Dies  beweisen  nicht  nur  Davy*s  Versuche,  .  .  . 
sondern  auch  schon  der  von  Volta  bemerkte  Umstand,  dass  der  nasse  Leiter 
mit  Zink  und  Silber  in  Berührung  sein  muss,  indess  beide  Metalle  durch 
andere  Metallscheiben,  unbeschadet  der  Wirksamkeit  der  Säule  getrennt 
werden  können." 

Die  gleiche  Bemerkung  machten  um  dieselbe  Zeit  Erman  8,  Bookman  *, 
Gruber6  und  Andere,  so  dass  die  Sache  erledigt  schien. 

Indessen  blieb  sie  keineswegs  erledigt.  Im  folgenden  Bande  von  Gilberts 
Annalen  findet  sich  eine  Arbeit  von  Ritter6,   in  welcher  mit  unglaublicher 


1  Gilbert's  Ann.  8,  166.  1801.        *  Ebenda  8,  166,  Anmerkung.  1801. 
*  Ebenda  8,  198.  180 1.  4  Ebenda  8,  139,  1801. 

R  Ebenda  8,  216.  1801.  •  Ebenda  9,  212.  1801. 


) 


Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule. 


^69 

Umständlichkeit  bewiesen  wird,  dass  eine  solche  Bezeichnungsweise  der 
•VoLTA'schen  Anschauung,  wonach  die  Wirkung  seiner  Säule  von  einer 
Elektricitätserregung  bei  der  Berührung  der  Metalle  unter  einander  abhänge, 
im  Widerspruch  stehe.  Nachdem  er  20  Seiten  lang  diesen  Beweis  geführt 
bat,  schreibt  er:  „Sie  sind  müde,  ich  auch;  aber  fertig  sind  wir  noch  nicht." 
Und  nun  fuhrt  er  denselben  Beweis  noch  einmal,  und  in  einem  Zusatz  noch 
tum  dritten  Male,  so  dass  schliesslich  der  ganze  Nachweis  51  Seiten  zum 
Theil  engen  Druckes  einnimmt  Anf  den  Herausgeber  der  Annalen  hat  der 
Effekt  dieser  Massenwirkung  sich  in  der  That  geltend  gemacht,  indem  er 
seinen  früheren  Vorschlag  zurücknahm,  und  mit  Ritter  die  Benennung  der 
Pole  wieder  umkehrte;  auch  die  meisten  anderen  Physiker  Hessen  sich  be- 
kehren, insbesondere  da  in  der  Folge  die  VoLTA'sche  Auffassung  überall 
durchdrang. 

Diese  Widersprüche  haben  deshalb  ein  Interesse,  weil  bis  auf  den 
heutigen  Tag  noch  eine  gewisse  Verwirrung  in  der  Bezeichnung  der  Pole 
VoLTx'scher  Ketten  herrscht.  Gewöhnlich  nennt  man  das  Zinkende  einer 
einfachen  Kette  positiv;  prüft  man  es  aber  am  Elektrometer,  so  ist  es 
negativ  elektrisch,  und  umgekehrt  der  gewöhnlich  negativ  genannte  Kupfer- 
pol positiv. 

Wie  in  vielen  ähnlichen  Fällen  musste,  bevor  die  Frage:  welches  ist 
die  fundamentale  Anordnung  der  Kette?  beantwortet  werden  konnte,  erst  die 
andere  Frage  erledigt  sein:  sind  überhaupt  zur  Zeit  die  Mittel  vorhanden, 
jene  Frage  zu  beantworten?  Soviel  war  sicher:  damit  der  einfachste  Fall 
galvanischer  Wirkung  stattfinden   kann,  müssen   drei  Leiter  lx,  12,  13    unter 

einander  in  gegenseitiger  Berührung  stehen.     Wo  aber  ist  das  Dreieck    W 

auseinanderzuschneiden,  damit  die  fundamentale  Kette  nachbleibt?  Die 
Antwort  war  darum  auf  keine  Weise  zu  finden,  weil  jeder  Prüfungsapparat, 
den  man  zwischen  je  zwei  Glieder  der  Kette  bringt,  neue  Berührungen  be- 
dingt, und  somit  neue  Bestimmungsstücke  in  die  Kette  bringt.  Dieses  Ver- 
haltniss  war  schon  von  Ritter  eingesehen  worden,  und  kommt  in  einer 
langen  Abhandlung  von  Reinhold1,  die  in  ähnlichem  Geiste  geschrieben  ist, 
noch  deutlicher  zur  Geltung.  Reinhold  glaubte  nun  allerdings  im  wasser- 
freien Alkohol  den  gesuchten  Stoff  gefunden  zu  haben,  mittelst  dessen  man 
die  Kette  mit  dem  Elektrometer  verbinden  könnte,  ohne  weitere  Spannungen 

einzuführen.     Er  baute   daher  Ketten   von   der  Gestalt  SHZASHZ , 

wo  die  Buchstaben  nach  einander  Silber,  Wasser,  Zink,  Alkohol  bedeuten, 
und  schloss  sie  durch  einen  Froschschenkel;  er  beobachtete  keine  Wirkung. 
Dagegen  erhielt  er  von  einer  Kette  SZHASZHA...  ZH  Wirkungen,  und 
schloss  daraus,  dass  die  Metallberührung,  und  nicht  die  zwischen  Metall  und 
Flüssigkeit  die  Wirksamkeit  der  Kette  bedinge.  Da  wir  indessen  jetzt  wissen, 
dass  dem  Alkohol  keineswegs  die  ihm  von  Reinhold  zugeschriebene  Un- 
wirksamkeit eigen  ist,  so  ist  damit  auch  der  Beweis  selbst  hinfällig. 

1  Gilbert's  Ann    10,  301.  1802. 


I  7Q  Siebentes  'Kapitel. 


7.DieBewegungserscheinungen  desQuecksilbers.  Eine  auffallende  '"" 
Erscheinung,  die  später  für  die  chemische  Theorie  des  Galvanismus  voll  ^ 
grösster  Bedeutung  werden  sollte,  hat  Ritter  l,  wenn  auch  nicht  zuerst  ge-  ^ 
sehen,  doch  zuerst  genauer  untersucht.  Es  sind  dies  die  Bewegungen,  welche  v: 
das  Quecksilber  zeigt,  wenn  es  in  den  Kreis  einer  VourA'schen  Säule  :K 
zwischen  zwei  feuchte  Leiter  gebracht  wird.     Ritter  schreibt  darüber:  ~ 

„Das  Phänomen  der  Erschütterung  des  Quecksilbers,  was  sich  auf  eine  -: 
schickliche  Art  in  der  Kette  der  Batterie  befindet,  hat  Volta  zuerst  be-  : 
merkt. 2  Er  brachte  Quecksilber  in  einer  V-Röhre,  auf  beiden  Seiten  mit  - 
Wasser  übergössen,  in  die  Kette  der  Batterie,  und  sah  es  auf  der  Seite,  wo  : 
es  Gas  gab,  in  eine  sehr  merkliche  und  unaufhörliche  Bewegung  über-  ;: 
gehen."  ... 

Ritter  erwähnt,  dass  er  die  Erscheinung  zuerst  übersehen  habe;  später  'i 
habe  er  sie  eingehend  untersucht.     „Wenn  Quecksilber  in  einer  Röhre  ein-  ■': 
geschlossen   ist,  die  so  gebogen  ist,   dass   ihre  Schenkel  wieder   parallel  in   : 
die  Höhe  gehen,   über  das  Quecksilber  auf  beiden  Seiten  Wasser  gegossen    ; 
ist,   und  in   dieses  Drähte  reichen,   deren   einer  mit  dem  Zink-,   der  andere    ^ 
mit  dem  Silberende  einer  starken  Batterie  verbunden  wird,  so  steigt  dasselbe    . 
im  Augenblick  der  Schliessung  auf  der  Seite,  deren  Wasser  mit  dem  Zink-    - 
ende  verbunden  ist,  also  da,  wo  es  WasserstofTgas  giebt,  und  fällt  hingegen 
auf  der   anderen  Seite,  d.  h.  da,  wo  es  sich  oxydirt.     Es  behauptet  seine 
Stände,  während   die  Kette  geschlossen  bleibt,  ja  jeder,  besonders  der  auf 
der  Zinkseite,  nimmt  eher  nach  und  nach  etwas  zu.    Offnet  man  wieder,  so 
fällt  es  wieder  auf  seinen  vorigen   Ort  zurück,    setzt   sich    aber   doch    erst 
nach  mehreren  Schwankungen  wieder  ins  ruhige  Gleichgewicht.   Greift  man 
in  die    entsprechenden  dieser  Schwankungen  ein,    so    kann  man    es  durch  . 
wiederholte  Schliessungen  und  Trennungen  in  kurzem  so  weit  bringen,  dass 
der  Unterschied  des   Niveaus  bei  einer  Röhre,  deren  jeder  Schenkel   12  Zoll 
hoch   und  */4  bis  1/s  Zoll  weit  ist,  einen,  ja  etliche  Zoll  beträgt,  so  dass  zu- 
letzt,  wenn  die  Umstände  es  erlauben,  das  Wasser  über  dem  Quecksilber, 
und  auch  wohl  dieses  mit,  zu   beiden  Seiten  oben  zur  Öffnung  der  Röhre 
anfängt   herabzustürzen.      Lässt   man    auf  der    Silberseite   das  Wasser  weg 
und  bringt  den  Draht  dieser  Seite  geradezu  ins  Quecksilber,  so  steigt  bei 
der  neuen  Schliessung  das  Quecksilber  gerade  wie  zuvor,  und  zwar  wegen 
besserer  Leitung,  und  weil   weniger  Wasser  in   der  Kette  ist,   stärker.  .  .  . 
Lässt  man  auf  der  Zinkseite  das  Wasser  weg,  so  fällt  das  Quecksilber  im 
anderen  Schenkel  kaum,   sondern  es  überzieht  sich,  wie  immer  auf  dieser 
Seite  mit  einer  steifen  Haut,  dem   ersten  Anfange  der  Oxydation.     Es  ist 
überhaupt,  als  würde  das  Quecksilber  auf  dieser  Seite  starrer,  während  es 
auf  der  anderen,  wenn  Wasser  über  ihm   ist,  flüssiger  wird,  und  höchst 
deutlich  wird    dies   eben    in  dem   Fall,    wo    auf  beiden  Seiten  Wasser   ist. 
Indem  hier  das  Quecksilber  auf  der  einen  Seite  steigt  und  auf  der  anderen 


1  Voigt's  Magazin,  4,  637.   1802.  2  Gilbert's  Ann    8.  :*)6,   180! 


Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule.  171 


It,  fallt  es  nicht  mit  seiner  ganzen  Convexität,  sondern  die  Ränder  be- 
upten  sich  zunächst  und  die  Oberfläche  des  Quecksilbers  wird  concav.  .  .  . 
iss  diese  Starrheit  nicht  von  der  Oxydhaut  herkommt,  findet  sich  in  Ver- 
dien, wo  man  eine  alkalische  Flüssigkeit  anstatt  des  Wassers  angewandt 
X,  in  welcher  bekanntlich  das  Quecksilber,  wie  alle  oxydirbaren  Metalle, 
>ch  genöthigt  wird,  den  Sauerstoff  auch  als  Gas  zu  geben.  Auf  der  ent- 
.^gengesetzten  Seite  scheint  das  Quecksilber  hingegen  ganz  ausserordentlich 
assig,  und  wie  in  einer  immerwährenden  inneren  Rotation  zu  sein,  die  sich, 
enn  Unreinigkeiten  im  Wasser  sind,  auf  das  bestimmteste  verfolgen  lässt." 

Diese  gut  und  genau  beobachteten  Erscheinungen  sind  zu  der  Zeit,  wo 
jtter  sie  mitgetheilt  hat,  ganz  ohne  Folgen  geblieben.  Erst  sehr  viel 
päter  haben  sie  nicht  nur  zur  Herstellung  eines  ungemein  empfindlichen 
Llektrometers  geführt,  sondern  sogar  zu  der  Lösung  des  Hauptproblems  der 
roLTA'schen  Kette,  zur  Beantwortung  der  Frage  nach  der  Grösse  der  an 
len  verschiedenen  Grenzflächen  der  Leiter  vorhandenen  elektromotorischen 
Cräfte.  Auch  in  einer  anderen  Beziehung  bietet  die  Beschreibung  des  Ver- 
■uches  Interesse.  Das  Quecksilber,  dessen  ausserordentliche  Beweglichkeit 
vitter  auffiel,  war,  wie  aus  den  Versuchsumständen  mit  Sicherheit  hervor- 
geht, nichts  anderes,  als  Kaliumamalgam  geworden,  und  Ritter  hatte  hier 
len  Stoff  in  Händen,  der  wenige  Jahre  später  die  ganze  wissenschaftliche 
A'elt  in  die  höchste  Aufregung  versetzen  sollte. 

Die  weitere  Beschreibung  von  Ritter's  Versuchen  und  der  daraus  ge- 
u>genen  Schlüsse  würde  zu  weit  führen.  Ritter  überzeugte  sich,  dass  das 
Quecksilber  weder  schwerer  oder  leichter  wird,  noch  auch  sein  Volum 
ändert,  sondern  er  schreibt  die  Erscheinung  ganz  richtig  einer  blossen  Form- 
änderung der  Quecksilbersäule  zu.  Dass  es  sich  hier  um  eine  Änderung  der 
Oberflächenspannung  handelt,  konnte  er  bei  dem  damaligen  rudimentären 
Zustande  dieser  Lehre  schwerlich  einsehen.  Doch  ist  noch  der  folgende 
Passus  bemerkenswerth,  aus  dem  das  richtige  Verständniss  des  Wesens  der 
Erscheinung  deutlich  sichtbar  wird.  „Ich  übergehe  eine  grosse  Menge 
weiterer  Versuche,  um  aus  den  angeführten  nur  das  Resultat  zu  geben, 
dass  alles,  soweit  der  Stand  und  die  Form  der  Quecksilbersäulen  davon  ab- 
hangen, ein  blosser  Grenzprocess  mit  dem  Wasser  war."  In  der  That 
Hegt  die  ganze  oben  angedeutete  Wichtigkeit  der  Erscheinung  für  die  Theorie 
in  dem  Umstände,  dass  es  sich  hier  um  einen  Vorgang  in  der  Grenzfläche 
zwischen  dem  Quecksilber  und  dem  feuchten  Leiter  handelt. 

Die  weitere  Geschichte  der  Bewegungserscheinungen  am  Quecksilber 
wird  später  im  Anschluss  an  die  Arbeiten  Lippmann's  gegeben  werden. 

8.  Legirungen.  Eine  spätere  Arbeit  Ritters1  von  allgemeinerem  In- 
teresse bezieht  sich  auf  die  Methocjen  zur  Bestimmung  der  Stelle,  welche 
verschiedene  metallische  Stoffe  in  der  Spannungsreihe  einnehmen.  Zu  jener 
Zeit,   wo    das    in   dieser  Hinsicht  so   überaus  bequeme  Galvanometer  noch 


1  Gilberts  Ann.  16,  293.  1804. 


172  Siebentes  Kapitel. 


nicht  existirte,  war  dies  keine  ganz  einfache  Sache,  und  Ritter  setzt  dem*  r» 
gemäss  drei  verschiedene  Methoden  auseinander,  die  übrigens  alle  auf  der  '2 
S.  1 1 2  erwähnten  Verschiedenheit  beruhen,  die  der  Froschschenkel  in  Bezug  n 
auf  die  Richtung  der  ihn  durchsetzenden  Ströme  zeigt,  und  deren  An-  «i 
wendung  somit  der  ganzen  Unsicherheit  unterworfen  ist,  der  dieses  physio-  ♦ 
logische  Galvanoskop  unterliegt.  Doch  ist  es  ihm  trotz  der  mangelhaften  ? 
Methode  gelungen,  einiges  von  Belang  zu  ermitteln.  : 

Der  Anlass  zu  seiner  Arbeit  war  das  Palladium,  um  welches  gerade  1: 
zu  jener  Zeit  einiger  Lärm  entstanden  war.     Im  April  1803  war  in  London    : 
eine    anonyme   Anzeige    erschienen,    in    der    die   Entdeckung   eines    neuen    - 
Metalls  nebst  der  Beschreibung  einiger  seiner  Eigenschaften  enthalten  war;    - 
dazu    war    bemerkt,    dass   es    in  London   bei   einem   bekannten   Mineralien-  *, 
händler  zu  einem  Schilling  das  Gran  käuflich  sei.     Ein  um  jene  Zeit  wohl-   * 
bekannter  Chemiker,  der  sich  sein  damaliges  Ansehen  allerdings  mehr  durch    . 
die  auffallende  und  lärmige  Art  seiner  Schriften,  als  durch  die  Gediegenheit    , 
seiner  Arbeiten  erworben  hatte,  R.  Chenevix,  kaufte  die  Hauptmenge  des    , 
Stoffes  auf,  bestätigte  die  Richtigkeit  der  Angaben  des  Unbekannten  bezüg- 
lich der  Eigenschaften  des  Metalls,  behauptete  aber,   es  sei   nicht   einfach, 
sondern   aus  Platin   und   Quecksilber  zusammengesetzt;   das  Quecksilber  sei 
aber  in  der  Legirung  so  fest  gebunden,  dass  es  auch  beim  heftigsten  Glühen 
nicht  entweiche  und  überhaupt  nicht  mehr  nachweisbar  sei.   Dagegen  könne 
man  Palladium  mit  allen  seinen  Eigenschaften  erhalten,  wenn   man  Platin- 
lösung mit  Quecksilberoxyd  neutralisirt,    mit  Eisenvitriol    reducirt    und  das 
erhaltene  schwarze  Metallpulver  zusammenschmilzt.     Der  Unbekannte  eriiess 
darauf  eine  zweite  Anzeige,  dass  er  demjenigen,  der  aus  Platin  und  Queck- 
silber Palladium  zusammensetzen  könne,   20  Pfund   Sterling,  die  bei  dem- 
selben Mineralienhändler  niedergelegt  waren,  als  Preis  verspreche.     Dieser 
Preis  wurde  von  Niemandem  erhoben,  auch   von  Chenevix  nicht,  und  bald 
darauf  erklärte  Wollaston,  dass  kein  anderer,  als  er,  die  anonyme  Anzeige 
verfasst   habe;    er   hatte    das   Palladium    bei    Gelegenheit    seiner   Versuche, 
schmiedbares  Platin  herzustellen,  neben  einem  anderen  Metall,  das  er  Rhodium 
nannte,  im  rohen  Platin  entdeckt.  Chenevix  musste  seinen  Irrthum  eingestehen 
und    entschädigte  sich    dafür,    so  gut  es  ging,    durch  den  Ausdruck  einer 
tugendhaften  Entrüstung  über  Wollaston's  ungewöhnliches  Vorgehen. 

Dieses  vielumstrittene  Material  war  es  nun,  mit  dem  Ritter  seine  Ver- 
suche anstellte.  Er  fand  es  in  der  Spannungsreihe  noch  über  Platin  stehend, 
und  keineswegs,  wie  er  erwartete,  zwischen  Quecksilber  und  Platin;  auch 
verhielt  sich  das  von  „Hrn.  Chenevix  zusammengesetzte  Palladium,  und  das 
ältere,  welches  zu  London  käuflich  gewesen  war",  vollkommen  überein- 
stimmend, woraus  beiläufig  mit  grosser  .Wahrscheinlichkeit  hervorgeht,  dass 
es  sich  bei  Chenevix  um  eine  blosse  Verwechselung  eines  seiner  Schmelz- 
produkte mit  einem  in  seinem  Besitze  befindlichen  Stücke  wirklichen  Palla- 
diums gehandelt  hat. 

Da  Ritter  die  vermeintliche  Legirung  so  abweichend  in  ihrer  elektri- 


Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule. 


173 


sehen  Stellung  von  der  ihrer  Bestandtheile  gefunden  hatte,  so  stellte  er  sich 
die  Frage,   wie   andere  Legirungen  sich  verhalten  würden.     Die  Ergebnisse 
seiner  Versuche   waren  sehr  überraschend.     Es  ergab  sich,  dass  ganz  un- 
glaublich geringe  Mengen  Metall  die  Stellung  des  Gemenges  auf  das  stärkste 
beeinflussen    können.     „Eine  halbe  Quadratlinie  des  dünnsten  Stanniols  be- 
stimmt zwei  ganze  Drachmen  Quecksilber,  sogleich  von  ihrem  Orte  zwischen 
Gold  und  Silber,  sogar  über  das  Zinn  herunter,  herabzuspringen,  zwischen 
Zink  und  Blei,    und  zwar  ersterem  näher,  als  letzterem,  und  dies  ist  noch 
nicht  genug.      Bringen  Sie  in  ein  Loth  des  ganz  reinen  Quecksilbers  eben- 
falls nur    1/a   Quadratlinie  Stanniol,  lösen  diese  darin  auf  und  nehmen  von 
dieser  Auflösung  ein  Tröpfchen  von  nicht  mehr  als   1/2  Linie  Durchmesser, 
ja  noch  weniger,   lösen   es  in   einem   neuen    Lothe  reinen  Quecksilbers  auf 
und  untersuchen  dieses  in  der  Spannungsreihe.  Sie  finden  es  sogleich  zwischen 
Zinn  und  Blei.      Dieses  einzige  Atom  Zinn  in   einem  ganzen  Lothe  Queck- 
silber hat  es  tiefer  gebracht,  als  16  Loth  Zinn  es  gebracht  haben,  und  kaum 
scheint  die  Grenze  anzugeben  zu  sein,  wo  obiges  Atom  etwa  zu  klein  wäre, 
dies  zu  thun." 

Ritter  fasst  seine  Erfahrungen  dahin  zusammen,  dass  in  Legirungen 
eines  der  beiden  Metalle  sich  zum  charakterisirenden  aufwirft,  und  zwar  der 
Regel  nach  das  positive;  nur  im  Falle  von  Zink  und  Kupfer  und  bei  dem 
Palladium,  das  er  für  ein  Gemisch  hielt,  war  das  Gegentheil  aufgetreten, 
und  Ritter  hält  solche  Fälle  für  die  weitaus  selteneren. 

Die  Bedeutung  seiner  Beobachtung  für  die  Frage  der  Spannungsreihe 
überhaupt  entging  Ritter  nicht;  er  wies  mit  Nachdruck  darauf  hin,  dass 
hier  ein  Grund  dafür  gefunden  sei,  warum  die  Reihen  verschiedener  Beob- 
achter so  weit  voneinander  abwichen,  und  er  äusserte  sich  demgemäss  sehr 
pessimistisch  über  die  Möglichkeit  einer  unzweideutigen  Bestimmung  der 
Spannungsreihe  überhaupt.  Seine  Warnungen  sind  indessen  bald  vergessen 
worden ;  freilich  unterliegen  diese  Messungen  ausserdem  noch  anderen  Fehler- 
quellen, die  weit  bedenklicher  sind,  als  die  von  Ritter  hervorgehobene. 

9.  Die  Ladungs säule.    Ein  im  übrigen  nicht  viel  bekannt  gewordener 
französischer  Forscher  namens  Gautherot  hat  unter  anderen  den  folgenden 
Versuch  *  beschrieben,  an  den  sich  später  eine  ansehnliche  Entwickelung  ge- 
knüpft hat.     „Als  ich  meine  Versuche,  nicht   mit  der  VoLTA'schen  Säule, 
sondern  mit  seiner  Tassenkrone  fortsetzte,  bemerkte  ich,  dass  der  brennende 
Geschmack,  welchen  man  erhält,  wenn  man  zwei  metallene  Drähte  in  den 
Mund  nimmt,  deren  andere  Enden  in  die  äussersten  Tassen  des  Apparates 
tauchen;   bemerkte  ich,  sage  ich,    dass,  wenn  die  Drähte    von  Platin   oder 
Silber  waren    und    ich  sie  nach  dem  Herausnehmen  aus  den  Tassen   mit- 
einander in  Berührung  brachte,  ich  wieder  einen  leichten  galvanischen  Ge- 
schmack empfand,  welcher  sogar  einige  Dauer  besass,  wenn  man  die  beiden 


1  Süe.    Hist.   du   Galvaoisme,    2,    209.     1802,    nach   Memoires   des   societ£s    savantes    et 
litteraires  de  la  Republique  francaise,  1,  471  uff. 


174  Siebentes  Kapitel. 


Drähte  in  Berührung  Hess,  und  welcher  sich  wiederholt  erneute,  wenn  ma* 
die  Drähte  mehrmals  gegen  einander  bewegte.  '-'" 

„Dieser  Geschmack  ist  noch  deutlicher,  wenn  man  die  beiden  Drähte  ^ 
in  eine  Flasche  mit  Salzwasser  bringt,  indem  man  sie  mittelst  eines  Korkes  ;- 
so  festhält,  dass  sie  einander  nicht  berühren  können;  taucht  man  nun  die  - 
beiden  anderen  Enden  in  die  äussersten  Gefässe  der  Tassenkrone,  oder  be-  's 
rührt  mit  ihnen  die  Enden  einer  gewöhnlichen  Säule,  wobei  man  vor  allen  - 
Dingen  den  Augenblick  abwartet,  wo  das  Wasser  sich  in  der  Flasche  zu  - 
zersetzen  beginnt,  und  bringt  man  alsdann  die  beiden  Drahtenden,  die  mit  -" 
dem  Apparat  in  Verbindung  waren,  in  den  Mund,  so  ist  der  Geschmack  " 
deutlicher  ausgesprochen;  in  einzelnen  Fällen  kann  man  sogar  eine  leichte  -= 
Erschütterung  bemerken,  auch  hat  die  Wirkung  eine  längere  Dauer.  Auch  *i 
bin  ich  dazu  gelangt,  mittelst  des  neuen  Apparates  Wasser  zu  zersetzen. 

„Dieser  Versuch,  welcher  sich  der  Erklärung  widersetzt,  die  man  nach  x 
der  elektrischen  Theorie  zu  geben  geneigt  sein  könnte,  scheint  mir  von  ' 
grosser  Bedeuttung;  und  da  er  vielfach  abgeändert  werden  kann,  so  wird  er  : 
wahrscheinlich  die  Quelle  oder  Grundlage  vieler  anderen  Experimente  werden,  : 
und  mehr,  als  ein  anderer  dazu  beitragen,  die  Theorie  dieses  neuen  Zweiges  : 
der  Physik  klarzulegen. 

„Ein  weiterer,  sehr  seltsamer  Versuch  ...  ist  folgender.  Taucht  man 
die  beiden  Enden  eines  einzigen  Platindrahtes  in  die  äussersten  Gefösse  des 
Tassenapparates,  nähert  nun  die  beiden  Enden  desselben,  ohne  dass  sie 
sich  berühren,  und  bringt  sie  in  den  Mund,  so  empfindet  man  den  galvani- 
schen Geschmack,  der  um  so  ausgeprägter  ist,  je  grösser  der  Durchmesser 
der  beiden  Drähte  ist. 

„Es  ist  für  das  Gelingen  dieses  Versuches  nicht  nothwendig,  dass  die 
beiden  äussersten  Tassen  Salzwasser  enthalten,  da  die  salzige  Lösung  einige 
Zweifel  über  die  Ursache  des  Geschmackes  hervorrufen  könnte;  um  daher 
jede  Unsicherheit  zu  beseitigen  und  den  Versuch  in  seine  einfachste  Ge- 
stalt zu  bringen,  habe  ich  zwei  wohlgereinigte  Tassen  mit  destillirtem  Wasser 
gefüllt,  habe  diese  beiden  Tassen  mit  den  äussersten  Gefassen  meines  Ap- 
parates durch  zwei  Platindrähte  verbunden  und  dann  in  die  Tassen  mit 
destillirtem  Wasser  die  beiden  Enden  des  Platindrahtes  gesenkt,  den  ich  zu 
dem  Geschmacksversuch  benutzen  wollte;  ich  habe  diese  den  Leitungs- 
drähten genähert,  und  die  Entwickelung  der  Gasblasen  abgewartet,  die  von 
der  Zersetzung  des  Wassers  herrührten.  Auf  diese  Weise  erhalte  ich  das 
Maximum  von  Geschmackswirkung,  das  bei  derartigen  Versuchen  zu  erzielen 
ist.  Ich  glaube  nicht,  das  man  mit  Volta  diesen  Geschmack  der  Wirkung 
von  Säure  und  Alkali  zuschreiben  kann,  die  aus  der  Zersetzung  des  Wassers 
stammen;  denn  wenn  man  die  beiden  Enden  des  aus  den  Tassen  ge- 
nommenen Drahtes  in  reinem  Wasser  abspült,  so  kann  man  dennoch  damit 
einen  sehr  ausgesprochenen  Geschmack  hervorrufen;  taucht  man  zum  Ver- 
gleiche die  beiden  Enden  eines  Platindrahtes  in  Salpetersäure  einerseits,  in 
ein  beliebiges  Alkali  andererseits,  und  dann  in  ein  Glas  Wasser,  so  genügt 


X>ie  chemischen  Wirkungen  der  Volta' sehen  Säule.  17c 


dieses  einfache  Eintauchen,  um  sie  völlig  von  diesen  wirksamen  Stoffen  zu 
befreien,  und  sie  bringen  hernach  auf  der  Zunge  nicht  mehr  die  mindeste 
Geschmackswirkung  hervor.  Dieser  Versuch,  den  ich  für  grundlegend  halte, 
scheint  mir  die   aufmerksamste  Untersuchung  zu  verdienen. 

„Die  verschiedenen  Meinungen  der  Gelehrten  über  die  Erklärung  dieser 
merkwürdigen  Erscheinungen  lassen  sich  in  drei  Klassen  bringen.  .  .  . 

„Einige  Gelehrte,  die  die  dritte  Klasse  bilden,  glauben,  dass  ein  un- 
bekanntes Agens  sich  mit  dem.  elektrischen  Agens  verbinde,  um  damit  zu- 
sammen die  galvanischen  Erscheinungen  hervorzubringen;  sie  stützen  sich 
darauf,  dass  verschiedene  dieser  Erscheinungen  sich  einer  Erklärung  gemäss 
den  bekannten  Gesetzen  der  Elektricität  widersetzen.  Meine  Versuche  scheinen 
dieser  letzteren  Meinung  günstig  zu  sein.  Jedenfalls  ist  es  sicher,  dass  die 
Zersetzung  des  Wassers  mittelt  meiner  neuen  Apparate  nichts  mit  dem  ge- 
mein hat,  was  man  von  der  Elektricität  gegenwärtig  weiss." 

An  die  Versuche  von  Gautherot  schlössen  sich  fast  unmittelbar  die 
von  Ritter,1  der  nach  seiner  Mittheilung  schon  früher  ähnliche  Erscheinungen 
beobachtet  hatte  und  sie  aus  seinen  allgemeinen  Anschauungen  erwartete. 
Ritter  knüpft  an  die  von  ihm  untersuchten  physiologischen  Erscheinungen 
an,  welche  sich  vielfach  nach  dem  Schema  beschreiben  lassen,  dass  im 
Augenblicke  der  Öflhung  des  Stromes  das  Entgegengesetzte  von  dem  geschieht, 
was  bei  der  Schliessung  stattgefunden  hatte.  Er  stellte  sich  demgemäss  die 
Frage,  ob  diese  Umkehr  nicht  eine  Eigenschaft  aller  Körper  sei.  „Diese 
Frage  war  bejaht,  als  ich  im  Sommer  1801  fand,  dass  von  zwei  Golddrähten, 
welche  im  Kreise  der  Batterie  in  der  Glasröhre  eine  geraume  Zeit  Gas 
gegeben  hatten,  derjenige,  welcher  Oxygengas  gegeben  hat,  bei  der  Trennung 
aus  dem  Kreise  der  Batterie  nach  einer  sehr  kurzen  Pause  noch  einen 
schwachen  Strom  Hydrogengas,  der  hingegen,  welcher  Hydrogengas  gegeben, 
nach  gleich  kurzer  Pause  einen  schwachen  Strom  Oxygengas  nachgebe.!' 

Ritter  schildert  darauf  einige  Versuche,  die  denen  von  Gautherot  ganz 
ähnlich  sind.  Eine  Erweiterung  fand  dahin  statt,  dass  Ritter  ausser  Platin 
noch  eine  ganze  Reihe  anderer  Leiter  für  den  Versuch  tauglich  fand,  und 
zwar  „beinahe  die  ganze  VoLTA'sche  Reihe  der  Leiter  erster  Klasse,  und 
zwar  im  Allgemeinen  um  so  mehr,  je  näher  der  Körper  dem  negativen  Ende 
der  Reihe,  dem  krystallisirten  Braunsteinoxyd  lag.  .  .  .  Ferner  verhielt  sich 
die  Starke  der  Wirkung  nur  bis  zu  einer  gewissen  Anzahl  Plattenpaare  der 
anfangs  dazu  angewandten  Batterie  wie  diese  Anzahl,  und  dann  blieb  sie 
nach  und  nach  stehen  .  .  .  ein  Punkt,  der  für  jedes  Metall  ein  anderer  war." 
Hier  lässt  sich  eine  erste  Andeutung  des  Polarisationsmaximums  erkennen. 
Ferner  entging  Ritter  die  Vergänglichkeit  des  Polarisationszustandes  nicht. 
„Doch  bleiben  die  Einflüsse  der  Batterie  auf  die  Metalldrähte  .  .  .  nicht  für 
immer  in  denselben  zurück.  Nur  im  Augenblicke  nach  der  Trennung  von 
der  Batterie   sind  sie  mit  dem  Maximum  zugegen;    später  nehmen  sie   ab 


1  Voigt's  Magazin,  6,  105.  1803. 


176  Siebentes  Kapitel. 

—  » 

und  verlieren  sich  nach  und  nach  ganz,  so  dass,  wenn  man  auch  die  Drahte  fc* 
nach  der  Trennung  von  der  Batterie  gar  nicht  untereinander  berührt,  sondern  as 
ganz  ruhig  liegen  lässt,  man  nach  Zeit  von  1/2  bis  3/4  Stunden  doch  keine  « 
Spur  von  zurückgebliebenem  Einfluss  mehr  erkennen  kann.  Schneller  wird  is 
er  aber  durch  wirkliche  nachherige  Berührung  der  Drähte  unter  sich  erschöpft,  1« 
und  zwar  um  so  schneller,  je  besser  der  Leiter  zweiter  Klasse  dabei  ist"      1 

Während  diese  Versuche  im  Wesentlichen  sich  an  die  von  Gautherot  i 
anschliessen,  machte  Ritter  darin  einen  wichtigen  Fortschritt,  dass  er  auf  t. 
den  Gedanken  kam,  eine  Anzahl  solcher  veränderter  Metalle  zu  einer  Säule  :s 
zu  schichten.  „Es  war  nämlich  im  Anfange  des  December  1802,  als  mich  *• 
die  ungemeine  Ähnlichkeit  solcher  der  Wirkung  der  VourA'schen  Säule  aus-  :- 
gesetzt  gewesener  Drähte  mit  galvanischen  Ketten  oder  schwachen  Batterieen  ^ 
selbst  veranlasste,  statt  der  Drähte  Platten  zu  nehmen,  und  zu  versuchen,  ;= 
ob  sich  die  Menge  kleiner  einzelner  Spannungen  dieser  Platten  nicht  ebenso  » 
zu  einer  gemeinschaftlichen  grossen  Spannung  und  davon  abhängender  Wir-  . 
kung  auflösen  würde,  wie  das  mit  dem  einzelnen  Lagen  bei  Volta's  Batterie  * 
der  Fall  ist.  Auch  waren  mir  durch  die  vorige  Untersuchung  fast  alle  Ele-  ■, 
mente  gegeben,  die  mich  dabei  leiten  konnten. 

„Man  schichte  50  Kupferplatten,  wovon  jede  etwas  grösser,  als  ein  > 
Laubthaler  und  etwa  so  dick,  wie  ein  Kartenblatt,  mit  ebenso  viel  kochsalz- 
nassen Pappen  von  ungefähr  2  Quadratzoll  Fläche  und  1  Linie  Dicke,  nach  , 
der  Ordnung:  Kupfer,  Pappe,  Kupfer,  Pappe,  Kupfer  u.  s.  w.,  und  beschliesse 
die  Reihe  zuletzt  ebenfalls  mit  Kupfer.  .  .  .  Man  verbinde  jetzt  das  obere 
Ende  dieser  Säule  A  durch  einen  Eisendraht  mit  dem  +  =  oder  dem 
Oxygenpol,  das  untere  Ende  derselben  durch  einen  anderen  Draht  mit  dem 
—  =  oder  Hydrogenpol  einer  gewöhnlichen  VoLTA'schen  Batterie  von  90  bis 
100  Lagen  .  .  .  und  lasse  beides  3  bis  5  Minuten  in  Verbindung.  Darauf 
nehme  man  schnell  einen  oder  beide  Verbindungsdrähte  ab,  und  verbinde 
schliesslich  A  (was  früher  gar  nichts  gab)  von  einem  Ende  zum  anderen 
mit  einem  Eisendraht.  Man  wird  nun  einen  schönen  rothen  sternförmigen 
Funken  haben.  .  .  .  Schliesst  man,  statt  eines  Eisendrahtes,  mit  einer  Röhre 
voll  Wasser,  welche  .  .  .  mit  zwei  Golddrähten  versehen  ist,  die  nahe  anein- 
ander stehen,  so  wird  man  sogleich  mit  der  Schliessung  an  beiden  Drähten 
Gasentbindung  haben.  .  .  .  Schliesst  man  statt  der  Gasröhre  mit  beiden  Händen, 
welche  man  vorher  mit  Kochsalz-  oder  Salmiakauflösung  gehörig  feucht 
gemacht  und  mit  Massen  von  Zink  und  Eisen  armirt  hat,  ...  so  wird  man 
Schläge  bekommen.  .  . .  Bringt  man,  statt  der  einen  von  beiden  Händen  ein 
Auge,  ein  Ohr,  die  Nase,  die  Zunge,  oder  sonst  einen  Theil  des  Körpers 
in  den  schliessenden  Kreis,  so  hat  man  in  jedem  dieser  Organe  dieselben 
Empfindungen,  die  Volta's  Batterie  selbst  zu  geben  pflegt  .  .  . 

„Scheint  die  Säule  durch  Schliessung  .  .  .  erschöpft  zu  sein,  so  darf  man 
sie  meist  nur  eine  kleine  Zeit  ruhen  zu  lassen,  und  sie  wirkt  sogleich  von 
Neuem  wieder  in  einem  ihrem  Alter  und  den  übrigen  Umständen  ange- 
messenen Grade. 


Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule.  i  r  n 


„Auch  hat  die  Säule  A  während  ihrer  Verbindung  mit  der  Batterie  eine 
bedeutende  elektrische  Spannung  angenommen. ...  Sie  behält  diese  Spannung 
nach  der  Trennung  der  Verbindung  mit  letzterer.  Sie  nimmt  aber  nach 
und  nach   ab,  bis  sie  zuletzt  unmerklich  wird.     Die  Spannung   ist  an  ihr 

ebenso  projicirt,  wie  an  Volta's  Säule,  und  befolgt  bei  den  Veränderungen 

genau  denselben  Gang.  . .  Auch  kann  man  bei  jedem  Grade  der  Spannung, 
welchen  die  Säule  A  hat,  eine  Leidener  Flasche  an  ihr  bis  zu  dem  nämlichen 
Grade  der  Spannung  laden,  ohne  dass  man  dabei  einen  davon  herrührenden 
Abgang  an  ihrer  eigenen  gewahr  würde." 

Nach  dieser  Darstellung  der  wesentlichsten  Eigenschaften  seiner  „Ladungs- 
säule" geht  nun  Ritter  dazu  über,  eine  grosse  Anzahl  einzelner  Versuche 
und  Anordnungen  zu  beschreiben,  die  alle  mehr  oder  weniger  unmittelbare 
Folgerungen  aus  dem  Gesagten  sind,  so  dass  es  nicht  erforderlich  erscheint, ' 
auf  diese  sehr  weitläufigen  Auseinandersetzungen  einzugehen.  Einiges  Neue, 
insbesondere  über  den  Einfluss  der  Leitfähigkeit  der  Flüssigkeiten  in  der 
VoLTA'schen  und  in  der  Ladungssäule,  ist  von  unerheblicher  Bedeutung. 
Schliesslich  sucht  er  noch  durch  Versuche  nachzuweisen,  dass  die  chemi- 
schen und  die  physiologischen  Wirkungen  der  Säule  von  einander  un- 
abhängig sind,  und  dass  es  eben  so  wohl  möglich  ist,  chemische  Wirkung 
ganz  ohne  physiologische  hervorzubringen,  wie  umgekehrt. 

Während  sich  Ritter  in  dieser  Mittheilung  in  einer  ganz  anerkennens- 
werthen  Weise  auf  dem  Boden  der  Thatsachen  hält,  hat  er  diesen  später, 
durch  seine  immerfort  thätige  Phantasie  zu  weit  geführt,  mehr  und  mehr 
unter  seinen  Füssen  verloren,  wie  es  scheint,  nicht  ohne  die  Schuld  seiner 
wissenschaftlichen  Freunde  und  Anhänger.  Ein  seltsames  Zeugniss  davon 
hat  sich  in  einem  Schreiben  erhalten,  das  von  Cht.  Bernoulli  an  van  Mons 
gerichtet,  und  von  diesem  in  seinem  Journal  de  Chimie  et  de  Physique, 
Februar  1804,  abgedruckt  worden  ist.  Dieses  Schreiben  ist  von  dort  in  eine 
ganze  Anzahl  anderer  Zeitschriften  übergegangen,  unter  anderen  auch  in 
Gilberts  Annalen. l 

„Da  Hr.  Ritter  gegenwärtig  in  der  Nähe  von  Jena  lebt,  hatte  ich  keine 
Gelegenheit,  Versuche  mit  seiner  grossen  Batterie  von  zweitausend  Stücken 
zu  sehen.  .  .  Auch  habe  ich  keine  Versuche  mit  der  von  ihm  neu  erfundenen 
Batterie  gesehen,  die  aus  einem  einzelnen  Metalle  besteht,  und  die  er  die 
Ladungssäule  nennt. 

„Dagegen  habe  ich  ihn  einen  Louisd'or  galvanisiren  gesehen.  Er  legt 
ihn  zwischen  zwei  Stücke  Pappe,  die  gut  benetzt  sind,  und  hält  ihn  sechs 
oder  acht  Minuten  in  dem  geschlossenen  Kreise  der  Säule;  und  auf  diese 
Weise  wird  der  Louis  geladen,  obwohl  er  nicht  in  unmittelbare  Berührung 
mit  den  leitenden  Drähten  kommt.  Wird  der  auf  diese  Weise  geladene 
Louis  mit  den  Cruralnerven  eines  frisch  präparirten  Frosches  in  Berührung 
gebracht,  so  werden  die  gewöhnlichen  Zusammenziehungen  erregt.    Ich  hatte 


1  Gilberte  Ann.  24,  10 1.  1806. 

Ostwald,   Elektrochemie.  12 


1  78  Siebentes  Kapitel. 


den  so  galvanisirten  Louis  in  meine  Tasche  gesteckt,  und  Hr.  Ritter  sagte 
einige  Minuten  darauf  zu  mir,  dass  ich  diesen  Louis  zwischen  den  anderen 
herausfinden  könnte,  wenn  ich  sie  alle  mit  dem  Frosch  versuchen  wollte, 
Ich  machte  demgemäss  den  Versuch,  und  fand  in  der  That  unter  den 
anderen  einen,  dessen  erregende  Kraft  sehr  deutlich  war.  Diese  Ladung 
wird  in  dem  Maasse  länger  zurückgehalten,  als  das  Stück  länger  in  dem 
Kreise  der  Säule  gewesen  war.  Von  drei  Louis,  die  Hr.  Ritter  in  meiner 
Gegenwart  lud,  verlor  keiner  seine  Ladung  in  weniger  als  fünf  Minuten. 
Diese  Versuche  gelangen  vollkommen,  und  nichts  scheint  so  einfach,  als  sie 
zu  wiederholen. 

„Dass  das  Metall  so  die  galvanische  Ladung  behalten  kann,  obwohl  es 
mit  der  Hand  oder  mit  anderen  Metallen  in  Berührung  steht,  zeigt,  dass 
diese  mehr  Ähnlichkeit  mit  dem  Magnetismus  hat,  als  mit  der  Elektricitat, 
und  dem  galvanischen  Fluidum  wird  dadurch  eine  Zwischenstellung  zwischen 
beiden  angewiesen. 

„Hr.  Ritter  kann  auf  die  eben  beschriebene  Weise  eine  beliebige  An- 
zahl von  Stücken  auf  einmal  laden.  Es  ist  nur  nöthig,  dass  die  beiden 
äussersten  Stücke  der  gesammten  Anzahl  mit  der  Säule  durch  nasse  Pappe 
verbunden  sind. l  Mit  so  geladenen  metallischen  Platten,  die  abwechselnd 
mit  Stücken  nasser  Pappe  aufeinander  geschichtet  werden,  construirt  Hr.  Ritter 
seine  „Ladungssäule",  die  zur  Erinnerung  an  ihren  Erfinder  die  RiTTER'sche 
Säule  genannt  werden  sollte.  Die  Construction  dieser  Säule  zeigt,  dass 
jedes  auf  diese  Weise  behandelte  Metall  Polarität  annimmt,  wie  es  die  mit 
einem  Magnet  berührte  Nadel  thut.  Obwohl  ich  keine  Gelegenheit  gehabt 
habe,  die  neue  Säule  zu  sehen,  habe  ich  mich  doch  von  der  Wirklichkeit 
der  Erscheinung  durch  einen  Versuch  von  der  grössten  wissenschaftlichen 
Bedeutung  überzeugen  können,  fiir  dessen  Erfindung  wir  demselben  genialen 
Forscher  verpflichtet  sind. 

„In  seinen  zahlreichen  Versuchen  über  die  Erregung  des  Frosches  durch 
verschiedene  Metalle  (denn  er  hat  die  ursprüngliche  Weise  zu  galvanisiren 
noch  nicht  völlig  aufgegeben,  wie  die  anderen  Experimentatoren,  welche 
ausschliesslich  die  VoLTA'sche  Säule  benutzen)  hat  Ritter  nicht  nur  sehr  auf- 
fallende Verschiedenheiten  in  der  Erregbarkeit  der  verschiedenen  Körpertheile 
beobachtet,  sondern  auch  einen  Unterschied  zwischen  der  Erregung  der  Ex- 
tensoren  und  der  Flexoren,  je  nachdem  der  positive  oder  negative  Pol  an- 
gelegt wird,  und  je  nachdem  die  Wirkung  beim  Schliessen  oder  Öffnen  der 
metallischen  Kette  erfolgt. 

„Wenn  die  Erregbarkeit  auf  ihrer  höchsten  Stufe  ist,  wie  bei  jungen 
Fröschen  unmittelbar  nachdem  sie  präparirt  worden  sind,  oder  bei  erwachsenen 
Fröschen  während  der  Paarungszeit,  so  zucken  allein  die  Flexoren,  und  ins- 
besondere zucken  die  Flexoren  des  Schenkels,  an  welchem  sich  das  Silber 


1  Hier  liegt  offenbar  ein  Missverständniss  des  Berichterstatters  vor;  es  muss  zwischen  alle 
Stücke,  nicht  nur  zwischen  die  äussersten,  nasse  Pappe  gelegt  werden. 


Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'sche  Säule.  170 


oder  negative  Metall  befindet,  in  dem  Augenblicke,  wo  sich  die  Metalle  be- 
rühren, während  die  des  mit  dem  Zink  oder  positiven  Metall  in  Verbindung 
stehenden  Muskels  in  dem  Augenblicke  zucken,  wo  die  Trennung  erfolgt.  .  .  . 
„Nachdem  mir  Hr.  Ritter  die  verschiedenen  Grade  der  Erregbarkeit 
gezeigt  hatte,  machte  er  mich  aufmerksam,  dass  das  durch  die  Verbindung 
mit  der  Säule  galvanisirte  Stück  Gold  gleichzeitig  die  Wirkung  zweier  Me- 
talle ausübt,  sich  also  wie  ein  Paar  von  Metallen  oder  wie  ein  Bestandtheil 
der  Säule  verhält;  und  dass  die  Hälfte,  die  im  Kreise  dem  negativen  Pole 
zunächst  gewesen  war,  sich  positiv  verhält,  während  die  nach  dem  positiven 
Pole  gewendete  Hälfte  negativ  geworden  ist." 

Soweit  stimmt  der  Bericht,  wie  man  sieht,  mit  dem  überein,  was 
Gaitherot  beobachtet  hatte,  nur  dass  jener  als  Hilfsmittel  der  Beobachtung 
den  Geschmack  auf  der  Zunge,  Ritter  das  Zucken  des  präparirten  Frosches 
benutzt  hat.      Dann  aber  fährt  der  Berichterstatter  fort: 

„Da  sich  das  Metall  nicht  nur  galvanisiren,  wie  das  Eisen  magnetisiren 
lasst,  sondern  auch  wie  die  Magnetnadel  zwei  Pole  zeigt,  so  war  Hr.  Rittfr 
neugierig,  wie  eine  galvanisirte  Goldnadel  sich  verhalten  möchte,  wenn  man 
sie  frei  auf  einer  Spitze  schweben  lässt.  Er  war  nicht  wenig  überrascht,  zu 
sehen,  dass  diese  Nadel  eine  bestimmte  Neigung  und  Abweichung  (Declina- 
tion  und  InclinationN  hatte,  und  dass  der  Winkel  der  Abweichung,  den  ich 
leider  vergessen  habe,  in  allen  Versuchen  beständig  derselbe  war.  Doch  ist 
er  von  dem  der  Magnetnadel  verschieden,  und  immer  sinkt  der  positive 
Fol  herab." 

Hierzu  fügt  der  Herausgeber  der  „Annalen  der  Physik",  Gilbert,  die 
Bemerkung:  „Und  dieses  erzählt  Herr  Christoph  Bernoulli  den  Franzosen 
und  Engländern  in  einem  Tone,  dass  sie  glauben  müssen,  das  letztere  sei 
eine  in  Deutschland  allgemein  bekannte  und  von  Niemandem  bezweifelte 
Thatsache.  Was  müssen  die  gründlichen  und  bedachtsamen  Naturforscher, 
die  diesen  Versuch  wiederholen,  von  dem  Zustande  der  Physik  in  Deutsch- 
land für  einen  sonderbaren  Begriff  erhalten!" 

Indessen  scheint  doch  trotz  des  Protestes  von  dieser  Seite  Ritter's 
Arbeit  ein  grosses  Aufsehen  gemacht  zu  haben.  In  Frankreich  wurde  sie 
durch  Oersted  l  verbreitet,  der  um  jene  Zeit  gleichfalls  Ritter  besucht  und 
in  ihm  einen  Geistesverwandten  gefunden  hatte.  Denn  dieser  später  durch 
seine  Entdeckung  der  Ablenkung  der  Magnetnadel  durch  den  Strom  berühmt 
gewordene  Physiker  war  ein  womöglich  noch  schlimmerer  Naturphilosoph, 
als  Ritter,  und  die  capitale  Entdeckung,  die  ihm  später  geglückt  ist,  zeigt, 
wie  die  Natur  ihre  Geheimnisse  sich  gelegentlich  auf  den  absurdesten  Wegen 
ablauschen  lässt.  Doch  zeigt  sich  hier  gleichzeitig,  dass  wohl  ein  seltener 
Fund  auch  solchen  Leuten  glücken  kann,  dass  aber  die  wissenschaftliche 
Verwerthung  des  gefundenen  Schatzes  andere  Kräfte  erfordert.  Oersted 
hat  an  der  wissenschaftlichen  Entwickelung  des  Elektromagnetismus  keinen 
weiteren  Antheil  genommen. 

1  Jcrorn.  de  Physique,  57,  345.   1803. 

12* 


ISO  Siebentes  Kapitel. 


Erste  Zeit. 
TLz\\  der  Isolatoren. 


Zweite  Zeit. 
Zeit  der  Leiter. 


Auch  Ritter  selbst  ist  unzweifelhaft  auf  seine  Entdeckung   in   hohctf 
Maasse  stolz  gewesen;  es  geht  dies  daraus  hervor,  dass  er  von  ihr  eine  neue j 
Epoche  in    der  Geschichte  des  Galvanismus  zu  rechnen  vorschlägt     Nach   :: 
ihm  hat  sich  die  Entwicklung  dem  nachstehenden  Schema  gemäss  vollzogen*1   '*' 

Erzeugung  der  Elektricität  durch  Isolatoreh. 
(Das  erste  geriebene  Stück  Bernstein  bis  herauf  zd 
den  Elektrisirmaschinen  aller  Art.) 

Aufnahme  oder  Ladung  der  an  Isolatoren  er- 
zeugten    Elektricität    durch     Isolatoren    (Leidener   " 
Flasche  u.  s.  w.). 

Erzeugung  der  Elektricität  durch  Leiter  (Volta's 
Batterie). 

Aufnahme  oder  Ladung  der  an  Leitern  er- 
zeugten Elektricität  durch  Leitung  (meine  [Ritter's] 
Säule). 

Was  die  Auffassung  anlangt,  welche  Ritter  von  den  fraglichen  Erschei- 
nungen hatte,  so  sind  diese  ihm  Beweise  dafür,  dass  sich  die  galvanische 
Elektricität  den  Metallen  dauernd  mittheilen  lasse,  wie  der  Magnetismus  dem 
Eisen,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  sie  nicht  so  lange  haften  bleiben, 
wie  der  letztere.  In  einer  späteren  Veröffentlichung,2  in  welcher  die  vor- 
stehend gegebenen  Mittheilungen  im  Wesentlichen  wiederholt  werden,  war 
für  Ritter  schon  aus  der  Ähnlichkeit  eine  völlige  Gleichheit  geworden.  Er 
behauptete  nichts  weniger,  als  dass  eine  aus  Zink  und  Kupfer  zusammen- 
gesetzte Doppelnadel,  die  man  nach  Art  einer  Magnetnadel  beweglich  auf 
eine  Spitze  gesetzt  hat,  völlig  die  Eigenschaften  einer  Magnetnadel  in  Bezug 
auf  Lage  und  Neigung  besitzt,  und  die  Stelle  einer  solchen  vertreten  kann. 
Diese  Behauptung  wurde  von  Erman8  geprüft,,  und  in  allen  Stücken  unbe- 
gründet befunden. 

Während  Ritter's  Ladungssäule  bei  den  meisten  zeitgenössischen  For- 
schern lebhafte  Anerkennung  fand,  erklärte  Volta,4  einem  Brief  von  Brugna- 
telli  an  van  Mons  gemäss,  dass  in  die  RiTTER'sche  Säule  keine  Ladung 
übergehe.  „Die  anhaltend  hindurchströmende  Elektricität  wandelt  vermöge 
ihrer  chemischen  Wirkung  die  einzige  feuchte  Lage,  welche  sich  z.  B. 
zwischen  zwei  Goldstücken  befindet,  in  zwei  verschiedenartige  Flüssigkeiten 
um,  eine  saure  da,  wo  der  elektrische  Strom  aus  dem  Metalle  tritt,  und  eine 
alkalische  da,  wo  er  in  das  Metall  hineingeht.  Die  vorher  unwirksame  Säule 
wird  dadurch  zu  einer  Säule  zweiter  Art,  dergleichen  aus  einem  Metalle  und 
zwei  heterogenen  Flüssigkeiten   bestehen;    ihre  Wirkung   ist   indessen  nicht 


1  Voigt's  Magazin,  6,  105.  1803. 

2  Das  elektrische  System  der  Körper,  Leipzig  1805.  S.  379. 
•  Gilbert's  Ann.  26,  20.  1807. 

4  Joum.  de  Chini.  et  de  Phys.  par  van  Mons,   6,    132.  1805.    —    Gilbert's  Ann.  19, 
490.  1805. 


Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule.  jgj 


langer  Dauer,    weil  die  beiden  heterogenen  Flüssigkeiten  sich  bald  ver- 
ben." 

Volta     ist     hier    offenbar   der   Entdeckung   von   Ritter    nicht    gerecht 
►rden,    da    er     über   die   bemerkenswerthe  Thatsache,   dass   gerade   die 
tische   Wirkung    des  elektrischen   Stromes   in  der  vorher   unwirksamen 
?  stets  die  Änderung  hervorruft,  durch  welche  letztere  einen  entgegen- 
rzten    Strom    erzeugen  kann,   hinweggeht,   ohne   sie  zu   würdigen.     Die 
?n   Forscher,     Volta  und  Ritter,   haben  in  dieser  Frage   ihre  wissen- 
tlichen Rollen  in  seltsamerweise  getauscht:  Ritter,  der  in  der Erkenntniss 
engen  Zusammenhanges  der  chemischen  Erscheinungen  mit  den  galva- 
ben  weiter  vorgeschritten  war,  als  die  meisten  seiner  Zeitgenossen,   und 
«sondere    als   Volta,  übersieht  den  wesentlichen  chemischen  Vorgang  in 
ter  Ladungssäule,    und  betrachtet  die  Ladung  seiner  Säule  als  eine  rein 
ctrische,    wobei    er  sich  noch  in  einigen  Gegensatz   zu   den  Lehren  der 
ictrik    steilen     muss,   da    diese   Ladungen  sich   auch  bei  ableitender  Be- 
hning    erhalten.      Volta  dagegen,   welcher  die  chemischen  Vorgänge   in 
ad  an  seiner  Säule  anfangs  übersehen  hatte,  und  welcher  später  mit  grösstem 
ifer  diesen    chemischen  Vorgängen   alle   und   jede  Bedeutung  für   die  Er- 
chdnungen    seiner   Säule  absprach,   weiss   ganz   richtig   die  Vorgänge  der 
tnTER'schen   Säule  auf  chemische  Scheidungen  zurückzuführen,  und  spricht 
ius  diesem    Grunde    der   letzteren  jedes  besondere   Interesse  ab.     Auch  er 
nuss  mit  seiner  Auffassung  den  Thatsachen  einigen  Zwang  anthun,    denn 
üe  S.  1 1 7    beschriebenen  Versuche  mit  dem  „geladenen"  Goldstück  fügen 
»ich  seiner  Erklärung  nicht  ohne  weiteres.     In   der  That  wissen  wir  gegen- 
wärtig, dass  ausser  den  Änderungen  in  der  Flüssigkeit  auch  noch  solche  am 
metallischen  Leiter  in  Betracht  kommen,  und  dass  insbesondere  die  Wasser- 
stoflaufnahme  durch  gewisse  Metalle,  wie  Platin,  diesen  eine  andere  Stellung 
in  der  „Spannungsreihe"  giebt. 

Auf  diese  Erklärung  hat  zuerst  Brugnatelli1  aufmerksam  gemacht,  und 
Roter  erklärte  später,2  dass  er  sich  ihr  anschliesse.  Allerdings  ging  es 
auch  hier  nicht  ohne  die  gewohnten  Übertreibungen  ab;  Ritter  sah  alsbald 
überall  Wasserstoflverbindungen  der  Metalle,  auch  wo  sie  nicht  vorhanden 
»aren,  und  die  Hydrüre  spielen  von  dieser  Zeit  ab  bei  ihm  eine  so  grosse 
Rolle,  dass  er  auch  die  bald  darauf  von  Davy  entdeckten  Alkalimetalle  als 
Hydrüre  auffasst. 

10.  Das  elektrische  System  der  Körper.  In  seinem  schon  vorher 
'S.  181)  erwähnten  Buche,  das  im  Jahre  1805  erschien,  haben  wir  fast  zum 
letzten  Male  Gelegenheit,  Ritter  als  exacten  Forscher  zu  sehen,  denn 
unmittelbar  an  die  hier  niedergelegten  Arbeiten  schliessen  sich  Beschäf- 
tigungen dieses  phantasiereichen  Mannes,  die  ihn  in  gleicher  Weise  in  die 
Hände  von  Betrügern  bringen,  wie  das  in  nicht  allzulange  vergangener  Zeit 
mit  einem  anderen  hochbegabten  Forscher  geschah.    Auch  lässt  sich  dieser 

1  Journ.  de  Phys.  62,  298.  1806.  —  Gehlen's  Journ.  1,  74,   1806. 

2  Geklen's  Journ.  f.  d.  Chemie  und  Physik,  1,  356.   1806. 


I$2  Siebentes  Kapitel. 


Übergang  in  dem  vorliegenden  Werke  schon  an  vielen  Stellen  deutlich  ■ 
erkennen.  Neben  sehr  allgemeinen  und  von  glänzender  Begabung  zeugenden 
Ideen  finden  sich  Behauptungen  über  experimentell  leicht  zu  prüfende  That- 
sachen,  die  aller  Wahrheit  in's  Gesicht  schlagen,  und  bei  denen  man  nicht 
begreifen  kann,  wie  ein  Physiker,  der  sein  L^ben  in  eifrigster  Experimental- 
arbeit  zugebracht  hatte,  in  solchem  Maass  der  Selbsttäuschung  zugänglich 
sein  konnte. 

Ritter  beginnt  zunächst  mit  einigen  Abänderungen  der  Versuche  von 
Wollaston  :S.  153),  die  er  mit  grosser  Sicherheit  in  ihrem  eigentlichen  Wesen 
zu  beurtheilen  weiss.  Nachdem  er  geschildert  hat,  was  für  eine  ungewöhn- 
lich starke  Wasserstoffentwickelung  man  durch  Berührung  von  Zink  mit  Gold 
unter  starker  Salzsäure  erhalten  kann,  wobei  die  Hauptmenge  des  Wasser- 
stoffes am  Golde  erscheint,  fugt  er  hinzu:  „In  allen  diesen  Versuchen  zeigt 
das  Zink  nach  der  Berührung  mit  dem  anderen,  bloss  Hydrogen  gebenden 
Metall  keine  stärkere,  auch  keine  schwächere  Gasentbindung  als  zuvor,  wohl 
aber  nimmt  seine  Auflösung  in  der  Säure  zu,  und  ein  Stück  Zink,  mit  Gold 
unter  Säure  in  Berührung,  ist  weit  eher  aufgelöst,  als  für  sich,  ohne  diese 
Berührung.  Offenbar  rührt  dies  Mehr  der  Auflösung  von  der  Oxydation  . . . 
her,  die  am  Zink  zufolge  der  geschlossenen  Kette  statthat,  und  der  Antheil 
Hydrogen,  der  am  Golde  erscheint,  ist  derjenige,  der  jenem  Oxygen,  das 
Folge  der  Kette  ist,  entspricht,  und  wie  es  scheint,  nicht  mehr,  noch  weniger. 
Das,  was  ohne  Kette  zu  dem  Oxygen  gehört,  welches  das  Zink  oxydirt, 
bleibt  am  Zink." 

Diese  Ansicht  hat  sich  in  der  Folge  als  vollkommen  richtig  bewährt, 
und  fast  das  Gleiche  gilt  für  den  allgemeinen  Ausspruch  der  chemischen 
Theorie  der  Kette,  der  sich  in  den  gewohnten  unübersehbaren  Perioden 
Ritter's  folgendermaassen  ausgedrückt  findet:  „Dass  in  einer  galvanischen 
Kette,  und  somit  auch  in  der  Säule  oder  Batterie,  nur  dann  Action  statthat, 
wenn  wenigstens  der  eine  Leiter  erster  Klasse  in  ihr,  oder  wenn  nur  über- 
haupt einer  in  ihr  vorhanden  war,  dieser  eine,  auch  ausserhalb  der  Kette 
schon  von  dem  Leiter  zweiter  Klasse,  oder  wenn  zwei  derselben  vorhanden 
waren,  von  wenigstens  einem  derselben  angegriffen,  chemisch  angegriffen 
wird,  und  dass  die  Action  jener  in  dem  Grade  statthat,  als  dieses  geschieht." 

Der  Gedankengang  Ritter's  in  dem  weiteren  Verfolg  seines  Werkes  ist 
nun  folgender:  Dass  die  Leiter  erster  Klasse  in  einer  Spannungsreihe  stehen, 
wird  am  sichersten  dadurch  bewiesen,  dass  man  aus  solchen  allein  keine 
wirksamen  Säulen  bauen  kann.  Nun  kann  man  auch  aus  Leitern  zweiter 
Klasse  allein  keine  wirksamen  Säulen  bauen:  folglich  stehen  auch  diese  in 
einer  Spannungsreihe.  (Dieser  Schluss  ist  vom  Standpunkte  der  damaligen 
Kenntnisse  aus  untadelhaft,  denn  wirksame  Ketten  aus  feuchten  Leitern  allein 
wurden  erst  viel  später  nachgewiesen.)  Ferner  erschöpfen  sich  alle  Säulen 
nach  kürzerer  oder  längerer  Frist;  in  diesen  Säulen  muss  dann  auch  die 
.Spannungsreihe  herrschen.  In  solchen  erschöpften  Säulen  haben  die  che- 
mischen Vorgänge    aufgehört;    folglich  gehören  alle  Stoffe,   wenn  man  die 


Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule.  183 


chemischen  Vorgänge  ausschliessen  kann,  zu  einer  und  derselben  unbegrenzt 
grossen  Spannungsreihe,  die  alle  existirenden  Substanzen  umfasst,  insofern 
sie  nur  überhaupt  die  Elektricität  zu  leiten  vermögen. 

Man  kann  offenbar  dieser  Idee  eine  gewisse  Grossartigkeit  nicht  ab- 
sprechen, und  muss  auch  zugestehen,  dass  sie  aus  den  gemachten  Prämissen 
ganz  sachgemäss  abgeleitet  ist.  Leider  verliert  sich  Ritter  bei  dem  Ver- 
suche, den  Gedanken  allgemein  durchzuführen,  sehr  bald  in  Inconsequenzen 
und  Willkürlichkeiten,  die  ihm  bald  eine  scharfe  und  keineswegs  unberech- 
tigte Kritik  aus  der  Feder  Pfaff's  zuzogen.1  Wir  folgen  ihm  nicht  auf 
diesen  Wegen;  doch  ist  es  lohnend,  den  ursprünglichen  Gedanken  von  einem 
anderen  Standpunkte  aus  zu  betrachten. 

Wir  haben  oben  gesehen,  dass  die  Gesammtheit  der  an  der  Säule  beob- 
achteten Thatsachen  sich  durch  die  Annahme  erklären  lässt,  dass  zwischen 
den  Metallen  überhaupt  keine  elektrische  Spannung  eintritt,  und  eine  solche 
nur  zwischen  Metallen  und  feuchten  Leitern  stattfindet.  Denkt  man  von 
diesem  Gesichtspunkte  aus  die  obenstehende  Schlussreihe  Ritter's  noch 
einmal  durch,  so  nimmt  sie  die  Gestalt  an:  Zwischen  Metallen  findet  keine 
Spannung  statt;  zwischen  feuchten  Leitern  allein  auch  nicht.  In  einer  er- 
schöpften Kette  hat  mit  der  Spannung  gleichzeitig  auch  der  chemische  Vor- 
gang aufgehört;  folglich  findet  zwischen  Leitern  verschiedener  Klassen  auch 
keine  Spannung  statt,  wenn  kein  chemischer  Vorgang  zwischen  ihnen  erfolgt. 
Der  Satz,  dass  alsdann  alle  Stoffe  Glieder  derselben  Spannungsreihe  bilden, 
verwandelt  sich  hierdurch  in  den  anderen,  dass  zwischen  verschiedenen  Leitern 
überhaupt  keine  Spannungen  bestehen,  wenn  nicht  chemische  Vorgänge 
zwischen  ihnen  stattfinden.  Ein  solcher  Satz  würde  sich  dem  von  Ritter 
gegenüber  durch  noch  grössere  Einfachheit  und  Durchsichtigkeit  empfehlen, 
und  würde  dasselbe  Thatsachenmaterial  darstellen  wie  jener. 

Indessen  ist  bei  beiden  Sätzen  eine  stillschweigende  Voraussetzung  ge- 
macht worden,  die  nicht  begründet  ist,  und  mit  der  der  ganze  Schluss  fällt. 
Diese  Voraussetzung  ist  folgende.  Aus  dem  Umstände,  dass  in  der  erschöpften 
Kette  die  Summe  aller  Spannungen  Null  ist,  hat  man  geschlossen,  dass  auch 
alle  Summanden  einzeln  Null  sind.  Durch  die  Einschaltung  einer  feuchten 
Schicht  zwischen  zwei  Metalle  werden  aber  jedes  Mal  zwei  neue  Berührungs- 
stellen geschaffen,  und  damit  die  Summe  aller  entsprechenden  Spannungen 
Null  wird,  ist  offenbar  genügend,  wenn  an  diesen  beiden  Berührungsflächen 
die  algebraische  Summe  der  Spannungen  Null  ist,  d.  h.  wenn  sie  entgegen- 
gesetzt gleich  sind.  Dieses  ist  aber  thatsächlich,  wie  wir  jetzt  wissen,  der 
Fall,  und  das  oben  ausgesprochene  allgemeine  Gesetz  ist  somit  falsch. 

Dieser  Einwand  trifft  offenbar  den  Satz  von  Ritter  nicht  minder,  wie 
den  entsprechenden  aus  der  zweiten  Voraussetzung  abgeleiteten,  und  damit 
fällt  für  uns  der  Grund  fort,  uns  weiter  mit  den  Einzelheiten  zu  beschäftigen, 
in    denen  Ritter   die  Schlussfolgerungen   seines   Satzes   in    die   Breite    zieht. 


1  Gilbert's  Ann.  28,  223.   1808. 


j  84  Siebentes  Kapitel. 


Die  eben  durchgeführte  etwas  eingehendere  Betrachtung  erschien  nützlich, 
weil  sie  ein  gutes  Beispiel  für  einen  häufig  begangenen  Fehler  in  wissen* 
schaftlichen  Arbeiten  gewährt. 

Auch  für  die  Nichtieiter  stellt  Ritter  eine  Spannungsreihe  auf,  die  auf 
den  Erscheinungen  der  Elektrisirung  beim  Reiben  beruht,  und  er  macht  auf 
einige  Beziehungen  zu  anderen  Eigenschaften,  insbesondere  zur  Härte  auf- 
merksam, die  heute  noch  Beachtung  und  Verfolgung  verdienen.  Von  ganz 
besonderem  Interesse  aber  ist,  dass  er  das  Auftreten  der  Idee  einer  Spann u ngs- 
reihe  schon  40  Jahre  vor  Volta  bei  Torbern  Bergmann  nachweist,  über 
welchen  Priestley  in  seiner  Geschichte  der  Elektricität  (S.  146  der  deutschen 
Übersetzung)  folgendes  berichtet: 

„Aus  dem  Ganzen  schloss  er,  dass  eine  gewisse  festgesetzte  Ordnung 
in  Ansehung  der  positiven  und  negativen  Elektricität  stattfinde,  worunter 
alle  Körper  gebracht  werden  können,  da  unterdessen  andere  Umstände 
einerlei  bleiben.  Man  gedenke  sich  unter  A,  B,  C,  D,  E  gewisse  Substanzen, 
deren  jede,  wenn  sie  mit  einer  vorhergehenden  gerieben  wird,  negativ,  mit 
einer  folgenden  aber  positiv  elektrisch  ist." 

Es  ist  in  der  That  das  Wesentliche  der  Spannungsreihe  hier  vollkommen 
klar  ausgesprochen. 

Ritter  geht  nun  schliesslich  zu  den  Versuch  über,  die  Spannungsreihe 
über  alle  Körper,  Leiter  und  Nichtleiter  auszudehnen.  Wir  können  ihm  hier 
nicht  folgen,  denn  es  gelingt  ihm  nicht,  den  Gedanken  ohne  grosse  Willkür- 
lichkeiten und  Verwickelungen  durchzuführen.  Doch  möchte  ich  nicht  un- 
ausgesprochen lassen,  dass  in  diesen  oft  recht  absurden  Darlegungen  mir 
ein  brauchbarer  wissenschaftlicher  Kern  zu  liegen  scheint  der  unter  ent- 
sprechender Pflege  gute  Früchte  in  Aussicht  stellt. 

Eine  Spannungsreihe  sowohl  der  Lejter  erster,  wie  der  zweiter  Klasse 
wurde  von  J.  A.  Heidmann  aufgestellt  Das  Verfahren  bestand  einerseits  darin, 
dass  er  Säulen  aus  den  zu  untersuchenden  Stoffen  aufbaute,  und  aus  den 
Erscheinungen  in  einer  eingeschalteten  mit  Wasser  gefüllten  Zersetzungs- 
röhre auf  die  Richtung  und  einigermaassen  auch  auf  den  Betrag  der  gal- 
vanischen Erregung  schloss,  andererseits  in  einem  Verfahren  mit  dem  prä- 
parirtem  Froschschenkel,  welches  nur  wenig  von  dem  Ritter's  (S.  i  i  2)  ver- 
schieden war. l  In  Bezug  auf  die  Ursache  dieser  Erscheinungen  spricht  er 
sich  folgendermaassen  aus: 

„Nun  habe  ich  in  meinem  Werke  .  .  .  k  umständlich  bewiesen,  dass  die 
Wirksamkeit  einer  galvanischen  Kette  einzig  und  allein  durch  die  chemi- 
schen Veränderungen  bestimmt  wird,  die  während  einer  zweckmässigen  Ver- 
bindung zweier  heterogener  fester  Leiter,  vorzüglich  metallischer  Substanzen, 
die  zum  Sauerstoff  eine  vorzügliche  Verwandtschaft  äussern,  in  Berührung 
mit  einer  wasserhaltigen  Flüssigkeit  vor  sich  gehen;  und  dass  die  Oxydir- 
barkeit  eines  Metalles  durch   den  Contact  mit  einem  anderen  zum  Oxygen 


1  Gilberte  Ann.  21,  85.   1805. 


<-»V»       *•      iM^vllwl»Vll         ^*>N«        >_r*^   T    Uli   V11UV.    •  UVÜlUil      %_»t*«J 


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chemische  VVirkungsvermögen  und  bestimmt  den  Oxygenpol  einer 
sehen  Kette  mit  den  meisten  festen  Leitern.  Jede  in  der  Reihe  nach- 
e  Flüssigkeit  erscheint  mit  jener  als  blosser  Leiter  und  zeigt  den 
enpol  im  Gasapparate  an.  —  Ich  wandte  zu  diesen  vergleichenden 
len  reine  Kohle,  Platindraht  und  Bleidraht  zu  wechselseitiger  Ver- 
j  der  beiden  heterogenen  und  zu  untersuchenden  Flüssigkeiten  an,  in 
acht,  weil  die  beiden  ersten  festen  Leiter  nicht  so  leicht  eine  chemische 
erung  in  ihrer  Beschaffenheit  erleiden,  und  weil  in  Fällen,  wo  keine 
he  galvanische  Action  aus  ihrer  Berührung  mit  der  Flüssigkeit  hervor- 
wollte, ein  oxydirbarerer  Körper,  der  Bleidraht  nöthig  war.  —  Die 
che  Leitfähigkeit  der  Flüssigkeiten  ist  nach  diesen  Versuchen  mit 
:hemischen  Wirkungsvermögen  durchaus  übereinstimmend  und  gleichen 

haltend." 

ie  vorstehenden  Bemerkungen  enthalten  manchen  richtigen  Satz,  dessen 
tung  vollständig  zu  erfassen  allerdings  erst  einer  viel  späteren  Zeit 
lalten  blieb.  Es  lassen  sich  aus  der  Litteratur  jener  Zeit  noch  manche 
b  lautende  Auseinandersetzungen  anfuhren,  die  alle  zeigen,  wie  jeder, 
ch  mit  Fragen  über  die  Quelle  des  galvanischen  Stromes  und  die  Ab- 
jkeit  dieser  Wirkung  von  der  Natur  der  betheiligten  Stoffe  eingehend 
äfügt,  unwiderstehlich  auf  die  „chemische"  Theorie  des  Galvanismus 
rt  wird,  da  eben  die  Beziehung  dieser  Dinge  zu  den  chemischen  Eigen- 
en der  Stoffe  unverkennbar  ist.  Indessen  werden  solche  Äusserungen 
seltener  und  seltener.  Der  maassgebende  Einfluss  der  Anschauungen 
*'s  macht  sich  immer  kräftiger  geltend,  und  trotz  einzelner  glänzender 
ahmen  verschwinden  bald   die   nach   dieser  Richtung   unternommenen 


l86  Siebentes  Kapitel. 


Die  von  Pfaff  in  Aussicht  gestellte  ausführliche  Abhandlung  erschien 
alsbald  l  und  brachte  eine  grosse  Zahl  sorgfältiger  Messungen,  die  in  folgender 
Weise  ausgeführt  waren.  Das  zu  untersuchende  Metall  wurde  mit  der  Flüssig- 
keit, deren  Wirkung  geprüft  werden  sollte,  mittelst  einer  damit  getränkten 
Pappscheibe  in  Berührung  gebracht;  darüber  kam  eine  mit  reinem  Wasser 
getränkte  Scheibe,  welche  mit  dem  Messingdrahte  des  Condensators  berührt 
wurde.  Häufig  wurden  mehrere  Schichtungen  verwendet,  wenn  eine  einzige 
keinen  genügend  unzweideutigen  Ausschlag  gab.  Die  erhaltenen  Reihen 
haben  insofern  einiges  Interesse,  als  sie  unzweifelhaft  den  grossen  Einfluss 
erkennen  lassen,  den  die  Natur  des  feuchten  Leiters  auf  den  Sinn  der  elek- 
trischen Spannung  ausübt.     Diese  Reihen  sind: 

Ätzkali lösung  vom  spezifischem  Gewicht  1*376 

—  Zinn,  —  Zink,  —  Spiessglanz,  —  Kupfer  und  Blei,  —  Wismuth,  —  Queck- 
silber, —  Silber,  —  Braunstein,  —  leisen.  Sämmtliche  Metalle  werden  mil 
Ätzkali  negativ;  die  Wirkung  ist  sehr  stark,  verliert  sich  aber  bald 
Natron  verhielt  sich  ganz  wie  Kali. 

Ammoniak,  spezifisches  Gewicht  0818 

—  Zink  (gleich  1/a  Kupfer  mit  Zink),  —  Kupfer,  —  Blei,  —  Silber,  —  Zinn 
+  Spiessglanz,   —  Eisen. 

Kohlensaures  Ammoniak,  gesättigte  Lösung 

—  Zink  (gleich  lj2  Kupfer-Zink),   —  Zinn,   —  Kupfer,   —  Silber,   +  Eisen. 
Gelöschter  Kalk  in  Pulverform 

+  Eisen    (gleich    3/8  Kupfer -Zink,    —Wismuth,    —Blei,    —Spiessglanz 
-f  Zink,   —  Zinn,   —  Kupfer,   +  Silber. 
Kalkmilch 

—  Zinn  und  Zink  (gleich  1/2  Kupfer-Zink),  —Kupfer,  +  Eisen,  —Blei 
Wismuth,   —  Silber,   —  Gold,  —  Spiessglanz. 

Schwefelleber,  conc. 

—  Silber  (stärker  als  Silber-Zink),  —  Kupferkies,  —  Braunstein,  —  Schwefel 
kies,  —  Graphit, h  Kupfer,   —  Antimon,  —  Zinn  und  Blei,  —  Wismuth 

—  Eisen,   —  Zink  (sehr  schwach) 
Schwefelammonium 

—  Silber  (stärker  als  mit  Schwefelleber),   —  Kupfer,    —  Antimon,   —  Zinn 

—  Zinn,   —  Blei,   —  Wismuth,   —  Zink. 
Schwefelsäure,  conc. 

+  Zink,  +  Silber,  H Zinn,  +  Blei,   H Eisen,   +  Antimon,   +  Kupfer 

+  Silber.     Die  Wirkungen  waren  alle  schwach. 
Schwefelsäure,  verdünnt. 

—  Zinn,   —  Zink,   —  Eisen,    —  Silber,   +  Blei,  +  Kupfer. 
Salpetersäure,  rauchend 

+  Eisen  (stärker  als  Silber-Zink),   +  Silber,   +  Zink,   +  Zinn,  +  Kupfer. 

Salpetersäure,  verdünnt 
+  Silber,   —  Eisen,   +  Zinn,   +  Kupier,   +  Zink,   +  Blei,  +  Wismuth. 

1  Gehlen's  Journ.  f.  d.  Chemie  und  Physik,  5,  82.   1808. 


Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule.  187 


Salzsäure,  conc. 

—  Kupfer  gleich  */8  Zink-Kupfer),  —  Silber,  —  Zinn,  —  Gold,  +  Antimon, 

—  Wismuth,   +  Eisen. 
Chlor,  Lösung 

—  Zink  (gleich  */s  Zink-Kupfer),  —  Zinn,  —  Gold,  Kupfer  gleich  Null. 
Die  Metalle  sind  nach  der  Grösse  der  beobachteten  Spannung  geordnet; 
bei  den  meisten  Reihen  ist  der  Werth  derselben  in  der  Einheit  Kupfer-Zink 
angegeben. 

Das  Resultat,  welches  Pfaff  aus  der  Gesammtheit  seiner  Versuche  zieht, 
ist,  dass  keines  der  bis  dahin  aufgestellten  Gesetze  über  die  Elektricitäts- 
erregung  zwischen  Metallen  und  feuchten  Leitern  richtig  ist.  Weder  werden 
alle  mit  den  Metallen  positiv,  wie  Volta  angenommen  hatte,  noch  gilt  DavyV 
Behauptung,  dass  die  Metalle  mit  den  Säuren  positiv,  mit  den  Alkalien 
negativ  werden.  Letzteres  ist  zwar  fast  allgemein  gültig,  das  Verhalten  der 
Säuren  hängt  aber  ganz  von  der  Concentration  ab.  Die  von  Ritter  in 
seinem  „elektrischen  System"  aufgestellten  Sätze  sind  mit  Pfaff's  Messungen 
tasst  überall  in  Widerspruch.  Insbesondere  kann  von  der  Aufstellung  einer 
Spannungsreihe  für  die  feuchten  Leiter  keine  Rede  sein. 

11.  Reduction  eines  Metalles  durch  sich  selbst.  Im  Jahre  1804 
stellte  C.  F.  Bucholz  x  folgenden  Versuch  an,  der  nicht  nur  an  sich  auf- 
fallend genug  ist,  sondern  auch  als  Ausgangspunkt  einer  überaus  wichtigen 
Entwickelung  gedient  hat,  welche  entscheidend  in  die  Theorie  der  Volta'- 
schen  Ketten  eingegriffen  hat. 

„Sehr  merkwürdig  ist  die  folgende  Beobachtung.  Ich  behandelte 
7  Pfund  ganz  reines  Malaccazinn  siedend  mit  16  Pfund  reiner  Salzsäure,  um 
eine  Auflösung  zu  bereiten.  Als  die  Auflösung  beinahe  vollendet  und  die 
Flüssigkeit  unterdessen  zu  massiger  Syrupsconsistenz  verdunstet  war,  so 
wurde  das  ganze,  wegen  hereinbrechender  Nacht,  bei  Seite  gesetzt  Am 
anderen  Morgen  übergoss  ich  zur  Verdünnung,  um  das  Sieden  dann  noch 
einige  Zeit  fortzusetzen,  das  noch  lauwarme  Gemisch  mit  2  Pfund  destillirten 
Wassers,  und  Hess  alles  unbewegt  stehen.  Als  ich  nach  einer  Stunde  solches 
wieder  in  Augenschein  nahm,  so  sah  ich  mit  Verwunderung,  dass  die  ganze 
obere  Lage  des  in  der  Flüssigkeit  noch  vorhandenen  unaufgelösten  Zinns 
mit  unzähligen  Spiesschen,  Nadeln,  Federchen  und  Blättchen  von  schön 
glänzendem  regulinischen  Zinn,  die  eine  Länge  von  */*  bis  1/2  Zoll  hatten, 
bedeckt  war.  Dieselbe  Erscheinung  konnte  ich  durch  dasselbe  Verfahren, 
bei  Behandlung  einer  neuen  gleichen  Quantität  Zinn  und  Salzsäure  wieder- 
holt eintreten  lassen.  —  Die  Ursachen  dieser  Erscheinung  mögen  nun  sein, 
welche  sie  wollen,  so  ist  die  letztere  doch  sehr  auffallend  und  merkwürdig, 
und  es  kann  nicht  ausbleiben,  dass  nicht  auch  erstere  bald  vollständig  ent- 
wickelt werden  sollten." 

Bald  darauf  ebenda  S.  423)  beschrieb  Bucholz  seine  Beobachtung  ausführ- 


1  Neues  allg.  Journ.  d.  Chemie,  3,  324.   1804. 


1 88  Siebentes  Kapitel. 


licher  und  gab  die  Belege,  dass  nicht  eine  Verunreinigung  seines  Zinns  nnt 
einem  leichter  oxydirbaren  Metalle  die  Ursache  der  Ausscheidung  sein  konnte! 
denn  das  Zinn  war  rein.  Über  die  anderen  möglichen  Ursachen  äussert  er 
sich  folgendermaassen: 

„Sollte  man  vielleicht  geneigt  sein,  die  Absonderung  des  Zinns  in 
regulinischer  Gestalt  unter  den  oben  angeführten  Umständen  durch  die 
Eigenschaft  des  salzsauren  Zinns,  den  Sauerstoff  stark  anzuziehen,  erklären 
zu  wollen,  und  dabei  anzunehmen,  dass  die  eine  Portion  des  salzsauren 
Zinns  sich  auf  Kosten  der  anderen  Portion  stärker  oxydire  und  das  Zinn- 
oxyd der  anderen  Portion  vollkommen  desoxydire,  so  muss  man  nur  be- 
denken, dass  dieser  Erfolg  nicht  einmal  möglich  sein,  geschweige  denn 
wirklich  stattfinden  könnte:  denn  nach  dynamischen  Grundsätzen  muss  bei 
einer  gleichartigen  Zinnauflösung  angenommen  werden,  dass  jeder  Theil  des 
Zinns,  des  Sauerstoffes  und  der  Säure  mit  gleicher  Kraft  auf  einander  gegen- 
seitig wirken,  und  dass  jedes  Theilchen  Zinn  den  Sauerstoff  mit  gleicher 
Kraft  anziehe,  welches  nach  jener  Annahme  nicht  der  Fall  sein  dürfte,  und 
jene  ist  daher  eine  wahre  contradictio  in  adjecto." 

Die  Erklärung,  welche  Bucholz  schliesslich  am  befriedigendsten  findet, 
ist  die  Annahme,  dass  durch  das  hinzugesetzte  Wasser,  dessen  Notwendig- 
keit er  betont,  ein  Theil  des  Zinnoxyds  ausgeschieden  werde,  und  dieser 
Antheil  sei  es,  der  durch  die  concentrirte  Zinnlösung  zu  Metall  reducirt 
werde.  „Wem  nun  auch  diese  Erklärungsart  der  Reductionserscheinung  des 
Zinns  nicht  genügt,  der  beschenke  uns  mit  einer  anderen.  Ich  gestehe 
offenherzig,  keine  bessere  mehr  in  petto  zu  haben;  oder  lässt  sich  vielleicht 
noch  jener  Erfolg  durch  einen  galvanischen  Process  erklären?" 

Diese  Erklärung  durch  einen  galvanischen  Process  wurde  bald  darauf 
durch  J.  W.  Ritter  geleistet. l  Ritter  fuhrt  die  Erscheinung  auf  den  Fall 
der  einfachen  Kette  zurück,  indem  er  den  von  Bucholz  nur  nebenbei  be- 
rührten Umstand,  dass  zwei  Schichten  verschiedener  Concentration 
nöthig  sind,  damit  die  Wirkung  eintritt,  als  wesentlich  nachweist. 

„Die  bequemste  Art,  solche  Ketten  zu  bilden,  ist  die,  dass  man  in  ein 
schmales  Glas,  ein  Weinglas  z.  B.,  zuerst  die  spezifisch  schwerere  Flüssigkeit 
von  beiden  etwa  1/a  Zoll  hoch  bringt,  über  diese  dann  mittelst  Fliesspapier 
die  spezifisch  leichtere  in  gleicher  Höhe  so,  dass  beide  Flüssigkeiten  eine 
möglichst  scharfe  Grenze  haben,  und  dann  den  festen  Körper,  den  Leiter 
erster  Klasse  in  Form  eines  Drahtes,  Stabs  oder  einer  dünnen  schmalen 
Platte  durch  beide  Flüssigkeiten  behutsam  durchsteckt,  welcher  so,  als  drittes 
Glied,  mit  den  beiden  übrigen  die  galvanische  Kette  schliesst. 

„Sie  sehen,  dass  was  ich  mit  Absicht  zusammensetzte,  in  Hrn.  Bucholz' 
Versuche  ganz  zufällig,  aber  genau  so,  wie  ich  es  beschrieb,  zu  Stande  kam." 
Und  Ritter  setzt  auseinander,  wie  schon  die  kleinste  Verschiedenheit  in  den 
Concentrationen  der  beiden  Flüssigkeiten  hinreichend  ist,  den  Vorgang  ein- 


1  Neues  allg.  Journ.  d.  Chemie,  4,  253.   1805. 


Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule.  \gg 


zuleiten;    auf  die  Beschaffenheit  des  Zinns  kommt  es  dabei  wenig  an.     „In 

Hrn.  Bucholz*  Beschreibung  seines  Versuches  ist  bloss  einer  Reduction  des 

Zinns    Erwähnung   gethan.     Wo    man   jedoch    in    galvanischen   Versuchen 

Reductionen    sieht,    lassen    sie  sich   als  Wirkungen   eines   durch    den  Pro- 

cess  selbst  entbundenen  Hydrogens  nachweisen.     Wieder  entbindet  der  Gal- 

vanismus     Hydrogen    nie    anders,    als    durch   Wasserzersetzung,    und    eine 

solche    ist    wieder    nicht    möglich,    ohne    dass    zugleich    auch    der    andere 

Bestandtheil  des  Wassers,  Oxygen,  entstehe,  auftrete  und  wirke.  . .  .  Insofern, 

als  Hrn.   Bucholz'  Phänomen   galvanischen  Ursprunges  war,  musste    neben 

der   Reduction  des  Zinns  noch   Oxydation,    und  zwar  wiederum  des  Zinns 

vorkommen. 

.  .  .  „Ferner  ist  in  keiner  galvanischen  Kette  der  Ort,  wo  das  Hydrogen 
austritt,  niemals  zugleich  auch  derjenige,  wo  das  ihm  entsprechende  Oxygen 
austrete-      Immer  ist  dieser  ein  anderer,   und   muss  ein  anderer  sein,  da  er 
durchaus    an    die  Gegend   der  Kette   und  an  den  Leiter  erster  Klasse  ge- 
bunden   ist,   wo  ...    +  E  zugegen   ist,    oder   gefordert   wird,   während   das 
Hydrogen  an  diejenige  Stelle  gebunden  ist,  wo   —  E  zugegen  ist,  oder  ge- 
fordert wird,   beides  aber  schon  darum  verschiedene  Stellen    sein    müssen, 
weil   -r    und    —  E,  wo  sie  zusammentreffen,  sich  aufheben   und  Null,  also 
weder  die  Bedingung  für  das  Auftreten  des  Oxygens,  noch  die  für  die  des 
Hydrogens  geben.     Auch  im  BucHOLz^schen  Versuche  muss  deshalb  ferner 
die  Gegend  am  Zinn,  wo  die  in  a  geforderte  Oxydation  auftritt,  eine  andere 
sein,  als  die,  wo  die  bereits  bekannte  Reduction  statthat. 

„Beides  bestätigte  sich,  als  ich  ...  den  Versuch  rein  .  .  .  anstellte.  Ich 
goss  Zinnauflösung  .  .  in  ein  Weinglas,  brachte  destillirtes  Wasser  darüber 
und  durch  beide  ein  schmales  Stück  starken  Stanniol.  Innerhalb  der  Grenze 
beider  Flüssigkeiten  ging  die  Reduction  auf  die  gewöhnliche  Art  vor  sich, 
unterhalb  derselben  aber,  zwischen  ihr  und  dem  Boden  des  Gefässes,  wurde 
der  Stanniol  oxydirt  und  aufgelöst.  Nach  einiger  Zeit  war  das  Stanniolblatt 
an  dieser  Stelle  ganz  aufgezehrt." 

Diese  Auseinandersetzungen  geben  wieder  ein  glänzendes  Zeugniss  von 
der  Fähigkeit  Ritter's,  das  wesentliche  und  allgemeine  in  den  Erscheinungen 
mit  schnellem  Blick  zu  erfassen.  Was  er  über  die  Notwendigkeit  einer 
raumlichen  Trennung  des  Oxydations-  und  des  Reductionsvorganges  sagt, 
trifft  in  das  Innerste  der  Frage  nach  den  Bedingungen  der  Entstehung  des 
elektrischen  Vorganges  aus  dem  chemischen;  bis  auf  den  heutigen  Tag  ist 
in  dieser  Beziehung  noch  häufig  genug  Unklarheit  vorhanden. 

In  dem  weiteren  Theile  seiner  Arbeit  führt  Ritter  seinen  Gedanken 
durch  eine  grosse  Zahl  verschiedenartiger  Versuche  aus;  wir  brauchen  ihm 
dabei  nicht  zu  folgen.  Nur  eine  Mittheilung  verdient  erwähnt  zu  werden. 
Ritter  fand  nämlich,  dass  eine  möglicht  wenig  saure  Zinnlösung  den  Vor- 
gang in  umgekehrtem  Sinne  zeigte;  statt  dass  die  Metallausscheidung  in  der 
concentrirteren  Losung  stattfand,  ging  sie  in  der  verdünnteren  vor  sich. 
Dies  widerspricht,  wenigstens  scheinbar,  dem,  was  man  auf  Grund  der  gegen- 


igO  Siebentes  Kapitel. 


wältigen  ausgebildeten  Theorie  des  Vorganges  erwarten  müsste,  und  ist  ddkir^ 
halb  einer  Prüfung  bedürftig  und  werth.  " 

Später l  erweiterte  auch  Bucholz  seine  Beobachtungen  und  erhielt  unter  c 
ähnlichen  Umständen  aus  Kupfer-,  Silber-,  Blei-  und  Zinklösungen  ganz  ent-  * 
sprechende  Ergebnisse.  Dagegen  wurde  mit  Eisenlösungen  nichts  erhalten,  i 
Bei  allen  Versuchen  erwies  es  sich  als  wesentlich,  dass  die  über  die  con- 
centrirte  Salzlösung  geschichtete  Flüssigkeit  sauer  war;  mit  reinem  Wasser  : 
wurden  nur  schwache  oder  gar  keine  Reductionen  erhalten. 

12.  H.  Davy's  spätere  Forschungen.   Bereits  unmittelbar  nach  dem    : 
Bekanntwerden  der  Säule  war  uns  Hr.  Davy  als  originaler  und  ideenreicher    ■ 
Forscher  entgegengetreten  (S.  155).     In   dem  weiteren  Verlauf  verschwindet    - 
er  nach  einer  anfangs  lebhaften  Thätigkeit  während  einiger  Jahre  scheinbar 
aus  der  Mitarbeiterschaar,  um  dann  plötzlich  mit  Leistungen  auf  dem  Plane 
zu   erscheinen,  die  ihm  alsbald  den  ersten  Rang  unter  den  Mitstrebenden 
sichern. 

Die  Ausgangspunkte  dieser  Untersuchungen  sind  sehr  unscheinbarer 
Natur.  Schon  Nicholson  und  Carlisle  hatten  bei  ihren  ersten  Versuchen 
beobachtet  (S.  131),  dass  wenn  Wasser  bei  Gegenwart  von  Lackmustinktur 
zersetzt  wurde,  diese  sich  am  Sauerstoffpole  roth  färbte  und  somit  die  Gegen- 
wart von  Säure  verrieth.  Die  gleiche  Erscheinung  trat  auch  vielen  anderen 
Forschern  entgegen;  ihre  Deutung  wurde  alsbald  von  Simon  2  gegeben, 
welcher  zeigte,  dass  nur  bei  der  Anwesenheit  fremder  Stoffe  Säure  auftrat, 
dagegen  nicht,  wenn  reines  Wasser  sich  im  Kreise  befand. 

Mit  diesem  Ergebniss  war  man  indessen  nicht  dauernd  zufrieden.  Auf 
Grund  einer  Anzahl  schlecht  angestellter,  aber  mit  ungemeinem  Lärm  an 
die  Öffentlichkeit  gebrachter  Versuche  hat  einige  Jahre  später  Pacchiani, 
Professor  der  Physik  in  Pisa,  die  gleiche  Erscheinung  dahin  zu  deuten  ver- 
sucht, dass  die  Salzsäure,  die  bei  seinen  Experimenten  zumeist  auftrat,  ein 
niederes  Oxyd  des  Wasserstoffes  sei,  und  es  entstand  über  die  Frage  eine 
ganze  Literatur  von  Versuchen  und  Meinungen  für  und  wider.  Wir  werden 
uns  an  einer  anderen  Stelle  (s.  w.  u.)  etwas  eingehender  mit  der  Angelegen- 
heit zu  beschäftigen  haben;  hier  handelt  es  sich  nur  darum,  die  Situation 
zu  kennzeichnen,  in  welche  Davy  handelnd  eingriff.  Er  stellte  sich  die 
Frage,  woher  das  so  häufig  beobachtete  Auftreten  freier  Säuren  und  Basen 
aus  reinem  Wasser  rühre,  und  hat  in  mustergiltiger  Weise  die  Antwort  auf 
diese  Frage  zu  geben  und  allseitig  zu  begründen  gewusst. 3  Nachstehend 
gebe  ich  einen  Auszug,  die  wichtigsten  Theile  dieser  Arbeit  enthaltend;  eine 
vollständige  Übersetzung  findet  sich  an  der  unten4  angegeben  Stelle. 

„Ich  hatte  im  Anfang  des  Jahres  1800  gefunden,  dass,  wenn  zwei  ge- 
sonderte Antheile  destilliiten  Wassers  in  zwei  Glasröhren  durch  feuchte  Blase 


1  Gehlen's  Journal,  5,  127.  1808. 

1  Gilbert's  Ann.  8,  41.  1801.  —  Ebenda  9,  386.  1801. 

8  Philos.  Trans.  1807,  1.  —  Gilbert's  Ann.  28,  1  u.   162.  1867. 

4  Classiker  der  exakten  Wissenschaften,  Nr.  45.  Leipzig  »893. 


Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule. 


191 


nrch  irgend  eine  andere  feuchte  thierische  oder  vegetabilische  Materie 
oder  verbunden,  und  der  elektrischen  Einwirkung  der  VoLTA'schen 
lurch  Golddrahte  ausgesetzt  werden,  in  der  Röhre  des  positiven  Drahts 
ilpetersalzsaure  Goldauflösung,  und  in  der  Röhre  des  negativen  Drahts 
atronauflösung  entsteht.1  Ich  überzeugte  mich  indess  bald  darauf, 
diesem  Falle  die  Salzsaure  von  den  thierischen  und  vegetabilischen 
m  herrührt.  Denn  da  ich  bei  mehreren  aufeinander  folgenden  Ver- 
dieselben baumwollenen  Fäden  genommen,  und  sie  nach  jedem 
ie  in  stark  verdünnte  Salpetersaure  getaucht  hatte,  fand  ich  zuletzt, 
is  Wasser  des  Apparats,  obgleich   es  lange  auf  die  Fäden  mit  vieler 

eingewirkt  hatte,  dennoch  gar  keine  Wirkung  auf  salpetersaure  Silber- 
ng  äusserte.  Ähnliche  Schlüsse  haben  die  galvanische  Societät  in 
ier  Dr.  Wollastos,  welcher  die  beiden  Glasröhren  durch  befeuchteten 

verband,  und  die  Herren  Biot  und  ThEnard  aus  ihren  Versuchen 
ti.1  —  Was  das  Natron  betrifft,   so  bemerkte   ich,   dass,   so  oft  ich 

eine  grosse  Menge  erhielt,  das  Glas  da, 
von  dem  Drahte  berührt  wurde,  stark  an- 
en    war;    dagegen    erhielt    ich   kein    fixes 

wenn  ich  in  einer  Achatschale  destillirtes 

■  elektrisirte,  das  durch  zwei  Platinspitzen 

■  VoLTA'schen  Säule  verbunden  war.  Dieses 
mte  mich,  das  Natron  hauptsächlich  dem 
zuzuschreiben. . .  . 

ch  habe  den  Versuch  auf  eine  andere  Art 
holt,  nachdem  ich  mir  kleine  cylindrische 
rbecher,  deren  jeder  l/t  Kubikzoll  fasste, 
äfft  hatte.    Über  zweien  derselben  liess  ich 

Stunden   lang  destillirtes  Wasser  kochen, 

d  sie  dann  vermittelst  eines  Stückes  weissen 

cheinenden  Amianths,  der  auf  dieselbe  Art 

^handelt  worden,  füllte  sie  mit  destillirtem 

r,  und  führte  in  dieses  durch  Platindrähte 

ektrischen  Strom  einer  VoLTA'schen  Säule 

o  Plattenpaaren  Kupfer  und  Zink  von  4  Quadratzoll  Oberfläche,   die 

ier  Alaunauflösung  genässt  war.  Als  der  Process  48  Stunden  gedauert 
untersuchte  ich  das  Resultat.     Lackmuspapier,   das  in   den  Cylinder 

führenden  oder  positiven  Drahtes  getaucht  wurde,  verwandelte  seine 
im  Augenblicke  in  dunkelroth,   und  die  saure  Flüssigkeit  trübte  eine 

rsaure  Silberauf lösung  ein  wenig.   Die  Flüssigkeit  des  anderen  Cylinders 

an  Curcumpapiere  eine  dunklere  Farbe,  und  diese  Eigenschaft  ver- 
sieh beim  Abdampfen  derselben.     Ich   setzte   ihr  etwas  kohlensaures 


Fig.  5£    Nach  Davv. 


Ich  habe  die  Ergebnisse  des  Versuches  seinerzeit  Her 
■s  Hall,  Herrn  Clattfield  and  anderen  Freunden 
Boniteur   1806.  Nr.  40. 


1  Beddoes  gezeigt,  und  die  Sache 
m  Jahre  1801   mitgetheilt 


IQ2  Siebentes  Kapitel. 


Ammoniak  hinzu,    und  liess  sie   bei  starker  Hitze  eintrocknen; .  es  blieb : 
wenig  einer  weissen  Materie,    die  mir  nach  einer  sorgfaltigen  Prüfung.  .1 
Eigenschaften  von  kohlensaurem  Natron  zu  haben  schien.     Ich  verglich 
mit  ebenso  kleinen  Mengen  kohlensauren  Kalis  und  kohlensauren  Ns 
sie  war  nicht  so  zerfliessbar  als  das  erstere,    und  bildete  mit  Sal] 
ein  Salz,   das  gleich  dem  salpetersauren  Natron  sehr  bald  die  Feucl 
aus  der  Luft  an  sich  zog  und  zerging. 

„Dieses  Resultat,  das  ich  nicht  erwartet  hatte,  schien  zu  beweisen, 
die  Substanzen,  welche  ich  fand,  in  den  Achatbechern  erzeugt  waren.  Ehft'r 
ganz  gleiches  Verfahren,  bei  dem  ich  Glasröhren  nahm,  gab  mir  indess  unter 
gleichen  Umständen  in  derselben  Zeit  20  mal  so  viel  Alkali,  ohne  die  ge* 
ringste  Spur  von  Salzsäure.  Es  war  daher  doch  sehr  möglich,  dass  der 
Achat  einige  Theile  eines  Salzes,  welche  die  chemische  Analyse  nicht  SU 
entdecken  vermochte,  gebunden  oder  in  feinen  Poren  adhärirend  enthalten  habe. 
„Um  mich  davon  zu  vergewissern,  wiederholte  ich  den  Versuch  mit 
den  Achatbechern  ein  zweites,  ein  drittes  und  ein  viertes  Mal.  Das  zweite 
Mal  bewirkte  salpetersaure  Silberauflösung  noch  eine  kleine  Trübung  in  dem 
Cylinder,  der  die  saure  Flüssigkeit  enthielt,  doch  war  sie  weit  weniger  deut- 
lich als  zuvor;  das  dritte  Mal  war  sie  kaum  noch  wahrzunehmen,  und  das 
vierte  Mal  blieb  alles  vollkommen  klar,  als  ich  salpetersaure  Silberauflösung 
dazu  gegossen  hatte.  Auch  die  Menge  des  Alkali  nahm  bei  jeder  Operation 
ab,  und  bei  der  letzten  wirkte  die  Flüssigkeit  an  der  negativen  Seite,  ob- 
gleich die  Batterie  3  Tage  lang  kräftig  auf  sie  eingewirkt  hatte,  doch  nur 
sehr  schwach  auf  Curcumapapier;  etwas  sichtbarer  auf  Lackmuspapier,  welches 
durch  eine  schwache  Säure  geröthet  worden  war,  von  allen  Prüfungsmitteln 
auf  Alkali  das  empfindlichste.  Es  wurde  beim  Abdünsten  wieder  kohlen- 
saures Ammoniak  hinzugesetzt,  und  es  blieben  einige  kaum  sichtbare  Theile 
Alkali  zurück.  In  dem  anderen  Achatbecher  war  Säure  in  Menge  vorhanden; 
die  Flüssigkeit  schmeckte  sauer,  und  roch  wie  Wasser,  über  dem  lange  Zeit 
eine  bedeutende  Menge  von  Salpetergas  gestanden  hat.  Sie  trübte  salzsaure 
Barytauflösung  nicht,  und  ein  Tropfen,  der  auf  einer  polirten  Stahlklinge 
verdunstet  wurde,  liess  darauf  eine  schwarze  Spur  zurück,  ganz  der  gleich, 
welche  sehr  verdünnte  Salpetersäure  hervorbringt. 

„Nach  diesen  Resultaten  konnte  ich  nicht  mehr  daran  zweifeln,  dass  in 
dem  Achat  selbst  irgend  ein  Salz  vorhanden  gewesen  sein  müsse,  welches, 
indem  es  sich  zersetzte,  eine  Säure,  die  die  salpetersaure  Silberauflösung 
trübt,  und  in  grösserer  Menge  ein  Alkali  hergegeben  habe.  Der  vier  Mal 
wiederholte  Process  belehrte  mich  indess  zugleich,  dass  noch  eine  zweite 
Ursache  für  die  Gegenwart  des  Alkali  im  Spiele  gewesen  sein  müsse;  denn 
diese  Substanz  zeigte  sich  bis  zuletzt  immerfort  in  wahrnehmbaren,  und 
wie  es  mir  schien,  in  immer  gleichen  Mengen.  Ich  hatte  alle  mögliche 
Vorsicht  gebraucht,  um  beide  Flüssigkeiten  vor  der  äusseren  Luft  zu  schützen, 
und  zu  dem  Ende  die  Achatcylinder  in  gläserne  Gefässe  eingeschlossen. 
Alle  Gerätschaften,  deren  ich  mich  bediente,  waren  mehrere  Mal  in  destil- 


Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule.  ig* 


em  Wasser  gewaschen,  und  kein  Theil  derselben,  der  mit  der  Flüssigkeit 
Berührung  kam,  mit  den  Fingern  berührt  worden.  Die  einzige  Substanz, 
i  der  ich  daher  glauben  konnte,  dass  sie  dieses  fixe  Alkali  habe  hergeben 
tUKDj  war  das  Wasser  selbst.  Mit  salpetersaurem  Silber  und  salzsaurem 
ryt  untersucht,  schien  es  zwar  rein  zu  sein;  allein  es  ist  ausgemacht,  dass 
i  schnellem  Destilliren  eine  sehr  kleine  Menge  von  Kali  und  Natron  mit 
n  Wasser  übergeht,  und  das  Wasser  von  New-River,  dessen  ich  mich 
üent  habe,  enthält  Unreinigkeiten,  theils  thierische,  theils  vegetabilische 
iterien,  welche  Neutralsalze  hergeben  können,  die  fähig  sind,  während  des 
»haften  Kochens  überzugehen. 

„Um  darüber  einen  Versuch  mit  der  möglichsten  Genauigkeit  zu  erhalten, 
lim  ich  zwei  hohle  Kegel  aus  reinem  Golde,    deren  jeder   ungefähr 

Gran  Wasser  fasste,  füllte  sie  mit 
ttillirtem  Wasser,  verband  sie  durch 
1  Streifen  genässten  Amianths,  der 
r  zu  den  ersten  Versuchen  gedient 
te,  und  brachte  sie  in  den  Kreis  einer 
LTA'schen  Säule  aus  ioo  Paar  Zink- 
1  Kupfer-Platten  von  6  Quadratzoll 
erfläche,  die  mit  verdünnter  Alaun- 
lösung und  Schwefelsäure  genässt  war. 
on  nach  io  Minuten  gab  das  Wasser 
negativen  Seite  schwach  geröthetem  Fig.  6o.    Nach  Davy. 

kmuspapier  einen  leichten  bläulichen 

ein,  und  das  Wasser  der  positiven  Seite  röthete  es  stärker.  Dieser 
cess  wurde  14  Stunden  lang  fortgesetzt;  die  Säure  nahm  während  dieser 
zen  Zeit  an  Menge  zu,  und  das  Wasser  nahm  endlich  selbst  einen  sauren 
chmack  an;  dagegen  verstärkten  sich  nicht  die  alkalinischen  Eigenschaften 

Flüssigkeit  an  der  negativen  Seite,  und  brachten  dort  keine  grösseren 
-kungen,  als  das  erste  Mal  auf  Lackmus-  oder  Curcumapapier  hervor, 
se  Wirkungen  waren  schwächer,  als*  ich  diese  Flüssigkeit  eine  Minute 
l  stark  erwärmt  hatte;  doch  zeigte  das  Abdampfen  unter  Zusetzung  von 
ilensaurem  Ammoniak  die  Gegenwart  von  etwas  fixem  Alkali.  Die  Säure 
hielt  sich,  soweit  ihre  Eigenschaften  untersucht  wurden,  übereinstimmend 

reiner  Salpetersäure,  die  mit  überschüssigem  Salpetergas  verbunden  war. 

„Ich  wiederholte  diesen  Versuch  und  Hess  ihn  drei  Tage  lang  dauern. 
1  Ende  dieser  Zeit  war  das  Wasser  bis  über  die  Hälfte  verdunstet  und 
>etzt.  Die  Säure  war  stark;  das  Alkali  war  nur  wenig,  wie  in  dem  vor- 
gehenden Versuche;  letzteres  wirkte  zwar  stärker  wie  das  vorige  Mal  auf 
Probepapiere,  doch  nur  weil  die  Flüssigkeit  sich  stärker  vermindert  hatte, 
I  beim  Abdampfen  gab  sie  dasselbe  Resultat  als  zuvor. 

„Hiernach  Hess  sich  nicht  länger  daran  zweifeln,  dass  das  destillirte 
sser,  mit  dem  ich  meine  Versuche  angestellt  hatte,  eine  Substanz  in  ge- 
jer  Menge  enthielt,  die  fähig  war,  die  Gegenwart  des  fixen  Alkali  in  den 

Jstwald,  Elektrochemie.  '3 


IQ4  Siebentes  Kapitel. 

vorigen  Versuchen  zu  verursachen,  die  aber  bald  erschöpft  war. 
führte  von  selbst  auf  die  Frage:  Ist  diese  Substanz  ein  Salz,  welches! 
Destilliren  übergeführt  wird?  oder  ist  sie  Stickgas,  dessen  jedes  Wa 
welches  an  der  Luft  gestanden  hat,  eine  kleine  Menge  enthält,  und  ist  fk| 
leicht  der  Stickstoff  ein  Bestandteil  des  fixen  Alkali?  Das  Wasser  muri) 
wenigstens  während  des  Versuches  bald  an  Stickgas  erschöpft  werden,  vtt 
wurde  wahrscheinlich  dadurch,  dass  es  sich  mit  Wasserstoffgas  schwängerb 
verhindert,  neues  Stickgas  einzuschlucken. 

„Ich  war  weit  mehr  für  die  erste  Meinung,  und  in  der  That  wurde  m 
sehr  bald  bestätigt.  Denn  als  ich  ein  Quart  des  destillirten  Wassers,  desae 
ich  mich  bedient  hatte,  in  einer  silbernen  Blase  bei  einer  massigen  FGtl 
von  weniger  als  1400  F.  abdampfen  Hess,  fanden  sich  7/10  Gran  eines  feste 
Rückstandes,  der  salzig  und  metallisch  schmeckte,  und  an  der  Luft  zerflos 
Ich  konnte  keine  regelmässigen  Krystalle  davon  erhalten;  das  zerflösset 
wirkte  weder  auf  Curcuma-  noch  auf  Lackmuspapier,  als  aber  etwas  dawt 
in  einem  Silbertiegel  geglüht  worden  war,  zeigte  es  starke  alkalische  Eigc 
Schäften.  Es  war  nicht  möglich,  eine  so  kleine  Menge  zu  analysiren; 
schien  mir  aber  nach  allem  diesem,  dass  sie  hauptsächlich  aus  Salpetersäure 
Natron  und  salpetersaurem  Blei  bestanden  habe.  Das  Metall  rührte  höcl 
wahrscheinlich  von  der  Condensationsröhre  der  gewöhnliche  Blase  her, 
der  das  Wasser  war  überdestillirt  worden. 

„Auf  diese  Art  war  also  die  Gegenwart  einer  salzigen  Materie  in  de 
destillirten  Wasser  bewiesen.  Was  für  Einfluss  sie  auf  den  Versuch  geha 
habe,  das  war  nun  leicht  zu  bestimmen.  Ich  füllte  die  beiden  Kegel  a 
Gold  mit  Wasser,  und  brachte  sie  wie  zuvor  in  den  Kreis  einer  Säule, 
dem  Kegel  der  negativen  Seite  hatte  die  Flüssigkeit  bald  das  Maximum  ; 
Wirksamkeit  auf  Curcumapapier  erreicht;  als  dieses  der  Fall  war,  bracl 
ich  in  sie  etwas  von  dem  Rückstande  der  Abdampfung,  der  bei  dem  vorig 
Versuche  geblieben  war;  in  weniger  als  2  Minuten  äusserten  sich  dav< 
die  Wirkungen,  und  nach  5  Minuten  färbte  die  Flüssigkeit  das  Curcum 
papier  hellbraun. 

„Ich  schloss  hieraus,  dass  mit  etwas  von  dem  Wasser,  welches  ich  t 
der  zweiten  langsamen  Destillation  aus  der  silbernen  Blase  erhalten  hat 
der  Versuch  sich  werde  jede  beliebige  Zeit  über  fortsetzen  lassen,  ohne  dz 
sich  eine  Spur  eines  fixen  Alkali  zeigen  werde.  Der  Erfolg  bewies,  d« 
ich  mich  darin  nicht  betrog.  —  Ich  brachte  in  die  Kegel  von  Gold  eini 
Tropfen  dieses  Wassers,  womit  ich  auch  den  Amianth  befeuchtete.  Na 
2  Stunden  äusserte  das  Wasser  der  negativen  Röhre  noch  keine  Wirku 
auf  Curcumapapier;  kaum  konnte  man  mit  der  angestrengtesten  Auftnei 
samkeit  wahrnehmen,  dass  es  die  Farbe  eines  schwach  gerötheten  Lackmi 
papiers  veränderte;  und  da  es  auch  dieses  Vermögen  verlor,  wenn  man 
2  oder  3  Minuten  lang  stark  erwärmte,  so  habe  ich  alle  Ursache,  zu  glaub« 
dass  es  dasselbe  von  einem  geringen  Antheil  an  Ammoniak  erhielt.  —  D< 
selben  Versuch  wiederholte  ich  mit  Wasser  derselben  Art  in  den  Achatcylinde 


Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule.  ige 


e  ich  schon  so  oft  gebraucht  hatte,   und  es  wurde  mir  die  Freude,   dass 
h  vollkommen  dieselben  Resultate  bekam. 

„Ich  halte  es  für  überflüssig,  in  das  Detail  der  vorigen  Operationen  ein- 
gehen. Alle  Thatsachen  beweisen,  dass  das  fixe  Alkali  in  ihnen  nicht 
'zeugt  wurde,  sondern  dass  es  entweder  aus  den  Gerätschaften,  oder  aus 
iken,  welche  in  dem  Wasser  vorhanden  sind,  herrührte. 

„Ich  habe  mehrere  Versuche  mit  langsam  destillirtem  Wasser  in  Ge- 
ssen  von  verschiedenen  Materien  angestellt,  und  fast  in  allen  habe 
b  kleine  Antheile  fixen  Alkalis  erhalten.  In  Röhren  aus  Wachs  war  es 
ne  Mengung  von  Natron  und  Kali,  und  die  Säure  eine  Mischung  von 
iwefelsäure,  Salzsäure  und  Salpetersäure.  In  einer  Röhre  aus  Harz  schien 
is  Alkali  hauptsächlich  Kali  zu  sein. 

„In  einen  Platintiegel  wurde  ein  Würfel  aus  carrarischem  Marmor 
rthan,  der  ungefähr  i  Kubikzoll  gross  war  und  eine  tiefe  Höhlung  in  der 
hte  seiner  oberen  Fläche  hatte.  Ich  goss  in  den  Tiegel  gereinigtes  Wasser 
s  an  die  obere  Fläche  des  Würfels,  so  dass  also  auch  die  Höhlung  mit 
esem  Wasser  gefüllt  war,  und  führte  nun  in  das  Wasser  des  Tiegels  den 
jsitiven,  in  das  Wasser  der  Höhlung  den  negativen  Draht  einer  starken 
OLTA'schen  Säule.  Das  Wasser  der  Höhlung  erhielt  bald  die  Eigenschaft, 
e  Farbe  des  Curcumapapieres  zu  verändern;  ich  erhielt  daraus  fixes  Alkali 
ld  Kalk.  Vielfältige  Versuche  gaben  mir  immer  dasselbe  Resultat.  Doch 
schien  jedes  Mal  eine  kleinere  Menge  des  fixen  Alkali,  und  nach  dem 
:.  Processe,  deren  jeder  2  oder  3  Stunden  gedauert  hatte,  verschwanden 
ls  Alkali  und  der  Kalk  vollständig.  Die  Menge  des  entstehenden  Kalk- 
issers  war  immer  gleich.  —  Ich  löste  nun  500  Gran  von  diesem  Marmor 
Salpetersäure  auf,  zersetzte  die  Auflösung  mit  kohlensaurem  Ammoniak, 
airte,  dampfte  die  Flüssigkeit  ab,  und  zersetzte  das  erhaltene  salpetersaure 
nmoniak  durch  Hitze.  Es  blieben  ungefähr  3/4  Gran  eines  fixen  Salzes 
rück,  dessen  Basis  Natron  war. 

„Da  es  möglich  war,  dass  dieser  carrarische  Marmor  noch  vor  kurzem 
dem  Meerwasser  gelegen  hatte,  so  wiederholte  ich  denselben  Versuch 
it  einem  Stücke  körnigen  Marmors,  den  ich  selbst  von  einem  Felsen 
geschlagen  hatte,  welcher  auf  einem  der  höchsten  uranfänglichen  Berge 
n  Donegal  steht.  Auch  dieser  Marmor  gab  mir  vermittelst  der  negativen 
ektricität  Alkali. 

„Ein  Stück  Thonschiefer  von  Cornwallis,  auf  dieselbe  Art  behandelt, 
;b  dasselbe  Resultat  Serpentin  von  Cap  Lizard  und  Grauwacke  aus 
Drd- Wallis  gaben  gleichfalls  Natron.  Es  giebt  wahrscheinlich  nur  wenige 
eine,  die  nicht  irgend  einen  Antheil  eines  Salzes  enthalten,  welches  unter 
ehreren  Umständen  durch  ihre  Substanz  filtrirt.  Und  das  hat  nichts  Über- 
sehendes, da  alle  unsere  gewöhnliche  Gebirge  offenbare  Spuren  des  Meer- 
issers  an  sich  tragen,  mit  dem  sie  vor  Alters  bedeckt  waren. 

„Ich  konnte  nun  auch  mit  Bestimmtheit  darthun,  dass  das  Natron, 
*lches    man   in  Glasröhren   erhält,   hauptsächlich  aus  dem  Glase  selbst 

13* 


IQÖ  Siebentes  Kapitel. 


herkommt,   wie  ich  das  immer  vermuthet  hatte.     Ich  richtete  nämlich  den 
oft  beschriebenen  Versuch  vor,   mit  den  beiden  Kegeln  aus  Gold   und  mit   : 
Ammoniak,  und  füllte  beide  Kegel  mit  gereinigtem  Wasser.   Nach  l/4  Stunde 
veränderte  das  Wasser  der  negativen  Seite  Curcumapapier  nicht  im  mindesten. 
Nun  brachte  ich  ein  Stückchen  Glas  in  die  Spitze  dieses  Kegels,  und  nach  •: 
wenig  Minuten  gab  das  Wasser  an  der  Oberfläche  der  Curcuma  eine  lebhaft   : 
dunkelbraune  Farbe. 

„Ich  habe  keinen  einzigen  Versuch  gemacht,  bei  welchem  ich  nicht  : 
eine  Säure  erhalten  hätte,  welche  die  Eigenschaften  der  Salpetersäure  : 
zeigte;  je  länger  der  Process  dauerte,  desto  grösser  war  die  Menge  der-  * 
selben.  —  Auch  das  Ammoniak  schien  sich  stets  in  geringer  Menge  während  5 
der  ersten  Minuten  in  dem  gereinigten  Wasser  der  Goldkegel  zu  bilden! 
erreichte  aber  bald  sein  Maximum.  —  Es  ist  das  natürlichste,  diese  beiden 
Erscheinungen  der  Verbindung  des  Sauerstoffes,  der  sich  an  der  positiven, 
und  des  Wasserstoffes,  der  sich  an  der  negativen  Seite  entbindet,  mit  dem 
im  Wasser  aufgelösten  Stickstoffe  der  atmosphärischen  Luft  zuzuschreiben. 
In  dieser  Voraussetzung  geben  die  Versuche  des  Dr.  Priestley  über  das 
Verschlucken  der  Gasarten  durch  das  Wasser  eine  sehr  einfache  Erklärung, 
warum  sich  die  Säure  immerfort,  das  Ammoniak  aber  nur  während  der 
ersten  Zeit  bildet  Der  Wasserstoff  scheint  nämlich,  indem  er  sich  im  Wasser 
auflöst,  den  Stickstoff  daraus  auszutreiben,  indess  Stickstoff  und  Sauerstoff 
mit  einander  im  Wasser  aufgelöst  bestehen.1 

„Um  diese  Erklärung  noch  vollständiger  zu  beweisen,  brachte  ich  die 
beiden  Goldkegel  mit  dem  gereinigten  Wasser  in  den  Recipienten  einer  Luft- 
pumpe, pumpte  diesen  so  weit  leer,  dass  er  nur  noch  V64ste^  ^er  anfang- 
lichen Luftmenge  enthielt,  und  verband,  vermöge  einer  besonderen  Vorrich- 
tung, die  Kegel  mit  einer  wirksamen  VoLTA'schen  Säule  aus  50  Plattenpaaren 
von  4  Quadratzoll  Oberfläche.  Diese  Verbindung  unterhielt  ich  18  Stunden 
lang,  und  untersuchte  während  derselben  von  Zeit  zu  Zeit  das  Resultat.  Das 
Wasser  der  negativen  Röhre  äusserte  nicht  die  geringste  Wirkung  auf  schwach 
geröthetes  Lackmuspapier;  das  Wasser  der  positiven  Röhre  gab  damit  ein 
kaum  wahrzunehmendes  Roth.  Eine  ohne  Vergleich  grössere  Menge  von 
Säure  hätte  sich  zu  gleicher  Zeit  in  der  Atmosphäre  gebildet,  und  das 
wenige  Stickgas,  welches  mit  dem  Wasser  in  Berührung  blieb,  schien  der 
Wirkung  zu  entsprechen. 

„Ich  wiederholte  diesen  Versuch  noch  ein  Mal  mit  aller  möglichen  Vor- 
sicht, richtete  den  Apparat  auf  die  beschriebene  Weise  vor,  pumpte  den 
Recipienten  möglichst  luftleer,  füllte  ihn  darauf  mit  Wasserstoffgas,  pumpte 
ihn  noch  ein  Mal  leer  und  füllte  ihn  ein  zweites  Mal  mit  Wasserstoffgas,  das 
mit  Sorgfalt  bereitet  worden  war.  Der  Process  wurde  24  Stunden  lang  tort- 
gesetzt; und  am  Ende  dieser  Zeit  erfolgte  nicht  die  geringste  Farbenänderung 
in  präparirtem  Lackmuspapier,  weder  in  dem  Wasser  der  positiven,  noch  in 
dem  Wasser  der  negativen  Seite. 

1  Priestley,  Experiments  and  Observations.    I,  50. 


IMe  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule.  107 


leraus  folgt  offenbar,  dass*  chemisch-reines  Wasser  sich  durch 
cität  einzig  und  allein  in  Sauerstoffgas  und  in  Wasserstoff- 
•setzt." 

Fortsetzung.  Nach  der  endgültigen  Erledigung  der  „grossen 
rage"  ging  Davy  sofort  zu  der  Anwendung  der  beobachteten  Er- 
igen auf  andere  Probleme  über,  und  wies  zunächst  auf  diesem 
nach,  dass  viele  bis  dahin  als  „unlöslich"  angesehene  Stoffe  that- 
.  löslich  sind,  denn  ihre  Bestandtheile  gehen  ebenso  an  die  Poldrähte, 
t  löslicher  Stoffe.  So  erhielt  er  bei  der  Anwendung  von  Ge- 
nis  Gyps,  Kalk  und  Schwefelsäure  mit  solchen  aus  Cölestin  Strontian 
:hwefelsäure,  und  ebenso  wies  er  die  Zersetzung  bei  Flussspath, 
lsulfat,  verschiedenen  Gesteinen,  wie  Basalt,  einem  Zeolith,  Lepidolith, 
ind  Glas  nach.  Dass  lösliche  Salze  auf  gleiche  Weise  zerlegt  werden, 
hon  früher  durch  Cruikshank,  sowie  Berzelius  und  Hisinger  nach- 
en  worden;  Davy  überzeugte  sich,  dass  man  die  Zerlegung  ganz  voll- 
j  machen  kann,  so  dass  aus  einer  Lösung  von  schwefelsaurem  Kali 
fas  eine  reine  Kalilösung  erhalten  wurde,  die  nach  dem  Ansäuern  mit 
>aryum  keine  Trübung  gab,  andererseits  reine  Schwefelsäure,  die  ohne 
tand  flüchtig  war. 
uif  diese   Weise  stellte  sich  "heraus,  dass  die  Bestandtheile  der  Salze 

des  Stromes,  oder  ihm  entgegengesetzt  fortgeführt  werden.  Die  Frage, 
eit  solche  Fortfuhrungen  erfolgen  können,  und  ob  diese  Bestandtheile 
durch  andere  Lösungen  hindurch  wandern,  veranlasste  Davy  zu  einer 
en  Reihe  von  Versuchen,  die  ich  ihrer  Bedeutung  wegen  in  seinen 
en  Worten  folgen  lasse. 

jGautherot1  behauptet  gefunden  zu  haben,  dass  in  einer  wirksamen 
:hen  galvanischen  Kette  aus  Zink,  Silber  und  Wasser  das  sich  bildende 
>xyd  vom  Silber  angezogen  werde.2  Die  Herren  Hisinger  und  Berzelius 
len  einen  Versuch,  bei  welchem  sie  in  den  positiv  elektrisirten  Schenkel 
Hebers  salzsauren  Kalk,  und  in  den  negativen  destillirtes  Wasser  gethan 
n,  und  wo  dieser  letztere  Schenkel  nach  der  Zersetzung  den  Kalk  ent- 

Diese  Thatsachen  würden  darauf  deuten,  dass  die  Bestandtheile,  welche 
beim  Zersetzen  der  Salze  durch  Elektricität  trennen,  von  der  einen  zu 
inderen  der  elektrisirten  Metallflächen  hin  übergeführt  werden,  und  dort 
auf  die  gewöhnliche  Art  aneinander  ordnen.  Doch  es  bedarf  neuer 
rsuchungen,  damit  diese  Behauptung  auf  eine  recht  klare  und  bestimmte 
e  bewiesen  werde. 

„Ich  verband  durch  Asbest  miteinander  eines  der  oben  beschriebenen 
>se  aus  dichtem  Gyps,  und  einen  der  Achatbecher,  füllte  sie  mit  ge- 
ltem Wasser,  und  setzte  den  positiven  Platindraht  einer  Säule  von  100 
mpaaren  mit  dem  Wasser  im  Gypsgefässe,  den  negativen  mit  dem  Wasser 
ichatbecher  in  Verbindung.     Nach  4  Stunden  fand  sich  in  dem  Achat- 

1  Ann.  de  Chimie  39,  203.  *  Ebenda  51,   172. 


Siebentes  Kapitel. 


} 


becher  eine  starke  Auflösung  von  Kalk,  lind  in  dem  Gypsgefässe  Schwefel 
säure.  —  Als  ich  die  Gefässe  in  verkehrter  Ordnung  mit  der  Säule  verbünde* 
hatte,  war  am  Ende  einer  gleichen  Zeit  in  dem  Achatbecher  Schwefelsäure, 
und  in  dem  Gypsgefässe  Kalkwasser. 

„Ähnliche  Versuche,  die  ich  mit  mehreren  anderen  Salzen  von  mine- 
ralischer Säure  und  alkalischer  oder  alkalisch-erdiger  Basis  in  Glasröhren 
angestellt  habe,  gaben  ganz  analoge  Resultate.  Die  Glasröhre  mit  der  Sah> 
auflösung  und  die  mit  destillirtem  Wasser  waren  durch  Amianth  und  beide 
mit  der  VoLT*'schen  Säule  durch  Platindrähte  verbunden;  wenn  die  Salzauf- 
lösung  positiv,  das  Wasser  negativ  elektrisirt  wurde,  so  war  es  die  Basis, 
wenn  ich  dagegen  die  Salzauflösung  negativ,  das  Wasser  positiv  elektrisirte, 
so  war  es  die  Säure  des  Salzes,  welche  in  das  Wasser  hinübergeführt  wurden. 

„Die  Metalle  und  die  Metalloxyde  werden  wie  die  Alkalien  an  die 
negative  Metallfläche  hinübergeleitet  und  dort  angesammelt    Als  bei  einem 


Fig.  61.     Nach  Davv. 


Fig.  62.     Nach  Davv. 


dieser  Versuche  salpetersaure  Silberauflösung  an  der  positiven,  destillirtes 
Wasser  an  der  negativen  Seite  war,  zeigte  sich  das  Silber  an  der  ganzen 
Oberfläche  des  hinüberleitenden  Asbestes,  und  gab  ihr  das  Ansehen,  als  sei 
sie  mit  einer  dünnen  metallischen  Schicht  bedeckt. 

„Bei  gleicher  Menge  und  Intensität  der  Elektricität,  und  bei  sonst 
gleichen  Umständen,  scheint  die  Zeit,  welche  zu  diesem  Hinüberführen  er- 
fordert wird,  desto  grösser  zu  sein,  je  länger  das  Volumen  Wasser  ist,  das 
sich  zwischen  den  beiden  Metallflächen  befindet.  So  z.  B.  zeigt  sich  bei 
einer  Kraft  von  too  Plattenpaaren,  wenn  schwefelsaures  Kali  im  negativen, 
destillirtes  Wasser  im  positiven  Gefässe  ist,  und  die  beiden  Enden  der  Polar- 
drähte einmal  nur  i  Zoll,  das  zweite  Mal  dagegen  (wenn  man  beide  Röhren 
mit  einem  Zwischengefässe  mit  gereinigtem  Wasser  verbunden  hat)  8  Zoll 
von  einander  entfernt  sind,  Schwefelsäure  in  dem  Wasser  des  negativen 
Gefässes,  im  ersten  Falle  in  weniger  als  s  Minuten,  in  dem  zweiten  erst 
nach  14  Stunden. 

„Ich  wünschte  zu  wissen,  ob  es  nothwendig  ist,  dass  eine  Metallfläche 
die  Salzauflösung  berühre,  damit  diese  zersetzt  und  einer  ihrer  Bestandtheile 


Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule.  iqq 


hinübergefiihrt  werde.  Zu  dem  Ende  stellte  ich  den  folgenden  Versuch  an. 
Es  wurden  zwei  Glasröhren  mit  gereinigtem  Wasser  gefüllt,  beide  durch 
Amianth  mit  einem  dritten  Gefässe  verbunden,  worin  sich  eine  Auflösung 
von  salzsaurem  Kali  befand,  und  beide  wurden  so  gestellt,  dass  die  Ober- 
fläche des  Wassers  in  den  Röhren  höher  war  als  die  Oberfläche  dieser  Auf- 
lösung. Jeder  der  beiden  Platindrähte  war  auf  diese  Art  wenigstens  2/3  Zoll 
von  der  Salzauflösung  entfernt,  die  sich  in  dem  dritten  Gefässe  befand; 
dennoch  erschien  sehr  bald  in  der  positiven  Röhre  die  Säure,  in  der  nega- 
tiven das  Alkali,  und  nach  16  Stunden  hatten  sich  ziemlich  starke  Auf- 
losungen von  Kali  und  von  Salzsäure  in  den  Röhren  gebildet. 

„In  diesem  Falle  des  Hinüberfiihrens  oder  der  elektrischen  Anziehung 
scheinen  die  Säure  und  das  Alkali  vollkommen  rein  zu  sein :  ich  bin  geneigt, 
zu  glauben,  dass  das  immer  der  Fall  ist,  wenn  die  Versuche  mit  Sorgfalt 
angestellt  werden.  Die  Reinheit  der  alkalischen  Basis  bewies  folgender  Ver- 
such, bei  welchem  schwefelsaure  Magnesia  in  der  positiven,  und  destil- 
lirtes  Wasser  in  der  negativen  Röhre  war,  und  die  Magnesia  in  dieses 
hinübergefiihrt  wurde.  Ich  hatte  Sorge  getragen,  dass  die  Oberfläche  des 
destillirten  Wassers  nie  niedriger  als  die  der  Salzlösung  stand;  als  ich  den 
verbindenden  Amianth  fortnahm,  und  die  Flüssigkeit  in  der  negativen  Röhre 
mit  Salzsäure  sättigte,  gab  sie  keine  Spur  einer  Trübung  mit  salzsaurer  Baryt- 
auflösung. 

„Um  mich  von  dem  Fortschreiten  des  Hinüberfiihrens  und  von  dem 
Laufe  zu  unterrichten,  den  die  Säuren  und  die  Basen  bei  diesen  Zersetzungen 
nehmen,  nahm  ich  Lackmus-  und  Curcuma-Tinktur,  und  mit  ihnen 
gefärbte  Papiere  zu  Hülfe.  Diese  Versuche  lehrten  mich  einige  sonderbare 
Umstände  kennen,  welche  ich  nicht  erwartet  hatte. 

„Zwei  Röhren,  von  denen  die  eine  destillirtes  Wasser,  die  andere 
eine  Auflösung  von  schwefelsaurem  Kali  enthielt,  wurden  durch  Amianth 
mit  einem  kleinen  Maass  voll  destillirten  Wassers,  das  mit  Lackmus  gefärbt 
uar,  verbunden,  und  die  Salzauflösung  negativ,  das  Wasser  positiv  elektrisirt. 
Da  zu  erwarten  war,  dass  die  Schwefelsäure,  wenn  sie  durch  das  Wasser  in 
die  negative  Röhre  hinübergefiihrt  wurde,  das  Lackmus  auf  ihrem  Wege 
röthe,  so  brachte  ich  über  und  unter  den  Amianthstücken,  gerade  in  dem 
Kreisläufe,  einige  Stücke  nassen  Lackmuspapiers  an,  und  beobachtete  nun 
den  Erfolg  mit  der  grössten  Aufmerksamkeit.  Die  rothe  Farbe  zeigte  sich 
sogleich  unmittelbar  über  der  positiven  Oberfläche,  wo  ich  sie  am  wenigsten 
erwartete,  und  verbreitete  sich  von  selbst  an  der  positiven  Seite  bis  in  die 
Mitte  des  Zwischengefässes;  an  der  negativen  Seite  erschien  dagegen  gar 
kein  Roth,  weder  über  dem  Amianth  noch  um  denselben,  an  welchem  bis 
zu  Ende  des  Versuches  keine  Farben  Veränderung  eintrat,  obgleich  er  immer- 
fort Schwefelsäure  hinübergeführt  hatte. 

„Ich  verkehrte  nun  die  Ordnung,  verband  die  schwefelsaure  Kaliauf- 
iusung  mit  dem  positiven  und  das  destillirte  Wasser  mit  dem  negativen 
Polardrahte,  und  nahm  Curcuma  statt  Lackmus.   Der  Erfolg  war  völlig  analog. 


200  Siebentes  Kapitel. 


Die  Curcuma  wurde  sogleich  am  negativen  Drahte  braun,  und  es  fand  keine 
Farbenänderung  in  dem  vermittelnden  Getässe  nach  dem  positiven  Drahte 
zu  statt 

„Bei  einem  dritten  Versuche  füllte  ich  die  beiden  Glasröhren  mit  einer 
Auflösung  von  salzsaurem  Natron,  und  das  vermittelnde  Gefäss  mit 
schwefelsaurer  Silberauflösung,  und  legte  auf  die  positive  Seite  Curcuma- 
papier,  auf  die  negative  Lackmuspapier.  Kaum  war  der  Kreis  der  elektrischen 
Säule  geschlossen,  als  auch  schon  Natron  in  der  negativen  und  oxygenirte 
Salzsäure  in  der  positiven  Röhre  zu  erscheinen  begann;  beide  zeigten  sich 
bei  ihrem  Durchgange  durch  die  schwefelsaure  Silberauflösung,  in  welcher 
die  Salzsäure  einen  schweren  und  dichten,  das  Natron  einen  viel  leichteren 
und  dünneren  Niederschlag  bewirkte;  aber  weder  die  Curcuma,  durch  welche 
das  Alkali  vom  positiven  Pole,  noch  das  Lackmus,  durch  das  die  Säure  vom 
negativen  Pole  ab  zu  dem  entgegengesetzten  hinübergeflihrt  wurde,  litten 
die  geringste  Farbenveränderung. 

„Da  die  Säuren  und  Alkalien  auf  ihrer  elektrischen  Hinüberfuhrung 
durch  Wasser  hindurchzugehen  vermögen,  das  mit  Pflanzenfarben  gefärbt  ist, 
ohne  diese  Farben  zu  ändern,  oder,  wie  es  allen  Anschein  hat,  ohne  dabei 
mit  dem  Pigmente  zu  verbinden:  so  entsteht  die  Frage,  ob  sie  nicht  auch 
auf  gleiche  Weise  durch  chemische  Mittel,  zu  denen  sie  grosse  Anziehung 
haben,  sollten  hindurchgefühlt  werden?  Denn  sollte  nicht  dieselbe  Macht, 
welche  die  Wahlanziehung  in  der  Nähe  der  elektrischen  Metallspitzen  ver- 
nichtet, auch  während  der  ganzen  Ausdehnung  des  Kreislaufes  der  geschie- 
denen Bestandtheile  ihre  Wahlanziehung  vernichten  oder  fesseln  können? 

„Ich  bediente  mich  zu  dem  folgenden  Versuche  einer  Säule  aus  150 
Lagen,  und  desselben  Apparates,  mit  dem  ich  den  vorhergehenden  Versuch 
mit  salzsaurem  Natron  und  schwefelsaurem  Silber  angestellt  hatte.  Mit  der 
negativ-elektrisirten  Metallspitze  wurde  eine  Auflösung  von  schwefelsaurem 
Kali,  mit  der  positiv -elektrisirten  gereinigtes  Wasser  in  Berührung  ge- 
setzt; als  Mittelglied  des  verbindenden  Leiters  diente  eine  schwache  Am- 
moniakauflösung, so  dass  kein  Theilchen  Schwefelsäure  von  der  negativen 
Spitze  in  das  positive  Wasser  hinüberkommen  konnte,  ohne  durch  die 
Ammoniakauflösung  hindurchzugehen.  Es  zeigte  sich  durch  Lackmuspapier, 
dass  schon  in  weniger  als  5  Minuten  um  die  positive  Spitze  Säure  sich 
angesammelt  hatte,  und  schon  nach  1/2  Stunde  war  das  Resultat  so  bestimmt, 
dass  es  mit  Genauigkeit  untersucht  werden  konnte.  Das  Wasser  hatte  einen 
sauren  Geschmack  und  fällte  salpetersaure  Barytauflösung. 

„Ich  habe  ähnliche  Versuche  mit  Kalkwasser  und  mit  schwachen 
Auflösungen  von  Kali,  und  von  Natron  als  Mittelgliedern  angestellt.  Der 
Erfolg  war  ganz  derselbe.  —  Bei  starken  Auflösungen  von  Kali  und  von 
Natron  wird  sehr  viel  mehr  Zeit  erfordert,  ehe  die  Säure  wahrzunehmen  ist; 
aber  selbst  bei  einer  gesättigten  alkalischen  Lauge  zeigt  sich  nach  einer 
gewissen  Zeit  endlich  die  Säure. 

„Die  Salzsäure  von  salzsaurem  Natron,    und  die  Salpetersäure  von 


Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule.  2OI 


salpetersaurem  Kali  wurden  unter  ähnlichen  Umständen  durch  concentrirte 
alkalische  Laugen  hindurchgeführt. 

„Ich  stellte  nun  an  den  negativen  Polardraht  destillirtes  Wasser,  in  die 
Mitte  verdünnte  Schwefelsäure,  Salpetersäure  oder  Salzsäure,  und  an  den 
positiven  Polardraht  eine  Auflösung  irgend  eines  Neutralsalzes,  welches  Kalk, 
Natron,  Kali,  Ammoniak  oder  Magnesia  zur  Basis  hatte.  Das  Alkali 
ging,  auf  ganz  gleiche  Art,  durch  die  Säure  nach  der  negativen  Oberfläche 
hinüber.  Je  weniger  der  concentrirten  Säure  war,  desto  leichter  schien  das 
Hinüberfuhren  durch  sie  zu  sein.  Ich  habe  diesen  Versuch  mit  Säulen  von 
150  Lagen  angestellt:  mit  salzsaurem  Kalke  und  Schwefelsäure,  ferner 
mit  salpetersaurem  Kali  und  Salzsäure,  mit  schwefelsaurem  Natron 
und  Salzsäure,  und  mit  salzsaurer  Magnesia  und  Schwefelsäure.  In 
allen  diesen  Fällen  erhielt  ich  in  weniger  als  48  Stunden  entscheidende 
Resultate.  Die  Magnesia  wurde  ebenso,  wie  die  übrigen  alkalischen  Materien, 
hinübergefiihrt 

„Auch  Strontian  und  Baryt  gingen  mit  derselben  Leichtigkeit  durch 
Salpetersäure  und  durch  Salzsäure  hindurch;  und  umgekehrt  die  Säuren 
durch  Strontianwasser  und  durch  Barytwasser.  —  Als  ich  aber  versuchte, 
ob  Strontian  und  Baryt  durch  Schwefelsäure,  oder  umgekehrt,  Schwefel- 
säure durch  die  wässerigen  Auflösungen  dieser  Substanzen  hindurchgefühlt 
werden,  erfolgte  ein  ganz  anderes  Resultat. 

„Es  befand  sich  schwefelsaure  Kaliauflösung  an  der  negativen, 
destillirtes  Wasser  an  der  positiven  Seite  einer  Säule  aus  150  Lagen, 
und  gesättigtes  Barytwasser  in  der  Mitte.  Nach  30  Stunden  war  in  dem 
destillirten  Wasser  noch  nicht  so  viel  Säure,  dass  sie  sich  hätte  wahrnehmen 
lassen.  Nach  4  Tagen  erschien  sie  zwar,  aber  in  sehr  geringer  Menge.  In 
dem  Zwischengefässe  hatte  sich  sehr  viel  schwefelsaurer  Baryt  nieder- 
geschlagen; an  der  Oberfläche  befand  sich  auf  der  Flüssigkeit  eine  dicke 
Lage  kohlensauren  Baryts,  und  das  Barytwasser  selbst  war  so  schwach  ge- 
worden, dass  es  kaum  auf  geröthetes  Lackmuspapier  wirkte.  Ganz  dasselbe 
Resultat  gab  Strontianwasser,  nur  dass  dabei  die  Schwefelsäure  schon 
nach  3  Tagen  bemerkbar  wurde.  —  Als  ich  am  positiven  Pole  einer  Säule 
von  150  Lagen  salzsauren  Baryt,  in  der  Mitte  concentrirte  Schwefel- 
säure und  am  negativen  Pole  destillirtes  Wasser  angebracht  hatte,  nahm 
ich  ebenso,  während  der  4  Tage,  die  der  Versuch  dauerte,  keinen  Baryt 
in  dem  destillirten  Wasser  wahr;  in  der  positiven  Röhre  hatte  sich  aber  viel 
oxygenirte  Salzsäure,  und  in  dem  Zwischengefässe  ein  ziemlich  bedeutender 
Niederschlag  von  schwefelsaurem  Baryt  gebildet. 

„Auch  mehrere  Metalloxyde  wurden  bei  Versuchen  dieser  Art  durch 
Säuren  hindurch  von  der  positiven  nach  der  negativen  Seite  hinübergeführt; 
dieses  ging  aber  weit  langsamer  vor  sich,  als  mit  den  Alkalien.  An  der 
positiven  Seite  befand  sich  eine  grüne  schwefelsaure  Eisenauflösung,' 
in  der  Mitte  Salzsäure,  an  der  negativen  Seite  destilliertes  Wasser. 
Nach  10  Stunden  fing  das  grüne  Eisenoxyd  an  sichtbar  zu  werden,  auf  dem 


202  Siebentes  Kapitel. 


1 


zur  Verbindung  dienenden  Amianthe  der  negativen  Seite,  und  nach  3  Tagen 
hatte  sich  davon  bedeutend  viel  in  der  negativen  Röhre  abgesetzt  — 
Schwefelsaures  Kupfer,  salpetersaures  Blei  und  salpeter-salzsaures 
Zinn  haben  mir  ganz  ähnliche  Resultate  gegeben. 

„Mehrere  Versuche,  welche  ich  über  das  Hindurchgehen  von  Säuren 
und  von  Alkalien  durch  Auflösungen  von  Neutralsalzen  angestellt  habe, 
führten  zu  den  vorauszusehenden  Resultaten. 

„In  einem  dieser  Versuche  mit  Säulen  von  150  Lagen  befand  sich 
salzsaurer  Baryt  an  der  negativen,  destillirtes  Wasser  an  der  positiven 
Seite,  und  schwefelsaures  Kali  in  der  Mitte;  nach  5  Minuten  erschien 
Schwefelsäure  in  dem  Wasser,  und  nach  2  Stunden  ebenfalls  Salzsäure.  — 
Als  schwefelsaures  Kali  an  der  positiven,  destillirtes  Wasser  an  der  nega- 
tiven Seite,  und  salzsaurer  Baryt  in  der  Mitte  war,  zeigte  sich  in  dem 
destillirten  Wasser  Baryt  nach  einigen  Minuten,  und  das  Kali  von  dem 
entferntesten  Theile  der  Kette  bedurfte  ungefähr  1  Stunde,  um  sich  darin 
so  stark  anzusammeln,  dass  es  erkennbar  wurde.  —  War  umgekehrt  der 
salzsaure  Baryt  positiv  und  schwefelsaures  Kali  in  der  Mitte,  so  erschien  das 
Kali  im  Augenblicke  in  dem  negativen  Wasser;  in  dem  Zwischengefässe 
setzte  sich  viel  schwefelsaurer  Baryt  ab,  und  nach  10  Stunden  war  der  Baryt 
noch  nicht  in  das  Wasser  hinübergedrungen.  —  Als  zwischen  negativem 
salzsauren  Baryt  und  positivem  Wasser  schwefelsaures  Silber  war,  ging  die 
Schwefelsäure  allein  in  das  Wasser  über,  und  in  dem  Zwischengefässe  setzte 
sich  viel  salzsaures  Silber  ab.     Dieser  Process  währte   10  Stunden. 

„Auch  mit  vegetabilischen  und  mit  thierischen  Theilen  habe  ich 
mehrere  Versuche  über  das  Hindurchgehen  angestellt,  und  jedes  Mal  mit 
dem  ausgezeichnetsten  Erfolg.  Die  mit  einem  der  Polardrähte  in  Berührung 
stehende  Salzauflösung,  und  die  Salze,  welche  sich  in  den  vegetabilischen 
und  thierischen  Substanzen  selbst  befinden,  erleiden  durch  die  Elektricität 
beide  eine  Zersetzung  und  ein  Hindurchfuhren,  und  die  Zeit,  welche  nöthig 
ist,  bis  diese  Produkte  sich  an  den  äussersten  Punkten  ihres  Kreislaufes 
zeigen,  hängt  von  der  Entfernung  ab,  worin  diese  Punkte  von  einander  stehen. 

„Eine  positive  Auflösung  von  salpetersaurem  Strontian  war  mit  nega- 
tivem Wasser  durch  einen  noch  frischen,  2  Zoll  langen  Stengel  einer  Tuberose 
verbunden.  Das  Wasser  wurde  im  Augenblicke  grün  und  zeigte  ein  Alkali; 
und  ebenso  schnell  ging  in  die  positive  Röhre  Salpetersäure  über.  Ich  unter- 
suchte das  Alkali  nach  10  Minuten;  es  bestand  aus  Kali  und  aus  Kalk; 
noch  war  also  das  Strontium  nicht  hinübergedrungen;  der  Niederschlag  mit 
Schwefelsäure  löste  schnell  sich  in  Salzsäure  auf.  Nach  einer  halben  Stunde 
erschien  auch  Strontian,   und  nach  4  Stunden  war  es  in  Menge  vorhanden. 

„Als  ich  ganz  auf  dieselbe  Art  einen  aus  einem  Ochsenmuskel  ge- 
schnittenen, 3  Zoll  langen  und  I/a  Zoll  breiten  Streifen,  positiv  elektrisirten 
salzsauren  Baryts  mit  negativ-elektrisirtem  Wasser  verband,  wurde  anfangs 
Natron,  Ammoniak  und  Kalk  in  das  Wasser  hinübergefiihrt;  nach  fi/4  Stunden 
war  auch  Baryt  darin  bemerkbar.  In  der  positiven  Röhre  fand  ich  viel  oxygenirte 


1* 


Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule.  203 


zsäure;  in   der  negativen  Röhre  war  keine  Spur  von  Salzsäure,  weder  aus 
Auflösung  noch  aus  der  thierischen  Fiber  hinübergetreten. 
„Wenn   wir   die  hier  im  Detail  beschriebenen  Thatsachen,   welche  die 
Setzungen  und  Hindurchfiihrungen  betreffen,  die  durch  Elektricität  bewirkt 
"den,    unter   eine  allgemeine  Ansicht  zusammenfassen  wollen,   so  werden 
sie  in  der  gewöhnlichen  Sprache  der  Physik  folgendermaassen  ausdrücken 
inen:  der  Wasserstoff,  die  alkalischen  Substanzen,  die  Metalle  und  gewisse 
talloxyde    werden    von   den   negativ-elektrisirten  Metallflächen   angezogen 
d  von    den    positiv- elektrisirten    Metallflächen    zurückgestossen;    dagegen 
rden   der    Sauerstoff  und  die  Säuren  von   den  positiv-elektrisirten  Metall- 
chen angezogen  und  von  den  negativ-elektrisirten  Metallflächen  abgestossen; 
d  diese   anziehenden  und  zurückstossenden  Kräfte  sind  energisch  genug, 
a  die  gewöhnlichen  Wirkungen  der  Wahlverwandtschaft  zu  zerstören  oder 
hemmen. 

„Es  ist  das  natürlichste,  anzunehmen,  dass  die  anziehenden  und  zurück- 
)ssenden    Kräfte   von   Theil  zu  Theil  derselben  Art  wirken,   so  dass 
ese  Theile   in    der  Flüssigkeit  eine  Leitung  bilden,   woraus  eine  Ortsver- 
iderung  entsteht,  die  durch  sehr  viele  Thatsachen  bewiesen  ist.   Auch  habe 
h,  so  oft   ich   alkalische  Auflösungen    untersuchte,    durch  welche  Säuren 
aren  hindurchgeführt  worden,  jedes  Mal  in  ihnen  Säure  gefunden,  wenn  an 
?r  anfanglichen   Quelle   noch  einige  Säure  vorhanden  war.     Mit   der  Zeit 
acht  zwar  das  Anziehungsvermögen  der  positiven  Metallfläche  die  Zersetzung 
nd  das  Hinüberführen  vollständig,  aber  dies  beeinträchtigt  den  Schluss  nicht. 
„In   dem  Falle,    wenn  Wasser  oder  Auflösungen  von  Neutralsalzen  die 
anze  Kette  einnehmen,   ist  es  möglich,    dass,    wenn  ihre  Bestandteile  ge- 
:hieden  werden,  eine  ganze  Folge  von  Zersetzungen  und  Wiederzusammen- 
etzungen    durch   die   Flüssigkeit  hindurch   stattfindet.     Für  diese  Annahme 
timmen  die  Versuche,  bei  welchen  Baryt  durch  Schwefelsäure,  und  bei 
reichen   Salzsäure    durch    eine  Auflösung   von    schwefelsaurem   Silber 
lindurchgehen  sollte;  in  ihnen  traten  die  unauflöslichen  Zusammensetzungen 
ius  der  Sphäre  der  elektrischen  Wirksamkeit  heraus,   und  zugleich  war  das 
Vermögen,    sie  hinüber  zu   fuhren,   zerstört.     Aus   mehreren   anderen  Ver- 
suchen lasst  sich  derselbe  Schluss  ziehen.    Die  Magnesia  und  die  Metall- 
Dxyde  wurden,  wie  wir  gesehen  haben,    über  den  angefeuchteten  Amianth 
hinweg  von  der  positiven  zu  der  negativen  Metallfläche  geführt;  bringt  man 
aber  ein  drittes  Gefäss  mit  gereinigtem  Wasser  zwischen  die  beiden  anderen 
in  die  Kette,  so  werden  diese  Substanzen  nicht  mehr  in  das  negative  Gefäss 
hinübergeleitet,  sondern  sinken  in  dem  Zwischengefässe  zu  Boden.   Ich  habe 
diese  Versuche   mehrere  Mal  wiederholt,    und   immer   waren   die   Resultate 
völlig  beweisend.   In  ein  paar  Versuchen  schien  Schwefelsäure  in  geringer 
Menge  durch  verdünntes  Strontianwasser  und  Barytwasser  hindurch  zu 
gehen;  ohne  Zweifel  wurde  aber  das  Hinüberfuhren  von  einer  dünnen  Lage 
reinen  Wassers  verursacht,   welche  an  der  Oberfläche,    wo  die  Kohlensäure 
eine  Zersetzung   bewirkte,    entstanden  war.     Denn    als    in    einem    ähnlichen 


204  Siebentes  Kapitel. 


Versuche  das  Häutchen  kohlensauren  Baryts  und  die  Flüssigkeit  oft  gerührt 
und  hin  und  her  bewegt  wurden,  erschien  an  der  positiven  Metallfläche  keine 
Spur  von  Schwefelsäure. 

„Aus  diesen  aligemeinen  Erscheinungen  des  Zersetzens  und  des  Hin- 
überfuhrens  erklärt  es  sich  ohne  Schwierigkeit,  aufweiche  Art  der  Sauer- 
stoff und  der  Wasserstoffsich  getrennt  aus  dem  Wasser  entwickeln. 
Der  Sauerstoff  eines  Wassertheilchens  wird  von  der  positiven  Metallfläche 
angezogen,  der  Wasserstoff  von  ihr  abgestossen;  umgekehrt  zieht  die  nega- 
tive Metallfläche  den  Wasserstoff  des  Theilchens  an  und  stösst  den  Sauerstoff 
ab.  Im  Mittelpunkte  des  flüssigen  Bogens  muss  daher  noth wendig  eine  neue 
Verbindung  unter  den  zurückgestossenen  Materien  vor  sich  gehen,  es  finde 
nun  eine  Reihe  von  Zersetzungen  und  Wiederzusammensetzungen  von  einer 
der  elektrisirten  Metallflächen  zur  anderen  statt,  oder  die  Theilchen  der 
äussersten  Punkte  mögen  allein  wirksam  sein.  Dieser  Fall  ist  dem  analog, 
welcher  stattfand,  als  salzsaures  Natron  sich  an  den  beiden  Metallspitzen  und 
destillirtes  Wasser  in  dem  Zwischengefässe  zwischen  beiden  befand;  hier 
stiess  die  positive  Metallfläche  die  Salzsäure,  die  negative  das  Natron  zurück, 
während  in  dem  Zwischengefässe  sich  wieder  salzsaures  Natron  zusammensetzte, 

„Diese  Thatsachen  scheinen  die  Conjecturen  des  Herrn  Ritter  und 
einiger  anderer  über  die  Einfachheit  des  Wassers  vollständig  zu  widerlegen, 
und  die  grosse  Entdeckung  des  Herrn  Cavendish,  dass  das  Wasser  ein 
aus  Sauerstoff  und  Wasserstoff  zusammengesetzter  Körper  ist,  zu 
bestätigen.  Herr  Ritter  hatte  geglaubt,  er  erhalte  aus  dem  Wasser  Sauerstoff 
ohne  Wasserstoff,  wenn  er  es  mit  der  negativen  Metallfläche  durch  Schwefel- 
säure in  Verbindung  setze;  allein  in  diesem  Falle  wird  der  Schwefel  abge- 
schieden, der  Sauerstoff  der  Säure  und  der  Wasserstoff  des  Wassers  werden 
beide  zurückgestossen,  und  es  entsteht  aus  ihnen  eine  neue  Zusammen- 
setzung." 

Diese  Versuche  sind  von  der  grössten  Bedeutung  für  die  Theorie  der 
Vorgänge  bei  der  galvanischen  Zersetzung.  Davy  geht  ziemlich  geschwind 
über  ihre  Erklärung  hinweg,  indem  er  in  der  von  Grothuss  (s.  w.  u.)  zuerst 
entwickelten  Weise  eine  Reihe  von  Zersetzungen  und  Wiedervereinigungen 
in  der  Strombahn  annimmt.  Indessen  wurde  schon  von  den  Zeitgenossen 
die  ungenügende  Beschaffenheit  dieser  Anschauung  empfunden,  ohne  dass 
doch  etwas  besseres  an  die  Stelle  gesetzt  werden  konnte. 

14.  Die  Entdeckung  der  Alkalimetalle.  Aus  den  vorstehend  mit- 
getheilten  Arbeiten,  deren  hervorragendste  Eigenschaft  die  ausserordentliche 
Sorgfalt  im  kleinsten  ist,  fuhren  Davy's  weitere  Forschungen  in  ein  anderes 
Gebiet  von  ganz  entgegengesetztem  Charakter.  Waren  durch  die  Unter- 
suchungen über  die  Abstammung  der  Säure  und  des  Alkali  bei  der  gal- 
vanischen Wasserzersetzung  allerlei  wissenschaftliche  Träume  und  Phanta- 
sieen  zerstört,  so  gab  Davy  durch  seine  weiteren  Arbeiten  Kunde  von  neuen 
Stoffen  mit  überraschenden  Eigenschaften  und  von  so  ungeahntem  Ver- 
halten, dass  durch  die  Wirklichkeit  die  kühnsten  jener  Träume  weit  über- 


Die  cheülischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule.  2CK 


ffen  wurden.  Es  handelt  sich  um  die  Entdeckung  der  Alkalimetalle, 
Iche  Davy  ein  Jahr  nach  jener  früheren  Abhandlung  in  einer  zweiten 
k£r- Vorlesung  der  Royal  Society  im  Jahre  1 807  mittheilte. *  Nachstehend 
d  die  wesentlichen  Stellen  des  Vortrages  unter  Weglassung  der  rein  be- 
ireibend-chemischen  Darlegungen  mitgetheilt. 

„In  der  BAKER-Vorlesung,  welche  ich  in  dem  vergangenen  Jahre  in  der 
liglichen  Societät  zu  halten  die  Ehre  gehabt  habe,  sind  mir  eine  grosse 
:nge  von  Zersetzungen  und  chemischen  Veränderungen  beschrieben  worden, 
lche  die  Elektricität  in  Körpern  bewirkt,  deren  Bestandtheile  bekannt  sind; 
d  schon  damals  wagte  ich  aus  den  allgemeinen  Grundgesetzen,  welche 
ise  Erscheinungen  zu  erklären  schienen,  den  Schluss  zu  ziehen,  dass  diese 
uen  Methoden  der  Untersuchung  zu  einer  genaueren  Kenntniss  der  wahren 
emente  der  Körper  fuhren  würden. 

„Diese  Vermuthung  gründete  ich  damals  lediglich  auf  einige  eingreifende 
lalogieen;  jetzt  bin  ich  so  glücklich,  sie  durch  überzeugende  Thatsachen 
währen  zu  können.  Während  einer  Reihe  sehr  mühsamer  Anwendungen 
t  Kräfte  der  elektrisch-chemischen  Analyse  auf  Körper,  die  bisher  einfach 
hienen,  und  die  durch  Einwirkung  der  gewöhnlichen  Reagentien  noch 
cht  zersetzt  worden  waren,  habe  ich  das  ^ute  Glück  gehabt,  neue  und 
erkwürdige  Resultate  zu  erhalten. 

„Ich  werde  in  den  folgenden  Abschnitten  das  Detail  derjenigen  unter 
ssen  Reihen  meiner  Versuche,  welche  ich  bis  zu  einem  gewissen  Grad  von 
?ife  habe  bringen  können,  in  einiger  Ordnung  zusammenreihen,  besonders 
*,  welche  die  Zersetzung  und  die  Wiederzusammensetzung  der  feuerbestän- 
*en  Alkalien  und  die  Darstellung  der  neuen  ausserordentlichen  Körper 
treffen,  die  ihre  Basen  ausmachen. 

„Da,  wo  ich  ungewöhnliche  Processe  zu  beschreiben  habe,  glaube  ich 
besorgt  in  ein  grösseres  Detail  eingehen  zu  dürfen;  da  aber,  wo  ich  mich 
:>ss  der  gewöhnlichen  Mittel  bedient  habe,  werde  ich  mehr  nicht  alä  die 
sultate  angeben.  Wollte  ich  meinen  Untersuchungen  Schritt  vor  Schritt 
gen,  alle  Schwierigkeiten,  auf  die  ich  gestossen  bin,  die  Art,  wie  es  mir 
glückt  ist,  sie  zu  überwinden,  und  alle  Handgriffe  schildern,  so  müsste  ich 
iit  über  die  Grenzen,  welche  für  diese  Vorlesung  bestimmt  sind,  hinaus- 
hen.  Ich  begnüge  mich  daher  zu  sagen,  dass  ich  hier  nur  das  für  That- 
chen  oder  für  allgemeine  Resultate  ausgeben  werde,  was  ich  aus  sorgfältig 
gestellten  und  oft  wiederholten  Versuchen  gefolgert  habe. 

„Verfahrungsarten,  um  die  feuerbeständigen  Alkalien 

zu  zersetzen. 

„Die  Untersuchungen,  welche  ich  über  die  Zersetzung  der  Säuren  und 
r  neutralen  alkalischen  und  erdigen  Salze  angestellt  habe,  hatten  mir  be- 
esen,    dass   die  Energie   der   elektrischen  Zersetzung,    der  Kraft  der   ent- 

1  Philos.  Trans.  1808,  S.  I. 


2o6  Siebentes  Kapitel. 


gegengesetzten  Elektricitäten  in  dem  galvanischen  Kreise  und  dem  Leitungs- 
vermögen, sowie  dem  Grade  der  Concentrirung  der  angewendeten  Körper 
proportional  ist. 

„Ich  versuchte  diesem  gemäss  zuerst,    die  feuerbeständigen  Alkalien  in 
ihren    wässerigen    bei    der    gewöhnlichen    Temperatur    gesättigten    Auf- 
lösungen mit  Hülfe  der  stärksten  elektrisch-galvanischen  Apparate  zu  zer- 
setzen,  die   mir   zu   Gebote   standen.     Dieses  waren   die  Trogapparate   der 
Royal-Institution,   welche   ich  mit  einander  verband.     Sie  bestehen  aus 
24  viereckigen  Plattenpaaren  von  Kupfer  und  Zink,  jede  von  12  Zoll  Seite,  aus 
100  Plattenpaaren,   jede  von  6  Zoll,    und  aus  150  Plattenpaaren,  jede  von 
4  Zoll  Seite;  ich  füllte  sie  mit  Alaunauflösung  und  verdünnter  Salpetersäure. 
Bei  aller  Intensität  der  Wirkung  wurde  jedoch  das  Wasser  der  alkalischen 
Auflösungen   allein   angegriffen,    und    unter   Erzeugung   grosser   Hitze   und 
heftigem  Aufbrausen  entwickelten  sich  bloss  Wasserstoffgas  und  Sauerstoffgas. 
„Die   Gegenwart  des  Wassers  schien  hier  die  Zersetzung  der  Alkalien 
zu  verhindern.     Ich  schmelzte  daher  zu   meinen  ferneren  Versuchen  Kali 
durch  Hitze,    indem  ich  es  in  einen  Löffel  aus  Platin  legte,  und  aus  einem 
Gasometer   Sauerstoffgas   durch    die   Flamme   einer   Weingeistlampe    darauf 
blasen  Hess.   Während  das  KaJi  auf  diese  Art  einige  Minuten  lang  in  heftiger 
Rothglühehitze  und  in  dem  Zustande  vollkommener  Flüssigkeit  erhalten  wurde, 
setzte  ich  den  Löffel  mit  dem  positiven,    und  das  Kali  selbst  durch  einen 
Platindraht  mit  dem  negativen  Ende  des  stark  geladenen  Trogapparates  aus 
100  Plattenpaaren,   jedes  6  Zoll  ins  Quadrat,   in  leitende  Verbindung.     Bei 
dieser  Anordnung   zeigten   sich   mehrere   glänzende  Phänomene.     Das  Kali 
war  nun  in  hohem  Grade  leitend,   und  so  lange  die  Verbindung  dauerte, 
sah  man   an  dem   negativen  Drahte  ein  sehr  lebhaftes  Licht,   und    im  Be- 
rührungspunkte eine  Flammensäule,  welche  von  einem  sich  hier  entbindenden 
verbrennlichen  Körper  herzurühren  schien. 

v„Als  ich  die  Ordnung  veränderte,  und  den  negativen  Draht  mit  dem 
Platinlöffel,  den  positiven  mit  dem  Platindraht,  der  das  Kali  berührte,  ver- 
band, erschien  an  der  Spitze  dieses  letzteren  ein  lebhaftes  und  bleibendes 
Licht;  um  dasselbe  Hess  sich  nichts  wahrnehmen,  was  einem  Verbrennen 
geglichen  hätte,  dagegen  sah  man  durch  das  Kali  Gasbläschen  aufsteigen, 
die  sich  an  der  Atmosphäre  eines  nach  dem  anderen  entzündeten. 

„Das  Platin  wurde,  wie  zu  erwarten  war,  stark  angegriffen,  und  zwar 
im  höchsten  Grade,  wenn  es  sich  an  der  negativen  Seite  des  Kreises  befand. 
„Das  Kali  schien  in  diesem  Versuche  vollkommen  trocken  zu  sein,  und 
es  Hess  sich  daher  annehmen,  dass  der  verbrennliche  Körper,  welcher 
während  der  Einwirkung  der  Elektricität  auf  das  fliessende  Kali  am  negativen 
Drahte  sich  zu  bilden  schien,  durch  Zersetzung  des  Kali  entstehe.  Der 
Rückstand  des  Kali  war  unverändert;  zwar  entdeckte  ich  darin  eine  Anzahl 
metallischer  Theilchen  von  dunkelgrauer  Farbe,  es  zeigte  sich  aber  in  der 
Folge,  dass  sie  vom  Platin  herrührten.  Ich  versuchte  es  auf  verschiedene 
Arten,   diesen    verbrennlichen   Körper   aufzufangen,    jedoch   umsonst      Das 


Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule.  207 


gelang  mir  erst,  da  ich  die  Elektricität  zugleich  als  Schmelzungs-  und  als 
Zersetzungs-Mittel  auf  das  Kali  wirken  liess. 

„Kali,  das  man  durch  Glühen  vollkommen  getrocknet  hat,  ist  zwar 
ein  Nicht-Leiter  der  Elektricität,  es  wird  aber  schon  leitend  durch  sehr  wenig 
Feuchtigkeit,  welche  die  feste  Aggregation  desselben  nicht  merklich  ändert; 
und  in  diesem  Zustande  wird  es  durch  eine  etwas  energische  elektrische 
Einwirkung  geschmolzen  und  zersetzt 

„Ich  nahm  ein  kleines  Stück  reines  Kali,  liess  es  einige  Sekunden  lang 
mit  der  Atmosphäre  in  Berührung,  wodurch  es  an  der  Oberfläche  leitend 
wurde,  legte  es  auf  eine  isolirte  Platinscheibe,  die  mit  dem  negativen  Ende 
einer  in  ihrer  grössten  Wirksamkeit  befindlichen  Batterie  von  250  6-  und 
4-zölligen  Plattenpaaren  verbunden  war,  und  berührte  die  Oberfläche  des 
Kali  mit  dem  positiven  Platindrahte.  Der  ganze  Apparat  stand  an  freier 
Luft  Sogleich  zeigte  sich  eine  sehr  lebhafte  Wirkung.  Das  Kali  begann 
an  den  beiden  Punkten,  wo  es  elektrisirt  wurde,  zu  schmelzen.  An  der 
oberen  Oberfläche  sah  man  ein  heftiges  Aufbrausen;  an  der  unteren,  oder 
der  negativen,  war  kein  Entbinden  einer  elastischen  Flüssigkeit  wahrzunehmen, 
ich  entdeckte  aber  kleine  Kügelchen,  die  einen  sehr  lebhaften  Metallglanz 
hatten  und  völlig  wie  Quecksilber  aussahen.  Einige  verbrannten  in  dem 
Augenblick,  in  welchem  sie  gebildet  wurden,  mit  Explosion  und  lebhafter 
Flamme;  andere  blieben  bestehen,  liefen  aber  an,  und  bedeckten  sich  zuletzt 
mit  einer  weissen  Rinde,  die  sich  an  ihrer  Oberfläche  bildete. 

„Eine  Menge  von  Versuchen  bewiesen  mir  bald,  dass  diese  Kügelchen 
die  Substanz  waren,  nach  der  ich  suchte:  ein  verbrennlicher  Körper  eigen- 
thümlicher  Art,  und  die  Basis  des  Kali.  Ich  fand,  dass  die  Gegenwart 
von  Platin  gleichgültig  fiir  das  Resultat  ist,  ausser  als  Mittel,  die  elektrischen 
Kräfte,  welche  die  Zersetzung  bewirken,  zu  bethätigen;  immer  entstand  die- 
selbe Substanz,  ich  mochte  den  Kreis  durch  Stücke  Kupfer,  oder  Silber, 
oder  Gold,  oder  Reissblei,  oder  selbst  durch  Stücke  Kohle  schliessen. 

„Die  Gegenwart  der  Luft  hat  keinen  Einfluss  auf  das  Resultat;  denn 
ich  fand,  dass  alles  auf  dieselbe  Art  erfolgt,  wenn  sich  das  Kali  in  einem 
luftleeren  Recipienten  befindet. 

„Ich  habe  diese  Substanz  auch  aus  Kali,  das  im  Schmelzen  durch  Hitze 
begriffen  ist,  dargestellt,  nämlich  in  Glasröhren  mit  eingeschmolzenen  Platin- 
drähten, die  mit  Quecksilber  gesperrt  waren,  und  in  welchen,  während  die 
Elektricität  hindurch  wirkte,  das  Kali  mittelst  einer  Lampe  geschmolzen 
wurde.  Dieses  Verfahren  liess  sich  aber  nicht  lange  fortsetzen,  da  das  Glas 
durch  die  Einwirkung  des  Kali  bald  aufgelöst  wurde,  und  dann  die  Substanz 
durch  das  Glas  hindurch  drang. 

„Natron  gab  ähnliche  Resultate  wie  das  Kali,  wenn  man  es  auf  die- 
selbe Art  behandelte;  die  Zersetzung  desselben  erforderte  aber  entweder  eine 
intensivere  Einwirkung  der  Trogapparate,  oder  die  Stücke  desselben  mussten 
kleiner  und  dünner  sein.  Mit  dem  Trogapparat  von  100  Plattenpaaren, 
jedes  6  Zoll  ins  Gevierte,  erhielt  ich,  als  er  in  voller  Wirksamkeit  war,  gute 


208  Siebentes  Kapitel. 


Resultate  mit  Stückchen  Kali,  die  40  bis  70  Grains  wogen  und  so  dick 
waren,  dass  die  elektrisirten  Metallflächen  ungefähr  l/4  Zoll  von  einander 
abstanden;  dagegen  war  es  mir  nicht  möglich,  mit  einem  solchen  Trogapparate 
die  Zersetzung  in  Stückchen  Natron,  die  über  15  bis  20  Grains  wogen,  zu 
bewirken,  und  selbst  in  solchen  Stückchen  gelang  mir  dieses  nur  dann,  wenn 
die  Entfernung  zwischen  den  Metallflächen,  durch  welche  die  Elektricität  dem 
Natron  zugeführt  wurde,  nicht  über  Y10  ^ls  7s  ^°^  betrug. 

„Die  aus  dem  Kali  erzeugte  Substanz  blieb  in  der  Temperatur,  welche 
die  Atmosphäre  im  Augenblicke  ihrer  Erzeugung  hatte,  flüssig.  Die  Substanz 
aus  dem  Natron  war  flüssig  bei  der  Temperatur,  die  sie,  während  sie  sich 
bildete,  von  dem  Alkali  erhalten  hatte,  wurde  aber  im  Erkalten  fest,  und 
nahm  die  Farbe  und  den  Glanz  des  Silbers  an. 

„Als  ich  eine  sehr  kräftige  Batterie  von  250  Plattenpaaren  zur  Zersetzung 
des  Natrons  anwendete,  verbrannten  die  Kügelchen  oft  in  dem  Augenblicke, 
in  welchem  sie  entstanden;  manchmal  explodirten  sie  heftig  und  trennten 
sich  in  kleinere  Kügelchen,  die  brennend  mit  grosser  Schnelligkeit  durch 
die  Luft  flogen;  dieses  unaufhörliche  Feuersprühen  ist  ein  sehr  schönes 
Schauspiel. 

„Theorie  der  Zersetzung  der  feuerbeständigen  Alkalien; 
Zusammensetzung  und  Erzeugung  derselben. 

„Bei  allen  Zersetzungen  zusammengesetzter  Körper,  welche  ich  bis  dahin 
untersucht  hatte,  waren  stets  die  verbrennbaren  Basen  an  der  negativen 
Oberfläche  des  elektrischen  Kreises  entbunden  worden,  während  der  Sauerstoff 
an  der  positiven  Oberfläche  zum  Vorschein  kam,  oder  dort  in  Verbindungen 
trat.  Es  war  daher  der  natürlichste  Gedanke,  dass  bei  der  Einwirkung  der 
Elektricität  auf  die  Alkalien  die  neuen  Substanzen  ganz  auf  ähnliche  Weise 
erzeugt  werden. 

„Ich  habe  mehrere  Versuche  in  einem  mit  Quecksilber  gesperrten  Appa- 
rate, aus  welchem  die  äussere  Luft  ausgeschlossen  war,  angestellt,  die  mir  zum 
Beweise  dienen,  dass  die  Sache  sich  in  der  That  auf  diese  Art  verhält 
Wenn  man  nämlich  festes  Kali  oder  Natron,  die  so  viel  Feuchtigkeit  an- 
gezogen haben,  dass  sie  leitend  sind,  in  Glasröhren  verschliesst,  welche  mit 
Platindrähten  versehen  und  vermöge  derselben  in  den  Kreis  eines  Trog- 
apparates gebracht  sind,  so  entstehen  die  neuen  Substanzen  an  den  negativen 
Metallflächen,  und  das  Gas,  welches  sich  während  dessen  an  der  positiven 
Metallspitze  entbindet,  ist  ganz  reines  Sauerstoffgas,  wie  die  sorgfältigste  und 
genaueste  Prüfung  mir  bewiesen  hat.  An  der  negativen  Oberfläche  erscheint 
gar  kein  Gas,  ausser  wenn  Wasser  im  Überflusse  da  ist. 

„Auch  die  folgenden  synthetischen  Versuche  stimmen  hiermit  voll- 
kommen überein. 

„Ich  habe  schon  angeführt,  dass  die  aus  dem  Kali  erzeugte  Substanz 
ihren  Metallglanz  an  der  Luft  fast  augenblicklich  verliert,  und  sich  mit  einer 
weissen  Rinde  umlegt.    Ich  fand  sehr  bald,  dass  diese  Rinde  reines  Kali  ist, 


Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule.  2OQ 


das  sogleich  zerfliesst;  es  bildet  sich  dann  eine  neue  Rinde,  die  wieder 
Feuchtigkeit  aus  der  Luft  an  sich  zieht,  und  endlich  verschwindet  das  Kügelchen 
ganz,  und  man  hat  statt  desselben  eine  gesättigte  Auflösung  von  Kali.1 

„In  besonders  dazu  eingerichtete,  mit  Quecksilber  gesperrte  Glasröhren 
wurden  einige  Kügelchen  in  atmosphärischer  Luft,  andere  in  Sauerstoffgas 
gebracht.  Sie  verschluckten  augenblicklich  Sauerstoff,  und  überzogen  sich 
mit  einer  Rinde  von  Alkali;  da  es  aber  an  Feuchtigkeit  fehlte,  das  Alkali 
aufzulösen,  so  beschränkte  sich  der  Process  hierauf,  und  das  Innere  des 
Kügelchens  blieb  unverändert,  indem  die  Rinde  das  Sauerstoffgas  ausser 
Berührung  mit  demselben  setzte. 

„Mit  der  Basis  des  Natrons  erfolgen  in  beiden  Fällen  ähnliche  Wirkungen. 

„Werden  diese  Basen  in  einer  gegebenen,  rings  umschlossenen  Menge 
von  Sauerstoffgas  stark  erhitzt,  so  entsteht  ein  schnelles  Verbrennen 
mit  weisser  glänzender  Flamme,  und  die  metallischen  Kügelchen  finden  sich 
in  eine  weisse  feste  Masse  venvandelt,  die  Kali  oder  Natron  ist,  je  nachdem 
man  die  Basis  des  ersteren  oder  des  letzteren  zu  dem  Versuch  genommen 
tat  Dabei  wird  Sauerstoffgas  verschluckt,  und  es  entweicht  aus  den  ver- 
brennenden Substanzen  nichts,  was  die  Reinheit  des  Rückstandes  verminderte. 
Die  Alkalien,  welche  bei  diesem  Versuch  entstanden,  waren  dem  Anscheine 
nach  trocken,  oder  enthielten  wenigstens  nicht  mehr  Feuchtigkeit,  als  sich 
in  dem  verschluckten  Sauerstoffgas  befunden  haben  konnte,  und  ihr  Gewicht 
abertraf  das  der  verbrannten  Substanzen  bedeutend.  Ich  werde  in  der  Folge 
die  Processe  umständlich  beschreiben,  auf  welche  ich  diese  Schlüsse  gründe, 
und  man  wird  dort  die  Zahlenverhältnisse  finden,  nach  welchen  sich  die  ver- 
brennbaren Substanzen  mit  Sauerstoff  verbinden,  um  die  feuerbeständigen 
Alkalien  zu  bilden. 

„Diese  Thatsachen  berechtigen  uns,  wie  es  mir  scheint,  mit  ebenso  vielem 
Rechte  anzunehmen,  dass  sich  das  Kali  und  das  Natron  in  Sauerstoff  und 
in  zwei  eigentümliche  Basen  zerlegen  lassen,  als  wir  nur  immer  für  die 
Lehre  haben,  dass  Phosphorsäure,  Schwefelsäure  und  Metalloxyde  in  Sauer- 
stoff und  in  eigenthümliche  verbrennbare  Basen  zersetzbar  sind. 

„Bei  den  analytischen  Versuchen  war  kein  anderer  Körper  als  die  Alkalien 
jnd  ein  wenig  Feuchtigkeit  im  Spiele,  und  letztere  scheint  nur  insofern 
Wesentlich  zu  dem  Resultate  mitzuwirken,  als  sie  das  Alkali  an  der  Ober- 
flache leitend  macht.  Denn  die  neuen  Substanzen  entstehen  erst  dann,  wenn 
das  trockene  Innere  zu  schmelzen  anfangt,  und  es  erfolgt  eine  Explosion, 
-0  oft  sie  durch  das  geschmolzene  Alkali  bis  zu   der  feuchten   und  heissen 

1  Während  dieses  Processes  wird   auch  das*  Wasser  zersetzt;    wir  werden    nämlich   sehen 

» 

:. --  die  Basen  der  fixen  Alkalien  kräftiger  als  irgend  ein  anderer  bekannter  Körper  auf  das 
Wi^-r  wirken.  Folgendes  ist  mit  wenig  Worten  die  Theorie  der  Oxydirung  der  Basen  der 
A]kj.lif»n  an  der  freien  Luft:  sie  verschlucken  zuerst  Sauerstoff,  und  es  bildet  sich  Alkali;  dieses 
AJkali  saugt  schnell  Wasser  ein;  und  dieses  Wasser  wird  zersetzt.  Daher  entbindet  sich, 
■»  »hr-c-nd  der  Verwandlung  eines  Kügelchens  in  eine  alkalische  Auflösung,  beständig  fort  und 
■  hnell  Gas  in  einer  kleinen  Menge. 

Otiwald,   Elektrochemie.  l4 


2  i  o  Siebentes  Kapitel. 


Oberfläche  heraufsteigen;  sie  lassen  sich  ferner  nicht  mit  krystallisirtem  AlkaE 
erhalten,  welches  immer  viel  Wasser  enthält;  endlich  beweist  auch  der  Erfolg  \l 
beim  Elektrisiren  von  glühendem  Kali,  worin  sich  keine  merkbare  Menge  vob:  p 
Wasser  befindet,  dass  das  Entstehen  dieser  Substanzen  von  der  Gegenwart  - 
des  Wassers  unabhängig  ist.  i- 

„Die  verbrennbaren  Basen  der  Alkalien  scheinen  ebenso,  wie  die  « 
übrigen  verbrennbaren  Grundstoffe,  von  den  positiv  elektrisirten  Oberflächen1  e. 
zurückgestossen,  und  von  den  negativ  elektrisirten  angezogen  zu  werden.  :: 
Ein  entgegengesetztes  Verhalten  hat  der  Sauerstoff.  Dieser  hat  folglich  von  i 
Natur  eine  negative  Energie,  während-  die  Basen  eine  positive  Energie  be-  s 
sitzen,  und  bei  den  zerlegenden  Versuchen  wird  die  Verbindung  beider  auf-  .; 
gehoben,  sobald  eines  dieser  beiden  Principe  in  einen  entgegengesetzten  ; 
elektrischen  Zustand,  als  in  den  ihm  natürlichen  versetzt  wird.  Bei  der  \ 
Synthese  kommen  dagegen  die  natürlichen  Kräfte  oder  Anziehungen  beider  w 
Principe  in  ein  gegenseitiges  Gleichgewicht.  Ist  ihre  Wirksamkeit  schwach,  \ 
in  den  niedrigen  Temperaturen,  so  geht  die  Verbindung  nur  langsam  vor  ; 
sich;  ist  ihre  Wirksamkeit  dagegen  durch  Wärme  erhöht,  so  erfolgt  eine 
schnelle  Vereinigung,  unter  Erzeugung  oder  Entwicklung  von  Feuer,  wie  * 
das  in  anderen  ähnlichen  Fällen  geschieht.  Ich  werde  sogleich  eine  Menge  * 
von  Umständen  angeben,  welche  die  Wirkungsart  der  alkalischen  Basen  ^ 
betreffen,  und  man  wird  finden,  dass  diese  aligemeinen  Folgerungen  durch 
sie  bestätigt  werden. 

„Sind  die  Basen  des  Kali  und  die  des  Natron  für  Metalle  zu  nehmen: 
Die  meisten  Chemiker,  denen  diese  Frage  vorgelegt  wurde,  antworteten  dar- 
auf mit  Ja.  Diese  Körper  haben  die  Undurchsichtigkeit,  den  Glanz  und  die 
Dehnbarkeit  der  Metalle,  sind  ebenso  gute  Wärmeleiter  und  elektrische  Leiter 
als  die  Metalle,  und  gleichen  ihnen  durch  ihre  grosse  Fähigkeit  zu  chemi- 
schen Verbindungen. 

„Ihr  sehr  geringes  specifisches  Gewicht  scheint  mir  kein  hinreichender 
Grund  zu  sein,  um  aus  ihnen  eine  eigene  Klasse  von  Körpern  zu  machen; 
denn  auch  unter  den  schon  bekannten  Metallen  herrscht  in  dieser  Hinsicht 
eine  grosse  Verschiedenheit.  Platin  ist  beinahe  4  mal  schwerer  als  das 
Tellurium. l 

„Bei  der  Klassifikation  der  Naturkörper  muss  immer  die  Ähnlichkeit  der 
meisten  Eigenschaften  der  Körper  entscheiden,  welche  man  in  eine  Klasse 
zusammen  stellt. 

„Namen  für  die  Basen  des  Kali  und  des  Natron,  welche  dieser  Ansicht 
entsprechen  sollten,  müssen  nach  Analogie  mit  den  anderen  Namen  der  neu 
entdeckten  Metalle  aus  dem  Latein  entlehnt  sein,  und  dieselbe  Endsilbe  als 
diese  erhalten.     Ich  wage  es,  die  Namen  Potassium  und  Sodium  in  Vor- 

1  Tellurium  hat  kaum  ein  6  mal  grösseres  spezifisches  Gewicht  als  die  Basis  des  Natron, 
und  es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  wir  Körper  finden  werden,  welche  eine  ähnliche  chemische 
Natur  als  die  Basen  des  Kali  und  des  Natron  haben,  und  deren  spezifisches  Gewicht  zwischen 
das  dieser  Basen  und  das  der  leichtesten  Metalle  fallt. 


Die  chemischen  Wirkungen  der  Volta'schen  Säule.  2  1 1 


dag  zu  bringen.  Sie  können  nie  zu  Irrthum  fuhren,  welche  Veränderung 
ch  künftig  die  Theorie  über  die  Zusammensetzung  der  Körper  erleiden 
ig,  denn  sie  bezeichnen  bloss  die  Metalle,  die  sich  aus  der  Potasche  und 
r  Soda  erhalten  lassen.  Ich  habe  mehrere  der  ausgezeichnetsten  Gelehrten 
ses  Landes  über  diese  Benennungen  zu  Rathe  gezogen,  und  die  meisten 
ben  denen,  welche  ich  angenommen  habe,  vor  allen  anderen  den  Vorzug. 
1  die  Alten  die  Verschiedenheit  der  beiden  Alkalien  nicht  kannten,  so 
irde  sich  im  Griechischen  vielleicht  wohl  ein  Name  für  die  Basis  des 
itrons  haben  finden  lassen,  aber  kein  ähnlicher  für  die  Basis  des  Kali.  Die 
is  der  Theorie  entlehnten  Namen  können  nicht  sorgfältig  genug  vermieden 
erden,  da  die  elektrisch -chemischen  Erscheinungen,  deren  wir  täglich 
lehrere  finden,  es  sehr  klar  vor  Augen  stellen,  dass  die  Zeit  noch  weit 
itfernt  ist,  wenn  sich  die  chemischen  Thatsachen  vollständig  werden  ver- 
Ugemeinern  lassen.  Zwar  habe  ich  bei  Erklärung  der  Resultate  der  hier 
etaillirten  Versuche  durchgehends  die  antiphlogistische  Hypothese  ange- 
kommen; doch  hat  daran  das  Gefühl  der  Schönheit  und  Präcision  derselben 
nehr  Theil,  als  die  Überzeugung  von  ihrer  unveränderlichen  Dauer  und 
hrer  Wahrheit.  Durch  die  Entdeckungen,  welche  man  über  die  Wirkungen 
Jer  Gasarten  gemacht  hat,  ist  Stahl's  Hypothese  gestürzt  worden.  Sehr 
eicht  könnte  eine  genauere  Kenntniss  der  ätherischen  Substanzen  und  ihrer 
Wirkungen  der  scharfsinnigen  und  um  vieles  verfeinerten  Theorie  Lavoisier's 
dn  ähnliches  Schicksal  bereiten.  Bei  dem  jetzigen  Zustande  unserer  Kenntnisse 
scheint  diese  Theorie  allerdings  die  beste  unter  allen  Annäherungen  zu  einer 
vollkommenen  chemischen  Logik  zu  sein. 

„Welche  Veränderungen  indess  auch  der  Theorie  bevorstehen  mögen, 
so  haben  wir,  dünkt  mich,  doch  allen  Grund,  zu  glauben,  dass  die  metallischen 
Hasen  der  Alkalien  und  die  gewöhnlichen  Metalle  in  derselben  Klasse  von 
Körpern  bleiben  werden,  und  bis  jetzt  haben  wir  nicht  einen  einzigen  guten 
Grund,  die  Individuen  dieser  Klasse  für  zusammengesetzte  Körper  zu  halten.1 

„Man  fuhrt  Versuche  an,  aus  denen  erhellen  soll,  dass  die  Alkalien,  die 
Metalloxvde  und  die  Erden  sich  aus  blosser  Luft  und  blossem  Wasser  bilden 
können :  alle  diese  Versuche  sind  indessen  bisher  noch  immer  auf  eine  wenig 
beweisende  Art  angestellt  worden.  Das  Wasser  kann  auf  eben  die  Art, 
wie    ich    es   in    der   vorjährigen  Baker- Vorlesung  zu   zeigen   gesucht   habe, 


1  Es  würde  sich  unstreitig  eine  chemische  Theorie  vertheidigen  lassen,  welche  annähme, 
Ga->>  die  Metalle  aus  unbekannten  Basen  und  aus  der  im  Wasserstoff'  befindlichen  Materie  be- 
*fc-hen.  und  dass  Metalloxyde,  Alkalien  und  Säuren  Zusammensetzungen  solcher  Basen  mit 
Wasser  sind.  In  dieser  Theorie  würde  man  aber  mehr  unbekannte  Principe  als  in  der  allge- 
mein herrschenden  annehmen  müssen,  und  sie  würde  minder  klar  und  minder  elegant  sein.  Als 
ich  bei  meinen  ersten  Versuchen  über  die  Destillation  der  Basis  des  Kali  stets  Wasserstoff  sich 
•mtwickeln  fand,  wurde  ich  veranlasst,  die  phlogistische  Hypothese  mit  den  neuen  Thatsachen 
zu  vergleichen,  und  ich  fand,  dass  sie  sich  ihnen  ohne  Schwierigkeit  anpassen  Hess.  Genauere 
Untersuchungen  bewiesen  mir  indess  in  der  Folge,  dass  in  den  Fällen,  in  welchen  ein  brenn- 
bares Gas  erscheint,  etwas  Wasser  oder  ein  anderer  Körper,  in  welchem  man  Wasserstoff  an- 
nimmt, gegenwärtig  war. 

14* 


212  Siebentes  Kapitel. 


mit  salzigen  oder  mit  metallischen  Substanzen  geschwängert  sein,  und  in  der 
Luft  schweben  fast  immer  feste  Substanzen  aller  Art,  die  ihr  gänzlich  fremd 
sind,  umher.  Es  ist  leicht  zu  übersehen,  dass  bei  den  gewöhnlichen  Pro- 
cessen der  Natur  alle  Produkte  lebender  Wesen  von  den  bekannten  Verbin- 
dungen der  Materie  ausgehen  können.  Die  Zusammensetzungen  des  Eisens, 
der  Alkalien  und  der  Erden  mit  den  mineralischen  Säuren  sind  gewöhnlich 
in  Menge  in  der  vegetabilischen  Erde  vorhanden.  Durch  die  Zersetzung 
basaltischer,  porphyrartiger  und  granitartiger  Gebirgsarten  wird  immerfort  die 
Oberfläche  des  Bodens  mit  erdigen,  alkalischen  und  eisenschüssigen  Theilchen 
versehen.  In  allen  Pflanzensäften,  welche  untersucht  sind,  hat  man  salzartige 
Verbindungen  gefunden,  welche  Kali  oder  Natron  und  Eisen  enthielten. 
Diese  Grundstoffe  können  aus  den  Pflanzen  in  die  Thiere  übergehen.  Es 
scheint,  dass  die  chemische  Wirkung  der  Organisation  viel  mehr  darauf 
geht,  die  Substanzen  zu  Verbindungen  zusammengesetzterer  Natur  und  mannig- 
facherer Art  mit  sich  zu  vereinigen,  als  sie  auf  ihre  einfachsten  Elemente 
zurückzufuhren." 

Das  Aufsehen,  welches  Davy's  Entdeckung  machte,  war  ausserordent- 
lich gross.  In  den  wissenschaftlichen  Zeitschriften  jener  Jahre  findet  man 
fast  nichts  als  Berichte  über  die  mehr  oder  minder  gelungene  Wiederholung 
der  Versuche  über  die  Darstellung  der  Alkalimetalle;  es  war  ein  mindestens 
ebenso  lebhaftes  Interesse  für  diese  Dinge  da,  wie  seinerzeit  bei  der  Ent- 
deckung der  VoLTA'schen  Säule.  Nur  in  einer  Beziehung  besteht  ein  auf- 
fallender Gegensatz  zwischen  beiden  wissenschaftlichen  Ereignissen.  Während 
Volta's  Säule  neben  vielen  gleichgültigen  eine  ganz  erhebliche  Reihe  von 
wesentlichen  Erweiterungen  der  Wissenschaft  durch  die  Arbeit  der  allerorten 
auftretenden  Mitarbeiter  gebracht  hatte,  ist  keine  solche  Wirkung  von  Davy's 
Entdeckung  wahrzunehmen.  Mit  Ausnahme  vielleicht  der  durch  sie  an- 
geregten erfolgreichen  Versuche,  die  Alkalimetalle  auch  auf  rein  chemischem 
Wege  herzustellen,  lässt  sich  keine  irgend  erheblichere  Entdeckung  nennen, 
zu  der  Davy's  Arbeit  Veranlassung  gegeben  hätte.  Vielmehr  macht  es  den 
Eindruck,  als  sei  mit  diesem  glänzenden  Schlusseffekt  der  erste  Act  des 
elektrochemischen  Dramas  zu  Ende,  und  erst  nach  einer  ziemlich  langen 
Ruhepause  treten  neue  Personen  auf,  die  neues  zu  sagen  haben. 


Fig.  63.     Galvanische  Scene  nach  Sfreni 


Achtes  Kapitel. 
Galvanische  Phantasieen. 


1.  Allgemeines.  Für  den  geschichtlichen  Entwicklungsgang  einer 
wissenschaftlichen  Frage  ist  es  nicht  nur  von  Bedeutung,  die  Arbeiten  kennen 
zu  lernen,  aus  denen  sich  der  dauernde  Bau  der  Wissenschaft  zusammen- 
setzt, sondern  es  wird  auch  nicht  unlohnend  sein,  auf  diejenigen  Dinge 
einen  Blick  zu  werfen,  die,  von  den  Arbeitern  mit  gleichem  Eifer,  wie  die 
guten  Bausteine  herangetragen,  sich  später  als  unhaltbares  und  unzuverlässiges 
Material  erwiesen  haben.  Denn  die  gleichen  Ursachen,  welche  jene  Miss- 
griffe veranlasst  haben,  sind  immerfort  thätig,  und  ihre  Kenntn'iss  kann  ge- 
legentlich dazu  führen,  jene  Missgriffe  zu  vermeiden,  wenn  es  sich  um  Dinge 
handelt,  über  welche  die  Geschichte  noch  nicht  ihr  endgültiges  Urtheil  ge- 
sprochen hat 

Die  Geschichte  der  ersten  Zeiten  des  Galvanismus  ist  besonders  reich 
an  solchen  Fehlversuchen,  denn  die  Gelegenheit  zu  Irrthümern  war  besonders 
günstig.  Die  völlig  unerwartete  Beschaffenheit  jener  neuen  Thatsachen  Hess 
jeden  mit  der  Erwartung  an  die  Beobachtungen  herantreten,  dass  das  Un- 
glaublichste möglich  sei,  und  hatte  sich  durch  irgend  eine  unvollkommen 
oder  falsch  gesehene  Erscheinung  erst  eine  bestimmte  Vorstellung  festgesetzt, 


214  Achtes  Kapitel. 


so    begann    die    Autosuggestion    ihre    charakteristischen    und    unheilvollen 
Wirkungen  zu  üben.     Es  ist  zuweilen  völlig  unglaublich,  wie  weit  die  Ur- 
theilstäuschung  unter  derartigen  Umständen  gehen  kann.   Wir  haben  einzelne  } 
Beispiele  davon,  insbesondere  bei  Ritter  (vgl.  S.  161)  bereits  beobachtet;  hier 
seien  einige  weitere  charakteristische  Fälle  zusammengestellt 

2.  Der  Weltgalvanismus.  Als  Beispiel  für  die  hoffnungsvolle  Stim- 
mung, in  welche  die  Entdeckungen  Volta's  die  wissenschaftliche  Welt  ver- 
setzt hatten,  seien  hier  zunächst  die  Auslassungen  des  Bremer  Arztes  und 
Professors  Treviranus  angeführt,  welche  dieser  dem  Herausgeber  der  An- 
nalen,  Gilbert,  in  einem  Briefe  mitgetheilt  hat  *,  und  die  von  diesem  neben 
anderen  wissenschaftlichen  Nachrichten  ohne  einschränkende  Bemerkung  mit- 
getheilt wurden. 

Nach  einigen  Erörterungen  über  die  Frage,  ob  die  galvanische  Action 
auch  ohne  unmittelbare  Berührung  der  Excitatoren  durch  eine  Wirkung  in 
die  Ferne  erregt  werden  kann,  und  ob  sie  einen  Einfluss  auf  die  Inclination 
oder  Declination  der  Magnetnadel  hat,  giebt  er  als  Begründung  für  sein  In- 
teresse an  diesen  Fragen  folgende  Auseinandersetzung: 

. .  .  „Sollte  nämlich  zwischen  der  Erde  und  dem  Monde  nicht  ein  be- 
ständiger galvanischer  Prozess  stattfinden,  der  durch  den  Einfluss  der  Sonne 
modificirt  wird,  und  sollte  dieser  nicht  den  Grund  aller  meteorologischen 
Veränderungen  enthalten? 

„Was  mir  diese  Vermuthung  wahrscheinlich  macht,  ist  zuvörderst  dies, 
dass  sich  die  Hauptbedingung  des  Galvanismus  bei  der  Erde  und  dem  Monde 
wiederfindet.  Diese  Bedingung  ist  die  Einwirkung  zweier  unoxydirter  Körper 
von  einem  verschiedenen  Grade  der  Oxydationsfähigkeit  auf  einander  und 
auf  eine  oxydirte  Flüssigkeit.  Die  Erde  nun  besteht  theils  aus  unoxydirten 
Körpern  von  sehr  verschiedener  Verwandtschaft  zum  Sauerstoff,  theils  aus 
oxydirten  Flüssigkeiten,  und  der  Mond  besitzt  eine  ganz  andere  Affinität 
zum  Oxygen,  als  die  Erde,  wie  der  Mangel  an  Wasser  auf  seiner  Ober- 
fläche und  das  vom  Refractionsvermögen  unserer  Atmosphäre  so  ganz  ver- 
schiedene der  seinigen  beweist.  So  weit  also  hätte  meine  Vermuthung 
einiges  für  sich 

.  .  .  „Bestätigte  es  sich  übrigens,  so  hätten  wir  damit  eine  Ursache, 
welche  alle  Erfordernisse  zur  Erklärung  der  meteorologischen  Erscheinungen 
in  sich  vereinigte.  Wir  bedürfen  nämlich  zu  dieser  Erklärung  eines  Agens, 
welches  die  Oxydations-  und  Desoxydationsprozesse  der  Erde  beständig  zu 
unterhalten  und  zugleich  die  Erregbarkeit  der  Thiere  und  Pflanzen  mächtig 
zu  verändern  im  Stande  ist.  Weder  die  Attraction  der  himmlischen  Körper, 
noch  der  Einfluss  der  Sonnenstrahlen  kann  aber  dies  Agens  sein.  Nicht 
einmal  die  tägliche  Ebbe  und  Fluth  der  Atmosphäre  lässt  sich  aus  ihnen 
befriedigend  erklären,  und  noch  viel  weniger  reichen  sie  hin,  um  einen 
Grund  von  den  regelmässigen  Exacerbationen  und  Remissionen  der  Fieber, 


\r. 


i'j 


1  Gilbert's  Ann.  8,   129.  1801. 


Galvanische  Phantasieen. 


215 


sowie  von  der  Entstehung  der  epidemischen  Krankheiten  anzugeben.  Hin- 
gegen vereinigt  der  Galvanismus  alle  zu  jenem  Agens  erforderlichen  Eigen- 
schaften,   Vielleicht  sind  die  beiden  Pole  der  Erde  das,  was  die  äusserste 

Zink-  und  Silberplatte  bei  der  Volt  Ansehen  Säule  sind;  der  Mond  setzt  die 
beiden  äussersten  Kettenglieder  mit  einander  in  Verbindung  und  die  Sonne 
bringt  durch  ihre  Einwirkung  auf  diese  Kette  die  nöthigen  Abwechselungen 
in  derselben  hervor." 

3.  Die  elektrische  Säure.  Eine  der  frühesten  derartigen  Leistungen 
war  ferner  eine  von  L.  Brugnatelu  aufgestellte  Theorie  der  Erscheinungen 
der  VoLTA'schen  Säule.1  Es  ist  dies  derselbe  Brugnatelli,  in  dessen  Zeit- 
schrift die  Arbeiten  Volta's  zuerst  zu  erscheinen  pflegten  (S.  48  u.  ff.). 
Brugnatelli  schreibt: 

„Das  Resultat  mehrerer  Arbeiten,  die  ich  vor  kurzem  über  diesen 
Gegenstand  unternommen  habe,  bestimmte  mich,  anzunehmen,  das  elek- 
trische Fluidum  sei  von  allen  übrigen,  bis  jetzt  bekannten,  spezifisch  ver- 
schieden, und  bilde  eine  eigentümliche  Säure,  die  ich  nach  meiner  Nomen- 
clatur  Ossielettrico,  elektrische  Säure,  nenne.  Diese  hat  folgende  Eigen- 
schaften. 

„Die  elektrische  Säure  ist  eine  Flüssigkeit,  die  an  unendlicher  Feinheit 
dem  Wärmestoffe  und  dem  Lichtstoffe  gleichkommt.  Sie  ist  expansiv,  hat 
einen  eigentümlichen  unangenehmen  Geruch,  der  sich  dem  des  Phosphors 
nähert,  und  einen  sauren,  stechenden  Geschmack;  sie  reizt  und  entzündet 
die  Haut;  die  Entzündung  kann  sehr  leicht  durch  Anwendung  einer  ver- 
dünnten Auflösung  von  Ammoniak  gehoben  werden.  .  .  .  Sie  röthet  die  blaue 
Lackmustinctur,  doch  nimmt  nach  zerstreuter  Elektricität  die  Flüssigkeit  ihre 
vorige  blaue  Farbe  wieder  an.  Sie  dringt  in  die  Metalle  mit  mehr  oder 
weniger  Leichtigkeit,  je  nach  ihrer  verschiedenen  Natur.  Wenn  die  elek- 
trische Säure  in  strömende  Bewegung  gesetzt  wird,  so  löst  sie  die  Metalle 
auf,  wie  das  Wasser  ein  Salz  auflöst,  und  hat  dabei  die  Eigenschaft,  die  auf- 
gelösten Metalle  in  sehr  grosse  Entfernungen  mit  sich  fortzuführen,  und 
zwar  durch  die  Substanz  mehrerer  Körper  hindurch.  Die  elektrische  Säure 
ist  in  Wasser  auflösbar;  in  einer  solchen  Auflösung  oxydiren  sich  die  meisten 
Metalle  auf  Kosten  des  Wassers,  welches  in  diesen  Fällen  unter  Erzeugung 
von  Wasserstoffgas  zersetzt  wird.  Die  erzeugten  Metalloxyde  verbinden  sich 
aber,  meinen  Versuchen  gemäss,  mit  der  elektrischen  Säure,  und  bilden  die 
elektrischsauren  Metalle.  Das  elektrischsaure  Kupfer  hat  eine  schöne  grüne 
Farbe  und  ist  durchscheinend;  das  elektrischsaure  Zink  ist  dunkelgrau;  das 
elektrischsaure  Silber  ist  weiss  und  durchscheinend;  das  elektrischsaure  Eisen 
ist  gelbroth  und  opak.  Die  elektrischsauren  Metalle  sind  in  Wasser  unauf- 
löslich und  ihre  auffallende  Eigenschaft  ist  die,  dass  sie  von  der  elektrischen 
Säure  durch  Wasser  hindurch  zu  ansehnlichen  Entfernungen  fortgerissen 
werden,   und    dass   sie   sich  dann  auf  dargebotene  Metalle   in   Gestalt  saiz- 

1  Brugnatelli,  Annali  di  Chimica  18,  136.  1800.  Daraus  in  Gilbert's  Ann.  8,  284.  1801. 


2l6 


Achtes  Kapitel. 


artiger  Krusten  niederschlagen,   die  bald  irreguläre  Anhäufungen,  bald  auf- 
fallend regelmässige  Krystallisationen  bilden." 

Heute  muthet  uns  diese  Art,  sich  von  den  Erscheinungen  der  Volta'- 
schen  Säule  Rechenschaft  zu  geben,  allerdings  ziemlich  seltsam  an;  doch 
haben  wir  noch  keineswegs  so  vollständig  mit  derartigen  Anschauungen  ge- 
brochen, wie  man  beim  ersten  Blick  glauben  möchte.  Oder  ist  unsere 
heutige  Äthertheorie  so  wesentlich  verschieden  von  der  Brugnatelli's?  Zwar 
pflegen  wir  in  unbewusster  Verschämtheit  den  Äther  nicht  eine  sehr  feine 
Flüssigkeit  zu  nennen,  sondern  wir  bezeichnen  ihn  als  ein  „Fluidum"  von 
sehr  geringer  Masse;  ich  kann  aber  nicht  finden,  dass  man  damit  etwas 
anderes  sagt. 

Volta  hat  übrigens  an  den  Vorstellungen  Brugnatelli's  keinen  Theil; 
er  lehnt  unbedingt  jede  Gemeinschaft  mit  diesen  „Träumen"  ab. x  Dagegen 
ist  eine  ganz  ähnliche  „Theorie"  zu  derselben  Zeit  von  Robertson  in  Paris2 
aufgestellt  worden,  welche  ebenfalls  darauf  hinauskommt,  dass  die  Elektricität 
eine  Säure  ist.  In  seiner  Geschichte  des  Galvanismus  berichtet  Site3:  „Als 
neulich  Brugnatelli  mit  Volta  nach  Paris  kam,  war  er  sehr  erstaunt,  in  den 
Annales  de  Chimie  eine  Anschauung  von  Robertson  dargestellt  zu  finden, 
die  der  seinigen  völlig  ähnlich  war,  ohne  dass  sie  unter  einander  irgend 
welchen  Verkehr  oder  Briefwechsel  bezüglich  des  Galvanismus  gehabt  hätten. 

4.  Galvanomagnetische  Hoffnungen.  Ein  anderer  Gegenstand,  an 
den  sich  unzählige  Spekulationen  geknüpft  haben,  ist  die  Beziehung  zwischen 
der  Elektricität  und  dem  Magnetismus.  Die  charakteristische  Eigentümlich- 
keit der  Polarität,  welche  beiden  eigen  ist,  und  die  Gleichheit  der  Gesetze 
ihrer  Fernewirkung,  welche  durch  Coulomb's  Forschungen  im  Jahre  1785 
erwiesen  wurde,  legten  den  Gedanken  eines  engen  Zusammenhanges  beider 
sehr  nahe.  So  ist  es  ganz  natürlich,  dass  man  die  erwartete  Analogie  auch 
bei  den  galvanischen  Erscheinungen  suchte.  Zunächst  durch  v.  Arnim  4  als 
gelegentliche  Vermuthung  ausgesprochen,  wurde  eine  solche  Wirkung  von 
M.  A.  F.  Lüdicke6,  allerdings  zunächst  noch  mit  einiger  Vorsicht,  als  that- 
sächlich  behauptet.  Lüdicke  hatte  eine  Batterie  aus  50  Magnetstäben  gebaut, 
„die  so  aneinander  gelegt  waren,  dass  die  ungleichnamigen  (oder  freund- 
schaftlichen) Pole  je  zweier  nächster  Stäbe  einander  zugekehrt,  jedoch  durch 
ein  mit  Salzwasser  getränktes  Pappstückchen,  an  das  die  beiden  Pole  an- 
legen, getrennt  waren."  Von  den  Enden  dieser  Batterie  wurden  Eisendrähte 
in  ein  Glas  mit  Wasser  geleitet,  welches  längere  Zeit  im  Zimmer  gestanden 
hatte.  „Abends  um  7  Uhr  wurde  das  Wasserglas  in  die  Batterie  gebracht; 
1/4  auf  8  Uhr  war  das  Glas  noch  ganz  rein;  erst  um  8  Uhr  sah  ich  auf  der 
Glasröhre  des  Nordpols  8  sehr  kleine  Blasen  liegen;  auf  der  Glasröhre  des 
Südpols  .  .  .  konnte  ich  keine  einzige  Blase  bemerken. 

„Um   10  Uhr  befanden  sich  auf  dem  Nordpol  12  Blasen  und  auf  dem 


2  Gii.bert's  Ann.  14,  264.   1803. 

3  Hist.  du  galvanisme,  1,  305.   1802. 
8  GiLBERT's  Ann.  9,  375.   180I. 


8  Ann.  d.  chimie  37,   132;  an  8.  (1800). 
4  Gii.bert's  Ann.  8,  108.  1801. 


Galvanische  Phantasieen.  217 

Südpol  nur  2  kleine  Blasen Hieraus  erhellet  die  grössere  Wirksamkeit 

des  Nordpols." 

Spätere  Versuche 1  haben  Lüdicke  indessen  überzeugt,  dass  jene  Er- 
scheinungen zufälliger  Natur  waren,  und  er  hat  in  ganz  anerkennenswerther 
Weise  seinen  Irrthum  selbst  berichtigt. 

Weniger  unbedenklich  verlief  ein  ähnlicher  Gedanke  bei  J.  W.  Ritter. 
Es  ist  schon  S.  180  erwähnt  worden,  dass  er,  durch  die  dauernden  Ladungs- 
erscheinungen an  Platindrähten  verführt,  eine  nahezu  vollständige  Identität 
zwischen  Elektricität  und  Magnetismus  annahm,  und  insbesondere  behauptete, 
dass  eine  aus  Zink  und  Kupfer  zusammengesetzte  Nadel  sich  wie  eine  Magnet- 
nadel verhielte.  Hier  übernahm  Erman2  die  Zurechtstellung  und  führte  sie 
in  einer  Weise  durch,  die  für  Ritter's  wissenschaftlichen  Kredit  bei  den 
exakten  Forschern  so  gut  wie  völlig  vernichtend  wirken  musste. 

5.  Galvanische  Kuren.  Eine  galvanische  Phantasie  von  nicht  un- 
bedenklicher Beschaffenheit  war  die  medizinische  Anwendung  des  Galvanis- 
mus.  Schon  Galvani  selbst  hatte  in  dieser  ihm  naheliegenden  Richtung 
Yermuthungen  geäussert  und  Hypothesen  aufgestellt  (S.  38);  mit  der  Er- 
findung der  VoLTA'schen  Säule  trat  für  solche  Versuche  eine  neue  Anregung 
ein,  wobei  ihr  grosser  Einfluss  bei  Störungen  der  Innervation  bald  richtig 
erkannt  wurde.  Daneben  gingen  aber  andere,  weniger  berechtigte  Bestrebungen, 
unter  denen  die  auffälligsten  die  Versuche  zur  Heilung  von  Taubstummen  sind. 
Die  erste  Nachricht,  welche  ich  über  derartige  Versuche  finde,  ist  ein  Brief 
vom  Prof.  Ebeling  in  Hambung  an  den  Prof.  Klügel  in  Halle  vom  22.  De- 
zember 1801.3  „Ich  mache  jetzt  Versuche  mit  dem  Galvanismus  für  mein 
Gehör.  Die  in  Eutin  an  Vossens  sehr  harthörigem  Sohne,  an  einem 
20jährigen  Taubstummen,  an  einem  17  jährigen,  seit  dem  vierten  Jahre 
tauben  Mädchen,  an  einem  anderen  erwachsenen,  sehr  harthörigen,  sind  in 

14  Tagen    fast    entscheidend   gewesen;  alle  hören In  Glückstadt  und 

Jever  sind  zwei  Taubstumme  (der  letztere  in  einer  halben  Stunde)  hörend 
geworden.  Mein  schwerhöriger  Bruder  ....  legte  nur  zwei  verbundene 
Platten  auf  das  hautentblösste  Fleisch  hinter  den  Ohren;  dies  wirkte,  wie  das 
stärkste  Zugpflaster,  und  so  lange  es  anlag,  hörte  er  scharf." 

Die  eigenen  Erfahrungen  des  Prof.  Ebeling  waren  allerdings  nicht  ganz 
so  günstig;  nach  drei  Wochen  Gebrauches  hatte  er  die  Wirkung,  „dass  ich, 
was  man  mir  deutlich  ins  bessere  Ohr  sagt,  verstehen  kann,  und  das 
schlimmere  hört  jetzt  deutlich  durch  das  Hörrohr.  Beides  war  sonst  nicht." 
In  einem  Briefe  vom  Prof.  C.  H.  Wolke  an  Gilbert4  erfahren  wir  von 
dem  eigentlichen  Erfinder  des  Verfahrens,  Taubstumme  durch  die  VoLTA'sche 
Säule  zu  heilen,  oder  der  Ars  voltacustica,  wie  sie  der  Schreiber  zu  nennen 
vorschlägt:  es  ist  ein  Apotheker,  namens  Sprenger  zu  Jever.  „Es  kommen 
aus  der  Nähe   und   der  Ferne,  aus  Ostfriesland,   dem  Herzogthume  Olden- 

1  Gilbert's  Ann.  U,   114.   1802.  *  Ebenda  26,  21.   1807. 

3  Ebenda  10,  379.   1802.  4  Ebenda  10,  380.   1802. 


2i8  Achtes  Kapitel. 


bürg  u.  s.  w.   immer  mehr  Taubstumme  und   Harthörige  hierher;   ersteren 

wird  fast  ohne  Ausnahme,  von  den  letzteren  aber  nur  einigen,  geholfen ?ü 

Gestern  Morgen  um  zehn  Uhr  wurden  die  Kinder  des  Hrn.  Siegert  aus  in 
Bremervörde  ....  etwa  4  Minuten  lang  galvanisirt;  eine  Stunde  hernach  ri 
zum  zweiten  Male  ebenso  lange;  und  als  durch  eine  Wunder-  oder  Zauber-  »2 
kraft  zeigte  sich  schon  die  wohlthätige  Wirkung  des  Galvanismus.  Alle  drei  »: 
hörten  dumpfe  Töne,  nämlich  Schläge,  die  man  hinter  ihrem  Rücken  auf  I.-. 
eine  Schachtel  that,  und  deren  verschiedene  Anzahl  sie  mit  den  Fingern  r. 
bemerkten.  Der  Vater  zitterte  und  weinte  dabei  vor  Freude;  eine  äusserst  * 
rührende  Scene  für  Hrn.  Sprenger,  für  mich  und  jedes  fühlende  Herz!  > 
Bloss  bei  der  Rückerinnerung   rollen    mir  wieder   Freudenthränen   aus   den  r, 

Augen Die   Fähigkeit    zu    hören  zeigt  sich   ....  immer   deutlicher.   :. 

Aber  die  taub  gewesenen  haben  bis  jetzt  noch   nicht  das  Vergnügen,  die  ^ 

menschliche  Stimme  zu  hören Dieses  ist  erst  nach  einigen  Tagen  zu  : 

erwarten." 

Bald  nach  diesen  Mittheilungen  brachten  die  Annalen  eine  Darstellung  * 
dieser  Versuche  aus  der  Feder  ihres  Urhebers,  Joh.  Just.  Ant.  Sprenger,1  ^ 
der  die  Entstehungsgeschichte  seiner  Kuren  folgendermaassen  erzählt: 

„Im  Anfange  des  Novembers  1801  verkündeten  die  Zeitungen,  dass  ., 
durch  die  Anwendung  der  VoLTA'schen  Säule  das  Gehör  eines  Tauben  her-  . 
gestellt  worden  sei.  Ein  hiesiger  Einwohner,  Vater  eines  taubstummen 
Jünglings,  welcher  wusste,  dass  ich  eine  VoLTA'sche  Säule  besass,  und 
manche  Versuche  damit  angestellt  hatte,  .  .  .  bat  mich  inständig,  doch  an 
seinem  unglücklichen  Sohne  zu  versuchen,  ob  nicht  auch  dessen  Taubheit 
abgeholfen  werden  könnte. 

„Ich  wagte  mein  eigenes  Gehör  zuerst  daran,  und  Hess  den  Strom  einer 
VoLTA'schen  Säule,  die  aus  70  Doppelplatten  bestand,  so  lange,  als  ich  es 
aushalten  konnte,  durch  beide  Ohren  gehen,  und  schloss,  dass  das,  was 
mir  keinen  unleidlichen  Schmerz  und  keinen  Schaden  brachte,  als  Mittel 
angewendet  werden  dürfte,  einen  Taubgeborenen  mit  dem  Gehör  zu  be- 
glücken. Ich  versuchte  mein  Mittel,  und  es  gelang.  In  14  Tagen,  vom 
15.  November  vor.  J.  an,  ward  dem  Stocktauben  das  Gehör  hergestellt" 

Sprenger  geht  nun  dazu  über,  die  Art  der  Anwendung  der  Elekricität 
für  seinen  Zweck  zu  beschreiben.  Die  Einzelheiten  haben  hier  kein  Inter- 
esse; man  übersieht  sie  auf  der  von  ihm  herrührenden  Zeichnung  (Fig.  63). 

„Die  galvanische  Scene.  Die  Figur  stellt  rechter  Hand  meinen  gal- 
vanisch-elektrischen Apparat  und  eine  Dame  dar,  auf  deren  Gehörorgan 
damit  gewirkt  wird.  Der  Elektrisirende  hält  den  Mittheiler  bei  dem  gläsernen 
Griffe,  und  fuhrt  das  mit  Kochsalzwasser  benetzte  Knöpfchen  inwendig  an 
den  Tragus.  Links  stehen  zwei  Kinder,  der  Knabe  sucht  durch  Pantomimen 
dem  Mädchen  verständlich  zu  machen,  dass  der  Dame  das  Ohr  elektrisirt 
(galvanisirt  1  wird,  und  mit  ihm  bald  ein  gleiches  vorgenommen  werden  soll 


t( 


1  Gillert's  Ann.  11,  354.  1802. 


Galvanische  Phantasieen. 


219 


Ähnlich  günstige  Ergebnisse,  wie  die  vorstehenden,  berichtet  Dr.  Joh.  Erd- 
iann  aus  Wien l  und  Heinr.  Einhof  aus  Zelle a;  auch  verfehlt  Sprenger 
icht,  mitzutheilen,  dass  er  von  seiner  Fürstin  für  seine  Kuren  mit  einem 
reldgeschenk  und  dem  Range  eines  Commissionsrathes  bedacht  worden  sei, 
loch  treten  schon  um  diese  Zeit  Nachrichten  auf,  nach  denen  andere  Ärzte 
lie  erwarteten  Folgen  nicht  haben  beobachten  können.3 

Auch  Volta  brachte  diesen  Nachrichten  Glauben  entgegen;  in  einem 
Jriefe  an  Brugnatelli*  schreibt  er: 

„Es   giebt  so  viele  ins  einzelne  gehende  Berichte   von   Taubstummen, 
lenen   das  Gehör  durch  Anwendung  meines   elektromotorischen  Apparates 
gegeben    ist,   besonders   zu  Jever  (Stadt  in  Westphalen  und  Hauptstadt  von 
Jeverland,    das   dem  Zar  von   Moskau    unterthan  ist)    durch    die  Bemühung 
und  vermittelst  der  hierdurch  erdachten  Methode  eines  gewissen  Sprenger, 
dass  sie   auch  den  Ungläubigsten  darzuthun  genügen,  dass  die  Sache  nicht 
zu  verachten  ist,  sondern  eine  nähere  Prüfung  verdient.   Ich  habe  mich  nun 
zu  einer   Prüfung  angeschickt   und   will   nachsehen,    ob   man  mehr  Zweifel 
oder  Hoffnung  hegen  soll;  ich  wende  seit  1 5  Tagen  eine  der  SpRENGER'schen 
ahnliche  Methode  bei  einem  von  Geburt,  seit  etwa  15  Jahren,  taubstummen 
Mädchen  an,  die  sich  in  Como  in  einem  Mädchenarmenhause  befindet.   Ich 
kann  nicht  behaupten,  dass  ich  vorläufig  einen  grossen  Erfolg  gehabt  habe; 
aber  ich  will  nicht  verschweigen,  dass  die  Kranke  den  Gehörsinn  in  dem 
Maasse    erworben   hat,   dass   sie   verschiedene   auch  nicht  besonders  starke 
Laute  aus  der  Entfernung  von  einigen  Fuss  wahrnehmen  kann.   Man  merkte, 
dass  sie   am  Anfang   des  dritten  Tages  etwas  zu    hören  begann,  d.  h.  nach 
der  achten  oder  neunten  Operation,  deren  jede  an  jedem  Ohr  zehn  Minuten 
dauerte,    indem    man    die  Erschütterungen    alle    zwei  Minuten   folgen   Hess. 
Während    aller   darauffolgenden  Tage  beobachtete   man   Fortschritte,   wenn 
auch  geringe.    Eigentümlich  ist  es,  dass  sie  dumpfe  und  tiefe  Töne  besser 
hört  und  zuerst  solche  hören  konnte,  wie  das  Schlagen  auf  eine  leere  Holz- 
schachtel, oder  das  Zusammenschlagen  der  Hände  (etwas  das  auch  bei  den 
in  Jever    gemachten    Versuchen  beobachtet  und  in  ihrer  Beschreibung  er- 
wähnt worden  ist),  seit  einigen  Tagen  hört  sie  auch  andere  Töne,  die  ver- 
schiedener Musikinstrumente,  eines  Glöckchens  u.  s.  w.  und  die  menschliche 
Stimme,  aber,  wie  es  scheint,  sehr  undeutlich,  indem  sie  oft  einen  Ton  mit 
dem   andern   vermischt.     Ich  werde  fortan  weitere   15  Tage  hindurch  beide 
Ohren  nach  derselben  Methode  elektrisiren ;   ich  berühre  dabei  abwechselnd 
mit  dem  Ende  eines  Metalldrahtes,  das  die  Gestalt  einer  Kugel  hat  und  mit 
dem  positiven  Pol  des  Apparates  in  Verbindung  steht,  eine  Minute  hindurch 
den  Tragus,   zwei  Minuten  lang  den   äusseren  Gehörgang  und  eine  weitere 
Minute  lang  den  hinteren  Theil  des   Ohrs  um  den  Processus  gastrocnemius 
und  sorge  für  häufige  Erschütterungen,  indem  ich  jede   zweite  Minute  den 

1  Gilbert's  Ann.  12,  314.  1802.  *  Ebenda  12,  230.   180:. 

3  IntelJ.  Bl.  der  Allg.  Litter.  Ztg.   1802,  Nr.  201. 

4  Annali  di  Chimica  del  Prof.  Brugnatelm,  21,   100.   1802. 


220  Achtes  Kapitel. 


anderen  negativen  Pol  vermittelst  einer  von  der  feuchten  linken  Hand  (wenn 
man  am  rechten  Ohr  arbeitet,  sonst  umgekehrt)  gehaltenen  metallenen  Feder- 
spule berühren  lasse;  dies  geschieht  wenigstens  viermal  den  Tag.  Ich  werde, 
wie  gesagt,  den  Versuch  über  einen  Monat  ausdehnen,  welches  die  längste 
von  Sprenger  zur  Heilung  der  Schwerhörigsten  gebrauchte  Zeit  ist,  ich 
zweifele  aber  stark  daran,  dass  ich  den  glücklichen  Erfolg  haben  werde,  den 
er  nach  den  Berichten  in  mehr  als  vierzig  und  andere  auch  in  verschiedenen 
Fällen  gehabt  haben.  Ich  zweifele,  dass  meine  Patientin  zur  guten  Unter- 
scheidung articulirter  Laute  zu  gelangen  vermag 

„Ich  habe,  wie  gesagt,  nicht  viel  Hoffnung  auf  vollständige  Heilung  des 
tauben  Mädchens,  das  mir  jetzt  als  Versuchsobject  dient.  Ich  hoffe  aber 
viel  mehr  von  einem  anderen  Taubstummen,  der  nur  wenige  starke  Töne 
wahrnimmt,  und  an  dem  ich  in  Kurzem  Versuche  anstellen  werde." 

Sehr  bald  traten  indessen  ungünstige  Urtheile  auf  und  vermehrten  sich; 
so  schrieb  Westrumb  *  von  Versuchen ,  die  Hr.  Basse  während  zweier  Jahre 
angestellt  hatte:  „Leider  können  wir  in  das  Geschrei  der  Voreiligen  nicht 
einstimmen.  Mehrere  Gehörkranke  sind  ohne  Heilung  entlassen.  Andere  .  . . 
mussten  entlassen  werden.  Keiner  ist  ganz  geheilt,  und  nur  von  drei  Ge- 
lähmten darf  ich  rühmen,  dass  der  Galvanisn.us  sie  ganz  geheilt  habe." 

Gleiche  Mittheilungen  sind  dann  von  verschiedenen  Seiten  erfolgt,  ins- 
besondere hatten  Versuche,  die  in  der  Berliner  Taubstummenanstalt  in 
grossem  Maassstabe  durchgeführt  worden  sind,  so  ungünstige  Ergebnisse 
gezeigt,  dass  die  Behandlung  eingestellt  werden  musste.  In  kurzer  Zeit 
verlor  sich  dann  das  anfangs  so  reichlich  geschenkte  Vertrauen,  und  die 
galvanischen  Kuren  verschwanden  von  der  Tagesordnung,  allerdings  nicht 
ohne  in  der  Folgezeit  vielfältig  wieder  in  anderen  Gestalten  wieder  auf- 
zutauchen. 

6.  Die  Erzeugung  saurer  und  basischer  Stoffe  aus  „reinem" 
Wasser.  Schon  in  den  Versuchen  von  Nicholson  und  Carlisle  findet  sich 
die  Angabe,  dass  reines  Wasser  an  den  Poldrähten  Säure  und  Alkali  gebe, 
und  die  Frage  nach  der  Quelle  dieser  Stoffe  hat  eine  grosse  Anzahl  von 
Forschern  beschäftigt.  Es  lohnt  nicht,  die  ganze  Litteratur  darüber  zu- 
sammenzustellen; einsichtigere  Forscher,  wie  Simon2  und  Bucholz  8,  kamen 
schon  früh  zu  der  Erkenntniss,  dass  es  sich  um  die  galvanische  Zerlegung 
geringer  Mengen  Neutralsalz  handele,  die  entweder  in  dem  benutzten  Wasser 
schon  vorhanden  waren,  oder  aus  den  verschiedenen  Theilen  des  Apparates, 
wohl  auch  von  den  Fingern  des  Experimentators  hineingelangten.  Diese 
Versuche  wurden  sehr  bald  ein  Maassstab  für  die  Geschicklichkeit  und  Ob- 
jektivität der  verschiedenen  Forscher.  So  giebt  Desormes4  diese  Bildung 
von  Säure  und  Alkali  als  etwas  völlig  erwiesenes  an.  Er  knüpft  daran  die 
Mittheilung  anderer  Versuche,  die  ihm  damit  im  Zusammenhang  zu  stehen 

1  Gilhert's  Ann.  13,  372.  1803.        *  Ebenda  8,  492.  1801. 

8  Ebenda  9,  451,  1801. 

4  Ann.  de  Chimie,  37,  284.   1801.  —  Gilbert's  Ann.  9,  29.   1801. 


Galvanische  Phantasieen.  22 1 


einen,  nämlich  dass,  wie  Vauquelin  zuerst  bemerkt  hat,  Bergkrystall  beim 
■stossen  in  einem  Achatmörser  stets  Veilchensyrup,  den  man  dazu  thut, 
in  färbe.  „Dies  ist  leicht  erklärt,  wenn  man  bedenkt,  dass  der  Berg- 
stall beim  Reiben  positiv  elektrisch  wird.  Nun  glaube  ich  aus  einer 
ihe  von  Versuchen  über  die  Elektricität  geriebener  Körper  schliessen  zu 
rfen,  dass  wenn  man  zwei  gleiche  Stoffe  mit  einander  reibt,  der,  welcher 
ne  Politur  verliert,  eine  Elektricität  annimmt,  welche  seiner  natürlichen 
rgegengesetzt  ist  Folglich  muss  in  diesem  Falle  der  pulverisirte  Quarz 
gativ  elektrisch  werden,  mithin  sich  Ammonium  bilden,  und  dieses  grünt 
a  Veilchensyrup." 

Desormes  beschreibt  nun  eine  ganze  Anzahl  weiterer  Versuche,  nach 
nen  nicht  nur  beim  Pulver  von  Bergkrystall,  sondern  auch  von  Schwefel 
id  Bernstein  Alkali  erhalten  wurde.  Ebenso  trat  Alkali  auf,  wenn  Wasser 
„reinen"  Glasgefässen  erwärmt  wurde,  ebenso  glaubte  er,  die  Entstehung 
>n  Salzsäure  beim  blossen  Erwärmen  des  Wassers,  namentlich  im  Papin'- 
hen  Topf  unter  Druck  nachgewiesen  zu  haben.  Hierin  sieht  er  eine  be- 
ndere  Bestätigung  seiner  Annahme  über  die  galvanische  Erzeugung  von 
iure  und  Alkali  aus  reinem  Wasser,  da  sonach  „Wärme  und  Elektricität 
eiche  Wirkungen  hervorbringen". 

Was  die  Erklärung  der  Versuche  anlangt,  so  ist  die  Quelle  der  Er- 
hebungen wohl  überall  in  Verunreinigungen  zu  suchen,  die  durch  die 
ijslichkeit  des  Glases  u.  s.  w.  verursacht  wurden.  Der  Versuch  mit  Berg- 
ystall  ist  übrigens  interessant  und  verdiente,  wiederholt  zu  werden. 

Trotz  solcher  Äusserungen  war  man  doch  schon  1802  über  die  Er- 
hebungen von  Säure  und  Alkali  im  Wesentlichen  ins  Klare  gekommen. 
->  findet  sich  in  einem  Briefe  des  Professors  Parrot  l  in  Dorpat  an  Gilbert 
e  kräftige  Wendung:  „Doch  ehe  ich  einige  dieser  neuen  Ansichten  (über 
n  Galvanismus)  hier  skizzire,  muss  ich  noch  über  die  Entstehung  der 
iure  ein  Wort  sagen.  Es  ist  unbegreiflich,  dass  man  über  diesen  Punkt 
lange,  ich  möchte  sagen,  faseln  konnte.  Meine  Ideen  darüber  haben 
eich  durch  die  Versuche  ihren  richtigen  Gang  erhalten.    Ich  fand  nämlich 

gleich,  dass,  wenn  man  völlig  reines  Wasser brauche,  nie  eine  Säure 

tsteht.  .  .  .  Sobald  aber  Muskelfleisch  in's  Spiel  kommt,  so  haben  Sie  Säure 
id  vielleicht  auch  Ammonium."  Ebenso  setzt  Parrot  auseinander,  dass 
s  der  Lackmustinctur  selbst  die  Säure  und  das  Alkali  stammen,  die  beim 
jrchleiten  des  Stromes  erscheinen,  und  schliesst:  „Dieser  Schlüssel  löst  das 
ithsel  ....  so  leicht,  dass  es  wahrer  Zeitverlust  wäre,  hier  das  geringste 
trhr  darüber  zu  sagen." 

Trotz  dieser  unzweideutigen  Äusserungen  wurde  im  Jahre  von  einem 
LÜenischen  Physiker,  den  der  Ruhm  Volta's  und  Galvani's  nicht  schlafen 
ss,    Dr.    Francesco   Pacchiani2    auf  Grund    derselben    Erscheinungen   als 


1  Gilbert's  Ann.  12,  63.  1802. 

1  Ann.  de  Chimie,  55,  15.  1805.  —  Gilbert's  Ann.  21,  108.  1805. 


222  Achtes  Kapitel. 


hervorragende  Entdeckung  die  Behauptung  verkündet,  dass  die  Salzsäure 
nichts  als  ein  Oxyd  des  Wasserstoffes  ist.  Er  hatte  bei  dauernder  Ein-- 
Wirkung  der  Säule  auf  Wasser  schiesslich  eine  Flüssigkeit  erhalten,  die  nach 
der  von  ihm  gegebenen  Beschreibung  ein  Gemenge  von  Salzsäure,  Chlor 
und  Goldchlorid  war,  wie  es  bei  der  galvanischen  Zerlegung  einer  verdünnten 
Kochsalzlösung  zwischen  Golddrähten  entstehen  muss.  Da  an  der  Stelle, 
wo  diese  Lösung  entstanden  war,  gleichzeitig  Sauerstoff  sich  entwickelt  hatte, 
so  schloss  er,-  dass  sich  die  Salzsäure  und  die  „oxygenirte  Salzsäure"  (Chlor) 
durch  Sauerstoffverlust  aus  dem  Wasser  gebildet  haben  müssten.  Das  Selbst- 
bewusstsein,  mit  dem  diese  Entdeckung  den  Professor  von  Pisa  erfüllte,  tritt 
in  einem  späteren  Schreiben  an  Fabbroni  so  ergötzlich  hervor,  dass  es  ein 
Unrecht  gegen  den  Leser  wäre,  nicht  wenigstens  einige  Stellen  dieses 
Briefes  *  hier  wiederzugeben : 

„Philosophie  und  Analyse  haben  unsere  grossen  Chemiker  zu  den  über- 
raschendsten Entdeckungen  geführt.  Sie  haben  ihren  Ruhm  erlangt,  ohne 
mit  den  praktischen  Handgriffen  bei  den  chemischen  Processen  sehr  bekann 
zu  sein,  und  nicht  sowohl  vermittelst  des  Feuers  und  der  Kitte,  als  viel- 
mehr durch  Philosophie  und  Analyse  die  Wahrheit  entdeckt.  Sie,  hoch- 
geehrtester Herr  College,  theuerster  Freund,  behaupten  einen  ausgezeichneten 
Rang  unter  ihnen;  daher  unterwerfe  ich  Ihrer  Beurtheilung  einige  von  mir 
gemachte  Entdeckungen.  Ich  habe  es  gewagt,  eine  Bahn  zu  betreten,  die 
mir  neu  scheint,  und  habe  schon  einige  Schritte  darauf  gethan,  die  ich  nach 
und  nach  bekannt  zu  machen  entschlossen  bin,  damit  sie  von  unleidenschaft- 
lichen und  aufgeklärten  Forschern  in  der  Physik  geprüft  werden.  In  dieser 
Absicht  habe  ich  an  unseren  gemeinschaftlichen  Freund,  den  Auditor 
Lorenzo  Pignotti,  geschrieben  [es  ist  der  obige  Brief],  und  dies  ist  denn  auch 
der  Zweck  des  gegenwärtigen  Briefes.  Diese  und  mehrere  andere  Sachen 
denke  ich  nun  in  einer  Folge  von  Abhandlungen  zu  entwickeln,  welche  ich 
mit  solchen,  dem  grösseren  Theile  des  Publikums  immer  angenehmen  Ver- 
suchen ausrüsten  werde,  die  leicht  sind,  weil  sie  aus  den  Fundamental- 
experimenten hervorgehen,  und  auch  nützlich,  weil  sie  dem  grossen  Haufen 
Wahrheiten  augenscheinlich  darthun,  welche  schon  anderweitig  durch  einen 
oder  zwei  entscheidende  Versuche  bis  zur  Evidenz  bewiesen  sind.  .  . 

„Allenthalben  giebt  es  genaue  und  ängstliche  Naturforscher;  erstere 
befördern,  letztere  hemmen  das  Fortschreiten  der  Wissenschaft.  Viele,  ich 
weiss  es,  werden  hier  fragen:  „Hat  sich  der  Professor  von  Pisa  des  See- 
salzes oder  anderer  Arten  von  Küchensalz  bedient,  um  damit  die  Leiter 
zweiter  Klasse,  woraus  die  Säule  erbaut  wird,  zu  benetzen? .  .  . 

„Ich  antworte:  Die  elektrischen  Säulen,  deren  ich  mich  bediene,  sind 
von  frisch  gegossenen  glatten  Zinkscheiben  erbaut,  und  von  Silberscheiben 
von  gleichem  Durchmesser,  die  gleichfalls  sehr  glatt  sind.  Zu  Leitern 
zweiter  Klasse  .  .  .  nehme  ich  am  liebsten  Löschpapier,  das  ich  mit  reinem 

1  Gilbert's  Ann.  21,   113,   1805,  nach  N.  Giorn.  d.  Letterati,   1805. 


Galvanische  Phantasieen. 


223 


säurten  Wasser  tränke.  Wollte  jemand  sich  in  den  Kopf  setzen,  dass 
deicht  das  Löschpapier  salzsaure  Salze  enthalten  könnte,  so  würde  die 
11  berühmten  Vauquelin  gemachte  Analyse  uns  hierüber  beruhigen.  Da 
a  in  keinem  Element  der  Säule  sich  salzsaure  Salze  befinden,  so  kann 
ch  keine  Salzsäure   darin  sein." 

Neben  dieser  spasshaften  Sorgfalt,  mit  der  der  Professor  von  Pisa  die 
ilzsäure  aus  seiner  Säule  ausschliesst,  und  die  seine  Überzeugung  erkennen 
sst,  dass  aus  der  Säule  Stoffe  in  die  zu  zersetzende  Flüssigkeit  durch  den 
atungsdraht  übergehen  könnten,  macht  sich  die  Sicherheit  sehr  schön, 
üt  welcher  er  über  die  Abwesenheit  von  salzsauren  Salzen  in  seinem  Lösch- 
Äpier  sich  auf  Grund  der  von  Vauquelin  gemachten  Analyse  an  irgend 
anem  anderen  Löschpapier  beruhigt.  Von  einer  entsprechenden  Sorgfalt  ist 
er  bei  der  Herstellung  seines  Zersetzungsapparates.  Nach  einer  umständ- 
lichen Beschreibung  desselben,  die  wir  übergehen,  schreibt  er  weiter: 

„Die  untere  Öffnung  verschliesse  ich  bald  mit  frischen,  bald  mit  trockenen 
halbleitenden  thierischen  Substanzen,  die  das  Wasser  des  Apparates  zu 
Leitern  macht;  bisweilen  bediene  ich  mich  dazu  vegetabilischer  Blätter,  mit 
thierischen  Substanzen  vermischt,  oder  frischer  vegetabilischer  Fibern  allein, 
oder  trockener,  die  durch  die  Feuchtigkeit  Leiter  werden.  Unter  den 
erwähnten  trockenen  vegetabilischen  Fibern  wähle  ich  solche  aus,  in 
welchen  die  Chemie  auf  keine  Weise  das  Dasein  des  Stickstoffes  oder  irgend 
eines  salzsauren  Salzes  darthut.  Diese  werden  Leiter  vermittelst  des  Wassers 
selbst,  welches  im  Apparate  enthalten  ist;  ihrer  habe  ich  mich  bedient,  einen 
Versuch  zu  machen,  der  mir  den  ehrenvollen  Namen,  den  Baco  den  ent- 
scheidenden Vessuchen  beilegt,  zu  verdienen  scheint. 

„Indem  ich  das  Wasser  auf  die  im  erwähnten  Brief  beschriebene  Art 
angreife,  erhalte  ich  bald  in  zwölf,  bald  in  zehn  und  auch  fünf  Minuten  so 
viel  Salzsäure,  dass  sie  durch  die  chemischen  Reagentien  kann  bemerkbar 
gemacht  werden.  Ich  habe  diesen  Versuch  im  Laboratorium  der  Universität 
in  Gegenwart  des  gelehrten  Professors  der  Chemie,  Dr.  J.  Branchi,  angestellt, 
und  er  hat  seinen  völligen  Beifall  erhalten. 

„Es  ist  unmöglich,  dass  sich  in  diesem  letzteren  Versuche  Salpeter- 
saure erzeuge,  und  die  Prüfungen  haben  auch  wirklich  erwiesen,  dass  keine 
darin  erzeugt  wird.  Es  ist  unmöglich,  dass  sich  Ammoniak  erzeuge,  und 
die  chemischen  Prüfungen  haben  gleichfalls  dargethan,  dass  sich  wirklich 
keines  dabei  gebildet  hatte.  Hier  muss  ich  Sie  aber  auf  ein  wichtiges 
Factum  aufmerksam  machen  und  Ihnen  kürzlich  die  Art  und  Weise  er- 
zählen, wie  ich  dazu  gekommen  bin,  es  zu  entdecken.  Im  Voraus  über- 
zeugt, dass  ich,  wenn  ich  mich  jener  vegetabilischen  Fibern  bediente,  den 
Apparat  zu  verschliessen,  kein  Ammoniak  erzeugen  könnte,  wollte  ich,  nach- 
dem die  Erzeugung  der  Säure  in  der  Zeit  von  fünf  bis  zehn  Minuten  er- 
wiesen war,  nun  auch  durch  die  chemischen  Reagentien  mit  Gewissheit  er- 
fahren, ob  wirklich  meine  Voraussetzung  sich  bestätige,  das  ist,  ob  sich 
zugleich  mit  der  Säure  Ammoniak  erzeugt  habe,  oder  nicht? 


22A  Achtes  Kapitel. 


„Da  ich  einem  Theil  des  Wassers,  aus  welchem  die  Säure  sich  er- 
zeugt hatte,  etwas  in  Salpetersäure  getränkte  Baumwolle  näherte,  erschienen 
sogleich  die  weissen  Dämpfe,  eine  sichere  Anzeige  der  Bildung  des  Salpeter- 
sauren  Ammoniaks. 

„Da  haben  Sie  ja,  würde  mancher  hier  ausrufen,  trotz  Ihrer  vorgefassten 
Meinung  Ammoniak,  das  sich  zugleich  mit  der  oxygenirten  Salzsäure  er- 
zeugt hat!  Das  konnte  doch  nicht  sein,  und  da  ich  in  dem  Augenblicke 
mich  erinnerte,  dass  das  destillirte  Wasser  hydrogenirtes  Wasser  ist,  bat  ich 
den  Hrn.  Branchi,  dem  destillirten  Wasser  ein  wenig  Salpetersäure  zu 
nähern;  und  sogleich  erschienen  die  weissen  Dämpfe  als  gewisse  Anzeigen 
der  Erzeugung  des  salpetersauren  Ammoniaks.  Dieses  Factum  scheint  mir 
um  so  wichtiger  zu  sein,  da  die  weissen  Dämpfe  auch  erscheinen,  wenn 
man  die  Salpetersäure  dem  Brunnenwasser  nähert,  wovon  sich  der  oben 
genannte  gelehrte  Chemiker  überzeugt  hat.  Dieser  mit  Brunnenwasser  an- 
gestellte Versuch  gehört  ihm. 

„Es  ist  zu  bemerken,  dass,  wenn  man  die  Salzsäure  dem  Brunnenwasser 
nicht  so  nahe  bringt,  als  dem  destillirten,  man  in  diesem  Falle  niemals  die 
weissen  Dämpfe  erhält.  Man  scheint  also  hieraus  mit  Recht  schliessen  zu 
können,  dass  die  Salpetersäure  in  der  Nähe  des  destillirten  Wassers  sich  zer- 
setzt, und  dass  der  Stickstoff  der  Säure  sich  mit  dem  Wasserstoff  des  Wassers 
verbindet,  und  so  jenes  Ammoniak  gebildet  wird,  das  durch  seine  Ver- 
bindung mit  der  nicht  zersetzten  Säure  die  weissen  Dämpfe  oder  das  sal- 
petersaure Ammoniak  erzeugt.  Indessen  muss  ich  die  Chemiker  warnen,  in 
dergleichen  Fällen  auf  ihrer  Hut  zu  sein,  da  man  sehr  zweideutige  Resultate 
erlangen  kann,  wenn  man  sich  zur  Entdeckung  des  Ammoniaks  der  Salpeter- 
säure bedient;  man  könnte  glauben,  es  sei  schon  vorher  dagewesen,  da  es 
doch  in  der  That  vorher  nicht  vorhanden  ist,  sondern  erst  in  dem  Augen- 
blicke erzeugt  wird,  in  welchem  man  die  Säure  dem  Wasser  nähert.  Ich 
behalte  mir  vor,  ausführlicher  über  diesen  Gegenstand  in  meiner  Abhand- 
lung zu  reden." 

Wie  man  sieht,  gehört  Pacchiani  jedenfalls  nicht  zu  den  ängstlichen 
Naturforschern,  die  durch  diese  Eigenschaft  die  Wissenschaft  hemmen;  im 
Gegentheil.  „Wenige  Facta  der  Chemie  sind  allgemeiner  bekannt,  als  dieses," 
bemerkt  van  Mons  in  einem  Bericht  über  diese  Arbeit,  indem  er  auf  die 
Thatsache  hinweist,  dass  die  genannten  Säuren  in  feuchter  Luft  Nebel  geben, 
die  von  der  Verbindung  mit  dem  in  der  Luft  vorhandenen  Wasser  her- 
rühren. Aber  hören  wir  den  Entdecker  weiter.  Er  formulirt  die  Gesammt- 
heit  seiner  Ergebnisse  in  dem  Satze:  „dass  der  Wasserstoff  nicht  eines  be- 
stimmten Grades  der  Oxydation  allein  fähig  ist,  wodurch  das  Wasser  erzeugt 
wird,  sondern  mehrerer  Grade  von  Oxydation,  wie  alle  anderen  Oxyde; 
dass  die  oxygenirte  Salzsäure  ein  Oxyd  ist,  welches  man  erhält,  wenn  man 
dem  Wasser  Sauerstoff  entzieht,  dass  die  Salzsäure  ein  Oxyd  des  Wasser- 
stoffes  ist,  auf  welches  man  kommt,  wenn  man  der  oxygenirten  Salzsäure 
noch  eine  weitere  Portion  Sauerstoff  entzieht;   und  dass  endlich  in  diesen 


Galvanische  Fhantasieen. 


225 


rie   in    anderen   Fällen   der  Sauerstoff   nicht   das   erzeugende   Prinzip    der 
Säuren  ist, 

„Ich  habe,  werthgeschätzter  Freund,  anderen  die  Mühe  ersparen  wollen, 
ius  meinen  Resultaten  allgemeine  Schlüsse  zu  ziehen,  und  kann  Ihnen  daher 
mit  Aufrichtigkeit  und  Wahrheit  versichern,  dass  alle  Metalle  . . .  wenn  man 
sie  mit  Wasser  in  Berührung  bringt  und  durch  sie  einen  elektrischen  Strom 
fliessen  lässt,  der  diesem  einen  Theil  seines  Sauerstoffes  entreisst,  vermittelst 
dieses  Stromes  das  Vermögen  haben,  die  Salzsäure  zu  erzeugen. 

„Sie  sehen  leicht,  dass  dieses  Gesetz  sich  noch  mehr  verallgemeinern 
lässt  Denn  warum  sollten  nicht  der  Kohlenstoff  und  die  anderen  Substanzen, 
welche  Mittel  sind,  um  dem  Wasser  Sauerstoff  zu  entziehen,  so  gut,  als  die 
Metalle  und  die  Legierungen  die  Fähigkeit  haben,  die  Salzsäure  zu  erzeugen? 
Ich  habe  darüber  Versuche  mit  Kohle  u.  s.  w.  angestellt  und  mich  eines 
Stäbchens  aus  Kohle  statt  eines  Gold-  oder  Platindrahtes  mit  ganz  dem- 
selben Erfolge  bedient  Dieses  allgemeine  Gesetz  kann  daher  so  ausgedrückt 
werden: 

„Alle  Metalle,  das  Quecksilber  nicht  ausgenommen,  und  deren  Legie- 
rungen, der  Kohlenstoß  und  alle  Stoffe,  welche  die  Eigenschaft  besitzen  das 
Wasser  zu  zerlegen,  wenn  sie  damit  in  Berührung  kommen  und  ein  auf 
irgend  eine  Art  durch  Natur  oder  Kunst  erzeugter  elektrischer  Strom  sich 
durch  sie  so  verbreitet,  dass  diesem  dadurch  Sauerstoff  entzogen  wird  — 
müssen  nothwendig  Salzsäure  hervorbringen. 

„Dieses  ist  eines  von  den  Gesetzen,  die  in  den  drei  grossen  Natur- 
reichen und  vielleicht  auch  im  Reiche  der  Meteore  herrschen.  Das  Wasser 
bedeckt  den  grössten  Theil  des  Erdballes,  es  ist  das  allgemeine  Cement  der 
Mineralien,  es  ist  zur  Vegetation,  zum  Leben  der  Pflanzen  und  Thiere  noth- 
wendig. Die  elektrische  Flüssigkeit,  ein  flüchtiges,  kräftiges  Wesen,  ist  überall 
verbreitet.  Sie  ist  gewiss  eines  der  Hauptmittel,  deren  sich  die  Vorsehung 
iu  ihren  grossen  Zwecken  bedient.  Schon  hat  der  Genius  Italiens  der  Natur 
eines  ihrer  wichtigsten  Geheimnisse  entrissen,  ich  meine  das  von  der  Elek- 
triertät  durch  Berührung;  ja,  er  hat,  wetteifernd  mit  ihr,  ein  Werkzeug  ge- 
schaffen, das  ein  Symbol  der  Werkzeuge  ist,  mit  denen  die  Natur  einige 
*egen  ihrer  natürlichen  Elektricität  wunderbare  Fische  ausgestattet  hat  Die 
elektrische  Säule  ist  ein  Hauptschlüssel,  womit  die  chemischen  Philosophen 
manche  noch  unberührte  Schätze  aufschliessen  und  mit  dem  Dichter  sagen 

werden: 

Avia  Picridum  peragro  loco  nullius  ^mte  trita  pede 
Invat  integros  accederc  fontes 
Atque  haurire. 

„Doch  ich  merke,  dass  ich  ausschweife.  Auch  ist  meine  Sprache, 
torchte  ich,  nicht  so,  wie  sie  in  der  Unterhaltung  mit  einem  der  Männer, 
die  in  wissenschaftlicher  Hinsicht  die  Zierde  Italiens  sind,  wohl  sein  sollte. 
Allein  Sie  werden  dies  einem  Freunde  zu  verzeihen  wissen,  den  seine  Pro- 
fession gewöhnt  hat,  immer  ins  Einzelne   zu  gehen.     Bald  werde  ich 

0 » t  w  a  l  d ,   Elektrochemie.  5 


226  Achtes  Kapitel. 


Vergnügen  haben,  vor  Ihren  Augen,  die  Uhr  in  der  Hand,  die  Verwand- 
lung des  Wassers  in  Salzsäure  in  fünf  Minuten  zu  bewerkstelligen." 

Fabbroni  hat  dieses  Schreiben  vollkommen  ernsthaft  aufgenommen  und 
in  demselben  Blatt  dem  Grafen  da  Rio  brieflich  Nachricht  von  dieser  Ent- 
deckung gegeben.  „Eifrige  Freunde  der  Chemie  werden  mit  Vergnügen  er- 
fahren, dass  jetzt  endlich  die  Natur  der  Salzsäure,  nach  der  man  bisher  um- 
sonst geforscht  hat,  entdeckt  ist.  Es  ist  nunmehr  gewiss,  dass  sich  Sauer- 
stoff in  ihrer  Mischung  befindet.  .  .  Die  Salzsäure  ist  nichts  anderes,  als  ein 
Wasserstoffoxyd  im  Minimo  der  Oxygenation.  .  .  Der  Urheber  dieser  schönen 
und  wichtigen  Entdeckung  ist  einer  meiner  Freunde,  der  Professor  Pacchiani 
in  Pisa.  .  .  Er  verspricht,  das  Ganze  der  Thatsachen,  die  ihn  zu  dieser 
grossen  Entdeckung  geführt  haben,  in  kurzem  bekannt  zu  machen.  Theilen 
Sie  dies  Ihren  Freunden  mit." 

In  Deutschland,  wo  die  sorgsamen  Untersuchungen  von  Simon  über 
diesen  Gegenstand  noch  nicht  vergessen  waren,  wusste  man  die  pomphaften 
Tiraden  Pacchiani's  nach  ihrem  Werthe  zu  beurtheilen;  in  Paris  nahm  in- 
dessen die  Galvanische  Societät  die  Sache  auf,  und  Riffault,  ein  Mitglied 
dieser  Gesellschaft,  stellte  eine  Reihe  von  Versuchen  an,  aus  denen  zu- 
nächst die  Unrichtigkeit  der  fraglichen  Behauptungen  abgeleitet  wurde.1 
Pacchiani  Hess  sich  dadurch  keineswegs  entmuthigen;  er  schrieb  den  Miss- 
erfolg ausschliesslich  der  Unaufmerksamkeit  seiner  Gegner  zu.  „Haben  wohl 
aber  alle  die  Physiker,  die  meine  Versuche  nachzuahmen  trachteten,  die 
oben  erwähnten  Briefe  mit  voller  Unbefangenheit  gelesen,  und  waren  sie  von 
jedem  Einfluss  der  früher  angenommenen  Hypothesen  vollkommen  befreit? 
Sind  sie  auch  ganz  genau  den  Vorschriften  gefolgt,  die  ich  in  diesen  Briefen 
dem  Experimentator  gab?  —  Bestimmt  nicht." 

Und  nun  setzt  der  behende  Forscher  auseinander,  wie  dadurch,  dass 
die  beiden  Drähte  von  den  Gegnern  in  dieselbe  Glasröhre  geleitet  worden 
sind,  die  Umwandlung,  die  das  Wasser  an  dem  einen  Pole  erlitten  hat,  durch 
die  entgegengesetzte  am  anderen  Pole  wieder  aufgehoben  worden  sei.  Um 
aber  diejenigen,  die  hierdurch  noch  nicht  genügend  überzeugt  worden  sind, 
endgültig  zu  gewinnen,  ergeht  er  sich  alsbald  wieder  in  Hymnen  über  die 
Bedeutung  seiner  Entdeckung.  „Die  wundervolle  Verwandlung  des  Wassers 
in  oxygenirte  Salzsäure  hat  mein  Gemüth  mit  einer  Freude  erfüllt,  die  den 
höchsten  Grad  erreichte,  ohne  der  Überraschung  zu  bedürfen:  denn  ich  war 
glücklich  genug,  diesen  Erfolg  vorausgesagt  zu  haben,  wie  einige  meiner 
berühmten  Freunde  und  mehrere  meiner  hoffnungsvollen  und  kenntnissreichen 
Schüler  es  zur  Steuer  der  Wahrheit  öffentlich  bezeugen  können.  Ich  habe 
bei  dieser  Entdeckung  einen  Vorgeschmack  der  Wonne  empfunden,  die  den- 
jenigen zu  Theil  wird,  die  die  Ursachen  der  Naturwirkungen  ergründen: 

Felix,  qui  potuit  rerum  cognoscere  causas. 


1  Journ.  de  Phys.  61«  281.  —  Ann.  de  Chimie,  66,  162.  1805.  —  Gilbert's  Ann   22, 
20%,  1806. 


Galvanische  Phantasieen. 


227 


....  „Sind   diese   Blätter  bestimmt,   einige  Zeit  der  Vergessenheit   zu 
trotzen,   so   erfahre  vor  allen  die  wackere  toscanische  Jugend,  welche  Ge- 
fühle jeden  Ehrenmann  durchdringen  müssen,  wenn  er  die  ruhmbekränzten 
Namen   hört,  die  ein  Land  verherrlichen,  das  an  erhabenen  Geistern  stets 
unerschöpflich  war,  wo  Wissenschaften   und  Künste  entsprossen,   und  das 
Galilei,  Torricelli,  Redi,  Cesalpin,  Micheli,  mit  einem  Worte,  alle  Stifter 
der  Naturphilosophie  als  Vaterland  begrüssten." 
Gut  gebrüllt,  Löwe! 

Es  gelang  Pacchiani  in  der  That,  einige  Zeit  lang  noch  das  Interesse 
an  der  eigentlich  schon  abgethanen  Sache  wach  zu  erhalten.  Brugnatelli, 
den  wir  schon  von  der  elektrischen  Säure  her  kennen,  behauptete  x  gleich- 
falls, auch  unter  Ausschluss  thierischer  Stoffe  Salzsäure  erhalten  zu  haben, 
und  wich  nur  insofern  von  seinem  Vorgänger  ab,  als  er  ihr  Erscheinen 
auf  die  Anwendung  gewisser  Metalle  beschränkt  wissen  wollte.  Auch  die 
Galvanische  Societät  Hess  sich  bekehren,  und  in  einem  Briefe  des  Vice- 
präsidenten  derselben,  Nauche,  an  den  Dr.  Castberg  a  wurde  vom  5.  August 
gemeldet,  dass  die  Bildung  der  Salzsäure  endlich  gelungen  sei.  Es  wurde 
ein  von  Brugnatelli  angegebener  Apparat  benutzt,  in  welchem  die  An- 
wendung thierischer  Stoffe  zur  Trennung  der  beiden  den  verschiedenen 
Polen  anliegenden  Wassermassen  vermieden  war,  indem  die  Verbindung  der 
beiden  Gefasse  mittelst  eines  Hebers  hergestellt  wurde.  Nauche  schreibt 
sehr  überzeugt:  „Diese  Thatsachen  sind  constant.  Vidi  et  tetigi.  Es  sind 
beinahe  21/a  Monate  her,  dass  wir  sie  zum  ersten  Male  erhielten/' 

Selbst  Volta  wurde  durch  den  Lärm,  welchen  Pacchiani  zu  machen 
wusste,  dazu  veranlasst,  der  Sache  experimentell  näher  zu  treten,  und  theilte 
seine  Erfahrungen  in  der  ihm  eigenen  ruhigen  Weise  mit. 3  Unter  Fort- 
lassung der  gewohnten  Umständlichkeiten  gebe  ich  nachstehend  die  wichtigsten 
seiner  Bemerkungen. 

„Um  wieder  zu  den  Versuchen  mit  dem  Gold-  und  Platindrähten  zu- 
rückzukehren, wo  man  die  Gase  in  den  entsprechenden  Röhren  abgesondert 
erhält,  so  hat  noch  niemand  erklären  können,  wie  aus  dem  Wasser  mit  dem 
positiven  Draht  Sauerstoffgas,  und  allein  Sauerstoffgas  entsteht,  und  wie  in 
dem  Wasser,  in  welches  der  Draht  vom  negativen  Pole  geht,  sich  Wasser- 
stoffgas, und  wieder  nur  Wasserstoffgas  erzeugt.  Wenn  .  .  .  das  Wasser  aus 
Wasserstoff  und  Sauerstoff  besteht,  .  .  .  wohin  geht  dann,  oder  was  wird  aus 
dem  Wasserstoff  der  ersten  Röhre,  ich  meine  aus  dem  Theil  Wasserstoff, 
welcher  mit  dem  dort  erscheinenden  Theil  Sauerstoff  verbunden  war?  und 
was  wird  aus  dem  Sauerstoff  der  zweiten  Röhre,  d.  h.  jener  Wassertheilchen, 
die  bei  ihrer  hier  erfolgenden  Zersetzung  den  Wasserstoff  als  Gas  ausgeben? 
Diese  Erscheinungen  scheinen  nicht  gut  mit  der  Theorie  der  Zersetzung  und 


1  Journ.  de  Phys.  62,  298.  —  Gilbert's  Ann.  23,  177.  1806. 
5  Gilbert's  Ann.  28,  463.  1806. 

*  Saggio  di  nat  osserv.  s.  elettricita  Volt,   Milano,    1806.     Deutsch   in   Gehlen's  Journ. 
f.  d.  Chemie  und  Physik,  5,  68.   1808. 

>5* 


228  Achtes  Kapitel. 


I 


Zusammensetzung  des  Wassers  übereinzustimmen,  und  diejenigen,  welche 
ihr  anhängen,  mussten,  um  sie  einigermaassen  zu  erklären,  zu  mehr  oder 
minder  gezwungenen  Hypothesen  ihre  Zuflucht  nehmen.  .  .  . 

„Da  von  diesem  abgesonderten  Auftreten  der  beiden  Gasarten,  welches 
die  erste  sich  darbietende  Ercheinung  ist,  eine  genugthuende  Erklärung 
fehlt,  so  ist  es  kein  Wunder,  dass  wir  auch  die  andere  darauf  folgende  nicht 
begreifen,  nämlich  das  ebenfalls  abgesonderte  Auftreten  der  Säure  in  der 
einen,  des  Alkali  in  der  anderen  Röhre.  .  . 

„Die  Versuche  und  Folgerungen  Pacchiani's  sind  von  einigen  ausnehmend 
erhoben  und  den  grössten  Entdeckungen  gleichgesetzt,  von  anderen  dagegen 
herabgesetzt,  bestritten  und  beinahe  belacht  worden.  Ich  habe  mich  noch 
nicht  genug  damit  beschäftigt  und  besitze  nicht  hinreichende  Thatsachen,  um 
über  alle  Fragen,  die  sich  bei  diesen  und  ähnlichen  Versuchen  darbieten, 
zu  entscheiden.  Nach  den  Versuchen  indessen,  die  ich  angestellt  und  auf 
verschiedene  Art  abgeändert  habe,  finde  ich  viele  Gründe  zu  glauben,  dass 
weder  die  Säure  vom  positiven  Pole  um  den  Gold-  oder  Platindraht,  noch 
das  Alkali  um  den  Draht  am  negativen  Pole  sich  aus  der  Substanz  des 
diese  Drähte  umgebenden  Wassers  selbst  bilden;  sondern  vielmehr,  dass  die 
eine,  wie  das  andere,  wenn  sie  während  der  Wirksamkeit  des  Elektromotors 
erschienen  (indem  dies  auch  manchesmal  geschieht,  wenn  man  alle  mögliche 
Aufmerksamkeit,  selbst  bis  zur  Ängstlichkeit  angewendet  hat,  das  Wasser 
rein  darzustellen,  dass  sich  weder  Säure  noch  Alkali  zeigt),  sich  bereits  im 
Wasser  befunden,  wenn  sie  auch  nicht  durch  die  gewöhnlichen  chemischen 
Reagentien  zu  erkennen  waren.  Diejenigen  meiner  Versuche,  die  vorzüg- 
lich zu  dieser  Meinung  fuhren,  sind  folgende." 

Volta  geht  nun  zu  der  Beschreibung  seiner  Versuche  über,  die  er  nach 
der  bewährten  Methode  der  quantitativen  Abstufung  durchfuhrt.  Er  studirt 
die  Erscheinungen,  wie  sie  in  Wasser  auftreten,  in  welchem  folgeweise 
weniger  und  weniger  Kochsalz  aufgelöst  ist,  und  findet,  dass  die  Erschei- 
nungen im  sogenannten  reinen  Wasser  sich  denen  in  der  sehr  verdünnten 
Kochsalzlösung  ebenso  anschliessen,  wie  sich  die  in  der  letzteren  denen  in 
den  weniger  verdünnten  Lösungen  angeschlossen  hatten.  Den  entsprechenden 
Schluss  spricht  er  folgendermaassen  aus: 

„Ausserdem,  wenn  ich  finde,  dass  ich  bei  vielem  Kochsalz,  das  mit 
Fleiss  ins  Wasser  gethan  worden,  durch  die  Wirkung  des  Elektromotors  viel 
oxydirte  Salzsäure,  bei  wenigem  nur  wenig,  und  mit  sehr  wenigem  sehr 
wenig  erhalte,  wie  das  in  den  obigen,  auf  diese  Art  vergleichend  angestellten 
Versuchen  der  Fall  war,  so  sind  wir  hinreichend  befugt,  daraus  zu  folgern, 
dass  die  frei  werdende  Säure  mit  dem  von  vornherein  vorhandenen  Salze  im 
Verhältniss  stehe,  und  weiter  zu  schliessen,  dass  auch  das  Regen-  und 
destillirte  Wasser,  die  von  jener  ein  Minimum  zeigen,  eine  Spur  von  diesem 
enthalten:  es  ist  genug." 

Selbst  Ritter,  der  dem  Unerwarteten  sonst  keineswegs  abgeneigt  ist, 
hat  sich  für  Pacchiani's  Behauptungen  keineswegs  gewinnen  lassen.   In  einem 


Galvanische  Phantasieen. 


229 


Briefe  an  Gehlen1  hebt  er  hervor,  dass  bisher  gerade  das  reinste  Wasser 
am  wenigsten  Säure  und  Natron  gegeben  habe,  und  schreibt:   „Was  mich 
betrifft,   so   glaube  ich,  die  Sache  sei  zunächst  die:  nachzusehen,  ob  denn 
jene  Säure  wie  dieses  Alkali  schlechterdings  erst  gebildet,  erst  zusammen- 
gesetzt werden  müsse,  um  erscheinen  zu  können?   —    Beide   könnten  ja 
ebenso  gut  auch  aus  vorhandenem  Kochsalze  nur  geschieden  werden, 
wie  beim  ersten  Versuch  über  die  Decomposition  des  Kochsalzes  im  Kreise 
der  Säule  von  Cruikshank."  —  Auch   die   weiteren  Erörterungen  Ritter's 
zeigen,  wie  ihm  die  Hilfsmittel  wissenschaftlicher  Kritik  vollkommen  geläufig 
und  gegenwärtig  sind;  schade  nur,  dass  er  sie  bei  seinen  eigenen  Arbeiten 
gelegentlich  so  sehr  vermissen  lässt. 

In  Deutschland  unterzog  sich  W.  Grüner,  Hofapotheker  zu  Hannover, 
der  Mühe  einer  Wiederholung  von  Pacchiani's  Versuchen, 2  und  zeigte  nicht 
nur,  dass  bei  der  Anwendung  reiner  Materialien  keine  Salzsäure  erhalten 
wird,  sondern  auch,  dass  solche  alsbald  auftritt,  sowie  man  Fleisch  oder 
andere  thierische  Stoffe  zur  Verbindung  der  Wassermassen  benutzt.  Über 
die  Quelle  der  Säure  in  dem  letzteren  Falle  ist  er  sich  freilich  auch  nicht 
völlig  klar,  denn  er  weist  die  Vermuthung  nicht  ab,  dass  sich  die  Säure  aus 
den  Bestandteilen  der  thierischen  Gallerte,  als  die  er  Kohlenstoff,  Wasser- 
stoff, Stickstoff  und  Sauerstoff  nennt,  gebildet  haben  könnte,  doch  erklärt  er 
sie  allerdings  für  höchst  unwahrscheinlich.     Ganz  dasselbe  fand  Pfaff.  8 

Zu  gleichen  Resultaten  gelangte  in  England  C.  Wilkinson.  4  Anfänglich 
erhielt  er  auch  Salzsäure,  jedoch  stammte  sie  diesmal  aus  der  Säure,  die  er 
zum  Aufbau  seines  Apparates  benutzt  hatte.  Als  er  den  Apparat  in  das 
Nebenzimmer  stellte  und  die  Drähte  durch  zwei  Löcher  in  der  Thüre  in  den 
Arbeitsraum  leitete,  erschien  keine  Spur  von  Säure. 

Die  Galvanische  Societät  blieb  dagegen  fest  und  beschrieb 6  eine  Anzahl 
von  Versuchen,  in  denen  sie  die  Bildung  der  Salzsäure  beobachtet  hatte. 
Als  wesentliche  Bedingung  für  den  Erfolg  wird  angegeben,  dass  recht  viele 
Metallplatten  zur  Säule  genommen  werden,  und  dass  sie  recht  glänzend  sind! 
Auch  Riffault,  der  anfangs  sich  gegen  die  Salzsäurebildung  geäussert  hatte, 
stimmte  später 6  zu.  Ebenso  fanden  sich  in  England  Anhänger  in  Ch.  Syl- 
vester 7  und  W.  Peel,  8  Ersterer  ist  noch  ganz  vernünftig,  und  seine  Ver- 
suche enthalten  zwar  Fehler,  aber  doch  nur  solche,  die  bei  dem  damaligen 
Stande  der  Kenntnisse  zu  verzeihen  sind  (er  hatte  einen  möglichen  Salz- 
gehalt des  von  ihm  als  Scheidewand  benutzten  gebrannten  Pfeifenthons  über- 


1  Gehlen's  Journ.  f.  d.  Chemie  und  Physik,  1,  36.   1806. 

*  Gilbert's  Ann.  24,  85.  1806. 

3  Gehlen's  Journ.  f.  d.  Chemie  und  Physik,  2,  335  und  703.  1806. 

4  Nicholsons  Journ.  14,  342.  1806. 

5  Journ.  de  Phys.  Juillet  1806.  —  Gilbert's  Ann.  24,  391.   1806. 

•  Ann.  de  Chimie  60,  113.  1806.  —  Gilbert's  Ann.  24,  99.   1807. 

7  Nicholson^  Journ.  14,  94.  1806.  —  Gilbert's  Ann.  24,  107.  1807. 

8  Philos.  Mag.  21,  279  und  22,  152.  1805. 


23O  Achtes  Kapitel. 


sehen);  Peei/s  Leistungen  dagegen  gehen  noch  über  die  von  Pacchiani  hinauf 
was  gewiss  viel  sagen  will. 

Die  ersten  Nachrichten  Peei/s  sind  etwas  älter,  als  die  Pacchiani's.  Er 
fängt  mit  der  unauffällig  klingenden  Mittheilung  an:  „Ich  nahm  ungefähr  eine 
Pinte  destillirten  Wassers  und  zerlegte  es  zur  Hälfte  mittelst  des  Galvanismus," 
Eine  Pinte  ist  mehr,  als  ein  halbes  Liter;  es  sollen  also  mehr  als  250  Gramm 
Wasser  zersetzt  worden  sein.  Wenn  man  an  die  Unvollkommenheit  der 
damaligen  Säulen  denkt,  so  leuchtet  ein,  dass  dies  eine  Arbeit  von  Monaten 
wäre  und  ganz  ungewöhnliche  Mittel  beansprucht  haben  müsste;  Hr.  Peel 
erzählt  sie  aber,  wie  eine  selbstverständliche  Sache.  Im  Rückstande  fand  er 
Kochsalz.  Der  Herausgeber  des  Philosophical  Magazine,  A.  Tilloch,  findet 
dies  Resultat  sehr  merkwürdig  und  schlägt  vor,  es  möge  doch  Wasser,  das 
aus  den  Bestandteilen  dargestellt  worden  ist,  dem  gleichen  Versuche  unter- 
worfen werden.  Auch  damit  ist  Hr.  Peel  im  Handumdrehen  fertig,  und  am 
4.  Juni  schreibt  er,  dass  er  ganz  reines  Wasser  aus  so  reinen  Gasen  er- 
halten habe,  dass  sie  bei  der  Verbrennung  keinen  Rückstand  an  Luft  hinter- 
liessen.  Von  dieser  Angabe  kann  man  mit  völliger  Sicherheit  sagen,  dass 
sie  erlogen  ist,  denn  auch  gegenwärtig  ist  eine  solche  Reinheit  nur  unter 
ganz  besonderen  Bedingungen  zu  erreichen.  Diesmal  lässt  Hr.  Peel  Chlor- 
kalium aus  dem  Rückstande  von  der  galvanischen  Zerlegung  auftreten.  Ein 
Commentar  ist  überflüssig. 

Nach  einiger  Zeit  erhielt  denn  auch  Tilloch,  der  Herausgeber  des 
Philosophical  Magazine,  aus  Cambridge  einen  Brief,  in  welchem  ihm  die 
Nachricht  mitgetheilt  wurde,  dass  er  das  Opfer  eines  Lügners  geworden 
war. x  „Der  Verfasser  dieses  wenig  Witz  verrathenden  Produktes  macht  auf 
den  Titel  eines  Chemikers  Anspruch ;  allein  ich  rathe  ihm,  erst  zu  erwägen, 
dass  das  erste  Erforderniss  eines  Naturforschers  die  Liebe  zur  Wahrheit  ist 
Sollte  er  noch  einmal  über  einem  Betrug  in  der  Gelehrtenrepublik  betreten 
werden,  so  werde  ich  Ihnen  seinen  Namen  senden." 

Eine  Anzahl  weiterer  Veröffentlichungen  über  denselben  Gegenstand  soll 
hier  übergangen  werden,  da  sie  nichts  Erhebliches  zu  den  geschilderten  Er- 
scheinungen hinzufügen.  Das  Wichtigste  in  der  weiteren  Entwickelung  ist, 
dass  sich  H.  Davy  der  Sache  annahm  und  in  einer  meisterhaften  Experimental- 
untersuchung  die  letzten  Zweifel  über  die  Abstammung  der  an  den  Polen 
auftretenden  Stoffe  beseitigte.  Es  sind  dies  die  Arbeiten,  in  denen  die  ausser- 
ordentliche Begabung  dieses  inzwischen  Professor  an  der  Royal  Institution 
gewordenen  Forschers  sich  zuerst  in  ihrer  ganzen  Stärke  zeigt;  sie  führten 
in  stetigem  Fortschritte  von  den  fast  mikroskopisch  genauen  Arbeiten  über 
den  eben  genannten  Gegenstand  bis  zur  Entdeckung  der  Alkalimetalle  und 
zur  elektrischen  Theorie  der  chemischen  Verwandtschaft.    (Vgl.  S.  190  u.  ff; 

7.  Die  unterirdische  Elektrometrie.  Die  auffallendste  Erscheinung 
unter  den  galvanischen  Phantasieen  bildete  die  zeitweilige  Wiederbelebung 


1  Philos.  Mag.  27,  82.  1807. 


Galvanische  Phaatasieen. 


231 


Aberglaubens  von  der  Wünschelruthe.  Auch  über  diese  zu  Zeiten  ausser- 
ordentlich heftig  auftretende  geistige  Epidemie  hat  uns  Gilbert  in  seinen 
Annalen  sehr  ausführliche  Nachrichten  hinterlassen,  so  dass  wir  ihre  Ent- 
stehung, Ausbreitung,  ihre  Krisis  und  ihr  allmähliches  Erlöschen  vollständig 
übersehen  können. 

Die  Bewegung  nimmt  von  keinem  anderen  ihren  Ausgang,  als  von 
Alex,  von  Humboldt,  der  in  seinem  schon  früher  (S.  66)  erwähnten  Buche 
über  die  gereizte  Muskel-  und  Nervenfaser  (I,  467)  die  zerstreute  ältere 
Utteratur  über  die  „Rhabdomantie"  zusammengestellt,  und  die  beschriebenen 
Erscheinungen  der  wissenschaftlichen  Prüfung  empfiehlt,  ohne  über  ihre 
Wirklichkeit  ein  Urtheil  wagen  zu  wollen.  Einen  ungemein  eifrigen  Ver- 
theidiger  fand  dann  die  Sache  in  dem  Abt  Amoretti,  welcher  angab,  dass 
die  Eigenschaft,  unter  der  Erde  vorhandene  Erz-  und  Kohlenlager,  Wasser- 
läufe u.  dgl.  beim  Darübergehen  vermöge  eigenthümlicher  Empfindungen  zu 
entdecken,  mehreren  Gliedern  seiner  Familie  eigenthümlich  sei.  Auch  schil- 
derte Amoretti  die  Art  dieser  Empfindungen  ziemlich  ausfuhrlich  und  gab 
etwas,  wie  eine  Theorie  davon. 

Über  die  Sache  wurde  in  Deutschland  in  durchaus  beipflichtendem  Sinne 
durch  v.  Arnim  l  berichtet,  der  sich  die  Erscheinungen  durch  eine  besonders 
grosse  Empfindlichkeit  der  Italiener,  unter  denen  die  Gabe  fast  ausschliesslich 
aufzutreten  schien,  gegen  kleine  Verschiedenheiten  der  Erdtemperatur  zu 
erklären  versuchte. 

Indessen  war  dies  Interesse  zunächst  auf  eine  gewisse  theoretische  Werth- 
schätzung  beschränkt,  und  wäre  auch  so  geblieben,  wenn  nicht  Ritter  damals 
gerade  unter  Verhältnisse  gelangt  wäre,  die  seine  Neigung  zum  Unerhörten 
in  verderblichster  Weise  bestärkten.  Er  war  als  Mitglied  der  Akademie  nach 
München  berufen  worden,  und  fand  dort  in  Schelling  und  Franz  Baader 
zwei  Geistesverwandte,  unter  deren  Einfluss  er  sich  ausserordentlich  schnell 
aus  einem  fleissigen,  wenn  auch  allzu  phantasiereichen  und  der  kritischen 
Prüfung  seiner  Ergebnisse  abgeneigten  Physiker  in  einen  Naturphilosophen 
verwandelte,  bei  dessen  höherer  Einsicht  alle  Prüfung  und  Kritik  überflüssig 
erschien. 

Die  Angelegenheit  kündigte  sich  ziemlich  geheimnissvoll  an.  Mar£chaux, 
der  seinerseits  auch  eine  erhebliche  Dosis  physikalischer  Phantasie  besass 
er  glaubte  sich  einmal  von  der  Schwere  der  Elektricität  überzeugt  zu  haben), 
theilt  in  einem  Briefe  an  Gilbert2  die  ersten  Nachrichten  darüber  mit,  nach- 
dem schon  in  tiefster  Stille  Erhebliches  geschehen  war.  Marechaux'  Nach- 
richten sind  folgende: 

„Herr  Akademicus  Ritter  hat  hier  eine  Arbeit  übernommen,  von  der 
man  die  Früchte  mit  Ungeduld  erwartet.  Sie  betrifft  etwas,  das  ich  nicht 
bezeichnen  kann,  weil  ich  es  nicht  kenne,  und  das,  wie  es  scheint,  auf  etwas, 
wie  thierischer  Magnetismus  hinaus    kömmt.      Campetti,    ein  Italiener,    den 


1  Gilbert'«  Ann.  13,  467.  1803.  *  Ebenda  25,  340.   1807. 


232  Achtes  Kapitel. 


Herr  Ritter  hierher  geführt  hat,  nachdem  er  -sich  an  Ort  und  Stelle  voa 
dessen  wunderbaren  Fähigkeiten  überzeugt  zu  haben  glaubte,  ist  der  Gegen- 
stand seiner  Versuche.  Seine  Absicht  scheint  zu  sein,  uns  mit  einem  Male 
durch  die  Resultate  zu  überraschen;  es  sind  nur  wenige,  mit  denen  er  die 
Kräfte  dieses  Campetti  abwägt,  und  ich  bin  dabei  noch  nicht  zugegen  ge- 
wesen. Es  gehört  in  der  That  viel  Muth  dazu,  sich  mit  einem  Gegenstande 
dieser  Art  von  neuem  zu  beschäftigen;  dass  ich  ihn  nicht  gehabt  haben 
würde,  gestehe  ich  gern.  Campetti  soll  ein  zweiter  Bench  (Pennet),  und 
noch  empfindlicher  (verzeihen  Sie,  wenn  ich  wie  von  einem  Elektrometer 
spreche)  als  der  Abt  Fortis  sein,  von  dem  man  doch  sagt,  dass  er  in  dieser 
Kunst  stark  sei.  .  . ."     Und  zwei  Monate  später: 

„Campetti  ist  noch  immer  hier;  von  den  mit  ihm  angestellten  Ver- 
suchen hört  man  nichts,  nur  dass  er  durch  ein  massiges,  keusches  Leben 
seine  Kraft  wohl  bewahren  müsse,  und  dass  er  sich  oft  irre,  wenn  er  die 
Art  der  Metalle  errathen  will.  Auch  vereinigen  sich  jetzt  mehrere  in  der 
Aussage,  man  finde  in  diesen  Versuchen  nichts  Constantes.  Der  thierische 
Magnetismus  soll  auch  durch  andere  Körper  hindurch  wirken,  z.  B.  durch 
Tischplatten.  Und,  merken  Sie  sich:  Wenn  Sie  einen  Ring  oder  Würfel  an 
einem  Zwirnsfaden  über  einem  runden  Stück  Metall  schwebend  erhalten,  so 
schwingt  er  im  Kreise;  wenn  dagegen  viele  Metallscheiben  der  Länge  nach 
aneinander  gereiht  sind,  so  geschieht  das  Schwingen  nach  der  Richtung 
dieser  Stücke,  vorausgesetzt,  dass  sie  von  Süden  nach  Norden  liegen,  oder 
von  Osten  nach  Westen.  Und  so  erräth  der  Ring,  wie  Metallstücke  in 
einem  Tischkasten  liegen,  wenn  man  den  Ring  über  der  Tischplatte 
schwebend  hält 

,,Seit  kurzem  soll  man,  wie  ich  höre,  anfangen,  von  der  Idee  eines 
thierischen  Magnetismus  zurückzukommen  und  in  den  Phänomenen  blosse 
Elektricität  finden;  vielleicht  eine  günstige  Wendung,  der  Sache  das  Wunder- 
bare zu  benehmen." 

Der  erste  Bericht,  mit  welchem  Ritter  und  Genossen  an  die  Öffent- 
lichkeit traten,  findet  sich  im  Morgenblatt  für  gebildete  Stände  vom 
30.  Jan.  1807,  No.  26,  und  ist  von  dort  in  Gilberts  Annalen,  26,  400,  1807 
übergegangen.     Er  ist  nachstehend  vollständig  wiedergegeben. 

„Merkwürdiger  physikalischer  Versuch.  Die  beiläufige  Erwähnung 
der  sogenannten  Wünschelruthe  und  ihrer  Wiederbelebung  in  einem  der 
ersten  Blätter  des  Morgenblattes  bewegt  mich,  Ihnen  das  Rechte  von  der 
Sache  bald  zu  sagen,  damit  sie  Ihnen  nicht  entstellt  wird,  ehe  sie  vollständig 
und  wissenschaftlich  mitgetheilt  werden  kann. 

„Im  Herbste  des  vorigen  Jahres  erhielt  Herr  Ritter,  Mitglied  der  Aka- 
demie der  Wissenschaften,  durch  einen  reisenden  Freund  die  Nachricht,  dass 
auf  der  Grenze  von  Tirol  und  Italien  am  Gardasee  ein  junger  Landmann 
existire,  der  das  Vermögen,  die  Gegenwart  von  Metallen  und  Wasser  genau 
an  den  Stellen,  wo  sie  tief  in  der  Erde  verborgen  sind,  durch  körperliche 
Sensationen  wahrzunehmen,  in  einem  hohen  Grade  besitze.    Er  hatte  es  an 


: 


Galvanische  Phantasieen. 


233 


sich  entdeckt,  als  er  zufällig  Pennet,  der  durch  die  Gegend  kam,  auf  diese 
Weise  experimentiren  sah,  worauf  er  es  mit  sich  selbst  versuchte;  und  nicht 
allein  gelangen  ihm  die  PENNEi^schen  Experimente  vollkommen,  die  Baguette 
belebte  sich  in  seiner  Hand,  sondern  er  hatte  die  bestimmtesten  Empfin- 
dungen vom  Dasein  des  Metalles  und  Wassers,  ohne  alles  weitere  Werkzeug, 
und  war  für  seine  Gabe  in  der  umliegenden  Gegend  schon  länger  bekannt 
und  benutzt  worden. 

„Diese  Botschaft,  und  die  Möglichkeit,  ein  solches  Phänomen  selbst  zu 
untersuchen,  ergriff  Rittern,  wie  Sie  sich  vorstellen  können.  Die  Nachbar- 
schaft des  Schauplatzes  begünstigte  diese  Möglichkeit,  hob  aber  doch  nicht 
alle  Schwierigkeiten.  Ritter  fasste  also  den  Entschluss,  sich  an  die  Regie- 
rung zu  wenden,  um  eine  förmliche  Sendung  zu  erhalten.  Er  stellte  in 
seinem  Memorial  die  gleiche  Wichtigkeit  vor,  eine  solche  Erscheinung  ent- 
weder als  wahr,  oder  als  falsch  zu  ergründen.  Die  lebhafte  Mitwirkung 
Franz  Baader's  und  der  vortreffliche  Sinn  des  Geheimenraths  von  Schenck 
beförderten  die  Angelegenheit,  und  in  dem  uneingenommenen  freien  Geiste 
des,  für  alles  ihm  wirklich  dargelegte  Gute  und  Grosse  empfänglichen, 
Ministers  Freiherrn  von  Montgelas  fand  sie  so  wenig  ein  Hinderniss,  dass 
die  Genehmigung  von  seiner  Seite  auf  das  eingereichte  Memoire  allein,  ohne 
weiteres,  erfolgte. 

„Im  Anfange  des  Novembers  reiste  Herr  Ritter  von  hier  ab.  Er  fand 
an  dem  jungen  Campetti  nach  den  schärfsten  und  oft  wiederholten  Prüfungen, 
von  denen  er  das  Detail  sammt  allen  übrigen  Aktenstücken  demnächst  selbst 
geben  wird,  alles  bestätigt,  was  ihm  angekündigt  worden  war.  Nachdem  er 
sich  vollkommen  überzeugt  hatte,  nahm  er  Campetti,  seinem  gleich  anfäng- 
lich entworfenen  Plane  gemäss,  mit  sich  nach  Mailand  und  Pavia.  Er  hatte 
erfahren,  dass  er  in  Mailand  einen  Gelehrten  treffen  würde,  der  Campetti's 
Eigenschaft  gleichfalls  besässe,  und  zwar  nicht  als  blindes  Werkzeug  der 
Xatur,  sondern  der,  als  mit  grossen  physikalischen  Kenntnissen  ausgerüstet, 
auch  die  Augen  dabei  habe.  Dieses  ist  der  Abbate  Amoretti,  Bibliothekar 
der  Ambrosianischen  Bibliothek.  Hier  thaten  sich  ihm  denn  auch  wirkliche 
neue  und  bereits  bewährte  Schätze  der  Erkenntniss  auf.  Amoretti  hatte 
mit  der  Baguette  nicht  allein  nach  Metallen  geforscht,  sondern  mancherlei 
Fragen  an  den  menschlichen  Organismus  damit  gethan,  und  seine  Erfahrungen 
in  einer  Schrift  niedergelegt,  die  eben  erschienen  war.  Von  Mailand  ging 
Ritter  nach  Pavia,  und  war  mehrere  Tage  mit  Volta  zusammen.  In  Italien 
interessirte  man  sich  sehr  für  die  Sache,  ohne  sie  für  ein  Wunder  zu  halten; 
sie  fand  unter  den  Gelehrten  unverstockte  Hörer,  und  Versuche,  welche 
Ritter  sich  im  voraus  sorgfaltig  entworfen  hatte,  waren  von  den  Landleuten 
in  der  Gegend,  wo  Campetti  wohnte,  schon  mit  ihm  angestellt  worden.  Er 
brachte  es  auf  seiner  Rückreise  bei  Campetti's  Verwandten  dahin,  dass  er 
ihn  mit  nach  München  nehmen  durfte,  um  ihn  einige  Zeit  bei  sich  zu 
behalten.  Am  Ende  Dezembers  kam  er  also  in  dessen  Begleitung  zurück, 
beladen  mit  reicher  Ausbeute  seines  Zuges,    und  besonders  auch   darüber 


234  Achtes  Kapitel. 

erfreut,  dass  die  liberale  Gesinnung  der  Regierung  so  genugthuend  hättt| 
benutzt  werden  können.  Es  war  nun  gar  nicht  die  Absicht,  aus  diese*  £ 
Gegenstande  ein  öffentliches  Spektakel  zu  machen,  das  denn  wahrhaftig  auck  * 
keinen  Zweifler  überzeugt  haben  würde.  Campetti  hält  sich  daher  gaü  s 
häuslich  bei  Ritter  auf;  noch  hat  ihn  niemand  zu  Befriedigung  blosser  3 
Neugier  bei  sich  gesehen,  und  nur  in  einem  kleineren  Kreise,  hauptsächlich  ^ 
von  Ritter,  Fr.  Baader  und  Schelling,  wurden  bisher  Versuche  angestellt,  s 
welche  im  Grossen  und  Freien  zu  machen  auch  eine  andere  Jahreszeit  i 
erfordert.  Um  das  so  ganz  individuell  scheinende  Phänomen  jedoch  an  em  : 
allgemeiner  verbreitetes  Vermögen  anzuknüpfen  und  verständlicher  zu  machen* : 
gedachte  Ritter  mit  der  ihm  eigenthümlichen  Ingeniosität  der  Schwefellde^»  : 
Pendel  des  Abts  Fortis,  deren  Schwingungen  man  längst  wieder  unterdrückt ; 
und  verworfen  hatte.  Er  fand  erst  hier,  dass  dieser  Versuch  nicht  nur  ihm,  : 
sondern  fast  allen  gelinge,  die  ihn  bis  jetzt  unternahmen.  In  Zeit  von  - 
wenigen  Wochen  ist  er  schon  bis  in  die  feinsten  Modifikationen  und  zu  ; 
höchst  merkwürdigen  Resultaten  ausgebildet  worden;  täglich  zeigen  sich  neue  : 
Erscheinungen. 

„Ich  will  Ihnen  nur  kurz  andeuten,  um  was  es  hier,  und  wie  es  zu 
thun  ist. 

„Man  nimmt  einen  Würfel  von  Schwefelkies,  oder  gediegenem  Schwefel, 
oder  irgend  einem  Metalle  (die  Grösse  und  Gestaltung  sind  gleichgültig, 
man  kann  z.  B.  einen  goldenen  Ring  dazu  nehmen),  hängt  ihn  wagerecht  an 
einen  Zwirnsfaden,  der  */4  oder  lj2  Elle  lang  sein  kann,  und  am  besten 
immer  etwas  angefeuchtet  wird,  auf,  indem  man  den  Faden  mit  zwei  Fingern 
so  stät  fasst,  dass  der  Würfel  sich  nicht  mehr  mechanisch  hin  und  her 
bewegt.  So  hält  man  ihn  frei  und  in  nicht  weiter  Entfernung  über  der  Mitte 
eines  Gefässes  mit  Wasser,  oder  irgend  eines  Metalles  (einer  Münze,  einer 
Zink-  oder  Kupferplatte),  und  er  wird  lebendig  werden,  und  sich  in  leise 
anhebenden,  längliche  Ellipsen  beschreibenden,  allmählich  sich  rundenden, 
regelmässigen  Schwingungen  bewegen. 

„Über  dem  Nordpol  des  Magneten  wird  er  sich  bewegen:  von  der  linken 
nach  der  rechten  Seite;  über  dem  Südpol:  von  der  rechten  zur  linken. 

„Über  Kupfer  oder  Silber,  wie  über  dem  Südpol;  über  Zink  und 
Wasser,  wie  über  dem  Nordpol. 

„Man  muss  die  Versuche  gleichförmig  anstellen,  so  nämlich,  dass  man 
immer  von  oben  herab  dem  Gegenstande  sich  nähert,  oder  immer  von 
der  Seite.  Von  der  Seite  verändert  sich  das  Verhältniss  dergestalt,  dass 
die  Art  der  Schwingung  von  der  linken  nach  der  rechten  Seite,  welche  oben 
vom  Nordpole  angegeben  ist,  sich  umwendet  und  wie  beim  Südpole  wird, 
und  umgekehrt. 

„Auch  ist  es  nicht  gleich,  ob  man  mit  der  rechten  oder  linken  Hand 
operirt,  denn  zwischen  der  rechten  und  linken  Seite  ist  der  Gegensatz 
bei  Manchem  bis  zu  der  entschiedensten  Polarität  ausgebildet. 

„Jede  Vermuthung  einer  Täuschung,  die  man  hierbei  ausklügeln  möchte, 


Galvanische  Phantasieen. 


235 


vird  sich  durch   das  eigene  bestimmte  Gefühl  widerlegen,   dass  das  Pendel 
ohne  allen  mechanischen  Anstoss  schwingt.   Die  Regelmässigkeit  der  Resultate 
md  Sie  vollends  überfuhren.     Sie  können  darüber  alle  möglichen  Experi- 
mente anstellen,  z.  B.  den  Würfel,  wenn  er  schon  im  Schwingen  ist,  nach 
der  entgegengesetzten  Seite  mechanisch  herumtreiben;  er  wird  in  die  erste 
Richtung  zurückkehren,  so  bald  er  den  mechanischen  Anstoss  auserlitten  hat. 
„Wenn  man  den  Würfel  über  eine  Orange,  einen  Apfel,  u.  s.  w.,  hält, 
so  wird  er  über  der  Frucht,  da,  wo  sie  am  Stiele  fest  gesessen,  schwingen, 
wie  über   dem  Südpol  des  Magneten;   wenn  man  die  Frucht  auf  die   ent- 
gegengesetzte Seite  wendet,   indem   man  fortfährt,   das  Pendel  über  sie  zu 
haken,  so  verändert  sich  die  Richtung.     Eben  solche  entschiedene  Polarität 
ttigt  ach  an  den  beiden  entgegengesetzten  Enden  eines  frischen  Eies. 

„Am  auffallendsten  aber  zeigt  das  Pendel  die  Polarität  des  mensch- 
lichen Organismus  an.  Der  Würfel  über  den  Kopf  gehalten,  schwingt 
wie  über  Zink.  An  die  Fusssohlen,  wie  über  Kupfer.  An  die  Stirn  und 
Augen  =  Nordpol;  bei  der  Nase  wendet  er  sich  =  Südpol;  bei  dem 
Hunde  =  Südpol;  bei  dem  Kinn  wie  an  der  Stirn.  Auf  diese  Art  kann 
der  ganze  Körper  durchexperimentirt  werden.  Entgegengesetzt  ist  sich  die 
innere  und  äussere  Fläche  der  Hand.  Über  jeder  Fingerspitze  schwingt 
der  Würfel,  und  zwar  über  der  vierten  oder  dem  Ringfinger  allein  nach 
der  entgegengesetzten  Seite  von  den  anderen.  Dieser  Finger  ist  sogar  im 
Stande,  wenn  man  ihn  allein  auf  den  Rand  des  Tisches  auflegt,  wo  experi- 
mentirt  wird,  die  Schwingungen  anzuhalten,  oder  auch,  sie  zu  verändern. 
Die  Versuche  über  die  Polarität  des  kürzeren  waren  es  unter  anderen,  welche 
der  Abt  Amoretti  mit  der  Baguette  schon  unternommen  hatte. 

„Die  Baguette  ist  in  ihrer  Wirksamkeit,  nach  Ritter's  Bemerkung,  nichts 
anderes,  als  ein  doppeltes  Pendel,  welches  in  Bewegung  zu  setzen  nur  ein 
höherer  Grad  der  nämlichen  Kraft  erfordert  wird,  welche  jene  Schwingungen 
hervorbringt. 

„Ich  habe  Ihnen  hier  nur  in  Eile  einige  Vorübungen  angezeigt,  die  Sie 
weiter  kultiviren  mögen,  und  die  wahrscheinlich  zu  vielen  von  den  Resultaten 
führen  werden,  auf  die  man  hier  bereits  gekommen  ist. 

„Auch  dieses  Vermögen  will  geübt  sein.  In  Ritter's  Händen  neigt  sich 
anfangs  die  Baguette  nicht,  und  nur  dann  geschah  es,  wenn  ihm  Campetti 
die  Hände  auf  die  Schultern  legte.  Jetzt  geschieht  es  ihm  und  mehreren 
anderen.  Campetti's  Kraft  scheint  etwas  Mittheilendes  zu  haben.  Seine 
unmittelbare  Nähe  reicht  hin,  die  Regelmässigkeit  der  Experimente,  die  neben 
ihm  gemacht  werden,  zu  unterbrechen;  in  ihm  selbst  hingegen  offenbart 
sich  die  äusserste  Regelmässigkeit  bei  den  Versuchen,  die  mit  ihm  angestellt 
werden,  welche  um  so  reiner  sind,  da  er  weder  unterrichtet  ist,  wie  Kupfer 
und  Zink,  z.  B.,  wirken,  ja  sehr  oft  nicht  weiss,  welches  Metall  man  ihm 
unter  die  Hand  oder  an  den  Fuss  gelegt  hat,  indem  er  die  Baguette  hält, 
welche  sich  ebenfalls  ein-  oder  auswärts,  nach  der  Verschiedenheit  des 
Metalles  neigt    Da  er  kein  Wort  deutsch  versteht,  so  erfährt  er  auch  nicht 


236  Achtes  Kapitel. 


beiläufig,  welche  Wirkung  man  von  ihm  erwartet   Es  ist  ein  ganz  ein! 
in  sich  zufriedener  und  kräftiger  Mensch,    der  nichts  weiss,   als  dass  Gott' 
ihm  diese  Gabe  verliehen,  und  er  sie  durch  ein  massiges  und  frommes  Lebet 
bewahren  müsse." 

Neben  dieser  mehr  populären  Darstellung  ist  eine  etwas  Wissenschaft» 
licher  gehaltene,  offenbar  von  Ritter  unmittelbar  beeinflusste  Nachricht 
durch  dessen  Freund,  den  Professor  Weiss  in  Leipzig, l  erschienen,  und  zwar 
zuerst  in  französischer  Sprache  in  der  zu  Genf  erscheinenden  Bibliotheqoc 
britannique,  35,  80,  1807.  Eine  deutsche  Übersetzung  davon  erschien  it 
Gehlen's  Journal  für  Chemie,  4,  114,  1807,  eine  andere,  abgekürzte,  die 
hier  wiedergegeben  werden  soll,  in  Gilberts  Annalen  der  Physik,  26,  42% 
1807: 

„Herr  Ritter  hatte  eine  lange  Reihe  von  Versuchen  mit  der  Wünschet 
ruthe  und  mit  den  Pendeln  angestellt,  welche  durch  die  Kräfte  in  Bewegung 
kommen,  die  den  Gegenstand  seiner  Untersuchungen  ausmachen.  An  die 
Stelle  beider  hat  er  jetzt  ein  sehr  einfaches  Instrument  gesetzt,  das  bei  weitem 
sicherer  ist,  ob  es  gleich  weit  kleinere  Räume  durchläuft.  Die  stärkste  Be- 
wegung desselben  ist  ein  Drehen  von  450,  indess  die  Wünschelruthe  und 
ähnliche  Instrumente  mehrere  ganze  Umdrehungen  hintereinander  machen 
können.     Er  nennt  es  Balancier. 

„Dieser  Balancier  ist  ein  kleiner  Stab  oder  rectangularischer  Streifen  von 
Kupfer,  ungefähr  6  Zoll  lang,  1/a  Zoll  breit  und  von  willkürlicher  Dicke,  den 
man  auf  der  Spitze  eines  senkrecht  ausgestreckten  Fingers,  während  die 
anderen  gekrümmt  sind,  in  recht  horizontaler  Lage  ins  Gleichgewicht  bringt 
Am  meisten  eignet  sich  dazu  der  Mittelfinger  der  linken  Hand.  Man  hält 
den  Finger,  der  den  Balancier  trägt,  möglichst  unbewegt,  und  für  den 
Balancier  ist  die  schicklichste  Stellung  die,  „dass  das  eine  Ende  desselben 
gegen  die  Person  gerichtet  ist,  welche  den  Versuch  anstellt,  und  das  andere 
Ende  nach  aussen".  Doch  hat  die  Richtung,  in  welcher  der  Balancier  steht, 
auf  den  Erfolg  keinen  Einfluss.  Zum  Balancier  kann  man  auch  andere 
Metalle  nehmen;  selbst  Glas  oder  Siegellack  oder  Papier;  denn  es  isoliren 
hier  nur  die  vollkommensten  Nichtleiter  der  Elektricität,  wie  z.  B.  Schellack, 
und  nur  sie  kommen  als  Balancier  nicht  in  Bewegung.  Es  ist  gut,  die  Spitze 
des  Fingers,  auf  der  der  Balancier  aufliegt,  mit  einer  leitenden  Flüssigkeit 
etwas  zu  befeuchten;  je  besser  sie  leitet,  desto  ausgezeichneter  ist  der  Erfolg. 
Nimmt  man  dazu  Öl,  so  bleibt  aller  Erfolg  aus;  Öl  isolirt  aber  auch  fast 
ebenso  gut  als  Schellack. 

„Den  Balancier  in  Bewegung  zu  setzen,  dazu  gehört  eine  besondere  Kraft, 
mit  der  ziemlich  wenige  begabt  sind;  ihre  Zahl  ist  sehr  viel  kleiner  als  die 
Zahl  derer,  für  welche  die  Wünschelruthe  empfindlich  ist;  doch  hat  Herr 
Ritter  deren  einige,  theils  Männer,  theils  Frauen  gefunden.     Der  Balancier 

1  Es  ist  derselbe,  von  welchem  das  Verfahren  herrührt,  die  Krystallformen  auf  Axen  zu 
beziehen,  und  welcher  dadurch  der  Krystallographie  für  fast  ein  Jahrhundert  ihre  Gestalt 
gegeben  hatte. 


i 


Galvanische  Phantasieen. 


237 


kommt  unter  bestimmten  Umständen  nach  einer  bestimmten  Richtung  in 
Bewegung,  welches  auch  seine  anfängliche  Lage  gewesen  ist.  Folgendes 
snd  die  gewöhnlichen  Erscheinungen: 

„1)  Bei  Campetti,  und  so  im  Allgemeinen  bei  Männern,  kommt 
der  Balancier,  wenn  er  auf  die  angegebene  Art  auf  eine  der  Fingerspitzen 
der  linken  Hand  gelegt  wird,  sehr  bald  in  eine  drehende  Bewegung,  und 
prar  auf  dem  Mittelfinger,  dem  Zeigefinger  oder  dem  Daumen  dreht  er  sich 
nch  aussen,  d.  h.  nach  der  rechten  Seite,  dagegen  auf  dem  Ringfinger 
and  auf  dem  kleinen  Finger  nach  innen,  d.  h.  nach  der  linken  Seite. 
Die  Finger  der  rechten  Hand  stehen  mit  den  gleichnamigen  der  linken 
Hand,  in  Absicht  der  Richtung,  nach  welcher  der  Balancier  sich  dreht,  nach 
Herrn  Ritter  im  Gegensatze. 

„2)  Frauen,  welche  die  eigentümliche  Kraft  besitzen,  theilen  dem 
Balancier  unter  den  gleichen  Umständen,  Bewegungen  nach  entgegengesetzter 
Richtung  als  die  Männer  mit 

„3)  Steht  die  Person  während  der  Versuche  mit  Metallen  oder  einigen 
anderen  Körpern  in  Berührung,  so  hat  dieses  auf  die  Richtung,  nach  welcher 
der  Balancier  sich  dreht,  grossen  Einfluss.  Wenn  Campetti,  während  er  den 
Balancier  auf  dem  Mittelfinger  der  linken  Hand  trägt,  Zink,  Zinn,  Blei  oder 
Stahl  unter  seinen  Füssen  hat,  so  erfolgt  die  Bewegung  „nach  einer  der 
gewöhnlichen  entgegengesetzten  Richtung,  d.  h.  der  Streifen  geht  von 
der  Rechten  zur  Linken".  Ist  es  Eisen,  Kupfer,  Messing,  Gold,  Silber, 
Kohle,  Reissblei  u.  s.  w.,  so  geschieht  das  Drehen  nach  der  gewöhnlichen 
Richtung  mit  grösserer  Kraft. 

„Auf  dieselbe  Art,  wie  die  mit  +  bezeichneten  Metalle,  wirken  auch: 
der  Nordpol  eines  Magnetstabes,  das  obere  Ende  irgend  einer  Frucht,  die 
Wurzel  sammt  dem  Theile  des  Stammes  eines  Baumes,  der  ihr  zunächst 
ist,  und  der  Kopf  eines  Kindes  oder  Mannes.  -Auf  gleiche  Art  mit  denen 
mit  —  bezeichneten  Metallen  wirken  der  Südpol  eines  Magnetstabes,  das 
nach  dem  Stiele  zu  gerichtete  Ende  einer  Frucht,  das  obere  Ende  eines 
Baumes  oder  einer  Pflanze,  das  Kinn  und  die  Fusssohlen  eines  Kindes, 
eines  Mannes  u.  s.  w. 

„Selbst  die  Farben  des  Prisma  und  die  strahlende  Wärme  und  Kälte  hat 
Herr  Ritter  in  dieser  Hinsicht  untersucht. 

,,4)  Die  hier  genannten  Körper  äussern  ihre  Einwirkung  auf  die  Be- 
wegung des  Balanciere  schon  dann,  wenn  Campetti  sie  nur  mit  einem  der 
Finger  der  anderen  Hand,  oder  mit  anderen  Gliedmaassen  berührt;  aber 
auch  hier  zeigt  sich  wieder  der  vorige  Gegensatz  in  den  Fingern  und  ein 
ahnlicher  in  den  übrigen  Gliedmaassen.  Berührt  er,  während  der  Balancier 
auf  dem  Mittelfinger  der  linken  Hand  liegt,  Zink  mit  dem  Mittelfinger  der 
rechten  Hand,  so  dreht  der  Balancier  sich  ebenso,  als  wenn  er  Zink  unter 
den  Füssen  hätte;  dagegen  nach  entgegengesetzter  Richtung,  oder  nach 
aussen,  wenn  er  ihn  mit  dem  kleinen  Finger  der  rechten  Hand  berührt.  Bei 
Kupfer  findet  das  entgegengesetzte  statt.   Die  Ordnung  in  den  beiden  Reihen 


238  Achtes  Kapitel. 


der  Körper  bleibt  für  jedes  Gliedmaass  unverändert  eine  und  dieselbe,  wie 
sie  oben  genannt  sind. 

„5)  Es  ist  nicht  einmal  nöthig,  dass  eine  wirkliche  Berührung  zwischen  : 
diesen   Körpern    und   den    Gliedmaassen   stattfinde.      Campetti   braucht  die  : 
Spitze  des  Mittelfingers  der  rechten  Hand  einem  dieser  Körper  nur  bis  auf- ; 
1  Zoll  zu  nähern,    um  den  Balancier  in  Bewegung  zu  setzen;    doch  ist  bei 
völliger  Berührung  das  Drehen  stärker. 

„6)  Nimmt  man  einen  Balancier  aus  Zink  und  einen  aus  Kupfer,  und 
legt  einen  über  den  anderen  auf  die  Spitze  des  linken  Mittelfingers,  so  wird, 
wenn  der  von  Zink  unten  liegt,  die  gewöhnliche  Bewegung  des  Balanciere  ; 
nach  aussen  sehr  verstärkt;  wenn  dagegen  der  von  Kupfer  unten  liegt,  so 
geht  die  Bewegung  nach  der  anderen  Seite,  oder  nach  innen  vor  sich. 
Und  dieses  giebt  ein  Mittel  ab,  wie  man  die  Elektricität,  die  in  der  Berührung 
zweier  Körper  entsteht,  der  Art  nach  erkennen  kann. 

„7)  Ruht  der  einfache  Balancier  wie  gewöhnlich  auf  dem  linken  Mittel- 
finger, und  taucht  man  einen  der  Finger  der  rechten  Hnnd  in  ruhiges 
Wasser,  oder  in  Erde,  die  mit  reinem  Wasser  genässt  ist,  so  wird  der 
Balancier  sogleich  unbeweglich.  Ist  das  Wasser  dagegen  in  Bewegung,  so 
dreht  sich  der  Balancier  nach  aussen;  und  befindet  sich  unter  dem  ruhigen 
Wasser  ein  Metall  oder  die  Wurzel  einer  Pflanze,  so  dreht  sich  der  Balancier 
so,  als  hätte  man  diese  Körper  unmittelbar  berührt.  Wenn  Campetti  die 
Wünschelruthe  auf  die  gewöhnliche  Weise  hielt,  so  drehte  sie  sich  über 
fliessendem  Wasser  oder  über  Quellen  stets  von  innen  nach  aussen,  d.  h. 
wie  über  der   + -Reihe. 

„8)  Es  erfolgte  im  Balancier  einerlei  Wirkung,  Campetti  mochte  in  allen 
vorigen  Versuchen  mit  den  genannten  Körpern  in  unmittelbarer,  oder  nur 
in  mittelbarer  Berührung  durch  andere  Menschen,  ja  selbst  durch  eine  Kette 
von  10  Menschen  sein,  nur  dass  in  den  letzteren  Fällen  die  Wirkung 
schwächer  war. 

„9)  Alle  physiologischen  Verrichtungen  haben  einen  ebenso  grossen  Ein- 
fluss  auf  diese  Versuche.  Der  auf  dem  linken  Mittelfinger  ruhende  Balancier 
dreht  sich  während  eines  tiefen  Ausathmens  sehr  stark  nach  aussen,  während 
eines  tiefen  Einathmens  sehr  stark  nach  innen.  Wenn  man  den  linken  Ann 
steif  ausstreckt,  so  bewegt  er  sich  nach  innen;  dasselbe  geschieht,  wenn  man 
diesen  gebeugt  lässt  und  den  rechten  Arm  steif  ausstreckt.  Die  Beugung 
bringt  stets  den  entgegengesetzten  Erfolg  der  Streckung  hervor,  d.  i.,  ein 
Drehen  nach  gewöhnlicher  Richtung,  und  zwar  verstärkt.  Und  das  ist  gleich 
für  alle  Glieder,  die  sich  zu  strecken  und  zu  beugen  vermögen. 

„10)  Herr  Ritter  Hess  von  Campetti  während  der  Balancier  auf  der 
Spitze  des  linken  Mittelfingers  lag,  mit  der  Spitze  des  rechten  Mittelfingers 
wiederholt  eine  Zink-  oder  eine  Zinnplatte  berühren,  und  die  Zahl  dieser 
Berührungen  mit  lauter  Stimme  abzählen.  Die  obere  Reihe  bedeute  diese 
Zahlen,  /  ein  Drehen  nach  innen,  A  ein  Drehen  nach  aussen,  o  Mangel  an 
allem  Drehen;  dann  stellt  folgendes  das  Resultat  dar: 


Galvanische  Phantasieen. 


239 


I23456789         IO 

IA0IA0IAI0 
kd  so  drehte  sich  der  Balancier  auch  bei  den  ferneren  Berührungen  immer 
(wechselnd  nach  innen  und  nach  aussen,  und  blieb  bei  einigen  unbeweg- 
i,  und  zwar  bei  folgenden: 

15  21  26  36  45  55- 
ieses  sind  Triangularzahlen,  nur  dass  26  statt  28  steht,  und  auch  weiterhin 
riehen  die  Zahlen,  bei  denen  der  Balancier  unbeweglich  wurde,  nur  um 
De  oder  zwei  Einheiten  von  denen  in  der  Reihe  der  Triangularzahlen  ab. 
war  kommen  bei  diesem  sehr  feinen  Versuche  Anomalieen  vor,  sie  waren 
ber  nie  so  gross,  dass  sie  das  allgemeine  Gesetz  aufhöben,  und  bei  den 
icr  ersten  war  der  Balancier  jedes  Mal  ohne  Ausnahme  unbeweglich.  Zählt 
Iampetti  nicht  wirklich,  oder  denkt  er  nicht  an  die  Zahl,  so  ist  sie  ohne 
influss.  Man  sieht  daher  offenbar,  dass  die  Idee  der  Zahl  selbst  in  seinem 
körper  gewisse  physische  Wirkungen  hervorbringt,  welche  die  beobachtete 
Bewegung  bestimmen." 

„11)  Auch  die  Gestalt  des  Balanciers  ist  nicht  gleichgültig.  Eine  dünne 
Cupferplatte,  welche  die  Gestalt  eines  Kreises  hat,  dreht  sich  gleichartig  mit 
lern  gewöhnlichen  rectangularischen  Streifen;  ebenso  ein  Sechseck  und  ein 
fiereck;  ein  Fünfeck  aber  dreht  sich  nach  den  entgegengesetzten  Richtungen, 
und  ein  gleichseitiges  Dreieck  oscillirt  beständig  zwischen  diesen  hin  und 
ber,  dreht  sich  erst  wie  das  Fünfeck,  dann  wie  das  Viereck,  darauf  wieder 
wie  das  Fünfeck  u.  s.  f. 

„Gerade  so  dreht  sich  auch  der  gewöhnliche  Balancier  auf  dem  linken 
Mittelfinger,  wenn  Campetti  mit  dem  rechten  Mittelfinger  den  Mittelpunkt 
dieser  Figuren  berührt. 

„Welchen  Einfluss  die  regelmässigen  Körper  auf  die  Bewegung  des 
Balanciers  haben,  hat  Herr  Ritter  noch  nicht  untersucht;  es  ist  seine  Ab- 
sicht, diese  Art  von  Untersuchungen  fortzusetzen." 

},\2)  Wie  mancher  kleine  Umstand  bei  allen  diesen  Versuchen  mit  in 
Betracht  kommt,  davon  ist  folgendes  ein  Beweis.  Es  hatten  mehrere  irgend 
ein  Metall  in  Papier  gewickelt,  um  es  unter  die  Füsse  Campetti's  zu  legen, 
der  den  Balancier  schwebend  hielt.  Als  Herr  Ritter  genau  wusste,  an 
welcher  Stelle  des  Fusses  das  Metall  lag,  fragte  er  nach  der  Anzahl  von 
-agen  des  Papiers,  welche  das  Metall  umgaben,  und  errieth  dann  auf  der 
Stelle  aus  der  Bewegung  des  Balanciers  die  Art  des  eingewickelten  Metalles, 
iagte  man  ihm  diese,  so  rieth  er  umgekehrt  die  Zahl  der  Papierlagen. 

„Was  die  Theorie  dieser  Erscheinungen  betrifft,  so  glaubt  Herr  Ritter 
ie  alle  der  Elektricität  zuschreiben  zu  müssen.  Es  ist  ihm  geglückt,  ähnliche 
Virkungen  durch  die  beiden  Pole  einfacher  galvanischer  Ketten,  durch  die 
"oLTA'sche  Säule,  durch  die  Leidener  Flasche  und  durch  die  beiden  Elektrici- 
iten  der  Elektrisirmaschine  hervorzubringen,  theils  mit,  theils  ohne  Isola- 
>ren;  und  er  hofft  dereinst  noch  alle  diese  Erscheinungen  mit  Vorrichtungen 
ervorzubringen,    zu  denen  nichts  Belebtes  kommt,    und  dann  nicht  ferner 


240  Achtes  Kapitel. 


jenes  ausnehmend  feinen  und  empfindlichen  Instrumentes  zu  bedürfen,  dat 
auf  den  physiologischen  Kräften  lebender  Wesen  und  insbesondere  der 
menschlichen  Nerven  beruht. 

„Er  beweist  durch  viele  andere  Versuche,  dass  der  Balancier  sich  gerade 
so  bewegt,  als  wenn  in  den  Finger,  der  ihn  trägt,  positive  Elektricität  träfe 
Und  dieses  findet  in  der  That  statt.  Der  Finger  wirkt  als  feuchter  Leiter, 
und  es  geschieht  nach  dem  Gesetze  der  Elektricitätserregung  nach  der 
zweiten  Klasse,  dass  die  Balanciers  in  Bewegung  oder  in  elektrische  Span» 
nung  mit  dem  Finger  treten,  indem  der  Finger  +  E,  das  Metall  —  E  erhält, 
beide  Elektricitäten  zeigt  in  ihnen  der  VoLTA'sche  Condensator  (und  das 
gerade  auf  diese  Art)  sehr  merklich.  Ein  Condensator,  dessen  Deckel  ans 
demselben  Metalle  als  der  Balancier  besteht,  und  dem  dieser,  indem  er  sich 
dreht,  seine  Elektricität  mittheilt,  nach  welcher  Richtung  auch  der  Balancier 
sich  dreht.  Die  Elektricität  des  Fingers,  welche  immer  positiv  ist,  wirkt  nun 
weiter  auf  den  Nerven,  und  je  nachdem  dieses  dem  Gesetze  der  Elektricitäts- 
erregung der  ersten  Klasse  oder  dem  der  zweiten  Klasse  gemäss  geschieht, 
bestimmt  der  Nerv  die  Erscheinungen  auf  eine  verschiedene  Art,  und  so, 
wie  sie  wirklich  erfolgen.  Die  Nerven  des  Ringfingers  und  des  kleinen 
Fingers  der  linken  Hand  werden  bei  dem  Versuche,  wenn  er  wie  gewöhn- 
lich angestellt  wird,  nach  dem  Erregungsgesetze  der  ersten  Klasse,  die  des 
Mittelfingers,  des  Zeigefingers  und  des  Daumens  aber  nach  dem  Erregungs- 
gesetze der  zweiten  Klasse  afficirt.  Man  kann  es  ohne  Schwierigkeit  machen, 
dass  die  Nerven  aller  Finger  nach  einerlei  Gesetz  afficirt  werden;  man  braucht 
zu  dem  Ende  nur  die  positive  Elektricität  des  Fingers,  der  den  Balancier 
trägt,  bis  auf  einen  gewissen  Grad  zu  verstärken,  entweder  dadurch,  dass 
man  ihm  +  E  aus  einer  Elektrisirmaschine  zuführt,  oder  dass  man  die  Kraft 
des  Balanciers  selbst  erhöht,  indem  man  ihn  aus  zwei  heterogenen  Metallen, 
die  aufeinander  gelegt  werden,  zusammensetzt.  Mit  einem  Worte,  so  über- 
raschend diese  Erscheinungen  auch  sind,  die  das  lebhafteste  Interesse  ver- 
dienen, so  erfolgen  sie  doch  alle  nach  den  Gesetzen  des  Galvanismus,  die 
Ritter  schon  vor  geraumer  Zeit  entdeckt,  und  dadurch  über  die  ganze 
Mannigfaltigkeit  derselben  Licht  verbreitet  hat. 

„Es  werden  viele  Dinge,  die  man  für  unmöglich  hielt,  weil  sie  sich  mit 
falschen  Systemen,  die  gelten,  nicht  vereinigen  Hessen,  nicht  nur  möglich, 
sondern  auch  wirklich  werden,  und  man  wird  ihre  Notwendigkeit  durch 
Theorieen  darthun  können,  denen  jene  Systeme  vielleicht  werden  weichen 
müssen.  Was  die  Materie  betrifft,  von  der  wir  hier  gehandelt  haben,  so 
wollen  wir  uns  weder  in  die  Theorie  noch  in  die  Versuche  hier  weiter  ein- 
lassen. Sie  werden  aber  einst  beweisen  können,  dass  alle  diese  Erscheinungen, 
und  viele  andere  allgemein  bekannte,  die  bisher  ebenso  wenig  untersucht 
sind,  mit  den  grossen  physischen  Einwirkungen  der  Gestirne  und  des  Uni- 
versums auf  unsere  Erdkugel  in  sehr  naher  Verbindung  stehen,  welche  nicht 
darauf  beschränkt  sind,  die  Erdmasse  durch  eine  mechanische  Bewegung  im 
Räume  um  die  Sonne  zu  wälzen,  sondern  auch  in  die  innerste  physikalische 


Galvanische  Fhantasieen. 


241 


und  chemische  Beschaffenheit  des  Erdkörpers  eingreifen,  und  sich  an  jedem 
belebten  Individuum,  und  selbst  an  der  geringsten  Kleinigkeit,  welche  auf 
der  Erdkugel  existirt,  weit  charakteristischer  und  wesentlicher  offenbaren. 
Alsdann  wird  man  auch  die  Physik  und  die  Physiologie  aus  einem  umfassen- 
deren und  wahreren  Gesichtspunkte  betrachten." 

Von  den  weiteren  Kundgebungen  in  der  Sache  sei  ein  Theil  eines 
Berichtes  wiedergegeben,  den  ein  Augenzeuge  der  Versuche  im  Intelligenz- 
blatte der  Jenaer  allg.  Litt.  Ztg.,  1807,  Nr.  36  veröffentlicht  hat.  Enthält 
er  auch  sachlich  nichts  neues,  wie  denn  die  Versuche  sich  immer  in  dem- 
selben engen  Umfange  zu  bewegen  schienen,  so  giebt  er  doch  eine  gute 
Anschauung  von  dem  Ideen-  oder  vielmehr  Wortkreise,  welcher  für  die  ganze 
Geistesrichtung  der  Naturphilosophie  jener  Zeit  typisch  ist. 

„Die  wichtigsten  Momente  dieser  neuen  Untersuchung  scheinen  nun 
dem  Einsender,  nach  dem,  was  er  in  München  selbst  zu  sehen  Gelegenheit 
hatte,  auf  folgende  Hauptpunkte  zurückzukommen. 

„L  Kraft  des  menschlichen  Körpers  überhaupt,  andere  todt 
genannte  Körper,  z.  B.  Metalle,  dynamischer  Weise,  ohne  alle  Da- 
zwischenkunft  mechanischen  Einflusses,  in  Bewegung  zu  setzen.  —  Hier- 
auf beziehen  sich  die  Versuche:  A.  Mit  den  Pendelschwingungen  des 
Abts  Fortis.  Mit  denselben  hat  Ritter  sein  Studium  dieser  Erscheinungen 
angefangen:  der  Aufsatz  des  Morgenblattes  enthält  die  Beschreibung  der 
Art,  wie  der  Versuch  anzustellen  ist;  und  dieser  ist  es  denn  auch,  welcher 
überall  wiederholt  wurde,  mit  dem  verschiedenen  Erfolge,  von  dem  schon 
oben  die  Rede  war.  Es  ist  unleugbar,  dass  dieser  Versuch  manchen  Per- 
sonen nicht  gelingt,  aber  ebenso  unleugbar,  dass  er  vielen  gelingt.  Ersteres 
wäre,  wenn  auch  hier  nicht  ein  anderer  Grund  mitwirkte,  nicht  seltsamer, 
als  dass  nicht  alle  Menschen  gleich  grosse  Kräfte  zum  Magnetisiren  oder 
gleiche  Fähigkeit,  magnetisirt  zu  werden,  besitzen.  Wichtiger  aber  ist  es, 
dass  (wie  die  meisten  wenigstens  sich  vorstellen)  ein  mechanischer  Einfluss 
dabei  kaum  auszuschliessen  ist,  oder  mindestens:  dass  er  nicht  stattfinde, 
nicht  mit  voller  Gewissheit,  auch  den  Ungläubigsten,  constatirt  werden  kann. 
Dennoch  ist  dieses  nicht  ganz  unmöglich,  da  die  kreisartigen  Bewegungen 
des  Pendels  verschieden  sind,  nach  der  Verschiedenheit  der  Körper,  der 
Metalle  z.  B.,  mit  welchen  das  experimentirende  Subjekt  in  Berührung  ist. 
Wer  sich  also  von  der  Realität  der  Versuche  überzeugen  wollte,  brauchte 
bloss  einem  Subjekte,  mit  dem  die  Versuche  überhaupt  gelingen,  jetzt 
dieses,  jetzt  jenes  Metall,  ohne  dass  das  Subjekt  selbst  es  wahrnehmen 
könnte,  auf  den  Kopf  oder  unter  die  Fusssohle  zu  legen,  um  zu  finden,  dass 
die  Bewegung  bei  dem  nämlichen  Metalle,  und  wenn  alle  übrigen  Umstände 
gleich  sind,  stets  die  nämliche  sei,  welches,  wenn  ein,  auch  unbewusster, 
mechanischer  Einfluss  dabei  ins  Mittel  träte,  unmöglich  mit  solcher  Regel- 
mässigkeit erfolgen  könnte.  Es  lassen  sich  nämlich  diese  Versuche  auf  ver- 
schiedene Weise  anstellen:  I.  so,  dass  das  Pendel  über  ein  Metall  über 
Wasser,  irgend  eine  andere  Flüssigkeit,  oder  einen  lebenden  Theil  gehalten 

Ostwald,  Elektrochemie.  *6 


242  Achtes  Kapitel. 


wird;  2.  so,  dass  nicht  das  Metall,  sondern  der  Experimentator  mit  einem 
solchen  Körper  in  Berührung  ist,  oder  wenigstens  in  dessen  Wirkungssphäre^ 
3.  auch  ohne  alle  sichtbare  Dazwischenkunft  eines  dritten  Körpers,  so  dam 
die  Kraft  des  menschlichen  Körpers  als  für  sich  allein  hinreichend  erschein^ 
das  Pendel  in  kreisartige  Bewegungen  zu  versetzen.  —  B.  Mit  der  eigent* 
liehen  Wünschelruthe  oder  Baguette,  deren  Bewegungen  nur  nicht 
ganze,  sondern  halbe  Rotationen  sind  und  ganz  denselben  Gesetzen  wie  die 
Pendelbewegungen  folgen,  so  dass  sie,  wie  jene,  je  nach  Beschaffenheit  des 
Metalles,  mit  dem  der  Experimentator  in  Berührung  ist,  entweder  von  aussen 
nach  innen,  oder  von  innen  nach  aussen  geschehen.  C.  Mit  einer  Stange 
oder  Platte  von  Metall  (auch  von  Siegellack  jedoch,  und  anderen  Nicht- 
leitern), welche  auf  der  Spitze  eines  Fingers  balancirt,  nach  wenigen 
Augenblicken  sich  rechts  oder  links  zu  bewegen  anfängt,  je  nach  Beschaffen- 
heit des  dritten  Körpers,  mit  dem  der  Experimentator  in  Berührung  ist 
Damit  dieser  Versuch  gelinge,  ist  schon  ein  hoher  Grad  von  Kraft  erforder- 
lich, ein  höherer  als  zur  Bewegung  der  Baguette. 

„IL  Differenzen  und  Polaritäten  unbelebter  Körper,  sowie  aller 
Theile  eines  belebten,  welche  vermittelst  jener  Bewegungen  ge- 
funden werden;  und:  Einfluss  allgemeiner  äusserer  Potenzen  auf 
das  Phänomen.  So  ist  z.  B.  die  Richtung  der  Pendelkreisung  eine  andere 
über  dem  Nord-,  eine  andere  über  dem  Südpole  des  Magnets;  eine  ebenso 
entgegengesetzte  über  Metallen,  die  sich  auch  in  anderen,  den  galvanischen, 
elektrischen  und  chemischen,  Versuchen,  wie  zwei  Pole  des  Magnets  ver- 
halten. Eine  entschiedene  Polarität  zeigt  sich  an  den  entgegengesetzten 
Enden  eines  frischen  Eies,  einer  Frucht,  einer  Pflanze  überhaupt;  ferner 
zwischen  den  Geschlechtstheilen  der  Pflanzen.  Ebenso  offenbart  sich  eine 
entschiedene  Differenz  und  Polarität  aller  Theile  des  menschlichen  Körpers, 
nicht  nur  durch  die  Bewegung  des  Pendels,  sondern  auch  durch  Bewegungen 
der  balancirten  Stange  und  der  Baguette.  Mit  letzterer  hat  Amoretti  die 
ganze  Oberfläche  des  menschlichen  Körpers  durchexperimentirt,  und  einer 
Abhandlung,  die  in  der  Scelta  d'Opuscoli  steht,  welche  unter  seiner  Auf- 
sicht herauskommt,  eine  Zeichnung  der  menschlichen  Gestalt  mit  Angabe 
sämmtlicher  Differenzen  und  Pole  an  derselben  beigefügt  Was  den  Einfluss 
allgemeiner  äusserer  Potenzen  auf  das  Phänomen  betrifft,  so  sind  als  solche 
bis  jetzt  insbesondere  unterschieden  worden:  das  Sonnenlicht,  welches 
seltsam  genug  eine  Wirkung  ausübt,  die  nach  der  Beobachtung  mehrerer 
auch  das  Auge  auf  Verstärkung,  Hemmung  oder  veränderte  Richtung  der 
Bewegung  haben  kann;  die  Elektricität,  welche  nicht  allein  auf  das 
experimentirende  Subjekt  bestimmenden  Einfluss  hat,  sondern,  wie  schon 
jetzt,  theils  durch  frühere  Versuche,  theils  durch  neue  von  Ritter  angestellte, 
bewiesen  scheint,  unmittelbar  und  durch  sich  selbst  eben  diese  rotatorischen 
Bewegungen  hervorzubringen  vermag.  Es  ist  dieses  nur  ein  Beweis,  wie 
viel  tiefer  die  Wurzel  der  elektrischen  Kraft  noch  in  der  Natur  liegt,  als 
man  sich  zufolge  der  bisherigen  Erscheinungen  vorzustellen  pflegte. 


4 


F 


Galvanische  Phantasieen.  24? 


„III.  Die  dem  Bewegungsvermögen,  das  der  Mensch  auf  andere 
Körper  dynamisch  ausübt,  gewisser  Maassen  entgegengesetzte 
Fähigkeit,  von  diesen  Körpern,  hauptsächlich  Metallen  und  Wasser, 
in  Bewegung,  innerliche  versteht  sich,  gesetzt  zu  werden.  —  Es  mag 
vorerst  ganz  dahingestellt  bleiben,  ob  sich  diese  zu  jenem  ebenso  verhalte, 
wie  sich  im  thierischen  Körper  die  Kraft  des  Nervensystems,  die  Muskeln 
als  Aussendinge  in  Bewegung  zu  setzen,  zu  der  Fähigkeit,  von  Aussendingen 
Sensationen  zu  erlangen,  verhält;  und  ob  jene  sonach  nur  als  eine  höhere 
Potenz  des  letzteren  betrachtet  werden  müsse.  Ausser  den  Versuchen,  welche 
Herr  Ritter  noch  in  Italien  mit  Campetti  hierüber  angestellt  hatte,  und  die 
alle  für  den  ausgezeichneten  Grad  der  Stärke  und  Sicherheit  dieses  beson- 
deren Empfindungsvermögens  in  ihm  zeugten,  konnten,  in  dem  rauheren 
Klima,  bis  jetzt  keine  Versuche  im  Grossen  und  Freien  angestellt  werden, 
die  daher  noch  zu  erwarten  sind,  wenn  die  bessere  Jahreszeit  eingetreten 
sein  wird. 

„IV.  Zusammenhang  dieser  Phänomene  mit  den  anderen  dyna- 
mischen Erscheinungen  der  Natur.  —  Es  ist  wohl  Niemand,  der  nicht 
auf  den  ersten  Blick  an  ein  Verhältniss  dieser  Erscheinungen  zu  den  gal- 
vanischen und  elektrischen  erinnert  würde.  Dass  sie  aber  durch  die  Elek- 
tricität  nicht  sowohl  erklärt  werden,  als  vielmehr  das  wahre  Wort  für  diese 
selbst  erst  geben  werden,  ist  schon  oben  bemerkt  worden.  Wir  setzen 
hinzu,  dass  dies  wohl  für  alle  dynamischen  Erscheinungen  gelten  möge. 
Dennoch  ist  es  zweifelhaft,  ob  sie  wichtiger  für  die  Lehre  von  der  Elektricität 
und  die  damit  verbundenen  sich  zeigen  werden,  oder  für  die  Physiologie 
des  Himmels(!)  oder  für  die  des  Menschen  und  die  darauf  gegründete  Medizin. 
Merkwürdig  ist  wenigstens,  dass  die  Anregung  dieser  Erscheinungen  zu 
gleicher  Zeit  von  verschiedenen  Seiten  geschehen  ist,  und  die  Arzneikunst 
sich  dieselbe  noch  früher  als  die  allgemeine  Physik  vindicirt  hat.  Kenner 
mögen  sich  an  Wienhold's  Bemühungen  erinnern;  kürzlich  ist  in  einem 
Aufsatze  über  thierischen  Magnetismus  in  dem  Jahrbuche  der  Medizin 
von  Marcus  und  Schelung  (II.  Band,  2.  Heft),  das  ganze  Phänomen,  sowohl 
des  Metallfühlens  als  Bewegens,  noch  unabhängig  von  den  neuesten  Ver- 
suchen, mit  jener  erst  gekannten  Erscheinung  in  Verbindung  gesetzt  worden. 
Das  Verhältniss  desselben  zum  Galvanismus  ist  dort  so  dargestellt:  „den 
Galvanismus,  sofern  er  mitten  inne  zwischen  der  Elektricität  und  dem 
thierischen  Magnetismus  hegt,  haben  wir  bisher  nur  von  einer  seiner  zwei 
Seiten  erkannt  und  aufgefasst,  nämlich  von  derjenigen,  wo  das  Unorganische 
die  aktive,  das  Organische  die  passive,  jenes  die  mittheilende  oder  tonan- 
gebende, dieses  aber  die  empfangende  und  subordinirte  Rolle  spielt.  Es 
giebt  aber,  scheint  mir,  noch  eine  Seite  von  ihm,  bei  welcher  alles  sich 
gerade  umgekehrt  verhält,  wobei  nämlich  das  Organische  das  mittheilende, 
das  Unorganische  das  empfangende  Glied  ist."  Unter  den  faktischen  Belegen 
für  die  Wirklichkeit  eines  solchen  Verhältnisses  wird  ein  Versuch  angeführt 
mit  dem  Drehen  eines  Degens,   dessen  Stichblatt  von  2  Personen  auf  dem 

16* 


244  Achtes  Kapitel. 


Stichblatte  balancirt  im  Gleichgewichte  gehalten  wird;  ein  Versuch,  der  zu 
denen  unter  Nr.  I  angeführten,  als  ein  um  so  weniger  Widersprüchen  aus- 
gesetzter hinzugefügt  zu  werden  verdient,  als  es  zwei  verschiedene  Personen  j 
sind,   die  den  Degen  halten,    und  der  Versuch  in  dieser  Verbindung  mit  f 
anderen,    auch  solchen  gelingt,   die  ihn  auf  andere  Weise  nicht  vollbringen 
können.     Nach  dem,   was   daselbst   über  die  Empfindlichkeit   magnetischer  r 
Personen    für  die   nämlichen  Körper,   Metalle   und  Wasser,   erwähnt  wird,  ■!" 
scheint  es,  dass  die  eigenthümliche  Fähigkeit  der  Erz-  und  Wasserfiihler  auch  ? 
als  ein  geringerer  Grad  des  Somnambulismus  angesehen  werden  könne,  und 
dass,  da  auch  das  Vermögen,  fremde  Körper  zu  bewegen,  eben  den  Wasser- 
und  Metallfuhlern  am  stärksten  beiwohnt,  dieses  ganze  Phänomen  sich  auf- 
lösen werde  in  jene  tief  verkannte,    aber  bald  nicht  mehr  verkennbare  Er- 
scheinung,  die  seit  einigen  Jahrzehnten  unter  dem  Namen  des  thierischen 
Magnetismus  so  verschiedene  Schicksale  gehabt  hat. 

„Es  ist  überhaupt  seltsam,  dass  alles,  was  faktisch  ist,  in  dieser  Ange- 
legenheit nicht  neu  ist;  es  ist  bisher  noch  keine  Erfahrung  gemacht  worden, 
welche  nicht  als  Thatsache  in  vielen  älteren  und  selbst  neueren  Büchern 
aufgezeichnet  stünde.  Sogar  das  oben  verschwiegene  Wort  schwebt  den 
Schriftstellern  nicht  bloss  auf  der  Zunge,  sondern  ist  deutlich  ausgesprochen 
in  den  meisten  älteren  Werken.  Allein  der  Sinn  ist  neu,  in  dem  das  ganze 
Phänomen  aufgefasst  und  combinirt  wird.  Die  Sache  wird  endlich  mit 
deutschem  Ernst  und  Tiefe  behandelt,  unter  einer  glücklichen  Constellation, 
wo  höhere  Ansichten  der  Natur  dem  Experiment  entgegenkommen,  und  ein 
Experimentator,  wie  Ritter,  ein  Individuum  findet,  dessen  Geduld  und  kind- 
liche Freude  an  den  Experimenten  aufs  Treueste  aushält,  und  der  den 
Gedanken  des  leisesten  Truges  verabscheut,  und  sich  dadurch  um  seine 
Gabe,  die  er  sehr  werth  hält,  zu  bringen  glauben  würde. 

„Es  kann  nicht  fehlen,  dass  nicht  sehr  verschiedene  Urtheile  über  die 
Sache  obwalten,  dass  verständige  und  unverständige  Zweifel,  scherzhafte  und 
ernsthafte  erhoben  werden,  von  solchen  selbst,  die  etwas  gesehen  haben, 
so  gut  sich  etwas  in  der  Zerstreuung  und  ohne  irgend  eine  Vorkenntniss 
dessen,  worauf  es  ankommt,  sehen  lässt,  auch  von  solchen,  die  nicht  gesehen 
haben.  Aber  eben  ein  solcher  Stein  des  Anstosses  in  einem  sich  weise 
dünkenden,  aber  im  Grossen  und  Ganzen  allmählich  zur  tiefsten  Unwissenheit 
gesunkenen  Zeitalter  muss  dem  rechten  Freunde  der  Wissenschaft  er- 
wünscht sein. 

„Herr  von  Aretin  ist  damit  beschäftigt,  eine  Geschichte  der  Wünschel- 
ruthe  oder  Baguette  zu  schreiben,  welche  ein  sehr  weitläufiges  Werk  werden 
kann,  wenn  er  ihre  Spuren,  die  freilich  noch  weit  über  die  virgula  divina 
des  Cicero  hinausgehen,  allenthalben  aufnehmen  will.  —  Herr  Ritter  hat 
bis  jetzt  nichts  öffentlich  von  seinen  Versuchen  bekannt  gemacht  Möge  er 
nicht  zu  lange  damit  zurückhalten,  und  das  neue  unschätzbar  wichtige  Ver- 
dienst, welches  er  sich  um  die  Wissenschaft  der  Natur  erworben,  bald  zu 
seinen  übrigen  hinzugezählt  werden  können/' 


Galvanische  Phantasieen.  24  C 


Selbst  ernsthafte  und  zu  phantastischen  Vorstellungen  nicht  besonders 
geneigte  Männer  Hessen  sich  täuschen;  als  auffallendstes  Beispiel  hierfür  dient 
eine  längere  Abhandlung,  die  der  verdiente  Chemiker  C.  F.  Bucholz1  über 
die  Pendelschwingungen  erscheinen  Hess.  Er  beschreibt  eine  Anzahl  von 
Versuchen,  wie  ein  in  seiner  Hand  gehaltenes  Pendel  aus  Schwefel  an  einem 
seidenen  Faden,  der  aber  nass  sein  musste,  je  nach  Umständen  in  einem 
oder  dem  anderen  Sinne  schwang.  Es  würde  zu  weit  fuhren,  alle  Versuche 
wiederzugeben,  von  denen  Bucholz  berichtet;  nur  einer  soll  als  besonders 
charakteristisch  für  die  Gedankenformen,  die  jenen  Versuchen  zu  Grunde 
tegen,  hergesetzt  werden. 

„Da  es  Trommsdorf  [es  ist  der  bekannte  Chemiker  gemeint]  gar  nicht 
gelingen  wollte,  die  mehrerwähnten  besonderen  Pendelschwingungen  zu  be- 
wirken, so  stellte  er  sich  auf  ein  Kupferblech,  nahm  nun  in  die  linke  Hand 
eine  zinnerne  Schüssel  von  il/2  Schuh  Durchmesser  und  näherte  dieser 
das  befeuchtete,  zwischen  nassen  Fingern  gehaltene  Pendel  und  in  wenigen 
Augenblicken  sahen  wir  zu  unserer  Überraschung  das  Pendel  lebhaft  sich 
bald  zu  1 — 2  Schuh  weiten  Schwingungen  bewegen.  Derselbe  Erfolg  zeigte 
sich  auch  dann,  als  Trommsdorf  eine  grosse  Kugel  von  Messingblech,  die 
noch  mit  einer  anderen  Metallmasse  in  Verbindung  stand,  mit  der  linken 
Hand  umfasste." 

Wie  man  sieht,  sind  es  die  Vorstellungen  aus  dem  elektrischen  Kreise, 
die  für  die  Pendelversuche  maassgebend  sind:  man  erwartet,  dass  die 
bekannten  Leiter  der  Elektricität  sich  auch  wirksam  hier  beweisen  werden, 
und  der  erwartete  Erfolg  bleibt  demgemäss  auch  nicht  aus.  Bucholz  ist 
schliesslich  von  der  Richtigkeit  seiner  Beobachtungen  so  überzeugt,  dass  er, 
nachdem  er  sich  in  der  Hauptabhandlung  noch  einigermaassen  zweifelhaft 
geäussert  hatte,  einen  späteren  Zusatz  mit  den  Worten  schliesst:  „Die 
Unzweideutigkeit  der  letztangefuhrten  Resultate  spricht  zu  sehr  für  die  Wahr- 
heit der  ganzen  Reihe  der  erzählten  Erscheinungen,  dass  gewiss  auch  dadurch 
jeder  Zweifel,  der  sich  nach  Mittheilung  der  ersten  Versuche  und  ihrer 
Erfolge  dagegen  noch  hätte  regen  können,  vertilgt  werden  muss,  ohne 
weitere  raisonnirende  Bekräftigungen,  und  die  Gegner  dieses  interessanten 
naturwissenschaftlichen  Gegenstandes  werden  fühlen,  wie  sehr  unrecht  sie 
thaten,  ihre  Zweifel  auf  eine  so  inhumane  Art  laut  werden  zu  lassen,  als  es 
leider  der  Fall  gewesen  ist" 

Die  Ironie  des  Zufalles  will  es,  dass  in  derselben  Zeitschrift  ganz  kurz 
vorher*  Bucholz  als  Vertreter  der  exakten  Wissenschaft  einem  anderen  allzu 
phantastischen  Forscher  gegenübergetreten  ist,  welcher  seinerseits  die  Will- 
kürlichkeit der  Pendelversuche  ganz  klar  erkannt  hatte.8  Dieser  Mann  war 
Wikterl,  Professor  der  Chemie  in  Pesth.  Eine  Schilderung  seiner  kuriosen 
chemischen  Entdeckungen  kann  an  dieser  Stelle  nicht  gegeben  werden;    es 


1  Gehlen's  Journ.  f.  d.  Chemie  und  Physik,  5,  575.   1808. 
1  Ebenda  3,  336.  1807.  8  Ebenda  3,  732-  1807. 


246  Achtes  Kapitel. 


genügt  zu  seiner  Kennzeichnung,  mitzutheilen,  dass  er  einen  Stoff,  And 
genannt,  gefunden  zu  haben  behauptete,  welcher  mit  Sauerstoff,  Wasser  tuut  ■*■ 
Säureprinzip  zusammen  Kohlensäure,  Stickstoff  und  Salpetersäure  bildet,  de*  : 
mit  Wasserstoff  Milch  und  Eiweiss  giebt,  der  sich  mit  Kalk  in  Kali  und  ] 
Kieselerde  verwandelt,  der  Blei  in  Baryt,  Kupfer  in  Molybdän,  Thonerde  itt  : 
Beryllerde  überfuhrt  u.  s.  w.1  Winterl  hatte  eine  Methode  zur  Gewinnung 
seiner  Andronia  angegeben,  und  Bucholz  wies  nach,  dass  auch  bei  sorg- 
fältigster Einhaltung  der  beschriebenen  Versuchsbedingungen  nichts  von  der 
Andronia  entstand.  Dieser  selbe  Winterl  nun,  der  im  übrigen  von  der 
naturphilosophischen  Schule  jener  Zeit  als  der  Messias  der  Chemie  gepriesen 
wurde,  schreibt  unerwartet  vernünftig  über  die  Pendelversuche:  „Unterdessen 
ist  im  CoTTA'schen  Morgenblatte  eine  Reihe  interessanter  Versuche  zum 
Vorschein  gekommen,  welche  nun  die  elegante  Welt,  für  die  dieses  Blatt 
geschrieben  ist,  an  allen  Ecken  beschäftigen:  in  zwei  Gesellschaften  sah  ich 
die  sämmtlichen  Versuche  wiederholen,  sie  gelangen  ohne  Ausnahme.  Als 
ich  nach  Hause  kam,  nahm  ich  folgende  Versuche  vor." 

Winterl  schildert  nun  seine  Versuche,  aus  denen  klar  hervorgeht,  dass 
die  fraglichen  Schwingungen  durch  unbewusste  Bewegungen  von  Seiten  des 
Experimentators  hervorgerufen  werden;  von  seinen  6  Experimenten  theile 
ich  nur  das  letzte  mit.  „Ich  wiederholte  nun  den  vorigen  Versuch  [Schwin- 
gungen über  untergelegten  Gegenständen]  in  der  freien  Luft,  ohne  dem  Ringe 
einen  Gegenstand  unterzulegen:  die  Schwingungen  gingen  ebenso  gut  vor 
sich,  und  zwar  nach  jeder  Seite,  nach  welcher  ich  es  wünschte,  ob  ich  gleich 
dem  Wunsche  gar  nicht  zu  Hülfe  kommen  wollte.  War  der  Arm  vom 
langen  Halten  ermüdet,  so  waren  die  Kreise  grösser  und  hatten  bisweilen 
einige  Zolle  im  Durchmesser,  wenn  der  Faden  lang  genug  war." 

Ritter  theilte  die  Ergebnisse  seiner  Forschungen  über  Campetti  der 
wissenschaftlichen  Welt  in  einem  eigenen  Buche  unter  dem  Titel:  Der 
Siderismus,  Bd.  I,  St.  I.  —  Campetti  vor  die  königl.  baierische  Akademie 
der  Wissenschaften  gebracht  von  Ritter.  Th.  I.  Neue  Beiträge  zur  näheren 
Kenntniss  des  Galvanismus,  Bd.  I,  St.  1.  —  mit.  Die  Vorrede  des  Buches 
ist  in  einem  sehr  kriegerischen  Tone  geschrieben.  „Leider  finde  ich  mich 
in  der  Ansicht  betrogen,  den  schlechten  Haufen  doch  durch  Güte  noch  zum 
Besseren  zu  bringen;  ich  habe  nach  und  nach  lernen  müssen,  dass  es  auch 
in  der  Wissenschaft  Resultate  giebt,  die  nur  durch  Schlachten  behauptet 
werden  können.  Mein  jetziger  Gegenstand  scheint  dies  besonders  zu  fordern; 
man  hat  mich  mehr  gereizt,  als  ich  zu  erdulden  schuldig  bin/' 

Und  an  anderer  Stelle:  „Ich  wollte  wirklich  nur  darthun,  dass  es  nütz- 
lich sei,  für  gute  Physik  sich  nach  und  nach  ein  neues,  frischeres  Publikum 
aufzusuchen,  indem  das  alte  bereits  gar  zu  sehr  ab-  und  ausgenutzt  ist. 
Seinem  grössten  Theile  nach  hat, es  sich  —  untersucht  mir  den  Ausdruck  — 
ganz  dem  reinen  Spinnen  ergeben;   der  Zweck  des  Spinnens  selbst  aber  ist 


"M.  Kopp,  Gesch.  d.  Chemie,  2,  282. 


Galvanische  Phantasieen.  247 


ihm  vor  lauter  Drau&mnen  nach  und  nach  so  verloren  gegangen,  dass 
sogar,  wo  wirklich  sich  das  Leben  in  diesem  Gespinnste  zuweilen  noch  finge, 
war's  auch  nur  als  Fliege,  es  lieber  alles  wieder  aufreisst,  dass  dies  ja  wieder 
fort  kann,  und  dann  das  Loch  flugs  wieder  zumacht  Am  liebsten  wird 
daher  das  Gespinnst  gleich  an  solchen  Orten  aufgehangen,  wo  schon  von 
selbst  nicht  viel  Lebendiges  hinkam;  worauf  sie  dann  mit  ergreifender  Zu- 
friedenheit sich  also  aussprechen:  sie  haben  die  Wissenschaft  über  das  Leben 
erhoben.  Nicht  viel  besser  als  ein  Exanthem  müsste  sich  die  Wissenschaft 
dem  mit  dem  Ganzen  Unbekannten  ausnehmen,  gäbe  es  nach  der  ihrigen 
sonst  keine  mehr.  So  eine  giebt  es  leider  und  glücklich  neben  der  ihrigen 
noch,  und  was  sie  schon  jetzt,  seitdem  sie  sie  merken,  zu  ärgern  anfängt, 
ist,  dass  das  Leben  selber  ihr  Gegenstand  sein  soll,  und  dass  die  Mittel  zu 
seiner  Erforschung  zudem  die  nämlichen  sind,  die  sie  missbrauchen.  Hier 
stellt  sich  etwas  ganz  eigenes  ein,  was  bei  Pferden  seinen  Namen  allerdings 
schon  hat,  und  kürzlich  auch  bei  den  Gelehrten  in  nichts  besteht,  als  dass 
sie  absolut  nicht  weiter  wollen.  Da  nun  bei  ihnen,  so  wenig  als  bei  jenen, 
an  Wirksamkeit  von  Gründen  zu  denken  ist,  die  ohnehin  gegen  ein  absolutes 
aie  etwas  vermochten,  so  ist  es,  und  selbst  ohne  Gründe,  klar,  dass  man  sich 
am  besten  von  ihnen  ab-,  und  dahin  wendet,  wo  wirklich  noch  gesunde 
frische  Natur  und  Forderung  an  Wissenschaft  . .  .  lebt  und  grünt/' 

An  sachlichem  Inhalte  befinden  sich  in  dem  allein  erschienenen  ersten 
Bande  der  Schrift,  dem  ein  zweiter  „in  kurzem  und  in  jedem  Falle"  nach- 
folgen sollte,  drei  Berichte  an  die  Münchener  Akademie,  deren  erster  die 
uns  schon  bekannte  Entdeckungsgeschichte  Campetti's  enthält,  während  der 
zweite  einen  ausfuhrlichen  Plan  giebt,  nach  welchem  die  von  der  Akademie 
niedergesetzte  Commission,  Ritter's  Vorschlägen  gemäss,  die  Prüfung  der 
Fähigkeit  Campetti's  vornehmen  sollte. 

Auf  eine  Aufforderung  der  Akademie,  die  bisher  erhaltenen  Resultate 
seiner  Untersuchungen  mit  Campetti  ihr  zur  Prüfung  vorzulegen,  hat  Ritter 
in  einer  dritten  Schrift  geantwortet,  die  den  letzten  Theil  des  Bandes  bildet. 
Auch  hier  findet  man  nichts  als  die  allgemeine  Versicherung,  dass  es  sich 
mit  Campetti  wirklich  so  verhalte,  dass  er  Wasser  und  Metalle  unter  der 
Erde  fühlen  könne,  dagegen  keine  Beschreibung  irgend  eines  ausgeführten 
Versuches. 

Was  dann  weiter  aus  der  Sache  geworden  ist,  habe  ich  nicht  in  Erfah- 
rung gebracht  Ritter  ist  allerdings  schon  zwei  Jahre  hernach  gestorben, 
doch  liegen  aus  noch  späterer  Zeit  Publikationen  von  ihm  über  andere  Gegen- 
stände vor,  so  dass  er  wohl  nicht  durch  Krankheit,  sondern  durch  irgend  eine 
andere  Ursache  verhindert  gewesen  zu  sein  scheint,  die  so  unbedingt  ver- 
sprochene Fortsetzung  seines  Buches  zu  liefern.  Es  findet  sich  die  Angabe,  * 
dass  Ritter  kurz  vor  seinem  Tode  die  Wünschelruthe  u.  s.  w.  für  Erzeugnisse 
des  Aberglaubens  erklärt  habe,  doch  habe  ich  an  der  angegebenen  Stelle 
'•Annales  de  chimie,  72,  336)  keine  derartige  Mittheilung  finden  können. 

1  Allgemeine  Deutsche  Biographie,  28,  678.   1889. 


248  Achtes  Kapitel. 


Die  Aufklärung  der  Pendelversuche  durch  ihre  Zurückfuhrung  auf  unwill- 
kürliche Bewegungen  der  haltenden  Hand  wurde  dann  in  der  Abhandlung 
eines  Ungenannten,  die  von  Pfaff  mitgetheilt  wurde,  gegeben;  sie  ist  nach- 
stehend abgedruckt: 

„Auf  Veranlassungen,  die  dem  Publico  bereits  bekannt  sind,  ist  wieder 
die  Möglichkeit  und  Wirklichkeit  der  Wünschelruthen  und  das  Dasein  von 
Menschen  in  Anregung  gekommen,   die   mit   dem  Vermögen   begabt  sein    \ 
sollen,  verborgene  Wasserquellen  und  Metalle  durch  eigentümliche  Empfin- 
dungen zu  entdecken. 

„Ohne  mich  hierüber  in  Muthmaassungen  und  Meinungen  einlassen  zu 
wollen,  sei  es  mir  bloss  erlaubt,  einige  von  mir  gemachte  Bemerkungen  und 
daraus  gezogene  Resultate  mitzutheilen,  die  sich  auf  eine  Erscheinung  be- 
ziehen, welche  mit  jener  Möglichkeit  und  Wirklichkeit  in  einen  innigen 
Zusammenhang  gesetzt  ist:  ich  meine  die  Schwingungen,  die  ein  Würfel 
von  Schwefelkies,  oder  ein  Stück  jedes  beliebigen  Metalles  über 
Metallplatten  und  verschiedenen  anderen  Körpern  macht,  wenn 
er,  an  einem  feinen  Zwirnsfaden  aufgehangen,  mit  der  Hand  frei 
darüber  gehalten  wird,  und  welche  man  aus  einem  eigenthüm- 
lichen,  mit  den  galvanischen  Erscheinungen  im  Zusammenhange 
stehenden,  Einfluss  des  Organismus  zu  erklären  suchte. 

„Schon  längst  kannte  man  eine  ähnliche  Erscheinung,  die  darin  bestand, 
dass  man  einen  goldenen  Ring,  an  einem  Haare  befestigt,  mit  massig  unter- 
stützter Hand  in  ein  Weinglas  hinabhängen  Hess,  wo  er  nach  und  nach  in 
Schwingungen  gerieth,  und,  durch  das  Anschlagen  an  die  Wände  des  Glases, 
eine  Art  von  Glockenspiel  veranlasste.  Der  Aberglaube  wähnte  hierin  etwas 
Wunderbares  zu  finden,  indem  er  annahm,  dass  die  Zahl  der  Schläge  mit 
der  jedesmaligen  Tagesstunde  in  Übereinstimmung  stehe.  Der  Unbefangene 
glaubte  indess  das  Ganze  aus  einer  Einwirkung  des  Pulses  auf  die  Hand 
erklären  zu  können,  der  dieselbe  zu  einer  unmerklichen  Bewegung  disponire, 
die  gleichwohl  hinreiche,  bei  einiger  Länge  des  Haars,  schon  bedeutende 
Schwingungen  zu  veranlassen. 

„Da  man  bereits  weiss,  wie  diese  scheinbar  von  selbst  erfolgenden 
Schwingungen,  namentlich  die  eines  Schwefelkies-Pendels,  das  man  derselben 
am  fähigsten  hielt,  neuerlich  zu  einer  Reihe  von  Versuchen  und  darauf 
gegründeten  Schlüssen,  die  theils  bekannt  sind,  theils  bald  bekannt  werden 
möchten,  Gelegenheit  gegeben  haben:  so  begnüge  ich  mich  mit  der  Recht- 
fertigung meiner  eigenen  Ansicht,  nach  der  die  Ursache  der  vorliegenden 
Erscheinung  eine  feine  Association  zwischen  Augen-  und  Handbewegungen  ist 

„Diese  Rechtfertigung  nämlich  glaube  ich  in  folgenden  Beobachtungen 
zu  finden. 

A.    In  Rücksicht  der  Bewegung  im  Allgemeinen. 
1.  Bei  völlig  unterstützter,  d.h.  fester  Hand  fand  keine  Bewegung  statt 
,2.  Die  Qualität  des  Pendels,  des  Fadens,  an  welchem  es  hing,  und  der 
Unterlage,  über  welcher  es  schwang,  war  gleichgültig. 


Galvanische  Phantasie«!. 


249 


„3.  Die  Richtung  der  Bewegung  hing  von  der  Form  der  Unterlage  ab, 
er  vielmehr  von  der  Art,  wie  dieselbe  vom  Auge  fixirt  wurde. 

„4.  Personen,  die  sich  gleichsam  genöthigt  fühlen,  beim  Anblick  eines 
»rpers,  denselben  seiner  Peripherie  nach  mit  den  Augen  zu  umlaufen, 
lang  die  Schwingung  scheinbar  unwillkürlich,  und  zwar  in  der  Richtung, 
welcher  sie  die  Peripherie  fixirt  hatten.  Hingegen  blieb  das  Pendel  bei 
en  in  völliger  Ruhe,  die  den  ganzen  Körper  zugleich  oder  einen  einzelnen 
inkt  desselben  zu  fixiren  pflegen;  die  Bewegung  erfolgte  aber  sogleich, 
;nn  sie  die  Peripherie  nach  irgend  einer  Richtung  mit  dem  Auge  unwill- 
irlich  begleiteten. 

,5.  Nach  Verschliessung  der  Augen  fand  keine  Schwingung  statt. 
,6.  Der  Wille  hatte  indess  Ruhe  und  Bewegung  völlig  in  seiner  Gewalt, 
dem  es  dazu  nur  der  lebhaften  Vorstellung  eines  Körpers,  oder,  was  eben 
is  ist,  einer  bestimmten  Form,  und  der  Fixirung  oder  Umlaufung  derselben 
it  dem  wirklichen  Auge,  oder  mit  der  Einbildungskraft  bedurfte. 


B.    In  Rücksicht  der  Richtung  der  Bewegung. 

„1.  Blieb  sich  das  Auge  beim  Fixiren  eines  Kreises  gleichsam  selbst 
►erlassen,  so  erfolgte  die  Schwingung  kreisförmig  von  der  Rechten  zur 
nken,  wenn  das  Pendel  mit  der  rechten  Hand  gehalten  wurde;  von  der 
nken  zur  Rechten  aber,  wenn  es  sich  in  der  linken  Hand  befand. 

„Da  das  Auge  beim  Anschauen  einer  Figur  dieselbe  nicht  in  allen 
inkten  zugleich  fixiren  kann,  so  bekommt  es  die  Vorstellung  von  einem 
reise  eigentlich  nur  dadurch,  dass  es  denselben  continuirlich  von  Punkt  zu 
inkt  verfolgt  Nun  ist  aber  Gesicht  und  Getast  von  der  Natur  in  eine  so 
nige  Beziehung  gesetzt,  dass  die  Hand  bei  jeder  Gesichtsvorstellung  gleich- 
m  unwillkürlich  strebt,  dieselbe,  durch  Betastung  des  gesehenen  Gegen- 
indes,  zu  berichtigen,  wobei  die  rechte  Hand,  ihrer  mechanischen  Ein- 
:htung  gemäss,  ohne  besonderen  Einfluss  des  Willens,  geneigter  sein  wird, 
:h  gegen  die  linke,  und  die  linke,  sich  gegen  die  rechte  zu  bewegen. 

„Hält  man  demnach  das  Pendel  über  eine  runde  Scheibe,  oder  über 
den  beliebigen  Kreis,  der  zu  gross  ist,  um,  als  ein  Punkt,  in  allen  Theilen 
gleich  fixirt  werden  zu  können,  aber  klein  genug,  um  eine  gleichzeitige 
Pachtung  des  Pendels  zuzulassen:  so  fallt  das  Auge  zunächst  wechselsweise 
ild  auf  das  Pendel,  bald  auf  den  Kreis,  denn  beide  sind  ihm  als  Objekt 
^geben,  wodurch  zwischen  dem  zuerst  fixirten  Punkte  und  dem  Pendel  eine 
radlinige  Bewegung  des  Auges  und  demnächst  der  Hand  entsteht.  Zu 
eicher  Zeit  aber  wird  das  Auge  disponirt,  den  Kreis  seiner  Peripherie  nach 
1  umlaufen,  weshalb  die  geradlinige  Schwingung  des  Pendels  sogleich  in 
e  kreisförmige  übergeht,  wobei  das  Auge  durch  Aufmerksamkeit  auf  die 
chte  Hand  bestimmt  wird,  links,  auf  die  linke  aber,  rechts  zu  laufen,  in 
dcher  Richtung  hierauf  die  Bewegung  der  Hand  und  des  Pendels  folgt. 

„2.  Bei  einem  Mathematiker,  der  sich  sehr  viel  mit  Zeichnen  beschäftigt, 
id   der  mich  versichert,   dass   ihm    hierdurch   die  Bewegung  der  rechten 


2  CO  Achtes  Kapitel. 


Hand  von  innen  nach  aussen  die  gewöhnlichste  geworden  sei,  erfolgte  die 
Schwingung  bei  beiden  Händen  von  der  linken  gegen  die  rechte. 

„Auffallend  war  der  Einfluss,  den  seine  Fertigkeit,  Zirkel  aus  freier  Hand 
zu  beschreiben,  auf  die  Bewegung  des  Pendels  hatte;  ich  habe  dieses  fast 
bei  keinem  so  grosse  Kreise  beschreiben  sehen. 

„3.  War  das  Pendel  in  der  einen  Hand  bereits  in  Bewegung,  und  fasste 
man  es  jetzt  auch  mit  der  anderen  Hand,  so  viel  wie  möglich  mit  der  ersten 
in  einem  Punkte,  an,  so  erfolgte  Ruhe. 

„Die  Tendenz  der  linken  Hand,  sich  rechts,  der  rechten,  sich  links  zu 
bewegen,  heben  sich  auf;  weshalb  bei  obengenanntem  Mathematiker  die 
Schwingung,  auch  nach  dem  Gebrauche  beider  Hände,  von  der  linken  gegen 
die  rechte  fortdauerte,  indem  der  Gegensatz  in  der  Bewegung  beider  Hände 
durch  die  Gewohnheit  wegfiel. 

„4.  Legt  man,  während  das  Pendel  in  der  rechten  Hand  von  der 
Rechten  zur  Linken  schwang,  auf  diese  Hand  irgend  einen  Körper,  so  er- 
folgte bei  einigen  Ruhe,  bei  anderen  wurde  die  Richtung  der  Schwingung 
die  entgegengesetzte. 

„In  diesem  Falle  wird  die  Aufmerksamkeit  des  Auges  von  dem  Kreise, 
über  welchem  das  Pendel  schwingt,  abgeleitet,  und  auf  den  auf  die  Hand 
gelegten  Körper  gelenkt.  Hierdurch  entsteht  eine  Bewegung  des  Auges  links 
von  dem  Kreise  aufwärts  gegen  die  rechte  Hand,  oder  in  Rücksicht  des 
Pendels,  links  von  der  Peripherie  gegen  den  Mittelpunkt  des  Kreises.  Führe 
das  Auge  fort,  sich  in  dieser  Richtung  zu  bewegen,  so  würde  die  Schwingung 
geradlinig  von  der  Linken  gegen  die  Rechte  werden;  allein  da  es  auch 
fortwährend  von  dem  Kreise,  als  Hauptobjekt,  afficirt  wird,  so  wird  die 
Schwingung  bald  wieder  kreisförmig,  und  zwar  ebenfalls  von  der  Linken 
gegen  die  Rechte,  weil  das  Auge  bereits  nach  dieser  Richtung  in  Bewegung 
und  die  Aufmerksamkeit  auf  die  rechte  Hand  gestört  ist. 

„Bleibt  aber  das  Auge,  wenn  es  durch  den  Körper,  der  auf  die  Hand 
gelegt  wird,  ganz  von  dem  unteren  Kreise  abgelenkt  ist,  auf  ersterem  längere 
Zeit  ausschliesslich  ruhen,  so  hören  auch  die  Schwingungen  des  Pendels  auf. 

„5.  Wurde  während  der  Schwingung  des  Pendels  über  einer  einzelnen 
Scheibe  dieselbe  mit  einer  anderen  vertauscht,  so,  dass  das  Auge  zuerst 
nach  innen,  dann  aber  wieder  nach  aussen  gelenkt  wurde:  so  nahm  die 
Bewegung  ebenfalls  die  entgegengesetzte  Richtung  an. 

„Dies  geschah  vorzüglich  dann,  wenn  die  neue  Scheibe  von  innen  her- 
unter geschoben  wurde,  und  die  vorige  in  einiger  Entfernung  nach  aussen 
liegen  blieb,  doch  so,  dass  erstere,  durch  ihre  Lage,  der  Hauptgegenstand 
des  Objektes  war. 

„6.  Legte  man  zwei  Scheiben  oder  Kreise  neben  einander,  und  hielt 
das  Pendel  in  der  Mitte  zwischen  beiden,  so  wurde  die  Bewegung  über 
beiden  geradlinig.  Hielt  man  es  aber  über  der  links  liegenden,  so  erfolgte 
die  Schwingung  kreisförmig  gegen  die  rechte;  hingegen  beschrieb  es  den 
Kreis  gegen  die  linke,  wenn  man  es  über  der  rechts  liegenden  hielt 


Galvanische  Phantasieen.  25  I 


„Wird  das  Pendel  über  dem  Mittelpunkte  des  Ganzen,   d.  h.  zwischen 

beiden  Scheiben  gehalten,   so  wird  auch  das  Auge  genöthigt,  diesen  Punkt 

zu  fixiren.     Da  es  aber  hier  ein  Deficit  in  Hinsicht  der  Kreisform,   an  die 

es,   durch    die  Gegenwart  der  Scheiben  oder  Kreise,    fortwährend   erinnert 

wird,    bemerkt,   so  wendet  es  sich,   als  unbefriedigt,   seitwärts  zu  einer  der 

Scheiben.     In  eben  dem  Maasse  aber,    als  dies  geschieht,    entschwindet  die 

andere  mehr  oder  weniger  aus  dem  Gesichtskreise,    und  disponirt  dadurch 

das  Auge,  zu   ihr  zurückzukehren  (denn  beide  Scheiben  zusammen  machen 

im  vorliegenden  Falle  das  Objekt  aus).   Dieses  Hin-  und  Wiederwenden  des 

Auges  theilt  sich  der  Hand  mit,  und  die  Schwingung  wird  geradlinig. 

„Hält  man  das  Pendel  aber  über  einer  der  Scheiben  besonders,  so  wird 
diese  dadurch  zum  Hauptgegenstand  des  Objektes  erhoben.  Die  andere  wirkt 
aber  ab  Nebenreiz;  und  da  sie  durch  ihre  Peripherie  nach  vorne  dem  Auge 
am  natürlichsten  auffallen  muss,  so  entsteht  zunächst  eine  geradlinige  Be- 
wegung von  dem  Mittelpunkte  der  besonders  fixirten  Scheibe  gegen  den 
vordersten  Punkt  jener  Peripherie:  also  von  hinten  nach  vorne,  und  von 
innen  nach  aussen.  Indess  wird  das  Auge  durch  eine  vorwaltende  Achtsam- 
keit auf  eine  einzelne  Scheibe  wieder  zur  Kreisbewegung  genöthigt,  in  der 
die  Richtung  von  hinten  nach  vorne  aufgehoben,  die  von  aussen  nach  innen 
aber  beibehalten  wird. 

„Liess  man,  bei  drei  Scheiben,  die  in  einer  geraden  Linie  lagen,  das 
Pendel  über  der  mittelsten  Scheibe,  so  war  die  Schwingung  kreisförmig; 
zwischen  je  zwei,  geradlinig;  über  der  rechten,  kreisförmig  von  der  rechten 
zur  linken;  über  der  linken,  kreisförmig  von  der  linken  zur  rechten. 

„Über  der  mittleren  richtet  sich  die  Richtung  der  Schwingung  nach  der 
gebrauchten  Hand:  denn  da  die  Einflüsse  der  beiden  Nebenscheiben  ein- 
ander  entgegengesetzt  sind,  so  heben  sich  ihre  Wirkungen  auf.  Das  Übrige 
folgt  aus  dem  Vorhergehenden  (siehe  6). 

„8.  Lagen  aber  die  drei  Scheiben  in  einem  Dreiecke,  und  hielt  man 
das  Pendel  über  dem  zwischen  ihnen  übrig  bleibenden  dreieckigen  Räume, 
so  war  die  Schwingung  elliptisch. 

„Das  Auge  wird,  da  es  hier  in  Rücksicht  der  Kreisform  nicht  befriedigt 
wird,  veranlasst,  von  Scheibe  zu  Scheibe  zu  laufen,  wodurch  eigentlich  auch 
die  Bewegung  ein  Dreieck  beschreibt  Da  indess  die  Pendelbewegung  keine 
Winkel  zulässt,  so  ist  die  nothwendige  Folge  eine  Ellipse  (vgl.  6). 

„9.  Vier  Scheiben  in  einem  Viereck,  und  das  Pendel  über  dem 
gemeinschaftlichen  Mittelpunkt  gehalten,  veranlasste  eine  Kreisbewegung 
über  allen. 

^Erklärt  sich  aus  Obigem  (siehe  6,  7,  8). 

10.  Wie  sich  fünf  und  mehrere  Scheiben  oder  Kreise  in  ihren  beson- 
deren Combinationen  und  Fixirungen  verhielten,  kann  man  selbst  aus  dem 
bisher  Gesagten  leicht  folgern. 

„Die  fünf  Fingerspitzen  verhalten  sich  wie  fünf  Kreise  in  gerader 
Linie.     Hält  man  das  Pendel  mit  der  rechten  Hand  über  den  Fingerspitzen 


99' 
99 


2C2  Achtes  Kapitel. 


der  linken,  so  erfolgen  drei  Schwingungen  von  der  rechten  zur  linken  und 
zwei  von  der  linken  zur  rechten.  Hält  man  es  aber  umgekehrt  mit  der 
linken  über  den  Fingerspitzen  der  rechten,  so  erfolgen  nur  zwei  Schwingungen 
von  der  rechten  gegen  die  linke,  dagegen  aber  drei  von  der  linken  gegen 
die-  rechte  (siehe  7). 

„Ein  Eisenstab,  vermittelst  feinen  Stahldrahts  aufgehängt,  leistet,  über 
den  Fingerspitzen,  wie  über  jeder  anderen  schicklichen  Figur  gehalten,  die- 
selben Dienste,  wie  jedes  andere  Pendel,  nur  dass  seine  Bewegungen  weniger 
beträchtlich  als  die  einer  Kugel  sind,  da  letztere  der  Pendelbewegung  gün- 
stiger ist  Wird  hingegen  dieser  Eisenstab  an  einem  metallenen  Leiter  auf- 
gehängt, und  hält  man  die  Fingerspitzen  darunter,  so  erfolgt  nicht  die  min- 
deste Bewegung,  welches  doch  geschehen  sollte,  wenn  jene  Bewegungen  von 
einem  eigentümlichen  galvanischen  oder  magnetischen  Einflüsse  des  Orga- 
nismus auf  die  Aussenwelt  abhingen. 

„11.  Die  Schwingungen  über  einer  Scheibe  von  Holz,  an  deren  Peri- 
pherie drei  Löcher  in  der  Figur  eines  Dreiecks  gebohrt  waren,  waren,  wie 
gewöhnlich,  kreisförmig,  wenn  die  Fixirung  der  Peripherie  nach  geschah; 
elliptisch,  wenn  die  drei  Löcher  zugleich  fixirt  wurden;  zwischen  je  zwei 
Löchern  geradlinig,  wenn  das  Auge  beide  wechselsweise  fixirte.  Alle  Be- 
wegung hörte  aber  auf,  sobald  ein  Loch  besonders  der  Gegenstand  der  Auf- 
merksamkeit war. 

„Über  einer  viereckigen  Tafel  schwang  das  Pendel  in  der  Richtung  der 
längsten  Dimension,  wenn  dieselbe  dem  Auge  nicht  zu  unbequem  lag. 

„13.  Über  linienförmigen  Körpern  geschah  die  Schwingung  der  Länge 
nach. 

„14.  Wurde  eine  Scheere  ihrer  Länge  nach  fixirt,  so  war  die  Schwingung 
längs  derselben  geradlinig;  fixirte  man  die  beiden  runden  Handgriffe  zugleich, 
so  dass  das  Auge  bald  auf  den  einen,  bald  auf  den  anderen  fiel,  so  machte 
die  neue  geradlinige  Bewegung  mit  der  ersteren  einen  rechten  Winkel; 
fixirte  man  aber  nur  einen  derselben  allein,  so  war  die  Schwingung,  wie 
über  jedem  anderen  Kreise,  kreisförmig. 

„15.  Alle  genannte  Schwingungen  erfolgten  über  Kreisen,  Vierecken 
und  Linien,  die  man  mit  Kreide,  Tinte  und  auf  andere  Art  auf  Holz  und 
Papier  gezeichnet  hatte. 

„16.  So  erfolgten  auch  alle  möglichen  Bewegungen  des  Pendels,  wenn 
dieses  in  freier  Luft  gehalten  wurde,  und  man  sich  die  nöthigen  Figuren 
lebhaft  einbildete. 

„17.  Hielt  man  das  Pendel  über  einem  Trinkglase,  von  nicht  zu 
grosser  Peripherie,  so  war  die  Schwingung  kreisförmig.  Senkt  man  es  bis 
zur  Mitte  in  dasselbe  hinein,  so  wurden  die  Schwingungen  geradlinig,  mit 
einem  immer  stärkeren  und  häufigeren  Anschlagen  an  die* vordere  Wand 
des  Glases,  als  an  die  hintere.  Liess  man  es  ganz  bis  auf  den  Boden  hinab- 
steigen, doch  so,  dass  es  denselben  nicht  berührte,  so  wurde  die  Bewegung 
wieder  kreisförmig. 


Galvanische  Phantasieen. 


253 


„Beim  Halten  über  dem  Glase  wird  die  Peripherie  desselben  fixirt,  die 
sich  wie  jeder  andere  Kreis  gegen  Auge  und  Pendel  verhält.  Senkt  man 
letzteres  aber  bis  ungefähr  zum  Mittelpunkte  des  Glases  in  dasselbe  hinein, 
so  wird  das  Auge  veranlasst,  wechselsweise  auf  das  Pendel  und  die  vordere 
Wand  des  Glases,  die  demselben  am  natürlichsten  auffällt,  zu  sehen.  Hier- 
von ist  die  Folge  eine  geradlinige  Schwingung  gegen  diese  Wand.  Da  aber 
das  Auge  bei  jeder  Schwingung  des  Pendels,  der  Gewohnheit  nach,  ein 
Zurückschwingen  erwartet,  so  kehrt  es  selbst  wieder  in  der  entgegengesetzten 
Richtung  zurück,  wenn  das  Pendel  seine  erste  Schwingung  vollbracht  hat, 
wodurch  nun  eine  wirkliche  geradlinige  Pendelbewegung  entsteht,  bei  der 
indess,  durch  die  fortwährende  Fixirung  der  dem  Auge  gegenüber  stehenden 
Wand  des  Glases,  häufigere  und  stärkere  Schläge  gegen  diese  als  gegen  die 
entgegengesetzte  Wand  veranlasst  werden. 

„Kommt  aber  das  Pendel  dem  Boden  des  Glases  zu  nahe,   so  verur- 
sacht die  Fixirung  des  runden  Bodens  wieder  die  Kreisbewegung. 

„18.    Über  einem  grossen  Gefässe  voll  Wasser,    Quecksilber,   oder 
•  jeder  anderen  Flüssigkeit,   wie  über  jeder  grösseren  Spiegelfläche,   erfolgte 
keine    Schwingung.     Wurde   aber   beim    Halten   des   Pendels    über   Wasser 
letzteres  kreisförmig  bewegt,  so  folgte  die  Bewegung  des  Pendels  der  Rich- 
tung der  bewegten  Flüssigkeit,  und  kam  wieder  mit  derselben  zur  Ruhe. 

„Beim  Fixiren  der  Fläche  einer  Flüssigkeit  oder  eines  polirten  Körpers 
fehlt  es  dem  Auge  an  einer  bestimmten  Figur,  die  es  nächst  dem  Pendel 
fixiren,  und  ihrem  Umfange  nach  umlaufen  kann.  Diesem  Mangel  wird 
durch  die  kreisförmige  Bewegung  abgeholfen,  die  zugleich,  durch  ihre  Rich- 
tung, die  Richtung  der  Augenbewegung  bestimmt. 

„19.  Das  Pendel  zwischen  die  Zähne  genommen,  verhielt  sich  ebenso, 
als  ob  es  mit  der  Hand  gehalten  wurde. 

„Da  nicht  nur  die  Hände,  sondern  auch  der  ganze  übrige  Körper, 
besonders  aber  der  Kopf,  mit  den  Augen  in  ähnlicher  Beziehung  stehen,  so 
macht  auch  dieser  nach  der  Richtung  eine  leichte  Bewegung,  nach  der  sich 
die  Augen  drehen.  Auf  Veranlassung  der  rechten  Hand,  deren  sich  das 
Auge  im  gewöhnlichen  Falle  zur  Berichtigung  seiner  Vorstellungen  bedient, 
scheint  dasselbe,  sich  selbst  überlassen,  geneigter  zu  sein,  einen  Kreis  von 
der  Rechten  zur  Linken  zu  umlaufen:  daher  erfolgt  in  den  meisten  Fällen 
die  Bewegung  von  der  Rechten  zur  Linken,  wenn  man  das  Pendel  vermittelst 
der  Zähne  über  einem  Kreise  hält 

„Dass  der  Einfluss  des  Willens,  Gewohnheiten  und  mancherlei  zufällige 
Umstände,  die  theils  das  Auge  unmittelbar,  theils  zur  Einwirkung  auf  andere 
Sinne  afficiren  können,  die  Schwingungen  oft  mannigfaltig  verändern,  und 
andere  Richtungen  veranlassen  müssen,  als  unter  den  genannten  Bedingungen 
hier  angegeben  ist,  bedarf  wohl  kaum  der  Erwähnung,  jedoch  wird  sich  ein 
solcher  fremdartiger  Einfluss  in  den  meisten  Fällen  bestimmt  nachweisen  lassen. 

„Schliesslich  bemerke  ich,  dass  man  sich  bei  den  Versuchen  über  ver- 
meintliche polarisirende  Körper  leicht  täuschen  konnte. 


254  Achtes  Kapitel. 


„Man  setze  bei  irgend  einem  Körper  das  Dasein  eines  der  beiden  Pole 
voraus,  und  stelle  sich,  während  man  das  Pendel  über  diesem  eingebildeten 
Pol  hält,  recht  lebhaft  die  Bewegung  vor,  die  derselbe  bewirken  soll  (z.  B. 
der  Südpol  von  der  Linken  zur  Rechten),  so  wird  höchst  selten  die  erwartete 
Bewegung  ausbleiben;  besonders  dann  nicht,  wenn  der  fixirte  Körper  ohnehin 
kreisförmig  ist. 

„Sollte  ich  mich  aber  entweder  im  Ganzen,  oder  in  einzelnen  Ansichten 
dennoch  geirrt  haben,  so  werde  ich  jede  gründliche  Belehrung  mit  Danl< 
annehmen." 

Es  ist  selbstverständlich,  dass  diese  Aufklärung  ganz  ohne  Wirkung  au 
die  Betheiligten  blieb;  vielmehr  veranlasste  sie  den  Herausgeber  des  Journal 
für  Chemie,  Gehlen,  welcher  die  litterarische  Vertretung  Ritter's  übernommei 
hatte,  nur  zu  heftigen  Angriffen  auf  Gilbert.  Dieser  stellte  seinerseits  da 
ganze  Material  in  der  Angelegenheit  zusammen,  und  veröffentlichte  es  sowoh 
in  den  Annalen  der  Physik,  Bd.  26  und  27,  1807,  wie  auch  in  einer  eigenei 
Schrift.  Bei  dem  grossen  Umfange  dieser  Veröffentlichung  ist  ein  Auszug 
so  lehrreich  er  in  mancher  Hinsicht  wäre,  nicht  wohl  zu  geben.  Nur  ein< 
Stelle  aus  einem  Briefe  sei  angeführt,  den  Leibniz  über  den  im  Jahre  169; 
in  Paris  aufgetretenen  Ruthengänger  Jacob  Aymar  an  Tenzel  schrieb.  "  E 
theilt  mit,  dass  er  die  Nachricht  aus  dem  Munde  der  Wittwe  des  Herzog 
Johann  Friedrich  habe. 

„Sie  selbst  hatte  den  Meister  in  der  rhabdomantischen  Kunst,  J.  Aymap 
in  ihren  Palast  kommen  lassen,  seine  Kunst  geprüft,  und  gefunden,  dass  si 
eitel  ist.  Dasselbe  that  mit  vieler  Neugierde  der  Prinz  von  Conde,  dessei 
Gemahlin  ihre  Schwester  ist  Er  hatte  Aymar  von  Lyon  kommen  lassen 
um  ihn  auszuforschen  und  brachte  ihn,  nachdem  er  ihn  häufig  ertappt  hatte 
endlich  zum  Geständnisse  des  Betruges.  Aymar  bat  demüthigst,  man  möchfc 
ihm  diesen  verzeihen,  und  entschuldigte  sich  damit,  dass  er  dazu  nich 
so  sehr  durch  eigene  Kühnheit  als  durch  die  Leichtgläubigkei 
Anderer  gebracht  worden  wäre,  welche  hätten  betrogen  seil 
wollen,  und  von  denen  ihm  in  den  Mund  gelegt  worden  sei,  waj 
er  sonst  sich  zu  rühmen  nicht  gewagt  haben  würde." 

Diese  ganze  Geschichte  ladet  ausserordentlich  zu  Parallelen  mit  Vor 
gangen  ein,  die  der  neueren  und  neuesten  Zeit  angehören.  Doch  sei  den 
Leser  diese  Nutzanwendung  selbst  überlassen. 


/ 


Fig.  64.     Paul  Erman. 


Neuntes  Kapitel. 

Physikalische  Erscheinungen  an  der  Volta'schen  Säule. 


I.  Allgemeines.  Wiewohl  eine  eingehendere  Berücksichtigung  der 
physikalischen  Elektrik  ausserhalb  des  Planes  dieses  Buches  liegt,  so  ist  es 
doch  nothwendig,  auf  die  Hauptthatsachen  dieses  Gebietes  so  weit  einzu- 
gehen, als  für  das  Verständniss  der  elektrochemischen  Erscheinungen  erfor- 
derlich ist.  Ohnebin  lassen  sich  beide  Gebiete  nicht  vollkommen  trennen, 
und  an  sehr  zahlreichen  Stellen  finden  sich  so  tiefgehende  und  weitreichende 
gegenseitige  Beeinflussungen  zwischen  ihnen,  dass  die  Entwickelung  des  einen 
ohne  Kenntnissnahme  des  anderen  nicht  verstandlich  wäre.  Die  erste  Ent- 
wickelung der  theoretischen  Versuche,  die  Erscheinungen  der  Säule  wissen- 
schaftlich zusammenzufassen,  ist  wesentlich  nach  der  physikalischen  Seite 
gegangen,  insbesondere  hat  Volta,  wie  mehrfach  erwähnt,  sich  gegen  die 
chemische  gleichgültig,  ja  ablehnend  verhalten.     Auch  in  der  Folge  sehen 


256  Neuntes  Kapitel. 


TT 


^ 


wir  fast  alle  Forscher  in  dem  Kampfe  zwischen  der  Contact-  und  der  che- 
mischen Theorie  auf  Volta's  Seite,    die  ihre  Thätigkeit  wesentlich   auf  dk 
physikalischen  Fragen  richten.   Die  Ursachen  dieser  Erscheinung  sind  leicht 
verständlich;  für  die  rein  elektrischen  Vorgänge  an  der  Säule  ist  es  zunächst 
von  geringem  Belang,  aus  welcher  Quelle  die  Elektricität  stammt;  nicht  ihre  j^ 
erste   Entstehung,    sondern   die   Zustandsänderungen,    die    die   vorhandene  ! 
erfährt,  sind  der  Gegenstand  der  Forschung,  und  ihre  Resultate  werden  durch  F 
etwaige  Irrthümer  über  jene  zunächst  nicht  beeinflusst  = 

Die  entscheidenden  Nachweise  der  elektrischen  Natur  des  galvanischen  5 
Agens  verdanken  wir  Volta,  der  sie  mittelst  seines  Condensators  und  Stroh-  :"•! 
halmelektrometers  prüfte  (S.  135).  Seine  Versuche  wurden  alsbald  von  der  • 
Pariser  Akademie,  dem  „Institut",  wiederholt  und  bestätigt;  in  deren  Auf-  : 
trage  erstattete  J.  Hall£  einen  Bericht,1  welcher  mit  grosser  Klarheit  die  * 
entscheidenden  Punkte  der  VoLTA'schen  Lehre  auseinandersetzt 

2.  Der  Commissionsbericht  des  Pariser  Instituts.  „Volta  hat  ^ 
der  Klasse  der  physischen  und  mathematischen  Wissenschaften  eine  Reihe 
von  Versuchen  vorgelegt,  durch  welche  er  die  prinzipielle  Identität  der  : 
galvanischen  und  elektrischen  Erscheinungen  bewiesen  hat  Er  hat  diese  1 
Versuche  vor  den  dazu  ernannten  Commissären  wiederholt;  wir  geben  von  : 
diesen  hiermit  Rechenschaft. 

„Erstes   Prinzip.     Herr  Volta   stellt   zunächst   fest,    dass   wenn   zwei 
verschiedene  Metalle  in  Berührung  gebracht  werden,   diese  Metalle,   welche 

einzeln  kein  Zeichen  von  Elektricität  geben,  im 
^>-^^^^flL  Augenblicke  ihrer  Berührung  aufeinander  wirken, 

so  dass  beiderseits  ein  merklicher  elektrischer 
Zustand  erfolgt,  im  einen  positiv,  im  anderen 
negativ,   und  welcher  sich  nach   der  Trennung 


*-^^^^  erhält 


Tj^^  „Erster  Versuch.   Man  nimmt  zwei  Schei- 

<=^  ben,  eine  von  Silber  oder  Kupfer,  die  andere 

II^^^^^L*      von  Zink;  sie  müssen  gleich  sein,  auf  einer  Seite 

vollkommen  polirt,   auf  der  anderen  mit  einem 
Fig.  65.  Glasstabe    versehen,    der    mit    Siegellack    oder 

Gummilack  überzogen  ist  Man  lege  beide  genau 
auf  einander,  indem  man  sie  an  den  Glasstäben  hält  (Fig.  65).  Man  trennt  sie 
alsdann  und  bringt  die  eine  der  beiden  Scheiben  an  die  obere  oder  Collector- 
platte  des  Condensators,  man  wiederhole  dieses  Verfahren  einige  Male,  in- 
dem man  Sorge  trägt,  dass  die  andere  Scheibe  jedesmal  in  ihren  früheren 
Zustand  zurückgebracht  wird,  indem  man  sie  entweder  berührt,  oder  sonst 
auf  irgend  eine  Weise  mit  der  Erde  in  Verbindung  setzt  Der  Condensator 
wird  schliesslich  mit  einer  hinreichend  starken  Elektricität  geladen  sein,  um 
die  beiden  Fäden  des  Elektrometers  merklich  sich  trennen  zu  lassen.   Wenn 


1  Bull,  des  sc.  par  la  soc  Philomatique,  an  10,  Nr.  58.  —  Sue,  hist  du  galv.  2,  348.  1802. 


Physikalische  Erscheinungen  an  der  Volbt'schen  Säule. 


_2H 


Fig.  66. 


Sc  mit  dem  Condensator  in  Berührung  gebrachte  Scheibe  die  von  Zink  ist, 
so  wird  positive  oder  Glaselektricität  erscheinen;  ist  es  im  Gegentheil  die 
Scheibe  von  Silber  oder  Kupfer,  welche  an  den 
Condensator  gebracht  worden  ist,  so  wird  die 
mrtgetheilte  Elektricität  negativ  oder  Harzelek- 
trichat  sein. 

„B emerkung.      Um    die    Versuche    be- 
quemer    auszufuhren,    konstruirt    Herr    Volta 
seinen  Condensator  aus  zwei  Platten  von  Metall 
(Kupfer)     von     geringem    Durchmesser     ( i — 2 
Dedmeter),    mit   gläsernen   Griffen   und   beide 
auf  den  Seiten  gefirnisst,  auf  welchen  sie  sich 
berühren    sollen.     Auf  diese   Weise   erhalt   er 
dieselbe  Wirkung,   wie  mit  halbleitenden  oder 
unvollkommen    idioelektriscfaen    Körpern,    auf 
welchen     die     Eigenschaft     des    Condensators 
'Fg.  66)  beruht.   Die  eine  der  Platten,  welche 
als  Unterlage  dient,  muss  mit  der  Erde  in  Ver- 
bindung stehen,  die  andere  oder  Collektorplatte 
ist   häufig    an   ihrer   oberen  Seite,   nahe   am  Griff,   mit   einem   Metalldraht 
versehen,  der  entweder  einfach  oder  am  Ende  mit  einem  Knopf  versehen  ist, 
damit  er  leichter  mit  Apparaten  in  Berührung 
gebracht  werden    kann,   die  man  nicht  aus- 
einandernehmen will. 

„Das  Elektrometer  des  Herrn  Volta 
Fig.  67)  ist  eine  Flasche  mit  vier  ebenen 
Seiten.  Die  elektrometrischen  Fäden  bestehen 
aus  zwei  recht  geraden  Strohhalmen ,  die 
parallel  und  in  Berührung  neben  einander  an 
dem  Stopfen  der  Flasche  befestigt  sind.  Der 
obere  Theil  dieser  Flasche  ist  mit  Siegellack 
überzogen.  An  zwei  Flächen,  parallel  der 
Ebene,  in  welcher  sich  die  Strohhalme  be- 
wegen, ist  ein  Kreis  gezeichnet,  dessen  Mittel- 
punkt in  der  Höhe  des  Aufhängepunktes  liegt. 
Er  ist  in  Grade  von  halben  Linien  oder  etwa 
einem  Millimeter  getheilt;  oft  wird  an  den 
oberen  Theil  des  Stopfens  eine  Platte  von 
gefirnisstem  Kupfer  befestigt,  auf  welche  eine 

andere,  gleichfalls  gefimisste  gelegt  wird,  welche  mit  ihr  einen  Condensator 
bildet.  Die  auf  den  Stopfen  geschraubte  Platte  dient  alsdann  als  Collector, 
und  kann  unten  mit  einem  Metalldrath  versehen  sein,  wie  ein  gewöhnlicher 
Condensator;  die  andere  Platte  kann  mittelst  eines  Metallstreifens  mit  der 
Erde  verbunden  sein  und  auf  diese  Weise  dieselben  Dienste  thun,   wie  die 


Fig.  67. 


258 


Neuntes  Kapitel. 


Fig.  68. 


untere  Platte  bei  den  anderen  Condensatoren.  Ist  die  Collectorplatte  geladea, 
so  hebt  man  die  Platte  ab  und  die  aufgehäufte  Elektricität  geht  alsbald  in 
die  Strohhalme  des  Elektrometers  über. 

„Das  Elektrometer  ist  sehr  empfindlich,  aber  es  ist  notwendigerweise 
als  Messinstrument  sehr  ungenau;    denn  abgesehen  von  der  Schwierigkeit, 

die  Entfernung  scharf  an  der  Grad- 
eintheilung  abzulesen,  so  giebt 
eine  doppelte  Entfernung  zwischen 
den  Strohhalmen  nicht  nur  die 
doppelte  elektrische  Kraft  an; 
erstens  ist  zufolge  des  vom  Bürger 
Coulomb  bewiesenen  Gesetzes  diese 
Kraft  dem  umgekehrten  Quadrat 
der  Entfernung  proportional;  zwei- 
tens muss  man  die  Kraft  hinzu- 
fügen, die  zur  Überwindung  der 
Schwere  erforderlich  ist,  gegen 
deren  Wirkung  sich  die  Strohhalme  erheben,  und  welche  in  dem  Maasse, 
wie  sie  sich  erheben,  mit  dem  Sinus  des  Winkels  wächst,  den  sie  mit  der 
vertikalen  bilden. 

„Zweiter  Versuch.     An  Stelle   der  Scheiben  nimmt  man  eine  Platte 

Zink,  die  an  eine  Platte  oder 
einen  Stab  von  Kupfer  gelöthet 
ist  (Fig.  68  und  6g\ 

„Erster  Fall.  Man  hält  das 
Zink  in  der  Hand  (Fig.  68)  und 
berührt  mit  der  Platte  oder  dem 
Stab  von  Kupfer  die  Platte  a  des 
Condensators.  Man  findet,  dass 
diese  Platte  durch  die  Berührung 
mit  dem  Kupfer  einen  elektrischen 
Zustand  empfangen  hat,  der  bei 
der  Prüfung  am  Elektrometer  sich 
negativ  erweisst,  entsprechend  dem  Versuche  1. 

„Zweiter  Fall.  Man  halte  im  Gegentheil  das  Kupfer  zwischen  den  Fin- 
gern und  bringe  das  Zink  an  den  Condensator;  das  Zink  befindet  sich  als- 
dann zwischen  dem  Kupfer,  an  welches  es  gelöthet  ist,  und  der  Kupferplatte, 
mit  der  es  in  Berührung  gebracht  ist:  der  Condensator  giebt  in  diesem  Falle 
nicht  das  kleinste  Zeichen  von  Elektricität. 

„Dritter  Fall.  Man  hält  den  Apparat  auf  dieselbe  Weise,  bringt  aber 
(Fig.  69)  ein  befeuchtetes  Papier  zwischen  den  Condensator  und  die  Zink- 
platte; alsdann  nimmt  die  Collectorplatte  einen  elektrischen  Zustand  an,  der 
sich  positiv  wie  der  des  Zinks  ergiebt;  dreht  man  den  Apparat  um  und  be- 
rührt das  feuchte  Papier  mit  dem  Kupfer,  so   erregt  man  gleichfalls  einen 


Fig.  69. 


Physikalische  Erscheinungen  an  der  Volta'schen  Säule.  2  SO 


elektrischen  Zustand,  der  aber  wegen  des  Zustandes  des  Kupfers  von  nega- 
tiver Beschaffenheit,  wie  im  ersten  Falle  (Fig.  69)  ist,  oder  es  geschieht  das- 
selbe wie  beim  ersten  Versuche;  der  elektrische  Zustand,  der  von  der  Zink- 
platte dem  daran  gelötheten  Kupferstab  mitgetheilt  wird,  geht  in  die  Platte 
des  Condensators  über,  die  gleichfalls  von  Kupfer  ist. 

„Im  zweiten  Falle  befindet  sich  das  Zink,  da  es  einerseits  die  Kupfer- 
platte, an  die  es  gelöthet  ist,  berührt,  andererseits  die  gleichfalls  kupferne 
Platte  des  Condensators,  zwischen  zwei  gleichen  und  entgegengesetzten  Kräften, 
welche  sich  aufheben. 

„Im  dritten  Falle  verhindert  die  Zwischenschicht  von  feuchtem  Papier 
die  Berührung  des  Zinks  mit  dem  Condensator  und  damit  ihre  Wechsel- 
wirkung, die  nur  bei  unmittelbarer  Berührung  erfolgt,  und  lässt  die  zwischen 
dem  kupfernen  Stabe  und  dem  daran  gelötheten  Zink  unverändert;  das 
feuchte  Papier  lässt  dann,  weil  es  ein  Leiter  ist,  den  elektrischen  Zustand 
des  Zinks  auf  die  Platte  des  Condensators  übergehen. 

„Zweites  Princip.     Hieraus  ist  ersichtlich,  dass  diese  Eigenschaft  der 
Metalle,   sich  durch   ihre  gegenseitige  Berührung  in   einen  elektrischen  Zu- 
stand zu  versetzen  (welche  Eigenschaft  Herr  Volta  elektromotorische  Kraft 
nennt),  nur  bei  der  unmittelbaren  Berührung  stattfindet;  die  feuchten  Körper 
unterbrechen  einerseits  die  Berührung,  da  sie  schlechtere  Leiter  sind  als  die 
Metalle,  und  theilen  so  die  elektromotorische  Kraft,  andererseits    lassen   sie 
den    elektrischen    Zustand,    welchen    die  Metalle    durch    diese  Wirkung   an- 
genommen haben,    auf  die  Stoffe  übertreten,    mit   denen    sie   (die  feuchten 
Leiter;    selbst  in  Berührung  stehen.     Dadurch  kann  eine  Reihe  von  Metall- 
paaren  und  feuchten  Leitern  abwechselnd  den  elektrischen  Zustand  erregen 
und  durchlassen,  und  die  Wirkungen  so  viele  Male  anhäufen,  als  diese  Ab- 
wechselungen wiederholt  werden. 

„Daher  der  Versuch  mit  der  Säule  von  Herrn  Volta. 

„Dritter  Versuch.  Man  nehme  zwei  Scheiben  oder  Stücke  von  Metall, 
die  eine  von  Silber,  die  andere  von  Zink  (Fig.  70,  a  und  z,  1 ); 
man  lege  sie  unmittelbar  aufeinander,  ohne  sie  zu  isoliren. 
Man  lege  auf  dieses  metallische  Paar  ein  Stück  feuchtes  Papier 
oder  Tuch  //,  lege  hierauf  ein  zweites  Metallpaar,  a  und  z  2, 
in  derselben  Ordnung,  wie  das  erste,  man  sammele  die  Elek-  Fig.  70. 

tricität  des  zweiten  Paares  am  Condensator  und  lade  ihn  durch 
eine  genügende  Anzahl  von  Berührungen.  Macht  man  dann  die  Messung  am 
Elektrometer,  so  findet  man  unter  übrigens  gleichen  Umständen  die  Elek- 
tricität  des  zweiten  Paares  stärker,  als  die  des  ersten.  Fährt  man  so  fort, 
so  findet  man  die  Elektricität  in  dem  Maasse  zunehmend,  als  die  überein- 
andergelegten  Paare  vermehrt  werden. 

„Wird  schliesslich  die  ganze  Säule  aus  einer  bestimmten  Anzahl  von 
Schichtungen  errichtet,  so  ergiebt  sich  die  elektrische  Intensität  grösser,  oder 
kleiner,  je  nachdem  verschiedene  Punkte  von  der  Basis  bis  zum  Gipfel  unter- 

17* 


2ÖO  Neuntes  Kapitel. 


sucht  werden,  und  zwar  negativ,  wenn  die  oberen  Stücke  jedes  Paares  Silber 
sind;  positiv,  wenn  sie  Zink  sind. 

„In  diesem  Falle  sieht  man,  dass  wenn  die  ersten  beiden  Scheiben  in 
Berührung  sind,  sie  in  den  elektrischen  Zustand  übergehen  (Versuch  i).  Die 
zweiten,  die  von  den  ersten  durch  das  befeuchtete  Tuch  getrennt  sind, 
werden  gleichfalls  elektrisch;  ausserdem  nehmen  sie  durch  das  feuchte  Tuch 
die  Elektricität  der  oberen  Platte  des  unteren  Paares  an,  und  so  geht  es  in 
allen  Paaren  weiter,  aus  denen  die  Säule  zusammengesetzt  ist.  In  dem 
Maasse,  als  man  die  Elektricität  aus  dem  oberen  Theile  oder  aus  irgend 
einem  anderen  der  Säule  fortnimmt,  ersetzt  sie  sich  aus  der  Erde,  so  dass 
nothwendig  von  einem  Ende  zum  anderen  die  Elektricität  in  arithmetischer 
Reihe  wächst.  Das  Elektrometer  von  Herrn  Volta  scheint  das  gleiche  zu 
zeigen,  doch  ist  es  immerhin  zu  wünschen,  dass  diese  Thatsache  durch 
genauere  Instrumente  besser  nachgewiesen  würde. 

„Vierter  Versuch.  Wird  die  Säule  an  der  Grundfläche  isolirt,  so 
befindet  sich  das  erste  und  das  letzte  Paar  in  entgegengesetzten  elektrischen 
Zuständen  von  gleicher  Intensität.  Die  Mitte  der  Säule  zeigt  keine  Elektricität, 
und  von  dieser  Mitte  wächst  der  elektrische  Zustand  an,  positiv  nach  der 
einen  Seite,  negativ  nach  der  anderen,  bis  zu  den  letzten  Paaren,  deren 
Intensität  die  stärkste  ist.  Jedoch  erhält,  wenn  die  Säule  nicht  sehr  gross 
ist,  der  Condensator  von  diesen  Enden  nur  eine  schwache  Elektricität. 

„Bei  diesem  Zustande  der  Dinge  versteht  man,  dass  i.  die  zuerst  hin- 
gelegten Stücke  des  ersten  Paares  beide  in  einem  entgegengesetzten  elek- 
trischen Zustande  sind,  und  ihn  behalten  werden,  da  sie  keine  Verbindung 
mit  der  Erde  haben;  dass  2.  beim  Aufbauen  der  Säule  die  Wirkung  der 
neuen  Paare  sein  wird,  die  elektrischen  Intensitäten  zu  steigern.  Dies  voraus- 
gesetzt, wird  die  aufgebaute  Säule  zwei  beständig  in  entgegengesetztem  Sinne, 
wachsende  Progressionen  darstellen,  indem  die  Verminderung  der  einen  der 
Vermehrung  der  anderen  entspricht.  Daher  werden  sich  in  der  Mitte  der 
Säule  der  positive  und  der  negative  Betrag  aufheben,  da  sie  gleich  sind, 
und  werden  dort  den  elektrischen  Zustand  auf  Null  bringen.  Man  versteht 
daher,  dass,  da  die  Elektricität  sich  nicht  aus  der  Erde  ergänzen  kann,  der 
mit  den  Enden  in  Verbindung  gebrachte  Condensator  nur  eine  kleine  Menge 
Elektricität  aufnehmen  kann,  welche  selbst  unmerklich  werden  kann,  wenn 
er  von  erheblicher  Capacität  ist. 

„Indessen  bringt  die  Verbindung  des  unteren  Theiles  der  Säule  mit 
einer  sehr  grossen  Leidener  Flasche  zum  Theil  die  gleiche  Wirkung  hervor, 
wie  die  Verbindung  mit  dem  Boden,  und  macht  die  Elektricit  am  Gipfel 
der  isolirten  Säule  sehr  merklich. 

„Fünfter  Versuch.  Stellt  man  die  Verbindung  zwischen  der  Erde 
und  dem  unteren  Ende  der  Säule  her,  und  berührt  man  gleichzeitig  den 
Gipfel  mit  dem  Condensator,  so  ladet  sich  dieser  selbst  in  einem  Augen- 
blicke sehr  merklich;  berührt  man  beide  Enden  mit  den  Händen,  so  hat 
man  eine  beständige  oder  beständig  wiederholte  Empfindung;   bringt  man 


Phyrilodische  EiKchein 


i  der  Volu'sehcn  Säule. 


261 


:hen  beiden  Enden  eine  Reihe  von  Körpern  an,  unter  denen  sich  solche 
tden,  die  durch  die  galvanische  Wirkung  verändert  werden  (wie  z.  B. 
ser,  in  welches  ich  zwei  gegenüberliegende  Metalldrähte  tauche),  so  beweist 
Dauer  der  Erscheinungen,  welche  ihre  Veränderung  kennzeichnen,  auch 
Dauer  der  von  der  hergestellten  Verbindung  bedingten  Wirkung  zwischen 
beiden  Enden  der  Säule.  Diese  Anordnung  hat  zu  einer  Menge  von 
wehen  aller  Art  Anlass  gegeben,  welche  zu  gut  bekannt  sind,  als  das 
lier  auseinandergesetzt  zu  werden  brauchten. 

„Man  sieht,  dass  im  ersten  Falle  alles,  was  durch  den  Condensator  auf- 
mimen wird,  in  proportionaler  Weise  von  der  Erde  aus  ersetzt  wird; 
sieht  auch,  wie  in  dem  anderen  Falle  von  einem  Ende  zum  anderen 
:lekrrischer  Strom  zwischen  den  entgegengesetzten  Elektricitäten  entsteht. 
„Sechster  Versuch.  Stellt  man  zwischen  dem  unteren  Ende  der 
e  und  der  Erde  einerseits  eine  gute  Verbindung  her,  und  nimmt  man 
rerseits  die  Elektricität  des  oberen  Endes  durch  eine  grosse  elektrische 
;he  auf,  so  kann  man  durch  eine  sehr  schnelle  Berührung  diese  Flasche 
iden,  dass  man  eine  sehr  starke  Entladung  erhält.  Fig.  7 1  stellt  eine  der 
bequemsten  Arten  dar,  den  Versuch  zu  wiederholen.  Die  Basis 
der  Säule  steht  mit  einem  breiten  Metall  streifen  in  Verbindung, 
welcher  in  ein  Glas  Wasser  taucht,  in  das  der  Physiker  die  eine 
Hand  steckt;  mit  der  anderen  hält  derselbe  Physiker  die  Flasche 
und  berührt  mit  dem  Leiter 
einen  Knopf  an  dem  letzten 
Metallstück  der  Säule. 

„Er  kann  ebenso,  indem 
er  an  diesen  Knopf  die  elek- 
trische Pistole  mit  entzünd- 
licher Luft  bringt,  diese  un- 
mittelbar explodiren  lassen. 
„Die  Ladungen,  die  man 
so  dem  oberen  Ende  der 
Säule  mit  dem  Condensator 


2Ö2  Neuntes  Kapitel. 


oder   irgend    einem    anderen  Apparat   entziehen   kann,    finden    in    gleicher 
Weise  statt,  wie  auch  die  Säule  endigen  mag,   und  ob  man  die  Berührung  }i: 
mit  einem  Metall  oder  mit  dem  feuchten  Tuch  herstellt.  ... 

„Drittes  Princip.  Da  die  Säule  aus  Stoffen  von  zwei  Arten  besteht,  f- 
die  zu  ihrem  Aufbau  erforderlich  sind,  den  elektromotorischen  und  den  j- 
einfach  leitenden,  so  ändern  sich  die  von  dieser  Vereinigung  herrührenden  k 
Eigenschaften  je  nach  der  Verschiedenheit  der  Stoffe,  aus  denen  man  ihre 
verschiedenen  Theile  herstellt. 

„So  wirken  einerseits  die  Metalle  aufeinander  mit  verschiedener  elektro- 
motorischer Kraft,  andererseits  lassen  die  feuchten  Zwischenkörper  die  Wir-  p 
kungen  dieser  Kraft  mehr  oder  weniger  vollständig  und  leicht  hindurch. 

„Weiter  bethätigt  sich  die  Intensität  oder  der  Grad  der  elektromotorischen   !: 
Metallkraft  wesentlich  durch  die  elektrometrischen  Wirkungen,  und  wird  durch   p 
sie    gemessen;    ist    auch   beim  Elektrometer  des  Herrn  Volta  die  Messung   |: 
dieser  Intensität  nicht  genau,   so  wird  sie  doch  wenigstens  durch  den  Aus- 
schlag der  Strohhalme  angedeutet.  l' 

„Während  ferner  die  elektrometrischen  Wirkungen  die  gleichen  bleiben, 
so  sieht  man  andere  Erscheinungen  sich  ändern,  entsprechend  wie  es  scheint, 
theils  der  Leichtigkeit  des  Durchlassens,  theils  der  Ausdehnung  der  durch- 
lassenden Flächen. 

„So  scheint  die  Verschiedenheit  der  Wirkungen,  welche  die  VoLTA'sche 
Säule  hervorbringt,  von  der  Verbindung  zweier  Elemente  herzurühren;  und 
vergleicht  man  die  elektrischen  Wirkungen  mit  den  anderen  Kräften,  mit 
denen  die  Körper  behaftet  sind,  so  würden  die  Intensitäten  die  Geschwindig- 
keiten darstellen,  und  die  Verhältnisse  bei  der  Leichtigkeit  und  der  Aus- 
dehnung des  Durchlassens  würde  den  Massen  entsprechen. 

„Die  folgenden  Versuche  geben  eine  Vorstellung  von  der  Art  beider 
Einflüsse. 

„Siebenter  Versuch.  Die  Erfahrung  hat  ergeben,  dass  man  die 
Metalle  nach  der  Intensität  des  elektrischen  Zustandes,  welcher  durch  ihre 
Berührung  hervorgerufen  wird,  ordnen  kann.  Silber,  Kupfer,  Eisen,  Zinn, 
Blei  unk  Zink  bilden  eine  Reihe,  in  welcher  jedes  Metall  in  Berührung  mit 
einem  vorhergehenden  den  positiven  Zustand  annimmt,  während  es  mit 
denen,  die  in  der  Reihe  nachfolgen,  negativ  wird. 

„Die  Endglieder  der  Reihe  entwickeln  die  grösste  Intensität  bei  unmittel- 
barer Berührung;  daher  geben  Silber  und  Zink  verbunden  die  beträcht- 
lichsten elektrometrischen  Wirkungen.  Man  kann  dieser  Reihe  noch  mehrere 
Stoffe  hinzufugen,  wie  z.  B.  den  Braunstein,  den  Graphit,  die  Kohle,  alle 
Metalle,  verschiedene  Legierungen  u.  s.  w.  Die  Wirkung  des  Braunsteins  in 
Verbindung  mit  Zink  ist  fast  die  doppelte  von  der  des  Silbers. 

„Eine  sehr  wichtige  Erscheinung,  deren  Kenntniss  wir  Herrn  Volta  ver- 
danken, ist,  dass  die  elektrische  Intensität,  welche  durch  die  Berührung 
zwischen  Silber  und  Zink  hervorgerufen  und  am  Elektrometer  gemessen 
wird,    gleich   der  Summe  aller  Intensitäten  ist,   welche   sich   zwischen    den 


Physikalische  Erscheinungen  an  der  Volta'schen  Säule.  263 


entwickeln,  die  die  Reihe  zwischen  beiden  Endgliedern  bilden.  .  .  . 
rdnet  man  daher  alle  Metalle  zwischen  den  Endgliedern  an,  so  ist  die 
?sammtwirkung  nur  die,  welche  durch  die  unmittelbare  Berührung  dieser 
ndglieder  entstehen  würde, 

„Diese  Erscheinung  verdient  der  Messung  mittelst  genauerer  Instrumente 
iterzogen  zu  werden,  als  das  Strohhalmelektrometer  ist;  sie  ergiebt  einen 
rund  mehr  für  die  Notwendigkeit  der  Einschaltung  feuchter  Körper 
arischen  die  Metalle  bei  der  Herstellung  der  Säule. 

„Achter  Versuch.  Die  feuchten  Körper  erfüllen  nicht  alle  mit  gleicher 
ollkommenheit  den  Zweck  als  Leiter:  das  reine  Wasser  gehört  zu  den 
nvollkommensten.  Mischt  man  einige  Salze  hinzu,  so  nimmt  die  Leitung 
u ,  und  die  Wirkungen  der  Säule  sind  deutlicher.  Auch  die  Oxydation, 
reiche  zwischen  den  Paaren  in  Folge  der  feuchten  Zwischenschichten  ein- 
ritt,  scheint  zur  Vollständigkeit  der  Wirkung  beizutragen;  indessen  ist  nach 
lerrn  Volta  in  allen  diesen  Fällen  die  elektrische  Intensität  am  Elektrometer 
inverändert,  es  werden  nur  die  Wirkungen  auf  unsere  Organe  lebhafter 
empfunden.  . .  . 

„Neunter  Versuch.  Die  Unvollkommenheit  der  Leitung  feuchter 
vörper  im  Allgemeinen  und  besonders  des  reinen  Wassers  wird  noch  durch 
rinen  anderen  Versuch  erwiesen. 

„Es  wird  eine  Säule  so  aufgebaut,  dass  sie  entweder  isolirt  ist,  oder  in 
schwacher  Verbindung  mit  der  Erde  steht,  z.  B.  auf  einem  Tische  von 
gewöhnlichem  Holze,  und  man  befestigt  einen  Streifen  feuchten  Papiers 
Fig.  71)  zwischen  den  Enden  der  Säule,  wobei  das  obere  positiv  sein  soll. 
\lsdann  entspricht  der  Nullpunkt  der  Intensität  der  Säule  der  Mitte,  und 
prüft  man  den  Zustand  des  Papierstreifens,  so  findet  man  ihn  positiv  elek- 
xisch  am  oberen  Ende,  und  negativ  am  unteren.  Von  diesen  beiden  Punkten 
ib  vermindert  sich  der  elektrische  Zustand,  je  weiter  man  geht,  so  dass  die 
Mitte  des  Streifens  sich  völlig  frei  von  jedem  merklichen  elektrischen  Zustande 
indet. 

„Bringt  man  an  irgend  einen  Ort  in  dem  Theil  Po  des  Streifens  einen 
Stoff,  welcher  besser  leitet,  als  das  reine  Wasser,  z.  B.  Salzwasser,  so  erhebt 
sich  der  Nullpunkt  in  der  Säule  gegen  das  obere  Ende  P  und  das  entgegen- 
gesetzte tritt  ein,  wenn  man  das  gleiche  mit  der  unteren  Hälfte  des  Streifens 
ausführt.  Ebenso  wandert  der  Nullpunkt,  wenn  durch  Austrocknen  einer 
der  beiden  Theile  des  Streifens  seine  Leitfähigkeit  sich  ändert.  ... 

„Zehnter  Versuch.  Es  werde  einerseits  ein  Apparat  construirt  mit 
VIetallplatten  von  grossem  Durchmesser  und  Zwischenschichten  aus  nasser 
?appe  von  gleicher  Grösse,  und  andererseits  eine  Säule  mit  gleicher  Zahl 
ron  Schichten  aus  Platten  derselben  Metalle  von  gewöhnlicher  Grösse:  es 
verden  dann  die  beiden  Säulen  am  Elektrometer  die  gleichen  Grade  geben, 
and  werden  sich  daher  auf  gleichen  Stufen  der  Intensität  befinden,  propor- 
:ional  der  gleichen  Menge  Anzahl  der  Paare. 

„Macht   man    aber   mit  beiden   Säulen  den  Versuch    der  Ve«'  ng 


2  64  Neuntes  Kapitel. 


eines  Eisendrahtes,  so  giebt,  wie  bekannt,  die  Säule  mit  grossen  Platten  viel 
bedeutendere  Erscheinungen  des  Glühens  und  Verbrennens,  als  die  mit 
kleinen  Platten.  Auch  erfahren  die  Metalldrähte  eine  um  so  heftigere  Ver- 
brennung, je  grösser  einerseits  ihre  Berührungsfläche  mit  der  Säule  ist,  und 
mit  je  spitzeren  Enden  andererseits  sie  einander  berührten. 

„Im  Allgemeinen  scheinen  die  Genauigkeit  der  Berührung,  ihre  Aus- 
dehnung und  die  Leitfähigkeit  der  Zwischenschichten  die  Bedingungen  zu 
sein,  welche  Qhne  wesentliche  Änderung  der  elektromotorischen  Kraft,  die 
von  der  Natur  der  Metalle  bedingt  wird,  bei  gleicher  Intensität  die  Bewegung 
einer  grösseren  elektrischen  Masse  verursachen;  und  die  geringe  Aus- 
dehnung der  Punkte,  wo  sie  entweicht,  oder  die  Dünne  der  Leiter  lässt  eine 

Energie  der  Wirkung  erkennen,  die  der  Concentration  pro- 
portional ist,  welche  diese  Masse  auf  den  engen  Wegen 
erfährt.  .  .  ." 

Der  Bericht  schliesst  mit  der  Beschreibung  einer  trag- 
baren Säule  nach  Volta's  Modell;  es  wird  genügen,  auf 
ihre  Abbildung  Fig.  72  hinzuweisen. 

Wie  man  bei  dem  Vergleich  dieser  Darstellung  mit  der 
früheren  Volta's  ersieht,  hat  sich  inzwischen  die  Entwicke- 
Fig   "2.  *ung  der  »Contaktheorie"  endgültig  vollzogen;  insbesondere 

wird  ausdrücklich  die  Berührung  zwischen  Metallen  und 
feuchten  Leitern  als  keine  elektromotorische  Kraft  bewirkend  angesehen, 
und  die  experimentellen  Beweise  der  Lehrsätze  Volta's  beruhen  wesentlich 
auf  dieser  Annahme,  für  die  selbst  kein  weiterer  Beweis  beigebracht  wird. 
Auch  in  Volta's  eigenen  Abhandlungen  findet  sich  von  nun  ab  die  gleiche 
Einseitigkeit.  Zunächst  sieht  man  alsbald  überall  die  chemischen  Erklärungs- 
versuche, die  bis^dahin  als  natürlich  und  nächstliegend  stets  in  den  Vorder- 
grund getreten  waren,  zurückweichen  und  verschwinden;  die  Idee  von  der 
elektromotorischen  Wirkung  der  blossen  Berührung  verbreitet  sich  rapid, 
und  trotz  der  causalen  Unverständlichkeit  dieser  Annahme,  vielleicht  gerade 
deshalb  —  credo,  quia  absurdum  est  —  beherrscht  sie  in  kurzer  Frist  überall 
die  Anschauungen. 

Trotzdem  diese  Vorstellung  für  die  Erkenntniss  des  Wesens  der  Volta'- 
schen  Säule  unfruchtbar  war  und  blieb,  ist  in  der  durch  sie  gewiesenen 
Richtung  manches  Werthvolle  über  die  rein  elektrischen  Erscheinungen  der 
Säule  zu  Tage  gefördert  worden.  Unter  jenen  Arbeiten  ragen  insbesondere 
die  eines  Physikers  hervor,  dessen  Thätigkeit  heute  fast  vergessen  ist.  Paul 
Erman  ist  einer  der  wenigen  deutschen  Forscher  gewesen,  der  sich  zu  jener 
Zeit  allgemeinen  naturphilosophischen  Rausches  ein  kühles  und  nüchternes 
Urtheil  bewahrt,  und  dieses  in  einer  Anzahl  von  Arbeiten  bewährt  hat,  welche 
an  wissenschaftlichem  Sinn  weit  über  die  meisten  zeitgenössischen  hervorragen. 
Paul  Erman,1  aus  einer  elsässischen  Familie  Ermendinger  stammend,  deren 

1  Vgl.  Du  Bois-Reymond,  Gedächtnissrede  auf  Paul  Erman.     Abhandlungen  der  Ber- 
ur  Akademie,  1853.  1. 


Physikalische  Erscheinungen  an  der  Volta'schen  Säule.  265 


Namen   von   seinem  Urgrossvater  in  Erman    umgewandelt  worden  war,    ist 
1764    in    Berlin   geboren   und  auch   dort  am    11.  October   1851    gestorben, 
nachdem   er  von  1791  bis  1809  Professor  der  Physik  an  der  dortigen  Kriegs- 
schule,  von    1809  ab  in  gleicher  Stellung  an  der  Universität  gewesen  war. 
Seine   wissenschaftlichen  Arbeiten   hat   er   erst   in   verhältnissmässig   spätem 
Lebensalter  zu  veröffentlichen  begonnen;  sie  sind  mehr  kritischer  als  schöpfe- 
rischer Natur,  und  ihr  Werth  liegt  wesentlich  in  der  Strenge  und  Vorurtheils- 
freiheit  der  Beobachtung  und  Darstellung;   das  Bedürfniss,   um  keinen  Preis 
mehr    zu    sagen,    als   was  völlig    gesichert    erschien,    hat   Erman    sichtlich 
gehindert,    auch   naheliegende  Verallgemeinerungen  aus  den  von  ihm  fest- 
gestellten  Thatsachen  zu  ziehen.     Sein  Kampf  gegen   die  Naturphilosophie 
seiner  Zeit  war  bewusst  und  energisch,  und  er  ist  in  dieser  Beziehung  selbst 
seinem  Gesinnungs-  und  Kampfgenossen  Gilbert   überlegen.     Du  Bois-Rey- 
mond    berichtet   eine   Äusserung   von    ihm:    „Zwanzig  verlorene  Schlachten 
bringen   uns  nicht  so  viel  Schande,   als  dies  Täuschungs-  und  Lügenwesen 
in  der  Wissenschaft."  —  Dementsprechend  ist  ein  nicht  geringer  Theil  seiner 
Thätigkeit  der  Widerlegung  einiger  von  Naturphilosophen,  insbesondere  von 
Ritter  aufgestellter  Behauptungen  gewidmet  gewesen. 

Die  nachstehende  Untersuchung  über  die  elektroskopischen  Wirkungen 
der  VoLTA'schen  Säule  gehören  zu  den  ersten,  mit  denen  er  auf  dem  wissen- 
schaftlichen Schauplatz  erschienen  ist;  sie  zeigen  ihn  alsbald  als  reifen,  dem 
grössten  Theil  seiner  Zeitgenossen  überlegenen  Forscher. 

3.  Die  elektroskopischen  Erscheinungen  der  VoLTA'schen  Säule. 
Während  die  Arbeiten  der  englischen  Forscher  dauernd  auf  die  chemischen 
Vorgänge  in  der  Säule  gerichtet  blieben,  wenden  die  deutschen  sich  mit 
wachsendem  Erfolg  der  physikalischen  Seite  der  Frage  zu,  und  die  spätere 
grosse  Frucht  dieser  Bemühungen,  das  OHM'sche  Gesetz,  wird  in  sachgemässer 
und  würdiger  Weise  durch  die  Arbeiten  eingeleitet,  zu  denen  wir  uns  jetzt 
wenden  wollen. 

Nahezu  gleichzeitig  erschienen  in  Gilberts  Annalen  zwei  Abhandlungen, 
die,  den  gleichen  Gegenstand  behandelnd,  und  zu  naheliegenden  Ergebnissen 
kommend,  doch  nicht  verschiedener  gedacht  werden  können.  Die  eine  ist 
von  Ritter  geschrieben,  und  obwohl  sie  zu  seinen  besseren  gehört  und 
durch  die  experimentelle  Unermüdlichkeit,  die  in  ihr  zur  Geltung  kommt, 
die  naturphilosophischen  Unbequemlichkeiten  des  Stils  ein  wenig  vergessen 
lasst,  so  sticht  sie  doch  in  auffälligster  Weise  von  der  schlichten  Nüchtern- 
heit ab,  mit  der  die  andere,  von  Erman  in  Berlin,  den  gleichen  Gegenstand 
erörtert.  Wir  wenden  uns  zuerst  der  Abhandlung  von  Erman1  zu,  die  die 
ältere  ist 

Diese  Versuche  wurden  mit  einem  Elektrometer  nach  Saussure  ange- 
stellt, dessen  lange  Fäden  mit  der  benutzten  Säule  von  200  Schichtungen 
einen  Ausschlag  von  4  bis  5  Linien  gab.  Folgendes  sind  die  Haupt- 
erscheinungen. 

1  Gilberte  Ann.  8,  197.  1801. 


266  Neuntes  Kapitel. 


„Das  Elektrometer  wurde  mit  dem  positiven  Drahte  der  isolirten  Batterie 
von  200  Plattenpaaren  in  Verbindung  gebracht,  und  beide  Pole  derselben 
durch  gleichzeitig  abgehobene  Ableitung  in  ihren  natürlichen  Zustand  ver^ 
setzt.  Es  trat  sehr  bald  eine  Divergenz  des  Elektrometers  ein,  ohne  da» 
der  entgegengesetzte  Pol  ableitend  berührt  wurde.  Das  Maximum  dieser 
Divergenz  war  i1^  bis  2  Linien,  und  so  erhielt  sich  das  Elektrometer,  fl£ 
lange  man  es  auch  stehen  liess.  Berührte  man  aber  während  dieser 
den  negativen  Pol,  so  nahm  die  Divergenz  augenblicklich  zu,  so  dass 
4  bis  5  Linien  betrug.  Lässt  man  den  negativen  Pol  in  Verbindung  mit 
dem  Boden,  so  erhält  sich  die  Divergenz  des  Elektrometers  durchaus  unver- 
rückt in  dem  nämlichen  Grade,  wenn  dieses  auch  mehrere  Stunden  oder 
Tage  währen  sollte. 

„Bringt  man  die  Ableitung  an  den  positiven  Pol,  während  er  mit  dem 
Elektrometer  in  Verbindung  ist,  und  ist  zugleich  der  negative  mit  dem  Boden 
in  Berührung  gesetzt  worden,  so  fallen  zwar  die  Kugeln  merklich  zusammen, 
aber  doch  nie  ganz,  wenn  nicht  der  Körper,  womit  man  das  Elektrometer 
berührt,  ein  vollkommen  guter  Leiter  ist.  Die  trockene  Haut  z.  B.  entladet 
es  nicht,  thut  dieses  aber,  wenn  man  sie  angefeuchtet  hat.  Auch  stellt  sich 
dann  die  ganze  vorherige  Divergenz  wieder  her,  sobald  man  den  positiven 
Draht  sich  selbst  überlässt.  Ist  aber  der  negative  isolirt,  so  benimmt  die 
geringste  Berührung  des  positiven  dem  Elektrometer  alle  Divergenz,  und 
nach  Freilassung  des  positiven  stellt  sie  sich  nur  sehr  langsam-  wieder  her. 

„Dies  sind  die  elektroskopischen  Phänomene,  die  auf  den  Ladungs- 
mechanismus Bezug  haben,  und  ihn  sehr  aufklären.  Die  folgenden  beziehen 
sich  auf  die  Entladung  und  die  Bildung  des  Kreises.  Schliesst  man  die 
Kette  von  Pol  zu  Pol,  während  einer  der  beiden  Drähte  das  Elektrometer 
divergirend  erhält,  so  fällt  dieses  augenblicklich  zusammen,  falls  der  Leiter 
vollkommen  ist,  d.  h.  wenn  er  aus  nicht  unterbrochenem  und  an  der  Ober- 
fläche nicht  oxydirtem  Metall  besteht.  Während  die  Kette  geschlossen  ist, 
mag  man  den  einen  Pol  berühren,  wieviel  man  will,  das  mit  dem  entgegen- 
gesetzten Pol  in  Verbindung  stehende  Elektrometer  wird  davon  nicht  im 
mindesten  afficirt.  Ist  der  metallische  Leiter,  der  die  Verbindung  macht,  an 
einigen  auch  noch  so  kleinen  Stellen  oxydirt,  so  hängt  das  Divergiren  oder 
Zusammenfallen  des  Elektrometers  vom  Zufalle  ab,  ob  nämlich  der  den  Pol 
berührende  Punkt  oxydirt  oder  regulinisch  ist.  Auffallend  sind  die  so  zu 
sagen  convulsivischen  Bewegungen  des  Elektrometers,  wenn  man  mit  einem 
solchen  Leiter  die  Verbindung  gemacht  hat,  und  nun  sanft  damit  an  dem 
einen  Pole  hin  und  her  streicht.  In  einem  Nu  geht  das  Elektrometer  von 
Null  Divergenz  durch  das  Maximum  wieder  zu  Null;  gerade  die  vibrirende 
Aktion,  die  der  Nerv  unter  gleichen  Umständen  erleidet.  . .  . 

„Wenn  aber  der  Kreis  durch  unterbrochene  Metalldrähte  geschlossen 
ist,  die  sich  in  einer  Glasröhre  voll  Wasser  endigen,  so  kommt  es  auf  fol- 
genden Umstand  an,  ob  das  Elektrometer,  welches  bei  Schliessung  der  Kette 
mit  dem  einen  Pol  der  Säule  in  Verbindung  ist,  noch  divergirt,  oder  nicht. 


f 


Physikalische  Erscheinungen  an  der  Volta'schen  Säule.  267 

Beträgt  nämlich  die  Entfernung  der  beiden  Drähte  nur  einige  Linien  oder 
höchstens  6  Zoll,   so  gab  bei  geschlossener  Kette  das  Elektrometer  keine 
Spur  von  Divergenz;  nur  einige  durch  Hilfe  des  Condensators.   Betrug  aber 
die  Entfernung  der  Drähte  in  der  Röhre  etwa  16  bis  18  Zoll,  so  stellte  sich 
Äe  Divergenz  sehr  merklich  ein,    und  war,   wenn  die  gasgebenden  Draht- 
«eiten  5  Fuss  von  einander  abstanden,  beinahe  so  stark,  als  wenn  die  Kette 
nicht  geschlossen  wäre.    Endlich  divergirt  das  Elektrometer  vollkommen  so, 
ab  wenn  beide  Pole  gar  nicht  durch  Schliessung  der  Kette  verbunden  wären, 
wenn   die  Entfernung   der  Drähte  im  Gasapparate  viel   über  5  Fuss,   z.  B. 
10  Fuss  und  darüber  beträgt.     Diesen  Versuch  habe  ich  mehrere  Mal  auf 
folgende  Weise  angestellt.   Zwei  Glasröhren,  jede  von  etwas  mehr  als  5  Fuss 
Länge,    wurden  am   untersten  Ende  mit  Korkstöpseln  verschlossen,    durch 
welche  Piatinadrähte  gingen.     Die  Verbindung  der  oberen  Enden   geschah 
durch  einen  Piatinadraht,   der  in  die  Flüssigkeit  der  beiden  Röhren  reichte, 
und  bei  der  Schliessung  der  Kette  durch  die  unteren  Drähte  entwickelten 
diese  Gas.     Auch  änderte  ich  den  Versuch  dahin  ab,    dass  ich  die  beiden 
Röhren,  statt  durch  den  oberen  Draht,  durch  eine  kleine  mit  Wasser  ange- 
füllte   Heberröhre   verband,    so   dass    ich    nunmehr    eine    ununterbrochene 
Wassersäule  von  mehr  als  18  Fuss  Länge  erhielt,  an  deren  äussersten  Enden 
die  Drähte  sich  befanden,   und  bei  der  Schliessung   der  Kette  Gas  gaben. 
Ich  gestehe  es  offenherzig,  unter  solchen  Umständen  das  Phänomen  geradezu 
und  apodiktisch  auf  eine  Wasserzersetzung  reduciren  zu  müssen,  scheint  mir 
doch  ein  harter  Stand. 

„Je  geringer  die  Leitungsfähigkeit  einer  Substanz  ist,  mittelst  welcher 
die  Kette  geschlossen  wird,  um  so  grösser  bleibt  dabei  die  Divergenz 
des  Elektrometers,  das  mit  dem  einen  Pole  der  Säule  in  Berührung  ist.  So 
fehrt  z.  B.  das  Elektrometer  fort,  sehr  stark  zu  divergiren,  wenn  in  eine 
Röhre  zur  Gasentwickelung  Alkohol  gefüllt  wird;  am  ausgezeichnetsten  ist 
aber  die  Repulsivkraft,  mit  welcher  das  Ol  die  Expansion  des  elektrischen 
Fluidums  hemmt.  In  einen  Gasapparat  wurde  Baumöl  gefüllt,  und  man 
brachte  die  Metalldrähte  darin  so  nahe,  dass  man  den  Abstand  der  feinen 
Spitzen  beinahe  mehr  muthmaassen,  als  wahrnehmen  konnte.  Als  diese 
Röhre  mit  einer  sehr  thätigen  Säule  von  200  Plattenpaaren  in  Verbindung 
gebracht  wurde,  zeigte  das  Elektrometer  durch  das  Maximum  seiner  Diver- 
genz, welches  es  augenblicklich  annahm  und  beständig  beibehielt,  dass  die 
Pole  nicht  die  mindeste  wechselseitige  Einwirkung  auf  einander  hatten. 
Welcher  Abstand  zwischen  Wasser,  wo  die  Wirkung  durch  eine  Säule  von 
18  Fuss  hindurch  geschieht,  und  Öl,  wo  sie  durch  eine  Lamelle  von  1/10  Linie 
gehemmt  wird!" 

Die  Abhandlung  von  Erman  schliesst  mit  einem  Versuch,  dessen  Resultat 
uns  jetzt  „selbstverständlich"  erscheint,  während  es  dem  Entdecker  offenbar 
nicht  gleich  einleuchten  wollte.     Er  schreibt: 

„Ich  habe  an  einigen  Substanzen  eine  unerwartete  Eigenschaft  bemerkt, 
sie  leiten  nämlich  und  leiten  auch  nicht,  das  heisst,  wenn  man  sie  ~  *    Vn 


268  Neuntes   Kapitel. 


den  Polen  einer  Säule  anbringt,  so  theilt  sich  ein  solcher  Körper  der  Länge 
nach  in  zwei  Theile,  von  denen  der  eine  die  Elektricität  des  Poles  hat,  den 
er  berührt,  und  der  andere  die  des  entgegengesetzten  Poles,  mit  dem  er  in 
Verbindung  steht.  Eine  gut  angefeuchtete  hänfene  Schnur  z.  B.  sei  zwischen 
den  Polen  einer  Säule  ausgespannt.  Der  eine  Pol  dieser  Batterie  sei  ausser- 
dem mit  dem  Elektrometer  verbunden.  Nun  bringe  man  durch  Application 
und  gleichzeitiges  Abheben  des  Leiters  die  beiden  Pole  in  ihren  natürlichen 
Zustand.  Das  Elektrometer  wird  bald  das  Maximum  für  den  Fall,  dass  der 
entgegengesetzte  Pol  nicht  ableitend  berührt  worden,  erreichen.  Wir  wollen 
annehmen,  das  Elektrometer  sei  mit  dem  positiven  Pol  in  Verbindung.  Nun 
berühre  man  den  Theil  der  Schnur,  der  dem  negativen  Pole  zunächst  ist; 
die  Divergenz  wird  sehr  zunehmen  und  ihr  Maximum  wie  für  den  Fall,  wo 
man  den  negativen  Pol  unmittelbar  berührt  hat,  erreichen.  Jetzt  berührt 
man  den  Theil  der  Schnur,  der  dem  positiven  Pol  näher  ist,  so  fallt  das 
Elektrometer  zusammen,  als  hätte  man  das  Elektrometer  selbst  berührt.  Je 
nachdem  man  die  Schnur  am  oberen  oder  unteren  Ende  berührt,  ladet  oder 
entladet  sich  das  Elektrometer.  Die  Schnur  hat  also,  so  zu  sagen,  zwei  Pole 
und  einen  Indifferenzpunkt;  denn  es  giebt  in  der  Länge  der  Schnur  einen 
Punkt,  den  man  berühren  kann,  ohne  dass  die  Divergenz  dadurch  weder 
vermehrt  oder  vermindert  würde.  Nimmt  man  die  Schnur  kürzer  oder  länger, 
so  findet  immer  das  nämliche  Phänomen  statt,  nur  verändern  sich  die  Ver- 
hältnisse der  polarisirenden  Theile  unter  sich." 

Es  ist  ungemein  lehrreich,  zu  sehen,  wie  diese  Erscheinungen,  die  gegen- 
wärtig zu  den  segelmässigen  Vorlesungsversuchen  gehören,  bei  ihrem  ersten 
Auftreten  selbst  einen  gewiegten  Physiker  in  Verlegenheit  setzten.  Denn 
Erman  hielt  offenbar  anfangs  das,  was  er  sah,  für  eine  Eigentümlichkeit 
bestimmter  Körper;  er  giebt  an,  dass  er  die  Beobachtung  zuerst  an  einem 
Stück  Höllenstein  gemacht  habe.  Indessen  wusste  er  sich  bald  zu  recht  zu 
finden  und  nach  kurzer  Zeit  Hess  er  eine  zweite  Arbeit1  folgen,  in  welcher 
er  die  Angelegenheit  völlig  in  Ordnung  gebracht  hat. 

„In  dem  Gasapparate  wird  die  galvanische  Kette  durch  vollkommene 
Leiter,  welche  ein  unvollkommener  Leiter  trennt,  geschlossen.  Bis  jetzt  hat  man 
hauptsächlich  die  chemischen  Erscheinungen,  welche  dieser  Fall  darbietet, 
beachtet;  doch  verdienen  die  physischen  Phänomene,  welche  dabei  statt- 
finden, gewiss  dieselbe  Aufmerksamkeit.  Eine  Untersuchung  derselben  ver- 
spricht uns  manchen  Aufschluss  über  die  Ladungserscheinungen  der  Säule 
selbst,  die  im  wesentlichen  viel  analoges  mit  dem  Gasapparate  hat,  und  über- 
dies hängt  die  Ausmittelung  der  physischen  Beschaffenheit  der  galvanischen 
Flüssigkeit,  nachdem  sie  bei  ihrem  Übergange  von  Draht  zu  Draht  neue 
Mischungen  und  Entmischungen  bewirkt  hat,  vielleicht  näher  mit  der  Auf- 
lösung des  chemischen  Problems  zusammen,  als  wir  zur  Zeit  vermuthen.  — 
Folgende  Sätze,  welche  Resultate  aus  sehr  vielen  Thatsachen  sind,  werden 
hoffentlich  dazu  beitragen,  diesen  wichtigen  Gegenstand  aufzuhellen. 

1  Gilbert's  Ann.  10,  i.  1802. 


i- 


Physikalische  Erscheinungen  an  der  Volta'schen  Säule.  269 


„Das  Wasser  ist  ein  sehr  schlechter  Leiter  der  Elektricität  im 
alvanischen  Gasapparate;  je  reiner,  desto  geringer  ist  das  gal- 
aftische  Leitungsvermögen,  und  mit  diesem  Leitungsvermögen 
teht  die  Intensität  der  chemischen  Wirkung  in  geradem  Ver- 
lältnisse.  ... 

„Eine  Glasröhre,  zum  Gasapparate  bestimmt,  an  welche  vor  der  Lampe 
inige  Röhrchen  als  Tubulaturen  angebracht  waren  (Fig.  73),  wurde  mit  dem 


C  ED 

Jl I  I I  L 


Fig.  73.     Nach  Erman. 

reinsten  destillirten  Wasser  angefüllt,  und  zwei  Platindrähte  wurden  so  hinein 
gesteckt,  dass  die  Spitzen  derselben  6  Zoll  von  einander  entfernt  blieben. 
Diese  Drähte  verband  ich  mit  den  Polen  einer  sehr  wirksamen  Batterie  von 
200  Plattenpaaren,  und  brachte  zugleich  an  jeden  Draht  des  Gasapparates 
ein  äusserst  feines  und  empfindliches  Goldblattelektrometer  an.  Die  Gas- 
erzeugung war  wenig  lebhaft,  und  die  Elektrometer  behielten  beinahe  ihre 
völlige  Divergenz;  ein  Beweis,  dass  die  Verbindung  von  Pol  zu  Pol  durch 
diese  Wassersäule  sehr  unvollkommen  war.  Nun  tröpfelte  ich  durch  die 
Tubulaturen  eine  sehr  geringe  Menge  einer  sehr  schwachen  Auflösung  von 
salzsaurem  Natrum  ein  (ungefähr  6  bis  8  Tropfen  auf  eine  Unze  Wasser, 
welche  die  Röhre  ungefähr  fassen  konnte).  In  dem  nämlichen  Augenblicke 
hört^  die  Divergenz  in  beiden  beinahe  so  gänzlich  auf,  als  hätte  ich  von  Pol 
zu  Pol  eine  Metallleitung  angebracht,  und  zugleich  fingen  die  Platindrähte 
mit  mehr  als  der  sechsfachen  Heftigkeit  an,  Gas  zu  entwickeln.  .  .  .  Diese 
Thatsache  ist  sehr  wichtig,  da  sie  offenbar  die  elektrische  Wirkung  mit  der 
chemischen  Wirkung  in  die  innigste  Causalverbindung  setzt.  .  .  . 

„Die  Wassersäule,  welche  sich  im  Gasapparate  zwischen  den 
beiden  Batteriedrähten  befindet,  erhält  während  des  galvanischen 
Processes  wirklich  Elektricität.  Ein  silbernes  Rohr,  an  dessen  beiden 
Enden  Glasröhren  gekittet  waren,  in  welche  sich  die  Drähte  der  Batterie 
befestigen  Hessen,  wurde,  mit  Brunnenwasser  gefüllt,  zum  Gasapparate  vor- 
gerichtet. Nachdem  ich  die  äusseren  Flächen  am  Feuer  so  genau  getrocknet 
hatte,  dass  selbst  mit  dem  Condensator  nicht  die  mindeste  Spur  einer  Leitung 
daran  zu  merken  war,  machte  ich  die  Verbindung  der  Drähte  mit  der 
Batterie.  Das  silberne  Mittelstück  zeigte  nun  am  Condensator  äusserst  starke 
Elektricität,  die  nur  durch  die  innere  Wassersäule  von  einem  Drahte  zum 
anderen  hatte  hingelangen  können.  .  .  . 

„Eis  folgt  aus  diesen  Thatsachen  .  .  .,  dass  bei  der  Gas-  und  Oxyd- 
erzeugung nicht  die  Elektricität,  oder  wenigstens  nicht  alle  Elektricität  so 
verwendet  wird,  dass  sie  aufhören  sollte,  ihre  physischen  Wirkungen  zu 
äussern.    —    Die   Wichtigkeit  dieser  Untersuchung   ist   einleuchtend.     Denn 


270  Neuntes  Kapitel. 

hätte  sich  gefunden,  dass  alle  elektrischen  Erscheinungen  bei  der  Wasser- 
zersetzung aufhörten,  so  wäre  die  chemische  Zersetzung  der  elektrischen 
Materie,  und  ihre  Concurrenz  zur  Gaserzeugung  durch  ihre  eigene  Ent- 
mischung und  Abtretung  ihrer  Bestandteile  erwiesen  gewesen.  .  .  . 

„Metallische  Leiter,  welchen  die  galvanische  Einwirkung  in 
der  Kette  durch  Wasserschichten  zugeführt  wird,  zeigen  immer 
Polarität  in  Rücksicht  auf  die  chemischen  Wirkungen.  —  Dieses 
Phänomen  hat  die  auffallendste  Ähnlichkeit  mit  dem  Spiele  der  Atmosphären 
bei  Elektrisirungen  durch  Vertheilung.  Ein  Leiter  AB  unter  diesen  Umständen 
der  oxydgebenden  Spitze  C  der  Batterie  genähert,  theilt  sich  in  drei  Theile 
oder  Zonen,  wovon  die  der  oxydgebenden  Spitze  zunächst  liegende  Gas 
giebt,  die  entgegengesetzte  Oxyd  erzeugt,  die  mittelste  aber  indifferent  bleibt, 
und  weder  Gas  noch  Oxyd  liefert. 

„Ehe  ich  noch  meinen  tubulirten  Gasapparat  erhalten  hatte,  setzte  ich 
einen  Apparat  aus  zwei  Glasröhren  so  zusammen,   dass  an  der  Stelle,   wo 


I 


«*ä*  i  U *  f™~ 

cras  oata  v 

Fig.  74.     Nach  Erman. 

die  eine  Röhre  in  die  Mündung  der  anderen  gekittet  war,  ein  Metalldraht  C 
(Fig.  74)  in  den  Apparat  zwischen  die  beiden  Drähte  der  Batterie  hinein- 
reichte, während  das  andere  Ende  dieses  Mitteldrahtes  ausserhalb  der  Röhre 
blieb,  um  am  Elektrometer  geprüft  zu  werden.  Unter  solchen  Umständen 
konnte  die  galvanische  Wirkung  vom  positiven  Batteriedrahte  A  nicht  zum 
negativen  Batteriedrahte  B  gelangen,  ohne  auf  ihrem  Wege  dem  Mittel« 
drahte  C  zu  begegnen,  und  ich  glaubte  mich  so  im  Besitze  eines  einfachen 
Mittels,  die  elektrische  Beschaffenheit  des  galvanischen  Fluidi  während  seines 
Überganges  zu  prüfen.  Es  zeigte  sich  aber  bald  die  im  vorigen  Satze 
erwähnte  Wirkung,  welche  die  Prüfung  sehr  erschwerte.  Der  Mitteldraht 
theilte  sich  der  Länge  nach  in  drei  ziemlich  gleiche  Theile.  Derjenige, 
welcher  der  oxydgebenden  Spitze  gegenüber  stand,  gab  Gas,  der  Theil, 
welcher  dem  gasgebenden  Drahte  am  nächsten  war,  gab  Oxyd,  und  der 
mittlere  Theil  zwischen  den  äussersten  Enden  blieb  unverändert  Dieses 
Polarisiren  eines  Mitteldrahtes,  welcher  sich  in  einer  continuirlichen  Wasser- 
säule zwischen  den  beiden  Polardrähten  der  Batterie  frei  befindet,  findet 
immer  statt.  Oft  habe  ich  in  einer  einzigen  Röhre  6  Mitteldrähte  zwischen 
den  Batteriedrähten  angebracht,  und  stets  hatte  jeder  dieser  Mitteldrähte 
seinen  Oxydpol,  der  dem  Gaspole  der  Batterie  gegenüber  stand,  und  seinen 
Gaspol,  der  dem  Oxydpole  der  Batterie  entgegengesetzt  war,  und  eine  In- 
differenzregion zwischen  seinen  Polen.  .  .  .  Das  elektrische  Fluidum  kann 
folglich  im  galvanischen  Processe  unter  keinen  Umständen  einen  im  Wasser 
sich  befindenden  metallenen  Leiter  durchströmen,  oder  vertheilend  afficiren, 
ohne  auch  die  chemischen  Zersetzungen  hervorzubringen. 


PhysflcaHsche  Erscheinungen  an  der  Volta'schen  Säule.  271 

„Ich  sah  bald  ein,  dass  dieses  Phänomen  des  galvanisch  polarisirten 
Mitteldrahtes  auch  stattfinden  müsste,  wenn  dieser  Mitteldrahf  gleich  nicht 
-  r  mit  den  beiden  Batteriedrähten  in  eine  Röhre  eingeschlossen  wäre.  Ich 
\  leitete  die  beiden  Drähte  der  Batterie  in  eine  flache  Schale,  in  welche  ich 
einige  Linien  hoch  Wasser  gegossen  hatte;  als  ich  zwischen  ihre  Enden 
einen  vollkommen  polirten  Draht  legte,  so  theilte  er  sich  augenblicklich  in 
die  erwähnten  drei  Zonen.  Lag  der  Draht  in  der  verlängerten  Richtung  der 
beiden  Batteriedrähte  (im  galvanischen  Meridiane),  so  waren  sich  die  Gas-, 
die  Indifferenz-,  und  die  Oxydzone  an  Länge  gleich.  Je  mehr  man  aber 
-r  den  Mitteldraht  gegen  die  Richtung  der  Batteriedrähte  neigte,  desto  weiter 
■3  erstreckten  sich  die  Gas-  und  Oxydzonen,  und  die  Indifferenzzone  wurde 
^.  immer  geringer.  .  .  .  Als  ich  endlich  den  Mitteldraht  so  um  seinen  Mittel- 
punkt drehte,  dass  er  mit  der  verlängerten  Richtung  der  Batteriedrähte  einen 
•^  rechten  Winkel  machte  (im  galvanischen  Äquator  lag),  theilte  sich  der  ganze 
Mitteldraht  der  Breite  nach  in  die  erwähnten  drei  Zonen. 

„Die  Wassersäule  im  Gasapparate  hat  nicht  ihrer  ganzen  Länge 

nach  eine  gleichnamige  Polarität,  sondern  zeigt  dieselbe  Polarität, 

wie   eine    an    die   Pole   der   Batterie   angebrachte   hänfene    Schnur 

S.  266)  und  andere  Halbleiter  der  Elektricität,  welche  Volta  unter 

der  Benennung  von  Leitern  zweiter  Art  begreift. 

„Ein  Gasapparat  (Fig.  73),  der  drei  Tubulirungen,  eine  £  gerade  in  der 
Mitte  der  Röhre,  die  beide^n  anderen  C  und  D  in  gleichen  Entfernungen  von 
den  Enden  der  Röhre,  hatte,  wurde  an  seinen  äussersten  Enden  mit  Drähten 
versehen,  und  diese,  nachdem  man  ihn  mit  Brunnenwasser  gefüllt  hatte,  mit 
den   Polen   der  Säule    und  zugleich    mit  sehr  zarten  BENNET'schen  Elektro- 
metern in  Verbindung  gebracht    Beide  Elektrometer  nahmen  bald  eine  merk- 
liche  Divergenz  an,    die  zwar  geringe    aber  constant  war,   weil  beide   Pole 
isolirt  waren.    Berührte  man  nun  mit  einem  wohl  isolirten  Drahte  das  Wasser 
im  Tubulus  C,    der   dem   positiven   Pole    zunächst  war,    so    vermehrte    sich 
augenblicklich  die  Divergenz  des  Elektrometers  an  B,  beinahe  ebenso  stark, 
als  hätte   man  den  Pol  A  selbst  berührt.     Eine  Berührung  des  Wassers  im 
Tubulus  Dy  der  dem  negativen  Pol  B  angrenzte,  benahm  dem  Elektrometer 
in  B  alle  Divergenz  und  brachte  sie  ganz  an  das  andere  Elektrometer  in  A. 
Berührte  man  aber  das  Wasser  im  mittelsten  Tubulus  £,  der  von  den  beiden 
Batteriedrähten  gleich  weit  abstand,    so  war  in  keinem  von  beiden  Elektro- 
metern eine  Spur  von  vermehrter  oder  verminderter  Divergenz  zu  bemerken; 
beide  verhielten  sich  so,  wie  ihnen  im   natürlichen  Zustande  des  Gleichge- 
wichtes   zukam,   gerade   als   hätte    gar   keine  ableitende  Berührung  stattge- 
funden. ... 

„Die  Mitteldrähte  im  Gasapparate  zeigen  ihrer  ganzen  Länge 
nach  nur  die  Elektricität  desjenigen  Theiles  der  Wassersäule, 
worin  sie  sich  befinden,  ungeachtet  sie  in  zwei  entgegengesetzten 
Zuständen  sind.  So  giebt  z.B.  das  Knie  eines  Drahtes  Oxyd,  die  Spitze 
Gas,  indess  der  ganze  Draht  nur  negative  Elektricität  zeigt,  w«m1  *r  sich  in 


1 


4*   J     +* 


Neuntes  Kapitel. 


der  Region  des  negativen  Drahtes  befindet.  —  Dieses  allgemeiner  ausgedrückt fc— 
giebt  folgenden  sehr  paradoxen  Satz:  Es  existirt  kein  beständiges  Ver-p 
hältniss    weder  zwischen  wahrgenommener   negativer  Elektricitäil- 
und    Gaserzeugung,    noch    zwischen    wahrgenommener    positiver j^_ 
Elektricität  und  Oxydation.     Die  Beobachtungen  an  den  Polardrähtalr= 
der  Säule  haben  veranlasst,  dass  man  diese  Coexistenz  der  wahrnehmbare«  1. — 
+  E  mit  Oxydation,  und  der  -  E  mit  Gaserzeugung  als  Gesetz  aufgestellt  J-; ._ 
und  sogar  im  wissenschaftlichen  Sprachgebrauch  die  Benennungen:  positiver  v 
und  Oxydpol,  und  negativer  und  Gaspol  als  völlig  synonym  betrachtet  hat  -..— 
Folgende  Versuche  zeigen  aber  ganz  bestimmt,  dass  eine  Metallspitze  sehr  - 
viel  Oxyd  geben  und  doch  zugleich  sehr  starke  —E  haben  kann,  und  um-   - 
gekehrt  viel  Wasserstoff  geben  und  doch   +  E  haben  kann.  — 

„In  einen  tubulirten  Apparat  mit  drei  Röhrchen    Fig.  75    wurden  wo 
Mitteldrähte  von  Platin  C  und/;  so  hineingeschoben,  dass  ihre  Spitzen  gegen-  -_- 
einander  gerichtet  waren,  indem  sie  sich  von  den  nächsten  Polardrähten  der  . 
Batterie    ab,    gegen    den    Indifferenzpunkt  E  in   der  Mitte  der  Wassersäule 
wendeten.     Jeder  dieser  Drahte  theilte  sich  dem  oben  angeführten  Gesetze    _ 
nach    in    drei   Zonen,    deren    mittlere    indifferent  war,   während   die  beiden 


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•Vi? 


Fitf-  75-     Nach  Erman. 

äusseren,   da  die  Drähte  von  Platin  waren,   Gas  gaben.     Ich  prüfte  das  aus 
dem  Apparat  herausragende  Ende  jedes  Mitteldrahtes  am  Elektrometer  und 
fand,  dass  C,  als  dem  positiven  Polardrahte  der  Batterie  näher,  auch  posi- 
tive Divergenz  gab,   und  /),  als  dem  negativen  Polardrahte  zu  liegend,  das 
Elektrometer  negativ  afficirte.     Hier  ist  also  ein  ganz  bestimmter  Fall,  wo 
die  Erzeugung  des  Wasserstoffes  an  dem  Theile  eines  Drahtes  geschah,  der 
positive  Elektricität  gab,  und  wo  umgekehrt  der  oxydgebende  Theil  eines 
Drahtes  negative  Elektricität  zeigte.    Man  betrachte  nur  Fig.  75.    Der  positive 
Pol  A   der  Batterie  giebt  Sauerstoffgas,    und  daher  das  am  Drahte  C  dem 
Pole    gegenüber   stehende    Knie  Wasserstoffgas,    und    doch    afficirte   es   das 
Elektrometer   ebenso    positiv,    wie    A  selbst.     Dieselbe    Anomalie   zeigt  der 
Mitteldraht  /).    Der  Polardraht,  dem  er  zunächst  liegt,  ist  negativ  und  giebt 
Wasserstoffgas,  daher  das  Knie  Sauerstoffgas;    und  dessen  ungeachtet  wirkt 
dieses  ganz  bestimmt  als  negativ  auf  das  Elektrometer.  .  .  . 

Nachdem  Erman  noch  einige  mögliche  Einwände  gegen  die  Beweiskraft 
der  angeführten  Versuche  beseitigt  hat,  fährt  er  fort: 

„Zeigt  nun  aber  dieser  paradoxe  Fall  nicht  die  Verschiedenheit  der 
elektrischen  und  chemischen  Wirkung  der  Causalität  nach:  Muss  nicht  das 
was  Oxydation  und  was  Gaserzeugung  hervorbringt,  mit  dem,  was   +  Eund 


Physikalische  Erscheinungen  an  der  Volta'schen  Säule.  273 

*-E bewirkt,  durchaus  heterogen  sein?  und  scheitert  nicht  gegen  diese  That- 
pche  das  ganze  Lehrgebäude  des  Newton  der  Elektricität?  (denn  Franklin 
jfear  nur  Volta's  Kepler). 

j:  „Ich  glaube,  dass  dieser  Schluss,  so  natürlich  und  logisch  er  mir  an- 
pngs  selbst  erschien,  doch  sehr  übereilt  und  unrichtig  wäre.  Wenn  in  einem 
Körper  oder  einem  System  von  Körpern  eine  Ursache  wirkt,  um  das  Gleich- 
\ gewicht  der  Elektricität  zu  stören,  so  wird  dieser  Körper  oder  dieses  System 
1  iod  Körpern  in  seinen  äussersten  Punkten  +  E  und  —  E  zeigen. . . .  Giebt 
man  ihnen  einen  beliebigen  überschüssigen  Grad  von  +  oder  — -£",  der 
den  gegenwärtigen  elektrischen  Zustand  der  Luft  übersteigt,  so  wird  der 
ganze  Körper  oder  das  ganze  System  von  Körpern  dem  Elektrometer  + 
oder  —  E  geben;  darum  hat  aber  die  Kraft,  welche  sich  bestrebt,  das  Gleich- 
gewicht zu  heben,  nicht  aufgehört,  wirksam  zu  sein,  und  es  wird  an  den 
äusseren  Enden  in  der  mitgetheilten  +  oder  —  E  noch  immer  eine  ungleiche 
Vertheilung,  ungleiche  Ziehung  der  +E  und  Abstossung  der  —  E  statt- 
finden. Ein  solches  System  von  Körpern  ist  die  VoLTA'sche  Säule  selbst. 
Die  wechselseitige  Wirkung  des  Silbers  und  Zinks  macht  das  Silber  negativ, 
and  das  Zink  positiv,  und  die  Säule,  wenn  sie  übrigens  im  elektrischen 
Gleichgewicht  mit  der  Luft  und  dem  Elektrometer  ist,  giebt  diesem  +E 
am  Zinkpole  und  —  E  am  Silberpole.  Ertheilt  man  aber  der  isolirten  Batterie 
mehr  +  E,  als  die  Luft  und  das  Elektrometer  haben,  so  wird  der  Silberpol  selbst 
das  Elektrometer  stark  mit  +E  afficiren;  darum  hört  aber  der  Ladungs- 
mechanismus nicht  auf.  Silber  und  Zink  haben  beide  mehr  +E  als  die 
Luft ;  sie  vertheilen  es  unter  sich  aber  wieder  ungleich,  so  dass  ein  Elektro- 
meter, welcher  eben  die  Ladung  hätte,  wie  die  Batterie,  am  Silberpole  mehr 
zusammenfallen,  und  am  Zinkpole  mehr  divergiren  würde."  .  .  . 

Erman  schliesst  seine  klare  und  überzeugende  Auseinandersetzung  mit 
der  Analyse  einiger  verwickelterer  Versuche;  wir  brauchen  ihm  dabei  nicht 
zu  folgen.    Die  Arbeit  Erman*s  verdient  einen  sehr  hohen  Platz  unter  denen 
der  Zeitgenossen.     Ist  sie  auch  weit  weniger  glänzend,  als  manche  andere, 
so  ist  ihr  Werth  darum  nicht  geringer;   ja  es  verdient  die  Aufopferung  be- 
sondere Anerkennung,  mit  welcher  ihr  Verfasser  es  sich  versagte,  nach  dem 
näher  liegenden  Lorbeer  auffeilender  neuer  Experimente  zu  greifen,  um  sich 
mit  dem  zunächst  geringeren,   aber  dauerhafteren  Ruhm  der  wissenschaft- 
lichen Vertiefung  alltäglicher  Erscheinungen  zu  begnügen.    Wir  müssen  diese 
Forschungen   als  die  unmittelbaren  Grundlagen  ansehen,   auf  denen  später 
das  Grundgesetz  des  elektrischen  Stromes,  das  Gesetz  von  Ohm,  erbaut  worden 
ist    In  der  bisherigen  Geschichtsschreibung  der  Elektricitätslehre  sind  diese 
Arbeiten  kaum  nach  Verdienst  gewürdigt  worden;  um  so  nöthiger  erscheint 
es  mir,  gegebenen  Ortes  auf  ihre  Bedeutung  hinzuweisen. 

Fast   gleichzeitig   mit   der  Arbeit   von  Erman   erschien    eine   über  den 
gleichen    Gegenstand   von  Ritter.1     Der  Unterschied   zwischen  den   beiden 


1  Gilbert" s  Ann.  8,  385.  1801. 

Oitvald,   Elektrochemie.  18 


274  Neuntes  Kapitel. 


Untersuchungen  kann  nicht  grösser  gedacht  werden ;  dort  die  schlichte  Schil- 
derung des  nüchternen  Physikers,  der  in  möglichster  Kürze   und  Deutlich- 
keit darstellt,  was  er  mitzutheilen  hat,  hier  eine  phantastische,  beständig  ab-  fc 
schweifende  Erzählung  unendlicher  Versuche,  die  immer  nur  dasselbe  sagen,  j. 
und  deren  Ueberflüssigkeit  der  Verfasser  selbst  am  Schlüsse  der  Arbeit  ein-  z: 
gesteht    Ritter  hatte  sich  die  Aufgabe  gestellt,  alle  möglichen  Combinationen 
zwischen  positiven  und  negativen  elektrischen  Ladungen  einerseits,  und  gal- 
vanischen andererseits  zu  erschöpfen,  was  ihre  Wirkung  auf  das  Elektrometer  - 
anlangt,  um  sich  zu  überzeugen,  dass  thatsächlich  die  Erscheinungen  an  der  .. 
Säule  elektrischer  Natur  sind.     Nachdem  er  auf  mehr  als   50  Seiten  diese   . 
Versuche  geschildert  hat,  fährt  er  fort:   „Ist  es  wahr,  dass  so  mancher  der   . 
erzählten  Versuche  und  so  manche  Bemerkung,    die  der  eine  ödere  andere   L 
von  ihnen  nöthig  machte,  uns  oft  schon  während  ihrer  Erzählung  als  über-    , 
flüssig  vorkam?    Gewiss!    Ich  habe  das  schon  während  ihrer  Anstellung  ge-    „ 
fühlt,  ja,  ich  habe  diese  mit  dem  Bewusstsein  ihrer  Ueberflüssigkeit  unter- 
nommen.    Dessen  ungeachtet,  was  konnte  mich  bewegen,  .  .  .  die  Zeit,  den 
Aufwand  nicht  zu  achten,  den  sie  alle  kosteten?   Nichts,  als  von  meiner  Seite 
ein  für  allemal  ein  lebendiges  Beispiel  dafür  zu  geben,  wie  man  mit  Vielem, 
mit  sehr  Vielem  am  Ende  nichts  mehr  erreicht,  als  mit  sehr  wenigem,  aus 
dem  rechten  Gesichtspunkte  betrachtet.     Ein  einziger  Versuch  wäre  hinrei- 
chend gewesen,  die  Polarität  der  galvanischen  Batterie  mit  allen  ihren  Phäno- 
menen für  immer  festzusetzen;    ein  zweiter  Versuch  hätte  hingereicht,  die 
Identität   dieser  Polarität   mit   der   elektrischen   für  immer  darzuthun.     Alle 
übrigen  sind  Pleonasmen." 

Wird  man  dieser  Selbsterkenntniss  gegenüber  neugierig,  welchen  Grund 
denn  schliesslich  Ritter  für  diese  Überflüssigkeiten  gehabt  hat,  so  erfährt 
man,  dass  er  sich  als  Opfer  für  alle  Zukunft  dargebracht  hat,  „Aber 
was  müssen  Sie  mir  auch  nun  zum  Lohn  für  meine  Mühe,  was  muss 
mir  Jeder,  der  diese  Blätter  liest,  dafür  versprechen?  Nichts  anderes,  als 
künftig,  so  oft  ein  ähnlicher  Fall  wieder  kommt,  und  das  könnte  er  in  der 
That,  mit  diesen  beiden  einzigen  Versuchen  zufrieden  zu  sein." 

4.  Die  Anfänge  der  elektrischen  Telegraphie.  Nach  den  vor- 
stehend geschilderten  Arbeiten  lassen  sich  weitere  auf  dem  Gebiete  der  physi- 
kalischen Erscheinungen  an  der  Säule  längere  Zeit  nicht  nachweisen,  wie 
denn  überhaupt  in  dem  zweiten  Jahrzehnt  unseres  Jahrhunderts  sich  eine 
Abwendung  von  den  galvanischen  Erscheinungen  erkennen  lässt,  die  fast 
ebenso  plötzlich  erfolgt,  wie  die  Zuwendung  im  Jahre  1800  erfolgt  war.  Nur 
eine  Gruppe  von  Thatsachen  wird  noch  behandelt;  es  sind  die  Leitungs- 
erscheinungen über  weite  Strecken,  welche  in  ihrer  späteren  Entwicklung 
zur  elektrischen  Telegraphie  geführt  haben. 

Von  der  Reibungselektricität  hatten  bereits  Winkler  (1746)  und  später 
Le  Monnier  gezeigt,  dass  sich  bedeutende  Strecken  Wasser  oder  feuchtes 
Erdreich  in  den  Stromkreis  aufnehmen  lassen,  ohne  die  Entladung  einer 
KLEiST*schen  Flasche  merklich  zu  behindern.    Für  die  Wirkung  der  galva- 


Physikalische  Erscheinungen  an  der  Volta'schen  Säule.  275 


tuschen  Säule  wurde  1803  das  gleiche  von  F.  H.  Basse  in  Hameln  nachge- 
wiesen, ]  dessen  in  ziemlich  erheblichem  Umfange  und  sehr  verständig  ange- 
stellte Versuche  die  Grundlage  unserer  Kenntnisse  in  dieser  Sache  geliefert 
haben.  Ich  gebe  nachstehend  einen  ziemlich  vollständigen  Auszug  der 
wichtigsten  Theile  seiner  Abhandlung. 

I.  Leitung  durch  Metalldrähte. 

„Versuch  1.  Ich  spannte  im  Freien  zwei  Eisendrähte,  deren  jeder  iooFuss 
lang  war,  in  gerader  Linie  so  nebeneinander  aus,  dass  jeder  für  sich  völlig 
isolirt  war.  Darauf  verband  ich  den  einen  Draht  mit  dem  Plus-  und  den 
anderen  mit  dem  Minuspole  der  Säule.  Schloss  ich  nun  die  beiden  anderen 
Endspitzen  der  Drähte  durch  eine  gutausgeglühte  Holzkohle  oder  durch 
ein  geschlagenes  Goldblättchen,  so  zeigten  sich  im  Augenblicke  der  Berüh- 
rung lebhafte  Funken.  Geschah  die  Schliessung  der  Drähte  durch  Wasser,2 
so  entband  sich  an  dem  Minusdrahte  häufiges  Gas  in  kleinen  Bläschen,  und 
die  Endspitze  des  Pluspols  wurde  stark  oxydirt.  Nahm  ich  nun  den  einen 
Draht  in  den  Mund  und  berührte  mit  meinen  Fingern  den  anderen,  so  em- 
pfand ich  Erschütterungen  in  der  Zunge  und  in  den  Fingerspitzen,  bekam 
einen  sauren  metallischen  Geschmack  und  sah  helle  Blitze  vor  beiden  Augen. 
Es  ereigneten  sich  also  in  einer  Entfernung  von  100  Fuss  an  den  mit  der 
VoLTA'schen  Säule  verbundenen  Metall-Leitungen  alle  Erscheinungen,  die  man 
an  der  Säule  in  ihrer  Nähe  wahrnimmt 

„Versuch  2.  Ich  vermehrte  die  Länge  eines  jeden  Drahtes  bis  aut 
2000  Fuss,  spannte  beide  Drähte  isolirt  neben  einander  aus  und  wiederholte 
die  vorigen  Versuche;  die  Erscheinungen  blieben  sich  alle  gleich. 

„Versuch  3.  Ich  verdoppelte  noch  einmal  die  Länge  beider  Drähte,  so 
dass  jeder  4000  Fuss  lang  war.  Es  ergaben  sich  aufs  neue  die  nämlichen 
Erscheinungen  und  in  eben  der  Stärke  wie  zuvor.  Fast  schien  es  mir,  als 
wenn  die  Stärke  der  galvanischen  Elektricität  eher  zu-  als  abgenommen  habe. 

„Da  diese  Versuche  so  sehr  günstig  ausfielen,  dass  ich  vollkommen 
überzeugt  bin,  dass,  bei  übrigens  gleichen  Umständen,  eine  VoLTA'sche  Säule 
auch  in  einer  Entfernung  von  mehreren  Meilen  die  nämlichen  Phänomene 
zeigen  werde,  so  stellte  ich  diese  Reihe  von  Versuchen  für  jetzt  ein  und 
nahm  dagegen  eine  andere  weit  wichtigere  auf.  Ich  wünschte  nämlich  zu 
erfahren,  in  wie  weit  sich  das  galvanische  Fluidum  durch  Seen,  Flüsse 
und  den  Erdboden  fortleiten  lasse,  und  in  dieser  Absicht  veranstaltete  ich 
die  folgenden  Versuche,  wobei  ich  alle  meine  Erwartungen  bei  weitem  über- 
troffen fand. 


1  Gilberte  Ann.  14,  26.  1803. 

*  „Zu  dieser  Vorrichtung  wählte  ich  einen  Glascylinder  von  einem  Fuss  Länge  und  etwa 
eisern  Zoll  im  Durchmesser.  Er  war  mit  Salzwasser  gefüllt  und  an  beiden  Enden  mit  Kork 
verstopft.  Durch  jeden  Kork  ging  ein  Silberdraht,  dessen  Endspitzen  im  Inneren  des  Glases 
2  Zoll  von  einander  waren.  Diese  Vorrichtung  will  ich  bei  den  folgenden  Versuchen  der  Kürze 
vegen  den  Gasentbindungsapparat  nennen." 

18* 


I 


276  Neuntes  Kapitel. 


f 

2.  Leitung  durch  Seen,  Flüsse  und  den  Erdboden. 

„Versuch  4.    Es  war  in  der  Mitte  des  Januar  dieses  Jahres,  als  hier  alle 
stehenden  Wasser  und  Flüsse  mit  starkem  Eise  belegt  waren.    Zu  den  ersten  • 
Versuchen  wählte  ich  den  hiesigen  Stadtgraben,  worin  das  Wasser  fast  still-  : 
stehend   ist,   zu   den    übrigen   den  Weserstrom.     Ich   begab   mich   mit  der  : 
VourA'schen  Säule  und  allem  Apparate,  den  ich   brauchte,  auf  den  Stadt«  ; 
graben,  öffnete  das  Wasser  an  zwei  verschiedenen  Stellen,  die  500  Fuss  von  : 
einander   entfernt   waren,    stellte   meine  VoLTA'sche   Säule    neben   die   eine  - 
Oeffnung  im  Eise  und  Hess  den  Draht  vom  Minuspole  desselben  einen  Fuss 
tiefer  unter  das  Eis  hinabgehn.    Darauf  befestigte  ich  an  dem  Pluspole  einen 
Eisendraht,  der  500  Fuss  lang  war  und  bis  an  die  zweite  Oeffnung  im  Eise  : 
reichte.     Um  ihn   isolirt  zu  erhalten    und  zu   verhindern,   dass  er  sich  bei 
seiner  Länge  nicht  auf  das  Eis  hinabsenkte,  hatte  ich  hin  und  wieder  ein 
Loch  in  das  Eis  gebohrt  und  tännene  Stangen  hineingesteckt,   an  welchen 
ich  den  Draht  in  6  Fuss  Höhe  festband.    Ich  stellte  mich  nun  auf  ein  Isola- 
torium  mit  Glasflüssen,  nahm  die  Endspitze  des  Pluspoldrahtes  in  den  Mund 
und  berührte  mit  der  Hand  das  Wasser  des  Stadtgrabens,  worauf  ich  augen- 
blicklich  Erschütterungen    in    der  Zunge    und   in   den  Fingerspitzen,   einen 
sauren  metallischen  Geschmack  und  Blitze  vor  beiden  Augen  verspürte.    Ich 
befestigte  hierauf  den  Pluspoldraht  an  einem  kleinen  Glasstäbchen  so,  da& 
die  Endspitze  des  Drahtes  einen  Zoll  lang  frei  war,  setzte  dann   eine  leere 
trockene  zinnerne  Schale  unmittelbar  auf  das  Wasser  in  der  zweiten  Oeffnung 
des  Eises,  legte  einige  ausgebrannte  Kohlen  darein  und  berührte  diese,  in- 
dem ich  den  Glasstab  in   die  Hand  nahm,    mit  der  Endspitze  des  Pluspol- 
drahtes.   Es  zeigten  sich  bei  jedesmaliger  Berührung  kleine,  aber  sehr  sicht- 
bare Funken.     Das   nämliche   geschah  auch,   wenn   ich   an  die  Spitze  des 
Pluspoldrahtes  ein  Goldblättchen  klebte  und  mit  diesem  die  zinnerne  Schale 
an  einer  trockenen  Stelle  berührte.     Brachte  ich  die  Silberdrähte   des  Gas- 
entbindungsapparates mit  dem  Wasser  des  Stadtgrabens  und  dem  Plusdrahte 
der  VoLTA'schen  Säule  in  Verbindung,  so  entwickelte  sich  am  Silberdrahte, 
nach  der  Seite  des  Wassers  oder  des  Minuspols  der  Säule  zu,  Gas  in  häu- 
figen, kleinen  Bläschen;  sie  erfolgten  aber  erst,  nachdem  die  beiden  Silber- 
drähte schon  eine  volle  Minute  mit  beiden  Polen  der  Säule   in  Verbindung 
gewesen  waren.     Am  Plus-Silberdrahte  bemerkte  ich  keine  Gasentbindung, 
wohl  aber  oxydirte  sich  die  Spitze  desselben. 

„Versuch  5.  Von  hier  begab  ich  mich  mit  meinen  Instrumenten  auf 
die  Weser,  um  dort  diese  Versuche  von  Neuem  und  vergrössert  anzustellen. 
Einige  Schritte  vom  Ufer  öffnete  ich  das  Eis,  stellte  meine  Säule  neben  die 
Öffnung  und  verband  den  Draht  des  Minuspols  mit  der  Weser.  An  dem 
entgegengesetzten  Ufer  der  Weser,  in  einer  Entfernung  von  500  Fuss  vom 
Standort  der  Säule  öffnete  ich  das  Eis  abermals,  zog  einen  isolirten  Eisen- 
draht von  dem  Pluspole  der  Säule  quer  über  die  Weser  bis  an  diese  Öffnung 
und  wiederholte  nun  diese  Versuche,  die  ich  auf  dem  Stadtgraben  angestellt 


Physikalische  Erscheinungen  an  der  Volta'schen  Säule.  277 


hatte.    Die  Erscheinungen  waren  denen,  die  ich  dort  beobachtet  hatte,  voll- 
kommen gleich. 

„Versuch  6.  Ich  trug  nun  meine  Säule  auf  die  Mitte  der  Weser,  öffnete 

sie,  und  liess  den  Minusdraht  der  Säule  einen  Zoll  tief  ins  Wasser  reichen. 

Dann  befestigte  ich  an  dem  Pluspole  einen  Eisendraht,  der  4000  Fuss  lang 

war.     Am  Ende  des  Drahtes,   mithin   in  einer  Entfernung  von  4000  Fuss 

vom  Standorte  der  Säule,  machte  ich   eine  Öffnung  ins  Eis.     Die  vorhin 

beschriebenen  Versuche  wurden  hier  von  mir  sämmtlich  und  oft  wiederholt 

Meine  Begleiter  sowohl  als  ich  erkannten,  dass  wir  auch  in  dieser  Entfernung 

alle  jene  Phänomene  wieder  sahen  und  empfanden.    Man  erwäge  nur,  dass 

ich  gegen  den  Strom  zu  operirte  und  man  wird  gleichfalls  mit  mir  erstaunen. 

Ich  machte  die  Versuche  in  allen  möglichen  Richtungen,   fand  aber  keine 

Änderung  in  den  Resultaten.  .  .  . 

„Versuch  7.     Mitten  in  der  Weser,  nahe  an  der  Stadt  liegt  eine  kleine 

Insel,   der  Werder  genannt,   worauf  sich  die  Schleusse  zur  Durchfahrt  der 

Schiffe  befindet.    Die  Weser  wird  durch  sie  in  zwei  Arme  getheilt,  die  sich 

unterhalb   der  Insel  wieder  vereinigen.     Sie  ist  etwa   1500  Fuss   lang   und 

460  Fuss  breit.     Auf  diese  Insel  liess  ich  meine  galvanischen  Instrumente 

bringen,   begab  mich   mit  einigen  Freunden  dahin   und  errichtete  auf  der 

Mitte  derselben,   hart  an  dem  einert  Ufer,   meine  VoiTA'sche  Säule,    deren 

Minusdraht  wieder  in  die  Weser  hinabgeleitet  wurde.     Der  Plusdraht,   der 

lang  genug  war,   um   über  die  Breite  der  Insel  bis  zum  anderen  Arme  der 

Weser  zu   reichen,  wurde  dann   bis  dahin   ausgespannt   und   durch   einige 

hölzerne  Stangen  von  der  Erde  isolirt     Hier  wiederholte  ich  nun  die  mehr 

beschriebenen   Versuche    und   fand    die  Resultate   mit   den    vorhergehenden 

übereinstimmend.   Das  galvanisch-elektrische  Fluidum  machte  also  hier  einen 

Weg  von  mehr  als  1 500  Fuss,  theils  mit  dem  Strome,  theils  gegen  denselben, 

weil  es  sich  erst  um  die  Spitze  der  Insel  bewegen  musste,    ehe  es  an  die 

Stelle  kam,  an  der  ich  stand. 

„Versuch  8.  Folgende  Versuche  wurden  an  zwei  Brunnen  angestellt, 
deren  einen  ich  A,  den  anderen  B  nennen  will.  Sie  sind  200  Fuss  von 
einander  entfernt  und  beide  21  Fuss  tief.  Hart  neben  dem  Brunnen  A  stellte 
ich  meine  VourA'sche  Säule,  befestigte  an  ihrem  Minuspole  einen  22  Fuss 
langen  Eisendraht,  dessen  anderes  Ende  mit  einer  6  Loth  schweren  bleiernen 
Kugel  versehen  war,  und  senkte  dasselbe  durch  Hülfe  dieser  einen  Kugel 
in  den  Brunnen  hinab.  Jetzt  begab  ich  mich  zum  Brunnen  B,  senkte  auch 
hier  durch  Hülfe  einer  Kugel  einen  Eisendraht  in  das  Wasser  desselben, 
isolirte  ausserhalb  des  Brunnens  diesen  Draht  und  leitete  ihn  bis  zum 
Brunnen  A,  wo  die  VoLTA'sche  Säule  stand.  Nun  musste  also  durch  den 
in  das  Wasser  des  Brunnens  A  gesenkten  22  Fuss  langen  Eisendraht,  durch 
das  Wasser  dieses  Brunnens  selbst  und  durch  die  Erde,  der  Eisendraht,  den 
ich  aus  dem  Brunnen  B  nach  A  zurückgeleitet  hatte,  mit  der  negativen  Seite 
der  Säule  in  leitender  Verbindung  stehen,  welches  ich  ausdrücklich  erwähne, 
damit  man  mich  nicht  unrecht  verstehen  möge.     Ich   liess  mir   nun   zwei 


278  Neuntes  Kapitel. 


zinnerne  Schalen  mit  warmen  Wasser,  worin  einiges  Kochsalz  aufgelöst  war, 
geben,  stellte  beide  auf  ein  Isolatorium  mit  Glasfiissen  und  dieses  neben  die 
VoLTA'sche  Säule,  und  verband  dann  die  eine  Schale  mit  dem  Pluspole  der 
Säule,  die  andere  mit  dem  Drahte  des  Brunnens  B.  Darauf  benässte  ich 
beide  Hände  und  legte  in  jede  Schale  eine  Hand.  So  oft  ich  eine  beider 
Hände  aus  dem  Wasser  zog  und  sie  wieder  in  dasselbe  tauchte,  empfand 
ich  Commotionen;  gerade  so  gelang  der  Versuch  den  übrigen  anwesenden 
Personen.  Ich  befestigte  nun  an  dem  Plusdrahte  eine  Holzkohle,  legte  sie 
auf  das  Isolatorium  und  berührte  sie  mit  der  Endspitze  des  Brunnens  B. 
Bei  jedesmaliger  Berührung  entstanden  kleine,  aber  sehr  helle  Funken. 
Schloss  ich  beide  Drähte  durch  den  Gasentbindungsapparat,  so  entband  ich 
an  der  Minusseite  nach  von  einer  bis  zwei  Minuten  häufiges  Gas.  Dasselbe 
bemerkte  ich  aber  nicht  an  der  Plusseite. 

„Nun  band  ich  den  Draht  des  Brunnen  B  an  den  Pluspol  der  Säule, 
ging  hinüber  zu  diesem  Brunnen,  und  zog  das  andere  Ende  des  Drahts 
sammt  der  Kugel  aus  demselben.  Sobald  der  Draht  das  Wasser  und  die 
Erde  nicht  mehr  berührte,  und  ich  ihn  frei  in  der  Hand  hielt,  empfand  ich 
in  derselben  ein  beständiges  Prickeln.  Ich  steckte  daher  eine  Stange  in  die 
Erde  und  befestigte  den  Draht  an  derselben,  ohne  dass  er  aber  die  Erde 
berühren  konnte.  Berührte  ich  nun  denselben  mit  nassen  Fingern,  so  erfolgten 
Commotionen.  Geschah  die  Berührung  mit  der  Zunge,  so  war  die  Empfin- 
düng  schmerzhaft  und  mit  Blitzen  vor  beiden  Augen  begleitet.  Man  erwäge, 
dass  hier  nur  allein  von  dem  Plusdrahte  der  VoLTA'schen  Säule  die  Rede 
ist  und  mein  Körper  nur  durch  die  Erde  mit  dem  Minuspole  in  Verbindung 
war.  Bemerklich  muss  ich  indess  machen,  dass  es  den  Tag  zuvor  geregnet 
hatte,  als  ich  diese  Versuche  anstellte.  Die  Erde  war  davon  noch  sehr 
feucht,  und  an  mehreren  Stellen  stand  Wasser,  dadurch  wurden  meine  Schuhe 
feucht  und  dienten  meinem  Körper  zur  Leitung  des  galvanischen  Fluidums. 
Ich  wechselte  hierauf  mit  den  Polen  und  den  Drähten  der  Säule.  Die  Er- 
scheinungen blieben  sich  vollkommen  gleich. 

„Versuch  9.  Zu  den  folgenden  Versuchen  wählte  ich  eine  grosse 
Wiese,  die  gegen  3000  Fuss  lang  und  fast  ebenso  breit  ist.  An  ihrer 
einen  Seite  ist  sie  mit  einem  12  Fuss.  breiten  Graben  versehen,  der  zur 
Zeit  ganz  mit  Wasser  angefüllt  war.  Ich  Hess  mir  durch  meinen  Gehülfen 
mehrere  lange  tännene  Stangen  ....  bringen  und  steckte  hart  am  Ufer 
des  besagten  Grabens  eine  solche  Stange  in  die  Erde.  Von  dieser  Stange 
ab  ging  ich  in  gerader  Linie  über  die  Wiese  zu  dem  Gartenhause  eines  an 
die  Wiese  grenzenden  Gartens,  und  steckte  unterwegs  immer  von  50  zu 
50  Fuss  eine  Stange  in  die  Erde.  An  der  Pfoste  eines  Fensters  im  Hause 
befestigte  ich  einen  Eisendraht,  und  leitete  ihn  bis  zu  der  letzten  Stange, 
die  am  Graben  stand.  An  dieser  befestigte  ich  ihn  in  6  Fuss  Höhe  und 
band  ihn  alsdann  auch  in  eben  dieser  Höhe  an  allen  übrigen  tännenen 
Stangen  fest,  damit  er  sich  nirgends  auf  die  Erde  senken,  noch  sie  berühren 
könnte.     Ich  stellte  nunmehr  die  VoLTA'sche  Säule  neben  den  Graben,  und 


Physikalische  Erscheinungen  an  der  Volta'schen  Säule.  27Q 


setzte    vermittelst    eines    kurzen   Drahtes   das   Wasser    desselben    mit   dem 
Minuspole,    und  das  Ende  des  vom  Gartenhause  hergeleiteten  Drahtes  mit 
dem  Pluspole  der  Säule  in  Verbindung.    Darauf  begab  ich  mich  mitten  auf 
die  Wiese  und  berührte  hier  den  ausgespannten  Draht  mit  nassen  Fingern; 
ich  empfand   merkliche  Erschütterungen.    Noch  weit  heftiger  wurden  diese 
aber,  wenn   ich  einen  silbernen  Löffel  in  die  nasse  Hand  nahm  und  damit 
den  Draht    berührte.    Die  Berührung  des  Drahtes   mit   der  Zunge  war  zu 
schmerzhaft  und  wurde  ganz  unerträglich,   wenn  sie  durch  den  Löffel,   den 
ich  in  den  Mund  nahm,  vermittelt  wurde.    Klebte  ich  ein  Goldblättchen  an 
den  Löffel    und  berührte  damit  den  Draht,   so  sah  ich  helle  Funken.     Das 
nämliche  geschah  auch  mit  einer  trockenen  Holzkohle.    Diese  Bemerkungen 
dienten  mir  zum  Beweise,  dass  die  Erde  unter  mir  überall  positiv-galvanisch 
sein  musste.    In  dem  Gartenhause  selbst  machte  ich  folgende  Versuche.    Ich 
stellte  mitten  ins  Zimmer  einen  Tisch,  auf  diesen  zwei  zinnerne  Schalen,  die 
ich  durch    Glasscheiben  isolirte.     Beide  waren   auf  die  Hälfte  mit  warmen 
Wasser,   worin  eine  gute  Hand  voll  Kochsalz  aufgelöst  war,   angefüllt     An 
die  eine  Schale  knüpfte  ich  das  Ende  des  Plusdrahtes  der  Säule,  das  zuvor 
an  der  Fensterpfoste  befestigt  war.  Die  zweite  Schale  verband  ich  mit  einem 
anderen  Draht  und  führte  ihn  zu  einem  anderen  Fenster  hinaus  bis  auf  die 
Erde.     Hier   grub  ich  ein  Loch  in  dieselbe,   legte  das  Ende  des  Drahtes 
hinein  und  bedeckte  es  mit  Erde.     Tauchte  ich  nun  in  jede  Schale   eine 
Hand,    so   empfand    ich   beträchtliche   Erschütterungen   in   beiden   Händen. 
Noch  heftiger  waren  diese  aber,  wenn  ich  einen  Draht  von  der  Schale  los- 
machte, ihn  an  einen  silbernen  Löffel  knüpfte,  meine  Hände  in  beide  Schalen 
legte,   und   nun  durch  eine  zweite  Person  die  freie  Schale  ausserhalb  mit 
dem  Löffel  berühren  Hess.     Eine  Gesellschaft  von  Damen,   die  im  Zimmer 
zugegen  waren,  amüsirte  sich  auf  diese  Art  eine  Zeit  lang  und  wohnte  auch 
zum  Theil  den  anderen  Versuchen  bei.  .  .  .    Ich  Hess  nun  die  VoLTA'sche 
Säule  von  dem  Graben  wegnehmen  und  einige  Schritte  vom  Ufer  stellen. 
Des  Plusdrahtes  Ende  wurde  einige  Zoll  tief  in  die  Erde  gesteckt,  und  dann 
wiederholte  ich  die  Versuche.     Dessen  ungeachtet  fand  ich  keine  Abnahme 
des  Galvanismus:  Erschütterungen,  Funken  und  Gasentbindung  waren  ebenso 
stark  und  anhaltend  als  zuvor. 

„Diese  interessanten  Beobachtungen  bieten  uns  mancherlei  Stoff  zu 
Betrachtungen  über  die  Natur  des  Galvanismus  dar,  und  lassen  uns  mit 
vielem  Grunde  manchen  Aufschluss  über  Naturerscheinungen  hoffen,  die  bis 
jetzt  für  uns  mit  einem  undurchdringlichen  Schleier  umhüllt  sind.  Sie  be- 
weisen zugleich,  dass  sich  das  galvanisch-elektrische  Fluidum  auf  eine  unglaub- 
liche Weise,  sowohl  durch  die  Erde  als  durch  das  Wasser  fortleiten  lässt; 
Weiten,  für  die  sich  schwerlich  Grenzen  angeben  lassen. 

„Die  Fortsetzung  dieser  Versuche,  sowie  einen  anderen  längst  ver- 
sprochenen sehr  merkwürdigen  Beitrag  zur  Kenntniss  des  Galvanismus,  hoffe 
ich  im  nächstfolgenden  Stücke  dieser  Annalen  mittheilen  zu  können." 

Die    versprochene    Fortsetzung    ist    nicht    erfolgt,    wohl    aber    stellte 


280  Neuntes  Kapitel. 


Erman1  ganz  ähnliche  Versuche,  wie  die  vorstehend  von  Basse  geschilderten 
auf  der  Havel  bei  Potsdam  an,  und  gelangte  dabei  zu  völlig  den  gleichen 
Ergebnissen.  Von  allen  Vorstellungen  über  den  Vorgang  der  elektrischen 
Entladung  findet  er  mit  seinen  Versuchen  nur  die  im  Einklänge,  dass  bei 
jeder  Entladung  durch  das  „Spiel  der  Atmosphären"  —  dieselbe  Erschei- 
nung, die  wir  gegenwärtig  als  Influenz  bezeichnen  —  jeder  positiven 
Elektricitätsbewegung  alsbald  eine  negative  entspricht,  so  dass  nicht  etwa 
die  Elektricitäten  von  den  Enden  der  Säule  sich  durch  die  weiten  Wasser- 
massen haben  aufsuchen  müssen,  sondern  die  Neutralisation  stetig  von  Punkt 
zu  Punkt  geht,  und  die  Entladung  gleichzeitig  an  beiden  Enden  beginnt 
Es  ist  das  im  wesentlichen  dieselbe  Vorstellung,  welche  wir  gegenwärtig  von 
dem  Vorgange  haben. 

5.  Der  elektrolytische  Telegraph.  Versuche,  die  alle  Vorstellungen 
übersteigende  Geschwindigkeit,  mit  welcher  sich  die  elektrische  Entladung 
durch  gute  Leiter  fortpflanzt,  zu  telegraphischen  Zwecken  zu  benutzen,  lassen 
sich  zwar  schon  zu  Zeiten  nachweisen,  wo  die  Elektrisirmaschine  die  einzige 
Stromquelle  war,2  doch  ist  wegen  der  Schwierigkeiten,  die  Leiter  gegen  die 
hohen  Spannungen  dieser  Entladungen  zu  isoliren,  an  eine  praktische  Ver- 
werthung  dieses  Planes  nicht  zu  denken  gewesen.  Bei  der  VoLTA'schen 
Säule  fielen  diese  Schwierigkeiten  fort,  und  so  sehen  wir  im  Jahre  1809  den 
ersten  brauchbaren  elektrischen  Telegraphen  entstehen,  freilich  zunächst  noch 
in  etwas  ungefüger  Gestalt.  Der  Erfinder  dieses  Apparates  war  merkwürdiger 
Weise  kein  Physiker  oder  Techniker,  sondern  der  berühmte  Mediziner  und 
Anatom  Samuel  Thomas  Sömmering,  der  in  Thorn  am  28.  Januar  1755 
geboren,  nach  einander  Professor  der  Chirurgie  und  Anatomie  am  Carolinura 
zu  Cassel,  Professor  der  Medizin  an  der  Universität  zu  Mainz,  praktischer 
Arzt  in  Frankfurt  und  seit  1804  Mitglied  der  Akademie  in  München  war; 
1820  ging  er  wieder  als  praktischer  Arzt  nach  Frankfurt,  und  starb  daselbst 
am  2.  März  1830. 

Über  die  Erfindung  des  Telegraphen  finden  sich  einige  nähere  Nach- 
richten in  den  von  Sömmering's  Sohne  mitgetheilten8  Tagebuchnotizen.  Die 
erste  Bemerkung  findet  sich  unter  dem  8.  Juli  1809:  „Nicht  ruhen  können, 
bis  ich  den  Einfall  mit  dem  Telegraphen  durch  Gasentbindung  realisirt 
Draht  von  Silber  und  Kupfer  eingekauft.  Versuche  mit  der  Isolirung  durch 
Siegelwachs  gelungen,  zur  Telegraphie  bestimmt/' 

Am  folgenden  Tage  finden  sich  bereits  gelungene  Versuche  mit  mehreren 
Drähten  von  38  Fuss  Länge  verzeichnet,  am  22.  Juli  hat  er  „endlich  den 
Telegraphen  geendigt."  Am  11.  August  stellt  er  „Firniss -Versuche  mit 
Kautschuk"  an.  Der  Akademie  wurde  die  Mittheilung  nebst  Vorlage  des 
fertigen  Apparates   am   28.  August   1809,   also   etwa   7  Wochen   nach    der 


1  Gilbert's  Ann.  14,  385.    1803. 

1  Als   die    ersten  Erfinder   auf  diesem  Gebiete  werden  Lesage  in  Genf  und  Lomond, 
sowie  der  Spanier  Salva  genannt.     Vgl.  Hoppe,  Gesch.  d.  Elektr.  574.    Leipzig  1884. 
•  Popp.  Ann.  107,  644.  1859. 


Pfcjrikllbcbe  Erscheinungen  »n  der  VolU'schen  Säule.  28 1 

iotiz   gemacht     Von  wem  die  Idee  der  Isolirurtg  der  Drähte  durch 
rrriihrt,  lässt  sich  leider  aus  diesen  Mittheil  ungen  nicht  ersehen, 
r  findet  sich  auch  die  Nachricht,   dass  vergeblich  versucht  worden 
>leon  L  für  die  Sache  zu  interessiren;  er  hat  sie  mit  den  Worten  abge- 
~?est  tau  idee  germanique. 

cmering  hat,  wie  erwähnt,  seinen  Gedanken  nicht  nur  ausgesprochen, 
auch  wirklich  ausgeführt  (der  von  ihm  hergestellte  Telegraph  befindet 


Fig.   76.     Nach  Sömmering. 

»ch  jetzt  in  den  Sammlungen  des  physikalischen  Vereins  zu  Frank- 
lie  Beschreibung  desselben  ist  in  den  Denkschriften  der  Münchener 
nie  für  1809  und  181O,  S.  401  veröffentlicht.  Ich  gebe  sie  mit  des 
rs  eigenen  Worten  wieder. 

'ielfältige  Betrachtung  der  ganz  unfehlbaren  und  sehr  schnellen  Gas- 
elung  an  metallenen  Spitzen,  welche  nicht  nur  selbst  mehrere  Zolle 
ineinander  stehen,  sondern  welche  die  Wirkung  der  Säule  erst  aus 
ntfernung  von  mehreren  tausend  Fuss  zugeleitet  erhalten,  hatte  mich 
ingst  auf  den  Gedanken  gebracht,  dass  man  wohl  durch  die  Elektricität 


282 


Neunteü  Kapitel. 


einen  Telegraphen  vermitteln  könnte,  welcher  wenigstens  den  Vorzug  haben 
würde,  freies  Spiel  zu  behalten  unter  Umständen,  wodurch  die  Sichtbarkeit 
und   damit   der   Gebrauch    der  jetzt 


Fig.  77.     Nach  SÖMMERiNG. 


Fig.  ;  0.    Nach  SüUusiluig. 


Fig.  79.    Nach  Sokmbkino. 


gewöhnlichen    Telegraphen    gänzlich  e 
wegfallt ...  s 

„Um    jedoch    den     praktischen  :! 
Beweis  der  Ausführbarkeit  dieses  Ge-  % 
dankens  zu  unternehmen,  bedurfte  es  ; 
einer  besonderen  gelegendichen  Ver-  - 
anlassung,   die  mir  andere,   meinem  •< 
Berufe  näher  liegende  Versuche  wirk-  • 
lieh  nicht  haben  fehlen  lassen.    Eine  , 
leichte,   einfache,  wenig  kostspielige 
Vorrichtung    stellt   meine   Erfindung  , 
in  der  gehörigen  Klarheit  vor  Augen.  . 
Ich  wünsche   den  Bericht   davon  in  ■ 
den    Akten    unserer   Akademie    zur 
Aufbewahrung  und  Benutzung  nieder- 
zulegen, anderen  es  gern  überlassend, 
meinen  durch  Elektricität  vermittelten 
Telegraphen  zum  etwaigen  Gebrauch 
des  Staates  anzuwenden. 

„In  dem  Boden  dieses  gläsernen, 
auf  einem  Gestelle  ruhenden  Wasser- 
behälters (Fig.  77 — 79)  sind  35  goldene 
Spitzen  oder  Stifte  befestigt,  und 
theils  durch  die  25  Buchstaben  unseres 
teutschen,  als  des  vollständigsten 
Alphabets,  theils  durch  die  zehn 
Ziffern  oder  Zahlfiguren  bezeichnet 
„Jede  dieser  Spitzen  geht  in 
einen  kupfernen  Communications- oder 
Leitungsdraht  über,  welcher  sich  in 
messingenen  Schlussstäbchen 
endigt,  in  dessen  Mitte  sich  ein 
Kanälchen  findet,  welches  zur  Auf- 
nahme eines,  sowohl  am  Hydrogen- 
pole  als  am  Oxygcnpole 
der  elektrischen  Säule, 
mittelst  eines  Drahtes  oder 
Kettchens  befestigen,  cin- 
geschliffenen ,  ebenfalls 
messingenen  Zäpfchens 
dient 


Physikalische  Erscheinungen  n 


der  Voll»' schon  Säule. 


_a8i 


„Diese  kräh  nähn  liehen  Schlussstäbchen  sind  gerade,  wie  die  goldenen 
Spitzen  im  Wasserbehälter  in  einem  eigenen  Gestelle  {Fig.  80—82)  derart  be- 
festigt und  geordnet,  dass  die  entgegengesetzten  Enden  eines  jeden  leiten- 
den Kupferdrahtes  der 
gleiche  Buchstabe,  oder 
die  gleiche  Ziffer  be- 
zeichnet; dasheisst,  der 
Kupferdraht  A,  B,  C, 
u.  s.  f.  endigt  sich  als 
goldene  Spitze  A,  B,  C 
im  Wasserbehälter,  und 
als  messingenes  Stäb- 
chen A,  Br  C  u.  s.  w.  in 
seinem  Gestelle. 

„Wird  nun  die 
Vorrichtung  auf  die  Art, 
wie  die  Fig.  76  abbildet, 
in  den  Kreis  einer 
wirkenden  elektrischen 
Saale  gebracht,  so  zeigt 
sich  augenblicklich  im 
Wasserbehälter  an  den- 
jenigen beiden  goldenen 
Spitzen  oder  Stiften 
Gas-Entbindung,  deren 

gleich  bezeichnete 
Schlussstäbchen  die  bei- 
den Zäpfchen  aufneh- 
men, z.B.  in  der  Fig.  76 
bei  K  und  T.  Am 
Hydrogenpol  -  Zäpfchen 
zeigt  sich,  wie  natür- 
lich, Hydrogengas,  am 
Oxygenpol  -  Zäpfchen 
dagegen  Oxy gengas. 

„Mittelst  solcher 
Gas-  Entbindung  lässt 
sich  nun  jede  Zahl  und 
jeder  Buchstabe  auf  das 
Bestimmteste  andeuten,  wie  z.  B.  die  Fig.  76  die  Andeutung  von  K  und  T 
versinnlicht;  und  käme  man  in  der  Annahme  folgender  drei  leicht  fasslichen 
Regeln  überein,  so  wäre  man  im  Stande,  hierdurch  ebenso  viel,  wenn  nicht 
mehr,  als  mit  dem  gewöhnlichen  Telegraphen  auszurichten." 

Es  folgen  nun  Auseinandersetzungen   über  einige  Regeln,  die  sich  auf 


Fig.  82.     Nach  Sömmeeini 


284  Neuntes  Kapitel. 


die  Folge  der  zu  einem  Worte  gehörigen  Buchstaben  und  die  Trennung  der 
Wörter  beziehen,  die  wir  übergehen,  ebenso  wie  einige  technische  Einzel- 
heiten bezüglich  der  Gasentwickelungs-Spitzen. 

„Bemerkungen  über  die  Communicationsdrähte.  Zu  Leitungs-  oder 
Communicationsfäden  zwischen  den  Spitzen  im  Wasserbehälter  und  den 
Schlussstiften  bediene  ith  mich  bloss  messingener  oder  kupferner  Drahte, 
weil  sie  mir  nie  ihren  Dienst  versagten,  überall  zu  haben  sind,  nicht  sobald, 
als  die  ohnehin  weniger  geschmeidigen  eisernen  oxydirt  werden,  auch  nicht 
so  gar  leicht,  wie  gleich  dicke  bleierne  zerbrechen  oder  zerreissen.  Indessen 
verdiente  es  noch  genauere  Prüfung,  ob  irgend  ein  Metall,  und  welches 
unter  den  Metallen  schneller  als  das  andere,  das  elektrische  Agens  durch 
grosse  Strecken  leite. 

„Zur  Berechnung  der  Geschwindigkeit,  mit  welcher  sich  das  elektrische 
Agens  bewegt,  reichen  freilich  meine  beschränkten  Versuche  nicht  hin,  bis 
jetzt  nur  einen  Unterschied  zu  bemerken,  die  Communicationsdrähte  mochten 
nur  einen  oder  mehrere  tausend  Fuss  Länge  haben. 

„Es  wäre  vielleicht  für  die  Theorie  der  Elektricität  höchst  interessant, 
durch  genaue,  ins  Grosse  gehende  Versuche  die  Geschwindigkeit  zu  bestimmen, 
mit  welcher  sich  das  elektrische  Agens  durch  solche  Leitungsdrähte  hin  be- 
wegt, und  wie  sich  die  Geschwindigkeit  der  Elektricität  z.  B.  zur  Geschwin- 
digkeit des  Lichtes  verhält.  Solche  rein  wissenschaftliche  Untersuchungen 
würden  aber  freilich  die  Vereinigung  mehrerer  meiner  hochgeachteten  Herren 
Collegen,  sowie  vielleicht  eigene  Kosten  erheischen;  denn  welche  Subtilität 
zu  diesen  Untersuchungen  erforderlich  sein  möchte,  erhellt  schon  daraus,  dass 
man  im  eigentlichen  Verstände  des  Blitzes  Schnelle  zu  messen  hätte. 

„Um  meinerseits  wenigstens  durch  einen  überzeugenden  Versuch  augen- 
scheinlich darzuthun,  dass  in  Rücksicht  des  leitenden  Drahtes  der  Unter- 
schied der  Länge  zwischen  2  Fuss  und  2000  Fuss  nicht  bemerkbar  ist  (un- 
geachtet der  Verstand  die  Gewissheit  giebt,  dass  allerdings  ein  Unterschied 
statt  haben  müsse),  so  ist  hier  um  einen  Glascylinder  ein  2248  baier.  Fu» 
langer  Draht  gewunden,  welchen  die  Wirkung  der  elektrischen  Säule  durch- 
laufen muss,  um  von  der  Säule  bis  zum  Alphabete  im  Wasserbehälter  zu 
gelangen,  und  zum  Beispiele  zu  dienen,  dass  die  Gasentbindung,  dieser  be- 
trächtlichen Länge  ungeachtet,  ebenso  schnell  zu  beginnen  scheint,  als  wenn 
jene  Wirkung  sich  nur  durch  zwei  Fuss  hin  zu  erstrecken  hätte. 

„Da  ferner  es  Manchem  frappanter  erscheinen  sollte,  wenn  ein  solcher 
2000  Fuss  langer  Draht  sich  durch  mehrere  Zimmer  und  Gänge  hindurch 
erstreckt,  und  doch  blitzschnell  durch  ihn  die  Wirkung  erfolgt,  so  wäre  viel? 
leicht  dagegen  zu  bedenken,  dass  ein  solcher  um  einen  Cylinder  gewickelter 
Draht  den  Vortheil  gewährt,  dass  sich  der  Moment  des  Schliessens  der 
elektrischen  Kette,  und  der  Moment  des  Beginnens  der  Gasentbindung  be- 
quem und  leicht  auf  der  Stelle  wahrnehmen  lässt,  ohne  eben  ein  Paar  genaue 
astronomische  Uhren  und  mehrere  zugleich  Beobachtende  zu  erfordern. 

„Sowohl  um  die  unmittelbare,  alle  Wirkung  vernichtende  Berührung, 


nijtikalitdw  Erecheinnngen  sd  der  Volia' sehen  Säule.  ^g" 

üs  unvermeidliche  Verwirrung  von  35  neben  einander  laufenden  Drahten  zu 
verhüten,  zugleich  dieselben  in  den  kleinsten  Raum  zusammenzubringen,  und 
gerade  wie  ein  einfaches  Seil  zu  behandeln,  und  doch  zugleich  alles  Ueber- 
springen  der  Elektricität  von  einem  Draht  zum  anderen  zu  verhüten,  war  die 
bolirung  jedes  einzelnen  Drahtes  nothwendig.  Diese  Isolirung  erreicht  man 
durch  Überspinnen  mit  Seide1  so  vollkommen,  dass  man  sogar  nachgehends 
das  aus  35  Drähten  bestehende  Seil  mit  einem  Firniss  stark  überziehen  kann, 
somit  vor  aller  Oxydation  auf  das  dauerhafteste  zu  schützen  vermag. 

„Bewunderungswürdig  erscheint  es  wahrlich,  wie  durch  ein  solches  Seil 
35  abgesonderte  Wirkungen  der  Elektricität  ohne  einige  Störung  erfolgen. 

„Ja!  wie  sehr  erweckt  nicht  ein  solches  Seil  das  Nachdenken  selbst  eines 
Physiologen,  wenn  er  an  ihm  wahrnimmt  ein  grob  sinnliches  Analogon  eines 
Nervenstranges,  dessen  einzelne  Fäden  auf  gleiche  Weise  jeden  erhaltenen 


Empnndungseindruck  im  Atigemeinen,  sowie  den  des  kleinsten  elektrischen 
Pünkchens  im  Besonderen  isolirt  und  ungestört  bis  ins  Gehirn  fortpflanzen. 

„Bemerkungen  über  die  Schlussstäbchen.  Die  Schlussstäbchen  sind  mit 
kegelförmigen  Kanälchen  versehen,  und  passen  mit  den  eingeschliffenen  ebenfalls 
kegelförmigen  Zäpfchen  Fig.  83 — 86  der  elektrischen  Säule  genau  zusammen, 
tbeils,  um  dem  Schiiessen  der  Kette  Genauigkeit  und  Stetigkeit  zu  ver- 
schaffen, theils  um  durch  die  beständige  Reibung  alle  Oxydation  zwischen 
den  hier  zusammenzubringenden  Metallen  abzuhalten,  und  die  Wirkung  un- 
fehlbar zu  machen,  da  es  bekannt  ist,  wie  wenig  Oxyd  an  solchen  Stellen 
die  elektrische  Wirkung  zu  unterbrechen  vermag. 

„Man  könnte  gar  leicht  an  dieser  Schtussstäbchenreihe  eine  Tastatur 
anbringen,  um  gerade  wie  beim  Klavier  durch  Eindrücken  eines  an  einem 
Clavis  befestigten  Zäpfchens  in  das  Kanälchen  des  Stäbchens  die  elektrische 
Kette  zu  schiiessen,  und  mittelst  der  hierdurch  erfolgenden  Gasentbindung 
die  Buchstaben  zu  bezeichnen.  Doch  müssten  dann  zu  jedem  Schlussstäbchen 
zwei  Kanälchen  gebohrt  und  doppelt  soviel  Zäpfchen  ab  Schlussstäbchen, 
d.  h.  zu  den  35  Stäbchen  70  Zäpfchen  vorhanden  sein.    Der  erste  (sowie  alle 

1  Es  dOrfte  dies  wohl  die  erste  Anwendung  dieses  hochwichtigen  Ijolirverfahrens  sein. 


286  Neuntes  Kapitel. 


übrigen)  mittelst  einer  Feder  zurückspringende  Clavis  könnte  das  Hydrogen- 
Zäpfchen  für  A,  der  zweite  Clavis  das  Oxygen-Zäpfchen  für  A,  der  dritte 
Clavis  das  Hydrogen-Zäpfchen  für  B,  sowie  der  vierte  Clavis  das  Oxygen- 
Zäpfchen  für  B  u.  s.  f.  in  das  mit  ihm  zusammenpassende  Kanälchen  beim 
Aufdrücken  des  Fingers  bringen. 

„Bemerkungen  über  die  elektrische  Säule.  Was  die  elektrische  Säule  t 
oder  den  Elektromotor  betrifft,  so  ist  deren  Einrichtung  und  Handhabung  \ 
so  allgemein  bekannt,  dass  ich  nichts  zu  bemerken  wüsste,  als  dass  zum  j 
telegraphischen  Gebrauch  jede  Einrichtung  derselben  dienlich  ist,  welche  nur  x 
eine  mehrere  Monate  lang  andauernde  Wirkung  zusichert  Breitplattig  braucht  * 
eine  solche  Säule  wenigstens  nicht  zu  sein,  weil  mir  mein  Gasometer  bewies,  . 
dass  sechs  meiner  gewöhnlichen  Glieder  (deren  jedes  aus  einem  Brabanter-  . 
thaler,  Filz  und  einem  52  Gran  leichteren  Zinkscheibchen  besteht)  schon  , 
mehr  Gas  zu  entbinden  vermochten,  als  fünf  Glieder  der  grossen,  sechsund- 
dreissig  quadratzolligen  Batterie  unserer  Akademie. 

„Allgemeine  Bemerkungen  über  die  Vorzüge  eines  elektrischen  Tele- 
graphen vor  den  bisher  gewöhnlichen.  1)  Hängt  ein  solcher  Telegraph  nicht 
lediglich  vom  Tageslichte  und  vom  heiteren  Himmel  ab,  sondern  kann  be- 
ständig, Nachts  sowohl  wie  bei  Tage,  kurz  in  jedem  beliebigen  Augenblicke 
gebraucht  werden.  In  dieser  Hinsicht  allein  leistet  er  schon  doppelt  so  viel, 
als  ein  gewöhnlicher  Telegraph,  welcher  bekanntlich  nur  bei  Tage  zu  ge- 
brauchen steht. 

„2)  Stört  die  Wirkung  eines  elektrischen  Telegraphen  keine  Dämmerung, 
keine  trübe  Witterung,  kein  wolkiger  Himmel,  kein  Nebel,  kein  Regen,  Schnee, 
Rauch,  kein  Staub  oder  Wind.  Rechnet  man  für  unsere  Gegenden  nur  121  Tage 
oder  ein  Drittheil  des  Jahres  für  trüb,  d.  i.  für  den  gewöhnlichen  Telegraphen 
unbrauchbar,  so  kann  er  zusammengenommen  mit  der  vorhin  bemerkten 
nächtlichen  Anwendung  weit  mehr,  als  doppelt  so  viel  leisten. 

„3)  Da  der  elektrische  Telegraph  nun  vollends  zwei  Buchstaben  zu  gleicher 
Zeit  anzeigt,  so  leistet  er  auch  hierdurch  allein  schon  wieder  doppelt  so  viel 
in  gleichem  Zeitmomente,  als  der  gewöhnliche. 

„4)  Der  gewöhnliche  Telegraph  beschränkt  sich  nur  auf  gewisse  Ent- 
fernungen, müsste  also  zwischen  München  und  Augsburg  etlichemal  die 
Zeichen  wiederholen.  Ein  elektrischer  Telegraph  könnte  von  München  aus 
nach  Augsburg,  ja  von  einem  Ende  des  Königsreichs  zum  anderen  ohne 
Zwischenstation  berichten. 

„5)  Ist  der  elektrische  Telegraph,  wenn  man  das  Communicationsseil  unter 
der  Erde  weglaufen  lässt,  in  den  Zwischenräumen  von  einer  Station  zur  anderen 
mit  aller  seiner  Wirkung  verborgen,  da  hingegen  Jedermann  die  Thätigkeit 
des  gewöhnlichen  Telegraphen  gewahr  wird. 

„6)  Und  bei  dem  allen  deutet  der  elektrische  Telegraph  die  Buchstaben 
und  Zahlen  ganz  eigentlich,  nicht  kryptographisch,  wie  der  gewöhnliche,  in 
eigens  zu  erlernenden  Charakteren  an. 


Physikalische  Erscheinungen  an  -der  Volta'schen  Säule.  287 


9*i 


,7)  Bedarf  der  elektrische  Telegraph  keiner  eigenen,  hochliegenden  Ge- 
node,  sondern  kann  in  jedes  Zimmer,  in  jedes  Bureau  geleitet  sein. 

„Was  endlich  die  Kosten  betrifft,  so  kommt  diese,  wie  man  überzeugend 
seht,  vollkommen  brauchbare  Vorrichtung,  welche  ich  die  Ehre  habe,  der 
konigL  Akademie  vorzuzeigen,  bis  auf  das  Communicationsseil  keine  30  Gulden 
zu  sieben. 

„Bloss  das  aus  35  Drähten  bestehende  Communicationsseil  nebst  seiner 
Leitung  durch  gläserne  oder  thönerne  Röhren  würde  allein  Kosten  verur- 
sachen; doch  dürfte  ein  solches  aus  35  Drähten  bestehendes  Seil,  welches 
die  Lange  von  22827  pariser  Schuh,  d.  i.  von  einer  deutschen  Meile,  oder  als 
einfacher  Draht  die  Länge  von  788845  Fuss  hätte,  für  weniger  als  2000  Gulden 
sich  anschaffen  lassen,  da  es  dem  höchsten  Anschlage  zufolge,  nach  dem 
nämlich  berechnet,  was  mir  das  meinige  kostete,  sich  auf  die  Summe  von 
2396  Gulden  50  7i0  Kreuzer  beläuft." 

Die  Erfindung  des  geistvollen  Physiologen  ist  allerdings  nicht  zu  prakti- 
scher Anwendung  gelangt;  wohl  aber  findet  sich  in  seinen  Darlegungen  eine 
ganze  Reihe  von  Anregungen,  welche  später  ihre  Früchte  getragen  haben. 
6.  Galvanoskope  und  Galvanometer.   Die  ersten  quantitativen  That- 
sachen  im  Gebiete  des  Galvanismus  sind  mit  Hülfe  der  ursprünglich  für  die 
Zwecke  der  Reibungselektricität  construirten,  auf  der  Abstossung  leichter  und 
beweglicher  Körperchen  beruhenden  Elektroskope  aufgefunden  worden,  wie 
aus  den  früheren  Mittheilungen  (S.  72)  erhellt.    Als  weiteres  Messhülfsmittel 
bot  sich   die  Gasentwickelung  in  einem  eingeschalteten  Wasserzersetzungs- 
apparat dar,  und  wir  finden  alsbald  Versuche,  entsprechende  Apparate,  Gal- 
vanometer,1 zu  construiren. 

Als  erster  Erfinder  des  auf  der  galvanischen  Wasserzerlegung  beruhenden 
Galvanometers  gilt  gewöhnlich  Robertson,2  der  ein  solches  Instrument  zuerst 
beschrieben  hat  Indessen  geht  aus  seiner  Beschreibung  nicht  hervor,  wie 
man  sich  seines  Instrumentes  überhaupt  bedienen  kann,  so  dass  ich  glauben 
muss,  es  sei  nur  auf  dem  Papier  construirt,  und  habe  trotz  der  Äusserung 
des  Urhebers,  es  sei  dies  das  Instrument,  dessen  er  sich  bediene,  nie  zu 
wirklichen  Versuchen  gedient. 

„Es  ist  eine  Capillarröhre,  von  Glas,  eine  Linie  weit  und  8  Zoll  lang 
mit  Wasser  gefüllt  und  an  einem  Ende  mit  einem  Zinkstab,  am  anderen  mit 
einem  solchen  von  Silber  versehen.  Der  Theil  des  Glases,  welcher  dem 
Zinkstabe  entspricht,  ist  in  Zehntel  Linien  (0,23  Millimeter!)  getheilt,  das  Ende 
der  Röhre  ist  auf  dieser  Seite  mit  einem  Hahn  versehen,  durch  den  das 


1  Zwar  hat  Gottfried  Hüth,  Professor  zu  Frankfurt  an  der  Oder,  die  Physiker  seiner 

Zeit  belehrt  (Gilbert's  Ann.  10,  43.  1802),  dass  man  Galvanismometer  sagen  und  schreiben 

nasse,    und  nicht  Galvanometer,   „da  dieses  Werkzeug   nicht  die  Stärke   des  Galvani,   sondern 

des  Galvanismus  anzeigen  soll",  doch  hat  dies  unphilologische  Geschlecht  sich  die  Lehre  nicht 

zu  Herzen  genommen,  und  bis  auf  den  heutigen  Tag  sich  des  kürzeren  Wortes  bedient. 

*  Ann.  de  Chimie,  37,  144.  1800. 


288 


Neuntes  Kapitel. 


Wasser  eingeführt  wird,  und  welcher  dem  Gas  den  Ausgang  gestattet,  wenn 
der  Apparat  im  Gange  ist. 

„Um  ihn  zu  benutzen,  muss  man  ihn  in  die  galvanische  Kette  bringen. 
Die  Blasen,  welche  sich  von  dem  Ende  eines  der  Stäbe  ablösen,  zeigen  dk 
Gegenwart  des  Fluidums  an,  die  grössere  oder  geringere  Menge  dieser  Käsen 
wird  an  der  Theilung  des  Glases  abgelesen,  so  dass  man  unter  Berückskk- 
tigung   der   Zeit .  die   grössere   oder   geringere  Thätigkeit   des  galvanischen 

Stromes  erkennt Die  Ursache,  welche  den  Gasstrom  bestimmt,  bald  von 

dem  einen,  bald  von  dem  anderen  Metallstabe 
sich  zu  entwickeln,  wird  ohne  Zweifel  bald 
die  Physiker  beschäftigen.  Das  Princip  da* 
selben  ist  vielleicht  die  Natur  des  Metalls, 
seine  Masse,  seine  Qualität,  oder  auch  der 
hygrometrische  oder  barometrische  Zustand 
der  Atmosphäre." 

Mir  scheint  aus  diesen  Darlegungen  un- 
zweifelhaft hervorzugehen,  dass  Herr  E.  G. 
Robert-son,  recte  Robert,  ex-professeur  de 
physique  ä  l'£cole  centrale  du  d£partement 
de  TOurthe,  der  zu  jener  Zeit  Vorstellungen 
in  der  natürlichen  Magie  unter  dem  Titel 
Phantasmagorie  in  Paris  gab,  auch  mit 
seinem  Galvanometer  mehr  auf  dem  Gebiete 
der  Phantasie,  als  dem  der  Wirklichkeit  ge- 
arbeitet hat.  Schon  die  übergenaue  Theilung, 
die  mit  dem  blossen  Auge  kaum  mehr  abzu- 
lesen ist,  erregt  Misstrauen;  auch  vermag  ich 
nicht  zu  begreifen,  wie  das  Gas  überhaupt 
zur  Messung  gelangen  kann,  da  die  Röhre 
völlig  mit  Wasser  gefüllt  ist  und  das  Gas 
nirgend  anders  hin  kann,  als  aus  dem  Hahn 
hinaus. 

Ein  wirklich  leistungsfähiger  Apparat,  mit 
dem  übrigens  auch  keine  Messungen  von  Wichtigkeit  angestellt  worden  sind, 
ist  erst  von  dem  schon  genannten  (S.  163)  P.  L.  Simon1  in  seinem  Vorschlage 
zu  einem  „Galvanoskop"  angegeben  worden.  Nach  einer  Beschreibung  einiger 
Vorrichtungen,  um  Flüssigkeiten  dem  Einfluss  der  VoLTA'schen  Kette  aus- 
zusetzen, fährt  er  fort: 

„Auch  könnte  man  die  oben  beschriebenen  Vorrichtungen  zu  einem 
Galvanoskop  anwenden,  um  damit  die  Stärke  der  Wirkung  verschiedener 
Säulen  gegen  einander  zu  vergleichen,  indem  die  Stärke  ihrer  Wirkung  im 
geraden  Verhältniss  der  Räume  stehen  möchte,  welche  die  vermittelst  ihrer 


j 


1 


Fig.  87.    Nach  Robertson. 


1  Gilbert's  Ann.  8,  28.  1801. 


Physikalische  Enchcinnngeri  a 


der  "Volta'schen  Säule. 


tei  Zeit  entwickelten  Gasarten  einnehmen.  Vielleicht  würde  eine  nach 
Fig.  88  getroffene  Einrichtung  ein  solches  bequemes  Instrument  abgeben, 
wenn  man  nämlich  eine  Glasröhre  AB  unten  mit  einem  Korke,  in  welchem 
an  Platin-  oder  Golddraht  befestigt  ist,  verschlösse,  selbige  bis  in  C  mit 
reinein  Wasser  füllte  und  in  ihre  obere  Mündung  einen  zweiten  Platindraht 
nebst  der  krummen  Röhre  D  und  der  daran  befestigten  Kugel  und  Röhre  E 
und  F  luftdicht  befestigte. . . .  Würde  nun  . . .  das  Instrument  mit  den  Enden 
einer  VoLTA'schen  Säule  in  Verbindung  gesetzt,  so  triebe  das  sich  entwickelnde 
Gas  die  Flüssigkeit  in  der  Röhre  F  hinauf.  Ihr  Stand  könnte  dann  an  einer 
dazu  bestimmten  Skala  die  Stärke  der  Wirkung  in 
einer  bestimmten  Zeit  angeben." 

Wie  man  sieht,  hat  hier  Simon  ein  ganz  richtiges 
Princip  ausgesprochen;  sogar  von  dem  spater  von 
Faäaday  entdeckten  Gesetz,  nach  welchem  die  Strom- 
stärke und  die  entwickelte  Gasmenge  einander  pro- 
portional sind,  findet  sich  eine  sachgemasse  Vermuthung. 
Zur  unmittelbaren  Messung  der  anziehenden  Wir- 
kung der  VoLTA'schen  Elektricität  an  einzelnen  Platten- 
paaren  erbaute  MarSchaiix,  Prediger  in  Wesel,  ein 
Instrument,  welches  er  das  Elektro-Mikrometer  *  nannte. 
Dieses  bestand  wesentlich  aus  einem  langen  Streifen 
Blattsilber,  dessen  unterem  Ende  gegenüber  eine 
metallene  Kugel  mittelst  einer  feinen  Schraube  in 
horizontalem  Sinne  beweglich  angebracht  war,  so  dass 
sie  in  eine  beliebige  Entfernung  vom  Blättchen  ge- 
bracht werden  konnte.  Die  Schraube  trug  einen 
getheüten  Kopf  und  eine  Vorrichtung,  um  die  ganzen 
Umdrehungen  zu  zählen,  und  die  Messung  wurde  so 
ausgeführt,  dass  man  die  Kugel  dem  Silberblättchen 
so  lange  näherte,  bis  sich  dieses  in  Bewegung  setzte,  und  an  die  Kugel 
anschlug.  Die  Empnnnlichkeit  des  Apparates  war  derart,  dass  ein  einziges 
Plattenpaar  60  bis  80  Theilstriche  des  Schraubenkopfes,  der  in  360  Theile 
gelheilt  war,  als  Entfernung  ergab,  in  der  sich  eben  die  Anziehung  geltend 
machte. 

Diese  grosse  Empfindlichkeit  erwies  sich  indessen  bald  eher  nachtheilig 
sls  vortheilhaft,  denn  der  Erfinder  selbst  fand  es  schwierig,  mit  seinem 
Apparate  übereinstimmende  Zahlen  zu  bekommen,  und  in  seinem  aufein- 
anderfolgenden Veröffentlichungen*  giebt  er  nacheinander  mehrere  ganz  ver- 
schiedene Gesetze,  nach  denen  sich  die  Angaben  seines  Elektrometers  mit 
der  Plattenzahl  der  Säule  ändern  sollen.  Dazu  kam  eine  grosse  Abhängigkeit 
des  Elektrometers  von  äusseren  elektrischen  Einflüssen.  Da  MarEchaux 
davon  nichts  wusste,  dass  jeder  Beobachter  an  seinen  Kleidern,  Haaren  u.  s.  w. 

1  Gilbert'!.  Ann.  16,   115.   1804. 
*  Ebenda  16,   105-   1803;  —  ebenda  19,  476.  1805. 
Onoald,  Elckmchemit.  '9 


FiC.  88. 


290 


Neuntes  Kapitel. 


beständig  verschiedenartige  elektrische  Ladungen  mit  sich  herumträgt,  suchte 
er  die  Ursachen  der  von  ihm  beobachteten  grossen  Verschiedenheiten  der 
Anzeigen  seines  Elektrometers  in  Änderungen  der  Luftelektricität,  in  einer 
Abhängigkeit  der  Spannung  seiner  Säulen  von  der  Tageszeit,  in  der  elefe» 
trischen  Beschaffenheit  des  von  ihm  benutzten  Brunnenwassers  u.  dergL 

Eine  kritische  Untersuchung  des  Elektro -Mikrometers  ist  dann  durch 
Mar£chaux'  Freund  P.  Erman1  vorgenommen  worden,  welcher  in  sehr  sach- 
gemässer  Weise  verschiedene  Fehler  desselben  aufdeckte. 

7.  Das  BEHRENs'sche  Elektrometer.  Im  Anschluss  an  seine  Versuche 
über  die  sogenannte  trockene  Säule  (s.  w.  u.)   gab  Behrens2  gleichzeitig  die 

„Beschreibung  eines  neuen  Elektrometers". 

„Die  Versuche  über  die  Säule  mit  Goldpapier  hatten 
mich  überzeugt,  dass  dieser  Apparat  ein  wahres  elek- 
trisches Perpetuum  mobile  sei.  Dadurch  kam  ich  auf 
folgendes  Raisonnement:  Wenn  in  der  Mitte  zwischen  e 
den  zwei  entgegengesetzten  Polen  zweier  solcher  gleich 
starker  und  nicht  isolirter  Säulen  ein  isolirtes  Goldblättchen 
aufgehängt  wäre,  so  würde  dieses,  vermöge  der  gleichen 
Kräfte  der  beiden  Säulen  von  seiner  senkrechten  Richtung 
nicht  abweichen.  Würde  nun  aber  dem  Goldblättchen  ein 
elektrischer  Körper  genähert,  so  müsste  es  vom  +Pole 
der  einen,  oder  vom  —  Pole  der  anderen  Säule  angezogen 
werden,  je  nachdem  der  genäherte  Körper  —  E  oder  +  E 
hätte.  Wie  sich  erwarten  Hess,  bewährten  die  Versuche 
diese  Idee,  welche  dem  im  folgenden  beschriebenen  In- 
strument zu  Grunde  Hegt. 

„Fig.  89   stellt    einen    senkrechten  Durchschnitt  des 
Fig.  89.  Instruments  vor,  auf  x/4  des  Längenmaasses  reducirt  Der 

von  Holz  gedrehte  Fuss  abede  hat  zwischen  de  eine 
Höhlung,  in  welche  das  Glas  gfh  gesetzt  und  befestigt  ist.  Die  obere 
Fassung  dieses  Glases  ist  in  der  Mitte  ausgedreht,  um  in  die  Öffnung  die 
lackirte  Glasröhre  ki  gekittet.  Die  Fassung  dieser  letzteren  il  ist  in  der 
Mitte  durchbohrt,  und  durch  dieselbe  geht  gedrängt,  aber  verschiebbar  der 
Draht  os,  der  vermittelst  der  Zange  s  das  Goldblättchen  rs  trägt.  Das  Glas 
ist  an  zwei  entgegengesetzten  Seiten  durchbohrt  und  in  den  Offnungen 
sind  die  beiden  kleinen  Röhren  m  und  n  befestigt.  Diese  sind  von  innen 
und  von  aussen  mit  Siegellack  überzogen  und  durch  dieselben  gehen  zwei, 
im  Glase  nach  oben,  ausserhalb  desselben  nach  unten  gebogene,  x/a  Linie 
breite  Bleche  ?nd  und  ne>  welche  beide  in  den  Röhren  verschiebbar  sind. 
Senkrecht  unter  jeden  Ohr  d  und  e  der  beiden  erwähnten  Bleche  sind  in 
den  Vorsprung  des  Fussgestells  an  jeder  Seite  drei  dünne,  mit  Siegellack 
überzogene   Glasröhren    eingesetzt.  .  .  .  Zwischen   diesen   Röhren  sind   zwei 


1  Gilbert's  Ann.  26,  18.  1807. 


*  Ebenda  23,  24.  1806. 


Physikalische  Erscheinungen  an  der  Volta'schen  Säule.  2QI 


elektrische  Säulen  aus  Messingblech,  Stanniol  und  Goldpapier  aufgeschichtet. 
Jede  Säule  besteht  aus  einigen  40  Schichtungen,  und  jede  ist  in  der  ent- 
gegengesetzten Ordnung  der  anderen  gebaut,  so  dass  x  den  +  Pol,  y  aber 
den  — Pol  oben  hat  Beide  unterste  Platten  der  Säule  sind  durch  einen 
Draht  unter  sich,  und  zugleich  durch  eine  Stanniolscheibe,  womit  die  unterste 
Fläche  des  Fusses  belegt  ist,  mit  der  Erde  verbunden.  Die  Deckplatten  der 
Säulen  stehen  durch  spiralförmig  gewundene  Drähte  xd  und  ye  mit  den 
Blechen  md  und  ne  in  Verbindung,  und  letztere  werden  durch  die  Feder- 
kraft der  Spiralen  in  der  gehörigen  Lage  gehalten. 

„Regeln  für  den  Gebrauch  des  Instruments  sind:  der  elektrische  Körper 
muss  nur  langsam  genähert  werden.  Hat  das  Goldblättchen  angeschlagen, 
so  muss  der  Draht  o  vor  Anstellung  eines  zweiten  Versuches  ableitend 
berührt  sein/' 

Dies  Elektrometer  ist  später  von  Bohnenberger  und  Fechner  etwas 
verändert,  und  von  Hankel1  durch  Hinzufugung  einer  mikroskopischen  Ab- 
lesung wesentlich  verbessert  worden.  In  der  letzteren  Gestalt  dient  es  noch 
heute  als  ein  vielfach  brauchbares  Instrument,  dass  zwar  nicht  sehr  empfind- 
lich ist,  dafür  aber  den  Vorzug  sehr  geringer  Capacität  und  augenblicklicher 
und  schwingungsfreier  (aperiodischer)  Einstellung  besitzt. 


1  Pogg.  Ann.  84,  28.  1850. 


19* 


Prof.  Krüger.  ' 


Zehntes  Kapitel. 
Elektrochemische  Theorieen. 


I.  Einleitung.  Die  merkwürdige  und  unerwartete  Beschaffenheit  der 
chemischen  Vorgänge,  die  in  der  VourVschen  Säule  vorgehen  und  mit  ihrer 
Hülfe  hervorgerufen  werden  können,  haben  mit  Nothwendigkeit  alsbald  zu 
mannigfaltigen  Versuchen  geführt,  sie  zu  „erklären",  d.h.  ihren  Zusammen- 
hang unter  einander  und  mit  anderweit  bekannten  Thatsachen  nachzuweisen. 
Solche  elektrochemische  Theorieen  sind  nach  verschiedenen  Richtungen  ent- 
wickelt worden:  einmal,  um  die  Quelle  der  elektrischen  Vorgange  in  der 
Säule  selbst  aufzudecken,  und  andererseits,  um  für  die  ungewöhnliche  Be- 
schaffenheit der  durch  den  elektrischen  Strom  verursachten  chemischen  Vor- 
gänge den  Schlüssel  zu   finden.     Neben  diesen,  auf  die  Erscheinungen  der 

1  Aus  Kopp:  Geschichte  der  Chemie.    II.    1844. 


Elektrochemische  Theorieen. 


293 


Säule  selbst  gerichteten  Bemühungen  machen  sich  aber  noch  andere  geltend, 
welche  zum  Zweck  haben,  die  an  der  Säule  gewonnenen  Kenntnisse  und 
Anschauungen  zum  Verständniss  anderer  Erscheinungen  heranzuziehen.  Ins- 
besondere lud  die  energische  chemische  Wirkung  der  Säule  unwiderstehlich 
dazu  ein,  in  deren  Agens,  der  Elektricität,  die  Ursache  der  chemischen  Vor- 
gänge überhaupt  zu  suchen,  und  elektrische  Theorien  der  chemischen 
Verwandtschaft  auszubilden. 

Was  die  Frage  nach  der  Quelle  der  elektrischen  Erscheinungen  in  der 
Säule  anlangt,  so  stimmen  die  ersten  Forscher  auf  diesem  Gebiete  von  vorn- 
herein ausnahmelos  darin  überein,   sie   in   den   chemischen  Vorgängen  zu 
suchen.    Ich  brauche  in  dieser  Beziehung  nur  auf  die  Auszüge  auf  S.  1 50  u.  ff. 
iu  verweisen,  welche  keinen  Zweifel  übrig  lassen,  wie  sehr  dem  unbefangenen 
Beobachter  der   enge  Zusammenhang  zwischen   den   chemischen   und  den 
elektrischen  Vorgängen   sich  aufdrängte.     Auch  hätte  sich   dieser  Gedanke 
unzweifelhaft  vollkommen  stetig  weiter  entwickelt,  wenn  nicht  gerade  der- 
jenige Forscher,  dem  die  grösste  Autorität  auf  diesem  Gebiete  zukam,  wenn 
nicht  Volta  selbst  der  Entwickelung  einigermaassen  gewaltsam  eine  andere 
Richtung  gegeben  hätte. 

Volta  hatte,  wie  aus  der  bisherigen  Darstellung  hervorgeht,  bei  seinen 
Studien  über  die  „Metallelektricität"  wesentlich  die  physikalische  Seite  der 
Erscheinungen  im  Auge  gehabt.  Diese  Stellung  wurde  ihm  zunächst  da- 
durch aufgezwungen,  dass  er  die  rein  elektrische  Natur  des  Gebietes  im 
Gegensatze  zu  den  vitalistischen  Anschauungen  der  galvanischen  Schule  zu 
beweisen  hatte,  und  somit  nothwendig  auf  die  physikalischen  Kennzeichen 
der  entstandenen  elektrischen  Vorgänge  das  Hauptgewicht  zu  legen  hatte. 
Durch  diesen  Umstand  ist  er  aber  wohl  auch  persönlich  allmählich  dazu  ge- 
führt worden,  in  diesen  Dingen  die  Hauptsache  überhaupt  zu  sehen,  und  es 
ist  schon  (S.  129)  betont  worden,  in  welchem  Maasse  ihn  diese  Auffassungs- 
weise  verhindert  hatte,  die  unter  seinen  Händen  sich  abspielenden  chemischen 
Vorgänge  in  und  an  seiner  Säule  zu  sehen  und  zu  beachten. 

Offenbar  in  dem  Gefühle,  das  gegen  die  Hypothese  von  der  thierischen 
Elektricität  so  erfolgreich  vertheidigte  Gebiet  auch  gegen  jede  Beanspruchung 
von  anderer  Seite  halten  zu  müssen,  hat  Volta  alsbald,  nachdem  die  Fülle 
chemischer  Entdeckungen  mittelst  seiner  Säule   die  Invasion  einer  chemi- 
schen Theorie  der  Metallelektricität  nicht  nur  wahrscheinlich,  sondern  auch 
tatsächlich  hatte  werden  lassen,  in  sehr  scharfer  Weise  Stellung  gegen  diese 
Theorie  genommen,  und  hat  in  seiner  zweiten  Mittheilung  an  das  Pariser 
National -Institut  den  grösseren  Theil  des  Inhaltes  der  Bekämpfung  solcher 
Theorien  gewidmet. 

2.  Volta's  zweite  Abhandlung  über  die  Säule.  Die  zweite  Ab- 
handlung Volta's  *  über  die  sogenannte  galvanische  Elektricität  ist  von  Pfaff 
nach  Volta's  Manuscript  ins  Deutsche  übersetzt  worden.    Sie  steht  an  Be- 

1  Gilbert's  Ann.  12,  497.   1802. 


204  Zehntes  Kapitel. 


deutung  der  ersten  unzweifelhaft  nach;  doch  enthält  sie  hinreichend  Interc 
santes,  um  wenigstens  theilweise  hier  wiedergegeben  zu  werden. 

Nach  einer  Einleitung,  die  im  Wesentlichen  eine  Wiederholung  der 
der  ersten  Abhandlung  mitgetheilten  Thatsachen  und  Anschauungen  brinj 
erörtert  Volta  das  Verhältniss  seines  Apparates  zu  den  gewöhnlichen  Elektrisi 
maschinen,  und  kennzeichnet  dies  sehr  richtig  dahin,  dass  diese  wenig  Elekt 
cität  von  hoher  Spannung,  die  Säule  dagegen  ausserordentlich  viel  Elektricit 
von  geringer  Spannung  gebe.  Er  beseitigt  ferner  die  Einwendungen,  c 
man  gegen  die  elektrische  Natur  der  galvanischen  Erscheinungen  dara 
genommen  hatte,  dass  letztere  von  Flammen,  glühendem  Glase  u.  s.  w.  nie 
geleitet  werden,  durch  den  Hinweis,  dass  auch  schwache  elektrische  Spa 
nungen  durch  dieselben  Stoffe  einen  ganz  gleichen  Widerstand  erfahre 
Weiter  beantwortet  er  die  Frage:  wie  kann  eine  so  schwache  Elektricität 
heftige  Erschütterungen  hervorbringen?  durch  den  Hinweis  auf  die  sehr  gross 
Elektricitätsmengen,  die  bei  jeder  Entladung  von  seiner  Säule  in  Thätigk« 
gesetzt  werden. 

Mit  unserem  Gegenstande  in  viel  näherer  Beziehung  sind  aber  die  schli« 
liehen  Auseinandersetzungen  Volta's  über  die  Wasserzersetzung  und  c 
feuchten  Leiter.  Im  Anschluss  an  die  eben  erwähnten  grossen  Elektricitäl 
mengen  der  Säulenentladungen  fährt  er  fort: 

„Hieraus  erklärt  sich  sehr  genügend,  wie  gewisse  Wirkungen  mein 
Apparates  sich  durch  gewöhnliche  Elektrisirmaschinen  gar  nicht,  oder  weni 
stens  nicht  auf  die  Art  und  in  dem  Grade,  als  durch  ihn,  hervorbring 
lassen,  wohin  z.  B.  die  Zersetzung  des  Wassers  und  die  Oxydirung  der  Meta 
drahte  in  den  bekannten  Versuchen  gehört.  Es  wird  hier  genug  sein, 
bemerken,  dass  zu  diesen  Wirkungen  ein  sehr  reichlicher  elektrischer  Stro 
erforderlich  ist,  damit  das  elektrische  Fluidum  bei  seinem  Austritt  aus  de 
Metalldrahte  in  das  Wasser  und  beim  Zurücktritte  in  den  anderen  Dra 
recht  gedrängt  und  zusammengezwängt  sei,  und  auf  verhältnissmässig  wen 
Wassertheilchen  seine  Wirkung  ausübe,  um  diese  schlecht  leitenden  Theilch 
gleichsam  zerreissen  und  zersetzen  zu  können.  Ein  solcher  Strom  wird  ab 
wie  wir  eben  gesehen  haben,  durch  meinen  Apparat  viel  vollkommener  e 
zeugt  und  unterhalten,  als  durch  die  wirksamste  Elektrisirmaschine.  .  .  . 

„Was  ich  vorhin  berührt  habe,  dass  die  Erschütterungen  meines  App 
rates  dadurch  geschwächt  werden,  dass  die  feuchten  Leiter  in  ihm,  als  u 
vollkommene  Leiter  dem  Durchgange  des  elektrischen  Fluidums  Hindernis 
in  den  Weg  legen,  und  den  Strom  desselben  beträchtlich  retardiren,  verdie 
hier  noch  weiter  auseinandergesetzt  zu  werden. 

„Cavendish  glaubte  aus  Versuchen,  die  man  schon  in  den  Philosophie 
Transactions  für  1776  findet,  den  Schluss  ziehen  zu  dürfen,  dass  das  L 
tungsvermögen  des  Wassers  für  das  elektrische  Fluidum  400  000  000  mal  g 
ringer,  als  das  der  Metalle  sei.  Man  könnte  das  vielleicht  für  eine  Übt 
treibung  halten.  Wollte  man  es  aber  auch  nur  1000 000  mal,  oder  seit 
nur  für  100  OCX)  mal  schwächer,  als  das  der  Metalle  nehmen,  so  würde  d 


Elektrochemische  Theorieen.  2QC 


schon  hinreichen,  die  Erscheinung  zu  begründen,  die  wir  jetzt  betrachten 
wollen.  Dass  gewiss  bei  dieser  letzten  Annahme  die  Leitfähigkeit  des  Wassers 
viel  zu  hoch  angesetzt  wird,  lässt  sich  daraus  abnehmen,  dass  ein  Cylinder 
aus  reinem  Wasser,  der  i  Zoll  im  Durchmesser  hat  und  sich  in  einer  Glas- 
röhre zwischen  zwei  metallenen  Zuleitern  befindet,  das  elektrische  Fluidum 
noch  immer  mit  mehr  Schwierigkeit  durch  sich  hindurch  leitet,  als  ein  Metall- 
draht von  gleicher  Länge  und  l/90  Linie  Durchmesser.  Auch  retardirt  ein 
Wassercylinder,  der  nur  i  oder  2  Linien  im  Durchmesser  hat,  besonders 
wenn  er  beträchtlich  lang  ist,  die  Entladung  einer  massig  geladenen  Flasche 
so  sehr,  dass  sie  so  gut  wie  gar  keine  Erschütterung  giebt.  Nach  dem  Ver- 
hältniss,  worin  bei  Wasser  und  anderen  feuchten  Leitern  der  Querschnitt 
vergrössert  und  die  Länge  verkleinert  wird,  nimmt  das  Hinderniss  ab,  das 
sie  dem  Durchströmen  der  elektrischen  Materie  entgegensetzen.  .  .  . 

„Schon  hieraus  lässt  sich  abnehmen,  welchen  ausserordentlichen  Wider- 
stand die  feuchten  Leiter  in  meinen  Säulen  und  Becherapparaten  dem  durch 
die  Berührung   der   Metalle   erzeugten    elektrischen    Strome    entgegensetzen 
müssen.     Um    ihn   jedoch  auch  durch   directe  Versuche  zu  bewähren    und 
einigermaassen   zu  schätzen,   errichte  man  aus  einem  einzigen  Metalle  und 
feuchten  Leiter  einen  Becherapparat  oder  eine  Säule.    In  beiden  findet  keine 
Erregung  von  Elektricität  statt;  sie  bilden  nur  eine  Art  von  leitender  Kette, 
deren  Leitvermögen  aber  bei  weitem  geringer,  als  das  von  blossem  Metalle 
ist,  wie  sich  sogleich  zeigt,   wenn   man   sie   in    den  Entladungskreis  einer 
schwach  geladenen  Flasche  bringt.     Eine  Flasche,  die  beim  Entladen  durch 
Metalle,  die  man  in  den  Händen  hält,  eine  Erschütterung  bis  in  den  Ellen- 
bogen erregt,    giebt  dann  nur  einen  Stoss  bis  zum  Handgelenke,   und  die 
Erschütterung  ist  um  so  schwächer,  je  mehr  der  Schichten,  und  mithin  der 
feuchten  Leiter  in  solchen  Apparaten  sind.    Dasselbe  zeigt  sich,  wenn  man 
eine  Menge  solcher  Schichten  in  den  Entladungskreis  einer  recht  wirksamen 
elektrischen  Säule  bringt 

„Die  feuchten  Körper  in  der  Säule   retardiren  den  elektrischen  Strom 
indessen  nicht  bloss  durch  ihr  schlechtes  Leitungsvermögen,  sondern  auch 
durch  die  Unvollkommenheit  ihrer  Berührung  mit  den  Metallen,   mögen  sie 
auch  noch  so  genau  an  die  Metalle  sich  anzuschliessen  scheinen.    Selbst  bei 
dem  Übergange  von  einem  Metall  in  ein  anderes  Metall,    das  damit  dem 
Anscheine  nach  in  Berührung  ist,  leidet  das  elektrische  Fluidum  stets  Wider- 
stand, wie  die  Erfahrung  zeigt;  dieser  Widerstand  wird  zwar  um  so  geringer, 
je  mehr  man  beide  Metalle  an  einander  drückt,   fällt  aber  doch   nie  ganz 
fort,  wie  man  an  den  metallenen  Ketten  sieht,  die,  man  mag  sie  noch  so  stark 
anspannen,  das  elektrische  Fluidum  nie  so  frei  durchgehen  lassen,  als  Metall, 
das  stetig  zusammenhängt.    Ebenso  sind  zusammengeschichtete  Münzen,  sie 
mögen  noch  so  stark  zusammengepresst  sein,  für  das  elektrische  Fluidum  nie 
so  leicht  durchgängig,  als  Münzen,  die  aneinander  gelöthet  sind,  oder  als 
eine  gleich  grosse  Metallstange. 

„Beiden  Mängeln   kann    man   bis   zu   einem  gewissen  Grade  abhelfen, 


2Q6  Zehntes  Kapitel. 


wenn  man  statt  des  reinen  Wassers  salzige  Flüssigkeiten  zum  Anfeuchten 
der  porösen  Scheiben  in  der  Säule  nimmt,  oder  in  die  Becher  des  Becher« 
apparates  giesst. 

„Salzige  oder  andere  Flüssigkeiten,  welche  die  Metalle,  mit  denen  sie 
in  Berührung  sind,  durch  chemische  Einwirkung  angreifen,  schliessen  sich 
erstens  dabei  dichter  an  die  Metalle  an,  und  treten  mit  ihnen  in  so  innige 
Vereinigung,  dass  beide,  wenn  auch  nicht  einen  einzigen  Körper  bilden, 
doch  nun  ununterbrochen  zusammenhängen.  Dadurch  mindern  sie  die  Un- 
vollkommenheit  der  Berührung  in  eben  demselben  Grade,  als  das  zwischen 
verschiedenen  Metallplatten  durch  Zusammenlöthen  oder  Aneinanderschmelzen 
geschieht.  Durch  diese  verschiedenen  Arten  der  Berührung  wird  die  Be- 
wegung des  elektrischen  Fluidums  sehr  modificirt,  und  bald  mehr,  bald  minder 
gehindert. 

Zweitens  sind  die  salzigen  Flüssigkeiten,  die  die  Metalle  angreifen,  ihrer 
Natur  nach  auch  unvollkommene  Leiter,  aber  lange  nicht  in  dem  Grade, 
wie  das  reine  Wasser.  Ich  will  hier  nicht  die  sehr  vielen  Versuche  erzählen, 
die  ich  schon  früher  in  besonders  dazu  erdachten  Apparaten  angestellt  habe, 
um  das  Leitvermögen  verschiedener  Flüssigkeiten  (oder,  um  mich  genauer 
auszudrücken,  den  Grad  des  Widerstandes,  den  verschiedene  Flüssigkeiten 
dem  elektrischen  Fluidum  leisten)  mit  einiger  Genauigkeit  zu  bestimmen; 
Versuche,  welche  mir  bewiesen  haben,  dass  die  salzigen,  die  sauren  und  die 
alkalischen  Flüssigkeiten  10,  20,  30  mal  u.  s.  w.  bessere  Leiter,  als  das  reine 
Wasser  sind,  und  die  mir  viele  interessante  Resultate  gegeben  haben.  Hier 
wird  es  genug  sein,  dass  man  die  vorhin  beschriebenen  Versuche  mittelst 
dieser  Flüssigkeiten  wiederholt  und  durch  Zusammenschichten  derselben  mit 
nur  einem  Metalle  die  Leidener  Flasche  entladet.  Der  Glanz  und  der  Schall 
des  Funkens  sind  dabei  zwar  ebenfalls  schwächer,  als  bei  einem  metallenen 
Schliessungsbogen,  aber  ohne  Vergleich  stärker,  als  wenn  man  das  Metall 
mit  reinem  Wasser  zusammengeschichtet  hat.  Auch  erhält  man  beim  Ent- 
laden einer  Leidener  Flasche  durch  einen  1  Linie  dicken  Cylinder  einer 
solchen  Flüssigkeit  eine  Erschütterung,  wenn  eine  2  oder  3  mal  dickere  Röhre 
voll  Wasser  bei  derselben  Ladung  noch  keine  Erschütterung  durchlässt. 

„Diese  beiden  Gründe  vereint  machen,  dass  salzige  Flüssigkeiten  den  in 
meinen  Apparaten  erregten  Strom  viel  weniger  retardiren,  als  reines  Wasser, 
und  dass  daher  Apparate  mit  gleich  viel  Plattenpaaren  ohne  Vergleich  stärkere 
Erschütterungen  geben,  wenn  ihre  feuchten  Schichten  mit  Salzlauge  oder 
noch  besser  mit  Salmiak-  oder  Alaunauflösung  u.  s.  w.  befeuchtet  sind,  als 
wenn  sie  blosses  Wasser  enthalten.  Dieses  allein  ist  die  wahre  Ursache  der 
verstärkten  Kraft  der  Apparate  mit  salzigen  Flüssigkeiten,  und  sie  ist  keines- 
wegs darin  zu  suchen,  dass  etwa  die  galvanische  Wirkung  in  der  Berührungs- 
fläche der  Metalle  mit  der  Feuchtigkeit  ausschliesslich  oder  doch  vorzüglich 
erregt,  und  durch  die  chemische  Einwirkung  der  Flüssigkeiten  auf  die  Metalle 
und  die  Oxydirung  der  letzteren  durch  die  Flüssigkeit  begründet  würde,  wie 
sich  das  Mehrere  eingebildet  haben.    Denn  die  galvanische  Wirkung,  die  man 


Elektrochemische  Theorieen. 


297 


och  einmal  allgemein  für  nichts,  als  eine  im  eigentlichen  Sinne  elektrische 
/irkung  anerkennen  sollte,  beruht  auf  der  gegenseitigen  Berührung  der 
eterogenen  Metalle,  und  ist  von  diesen  Feuchtigkeiten  und  ihrer  chemischen 
/irkung  gänzlich  unabhängig,  wie  ich  das  in  meiner  ersten  Abhandlung 
J.  1 34)  bewiesen  habe. 

„Zwar  ist  nicht  zu  leugnen,  dass  eine  ähnliche  Wirkung  in  der  Berüh- 
ing  jedes  dieser  Metalle  mit  dem  feuchten  Leiter  erregt  wird;  sie  ist  in- 
essen  nicht  merklich  stärker,  als  die,  welche  zwischen  diesen  Metallen  und 
einem  Wasser  entsteht,  und  im  Ganzen  so  gering,  dass  sie  gegen  die  Elektri- 
Hätserregung  durch  die  beiden  heterogenen  Metalle  bei  ihrer  Berührung 
kht  in  Betracht  kommt,  einige  Fälle  ausgenommen,  die  ich  a.  a.  O.  ange- 
geben habe.  Will  man  sich  hiervon  überzeugen,  so  baue  man  zwei  ähnliche 
Raulen  aus  gleich  vielen  Plattenpaaren,  z.  B.  aus  40  Paaren  Zink-  und  Kupfer- 
scheiben  auf,  wo  in  der  einen  reines  Wasser,  in  der  anderen  Salzwasser  als 
dichter  Leiter  dient  Nun  untersuche  man  beide  mit  dem  Condensator  und 
Jem  Elektrometer  nach  meiner  Weise :  Beide  werden  denselben  Grad  elektri- 
scher Spannung  geben,  nämlich  80  oder  100,  wenn  der  Condensator  120  oder 
150  mal  condensirt  Dieses  entspricht  1/60  Grad  Spannung  für  jede  einzelne 
Schichtung,  und  gerade  eine  so  grosse  elektrische  Spannung  erregen,  wie  ich 
dargethan  habe,  je  zwei  sich  berührende  Metalle  ohne  Dazwischenkommen 
irgend  eines  feuchten  Leiters.  Nun  aber  entlade  man  beide  Säulen  mit 
feuchten  Händen;  die,  welche  Wasser  zum  feuchten  Leiter  hat,  wird  nur 
eine  sehr  schwache  Erschütterung  geben,  die  mit  Salzwasser  dagegen  eine 
ziemlich  starke,  welche  auffallende  Verschiedenheit  der  Erschütterung  bei 
gleicher  elektrischer  Spannung  daher  rührt,  dass  die  Erschütterung  nicht  bloss 
vom  Grade  der  Elektricität,  sondern  auch  von  der  Güte  der  Leitung  ab- 
hängt, das  heisst,  vom  minderen  Widerstände,  welcher  der  elektrische  Strom 
bei  seinem  Durchgange  leidet,  und  dass  dieser  Widerstand  in  der  Säule  mit 
Salzwasser  aus  beiden  oben  angegebenen  Gründen  geringer  ist,  als  in  der 
mit  reinem  Wasser.  —  Noch  besser  lassen  sich  diese  Vergleiche  in  einem 
Becherapparate  anstellen.  Man  fülle  die  Becher  desselben  erst  mit  reinem 
Wasser  und  bestimme  seine  Spannung  und  die  Erschütterung,  die  er  er- 
theilt.  Erstere  wird  der  eines  Säulenapparates  von  gleich  vielen  Schieb- 
ungen gleich,  letztere  wegen  grösserer  Breite  der  feuchten  Schichten  schwächer, 
üs  im  Säulenapparate  sein.  Nun  werfe  man  in  jeden  Becher  etwas  Salz  und 
mtersuche  aufs  neue.  Die  elektrische  Spannung  wird  man  dadurch  nicht 
rergrössert,  die  Erschütterung  aber  weit  stärker,  als  vorher  finden. 

„Aus  allem  erhellt  zugleich,  welch  ein  zweideutiges  Zeichen  die  blosse 
Erschütterung  vom  Grade  der  Elektricität  ist,  da  diese  ebenso  sehr  von  der 
Jute  der  Leitung,  dem  mehr  oder  minder  freien  Durchgange,  den  sie  dem 
lektrischen  Fluidum  verstattet,  als  von  der  Spannung  abhängt.  Indem 
lan  bloss  vom  Grade  der  Erschütterung  auf  den  Grad  der  sogenannten 
alvanischen  Action  schloss,  und  jene  bei  salzigen  Flüssigkeiten,  welche  die 
letalle  angreifen,  und  eines  von  ihnen  mehr  oxydiren,  stärker,  als  bei  reinem 


2Q8  Zehntes  Kapitel. 


Wasser  fand,  kam  man  darauf,  dieser  Berührung  des  feuchten  Körpers  mit 
den  heterogenen  Metallen,  und  der  chemischen  Einwirkung  desselben  auf 
die  Metalle  die  Erscheinungen  des  sogenannten  Galvanismus  zuzuschreiben, 
und  verirrte  sich  in  wunderbare  Meinungen,  indem  man  unter  anderem  ab 
Ursache  dieser  Erscheinungen  ein  besonderes  Agens  oder  Fluidum  erdachte^ 
das  vom  elektrischen  Fluidum  verschieden,  oder  wenigstens  eine  besondere 
Modification  des  letzteren,  ein  sogenanntes  galvanisch-elektrisches  Fluidum  sei 

„Meine  früheren  Versuche  über  die  eigentliche  metallische  Elektrichät 
hätten  die  Physiker  auf  dem  wahren  Wege  erhalten  können;  sie  waren  in* 
dessen  wenig  bekannt,  obgleich  sie  in  mehreren  Journalen  im  Druck  er- 
schienen sind.  Jetzt,  da  ich  sie  besser  bekannt  gemacht,  und  ihnen  in  dieser 
Abhandlung  so  viele  neue  beweisende  Versuche  beigefügt  habe,  zweifle  ich 
nicht,  dass  diese  elektrometrischen  Versuche,  und  die  ihnen  beigefügten  Er- 
läuterungen hinreichen  werden,  um  Alle  zu  dem  wahren  Princip  zurückzu- 
führen, und  jeden  wahren  Physiker  zu  überzeugen,  dass  das  Fluidum,  welches 
sowohl  in  den  einfachen  galvanischen,  als  in  meinen  neuen  zusammenge- 
setzten Apparaten  in  Bewegung  gesetzt  wird,  das  blosse  rein  elektrische 
Fluidum  ist,  das  durch  die  blosse  gegenseitige  Berührung  verschiedenartiger, 
besonders  metallischer  Leiter  erregt  und  impellirt  wird,  und  das  im  Übrigen 
den  bekannten  Gesetzen  der  Elektricität  unterworfen  ist." 

Die  vorstehenden  Darlegungen  Volta's  sind  in  mehrfacher  Beziehung 
lehrreich.  Einmal  überrascht  die  im  Vergleich  zu  seinen  früheren  Äusserungen 
auffallend  entschiedene  Sprache,  mit  der  er  den  Gedanken  an  eine  mögliche 
Mitwirkung  der  feuchten  Zwischenschichten  zurückweist,  sodann  zeigen  aber 
seine  experimentellen  Belege  für  die  Richtigkeit  seines  Standpunktes  mit 
grosser  Klarheit  die  Stelle  auf,  an  welcher  die  chemische  Theorie  der  Säule 
immer  wieder  mit  Erfolg  angegriffen  wurde,  und  die  ihre  Vertreter  bis  auf 
unsere  Zeit  nie  recht  erfolgreich  zu  vertheidigen  gewusst  haben. 

Volta  weist  mit  Hülfe  des  Elektroskops  nach,  dass  die  Spannung  einer 
mit  Wasser  angesetzten  Säule,  in  welcher  nur  sehr  geringe  chemische  Wir- 
kung (nach  Volta  gar  keine)  stattfindet,  eben  dieselbe  ist,  wie  die  einer  mit 
Salzlösung  angesetzten,  in  welcher  eine  erhebliche  chemische  Wirkung  er- 
folgt. Die  gleiche  Schlussweise  kehrt  in  der  Folge  immer  wieder ;  stets  werden 
von  den  Anhängern  der  Contactlehre  neue  Fälle  namhaft  gemacht,  wo  troll 
starker  chemischer  Wirkung  geringe  elektrische  erfolgt,  und  umgekehrt,  und 
stets  sind  die  Anhänger  der  chemischen  Theorie  gezwungen,  dieses  Argu- 
ment ohne  rechte  Erwiderung  zu  lassen  und  den  Gegnern  den  Triumph  m 
gestatten,  dass  das  Experimentum  crucis  zur  Widerlegung  der  chemischen 
Theorie  gefunden  sei. 

Die  Voraussetzung,  welche  hier  von  den  Contacttheoretikern  stillschwei- 
gend gemacht,  und  von  den  Chemikern  ebenso  stillschweigend  gebilligt  wop» 
den  ist,  ohne  dass  sie  jemals  ausdrücklich  ausgesprochen  und  geprüft  worden 
wäre,  und  auf  welcher  der  ganze  Beweis  beruht,  ist  offenbar,  dass  jeder 
chemischen  Wirkung  in  der  Säule  eine  proportionale  elektrische  entsprechen 


Elektrochemische  Theorieen. 


299 


Die  Frage:  sind  alle  chemischen  Vorgänge  geeignet,  elektrische 
rkungen  zu  geben,  und  wenn  nicht,  welches  sind  die  Bedingungen,  damit 
mische  Vorgänge  proportionale  elektrische  Wirkungen  hervorbringen?  — 
rlamaU  nicht  gestellt  worden,  und  durch  die  ganze  Geschichte  der  Elektro- 
anie  rieht  sich  unentschieden  der  Streit,  weil  diese  Frage  nicht  gestellt 
i  beantwortet  wurde.  Formell  behielten  in  dem  Streite  die  Contacttheore- 
er  oft  genug  Recht,  weil  in  der  oben  erwähnten  Weise  die  Gegner  ihnen 
mer  mehr  zugestanden  hatten,  als  nöthig  und  richtig  war;  trotzdem  blieb 
er  das  Bewusstsein  von  der  sachlichen  Richtigkeit  der  chemischen  Theorie 
lebhaft  und  unerschütterlich  bestehen,  dass  die  so  oft  „widerlegte"  Theorie 
&t  zu  beseitigen  war,  und  in  neuester  Zeit  durch  die  Stellung  und  ge- 
igende Beantwortung  jener  Hauptfrage  wohl  auch  den  endgültigen  Sieg 
fochten  hat 

3.  Die  Ausbreitung  der  VoLTA'schen  Theorie.  Der  Einfluss  von 
olta's  Anschauungen  über  die  Ursache  der  Wirkung  in  seiner  Säule 
achte  sich  alsbald  geltend;  während  die  früheren  Forscher  stets  die  unver- 
mnbaren  chemischen  Wirkungen  als  wesentlich  angesehen  hatten,  und  bei 
*  Instruction  ihrer  Apparate  dafür  Sorge  zu  tragen  gesucht  hatten,  dass 
e  chemische  Wirkung  möglichst  erleichtert  und  befördert  wird,  betont  der 
mchterstatter  über  eine  neue  VoLTA'sche  Säule  in  seinem  Bericht  an  das 
iriser  Nationalinstitut,1  dass  dies  bei  einer  von  Allizeau  construirten  Säule 
rmieden  sei.  „Seit  man  sich  überzeugt  hat,  dass  die  Berührung  der  Metalle 
is  wesentliche  elektrische  Element  der  gewöhnlichen  VoLTA'schen  Säule 
,  und  dass  die  Wirkungen  der  Oxydationen,  welche  die  zwischenliegenden 
jehten  Scheiben  in  den  Metallen  hervorbringen,  keinen  vergleichbaren 
itheil  an  der  ganzen  Wirkung  haben,  darf  man  einen  galvanischen  Apparat, 
n  dauernder  und  constanter  Wirkung,  der  keiner  Reinigung  der  Platten 
darf,  für  keine  Chimäre  halten/' 

Um  jene  Zeit  sass  diese  Vorstellung,  dass  die  VoLTA'sche  Säule  ein 
ihres  Perpetuum  mobile  sei,  in  den  Köpfen  der  anderen  Forscher  noch 
cht  so  fest,  wie  bei  Volta,  und  bei  Gelegenheit  der  deutschen  Übersetzung 
r  vorstehenden  Mittheilung  in  Gilbert's  Annalen  äussert  sich  nicht  nur 
1  Herausgeber  ziemlich  seeptisch  über  diese  Anschauung,  sondern  auch 
itter2  erklärt  mit  grösster  Entschiedenheit,  dass  alle  als  Zwischenleiter 
mutzten  sogenannten  trockenen  Stoffe  thatsächlich  wasserhaltig  sind,  und 
ir  dadurch  ihre  Wirkung  hervorbringen.  Gleichzeitig  weist  er  darauf  hin, 
ass  die  kleinsten  Spuren  von  Wasser  in  den  Zwischenschichten  dazu  ge- 
iigen,  um  in  der  Säule  eine  am  Elektrometer  sichtbare  Spannung  zu 
rzeugen;  sogar  Glas  lässt  sich  als  Zwischenschicht  verwenden,  wenn  man 
s  im  gewöhnlichen  Zustande  anwendet,  wo  es  die  an  der  Luft  erhaltene 
atende  Oberflächenschicht  besitzt;  so  wie  man  es  aber  sorgfältig  erwärmt 
md  trocknet,  so  hören  auch  alle  Ladungen  am  Elektrometer  auf. 

1  Joura.  de  Phys.,  57,  74.  1803.  —  Gilbert's  Ann.  18,   109.  1804. 
*  IntclligenzbL  d.  allg.  Litteraturz.  1802,  Nr.  193. 


300  Zehntes  Kapitel. 


Bei  Gelegenheit  einer  Auseinandersetzung  über  gewisse  Schwierigkeiten 
der  Volt  Ansehen  Theorie  äussert  sich  ein  Ungenannter1  in  folgender  verstän- 
diger Weise. 

„Für  die  rein  elektrischen  Erscheinungen  der  Säule  ist  die  VoLTA'sche 
Theorie  vollkommen  befriedigend;  und  hätten  wir  eine  Säule  gefunden,  in 
welcher  zwischen  den  Elektromotoren  chemisch  unveränderliche  und  zugleich 
nicht  als  Excitatoren  wirkende  Stoffe  die  Stelle  der  feuchten  Leiter  verträten, 
so  wäre  für  diese  die  Theorie  vollendet  und  Hesse  nichts  mehr  zu  erklären 
übrig.  Wir  würden  dann  durch  Vergleichung  der  Wirkungen  einer  solchen  • 
trockenen  Säule  mit  den  Wirkungen  einer  feuchte  Leiter  enthaltenden  Säule 
am  besten  heraus  finden,  was  in  der  rein  elektrischen  Funktion  der  Elektro- 
motore  abgeändert  wird  durch  die  elektrisch-chemische  Funktion  der  che- 
misch veränderlichen  feuchten  Leiter. 

„So  lange  nun  diese  Entdeckung  noch  nicht  gemacht  ist,  so  lange  kann 
die  Vermuthung  nicht  geradezu  abgewiesen  werden,  dass  in  der  gewöhn- 
lichen Säule  noch  etwas  anderes  vorgehe,  als  die  blosse  Durchleitung  und 
Addition  der  durch  die  Elektromotore  erzeugten  Elektricität,  wenn  gleich 
unläugbar  die  elektrischen  Erscheinungen  der  Säule  ihren  Ursprung  in  der 
Erregung  haben,  die  zwischen  den  heterogenen  Metallpaaren  stattfindet" 

Hält  man  diese  Darlegung,  gegen  welche  man  mit  Ausnahme  des  letzten 
Satzes,  nichts  einwenden  kann,  mit  der  allmählich  mehr  und  mehr  ab 
allgemein  gültig  erkannten  Thatsache  zusammen,  dass  solche  rein  elektrische 
Säulen  unmöglich  sind,  so  ist  auch  im  Sinne  unseres  Autors  der  Schluss 
unvermeidlich,  dass  das,  was  die  elektrochemische  Säule  von  der  nicht 
chemischen  unterscheiden  würde,  eben  der  Umstand  ist,  dass  jene  elektrisch 
ist,  und  diese  es  nicht  wäre. 

4.  Schluss  der  Arbeiten  Volta's.  Wir  nehmen  an  dieser  Stelle 
Abschied  von  dem  genialen  Erfinder  der  Säule;  zwar  hat  er  nach  dem  hier 
erwähnten  Zeitpunkt  noch  ein  Vierteljahrhundert  gelebt,  jedoch  ohne  weiteres 
zu  der  Entwickelung  der  von  ihm  so  glänzend  begonnenen  Forschungen  zu 
thun.  Es  ist  daher  hier  der  passende  Ort,  einige  Angaben  biographischer 
Natur  mitzutheilen.  Ich  folge  darin  dem  ausführlichen  Nekrolog,  welchen 
Arago2  in  seiner  Eigenschaft  als  beständiger  Sekretär  der  Pariser  Akademie 
veröffentlicht  hat. 

Volta's  Leben  hat  sich  in  ausserordentlich  einfachen  Formen  abgespielt, 
und  ist  an  äusseren  Ereignissen  sehr  arm  gewesen.  Er  wurde  am  1 8.  Februar 
1745  in  Como  geboren.  Über  seine  Jugend  finde  ich  die  Angabe,  dass  er 
ein  früh  begabter  Schüler  war,  und  dass  er  sehr  jung  gegen  schwierige  Ver- 
hältnisse zu  kämpfen  hatte.  Er  hat  fast  sein  ganzes  Leben  in  seiner  Vater- 
stadt und  deren  Nähe,  in  Pavia  zugebracht;  im  22.  Lebensjahre  machte  er 
seine  erste  Reise,  die  ihn  zu  Haller,  Voltaire  und  Saussure  führte.  Seine 
ersten  A  hte  er  1769  über  die  Leidener  Flasche  und  1771 


.06.  •  Oeuvres  der  Fr.  Arago,  T.  I,  187.  Paris  1854. 


Elektrochemische  Theorieen. 


30I 


er  die  Abhängigkeit  der  Reibungselektricität  von  der  Beschaffenheit  der 
benden  Stoffe;  sie  verschafften  ihm  die  Stelle  eines  „r£gent"  und  bald 
*  eines  Professors  der  Physik  an  der  königlichen  Schule  in  Como.  In 
ser  Stellung  erfand  er  seinen  Elektrophor  und  sein  Eudiometer.  1779 
irde  er  zum  Professor  der  Physik  in  Pavia  ernannt,  welche  Stellung  er  im 
hre  1804  aufzugeben  gedachte;  doch  behielt  er  sie  auf  den  Wunsch 
ipoleon's  der  für  ihn  eine  ungewöhnliche  Hochachtung  hegte,  noch  bis 
m  Jahre  181 9,  von  seinen  amtlichen  Thätigkeiten  fast  ganz  entlastet  In 
e  erste  Zeit  seiner  Stellung  zu  Pavia  fallen  seine  grossen  Entdeckungen, 
xh  scheint  er  seine  Arbeiten  fast  ausschliesslich  in  seinem  Landhause  zu 
omo  ausgeführt  zu  haben;  wenigstens  sind  sie  meist  von  dort  datirt. 

Im  Jahre  18 19  zog  sich  Volta  endgültig  von  seiner  amtlichen  Thätig- 
eh  zurück,  und  lebte  in  grosser  Zurückgezogenheit  im  Kreise  seiner  Familie 
t  war  seit  1794  mit  Therese  Pellegrini  verheirathet,  und  besass  drei  Söhne), 
is  er  am  5.  März  1827,  im  Alter  von  82  Jahren,  eines  sanften  Todes  starb, 
»ein  Geist  war  schon  viel  früher  erlöscht. 

5.  Versuche  von  Schweigger.  Zur  Frage  nach  der  Richtigkeit  der 
/oLTA'schen  Theorie  hat  Schweigger1  einen  bemerkenswerthen  Versuch  bei- 
;ebracht,  der  von  den  Zeitgenossen  allerdings  nicht  weiter  erörtert  wurde  — 
rfenbar,  weil  man  ihn  nicht  zu  erklären  vermochte  —  und  dessen  volles 
verstandniss  auch  erst  der  neuesten  Zeit  vorbehalten  blieb.  Der  Versuch 
st  folgendermaassen  beschrieben: 

„Denken  Sie  sich  einen  Trog,  z.  B.  aus  gebranntem  Thon,  oder  aus 
wei  untereinander  rechtwinklig  verbundenen   Brettchen.     Dieser   werde  in- 


A 


B 


JD  F  K 

Fig.  91.     Nach  Schweigger. 


Fig.  92.     Nach  Schweigger. 


Ä.33.*"  XrM&JC'  A'Vn 


u 


»endig  mit  Glas  ausgekittet  und  mit  etwa  50  Glasfächern  versehen.  .  .  .  Die 
Fig.  91   stellt  den  Trog  im  Durchschnitt  nach  der  Länge  vor.  .  .  .    Fig.  92 
teigt  den  Durchschnitt  des  Troges  nach  der  Breite.   Alle  Kupfer-  und  Zink- 
glatten  seien  an  der  einen  Ecke  durchbohrt. 
Uan  hänge   K^ZK1  durch  einen  Draht  zu- 
ammen,   wie  es  die  Zeichnung  darstellt  in 

\>  93. 

„Nun  ist  freilich  A?  und  Z  durch  eine 

riaswand  getrennt,  und  bloss  durch  den 
[essingdraht,  der  die  Platten  verbindet,  mit  demselben  in  Contacte;  Kl  hin- 
gen liegt  unmittelbar  an  Z  und  berührt  dasselbe  mit  seiner  ganzen  Fläche, 
an  kann,  wenn  es  beliebt,    diese  Ungleichheit  aufheben,    obwohl  dies  aus 


Fig.  93- 


1  Journ.  f.  d.  Chemie,  Physik  und  Mineral.  7,  537.   1808. 


302  Zehntes  Kapitel. 


bekannten  Ursachen  unnöthig  ist.  Zwischen  Z  und  Kl  lege  man  nämlkk 
unterhalb  des  Messingdrahtes,  der  beide  vereinigt,  einen  Streifen  Glas  oder 
überlackirtes  .Holz,  kurz  einen  Nichtleiter.  Auf  diese  Art  ist  Z  zu  beiden 
Seiten  mit  Kl  und  K%  vollkommen  auf  dieselbe  Weise  in  Contacte,  ver- 
mittelst des  Messingdrahtes  nämlich,  durch  welches  die  drei  Platten  zusammen- 
hängen. 

„Nach  Volta's  Theorie  kann  hier  unmöglich  Wirkung  entstehen,  indem 
Z  von  zwei  entgegengesetzten  Kräften  afficirt  wird,  und  also  zugleich  mit 
Kl  und  K2  im  natürlichen  Zustande  bleibt.  Der  Impuls  des  K2  gegen  Z 
wird  durch  den  entgegengesetzten  des  Kl  gegen '  Z  aufgehoben. 

„Giessen  Sie  nun  aber  einmal  Wasser  in  die  einzelnen  Fächer.  Ich 
nehme  gewöhnlich  Salzwasser  oder  Wasser  mit  ein  wenig  Schwefelsäure  ver- 
mischt. Es  erfolgt  ebenso  Wirkung,  als  wenn  Sie  bloss  K%Z  mit  Hinweg- 
lassung  des  entgegengesetzten  Kl  gelegt  hätten.  Lebhaft  ist  die  Erschütte- 
rung, lebhaft  die  Gasentbindung.  Aber  vielleicht  rührt  diese  Wirkung  von. 
dem  Contacte  des  Messingdrahtes  mit  Z  her?  Denn  obgleich  die  Impulse 
der  zu  beiden  Seiten  des  Z  liegenden  Kl  und  K2  sich  aufheben,  so  wird 
doch  dadurch  der  Impuls  von  oben  nach  unten  Messingdraht -Zink  inner- 
halb  der  Öffnung  der  durchbohrten  Platten  (wenn  nämlich  der  Draht  nicht 
auf  allen  Seiten  scharf  anliegt,  genau  in  die  Öffnung  passend)  keineswegs 
aufgehoben." 

Schweigger  schildert  nun  einige  andere  Versuchsanordnungen,  bei  denen 
dieser  Einwand  vermieden  war;  das  Ergebniss  der  Versuche  war  ganz  das 
gleiche.     Daraus  zog  er  dann  den  folgenden  Schluss: 

„Es  bleibt  uns  also  nichts  übrig,  als  entweder  zu  behaupten,  dass  Zink 
aus  den  beiden,  ihm  auf  den  entgegengesetzten  Seiten  anliegenden  Kupfer- 
platten Elektricität  an  sich  reisse,  was  jedoch  der  VoLTA'schen  Theorie  wider-  j 

spricht,  oder  anzunehmen,  dass  der  feuchte 


z'      zSJFnZ'      z?A 


z  Leiter  in  der  elektrischen  Säule  eine  grössere 
Rolle  spielt,  als  die  Theorie  ihres  grossen 
Erfinders  ihm  beilegt" 


Fi  t  Bei  der  weiteren  Erörterung  seines  Ver- 

suches erwähnt  Schweigger  einen  wichtigen 
anderen  Versuch  (Fig.  94).  Wenn  man  nämlich  statt  zweier  Kupferplatten 
und  einer  Zinkplatte  umgekehrt  zwei  Zinkplatten,  und  in  Berührung  mit 
einer  derselben  eine  Kupferplatte  in  den  Apparat  bringt,  so  wird  keine 
Wirkung  beobachtet  „Nimmt  man  jedoch  einige  Z  heraus,  oder  hebt  nur 
die  vollkommen  leitende  Verbindung  einiger  Z  mit  K  auf,  so  stellen  sich 
die  elektrischen  Erscheinungen  sogleich  wieder  ein." 

Die  Beobachtung  wurde  nun  der  Gegenstand  eines  Briefwechsels  zwischen 
ihm  und  Ritter.  Der  letztere  fand  keine  genügende  Erklärung  au£  welche 
Thatsache  allerdings  aus  dem  unendlichen  Wortschwall,  den  Ritter  seiner 
Gewohnheit  nach  vorbringt,  nur  schwierig  herauszulesen  ist.  Auch  der 
Erklärungsversuch  Schweigger's   erscheint  schwerlich   genügend;   er  kommt 


Elektrochemische  Theorieen. 


303 


i 

\ 


darauf  hinaus,  dass  er  durch  den  Einfluss  der  beiden  Metalle  das  Wasser 
in  den  Zellen  sich  polarisiren,  d.  h.  sich  polar  anordnen  lässt;  diese  polare 
Anordnung  ist  in  dem  Falle  seines  Versuches  nicht  mehr  völlig  symmetrisch, 
und  daher  rührt  nach  ihm  der  Strom. 

Gegenwärtig  müssen  wir  diese  Erscheinung,   mit  der  man  sich  in  der 
Folge  nicht  mehr  beschäftigt  hat,  so  interessant  sie  ist,  für  einen  Concen- 
trationsstrom  erklären,   von  derselben  Art,   wie  die  S.  187   besprochene, 
von  Bucholz  beobachtete  Erscheinung.     Durch  die  Berührung  der  zweiten 
Kupferplatte  mit  dem  Zink  wird  aus  der  umgebenden  Flüssigkeit  die  geringe 
Menge  des  dort  aufgelösten  Kupfers  entfernt,   während  diese  Wirkung   an 
der  anderen  Seite  nicht  eintreten  kann,    da  dort  kein  Zink  in  metallischer 
Berührung  mit  dem  Kupfer  vorhanden  ist.     Dadurch  entsteht  das  Element: 
Kupfer  in  (relativ)  concentrirter  Kupfersalzlösung  gegen  Kupfer  in  äusserst 
verdünnter  Lösung,  und  ein  solches  Element  hat  eine  um  so  grössere  elektro- 
motorische Kraft,  je  grösser  das  Verhältniss  der  beiden  Concentrationen  ist. 
Auf  die  weiteren  Darlegungen  Schweigger's  ist  hier  nicht  einzugehen, 


Fig.  95- 

da  sie  weiter  nicht  viel  Bemerkenswerthes  enthalten.  Dagegen  ist  aus  einer 
weiten  Abhandlung  über  den  gleichen  Gegenstand l  ein  Versuch  zu  erwähnen, 
der  bisher  völlig  übersehen  zu  sein  scheint,  obwohl  er  die  erste  Beobachtung 
einer  thermoelektrischen  Erscheinung  darstellt. 

„Zum  Schluss  will  ich  noch  einer  galvanischen  Batterie  aus  einem  festen 
und  einem  flüssigen  Leiter  gedenken,  wo  bloss  durch  Temperaturunterschied 
die  elektrische  Differenz  begründet  wird. 

„.  .  .  In  Fig.  95  stellen  nämlich  A  und  B  Schalen  aus  Kupfer  vor,  die 
abwechselnd  durch  einen  nassen,  mit  Salzwasser  getränkten  Streifen  Ar  und 
einen  Messingdraht  M  verbunden  sind.  In  alle  wird  verdünnte  Salzsäure 
gegossen.  Unter  jeder  Schale  A  entzünde  man  eine  Wachskerze,  und  sogleich 
wird  sich  der  galvanische  Process  einstellen,  indem  der  Polardraht  a  sich 
verkalkt,  während  an  ß  sich  Wasserstoffgas  entbindet.  Ich  hatte  nur  14  Kupfer- 
schalen,  die  so  geordnet  waren,  dass  ich  7  polarische  Wasserschichten  erhielt, 
und  dennoch  zeigte  sich  an  dieser  schwachen  Batterie  an  den  Polardrähten 
von  Messing,  die  sich  in  mit  wenig  Salzsäure  vermischtem  Wasser  befanden, 
die   gewöhnlichen   galvanischen  Erscheinungen    sehr   deutlich.     Die   Gasent- 


1  Journ.  f.  d.  Chemie,  Physik  und  Mineral.  9,  704.   18 10. 


304  Zehntes  Kapitel. 

bindung  hörte  bald  auf,  wenn  ich  die  Lichte  auslöschte,  und  stellt  sich  also»] 
bald  nach  Anzündung  derselben  wieder  ein.  a 

„Man  mag  nun  diese  Erscheinung  entweder  aus  der  Heterogenität  des  ü 
durch  die  aufsteigende  Flamme  erhitzten,  und  des  kalten  Metalls  in  Hinsicht  te 
auf  elektrisches  Leitungsvermögen,  oder  daraus  erklären,  dass  jene  Batterie,  fcs 
da  verdünnte  Salzsäure  bloss  mit  Hülfe  der  Wärme  das  Kupfer  angreift,  {22 
gleichsam  aus  zwei  heterogenen  feuchten  und  einem  festen  Leiter  construirt  ^ 
angesehen  werden  könne,  —  genug,  dass  hier  zum  ersten  Male  vermitteist  fc 
erhöhter  Temperatur  (mittelst  der  Flamme)  Galvanismus  hervorgerufen  wird  ^ 
Wenn  aber  Galvanismus  und  Chemismus  .  .  .  einerlei  ist,  so  kann  die  An-  ;:: 
wendung  der  Flamme  zur  Hervorbringung  galvanischer  Erscheinungen  um  »3 
so  weniger  gleichgültig  erscheinen,  je  wichtiger  die  Rolle  ist,  welche  das  »x 
Feuer  bei  chemischen  Processen  spielt."  ^ 

Es  ist  sehr  merkwürdig,  dass  diese  Versuche  weder  von  gleichzeitigen  ^ 
oder  späteren  Forschern  fortgesetzt,  noch  auch  sonst  irgendwie  berücksichtigt  ,;;: 
worden  sind;  auch  in  der  Geschichte  des  Galvanismus  sucht  man  ihre  . 
Kenntniss  vergebens.  Dass  Schweigger  selbst  seine  Entdeckung  nicht  er-  ^ 
weiterte  und  vertiefte,  ist  vielleicht  daraus  zu  erklären,  dass  er  gleichfalls  in  a 
höchstem  Maasse  mit  der  Zeitkrankheit  der  Naturphilosophie  behaftet  war,  ^ 
die  ihn  daran  verhinderte,  exakte  Untersuchungen  auszuführen.  Die  völlige  v 
Vergessenheit,  in  die  seine  Entdeckung  der  ersten  thermoelektrischen  Er-  . 
scheinung  gerathen  ist,  muss  nichts  desto  weniger  als  ungerecht  bezeichnet  „ 
werden. 

6.  Die  französischen  Forscher.  Schon  bei  Gelegenheit  der  Ent-  „. 
deckungen  Galvani's  machten  sich  bezüglich  der  Betheiligung  der  Gelehrten  . 
verschiedener  Länder  auffallende  Unterschiede  geltend.  Während  in  der 
ersten  Zeit  des  Galvanismus  vorwiegend  deutsche  Forscher  neben  den  Ita- 
lienern thätig  waren,  und  nach  Erfindung  der  Säule  die  Engländer  sich  mit 
glänzendem  Erfolge  diesen  zugesellten,  ja  es  ihnen  vorausthaten,  macht  sich 
in  Frankreich  viel  langsamer  ein  Interesse  und  eine  thätige  Betheiligung  an 
der  Arbeit  geltend.  Auch  ist  bei  letzterer  nichts  von  Erheblichkeit  heraus- 
gekommen. 

Zum  Belege  für  das  Gesagte  sei  auf  den  Bericht  (S.  59)  hingewiesen, 
welchen  die  dazu  bestellte  Commission  im  Jahre  1797  der  Akademie  über  . 
Galvani's  Entdeckungen  abstattete.  Nachdem  der  Ruhm  der  VourA'schen  Säule 
die  ganze  wissenschaftliche  Welt  erfüllt  hatte,  lud  das  Institut  (die  frühere 
Akademie)  den  Entdecker  ein,  ihm  seine  Ergebnisse  vorzutragen.  Volta  ist 
dieser  Aufforderung  nachgekommen;  die  S.  134  mitgetheilte  Abhandlung 
bildete  den  Inhalt  der  ersten  Vorlesung  Volta's  und  nach  Beendigung  der- 
selben erhob  sich  der  Consul  Bonaparte  und  beantragte,  den  Dank  des  In- 
stitutes an  Volta  durch  die  Verleihung  einer  Medaille  auszudrücken.  Dies 
wurde  angenommen  und  ausgeführt. 

Auch  in  der  Folge  bewies  Napoleon  Bonaparte  ein  lebhaftes  Interesse 
an  den  Arbeiten  auf  diesem  Gebiete.    Nachdem  Davy*s  glänzende  Entdeckungen 


1 

j 


Elektrochemische  Theorieen. 


305 


gezeigt  hatten,  welche  Schätze  noch  auf  diesem  Gebiete  zu  heben  waren, 
stiftete  er  alsbald  eine  noch  viel  grössere  Batterie,  als  die  von  Davy  be- 
nutzte, welche  Gay-Lussac  und  Thenard  anvertraut  wurde.  Die  Ergebnisse, 
obwohl  schätzbare  Beiträge  zum  allgemeinen  Bestände  der  Kenntnisse  auf 
dem  Gebiete,  entsprachen  allerdings  wohl  kaum  den  Erwartungen,  denn  eine 
ahnliche  glänzende  Entdeckung,  wie  die  Davy's,  liess  sich  nicht  erzielen. 

So  sehen  wir,  dass  trotz  mannigfaltiger  äusserer  Förderung  —  es  hatte 
sich  auch  inzwischen  in  Paris  eine  „galvanische  Gesellschaft"  gebildet,  welche 
ach  die  Prüfung  und  Erweiterung  aller  auf  diesem  Gebiete  gemachten  Ent- 
deckungen   zur   Aufgabe  gemacht  hatte,   und  von  deren  Thätigkeit   schon 
einiges,  wenn  auch  nicht  eben  rühmliches  (S.  229)  zu  berichten  war  —  es  den 
französischen  Gelehrten  zunächst  nicht  gelang,  einen  erheblichen  Antheil  an 
der  Entwicklung  unseres  Gebietes  zu  nehmen.    Selbst  Forscher,  die  gleich- 
fertig  und  später  Hervorragendes  an  anderen  Stellen  geleistet  haben,  bringen 
Wer  Dinge  zu  Tage,  die  weit  unter  dem  stehen,  was  von  ihren  Zeitgenossen 
erreicht  wird.     Es  sind  deshalb  bisher  im  Verlaufe  unserer  Geschichte  fran- 
zösische  Mitarbeiter  kaum  genannt  worden;    um  einen  Beleg  zu  dem  Ge- 
sagten zu   geben,  seien  hier  einige  Abhandlungen   von  Biot  erwähnt.     Die 
erste  derselben,  eine  der  ältesten  Arbeiten  der  Franzosen   über  die  Säule, 
fuhrt  den  Titel :   Über  die  Bewegung  des  galvanischen  Fluidums l   und  ist 
am   14.  Aug.   1801   dem  Institut  vorgelegt  worden.     Der  Inhalt  dieser  Ab- 
handlung steht  im  grellsten  Gegensatz  zu  dem,  was  man  von  einem  Manne 
erwartet,    der  sich  durch  seine  anderen  Forschungen    die    wissenschaftliche 
Stellung   erworben   hat,   die  ihm   allgemein  zugestanden  wird.     Die  Arbeit 
enthält   von    Anfang    bis    zum   Ende    fast   nichts,    als    Irrthümer;    so   wird 
behauptet,   dass  Säulen  aus  kleinen  Platten  stärkere  Erschütterungen  geben, 
als  solche   aus  grösseren,  weil  die  Elektricität  bekanntlich  aus  Spitzen  um 
so  leichter  entweicht,  je  spitzer  sie  sind,   „woraus   nach    der  Analogie   zu 
schliessen  ist,  dass  ebene  Flächen,  welche  gleichsam  Elemente  von  grossen 
Kugeln  sind,  nur  mit  Schwierigkeit  das  Fluidum,  womit  sie  beladen  sind,  von 
sich  geben,  und  zwar  mit  desto  grösserer  Schwierigkeit,  je  grösser  sie  sind. . . . 
In  einer  VoLTA'schen  Säule  .  .  .  muss  daher  die  Bewegung  des  galvanischen 
Fluidums   um  so  schneller  sein,  je  kleiner  die  Metallplatten  sind."     Ferner 
sollen   nach  Biot  die  Anziehungen  bei  grossen  Platten  viel  merklicher  sein, 
als  bei  kleinen.     Auch  wird  behauptet,   dass  sich  die  galvanische  Wirkung 
viel   leichter   an   der   Oberfläche   des  Wassers   fortpflanze,    als   durch   seine 
Masse,  und  dergleichen  mehr. 

Neben  diesen  Behauptungen,  die,  wie  auch  der  Herausgeber  der  Annalen 
später  bemerkt,  mehr  auf  die  Hypothesen  des  Verfassers,  als  auf  sorgfältige, 
vergleichende  Versuche  gestützt  zu  sein  scheinen,  sind  indessen  in  der  frag- 
lichen Abhandlung  einige  richtige  Beobachtungen  vorhanden.  Insbesondere 
ist  als  werthvoll  die  Bemerkung  zu  erwähnen,  dass  die  Säule  viel  stärkere 


1  Gillert's  Ann.  10,  24.  1802. 
Ostwald,  Elektrochemie.  20 


306  Zehntes  Kapitel. 


t3 


»i 


Oxydation  erfährt  und  viel  mehr  Sauerstoff  absorbirt,  wenn  sie  geschlossen, 
als  wenn  sie  offen  ist.  Die  Irrthümer,  in  welche  Biot  gerathen  war,  lassen 
sich  leicht  erklären:  Es  sind  falsche  Anwendungen  der  für  die  Vertheilung 
der  statischen  Elektricität  auf  Leitern  eben  entwickelten  allgemeinen  Gesetfe' 
Bedenklich  ist  nur  die  Sorglosigkeit,  mit  welcher  diese  an  sich  richtigen  und 
wichtigen  Beziehungen  angewendet  wurden,  ohne  dass  eine  ernste  Prüfung,  p 
ob  die  Anwendung  zulässig  ist,  durchgeführt  worden  wäre.  b 

Nachdem  Volta  in  Paris  vor  dem  Institut  seinen  Vortrag  (S.   134)  ge-  ■ ..: 
halten  hatte,  änderte  Biot  seine  Meinung  von  dem  Einflüsse  der  Oxydation  "^ 
auf  die  Elektricitätserregung  in  der  Kette.    Er  maass  l  mittelst  der  Coulomb'-  b 
sehen  Drehwage  (S.  93)   die  Spannung  verschiedener  Säulen,  deren  Platten  'c 
an   Zahl    und  Beschaffenheit   gleich  waren,   die  aber   verschiedene  Flüssig- 
keiten enthielten,  und  fand  ziemlich  bedeutende  Verschiedenheiten.    Um  sich  : 
zu   überzeugen,    ob  dies  von  der  Verschiedenheit  der  Oxydation  herrühre,   : 
stellte  er  folgende  seltsame  Überlegung  an.     Wurden  die  Enden  der  Säule  : 
durch  einen  Draht  verbunden,  so  gab  die  Säule  keinen  Ausschlag  am  Elektro-   ; 
meter,  wie  bekannt.    Da  dabei  der  elektrische  Strom  und  die  entsprechende   ; 
Oxydation   immer  fortdauerte,  so  erwartete  Biot,   diese  Elektricität  in  dem 
verbindenden  Drahte  zu   finden.     Er  hob  daher  diesen  ab,    prüfte  ihn  am 
Elektrometer,  das  wie  gewöhnlich  mit  dem  Condensator  verbunden  war,  und 
fand  natürlich  keine  merkliche  elektrische  Ladung  in  dem  Drahte.    Er  schliesst 
daher:    „Muss    auch  gleich    die  Oxydation    in   Volta's  Säule    gewiss   etwas 
Elektricität  entwickeln,  so  ist  doch  das  Resultat  dieser  Ursache  ganz  unver- 
gleichbar mit  dem,  was  die  Berührung  verschiedener  Metalle  . . .  hergiebt." 

Auch  für  diese  Arbeit  Biot's  gilt  die  Bemerkung,  welche  Gilbert  zu 
einer  früheren  gemacht  hatte,  dass  das  Ergebniss  mehr  durch  eine  vorge- 
fasste  Meinung,  als  durch  sorgsame  Beobachtung  entstanden  ist.  Derartige 
Dinge  sind  um  so  bedenklicher,  wenn  sie,  wie  in  diesem  Falle,  mit  dem  An- 
scheine grösster  Genauigkeit  auftreten;  Biot  hat  vorher  ganz  eingehend  ge- 
schildert, wie  man  die  Berührung  des  Condensators  mit  der  Säule  einrichten 
müsse,  um  vergleichbare  Resultate  zu  erlangen,  und  hat  durch  diese  Sorg- 
falt der  äusseren  Versuchsanordnung  sich  und  gewiss  auch  viele  Andere 
über  die  bedenkliche  Beschaffenheit  der  Schlüsse,  die  er  aus  diesen  genauen 
Versuchen  zog,  getäuscht. 

Einige  Zeit  später  erschien  die  ausfuhrliche  Abhandlung  Biot's,2  welche 
denselben  Gedankengang  in  grösserer  Ausdehnung  enthält.  Von  einigem 
Werth  ist  der  bei  dieser  Gelegenheit  erbrachte  messende  Nachweis,  dass  die 
Grösse  der  Platten  keinen  Einfluss  auf  die  Spannung  hat.  Mittelst  dreier 
Säulen  aus  je  16  Paaren,  deren  feuchte  Scheiben  mit  Alaunlösung  getränkt 
waren,  und  die  in  allem  übereinstimmten,  ausser  dass  ihre  Oberflächen  sich 
wie  1:3,1  :  153,2  verhielten,  wurden  an  der  Drehwaage  unter  Vermittelung 
des  Condensators  folgende  Ausschläge  beobachtet: 

■  '  —  • 

1  Bull,  des  Sc.  Nr.  76.  S.  120.  —  Gilbert's  Ann.  15,  90.   1803. 
*  Ann.  d.  chimie  47,   1.   1804.  —  Gilbert's  Ann.  18,   129.  1804. 


Elektrochemische  Theorieen. 


307 


I-  74,  73,  76,  76,  76,  75,  73,  77  ...    .    Mittel  75,0 
IL  72,  70,  71,  70,  71,  73,  72,  73,  73     .    .        „      71,7 

m.  71,  71,  72,  72,  72,  72 „      71,7. 

s  Zahlen  der  drei  Reihen  stimmen  genügend  überein.  Zwar  hatte  Volta 
hst  schon  den  Satz  über  die  Unabhängigkeit  der  Spannung  von  der  Grösse 
r  Berührungsfläche  ausgesprochen,  doch  lagen  bis  dahin  genauere  Mes- 
ngen  nicht  vor. 

7.  Die  Theorie  der  galvanischen  Zerlegung.  Es  ist  an  verschie- 
den Stellen  schon  hervorgehoben  worden,  in  welch  hohem  Maasse  das 
strennte  Auftreten  der  Zersetzungsproducte  bei  der  galvanischen  Zerlegung 
a*  Stoffe  dem  Verständniss  Schwierigkeiten  entgegensetzte.  Die  verschie- 
enen  dafür  aufgestellten  Theorien  wetteiferten  mit  einander  an  Unwahr- 
iieinlichkeit,  und  keine  von  ihnen  war  von  ernstlichsten  Einwänden  frei. 
^enn  in  der  Folge  das  Gefühl  für  die  hier  vorhandene  Lücke  mehr  und 
lehr  verschwand,  so  war  das  nicht  das  Ergebniss  einer  allmählich  entwickelten 
efriedigenden  Anschauung,  als  vielmehr  das  Ergebniss  der  Resignation  einem 
Voblem  gegenüber,  das  sich  auf  keine  Weise  lösen  lassen  wollte.  Und  als 
chliesslich  doch  eine  Anschauung  zur  allgemeinen  Geltung  kam,  so  ver- 
lankte  sie  das  nicht  sowohl  ihrer  unbedingten  Vortrefflichkeit,  als  weil  sie 
intcr  allen  wenigstens  die  relativ  beste  war. 

Der  Mann,  welcher  die  Vorstellung  von  der  elektrochemischen  Zerlegung 
geliefert  hatte,  die  länger  als  ein  halbes  Jahrhundert  die  vorherrschende  war, 
st  Ch.  J.  D.  Freiherr  von  Grothuss. 

Dem  baltischen  Schriftstellerlexicon  von  Recke  und  Napierski1  entnehme 
ch  folgende  Angaben  über  das  Leben  dieses  merkwürdigen  Mannes. 

„Während  einer  Reise,  die  seine  Eltern  nach  dem  Auslande  unternommen 
natten,  kam  er  in  Leipzig  am  20.  Januar  1785  zur  Welt.  Sein  Vater  .... 
wurde  wenige  Tage  nach  der  Geburt  seines  Sohnes  durch  seinen  Freund 
Chr.  F.  Weisse  angenehm  überrascht,  indem  dieser  ihm  eine  für  den  Neu- 
geborenen ausgefertigte  Matrikel  der  Universität  Leipzig  als  Pathengeschcnk 
zusandte,  und  dabei  meldete,  dass  der  Name  des  jungen  Musensohnes  mit 
dem  Epithet  Lipsiensis  in  das  Verzeichniss  der  Studirenden  eingetragen  wor- 
den. Ganz  kurze  Zeit  nach  erfolgter  Rückkehr  nach  Kurland  (wo  seine  Fa- 
milie in  Gross-Berken  ansässig  war)  verlor  der  kaum  anderthalbjährige  Knabe 
seinen  Vater,  wurde  nun  bis  zu  seinem  17.  Jahre  auf  dem  der  Mutter  ge- 
hörigen Landgute  in  Kurland  erzogen  . . .  wenngleich  die  erwählte  Erziehungs- 
weise seiner  Wissbegier  eben  nicht  angemessen  war.  .  .  .  Sehr  frühzeitig  ent- 
wickelte sich  bei  ihm  der  Hang  zur  Naturwissenschaft.  Noch  im  Knabenalter, 
in  massigen  Stunden  oft  mit  Zeichnen  und  Malen  beschäftigt,  ohne  jedoch 
Unterricht  darin  erhalten  zu  können,  gerieth  er,  weil  es  ihm  auf  dem  Lande 
nicht  selten  an  den  nöthigen  Farben  fehlte,  auf  den  Gedanken,  sich  diese 


1  Allgemeines  Schriftsteller-  und  Gelehrten-Lexikon  der  Provinzen  Livland,    Estland   und 
Kurland,  von  J.  F.  von  Recke  und  K.  E.  Napierski.  2,  120.  1829. 


20* 


308  Zehntes  Kapitel. 


theils  aus  Pflanzenstoffen,  theils  aus  Metallsalzen  selbst  zu  bereiten.  ...   Er 
durfte  sich  indess  mit  seinen  chemischen  Versuchen    nur  im  Geheimen  be- 
schäftigen, denn  sein  damaliger  Lehrer,  der  für  diese  Wissenschaften  keinen  j-r 
Sinn  hatte,  ja  sie  nicht  einmal  von  der  Alchemie  zu  unterscheiden  wusste,  t\ 
untersagte  ihm  nicht  nur  das  Experimentiren,  sondern  nahm  ihm  einst  auch  ij 
seine  sämmtliqhen  Präparate  und  vernichtete  sie.    Der  Knabe  fühlte  sich  dar  .?; 
durch   schmerzich    verwundet   und    beschloss   fest   bei  sich,   sein  Lieblinge  •: 
Studium,   sobald  sein  Jünglingsalter  ihm  die   dazu    nöthige  Freiheit   ertheüt  ^ 
haben  würde,  mit  desto  grösserem  Eifer  fortzusetzen.     Im  17.  Jahre   erhielt  ?* 
er  J.  A.  Brennecke  zum  Lehrer.  .  .  .    Dieser  Unterricht  dauerte  jedoch  kein   z 
volles  Jahr;    denn    1803  ging  Grothuss  schon  nach  Leipzig,   wo   er  sechs  - 
Monate  hindurch  die  Vorträge  Hindenburg's  und  Beck's  benutzte  . .  .  von  wo   j 
er  noch  vor  Ablauf  des  Jahres  nach  Paris  eilte.    Wirklich  fand  er  hier  volle    ? 
Nahrung  für  seine  Wissbegier.     Er  erhielt   gleich  nach  seiner  Ankunft  die    ; 
Erlaubniss  zur  Benutzung  der  damals  vortrefflich  organisirten  polytechnischen    * 
Schule,  und  hatte  das  Glück,  die  besten  Köpfe  Frankreichs  zu  Lehrern  zu    , 
haben.     Er  hörte  hier  Berthoi,let,    Vauquelin,    Hauv,   Halle,   Hassenfratz,    . 
Desfontaines,    und  vor   allen   den  damals    noch   lebenden  Foucroy,   dessen    . 
mündlichem  Vortrage  er  nachrühmte,   dass  er  womöglich  noch  klarer,  ele- 
ganter, belebender  und  anziehender  gewesen  sei,  als  sein  schriftlicher.  ...  Im    , 
September,  als  ein  Krieg  zwischen  Frankreich  und  Russland  auszubrechen    , 
drohte,  war  er  gezwungen,  Paris  zu  verlassen.  ...  Er  eilte  nach  Neapel,  wo 
er  sich  bis  zu  Ende  des  Jahres  1805  aufhielt,  und  das  Glück  hatte,  zweien 
der  fürchterlichsten  Eruptionen  des  Vesuv  .  .  .  beizuwohnen.     Auf  Bitte  des 
als  gelehrter  Arzt  bekannten  Engländers  Thomson,  den  er  in  Neapel  kennen 
lernte,    musste  er  mit  Hülfe  einer  diesem  gehörenden  kleinen  galvanischen 
Maschine  die  damals  viel  Aufsehen  erregenden  Versuche  des  Professors  Pac- 
chiani  (S.  221)  ....  wiederholen.     Grothuss  fand  bei  sorgfältig  angestelltem 
Versuch  zwar  keine  Salzsäure,    wohl  aber  andere  interessante  Phänomene, 
die  er  in  seiner   gegen   den  Schluss  des  Jahres  1805   in  Rom   gedruckten 
Schrift  kurz  beschrieben  hat.     Der  zweite  Theil  derselben  enthält  zugleich 
die  Auseinandersetzung  einer  einfachen  und  später  allgemein  angenommenen 
Theorie  der  galvanischen  Wasseranalysis,  *   ein  Problem,  das  bis  dahin  allen 
Physikern  mit  der  Theorie  Lavoisiers  ganz  unvereinbar  schien.     Bei  seinem 
zweiten  Aufenthalt  in  Rom  beschäftigte  er  sich  vorzüglich  mit  Mathematik. . . . 
Im  Herbst  1806  ging  er  zum  zweiten  Male  nach  Paris.     Auf  der  Reise  da- 
hin plünderte  ihn  eine  Räuberbande  zwischen  Mailand  und  Turin  zur  Nacht- 
zeit völlig  aus,  und  beraubte  ihn  . .  .  was  ihn  am  meisten  schmerzte,  seiner 
naturhistorischen  Sammlungen.     Er  musste  sich  glücklich  schätzen,  der  Er- 
mordung entgangen  zu  sein.  ...  Im  Herbst  1807  trat  er  die  Rückreise  an. . .  • 
Er  beschäftigte  sich  nun  auf  seinem  mütterlichen  Erbgute  Geddutz  eifrig  mit 

1  Es  ist  die  Schrift,  durch  welche  der  Name  Grothuss'  vor  allem  berühmt  wurde,  und 
die  den  grössten  Einfluss  auf  die  theoretischen  Vorstellungen  über  Elektrolyse  ausgeübt  hat 
Weiter  unten  wird  eine  vollständige  Obersetzung  dieser  Abhandlung  mitgetheilt  werden. 


Elektrochemische  Theorieen. 


309 


der  Landwirthschaft,  verwandte  aber  die  Zeit  seiner  Müsse  ununterbrochen 
auf  chemische  Forschungen.    Hier  auf  dem  Lande,  in  einem  abgelegenen 
Winkel  an  der  litthauischen   Grenze,   grösstenteils   von  jeder  litterarischen 
Verbindung     und   oft  selbst   von   den    unentbehrlichsten   Hilfsmitteln   abge- 
schnitten,  schrieb  er  . . .  fest  alle  seine  Abhandlungen  .  .  .  und  bewies  da- 
durch, dass  man  fast  ohne  allen  Apparat,  nur  mit  gehörigem  Nachdenken, 
die  Natur   auf  die  einfachste  Art  dergestalt  ausforschen  und  befragen  kann, 
dass  sie  gleichsam  gezwungen  wird,  dem  Experimentator  über  ihre  geheimsten 
Wirkungen  Rede  und  Antwort  zu  geben.     Seit  Jahren  litt  er  unsäglich  an 
einem  keinem   Mittel  weichenden  organischen  Fehler  des  Unterleibes.     Das 
Übel  nahm  mit  jedem  Tage  zu,  und  erreichte  endlich  einen  solchen  Grad, 
dass  er  zu  dem  Entschluss  gebracht  Wurde,  den  Faden  seines  Lebens  rasch 
und  freiwillig  zu  zerreissen.    Er  starb  am  14.  März  a.  St.  (26.  März}  1822  auf 
dem  Gute  Geddutz  im  wilnaisch- litthau ischem  Gouvernement,   hart   an   der 
kurlandischen  Grenze." 

Die  Arbeiten,  welche  v.  Grothuss  unter  so  ungünstigen  Umständen  aus- 
geführt hat,  zeugen  von  einer  bemerkenswerthen  Selbständigkeit  des  Denkens 
und  einer  grossen  Unabhängigkeit  seiner  wissenschaftlichen  Wege  denen  seiner 
Zeitgenossen  gegenüber.  Man  darf  kaum  zweifeln,  dass  er  unter  günstigeren 
Verhaltnissen  sich  zu  einem  der  hervorragenderen  Forscher  jener  Zeit  ent- 
wickelt haben  würde.  Noch  jetzt  sind  seine  Arbeiten,  die  zum  grossen  Theile 
in  dem  Journal  für  Chemie  und  Physik  abgedruckt  sind,  eine  Quelle  be- 
merkenswerther  und  anregender  Beobachtungen. 

Die  Arbeit,  mit  der  sein  Name  vor  allem  verknüpft  ist,  wurde  im 
Jahre  1805  in  Rom  unter  dem  Titel:  Memoire  sur  la  döcomposition  de 
Peau  et  des  corps,  qu'elle  tient  en  dissolution,  ä  Paide  de  Pelec- 
tricite  galvanique  gedruckt;  eine  zweite  Ausgabe  erfolgte  im  nächsten 
Jahre  in  Mitau.  Am  zugänglichsten  ist  sie  in  den  Annales  de  Chimie,  58, 
54.  1806.  Grothuss  war  nicht  älter  als  zwanzig  Jahre,  als  er  diese  Abhand- 
lung veröffentlichte,  welche  seinen  Namen  dauernd  mit  der  Geschichte  der 
Elektrochemie  verknüpfen  sollte. 

Nachstehend  ist  die  Arbeit  vollständig  wiedergegeben.  Wenn  auch  die 
im  ersten  Theile  beschriebenen  Erscheinungen  keine  besondere  Bedeutung 
an  sich  beanspruchen,  so  sind  sie  doch  von  Interesse,  da  sie  den  Weg  an- 
geben, auf  welchem  Grothuss  zu  seiner  Idee  gelangt  ist. 

„Erstes  Kapitel.  Wirkung  der  galvanischen  Elektricität  auf 
einige  in  Wasser  gelöste  Stoffe. 

,,l)  Ohne  mich  bei  der  Erörterung  einer  Menge  Hypothesen  aufzuhalten, 
die  zur  Erklärung  der  Zersetzung  des  Wassers  durch  den  elektromotorischen 
Apparat  erdacht  worden  sind,  werde  ich  eine  allgemeine  Theorie  der  Zer- 
setzung der  Flüssigkeiten  durch  die  galvanische  Elektricität  mittheilen,  welche 
mir  die  Wirkungen  derselben  auf  eine  einfache  und  befriedigende  Erklärung 
zurückzuführen  scheint  Ich  bin  durch  die  folgenden  Beobachtungen  auf 
diese  Theorie  geführt  worden. 


ojq  Zehntes  Kapitel. 


„2)  Lässt  man  durch  eine  gesättigte  Metallsalzlösung  einen  Strom  gal- 
vanischer Elektricität  fliessen,  dessen  Intensität  der  von  der  Flüssigkeit 
zwischen  den  Enden  der  Leitungsdrähte  eingenommenen  Strecke  proportional 
ist,  so  beobachtet  man  Erscheinungen,  die  selbst  für  den,  der  sich  in  ihre 
Ursachen  nicht  versenken  will,  interessant  sind.  Am  Ende  des  Drahtes,  der 
mit  der  Zinkscheibe  in  Verbindung  steht,  entwickelt  sich  Sauerstoff,  während 
an  dem  mit  der  Kupferscheibe  verbundenen  Drahte  das  Metall  redücirt  wird,  : 
wobei  es  eine  symmetrische  Anordnung  annimmt,  welche  sich  in  der  Rieh-  v 
tung  des  galvanischen  Stromes  erstreckt.  -- 

„3)  Diese  Anordnung  ist  nichts,  als  eine  unvollkommene  Krystallisation  - 
der  metallischen  Molekeln,  völlig  ähnlich  der,  die  man  unter  dem  Namen  : 
der  metallischen  Bäume  kennt,  und  welche  sich  bilden,  wenn  man  ein  Metall  - 
durch  ein  anderes  aus  seiner  Lösung  fällt.  Die  Alten  fügten  dem  Namen  ■' 
arbor  den  des  Gottes  hinzu,  welchem  das  Metall  geheiligt  war;  daher  die  : 
Benennung  arbor  Dianae,  arbor  Martis,  arbor  Veneris  u.  s.  w.  Von  allen  • 
Erscheinungen,  welche  uns  der  Galvanismus  darbietet,  ist  keine  so  schön  : 
und  interessant,  als  eine  derartige  Vegetation,  welche  sich  unter  unseren 
Augen  bildet  und  uns  bald  das  Bild  eines  schönen  Baumes  bietet,  der  mit 
seinem  Laubwerk  versehen,  und  mit  Metallglanz  geschmückt  ist. 

„4)  Wollaston,  ein  berühmter  englischer  Physiker,  hat  bereits  gesehen, 
dass  bei  der  Herstellung  eines  elektrischen  Stromes  in  der  Lösung  eines 
Metalls,  dieses  sich  an  der  Seite  des  negativen  Leiters  redücirt  findet;  ich 
weiss  aber  nicht,  ob  er  auch  bemerkt  hat,  dass  es  fähig  ist,  eine  symme- 
trische Anordnung  anzunehmen,  wenn  die  Wirkung  stark  genug  ist,  und 
einige  Zeit  gedauert  hat. 

„5)  Alle  gelösten  Metalle  werden  nicht  durch  die  galvanische  Elektricität 
zersetzt.  Aus  Mangannitrat  erhielt  ich  Gasblasen  am  negativen  Pol,  statt 
eines  metallischen  Niederschlages;  es  scheint,  dass  wenn  unter  gleichen  Um- 
ständen das  gelöste  Metall  mehr  Affinität  zum  Sauerstoff  hat,  als  der  Wasser- 
stoff, das  Wasser  allein  zersetzt  wird. 

„6)  Während  der  Bildung  des  Metallbaumes  sieht  man  kein  Gas  sich 
entwickeln;  darum  schliesse  ich,  dass  sich  der  nascirende  Wasserstoff  mit 
dem  Sauerstoff  des  Metalloxyds  verbindet,  oder  dass  die  Wirkung  allein  auf 
die  Oxyd,  und  nicht  auf  das  Wasser  stattfindet.  Der  letztere  Schluss  muss 
der  richtige  sein,  weil  man  nicht  annehmen  kann,  dass  der  Wasserstoff  den 
Oxyden  des  Zinks  und  Eisens  den  Sauerstoff  vollständig  entziehen  kann, 
oder  gewissen  Säuren  ihr  Gelöstes,  da  in  ihnen  die  beiden  Metalle  nicht 
anders  gelöst  sind,  als  nachdem  sie  eine  dieser  Annahme  entgegengesetzte 
Wirkung,  die  Zersetzung  des  Wassers,  hervorgebracht  haben. 

„71  Von  allen  Metallsalzen,  die  ich  der  Wirkung  des  elektromotorischen 
Apparates  unterworfen  habe,  haben  das  Bleiacetat  und  das  salzsaure  Zinn 
mir  die  schönsten  Vegetationen  gegeben.  Die  des  Bleies  ahmt  die  Gestalt 
des  Farrenkrautes  nach;  auf  den  Verzweigungen  des  Zinns  habe  ich  oft  mit 
der  Lupe  oktaedrische  Krystalle  bemerkt.     Es  ist  bemerkenswert!!,  dass  die 


i 


Elektrochemische  Theorieen.  3  j  j 


Verzweigung  sich  stets  nach  dem  positiven  Pole  richtet,  welches  auch  die 
gegenseitige  Stellung  der  beiden  Pole  sei,  und  dass  sie  daher  stets  im  Sinne 
des  elektrischen  Stromes  geht  Das  Wachsthum  eines  Metalles  durch  die 
Elektricität  scheint  in  gewisser  Art  das  der  natürlichen  Pflanzen  nachzuahmen, 
die  sich  beständig  nach  dem  Lichte  drehen,  und  durch  die  Berührung  mit 
diesem  Sauerstoff  entwickeln  lassen. 

„8;  Hat  sich  der  Metallbaum  bis  auf  eine  kleine  Entfernung  vom  posi- 
tiven Pole  erstreckt,  so  hört  sein  Wachsthum  auf,  da  seine  nach  allen  Rich- 
tungen zertheilten  Blätter  die  elektrische  Wirkung  vernichten,  indem  sie  wie 
eine  Unzahl  von  Spitzen  wirken.  Es  scheint  sogar,  dass  bei  einer  zu  grossen 
Annäherung  der  Pole  jeder  die  elektrische  Flüssigkeit  vom  anderen  aufnehmen 
kann,  denn  zuweilen  haben  die  Spitzen  der  Verzweigungen  angefangen,  sich 
zu  oxydiren,    während   am   positiven   Pole  Desoxydation   stattfand.     Es   ist 
wahrscheinlich,  dass  wenn  die  beiden  Enden  der  leitenden  Drähte  sehr  spitz 
sind  und  sich  in  einer  Wassermasse  sehr  nahe  gegenüber  stehen,   die  von 
der  Zersetzung  herrührenden  Gase  mit  einander  vermischt  entstehen  werden. 
Hier  ist,  wenn  ich  mich  nicht  täusche,   eine  Analogie  der  Wasserzersetzung 
durch  die  Elektrisirmaschine  mit  der  durch  die  VourA'sche  Säule  vorhanden. 
„9)    Wenn  der  Strom  der   galvanischen  Elektricität  auf  reines  Wasser, 
oder  solches  wirkt,   das  mit  irgend  einer  löslichen  Substanz  beladen  ist,   so 
zieht  der  positive  Pol  das  oxydirende  Princip  an,  während  der  negative  Pol 
das  oxydirte  Princip  der  Flüssigkeit  anzieht.     Ist  das  Verhältniss   der  Be- 
standteile desselben  veränderlich,   so  wird  es  am  Ende  des  mit  dem  Zink 
in  Verbindung  stehenden  Drahtes  oxydirt,    und  am  Ende  des  Drahtes,  der 
mit  dem  Kupfer  verbunden  ist,  desoxydirt.   Folgendes  sind  die  Beweise  dafür: 
„10;  Die  Salzsäure  wird  am  positiven  Pole  dermassen  oxydirt,  dass  sie 
die  Fähigkeit  erhält,  Gold  aufzulösen,  das  sich  am  Ende  des  leitenden  Drahtes 
befindet.  Schwefelsäure  und  Salpetersäure  werden  durchsichtig,  und  erscheinen 
in  der  Nahe  desselben  Poles  so  mit  Sauerstoff  übersättigt,  dass  sie  in  diesem 
Zustande  der  Oxydation  Wirkungen  hervorbringen  zu  können  scheinen,  die 
uns  noch  nicht  bekannt  sind.1     Am  negativen  Pole   lässt  die  Salzsäure  sehr 
viel  Gas  entweichen,2   die  Schwefelsäure  giebt  einen  starken   Geruch   nach 
schwefliger  Säure  und  scheidet  Schwefel  ab,  die  Salpetersäure  geht  in  sal- 
petrige Säure  über  und  nimmt  eine   blaue  Farbe  an.     Wechselt  man  dann 
die  beiden  Pole  derart,  dass  jeder  von  ihnen  an  den  Ort  gelangt,  den  vorher 
der  andere  einnahm,   so  geht  jeder  Theil  der  Säure  allmählich   in    seinen 
früheren  Zustand  über,  und  die  Wirkungen  beginnen  von  Neuem. 


1  ..In  diesem  Oxydationsgrade  scheint  die  Schwefelsäure  im  Stande  zu  sein,  Gold  aufzu- 
lösen; wenigstens  hat  die,  welche  zu  meinen  Versuchen  gedient  hat,  eine  gelbe  Farbe  ange 
Doramen,  während  sie  das  Ende  des  Golddrahtes  aufgelöst  hat,  an  dem  sich  der  Sauerstoff  ent- 
wickelte. Als  ich  in  dies  Goldsulfat  eine  Lösung  des  grünen  Eisensulfats  goss,  bildete  sich  ein 
Niederschlag,  der  dem  Schwefelgold  (sulfure  d'or)  ähnlich  war." 

*  „Es  wäre  interessant,  zu  untersuchen,  ob  dies  Gas  nicht  theilweise  von  der  Zersetzung 
der  Säure  herrührt." 


o|2  Zehntes  Kapitel. 


„ii)  Eine  Lösung  von  salzsaurem  Zinn,  durch  die  man  einen  galvanischen  h 
Strom  leitet,  lässt  allmählich  ein  weisses  Pulver  fallen,  das  vom  positiven  i 
Pol  kommt.  Wird  dieser  Niederschlag  in  Salzsäure  wieder  aufgelöst  und  mit  j? 
Ätzsublimat  versucht,  so  färbt  er  dieses  weiss,  während  die  Flüssigkeit  am  h 
negativen  Pole  es  schwarz  färbt  Das  salzsaure  Zinn  ist  daher  an  dem  Ende 
des  Drahtes,  welcher  die  Sauerstoffentwickelung  giebt,  stärker  oxydirt  worden,    i 

„12)  Nach  einer  längeren  Einwirkung  der  galvanischen  Elektricität  auf  ; 
eine  Lösung  von  Eisensulfat  hat  sich  diese  getrübt,  und  am  positiven  Pole  ! 
eine  rothe  Färbung  angenommen.  Ich  habe  mich  überzeugt,  dass  sie  ab*  : 
dann  ein  sehr  stark  oxydirtes  schwefelsaures  Eisenoxyd  enthielt,  indem  sie  j 
mit  Blutlaugensalz  alsbald  einen  schönen  Niederschlag  von  Preussischbtau  ? 
gab,  während  der  Theil  der  Flüssigkeit,  welcher  den  negativen  Pol  umgab, 
mit  demselben  Blutlaugensalz  nur  einen  grünlich-weissen  Niederschlag  erzeugte. 

„13)  Wird  Molybdänsäure  in  concentrirter  Schwefelsäure  gelöst,  so  giebt 
die  eine  sehr  schön  blaue  Lösung,  welche  sich  jedesmal  entfärbt,  wenn  man 
die  Lösung  erhitzt.  Setzt  man  sie  der  VoLTA'schen  Säule  aus,  so  wirkt  die 
Glaselektricität  wie  die  Wärme,  während  die  Harzelektricität  ähnlich  wie  die 
Kälte  wirkt;  am  positiven  Pole  wird  die  Flüssigkeit  allmählich  durchsichtig  und 
die  Molybdänsäure  wird  in  Gestalt  eines  weissen  Pulvers  gefällt,  während  sie 
um  den  negativen  Pol  eine  immer  dunklere  und  zugleich  schmutzigere  Farbe 
annimmt.  Wechselt  man  dann  die  Stellung  der  Pole  ...  so  sieht  man  das 
entgegengesetzte  eintreten:  der  klare  Theil  wird  blau,  und  der  bteue  wird 
farblos. 

„14)  Übt  der  galvanische  Strom  lange  Zeit  seine  Wirkung  auf  das  Salz 
einer  Erde  aus,  so  wird  die  Basis  desselben  allmählich  um  das  Ende  des 
Drahtes  gefällt,  welcher  die  negative  Elektricität  besitzt  Diese  Niederschläge 
scheinen  mir  nicht  daher  zu  rühren,  dass  das  Salz  durch  das  Alkali  gefallt 
wird,  welches  an  diesem  Punkte  in  unendlich  kleiner  Menge  entsteht;  viel- 
mehr nehme  ich  an,  dass  die  Säure  des  Salzes  zerstört  oder  besser  zersetzt 
wird,  woher  es  kommt,  dass  die  Basis  frei  wird. 

„Die  Glasröhren,  welche  zur  Aufnahme  der  Lösungen  in  den  beschrie- 
benen Versuchen  gedient  hatten,  zeigten  sich  oft  mit  einem  metallischen 
Überzug  bedeckt,  welcher  auf  die  Glasoberfläche  im  Röhreninneren  aufge- 
schmolzen schien,  und  welcher  von  den  Metalltheilchen  stammte,  die  durch 
die  Wirkung  des  Apparates  von  den  Leitungsdrähten  losgelöst  waren:  so 
zeigten  sich,  wenn  die  Metallenden  aus  Gold  oder  Silber  bestanden,  die 
Röhren  vollkommen  vergoldet  oder  versilbert. 

„Zweites  Kapitel.  Theorie  der  Zersetzung  der  Flüssigkeiten 
durch  die  galvanische  Elektricität 

„15)  Die  Zersetzung  des  Wassers  durch  den  elektromotorischen  Apparat 
beansprucht  seit  langer  Zeit  den  Scharfsinn  cfcr  Chemiker  und  Physiker, 
denen  die  Erscheinung  ein  schwierig  zu  lösendes  Problem  darbot,  wenn  sie 
mit  der  Theorie  bezüglich  der  Natur  des  Wrassers  in  Einklang  gebracht 
werden  soll.     Es  handelt  sich  zunächst  darum,   zu  wissen,   ob  die   beiden 


Elektrochemische  Theorieen. 


313 


Produkte  an  den  Polen  von  derselben  Molekel  Wasser  herrühren  oder  von 
verschiedenen;  im  letzteren  Falle  fragt  man,  was  aus  dem  Wasserstoff  an 
dem  Orte  geworden  ist,  wo  man  nichts  als  Sauerstoff  bemerkt,  und  was 
umgekehrt  aus  dem  Sauerstoff  an  der  Stelle  wird,  wo  nur  Wasserstoff 
anftritt? 

„16)  Die  Säule  Volta's,  welche  das  Genie  ihres  Erfinders  unsterblich 
macht,  ist  ein  elektrischer  Magnet,  von  dem  jedes  Element  (d.  h.  jedes  Platten- 
paar) seinen  positiven  und  seinen  negativen  Pol  besitzt  Die  Betrachtung 
«fieser  Polarität  hat  in  mir  die  Idee  hervorgerufen,  dass  eine  ähnliche  Polarität 
sich  zwischen  den  Molekeln  des  Wassers  ausbilden  könne,  wenn  dieses  von 
dem  gleichen  elektrischen  Agens  beeinflusst  wird;  und  ich  muss  gestehen, 
dass  dies  für  mich  ein  Lichtstrahl  war. 

„17)  Nehmen  wir  also  an,  dass  im  Augenblicke  des  abgesonderten  Ent- 
stehens des  Wasserstoffes  und  des  Sauerstoffes  zwischen  diesen  beiden  Stoffen, 
sei  es  durch  ihre  Berührung,  sei  es  durch  die  gegenseitige  Reibung,  eine 
Theilung  ihrer  natürlichen  Elektricität  stattfindet,  so  dass  der  erste  den 
positiven,  der  andere  den  negativen  Zustand  annimmt,  so  folgt,  dass  der 
Pol,  von  dem  sich  fortwährend  die  Harzelektricität  entwickelt,  den  Wasser- 
stoff anziehen  und  den  Sauerstoff  abstossen  wird,  während  der  mit  Glas- 
dektricität  ausgestattete  Pol  den  Sauerstoff  anziehen  und  den  Wasserstoff 
abstossen  wird.1  Wenn  daher  der  galvanische  Strom  einen  Antheil  Wasser 
durchtritt,  so  wird  jedes  seiner  Bestandteile  sowohl  von  einer  anziehenden, 
wie  von  einer  abstossenden  Kraft  getrieben,  deren  Wirkungscentra  sich  ein- 
ander entgegengesetzt  befinden,  und  welche  durch  ihre  in  gleichem  Sinne 
erfolgende  Wirkung  die  Zersetzung  dieser  Flüssigkeit  bestimmen. 

„18)  Die  Wirkung  jeder  Kraft,  bezüglich  einer  Wassermolekei,  die  sich 
im  Wege  des  galvanischen  Stromes  befindet,  verhält  sich  umgekehrt,  wie 
das  Quadrat  des  Abstandes,  in  welchem  sie  ausgeübt  wird.  Da  aber  die 
Entfernung  einer  beliebigen  Molekel,  die  sich  zwischen  den  beiden  Wirkungs- 
centren befindet,  nie  bezüglich  des  einen  kleiner  werden  kann,  ohne  in 
gleichem  Verhältniss  bezüglich  des  anderen  zuzunehmen,  so  ist  jedes  Ele- 
ment einer  solchen  Molekel  durch  eine  constante  Kraft  angegriffen,  welche 
von  der  anziehenden  und  der  abstossenden  Kraft  herrührt2 

„Die  Wirkung  der  Abstossung  ist  nicht  merklich,  obwohl  sie  wirklich 
existirt,  wegen  der  Wechselwirkung  der  in  Berührung  befindlichen  Atome, 
durch  welche  eine  Wiederverbindung  derjenigen,  welche  von  den  galvanischen 
Polen  zurückgestossen  werden,  erfolgt. 

„19)  Wir  betrachten  nunmehr  eine  gewisse  Menge  Wasser,  welche  aus 


1  „Mit  Rücksicht  auf  die  Verschiedenheit  der  Stoffe,  die  sich  am  negativen  Pole  absetzen, 
ist  es  vielleicht  richtiger,  nur  eine  auf  den  Sauerstoff  wirkende  anziehende  und  abstossende  Kraft 
aramehmen,  ohne  eine  solche  den  Polen  bezüglich  des  Wasserstoffes  zuzuschreiben." 

'  „Ich  nehme  an,  dass  jede  Kraft  die  gleiche  Intensität  hat,  was  thatsächlich  stattfinden 
ftoss,  wenn  keiner  der  Pole  des  elektromotorischen  Apparates  Elektricität  anders  aufnehmen  kann, 
als  auf  Kosten  des  anderen." 


> 


314  Zehntes  Kapitel. 


Sauerstoff,  der  durch  das  negative  Zeichen  (— )  dargestellt  ist,  und  aus 
Wasserstoff  mit  dem  positiven  Zeichen  (+)  besteht  (Fig.  96).  In  dem  Augen- 
blicke, dass  man  in  diesem  Wasser  einen  galvanischen  Strom  herstellt,  macht 
sich  die  elektrische  Polarität  zwischen  den  Atomen  geltend,   so   dass  diese  L 

ein  Complement  der  wirkendes  r 
Säule  darstellten.  Gleichzeitig  werden  l 
alle  Sauerstoffatome,  die  sich  auf  dem  , 
Wege  des  Stromes  befinden,  eine  ., 
Tendenz  zur  Bewegung  nach  dem  ;, 
positiven  Pole  erhalten,  während  alle  j. 
auf  der  gleichen  Bahn  belegenen  ., 
Wasserstoffatome  nach  dem  negativen  c 
Pole  zu  gelangen  suchen  werden. 

„Daraus   folgt,   dass,    wenn   die  ; 

Fig.  96.    Nach  Grothuss.  durch  oh  dargestellte  Molekel  Wasser 

ihren  Sauerstoff  o  an  die  Glaselek- 
tricität  des  +  Drahtes  abgiebt,  der  Wasserstoff  /*  desselben  alsbald  wieder 
durch  die  Ankunft  eines  anderen  Atoms  Sauerstoff  o  oxydirt  wird,  dessen 
Wasserstoff  /*'  sich  mit  r  verbindet  u.  s.  w.  Das  gleiche  findet  in  entgegen- 
gesetztem Sinne  statt  bezüglich  der  Wassermolekel  QP,  welche,  nachdem 
sie  ihren  Wasserstoff  an  die  Harzelektricität  des  Drahtes  abgegeben  hat, 
alsbald  rehydrogenisirt  wird  durch  die  Ankunft  des  Atoms  X\  diese  Wechsel- 
folge von  Zersetzungen  und  Verbindungen  der  Elemente  des  Wassers  dauert 
fort,  bis  es  vollständig  zersetzt  ist. 

„20)  Es  ist  klar,  dass  während  dieses  ganzen  Vorganges  die  Molekeln 
des  Wassers,  welche  sich  an  den  Enden  der  Leitungsdrähte  befinden,  allein 
zersetzt  werden,  während  alle  dazwischen  befindlichen  gegenseitig  und  ab- 
wechselnd ihre  Bestandtheile  austauschen  werden,  ohne  ihre  Natur  zu  ändern. 
Daraus  schliesse  ich,  dass  wenn  es  möglich  wäre,  im  Wasser  einen  Strom 
galvanischer  Elektricität  herzustellen,  so  dass  er  darin  eine  vollständige  Kreis- 
linie beschreibt,  alle  Molekeln  der  Flüssigkeit,  die  sich  in  diesem  Kreise 
befinden,  zersetzt  und  im  Augenblicke  wieder  gebildet  würden;  woraus  folgt, 
dass  dieses  Wasser,  obwohl  es  der  Wirkung  des  Galvanismus  unterliegt, 
doch  immer  Wasser  bleiben  würde. 

„21)  Als  ich  Flüssigkeiten,  die  in  verschiedenen  Gefässen  enthalten 
waren,  der  Wirkung  des  elektromotorischen  Apparates  aussetzte,  bemerkte 
ich  die  Polarität  der  Metalldrähte,  welche  zur  Verbindung  der  Flüssigkeiten 
in  den  verschiedenen  Gefässen  dienten.  (Vgl.  Fig.  97,  S.  315.)  So  erhielt  ich,  als 
die  Gefässe  Bleiacetat  enthielten,  Sauerstoff  an  den  Enden  a  und  c,  während 
die  schon  beschriebenen  Vegetationen  an  den  Enden  b  und  d  statt  stattfanden.1 


1  „Ich  habe  meine  Abhandlung  Herrn  Morichini  mitgetheilt.  Dieser  geschickte  Chemiker 
theilt  mir  mit,  dass  er  ganz  die  gleichen  Resultate  erhalten  habe,  als  er  die  Gase  untersuchte, 
welche  sich  entbanden,  wenn  die  Gefasse  nur' Wasser  enthielten.  Die  Enden  a  und  c  gaben 
ihm  Sauerstoff,  während  der  Wasserstoff  von  den  Enden  b  und  d  sich  entwickelte.*' 


Elektrochemische  Theorieen. 


315 


„22)  Die  Theorie  der  Wasserzersetzung,  die  ich  soeben  auseinander- 
setzt habe,  ladet  zu  einigen  Schlüssen  ein. 

„a)  Das  Verhältniss  an  Wasserstoff  kann  in  dem  Theil  des  Wassers,  der 
ii  den  positiven  Pol  grenzt,  nicht  vergrössert  werden,  weil  der  Sauerstoff 
ler  ganzen  Flüssigkeit,  die  vom  galvanischen  Strome  durchsetzt  wird,  nach 
fiesem  Punkt  strebt,  wahrend  der  Wasserstoff  sich  zu  entfernen  sucht. 

,,b)  Ebenso  ist  eine  Oxygenirung  in  dem  Theile  des  Wassers,  der  den 
negativen  Pol  umgiebt,  unmöglich,  weil  der  Wasserstoff  beständig  dahin 
angezogen  wird,  wahrend  der  Sauerstoff  abgestossen  wird.    Vgl.  §  9. 

,,c)  Selbst  wenn  die  Bestandteile  des  Wassers  sich  in  keinem  anderen 
Verhältniss  verbinden  könnten,  als  in  dem,  welches  das  Wasser  bildet,  so 
würde  dieses  doch  nichtsdestoweniger  auf  die  beschriebene  Art  zersetzt 
werden;  es  würde  aber  weder  Oxydation  noch  Hydrogenation,  weder  Säure- 
noch  Alkalibildung  in  irgend  einem  Theile  stattfinden. 

-  + 


Fig.  97.     Nach  Grothuss. 


„23)  Die  Bildung  von  Säure  am  positiven  und  von  Alkali  am  negativen 
Pole,1  in  dem  durch  die  galvanische  Elektricität  beeinflussten  Wasser,  stützen 
gleichfalls  die  vorgeschlagene  Theorie,  denn  man  kann  nach  der  Analogie 
die  erste  einer  Oxydation,  die  andere  einer  der  Gegenwart  von  Wasserstoff 
zuschreiben.   (Vgl.  oben  S.  311,  9.) 

„Als  mein  Apparat  mehrere  Tage  thätig  gewesen  war,  fanden  sich  die 
mit  Kochsalzlösung  befeuchteten  Tuchscheiben  hier  und  da  mit  einer  salz- 
artigen Ausscheidung  bedeckt,  die  nichts  war,  als  kohlensaures  Natron,  dessen 
Kohlensäure  aus  der  Luft  angezogen  war. 

„24)  Die  polare  Anordnung,  wie  sie  zwischen  den  Atomen  des  Wassers 
besteht,  wenn  der  galvanische  Strom  es  durchsetzt,  muss  sich  auch  zwischen 
den  Atomen  jedes  anderen  Stoffes  herstellen,  wenn  sie  durch  die  gleichen 
Kräfte  getrieben  werden.  In  metallischen  Lösungen  besteht  die  elektrische 
Polarität  zwischen  den  Elementen  des  Oxyds,  von  denen  der  Sauerstoff  an 


1  „Die  Lackmustinctur  röthet  sich  am  positiven  Pol,  wenn  sie  von  einem  galvanischen 
Strome  durchsetzt  wird,  nnd  nimmt  ihre  blaue  Farbe  wieder  an,  wenn  man  die  Lagen  der 
beiden  Pole  mit  einander  verwechselt;  doch  kann  man  diese  Wirkungen  durch  den  Einfluss  des 
Sauerstoffes  und  Wasserstoffes  im  Entstehungszustandc  auf  den  Farbstoff  erklären,  und  s\o  ge- 
nügen nicht,  um  die  Bildung  von  Säure  und  Alkali  daraus  zu  schliesscn." 


?l6  Zehntes  Kapitel. 


den  positiven  Pol  geht,  während  das  Metall  sich  am  negativen  niederschlägt 
Die   Säure  wirkt   auf  diese   metallischen  Theilchen,   welche   sie  in  Lösung  k 
gehalten  hatte,   da  sie  aber  zersetzt  wird,   sei  es  durch  diese  Reaction,  sei  p 
es  durch  die  elektrische  Kraft,  so  findet  die  Revivification  trotzdem  statt 

„25)  Ich  habe  eine  gekrümmte  Röhre  mit  zwei  verschiedenen  metallischen 
Lösungen  gefüllt,  so  dass  jede  von  ihnen  eine  Hälfte  der  Röhre  einnahm,  r. 
ohne  sich  mit  der  anderen  zu  vermischen,  und  dass  sie  eine  einzige  Be-  i:i 
rührungssteile  in  der  Mitte  hatten.1  Als  ich  die  so  angeordneten  Flüssig«  >; 
keiten  der  Wirkung  des  galvanischen  Stromes  aussetzte,  und  den  negativen  a 
Pol  bald  in  die  eine,  bald  in  die  andere  tauchte,  wurde  dieser  immer  mit  ;r 
dem  Metall  bekleidet,  in  dessen  Lösung  er  sich  eben  befand.  : 

„Wenn  wir  ausser  dem  Sauerstoff"  noch  irgend  einen  anderen  Stoff  :: 
kennen  würden,  der  vom  positiven  Pole  angezogen  wird,  so  könnte  man  den  * 
Versuch  mit  diesem  wiederholen.  Ein  analoges  Ergebniss  würde  dann  deut*  -i 
lieh  beweisen,  dass  die  Zersetzung  des  Wassers  durch  die  galvanische  Elek-  , 
tricität  an  zwei  verschiedenen  Molekeln  stattfindet;  welche  Meinung  allgemein  3 
angenommen  ist  und  sich  in  Übereinstimmung  mit  der  Theorie  befindet, 
die  ich  den  Gelehrten  vorzulegen  wage.  * 

„Die  bewunderungswürdige  Einfachheit  des  Gesetzes,  dem  diese  Erschei-  , 
nung  unterworfen  ist,  zeigt  sich  zu  unserem  Erstaunen  in  dem  Gesetz  des 
Universums.  Die  Natur  kann  weder  schaffen,  noch  vernichten,  da  die  Menge  , 
der  Stoffe  nie  vermehrt  noch  vermindert  wird;  vielmehr  sind  alle  dem  gegen- 
seitigen Austausch  der  Elemente  unterworfen,  und  betrachtet  man  die  wunder- 
baren Wirkungen  der  Elektricität,  die  oft  im  Geheimen  thätig  ist,  obwohl 
sie  im  Universum  verbreitet  ist,  so  kann  man  nicht  umhin,  in  ihr  eines  der 
wirksamsten  Agenden  in  den  grossen  Operationen  der  Natur  zu  sehen/' 

Der  wichtigste  Gedanke  in  der  vorstehenden  Abhandlung  ist  die  Idee 
der  fortschreitenden  abwechselnden  Zersetzung  und  Wiederverbindung;  wo- 
durch in  einer  für  jene  Zeit  sehr  genügenden  Weise  das  räthselhafte  Auf- 
treten der  Bestandtheile  der  galvanisch  zersetzten  Stoffe  an  den  unter 
Umständen  sehr  weit  entfernten  Poldrähten  erklärt  wurde.  Man  erkennt  in 
diesem  Gedanken  den  Einfluss  Berthollet's,  dessen  Vorstellungen  gegenüber 
indessen  Grothuss'  Auffassung  selbständige  Bedeutung  beanspruchen  darf. 
Auch  in  anderen  Gebieten  hat  Grothuss'  Idee  verbildlich  gewirkt;  so  beruht 
insbesondere  Williamson's  berühmte  Theorie  der  Esterbildung  ganz  und  gar 
auf  derselben  Idee  der  abwechselnden  Zersetzungen  und  Neubildungen. 

Indessen  darf  doch  nicht  verschwiegen  werden,  dass  der  fragliche  Ge- 
danke zwar  lange,  aber  doch  nicht  für  immer  sich  als  lebensfähig  erwiesen 
hat  Eine  genaue  Untersuchung  desselben  von  den  in  neuester  Zeit  ge- 
wonnenen energetischen  Gesichtspunkten  aus  erweist  ihn  als  wesentlich 
unhaltbar.     Denn   die   Annahme,   dass   eine   abwechselnde  Zersetzung  und 


1  „Man  erfUllt  diese  Bedingung  leicht,  wenn  man  sich  zweier  Lösungen-  von  verschiedener 
Farbe,  z.  B.  Blciaeetat  und  Kupfernitrat,  bedient." 


Elektrochemische  Theorieen.  ß  1 7 


iederverbindung  der  Bestandtheile  ohne  Arbeitsaufwand  möglich  sei,  führt 
abweislich  zu  dem  Resultate,  dass  ein  grösserer  oder  geringerer  Antheil 
r  Verbindung  bereits  in  seine  Bestandtheile  gespalten  sein  muss,  da  sonst 
rar  nicht  eine  Verletzung  des  ersten  Hauptsatzes  (der  Erhaltung  der  Energie), 
ahl  aber  eine  solche  des  zweiten  Hauptsatzes  (dass  ruhende  Energie  nicht 
awillig  in  Bewegung  geräth)  zugegeben  werden  müsste.  In  der  That  ist 
leh  in  der  Folge  die  GnoTHuss'sche  Theorie  durch  die  Annahme  einer 
ereits  vor  aller  Stromwirkung  vorhandenen  theilweisen  Zersetzung  der 
itenden  Stoffe  ersetzt  worden.  Insofern  diese  Theorie  aber  zum  ersten 
lale  die  physische  Möglichkeit  der  galvanischen  Zersetzungserscheinungen 
egreiflich  machte,  hat  sie  ihren  dauernden  Werth. 

8.  Die  elektrochemische  Theorie  von  Berzelius.  Während  die 
wherbesprochenen  theoretischen  Versuche  sich  im  Wesentlichen  auf  die 
Entstehung  der  elektrischen  Erscheinungen  in  der  Säule  und  ihre  chemischen 
Wirkungen  bezogen,  entwickelten  sich  gleichzeitig  andere  Anschauungen, 
leren  Zielpunkt  die  Erklärung  der  rein  chemischen  Vorgänge  mittelst  der 
dektrischen  Erscheinungen  war.  Von  den  Forschern,  die  sich  mit  dieser 
Frage  beschäftigten,  sind  in  erster  Linie  Davy  und  Berzelius  zu  nennen. 

Fast  die  erste  Arbeit,  mit  der  Berzelius  an  die  Öffentlichkeit  trat,  be- 
seht sich  auf  diese  Frage,  und  es  ist  interessant  zu  sehen,  wie  die  bei  der 
Untersuchung  derselben  gewonnenen  Gesichtspunkte  maassgebend  für  das 
ganze  lange  und  reiche  wissenschaftliche  Leben  dieses  Forschers  geworden 
and.  Die  erste  Veröffentlichung  dieser  im  Verein  mit  Hisinger  ausgeführten 
Untersuchungen  fand  im  Jahre  1803  im  Neuen  allgemeinen  Journal  der 
Chemie,  1,  115,  statt,  wo  die  Arbeit  nach  dem  schwedischen  Manuskript 
übersetzt  erschien;  später  ist  sie  dann  in  Gilberts  Annalen1  noch  einmal 
abgedruckt  worden. 

Die  ganze  umfangreiche  Abhandlung  hier  wiederzugeben,   würde  trotz 
ihrer   Bedeutung   für    die   Entwickelungsgeschichte    der   Wissenschaft    nicht 
lohnend  sein;    der  grösste  Theil  derselben  wird  von  der  Beschreibung  elek- 
trischer   Zersetzungsversuche    eingenommen,    die    nicht    viel    verschiedenes 
lehren.     Berzelius   und  Hisinger   stellten   ausfuhrlich    fest,   was   schon    zum 
grossen  Theil  vor  ihnen  beobachtet  worden  war,    dass    nämlich    alle  Salz- 
lösungen in  bestimmter  Weise  durch  den  Strom  zersetzt  wurden,   so  dass 
gewisse  Stoffe  in  der  einen,  andere  in  der  anderen  Richtung  fortgeführt  und 
an  den  Polardrähten  ausgeschieden  wurden.     Sehr  wesentlich    für   die  Be- 
schaffenheit der  Schlüsse,  die  sie  aus  ihren  Versuchen  zogen,  ist  der  Umstand, 
dass  sie  fast  ausschliesslich  die  Salze  der  Alkalien  und  der  alkalischen  Erden 
«1  ihren  Versuchen  benutzten;  dadurch  hielten  sie  xlie  Erscheinungen,  welche 
(fiese  Stoffe  zeigten,   für  die   typischen    und  gestalteten  ihre  allgemeinen 
Vorstellungen  darnach.     Hätten   sie   an  Stelle  der  Salze  der  Leichtmetalle 
die  der  Schwermetalle  der  Untersuchung  zu  Grunde  gelegt,  so  wären  sie  zu 


1  Gilbert's  Ann.  27,  270.  1807. 


ß  1 3  Zehntes  Kapitel. 


einer  ganz  anderen  Auffassung  der  Vorgänge  gelangt,  und  zwar  zu  einer, 
die  viel  besser  mit  den  übrigen  chemischen  Thatsachen  in  Einklang  zo 
bringen  war,  als  die  von  ihnen  gewählte. 

Der  fragliche  Unterschied  besteht  darin,  dass  bei  der  Zerlegung  der  ■ 
Salze  der  Leichtmetalle  nicht  die  Stoffe,  welche  von  der  Elektricität  nach 
den  Polen  gefuhrt  werden,  sich  auch  dort  ausscheiden,  sondern  andere,  die 
sich  aus  jenen  unter  dem  Einflüsse  des  Lösungswassers  bilden.  Wegen  des  ■ 
Auftretens  der  letzteren  an  den  Polen  nahmen  Berzelius  und  Hisinger  ohne 
nähere  Untersuchung  (die  zwar  zu  jener  Zeit  schwer  genug,  aber  doch  nicht 
unmöglich  war)  sie  auch  für  die  eigentlichen  Bestandtheile  der  zersetzten 
Salze,  und  dadurch  wurde  in  die  Theorie  der  Chemie  einer  der  folgen« 
reichsten  Irrthümer  eingeführt,  dessen  Beseitigung  später  nur  unter  den 
grössten  Anstrengungen  und  unter  dem  Verlust  eines  grossen  Theiles  voa 
dem  wohlerworbenen  Ansehen  Berzelius'  möglich  war.  Wenn  dagegen  die 
Salze  von  Schwermetallen  untersucht  worden  wären,  so  wäre  das  Metall  ab 
der  eine  Bestandtheil  der  Salze  erkannt  worden,  und  als  anderer  Bestand* 
theil  hätte  dann  nothwendig  das  Halogen  oder  der  Säurerest  aufgefasst 
werden  müssen.  Allerdings  wäre  zu  jener  Zeit  diese  Auffassung  nur  schwer 
durchzuführen  gewesen,  da  weder  die  Leichtmetalle  bekannt  waren,  noch 
Klarheit  über  die  elementare  Natur  des  Chlors,  des  einzigen  damals  bekannten 
Halogens,  herrschte.  Nach  weniger  als  einem  Decennium,  nachdem  Dav* 
die  Alkalimetalle  abgeschieden  hatte,  und  im  Jod  das  Analogon  des  Chlors 
entdeckt  war,  wodurch  die  Zweifel  an  der  elementaren  Natur  der  Halogene 
verschwunden  waren,  hätte  die  Entwickelung  der  theoretischen  Anschauungen 
schon  einen  ganz  anderen  Gang  nehmen  können,  ja  müssen,  und  der  Fort- 
schritt wäre  um  20  bis  30  Jahre  beschleunigt  worden. 

Nachstehend  sind  von  der  Abhandlung  von  Berzelius  und  Hisinger  die 
allgemeinen  Schlussfolgerungen,  in  denen  sie  die  Gesammtheit  ihrer  Ergeb- 
nisse zusammengefasst  haben,  wörtlich  wiedergegeben:1 

„Einige  allgemeine  Folgerungen  aus  diesen  und  aus  den  früher  bekannten 
Versuchen. 

„1)  Wenn  die  elektrische  Säule  sich  durch  eine  Flüssigkeit  entladet, 
so  werden  die  Bestandtheile  der  Flüssigkeit  von  einander  getrennt,  einige 
sammeln  sich  um  die  positive,  andere  um  die  negative  Polarspitze. 

„2)  Die  Bestandtheile,  die  sich  um  denselben  Pol  sammeln,  haben  unter 
eiuander  eine  gewisse  Übereinstimmung.  Zu  dem  negativen  Pol  ziehen  sich 
alle  brennbaren  Körper,  alle  Alkalien  und  Erden.  Nach  dem  positiven  Pole 
gehen  der  Sauerstoff,  die  Säuren  und  die  oxydirten  Körper. 

„Phosphorsäure  und  Kohlensäure  werden  zwar  von  der  elektrischen 
Säule  nicht  zersetzt,  ihre  Basen  machen  aber  doch  keine  Ausnahme,  wie 
andere  Verbindungen,  welche  die  Elektricität  aufzuheben  vermag,  beweisen. 


1  Ein  vollständiger  Abdruck  der  Abhandlung  ist  in  den  „Klassikern  der  exakten  Wissen- 
schatten' {  in  Aussicht  genommen. 


Elektrochemische  Theorieen. 


3^9 


lo  giebt  z.  B.  Wasser,  das  mit  brenzlichem  Öle  geschwängert  ist,  am  —Pole 
Lo  Wen  wasserstoffgas,  am  +Pole  nach  Verschiedenheit  des  Drahtes  Sauer- 
toffgas  oder  ein  Oxyd. 

„Einige  Säuren  werden  von  der  Elektricität  zerlegt,  und  setzen  dabei 
m  dem  +Pole  Sauerstoff,  an  dem  —Pole  eine  Säure  ab,  welche  durch  Ent- 
ocydirung  der  ersteren  entsteht.  Insofern  diese  letzteren  Säuren  oxydirbar 
ind,  rechnet  man  sie  mit  Recht  zu  den  brennbaren  Körpern,  und  sie 
Dachen  also  hier  keine  Ausnahme. 

„Der  Stickstoff  wird  in  einigen  Fällen  am  positiven,  in  anderen  an 
lern  negativen  Draht  abgesetzt;  ersteres  geschah  bei  der  Zersetzung  der 
Salpetersäure  in  Salpeter,  letzteres  bei  der  Zersetzung  des  Ammoniaks. 
iVir  erklären  uns  dieses  daraus,  dass  bei  der  Zersetzung  der  Salpeter- 
saure der  Stickstoff  das  Produkt  einer  Entoxydirung  ist,  und  als  ein  Stoff, 
lern  die  Eigenschaften  einer  Säure  entzogen  worden,  den  brennbaren 
Körpern  gleich  gilt,  weshalb  er  am  negativen  Pole  erscheint.  Bei  der  Zer- 
legung des  Ammoniaks  ist  dagegen  der  Stickstoff  ein  Produkt  der  Ent- 
hydrogenisirung,  und  tritt  als  ein  Körper,  der  die  Eigenschaften  eines  Alkali 
verloren  hat,  in  die  Klasse  derer,  die  am  positiven  Pole  erscheinen.  Im 
Vorbeigehen  bemerken  wir,  dass  nach  unserer  Meinung  der  Wasserstoff  weit 
mehr  Anspruch  hat,  für  den  alkalierzeugenden  Grundstoff  zu  gelten,  als  der 
Stickstoff. 

„3'   In   mehrfach  zusammengesetzten  Flüssigkeiten  stehen  die  relativen 
Grossen   der   chemischen  Zersetzung  in   einem  Verhältnisse,    das   aus    dem 
Verwandtschaftsgrade  der  Bestandtheile  gegen  einander,  und  der  Grösse  ihrer 
Berührungsfläche  mit  dem  Leiter  zusammengesetzt  ist.   Daher  kann  manchmal 
eine  stärkere  Vereinigung  getrennt  werden,  während  eine  schwächere  unzer- 
setzt  bleibt,   weil  sie  den  Leiter  nicht  in   hinlänglicher  Fläche  berührt.     Je 
starker  die  Verwandtschaft   der   Bestandtheile   gegen    einander   ist,    um   so 
grösser  muss  auch  verhältnissmässig  die  Berührungsfläche  sein,  und  umgekehrt. 
„Sehr  concentrirtes  Ammoniak  wird  z.  B.  leicht  von  der  Elektricität  zer- 
legt: ist  es  aber  reichlich  mit  Wasser  verdünnt,  so  bleibt  es  unzersetzt,  und 
das  Wasser  allein  wird  zersetzt.   Von  Metalloxyden,  die  in  Wasser  aufgelöst 
sind,  z.  B.  im  Kupfervitriol,  wird  etwas  weniges  zerlegt,  weil  die  Verwandt- 
schaft ihrer  Bestandtheile  zu  einander  so  viel  Mal  geringer  ist,  als  die  Bestand- 
teile des  Wassers.   In  einer  Salpeterauflösung  werden  zugleich  Salz,  Wasser 
und  Säure  zerlegt. 

,,4)  Die  absoluten  Grössen  der  Zerlegung  verhalten  sich  wie  die  Menge 
der  Elektricität.  Und  die  Elektricität  steht  im  Verhältniss  mit  der  Grösse 
der  Berührung  der  Metalle  in  der  Säule  mit  ihrem  feuchten  Leiter. 

„Eine  Säule  von  28  Plattenpaaren  von  4x/a  Zoll  Seite  giebt  aus  diesem 
Grunde  unter  gleichen  Umständen  in  derselben  Zeit  6  Mal  mehr  Gas,  als 
eine  gewöhnliche  Säule  von  100  Paaren. 

„Hier  wäre  noch  eine  wichtige  Frage  zu  untersuchen:  welchen  Einfluss 
hat  die  Intensität  der  Ladung,  die  bekanntlich  im  Verhältniss  mit  der  Anzahl 


?20  Zehntes  Kapitel. 


der  Platten   steht,   auf  das   chemische  Verhalten   der  Elektricität?     Ist  die ' 
chemische  Zersetzung  allemal  gleich  bei  gleicher  Oberfläche,  sie  mag  übrigens 
in  so  viel  Paare  getheilt   sein,   als   sie  will?     Einige  Versuche  berechtigen 
uns,   diese  letztere  Frage  mit  nein  zu  beantworten.     Wir  hatten  z.  B.  eine 
Säule  von  300  Plattenpaaren  erbaut;  sie  gab  keine  grössere  Gasentbindung; 
als  unter  gleichen  Umständen  eine  Säule  von  100  Plattenpaaren  giebt    Die 
Intensität  möchte  also  der  Zerlegung  hinderlich  Sein.     Eigene  Versuche  der" 
Art   und  das   Verhalten    der  Reibungselektricität   führten    uns   zu  der  V«w. 
muthung,  dass  die  Quantität  der  Zersetzung  in  einem  Verhältnisse  stehe,  das 
aus  dem  geraden  Verhältnisse  der  Quantität  der  Elektricität  und  dem  umge- 
kehrten Verhältnisse  der  Intensität  zusammengesetzt  ist;   oder  dass  sie  sich  • 
verhalten,  wie  die  Oberflächen,   dividirt  durch  die  Anzahl  der  Plattenpaare. 

„Die  Quantität  der  Elektricität  scheint  auf  den  Aggregationszustand  der 
frei  gewordenen  Bestandteile  Einfluss  zu  haben.  So  z.  B.  entwickelte  im 
Versuch  19  die  Plattenbatterie  Sauerstoffgas,  indessen  die  Röhrbatterie  Blei- 
oxyd bildete.  Allein  dies  beruht  vielleicht  auf  dem  Verhältnisse  zwischen 
der  Menge  der  Elektricität  und  der  Capacität  der  Oberfläche  des  Leiters  fiir 
die  Oxydirung;  so  dass,  wenn  auf  ein  Mal  mehr  Sauerstoff  entbunden  wird, 
als  die  Oberfläche  des  Leiters  aufnehmen  kann,  der  Überschuss  als  Gas 
entweicht. 

„5)  In  demselben  Verhältnisse,  in  welchem  eine  Flüssigkeit  die  Elek- 
tricität träger  durch  sich  hindurchleitet,  widersteht  sie  kräftiger  der  Zerlegung. 

„Wasser  wird  langsamer  zerlegt,  wenn  es  rein  ist,  als  wenn  es  durch 
Beimischung  eines  anderen  Körpers,  selbst  eines  unzerlegbaren,  zum  besseren 
Leiter  gemacht  hat.  Davon  giebt  Phosphorsäure  ein  Beispiel.  Wird  sie  dem 
Wasser  zugesetzt,  so  geht  die  Gasentbindung  zwar  noch  immer  auf  Kosten 
des  Wassers  von  Statten,  aber  sie  wird  stärker  und  nimmt  immer  mehr  und 
mehr  zu,  wie  man  die  Auflösung  sättigt  Branntwein  zersetzt  sich  schwerer 
als  Wasser,  reiner  Alkohol  noch  schwerer,  Gummilack  in  Alkohol  aufgelöst 
am  allerschwersten  und  nur  bei  der  grössten  Wirksamkeit  der  Plattensäule. 

„6)  Die  Erscheinungen  bei  jeder  Zersetzung  werden  durch  folgendes 
bestimmt:  Erstens  durch  die  Verwandtschaft  der  Bestandteile  zu  den  Leitern, 
insofern  sie  mit  diesen  neue  -  Verbindungen  eingehen  können;  wie  z.  B.  der 
Sauerstoff  mit  den  Metallen  am  positiven  Draht.  Zweitens  durch  die  gegen- 
seitige Verwandtschaft  der  Bestandtheile,  wenn  mehrere  zugleich  abgesetzt 
werden,  wie  z.  B.  des  in  der  Salpeterlösung  von  dem  Wasser  getrennten 
Wasserstoffes  mit  dem  von  der  Säure  geschiedenen  Stickstoffes,  die  sich 
beide  zu  Ammoniak  vereinigen.  Drittens  durch  die  Cohäsion  der  neuen 
Verbindungen,  welches  z.  B.  bewirkt,  dass  der  frei  werdende  Wasserstoff  in 
Gasgestalt  entweicht,  die  Alkalien  in  der  Flüssigkeit  sich  auflösen,  und  die 
Erdarten  und  Metalle  sich  in  fester  Gestalt  ausscheiden« 

„Wasser  scheidet  sich  in  Wasserstoff  und  Sauerstoff,  die  sich  in  dem 
unzersetzten  Wasser  nicht  auflösen,  sondern  ersterer  am  —Drahte,  letzterer 
am   +  Drahte  als  Gas  entweichen. 


Elektrochemische  Theorieen. 


321 


„Schwefelsäure  zersetzt  sich;  an  der  —Seite  sinkt  der  Schwefel  nieder, 
an  dter   -f-  Seite  entweicht  der  Sauerstoff  in  Gasgestalt. 

„Salpetersäure  verwandelt  sich  an  der  +  Seite  in  Sauerstoffgas,  an  der 
—Seite  in  Stickstoffgas;  in  einigen  Fällen  giebt  die  Säure  am  negativen 
Drahte  nicht  ganz  entoxydirten  Stickstoff,  sondern  nichts  als  Stickstoffoxyd. 
„Phosphorsäure,  Boraxsäure,  Salzsäure,  Kohlensäure  und  Flussspathsäure 
lassen  sich  nicht  zerlegen,  wenn  sie  in  Wasser  aufgelöst  sind;  wie  die  beiden 
ersten  sich  verhalten,  wenn  sie  geschmolzen  der  Einwirkung  der  Säule  aus- 
gesetzt werden,  wissen  wir  noch  nicht. 

„Pflanzensäuren  sind  noch  nicht  mit  gehöriger  Genauigkeit  untersucht 
worden,  um  etwas  von  ihnen  bestimmen  zu  können. 

„Feuerfeste  Alkalien  und  Erden,  in  Wasser  einzeln  oder  zusammen  auf- 
gelöst, bleiben  unverändert  in  ihrer  Zusammensetzung.  Desormes  erhielt 
zwar  aus  Kalkwasser  am  —Drahte  krystallisirten  Kalk;  dies  mag  aber  einer 
Beimischung  von  salzsaurem  Kalk  zuzuschreiben  sein. 

„Ammoniak  giebt  am  —Drahte  Wasserstoffgas,  am  +  Drahte  Stickgas. 
Ist  es  mit  Wasser  verdünnt,  so  bleibt  es  unzersetzt. 

„Metalloxyde  theilen  sich  in  Metalle  am  —Drahte,  in  Sauerstoff  am 
+ Drahte. 

„Neutral-  und  Mittelsalze  setzen  am  —Drahte  ihre  Basen  in  aufgelöster 
oder  fester  Gestalt,  am  +  Drahte  ihre  Säuren  ab,  die  sich,  wenn  der  Draht 
oxydirbar  ist,  an  das  entstehende  Metalloxyd  binden.  Dass  letzteres  indessen 
keine  wesentliche  Bedingung  für  die  Zerlegung  eines  Salzes  ist,  erhellt  aus 
Versuch  19  und  20.  Wie  weit  diese  Zerlegung  geht,  und  ob  sie  in  dem 
Verhältnisse  schwächer  wird,  als  die  Menge  der  Säure  und  des  Alkali  an 
ihren  Drähten  zunimmt,  darüber  bestimmen  unsere  Versuche  nichts. 

„Metallsalze  mit  den  Säuren  und  mit  den  Alkalien  werden  nicht  den 
Neutralsalzen  analog  zersetzt;  nur  die  Basis  erleidet,  so  weit  sie  reicht,  eine 
Zerlegung,  und  zwar  in  Metall  und  Sauerstoff.  Die  Säure  oder  das  Alkali 
dient  dann  nur  als  Auflösungsmittel  für  das  Metalloxyd,  es  sei  denn,  sie 
werden  mit  zerlegt,  wie  z.  B.  die  Säure  im  salpetersauren  Zink,  die  durch 
ihr  Ammoniak  das  aufgelöste  Metalloxyd  am  —Drahte  niederschlägt.  Da- 
gegen giebt  salpetersaures  Silber,  dessen  Basis  sich  leichter,  als  die  Säure 
zersetzt,  kein  Ammoniak,  sondern  bloss  Metall  und  Sauerstoff. 

„Aus  allem  diesen  folgt,  dass  man  sich  gewöhnlich  von  der  Reduktion 
der  Metalle  durch  die  Elektricität  eine  unrichtige  Vorstellung  macht,  indem 
man  sie  für  die  Wirkung  einer  Entbindung  des  Wasserstoffes  ansieht.  Wie 
sollte  es  dann  wohl  möglich  sein,  dass  Eisen  und  Zink  auf  diese  Art  redu- 
cirt  würden,  zwei  Metalle,  die  ausser  dem  Kreise  der  Säule  selbst  das  Wasser 
langsam  zerlegen,  welche  also  wenigstens  einen  Theil  des  Sauerstoffes  mit 
mehr  Kraft  zurückhalten  müssen,  als  womit  der  Wasserstoff  ihn  anzieht. 

„Wir  wagen  kein  Raisonnement  über  das  Wie  dieser  Zerlegungen.  Es 
scheint  zw.ar  am  natürlichsten,  sie  aus  Anziehung  der  Elektricität  zu  einigen, 
und  Repulsion  gegen  andere  zu   erklären,    doch    ist  eine  solche  Erklärung 

•uTtkld,   Elektrochemie.  2  l 


\ 


•2  22  Zehntes  Kapitel. 


« 


wenig  genügend.  Die  französischen  Chemiker  haben  die  Wasserzersetzung 
daraus  erklärt,  dass  die  Elektricität  einen  Bestandtheil  des  Wassers  binde, 
ihn  dem  entgegengesetzten  Leiter  zuführe,  und  dort  absetze,  und  diese  Er- 
klärung ist  von  Herrn  von  Hauch  weiter  ausgeführt  worden.  Sie  hat  indessen  :  s 
die  grosse  Schwierigkeit  gegen  sich,  dass  wir  annehmen  müssen,  die  durch  - 
Wasserstoff  neutralisirte  positive  und  die  durch  Sauerstoff  neutralisirte  nega-  k 
tive  Elektricität  könnten  einander  durchdringen,  ohne  sich  zu  vereinigen,  k 
Und  doch  giebt  es  zwischen  beiden  Polardrähten  nur  einen  wirklichen  In-  k 
differenzpunkt,  zwischen  welchem  und  jedem  der  Drähte  die  diesen  zugeführte  ; 
Elektricität  sich  nach  dem  Drahte  zu  immer  stärker  zeigt,  bis  sie  an  der  z 
Spitze  des  Leiters  am  stärksten  erscheint.  Warum  führen  nicht  beide  Elek-  : 
tricitäten  ihre  Gasarten  nach  dem  Indifferenzpunkte,  wo  sie  einander  auf- 
heben,  und  warum  lassen  sie  sie  hier  nicht  fahren,  wo  sie  sich  neutralisiren?    : 

„Was  endlich  die  Theorie  des  Herrn  Ritter  von  der  Einfachheit  des 
Wassers  betrifft,  so  fugen  wir  zu  dem,  was  die  Herren  von  Hauch  und  Gähn  > 
zu  seinen  Versuchen  gesagt  haben,  nur  noch  die  Bemerkung  hinzu,  dass 
die  Theorie  sehr  inkonsequent  wird  in  allen  Fällen,  wenn  die  Erscheinungen 
nicht  von  einer  Zersetzung  des  Wassers,  sondern  anderer  Körper  herrühren. 
Wenn  z.  B.  schwefelsaures  Kali  durch  Gold-  oder  Bleidraht  zerlegt  wird,  so 
müsste  es  nach  Ritter  heissen :  schwefelsaures  Kali  ist  ein  einfacher  Körper, 
der,  mit  negativer  Elektricität  verbunden,  Kali,  mit  positiver  Elektricität  ver- 
einigt, Schwefelsäure  macht.  Sollte  Ritter,  analog  seinen  Wasserversuchen, 
dieses  schwefelsaure  Kali  nach  Willkür  in  blosses  Kali  und  blosse  Säure 
verwandeln  können?" 

Die  weitere  wissenschaftliche  Verwertung  ihrer  Beobachtungen  haben 
Hisinger  und  Berzelius  zunächst  gar  nicht  ins  Auge  gefasst  Vielmehr 
begann  kurze  Zeit  hernach  für  Berzelius  die  Reihe  von  Arbeiten  rein 
chemischer  Natur,  durch  welche  er  'die  Gesetze  ermittelte  und  bestätigte, 
denen  die  Gewichtsverhältnisse  chemisch  sich  verbindender  Stoffe  unterworfen 
sind,  und  diese  Arbeiten,  welche  die  eigentliche  Grundlage  seines  wissen- 
schaftlichen Verdienstes  bilden,  nahmen  seine  Thätigkeit  dermaassen  in 
Anspruch,  dass  die  weitere  Verfolgung  der  elektrochemischen  Forschungen 
dadurch  vollständig  unterbrochen  wurde.  Berzelius  hat  in  der  Folge  keine 
einzige  experimentelle  Arbeit  in  diesem  Gebiete  mehr  ausgeführt.  Wenn 
dennoch  sein  Einfluss  auf  die  elektrochemischen  Vorstellungen  ganz  ausser- 
ordentlich bedeutend  gewesen  ist,  so  beruht  dies  ausschliesslich  darauf,  dass 
er  auf  der  ziemlich  schmalen  experimentellen  Grundlage,  die  wir  eben  kennen 
gelernt  haben,  ein  Lehrgebäude  errichtet  hat,  welches  für  den  beabsichtigten 
Zweck,  die  Systematik  der  chemischen  Verbindungen,  sich  als  in  hohem 
Grade  angemessen  erwiesen  hat,    und  bald  allgemein  angenommen  wurde. 

Die  Entwickelung  von  Berzelius'  elektrochemischen  Anschauungen  hat 
sich  über  einen  längeren  Zeitraum  erstreckt.   Seine  erste  Mittheilung1  darüber 


1  Journ.  f.  Chemie  und  Physik,  6,   119.   181 2. 


Elektrochemische  Theorieen. 


323 


vom  Jahre  18 12  enthält  noch  ziemlich  unbestimmte  Betrachtungen;  eine 
dauernde  Form  haben  diese  erst  in  der  zweiten  Auflage  seines  Lehrbuches 
angenommen,  von  dem  der  die  elektrochemische  Theorie  behandelnde  Theil 
im  dritten  Bande  1818  erschien.  Dieser  Theil  wurde  alsbald  ins  Französische1 
und  ins  Deutsche2  übersetzt,  und  findet  sich  in  den  späteren,  gleich  deutsch 
erschienenen  Auflagen  des  Lehrbuches  ohne  grosse  Veränderung  wieder 
abgedruckt.  So  interessant  es  wäre,  die  stufenweise  Entwickelung  der  ein- 
flussreichen Theorie  durch  den  Abdruck  dieser  verschiedenen  Redaktionen 
zu  belegen,  so  muss  doch  hier  der  Leser  auf  die  Originale  verwiesen  werden, 
da  die  ziemlich  breite  Darstellung  allzu  viel  Raum  beanspruchen  würde. 

Von  grosser  Wichtigkeit  aber  für  die  Beurtheilung  der  Theorie  von 
Berzelius  ist,  dass  zwischen  seine  oben  mitgetheilte  experimentelle  Arbeit 
und  den  Ausbau  seiner  Theorie  die  Arbeiten  von  Humphry  Davy  fallen,  von 
denen  nur  ein  Theil  oben  (S.  190)  erwähnt  werden  konnte.  Auch  Davy  hat 
die  Frage  nach  dem  Zusammenhang  der  chemischen  Erscheinungen  mit 
dem  elektrischen  bearbeitet,  und  wie  man  ohne  Zögern  gestehen  muss,  in 
weit  tiefgründigerer  und  namentlich  physikalisch  befriedigenderer  Weise. 
Diese  Arbeiten  haben  einen  grossen  Einfluss  auf  Berzelius  gehabt,  und  es 
wäre  nur  zu  wünschen  gewesen,  dass  dieser  Einfluss  sich  noch  kräftiger 
geltend  gemacht  hätte.  Die  historische  Gerechtigkeit  verlangt  daher,  dass 
wir  uns  zunächst  mit  diesen  Forschungen,  so  weit  sie  sich  auf  die  vorliegende 
Frage  beziehen,  genauer  bekannt  machen,  wenn  auch  gleich  bemerkt  werden 
muss,  dass  ihre  Wirkung  in  der  Entwickelung  der  Ideen  bei  weitem  nicht 
so  deutlich  zu  Tage  getreten  ist,  wie  die  von  Berzelius'  Vorstellungen. 

9.  Die  elektrochemische  Theorie  von  H.  ÜAvy.  In  seinen  ersten 
Arbeiten  (S.  155)  haben  wir  Davy  als  einen  überzeugten  „Chemiker"  bezüg- 
lich seiner  theoretischen  Anschauungen  kennen  gelernt.  Es  giebt  vielleicht 
kein  auffallenderes  Beispiel  für  die  Gewalt,  welche  Volta  auf  die  wissen- 
schaftlichen Anschauungen  seiner  Zeitgenossen  ausübte,  als  der  Umstand, 
dass  er  auch  Davy  zu  der  Annahme  der  Idee  von  der  Berührungselektricität 
brachte. 

Die  Darstellung  von  Davy*s  elektrochemischen  Anschauungen  findet  sich 
in  der  schon  früher  erwähnten  (S.  190)  Abhandlung  von  1807.  Nachstehend 
sind  die  wichtigsten  Stellen,  die  sich  auf  unseren  Gegenstand  beziehen, 
wiedergegeben. 

„Dass  verschiedene  Körper,  welche  man  miteinander  in  Berührung  bringt, 
und  dann  trennt,  entgegengesetzte  Zustände  von  Elektricität  zeigen,  hatte 
schon  Bennet  durch  Versuche  dargethan;  doch  ist  es  Volta,  dem  wir  eine 
deutliche  Entwickelung  dieser  Thatsache  verdanken.  Er  hat  sie  auf  eine 
bestimmte  Art  dargestellt  an  Kupfer  und  Zink    und   an  anderen  Metallen, 

1  Essai  sur  la  cause  des  proportions  chimiques  et  sur  l'influence  chimique  de  l'electricitc. 
Pari>  1819. 

*  Versuche  über  die  Theorie  der  chemischen  Proportionen  und  über  die  chemischen  "Wir- 
kungen der  Elektricität,  deutsch  von  K.  A.  Blöde.  Dresden   1820. 

.     21* 


l 


324  Zehntes  Kapitel. 


welche  er  paarweise  miteinander  in  Berührung  brachte;  zugleich  hat  er 
angenommen,  dass  dasselbe  Verhalten  auch  zwischen  Metallen  und  Flüssig- 
keiten stattfinde. 

„Bei  einer  Reihe  von  Versuchen,  welche  ich  im  Jahre  18011  über  den 
Bau  von  elektrischen  Verbindungen  aus  abwechselnden  Lagen  eines  Metalks 
und  verschiedener  Flüssigkeiten  angestellt  habe,  beobachtete  ich,  dass,  wenn 
man  flüssige  Säuren  oder  Alkalien  zu  Elementen  dieser  Instrumente  nimmt,  \ 
die  flüssigen  Alkalien  stets  die  Elektricität  von  dem  Metalle  erhalten,  die  ± 
Säuren  dagegen  immer  die  Elektricität  dem  Metalle  überlassen.  Wenn  so  - 
z.  B.  die  Elemente  zusammengesetzt  waren  aus  Zinn,  Wasser,  Kaliauf-  ■■■ 
lösung,  ging  der  Kreislauf  der  Elektricität  vom  Wasser  zum  Zinne  und 
vom  Zinne  zur  Kaliauflösung;  waren  die  Elemente  dagegen  schwache  1 
Salpetersäure,  Wasser  und  Zinn,  so  strömte  die  Elektricität  von  der 
Säure  zum  Zinne  und  vom  Zinne  zum  Wasser. 

„Dieses  Grundgesetz  scheint  in  unmittelbarem  Zusammenhange  mit  den 
allgemeinen  Phänomenen  der  Zersetzung  und  der  Hinüberfuhrung  zu  stehen, 
welche  wir  in  dem  Vorhergehenden  genauer  kennen  gelernt  haben. 

„In  dem  einfachsten  Falle  der  elektrischen  Wirkung  müsste  demgemass 
bei  diesen  Phänomenen  das  Alkali,  welches  stets  Elektricität  von  dem  Metalle, 
auf  Kosten  desselben  empfängt,  in  Beziehung  auf  das  Metall  positiv  elektrisch 
sein,  während  die  Säure,  welche  dem  Metalle  Elektricität  abtritt,  in  Beziehung 
auf  dasselbe  negativ  elektrisch  wäre;  und  da  dann  diese  Substanzen  in  Be- 
ziehung auf  die  Metalle,  die  eine  eine  positive,  die  andere  eine  negative 
elektrische  Kraft  besässen,  so  müssten  sie  auch,  wie  es  scheint,  in  ihren 
attraktiven  und  repulsiven  Funktionen  denselben  Gesetzen  der  Anziehung 
und  Zurückstossung  als  die  gewöhnliche  Elektricität  unterworfen  sein.  Der 
mit  der  positiven  Kraft  begabte  Körper,  das  Alkali,  müsste  durch  die  positiv- 
elektrisirten  Flächen  zurückgestossen,  und  von  den  negativ -elektrisirten 
Flächen  angezogen  werden,  indess  bei  dem  Körper,  der  die  negative  Kraft 
besitzt,  der  Säure,  die  umgekehrte  Art  des  Verhaltens  stattfände. 

„Ich  habe  eine  Menge  Versuche  angestellt,  um  über  diese  Idee  Licht 
zu  verbreiten  und  ihnen  eine  ausgedehnte  Anwendung  zu  geben;  alle  haben 
die  Analogie  auf  eine  überraschende  Art  bestätigt 

„Gut  gebrannte  Holzkohle,  Wasser,  Salpetersäure,  und  ebenso 
Holzkohle,  Wasser,  Natronlauge,  waren  deutlich  wirksam,  als  ich  Säulen 
von  20  Schichtungen  aus  den  ersten  und  ebenso  aus  den  zweiten  aufgebaut 
hatte.  In  der  einen  Säule  gab  das  Alkali  seiner  Seite  die  positive,  in  der 
anderen  die  Säure  ihrer  Seite  die  negative  Kraft.  Von  Zink,  nasser  Pappe, 
und  angefeuchtetem  gebranntem  Kalk  gaben  40  Lagen  eine  schwache 
elektrische  Säule,  die  aber  bald  ihre  Kraft  verlor;  die  Wirkung  des  Kalkes 
war  in  ihr  der  des  Alkalis  ähnlich. 

„Um   mich  womöglich  von  dem  elektrischen  Zustande  einer  einzelnen 


1  Phil.  Trans.  91,  397.     [Siehe  oben,  S.  157.] 


Elektrochemische  Theorieen. 


325 


flüssigen  Säure  und  einer  einzelnen  isolirten  alkalischen  Autlösung,  nach 
ihrer  Berührung  mit  Metallen  zu  belehren,  habe  ich  zu  verschiedenen  Malen 
mit  den  ailerempfindlichsten  Instrumenten  Versuche  angestellt,  mit  Cuth- 
iertson's  condensirendem  Elektrometer,  mit  Cavallo's  Multiplicator  und  mit 
einer  sehr  empfindlichen  elektrischen  Torsionswaage,  die  nach  Coulomb's 
Grundsätzen  gebaut  war;  der  Erfolg  war  indess  nicht  genügend.  Die  Ver- 
dunstung, die  chemische  Wirkung,  und  die  Adhäsion  der  Flüssigkeiten  an 
den  Oberflächen  der  gebrauchten  Metalle  machten,  dass  kein  deutliches 
Resultat  erfolgte,  oder  dass  die  Quelle  der  Elektricität  zweifelhaft  blieb.  Ich 
will  hier  weder  das  Detail  der  Verfahrungsarten  und  der  Versuche  beschreiben, 
noch  mich  darauf  einlassen,  aus  diesen  eigensinnigen  und  zweifelhaften  Er- 
scheinungen Folgerungen  zu  ziehen,  die  sich  mit  völliger  Überzeugung  aus 
deutlichen  und  bestimmten  Erscheinungen  ableiten  lassen. 

„Die  trockenen  Alkalien  und  diejenigen  Säuren,  welche  in  fester 
und  trockener  Gestalt  bestehen  können,  geben  nämlich  in  der  Berührung 
mit  den  Metallen  sehr  merkliche  Elektricitäten,  welche  sich  an  einem  Gold- 
blatt-Elektrometer, das  mit  einer  kleinen  condensirenden  Platte  versehen  ist, 
sehr  bestimmt  äussern. 

„So  oft  ich  Sauerkleesäure,  oder  Bernsteinsäure,  oder  Benzoe- 
säure, oder  Boraxsäure,  die  vollkommen  trocken  sind,  sie  mögen  nun  in 
Gestalt  eines  Pulvers,  oder  in  Krystallen  sein,  mit  einer  Kupferscheibe,  die 
mit  einem  isolirenden  Glasstiel  versehen  ist,  in  einer  bedeutenden  Fläche 
berühre,  findet  sich  jedes  Mal  das  Kupfer  positiv,  die  Säure  negativ  elektrisch. 
Bei  günstiger  Witterung,  und  wenn  das  Elektrometer  in  sehr  gutem  Stande 
ist,  reicht  eine  einzige  Berührung  des  Kupfers  hin,  um  eine  merkbare  Ladung 
hervorzubringen,  und  selten  bedarf  es  dazu  ihrer  mehrere  als  fünf  oder  sechs. 
Andere  Metalle,  mit  denen  ich  den  Versuch  wiederholt  habe,  z.  B.  Zink  und 
Zinn,  hatten  dieselbe  Wirkung.  Die  positive  Ladung  des  Metalles  scheint 
gleich  stark  zu  sein,  die  Säure  mag  auf  Glas  isolirt  sein  oder  mit  der  Erde 
in  Verbindung  stehen. 

„Feste  Phosphorsäure,  welche  stark  geglüht  und  dann  vor  Berührung 
der  Luft  sorgfaltig  geschützt  worden  war,  machte  eine  isolirte  Zinkscheibe 
durch  vier  Berührungen  positiv  elektrisch;  hatte  sie  aber  einige  Minuten 
lang  an  der  Luft  gestanden,  so  war  dieses  ihr  Vermögen  verschwunden. 

„Nach  der  Berührung  von  trockenem  Kalk,  von  Strontian  und  von 
Magnesia  war  das  Metall  negativ,  und  eine  einzige  Berührung  in  einer 
grossen  Fläche  reichte  hin,  um  den '  Metallscheiben  eine  bedeutende  Ladung 
ai  geben.  Die  Erden,  welche  zu  diesen  Versuchen  dienten,  hatten  die 
Gestalt  eines  Pulvers,  und  waren  mehrere  Tage  zuvor  sorgfältig  bereitet  und 
in  Glasflaschen  verschlossen  worden.  Es  gehört  wesentlich  zum  Glücken 
des  Versuchs,  dass  man,  bevor  man  sie  gebraucht,  sie  die  Temperatur  der 
Atmosphäre  annehmen  lässt.  In  einigen  Versuchen,  die  ich  mit  ihnen  während 
des  Erkaltens  nach  dem  Glühen  gemacht  habe,  zeigten  sie  sich  stark  elektrisch, 
und  die  Metalle,  mit  welchen  ich  sie  berührte,  wurden  positiv-elektrisch. 


326  Zehntes  Kapitel. 


5 


„Auch  über  die  Berührung  des  Kali  und  des  Natrons  mit  Metallen 
habe  ich  mehrere  ähnliche  Versuche  angestellt.  Nicht  in  einem  einzigen  gab  ■ 
mir  das  Kali  genügende  Resultate;  die  grosse  Verwandtschaft  desselben  zum 
Wasser  scheint  ein  unübersteigliches  Hinderniss  bei  allen  Versuchen  zu  sein, 
welche  damit  an  der  Luft  angestellt  werden.  Das  Natron  wirkte  bei  dem 
einzigen  Versuche,  in  welchem  die  Elektricität  sich  entwickelte,  ebenso  auf  - 
das  Metall  als  Kalk,  Strontian  und  Magnesia.  Das  Natron  war  bei  diesem  t 
Versuche  mit  der  höchsten  Sorgfalt  bereitet  worden,  hatte  eine  Stunde  lang  ■'£ 
in  einem  Platintiegel  in  der  Rothglühehitze  gestanden,  war  dann  in  dem  : 
über  Quecksilber  umgestürzten  Tiegel  erkaltet,  und  wurde  unmittelbar  nach  " 
Wegnahme  desselben  mit  einer  isolirten  Zinkplatte  berührt.  Der  Versuch  ■- 
geschah  an  offener  Luft,  die  Witterung  war  ausserordentlich  trocken,  und  1 
das  Thermometer  stand  auf  28  °  F.,  das  Barometer  auf  30,2  Zoll.  Bei  dem  r 
ersten  Versuche  luden  sechs  Berührungen  das  condensirende  Elektrometer,  je 
Bei  dem  zweiten  waren  zehn  Berührungen  nöthig,  um  dieselbe  Wirkung  . 
hervorzubringen,  und  später,  das  ist,  nachdem  in  allem  zwei  Minuten  ver- 
flossen waren,  war  keine  Ladung  mehr  zu  erhalten,  und  jedes  Resultat  1 
blieb  aus. 

„Bei  der  Zersetzung  der  Schwefelsäure  durch  die  VoLTA'sche  Elektricität   * 
scheidet  sich  der  Schwefel  an   der  negativen   Seite   ab.     Es   ist    aus   den    - 
Versuchen  mehrerer  Physiker  bekannt,  dass  beim  Reiben  von  Schwefel  mit    * 
Metallen  der  Schwefel  positiv-,  das  Metall  negativ-elektrisch  wird.    Ich  habe   - 
dasselbe  Resultat  erhalten,   als  ich   einen  Schwefelkuchen,    der  nicht  erregt    ; 
worden  war,    mit  einem  isolirten  Metalle  berührte.     Wilke  behauptete,    das 
Blei  mache  hierbei  eine  Ausnahme,   und  mache  den  Schwefel  beim  Reiben    = 
negativ;    allein  bei  Versuchen,    die  ich  mit  der  höchsten  Sorgfalt  angestellt 
habe,  gab  mir  neu  polirtes  Blei  dasselbe  Resultat,  wie  die  anderen  Metalle: 
immer  wurde  Schwefel,    den    ich  daran  rieb  oder  schlug,    positiv.     Wahr- 
scheinlich   rührt  Herrn   Wilke's  Irrthum    daher,    dass   er   angelaufenes  Blei    , 
genommen  hat:  denn  Schwefel  an  Bleiglätte  oder  an  Blei  gerieben,  das  der 
Luft  lange  ausgesetzt  gewesen  ist,    wird,    wie  ich  gefunden  habe,    negativ. 
Da   also   diese    Ausnahme   wegfällt,    so    unterstützen   alle   Thatsachen    das 
allgemeine  Grundgesetz. 

„Diesem  allgemeinem  Grundgesetze  entsprechend,  müsste  der  Sauer- 
stoff in  Beziehung  auf  die  Metalle  mit  einem  negativen,  und  der  Wasser- 
stoff in  Beziehung  auf  die  Metalle  mit  einem  positivem  Vermögen  ver- 
sehen sein.  Dieses  Hess  sich  durch  keine  unmittelbaren  Versuche  der  Be- 
rührung darthun;  die  Wirkungen  der  Körper,  deren  Hauptbestandtheile  diese 
einfachen  Stoffe  sind,  dienen  indess,  diese  Idee  auf  das  beste  zu  bestätigen. 
So  habe  ich  gefunden,  dass  in  elektrischen  Säulen  aus  einer  erregenden 
Flüssigkeit,  einem  Metalle  und  Wasser,  Schwefelwasserstoff-Wasser 
geradeso  wirkt,  wie  alkalische  Auflösungen,  und  das  flüssige  oxygenirte 
Salzsäure  ihnen  viel  mehr  Kraft,  als  die  allerconcentrirteste  Salzsäure  giebt; 
beides  lässt   sich    auf  keine    andere  Art   begreifen,   als   das   erste   aus   der 


Elektrochemische  Theorieen.  *27 


icung  des  gebundenen  Wasserstoffes,   und  das  andere  aus  der  Wirkung 
gebundenen  Sauerstoffes.     Dieses  wird  vollkommen  durch  die  Wirkung 

flüssigen  Schwefelwasserstoff-Alkalien  bestätigt;  sie  äussern  in 
isicht   der  Metalle  das  positive  Vermögen  in    einem   sehr  hohen  Grade. 

habe  bei  meinen  Versuchen  mit  Säulen  aus  einem  Metalle  und  aus 
tssigkeiten  gefunden,  dass  diese  flüssigen  Schwefelwasserstoff- Alkalien  im 
gemeinen  viel  wirksamer  als  die  blossen  alkalischen  Laugen  sind,  beson- 
rs  mit  Kupfer,  Silber  und  Blei.  Bei  einem  Versuche,  den  ich  im  Jahre 
02  mit  Verbindungen  aus  Kupfer,  Eisen  und  flüssigem  Schwefel- 
isserstoff-Kali  angestellt  habe,  zeigte  sich,  dass  die  positive  Energie 
5  Schwefelwasserstoff-Kali  in  Beziehung  auf  Kupfer  so  gross  ist,  dass  sie 
;  des  Eisens  übertrifft,  so  dass  hier  die  Elektricität  nicht,  wie  gewöhnlich, 
m  Kupfer  zum  Eisen  und  vom  Eisen  in  die  Flüssigkeit,  sondern  umgekehrt 
m  Kupfer  in  das  Schwefelwasserstoff-Kali  und  von  diesem  in  das  Eisen 
•culirte. 

„Alle  diese  Einzelheiten  begründen  das  Princip  auf  eine  unwiderlegliche 
rt.  Es  lässt  sich  beinahe  für  eine  blosse  Zusammenreihung  der  Thatsachen 
hmen,  und  wie  es  scheint,  bedarf  es  nur  etwas  erweitert  zu  werden,  um 
gemeiner  Anwendung  fähig  zu  sein. 

„Wenn  zwei  Körper  gegen  einen  dritten  entgegengesetzte  elektrische 
räfte  zeigen,  so  dürfen  wir  ohne  Bedenken  schliessen,  dass  sie  auch  in 
rer  gegenseitigen  Beziehung,  einer  auf  den  anderen,  entgegengesetzte  elek- 
sche  Kräfte  besitzen.  Dieses  bewährte  sich  mir  bei  einem  Versuche  mit 
alk  und  Sauerkleesäure.  Ein  trockenes  Stück  Kalk,  aus  dichtem  und 
hr  reinem  Flötzkalkstein  gemacht,  der  so  geschnitten  war,  dass  er  eine 
osse  ebene  Fläche  hatte,  wurde  durch  wiederholte  Berührung  mit  Krystallen 
>n  Sauerkleesäure  positiv-elektrisch;  als  ich  dagegen  die  Krystalle  auf  das 
mdensirende  Elektrometer  gelegt  hatte  und  sie  mehrmals  mit  dem  Kalk- 
sine  berührte,  der  nach  jeder  Berührung  entladen  wurde,  divergirten  die 
oldblättchen  mit  negativer  Elektricität.  Durch  die  Berührung  der  Säure 
ld  durch  die  des  Alkali  mit  dem  Metalle  entstand  aber  gerade  ein  Be- 
reben  nach  dem  entgegengesetzten  Erfolge:  beide  müssen  also  sehr  stark 
lfeinander  eingewirkt  haben. 

„Wir  dürfen  nach  allem  diesem  gewiss  nicht  befürchten,  die  Analogie 
1  weit  zu  treiben,  wenn  wir  annehmen,  dass  alle  Säuren  und  überhaupt 
sr  Sauerstoff,  sowie  von  der  anderen  Seite  alle  Alkalien  und  der 
Wasserstoff,  in  einerlei  Art  von  elektrischen  Beziehungen  stehen,  und  dass, 
ras  die  Zersetzungen  und  Veränderungen  betrifft,  welche  die  Elektricität 
?wirkt),  Körper,  welche  von  Natur  chemisch  miteinander  verwandt  sind, 
issen  ungeachtet  sich  miteinander  zu  verbinden  oder  in  Verbindung  zu 
eiben  unfähig  werden,  sobald  sie  sich  in  einem  elektrischen  Zustande 
.^finden,  der  von  der  natürlichen  Ordnung  verschieden  ist  So  trennen  sich 
e  Säuren,  wie  wir  gesehen  haben,  in  dem  positiven  Theile  des  flüssigen 
>gens  von  selbst  von  den  Alkalien,  und  der  Sauerstoff  von  dem  Wasserst' 


328  Zehntes  Kapitel. 


1 


a 
n 


tu 


und   an   der  negativen   Seite   vereinigen   sich   weder  die  Metalle    mit  de«  '* 
Sauerstoffe,  noch  bleiben  die  Säuren  mit  den  Metalloxyden  verbunden.   Duidfc 
dieses  Mittel   scheinen   die    anziehenden    und  abstossenden  Kräfte  von  dea 
Metall-Oberflächen  durch  das  ganze  flüssige  Mittel  hindurch  mitgetheilt  xa 
werden. 

„Die  chemische  Anziehung  zwischen  zwei  Körpern  lässt  sich  nicht  bloss, 
wie  es  scheint,  vernichten,  dadurch,  dass  man  den  einen  in  einen  elektrischen  £ 
Zustand  versetzt,  der  von  seinem  natürlichen  Zustande  verschieden  ist,  das  '~ 
heisst,  indem  man  ihn  durch  Kunst  in  einen  gleichartigen  elektrischen  Zustand  s 
mit  dem  anderen  versetzt;  sondern  man  kann  umgekehrt  auch  diese  che»  * 
mische  Anziehung  verstärken,  indem  man  die  natürliche  Energie  eines  Körpers  1 
erhöht.  Während  so  z.  B.  das  Zink,  das  oxydirbarste  aller  Metalle,  unfähig  ; 
ist,  sich  mit  dem  Sauerstoffe  zu  verbinden,  so  lange  er  in  dem  Kreise  der 
Säule  negativ,  selbst  nur  durch  eine  schwache  Kraft,  elektrisirt  wird,  ver- 
einigt sich  das  Silber,  eines  der  am  schwersten  zu  oxydirenden  Metalle,  sehr 
willig  mit  dem  Sauerstoffe,  wenn  es  in  dem  Kreise  positiv  elektrisirt  ist 
Dasselbe  lässt  sich  von  den  übrigen  Metallen  sagen. 

„Alle  Körper,  die  sich  chemisch  miteinander  verbinden,  und  deren 
elektrische  Kräfte  wohl  bekannt  sind,  geben  in  ihrer  Berührung  untereinander 
entgegengesetzte  elektrische  Zustände.  Beweise  davon  sind  Kupfer 
und  Zink;  Gold  und  Quecksilber;  Schwefel  und  die  Metalle;  Säuren 
und  Alkalien.  Angenommen  daher,  ihre  kleinsten  oder  elementaren  Teilchen 
könnten  sich  mit  vollkommener  Freiheit  bewegen,  so  würden  sie  sich,  dem 
hier  entwickelten  Grundgesetze  gemäss,  gegenseitig  zu  Folge  ihrer  elektrischen 
Kräfte  anziehen  müssen.  Es  würde  bei  dem  jetzigen  Zustande  unserer 
Kenntnisse  umsonst  sein,  die  entferntere  Ursache  der  elektrischen  Kraft,  oder 
den  Grund  auffinden  zu  wollen,  warum  zwei  verschiedene  Körper  in  ihrer 
Berührung  sich  entgegengesetzt  elektrisirt  finden.  Der  Zusammenhang  ihrer 
Elektricität  mit  ihrer  chemischen  Verwandtschaft  liegt  dagegen  ziemlich  klar 
am  Tage.  Sollte  es  nicht  möglich  sein,  dass  sie  überhaupt  einerlei  mit  der 
Verwandtschaft  und  eine  wesentliche  Eigenschaft  der  Materie  wäre? 

„Die  belegten  Glasscheiben  Beccaria's  hängen  stark  aneinander,  wenn 
sie  entgegengesetzt  geladen  werden,  und  wenn  man  sie  wieder  trennt,  so 
haben  sie  noch  ihre  Ladung.  Diese  Thatsache  hat  viel  Analogie  mit  dem 
Gegenstande,  den  wir  hier  behandeln;  auch  von  den  verschiedenartigen 
Theilchen  muss  man  annehmen,  dass  sie  in  ihrem  besonderen  Zustande  von 
Energie  bleiben,  indem  sie  sich  miteinander  verbunden  haben.  Bei  einer 
Untersuchung,  welche  noch  in  ihrer  ersten  Kindheit  ist,  darf  man  zwar  in 
diese  Hypothese  kein  unbegrenztes  Vertrauen  setzen;  sie  scheint  indess  als 
eine  natürliche  Folge  aus  den  Thatsachen  zu  fliessen,  und  mit  den  Gesetzen 
der  Verwandtschaft  zusammen  zu  fallen,  wie  sie  von  den  neueren  Che- 
mikern mit  so  vielem  Scharfsinne  sind  entwickelt  worden,  und  auf  die  es 
leicht  ist,  von  ihr  eine  allgemeine  Anwendung  zu  machen. 

„Wir  wollen  zwei  Körper  annehmen,  von  denen  die  Theilchen  des  einen 


Elektrochemische  Theorieen. 


329 


ait  denen  des  anderen  sich  in  einem  entgegengesetzten  elektrischen  Zustande 
tefinden,  und  setzen,  diese  Zustände  wären  so  kräftig,  dass  die  verschieden- 
trtigen  Theilchen  sich  mit  einer  Kraft  anzögen,  welche  ihre  Aggregations- 
crafte  an  Stärke  übertreffe-  Es  wird  eine  Verbindung  entstehen,  die  mehr 
>der  minder  innig  ist,  je  nachdem  die  Kräfte  in  ein  mehr  oder  minder  voll- 
kommenes Gleichgewicht  treten,  und  die  Veränderung  ihrer  Eigenschaften 
wird  diesem  entsprechen.  Das  wäre  der  einfachste  Fall  der  chemischen 
Vereinigung. 

„Nun  aber  sind  verschiedene  Körper,  welche  gegen  einen  dritten  ins- 
gesammt  dieselbe  elektrische  Kraft  haben,  in  dem  Grade  dieser  Kraft  ver- 
schieden. So  haben  die  verschiedenen  Säuren  gegen  dasselbe  Metall  eine 
verschiedene  negative,  und  die  Alkalien  gegen  dasselbe  Metall  eine  ver- 
schiedene positive  Kraft.  Schwefelsäure  hat  zum  Beispiel  eine  grössere  Kraft 
mit  Blei  als  Salzsäure,  und  Kalilauge  wirkt  kräftiger  mit  Zinn  als  Natron- 
lauge. Auch  können  diese  Körper  dabei  in  Beziehung  aufeinander  selbst 
in  demselben  Zustande  sein,  einander  folglich  zurückstossen,  wie  in  den  eben 
angeführten  Beispielen,  oder  sie  können  neutral  sein,  oder  endlich  sich 
anziehen,  indem  sie  sich  in  Beziehung  auf  einander  in  entgegengesetzten  Zu- 
ständen befinden,  wie  das  bei  Schwefel  und  Alkali,  welche  dieselbe  Art  von 
Energie  in  Beziehung  auf  die  Metalle  haben,  der  Fall  zu  sein  scheint. 

„Wenn  zwei  Körper,  die  sich  gegenseitig  abstossen,  auf  einen  dritten 
Körper  mit  verschiedenen  Graden  von  einerlei  elektrischer  Kraft  anziehend 
wirken,  so  wird  die  Verbindung  durch  den  Grad  der  Kraft  bestimmt,  und 
die  mit  der  schwächsten  Energie  versehene  Substanz  wird  zurückgestossen 
werden.  Dieses  Princip  giebt  uns  die  Ursache  der  Wahlverwandtschaften 
und  der  Zersetzungen,  welche  sie  bewirkt. 

„Wenn  aber  Körper,  welche  verschiedene  Grade  derselben  Energie  in 
Beziehung  auf  einen  dritten  Körper  äussern,  auch  unter  einander  entgegen- 
gesetzte Kräfte  haben,  so  kann  ein  Gleichgewicht  anziehender  und  zurück- 
stossender  Kräfte  stattfinden,  welches  fähig  ist,  eine  dreifache  Verbindung 
hervorzubringen.  Will  man  dieses  weiter  ausdehnen,  so  ist  es  leicht,  daraus 
alle  noch  zusammengesetzteren  chemischen  Verbindungen  zu  erklären. 

„Es  würde  keine  Schwierigkeit  haben,  diese  Ansicht  durch  Anwendungen 
in  bestimmten  Zahlen  noch  weiter  aufzuklären,  und  sie  überhaupt  auf  alle 
Fälle  chemischer  Verwandtschaften  auszudehnen.  Bei  dem  jetzigen  Zustande 
dieser  Untersuchung  würde  es  indess  voreilig  sein,  dem  hypothetischen  Theile 
des  Gegenstandes  eine  grössere  Ausdehnung  zu  geben.  Doch  erklärt  sich 
schon  aus  der  allgemeinen  Idee  sehr  einfach  der  Einfluss  der  Massen  der 
wirkenden  Substanzen  auf  die  Verwandtschaften,  wie  ihn  die  Versuche  des 
Herrn  Berthollet  dargethan  haben.  Denn  die  vereinte  Wirkung  mehrerer 
Theilchen,  von  schwacher  elektrischer  Energie,  kann  sehr  wohl  der  von 
weniger  Theilen  von  stärkerer  elektrischer  Energie  gleich  kommen  oder 
sie  übertreffen.  Die  vorhin  angeführten  Thatsachen  bestätigen  diese  An- 
nahme,   da    eine   concentrirte    alkalische  Lauge    dem  Hindurchgehen    eine»* 


33O  Zehntes  Kapitel. 


Säure  vermöge  der  Elektricität  weit  mächtiger,    als   eine   schwache  Lauge 
widersteht. 

„Zugegeben,  dass  die  Verbindung  von  dem  Gleichgewichte  der  natür- 
lichen elektrischen  Kräfte  der  Körper  abhängt,  so  muss  es  möglich  sein,  ein 
Maass  der  künstlichen  Kräfte  zu  finden,  z.  B.  durch  die  von  der  Elektrisir- 
maschine,  oder  von  einem  VoLTA'schen  Apparate  hervorgebrachte  Intensität 
und  Menge,  welche  fähig  ist,  das  Gleichgewicht  aufzuheben.  Ein  solches  j 
Maass  würde  uns  in  den  Stand  setzen,  eine  Stufenleiter  der  elektrischen 
Kräfte  der  Körper  aufzufinden,  wie  sie  den  Graden  der  Verwandtschaft  ent- 
sprechen. .  .  . 

„Wenn  Körper,  welche  man  durch  künstliche  Mittel  zu  hohen  Graden 
entgegengesetzter  Elektricität  gebracht  hat,  ihr  Gleichgewicht  wechselseitig 
wieder  herstellen,  sind  Wärme  und  Licht  die  gewöhnlichen  Folgen  dieser 
Wiederherstellung  des  Gleichgewichtes.  Es  lässt  sich  daher  auch  der  Um- 
stand vielleicht  zu  Gunsten  der  Theorie  anfuhren,  dass  Wärme  und  Licht 
ebenfalls  das  Resultat  aller  intensiven  chemischen  Wirkungen  sind;  und  dass, 
sowie  in  VoLTASchen  Batterieen  von  einer  gewissen  Gestalt,  in  denen  grosse 
Quantitäten  Elektricität  von  sehr  geringer  Intensität  wirken,  Hitze  und  Licht 
entsteht,  so  auch  in  den  schwachen  chemischen  Verbindungen  eine  Ver- 
mehrung der  Temperatur,  ohne  Lichterscheinungen  stattfindet. 

„Nach  diesen  Ideen  lässt  es  sich  leicht  erklären,  wie  die  Hitze  die  Ver- 
bindungen erleichtern  und  bewirken  kann.  Sie  giebt  häufig  den  kleinsten 
Theilchen  eine  freiere  Beweglichkeit,  und  in  vielen  Fällen  scheint  sie  die 
elektrischen  Kräfte  der  Körper  zu  erhöhen;  wovon  das  Glas,  der  Turmalin 
und  der  Schwefel  bekannte  Beispiele  geben.  —  Ich  erhitzte  miteinander 
eine  isolirte  Kupferscheibe  und  eine  Scheibe  aus  Schwefel,  und  unter- 
suchte ihre  Elektrici täten,  als  ihre  Temperatur  erhöht  war.  Bei  56 °  F.  lassen 
diese  Elektricitäten  sich  selten  an  dem  condensirenden  Elektrometer  wahr- 
nehmen; und  jetzt  bei  ioo°  F.  waren  sie  so  stark,  dass  sie  die  Goldblättchen 
ohne  Hülfe  des  Condensators  zum  Divergiren  brachten.  Je  näher  der 
Schwefel  seinem  Schmelzpunkte  kam,  desto  stärker  zeigten  sie  sich.  Ein 
wenig  über  diesem  Schmelzpunkte  vereinigen  sich  beide  Körper  sehr  schnell 
unter  Wärme-  und  Lichtentbindung,  wie  das  die  Versuche  der  Amsterdamer 
Chemiker  gelehrt  haben. 

„Es  lässt  sich  denken,  dass  ähnliche  Wirkungen  stattfinden,  indem 
Sauerstoff  und  Wasserstoff  sich  miteinander  zu  Wasser  verbinden,  einem 
Körper,  der,  wie  es  scheint,  in  Beziehung  auf  fast  alle  anderen  Substanzen 
in  Hinsicht  der  elektrischen  Kraft  neutral  ist;  und  eine  ähnliche  Erhöhung 
der  Kräfte  findet  wahrscheinlich  in  allen  Fällen  des  Verbrennens  statt  Über- 
haupt, so  oft  die  verschiedenen  Kräfte  stark  sind  und  vollkommenes  Gleich- 
gewicht entsteht,  müssen  die  Verbindungen  lebhaft,  Hitze  und  Licht  intensiv, 
und  das  neu  Verbundene  in  einem  neutralen  Zustande  sein.  Dieses  findet 
in  dem  angeführten  Beispiele  statt,  sowie  bei  der  Vereinigung  zwischen  den 
Alkalien  mit  den  mächtigen  Säuren.    Wenn  dagegen  die  eine  Kraft  schwach 


Elektrochemische  Theorieen.  331 


und  die  andere  stark  ist,  so  müssen  alle  Wirkungen  minder  lebhaft  sein, 
und  das  Verbundene,  statt  neutral  zu  werden,  einen  Überschuss  der  stärkeren 
Energie  zeigen. 

„Diese  letztere  Meinung  wird  durch  alle  Versuche  bestätigt,  welche  ich 
über  die  elektrische  Kraft  der  zusammengesetzten  Salze  in  Beziehung 
auf  die  Metalle  habe  anstellen  können.  Weder  Salpeter,  noch  schwefel- 
saures Kali,  noch  salzsaurer  Kalk,  noch  überoxygenirtsalzsaures 
Kali  gaben  einer  Kupferscheibe  oder  einer  Zinkscheibe  die  geringste  elek- 
trische Ladung,  wenn  diese  gleich  mit  ihnen  in  einer  grossen  Fläche  wieder- 
holt in  Berührung  gesetzt  wurde.  Halbkohlensaures  Natron  und  Borax 
gaben  dagegen  diesen  Metallen  schwache  negative,  sowie  Alaun  und  über- 
saurer phosphorsaurer  Kalk  eine  schwache  positive  Ladung. 

„Wenn  bei  weiterer  Untersuchung  dieser  Grundsatz  sich  allgemein  be- 
stätigt, so  dürfte  der  Grad  der  elektrischen  Kräfte  der  Körper,  den  man 
durch  sehr  empfindliche  Instrumente  findet,  zu  neuen  und  folgenreichen 
Aufschlüssen  über  die  Zusammensetzung  der  Körper  fuhren. 

„Die  Anziehung,  welche  die  chemischen  Wirkungsmittel  von  den  posi- 
tiven und  negativen  Oberflächen  in  dem  VoLTA'schen  Apparate  erleiden, 
scheint  die  grosse  Tendenz  zu  haben,  das  elektrische  Gleichgewicht  wieder 
herzustellen.  In  einer  VourA'schen  Batterie  aus  Kupfer,  Zink  und  Kochsalz- 
wasser hört  aller  Kreislauf  der  Elektricität  auf,  und  ist  das  Gleichgewicht 
hergestellt,  wenn  das  Kupfer  an  beiden  Seiten  mit  dem  Zinke  in  Berührung 
gesetzt  wird;  und  der  Sauerstoff  und  die  Säuren,  welche  vom  positiv-elek- 
trischen Zinke  angezogen  werden,  äussern  ähnliche  Wirkungen  auf  das 
Kupfer,  wahrscheinlich  jedoch  in  einem  schwächeren  Grade;  und  da  sie  fähig 
sind,  sich  mit  dem  Metalle  zu  verbinden,  so  erzeugen  sie  bloss  ein  momen- 
tanes Gleichgewicht. 

„Die  elektrischen  Kräfte  der  Metalle  eines  in  Beziehung  auf  das 
andere,  oder  der  im  Wasser  aufgelösten  Substanzen^  scheinen  in  dem  Volta'- 
schen  und  den  ähnlichen  Apparaten  die  Ursache  der  Aufhebung  des 
Gleichgewichtes  zu  sein.  Die  chemischen  Veränderungen  scheinen  dahin 
zu  streben,  das  Gleichgewicht  wieder  herzustellen;  und  höchst  wahr- 
scheinlich hängen  die  Erscheinungen,  welche  diese  Apparate  zeigen,  von  der 
vereinten  Wirkung  beider  Ursachen  ab. 

„In  der  VoLTA'schen  Säule  aus  Zink,  Kupfer  und  Kochsalzwasser, 
welche  dem,  was  man  die  Bedingung  ihrer  elektrischen  Spannung  genannt 
hat,  gemäss  angeordnet  ist,  sind  die  sich  berührenden  Kupfer-  und  Zink- 
scheiben in  entgegengesetzten  Zuständen  von  Elektricität.  Für  eine  Elek- 
tricität von  so  schwacher  Intensität  ist  Wasser  ein  isolirender  Körper.  Daher 
bewirkt  jede  Kupferscheibe  in  der  ihr  gegenüberstehenden  Zinkscheibe  eine 
Vermehrung  positiver  Elektricität  durch  Vertheilung,  und  umgekehrt  jede  Zink- 
scheibe in  der  ihr  gegenüberstehenden  Kupferscheibc  eine  Vermehrung  der  nega- 
tiven Elektricität,  und  die  Intensität  wächst  im  Verhältnisse  der  Zahl,  die  Quan- 
tität im  Verhältnisse  der  Grösse  der  Oberflächen,  welche  die  Reihe  ausmachen. 


1 


334  Zehntes  Kapitel. 

haben  müsse;  und  dass,  insofern  diese  den  elektrischen  Kräften  proportM 
war,  sie  auch  (meiner  Hypothese  zur  Folge),  den  chemischen  Verwandt 
Schäften  proportional  sein  musste.  In  wie  weit  überhaupt  die  Cohäsion  vo»|; 
der  Verschiedenheit  der  elektrischen  Kräfte  der  Körper  abhängen  oder  durch  ^ 
sie  verursacht  werden  könne,  ist  eine  Frage,  die  zu  sehr  interessanten  Efrc: 
örterungen  fuhren  dürfte."  £ 

Die  vorstehenden  Darlegungen  Davy*s  enthalten  den  bei  weitem  ernstesten  i 
und  bedeutendsten  Versuch  jener  Zeit,    den  Zusammenhang  zwischen  den  * 
chemischen    und    den  elektrischen  Erscheinungen    causal    zu    begreifen   und  x 
experimentell  zu  belegen.   Die  auf  S.  325  mitgetheilten  Condensatorversuche  n 
leiden  zwar  an  demselben  Einwände,  der  gegen  die  ähnlichen,  von  Volta  ; 
mit  Metallen   und  Flüssigkeiten   angestellten  zu   erheben  war,    dass  nämlich  : 
bei  dem  Auseinandernehmen  der  in  Berührung  gebrachten  Stoffe  eine  wirk-  . 
liehe  Trennung  genau  an  der  Berührungsfläche  auf  keine  Weise  erwiesen  * 
oder  auch   nur  wahrscheinlich  gemacht  werden  kann,    und  dass  somit  die  , 
Versuche    durchaus    keinen    beweisenden    Charakter   tragen;  —   Davy*s  An-  - 
schauungen  unterscheiden  sich   aber  doch  von   den  vielen  anderen  elektro- 
chemischen    Theorieen,    an    denen    diese    und    die    Folgezeit   so    reich   ist, 
durch    die    sorgfaltige    experimentelle    Begründung.      Die    Idee,    dass    die  . 
elementaren  Atome,   die  als  die  letzten  Bestandteile  der  Stoffe  angesehen 
werden,  bei  ihrer  gegenseitigen  Berührung  entgegengesetzt  elektrisch  werden, 
und  in  Folge  dessen  sich  gegenseitig  anziehen,  ist  physikalisch  ganz  durch« 
führbar,    und  jedenfalls  viel  rationeller,    als  die  alsbald  zu  erwähnende  An- 
nahme von  Berzelius,  nach  welcher  die  verschiedenen  elektrischen  Zustände 
den  Atomen  schon  an  und  für  sich  zukommen,  und  sich  dennoch  bei  ihrer 
Verbindung  ausgleichen  sollen. 

Von  nicht  geringem  Interesse  ist  es,  nachzusehen,  aus  welchem  Grunde 
Davy  seine  ursprüngliche  rein  chemische  Theorie  aufgegeben  hat  Auf  S.  332 
finden  sich  die  Angaben  darüber.  Sie  laufen  auf  denselben  Einwand 
hinaus,  von  dem  schon  früher  die  Rede  gewesen  ist:  dass  es  nämlich  An- 
ordnungen giebt,  in  denen  zwar  eine  sehr  kräftige  chemische  Wirkung, 
dagegen  keine,  oder  keine  beträchtliche  elektrische  stattfindet  Auch  Davy 
nimmt  stillschweigend  an,  dass  jeder  chemische  Vorgang  elektrisch  wirksam 
sein  müsse,  wenn  man  die  chemische  Theorie  durchfuhren  wolle.  Obwohl 
die  Notwendigkeit  einer  Trennung  des  chemischen  Vorganges  in  zwei 
räumlich  geschiedene  Antheile  um  dieselbe  Zeit  von  Ritter  eingesehen  und 
ausgesprochen  worden  war  (vgl.  S.  189),  und  damit  die  Antwort  auf  die 
Frage,  unter  welcher  Bedingung  ein  chemischer  Vorgang  elektrisch  wirksam 
gemacht  werden  kann,  gegeben  war,  so  hat  doch  jener  falsche  Einwand 
seine  Wirkung  noch  lange  Jahre  hindurch  geltend  gemacht  Es  ist  dieser 
Fall  eines  der  vielen  Beispiele  für  die  immer  wiederholte  Erfahrung,  dass 
es  nicht  genügt,  einen  richtigen  und  wichtigen  Gedanken  auszusprechen, 
um  ihn  wissenschaftlich  fruchtbar  zu  machen:  es  ist  ausserdem  erforderlich, 
seine  Anwendung  an  entscheidender  Stelle  nachzuweisen,  und  ihn  sachgemäss 


Elektrochemische  Theorieen.  *?.r 


farchsnfuhren.  In  den  seltensten  Fällen  hat  der,  welcher  einen  Gedanken 
meist  findet,  eine  vollständige  Vorstellung  von  seiner  Tragweite,  und  nichts 
■t  häufiger  >  als  die  Erscheinung,  dass  ein  buchstäblich  zu  Tage  liegender 
Inhalt  eines  solchen  Gedankens  Jahre  und  Jahrzehnte  hindurch  übersehen 
wird,  und  mit  dem  Eindruck  wie  von  etwas  ganz  Neuem  wirkt,  wenn  endlich 
ein  unbefangenes  Auge  diesen  Inhalt  sieht,  so  dass  er  zur  Geltung  gebracht 
werden  kann. 

Im  Übrigen  finden  sich  in  der  Abhandlung  Davy*s  noch  manche  gute 
und  fruchtbare  Ideen  angedeutet,  wie  insbesondere  die  elektrische  Messung 
des  Grades  der  chemischen  Verwandtschaft.  Doch  hat  es  allerdings  fast 
eines  ganzen  Jahrhunderts  bedurft,  bis  diese  Idee  greifbare  Gestalt  ange- 
nommen hat 

10.  Die  elektrochemische  Theorie  von  Berzelius.  Fortsetzung. 
Die  Anfange  von  Berzelius  elektrochemischen  Forschungen  und  theoretischen 
Vorstellungen  sind  bereits  früher  (S.  317)  geschildert  worden.  Von  der 
ausgebildeten  Gestalt,  welche  diese,  theilweise  unter  dem  Einflüsse  der  eben 
erörterten  Arbeiten  Davy's,  gewonnen  hat,  gebe  ich  die  wichtigsten  Stellen 
nach  der  Darstellung  wieder,  welche  Berzelius  in  den  späteren  Auflagen 
seines  Lehrbuches  gegeben  hat1 

„Selbst  lange  vor  Entdeckung  der  elektrischen  Säule  ahnete  man  die 
Beziehung  zwischen  Feuer  und  Elektricität.  Wilke  äusserte  schon  1 766,  dass 
man  mit  der  Zeit  wohl  Aufschlüsse  erwarten  könne  über  die  Beziehungen, 
welche  die  neuere  Physik  zwischen  Feuer  und  Elektricität  zu  entdecken 
angefangen  habe,2  und  später  verwebte  auch  Winterl  die  Elektricität  in 
seine  chemisch-theoretischen  Fiktionen.  Einige  seiner  Ideen  darüber  haben 
sich  in  der  Folge  bestätigt;  er  lässt  aber  den  Leser  immer  in  Ungewissheit, 
ob  das  Wahre  von  ihm  nicht  ebenso  zu  seinen  Phantasieen  gehört,  wie  die 
grosse  Menge  von  Irrthümern,  welche  man  in  seinen  Schriften  findet. 

„Volta  hatte  durch  mit  vieler  Sorgfalt  angestellte  Versuche  beobachtet, 
dass  zwei  mit  einander  in  Berührung  gebrachte  Metalle  elektrisch  werden, 
und  dass  dies  die  Ursache  der  Erscheinungen  der  elektrischen  Säule  sei. 
Davy  zeigte  hierauf,  dass  dieser  elektrische  Zustand  sich  im  Verhältnisse 
mit  der  Stärke  der  gegenseitigen  Verwandtschaften  der  angewandten  Körper 
vermehre,  und  dass  er,  mittelst  gewisser  Vorsichtsmaassregeln,  in  allen 
Körpern,  welche  zu  einander  Verwandtschaft  haben,  hervorgebracht  und 
wahrgenommen  werden  könne.  Aus  den  Versuchen  von  Davy  ging  ferner 
hervor,  dass  durch  die  Temperatur,  welche  wie  wir  wissen,  die  Verwandt- 
schaft erhöht,  auch  die  Intensität  des  elektrischen  Zustandes  der  sich  be- 
rührenden Körper  sich  vermehre,  dass,  wenn  aber  dieser  mechanische 
Contact  in  chemische  Vereinigung  übergehe,  alle  Zeichen  von  Elektricität 
augenblicklich    aufhören,   das   heisst,   dass   in   dem  Augenblick,   wo    unter 


1  Es  ist  insbesondere  die  3.  Auflage,  Bd.  5,   1835,  benutzt  worden. 
'  Abh.  d.  schwed.  Akad.  d.  Wiss.  1766.  S.  90. 


336  Zehntes  Kapitel. 


günstigen  Umständen  Feuer  erscheint,  die  elektroskopische  Vertheilung^ 
Entladung,  die  man  wahrnehmen  könnte,  verschwindet  Diese 
harmoniren  also  sehr  gut  mit  der  Vermuthung,  dass  die  entgegei 
Elektricitäten  in  den  sich  vereinigenden  Körpern  sich  in  dem  Ai 
der  Vereinigung  gegenseitig  neutralisiren,  und  dass  alsdann  auf  eben 
Weise,  wie  bei  der  elektrischen  Entladung,  Feuer  entsteht.  Auch 
von  Becquerel  mit  Anwendung  des  elektrischen  Multiplikators 
Versuche  können  wohl  zu  den  positiven  Beweisen  für  die  Theilnahme  4 
Elektricität  an  der  chemischen  Verbindung  gezählt  werden;  er  zeigte,  4f 
auch  die  geringste  chemische  Wirkung  eine  elektrische,  auf  die  Magnetuw 
wirkende  Entladung  hervorruft.  ...  "= 

„Indessen,  wenn  wir  alle  diejenigen  Umstände,  welche  für  die  RidMJ 
keit  dieser  Vorstellung  von  dem  Ursprünge  des  Feuers  sprechen,  erwähne 
dürfen  wir  nicht  für  solche  blind  sein,  die  nicht  auf  gleiche  Weise  erkB 
werden  können.  Von  solcher  Beschaffenheit  ist  das  Feuer,  das  sich  xqj 
wenn  sich  Wasserstoffsuperoxyd,  Chloroxyd,  chlorige  Säure,  ChlorstickiK 
und  Jodstickstoff  unter  Explosion  in  ihre  Bestandtheile  trennen.  Wird  Wam 
stoffsuperoxyd  mit  Wasser  und  Silberoxyd  vermischt,  so  geräth  die  Flüaaj 
keit  ins  Sieden,  und  wir  entdecken  bei  dieser  Wärmeentwickelung  krii 
andere  chemische  Erscheinung,  als  dass  sich  aller  Sauerstoff  vom  Silbe 
und  die  Hälfte  des  Sauerstoffes  vom  Wasserstoff  im  Superoxyde  trennt  '. 
diesen  Fällen  entsteht  Licht  und  Wärme  also  gerade  bei  dem  Gegenth 
der  chemischen  Verbindung,  das  heisst  bei  der  Trennung  der  Elemente  in 
dem  Übergange  derselben  in  den  ursprünglichen  isolirten  Zustand,  wot 
man,  nach  der  angenommenen  Ursache  des  Feuers  zu  schliessen,  eher  eil 
Absorption  von  Wärme  und  Entstehung  von  Kälte  erwarten  sollte.  Da 
wenn  Licht  und  Wärme  durch  die  Vereinigung  der  entgegengesetzten  Ele 
tricitäten  erzeugt  wird,  so  müsste  auch  durch  ihre  plötzliche  Trennung  Warn 
absorbirt  und  Kälte  erzeugt  werden,  was  indessen  nicht  durch  Thatsadu 
hat  erwiesen  werden  können.  Leitet  man  z.  B.  durch  die  Kugel  eines  gut 
Luftthermometers  einen  Metalldraht,  der  sich  ausserhalb  der  Kugel  auf  jed 
Seite  in  eine  Spitze  endigt,  und  entladet  mit  diesem  Draht  eine  elektriscl 
Batterie  in  einem  solchen  Abstände,  dass  kein  Funke  entsteht,  so  ström« 
die  entgegengesetzten  Elektricitäten,  von  denen  die  freien  EE  der  Battei 
gesättigt  werden,  vom  Drahte  aus,  aber  die  Temperatur  des  Lufttherm 
meters  bleibt  unverändert.  Diese  Umstände  scheinen  demnach  zu  zeige 
dass  in  der  Entstehung  der  Elektricitäten  noch  etwas  liege,  wovon  wir  u 
noch  keine  Rechenschaft  geben  können,  und  dass  unsere  Erklärung,  dun 
die  Vereinigung  der  Elektricitäten  möglicher  Weise  noch  eine  Vorstellung» 
enthält,  die  von  dem  wirklichen  Verlaufe  noch  sehr  verschieden  ist.  —  I 
dessen  wollen  wir  versuchen,  die  erwähnte  Hypothese  zur  Ausmittelung  d 
Erscheinungen  anzuwenden,  bis  sich  eine  mit  dem  letzteren  noch  bess 
übereinstimmende  darbietet. 

„Wenn  die  Körper,  welche  sich  verbunden  haben,  und  nun  nicht  me 


Elektrochemische  Theoriecn. 


337 


sind,  getrennt  werden,  und  ihre  Elemente  in  ihren  früheren  iso- 
Znstand  mit  ihren  ursprünglichen  Eigenschaften  zurückgeführt  werden 
so  müssen  sie  in  den  durch  die  Verbindung  vernichteten  elektrischen 
wieder  versetzt  werden;  oder  mit  anderen  Worten,  wenn  diese  ver- 
Körper durch  irgend  eine  Ursache  ihren  ursprünglichen  elek- 
Zustand,  der  durch  die  Vereinigung  aufgehört  hat,  wieder  erlangen, 
sie  sich  trennen,  und  sich  wieder  mit  ihren  ursprünglichen  Eigen- 
darstellen. Auch  ist  es  bekannt,  dass  bei  der  Einwirkung  der 
en  Säule  auf  eine  leitende  Flüssigkeit,  die  Elemente  dieser  Flüssig- 
fleh trennen,  dass  der  Sauerstoff  und  die  Säuren  von  dem  negativen 
M  zd  dem  positiven,  und  die  brennbaren  Körper  sowie  die  salzbildenden 
von  dem  positiven  zu  dem  negativen  abgestossen  werden. 
Wir  glauben  daher  nun  mit  Gewissheit  zu  wissen,  dass  die  Körper, 
sie  nahe  sind,  sich  verbinden  zu  wollen,  freie  entgegengesetzte  Elek- 
Iricitäten  zeigen,  deren  Stärke  in  dem  Maasse  steigt,  als  sie  sich  der 
Temperatur,  wobei  sie  sich  verbinden,  nähern,  bis  in  dem  Augenblicke  der 
Vereinigung  die  Elektricitäten  mit  einer  Temperaturerhöhung  verschwinden, 
de  oft  bis  zum  Ausbrechen  von  Feuer  geht.  Auf  der  anderen  Seite  haben 
wir  gleiche  Gewissheit,  dass  die  verbundenen  Körper,  in  einer  dazu  passenden 
Gestalt  der  Wirkung  des  durch  die  Entladung  der  Säule  entstehenden  elek- 
trischen Stromes  ausgesetzt,  von  einander  getrennt  werden  und  ihre  ersten 
elektrischen  und  chemischen  Eigenschaften  wiedererlangen,  während  zu 
gleicher  Zeit  die  darauf  wirkenden  Elektricitäten  verschwinden. 

„Bei  dem  jetzigen  Zustande  unserer  Kenntnisse  ist  die  wahrscheinlichste 
Erklärung  der  Verbrennung  und  der  dadurch  entstehenden  Feuererscheinung: 
dass  bei  jeder  chemischen  Verbindung  eine  Neutralisation  der  entgegen- 
gesetzten Elektricitäten  stattfindet,  und  dass  diese  Neutralisation  das  Feuer 
auf  dieselbe  Weise  hervorbringt,  wie  sie  es  bei  der  Entladung  der  elek- 
trischen Flasche,  der  elektrischen  Säule  und  dem  Blitze  erzeugt,  ohne  dass 
sie  bei  diesen  letzteren  Erscheinungen  von  einer  chemischen  Vereinigung 
begleitet  ist. 

„Es  stellt  sich  indessen  hier  eine  Frage  auf,  die  durch  keine  analoge 
Erscheinung  der  gewöhnlichen  elektrischen  Entladung  gelöst  werden  kann. 
Nachdem  sich  die  Körper  durch  die  Wirkung  einer  elektrochemischen  Ent- 
ladung und  unter  Feuererscheinung  verbunden  haben,  bleiben  sie  in  dieser 
Verbindung  mit  einer  Kraft,  welche,  wie  erwähnt  wurde,  grösser  ist,  als  alle 
die,  welche  eine  mechanische  Trennung  bewirken  können.  Die  gewöhnlichen 
elektrischen  Phänomene  erklären  wohl  die  Wirkung  der  Körper  auf  grösseren 
und  geringeren  Abstand,  ihre  Anziehung  vor  der  Vereinigung  und  das  durch 
diese  Vereinigung  entstehende  Feuer;  aber  sie  geben  uns  über  die  Ursache 
der  mit  einer  so  grossen  Kraft  nach  Vernichtung  des  entgegengesetzten 
elektrischen  Zustandes  fortdauernden  Vereinigung  der  Körper  keinen  Auf- 
schluss.  Ist  dies  die  Wirkung  einer  besonderen,  den  Atomen  beiwohnenden 
Kraft,   wie   die  elektrische  Polarisation,    oder  ist  dies  eine   Eigenschaft  der 

Ojtwald,   Elektrochemie  22 

* 

J 


o-jg  Zehntes  Kapitel. 


Elektricität,  welche  bei  den  gewöhnlichen  Erscheinungen  nicht  wahrnehmbar 
ist?     Versucht  man,    diese  Frage  zu   entscheiden,   so  findet  man,    dass  im 
ersteren  Falle,  wenn  es  nämlich  die  Folge  der  Wirkung  einer  fremden  Kraft  \ 
wäre,    die   Fortdauer  der   Verbindung  nicht   dem  Einflüsse    der   Elektricität 
unterworfen  sein  dürfte,    und   dass,    in   dem   anderen  Falle,   die  Wiederher- 
stellung der  elektrischen  Polarität  auch  die  stärkste  chemische  Verbindung 
aufheben  müsste.     Auch  wissen  wir,    dass    die  Entladung   der   elektrischen 
Batterie  die  chemische  Verwandtschaft  übertrifft,  und  die  verbundenen  Körper  * 
trennt,  das  heisst,  dass  sie  die  Kraft,  wodurch  die  Atome  nach  der  elektro-  \ 
chemischen  Entladung  verbunden  blieben,  überwindet  oder  vernichtet    Man  \ 
kann  z.  B.  vermittelst  einer  kleinen  elektrischen  Batterie  von  8  oder  10  Paaren  i 
Zink-  und  Silberscheiben,  von  der  Grösse  eines  Thalers,  das  Kali  bei  Gegen-  5 
wart  von  Quecksilber  zersetzen;  dies  zeigt,  dass  das,  was  wir  Vereinigung»-  l 
Verwandtschaft,    chemische  Verwandtschaft  nennen,    eine   nothwendige  und  l 
unveränderliche  Beziehung  mit  den  elektrochemischen  Erscheinungen  habe,  \ 
obgleich  wir  sie  nicht  durch  die  bis  jetzt  bekannten  Entladungserscheinungen  J 
der  durch  Reibung  erregten  Elektricität  erklären  können.  ) 

„Die  über  die  gegenseitigen  elektrischen  Beziehungen  der  Körper  ge-  ■ 
machten  Versuche  haben  uns  gezeigt,  dass  jene  in  zwei  Klassen  getheilt 
werden  können,  in  elektropositive  und  elektronegative.  Die  zur  ersten  Klasse 
gehörigen  einfachen  Körper,  sowie  ihre  Oxyde,  nehmen  immer  positive 
Elektricität  an,  wenn  sie  mit  einfachen  Körpern  oder  Oxyden  der  zweiten 
Klasse  in  Berührung  kommen;  und  die  Oxyde  der  ersten  Klasse  verhalten 
sich  immer  zu  den  Oxyden  der  zweiten,   wie  die  Salzbasen  zu  den  Säuren. 

„Man  glaubte,  die  elektrische  Reihe  der  brennbaren  Körper  sei  von  der 
ihrer  Oxyde  verschieden,  aber,  obgleich  die  verschiedenen  Oxydationsstufen 
einiger  Körper  Ausnahmen  zeigen,  so  stimmt  doch  die  elektrische  Ordnung 
der  brennbaren  Körper  im  Allgemeinen  mit  der  der  Oxyde  auf  die  Weise 
überein,  dass  die  mit  den  stärksten  Verwandtschaften  begabten  Oxydations- 
stufen der  verschiedenen  Radikale  sich  zu  einander  verhalten,  wie  die  Radi- 
kale selbst. 

„Werden  die  Körper  nach  ihren  elektrischen  Dispositionen  geordnet, 
so  entsteht  ein  elektrisches  System,  welches,  nach  meiner  Meinung,  am 
besten  sich  eignet,  eine  Idee  von  der  Chemie  zu  geben.  Ich  werde  weiter 
unten  darauf  zurückkommen. 

„Der  Sauerstoff  ist  der  elektronegativste  Körper.  Da  er  niemals  in 
Beziehung  auf  irgend  einen  anderen  positiv  ist,  und  da  es  nach  allen  bis 
jetzt  bekannten  chemischen  Erscheinungen  wahrscheinlich  ist,  dass  kein 
Element  unserer  Erde  elektronegativer  sein  kann,  so  legen  wir  ihm  eine 
absolute  Negativität  bei.  Auch  ist  er  in  dem  elektrochemischen  System  der 
einzige  Körper,  dessen  elektrische  Beziehungen  unveränderlich  sind.  Die 
anderen  sind  in  dem  Sinne  veränderlich,  dass  ein  Körper  in  Beziehung  auf" 
einen  anderen  negativ,  und  in  Beziehung  auf  einen  dritten  positiv  sein  kann;, 
so  sind  z.  B.  der  Schwefel  und  das  Arsenik  in   Beziehung  auf  die  Metalle 


\ 


j 


Elektrochemische  Theorieen. 


339 


/.  Die  Radikale  der  fixen  Alkalien  und  der  alkalischen  Erden  sind 
sn  die  elektropositivsten  Körper;    sie  sind  es  aber  in  wenig  verschie- 

Graden,  und  an  dem  positiven  Ende  der  elektrischen  Reihe  ist  kein 
r  so  positiv,  wie  der  Sauerstoff  elektronegativ  ist. 
In  der  Meinung,  es  müsse  einen  solchen  Körper  geben,  vermutheten 
rinige  Chemiker,  es  sei  dies  der  Wasserstoff,  und  es  rührten  die  elektro- 
ren  Eigenschaften  der  Körper  immer  von  einem  Gehalt  an  Wasserstoff 
aber  diese  Vermuthung,  welche  sich  auf  keine  andere  Thatsache,  als 
rosse  Sättigungscapacität  des  Wasserstoffes  stützt,  hat  niemals  allge- 
n  Beifall  erhalten,  und  man  braucht  nur  einen  Blick  auf  die  Eigen- 
en des  Wasserstoffes  und  der  anderen  elektropositiven  Körper  zu  werfen, 
e  unwahrscheinlich  zu  finden.  Auch  glaubt  man  annehmen  zu  dürfen, 
sich  der  Wasserstoff  mit  dem  Kalium  verbinden  könne,  worin  er  das 
ive  Element  wäre,  und  dass  das  Wasser  in  seinen  Verbindungen  mit 
Jalzbasen  die  Stelle  der  Säure  spielt,  weil  bei  Zersetzung  von  Kalkerde- 
Baryterde-Hydrat  durch  die  Säule  sich  das  Wasser  am  positiven  Pole 
lmelt,  während  die  Erde  zum  negativen  geht. 

,\Yenn  man  die  Körper  nach  dem  Zunehmen  ihrer  positiven  Eigen- 
en ordnet,  so  findet  man  in  der  Mitte  dieser  Reihe  Körper,  deren 
ische  elektrochemische  Eigenschaften  wenig  ausgezeichnet  sind,  und 
lan  ebenso  gut  in  die  eine,  wie  in  die  andere  elektrochemische  Klasse 
1  könnte.  Diesen  Körpern  fehlen  indessen  nicht  die  elektrochemischen 
ischaften;  sie  sind  in  Beziehung  auf  die  nach  ihnen  folgenden,  negativ. 
,,Folgende  ist  ungefähr  die  Ordnung,  in  welcher  die  einzelnen  Körper 
:htlich  ihrer  allgemeinen  elektrochemischen  Eigenschaften  und  derjenigen 

stärksten  Oxyde  auf  einander  folgen: 


Sauerstoff 

Tantal 

Kobalt 

Schwefel 

Titan 

Nickel 

Stickstoff 

Kiesel 

Eisen 

Fluor 

Wasserstoff 

Zink 

Chlor 

Gold 

Mangan 

Brom 

Osmium 

Cerium 

Jod 

Iridium 

Thorium 

Selen 

Platin 

Zirconium 

Phosphor 

Rhodium 

Aluminium 

Arsenik 

Palladium 

Yttrium 

Chrom 

Quecksilber 

Beryllium 

Vanadin 

Silber 

Magnesium 

Molybdän 

Kupfer 

Calcium 

"Wolfram 

Uran 

Strontium 

Bor 

Wismuth 

Barium 

Kohlenstoff 

Zinn 

Lithium 

Antimon 

Blei 

Natrium 

Tellur 

Cadmium 

Kalium. 

,Ich  sagte,  dies  ist  ung 
ie  so  wenig  untersucht, 


efähr  ihre  Ordnung.     Bis  jetzt  hat  man  diese 
dass   sich  noch  nichts  ganz  gewisses  hinsicht- 


22 


^40  Zehntes  Kapitel. 


lieh  dieser  relativen  Ordnung  bestimmen  lässt,  die  wohl  nicht  mehr  dies 
bleiben  möchte,  wenn  man  alle  auf  diesen  Gegenstand  sich  bezieh« 
Umstände  besser  kennen  wird. 

„Es  ist  natürlich,  sich  vorzustellen,  dass  die  elektrochemischen  Ei 
Schäften  der  Körper  sich  unter  einander  verhalten  würden,  wie  ihre 
wandtschaft  zum  Sauerstoff,  und  dass  diese  Reihe  zu  gleicher  Zeit  ihre  < 
nung  nach  dieser  Verwandtschaft  anzeigen  würde.  Indessen  verhält  es 
nicht  so;  Schwefel,  Phosphor  und  Kohlenstoff  sind  sehr  elektroneg; 
Körper;  gleichwohl  reduciren  sie  mehrere  von  den  elektropositiveren.  Au 
dem  steht  die  Verwandtschaft  eines  Körpers  zum  Sauerstoff  nicht  in  ei 
unveränderlichen  Verhältnisse;  sie  verändert  sich  nach  der  Temperatur, 
einem  gewissen  Hitzegrad  reducirt  das  Kalium  das  Kohlenoxydgas,  bei  ei 
anderen  Grade  wird  das  Kalium  von  der  Kohle  reducirt.  Das  Quecks 
oxydirt  sich  bei  seinem  Kochpunkt  und  bei  einer  höheren  Temperatur 
es  keine  Verwandtschaft  zum  Sauerstoff  mehr  u.  s.  w.  Ferner  werder 
bei  unseren  Versuchen  die  Körper  durch  eine  zusammengesetzte  Verwj 
schaff  reducirt  und  oxydirt,  nach  welcher  man  nicht  ihre  relative  Verws 
schaft  zum  Sauerstoff  beurtheilen  darf.  Es  ist  also  dieser  Umstand, 
die  gegenseitigen  elektrischen  Beziehungen  der  Körper  nicht  gleichen  Sc 
halten  mit  dem  Grade  ihrer  relativen  Verwandtschaft  zum  Sauerstoff,  i 
dem  elektrischen  System  entgegen,  obwohl  er  auf  den  ersten  Anblick  c 
Widerspruch  zu  enthalten  scheint;  und  weiter  unten  werde  ich  zu  zc 
versuchen,  wie  man  dieses  Verhältniss  erklären  kann. 

„Lange  vorher,  ehe  man  die  elektrischen  Beziehungen  der  Körper  ah 
hatte  man  ihre  Oxyde  in  Säuren  und  Basen  eingetheilt;  die  ersteren  b 
die  elektronegative  Klasse,  und  die  zweite  die  elektropositi ve ;  und  < 
Körper  stehen  unter  sich  in  einer  solchen  Beziehung,  dass  oft  eine  schw 
Säure  einer  stärkeren  als  Base  dient,  und  dass  eine  schwache  Base  ofi 
Rolle  einer  Säure  in  Beziehung  auf  eine  stärkere  Base  spielt 

„Die  aus  einer  Säure  und  einer  Base   zusammengesetzten   Salze   i 
noch  unter  sich  elektrische  Reactionen  von  zweierlei  Art  auf  einander 
nämlich  sowohl  zersetzende,  wodurch  sich  die  Elemente  in  anderen  Ver 
nissen    unter   einander  verbinden,    als  auch  verbindende,    indem    sich 
Salze  mit  einander  verbinden  und  ein  Doppelsalz  bilden,  wobei  alsdann 
eine  Salz  eine  elektonegative   und  das  andere  eine  elektropositive  Rea< 
ausübt.   Die  erstere  (die  zersetzende)  beruht  auf  den  spezifischen  elektris 
Reactionen   der   einzelnen  Elemente,   die    das  Bestreben   haben,   sich 
kommener  zu  neutralisiren ;  die  zweite  (die  verbindende)  hängt  im  Gegen 
von    der   elektrischen  Reaction   des   ganzen   zusammengesetzten  Atoms 
welches  als  ganzes,    mit  Beibehaltung  seiner  Zusammensetzung  besser 
tralisirt  zu  werden  strebt 

„Ein  Theil  der  zusammengesetzten  Körper  bildet  eine  dritte  Klasse 
elektrochemischen  Beziehungen,  die  sich  nicht  unter  den  einfachen  Kör 
finden;  es  sind  die  indifferenten,  welche  keine  elektrochemischen  Reacti 


Elektrochemische  Theorieen. 


34* 


mehr  haben,  und  sich  nicht  mit  anderen  Körpern  verbinden.  Streng  ge- 
nommen aber  giebt  es  keine  absolute  elektrochemische  Indifferenz,  denn 
diese  Körper  zeigen  sie  nur  bis  zu  einem  gewissen  Grade.  Sie  findet  statt, 
wo  sich  so  viele  Körper  mit  einander  verbunden  haben,  dass  dadurch  eine 
vollkommene  elektrische  Neutralisation  entstanden  ist,  und  kein  Körper  mehr 
in  die  Verbindung  eingehen  kann.  Alle  elektrische  Reaction  hat  dann  auf- 
gehört gegen  Körper,  welche  sich  mit  dem  zusammengesetzten  verbinden 
könnten;  aber  einige  Elemente  behalten  noch  ihre  spezifische  Reaction  auf 
diejenigen  Körper,  die  jenen  zu  zersetzen  streben.  So  kann  sich  z.  B.  der 
krystallisirte  Alaun  mit  keinem  anderen  Körper  verbinden,  er  kann  aber  von 
vielen  zersetzt  werden. 

„Verschiedene  zusammengesetzte  Körper   haben   die  besondere  Eigen- 
schaft,   dass  sie  einer  gewissen  Temperatur  ausgesetzt,   plötzlich  von  einem 
Feuer  durchfahren  werden,    als    ob    darin    eine  chemische  Verbindung  vor 
sich  gehe,  ohne  dass,  wenigstens  in  der  Mehrzahl  dieser  Fälle,  ihr  Gewicht 
sich  weder  vermehrt  noch  vermindert.     Aber  ihre  Eigenschaften,    und  am 
häufigsten  ihre  Farbe,  werden  dadurch  verändert;   auf  nassem  Wege  äussern 
sie  keine   Verwandtschaft   mehr;    sie  verbinden    sich   nicht   mehr   mit   den- 
jenigen  Körpern,    zu    denen   sie   eine    grosse    Verwandtschaft    hatten    und 
widerstehen    der   Einwirkung    derer,    die    sie    vorher    mit   Leichtigkeit   zer- 
setzten.    Sie  verlieren   diese  elektrochemische  Indifferenz   nicht  anders,   als 
indem   sie   bei   einer    hohen    Temperatur    der   Einwirkung    von    mit    einer 
sehr    starken    Verwandtschaft    begabten    Körpern    ausgesetzt    werden,    das 
heisst,    wenn    sie    mit   Alkalien    oder    den    feuerbeständigen    oder    weniger 
flüchtigen  Säuren  ausgesetzt  werden,    erhitzt,   mit  denen  sie  sich  dann  auf 
dem   trockenen  Wege    verbinden,    indem   sie    in    ihren    vorigen   elektroche- 
mischen Zustand  zurückkehren.     Beispiele  davon  sind  die  Zirkonerde,    das 
Chromoxyd  u.  s.  w.  .  .  . 

„Die  vorhergehenden  Betrachtungen  fuhren  uns  zu  der  Frage:  Wie 
findet  sich  die  Elektricität  in  den  Körpern?  Wie  ist  ein  Körper  elektro- 
positiv  oder  elektronegativ:  Bisher  haben  Thatsachen  unsere  theoretischen 
Ansichten  begleitet  und  ihnen  zur  Bestätigung  gedient.  Wir  kommen  nun 
auf  ein  Feld,  wo  wir  keine  solchen  Beweise  finden  und  wo  folglich  unsere 
Vermuthungen,  wenn  sie  auch  richtig  sind,  doch  immer  zweifelhaft  bleiben; 
aber  wir  wollen  es  wenigstens  versuchen,  uns  die  Ursache  dieser  Erschei- 
nungen vorzustellen. 

„Wir  wissen,  dass  ein  Körper  nicht  elektrisch  wird,  ohne  dass  sich  die 

beiden  Elektricitäten  offenbaren,   sei  es  in  verschiedenen  Theilen  desselben 

Körpers,    oder  doch  wenigstens  in  seinem  Wirkungskreise.     Wenn  sich  die 

Elektricitäten  in  einem  ein  Continuum  bildenden  Körper  einzeln  zeigen,  so 

finden    sie    sich   immer   in    zwei   entgegengesetzten   Punkten  dieses  Körpers 

concentrirt,    und  sein    elektrischer  Zustand   hat   dann    vollkommen  dieselbe 

Polarität,  wie  ein  magnetischer  Körper;  und  bei  dem  jetzigen  Stande  unserer 

Kenntnisse  können  wir  uns  von  freier  Elektricität  nicht  anders  einen  Begriff 


3J. 2  Zehntes  Kapitel. 


machen,  als  in  Folge  einer  solchen  Polarität.    Der  Turmalin  bietet  das  beste 
Beispiel  einer  solchen  Polarität  dar. 

„Aber  diese  Polarität  müssen  auch  die  kleinsten  Theilchen  eines  Körpers 
haben;  denn  es  lässt  sich  nicht  ein  Theil  eines  Körpers  denken,  der  nicht 
die  Eigenschaften  des  Ganzen  oder  einer  Vereinigung  mehrerer  Theilchen 
zusammen  habe.  Hieraus  folgt  natürlich,  dass  man  ohne  diese  Corpuscular-  - 
theorie  keinen  Begriff  von  der  elektrischen  Polarität  in  den  Körpern  haben 
kann.  Bei  der  Annahme  aber,  dass  die  Körper  aus  Atomen  zusammen- 
gesetzt sind,  können  wir  uns  vorstellen,  dass  ein  jedes  dieser  Theilchen  eine 
elektrische  Polarität  besitze,  von  welcher  die  elektrochemischen  Erscheinungen 
bei  ihrer  Vereinigung  abhängen,  und  deren  ungleiche  Intensität  die  Ursache 
des  Kraftunterschiedes  ist,  womit  sich  ihre  Verwandtschaften  äussern. 

„Diese  in  den  kleinsten  Theilchen  der  Körper  allgemeine  elektrische 
Polarität  reicht  indessen  nicht  hin,  die  Erscheinungen  von  allgemeiner  Polarität 
zu  erklären,  welche  ein  jedes  derselben  zeigt,  und  welche  die  einen  elektro- 
positiv  und  die  anderen  elektronegativ  macht.  Diese  Eigenschaft  hängt 
vielleicht  von  jener  Art  von,  wenn  ich  so  sagen  darf,  elektrischer  Einseitig- 
keit ab,  weiche  zuerst  von  Erman  beobachtet  und  die  Unipolarität1  genannt 
worden  ist,  und  deren  Existenz  man  bestimmt  erwiesen  hat,  obgleich  wir 
nicht,  nach  unseren  Ideen  von  der  Eiektricität,  die  Notwendigkeit  ihrer 
Existenz  einsehen.    Stellen  wir  uns  vor,  es  sei  in  den  Atomen  eines  Körpers 

1  Die  Erscheinungen  der  unipolaren  Leitung  sind  1806  von  Erman  (Gilbert's  Ann. 
22,  14)  beobachtet  und  unter  dem  Titel:  „Über  die  fünffache  Verschiedenheit  der  Körper  in 
Rücksicht  auf  das  galvanische  Leitungsvermögen"  beschrieben  worden.  Die  von  Erman  auf- 
gestellten fünf  Klassen  sind:  1)  Nichtleiter,  2)  vollkommene  Leiter,  3)  bipolare  (unvollkommene) 
Leiter,  4)  positiv-unipolare  Leiter,  5)  negativ-unipolare  Leiter.  Die  Unipolarität  der  Leiter  be- 
steht darin,  dass  sie  den  elektrischen  Strom  nur  in  einer  Richtung,  nicht  in  der  entgegengesetzten 
leiten ; .  an  einer  Weingeistflamme  machte  Erman  die  ersten  Beobachtungen  darüber.  „Verbindet 
man  beide  Polardrähte  mit  derselben  isolirten  Flamme ,  so  zeigen  die  Elektrometer  durch  ihre 
Divergenz,  die  nach  wie  vor  dauert,  dass  der  Kreis  durchaus  nicht  geschlossen  ist. .  . .  Berührt 
man  aber  die  Flamme  selbst  ableitend,  so  bekommt  der  negative  Pol  das  volle  Maximum  seiner 
Divergenz,  und  der  positive  verliert  jede  Spur  davon,  wenn  man  ihm  auch  früher  absichtlich 
die  grösstmögliche  Divergenz  ertheilt  hätte. . . .  Die  Flamme  des  Weingeistes  leitet  also  .  .  .  den 
positiven  Effekt  ganz  vollkommen;  für  den  negativen  ist  sie  aber  ein  ebenso  vortrefflicher  Iso- 
lator geworden:  sie  ist  ein  positiv-unipolarer  Leiter." 

In  ähnlicher  Weise  fand  Erman,  dass  die  Flamme  des  Phosphors  ein  negativ-unipolarer 
Leiter  ist;  die  letztere  Eigenschaft  kommt  auch  einigen  festen  Stoffen,  nämlich  trockener  Seife 
und  trockenem  Eiweiss  zu. 

Eine  genügende  Erklärung  der  von  ihm  beobachteten  Erscheinungen  hat  Erman  nicht 
gegeben;  diese  wurde  erst  nach  24  Jahren  von  Ohm,  dem  Entdecker  des  Gesetzes  des  elek- 
trischen Stromes  gefunden,  wenigstens  für  den  Fall  der  festen  unipolaren  Leiter  (Schweigger's 
Journ.  69,  385  und  60,  32.  1830),  indem  er  die  elektrolytische  Ausscheidung  nichtleitender 
Stoffe  an  dem  betreffenden  Polardraht,  wodurch  dort,  und  nur  dort,  die  Leitung  aufgehoben 
wird,  als  Ursache  erkannte.     Bei  der  Flamme  liegen  die  Verhältnisse  verwickelter. 

Auf  die  Zeitgenossen  machten  die  Beobachtungen  von  Erman  einen  grossen  Eindruck; 
sie  wurden  von  dem  National-Institut  zu  Paris  mit  dem  Jahrespreise  von  3000  Fr.  gekrönt, 
und  zwar  war  dies  die  erste  Erthcilung,  trotzdem  nach  Stiftung  des  Preises  bereits  mehrere 
Jahre  vergangen  waren. 


Elektrochemische  Theorieen. 


343 


die    Elektricität   des    einen   Pols   in    einem    gewissen    Punkte   entweder    vor- 
herrschender oder  concentrirter,  als  die  Elektricität  des  anderen  Pols,  unge- 
fähr auf  dieselbe  Art,  wie  der  eine  Pol  eines  Magnets  viel  stärker  sein  kann, 
als   der    andere;    stellen   wir   uns    ferner   vor,    es    existire    in    den    kleinsten 
Theilchen  eines  jeden  Körpers  eine  ähnliche  spezifische  Unipolarität,  in  Folge 
welcher  bei  den  einen  der   positive,  bei  den  anderen  der  negative  Pol  vor- 
herrscht, so  werden  wir  recht  gut  begreifen  können,   wie  die  Elektricität  in 
den  Körpern  vorhanden  sein  kann,  und  worin  ihre  elektrochemischen  Eigen- 
schaften bestehen.     Die  Körper  sind  also  elektropositiv  oder  elektronegativ, 
;    je  nachdem  der  eine  oder  der  andere  Pol  darin  vorherrscht. 

„Aber  diese  spezifische  Unipolarität  erklärt  nicht  allein  alle  Phänomene. 
Wir  sehen,  dass  sich  zwei  elektronegative  Körper,  wie  der  Sauerstoff  und 
der  Schwefel  auf  eine  viel  innigere  Art  mit  einander  verbinden,  als  z.  B.  der 
Sauerstoff  und  das  Kupfer,  obgleich  letzteres  elektropositiv  ist.  Der  Ver- 
wandtschaftsgrad der  Körper  hängt  demnach  nicht  allein  von  ihrer  spezi- 
fischen Unipolarität  ab;  er  muss  aber  hauptsächlich  von  der  Intensität  ihrer 
Polarität  im  Allgemeinen  abgeleitet  werden.  Gewisse  Körper  sind  einer 
intensiveren  Polarisation  fähig,  als  andere  und  müssen  daher  ein  stärkeres 
Bestreben  haben,  die  Elektricität  zu  neutralisiren,  welche  an  ihren  Polen 
vertheilt  ist,  das  heisst  einen  grösseren  Verwandtschaftsgrad,  als  die  anderen 
Körper;  so  dass  dieser  letztere  eigentlich  in  der  Intensität  der  Polarisation 
besteht.  Daher  verbindet  sich  der  Sauerstoff  eher  mit  dem  Schwefel,  als 
mit  dem  Blei;  denn  wenn  auch  die  beiden  ersteren  dieselbe  Unipolarität 
haben,  so  neutralisirt  doch  der  positive  Pol  des  Schwefels  eine  grössere 
Quantität  von  negativer  Elektricität  in  dem  vorherrschenden  Pole  des  Sauer- 
stoffes, als  der  positive  Pol  des  Bleis  neutralisiren  kann. 

„Der  Grad  von  elektrischer  Polarität  der  Körper,  wenn  diese  wirklich 
nicht  bloss  in  unserer  Vorstellung  existirt,  scheint  keine  constante  Quantität 
l\i  sein,  sondern  hängt  sehr  von  der  Temperatur  ab,  durch  welche  er  sich 
vermehrt,  und  durch  deren  Modifikationen  er  Veränderungen  erleidet.  Man 
muss  wohl  unterscheiden  zwischen  der  spezifischen  Polarität  der  Körper  und 
ihrer  Polarisations-Capacität;  denn  viele  von  ihnen,  die  bei  gewöhnlicher 
Temperatur  der  Luft  nur  eine  sehr  schwache  Polarität  zu  haben  scheinen, 
erlangen  bei  der  Rothglühhitze  eine  sehr  starke,  wie  z.  B.  die  Kohle.  Andere 
haben  dagegen  eine  sehr  schwache  Polarisation,  welche  ihren  höchsten  Grad 
bei  niedrigen  Temperaturen  erreicht,  und  einige  verlieren  sie  selbst  gänzlich 
bei  höheren  Wärmegraden,  wie  z.  B.  das  Gold.  Hierdurch  begreifen  wir  es, 
wie  es  kommt,  dass  der  Phosphor  sich  bei  niedrigen  Temperaturen  oxydirt, 
während  dabei  die  Kohle  und  der  Schwefel  keine  Veränderung  erleiden. 
Auch  sehen  wir  hierdurch  ein,  warum  Körper,  welche  bei  erhöhten  Tempera- 
turen Verbindungen  bilden,  die  mit  der  grössten  Kraft  zusammen  halten, 
bei  geringeren  Hitzegraden  gar  keine  Wirkung  auf  einander  äussern;  weil 
nämlich  die  zu  ihrer  Verbindung  nöthige  Intensität  der  Polarisation  erst  bei 
höheren    Temperaturen   erzeugt   wird.      Wir   können    dadurch    deutlich   die 


344  Zehntes  Kapitel. 


Ursache  einsehen,  durch  welche  die  Verwandtschaften  der  meisten  Körper 
erst  bei  hohen  Temperaturen  wirksam  zu  werden  anfangen.  Ist  die  elektro- 
chemische Neutralisation  einmal  vor  sich  gegangen,  so  kann  sie  nur  durch 
elektrische  Kräfte  wieder  aufgehoben  werden,  welche  den  Theilchen  ihre 
erste  Polarität  wiedergeben,  auf  dieselbe  Weise  wie  die  Entladung  der  elek- 
trischen Säule.  Woher  es  komme,  dass  die  Temperatur  die  elektrische 
Polarität  erhöht,  wissen  wir  nicht;  aber  es  ist  diese  Erscheinung  so  oft  beob- 
achtet worden,  als  wir  mit  unseren  Instrumenten  eine  polare  Elektricität 
haben  entdecken  und  messen  können,  und  dieser  positive  Beweis  ist  der 
Leitfaden  für  unsere  Vermuthungen  hinsichlich  der  Polarität  der  Atome. 

„Corpora  non  agunt,  nisi  soluta"  ist  ein  alter  chemischer  Spruch,  welchen 
man  so  erklärt,  dass  die  flüssigen  Körper  mit  einer  grösseren  Oberfläche 
auf  einander  wirken.  Dies  ist  richtig;  aber  die  Oberfläche  kann  auch  durch 
Pulvern  vergrössert  werden,  ohne  dass  dadurch  eine  verhältnissmässige  Wir- 
kung entsteht.  Damit  eine  Verbindung  zwischen  polarisirten  Partikeln  vor 
sich  gehe,  müssen  wenigstens  die  des  einen  Körpers  beweglich  sein  und  mit 
einer  gewissen  Leichtigkeit  den  anderen  ihre  elektrischen  Pole  zuwenden 
können.  Diese  Beweglichkeit  findet  nun  hauptsächlich  in  den  Flüssigkeiten 
statt.  Zwischen  zwei  festen  Körpern  geht  auch  keine  Verbindung  vor  sich, 
oder  nur  höchst  selten;  sie  wird  viel  leichter  bewirkt,  wenn  sich  der  eine 
derselben  im  flüssigen  Zustande  befindet,  und  noch  viel  leichter,  wenn  beide 
flüssig  sind. 

„Da  jedes  polarisirte  Atom  einen  der  Intensität  seiner  Polarisation  pro- 
portionalen Wirkungskreis  haben  muss,  so  folgt  daraus,  dass  nur  innerhalb 
dieser  Sphäre  die  Vereinigung  stattfinden  kann,  und  dass,  wenn  die  polari- 
sirten Partikeln  durch  zu  grosse  Abstände  von  einander  getrennt  sind,  sich 
ihre  gegenseitige  Wirkung  verhältnissmässig  vermindert.  Daher  verbinden 
sich  die  flüssigen  Körper  leicht  und  bei  fast  allen  Temperaturen.  Die  gas- 
förmigen bedürfen  dagegen  meistens  der  Beihülfe  der  Wärme;  und  wenn 
sie  verdünnt,  und  ihre  Theilchen  folglich  weiter  von  einander  entfernt  sind, 
so  verlieren  sie  auch  ihre  gegenseitige  elektrochemische  Wirkung.  So  bedarf 
zum  Beispiel,  ein  sehr  verdünntes  Gemisch  von  Sauerstoffgas  und  Wasser- 
stoffgas zur  Entzündung  und  zum  Fortbrennen  eine  viel  höhere  Temperatur, 
als  wenn  es  dem  atmosphärischen  Druck  ausgesetzt  ist,  weil  der  Abstand 
zwischen  den  Sauerstoff-  und  den  Wasserstoff-Atomen  ihren  gewöhnlichen 
Wirkungskreis  übersteigt 

„Die  elektrochemischen  Eigenschaften  der  oxydirten  Körper  hängen  fast 
immer  ausschliesslich  von  der  Unipolarität  ihres  elektropositiven  Elementes, 
d.  h.  von  ihrem  Radical  ab;  das  Oxyd  ist  gewöhnlich  elektronegativ  in  Bezug 
auf  andere  Oxyde,  wenn  sein  Radical  in  Beziehung  auf  ihre  Radicale  negativ 
ist,  und  ebenso  umgekehrt 

„Wenn  nun  die  angeführten  Vermuthungen  eine  richtige  Idee  von  der 
Beziehung  der  Körper  mit  der  Elektricität  darstellen,  so  folgt  daraus,  dass 
das,  was  wir  chemische  Verwandtschaft  nennen,  mit  allen  ihren  Abänderungen 


Elektrochemische  Thcorieen.  iaC 


nichts  ist,  als  die  Wirkung  der  elektrischen  Polarität  der  Partikeln,  und  dass 
die  Elektricität  die  erste  Ursache  aller  chemischen  Thätigkeit  ist;    dass  sie 
die  Quelle  des  Lichtes  und  der  Wärme  ist,  die  vielleicht  nur  Modifikationen 
davon  sind,    durch  welche  der  Raum    mit  strahlendem   Licht  und  Wärme 
erfüllt  wird,  und  dass  sie  sich  durch  verschiedene  noch  unbekannte  Ursachen 
bald  als  Wärme,   bald  als  vertheilte  Elektricität  offenbart,    dass  sie  aber  im 
letzteren  Falle  unter  Hervorbringung  von  Licht  und  Wärme  .verschwindet. 
„Die  Elektricität,  deren  Natur  noch  unbekannt  ist,  und  die  mit  keinem 
anderen,  innerhalb  unserer  Erfahrung  liegenden  Körper  Analogie  hat  (wenn 
man  das  magnetische  Fluidum  ausnimmt,  das  zur  Elektricität  in  demselben 
Verhältniss,  wie  Licht  und  Wärme  zu  stehen  scheint,  indem  die  Elektricität 
zu  gleicher  Zeit  mit  diesen   magnetische  Polarität  hervorbringt,    und   umge- 
kehrt die  magnetische  Polarität  elektrische   Ströme  erzeugt,    wie    diese    bei 
ihrer  Entladung  Licht  und  Wärme),  scheint  also  die  erste  Thätigkeitsursachc 
in  der  ganzen,    uns   umgebenden  Natur  zu  sein.     Ich    übergehe   mit  Still- 
schweigen alle  Hypothesen,    zu  welchen  sie  Veranlassung  gegeben  hat;   sie 
könnten    nur   Vergleichungen    mit    anderen,    besser   gekannten  Materien    zu 
Grunde  habe,n,    mit  denen  sie   übrigens  keine  Ähnlichkeit  hat.     Man  nahm 
an,  die  Elektricität  sei  eine  vibrirende  Bewegung  in   den  Körpern,    analog 
derjenigen,    welche    den   Schall   hervorbringt;    man    sagte,   sie    sei   die    den 
Körpern  innewohnende  primitive  Kraft  u.  s.  w.,  aber  keine  von  diesen  Hypothesen 
hat  über  ihre  Natur  ein  helleres  Licht  verbreitet,    und   alle  haben  mangel- 
hafte Seiten  gehabt;    man  konnte  einsehen,    dass  dies  nicht  die  wahre  Art 
sei,  sich  von  diesem   so  merkwürdigen  Agens  eine  Vorstellung  zu  machen. 
„Jede  chemische  Wirkung  ist  also,  ihrem  Grunde  nach,  ein  elektrisches 
Phänomen,    das  auf  der  elektrischen  Polarität  der  Partikeln   beruht.     Alles, 
was  Wirkung  der  sogenannten  Wahlverwandtschaft  zu  sein  scheint,  wird  nur 
durch  eine   in  gewissen  Körpern  stärker,    als  in   anderen  vorhandene  elek- 
trische Polarität  bewirkt.   Wird  z.  B.  die  Verbindung  AB  durch  den  Körper  C 
zersetzt,  der  zu  A  eine  grössere  Verwandtschaft  hat,  als  B,  so  muss  C  eine 
grossere  Intensität  von  elektrischer  Polarität  als  B  haben;  hierdurch  entsteht 
vollkommenere   Neutralisation    zwischen  A   und    C,    als  zwischen  A  und  B, 
welche  von  einer  so  grossen  Temperaturerhöhung  begleitet  sein  kann,   dass 
Feuer  erscheint.   B  erscheint  dann  wieder  mit  seiner  ursprünglichen  Polarität, 
die  es  durch    die  Vereinigung  von  A  mit  C  erlangt.     Wenn  im  Gegentheil 
von  diesen  drei  Körpern  A  die  schwächste  Polarisation  hat,  so  wird  B  durch 
t  ebenfalls  ausgetrieben  werden,  aber  ohne  bemerkbare  Temperaturerhöhung, 
und  nur  allein  durch  das  grössere  Neutralisationsbestreben  von  C,  welches 
stärker  polarisirt  ist     Wenn  sich  zwei  Körper,  AB  und  CD  so  gegenseitig 
=    Ersetzen,   dass  sich   daraus  zwei  andere  Körper,    AD  und  CB  bilden,    so 
*ird  die  elektrische  Polarisation  auf  gleiche  Weise   in  den  letzteren  Verbin- 
dungen besser  neutralisirt  sein,  als  in  den  ersteren.    Ich  werde  weiter  unten 
>t»  den  mitwirkenden  Nebenursachen  sprechen,  wodurch  die  Wirkung  nicht 
'    fein  von  dem  Grade  der  Polarisation  der  Körper  abhängt 


346  Zehntes  Kapitel. 

„Wenn  die  elektrochemischen  Ansichten  richtig  sind,  so  fol 
dass  jede  chemische  Verbindung  einzig  und  allein  von  zwei  entgegc 
Kräften,  der  positiven  und  der  negativen  Elektricität,  abhängt,  un< 
jede  Verbindung  aus  zwei,  durch  die  Wirkung  ihrer  elektroc 
Reaction  vereinigten  Theilen  zusammengesetzt  sein  muss,  da  es  k 
Kraft  giebt.  Hieraus  folgt,  dass  jeder  zusammengesetzte  Körpe: 
auch  die  Anzahl  seiner  Bestandteile  sein  mag,  in  zwei  Theile  geth 
kann,  wovon  der  eine  positiv,  und  der  andere  negativ  elektrisch 
z.  B.  das  schwefelsaure  Natron  nicht  aus  Schwefel,  Sauerstoff  un 
zusammengesetzt,  sondern  aus  Schwefelsäure  und  aus  Natron,  die 
jedes  für  sich  in  einen  elektropositiven  und  einen  elektronegativei 
theil  getheilt  werden  können.  Ebenso  kann  auch  der  Alaun  nicht 
einfachen  Bestandtheilen  zusammengesetzt  betrachtet  werden;  son< 
zu  betrachten  als  das  Produkt  der  Reaction  der  schwefelsauren 
als  des  negativen  Elementes,  auf  das  schwefelsaure  Kali,  als  pos 
ment;  und  so  rechtfertigt  auch  die  elektrochemische  Ansicht  da< 
über  die  zusammengesetzten  Atome  der  ersten,  zweiten,  dritten  u. 
nung  gesagt  habe." 

Die  elektrochemische  Theorie  von  Berzelius  unterscheidet  sie 
Davy's  nicht  in  erheblichem  Maasse.  Der  wesentlichste  Unterschi 
darin,  dass  Davy.  die  Entstehung  der  elektrischen  Ladung  der  '. 
atome  erst  bei  ihrer  gegenseitigen  Näherung  annimmt,  während 
sie  an  den  Atomen  von  vornherein  ausgebildet  sein  lässt. 

Dem  Standpunkte  unserer  gegenwärtigen  Kenntnisse  entspri 
die  eine  Theorie,  noch  die  andere.  Wie  wir  jetzt  wissen,  ist  die  E 
menge,  welche  an  den  Atomen  angenommen  werden  darf,  nicht 
weiter  Grenzen  verschieden  zu  setzen,  sondern  nach  dem  Far 
Gesetze  für  äquivalente  Mengen  der  verschiedensten  Stoffe  gleich. 
schiedenheiten  der  chemischen  Verwandtschaft  müssten  demger 
auf  verschiedene  Ladungen  oder  Elektricitätsmengen,  sondern  auf  ve 
Potentiale  oder  Spannungen  der  gleichen  Elektricitätsmengen  zur 
werden.  Während  diese  Um-  und  Ausbildung  der  Theorie  noch 
führbar  erscheint,  so  steht  es  nicht  so  mit  anderen  Seiten  dersell 
mit  starker  chemischer  Verwandtschaft,  wie  Sauerstoff  oder  Kaliun 
nach  Berzelius  starke  elektrische  Ladungen  zeigen,  wenn  sie  im 
denen  Zustande  vorliegen.  Mit  der  charakteristischen  Vernachläs! 
physikalischen  Verhältnisse,  welche  sich  durch  Berzelius'  ganze  Th« 
ist  dieser  Umstand  nicht  einmal  erwähnt,  geschweige  denn  erkl 
könnte  man  vom  modernen  Standpunkte  einwenden,  dass  ja  auch 
Elemente  meist  aus  Doppelatomen  bestehend  angenommen  wen 
giebt  es  eine  ganze  Anzahl  derselben,  für  die  dies  eben  nicht  gilt 
alle  Metalle,  die  man  in  Dampfgestalt  kennt.  Diese  bestehen 
Zustande  im  Sinne  der  Moleculartheorie  aus  einzelnen  Atomen,  1 
dennoch  keine  Spur  freier  elektrischer  Ladungen. 


Elektrochemische  Theorieen. 


347 


liese  Schwierigkeit  würde  die  Theorie  von  Davy  nicht  gerathen,  da 
Entstehung  .der  elektrischen  Ladungen  erst  bei  der  Wechselwirkung 
ne  annimmt.  Diesen  Vortheil  erkauft  sie  indessen  durch  eine  ent- 
de  Inhaltlosigkeit.  Denn  indem  sie  den  Betrag  der  elektrischen 
y  zwischen  den  in  Wechselwirkung  getretenen  Atomen  von  ihrer 
en  Natur  abhängig  macht,  sagt  sie  gar  nichts  bestimmtes  über 
^trag  aus;    sie  kann   zwar   nicht  in  Widerspruch  mit  der  Erfahrung 

ist  aber  ebenso  wenig  im  Stande,  irgend  eine  Thatsache  im  Voraus 
:n  zu  lassen.  Ihre  Bedeutung  beschränkt  sich  demgemäss  darauf, 
die  vorhandenen  Thatsachen  in  einer  anderen  Gestait  auszusprechen 
Statt  zu  sagen:  die  chemischen  Verbindungen  geschehen  nach 
>e  der  im  übrigen  unbekannten  chemischen  Verwandtschaft  zwischen 
en,  sagt  die  Theorie:  die  chemischen  Verbindungen  geschehen  nach 
>e  der  im  übrigen  unbekannten  elektrischen  Kräfte,  die  bei  der 
virkung  der  Stoffe  entstehen.  Der  eigentliche  Zweck  einer  wissen- 
icn  Theorie,  welcher  darin  besteht,  gesetz massige  Zusammen- 
erschiedener  Erscheinungen  aufzudecken,  erfüllt  die  DAw'sche  Theorie 
derzeitigen  Gestalt  offenbar  nicht. 

•ssen  ist  es  in  der  Zeit,  mit  der  wir  uns  gegenwärtig  zu  beschäftigen 
u  den  eben  erörterten  Fragen  überhaupt  nicht  gekommen.  Berzelius 
t  Theorie    ausschliesslich    zu   Zwecken    der   chemischen   Systematik 

und  hat  nicht  einmal  den  Versuch  einer  elektrochemischen  Ver- 
aftslehre   im   quantitativen   Sinne   gemacht,    und  ähnlich  verhält  es 

der  Lehre  von  Davy.  Dadurch  ist  auch  der  spätere  Kampf  gegen 
e  von  Berzelius  nicht  auf  dem  Gebiete  der  Elektrochemie  geführt 
sondern  auf  dem  der  Systematik,  und  der  Fall  dieser  Lehre  geschah 

Folge  der  oben  erwähnten  Inkonsequenzen,  sondern  weil  sie  sich 
erwies,  die  Substitutionserscheinungen  der  organischen  Chemie,  bei 
lie  Wirkungsgleichheit  des  elektropositiven  Wasserstoffes  und  des 
rgativen   Chlors  zu  Tage  trat,  in  ihr  Gebiet  aufzunehmen. 

Theorieen  von  Davy  und  Berzelius  sind  nicht  die  einzigen  elektro- 
hen  Theorieen.  Vielmehr  sind  noch  andere  aufgestellt  worden,  so 
whiggkr1  und  von  Gmelin.2  Doch  hat  keine  von  diesen  mehr  ge- 
als  die    genannten,    und   ein  Eingehen   auf  sie  würde  wenig  Nutzen 

.  Davy's  letzte  elektrochemische  Arbeit.  Während  Berzelius 
lusführung  seiner  oben  erwähnten  Erstlingsarbeit  sich  nie  wieder 
fcntell  mit  elektrochemischen  Fragen  beschäftigte,  sehen  wir  Davy 
fls  zunächst  durch  seine  elektrochemischen  Entdeckungen  in  eine 
Erörterung  rein  chemischer  Fragen  geführt,  schliesslich  aber  doch  noch 
fr  seinem  Tode  zu  jenen  zurückkehren.  Jene  chemischen  Diskussionen 
fen  daraus,  dass  von  seinen  Zeitgenossen  und  Concurrenten  Gay-Lussac 

n.  :*.  Chemie  u.  Physik,  39,  231.   1823.  2  Pogg.  Ann.  44,   I.   1838. 


3  50  Zehntes  Kapitel. 


In    die  weiteren   Einzelheiten   der  Arbeit    brauchen  wir    dem   Verf 
nicht  zu  folgen;  ungemein  lehrreich  ist  in  dem  Berichte  die  Mittheilung 
anfänglichen  Zweifel,  ob  die  Sache  „gehen"  würde.   Es  ist  dies  ein  Umsi 
der   gerade   bei   kenntnissreichen  Männern    ungemein    häufig  Entdecku: 
verhindert.     Auf  Grund   eigener  und   fremder  Erfahrungen  macht  man 
einer   neuen  Frage   gegenüber   alsbald    mehr   oder  weniger  bestimmte 
Stellungen  und  bildet  sich   eine  Art  Urtheil,    dessen  Gründe  man  sich  i 
deutlich  ins    Bewusstsein   bringt.     Dadurch   erscheinen   denn   manche  E 
als  unmöglich,  die  es  keineswegs  sind,  und  man  wird  verhindert,  Vers 
über  sie  anzustellen,    da  solche  doch  wichtige  Fortschritte  bringen  wüi 
Die  Fähigkeit,  einmal  auch  etwas  scheinbar  Absurdes  zu  versuchen,  ist 
von  denen,  die  der  erfolgreiche  Entdecker  besitzen  muss. 

Durch  jene  Arbeiten,  und  den  eben  entdeckten  Multiplikator,  de 
manche  neue  Aufschlüsse  erwarten  Hess,  veranlasst,  hat  H.  Daw  als< 
sich  wieder  mit  allgemeinen  Fragen  der  Elektrochemie  beschäftigt,  und 
im  Jahre  1826  eine  Baker- Vorlesung l  gehalten,  welcher  er  den  Titel 
„Über  die  Beziehungen  zwischen  chemischen  und  elektrischen  Vorgang 
Die  Arbeit  fängt  mit  einer  geschichtlichen  Einleitung  an,  in  welcher  1 
den  Versuch  von  Nicholson  und  Carlisle  als  den  wahren  Beginn  alles  de 
erklärt,  was  in  der  Elektrochemie  geschehen  ist,  und  alle  Ansprüche,  wt 
man  für  Ritter  erhoben  hat,  zurückweist.  „Ritter's  Arbeiten  enth; 
einige  sehr  sinnreiche  und  originale  Versuche  über  die  Bildung  und 
Kräfte  einfacher  galvanischer  Ketten,  und  Winteri/s  einige  kühne,  \ 
auch  unklare  spekulative  Ansichten  über  die  Grundursache  chemischer 
gänge;  doch  ist  es  schwer,  zu  sagen,  was  in  der  Dunkelheit  der  Spr 
und  der  Metaphysik  beider  Herren  nicht  gefunden  werden  könnte." 

Davy  thut  hier  offenbar  Ritter  Unrecht;  es  ist  dies  wohl  erkläi 
da  er  nicht  deutsch  verstand,  und  seine  Kenntnisse  der  Arbeiten  Rit- 
aus  zweiter  Hand  erhielt;  insbesondere  dürfte  es  der  Einfluss  des  fr 
schon  genannten  Chenevix  sein,  von  dessen  übertriebenen  Schilderuni 
er  seine  Anschauungen  über  Ritter  als  eines  Angehörigen  der  naturp 
sophischen  Schule  mehr  als  billig  hat  beeinflussen  lassen.  Auch  in  st 
weiteren  Darstellung  nimmt  er  fast  ausschliesslich  auf  engliche  Fors 
Rücksicht,  so  dass  diese  keineswegs  als  eine  genaue  Geschichte  des  Ge 
Standes  angesehen  werden  kann. 

Die  gleiche  Unkenntniss  nichtenglischer  Litteratur  macht  sich  als 
weiter  geltend,  indem  er  zu  der  Beschreibung  seiner  eigenen  Versuche  mit 
des  Galvanometers  übergeht,  die  er  für  „völlig  neu"  hält.  Es  sind  dies  B> 
achtungen  über  Ströme,  welche  entstehen,  wenn  man  zwei  mit  den  Er 
des  Galvanometers  verbundene  Stücke  gleichen  Metalles  nicht  gleichzc 
sondern  nach  einander  in  dieselbe  Flüssigkeit  taucht.     Diese  Erscheinur 


1  Philos.  Trans.   1826,  P.  III.  —  Phil.  Mag.  1,  31.  1827. 

8  Ann.  de  Chimie,  60,   175.  —  Gilbert's  Ann.  20,  417.   1805. 


Elektrochemische  Theorieen. 


351 


ren  drei  Jahre  früher  von  dem  K.  bayerischen  G.  O.  Finanzrathe  Ritter 
n  Yelix1  beobachtet  und  unter  dem  Titel:  „Magneto-motorische  Wirkung 
t  flüssigen  Säuren,  Basen  und  Salze  mittelst  einfacher  metallischer  Leiter, 
id  eine  neue  einfache  Ladungs-Säule  mit  trennbaren  unipolaren  Endgliedern" 
schreibt  er  ganz  dieselben  Thatsachen,  welche  Davy  schildert.  Ich  lasse 
nige  von  Yeun's  Beobachtungen  in  seinen  eigenen  Worten  folgen. 

Nach  der  Beschreibung  seiner  Galvanometereinrichtung  fährt  er  fort: 
Füllt  man  das  Unzengläschen  mit  reiner  Salzsäure,  und  taucht  hierauf  in 
ic  zuerst  das  N-Polende  des  zinnernen  Leiters,   und  sodann  das  S-Polende, 

0  weicht  der  N-Pol  der  Nadel  gegen  Ost  aus.  Wird  dagegen  zuerst  das 
hPolende  und  hinterher  das  N-Polende  eingetaucht,  so  weicht  der  N-Pol 
ler  Nadel  gegen  Westen  aus.  .  .  .  Wir  haben  also  in  diesen  Versuchen 
kktro-magnetische  Wirkung  mittelst  eines  einzigen  einfachen  metallischen 
Liters  und  einer  einzigen  Flüssigkeit.  .  .  .  Welche  Rolle  man  auch  bei  der 
Erklärung  dieser  Erscheinung  dem  Wasser-  oder  Metallbogen  selbst  anweisen 
-olle,  so  sind  es  bei  den  vorstehenden  Versuchen  doch  immer  die  Bestand- 
leile  der  in  Wasser  aufgelösten  Stoffe,  welche  mittelst  des  eingetauchten 
letallstreifens  die  elektrische  Aktion  bedingen,  indem  sie  durch  die  Be- 
iihrung  mit  demselben  in  ihrem  statisch  elektrischen  oder  vielmehr  mag- 
etischen  Gleichgewicht  gestört,  ein  flüssiges  Säulenelement,  oder  vielmehr 
ine  flüssige  Säule  selbst  bilden,  wovon  in  den  Versuchen  .  .  .  der  als  Silber- 

01  sich  verhaltende  Bestandtheil  an  dem  zuerst  eingetauchten  Ende  des 
innstreifens  polarisch  hervortritt,  und  der  dadurch  in  eine  Anwandlung  zum 
reiwerden  versetzte  andere  Bestandtheil  sich  nothwendig  auf  entgegengesetzte 
/eise  zum  Zinkpol  gestaltet,  und  in  seinem  Bestreben,  sich  anderwärts  mit 
inem  Heterogenen  in  statisch-elektrische  Ruhe  zu  setzen,  dem  später  ein- 
etauchten  zweiten  Ende  des  metallischen  Leiters  darbietet,  und  in  ihm  als 
chliessungsdraht  dieselbe  wirklich  herstellt." 

Man  erkennt  hier  wieder  die  charakteristische  Unart  der  Naturphilosophie, 
ie  Thatsachen  mit  einem  Schwall  wenig  Genaues  sagender  Worte  zu 
berdecken.  Trotzdem  theilt  Yelin  noch  einige  weitere  beachtenswerthe 
Beobachtungen  mit,  insbesondere  die,  dass  die  einmal  hervorgebrachte  Un- 
leichheit  zweier  metallischer  Leiter  bestehen  bleibt,  wenn  man  auch  die 
letalle  aus  der  Flüssigkeit  entfernt,  abtrocknet  und  einige  Zeit  liegen  lässt. 
Herauf  bezieht  sich  der  zweite  Theil  des  Titels.  Er  ermittelt,  dass  die 
Jrsache  dieser  Erscheinung  an  dem  Metall  haftet,  denn  die  Anwendung 
ischer  Flüssigkeit  ändert  nichts  an  den  Vorgängen.  Den  Zusammenhang 
lit  der  RiTTER'schen  Ladungssäule  (S.  176)  betont  er  mit  Recht.2 

Ganz  ähnliche  Beobachtungen  sind  es  nun,  welche  Davy  beschreibt;  um 
»  verschiedener  sind  freilich  die  Schlüsse,  zu  denen  er  sie  benutzt.  „Der 
nige  Zusammenhang,  welcher  sich  in  allen  diesen  Fällen  zwischen  chemischen 

1  Gilbert's  Ann.  73,  365.  1823. 

*  Ausser  von  Yelin  sind  die  Erscheinungen  um  dieselbe  Zeit  von  Oersted  und  von 
101EREL  (Ann.  chim.  phys.  23,   152.   1823)  beobachtet  worden. 


■5C2  Zehntes  Kapitel. 

und   elektrischen  Erscheinungen   zeigt  (Davy    hatte   nachgewiesen,    dass 
Allgemeinen  das  angegriffene  oder  oxydirte  Metall  sich  gegen  polirtes  negal 
oder  wie  Kupfer  gegen  Zink,  verhält)  wird  noch  bemerkenswerther,  wenn  matt 
die  Art  der  Änderungen  betrachtet,  welche  in  Ketten  dieser  Form  stattfindet 

„Sauerstoff,  welcher  als  negativ  in  Bezug  auf  alle  Metalle,  und  Schwefel, 
welcher  als  negativ  in  Bezug  auf  die  oxydirbaren  Metalle  betrachtet  werden 
kann,  bringen  durch  ihre  Verbindung  mit  Metallen,  die  gegen  sie  positiv 
sind,  Verbindungen  hervor,  welche  gegen  diese  Metalle  negativ  sind.  Und 
bei  den  chemischen  Vorgängen  sind  die  Ergebnisse  immer  so,  dass  sie 
schliesslich  das  Gleichgewicht  herstellen,  indem  Wasserstoff  oder  Schwefel- 
wasserstoff nach  der  negativen  Seite  gehen,  und  Sauerstoff  nach  der  posi- 
tiven; so  dass  die  Oxyde  reducirt  werden;  und  es  wird  nicht  allein  das 
Gleichgewicht  hergestellt,  sondern  die  Pole  werden  zuweilen  umgekehrt....*' 

Weiter  beschäftigt  sich  Davy  mit  den  von  ihm  vor  langer  Zeit  zuerst 
gebauten  Ketten  aus  einem  Metall  und  zwei  Flüssigkeiten  (S.  157),  und 
beweist  gegen  die  Meinung  von  Becquerel,  dass  durch  die  Verbindung  von 
Säure  und  Alkali  kein  elektrischer  Strom  entsteht,  sondern  dass  die  von 
diesem  beobachteten  Ströme  allein  in  der  Berührung  des  Metalles  mit  zwei 
verschiedenen  Flüssigkeiten  ihre  Ursache  haben.  „Eine  Lösung  von  Salpeter, 
welcher  Stoff  in  Berührung  mit  edlen  Metallen  neutral  ist,  wurde  in  ein 
Glas  gebracht,  welches  eine  mit  dem  Multiplikator  verbundene  Platinplatte 
enthielt;  reine  concentrirte  Salpetersäure  kam  in  ein  anderes  Glas  mit  einer 
zweiten  Platinplatte,  die  mit  dem  zweiten  Draht  des  Multiplikators  verbunden 
war;  die  Verbindung  zwischen  beiden  Gläsern  wurde  durch  ein  mit  Salpeter- 
lösung befeuchtetes  Stück  Asbest  hergestellt.  Im  Augenblicke  der  Berührung 
zeigte  die  Nadel  eine  starke  elektrische  Wirkung,  negativ  an  der  Platte, 
welche  in  die  Säure  tauchte,  die  eine  dauernde  Ablenkung  der  Nadel  von 
etwa  6o°  bewirkte."  Ähnliche  Beobachtungen  wurden  mit  Salpeter  und 
Kalilauge  gemacht,  nur  war  die  Ablenkung  kleiner.  Als  dann  die  beiden 
Platten,  eine  in  Salpetersäure,  die  andere  in  Kali  getaucht  wurden,  und 
zwischen  beide  Flüssigkeiten  eine  Lösung  von  Salpeter  geschaltet  wurde,  so 
dass  kein  chemischer  Vorgang  unmittelbar  erfolgen  konnte,  fand  eine  bedeu- 
tende Ablenkung  statt;  als  umgekehrt  beide  Platten  in  Salpeterlösung  gebracht 
wurden,  und  zwischen  die  entsprechenden  Gefässe  einerseits  Kali,  anderer- 
seits Salpetersäure  geschaltet  wurde,  so  dass  sich  Säure  und  Basis  berührten 
und  ein  kräftiger  chemischer  Prozess  eintrat,  war  die  Wirkung  auf  die 
Nadel  Null. 

Ein  weiteres  Kapitel  der  Abhandlung  Davy^s  ist  der  Wirkung  der 
gewöhnlichen  Ketten  aus  zwei  Metallen  und  einer  Flüssigkeit  gewidmet.  Aus 
den  vorher  beobachteten  ausgezeichneten  Wirkungen  der  Alkalien  und 
Säuren  ist  abzunehmen,  dass  diese  einen  Einfluss  auf  die  gegenseitige  Stellung 
der  Metalle  in  der  Spannungsreihe  ausüben  werden;  so  erwies  es  sich  auch. 
Doch  ist  auch  dies  Verhalten  schon  viel  früher  von  Pfaff  (S.  l86>  beob- 
achtet worden.   Davy  theilt  als  Ergebniss  seiner  Versuche  in  dieser  Richtung 


I  Elektrochemische  Theorieen.  -553 

fchrige  Spannungsrdhen  in  verschiedenen  Flüssigkeiten  mit,   deren  Wieder- 
^tbe  hier  unterbleiben  kann. 

Bei  der  Erörterung  der  Erscheinungen  der  Säule  kommt  Davy,  alle  ein- 
leben Ergebnisse  seiner  Versuche  zusammenfassend,  zu  dem  Schlüsse,  dass 
•  der  reine  Voltaismus,  nach  welchem  nur  der  Metallcontact  für  die  elektrische 
\  Tbätigkeit  der  Säule  entscheidend  sein  soll,  sich  nicht  mit  den  Thatsachen 
;  verträgt     Er  theilt  alsdann  einige  Versuche  mit,   die  zwar  gleichfalls   nicht 
ku  sind,  die  aber  doch  in  sehr  klarer  Weise  jene  Anschauung  widerlegen. 
JEs  werde  ein  Stück  Zink  und  [ein  Stück  Platin  jedes  in  ein  Glas  mit  Sal- 
peterlösung gestellt,    und  es  werden  beide  Gläser  durch  Asbest  verbunden, 
der  mit   der    gleichen  Lösung  getränkt  ist;    die  Nadel  des  Galvanometers, 
durch  dessen  Draht  die  Metalle  verbunden  werden,   wird   eine  Ablenkung 
«eigen.     Nun   sollen  beide  Gläser  durch   einen   metallenen  Bügel   aus   Zink 
and  Platin  so  verbunden  werden,    dass  die  Reihenfolge  Voltaisch   ist,    d.  h. 
dass  das  Zink  dem  ersten  Platin  gegenüber  steht:  die  Wirkung  wird  verstärkt 
«erden.     Nun  soll  ein  Bügel  von  reinem  Zink  eingelegt  werden:    die  Wir- 
hing ist  kleiner,    als  mit  dem  zusammengesetzten  Bügel,    aber  grösser,    als 
tat  dem    Asbest,    und    der   dem   Platin   gegenüberstehende    Pol   wird   sich 
oxydiren,    während    der   dem    Zink    zugewandte    Wasserstoff  abgiebt.     Nun 
sollen  Bügel  aus  anderem  Metall  fiir  den  aus  Zink  gesetzt  werden,  z.  B.  von 
Zinn,  Eisen,  Kupfer,  Silber,  Tellurium:  die  elektrischen  Wirkungen  werden 
mit  der  Oxydirbarkeit  der  Metalle  abnehmen  und  beim  Tellur,  welches  sich 
am  positiven  Pol  einer  VoLTA'schen  Batterie  nicht  oxydirt(?),  wird  die  Wir- 
bing  verschwunden  sein;  ebenso  bei  Rhodium,  Palladium  und  Platin.    Dass 
die  Wirkung  nicht  auf  irgend  welchen  Ursachen  beruht,    die   mit  der  Leit- 
tahigkeit   zusammenhängen,    ist  offenbar;    denn  Holzkohle,    welche  ein  sehr 
anvollkommener  Leiter  ist,  wirkt  wie  ein  oxydirbares  Metall,  und  sehr  feiner 
Platindraht  mit  einem  Stückchen  oxydirbaren  Metalles  am  Ende,    ist  wirk- 
samer, wenn  das  oxydirbare  Metall  dem  negativen  Pole  gegenüber  steht,  als 
wenn  der  ganze  Bügel  aus  oxydirbarem  Metall  besteht,   und  hebt  die  Wir- 
kung völlig  auf,  wenn  das  oxydirbare  Metall  dem  positiven  Pole  gegenüber 
steht" 

Auch  diese  Thatsachen  sind,  wie  erwähnt,  nicht  neu;  sie  sind  alle  von 
Ritter  beobachtet  worden  (S.  175).  Doch  sind  unzweifelhaft  Da\Vs  Ansichten 
bei  weitem  die  klareren.  „Alle  chemischen  Vorgänge  sind  stets  bestrebt, 
das  durch  die  wechselseitige  Berührung  der  Metalle  in  den  Flüssigkeiten 
gestörte  Gleichgewicht  wieder  herzustellen,  und  es  erhellt  daraus,  dass  in 
Fällen,  wo  ursprünglich  unwirksame  Bogen  mit  ursprünglich  wirksamen  ver- 
bunden werden,  die  mit  den  elektrischen  Anziehungen  verbundenen  che- 
mischen Vorgänge  das  Bestreben  haben  müssen,  in  den  ursprünglich  unwirk- 
samen Theilen  der  Kette  eine  Anordnung  hervorzubringen,  welche  dieser 
eine  Kraft  geben  muss,  die  der  im  ursprünglich  wirksamen  Bogen  vorhan- 
denen gerade  entgegengesetzt  sein  muss,  so  dass  deren  Wirkungen  nach  der 
Trennung,  wenn  überhaupt  welche  vorhanden  sind,  beiderseits  genau   ent- 

Ottvald,   Elektrochemie.  23 


3C4  Zehntes  Kapitel. 


gegengesetzt  verlaufen  müssen.  Dies  Ergebniss,  welches  ich  voraussah, 
ich  thatsächlich  zutreffend."  Und  nun  beschreibt  Davy  nichts  anderes 
eine  RirrER'sche  Ladungssäule. 

In  seinen  Schlussbemerkungen  geht  Davy  näher  auf  den  Vorgang 
Leitung  in  Flüssigkeiten  ein,  und  beschreibt  Versuche,  in  denen  durch 
bringung  von  Reagenspapieren  ermittelt  wurde,  an  welchen  Stellen 
die  Produkte  der  elektrischen  Zerlegung  zuerst  zeigen.  Bei  der  da 
in  keiner  Weise  bezweifelten  Ansicht,  dass  die  Salze  in  Säure  und  ] 
zerfallen,  war  es  denkbar,  dass  etwa  in  der  Mitte  der  Salzlösung 
Trennung  beginnen,  und  die  saure  und  basische  Reaction  ihren  Ar 
nehmen  würde.  Dies  trifft  nicht  zu;  „es  wurde  gefunden,  dass  das  A 
sich  ausschliesslich  an  dem  Punkt  oder  der  unmittelbaren  Oberfläche 
negativen  Platins  entwickelt,  und  die  Säure  in  gleicher  Weise  an  der  C 
fläche  des  positiven  Platins;  beide  diffundirten  dann  in  einem  Kreise 
um  den  Leiter,  und  es  war  keine  Erscheinung  sichtbar,  welche  auf  ir) 
eine  Anziehung  oder  Abstossung  der  Menstrua  in  der  Stromlinie  hingewi 
hätte." 

Die  Erklärung,  welche  Davy  hierfür  giebt,  ist  dieselbe,  welche  wi 
von  Grotthuss  herrührend  kennen  gelernt  haben  (S.  313):  die  Vorstel 
abwechselnder  Zerlegungen  und  Wiederverbindungen  im  Stromkreise;  ; 
hier  scheint  Davy  mit  jener  älteren  Arbeit  nicht  bekannt  zu  sein,  < 
Grotthuss'  Name  wird  nicht  erwähnt. 

Ein  Punkt  in  dieser  Abhandlung  ist  von  grossem  Interesse.  Um 
Zeit  war  Faraday  der  Assistent  Davy's,  und  dieser  bemerkt  an  einer  S 
dass  Faraday  einen  grossen  Theil  der  beschriebenen  Experimente  ai 
fuhrt  habe.  Nun  sind  die  hier  aufgeworfenen  Fragen  diejenigen,  w< 
Faraday  eine  Reihe  von  Jahren  später  mit  so  vielem  Erfolg  aufgenom 
und  beantwortet  hat.  Bei  der  Schilderung  jener  grundlegenden  Arb 
werden  wir  vielfach  an  diese  letzte  Abhandlung  Davy*s  erinnert  werden, 
die  Stetigkeit  der  wissenschaftlichen  Entwicklung  wird  in  diesem  ] 
besonders  anschaulich. 

Schliesslich  soll  noch  ein  wichtiger  allgemeiner  Gesichtspunkt  en* 
werden,  welchen  Davy  in  Bezug  auf  die  Bedeutung  der  elektrochemis 
Beziehungen  zur  Geltung  bringt.  „In  der  Baker- Vorlesung  von  1806  sc 
ich  die  elektrischen  Kräfte,  oder  die  zur  Trennung  der  Elemente  ^rfo 
liehen  Kräfte  als  ein  Anzeichen  oder  einen  Maassstab  für  die  Intensität 
chemischen  Verbindung  vor.  Durch  den  Gebrauch  des  Multiplikators 
es  jetzt  leicht  sein,  diesen  Maassstab  anzuwenden;  und  genaue  U 
suchungen  über  den  Zusammenhang  dessen,  was  man  die  elektrodynamis 
Beziehungen  der  Stoffe  nennen  kann,  zu  deren  Verbindungsgewichten 
Proportionalzahlen  werden  den  ersten  Schritt  dazu  bilden,  die  Chemie 
die  dauerhafte  Basis  der  mathematischen  Wissenschaften  zu  gründen." 

Diese  Hoffnung,  welche  hier  ausgesprochen  ist,  und  welche  wohl  2 
mein   von  Davy's  Zeitgenossen  getheilt  worden   ist,   ging  nicht  so  bal 


Elektrochemische  Theorieen. 


355 


däUuüg.  Sehr  lange  Zeit  ist  vergangen,  bis  man  die  Grösse  bestimmen 
rate,  welche  im  elektrischen  Gebiete  das  eigentliche  Maass  der  „chemischen 
jaft"  ist  Zunächst  nahm  man  den  Ausschlag  des  Galvanometers  dafür; 
b  dann  Ohm  die  Ursachen,  welche  für  diesen  Betrag  maassgebend  sind, 
nterscheiden  lehrte,  entstanden  neue  Schwierigkeiten  darüber,  welches  die 
^sprechende  elektrische  Anordnung  für  einen  bestimmten  chemischen 
rorgang  ist  Wir  haben  bereits  gesehen,  wie  z.  B.  die  von  Becquerel 
Bsammengestellte  Kette,  deren  Wirkung  dieser  auf  den  Neutralisationsvor- 
ang  zwischen  Säure  und  Basis  zurückfuhren  wollte,  gar  nicht  diese  Bedeu- 
ing  haben  kann  (S.  351).  Die  Aufklärung  dieser  Punkte  ist  in  der  That 
ist  in  neuester  Zeit  gelungen;  dass  schon  an  dieser  Stelle  auf  sie  hinge- 
wiesen wird,  soll  den  Leser  auf  die  grossen  Schwierigkeiten  aufmerksam 
lachen,  mit  denen  im  Laufe  unserer  Geschichte  die  Wissenschaft  hat 
impfen  müssen,  bis  sie  zu  der  einfachen  und  entscheidenden  Fragestellung 
dangt  ist,  durch  welche  auch  das  wesentliche  der  Antwort  gegeben  ist. 

Auch  darf  die  Bemerkung  nicht  unterdrückt  werden,  dass  das  Galvano- 
eter,  von  dessen  Mitwirkung  Davy  so  viel  erwartet,  zunächst  vom  Ziele 
ehr  ab-,  als  ihm  zugeführt  hat.  Denn  die  entscheidende  Grösse,  um  die 
sich  hier  handelt,  ist  die,  welche  das  Elektrometer  angiebt,  die  Span- 
in g;  das  Galvanometer  aber  giebt  Stromstärken  an,  deren  Zusammenhang 
it  der  Spannung  erst  durch  andere  Daten  zu  ermitteln  ist.  In  dieser  Be- 
:hung  waren  die  älteren  Instrumente  also  die  sachgemässeren,  nur  waren 
!  freilich  für  scharfe  Messungen  noch  sehr  wenig  geeignet. 

12.  Ansichten  von  Grotthuss.  Zum  Schlüsse  dieses  Kapitels  seien 
is  dem  Auszuge  einer  grösseren  Abhandlung,  welche  v.  Grotthuss  gegeben 
tt,1  einige  bemerkenswerthe  hierhergehörige  Erörterungen  mitgetheilt 

„Der  Verf.  zeigt,  dass  man  nicht  mit  Davy  und  Berzelius  glauben  müsse, 
tss  die  Elektricitätsvertheilung  zweier  sich  berührender  Massen  im  Verhält- 
ss  stehe  mit  der  Elektricitätsverteilung  der  sich  berührenden  und  in  che- 
ische  Wechselwirkung  tretenden  Elementartheile  derselben  Massen.  So 
B.  hat  Glas  zu  Glas  keine  chemische  Verwandtschaft,  und  doch  werden 
k-ei  Glastafeln,  die  man  mit  einander  in  Berührung  gebracht  hat,  nach  der 
rennung  die  eine  +,  die  andere  —elektrisch.  Blei  und  Schwefel  haben 
ne  grosse  Verwandtschaft  zu  einander,  und  stehen  dessenungeachtet  in  der 
ektrischen  Spannungsreihe  sehr  nahe  bei  einander.  Dagegen  stehen  glattes 
las  und  rauhes  Glas  in  dieser  Spannungsreihe  weit  von  einander  ab,  obwohl 
e  weder  zu  einander,  noch  zu  Sauerstoff  eine  chemische  Verwandtschaft 
issern.  Und  dergleichen  Beispiele,  die  der  von  Berzelius  geäusserten  An- 
:ht  geradezu  entgegen  sind,  giebt  es  viele. 

„Hieraus  schliesst  der  Verf.,  dass  man  nicht  von  den  Versuchen,  welche 
avy  mit  zwei  sich  berührenden,  der  gegenseitigen  chemischen  Einwirkung 
higen  Massen  (z.  B.  Kalk  mit  Sauerkleesäure,  Kupfer  mit  schmelzendem 


1  Gilbert'»  Ann.  61,  60.    18 19. 


2** 


356  Zehntes  Kapitel. 


Schwefel  u.  s.  w.)  angestellt  hat,  ausgehen  könnte,  um  die  Elektrochemie  zu 
gründen,  dass  man  dabei  vielmehr  von  den  Metallniederschlägen  ausgehen  : 
müsse.  Für  diese  Klasse  von  Erscheinungen  hat  der  Verf.  schon  vor  : 
mehreren  Jahren  die  Polarelektricität  (Galvanismus)  als  das  Bedingende  der»  j- 
selben  aufs  Evidenteste  bewiesen  (S.  310).  Auch  zu  Anfang  der  regulinischea  :: 
Metallausscheidung,  wenn  nur  ein  Metall,  nämlich  das  fällende  in  der  Flüssig-  ., 
keit  sichtbar  ist,  sind  doch  schon  alle,  und  selbst  mehr  Bedingungen  erfüllt,  ■, 
als  zur  Hervorbringung  des  Galvanismus  erforderlich  wären.  Denn  die  : 
Flüssigkeit,  aus  der  das  Metall  abgeschieden  werden  soll,  besteht  aus  hetero-  -, 
genen  Elementartheilchen,  und  die  Elementartheile  des  aufgelösten  Metalles  , 
können  mit  denen  des  fällenden  eine  elektrochemische  Elementarkette  bilden.  ... 
An  diese  müssen  sich  die  Wasseratome  polarisch  anschliessen,  so  dass  der  , 
Sauerstoff  dieser  Atome  den  positiven  metallischen  Elementartheilchen,  und  ... 
der  Wasserstoff  dagegen  den  negativen  metallischen  Elementartheilchen  zu-  . 
gekehrt  wird. 

„Wenn  die  in  der  Auflösung  sich  befindenden  Elementartheilchen  des 
aufgelösten  Metalles  mit  denen  des  in  Masse  eingetauchten  eine  solche 
elektrochemische  Spannung  eingehen,  dass  erstere  +  E,  letztere  hingegen 
—  E  erhalten,  so  kann  gar  keine  merkliche  Wirkung  stattfinden.  Denn  die  > 
Elementartheilchen  des  aufgelösten  Metalles  würden,  vermöge  ihres  +  E  nur  \ 
dann  mit  gehöriger  Kraft  den  Sauerstoff  des  Wassers  anzuziehen  vermögen, 
wenn  nicht  jedes  derselben  sich  wenigstens  ein  Atom  Sauerstoff  schon  früher 
zugeeignet  hätte,  und  damit  ein  Oxydul  oder  Oxyd  bildete.  Entsteht  aber 
eine  dieser  gerade  entgegengesetzte  elektrische  Vertheilung,  werden  nämlich 
die  Elementartheilchen  des  in  Masse  hineingetauchten  Metalles  positiv,  hin- 
gegen die  des  aufgelösten  negativ  elektrisch,  so  ordnen  sich  die  Elemente 
der  umliegenden  Wasseratome  so,  dass  der  Sauerstoff  derselben  mit  dem 
fällenden  Metall,  ihr  Wasserstoff  aber  mit  dem  zu  fallenden,  oder  dessen 
Sauerstoff  in  Berührung  tritt;  und  dann  muss  aus  leicht  einzusehenden 
Gründen  die  Ausscheidung  des  aufgelösten  Metalles  erfolgen. 

„In  den  Flüssigkeiten,  die  aus  heterogenen  Elementartheilchen  bestehen 
(und  hierzu  möchten  wohl  alle  Flüssigkeiten,  selbst  die  flüssigen,  für  einfach 
gehaltenen  Metalle  gehören),    muss  zwischen  diesen  Elementartheilchen  ein 

beständiger  Galvanismus,  und  dadurch  ein  beständiger  wechsel- 


*  \     seitiger  polarischer  Molekularaustausch  unterhalten  werden,  den 

*  /      man  durch  das  in  Fig.  98  dargestellte  kreisförmige  Schema  aus- 


*^.    * 


*  drücken  kann.   Jede  Wasserzersetzung,  die  man  mit  dem  Namen 

ig.  9  .      ac    chemische  belegt,  ist  daher  nur  eine  Störung  des  fortwährenden 

Grotthuss 

Molekulargalvanismus,  oder  eine  Ausgleichung  des  unendlichen 
kreisförmigen  Molekularaustausches  zu  einem  endlichen  linienförmigen.  Die 
Atome  der  Flüssigkeiten  scheinen  demnach  ebenso  von  einer  bewegenden 
Kraft  beseelt  zu  werden,  wie  die  Welten  im  Weltsystem,  und  wahrlich  auch 
diese  Welten  sind  gegen  den  Raum,  der  sie  fasst,  doch  höchstens  nur 
Atome. 


Elektrochemische  Theorieen.  .  357 


lit  Zugrundlegung  dieser  Ansicht,  die  nicht  nur  für  Flüssigkeiten 
ondern  auch  für  Gasarten  gilt,  lässt  sich  leicht  einsehen,  warum  ein 
:hes  Salz,  das  sich  auf  dem  Boden  einer  cylindrischen  mit  Wasser 
1  Flasche  befindet,  selbst  im  Zustande  der  grössten  Ruhe  sich  nach 
zh  in  der  Flüssigkeit  gleichmässig  vertheilt,  und  warum  sich  Gasarten 
r  verschiedenem  specifischen  Gewicht  nach  und  nach  (wie  in  Dalton^s 
len)  gleichmässig  mengen.  Die  heterogenen  Elemente  des  Salzes 
lämlich  dem  polarischen  Molekularkreis  des  Wassers  bei,  und  so  auch 
mente  der  einen  Gasart  in  Betreff  der  anderen.  Der  Flüssigkeits- 
der  Körper  scheint  sich  aus  dieser  steten  Elementarbewegung  am 
ten  erklären  zu  lassen,  und  wenn  man  den  flüssigen  Körpern  dasjenige 
:,  was  den  Galvanismus  bedingt,  nämlich  die  Wärme,  so  werden  sie 
ind  umgekehrt  Diese  Ideen  sind  geeignet,  das  Reich  des  Todten 
sbendigen  zu  vindiciren." 

ese  Bemerkungen  von  Grotthuss  gemahnen  ganz  modern  und  man 
lit  Erstaunen  nach  dem  Datum  der  Abhandlung,  welche  18 19  ge- 
en  worden  ist  Indessen  haben  diese  Grundlegungen  einer  kinetischen 
;  der  Aggregatzustände  und  diese  Vorausnahme  der  WiLLiAMSON'schen 
jngen  über  den  fortwährenden  Austausch  der  Bestandteile  der  Ver- 
gen  auf  ihre  Zeit  nicht  den  mindesten  Einfluss  geübet,  ja,  sie  sind 
upt  nicht  beachtet  worden.  Auch  hier  zeigt  sich,  wie  oft  ein  guter  und 
barer  Gedanke  vergeblich  der  Wissenschaft  dargeboten  wird,  so  lange 
«ine  Brauchbarkeit  an  irgend  einem  praktischen  Falle,  oder  noch 
an  möglichst  vielen  erwiesen  wird.  Ähnliche  Erscheinungen  werden 
»ch  vielfach  begegnen. 


Fig.  99.     Gbosg  Simon  Ohm. 

Elftes  Kapitel. 

Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und 
das  Ohm'sche  Gesetz. 

1.  Pause.  In  der  Entwickelung  der  Elektrochemie  lässt  sich  nach  1 
Zeit  der  Herstellung  der  Alkalimetalle  durch  Davy  eine  deutliche  Pause  o 
Lücke  erkennen,  indem  nach  der  Fluth  der  Entdeckungen,  die  unmittel 
auf  das  Bekanntwerden  der  VotTA'schen  Säule  erfolgte,  eine  fast  plötzlii 
Ebbe  eintritt.  Es  hat  dann  bis  zu  dem  Jahre  1820  gedauert,  bis  wie 
eine  bedeutende  Entdeckung  auf  dem  Gebiete  der  elektrischen  Strö 
gemacht  wurde:  die  des  Einflusses  eines  Stromes  auf  die  Magnetnadel.  Z1 
hat  diese  von  Oersted  gefundene  Erscheinung  unmittelbar  mit  der  Elekl 
chemie  nichts  zu  thun,  desto  mehr  aber  mittelbar,  indem  sie  zu  der  Er 
düng  des  empfindlichsten  aller  elektrischen  Messinstrumente,  des  Galva 
meters,  führte,  an  welches  sich  dann  in  kurzer  Folge  die  Kenntniss  ei 
quantitativen  Gesetzes  für  die  elektrischen  Ströme,  des  OHin'schen  Geset 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm'sche  Gesetz.  jrg 


ipfte,  dessen  Entdeckung  in  das  Jahr  1826  fallt  Das  Galvanometer  ver- 
isste  alsbald  eine  Fülle  von  Untersuchungen,  von  denen  allerdings  ein 
r  grosser  Theil  für  die  weitere  Entwickelung  der  Wissenschaft  ohne  Be- 
ttung blieb,  ähnlich,  wie  das  nach  Erfindung  der  Säule  geschah.  Doch 
rde  dabei  das  Interesse  an  den  ungelöst  gebliebenen  Fragen  wieder 
geregt,  und  wir  sehen  um  jene  Zeit  den  bis  dahin  mehr  zufällig  und 
Legentlich  geführten  Streit  um  die  Theorie  der  galvanischen  Erschei- 
nen, den  Gegensatz  zwischen  der  Lehre  vom  Contact  und  von  der 
lemischen  Ursache  der  elektrischen  Vorgänge  in  der  VoLTA'schen  Kette, 
lf  der  ganzen  Linie  entbrennen. 

Inzwischen  war  man  zwar  nicht  ganz  müssig  gewesen ,  der  quantitativ 
eringeren  Arbeitsleistung  entsprach  aber  auch  eine  qualitative  Herabmin- 
erung  des  Werthes  der  Leistungen.  Technische  Einzelheiten  über  den 
esten  Bau  der  Säule  bilden  fast  die  einzigen  experimentellen  Beiträge, 
.eiche  man  in  den  englischen  Zeitschriften  jener  Periode  findet,  und  in  den 
leutschen  beanspruchen  die  sogenannten  trockenen  Säulen,  deren  Verhält- 
tisse  eigentlich  schon  durch  die  ersten  Arbeiten  darüber  genügend  klar 
jelegt  waren,  ein  unverdientes  Interesse.  Eine  grosse  Anzahl  theoretischer 
\useinandersetzungen  jener  Zeit  erreicht  das  gesteckte  Ziel  nicht  aus  Mangel 
ester,  zahlenmässiger  Grundlagen  und  klarer  Begriffe,  und  nur  an  kleineren 
Einzelbeobachtungen,  welche  durch  spätere  Arbeiten  Wichtigkeit  erhielten, 
findet  sich  einige  Ausbeute.  Es  ist  deshalb  am  besten,  auf  eine  zusammen- 
hängende Schilderung  der  Arbeiten  jener  Zwischenzeit  zu  verzichten,  und 
das  wenige,  was  inzwischen  geschehen  war,  in  die  Darstellung  der  späteren 
Entwickelung  an  gegebener  Stelle  einzureihen.  Nur  mit  einem  Gegenstande, 
der  trockenen  Säule,  soll  eine  Ausnahme  gemacht  werden,  weniger  wegen 
seiner  Bedeutung,  als  wegen  des  breiten  Raumes,  den  er  damals  in  dem 
Interesse  der  Zeit  eingenommen  hat. 

2.  Die  trockenen  Säulen.  Obwohl  die  sogenannten  trockenen  Säulen 
nur  zwei  Jahre  jünger  sind,  als  die  nassen,  so  sind  sie  doch  später  wieder- 
holt von  neuem  entdeckt  worden,  und  es  sind  drei  oder  vier  verschiedene 
Namen,  welche  damit  in  Verbindung  gebracht  werden.  Der  thatsächliche 
erste  Entdecker  ist  Ritter;  hernach  sind  sie  unabhängig  von  Behrens  und 
Mar£ch aux  erbaut  worden;  zehn  Jahre  später  theilt  wieder  de  Luc  ihre 
Construction  als  etwas  Neues  mit,  und  schliesslich  bleibt  der  Name  des 
italienischen  Physikers  Zamboni,  obwohl  dieser  selbst  erwähnt,  dass  er  durch 
de  Luc  angeregt  war,  an  dem  Apparate  haften;  die  ZAMBONi'sche  Säule  ist 
heute  einem  Jedem  bekannt,  auch  wenn  er  nichts  von  Ritter  oder  de  Luc  weiss. 

Dass  Ritter's  Beschäftigung  mit  der  trockenen  Säule  in  Vergessenheit 
gerieth,  ist  einigermaassen  erklärlich,  denn  das  einzige,  was  dieser  darüber 
mitgetheilt  hat,  steht  an  einem  Orte,  an  dem  man  sonst  nicht  physikalische 
Entdeckungen  sucht:  im  Reichsanzeiger  von  1802,  Nr.  66,  S.  813.  Von  dort 
ist  es  allerdings  in  den  zweiten  Band  seiner  Physisch-chemischen  Abhand- 
lungen übergegangen. 


360  Elftes  Kapitel. 


Mit  der  Veröffentlichung  im  Reichsanzeiger  hat  es  folgende  Bewandtnis. 
Der  Herzog  Ernst  von  Sachsen-Gotha  hatte  im  Jahre  1802  Ritter,  der  in 
Jena  in  dürftigen  Umständen  lebte,  nach  Gotha  berufen,  und  ihm  dort  reich- 
liche Mittel  zur  Fortsetzung  seiner  galvanischen  Versuche  gewährt  Von  den 
Ergebnissen  dieser  Arbeiten  hat  nun  Ritter  an  jenem  Orte  vorläufige  Rechen- 
schaft gegeben,  und  darin  der  Versuche  mit  den  trockenen  Säulen  Erwäh- 
nung gethan,  auf  die  er  in  späteren  Veröffentlichungen  nicht  wieder  zurück- 
gekommen ist,  da,  wie  er  sagte,  ihm  die  vollständige  Bearbeitung  der  in 
Gotha  in  zwei  Monaten  fast  ununterbrochenen  Experimentirens  gewonnenen 
Ergebnisse  zwei  Jahre  Schreibens  kosten  würde. 

Den  Anlass  zur  Erbauung  trockener  Säulen  bot  die  Beobachtung,  dass  ■ 
gewöhnliche  Säulen,  die  nach  tagelangem  Stehen  fast  ausgetrocknet  waren!  £ 
dennoch  die  elektroskopischen  Erscheinungen  in  so  gut  wie  unverminderter 
Stärke  zeigten.     „Ich   construirte  daher  .  .  .  geradezu   eine  VourA'sche  Säule 
ohne  alle  absichtlich  hinzugebrachte  Feuchtigkeit,  aus  600  mal  Zink,  Kupfer  *. 
und  dem  Anscheine  nach  völlig  trockenem  weissem  Schafleder.   Einige  Zeit 
nach  der  Construction  zeigte  das  Elektrometer  denselben  Grad  gegenwärtiger   . 
Elektricität,  als  bei  600  mal  Zink,  Kupfer,  Wasser  .  .  .  u.  s.  w.   Auch  lud  diese 
trockene  Säule  von  600  die  Leidener  Batterie  genau  wieder  bis  zu  dem- 
selben Grade,  als  nasse  Säulen  gleicher  Grösse,  und  bei  der  Entladung  war 
der  Funke,  der  Schlag  u.  s.  w.  genau  so  gross,  wie  bei  der  Entladung  einer 
zu  gleichem  Grade  durch  gleich  grosse  nasse  Säule  geladenen.     Aber  die 
Zeit,  in  der  die  Ladung  geschah,  war  verschieden.     Wo  bei  nassen  Säulen, 
selbst  nach  6  Tagen,  eine  Berührung  zur  Ladung  hinreichte,  so  kurz,  ab 
der   Experimentator   sie   zu    veranstalten   weiss,  ...  da   waren   bei   diesen 
trockenen   Säulen    während    der  besten    Zeit   derselben    gegen    10,    15    und 
20  Minuten  erforderlich.  .  .  .  Chemische  Wirkungen,  in  kurzer  Zeit  merklich, 
Schläge  und  dergleichen  gab  die  Säule  nie,  wohl  aber  gleich  nach  dem  Auf- 
bauen    bei    der    Schliessung    durch    Eisendraht    im    Dunklen    sehr    kleine 
Fünkchen.  .  .  .  Präparirte  Froschnerven  wurden  stark  afficirt. . .  ." 

Über  die  Ursache  der  Vorgänge  ist  sich  Ritter  ganz  klar,  und  er  hat 
die  trockenen  Säulen,  wie  er  mittheilt,  nur  dazu  construirt,  um  an  ihren 
viel  langsamer  verlaufenden  Erscheinungen  einen  Schluss  auf  die  der  gewöhn- 
lichen Säulen  zu  ziehen.  „Die  Pappe,  das  Leder,  das  Wachstuch  u.  s.  w. 
bringen  Wirksamkeit  in  die  Säule  nur  insofern  sie  feucht  sind;  aber  wieder 
zeigen  die  Versuche  .  .  .,  wie  äusserst  gering  der  Antheil  von  Feuchtigkeit 
ist,  der  nöthig  ist,  damit  sich  Wirksamkeit  zeige,  und  der  Versuch  .  .  .  zeigt 
sogar,  dass  dazu  ein  Körper  keineswegs  durch  und  durch  mit  Feuchtigkeit 
durchzogen  zu  sein  braucht;  es  reicht  hin,  wenn  bloss  die  Flächen  desselben, 
die  den  Metallplatten  in  der  Säule  gegenüber  stehen,  damit  beschlagen  oder 
belegt  sind/' 

Damit  ist  das  Wesentliche  gesagt,  was  über  diese  Art  Säulen  zu  sagen 
ist,  und  es  gemuthet  fast  spasshaft,  wie  man  später  mehrfach  auf  diese 
erledigte  Sache  zurückkommt,  und  nach  langen  Versuchen  und  Diskussionen 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm'sche  Gesetz.  3 5  j 


schliesslich  nicht  weiter  gelangt,  als  Ritter  zwei  Jahre  nach  der  Erfindung 
der  VoLTA'schen  Säule  schon  gewesen  war. 
>  Der  zweite,  welcher  über  die  Anwendung  trockener  Pappen  zum  Auf- 

:  bau  von  Säulen  berichtete,  war  der  Prediger  MarSchaux  in  Wesel,  später 
-'  in  München,  der  Erfinder  des  Elektromikrometers  (S.  289).  Er  sandte  eine 
5  Nachricht  darüber  an  die  Galvanische  Societät  in  Paris,1  welche  seine  Ver- 
r  lache  wiederholte  und  sie  völlig  bestätigt  fand. 

i         Unmittelbar  darauf  theilte  G.  B.  Behrens2  mit,   dass  er  aus  Metallen 
z-  und  „völlig  trockenen"  Leitern  wirksame  Säulen  gebaut  habe.     Aus  einer 
-  Bemerkung  des  Herausgebers  geht  beiläufig  hervor,  dass  Behrens*  Abhand- 
le long  bereits  vor  dem  April  1805  in  seinen  Händen  gewesen,  und  nur  durch 
:  einen  Zufall  nicht  zur  Veröffentlichung  gelangt  war.   Den  Anlass  zur  Unter- 
suchung bot  der  Gedanke,  einen  Leiter  nichtmetallischer  Natur  aufzusuchen, 
der  die  Rolle  eines  Zwischenleiters  in  der  Säule  übernehmen  könnte,    ohne 
zu  chemischen  Vorgängen  Anlass  zu  geben.     In   dem  getrockneten  Feuer- 
stein glaubte  Behrens  einen  solchen    passiven  Leiter   gefunden   zu    haben, 
und  er  benutzt  naturgemäss  alsbald  diesen  Fund  als  Beweis  für  die  Voi/TA'sche 
Theorie.     Nach   der   Schilderung   der   elektroskopischen   Erscheinungen    an 
einer  mit  Feuerstein  gebauten  Batterie  fährt  er  fort: 

„Dadurch  war  bewiesen,  dass  eine  elektrische  Säule  ohne  Feuchtigkeit 
möglich  sei.  Um  mich  noch  direkter  hiervon  zu  überzeugen >  untersuchte 
ich  viele  andere  Körper  in  der  Hoffnung,  einen  geschickteren  und  besseren 
Leiter  zu  finden,  als  der  Stein  war.  Allein  der  Zufall  will  nicht  gesucht,  er 
will  nur  benutzt  sein.  Schon  werfe  ich  unmuthig  eine  Ladung  Steine, 
Holz  u.  s.  w.  zum  Fenster  hinaus,  —  als  mir  das  Ungefähr  ein  Blatt  Gold- 
papier in  die  Hand  bringt  Dieses  verhielt  sich,  so  zwischen  die  Platten- 
paare gebracht,  dass  die  vergoldete  Seite  an  die  Kupferplatten  gelegt  war, 
gut;  und  noch  besser,  als  ich  es,  um  die  Leitungsfahigkeit  desselben  zu 
vermehren,  in  schwache  Salzauflösung  getaucht  und  (es  versteht  sich)  durch- 
aus wieder  getrocknet  hatte/' 

Behrens  schildert  nun  seine  Versuche,  die  er  mit  einer  aus  Zink  und 
Kupfer  mit  dazwischen  gebrachten  Goldpapierblättchen  aufgebauten  Säule 
angestellt  hat.  Es  liessen  sich  an  ihr  nur  die  elektroskopischen  Erscheinungen 
nachweisen;  weder  Wasserzerlegung,  noch  eine  Veränderung  der  Lackmus- 
farbe, noch  die  geringsten  Schläge  konnten  beobachtet  werden;  auch  hatten 
die  Metallplatten  nach  dreimonatlichem  Schluss  keine  sichtbare  Spur  von 
oberflächlichem  Angriff  erfahren. 

Ein  besonderes  Interesse  wurde  an  diesen  Versuchen  zu  der  Zeit,  wo 
sie  angestellt  wurden,  nicht  genommen.  Marächaux  glaubte  zwar,  als  er 
mittelst  seines  Mikroelektrometers  den  elektrischen  Zustand  einer  solchen 
Säule    sehr    veränderlich    fand,    aus    ihrer   Beobachtung    Schlüsse    auf  die 


1  Ann.  de  Chiraie  67,  61.  1805.  —  Gilbert's  Ann.  22,  313.  1806. 
*  Gilbert's  Ann.  23,  1.  1806. 


362  Elftes  Kapitel. 


atmosphärische  Elektricität  ziehen  zu  können,  der  phantasiereiche  Mann 
hat  sich  aber  hier,  wie  auch  sonst  gelegentlich,  getäuscht.  In  einer  j 
durch  die  sichere  Handhabung  der  Experimentalkritik  ausgezeichneten  Ab- 
handlung wies  Erman1  nach,  dass  die  beobachteten  Verschiedenheiten  ganz 
andere  Ursachen  hatten.  „Die  Säule,  in  welche  man  Pappscheiben  ein-  J? 
schichtet,  die  nicht  absichtlich  befeuchtet  werden,  heisst  zwar  eine  trockene^ 
ist  es  aber  durchaus  nicht,  und  der  jedesmalige  Grad  von  Spannung,  den 
sie  am  Elektrometer  angiebt,  rührt  lediglich  von  der  Feuchtigkeit  her,  welche  k 
der  Pappe  anhängt.  So  wie  der  Feuchtigkeitszustand  jeder  hygroskopischen  : 
Substanz  ist  auch  der  der  Pappe  einer  beständigen  Veränderung  unterworfen!  s 
welche  durch  den  steten  Wechsel  sowohl  der  Temperatur,  als  auch  der  ^ 
Menge  der  im  umgebenden  Räume  vorhandenen  oder  niedergeschlagenen  g 
Dämpfe  bedingt  ist.  In  dieser  Rücksicht  ist  die  trockene  Säule  als  eine  *. 
besondere  Art  Hygrometer  anzusehen,  das  sich  durch  elektrische  Wirkungen  ... 
zu  erkennen  giebt,  und  dessen  Empfindlichkeit  die  der  übrigen  Hygrometer,  . 
die  wir  kennen,  bei  weitem  übertrifft,  bei  welchem  aber  leider  an  keinen 
vergleichbaren  Gang  zu  denken  ist." 

In  dieser  kurzen  Charakteristik  ist  wieder  alles  gesagt,  was  Wesentliche»  ,. 
über  die  trockene  Säule  zu  sagen  ist,  und  man  begreift  nicht,  wie  wenige  .-. 
Jahre  später  dies,  und  die  experimentellen  Belege  hierzu,  welche  Erman  in  v 
völlig  befriedigender  Weise  gegeben  hat,   so  ganz  und  gar  vergessen  sein 
konnten,  wie  man  das  aus  den  massenhaften  Abhandlungen  darüber  abnehmen 
muss.     Die  neue  Bewegung  dazu  ging  freilich  vom  Auslande  aus,    und  es 
ist  wohl  als  ein  Zeichen  der  geringen  Rücksicht,   welche   man  damals  auf 
deutsche   Arbeiten    im    Gebiete   der   Physik   anderweit   zu    nehmen   pflegte, 
anzusehen,  dass  dies  möglich  war. 

Der  Mann,  durch  den  dies  Interesse  erregt  wurde,  war  der  Genier  _] 
Physiker  de  Luc.  Dieser  merkwürdige  Mann  war  im  Jahre  1727  in  Genf 
als  Angehöriger  einer  vornehmen  Familie  geboren,  war  nach  einander  Mit- 
glied des  Rathes  der  Zweihundert  in  seiner  Vaterstadt,  Vorleser  der  Königin 
von  England  und  (Nominal-)Professor  in  Göttingen;  als  er  die  hier  zu  be- 
sprechenden Untersuchungen  begann,  war  er  über  80  Jahre  alt  Die  Ent- 
stehungsgeschichte und  Schicksale  seiner  Untersuchungen  erzahlt  er  selbst 
in  einem  Briefe  an  Nicholson,  den  Herausgeber  des  Journal  of  Natural 
Philosophy.2  Er  hatte  der  Royal  Society  zwei  Werke  aus  seiner  Feder  im 
Jahre  1 806  geschenkt,  und  fand  darauf,  dass  in  der  von  Davy  im  November 
desselben  Jahres  gehaltenen  Baker- Vorlesung  einige  theoretische  Vorstellungen 
benutzt  waren,  die  er  bereits  in  den  erwähnten  Werken  widerlegt  hatte,  oder 
zu  haben  glaubte.  Er  schrieb  daher  eine  längere  Abhandlung,  die  er  der 
Royal  Society  vorlegte.  Diese  Arbeit  wurde  aber  vor  der  Gesellschaft  nicht 
gelesen,  weil  sie,  wie  der  Präsident,  Sir  John  Banks,  ihm  zu  verstehen  gab, 
zu  lang  war.     Er  bat  um  Rückgabe  der  Schrift,    um   sie  abzukürzen; 


1  Gilbert's  Ann.  25,  7.  1807.  *  Nicholsons  Joura.  26,  69.  1810. 


i 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm'sche  Gesetz.  363 


schah,  aber  die  Schrift  wurde  auch  in  dieser  Form  nicht  gelesen,  obwohl 
*  Polemik  gegen  Davy  gestrichen  war.  Auf  eine  wiederholte  Erinnerung 
irde  ihm  amtlich  mitgetheilt,  dass  „die  Publikationskommission,  obwohl 
t  zur  Zeit  nicht  den  Druck  der  Abhandlungen  für  thunlich  hielt,  ange- 
dnet  hatte,  dass  sie  in  den  Archiven  der  Gesellschaft  niedergelegt  werden 
>üten/*  Es  gelang  de  Luc  weiterhin  auf  keine  Weise,  die  Schriften  wieder 
1  die  Hand  zu  bekommen,  und  er  wendete  sich  daher  an  Nicholson,  um 
urch  dessen  Zeitschrift  seine  Ansichten  und  Versuche  bekannt  zu  machen. 
Was  nun  seine  Ansichten  anlangt,  so  beziehen  diese  sich  auf  die  Ursache 
er  elektrischen  Erscheinungen  in  der  Voi/rA'schen  Kette,  und  sind  von  der- 
elben  unzulänglichen  Beschaffenheit,  wie  so  viele  zeitgenössische  Versuche, 
turch  Annahmen  über  die  Zusammensetzungen  und  Verbindungen  der 
yhnponderablen  Stoße"  nach  Analogie  der  chemischen  Vorgänge  ein  Bild, 
)der  eine  sogenannte  Erklärung  für  die  fraglichen  Erscheinungen  zu  schaffen. 
>e  Luc  glaubte,  wie  mancher  andere  Forscher  seiner  Zeit,  dass  die  physio- 
logischen, elektrischen  und  chemischen  Wirkungen  der  Säule  mit  einander 
nicht  nothwendig  verbunden  seien,  und  dass  man  Säulen  bauen  könne,  die 
nur  die  eine  oder  andere  dieser  Eigenschaften  zeigen.  So  war  ihm  die  mit 
trockenen  Zwischenlagen  gebaute  Säule  eine  spezifisch  elektrische,  und 
er  unterschied  sie  als  „electric  column"  von  der  VoLTA'schen  Säule.  Dass 
ihm  die  eben  erwähnten  älteren  Arbeiten  über  die  trockene  Säule  bekannt 
gewesen  seien,  erwähnt  er  nicht,  obwohl  er,  wie  Gilbert  erwähnt,  zu  der 
Zeit,  wo  in  den  Annalen  über  sie  berichtet  wurde  und  Erman  seine  Ver- 
suche angestellt  hatte,  sich  in  Berlin  aufgehalten  hatte. 

Durch  de  Luc  ist  nun  weiter  der  Professor  der  Physik  am  Lyceum  zu 
Verona,  Zamboni,  mit  der  trockenen  Säule  bekannt  geworden,  und  hat  sie 
zum  Gegenstande  eingehenderer  Studien  gemacht.  Er  ist  also  keineswegs 
der  Vater  dieses  noch  gegenwärtig  unter  seinem  Namen  gehenden  Apparates, 
sondern  nicht  mehr  als  ein  Onkel  dritten  oder  vierten  Grades;  will  man  die 
trockene  Säule  mit  einem  Personennamen  bezeichnen,  so  muss  sie  unbedingt 
die  RiTTER'sche  oder  allenfalls  BEHRENs'sche  Säule  genannt  werden. 

Die  grosse  Aufmerksamkeit,  welche  Zamboni  mit  der  Säule  erregte,  war 
nichts  als  die  Folge  einer  mit  ihr  angestellten,  indessen  damals  ziemlich 
ernst  genommenen  Spielerei,  die  er  neben  seinen  ganz  sachgemässen  anderen 
Arbeiten  an  der  Säule  ausführte.  Diese  Arbeiten  sind  im  Dezember  181 2 
und  im  Januar  181 3  in  Brugnatelli's  Giornale  di  Fisica  veröffentlicht,  und 
von  dort  in  andere  Zeitschriften,  z.  B.  in  Gilberts  Annalen  49,  35  u  ff.,  181 5, 
übergegangen.  Die  Spielerei  bestand  darin,  dass  er  zwischen  den  entgegen- 
gesetzten Polen  zweier  neben  einander  aufgestellter  Säulen  ein  leichtes  Pendel 
anbrachte,  welches  durch  die  abwechselnden  Anziehungen  und  Abstossungen 
durch  die  elektrische  Ladung  in  Schwingungen  gerieth,  die  längere'  Zeit 
andauerten.  In  getreuer  Fortführung  der  von  Volta  als  möglich  und 
wiinschenswerth  ausgesprochenen  Idee,  eine  Säule  ohne  Abnutzung  oder 
Veränderung,  ein  wahres  elektrisches  Perpetuum  Mobile  zu  construiren,  hatte 


364 


Elftes  Kapitel. 


Zamboni  sein  Bestreben  dahin  gerichtet,  auf  diesem  Wege  das  Ziel 
erreichen,  und  hierauf  beruhte  das  Interesse,  welches  das  grosse  Publil 
an  der  Sache  nahm. 

Nach  Deutschland  war  die  Säule  durch  den  Leibarzt  des  Viceköi 
von  Italien,  des  Prinzen  Eugen,  Namens  Assalini,  gekommen.  Der  P 
war  nach  München  übergesiedelt,    und  Assalini  hatte  die  Säule,  die  er 


Fig.   100.     Zamboni's  elektrisches  Perpetuum  Mobile. 


Italien  mitgebracht  hatte,  der  Münchener  Akademie  mitgetheilt.    Von  di< 
wurde  dann  ein  kleines  Schriftchen  ausgegeben,  in  welchem   die  Säule 
ihrem  Pendel   beschrieben    und   abgebildet   worden  war;    die   obenstehe 
Figur  giebt  diese  Abbildung  wieder. 

Die  Hoffnung,  in  der  trockenen  Säule  wirklich  ein  Perpetuum  Mo 
gefunden  zu  haben,  wurde  sehr  ernsthaft  gehegt;  ein  Zeugniss  dafür  ist  < 
Reihe  von  Berichten  über  das  Schicksal  einer  nach  de  Luc  aufgebau 
mit  zwei  Glocken  nebst  Pendel  versehenen  Säule,  welche  unter  den  wisj 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm 'sehe  Gesetz.  365 


schaftlichen  Neuigkeiten  im  Philosophical  Magazine  von   18 10  zu  lesen  sind. 

Dort   theilte   B.  M.  Forster  mit,  dass  er  am  Mittwoch  den    14.  März  eine 

solche  Säule  errichtet  habe,   die  seitdem   ununterbrochen  bis  zum  20.  März 

geklingelt   habe.1     Unter  dem  23.  April2  wird  folgendes  geschrieben:  „Wir 

entnehmen  einer  Mittheilung  vom  23.  April,  dass  die  kleinen  Glocken,  welche 

mit  der   in   unserer  letzten  Nummer  erwähnten  elektrischen  Säule  nach  de 

Luc  verbunden  sind,  am  24.  März  auf  etwa  eine  Minute  aufgehört  haben, 

zu  läuten,   und  ebenso  an  demselben  Tage  auf  etwa  drei  Minuten.     Auch 

wird  angenommen,  dass  sie  am  folgenden  Tage  auf  etwa  eine  halbe  Minute 

aufgehört   haben;   doch  wird  dies  sehr  bezweifelt.     Seit  der  Zeit  haben  sie, 

so  viel  bekannt,  nicht  aufgehört  zu  läuten.   Am   15.  April  wurde  der  Raum, 

in  dem  sich   die  Säule   befindet,   geöffnet,    und   man   sah    das  Pendel   mit 

grosser  Geschwindigkeit  sich  bewegen.    Man  glaubt,  dass  in  letzter  Zeit  die 

Stärke  des  Tones  erheblich  zugenommen  hat,  und  ebenso,  dass  das  Pendel 

schneller    geht,    als    zu    der    Zeit,    wo    die    Säule    in    den    Raum    gestellt 

,    wurde." 

Später  ^ebenda  S.  399)  heisst  es:  „Unterdessen  haben  wir  Nachricht 
erhalten,  dass  am  21.  Mai  die  kleinen,  mit  de  Luc's  elektrischer  Säule  ver- 
bundenen Glocken  noch  immer  läuten,  und  es,  wie  angenommen  wird,  seit 
dem  25.  März  ununterbrochen  gethan  haben. 

„Wir  werden  ferner  ersucht,  unsere  Leser,  die  Säulen  von  der  ange- 
gebenen Art  erbaut  haben,  zu  bitten,  dass  sie  uns  entsprechende  Beobach- 
8    tragen  von  Zeit  zu  Zeit  mittheilen." 

r  Wieder  einen  Monat  später:  „Die  in  den  letzten  drei  Nummern  erwähnten 

Ideinen  Glocken  haben  noch  immer  fortgefahren  zu  läuten  bis  zum  25.  d.  M. 
Juni,  ohne  dass  man  wüsste,  dass  sie  einmal  aufgehört  haben." 

Im  Dezember  desselben  Jahres3  kam  endlich  die  Todesnachricht:  „Wir 
müssen  unsere  Leser  benachrichtigen,  dass  die  beiden  kleinen,  mit  der  von 
de  Luc  erfundenen  elektrischen  Säule  verbundenen  Glocken,  welche  wir 
häufig  erwähnt  haben,  am  4.  September  auf  etwa  zehn  Minuten  aufgehört 
haben  zu  läuten;  alsdann  haben  sie,  während  der  Apparat  unberührt  blieb, 
von  Zeit  zu  Zeit  wieder  angefangen,  indem  sie  etwa  eine  halbe  Stunde 
oder  etwas  länger  schwiegen;  dann  hörten  sie  nach  diesem  auf  einige  Tage 
auf  und  begannen  wieder,  und  auch  zu  späteren  Zeiten  auf  Stunden  zu 
läuten;  und  am  18.  November  wurden  sie  von  der  Säule  entfernt,  da  sie 
an  dem  ganzen  Morgen  nicht  gehört  worden  waren." 

Auf  die  ganze,  ziemlich  weitläufige  Litteratur,  die  sich  an  diese  ersten 
Mittheilungen  knüpft,  einzugehen,  ist  in  keiner  Weise  lohnend.  Die  wissen- 
schaftliche Ausbeute  darin  ist  fast  Null,  indem  nach  vielerlei  Experimenten 
die  Forschung  schliesslich  genau  an  dem  Punkte  anlangt,  welchen  Ritter 
schon  von  Anfang  an  erreicht  hatte:  dass  die  Säule  nur  wegen  der  in  ihr 
enthaltenen  Feuchtigkeit  oder,  mit  anderen  Worten,  so  lange  wirkt,  als  die 


1  Phflos.  Mag.  35,  210.  18 10.  *  Ebenda  317.  *  Ebenda  36,  472.  1810. 


i 


366  Elftes  Kapitel. 


Zwischenschichten   leiten.     Diesen   drittmaligen   Nachweis   führte   wesentB 
Parrot.  l 

Nur  eine  Beobachtung,  die  für  spätere  Erörterungen  von  Bedeutung 
soll  noch  angeführt  werden.  Der  Leibmedicus  Dr.  Jäger  in  Stuttgart 
eine  Säule  aus  Metallplatten  mit  einer  sehr  dünnen  Zwischenschicht 
Schellackfirniss2  her,  und  fand  auch  an  dieser  Zeichen  elektrischer  Lad 
Er  benutzte  diese  Thatsache  zu  einer  unhaltbaren  Theorie  der  Säule;  ftp 
uns  ist  sie  von  Werth,  weil  sie  Licht  auf  den  VoLTVschen  Fundamental» 
versuch  mit  gefirnissten  Condensatorplatten  wirft. 

3.  Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  der  Multipli- 
kator. Ein  Zusammenhang  zwischen  den  elektrischen  und  den  magnetischen 
Erscheinungen  war  fast  seit  der  Kenntniss  beider  vermuthet  und  gesucht 
worden.  Die  übereinstimmende  Art  der  Gesetze,  welcher  beide  unterliegen» 
insbesondere  die  ausgezeichnete  Polarität,  welche  sich  bei  beiden  zeigt,  lies» 
einen  solchen  Gedanken  als  sehr  naheliegend  erscheinen,  und  es  war  bereut 
Gelegenheit,  von  allerdings  misslungenen  Versuchen  zu  berichten,  welche 
zur  Auffindung  des  Zusammenhanges  angestellt  worden  sind  (S.  216).  Diese 
Versuche  sind  keineswegs  die  einzigen  gewesen  oder  geblieben;  insbesondere 
Ritter  hatte  sogar  geglaubt,  jenen  Zusammenhang  wirklich  nachgewiesen  zu 
haben  (S.  180),  und  neben  diesen  sind  noch  manche  andere  Anläufe  zu  ver- 
merken, die  ebenso  erfolglos  geblieben  waren.  Das  so  lange  Gesuchte 
wurde  schliesslich  auf  einem  Wege  gefunden,  der  nicht  der  einer  strengen 
Analogie  war;  statt  dass  die  lange  bekannte  ruhende  Elektricität  mit  dem 
Magnetismus  in  Verbindung  trat,  dessen  Gesetze  mit  den  ihren  so  sehr  über- 
einstimmten, war  es  der  elektrische  Strom,  an  dem  die  gegenseitige  Be- 
ziehung zu  Tage  trat.  Wir  finden  in  den  Äusserungen  der  Zeitgenossen 
mehrfach  einen  Ausdruck  des  Erstaunens  darüber,  dass  sich  die  Sache  so 
herausgestellt  hatte:  ein  sicheres  Zeichen  dafür,  wie  anders  sie  erwartet 
worden  war. 

Der  Entdecker  der  elektromagnetischen  Erscheinungen  ist  Oersted. 
Hans  Christian  Oersted  wurde  1777  in  Rudkjöbing  auf  Langeland  geboren, 
begann  seine  Laufbahn  als  Pharmaceut,  und  stieg  dann  allmählich  die  ver- 
schiedenen Stufen  zu  der  Professur  der  Physik  an  der  Universität  in  Kopen- 
hagen empor.     Daneben  bekleidete  er  mehrere  andere  einflussreiche  Ämter 


1  Gilbert's  Ann.  55,  165.  181 7.  Um  dem  Leser  wenigstens  eine  Vorstellung  von  der 
überraschenden  Breite  der  Litteratur  zu  geben,  die  sich  über  diese  Sache  aufgehäuft  hat,  thefle 
ich  nachstehend  eine  Zusammenstellung  derselben  mit,  die  indessen  auf  Vollständigkeit  keinen 
Anspruch  macht.  Gilbert's  Ann.  49,  1  u.  ff.  —  Schweigger's  Journ.  7,  479;  U,  16.  — 
Gilbert's  Ann.  50,  87;  ebenda  214;  ebenda  447;  51,  182;  63,  336;  ebenda  346;  65,  369; 
60,  151;  62,  227.  —  Schweigger's  Journ.  15,  113;  16,  in.  1815.  —  Philos.  Mag.  86, 
205;  ebenda  317.  ebenda  468;  36,  472;  37,  197;  ebenda  424;  43,  241;  ebenda  363;  ebenda 
415;  44,  248;  ebenda  442;  45,  261;  ebenda  359;  ebenda  465;  46,  n.  —  NICHOLSON*» 
Journ.  1,  305;  27,  81  u.  ff. 

*  Gilbert's  Ann.  40,  49.   18 15.     Am  angeführten  Orte  steht  Copalfiraiss,  doch  hat  der 
Verfasser  dies  später  als  Schreibfehler  bezeichnet  (Gilbert's  Ann.  50,  214). 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm'sche  Gesetz.  367 

in  dieser  Stadt,  und  starb  hochangesehen  im  Jahre  185 1.     Seiner  wissen- 
schaftlichen Richtung  nach  gehörte  er  ganz  und  gar  der  naturphilosophischen 
,  Schule  an;  unter  seinen  ausserordentlich  zahlreichen  Schriften  befinden  sich 
Khrere  poetischer  Art  und  sie  beziehen  sich  zum  grössten  Theil  auf  Gegen- 
wände von  allgemeinerer  Beschaffenheit.     Von   weiteren  wissenschaftlichen 
'  Arbeiten  ist  seine  Untersuchung  über  die  Zusammendrückbarkeit  des  Wassers 
kmerkenswerth;  er  gehört  zu  den  ersten,  die  diese   nachgewiesen  haben, 
od  sein  „Sympiezometer"   ist   noch   heute   ein    überall   vorhandener  Vor- 
ksungsapparat 

Oerstkd  gab  die  Nachricht  von  seiner  Entdeckung  der  Einwirkung  des 
Stromes  auf  die  Magnetnadel  der  wissenschaftlichen  Welt  in  Gestalt  eines 
lateinisch  verfassten  Quartblattes  kund,  das  vom  21.  Juli  1820  datirt  war, 
und  das  er  an  verschiedene  Gelehrte  verschickte.  Die  Versuche  wurden 
nerst  in  Genf  durch  Pictet  und  de  la  Rive  mit  vollständigem  Erfolg  wieder- 
holt, und  dort  sah  sie  Arago,  welcher  sich  eben  in  Genf  befand.  Er  brachte 
die  Kunde  davon  nach  Paris,  wo  die  Entdeckung  sehr  viel  Aufsehen  erregte; 
die  Angelegenheit  wurde  dann  daselbst  insbesondere  durch  Ampere  in  sehr 
kurzer  Frist  ausserordentlich  gefördert. 

Obwohl  diese  Entdeckung  mit  der  Elektrochemie  nur  in  sehr  weit- 
läufigem Zusammenhange  steht,  muss  sie  doch  an  diesem  Orte  behandelt 
«erden.  Durch  die  Erfindung  des  elektromagnetischen  Galvanometers,  des 
Instrumentes,  welches  man  gegenwärtig  kurzweg  als  Galvanometer  zu  be- 
aeichnen  gewohnt  ist,  wurde  den  Forschern  ein  ausnehmend  empfindliches 
und  hilfreiches  Werkzeug  an  die  Hand  gegeben,  und  der  weitere  Fortschritt 
der  Elektrochemie  ist  ganz  wesentlich  durch  dasselbe  bedingt  worden.  Aller- 
dings kann  nicht  verschwiegen  werden,  dass  die  grosse  Empfindlichkeit  des 
Galvanometers  namentlich  im  Anfange  vielfach  störend  und  hemmend  wirkte; 
man  fand  fast  bei  jedem  beliebigen  Vorgange  zwischen  Leitern  der  Elek- 
tricität  elektrische  Ströme  auf,  und  die  Frage  nach  ihrer  Ursache  wurde 
dadurch  in  einer  fast  hoffnungslosen  Weise  verwickelt. 

Die  oben  erwähnte  Mittheilung  Oersted's  ist  nachstehend  vollständig 
wiedergegeben,  was  sie  der  Bedeutung  des  Gegenstandes  wegen  wohl  ver- 
dient;  die  Übersetzung  rührt  von  Gilbert  her.1 

„Die  ersten   Versuche  über  den  Gegenstand,   welchen  ich  aufzuklären 
unternehme,  sind  in  den  Vorlesungen  angestellt  worden,  die  ich  in  dem  ver- 
flossenen Winter   über  Elektricität,  Galvanismus   und  Magnetismus  gehalten 
habe.     Aus  diesen  Versuchen  schien  zu  erhellen,  dass  die  Magnetnadel  sich 
mittelst  des  galvanischen  Stromes  aus  ihrer  Lage  bringen  lasse,    und  zwar 
bei  geschlossenem  galvanischem  Kreise,  und  nicht  bei  offenem,  wie  das  vor 
einigen  Jahren  einige  berühmte  Physiker  umsonst  versucht  haben.    Da  aber 
diese  Versuche  mit  einem  wenig  kräftigen  Apparat   angestellt  waren,    und 
daher    die   erhaltenen   Erscheinungen    nicht    auszureichen   schienen   für   die 


1  Gilbekt's  Ann.  66,  295.  1820. 


368  E1ftes  Kapitel. 


Wichtigkeit  der  Sache,  so  nahm  ich  meinen  Freund,  den  Justizrath 
zu  Hülfe,  um  mit  ihm  die  Versuche  mittelst  eines  grossen,  von  uns 
gemeinschaftlich  eingerichteten  Apparates  zu  wiederholen  und  zu  verm< 
Auch  der  Regierungspräsident  Wleugel  war  bei  unseren  Versuchen  g( 
wärtig  als  Theilnehmer  und  Zeuge.     Überdem  waren  Zeugen  desselben 
als  trefflicher  Physiker  längst  bekannte  Oberhofmarschall  Hauch,    der 
fessor  der  Naturgeschichte  Reinhard,  der  Professor  der  Medizin  Jacobson,  udA\' 
ein  vorzüglicher  Kenner  und  Experimentator  der  Chemie,  der  Dr.  phiL 
Auch  habe  ich  öfter  allein  experimentirt,  immer  aber,  wenn  ich  dabei  nenef 
Erscheinungen  fand,  sie  in  Gegenwart  dieser  versammelten  Gelehrten  wiederholt  £ 

„In  der  Erzählung  von   unseren  Versuchen  übergehe  ich  alle,  welche  i. 
zwar  zu  der  Entdeckung  geführt  haben,    nachdem   die  Sache  aber  einmal 
gefunden  war,  nichts  mehr  zur  Erläuterung  derselben  beitragen,  und  schränke  L 
mich  auf  diejenigen  ein,   aus  welchen  die  Natur   des  Gegenstandes  deutlich  .' 
hervorgeht.  r 

„Der  galvanische  Apparat,  dessen  wir  uns  bedient  haben,  besteht  aus  : 
20  rechteckigen  kupfernen  Zellen,  die  jede  12  Zoll  lang,  12  Zoll  hoch  und  : 
2l/2  Zoll  breit,  und  mit  zwei  Kupferstreifen  versehen  ist,  welche  so  geneigt  > 
sind,  dass  sie  den  Kupferstab  tragen  können,  der  die  in  der  Flüssigkeit  der  r 
benachbarten  Zelle  schwebende  Zinkplatte  hält.  Das  Wasser,  womit  die  t 
Zellen  angefüllt  wurden,  war  mit  Yeo  seines  Gewichtes  Schwefelsäure  und  * 
mit  ebenso  viel  Salpetersäure  versetzt,  und  der  in  jede  Zelle  eingetauchte  : 
Theil  der  Zinkplatte  war  ein  Quadrat  von  etwa  10  Zoll  Seite.  Doch  können 
auch  kleinere  Apparate  gebraucht  werden,  wenn  sie  nur  einen  Draht  zum  : 
Glühen  zu  bringen  vermögen. 

„Man  denke  sich  die  beiden  entgegengesetzten  Enden  des  galvanischen 
Apparates  durch  einen  Metalldraht  verbunden.  Diesen  werde  ich  der  Kürze 
wegen  stets  den  verbindenden  Leiter  oder  den  verbindenden  Draht  nennen; 
die  Wirkung  aber,  welche  in  diesem  verbindenden  Leiter  und  um  ihn  her 
vol*  sich  geht,  werde  ich  mit  dem  Namen  elektrischer  Conflict  bezeichnen. 

„1)  Man  bringt  ein  geradliniges  Stück  dieses  verbindenden  Drahtes  in 
horizontaler  Lage  über  eine  gewöhnliche,  frei  sich  bewegende  Magnetnadel 
so,  dass  er  ihr  parallel  sei;  und  zu  diesem  Ende  kann  man  den  Draht  ohne 
Schaden  nach  Belieben  biegen.  Ist  alles  so  eingerichtet,  so  wird  die  Magnet- 
nadel in  Bewegung  kommen,  und  zwar  so,  dass  sie  unter  dem  vom  nega- 
tiven Ende  des  galvanischen  Apparates  herkommenden  Theile  des  verbin- 
denden Drahtes  nach  Westen  zu  weicht.  Ist  die  Entfernung  des  Drahtes 
von  der  Magnetnadel  nicht  mehr  als  6/4  Zoll,  so  beträgt  diese  Abweichung 
ungefähr  45 °.  Bei  grösserer  Entfernung  nehmen  die  Abweichungswinkel  ab, 
wie  die  Entfernungen  zunehmen.  Übrigens  ist  die  Abweichung  verschieden 
nach  der  Verschiedenheit  der  Stärke  des  Apparates. 

„Der  verbindende  Draht  kann  nach  Osten  oder  nach  Westen  bewegt 
werden,  wenn  er  nur  immer  der  Nadel  parallel  bleibt,  ohne  dass  dieses 
einen  anderen  Einfluss  auf  den  Erfolg  hat,  als  dass  die  Abweichung  kleiner 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm 'sehe  Gesetz.  369 


Es  lässt  sich  folglich  die  Wirkung  keineswegs  einer  Anziehung  zu- 
denn  derselbe  Pol  der  Magnetnadel,  der  sich  nach  dem  verbin- 
denden Drahte  zu  dreht,  wenn  er  östlich  von  der  Nadel  ist,  dreht  sich  von 
derselben  fort,  wenn  er  sich  westlich  von  ihr  befindet,  welches  nicht 
möglich  wäre,  wenn  diese  Abweichungen  auf  Anziehungen  und  Abstossungen 
beruhten. 

„2)  Der  verbindende  Leiter  kann  aus  mehreren  vereinigten  Drähten 
oder  Metallstreifen  bestehen.  Die  Natur  des  Metalles  verändert  den  Erfolg 
nicht,  es  sei  denn  in  Hinsicht  der  Grösse.  Wir  haben  Drähte  aus  Platin, 
Gold,  Silber,  Messing  und  Eisen,  ferner  Zinn-  und  Bleistreifen  und  Queck- 
silber mit  gleichem  Erfolg  gebraucht  Wird  der  Leiter  durch  Wasser  unter- 
brochen, so  bleibt  nicht  alle  Wirkung  aus,  es  sei  denn  die  Wasserstrecke 
mehrere  Zoll  lang. 

„3)  Der  verbindende  Draht  wirkt  auf  die  Magnetnadel  durch  Glas,  durch 
Metalle,  durch  Holz,  durch  Wasser,  durch  Harz,  durch  töpferne  Gefässe  und 
durch  Steine  hindurch;  denn  als  wir  zwischen  beide  eine  Glastafel  oder  eine 
Metallplatte  oder  ein  Brett  gebracht  hatten,  blieb  der  Erfolg  nicht  aus;  ja 
alle  drei  vereinigt  schienen  die  Wirkung  kaum  zu  schwächen.   Ebenso  wenig 
ein  Elektrophor,  eine  Porphyrplatte  und  ein  irdenes  Gefäss,  selbst  wenn  es 
voll  Wasser  war.   Unsere  Versuche  haben  auch  gezeigt,  dass  die  erwähnten 
[   Wirkungen  nicht  verändert  werden,  wenn  man  eine  Magnetnadel  nimmt,  die 
ach  in  einer  messingenen,    voll   Wasser  gegossenen  Büchse  eingeschlossen 
befindet     Dass   der  Wirkungen  Durchgang   durch    alle   diese  Materien   bei 
Elektricität  und  Magnetismus  noch  nie   ist  beobachtet  worden,    brauche  ich 
kaum  zu  bemerken.     Die  Wirkungen,   welche  in  dem  elektrischen  Conflikte 
statt  haben,  sind  von  denen  der  einen  oder  anderen  elektrischen  Kraft  gänz- 
lich verschieden. 

,,4)  Wenn  der  verbindende  Draht  sich  in  einer  horizontalen  Ebene 
unter  der  Magnetnadel  befindet,  so  gehen  alle  angegebenen  Wirkungen  in 
entgegengesetzter  Richtung  vor  sich,  als  wenn  er  in  einer  über  derselben 
befindlichen  horizontalen  Ebene  ist,  sonst  aber  in  ganz  gleicher  Weise.  Der 
Pol  der  Magnetnadel,  unter  welchem  sich  derjenige  Theil  des  verbindenden 
Drahtes  befindet,  in  welchen  die  Elektricität  des  negativen  Endes  des  gal- 
vanischen Apparates  zunächst  hineintritt,  weicht  jetzt  nach  Osten  ab. 

„Damit  man  dies  leichter  im  Gedächtniss  behalte,  bediene  ich  mich 
folgender  Formel:  der  Pol,  über  welchem  die  negative  Elektricität  eintritt, 
wird  nach  Westen,  der  Pol,  unter  welchem  sie  eintritt,  nach  Osten  zu 
gedreht 

„5)  Dreht  man  den  verbindenden  Draht,  in  der  horizontalen  Ebene,  so 
dass  er  allmählich  immer  grössere  Winkel  mit  dem  magnetischen  Meridiane 
macht,  so  wird  die  Abweichung  der  Magnetnadel  vermehrt,  wenn  das  Drehen 
des  Drahtes  nach  dem  Orte  der  gestörten  Magnetnadel  zuwärts  geschieht, 
sie  nimmt  dagegen  ab,  wenn  das  Drehen  von  diesem  Orte  zurück 
geschieht 

Ottwald,  Elektrochemie.  24 


i 


370  Elftes  Kapitel. 


„6)  Ein  verbindender  Draht,  der  sich  in  der  horizontalen  Ebene  be*j 
findet,  in  welcher  sich  eine  durch  ein  Gegengewicht  äquilibrirte  Magnetn 
befindet  und  der  Nadel  parallel  ist,  bringt  sie  weder  nach  Osten  noch  nach 
Westen  hin  zum  Weichen,  sondern  macht  sie  bloss  in  der  Ebene  der  Incfr» 
nation  schwanken,  so  dass  der  Pol,  dem  zunächst  in  dem  Drahte  die  nega- 
tive elektrische  Kraft  herkommt,  herunter  gedrückt  wird,  wenn  der  Draht 
sich  an  der  westlichen,  dagegen  herauf  gedreht  wird,  wenn  er  sich  an 
der  östlichen  Seite  derselben  befindet. 

„7)  Wird  der  Draht  senkrecht  auf  die  Ebene  des  magnetischen  Meridians 
über  oder  unter  die  Nadel  gestellt,  so  bleibt  diese  in  Ruhe,  ausgenommen, 
wenn  der  Draht  dem  Pole  ziemlich  nahe  ist.  Dann  aber  wird  der  Pol 
gehoben,  wenn  der  Eintritt  von  der  westlichen  Seite  des  Drahtes  her 
geschieht,  und  herunter  gedrückt,  wenn  er  von  der  östlichen  Seite  her 
erfolgt. 

*  

„8)  Wird  der  verbindende  Draht  lothrecht  nahe  bei  einem  Pol  der 
Magnetnadel  ihm  gegenüber  gestellt,  und  das  obere  Ende  des  Drahtes  erhält 
die  Elektricität  von  dem  negativen  Ende  des  galvanischen  Apparates,  so 
bewegt  sich  dieser  Pol  nach  Osten;  befindet  sich  dagegen  der  Draht  nahe 
bei  einem  Punkte  in  der  Nadel,  der  zwischen  dem  Pole  und  dem  Mittel- 
punkte der  Nadel  liegt,  so  wird  sie  nach  Westen  getrieben.  Erhält  das 
obere  Ende  des  Drahtes  die  Elektricität  von  dem  positiven  Ende,  so  gehen 
die  entgegengesetzten  Erscheinungen  vor. 

„9)  Biegt  man  den  verbindenden  Draht  so,  dass  er  an  beiden  Theilen 
der  Biegung  parallel  wird,  so  werden  von  ihm  nach  Verschiedenheit  der 
Umstände  die  magnetischen  Pole  angezogen  oder  abgestossen.  Man  stelle 
den  Draht  einem  der  beiden  Pole  der  Nadel  gegenüber,  so  dass  die  Ebene 
der  parallelen  Schenkel  auf  dem  magnetischen  Meridiane  senkrecht  sei,  und 
verbinde  den  östlichen  Schenkel  mit  dem  negativen,  den  westlichen  mit  dem 
positiven  Ende  des  galvanischen  Apparates;  in  dieser  Lage  wird  der  nächste 
Pol  zurückgestossen,  entweder  nach  Osten  oder  nach  Westen,  wie  es  die 
Lage  der  Ebene  der  Schenkel  mit  sich  bringt.  Ist  der  östliche  Schenkel 
mit  dem  positiven,  der  westliche  mit  dem  negativen  Ende  verbunden,  so 
wird  der  nächste  Pol  angezogen.  Wird  die  Ebene  der  Schenkel  senkrecht 
an  eine  Stelle,  zwischen  dem  Pol  und  dem  Mittelpunkt  der  Nadel  gebracht, 
so  erfolgen  dieselben  Wirkungen,  nur  umgekehrt. 

,,io)  Eine  Nadel  aus  Messing,  welche  nach  Art  der  Magnetnadeln  auf- 
gehängt ist,  kommt  durch  die  Wirkung  des  verbindenden  Drahtes  nicht  in 
Bewegung.  Auch  eine  Nadel  aus  Glas  oder  Gummilack  bleibt  bei  ähnlichen 
Versuchen  in  Ruhe. 

„Aus  allen  diesem  lassen  sich  einige  Momente  zur  Erklärung  der  Er- 
scheinungen ableiten.  Der  elektrische  Conflikt  vermag  nur  auf  die  magne- 
tischen Theile  der  Materie  zu  wirken.  Alle  nichtmagnetischen  Körper 
scheinen  für  den  elektrischen  Conflikt  durchgängig  zu  sein,  die  magnetischen 
Körper  dagegen,  oder  vielmehr  ihre  magnetischen  Theilchen,  dem  Hindurch- 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm 'sehe  Gesetz.  371 


gehen  dieses  Confliktes  zu  widerstehen,  und  daher  kommt  es,  dass  sie  durch 
den  Stoss  der  kämpfenden  Kräfte  in  Bewegung  gesetzt  werden  können. 

„Dass  der  elektrische  Conflikt  nicht  in  dem  leitenden  Drahte  einge- 
schlossen, sondern  ziemlich  weit  zugleich  in  dem  umgebenden  Räume  ver- 
breitet ist,  ergiebt  sich  aus  den  angeführten  Beobachtungen  hinlänglich. 

„Es  lässt  sich  auch  aus  dem,  was  beobachtet  worden  war,  schliessen, 
dass  dieser  Conflikt  in  Kreisen  fortgehe,  denn  es  scheint  ohne  diese  Annahme 
nicht  begreiflich  zu  sein,  wie  derselbe  Theil  des  verbindenden  Drahtes,  der, 
unter  einen  Pol  dieser  Magnetnadel  gestellt,  sie  nach  Osten  treibt,  sie  nach 
Westen  bewegen  sollte,  wenn  er  sich  über  diesem  Pole  befindet;  eine  Kreis- 
bewegung geht  aber  an  den  beiden  entgegengesetzten  Enden  eines  Durch- 
messers in  entgegengesetzten  Richtungen  vor  sich.  Es  scheint  überhaupt, 
es  müsse  eine  Kreisbewegung,  verbunden  mit  der  fortschreitenden  Bewegung 
nach  der  Länge  des  Leiters  eine  Schneckenlinie  oder  Spirale  beschreiben, 
welches  jedoch,  wenn  ich  nicht  irre,  zu  der  Erklärung  der  bisher  beob- 
achteten Erscheinungen  nichts  beiträgt. 

„Alle  hier  angegebenen  Wirkungen  auf  den  Nordpol  der  Nadel  lassen 
sich  leicht  verstehen,  wenn  man  annimmt,  dass  die  negativ  elektrische  Kraft 
oder  Materie  eine  rechts  gewundene  Spirale  durchläuft,  und  den  Nordpol 
fartstösst,  auf  den  Südpol  aber  nicht  wirkt;  und  ebenso  alle  Wirkungen  auf 
den  Südpol,  wenn  man  der  positiv  elektrischen  Kraft  oder  Materie  eine 
Bewegung  in  entgegengesetzter  Richtung,  und  das  Vermögen,  auf  den  Südpol 
und  nicht  auf  den  Nordpol  der  Nadel  zu  wirken  zuschreibt.  Von  der  Über- 
einstimmung dieses  Gesetzes  mit  der  Natur  überzeugt  man  sich  besser  durch 
eine  Wiederholung  der  Versuche,  als  durch  eine  lange  Erklärung.  Die  Beur- 
teilung der  Versuche  würde  aber  durch  Figuren  sehr  erleichtert  werden,  welche 
den  Weg  zeigen,  den  die  elektrischen  Kräfte  in  dem  verbindenden  Draht  gehen. 

„Ich  füge  dem  Gesagten  nur  noch  hinzu,  dass  ich  in  einem  vor  sieben 
Jahren  herausgekommenen  Werke  bewiesen  habe,  dass  die  Wärme  und  das 
Licht  der  elektrische  Conflict  sind.  Aus  den  neuen  hinzugekommenen  Beob- 
achtungen lässt  sich  schliessen,  dass  die  Bewegung  in  Kreisen  auch  in 
diesen  Wirkungen  vorkomme,  welches  zur  Aufklärung  der  Thatsachen,  welche 
man  die  Polarität  des  Lichtes  nennt,  wie  ich  glaube,  viel  beitragen  kann." 

4.  Der  Multiplikator.  Oersted's  Entdeckung  der  elektromagnetischen 
Erscheinungen  ist  uns  wesentlich  wichtig  durch  die  Anwendung,  welche  sie 
im  Galvanometer  gefunden  hat.  Diese  Anwendung  beruht  auf  dem  Princip 
der  Verstärkung  der  Wirkung  eines  einzigen  Drahtes  durch  die  Herstellung 
einer  grossen  Anzahl  Windungen  desselben,  die  gleichzeitig  auf  dieselbe 
Magnetnadel  ablenkend  wirken. 

In  die  Ehre,  dieses  Princip  gefunden  zu  haben,  theilen  sich  zwei  deutsche 
Forscher,  Schweigger  und  Poggendorff.  Der  erstgenannte  hat  die  Sache 
etwas  früher  gefunden  und  veröffentlicht;  Poggendorff  dagegen  hat  dem 
Apparat  eine  einfachere  und  zweckmässigere  Form  gegeben,  und  namentlich 

seine  Anwendung  zur  Beobachtung  und  Messung  elektrischer  Erscheinungen 

24* 


l 


372 


Elftes  Kapitel. 


-l 


früher  erkannt;  es  sind  also  beide  als  gleichberechtigte  Erfinder  des  elektro« 
magnetischen  Galvanometers  anzusehen. 

Schweigger  machte  seinen  Gedanken  am  16.  September  1820  der  natur- 
forschenden Gesellschaft  zu  Halle  bekannt;1  in  seinen  „Zusätzen  zu  Oerstbd's 
elektromagnetischen  Versuchen"  schreibt  er: 

„Daraus,  dass  eine  Umkehrung  der  Wirkung  erfolgt,  je  nachdem  dtt^ 
Polardraht  unter  der  Nadel  oder  über  der  Nadel  hing,  und  ebenso,  je  nach- 
dem vom  positiven  oder  negativen  Pol  her  der  Draht  geleitet  wird,  daraus 
lässt  sich,  sage  ich,  durch  eine  leichte  Schlussfolgerung  eine  Verdoppelung 
der  Wirkung  ableiten,  die  steh  auch  in  der  Erfahrung  bewährt  Ich  lege 
zunächst  den  einfachen  Verdoppelungsapparat,  wo  sich  die  Bussole  zwischen  l 
zwei  umschlungenen  Drähten  befindet,  der  Gesellschaft  vor.  Leicht  wird  eine  i 
Vervielfachung  der  Wirkung  sich  erhalten  lassen,  wenn  man  die  Drähte  nicht  1 
bloss  einmal,  sondern  mehrmals  umschlingt.  Jene  einfache  Umschlingung  aber  *- 
reicht  schon  hin,  um  die  Versuche  Oersted's  bloss  mit  kleinen  Streifen  von  . 
Zink  und  Kupfer,  die  in  Salmiakwasser  getaucht  werden,  wiederholen  zu  können."  * 
In  einem  zweiten,  am  4.  November  gehaltenen  Vortrage  spricht  sich  \ 
Schweigger  noch  etwas  genauer  aus.2 

„Das  Princip,  dessen  ich  mich  zur  Verstärkung  der  Erscheinung,  gleich- 
sam zur  Construction  einer  elektromagnetischen  Batterie  bediente,   war  die  . 

Umschlingung  der  Drähte  um  die  Bussole,  . 
und  hier  lege  ich  der  Gesellschaft  eine 
Schleife  vor,  aus  mehrfach  umschlungenen, 
mit  Wachs  überzogenen  Drähten  (Fig.  101). 
Während  die  einfachen  Drähte  beim  Ge* 
brauch  dieser  schwachen  elektrischen  Kette 
die  Magnetnadel  nur  um  etwa  30  bis  40f 
abstossen,  wird  sie,  in  die  eine  Öffnung  dieser  in  den  magnetischen  Meridian 
gestellten  Schleife  gebracht,   90 °  gegen  Osten,   in   der  anderen  90 °  gegen 

Westen   bei   dem   Gebrauche    derselben    schwachen 
elektrischen  Kette  abgestossen  werden. 

„Aber  ich  will  noch  einen  anderen  Apparat  hier 
beschreiben,  der  gleichsam  bloss  auf  einer  Erweite- 
>h  rung  der  Schleife  beruht,  wodurch  die  Magnetnadel 
auf  jeden  beliebigen  Winkel  zwischen  o°  und  i8o# 
gestellt  werden  kann.  In  Fig.  102  stellt  der  Kreis 
agbha  eine  runde  Glasscheibe  vor,  von  oben  herab* 
perpendikulär  über  ihrem  Mittelpunkt  betrachtet  Ein 
Silberdraht,  mit  Seide  übersponnen,  werde  um  die- 
Fig.  102.  Nach  Schweigger.  selbe  geschlungen,  so  dass  er  von  a  nach  b  unter- 

halb  der  Glasscheibe,  und  von  b  nach  a  über  der 
Scheibe  hinlaufe,  in  der  Art  mit  Wachs  an  der  Glasscheibe  befestigt,  dass 
eine  Bussole,   welche  durch  die  Magnetnadel  angedeutet  ist,   zwischen  dem 


Fig.  101.    Nach  Schweigger. 


1  Journ.  f.  Chemie  und  Physik  31,  2.  1821. 


•  A.  a.  O.  S.  12. 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm'sche  Gesetz.  ^7* 


jAas  und  dem  oberhalb  des  Glases  hinlaufenden  Drahte  Platz  finden  kann. 
\uf  ähnliche  Art,  wie  ab  ist  auch  cd  um  das  Glas  geschlungen,  zuerst 
interhalb,  und  dann  oberhalb  des  Glases  hinlaufend  in  ununterbrochenem 
Zusammenhange  mit  ab.  Man  begreift  nämlich,  dass  ab,  cd,  efw.  s.  w.  einen 
rontinuirlich  zusammenhängenden  Draht  vorstellen.  Da  dieser  Draht  mit 
Seide  übersponnen  ist,  so  kann  der  Vereinigungspunkt  aller  Drähte  im 
Mittelpunkt  der  Scheibe  keineswegs  zum  Vereinigungspunkt  der  entgegen- 
gesetzten Elektricitäten  werden,  vielmehr  läuft  der  elektrische  Strom  durch 
den  ganzen  umschlungenen  Draht  hin,  und  die  Magnetnadel,  durch  diesen 
elektrischen  Strom  bewegt  und  gleichsam  immer  in  neuen  Schlingen  ge- 
fangen, kann  auf  jeden  beliebigen  Winkel  gestellt  werden." 

Wie  man  aus  diesen  Darlegungen,  und  insbesondere  aus  der  Fig.  10 1 
sieht,  bildet  Schweigger  an  Stelle  der  jetzt  gebräuchlichen  Kreise  aus  dem 
Leitungsdraht  Schleifen,  und  kommt  auch  bei  späterer  Gelegenheit,  wo 
er  seine  Priorität  Poggendorff  gegenüber  aufrecht  erhält,  auf  diese  wunder- 
liche Schleifenform  zurück,  ohne  sich  jedoch  darüber  auszusprechen,  zu 
welchem  Zwecke  diese  entbehrliche  Verdoppelung  der  Drahtlänge  dienen 
solL  Auch  dient  ihm  sein  Apparat  ausschliesslich  zur  Erläuterung  der  elektro- 
magnetischen Erscheinungen;  an  irgend  welche  weiteren  Anwendungen  des- 
selben scheint  er  nicht  gedacht  zu  haben;  wenigstens  hat  er  davon  keine 
Andeutung  gegeben. 

Anders  Poggendorff.  Die  erste  Nachricht  von  seinem  Apparate  findet 
ach  in  einer  Schrift  von  Erman  über  die  elektromagnetischen  Erscheinungen, 
die  1821  in  Berlin  unter  dem  Titel:  „Umrisse  zu  den  physischen  Verhält- 
nissen des  von  Herrn  Professor  Oersted  entdeckten  elektro- chemischen 
Magnetismus"  erschien.  Erman  hebt  hier  insbesondere  die  Möglichkeit  hervor, 
mit  einer  einfachen  Kette  die  Ablenkungen  zu  erhalten,  und  schreibt: 

„Wer  hätte  uns  vor  einigen  Monaten  gesagt,  dass  der  Chemiker  die 
abnehmende  Intensität  eines  Auflösungs-Prozesses  von  der  Bussole  ablesen 
«rürde!  und  doch  ist  es  so;  denn  schon  der  WoLLASTON'sche  Apparat  von 
einem  silbernen  Fingerhut  voll  Säure  und  einem  Streifen  Zink,  der  darein 
aucht,  wirkt  entschieden  auf  eine  Bussolennadel  von  geringer  Masse  und 
die  Grade  ihrer  Abweichungen  bilden  mit  den  eintretenden  Graden  der 
Sättigung  der  Säure  zwei  entgegengesetzte  Reihen,  deren  Gesetz  gefunden 
»erden  kann  und  muss,  um  das  magnetische  Galvanoskop  in  ein  Galvano- 
meter zu  verwandeln,  und  hiermit  einen  Riesenschritt  in  der  Chemie  zu 
bedingen." 

Nachdem  Erman  am  Schluss  seiner  Arbeit  mitgetheilt  hat,  dass  er 
während  derselben,  um  sich  gegen  Beeinflussung  zu  schützen,  allen  Verkehr 
über  diesen  Gegenstand  von  sich  fern  gehalten  habe,  fährt  er  fort: 

„Überraschender  und  angenehmer  konnte  diese  freiwillige  Kontumaz 
nicht  unterbrochen  werden,  als  durch  den  mir  durch  Herrn  Poggendorkb; 
soeben  mitgetheilten  Condensator,  und  ich  kann  nicht  über  mich  gewinnen, 
feen  Bogen  abgehen  zu  lassen,  ohne  eine  vorläufige  Ankündigung  dieses 


37  a  Elftes  Kapitel. 


höchst  wichtigen  Gegenstandes.  Herrn  Poggendorff,  der  eine  der  köstlichsten 
Zierden  ist  für  die  Hörsäle  und  für  das  Laboratorium  der  hiesigen  Univer- 
sität, führte  eine  sehr  consequente  und  durchdachte  Prüfung  des  elektro- 
chemischen Magnetismus  Schritt  vor  Schritt  zu  den  Mitteln,  diese  Thätigkeits- 
Äusserungen  in  und  durch  sich  selbst  zu  verstärken.  Dieses  gelang  ihm  in 
dem  Grade,  dass  ich  soeben  sehe,  wie  ein  Plattenpaar  von  kaum  4  Linien 
Oberfläche  niit  verdünnter  Säure  Abweichungen  gab  von  25  bis  30 °;  Davy^scIic 
Ketten  von  Säuren  und  Basen  bei  ganz  geringen  Dimensionen  geben  die 
entschiedensten  Abweichungen,  Kupfer  und  Zink  mit  destillirlem  Wasser 
giebt  eine  nicht  zu  verkennende  Sollicitation,  schon  Brunnenwasser  wirkt 
ganz  entschieden;  der  zarteste  aller  Versuche,  der  HuMBOLDT'sche  Hauch- 
versuch, spricht  sich  aus  an  der  Magnetnadel  und  zwar,  wie  alle  erwähnten, 
bei  Dimensionen  der  Metalle  und  der  Kohle,  wo  bei  der  einfachen  Kette 
unter  den  günstigsten  Umständen  durchaus  an  keine  Wahrnehmung  zu 
denken  ist.  .  .  . 

„Für  die  Elektrochemie  kann  dieser  magnetische  Condensator  ein  wahres 
Kleinod  werden:  alle  Schwierigkeiten  des  elektrischen  Condensators  sind 
glücklich  umgangen;  durch  die  einfachsten  Manipulationen  und  mit  den 
constantesten  Resultaten  hat  Herr  Poggendorff  bereits  die  elektrische  Reihe 
für  eine  grosse  Mehrheit  der  chemischen  Substanzen  durch  die  Bussole 
revidirt,  und  sehr  auffallende  Anomalien  gefunden,  namentlich  für  das  elek- 
trische Leitungsvermögen.  .  .  . 

„Das  Princip  seines  Condensators  scheint  mir  zu  liegen  in  den  wechsel- 
seitigen Spannungen  eines  sehr  langen,  mehrfach  über  sich  selbst  zurück- 
geführten diagonaloiden  Leiters  in  grosser  Annäherung,  jedoch  ohne  leitende 
Berührung;  ein  kupferner  Draht,  beiläufig  1/l0  Linie  stark,  mit  Seide  um- 
sponnen, wird  in  kreisförmigen,  dicht  auf  und  neben  einander  gedrängten 
Windungen  aufgewickelt,  der  Bündel  von  beiläufig  40  bis  50  Gewinden  fest 
geschnürt,  dann  zu  einer  elliptisch  länglichen  Form  zusammengedrückt,  so 
dass  im  inneren  Umfange  dieses  Condensators  eine  Nadel,  wenn  die  zwei 
Enden  des  Drahtes  an  die  Factoren  der  Kette  angelegt  werden,  frei  spielen 
könne,  entfernt  von  den  inneren  Gewinden  des  Drahtes  überall  nur  um 
ungefähr  2  Linien." 

Poggendorff  selbst  theilte  seine  Untersuchungen  mit  in  Oken's  Isis 
1821,  S.  687,  wo  er  auch  die  Priorität  Schweigger's  mit  den  Worten  aner 
kennt:  „Auf  analogem  Wege  ist  Herr  Prof.  Schweigger  schon  vor  mir  zu 
nämlichen  Entdeckung  gelangt;  ich  würde  deshalb  das  Ganze  unerwähn 
lassen,  stände  das  Folgende  hiermit  nicht  in  so  inniger  Verbindung,  das 
eine  Auslassung  dieses  nothwendig  eine  Unverständlichkeit  des  anderen  nacl 
sich  gezogen  hätte." 

Im  übrigen  enthält  jene  Arbeit  die  ersten  Versuche,  Aufklärung  übe 
die  Abhängigkeit  der  Empfindlichkeit  des  Galvanometers,  oder  Condensators 
wie  Poggendorff  sein  Instrument  nannte,  von  der  Anzahl  der  Windunge 
und  der  Dicke  des  Drahtes  zu   finden.     Er  Hess  den  dünnsten  Draht,    de 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm'sche  Gesetz.  ?jc 


er  erhalten  konnte,  überspinnen,  und  fand,  dass  mit  einem  und  demselben 
Element  die  Grösse  der  Ablenkung  mit  steigender  Anzahl  der  Windungen 
zwar  zunahm,  aber  in  immer  geringerem  Grade,  so  dass  bald  ein  Maximum 
erreicht  wurde,  das   nicht  weiter  überschritten  werden  konnte.     Wurde  die- 
selbe Combination  Zink,    Salmiak,   Kupfer  angewendet,   so  gab   eine  Kette 
mit  grossen  Platten  das  Maximum  bei  einer  viel  geringeren  Zahl  von  Win- 
dungen,   als  eine  Kette  mit  kleinen  Platten;    das  Maximum    selbst  war 
aber  in  beiden  Fällen  gleich.     Poggendorff  fand  dies  letztere  Ergebniss 
„räthselhaft";    gegenwärtig   lässt   es    sich    als   noth wendige  Schlussfolgerung 
aus  den   Gesetzen  der   elektrischen  Leitung  voraussehen.     Eine  Spule   aus 
stärkerem  Draht  zeigte  gleichfalls  das  Maximum,  doch  war  dies  viel  grösser, 
als  bei  dem  dünnen  Drahte. 

Weiter  benutzte  Poggendorff  seinen  Apparat  zur  Prüfung  der  elek- 
trischen Leitfähigkeit  von  Mineralien  und  Flüssigkeiten.  Er  entdeckte  bei 
dieser  Gelegenheit  das  Maximum  derselben  bei  Schwefelsäure  von  zunehmen- 
der Verdünnung;  folgende  Tabelle  der  Ablenkungen  bei  der  Einschaltung 
einer  Schicht  derselben  in  seinen  Kreis  lässt  es  deutlich  erkennen: 

Schwefelsäure  1.84  für  sich 

„  mit  gleichen  Theilen  Wasser 


» 

»  2 

» 

» 

» 

» 

»4 

» 

» 

J> 

»  »   *  »  )>  » 


5° 


45° 
6o° 

50° 

45  °. 

Ferner  stellte  er  einige  Versuche  zur  Frage  an,  ob  vorhandener  Magne- 
tismus, in  den  Stromkreis  gebracht,  irgend  eine  Wirkung  auf  den  „chemischen" 
Magnetismus  zeigte.  Das  Ergebniss  war  verneinend;  ein  Magnetstab  konnte 
in  den  Stromkreis  eingeschaltet  werden,  ohne  das  dies  den  mindesten  Einfluss 
auf  die  Grösse  und  den  Sinn  der  Ablenkung  übte.  Ebenso  war  es  ohne 
Einfluss,  ob  geschmolzenes  Eisen,  das  bekanntlich  nicht  magnetisch  ist,  oder 
festes  sich  im  Kreise  befand. 

Eine  grössere  Anzahl  von  Versuchen  über  Ketten  aus  einem  Metall  und 
zwei  verschiedenen  Flüssigkeiten  mögen  übergangen  werden,  ebenso  die 
Versuche  über  die  Spannungsreihe.  Poggendorff  bemerkt  sehr  richtig  dazu: 
„Soll  übrigens  die  Chemie  aus  Reihen  dieser  Art  den  Nutzen  ziehen,  der 
ihr  gewährt  werden  kann,  so  müsste  man  den  feuchten  Leiter  auf  alle  mög- 
liche Art  variiren,  denn  es  ist  klar,  dass  er  in  der  galvanischen  Kette  ebenso 
wichtig  ist,  als  der  feste.  Statt  einer  absoluten  Spannungsreihe  würden  wir 
eine  unendliche  Zahl  relativer  bekommen,  die,  freilich  mehr  oder  weniger 
verschieden,  dazu  dienen  könnten,  jene  erste,  allein  wahre,  darin  zu  con- 
struiren.  Selbst  die  durch  unmittelbare  Berührung  entstehende  und  mit  dem 
Elektrometer  gemessene  Polarität  kann  nicht  eher  für  die  absolute  gelten, 
bis  Versuche  in  allen  Gasarten  und  der  ToRiCELLi'schen  Leere  das  Mitwirken 
der  Luft  als  gleichgültig  hierbei  erwiesen  haben." 

Auch  noch  an  einer  anderen  Stelle  tritt  hervor,  wie  sehr  Poggendorff 
bei  dieser   seiner  Erstlingsarbeit  die  wesentliche  Rolle  des  chemischen  Pro- 


ijfi  Elftes   Kapitel. 

zesses  im  Galvanismus  empfand;  diese  Äusserungen  sind  um  so  bemerken*- 
weither,  als  er  später  ein  eifriger  Anhänger  der  VoLTA^schen  Contactlehie 
wurde.  Die  Zusammenfassung  seiner  Ergebnisse  schliesst  er  mit  dem  Satze: 
„Der  VoLTA'sche  Magnetismus  ist  in  steter  Abhängigkeit  von  dem  chemischen 
Prozess  der  Säule.  Mit  diesem  steigt  und  fällt  er,  trockene  Platten  hetero»  j: 
gener  Metalle  werden  durch  den  Contact  nicht  magnetisch.  Die  Umkehrung  j: 
der  magnetischen  Pole  erfolgt  gleichzeitig  mit  den  chemischen,  und  wo  diese  ?; 

in  den  Indifferenzpunkt  übergehen,  ver-  ji 
schwinden  auch  jene."  !. 

Ein  dritter  Erfinder  des  Multiplika-  ; 
tors  ist  J.  Cumming,  weil.  Professor  der  • 
Chemie  zu  Cambridge,  der  ein  derartiges 
Instrument  in  den  Annais  of  Philosophy, 
1823,  S.  283,  beschrieben  hat.1  Bei  \ 
Gelegenheit  einer  Untersuchung  über 
die  kurz  vorher  von  Seebeck  entdeckten 
thermoelektrischen  Erscheinungen  machte 
er  folgende  Mittheilung  über  das  von  ihm 
Galvanoskop  genannte  Instrument 

„Fig.  103  zeigt  das  Galvanoskop. 
A,  K  sind  zwei  mit  Quecksilber  ange- 
füllte Näpfchen,  welche  mit  den  gal- 
vanischen Platten  verbunden  werden. 
ABCDEFGHK  ist  ein  um  die  Magnet- 
nadel ns  spiralförmig  gewickelter  Draht 
abc,  def  sind  Messingdrähte,  welche  an 
dem  Galvanoskop  befestigt  sind  und  auf 
welchen  sich  die  Drähte  bg  und  eh 
verschieben  lassen,  ik  und  Im  sind 
zwei  Magnetstäbe,  welche  an  den  Drähten 
bg  und  eh  befestigt  sind  und  dam 
dienen,  die  Magnetnadel  zu  neutralisiren. 
opqr  ist  ein  an  dem  Galvanoskop  be- 
festigter Messingdraht,  an  welchem  ein  kleiner,  um  qr  drehbarer  Magnet 
befestigt  ist. 

„Das  Galvanoskop  wird  dann  in  die  Richtung  von  Westen  nach  Osten 
gestellt;  in  dieser  Richtung  befindet  sich  auch  die  Ebene  der  Spirale,  in 
welche  dann  auch  die  Magnetnadel  durch  die  Wirkung  der  Magnetstäbe 
gestellt  wird. 

„Es  ist  nöthig,  dass  der  die  Spirale  bildende  Draht  nicht  weniger  ab 
1/2ff  Linie  Durchmesser  habe,  und  dass  die  Spirale  wenigstens  4  bis  5  Win- 
düngen  habe  und  sich  so  nahe  wie  möglich  an  der  Nadel  befinde/' 


Fig.  103.     Nach  J.  Cumming. 


Vgl 


t  Chemie  und  Physik,  40,  328.  1824. 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm 'sehe  Gesetz.  377 


Als  neu  taucht  bei  Cumming,  wie  man  sieht,  die  Anwendung  von  com- 
tisirenden  Magneten  auf,  welche  zur  Erhöhung  der  Empfindlichkeit  dienen. 
ine  Erfindung  ist  übrigens  fast  von  demselben  Datum,  wie  die  von 
hweigger  und  Poggendorff,  denn  an  einer  anderen  Stelle  derselben  Zeit- 
irift  bemerkt  er  in  einem  Briefe  vom  Juli  1823:  „Der  elektromagnetische 
iltiplikator  .  .  .  (von  Schweigger)  ist,  meine  ich,  ein  ähnliches  Instrument, 
e  das,  welches  ich  seit  zwei  und  einem  halben  Jahre  gebrauche  und  als 
1  Galvanoskop  in  einer  in  den  Cambridger  Transactions  veröffentlichten 
:>handlung  beschrieb." 

Eine  andere,  viel  ungeschicktere  Art,  durch  magnetische  Compensation 
e  Empfindlichkeit  des  Galvanoskops  zu  steigern,  beschrieb  bald  hernach 
3CQUEREL.1  Das  Verfahren  bestand  darin,  dass  er  mehrere  derartige  Instru- 
ente  hinter  einander  aufstellte,  so  dass  sich  ihre  Nadeln  gegenseitig  beein- 
issten;  das  mittlere  wurde  dann  empfindlicher.  Doch  lag  eine  grosse 
nbequemlichkeit  dieser  Anordnung  darin,  dass  ihre  Benutzung  nur  dann 
löglich  war,  wenn  sich  die  Magnetnadeln  sämmtlich  in  Ruhe  oder  in  über- 
astimmender  Stellung  befanden.  Auch  scheint  in  der  That  das  Mittel 
riter  nicht  zur  Anwendung  gekommen  zu  sein. 

Die  Compensation  durch  zwei  gleichzeitig  bewegliche  Nadeln  von  ent- 
egengesetzter  Richtung  wurde  einige  Jahre  später  von  C.  L.  Nobili  erfunden.  * 

„Das  Instrument,  welches  ich  der  Akademie  [zu  Modena]  vorzulegen 
ie  Ehre  habe,  weicht  nur  in  einem  Punkte  wesentlich  von  dem  Galvano 
icter  oder  Multiplikator  Schweigger's  ab;  statt  einer  Magnetnadel  innerhalb 
es  Gesteiles,  um  das  der  Leitungsdraht  geschlungen  ist,  habe  ich  mein 
alvanometer  mit  zwei  Nadeln  versehen,  die,  von  gleichen  Dimensionen,  in 
aralleler  Richtung  an  einem  Strohhalme  derartig  befestigt  sind,  dass  dieser 
iirch  den  Mittelpunkt  beider  hindurchgeht,  und  die  zugleich  einander  ent- 
cgengesetzt  magnetisirt  sind,  so  dass  der  Nordpol  der  einen  dem  Südpol 
a-  anderen  entspricht.  Ihre  Entfernung  von  einander  und  die  Länge  des 
trohhalmes,  an  welchem  sie  aufgehängt  sind,  ist  auf  eine  Weise  eingerichtet, 
eiche  die  freie  Drehung  der  Nadel  möglich  macht:  der  einen  innerhalb 
s  Gestelles,  und  der  anderen  unmittelbar  über  demselben.  Diese  Anord- 
mg  zu  erhalten  und  die  untere  Nadel  in  das  Innere  des  Gestelles  einfuhren 
1  können,  trennt  man  am  besten  das  Drahtgestelle  in  zwei  gleiche  Bündel, 
eiche  man  dermaassen  gegen  die  Seiten  des  Gestelles  andrängt,  dass  da- 
irch  eine  rhomboidale  Öffnung  gebildet  wird,  welche  weit  genug  ist,  um 
e  untere  Nadel  hindurch  zu  lassen. 

„Der  graduirte  Kreis,  auf  welchem  die  Ablenkung  gemessen  wird,  ist 
ä  meinem  Instrument  zwischen  der  oberen  Nadel  und  der  oberen  Fläche 
s  Gestelles  angebracht  und  mit  einer  ähnlichen  Öffnung  für  das  Einbringen 
r  Nadel  versehen.  Auf  diese  Weise  dient  die  eine  Nadel  als  Zeiger,  und 
?  andere  ist  nur  an  den  Seiten  des  Gestelles  sichtbar." 


1   Vgl.  auch  Philos.  Mag.  22,  253,  wo  einige  elektrochemische  Experimente  beschrieben  sind. 
*  Bibl.  ullivers.  29,   119.   1825.  —  Journ.  f.  Chemie  und  Physik,  46,  -249.   1825. 


378 


Elftes  Kapitel. 


Der  Erfinder  giebt  nun  einige  Proben  für  die  sehr  grosse  Empfindlich- 
keit, die  er  auf  diese  Weise  mit  seinem  Instrument  erreicht,  und  fugt  hinzu: 
„Die  Empfindlichkeit  dieses  Instrumentes  hängt   ganz  von  der  Hinzu- 
fügung der  oberen  Nadel  ab,    welche  einem  doppelten  Zweck  dient:    einer- 
seits hebt  sie  die  Einwirkung  des  Erdmagnetismus  fast  ganz  auf;    anderer- 
seits verbindet  sie  sich  mit  der  unteren  Nadel,  um  sie  in  gleicher  Richtung 
zu  drehen,  unter  dem  Einflüsse  der  verdoppelten  Ströme  des  Multiplikators.... 
Ich   muss  aber  darauf  dringen,    dass  man  Sorge  trage,    sich  zwei  Magnet-  ■ 
nadeln  von  so  viel  als  möglich  gleicher  Kraft  zu  verschaffen;  je  mehr  diese  j 
Bedingung  erfüllt  ist,  um  so  empfindlicher  wird  der  Apparat  ausfallen.    An  ■ 
zwei  Zeichen  erkenne   ich,   dass  die  Nadeln   gehörig  magnetisirt  sind.    Das  • 
erste  ist  die  Lage,  welche  die  Durchschnittsebene  der  Nadeln  annimmt,  wenn  : 
diese  sich  selbst  überlassen  werden;    sie  darf  nicht,    wie  bei   dem  gewöhn-  i 
liehen  Galvanometer  mit  der  Ebene  des  magnetischen  Meridians  zusammen*  ■ 
fallen,  sondern  muss  mehr  oder  weniger  gegen  dieselbe  geneigt  sein.   Diese 
Neigung  rührt  von  dem  Überreste  des  terrestrischen  Einflusses  her,  dem  die 
Nadeln  nicht  ganz  entzogen  werden  können,  sie  seien  einander  auch  noch 
so  sorgfaltig  angepasst.   Das  andere  Zeichen  ist  die  Art,  wie  das  Instrument 
um  die  Linie  des  magnetischen  Gleichgewichtes  schwingt.  Diese  Schwingungen 
müssen  sehr  langsam  ausfallen  im  Verhältnisse  zu   denen,  die  eine  einzige» 
durch   den    Einfluss    des   Erdmagnetismus    in    den    magnetischen    Meridian 
zurückgeführte  Nadel  zeigt.     Erst  nach  den  vielfältigsten  Versuchen  bin  ich 
bei  der  vorgeschlagenen  Anordnung,  als  einer  solchen,  welche   die  meisten 
Vortheile  bietet,  stehen  geblieben." 

Der  übrige  Theii  des  Aufsatzes  von  Nobili  ist  von  der  Erzählung  einiger 
Versuche   eingenommen,    die   das    neue    Instrument   im    Verein    mit   einem 

Thermoelement  als  ein  ausserordentlich  empfind* 
liches  Thermometer  erweisen;  sie  haben  fiir  uns 
kein  weiteres  Interesse.  Schweigger  macht  (a.  a.  O.) 
einige  Zusätze  zu  dieser  Mittheilung,  in  welchen 
er  eine  etwas  andere  Anwendung  der  doppelten 
Nadel  vorschlägt,  indem  er  auf  seine  Schleife 
(S.  372)  zurückkommt.  Diese  wird  nämlich  so 
gestellt,  dass  ihre  beiden  Theile  senkrecht  über 
einander  stehen,  und  die  Nadeln  werden  so  ein- 
gehängt, dass  je  eine  in  eine  Schlinge  zu  stehen 
kommt.  Fig.  104  veranschaulicht  diese  Anord- 
nung nach  Schweigger.  Sie  erinnert  einigermaassen  an  eine  neuerdings 
mehrfach  benutzte  Form,  nur  hat  man  jetzt  die  überflüssige  Unbequemlich- 
keit der  schleifenförmigen  Aufwickelung  des  Drahtes  aufgegeben,  und  wickelt 
jede  Spule  besonders. 

Nobili  hat  nicht  versäumt,  die  Empfindlichkeit  seiner  besten  Galvano- 
meter mit  dem  des  Froschschenkels  zu  vergleichen,  welcher  bis  dahin  bei 
weitem  das  feinste  stromprüfende  Instrument  war.     Das  Ergebniss  bereitete 


Fig.  104.     Nach  Schweigger. 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm'sche  Gesetz.  370 

ihm   einige  Enttäuschung,   wie  er  selbst  gesteht;1   der  Frosch   erwies   sich 

in    allen   Fällen  weit   empfindlicher,   wo  Flüssigkeiten   sich   im  Stromkreise 

befanden;  nur  thermoelektrische  Ströme  (s.  w.  u.)  wurden  vom  Galvanometer 

besser   angegeben.     Indessen    ist    doch    auch   das   Froschpräparat   für   den 

thermoelektrischen  Strom   ein   recht   guter  Indicator,    und  Nobili   bemerkt: 

„Wenn   in   der  ersten  Zeit  des  Galvanismus,   wo   man  die  Frösche  auf  so 

mannigfaltige  Weise  anordnete,  es  einem  Physiker  in  den  Sinn  gekommen 

wäre,  den  Muskel  und  den  Nerv  mit  zwei  langen  Drähten  desselben  Metalles 

zu  versehen,  und  dann  das  eine  freie  Ende  eines  dieser  Drähte  zu  erhitzen, 

um  damit   das  nicht  erhitzte  Ende  des  anderen  zu   berühren,    so  wäre  die 

Wissenschaft   zwanzig   Jahre   früher    um    die    interessante   Entdeckung   von 

Seebeck  bereichert  worden,  und  Volta  wäre  durch  den  Anblick  einer  That- 

sache  überrascht  worden,  welche  unmittelbar  zu  einem  Schluss  geführt  hätte, 

welcher  dem  Geiste  seiner  Principien  entgegen  gewesen  wäre:  nämlich,  dass 

es  möglich   ist,   einen  Strom  in  einem  Leiter  zu  erregen,   welcher  nur  aus 

metallischen   Stoffen  gebildet  ist.  ...  Es  ist  dies  eine  Gelegenheit,  zu  be- 

*  merken,  dass  zuweilen  die  einfachsten  und  entscheidendsten   Versuche  die 

sind,  welche  man  zuletzt  macht,   und  dass  sie  sich   dem  Geiste  nicht  eher 

darbieten,  als  bis  alle  anderen  Mittel  erschöpft  sind." 

Der  nächste  wesentliche  Schritt  zur  Verbesserung  des  Galvanometers, 
die  Ablesung  mit  Spiegel  und  Skala,  welche  durch  Poggendorff  und  Gauss 
eingeführt  wurde,  gehört  in  eine  spätere  Zeit. 

5.  Die  thermoelektrischen  Ströme.  Die  Erfindung  des  Galvano- 
meters bewirkte  einen  ähnlichen  plötzlichen  Aufschwung  der  Elektrik,  wie 
die  der  Säule,  wenn  auch  lange  nicht  in  so  hohem  Grade.  Eine  der  ersten 
Entdeckungen  mit  dem  neuen  Hilfsmittel  war  die  der  thermoelektrischen 
Erscheinungen  durch  Seebeck,  deren  erste  Mittheilung  bereits  1821  erfolgte. 
Auch  dieses  Kapitel  steht  nicht  in  unmittelbarem  Zusammenhange  mit 
unserem  Gegenstande,  ist  aber  doch  von  so  grossem  Einflüsse  auf  die  Ent- 
wickelung  desselben  gewesen,  dass  die  Bekanntschaft  mit  den  Anfängen 
seiner  Geschichte  von  hinlänglichem  Werthe  ist,  um  uns  einige  Zeit  zu 
beschäftigen. 

Die  ersten  Beobachtungen  der  Entstehung  elektrischer  Ströme  durch 
Wärme  sind,  wie  bereits  erwähnt,  von  Schweigger  an  einer  aus  Kupfer  und 
einer  Flüssigkeit  zusammengestellten  Kette  gemacht  worden.  In  noch  ein- 
facherer Gestalt  hat  dann  Seebeck2  durch  Temperaturunterschiede  hervor- 
gerufene elektrische  Spannungsunterschiede  beobachtet.  Sein  Bericht  über 
seine  Entdeckung  ist  für  die  Entstehungsgeschichte  von  Entdeckungen  über- 
haupt so  lehrreich,  dass  ich,  obwohl  die  Thermoelektricität  in  unserer  Ge- 
schichte nur  nebenbei  berücksichtigt  werden  kann,  die  wichtigsten  Theile 
seiner  Mittheilung  wiedergeben  will.     Die  Arbeiten,  über  die  hier  berichtet 

1  Bibl.  univ.  37,  10.  1828.  —  Ann.  de  Chimie  et  de  Physique,  38,  225.  1828.  — 
Pogg.  Ann.  14,   157.  1828. 

*  Abh.  Ser  Bert.  Akad.  f.  1822/23.  S.  265. 


j8o  Elftes  Kapitel. 


wird,  sind  in  vier  Vorlesungen,  deren  erste  vor  der  Berliner  Akademie  am 
16.  August  1821   gehalten  worden  ist,  mitgetheilt  worden. 

„Bei  Fortsetzung  der  Untersuchung  des  gegenseitigen  Verhaltens  der 
elektrischen,  chemischen  und  magnetischen  Thätigkeiten  in  den  galvanischen 
Ketten  stiess  ich  auf  Erscheinungen,  welche  mir  anzudeuten  schienen,  dass 
auch  zwei  Metalle  für  sich,  kreisförmig  mit  einander  verbunden,  ohne  Mit- 
wirkung irgend  eines  feuchten  Leiters,  magnetisch  werden  möchten.  Auch 
noch  andere  Gründe  schienen  dafür  zu  sprechen.  Denn  aus  mehreren  That- 
sachen  .  .  .  schien  hervorzugehen,  dass  nicht  sowohl  die  Aktion  an  dem 
Berührungspunkte  der  Metalle  mit  einander,  als  vielmehr  die  Ungleichheit 
der  Aktionen  an  den  beiden  Berührungspunkten  der  Metalle  mit  dem  feuchten 
Leiter  die  magnetische  Polarisation  der  ganzen  geschlossenen  Kette  bedinge.... 

„Zu  den  ersten  in  diesem  Sinne  unternommenen  Versuchen  wählte  ich 
zwei  Metalle,  welche  ich  als  Glieder  in  der  gewöhnlichen  galvanischen  Kette 
mit  Kupfer  verbunden  in  manchen  Stücken  abweichend  und  veränderlich 
gefunden  hatte.  Durch  beide  sah  ich  meine  Erwartung  erfüllt,  doch  war 
ihre  Wirkung  verschieden. 

„Eine  Scheibe  von  Wismuth,  unmittelbar  auf  einer  Kupferscheibe  liegend, 
zwischen  die  beiden  Enden  eines  im  magnetischen  Meridiane  liegenden  spiral- 
förmig gewundenen  Kupferstreifens  von  40  Fuss  Länge  und  21/^  Linien 
Breite  gebracht,  zeigte  bei  der  Schliessung  des  Kreises  eine  deutliche  Decli- 
nation  der  Magnetnadel.  .  .  ." 

Seebeck  schildert  nun,  wie  eine  Scheibe  von  Antimon  unter  ähnlichen 
Verhältnissen  eine  entgegengesetzte  Wirkung  hervorbrachte,  während  Zink 
ganz  unwirksam  war. 

„Bei  allen  diesen  Versuchen  hatte  ich  die  Kette  in  der  Art  geschlossen, 
dass  ich  die  zu  untersuchende  Metallscheibe  auf  das  untere  Ende  der  Spirale 
oder  des  einfachen  Streifens  legte,  und  das  obere  frei  schwebende  Ende  mit 
den  Fingern  auf  die  Scheibe  niederdrückte.  Es  konnte  daher  bei  den  ersten 
Versuchen  wohl  die  Frage  aufgeworfen  werden,  ob  nicht  die  Hand  hier  die 
Stelle  eines  feuchten  Leiters  vertrete,  und  ob  nicht  Wismuth  und  Antimon 
nur  deshalb  entgegengesetzte  Declinationen  bewirkten,  dass  das  eine  unter 
Mitwirkung  der  Feuchtigkeit  der  Hand  mit  Kupfer  +E  und  das  andere 
—  E  werde. 

„Das  gänzliche  Ausbleiben  einer  magnetischen  Spannung  bei  Verbindung 
des  Zinks  mit  dem  Kupferstreifen,  wo  dieser  Annahme  zufolge  eine  stärkere 
Spannung  hätte  erfolgen  sollen,  musste  schon  gegen  die  Zulässigkeit  der- 
selben Bedenken  erregen.  .  .  . 

„Vollständig  wurde  aber  die  Annahme,  dass  wir  es  hier  nur  mit  gewöhn- 
lichen galvanischen  Ketten  zu  thun  haben,  dadurch  widerlegt,  dass  auch 
dann  noch,  wenn  das  obere  schwebende  Ende  des  Kupferstreifens  mit  einem 
Stäbchen  aus  irgend  einem  anderen  Metall  auf  die  Wismuth-  oder  Antimon- 
scheibe niedergedrückt  wurde,  ja  dass  selbst  dann,  wenn  das  obere  Ende 
der  Spirale,    welche  mit  der  Wismuth-  oder  Antimonscheibe  irf  Berührung 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm 'sehe  Gesetz.  sgj 


stand ,  mit  einer  trockenen  dünnen  Glasscheibe  bedeckt  war,  und  diese  mit 
der  Hand  berührt  wurde  und  einige  Zeit  in  Berührung  blieb,  innerhalb  des 
geschlossenen  Kreises  ganz  dieselben,  obwohl  schwächeren  Declinationen 
erfolgten,  als  bei  der  unmittelbaren  Berührung  der  die  Kette  bildenden 
Metalle  mit  der  Hand.  ... 

„Das  obere  Ende  der  Spirale  wurde  auf  der  Wismuthscheibe  befestigt, 
und  das  untere  Ende  derselben  an  die  untere  Fläche  des  Wismuths  mit 
der  Hand  gedrückt;  es  erfolgten  jetzt  die  entgegengesetzten  Declina- 
tionen. ... 

„Bei  allen  diesen  Versuchen  war  die  Wirkung  am  stärksten,  wenn   die 
Metalle  .  .  .  unmittelbar  mit  der  Hand  berührt  wurden,    sie  war  schwächer, 
wenn  die  Schliessung  mit  dünnen  Zwischenkörpern   geschah  .  .  .,  ja,  es  fiel 
jede  Wirkung  auf  die  Magnetnadel   weg,  wenn   die  Enden  der  Spirale  mit 
2  Fuss  langen  Glas-,  Holz-  oder  Metallstangen  auf  die  Metallscheiben  nieder- 
gedrückt wurden.     Doch  bald  zeigte  sich  eine  Bewegung  der  Magnetnadel, 
wenn  die  Hand  an  das  untere  Ende  der  Metallstangen,  nahe  an  dem  Orte, 
wo  sie  den  Bogen  berührten,  gelegt  wurde,   und  wenn   sie  dort  einige  Zeit 
verweilte.     Nach   diesen  Erfahrungen   musste  sich  der  Gedanke  aufdrängen, 
dass  nur  die  Wärme,  welche  sich  von  der  Hand   dem   einen  Berührungs- 
punkte der  Metalle  stärker  mittheilt,   die  Ursache  des  Magnetismus  in  den 
iweigliedrigen   Ketten   sein    möchte.     Darnach   war   zu    erwarten,    dass   ein 
höherer  Grad  der  Temperatur,  als  der,  welcher  den  Metallen  von  der  Hand 
mitgetheilt  werden  konnte,  auch  eine  höhere  magnetische  Spannung  bewirken 
müsse.     Der  folgende  Versuch  bestätigte  dies/' 

Seebeck  geht  nun  zu  der  Schilderung  der  Einzelheiten  der  von  ihm 
entdeckten  Erscheinungen  über.  Er  stellt  fest,  dass  die  Metalle  eine  thermo- 
elektrische  Spannungsreihe  bilden,  dass  die  Spannung  mit  dem  Temperatur- 
unterschiede im  Allgemeinen  wächst,  dass  es  jedoch  Fälle  giebt,  wo  die 
Wirkung  mit  steigender  Temperatur  der  einen  Stelle  wieder  kleiner  werden, 
ja  sogar  sich  umkehren  kann.  Ein  Zusammenhang  zwischen  der  thermo- 
elektrischen  und  der  gewöhnlichen  VoLTA'schen  Spannungsreihe  ist  ent- 
schieden nicht  vorhanden;  die  Metalle  sind  in  beiden  ganz  verschieden 
geordnet  und  zeigen  ganz  verschiedene  Stärke  der  gegenseitigen  Erregung. 
Die  Einzelheiten  der  Untersuchung,  durch  welche  diese  Sätze  festgestellt 
wurden,  können  hier  nicht  wiedergegeben  werden,  ebenso  wenig  die  aus- 
führlichen Tabellen,  welche  Seebeck  über  eine  grosse  Anzahl  von  Metallen, 
Legirungen  und  Erzen  mittheilt;  doch  sei  noch  bemerkt,  dass  er  schon 
ermittelte,  dass  Legirungen  im  Allgemeinen  keineswegs  an  die  Stelle  in 
der  Reihe  gelangen,  welche  man  nach  ihrer  Zusammensetzung  erwarten 
könnte,  sie  zeigen  vielmehr  ein  durchaus  selbständiges  Verhalten.  Endlich 
wies  Seebeck  auch  noch  Wirkungen  in  Kreisen  aus  einem  einzigen  Metall 
nach,  die  besonders  deutlich  auftreten,  wenn  man  durch  die  Art  des  Giessens 
oder  Abkühlens  Verschiedenheiten  in  der  Struktur  des  Metalles  an  ver- 
schiedenen Stellen  hervorbringt. 


^g2  Elftes  Kapitel. 


6.   Georg  Simon  Ohm.     Obwohl   das  von  Ohm  gefundene  grundlege 
Gesetz  des  elektrischen  Stromes  dem  eigentlichen  Gebiete  der  Elektroche 
nicht  angehört,    hat  es  dennoch  einen  so  maassgebenden  Einfluss  auf 
Entwickelung  derselben  ausgeübt,    dass  eine   Geschichte  der  Elektroche 
ohne  Rücksichtnahme  auf  diesen  ausserordentlichen  Fortschritt  unvollstäi 
und  unverständlich  bleiben  müsste.     Durch  diese  fundamentale  Entdeck 
wurde  es  erst  möglich,  aus  der  verwickelten  und  bis  dahin  unentzifferbc 
Sprache  der  Galvanometer  den  Sinn  zu  erfassen;    auf  dieser  Grundlage 
konnte  eine  quantitative  Theorie  der  elektrochemischen  Erscheinungen 
sucht  und  entwickelt  werden.    Zudem  gehört  die  Geschichte  der  Entdeck 
dieses  Gesetzes  zu   den  lehrreichsten  Kapiteln   der  Wissenschaftsgeschic 
und    die  genauere  Bekanntschaft  mit  der  merkwürdigen  Persönlichkeit 
Entdeckers  würde  schon  allein  ein  näheres  Eingehen  auf  die  Angelegen 
lohnend  machen. 

Georg  Simon  Ohm  ist  am  16.  März  1789  in  Erlangen  als  Sohn  e 
dortigen  Schlossermeisters  geboren,  der,  selbst  von  lebendigem  Interesse 
die  Wissenschaft  erfüllt,  für  die  Ausbildung  seiner  beiden  Söhne  (es 
noch  ein  um  zwei  Jahre  jüngerer  Bruder  Martin  vorhanden)  alle  mögl 
Sorge  trug.  Ohm  besuchte  das  Gymnasium  seiner  Vaterstadt,  und  ginj 
dem  sehr  jugendlichen  Alter  von  16  Jahren  an  die  dortige  Universität  ü 
die  er  indessen  bald  wieder  verliess.  Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  < 
ihn  die  gerade  in  Erlangen  mit  besonderem  Enthusiasmus  gepflegte  Na 
philosophie  abstiess,  die  den  ausgesprochensten  Gegensatz  zu  seiner  auf 
schärfste  quantitative  Erfassung  der  Naturerscheinungen  gerichteten  Geiste 
bildete.  Ohm  ging  dann  1 806  in  die  Schweiz,  wo  er  abwechselnd  als  Le 
und  Privatmann  seine  Ausbildung  förderte;  181 1  wurde  er  in  Erlar 
Doktor  und  habilitirte  sich  als  Privatdozent.  Schon  nach  drei  Semes 
vertauschte  er  diese  Thätigkeit  mit  der  eines  Lehrers,  zuerst  in  Bamb 
181 7  in  Köln.  Während  seiner  Kölner  Zeit  machte  er  die  Entdecki 
welche  seinen  Namen  für  immer  auf  die  Nachwelt  gebracht  hat.  Sie  l 
zunächst  fast  unbeachtet,  wurde  sogar  (von  G.  F.  Pohl)  ausserordeni 
absprechend  recensirt,  und  ähnlich  wie  mancher  andere  grosse  Entde 
erfuhr  Ohm  den  psychischen  Rückschlag,  der  unter  solchen  Umständen 
zutreten  pflegt.  Seinen  Wunsch,  wieder  in  die  akademische  Laufbahn 
zutreten,  vermochte  er  in  Folge  einer  Zurückweisung  nicht  zu  erfüllen 
legte  später  auch  seine  Lehrerstelle  nieder,  und  bemühte  sich,  wenn  < 
halb  entmuthigt,  in  einer  Reihe  von  weiteren  Abhandlungen  seinem  Ge 
durch  den  Nachweis  der  Gültigkeit  in  den  verschiedensten  Fällen  die 
enthaltene  Anerkennung  zu  verschaffen. 

Inzwischen   war  das   gleiche  Gesetz  von  Pouillet   im  Jahre  1831 
Neuem  aufgestellt  worden.    Hierdurch,  und  durch  die  unermüdliche  Th; 
keit  Fechner's  und  insbesondere  Poggendorff's,  welche  alsbald  die  Bedeui 
der  Entdeckung  Ohm's  eingesehen  hatten  und  bei  jeder  Gelegenheit  auf  c 
hinwiesen,  gelangte  sie  allmählich  zur  allgemeinen  Anerkennung.     Ents< 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm'sche  Gesetz.  383 

dafür  war  das  Vorgehen  der  Royal  Society  in  London,  welche   1841 
höchste  wissenschaftliche  Auszeichnung,  die  Copley-Medaille,  Ohm  zuer- 
kannte. 

L  Während  dieser  Zeit  (1833)  war  Ohm  wieder  in  eine  Lehrerstellung  am 

k Polytechnikum  in  Nürnberg  getreten,    aus  der  er   1849  nach  München  an 
4Se  Universität  berufen  wurde.     Dort  lebte  er  noch  fünf  Jahre;   am  6.  Juli 
1854  erlag  er  einem  wiederholten  Schlaganfalle. 

Seine  grosse  Entdeckung  hat  Ohm  in  einigen  Abhandlungen,  und  haupt- 

l  sachlich  in  seinem  1827  in  Berlin  erschienenen  Werk:  „Die  galvanische  Kette, 

r.  mathematisch  bearbeitet"  mitgetheilt.   Es  ist  beachtenswerth,  dass  seine  erste 

Abhandlung:    „Vorläufige  Anzeige  des  Gesetzes,  nach  welchem  die  Metalle 

die  Contactelektricität  leiten"  eine  unrichtige  Formulirung  enthält,  und  dass 

erst  in    der   zweiten    Arbeit    der    richtige   Ausdruck    gefunden    wird.      Von 

seinem  Buche,    das  längst  vergriffen  ist,   erschien  im  Jahre  1887  eine  Neu- 

ausgabe  durch  J.  Moser;    1892  wurde  durch  Lommel  eine  Gesammtausgabe 

der  physikalischen   Schriften  Ohm's1  veranstaltet,    welcher  der  Herausgeber 

eine  biographische  Skizze  vorausschickte,  der  die  obenstehenden  Mittheilungen 

:  im  Wesentlichen  entnommen  sind. 

6.  Ohm's  erste  Arbeiten.  Von  den  Veröffentlichungen  Ohm's  seien 
tarn  Zweck  der  Kennzeichnung  des  geistigen  Wesens  dieses  ausserordent- 
Echen  Mannes  die  wesentlichsten  Theile  seiner  ersten  und  einiger  späterer 
f  Abhandlungen  mitgetheilt.  Wenn  er  auch  seine  Lehre  reicher  und  abge- 
rundeter in  seinem  Hauptwerke  entwickelt  hat,  so  haftet  doch  jenen  ersten 
Ifittheilungen  die  Frische  und  Unmittelbarkeit  der  Darstellung,  welche  einen 
so  wesentlichen  Reiz  bildet,  in  viel  höherem  Maasse  an,  als  in  der  zwar 
abgeklärteren,  aber  auch  abgekühlteren  Darstellung  des  Hauptwerkes.  Auf 
das  eingehende  Studium  des  letzteren  sei  indessen  der  Leser  noch  besonders 
ü    hingewiesen. 

£  Ohm's  erste  Abhandlung  erschien   gleichzeitig  in   Schweigger's  Journal 

für  Physik  und  Chemie2  und  in  Poggendorff's  Annalen3  im  Jahre  1825. 
Es  enthält,  wie  schon  erwähnt,  eine  irrthümliche  Fassung  des  Gesetzes 
über  die  Abhängigkeit  zwischen  der  Drahtlänge  (dem  Widerstände)  und  der 
Stromstärke;  die  in  dieser  Abhandlung  nur  angedeutete  Methode  der  Strom- 
stärkemessung mittelst  des  Torsionsgalvanometers  findet  sich  in  einer  späteren 
(weiter  unten  gleichfalls  abgedruckten)  Abhandlung  ausführlich  auseinander- 
gesetzt. Die  Abhandlung  fuhrt  den  Titel:  „Vorläufige  Anzeige  des  Gesetzes, 
nach  welchem  Metalle  die  Contactelektricität  leiten." 

„Durch  mehrere  Wahrnehmungen  veranlasst,  habe  ich  sorgfältige  und 
vielfach  wiederholte  Versuche  über  die  Fortleitung  der  Contact-Elektricität 
i  Metallen  angestellt  und  Resultate  erhalten,  zu  deren  schleuniger  Mittheilung 
ich  mich   um  so   mehr   bewogen   fühle,    als   meine    geringe,   ziemlich  ver- 


1  Leipzig,  bei  J.  A.  Barth.  •  Schweigger's  Journ.  44,  110.  1825. 

*  Pocg.  Ann.  4,  79  und  87.   1825. 


384 


Elftes  Kapitel. 


kümmerte  Müsse  mir  es  nicht  verstattet,   das  Ende  dieser  Untersuchu 
so  bald  herbeizuführen.   Und  ich  hoffe,  dem  theilnehmenden  Publikum  < 
Dienst  zu  erzeigen,  indem  ich  an  jeder  Stelle  den, Grund  angebe,  der 
zu  einer  neuen  Reihe  von  Versuchen  bewog. 

„Zu  den  Versuchen  selbst  gebrauchte  ich  einen  Kupfer-Zink-Trog 
13  Zoll  Höhe  und  16  Zoll  Länge.  Aus  dem  Zink  ging  ein  Draht  A  ir 
Gefass  mit  Quecksilber  M}  aus  dem  Kupfer  ein  Draht  B  in  ein  Quecksi 
gefäss  N;  ferner  wurde  ein  Draht  C  aus  dem  Gefasse  M  in  ein  dritt< 
geleitet.  Der  Kürze  halber  werde  ich  die  Drähte  A}  B,  C  zusami 
genommen  den  unveränderlichen  Leiter  nennen.  Ausser  diesen  I 
ich  noch  sechs  andere:  o,  a,  b>  c>  d,  e,  deren  Längen  respective  1/3, 
6,  io1^,  23  Fuss  betrugen  und  die  dazu  dienten,  die  Gefasse  N  und  0 
einander  zu  verbinden  und  so  die  Kette  zu  schliessen;  ich  werde  sie 
änderliche  nennen.  Diese  veränderlichen  Leiter,  mit  Ausnahme  des  Leit« 
der  sehr  dick  war,  hatten  alle  0,3  Linien  im  Durchmesser.  Über  dem  The 
des  unveränderlichen  Leiters  hing  eine  Mangnetnadel  in  einer  Coulomb's 
Drehwage  von  besonderer  Einrichtung,  die  der  jedesmaligen  Kraftbestimr 
zum  Maassstab  diente. 


yy 


Erste  Reihe  von  Versuchen. 

,Der  unveränderliche  Leiter  war  4  Fuss  lang  und  il/4  Linie  dick, 
veränderlichen  Leiter  wurden  in  folgender  Ordnung  angewendet: 

oaobocodoeo 

und  jedes  Mal  die  Kraft  des  unveränderlichen  Leiters  auf  die  Magnet 
gemessen.  Aus  vielen  solchen  Versuchsreihen  ergaben  sich  folgende  M 
werthe  für  den  Verlust  an  Kraft,  welcher  eintrat,  wenn  ein  verändert 
Leiter  die  Kette  schloss. 


Leiter 


Kraftverlust 
beob. 


0,00 


0,12 


0,25 


o»35 


o,43 


0,58 


Der  Zahlenreihe  liegt  die  Kraft  des  Leiters  o,  die  ich  Normalkraft  ne 
werde,  als  Einheit  zum  Grunde.  Diese  Normalkraft  wurde  an  der  Dreh 
durch  150  Theile,  deren  100  eine  ganze  Umdrehung  ausmachen,  ange 
„Die  Werthe  dieser  Zahlenreihe  lassen  sich  sehr  genügend  durcl 
Formel: 

v  =  0,41  log  (I  +x) 

darstellen,   wobei  v  den  Kraftverlust  und  x  die  Länge   des   veränderl 
Leiters  in  Füssen  anzeigt.     Man  erhält  hieraus  durch  Rechnung: 


Leiter 

0 

a 

b 

c 

d 

e 

Kraftverlust 
berechn. 

0,00 

0,12 

0,25 

o>35 

o,43 

o,57 

Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm 'sehe  Gesetz. 


385 


rr 


,Um  mich  zu  überzeugen,  ob  diese  Übereinstimmung  nicht  vielleicht 
:h  nur  zufallig  sei,  construirte  ich  einen  neuen  veränderlichen  Leiter  /  von 
Fuss  Länge.     Die  Beobachtung  gab  einen 

KraJbrerhist  =  0,78  bei  einer  Normalkraft  von  168  Theilen 

Rechnung  giebt  für  diesen  Kraft verlust      0,77 
bei  einer  Normalkraft  von  150  Theilen. 


Zweite  Reihe  von  Versuchen. 
„Diflferenzirt  man  die  Gleichung 

v  =  0,41  log  (I  +x), 


>  erhält  man 


dv  =  m 


dx 


I    +  X 


torch  die  Form- dieser  Differenzialgleichung  kam  ich  auf  den  Gedanken,  ob 
cht  vielleicht  ihre  allgemeine  Form  sein  werde: 

.  dx 

dv  =  m > 

a  +  x 

obei  a  von  der  Länge  des  unveränderlichen  Leiters  abhängig  sein  dürfte; 
enn  da  der  4  Fuss  lange  unveränderliche  Leiter  i1/*  Linie  dick  war,  so 
ar  es  möglich,  dass  diese  Länge  der  von  einem  Fusse  des  0,3  Linien 
icken  Drahtes  das  Gleichgewicht  hielt.  Findet  sich  diese  Vermuthung  be- 
ätigt,  so  verwandelt  sich  obige  Formel  in  diese: 


v  =  mlogl  1  -f-  —  j 


Im  hierüber  zur  Gewissheit  zu  gelangen,  substituirte  ich  statt  der  Theile  A 
nd  B  des  unveränderlichen  Leiters,  welche  zusammen  21/a  Fuss  ausmachten, 
wei  andere  von  derselben  Länge  und  0,3  Linien  Dicke.    Damit  angestellte 
ersuche  gaben  bei  einer  Normalkraft  von   133  Theilen 


Leiter 

• 

a 

b 

c 

d 

e 

/ 

Kraftverlust 
beob. 

0,00 

0,07 

0,16 

0,24 

0,32 

0,49 

0,75 

„Da  aber  von  dem  dicken  Drahte  i1/,  Fuss  blieb  und  2X\%  Fuss  dünner 
inzukam,  so  wäre  (wenn  nach  der  eben  aufgestellten  Vermuthung  4  Fuss 
wn  dicken,  einem  Fuss  vom  dünnen  Drahte  gleich  kamen)  für  beide  zu- 
inmen  2,9  Fuss  dünner  zu  setzen.  Berechnet  man  nun  v  aus  voriger 
>rmel,  indem  man  a  =  2,9  und  m  =  0,525  setzt,  so  findet  man 


Leiter 

0 

a 

b 

c 

-  i  ' 

/ 

Kraftverlust 
berechn. 

0 

0,07 

0,16 

0,25 

1 
0,34     o>5° 

o,75 

J  man  sieht  leicht,   dass   der  Werth  m,   der  allein  aus  dem  Kraftverlust 
;  Leiters  f  hergeholt  worden  ist,    den  Beobachtungen  noch  besser  hätte 


Ostwald,   Elektrochemie. 


25 


386 


Elftes  Kapitel. 


angepasst  werden  können.     Übrigens  ist  zu  bemerken,   dass  die  hier  t 
achteten  Werthe  nur  aus  einer  einzigen  Reihe  von  Versuchen  hergeleitet 

Dritte  Reihe  von  Versuchen. 

„Ich  hatte  unterdessen  einen  ziemlichen  Grad  von  Sicherheit  in 
suchen  dieser  Art  erlangt,  und  war  auf  einen  Umstand  aufmerksam  gewo 
der  leicht  einen  Irrthum  von  2  und  mehr  Theilen  in  jeder  einzelnen  1 
achtung  an  der  Drehwage  herbeizufuhren  im  Stande  ist,  und  den  ich  in 
vorigen  Versuchen  nicht  berücksichtigt  hatte,  weil  er  mir  damals  noch  i 
kannt  war.  Dieser  Umstand  besteht  in  folgender  an  sich  merkwün 
Thatsache.  Wenn  nämlich  unmittelbar  auf  den  Leiter  o  einer  der  anc 
veränderlichen  in  die  Kette  gebracht  wird,  so  bedarf  es  wohl  einer  h; 
Minute  und  darüber  Zeit,  bis  die  Wirkung  auf  die  Nadel  ihr  Maxi 
erreicht  hat,  das  man  abwarten  muss,  wenn  man  nicht  eine  zu  kleine 
aufzeichnen  will;  und  umgekehrt,  wenn  nachher  wieder  der  Leiter  o  ii 
Kette  kommt,  so  ist  die  Wirkung  auf  die  Nadel  in  der  ersten  Zeit  zu  g 
und  man  muss,  um  sicher  zu  gehen,  ihr  Minimum  abwarten.1 

„So  ausgerüstet,  beschloss  ich  zur  Sicherstellung  des  aufgefund 
Gesetzes  eine  neue  Reihe  von  Versuchen,  die  für  jeden  Leiter  nur  aus 
Beobachtungen,  welche  äusserst  nahe  mit  einander  übereinstimmen,  be 
Dabei  brachte  ich  an  die  Stelle  des  Theilers  C  vom  unveränderlichen  I 
2  Fuss  0,3  Linien  dicken  Draht,  so  dass  also  im  Ganzen  der  unveräi 
liehe  Leiter  jetzt  aus  4,5  Fuss  von  demselben  Drahte  bestand,  woraus 
veränderlichen  Leiter  a  und  f  gebildet  waren.  Das  Resultat  dieser  Vers 
war  folgendes: 


Leiter 

0 

a 

b 

c 

d 

e 

/ 

Kraftverlust 
beob. 

0,00 

0,04 

0,10 

0,16 

0,23 

0,36 

0.55 

Setzt  man  in  obige  Formel,   wie  hier  geschehen  muss,  a  =  4,5  und  \ 
für  m  den  Werth  0,452,  wie  ihn  die  letzte  Angabe  liefert,   so  findet 


Leiter 

0 

a 

h 

C 

d 

' 

/ 

Kraftverlust 
berechn. 

0,000 

0,039 

0,100 

o,i  66 

o,234 

o,355 

0,56 

Diese  Übereinstimmung  der  beobachteten  mit  den  berechneten  Werthe 
als  vollkommen  anzusehen,  um  so  mehr,  als  bei  diesen  Versuchen  die  N01 
kraft  an  der  Drehwage  stets  zwischen  44  und  43  Theilen  sich  aufhielt 
ich  kleinere  als  halbe  Theile  nie  berücksichtigt  habe. 


1  „Es  wäre  zu  wünschen,  dass  der  Herr  Verfasser  Müsse  fände,  diese  und  ähnliche  C 
bestimmungen   mit  der  sogenannten   thermo-elektrischen   Kette    vorzunehmen.     Die   Wirk 
sind  bei  dieser  bei  weitem  beständiger,  als  bei  der  sogen,  hydro-elektrischen  Kette,   und 
deshalb  sehr  scharfe  Messungen  zu.     P."  [Poggendorff.] 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm'sche  Gesetz.  387 


„Nach  diesen  Versuchen  sehe  ich  das  Gesetz 


s  hinlänglich  durch  die  Erfahrung  bestätigt  an.  Dass  es  für  x  =  —  a, 
=  —  OD  giebt,  widerspricht  keineswegs  unserer  anderweitigen  Vorstellung 
on  der  Natur  der  galvanischen  Kraft.  Aus  ihm  erklärt  sich  von  selbst  die 
ußallend  starke  Wirkung  des  von  Wollaston  ausgeführten  Glühapparates, 
benso  die  verhältnissmässig  so  starke  Wirkung  des  elektromagnetischen 
Apparates  nach  der  von  Gilbert  getroffenen  Einrichtung;  ferner  liegt  in  ihm 
er  Grund,  warum,  nach  Poggendorff,  auf  einem  gewissen  Punkte  die  Ver- 
ielfältigung  der  Windungen  am  Multiplikator  zur  Stärkung  der  Wirkung 
ichts  mehr  beiträgt,  und  er  fügt  noch  hinzu,  dass  durch  immer  fortgesetzte 
Vervielfältigung  der  Windungen  die  Wirkung  wieder  abnehmen  und  zuletzt 
ranz  verschwinden  müsse;  es  verspricht  endlich  eine  tiefere  Einsicht  in  die 
latur  des  Thermo-Magnetismus. 

„Der  Coefficient  tn  ist  eine  Funktion  von  der  Normalkratt,  von  der  Dicke 
les  Leiters,  von  dem  Werthe  a  und,  wie  ich  Ursache  zu  glauben  habe,  von 
Icr  elektrischen  Spannung  der  Kraft.  Ich  bin  eben  noch  damit  beschäftigt, 
fie  Natur  dieser  Funktion  durch  genauere  Versuche  fest  zu  begründen.  Um 
edoch  schon  jetzt  die  Aufmerksamkeit  der  Naturforscher  auf  diesen  Gegen- 
stand zu  lenken,  erwähne  ich  noch  folgender  Beobachtung.  Die  Kette  war 
nh  dem  Leiter  f  geschlossen  und  in  den  Trog  verdünnte  Schwefelsäure 
^gössen,  wie  man  sie  zu  den  elektromagnetischen  Versuchen  anzuwenden 
pflegt;  die  Drehwage  zeigte  50  Theile,  die  Nadel  ging  allmählich,  aber 
äusserst  langsam,  rückwärts,  und  nach  Verlauf  von  mehr  als  einer  Viertel- 
stunde, als  das  Brausen  schon  fast  ganz  nachgelassen  hatte,  zeigte  die  Dreh- 
srage  45  bei  einer  Normalkraft  von  447  Theilen.  Frühere  Versuche  hatten 
mich  aber  belehrt,  dass  bei  einem  so  gefüllten  Troge  nach  Verlauf  von 
12  Minuten,  bei  schon  stiller  gewordenem  Brausen,  die  Normalkraft  noch 
1500  Theile  betrage.  Dieser  Leiter  ist  folglich  im  Stande,  die  Normalkraft 
auf  weit  weniger  als  ihren  26.  Theil  zurückzubringen.  Wirkungen  von 
Leitern  auf  Leiter,  die  in  derselben  Kette  sich  befinden,  können 
durch  solche  Hindernisse  leicht  tausendfach  geschwächt  werden'/' 

Die  Quelle  des  Irrthums,  in  welchen  Ohm  bei  diesem  seinem  ersten 
Versuche  verfallen  war,  liegt  in  der  sehr  grossen  Unbeständigkeit  der  von 
ihm  verwendeten  einfachen  VoLTA'schen  Kette  aus  Zink,  Kupfer  und  ver- 
dünnter Schwefelsäure.  Ohm  hatte  das  „Wogen  der  elektrischen  Kraft" 
zvar  bemerkt  und  sich  dagegen  zu  schützen  gesucht;  er  hat  aber  den  hier- 
von ausgehenden  Einfluss  offenbar  noch  unterschätzt.  So  war  es  für  ihn 
wid  die  Wissenschaft  ein  wahres  Glück,  dass  Poggendorff  ihn  in  einer  An- 
merkung (S.  386)  auf  die  Benutzung  des  ganz  beständigen  Thermo-Elementes 
inwies.  Ohm  säumte  nicht,  sich  diesen  Hinweis  zu  Nutzen  zu  machen  und 
]  folgenden  Jahre  1826  theilte  er  in  Schweigger's  Journal  für  Physik   v 

25* 


388  Elftes   Kapitel. 


Chemie1  die  einfache  Formel  mit,  welche  seitdem  alle  Prüfungen  bestai 
hat,  denen  die  inzwischen  in  so  ausserordentlichem  Maasse  verfeine 
Hilfsmittel  der  galvanometrischen  Messungen  sie  unterzogen  haben. 

Besonders  bemerkenswerth  ist  in  dieser  grundlegenden  Abhandlung 
Fähigkeit  Ohm's,  seine  so   überaus  einfach  gestaltete  Gleichung  zum  R 
zu   bringen,    und  ihr  Auskünfte   über  die  verschiedensten  Fragen  des 
vanismus  zu  entnehmen.    In  noch  höherem  Maasse  ist  dies  in  dem  unmitt« 
folgenden,    in    Poggendorff*s    Annalen2   veröffentlichten    Aufsatze    der 
welcher  die  Theorie  der  elektroskopischen  Erscheinungen  umfasst. 

Die  Hauptabhandlung  in  Schweigger's  Journal    fuhrt   den   Namen 
Stimmung  des  Gesetzes,  nach  welchem  Metalle  die  Contactelektricität  1< 
nebst  einem  Entwürfe  zu  einer  Theorie  des  VoLTA'schen  Apparates  und 
ScHWEiGGER'schen  Multiplikators." 

„Im  verwichenen  Jahre  habe  ich  in  diesem  Journal  eine  vorlä 
Anzeige  des  Gesetzes,  nach  welchem  Metalle  die  Elektricität  leiten,  gern 
und  mehrere  Reihen  von  Versuchen  mitgetheilt,  die  mit  all  der  Sorgfalt 
Genauigkeit  angestellt  waren,  welche  der  Gegenstand  verdient  und  gest 
Fast  zu  derselben  Zeit  sind  Mittheilungen  über  denselben  Gegenstand 
dem  Auslande  von  zwei  gleich  rühmlich  bekannten  Experimentatoren  Bai 
und  Becquerel  zu  uns  gekommen,  wobei  es  auffallend  war,  dass  die  R 
täte  dieser  beiden  Gelehrten,  insofern  sie  sich  über  den  Einfluss  der  L 
des  Leitungsdrahtes  erstrecken,  sowohl  unter  sich,  als  auch  von  dem  d 
meine  Versuche  ermittelten  Gesetze  so  stark  abwichen.  Ihre  Arbeiter 
weit  sie  mir  bekannt  geworden  sind,  habe  ich  bei  meinen  späteren  Versu 
stets  berücksichtigt  und  bin  so  zu  der  Überzeugung  gelangt,  dass  wede 
von  diesen  Naturforschern  über  die  Länge  des  Leiters  ausgesproch 
Gesetze,  noch  das  von  mir  angekündigte,  allgemein  und  frei  von  der 
mischung  solcher  Kräfte  seien,  die  keineswegs  zu  der  Frage,  um  die  es 
handelt,  gehören.  Dagegen  hoffe  ich  jetzt  im  Stande  zu  sein,  die  Par 
mit  einander  auszusöhnen  und  ein  Gesetz  aufzustellen,  welches  sich  so 
durch  vollkommene  Übereinstimmung  mit  den  nach  allen  Grenzen  hin 
gesetzten  Versuchen,  als  auch  insbesondere  durch  die  Einheit,  welcr 
über  alle  den  elektrischen  Strom  angehende  Erfahrungen  verbreitet, 
Einheit,  wie  sie  nur  im  Gefolge  der  Wahrheit  zu  erblicken  ist,  als  das 
Gesetz  der  Natur  verkündigt. 

„Dieses  Gesetz  erstreckt  sich  indessen  lediglich  über  die  Leitung 
Elektricität  durch  Metalle  und  nimmt  keine  Rücksicht  auf  die  Funktioi 
flüssigen  Leiters  in  der  galvanischen  Kette.  Meine  Versuche  über  den 
fluss  der  Flüssigkeiten  auf  den  elektrischen  Kreislauf,  obgleich  sie  allmä 
mehr  und  mehr  sich  entwirren,  halte  ich  noch  nicht  für  geschlossen; 
eben  deswegen  muss  ich  mich  für  jetzt  damit  begnügen,  die  Resultate,  w 


1  Schweigger's  Journ.  46,   137.  1826. 

1  POGG.  Ann.  6,  459;  ebenda  7,  45  und   117.   1826. 


I 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm 'sehe  Gesetz.  38g 

bereits  rein  herausgestellt  haben,  nur  in  kurzen  Umrissen  anzudeuten 
und  behalte  mir  vor,  eine  ausfuhrlichere,  die  chemischen  und  elektrosko- 
pischen  Erscheinungen  zugleich  in  sich  aufnehmende,  mathematisch  bearbeitete 
Theorie  der  elektrischen  Kette  nachzuliefern.  Die  Hindernisse,  welche  meine 
Stellung  als  Gymnasiallehrer  jeder  gründlichen  Arbeit  in  ganz  aussergewöhn- 
Kcben  Maassen  entgegensetzt,  mögen  mich  entschuldigen,  wenn  jene  Abhand- 
lung in  einem  grösseren  Zeiträume,  ab  billig  scheint,  dieser  Anzeige  nachfolgt. 

„Um  unnütze  Wiederholung  zu  vermeiden,  fahre  ich  da  fort,  wo  die 
am  Eingange  citirte  Ankündigung  aufhört,  und  bitte  deshalb  den  Leser, 
hierauf  Rücksicht  nehmen  zu  wollen. 

„Das  beständige  Wogen  der  Kraft  (a.  a.  O.  S.  386),  welches  beim  Offnen 
und  Schliessen  der  Kette  oder  beim  Vertauschen  solcher  Leiter,  die  als 
Schliessungsglied  der  Kette  ungleichen  Leitungswerth  haben,  stattfindet, 
erschwert  die  Versuche  ungemein.  Um  einen  Begriff  von  der  Grösse  und 
Dauer  dieses  Wogens  zu  geben,  wird  es  nicht  überflüssig  sein,  einige  von 
den  Versuchen,  deren  ich  unzählige  zur  Bestimmung  seiner  Natur  gemacht 
habe,  hier  mitzutheilen. 

„Die  Kette  wurde  mit  dem  Leiter  0  geschlossen  und  der  Stand  der 
Nadel  von  5  zu  5  Minuten  beobachtet;  es  ergaben  sich  allmählich  folgende 

Resultate:  180,  150,  135,  1257*  ii97a>  llS>  m8/*  i°97«>  lo7*L>  lo&U> 
105 s/4,  105,  I041/a>  eine  Stunde  später  iooya,  sodass  also  im  Ganzen 
2  Stunden  5  Minuten  verflossen  waren.  Nach  wenigen  Minuten,  während 
welcher  die  Kette  offen  blieb,  zeigte  die  Nadel,  die  so  schnell  als  möglich 
in  der  Visirlinie  zur  Ruhe  gebracht  worden  war  (was  mit  einiger  Übung 
durch  ein  ihren  Schwingungen  entgegen  laufendes  Drehen  in  kurzer  Zeit  zu 
Stande  zu  bringen  ist)  wieder  mehr  als  180  Theile  längere  Zeit  hindurch. 
Die  Kette  wurde  aufs  Neue  geöffnet  und  die  Nadel  durch  ein  zur  Seite 
angebrachtes  Hinderniss  gezwungen,  in  der  Visirlinie  zu  bleiben,  hierauf  die 
Scheibe  auf  500  gestellt  und  die  Kette  durch  den  Leiter  0  geschlossen  — 
und  siehe,  die  Nadel  legte  sich  auf  der  entgegengesetzten  Seite,  wo  in  einiger 
Entfernung  ebenfalls  ein  Hinderniss  angebracht  war,  mehrere  Sekunden  lang 
an.1  Dieses  Wogen  der  Kraft  war  aber  schon  bei  dem  75  Fuss  langen 
Leiter  nicht  mehr  von  erheblichem  Umfange. 

I1*  „Es  giebt  meines  Wissens  nur  ein  Mittel,  dieses  Wogen  der  Kraft  ziem- 

lich unschädlich  zu  machen,  welches  darin  besteht,  dass  man  die  Kette  vor 
Anfang  der  Versuche  längere  Zeit  geschlossen  hält  und  während   der  Ver- 
J  suche  selbst  nie  öffnet,   d.  h.  mit  dem  folgenden  Leiter  erst  schliesst,    ehe 
man  den  vorhergehenden  aus  der  Kette  nimmt.     Bei  Versuchen,  wo  Leiter 
von   ungefähr  gleichem  Leitungswerthe  abwechselnd  in  die  Kette  gebracht 
werden,    ist  dieses  Hinderniss,   wenn    man    die   eben  angeführte  Vorsichts- 


1 


1  „Es  ist  daher  kein  Wunder,  dass  ein  Herausnehmen  des  WoLLASTON'schen  Glüh- 
apparates aus  der  Flüssigkeit  auf  kurze  Zeit  den  schon  erloschenen  Draht  zum  Wiederglühen 
bewtrgt.** 


3qo  Elftes  Kapitel. 


maassregel  beobachtet,  als  nicht  vorhanden  anzusehen,  und  solche  Versi 
lassen  daher  einen  hohen  Grad  der  Genauigkeit  zu. 

„Auf  diese  Weise  bestimmte  ich  das  Leitungsvermögen  verschied« 
Metalle.  Ich  nahm  cylindrische  Drähte  von  einerlei  Dicke  und  verschiede] 
Stoffe,  brachte  nach  und  nach  je  zwei  abwechselnd  in  die  Kette  und  kii 
denjenigen,  der  die  Kraft  am  meisten  schwächte,  so  lange  ab,  bis  er 
dem  anderen  ungefähr  gleichen  Leitungswerth  erlangt  hatte.  Am  be 
thut  man,  aus  zwei  nahe  aneinander  liegenden  Bestimmungen,  wovon 
eine  zu  viel,  die  andere  zu  wenig  giebt,  ein  Mittel  zu  nehmen.  So  gelai 
ich  zu  nachstehenden  Verhältnisszahlen  für  die  Länge  der  verschiede 
Metalle,  wobei  sie  gleichen  Leitungswerth  besitzen: 

„Kupfer  iooo,  Gold  574,  Silber  356,  Zink  333,  Messing  280,  Eisen 
Platin  171,  Zinn   168,  Blei  97. 

„Ferner  nahm  ich  Drähte  von  gleichem  Stoffe  und  verschiedener  Di 
innerhalb  0,12  und  1,40  Linien,  und  verfuhr  mit  ihnen  ganz  so,  wie 
der  Bestimmung  des  Leitungsvermögens  der  Metalle  geschehen  ist.  So  ei 
sich  mir  folgendes  Gesetz:  Cylindrische  Leiter  von  einerlei  Art 
verschiedenem  Durchmesser  haben  denselben  Leitungswerth,  w 
sich  ihre  Längen  wie  ihre  Querschnitte  verhalten.  Auf  dieses  G< 
wurden  auch  Barlow  und  Becquerel  durch  ihre  Versuche  geführt 

„Zu  bemerken  ist  auch  hier  der  Umstand,  dass  stets  der  dickste  E 
von  der  Regel  mehr  oder  weniger  abwich;  aber  er  war  geblieben  wi 
war,  mit  mehr  oder  weniger  rein  metallischer  Oberfläche,  während 
anderen  über  dem  Ziehen  mit  einer  Haut  ziemlich  gleichmässig  sich  bed 
hatten.  In  meinen  späteren  Versuchen  habe  ich  auf  diesen  Umstand 
Rücksicht  genommen. 

„Bei  Versuchen,  die  sich  auf  die  Länge  des  Leiters  beziehen,  ist  j 
Wogen  der  Kraft  von  sehr  nachtheiligem  Einflüsse,  weil  hier  Leiter 
sehr  ungleichem  Werthe  nach  einander  in  die  Kette  gebracht  werden,  wc 
eine  Unsicherheit  entsteht,  die  durch  die  fortwährende  Änderung,  vrt 
die  Flüssigkeit  und  die  sie  berührenden  Metalloberflächen  in  ihrer  chemis 
Konstitution  erleiden,  nur  noch  vermehrt  wird.  Ich  habe  zwar  in  me 
früheren  Versuchen  diesem  Ubelstande  dadurch  zu  begegnen  gesucht, 
ich  die  einzelnen  Beobachtungen  stets  in  gleichen  Zeiträumen  auf  eina 
folgen  Hess  und  zu  der  ganzen  Zeit  der  Versuche  nur  solche  Absch 
wählte,  in  welchen  die  Wirkung  de*r  Kette  weniger  veränderlich  sich  ze 
allein  obgleich  dadurch  die  Beobachtungsfehler  in  ziemlich  enge  Gre 
eingeschlossen  werden,  so  konnte  ich  doch  nicht  hoffen,  auf  diesem  V 
das  eigentliche  Gesetz  der  Leitung1  zu  entdecken  und  nahm  daher  n 
Zuflucht  zu  der  thermomagnetischen  Kette,   deren  Beständigkeit  von  h 


1  „Dass  das  in  meiner  Ankündigung  aufgestellte  nicht  allgemein  sei,  davon  habe  ich 
durch  einen  Leiter  von  300  Fuss,  dessen  Querschnitt  fünf  Mal  kleiner  als  der  der  ü 
war,  der  also  einen  Leiter  von  1500  Fuss  vertrat,  überzeugt.  Er  gab  2f/4  bei  einer  N« 
kraft  von  139  und   i1/,  bei  einer  Normalkraft  von  76  Theilen." 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm'sche  Gesetz. 


391 


sndorfp  mir  empfohlen  worden  war;  und  da  die  auf  diesem  Wege 
nnenen  Erfahrungen  das  Gesetz  der  Leitung  auf  eine  entscheidende 
e  aussprechen,  so  halte  ich  es  nicht  für  überflüssig,  meinen  dabei  ge- 
ilten Apparat  umständlich  zu  beschreiben,  damit  der  Grad  des  Zu- 
ns,  den  die  daraus  hervorgegangenen  Thatsachen  verdienen,  sich  um 
ichter  bestimmen  lasse. 

„Ein  in  der  Gestalt  einer  eckigen  Klammer  gegossenes  Stück  Wismuth 
V  d  (Fig.  105),  dessen  längere  Seite  b  b'  61/,  Zoll  und  dessen  kürzere 
akel  a  b,  ä  b'  jeder  3^  Zoll  betrugen,  war  durchgängig  9  Linien  breit 
4  Linien    dick.     An  jedem    dieser 
nkel   befestigte   ich  mittelst   zweier 
luben  Kupferstreifen  ab  cdyd ' b' Y  d ', 
}  Linien   breit,    1    Linie  dick   und 
nmen   gerechnet  28  Zoll  lang  und 
gebogen    waren,     dass    ihre    freien 
med,  c  d'  in  zwei  an  dem  hölzernen 
tVLefg  h  i  angebrachte,  mit  Queck- 
:  gefüllte  Schälchen  m9  tri  ragten, 
1   die   ganze  Vorrichtung   auf  dem 
*lle  sass. 

„Auf  der  oberen  Platte  ff  des 
dies  sitzt  die  Drehwage,  bei  deren 
hreibung  ich  etwas  verweilen  werde, 
in  ihr  Abweichungen  von  der  ge- 
llichen Einrichtung  vorkommen.  Der 
^linder  v  v,  auf  welchem  sie  sitzt, 
Zoll  hoch  und  4x/2  Zoll  weit  Sie 
t  besteht  aus  2  Theilen,  wovon  der 
nop  mit  einer  schwach  konischen 
lung  versehen  und  auf  der  oberen 
e   des    Giascylinders    fest    gekittet    ist, 


v 


v 


Fig.  105.    Nach  Schweigger. 


der  andere  q  r  s  mit  seinem 
nien  dicken  konisch  auslaufenden  Zapfen  in  die  Höhlung  des  ersten 
u  passt,  und  mit  seiner  3  Zoll  breiten  Scheibe  r  r  auf  der  eben  so 
sn  Scheibe  n  n  des  ersten  Theiles  aufliegt.  An  dem  Zapfen  q  s  ist 
p-osser  Sorgfalt  auf  der  Drehbank  der  Mittelpunkt  der  Drehung  durch 
zarte  konische  Vertiefung  angemerkt  und  hierauf  derselbe  auf  einen 
m  Zoll  seiner  Länge  so  lange  abgefeilt  worden,  bis  sich  auf  der  dadurch 
indenen  ebenen  Fläche  jene  konische  Vertiefung  als  ein  vollständiges 
rek  darstellte.  Durch  eine  besondere  Vorrichtung  wird  der  Faden,  an 
lern  die  Nadel  hängt,  so  an  den  Zapfen  geklemmt,  dass  seine  Mitte 
1  in  die  Spitze  des  Dreiecks  fällt. 

„Die  Magnetnadel  /  /  ist  aus  0,8  Linien  dicken  Stahldraht  verfertigt  und 
volle  2  Zoll  lang,  ihre  beiden  Enden  sitzen  in  cylinderförmigen  Stücken 
bein,  deren  eines  einen  zart  zugespitzten,  nach  unten  etwas  umgebogenen 


29?  Elftes  Kapitel. 


Messingdraht  in  sich  trägt.  Diese  messingene  Spitze,  die  als  Zeiger  dient, 
liegt  dicht  über  dem  auf  dem  Gestelle  ruhenden,  in  Grade  eingeth 
Bogen  von  Messing  u  u.  Anfänglich  hatte  ich  die  Nadel  so  lang  gemacht 
dass  sie  mit  ihrem  einen  Ende  unmittelbar  über  dem  messingenen  Grad 
schwebte;  aber  die  Trägheit,  welche  sie  durch  die  geringe  Anzahl  ihief 
Schwingungen  zu  erkennen  gab,  erinnerte  mich  an  die  vor  Kurzem  vo» 
Arago  gemachte  Erfahrung  und  gab  Anlass  zu  obiger  Abänderung. 

„Die  so  zubereitete  Nadel  wird  von  einem  5  Zoll  langen  Streifen  GoUk 
lahn  getragen,  der  an  der  Dreh  wage  genau  im  Mittelpunkt  der  Drehung 
befestigt  ist.  Diese  bandförmigen  Metallstreifen  sind  nach  meiner  Erfahrung 
zu  Versuchen  mit  der  Drehwage  weit  geschickter  als  cylinderförmige  Drahtet 
Der  Lahn,  den  ich  an  meiner  Drehwage  gebrauche,  besitzt  ungeachtet  seiner 
aus  vielen  Rücksichten  so  wünschenswerthen  Kürze  noch  in  so  hohem  Grade  . 
alle  Erfordernisse  zu  den  Drehversuchen,  dass  die  Nadel,  nachdem  der  Lahn 
eine  Spannung  von  mehr  als  drei  ganzen  Umdrehungen  erlitten  hat,  wieder 
ihre  alte  Stellung  einnimmt,  wenn  man  die  Spannung  wieder  aufhebt  Dem* 
ungeachtet  habe  ich  nach  jedem  Versuche  die  Nadel  im  Stande  der  Rabe 
beobachtet,  um  überzeugt  zu  sein,  dass  der  Apparat  durchaus  keine  Ände» 
rung  erlitten  hat.  Übrigens  glaube  ich  noch  bemerken  zu  müssen,  dass 
vorangegangene  Versuche  an  einer  ähnlichen  vom  Lahne  getragenen  Nadel 
von  Messing  mich  überzeugt  haben,  dass  kleine  und  grosse  Schwingungen 
(ich  habe  sie  von  zwei  ganzen  Umdrehungen  bis  zu  wenigen  Graden  ver- 
folgt) stets  in  derselben  Zeit  abgemacht  werden,  so  dass  also  von  dieser 
Seite  her  nichts  zu  furchten  ist. 

„Die  Drehwage  wurde  auf  die  obere  Platte  des  Gestelles  dergestalt  fest 
gekittet,  dass  eine  mitten  durch  den  Kupferstreifen  b  c  gezogene,  mit  dem 
mittelsten  Theilstrich  des  Gradbogens  u  u  und  einem  dicht  vor  diesem  Bogen 
lothrecht  ausgespannten  einfachen  Seidenfaden  in  einerlei  Richtung  liegende 
gerade  Linie  und  zugleich  auch  die  Magnetnadel  im  magnetischen  Meridiane 
lagen,  während  der  Zeiger  an  der  Drehwage  auf  Null  gestellt  war.  Auf  dem 
Vorsprunge  k  des  Gestelles  war  ein  convexes  Glas  /  von  einem  Zoll  Brenn- 
weite in  der  erforderlichen  Richtung  und  Entfernung  angebracht,  durch 
welches  die  untere  Theilung  betrachtet  wurde,  und  um  jede  Parallaxe  zu 
vermeiden,  wurde  das  Auge  während  der  Beobachtung  stets  so  gestellt,  dass 
der  Seidenfaden  und  der  mittlere  Theilstrich  des  Gradbogens  sich  deckten. 
Die  Beobachtung  geschah  in  der  Art,  dass  jedes  Mal,  wenn  die  Nadel  durch 
den  elektrischen  Strom  des  Apparates  abgelenkt  worden  war,  der  Lahn  so  lange 
durch  den  beweglichen  Theil  der  Drehwage  entgegengedreht  wurde,  bis  die 
messingene  Spitze  der  Nadel  hinter  dem  Seidenfaden  auf  dem  mittleren  Theil- 
strich des  Gradbogens  stand:  dann  wurde  die  Grösse  der  Drehung  oben  an 
der  Drehwage  in  Hunderttheilen  einer  ganzen  Umdrehung  abgelesen,  welche 
Zahl  bekanntlich  die  Kraft  ausdrückt,  womit  auf  die  Nadel  gewirkt  worden  ist1 


1  „Die  Nadel  und  der  Lahn  hatten  unter  sich  ein  solches  Verhältnis*  erhalten,  dass,  um 
die  Nadel  einen  Grad  der  unteren  Theilung  weiter  zu  fuhren,  die  Drehwage  am  sehn  Theüe 


a  Erscheinungen  und  das  Ohm'schc  Gesetz.  %n-t 

He  Letter,  welche  zu  den  Versuchen  gebraucht  worden  sind,  tauchten 
en  Enden  in  das  Quecksilber  der  Schälchen  m,  m',  über  denen  der 
eit  wegen    eine    einfache   Vorrichtung    angebracht    war,    vermittelst 

die  Enden  eines  jeden  Leiters  stets  auf  dieselbe  Weise  mit  dem 
über  in  Berührung  kamen.  Überdies  wurden  alle  Enden  der  Leiter, 
»ine  Berührung  des  Quecksilbers  zu  befürchten  war,  mit  Harz  über- 
dann  die  Grundflächen  derselben  mit  einer  feinen  Feile  metallisch 
and  jedes  Mal  frisch  angequickt  Eine  vollkommen  metallische  Ver- 
;  der  einzelnen  Theile  ist  bei  Versuchen  der  Art  eine  unerläßliche 
ing,  weil  ausserdem  keine  Übereinstimmung  der  Beobachtungen  zu 
kommt 

Tm  endlich  den  Theilen  des  Apparates,  wo  sich  Wismuth  und  Kupfer 
en,  einen  beständigen  Temperaturunterschied  zu  geben,  liess  ich  mir 

efässe  aus  Blech  an-  . 

,  deren  Durchschnitte    *//"     V«  _  \  ^ 

>erem  Maassstabe  (Fig. 

i  107)  abgebildet  sind. 

atte  in  seinem  Inneren 

iben  offenen,  übrigens 

1  verschlossenen,   zur 

me  der  Theile  ab,  ä f 

Uten    Raum  x  x.     In 

len,  A,  wurde  Wasser 

lig  im  Kochen  erhalten; 

ratte  daher  bei_y  eine 

irk  zu  verschliessende 

y,  um  Wasser  in  das  Gefäss  bringen  zu  können  und  auf  der  anderen 

Hne  Röhre  s  z,    um    den  Dampf  abzuführen;    in    das    andere   wurde 

oder  zerstückeltes  Eis  gebracht  Die  Theile  a  b,  a'  b'  wurden  mit 
1,  aber  dichtem  Seidenzeug  umnäht,  dann  in  die  Räume  x  x  ge- 
il und  diese  zuletzt  bis  auf  eine  Höhe  von  etwa  einem  Zolle  mit 
1  Schrote  ausgefüllt  und  dann  vollends  mit  klein  zerstückeltem  Glase 
lüttet  Auf  solche  Weise  befanden  sich  alle  Berührungsstellen  zwischen 
th  und  Kupfer  innerhalb  des  mit  Blei  ausgefüllten,  die  Wärme  gut 
■n  Raumes  und  die  Glasdecke  schützte  diesen  Raum  vor  einer  schnellen 
ratu  randttrung  durch  die  umgebende  Luft. 
iach   dieser  umständlichen  Beschreibung   des  Apparates   komme    ich 


A 


rerden  musste.  Bei  der  getroffenen  Einrichtung  hielt  es  aber  nicht  schwer,  '/«  eines 
rtades  noch  gut  zu  sehen  und  daher  '/<  eines  oberen  Theiles  noch  merklich  zu  fühlen. 
erhellt  aber  hieraus,  wie  eine  Abweichung  des  Umdrehungspunkte s  von  noch  nicht 
jen  Linie  zu  Fehlem  von  zwanzig  und  mehr  Theilen  führen  könne;  es  darf  daher  die 
■  Sorgfalt,  mit  der  ich  meine  Drehwage  bauen  liess,  nicht  befremden.  Vielleichl  lieg! 
eriD  der  Grund,  warum  Andere  als  Coulomb  zu  übereinstimmenden  Resultaten  durch 
rage  nicht  gelangen  konnten." 


394 


Elftes  Kapitel. 


nun  zu  den  Versuchen,  die  ich  damit  angestellt  habe.  Ich  hatte  mir  8 
schiedene  Leiter  vorgerichtet,  die  ich  in  der  Folge  mit  i,  2,  3,  4,  5,  6,  J 
bezeichnen  werde  und  die  respective  2,  4,  6,  10,  18,  34,  66,  130  Zoll  1s 
7/8  Linie  dick  und  insgesammt  aus  *  einem  Stücke  sogenannten  plattii 
Kupferdrahtes  geschnitten  und  auf  die  vorhin  beschriebene  Weise  zubere 
waren.  Nachdem  das  Wasser  eine  halbe  Stunde  im  Sieden  erhalten  worc 
war,  wurden  sie  nach  einander  in  die  Kette  gebracht.  Zwischen  je  zu 
Versuchsreihen  eines  und  desselben  Tages,  die  drei  bis  vier  Stunden  ao 
füllten,  wurde  immer  eine  Pause  von  einer  Stunde  gehalten,  während  welch 
neues,  schon  erwärmtes  Wasser  zugegossen  wurde,  das  in  kurzer  Zeit  ii 
Kochen  kam,  dann  kamen  die  Leiter  nach  der  Reihe,  aber  in  umgekehrt 
Ordnung,  in  die  Kette.     So  gelangte  ich  zu  nachstehenden  Ergebnissen: 


Zeit  der 

Versuchs- 

Leiter 

Beobachtung 

reihen 

1 

2 

_  .3 

4 

5 

6 

7 

i 

8.  Januar       j         I. 

3*<>8/4 

3<x>8/4 

2778/« 

23874 

i908/4 

1347. 

8374 

48 

T                     1               H- 

...Januar    ||       m 

3»V4 
307 

287 
284 

267 

23<>74 

226V, 

1837. 
181 

I298/4 

i*8*/4 

80 
79 

46 
44 

15.  Januar    { 

IV. 
V. 

305  Vi 
305 

28lV, 
282 

259 

*5«V4 

224 

2237« 

1787, 
178 

1248/4 
I248/4 

70 
78 

44 

„Es  fällt  auf,  dass  die  Kraft  von  einem  Tage  zum  anderen  fühlbar 
nimmt  Ob  der  Grund  dieser  Abnahme  in  einer  Veränderung  der  Berührun 
stellen  oder  vielleicht  darin  zu  suchen  ist,  dass  der  8.  und  11.  Januar  s 
kalte  Tage  waren  und  das  Eisgefäss  noch  am  Fenster  einer  nicht  st 
geheizten  und  schlecht  verwahrten  Stube  stand,  wage  ich  nicht  zu  < 
scheiden;  nur  das  glaube  ich  hinzufügen  zu  müssen,  dass  ich  vom  15. 
keine  bedeutenden  Unterschiede  mehr  wahrnehmen  konnte. 

„Ein  besonderes  Gewicht  ist  auf  den  Umstand  zu  legen,  dass  von  d 
oben  beschriebenen  Wogen  der  Kraft,  wie  es  in  der  hydroelektrischen  K< 
stattfindet,  hier  auch  nicht  eine  Spur  wahrzunehmen  ist.  Die  Nadel  ble 
so  wie  sie  zur  Ruhe  gebracht  worden  ist,  unbeweglich  auf  derselben  St 
stehen.  Ich  habe  sie  nach  obigen  Versuchen  oft  eine  halbe  Stunde  h 
beobachtet  und  auch  nicht  die  leiseste  Veränderung  wahrgenommen, 
als  die  Nadel  mit  dem  Leiter  1  in's  Gleichgewicht  gebracht  und  durch 
zur  Seite  angebrachtes  Hinderniss  in  dieser  Lage  fest  gehalten  worden  * 
ging  sie  beim  Schliessen  der  Kette  durch  denselben  Leiter,  der  längere  2 
herausgenommen  war,  auch  nicht  im  Mindesten  nach  der  entgegengesetz 
Seite  ab.  Dies  berechtigt  zu  dem  Schlüsse,  dass  jenes  Wogen  in  eil 
Abänderung  der  Flüssigkeit  seinen  Grund  hat,  die  durch  d 
elektrischen  Strom  selbst  erst  bedingt  wird  und  mit  ihm  ste 
und  fällt  Es  scheint  eine  Vertheilung  gewisser  Bestandteile  in  der  Flüss 
keit  durch  die  Elektricität  veranlasst  zu  werden,  die  sich  ganz  nach  d 
selben  Gesetzen  richtet,  wie  sie  bei  der  durch  ruhende  Elektricität  bewirkt 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm'sche  Gesetz. 


395 


imen  worden  sind;  eine  Verstärkung  der  Kraft  hat  ein  vermehrtes 
idertreten  jener  Bestandteile  zur  Folge,  eine  Verminderung  der 
bestimmt  diese  Bestandteile  zu  einer  partiellen  Wiedervereinigung,  die 
totalen  wird,  so  wie  die  Kraft  völlig  verschwindet.  Es  ist  sehr  wahr- 
[Amüch,  und  es  wird  sich  weiter  unten  ein  Beleg  hierzu  finden,  dass  diese 
Fcrtheilung  der  Flüssigkeit  durch  den  Strom  eine  Änderung  nicht  nur  in 
kr  erregenden  Kraft  der  Kette,  sondern  auch  in  der  Leitungsfähigkeit  der 
flosagkeit  nach  sich  zieht,  und  gerade  diese  vielfache  Veränderlichkeit  in 
der  hydroelektrischen  Kette  macht  das  Gesetz"  der  Leitung  bei  ihr  so  ver- 
nickelt und  darum  schwer  zu  enträthseln.  Zugleich  erhellt  aber  auch  hier- 
as, dass,  wenn  es  sich  bloss  darum  handelt,  den  Einfluss  der  Metalle  auf 
fc  Leitung  des  elektrischen  Stromes  zu  bestimmen,  die  hydroelektrische 
kette  sich  dazu  gar  nicht  eigne,  weil  sie  zu  mannigfaltigen  Irrungen  Anlass 
iebt;  dagegen  ist  die  thermoelektrische  Kette  zu  dieser  Bestimmung  recht 
igentlich  geschaffen.     Wir  wollen  nun  sehen,  was  sie  bietet. 

„Obige  Zahlen  lassen  sich  sehr  genügend  durch  die  Gleichung 

X  = 


b+  x 


irstellen,  wobei  X  die  Stärke  der  magnetischen  Wirkung  auf  den  Leiter, 
ssen  Länge  x  ist,  a  und  b  aber  constante,  von  der  erregenden  Kraft  und 
an  Leitungswiderstande  der  übrigen  Theile  der  Kette  abhängige  Grössen 
zeichnen.  Giebt  man  nämlich  der  Grösse  b  den  Werth  20  74  und  der 
rosse  a  nach  den  verschiedenen  Versuchsreihen  die  Werthe:  7285,  6965, 
$85,  6800,  6800,  so  erhält  man  durch  die  Rechnung  nachstehende  Be- 
immungen : 


Versuchs- 

Leiter 

reihen 

1 

2 

3 

4 

5 

6    i 

7 

8 

1. 

328 

3<x>V2 

27/Vt 

2408/; 

1907* 

1341/,  I 

84  V* 

487, 

IL 

313 

287V4 

265V8 

230V4 

182 

1287,    , 

8o*/4 

467s 

IIL 

3<>91/» 

284 

262  v, 

228 

180 

127      , 

798/4 

458/4 

IV. 

305  V* 

2801/, 

259 

2248/4 

i778/« 

125V4 

79 

45 

V. 

305V* 

28o,/s 

259 

2238;4 

17  7*1 4 

125V4  ! 

79 

45 

„Vergleicht  man  diese  durch  die  Rechnung  erhaltenen  Werthe  mit  den 
rigen,  auf  dem  Wege  der  Erfahrung  gefundenen,  so  wird  es  sich  zeigen, 
ss  die  Unterschiede  so  gering  sind,  wie  man  sie  bei  Versuchen  der  Art 
r  immer  zu  erwarten  berechtigt  ist.  Ich  wollte  jedoch  hierbei  nicht  stehen 
nben,  sondern,  was  zur  Ermittelung  der  allgemeinen  Gültigkeit  eines  aus 
nigen  Fällen  hergeleiteten  Gesetzes  am  dienlichsten  ist,  an  den  Grenzen 
•  Wirkung  die  Richtigkeit  obiger  Formel  zu  prüfen. 

„Zu  dem  Ende  bildete  ich  vier  der  Reihe  nach  2,  4,  8,   16  Zoll  lange 
ter  a,  by  c,  dy   aus   dem   0,3  Linien    dicken    Messingdraht,    der   mir   zu 


396  Elftes  Kapitel. 


den  früheren  Versuchen  an  der  hydroelektrischen  Kette  gedient  hatte; 
gaben  in  der  Kette  der  Reihe  nach  1 1 1  x/2,  643/4>  37 y  I98/*  Theile,  wi 
der  Leiter  i  in  der  Kette  305  Theile  gab.  Sucht  man  nach  obiger  Gleicht 
die  diesen  Werthen  entsprechenden  Längen,  so  findet  man  403/4;  84*^ 
i^>iij2>  324>  welche  Zahlen  in  grossem  Einklänge  aussprechen,  dass  ein 
vom  Messingdraht  20a/2  Zollen  vom  plattirten  Drahte  gleich  zu  setzen  sind. 
Nach  dieser  Vorbereitung  brachte  ich  den  aus  demselben  Messingdrahfet 
bereiteten  23  Fuss  langen  Leiter,  der  in  meiner  Anzeige  mit  5  bezeichne 
war,  in  die  Kette;  er  gab  i^/4.  Und  wirklich  erhält  man  diese  Zahl  fast 
völlig  genau,  wenn  man  in  den  Ausdruck  23.  12.  20!/2  =  5658  für  x  setrt 
Man  ersieht  hieraus,  dass  jene  Gleichung  bis  nahe  zum  Verlöschen  der  KnA 
durch  den  Widerstand  der  Leitung  stets  treu  an  die  Erfahrung  sich  anschmiegt 
„Ferner  unterhielt  ich  das  eine  Ende  der  Kupfer-Wismuth-Verbindmig 
durch  Eis  in  der  Temperatur  o°,  das  andere  Ende  blieb  der  Temperabu 
des  Zimmers  ausgesetzt,  wo  ein  bei  dem  Apparate  aufgehängtes  Thermo» 
meter  während  der  Zeit  des  Versuches  stets  ohne  merkliche  Abweichung 
7lj2°R.  zeigte.  Die  Leiter  in  folgender  Ordnung  1,  2,  3,  4,  5,  6,  7,  8,  7, 
6,  5,  4,  3,  2,  1  in  die  Kette  gebracht,  gaben  der  Reihe  nach  folgende 
Zahlen:  27,  25,  23V3,  2°;  ^Vs*  lo*U>  6V2>  32/s>  67a>  io7*>  lSlU>  20,  23l/f 
2SX/^  27*L-     Setzt  man  aber  in  obigen  Ausdruck  b  =  20*/*  und  bestimm) 

a  so,  dass  — ^r  =  27ZU>  so  erhält  man  durch  die  Rechnung  Werthe,  die  voi 

22  /4 

den  beobachteten  nirgends  mehr  als  um  einen  halben  Theil  sich  unter- 
scheiden, woraus  zur  Genüge  .hervorgeht,  dass  obige  Gleichung  auch  für  jedi 
Grösse  der  erregenden  Kraft  gültig  bleibt.  Es  fallen  an  diesen  letzten  Ver 
suchen  aber  noch  ausserdem  zwei  wichtige  Punkte  in's  Auge.  Einmal  is 
der  Umstand  merkwürdig,  dass  der  Werth  von  b  sich  unverändert  erhält 
während  die  Kraft  mehr  als  zehn  Mal  geringer  wird,  sodass  a  bloss  voi 
der  erregenden  Kraft,  b  bloss  von  dem  unveränderlichen  Theil  der  Leitunj 
abzuhängen  scheint.  Zweitens  scheint  aus  diesen  Versuchen  hervorzugehen 
dass  die  Kraft  der  thermoelektrischen  Kette,  dem  Temperaturunterschieck 
an  ihren  beiden  Erregungsstellen  genau  proportional  sei. 

„Ich  kann  nicht  umhin,  hier  am  Schlüsse  dieser  Versuche  noch  eine 
Beobachtung  zu  gedenken,  die  Davy^s  Folgerung,  dass  die  Leitungsfähigkei 
der  Metalle  durch  Erniedrigung  der  Temperatur  verstärkt,  durch  Erhöhung 
geschwächt  wird,  auf  eine  mehr  direkte  Weise  bestätigt.  Ich  nahm  einei 
vierzölligen  messingenen  Leiter  und  brachte  ihn  in  die  Kette,  er  gab  15c 
Theile.  So  wie  ich  ihn  in  seiner  Mitte  durch  eine  Weingeistflamme  erhitzte 
nahm  die  Kraft  allmählich  um  20  und  mehr  Theile  ab,  und  die  Wirkung 
blieb  dieselbe,  wenngleich  ich  die  Flamme  mehr  nach  dem  einen  oder  nad 
dem  anderen  Ende  des  Leiters  hinführte,  legte  ich  aber  auf  denselben  eine 
Scheibe  von  geronnenem  Schnee,  so  nahm  die  Kraft  um  2  Theile  zu.  Dk 
Temperatur  des  Zimmers  war  Sl/4°  R.  Diese  Thatsache  ist  darum  hier  nich 
am  unrechten  Orte,  weil  sie  zu  kleinen  Anomalien  Anlass  geben  kann. 


I 

K  Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm 'sehe  Gesetz.  307 

f  „Nachdem  unsere  Gleichung  durch  die  Treue,  womit  sie  alle  durch  die 
rjhermoeiektrische  Kette  in  so  grossem  Umfange  erhaltenen  Resultate  immer 
^ieüci  giebt,  sich  als  den  gültigen  Repräsentanten  der  Natur  hinlänglich 
;  iKwahrt  hat,  wollen  wir  sie  weiter  verfolgen,  um  zu  sehen,  was  sie  noch  in 
~9ran  Schoosse  birgt 

„Wendet  man  sie  zunächst  auf  die  früher  angestellten  hydroelektrischen 
Versuche   an,   so   geben   die   kürzeren  Leiter  für  a  sowohl  als  für  b  stets 
Heinere  Werthe  als  die  längeren,  wodurch  die  schon  unbestimmt  geäusserte 
Vermuthung  bestätigt  wird,   dass  die  Flüssigkeit  in  dem  Maasse  ein 
besserer   Leiter   werde,   als   durch   den   Strom    eine   erhöhte  Ver- 
keilung in  ihr  zu  Stande  gebracht  wird,  dass  aber  auch  in  dem* 
selben  Maasse,  wiewohl  nicht  in  demselben  Verhältnisse,  eine  ent- 
gegengesetzt  erregende   Kraft   auftrete,    die    in   Vereinigung   mit 
der  in  der  Flüssigkeit  eintretenden  Änderung  ihrer  Leitungskraft 
die  Phänomene  des  schon  oft  besprochenen  Wogens  hervorbringt. 
„Ein  blosser  Hinblick  auf  die  Gleichung  giebt  zu  erkennen,   dass  die 
Änderung  der  Kraft  für  einerlei  x  um  so  geringer  ausfallen  müsse,  je  grösser 
t  ist,  und  schon  ein  oberflächliches  Zusammenhalten  der  durch  die  thermo- 
mtd  hydroelektrischen  Ketten  erhaltenen  Resultate  giebt  zu  erkennen,  dass 
der  Werth  von  b  in  dieser  viele  hundert  Male  grösser  ist,   als  in 
jener,  was  offenbar  von  der  als  Leiter  dienenden  Flüssigkeit  herrührt.   Nun 
sind  aber  jene  Versuche  mit  Trögen  angestellt,  deren  eine  Seitenfläche  über 
\    200  Quadratzolle  hielt,  und  da  kleinere  Platten,  nach  allen  bis  jetzt  darüber 
angestellten  Versuchen,  den  Widerstand  der  Flüssigkeit  wenigstens  im  Ver- 
hältnisse ihrer  Grösse  wahrnehmen,   so  folgt,   dass,    bei   einem  Platten- 
paare von  wenigen  Quadratzollen  Oberfläche,  b  einen  viele  tausend 
Male  grösseren  Werth,  als  in  obiger  thermoelektrischen  Kette  der 
Fall  war,  erhalten  müsse.   Zugleich  wird  aber  auch  aus  diesem  Zusammen- 
halten hervorgehen,  dass  die  erregende  Kraft  in  der  hydroelektrischen 
Kette  bei  Weitem  grösser  als  in  der  thermoelektrischen  ist. 

„Nimmt  man  an,  dass  die  Länge  x  des  Leitungsdrahtes  um  ein  Stück  h 
wachse,  und  bezeichnet  die  Verminderung,  welche  dadurch  X  erleidet,  mit  V, 
so  erhält  man  aus  unserer  Gleichung  nach  bekannten  Regeln 

V  h  Ä«  Ä8 

+ 


X         b  +  x  (b  +  *)*    '     {b  +  x)s         

„Ist  mithin  h  sehr  klein  in  Bezug  auf  b  +  xy  so  kann  man  ohne  Irrthum 
setzen 

v  _      h 
X       b  +  x  ' 

_  •  • 

„Es  ist  also  unter  der  gemachten  Voraussetzung  die  Änderung 
der  Kraft  dem  Längenzuwachs  des  Leitungsdrahtes  proportional. 
Dies   Gesetz    ist   dasselbe,   welches  Becquerel1    mittelst   seiner  Vorrichtung 


1  „Schon  Davy  ist  auf  einem  ganz  anderen  Wege  dazu  gelangt  (Gilbert's  Ann.,  neueste 
Folge,  11,  252).    Daselbst  (S.  253)  steht,  wenn  ich  meinem  Auszuge  trauen  darf,  wörtlich  folgende 


308  Elftes  Kapitel. 


erhalten  hat.  In  der  That  ist  bei  seinen  Versuchen  h  schon  sehr  klein  | 
Vergleich  zu  x  und  überdem  scheint  dieser  Physiker,  da  er  sich  des  MuH 
plikators  bedient  hat,  mit  kleinen  Plattenpaaren  experimentirt  zu  haben,  i 
dass  wahrscheinlich  x  wieder  in  Vergleich  zu  b  sehr  klein  wird.  Hief 
dürfte  der  Grund  zu  suchen  sein,  warum  selbst  die  Vervielfältigung  d 
Wirkung  durch  den  Multiplikator  unfruchtbar  geblieben  ist1 

„Wenden  wir  unsere  Gleichung  auf  die  Theorie  des  Volta'scIi 
Apparates  an,  so  giebt  sie  einen  unerwarteten  Aufschluss  über  die  vi 
schiedenartigsten  Erscheinungen. 

„Setzen  wir  nämlich  die  erregende  Kraft  eines  Metallpaares  =  i, 
muss  ein  aus  m  solchen  Metallpaaren  zusammengesetzter  VoLTA'scher  Appar 
weil  jedes  unter  völlig  gleichen  Umständen  zur  Hervorbringung  des  el< 
trischen  Stromes  mitwirkt,  die  erregende  Kraft  m  besitzen.  Messen  wir  n 
den  Widerstand,  welchen  ein  Metallpaar  (mit  Einschluss,  wo  es  erforderii 
ist,  des  dazu  gehörigen  feuchten  Leiters,  jedoch  ohne  auf  die  Veränderung« 
welche  aus  der  Flüssigkeit  der  erregenden  Kraft  und  dem  Widerstände  sei1 
erwachsen,  hier  noch  Rücksicht  zu   nehmen)  dem  elektrischen  Strome  e 


Stelle:  „Ich  habe  ferner  gefunden,  dass  in  VoLTA'schen  Batterieen  von  der  eben  beschriebe 
Art  und  Anzahl  der  Plattenpaare  das  Leitungsvermögen  eines  Drahtes  für  Elektricität  nahe 
Masse  desselben  direkt  proportional  ist,  wie  sich  das  erwarten  Hess.  Wenn  z.  B.  eine  gew 
Länge  eines  Platindrahtes  eine  Batterie  entlud,  so  reichte  von  sechs  Mal  schwererem  Drahte  < 
selbe  Länge  hin,  6  solche  Batterieen  zu  entladen,  wovon  ich  mich  mit  zwei  Platindrahten, 
denen  Stücke  i  Fuss  lang,  1,13  und  6,7  Grain  wogen,  überzeugt  habe;  und  der  Erfolg 
ganz  einerlei,  ich  mochte  im  zweiten  Fall  einen  einzelnen  Draht  von  sechsfacher  Masse  nehi 
oder  6  kleine  Drähte,  die  einander  berührten,  wofern  nur  die  Drähte  in  Wasser  kalt  erha 
wurden.  Dieses  Resultat  allein  schon  beweist,  dass  das  Leitungsvermögen  nicht  im  Verhält 
der  Oberflächen  steht,  wenigstens  nicht  für  Elektricität  dieser  Art.  Noch  deutlicher  thut  di 
folgender  direkte  Versuch  dar:  Von  zwei  gleich  langen  und  gleich  viel  wiegenden  Platindräl 
Hess  ich  den  einen  flach  walzen,  so  dass  er  eine  sechs  bis  sieben  Mal  grössere  Oberfläche  erh 
und  verglich  nun  das  Leitungsvermögen  beider.  In  der  Luft  zeigte  sich  der  abgeplattete  Di 
als  der  bessere  Leiter,  aus  dem  Grunde,  weil  er  sich  in  ihr  schneller  abkühlte;  als  aber  tx 
Drähte  von  Wasser  umgeben  waren,  Hess  sich  keine  Verschiedenheit  in  ihrem  Leitungsvermc" 
wahrnehmen." 

„Nicht  ohne  Grund  vermuthe  ich  in  dieser  Stelle  einen  Übersetzungsfehler,  den  au 
suchen  es  wohl  der  Mühe  lohnte.  Der  Ausdruck  „nahe  der  Masse  desselben  direkt  pro] 
tional"  ist  nämlich  nach  meinen  Versuchen  nur  dann  richtig,  wenn  gleiche  Länge  der  Dri 
vorausgesetzt  wird.  Dies  Hesse  sich  auf  eine  Unbestimmtheit  des  Ausdruckes  schieben,  1 
mit  dieser  Annahme  und  mit  Davy's  eigenen  Versuchen  im  Widerspruche  ist  der  bald  da 
folgende  Satz:  „Von  zwei  gleich  langen  u.  s.  w." 

1  „Dass  diese  Umstände  bei  Becqüerel's  Versuchen  wirklich  vereinigt  da  gewesen  sc 

leite   ich   aus   folgender  Betrachtung  her.     An  seinem   Apparate  war  x  —  200dm   und   h  er! 

allmählich  1,  2,  3  u.  s.  w.  solcher  Einheiten.    Wie  weit  Becquerel  in  der  Veränderung  h  j 

geschritten,   ist  aus  der  Anzeige  im  „Bulletin  universel"  nicht  zu  entnehmen.     Gesetzt  aber, 

h  h 

wäre  schon  bei  h  —  5dm  stehen  geblieben,  so  war  —  =  l/40 ;   wäre  nun  nicht   noch 

x  b  -f*  x 

trächtlich  kleiner  geworden,   so  müsste  seine  so  äusserst  empfindliche  Vorrichtung  den  Einf 

V 
des  zweiten  Gliedes  in  obiger  Entwickelung  von  —  ohne  Zweifel  noch  angezeigt  haben.*4 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm'sche  Gesetz.  399 


Igensetzt,  durch  die  Länge  eines  der  Art  nach  sich  immer  gleich  bleibenden, 
b  Maassstab  dienenden  cylindrischen  Körpers,  und  nennen  wir  die  Länge, 
ei  welcher  er  dem  Strome  einen  Widerstand  darbietet,  der  dem  zu  messen- 
en  völlig  gleich  ist,  die  Widerst  an  dsl  an  ge  des  Metallpaares,  so  springt 
die  Augen,  dass  die  Widerstandslänge  aller  m  Paare  die  m  fache  von  der 
des  einzigen  Paares  sein  werde,  da  alle  als  völlig  gleich  beschaffen  voraus- 
setzt werden.  Drücken  wir  nun  die  Kraft  des  elektrischen  Stromes  eines 
azelnen  Paares  nach  obiger  Gleichung  durch 


b  +  x 

s,  wo  x  die  Widerstandslänge  des  die  Kette  schliessenden  Zwischenleiters 
fstellt,  so  folgt,  dass  man  die  Kraft  der  aus  m  solchen  Paaren  zusammen- 
setzten Verbindung  erhalten  werde,  wenn  man 

„1)  am  für  a  setzt;  denn  aus  den  Versuchen  ergab  sich,  dass  a  der 
regenden  Kraft  proportional  ist; 

„2)  m  b  für  b  setzt;  denn  da  sich  durch  die  Versuche  herausgestellt  hat, 
iss  b  unabhängig  von  der  erregenden  Kraft  ist,  so  giebt  die  Natur  des 
iisdruckes  selbst  zu  erkennen,  dass  b  die  Widerstandslänge  des  Metallpaares 
ine  Zwischenleiter  vorstellen  müsse.1 

„Nimmt  man  noch  ausserdem  an,  dass  die  Widerstandslänge  des  Zwischen- 
iters  in  beiden  Fällen  dieselbe  bleibe,  so  erhalten  wir  folgenden  Ausdruck 
r  die  aus  m  Metallpaaren  zusammengesetzte  VoLTA'sche  Säule: 

am 

1  ,  • 

bm  +  x 

„Vergleicht  man  diesen  Ausdruck  mit  dem  für  die  einfache  Kette  ge- 
indenen,  so  gelangt  man  zu  nachstehenden  Folgerungen: 

„L  Ist  x  =  o}  so  ist  die  Kraft  des  VoLTA'schen  Apparates  der 
raft  der  einfachen  Kette  völlig  gleich,  vorausgesetzt,  dass  beide 
us  einerlei  Elementen  bestehen.  Es  liegt  hierin  das  von  Fourier  und 
teRSTEDT  aus  ihren  Versuchen  (Schweigger's  Jahrb.,  11,  48)  mit  der  thermoelek- 
ischen  Kette  abgeleitete  Gesetz.  Ausserdem  wird  aber  diese  Gleichheit  der 
Wirkung  jedes  Mal  wenigstens  nahehin  eintreten,  wenn  x  in  Vergleich  zu  b 
fhr  klein  wird,  wie  dies  bei  magnetischen  und  Glühversuchen  unter  gewöhn- 
chen  Umständen  der  Fall  zu  sein  pflegt. 

„Wenn  x  =  o  und  überdies  das  b  der  VoLTA'schen  Verbindung 
final  kleiner  als  das  b  der  einfachen  Kette  ist,  so  ist  die  Kraft  in 
;nem  Apparate  wmal  grösser  als  in  diesem.  Dass  sie  grösser  sei, 
iben  ebenfalls  Fourier's  und  Oerstedt's  Versuche  nachgewiesen;  aber  wenn 
e  beiden  ausgezeichneten  Männer  sich  äussern,  dass  die  Wirkung  der  aus 
ehreren  Elementen  bestehenden  Verbindung  viel  geringer  sei,  als  die  Summe 


1  .,Es  wäre  allerdings  möglich,  dass  in  b  ausser  der  Widerstandslänge  noch  ein  beständiger 
eil  enthalten  wäre;  diesen  Fall,  dessen  Erörterung  ich  an  einem  anderen  Orte  unternehmen 
rde,  lasse  ich  jedoch  hier  ganz  unberührt." 


1 

AOO  Elftes  Kapitel. 

der  Wirkungen  aller  einzelnen  Elemente,  so  beweist  dies  nichts  gegen  am 
aus  unserer  Gleichung  fliessende,  mit  jener  Äusserung  im  Widerspruch 
stehende  Gesetz,  da  dieser  Aussage,  wie  sie  selbst  bemerken,  ein  unrichtige! 
Maass  der  Wirkung,  der  Abweichungswinkel  nämlich,  zu  Grunde  liegt 

„IL  Ist  x  sehr  gross  in  Vergleich  zu  btn  und  also  um  so  meh 
in  Vergleich  zu  b,  so  wird  die  Wirkung  der  galvanischen  Batteri 
nahe  »/mal  grösser,  als  die  der  einfachen  Kette.  Dieser  Fall  kan 
bei  Wasserzersetzungs -Versuchen  mit  wenigen  und  grossen  Platten,  um 
wenn  Apparate,  wie  der  CHiLDREN'sche  es  ist,  gebraucht  werden,  selbst  b 
magnetischen  und  Glühversuchen  seine  Anwendung  finden.  Da  indes» 
gerade  hier  die  Flüssigkeit  einen  nicht  zu  vernachlässigenden  Antheil  an  d 
Gesammtwirkung  nimmt,  so  enthalte  ich  mich  noch  aller  weiteren  Folg 
rungen. 

„III.  In  allen  übrigen  Fällen  liegt  die  Stärke  der  Wirkung  d< 
VoLTA'schen  Apparates  zwischen  den  beiden  gefundenen  Grenze 

„Zur  Prüfung  dieser  höchst  einfachen  Theorie  der  galvanischen  Sau 
benutze  ich  die  von  Professor  G.  Bischof  mit  grosser  Sorgfalt  angestellte 
in  Kastner's  Archiv,  4,  H.  i  mitgetheilten  Versuche  über  die  chemisch 
Wirkungen  von  Volta's  Säule.  Zwar  wird  es  bedenklich  scheinen,  obigi 
Ausdruck  auf  einen  hydroelektrischen  Apparat  anzuwenden,  wo  a  und 
wie  gezeigt  worden  ist,  mit  der  Wirkung  zugleich  sich  ändern,  das  Gesc 
der  Änderung  aber  noch  unbekannt  ist.  Diese  Zweifel  werden  durch  d 
Betrachtung  gehoben,  dass,  wie  ebenfalls  oben  erwähnt  worden  ist,  die  dun 
die  Flüssigkeit  veranlasste  Änderung  des  Stromes  in  weit  stärkerem  Verbal 
nisse  als  er  selber  abnimmt.  Im  vorliegenden  Falle,  wo  der  Leiter  x  eh 
nicht  unbeträchtliche  Strecke  reinen  Wassers,  und  noch  dazu  mit  geringe 
metallischen  Berührungsflächen,  als  Theil  in  sich  aufgenommen  hatte,  mu 
die  Stärke  des  Stromes  so  gering  gewesen  sein,  dass  die  Werthe  von  < 
und  b  ohne  Bedenken  als  constant  angenommen  werden  können.  Nad 
diesen  Versuchen  steht  die  wasserzersetzende  Kraft 

von       1234  Säulen 

aus     51       102       153       204  Plattenpaaren 

in  dem  Verhältnisse  der  Zahlen 

37         62         83         100. 

Setzt  man  die  Widerstandslänge  einer  Säule  =  1  und  bestimmt  demgemäß 
x  =  5,  6  und  die  erregende  Kraft  einer  Säule  =  240,  so  erhält  man  durc 
Rechnung  die  Zahlen 

36V3         63         »33/4         100 

mit  einer  Übereinstimmung,  welche  die  Richtigkeit  der  Formel  und  die  G 
nauigkeit  so  zusammengesetzter  Versuche  in  gleicher  Stärke  ausspricht  I 
setzt  diese  Anwendung  allerdings  voraus,  oder  beweist  es  vielmehr,  dass  d 
wasserzersetzende  Kraft  der  Kette  der  magnetischen  proportional  sei. 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm 'sehe  Gesetz.  40 1 

„Ich  will   bei  dieser  Theorie   der  Säule,   zu   deren  Vervollständigung 
! Untersuchungen  erforderlich  sind,  die  ihr  jetzt  noch  abgehen,  nicht  länger 
"verweilen,  sondern  zu  der  ebenso  überraschenden  Theorie  des  Multiplikators 
«beigeben,  die  schon  jetzt  vollendeter  sich  darstellen  lässt. 

„Nehmen  wir  an,  dass  in  eine  galvanische  Kette,  deren  erregende  Kraft  a 
«od  deren  Widerstandslänge  b  ist,  ein  Zwischenleiter  von  der  Widerstands- 
^  finge  m  l  eingeschoben  werde,  so  ist  die  magnetische  Kraft  dieser  Kette 

ohne  Zwischenleiter  =  — 

o 

mit  dem  Zwischenleiter     = 


b  -f-  ml 

Wird  nun  der  Zwischenleiter  in  m  völlig  gleiche  Windungen,  jede  von  der 
Länge  /,  gelegt,  wobei  der  Kürze  wegen  vorausgesetzt  wird,  dass  alle  diese 
Windungen  dem  Namen  nach  in  eine  zusammenfallen,  so  steht  die  magne- 
tische Kraft  dieser  m  Windungen  zu  der  Kraft  einer  ganz  gleichen  Windung 
der  Kette  ohne  Zwischenleiter  in  dem  Verhältnisse 


am 


b  +  ml  *   b 

1s  ist  also  unter  der  Voraussetzung,  dass  a  und  b  beständige  Grössen  sind, 
die  Verstärkungszahl  des  Multiplikators 

am 

b  +  ml  ' 

woraus  man  ersieht,  dass  nur  dann  eine  Verstärkung  der  Wirkung 
durch  den  Multiplikator  möglich  ist,  so  lange  ml<{m—  i)b,  also 
nur  dann,  wenn  eine  Windung  des  Multiplikators  dem  elektrischen 
Strome  weniger  Widerstand  darbietet,  als  die  ganze  Kette  ohne 
Zwischenleiter. 

„Setzt  man  b  =  In,  so  geht  die  Verstärkungszahl  in 

mn 


m  +  n 

über,  woraus  folgt,  dass  ein  Maximum  der  Verstärkung  erreicht  wird, 
wenn  n  in  Vergleich  zu  m  verschwindet,  und  dass  dieses  Maximum 
durch  die  Zahl  n  angezeigt  wird,  welche  anzeigt,  wie  oft  der 
Widerstand,  den  eine  Windung  des  Multiplikators  dem  Strome 
entgegensetzt,  in  dem  Widerstände,  den  die  Kette  mit  Ausschluss 
des  Multiplikators  ihm  darbietet,  enthalten  ist. 

„Die   Wirkung   des   Multiplikators,    nachdem    das    Maximum    der   Ver- 
stärkung eingetreten  ist,  wird  durch 


a 


ausgedrückt  und  ist  also  von  dem  Leitungsvermögen  der  Flüssigkeit  gänzlich 
unabhängig,  nur  die  Anzahl  der  Windungen  muss  in  den  verschiedenen 
Fällen  sich  ändern.     In  Worten  lässt  sich  der  eben  gefundene  Ausdruck  so 

Oftwald,  Elektrochemie.  26 


A02  Elftes  Kapitel. 


darlegen:   Die   Grösse  der  Wirkung  eines   und  desselben  Multipli* 
kators  an   verschiedenen    erregenden  Metallen   ist  der  Spannu 
zwischen  den  beiden  Metallen   proportional;    und   die  Wirkun^    . 
grossen   zweier,    aus   verschiedenem   Drahte   gebildeter   Multiptt£a 
katoren   mit   Windungen  von    derselben   Grösse   und   Gestalt,   z\ 
einerlei  erregenden  Metallen,   verhalten  sich  umgekehrt  wie  di 
Widerstandslängen  einer  Windung  von  jedem.   In  beiden  Fällen 
jedoch  das  Maximum  der  Wirkung  vorausgesetzt. 

„Zur   Bestätigung   obiger   aus    unserer  Gleichung   abgeleiteten 
dienen  mir  Poggendorff's  Versuche  (Isis  182 1,  H.  1),  welche  im  Ein 
mit  den  hier  entwickelten  Bestimmungen  darthun: 

„1)  dass   ein   Maximum    der   Wirkung   vom   Multiplikator   nicht    über- 
schritten werden* könne; 

„2)  dass  dieses  Maximum  für  grosse  und  kleine  Plattenpaare  dasselbe; 
bleibe,   die  Zahl  der  am  Multiplikator  dazu  erforderlichen  Windungen  aber: 
nach  der  Grösse  der  Plattenpaare  sich  richte,  und  zwar  bei  kleineren  Plattes 
grösser  werde; 

„3)  dass  der  aus  dickerem  Drahte  gebildete  Multiplikator  das  grössere 
Maximum  der  Wirkung  gebe. 

„Poggendorff's  Versuche,  die  übrigens  noch  an  mancher  anderen  Stelle 
aus  obigen  Formeln  ihre  Deutung  erhalten,   sind   nicht  geeignet,    Zahlbe- 
stimmungen aus  ihnen  herzuleiten,   da  die  dazu  nöthigen  Angaben  fehlenj- 
auch scheint  bei  den  Versuchen  mit  dem  dicken  Schliessungsdraht  ein  ge- 
waltsam störendes  Hinderniss  in  den  Weg  getreten  zu  sein,   wie  nicht  nur 
aus  der  Ungleichförmigkeit  seiner  Angaben,  sondern  auch  daraus  hervorgeht^ 
dass  die  Resultate  der  kleinen  Kette  mit  demselben  Schliessungsdrahte  so 
ausserordentlich  schwankend  waren,  dass  es  unmöglich  war,  aus  ihnen  eine  ■ 
genügende  Folgerung  herzuleiten.   Darum  verfertigte  ich  mir  zwei  mit  Siegel* 
lack  umzogene  Multiplikatoren,  jeden  aus  220  Windungen  bestehend,  wovon  , 
der  eine  aus  l/5  Linien  dickem  Drahte,  der  andere  aus  demselben  aber  vier 
Mal  länger  gezogenem  Drahte  gebildet  war.    Jeder  war  in  zwei  gleiche  5*/| 
Linien  breite,  5  Linien  von  einander  abstehende  und  2  Zoll  im  Durchmesser 
haltende  kreisrunde  Reifen  vertheilt,  zwischen  denen  genau  in  der  Mitte  die  J 
18  Linien  lange  Nadel  schwebte.   Es  war  eine  solche  Einrichtung  getroffen,  j 
dass   die   beiden  Multiplikatoren   ohne  Zeitverlust  abwechselnd   in   sicherer 
Stellung  unter  die  Nadel  geschoben  werden  konnten.     Kupfer-  und  Zink« 
platten  von  3*/4  Zoll  im  Durchmesser  dienten  als  Erreger  und  eine  starke 
Salmiakauflösung  in  flüssiger  «Form   (weil  ich  gefunden  hatte,   dass  so  die 
Wirkung  sicherer  als  bei  einer  damit  getränkten  Tuchscheibe  sei,  wenn  nur 
die  Flüssigkeit   in   grossen  Massen   angewandt  wird)   diente   als   wässeriger 
Leiter.   Die  Bestimmung  der  Kraft  geschah  auf  ähnliche  Weise,  wie  bei  den 
obigen  Versuchen  und  gab  für  den  aus  stärkerem  Drahte  gebildeten  263 
Theile,  für  den  aus  schwächerem  Drahte  gebildeten  68  Theile,  wodurch  das 
gefundene  Gesetz  seine  volle  Bestätigung  erhält. 


■C   ■      ■     ■     ■        1- 

F  ' 

r 

Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm'sche  Gesetz.  403 

„Sa  wie  eine  Verstärkung  der  Kraft  bis  zu  einem  gewissen  Maximum 
fach  den  Multiplikator  hervorgebracht  wird,  wenn  ml  <  (m  —  1)  b\  so  wird 
■gekehrt,  wenn  ml >  (m  —  1)  6,  durch  ihn  eine  Schwächung  der  Kraft  bis 
n  einem  gewissen  Minimum  veranlasst,  die  sich  nach  denselben  Gesetzen 
lebtet,  wie  sie  eben  für  die  Verstärkung  aufgestellt  worden  sind.  Von  ihrer 
liwendung  kann  hier,  wo  ich  bloss  zur  Absicht  habe,  die  allgemeine  Gültig- 
adt  der  gefundenen  Gleichung  darzuthun,  nicht  die  Rede  sein.  Nur  darauf 
riD  ich  aufmerksam  machen,  dass  in  ihnen  der  Grund  liegt,  warum  der 
falbplikator  die  Wirkung  der  thermoelektrischen  Kette  in  den  meisten 
Sien  schwächt;  denn  es  wird  nicht  leicht  der  Fall  eintreten,  wo  eine  Win- 
hmg  des  Multiplikators  dem  elektrischen  Strome  weniger  Widerstand  dar- 
•etet,  als  die  thermoelektrische  Kette. 

„Wenn  daher  Nobili  (Schweigg.  Journ.  15,  Heft  2)  so  starke  Wirkungen 
ut  Anwendung  des  Multiplikators  erhielt,  so  lag  dies  in  der  Empfindlich- 
eit  seiner  Nadel  und  nicht  in  der  Funktion  des  Multiplikators,  wie  ich 
rieh  durch  folgenden  Versuch  überzeugt  habe.  Eine  ganz  nach  seiner 
Anleitung  verfertigte  Nadel  gab  mir  mit  Zuziehung  eines  aus  1/6  Linien 
kkem  Kupferdrahte  verfertigten  Multiplikators  von  60  Windungen,  die 
iVj  Zoll  im  Durchmesser  hatten,  durch  Berührung  der  Kette  mit  der 
rannen  Hand  Abweichungen,  die  nie  über  20  Grad  kamen,  während  die- 
dbe  Kette,  wenn  sie  als  eine  Windung  von  gleicher  Grösse  mit  denen  des 
fcütiplikators  für  sich  allein  angewandt  wurde,  jene  Nadel  durch  Berührung 
rit  der  warmen  Hand  unter  einem  Winkel  einspielen  machte,  der  70  Grad 
tets  übertraf.  Diese  Vorrichtung  kann  so  abgeändert  werden,  dass  sie  dem 
Dpfindlichsten  Thermoskop  in  nichts  nachsteht. 

„Die  hier  nur  in  groben  Zügen  entworfenen  Theorieen  der  Säule  und 
5  Multiplikators  bestätigen  fast  noch  mehr  als  die  Versuche  selbst,  aus 
inen  sie  geflossen  sind,  die  Wahrheit  des  in  dieser  Abhandlung  entwickelten 
esetzes  der  Leitung  der  Elektricität  an  Metallen.  Die  dem  Scheine  nach 
Tschiedenartigsten  Wirkungen  der  galvanischen  Kette  reihen  sich  in  bunter 
annigfaltigkeit  zu  einem  schönen  Ganzen.  Seebeck's  wichtige  Entdeckung 
heint  den  Faden  zu  spinnen,  der  aus  dem  Labyrinthe  leitet,  in  das  der 
Metrische  Strom  sich  verzweigt" 

Um  die  Bedeutung  gewahr  zu  werden,  welche  die  Theorie  von  Ohm 
r  die  Aufklärung  der  galvanischen  Erscheinungen  hatte,  muss  man  in  den 
itgenössischen  Arbeiten  die  verschiedenen  Bemühungen  studiren,  über  eben 
eselben  Vorgänge  Klarheit  zu  gewinnen,  welche  im  Lichte  dieser  Theorie 
i  unmittelbar  einleuchtende  Notwendigkeiten  erscheinen.  Es  ist  nicht 
»thig,  hier  schon  eine  Auslese  davon  zu  geben;  bei  der  späteren  Schil- 
rung  des  Kampfes  der  beiden  entgegenstehenden  Theorieen  des  Galvanismus 
rd  oft  genug  Gelegenheit  sein,  die  durch  die  Unkenntniss  oder  Missachtung 
s  OHM'schen  Gesetzes  entstehenden  Missverständnisse  und  Irrthümer  kennen 
lernen. 

Eine    ganz  wesentliche  Bedeutung    für   die  Entwickelung   der   Elektro- 

26* 


V 

A 


404  Elftes  Kapitel. 


chemie  wie  der  ganzen  Elektrik  hat  Ohm's  Theorie  durch  die  Einführung 
bestimmter,  genau  definirter  und  daher  messbarer  elektrischer  Grössen.  Il 
der  bisherigen  Darstellung  habe  ich  absichtlich  von  der  ziemlich  unb* 
stimmten  Bezeichnungsweise  der  geschilderten  Zeiten  Gebrauch  gemacht 
ein  Blick  über  jene  älteren  Arbeiten  lässt  erkennen,  dass  von  einer  am 
reichenden  Definition  der  besprochenen  Grössen  nur  in  seltenen  Fällen  dl 
Rede  ist.  Einen  werthvollen  Anfang  dazu  hatte  Coulomb  durch  die  Aul 
Stellung  seines  Gesetzes  (S.  94)  gemacht;  dieses  bezog  sich  auf  eine  Gros« 
welche  Elektricitätsmenge  genannt  wurde,  und  sich  dadurch  bestimm! 
dass  ihr  Betrag  bei  allen  Übertragungen  zwischen  Leitern,  die  vom  Eri 
boden  isolirt  sind,  unverändert  bleibt.  Bei  der  Neigung  jener  Zeit,  alk 
Messbare  zu  materialisiren,  wurde  diese  Grösse  als  eine  Substanz  angeseha 
und  bis  auf  den  heutigen  Tag  ist  mit  dem  Begriff  der  Elektricitätsmenj 
fast  allgemein  die  Vorstellung  einer  Flüssigkeit  —  gewöhnlich  einigermaasM 
verschämt  ein  unwägbares  Fluidum  genannt  — ,  eines  realen  Wesens  ve 
knüpft.  Insofern  dadurch  die  Thatsache  der  quantitativen  Unveränderlich!« 
bei  bestimmten  Vorgängen  ausgedrückt  werden  soll,  kann  man  den  Ausdnx 
zulässig  finden;  einen  weiteren  Nutzen  hat  er  aber  nicht,  und  indem  i 
nicht  zur  Sache  gehörigen  Anschauungen  Vorschub  leistet,  kann  und  mtt 
man  ihn  als  positiv  schädlich  bezeichnen. 

Neben  dieser  Grösse,  die  mit  Hilfe  der  CouLOMß'schen  Drehwage  gl 
messen  werden  und  deren  Betrag  man  der  Kraft  proportional  setzen  kam 
welche  sie  in  der  Einheit  der  Entfernung  auf  einen  bestimmten  elektrisc 
geladenen  Leiter,  dessen  Elektricitätsmenge  man  als  Einheit  nimmt,  ausüh 
giebt  es  nun  eine  sehr  wichtige  andere  elektrische  Grösse,  welche  bei  eina 
und  derselben  Elektricitätsmenge  noch  beliebig  verschieden  sein  kann,  ud 
deren  Betrag  sich  durch  bestimmte  Erscheinungen  kennzeichnet.  Auch  dies 
Grösse  ist  frühzeitig  bemerkt  worden,  und  man  hat  sie  mit  dem  Namen  Spat* 
nung  bezeichnet.  Zu  ihrer  Messung  dienen  die  mit  dem  Namen  der  Elek- 
trometer bezeichneten  Apparate,  welche  zwar  ebenso,  wie  die  Coulom^scJm 
Drehwage  auf  den  Anziehungs-  und  Abstossungserscheinungen  beruhen,  abd 
in  ihrer  Anwendung  sich  von  jener  durch  einen  wesentlichen  Umstand  unt» 
scheiden.  Der  Drehwage  wird  durch  Berührung  mit  einem  Leiter  und  nacb 
folgende  Abtrennung  desselben  eine  bestimmte  Elektricitätsmenge  mitgfr 
theilt,  deren  Menge  aus  der  gemessenen  Kraft  erschlossen  wird.  Bei  dö 
Anwendung  des  Spannungsmessers  oder  Elektrometers  bleibt  dagegen  da 
Apparat  mit  dem  elektrischen  Körper,  dessen  Spannung  gemessen  werdet 
soll,  so  lange  verbunden,  bis  er  zur  Ruhe  gekommen  ist  und  so  viel  „Elek 
tricität"  aufgenommen  hat,  als  er  unter  den  vorhandenen  Umständen  kam 
Es  wird  dadurch  offenbar  eine  Grösse  gemessen,  welche  die  Elektricitatl 
menge  bestimmt,  die  unter  verschiedenen  Umständen  in  einen  und  densdbe 
Leiter  eintreten  kann,  ebenso  wie  die  Spannung  eines  Gases  bestimmt,  wk 
viel  davon  in  ein  gegebenes  Gefäss  eintreten  kann.  In  Fortsetzung  der  obe 
erwähnten  Auffassung  der  Elektricität  als  einer  (elastischen)  Flüssigkeit  la 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm 'sehe  Gesetz.  405 


\ 


nahe,  diese  Eigenschaft  auch  Spannung  zu  nennen.  Halten  wir  uns  von 
Hypothesen  frei,  so  werden  wir  unter  Spannung  die  Eigenschaft  des 
elektrischen  Zustandes  verstehen  können,  vermöge  deren  verschiedene  elek- 
r  Irische  Körper  ihren  elektrischen  Zustand  gegenseitig  beeinflussen.  Werden 
daher  zwei  elektrische  Körper  mit  einander  leitend  verbunden,  so  finden 
wischen  ihnen  zunächst  elektrische  Vorgänge  statt,  welche  in  einem  Ruhe- 
ttstande  enden;  nach  der  Definition  der  Spannung  muss  man  sagen,  dass 
■abdann  die  Spannungen  in  beiden  gleich  geworden  sind. 

Diese  einfachen  Überlegungen  waren  den  Physikern  vor  Ohm  keines- 
wegs fremd;  insbesondere  beruht  die  VoLTA'sche  Theorie  der  Kette  und 
auf  einer  klaren  Erfassung  des  Unterschiedes  zwischen  Spannung  und 
Eektricitätsmenge.  Aber  die  Herausarbeitung  dieser  Begriffe  bis  zu  zahlen- 
'  nassiger  Bestimmtheit  war  nicht  bewerkstelligt  worden,  und  Ohm  war  es 
Torbehalten,  nachzuweisen,  dass  sich  nicht  nur  über  diese  Dinge  reden, 
sondern  auch  mit  ihnen  rechnen  Hess. 

Durch  die  Auffassung  der  elektroskopischen  Kraft  oder  der  Spannung 
\tk  der  treibenden  Kraft  für  die  Bewegung  der  Elektricität,  und  die  Ein- 
führung der  Begriffe  Stromstärke  als  der  in  der  Zeiteinheit  bewegten 
Eektricitätsmenge,  sowie  des  Widerstandes  als  der  von  der  Spannung 
unabhängigen  Ursache,  welche  ausser  dieser  in  einem  gegebenen  Leiter 
St  Stromstärke  bestimmt,  hatte  er  die  Form  gefunden,  in  welcher  sich  die 
Erscheinungen  der  galvanischen  Kette  am  einfachsten  „beschreiben"  Hessen 
(Sl  4),  und  aus  der  Fülle  von  Aufklärung,  welche  die  in  ihrer  Gestalt  so 
iberaus  einfache  Formel  vermittelte,  geht  in  diesem  Falle  ganz  besonders 
deutlich  die  ungeheure  Bedeutung  hervor,  welche  die  angemessene  Begriffs- 
hildung  für  den  Fortschritt  der  Wissenschaft  hat.  Bevor  diese  angemessenen 
Begriffe  gefunden  waren,  hatte  es  überhaupt  nicht  gelingen  wollen,  in  den 
galvanischen  Erscheinungen  eine  zahlenmässige  Gesetzlichkeit  ausfindig  zu 
machen. 

Von  den  zu  diesem  Gegenstande  gehörigen  Arbeiten  Ohm's  ist  nach- 
stehend noch  eine  in  demselben  Jahre,  wie  die  eben  mitgetheilte  Unter- 
suchung erschienene  Arbeit  wiedergegeben,  welche  in  Poggendorff's  Annalen 
unter  dem  Titel:  „Versuch  einer  Theorie  der  durch  galvanische  Kräfte  her- 
vorgebrachten elektroskopischen  Erscheinungen" l  erschien,  und  durch  welche 
Ohm's  Theorie  eine  gewisse  Abrundung  erhielt,  dergestalt,  dass  sein  späteres 
Werk  sich  wesentlich  als  die  Ausarbeitung  der  durch  die  beiden  Abhand- 
lungen angeschlagenen  Themata  darstellt. 

„Vor  Kurzem  habe  ich  in  Schweigger's  Journal  Versuche  bekannt 
gemacht,  die  mich  zu  einer  Theorie  des  elektrischen  Stromes  führten,  welche 
durch  ihre  ganz  ungesuchte  und  doch  vollkommene  Übereinstimmung  mit 
der  Erfahrung  als  die  in  der  Natur  gegründete  sich  zu  erkennen  giebt.  Seit- 
dem aber  bin  ich  so   glücklich  gewesen,    auf  entgegengesetztem  Wege  aus 

1  Pogg.  Ann.  6,  459;  ebenda  7,  45  und   117.   1826. 


406  Elftes  Kapitel. 


der  allgemein  anerkannten  und  in  dieser  Region  obersten  Thatsache, 
wir  mit  dem  Namen  der  elektrischen  Spannung  zwischen  verschied« 
Körpern  zu  bezeichnen  pflegen,  mit  Hilfe  der  Mathematik,  dem  wun< 
vollen  Gedankenmedium,  zwei  den  inneren  Zusammenhang  aller  bei 
galvanischen  Kette  thätig  einwirkenden  Elemente  aufschliessende  Gesetze  xu< 
entdecken,  die  bestimmt  und  doch  so  einfach  alle  früher  gefundenen 
geben  und  ausserdem,  was  jene  noch  zu  wünschen  übrig  Hessen,  in  sich 
fassen  scheinen.  Diese  faktisch  hier  niederzulegen  und  ihre  Anwendung  auf 
besondere  Fälle  in  kurzen  Umrissen  zu  zeigen,  ist  meine  Absicht.  Ihre  Her- 
leitung, die  nicht  so  einfach  werden  dürfte,  und  ihren  Zusammenhang  mit 
denen  von  verwandten  Naturerscheinungen,  behalte  ich  einer  ausführlicheren 
Arbeit  vor,  zu  der  mir,  wie  ich  hoffe,  bald  die  dazu  nöthige  Muse  vergönnt 
werden  wird. 

„Um  aber  hierbei  möglichen  Missverständnissen  vorzubeugen,  mache  ich 
darauf  aufmerksam,  dass  die  bei  der  hydroelektrischen  Kette  auftretende 
Flüssigkeit,  wie  ich  am  erwähnten  Orte  dargethan  zu  haben  glauben  dar£ 
Modifikationen  in  die  Ausdrücke  bringt,  von  denen  ich  hier  wie  dort  noch 
absehe,  was  desto  fuglicher  geschehen  kann,  da  sie  in  den  meisten  Fällen 
ausser  Acht  zu  lassen  sind.  Ebenso  wenig  darf  ich  verschweigen,  dass  es 
mir  hier  nicht  sowohl  um  feste  Begründung  der  einzelnen  Ergebnisse,  al» 
um  möglichst  einfache  Darlegung  derselben  in  ihrem  Zusammenhange  m 
thun  ist. 

,,i)  Es  lassen  sich  die  beiden,  auf  jede  galvanische  Kette  gewöhnlicher 
Art  anwendbaren  Gesetze  durch  folgende  zwei  Gleichungen  kurz  so  aus- 
sprechen : 


a 
7 


X=kw^r  (a) 


u  —  c  =  ±  y  a ,  (p) 

wobei  k  das  Leitungsvermögen,  /  die  Länge,  w  den  Querschnitt  eines  homo- 
genen prismatischen  Leiters,  a  die  an  seinen  Enden  hervortretende  elektrische 
Spannung,1  und  x  die  Länge  eines  Theiles  des  Leiters  bezeichnet,  der  von 
einem    in    dem  Leiter   unveränderlich,    übrigens  willkürlich   angenommenen 
Querschnitte,  der  zum  Anfangspunkte  der  Abscissen  gewählt  worden  ist,  bis 
zu  einem  innerhalb  des  Leiters  veränderlich  gedachten  Querschnitte  reicht;  , 
ferner  stellt  X  die  auf  der  ganzen  Länge  des  Leiters  unveränderlich  sfch  ! 
erhaltende  Stärke  des  elektrischen  Stromes  und  u  die  Intensität  der  auf  das  \ 
Elektrometer  wirkenden,   an  der  durch  x  bezeichneten  Stelle   befindlichen 
und  mit  ihr  veränderlichen  Elektricität  vor;  endlich  ist  c  eine  durch  gegebene 
Umstände  noch  zu  bestimmende,  von  x  unabhängige  Grösse.   Das  doppelte 
Zeichen  in  der  Gleichung  (6)  bestimmt  sich  danach,   ob  die  Richtung  der 


1  „Es  ist  wohl  überflüssig,  zu  bemerken,  dass  die  Homogeneität  des  Leiters  und  die  an 
seinen  getrennten  Enden  hervortretende  Spannung  nur  deshalb  fingirt  sind,  um  von  den  ein- 
fachsten Betrachtungen  ausgehen  zu  können." 


Dm  ekktromAgnetitchen  Erscheinungen  und  das  Ohm'sche  Gesetz.  407 


^Abrissen  von  mehr  —  thätigen  Stellen  nach  mehr  +thätigen  geht,  oder  ob 
umgekehrt 

„2)  Eine  ganz  einfache  Zerlegung  der  Gleichung  (a)  fuhrt  zu  besonderen 
t  Gesetzen,  von  denen  ich  folgende  heraushebe: 

[  JL  Die  Starice  des  elektrischen  Stromes  bleibt  in  verschiedenen  Leitern 
sich  völlig  gleich,  wenn,  bei  gleicher  Spannung  an  ihren  Enden,  ihre 
Längen  sich  verhalten  wie  die  Produkte  aus  ihren  Querschnitten  in 
die  ihnen  eigentümlichen  Leitungscoefficienten,  mithin 

,/i)  bei  gleicher  Spannung  und  gleichem  Leitungsvermögen,   wenn 

ihre  Langen  sich  verhalten  wie  ihre  Querschnitte; 
yJb)  bei  gleicher  Spannung  und  gleichem  Querschnitte,   wenn  sich 
ihre  Längen  wie  die  Zahlen  verhalten,   durch  welche  ihre  Lei- 
tungsgüte ausgedrückt  wird. 
„IL  Bei   gleichem  Leitungsvermögen   und   gleichem  Querschnitte   in   ver- 
schiedenen  Leitern   richtet   sich   die   Stärke  des   Stromes   nach   dem 
Quotienten,   der   gebildet  wird   aus   der   an   den  Enden   eines  jeden 
Leiters   hervortretenden   elektrischen   Spannung   und    aus    der   Länge 
desselben  Leiters. 
„Es  hält  nicht  schwer  mit  Zuziehung  der  Gleichung  (6)  sich  zu  über- 
_    migen,   dass  die  in  I.  ausgesprochenen  Gesetze  noch  wahr  bleiben,   wenn 
anstatt  der  ganzen  Leiter  irgend  beliebige  Theile  derselben  betrachtet  werden. 
Dadurch  wird  es  möglich,  für  jeden  Theil  des  homogenen  und  prismatischen 
Leiters  einen  anderen  von   gegebenem  Leitungsvermögen    und   gegebenem 
Querschnitte  zu  setzen,   der  den  elektrischen  Strom  in  Nichts  ändert,    und 
umgekehrt  jeden  aus  Theilen  von  verschiedenem  Leitungsvermögen  und  ver- 
schiedenem Querschnitte  bestehenden  Leiter  in  einen  anderen  zu  verwandeln, 
j    der  in  seiner  ganzen  Länge  einerlei  Leitungsvermögen  und  einerlei  Quer- 
j    schnitt  hat,   wenn  man  nur  jenem  Gesetze  gemäss  ihre  Längen  sich  ver- 
ändert denkt   Auf  solche  Weise  ist  es  erlaubt,  die  Gleichung  (a)  in  folgende 
einfachere 

umzuändern,  wobei  bloss  zu  bemerken  ist,  dass  jede  Länge  eines  Leiters 
oder  Theil  des  Leiters,  dessen  Leitungsvermögen  oder  Querschnitt  von  den 
zur  Norm  gewählten  abweicht,  zuvor  erst  nach  dem  Gesetze  I.  reducirt 
gedacht  werden  müsse.  Die  so  gedachten  Längen  werde  ich  in  der  Folge 
deshalb  reducirte  Längen  nennen. 

„3)  Das  Gesetz  L  a  ist  zuerst  von  Davy  aufgefunden  und  später  von 
Barlow,  Bequerel  und  mir  bestätigt  worden,  jedoch  erstreckten  sich  alle 
dabei  vorkommenden  Versuche  stets  nur  auf  einzelne  und  zwar,  wie  zu  ver- 
muthen  ist,  relativ  sehr  kurze  Theile  der  ganzen  Leitung.  Das  Gesetz  I.  b 
giebt  die  Rechtmässigkeit  der  von  Becquerel  und  mir  eingeschlagenen 
Methode  zur  Bestimmung  des  Leitungsvermögens  verschiedener  Metalle  zu 
erkennen,  und  die  dabei  von  mir  gemachte  Erfahrung,  dass  Leiter  von  einem 


408  Elftes  Kapitel. 


und  demselben  Metalle ,  in  chemischer  Hinsicht,  doch  unter  veränd 
Umständen  verschiedene  Leitungsfähigkeit  besitzen  können,  scheint, 
sie  sich  bewährt,  darauf  hinzudeuten,  dass  das  Leitungsvermögen  der  Köi 
noch  von  anderen,  bis  jetzt  ganz  ausser  Acht  gelassenen  Umständen  abhängig 
sei.  Das  Gesetz  IL  ist  früher  von  mir  aus  vielen  mit  Sorgfalt  an  der  therm»» 
elektrischen  Kette  gemachten  Versuchen  hergeleitet  und  in  SchweiggotV 
Journal  a.  a.  O.  zuerst  in  seiner  Allgemeinheit  ausgesprochen  worden;  c$ 
bildet,  wie  ich  dort  gezeigt  zu  haben  glaube,  die  Grundlage  zu  einer  Theonfe; 
des  Multiplikators  und  der  Säule,  mit  deren  Ausbau  ich  eben  noch  beschäftigt 
bin.  Die  Gleichung  (a)  schliesst  fast  alle  von  der  Stärke  des  Stromes 
abhängigen  Erscheinungen  in  sich,  und  doch  ist  sie  nur  der  besondere  Aus- 
druck einer  weit  allgemeineren  Bestimmung. 

„Ich  werde  nun  bemüht  sein,  aus  der  Gleichung  (&)  die  Fälle  elektro- 
skopischer  Erscheinungen  zu  entwickeln,  wie  sie  die  Mannigfaltigkeit  von 
Thatsachen,  welche  Galvanos  wundervolle  Entdeckung  mit  beispielloser 
Thätigkeit  von  ihrem  ersten  Ursprünge  an  bis  jetzt  zu  Tage  gefördert  hat, 
nur  immer  zu  erwarten  berechtigt.  Die  vollkommene  Übereinstimmung  der 
hier  aus  theoretischen  Betrachtungen  abgeleiteten  Gesetze  mit  denen  der 
Erfahrung,  da  wo  sie  sich  begegnen,  lässt  keinen  Zweifel  übrig,  dass,  wo  die 
Versuche  mangeln,  man  nur  die  Natur  zu  fragen  haben  werde,  um  einen 
vollkommenen  Einklang  zwischen  beiden  zu  Stande  zu  bringen. 

„Der  leichteren  Übersicht  wegen  werde  ich  die  durch  galvanische  Kraft 
hervorgebrachten  elektroskopischen  Erscheinungen  an  der  einfachen  Kette 
und  an  VoLTA'schen  Zusammensetzungen  besonders  untersuchen. 

A.    Elektroskopische  Erscheinungen  an  der  einfachen  Kette. 

„4)  Die  Gleichung  (b)}  welche  für  die  einfache  Kette  gilt,  zeigt  auf  den 
ersten  Blick,  dass  die  mit  u  bezeichnete  elektroskopische  Kraft  auf  gleiche 
Strecken  des  Leiters  immer  um  gleich  viel  sich  ändere,  und  zwar  nach  der 
einen  Seite  hin  beständig  fort  stärker,  nach  der  anderen  Seite  dagegen  stets 
schwächer  werde;  wenn  daher  an  irgend  einer  Stelle  innerhalb  des  Leiters 
u  =  o  ist,  so  wird  in  gleichem  Abstände  von  dieser  Stelle  eine  gleich  starke 
Elektricität  sich  zeigen,  die  aber  auf  der  einen  Seite  als  positive,  auf  der 
anderen  als  negative  sich  zu  erkennen  giebt.  Die  Erfahrung  lehrt  aber,  dass 
immer,  wo  sich  Elektricität  selbständig  entwickelt,  stets  beide  zugleich  und 
in  gleicher  Stärke  hervortreten,  daher  darf  man  wohl  annehmen,  dass  in 
der  sich  selbst  überlassenen  galvanischen  Kette  an  ihren  Enden,  wo  die 
Elektricitätserregung  stattfindet,  diese  Kräfte  als  entgegengesetzte  und  gleich 
starke  erscheinen  werden.  Es  kann  indessen  auch  geschehen,  dass  die  Kette 
durch  äussere  Einwirkungen  bestimmt  wird,  an  irgend  einer  ihrer  Stellen 
einen  von  dem  natürlichen  abweichenden  elektrischen  Zustand  anzunehmen, 
der  selbst  wieder  entweder  bleibend  oder  auch  von  der  Zeit  abhängig  sein 
kann.  Im  Folgenden  wird  häufig  der  Fall  vorkommen,  wo  die  elektroskopische 
Kraft  der  Kette  an  irgend  einer  Stelle   dadurch   bleibend  vernichtet  wird, 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm'sche  Gesetz.  40Q 


diese  Stelle  vollkommen  ableitend  berührt  wird.  In  jedem  solchen 
Falle  muss  die  Konstante  c  aus  den  obwaltenden  Umständen 
wieder  besonders  bestimmt  werden. 
„Zunächst  wollen  wir  den  Fall  betrachten,  wo  die  Kette  sich  gänzlich 
iberiassen  bleibt  Da  in  diesem  Falle,  nach  dem,  was  eben  darüber  gesagt 
worden  ist,  der  Werth  von  u  an  den  beiden  Enden  des  Leiters  gleich,  aber 
;  entgegengesetzt  wird,  so  ergiebt  sich,  wenn  man  dieser  Bedingung  gemäss 
die  Konstante  c  bestimmt  und  dabei  den  Anfangspunkt  der  Abscissen  in 
das  positive  Ende  des  Leiters  legt, 

c  =  \a 


mithin 


±1-  X 

u  =  - — —  -  a 


\  es  ist  also  in  der  Mitte  einer  solchen  Kette  die  elektroskopische 
Kraft  null,  von  da  erhält  sie  nach  beiden  Enden  hin  allmählich 
und  gleichförmig  steigende  Werthe,  die  jedoch  nach  dem  Anfangs- 
punkte der  Abscissen  hin  positiv,  nach  dem  entgegengesetzten 
Ende  hin  negativ  werden,  und  in  den  Enden  selbst  ihren  höchsten 
Stand  erreichen,  der  für  jedes  Ende  die  halbe  Spannung  beträgt. 
„5)  Es  hält  nicht  schwer,  aus  den  Gleichungen  (a  und  b)  zu  entnehmen, 
dass  ein  Nichtleiter  einem  Leiter  von  unendlicher  Länge  gleich  zu  setzen 
si  In  diesem  Falle  wird  aber  nach  der  in  4  aufgestellten  Gleichung  für 
jeden  endlichen  Abstand  von  dem  positiven  Ende 

u  =  +\a 
für  jeden  endlichen  Abstand  von  dem  negativen  Ende 

u  =  —\a; 

wenn  also  irgendwo  im  Innern  der  Kette  ein  Nichtleiter  einge- 
schoben, d.  h.  wenn  die  Kette  irgendwo  geöffnet  wird,  so  ist  für 
das  Ganze  mit  dem  +Ende  in  Verbindung  bleibende  Stück  der 
Kette  die  elektrische  Kraft  positiv  und  überall  gleich  der  halben 
Spannung,  ebenso  ist  sie  für  das  ganze  mit  dem  —Ende  zusammen- 
hängende Stück  der  Kette  überall  gleich  der  halben  Spannung, 
aber  negativ. 

„6)  Stellt  man  sich,  wie  es  der  Natur  der  Sache  am  angemessensten 
ist,  den  Leiter  so  um  sich  selbst  herumgeführt  vor,  dass  seine  bisher  aus- 
einander liegend  gedachten  Enden  sich  berühren,  jedoch  mit  steter  Beibe- 
haltung ihrer  vorigen  Spannung,  so  bleibt,  wenn  man  sich  die  Abscissen 
auf  dem  Umfange  oder  vielmehr  in  der  Axe  des  zur  Figur  geschlossenen 
Leiters  genommen  vorstellt,  Alles  noch  wie  bisher;  aber  man  muss  sich 
hüten,  die  Abscissen  nicht  über  den  Punkt,  in  welchem  die  Enden  sich 
berühren,  hinausgehen  zu  lassen,  weil  für  solche  Längen  der  Abscissen  die 
Gleichung  nicht  mehr  gültig  ist.  Man  wird  sich  jedoch  durch  eine  einfache 
Betrachtung  leicht  überzeugen  können,   dass  der  für  Abscissen,   welche  die 


4IO  Elftes  Kapitel. 


Berührungsstelle  einmal  überspringen,  aus  der  Gleichung  gezogene  W< 
für  u  von  dem  wahren,  stets  nur  um  die  ganze  an  der  Berührungsstdt 
stattfindende  Spannung  sich  unterscheide,  und  zwar  um  diesen  Werth 
gross  oder  zu  klein  ausfalle,  je  nachdem  der  Sprung  von  der  positiven  nach 
der  negativen  Seite  oder  umgekehrt  geschieht.  Man  kann  also  die  Absciaseti! 
ganz  allgemein,  positiv  oder  negativ  und  von  jeder  Grösse,  nehmen,  wem: 
man  nur  jedes  Mal,  wo  ein  Sprung  über  die  Berührungsstelle  geschieht,  dat 
aus  der  Gleichung  erhaltenen  Werth  von  u  um  a  vermehrt  oder  vermindert^ 
je  nachdem  der  Sprung  von  der  negativen  nach  der  positiven  Seite  oder 
umgekehrt  geschieht.  Diese  Bemerkung  ist  von  Gewicht,  weil  durch  sie  aDe 
Betrachtungen  an  der  Säule  sehr  vereinfacht  werden. 

„7)  Fassen  wir  nun  den  elektrischen  Zustand  einer  einfachen  galva- 
nischen Kette  ins  Auge,  welche  an  irgend  einer  Stelle  eine  vollkommene 
Ableitung  erhält.  Für  diese  Stelle,  wo  x  =  l  sein  mag,  ist  u.=  o,  uadL 
bestimmt  man  dieser  Bedingung  gemäss  die  Konstante,  so  wird 


l 

c  =  — a 
l 


wenn  alles  übrige  wie  in  4  bleibt;  man  erhält  demnach 


Es  ist  aber 

1-  x 


u  = 

l 

/ 

X 

—  a  . 

i'- 

X 

—  1 

<r  . 

|/-i 

(?) 


wenn  also  irgend  eine  Stelle  der  einfachen  galvanischen  Kette 
eine  vollkommene  Ableitung  erhält,  so  ist  die  elektroskopischc 
Kraft  irgend  einer  anderen  Stelle  der  Unterschied  zwischen  den 
beiden  Kräften,  welche  die  zuletzt  gedachte  und  die  ableitend 
berührte  Stelle  in  der  sich  selbst  überlassenen  Kette  besitzen. 

„Wenn  demnach  die  einfache  galvanische  Kette  an  einem  ihrer 
Endpunkte  ableitend  berührt  wird,  so  wächst  die  elektroskopische 
Kraft  ihres  anderen  Endpunktes  zur  doppelten  an. 

„8)  Stellt  man  sich  die  Kette  irgendwo  in  ihrem  Inneren  geöffnet  vor, 
d.  h.  nimmt  man  /  =  00  an,  so  sind  dabei  zwei  Fälle  zu  unterscheiden.  Ent- 
weder beziehen  sich  l  und  x  beide  auf  dasselbe  Stück  der  getrennten  Kette, 
dann  ist  l  —  x  stets  endliche  Grösse  und  also  u  =  o  für  jedes  x\   oder  1 
und  x  beziehen  sich  auf  Punkte,  die  in  den  verschiedenen  Stücken  der  ge- 
theilten  Ketten  liegen,  dann  kann  man  X  —  x  stets  gleich  ±  /  setzen,  abo 
ist  u  =  ±  a  für  jedes  x.   Der  positive  Werth  muss  für  u  genommen  werden, 
wenn  l  >  x,  d.  h.  wenn  x  sich  auf  einen  Punkt  bezieht,  der  zu  dem  Stücke 
gehört,  in  welchem  das  positive  Ende  liegt;  im  Gegentheile  muss  für  u  der 
negative  Werth   genommen  werden.     Wenn   demnach   das   eine   Stück 
der  offenen  galvanischen  Kette  an  irgend  einer  Stelle   ableitend 
berührt  wird,   so  wächst  die   elektroskopische    Kraft   einer  jeden 
Stelle  des  anderen  Stückes  zur  doppelten  an. 


f 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm'sche  Gesetz.  a\\ 

t  ■■  =         -.—.--=■ 

L. 

„9)  Alles,  was  in  6  gemeldet  worden  ist,  findet  auch  hier  noch  seine 
Anwendung,  nur  ist  zu  bemerken,  dass  mit  dem  aus  der  Gleichung  für  u 
hergeholten  Werthe  nicht  bloss  wenn  x,  sondern  auch  wenn  X  die  Berüh- 
Tongsstelle  überspringt,  eine  Änderung  vorgenommen  werden  muss.  Die 
Änderung  für  X  ist  dabei  der  für  x  an  Grösse  gleich,   aber  der  Art  nach 

entgegengesetzt,  wie  sich  sogleich  aus  der  in  7  für  — - —  a     aufgestellten 

Form  $  ersehen  lässt 

„10)  Diese  Grundphänomene  aller  elektroskopischen  Äusserungen  gal- 
vanischer Kräfte  sind,  was  die  offene  Kette  angeht,  durch  die  Erfahrung 
schon  hinlänglich  bestätigt,  und  auch  in  Beziehung  auf  die  geschlossene 
Kette  giebt  der  auf  Amp£re*s  Veranlassung  von  Becquerel  an  ihr  gemachte 
Versuch1  einen  nicht  unwichtigen  Beleg  ab.  Da  zudem  die  aus  diesen 
Grundphänomenen  weiter  unten  für  die  Säule  abgeleiteten  ähnlichen  Erschei- 
nungen durch  Versuche,  von  Meistern  in  dem  Fache  angestellt,  mehrfach 
bestätigt  werden,  so  ist  durch  die  vollkommene  Übereinstimmung  jenes  Theils 
der  Theorie  mit  der  Erfahrung  die  Wahrheit  dieses  Theils  schon  mit  gegeben, 
und  so  sehe  ich  es  gern,  eigene  noch  nicht  ganz  zu  Ende  geführte  Versuche 
darüber  hier  übergehen  zu  können. 


B.  Elektroskopische   Erscheinungen   an  VoLTA'schen  Zusammen- 
setzungen. 

„11)  Wir  stellen  uns  unter  ABC  DA  einen  in  sich  selbst  zurücklaufenden 
Leiter  vor,  der  n  verschiedene  Erregungsstellen  von  A  bis  B  besitzt,  wovon 
die  erste  in  A>   die  letzte  in  B  liegt,    und    nennen   den 

Theil  AB  des  Leiters  die  Säule,  die  Punkte  A  und  B  ihre      A       _     D 

Pole,  und  den  Theil  ADCB  den  Schlussleiter  der  Säule. 
Wir  nehmen  an,  dass  alle  Erregungsstellen  auf  völlig 
gleiche  Weise  und  in  gleicher  Stärke  wirken,  und  be- 
zeichnen die  Spannung  an  jeder  solchen  Stelle  für  sich 
betrachtet  mit  a;  ferner  nehmen  wir  an,  dass  alle  zwischen      ß  c 

zwei  unmittelbar  auf  einander  folgenden  Berührungsstellen 
liegenden  Theile  des  Leiters  von  gleicher,  wo  es  sein  muss,  reducirter  Länge 
seien,  und  bezeichnen  die  Länge  eines  solchen  Theiles  mit  6,  so  wie  die 
Länge  des  Schlussleiters  mit  yy  so  dass  also  die  Länge  des  ganzen  Leiters 
/=(«—  1)6  +y.  Setzen  wir  nun  noch  fest,  dass  alle  Erregungsstellen  ihre 
positive  E  in  der  Richtung  BAy  ihre  negative  E  in  der  Richtung  AB  aus- 
strömen, und  legen  wir  den  Anfangspunkt  der  Abscissen  jedes  Mal  in  den 
Punkt  A  des  Schlussleiters,  so  ist  es  nach  Obigem  ein  Leichtes,  die  elektro- 
skopische Kraft  irgend  eines  Punktes,  dessen  Abscisse  x  sein  mag,  unter 
der  Voraussetzung  anzugeben,  dass  nur  eine  Erregungsstelle  allein  wirksam 
sei.  Man  erhält  nämlich  diese  Kraft  nach  4  unter  der  gemachten  Voraus- 
setzung 

1  „Pooo.  Ann.  2,  St  2.  207.** 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm'sche  Gesetz.  a\7 


»J 


Denkt  man  sich  den  Schlussleiter  irgendwo  geöffnet,  so  wird 
oo  =  /,  es  tritt  also  in  diesem  Falle  stets  das  Maximum  der 
mnung  ein. 

>*l3)  Wir  gehen  nun  zur  Betrachtung  solcher  Punkte  über,  die  inner- 
mSb  der  Säule  liegen,  und  nehmen  an,  dass  der  Punkt,  dessen  Abscisse  x 
ft,  zwischen  der  *wten  und  m  +  I  ten  Erregungsstelle  sich  befinde.  In 
fiesem  Falle  überspringt  die  Abscisse  alle  unterhalb  des  Punktes  liegende 
Enegungsstellen,  deren  n  —  tn  sind,  darum  muss,  nach  dem,  was  in  6  he- 
uertet worden  ist,  zu  der  in  1 1  gefundenen  Summe  noch  der  Werth  [n  —  tri)  a 
hinzugefügt  werden;  hinzugefügt,  weil  der  Sprung  überall  von  der  negativen 
■ach  der  positiven  Seite  geschieht.  So  erhalten  wir  für  die  elektroskopische 
Kraft  eines  innerhalb  der  Säule  zwischen  der  /«ten  und  tn  +  iten  Erregungs- 
pfeQe  befindlichen  Punktes  folgenden  Ausdruck 


'  n  {\y  -  .v) 

-  -^ a  +  {n-m)a, 

<todcher  zu  erkennen  giebt,  dass  die  Säule  in  einem  eigenen  Zustande 
elektrischer  Vertheilung  sich  befindet,  von  dem  ich  bloss  erwähnen 
'Will,  dass  er  an  jeder  Erregungsstelle  sich  plötzlich  um  die  ganze 

Spannung  ändert. 

„Setzt   man  in  dem  eben  gefundenen  Ausdrucke  y  =  oo,    d.  h.  denkt 

man  sich  den  Schlussleiter  geöffnet,  so  verwandelt  er  sich  in 

(\  n  —  ;//)  a , 

worin  in  der  That  das  für  die  offene  isolirte  Säule  längst  schon  durch  Ver- 
suche aufgefundene  einfache  Gesetz  liegt. 

„14)  Wir  wollen,  ehe  wir  die  isolirte  Säule  verlassen,  noch  einen  Fall 
ins  Auge  fassen,  der  seiner  Besonderheit  wegen  diese  Berücksichtigung  ver- 
dient Nimmt  man  nämlich  y  =  b>  d.  h.  denkt  man  sich  eine  im  Kreise 
herumgeführte  und  in  sich  selbst  zurücklaufende  Säule,  so  verwandelt  sich 
der  den  elektrischen  Zustand  irgend  eines  Punktes  der  Säule  bezeichnende 

Ausdruck  in 

n  (4-  b  -  x)      ,    , 

— *— a  +  (n  ■—  ;//}  a 

oder,  wenn  man  für  /  seinen  Werth  nb  und  für  x  den  Werth  (»  —  tn) 
t  +  d  setzt,  wobei  d  die  Entfernung  des  zu  x  gehörigen  Punktes  von  der 
zunächst  unter  ihm  liegenden  Berührungsstelle  bezeichnet,  in 

\b  -  d 

b  ' 

bei  dieser  Anordnung  befindet  sich  also  jeder  zwischen  zwei   un- 
mittelbar aufeinander  folgenden  Erregungsstellen  liegende  Theil 
der  Säule   genau   in    demselben    elektrischen  Zustande,    als   wenn 
er  für  sich   allein  eine  einfache  galvanische  Kette  mit  der  Span- 
nung a  ausmachte. 

„15)    Wir  wollen  jetzt  den   elektrischen   Zustand  der   an   irgend   einer 
Stelle  ableitend  berührten  Säule  untersuchen.     Dabei  lassen  wir  alle  in  1 1 


a\a  Elftes  Kapitel. 


festgesetzten  Benennungen  und  Bezeichnungen  stehen  und  fügen  noch  ül 

diess  hinzu,   dass  X  die  Abcisse  der  ableitend  berührten  Stelle  ausdrücket 

soll.     Nach  dem,  was  in  7  bereits  auseinander  gesetzt  worden  ist,  lässt  skh 

nun  leicht  einsehen,  dass  jede  Erregungsstelle,  für  sich  genommen,  auf  den 

zu  x  gehörigen  Punkt  des  Leiters  ABC  DA  mit  der  für  alle  Erregungsstellen 

gleich  bleibenden  Kraft 

X  -  x 
-i~a 

wirke,  so  dass  also  der  Ausdruck  für  die  Kraft  desselben  Punktes,  wenn  alle 
Erregungsstellen  zugleich  wirkend  gedacht  werden,  übergeht  in 

n  ().  —  x) 

welcher  Ausdruck  jedoch  nur  so  lange  wahr  bleibt,   als   die   zu  x  und  X  \ 
gehörigen  Punkte  nicht  über  den  Schlussleiter  hinausfallen,  weil  im  Gegen- 
theile  nach  dem,   was  in  9  bemerkt  worden  ist,   besondere  Änderungen  an 
ihm  vorzunehmen  sind.  1 

„16)  Der  für  den  elektrischen  Zustand  des  Schlussleiters  gefundene 
Ausdruck 

n{k-x) 

welcher  sofort  gültig  ist,  wenn  X  <y,  zeigt,  dass  der  Schlussleiter  einer 
geschlossenen  Säule,  wenn  er  an  irgend  einer  seiner  Stellen  ab- 
leitend berührt  wird,  genau  in  dem  Zustande  einer  einfachen  gal- 
vanischen Kette  von  seiner  Länge  sich  befindet,  die  an  derselben 
Stelle    ableitend    berührt   worden    ist,    und    an    ihren   Enden   die 

Spannung  ~a  hat.     Hieraus   lassen   sich    nun  wieder   alle   in   12  schon 

enthaltenen  besonderen  Folgen  ziehen. 

„Wenn  X  >  y,  d.  h.  wenn  die  ableitend  berührte  Stelle  in  die  Säule, 
wir  wollen  setzen  zwischen  die  tn'te  und  die  tri  +  ite  Erregungsstelle,  hinein- 
fällt, so  überspringt  X  alle  unterhalb  dieses  Punktes  liegende  Erregungsstellen, 
deren  n  —  tri  sind;  daher  muss,  nach  dem*  was  oben  in  9  angemerkt  worden 
ist,  von  dem  eben  gefundenen  Ausdrucke  der  Werth  (n  —  m')  a  subtrahirt 
und  danach  das  eben  aufgestellte  Gesetz  abgeändert  werden. 

„17)  Wir  gehen  nun  zur  Betrachtung  des  elektrischen  Zustandes  der 
Säule  selbst  über,  und  nehmen  dabei  an,  dass  der  zu  x  gehörige  Punkt 
zwischen  der  wten  und  m  +  iten,  der  zu  X  gehörige  zwischen  der  trittn 
und  tri  +  1  ten  liege.  In  diesem  Falle  werden  n  —  tn  Erregungsstellen  von 
x  und  n  —  tri  von  X  übersprungen.  Darum  muss,  nach  dem,  was  in  9 
gesagt  worden  ist,  in  Bezug  auf  x  der  Werth  {n  —  tri)a  addirt  und  in  Bezug 
auf  X  der  Werth  (n  —  tri)  a  subtrahirt  werden.  So  verwandelt  sich  der  in  1 5 
gefundene  Ausdruck  für  diesen  Fall  in  folgenden: 

n(k  —  x)  , 

— - — -  a  +  (tn  —  tn)  a , 


I 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm 'sehe  Gesetz.  a\  C 


?  welcher  zeigt,  dass  auch  hier  wie  in  13  die  Säule  in  einem  beson- 
7;  deren  Zustande  elektrischer  Vertheilung  sich  befindet,  der  an 
L  jeder  Erregungsstelle  eine  plötzliche,  die  einfache  Spannung  aus- 
bauchende Änderung  erleidet. 

„Setzt  man  in  dem  zuletzt  gefundenen  Ausdrucke  /=  00,  d.  h.  denkt 
\  man  sich  den  Schlussleiter  geöffnet,  so  verwandelt  er  sich  in 

(m '  —  tn)a, 

worin  in  der  That  das  für  die  offene  und  an  einer  ihrer  Stellen 
ableitend  berührte  Säule  längst  schon  durch  Versuche  aufge- 
fundene einfache  Gesetz  liegt. 

„18)  Setzt  man  auch  hier,  wie  in  14  geschehen  ist,  y  =  b  und  sub- 
stituirt  für  /  seinen  Werth  nb  und  für  x  und  X  die  Werthe  mb  +  d  und 
wib  -4-  d' y  wobei  d  und  d'  die  Entfernungen  der  zu  x  und  X  gehörigen 
Punkte  von  den  zunächst  unter  ihnen  liegenden  Erregungsstellen  bezeichnen, 
so  verwandelt  sich  der  in  17  gefundene  Ausdruck  in  folgenden: 

d'  -  d 
-j-a; 

bei    dieser  Anordnung    befindet    sich    also    jeder    zwischen    zwei 
unmittelbar    auf   einander    folgenden   Erregungsstellen    liegende 
Theil    der   Säule  genau   in  demselben  elektrischen   Zustande,   als 
wenn  er  für  sich  allein  eine  einfache  galvanische  Kette  ausmachte, 
deren  Spannung  a  ist  und  die  an  einem  Punkte,  dessen  Abscisse  df 
ist,  ableitend  berührt  wird.    Die  an  einem  Elemente  vorhandene  Ablei- 
tung wiederholt  sich  auf  eine  unsichtbare  Weise  an  jedem  anderen  Elemente. 
„19;  Wir  wollen  nun  noch   zum   Schlüsse  dieser  Betrachtungen  einen 
in  sich  selbst  zurückkehrenden  Leiter  AB  CDA  untersuchen,  der  bloss  zwei, 
aber  entgegengesetzt  wirkende,   Erregungsstellen  A  und  B  besitzt.     Lassen 
wir  hier   alle  in    11    und  15    gebrauchten   Bezeichnungen   stehen,   so  wird, 
wenn  wir  uns  die  Stelle  A  ganz  wie  dort  wirkend  vorstellen,  durch  sie  dem 
zu  x  gehörigen  Punkte  die  elektroskopische  Kraft 


*, 


und  auf  ähnliche  Weise,  wenn  wir  uns  die  Stelle  B  entgegengesetzt  wirkend 
vorstellen,  durch  sie  demselben  Punkte  die  elektroskopische  Kraft 


2 a 


l 

mitgetheilt  werden.  Stellen  wir  uns  beide  Erregungsstellen  zugleich  wirkend 
vor,  so  wird  mithin  die  auf  den  zu  x  gehörigen  Punkt  erfolgende  Total- 
wirkung sein 


b 


ein  überraschendes  und  doch  bei  näherer  Betrachtung  sehr  einleuchtendes 
Resultat,  wodurch,  wenn  man  das  in  6  Gesagte  gehörig  in  Erwägung  zieht, 


41 6  Elftes  Kapitel. 


bestimmt  wird,  dass  der  zwischen  den  beiden  Erregungsstellen  bi 
findliche  Theil  des  Leiters,  in  welchem  die  +Enden  liegen,  a«| 
allen  seinen  Punkten  gleich  stark  positiv,  der  andere  Theil  überall 
gleich  stark  negativ  elektrisch  sei,  und  dass  die  Summe  dieser 
beiden  positiv  gedachten  Intensitäten  der  Spannung  gleich  sei;. 
dass  aber  diese  Intensitäten  sich  umgekehrt  zu  einander  verhalten^ 
wie  die  Längen  der  Theile,  auf  welchen  sie  verbreitet  sind. 

„Wenn  diese  Verbindung  an  irgend  einer  Stelle,  deren  Abscisse  l  ist^ 
ableitend  berührt  wird,  so  ist  nach  7  auf  den  zu  x  gehörigen  Punkt  dfe 
Wirkung  der  oberen  Erregungsstelle  für  sich 

und  die  der  unteren  für  sich 

l  —  X 

-   i~a- 

Es  scheint  nun  zwar,  als  ob  die  auf  den  Punkt  aus  beiden  Erregungsstellen 
zugleich   hervorgehende  Totalwirkung   stets  Null  sein    müsse,    allein  erwägt 
man  das  in  9  Gesagte,  so  wird  es  sich  ergeben,  dass  dies  nur  so  lange  der? 
Fall  ist,   als  beide  zu  x  und  A  gehörigen  Punkte  auf  einem  und  demselben 
durch  die  Erregungsstellen  bestimmten  Theile  des  Leiters  liegen;   liegen  sie. 
dagegen  auf  verschiedenen  Theilen  des  Leiters,  so  erhält  man  für  die  Total*  j 
Wirkung  stets   ±  a,    +   oder   —   je   nachdem  A  oder  x  die   Erregungsstelle 
überspringt. 

„20)  Ich  schliesse  hier  die  Herleitung  der  an  galvanischen  Verbindungen ' 
auftretenden  elektroskopischen  Phänomene,  obgleich  die  zuletzt  betrachtete 
Verbindungsweise  noch  zu  einigen  nicht  uninteressanten  Zusammensetzungen  ! 
fuhrt,    um    für   die  Nachweisung   ihrer   objektiven    Gültigkeit   noch   einigen  i 
Raum  zu   gewinnen.     Die  trefflich  gehaltenen   in  Gilbert's  Annalen  8,  10  ■ 
und  13  aufgezeichneten  Untersuchungen  Erman's,  Ritter's  und  Jaeger's  (S.  265) 
über  die  elektroskopischen  Wirkungen  an  Volta's  Säule  sind  ganz  wie  data 
geschaffen.     Fast  jede  Zeile  legt  Zeugniss  ab  für  die  Richtigkeit  der  obigen 
Theorie.     Namentlich  hebe  ich  8,  205,   207  und  456  und  10,    1 1  heraus, 
wo  das  Hauptphänomen,    die  Vertheilung  des  Schlussleiters,   mit  welchem 
alle  übrigen  stillschweigend  gegeben   sind,  in  allen  seinen  Theilen  ganz  so  j 
wie  es  in   12  und  16  gefunden  worden  ist,  vollkommene  Bestätigung  erhält  , 
Wenn  damals  diese  Vertheilung  aus  begreiflichen  Ursachen  der  eigenthüm-  \ 
liehen   Einwirkung  des  flüssigen  Theils  der  Leitung   zugeschrieben   werden 
musste,   so  steht  es  jetzt  fast  ausser  allem  Zweifel,   dass  auch  metallische 
Schlussleiter   dieselbe   Erscheinung   und   ohne   Condensator   zeigen   werden, 
wenn    man   dazu    nur   recht   lange   und   dünne  Drähte  wählt   und    zu  den 
Elementen  der  Säule  so  viel  möglich  grosse  Platten  und  eine   gut  leitende 
Flüssigkeit  nimmt.     Noch  führe  ich  zur  Prüfung  dieser  Theorie  einen  Ver- 
such  Jaeger's   an,    der   in    Gilberts  Annalen   13,   414   steht   und   fiir  die 
geschlossene  Säule  das  ist,  was  der  oben  angeführte  BECQUEREi/sche  fiir  die 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm 'sehe  Gesetz.  417 


Erschlossene  einfache  Kette  war.  Bei  den  jAEGER'schen  Versuchen,  die  an 
Saiden  von  wenigen,  nicht  grossen  Elementen  und  mit  Zuziehung  des  Con- 
deosators  unternommen  worden  sind,  hat  man  indessen  nicht  zu  übersehen, 
dass,  wo  die  Säule  oder  einfache  Kette  nicht  an  irgend  einer  Stelle  Abfluss 
nach  aussen  hat,  die  Wirkung  einer  jeden  anderen  Stelle  auf  einen  äusseren 
Körper  nicht  bloss  von  dessen  relativer  Capacität  für  Elektricität,  sondern 
auch  von  der  Dauer  ihres  beiderseitigen  Zusammenseins  abhängig  ist." 

Unmittelbar  nach  der  Abfassung  dieser  Arbeiten  ging  Ohm  an  die  in 
seinem  Hauptwerke  gegebene  allgemeinere  und  umfassendere  Darstellung. 
Das  Vorwort  seines  Buches  ist  aus  Berlin,  vom  1.  Mai  1827  datirt,  und 
hütet  nicht  allzu  hoffnungsvoll.  „Ich  übergebe  hiermit  dem  Publikum  eine 
Ikeorie  der  galvanischen  Elektricität  als  einen  speciellen  Theil  der  allge- 
meinen Elektricitätslehre,  und  werde  nach  und  nach,  so  wie  gerade  Zeit  und 
lost  und  Boden  es  gestatten,  mehr  solcher  Stücke  zu  einem  Ganzen  an 
einander  reihen,  vorausgesetzt,  dass  der  Werth  dieser  ersten  Ausbeute 
emigermaassen  den  Opfern,  die  sie  mir  kostet,  die  Waage  hält.  Die  Ver- 
hältnisse, in  welchen  ich  bis  jetzt  gelebt  habe,  waren  nicht  geeignet,  weder 
neinen  Muth,  wenn  ihn  die  Tageskälte  zu  zerstören  drohte,  aufs  Neue  anzu- 
euern,  noch,  was  doch  unumgänglich  nöthig  ist,  mich  mit  der  auf  ähnliche 
Vrbeiten  Bezug  habenden  Litteratur  in  ihrem  ganzen  Umfange  vertraut  zu 
ilachen;  daher  habe  ich  zu  meiner  Proberolle  ein  Stück  gewählt,  wobei  ich 
Zoncurrenz  am  wenigsten  zu  scheuen  brauchte.  Möge  der  geneigte  Zuschauer 
netne  Leistung  mit  derselben  Liebe  zur  Sache  aufnehmen,  aus  der  sie 
icrvorgegangen  ist!" 

7.  Die  Kritik.  Die  in  dem  letzten  Satze  ausgesprochene  Hoffnung  erfüllte 
lieh  nur  theilweise.  Während  von  Pfaff  in  Erlangen  (dem  Bruder  des  mehr- 
fach erwähnten  C.  H.  Pfaff  in  Kiel)  eine  günstige  Beurtheilung  veröffentlicht 
worden  war,  wurde  die  Schrift  von  G.  F.  Pohl  einer  „vernichtenden"  Kritik 
unterzogen,  bei  welcher  Gelegenheit  in  der  That  kein  gutes  Haar  an  ihr 
gelassen  wurde.  Mit  dem  Verfasser  dieser  Kritik  werden  wir  später  bei 
Gelegenheit  des  Kampfes  der  Theorieen  über  die  VoLTA'sche  Säule  nähere 
Bekanntschaft  machen;  sein  blinder  Widerspruch  gegen  Ohm  ist  auf  den 
Umstand  in  erster  Linie  zurückzufuhren,  dass  dieser  sich  als  Anhänger  der 
VoLTA'schen  Contacttheorie  bekannt  hatte,  während  Pohl  die  chemische  ver- 
trat Dazu  kommt  freilich  noch  bei  Pohl,  dass  er  der  naturphilosophischen 
Richtung  angehörte,  und  ihm  schon  aus  diesem  Grunde  jeder  Versuch  einer 
exakten,  in  Formeln  darstellbaren  Theorie  ein  Gräuel  sein  musste.  In  der 
That  leitet  er  auch  seine  Recension1  mit  einer  langen  Auseinandersetzung 
über  das  Verhältniss  der  Mathematik  zur  Physik  ein,  nach  welcher  jene  mehr 
eine  Störung,  als  eine  Förderung  für  diese  ist.  Er  redet  von  den  Fort- 
schritten der  Wissenschaft  durch  Newton  und  Laplace,  und  fährt  dann  fort, 
,/foss   es    nicht  sowohl  die  Physik,   wie  vielmehr   nur  die  Mathematik  sei, 

1  Jahrbücher  fiir  wissenschaftliche  Kritik,   1828,  I,  86.  Berlin. 
Ostwald,   Elektrochemie.  27 


41 8  Elftes  Kapitel. 


welche  durch  diese  Fortschritte  die  Grösse  ihres  eigenen  Gebietes  erwe 
habe,  dass  in  ihnen  nur  der  Triumph  der  Lösung  grossartiger  mathematis 
Aufgaben  gefeiert  werde,  die,  indem  sie  von  ausdrucksvollen  und  beziehu 
reichen  Gebieten  des  Naturlebens  entnommen  wurden,  diese  dafür  in  c 
Einseitigkeit  der  Abstraktion  festhielten,  mit  welcher  die  Naturlehre  s< 
auch  den  ursprünglichen  Gehalt  ihrer  Forschung  aufgab,  und  unter 
täuschenden  Glanz  einer  fremden  Vollkommenheit  ihres  eigenen  lebend 
Geistes  sich  völlig  entäusserte." 

Da  nun  Pohl  den  galvanischen  Erscheinungen  seine  besondere  L 
und  Sorgfalt  zugewendet  hat,  kann  es  nicht  Wunder  nehmen,  wenn  ei 
nach  Möglichkeit  gegen  die  mathematische  Invasion  zu  schützen  sucht.  I 
kommt  der  Abscheu  gegen  die  damit  zusammenhängende  VourVsche  The 
„Es  hat  endlich  dazu  kommen  müssen,  dass  selbst  der  unmittelbare  ex] 
mentale  Stoff  der  Erscheinungen  mit  äusserlicher  Gewalt  dazu  auffor 
muss,  ihn  von  Innen  zu  erfassen,  und  dass  nur  die  Wahl  zwischen 
Alternative  übrig  gelassen  ist,  entweder  ihm  Gehör  zu  geben,  oder  mit 
bisherigen  Vorstellungsweise  zur  unbedingten  Unterwerfung  unter  die  F 
schaft  der  Widersinnigkeit  offen  und  ohne  Scham  sich  zu  bekennen/' 

Seine  eigene  Ansicht  über  den  Galvanismus  legt  er  dann  in  ein 
Sätzen  dar,  die  wegen  ihrer  unübersehbaren  Länge  nicht  vollständig  wie 
gegeben  werden  können;  doch  wird  auch  der  Anfang  genügen.  „Sc 
denn  das  Gebiet  der  galvanischen  Phänomene  der  eigentliche  Ausgangsp 
zur  Wiedergewinnung  einer  wahren  und  naturgemässen  Richtung  in 
Physik.  Der  Galvanismus,  welcher  nichts  anderes  ist,  als  der  Chemis 
unter  einer  vollständigen  Versichtbarung  der  Momente  seines  Begriffes,  b 
den  eigentlichen  Gehalt  derjenigen  Sphäre  des  Naturlebens,  in  welcher  ge 
die  Erde,  als  ein  Individuum,  der  Sonne  gegenüber  eine  Selbständig 
geltend  zu  machen,  und  in  einer  ewig  regen,  beweglichen  Metamorpl 
fort  und  fort  sich  zu  entwickeln  trachtet,  die  einerseits  dem  univers« 
Process,  welcher  die  Erde,  sowie  alle  Glieder  des  Sonnensystems  gemein 
umfasst  und  bewegt,  andererseits  mit  der  individuellsten  Macht  des  Lei 
in  der  unermesslichen  Menge  der  Pflanzen-  und  Thierorganismen  in  unui 
brochenem,  innigst  verschlungenem  Conflicte  begriffen,  gleichzeitig  den  gi 
tischen  Sporn  wie  den  Zügel  des  bald  mehr,  bald  minder  gelösten, 
unter  Sturmfluthen,  unter  Erderschütterungen,  unter  Feuer  sprüher 
Eruptionen,  bald  unter  milden,  fruchtbaren  Ergiessungen  sich  fortbeweger 
Laufes  ihre  Wirksamkeit  empfängt."  —  Dies  ist  nur  der  erste  Satz  der  i 
einandersetzung;  die  folgenden  dürfen  wir  uns  ersparen. 

Mit  dem  Buche  selbst  wird  Pohl  nach  diesen  Vorbereitungen  se 
verständlich  bald  fertijg,  zumal  es  „zu  derjenigen  Klasse  von  Schriften  gel 
welche  mehr  der  Tendenz,  als  dem  Gehalte  nach,  zur  Veranlassung  c 
besonderen  kritischen  Erwägung  derselben  geeignet  sind. . .  .  Der  Abs 
zwischen  Tendenz  und  Gehalt,  zwischen  Prätension  und  Leistung  refle 
sich   schon    in   den   Verhältnissen    zwischen    dem   Titel    und   dem    äuss 


Die  ekktxomagDetischezi  Erscheinungen  und  das  Ohm'sche  Gesetz.  41g 

'  Un&nge  dieses  Buches  auf  eine  sehr  fühlbare  Weise.  ...  So  haben  wir 
denn,  statt  der  galvanischen  Kette  des  Titelblattes,  im  Buche  selbst  nur 
eine  Abstraction  von  einer  Abstraction  derselben,  und  wir  sind  damit  unge- 
-  fihr  in  demselben  Falle,  als  wenn  an  der  Stelle  des  versprochenen  lehr- 
._  lochen  Berichtes  einer  Reise,  die  durch  eine  lebendige  Mannigfaltigkeit  natur- 
^  katarischer  Merkwürdigkeiten  hindurchfuhrt,  nichts  weiter,  als  nur  ein  sorg- 
faltig ausgefülltes  Formular  über  die  Geschwindigkeit,  mit  welcher  eine 
Station  nach  der  anderen  zurückgelegt  worden,  uns  geboten  wäre." 

Indem  nun  der  Recensent  berichtet,  das  Ohm  als  Ausgangspunkt  seiner 
Darstellung  der  elektrischen  Leitungserscheinungen  die  Analogie  der  Wärme- 
leitung  benutzt  hat,  spricht  er  ihm  auch  ein  wesentliches  Verdienst  in  dem 
von  Ohm  beabsichtigten  Sinne  ab.   „Wir  können  daher  bei  dem  Vorhanden- 
sein eines   mit   so   grosser  Kunst   entworfenen    und   vollendeten   Vorbildes, 
vom  sich  noch  die  einzelnen  Arbeiten  von  Laplace  und  Poisson  über  den- 
selben Gegenstand   gesellen,    den  Werth   einer   blossen    Nachbildung   einer 
mathematischen  Theorie  der  Elektricität  auf  völlig  gleicher  Grundlage,  aber 
k  einem  höchst  verkleinerten  Maassstabe,  wobei  gewissermaassen  die  Wörter 
Wärme  und  Elektricität  nur  ihre  Plätze  gewechselt  haben,    um  so  weniger 
ksonders  hoch  anschlagen,   als  bei  der  Übereinstimmung  der  allgemeinen 
Gleichungen,  von  denen  hier  die  eine,  dort  die  andere  Klasse  von  Erschei- 
umgen  abhängig  gemacht  ist,  das  ganze  Verdienst  einer  solchen  Nachbildung 
aar  auf  die  angemessene  Bestimmung  der  in  den  Gleichungen  enthaltenen 
willkürlichen  Grössen  hinausläuft,   welches  in  dem  Falle  unseres  Verfassers 
um  so  leichter  ist,   da  er  auf  einen  Unterschied  in   den   Dimensionen   der 
Leiter  ebenso  wenig,  wie  auf  eine  elektrische  Capacitätsverschiedenheit  Rück- 
sicht zu    nehmen  für  gut  befunden  hat.     Sehr  gern   und  bereitwillig  lassen 
wir  indess    der   Sorgfalt,   welche    der  Verfasser   bei    seiner    Arbeit   auf  die 
äussere  Consequenz  und  Fasslichkeit  der  Darstellung  verwandt  hat,    unsere 
Anerkennung  zu  Theil  werden,   sofern  seine  Bemühungen  für  das  Interesse 
der  Anfänger  in  der  Analysis  berechnet  gewesen ;  denn  für  geübtere  Kenner 
und  Männer  vom  Fach  bedurfte  es,  unter  Hinweisung  auf  die  französischen 
Originale,  nur  einer  Nachricht,  inwiefern  die  Ergebnisse  des  Versuches  einer 
solchen  theilweisen  Übertragung  der  vorhandenen  Theorie  aus  dem  Gebiete 
der  Wrärmeerscheinungen  in  das  der  Elektricitätsleitung   mit   der  Erfahrung 
übereinstimmen  oder  nicht.   Gerade  der  letztere  Umstand  aber,  auf  welchem 
beinahe  allein  der  ganze  bedingte  Werth  der  Unternehmung  beruht,  ist,  wie 
wir  gleich   unten  zeigen  werden,  noch  eine   unverkennbare  schwache  Seite 
derselben  geblieben." 

In  solchem  Tone  geht  es  noch  lange  weiter;  einen  sachlichen  Kern 
vermag  man  in  diesen  Auseinandersetzungen  nicht  zu  finden.  Doch  wird 
man  nicht  fehl  gehen,  wenn  man  in  der  hier  so  überaus  deutlich  zur  An- 
schauung gebrachten  Meinung  des  Recensenten  den  Ausdruck  einer  einfluss- 
mchen  Richtung  in  der  deutschen  Physik  jener  Zeit  sieht.    So  hat  hier  die 

Naturphilosophie  einen  doppelten  Schaden  angerichtet;  einen,  indem  sie  die 

27* 


420  Elftes  Kapitel. 


Achtung  vor  der  in  Deutschland  getriebenen  Wissenschaft  bei  den  Nachl 
Völkern  auf  ein  sehr  geringes  Maass  herabdrückte,  und  so  die  Anerkenn 
auch  der  hier  gelieferten  dauernden  Leistungen  verhinderte,  und  ei 
anderen,  indem  sie  eben  diesen  Leistungen,  als  ihrem  Wesen  entgegen,  a 
in  der  Heimath  den  Weg  nach  Möglichkeit  versperrte.  Bei  Ohm,  de 
äussere  Stellung  ihm  seine  Vertheidigung  schwer  und  unwirksam  mac 
hat  sich  diese  doppelte  Schädigung  noch  lange  gezeigt. 

Ausser  den  bisher  besprochenen  Arbeiten  hat  Ohm  noch  eine  g< 
Reihe  weiterer  aus  dem  Gebiete  der  Elektrik  veröffentlicht.  Einen  T 
derselben,  wo  er  in  die  grosse  Streitfrage  jener  Zeit,  die  nach  der  The 
der  elektrischen  Erregung,  eingreift,  werden  wir  später  noch  kennen  len 
einen  anderen  Theil  müssen  wir  übergehen.  Doch  verlangt  die  geschi 
liehe  Gerechtigkeit,  zu  erwähnen,  dass  nicht  alle  Versuche  unseres  Forscr 
die  Erscheinungen  mathematisch  zu  fassen,  gelungen  sind.  Eine  The 
des  galvanischen  Glühens  von  metallischen  Leitern  gelang  nicht,  und  eb< 
wenig  ein  Versuch,  das  „Wogen"  der  Kraft  hydroelektrischer  Ketten  u 
einen  einfachen  Ausdruck  zu  bringen.  Dagegen  verdanken  wir  ihm  u 
die  Aufklärung  der  Erscheinungen  der  unipolaren  Leitung  (S.  342). 
seine  Arbeiten  in  anderen  Gebieten  der  Physik,  insbesondere  auf  seine  gn 
legende  Auffassung  der  natürlichen  Töne,  kann  hier  nicht  eingegangen  wer 

Mit  Ohm's  Wirken  beginnt  die  quantitative  Periode  des  Galvanisi 
und  auch  in  der  Elektrochemie  gestalteten  sich  die  allgemeinen  Ges 
mässigkeiten,  welche  das  Gebiet  allmählich  zu  einem  wissenschaftlk 
machten,  an  den  von  Ohm  ausgebildeten  und  in  das  Gebiet  der  Messbai 
übertragenen  Begriffen  der  elektromotorischen  Kraft,  des  Widerstandes,  < 
der  Leitfähigkeit  aus,  nachdem  das  chemische  Gesetz  der  Elektricil 
mengen  vorher  von  Faraday  entdeckt  worden  war.  Letzteres  ist  allerd 
von  dem  Werke  Ohm's  unabhängig,  wie  denn  auch  Faraday  von  de 
Gesetz  keine  Kenntniss  hatte,  oder  doch  keine  Anwendung  machte,  ob? 
seine  Arbeiten  auf  diesem  Gebiete  zeitlich  später  fallen. 

8.  Prüfung  und  Anerkennung  durch  Fechner.  Der  erste,  weh 
die  Bedeutung  von  Ohm's  Entdeckung  erkannte  und  sie  seinen  Arbeiter 
Grunde  legte,  war  Gustav  Theodor  Fechner.  Um  die  Zeit  der  Veröfl 
lichung  derselben  war  dieser  mit  der  Herausgabe  einer  Übersetzung  von  Bi 
Lehrbuch  der  Experimentalphysik  beschäftigt,  wobei  er  bald  sah,  dass 
von  Biot  gegebene  Darstellung  der  Lehre  vom  Galvanismus  nicht  dem 
stände  der  Wissenschaft  zu  jener  Zeit  mehr  entsprach.  Er  arbeitete  d« 
den  fraglichen  (dritten)  Band  völlig  um,  und  legte  der  Darstellung  der  } 
hältnisse  der  Säule  und  Kette  die  OHM'sche  Theorie  zu  Grunde.  In  se 
Vorrede  bemerkt  er:  „In  Darstellung  der  Umstände,  von  welchen  die  qi 
titativen  Verhältnisse  der  Wirksamkeit  galvanischer  Ketten  abhängt,  bin 
nicht  sowohl  der  OHM'schen  Theorie  gefolgt,  als  ich  durch  Erfahrung  n; 
gewiesen  habe,  dass  ihre  wesentlichsten  Folgerungen  sich  in  der  Wirklicr 
bestätigen.   Ich  habe  mich  wohl  gehütet,  irgend  eine  Folgerung  der  The 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm 'sehe  Gesetz.  421 


m  der  ich  mich  übrigens  nicht  scheue  zu  behaupten,  dass  durch  sie  erst 
nn  in  die  Wirkungsverhältnisse  der  galvanischen  Kette  gekommen  ist,  — 
>er  diese  Grenzen  auszudehnen.  Diese  Darstellungsweise  glaubte  ich  dem 
barakter  des  Werkes,  jene  Anerkennung  glaube  ich  dem  Verdienste  des 
rhebers  jener  Verknüpfung  schuldig  zu  sein." 

Auch  nach  anderer  Richtung  ist  Fechner  für  die  Förderung  dieser 
heorie  thätig  gewesen.  Zum  Theil  in  jenem  Lehrbuch,  ausfuhrlicher  aber 
1  einer  besonderen  Schrift  *  theilte  er  eine  grosse  Reihe  von  Versuchen  mit, 
ic  sich  gerade  auf  ein  von  Ohm  nur  stiefmütterlich  bearbeitetes  Gebiet, 
as  der  hydroelektrischen  Ströme,  beziehen,  und  den  Nachweis  der  Gültigkeit 
eines  Gesetzes  in  sehr  mannigfaltig  abgeänderten  Versuchen  erbringen.  Indem 
r  einleitend  den  oben  erwähnten  Anlass  einer  Bearbeitung  des  Galvanismus 
rwähnt,  und  auf  das  Erscheinen  einer  mathematischen  Theorie  desselben 
inweist,  fahrt  er  fort:  „Die  Theorie,  von  welcher  ich  spreche,  ist  die 
tausche.  Die  Gesammtheit  meiner  Versuche  kann  gar  keinen  Zweifel  übrig 
Ben,  dass  die  allgemeine  Form  der  Formel,  die  sie  für  die  Kraft  der 
eschlossenen  Kette  aufstellt,  die  richtige  sei,  und  ich  kann  demgemäss  nicht 
tnhin,  Ohm  das  Verdienst  beizumessen,  mit  den  wenigen  Buchstaben  dieser 
nfachen  Formel  eine  neue  Epoche  für  die  Lehre  vom  Galvanismus  begründet 
1  haben.  Sie  lehrt  allerdings  keine  neuen  Erscheinungen  im  Gebiete  des- 
fl>en  kennen,  aber  sie  verknüpft  ein  grosses  Gebiet  von  Erscheinungen, 
c  früher  chaotisch  und  räthselhaft  neben  einander  standen,  und  giebt  sichere 
ohaltspunkte  für  das  Maass  derselben;  so  dass  jetzt  erst  eine  wissenschaft- 
he  Behandlung  derselben  möglich  ist.  Ich  wünsche,  dass  meine  Schrift 
zu  beitragen  möge,  dem  Verdienste  Ohm's  eine  grössere  Anerkennung,  als 
bisher  der  Fall  gewesen  ist,  zu  verschaffen/' 

Allerdings  ist  Fechner  in  einer  Beziehung  von  der  Formulirung,  wie 
:  Ohm  gegeben  hatte,  abgewichen,  indem  er  ausser  dem  von  der  Natur 
id  den  Abmessungen  der  Leiter  abhängigen  Widerstände  der  OHM'schen 
»rmel  noch  einen  weiteren  Widerstand  einführte,  welchen  er  den  Über- 
ingswiderstand  nannte,  und  an  die  Grenzfläche  zwischen  dem  metallischen 
id  dem  wässerigen  Leiter  vorlegte.  Ohm  hatte  sich  gegen  die  Existenz 
nes  solchen  Widerstandes  ausgesprochen,  und  in  der  That  hat  sich  in  der 
alge  gezeigt,  dass  ein  Übergangswiderstand  im  Sinne  Fechner's  nicht 
igenommen  zu  werden  braucht;  die  von  diesem  beobachteten  Erscheinungen 
nd  vorwiegend  als  eine  durch  den  Strom  hervorgebrachte  Änderung  der 
detromotorischen  Kraft  an  diesen  Übergangsstellen  aufzufassen,  welche  in 
»•  Abscheidung  der  Zersetzungsprodukte  an  diesen  Flächen  ihren  Grund 
it  {vgL  S.  424).  Es  muss  zur  richtigen  Beurtheilung  dieser  Verhältnisse 
1  Auge  behalten  werden,  dass  Fechner  noch  keine  constanten  Elemente  zur 
erfügung  hatte,  und  durch  allerlei  Kunstgriffe  die  Veränderlichkeit  seiner 
etten  unschädlich  zu  machen  suchen  musste. 


1  Maassbestimmungen  über  die  galvanische  Kette.     Leipzig  1831. 


42  2  Elftes  Kapitel. 


Die  grosse  Fülle   der  in  diesen  Arbeiten  beigebrachten  Prüfungen 
Theorie  geht  aus  der  vom  Verfasser  gemachten  Zusammenstellung  der 
punkte  seiner  Schrift  hervor. 

,,i)  Nachweisung,  dass  die  Kraft  aller  Theile  einer  galvanischen  Ki 
(d.  h.  die  Stromstärke)  stets  gleichzeitig  und  in  gleichem  Verhältnisse  ab- 
zunimmt,  wenn  selbst  der  die  Kette  modificirende  Einfluss  direkt  nur 
einzelne  Theile  derselben  wirkt. 

„2)  Nachweisung,  dass  die  Kraft  der  galvanischen  Kette  in  der  ganze* 
Länge  derselben  gleich  gross  ist,  unabhängig  von  den  Dimensionen  und  der 
Beschaffenheit  der  einzelnen  Theile  derselben.  Es  fehlt  jedoch  die  Aus» 
dehnung  dieses  Nachweises  noch  für  die  flüssigen  Theile  der  Kette. 

„3)  Bestätigung  des  von  Ohm  und  Pouillet  gefundenen  Gesetzes,  daas 
die  Kraft  der  Kette  mit  der  Länge  des  Schliessungsdrahtes  abnimmt;   undi 
direkter  Beweis,  dass  der  Strom  sich  zwischen  Drähten,  die  eine  Kette  nebet i 
einander  schliessen,  nach  Verhältniss  ihres  Leitungsvermögens  theilt 

„4)   Beweis,    dass  der  Widerstand  der  flüssigen  Leiter  gleich  dem  der 
festen,    im  geraden  Verhältnisse  ihrer  Länge,    im   umgekehrten  ihres  Que*»j 
Schnittes  steht  ! 

„5)  Nachweisung,  dass  der  Widerstand  der  flüssigen  Leiter  unabhängif  i 
von  der  Grösse  der  erregenden  Oberfläche  (wenn  der  Querschnitt  def  i 
Flüssigkeit  dabei  ungeändert  bleibt)  und  von  der  Beschaffenheit  der  Metall*. 
platten  ist 

„6)   Bestimmung  des  von  jeder  Complication  befreiten  Leitungswidoy 
Standes   oder   Leitungsvermögens   mehrerer   Flüssigkeiten,    und   Erweis  da ; 
Gesetzes,  nach  welchem  kleine  Zumischungen  von  Säure  zum  Wasser  det 
Widerstand  mindern.1    Alle  bisherigen  Bestimmungen  über  das  Leitungsver* 
mögen  der  Flüssigkeiten  sind  Resultate,   die  durch  Verwickelung  mit  dem 
Widerstände  des  Überganges  noch  complicirt  sind. 

„7)  Nachweisung,  dass  ausser  dem  Widerstand,  den  die  festen  und 
flüssigen  Theile  dem  Strome  entgegensetzen,  derselbe  noch  einen  anderen 
Widerstand  beim  Übergange  zwischen  dem  festen  und  dem  flüssigen  Theile 
erfährt.  .  .  . 

„8)  Beweis,  dass  die  elektromotorische  Kraft  in  geschlossenen  Kettet 
nicht  wesentlich  von  der  Grösse  der  erregenden  Oberfläche  und  der  Be» 
schaffenheit  der  Leitflüssigkeit  abhängt.  Ich  hoffe,  dass  diese  Versuche  bei» 
tragen  werden,  den  langgefuhrten  Streit,  ob  die  Erregung  der  ElektriciÄ 
von  der  Berührungsstelle  der  Metalle  unter  einander,  oder  von  ihrer  Be- 
rührungsstelle mit  der  Flüssigkeit  ausgehe,  zu  entscheiden.* 


1  Dies  von  Fechner  gefundene  Gesetz  der  Abnahme  besagt,  dass  diese  proportional  der 
zugefügten  Menge  der  Säure  erfolgt  „Doch  ist  dieser  Umstand  bloss  für  kleine  Zumischungen 
von  Salzsäure  erwiesen  worden."  Die  Beobachtung  ist  vollkommen  richtig,  auch  ist  die  Pro- 
portionalität bei  grösseren  Gehalten  nicht  mehr  vorhanden. 

8  Fechner  tritt  hier  als  entschiedener  Contactist  auf.  Dass  sein  Nachweis  der  Unab- 
hängigkeit von  der  erregenden  Flüssigkeit  nur  sehr  beschränkte  Gültigkeit  hat,  geht  schon 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm'sche  Gesetz.  423 


„9)  Nachweisung  des  sogenannten  Gesetzes  der  galvanischen  Spannungs- 
ihe  für  die  geschlossene  Kette.  Direkte  Versuche  für  dieses,  allerdings 
irch  seine  Folgerungen  schon  als  hinreichend  erwiesen  anzusehende  Gesetz 
ite  man  bisher  nicht,  da  Volta's  —  überdies  bloss  für  die  ungeschlossene 
stte  —  elektrometrischen  Versuche  keine  genaue  Bewährung  zuliessen. 

„10)  Ein  praktisches  Mittel,  die  Stärke  und  Wirkungsdauer  galvanischer 
rtten  zu  verstärken.  (Das  Mittel  besteht  darin,  die  Kupferplatten  durch 
netzen  mit  Salmiaklösung  und  Aussetzen  an  die  Luft  mit  einer  Schicht 
n  unlöslichem  Qxychlorid  zu  versehen.) 

„11)  Nachweisung  des  Gesetzes,  nach  welchem  die  Kraft  mit  Ver- 
ässerung  der  erregenden  Oberfläche  zunimmt.  .  .  . 

„12)  Beweis,  dass  der  bisher  schlechthin  angenommene  Satz,  Vergrösse- 
ng  der  erregenden  Zinkfläche  sei  weniger  wirksam,  als  Vergrösserung  der 
regenden  Kupferfläche  für  den  Anfang  der  Schliessung  nicht  gilt, 
iem  sich  diese  Ungleichheit  erst  im  Fortgange  der  Schliessung  entwickelt. 

„13)  Beweis,  dass  die  Kraft  einer  galvanischen  Kette  weder  durch  Ver- 
össerung  der  erregenden  Oberfläche,  noch  durch  Verstärkung  der  Leitungs- 
issigkeit,  noch  durch  Vermehrung  der  Plattenzahl  bis  über  eine  gewisse 
renze  gesteigert  werden  kann,  wenn  die  übrigen  Elemente  der  Kette  dabei 
igeändert  bleiben. 

„14)  Nachweis  des  Gesetzes,  nach  welchem  die  Kraft  der  Kette  mit 
ermehrung  der  Plattenzahl  zunimmt,  und  Ausdehnung  des  bisher  nur  für 
lennoelektrische  Ketten  gültig  gehaltenen  Umstandes,  dass  bei  Ketten  ohne 
iwischenleiter  die  Kraft  durch  Vermehrung  der  Plattenzahl  gar  nicht 
erstarkt  werde,  auf  hydroelektrische  Ketten. 

„15)  Nachweisung  des  Gesetzes,  nach  welchem  die  Kraft  der  Kette 
brch  eingebrachte  Zwischenleiter  geschwächt  wird,  und  Beweis,  dass  zu 
\nfang  der  Schliessung  kupferne  Zwischenplatten  keine  stärkere  Schwächung 
üs  zinkene  hervorbringen,  vielmehr  der  Unterschied  beider  sich  erst  im 
Fortgänge  entwickelt 

„16)  Ausgedehnte  Bestimmung  der  Umstände,  von  welchen  die  Wir- 
kungsabnahme in  geschlossenen,  und  die  Wirkungswiederherstellung  in 
geöffneten  Ketten  abhängt. 

„17)  Beweis,  dass  die  elektromotorische  Kraft  und  der  Übergangswider- 
stand unter  mehreren  Umständen  in  Multipla  und  Submultipla  ihres  Werthes 
überspringen  können." 

Alle  die  angegebenen  Punkte  sind  mit  einem  ausführlichen  Zahlenmaterial 
belegt,  dessen  Beschaffung  Fechner  um  so  mehr  Mühe  machte,  als  er  einer- 
den alten  Versuchen  Davy's  hervor,  nach  denen  sich  Ketten  aus  einem  Metall  und  zwei  Flüssig- 
keiten bauen  lassen.  Fechner  hat  dagegen  allerdings  den  Einwand  gemacht,  dass  diese  anomal 
wirkenden  Flüssigkeiten  die  Metalle  auf  der  Oberfläche  veränderten,  so  dass  noch  die  Contact- 
kraft  mit  der  neugebildeten  Oberflächenschicht  hinzukomme;  doch  ist  eine  solche  Annahme  bei 
Lösungen  von  Ätzkali  oder  Cyankalium,  welche  in  hohem  Maasse  „anomal"  wirken,  durch 
ochts  gut  zu  begründen. 


424  Elftes  Kapitel. 


seits  keine  constanten  Elemente  besass,  andererseits  nach  einer  inzwischen 
verlassenen  Messmethode  arbeitete,  welche  viel  mehr  Zeit  und  Mühe  in 
Anspruch  nahm,  als  die  Ablesung  des  Ablenkungswinkels  und  die  Benutzung 
einer  Correctionstabelle  für  die  mangelnde  Proportionalität  zwischen  Strom- 
stärke und  Winkel.  Fechner  stellte  nämlich  die  Windungen  des  Multipli- 
kators nicht  der  Nadel  parallel,  sondern  senkrecht  zu  ihr,  und  beobachtete  : 
demgemäss  nicht  Ablenkungen,  die  unter  solchen  Umständen  überhaupt  : 
nicht  eintreten,  sondern  er  Hess  die  Nadel  schwingen,  und  schloss  aus  der 
Dauer  der  Schwingungen  auf  die  Stärke  des  in  den  Windungen  fliessenden 
Stromes.  Denn  die  Dauer  der  Schwingungen  ist  unter  sonst  gleichen  Um- 
ständen den  Quadraten  der  einwirkenden  Kräfte  umgekehrt  proportional,  und 
er  gelangte  so  zu  einer  Messung  der  Stromstärke,  der  er  bedeutende  Vor- 
züge vor  der  üblichen  Methode  der  Ablenkungen  zuschrieb.  Von  anderes 
ist  das  Verfahren  allerdings  später  nicht  mehr  angewendet  worden.  \t 

Die  zu  der  von  Fechner  gegebenen  Übersicht  erforderlichen  Bemerkungen  fe 
sind  schon  zum  Theil  gemacht  worden.     Gegenwärtig  bilden  die  hier  zum  j, 
ersten  Male  gegebenen  Nachweise  die  Grundlage  der  Lehre  von   den  elek-  {• 
trischen  Strömen,    insofern   sie  von  Ketten  erzeugt  werden,   und   sind  ein  j. 
regelmässiger   Bestandtheil    des    Unterrichtes.     Eine    besondere   Erwähnung  £ 
verlangt  der  von  Fechner  eingeführte  „Übergangswiderstand/'     Über  diese  * 
Frage  sind  mannigfaltige  Diskussionen  geführt  worden,  welche  in  den  Nach-  ^ 
weis  ausliefen,  dass  in  einigen  Fällen  kein  solcher  Widerstand  vorhanden  ist,  j» 
in  anderen  aber  wohl.     Gegenwärtig  lässt  sich  sagen,    dass  ein  primärer  v 
Übergangswiderstand  nicht  nachgewiesen  ist,  d.  h.,  dass  abgesehen  von  der  , 
Polarisation  (die  den  Charakter  einer  elektromotorischen  Kraft  und  nicht  den 
eines  Widerstandes  hat),  an  den  Übergangsstellen  der  Leiter  verschiedener 
Klasse  kein  Stromhinderniss  besteht.     Durch  den  Strom  selbst  wird  aber  in 
manchen  Fällen  der  flüssige  Leiter  an  der  Übergangsstelle  dermaassen  ver- 
ändert,  dass  eine  mehr  oder  weniger  erhebliche  Änderung  seiner  Leitfähig- 
keit, meist  eine  Verschlechterung,  eintritt,  und  dann  ist  neben  der  Polarisation 
noch  eine  Wirkung  da,  die  man  als  Übergangswiderstand  bezeichnen  kann. 
Diese  Erscheinung  ist  wie  die  Polarisation  an  den  Umstand  gebunden,  dass 
sie  sich  erst  durch  den  Strom  selbst  entwickelt,  und  ursprünglich  nicht  vor- 
handen ist 

Der  unter  9  gegebene  Nachweis  des  Spannungsgesetzes  ist  so  geführt 
worden,  dass  die  Kraft  dreier  Ketten,  nämlich  Zink-Zinn,  Zinn-Kupfer  und 
Zink-Kupfer  in  verdünnter  Salzsäure  bei  verschiedenen  Leitungsfähigkeiten 
des  Kreises  gemessen  worden  ist.  Bei  der  Berechnung  ergab  sich  die  Summe 
der  beiden  ersten  Ketten  gleich  der  dritten,  wie  die  folgende  Tabelle  zeigt 

Widerstand  Zink-Kupfer  Summe 

S 1  3P4  2,96 

29>5  5,29  5,46 

7  19,5  19,7 

1  90,9  90,7 


Die  elektromagnetischen  Erscheinungen  und  das  Ohm 'sehe  Gesetz.  425 

Wie  man  sieht,  ist  die  Übereinstimmung  ziemlich  massig,  und  Fehler 
n  mehreren  Procenten  kommen  hier  und  in  einigen  weiter  mitgetheilten 
Lbellen  vor:  Dazu  bemerkt  Fechner:  „ich  muss  erinnern,  dass  man,  wenn 
in  die  erwähnten  Versuche  in  Brunnenwasser  anstellt,  selten  eine  solche 
ereinstimmung  erhalten  wird;"  es  gehört  in  der  That  eine  sehr  sichere 
Erzeugung  von  der  Richtigkeit  der  Theorie  dazu,  sich  mit  solchen  Ver- 
den zufrieden  zu  geben.  Fechner  bemerkt  ganz  richtig,  dass  der  Beweis 
lmehr  in  der  Bewährung  liege,  welche  die  VoLTA'sche  Theorie  durch  die 
s  ihr  abgeleiteten  Schlüsse  erhalten  hat,  als  in  den  unmittelbaren  Messungen. 

Es  ist  vielleicht  gut,  hier  zu  erinnern,  dass  diese  Versuche  ebenso 
nig  wie  die  anderen  Messungen  an  Ketten  etwas  für  oder  wider  die 
»LTA'sche  Theorie  aussagen;  sie  stehen  mit  der  Annahme,  dass  zwischen 
stallen  überhaupt  keine  elektromotorische  Kraft  wirksam  sei,  in  ganz  ebenso 
ter  Übereinstimmung  (S.  144),  wie  mit  der,  dass  zwischen  den  Metallen 
s  Spannungsgesetz  herrsche. 

Die  unter  12  bis  16  gegebenen  Punkte  beschäftigen  sich  mit  den  Er- 
heinungen,  wie  seit  Gautherot  und  Ritter  bekannt  waren,  und  die  später 
m  allgemein  angenommenen  Namen  der  Polarisation  erhielten.  Die  hier 
tedergelegten  Forschungen  sind  später  weit  überholt  worden,  so  dass  auf 
tre  Wiedergabe  verzichtet  werden  kann.  Der  unter  1 7  schliesslich  gegebene 
«weis  multipler  Verhältnisse  für  den  Übergangswiderstand  und  die  elektro- 
lotorische  Kraft  beruht  auf  einer  Selbsttäuschung  Fechner's,  den  wir  an 
ieser  Stelle  den  keinem  Sterblichen  erspart  bleibenden  Tribut  des  selbst- 
erschuldeten  Irrthums  zahlen  sehen. 


1 


Fig.  108.    Gustav  Theodor  Fechner. 


Zwölftes  Kapitel. 

Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der 

Berührungselektricität  und  der  chemischen  Theorie 

der  galvanischen  Erscheinungen. 


i.  Allgemeines.  In  den  früheren  Kapiteln  ist  bereits  mehrfach  auf 
den  Gegensatz  hingewiesen  worden,  welcher  sich  in  Bezug  auf  die  Frage 
nach  der  Ursache  der  von  Galvani  und  Volta  untersuchten  elektrischen 
Erscheinungen  geltend  gemacht  hat.  Schon  vor  der  Erfindung  der  Säule 
bestand  dieser  Gegensatz;  trotz  seiner  fast  unbedingten  Verehrung  Volta^ 
stellte  sich  Ritter  in  der  Hauptsache  auf  einen  völlig  anderen  Standpunkt, 
und  der  VoLiVschen  Theorie,  dass  der  Contact  an  sich  die  elektrischen 
Erscheinungen  der  Kette  bedinge,  stellte  er  die  chemische  Theorie  gegen- 
über, dass  der  elektrische  Vorgang  ursächlich  mit  einem  gleichzeitig  erfolgenden 
chemischen    verknüpft   sei.     Über   die  Art   dieser  Verknüpfung   hat  Ritter 


Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  Berührungselektricität  u.  s.  w.  427 


war  einige  ungemein  zutreffende  Ansichten  geäussert  (vgl.  insbesondere 
».  189),  doch  reichte  die  Kenntniss  der  chemischen  und  der  elektrischen 
resetze,  über  die  er  und  seine  Zeit  verfugte,  überall  nicht  aus,  um  aus  der 
Ugemeinen  Erkenntniss  dieses  Zusammenhanges  eine  wirkliche,  d.  h.  zahlen- 
lässig verfolgbare  Theorie  beider  Gebiete  zu  ermöglichen.  In  dieser  Be- 
ehung  war  die  von  Volta  aufgestellte  reine  Contacttheorie  der  chemischen 
ngemein  überlegen:  da  sie  keinen  weiteren  Zusammenhang  mit  anderen 
rscheinungen  postulirte,  brauchte  sie  auch  keine  entsprechenden  Nachweise 
1  liefern,  und  ermöglichte  es,  ohne  Rücksicht  auf  jene  schwierigen  Fragen 
ie  physikalische  Seite  der  Erscheinungen  zu  durchforschen.  In  dieser  Rück- 
cht  ist  die  VoLTA'sche  Theorie  ein  grosser  Segen  für  die  Entwickelung  des 
rebietes  gewesen. 

Leider  ist  aber  dieser  Segen  einigermaassen  paralysirt  worden  durch 
ie  Art,  wie  sich  schon  Volta  selbst,  und  in  noch  viel  höherem  Grade  seine 
Vnhänger  zu  der  chemischen  Theorie  in  Gegensatz  stellten.  Der  richtige 
Standpunkt  wäre  gewesen,  dass  die  chemische  Theorie  als  ein,  zunächst 
dlerdings  hypothetischer  Versuch,  die  von  Volta  angenommenen  elektro- 
notorischen  Kräfte  zu  erklären,  welche  an  den  Berührungsstellen  verschie- 
iener  Stoffe  wirksam  sind,  aufgefasst  worden  wäre.  Auf  diese  Weise  hätte 
die  VoLTA'sche  Theorie  neben,  oder  vielmehr  in  der  chemischen  vollständig 
Raum  gehabt,  und  eine  Meinungsverschiedenheit  hätte  nur  darüber  bestehen 
können,  ob  die  chemische  Theorie  das  auch  leistete,  was  sie  zu  leisten 
unternommen  hatte;  von  einem  Gegensatze  beider  Theorieen  hätte  aber 
nicht  die  Rede  sein  können.  So  friedlich  sollte  sich  aber  die  Entwickelung 
nicht  vollziehen.  Volta  sah,  und  hier  beginnt  sein  Fehler  mit  dessen  unüber- 
sehbaren Folgen,  nicht  nur  an  den  Berührungsstellen  den  Ort  der  Span- 
nungsunterschiede, sondern  in  der  Thatsache  der  Berührung  auch  den  zu- 
reichenden Grund  der  elektromotorischen  Kraft  und  musste  daher  jeden 
anderen  Versuch,  einen  anderen  Grund  für  diese  aufzustellen,  als  einen 
Widerspruch  gegen  seine  Theorie  auffassen.  Dieser  Standpunkt  Volta's  geht 
besonders  deutlich  aus  den  auf  S.  141  und  142  wiedergegebenen  Äusserungen 
hervor,  nach  denen  er  eine  Kette  aus  Metallen  allein,  also  einen  elektrischen 
Strom  ohne  jeden  anderen  Aufwand,  für  durchaus  möglich  ansah.  Daraus 
erklärt  sich  seine  gegen  die  ihm  sonst  eigene  ruhige  und  vorsichtige  Art  so 
auffeilend  abstechende  Polemik  gegen  die  Annahme  eines  Zusammenhanges 
der  chemischen  Vorgänge  der  Säule  mit  den  elektrischen. 

Es  ist  bereits  geschildert  worden  (S.  264),  in  welchem  Maasse  Volta 
tennocht  hat,  den  von  allen  Zeitgenossen  aus  der  unmittelbaren  Anschauung 
ler  Vorgänge  an  der  Säule  erschlossenen  chemischen  Ansichten  entgegen 
:u  treten,  und  seiner  Ansicht  den  Sieg  zu  verschaffen,  wobei  die  eben 
rrwähnten  Vorzüge  des  formalen  Theiles  seiner  Theorie,  an  dem  noch 
leute  nichts  auszusetzen  ist,  den  überaus  bedenklichen  causalen  Theil  mit 
lurchschleppten,  da  die  Zeitgenossen,  und  auch  sehr  lange  Zeit  hindurch 
eine  Nachfolger,  beide  nicht  zu  scheiden  wussten.     Auf  die  Dauer  war  e«5 


428  Zwölftes  Kapitel. 


freilich  nicht  möglich,  die  von  Volta  angenommene  Verletzung  des  Gesetze* ' " 
von  der  Erhaltung  der  Energie  ohne  Widerspruch  zu  lassen.  Wenn  auch 
in  den  Zeiten,  von  denen  jetzt  die  Rede  sein  soll,  die  klare  Erkenntnis 
dieses  Gesetzes  sich  noch  nicht  nachweisen  lässt,  so  geht  doch  aus  einer 
grossen  Zahl  von  Äusserungen  jener  Periode  hervor,  dass  ein  dunkles  Be-  ; 
wusstsein  desselben  ziemlich  verbreitet  war.  Auf  dieses  Bewusstsein  haben  r 
wir  denn  auch  die  immer  wiederholten  Versuche,  eine  chemische  Theorie?  : 
des  Galvanismus  zu  schaffen,  zurückzuführen,  und  in  diesem  Sinne  ist  der  * 
Kampf  der  beiden  Theorieen  als  ein  Protest  gegen  die  Annahme  von  der 
Möglichkeit  eines  Perpetuum  Mobile  aufzufassen. 

Besonders  lebhaft  entbrannte  dieser  Kampf,  welcher  fast  so  alt  wie  die 
Kenntniss  der  VoLTA'schen  Kette  ist,  als  durch  die  Erfindung  des  Galvano-  l 
meters  den  Forschern   ein  sehr  empfindliches  Mittel  in  die  Hand   gegeben  : 
worden  war,    das  Auftreten   elektrischer  Erscheinungen  bei   allen  möglichen 
Zustandsänderungen,  insbesondere  bei  chemischen  Vorgängen  zu  entdecken  : 
und  zu  messen.   Zwar  war  die  Messung  zunächst  nur  eine  scheinbare,  denn 
der  Ausschlag  der  beweglichen  Nadel  hängt  von  zwei  Umständen  ab,  die 
mit  einander  wenig  zu  thun  haben,  der  elektromotorischen  Kraft   und  dem 
Widerstände,    und  bei   der  schon  geschilderten  Langsamkeit,    mit  der  sich 
die  Würdigung  des  OHM'schen  Gesetzes  durch  die  Wissenschaft  verbreitete, 
lassen   sich   noch    lange  Zeit   nach    seiner   Veröffentlichung  Arbeiten    nach- 
weisen, deren  Ergebnisse  durch  die  Nichtanwendung  desselben  den  grössten 
Theil  ihrer  Brauchbarkeit  und  Bedeutung  einbüssten. 

Dazu  kam  noch  ein  anderer  Umstand.  Wenn  auch  die  Thatsache  des 
Zusammenhanges  der  chemischen  Erscheinungen  mit  den  elektrischen  unver- 
kennbar war,  so  war  damit  noch  keineswegs  die  Erkenntniss  der  Form 
gegeben,  in  welcher  dieser  Zusammenhang  wirksam  ist.  Eine  einfache  Pro- 
portionalität beider  Erscheinungen,  wie  es  die  zunächstliegende  Annahme 
wäre,  ist  sicher  nicht  vorhanden,  denn  es  giebt  eine  Unzahl  von  chemischen 
Vorgängen,  welche  ohne  begleitende  elektrische  Erscheinungen  verlaufen. 
Die  früher  erörterten  elektrochemischen  Theorieen,  welche  die  Erklärung 
chemischer  Vorgänge  durch  elektrische  Verhältnisse  der  hypothetischen  Atome 
bezweckten,  umgingen  diese  Schwierigkeit  durch  die  Annahme,  dass  aller- 
dings jeder  chemische  Vorgang  gleichzeitig  ein  elektrischer  sei,  und  dass 
nur  in  den  Fällen,  wo  keine  sichtbaren  elektrischen  Erscheinungen  auftreten! 
diese  sich  in  molekularem  Maassstabe,  also  unserer  Anschauung  unzugänglich, 
abspielen.  Doch  wurde  dadurch  offenbar  nur  eine  formale  Antwort  gegeben, 
die  für  den  zunächst  gleichfalls  formalen  Zweck  jener  Theorieen  ausreichend 
war,  die  sich  aber  alsbald  in  ihrer  Unzulänglichkeit  bemerkbar  machte,  so 
wie  es  sich  nicht  mehr  um  die  Theorie  der  chemischen  Verbindungen, 
sondern  um  die  der  VourA'schen  Säule  handelte.  Auf  die  Frage:  welche 
Bedingungen  müssen  erfüllt  sein,  damit  chemische  Vorgänge  elektrische  ver- 
ursachen? werden  wir  in  der  Folge  immer  wieder  die  Forschung  zurück- 
kommen  sehen,    und   die  verschiedenen   Theorieen    der   elektromotorischen 


Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  Berührungselektricität  u.  s.  w.  42Q 


ä  werden  sich  um  so  werthvoller  erweisen,  je  klarer  sie  diese  Frage 

Ausgangspunkte  ihrer  Betrachtungen  nehmen. 

Nun  hat  es  in  der  That  recht  lange  gedauert,  bis  diese  Frage  in  aller 

leit  gestellt  worden  war,  und  dadurch,  dass  allerlei  stillschweigende  oder 

ausgesprochene  Annahmen  in  dieser  Beziehung  gemacht  wurden,  war 
reichlich  fliessende  Quelle  von  Verwirrung  und  Streit  gegeben.     So  ist 
auch  die  ältere  Geschichte   dieser  Angelegenheit,   so   gross   die  An- 
gungen auch  waren,  die  hier  gemacht  wurden,  ein  fast  völlig  ergebniss- 

Streiten  für  und  wider,  welches  nur  den  Gewinn  erbrachte,  dass  eine 

grosse  Zahl  von  allen  möglichen  Experimenten  angestellt  worden  ist; 
1  diese  auch  nicht  die  Hoffnung  erfüllten,  in  dem  einen  oder  anderen 
e  entscheidend  zu  wirken,  so  lehrten  sie  doch  das  Erscheinungsgebiet 
t  eingehend  kennen  und  gaben  somit  für  jeden  neu  auftretenden  Ver- 
.  einer  theoretischen  Zusammenfassung  ein  sehr  ausgiebiges  Prüfungs- 
irial  ab,  welchem  kaum  jemals  ein  derartiger  Versuch  sich  völlig  ge- 
asen  zeigte. 

Auf  den  nachfolgenden  Seiten  werden  wir  den  am  wenigsten  befrie- 
mden  Theil  jenes  langen  Streites  kennen  lernen,  dessen  Werth  fast 
schliesslich  in  der  Beschaffung  tatsächlichen  Materials  liegt.    Es  ist  dies  die 

vom  Beginn  der  zwanziger  Jahre  bis  in  die  fünfziger,  d.  h.  bis  zu  der 
,  wo  die  Erkenntniss  des  Gesetzes  von  der  Erhaltung  der  Energie 
lählich  in  das  Allgemeinbewusstsein  der  am  Ausbau  der  Wissenschaft 
igen  Forscher  übergegangen  war.  Zwar  war  das  Gesetz  bereits  im  Jahre 
\2  ausgesprochen  worden,  und  im  Jahre  1847  hatte  Helmholtz  seine 
wendbarkeit  in  allen  Zweigen  der  messenden  Naturwissenschaften  nach- 
wiesen; doch  dauerte  es  noch  geraume  Zeit,  bis  seine  Bedeutung  einge- 
len  und  seine  Anwendung  überall  versucht  wurde.  Die  spätere  Entwickelung 
'  Angelegenheit  lässt  sich  völlig  sachgemäss  unter  der  Formel  zusammen- 
sen,  dass  die  Anwendung  des  ersten  Hauptsatzes  der  Thermodynamik  die 
>te,  noch  nicht  fehlerfreie,  aber  doch  in  vielen  Stücken  zutreffende  Theorie 
r  VoLTA'schen  Kette,  und  die  Anwendung  des  zweiten  Hauptsatzes  die 
genwärtig  als  richtig,  und  so  weit  sich  übersehen  lässt,  auch  als  zuläng- 
h  anzusehende  neuere  Theorie  ergeben  hat.  Für  beide  war  allerdings 
ch  die  Kenntniss  eines  grundlegenden  Gesetzes  der  Elektrochemie,  des 
JUDAv'schen  Gesetzes,  erforderlich,  mit  dessen  Aufstellung  und  Nachweisung 
r  Übergang  jener  früheren  Epoche  in  die  folgenden  verbunden  ist. 

2.  G.  F.  Parrot  und  Genossen.  Als  ältester  Vertreter  der  chemischen 
leorie  des  Voltaismus  meldete  sich  im  Jahre  1829,  als  eben  durch  das  Auf- 
ten  von  de  la  Rive  der  Streit  am  heftigsten  entbrannt  war,  der  Dorpater 
rfessor  und  spätere  Petersburger  Akademiker  Parrot.  In  einem  Briefe,  den 
zur  Wahrung  seiner  Rechte  an  die  Redaktion  der  Annales  de  chimie  et  de 
ysique   schrieb,1   schildert  er,   wie  er  seit   1801    die   chemische  Theorie 

1  Ann.  chim.  phys.  42,  45.   1829. 


430  Zwölftes  Kapitel. 


aufrecht  erhalten  habe.  „Im  November  1801  wiederholte  Volta  seine  V» 
suche  in  Paris  und  entwickelte  vollständig  die  Theorie,  welche  er  vorher 
schon  in  einigen  Briefen  angedeutet  hatte.  Seit  dieser  Zeit  erklärten  sieb 
alle  Physiker  mit  brennendem  Eifer  für  diese  Hypothese.  In  Deutschland 
bildete  sich  eine  Art  von  Propaganda,  um  sie  zu  verbreiten,  und  Herr 
C.  H.  Pfaff  nannte  sich  öffentlich  ihren  Apostel.  Die  chemische  Theorie 
der  Säule  wurde  bei  Seite  gelassen,  und  in  Frankreich  erwies  Herr  Biot  ihr 
kaum  die  Ehre,  sie  durch  seinen  Versuch  mit  der  Torsionswage  anzugreifen. 
Nur  Herr  Davy  schien,  wenn  ich  mich  nicht  täusche,  einen  Augenblick  skA 
dieser  Theorie  zuzuneigen,  ebenso  wie  Wollaston,  aber  er  verliess  sie  ab» 
bald.  ...  So  hat  ein  grosser,  mit  Recht  verehrter  Name  während  27  Jahres 
ganz  Europa  fascinirt  Ich  war  vielleicht  der  einzige,  der  sich  nicht  einen 
Augenblick  erschüttern  Hess,  nicht  aus  Eigensinn,  sondern  weil  alle  neuen 
Versuche  der  Physiker,  ebenso  wie  die  meinen,  meine  Überzeugung  bestärkten, 
und  Beweise  gegen  Volta  waren." 

Sieht  man  sich  die  von  Parrot  gegebene  Theorie  näher  an,1  so  findet 
man  allerdings  wenig,  was  irgend  eine  Dauer  besitzt  Parrot  war  ein  phan- 
tasiereicher und  ziemlich  selbstbewusster  Mann,  der  sich  mehr  angelegen 
sein  Hess,  eine  ausgesprochene  Idee  auseinander  zu  setzen,  als  sie  zu  prüfen, 
und  auch  in  dem  1829  gegebenen  Auszuge  seiner  chemischen  Theorie 
findet  man  kaum  etwas  von  bleibendem  Werth,  dagegen  vieles  auch  für 
jene  Zeit  absurdes.  So  behauptet  er,  dass  es  für  die  Spannung  der  Säule 
ein  Maximum  gebe,  dass  auch  durch  die  grösste  Plattenzahl  nicht  über- 
schritten werden  könne.  Die  Elektricitätsentwickelung  fasst  er  als  eine  Folge 
der  Oxydation  auf,  diese  aber  wirkt  nur,  weil  sie  eine  Änderung  des 
Aggregatzustandes  bewirke.  „Wenn  ein  Metall  sich  durch  eine  Flüssigkeit 
oxydirt,  so  bildet  sich  in  jedem  Augenblicke  auf  seiner  Oberfläche  eine 
unendlich  dünne  Oxydschicht,  welche  in  dem  Augenblicke  Rothglühhitze 
besitzt  und  dadurch  als  Isolator  für  die  beiden  durch  die  Oxydation  hervor- 
gebrachten Elektricitäten  dient/'  Weitere  Auszüge  aus  dieser  ältesten 
chemischen  Theorie  der  VoLTA'schen  Erscheinungen  werden  wohl  nicht 
erforderlich  sein. 

Noch  kürzer  lassen  sich  einige  englische  Schriftsteller  erledigen,  weiche 
die  chemische  Theorie  zum  Gegenstande  ihrer  Erwägungen  machten.  Dono- 
van,  Ezechiel  Walker,  Webster,  Singer  und  ein  Ungenannter  L.  O.  C 
tauschten  ihre  mehr  oder  weniger  hypothetischen  Meinungen  in  den  Bänden  42 
bis  52  des  Philosophical  Magazine  aus,  und  vielleicht  das  interessanteste 
Moment  in  dieser  Diskussion  besteht  darin,  dass  der  letztgenannte  Corre- 
spondent  für  seine  Meinungen  einen  Beleg  besonderer  Art  beibrachte.  „Dies 
Argument  wird  vielleicht  von  einigen  Lesern  als  etwas  ungewöhnlich  ange- 
sehen werden;  da  ich  aber  das  Glück  habe,  in  einem  christlichen  Staate  zu 
leben,   und  auch  für  Christen  schreibe,    so  hoffe  ich,   dass   es   nicht  ganz 


1  Gilbert's  Ann.  12,  49.  1802. 


Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  Berührungselektricität  u.  s.  w.  431 


unannehmbar  ist"  Und  nun  geht  der  gelehrte  Herr  dazu  über,  aus  dem 
Buche  Mosis  sowie  aus  dem  fünften  Kapitel  des  Hesekiel  zu  beweisen, 
die  von  Walker  ausgesprochene  und  von  ihm  vertretene  Theorie  sich 
in  völliger  Übereinstimmung  mit  der  Bibel  befindet. 

Daneben  ist  auch  die  deutsche  Litteratur  jener  Zeit  nicht  ganz  ohne 
Widerspruch  gegen  den  unbedingten  Voltaismus,   und  es  finden  sich  von 
Zeit  xu  Zeit  Bemerkungen  gegen  ihn,  die  freilich  weitere  Folgen  nicht  hatten 
and  nur  dem  Geschichtsforscher  als  Zeichen  einer  kommenden  Entwicklung 
von   Interesse  sind     So   bemerkt   in   einer   Arbeit   über   den   VoLTA'schen 
Fundamentalversuch  G.  G.  Schmidt  in  Giessen:1   „Nicht  so  fest  begründet 
(wie  die   Elektricitätserregung  bei   der  Berührung  der  Metalle)   scheint   mir 
der  andere  Satz  Volta's,  dass  in  seiner  Säule  der  feuchte  Körper  bloss  die 
Rolle  eines  Leiters  spiele.     Ich  isolirte  eine  Zinkplatte  auf  einer  Glassäule, 
legte  auf  sie  eine   in  Salmiakauflösung   getränkte  Scheibe,    und  setzte  die 
Zinkplatte  durch  einen  isolirten  Zinkdraht  mit  der  Condensatorplatte  in  Ver- 
bindung.    Der  aufgehobene  Deckel  zeigte  jedes  Mal  +  E,   bei  einem  Ver- 
suche 20  °.   Der  Erfolg  blieb,  wenn  ich  den  Zinkdraht  mit  einem  Silberdraht 
vertauschte.     Eine  isolirte  Kupferscheibe,  durch  einen  isolirten  Kupferdraht 
mit   der  Basis  des  Condensators  in  Verbindung  gesetzt,   zeigte    nach    auf- 
gehobenem Deckel  —  E,  wiewohl  schwächer,  als  die  Zinkplatte  +E.    Auch 
diese  Versuche  habe  ich  mehrmals  mit  gleichem  Erfolg  wiederholt.     Daher 
kann  ich  bis  jetzt  die  Meinung  nicht  aufgeben,   dass  die  Flüssigkeit  in  der 
VoLTA'schen  Säule,   besonders  wenn  in   ihr  eine  starke  chemische  Wirkung 
vorgeht,  die  Elektricitätserregung  in  den  einzelnen  Plattenpaaren  sehr  erhöhe 
und  verstärke/' 

Ebenso  machte  sich  die  Trüglichkeit  des  gewöhnlichen  VourA'schen 
Fundamentalversuches,  bei  welchem  zwei  Platten  aus  verschiedenen  Metallen 
mit  einander  in  Berührung  gebracht,  und  nach  der  Trennung  am  Elektro- 
meter  geprüft  werden,  besonders  deutlich  bei  einer  Arbeit  von  Bischof  und 
von  Münchow  in  Bonn2  geltend.  Sie  hatten  sich  mit  besonderer  Sorgfalt 
eine  Anzahl  Condensatorplatten  anfertigen  lassen,  um  die  Volt  Aachen  Ver- 
suche in  Vorlesungen  vorzuführen  und  beobachteten  dabei,  dass  nicht  nur 
bei  der  Berührung  verschiedener  Metalle  Elektricitätserregung  eintrat,  sondern 
ebenso,  und  in  ungefähr  gleicher  Stärke,  wenn  sie  Platten  aus  gleichem 
Metall  mit  einander  in  Berührung  brachten.  Auch  waren  die  Wirkungen 
bei  Platten  aus  verschiedenen  Metallen  sehr  häufig  die  entgegengesetzten 
von  denen,  die  nach  der  VoLTA'schen  Theorie  zu  erwarten  waren,  und 
schliesslich,  was  das  Schlimmste  war,  die  Menge  und  das  Zeichen  der  beob- 
achteten Elektricität  waren  bei  denselben  Platten  zuweilen  verschieden.  So 
gab  eine  Kupfer-  und  eine  Zinkplatte  bei  der  ersten  Berührung  schwache 
—  E  für  das  Kupfer,  bei  der  Wiederholung  des  Versuches  zeigte  sich 
mehrfach  gar  keine  Spannung,   und  bei  weiterer  Wiederholung  kehrte  sich 

1  Gilbert's  Anm  70,  229.  1823.  *  Poggendoff's  Ann.  1,  279.  1824. 


432  Zwölftes  Kapitel. 

das   Zeichen    der   Elektricität  •  um,    so    dass    das   Kupfer    schwach    positiv 
wurde. 

Bei  diesen  Versuchen  waren  die  Platten  mit  einer  dünnen  Harzschicht 
überzogen,  und  die  leitende  Verbindung  wurde  durch  die  Finger  hergestellt 
Um   den  möglichen  Einfluss  der  Lackschicht  auszuschliessen,   wurde  diese 
abgewaschen,  und  die  Berührung  der  Platten  erfolgte  ohne  Zwischenschicht 
Das  Ergebniss  war,  dass  die  Platten  sich  wieder  anders  verhielten,  ab  vorher. 
Die  beiden  Forscher  kommen  daher  zu  dem  Ergebnisse,    „dass  eine   und 
dieselbe  Platte  gegen  eine  andere  ein  Mal  positiv,    ein   anderes  Mal  negativ 
sein  kann,  dass  aber  die  Bedingungen,  unter  denen  sich  solche  Verschieden- 
heiten zeigen,  noch  nicht  erforscht  sind,  und  ferner,  dass  zur  Anstellung  von 
Volta's  Fundamentalversuch  mit  Harzfirniss   überzogene  Platten  sich  weniger, 
eignen   als  Platten  ohne   Harzüberzug,    indem    die   besondere  Wirkung  dct  j 
Harzes  auf  die  Qualität  der  erregten  Elektricität   einen   noch    nicht   genau  j 
erforschten  Einfluss  hat."  I 

Getreu  seinem  unabänderlichen  Brauche,  jeden  Versuch  der  Auflehnung  | 
gegen    die  VoLTA'sche  Theorie    zu    unterdrücken,    beschäftigte   sich   alsbald  4 
Pfaff   mit   diesen    Versuchen1    und   kam    zu    dem    Schluss,    dass   der  von  \ 
jenen  benutzte  Mastixfirniss  die  Schuld  an  den  abweichenden  Ergebnisses  : 
trage,    indem    die   damit   überzogenen  Platten   bei   der  geringsten   Reibung , 
aneinander  elektrisch  werden.     Auch  sei  bei  jenen  Versuchen  kein  eigent-  i 
licher  Metallcontact  wirksam  gewesen,  sondern  die  aufeinandergelegten,  durch  i 
den  Firniss  getrennten  Platten  wurden  nur  durch  Berührung  mit  den  Fingert^ 
verbunden,  wodurch  nach  Volta  zwischen  ihnen  überhaupt  keine  Elektrictäfc  f 
erregt  werden  sollte.     Waren   die  Platten   mit  Bernsteinlack   überzogen,  so  « 
fanden   nach  Pfaff  störende  Wirkungen  nicht  statt.     Gegen   einige  andere, 
von  jenen  mitgetheilten  Versuche  wusste  sich  Pfaff  freilich  nicht  so  gut  zu 
vertheidigen;    schloss  aber  nichtsdestoweniger  seine  Bemerkungen  mit  dem 
caeterum   censeo:   „Übrigens  wiederhole  ich  .  .  .  dass  durch  jene  Versuche 
der   Fundamentalsatz   des   ganzen    Galvanismus,    dass   von   zwei    trockenen 
Leitern,    und   insbesondere  Metallen,    in   der  unmittelbaren  Berührung  der 
eine  constant  positiv,    der  andere  constant  negativ  von  einem  ebenso  con- 
stanten  und   unwandelbaren  Spannungsunterschiede  —  und  namentlich  von  ; 
den   beiden  Metallen   Zink  und  Kupfer  jenes   positiv,   dieses  negativ  wild, 
nicht  im  geringsten  angefochten  worden  ist" 

3.  de  Luc.  Zu  den  ersten,  welche  nach  dem  Eintritt  der  vollen  Herr- 
schaft der  vollen  VoLTA'schen  Ansichten  sich  ernstlich  gegen  diese  gewendet 
haben,  gehört  ferner  de  Luc,  dessen  Namen  bereits  bei  Gelegenheit  der  trockenen 
Säule  zu  erwähnen  war.  In  einer  ausführlichen  Abhandlung  unter  dem 
Titel:  „Analyse  der  galvanischen  Säule"2  hat  er  versucht,  die  immer  wieder« 
holte  Frage  nach  der  fundamentalen  Anordnung  der  Kette  (S.  169)  auf  einem 
neuen  Wege  zu   entscheiden.     Er  stellt  zunächst  seine  Ansichten   über  das 

1  Schweigger's  Journ.  46,  129.  1826.  *  Nicholsons  Joum,  26,  113.  1810. 


Der  Kampf  «wischen  der  Theorie  der  Berührungselektricität  u.  s.  w.  433 


sen  der  Elektricität  in  einen  ausgesprochenen  Gegensatz  zu  denen  Davy's, 
em  er  folgende  Sätze  als  Ergebnisse  seiner  Versuche  aufstellt.  # 

„1)  Positive  und  negative  Elektricität  sind  blosse  Beziehungen  auf  einen 
stimmten  Nullpunkt,  welche  die  Vertheilung  der  elektrischen  Flüssigkeit 
sehen  den  Körpern  betreffen;  chemische  Wirkungen  sind  mit  diesen  Be- 
tiiingen  nicht  verbunden. 

„2)  Die  unmittelbare  Wirkung  der  Verbindung  zweier  geeigneter  Metalle 
der  Säule  und  deren  Wiederholung  ist  die,  dass  auf  der  einen  Hälfte  der 
nie  in  ihrer  Länge  die  elektrische  Flüssigkeit  angehäuft  wird,  welche  die 
itere  Hälfte  verliert 

99S)  Wenn  die  beiden  Enden  der  Säule  durch  einen  leitenden  Körper 
t  einander  verbunden  werden,  so  bringt  die  obige  Eigenschaft  der  Säule 
len  Kreislauf  der  elektrischen  Flüssigkeit  hervor,  welche  beständig  von 
t  Seite,  wo  sie  sich  anzuhäufen  strebt,  zu  der  Seite  übergeht,  wo  sie  den 
angel  ersetzt,  welcher  sich  zu  erneuen  strebt. 

„4;  Dieser  durch  eine  passende  Anordnung  von  Metallen  hervorgebrachte 
reislauf  kann  in  demselben  Betrage  und  bei  der  gleichen  Anzahl  von 
letallpaaren  bestehen,  ohne  chemische  Zersetzung  oder  Schlag  hervorzu- 
ragen. 

„5)  Damit  diese  Wirkung  eintritt,  ist  nöthig,  dass  eine  Flüssigkeit 
wischen  beide  Metalle  gebracht  und  eine  Oxydation  an  ihnen  hervorgerufen 
fird.  In  diesem  Falle  ist  die  elektrische  Flüssigkeit,  die  zwischen  den 
ietallen  circulirt,  verändert,  diese  Veränderung  ist  aber  verschieden,  je 
ach  der  Natur  der  Flüssigkeit.  Bei  reinem  Wasser  sind  chemische  Wir- 
ungen  im  Kreise  vorhanden,  aber  es  wird  kein  Schlag  gefühlt;  damit  der 
aztere  hervortritt,  muss  der  Kreislauf  durch  eine  Säure  hervorgebracht 
rerden." 

Die  in  den  letzten  Sätzen  de  Luc's  hervortretende  Vorstellung  von  einer 
pezifischen  Verschiedenheit,  welche  bei  der  Elektricität  je  nach  ihrer  Ab- 
tammung  vorhanden  sein  könne,  hat  ihre  Ursache  in  seinem  Studium  der 
rockenen  Säule  (S.  359),  bei  welcher  allein  die  Spannungserscheinungen 
ine  sichtbare  Grösse  haben.  Dieser  Gedanke  war  gelegentlich  schon  früher 
»«vorgetreten,  und  auch  in  der  Folge  werden  wir  ihm  wieder  begegnen. 
Jwar  war  durch  das  Gesetz  von  Ohm  später  allen  solchen  Vermuthungen 
ler  Weg  abgeschnitten,  da  alle  beobachteten  Unterschiede  sich  ohne  weiteres 
uif  Unterschiede  der  Spannung  oder  der  Leitfähigkeit  zurückfuhren  Hessen; 
;erade  aber  bei  den  Forschern,  welche  sich  um  dieses  Gesetz  nicht  küm- 
nerten,  wie  de  la  Rive  und  Becquerel,  trat  diese  irrthümliche  Ansicht  auch 
pater  wiederholt  auf,  und  es  bedurfte  längerer  Zeit,  um  sie  endgültig  aus- 
airotten. 

Um  nun  die  Frage  nach  der  Ursache  der  Erscheinungen  in  der  Säule 
u  beantworten,  suchte  de  Luc  die  Wirkungen  derselben  einzeln  zu  erhalten, 
ndem  er  die  Säule  „secirte".  „Ich  verfuhr  zuerst  in  einer  sehr  verwickelten 
Veise  ...  um  die  beabsichtigte  Dissection  der  Säule  zu  bewerkstelligen  ... 

Oitwald,  Elektrochemie.  28 


434 


Zwölftes  Kapitel. 


V 


Fig.   109. 
Nach  de  Luc. 


Nr.  2. 


j 

z 


VMfMMMUMJMMfJMMKXTW 


Nr.  1. 


silver 


Z22SSZEZSSZBH2ZZBZ5E 


zinc 

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WUUWMUUJAMMWJUJOOPPOgB 


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wo 


WWIMMWUOAMMAMMMAMC^  W.C 

/r. 


T 


Tripod 


yxm***M*M*M>M*Mxim  w.c 


bei  der  Wiederholung  der  Versuche  benutzte  ich  ein  einfacheres  Verfahr« 
indem   ich   aus  je  zwei  Stücken  von  dünnem  Messingdraht,  die   in  Gest 

eines  T  mit  Schnellloth  aneinander  befestigt  wurden,  Dr< 
füsse,  wie  in  Fig.  109  herstellte,  indem  die  drei  na 
unten  gebogenen  Enden  aaa  Füsse  von  1/9  Zoll  Hö 
bildeten,  welche  die  Verbindung  der  Gruppe,  auf  der 
stehen,  mit  dem  Dreifuss  nur  in  drei  kleinen  Punkten  v 
mittein.  Die  Drähte  waren  selbst  ein  wenig  nach  unt 
gebogen,  so  dass  auch  die  auf  dem  Dreifuss  liegende  Grup 
nur  mit  den  drei  Punkten  bbb  auflag." 
Diese  Dreifüsse  wurden  nun  verwendet,  indem  sie  zwischen  je  z\ 
aufeinanderfolgende  Schichten  der  Säule  eingeschaltet  wurden.   Es  kann  d 

auf  drei  Arten  j 
schehen;  die  Di 
fiisse  können  e 
weder  zwischen  Zi 
und  Silber ,  o< 
zwischen  Silber  u 
Feuchtigkeit ,  « 
endlich  zwiscr 
Zink  und  Feucht 
keit  geschaltet  w 
den.  „Nr.  1  stellt  eit 
Theil  der  ununt 
brochenen  Säule  1 
(Fig.  110),  welche  von  einem  Ende  bis  zum  anderen  gleichwerthig 
.    Nr.  2   ist  eine  erste   Dissection   der  Säule  durch  die  Dreifüsse,    in  welcl 

die   letzteren   sie    in    tern 
r*  3*  Gruppen     aus     den  .  beic 

Metallen    mit    der    feudi 

Schicht      zwischen      beic 

theilen;     dies    ist    gleicht 

von  einem  Ende  der  Säule 

zum    anderen    durchgefiil 

Nr.  3  (Fig.  in)  stellt  die  zw< 

Dissection  der  Säule  dar, 

welcher  die  Dreifüsse  tern 

Gruppen    sondern,    die    ; 

den  beiden  Metallen  in  geg 

seitiger  Berührung    und  < 

feuchten  Schicht  in  Berührung  mit  Zink  allein  bestehen;  da  diese  Theih 

an  den  Enden  der  Säulen  nicht  vollständig  ist,  so  ist  diese  Nummer  in  z 

Theilen   dargestellt;    der   eine   ist  das  obere  Ende  der  Säule  A,    mit  ei 

Silberplatte  allein  am  Ende,    und  der  andere  der  Gipfel  der  Säule  B 


mnwiwimvwjwMwjwj  w.c 


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1 


jrereiWMWWWWWWWffiB 


K  C 


Fig.  110.     Nach  de  Luc. 


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WMWtViVinViVAVtV 


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C222Z, 


ZäSSSSSSttSSE 


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w.c 


IsSBBSaB&SZSEZBSBZSSI&BDir 
Jl  1 


Fig.  in.     Nach  de  Luc. 


Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  Berührungselektricität  u.  s.  w. 


435 


Zinkplatte  und  einer  Flüssigkeitsschicht  am  Ende.  Ähnlich  ist  der 
in  Nr.  4  (S.  112),  wo  die  dritte  Dissection  gezeigt  ist,  mit  der  feuchten 
:ht  in  Berührung  mit  Silber:  auch  diese  Darstellung  besteht  aus  zwei 
[en,  einer  als  Gipfel  der  Säule  A,  mit  einer  Silberplatte  und  einer 
iten  Schicht  am  Ende,  der  andere  als  Gipfel  der  Säule  B,  mit  einer 
platte  allein/' 

Mit  den  so  angeordneten  Säulen  stellte  de  Luc  nun  Versuche  an,  um 
Eigenschaften  festzustellen.  Unter  Anwendung  von  Wasser  als  feuchte 
cht  erhielt  er  von  keiner  Schläge,  dagegen  von  der  ununterbrochenen 
e  wie  von  der  ersten  Dissection,  Fig.  110,  chemische  Wirkungen  sowie 
Tische  Spannungen  an  dem  BENNBT'schen  Goldblattelektrometer  mit  (Don- 
ator. Die  zweite  Dissection  Fig.  1 1 1  Hess  die  elektrischen  Erscheinungen 
ehen,  während  die  chemischen  verschwunden  waren.  Bei  der  dritten  Dissec- 
(Fig.  112)  wurden  weder 

Nr.  4. 

A 


B 

z\  I 


BD 


|*MwwuuiiuuutAAJWAAk>qaiy:/r 


imAHwwuwiKJumjumjAbp^  w 


EBB 


JnAAAAAfWUlAJwMtf»  W   C 


Fig.  112.     Nach  de  Luc. 


trische,    noch  chemische 
cheinungen^  beobachtet 

Als  das  Wasser  der 
Jiten  Schichten  durch  ver- 
nte  Säure  ersetzt  worden 
,  blieben  alle  diese  Wir- 
igen die  gleichen,  nur 
■de  bei  der  ununter- 
chenen  Säule  wie  bei  der 
en  Dissection  der  Schlag 
spürt. 

Aus    diesen    Versuchen 
1  einer  Anzahl  weiterer  zog  nun  de  Luc  den   Schluss,    dass  die  funda- 
ntale  Anordnung  der  Säule  verschieden  ist,  je  nach  der  Wirkung,  welche 

Säule  hervorbringt.  Da  nur  die  erste  Dissection  chemische  Wirkung 
tehen  lässt,  so  ist  für  diese  die  Anordnung  Zink  -Feuchtigkeit-  Silber  die 
damentale.  Da  hier  gleichzeitig  die  einzige  Anordnung  vorliegt,  bei 
Icher  das  Zink  oxydirt  wird,  so  kam  de  Luc  zu  der  Ansicht,  dass  durch 
1  Oxydationsvorgang  die  elektrische  Flüssigkeit  eine  Änderung  in  ihrer 
jchaffenheit  erfährt,  welche  sie  befähigt,  ihrerseits  wieder  chemische  Wir- 
igen hervorzubringen.  Ähnliche  Schlüsse  zog  er  dann  bezüglich  der 
ieren  Wirkungen  der  Säule,  wie  das  oben  angedeutet  worden  ist. 

Die   Erklärung   der  Erscheinungen    ist    gegenwärtig    nicht    schwer    zu 

den,  und  man  sieht  alsbald,  dass  diese  Versuche  über  die  Frage  allerdings 

hts  entscheiden.   Bei  der  ersten  Dissection  befinden  sich  die  messingenen 

eifiisse  zwischen  den  beiden  Metallen  und  ändern  nach  dem  VoLTA'schen 

setz  nichts  an  der  Spannung,    und  vermöge  ihrer   guten  Leitung   auch 

hts  an  der  Stromstärke.     Bei  der  zweiten  Dissection   berührt  jeder  Drei- 

s  die  Flüssigkeit  nur  an  drei  Punkten,  oder  vielmehr  an  drei  sehr  kleinen 

chen;    der  grosse  Widerstand  der  Flüssigkeit   macht  sich  bei   dem   sehr 

28* 


Zwölftes  KapiteL 


s??r~j&~z  jair?ci=rr  öö  jätenden  Antheils  geltend,  und  die  Stromstärke 
f£~2£_  Do.  fas  üessmg  wesentlich  wie  Kupfer  in  der  Kette  wirkt, 
t'jcl  Süber  mir  wenig  verschieden  ist,  so  bleibt  die  Spannung 
ttti&rjctrrjd  :btse£be.  v**L  Messing;  und  Silber  unmittelbar  aneinander  grenzen 
Iää  :at  ri  öer  drrti^  Dsssccrnott  nicht  mehr  der  Fall;  wir  haben  dort  eine 
icr«e.isr  Lettcrös  St^Ie  i^s  Silber.  Feuchtigkeit  und  Messing,  indem  das 
rw-scher.  dses»  beäkien  ^fetalen  bennrilicbe  Zink  nach  dem  VoLTA'schea 
^canr.ar.gs^eset2  crwirkssn  isc:  Die  Beobachtungen  von  de  Luc  sind  abft 
r.  vciligetn  EinV.A^^e  nr:  iea  bekannten  Gesetzen  der  elektrischen  Erschef- 
r.  .T-gen  der  Sasle  uro  cie  ülfesecrion**  derselben  hat  nichts  mehr  gelehrt, 
za  bereit*  bekannt  war.  Eter  Errthom.  dass  man  auf  diesem  Wege  weher 
k/xntnen  könne,  lag  darin,  dass  ze  La:  sich  nicht  gefragt  hatte,  welche 
fl*ra<e  Wirkungen  das  voß  -rm  angewendete  Mittel  der  Dreifösse  in  der 
.Sauie  hervorbringen  konnte.  Er  ha:  die  eingeschalteten  Messingdrahte  für 
bi/ywe  Trennungsmirtel  der  Katten  angesehen,  welche  die  Leitung  nicht 
unterbrachen:  ob  nicht  durch  sie  die  Säule  ihre  Natur  und  Beschaffenheit 
ändert,  hat  er  zu  fragen  und  zu  untersuchen  unterlassen. 

Diese  Arbeiten  von  de  Lcc  haben  weiter  keinen  erheblichen  Einflu» 
gehabt;  sie  riefen  eine  kurze  Diskussion  hervor,  sind  aber  bald  darauf  völlig 
in  Vergessenheit  gerathen. 

Bemerkenswerth  und  aunaüig  ist,  dass  de  Llx  über  die  Verhältnisse  der 
elektrischen  Vorgänge  sich  bezuglich  der  Grössen,  die  wir  als  Spannung  und 
Elektricitätsmenge  kennen,  recht  klare  Vorstellungen  gebildet  hatte;  sogar 
der  von  Ohm  mit  so  viel  Erfolg  benutzte  Vergleich  der  ersteren  mit  dem 
Druck  einer  Flüssigkeit,  der  zweiten  mit  deren  Menge  findet  sich  bei 
i>r  Lcc  benutzt,  um  die  elektrischen  Erscheinungen  zu  veranschaulichen. 
Kr  setzt3  auseinander,  wie  ein  Elektroskop  nur  dann  den  elektrischen  Zu- 
stand eines  damit  verbundenen  Körpers  richtig  anzeigen  wird,  wenn  dieser 
sehr  gross  ist,  ebenso,  wie  ein  in  feuchten  Grund  gegrabener  Brunnen  nur 
dann  die  Wasserhöhe  desselben  zeigen  wird,  wenn  sein  Inhalt  im  Vergleiche 
zu  dem  des  Grundes  klein  ist  „Ich  vergleiche  die  Zahl  der  Plattenpaare 
mit  der  Höhe  der  Schicht,  aus  welcher  Wasser  in  einen  Brunnen  tritt;  die 
Grösse  der  Platten  mit  der  Ausdehnung  der  Schicht;  den  Grad  der  Divergenz 
in  dem  Elektroskop  an  den  Enden  der  Säule  mit  der  Höhe,  welche  das 
Wasser  im  Brunnen  erreichen  kann,   ohne  überzufliessen."     Diese  Analogie 


1  Um  einen  möglichen  Inthum  zu  vermeiden,  mache  ich  hier  besonders  aufmerksam,  dass 
das  VoLTA'sche  Spannungsgesetz  mit  der  VoLTA'schen  Contacttheorie  nichts  xu  tmm 
hat.  Ersteres  ist  ein  rein  experimentelles  Gesetz,  welches  besagt,  dass  auf  die  effective  Spannung 
nur  die  an  den  feuchten  Leiter  grenzenden  Metalle  Einfluss  haben,  die  zwischen  anderen  Metallen 
befindlichen  aber  nicht.  Diese  Thatsache  besteht  ganz  unabhängig  von  der  Beantwortung  der 
Frage,  in  welchen  Berührungsstellen  man  den  Sitz  der  elektromotorischen  Kraft  annimmt,  denn 
es  wurde  auf  S.  144  gezeigt,  dass  auch  bei  der  Annahme,  dass  zwischen  den  Metallen  über- 
haupt keine  ßerährungselektricitat  besteht,  das  Spannungsgesetz  seine  Gültigkeit  behalt. 

*  Nicholson'»  Journ.  26 


Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  Berührungselcktricität  u.  s.  w.  437 


nd  dann  ganz  sachgemäss  benutzt,  um  abzuleiten,  dass  die  Spannung  des 
dctroskops  nur  von  der  Plattenzahl  einer  Säule,  nicht  von  der  Grösse  der 
tten  abhängen  kann,  „ebenso,  wie  der  Stand  des  Wassers  in  einem 
innen  nur  der  Höhe  der  Schicht  proportional  ist,  aus  der  es  kommt. 
rd  aber,  um  einen  Strom  von  Wasser  hervorzubringen,  eine  Röhre  ange- 
t  oder  ein  Graben  gezogen,  so  wird  der  Strom  stärker  und  dauernder 
a»  Je  grösser  die  Schicht  ist,  aus  welcher  das  Wasser  kommt,  bei  gleicher 
he."  An  diese  ganz  richtigen  Auseinandersetzungen  knüpft  de  Luc  aller- 
igs  alsbald  die  weitere  Analogie,  dass  wie  das  Wasser  je  nach  Beschaffen- 
t  der  Schichten,  durch  die  es  gegangen  ist,  verschiedene  Eigenschaften 
nimmt,  so  auch  die  Elektricität  verschiedener  Art  sein  könne.  Auf  diese 
eise  richtet  er  den  brauchbaren  und  hilfreichen  Gedanken,  der  ihm  bei 
igehenderer  Überlegung  gestattet  hätte,  die  von  ihm  beobachteten  Unter- 
biede  der  Wirkung  verschiedener  Säulen  zu  erklären,  durch  das  Verfolgen 
1er  falschen  Analogie  wieder  zu  Grunde. 

4.  Die  elektrochemischen  Arbeiten  von  Becquerel.  Um  die 
eiche  Zeit,  in  welcher  die  elektromagnetischen  Entdeckungen  (S.  367)  gemacht 
irden,  begann  ein  Forscher  seine  Arbeiten,  dessen  Name  nach  Davy  einer 
t  ersten  ist,  an  die  sich  die  Bezeichnung  Elektrochemiker  knüpfen  lässt, 
am  er  hat  sein  ganzes  langes  und  überaus  thätiges  Leben  hindurch  sich 
»  gut  wie  ausschliesslich  mit  Forschungen  auf  diesem  Gebiete  beschäftigt. 
s  ist  dies  Antoine  Cesar  Becquerel,  geboren  1788  in  Chatillon-sur-Loing, 
starben  1878  in  Paris,  nach  vollendetem  90.  Lebensjahre.1 

Mit  Becquerei/s  Namen  verknüpft  sich  nicht  die  Erinnerung  an  eine 
sonders  hervorragende  wissenschaftliche  Einzelleistung;  namentlich  nach 
rr  theoretischen  Seite  der  Wissenschaft  hat  er  keinen  irgendwie  erheblichen 
influss  ausgeübt.  Was  ihn  auszeichnet,  ist  eine  fast  unübersehbare  Fülle 
:perimenteller  Einzelbeobachtungen,  die  sich,  wie  schon  erwähnt,  wesentlich 
if  elektrochemische  Erscheinungen,  daneben  aber  auch  auf  zahlreiche  andere 
Metrische  Fragen  beziehen;  so  hat  er  sich  namentlich  erfolgreich  mit  der 
bermoelektricität  beschäftigt  und  den  von  Seebeck  ausgesprochen  Satz,  dass 
ich  die  thermoelektrischen  Erregungen  der  verschiedenen  Metalle  dem 
esetze  der  Spannungsreihe  folgen,  durch  quantitative  Messungen  bestätigt 
\d  erweitert.  Seine  zahlreichen  Abhandlungen  bilden  eine  noch  bei  weitem 
cht  erschöpfte  Quelle  von  Anregungen  auf  unserem  Gebiete;  viele  der 
m  ihm  beobachteten  Erscheinungen  harren  noch  der  Aufklärung  durch 
e  Herstellung  eines  Zusammenhanges  mit  anderweit  bekannten  Thatsachen 
ier  durch  die  quantitative  Durcharbeitung.   Ein  weiteres  Verdienst,  welches 

•  sich  im  Anfange  seiner  wissenschaftlichen  Laufbahn,  also  in  der  Zeit,  von 

*  hier  die  Rede  ist,  erworben  hat,  ist  seine  Betonung  der  chemischen 
orgänge  in  der  Säule,  durch  welche  er  dem  schnell  sich  ausbreitenden 
ibedingten  Voltaismus  wenigstens  in  Frankreich  einen  Damm  entgegensetzen 


1  Vgl.  Comptes  rendus  86,  125.  1878. 


438  Zwölftes  Kapitel. 


half,  und  die  zu  Gunsten  des  letzteren  schon  fast  erledigt  erscheinende  Frage 
aufs  Neue  zur  Verhandlung  brachte.  In  dieser  Richtung  ist  ihm  allerdings 
der  gleich  zu  erwähnende,  etwas  später  aufgetretene  Genfer  de  la  Rive  weit 
überlegen. 

Becquerel/s  erste  elektrochemische  Arbeit1  bezieht  sich  auf  die  bereits 
erörterte  Erscheinung,  dass  beim  ungleichzeitigen  Eintauchen  zweier  Stücke 
von  gleichem  Metall  in  Säure  ein  Strom  entsteht  Im  Anschlüsse  hieran 
theilt  er  einen  Versuch  mit,  der  ihn  weiterhin  beständig  beschäftigt  hat:  er 
betrifft  die  Entstehung  elektrischer  Ströme  bei  der  Bildung  eines  Salzes  aus 
Säure  und  Alkali.  Zu  dem  Zwecke  bediente  er  sich  eines  Galvanometers* 
dessen  Drähte  in  Platin  ausliefen.  „An  jedem  Ende  des  Drahtes  befestige  \. 
ich  ein  kleines  quadratisches  Platinblech;  auf  eines  derselben  lege  ich  das  * 
Alkali,  das  andere  tauche  ich  in  Säure  und  lege  es  auf  das  Alkali.  Es  v 
findet  alsbald  eine  chemische  Verbindung  zwischen  beiden  statt,  und  es  ;- 
entsteht  daraus  ein  ausserordentlich  kräftiger  elektrischer  Strom,  welcher  von  * 
dem  einen  zum  anderen  durch  den  Draht  geht.  Man  sieht  daher,  dass  bei  ~ 
der  Verbindung  der  beiden  Stoffe  die  Säure  die  positive  Elektricität  nimmt, 
und  das  Alkali  die  negative." 

Die   Kritik   dieses   Versuches,   der   in   einer   späteren   Form    ungemein  - 
bekannt  geworden  ist,  durch  Davy  ist  bereits  erwähnt  worden  (S.  352).   Diese    : 
spätere  Form  besteht  darin,   dass  an  einem  Ende  des  Galvanometerdrahtes  . 
ein  Löffel,  am  anderen  eine  Zange,  beide  von  Platin,  angebracht  wird.1    In 
den  Löffel   kommt  die  Säure,    mit  der  Zange  wird   ein   Stück  Kali  gefasst;    , 
taucht  man  letzteres  in  die  Säure,  so  entsteht  ein  kräftiger  Strom.   Mit  dem    . 
gleichen  Apparat  versuchte  Becquerel  eine  Elektricitätsentwickelung  bei  der 
Auflösung  eines  festen  Körpers  in  Wasser  nachzuweisen,  jedoch  ohne  Erfolg. 
Dagegen  erhielt  er  Ströme,  als  er  in  den  Löffel  eine  Lösung  von  Alkali  that, 
und  mittelst  der  Zange  Zink-  oder  Bleioxyd,   die  in  Alkali  löslich  sind,  in 
das  Alkali  brachte.    Ebenso  erhielt  er  eine  schwache  Ablenkung  der  Nadel, 
wenn  er  Fällungen  durch  einfache  Wahlverwandtschaft  stattfinden  Hess;  bei 
solchen  durch  doppelte  Zersetzung  hat  er  keinen  Strom  beobachten  können. 

Weitere  Versuche  beziehen  sich  auf  die  Messung  der  Verwandtschaft 
der  Metalle  zu  den  verschiedenen  Säuren,  die  er  folgendermaassen  zu  be- 
stimmen versucht.  Zwei  unten  eben  geschliffene  Stücke  Glasrohr  werden 
so  auf  ein  Platinblech  gekittet,  dass  sie  zwei  nebeneinander  befindliche  Becher 
darstellen,  deren  Boden  das  gemeinsame  Blech  bildet  In  die  beiden  Becher 
kommen  die  verschiedenen  Flüssigkeiten,  deren  Wirkung  man  bestimmen 
will,  und  an  den  Enden  des  Galvanometerdrahtes  werden  Stücke  des  Metalles 
befestigt,  auf  das  gewirkt  werden  soll.  Die  verschiedene  Verwandtschaft  ver- 
schiedener Metalle  zu  derselben  Säure  ergiebt  sich  bei  der  Verbindung  der- 
selben mit  den  Drähten  des  Galvanometers,  wobei  zur  Vermeidung  der  nach 
der  VoLTA'schen  Theorie  vorauszusetzenden  Erregungen  bei   der  Berührung 


1  Ann.  chim.  phys.  23,  t52.  1823.        •  EbendA  23,  252.  1823. 


Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  Berührungselektricität  u.  s.  w.  43a 


verschiedenen  Metalle,  feuchtes  Papier  zwischen  diese  gelegt  wird,  welches 
Volta  keine  messbare  Spannung  giebt,  und  dem  gleichzeitigen  Ein- 
tauchen in  die  Säure;  dabei  muss  auf  die  Möglichkeit  von  Strömen  durch 
ungleichzeitiges  Eintauchen  Rücksicht  genommen  werden. 

Diese  Untersuchungen  erregten  ihrer  Zeit  ein   lebhaftes  Interesse,   wie 
daraus   hervorgeht,   dass  sie  vielfach   übersetzt  und   in  andere  Zeitschriften 
übernommen  worden  sind.     Doch  muss  gesagt  werden,  dass  sie  Einwänden 
ausgesetzt  sind,  die  auch  zu  jener  Zeit  offen  zu  Tage  lagen.   Die  Berührungs- 
stellen in  den  von  Becquerel  untersuchten  Ketten  sind  immer  mehrfache,  und  es 
liegt  eine   ungerechtfertigte  Willkür  darin,   den   beobachteten  Strom  gerade 
einer  von   den  vorhandenen  Berührungen  zuzuschreiben,    und  die   anderen 
unbeachtet  zu  lassen.    Die  früher  (S.  169)  erwähnten  Versuche,  die  „wahre" 
Anordnung  der  Kette  zu  ermitteln,   hatten  bereits  ergeben,    dass  auf  keine 
Weise  durch  die  Messung  an  Ketten  der  Werth  der  Spannung  an  den  ein- 
zelnen   Berührur\gsstellen   zu    ermitteln    ist,    denn    es   sind  jedes  Mal    mehr 
Berührungsstellen  vorhanden,  als   unabhängige  Messungen  angestellt  werden 
können.    Dadurch   erhält  man  immer  weniger  Gleichungen  als  Unbekannte, 
und  man  kann  jede  beliebige  Annahme  wenigstens  über  einen  Werth  machen, 
ohne  jemals  mit  der  Erfahrung  in  Widerspruch  zu  gerathen. 

Die  Erkenntniss  dieses  Umstandes,  dessen  klare  Einsicht  allem  Streit 
zwischen  Contacttheorie  und  chemischer  Theorie  ein  Ende  gemacht  hätte, 
da  sie  die  Frage  nach  dem  Werthe  der  an  den  verschiedenen  Berührungs- 
stellen herrschenden  Spannungen,  auf  welche  jener  Streit  schliesslich  hinaus- 
laufen muss,  als  unbeantwortbar  mit  den  bekannten  Hülfsmitteln  herausgestellt 
hätte,  war  zwar  vorhanden,  und  lässt  sich  von  Zeit  zu  Zeit  nachweisen,  sie 
hat  aber  nicht  die  eben  als  nothwendig  bezeichnete  Wirkung  hervorgebracht. 
Dazu  war  das  Bedürfniss  nach  einer  geschlossenen  Theorie  der  galvanischen 
Erscheinungen  zu  lebhaft,  und  man  mochte  sich  nicht  dabei  beruhigen,  die 
durch  die  Beschränkung  der  Mittel  erzwungene  Mitführung  einer  additiven 
Constanten  unbekannten  Werthes  in  alle  die  VoLTA'sche  Kette  betreffenden 
Überlegungen  und  Gleichungen  zuzulassen.  Vielmehr  wurde  alles  erschöpft, 
um  den  Werth  jener  Constanten,  wenn  auch  nicht  un widersprechbar  richtig, 
so  doch  so  wahrscheinlich  wie  möglich  zu  bestimmen.  Um  die  verschiedene 
Werthschätzung  jener  Wahrscheinlichkeitsgründe  hat  sich  dann  schliesslich 
der  ganze  Streit  gedreht,  und  dass  ein  solcher  Zustand  der  allerfruchtbarste 
fiir  Streitigkeiten  ist,  wird  ja  in  den  Wissensgebieten  am  deutlichsten  sicht- 
bar, in  denen  die  Entscheidungen  vorwiegend  auf  Wahrscheinlichkeitsbeweise 
gegründet  werden  müssen. 

In  dem  weiteren  Verfolg  seiner  Arbeiten  entdeckte  Bequerel  eine  andere 
Ursache  elektrischer  Erregungen,  die  man  seitdem  mit  dem  Namen  der 
Capillarströme  bezeichnet  hat1  „Giessen  wir  irgend  eine  Säure,  z.B.  Salz- 
säure, die  mit  dem  fünffachen  Gewicht  Wasser  verdünnt  ist,  in  den  Platin- 


1  Ami.  chim.  phys.  24,  342.  1823. 


440  Zwölftes  Kapitel. 


löffel,  der  mit  dem  einen  Ende  des  .Galvanometerdrahtes  verbunden  ist, 
tauchen  einen  Platinschwamm  hinein,  der  an  der  mit  dem  anderen 
des  Drahtes  verbundenen  Zange  befestigt  ist  (der  Schwamm  ist  so 
reitet,  dass  er  keine  Spur  fremder  Stoffe  enthält),  so  wird  in  demselben 
Augenblicke  ein  Strom  entstehen,  welcher  vom  Schwamm  nach  der  Säuft 
geht,  und  daher  dem  entgegengerichtet  ist,  welcher  entstehen  müsste,  wen 
die  Säure  vom  Metall  angegriffen  worden  wäre.  In  dem  Maasse,  wie  die. 
Poren  sich  mit  Flüssigkeit  füllen,  nimmt  der  Strom  an  Stärke  ab,  und  e*: 
kommt  ein  Augenblick,  wo  er  Null  ist;  dies  geschieht,  wenn  der  Schwamm 
alle  Flüssigkeit  aufgenommen  hat,  die  er  enthalten  kann.  Wenn  die  Säutt 
concentrirt  ist,  so  ist  die  Wirkung  weniger  deutlich." 

Von  einigem  Interesse  ist  die  Stellung,  welche  Becquerel  ursprünglich  i 
gegenüber  der  VourA'schen  Theorie  einnahm.  Die  Lehre  von  der  elektrisches 
Spannung  zwischen  verschiedenen  Metallen  erschien  damals  so  fest  gegründet, 
dass  er  sich  die  Frage  nach  ihrer  Richtigkeit  gar  nicht  stellt;  er  nimmt  sie 
ohne  weiteres  an.  Um  nun  für  seine  chemischen  Ströme  Raum  zu  erhalten, 
stellt  er  folge  Überlegung  an. 

„Wir  haben  .  .  .  gezeigt,  dass  zwischen  den  durch  die  einfache  Berührung 
der  Stoffe  hervorgebrachten  elektrischen  Wirkungen,  und  denen,  die  aus  den 
chemischen  Thätigkeiten  hervorgehen,  ein  sehr  grosser  Unterschied  besteht: 
bei  der  Berührung  besteht  eine  elektrische  Spannung,  welche  dieselbe  bleibt, 
in  welcher  Ausdehnung  sich  die  dem  Versuch  unterworfenen  Körper  auch 
berühren;  während  bei  der  chemischen  Thätigkeit  diese  Spannung  annähernd 
Null  ist,  oder  wenigstens  durch  unsere  Instrumente  nicht  bestimmbar:  die 
Dinge  gehen  vor  sich,  als  wenn  ununterbrochene  elektrische  Ströme  zwischen 
den  Körpern  während  der  Wirkung  der  Affinität  verliefen."  Dass  Ströme 
und  Spannungen  sich  gegenseitig  bedingen  und  voraussetzen,  war  allerdings 
eine  Erkenntniss,  welche  eben  um  jene  Zeit  erst  durch  die  Arbeiten  Ohm's 
in's  Klare  gesetzt  wurde. 

Die  Erkenntniss,  dass  noch  weitere  elektrische  Spannungen  als  die 
ursprünglich  von  ihm  vorausgesetzten,  bei  seinen  Versuchen  wirksam  gewesen 
sind,  ist  Becquerel  bald  darauf  gekommen,  und  um  diese  einzeln  kennen 
zu  lernen,  hat  er  das  BEHRENs'sche  Elektrometer  in  einer  von  Bohnenberger 
abgeänderten  Form  benutzt.  Wie  weit  es  ihm  gelungen  ist,  diese  Aufgabe 
zu  lösen,  geht  aus  folgender  Darstellung1  hervor. 

„Es  wurde  auch  versucht,  die  elektromotorischen  Wirkungen  der  Metalle, 
z.  B.  des  Platins,  bei  ihrer  Berührung  mit  sauren  oder  basischen  Lösungen 
sichtbar  zu  machen:  es  wurde  aut  die  obere  Platte  des  Condensators  eine 
Schale  aus  Platin  gestellt,  die  mit  einer  alkalischen  Lösung  gefüllt  war; 
ferner  wurde  einerseits  die  untere  Platte  mit  einem  Platinblech  berührt, 
andererseits  die  Flüssigkeit  mit  dem  Finger.  Auf  diese  Weise  wurden  die 
elektromotorischen  Wirkungen  zwischen  dem  Platin  und  Kupfer  aufgehoben, 


1  Ann.  chim.  phys.  25,  405.  1824. 


Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  Berührungselcktricität  u.  s.  w.  44  \ 


sie  beiderseits  gleich  waren;   und  auf  der  oberen  Platte  blieb   nur  die 

dektricität  übrig,   welche  das  Platin  durch  die  Berührung  mit  der  Lösung 

angenommen  hatte.   Zuweilen  ist  es  nöthig,  zwischen  das  Platin  und  Kupfer 

einen  kleinen  Streifen  Papier  zu  bringen,  denn  der  Apparat  ist  empfindlich 

genug,    dass .  eine    sehr   kleine   Verschiedenheit   in   der   Beschaffenheit   der 

metallischen  Oberflächen  das  Ergebniss  ändert." 

Wir  sehen  hier  Becquerel  auf  dem  Wege,  um  den  Kenntnissen  seiner 
Zeit  gemäss  den  wahren  Spannungsunterschied  zwischen  Platin  und  Flüssig- 
keit zu  suchen;  er  hat  aber  die  Analyse  seines  Experimentes  nicht  weit 
genug  getrieben.  Zwischen  der  symmetrischen  Anordnung  beim  Conden- 
.  sator:  Platin,  Messing,  Messing,  Platin,  hat  er  einerseits  die  alkalische  Lösung, 
andererseits  den  Finger,  also  eine  wesentlich  neutrale  Flüssigkeit  eingeschaltet; 
was  er  gemessen  hat,  ist  die  Summe  der  Spannungen  Platin- Alkali,  Alkali- 
Finger  und  Finger-Platin.  Er  setzt  die  beiden  letzteren  gleich  Null,  und 
_  erhalt  dadurch  sein  Ergebniss;  mit  welchem  Rechte  er  aber  diese  vernach- 
lässigt, hat  er  nicht  gesagt,  ja  er  scheint  überhaupt  nicht  bemerkt  zu  haben, 
dass  er  eine  Vernachlässigung  begangen  hat. 

Ebenso  lehrreich  ist  ein  anderer  Trugschluss,  welchen  Becquerel  in 
seiner  nächsten  Abhandlung  begeht.1  „Nehmen  wir  zwei  Schalen  von 
gleicher  Grösse  aus  Porzellan;  in  die  eine  giessen  wir  eine  alkalische,  in  die 
andere  eine  saure  Lösung,  und  vereinigen  beide  Flüssigkeiten  durch  einen 
Platinstreifen.  Taucht  man  nun  in  die  beiden  Lösungen  zwei  Platinbleche, 
welche  an  den  Enden  des  Galvanometerdrahtes  befestigt  sind,  so  findet  kein 
elektromagnetischer  Vorgang  statt,  da  die  elektromotorischen  Wirkungen  des 
Platins  auf  beide  Lösungen  sich  aufheben.  Legen  wir  nun  auf  den  mittleren 
Platinstreifen  einen  Docht  von  Asbest,  welcher  in  beide  Flüssigkeiten  ein- 
taucht, so  haben  wir  alsbald  einen  elektrischen  Strom,  welcher  so  auf  die 
Magnetnadel  wirkt,  dass  die  positive  Elektricität  aus  der  Säure,  und  die 
negative  aus  dem  Alkali  kommt.  Dadurch  ist  es  bewiesen,  dass  die  elek- 
trischen Wirkungen,  welche  wir  bei  dem  anderen  Versuche  beobachtet  haben, 
richtig  sind." 

Becquerel  hat  hier  versucht,  den  Pelz  zu  waschen,  ohne  ihn  nass  zu 
machen.  Um  die  Wirkungen  zwischen  Platin  und  Flüssigkeit  aufzuheben, 
hat  er  die  Zwischenplatte  eingeschaltet;  da  dann  aber  keine  Berührung  der 
beiden  Flüssigkeiten  eintritt,  hat  er  auch  noch  diese  durch  den  Asbestdocht 
hergestellt,  und  dabei  hat  er  nicht  bemerkt,  dass  eine  Kette  entstanden  war, 
in  welcher  die  zu  vermeidende  Wirkung  wieder  vorhanden  war.  Denn  seine 
Kette  ist  nichts  als  die  urprüngliche  Platin -Alkali -Säure -Platin  neben  der 
unwirksamen  symmetrischen,  und  die  beobachtete  Wirkung  nichts  als  die 
jener  Kette,  da  die  symmetrische  eben  nicht  wirkt. 

Ausser  diesen  Arbeiten  hat  Becquerel  noch  eine  grosse  Zahl  weiterer 
ausgeführt,  auf  die  wir  in  der  Folge  mehrfach  zurückkommen  werden.    Die 


1  Ann.  chim.  phys.  26,   177.   1824. 


442  Zwölftes  Kapitel. 


eben   genannten    entschieden   zwar   die   Frage    nach   der    chemischen   Ent- 
stehung der  VoLTA'schen  Elektricität  in  keiner  Weise,   sie  hatten  aber  dct 
grossen  Werth,    die  Frage  selbst  wieder  in  Fluss  zu   bringen,    und  an  9 
knüpft  sich  alsbald  eine  grosse  Reihe  weiterer  Versuche,  in  gleicher  Richtung^ 
vorzudringen. 

5.   A.  de  la  Rive.     Ein   anderer  Forscher,   welcher  etwa   um   dieselbe 
Zeit  seine  Arbeiten  begonnen  hat  und  der  von  grossem   Einflüsse  auf  die 
Frage  nach  der  Ursache  der  elektrischen  Erscheinungen  der  Kette  gewesen 
ist,  ist  August  de  la  Rive,  seiner  Zeit  Professor  der  Physik  an  der  Akademie  js 
zu  Genf.   De  la  Rive  war  nach  Parrot  der  erste,  welcher  dem  VoLTA'schea  j: 
Fundamentalversuch  die  diesem  bis  dahin  allgemein  zugeschriebene  Beweis-  l- 
kraft  absprach  und  die  bei  -der  Berührung  der  Metalle  auftretende  Elektricität  2 
ausschliesslich  auf  chemische  Vorgänge,  insbesondere  solche  zwischen  den 
Metallen    und    der   Luftfeuchtigkeit   oder   dem    Luftsauerstoff,   zurückführte.  ; 
Dadurch  entfachte  er  den  eifrigsten  Widerspruch  der  überzeugten  Voltaisten,  ; 
und  man  kann  die  Zeit  dieser  Erörterungen  als  den  Höhepunkt  des  Kampfes 
beider  Richtungen  bezeichnen.     Gegenüber  Becquerel  ist  er  ein  bei  weitem 
ausschliesslicherer  Vertreter  der  chemischen  Theorie. 

Daneben  ist  de  la  Rive  noch  in  vielen  anderen  Gebieten  der  Elektrik 
eifrig  thätig  gewesen,  und  hat  seinen  Eifer  für  diese  durch  die  Herausgabe 
einer  eigenen  Zeitschrift,  der  „Archives  de  Päectricite^  bewährt,  welche  von 
1841  bis  1845  *n  fünf  Bänden  erschien,  und  in  welcher  alles  gesammelt 
wurde,  was  damals  in  diesem  Gebiete  gearbeitet  wurde.  Seine  wissenschaft- 
liche Thätigkeit  erstreckt  sich  über  die  Jahre  1823  bis  etwa  1860. 

Der  wissenschaftliche  Charakter  de  la  Rivers  ist  der  eines  thätigen  und 
vielseitigen,  aber  nicht  eben  tiefen  Gelehrten.  Er  hat  seiner  Zeit  die  Ver- 
theidigung  der  chemischen  Theorie  des  Galvanismus  nicht  mit  unzweifel- 
haftem Erfolg  durchführen  können,  und  man  muss  sogar  zugestehen,  dass 
manche  Blossen,  die  er  sich  gegeben  hat,  auch  der  Anerkennung  seiner 
richtigen  Gedanken  hinderlich  wurden.  In  der  Geschichte  dieses  Streites 
macht  es  sich  ziemlich  allgemein  geltend,  dass  die  physikalisch-mathematisch 
geschulten  Forscher  sich  an  die  VoLiVsche  Ansicht  hielten,  unzweifelhaft, 
weil  diese  schärfer  formulirbar  war,  als  die  gar  zu  unbestimmten  Ideen  der 
„Chemiker."  Umgekehrt  fanden  diejenigen  Forscher,  welche  den  Schwer- 
punkt ihrer  Thätigkeit  in  experimentellen  Arbeiten  hatten,  die  VoLTA'sche 
Ansicht  trotz  ihrer  äusseren  Glätte  unbefriedigend,  weil  diese  den  ganz 
unverkennbaren  Zusammenhang  der  chemischen  und  elektrischen  Erschei- 
nungen, dem  sich  Niemand  entziehen  konnte,  der  die  Erscheinungen  täglich 
sah,  so  völlig  ausser  Betracht  Hess.  Derartige  Forscher  verfugen  aber  meist 
nicht  in  gleichem  Maasse  über  die  Hülfsmittel  der  Mathematik  und  verfallen 
leicht  in  den  Fehler,  Zusammenhänge,  die  sich  ihnen  experimentell  erschlossen 
haben,  in  unzulänglicher  Gestalt  zu  formuliren,  und  dadurch  die  Werth- 
schätzung  ihrer  thatsächlichen  Fortschritte  gerade  von  jener  Seite  mehr  als 
billig  zu  schädigen. 


Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  Berührungselektricität  u.  s.  w.  443 


Ähnlich  ist  es  mit  de  la  Rive  gegangen.  Die  gelegentlichen  logischen 
chwächen  in  der  Form,  die  er  seinen  Ansichten  gab,  Hessen  vielfach  den 
rauchbaren  Kern  übersehen,  der  ihnen  zu  Grunde  lag,  und  so  ist  auch 
äne  Thätigkeit  in  jenem  langen  Streite  vorübergegangen,  ohne  dass  nachher 
ie  Situation  wesentlich  geändert  gewesen  wäre. 

Schon  eine  der  ersten  Arbeiten,  mit  denen  de  la  Rive  an  die  Offent- 
tchkeit  trat,  bringt  ihn  mitten  in  die  unbeantworteten  Fragen  über  die 
ihemischen  Erscheinungen  der  Säule.1  Nach  einer  klaren  Übersicht  der  bis 
bhin  geäusserten  Ansichten  über  den  Vorgang  der  galvanischen  Zersetzung 
sortert  er  die  verschiedenen  Hypothesen  darüber  und  erklärt  die  von 
Seotthuss  schliesslich  als  die  befriedigendste.  Er  ändert  sie  etwas  ab,  und 
macht  sich  folgendes  Bild  von  dem  Vorgange.  Der  elektrische  Strom  besteht 
aas  zwei  einzelnen,  entgegengesetzt  verlaufenden  Strömen  von  +  und 
— Elektricität  Diese  hat  eine  grosse  Verwandtschaft  zu  den  Bestandteilen 
der  zersetzbaren  Stoffe,  und  zwar  +E  zu  den  Basen,  —  E  zu  den  Säuren. 
Beide  Elektricitäten  verbinden  sich  mit  diesen  Stoffen,  wenn  sie  in  die 
Flüssigkeit  treten,  und  bewegen  sich  mit  ihnen  in  entgegengesetzter  Richtung. 
An  den  metallischen  Polen  kann  der  mit  der  Elektricität  verbundene  Stoff 
nicht  mehr  fortgeführt  werden,  beide  trennen  sich  daher,  und  der  Stoff 
erscheint  am  Pol. 

De  la  Rive  ist  nicht  dessen  gewahr  geworden,  dass  seine  Theorie  der 
Hauptsache  nach  mit  der  ältesten   übereinstimmt,    welche    überhaupt    über 
diesen  Gegenstand   versucht  worden  ist,    mit  der  von  Cruikshank  (S.   i5°)> 
welche    unmittelbar    nach    der    Beobachtung   der    ersten    galvanischen    Zer- 
setzungserscheinungen   aufgestellt    wurde!      Ein    Vierteljahrhundert   eifrigster 
Arbeit  hat  im  Kreise  herum,  und  wieder  zum  Ausgangspunkte  zurück  geführt. 
In  einer  bald    darauf  veröffentlichten   Arbeit   über   die  Erscheinungen, 
welche  die  VoLTA'sche  Elektricität  beim  Durchgange  durch  flüssige  Leiter 
zeigt,2  stellte  de  la  Rive  zunächst  von  neuem  fest,   dass  die  Ausscheidung 
der  Stoffe  ausschliesslich  an  den  metallischen  Polen  stattfindet,  und  nirgendwo 
im  Inneren  der  Flüssigkeit     Bei  der  Betrachtung  der  verschiedenen  Hypo- 
thesen   über    diese   Vorgänge   bemerkt    er:    „Nach   der  Hypothese,    zufolge 
welcher   die   Flüssigkeit   sich    in   zwei  Theile    theilt,    die  mit  verschiedenen 
elektrischen  Spannungen  behaftet  sind,  begeben  sich  die  positiven  Elemente 
nach  der  negativen  Atmosphäre,    indem  sie  von  der   positiven  abgestossen 
werden,  und  die  negativen  Elemente  begeben  sich  nach  der  positiven.    Wie 
geschieht  es   aber,    dass  die  nach  entgegengesetzten  Richtungen  bewegten 
Molekeln,   die  mit  einer  grossen  gegenseitigen  Verwandtschaft  und  mit  ent- 
gegengesetzten Elektricitäten  behaftet  sind,  sich  nicht  mit  einander  verbinden? 
Auch  kann  man  die  Molekeln  nicht  wandern  sehen,   selbst  mit  Hülfe  eines 
starken  Mikroskopes  (ich  benutzte  eines  von  Amici)." 

Ebenso  findet  de  la  Rive  Schwierigkeiten  in  der  Theorie  von  Grotthuss 


1  Ann.  dum.  phys.  28,  190.  1825.        *  Ebenda  28,  190.  1825. 


444  Zwölftes  Kapitel. 


und  stellt  schliesslich  eine  eigene  Hypothese  auf.  Diese  kommt  im  Wesent- 
lichen auf  die  Annahme  eines  doppelten  Stromes,  eines  positiven  in  der 
einen,  und  eines  negativen  in  der  entgegengesetzten  Richtung  hinaus.  „Diese 
beiden  elementaren  Ströme,  von  denen  jeder  mit  einer  sehr  starken  Ver- 
wandtschaft zu  den  Molekeln  von  entgegengesetzter  Natur  begabt  ist,  ent- 
stehen erst,  nachdem  die  beiden  Pole  der  Säule  in  den  Leiter  getaucht  sind 
Der  Strom,  welcher  vom  +Pole  ausgeht,  greift  die  angrenzende  Molekd 
an,  bemächtigt  sich  seines  Wasserstoffes,  wenn  es  Wasser  ist,  seines  Alkalis,  i 
wenn  es  ein  Salz  ist,  und  macht  den  Sauerstoff  oder  die  Säure  frei,  welche  i 
sich  alsbald  entwickeln.  Indem  er  mit  einer  gewissen  Stosskraft  nach  dem  ; 
negativen  Pole  strebt,  befördert  er  mit  sich  durch  die  Flüssigkeit  die  Molekd, 
mit  der  er  verbunden  ist;  da  er  sie  aber  nicht  durch  einen  trockenen  Leiter 
wie  ein  Metall  befördern  kann,  so  verlässt  er  sie,  wenn  er  in  den  —Pol 
eintritt.  Der  negative  Strom  wirkt  in  ähnlicher  Weise  auf  den  Sauerstoff 
und  die  Säure  der  Molekel,  welche  er  beim  Verlassen  des  —Poles  antrifft. 
Nach  dieser  Hypothese,  welche  mir  alle  beobachteten  Thatsachen  zu  umfassen 
scheint,  stammen  die  an  den  Polen  angehäuften  Elemente  aus  zwei  Quellen; 
i)  aus  dem  einen  Element  der  Molekel,  deren  anderes  Element  durch  den 
austretenden  Strom  fortgeführt  worden  ist,  2)  aus  dem  entsprechenden  Ele- 
ment, welches  vom  Strome  herangeführt  wird,  der  vom  entgegengesetzten 
Pole  ankömmt" 

Diese  Vorstellung  eines  doppelten  Stromes  ist  hernach  ein  Lieblings- 
gedanke de  la  Rivers  geblieben.  Für  die  Entwickelung  der  Wissenschaft  ist 
sie  nicht  von  Belang  geworden.  Dagegen  ist  die  Betonung  des  gleichzeitigen 
Wanderns  der  Elektricität  mit  den  ponderablen  Bestandteilen  der  zersetzten 
Flüssigkeit  von  Werth;  freilich  hat  dieser  Gedanke  erst  seine  Bedeutung  voll- 
ständig erlangen  können,  nachdem  durch  Faraday  der  gesetzmässige  Zu- 
sammenhang zwischen  der  Elektricitäts-  und  der  Stoffmenge  aufgedeckt  war, 
welche  sich  gleichzeitig  in  und  mit  dem  Strome  bewegen. 

De  la  Rive  ging  nun  zu  der  Schilderung  von  Versuchen  über,  welche 
er  in  Bezug  auf  den  Einfluss  von  Platinplatten  angestellt  hatte,  die  in  den 
flüssigen  Leiter  eingeschaltet  waren.  Es  gelang  ihm  nicht,  diese  Erschei- 
nungen zu  entwirren,  da  ihm  dazu  die  unentbehrliche  Führung  durch  die 
OHM'sche  Theorie  fehlte.  Die  Versuche  selbst  bieten  den  viel  älteren  Ritter?* 
(S.  175)  gegenüber  kaum  etwas  Neues,  wenn  man  nicht  den  Umstand  rechnett 
will,  dass  er  die  secundären  Ströme  auch  mittelst  des  Galvanometers  nach» 
gewiesen  hat,  während  Ritter  sich  mit  den  anderen  ihm  zu  Gebote  stehenden 
stromprüfenden  Mitteln  hat  begnügen  müssen. 

6.  Der  Angriff  auf  die  VoLTA'sche  Theorie.  Die  ersten  Arbeiten 
de  la  Rivers  lassen  sich  als  kleine  Vorpostengefechte  gegen  die  festen  Ver- 
schanzungen der  VoLTA'schen  Theorie  ansehen.  Doch  säumte  er  nichts 
allmählich  seinen  Angriff  weiter  auszudehnen,  und  zunächst  die  Aussenwerke, 
bald  darauf  aber  auch  den  eigentlichen  Mittelpunkt  der  Stellung,  die  Con- 
tacterscheinungen    selbst    anzugreifen.      Er    ist    in    dieser    Beziehung    weit 


Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  Berührungselcktricität  u.  s.  w.  aac 


fgiacher  als  Bbcquerel  vorgegangen,  und  hat  sich  dadurch  die  unbe- 
ttene  Stellung  eines  Führers  in  dem  nun  ausbrechenden  Kampfe  erworben. 

Gegen  die  VoLTA'sche  Theorie  wurde  von  de  la  Rive  zunächst  das 
gument  geltend  gemacht,  dass  man  aus  denselben  zwei  Metallen  Ketten 
jen  könne,  welche  je  nach  der  benutzten  Flüssigkeit  entgegengesetzte  Pole 
ben.1  Die  Thatsache  selbst  war  nicht  neu;  sie  ergiebt  sich  schon  aus 
ei  Untersuchungen  des  eifrigen  Voltaisten  Pfaff  (S.  186).  Der  erste  Fall, 
n  er  anfuhrt,  ist  Kupfer  und  Zinn.  In  Salzlösungen  ist  ersteres  negativ 
gen  das  letztere,  nimmt  man  aber  als  Zwischenflüssigkeit  Ammoniak,  so 
hren  die  Pole  sich  um,  und  das  Kupfer  wird  positiv.  Gleichzeitig  ist 
nmoniak  eine  Flüssigkeit,  welche  Kupfer  viel  stärker  angreift  als  Zinn, 
d  de  la  Rive  stellt  im  Einklänge  mit  seinen  übrigen  Ansichten  den  Satz 
{,  dass  immer  das  stärker  angegriffene  Metall  gegenüber  dem  weniger 
gegriffenen  positiv  werde. 

Weitere  Fälle  solcher  Umkehrungen  ergaben  sich  bei  der  Untersuchung 
ocentrirter  und  verdünnter  Säuren.  Für  Salpetersäure  findet  er  beispiels- 
ase  folgende  beiden  Spannungsreihen,  je  nachdem  die  Säure  concentrirt 
ler  verdünnt  ist: 


Concentrirte  Säure 

V( 

erdünnte  Säure 

Oxydirtes  Eisen 

Silber 

Silber 

Kupfer 

Quecksilber 

Oxydirtes  Eisen 

Blei 

Eisen 

Kupfer 

Blei 

Eisen 

Quecksilber 

Zink 

Zinn 

Zinn 

Zink. 

Beide  Reihen  sind  völlig  von  einander  verschieden,  und  gewähren  eine 
wze  Anzahl  von  Umkehrungserscheinungen. 

Allerdings  war  die  VoLTA'sche  Theorie  gegen  diesen  Nachweis  keines- 
egs  schutzlos,  denn  sie  konnte  immer  darauf  hinweisen,  dass  Spannungs- 
rscheinungen  zwischen  Metallen  und  verschiedenen  Flüssigkeiten  ja  gar  nicht 
i  Abrede  gestellt  würden;  in  den  angeführten  Fällen  seien  eben  diese 
tärker,  als  die  zwischen  den  Metallen.  Freilich  ist  eine  solche  Rettung 
iemlich  theuer  erkauft:  sind  einmal  Unterschiede  der  Spannungen  zwischen 
lüssigkeiten  und  Metallen  von  solchem  Betrage  zugegeben,  dass  sie  die 
rächen  den  Metallen  selbst  übertreffen  können,  so  ist  damit  auch  zuge- 
gen, dass  Grössen,  deren  Unterschiede  schon  von  der  Grössenordnung 
fr  Spannungen  beim  reinen  Metallcontact  sind,  nicht  diesen  gegenüber 
Tnachlässigt  werden  dürfen,  wie  es  die  Anhänger  der  VoLTA'schen  Theorie 
thun  pflegen.  Die  schon  von  Volta  ausgesprochene  Behauptung,  dass 
ines  Wasser  und  neutrale  Salzlösungen  ganz  besonders  kleine  Spannungen 
gen   die  Metalle  zeigen,    muss  demgemäss  als  unbegründet   so   lange    in 


1  Ann.  chim.  pbys.  37,  229.  1828. 


446  Zwölftes   Kapitel. 


Zweifel  gezogen  werden,  als  keine  unmittelbaren  Messungen  darüber  vor- 
liegen. Dass  die  von  Volta  flüchtig  mitgetheilten  Angaben  (S.  1 38),  die  er 
mittelst  des  Condensators  erhalten  hatte,  hier  nicht  mehr  mitzählen  können, 
ergiebt  sich  schon  aus  der  einfachen  Überlegung,  dass  die  Trennung  seiner 
Metallplatten  von  den  schwach  befeuchteten  Holz-  oder  Pappscheiben  jeden- 
falls nicht  in  der  Berührungsfläche  Metall-Flüssigkeit  erfolgt  ist,  sondern  dass, 
wenn  seine  Platten  wirklich  in  Berührung  mit  einander  gewesen  sind,  die 
Metallplatten  nach  dem  Auseinandernehmen  benetzt  gewesen  sein  müssen, 
dass  also  nicht  Metall  von  Flüssigkeit,  sondern  Flüssigkeit  von  Flüssigkeit 
getrennt  worden  ist.  Demgemäss  ist  denn  auch  nicht  die  Grösse  gemessen 
worden,  welche  Volta  hat  messen  wollen. 

Seinen  Hauptangriff  gegen  die  Theorie  der  Berührungselektricität  machte 
de  la  Rive  in  drei  ausgedehnten  Abhandlungen,  die  unter  dem  Titel 
„Recherches  sur  la  cause  de  l'electricite*  voltaique"  in  den  M&noires  de  la 
soci£t£  de  physique  et  d'histoire  naturelle  de  Geneve,  4,  289  und  weiter 
erschienen.  Ein  Auszug  aus  der  ersten  dieser  Abhandlungen  ging  in  die 
Annales  de  chimie  et  de  physique,  39,  297,  und  von  da  in  PoGGBNDORFrt 
Annalen,  15,  98  über. 

Die  Abhandlung  ist  in  zwei  Theile  getheilt,  von  denen  sich  der  erste 
mit  der  strömenden,  der  zweite  mit  der  Spannungselektricität  beschäftigt 
Der  erste  Theil  bringt  eine  grosse  Anzahl  von  Erörterungen  und  qualitativen 
Versuchen,  von  denen  man  keine  und  keinen  als  entscheidend  ansehen  kann, 
wenn  auch  eine  Anzahl  interessanter  und  wichtiger  Beziehungen  zur  Sprache 
kommt.  Die  Ströme  bei  ungleichzeitigem  Eintauchen  gleicher  Metalle  in 
dieselbe  Flüssigkeit  (S.  350)  werden  zunächst  als  ganz  unerklärlich  aus  der 
VoLTA'schen  Theorie  angeführt.  Dann  geht  de  la  Rive  zu  dem  Nachweis 
über,  dass  ohne  chemische  Wirkung  keine  elektrische  stattfindet.  Dazu 
werden  die  beiden  Enden  des  Galvanometers  mit  zwei  verschiedenen  Metallen 
verbunden,  welche  von  einer  Flüssigkeit  beide  nicht  angegriffen  werden,  wie 
Gold  und  Platin  in  Salpetersäure;  es  entsteht  in  solchen  Fällen  kein  Strom, 
der  aber  sofort  eintritt,  wenn  etwas  Salzsäure  in  die  Flüssigkeit  gebracht 
wird,  wodurch  schwaches  Königswasser  gebildet  wird,  welches  das  Gold 
angreift,  das  Platin  aber  nicht.  Das  gleiche  fand  er  für  Platin  und  Palladium 
in  verdünnter  Schwefelsäure,  wo  ein  Zusatz  von  Salpetersäure  den  Strom 
bestimmt.  Ferner  führt  er  Platin  und  Silber  in  alkalischen  oder  neutralen 
Lösungen  an;  hier  wirkt  Ansäuern  mit  einer  beliebigen  Säure. 

In  zweiter  Linie  beschäftigt  sich  de  la  Rive  mit  der  BECQUEREi/schen 
Kette  aus  Säure  und  Alkali.  Indem  er  eine  solche  durch  einen  mit  Natrium- 
sulfatlösung  befeuchteten  Docht  schliesst,  so  dass  Säure  und  Alkali  nicht 
unmittelbar  auf  einander  wirken  können,  erhält  er  einen  Strom,  der  von  der 
chemischen  Theorie  nicht  vorauszusehen  war,  da  keine  chemische  Wirkung 
eintritt.  „Denkt  man  aber  über  die  Erscheinung  nach  und  studirt  sie  mit 
Sorgfalt,  so  sieht  man  dennoch,  dass  in  der  Wirkung  der  Salpetersäure  und 
des  Kalis  auf  das  schwefelsaure  Natron  die  Ursache  des  Stromes  liegt,  denn 


Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  Bcrührungselektricität  u.  s.  w.  aäI 


bwohl  dies  Salz  weder  von  der  Salpetersäure,  noch  vom  Kali  zersetzt 
erden  kann,  so  bedingt  der  Einfluss  der  Masse  doch  immer  eine  theilweise 
ersetzung,  und  demgemäss  eine  chemische  Wirkung,  welche  zur  Entstehung 
ines  Stromes  hinreicht1  Wir  werden  ausserdem  weiter  sehen,  dass  nicht 
inner  die  heftigsten,  sondern  häufig  die  langsamsten  und  andauerndsten 
iranischen  Wirkungen  sind,  welche  die  stärksten  Ströme  entwickeln." 

de  la  Rive  befindet  sich  hier  offenbar  in  einiger  Verlegenheit,  und  ist 
acht  ganz  aufrichtig  in  ihrer  Erledigung.  Denn  ihm  lagen  die  Erfahrungen 
IXunr's  (S.  352)  schon  vor,  dass  man  gleichfalls  einen  Strom  erhält,  wenn 
nan  an  Stelle  des  schwefelsauren  Natrons  der  Zwischenschicht  das  Produkt 
ler  Wechselwirkung  der  beiden  Flüssigkeiten  selbst,  salpetersaures  Kali 
■mmt,  womit  die  einigermaassen  künstliche  Erklärung,  die  er  versucht,  hin- 
EüEg  wird,  da  hier  alle  chemische  Wirkung  ausgeschlossen  ist. 

Dieser  Fall  ist  nun  in  mehr  als  einem  Sinne  bemerkenswerth.  Er  zeigt 
wächst  durch  den  Widerspruch  mit  der  Form  der  chemischen  Theorie, 
mt  sie  von  de  la  Rive  aufgefasst  worden  war,  die  Unhaltbarkeit,  besten 
Falles  die  Unvollständigkeit  dieser  Form.  Hier  war  also  einzusetzen,  um 
die  erforderliche  Ausbildung  der  Theorie  zu  bewerkstelligen;  und  wenn 
db  la  Rive  sich  dazu  ausser  Stande  fühlte,  so  hätte  er  doch  diesen  Punkt 
■cht  verschleiern,  sondern  hervorheben  sollen,  denn  wenn  die  von  ihm  ver- 
tretene Theorie  etwas  werth  war,  so  musste  sie  früher  oder  später  auch 
Sese  Sache  aufklären.  Ferner  aber  hat  sich  in  der  Folge  gezeigt,  dass 
gerade  dieser  scheinbar  der  chemischen  Theorie  widersprechende  Fall  beson- 
ders geeignet  war,  die  schon  mehrfach  erwähnte  Frage  zu  beantworten, 
welcher  Art  ein  chemischer  Vorgang  sein  müsse,  um  elektrisch  wirksam  zu 
sein.  Denn  die  genaue  Analyse  eben  dieses  Versuches  fuhrt  zu  der  Erkennt- 
nis, dass  in  der  That  gerade  bei  der  Trennung  der  beiden  Flüssigkeiten 
durch  das  Produkt  ihrer  Wechselwirkung,  das  neutrale  Salz,  eine  dem  elek- 
trischen Strome  proportionale  Menge  Neutralsalz  gebildet  wird,  wenn  man 
den  Strom  eben  zu  Stande  kommen  lässt,  und  dass  hier  unter  bestimmten 
Bedingungen  einer  der  lehrreichsten  Fälle  der  Verursachung  eines  elektrischen 
Vorganges  durch  einen  chemischen  vorliegt. 

Um  sich  über  die  Zulässigkeit  seiner  Erklärung  zu  beruhigen,  stellte 
dc  la  Rive  Versuche  an,  indem  er  Ketten  aus  Kali  und  schwefelsaurem 
Natron  einerseits,  aus  diesem  Salz  und  Salpetersäure  andererseits  bildete, 
und  feststellte,  dass  beide  einen  Strom  von  gleicher  Richtung  und  von  etwa 
der  halben  Stärke  des  vorher  beobachteten  gaben.  Da  man  mit  Salpeter 
<fie  gleichen  Resultate  erhält,  so  ist  dieser  Beweis,  der  im  übrigen  nur 
beweist,  dass  sich  die  Wirkungen  addiren,  nicht  bindend  für  die  gegebene 


1  „Thatsächlich  befindet  sich  in  unserem  Falle  die  Menge  schwefelsauren  Natrons  am 
hde  des  Dochtes  von  einer  beträchtlichen  Menge  Salpetersäure  umgeben,  welche  daher  auf  das 
Sdr  wirken  und  es  theilweise  zersetzen  muss;  das  gleiche  gilt  für  das  schwefelsaure  Natron 
w  anderen  Ende  des  Dochtes,  welches  in  die  concentrirte  Kalilösung  taucht,  mit  der  <lie 
nfer*  Schale  gefüllt  ist" 


I 


aaS  Zwölftes  Kapitel. 


Erklärung.     Demgemäss  ist  es  auch   nicht  nöthig,    auf  die  breiten  Ausein- ' 
andersetzungen  einzugehen,  welche  de  la  Rive  an  diesen  Versuch  schliesst 

An  einer  späteren  Stelle  seiner  Abhandlungen  erwähnt  er  indessen  den 
Versuch  mit  Salpeter  (S.  306).  Er  findet  fast  die  gleiche  Ablenkung,  wie 
mit  schwefelsaurem  Natron,  nämlich  40  bis  50  statt  50  bis  6°,  und  macht 
dazu  folgende  Anmerkung:  „Der  Einfluss  der  Masse  macht,  dass  zwischen 
einer  Säure  oder  einem  Alkali  und  dem  gebildeten  Salze  immer  eine 
chemische  Wirkung  stattfindet;  es  bildet  sich  alsdann  ein  saueres  oder 
basisches  Salz.  Es  ist  dies  eines  der  Ergebnisse  der  Arbeiten  von  Ber- 
thollet,  über  weiche  man  in  fast  allen  chemischen  Lehrbüchern  eingehen- 
dere Einzelheiten  finden  kann."  Es  ist  gegenwärtig  bekannt,  dass  gerade 
die  beiden  Stoffe,  von  denen  hier  die  Rede  ist,  Salpetersäure  und  Kali, 
weder  saure,  noch  basische  Salze  mit  einander  zu  bilden  vermögen. 

In  dritter  Stelle  behandelt  de  la  Rive  die  Ketten,  in  denen  zwei  ver- 
schiedene Flüssigkeiten  angewendet  werden.  Hier  lassen  sich  zahlreiche 
Fälle  aufweisen,  wo  das  stärker  angegriffene  Metall  nicht,  wie  er  ausge- 
sprochen hat,  dem  schwächer  angegriffenen  gegenüber  positiv  ist,  sondern 
es  findet  häufig  das  Gegentheii  statt.  In  diesen  Fällen  schreibt  er  die  Um- 
kehrung  der  Stromrichtung  der  Wechselwirkung  der  beiden  Flüssigkeiten  zu, 
zu  deren  Nachweis  er  sich  freilich  einer  recht  bedenklichen  Methode  bedient: 
er  schichtet  beide  Flüssigkeiten  über  einander,  taucht  in  jede  einen  Draht 
von  demselben  Metall,  und  sieht  den  dann  entstehenden  Strom  als  den. 
gesuchten  an.  Auf  gleiche  Weise  erklärt  er  denn  auch  einen  Versuch,  den 
Berzelius  angegeben  hatte,  und  der  diesen  zu  einem  Anhänger  der  VoLTA'schen 
Theorie  gemacht  hat.  Eine  Anzahl  von  Gläsern  ist  zur  Hälfte  mit  einer 
concentrirten  Lösung  von  Chlorcaicium  gefüllt,  zur  anderen  Hälfte  mit  ver- 
dünnter Salpetersäure,  welche  über  der  ersten  Lösung  schwimmt  In  die 
Gläser  tauchen  Kupferbügel,  welche  an  einem  Ende  kleine  Kugeln  von  Zink 
tragen.  Werden  diese  so  in  die  Gläser  getaucht,  dass  die  Zinkstücke  sich 
in  der  Chlorcalciumlösung  befinden,  die  freien  Kupferenden  dagegen  in  der 
Säure,  so  werden  die  letzteren  stark  angegriffen,  während  die  Zinkstücke 
keinen  Angriff  erfahren.  Der  Strom  einer  solchen  Kette  geht  aber  nicht  in 
dem  Sinne,  dass  das  angegriffene  Metall  positiv  ist,  wie  das  die  von  de  la 
Rive  aufgestellte  Regel  verlangt,  sondern  er  hat  die  gewöhnliche  Richtung, 
dem  von  Volta  angenommenen  Spannungsunterschiede  der  beiden  Metalle 
gemäss. 

Die  von  de  la  Rive  gegebene  Erklärung  ist,  wie  erwähnt,  recht  unbe- 
friedigend. Er  behauptet,  dass  die  Berührung  der  beiden  Flüssigkeiten  die 
Quelle  des  Stromes  sei,  und  sucht  dies  dadurch  zu  beweisen,  dass  eine 
Kette  aus  den  beiden  Flüssigkeiten  und  dem  gleichen  Metall  einen  Strom 
in  derselben  Richtung  giebt.  Aber  auch  in  diesem  Falle  steht  der  Versuch 
mit  seinem  allgemeinen  Satze  in  Widerspruch,  denn  auch  in  diesem  Falle 
wird  das  in  die  Säure  tauchende  Ende  des  Metalles  stärker  angegriffen,  als 
das  andere. 


Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  Berührungselektricität  u.  s.  w.  449 


Deutung  des  Versuches  im  Sinne  der  später  entwickelten  chemischen 
eorie  macht  keine  Schwierigkeit;  auch  hier  sind  nur  die  indirekten  che- 
sehen  Vorgänge  die  wirksamen,  und  die  stürmische  Auflösung  des  Metalles 
der  verdünnten  Salpetersäure  hat  mit  der  Strombildung  überhaupt  nichts 

thun.  Doch  kann  erst  an  späterer  Stelle  hierauf  näher  eingegangen 
rden. 

Der  zweite  Theil  von  de  la  Rive's  Untersuchungen  über  die  Ursache 
r  VoLTA'schen  Elektricität  enthält  die  originalsten  Ideen  dieses  im  Ganzen 
aiig  originalen  Forschers.  Hier  unternahm  er,  den  VourA'schen  Funda- 
sntalversuch  selbst  in  Zweifel  zu  ziehen,  dessen  Ergebniss  seiner  Zeit  einen 

ausgeprägt  chemisch  denkenden  Mann,  wie  Davy,  dazu  gebracht  hatte, 
e  rein  chemische  Theorie  der  Berührungselektricität  aufzugeben,  de  la 
ye  versuchte,  auch  hier  das  Ergebniss  auf  chemische  Wirkungen  zwischen 
ra  Metallen  und  dem  Sauerstoff  sowie  der  Feuchtigkeit  der  atmosphärischen 
oft  zurückzufuhren.  Es  ist  verhängnissvoli  für  das  Schicksal  der  chemischen 
beorie  gewesen,  dass  dieser  an  sich  gute  und  richtige  Gedanke  durch 
i  la  Rive  in  wenig  genügender,  ja  zum  Theil  nachweisbar  unrichtiger  Weise 
vchgefuhrt  wurde;  dadurch  entstand  wie  immer  in  solchen  Fällen,  die  Vor- 
dlung,  dass  mit  Erledigung  der  von  dem  ungeschickten  Vertheidiger 
motzten  Argumente  auch  die  ganze  Anschauung  selbst  erledigt  sei,  und 
>  hat  de  la  Rive  der  von  ihm  so  warm  vertheidigten  chemischen  Theorie 
s  Galvanismus  neben  dem  erheblichen  Nutzen  auch  einen  sehr  fühlbaren 
chaden  zugefügt 

Die  Versuche,  von  denen  hier  die  Rede  sein  soll,  sind  im  Zusammen- 
inge mit  denen  angestellt  worden,  über  welche  soeben  berichtet  worden 
t;  veröffentlicht  wurden  sie  zuerst  nur  auszugsweise1  im  Jahre  1828.  Die 
isfuhrliche  Abhandlung  erschien  erst  fünf  Jahre  später  im  Druck2  und 
uthielt  dadurch  eine  Anzahl  von  Repliken  gegen  Einwendungen,  welche 
uf  Grund  des  Auszuges  gegen  die  Ansichten  von  de  la  Rive  erhoben 
urden  waren. 

Als  experimentelle  Beweise  der  VoLTA'schen  Theorie  führt  de  la  Rive 
ie  folgenden  vier  an: 

1)  Der  Versuch  mit  zwei  Metallen  und  dem  Frosch  oder  der  Zunge, 
fier  findet  immer  Berührung  mit  feuchten  Leitern  statt,  und  es  kann  somit 
bemische  Wirkung  nicht  ausgeschlossen  werden. 

2)  Der  Versuch  mit  zwei  verschiedenen  Metallplatten,  die  man  nach 
kr  Berührung  voneinander  abhebt  und  am  Condensator  prüft.  „Was  diese 
weite  Methode  anlangt,  so  gelingt  sie  so  selten,  dass  man  sie  thatsächlich 
acht  zur  Grundlage  einer  Theorie  machen  kann."  Ausserdem  deutet  de  la 
im.  auf  die  Möglichkeit,  dass  die  Elektricität  durch  Reibung  der  Metalle 
entstehen  könne,  und  verwirft  daher  auch  diesen  Versuch. 

1  Ann.  chim.  phys.  39,  297.   1828. 

1  Mem.  de  la  Soc.  de  Physique  de  Geneve,  6,   149.   1833. 
Ostwald,   Elektrochemie.  29 


4 CO  Zwölftes  Kapitel. 


3)  Der  Versuch  mit  dem  aus  Zink  und  Kupfer  zusammengelötheten 
Stück,  welches  man  einerseits  in  der  Hand  hält,  während  man  mit  demj 
anderen  Ende  die  obere  Platte  eines  Condensators  berührt,  dessen  andere« 
Platte  man  mit  der  Hand  ableitet.  Dieser  Versuch  gelingt  immer,  aber  auch! 
hier  liegt,  wie  de  la  Rive  bemerkt,  der  Einwand  vor,  dass  die  Wirkung:] 
nicht  von  der  Löthstelle  der  Metalle  ausgeht,  sondern  von  den  beiden  Be* 
rührungen  zwischen  der  feuchten  Hand  und  dem  Metall  des  Condensaton 
einerseits,  und  dem  der  Doppelplatte  andererseits.  So  weit  hat  er  vollkommen 
recht.  Nun  aber  will  er  es  besonders  gut  machen,  und  verdirbt  dadurch 
seinen  eben  gewonnenen  Erfolg.  Um  nämlich  die  chemische  Einwirkung 
der  Hand  zu  vermeiden,  ersetzt  er  diese  durch  eine  Zange  von  recht 
trockenem  Holz,  und  findet  nun  keine  Ladung  seines  Condensators  mehr* 
Auch  bemerkt  er,  dass  die  Wirkung  um  so  geringer  mit  der  Hand  ist,  je 
trockener  die  Finger  sind. 

Ferner  beschreibt  er  folgenden  Versuch.  „Ein  Stück  Natrium  oder 
Kalium  wird  an  einem  Ende  gut  an  einer  Zange  von  Platin  befestigt,  während 
man  es  am  anderen  Ende  mit  einer  Zange  von  Holz  oder  noch  besser  von. 
Elfenbein  fasst.  Wenn  man  es,  nachdem  es  sorgfältig  gereinigt  ist,  mit  sehr 
reinem  Petroleum  umgiebt,  und  nun  den  Condensator  mit  dem  Ende  der, 
Platinzange  berührt,  so  bemerkt  man  gar  kein  Zeichen  von  Elektricität 
Wenn  dagegen  das  Petroleum  entfernt  ist,  dass  keines  mehr  an  dem  Metall 
vorhanden  ist,  so  sieht  man  dieses  in  Berührung  mit  der  Luft  sich 
oxydiren,  und  das  Elektroskop  zeigt  eine  äusserst  starke  Elektricität.  Kaum 
ist  der  Condensator  nöthig,  um  sie  sichtbar  zu  machen.  Wenn  man  zuweilen 
Spuren  von  Elektricität  erhält,  wenn  das  Metall  unter  dem  Petroleum  ist, 
so  liegt  das  daran,  dass  man  in  die  Flüssigkeit  einige  Spuren  von  Feuchtig» 
keit  gebracht  hat,  welche  auf  der  Oberfläche  des  Metalles  vorhanden  war, 
und  deren  Wirkung  sich  leicht  bemerken  lässt.  Im  Stickstoff  oder  Wasser* 
stoff  haben  die  beiden  Metalle  gleichfalls  Elektricität  entwickelt,  und  zwar 
wegen  der  Wirkung,  welche  sie,  sei  es  von  den  Gasen  selbst,  sei  es  von 
den  Wasserdämpfen,  erfahren,  von  denen  man  diese  unmöglich  vollständig 
befreien  kann;  zum  Beweise  dieser  chemischen  Wirkung  sieht  man  die  Ober- 
fläche ihren  Metallglanz  verlieren  und  anlaufen,  fast  wie  in  der  atmo- 
sphärischen Luft." 

Hier  macht  sich  de  la  Rive  selbst  den  naheliegenden  Einwand,  dass  der 
Erfolg  seiner  Versuche  von  dem  Mangel  an  Leitfähigkeit  herrühren  könnte; 
Um  diesen  Einwand  zu  widerlegen,  stellt  er  einen  ziemlich  verwickelten  Ver- 
such mit  einem  aus  Ebenholz  gefertigten  Apparat  an;  den  naheliegenden 
Nachweis,  dass  gerade  die  von  ihm  benutzte  Holzzange  genügend  leitet,  hat 
er  zu  führen  unterlassen.  In  der  That  lässt  sich  der  Einwand  bei  fast  allen 
den  von  ihm  angegebenen  Versuchen  machen,  dass  durch  dieselben  VorgängCj 
durch  die  er  chemische  Wirkung  auf  seine  Metalle  hervorbrachte,  er  aucfc 
die  Oberfläche  seiner  Holzzangen  oder  Finger  leitend  gemacht  hat.  Hierhei 
gehört  insbesondere  das  Anhauchen,  die  Behandlung  mit  Säuredämpfen  u.  s.  w 


Der  Kampf  irischen  der  Theorie  der  BerQhruDgselektricitat  u.  s.  w  ac  i 


er  Versuch  mit  dem  Condensator  aus  Platten  von  zwei  verschie- 
tallen,  welche  durch  einen  Draht  miteinander  in  Berührung  gesetzt 
vorauf  man  die  Platten  von  einander  abhebt.  Dieser  Versuch  ist 
ndsfreieste  vom  Standpunkt  der  chemischen  Theorie,  weil  hier  alle 
;  mit  einem  feuchten  Leiter  ausgeschlossen  ist;  die  positive  Elek- 
?lche  bei  diesem  Versuche  regelmässig  am  Zink,  und  die  negative, 
1  Kupfer  zu  beobachten  ist,  scheint  in  der  That  keiner  anderen 
als  der  Berührung  der  verschiedenen  Metalle  zugeschrieben  werden 

L 

hner  oben  erwähnten  vorläufigen  Mittheilung  hatte  de  la  Rivb 
i,  dass  dieser  Versuch  nur  gelinge,  wenn  eine  chemische  Wirkung 
benden  Luft  auf  das  eine  Metall,  z.  B.  das  Zink  stattlinden  könne. 
Versuch  in  Stickstoff  oder  Wasserstoff  oder  im  luftleeren  Räume 
,  so    finde    unter  gleichen  Umständen    keine  Elektricitätsentwicke- 

'faff's  Vertheidigung.  Gegen  diese  Behauptungen  trat  alsbald 
Parteigänger  Volta's,  Pfaff  in  Kiel,  auf,1  der  insbesondere  den 
■rit  dem  Condensator  im  leeren  Räume  wiederholte,  ohne  die  von 
gegebene  Wirkung  zu  finden.  „Ich  nahm  eine  Glasglocke  mit  zwei 
facti.  Unter  diese  Glocke  setzte  ich  ein  Goldblatt-Elektrometer  mit 
Jadensator,  dessen  eine  Platte  von  Zink,  dessen  andere  von  Kupfer 
•Messingstab,  der  durch  die  eine  Stopfbüchse  ging,  trug  die  obere 
,  so  dass  man  mit  ihrer  Hülfe  diese  obere  Platte  des  Conden- 
k  Beheben  von  der  unteren  entfernen  oder  auf  sie  legen  konnte. 
:  Stopfbüchse  gingen  zwei  Messingdrähte,  welche  an  ihrem 
!  so  gebogen  und  gerichtet  waren,  dass  in  einer  bestimmten 
e  die  obere,  der  andere  die  untere  Platte  berührte;  da  diese 
inte  mit  einander  ausserhalb  der  Glocke  metallisch  verbunden 
^ (Arten  sie  denselben  Dienst,  als  wenn  man  die  beiden  Platten 
»Brachen  Draht  mit  einander  verbunden  hätte.  Durch  Drehen 
^  von  aussen  konnten  sie  von  den  Platten  des  Condensators 
Mittelst  dieses  ziemlich  einfachen  Apparates  konnte  ich 
»  Fundamental  versuch  in  jedem  beliebigen  Gase,  das  so  voll- 
ausgetrocknet war,  und  auch  im  leeren  Räume  an- 
>  das  Elektrometer  von  atmosphärischer  Luft  von  gewöhn- 
'  getrocknet,  von  Sauerstoff,  Stickstoff,  Kohlensäure, 
terstoff  umgeben  war,  änderte  nichts  an  den 
*bieft  _ .  .  stets  dieselbe  elektrische  Spannung,  positiv 
!  ^VWer,  von  gleicher  Intensität.  Man  sieht  ein,  dass 
c  hervorgebrachte  Elektricität 
en,  denn  da  alle  Umstände 
nliche  blieb,  so  lehrt   uns 


45  2  Zwölftes  Kapitel. 


eine  gesunde  Philosophie,  dass  kein  anderer  Umstand  die  Ursache  sc 
konnte,  als  die,  welche  gleichfalls  nicht  gewechselt,  nämlich  die  wechs« 
seitige  Berührung  der  Metalle.  .  .  .  Damit  die  Versuche  gut  gelingen,  müss- 
die  Condensatoren  sehr  vollkommen  sein,  die  Metallplatten  gut  aufeinand 
geschliffen  und  dann  mit  einer  sehr  dünnen  Schicht  von  Bernsteinlack  ütx 
zogen  werden,  welche  ich  für  diesen  Gebrauch  am  geeignetsten  gefunden  hatx 

Ausser  diesem  direkten  Beweis,  welchen  Pfaff  als  unbedingt  bindei 
ansieht,  giebt  er  noch  eine  Anzahl  von  indirekten.  Wenn  die  Elektricit 
nur  von  der  Oxydation  des  Zinks  herrührt,  warum  hängt  die  beobachte 
Spannung  noch  von  dem  anderen  Metali  ab?  Hierauf  hatte  de  la  Ri 
bereits  die  Antwort  dahin  gegeben,  dass  die  beobachtete  Spannung  d 
Unterschied  entgegengesetzter  Wirkungen  beider  Metalle  ist.  Viel  wichtig 
ist  die  folgende  Bemerkung  gegen  die  Annahme,  dass  die  Elektricität  v< 
den  chemischen  Vorgängen  herrührt.  „Nun  müsste  man  erwarten,  dass  ei 
gesättigte  Lösung  von  schwefelsaurem  Zink,  welche  sehr  rein  und  von  d 
aufgenommenen  Luft  entweder  durch  Aufkochen  oder  unter  der  Luftpum 
befreit  worden  ist,  fast  gar  keine  Wirkung  geben  müsste,  wenn  man  dan 
die  Pappe  der  Zwischenschichten  befeuchtet,  oder  die  Gefässe  der  Tasse 
kröne  füllt,  da  sie  weder  eine  chemische  Wirkung  auf  das  Zink,  noch  ei 
auf  das  Kupfer  ausübt,  und  dennoch  bringt  diese  Lösung  eine  viel  stärke 
Wirkung  hervor,    als  die  aller  anderen  Salze,    ausgenommen   den  Salmial 

Dieser  letzte  Einwand  war  für  jene  Zeit  schwer  zu  ejledigen;  er  wi 
mit  grösster  Deutlichkeit  den  schwachen  Punkt  der  damaligen  chemisch 
Theorie  nach,  welcher  in  der  mangelnden  Antwort  auf  die  Frage  lag:  * 
muss  ein  chemischer  Vorgang  beschaffen  sein,  damit  er  elektrisch  wirksa 
wird?  Obwohl  Ritter  (S.  189)  bereits  einmal  mit  grosser  Schärfe  auf  < 
Notwendigkeit  einer  räumlichen  Trennung  der  beiden  Theile  des  chemisch 
Vorganges  in  der  Kette,  der  Oxydation  und  der  Reduktion,  hingewies 
hatte,  und  sich  auch  bei  de  la  Rive  gelegentlich  dahin  zielende  Gedank 
finden,  müsste  noch  eine  sehr  lange  Zeit  vergehen,  bis  hierüber  Klarh 
geschaffen  wurde.  Gleichzeitig  geht  aus  diesem  Einwände  die  unverhältni 
massig  günstige  Stellung  hervor,  welche  die  Contacttheorie  durch  ihre  Fei 
haltung  von  jeder  Causalerklärung,  die  in  der  Hypothese  der  Elektricitä 
erregung  durch  blosse  Berührung  lag,  der  anderen  Theorie  gegenüber 
behaupten  vermochte.  Gegen  sie  war  es  nicht  möglich,  derartige  Einwän 
zu  erheben,  da  sie  nichts  derartiges  behauptete.  Die  Frage,  warum  Zir 
vitriol  besser  wirkt  als  die  anderen  Salze,  beantwortete  sie  mit  dem  Sa 
dass  hier  die  Berührungselektricität  eben  stärker  sei.  Daraus  sieht  m 
alsbald,  dass  das  Verhältniss  beider  Theorieen  von  den  beiderseitigen  V< 
tretern  von  vornherein  falsch  aufgefasst  worden  ist  Dass  an  den  versch 
denen  Berührungsstelien  Spannungsunterschiede  vorhanden  sind,  wird  beid< 
seits  angenommen;  die  chemische  Theorie  versucht  zwischen  diesen  und  d 
chemischen  Vorgängen  einen  Zusammenhang  herzustellen,  während  < 
Contacttheorie   von    allen    möglichen   Zusammenhängen   absieht     Somit 


Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  Berührungselektricität  u.  s.  w.  ac* 


letztere  nicht  als  die  Rivalin,  sondern  die  Vorgängerin  jener  anzusehen; 

chemische  Theorie  kann  die  ganze  Grundlage  der  Contacttheorie  über- 
amen,  ohne  sie  in  formaler  Beziehung  zu  ändern,  und  hat  nicht  die  Auf- 
be,  sie  zu  beseitigen,  sondern  sie  zu  entwickeln,  indem  sie  Fragen  beantw- 
ortet, welche  diese  gar  nicht  gestellt  hat. 

Nun  bestand  aber  allerdings  in  der  Contacttheorie  noch  eine  bestimmte 
hauptung,  welche  aber  fcein  nothwendiger,  sondern  ein  zufälliger  Bestand- 
eil war.  Es  war  dies  die  Ansicht,  dass  in  der  einfachen  zum  Kreise 
schlossenen  Kette  Kupfer- Zink -Feuchtigkeit  der  bei  weitem  grösste  Theil 
r  vorhandenen  Spannung  zwischen  den  beiden  Metallen  liege,  und  zwischen 
etall  und  Feuchtigkeit  kein  wesentlicher  Betrag  derselben  vorhanden  sei. 
igen  diesen  Punkt  richtete  sich,  wohl  in  unbewusster  Anwendung  des 
imals  nur  in  der  Ahnung  vorhandenen  Gesetzes  von  der  Erhaltung  der 
aergie,  der  Angriff,  indem  man  einerseits  bei  dem  Fehlen  jedes  dauernden 
organges  an  der  Berührungsstelle  der  Metalle  für  die  dort  angenommene 
Irkung  keine  Ursache  sehen  konnte,  und  andererseits  für  die  unzweifelhaft 

der  Kette  vorhandenen  chemischen  Vorgänge  von  den  Anhängern  der 
ignerischen  Ansicht  keine  entsprechende  Wirkung  zugestanden  erhielt. 
Muinungsmessungen  an  Ketten  konnten  die  Frage  grundsätzlich  nicht  ent- 
heiden  (S.  169  und  439);  das  einzige  Mittel,  die  einzelnen  Spannungen  zu 
essen,  gewährte  der  Condensator,  und  dieser  sprach  zu  Gunsten  der  Annahme 
»■  Metallelektricität.  Deshalb  hatte  de  la  Rive  seinen  Angriff  gegen  die 
ündigkeit  dieses  Versuches  gerichtet,  und  Pfaff's  Verteidigung  desselben 
:traf  die  Lebensfrage  der  VoLTA'schen  Anschauung. 

8.  de  la  Rive's  Antwort.  Die  Bedeutung  dieser  Einwände  Pfaff's 
urde  von  de  la  Rive  unzweifelhaft  sehr  empfunden,  und  in  der  später 
schienenen  Hauptabhandlung  geht  er  einigermaassen  auf  sie  ein.  Zunächst 
klärt  er,  dass  bei  der  Wiederholung  der  Versuche  von  Pfaff  er  sie  völlig 
»tätigt  gefunden  habe;  demnach  zieht  er  seine  gegenteiligen  Behauptungen, 
sbesondere  über  das  negative  Ergebniss  des  Condensatorversuches  im 
eren  Räume  und  in  indifferenten  Gasen  zurück,  obwohl  er  es  nicht  aus- 
rücklich  erwähnt. 

Was  nun  seine  Vertheidigung  der  chemischen  Theorie  diesen  That- 
ichen  gegenüber  betrifft,  so  tritt  hier  der  Fall  ein,  dass  durch  Ungeschick 
er  an  sich  guten  Sache  der  erheblichste  Schaden  zugefügt  wird,  de  la 
jve  macht  nun  geltend,  dass  es  nicht  möglich  sei,  einen  absolut  luftleeren 
aum,  oder  absolut  sauerstofffreie  und  trockene  Gase  herzustellen,  und  dass 
aher  dennoch  die  von  Pfaff  beobachteten  Ladungen  von  chemischen  Wir- 
ungen herrühren  können.  Wenn  er  die  Erwägung  von  vornherein  gegeben 
ätte,  wäre  alles  gut  gewesen;  in  der  That  ist  gegen  sie  nichts  einzuwenden, 
ber  nachdem  er  zuerst  behauptet  hatte,  dass  unter  diesen  Umständen  sich 
Hne  Elektricität  entwickle,  und  nun  auf  den  Nachweis,  dass  er  sich  geirrt 
itte,  auseinandersetzt,  dass  es  nach  der  chemischen  Theorie  gerade  so  zu 
warten  gewesen  sei,  wie  sein  Gegner  es  beobachtet  hatte,  ist  der  Eindruck 


454  Zwölftes  Kapitel. 


nicht  abzuweisen,  dass  die  chemische  Theorie,  wie  de  la  Rive  sie  handhal 
für  jede  beliebige  Thatsache  mit  einer  „Erklärung"  bei  der  Hand  sei.  U 
ein  solcher  Vorwurf  ist  in  der  That  nicht  abzulehnen;  es  fehlt  der  chemisch 
Theorie  in  ihrer  damaligen  Gestalt  durchaus  an  der  zahlenmässigen  Bestimu 
heit,  welche  allein  eine  wirkliche  Prüfung  einer  Anschauung  ermöglicht 

Zum  weiteren  Beweise,  dass  nur,  wenn  chemische  Wirkung  möglich  i 
der  fragliche  Versuch  gelingt,  überzieht  de  la  Rive  eine  Condensatorpla 
aus  Zink,  an  welche  ein  Messingdraht  geiöthet  ist,  vollständig  mit  Firni 
und  erwartet  nun,  dass  sie  sich,  da  die  Oxydation  ausgeschlossen  ist,  « 
eine  Platte  aus  unangreifbarem  Metali  verhalten  werde.  Zuerst  erhielt 
noch  die  gewohnten  Wirkungen  des  Zinks;  er  schrieb  diese  aber  dem  U 
stände  zu,  dass  die  dünne  Firnissschicht  das  Zink  nicht  genügend  geg 
die  Luft  schütze,  und  gelangte  auch  nach  ausgiebiger  Verstärkung  der  Schi« 
dazu,  dass  die  Wirkung  aufhörte.  Auch  behauptet  er,  dass  diese  Platte  si 
völlig  wie  eine  Messingplatte  bei  dem  Condensatorversuch  erhalten  ha1 
so  dass  sie  mit  einer  nicht  gefirnissten  Zinkplatte  negativ  geworden  : 
Man  darf  gegen  die  Richtigkeit  dieses  Versuches  einigen  Zweifel  hegen,  u 
er  ist  auch  später  von  Fechner  experimentell  widerlegt  worden. 

Schliesslich  bedient  sich  de  la  Rive  noch   einer  aus  seinen  Versucl 
über  die  Polarisation  der  Metallplatten  in  Flüssigkeiten  gezogenen  Anschauu 
dass  die  Eiektricität   beim   Übergange   aus  einem   Leiter   in    einen    ande 
eine   Schwierigkeit    erfahre,    weiche   sehr   schwache  Eiektricitäten    ganz 
Durchgange    hindere,    um    einige  Thatsachen    im   Sinne   seiner  Theorie 
deuten.     Indem  er  für  den  Übergang  der  Eiektricität  von  einem  Metalle 
ein   anderes   die  gleiche  Schwierigkeit  voraussetzt  (ohne  sie  jedoch  exp 
menteil  erwiesen  zu  haben),   und  zwar  in  der  Art,   dass  der  Durchgang 
die  eine  Art  Eiektricität  leichter  sei   als  für  die  andere,  erklärt  er,  war 
er  keine  Eiektricität  wahrnehmen  konnte,  als  er  den  Messingdraht  an  sei 
geschützten  Zinkplatte  mit  verdünnter  Salpetersäure  behandelte  und  so  c 
starke  chemische  Wirkung  hervorrief. 

Die  nun  folgenden  Untersuchungen  über  die  Eiektricitätsentwickeh 
beim  Reiben  verschiedener  Metalle  aneinander,  sowie  seine  Betrachtunj 
über  die  thermoelektrischen  Erscheinungen  können  wir  übergehen,  ebe 
seine  Erörterungen  über  die  Elektricitätsentwickelung  bei  der  Berühn 
fester  Körper  mit  flüssigen.  Dagegen  ist  die  Wiedergabe  seiner  Grür 
welche  ihn  zu  einem  Gegner  der  Contacttheorie  gemacht  haben,  i 
Interesse. 

„Unser  Zweck  war,  die  Contacttheorie  durch  direkte  Thatsachen  \ 
Gründe  zu  bekämpfen.  Es  wäre  uns  leicht  gewesen,  sie  auch  in  sich  se 
anzugreifen.  .  .  .  Wir  hätten  fragen  können,  was  es  denn  für  eine  mysteri 
Kraft  ist,  weiche  man  die  elektromotorische  nennt,  und  was  bei  der  Ber 
rung  der  heterogenen  Stoffe  die  positive  Eiektricität  in  den  einen,  und 
negative  in  den  anderen  treibt.  Wir  hätten  in  der  Unmöglichkeit,  c 
genaue  Spannungsreihe  der  Stoffe  zu   entwerfen,   und   in    der  Unzahl  ' 


Der  Kampf  zwisdien  der  Theorie  der  Berührungselektricität  u.  s.  w.  Ate 


^Änderungen,  welche  durch  eine  Menge  äusserer  Umstände  in  dieser  Reihe 
^hervorgebracht  werden,  einen  wie  mir  scheint  unwiderleglichen  Einwand 
das  Princip  selbst  finden  können,  welches  der  Theorie  zur  Grundlage 
Wir  hätten  fragen  können,  worauf  der  Unterschied  begründet  ist, 
j^den  man  zwischen  den  Leitern  erster  Klasse,  welche  Erreger  sind,  und  denen 
Zureiter  Klasse,  welche  nur  Leiter  sind,  und  keine  oder  nur  eine  sehr  schwache 
elektromotorische  Kraft  besitzen,  macht,  obwohl  die  letzteren  in  chemischer 
Beziehung  den  ersteren  gegenüber  stärker  positiv  oder  negativ  sind.  Endlich 
hatten  wir  untersuchen  können,  auf  welcher  Grundlage  die  zahlreichen  Hypo- 
thesen ruhen,  die  man  annehmen  muss,  um  die  Wirkungen  der  elektro- 
'■  motorischen  Kraft  zu  erklären.  .  .  ." 

Wie  man  sieht,  sind  diese  Einwendungen  von  verschiedenem  Werthe. 
In  erster  Linie  tritt  das  unbewusste  Energieprincip  (S.  428)  in  den  Vorder- 
grund: der  Mangel  einer  zureichenden  Ursache  für  die  elektrischen  Vorgänge 
in  der  Contacttheorie  wird  lebhaft  empfunden,  obwohl  ein  klarer  Ausdruck 
(fieses  Mangels  noch  nicht  formulirt  werden  kann. 

Es  ist  bemerkenswerth,  dass  de  la  Rive  objektiv  genug  ist,  eine 
Schwierigkeit  der  chemischen  Theorie  selbst  zuzugeben,  weiche  von  Pfaff 
erwähnt  worden  war.  Man  erhält,  wie  schon  Volta  gefunden  hatte,  mit 
Braunstein  oder  Mangansuperoxyd  besonders  wirksame  Ketten,  nicht  nur 
wenn  man  Zink  verbindet,  sondern  sogar  Platin  wird  positiv  gegen  Braun- 
stein, wo  doch  eine  chemische  Wirkung  ausgeschlossen  erscheint.  Ohne  es 
fest  behaupten  zu  wollen,  ist  de  la  Rive  in  diesem  Falle  geneigt,  der  Rei- 
bung oder  auch  thermoelektrischen  Erregungen  die  Ursache  der  Erscheinung 
zuzuschreiben. 

9.  de  la  Rive's  dritte  Abhandlung.  Den  beiden  Abhandlungen, 
über  welche  hier  berichtet  worden  ist,  Hess  de  la  Rive  zwei  Jahre  später 
eine  dritte  folgen,1  in  welcher  er  wesentlich  seine  theoretischen  Anschauungen 
in  endgültiger  Formulirung  auseinandersetzte.  Er  stellte  drei  Grundsätze 
auf,  aus  denen  er  alle  Erscheinungen  der  VoLTA'schen  Kette  und  Säule  zu 
erklären  unternahm.     Diese  Grundsätze  sind: 

,,i)  Werden  zwei  verschiedene  Körper,  die  sich  in  Berührung 
befinden,  in  eine  Flüssigkeit  oder  ein  Gas  gebracht,  welche  eine 
chemische  Wirkung  auf  beide  üben,  oder  auf  einen  von  ihnen 
übt,  so  findet  eine  Entwickelung  von  Eiektricität  statt. 

„2)  Erfahren  zwei  sich  berührende  Körper  von  Seiten  des 
Gases  oder  der  Flüssigkeit,  in  welcher  sie  sich  befinden,  keinerlei 
chemische  Wirkung,  so  findet  keine  Entwickelung  von  Eiektricität 
statt,  wenigstens  wenn  keine  thermische  oder  mechanische  Wir- 
kung vorhanden  ist. 

„3;  Die  durch  die  chemische  Wirkung  hervorgebrachte  Eiek- 
tricität   hat    nicht   in    allen    Fällen    und    unter    allen    Formen    eine 

1  Mein,  de  la  Societe  de  Phys.  de  Geneve,  7,  457.   1836. 


456  Zwölftes  Kapitel. 


Intensität,  die  der  chemischen  Wirkung,  die  sie  hervorbringt, 
proportional  ist.  Zwei  Umstände  können  hauptsächlich  diese 
Intensität  abändern,  nämlich  die  unmittelbare  Wiedervereinigung 
der  beiden  elektrischen  Principien,  und  die  besondere  Natur  dei 
chemischen  Vorganges,  welcher  die  Elektricität  hervorbringt" 

Wie  man  sieht,  sind  die  ausgesprochenen  Grundsätze  alles  weniger,  ab 
von  bestimmter,  zahlenmässiger  Beschaffenheit;  der  dritte  insbesondere  ist 
ausdrücklich  dazu  aufgestellt,  um  jeder  quantitativen  Controle  von  vorn- 
herein aus  dem  Wege  zu  gehen.  Es  wird  dadurch  der  schwache  Punk 
der  chemischen  Theorie,  von  dem  schon  früher  (S.  428)  die  Rede  war,  an 
das  Schärfste  gekennzeichnet.  Es  kann  demgemäss  nicht  Wunder  nehmen 
wenn  aus  solchen  Grundsätzen,  und  bei  einem  so  wenig  scharfen  Denker 
wie  ihr  Autor  es  ist,  Ergebnisse  erhalten  wurden,  die  nur  wenig  befriedigem 
waren  und  alsbald  bei  ihren  Zeitgenossen  lebhaften  Widerspruch  erregten 
Immerhin  wird  es  lehrreich  sein,  die  Art  kennen  zu  lernen,  in  welcher  sid 
de  la  Rive  auf  Grund  dieser  Voraussetzungen  von  den  einzelnen  Thatsacho 
der  Elektrochemie  Rechenschaft  zu  geben  versucht,  sei  es  auch  nur  al 
abschreckendes  Beispiel  gegen  oberflächliches  Hypothesenmachen. 

Die  Entwickelung  der  Elektricität  stellt  sich  de  la  Rive  so  vor,  das 
bei  einem  chemischen  Vorgange  die  po.sitive  Elektricität  in  den  angreifende] 
Stoff  übergeht,  und  die  negative  in  den  angegriffenen.  „Diese  beiden  Elek 
tricitäten  suchen  sich  wegen  ihrer  gegenseitigen*  Anziehung  zu  vereinigei 
und  diese  unmittelbare  Vereinigung  findet  um  so  vollkommener  statt,  j 
besser  die  beiden  Stoffe,  der  angegriffene  und  das  angreifende  Mittel  leitet 
und  namentlich,  je  leichter  der  Übergang  der  Elektricität  von  dem  einen  x 
dem  anderen  erfolgt." 

Gegen  diese  Anschauung  hatte  Pfaff  eingewendet,  dass  die  Ursach« 
welche  die  Trennung  der  Elektricitäten  bewirkt,  auch  fähig  sein  müsse,  di 
getrennten  auseinander  zu  halten,  de  la  Rive  bemerkt  dazu:  „Indessen  \s 
wie  wir  eben  auseinandergesetzt  haben,  diese  Wiedervereinigung  eine  gan 
natürliche  Folge  der  Art,  wie  die  Entwickelung  der  Elektricität  bei  ch< 
mischen  Vorgängen  stattfindet;  auch  ist  sie  eine  nothwendige  Folge  de 
Thatsache,  dass  die  durch  diese  Vorgänge  bewirkte  elektrische  Spannun 
eine  Grenze  hat,  die  man  unmittelbar  erreicht."  Diese  letzte  Wendung  u 
besonders  überraschend.  Es  wird  hier  zur  Stütze  einer  schwachen  Hype 
these  die  Existenz  der  Thatsache  selbst  herangezogen,  welche  durch  dies 
Hypothese  erklärt  werden  soll. 

Die  Schwierigkeit,  in  der  sich  de  la  Rive  hier  befindet,  ist  scho 
früher  auf  ihre  Ursachen  zurückgeführt  worden;  sie  wäre  um  jene  Ze 
schon  ihrer  Lösung  weit  näher  zu  bringen  gewesen,  wenn  man  die  klare 
Begriffe  benutzt  hätte,  welche  Ohm  in  die  Elektrik  eingeführt  hatte,  un 
welche  um  jene  Zeit  schon  etwa  zehn  Jahre  lang  jedermann  zugänglic 
waren,  de  la  Rive  hat  sich  dieses  Hülfsmittels  nicht  bedienen  mögen;  i 
einer    um    die    gleiche  Zeit    geschriebenen  geschichtlichen  Skizze    über   di 


Der  Kampf  «wischen  der  Theorie  der  Berührungselektricität  u.  s.  w.  457 


Fortschritte  der  Elektricitätslehre l  sind  die  Arbeiten  Ohm's  von  ihm  nicht 
einmal  der  Erwähnung  gewürdigt  worden,  und  noch  im  Jahre  1841,  wo 
endlich  die  Omf'sche  Theorie  dem  französisch  lesenden  Theil  des  wissen- 
schaftlichen Publikums  durch  einen  im  ersten  Bande  der  „Archives  de 
Fäectricitö"  erschienenen  Artikel  von  E.  Wartmann  auseinandergesetzt  worden 
war,  bemängelt  de  la  Rive  diese  Theorie,  weil  Ohm  ein  Anhänger  der 
VourVschen  Ansichten  war,  und  ihm  seine  grundlegenden  Ausgangspunkte 
nicht  „hinlänglich  klar"  erschienen! 

Durch  eine  Anzahl  von  Versuchen  zeigt  nun  de  la  Rive,  dass  die  Aus- 
schläge des  mit  dem  Condensator  verbundenen  Elektrometers  für  eine  und 
dieselbe  chemische  Reaktion  sehr  verschieden  ausfallen  können,  je  nachdem 
man  den  Versuch  verschieden  anordnet.  Gegen  den  Einwand,  dass  in  vielen 
Fallen  die  chemischen  Vorgänge,  welche  er  zur  Erklärung  der  Elektricitäts- 
erregung  annimmt,  nur  in  sehr  geringem  Umfange  stattfinden  können,  macht 
er  die  ganz  begründete,  und  um  jene  Zeit  von  Faraday  auch  messend 
erläuterte  Thatsache  geltend,  dass  die  Elektricitätsmengen,  welche  einer 
bestimmten  Stoffmenge  entsprechen,  ausserordentlich  gross  schon  für  sehr 
geringe  Stoffmengen  sind. 

de  la  Rive  geht  nun  zu  der  Aufstellung  einer  Theorie  der  Säule  über, 
welche  so  ziemlich  den  schwächsten  Punkt  seiner  ganzen  theoretischen 
Stellung  bildet,  und  die  daher  auch  alsbald  angegriffen  und  aus  der  Welt 
geschafft  wurde.  „Es  sei  in  einer  aus  einer  beliebigen  Zahl  von  Paaren 
bestehenden  Säule,  die  unter  einander  alle  ganz  gleich  sind,  b  ein  beliebig 
herausgegriffenes  Paar  Zink-Kupfer,  dessen  Zink  mit  derselben  Flüssigkeit  in 
Berührung  steht,  wie  das  Kupfer  des  vorhergehenden  Paares  a  und  dessen 
Kupfer  mit  dem  Zink  des  nachfolgenden  Paares  c  in  die  gleiche  Flüssigkeit 
taucht.  Die  chemische  Wirkung  der  Flüssigkeit  entwickelt  im  Paare  b  eine 
gewisse  Menge  Elektricität;  ein  grösserer  oder  geringerer  Antheil  der  beiden 
getrennten  elektrischen  Principien  neutralisirt  sich  alsbald,  während  ein 
anderer  frei  bleibt.  Welches  auch  die  Gründe  sein  mögen,  welche  das  Ver- 
haltniss  zwischen  dem  sich  unmittelbar  verbindenden  Antheile,  und  dem 
frei  bleibenden  und  allein  nachweisbaren,  bestimmen,  dieses  Verhältniss  muss 
in  allen  Paaren  dasselbe  sein,  weil  alle  einander  ähnlich  und  zu  einander 
symmetrisch  angeordnet  sind.  Darauf  wird  nun  die  positive  Elektricität 
von  b,  die  durch  die  chemische  Wirkung  in  die  Flüssigkeit  übergeführt 
worden  ist,  in  welche  das  Kupfer  von  a  taucht,  die  negative  Elektricität 
dieses  letzteren  Paares  neutralisiren,  welche  ihr  vollkommen  gleich  ist,  und 
welche  von  der  Einwirkung  der  Flüssigkeit  auf  das  Zink  von  a  herrührt. 
Ebenso  wird  die  negative  Elektricität  von  by  welche  durch  die  chemische 
Wirkung  auf  das  Zink  übergegangen  war,  und  von  da  sich  in  das  damit  in 
Berührung  stehende  Kupfer  verbreitet  hat,  die  positive  Elektricität  in  c  neu- 
tralisiren, welche  ihr  ebenso  völlig  gleich  ist,  und  welche  von  der  chemischen 


1  Bibl.  uiiivers.  de  Geneve,  52,  225.  1833  u.  ff. 


458  Zwölftes  Kapitel. 


Wirkung  herrührt,    die    dieselbe  Flüssigkeit,    in  welche    das  Kupfer  von  * 
taucht,    auf  das   Zink  von  c   ausübt     Es   bleibt   demnach    ein   Überseht»! 
positiver  freier  Elektricität  in  der  Flüssigkeit  übrig,  in  welche  das  Zink  von  a ; 
taucht,   und  ein  ganz  ebenso   grosser  Überschuss  von  negativer  Elektricität 
in   dem  Kupfer  von  c,   und   daher   in   der  angrenzenden  Flüssigkeit     Diese 
treien  Überschüsse  werden  aber  durch   die   gleichen   und  entgegengesetztes 
Elektricitäten    der    nachfolgenden  Paare    neutralisirt,    über   welche   man  die 
gleichen  Überlegungen  anstellen  kann.   Es  ergiebt  sich  daher  ein  Uberschu» 
positiver    Elektricität    an    der    nach  a  belegenen   Seite  der  Säule,    und  em 
gleich   grosser  Überschuss    negativer  Elektricität  an   der   nach   c  belegene» 
Seite.     Verbindet  man  diese  beiden  Enden  durch  einen  Leiter,    so  neutrali- 
siren    sich  die  beiden   Elektricitäten    und   bilden    den   Strom;    die   Intensität 
dieses  Stromes  muss,    wie  auch  die  Erfahrung  lehrt,    genau  gleich  der  des 
Stromes  sein,  welcher  sich  in  der  Säule  selbst  zwischen  den  Paaren  entwickele 
und  welcher,    wie  wir  gesehen  haben,    von   der  nicht  unterbrochenen  Neu- 
tralisation der  entgegengesetzten  und  gleichen  Elektricitäten  herrührt" 

Aus  dieser  Theorie  geht  zunächst  hervor,  dass  die  Anzahl  der  Paare 
ganz  ohne  Einfluss  auf  die  Wirkung  der  Säule  sein  müsste,  da  unter  allen 
Umständen  nur  die  äussersten  Glieder  zur  Geltung  kommen,  indem  sich  dk 
„Elektricitäten"  der  inneren  Paare  völlig  aufheben. 

Diese  Schlussfolgerung  hat  de  la  Rive  allerdings  nicht  auszusprechen 
gewagt,  da  sie  den  Thatsachen  zu  sehr  widerstreitet  und  Volta's  epoche- 
machende Erfindung  der  Säule  als  eine  überflüssige  Umständlichkeit  erscheinec 
Hesse;  doch  sind  unter  den  von  ihm  gezogenen  Schlüssen  noch  mehrere 
welche  nicht  weniger  mit  der  Erfahrung  im  Streite  stehen.  Die  Spannung 
an  den  Polen  hängt  nach  ihm  einerseits  von  der  Intensität  der  chemischer 
Wirkung,  andererseits  von  dem  Betrage  der  Wiedervereinigung  ab,  und  muss 
daher  um  so  grösser  sein,  je  grösser  die  erste,  und  je  beträchtlicher  dei 
Widerstand  in  der  Säule  ist.  Dass  die  Spannung  bei  Säulen,  die  mit  Wasse 
aufgebaut  sind,  nicht  verschieden  ist  von  der  an  Säulen  mit  Salzlösungen 
obwohl  bei  letzteren  die  Leitung  viele  Male  besser  ist,  wird  darauf  zurück- 
geführt, dass  die  chemische  Wirkung  und  die  Leitung  einander  proportiona 
seien,  und  dadurch  das  Ergebniss  beider,  die  Spannung,  denselben  Wertf 
behalte.  Wird  aber  die  Salzlösung  durch  Säure  ersetzt,  welche  annähernc 
ebenso  leitet  wie  die  Salzlösung,  während  ihre  chemische  Wirkung  aui 
das  Zink  unvergleichlich  viel  grösser  ist,  so  ist,  wie  bekannt,  die  Span* 
nung  immer  noch  dieselbe;  hierauf  hat  de  la  Rive  keine  Rücksicht 
genommen. 

Eine  weitere  Folge  seiner  Theorie  ist  von  ihm  ganz  richtig  dahin 
gezogen  worden,  dass  wenn  eine  bestimmte  Oberfläche  der  Metalle  gegeben 
ist,  die  Anordnung  zu  einer  einzigen  Kette  die  vortheilhafteste  zur  Erlangung 
der  grössten  Wirkung  sein  müsse.  Denn  da  die  aufeinander  folgenden 
Plattenpaare  ihre  Wirkung  gegenseitig  zerstören,  muss  diese  am  grössten  in 
dem  Falle  sein,   wo  die  gegenseitige  Strömung  Null  ist,    d.  h.  im  Falle  der 


Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  BerühniDgselektricität  u.  s,  w.  ACQ 


dachen  Kette.  „Die  Erfahrung  lehrt  uns,  dass  diese  Folge  der  Theorie 
h  nur  bestätigt,  wenn  der  Leiter,  welcher  die  beiden  Pole  der  Säule  ver- 
idet,  ein  vollkommener  Leiter  ist .  .  .  sie  bestätigt  sich  nicht  mehr,  wenn 
r  Leiter  ein  sehr  unvollkommener  ist. 

„Die  Ursache  dieser  Verschiedenheiten  erklärt  sich  leicht,  wenn  man 
denkt,  dass  wenn  die  beiden  Elektricitäten  an  den  beiden  Enden  der  Säule 
gehäuft  sind,  sich  ihnen  zwei  Wege  bieten,  sich  zu  neutralisiren,  nämlich 
r  durch  die  Säule  selbst,  wie  wir  oben  gesehen  haben,  und  der  durch 
n  Leiter,  welcher  beide  Pole  der  Säule  verbindet.  Das  grössere  oder 
änere  Verhältnisse  der  beiden  Elektricitäten,  welche  diesen  beiden  Wegen 
Igen,  hängt  von  der  relativen  Leichtigkeit  ab,  die  diese  der  Vereinigung 
rten.  Wenn  die  Säule  nur  etwas  besser  leitet,  als  der  zwischen  den  Polen 
Endliche  Körper,  so  wird  kein  Antheil  des  Stromes  durch  den  Körper 
;hen,  oder  es  wird  nur  ein  sehr  geringer  Theil  sein.  Daher  muss  man 
e  Zahl  der  Paare  der  Säule  darnach  berechnen,  wie  die  Leitfähigkeit  des 
örpers  ist,  den  der  Strom  durchsetzen  soll,  und  nicht,  wie  man  geglaubt 
it,  nach  der  Art  der  Wirkung,  welche  der  Strom  hervorbringen  soll.  Die 
ihl  der  Paare  in  der  Säule  muss  immer  so  bestimmt  werden,  dass  sie  selbst 
hlechter  leitet,  als  die  zwischen  ihre  Pole  geschalteten  Körper."  Es  ist 
erbei  nur  übersehen  worden,  dass  durch  Einschaltung  eines  Nichtleiters  in 
e  Säule  der  Rückstrom  der  Elektricität  ganz  vermieden  und  so  die  Säule 
if  das  Maximum  ihrer  Wirkung  gebracht  werden  könnte!  Dabei  schliesst 
:la  Rive  diesen  Theil  seiner  Darlegungen  mit  den  vertrauensvollen  Worten: 
Die  Thatsachen,  auf  welche  ich  mich  gestützt  habe,  sind  allen  Physikern 
Scannt  genug,  dass  es  überflüssig  ist,  bei  ihnen  zu  verweilen.  Ich  begnüge 
ich  zu  bemerken,  dass  ich  viele  Male  Gelegenheit  gehabt  habe,  ihre 
enauigkeit  mit  Hülfe  der  oben  beschriebenen  Galvanometer  zu  beweisen, 
h  glaube  daher,  dass  in  dieser  Beziehung  die  Theorie  in  vollkommener 
bereinstimmung  mit  der  Erfahrung  ist,  und  dass  man  aus  ihr  einige  prak- 
iche  Anwendungen  über  die  vortheilhafteste  Construction  der  VoLTA'schen 
iulen  entnehmen  kann."  Schade,  dass  er  die  oben  gemachte  Anwendung 
iner  Theorie  nicht  versucht  hat,  praktisch  auszuführen! 

Die  naheliegenden  und  wohlbegründeten  Angriffe,  welche  de  la  Rive 
ezüglich  dieser  Theorie  der  Säule  erfuhr,  lassen  sich  hier  nicht  im  Ein- 
sen wiedergeben;  insbesondere  beschäftigten  sich  Marianini  und  Poggen- 
orff  mit  ihrer  Widerlegung.  Es  kann  nicht  Wunder  nehmen,  dass  eine 
bemische  Theorie,  die  zu  solch  absurden  Schlüssen  führte,  gerade  von  dem 
>gisch  und  mathematisch  gebildeteren  Theile  der  Physiker  mit  Protest 
i)geiehnt  wurde,  und  den  Anspruch,  die  brauchbaren  Grundlagen  der  che- 
iischen  Theorie  von  ihren  missverstandenen  Auswüchsen  zu  trennen,  konnte 
an  ihren  principiellen  Gegnern  gegenüber  am  wenigsten  erheben. 

10.  Vertheidigung  der  VoLTA'schen  Theorie  durch  Marianini. 
egen  die  Ansichten,  welche  de  la  Rive  in  den  beiden  ersten  Abhandlungen 
sgesprochen  hatte,   wendete  sich  unter  anderen  Marianini,   Professor  am 


460  Zwölftes  Kapitel. 


Königlichen  Lyceum  in  Venedig,  in  einer  langen  Abhandlung1  über  die  cl 
mische  Theorie  der  einfachen  und  zusammengesetzten  Elektromotoren.  In  seil 
Einleitung  bemerkt  er,  dass  er  anfangs  wegen  des  offenbaren  Zusamm 
hanges  der  chemischen  Erscheinungen  mit  den  elektrischen  geneigt  war, 
chemische  Theorie  anzunehmen,  dass  er  aber  bei  dem  Versuche,  sie  dur 
zufuhren,  in  solche  Schwierigkeiten  gekommen  sei,  dass  er  sich  im  Geg 
theiie  bald  in  den  Stand  gesetzt  sah,  die  Unnahbarkeit  der  chemisc! 
Theorie  zu  erweisen. 

Marianini  bereitet  seinen  Angriff  als  geschickter  Stratege  vor.  ] 
ausgedehnte  erste  Theil  seiner  Abhandlung  enthält  die  Auseinandersetzi 
des  grossen  Einflusses,  welchen  geringe  Änderungen  in  der  Oberfläch 
beschaffenheit  der  metallischen  Platten  auf  ihre  Stellung  in  der  „Spannui 
reihe"  haben.  Insbesondere  wenn  die  Platten  vorher  als  Leiter  in  eir 
zusammengesetzten  Stromkreise  gedient  hatten,  änderten  sie,  den  I 
deckungen  von  Ritter  über  die  secundäre  Säule  entsprechend,  ihre  Stell 
im  höchsten  Grade,  ebenso  aber  auch  durch  Behandlung  mit  verschiede 
Flüssigkeiten,  mit  Abreiben  u.  dergl.  Indem  er  diese  Einflüsse  von  vornhe 
im  VoLTA'schen  Sinne,  als  Beeinflussungen  der  Contactspannung  behanc 
hat  er  später  keine  Schwierigkeit,  alle  von  den  Vertretern  der  chemisc 
Theorie  gegen  Volta  geltend  gemachten  Umkehrungen  in  der  wech 
seitigen  Stellung  der  Metalle  auf  derartige  Oberflächenwirkungen  und  Sf 
nungsänderungen  zurückzuführen.  Aus  welchem  Grunde  die  erwähl 
Ursachen  aber  gerade  die  beobachteten  Änderungen  hervorbringen,  brai 
er  gemäss  der  VoLTA'schen  Theorie  nicht  weiter  zu  erörtern,  da  mit  < 
Satze:  die  Stellung  in  der  Spannungsreihe  hat  sich  verändert,  eben  •« 
gesagt  ist,  was  im  Sinne  der  Theorie  gesagt  werden  kann.  Aus  solc 
Wendungen  tritt  die  schon  erwähnte  formale  Stärke  und  causale  Schwa 
der  VoLTA'schen  Theorie  deutlich  hervor. 

Hat  sich  Marianini  so  in  den   Stand  gesetzt,    für  alle  vorkommen 
Erscheinungen  in  seinem  Sinne  eine  „Erklärung"  zu  geben,  so  wird  es 
andererseits  nicht  schwer,  auf  Grund  der  falschen  Ansicht  de  la  Rivers,  < 
die    sichtbare   chemische    Wirkung   die    Elektricitätsentwickelung    bedii 
jedem  von  diesem  angegebenen  Versuch  einen  anderen  gegenüber  zu  ste! 
welcher  gerade  das  Gegentheil  zeigt.     Um   ein  Beispiel  zu   geben,    sei 
Erörterung  Marianini's  über  einen  Versuch  von  de  la  Rive  angeführt, 
in  Folgendem  besteht:  Taucht  man  Stäbe  von  Gold  und  Platin,  welche 
den  Enden   eines  Galvanometers  verbunden  sind,    gleichzeitig  in  reine 
petersäure,  welche  keines  der  beiden  Metalle  angreift,   so  findet  auch  k 
Ablenkung   der  Nadel  statt;    wird  aber  zu   der  Flüssigkeit  etwas   Salzsi 
gesetzt,    wodurch  sie  das  Gold  angreifen  kann,    so  entsteht  ein  Strom, 
nach  der  von  de  la  Rive  aufgestellten  Regel  in  der  Richtung  geht,  als  \i 
das  angegriffene  Metall  sich  wie  Zink  gegen  Silber  verhielte. 

1  Ann.  chim.  phys.  46,  28.   1830. 


p 


Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  Berührungselektricitit  u.  s.  w.  a6\ 


Hiergegen  bemerkte  Marianini,  dass  zunächst  Gold  und  Platin  sich  in 
der  Spannungsreihe  sehr  nahe  stehen.  Ferner  finden  weitere  Wirkungen  statt, 
die  von  der  chemischen  Theorie  nicht  vorgesehen  werden.  „Zwei  Platten 
yon  reinem  Golde,  die  gleichzeitig  in  Salpetersäure,  die  mit  einigen  Tropfen 
Salzsäure  vermischt  ist,  gesenkt  werden,  bringen  keine  Bewegung  des  Galvano- 
meters hervor.  Werden  die  feuchten  Platten  gereinigt  und  wieder  in  die 
Säure  gesteckt,  so  ist  die  Wirkung  wieder  Null;  senkt  man  aber  die  eine 
Platte  vor  der  anderen  ein,  so  findet  eine  erhebliche  Ablenkung  nach  der 
Seite  der  zuerst  befeuchteten  Platte  ein,    d.  h.   diese  elektrisirt  sich  negativ. 

„Lässt  man  zwischen  den  beiden  Eintauchungen  längere  Zeit  verstreichen, 
:  so  ist  die  Wirkung  ausgeprägter.  In  etwas  weniger  als  zwei  Minuten  erhält 
;  man  das  Maximum  der  Wirkung. .  .  . 

„In  Versuchen  mit  zwei  Platinplatten  erhielt  ich  ähnliche  Wirkungen 

„Man  kann  nicht  sagen,  dass  diese  Erscheinungen  von  der  Elektricität 
herrühren,  welche  unmittelbar  aus  der  chemischen  Wirkung  der  Säure  auf 
die  Metalle  entsteht;  erstens  weil  auch  die  untergetaucht  gebliebene  Platte, 
wenn  man  sie  einige  Zeit  an  die  Luft  hält  und  dann  mit  der  anderen  in 
die  Flüssigkeit  taucht,  gleichfalls  negativ  gegen  die  andere  erscheint,  zweitens 
«eil,  wenn  man  die  eingetauchte  Platte  an  der  Luft  trocknen  lässt,  sie  sich  auf 
Tage  und  Monate,  ja  vielleicht  auf  Jahre  negativer  hält,  als  die,  welche  gar 
nicht  in  die  Flüssigkeit  getaucht  war;  drittens,  weil  diese  Wirkungen  auch 
eintreten,  wenn  man  die  Platten  während  der  ganzen  Zeit,  dass  sie  in  die 
Flüssigkeit  tauchen,  oder  auch  während  der  ganzen  Zeit  der  Versuche,  zum 
Meer  (zur  Erde)  abgeleitet  hält. 

„Wird  man,  um  diese  Erscheinungen  nach  der  neuen  Theorie  zu 
erklären,  sagen,  dass  die  zuletzt  in  die  Flüssigkeit  gesenkte  Goldplatte  stets 
die  weniger  angegriffene  ist?  Ich  glaube  nicht,  dass  es  so  ist;  denn  wenn 
man  die  feuchte  und  die  trockene  Platte  in  eine  andere  Flüssigkeit  über- 
trägt, so  erregt  man  einen  Strom,  welcher  noch  immer  in  dem  gleichen 
Sinne  verläuft,  und  selbst  wenn  die  neue  Flüssigkeit  Salpetersäure  ist,  die 
mit  zwanzig  oder  dreissig  Theilen  Wasser  verdünnt  ist,  und  sogleich  diese 
nach  dem  gegenwärtigen  Stande  unserer  Kenntnisse  weder  Gold  noch  Platin 
angreift,  so  ist  dennoch  die  Ablenkung  dreimal  so  gross,  wie  sie  in  der 
concentrirten  Säure  ist. 

„Wenn  man  also  wie  de  la  Rive  die  beiden  Metalle  in  Salpeter  -Salz- 
säure taucht,  so  steigert  man  an  beiden  die  relative  elektromotorische  Fähig- 
keit; da  sie  aber  beim  Platin  mehr,  als  beim  Golde  zunimmt,  so  wird  dieses 
negativ,  und  das  andere  positiv.  Dies  ist  so  wahr,  dass  wenn  man  zuerst 
die  Platinplatte  eintaucht,  und  dann  die  Goldplatte,  man  eine  grössere 
Wirkung  erhält,  obwohl  die  chemische  Wirkung  nicht  Zeit  genug  hat,  sich 
energisch  gegen  das  Gold  zu  bethätigen,  wie  sie  es  dem  Platin  gegenüber 
schon  gethan  hat  Taucht  man  umgekehrt  die  Goldplatte  zuerst  ein,  so 
ist  die  Wirkung  geringer,  als  wenn  man  beide  Metalle  gleichzeitig  ein- 
taucht 


462  *  Zwölftes  Kapitel. 


„Und  noch  eine  Bemerkung:  lässt  man  das  Gold  während  mehr 
anderthalb  Minuten  unter  der  Flüssigkeit,  bevor  man  das  Platin  eintau« 
so  sieht  man  letzteres  sich  positiv.elektrisiren,  und  das  Gold,  obwohl 
sicherlich  stärker  als  das  Platin  angegriffen  wird,  elektrisirt  sich  negativ/ 

In  ähnlicher  Weise  zeigt  Marianini  noch  an  einer  grossen  weiteren  2 
von  Beispielen,  wie  die  Ansichten  von  de  la  Rive  häufig  mit  den  Thatsacl 
in  Widerspruch  gerathen.  Auch  in  Bezug  auf  die  S.  450  erwähnten  \ 
suche  weiss  er  die  schwachen  Seiten  seines  Gegners  herauszufinden  und 
Angriffen  zu  benutzen.  In  dem  letzten  Theile  seiner  Schrift  bringt 
schliesslich  noch  das  beliebteste  Argument  gegen  die  chemische  Theorie  1 
dass  nämlich  gleiche  Spannung  bei  Ketten  aus  denselben  Metallen  beobacl 
wird,  wenn  diese  einmal  in  Flüssigkeiten  tauchen,  die  sie  sehr  stark  angrei 
das  andere  Mal  in  solche,  welche  keinen  sichtbaren  Angriff  ausüben.  A 
versäumt  er  nicht  hervorzuheben,  dass  die  chemische  Theorie  für  die  Stei 
rung  der  Spannung  beim  Aufschichten  der  einfachen  Ketten  zu  Säulen  k< 
Erklärung  habe.  Dies  letztere  Argument  ist  um  so  schlagender,  als 
Abhandlung  vor  Veröffentlichung  der  dritten  Arbeit  de  la  Rivers  (S.  4 
geschrieben  war,  wo  de  la  Rive  selbst  zu  dem  Schlüsse  gelangte,  dass  i 
solche  Steigerung  nicht  stattfinden  könne. 

In  Summa  muss  man  Marianini  in  seinen  Angriffen  auf  de  la  Rive 
überall  Recht  geben;  die  elektrochemische  Theorie  in  der  Form,  wie  di< 
sie  aufgefasst  hatte,  war  nicht  haltbar.     Zwar  versuchte  de  la  Rive  sich 
vertheidigen  und  bezweifelte  die  Genauigkeit  einzelner  Angaben  Marianu 
in  der  Hauptsache  blieben  aber  die  Einwürfe   unbeantwortet,    und  von 
Bemühungen    des    Genfer   Physikers    blieb    nicht   viel    mehr    übrig,    als 
immerhin  dankenswerthe  Anregung  zur   erneuten  Prüfung   der  Grundla 
der  VoLTA'schen  Theorie. 

Gegen  die  Abhandlung  von  Marianini  wendete  sich  auch  Parrot,1 
dem  er  seine  oben  (S.  429)  erwähnte  chemische  Theorie  wiederholte  1 
aus  seinem  Werke:  „Entretiens  sur  la  Physique"  eine  Anzahl  von  Ste 
wieder  abdruckte,  welche  die  Erklärung  der  Erscheinungen  in  seinem  Si 
geben  sollten.  Es  erscheint  nicht  nützlich,  auf  diese  vielfach  ausserord 
lieh  willkürlichen  Darstellungen  einzugehen;  auf  den  Fortschritt  der  Fr 
haben  sie  keinen  Einfluss  gehabt. 

Einen  weiteren  Vertheidiger  fand  die  VoLTA'sche  Theorie  in  A.  Boucü 
dat,2  welcher  die  schon  von  Wollaston  und  Ritter  angegebenen  Versu 
über  die  Beschleunigung  der  Wasserstoffentwickelung  bei  der  Einwirlc 
des  Zinks  auf  Säuren  durch  die  Berührung  mit  anderen  Metallen  wie< 
holte  und  erweiterte. 

„Wir  Hessen  gleiche  Gefässe  aus  verschiedenen  Metallen,  die  so  1 
als  möglich  waren,  herstellen,  ferner  machten  wir  Kugeln  von  gleicher  Ges 
und  gleichem  Gewicht  aus  den  Metallen,  die  wir  dem  Versuch  unterwei 


1  Ann.  chim.  phys.  46,  361.  183 1.        '  Ebenda  53,  284.  1834. 


Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  Berührungselektricität  u.  s.  w.  463 


ollten.  In  jedes  Gefäss  wurde  eine  Kugel  gethan,  dann  wurde  die  gleiche 
lenge  derselben  Säure  hinzugefügt,  und  die  Wirkung  während  vollkommen 
lochen  Zeiten  fortgesetzt.  Alle  Bedingungen  waren  identisch;  der  einzige 
filterschied  bei  allen  Versuchen  ist  die  Natur  der  Gefässe,  die  einzige  ver- 
miedene Kraft  ist  die  durch  die  Berührung  der  verschiedenen  Metalle,  der 
iefässe  und  der  Kugeln  entwickelte  elektromotorische  Kraft.  Die  Ver- 
chiedenheit  der  chemischen  Wirkung  rührt  daher  ausschliesslich  von  dieser 
Frsache  her. .  . .  Vier  Kugeln  von  destillirtem  Zink  wurden  in  vier  Gefässe 
degt:  I)  von  Platin,  2)  von  Gold,  3)  von  Silber,  4)  von  Glas.  Die  Wirkung 
auerte  für  jede  eine  Stunde,  mit  der  gleichen  Menge  angesäuerten  Wassers; 
ach  Beendigung   der  Wirkung   ergab   die   Wägung   der   Kugeln   folgende 

iahten: 

Platin  79,  Gold  65,  Silber  51,  Glas   i1^. 

„Es  ist  ersichtlich,  dass  die  Berührung  der  heterogenen  Körper  der 
bemischen  Wirkung  eine  neue  Energie  gegeben  hat.  Diese  Unterschiede 
od  so  bedeutend,  dass  keine  Ursachen  von  Irrthümern  herangezogen  werden 
onnen.  Es  folgt  daher  aus  diesen  Versuchen  in  unwidersprechlicher  Weise, 
aas  durch  die  einzige  Thatsache  der  Berührung  die  Körper  in  verschiedene 
Icktrische  Zustände  gelangen;  das  positive  Metall  ist  es  um  so  mehr,  je 
egativer  der  Körper  ist,  mit  dem  er  in  Berührung  steht.  So  kann  uns  die 
fessung  der  chemischen  Wirkung  ein  Maass  für  die  gegenwärtige  elektro- 

* 

Krtorische  Kraft  der  Körper  liefern.  ...  Es  scheint  uns  bewiesen,  dass  die 
weh  die  alleinige  Thatsache  der  Berührung  entwickelte  Elektricität  einen 
nmittelbaren  Einfluss  auf  die  chemische  Wirkung  übt,  welche  die  Flüssig- 
st auf  das  positive  Metall  haben  muss;  und  dass  daher  die  Elektricitäts- 
ntwickelung  der  chemischen  Wirkung  vorhergeht,  dass  die  chemische  Wir- 
img nicht  die  Ursache  der  Elektricitätsentwickelung  ist,  sondern  dass  im 
iegentheil  die  Energie  der  chemischen  Wirkung  von  der  durch  die  Berührung 
ntwickelten  elektrischen  Kraft  abhängt." 

In  dem  weiteren  Verlauf  seiner  Abhandlung  variirt  Bouchardat  das 
jleiche  Thema  in  mannigfaltiger  Weise;  wir  brauchen  ihm  dabei  nicht  zu 
blgen.  Ebensowenig  ist  das  nöthig  bei  seinen  Bemühungen,  den  Einfluss 
ler  Gefässe  und  somit  der  Berührungselektricität  auf  eine  Anzahl  weiterer 
Vorgänge,  wie  Krystallisation,  Essigbildung,  Alkoholgährung,  das  Sauerwerden 
ler  Milch  nachzuweisen.  Seine  allgemeine  Schlussfolgerung,  „dass  die  Kraft, 
«Iche  sich  bei  der  Berührung  aller  verschiedenartigen  Stoffe  entwickelt, 
inen  mehr  oder  weniger  deutlichen  Einfluss  auf  die  Energie  oder  die  Natur 
ler  chemischen  Reaktionen  hat,"  ist  jedenfalls  viel  zu  weit  gefasst. 

11.  Becquerel's  Hauptwerk.  Eine  Art  Abschluss  in  dem  Kampfe 
tr  Meinungen  wurde  in  einem  ausgedehnten  Werke  angestrebt,  in  welchem 
ecquerel  die  Ergebnisse  seiner  und  anderer  Arbeiten  zusammenfasste,  und 
is  von  1834  bis  1840  unter  dem  Titel  „Traitö  experimental  de  l'ölectricitö 
du  magnetisme"  in  sieben  Bänden  erschien.  In  diesem  Werke  versuchte 
icguEREL   ein   Gesammtbild  des  behandelten  Gebietes  zu   geben,    gelangte 


Über  seine  theoretischen  Ansichten  giubt  Becquerel  die  ai 
Rechenschaft,  dass  sie  im  Laufe  seiner  Arbeiten  sich  mehrfach 
haben,  und  zwar  vorwiegend  unter  dem  Einflüsse  US  la  Rive's,  mit 
vielfach  in  polemischer  Weise  zusammengetroffen  war.  Durch  di< 
er  aus  einem  überzeugten  Voltaisten  zu  einem  zwar  nicht  so  unh 
Chemiker,  wie  de  i.a  Rive,  geworden,  er  hatte  sich  aber  doch  die 
schau ungskreise  so  sehr  genähert,  dass  er  von  den  orthodoxen 
theoretikern  als  ein  unzweifelhafter  Gegner  angesehen  wurde.  Di 
grosse  Zahl  seiner  Arbeiten  und  die  Unermüdlichkeit  seiner  Thätigk 
Becquerel  sich  in  der  That  das  Ansehen  eines  der  Führer  der  „Cl 
erworben,  obwohl  der  Schwerpunkt  seiner  Begabung  unzweifelhaft  w 
in  der  treufleissigen  Sammlung  experimentellen  Materials,  als  in  der 
Pracisirung  wissenschaftlicher  Fragen  und  ihrer  sachgemässen  Bean 
lag.  So  ist  denn  im  Laufe  der  Zeit  von  Becquerel's  Ansichten  nicht 
liches  übrig  geblieben,  während  von  seinen  Beobachtungen  not 
manche  zu  eingehenderer  Verfolgung  des  eingeschlagenen  Weges  ai 
und  andere  bereits  eine  gewisse  Bedeutung  auch  für  theoretische 
der  neuesten  Zeit  erlangt  haben. 

Über  seine  Stellung  zu  den  streitenden  Theorieen  äussert  sich  B 
folgendermaassen : ] 

„Zunächst  habe  ich  die  Meinung  de  la  Rive's  vollständig  angei 
dass  jedesmal  eine  Entwickelung  von  Elektricität  eintritt,  wenn  ch 
thermische  oder  mechanische  Wirkung  stattfindet.  Die  vielen  \ 
welche  ich  seit  einer  Reihe  von  Jahren,  und  bevor  de  la  Rive  sich 
Frage  befasste,  über  diesen  Gegenstand  angestellt  habe,  lassen  i 
Hinsicht  keinen  Zweifel.  Es  blieb  daher  übrig,  die  Existenz  der  vo 
Pfafk,  Davv,  Makianini  und  mir  angenommenen,  von  Fabroni,  Parr< 
laston  und  de  la  Rive  bestrittenen  elektromotorischen  Kraft  zu  unt> 
Am  Anfange  meiner  Untersuchungen  nahm  ich  die  von  Davv  mit  Ni 
vorgetragene  Meinung  an,  dass  die  chemische  Wirkung  unumgän 
dass  die  durch  die  Berührung  entwickelte  Elektricität  übertragen  wir 
Betrachtungsweise  ergab  sich  als  ein  meesotermine  zwischen  den  M 

1  Tndtt,  1,  357.   1833. 


Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  Berührungsclektricität  u.  s.  w.  465 

Anhänger  der  Berührung  und  der  der  chemischen  Wirkung.  Da  ich 
überzeugt  war,  dass  diese  Frage,  selbst  wenn  man  die  Theorie  von 
y  nicht  annimmt,  mittelst  des  Multiplikators  nicht  entschieden  werden 
i,  so  wendete  ich  mich  dahin,  zu  ermitteln,  was  bei  der  Berührung 
hieht,  indem  ich  alle  möglichen  Vorsichtsmaassregeln  nahm,  um  mich 
tn  mechanische,  thermische  und  chemische  Wirkungen  zu  schützen, 
iglich  deren  mir  de  la  Rive  Mangel  an  Vorsicht  vorgeworfen  hatte. 

„Gewöhnlich  benutzt  man  zur  Aufsammlung  der  bei  der  Berührung 
rickelten  Elektricität  Condensatorplatten  aus  Kupfer,  welche  mehr  oder 
iger  durch  die  an  den  Fingern  haftenden  Flüssigkeiten  angreifbar 
.  Um  diesem  Übelstande  zu  entgehen,  benutzte  ich  Platten  aus  Gold 
r  aus  mit  Gold  überzogenen  Kupferplatten.  Andererseits  hielt  ich  mich, 
t  die  elektrische  Berührungswirkung  der  mehr  oder  weniger  an  der  Luft 
r  im  Wasser  oxydirbaren  Metalle  zu  studiren,  besonders  zu  solchen 
eralischen  und  die  Elektricität  leitenden  Stoffen,  welche  seit  Jahrhunderten 

Einwirkungen  des  Wetters  ausgesetzt,  keinerlei  Änderung  an  der  Ober- 
be  erfahren  haben.  Diese  Stoffe  sind  Gold,  Platin,  Manganhyperoxyd, 
peteisenstein,  Silberamalgam,  Schwefelkies,  Eisencarburet  u.  s.  w.  Ich 
1  zunächst  mit  meinem  Apparat,  dem  ich  eine  sehr  grosse  Empfindlich- 
I  gegeben  hatte,  dass  Platin  und  Gold  bei  ihrer  gegenseitigen  Berührung 
le  Spur  von  Elektricitätsentwickelung  gaben.  Diese  Thatsache,  auf  welche 
U  Rive  sich  später  gestützt  hat,  um  seine  Theorie  zu  vertheidigen,  ist 
abar  der  von  Volta  entgegen.  Ich  habe  ebenso  gefunden,  dass  beim 
buchen  der  beiden  Metalle  in  eine  Flüssigkeit,  welche  sie  nicht  angreifen 
II,  auch  kein  Strom  stattfand;  andererseits  sind  aber  Gold  und  Platin 
ihr  gegen  Manganhyperoxyd  und  Eisencarburet,  und  Manganhyperoxyd 
fterhaupt  negativ  bei  seiner  Berührung  mit  allen  anderen  Stoffen,  während 
4  nichts  vermuthen  lässt,  dass  diese  Stoffe  eine  chemische  Einwirkung 
i  der  Berührung  mit  Luft  erfahren.  Es  war  hierbei  Obacht  gegeben 
nlcn,  dass  weder  ein  Stoss,  noch  eine  sonstige  mechanische  Wirkung 
tot;  somit  giebt  dieser  Stoff",  ebenso  wenig  wie  die  anderen  ähnlicher 
hr,  Ergebnisse,  welche  der  Theorie  der  Berührung  günstig  sind.  Ich 
tte,  dass  ich  ohne  diese  letzten  Resultate  mich  den  Vertheidigern  der 
Mschen  Theorie  angeschlossen  hätte,  obwohl  meine  Ideen  über  die  Con- 
jfcn  der  Körper  mir  nahe  legen,  anzunehmen,  dass  die  Berührung 
bicitat  entwickelt.    Somit  habe  ich  nicht  ganz  und  gar  auf  ihre  Thätig- 

ferzichtet." 

.  An  einer  späteren  Stelle l  kommt  Becquerel  auf  dieselbe  Frage  zurück. 
er  auseinandergesetzt  hat,  dass  möglicherweise  auch  die  Reibungs- 

idtät    chemischen   Ursprunges    sei,    da    auch   durch  Reiben   chemische 
gen   entstehen   können,2    erörtert    er    die   Möglichkeit,    dass    bei    der 

!Traite,   2,    137. 

'Die  von  Becquerel   geschilderten  Erscheinungen   sind   ähnlich   den   früher  (S.  221)  er- 
Versuchen von  Vauquei.in  und   Desormes.     Er  fand,   dass  das  Pulver  von  Mesotyp 

'»ald.   Elektrochemie.  *  3° 


466  Zwölftes  Kapitel. 


Berührung  des  Mangansuperoxydes  mit  den  Fingern  doch  chemische  Wirk 
eintreten  könne.  Für  eine  solche  Annahme  spricht  ihm  besonders  der  U» 
stand,  dass  die  mögliche  chemische  Wirkung,  der  Sauerstoffverlust,  gerade 
das  Zeichen  der  entwickelten  Elektricität  geben  müsste,  welches  thatsächlick 
beobachtet  worden  is.t,  und  er  ist  demnach  geneigt,  auch  in  diesen  Fällen, 
die  ihm  früher  gegen  die  chemische  Theorie  zu  sprechen  schienen,  eiact. 
chemischen  Vorgang  als  Quelle   der  beobachteten  Elektricität  anzunehmen. 

Wie  weit  Becquerel  indessen  von  der  richtigen  Auffassung  der  elektro- 
chemischen Erscheinungen  entfernt  war,  geht  aus  folgender  Stelle  seines 
Werkes1  hervor,  welche  daneben  dadurch  interessant  ist,  als  dort  die  ersten 
Anfange  der  constanten  Ketten  sichtbar  werden.  „Fahren  wir  fort^ 
gesättigte  Lösungen  der  Metallsalze  zu  nehmen,  welche  durch  das  Eintauchen 
der  Metalle  keine  merkliche  Änderung  erfahren;  giessen  wir  daher  in  das 
Gefäss  mit  der  Kupferplatte  eine  gesättigte  Lösung  von  Kupfernitrat,  in  die 
andere  eine  gesättigte  Lösung  von  Zinksulfat,  und  verfahren  unter  gleichen 
Verhältnissen  wie  vorher  (unter  Anwendung  von  verdünnter  Schwefelsaure 
in  beiden  Gefässen),  damit  die  Ergebnisse  vergleichbar  sind.  Die  Ablenkung 
ist  alsdann  88°  (statt  62  °),  und  erfährt  nur  langsam  eine  Verminderung. 
Die  Zunahme  der  Wirkung  ist  in  diesem  Falle  auf  die  Wechselwirkung  der 
beiden  Lösungen  zurückzuführen;  auch  ist  die  chemische  Wirkung  beider 
Metalle  auf  die  Lösungen  so  gering,  dass  man  sie  nicht  als  die  einzige 
Ursache  der  Erscheinung  auffassen  kann.  Ein  Zusatz  von  Salpetersäure 
ändert  nicht  merklich  die  Stärke  des  Stromes.  Das  Gleiche  gilt,  wenn  (nan 
einen  Tropfen  Schwefelsäure  in  das  andere  Gefäss  giesst,  falls  das  Zink 
vorher  gereinigt  war.  Es  findet  somit  hier  ein  Maximum  der  Wirkung  statte 
welches  erkennen  lässt,  dass  die  Wechselwirkung  der  beiden  Lösungen  den 
grössten  Antheil  an  der  Entstehung  des  Stromes  hat.  Diese  ist  in  solchem 
Maasse  die  Ursache  der  Erscheinung,  dass  wenn  man  mit  zwei  Platten  von 
Kupfer  oder  Platin  arbeitet,  die  Wirkung  in  demselben  Sinne  statthat,  bis 
auf  die  Intensität,  welche  in  dem  Maasse  geringer  ist,  als  die  elektrische 
Flüssigkeit  eine  grössere  oder  geringere  Schwierigkeit  findet,  von  der  Flüssig- 
keit in  das  Metall  zu  gehen." 

Becquerel  ist  hier  nicht  gewahr  geworden,  dass  er  den  Normalfall  des 
galvanischen  Elementes  hergestellt  hatte,  in  welchem  die  chemische  Wirkung 
ausschliesslich  an  die  elektrische,  oder,  umgekehrt  gebunden  ist.  Wenn  er 
anstatt  der  Kupferplatte  eine  von  Platin  in  die  Kupfernitratlösung  gestellt 
hätte,  so  hätte  er  beobachtet,  dass  sich  auf  ihr  Kupfer  abscheidet,  während 


alkalisch  rcagirt,  dass  beim  Reiben  einer  Platte  von  Kalkstein  mit  einem  KrystaU  von  Kalium* 
sulfat  sich  alsbald  Kaliumcarbonat  und  Calciumsulfat  bildet,  dass  Schwefelkies,  der  an  der  Luft 
unveränderlich  ist,  beim  Feinreiben  sich  zu  Eisenvitriol  oxydirt.  In  neuester  Zeit  sind  ähnliche 
Erscheinungen  chemischer  Reaktionen  durch  mechanischen  Druck  von  Carey  Lra  beschrieben 
worden;  sie  beanspruchen  nach  mehreren  Gesichtspunkten  ein  grösseres  Interesse,  als  ihnen 
bisher  zu  Theil  geworden  ist. 
1  Traite,  2,  84. 


Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  Berührungselektricität  u.  s.  w.  467 


•  Strom  durchgeht,   und  hätte  sich  daraus  überzeugen  können,   dass  bei 

•  von  ihm  zusammengestellten  Kette  allerdings  eine  chemische  Wirkung 
ttfindet,  wenn  auch  die  Lösungen  nicht  unmittelbar  auf  die  Metalle 
wirken  können;  daraus  hätte  sich  ferner  ergeben,  dass  eben  nur  die 
ttelbaren  chemischen  Vorgänge  elektromotorisch  brauchbar  sind.  Damit 
re  aber  endlich  der  immer  wiederholte  Einwand  gegen  die  chemische 
eorie  gefallen,  dass  es  chemische  Vorgänge  in  den  Ketten  gebe,  welche 
ht  elektromotorisch  wirken. 

Diese  Bemerkungen  sind  nicht  gemacht,  um  aus  ihnen  besonderen 
del  gegen  Becquerel  herzuleiten,  denn  es  waren  noch  mancherlei  Beob- 
itungen  und  Entdeckungen  zu  machen,  bevor  diese  einfache  Betrachtung 
'  elektromotorischen  Erscheinungen  durchgeführt  werden  konnte.  Es  war 
r  darauf  hinzuweisen,  wie  oft  man  den  Schlüssel  zu  einem  lange  gesuchten 
nkte  in  der  Hand  hält,  ohne  sich  dessen  bewusst  zu  werden,  und  wie 
in  demgemäss  den  richtigen  Schlüssel  verkehrt  anwendet,  ohne  einmal 
f  den  Gedanken  zu  kommen,  wenn  er  gar  nicht  schliessen  will,  ihn  in 
r  umgekehrten  Richtung  zu  drehen. 

In  dem  dritten  Bande  seines  Werkes,  welcher  im  Jahre  1835  erschienen 
,  giebt  Becquerel  schliesslich  einen  Überblick  über  seine  theoretischen 
ischauungen. 1  Er  knüpft  sie  an  eine  von  Ampere  ausgesprochene  Ansicht 
,  durch  welche  dieser  die  in  der  BERZELius'schen  Theorie  enthaltene 
iiwierigkeit,  dass  die  vereinigten  Atome  nach  dem  Ausgleich  ihrer  Elek- 
cftäten  keinen  Grund  mehr  haben,  vereinigt  zu  bleiben,  zu  überwinden 
cht.  Ampere  nimmt  an,  ebenso  wie  Berzelius,  dass  die  Elemente  mit 
stimmten  Elektricitäten  beladen  seien.  Dadurch  wirke  aber  jedes  geladene 
tom  auf  die  neutrale  Elektricität  der  Umgebung,  und  umkleide  sich  mit 
ner  Hülle  von  der  entgegengesetzten  Elektricität,  ohne  sich  mit  dieser  ver- 
inden  zu  können;  es  stellt  also  eine  Art  geladener  Leidener  Flasche  dar. 
ei  der  Verbindung  entgegengesetzt  geladener  Atome  gleichen  sich  nur  die 
lektricitäten  der  Hülle  aus,  und  die  Atome  selbst  bleiben  mittelst  ihrer 
igenen  Elektricität  verbunden,  während  die  Verbindung  der  Elektricitäten 
er  Hüllen  die  Erscheinungen  des  Feuers  u.  s.  w.,  welche  die  Verbindung 
egleiten,  bedingt. 

Gegen  diese  Ansicht  erhebt  Becquerel  einige  Einwände;  die  seinige, 
reiche  er  alsdann  vorträgt,  unterscheidet  sich  indessen  kaum  von  derselben, 
lach  Becquerel  sind  insbesondere  die  Säuren  mit,  negativer,  die  Basen  mit 
ositiver  Elektricität  behaftet;  beide  Theilchen  umkleiden  sich  mit  einer 
lulle  der  entgegengesetzten  Elektricität,  die  sie  bei  ihrer  gegenseitigen  Neu- 
alisation verlieren,  und  bei  der  Trennung  wiedergewinnen. 

Der  Zusammenhang  zwischen  Leitung  und  Zersetzung  in  Flüssigkeiten, 
eiche  einen  Strom  leiten,  erscheint  ihm  nur  zufällig,  nicht  nothwendig,  da 
e   festen    Metalle,   die   Kohle    und    andere    Stoffe   ohne   Zersetzung   leiten 


1  Trait£,  3,  406. 

30* 


468  Zwölftes  Kapitel. 


können.     „Die  Elektricität   kann  somit   in   diesen  wandern,    ohne  es 
nöthig  zu  haben,  materielle  Stoffe  mit  sich  zu  schleppen;  warum  soll  ( 
den   flüssigen  Körpern  nicht   ebenso   sein,   deren  Constitution    dieselb 
abgesehen  von  dem  Aggregatzustande,  welcher  nicht  der  gleiche  ist?" 

Neben  solchen  bedenklichen  Ansichten  finden  sich  wieder  riecht 
und  brauchbare,  wie  z.  B.  die  folgende  über  die  Entstehung  des  Stron 
der  einfachen  Kette.  „Wenn  das  Zink  in's  Wasser  getaucht  wird,  r 
es  darauf,  indem  es  eine  sehr  langsame  Zersetzung  hervorbringt,  die  < 
die  Elektricität  erzeugt  wird:  der  Sauerstoff,  der  sich  von  dem  Wass< 
trennt,  um  sich  zum  Metall  zu  begeben,  nimmt  seine  Atmosphäre  von 
tiver  Elektricität  mit  sich;  da  aber  das  Zinktheilchen  einer  Atmosphär« 
positiver  Elektricität  bedarf,  um  sich  mit  dem  Sauerstoff  zu  verbinden, 
es  an  die  Umgebung  seine  negative  Elektricität  ab,  welche  an  Intensiv 
negativen  des  Sauerstoffes  gleich  ist,  und  sich  alsbald,  so  wie  die  lei 
Verbindung  hergestellt  ist,  zu  dem  Kupfer  begiebt,  und  von  dort  i 
Flüssigkeit  übertritt.  Der  Wasserstoff  im  nascirenden  Zustande  aber,  w< 
sich  von  positiver  Elektricität  umgeben  befindet,  wird  durch  den  Strom 
dem  Kupfer  transportirt,  wo  er  die  negative  Elektricität  wieder  aufn 
deren  er  bedarf,  um  seinen  neutralen  Zustand  herzustellen.  Ohne  di 
rührung  mit  dem  Kupfer  ist  die  Reaktion  schwach  und  langsam,  d 
Verwandtschaft  des  Sauerstoffes  zum  Zink  durch  seine  Wirkung  au: 
Wasserstoff  aufgehoben  wird;  nach  der  Berührung  ist  sie  im  Gege 
energisch  und  schnell,  weil  die  beiden  elektrischen  Kräfte,  welche  zur  1 
tung  der  Verbindung  des  Sauerstoffes  mit  dem  Wasserstoff  dienten 
werden,  und  indem  sie  in  einem  Sinne  wirken,  welcher  dem  früherer 
gegengesetzt  ist,  dazu  dienen,  dieselbe  Verbindung  zu  zerstören." 

In  ähnlicher  Weise  wird  die  Zersetzung  durch  den  Strom  erklärt, 
Becquerel   ausdrücklich   im  Sinne   von  Grotthuss   hervorhebt,   dass  c 
entgegengesetzten  Richtungen  wandernden  Molekeln  dabei  nicht  frei  bl< 
sondern  eine  Reihe  abwechselnder  Verbindungen  und  Zersetzungen  erl 

„Alle  die  vorgelegten  Betrachtungen  zeigen,  dass  zwischen  den 
wandtschaften  und  den  elektrischen  Kräften  eine  vollständige  Identität  in 
Sinne  vorhanden  ist,  dass  die  Elektricität,  die  mit  den  Theilchen 
chemischen  Verbindung  vereinigt  ist,  die  Wirkung  der  Verwandtschaf 
recht  erhält,  und  daher  die  Kraft  darstellt,  welche  die  Theilchen  zusarr 
hält,  so  dass,  um  diese  JCraft  zu  besiegen  und  die  Theilchen  zu  tre 
man  einen  elektrischen  Strom  anwenden  muss,  der  zum  mindesten 
gleich  sein  muss,  welchen  die  beiden  damit  verbundenen  Elektricitäter 
wickeln  würden,  wenn  sie  frei  würden.  Wir  ziehen  hieraus  nicht  den  Sc 
dass  die  Ursache  der  Verwandtschaft  eine  rein  elektrische  ist,  da  alle  1 
beobachteten  Thatsachen  allein  beweisen,  dass  die  elektrischen  Kräfte,  ^ 
sich  an  dem  Bestände  der  Verbindungen  betheiligen,  sich  bei  der  Wi: 
der  Verwandtschaften  entwickeln;  es  ist  also  eine  Wirkung,  welch 
Ursache  für  die  Permanenz  der  Berührung  der  Theilchen  ist     Dies  i 


Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  Berührungselektricität  u.  s.  w.  469 


leinen  die  Art,  wie  man  die  Rolle  ansehen  muss,  welche  die  Elektricität 
a  den  chemischen  Wirkungen  spielt. 

„Eis  folgt  aus  den  Beziehungen,  welche  wir  soeben  zwischen  den  elektrischen 
ten  und  den  Verwandtschaften  festgestellt  haben,  dass,  wenn  man  zwei 
tenten  die  elektrischen  Zustände  mittheilt,  welche  sie  in  ihrer  Verbin- 
ig  haben  müssen,  die  Verbindung  alsbald  eintreten  muss,  da  sie  sich 
in  im  nascirenden  Zustande  befinden.  Dieses  fruchtbare  Princip  .  .  . 
it  zur  Erklärung  einer  grossen  Zahl  natürlicher  Erscheinungen,  deren 
ichen  erst  seit  einigen  Jahren  sich  haben  aufdecken  lassen. 
,Wir  haben  wohl  gesehen,  dass  wenn  zwei  Körper  chemisch  auf  ein- 
ler  wirken,  sie  sich  mit  Atmosphären  von  entgegengesetzten  Elektricitäten 
;ben,  welche  zur  Erhaltung  der  Verbindung  unumgänglich  sind;  wie 
ten  aber  die  Verwandtschaften  ein  derartiges  Phänomen  hervorbringen? 
[Dies  ist  uns  allen  unbekannt.  Es  fehlt  uns  an  Thatsachen,  um  in  ein  solches 
[Geheimniss  einzudringen." 

Die  Ansichten  von  Becquerel  theilen  mit  denen  seiner  Zeitgenossen  die 
Eigenschaft,  dass  aus  ihnen  sich  sehr  wenig  bestimmte  Schlüsse  ziehen 
;n,  und  kennzeichnen  auf  diese  Weise  den  unbefriedigenden  Zustand,  in 
welchem  sich  zu  jener  Zeit  die  auf  die  gegenseitige  Umwandlung  der  ver- 
schiedenen „Kräfte"  bezüglichen  Ansichten  befanden.  Da  er  auch  das  Gesetz 
von  Ohm  nicht  kennt,  und  mit  dem  von  Faraday  (siehe  das  nächste  Kapitel) 
tichts  anzufangen  weiss,  so  fehlen  ihm  in  der  That  die  einzigen  Führer 
durch  das  Labyrinth  der  Erscheinungen,  welche  dieselbe  messen,  und  somit 
geistig  beherrschen  lassen. 

In  dem  sechsten  Bande  seines  „Traite"  kommt  Becquerel  nochmals 
auf  seine  theoretischen  Ansichten  zurück.  In  einem  eigenen  Kapitel  (S.  333) 
setzt  er  auseinander,  was  er  für  festgestellt  in  diesem  Gebiete  hält.  Zum 
grössten  Theile  handelt  es  sich  um  eine  wörtliche  Wiederholung  des  früher 
Gesagten  (S.  467);  eine  Veränderung  zeigt  sich  nur  insofern,  als  er  noch 
bestimmter,  als  früher,  sich  auf  den  chemischen  Standpunkt  stellt  und  dem 
Contact  nur  eine  ganz  secundäre  Wirkung  zuschreibt. 

Im  Anschlüsse  daran  beschreibt  er  eine  Methode,  um  mit  Hülfe  des 
elektrischen  Stromes  die  chemische  Verwandtschaft  zu  messen.  Diese  hat 
freilich  nur  noch  geschichtliches  Interesse,  da  sie  im  Princip  falsch  angelegt 
ist  Bei  der  Gelegenheit  der  Prüfung  des  FARADAv'schen  Gesetzes  war  ihm 
aufgefallen,  als  er  Gemenge  verschiedener  Metallsalze  der  Zersetzung  unter- 
warf, dass  nur  eines  von  den  vorhandenen  Metallen,  und  zwar  immer  das 
edelste,  zur  Ausscheidung  gelangte.  Indem  er  die  Menge  des  anderen  Salzes 
beständig  vermehrte,  gelangte  er  schliesslich  bei  einem  sehr  grossen  Über- 
schüsse dazu,  auch  das  andere  Metall  abzuscheiden.  Das  Verhältniss  nur, 
das  zwischen  beiden  Metallen  in  der  Lösung  vorhanden  sein  muss,  damit 
gleiche  Mengen  derselben  sich  gleichzeitig  ausscheiden,  sah  er  als  den  Aus- 
druck der  beiderseitigen  Verwandtschaft  der  Metalle  zum  Sauerstoff  und  der 
Saure  an.     So  hat  sich  ergeben,    dass  auf  einen  Theil  Silbernitrat  sechzig 


470  Zwölftes  Kapitel. 


Theile  Kupfernitrat  vorhanden  sein  müssen,  damit  ein  Gemenge  von  annähernd 
gleichen  Theilen  beider  Metalle  ausgeschieden  wird;  darnach  wäre  die  Ver- 
wandtschaft des  Kupfers  zur  Salpetersäure  sechzig  Mal  so  gross,  wie  die  des 
Silbers. 

Die  Methode  ist  später  nie  angewendet  worden,  weil  sie  irrthümlich 
ist.  Das  Verhältniss  der  Salze  in  der  Lösung  ist  nicht  der  einzige  Umstand, 
durch  welchen  das  Verhältniss  der  ausgeschiedenen  Metalle  bestimmt  wiri^ 
sondern  das  letztere  hängt  auch  noch  in  entscheidender  Weise  von  de 
Stromstärke  und  der  Oberfläche  der  Elektrode,  also  von  der  Stromdicbb 
ab,  und  man  kann-  durch  Regelung  dieser  Umstände  das  Verhältniss  de 
sich  abscheidenden  Metalle  nach  Belieben  ändern.  Becquerel  hatte,  ab  e 
das  Verfahren  angab,  die  erste  Pflicht  versäumt,  welche  in  einem  solche! 
Falle  dem  Erfinder  obliegt,  nämlich  sich  zu  überzeugen,  dass  zwischen  de« 
zu  messenden  Dinge  und  dem  Maassstab  auch  wirklich  ein  eindeutiges  Ver 
hältniss  besteht.  Nur  wenn  dies  zutrifft,  ist  die  Messung  möglich;  und  n 
diesem  Falle  traf  es  nicht  zu. 

12.  Die  deutschen  Forscher.  Der  Theil  des  Kampfes,  welchen  wi 
bisher  kennen  gelernt  haben,  hat  sich  ausschliesslich  auf  französischem  Boden 
d.  h.  in  Zeitschriften  vollzogen,  welche  in  französischer  Sprache  erschienen.  Die 
fraglichen  Arbeiten  wurden  in's  Deutsche  übersetzt,  und  dadurch  erhielt  aucfc 
der  damals  in  Deutschland  unbedingt  vorherrschende  Voltaismus  hier  eine» 
Stoss.  Die  ersten  Stimmen  waren,  wie  es  sich  erwarten  lässt,  nur  zm 
Vertheidigung  der  Contacttheorie  erhoben  worden,  und  als  reiner  „Chemikern 
trat  erst  später  ein  Forscher  auf,  mit  dem  wir  uns  noch  zu  beschäftiget] 
haben  werden,  nämlich  Schönbein.  Doch  zeigt  sich  der  Einfluss  der  DH 
schütterung  der  überkommenen  Ansichten  darin,  dass  mancherlei  Versuche] 
vorgenommen  werden,  die  beidea  entgegenstehenden  Meinungen  mit  einandefj 
zu  vereinigen,  natürlich  wie  immer  mit  dem  Ergebniss,  dass  der  Vermittelnde* 
von  beiden  Parteien  angegriffen  wurde. 

Von  den  Forschern,  welche  uns  hier  entgegen  treten,  ist  vor  allem  der 
unentwegte  Vertheidiger  des  Voltaismus,  C..H.  Pfaff,  zu  nennen.  Nebe» 
ihm  treten  als  Gleichgesinnte  zuerst  Ohm,  und  später  Fechner  und  Poggdi- 
dorff  auf,  welche  alle  orthodoxe  Voltaisten  sind;  als  Vermittler  erscheinet 
Karsten  und  Pohl.  Auch  hier  ist  es  nicht  möglich,  jede  Phase  des  Kampfei 
zu  schildern;  wir  werden  uns  wie  früher  damit  begnügen,  einzelne  chanfe* 
teristische  Momente  festzuhalten,  und  dabei  auf  die  Dinge  näher  einzugehen 
welche  sich  später  als  von  Bedeutung  erwiesen  haben. 

Mitten  in  diese  Zeit  fällt  endlich  das  Auftreten  des  Mannes,  dem  dk 
wichtigste  Entdeckung  gelungen  ist,  die  auf  dem  Gebiete  zu  machen  wtt| 
das  des  englischen  Forschers  Faraday.  Ähnlich,  wie  zur  Zeit,  wo  <ät 
VoLTA'sche  Kette  aller  Orten  Gelehrte  und  Ungelehrte  beschäftigte,  der  Eng 
länder  H.  Davy  in  einsamer  Grösse  unter  seinen  fast  völlig  unthätigen  Landi 
leuten  hervorragt,  aber  durch  seine  Leistungen  nicht  nur  diese,  sonder 
auch  die  fleissigen  Arbeitsgenossen  auf  dem  Continent  weit  in  den  Schatte 


Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  Berührungselektricität  u.  s.  w.  471 


stellt,  so  erscheint  Faraday,  der  Amtsnachfolger  Davy's,  in  gleicher  Weise 
allein  unter  seinen  Landsleuten,  die  sich  so  gut  wie  gar  nicht  um  den  Streit 
kummern,  und  bringt  Thatsachen  bei,  welche  die  maassgebende  Grundlage 
für  die  künftige  Entscheidung  des  Streites  bilden.  Obwohl  es  an  der 
unmittelbaren  Anerkennung  der  Bedeutung  seiner  Entdeckung  des  Gesetzes 
von  der  festen  elektrolytischen  Aktion  (siehe  das  nächste  Kapitel)  nicht 
gefehlt  hat,  so  ist  doch  die  Wirkung  desselben  auf  die  Umgestaltung  der 
theoretischen  Ansichten  nur  sehr  langsam  vor  sich  gegangen;  ja,  man  kann 
sagen,  dass  die  ganze  Bedeutung  des  Gesetzes  erst  in  den  jüngsten  Tagen 
gewürdigt  worden  ist.  Es  ist  deshalb  möglich,  die  Geschichtserzählung  des 
Streites  der  Theorieen  noch  durch  eine  längere  Zeit  über  die  Entdeckung 
des  Gesetzes  hinauszuführen,  ohne  näher  auf  diese  einzugehen,  was  in  einem 
besonderen  Kapitel  geschehen  wird.  Denn  noch  lange  über  das  Jahr  der 
Entdeckung,  1833,  hinaus,  wird  der  Kampf  der  beiden  Ansichten  mit  wesent- 
lich denselben  Waffen,  wie  vorher  geführt,  ohne  dass  auf  die  von  Grund 
aus  veränderte  Situation  Rücksicht  genommen  wird.  Es  ist  dies  eine  Erschei- 
nung, welche  ganz  den  Schicksalen  des  ÜHM'schen  Gesetzes  ähnlich  ist; 
obwohl  es  in  dem  Falle  des  FARADAY'schen  Gesetzes  nicht  an  dem  Mangel 
der  Bekanntschaft  liegen  konnte,  hat  es  doch  fast  ebenso  lange  gedauert, 
bis  die  Anwendung  des  Gesetzes  allgemein  wurde.  Diese  Beispiele  zeigen, 
wie  viel  Zeit  im  allgemeinen  jedesmal  die  Assimilation  eines  neuen  Gedankens 
erfordert.  Zu  seiner  Anwendung  genügt  keineswegs,  dass  er  da  und  bekannt 
ist;  vielmehr  muss  sich  die  Wissenschaft  erst  einigermaassen  an  ihn  gewöhnt 
haben,  bevor  eine  allgemeinere  Anwendung  gewagt  und  die  Umgestaltung 
der  Anschauungen  im  Sinne  der  neuen  Erkenntniss  vorgenommen  wird. 

13.  G.  F.  Pohl.  Auf  diesem  deutschen  Schauplatze  des  Kampfes  tritt 
in  der  ersten  Hälfte  der  zwanziger  Jahre  ein  Mann  auf,  der  mit  der  ganzen 
Selbstgewissheit  seiner  Schule  —  er  gehörte  der  Sekte  der  Naturphilosophen 
an  —  eine  gründliche  Verachtung  des  Experimentes  zur  Schau  trägt,  und 
der  dennoch  der  einzige  unter  seinen  Zeitgenossen  und  nächsten  Nachfolgern 
ist,  welcher  zu  thatsächlich  richtigen  Kenntnissen  über  den  Sinn  der  Elek- 
tricitätserregung  zwischen  Metallen  und  Flüssigkeiten  gelangt  war.  Es  war 
dies  Georg  Friedrich  Pohl,  geboren  1788  in  Stettin,  gestorben  1849  *n 
Breslau.  Seine  Studien  hatte  er  in  Erlangen,  dem  Mittelpunkte  der  natur- 
philosophischen Schule  gemacht,  später  ist  er  an  verschiedenen  Berliner 
Schulen  Lehrer  gewesen  und  schliesslich  an  der  Universität  in  Breslau 
Professor  geworden.  Eine  vorläufige  Bekanntschaft  haben  wir  bei  Gelegen- 
heit des  Berichtes  über  die  Arbeiten  von  Ohm  mit  ihm  machen  können;  er 
war  der  gestrenge  Kritiker,  welcher  dessen  Werk  über  die  galvanische  Kette 
jede  Bedeutung  absprach.  Die  gleiche  kritische  Ader  nehmen  wir  auch  an 
Pohl's  anderen  Arbeiten  wahr,  und  zwar  ist  es  nicht  die  ruhig  abwägende 
Kritik  des  nüchternen  Forschers,  sondern  es  sind  die  unfehlbaren  Urtheils- 
sprüche  des  weit  über  dem  übrigen  Tross  stehenden  Wissenden. 

Die  wissenschaftliche  Auffassung  Pohl's  erhellt  aus  dem  bei  Gelegenheit 


472  Zwölftes  Kapitel. 


einer  Verurtheilung  Becquerel's  l  formulirten  Ausspruch  über  das  Verhält 
zwischen   chemischen   und   elektrischen  Erscheinungen.     „Die  Elektricitat  tä 
überall,  wo  sie  erscheint,  nichts,  als  die  Tendenz  zur  chemischen  Synthes»;  ] 
sie  ist  kein   materielles,    mechanisch   bewegtes  Substrat,   sondern  eine 
dynamische  Thätigkeitsform  der  Materie  selbst;  sie  ist  die  ungeöffnete  Knospe, 
aus  welcher,  wenn  der  Kreislauf  der  Funktionen  in  sich  geschlossen  ist,  der 
Chemismus    wie    eine    aufgeschlossene    Blüthe    plötzlich    hervorbricht    Die 
Elektricitat  geht   daher  jedesmal  vor  dem  Chemismus  voran,    niemals  folgten 
sie  ihm,   und  es  ist  absolut  unrichtig,  wenn  man  wie  Herr  Becquerel,  die 
elektrischen  Erscheinungen  als  spätere  Erzeugnisse  des  Chemismus,  oder  gar  :n 
als  die  Folge  von  capillaren  Wirkungen  und  dergleichen  betrachtet." 

Seine  Ansichten  und  Versuche  hat  Pohl  hauptsächlich  in  einem  ziem-  -A 
lieh  umfangreichen  Werke  „Der  Prozess  der  galvanischen  Kette"  nieder*  jü 
gelegt. 2  Das  Werk  ist  Alexander  von  Humboldt  gewidmet,  und  die  Vorrede  ^ 
beginnt  mit  den  Worten:  „Wenn  es  gewiss  ist,  dass  Selbstgefühl  und  An-  ^ 
spnuchslosigkeit  beide,  falls  sie  rechter  Art  sind,  aus  einer  und  derselben  t 
Quelle,  der  Selbsterkenntniss,  hervorgehen,  so  glaube  ich  mich  nicht  scheuen  *: 
zu  dürfen,  Ihren  grossen  und  gefeierten  Namen  dieser  Schrift  voranzusetzen,  r 
Das  Bewusstsein,  welches  mich  in  den  Lichtkreis  Ihrer  Nähe  treten  lässt,  * 
würde  kein  lauteres  sein,  wenn  es  nicht  zugleich  mit  der  Überzeugung  in  • 
mir  vereinigt  wäre,  dass  ich  nach  meinen  Bestrebungen,  und  nach  dem,  r 
was  ich  Ihnen  darbringe,  dieses  Lichtes  nicht  unwürdig  sei."  - 

Der  Inhalt  von  Pohl's  Schrift   ist  ein  merkwürdiges  Gemisch  von  rieh-    : 
tigen  und  falschen  Anschauungen,    durchsetzt   und   überschwemmt  von  der 
Phraseologie  seiner  Schule.     Die  wesentliche  Rolle,    welche  die  Berührung    , 
zwischen    den    Metallen   und    den    flüssigen   Leitern    in    der  Erzeugung  der    , 
elektrischen  Erscheinungen  der  Kette  spielt,  hat  er  wiederholt  und  energisch   =. 
betont;    doch  konnte   er  sich  von  der  VoLTA'schen  Auffassung    nicht  ganz 
frei  machen,  und  nahm  daher  eine  entgegengesetzte  Thätigkeit  in  der  Kette 
an:    die  Metalle  wirken  so  aufeinander,  dass  das  Zink  gegen  Kupfer  positiv 
wird;  durch  die  Berührung  mit  der  Flüssigkeit  werde  aber  das  Zink  negativ, 
und   diese   Wirkung  sei  die   überwiegende.     Dabei   schrieb  er  einer  schwer 
verständlichen   polaren  Anordnung   der  Flüssigkeit   in    der  Kette   eine   ent- 
scheidende Bedeutung  für  das  Zustandekommen  der  Wirkung  zu. 

In  der  Erkenntniss  der  Bedeutung,  welche  die  Berührung  zwischen 
Flüssigkeit  und  Metall  für  die  Theorie  der  Kette  hat,  ist  Pohl  auf  einen 
ganz  richtigen  Weg  gelangt.  Als  ich  mich  durch  seine  endlos  schwülstigen 
Auseinandersetzungen  zu  seinen  positiven  Angaben  durchgearbeitet  hatte, 
war  ich  nicht  wenig  erstaunt,  diese  Angaben  vollkommen  den  Erfahrungen 
entsprechend  zu  finden,  welche  erst  in  neuester  Zeit  über  diese  Frage 
gewonnen  worden  sind.  Es  war  weiter  keine  ganz  leichte  Aufgabe,  die 
thatsächlichen  Erscheinungen  herauszufinden,  aufweiche  Pohl  diese  Angaben 


1  Pogg.  Ann.  3,   186,   1825.  •  Leipzig  1826.  430  Seiten. 


Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  Berührungselektricität  u.  s.  w.  473 


Ggründet  hatte.  Denn  ihm  erscheint  der  experimentelle  Nachweis  seiner 
asichten  eine  Sache  von  sehr  geringer  Bedeutung;  mehr  aus  freundlicher 
achstcht  für  die  Schwäche  der  zurückgebliebenen  Zeit-  und  Fachgenossen, 
eiche  m  der  Physik  nach  experimentellen  Gründen  fragen,  statt  nach  dem 
eculattven  Beweise,  als  weil  er  selbst  Gewicht  darauf  zu  legen  gewillt  war, 
tt  er  sich  zu  einigen  kurzen  Angaben  herabgelassen.  Mein  Erstaunen 
tigerte  sich,  als  ich  fand,  dass  er  thatsächlich  einen  der  wenigen  Wege 
Kunden  hatte,  die  zum  Ziele  fuhren;  freilich  war  er  neben  diesem  richtigen 
rege  noch  einen  falschen  gegangen,  der  ihn  durch  eine  gegenseitige  Eli- 
ination  mehrerer  Fehler  zu  dem  richtigen  Endziele  geführt  hatte. 

Um  bei  diesen  seltsamen  Widersprüchen  zwischen  der  Unzulänglichkeit 
«1  Pohi/s  Philosophie  und  der  Richtigkeit  der  durch  sie  erlangten  Ergeb- 
jse  dem  Leser  ein  ungefärbtes  Bild  von  seiner  Denkweise  zu  geben,  theile 
1  nachstehend  seine  eigene  Zusammenfassung  seiner  Ergebnisse  und  des 
rtwickelungsganges  seiner  Ansichten  mit,  wie  er  sie  in  der  Vorrede  seines 
en  genannten  Werkes  niedergelegt  hat.1 

„Der  ursprüngliche  Zweck  meiner  Darlegungen  leitete  mich,  in  dem 
reben  nach  möglichst  elementarischer  Begründung,  auf  die  Betrachtung 
r  zweigliedrigen  galvanischen  Kette  mit  ungleichen  metallischen  Berührungs- 
chen.  Ich  suchte  diesen  Gegenstand  um  so  schärfer  in's  Auge  zu  fassen, 
t  seine  eigentliche  Natur  und  sein  Verhältniss  zu  den  herrschend  gewor- 
den Vorstellungen  über  den  Prozess  der  galvanischen  dreigliedrigen  Kette 
►  lange  immer  noch  etwas  völlig  Räthselhaftes  geblieben  waren.  Ich  fand 
hr  bald,  dass  hier  von  einer  Contactelektricität  der  metallischen  Armaturen, 
ie  man  sie  bis  dahin  als  eigentliche  Triebfeder  der  Kette  betrachtet  hatte, 
ir  nicht  die  Rede  sein  könne;  ich  sah  mich  genöthigt  zu  schliessen,  dass 
iese  Triebfeder  nichts  anderes,  als  nur  die  in  der  Contactelektricität  der 
lüssigkeit  und  des  Metalles  angedeutete  Thätigkeit  sein  könne,  und  die 
üahrung,  welche  ich  machte,  dass  die  Abweichungsrichtung  der  Magnet- 
adel in  der  geschlossenen  zweigliedrigen  Kette  dieselbe  blieb,  so  lange  die 
lektrische  Relation  der  Flüssigkeit  zum  Metalle  sich  nicht  änderte  und  dass 
ie  in  die  entgegengesetzte  überging,  sobald  mit  einem  anderen  Metalle 
iese  Relation  auch  die  entgegengesetzte  geworden  war,  erhob  meine  Fol- 
erung  zur  entschiedenen  Gewissheit. 

„Mit  dieser  Combination  war  umgekehrt  zugleich  ein  Mittel  aufgefunden, 
ie  elektrische  Erregung  zwischen  der  Flüssigkeit  und  dem  Metalle,  deren 
lenntniss  bis  dahin  nur  den  so  häufig  unzulänglichen  und  zweifelhaften 
xgebnissen  des  Condensators  und  Duplikators  verdankt  wurde,  theils  der 
jt,  theils  auch  der  Quantität  nach,  unzweideutig  versichtbaren  und  an  der 
lagnetischen  Bussole  ablesen  zu  können. 

„Einer  Klasse  von  Physikern,  die  ihr  Augenmerk  mehr  auf  praktische 
ad   experimentale  Einzelheiten,    als    auf  umfassende  spekulative   Interessen 


1   Der  Prozess  der  galvanischen  Kette.    S.  VIII. 


474  Zwölftes  Kapitel. 


richtet,  wird  diese  Seite  meiner  Untersuchungen  vielleicht  beachtungs 
als  manche  der    übrigen   sein.     Mir  war  sie   es  nicht.     Ich  hielt  d 
was  die  zweigliedrige  Kette  unter  dem  Charakter  unumstösslicher  G< 
mir  anvertraut  hatte,   vergleichend  an  die  Erscheinungen  der  dreigli 
und  die  zur  reinsten  Evidenz  gesteigerte  Überzeugung,    dass    auch 
dreigliedrigen  Kette  die  Relation   zwischen  Flüssigkeit  und  Metall  a! 
eigentliche    Seele   der   Thätigkeit   sei,    während    die    Contactelektric 
differenten  Metalle  nur  das  Reizmittel  zur  Belebung  dieser  Thätigkeit 
eine  Überzeugung,  die  ich  in  anderen  Arbeiten  lange  vorher,  nur  nie 
solchen  Dokumenten  als  jetzt  ausgesprochen  habe  —  war  die  unaus 
Folge  dieser  Vergleichung.     Ich  wurde  inne,    dass  die  Physik   in  ih 
her  igen  Betrachtungsweise  des  Prozesses  der  galvanischen  Kette,   n 
Contactelektricität  der  Metalle,    nur  so,    wie  ein  Kind  nach  dem, 
meisten  in  die  Augen  fällt,  gegriffen,  und  die  mehr  unsichtbaren,  u 
baren,  aber  daher  um  so  wesentlicheren,    in  der  geschlossenen   K< 
um  so  kräftiger  sich    entwickelnden  Qualitäten  in  der  Relation   der 
keiten  zu  den  Metallen,  wenn  nicht  völlig  übersehen,  so  doch  fast 
vernachlässigt  habe. 

„Meine  seit  längerer  Zeit  gemachten  Entdeckungen  über  du 
Thätigkeit  des  flüssigen  Leiters  in  der  geschlossenen  Kette,  —  or 
ich  damals  ihren  Zusammenhang  mit  den  nachfolgenden  Untersu 
bereits  so  bestimmt,  als  jetzt  durchschaute  —  bildeten  gleichsam,  a 
sie  die  von  vornherein  erwarteten  Resultate  planmässig  unternomme 
arbeiten,  die  wesentlichen  Prämissen  zu  den  späteren  Combination 
als  der  gemeinsame  Mittelpunkt  des  grossen,  alle  elektrischen  Relati« 
Flüssigkeiten  und  Metalle  umfassenden  Kreises  ergab  sich  mir  ein 
die  meines  Erachtens  zu  den  merkwürdigsten  Gesetzen  gezählt  zu 
verdient,  welche  die  Naturlehre  kennt,  das  Gesetz  nämlich,  dass  < 
trische  Relation  irgend  zweier  Metalle  gegen  eine  und  dieselbe  Fl 
jeder  Zeit,  theils  der  Qualität,  theils  der  Quantität  nach,  die  entgegei 
von  der  zwischen  den  Metallen  selbst  stattfindenden  gegenseitigen 
sei.  Die  Relationen  der  Metalle  und  Flüssigkeiten  greifen  so,  wie  ; 
entgegengesetzten  Welten,  bedeutungsvoll  ineinander,  und  die  starre 
linischen  Metalle,  je  mehr  sie  durch  den  Drang  ihrer  gegenseitigen  l 
im  Contact  mit  einander  der  entgegengesetzt  erregenden  Einwirk 
Flüssigkeiten  Widerstand  zu  leisten  trachten,  fallen  dadurch  um  so 
dem  regen,  unaufhaltsamen  Fortschritte  der  allgemeinen  Entwic 
metamorphose  des  grossen  heiligen  Naturlebens  anheim." 

Der  von  Pohl  angedeutete  Weg,  auf  dem  er  zu  der  Erkenntniss  \ 
dass  die  sogenannten   positiven  Metalle,    wie  Zink,    Zinn   und  Eiser 
rührung   mit    Flüssigkeiten   thatsächlich    negativ   werden,    während 
negativ   bezeichneten,    wie    Kupfer,    Silber,    Gold,    umgekehrt    das 
Zeichen  bei  der  Berührung  mit  Flüssigkeiten  erlangen,  ist  folgender, 
man  gleichzeitig  zwei  Stücke  desselben  Metalles,    von  denen   das   e 


S5*-< 


Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  Berührungselektricität  u.  s.  w.  ajc 


r 


grosse,  das  andere  eine  kleine  Oberfläche  hat,  in  die  Flüssigkeit,  während 
■ia^j  wischen  beiden  Metallstücken  eine  Verbindung  durch  das  Galvanometer 
kstebt,  so  nimmt  man  einen  Strom  wahr,  welcher  beim  Zink  von  der 
€-T£SI  grösseren  Flache  durch  die  Flüssigkeit  zu  der  kleineren  Fläche  geht;  beim 
en  li|  Kupfer  geht  umgekehrt  der  Strom  von  der  kleineren  Fläche  durch  die 
Flüssigkeit  zur  grossen,  oder  von  der  grossen  Fläche  durch  das  Galvano- 
^=^1  neter  zur  kleinen.  Die  Deutung,  welche  Pohl  dieser  Erscheinung  giebt, 
^  "'-liachdem  er  mit  Recht  jeden  Versuch,  sie  auf  eine  etwaige  Contactelektricität 
r,c~#«ischen  grossen  und  kleinen  Metallstücken  zurückzufuhren,  als  absurd 
ai&j^arijckgewiesen  hat,  ist  folgende. 

JEs  sei  z  eine  Metallfläche,  die  im  Contact  mit  der  Flüssigkeit  f  negativ 
elektrisch  wird,  so  wird  die  letztere  in  der  Berührungsfläche  mit  z  positiv, 
■ad  am  entgegengesetzten  Extrem  negativ  elektrisch.   Wird  an  dieses  Extrem 
«ae  an  Grösse   und  Beschaffenheit   nach  mit  z   völlig   gleiche  Metallfläche 
^—  ^  fliegt,  so  hebt  sie  durch  dieselbe  elektrische  Relation  gegen  /  einen  Theil 
Ar  negativen  Erregung  der  ersteren  gänzlich  auf,    ebenso,    wie  die  ihrige 
Arch  die  erste  Metallfläche  auf  der  anderen  Seite  zum  Theil  vernichtet  wird, 
*d  beide  Metalle  sind  in   gleichem,   aber  viel  schwächeren   Grade   negativ 
«fcktrisch,   als  jedes  von  ihnen   in  der  Berührung  mit  F  an   und  für   sich 
*b  würde.    Ist  dagegen  die  berührende  Fläche  der  zweiten  Armatur  z'  bei 
Hast  gleicher  Beschaffenheit  beträchtlich  kleiner,  als  die  der  ersten  z,  so  ist 
*ch  das  Integral  ihrer  entgegenwirkenden  Erregungsthätigkeit  beträchtlich 
geringer,   als   bei  jener;    denn    da   die   Erregungsintensität  jedes   einzelnen 
'Paktes  der  Kette  nur  eine  Funktion  der  Erregungsintensität  der  Masse  der- 
Jdben  in   allen   ihren  Punkten   schlechthin   ist,    so  muss  z9   wenn   auch  bei 
«mem  Contact  mit  der  Flüssigkeit  seine  eigenthümliche  Erregung  sich  gel- 
tend macht,  vermöge  der  das  /  in  der  Berührungsfläche  mit  z   positiv,  und 
/  selbst   negativ  wird,    von    dieser  negativen  Erregung  in  Conflikt  mit  der 
ton  dem  grösseren  z  ausgehenden  Erregung  doch  viel  mehr,  als  z  von  der 
:"  «mgen   verlieren.     Vor  der  Schliessung  der  Kette  ist  also  z  negativ,   und 
die  kleinere  Armatur  z ',  wenn  auch  ebenfalls,  doch  in  viel  geringerem  Grade 
negativ  als  z,   so  dass  sie  dem  z  als  eine  positiv   erregte  gegenüber  steht, 
i  und  dass  es  nur  noch  einer  angemessenen  Verstärkung  der  negativen  Erregung 
des  z  bedarf,   damit   der  Gegensatz  völlig  entschieden,   und  z'y  ausser  Ver- 
mögen,   der   kräftigeren  Thätigkeit    gegenüber  seine   eigene  Erregung  noch 
ferner  geltend  zu  machen,  absolut  positiv  wird." 

Diese  Darlegung  wäre  vielleicht  trotz  der  Neigung  ihres  Verfassers  zu 
langen  Perioden  nicht  so  wortreich  gerathen,  wenn  er  nicht  einen  gewissen 
Betrag  von  Unsicherheit  zu  verbergen  gehabt  hätte.  Denn  es  war  seit  den 
Forschungen  Volta's  ganz  wohl  bekannt,  dass  die  Spannung  einer  Kette, 
ilso  auch  die  ihrer  einzelnen  Glieder,  von  der  Grösse  der  Platten,  und  somit 
t»  der  Grösse  der  Berührungsflächen  ganz  unabhängig  ist.  Die  weitläufige 
Darlegung  Pohi/s  läuft  aber  darauf  hinaus,  dass  die  Spannung  der  grösseren 
Hache  als  „Integral"  der  Spannung  ihrer  Punkte  diese  der  kleineren  übertreffen 


47 6  Zwölftes  Kapitel. 


soll.   Der  Widerspruch,  welcher  zwischen  der  von  Volta  beobachteten 
sache  und  dem  thatsächlichen  Entstehen  eines  Stromes  bei  ungleich 
Berührungsflächen  zu  liegen  scheint,  ist  durch  Pohi/s  Darlegung  kein« 
gehoben;  denkt  man  diese  klar  durch,  so  müsste  ein  dauernder  Strom 
jeden  weiteren  Aufwand  stattfinden  können,  wenn  sie  richtig  wäre. 

Die   Lösung   des   Problems   ist    in    diesen    letzten   Worten 
worden:    es    handelt    sich    um    eine   Ladungserscheinung   der   Ol 
Entsteht  zwischen  Metall  und  Flüssigkeit  die  angenommene  Vertheihing, 
welcher  das  erstere  negativ  ist,    so  muss  durch   den  Stromkreis  eine 
tricitätsmenge  gehen,  die  der  Oberfläche  der  Berührung  proportional  ist, 
eine  solche  Vertheilung  der  Elektricität  herzustellen.   Beide  Flächen  bedil 
solche  Ladungsströme    von    entgegengesetzter   Richtung;    sind    beide 
flächen  gleich,  so  heben  sie  sich  auf,  sind  sie  ungleich,  so  zeigt  der  ül 
bleibende    Strom    an,    in    welchem   Sinne   sich    die    grössere    Oberfläche  t 
Berührung  mit  der  Flüssigkeit  ladet. 

Pohl  scheint  somit  eine  dunkle  Vorstellung  von  der  richtigen  Deut 
des  Versuches  gehabt  zu  haben,  weil  das  Endergebniss  seiner  fehlet 
Schlussreihe  doch  richtig  ist.  Er  hat,  wie  das  in  der  Wissenschaft  gar 
so  selten  ist,  durch  unbewusste  Schlüsse  das  richtige  Ergebniss  voi 
genommen  und  war  nur,  als  er  seine  Schlussreihe  bewusst  darzulegen  vdl 
suchte,  in  eine  falsche  Richtung  gerathen;  er  hatte  seine  Resultate,  wusstt 
aber  nicht,  wie  er  zu  ihnen  kommen  könne. 

Neben  diesen  Versuchen,  die  in  der  That  geeignet  sind,  das  ProWcfl 
zu  lösen,  theilt  Pohl  noch  andere  mit,  welche  mit  dem  Condensator  ange 
stellt  worden  waren,  und  bei  einer  ziemlich  verwickelten  Anordnung  dod 
den  Zweck  nicht  erreichten,  da  sie  ebenso  unbewiesene  Voraussetzung*! 
enthielten,  wie  die  meisten  anderen  Versuche,  die  in  dieser  Richtung  ang© 
stellt  worden  sind.  Auf  diesen  Theil  des  Buches  von  Pohl  einzugehen,  b 
demnach  nicht  nöthig;  auch  ist  es  mir  nicht  gelungen,  in  den  weitläufige! 
übrigen  Auseinandersetzungen  weitere  brauchbare  Gedanken  oder  Versuch* 
aufzufinden. 

Die  Ansichten  von  Pohl  haben  keinen  merklichen  Einfluss  auf  die  Zeit 
genossen  ausgeübt.  Die  Glanzzeit  der  Naturphilosophie  war  bereits  vorüber 
die  Naturforscher  begannen  auch  in  Deutschland  in  der  Erfahrung  wiede 
die  einzige  Quelle  der  Erkenntnis  anzuerkennen,  so  dass  der  Standpunk 
des  PoHL'schen  Werkes  von  vornherein  meist  Widerspruch  erweckte.  Da 
Richtige  darin  wurde  von  der  Last  des  Zweifelhaften  und  Falschen  zu  Bodei 
gedrückt,  und  erst,  nachdem  man  von  anderer  Seite  jenes  Richtige  erkanr 
hatte,  war  dessen  Vorhandensein  in  jenem  Werke  erkennbar. 

Von  Pohl  ist  ferner  ein  Versuch  angegeben  worden,  von  dem  selb* 
Pfaff,  der  sonst  stets  bereite  Vertheidiger  der  VoLTA'schen  Theorie  sag 
dass  er  ohne  weiteres  aus  dieser  Theorie  nicht  zu  erklären  sei.  Der  Versuc 
besteht  nach  den  Worten  Pohl's  in  folgendem:1 

1  Poog.  Ann.  16,  109.  1829. 


Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  Berührungselektricität  u.  s.  w.  Ann 


:  „Die  durch  die  beigefugte  Zeichnung  versinnlichte  Vorrichtung  zur 
irstellung  des  Versuches  ist  sehr  einfach.  Eine  Anzahl  Kupferplatten,  &, 
A  c»  7 9  ß>  a*  unc^  e*ne  Zinkplatte  z>  etwa  6  Zoll  in's  Gevierte  gross,  sind 
t-der  bezeichneten  Ordnung  mit  feuchten  Zwischenplatten  aufgeschichtet 
A  paarweise  durch  Metalldrähte  /  bis  4  verbunden.  Um  die  Verbindung 
k  Leichtigkeit  herstellen  und  wieder  aufheben  zu  können,  ist  jede  Platte 
F  geeigneter  Stelle  ihres  Vorder-  oder  Seitenrandes  mit  einem  angelötheten 
^pfernäpfchen  versehen,  das  mit  Quecksilber  gefüllt  ist  und  das  eintauchende 
Iftlgamirte  Ende  des  Kupferdrahtes  aufnimmt  und  festhält.  Die  Papp- 
heiben, etwas  kleiner  als  die  Metallscheiben,  sind  mit  etwa  30 fach  ver- 
tonter Schwefelsäure  durchnetzt  und  so  stark  und  gleichmässig  als  möglich 
qgepresst,  damit  die  hervorstehenden  Metallränder  völlig  trocken  und 
male  Effekte  vermieden  bleiben  mögen. 

„Wenn  man  zuvörderst  die  Enden  eines  elektromagnetischen  Multipli- 
ers mit  den  beiden  Haupterregerplatten  k  und  z  verbindet,  und  den 
idiessungsdraht  /  dafür  fortnimmt,  so 
M  die  vom  Multiplikator  umgebene  Nadel 
•e  Ablenkung  erleiden.  .  .  .  Wir  wollen 
Mehmen,  dass  die  Ablenkung  der  Nadel 
tfich  sei.  Dieses  vorausgesetzt  findet  nun 
oter  folgendes  statt. 

„Man  schliesse  die  Kette  wieder  durch 
si  Verbindungsdraht  /,  tauche  das  Ende 
5  Multiplikators,  welches  vorher  mit  k 
rbunden  war,  in  den  zunächst  befind- 
hen  Napf  der  Platte  ay  und  ebenso  das  lg*  II3' 

•  lange  mit  z  verbunden  gewesene  Extrem 

den  benachbarten  Napf  von  a,  nehme  hierauf  den  Verbindungsdraht  2 
rt,  so  wird  die  Nadel  wieder  abgelenkt  werden,  und  zwar  ist  die  Ablenkung 
t  ersten  gerade  entgegengesetzt;  sie  ist  nun  westlich,  wenn  sie  vorher 
tlich  war. 

„Man  verbindet  die  Näpfe  a  und  u  wieder  durch  den  Draht  2,  nehme 

rner  das   Multiplikatorende  von  a  fort  und  bringe  es   in  den  Napf  von  b 

kd  ebenso   das  von  a   in  den  Napf  von  ß,  entferne  endlich  den  Draht  j, 

findet  wiederum    eine  Ablenkung  der  Nadel    statt,    die   der   unmittelbar 

irhergegangenen  abermals  entgegengesetzt  ist.  .  .  . 

„Man  bringt  zuletzt  wieder  den  Verbindungsdraht  3  an  seinen  Ort, 
Bche  das  vorhin  mit  b  verbundene  Extrem  des  Multiplikators  in  den  Napf 
i  cy  und  das  andere  mit  ß  verbundene  in  den  Napf  von  y,  und  hebe  den 
aht  4  aus  den  eben  genannten  Näpfchen  heraus,  so  hat  man  eine  wenn 
ch  schwache,  so  doch  gesetzlich  bestimmte  Ablenkung  der  Nadel,  die  der 
rhergehenden  wieder  entgegengesetzt  ist.  .  .  . 

„Es  bedarf  keiner  Auseinandersetzung,  dass  ein  elektromotorisches  Princip 
der  nach  der  VoLTA'schen  und  elektrochemischen,    noch   nach  der  de  la 


478  «  Zwölftes  Kapitel. 


RivE'schen  Ansicht  die  angegebenen  Erfolge  mit  den  vorhergehenden  auck 
nur  in  eine  äusserliche  Verknüpfung  zu  bringen  vermöge.    Es  giebt  nur  etil 
Verständniss  dieser  Erscheinungen  von  dem  Standpunkte  aus,  nach  welchem 
das  unmittelbare  Thätigkeitsprincip    der  galvanischen  Kette  im  Chemismuf 
selbst  liegt,   von  dem  die  Elektricität  und  der  Magnetismus  nur  modificirte 
Äusserungen  bilden.   Im  Chemismus  sind  aber  Oxydation  und  Desoxydation 
nicht  zufällig  neben  einander  hergehende,  sondern  von  innen  heraus  polarisch 
bedingte    Seiten    der   ganzen    Thätigkeitssphäre,   sie   rufen   sich   gegenseitig 
hervor  und  treten  einander  überall  ebenso  gegenüber,  wie  allemal  der  posK 
tiven  Elektricität,   dem   Nordmagnetismus   der  Südmagnetismus    gegenüber- 
steht. .  .  .    Unsere  dermalige  Chemie,   so  weit  sie  dieses  naturgemässe  Ver- 
halten   der  Materie    entweder    nur   indirekt   oder   gar   nicht   anerkennt  und 
anschaut,   sieht  den  Wald   nicht  vor  Bäumen.  .  .  .    Betrachten  wir  nun  aus 
den  angegebenen   einfachen   Gesichtspunkten    die   zur  Darstellung  des  Ver- 
suches angewandte  Kette.     Ihre  Hauptgiieder  sind  k  und  z  und  es  leuchtet 
ein,    dass  ihre  Wirksamkeit  zunächst  nur  auf  den  Kreis  beschränkt  ist,   der 
ausser  k  und  z  noch   durch   die  Platten  a  und  a,   die    zwischen    denselben 
befindliche   Flüssigkeit   und    die  Verbindungsdrähte  /  und  2   gebildet  wird, 
also  auf  den  Kreis  kl za2  a.     In  diesem  Kreis  ist  nun  die  Richtung,   nach. 
welcher  die  Oxydationstendenz  herrschend   ist,    durch    die  Richtung,   nach 
welcher  die  Zinkplatte  der  Flüssigkeit  zugekehrt  ist,  gegeben.     Die  Oxydar; 
tionstendenz    findet   nämlich   statt    in    der   Richtung   uzkla2az....     Die; 
Desoxydationstendenz  dagegen  in  der  entgegengesetzten  Richtung  akiza2ai...*  < 
Alle  der  ersten  Richtung  entgegengekehrten  Metallflächen,  wie  insbesondere! 
die  Zinkplatte  z  und  die   Kupferplatte  a  werden  oxydirt;    alle   der  zweiten 
Richtung  entgegenstehenden   Flächen,   wie  insbesondere  die  Kupferplatte  i 
und  die  Kupferplatte  a  werden  desoxydirt,   oder  nach  jenen  hin  tritt  das 
Oxygen,  nach  diesen  das  Hydrogen  hervor  u.  s.  w.   Würde  der  Schliessungs- 
draht /  irgendwo  unterbrochen,  z.  B.  das  Stück  //  aus  ihm  herausgenommen, 
und  die  Lücke  mit  Flüssigkeit  gefüllt,   so  würde,    den  angegebenen  Rich- 
tungen   gemäss,    die  Stelle  /   oxydirt,    /  desoxydirt;    dagegen   würde   eine 
gleiche  Unterbrechung  des  Drahtes  2  \x\  rtn  umgekehrt  in  r  eine  Desoxy- 
dation,   in  m   eine  Oxydation    des  Drahtes   zur  Folge   haben. ...   Es  wird 
folglich  auch  die  Ablenkung  der  Nadel  durch  den  einen  Draht  2  oder  an 
seiner  Statt   durch  den  Draht  des  Multiplikators  unter  sonst  gleichen  Um- 
ständen die  entgegengesetzte  von  der  sein,  welche  durch  den  anderen  Draht  / 
oder  dessen  Stellvertreter  bewirkt  wird.  .  .  . 

„Die  beiden  Kupferplatten  a  und  a  stehen  also,  indem  in  jener  die 
Tendenz  zur  Oxydation,  in  dieser  die  Tendenz  zur  Desoxydation  angeregt 
ist .  .  .  in  einem  chemischen  Gegensatze,  der  zwar  vornehmlich  nur  in  Bezug 
auf  den  eben  betrachteten  galvanischen  Kreis  obwaltet,  der  sich  aber  auch, 
wenngleich  beträchtlich  schwächer,  noch  in  einer  anderen  Kette  geltend 
macht,  in  welcher  dieselben  beiden  Bleche  zugleich  als  Glieder  vorhanden 
sind.     Diese  andere  Kette  ist  die  durch  den  Kreis  a 2 aß 36  gebildete.   Aus 


Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  Berührungselektricltät  u.  s.  w.  470 

1  Hauptkette  bringen  die  Bleche  a  und  a  ihre  Polarität  in  diese  zweite 
ebenkette  mit  hinein,  und  es  ist  nun  dasselbe,  als  wenn  eine  einfache  Kette 
idurch  zu  Stande  gebracht  wird,  dass  ein  Paar  verbundene  differente 
ietalle,  von  denen  a  das  Kupfer,  a  das  Zmk  repräsentirt,  durch  eine  zweite 
etallische  Leitung  (welche  durch  die  Platten  b  und  ß  und  den  Draht  3 
ergestellt  wird),  mit  der  Flüssigkeit  ebenso,  wie  in  der  ursprünglichen  Com- 
ioation  in  Wechselwirkung  treten.  .  . .  Wem  nun  die  Entstehung  dieser 
veiten  Kette  aus  der  ersten  FUuptkette  und  die  damit  bedingten  Ablenkungen 
er  Nadel  deutlich  sind,  für  den  bedarf  es  hinsichtlich  der  folgenden  Kette 
nd  ihrer  Wirkung  auf  die  Magnetnadel  keiner  weiteren  Auseinandersetzung." 

Bezüglich  seiner  Auseinandersetzung  mit  Pfaff  fährt  Pohl  fort.  „Theils 
fegen  der  Wichtigkeit,  die  der  Versuch  in  den  Augen  jedes  gründlichen 
"heoretikers  haben  muss,  theils  wegen  des  Widerspruches,  den  Herr  Professor 
\  H.  Pfaff  gegen  die  Constatirung  des  Versuches  erhoben  hat,  habe  ich 
ich  bewogen  gesehen,  denselben  hier  nochmals  mit  aller  Bestimmtheit  zur 
xache  zu  bringen.  Ein  so  grosser  Kenner  und  nur  zu  parteiischer  Ver- 
Ater  des  Voltaismus,  wie  Herr  Pfaff,  hat  gewiss  auf  den  ersten  Blick  die 
xieutsamkeit  des  Versuches  und  seinen  Einfluss  auf  ältere  theoretische 
isichten  erkannt;  wenn  er  aber  die  Realität  desselben  nicht  zugestehen 
U,  so  kann  das  nur  an  der  Unvollkommenheit  der  Bedingungen  liegen, 
ter  denen  er  den  Versuch,  sei  es  auch  oft,  wiederholt  hat." 

Dieser  kräftige  Appell  hat  denn  auch  seine  Wirkung  nicht  verfehlt,  und 
äff  widmet  in  seiner  „Revision"1  dem  Pom/schen  Versuch  ein  ganzes 
ipitel,  welches  ihn  zu  dem  Ergebniss  fuhrt,  dass  zwar  die  Anschauung 
rai/s  keine  eigentliche  Erklärung,  sondern  nur  die  Umschreibung  der  That- 
chen  in  chemische  Ausdrücke  sei,  dass  aber  auch  die  VoLTA'sche  Theorie 
cht  im  Stande  sei,  von  ihnen  alsbald  Rechenschaft  zu  geben. 

14.  G.  Th.  Fechner.  In  Gustav  Theodor  Fechner  tritt  uns  eine  der 
iginellsten  Gestalten  unter  den  Gelehrten  entgegen,  mit  deren  Arbeiten 
ir  es  hier  zu  thun  haben.  Am  19.  April  1801  als  Sonntagskind  in  Gross- 
irchen  in  der  Niederlausitz  geboren,  verlor  er  bald  seinen  Vater  und  wurde 
n  Hause  seines  Onkels  in  dem  kleinen  Städtchen  Triebel  erzogen.  Der 
ühreife  Knabe  hatte  das  Gymnasium  in  der  Nachbarstadt  Sorau  bereits 
ut  14  Jahren  erledigt,  besuchte  aber  auf  Veranlassung  seines  Onkels  noch 
ie  Kreuzschule  in  Dresden,  wohin  seine  Mutter  inzwischen  übergesiedelt 
ar,  und  ging  im  Jahre  18 17,  16  Jahre  alt,  auf  die  Leipziger  Universität, 
elcher  er  von  da  ab  ununterbrochen  bis  zu  seinem  Tode  im  Jahre  1887, 
so  volle  60  Jahre,  angehört  hat.  In  Leipzig  wurde  er  1823  Magister  und 
ibilitirte  sich  in  demselben  Jahre;  als  der  dortige  Professor  der  Physik, 
clbert,  der  verdiente  Herausgeber  der  Annalen  der  Physik,  1824  starb, 
rtrat  er  ihn  für  ein  Semester,  und  begann  gleichzeitig  seine  Experimental- 
itersuchungen  über  die  galvanische  Kette,  deren  Ergebnisse  ihm  den  Platz 


1  Revision  der  Lehre  vom  Galvano- Voltaismus.    Altona  1837. 


4 go  Zwölftes  Kapitel. 


in   unserer   Geschichte   gesichert   haben.     Im   Jahre    1827    machte    er 
wissenschaftliche  Reise  nach  Paris,   wo  er  mit  Ampere,   Biot  und  Ti 
in  Beziehungen  trat,  welche  ihn  zu  der  Übersetzung  der  Schriften  der 
letzteren  veranlasst  haben;    1831  erhielt  er  in  Leipzig  eine  ausserordenü* 
Professur  ohne  Gehalt,  1834  die  ordentliche,  welcher  er  allerdings  mit 
Zögern  antrat,  da  ihm  die  Thätigkeit  in  diesem  Amte  nicht  zusagen  w< 
Gleichzeitig  entwickelte  sich  bei  ihm  in  Folge  übermässiger  Arbeit  ein 
hafter  Zustand  seiner  Augen  und  seines  Geistes,   welchen  er  selbst  sj 
mit  grosser  Anschaulichkeit  und  Objektivität  geschildert  hat,    und  wel 
ihn  an  den  Rand  des  Grabes  brachte.     In  wunderbarer  Weise  überwand 
indessen  die  Krankheit;  er  war  inzwischen  pensionirt  worden  und  verbi 
den  ganzen  übrigen  Theil  seines  Lebens  in  dieser  Stellung,  nach  aussen  i 
den  bescheidensten  Formen,  nach  innen  in  einer  Fülle  und  Mannigfaltig 
der  Arbeit,  wie  so  leicht  kein  anderer  Gelehrter. 

Diese    ungewöhnliche    Vielseitigkeit    Fechner's    ist    durch    seinen 
wickelungsgang  nicht  weniger,  als  durch  die  Anlage  seines  Geistes  bedingt] 
Während  seiner  Studienjahre,    zu   der  Zeit,  wo  der  Geist  die  bleibendsten | 
wissenschaftlichen  Eindrücke  empfängt,  gerieth  Fechner  unter  den  EinfluAj 
der  Naturphilosophie;    die   Schriften  Oken's  und   Schelling's  machten,  wie 
er  selbst  erklärt  hat,   in  seinem  Denken  Epoche.     Aber  die  Beschäftigung 
mit  der  exakten  Wissenschaft,    insbesondere  die  durch  die  Noth wendigkeit 
des    Broterwerbes    bedingte    Thätigkeit    bei    der    Übersetzung    französischer  \ 
Lehrbücher,  in  denen  die  mathematischen  Methoden  mit  Erfolg  zur  Anwen-  ] 
düng  kamen,    Hessen   ihn   bald  die   ungenügende  Beschaffenheit   der  natur- 
philosophischen  Phantasieen   erkennen;    Fechner   hat  wiederholt  mitgetheilt, 
wie  ihm  zwar  die  ganze  Anschauungsweise  der  Naturphilosophen  im  Inneren 
sympathisch  war,  wie  er  aber  vergebens  versucht  habe,  sich  über  den  Inhalt 
ihrer  Theorieen  Klarheit  zu   erringen.     So  verliess  er  die  verfehlten   Phan- 
tasieen  dieser  Schule,    behielt  aber  das  werthvolle  derselben,   die   auf  das 
allgemeinste    gerichtete   Anschauungsweise,    sowie    das    lebendige    Interesse 
an  den  zwischen  Physik  und  Psychologie  liegenden  Grenzgebieten  bei,   fiir 
welche    die   damalige    exakte   Wissenschaft,    wie   sie   wesentlich    durch   die 
französischen  Gelehrten  gepflegt  wurde,  keinen  Raum  bot. 

Diese  beiden  Seiten  seines  Geistes  kamen  zeitlich  getrennt  zur  Gel- 
tung, indem  die  Zeit  vor  seiner  Krankheit  die  der  physikalischen  Messungen 
war.  Von  diesen  ging  er  zu  physiologischen  Untersuchungen,  vorwiegend 
über  subjektive  Farbenerscheinungen,  über;  seine  oben  erwähnte  Krankheit 
war  nicht  zum  wenigsten  durch  die  Anstrengungen  veranlasst,  welche  er 
bei  diesen  Arbeiten  seinen  Augen  auferlegte.  Nach  seiner  Genesung  begann 
er  die  Arbeiten,  in  welchen  sich  die  Doppelnatur  seines  Wesens  und  seiner 
Bildung  am  anschaulichsten  zeigte,  und  welche  die  anderen  an  Bedeutung 
weit  überragen;  es  sind  dies  seine  bahnbrechenden  psychophysischen  Unter- 
suchungen, durch  welche  er  die  Methoden  der  exakten  Wissenschaft  auf  die 
Gebiete  des  geistigen  Lebens  übertragen  lehrte. 


Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  Berühningselektricität  u.  s.  w.  48  j 


Die   Seite  der  Thätigkeit  Fechner's,   mit  der  wir  uns  zu  beschäftigen 
liegt  vollständig  vor  jener  Krankheit,  welche  sein  Leben  dem  Inhalte 
jjarh .  in  zwei  verschiedene  Abschnitte  theilt.     Von  der  eigentümlich  philo- 
-ästhetischen  Seite  seines  Wesens,  die  ihn  so  wesentlich  von  allen 
Genossen  unterscheidet,  kommt  in  diesen  Arbeiten  nichts  zum  Vor- 
Khem;  es  sind  nüchterne,  auf  das  Quantitative  der  Erscheinungen  gerichtete 
[.Untersuchungen,  hervorragend  durch  die  Bedeutung  der  Ergebnisse,  die  mit 
den  denkbar  einfachsten  Mitteln  erlangt  worden  sind.     Seiner  theoretischen 
Stellung    nach   war   Fechner    ein    überzeugter   Anhänger   der   VoLTA'schen 
Theorie,    entsprechend  dem  quantitativen  Zuge  seiner  Arbeiten  auf  diesem 
Gebtete.     Demgemäss   hat   er   zu  wiederholten  ""Malen   in  diesen   Streit  ein- 
•gegriffen   und  auch  ein  „experimentum  crucis"   angegeben,    durch  welches 
die  Unhaltbarkeit  der   chemischen  Theorie   endgültig   erwiesen   sein   sollte; 
wir  werden  später  sehen,    dass  auch  dieses  auf  die  bereits  erwähnte  That- 
«cbe  herauskommt,   dass  Ketten  mit  sehr  geringer  sichtbarer   chemischer 
Wirkung   eine   stärkere  Spannung   haben   können,    als   solche,   in   welchen 
beträchtliche  chemische  Vorgänge  stattfinden. 

Viel  bedeutsamer  ab  diese  Arbeiten  ist  eine  von  Fechner  durchgeführte 
Untersuchung  über  die  Anwendbarkeit  des  ÜHM'schen  Gesetzes  bei  hydro- 
elektrischen Ketten.  Wie  oben  mitgetheilt,  war  Ohm,  ab  er  mit  solchen 
Ketten  seine  Versuche  angestellt  hatte,  auf  eine  falsche  Formel  gelangt,  und 
erst  der  Gebrauch  thermoelektrischer  Ketten  Hess  ihn  das  richtige  Gesetz 
finden.  Fechner  hat  nun  die  hier  verbliebene  Lücke  in  ausgiebigster 
Weise  ausgefüllt  Neben  der  unmittelbaren  Förderung  der  Wissenschaft,  die 
darin  lag,  hat  diese  Arbeit  eine  besondere  Bedeutung  noch  darin,  dass  sie 
die  erste  ausgedehnte  Anwendung  des  ÜHM'schen  Gesetzes  von  Seiten  eines 
anderen  Forschers  enthielt,  und  somit  wesentlich  zur  Anerkennung  desselben, 
zunächst  in  Deutschland,  beigetragen  hat. 

Bereits  die  erste  galvanische  Arbeit  Fechner's  lehrt  uns  ihn  als  einen 
Verfechter  der  VoLTA'schen  Ansichten  kennen.  In  einer  Abhandlung  über 
„Umkehrungen  der  Polarität  in  der  einfachen  Kette"1  unterwirft  er  die  von 
de  la  Rive  (S.  445)  hervorgehobene  Thatsache,  dass  zwischen  denselben 
Metallen,  je  nach  der  Beschaffenheit  der  zwischengeschalteten  Flüssigkeit  die 
Erregung  in  einem  und  dem  entgegengesetzten  Sinne  statthaben  kann,  einer 
eingehenden  Untersuchung,  die  ihn  zu  einer  mit  der  VoLTA'schen  Theorie 
verträglichen  Ansicht  von  der  Erscheinung  führt.  Der  Grundgedanke  ist 
der  gleiche,  welchen  wir  schon  früher  bei  Marianini  kennen  gelernt  haben; 
doch  sei  zur  Steuer  der  geschichtlichen  Gerechtigkeit  darauf  hingewiesen, 
dass  Jena  früher  erwähnte  Arbeit  Marianini's  später,  nämlich  1830,  erschienen 
ist,  während  Fechner's  Abhandlung  von   1828  datirt  ist. 

Der  fragliche  Gedanke  besteht  in  der  Annahme  einer  oberflächlichen 
Veränderung  des  Metalles,  welche  diesem  eine  andere  Stellung  in  der  Span- 
nungsreihe giebt,  als  es  vorher  eingenommen  hatte. 

1  Schweigge&'s  Journ.  f.  Chemie  u.  Physik,  53,  61.   1828. 
Ostwald,   Elektrochemie.  31 


482  Zwölftes  Kapitel. 


„Wenn  dem  so  ist,  so  liesse  es  sich  auch  als  möglich  denken,  dass 
allen  den  Fällen,   wo  eine  Umkehrung  der  Pole,  nach  Beschaffenheit 
schiedener  zwischenwirkender  Flüssigkeiten  erfolgt,  dies  darauf  beruhe, 
gewisse   Flüssigkeiten   die    Oberfläche   der  Metalle,   die   in   sie   eingeta 
werden,  oder  wenigstens  eines  derselben,  so  schnell  verändern,  dass  statt 
primären  Wirkung  der  unveränderten  Metalle  aufeinander  gleich  anfangs 
secundäre  der  veränderten  Metalle  erscheine.   In  der  That  glaube  ich,  di 
Umstand  durch  die  nachfolgenden  Versuche  dargethan  zu  haben. 

„Drei  Punkte  waren  es,  die  ich  zu  dieser  Nachweisung  erford 
glaubte.  Wenn  wirklich  bei  Schichtung  z.  B.  von  Schwefelleberlösung 
Eisen  und  Kupfer  das  Kupfer  sofort  den  positiven  Pol  bildete,  weil  es 
hierzu  hinreichende  Veränderung  durch  die  Einwirkung  der  SchwefeUel 
lösung  plötzlich  erfahren  hatte,  so  muss  bei  einem  gewissen  schwäch' 
Grade  der  Einwirkung  dieser  Übergang  erst  allmählich  erfolgen,  und  es  m 
eine  .  .  .  Umkehrung  im  Verlauf  des  Geschlossenseins  mit  derselben  Fli 
keit  eintreten,  die  bei  stärkerer  Einwirkung  sogleich  die  secundäre 
umgekehrte  Wirkung  würde  haben  eintreten  lassen.  Zweitens  musste  nackt 
gewiesen  werden,  dass  die  Umkehrung,  welche  in  solchen  Fällen  erfolgt 
nicht  etwa  auf  einer  Veränderung  der  Flüssigkeit  beruhe,  drittens,  dass  ääi 
Metalle  wirklich  so  dabei  verändert  werden,  um  auch  bei  nachheriger  Aid 
wendung  einer  Flüssigkeit,  in  der  sie  sonst  das  gewöhnliche  Verhältnis 
gezeigt  haben  würden,  wenn  sie  frisch  hineingebracht  worden  wären,  noch 
das  umgekehrte  Verhältniss  zu  behaupten." 

Dieses  Programm  führt  Fechner  nun  in  der  That  mit  bestem  Erfolge 
durch;  insbesondere  giebt  die  Kupfer-Eisenkette  in  Schwefelleberlösung,  je 
nach  deren  Concentration,  entgegengesetzte  Ablenkungen.  Zwischen  der 
höchsten  Concentration,  welche  nur  Ströme  in  einem  Sinne,  und  der 
grossen  Verdünnung,  welche  Ströme  in  der  entgegengesetzten  Richtung 
giebt,  lassen  sich  mittlere  Gehalte  ausfindig  machen,  bei  denen  der  Strom 
zuerst  in  dem  Sinne  der  concentrirteren  Lösung  geht,  dann  Null  wird,  und 
sich  schliesslich  umkehrt. 

Die  Umkehrungen  sind  die  gleichen,  ob  man  viel  oder  wenig  Flüssig- 
keit nimmt,  oder  ob  man  diese  schon  zu  solchen  Versuchen  benutzt  hat, 
oder  nicht,  womit  der  zweite  Punkt,  der  Nachweis,  dass  es  sich  nicht  um 
eine  Änderung  der  Flüssigkeit  handelt,  seine  Erledigung  findet  Der  dritte 
machte  etwas  mehr  Schwierigkeiten,  da  die  von  einer  Kupferplatte  erworbene 
umgekehrte  Stellung  sich  an  der  Luft  sehr  schnell  verliert.  „Senkt  man 
Eisen  und  Kupfer  am  Multiplikatordraht  in  eine  Schwefelleberlösung  von 
solcher  Concentration,  dass  die  secundäre  Wirkung  entweder  gleich  anfangs, 
oder  nach  einiger  Zeit  durch  Umkehrung  darauf  erscheint,  und  dann  so 
schnell  als  möglich,  um  die  umkehrende  Wirkung  der  Luft  zu  verhüten, 
aus  dieser  Lösung  in  reines,  gesalzenes  oder  gesäuertes  Wasser,  so  wird  im 
Allgemeinen  noch  die  secundäre  Wirkung,  wie  sie  in  der  Schwefelleber- 
lösung beobachtet  ward,  fortbestehen,  allein  nach  einiger  Zeit  wird  sich  di< 


Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  Berührungselektricität  u.  s.  w.  4g* 


Wirkung  wieder  in  die  primäre  umkehren,  und  zwar  um  so  eher,  je  schwächer 
ie  Schwefelleberlösung,  .und  je  stärker  das  (sogenannte)  Leitungsvermögen 
es  Wassers  war,  so  dass  unter  gehörigen  Verhältnissen  diese  Umkehrung 
ler  secundären  in  die  primäre  Wirkung  augenblicklich  erscheinen  kann." 

Was  die  Bedeutung  dieser  Versuche  für  die  Theorie  anlangt,  so  ist 
nhoii  früher  betont  worden,  dass  es  sich  nur  um  eine  Rettung,  und  nicht 
mn  einen  Erfolg  der  VoLTA'schen  Anschauung  handelt;  man  kann  nichts 
dagegen  sagen,  erfahrt  aber  aus  der  VoLTA'schen  Auffassung  nichts  mehr, 
ab  was  die  blosse  experimentelle  Thatsache  auch  giebt 

Der  übrige  Theil  von  Fechner's  Abhandlung  enthält  eine  fleissige  Zu- 
ttnmenstellung  weiterer  Umkehrungsfälle,  die  indessen  nichts  Neues  lehren, 
■od  daher  übergangen  werden  können. 

Weiter  beschäftigte  sich  Fechner  eifrig  mit  dem  VoLTA'schen  Funda- 
nental versuch,  und  gab1  eine  Anordnung  vermittelst  des  BEHRENs'schen 
Bektroskopes  an,  welche  die  sichere  Ausführung  desselben  gewährleistet. 
hl  Anschlüsse  daran  nahm  er  eine  eingehende  Untersuchung  der  von  de 
la  Rive  mit  metallischem  Kalium  (S.  450)  angegebenen  Erscheinungen  vor, 
■d  wies  nach,8  dass  sie  keineswegs  so  verlaufen,  wie  de  la  Rive  behauptet 
hatte,  sondern  vielmehr  durchaus  analog  der  bekannten  Art  an  anderen 
Metallen,  nur  viel  stärker,  was  von  der  sehr  „positiven"  Beschaffenheit  des 
Kaliums  herrührt  Eine  Prüfung  des  von  jenem  angegebenen  Verfahrens 
teschliesst  er  mit  den  Worten:  „Man  sieht  also,  dass  de  la  Rive's  Versuch 
anter  Steinöl  nach  der  Art,  wie  er  ihn  beschreibt,  nicht  gelingen  konnte, 
reder  nach  der  chemischen,  noch  nach  der  Contacttheorie,  dass  er  also 
iberhaupt  nichts  beweist.  Ich  bin  aber  im  Stande  gewesen,  diese  Versuche 
io  abzuändern,  dass  ein  Beweis  daraus  gegen  die  chemische  Theorie  gezdgen 
werden  kann." 

Dieser  abgeänderte  Versuch  wurde  so  angestellt,  dass  eine  Kaliumkugel 
mit  einem  eingesteckten  Platindraht  versehen,  mit  den  Fingern  gefasst,  und 
so  an  das  Elektroskop  gebracht  wurde,  dass  der  Platindraht  dieses  berührte. 
Es  entstand  dann  ein  sichtbarer  Ausschlag  auch  ohne  die  Anwendung  des 
Condensators.  „Bei  der  Deutlichkeit  der  erhaltenen  Anzeigen  (die  bisher 
noch  keinen  Einwand  gegen  die  chemische  Theorie  begründen)  schien  es 
mir  nicht  unmöglich,  auch  bei  gänzlicher  Isolirung  des  Kaliums  noch  An- 
zeigen von  Elektricität  wahrnehmbar  zu  machen,  und  so  allen  Einfluss  von 
Feuchtigkeit  zu  beseitigen."  Das  Verfahren,  welches  hierzu  eingeschlagen 
wurde,  war  ganz  sachgemäss;  Fechner  stellte  einerseits  ein  möglichst  kleines 
Elektroskop,  andererseits  eine  möglichst  grosse  Kaliumplatte,  letztere  durch 
Pressen  einer  Kugel  zwischen  zwei  Metallplatten,  nachdem  ein  Platindraht  in 
das  Kalium  versenkt  war,  her,  und  überzeugte  sich  zunächst,  dass  die 
gewöhnlichen  Versuche  in  der  Luft  gelangen.  „Ich  setzte  jetzt  die  Kalium- 
scheibe mit  dem  daraus  hervorragenden,  aufwärts  gebogenen  Platindrahte  in 


1  Poggendorff's  Ann.  41,  224.  1837.  '  Ebenda  42,  481.  1837. 

31* 


A$A  Zwölftes  Kapitel. 


ein  kleines  Gläschen,  übergoss  sie  etwa  einen  halben  Zoll  hoch  mit  S1 
und  entlud  nun,  während  ich  das  Gläschen  mit  der  Hand  fasste,  dei 
dem  Steinöl  hervorragenden  (das  Glas  nirgends  berührenden)  Platindral 
Elektrometer.  Der  Ausschlag  nach  der  Seite,  welche  die  negative 
tricität  anzeigt,  erfolgte  hier  ebenso  constant,  deutlich  und  bestimm 
wenn  sich  das  Kalium  in  der  Luft  befand.  Dass  die  nöthigen  Gegc 
suche  hierbei  nicht  vernachlässigt  wurden,  ward  schon  oben  erwähnt" 

„Den  Erfolg  des  Versuches  im  Sinne  der  chemischen  Theorie  zu  d< 
scheinen  sich  noch  folgende  Wege  darzubieten: 

,,a)  Es  wurde  mit  dem  Kalium  etwas  Feuchtigkeit  in  das  Steinö 
geführt,  dessen  chemische  Wirkung  den  Erfolg  bedingte. 

,,b)  Das  Steinöl  war  vielleicht  verfälscht,  und  noch  einer  chemi 
Wirkung  auf  das  Kalium  fähig. 

„Was  nun  a)  anlangt,  so  hat  dieser  Einwand  für  den  ersten  Augei 
einiges  für  sich,  indem  man  in  der  That,  wenn  man  das  Kalium  au 
Luft  in  Steinöl  einfuhrt,  einige  Zeit  hindurch  noch  einige  Gasblasen 
dem  Kalium  aufsteigen  sieht,  welche  augenscheinlich  von  einer  chemi 
Einwirkung  anhängender  Feuchtigkeit  herrühren.  Allein  diese  Gasentv 
lung  ist  in  Kurzem  beendigt,  und  lange  nach  dem  sie  völlig  verschwi 
ist,  noch  24  Stunden  nachher,  während  welcher  Zeit  das  Kalium  stets 
dem  Steinöl  untergetaucht  blieb  (später  habe  ich  nicht  beobachtet)  hab 
die  elektrischen  Zeichen  im  Steinöl  noch  ganz  in  derselben  Stärke  ' 
genommen,  als  während  der  Gasentwickelung  und  als  in  der  Luft  selb 
dass  dieser  Einwand  hierdurch  völlig  unhaltbar  wird." 

Fechner  täuscht  sich  hier  über  die  Beweiskraft  seiner  Einwendi 
gegen  diesen  möglichen  Erklärungsgrund.  Denn  die  Menge  der  Elektr 
welche  einer  bestimmten  chemischen  Wirkung  entspricht,  ist,  wie  sch< 
la  Rive  hervorgehoben  hatte,  und  wie  kurze  Zeit  hernach  von  Fai 
messend  gezeigt  wurde,  ausserordentlich  gross,  so  dass  chemische  Wirki 
an  unbestimmbar  kleinen  Stoffmengen  schon  hinreichen,  um  die  von  Fe< 
beobachteten  Erscheinungen  zu  erklären,  zumal  dieser  den  Versuch  b 
ders  dahin  eingerichtet  hatte,  dass  sehr  kleine  Elektricitätsmengen  beob< 
werden  konnten.  Die  aus  der  Luft  durch  das  Steinöl  diffundirenden  S 
stoffmengen  wären  z.  B.  für  die  Erklärung  der  Wirkung  im  Sinne  der  ä 
chemischen  Theorie  völlig  ausreichend. 

Zum  Einwand  b)  bemerkt  Fechner  sachgemäss,  dass  er  dasselbe  S 
benutzt  habe,  unter  dem  das  Kalium  jahrelang  aufbewahrt  worden  wa 

Weiter  wendet  sich  Fechner  gegen  den  von  de  la  Rive   angegel 
Versuch  mit  dem  völlig  überfirnissten  Condensator  (S.  454),   und  stell 
von  diesem  behaupteten  Erscheinungen  durchaus  in  Abrede;  der  völlig 
firnisste  Condensator  verhielt  sich  ganz  wie  ein  gewöhnlicher. 

Nach  der  Erledigung  einer  Anzahl  anderer  Einwände  von  gering 
Gewicht  theilt  Fechner  schliesslich  einen  Versuch  mit,  den  er  selbs 
das  „experimentum  crucis"  gegen  die  chemische  Theorie  hält 


Der  Kampf  xwischen  der  Theorie  der  Berührungselektricität  u.  s.  w.  a%c 

„Man  disponire  in  einem  Trog-  oder  Becherapparate  eine  paare  Anzahl 
Bttk-Kupfer-Plattenpaare  (ich  wende  deren  gewöhnlich  zehn  an)  zu  einer 
ach  dem  Schema  der  Säule  zusammengesetzten  Kette;  aber  so,  dass  die 
rine  Hälfte  der  Erreger  den  entgegengesetzten  Strom  als  die  andere  hervor- 
■bringen  strebt  Die  Leitungsflüssigkeit  sei  Wasser.  Ist  alles  in  allen 
Wen  gleich,  so  werden  beide  entgegengesetzten  Ströme  sich  in  ihrer  Wir- 
kung auf  den  schliessenden  Multiplikator  compensiren  und  keinen  Ausschlag 
kervorbringen.  Zuweilen  glückt  es,  das  Gleichgewicht  merklich  genau  zu 
Wien,  und  dann  besteht  dies  Gleichgewicht  selbst  noch  fort,  wenn  man  zu 
fcr  Flüssigkeit  in  der  einen  Hälfte  der  Zellen  eine  beliebige  Menge  Salz- 
iure  fugt,  auch  diese  Zellen  viel  höher  mit  der  verdünnten  Säure  anfüllt, 
Is  die  den  entgegengesetzten  Strom  hervorbringenden  Zellen  mit  Wasser 
igefiillt  sind.  Allerdings  entwickelt  sich,  unstreitig  vermöge  der  verän- 
raden  Einwirkung  der  Säure  auf  die  Platten,  allmählich  ein  Übergewicht 
s  einen  Stromes,  aber  nicht  die  Zellen  mit  der  Säure,  in  denen 
ne  tumultuöse  Gasentwickelung  vor  sich  geht,  sondern  die  Zellen 
it  dem  Wasser  erlangen  dieses  Übergewicht.  Schliesst  man  dagegen 
le  Hälfte  der  Zellen  für  sich  durch  den  Multiplikator,  so  wird  er  durch 
s  Zellen  mit  der  Säure  eine  stürmische,  durch  die  mit  dem  Wasser  nur 
ic  schwache  Wirkung  erfahren.  Wie  nun  der  Erfolg  des  Versuches  nach 
r  chemischen  Theorie  zu  erklären  ist,  sehe  ich  durchaus  nicht  ein.  Nach 
r  Contacttheorie  ist  die  Erklärung  leicht.  Nach  dieser  wirkt  nämlich  die 
fiigung  der  Salzsäure  verstärkend  bloss  durch  Verminderung  des  in  der 
tte  vorhandenen  Leitungswiderstandes,  und  diese  Verminderung  kommt 
r  Elektricität,  welche  sich  in  den  Zellen  ohne  Säure  entwickelt,  in  ihrem 
eislaufe  durch  die  ganze  Kette  ebenso  gut  zu  statten,  als  der  Elektricität 
r  Plattenpaare,  welche  sich  unmittelbar  in  der  sauren  Flüssigkeit  befinden."1 

Dieses  FECHNER'sche  „experimentum  crucis",  welches  seiner  Zeit  in  der 
iat  für  sehr  schlagend  angesehen  wurde,  geht  auf  denselben  Punkt,  wie 
r  früher  (S.  448)  erwähnte  Versuch  von  Berzelius.  Es  beweist  allerdings, 
ss  die  elektromotorische  Kraft  der  Kette  von  der  sichtbaren  chemischen 
aktion  unabhängig  ist,  und  trifft  somit  die  chemische  Theorie  der  Kette, 
t  sie  von  de  la  Rtve  aufgestellt  worden  war,  ist  aber  kein  Beweis  gegen 
;  chemische  Theorie  überhaupt,  d.  h.  gegen  die  Annahme,  dass  die 
ktrischen  Erscheinungen  der  VoLTA'schen  Säule  durch  die  chemische 
tur  der  betheiligten  Stoffe  und  durch  die  chemischen  Vorgänge  zwischen 
len  ursächlich  bestimmt  sind. 

Schliesslich  bestätigt  Fechner  einen  weiteren,  von  de  la  Rive  ange- 
Denen  Versuch,  der  darin  besteht,  dass  ein  System  von  zwei  Zinkplatten, 

durch  einen  einerseits  befeuchteten  Holzstab  zusammengehalten  sind, 
chen  von  elektrischer  Ladung  geben,  und  zwar  ist  das  am  feuchten  Ende 


1  Diesen  Versuch  hat  Fechner  bereits  1829  (Schweigger's  Journ.  f.  Chemie  und  Physik, 
9.   1829)  beschrieben. 


A$6  Zwölftes  Kapitel. 


befindliche  Zink  positiv.  Nach  der  Schilderung  einiger  Abänderungen 
Versuches,  welche  ihn  immer  bestätigen,  schliesst  Fechner:  „Ich  sage  it 
dass  dieser  Versuch  im  Sinne  der  Contacttheorie  bis  jetzt  erklärt  ist,  ; 
ebenso  wenig  dürfte  jemand  einen  Beweis  für  die  chemische  Theorie  <i 
finden  können."  Warum  das  letztere  nicht  der  Fall  sein  soll,  hat  Feci 
nicht  gesagt. 

15.  C.  J.  B.  Karsten  über  Contactelektricität  Gleichfalls  an  Alexai 
von  Humboldt  wendet  sich  C.  J.  B.  Karsten  in  einem  Schreiben,1  wel 
die  Darstellung  einer  eigenen  Theorie  der  Kette  zum  Gegenstande 
Karsten  versucht  eine  Vermittelung  zwischen  der  rein  chemischen  Th< 
und  der  Contacttheorie,  indem  er  den  wesentlichsten  Betrag  der  Elektrici 
erregung  allerdings  an  die  Berührungsstelle  zwischen  Metall  und  Flüssig 
legt,  daneben  aber  die  Metallberührung  als  in  gleichem  Sinne  wirksam, 
jene  ansieht.  Die  an  den  Berührungsstellen  der  Metalle  mit  den  Flu 
keiten  auftretenden  elektromotorischen  Kräfte  leitet  er  indessen  keines' 
von  den  dort  stattfindenden  chemischen  Vorgängen  ab,  sondern  schreib 
einer  ziemlich  geheimnissvoll  bleibenden  Wirkung  zu,  die  auf  der  Vers« 
denheit  der  Aggregatzustände  beruhen  soll.  Einen  Überblick  über  t 
Ansichten  erhält  man  aus  der  von  ihm  selbst  zusammengestellten  Reihe 
Leitsätzen  am  Schlüsse  seiner  Arbeit. 

„1)    Die  Metalle  —  vielleicht   alle   starren  Körper  —  werden    in 

« 

Flüssigkeiten    positiv,    die   Flüssigkeiten,    in    welche    sie    eingetaucht 
negativ  elektrisch. 

„2)  Befindet  sich  ein  starrer  Körper  in  einer  Flüssigkeit  nicht  ganz 
getaucht,  so  zeigen  der  eingetauchte  und  der  nicht  eingetauchte  Theil 
gegengesetzte  elektrische  Zustände. 

„3)    Die   starren   Körper   äussern    eine   grosse   Verschiedenheit   in 
elektromotorischen  Kraft  für  eine  und  dieselbe  Flüssigkeit,    und  diese 
schiedenheit  ist  der  eigentliche  Grund  für  die    elektrische,    chemische 
magnetische  Thätigkeit  der  galvanischen  Kette. 

„4)  Wenn  zwei  starre  Elektromotore  von  verschiedener  elektrischer 
in  einer  und  derselben  Flüssigkeit  stehen,   ohne  einander  zu  berührer 
erhält   der   schwächere   Elektromotor    die   entgegengesetzte    Elektricität 
stärkeren,  wird  also  negativ  elektrisch. 

„5)  Die  aus  der  Flüssigkeit  hervorragende  Hälfte  des  schwächeren  st 
Elektromotors  zeigte  ebenfalls  die  entgegengesetzte  Elektricität  von  der  s 
eingetauchten  Theiles. 

„6)  Die  elektromotorische  Thätigkeit  einer  Flüssigkeit  hängt  von 
Eigenschaft  derselben  ab,  durch  zwei  starre  Elektromotoren  von  ungle 


1  Über  Contactelektricität.     Schreiben  an  Alexander  von  Humboldt  von  Dr.  C. 
Karsten,  Königl.  Preuss.  Geheimen  Ober-Bergrath,  Ritter  des  eisernen  Kreuzes  und  des 
Adler-Ordens  mit  den  Schwertern,   ordentlichem  Mitgliede   der  Königl.  Akademie   der  V 
schaften   zu   Berlin,    und    anderer    gelehrter   Gesellschaften    ordentlichem    und  Ehren -Mit 
Berlin  1836. 


Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  Berührungselektricität  u.  s.  w.  487 

ke  in  einen  solchen  Zustand  versetzt  zu  werden,  dass  die  starren  Elektro- 
ore  aus  ihr  die  entgegengesetzten  Elektricitäten  ableiten.  Diese  Eigen- 
besitzen im  allgemeinen  alle  Flüssigkeiten,  welche  schlechte  Leiter  für 
Elektricität  sind;  aber  weder  die  Flüssigkeiten,  welche  die  Elektricität 
nicht  leiten,  noch  diejenigen,  welche  gute  Elektricitätsleiter  sind  (Queck- 
flüssig gemachte  Metalle  u.  s.  f.).  Indes  ist  die  Stärke  der  elektro- 
motorischen Kraft  der  Flüssigkeiten  nicht  bloss  von  deren  mehr  oder  minder 
Vollkommenen  Leitungsfähigkeit  für  Elektricität,  sondern  auch,  wie  es 
t,  von  anderen,  bis  jetzt  noch  nicht  gehörig  bekannten  Verhältnissen 
^abhängig. 

„7)  Die  elektromotorische  Wirkung  zweier  Metalle,  welche  in  einer 
Flüssigkeit  zu  einer  Kette  geschlossen  sind,  beruht  auf  einer  Ausgleichung 
md  ununterbrochenen  Erregung  der  entgegengesetzten  Elektricitäten  in  der 
Flüssigkeit,  welche  Erfolge  durch  das  elektromotorische  Verhalten  des  stär- 
keren und  schwächeren  Elektromotors  zu  der  Flüssigkeit  eingeleitet,  durch 
das  Verhalten  des  stärkeren  Elektromotors  zum  schwächeren  befördert,  und 
\  durch  die  unmittelbare  Berührung  beider  Elektromotoren,  insofern  sie  gute 
I  Elektricitätsleiter  sind,  beschleunigt  werden. 

„8)  Mit  der  durch  die  starren  Glieder  der  Kette  bewirkten  Ausgleichung 
der  in  der  Flüssigkeit  angeregten  Elektricitäten  stehen  die  chemischen  Ver- 
änderungen in  der  Flüssigkeit  zwar  in  Verbindung,  ohne  dass  jedoch  beide 
Erfolge  sich  wie  Ursache  und  Wirkung  zu  einander  verhalten. 

„9)  Bei  einem  System  von  Ketten  (VoLTA'sche  Säule)  werden  die  ent- 
gegengesetzten Elektricitäten  durch  die  starren  Glieder  einer  jeden  Kette 
(Plattenpaare)  vollständig  ausgeglichen,  und  es  findet  kein  Übergang  der 
Elektricität  von  einer  Kette  zur  anderen  statt" 

Wie  man  aus  den  vorstehenden  Sätzen  sieht,  liegt  das  ganze  Interesse 
an  der  Arbeit  von  Karsten  in  der  geschichtlichen  Vollständigkeit  des  Be- 
richtes über  die  theoretischen  Versuche  im  Gebiete  der  VoLTA'schen  Erschei- 
nungen.   Es  ist  nicht  einmal  eine  bis  dahin  übersehene  Thatsache,  oder  ein 
noch  nicht  versuchter  Gedanke,  welche  diese  „Theorie"  hat  entstehen  lassen. 
Dazu  kommt,  dass  Pfaff  in  seiner  alsbald  zu  besprechenden  „Revision"  eine 
Anzahl  der  von  Karsten  mitgetheilten  Versuche  als  irrthümlich  nachgewiesen 
hat;  die  theoretischen  Gedanken  erweisen  sich  als  ein  misslungener  Versuch, 
die  VoLTA'schen  Ansichten   mit  der  Thatsache  des  Flüssigkeitseinflusses  zu 
verbinden,  wobei  der  letztere  im  VoLTA'schen  Sinne  als  eine  reine  Berührungs- 
wirkung, nicht  als  eine  Quelle  der  Arbeitsleistungen  der  Kette  aufgefasst  wird. 
Auf  die  Entwicklung  der  Angelegenheit  ist  demgemäss  auch  die  Arbeit  von 
keinem  Einflüsse  gewesen,  und  ist  somit  ein  weiteres  Beispiel  für  die  allge- 
meine Thatsache,    dass  in  dem  Gebiete  der  messenden  Wissenschaften  nur 
quantitative  Theorieen  Erfolg  und  Wirkung  haben  können. 

16.  Pfaff's  „Revision  der  Lehre  vom  Galvano-Voltaismus." 
Eine  Art  Abschluss  erhält  die  bisher  besprochene  erste  Periode  des 
Kampfes  beider  Ansichten  durch  eine  unter  dem   obigen  Titel   erschienene 


488  Zwölftes  Kapitel. 


Schrift1  des  alten  Vertreters  der  reinen  Voi/rA'schen  Lehre,  in  welcher 
dieser  die  Summe  des  bis  dahin  Geschehenen,  natürlich  in  seinem  Sinne,  zu 
ziehen  sucht.  Wie  sehr  ihm  diese  Angelegenheit  zu  einer  Herzenssache 
geworden  war,  erhellt  aus  den  beweglichen  Schlussworten,  in  denen  seine 
Einleitung  ausklingt  „Es  fehlen  nur  wenige  Jahre  zu  dem  halben  Jahr*  jt 
hundert,  innerhalb  dessen  eine  der  grössten  Entdeckungen  in  der  Natur-  j: 
Wissenschaft  von  ihrem  ersten  kleinen  Anfange  bis  zu  jenem  Umfange  sich  (: 
erweitert,  innerhalb  dessen  die  Chemie  ihre  eigentliche  Theorie  gefunden,  !f 
das  so  lange  vergeblich  gesuchte  Band  zwischen  Elektricität  und  Magnetismus  !? 
geknüpft  und  die  Pulse  des  grossen  Naturlebens,  sowie  des  Mikrokosmos  i; 
verständlich  geworden  sind.  : 

„In  die  Morgenröthe  meiner  der  Natur  gewidmeten  Studien   fiel  auch  t 
die  Morgenröthe  jener  neuen  Lehre.   Mit  Enthusiasmus  begrüsste  ich  damals  t 
das    neue   Licht,    und    meine   dasselbe   verkündende   Inaugural-Dissertation  j 
brachte  ich  als  die  Erstlinge  der  Muse  auf  dem  Altar  der  Wissenschaft  dar.  £ 
Ich  preise  mich  glücklich,  den  hellen  Tag,  den  diese  Morgenröthe  versprach,  J 
erlebt  zu   haben,   wenn  gleich  darüber  der  Abend  meines  eigenen  Lebens  \ 
herangebrochen  ist.   Das  Individuum  muss  sich  diesem  Gesetze  der  Zu-  und   1 
Abnahme  unterwerfen,  kann  aber  auch  nicht  ferne  von  der  Grenze,  die  ihm    < 
die  Vorsehung  angewiesen,  noch  ganz  das  freudige  Gefühl  haben,  mit  dem    ; 
ich  hier  die  Feder  niederlege,   das  Gefühl,    dass  die  Wissenschaft,   für  die    ! 
ich    selbst   thätig   gewesen    bin,    wenn   sie  ihre  Mittagshöhe  erreicht,    nicht    j 
wieder   sinkt,    sondern    den   entferntesten    Geschlechtern    gleich    der   Sonne 
in   ihrer  Culmination  leuchtet,    und  dieses  Licht  nur  mehr  und   mehr  ver- 
breitet,   indem    sie    die   Nebel    zerstreuet,    die    ihres  vollen   Lichtes  Zugang 
noch  hindern." 

Unter  den  Nebeln  sind  natürlich  die  chemischen  Theorieen  verstanden, 
und  es  tritt  aus  diesen  Worten  die  Stellung  der  Voltaisten  gegenüber  den 
Gegnern  sehr  deutlich  hervor.  Für  Pfaff  war  die  VoLTA'sche  Theorie 
offenbar  schlechthin  unverbesserbar,  und  der  Fortschritt  der  Wissenschaft 
konnte  nur  auf  den  von  Volta  eingeschlagenen  Wegen  erfolgen. 

Was  den  Inhalt  der  „Revision"  anlangt,  so  bezieht  sich  dieser  zunächst 
auf  die  grundlegende  Frage  nach  der  Elektricitätserregung  bei  der  Berührung 
der  Leiter  erster  Klasse.  Die  Versuche  von  de  la  Rive  werden  kritisch 
geprüft  (S.  451),  und  verworfen;  über  diesen  Theil  ist  bereits  berichtet  worden. 
Ein  zweites  Kapitel  behandelt  die  Frage  nach  der  Anordnung  der  Elektricität 
in  der  Säule  und  die  Art,  wie  sich  die  Spannungen  addiren;  wir  brauchen 
hierbei  nicht  zu  verweilen,  da  durch  die  Betrachtungen  von  Ohm  bereits  zu 
jener  Zeit  die  Angelegenheit  als  erledigt  angesehen  werden  konnte.  Weiter 
geht  Pfaff   sehr   ausführlich   auf  die   Frage   nach   der   Elektricitätserregung 


1  Revision  der  Lehre  vom  Galvano- Voltaismus  mit  besonderer  Rücksicht  auf  Faraday's, 
de  la  Rive's,  Becquerel's,  Karsten's  u.  a.  neueste  Arbeiten  über  diesen  Gegenstand. 
Altona  1837. 


Der  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  Berührungselektricität  u.  s.  w.  ^gg 


wischen  Metallen  und  feuchten  Leitern  ein.  Es  ist  schon  wiederholt  hervor- 
gehoben worden,  wie  diese  immer  zu  rechter  Zeit  auftritt,  wenn  von  den 
jegnern  Fälle  angeführt  werden,  welche  sich  durch  die  Theorie  der  reinen 
Metallerregung  nicht  deuten  lassen.  Man  muss  Pfaff  das  Zeugniss  geben, 
iass  er  die  Frage  mit  seinen  Hülfsmitteln  sehr  gründlich  bearbeitet  hat,  und 
wenn  auch  diese  aus  allgemeinen  Gründen  kein  einfaches  Ergebniss  ver- 
mitteln konnten,  so  verdient  doch  der  Fleiss,  mit  welchem  er  Tausende  von 
derartigen  Versuchen  angestellt  hat,  alle  Anerkennung.  Eine  Wiedergabe 
dieser  Versuche  würde  hier  keinen  Zweck  haben,  da  ihre  Deutung  unter 
den  von   Pfaff  eingehaltenen  Bedingungen  kaum  sicher  auszuführen  ist. 

Sehr  eingehend  beschäftigt  sich  Pfaff  mit  einem  Versuch  von  Faraday, 
durch  welchen  das  Vorhandensein  eines  elektrischen  Stromes  ganz  ohne 
Metallcontact  bewiesen  wird;  wir  werden  diesen  Versuch  alsbald  kennen 
lernen.  Von  dem  eingenommenen  Standpunkte  aus,  nach  welchem  neben 
der  metallischen  Erregung  noch  die  zwischen  anderen  Leitern  angenommen 
wird,  kann  es  Pfaff  nicht  schwer  fallen,  zu  beweisen,  dass  der  Versuch 
diesen  Anschauungen  nicht  widerspricht;  über  die  Ursache  der  Erscheinung 
solcher  Erregungen  brauchte  sich  ja  die  reine  Contactlehre  nicht  weiter  zu 


Gegen  die  von  Faraday  vertretene  chemische  Auffassung  der  VoLTA'schen 
Erscheinungen  (s.  w.  u.)  findet  Pfaff  sehr  viel  zu  erinnern.  Ein  neuer  Gedanke 
tritt  hierbei  kaum  auf;  die  Geltendmachung  der  zu  jener  Zeit  gebräuchlichen 
recht  unvollkommenen  Ansichten  über  chemische  „Kräfte"  den  von  Faraday 
versuchten  Gestaltungen  seiner  Erfahrungen  gegenüber  hat  naturgemäss  in 
keiner  Weise  entscheidende  Bedeutung.  Der  Entdeckung  des  Gesetzes  der 
festen  elektrolytischen  Aktion  durch  denselben  Forscher  lässt  indessen  Pfaff 
volle  Anerkennung  zu  Theil  werden.  Er  hat  die  wichtigsten  Versuche 
selbst  wiederholt,  und  sie  völlig  bestätigt  gefunden.  Auch  versäumt  er 
nicht,  das  Gesetz  in  Beziehung  mit  anderen  stöchiometrischen  Gesetzen 
zu  bringen,  und  äussert  sich  hierüber  in  einer  Weise,  welche  bemerkenswerth 
genug  ist. 

„Ein  sehr  merkwürdiges  Resultat  aus  dem  allgemeinen  Gesetze  für  die 

durchgängige  Proportionalität  der  aller  durch  dieselbe  Menge  von  Elektricität 

bewirkten  Zersetzungen,  nach  dem  Atomenge wichte  berechnet,  ist  noch,  dass 

jedes  Atom,  wie  verschieden  auch  die  Grundstoffe  sind,  eine  gleiche  Menge 

von  Elektricität,    um  mich  so  auszudrücken,    aufnimmt  oder  latent  macht. 

Gäbe  es  daher  in  demselben  Sinne  verschiedene  Capacitäten  der  Massen  für 

Elektricität,  oder  verschiedene  spezifische  Elektricitäten,  wie  es  verschiedene 

Wännecapacitäten  oder  verschiedene  spezifische  Wärmen   giebt,    so  würde 

man  für  die  spezifischen  Elektricitäten  wie  für  die  spezifischen  Wärmen  das 

allgemeine  Gesetz  finden,    dass  die  Produkte  der  spezifischen  Elektricitäten 

in  die  Atomengewichte  für  alle  Körper  einander  gleich  sind." 

Die    weiteren    Auseinandersetzungen    Pfaff*s    mit    Karsten,    Pohl    und 
Becquerel   können   gleichfalls    übergangen    werden.     Dem    ersteren   werden 


490  Zwölftes  Kapitel. 


experimentelle  Fehler  nachgewiesen,  dem  letzteren  logische,  und  in  beic 
Fällen  wird  man  dem  Kritiker  Recht  geben  müssen.  Zum  Schluss  seh 
Werkes  äussert  sich  Pfaff  allgemein  über  die  elektrochemischen  Theorie 
und  findet  insbesondere  an  Becquerei/s  Fassung  derselben  viel  auszusetz 
Auch  hat  er  stets  die  Möglichkeit,  an  Stelle  der  chemischen  Erregung 
solche  durch  Berührung  anzunehmen,  und  somit  die  chemische  Theo 
formell  überflüssig  zu  machen.  Als  Fälle,  welche  mehr  für  die  chemisc 
Theorie  sprechen,  lässt  er  einige  Versuche  von  Pouillet  gelten,  in  dei 
sich  eine  Ladung  des  Condensators  durch  auf  dem  Deckel  desselben  v 
brennende  Kohle  gezeigt  hatte,  sowie  andere  Versuche  von  Nobili,  wek 
das  Statthaben  elektrischer  Ströme  zwischen  Flüssigkeiten,  unter  vollständig 
Ausschluss  von  Metallberührungen  erwiesen  hatten,  und  auf  welche  spä 
einzugehen  sein  wird.     Doch  bemerkt  er  hierzu: 

„Indessen  fragt  sich  in  diesen  beiden  Fällen  immer  noch:  War 
Elektricitätserregung  eine  Folge  der  wirklichen  chemischen  Verbindu 
trat  sie  erst  mit  dieser  ein,  oder  ging  sie  nicht  vielmehr  dieser  vors 
war  sie  nicht  auch  in  diesen  Fällen  eine  Wirkung  des  Contactes,  woi 
jeder  chemische  Prozess  beginnt,  jener  ersten  Berührung,  welche  von  ■ 
wirklichen  innigen  Verbindung  noch  wohl  zu  unterscheiden  ist,  und  jed 
chemischen  Conflikte  nothwendig  vorangehen  muss,  unzertrennlich  von  de 
selben  ist?  Hier  nun  liegt  die  grosse  Streitfrage  zwischen  der  gleichs 
orthodoxen  reinen  VoLTA'schen  Theorie,  und  einer  Combination  dersell 
mit  der  chemischen  Theorie." 

Es  macht  einen  seltsamen  Eindruck,  diese  Frage,  was  vorhergehe, 
chemische  Wirkung  oder  die  Elektricitätserregung,  in  dieser  Weise  als  wese 
lichsten  Punkt  des  Streites  bezeichnet  zu  sehen,  da  doch  überhaupt  ni 
bewiesen,  ja  nicht  einmal  wahrscheinlich  gemacht  ist,  dass  überhaupt  ei 
der  Vorgänge  dem  anderen  vorangehe,  und  nicht  beide  gleichzeitig  erfolg 
Man  hat  in  jedem  Falle  Grund,  gegen  die  Angemessenheit  einer  solcl 
Fragestellung  misstrauisch  zu  sein,  wenn  wie  in  diesem  Beispiel  die  B« 
wortung  der  entscheidenden  Frage  an  und  für  sich  als  schwerlich  auf  exp 
mentellem  Wege  erreichbar  erscheint.  Denn  eine  gute  Theorie  muss 
der  Beschaffenheit  sein,  dass  ihre  Grundlage  sich  messbar  darstellen  lä 
und  jede  Form  der  Zusammenfassung  eines  Thatsachengebietes,  wel 
unbeweisbare  Voraussetzungen  und  Vorstellungen  aufnimmt,  ist  an  e 
diesen  Stellen  mit  entbehrlichen  Bestandtheilen  behaftet  und  darum  n 
in  strengem  Sinne  zweckmässig.  Dabei  soll  nicht  in  Abrede  gestellt  wert 
dass  zu  pädagogischen  Zwecken,  wenn  das  fragliche  Gebiet  dem  üblic 
Anschauungskreise  besonders  fern  steht,  auch  eine  Veranschaulichung  mitl 
hypothetischer  Hülfsmittel  sich  nützlich  erweisen  könnte;  stets  wird  aber 
Bestreben  der  Wissenschaft  dahin  gerichtet  sein  müssen,  diese  äusserlic 
Bestandtheile  so  bald  als  thunlich  auszuscheiden. 

Ausnehmend    interessant   ist   es    nun,    zu   beobachten,   wie  die   in 
chemischen  Theorie  latent  liegenden,  auf  die  Dauer  unwiderstehlichen  Cat 


I>er  Kampf  zwischen  der  Theorie  der  Berührungselektricität  u.  s.  w.  aqi 


riehungen  an  dieser  Stelle,  wo  der  alte  Gegner  dieser  Theorie  sich  ernst- 
ti  mit  ihrem  Inhalte  beschäftigt,  selbst  diesem  gegenüber  ihre  Wirkung 
:ht  verfehlen-  Nachdem  Pfaff  noch  eben  seine  unerschütterliche  Über- 
Qgung  von  der  Richtigkeit  der  VoLTA'schen  Ansicht  zum  Ausdruck  gebracht 
X,  erörtert  er  an  letzter  Stelle  eine  Möglichkeit,  die  chemische  Theorie 
it  der  VoLTA'schen  Berührungslehre  zu  vereinigen,  welche  von  den  vor- 
schlagenen  Wegen  in  dieser  Richtung  wenigstens  für  jene  Zeit  bei  weitem 
s  der  gangbarste  zu  bezeichnen  ist,  und  welcher  von  Faraday  und  Schön- 
hn  auch  mit  grösserem  Nachdruck  verfolgt  worden  ist.  Seine  Worte  lauten: 
„Wenn  die  Elektrochemie  doch  in  keinem  Falle  mit  den  polaren  elek- 
ischen  Kräften  allein  auskommen  kann,  um  die  Erscheinungen  vollständig 
1  erklären,  sondern  immer  noch  eine  Verwandtschaftskraft  der  materiellen 
"heilchen  selbst  gleichsam  als  Reserve  hat,  welche  ja  eben  erst  die  elek- 
ische  Atmosphäre  um  die  Atome  zusammenhält,  so  wäre  vielleicht  die 
jisicht  nicht  verwerflich,  in  dieser  Affinität  selbst  die  elektromotorische 
jaft  aufzusuchen.  Die  erste  Erscheinung  ihrer  gleichsam  anfangenden 
hätigkeit  wäre  die  Störung  des  elektrischen  Gleichgewichtes  oder  die  Frei- 
lachung  der  Elektricitäten,  welche  entweder  als  überwiegend  positive  oder 
berwiegend  negative  Elektricität  mit  den  Atomen  verbunden  wären.  So 
nge  es  nicht  zu  wirklicher  chemischer  Verbindung  gekommen  ist,  haben 
ch  auch  die  Affinitäten  der  materiellen  Theile  noch  nicht  vollkommen 
ebunden,  sie  wirken  noch  elektromotorisch,  erhalten  den  Zustand  der  freien 
lektrischen  Spannung;  erreicht  der  chemische  Conflikt  sein  Ziel,  so  treten 
iese  Affinitäten  in  wechselseitige  vollständige  Bindung,  die  Elektricitäten, 
ie  nun  nicht  mehr  auseinander  gehalten  werden,  schlagen  nun  gleichsam 
usammen,  die  freie  Spannung  hört  auf,  und  es  tritt  Wärme  und  Licht  an 
ie  Stelle  derselben.  Was  Pouillet  und  Nobili  erhalten  haben,  sind  gleich- 
un  nur  Ergebnisse  der  der  wirklichen  Verbindung  vorangegangenen  Be- 
iihrung,  der  Affinitäten,  so  lange  sie  gleichsam  nur  elektromotorisch  wirkten, 
nd  welche  durch  Strömung  oder  Anhäufung  im  Condensator  der  unmittel- 
baren Ausgleichung  entzogen  wurden.  Nach  dieser  Ansicht  würden  die 
elativ  elektropositiven ,  sowie  die  elektronegativen  Elemente  in  einem 
bppelten  Gegensatze  stehen,  in  einem  gegen  einander,  und  in  einem  gegen 
Be  entgegengesetzten  Elektricitäten,  und  der  chemische  Zusammensetzungs- 
ind Zersetzungsprozess  würde  das  Resultat  bald  des  Übergewichtes  der 
Verwandtschaft  der  materiellen  Atome  gegen  einander  über  ihre  Affinität 
ra  den  entgegengesetzten  Elektricitäten,  bald  des  umgekehrten  Über- 
gewichtes sein." 

Es  ist  ein  gutes  Zeichen  für  die  Besonnenheit,  mit  welcher  Pfaff  in 
seinem  hohen  Alter  die  Arbeit  seines  Lebens  betrachtet  hat,  ihn  hier  frei- 
müthig  den  Weg  erörtern  zu  sehen,  auf  welchem  die  Ansicht,  zu  der  er 
sich  zeitlebens  bekannt  hatte,  beseitigt  werden  könnte.  Die  Andeutungen, 
«reiche  er  hier  giebt,  sind  zwar  noch  vielfach  der  Erweiterung  und  Ver- 
tiefung   bedürftig;    in    einem    wesentlichen   Punkte,    in    der   Parallelisirunp^ 


4Q2  Zwölftes  Kapitel. 


zwischen  elektromotorischer  Kraft  und  chemischer  Affinität  hat  er  aber  d 
vollkommen  richtig  das  gesehen,  wovon  die  weitere  Entwickelung 
ganzen  Frage  abhängig  ist.  Und  angesichts  dieser  Unbefangenheit  sei 
schliesslichen  Urtheiles  wird  man  ihm  leicht  manche  früher  begangene  1 
seitigkeit  vergeben,  zumal  er  in  der  Vertheidigung  seiner  Ansichten  s 
eine  wohlwollende  Form  einzuhalten  gewusst  und  niemals  die  Kraft  sei 
Gründe  durch  Angriffe  persönlicher  Art  seinen  Gegnern  gegenüber 
steigern  versucht  hat. 


Fig.  114.    Michael  Faraday.1 

Dreizehntes  Kapitel. 
Das  Gesetz  von  Faraday. 


1.  Michael  Faraday.  Während  der  Kampf  der  beiden  Theorieen  der 
Iranischen  Erscheinungen  am  Heftigsten  wogte,  erschien  auf  dem  Plane 
1  Mann,  durch  dessen  Kingreifen  ein  Fortschritt  in  der  Frage  bewirkt 
rde,  welcher  sich  bald  als  bedeutsamer  erwies  als  alles,  was  bisher  vor- 
iracht  und  geleistet  worden  war.  Dieser  Mann  war  Michael  Faradav, 
I  seine  Leistung  das  nach  ihm  benannte  elektrochemische  Gesetz.  Die 
ieutung  des  letzteren  tritt  schon  in  dem  äusserlichen  Umstände  hervor, 
3  der  Name  dieses  Mannes,  dessen  Entdeckungen  zahlreicher  sind,  als 
irgend  eines  Zeitgenossen,  mit  diesem  einen  Gesetze  am  engsten  verknüpft 

1  Nach  dem  Titelbilde  in  Bence  Jones*  Werk:  „Life  and  letters  of  Faraday", 


404  Dreizehntes  Kapitel. 


verblieb,    und   wenn   von   dem    FARADAY^schen   Gesetze  schlechthin   g< 
wird,  so  ist  allein  jene  elektrochemische  Beziehung  gemeint 

Michael  Faraday  war  1791  in  Newington,  Surrey,  geboren.  Sein  Vi 
der  ein  Schmied  in  ärmlichen  Umständen  war,  siedelte  bald  nach  Mici 
Geburt  nach  London  über,  wo  es  ihm  indessen  nicht  besser  erging; 
Nothjahre  1801  erhielt  er  öffentliche  Unterstützung.  Michael  wurde  in  sei] 
zwölften  Jahre  zu  einem  Buchbinder  in  die  Lehre  gegeben,  und 
Gelegenheit,  Bücher  kennen  zu  lernen,  wurde  entscheidend  für  seine 
wickelung.  Er  las,  was  ihm  zugänglich  war,  und  wurde  insbesondere  dl 
einen  Artikel  über  Elektricität  in  einer  Encyklopädie  gefesselt  Durch 
Kunden  seines  Brodherren,  Mr.  Dance,  wurde  ihm  die  Gelegenheit  gel 
die  öffentlichen  Vorlesungen  Humphry  Davy*s  in  der  Royal  Institution 
hören.  Diese  machten  einen  so  grossen  Eindruck  auf  ihn,  dass  er  um  j< 
Preis  in  eine  wissenschaftliche  Thätigkeit  zu  kommen  bestrebt  war;  in 
Unkenntniss  der  Welt  und  der  Einfachheit  seines  Geistes  schrieb  er  an 
damaligen  Präsidenten  der  Royal  Society,  Sir  Joseph  Banks,  um  Rath 
Hülfe,  erhielt  aber  keine  Antwort  Besser  gelang  ein  Versuch  bei  seil 
verehrten  Lehrer;  er  hatte  zu  Davy*s  Vorlesungen  sich  ausfuhrliche  N« 
Schriften  und  Ausarbeitungen  gemacht,  die  er  mit  der  Bitte  um  Hülfe 
diesen  sendete.  Davy  rieth  ihm  anfangs  dringend  ab,  diese  ungewisse 
bahn  einzuschlagen;  Faraday  aber  liess  sich  nicht  abschrecken.  In 
späteren  Briefe  schrieb  er:  „Mein  Wunsch,  den  Handelsgeschäften  zu 
fliehen,  welche  ich  für  schlecht  und  selbstisch  hielt,  und  in  den  Dienst 
Wissenschaft  zu  treten,  welche  ihre  Anhänger,  wie  ich  glaubte,  lieben« 
und  freien  Herzens  machte,  veranlasste  mich  schliesslich  zu  dem  kül 
und  einfältigen  Schritt,  an  Sir  Humphry  Davy  zu  schreiben,  ihm  meine  Wüi 
und  die  Hoffnung  auszudrücken,  dass  bei  kommender  Gelegenheit  er  meii 
Wünschen  günstig  sein  möchte."  Davy  bemühte  sich  vergeblich,  ihm 
möglichen,  pekuniären  Misserfolg  eines  solchen  Versuches  und  seinen  Irrtho| 
über  die  moralischen  Wirkungen  der  wissenschaftlichen  Beschäftigung  nahe  J 
legen,  und  kurze  Zeit  darauf  bot  er  ihm  die  Stelle  eines  „Laboratoriums-Asi 
stenten"  für  25  Schillinge  wöchentlich  an,  die  Faraday  mit  Freuden  annahfl 

Die  Stellung  Faraday's  scheint  ein  Mittelding  zwischen  der  eines  wisset 
schaftlichen  Assistenten  und  der  eines  Aufwärters  gewesen  zu  sein.  Auq 
als  Davy  bald  darauf  eine  längere  Reise  antrat,  auf  der  ihn  Farad* 
begleitete,  war  er  halb  ein  Sekretär,  halb  ein  Kammerdiener  in  den  Pflicht«! 
die  ihm  auferlegt  wurden;  insbesondere  scheint  es  Davy^s  stolze  Gatti 
gewesen  zu  sein,  die  ihm  das  Leben  sauer  machte.  Im  übrigen  war  di 
Reise  für  ihn  von  höchstem  Werthe,  da  sie  ihm  Gelegenheit  gab,  mit  etat 
grossen  Zahl  der  hervorragendsten  wissenschaftlichen  Männer  seiner  Zeit  j 
persönliche  Beziehung  zu  treten. 

Nach  fast  zwei  Jahren  kehrten  beide  von  der  Reise  zurück  und  begänne 
das  frühere  Leben  an  der  Royal  Institution  von  neuem.  Faraday  hielt  bat 
hier  und  da  Vorlesungen,   und  gewann  auch  die  Zeit  zu  eigenen  Arbeitet 


Das  Gesetz  von  Faraday.  aqc 

ndere  seine  Untersucnhngen  über  die  Verflüssigung  von  Gasen  erregten 
ein   allgemeines  Interesse,    leider   aber   auch  ein  gewisses  Gefühl  von 
ucht  in  seinem  Vorgesetzten,  so  dass  dieser  sich  sogar  widersetzte,  als 
ay   zum  Mitgiiede  der  Royal  Society  vorgeschlagen  wurde.     Die  Vor- 
enden waren  unter  anderen  Wollaston,  Children,  Babington  und  Sir 
m  Herschel,   und  die  Aufnahme  erfolgte,   trotz  jenes  Widerspruches 
allen  Stimmen  gegen  eine. 

Faraday  wurde  im  Jahre  1827  Davy's  Nachfolger  an  der  Royal  Institution 
blieb  in  dieser  Stellung  bis  zu  seinem  Tode,  der  im  Jahre  1 867  erfolgte, 
theilte  er  seine  Thätigkeit  zwischen  seinen  Vorlesungen,  die  wahre 
erke  waren,  und  seinen  Untersuchungen,  deren  Bedeutung  und  Mannig- 
eit  während  seines  langen  und  arbeitsreichen  Lebens  einen  ausser- 
ichen  Umfang  erlangten.  Obwohl  er  in  den  verschiedensten  Gebieten 
Physik  und  Chemie  thätig  war,  sind  es  doch  vor  allem  seine  Arbeiten 
der  Elektrik,  welche  den  breitesten  und  wichtigsten  Theil  seiner  Thätigkeit 
chen,  und  an  welche  sich  der  wohlverdiente  Ruhm  seines  Namens 
engsten  geknüpft  hat.  Auf  eine  Darstellung  und  Würdigung  dieser 
brechenden  Untersuchungen  kann  an  dieser  Stelle  nicht  eingegangen 
ien.  Nur  der  allgemeine  Charakter  derselben  verdient  einige  Bemer- 
n.  Faraday  war  ohne  mathematische  Schule,  und  in  seinen  Arbeiten 
allen  Dingen  Experimentator.  Aus  der  ungemeinen  Fülle  von  An- 
tehauungen  thatsächlicher  Verhältnisse,  die  er  sich  durch  sein  unausgesetztes 
entiren  erworben  hatte,  entstand  naturgemäss  in  ihm  oft  genug  das 
ürfriiss  der  Verallgemeinerung;  wie  bei  seinen  Experimenten  ging  er 
aber  auch  bei  seinen  theoretischen  Ansichten  seinen  eigenen  Weg,  und  die 
■gewohnte  Beschaffenheit  derselben  erregte  oft  Widerspruch,  der  indessen 
wohl  überall  nur  auf  Missverständnissen  und  vorgefassten  Meinungen  beruhte, 
h  neuerer  Zeit  erst  sind  Faraday's  Ansichten  über  die  elektrischen  Erschei- 
Mgen  in  ihrem  Werth  erkannt  worden,  nachdem  sie  durch  Maxwell  in 
dfc  entsprechende  mathematische  Form  gebracht  worden  waren,  und  gegen- 
wärtig beherrschen  sie  fast  vollkommen  die  Darstellungsweise  der  Elektrik. 
Aus  der  ununterbrochenen  Beschäftigung  mit  dem  Experiment  ergab 
ach  fiir  Faraday  auch  die  eigenthümliche  Art,  die  Ergebnisse  seiner  Arbeiten 
■itzatheilen.  Er  pflegte  jedes  Beobachtete  unmittelbar  nach  der  Beobach- 
tang  niederzuschreiben,  und  seine  Abhandlungen  bestehen  wesentlich  aus 
kurzen  Niederschriften  der  einzelnen  Thatsachen,  die  dann  in  Reihe 
wd  Ordnung  gebracht,  mit  fortlaufenden  Nummern  versehen,  und  gelegent- 
Ich  durch  kurze  allgemeine  Betrachtungen,  die  gleichfalls  numerirt  waren, 
■  Verbindung  gesetzt  wurden.  Diese  ungemein  originelle  Art  der  Dar- 
fldlung  machte  alsbald  Schule  und  wurde  einigermaassen  Mode;  man  findet 
•  der  Zeit,  wo  Faraday's  Experimentalu ntersuchungen  über  Elektricität  in 
feer  Form  die  allgemeine  Aufmerksamkeit  erregt  hatten,  eine  ganze  Anzahl 
»derer  Autoren  in  derselben  Weise  die  Ergebnisse  ihrer  Arbeiten  dar- 
feilend,  und    es   ist   nicht   in  Abrede  zu  stellen,    dass   die  Form    manche 

1 


aq6  Dreizehntes  Kapitel. 


Vorzüge  hat.     Insbesondere   war   sie  eine   wohlthätige   Reaktion    gegen 
endlosen   Perioden   der   Naturphilosophen    und   gegen    den   blühenden 
welchen  Andere  nach  Humboldts  Muster  zu  schreiben  liebten. 

2.    Die   Anfänge    des    elektrolytischen    Gesetzes.     Es    ist 
wiederholt  bemerkt  worden,   dass  der  Annahme  einer  chemischen 
der  VoLTA'schen  Erscheinungen  der  Mangel  an  einem  zahlenmässigen 
sammenhang  zwischen  chemischen   und  elektrischen  Erscheinungen 
bei   den   besten  Geistern   ein   entscheidendes  Hinderniss  bereitete.     Di< 
Mangel  wurde  durch  die  Entdeckung  eines   grundlegenden  Gesetzes  at 
holfen,   welches   die  mit  dem  Namen   Elektricitätsmenge   bezeichnete 
trische  Grösse  mit  den  fundamentalen  Zahlen  der  Chemie,  den  Verbindi 
gewichten,   in    eine    unmittelbare  Beziehung   setzt.     Die  Entdeckung 
Gesetzes,   welche  zu  den  wichtigsten  Leistungen  des  an  Entdeckungen 
reichen  Faraday  gehört,  hat  in  der  That  einen  maassgebenden  Einfluss 
die  Entwickelung  der  Elektrochemie   ausgeübt  und  die  quantitative  Ej 
derselben  begründet. 

Die  Geschichte  dieser  Entdeckung  ist  folgende.  Faraday  hatte 
vorgesetzt,  die  Frage,  ob  die  gewöhnliche  oder  Reibungselektricität  mit 
VoLTA'schen  identisch  sei  oder  nicht,  in  möglichst  umfassender  Weise 
untersuchen,  und  war,  nachdem  er  am  Anfange  der  dritten  Reihe 
Experimentaluntersuchungen  über  Elektricität1  die  qualitative  Übereinstimmt 
beider  Elektricitäten  erwiesen  hatte,  zu  dem  messenden  Vergleich  dersell 
übergegangen,  da  die  vorhandenen  Unterschiede  alle  auf  Werthverschiederif 
heiten  der  bestimmenden  Grössen,  Intensität  und  Quantität,  wie  er  sie  nannte 
zurückfiihrbar  erschienen. 

„361)  Nachdem  ich  die  Identität  zwischen  diesen  beiden  Elektricitätel 
hinlänglich  festgestellt  glaubte,  bemühte  ich  mich,  für  die  Quantität  der  durdl 
die  Maschine  und  die  VoLTA'sche  Säule  erregten  Elektricität  ein  gemeinsame* 
Maass  oder  eine  bekannte  Beziehung  aufzufinden,  nicht  bloss  um  ihre  Ideo- 
tität  zu  bestätigen,  sondern  auch,  um  gewisse  allgemeine  Sätze  zu  beweisen 
und  den  Mitteln  zur  Erforschung  dieses  wundervollen  und  feinen  Agens  ei« 
grössere  Ausdehnung  zu  verschaffen. 

„362)  Zuerst  war  zu  bestimmen,  ob  eine  gleiche  absolute  Menge  voi 
gemeiner  Elektricität,  unter  verschiedenen  Umständen  durch  ein  Galvano 
meter  gesandt,  eine  gleiche  Ablenkung  der  Magnetnadel  erzeugen  würde.  Id 
versah  daher  das  Galvanometer  mit  einer  willkürlichen  Skala,  an  der  jede  Ab 
theilung  etwa  40  betrug,  und  stellte  das  Instrument  wie  bei  dem  früheren  Ver 
suche  auf.  Die  Maschine,  die  Batterie  und  die  übrigen  Theile  des  Apparate 
wurden  in  gute  Ordnung  gebracht,  und  während  der  Zeit  des  Versuches  st 
nahe  als  möglich  in  demselben  Zustande  erhalten.  Mit  den  Versuchen  wurdt 
abgewechselt,  so  dass  jede  Veränderung  in  dem  Zustande  des  Apparate 
sichtbar  ward,   und  die  nöthigen  Berichtigungen  gemacht  werden  konnten 


1  Phil.  Trans,  f.   1833.  —  Pogg.  Ann.  20,  274.  1833. 


Das  Gesetz  von  Faraday.  497 


,363)  Sieben  Flaschen  wurden  aus  der  Batterie  fortgenommen,  und  acht 
Gebrauch  beibehalten.  Es  fand  sich,  dass  etwa  40  Umdrehungen  die 
hen  vollständig  luden.  Sie  wurden  darauf  durch  30  Umdrehungen 
en,  und  nun  durch  das  Galvanometer  entladen,  während  eine  dicke 
te  Schnur  von  etwa  10  Zoll  Länge  in  den  Bogen  eingeschaltet  war. 
eich  wurde  die  Nadel  um  5%  Abtheilungen  nach  der  einen  Seite  vom 
unkt  abgelenkt,   und   beim   Schwingen  ging  sie  so  nahe  als   möglich 

5%  Abtheilungen  nach  der  anderen  Seite. 
,364)  Jetzt  wurden  die  übrigen  sieben  Flaschen  den  acht  hinzugefügt, 
sämmtliche    15    durch  30  Umdrehungen   der   Maschine    geladen.     Ein 
Asches  Elektrometer  stand  nicht  ganz  halb  so  hoch  wie  zuvor:  allein 
die  Ladung  durch  das  zuvor  zur  Ruhe  gebrachte  Galvanometer  geleitet 
de,  schwang  die  Nadel  sogleich  und  erreichte  genau  denselben  Theil- 
kt  wie  vorhin.     Die  Versuche  mit  acht   und  fünfzehn  Flaschen  wurden 
rmals  wiederholt,  und  immer  mit  demselben  Erfolg. 
„365)  Es  wurde  nun  die  gesammte  Batterie  zum  Versuch  genommen, 
ihre  Ladung  (von  50  Umdrehungen  der  Maschine)  durch  das  Galvano- 
gesandt,   doch    so   modificirt,    dass    sie   zuweilen    bloss   durch    einen 
ten   Faden   ging,   zuweilen   durch   eine   mit   destillirtem  Wasser   ange- 
tete  dünne  Schnur  von  38  Zoll  Länge,  zuweilen  durch  eine  zwölf  Mal 
Schnur  von  nur  12  Zoll  Länge,  und  getränkt  mit  verdünnter  Säure. 
der  dicken  Schnur  ging  die  Ladung  auf  einmal  durch;  mit  der  dünnen 
rauchte  sie  eine  wahrnehmbare  Zeit,    und   mit  dem  Faden   waren  zwei 
bis  drei  Sekunden  erforderlich,  bis  das  Elektrometer  ganz  niedersank.     Der 
Strom   musste   demnach  in  diesen  drei   Fällen   ungemein  an  Intensität  ver- 
schieden sein,   und  doch  war  die  Ablenkung  der  Magnetnadel  in  allen  fast 
gleich.     Zeigte  sich  etwa  ein  Unterschied,    so  war   die  Ablenkung   an  der 
dünnen  Schnur  und  dem  Faden  etwas  grösser.    Findet,  wie  Colladon  sagt, 
[  eine  Seitenfortpflanzung   durch   die  Seide   des  Galvanometergewindes   statt, 
so  muss  dies  so  sein,  weil,  wenn  die  Intensität  geringer  ist,  die  Seitenfort- 
pflanzung schwächer  wird. 

„366)  Hieraus  geht  hervor,  dass,  wenn  die  Elektricität  in  gleicher 
absoluter  Menge  durch  das  Galvanometer  geleitet  wird,  die  ab- 
lenkende Kraft  auf  die  Magnetnadel  gleich  ist,  wie  gross  audh 
ihre  Intensität  sein  mag." 

Hierzu   ist  zu  bemerken,   dass  das  Galvanometer   die   absolute  Menge 

der  Elektricität  nur  angiebt,    wenn   die  Zeit  der  Entladung  gegen  die  zur 

I  Bewegung  der  Magnetnadel  erforderliche  Zeit  verschwindet.   Sonst  giebt  das 

>  Galvanometer  unmittelbar  Stromstärken  an,  d.  h.  Elektricitätsmengen,  divi- 

dnt  durch   die   erforderliche   Zeit.     Man   muss  dieses  Verhältniss  im   Auge 

behalten,  um  die  nachfolgenden  Versuche  richtig  zu  verstehen. 

Faraday  geht  nun  zu  einigen  weiteren  experimentellen  wie  litera- 
rischen Nachweisen  für  den  obenstehenden  Satz  über,  die  wir  fortlassen 
können. 

Qstwald,   Elektrochemie.  32 


498  Dreizehntes  Kapitel. 


M, 


,369)  Mein  nächstes  Ziel  war  nun,  eine  VoLTA'sche  Vorrichtung  n 
erhalten,  die  gleiche  Wirkung,  wie  die  eben  beschriebene  ausüben  würde 
Ein  Platin-  und  ein  Zinkdraht,  beide  durch  dasselbe  Loch  eines  Zieheisens 
gezogen,  und  ein  Achtzehntelzoll  im  Durchmesser  haltend,  wurden  auf  einen 
Träger  befestigt,  so  dass  ihre  unteren  Enden  in  einem  Abstände  von  6/ia  Zo| 
parallel  nebeneinander  herabhingen.  Die  oberen  Enden  wurden  mit  dd 
Galvanometerdrähten  wohl  verbunden.  Es  wurde  Säure  verdünnt,  und  nacfcl 
verschiedenen  vorläufigen  Versuchen  eine  solche  zur  Norm  genommen,  welcW 
aus  einem  Tropfen  concentrirter  Schwefelsäure  und  vier  Unzen  Wassoti 
bestand.  Endlich  wurde  die  Zeit  aufgezeichnet,  welche  die  Nadel  gebrauc 
um  entweder  von  der  Rechten  zur  Linken,  oder  umgekehrt  zu  schwin 
sie  war  gleich  17  Schlägen  meiner  Uhr,  von  denen  150  auf  eine  Min 
gingen.  Der  Zweck  dieser  Vorbereitungen  war,  einen  VourA'schen  Ap 
so  einzurichten,  dass  er  beim  Eintauchen  in  eine  gegebene  Säure  wä 
einer  gegebenen  Zeit,  die  indessen  viel  geringer  war,  als  die  zum  Schwinge« 
der  Nadel  in  einer  Richtung  erforderliche,  eine  ebenso  starke  Ablenkung 
der  Nadel  hervorbrachte,  als  die  Entladung  gemeiner  Elektricität  aus  ddl 
Batterie.  Nachdem  ein  neues  Stück  Zinkdraht  in  die  angegebene  Lage  zod| 
Platindraht  gebracht  worden  war,  wurde  der  vergleichende  Versuch  angesteMj 

„370)  Als  der  Zink-  und  Platindraht  6/8  Zoll  tief  in  die  Säure  getaucfaQJ 
und  8  Uhrschläge  lang  darin  gelassen,  und  dann  rasch  herausgezogen  worddl 
war,  wich  die  Nadel  ab,  und  fuhr  fort,  noch  einige  Zeit  nach  dem  Heraotfl 
ziehen  des  Apparates  nach  derselben  Seite  vorzurücken.  Sie  erreichte  die 
Mitte  zwischen  dem  fünften  und  sechsten  Theilpunkt,  kehrte  dann  zurück 
und  schwang  nach  der  anderen  Seite  ebenso  weit.  Der  Versuch  wurde 
mehrmals,  und  immer  mit  demselben  Erfolge  wiederholt. 

„371)  Bloss  nach  der  magnetischen  Kraft  zu  urtheilen,  kann  man  jeW 
als  eine  Annäherung  annehmen,  dass  zwei  Drähte,  einer  von  Platin  und  dd 
andere  von  Zink,  die  1/18  Zoll  dick  sind  und  in  einem  Abstände  von  6/16  Zol 
zu  einer  Tiefe  von  6/8  Zoll  in  ein  Gemenge  von  einem  Tropfen  VitrioM 
und  vier  Unzen  Wasser  von  etwa  60  °  F.  eingetaucht,  und  an  ihren  änderet 
Enden  mit  einem  18  Fuss  langen  und  1/18  Zoll  dicken,  als  Galvanometer 
gewinde  dienenden  Kupferdraht  verbunden  worden  sind,  ebenso  viel  Elefc 
tricität  in  8  Schlägen  meiner  Uhr  oder  in  8/160  einer  Minute  liefern,  als  dl 
durch  30  Umdrehungen  einer  grossen  sehr  wirksamen  Elektrisirmaschial 
geladene  elektrische  Batterie.  Trotz  dieses  ungeheuer  scheinenden  Missver 
hältnisses  sind  die  Resultate  in  völligem  Einklänge  mit  denen,  welche  vw 
der  Elektricität  bei  Variationen  der  Intensität  und  Quantität  bekannt  sind 

„372)  Um  auch  für  die  chemische  Aktion  einen  Vergleichspunkt  £ 
haben,  wurden  jetzt  die  Drähte  6/8  Zoll  tief  in  die  Säure  getaucht  erhalte« 
und  die  Nadel,  nachdem  sie  zur  Ruhe  gekommen,  beobachtet;  sie  stan* 
so  genau  es  das  bewaffnete  Auge  unterscheiden  konnte,  auf  dem  Thei 
punkt  s1!^  Eine  bleibende  Ablenkung  von  dieser  Grösse  kann  demna* 
als  Anzeige  eines  constanten  elektrischen  Stromes,   welcher  in  8  Schlag* 


Da»  Gesetz  von  Faraday.  400 


aer  Uhr  so  viel  Elektricität  liefert   ab  die  elektrische  Batterie,   geladen 
sh  30  Umdrehungen  meiner  Maschine,  angesehen  werden. 

»373)  Folgende  Vorrichtungen  und  Apparate  sind  aus  vielen  Erfahrungen 
gewählt  An  einem  Platindraht  von  */12  Zoll  Durchmesser,  und  260  Gran 
gend,  war  das  eine  Ende  eben  gemacht,  so  dass  es  eine  wohl  begrenzte 
nsfläche  von  gleichem  Durchmesser  mit  dem  Drahte  darbot.  Er  wurde 
an  abwechselnd  mit  dem  Conduktor  der  Maschine  und  mit  dem  VoLTA'schen 
»parat  verbunden,  und  so,  dass  er  immer  den  positiven  Pol  bildete  und 
gleich  senkrecht  stand,  damit  er  mit  seinem  ganzen  Gewicht  auf  das 
gewandte  Reagenspapier  drückte.  Das  Reagenspapier  lag  seinerseits  auf 
lern  Platinspatel,  der  entweder  mit  der  Ableitung  oder  mit  dem  negativen 
aht  des  VourA'schen  Apparates  in  Verbindung  stand;  es  war  vielfach 
sammengelegt  und  alle  Mal  in  gleichem  Grade  mit  einer  Normallösung 
o  Jodkalium  angefeuchtet. 

w374)  Wenn  der  Platindraht  mit  dem  ersten  Conduktor  der  Maschine 
d  der  Spatel  mit  der  Ableitung  verbunden  war,  so  übten  10  Umdrehungen 
r  Maschine  eine  solche  Zersetzungskraft  aus,  dass  ein  blasser,  runder  Jod- 
ck  gleich  dem  Durchschnitt  des  Drahtes  erzeugt  wurde;  20  Umdrehungen 
ichten  einen  dunkleren  Fleck,  und  30  einen  so  dunklen,  dass  er  auf  der 
oten  Lage  des  Papiers  sichtbar  war.  Der  Unterschied  der  Wirkung  von 
<ei  bis  drei  Umdrehungen  mehr  oder  weniger  konnte  mit  Leichtigkeit 
Icannt  werden. 

«375)  Draht  und  Spatel  wurden  nun  mit  dem  VoLTA'schen  Apparat 
rbunden,  auch  das  Galvanometer  in  die  Kette  eingeschlossen,  und  nach- 
m  der  Apparat  in  ein  stärkeres  Gemenge,  bestehend  aus  Wasser  und 
dpetersäure  so  weit  eingetaucht  war,  dass  er  eine  bleibende  Ablenkung 
«1  5x/3  Abtheilungen  gab,  das  vierfache  feuchte  Papier  zwischen  Draht  und 
Atel  gebracht.  Dadurch  nun,  dass  das  Reagenspapier  verschoben  wurde, 
mnte  die  Wirkung  eines  5,  6,  7  und  mehr  Uhrschläge  anhaltenden  Stromes 
»bachtet  und  mit  der  von  der  Maschine  verglichen  werden.  Durch  viel- 
alige  wechselweise  Wiederholung  dieser  Vergleichungsversuche  wurde 
ständig  gefunden,  dass  dieser  Normalstrom  der  VoLTA'schen  Elektricität, 
Uhrschläge  lang  unterhalten,  in  seiner  chemischen  Wirkung  gleich  war 
3  Umdrehungen  der  Maschine,  und  sichtlich  28  solcher  Umdrehungen 
bertraf. 

„376)  Hieraus  folgt,  dass  der  elektrische  Strom  der  normalen  VoLTA'schen 
fatterie,  wenn  er  8  Uhrschläge  lang  wirkte,  sowohl  in  magnetischer  Ab- 
akungskraft,  wie  in  chemischer  Aktion  gloich  war  dem  von  der  Maschine 
&  30  Umdrehungen  entwickelten. 

„377)  Es  folgt  ferner,  dass  in  diesem  Falle  von  elektrochemischer  Zer- 
setzung, und  wahrscheinlich  in  allen  übrigen  Fällen,  die  chemische  wie 
üc  magnetische  Kraft  direkt  proportional  ist  der  absoluten 
Menge  von  durchgeleiteter  Elektricität." 

Man  muss  gestehen,  dass  die  experimentelle  Grundlage,  auf  welcher  di^ 

32* 


COO  Dreizehntes  Kapitel. 


grosse,  in  dem  vorstehenden  Satze  ausgesprochene  Verallgemeinerui 
beruht,  nicht  eben  breit  und  genau  zu  nennen  ist;  die  ganze  qua 
titative  Messung  besteht  in  der  Schätzung  der  Farbe  des  Jodflecks!  We 
dadurch  wieder  einmal  bewiesen  ist,  wie  wenig  dein  genialen  Forsch 
genügen  kann,  um  einen  weitreichenden  Gedanken  zu  fassen,  so  darf  do 
andererseits  Faraday  die  Anerkennung  nicht  vorenthalten  werden,  dass 
der  aus  solcher  Erkenntniss  erwachsenden  Pflicht,  die  aufgestellte  Verallf 
meinerung  einer  strengen  und  möglichst  vielseitigen  Prüfung  zu  unterzieht 
auf  das  Beste  nachgekommen  ist.  Elektrochemische  Untersuchungen  v» 
drängen  bei  ihm  jetzt  die  soeben  so  erfolgreich  begonnenen  elektromagi 
tischen,  und  auf  der  breitesten  Grundlage  der  Erfahrung  sucht  sich  Farai 
nun  Klarheit  über  das  Gebiet  zu  verschaffen,  das  ein  Blitz  des  Verständnis 
ihm  in  einem  Punkte  erhellt  hatte. 

3.  Faraday's  weitere  Arbeiten.  Die  vierte  Reihe  seiner  Exj* 
mentaluntersuchungen  trägt  den  Titel:  „Über  ein  neues  Gesetz  der  ele 
trischen  Leitung,  und  über  Leitfähigkeit  im  Allgemeinen."  Man  würde  int 
wenn  man  unter  diesem  neuen  Gesetz  das  eben  ausgesprochene  versteh 
wollte;  es  handelt  sich  vielmehr  um  die  Beobachtung,  dass  viele  Std 
insbesondere  Salze,  welche  bei  gewöhnlicher  Temperatur  Isolatoren  sii 
mehr  oder  weniger  gute  Leiter  werden,  wenn  man  sie  bis  zum  Schmelz 
erhitzt.  Umgekehrt  werden  flüssige  Leiter  beim  Erstarren  Isolatoren,  wie 
insbesondere  am  Eise  nachwies,  welches  ein  sehr  vollkommener  Nichtleil 
ist.  Die  Eigenschaft  der  Leitfähigkeit  ist  somit  auf  das  Engste  mit  dl 
flüssigen  Zustande  verknüpft,  und  sie  kommt  sehr  viel  mehr  Stoffen  zu,  j 
man  bis  dahin  angenommen  hatte. 

Noch  eine  andere  Thatsache  zeigte  sich  mit  der  Leitung  verknüpft,  < 
Zersetzung,  und  hier  kommt  Faraday  wieder  auf  den  scheinbar  verlassen 
Hauptpunkt  zurück. 

„413)  In  fast  allen  bisher  beobachteten  Fällen,  die  diesem  Gesetz  unfc 
liegen,  waren  die  dem  Versuche  unterworfenen  Stoffe  nicht  nur  zusamm< 
gesetzt,  sondern  sie  enthielten  auch  Elemente,  von  denen  man  weiss,  da 
sie  sich  an  den  entgegengesetzten  Polen  ansammeln;  und  sie  konnten  dur 
den  elektrischen  Strom  zersetzt  werden.  Wenn  Leitung  stattfand,  t 
auch  Zersetzung  ein,  wenn  die  Zersetzung  aufhörte,  hörte  auch  die  Leitu 
auf,  und  es  wird  eine  angemessene  und  wichtige  Frage,  ob  nicht  d 
Leitung  selbst  überall,  wo  das  Gesetz  gilt,  nicht  nur  eine  Fol; 
der  Möglichkeit  der  Zersetzung  ist,  sondern  selbst  in  dem  Akt  d 
Zersetzung  besteht?  Und  auf  diese  Frage  kann  eine  andere  folgen, 
nicht  die  Erstarrung  die  Leitung  nur  dadurch  verhindert,  dass  sie  < 
Molekeln  unter  dem  Einflüsse  der  Aggregation  an  ihren  Platz  fesselt,  u 
dadurch  ihre  schliessliche  Trennung  in  der  Art,  wie  sie  für  die  Zersetzu 
nöthig  ist,  verhindert?" 

Gegen  die  vollständige  Verallgemeinerung  dieser  Ansicht  macht  h 
Faraday  indessen  geltend,  dass  es  einen  (scheinbaren)  Fall  von  Leitung  oh 


Das  Gesetz  von  Faraday.  cq\ 


I  Zersetzung  giebt,  nämlich  beim  Quecksilberjodid,  und  dass  andererseits  eine 

Anzahl  von  Stoffen  vorhanden    ist,   welche   die  Bedingung,    aus   entgegen- 

!  gesetzten  Elementen  zu  bestehen,  erfüllen,  und  doch  weder  leiten  noch  zer- 

►  •etzt  werden.     Er  verschiebt  die  Entscheidung  der  Frage  bis  auf  die  Zeit, 

■wo  ein  grösserer  Umfang  von  Thatsachen  bekannt  sein  würde. 

Die  fünfte  Reihe  derExperimentaluntersuchungen  bezieht  sich  wieder  aus- 
schliesslich auf  die  elektrochemische  Zersetzung.   Zunächst  erwies  Faraday  die 
Entbehrlichkeit  der  metallischen  Pole,  indem  er  Zersetzungen  durch  Ströme 
hervorbrachte,  die  der  zu  zersetzenden  Flüssigkeit  (Salzlösungen  auf  Lackmus- 
papier  oder  Papier   mit  Jodkaliumlösung)    nicht   durch   gewöhnliche  Leiter, 
ern    mittelst  Spitzenwirkung   durch    die  Luft   zugeführt   worden   waren, 
erner  wies  er  nach,  dass  die  Gegenwart  des  Wassers  zur  Leitung  und  Zer- 
setzung nicht  so  nothwendig  ist,  als  allgemein  angenommen  wurde;  so  über- 
e  er  sich,    dass  mit  zwei  Metallen  und  den  verschiedensten  geschmol- 
n  Stoffen  wirksame  Ketten  hergestellt  werden  können,   wie  das  schon 
er  von  Davy  mit  Bleiglätte  und  Kaliumchlorat  gezeigt  worden  war. 
Endlich  setzt  Faraday  seine  theoretischen  Vorstellungen  über  den  Vor- 
der Zersetzung  auseinander,  worauf  wir  einzugehen  haben.   Nach  einer 
ichtlichen  Darstellung  früherer  Arbeiten  auf  dem  Gebiete   (bei   denen 
iger  Weise  die  Untersuchungen  von  Berzelius  und  Hisinger  übergangen 
n)  stellt  er  fest,  was  er  als  sichere  Thatsache  anerkennen  kann.    Hierzu 
rt  zunächst,  dass  die  Zersetzung  nicht  von  einer  Anziehung  seitens  der 
herrühren  kann,  sondern  dass  vielmehr  die  Zersetzungsprodukte  an  den 
Stellen,    wo  der  flüssige  Leiter  endet,    herausgetrieben   fejeeted)  werden. 
Es  geht    dies    aus    den    eben    erwähnten   Versuchen    ohne    metallische  Pole 
kervor,    und  ausserdem  beschreibt  er  noch   einen  Versuch,    in  welchem  er 
eine  Zersetzung  gegen  eine  Wasserfläche  sah.     Der  Versuch  besteht  darin, 
dass  man  über  eine  concentrirte  Lösung  von  Ma^nesiumsulfat  reines  Wasser 
schichtet,    und  dann  einen  Strom  so  durchleitet,    dass  er  in  der  Flüssigkeit 
wn  der  concentrirten  Lösung  zum  Wasser  geht:    es  scheidet  sich   an  der 
Grenzfläche  dann   bald   ein  Wölkchen  von   Magnesia   aus.1     Auch  fand  er, 
wenn   er    in    eine  von  einem   Strome  durchsetzte  prismatische  Flüssigkeits- 
fflasse   zwei    in   bestimmter  Entfernung   von    einander   gehaltene,    mit   dem 
Galvanometer  verbundene  Platinplatten  in  der  Richtung  des  Stromes  einsetzte, 
te  die  Ablenkung  des  Galvanometers  dieselbe  blieb,    ob  sich   die  Platten 
»ahe  an  einem  Pole,  oder  von  ihm  entfernt  befanden.    Aus  alledem  schloss 
&,  dass  die  Zersetzung  überall  in   dem  ganzen   flüssigen  Leiter  stattfindet, 
«nd  nur  dort  sichtbar  wird,  wo  dieser  endigt.    „Aus  zahlreichen  Versuchen 
«atnehme  ich  den  folgenden  Ausspruch,  den   ich   für  richtig  halte.  .  .  .    Die 
Swnme  der  elektrochemischen  Zersetzung  ist  constant  für  jeden  durch  einen 
m  Zersetzung  befindlichen  Leiter  genommenen  Querschnitt,  welche  Entfernung 
von  dem  Pole  er  auch  haben  mag."   Kommt  dieser  Ausspruch  auch  sachlich 


1  Über  die  richtige  Deutung  dieses  Versuches  sind  die  Meinungen  bis  heute  noch  getheilt. 


1 


CQ2  Dreizehntes  Kapitel. 


mit  dem  überein,  was  iange  vorher  von  Grotthuss  ausgesprochen  war,  i 
enthält  doch  der  folgende  Satz  etwas  wesentlich  Neues.  „505)  Ich  haM 
Grund,  anzunehmen,  dass  der  Satz  noch  allgemeiner  gemacht,  und  folgende) 
maassen  ausgesprochen  werden  kann:  Dass  für  eine  constante  Menge  Eid 
tricität,  welches  auch  der  zersetzte  Leiter  sein  mag  . .  .,  der  Betrag  dt 
elektrochemischen  Wirkung  auch  eine  constante  Grösse  ist,  d.  h.  stets  äqd 
valent  einer  chemischen  Normalwirkung  sein  wird,  die  auf  gewöhnlich^ 
chemischer  Verwandtschaft  beruht."  Bezüglich  des  Nachweises  dieses  Satt« 
wird  auf  künftige  Veröffentlichungen  hingewiesen. 

Was  nun  den  Mechanismus  der  Zersetzung  selbst  anlangt,  so  v 
Faraday  zunächst  wieder  die  gelegentlich  ausgesprochene  Behauptung, 
ginge  die  ganze,  oder  ein  grösserer  Theil  der  Wirkung  von  einem 
beiden  Pole  aus.  „Urtheilt  man  nach  den  Thatsachen  allein,  so  liegt  bi 
nicht  der  geringste  Grund  vor,  das  Wesen,  welches  in  dem  vorhanden  i 
was  wir  den  elektrischen  Strom  nennen  .  .  .,  als  ein  zusammengesetztes  odfi 
verbundenes  Wesen  zu  betrachten.  Es  ist  niemals  in  einfachere  oder  de 
mentare  Wesen  aufgelöst  worden,  und  kann  vielleicht  am  besten  aufgefäa 
werden  als  eine  Axe  der  Wirkung,  welche  entgegengesetzte  Kräfte  trag 
die  von  genau  gleichem  Betrage,  aber  entgegengesetzter  Richtung  sind. 

„518)  Gehen  wir  zu  der  Betrachtung  der  elektrochemischen  Zersetzuli 
über,  so  scheint  mir,  dass  die  Wirkung  durch  eine  innere  Corpuskularakti« 
hervorgebracht  wird,  welche  in  der  Richtung  des  elektrischen  Stromes  an 
geübt  wird,  und  welche  von  einer  Kraft  herrührt,  die  sich  der  chemische 
Verwandtschaft  entweder  hinzufügt,  oder  ihr  Richtung  giebt  Der  in  TM 
setzung  befindliche  Körper  kann  als  eine  Masse  wirkender  Theiiche 
betrachtet  werden,  indem  alle,  welche  in  den  Lauf  des  elektrischen  Stroftti 
einbegriffen  sind,  zu  dem  schliesslichen  Effekt  beitragen;  und  dadurch,  dal 
die  gewöhnliche  chemisch^  Verwandtschaft  in  der  einen  Richtung  paralk 
zu  dem  Gange  des  elektrischen  Stromes  durch  dessen  Einfluss  aufgehobd 
geschwächt  oder  theilweise  neutralisirt  wird,  und  verstärkt  oder  vermehrt  i 
der  entgegengesetzten  Richtung,  haben  die  sich  verbindenden  Theilchen  <fi 
Tendenz,  in  entgegengesetzter  Richtung  zu  wandern." 

„519)  Nach  dieser  Anschauung  wird  die  Wirkung  als  völlig  abhängt 
von  der  gegenseitigen  chemischen  Verwandtschaft  der  Theilchen  entgegd 
gesetzter  Art  angesehen.  Die  Theilchen  ay  a,  Fig.  115,  können  nicht  vo 
dem  einen  Pole  N  zu  dem  anderen  P  übertragen  werden  oder  wanden 
wenn  sie  nicht  Theilchen  b,  b  der  entgegengesetzten  Art  finden,  welct 
bereit  sind,  in  der  entgegengesetzten  Richtung  zu  wandern;  denn  nur  durc 
die  Wirkung  ihrer  erhöhten  Verwandtschaft  für  diese  Theilchen,  verbünde 
mit  der  verminderten  Verwandtschaft  zu  denen,  die  hinter  ihnen  sin 
werden  sie  vorwärts  getrieben;  und  wenn  einer  der  Theile  a,  Fig.  1 16,  » 
Pole  anlangt,  so  wird  er  ausgetrieben  oder  in  Freiheit  gesetzt,  weil  <ft 
Theilchen  b  entgegengesetzter  Art,  mit  dem  es  unmittelbar  vorher  in  Vc 
bindung  war,  unter  dem  bestimmenden  Einflüsse  des  Stromes  eine  grosse 


Das  Gesetz  von  Faraday.  503 


J^iziehung   zu   dem   Theilchen   dy   welches   sich   vor   ihm    in   seiner   Bahn 
idet,    hat,   als  zu  dem  Theilchen  a,   zu   dem  seine  Verwandtschaft  ge- 
iwächt  ist/' 

Es  mag  nicht  viele  Stellen  der  Untersuchungen  Faraday's  geben,  welche 

rer  angeführt  und  erörtert  worden  sind  als  der  §  518.     Sie  erschienen 

und  wohl  auch   den   meisten   anderen  als  ein  unmittelbarer  Ausdruck 

Thatsachen,  während  doch  der  Antheil  hypothetischer  und  unbewiesener 

Foraussetzungen  darin  grösser  ist,  als  sonst  bei  Faraday  üblich.     Vor  allen 

>n  war  die  Annahme,    dass  in  dem  Strome  die  chemische  Verwandt- 

nach    einer   Richtung   verstärkt,    nach    der   anderen    geschwächt   sei, 

;alisch  schwer  zu  deuten,   selbst  wenn   man  im  Sinne  von  Davy  und 

js  die  Verwandtschaft  auf  elektrische  Anziehungen  zurückführen  wollte. 

richtige  Bestandtheil  der  Ansichten,  die  Einsicht,  dass  die  stattfindenden 

forgänge    nicht   auf  die   Pole    beschränkt    sind,    sondern    in    der    ganzen 


©5 


i    s  10         04'   s'    i  c© 

Fig.   115.  Fig.  116. 

Nach  Faraday. 


reckung  des  Leiters  stattfinden,  war  nicht  neu,  sondern  experimentell 
:h  Erman  und  theoretisch  durch  Grotthuss  klargelegt  worden. 

Auch  scheint  Faraday  die  Unvollkommenheit  seiner  Anschauungen 
'gefühlt  zu  haben,  denn  er  verbreitet  sich  in  ungewöhnlich  wortreicher  Weise 
:ftcr  den  Gegenstand  und  kommt  dabei  zu  Betrachtungen,  welche  die 
fanachten  Voraussetzungen  theilweise  wieder  aufheben.     So  schreibt  er: 

„523)  Die  Theorie,  welche  ich  aufzustellen  versucht  habe,  verlangt  das 
Zngeständniss,  dass  in  einem  zusammengesetzten  Stoffe,  der  der  elektro- 
chemischen Zersetzung  fähig  ist,  die  elementaren  Bestandtheile  eine  gegen- 
seitige Beziehung  und  einen  Einfluss  aufeinander  haben,  der  über  die  Theile 
fcnausgeht,  welche  unmittelbar  miteinander  verbunden  sind.  So  wird  im 
Wasser  ein  mit  Sauerstoff  verbundenes  Wasserstofftheilchen  nicht  als  voll- 
mundig ohne  Einfluss  auf  andere  Sauerstofftheilchen  angesehen,  obwohl  diese 
ttit  anderen  Wasserstofftheilchen  verbunden  sind;  sondern  es  wird  ange- 
•ommen,  dass  sie  eine  Verwandtschaft  oder  Anziehung  gegen  sie  haben, 
fc  zwar  unter  gewöhnlichen  Umständen  nicht  vergleichbar  ist  mit  der  Kraft, 
»eiche  es  mit  seinem  eigenen  Sauerstofftheilchen  zusammenhält,  welche 
aber,  unter  dem  nach  bestimmter  Richtung  wirkenden  elektrischen  Einflüsse, 
te  über  jene  hinaus  gesteigert  werden  kann.  Diese  allgemeine  Beziehung 
bereits  verbundener  Theilchen  zu  anderen,  mit  denen  sie  nicht  verbunden 
*ßd,  tritt  deutlich  genug  in  zahlreichen  Erscheinungen  rein  chemischen 
Qörakters  hervor,  namentlich  in  denen,  wo  nur  theilweise  Zersetzungen 
antreten,  sowie  in  Berthollet's  Versuchen  über  den  Einfluss  der  Masse  auf 
die  Verwandtschaft:    und    damit   hängt   wahrscheinlich    die   Anziehung   der 


CQ4  Dreizehntes  Kapitel. 


Aggregation  in  festen  und  flüssigen  Körpern  unmittelbar  zusammen.  Es  i£ 
ein  bemerkenswerther  Umstand,  dass  bei  Gasen  und  Dämpfen,  wo  dfe 
Anziehung  der  Aggregation  verschwindet,  auch  die  zerlegenden  Kräfte  der 
Elektricität  anscheinend  verschwinden,  und  auch  die  chemische  Wirkung  dtt 
Masse  nicht  mehr  ersichtlich  ist.  Es  erscheint  nicht  unmöglich,  dass  dk 
Unfähigkeit,  Zersetzung  zu  erfahren,  in  diesen  Fällen  von  der  Abwesenheit 
der  gegenseitigen  Anziehungswirkungen  der  Theilchen  herrührt,  welche  du 
Ursache  der  Aggregation  ist." 

Faraday  befindet  sich  hier  auf  dem  später  von  Clausius  und  Arrhenio 
eingeschlagenen  Wege,  indem  er  sieht,  dass  die  thatsächlichen  Erscheinung» 
der  elektrischen  Zerlegung  mit  der  Annahme,  dass  wirklich  hierbei  überal 
in  der  Flüssigkeit  Trennungen  und  Verbindungen  stattfinden  sollen,  welch 
man  sich  unter  dem  Bilde  mechanischer  Wirkungen  vorstellt,  nicht  wohl  8 
vereinigen  sind.  Es  hat  ausserordentlicher  Mühen  bedurft,  bis  eine  Befreiunj 
von  den  überkommenen  chemischen  Vorstellungen,  die  überall  mit  eine 
vertieften  Betrachtung  der  Thatsachen  nicht  zu  vereinigen  waren,  erreich 
worden  war,  und  wir  dürfen  es  Faraday  nicht  übel  nehmen,  dass  er  seine 
Zeit  nicht  die  chemischen  Anschauungen,  mit  denen  er  an  die  Betracfc 
tung  der  elektrochemischen  Vorgänge  herantrat,  als  den  schwachen  Thd 
aller  elektrochemischen  Theorieen  erkannte,  und  daher  die  Verbesserung  ai 
Stellen  zu  bewirken  suchte,  welche  derselben  zunächst  weniger  bedurft« 
als  andere,  die  er  für  gesund  hielt. 

4.  Die  Hauptabhandlung.  Zwischen  den  soeben  erwähnten  Arbeiten 
und  der  Hauptabhandlung,  in  welcher  Faraday  sein  Gesetz  der  festen  eJet 
trolytischen  Aktion  aufgestellt  hat,  liegt  die  sechste  Reihe  der  Experiment^ 
Untersuchungen,  die  einen  scheinbar  ganz  abweichenden  Gegenstand,  nämlkk 
die  Fähigkeit  des  Platins,  die  Verbindung  des  Knallgases  bei  gewöhnlicher 
Temperatur  zu  bewirken,  behandelt.  Indessen  ist  der  Zusammenhang  eil 
ganz  unmittelbarer;  bei  dem  Vergleich  der  durch  verschiedene  Ströme  aus 
verdünnter  Schwefelsäure  entwickelten  Knallgasmengen,  welche  Faraday  im 
Verlaufe  seiner  Untersuchungen  gemessen  hatte,  ergaben  sich  Anomalien, 
deren  Erklärung  schliesslich  in  dieser  Eigenschaft  der  Platinelektroden  gefunden 
wurde.  Diese  Untersuchung  ist  ein  gutes  Beispiel  für  den  besonderen  Cha- 
rakter von  Faraday's  wissenschaftlicher  Begabung;  die  beständige  Aufmerk- 
samkeit auf  die  Gesammtheit  der  Erscheinungen,  und  die  Fähigkeit,  Dinge 
zu  sehen,  die  ganz  abseits  von  denen  liegen,  auf  welche  eben  die  Aut 
merksamkeit  gerichtet  ist,  hat  nicht  zum  wenigsten  die  ausserordentliche 
Mannigfaltigkeit  und  vielfach  unerwartete  Beschaffenheit  seiner  Entdeckungen 
bewirkt. 

Die  siebente  Reihe  der  Experimentaluntersuchungen,  welche  am  9.  Januai 
1834  der  Royal  Society  vorgelegt  worden  ist,  enthält  schliesslich  den  wesent- 
lichsten Theil  von  Faraday^s  grosser  Entdeckung.  Sie  beginnt  mit  refor 
matorischen  Vorschlägen  bezüglich  der  Nomenklatur  der  elektrochemische) 
Erscheinungen,  welche  seitdem  überall  durchgedrungen  sind.   Faraday  hatt 


Das  Gesetz  von  Faraday.  cqc 


•die  Notwendigkeit  neuer  Namen  gefühlt,  da  die  alten  der  Ausdruck  be- 
stimmter theoretischer  Vorstellungen  waren,  die  er  verwerfen  musste. 

„662)  Um  daher  Verwirrung  und  Umschreibungen  zu  vermeiden,  und 
wegen  grösserer  Schärfe  des  Ausdruckes,  als  sie  anderweit  zu  erreichen  ist, 
habe  ich  den  Gegenstand  mit  zwei  Freunden  eingehend  erwogen,  und  unter 
deren  Beistand  und  Theilnahme  bei  der  Namengebung  beabsichtige  ich,  in 
der  Folge  einige  neue  Ausdrücke  zu  brauchen,  welche  ich  nun  definiren 
will.  Die  Pole,  wie  sie  gewöhnlich  genannt  werden,  sind  nur  die  Thore 
oder  Wege,  durch  welche  der  elektrische  Strom  in  den  zersetzbaren  Körper, 
oder  aus  ihm  tritt;  auch  sind  sie  natürlich,  wo  sie  mit  diesem  Körper  in 
Berührung  stehen,  die  Grenzen  seiner  Erstreckung  in  der  Richtung  des 
Stromes.  Der  Ausdruck  ist  gewöhnlich  auf  die  metallischen  Stoffe  ange- 
wendet worden,  die  mit  dem  zersetzbaren  Körper  in  Berührung  stehen;  ob 
aber  die  Naturforscher  ihn  ebenso  allgemein  auf  die  Luft-  und  Wasserflächen 
anwenden  werden,  gegen  welche  ich  elektrochemische  Zersetzungen  bewirkt 
babe,  ist  einem  Zweifel  unterworfen.  An  Stelle  des  Ausdruckes  Pol  schlage 
ich  das  Wort  Elektrode  vor,  und  verstehe  darunter  die  Substanz,  oder 
vielmehr  die  Fläche  von  Luft,  Wasser,  Metall  oder  irgend  einem  anderen 
I  Körper,  welche  die  Ausdehnung  der  zersetzbaren  Substanz  in  der  Richtung 
des  Stromes  begrenzt. 

„663)  Die  Flächen,  an  denen  nach  der  gebräuchlichen  Ausdrucksweise 
der  elektrische  Strom  in  einen  zersetzbaren  Körper  eintritt,  oder  ihn  verlässt, 
sind  sehr  wichtige  Stellen  der  Wirkung,  und  verdienen  besonders  von  den 
Polen  unterschieden  zu  werden,  mit  denen  sie  oft,  und  von  den  Elektroden, 
Hit  denen  sie  immer  in  Berührung  sind.  Indem  ich  nach  einer  natürlichen 
^orm  der  elektrischen  Richtung  suchte,  aufweiche  ich  diese  beziehen  konnte, 
md  welche  gleichzeitig  von  aller  Theorie  fern  war,  habe  ich  sie  in  der  Erde 
m  finden  geglaubt.  Rührt  der  Magnetismus  der  Erde  von  Strömen  her, 
üe  sie  umkreisen,  so  müssen  diese  eine  beständige  Richtung  haben,  welche 
iem  gegenwärtigen  Sprachgebrauch  gemäss,  von  Ost  nach  West  gehen, 
ader,  was  die  Erinnerung  erleichtern  wird,  in  der  Richtung,  in  der  die  Sonne 
sich  zu  bewegen  scheint.  Wenn  wir  in  irgend  einem  Falle  elektrischer  Zer- 
legung den  Körper  so  gestellt  denken,  dass  der  durchgehende  Strom  in 
gleicher  Richtung  und  parallel  zu  den  in  der  Erde  angenommenen  Strömen 
verläuft,  so  werden  die  Flächen,  an  denen  der  Strom  in  die  Substanz  tritt, 
und  sie  verlässt,  eine  unveränderliche  Beziehung  haben,  und  stets  das  gleiche 
Verhältniss  der  Kräfte  aufweisen.  Hiernach  gedenken  wir  die  nach  Osten 
liegende  die  Anode,  und  die  nach  Westen  liegende  die  Kathode  zu  nennen, 
und  welche  Änderungen  auch  in  Bezug  auf  unsere  Anschauungen  über  Elek- 
tricität  und  elektrische  Wirkungen  eintreten  mögen,  so  werden  sie  die  erwähnte 
natürliche  Norm  in  gleicher  Weise  und  gleichem  Betrage  bei  jedem  zersetz- 
baren Stoff,  auf  den  diese  Ausdrücke  zu  irgend  einer  Zeit  angewendet  werden 
cönnen,  ändern,  und  es  scheint  daher  kein  Grund  zu  sein,  dass  sie  jemals 
:u    Verwirrung   fuhren    oder    falsche    Ansichten   unterstützen    können.     Die 


co6  Dreizehntes  Kapitel. 

Anode  ist  demnach  die  Fläche,  an  der  nach  unserer  gegenwärtigen  1 
drucksweise  der  Strom  eintritt;  sie  ist  das  negative  Ende  des  zersetzbi 
Leiters;  dort  wird  Sauerstoff,  Chlor,  die  Säuren  u.  s.  w.  entwickelt;  sie 
der  positiven  Elektrode  gegenüber.  Die  Kathode  ist  die  Fläche,  an  der 
Strom  den  zersetzbaren  Körper  verlässt,  und  ist  sein  positives  Ende; 
verbrerinlichen  Stoffe,  Metalle,  Alkalien  und  Basen  werden  dort  entwic 
und  sie  ist  in  Berührung  mit  der  negativen  Elektrode. 

„664)  Ich  werde  in  diesen  Untersuchungen  Gelegenheit  haben,  die  S 
nach  bestimmten  Beziehungen  ihren  elektrischen  Wirkungen  gemäss  ei 
theilen;  und  um  diese  Beziehungen  ohne  gleichzeitigen  Ausdruck  \r\ 
welcher  hypothetischer  Ansichten  darzustellen,  werde  ich  nachstehende  Na 
und  Bezeichnungen  benutzen.  Viele  Körper  werden  unmittelbar  durch 
elektrischen  Strom  zersetzt,  indem  ihre  Elemente  frei  werden;  diese  w 
ich  Elektrolyte  nennen.  Wasser  ist  daher  ein  Elektrolyt.  Stoffe,  we 
wie  Salpetersäure  oder  Schwefelsäure  nur  auf  secundäre  Weise  zerlegt  wer 
sind  in  diese  Beziehung  nicht  eingeschlossen.  Auch  werde  ich  für  elel 
chemisch  zersetzt  oft  den  Ausdruck  elektrolysirt  benutzen,  der  in  glei 
Weise  abgeleitet  ist,  und  bedeutet,  dass  der  bezeichnete  Körper  unter 
Einflüsse  der  Elektricität  in  seine  Bestandteile  zersetzt  wird;  er  ist  im  S 
und  im  Klange  dem  auf  gleiche  Weise  abgeleiteten  Ausdruck  analy 
ähnlich.  Der  Ausdruck  elektrolytisch  wird  unmittelbar  verstanden  wer 
Salzsäure  ist  elektrolytisch,  Borsäure  nicht. 

„665)    Schliesslich  bedarf  ich   eines  Namens  für  die  Stoffe,   welch« 
den  Elektroden,  oder  wie  sie  gewöhnlich  genannt  werden,  den  Polen,  g< 
können.      Man    spricht    häufig   von    elektronegativen    oder    elektroposit 
Stoffen,  je  nachdem  sie  unter  dem   angenommenen  Einflüsse  der  unmi 
baren     elektrischen    Anziehung    zu     dem     positiven     oder     negativen 
gehen.      Diese    Ausdrücke    sind    aber   viel    zu    speciell    für    den    Gebra 
den  ich  im  Sinne  habe;   denn   obwohl  die  Ansichten  vielleicht  richtig  s 
sind  sie  doch   nur  hypothetisch   und  können    auch    falsch   sein;    und  c 
thun    sie    durch    einen    ganz    unmerklichen,    aber   sehr   gefährlichen, 
beständigen  Einfluss  der  Wissenschaft  erheblichen   Schaden,    indem   sie 
gewohnten    Anschauungen    ihrer    Vertreter   einengen    und    begrenzen, 
gedenke  Stoffe,  welche  zur  Anode  des  zersetzbaren  Stoffes  gehen,  Anio 
zu  nennen,   und  die  zur  Kathode  gehenden  Kationen;    und  wenn  ich 
beiden  gleichzeitig  zu   reden   habe,   werde  ich   sie   Ionen    nennen.     Sc 
Bleichlorid    ein  Elektrolyt;    wenn    es    elektrolysirt  wird,    entwickelt   es 
Ionen,  Chlor  und  Blei,  von  denen  das  erstere  das  Anion,  das  letztere 
Kation  ist. 

„666)  Sind  diese  Ausdrücke  einmal  gut  definirt,  so  wird  ihr  Gebra 
wie  ich  hoffe,  mancherlei  Umschreibung  und  Zweideutigkeit  im  Ausdr 
zu  vermeiden  gestatten.    Ich  beabsichtige  nicht,  sie  häufiger  als  erfordc 
zum  Dienst  zu  pressen,    denn  ich  weiss  wohl,   dass  Namen  ein  Ding 
und  die  Wissenschaft  ein  anderes." 


Das  Gesetz  von  Faraday.  CQ7 


Die  nun  folgenden  Betrachtungen  über  einige  allgemeine  Bedingungen 
r  elektrochemischen  Zersetzung  können  wir  grösstentheils  übergehen. 
raday  macht  zunächst  die  Bemerkung,  dass  auffälliger  Weise  gerade  die 
äffe,  welche  wie  Wasser  und  die  verschiedenen  Oxyde  und  Halogenver- 
ldungen  durch  besonders  kräftige  Verwandtschaften  zusammengehalten 
xden/  am  leichtesten  der  zersetzenden  Wirkung  des  elektrischen  Stromes 
chgeben,  während  andererseits  Stoffe,  die  durch  schwache  Verwandt- 
laften  gebildet  sind,  nur  selten  den  Strom  durchlassen.  Er  bemerkt 
jrzu:  „Man  könnte  sagen,  dass  meine  eigene  Theorie  der  elektrochemischen 
rsetzung  zu  der  Erwartung  fuhren  muss,  dass  alle  Stoffe  unter  dem  Ein- 
sse des  elektrischen  Stromes  nachgeben  müssten,  und  zwar  proportional 
r  Stärke  der  Verwandtschaft,  mit  welcher  ihre  näheren  oder  ferneren 
standtheile  verbunden  sind.  Ich  bin  nicht  sicher,  dass  dies  als  eine  Schluss- 
Igerung  aus  meiner  Theorie  abzuleiten  ist;  wenn  aber  dieser  Einwand  als 
1  durch  die  Thatsachen  gegebener  angesehen  wird,  so  zweifle  ich  nicht, 
iss  er  beseitigt  werden  wird,  wenn  wir  eine  genauere  Bekanntschaft  mit 
ir  Natur  der  chemischen  Verwandtschaft  und  eine  bestimmtere  Vorstellung 
m  derselben,  sowie  von  der  Art,  wie  ein  elektrischer  Strom  sie  beeinflusst, 
cwonnen  haben  werden.  Ausserdem  steht  dieser  Einwand  ebenso  unmittelbar 
der  anderen  Theorie  der  elektrochemischen  Zersetzung  entgegen,  wie  der 
on  mir  vorgeschlagenen,  denn  wenn  wie  gewöhnlich  angenommen  wird, 
bss  die  Stoffe  sich  um  so  kräftiger  verbinden,  je  entgegengesetzter  sie  sich 
n  ihren  anziehenden  Kräften  gegenüber  stehen,  so  findet  der  Einwand  mit 
[leicher  Kraft  Anwendung  gegen  alle  früheren  Theorieen  der  Elektrolyse, 
wd  vermehrt  die  von  mir  gegen  sie  erhobenen  Einwände." 

Bei  dem  Versuch,  die  elektrolytisch  zersetzbaren  Stoffe  allgemein  von 
ben  zu  unterscheiden,  welche  es  nicht  sind,  kam  Faraday  schliesslich  auf 
en  Gedanken,  dass  nur  die  Stoffe  zersetzbar  seien,  welche  entgegengesetzte 
lemente  zu  gleichen  Atomen  enthalten.  Hierzu  muss  bemerkt  werden, 
iss  um  jene  Zeit  die  GMELiN^schen  Atomgewichte  allgemein  gültig  waren, 
denen  die  Formeln  der  meisten  Oxyde  und  Halogenverbindungen  mit  je 
lern  Atom  des  Elementes  geschrieben  wurden.  Bei  der  Durchfuhrung 
ner  Ansicht  stiess  Faraday  bald  auf  allerlei  Schwierigkeiten,  die  er  zum 
leil  auf  Grund  ungenügender  Versuche  beseitigen  zu  können  glaubte;  so 
fc>  er  beispielsweise  die  Existenz  eines  Einfach-Schwefelantimons  an,  worauf 
rzelius  ihm  seinen  Irrthum  nachwies.  Wir  können  diese  Dinge  übergehen, 
»nso  eine  Reihe  von  einzelnen  Mittheilungen  über  die  elektrolytischen 
renschaften  verschiedener  Stoffe. 

Der  nächste  Paragraph  ist  bezeichnet:  über  ein  neues  Maass  der  Volta- 
ktricität,  und  enthält  die  Beschreibung  des  auf  der  Zersetzung  der  ver- 
mten  Schwefelsäure  beruhenden  Voltameters,  das  bis  auf  den  heutigen 
y  in   Gebrauch  geblieben  ist. 

„704)  Ich  habe  bereits  bei  der  Beziehung  der  gemeinen  und  der 
.t Ansehen   Elektricität  auf  ein  gemeinsames  Maass,    und  ebenso  bei  der 


5o8 


Dreizehntes   Kapitel. 


Darlegung  meiner  Theorie  der  elektrolytischen  Zersetzung  gesagt,  dass  < 
chemische  Zersetzungswirkung  eines  Stromes  constant  ist  für  eine  co 
stante  Menge  von  Elektricität,  unabhängig  von  der  grössten  Anden 
ihrer  Quellen,  ihrer  Intensität  und  der  Grösse  der  angewendeten  Elektrod 
der  Natur  der  Leiter  (oder  Nichtleiter),  durch  welche  sie  gegangen  ist,  i 
von  anderen  Umständen.  Der  entscheidende  Beweis  aller  dieser  ?Behai 
tungen  soll  alsbald  gegeben  werden. 

„705)   Ich    versuchte,    auf  Grund    dieses   Gesetzes    ein    Instrument 
erbauen,  welches  die  durchgehende  Elektricität  ausmessen  sollte,  und  welc 


K 


sn 


<t\ 


Fig.  117. 


Fig.   118. 


Fig.   119.  Fig.  120. 

Nach  Faraday. 


Fig.  121 


Fig.  1; 


durch  Einschaltung  in  den  Lauf  des  zu  irgend  einem  Versuch  gebrauch 
Stromes,  nach  Belieben  entweder  als  eine  vergleichende  Norm  der  Wirku 
oder  als  ein  wirklicher  Maassstab  für  dies  feine  Agens  dienen  soll. 

„706)  Unter  gewöhnlichen  Umständen  giebt  es  keinen  geeigneteren  S 
als  anzeigenden  Körper  in  einem  solchen  Instrument  als  Wasser;  denn 
wird  mit  Leichtigkeit  zersetzt,  wenn  es  durch  Zusatz  von  Säuren  oder  Sal 
zu  einem  besseren  Leiter  gemacht  worden  ist;  seine  Bestandteile  kön 
in  zahlreichen  Fällen  erhalten  und  gemessen  werden,  ohne  dass  Störun 
durch  Nebenwirkungen  eintreten;  da  sie  gasförmig  sind,  befinden  sie  j 
im  geeignetsten  Zustande  für  die  Trennung  und  Messung.  Wasser, 
Schwefelsäure  angesäuert,  ist  daher  der  Stoff,  auf  den  ich  mich  im  AI 
meinen  beziehen  werde,  wenn  es  auch  in  besonderen  Fällen  oder  Forr 
des  Versuches  bequemer  sein  kann,  andere  Stoffe  zu  benutzen." 

Die  nächsten  Paragraphen  enthalten  Beschreibungen  der  verschiede 
Formen,  welche  Faraday  seinem  neuen  Instrument  gegeben  hat,  um  es 


Das  Gesetz  von  Faraday. 


509 


innigfaltigen  Zwecken  anzupassen,  für  die  es  Verwendung  finden  kann. 
irch  die  in  Fig.  117  bis  127  gegebenen  Abbildungen  ist  wohl  die  Wieder- 
hing der  Beschreibungen  entbehrlich  gemacht 

„713)  Nächst  der  Vorsicht  in  der  Sammlung  der  gemischten  Gase 
5ser  Berührung  mit  dem  Platin,  kam  die  Notwendigkeit,  das  Gesetz  der 
ten  elektrolytischen  Wirkung,  wenigstens  in  Bezug  auf  Wasser,  unter  allen 
rschiedenheiten  der  Bedingungen  zu  prüfen,  damit  neben  der  Überzeugung 
1  seiner  Richtigkeit  auch  eine  Kenntniss  aller  betheiligten  Umstände 
amgt  würde,  auf  welche  man  praktrisch  Rücksicht  zu  nehmen  hat. 


Fig.   123. 


Fig.   124. 


Fig.   126. 


Fig.   125. 


Fig.   127. 


Nach  Faraday. 


„714)  Der  erstq  untersuchte  Punkt  war  der  Einfluss  oder  die  Indifferenz 
«m  beträchtlichen  Änderungen  der  Grösse  der  Elektroden,  für  welchen 
foeck  Instrumente  nach  Fig.  125  benutzt  wurden.  Eines  derselben  hatte 
Taften  von  0,7  Zoll  Breite  und  nahezu  4  Zoll  Länge,  ein  anderes  Platten 
on  0,5  Zoll  Breite  und  0,8  Zoll  Länge,  ein  drittes  Drähte  von  0,02  Zoll 
Wchmesser  und  3  Zoll  Länge,  und  ein  viertes  ähnliche  Drähte  von  nur 
f,  Zoll  Länge.  Wenn  aber  diese  mit  verdünnter  Schwefelsäure  gefüllt  waren 
nd,  indem  sie  nach  einander  geschaltet  waren,  von  einem  und  demselben 
Metrischen  Strome  durchsetzt  wurden,  so  wurde  sehr  nahe  die  gleiche 
Icnge  Gas  in  allen  entwickelt.  Der  Unterschied  lag  zuweilen  zu  Gunsten 
es  einen,  und  dann  wieder  auf  der  Seite  des  anderen;  jedoch  war  das 
Bgemeine  Ergebniss,  dass  die  grösste  Menge  des  Gases  an  den  kleinsten 
lektroden  entwickelt  wurde,  nämlich  denen  aus  blossem  Platindraht. 

„715)  Versuche  ähnlicher  Art  wurden  mit  der  geraden,  einplattigen 
Öhre  (Fig.   121),  sowie  mit  den  gekrümmten  Röhren  (Fig.  124)  gemacht, 


cio  Dreizehntes  Kapitel. 


und  führten  zu   gleichen  Ergebnissen;    und   wenn    diese    mit   den    frühere« 
Röhren  auf  mannigfaltige  Weise  angeordnet  wurden,   so  ergab  sich  immer 
das  gleiche  Resultat  bezüglich  der  Gleichheit  der  Wirkung  bei  grossen  oder! 
kleinen  metallischen  Flächen,  wenn  sie  den  gleichen  Strom  von  Elektricitäfc 
abgaben  oder  aufnahmen.   Als  Beispiel  seien  die  folgenden  Zahlen  gegebene 
Ein  Instrument  mit  zwei  Drähten  entwickelte  74,3  Volume  des  Gasgemisches^) 
ein  anderes  mit  Platten  73,25  Volume,  während  die  Summe  von  Sauerstoff 
und  Wasserstoff  in   zwrei   getrennten  Röhren  auf  73,65  Volume  ging.     Befej 
einem  anderen  Versuch  waren  die  Volume  55,3,  55,3,  und  54,4."  I 

Faraday  ging  nun  zu  einer  genaueren  Untersuchung  über,  welche  aU 
Ursache  dieser  kleinen  Abweichungen  die  Löslichkeit  der  Gase  in  erster 
Linie  ergab.  Um  diese  Fehler  möglichst  zu  vermeiden,  empfiehlt  er,  einer< 
seits  möglichst  nur  vergleichende  Versuche  anzustellen,  andererseits  nur  deaj 
Wasserstoff  zu  sammeln  und  zu  messen,  da  dieser  weit  weniger  löslich  s&Ji 
als  der  Sauerstoff.  In  der  Folge  hat  sich  noch  erwiesen,  dass  nicht  nur; 
die  leichtere  Löslichkeit  des  Sauerstoffes,  sondern  auch  seine  Neigung,  Vetv 
bindungen,  wie  Wasserstoffsuperoxyd  oder  Überschwefelsäure  zu  bilden,  die 
Menge  des  entwickelten  Gases  herabsetzt,  so  dass  auch  wegen  dieser  Um- 
stände der  letzte  Vorschlag  von  Faraday  zu  empfehlen  ist.  Dieser  schlieft: 
die  Abtheilung  mit  den  Worten:  „Aus  den  vorstehenden  und  vielen  andere* 
Versuchen  folgt,  dass  Veränderungen  in  der  Grösse  der  Elektrode» 
keine  Veränderung  in  der  Wirkung  einer  gegebenen  Elektricitäts- 
menge  auf  Wasser  bewirken." 

„723)  Der  nächste  Punkt,  bezüglich  dessen  das  Gesetz  der  constanten 
elektrochemischen  Wirkung  geprüft  wurde,  war  die  Änderung  der  Inten- 
sität. Erstens  wurden  die  obigen  Versuche  unter  Anwendung  von  Batterieen 
wiederholt,  die  bei  gleicher  Plattenzahl  stark  und  schwach  geladen  waren; 
die  Ergebnisse  waren  aber  die  gleichen.  Dann  wurden*  sie  mit  Batterieen 
wiederholt,  die  zuweilen  vierzig  und  dann  nur  fünf  Plattenpaare  enthielten; 
die  Ergebnisse  waren  noch  immer  dieselben.  Daher  bringen  Änderungen 
in  der  Intensität,  die  durch  Verschiedenheiten  in  der  Ladung  der  Platten, 
oder  in  der  Zahl  der  benutzten  Paare  verursacht  werden,  keine  Verschie- 
denheit in  der  gleichen  Wirkung  grosser  und  kleiner  Elektroden  hervor. 

„724)  Diese  Ergebnisse  bewiesen  indessen  noch  nicht,  dass  die  Ände- 
rung  der  Intensität  des  Stromes  nicht  von  entsprechenden  Änderungen  der 
elektrochemischen  Wirkung  begleitet  war,  da  die  Wirkungen  an  allen 
Flächen  gleichzeitig  zu-  und  abgenommen  haben  können.  Diesem  Mangel 
in  der  Beweisführung  wird  indessen  vollkommen  durch  die  früher  mit- 
getheilten  Versuche  mit  Elektroden  von  verschiedener  Grösse  abgeholfen, 
da  mit  der  Änderung  der  Grösse  auch  eine  Änderung  in  der  Intensität 
eingetreten  sein  muss.  Die  Intensität  eines  elektrischen  Stromes,  welcher 
durch  Leiter  von  gleicher  Natur,  Beschaffenheit  und  Länge  geht,  ist  wahr- 
scheinlich gleich  der  Elektricitätsmenge,  welche  durch  einen  gegebenen 
Querschnitt  fliesst,    dividirt  durch  die  Zeit;   wenn  daher  grosse  Platten  mit 


i  Faraday. 


_5JJ 


Nach  Faraday. 


-ähten  verglichen  wurden,  die  von  einander  durch  die  gleiche  Länge  der 
netzbaren  Flüssigkeit  getrennt  waren,  und  bei  denen  der  elektrische  Strom 
irch  beide  Anordnungen  gehen  musste,  so  muss  die  Elektricität  bezüglich 
r  Tension  einen  sehr  verschiedenen  Zustand  zwischen  den  Platten  und 
Tseheo  den  Drähten  gehabt  haben;  die  chemischen  Resultate  waren  indessen 
:  gleichen. 

„725)  Der  Unterschied  der  Intensitäten  unter  den  beschriebenen  Um- 
mden  kann  leicht  praktisch  gezeigt  werden,  indem  man  zwei  Zersetzungs- 
parate wie  in  Fig.  128  anordnet,  in  denen 
:    gleiche    Flüssigkeit     der     zersetzenden  '     i 

irkung  desselben  Stromes  ausgesetzt  wird, 
r  in  dem  Gefäss  A  zwischen  grossen  Platin- 
Uten  übergeht,  im  Gefässe  B  aber  zwischen 
nen  Drähten.  Wird  ein  dritter  Zersetzungs- 
parat,  wie  Fig.  127  mit  den  Drähten  a  b, 
g.  128  verbunden,  so  kann  er  sehr  gut 
irch  den  Betrag  der  Zersetzung,  welche 
ihm  stattfindet,  dazu  dienen,  den  rela- 
itn  Zustand  der  Platten  bezüglich  der  In- 

osität  nachzuweisen;  wird  er  dann  in  gleicher  Weise  als  Prüfmittel  des 
Blandes  der  Drähte  in  ä  b'  benutzt,  so  wird  er  durch  die  Zunahme  der 
ssetzung  zeigen,  wie  viel  grösser  die  Intensität  dort  ist,  als  an  den  früheren 
unkten.  Die  Verbindungen  der  Punkte  P  und  N  mit  der  VoLTA'schen 
rtterie  müssen  natürlich  während  der  ganzen  Zeit  bestehen  bleiben." 

Sehr  auffällig  ist  in  diesen  letzten  Auslassungen  die  Unsicherheit  Fara- 
irs  in  Bezug  auf  den  Ausdruck  Intensität.  Einerseits  versteht  er  darunter 
m,  was  man  jetzt  die  Stromdichte  nennt;  andererseits  ist  der  letzte  Ver- 
leb, wohl  in  der  Absicht  angestellt,  den  Unterschied  der  Spannungen  an 
eiden  Elektroden  zu  messen.  Gegenwärtig  wissen  wir,  dass  er  wesentlich 
ie  Verschiedenheit  des  Widerstandes  zwischen  den  Elektroden  in  beiden 
allen  zur  Anschauung  gebracht  hat.  In  dem  Jahre  1834,  wo  diese  Abhand- 
ing  geschrieben  wurde,  war  das  OuM'sche  Gesetz  längst  nicht  nur  ver- 
fentlicht,  sondern  auch  bestätigt;  man  sieht  in  diesem  Falle  besonders 
artiich,  in  welchem  Maasse  die  von  Faraday  selbst  wiederholt  beklagte 
nkenntniss  der  deutschen  Sprache  ihn  an  dem  Fortschritt  in  seinem 
gensten  Gebiete  gehindert  hat. 

„726)  Eine  dritte  Form  des  Versuches,  in  welcher  Unterschiede  der 
tensität  hergestellt  wurden,  um  das  Princip  der  gleichen  chemischen  Wir- 
ng  zu  prüfen,  bestand  darin,  drei  VoLTA-Elektrometer  so  anzuordnen, 
ss,  nachdem  der  elektrische  Strom  eines  durchsetzt  hatte,  er  in  zwei  Theile 
iheilt  wurde,  von  denen  jeder  eines  der  übrigen  Instrumente  durchsetzen 
isste.  Die  Summe  der  Zersetzungen  in  den  beiden  letzteren  Gefässen 
r  immer  gleich  der  Zersetzung  in  dem  ersten.  Die  Intensität  des  getheilten 
omes    konnte   nicht   die   gleiche   sein   wie   im    ursprünglichen    Zustande; 


c  1 2  Dreizehntes  Kapitel. 


daher  hat  eine  Änderung  der  Intensität  keinen  Einfluss  auf  das  Result 
wenn  die  Menge  der  Elektricität  dieselbe  bleibt.  Thatsächlich  kommt  < 
Versuch  auf  eine  Vergrösserung  der  Elektrode  hinaus. 

„727)  Der  dritte  Punkt,  bezüglich  dessen  das  Princip  der  gleid 
elektrochemischen  Wirkung  auf  Wasser  geprüft  wurde,  war  die  Änderu 
der  Stärke  der  benutzten  Lösung.  Um  das  Wasser  leitend  zu  mach 
war  Schwefelsäure  dazu  gesetzt  worden,  und  es  schien  nicht  unwahrsche 
lieh,  dass  dieser  Stoff,  und  viele  andere,  das  Wasser  mehr  oder  weniger  lei 
zersetzbar  machen  konnte,  wenn  die  Elektricität  dieselbe  der  Menge  nach  bli 
Dies  erwies  sich  aber  als  nicht  zutreffend.  Es  wurde  verdünnte  Schwefelsä 
von  verschiedener  Stärke  in  verschiedene  Zersetzungsapparate  gebracht  1 
diese  gleichzeitig  der  Wirkung  desselben  Stromes  unterworfen.  Eis  tra 
kleine  Unterschiede  auf,  wie  früher  bald  in  einer  Richtung,  bald  in 
anderen;  das  schliesslich^  Ergebniss  war  aber,  dass  genau  die  gleiche  Mei 
Wasser  in  den  verschiedenen  Lösungen  durch  die  gleiche  Elektricitätsmei 
zersetzt  wurde,  obwohl  die  Schwefelsäure  in  einigen  sieben  Mal  so  st 
war  wie  in  anderen.    Die  angewendeten  Stärken  waren  1,495  un<i  ger*nf 

„728)    Hat  die  Säure  ein   spezifisches  Gewicht  von   1,336  ungefähr, 
sind   die   Ergebnisse    am    gleichförmigsten,    und  Sauerstoff  und  Wassers 
am  ehesten  in  dem   richtigen   gegenseitigen  Verhältniss.     Eine  solche  Sä 
gab  mehr  Gas,  als  eine  viel  schwächere  unter  der  Wirkung  desselben  Strom 
wahrscheinlich,  weil  sie  ein  geringeres  Lösungsvermögen  hat.   War  die  Sä 
sehr  stark,    so  trat  ein   auffallendes  Verschwinden  des  Sauerstoffes   ein; 
gab  eine  aus  zwei  Volumen  starken  Vitriolöls  mit  einem  Volum  Wasser 
42  Vglume  Wasserstoff  nur  zwölf  Volume  Sauerstoff.   Der  Wasserstoff  beti 
nahezu  ebenso  viel,  wie  der  aus  Säure  vom  spezifischen  Gewicht  1,232  e 
wickelte.     Ich  habe  noch  nicht  Zeit  gehabt,  die  Umstände  genau  zu  unt 
suchen,  welche  das  Verschwinden  des  Sauerstoffes  in  diesem  Falle  begleit 
doch  ich  glaube,  dass  es  auf  der  Bildung  von  Wasserstoffhyperoxyd  beru 
welches  nach  Th£nard  durch  die  Gegenwart  der  Säure  befördert  wird. 

„729)  Obwohl  es  für  die  praktische  Anwendung  des  beschriebenen  Inst 
mentes  nicht  von  Belang  ist,  so  habe  ich  doch  wegen  der  wichtigen  Bezieht] 
zu  der  constanten  elektrochemischen  Wirkung  auf  Wasser  die  von  ein< 
durch  wässerige  Lösungen  von  Säuren,  Salzen  und  möglichst  verschieder 
Verbindungen  gesandten  Strom  ausgeübte  Wirkung  untersucht,  und  fand,  d 
sie  erstaunlich  übereinstimmende  Ergebnisse  lieferten.  Viele  von  ihnen,  1 
denen  seeundäre  Wirkungen  auftraten,  werden  indes  besser  später  beschrieb 

„730)  Wenn  Lösungen  von  kaustischem  Kali  oder  Natron,  oder  v 
Magnesium-  oder  Natriumsulfat  der  Wirkung  des  elektrischen  Stromes  unt 
worfen  werden,  so  wird  aus  ihnen  genau  so  viel  Sauerstoff  und  Wasserst 
entwickelt  als  aus  der  verdünnten  Schwefelsäure,  mit  der  sie  verglich 
wurden.  Wenn  eine  Lösung  von  Ammoniak,  die  durch  den  Zusatz  v 
Ammoniumsulfat  besser  leitend  gemacht  worden  war,  oder  eine  Lösung  v 
Kaliumcarbonat   versucht   wurde,   so    betrug   der   entwickelte  Wasserst« 


Das  Gesetz  von  Faraday.  cj-j 


ebenso  viel,  als  der  aus  verdünnter  Schwefelsäure,  mit  der  sie  verglichen 
-wurden.  Daher  ändern  Änderungen  in  der  Natur  der  Lösungen 
nicht  die  Constanz  der  elektrolytischen  Wirkung  auf  Wasser. 

„731)  Ich  habe  bei  den  grossen  und  kleinen  Elektroden  bereits  bemerkt, 

dass  eine  Änderung  der  Reihenfolge  die   allgemeine  Wirkung  nicht  ändert 

(715).     Das   gleiche,  fand   mit   den  verschiedenen  Lösungen  oder   mit  ver- 

■  schiedenen  Intensitäten  statt;   und  wie  auch  die  Umstände  eines  Versuches 

j  verändert  werden  mochten,  die  Resultate  ergaben  sich  ausserordentlich  über- 

{  einstimmend,   und  bewiesen,  dass  die  elektrochemische  Wirkung  immer  die 

gleiche  war. 

„732)  Ich  betrachte  die  vorhergehende  Untersuchung  als  genügend,  um 
das  sehr    ungewöhnliche   und   wichtige   Princip   bezüglich    des   Wassers   zu 
beweisen,    dass,    wenn    es    dem    elektrischen    Strome    unterworfen 
wird,  eine  Menge  desselben  zersetzt  wird,  welche   genau  propor- 
tional der  durchgegangenen  Menge  der  Elektricität  ist;  unabhängig 
Ton  den  tausend  Verschiedenheiten,  der  Bedingungen  und  Umstände,  unter 
denen  es  sich  jeweilig  befinden  mag;    und  weiter,  dass,  wenn  die  Wirkung 
gewisser  seeundärer  Einflüsse  (742  u.  ff.),  die  Auflösung  und  Wiederverbin- 
dong  der  Gase,    und  die  Ausscheidung  von   Luft  vermieden  werden,   die 
Produkte     der     Zersetzung     mit     solcher    Genauigkeit     gemessen 
werden  können,   dass   sie  ein   sehr   gutes  und  werthvolles  Hülfs- 
mittel    abgeben,    die    bei    dieser   Entwickelung   betheiligte   Elek- 
tricität zu  messen." 

In  den  folgenden  Abschnitten  erörtert  Faraday  die  verhältnissmässigen 
Vorzüge  der  früher  beschriebenen  Formen  und  schlägt  vor,  dies  Hülfsmittel 
zur  Messung  der  Elektricitätsmengen  das  VoLTA-Elektrometer  zu  nennen. 
»Dies  Instrument  stellt  den  einzigen  wirklichen  Messer  der  VoLTA'schen 
Elektricität  dar,  welchen  wir  zur  Zeit  kennen.  Denn  indem  er  weder  durch 
die  Änderungen  der  Zeit  oder  Intensität,  noch  durch  Änderungen  des 
Stromes  selbst  von  irgend  welcher  Art  oder  durch  irgend  welche  Ursache, 
noch  auch  selbst  durch  Unterbrechung  der  Thätigkeit  im  Geringsten  beein- 
flusst  wird,  verzeichnet  es  mit  Genauigkeit  die  Elektricitätsmenge,  welche 
bindurch  gegangen  ist,  und  lässt  diese  Menge  durch  den  Anblick  erkennen; 
ich  habe  ihn  daher  ein  VoLTA-Klektrometer  genannt." 

Es  ist  bekannt,  dass  Faraday  sich  über  die  Bedeutung  seines  Instru- 
mentes nicht  getäuscht  hat;  es  ist  in  den  verschiedensten  Formen  bis  auf 
den  heutigen  Tag  in  Gebrauch,  und  dient  nicht  nur  zu  gewöhnlichen 
Messungen,  sondern  ist  gleichzeitig  ein  Hülfsmittel,  die  absolute  Menge  der 
Elektricität  in  der  genauesten  Weise  zu  bestimmen,  deren  die  Wissenschaft 
überhaupt  fähig  ist. 

Das  nun  folgende  sechste  Kapitel  ist  überschrieben :  „Über  den  primären 
und  seeundären  Charakter  der  an  den  Elektroden  entwickelten  Stoffe",  und 
enthält  eine  Auseinandersetzung  der  Ansichten,  zu  welchen  Faraday  bezüglich 
des  Verhältnisses  der  an   den  Elektroden   auftretenden  Stoffe  zu  den  durch 

0«twald,   Elektrochemie.  33 


514  Dreizehntes  Kapitel. 


den  Strom  daselbst  ursprünglich  abgeschiedenen  gelangt  war.  Dass  zwisclH 
beiden  ein  Unterschied  bestehen  könne  und  müsse,  ist  ein  Schluss,  auf  <U 
Faraday  nothwendig  kommen  zu  müssen  glaubt;  man  darf  nicht  in  Abrw 
stellen,  dass  er  hier  zu  irrthümlichen  oder  wenigstens  überflüssigen  Ansicht« 
Ursache  gegeben  hat,  welche  später  bei  der  weiteren  Entwicklung  d 
Wissenschaft  nur  mit  Mühe  haben  beseitigt  werden  können. 

„742)  Bevor  das  Voi/TA-Elektrometer  die  Beständigkeit  der  elektn 
chemischen  Zersetzung  als  ein  allgemeines  Gesetz  beweisen  konnte,  war  » 
nöthig,  einen  Unterschied  zu  untersuchen,  welcher  bereits  unter  den  wisse 
schaftlichen  Männern  anerkannt  ist,  was  die  Produkte  dieser  Wirkung  anlanf 
nämlich  deren  primären  oder  secundären  Charakter;  und  womöglich  dun 
eine  allgemeine  Regel  oder  ein  Princip  zu  bestimmen,  wann  sie  von  d 
einen  oder  der  anderen  Art  sind.  Es  wird  sich  später  zeigen,  dass  dun 
die  Verwechselung  der  beiden  Klassen  grosse  Irrthümer  bezüglich  der  elektr 
chemischen  Zersetzung  und  ihrer  Folgen  entstanden  sind. 

»743)  Wenn  ein  Körper  an  den  Elektroden  diejenigen  Stoffe  unverbundi 
und  unverändert  liefert,  welche  der  elektrische  Strom  getrennt  hat,  so  könne 
diese  als  die  primären  Ergebnisse  angesehen  werden,  auch  wenn  sie  Vc 
bindungen  sind;  so  sind  Sauerstoff  und  Wasserstoff  aus  dem  Wasser  primäi 
Produkte;  und  ebenso  Säure  und  Alkali  (obwohl  sie  zusammengesetzt  sin 
aus  schwefelsaurem  Natron.  Wenn  aber  die  durch  den  Strom  getrennte 
Stoffe  an  den  Elektroden  verändert  werden,  bevor  sie  erscheinen,  so  lasse 
sie  seeundäre  Produkte  entstehen,  wenn  auch  zuweilen  die  entbundene 
Stoffe  elementar  sind. 

„744)  Diese  secundären  Produkte  entstehen  auf  zwei  Wegen,  indem  si 
zuweilen  sich  aus  dem  entwickelten  Stoffe  und  dem  Material  der  Elektrod 
bilden,  zuweilen  durch  ihre  Wirkung  auf  die  in  dem  zersetzten  Leiter  en 
haltenen  Stoffe.  So  erscheint,  wenn  Kohle  als  positive  Elektrode  in  ve 
dünnter  Schwefelsäure  verwendet  wird,  an  Stelle  des  Sauerstoffes  Kohlenoxy 
und  Kohlendioxyd,  denn  der  Sauerstoff  wirkt  auf  die  Substanz  der  Elektroc 
und  bringt  diese  secundären  Produkte  hervor.  Oder  wenn  die  positfl 
Elektrode  in  einer  Lösung  von  Bleiacetat  oder  Bleinitrat  aus  Platin  besteh 
so  erscheint  Bleisuperoxyd,  welches  wie  früher  ein  seeundäres  Produkt  fc 
nur  dass  es  hier  durch  die  Wirkung  des  Sauerstoffes  auf  die  Substanz 
der  Lösung  entsteht.  Wenn  weiter  Ammoniak  zwischen  Platinelektrod« 
zersetzt  wird,  so  erscheint  Stickstoff  an  der  Anode;  obwohl  er  ein  eleme 
tarer  Stoff  ist,  ist  er  in  diesem  Falle  ein  seeundäres  Produkt,  denn  er  stami 
von  der  Wirkung  des  dort  elektrisch  entwickelten  Sauerstoffes  auf  d 
Ammoniak  in  der  umgebenden  Lösung.  In  gleicher  Weise  sind  die  bei  d 
Zersetzung  metallischer  Salze  an  der  Kathode  durch  den  Strom  angesetzt 
Metalle,  obwohl  Elemente,  immer  seeundäre  Produkte,  und  keine  unmitt 
baren  Ergebnisse  der  zersetzenden  Wirkung  des  elektrischen  Stromes. . . . 

„746)  Die  Natur  der  abgeschiedenen  Stoffe  ermöglicht  oft  ein  richtig 
Urtheil  bezüglich  ihres  primären  oder  secundären  Charakters,  ist  aber  all< 


Das  Gesetz  von  Faraday.  c\  c 


t  genügend,  um  diesen  Punkt  zu  entscheiden.  So  wird  behauptet,  dass 
Stickstoff  bald  vom  positiven,  bald  vom  negativen  Pole  angezogen  werde, 
nach  den  Stoffen,  mit  denen  er  verbunden  ist,  und  wird  bei  dieser 
enheit  offenbar  als  ein  primäres  Produkt  angesehen;  ich  hoffe  jedoch 
zeigen,  dass  er,  wenn  er  an  der  positiven  Elektrode  oder  besser  an  der 
aAnode  erscheint,  ein  secundäres  Produkt  ist.  So  haben  auch  Sir  Humphry 
Dity  und  mit  ihm  die  grosse  Zahl  chemischer  Forscher  (ich  selbst  einge- 
pddossen)  das  Auftreten  von  Kupfer,  Blei,  Zinn,  Silber,  Gold  u.  s.  w.  an  der 
Kgativen  Elektrode,  wenn  deren  Lösungen  der  Wirkung  des  elektrischen 
Stromes  unterliegen,  als  Beweise  angesehen,  dass  die  Metalle  als  solche 
IB  dieser  Fläche  gezogen  werden;  sie  haben  daher  angenommen,  dass  in 
den  Fällen  die  Metalle  die  primären  Produkte  sind.  Ich  hoffe  indessen 
Mchzuweisen,  dass  diese  alle  secundäre  Produkte  sind:  die  Resultate  blosser 
diemischer  Wirkung,  und  keine  Beweise  der  angenommenen  Anziehung  und 
te  entsprechenden  Gesetzes. x 

„747)  Nehmen  wir  aber  das  Gesetz  von  der  constanten  elektro- 
Aemischen  Wirkung  zu  Hülfe,  welches  in  Bezug  auf  Wasser  bereits  bewiesen 
»Orden  ist  (732),  und  welches  ich  in  Bezug  auf  alle  anderen  Stoffe  befriedigend 
sszudehnen  hoffe  (821),  und  betrachten  sowohl  die  Menge  der  Elektricität 
ie  die  der  in  Freiheit  gesetzten  Stoffe,  so  kann  allgemein  ein  sicheres  Urtheil 
ber  den  primären  oder  secundären  Charakter  der  Produkte  gefällt  werden: 
td  dieser  wichtige  Punkt,  welcher  so  wesentlich  für  die  Theorie  der  elek- 
schen  Zerlegung  ist,  da  er  entscheidet,  welche  Stoffe  unmittelbar  der 
irkung  des  elektrischen  Stromes  unterliegen  (und  sie  so  von  denen  unter- 
heiden,  welche  nicht  beeinflusst  werden),  und  welche  Produkte  erwartet 
axlen  können,  kann  mit  einem  solchen  Grade  von  Gewissheit  festgestellt 
irden,  dass  er  unzählige  Zweideutigkeiten  und  zweifelhafte  Annahmen  aus 
esem  Gebiete  der  Wissenschaft  zu  beseitigen  vermag. 

„748)  Wir  wollen  diese  Principien  auf  den  Fall  des  Ammoniaks  und 
e  angenommene  Überführung  des  Stickstoffes  an  die  eine  oder  andere 
ektrode  anwenden.  Eine  reine,  starke  Lösung  von  Ammoniak  ist  ein  so 
hlechter  Leiter,  wie  reines  Wasser,  und  daher  ebenso  wenig  zu  elektrischer 
Tlegung  geeignet.  Wenn  aber  Ammoniumsulfat  darin  aufgelöst  wird,  so 
rd  das  Ganze  ein  Leiter;  Stickstoff,  welcher  fast,  und  gelegentlich  ganz 
in  ist,  erscheint  an  der  Anode,  und  Wasserstoff  an  der  Kathode;  das 
?rhältniss  des  ersteren  zu  dem  letzteren  ist  verschieden  und  wechselt 
rischen  1  zu  3  oder  4.  Dieses  Ergebniss  scheint  zunächst  dahin  zu  führen, 
ss  der  Strom  Ammoniak  zersetzt  hat,  und  dass  der  Stickstoff  zu  der 
«itiven  Elektrode  geführt  worden  ist.   Wurde  aber  die  benutzte  Elektricität 

1  „Eis  ist  bemerkenswert!! ,  dass  bis  1804  die  allgemeine  Meinung  war,  dass  die  Metalle 
rch  den  nascirenden  Wasserstoff  reducirt  würden.  Zu  jener  Zeit  wurde  die  allgemeine 
inung  durch  HiSiNGER  und  Berzelius  umgekehrt,  welche  behaupteten,  dass  die  Metalle 
nittelbar  durch  die  Elektricität  abgeschieden  würden;  mit  welcher  Meinung,  wie  es  scheint, 
:  der  Zeit  Davy  einverstanden  war." 

33* 


c  1 6  Dreizehntes  Kapitel. 


durch  das  VoLTA-Elektrometer  gemessen,  so  ergab  sich,  dass  der  erhalt 
Wasserstoff  genau  in  der  Menge  vorhanden  war,  wie  er  durch  die  Zersetz 
des  Wassers  geliefert  worden  wäre,  während  der  Stickstoff  überhaupt  kein" 
constantes  Verhältniss  zeigte.  Als  bei  abgeänderten  Versuchen  gerundet 
wurde,  dass  bei  Anwendung  einer  stärkeren  oder  schwächeren  Lösung 
oder  einer  mehr  oder  weniger  kräftigen  Batterie  das  an  der  Anode 
wickelte  Gas  ein  Gemisch  von  Sauerstoff  und  Stickstoff,  sowohl  nach  V 
hältniss  wie  Menge  veränderlich  war,  so  konnte  kein  Zweifel  besteh 
bleiben,  dass  der  Stickstoff  an  der  Anode  ein  secundäres  Produkt 
welches  von  der  chemischen  Wirkung  des  durch  den  elektrischen  Strom 
der  Fläche  entwickelten  Sauerstoffes  auf  das  gelöste  Ammoniak  herrüh 
Es  war  daher  das  Wasser,  welches  elektrolysirt  wurde,  und  nicht 
Ammoniak.  Somit  giebt  der  Versuch  keinen  wirklichen  Nachweis  von 
Tendenz  des  Elementes  Stickstoff  zu  der  einen  oder  der  anderen  Elektn 
auch  weiss  ich  keinen  Versuch  mit  Salpetersäure,  oder  mit  anderen  Sti 
Stoffverbindungen,  welcher  eine  Tendenz  dieses  Elementes  zeigte,  unter  d 
Einflüsse  des  elektrischen  Stromes  in  der  einen  oder  anderen  Richtung 
Laufes  zu  wandern. 

„749)  Als  ein  anderes  Beispiel  secundärer  Vorgänge  kann  die  Wirku 
auf  eine  Lösung  von  essigsaurem  Kali  angeführt  werden.  Wurde  eine 
starke  Lösung  angewendet,  so  entwickelte  sich  an  der  Anode  mehr 
als  an  der  Kathode,  nahezu  im  Verhältniss  4  zu  3;  das  an  der  Anode 
ein  Gemisch  von  Kohlensäure  und  Kohlenoxyd,  das  an  der  Kathode 
Wasserstoff.  Wurde  eine  viel  schwächere  Lösung  benutzt,  so  erschi 
weniger  Gas  an  der  Anode  als  an  der  Kathode,  und  es  enthielt  nun  KohleiK 
Wasserstoff  neben  Kohlenoxyd  und  der  Kohlensäure.  Dieses  Erscheinen  vor 
Kohlenwasserstoff  an  der  Kathode  hat,  wenn  man  es  als  eine  unmittelbare 
Folge  von  der  zersetzenden  Wirkung  des  Stromes  betrachtet,  ein  sehr  unge- 
wöhnliches Ansehen.     Indessen  ist  er,  ebenso  wie  das  Kohlenoxyd  und  die! 

■1 

Kohlensäure  nur  ein  secundäres  Produkt;  denn  nur  das  Wasser  erleidet! 
elektrische  Zerlegung,  und  es  ist  der  an  der  Anode  entwickelte  Sauerste^ 
welcher  auf  die  Essigsäure  wirkt,  in  deren  Mitte  er  entsteht,  und  die  Stofle 
hervorbringt,  welche  schliesslich  daselbst  auftreten.  Dies  wird  vollständig 
durch  Versuche  mit  dem  VoLTA-Elektrometer  bewiesen;  denn  dann  wird 
der  Wasserstoff,  welcher  sich  an  der  Kathode  entwickelt,  immer  in  bestimmter 
Menge,  genau  proportional  der  durchgegangenen  Elektricitätsmenge,  und  ifl 
gleicher  Menge,  wie  der  in  dem  Volta- Elektrometer  selbst  entwickelte 
WTasserstoff,  gefunden.  Das  Erscheinen  von  Kohlenstoff  mit  Wasserstoff  ver- 
bunden an  der  positiven  und  sein  Nichterscheinen  an  der  negativen  Elek- 
trode steht  in  sonderbarem  Gegensatze  zu  den  Ergebnissen,  welche  man  auf 
Grund  des  allgemein  angenommenen  Gesetzes  über  die  endgültige  Stellung 
der  Elemente  hätte  erwarten  sollen." 

An  diese  Darlegungen  schliesst  Faraday  die  Schilderung  einer  grossen 
Zahl  weiterer  Versuche,  welche  ihn  zu  der  Überzeugung  brachten,  dass  die 


Das  Gesetz  von  Faraday.  t\j 


cundären  Vorgänge  bei  weitem  die  vorwiegendsten  sind,  und  primäre  nur 
rhältnissmässig  selten  auftreten. 

Die  hier  von  dem  grossen  Forscher  vertretenen  Ansichten  haben  sich 
Laufe  der  Zeit  nicht  als  haltbar  erwiesen.  Insbesondere  seine  Vorstellung, 
ss  die  bei  der  Elektrolyse  ausgeschiedenen  regulinischen  Metalle  secundäre 
odukte  seien,  ist  später  vollständig  aufgegeben  worden,  und  hat  der 
agekehrten  Ansicht  Platz  gemacht,  dass  die  Metalle  primär,  und  der  bei 
t  Elektrolyse  der  Salze  der  Leichtmetalle  auftretende  Wasserstoff  secundär, 
irch  die  Einwirkung  des  zuerst  entstandenen  Metalles  auf  das  Lösungs- 
isser  gebildet  seien.  Endlich  ist  in  jüngster  Zeit  auch  diese  Wendung  in 
age  gestellt  worden,  indem  der  Unterschied  zwischen  primärer  und  secun- 
irer  Elektrolyse  gar  nicht  in  dem  von  Faraday  gegebenen  Sinne  aus- 
sprachen werden  darf.  Denn  dieser  unterscheidet  zwischen  den  durch 
m  Strom  zerlegten  Stoffen,  und  denen,  welche  an  den  Elektroden  aus- 
schieden werden.  Nun  wissen  wir  aber  gegenwärtig,  dass  der  Strom  die 
boffe  überhaupt  nicht  zerlegt,  sondern  dass  diese  in  der  Lösung  sich  bereits 
i  Zustande  der  elektrolytischen  Dissociation  befinden.  Die  Unterscheidung 
lüsste  dann  in  dem  Sinne  gefasst  werden,  dass  man  die  Ionen,  welche  die 
•eitung  besorgen,  mit  denen,  welche  an  den  Elektroden  in  den  unelek- 
rischen  Zustand  gebracht  werden,  vergleicht,  und  von  primärer  Zer- 
etzung  spricht,  wenn  diese  beiden  gleich  sind,  sowie  von  secundärer,  wenn 
ie  verschieden  sind;  wie  es  sich  aber  in  der  Folge  zeigen  wird,  ist  dieser 
Jnterschied  von  geringem  Belang.  Auch  das  von  Faraday  benutzte  Kri- 
erium,  dass  die  Produkte  der  secundären  Zersetzung  nicht  seinem  Gesetz 
altsprechen,  sondern  wechselnd  der  Menge  und  Substanz  nach  sind,  kann 
lur  so  lange  als  zutreffend  erachtet  werden,  als  man  den  in  der  Lösung 
mthaltenen  Stoß  als  einheitlich  ansieht;  ist  aber  erst  die  Erkenntniss  ge- 
wonnen, dass  dies  im  Allgemeinen  keineswegs  der  Fall  ist,  sondern  gerade 
He  elektrolytischen  Lösungen  dissociirt  sind,  so  muss  man  auch  die  Mög- 
lichkeit zugeben,  dass  die  primären  Produkte  verschieden,  mit  der  Strom- 
fichte, der  Concentration  und  anderen  Umständen  wechselnde,  sein  können. 
Ohnedies  muss  wegen  des  Äquivalenzgesetzes  für  die  als  secundär  ange- 
sehenen rein  chemischen  Reaktionen  das  FARADAY'sche  Gesetz  in  der  Gestalt 
gleichfalls  gültig  sein,  dass  die  Gesammtmenge  der  ausgeschiedenen  Sub- 
stanzen, jede  mit  ihrem  Äquivalent  berechnet,  der  durchgegangenen  Elek- 
tricitätsmenge  proportional  ist.  An  späterer  Stelle  (S.  531  und  532)  spricht 
übrigens  auch  Faraday  diese  ihm  ursprünglich  entgangene  Erkenntniss  aus. 
Die  Quelle  für  die  hier  vorhandenen  Unzulänglichkeiten  in  Faraday's 
Auffassung  der  elektrolytischen  Vorgänge  liegt  nur  zum  Theil  in  den  eben 
erörterten  Verhältnissen,  deren  Aufklärung  erst  eine  viel  spätere  Zeit  hat 
bringen  können.  Eine  andere  Quelle  von  Missverständnissen  war  in  seinen 
Ansichten  über  die  in  den  Salzen  anzunehmenden  Ionen  gegeben.  Wir 
werden  alsbald  sehen,  dass  der  Schöpfer  dieses  Begriffes  zum  Theil  ganz  andere 
Stoffe  mit  diesem  Namen  bezeichnet  hat,  als  wir  es  gegenwärtig  thun.  In  Über- 


c  1 8  Dreizehntes  Kapitel. 


einstimmung  mit  den  zu  seiner  Zeit  gültigen  Anschauungen  hielt  er  Saun 
anhydrid  und  Metalloxyd  für  die  Bestandtheile  der  Salze,  und  daher  fli 
deren  Ionen,  während  gegenwärtig  Säurerest  resp.  Halogen  und  Metall  al 
die  Ionen  der  Salze  angesehen  werden  müssen.  Der  Einfluss  von  Berzewjj 
welchen  er  für  die  als  falsch  angesehene  Auffassung  der  Metalle  als  de 
primären  Produkte  bei  der  Elektrolyse  verantwortlich  macht  (S.  515,  Anm. 
wirkt  hier  in  unbewusster  Weise  dahin,  dass  Faraday  seinerseits  zu  thad 
sächlich  unrichtigen  Ansichten  veranlasst  wird. 

5.  Des  elektrolytischen  Gesetzes  zweiter  Theil.  Die  unter  dei 
Namen  des  FARADAY^schen  Gesetzes  begriffene  Beziehung  ist  zweifacher  All 
indem  sie  einerseits  einen  Zusammenhang  zwischen  der  Elektricitätsmeng 
und  der  Stoffmenge  bei  einem  und  demselben  Elektrolyt  zum  Ausdrud 
bringt,  andererseits  für  die  derselben  Elektricitätsmenge  entsprechenden  Stol 
mengen  bei  verschiedenen  Elektrolyten  das  Gesetz  giebt  Die  vorstehende 
Untersuchungen  bezogen  sich  auf  den  ersten  Theil;  die  Arbeiten,  weldn 
die  andere  Beziehung  begründen,  und  welche  Faraday  unmittelbar  an  dh 
eben  mitgetheilten  Untersuchungen  angeschlossen  hat,  sind  folgende. 

Über   die   Bestimmtheit   und   den   Bereich    der   elektrochemische: 

Zersetzung. 

„783)  In  der  dritten  Reihe  dieser  Untersuchungen  (S.  496)  habe  ich,  nad 
dem  ich  die  Einerleiheit  der  aus  verschiedenen  Quellen  herstammenden  Elefc 
tricität  bewiesen,  und  durch  Messungen  die  ausserordentliche  Menge  der  i 
einem  sehr  schwachen  VoLTA^schen  Apparat  (371.  376)  entwickelten  Elefc 
tricität  dargethan,  ein  aus  Versuchen  hergeleitetes  Gesetz  aufgestellt,  welche! 
mir  für  die  Elektricitätslehre  überhaupt,  und  für  den  Elektrochemie  genanntes 
Zweig  derselben  insbesondere,  von  der  äussersten  Wichtigkeit  zu  sein  schieß. 
Dies  Gesetz  drückte  ich  so  aus:  Die  chemische  Kraft  eines  elektrischei 
Stromes  ist  direct  proportional  der  absoluten  Menge  von  durch- 
gegangener Elektricität  (377). 

„784)  Im  weiteren  Verfolg  der  Untersuchungen  habe  ich  oft  Gelegenheit 
gehabt  mich  auf  dasselbe  Gesetz  zu  beziehen,  zuweilen  unter  Umständen, 
welche  kräftige  Bestätigungen  seiner  Wahrheit  lieferten  (456.  504.  505),  und 
auch  die  gegenwärtige  Reihe  liefert  viele  neue  Fälle,  in  welchen  es  sich  als 
gültig  erweist  (704.  722.  726.  732).  Jetzt  ist  meine  Absicht,  diesen  wichtigen 
Satz  näher  zu  betrachten  und  einige  der  Folgerungen,  zu  welchen  er  fuhrt; 
ausführlich  zu  entwickeln.  Damit  der  Beweis  deutlicher  und  anwendbare! 
werde,  will  ich  Fälle  von  Zersetzungen  anführen,  welche  möglichst  wenig  » 
seeundären  Resultaten  Anlass  geben,  und  bei  Körpern  von  grosser  Einfach 
heit  aber  vieler  Bestimmtheit  in  ihrer  Natur  stattfinden. 

„785)  Zuvörderst  betrachte  ich  das  Gesetz  als  so  völlig  erwiesen  fu 
die  Zusammensetzung  des  Wassers,  und  unter  Umständen,  die  mögliche 


Das  Gesetz  von  Faraday. 


519 


r    • 


einen  Einfluss  auf  dasselbe  hätten  ausüben  können,  dass  ich  es  für 
halte,  hier  noch  dieserhalb  in  ein  weiteres  Detail  einzugehen  oder 
tr  die  Resultate  aufzuzählen  (732).  Ich  verweise  deshalb  auf  diejenige 
btheilung  dieser  Untersuchungen,  welche  von  dem  VoLTA-Elektrometer 
tadelt  (S.  507  u.  ff.). 

„786)  Dann  betrachte  ich  das  Gesetz  auch  als  erwiesen  für  die  Salz- 
uire,  und  zwar  durch  die  Versuche  und  Gründe,  welche  ich  bei  dieser 
obstanz  in  dem  Abschnitt  von  den  primären  und  secundären  Resultaten 
igefährt  habe. 

„787)  Ferner  betrachte  ich  das  Gesetz  auch  als  erwiesen  für  die  Jod- 
rasserstoffsäure,  gemäss  den  bereits  in  einer  früheren  Reihe  dieser  Unter- 
■chung  mitgetheilten  Versuchen  und  Betrachtungen. 

,,788)  Ohne  gerade  mit  derselben  Zuversicht  sprechen  zu  wollen,  glaube 
di  doch   aus   den  beschriebenen   und  vielen  anderen    nicht  beschriebenen 


Fig.  129. 


Fig.   130. 
Nach  Faraday. 


ersuchen  mit  der  Fluorwasserstoff-,  Cyanwasserstoff-,  Eisencyanwasserstoff- 
nd  Schwefelcyanwasserstoffsäure,  und  aus  der  grossen  Analogie  dieser  Körper 
lit  den  Wasserstoffsäuren  des  Chlors,  Jods,  Broms  u.  s.  w.  schliessen  zu 
irfen,  dass  auch  diese  Substanzen  unter  das  nämliche  Gesetz  gehören  und 
e  Richtigkeit  desselben  beweisen. 

„789)  In  den  vorhergehenden  Fällen,  mit  Ausnahme  des  ersten,  ist  das 
fasser  als  unwirksam  angesehen;  um  aber  jeden  Zweifel,  der  aus  der  Gegen- 
art desselben  entspringen  könnte,  zu  vermeiden,  suchte  ich  Substanzen 
if,  die  ganz  frei  von  demselben  seien.  Mit  Zuhilfeziehung  des  bereits  ent- 
ickelten  Gesetzes  der  Leitung  (S.  500)  fand  ich  auch  bald  viele,  unter 
men  das  Zinnchlorür  zuerst  und  auf  folgende  Weise  der  Zersetzung 
iterworfen  wurde.  Ein  Platindraht,  der  an  einem  Ende  zu  einem  Knöpfchen 
ifgerollt  und  sorgfältig  gewogen  worden  war,  wurde  in  eine  Röhre  von 
aschenglas  hermetisch  eingeschmolzen,  so  dass  der  Knopf  sich  am  Boden 
r  Röhre  befand  (Fig.  129);    dann  wurde  die  Röhre  an  einen  Platindraht 


C20  Dreizehntes  Kapitel. 

aufgehängt,  damit  sie  durch  eine  Weingeistflamme  erhitzt  werden  kon 
Nun  brachte  ich  frisch  geschmolzenes  Zinnchlorür  hinein,  in  solcher  Mei 
dass  es,  wenn  es  floss,  die  Röhre  zur  Hälfte  füllte.  Den  Draht  der  Rc 
verband  ich  mit  einem  VoLTA-Elektrometer,  das  seinerseits  mit  dem  nc 
tiven  Ende  einer  VoLTA'schen  Batterie  in  Verbindung  stand;  und  ei 
Platindraht,  der  am  positiven  Ende  derselben  Batterie  befestigt  war,  taue 
ich  in  das  geschmolzene  Chlorür  der  Röhre;  er  war  so  gebogen,  dass 
bei  etwaigem  Zittern  der  Hand  oder  des  Apparates  nicht  die  nega 
Elektrode  am  Boden  des  Gefässes  berühren  konnte.  Die  ganze  Vorricht 
ist  in  Fig.  130  (S.  519)  abgebildet. 

„790)    Unter  diesen  Umständen  wurde  das  Zinnchlorür   zersetzt 
an   der   positiven  Elektrode   entwickelte  Chlor   bildete  Zinnchlorid,    welc 
in  Dämpfen  davon  ging,  und  das  an  der  negativen  Elektrode  ausgeschied 
Zinn  verband  sich  mit  dem  Platin,   eine  Legirung  bildend,   welche  bei 
Temperatur,  der  die  Röhre  ausgesetzt  ward,  schmolz,   und  deshalb  nien 
eine    metallische    Verbindung    ganz    durch    das    zersetzt   werdende    Chic 
bildete.   Nachdem  der  Versuch  so  lange  fortgesetzt  worden,  dass  er  in  d 
VoLTA-Elektrometer   eine    gehörige    Menge  Gas    gegeben    hatte,    wurde 
Batterie  geöffnet,    die  positive  Elektrode   entfernt,    und  die  Röhre  mit  d 
übrig  gebliebenen  Chlorür  erkalten  gelassen.     Als  sie  kalt  war,   wurde 
Röhre  zerbrochen,  wo  sich  dann  das  Chlorür  und  das  Glas  leicht  von  d 
Platindraht   und   dessen    Knopf  von  Legirung   ablösen   Hess.     Der   letzt« 
nach  dem  Abwaschen  gewogen,  gab  durch  seine  Gewichtszunahme  die  Mei 
des  reducirten  Zinns. 

„791)  Zur  Erläuterung  der  Anstellungsweise  dieses  und  afnderer  V 
suche,  deren  Resultate  ich  anzuführen  Gelegenheit  nehmen  werde,  will 
die  Einzelheiten  eines  solchen  Versuches  angeben.  Die  negative  Elektrc 
wog  anfangs  20  Gran;  nach  dem  Versuch  wog  sie  mit  ihrem  Knopf  \ 
Legirung  23,2  Gran.  Das  durch  den  elektrischen  Strom  an  der  Katho 
entwickelte  Zinn  wog  demnach  3,2  Gran.  Die  Menge  des  in  dem  Vol 
Elektrometer  gesammelten  Sauerstoffes  und  Wasserstoffes  war  3,85  Kut 
zoll.  Da  100  Kubikzoll  Wasserstoff  und  Sauerstoff  in  dem  zur  Wasserbildi 
erforderlichen  Verhältniss  etwa  12,92  Gran  wiegen,  so  würden  die  3,85  Kut 
zoll  0,49742  Gran  wiegen,  und  dies  wäre  demnach  das  Gewicht  des  Wass 
welches  derselbe  elektrische  Strom  zersetzte,  der  im  Stande  war  so  viel  Zi 
chlorür,  als  3,2  Gran  metallischen  Zinns  liefert,  zu  zersetzen.  Nun 
0,49742:3,2=9  (das  Äquivalent  des  Wassers):  57,9,  welch  letztere  2 
demnach  das  Gewicht  des  Zinns  sein  würde,  wenn  der  Versuch  fehlet 
angestellt,  und  die  elektrochemische  Zersetzung  in  diesem  Fall  auch 
stimmt  wäre.  In  einigen  chemischen  Werken  wird  das  Äquivalent  zu 
angegeben,  in  anderen  zu  57,9.  Beide  kommen  dem  obigen  Resultat 
nahe,  und  der  Versuch  selbst  ist  so  geringen  Ursachen  zur  Veränder 
unterworfen  (wie  z.  B.  die  aus  der  Absorption  des  Gases  im  VoLTA-Elek 
mejter  u,  s.  w.),    dass   die   Zahlen   wenig   Zweifel    übrig   lassen    hinsieht 


Das  Gesetz  von  Faraday.  j  2  I 


Anwendbarkeit  des  Gesetzes  der  festen  Aktion  in  diesen  und  allen 
fihnlichen  Fällen  von  elektrochemischer  Zersetzung. 

„792)  Nicht  oft  habe  ich  in  den  Zahlen  eine  solche  Übereinstimmung 

Iten  wie  in  dem  eben  angeführten  Fall.   Bei  vier  Versuchen  schwankten 

föeim  VoLTA-Elektrometer  entwickelten  Gasmengen  von  2,95  bis  10,29  Kubik- 

\wdL    Das  Mittel  aus  diesen  vier  Versuchen  gab  58,53   für  das  elektroche- 

vosche  Äquivalent  des  Zinns. 

„793)    Das  nach  dem  Versuche  übrig  gebliebene  Chlorzinn  war  reines 
Chlorür,  und  Keiner  wird  nur  einen  "Augenblick  zweifeln,  dass  an  der  Anode 
[das  Äquivalent  Chlor  entbunden  ward,  da  sich  als  secundäres  Resultat  Zinn- 
[ddorid  bildete  und  davon  ging. 

,794)  Auf  eine  ähnliche  Weise  wurde  mit  Bleichlorid  experimentirt, 
jinsser  dass  die  positive  Elektrode  von  anderer  Substanz  genommen  wurde. 
jDenn  da   das  an  der  Anode  entbundene  Chlor   kein   höheres   Bleichlorid 
[lüdet,  sondern  auf  das  Platin  wirkt,  so  würde  es,  falls  man  Platin  anwendete, 
eine  Lösung  von  dem  Chloride  dieses  Metalles  in  dem  Bleichlorid  erzeugen, 
;«d  dem  gemäss  eine  Portion  Platin  zu  der  Kathode  überfuhren,  wodurch 
4s  Resultat  fehlerhaft  werden  würde.     Ich  suchte  deshalb  nach,    und  fand 
■  dem  Graphit  eine  Substanz,   die  mit  Sicherheit  als  positive  Elektrode  in 
riehen  Körpern,  wie   Chloride,   Jodide  u.  s.  w.,   angewandt   werden   kann. 
Qüor  und  Jod  wirken  nicht  auf  den  Graphit,   sondern  werden  isolirt  ent- 
wickelt.    Unter  jenen  Umständen   hat  auch  der  Graphit  keine  Wirkung  auf 
ftschmolzenes  Chlorid  oder  Jodid,   in  das  er  getaucht  wird.     Selbst  wenn 
durch  die  Hitze  oder  die  mechanische  Wirkung  des  entwickelten  Gases  einige 
Flitterchen  Graphit  abgelöst  werden  sollen,   können  sie  dem  Chlorid  nicht 
schaden. 

»795;  Das  Mittel  aus  drei  Versuchen  gab  die  Zahl  100,85  als  das 
Äquivalent  des  Bleis.  Das  chemische  Äquivalent  ist  103,5.  Den  Fehler 
meines  Versuches  schreibe  ich  der  theilweisen  Lösung  des  Gases  in  dem 
VoLTA-Elektrometer  zu:  allein  die  Resultate  lassen  für  mich  keinen  Zweifel 
übrig,  dass  Blei  und  Chlor  in  diesem  Falle  durch  die  Wirkung  einer 
gegebenen  Menge  Elektricität  in  fest  bestimmter  Menge  entwickelt 
worden  sind. ... 

»797;  fch  bemühte  mich  mit  Bleioxyd  zu  experimentiren,  welches 
durch  Schmelzen  und  Glühen  des  salpetersauren  Salzes  in  einem  Platintiegel 
erhalten  worden  war,  stiess  aber  dabei  auf  grosse  Schwierigkeiten,  wegen 
der  zur  vollkommenen  Schmelzung  erforderlichen  Temperatur,  und  wegen 
der  grossen  Lösekraft  dieses  Oxyds.  Röhren  von  grünem  Glase  zeigten 
sich  wiederholentlich  als  untauglich.  Zuletzt  schmolz  ich  das  Oxyd  in  einem 
kleinen  Porzellantiegel,  der  im  Kohlenfeuer  stark  erhitzt  wurde;  und  da 
es  wesentlich  war,  dass  das  Blei  an  der  Kathode  unterhalb  der  Oberfläche 
ausgeschieden  wurde,  ward  die  negative  Elektrode,  bekleidet  mit  einer  Röhre 
von  grünem  Glase,  so  an  dieselbe  angeschmolzen,  dass  nur  der  Knopf  des 


522 


Dreizehntes  Kapitel. 


Platins  am  unteren  Ende  (Fig.  131;  entblösst  blieb,   damit  dieser  unter  die 
Oberfläche    gebracht,    und    dadurch   alle   Luft   oder   deren    Sauerstoff  voaj 
dem  daselbst  reducirten  Blei  ausgeschlossen   werden   konnte.     Als   positive 
Elektrode  wurde  ein  Platindraht  angewandt,   da   derselbe  von  dem  an  ihm 
entwickelten  Sauerstoff  nicht  angegriffen  werden  konnte.     Die   ganze  Voiw 
richtung  zeigt  Fig.  132. 

„798)    Bei   solch   einem   Versuche   fand   sich   das   Äquivalent   für  dsm 
Blei  =  93,17.     Dies  war  sehr  viel  zu  klein,   vermuthlich,   weil  die  positr 
und  die  negative  Elektrode  einander  in»  dem  Bleioxyde  zu    nahe   stan 
wodurch  der  von  dem  Sauerstoff  an  der  Anode  gebildete  Schaum  hin 
wieder   leicht   das    an    der  Kathode   reducirte   Blei    berühren    und   wi 
oxydiren  konnte.     Als  ich  mich  bemühte,  diese  Fehlerquelle  durch  An 
düng  einer  grösseren  Menge  Bleioxyd  zu  beseitigen,  so  veranlasste  die 
Hitze,   die  nöthig  war,    um  dieselbe  in  Fluss  zu  erhalten,    eine  schnei 


/ 


k 


Fig.   131. 


Fifc.   132. 


Nach  Faraday. 


ä 


\ 


■  1 


Wirkung  auf  den  Tiegel;    derselbe  wurde  bald   durchgefressen    und  damit 
der  Versuch  unterbrochen. 

„799)  Bei  einem  Versuche  dieser  Art  gebrauchte  ich  borsaures  Bio. 
Unter  dem  Einfluss  des  elektrischen  Stromes  wurde  dabei  an  der  Anode 
Blei  und  an  der  Kathode  Sauerstoff  abgeschieden;  und  da  die  Borsäure 
bei  der  Operation  weder  direct  (408)  noch  secundär  zersetzt  wird,  ver- 
muthete  ich,  dass  das  Resultat  von  dem  Bleioxyd  herrührte.  Das  bor- 
saure Bleioxd  ist  kein  so  heftiges  Flussmittel  als  das  Bleioxyd;  allein  es 
erfordert  zu  seiner  vollen  Schmelzung  eine  höhere  Temperatur;  und  wenn 
es  nicht  sehr  heiss  ist,  bleiben  die  Sauerstoffblasen  an  der  positiven  Elek- 
trode hängen,  und  verzögern  den  Durchgang  der  Elektricität.  Das  Äqui- 
valent für  das  Blei  ergab  sich  zu  101,29,  so  nahe  an  103,5,  dass  die  Wir- 
kung des  Stromes  offenbar  eine  bestimmte  war. 

„800)  Wismuthoxyd.  —  Diese  Substanz  erforderte,  fand  ich,  eine  zu 
hohe  Temperatur,  und  wirkte  zu  kräftig  als  Flussmittel,  als  dass  ich  mit 
demselben  bei  der  geringen  Müsse  und  Sorgfalt,  die  darauf  verwendet  werden 
konnte,  einen  Versuch  hätte  anstellen  können. 


Das  Gesetz  von  Faraday.  523 


„801)  Nun  wurde  das  gewöhnliche  Antimonoxyd,  bestehend  aus  einem 
erbindungsgewicht  Metall  und  anderthalb  Verbindungsgewichten  Sauerstoff 
em  elektrischen  Strome  unterworfen,  in  einer  grünen  Glasröhre  (789),  die 
1  Platinblech  eingehüllt  und  im  Kohlenfeuer  erhitzt  worden.  Die  Zersetzung 
legann,  und  ging  anfanglich  ganz  gut,  scheinbar  in  Übereinstimmung  mit  dem 
iDgemeinen  Gesetze  (S.  500)  zeigend,,  dass  dieses  Oxyd  eine  Verbindung 
non  solchen  Elementen  und  in  solchem  Verhältnisse  sei,  die  unter  die 
fcrrschaft  des  elektrischen  Stromes  gebracht  werden  könne.  Dieser  Erfolg 
ann,  wie  ich  bereits  wahrscheinlich  zu  machen  suchte,  herrühren  von 
er  Anwesenheit  des  wahren  Oxyds,  bestehend  aus  gleich  vielen  Ver- 
indungsgewichten  seiner  Bestandteile.  Die  Wirkung  verminderte  sich 
ber  bald  und  hörte  endlich  ganz  auf,  weil  sich  an  der  positiven  Elek- 
ode  ein  höheres  Antimonoxyd  bildete.  Diese  Verbindung,  wahrscheinlich 
ütimonperoxyd,  war  unschmelzbar  und  in  Antimonoxyd  unlöslich;  sie 
Ödete  deshalb  eine  krystallinische  Kruste  um  die  positive  Elektrode,  isolirte 
leselbe  und  verwehrte  dadurch  der  Elektricität  den  Durchgang.  Ob  sie, 
enn  sie  schmelzbar  und  löslich  gewesen  wäre,  zersetzt  worden  sein 
iirde,  ist  zweifelhaft,  da  sie  von  der  erforderlichen  Zusammensetzung 
bweicht  Sie  war  ein  sehr  natürliches  secundäres  Produkt  an  der  posi- 
ven  Elektrode.  Beim  Öffnen  der  Röhre  ergab  sich,  dass  an  der  negativen 
ilektrode  ein  wenig  Antimon  abgeschieden  worden  war,  allein  in  zu  kleiner 
fenge,  als  dass  ein  quantitatives  Resultat  hätte  damit  erlangt  werden 
önnen. 

„802)  Bleijodid.  —  Mit  dieser  Substanz  kann  man  in  Röhren  über 
iner  Weingeistflamme  experimentiren  (789);  allein  ich  erhielt  keine  guten 
Resultate  mit  ihr,  ich  mochte  positive  Elektrode  von  Platin  oder  Graphit 
Jiwenden.  Bei  zwei  Versuchen  ergaben  sich  mir  für  das  Blei -Äquivalent 
lie  Zahlen  75,46  und  73,45  statt  103,5.  Dies  leitete  ich  davon  ab,  dass 
ich  an  der  positiven  Elektrode  HyperJodid  bildete,  sich  in  dem  flüssigen 
odid  löste,  dadurch  mit  dem  an  der  negativen  Elektrode  abgeschiedenen 
ilei  in  Berührung  kam,  dasselbe  auflöste  und  dadurch  seinerseits  wiederum 
mm  einfachen  Jodid  wurde.  Solch  ein  HyperJodid  giebt  es;  sehr  selten 
<ann  ein  durch  Fällung  dargestelltes  und  wohl  gewaschenes  Jodid  geschmolzen 
verden,  ohne  dass  sich  nicht,  aus  anwesendem  HyperJodid,  Jod  entwickelte. 
Selbst  durch  blosses  Zusammenreiben  von  Jodid  mit  Jod  bildet  sich  eine 
Portion  HyperJodid.  Und  wiewohl  dies  zersetzt  wird,  wenn  man  es  schmilzt 
and  einige  Minuten  lang  dunkelroth  glüht,  so  ist  damit  doch  nicht  ganz  die 
Möglichkeit  ausgeschlossen,  dass  ein  wenig  von  dem,  welches  sich  im  grossen 
L'berschuss  von  Jod  an  der  Anode  gebildet  hatte,  durch  rasche  Ströme  in 
ier  Flüssigkeit  bis  an  die  Kathode  geführt  wurde. 

„803)  Diese  Ansicht  von  den  Resultaten  wurde  durch  einen  dritten 
Versuch  verstärkt,  bei  welchem  der  Abstand  zwischen  den  Elektroden  bis 
u  einem  Drittelzoll  vergrössert  wurde.  Denn  nun  waren  die  störenden 
Wirkungen  sehr  verringert,   und  die  Zahl   für  das  Blei  ergab  sich  =  89,04. 


tj24  Dreizehntes  Kapitel. 


Völlig  bestätigt  wurde  dies  durch  die  Resultate,  welche  in  den  sogleich 
beschreibenden  Fällen  (818)  von  Überführung  erhalten  wurden. 

„Die  Versuche  mit  Bleijodid  bieten  daher  keine  Ausnahme  von  dem  U 
Rede  stehenden  allgemeinen  Gesetze  dar,   sondern  können,    nach 
meinen  Betrachtungen,  als  in  dasselbe  eingeschlossen  betrachtet  werden. 

„804)  Zinnchlorür.  —  Geschmolzen  leitet  es  den  elektrischen  S 
und  wird  von  demselben  zersetzt;    an  der  Anode  scheidet  sich  Zinn  a 
und  an  der  Kathode,  als  secundäres  Resultat,  Zinnchlorid  (779.  790). 
zu   seiner  Schmelzung  erforderliche  Temperatur   ist   zu   hoch,   als   dass 
Produkte  liefern  konnte,  die  zur  Wägung  geschickt  gewesen  wären. 

„805)  Nun  wurde  Jodkalium  in  einer  Röhre  (Fig.  129)  der  ele 
tischen  Aktion  ausgesetzt.  Die  negative  Elektrode  bestand  aus  ei» 
Bleikügelchen;  mittelst  dieses  hoffte  ich  das  Kalium  zurückzuhalten, 
Resultate  zu  bekommen,  die  gewogen  und  mit  den  Angaben  des  Volt 
Elektrometer  verglichen  werden  könnten.  Allein  die  aus  der  erforderliche^ 
hohen  Temperatur  entspringenden  Schwierigkeiten,  die  Wirkung  auf  das 
Glas,  die  durch  das  anwesende  Blei  veranlasste  Schmelzbarkeit  des  Platinr 
und  andere  Umstände  hinderten  mich  dergleichen  Resultate  zu  bekommen; 
Wie  in  den  früheren  Fällen  wurde  das  Jodid  zersetzt,  unter  AbscheiduHf 
von  Jod  an  der  Anode  und  von  Kalium  an  der  Kathode. 

„806)  Bei  einigen  dieser  Versuche  wurden  mehrere  Substanzen  hinter 
einander  angebracht  und  gleichzeitig  durch  einen  nämlichen  elektrische^ 
Strom  zersetzt.  So  Hess  ich  den  Strom  gleichzeitig  auf  Zinnchlorür,  Bio* 
chlorid  und  Wasser  einwirken.  Es  ist  überflüssig,  zu  sagen,  dass  die  Resul- 
tate vergleichbar  waren,  dass  Zinn,  Blei,  Chlor,  Sauerstoff  und  Wasserstoff 
in  fester  und  den  elektrochemischen  Äquivalenten  entsprechender  Menge 
entwickelt  wurden. 

„807)   Wenden  wir  uns  nun  zu  einer  anderen  Art  von  Erweisen  der 
festen    chemischen  Aktion    der  Elektricität.     Gäbe   es    irgend   einen 
Umstand  von  Einfluss  auf  die  Menge  der  bei  elektrolytischer  Aktion  ent- 
wickelten Substanzen,  so  sollte  man  denken,  würde  er  eintreten,  wenn  Elek- 
troden von  verschiedenen  Substanzen,  begabt  mit  sehr  ungleicher  chemischer 
Verwandtschaft   zu   den    entwickelten   Körpern,   angewandt   würden.    Platin 
hat  in  verdünnter  Schwefelsäure  kein  Vermögen,  sich  mit  dem  Sauerstoff  an 
der  Anode  zu  verbinden,   wiewohl  der  letztere  im  Entstehungszustande  an 
ihr  entwickelt  wird.     Kupfer  andererseits  verbindet  sich   sogleich  mit  dem 
Sauerstoff,  so  wie  es  mittelst  des  Wasserstoffes  durch  den  elektrischen  Strom 
in   Freiheit   gesetzt   wird.     Und  Zink   ist   nicht   allein   im    Stande   sich   mit 
Sauerstoff  zu  verbinden,    sondern  vermag  auch  denselben,   ohne  Hülfe  der 
Elektricität,    geradezu    aus   dem    Wasser    abzuscheiden    unter    gleichzeitiger 
Entwickelung  von  Wasserstoffgasblasen.   Und  doch,  als  diese  drei  Substanzen 
nach  einander  in  drei  ähnlichen  Portionen  derselben  Schwefelsäure  von  1,336 
speeifisches    Gewicht   als    Elektroden   gebraucht   wurden,    ward   durch   den 
elektrischen  Strom  genau  dieselbe  Menge  Wasser  zersetzt;  und  genau  die- 


Das  Gesetz  von  Faraday.  C2C 


»' 


Wasserstoff  an  den  Kathoden  in  den  drei  Lösungen  in  Freiheit 

,808)  Der  Versuch  ward  so  angestellt.  Portionen  von  jener  verdünnten 
wefelsäure  wurden  in  drei  Schalen  gegossen,  und  drei  Volta- Elektro- 
er  von  der  Form  Fig.  131  und  133  mit  derselben  Säure  gefüllt  und  in 
1  Schalen  umgekehrt,  in  jeder  eins.  Ein  mit  dem  positiven  Ende 
tr  VoLTA'schen  Batterie  verbundener  Zinkstreif  wurde  in  die  erste  Schale 
aucht,  hier  die  positive  Elektrode  bildend,  und  der  Wasserstoff,  der  sich 
•ch  direkte  Einwirkung  der  Saure  reichlich  an  ihr  entwickelte,  entweichen 
assen.  Ein  Kupferstreif,  welcher  in  die  Säure  der  zweiten  Schale  tauchte, 
rde  mit  der  negativen  Elektrode  der  ersten  Schale  verbunden  und  ein 
itinstreif,  welcher  in  die  Säure  der  dritten  Schale  tauchte,  wurde  verbunden 
t  der  negativen  Elektrode  der  zweiten  Schale.  Die  negative  Elektrode 
r  dritten  Schale  wurde  mit  einem  VoLTA-Elektrometer  verbunden  (711) 
d  dieses  wiederum  mit  dem  negativen  Ende  der  VoLTA'schen  Batterie. 

„809)  Gleich  nach  dem  Schlüsse  der  Kette  begann  die  elektroche- 
ische  Aktion  in  allen  Gefässen.  Der  Wasserstoff  stieg  in  anscheinend 
»verminderter  Menge  von  der  positiven  Zink-Elektrode  in  der  ersten  Schale 
iC  An  der  positiven  Kupfer -Elektrode  in  der  zweiten  Schale  entwickelte 
:h  kein  Sauerstoff,  wohl  aber  ward  hier  schwefelsaures  Kupferoxyd  gebildet. 
n  der  positiven  Platin-Elektrode  in  der  dritten  Schale  entwickelte  sich 
igegen  reines  Sauerstoffgas,  ohne  dass  sie  angegriffen  wurde.  In  allen 
chalen  aber  war  die  Menge  des  an  den  negativen  Platin-Elektroden  ent- 
ickelten  Wasserstoffes  gleich  und  ebenso  gross  als  das  im  VoLTA-Elektro- 
leter  entwickelte  Wasserstoffvolum,  dadurch  zeigend,  dass  der  Strom  in 
Ben  Gefässen  eine  gleiche  Menge  Wasser  zersetzt  hatte.  Bei  diesem  Ver- 
lieh hatte  sich  demnach  die  chemische  Aktion  der  Elektricität  als 
ollkommen  bestimmt  erwiesen. 

„810;  Ein  ähnlicher  Versuch  wurde  mit  einer  durch  ein  gleiches  Volum 
Vasser  verdünnten  Salzsäure  angestellt.  Die  drei  positiven  Elektroden  waren 
on  Zink,  Silber  und  Platin.  Das  erste  vermag  ohne  Hülfe  des  Stromes 
Hör  abzuscheiden  und  sich  mit  demselben  zu  verbinden;  das  zweite  kann 
ich  mit  dem  Chlor  nur  nach  dessen  Abscheidung  durch  den  elektrischen 
>trom  verbinden;  und  das  dritte  ist  fast  ganz  unfähig  zu  einer  Verbindung 
nit  demselben.  Die  drei  negativen  Elektroden  waren  wie  zuvor  Platinstreifen, 
»efestigt  in  Glasröhren.  Bei  diesem  Versuche,  wie  bei  dem  vorhergehenden, 
rar  die  an  den  Kathoden  entwickelte  Wasserstoffmenge  gleich  bei  allen, 
md  ebenso  gross  als  die  des  im  VoLTA-Elektrometer  entwickelten  Wasser- 
toffes.  Ich  habe  bereits  meine  Gründe  angeführt,  die  mich  glauben  lassen, 
ass  es  die  Salzsäure  sei,  welche  direkt  durch  die  Elektricität  zersetzt  wird 
'64  -f  und  die  Resultate  beweisen,  dass  die  so  zersetzten  Mengen  voll- 
ommen  bestimmt  sind  und  proportional  der  durchgegangenen  Elek- 
icitätsmenge. 

„81 1)  Bei  diesem  Versuch  verzögerte  das  in  der  zweiten  Schale  gebildete 


C2Ö  Dreizehntes  Kapitel. 


Chlorsilber  den  Durchgang  des  elektrischen  Stromes,  vermöge  des  zuui 
beschriebenen  Leitungsgesetzes  (394),  so  dass  es  während  des  Versuch 
vier  bis  fünf  Mal  abgewaschen  werden  musste.  Doch  dadurch  entstand  kd 
Unterschied  zwischen  dem  Resultate  dieses  Gefässes  und  den  der  andera 
„812)  Nun  wurde  Holzkohle  sowohl  in  Schwefel-  als  in  Salzsäure  a 
positive  Elektrode  gebraucht  (808.  810);  allein  ohne  dass  sich  dadurch  di 
Resultate  veränderten.  Eine  positive  Zink-Elektrode,  in  schwefelsaurem  Natro 
oder  einer  Lösung  von  Kochsalz  angewandt,  gab  ebenso  constante  Resultat! 
„813)  Versuche  ähnlicher  Art  wurden  nun  mit  Körpern  in  ganz  va 
schiedenem  Zustande  angestellt,  z.  B.  mit  geschmolzenen  Chloriden  un 
Jodiden.  Bereits  beschrieb  ich  einen  Versuch  mit  geschmolzenem  Chloa 
silber,  wobei  die  Elektroden  von  metallischem  Silber  waren,  die  negativ 
durch  das  sich  ansetzende  Metall  dicker  und  länger,  die  positive  ab« 
angefressen  und  aufgelöst  wurde.  Dieser  Versuch  wurde  wiederholt,  c 
dem  Ende  zwei  gewogene  Stücke  Silber  als  Elektrode  angewandt,  und  ei 
VoLTA-Elektrometer  mit  in  die  Kette  eingeschlossen.  Grosse  Sorgfalt  wurd 
darauf  verwandt,  die  negative  Elektrode  so  regelmässig  und  stetig  heran* 
zuziehen,  dass  die  Krystalle  des  reducirten  Silbers  niemals  eine  metallisch 
Communication  unter  der  Oberfläche  des  geschmolzenen  Chlorids  herstellten 
Nach  Beendigung  des  Versuches  wurde  die  positive  Elektrode  abermal 
gewogen  und  ihr  Verlust  bestimmt.  Das  von  der  negativen  Elektrode  m 
successiven  Portionen  abgenommene  Gemenge  von  Chlorsilber  und  Metall 
wurde  zur  Bestimmung  des  Chlorids  mit  Ammoniakflüssigkeit  digerirt  und 
das  zurückbleibende  metallische  Silber  gewogen.  Dies  war  das  an  der  Ka- 
thode Reducirte;  es  betrug  genau  so  viel  wie  das  an  der  Anode  Gelöste; 
und  jede  Portion  war  so  nahe  wie  möglich  gleich  dem  Äquivalent  des  im 
VoLTA-Elektrometer  zersetzten  Wassers. 

„814)  Die  Unschmelzbarkeit  des  Silbers  in  der  angewandten  Temperatur, 
sowie  die  Länge  und  Verästelung  seiner  Krystalle  machen   die   Anstellung 

des  eben  beschriebenen  Versuches  schwierig 
und  dessen  Resultate  unsicher.  Ich  arbeitete 
daher  mit  Chlorblei,  und  brauchte  dabei  eine 
grüne  Glasröhre,  gestaltet  wie  Fig.  133.  lt 
den  Boden    einer  kleinen  Röhre  wurde,  wii 

Fig.  133.    Nach  Faraday.         zuvor  beschrieben  (789),  ein  gewogener  Platin 

draht  eingeschmolzen,  dann  die  Röhre,  etw; 
einen  halben  Zoll  von  ihrem  geschlossenen  Ende  entfernt,  unter  einen 
Winkel  gebogen,  und  endlich  der  Theil  zwischen  dem  Knie  und  dem  End< 
nachdem  er  weich  gemacht  worden,  etwas  in  die  Höhe  gezogen,  um  ein 
Brücke  oder  vielmehr*  eine  Scheidewand  zu  bilden,  für  zwei  kleine  Va 
tiefungen  oder  Mulden  a,  by  in  der  Röhre,  wie  Figur  es  zeigt.  Diese  V01 
richtung  wurde,  damit  eine  Weingeistflamme  darunter  gestellt  werden  könnt« 
wie  früher,  an  einem  Platindraht  aufgehängt,  und  zwar  so  geneigt,  das 
während  der  Schmelzung  des  Bleichlorids  alle  Luft  entweichen  konnte.   Di 


Das  Gesetz  von  Faraday.  527 


■tive  Elektrode  bestand  aus  einem  Platindraht,  aufgerollt  an  einem  Ende 
feinem  Knopf,  an  den  etwa  20  Gran  metallischen  Bleis  angeschmolzen 
pren,  und  übrigens  eingeschlossen  in  eine  kleine  enge  Glasröhre,  die  später- 
k  zerbrochen  wurde.  So  vorgerichtet,  wurde  der  Draht  mit  seinem  Knopf 
pogen  und  das  Gewicht  aufgezeichnet. 

r  »815)  Jetzt  wurde  Chlorblei  in  die  Röhre  gebracht  und  sorgfältig  ge- 
1,  auch  dann  die  verbleite  Elektrode  eingeführt,  worauf  das  Metall  an 
Ende  baldig  schmolz.  In  diesem  Zustande  der  Dinge  wurde  die 
bis  c  mit  geschmolzenem  Bleichlorid  gefüllt,  das  Ende  der  in  die 
b  eingeschmolzenen  Elektrode  negativ  gemacht,  und  die  in  die  Mulde  a 
ichte  Elektrode  von  geschmolzenem  Blei,  durch  Verknüpfung  mit  dem 
iht  einer  VoLTA'schen  Säule  positiv  gemacht.  Auch  wurde  ein  Volta- 
Hneter  in  die  Kette  eingeschaltet. 
„8 16)  Sogleich  nach  geschlossener  Verknüpfung  mit  der  VoLTA'schen 
rie  ging  der  Strom  durch  und  die  Zersetzung  vor  sich.  An  der  posi- 
Elektrode  entwickelte  sich  kein  Chlor;  allein,  da  das  geschmolzene 
)rid  durchsichtig  war,  konnte  man  bemerken,  dass  sich  bei  b  allmählich 
ön  Knopf  von  Legirung  bildete  und  vergrösserte,  während  bei  a  das  Blei 
ßch  und  nach  abnahm.  Nach  einiger  Zeit  wurde  der  Versuch  unter- 
jochen, die  Röhre  erkalten  gelassen  und  dann  zerbrochen.  Die  Drähte 
•t  ihren  Knöpfen  wurden  gesäubert  und  gewogen,  und  ihre  Gewichtsver- 
fcderungen  mit  den  Angaben  des  VoLTA-Elektrometers  verglichen. 

„817)  Bei  diesem  Versuche  hatte  die  positive  Elektrode  gerade  ebenso 
iel  Blei  verloren  als  die  negative  gewonnen  (795),  und  der  Verlust  oder 
ewinn  entsprach  sehr  nahe  dem  Äquivalent  des  im  VoLTA-Elektrometer 
ersetzten  Wassers,  gab  nämlich  für  das  Blei  die  Zahl  101,5.  Es  ist  also 
diesem  Beispiele  klar,  dass  es  keine  Veränderung  in  der  festen  Aktion 
s  elektrischen  Stromes  hervorbringt,  man  mag  während  des  Versuches 
ne  starke  Affinität  oder  gar  keine  für  die  an  der  Anode  abgeschie- 
me  Substanz  wirksam  sein  lassen  (807). 

„818;  Ein  ähnlicher  Versuch  wurde  nun  mit  Bleijodid  angestellt,  und 
if  diese  Weise  alle  aus  der  Bildung  von  HyperJodid  entspringende  Störung 
rmieden  $03).  Während  der  ganzen  Aktion  entwickelte  sich  kein  Jod, 
\d  zuletzt  war  der  Bleiverlust  an  der  Anode  ebenso  gross  als  der  Blei- 
winn  an  der  Kathode,  oder  entsprach,  durch  Vergleichung  mit  dem 
sultat  in  dem  VoLTA-Elektrometer,  der  Zahl  =  103,5. 

„819)  Nun  wurde  Zinnchlorür  auf  dieselbe  Weise  dem  elektrischen  Strom 

terworfen,  natürlich  unter  Anwendung  einer  positiven  Elektrode  von  Zinn. 

bildete  sich  kein  Zinnchlorid  (779.  790).     Bei  Untersuchung  der  beiden 

jktroden  hatte  die  positive  genau  so  viel  verloren  als  die  negative  gewonnen ; 

j  durch  Vergleich  mit  dem  VoLTA-Elektrometer  fand  sich  für  das  Zinn 

Zahl  59. 

.,820)  Bei  diesen  und  ähnlichen  Versuchen  ist  es  sehr  nothwendig,  das 
ere   der  Knöpfe  von  Legirung  an  den  Enden  der  Leitdrähte  zu   unter- 


528  Dreizehntes  Kapitel. 


suchen,  denn  zuweilen  sind  sie,  besonders  die  positiv  gewesenen,  \ 
Höhlen,  Portionen  von  dem  angewandten  Chlorid  oder  Jodid  einschlies* 
welche  entfernt  werden  müssen,  ehe  man  das  Gewicht  ermittelt  Hau 
ist  dies  der  Fall  beim  Blei  als  beim  Zinn. 

„821)  Alle  diese  Thatsachen,  glaube  ich,  beweisen  auPs  Übe 
stimmendste  und  Unwiderleglichste  die  Wahrheit  des  wichtigen  Sa 
welchen  ich  zu  Anfang  aussprach,  nämlich:  dass  die  chemische  K 
eines  elektrischen  Stromes  direkt  der  absoluten  Menge 
durchgegangener  Elektricität  proportional  sei  (S.  499).  Sie 
weisen  ferner,  dass  dieser  Satz  nicht  bloss  für  eine  Substanz,  z.  B.  Wai 
richtig  ist,  sondern  überhaupt  für  alle  elektrolytischen  Substanzen,  sowie  ü 
dies,  dass  die  mit  irgend  einer  Substanz  erhaltenen  Resultate  nicht  t 
unter  einander  stimmen,  sondern  auch  mit  denen  von  anderen  Substan2 
so  dass  sich  alles  zusammen  combinirt  zu  einer  Reihe  fest  bestimir 
elektrochemischer  Aktionen  (504).  Ich  will  hiermit  nicht  sagen,  das* 
keine  Ausnahmen  gebe;  vielleicht  giebt  es  deren,  besonders  unter  den  di 
schwache  Verwandtschaft  zusammengehaltenen  Substanzen;  allein  ich  gla 
nicht,  dass  irgend  eine  den  aufgestellten  Satz  ernstlich  erschüttern  wc 
Wenn  in  der  wohl  erwogenen,  wohl  untersuchten,  und  ich  kann  sicher  sai 
wohl  festgestellten  Lehre  von  der  Bestimmtheit  der  gewöhnlichen  chemisc 
Verwandtschaft  solche  Ausnahmen  vorkommen,  wie  es  wirklich  häufig 
Fall  ist,  ohne  dass  sie  unser  Zutrauen  zu  dieser  Lehre  im  allgeme: 
schwächen,  so  muss  man  auch  billig  urtheilen,  wenn  sich  hier,  an 
Eröffnung  einer  neuen  Ansicht  von  der  elektrochemischen  Aktion,  l 
nahmen  zeigen  sollten,  muss  sie  nicht  denen,  die  mit  der  Vervollkommn 
dieser  Ansicht  beschäftigt  sind,  als  Hemmnisse  entgegenstellen,  sondern 
eine  Weile  bei  Seite  legen,  in  der  Hoffnung,  dass  sie  zuletzt  eine  vollstän« 
und  befriedigende  Erklärung  finden  werden." 

6.  Zum  FARADAY'schen  Gesetz.  Die  vorstehend  wiedergegebenen 
theilungen  gehören  zu  dem  Wichtigsten,  was  in  der  Geschichte  der  Elek 
chemie  zu  verzeichnen  ist,  denn  sie  enthalten  die  zahlenmässige  Grundl 
von  der  weiterhin  alles  abhängt,  was  an  quantitativen  Gesetzen  in  die 
Gebiete  geschaffen  und'  erkannt  worden  ist,  an  Bedeutung  vergleichbar  < 
Gesetze  der  Verbindungsgewichte  in  der  Stöchiometrie.  Man  kann  a 
mit  der  Anerkennung  nicht  zurückhalten,  dass  Faraday  sich  um  die  q 
titative  Durchführung  seines  Gesetzes  alle  Mühe  gegeben  hat;  bei  dem 
wiegend  qualitativen  Zuge  seiner  Arbeitsweise  war  es  sicher  keine  ger 
Anstrengung  für  ihn,  diese  ungewohnte  Arbeit  gut  und  umfangreich  du 
zufuhren.  In  der  Mannigfaltigkeit  der  untersuchten  Fälle,  der  chan 
ristischen  Einfachheit  der  Hülfsmittel  und  dem  entscheidenden  Chan 
der  Versuche  sind  diese  Arbeiten  als  klassisch  im  besten  Sinne  zu  bezeich 
und  gewähren  eine  Fülle  von  Belehrung  und  Anregung  für  den  Anfä 
wie  den  Forscher. 

Ein  Gesetz  von  so  umfänglicher  Bedeutung,  wie  das  in  Frage  stehe 


Das  Gesetz  von  Faraday.  529 


Mdeit  nothwendig  dazu  auf,  die  theoretische  Tragweite  zu  bestimmen,  und 
Ee  Fortschritte  zu  bezeichnen,  welche  in  den  angrenzenden  Gebieten  der 
Wissenschaft  dadurch  gewonnen  werden.  Auch  Faraday  hat  sich  alsbald 
in  diese  Aufgabe  gemacht  Wenn  dabei  neben  sehr  vielem  Treffenden  auch 
timges  Verfehlte  untergelaufen  ist,  so  hat  unser  grosser  Forscher  darin  den 
allgemeinen  Tribut  der  Menschlichkeit  zahlen  müssen.  Mit  einer  wirklich 
(rossen  Entdeckung  geht  es  wie  mit  einem  wirklichen  Kunstwerk:  ihre  Trag- 
löte wird  erst  allmählich  völlig  erkannt,  und  insbesondere  der  Urheber 
ann  selbst  von  vornherein  die  ganze  Bedeutung  schwerlich  überschauen.  So 
>ar  es  auch  mit  Faraday's  Entdeckung;  ein  halbes  Jahrhundert  hat  man  sie 
du  den  verschiedensten  Seiten  betrachtet,  und  dennoch  sind  noch  in  den 
euesten  Zeiten  übersehene  Seiten  derselben  von  fundamentaler  Wichtigkeit 
ds  Licht  gezogen  worden. 

Faraday  fasst  zunächst  den  Inhalt  seiner  Entdeckung  in  eine  Reihe  von 
ätzen  zusammen,  die  hier  folgen. 

„822)  Die  eben  auseinander  gesetzte  und,  wie  ich  glaube,  festgestellte 
.ehre  von  bestimmter  chemischer  Aktion  fuhrt  zu  einigen  neuen  An- 
ichten  in  Betreff  der  Beziehungen  und  Klassifikationen  der  Körper,  welche 
ieser  Aktion  unterworfen  oder  mit  ihr  verknüpft  sind.  Einige  derselben 
IUI  ich  nun  betrachten. 

„823)  Zuerst  können  die  zusammengesetzten  Körper  in  zwei  grosse 
üassen  getheilt  werden,  nämlich  in  die  durch  den  elektrischen  Strom  zersetz- 
wen  und  durch  ihn  nicht  zersetzbaren.  Von  den  letzteren  sind  einige  Leiter, 
mdere  Nichtleiter  der  Volt  Ansehen  Elektricität. l  Die  ersteren  hängen,  was 
hre  Zersetzbarkeit  betrifft,  nicht  bloss  von  der  Natur  ihrer  Bestandteile  ab 
denn  aus  denselben  zwei  Elementen  können  Körper  gebildet  werden,  von 
Jenen  einer  zu  der  ersten  und  der  andere  zu  der  zweiten  Klasse  gehört), 
sondern  wahrscheinlich  auch  von  dem  Verhältniss  derselben.  Es  ist  ferner 
nerkwürdig,  dass  mit  sehr  wenigen,  vielleicht  gar  keinen  Ausnahmen 
414.  691),  diese  zersetzbaren  Körper  genau  diejenigen  sind,  welche  von  dem 
früher  von  mir  beschriebenen  (394)  merkwürdigen  Gesetz  der  Leitung  be- 
herrscht werden;  denn  dieses  Gesetz  erstreckt  sich  nicht  auf  die  vielen 
schmelzbaren  zusammengesetzten  Substanzen,  die  von  dieser  Klasse  ausge- 
schlossen sind.  Ich  schlage  daher  vor,  die  Körper  dieser  Klasse  Elektro- 
lyte  ;6Ö4)  zu  nennen. 

„824)  Ferner  bilden  die  Substanzen,  in  welche  diese  unter  dem  Einfluss 
fcs  elektrischen  Stromes  zerfallen,  eine  ausserordentlich  wichtige  allgemeine 
flasse.  Sie  sind  verbindbare  Körper,  stehen  in  direkter  Beziehung  zu  den 
umdamentalsätzen  der  Lehre  von  der  chemischen  Verwandtschaft,  und  jeder 
lerselben  wird  während  der  elektrolytischen  Aktion  in  einem  festen  Ver- 
tähnisse   entwickelt.     Als  Benennungen   habe   ich    vorgeschlagen   für   diese 


1  „Unter  VOLTA'scher  Elektricität  verstehe  ich  hier  bloss  eine  Elektricität  aus  sehr  ergie- 
iger  Quelle  und  von  sehr  geringer  Intensität." 

Ostwald,  Elektrochemie.  3><\ 


C*o  Dreizehntes  Kapitel. 

Körper  im  Allgemeinen:  Ionen,  und  im  besonderen,  je  nachdem  sie  an  d 
Anode  oder  Kathode  erscheinen:  Anionen  und  Kationen,  und  für  <& 
relativen  Mengen,  in  denen  sie  entwickelt  werden:  elektrochemisch 
Äquivalente.  Wasserstoff,  Sauerstoff,  Chlor,  Jod,  Blei  und  Zinn  sin 
Ionen,  die  drei  ersten  sind  Anionen,  die  beiden  Metalle  Kationen,  und 
i,  8,  36,  125,  104,  58  sind  nahe  ihre  elektrochemischen  Äquivalente 

„825)  Eine  Übersicht  von  gewissen  bereits  ausgemittelten  Punkten  q 
Betreff  der  Elektrolyte,  Ionen  und  elektrochemischen  Äquivalent^ 
lässt  sich  in  folgender  allgemeiner  Form  von  Propositionen  geben,  ohocj 
wie  ich  hoffe,  einen  merklichen  Fehler  einzuschliessen. 

„826)  I.  Ein  einzelnes,  d.  h.  mit  einem  anderen  nicht  verbundenes  lo^ 
hat  keine  Neigung  zu  dieser  oder  jener  Elektrode  zu  gehen,  und  verfaß 
sich  vollkommen  indifferent  gegen  den  durchgehenden  Strom,  sobald  d 
nicht  selbst  eine  Verbindung  elementarer  Ionen  ist,  und  so  einer  wirkliche! 
Zersetzung  unterliegt.  Auf  diese  Thatsache  ist  grösstentheils  der  BewdJ 
gegründet,  den  ich  zu  Gunsten  der  neuen  Theorie  der  elektrochemi 
Zersetzung  beigebracht,  und  in  einer  früheren  Reihe  dieser  Untersuchu 
aufgestellt  habe  (518  u.  s.  w.). 

„827)   IL  Wenn  ein  Ion   im  richtigen  Verhältnisse  (697)  verbunden 
mit  einem  anderen,    ihm   in  seinen   gewöhnlichen   chemischen   Beziehu 
sehr    entgegengesetzten,    d.  h.  wenn  ein   Anion    verbunden   ist    mit 
Kation,  so  werden  beide  wandern,  das  eine  zu  der  Anode,  das  andere 
der  Kathode  des  in  Zersetzung  begriffenen  Körpers  (530.  542.  547). 

„828)    III.    Wenn  daher  ein  Ion  zu   einer  der  Elektroden  geht,  mi 
auch  ein  anderes  Ion  gleichzeitig  zu  der  anderen  Elektrode  gehen,  wi 
es,  wegen  secundärer  Aktion,    vielleicht  nicht  zum  Vorschein  kommt  (74; 

„829)  IV.  Ein  direkt  durch  den  elektrischen  Strom  zersetzbarer  Kö 
d.  h.   ein  Elektrolyt,   muss  aus  zwei   Ionen  bestehen  und  diese  also  bcj 
dem  Akt  der  Zersetzung  ausgeben. 

»830)  V.  Unter  Körpern,  aus  denselben  zwei  Ionen  zusammengesett| 
giebt  es  nur  einen  Elektrolyten,  wenigstens  scheint  es  nur  einen  zu  gebet 
gemäss  dem  Gesetz  (697),  dass  die  elementaren  Ionen  nur  in  gleid 
viel  elektrochemischen  Äquivalenten  und  nicht  in  Multiplis  de« 
selben  zu  den  Elektroden  gehen  können.  * 

„831)  VI.  Ein  für  sich  nicht  zersetzbarer  Körper,  wie  Borsäure,  wi* 
auch  in  einer  Verbindung  nicht  direkt  durch  den  elektrischen  Strom  zersetl 
(780).  Er  kann  als  ein  Ion  wirken,  kann  als  Ganzes  zu  der  Anode  odM 
Kathode  gehen,  giebt  aber  nicht  seine  Elemente  aus,  ausgenommen  zu 
durch  eine  secundäre  Aktion.  Vielleicht  ist  es  überflüssig  zu  bemerken, 
dieser  Satz  keine  Beziehung  hat  zu  dergleichen  Körpern  wie  das  W 
welche  durch  die  Anwesenheit  anderer  Körper  bessere  Elektricitätsleiter 
darum  leichter  zersetzt  werden. 

»832)  VII.  Die  Natur  der  Substanz,  aus  welcher  die  Elektrode 
vorausgesetzt  nur,  dass  sie  leitend  sei,  bewirkt  keine  Verschiedenheit  in 


Das  Gesetz  von  Faraday.  zi\ 


lektrochemischen  Aktion,  weder  in  deren  Art  noch  deren  Grad  (807.  813); 
bcr  einen  starken  Einfluss  hat  sie,  vermöge  secundärer  Aktion  (744)  auf 
len  Zustand,  in  welchem  die  Ionen  zuletzt  erscheinen.  Aus  diesem  Satie 
ann  man  einen  Vortheil  ziehen,  indem  man  solche  Ionen,  die  im  freien 
Zustand  unbehandelter  sein  würden,1  im  verbundenen  auffängt. 

„833)  VHI.  Eine  Substanz,  welche,  als  Elektrode  angewandt,  sich  ganz 
out  dem  an  ihr  entwickelten  Ion  zu  verbinden  vermag,  ist,  glaube  ich,  auch 
ein  Ion,  und  verbindet  sich  in  dergleichen  Fällen  in  der  durch  ihr  elektro- 
chemisches Äquivalent  vorgestellten  Menge.  Alle  von  mir  angestellten 
Versuche  stimmen  mit  dieser  Ansicht,  und  sie  erscheint  mir  gegenwärtig 
als  eine  nothwendige  Folgerung  aus  denselben.  Ob  sich  aus  den  secundären 
Aktionen,  wo  das  Ion  zwar  nicht  auf  die  Substanz  der  Elektrode,  wohl  aber 
auf  die  umgebende  Flüssigkeit  einwirkt  (744),  dieselbe  Folgerung  ergebe, 
erfordert  zu  seiner  Entscheidung  eine  ausgedehntere  Untersuchung. 

„834)  IX.  Zusammengesetzte  Ionen  sind  nicht  nothwendig  zusammen- 
gesetzt  aus  elektrochemischen  Äquivalenten  einfacher  Ionen.  Schwefelsäure, 
Borsäure,  Phosphorsäure  z.  B.  sind  Ionen,  aber  keine  Elektrolyte,  d.  h. 
sind  nicht  aus  elektrochemischen  Äquivalenten  einfacher  Ionen  zusammen- 
gesetzt 

„835)  X.  Elektrochemische  Äquivalente  sind  immer  übereinstimmend, 
4  h.  die  nämliche  Zahl,  welche  das  Äquivalent  der  Substanz  A  vorstellt, 
wenn  diese  von  der  Substanz  B  getrennt  wird,  stellt  auch  dasselbe  vor,  wenn 
A  von  C  getrennt  wird.  So  ist  8  das  elektrochemische  Äquivalent  des 
Sauerstoffes,  wenn  er  vom  Wasserstoff  oder  Zinn  oder  Blei  abgeschieden 
wird,  und  ebenso  ist  103,5  das  elektrochemische  Äquivalent  des  Bleis,  dies 
mag  vom  Sauerstoff,  oder  Chlor  oder  Jod  getrennt  werden. 

„836)  XL  Die  elektrochemischen  Äquivalente  sind  den  gewöhnlichen 
chemischen  gleich." 

Die  vorstehenden  Sätze  erfordern  in  mehreren  Punkten  eine  Erläuterung, 
welche  auf  die  inzwischen  als  falsch  oder  zweifelhaft  erkannten  Seiten  von 
Farad ay^s  Auffassung  hinweist.  Es  wird  hierbei  nöthig  sein,  manches,  was 
erst  viel  später  inhaltlich  besprochen  werden  kann,  schon  jetzt  vorauszu- 
nehmen; doch  habe  ich  geglaubt,  dies  nicht  vermeiden  zu  sollen,  da  sich 
sonst  diese  unbrauchbaren  Vorstellungen  festsetzen  könnten,  so  dass  später 
ihre  Beseitigung  schwieriger  wird. 

Zu  I.  Gegenwärtig  betrachtet  man  die  Ionen  als  elektrisch  geladen, 
und  kann  daher,    gemäss  dem  Gesetze,   dass  immer  beide  Elektricitäten  in 


1  „Oft  können   die  angewandten   Elektroden   von   solcher   Natur  sein,    dass   sie    mit   der 

Flüssigkeit,    in  welche  sie  eingetaucht  sind,    einen  elektrischen  Strom   hervorbringen,    entweder 

*on  gleicher  oder  entgegengesetzter  Richtung  mit  dem  der  VoLTA'schen  Batterie,  wodurch,  oder 

^urch   eine   direkte   chemische  Aktion,   sie  dann  die  Resultate  bedeutend  trüben.    Mitten  unter 

aHen  diesen  störenden  Einwirkungen  bringt  indes  der  elektrische  Strom,  welcher  in  irgend  einer 

Dichtung   durch    den   zersetzt   werdenden   Körper   geht,    seine   eigene   bestimmte    elektrolytische 

Aktion  hervor." 


c*2  Dreizehntes  Kapitel. 


gleichen  Mengen  vorkommen,  die  Existenz  eines  einzelnen  Ions  ohne  die 
Gegenwart  eines  anderen,  überhaupt  nicht  zugeben  (bestimmte,  später  zu 
besprechende  Fälle  ausgenommen).  Dadurch  fällt  auch  der  Satz,  dass  das 
Ion  sich  indifferent  gegen  den  Strom  verhalte.  So  lange  sich  der  Stoff  im  \ 
Ionenzustande  befindet,  folgt  er  den  Gesetzen  der  elektrischen  Anziehung,  j 
und  bewegt  sich  nach  der  Seite  seines  fallenden  Potentials,  wenn  es  sich  in 
einem  Stromkreise  befindet.  Hat  dagegen  der  Stoff  seine  elektrische  Ladung 
an  der  Elektrode  verloren,  so  gelten  die  von  Farad ay  für  ihn  aufgestellten 
Regeln. 

Zu  II  bis  IV  ist  nichts  zu  bemerken,  wohl  aber  zu  V.     Farad  ay  war  i 
durch    eine    ungenügende  Induktion  zu  der  Ansicht   gekommen,    dass   nur  , 
solche  Stoffe  Elektrolyte  sind,   welche  aus  gleichen  Atomen  ihrer  Bestand*  i 
theile  bestehen,  und  nahm  z.  B.  deshalb  #ie  Existenz  eines  Antimonoxyds 
SbO  an,  weil  das  gewöhnliche  Oxyd  Sba08  ein  Elektrolyt  ist,   obwohl  die 
Chemie  ein  solches  nicht  kannte,  und  Berzelius  insbesondere  nachwies,  dass 
die  von  Faraday  angeführten  Gründe  dafür  nicht  stichhaltig  waren.   Gegen- 
wärtig, wo  als  Atomgewichte  zum  Theil  andere  Werthe,  als  die  von  Faraday 
benutzten  GMELiN'schen  Äquivalentgewichte,  angenommen  werden,  giebt  es 
eine  grosse  Zahl  von  Elektrolyten,  welche  die  Ionen  nicht  zu  gleichen  Atomen  j 
enthalten,    und  ebenso  sind  zahlreiche  Fälle  bekannt,    wo  mehrere  Verbin*  1 
düngen  zwischen  denselben  Elementen  Elektrolyte  sind.  i 

In  VI  tritt  die  von  Faraday  noch  festgehaltene  Ansicht  auf,  dass  ein 
Stoff  wie  Wasser  durch  die  Gegenwart  eines  anderen  ein  besserer  Leiter; 
werden  könne.  Gegenwärtig  ist  die  Vorstellung  von  diesen  Vorgängen . 
gerade  die  umgekehrte:  nicht  das  Wasser  wird  durch  die  Gegenwart  des 
anderen  Stoffes  ein  Leiter,  sondern  der  andere  Stoff  wird  durch  das  Wasser, 
d.  h.  durch  seine  Auflösung  darin,  ein  Leiter,  indem  er  in  seine  Ionen 
dissociirt  wird.  Diese  Wendung  der  Ansichten  hängt  mit  der  bereits  er- 
wähnten Anschauung  zusammen,  dass  ein  Stoff,  um  ein  Elektrolyt  zu  sein, 
nicht  durch  die  Elektricität  zersetzt  werden  darf,  sondern  sich  bereits  im 
dissociirten,  d.  h.  in  Ionen  zerfallenem  Zustande  befinden  muss.  Diesen 
Zustand  hervorzubringen,  ist  nun  das  Wasser  besonders  befähigt 

Zum  Schluss  von  VII  ist  dasselbe  zu  bemerken,  was  zu  I  gesagt  worden 
ist.  Das  gleiche  gilt  für  den  Anfang  von  VIII.  Der  sachliche  Inhalt  def 
Abschnittes,  dass  nämlich  auch  die  secundären  Wirkungen  dem  Äquivalenz» 
gesetze  folgen,  hat  sich  in  der  Folge  als  vollkommen  richtig  erwiesen,  und 
zwar  sowohl  für  secundäre  Wirkungen  mit  der  Elektrode,  wie  für  solche 
mit  der  umgebenden  Flüssigkeit. 

Zu  IX.  Schwefelsäure,  Borsäure,  Phosphorsäure  sind  in  der  gegen- 
wärtigen Auffassung  keine  Ionen. 

Zu  XI  gilt  dasselbe,  was  zu  V  bemerkt  worden  ist  Die  elektro- 
chemischen Äquivalente  sind  zwar  den  chemischen  Äquivalenten  gleich* 
nicht  aber  den  chemischen  Atomgewichten.  Zu  der  Zeit,  wo  Faradat 
seine  Sätze  aussprach,  war  der  Unterschied  zwischen  Atom  und  Äquivalent  ■ 


Das  Gesetz  von  Faraday.  c^i 


och  nicht  gemacht,  da  damals  noch  nicht  der  Molekularbegriff  entwickelt 
rorden  war. 

„837)  Durch  den  Versuch  und  die  vorhergehenden  Sätze  kann  man 
,uf  verschiedene  Weisen  zur  Kenntniss  der  Ionen  und  ihrer  elektrochemischen 
äquivalente  gelangen. 

„838)  Zunächst  können  sie  direkt  bestimmt  werden,  wie  es  in  vielen 
bereits  angeführten  Versuchen  mit  dem  Wasserstoff,  Sauerstoff,  Blei  und 
Zinn  geschehen  ist 

»839)  Dann  lässt  sich  aus  den  Sätzen  II  und  III  die  Kenntniss  vieler 
anderer  Ionen  und  auch  deren  Äquivalente  ableiten.  Als  bei  Zersetzung 
iron  Bleichlorid  Platin  angewandt  wurde  (395)  konnte  kein  Zweifel  mehr 
darüber  obwalten,  dass  das  Chlor  zur  Anode  ging,  wiewohl  es  sich  mit 
dem  Platin  daselbst  verband;  denn  wenn  die  positive  Elektrode  von  Graphit 
war  (794)  entwickelte  es  sich  daselbst  im  freien  Zustande.  Ebenso  konnte 
es  in  keinem  der  Fälle  zweifelhaft  bleiben,  dass  nicht  für  jede  103,5  Th. 
Wei,  die  sich  an  der  Kathode  ausschieden,  36  Th.  Chlor  an  der  Anode 
entwickelt  wurden,  denn  das  übriggebliebene  Bleichlorid  war  unverändert 
So  auch  wenn  in  einer  Metalllösung  ein  Volum  Sauerstoff  oder  eine  so  viel 
Sauerstoff  enthaltende  secundäre  Verbindung  an  der  Anode  erschien,  konnte 
kein  Zweifel  darüber  entstehen,  dass  nicht  zwei  Volume  Wasserstoff  zur 
Kathode  übergegangen  waren,  wenn  sie  auch,  vermöge  einer  secundären 
Aktion,  zur  Reduktion  der  Oxyde  von  Blei,  Kupfer  oder  anderen  Metallen 
verwandt  worden  waren.  Auf  diese  Weise  lernen  wir  aus  den  in  diesen 
Abhandlungen  beschriebenen  Versuchen,  dass  Chlor,  Jod,  Brom,  Fluor, 
Calcium,  Kalium,  Strontium,  Magnesium,  Mangan  u.  s.  w.  Ionen  sind,  und 
dass  ihre  elektrochemischen  Äquivalente  gleich  sind  den  gewöhn- 
lichen chemischen. 

„840)  Die  Sätze  IV  und  V  erweitern  unsere  Mittel,  Belehrung  einzu- 
sammeln. Denn  wenn  ein  Körper  von  bekannter  chemischer  Zusammen- 
setzung sich  zersetzbar  erweist,  und  die  Natur  der  an  einer  der  Elektroden 
als  primäres  oder  selbst  secundäres  Resultat  (723.  777)  ausgeschiedenen 
Substanz  bestimmt  worden  ist,  lässt  sich  das  elektrochemische  Äquivalent 
dieses  Körpers  aus  der  bekannten  festen  Zusammensetzung  der  ausgeschie- 
denen Substanz  herleiten.  Wenn  so  z.  B.  geschmolzenes  Zinnchlorür  durch 
den  VoLTA'schen  Strom  zersetzt  wird  (804),  kann  daraus  geschlossen  werden, 
dass  beide,  Jod  und  Zinn",  Ionen  sind,  und  dass  die  verhältnissmässigen 
Mengen,  in  welchen  sie  sich  in  der  geschmolzenen  Verbindung  vereinigt 
befanden,  ihre  elektrochemischen  Äquivalente  ausdrücken.  Ferner  lässt  sich 
folgern,  dass  das  geschmolzene  Jodkalium  (805)  ein  Elektrolyt  ist,  und  dass 
die  chemischen  Äquivalente  auch  die  elektrochemischen  sind. 

„841)  Der  Satz  VIII,  einer  ausführlichen  Experimental- Untersuchung 
unterworfen,  wird  nicht  bloss  die  durch  Anwendung  der  übrigen  Sätze 
erhaltenen  Resultate  bestätigen  helfen,  sondern  auch  reichliche  Belehrung 
über  die  aus  ihm  selbst  fliessenden  geben. 


534  Dreizehntes  Kapitel. 

„842)  In  vielen  Fällen  werden  die  secundären  Resultate,  entstandet 
durch  Einwirkung  des  ausgeschiedenen  Ions  auf  die  in  der  um  gebende! 
Flüssigkeit  oder  Lösung  enthaltenen  Substanzen,  das  elektrochemische  Äqui- 
valent liefern.  So  ward  aus  einer  Lösung  von  essigsaurem  Blei,  und,  so 
weit  ich  untersucht  habe,  auch  aus  anderen  Oxydulsalzlösungen,  die  der; 
reducirenden  Wirkung  des  an  der  Kathode  in  Entstehung  begriffeneai 
Wasserstoffes  ausgesetzt  waren,  das  Metall  in  gleicher  Menge  gefällt,  wies 
wenn  es  ein  primäres  Edukt  gewesen  wäre  (vorausgesetzt  nur,  dass  keift 
freier  Wasserstoff  entwich),  und  es  gab  daher  genau  die  Zahl,  welche  da 
elektrochemische  Äquivalent  desselben  vorstellt. 

„843)  In  Folge  dieses  Satzes  können  seeundäre  Resultate  zuweilen  all 
Messer  des  VoLTA-elektrischen  Stromes  benutzt  werden  (706.  740);  doch  giebt 
es  nicht  viele  Metalllösungen,  die  diesem  Behufe  wohl  entsprechen;  dem 
wenn  das  Metall  nicht  leicht  fällbar  ist,  wird  Wasserstoff  an  der  Kathode 
entwickelt  und  dadurch  das  Ergebniss  fehlerhaft.  Wenn  an  der  Anode  eil 
höheres  Oxyd  gebildet  wird,  oder  wenn  das  gefällte  Metall  quer  durdl 
die  Lösung  krystallisirt  und  die  positive  Elektrode  berührt,  werden  ähnlich« 
fehlerhafte  Resultate  erhalten.  Ich  glaube,  dass  die  Lösungen  einiger  vege* 
tabilischen  Salze,  wie  die  von  essigsaurem  Quecksilber-  oder  Zinkoxyd,  für 
obigen  Zweck  geeignet  sein  werden. 

„844)  Nach  den  ersten  Versuchen  zur  Feststellung  der  bestimmt«! 
chemischen  Aktion  der  Elektricität,  habe  ich  nicht  angestanden,  die  direfc 
teren  Resultate  der  chemischen  Analyse  auf  die  Berichtigung  der  als  elektn* 
lytische  Resultate  erhaltenen  Zahlen  anzuwenden.  Dies  lässt  sich  offenbar  ifl 
vielen  Fällen  thun,  ohne  dass  man  sich  gegen  die  Strenge  wissenschaftliche* 
Untersuchung  zu  viel  Freiheit  herausnimmt.  Die  Reihe  der  Zahlen,  welche 
die  elektrochemischen  Äquivalente  vorstellen,  bleiben  nothwendig,  wie  (fie 
gewöhnlichen  Äquivalente  chemisch  wirkender  Körper,  einer  beständige! 
Berichtigung  durch  den  Versuch  und  durch  vernünftige  Schlüsse  unterworfen 

„845)  Ich  gebe  die  folgende  kurze  Tafel  von  Ionen  und  ihren  elelctro» 
chemischen  Äquivalenten  mehr  als  Beispiel  eines  ersten  Versuches  denn  ak 
eine  Abhülfe  des  sehr  schnell  merkbaren  Mangels  einer  vollständigen  uik 
vollkommenen  Übersicht  dieser  Klasse  von  Körpern.  In  Betracht  des  aussei 
ordentlichen  Nutzens  einer  solchen  (vorausgesetzt  richtig  entworfenen)  Taft 
für  die  Entwicklung  der  innigen  Beziehung  der  gewöhnlichen  chemische 
Verwandtschaft  zu  den  elektrischen  Aktionen  und  für  die  Identificirun) 
beider,  nicht  nach  blosser  Phantasie,  sondern  durch  überzeugende  Grund« 
mag  es  erlaubt  sein,  die  Hoffnung  auszusprechen,  dass  die  Bemühung  immc 
darauf  gerichtet  sein  möge,  sie  zu  einer  Tafel  von  wirklichen  und  nid 
hypothetischen  elektrochemischen  Äquivalenten  zu  machen;  denn  sott 
übersehen  wir  die  Thatsachen  und  verlieren  die  direkt  auf  Unserem  Weg 
liegenden  Kenntnisse  ganz  aus  dem  Auge  und  Gedächtniss. 

„846)  Die  folgenden  äquivalenten  Zahlen  behaupten  nicht  genau  zu  seil 
ad  fast  sämmtlich  aus  den  chemischen  Resultaten  anderer  Naturforsch 


Das  Gesetz  von  Faradav. 


53S 


lommen,   zu   denen   ich  in  diesem  Bezüge  mehr  Zutrauen   als   zu  mir 
st  setze. 
„847)  Tafel  über  die  Ionen: 


stoff    . 


rfelsäure 


erstoff 

m  . 

im 

im 

m  . 

dum 

im 

esium 

an 


Anion< 

en. 

8 

Selensäure  .     . 

,    .    64 

Weinsäure  .     .     . 

.     66 

35,5 

Salpetersäure    . 

■     •     54 

Citronensäurc  .     . 

•     58 

126 

Chlorsäure  .     . 

•    •     75,5 

Kleesäure    .     .     . 

•     35 

78,3 

Phosphorsäure 

.     •     35.7 

Schwefel  (?)      .     . 

.     16 

18,7 

Kohlensäure     . 

.     .     22 

Selen  (?) 

26 

Borsäure      .     . 

.     .     24 

Schwefelcyan 

40 

Essigsäure   .     . 

• 

Kation 

•     •     5i 
en. 

1 

Kupfer  .     .     . 

.    .    31,6 

Kali 

39,2 

Kadmium    .     . 

•     •     55,8 

•     31,3 

23,3 

Cerium  .     .     . 

.     .     46 

Lithion  .... 

,     18 

10 

Kobalt   .     .     . 

•     •     29,5 

Baryt      .... 

•     7^7 

68,7 

Nickel    .     .     . 

•     .     29,5 

Strontian     .     .     . 

51,8 

43,8 

Antimon 

.     .     64,5? 
.     .     71 

Kalk       .... 

28.«; 

20,5 

Wismuth     .     . 

Talkerde     .     .     . 

.     20,7 

12,7 

Quecksilber 

.     .  200 

Thonerde     .     .     . 

.       (?) 

27,7 

Silber     .     .     .     . 

.     .   108 

Oxydule  überhaupt. 

32,5 

Platin     .     .     . 

.     .     98,6? 

.   171,6 

57,9 

Gold       .     .     .     . 

.       (?) 

Cinchonin   .     .     . 

.   160 

io3,5 



Morphin            .     . 

.  290 

28 

Ammoniak       .     . 

•     17 

Pflanzenbasen  überhaupt." 

Zu  dieser  Tabelle  sind  die  gleichen  Bemerkungen  zu  machen,  wie  sie 
lern  ersten  FARADAY'schen  Satze  oben  (S.  531  u.  ff.)  gemacht  worden  sind. 

damals   üblichen  chemischen  Ansichten,  welche  die  Analogie  zwischen 

Haloidsalzen  und  den  Sauerstoffsalzen  nicht  zum  Ausdruck  brachten, 
lern  die  letzteren  aus  den  bezüglichen  Anhydriden  bestehen  Hessen, 
igen  Faraday,  als  Ionen  beide  Arten  der  in  den  Salzen  angenommenen 
andtheile  anzuerkennen.  Während  Chlorkalium,  KCl,  keine  anderen 
n  haben  kann,  als  K  und  Cl,  war  für  Kaliumnitrat,  welches  bei  dem 
als  angenommenen  Atomgewicht  des  Sauerstoffes,  0  =  8,  KNO6,  ge- 
ieben  wurde,  sowohl  die  Möglichkeit  der  Theilung  in  K  und  NO6,  wie 
in  KO  und  NO6  vorhanden.  Berzelius  bevorzugte  unter  der  Nach- 
ung  der  irrthümlichen  Lehre  Lavoisier's,  dass  alle  Säuren  Sauerstoff 
alten  müssten,  von  vornherein  die  letztere  Auffassung,  und  nahm  ursprüng- 
zu  deren  Gunsten  einen  Sauerstoffgehalt  in  den  Halogenen,  insbesondere 
3hlor  an.  Als  diese  Ansicht  sich  als  nicht  durchführbar  erwies,  ging  er 
t  vollständig  zu  der  anderen  über,  sondern  behielt  die  ursprüngliche 
den  Salzen  sauerstoffhaltiger  Säuren  bei,   wo  sie  formell   noch  möglich 

und  hielt  es  für  das  geringere  Übel,  die  Analogie  zwischen  beiden 
n  von  Salzen  als  die  ganze  Anschauung  aufzugeben;    thatsächlich  war 

allerdings  die  schlechtere  Wahl.     Denn  jeder  erhebliche  Fortschritt  in 


(ji6  Dreizehntes  Kapitel. 


der  wissenschaftlichen  Auffassung  eines  Thatsachengebietes  lässt  sich  kun 
dahin  charakterisiren,  dass  die  älteren  Ansichten  auf  den  Kopf  gestellt 
werden.  Auch  hier  hätte  es  der  Fall  sein  müssen;  Berzelius  aber  zog  vor, 
nur  die  Hälfte  der  Theorie  in  der  angedeuteten  Weise  umzugestalten,  und 
gelangte  dadurch  zu  einem  Gebilde,  welches  sich  nach  nicht  allzu  langer 
Zeit  als  lebensunfähig  erweisen  musste. 

Die  Beseitigung  dieser  durch  den  damaligen  chemischen  Lehrbegriff 
bedingten  Inkonsequenz  in  der  Auffassung  der  Ionen  durch  Faraday  wurde 
später  durch  Daniell  bewerkstelligt,  welcher  auch  auf  den  Zusammenhang 
der  Ionentheorie  mit  der  allgemeinen  chemischen  Theorie  der  Salze  in  sach- 
gemässer  Weise  aufmerksam  gemacht  hat.  Wir  kommen  bald  auf  diese 
Fragen  zurück. 

Auch  kann  nicht  verschwiegen  werden,  dass  Faraday  die  richtige  Att» 
.sieht  etwas  näher  hätte  liegen  müssen,  als  den  meisten  anderen  gleich» 
zeitigen  Forschern.  Denn  jene  einheitliche  Auffassung  der  Salze  war  voi 
seinem  Lehrer  H.  Davy  vertreten  worden,  welcher  auch  die  lange  Diskussion 
über  die  Frage  nach  der  Einheitlichkeit  des  Chlors  gegen  die  französischen 
Chemiker  und  Berzelius  siegreich  durchgeführt  hatte.  Faraday  war  also 
unzweifelhaft  mit  dieser  Ansicht  bekannt,  und  hat  in  diesem  Falle  gezeigt, 
dass  die  chemische  Seite  der  Wissenschaft  seinem  Geiste  allerdings  ferner  lag 
als  die  physikalische. 

Die  Bemerkungen,  welche  Faraday  zu  seiner  Ionentabelle  macht,  sind 
folgende: 

„848)  Diese  Tafel  könnte  ferner  in  Gruppen  solcher  Substanzen  ange- 
ordnet werden,  die  entweder  mit  einander  wirken  oder  einander  ersetze!. 
So  z.  B.  wirken  Säuren  und  Basen  in  Beziehung  auf  einander;  aber  ae 
wirken  nicht  in  Gesellschaft  mit  Sauerstoff,  Wasserstoff  oder  elementare« 
Substanzen.  Es  leidet  indes  wenig  oder  gar  keinen  Zweifel,  dass  wenn  man 
die  elektrischen  Beziehungen  der  Körpertheilchen  genau  untersuchte,  diese 
Eintheilung  gemacht  werden  müsste.  Die  einfachen  Substanzen,  nebst  Cyaii 
und  Schwefelcyan,  und  einem  oder  zwei  anderen  zusammengesetzten  Körper« 
werden  wahrscheinlich  die  erste  Gruppe  bilden,  sowie  die  Säuren  und  Base% 
nebst  solchen  analogen  Verbindungen,  die  sich  als  Ionen  erweisen,  <fe 
zweite  Gruppe.  Ob  diese  alle  Ionen  einschliessen  werde,  oder,  ob  einfi 
dritte  Klasse  von  verwickelterer  Beschaffenheit  erforderlich  sei,  müsset 
künftige  Untersuchungen  entscheiden. 

„849)  Alle  unsere  jetzigen  elementaren  Körper  sind  wahrscheinlich 
Ionen,  aber  gewiss  ist  es  noch  nicht.  Von  einigen  ist  es  wünschenswert^ 
baldmöglichst  entschieden  zu  sehen,  ob  sie  ein  Recht  auf  den  Titel  ein» 
Ions  haben;  solche  sind:  Kohle,  Phosphor,  Stickstoff,  Kiesel,  Bor,  Aluminium^ 
Es  giebt  auch  einige  zusammengesetzte  Körper,  namentlich  die  Thonente 
und  die  Kieselerde,  von  denen  zu  wünschen  wäre,  dass  ihnen  baldigst  durck 
unzweifelhafte  Versuche  ihre  Klasse  angewiesen  würde.  Es  ist  auch  mög* 
J'ch,  dass  alle  verbindbaren  Körper,  zusammengesetzte  wie  einfache,  in  die 


Das  Gesetz  von  Faraday. 


537 


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der  Ionen  gehören;   doch  scheint  es  mir  für  jetzt  nicht  wahrschein- 

Die  experimentellen  Beweise,  welche  ich  besitze,  sind  noch  so  gering 

Vergleich   mit   denen,    welche   in   Bezug   auf  diesen   Punkt   gesammelt 

len  müssen,  dass  ich  mich  scheue,  eine  entschiedene  Meinung  hierüber 

sprechen. 

,850)  Ich  glaube  mich  nicht  zu  täuschen,  wenn  ich  die  Lehre  von  der 
ten  elektrochemischen  Aktion  für  äusserst  wichtig  halte.   Durch  ihre 
tchen  berührt  sie,  unmittelbarer  und  inniger  als  es  irgend  eine  frühere 
iche  oder  eine  Reihe  von  Thatsachen   gethan,    die  schöne  Idee,    dass 
gewöhnliche  chemische  Verwandtschaft  eine  blosse  Folge  sei  der  elek- 
len  Anziehungen  zwischen  den  Theilchen  verschiedenartiger  Substanzen; 
id  wahrscheinlich  wird  sie  uns  zu  Mitteln  fuhren,    durch  welche  wir  im 
ide  sind,  das,  was  gegenwärtig  dunkel  ist,  aufzuklären,  und  entweder  die 
fahrheit  dieser  Idee  vollständig  zu  erweisen,  oder  das,  was  etwa  ihre  Stelle 
Einnehmen  könnte,  aus  einander  zu  setzen. 

„851)  Ein  sehr  grosser  Nutzen  der  elektrochemischen  Äquivalente  wird 
sein,  mittelst  ihrer  in  zweifelhaften  Fällen  zu  entscheiden,  welches  das 
^wahre  chemische  Äquivalent  oder  bestimmte  Verbindungs-  oder  Atom- 
Ifgewicht  eines  Körpers  sei.  Denn  ich  habe  eine  solche  Überzeugung,  dass 
die  nämliche  Kraft  sei,  welche  die  elektrochemische  Zersetzung  und  die 
femeine  chemische  Anziehung  beherrscht,  bin  so  überzeugt  von  dem  über- 
väkigenden  Einfluss  derjenigen  Naturgesetze,  welche  die  erstere  bestimmt 
['machen,  dass  ich  keinen  Anstand  nehme  zu  glauben,  auch  die  letztere  sei 
inen  unterthan.  Ist  aber  dies  der  Fall,  so  kann  ich  nicht  zweifeln,  dass, 
bei  Annahme  von  Wasserstoff  =  1,  und  mit  Vernachlässigung  kleiner  Brüche 
behufs  der  Einfachheit  der  Zahlen,  das  Äquivalent  oder  das  Atomgewicht 
des  Sauerstoffes  sei  8,  des  Chlors  39,  des  Broms  78,4,  des  Bleis  103,5,  des 
Zinns  59  u.  s.  w.,  ungeachtet  eine  sehr  hohe  Autorität  mehrere  dieser  Zahlen 
in  Zweifel  zieht." 

7.  Allgemeine  Betrachtungen.  An  die  Schilderung  seiner  experimen- 
tellen Untersuchungen  hat  Faraday  eine  Anzahl  allgemeiner  Auseinander- 
setzungen geknüpft,  welche  in  hohem  Maasse  lesenswerth  sind,  da  in  ihnen 
die  Grundgedanken  der  Auffassung  niedergelegt  sind,  welche  seitdem  sich 
ab  die  maassgebende  verbreitet  hat.  Nur  auf  eine  Unvollkommenheit  muss 
schon  jetzt  hingewiesen  werden.  In  Übereinstimmung  mit  der  Ansicht 
aller  seiner  Zeitgenossen  und  auch  einer  noch  langen  Reihe  nachfolgender 
Physiker  betrachtet  Faraday  die  Elektricitätsmenge  als  das  wesentliche  Maass 
der  elektrischen  Wirkungen;  dadurch  werden  die  Vergleiche,  welche  er 
zwischen  den  galvanisch  zu  entwickelnden  Elektricitätsmengen  und  den 
entsprechenden  elektrostatischen  Mengen  zieht,  unsachgemäss.  Denn  das 
eigentliche  Maass  der  elektrischen  Wirkungen  oder  die  elektrische  Energie 
ist  dem  Produkte  aus  Elektricitätsmenge  und  Spannung  oder  Potential  pro- 
portional; theoretisch  gesprochen  kann  daher  eine  beliebig  grosse  Wirkung 
mit  einer  beliebig  kleinen  Elektricitätsmenge  verknüpft  sein  und  umgekehrt. 


eßg  Dreizehntes  Kapitel. 


Das  von  Faraday  gefundene  Gesetz  bezieht  sich  aber  nicht  auf  die  elek 
Energie  selbst,  sondern  nur  auf  den  einen  Faktor  desselben,  die  Elektr 
menge;  es  ist  daher  nicht  zulässig,  irgend  welche  Wirkungen  verschi« 
elektrischer  Entladungen  mit  einander  zu  vergleichen,  wenn  nur  di 
sprechenden  Elektricitätsmengen  einander  gleich  sind:  es  wäre  dies  ei 
fahren,  als  wollte  man  die  Wirkungen  verschiedener  bewegter  Masse 
nach  der  Masse  vergleichen,   ohne  die  Geschwindigkeit  zu   berücksic 

Auch  diese  Bemerkungen  sind  nur  gemacht,  um  dem  Anfang 
Festsetzung  einer  irrthümlichen  Vorstellung  zu  ersparen,  nicht  um  Fi 
zu  tadeln.  Denn  zu  jener  Zeit  war  der  EnergiebegrifT  noch  nicht  entv 
geschweige  in  der  Elektrik  angewendet,  und  die  Unklarheit,  in  welch< 
Faraday  hier  befand,  hat  er  mit  allen  seinen  Zeitgenossen  und  vielen 
folgern  getheilt.  Nur  war  es  nöthig,  schon  hier  auf  den  Punkt  hinzm 
da  alsbald  gerade  das  hier  erwähnte  Missverständniss  den  Ausgang 
heftiger  Angriffe  auf  das  Gesetz  selbst  gebildet  hat. 

Um  an  einem  Beispiele  die  völlige  Unabhängigkeit  des  Faraday 
Gesetzes  von  irgend  welchen  Arbeits-  oder  Wirkungsbetrachtungen  k 
machen,  denke  man  sich  in  denselben  Stromkreis  einmal  eine  Kupfer 
zwischen  zwei  Elektroden  von  Kupfer,  das  andere  Mal  zwischen  solche 
Platin  elektrolysirt.  Im  ersten  Falle  wird  auf  der  einen  Seite  eben« 
Kupfer  niedergeschlagen,  als  auf  der  anderen  Seite  gelöst  wird,  ur 
chemische  Zersetzungsarbeit  ist  Null,  da  die  Lösung  ihren  Gehalt  glei 
nicht  ändert.  Im  zweiten  Falle  wird  dagegen  eine  der  durchgegai 
Elektricitätsmenge  entsprechende  Menge  Kupfer  metallisch  ausgesd 
wobei  eine  äquivalente  Menge  Sauerstoff  entwickelt  und  freie  Schweb 
gebildet  wird;  hier  ist  also  die  chemische  Arbeit  der  Zerlegung  des  K 
sulfats  in  Metall,  Sauerstoff  und  freie  Säure  zu  leisten  gewesen.  Die  » 
gegangene  Elektricitätsmenge  war  in  beiden  Fällen  für  die  gleiche  K 
menge  dieselbe.  Was  aber  verschieden  sein  musste,  ist  die  Spannung, 
welcher  der  Strom  stand;  während  im  ersten  Falle  eine  beliebig 
Spannung  den  Strom  unterhalten  konnte,  war  im  zweiten  eine  besä 
nicht  unbeträchtliche  Spannung  erforderlich,  um  überhaupt  einen 
durch  das  Gebilde  schicken  zu  können.  Die  von  Faraday  gesucht 
Ziehung  zwischen  der  chemischen  Verwandtschaft  und  den  elektr 
Erscheinungen  drückt  sich  nicht  in  der  durch  sein  Gesetz  geregelten 
tricitatsmenge,  sondern  in  der  für  die  Zersetzung  erforderlichem  : 
nung  aus. 

Von  der  absoluten  Elektricitätsmenge,  die  den  TheiLch«:-  : 

Atomen  der  Materie  beigesellt  ist. 

„SsJ  Die  Theorie  der  festen  elektrolytischen  oder  eleferocböc 
Aktion  berührt,  wie  mir  scheint,  unmittelbar  die  Frage  von  cLer  ab>: 
(Quantität  vier  den  verschiedenen  Körpern  angehangen  Elektrxäa 
elektrischen  Kra*    "        Seht  ist  es  unmöglich  über  diesen  Punkt  xc  sei 


Das  Gesetz  von  Faraday.  cjg 


»hne  den  gegenwärtigen  Bereich  der  Thatsachen  zu  überschreiten,  und 
loch  ist  es  ebenso  unmöglich,  ja  vielleicht  selbst  unpolitisch,  diesen  Gegen- 
tand nicht  zu  erörtern.  Freilich  wissen  wir  nichts  von  dem  was  ein  Atom 
st,  aber  wir  können  doch  nicht  umhin,  uns  darunter  ein  kleines  Theilchen 
:u  denken,  welches  dasselbe  in  der  Idee  vorstellt;  und  wiewohl  wir  uns  in 
ebenso  grosser,  wenn  nicht  gar  in  grösserer  Unwissenheit  hinsichtlich  der 
Elektricität  befinden,  so  dass  wir  nicht  sagen  können,  ob  sie  eine  besondere* 
Materie  sei,  oder  ob  sie  aus  mehreren  Materien  bestehe,  ob  sie  eine  blosse 
Bewegung  der  gewöhnlichen  Materie  sei  oder  eine  dritte  Art  von  Kraft  oder 
Agens  —  so  giebt  es  doch  eine  unermessliche  Zahl  von  Thatsachen,  welche 
ans  zu  dem  Glauben  berechtigt,  die  Atome  der  Materie  seien  begabt  oder 
vergesellschaftet  mit  elektrischen  Kräften,  welchen  sie  ihre  hauptsächlichsten 
Eigenschaften  verdanken,  und  unter  diesen  auch  ihre  gegenseitige  Verwandt- 
schaft. Seitdem  wir,  durch  Dalton's  Lehre,  wissen,  dass  die  chemischen 
Kräfte,  unter  wie  verschiedenartigen  Umständen  sie  auch  sich  äussern,  be- 
Wmmt  sind  für  jeden  Körper,  wissen  wir  auch  den  in  solchen  Körpern 
>rhandenen  relativen  Kraftgrad  zu  schätzen,  und  wenn  zu  dieser  Kenntniss 
:h  die  Thatsache  kommt,  dass  die  Elektricität,  welche  wir  für  fähig  halten, 
mter  Beibehaltung  ihrer  chemischen  Kraft,  ihren  Wohnsitz  für  eine 
feile  zu  verlassen  und  von  Ort  zu  Ort  zu  wandern,  gemessen  werden  kann, 
sie,  so  gemessen,  sich  ebenso  bestimmt  in  ihrer  Wirkung  erweist 
irgend  eine  jener  Portionen,  welche  mit  den  Theilchen  der  Materie  ver- 
liipft  bleiben  und  diesen  ihr  chemisches  Verhalten  ertheilcn  —  so 
leinen  wir  das  Glied  gefunden  zu  haben,  welches  den  frei  gewordenen 
iktricitätsantheil  verknüpft  mit  jenem,  der  den  Körpertheilchen  in  ihrem 
itürlichen  Zustande  angehört. 

»853)  Nun  ist  es  wunderbar  zu  beobachten,  wie  klein  die  Menge  eines 
tosammengesetzten  Körpers  ist,  welche  durch  eine  gewisse  Portion  Elektricität 
^ersetzt  wird.  Betrachten  wir  beispielshalber  diese  und  einige  andere  Punkte 
bei  dem  Wasser.  Ein  Gran  Wasser,  das  zur  besseren  Leitung  angesäuert 
forden  ist,  erfordert  zu  seiner  Zersetzung  einen  elektrischen  Strom  von 
$,75  Minuten  Dauer,  und  dieser  muss  stark  genug  sein,  um  einen  Platindraht 
*°n  V104  Z°N  Dicke1  während  dieser  ganzen  Zeit  in  Berührung  mit  der  Luft 


1  „Ich  habe  die  Länge  des  angewandten  Drahtes  nicht  angegeben,  weil  ich  durch  Versuche 
ftode,  wie  es  sich  auch  theoretisch  erwarten  Hess,  dass  sie  gleichgültig  ist  Dieselbe  Elektricitäts- 
**nge,  welche,  eine  gegebene  Zeit  lang  durchgeleitet,  ein  Zoll  langes  Stück  Platindraht  von 
{ewisser  Dicke  rothglühend  machen  kann,  ist  auch  im  Stande  100  oder  1000  Zoll  oder  jede 
Länge  desselben  Drahtes  auf  denselben  Grad  zu  erhitzen,  vorausgesetzt  nur,  dass  in  beiden 
tauen  die  abkühlenden  Ursachen  an  jeder  Stelle  gleich  seien.  Ich  habe  dies  durch  das  Volta- 
Öektrometer  erwiesen.  Ich  habe  auch  gefunden,  dass,  es  mochten  ein  Zoll  oder  acht  Zoll 
llrändraht  in  einer  constanten  dunkeln  Rothglühhitze  erhalten  werden,  dennoch  in  beiden 
I^Ülen  gleiche  Mengen  Wassers  zersetzt  wurden.  Wenn  ein  1ji  Zoll  langes  Drahtstück  ange- 
wandt wurde,  kam  es  bloss  in  der  Mitte  zum  Glühen.  Ein  dünner  Draht  kann  selbst  als  ein 
»War  roher,  aber  bequemer  Regulator  des  elektrischen  Stromes  benutzt  werden;  denn  wenn  man 
Em  mit  in  die  Kette  bringt,  und  man  die  mit  ihm  verbundenen  dickeren  Drähte  näher  zusammen 


caq  Dreizehntes  Kapitel. 


rothglühend  zu  erhalten,  und  einen  sehr  hellen  und  anhaltenden  Lichtstrom 
zu  geben,  wenn  er  irgendwo  durch  Kohlenspitzen  unterbrochen  wird.   Erwägt 

§  man  die  instantane  Entladung  der  Spannungselektricität,  wie  sie  durch  die 
schönen  Versuche  von  Herrn  Wheatstone  erläutert  wird,1  und  erinnert  sich 
dessen,  was  ich  früher  über  die  Beziehung  zwischen  der  gemeinen  und 
VoLTA'schen  Elektricität  auseinander  gesetzt  habe  (371.  375),  so  ist  nicht  n 

•viel  gesagt,  dass  diese  erfordert  werdende  Elektricitätsmenge  gleich  ist  einer 
sehr  kräftigen  Blitzentladung.  Und  doch  haben  wir  sie  völlig  in  unserer 
Hand,  können  sie  direkt  entwickeln  und  nach  Belieben  anwenden;  und 
wenn  sie  das  Werk  der  Elektrolysirung  vollständig  ausgeführt  hat,  hat 
nur  die  Elemente  eines  einzigen  Gran  Wassers  getrennt. 

„854)  Andererseits  ist  der  Zusammenhang  zwischen  Elektricitätsleitungj 
und  Wasserzersetzung  so  innig,  dass  die  eine  nicht  ohne  die  andere  statt- 
finden   kann.      Wird   dem   Wasser    nur    die    geringe   Veränderung   ertheÜ^ 
welche  zwischen  ihm  im  starren  und  flüssigen  Zustande  besteht,  so  ist 
Leitung  vernichtet  und  damit   auch  die  Zersetzung.     Man  mag  die  Leitung^ 
als  von  der  Zersetzung  abhängig  betrachten  oder  nicht  (413.  703),  so  a£ 
doch  die  Beziehung  zwischen  den  beiden  Funktionen  gleich  innig  und  uiuer»- . 
trennlich. 

„855)  Erwägt  man  diese  innige  und  doppelte  Beziehung,  nämlich,  da»-" 
ohne  Zersetzung  keine  Durchleitung  der  Elektricität  stattfindet,  und  dass  fir- 
eine  gegebene  bestimmte  Menge  durchgegangener  Elektricität  eine  ebenso 
bestimmte  und  feste   Menge  Wassers  oder  anderer  Substanz  zersetzt  wird; 
erwägt  man  ferner,  dass  das  Agens  Elektricität  einfach  angewandt  wird,  ma 
die   elektrischen    Kräfte,   welche   in    dem   seiner   Einwirkung   unterworfene! 
Körper  vorhanden  sind,  zu  überwältigen,  so  erscheint  es  als  eine  wahrschein- 
liche und  fast  natürliche  Folgerung,  dass  die  durchgeleitete  Elektricitätsmenge 
das  Äquivalent  von  der  der  getrennten  Theilchen  und  deshalb  ihr  gleich 
sei,  d.  h.  wenn  die  elektrische  Kraft,   welche  die  Elemente  von  einem  Graft 
Wasser  in  Verbindung  erhält,  oder  welche  ein  Gran  Sauerstoff  und  Wasser- 
stoff, die  in  richtigem  Verhältnisse  stehen,  zu  Wasser  vereinigt,  in  den  Zustand 
eines  Stromes  versetzt  werden  könnte,  so  würde  dieser  genau  dem  Strome 
gleich  sein,  welcher  zur  Zersetzung  jenes  Grans  Wasser  erforderlich  wäre. 

„856)  Diese  Ansicht  von  dem  Gegenstand  giebt  eine  fast  erdrückende 
Idee  von  der  ausserordentlichen  Menge  oder  dem  ausserordentlichen  Grade 
elektrischer  Kraft,  welche  den  Körpertheilchen  im  natürlichen  Zustande 
angehört;  allein  sie  ist  nicht  im  Geringsten  unvereinbar  mit  den  Thatsachen, 
welche  zur  Stütze  dieses  Punktes  beigebracht  werden  können.  Um  dies  so 
erläutern,  muss  ich  einige  Worte  über  die  VoLTA'sche  Säule  sagen.* 


oder  weiter  auseinander  schiebt,   so  dass   das  Drahtstück   in  der  Kette  nahe  in  derselben  Tem- 
peratur erhalten  wird,  so  ist  der  durchgehende  Strom  von  nahe  gleicher  Starke." 

1  „Literary  Gazette,  i.  u.  8.  März  1833.  —  Phil.  Mag.  3,  204.  1833.  —  L'InstituL  261.  183$." 

8  „Unter  VoLTA'scher   Säule   verstehe   ich   solchen   Apparat  oder  solche  Anordnung  von 

Metallen,  als  man  seither  mit  diesem  Namen  belegt  hat,  und  wobei  Wasser,  Salzlösung,  Säuren, 


Das  Gesetz  von  Faraday.  ca\ 


„857)  Da  ich  beabsichtige,  die  in  der  gegenwärtigen  und  den  früheren 
leihen  dieser  Untersuchungen  mitgetheilten  Resultate  späterhin  zu  einer 
läheren  Ausmittelung  der  Quelle  der  Elektricität  des  VoLTA'schen  Instru- 
nentes  anzuwenden,  so  habe  ich  mich  jeder  entschiedenen  Meinung  über 
fiesen  Gegenstand  enthalten;  und  ohne  läugnen  zu  wollen,  dass  der  metal- 
lische Contact  oder  der  Contact  verschiedenartiger,  zwar  leitender,  aber  nicht 
metallischer  Substanzen,  etwas  mit  der  Entstehung  des  Stromes  zu  schaffen 
hätte,  bin  ich  doch  vollkommen  der  Meinung  Davy's,  dass  dieser  Strom 
wenigstens  durch  chemische  Aktion  unterhalten  werde,  und  dass  das,  was 
den  Strom  constituirt,  fast  ganz  aus  dieser  Aktion  entspringt. 

„858)  Diejenigen  Körper,  welche,  zwischen  die  Metallplatten  einer 
VoLTA'schen  Säule  gebracht,  diese  wirksam  machen,  sind  sämmtlich 
Elektrolyte  (476).  Ich  kann  nicht  umhin,  Jeden,  der  sich  mit  diesem 
Gegenstand  beschäftigt,  dringend  aufmerksam  zu  machen,  dass  in  jenen  (für 
die  Säule  so  wesentlichen)  Körpern  Zersetzung  und  Durchleitung  des  Stromes 
10  innig  zusammenhängen,  dass  die  eine  nicht  ohne  die  andere  eintreten 
kann.  Dies  habe  ich  beim  Wasser  und  in  vielen  anderen  Fällen  zum  Über- 
fluss  gezeigt  (402.  476).  Wenn  also  die  Enden  eines  Trogapparates  mit 
einem  zersetzbaren  Körper,  wie  Wasser,  verbunden  sind,  haben  wir  durch 
diesen  Apparat  einen  continuirlichen  Strom,  und  während  er  in  diesem  Zu- 
stand ist,  kann  man  den  Theil,  wo  die  Säure  die  Platten  angreift,  und  den, 
*o  der  Strom  auf  das  Wasser  einwirkt,  als  wechselseitige  Dinge  betrachten, 
h  beiden  Theilen  haben  wir  die  zwei  in  Körpern  wie  diese  unzer- 
trennlichen Erscheinungen,  nämlich  den  Durchgang  des  Stromes  und  die 
Zersetzung.  Und  dies  gilt  sowohl  für  die  Zellen  in  der  Batterie  als  für  die 
Wasserzelle;  denn  bis  jetzt  ist  noch  keine  VoLTA'sche  Batterie  erbaut  worden, 
in  welcher  die  chemische  Aktion  auf  die  einer  Verbindung  beschränkt  ge- 
wesen wäre;  immer  ist  eine  Zersetzung  eingeschlossen,  und  sie  ist,  glaube 
ich,  ein  wesentlicher  chemischer  Theil. 

„859)  Der  Unterschied  zwischen  den  beiden  Theilen  der  geschlossenen 
Batterie,  nämlich  zwischen  der  Zersetzungs-  oder  Experimentirzelle  und  den 
erregenden  Zellen,  ist  einfach  dieser.  In  der  ersteren  treiben  wir  den  Strom 
durch,  allein  er  ist,  wie  es  scheint,  nothwendig  von  einer  Zersetzung  begleitet; 
in  den  letzteren  veranlassen  wir  Zersetzungen  durch  gewöhnliche  chemische 
Aktionen  (welche  ihrerseits  jedoch  elektrisch  sind),  und  in  Folge  dessen  haben 
wir  einen  elektrischen  Strom.  Und  da  in  der  ersten  die  vom  Strom  ab- 
hängende Zersetzung  bestimmt  ist,  so  ist  in  den  letzteren  der  mit  der  Zer- 
setzung vergesellschaftete  Strom  auch  bestimmt  (862  ff.). 

„860)  Wenden  wir  dies  an  zur  Stütze  dessen,  was  ich  hinsichtlich  der 
ungeheuren  elektrischen  Kraft  eines  jeden  Theilchens  oder  Atoms  der  Materie 


oder  andere  wässerige  Lösungen  oder  zersetzbare  Substanzen  (476)  zwischen  den  Platten  befind- 
lich sind.  Andere  Arten  elektrischer  Apparate  mögen  künftig  erfunden  werden,  und  ich  hoffe 
finen  zu  constniiren,  der  nicht  zur  Klasse  der  von  Volta  erfundenen  gehört." 


CA2  Dreizehntes  Kapitel. 


vermuthet  habe  (856).     In  einer  früheren  Reihe  dieser  Untersuchungen, 
der  Maassbeziehung  zwischen  gemeiner   und  VoLTA'scher  Elektricität, 
ich  gezeigt,    dass  zwei  Drähte,    einer  von  Platin   und   der  andere  von  Zink, 
jeder  l/19  Zoll  dick,  und  6/16  Zoll  von  einander  entfernt,  eingetaucht  bis  n 
einer  Tiefe  von  6/8  Zoll  in  eine  Säure,  bestehend  aus  einem  Tropfen  VitrioBI 
und  vier  Unzen  destillirten  Wassers  von   etwa  60 °  F.,   und  verbunden  ai 
ihren    anderen   Enden    durch   einen  Kupferdraht   von    18  Fuss  Länge  und 
lj1Q  Zoll  Dicke,  in  etwas  mehr  als  drei  Sekunden  Zeit  ebenso  viel  Elektricität 
liefern   als  eine  Leidener  Batterie,    die  durch   30  Umdrehungen    einer  sehr] 
grossen   und  kräftigen   Scheibenmaschine   geladen  worden   ist    (371).    Diese  ] 
Menge,   welche  zur  Tödtung  einer  Ratte  oder  Katze  hinreichend  gewesen 
sein  würde,  wenn  sie  als  Blitz  auf  einmal  durch  den  Kopf  derselben  gegangen  : 
wäre,  wurde  durch  die  gegenseitige  Aktion   eines  so  kleinen  Stückes  Zink- : 
draht  und  des   umgebenden  Wassers  entwickelt,   dass  der  Gewichtsverlust^ 
den  beide  erlitten,  mit  unseren  empfindlichsten  Instrumenten  unwägbar  sein 
würde.     Namentlich  musste  die  Menge  des  Wassers,   welches  durch  jenen 
Strom  zersetzt  worden  war,  unmerklich  sein,  denn  während  jener  drei  Sekunden 
erschien  auf  dem  Platin  kein  Wasserstoff. 

„861)  Welch  ungeheure  Menge  von  Elektricität  ist  demnach  zur  Zer- 
setzung eines  einzigen  Grans  Wasser  erforderlich!  Bereits  haben  wir  gesehen, 
dass  sie  so  gross  sein  muss,  um  einen  Yio*  Zoll  dicken  Platindraht  in  3,75 
Minuten  langer  Berührung  mit  der  Luft  rothglühend  zu  erhalten  (853),  und 
diese  Menge  ist  fast  unendlich  grösser  als  die,  welche  mit  dem  eben  erwähnten 
kleinen  Volt  Aachen  Normalapparat  entwickelt  werden  konnte  (860.  371). 
Ich  habe  mich  bemüht,  durch  den  Gewichtsverlust  eines  solchen  Drahtes  in 
einer  gegebenen  Zeit,  und  in  einer  solchen  Säure,  einen  Vergleich  anzu- 
stellen, gemäss  eines  sogleich  zu  beschreibenden  Satzes  und  Versuches  (862); 
allein  das  Verhältniss  ist  so  gross,  dass  ich  mich  fast  scheue,  es  anzugeben. 
Es  würde  sich  nämlich  daraus  ergeben,  dass  800000  solcher  Entladungen 
der  eben  erwähnten  Leidener  Batterie  nöthig  wären,  um  die  zur  Zersetzung 
eines  einzigen  Grans  Wasser  erforderliche  Elektricität  zu  liefern,  oder,  wenn 
ich  nicht  irre,  diejenige  Elektricitätsmenge,  welche  mit  den  Elementen  eines 
Grans  Wasser  im  natürlichen  Zustande  verknüpft  ist,  und  dieselben  mit  ihrer 
gegenseitigen  chemischen  Verwandtschaft  versieht 

„862)  Zum  ferneren  Erweise  dieses  hohen  elektrischen  Zustandes  der 
Körpertheilchen  und  der  Gleichheit  der  Elektricitätsmenge,  welche 
ihnen  eigen  ist,  und  welche  zu  ihrer  Zersetzung  erfordert  wird, 
will  ich  einen  sehr  einfachen  Versuch  beschreiben,  der  ungemein  niedlich 
ist,  wenn  man  ihn  in  Bezug  auf  die  Entwicklung  eines  Stromes  und  dessen 
zersetzende  Kräfte  betrachtet. 

„863)  Eine  verdünnte  Schwefelsäure,  gemacht  aus  etwa  einem  Maass- 
theil  Vitriolöl  und  30  Maasstheilen  Wasser,  wirkt  kräftig  auf  ein  Stück  Zink- 
blech in  seinem  gewöhnlichen  und  einfachen  Zustand;  allein,  wie  Herr 
Sturgeon    gezeigt    hat,    gar    nicht    oder   kaum,    wenn    die    Oberfläche   des 


Das  Gesetz  von  Faraday.  ca* 


Falles  zuvor  amalgamirt  worden  ist;  und  dennoch  wirkt  das  amalgamirte 
lk  als  Elektromotor  sehr  kräftig  mit  Platin,  indem  an  letzterem  Metall 
asserstoff  entwickelt,  und  das  Zink  oxydirt  und  gelöst  wird.  Die  Amal- 
mation  lässt  sich  am  besten  bewerkstelligen,  wenn  man  einige  Tropfen 
jecksilber  auf  die  Zinkfläche  spritzt,  die  letztere  mit  verdünnter  Säure 
nässt  und  nun  mit  den  Fingern  reibt,  um  so  das  Quecksilber  über  die 
tnze  Fläche  auszubreiten.  Das  überflüssige  Quecksilber,  welches  Tropfen 
if  dem  Zink  bilden  würde,  muss  abgewischt  werden. l 

„864)  Zwei  so  amalgamirte  Zinkplatten  wurden  getrocknet  und  genau 
wogen.  Die  eine,  welche  wir  A  nennen  wollen,  wog  163,1  Gran:  die  andere, 
er  B  genannt,  wog  148,3  Gran.  Sie  waren  ungefähr  5  Zoll  lang  und 
4  Zoll  breit  Eine  irdene  pneumatische  Wanne  wurde  mit  Schwefelsäure 
>n  der  eben  beschriebenen  Stärke  angefüllt  (863)  und  eine  mit  derselben 
iure  angefüllte  Glasflasche  darüber  umgekehrt.2  Ein  Platinstreif  von  bei- 
ihe  derselben  Länge,  aber  drei  Mal  grösserer  Breite  als  die  Zinkstreifen 
iirde  in  die  Flasche  gebracht.  Dann  wurde  auch  der  Zinkstreif  A  in  die 
asche  eingeführt  und  mit  dem  Platin  in  Berührung  gesetzt;  in  demselben 
oment  wurde  auch  der  Zinkstreif  B  in  die  Säure  der  Wanne  gelegt,  jedoch 
jsser  Berührung  mit  einer  metallischen  Substanz. 

„865)  Sogleich  wie  sich  Zink  und  Platin  berührten,  trat  in  der  Flasche 
ine  starke  Wirkung  ein.  Wasserstoff  stieg  vom  Platin  auf  und  sammelte 
ch  in  der  Flasche;  allein  von  keiner  der  Zinkplatten  stieg  Wasserstoff  auf. 
1  etwa  10 — 12  Minuten,  nachdem  sich  eine  hinreichende  Menge  Wasserstoff 
esammelt  hatte,  wurde  der  Versuch  abgebrochen.  Im  Verlauf  desselben 
rschienen  ein  Paar  Blasen  auf  dem  Streifen  B,  aber  keine  auf  dem  Streifen  A. 
He  Streifen  wurden  in  destillirtem  Wasser  gewaschen,  getrocknet  und  aber- 
lals  gewogen.  Der  Streifen  B  wog  148,3  Gran  wie  zuvor,  ^hatte  also  nichts 
urch  die  direkte  chemische  Aktion  der  Säure  verloren.  Der  Streifen  B 
'°S  1 54/55  Gran;  es  waren  mithin  8,45  Gran  von  ihm  während  des  Ver- 
uches  oxydirt  und  gelöst  worden. 

„866)  Das  Wasserstoffgas  wurde  nun  über  einen  Wassertrog  gebracht 
nd  gemessen;  es  betrug  12,5  Kubikzoll  bei  52 °  F.  und  28,2  Zoll  Baro- 
leterstand.  Auf  vollkommene  Trockenheit,  mittlere  Temperatur  und  mitt- 
len Druck  reducirt,  betrug  es  12,15453  Kubikzoll,  wozu  noch  halb  so  viel 
n  Sauerstoff  kommt,  welcher  zu  der  Anode,  d.  h.  zu  dem  Zink  gegangen 
ein  musste.  Es  waren  also  18,232  Kubikzoll  Sauerstoff  und  Wasserstoff 
us  dem  durch  den  elektrischen  Strom  zersetzten  Wasser  entwickelt  worden, 
«ach   der   früher  (791)   angenommenen   Schätzung   des  Gewichtes   der   ge- 

1  „Der  Versuch  kann  mit  reinem  Zink  angestellt  werden,  das,  wie  die  Chemiker  wohl 
is*^n,  verhältnissmässig  weniger  von  verdünnter  Schwefelsäure  angegriffen  wird  als  das  gewöhn- 
he  Zink,  welches  hierbei  einer  Unzahl  VoLTA'scher  Aktionen  unterworfen  ist.  Siehe  de  la 
ive  in  der  Bibliotheque  universelle,   1830,  p.  391   (Pogg.  Ann.  19,  221)." 

*  ,,Die  Säure  war  eine  Nacht  lang  mit  einem  Stückchen  unamalgamirten  Zinks  stehen 
a>,sen,  damit  die  Luft  entwiche,  welche  sich  etwa  hätte  entwickeln  können.'* 


tAA  Dreizehntes  Kapitel. 


wi^ 


mengten  Gase,  ist  dieses  Volum  gleich  2,3535544  Gran,  und  dies  daher  & 
Gewichtsmenge  des  zersetzten  Wassers.  Diese  Menge  verhält  sich  zu  8,4$ 
der  Menge  des  oxydirten  Zinks,  wie  9  zu  32,31.  Nimmt  man  nun  9  ar 
Äquivalentzahl  des  Wassers,  so  ist  32,5  die  Äquivalentzahl  des  Zinks;1  eine 
hinreichend  nahe  Übereinstimmung,  um  zu  zeigen,  was  in  der  That  nicht 
anders  sein  konnte,  dass  für  ein  Äquivalent  oxydirten  Zinks  ein  Äquivalent 
Wasser  zersetzt  worden  sein  musste. 

„867)  Betrachten  wir   aber,   wie    das  Wasser   zersetzt   wird.     Es 
elektrolysirt,  d.  h.  voltaisch  zersetzt,  und  nicht  (wie  es  scheint)  in  der  gewöhn«^ 
liehen  Weise  chemischer  Zersetzungen;  denn  der  Sauerstoff  erscheint  an  der. 
Anode    und    der   Wasserstoff   an    der   Kathode    des    zersetzt   werdende^' 
Körpers,  und  diese  standen  in  vielen  Theilen  des  Versuches  über  einen  Zofl^ 
auseinander.     Ferner  war  die  gewöhnliche  chemische  Verwandtschaft  untet- 
den  Umständen  des  Versuches  nicht  stark  genug,  das  Wasser  zu  zersetze^, 
wie   es   zur   Genüge   die  Wirkungslosigkeit   auf  die  Platte   B   erwies.     Du* 
VoLTA'sche  Strom  war  also  wesentlich.   Um  jede  Idee  zu  entfernen,  als  WirtF 
die  chemische  Verwandtschaft  allein  hinreichend  zur  Zersetzung  des  Wasseft 
gewesen,    und   als   möchte    unter   den   obigen  Umständen    ein   schwächerer 
Elektricitätsstrom   den  Wasserstoff  zum  Hingange   zur   Kathode   veranlasst 
haben,  brauche  ich  mich  nur  auf  die  Resultate  zu  berufen,  welche  ich  (807- 
8 1 3)  gegeben  habe,  um  zu  zeigen,  dass  die  chemische  Aktion  an  den  Elek- 
troden nicht  den  geringsten  Einfluss  auf  die  zwischen  ihnen  zersetzt  werdende* 
Mengen  von  Wasser  und  anderen  Substanzen   ausübt,    sondern  dass  diese 
gänzlich  von  der  Menge  der  durchgegangenen  Elektricität  abhängen. 

„868)  Was  ergiebt  sich  nun  aus  dem  ganzen  Versuch  als  eine  notfc» 
wendige  Folgerung?  Wohl  dies:  dass  die  chemische  Aktion  auf  32,31  Thek 
oder  ein  Äquivalent  Zink  in  dieser  einfachen  VoLTA'schen  Kette  im  Stande 
war,  eine  solche  Menge  Elektricität  in  Gestalt  eines  Stromes  zu  entwickeln, 
die  beim  Durchgang  des  Wassers  9  Theile  oder  ein  Äquivalent  von  dieser 
Substanz  zersetzen  konnte.  Erinnert  man  sich  der  bestimmten  Elektricität»- 
relationen,  wie  sie  in  den  früheren  Theilen  dieses  Aufsatzes  entwickelt  worden 
sind,  so  zeigen  die  Resultate,  dass  die  Elektricitätsmenge,  welche,  wenn  sie 
im  natürlichen  Zustande  mit  den  Körpertheilchen  verknüpft  ist,  diesen  ihre 
Verbindungskraft  verleiht,  fähig  ist,  in  einen  Strom  versetzt,  diese  Theilchefl 
aus  ihrem  Verbindungszustand  heraus  zu  reissen,  oder,  mit  anderen  Worten 
dass  die  Elektricität,  welche  eine  gewisse  Menge  von  S  übst  an* 
zersetzt,  und  die,  welche  bei  der  Zersetzung  derselben  Mengt 
entwickelt  wird,  gleich  sind. 

„869)  Die  Harmonie,  welche  diese  Theorie  von  der  bestimmten  Ent- 
Wickelung  und  der  entsprechenden  bestimmten  Wirkung  der  Elektricität  eitt" 
fuhrt  in  die  verwandten  Theorieen  von  bestimmten  Proportionen  und  von 
der  elektrochemischen  Affinität,   ist  sehr  gross.     Ihr  gemäss  sind  die  äqui- 


1  „Der  Versuch  wurde  mehrmals  mit  demselben  Erfolg  wiederholt" 


Das  Gesetz  von  Faraday.  cac 


:en  Gewichte  der  Körper  einfach  diejenigen  Mengen  von  ihnen,  welche 
e  Elektricitätsmengen  enthalten  oder  gleiche  elektrische  Kräfte  besitzen. 
:  die  Elektricität,  welche  die  Äquivalentzahl  bedingt,  weil  sie  die 
ndungskraft  bedingt  Oder  wenn  wir  die  Atomtheorie  annehmen,  sind 
2  in  ihrer  gewöhnlichen  chemischen  Aktion  zu  einander  äquivalenten 
e  der  Körper,  welche  im  natürlichen  Zustande  mit  gleichen  Mengen 
Elektricität  verknüpft  sind.  Aber  ich  muss  bekennen,  ich  bin  vorsichtig 
lern  Ausdruck  Atom;*  denn  wiewohl  es  sehr  leicht  ist  von  Atomen 
den,    ist   es  doch   sehr  schwierig,    sich    eine    klare    Idee    von    deren 

zu  machen,  besonders  wenn  zusammengesetzte  Körper  in  Betracht 
len. 

,870)  Ich  kann  nicht  umhin,  hier  an  die  schöne  Idee  zu  erinnern, 
e,  glaube  ich,  Berzelius  in  der  Entwickelung  seiner  Ansichten  über  die 
ochemische  Theorie  der  Affinität  ausgesprochen  hat ,  dass  nämlich 
le  und  Licht,   die  bei  kräftigen  Verbindungen  entwickelt  werden,    die 

der  in  dem  Momente  der  Verbindung  stattfindenden  elektrischen  Ent- 
g  sind.  Diese  Idee  stimmt  vollkommen  überein  mit  der  von  mir 
£en  Ansicht  über  die  mit  den  Körpertheilch'en  verknüpfte  Elektricitäts- 
re 

,871)  Bei  dieser  Darstellung  des  Gesetzes  von  der  bestimmten  Wirkung 
lektricität  und  deren  entsprechenden  Proportion  in  den  Körpertheilchen 
ipte  ich  nicht,  schon  jeden  Fall  von  chemischer  oder  elektrochemischer 
n  unter  die  Herrschaft  desselben  gebracht  zu  haben.  Es  giebt,  beson- 
in  Bezug  auf  die  zusammengesetzten  Theilchen  der  Materie  und  die 
irenden  elektrischen  Kräfte,  welche  diese  besitzen  müssen,  viele  Betrach- 
n  theoretischer  Natur,  welche  erst  mit  der  Zeit  ihre  Entwickelung  finden 
n;  und  ebenso  giebt  es  viele  experimentelle  Fälle,  wie  z.  B.  die  durch 
iche  Verwandtschaften  gebildeten  Verbindungen,  die  gleichzeitige  Zer- 
ig  von  Wasser  und  Salzen  u.  s.  w.,  welche  noch  einer  näheren  Unter- 
ng    bedürfen.     Was  indes  auch   die   Resultate  hinsichtlich   dieser  und 

anderer  Punkte  sein  mögen,  so  glaube  ich  doch  nicht,  dass  die  von 
.ufgestellten  Thatsachen  oder  die  aus  ihnen  hergeleiteten  allgemeinen 
ie  dadurch  irgend  eine  bedeutende  Änderung  erleiden  werden;  und  sie 
*n,  ungeachtet  Vieles  unvollkommen  und  ungethan  blieb,  Wichtigkeit 
,  um  ihre  Bekanntmachung  zu  rechtfertigen.  In  der  That  ist  es  ein 
x  Vorzug  unserer  Wissenschaft,  der  Chemie,  dass  Fortschritte  in 
ben,  seien  sie  gross  oder  klein,  statt  den  Gegenstand  der  Untersuchung 
ichöpfen,  vielmehr  Thore  öffnen  zu  neuen  und  umfassenderen  Kennt- 
.  die  denen,  welche  die  leichte  Mühe  einer  Experimentaluntersuchung 
scheuen,  Freude  und  Nutzen  in  Fülle  gewähren. 

872)  Die  Bestimmtheit  der  Elektricitätsentwickelung  verbunden  mit  der 
imtheit  ihrer  Wirkung  beweist,  meiner  Meinung  nach,  dass  der  elek- 
t  Strom  durch  chemische  Zersetzung  oder  vielmehr  durch  chemische 
1,    und   nicht  bloss  durch  den  Contact  unterhalten  wird.     Allein  hier, 

•rald,   Elektrochemie.  35 


Das  Gesetz  von   Famday.  547 

Äwris,   dass  beide  Grössen  wirklich  einander  proportional  sind,    konnte 

durch  unmittelbare  unabhängige  Messung  beider  geliefert  werden.  Faradav 

dann  die  Lücke  ausgefüllt;  indem  er  die  Proportionalität  seiner  aller- 
p  ziemlich  roh  durch  die  Anzahl  der  Umdrehungen  seiner  Elektrisir- 
chine  gemessenen  Elektricitätsm engen  mit  der  chemischen  Wirkung  einer- 
i,  und  mit  der  Wirkung  auf  das  Galvanometer  andererseits  nachwies, 
irte  er  beide  Hiilfsmittel .  zur  unabhängigen  Messung  der  Elektricitäts- 
gen  anwenden  und  sein  Gesetz  bezüglich  der  chemischen  Wirkung  des 
mes  mit  Hülfe  des  Galvanometers  prüfen. 

Die  Proportionalität  zwischen  der  chemischen  und  der  magnetischen 
kang  ihrerseits  ist  bereits  von  Ohm  aus  den  Versuchen  von  Bischof 
Igert  ;S.  400,  unten)  und  mit  klaren  Worten  ausgesprochen  worden. 
i  befand  sich  hier  in  einer  noch  vorteilhafteren  Stellung  für  den  wissen- 
ftlich  zulänglichen  Nachweis  der  Beziehung,  da  er  mittelst  eines  Gesetzes 
Einfluss  des  Widerstandes  und  der  Polarisation  (s.  w.  u.) 
lechnung  bringen  konnte,  während  Faraday  für  seine 
eiSFuhrung  auf  die  Anwendung  von  Elektricitätsmengen 

sehr  hoher  Spannung,  wie  sie  die  Reibungselektrisir- 
chine  liefert,  angewiesen  war. 

Was  den  anderen  Theil  des  Gesetzes,  die  Übereinsrim- 
ig  zwischen  der  chemischen  und  der  elektrischen  Äqui- 
nz,  anlangt,  so  hat  er  auch  hier  einen  Vorgänger,  welcher 
entliehe  Theile  des  Gesetzes  klar  erkannt  hatte,  nicht 
•  den  weiten  Blick  besass,  um  die  Tragweite  seiner  ganz 
hgen  Erwägungen  zu  überschauen,  und  die  entsprechen-    Nach  döbereiner. 

Anwendungen  zu  machen.   Dieser  Mann  ist  der  Jenenser 

siker  Döbereiner,  der  Entdecker  der  katalytischen  Eigenschaften  des  fein- 

seilten   Platins  gegenüber   dem  Knallgase  und  der  Erfinder  des  Platin- 

rzeugs. 

In  seinen  „Fortgesetzten  physikalisch-chemischen  Bemerkungen"1  äussert 
ich  wie  folgt: 

„Ich  finde,  dass  eine  aus  Zink  und  Platindraht  zusammengesetzte  ein- 
e  VoLTx'sche  Kette  zur  grössten  chemischen,  viele  Tage  andauernden 
tigkeit  aufgeregt  wird,  wenn  man  das  Zink,  statt  mit  verdünnter  Säure, 

einer  Auflösung  von  Salmiak  umgiebt,  und  ich  benutze  nun  seit  einem 
b  dies  einfache  Mittel,  um  chemisch  reines  Wasserstongas  aus  verdünnter 
säure  und  verschiedene  Metalle  völlig  rein  aus  ihren  Auflösungen  in 
irine  und  Säuren  darzustellen. 

„Die  ganze  Vorrichtung  dazu  besteht,  wie  man  aus  der  Fig.  134  ersieht, 
ms  aus  einem  schmalen  Streifen  Zinkblech  cc  von  ungefähr  3  oder  4  Zoll 
je>  welcher  an  einem  Ende  mit  Platindraht  von  einer  der  seinen  beinahe 
:hen  Länge  verbunden  ist;    zweitens  in  einer  3  bis  4  Zoll  hohen,  4  bis 

<  Gilbert'!  Ann.  68,  85.  1821. 


ca&  Dreizehntes  Kapitel. 

5  Linien  weiten,  unten  bei  x  mit  Blase  zugebundenen  Glasröhre  bbbb, 
welche  bestimmt  ist,  die  Flüssigkeit  aufzunehmen,  auf  die  der  Platindraht 
elektrisch  einwirken  soll;  und  drittens  in  einem  gläsernen  Cylinder  aaaa 
von  i  a/2  bis  2  Zoll  Höhe  und  7  bis  9  Linien  Weite,  welcher  zur  Aufnahme 
der  Salmiaklösung,  des  Zinkbleches  und  der  eben  erwähnten  Glasröhre  dient, 
die  mit  der  elektrochemisch  zu  behandelnden  und  mit  dem  Zinkstreifen 
durch  den  Platindraht  verbundenen  Flüssigkeit  angefüllt  ist. 

„In  diesem,  in  dem  vierten  Theile  seiner  natürlichen  Grösse  abgebil- 
deten kleinen  netten  Apparate  wird  mit  Wasser  verdünnte  Salzsäure  in 
Wasserstoffgas  und  Chlorine,  und  fast  jedes  Metallchlorid  in  Metall  und 
Chlorine,  sowie  endlich  die  mit  Wasser  verdünnte  Schwefelsäure  in  oxydirte 
Schwefelsäure  und  Wasserstoffgas  zerlegt. 

„Das  .Wasserstoffgas,  welches  sich  aus  der  Salzsäure  entwickelt,  ist 
chemisch  rein.  .  .  .  Das  Metall,  welches  ausgeschieden  wird,  lagert  sich  an 
dem  in  die  Metallauflösung  gesenkten  Theil  des  Platindrahtes,  und  die  frei 
gewordene  Chlorine,  sowie  die  oxydirte  Schwefelsäure  geht  durch  die  Blase  x 
an  das  mit  dieser  durch  die  Salmiakauflösung  in  Berührung  stehende  Zink 
An  diesem  selbst  geht  keine  Gasentwickelung  vor  sich,  weil  es  bloss  Chloriiw 
oder  die  oxydirte  Schwefelsäure  anzuziehen  hat;  es  löst  sich  bloss  von  unter 
her  allmählich  auf,  und  das,  was  aufgelöst  wird,  ist  stets  nur  ein  äquivalent© 
Theil  von  dem,  was  in  der  Röhre  entwickelt  oder  niedergeschlagen  wird 
Man  könnte  daher  diese  Kette  eine  stöchiometrisch-elektrische  nennen." 

Diese  Stelle  lehrt  unzweifelhaft,  dass  Döbereiner  sich  völlig  darübe 
klar  war,  dass  die  von  einander  getrennt  an  den  beiden  Polen  der  Kettt 
erfolgenden  chemischen  Vorgänge  einander  nothwendig  äquivalent  seil 
müssen;  damit  ist  ein  Theil  des  später  von  Faraday  entdeckten  Gesetze 
gegeben.  Gleichzeitig  wird  aber  ersichtlich,  dass  ihm  das  Ergebniss  al 
einigermaassen  „selbstverständlich"  erschien,  derart,  dass  er  wohl  auf  da 
vorhandene  Verhältniss  hinwies,  es  aber  nicht  zum  Ausgang  weiterer  Über 
legungen  nahm.  Im  Gegensatz  zu  dem  philosophischen  nil  admirari  besteh 
aber  eine  wesentliche  Eigenschaft  des  Naturforschers  darin,  dass  er  sich  an 
richtigen  Orte  zu  wundern  versteht,  d.  h.  dass  er  sich  beständig  die  Fraget 
vorlegt:  wohin  führt  das?  und  was  hat  das  für  Folgen?  Die  grössten  Ent 
deckungen  werden  an  den  Dingen  gemacht,  die  in  Jedermanns  Händen  sind 
und  die  grössten  Wunder  sind  die  offenbaren. 

Auch  in  einem  zweiten  Punkt  war  Döbereiner  einer  wichtigen  Erfindung 
sehr  nahe:  sein  Apparat  unterscheidet  sich  in  nichts  von  dem,  der  zu  ein 
fachen  galvanoplastischen  Versuchen  dient.  Wenn  er  an  seinem  Platin 
draht  irgend  einen  leitenden  Körper  befestigt  hätte,  so  hätte  er  ihn  mit  den 
ausgeschiedenen  Metall  überziehen  oder  darin  abformen  können.  Hier  wa 
das  Mittel  gegeben,  die  Aufgabe,  die  dadurch  gelöst  werden  konnte,  wa 
aber  noch  nicht  gestellt  worden  und  so  ging  die  Beobachtung  unbeachte 
vorüber.  Auch  hieraus  lässt  sich  eine  nützliche  Lehre  von  allgemeiner  Be 
schaffenheit  ziehen. 


F 

F 


i  Das  Gesetz  von  Faraday.  540 

t  ^^  ^^  ^^ 

l  Einige  weitere  Beobachtungen  Döbereiner's  an  seiner  Kette  verdienen 


\ 


gleichfalls  hervorgehoben  zu  werden.  „Behandelt  man  in  dieser  elektrischen 
Kette  eine  Auflösung  von  Eisen  in  Chlorine  (eine  Lösung  von  Eisenchlorür), 
welche  freie  Salzsäure  enthält,  so  wird  zuerst  die  Salzsäure  unter  Entwicke- 
lung  von  Wasserstoff  und  sodann  das  Eisehchlorür  zerlegt.  .  .  .  Wendet  man 
eine  mit  freier  Salzsäure  begabte  Kupferauflösung  an,  so  wird  kein  Wasser- 
stoff, sondern  gleich  metallisches  Kupfer  ausgeschieden,  und  erst  wenn 
dieses  ganz  niedergeschlagen  ist,  beginnt  die  Entwickelung  des  Wasserstoff- 
gases." 

9.  Faraday's  elektrochemische  Ansichten.     Der  Inhalt  der  bis- 
bisherigen Untersuchungen  Faraday's  hat  sich  noch  nicht  auf  die  Hauptfrage 
jener  Zeit  bezogen,    die  nach  der  Ursache  der  elektrischen  Erscheinungen 
in  der  VourA'schen  Kette.    Mit  dieser  Frage  beschäftigt  sich  unser  Forscher 
in  der   achten  Reihe   seiner  Experimentaluntersuchungen    über  Elektricität, 
welche  vom  31.  März  1834  datirt  und  in  den  Philosophical  Transactions  von 
demselben  Jahre  veröffentlicht  worden  ist.    In  diesen  Arbeiten  bekennt  sich 
Faraday  völlig  als   ein   Vertreter   der    chemischen  Theorie,    und    weist    die 
VoLTA'sche  Berührungslehre  unbedingt  ab.     Unter  den  Gründen,  welche  er 
für  seine  Überzeugung  anführt,    kann    er   allerdings    keinen    unbedingt    der 
erweiterten    Contacttheorie   widersprechenden    namhaft    machen,    wie    denn 
schon  wiederholt   betont  worden  war,   dass   solche   experimentelle  Beweise 
jener  Zeit  nicht  zu  Gebote   standen;    dagegen  spielen  Betrachtungen   über 
die  Arbeitsquelle  des  Stromes,    also  energetische,    eine  entscheidende  Rolle 
fiir  die  Annahme  der  Notwendigkeit  des  chemischen  Vorganges  als  Quelle 
des  elektrischen.     Wenn  auch  Faraday  zu  jener  Zeit  nicht  im  Stande  war, 
diesen  Gesichtspunkt  in  seiner  ganzen  Kraft  und  Bedeutung  zur  Geltung  zu 
bringen,    und  sogar  später,    als  das  Gesetz  von  der  Erhaltung  der  Energie 
klar  ausgesprochen  worden  war,   durch  eine  Reihe  recht  verfehlter  Erörte- 
rungen bewies,  wie  schwer  es  auch  den  grossen  Geistern  jener  Zeit  wurde, 
diesen  Gedanken  in  seiner  ganzen  Einfachheit  und  Klarheit  aufzufassen,  so 
[     lässt  sich  doch  sein  Einfluss  nicht  verkennen,    und  wir  werden  später  eine 
ganze  Anzahl  von  Äusserungen  Faraday's  zu  verzeichnen  haben,  in  denen 
dieser  Gedanke  mehr  oder  weniger  deutlich  zu  Tage  tritt. 

„Über  die  einfache  VoLTA'sche  Kette. 

„875)  Die  grosse  Frage  über  den  Ursprung  der  Elektricität  in  der 
VoLTA'schen  Säule  hat  so  viele  aasgezeichnete  Physiker  beschäftigt,  dass  ein 
Unbefangener,  welcher  zwar  diese  Aufgabe  nicht  studirt  hätte,  aber  doch 
die  Talente  dieser  Männer  zu  würdigen  verstände,  glauben  könnte,  die  Wahr- 
heit wäre  hier  einigermaassen  aufgedeckt.  Wenn  aber  derselbe  in  diesem 
Glauben  eine  Vergleichung  der  Resultate  und  Schlüsse  unternähme,  würde 
er  bald  auf  solche  Widersprüche  gerathen,  auf  solches  Gleichgewicht  der 
entgegengesetzten  Meinungen,  solche  Variation  und  Combination  der  Theorie, 
dass  er  völlig  in  Zweifel  bleiben   müsste,   was  er  für  die  wahre  Auslegung 


cco  Dreizehntes  Kapitel. 

der  Natur  zu  halten  habe.  Er  würde  genöthigt  sein,  die  Versuche  zu  wieder 
holen,  und  dann  statt  des  Urtheils  Anderer  sein  eigenes  zu  gebrauchen. 

„876)  Diese  Sachlage  mag  mich  in  den  Augen  Derer,  die  bereits  übe 
diesen  Gegenstand  nachgedacht  haben,  entschuldigen,  dass  ich  auf  eint 
Untersuchung  desselben  eingegangen  bin.  Meine  Ansichten  über  die  fest« 
Wirkung  der  Elektricität  auf  die  in  Zersetzung  begriffenen  Körper  (783)  um 
über  die  Einerleiheit  der  dabei  angewandten  Kraft  mit  der  zu  überwältigendei 
(855),  gegründet  nicht  auf  eine  blosse  Meinung  oder  oberflächliche  Kenntnis« 
sondern  auf  ganz  neue,  meiner  Einsicht  nach  genaue  und  entscheidend 
Thatsachen,  setzen  mich,  glaube  ich,  in  den  Stand,  die  Aufgabe  unter  V01 
theilen  zu  untersuchen,  die  keiner  meiner  Vorgänger  besass  und  die  mir  Ersat 
für  deren  höheren  Scharfsinn  leisten.  Betrachtungen  dieser  Art  haben  mic 
veranlasst,  zu  glauben,  ich  möchte  zur  Entscheidung  der  Frage  Einiges  be 
tragen  können,  und  im  Stande  sein,  an  dem  grossen  Werke  der  Eni 
fernung  zweifelhafter  Kenntnisse  mitzuwirken.  Solche  Kenntnisse  bilde 
das  frühe  Dämmerungslicht  in  jeder  fortschreitenden  Wissenschaft  und  sir 
wesentlich  für  deren  Entwickelung;  aHein  der,  welcher  sich  bemüht,  d 
Trügerische  in  derselben  zu  zerstreuen  und  das  Wahre  deutlicher  an's  Lic 
zu  ziehen,  ist  ebenso  nützlich  an  seinem  Platz  und  ebenso  nothwendig  f 
den  Fortgang  der  Wissenschaft  als  der,  welcher  zuerst  in  die  intellectuel 
Finsterniss  einbricht  und  zuvor  unbekannte  Bahnen  zur  Erkenntniss  ai 
schliesst. 

„877)  Die  Einerleiheit  der  Kraft,  welche  den  Volta* sehen  Strom  od 
das  elektrische  Agens  ausmacht,  mit  derjenigen,  welche  die  Elemente  ele 
trisch  zusammenhält  (855),  oder  in  anderen  Worten,  mit  der  chemisch« 
Verwandtschaft,  schien  darauf  hinzudeuten,  dass  die  Elektricität  der  Sä« 
nichts  anderes  sei  als  eine  Äusserungs-,  Erscheinungs-  oder  Daseinswei 
der  wahren  chemischen  Aktion  oder  vielmehr  ihrer  Ursache;  und  i< 
habe  demgemäss  bereits  gesagt,  dass  ich  mit  Denen  übereinstimme,  welcl 
glauben,  dass  die  Elektricität  von  chemischen  Kräften  hergegeben  werde  (85; 

„878)  Allein  die  grosse  Frage,  ob  sie  ursprünglich  von  dem  Meta 
contact  oder  der  chemischen  Aktion  herrühre,  d.  h.  ob  jener  oder  diese  d 
Strom  erzeuge  und  bedinge,  war  mir  noch  zweifelhaft;  und  der  schöi 
und  einfache  Versuch  mit  Platin  und  amalgamirtem  Zink,  welchen  ich,  nel 
den  Resultaten,  umständlich  beschrieben  habe  (863  u.  ff.),  entscheidet  die» 
Punkt  nicht;  denn  in  jenem  Versuch  findet  die  chemische  Aktion  nicht  ohi 
Berührung  der  Metalle  statt,  und  der  Metallcontact  ist  unwirksam  ohne  d 
chemische  Aktion.  Mithin  kann  jener  wie  diese  als  die  bedingende  Ursacl 
des  Stromes  angesehen  werden. 

„879)  Ich  hielt  es  für  nothwendig,  diese  Frage  durch  die  möglichst  ei 
fachsten  Formen  des  Apparates  und  des  Versuches  zu  entscheiden,  dan 
kein  Trugschluss  sich  unversehens  einschleiche.  Die  bekannte  Schwierigke 
Zersetzungen  durch  ein  einfaches  Plattenpaar  hervorzubringen,  es  sei  da 
in  der  diese  Platten  zur  Thätigkeit  anregenden  Flüssigkeit  selbst  (863),  schi 


Das  Gesetz  von  Faraday.  c  r  j 


mir  bei  dergleichen  Versuchen  ein  unübersteigliches  Hinderniss  in  den  Weg 
tu  legen;  allein  ich  erinnerte  mich  der  leichten  Zersetzbarkeit  einer  Jod- 
kaliumlösung (316),  und  da  ich  keinen  theoretischen  Grund  einsah ,  warum, 
wenn  Metallcontact  unwesentlich  sei,  nicht  ohne  denselben  eine  elektro- 
chemische Zersetzung  erhalten  werden  sollte,  ging  ich  an  einen  solchen 
Versuch,  und  zwar  mit  Erfolg. 

„880)  Eine  Zinkplatte,  etwa  8"  lang  und  o",5  breit,  wurde  gereinigt  und 
in  der  Mitte  rechtwinklig  gebogen  #,  Fig.  135.     Eine  Platinplatte,  etwa  3" 
lang  und  o",5  breit,  wurde  an  einem  Platindraht  befestigt  und 
letzterer  wie  b  in  der  Figur  gebogen.    Beide  Metalle  wurden  wie 
in  der  Zeichnung  zusammengestellt,   allein  noch'  ausserhalb  des 
Gefisses  c  und   seines   Inhaltes,   welcher   aus   verdünnter,   mit 
etwas   Salpetersäure   gemengter   Schwefelsäure    bestand.     Bei  x 
wurde  ein  zusammengeschlagenes  und  mit  Jodkaliumlösung  be- 
feuchtetes Stück  Fliesspapier  auf  das  Zink  gelegt,  und  das  Ende 
des  Platins  darauf  gedrückt.     Wenn  alsdann  die  Platten  in  die 
Säure    des   Gefässes  c   getaucht  wurden,    trat    bei    x   sogleich 
eine  Wirkung  ein;    das  Jodid  wurde  zersetzt,   und  das  Jod   er-       Flß#  I35' 

Nacli  Fara- 

schien  an   der  Anode  (663),  d.  h.    an  dem  Ende   des  Platin-  DAY 

drahtes. 

„881)  So  lange  die  Enden  der  Platten  in  der  Säure  blieben,  beharrten 
der  elektrische  Strom  und  die  Zersetzung  bei  x.  Bei  Fortrückung  des 
Drahtendes  von  Stelle  zu  Stelle  auf  dem  Papier  war  die  Wirkung  offenbar 
sehr  kräftig;  und  als  ich  ein  Stück  Kurkumäpapier  zwischen  das  weisse 
Papier  und  das  Zink  legte  (beide  Papiere  mit  Jodkaliumlösung  befeuchtet) 
wurde  Alkali  an  der  Kathode  (663),  d.  h.  am  Zink  entwickelt,  im  Ver- 
hältniss  zur  Jodentwickelung  an  der  Anode.  Mithin  war  die  Zersetzung 
vollkommen  polar  und  entschieden  abhängig  von  einem  elektrischen  Strom, 
der  vom  Zink  durch  die  Säure  zum  Platin  im  Gefässe  c  und  vom  Platin 
zurück  durch  die  Lösung  zum  Zink  am  Papiere  x  ging. 

„882)  Dass  die  Zersetzung  bei  x  eine  wahre  elektrolytische  Aktion  war, 
herrührend  von  einem  durch  die  Umstände  in  dem  Gefässe  c  erzeugten 
Strom,  und  nicht  von  einer  blossen  direkten  chemischen  Aktion  des  Zinks 
und  Platins  auf  das  Jodid,  und  selbst  nicht  von  einem  etwa  durch  Wirkung 
der  Jodidlösung  auf  die  Metalle  bei  x  hervorgerufenen  Strom,  zeigte  sich 
zunächst  durch  Herausziehen  der  Platten  aus  der  Säure  in  dem  Gefässe  c, 
wobei  alle  Zersetzung  bei  x  aufhörte,  und  dann  indem  man  die  Metalle  ent- 
weder in  oder  ausser  der  Säure  in  Berührung  setzte,  wobei  zwar  eine  Zer- 
setzung des  Jodids  bei  x  eintrat,  aber  in  umgekehrter  Ordnung;  denn 
nun  erschien  das  Alkali  am  Ende  des  Platindrahtes  und  •  das  Jod  am  Zink, 
der  Strom  ging  also  gegen  vorhin  in  umgekehrter  Richtung  und  ward 
erzeugt  durch  den  Unterschied  der  Wirkung  der  im  Papier  enthaltenen 
Losung  auf  die  beiden  Metalle.  Daher  verband  sich  dann  das  Jod  mit 
dem  Zink. 


c  c  2  Dreizehntes  Kapitel. 

„883)  Bei  Anstellung  dieses  Versuches  mit  Zinkplatten,  die  auf  ihrer 
ganzen  Oberfläche  amalgamirt  waren  (863),  wurden  die  Resultate  mit  gleicher 
Leichtigkeit  und  in  gleichem  Sinne  erhalten,  selbst  wenn  das  Gefass  c 
(Fig.  135)  nur  verdünnte  Schwefelsäure  enthielt.  Was  für  ein  Ende  des 
Zinks  auch  in  die  Säure  getaucht  war,  so  blieben  doch  die  Wirkungen  sich  ^ 
gleich,  so  dass,  wenn  man  auch  annehmen  wollte,  das  Quecksilber  hätte  H 
hierbei  den  Metallcontact  abgegeben,  doch  die  Umkehrung  des  amal- 
gamirten  Stückes  diesen  Einwurf  vernichtet  haben  würde.  Der  Gebrauch 
von  unamalgamirtem  Zink  (880)  entfernt  übrigens  jede  Möglichkeit  eines 
Zweifels. 

„884)  Als  in  Verfolgung  anderer  Ansichten  (930)  das  Gefäss  c  statt  der 
Säure  mit  einer  Lösung  von  Ätzkali  gefüllt  wurde,  ergaben  sich  die  näm- 
lichen Resultate.  Ungehindert  trat  die  Zersetzung  des  Jodids  ein,  wiewohl 
kein  Metallcontact  von  ungleichen  Metallen  stattfand,  und  der  elektrische 
Strom  gleiche  Richtung  hatte  wie  bei  Anwendung  von  Säure. 

„885)  Selbst  eine  Kochsalzlösung  im  Glase  c  brachte  alle  diese  Wir- 
kungen hervor. 

„886)  Ein  Galvanometer  mit  Platindrähten,  eingeschaltet  in  die  Bahn 
des  Stromes  zwischen  der  Platinplatte  und  dem  Zersetzungsort  xy  zeigte 
durch  seine  Ablenkung  Ströme  von  gleicher  Richtung  an,  wie  sie  durch  die 
chemische  Aktion  nachgewiesen  waren. 

„887)  Betrachten  wir  diese  Resultate  im  Allgemeinen,  so  fuhren  sie  zu 
sehr  wichtigen  Folgerungen.  Zunächst  beweisen  sie  aufs  Entschiedenste, 
dass  Metallcontact  nicht  nothwendig  ist  zur  Erzeugung  eines 
VoLTA'schen  Stromes,  und  dann  zeigen  sie  eine  höchst  ungewöhnliche 
Beziehung  zwischen  den  chemischen  Verwandtschaften  der  Flüssigkeit,  die  = 
den  Strom  erregt,  und  derjenigen,  welche  durch  diesen  Strom  zersetzt  7 
wird.  \ 

„888)  Um  die  Betrachtung  zu  vereinfachen,  wollen  wir  zum  Versuch 
mit  amalgamirtem  Zink  zurückkehren.  Das  so  zubereitete  Metall  zeigt  keine 
Wirkung,  ehe  der  Strom  durchgeht;  es  führt  zugleich  keine  neue  Wirkung 
herbei,  sondern  entfernt  bloss  einen  Einfluss,  welcher  entweder  für  die 
Erzeugung  oder  für  die  Wirkung  des  elektrischen  Stromes  fremdartig  ist, 
und  welcher,  wenn  er  zugegen  ist,  bloss  die  Resultate  verwirrt. 

„889)    Man    bringe    eine    Platinplatte   P  parallel 

v^    l._  __H.  ^     über   eine    amalgamirte   Zinkplatte   Z  (Fig.  136)  und 

y  z  zwischen   dieselben,   an  einem   Ende,   einen  Tropfen 

Fig.  136.  Nach  Faraday.  verdünnter  Schwefelsäure  y.     Es  wird  nun  an  dieser 

Stelle  keine  merkliche  chemische  Wirkung  eintreten, 
bis  nicht  die  Platten  irgendwo,  wie  bei  PZ,  durch  einen  Elektricität  leitenden 
Körper  verbunden  werden.  Ist  dieser  Körper  ein  Metall  oder  Kohle  von 
gewisser  Beschaffenheit,  so  geht  der  Strom  über,  und,  da  er  durch  die 
Flüssigkeit  bei  y  circulirt,  erfolgt  daselbst  Zersetzung. 


Das  Gesetz  von  Faraday.  c  c  3 


„890)  Entfernt  man  nun  die  Säure  bei  y  und  bringt  einen  Tropfen  Jod- 
kaliuxnlösung  nach  x  (Fig.  137),   so  hat  man  dieselbe  Reihe  von  Erschei- 
nungen, ausgenommen,  dass  wenn  bei  P  Z  der  Metall- 
contact   vollzogen  wird,   der  Elektricitätsstrom  gegen      N  ~"~        (    (\ 

früher  eine  umgekehrte  Richtung  hat,   wie  es  durch         2  * 

die  Pfeile   angedeutet   ist,   welche    die   Richtung   des  Fig.  137.  Nach  Faraday. 
Stromes  bezeichnen  (667). 

„891)  Nun  sind  beide  Lösungen  Leiter;  allein  die  Leitung  in  ihnen  ist 

wesentlich  mit  einer  Zersetzung  in  constanter  Ordnung  verknüpft  (858),  und 

deshalb  ergiebt  sich  aus  dem  Auftreten  der  Elemente  an  gewissen  Orten, 

1  in  welch  einer  Richtung  der  Strom  bei  Anwendung  dieser  Lösungen  gegangen 

l  ist    Überdies  finden  wir,   dass  wenn  sie  an  den  entgegengesetzten  Enden 

r 

j;  der  Platten  angewandt  werden,  wie  in  den  beiden  letzten  Versuchen  (889. 
890},  und  der  Metallcontact  an  den  anderen  Enden  vollzogen  wird,  die 
Ströme  entgegengesetzte  Richtungen  haben.  Wir  haben  es  also  offenbar  in 
unserer  Macht,  die  gleichzeitige  Wirkung  zweier  Flüssigkeiten  an  den  ent- 
gegengesetzten Enden  der  Platten  einander  gegenüber  zu  stellen,  und  die 
eine  Flüssigkeit  als  Leiter  für  die  Entladung  des  Elektricitätstromes  zu  ge- 
brauchen, welchen  die  andere  zu  erzeugen  trachtet;  und  in  der  That  brauchen 
wir  sie  nur  für  den  Metallcontact  zu  substituiren  und  beide  Versuche  zu 
einem  zu  combiniren  (Fig.  138).  Unter  diesen  Um- 
standen findet  ein  Entgegenwirken  der  Kräfte  statt.  \  ?  .  0 
Die  Flüssigkeit,    welche  die  stärkere  chemische  Ver-         r          z  x 

\  wandtschaft  für  das  Zink  in  Thätigkeit  setzt  (d.  h.  die  Fig.  138.  Nach  Faraday. 
verdünnte  Säure),   überwältigt  die  Kraft  der  anderen, 

und  bedingt  die  Bildung  und  Richtung  des  elektrischen  Stromes;  sie  macht 
nicht  nur  den  Strom  durch  die  schwächere  Flüssigkeit  gehen,  sondern  kehrt 
wirklich  die  Tendenz  um,  welche  die  Elemente  der  letzteren,  falls  ihnen 
nicht  so  entgegengewirkt  würde,  zu  dem  Zink  und  Platin  besitzen,  und 
zwingt  sie,  einer  entgegengesetzten  Richtung  als  sie  geneigt  sind,  zu  folgen, 
damit  jener  Strom  freien  Lauf  gewinne.  Entfernt  man  die  vorwaltende 
Aktion  bei  yy  indem  man  daselbst  den  Metallcontact  herstellt,  so  erlangt  die 
Flüssigkeit  bei  x  wiederum  ihre  Kraft;  oder  bringt  man  die  Metalle  bei  y 
nicht  zum  Contact,  sondern  schwächt  nur  die  Verwandtschaften  der  Lösung 
daselbst,  während  man  zugleich  die  bei  x  verstärkt,  so  gewinnen  die  letzteren 
das  Übergewicht  und  die  Zersetzungen  gehen  in  umgekehrter  Ordnung 
Vor  sich. 

„892)  Ehe  ich  aus  dieser  gegenseitigen  Abhängigkeit  der  chemischen 
Verwandtschaften  zweier  getrennten  Portionen  wirkender  Flüssigkeiten  (916) 
eine  Schlussfolgerung  ziehe,  will  ich  noch  umständlicher  die  verschiedenen 
Umstände  untersuchen,  unter  welchen  die  Reaktion  des  zersetzten  Körpers 
auf  die  Aktion  des  den  VoLTA'schen  Strom  erzeugenden  Körpers,  auch  in 
dem  Akt  der  Zersetzung,  sichtbar  gemacht  wird. 

„893)  Der  Nutzen  des  Metallcontactes   bei   einfachen  Plattenpaaren 


eij4  Dreizehntes  Kapitel. 


und  die  Ursache  seines  grossen  Vorzuges  vor  jeder  anderen  Art  von  C< 
wird  nun  sehr  einleuchtend.  Wenn  eine  amalgamirte  Zinkplatte  in  verd 
Schwefelsäure  getaucht  wird,  ist  die  chemische  Verwandtschaft  zwischer 
Metall  und  der  Flüssigkeit  nicht  stark  genug,  um  auf  den  Berührungsfl 
eine  merkliche  Wirkung  hervorzurufen  und  durch  die  Oxydation  des  M< 
eine  Wasserzersetzung  zu  veranlassen;  allein  sie  ist  kräftig  genug,  um 
Elektricitätszustand  (oder  eine  die  chemische  Verwandtschaft  bedingende 
zu  erregen,  welcher  einen  Strom  erzeugen  würde,  falls  der  Weg  für  < 
gebahnt  wäre  (916.  956),  und  dieser  Strom  würde  unter  den  Umst; 
die  für  die  Wasserzersetzung  nöthigen  Bedingungen  vervollständigen. 

„894)  Das  Platin,  welches  zugleich  das  Zink  und  die  zu  zerset 
Flüssigkeit  berührt,  öffnet  durch  seine  Gegenwart  nun  der  Elektriciti 
erforderliche  Bahn.  Seine  direkte  Communication  mit  dem  Zink  i 
weitem  wirksamer  als  mit  demselben  Metall  irgend  eine  andere,  die,  \ 
dem  schon  beschriebenen  Versuche  (891),  mittelst  zersetzbarer  leit 
Körper,  oder,  in  anderen  Worten,  mittelst  Elektrolyte  vollzogen 
weil  die  chemischen  Affinitäten  zwischen  solchen  Elektrolyten  und  den: 
eine  umgekehrte  Wirkung  hervorrufen,  die  der  der  verdünnten  Seh 
säure  widerstreben  würde;  wenn  nun  auch  diese  Aktion  nur  schwac 
muss  doch  die  Verwandtschaft  ihrer  (der  Elektrolyte)  Bestandteile  zi 
ander  überwältigt  werden,  denn  sie  (die  Elektrolyte)  können  nicht  leiten 
zersetzt  zu  werden;  diese  Zersetzung  wirkt  erfahrungsgemäss  at 
Kräfte  zurück,  welche  in  der  Säure  den  Strom  zu  erregen  trachten 
910  u.  s.  w.),  und  in  vielen  Fällen  heben  sie  dieselben  ganz  auf.  Wo  dii 
Contact  zwischen  Zink  und  Platin  stattfindet,  werden  diese  Hemmkräfte 
in  Thätigkeit  gesetzt,  und  deshalb  wird  dann  die  Erzeugung  und  Circu 
des  elektrischen  Stromes,  sowie  die  begleitende  Zersetzungswirkung  ung< 
begünstigt. 

„895)  Es  ist  jedoch  klar,  dass  man  eine  dieser  entgegengesetzten 
kungen  fortlassen,  und  dennoch  einen  Elektrolyt  zur  Schliessung  der 
zwischen  dem  getrennt  in  verdünnte  Säure  getauchten  Zink  und  \ 
anwenden  kann.  Denn  wenn  man  in  Fig.  135  das  Platin  mit  der 
platte  a  bei  x  in  unmittelbarer  Berührung  erhält,  und  das  Platin  irgei 
wie  bei  s,  durch  eine  Jodidlösung  unterbricht,  so  übt  diese  Lösung,  wc 
auf  beiden  Seiten  mit  Platin  in  Berührung  steht,  keine  chemische  Verw 
schaft  auf  dieses  Metall  oder  mindestens  auf  beiden  Seiten  eine  gleiche 
Ihr  Vermögen,  einen  Strom  von  umgekehrter  Richtung,  wie  der  durc 
Wirkung  der  Säure  im  Gefässe  c  bedingte,  hervorzurufen,  ist  also  a 
hoben,  und  es  bleibt  nur  ihr  Widerstand  gegen  die  Zersetzung  durc 
von  der  verdünnten  Schwefelsäure  ausgeübten  Verwandtschaften  zu  übt 
tigen  übrig. 

„896)  Dies  sind  die  Umstände  bei  einem  einfachen  Plattenpaar,  bei 
Metallcontact  stattfindet.  In  solchen  Fällen  haben  die  im  Gefässe  t 
waltenden    Verwandtschaften    nur    ein    Paar    entgegenwirkender    Verw 


Das  Gesetz  von  Faraday.  ccc 


.Schäften  zu  überwinden;  dagegen  sind  zwei  Paare  solcher  Verwandtschaften 
xu  besiegen,  wenn  kein  Metallcontact  zugelassen  ist  (894). 

„897)  Es  ist  für  schwierig,  ja  für  unmöglich  gehalten,  Körper  durch 
den  Strom  eines  einfachen  Plattenpaares  zu  zersetzen,  selbst  wenn  dies  so 
kräftig  wirkt,  dass  es  Metallstäbe  zum  Rothglühen  bringt,  wie  z.  B.  der 
ÜARE'sche  Calorimotor,  wenn  man  ihm  die  Einrichtung  einer  einfachen 
VoLTA'schen  oder  der  so  wirksamen  WoLLASTON^schen  Kette  giebt.  Diese 
Schwierigkeit  entspringt  gänzlich  aus  dem  Antagonismus  der  den  Strom 
erzeugenden  chemischen  Verwandtschaft  mit  der  zu  überwältigenden,  und 
bangt  durchaus  von  der  relativen  Intensität  beider  ab.  Denn  wenn  die 
Summe  der  Kräfte  jener  ein  gewisses  Übergewicht  über  die  Summe  der 
Kräfte  dieser  besitzt,  erlangen  die  ersteren  die  Oberherrschaft,  bedingen  den 
Strom  und  überwältigen  die  letzteren,  so  dass  die  Substanz,  welche  diese 
letzteren  äussert,  ihre  Bestandteile,  sowohl  der  Richtung  als  der  Menge 
nach,  in  völliger  Übereinstimmung  mit  dem  Laufe  derer  ausgiebt,  die  die 
stärkere  Wirkung  ausüben. 

„898)  In  der  Wasserzersetzung  hat  man  im  Allgemeinen  ein  chemisches 
Prüfmittel   für   den  Durchgang   eines   elektrischen  Stromes  gesucht.     Allein 
nun  begann  ich  den  Grund  des  Misslingens  einzusehen,   so  wie  auch  den 
einer  lange   zuvor  von  mir   beim  Jodkalium   beobachteten  Thatsache  (315. 
316),  der  nämlich,  dass  Körper,  nach  der  Beschaffenheit  und  Intensität  ihrer 
gewöhnlichen    chemischen    Verwandtschaften,    mit    ungleiche/    Leichtigkeit 
durch  einen  gegebenen  elektrischen  Strom   zersetzt  werden.     Dieser  Grund 
schien  mir  in   ihrer  Rückwirkung  auf  die  den  Strom  zu  erregen  suchenden 
Verwandtschaften  zu  liegen,  und  ich  hielt  es  für  wahrscheinlich,  dass  es  viele 
Substanzen    gäbe,    die    durch    den   Strom    einer    einfachen,    in   verdünnte 
Schwefelsäure  getauchten  Zink-Platin-Kette  zersetzt  werden  könnten,  wiewohl 
das  Wasser  deren  Wirkung  widersteht.     Ich  fand  bald,    dass  dies  der  Fall 
sei,   und  da  die  Versuche  neue  und  schöne  Beweise  von  der  direkten  Be- 
ziehung und  Gegenwirkung  der  den  Elektricitätsstrom  erzeugenden  und  der 
ihm    sich   widersetzenden    chemischen  Verwandtschaften    dar- 
bieten, so  werde  ich  sie  in  der  Kürze  beschreiben. 

„899)  Der  Apparat  war  wie  in  Fig.  139  eingerichtet. 
Das  Gefäss  v  enthielt  verdünnte  Schwefelsäure;  Z  war  die 
Zinkplatte,  P  die  Platinplatte;  a,  6,  c  waren  Platindrähte.  Die 
Zersetzungen  geschahen  bei  x,  und  gewöhnlich  war  bei  g  ein 
Galvanometer  in  den  Bogen  eingeschaltet;  es  ist  hier  nur  die  A^i 
Stelle  desselben  angegeben;  der  Kreis  bei  g  hat  keine  Be- 
ziehung  zur  Grösse  des  Instrumentes.  Bei  x  waren  die  Ein-  Nach  Faraday. 
richtungen  verschieden,  je  nach  der  Art  der  Zersetzung,  die 
daselbst  vorgenommen  werden  sollte.  Sollte  auf  einen  flüssigen  Tropfen 
eingewirkt  werden,  wurden  bloss  die  beiden  Drahtenden  in  denselben  ein- 
getaucht; sollte  eine  in  den  Poren  von  Papier  enthaltene  Flüssigkeit  zersetzt 
werden,   wurde  einer  der  Drähte  verbunden  mit  einer  Platte,   auf  welcher 


:* 


4>y 


556 


Dreizehntes  Kapitel. 


das  Papier  lag,  während  der  andere  Draht  auf  dem  Papier  e  ruhte  (Fig 
zuweilen,  wie  bei  Anwendung  von  Glaubersalz,  lagen  auf  der  Plati: 
zwei  Stücke  Papier,  und  eint 
Enden  von  a  und  c  ruhte  auf 
Stück  (Fig.  141).  Die  Pfeile 
die  Richtung  des  elektrischen  S 
an  (667). 

„900)  Eine  Jodkaliumlösun; 
in  damit  benässtem  Papier  a 
Unterbrechungsstelle  bei  x  ge 
worden,  wurde  leicht  zersetzt.  D 
entwickelte  sich  an  der  Anod 
das  Alkali  an  der  Kathode. 

„901)   Geschmolzenes   Zinn 
rür,  zersetzte  sich  ebenfalls  leicht 
gab  Zihnchlorid  an  der  Anode  (779)  und  Zinn  an  der  Kathode. 

„902)  Geschmolzenes  Chlorsilber  entwickelte  Chlor  an  der  A 
und  glänzendes  metallisches  Silber  an  der  Kathode,  entweder  in  Häi 
auf  der  Oberfläche  der  Flüssigkeit  oder  in  Krystallen  darunter. 

„903)  Mit  Schwefelsäure  gesäuertes  Wasser,  verdünnte  Salzsäure,  Gl 
Salzlösung,  geschmolzener  Salpeter,  geschmolzenes  Chlor-  oder  Jodblei  a 
durch  ein  bloss  durch  Schwefelsäure  angeregtes  einfaches  Plattenpaar 
zersetzt. 

„904)  Diese  Versuche  beweisen  genugsam,  dass  ein  einfaches  P 
paar  Körper  elektrolysiren  und  in  ihre  Bestandteile  zerlegen  kann 
zeigen  auch  in  niedlicher  Weise  die  direkte  Beziehung  und  Gegenwi 
der  chemischen  Verwandtschaften  an  den  beiden  Wirkungspunkten.  I 
Fällen,  wo  die  Summe  der  widerstrebenden  Verwandtschaften  bei  . 
reichend  kleiner  war  als  die  Summe  der  thätigen  Verwandtschaften 
fand  eine  Zersetzung  statt;  allein  in  den  Fällen,  wo  die  erstere  S 
grösser  warj  widerstand  der  Körper  der  Zersetzung  und  kein  Strom 
über  (891). 

„905)  Es  ist  jedoch  klar,  dass  die  Summe  der  thätigen  Verwandtsc 
bei  v  erhöht  werden  kann,  wenn  man  andere  Flüssigkeiten  als  vert 
Schwefelsaure  anwendet;  im  letzteren  Falle  ist  es,  glaube  ich,  bloss  di 
wandtschaft  des  Zinks  zu  dem  im  Wasser  bereits  mit  Wasserstoff  v* 
denen  Sauerstoff,  durch  deren  Äusserung  der  Strom  erregt  wird  (919 
wenn  die  Verwandtschaften  so  erhöht  sind,  führen  die  von  mir  vorgetn 
Ansichten  lu  dem  Schluss,  dass  Körper,  welche  in  den  vorhergehende 
suchen  widerstanden,  zersetzt  werden  müssen,  wegen  des  vergrösserten 
schiedes  zwischen  ihren  und  den  so  erhöht  thätigen  Verwandtschaften 
bestätigt  sich  folgendermaassen. 

„906)  Zu  der  Flüssigkeit  im  Gefässe  v  wurde  etwas  Salpetersäure  \ 
um  eine  Mischung   zu   erhalten,   die    ich  verdünnte  Salpeter- Schwef« 


Das  Gesetz  von  Faradav. 


557 


lennen  werde.  Bei  Wiederholung  der  Versuche  mit  dieser  Mischung  wurden 
ille  zuvor  zerlegten  Körper  wiederum  zersetzt,  und  zwar  viel  leichter.  Allein 
iberdies  gaben  jetzt  viele,  die  zuvor  der  Elektrolysirung  widerstanden,  ihre 
Elemente  aus.  So  gab  Glaubersalzlösung,  mit  der  Lackmus-  und  Kurkuma- 
Hpier  befeuchtet  worden,  Säure  an  der  Anode  und  Alkali  an  der  Ka- 
:hode;  Salzsäure,  gefärbt  durch  Indigo,  lieferte  Chlor  an  der  Anode  und 
Wasserstoff  an  der  Kathode;  Lösung  von  salpetersaurem  Silber  gab  Silber 
an  der  Kathode  aus.  Ferner  zeigten  sich  geschmolzener  Salpeter,  geschmol- 
»enes  Jodblei,  geschmolzenes  Chlorblei  zersetzbar  durch  den  Strom  eines 
einfachen  Plattenpaares,  was  früher  (903)  nicht  der  Fall  war. 

„907)  Eine  Lösung  von  essigsaurem  Blei  wurde  anscheinend  durch  dies 
Plattenpaar  nicht  zersetzt,  auch  mit  Schwefelsäure  angesäuertes  Wasser  schien 
anfangs  nichts  auszugeben  (973). 

„908}  Die  Erhöhung  der  Intensität  des  von  einer  einfachen  VoLTA'schen 
ffctte  hervorgebrachten  Stromes  mit  der  Verstärkung  der  chemischen  Aktion 
;>k  hier  genugsam  deutlich.  Um  sie  jedoch  in  ein  noch  helleres  Licht  zu 
letzen  und  um  zu  zeigen,  dass  die  Zersetzungswirkung  in  den  letzteren 
fällen  nicht  bloss  von  der  Fähigkeit  zur  Entwicklung  von  mehr  Elektricität 
fohange,  wurden  Versuche  angestellt,  bei  denen  die  entwickelte  (Elektricitäts;- 
Äenge,  ohne  Veränderung  in  der  Intensität  der  erregenden  Ursache,  ver- 
wässert war.  So  wurden  die  Versuche,  bei  denen  verdünnte  Schwefelsäure 
lebraucht  war  (899),  mit  Anwendung  derselben  Säure,  aber  grosser  Platten 
on  Zink  und  Platin  wiederholt;  allein  die  Körper,  welche  vorhin  der  Zer- 
etzung  widerstanden,  thaten  es  auch  jetzt.  Nun  nahm  ich  Salpeter-Schwefel- 
äure  und  tauchte  in  dieselbe  blosse  Drähte  von  Platin  und  Zink;  allein 
Qgeachtet  dieser  letzteren  Abänderung  wurden  nun  die  Körper  zersetzt, 
*elche  früher  dem  durch  die  verdünnte  Schwefelsäure  erregten  Strom  wider- 
änden.  Salzsäure  z.  B.  konnte  durch  ein  einfaches,  in  verdünnte  Schwefel- 
iure  eingetauchtes  Plattenpaar  nicht  zersetzt  werden;  Verstärkung  der 
chwefelsäure  oder  Vergrösserung  des  Zinks  und  Platins  erhöhten  die  Wirk- 
fcmkeit  dieses  Plattenpaares  nicht;  allein  als  ein  wenig  Salpetersäure  zu  der 
erdünnten  Schwefelsäure  gesetzt  ward,  erlangte  die  entwickelte  Elektricität 
ie  Kraft,  Salzsäure  zu  zersetzen,  Chlor  an  der  Anode  und  Wasserstoff  an 
er  Kathode  zu  entwickeln:  selbst  wenn  die  Metalle  als  blosse  Drähte 
ngewandt  wurden.  Diese  Verstärkungsart  der  Intensität  des  elektrischen 
Stromes  schliesst  die  von  der  Vermehrung  der  Plattenpaare  oder  selbst  die 
im  der  Concentration  der  Säure  abhängige  Wirkung  aus,  und  ist  daher  der 
leschaffenheit  und  Stärke  der  in  Thätigkeit  gesetzten  chemischen  Verwandt- 
chaften  zuzuschreiben;  sie  kann,  sowohl  ihren  Principien  nach  als  in  Praxis, 
b  völlig  verschieden  von  jeder  anderen  Verstärkungsart  angesehen  werden." 

Die  Versuche,  über  welche  Faraday  vorstehend  berichtet  hat,  zeigen, 
ass  galvanische  Vorgänge  ohne  Metallcontact  möglich  sind.  Thatsächlich 
ihren  sie  nichts  mehr,  als  die  von  Davy  in  den  ersten  Tagen  der  Säule 
ebauten  Ketten  aus  einem  Metall  und  zwei  verschiedenen  Flüssigkeiten,  in 


ccß  Dreizehntes  Kapitel. 


denen  gleichfalls  der  Metallcontact  vermieden  war,  denn  auch  gegen 
Versuche  konnte  dasselbe  angewendet  werden,  was  gegen  jene  gesagt  woi 
war:  dass  nämlich  der  vorhandene  Strom  von  den  Contactkräften  zwisc 
Metall  und  Flüssigkeit  herrührte.  Auch  ist  dieser  Einwand,  welcher  fo 
unwiderlegbar  war,  alsbald  von  Pfaff  und  anderen  erhoben  worden.  AI 
etwas  anderes,  was  für  die  Lehre  von  der  chemischen  Quelle  des  di 
trischen  Stromes  in  der  Kette  von  grösster  Bedeutung  werden  sollte, 
gleichzeitig  hervor,  und  wurde  von  Faraday  richtig  verwerthet  Auch 
dieser  Gelegenheit  zeigt  sich  die  specielle  Begabung  dieses  grossen 
achters  in  ihrem  glänzendsten  Lichte.  Während  das  nächste  Ziel  ganz  «i 
anders  lag,  versäumte  er  nicht,  sein  Augenmerk  auf  ein  Nebenresultat  seind 
Versuche  zu  richten,  welches  bald  eine  höhere  Bedeutung  erlangen  soOft^ 
als  jenes  unmittelbare  Ziel  einer  Kette  ohne  Metallcontact  Es  war  dies  <kj 
unzweifelhafte  Zusammenhang  zwischen  der  zersetzenden  Wirkung  der  eoi 
fachen  Kette  und  der  Stärke  der  chemischen  Verwandtschaft,  welche  datrt) 
einerseits  in  der  Kette  befriedigt  wurde,  andererseits  in  der  Zersetzungsxdl 
getrennt  werden  sollte.  Der  lange  gesuchte  Zusammenhang  zwischen  dl 
chemischen'  Verwandtschaft  und  den  entsprechenden  elektrischen  Gros« 
der  VoLTA'schen  Kette  trat  hier  zum  ersten  Male  deutlich  zu  Tage;  tflti 
insbesondere  der  in  (908)  enthaltene  Nachweis,  dass  nicht  die  Menge  di 
entwickelten  Elektricität,  sondern  das,  was  Faraday  ihre  Intensität  nenfll 
und  was  wir  jetzt  mit  dem  Namen  der  Spannung  oder  des  Potentials  bc 
zeichnen,  den  Sinn  des  Stromes,  und  somit  den  Gang  der  Zersetzaa) 
bestimmt,  ist  für  die  Hauptfrage  von  entscheidender  Bedeutung.  Freifid 
dauerte  es  noch  lange,  bis  die  hier  vorhandenen,  im  Grunde  einfachen  Va 
hältnisse  völlig  klar  eingesehen  wurden,  und  es  war  der  Elektrochemie  nod 
ein  weiter  Umweg  beschieden,  bevor  das  so  nahe  daliegende  Ziel  errekl 
wurde;  die  Anfänge  des  richtigen  Weges  lagen  indessen  hier  schon  vor. 

In  der  That  waren  in  diesen  Untersuchungen  Faraday's  die  entschd 
denden  Grundlagen  der  chemischen  Theorie  des  Galvanismus  gegebei 
Durch  das  Gesetz  von  der  Proportionalität  zwischen  der  Menge  der  durcft 
gehenden  Elektricität  und  dem  Betrage  der  chemischen  Zersetzung  wa 
ausgesprochen,  dass  bei  jeder  Elektricitätsbewegung  durch  eine  Elcktrodi 
d.  h.  durch  die  Grenzfläche  zwischen  einem  metallischen  Leiter  und  ein« 
Elektrolyt  ein  proportionaler  chemischer  Vorgang  eintreten  muss.  Da  na 
VoLTA'sche  Ketten  nothwendig  solche  Grenzflächen  enthalten,  war  hierdurc 
bewiesen,  dass  keine  solche  Kette  den  geringsten  Strom  ohne  chemisch 
Wirkung  in  Bewegung  setzen  oder  durchlassen  kann.  Damit  war  es  ein  fi 
alle  Mal  unmöglich  gemacht.,  von  Ketten  ohne  chemische  Wirkung  1 
sprechen.  Die  Elektricitätsmenge,  welche  durch  solche  Ketten  in  Bewegofl 
gesetzt  wurde,  war  somit  fest  bestimmt,  sie  war  der  Menge  der  durch  de 
Strom  umgesetzten  Stoffe  proportional.  Die  andere  entscheidende  elektrisd 
Grösse,  die  Spannung,  war  weiter  als  der  chemischen  Verwandtschaft  vc 
muthlich  proportional,  oder  doch  wenigstens  mit  ihr  in  gleichem  Sinne  *i 


Das  Gesetz  von  Faraday. 


559 


abnehmend  erkannt  worden;  hiermit  war  eine  vollständige  chemische 

>rie  der  VoLTA'schen  Kette  in  der  Grundlage  gegeben. 

Wenn  es  dennoch  zunächst  keineswegs  gelang,  diese  einfachen  Grund- 

alsbald  zur  Geltung  zu  bringen,  und  wenn  weiterhin  noch  ein  halbes 

tundert  vergehen  musste,  bevor  der  Schritt  in  genügender  Weise  gethan 

le,  so   ist  dies  wieder  ein  Beweis  für  die  immer  wiederholte  Erfahrung, 

ausserordentlich  schwer  es  ist,  gerade  das  ganz  Einfache  zu  sehen.   Wir 

len  mit  Erstaunen  wahrnehmen,  wie  gerade  Faraday  später  selbst  den 

Feg  einschlug,  auf  welchem  er  seinem  Gesetz  den  besten  Theil  seiner  Kraft 

die  Aufklärung  der  schwebenden  Frage  nahm,  indem  er  neben  der  dem 

unterworfenen  elektrolytischen  Leitung  in  den  Leitern  zweiter  Klasse 

eine  metallische  zugab.     Dadurch  war  der  durch   das  strenge  Gesetz 

ausgewiesenen  Idee  einer  Kette  ohne  chemische  Wirkung  wieder  ein 

tilg  geöffnet,  und  die  auf  jener  strengen  Anwendung  beruhenden  Schlüsse 

ten   nicht  gezogen  werden.     Und  als  nach  langer  Zeit  in  Folge  gedul- 

und  genauer  Arbeit  sich  ergeben  hatte,   dass   in  der  That  das  ganz 

:he  und  strenge  Gesetz  gülti'g  ist,  und  dass  keinerlei  metallische  Leitung 

der  elektrolytischen  jemals  nachgewiesen  werden  konnte,  da  war  das 

jin  von  der  Macht  dieses  Gesetzes  in  der  Frage  der  Theorie  des 

tismus  schon  so  weit  geschwunden,   dass  es  lange  Zeit  dauerte,   bis 

sich  auf  den  oben  gegebenen  Schluss  besann. 

10.  Faraday's  elektrochemische  Verwandtschaftslehre.  Aus  den 
[nchstehenden  Darlegungen  Faraday's  ersieht  man,  dass  ihm  die  grosse 
'Bedeutung  des  von  ihm  soeben  ausgesprochenen  Zusammenhanges  zwischen 
der  „Intensität"  seiner  Ketten  und  der  chemischen  Verwandtschaft  der 
betheiligten  Stoffe  sehr  lebhaft  gegenwärtig  war.  Die  in  (912)  mitgetheilte 
Reihenfolge  der  Zersetzbarkeit  seiner  Elektrolyte  ist  daher  eine  Reihenfolge 
der  entsprechenden  chemischen  Verwandtschaften,  und  in  diesem  Sinne 
um  grösster  Bedeutung.  Auch  ist  besonders  auf  die  Vorsicht  hinzuweisen, 
■it  welcher  er  auf  die  mögliche  Mitwirkung  der  Elektroden  an  den  che- 
mischen Vorgängen  hinwies,  durch  welche  der  chemische  Prozess,  und 
demgemäss  auch  die  entsprechenden  elektrischen  Verhältnisse  erhebliche 
Änderungen  erfahren  können. 

„909)  Die  direkte  Beziehung,  welche  so  in  der  einfachen  VoLTA'schen 
Kette  zwischen  der  Intensität  des  elektrischen  Stromes  und  der  Intensität 
der  an  dem  Orte,  wo  das  Dasein  und  die  Richtung  des  elektrischen  Stromes 
bedingt  wird,  in  Thätigkeit  gesetzten  chemischen  Aktion  experimentell  nach- 
(ewiesen  ist,  fuhrt  zu  dem  Schluss,  dass  man  bei  Anwendung  geeigneter 
Körper,  wie  geschmolzener  Chloride,  Salze,  Lösungen  von  Säuren  u.  s.  w., 
»eiche  auf  die  angewandten  Metalle  mit  verschiedenen  Graden  von  chemischer 
Kraft  einwirken,  und  auch  bei  Anwendung  von  Metallen  in  Verknüpfung 
■it  Platin  oder  mit  anderen,  welche  in  dem  Grade  der  zwischen  ihnen  und 
der  erregenden  Flüssigkeit  oder  dem  Elektrolyte  ausgeübten  chemischen 
Aktion  verschieden  sind  —  in   den   Stand   gesetzt  werde,   eine  Reihe  von 


c6o  Dreizehntes  Kapitel. 

vergleichungsweise  constanten,  durch  elektrische  Ströme  von  verschieden« 
Intensität  hervorgebrachten  Wirkungen  zu  erhalten,  und  nach  diesen  eine 
Skale  zu  entwerfen,  in  welcher  durch  künftige  Untersuchungen  die  relativen 
Intensitätsgrade  genau  festzusetzen  sind. 

„910)   Ich  habe  bereits  über  die  Zersetzung  an  der  Experimentirstelle 
die  Ansicht  aufgestellt,  sie  sei  die  direkte  Folge  der  an  einem  anderen  Orte 
ausgeübten  Kraft   von    gleicher  Art   mit   der   zu    überwältigenden,   und  sei 
folglich  das  Resultat  eines  Antagonismus  von  Kräften  gleicher  Natur  (89!. 
904).     Die  Kräfte  an   dem  Zersetzungsort   haben    eine  Einwirkung  auf  die 
erregenden  und  bestimmenden  Kräfte  proportional  mit  dem,  was  zur  Übet^ 
wältigung  ihrer  selbst  erforderlich  ist,  und  daraus  entspringt  das  sonderbare 
Resultat  eines  Widerstandes  durch  Zersetzungen,    gegen   die  ursprünglich 
bedingende  Kraft,  und  folglich  auch  gegen  den  Strom.   Dies  zeigt  sich  gut  in 
den  Fällen,  wo  Körper,  wie  Chlorblei,  Jodblei  und  Wasser  durch  den  von  einer 
einfachen  Zink-Platin-Kette  in  Schwefelsäure  erzeugten  Strom   nicht  zersetit 
werden  (903),  obschon  es  mittelst  eines  intensiveren,  durch  stärkere  chemische; 
Kräfte  hervorgerufenen  Stromes  geschieht.     In  dergleichen  Fällen  geht  keia 
merklicher  Theil  des  Stromes  durch  (967);    die  Wirkung  ist  gehemmt;  und 
ich  bin  jetzt  der  Meinung,  dass  bei  dem  Leitungsgesetz,  welches  ich  in  der  1 
vierten   Reihe  dieser  Untersuchungen  beschrieben    habe   (413),    die  Körper, 
welche  im   flüssigen  Zustande  elektrolysirt  wurden,   darum   in   fester  Gestalt 
keine  Elektrolysirung  mehr  erlitten,  weil  die  Anziehungen,  welche  die  Theilchen 
in  Verbindung  und  in  ihrer  relativen  Lage  erhielten,  zu  mächtig  waren  für! 
den  elektrischen  Strom.     Die  Theilchen  blieben  also  in  ihrer  Stellung,  und  j 
da  die  Zersetzung  verhindert  war,  war  es  auch  der  Durchlass  der  Elektricität ; 
Wenn  man  auch  eine  Batterie  von  vielen  Platten  anwendet,  wird  doch,  felis :; 
sie  nur  genau  von   der  Art  ist,  dass  keine  fremdartige  oder  indirekte  Wir- 
kung (1000)  hinzutreten   kann,   das  Ganze  der  die  Thätigkeit  jener  Batterie 
betreffenden  Verwandtschaften  aufgehoben  und  aufgewogen. 

„911)  In  Bezug  auf  den  Widerstand  in  einzelnen  Zersetzungsfallcn 
erhellt  indes,  dass,  da  diese  an  Stärke  verschieden  sind,  je  nach  den  Ver- 
wandtschaften, durch  welche  die  Elemente  der  Substanz  ihre  Orte  zu  behalten 
streben,  sie  auch  Fälle  liefern  werden,  die  eine  Reihe  von  Graden  ausmachen, 
durch  welche  die  ursprünglichen  Intensitäten  einfacher  VoLTA'scher  oder 
anderer  Elektricitätsströme  gemessen  werden  können,  und  welche,  verbunden 
mit  der  durch  die  verschiedenen  Grade  der  wirkenden  Kraft  bestimmten 
Intensitätsskale  (909),  wahrscheinlich  eine  hinreichende  Reihe  von  Unter- 
schieden darbieten  werden,  um  fast  jedem  wichtigen  Fall,  wo  eine  Bezug- 
nahme auf  die  Intensität  erforderlich  wäre,  zu  entsprechen. 

„912)  Nach  den  Versuchen,  welche  ich  bisher  habe  anstellen  können, 
finde  ich,  dass  die  folgenden  Körper  elektrolytisch  sind  in  nachstehender 
Ordnung,  worin  jeder  durch  einen  schwächeren  Strom  zersetzt  wird  als  der 
nächstfolgende.  Diese  Ströme  waren  immer  die  eines  einfachen  Plattenpaares, 
und  können  als  elementare  VoLTA'sche  Ströme  angesehen  werden. 


Das  Gesetz  von  Faraday.  561 


Jodkalium  (gelöst)  Jodblei  (geschmolzen) 

Chlorsilber  (geschmolzen)  .  Salzsäure  (gelöst) 

Zinnchlorür  (geschmolzen)  Wasser,  gesäuert  durch  Schwefel- 

Chlorblei  (geschmolzen)  säure. 

„913)  Bei  allen  Bemühungen  >  die  zur  Zersetzung  verschiedener  Körper 
»forderliche  relative  elektrolytische  Intensität  zu  bestimmen,  ist  es  wesent- 
kh,  dass  man  die  Natur  der  Elektrode  und  der  anderen  anwesenden  Körper, 
»eiche  secundäre  Aktionen  begünstigen  könnten  (986),  beachte.  Wenn  bei  • 
iner  Elektrozersetzung  eines  der  abgeschiedenen  Elemente  eine  Verwandt- 
chaft  zu  der  Elektrode  oder  zu  den  in  der  umgebenden  Flüssigkeit  befind- 
ichen  Körpern  besitzt,  so  wird  dadurch  die  der  Zersetzung  widerstrebende 
Verwandtschaft  zum  Theil  aufgewogen,  und  man  findet  nicht  den  wahren 
)rt  des  Elektrolyts  in  einer  Tafel  der  obigen  Art.  So  verbindet  sich  Chlor 
wt  der  positiven  Platinelektrode  leicht,  Jod  aber  beinahe  gar  nicht,  und 
aber,  glaube  ich,  steht  das  Bleichlorid  in  der  vorhergehenden  Tafel  oben  an. 
Venn  ferner  bei  der  Wasserzersetzung  nicht  bloss  Schwefelsäure,  sondern 
uch  etwas  Salpetersäure  zugegen  ist,  so  wird  das  Wasser  leichter  zersetzt, 
enn  der  Wasserstoff  an  der  Kathode  wird  zuletzt  nicht  ausgetrieben,  son- 
lera  findet  in  der  Salpetersäure  Sauerstoff,  mit  dem  er  sich  zu  einem  secun- 
laren  Produkt  verbinden  kann.  Auf  diese  Weise  sind  die  der  Zersetzung 
iriderstrebenden  Verwandtschaften  geschwächt,  und  die  Bestandteile  des 
Wassers  können  durch  einen  Strom  von  geringerer  Intensität  getrennt 
irerden. 

„914)  Dieses  Princip  kann  man  benutzen,  um  in  der  bereits  (909.  911) 
erwähnten  Skale  der  Initial-Intensitäten  kleinere  Grade,  als  daselbst  voraus- 
gesetzt wurden,  zu  interpoliren;  denn  indem  man  die  Kraft  eines  Stromes 
von  constanter  Intensität  verbindet  mit  dem  Gebrauch  von  Elektroden,  die 
ui  den  aus  dem  zersetzten  Elektrolyt  entwickelten  Elementen  mehr  oder 
weniger  Verwandtschaft  haben,  lassen  sich  verschiedene  intermediäre  Grade 
erhalten. 

„915)  Kehren  wir  zu  der  Erörterung  über  die  Herkunft  der  Elektricität 
i8;8  etc.)  zurück,  so  giebt  es  einen  anderen  Beweis  der  vollkommensten  Art, 
dass  der  Metallcontact  nichts  mit  der  Erzeugung  der  Elektricität  in  der 
VoLTA'schen  Kette  zu  schaffen  habe,  und  ferner,  dass  die  Elektricität  nur 
eine  andere  Art  der  Äusserung  chemischer  Kräfte  sei.  Diesen  Beweis  giebt 
die  Erzeugung  des  elektrischen  Funkens,  ehe  der  Metallcontact  vollzogen 
ist,  bloss  durch  die  Wirkung  rein  und  ungemischt  chemischer  Kräfte. 
Der  Versuch,  den  ich  weiterhin  beschreiben  werde  (956),  besteht  in  der  Dar- 
stellung eines  elektrischen  Funkens  durch  Vollziehung  des  Contactes  zwischen 
einer  Zink-  und  Kupferplatte,  die  beide  in  verdünnte  Schwefelsäure  einge- 
taucht sind.  Um  die  Vorrichtung  so  einfach  als  möglich  zu  machen,  wurden 
keine  amalgamirten  Flächen  angewandt,  sondern  der  Contact  durch  einen 
iupferdraht  vollzogen,  der  mit  der  Kupferplatte  verbunden  war,  und  dann 
nit  einer  blanken  Stelle  der  Zinkplatte   in  Berührung   gesetzt  ward.     Nun 

Ostwald,  Elektrochemie.  36 


562  Dreizehntes  Kapitel. 


■ 


erschien  der  elektrische  Funke,  der  also  notwendiger  Weise  übergesprungea 
sein  musste,  ehe  Zink  und  Kupfer  in  Berührung  kamen.1 

„916)  Um  die  Grundsätze  deutlicher  zu  machen,  welche  ich  aufzustellen 
bemüht  gewesen  bin,  will  ich  sie,  nach  meiner  jetzigen  Ansicht,  in  ihrer 
einfachsten  Form  auseinander  setzen.  Die  Elektricität  der  VoLTA'schen 
Säule  ist,  sowohl  ihrem  Ursprünge  als  ihrer  Fortdauer  nach,  nicht  ab- 
hängig von  der  gegenseitigen  Berührung  der  Metalle  (880.  915).  Sie  rührt 
•gänzlich  von  chemischer  Wirkung  her  (882),  und  ist  in  ihrer  Intensität  pro» 
portional  den  zu  ihrer  Erzeugung  beitragenden  Verwandtschaften  (909),  sowie 
ihrer  Menge  nach  proportional  der  Menge  von  Substanz,  welche  während 
ihrer  Entwicklung  chemisch  thätig  ist  (869).  Diese  feste  Erzeugung  ist 
wiederum  einer  der  strengsten  Beweise,  dass  die  Elektricität  chemischen 
Ursprunges  ist. 

„917)   Wie    die  Erzeugung  der  VoLTA'schen  Elektricität    ein    Fall  von  , 
chemischer  Aktion  ist,   so  ist  auch  die  Zersetzung  durch  VoLTA'sche  Elek- 
tricität ein  blosser  Fall  von  dem  Übergewicht  einer  Gruppe  von  kräftigeren 
chemischen  Verwandtschaften  über  eine  andere  Gruppe  von  schwächeren;  und 
wenn  man  das  Beispiel  zweier  entgegenwirkender  Gruppen  solcher  Kräfte  (891) 
erwägt  und  sich  ihrer  wechselseitigen  Beziehung  und  Abhängigkeit  erinnert, 
scheint  es  nicht  nöthig,   in  Bezug  auf  solche  Fälle  einen  anderen  Ausdruck 
als  den:  chemische  Verwandtschaft  zu  gebrauchen  (wiewohl  der:  Elektricität,. 
sehr  passend  sein  mag),  so  wenig  es  nöthig  ist,  irgend  ein  neues  Agens  ab  ; 
mitwirkend  zur  Erzeugung  der  Resultate  vorauszusetzen;    denn  wir  können  ■ 

i 

annehmen,  dass  die  Kräfte  an  den  beiden  Orten  der  Wirkung  durch  Ver- 
mittelung  der  Metalle  (Fig.  138)  in  direkter  Gemeinschaft  stehen  und  gegen 
einander  balancirt  werden  (891),  auf  ähnliche  Art  wie  es  bei  mechanischen 
Kräften  mittelst  des  Hebels  der  Fall  ist 

„918)  Alle  diese  Thatsachen  zeigen  uns,  dass  die  Kraft,  die  man 
gewöhnlich  chemische  Verwandtschaft  nennt,  durch  Metalle  und  gewisse 
Kohlenarten  in  Distanz  mitgetheilt  werden  kann,  dass  der  elektrische  Strom 
nur  eine  andere  Form  der  chemischen  Verwandtschaftskräfte  ist,  dass  seine 
Kraft  den  ihn  erzeugenden  chemischen  Verwandtschaften  proportional  geht, 
dass  wenn  er  Mangel  an  Kraft  leidet,  ihm  durch  chemische  Kräfte  aufge- 
holfen werden  kann,  dass  der  Mangel  der  ersteren  durch  ein  Äquivalent  der 
letzteren  ersetzt  wird;  dass,  mit  anderen  Worten,  die  Kräfte,  welche  man 
Affinität  und  Elektricität  nennt,  eines  und  dasselbe  sind.  1 

„919)   Prüft  und  vergleicht  man  die  Umstände  bei  der  Erzeugung  der   | 
Elektricität   in    der   gewöhnlichen  Voi/TA'schen   Kette,   so    erhellt,    dass  dk 
Quelle  jenes  Agens  (darunter  immer  die  Elektricität  verstanden,  welche  cir- 
culirt  und  den  Strom  in  dem  VoLTA'schen  Apparat  vervollständigt,   diesem 
Apparate  Kraft  und  Charakter  giebt  (947.  996))    existirt   in  der  chemischen   ] 


1  Den  Beweis  aus  dem  Erscheinen  des  Funkens  vor  der  Berührung  hat  Fajladay  spater 
zurückgenommen,  so  dass  wir  uns  nicht  weiter  mit  ihm  zu  beschäftigen  haben. 


Bas  Gesetz  von  Faraday.  563 


Aktion,    welche  direkt  stattfindet  zwischem  dem  Metall  und  dem  sich  mit 

diesem  verbindenden  Körper,  und  durchaus  nicht  in  der  späteren  Wirkung 

der    dabei    erzeugten  Substanz   auf  die  vorhandene  Säure.1    So   ist,   wenn 

Zink,   Platin  und  verdünnte  Schwefelsäure  gebraucht  werden,  die  Vereinigung 

des   Zinks  mit  dem  Sauerstoff  des  Wassers   das  Bedingende  des  Stromes; 

and  wiewohl  die  Säure  wesentlich  ist  zur  Fortschaffung  des  dabei  gebildeten 

Oxydes,    damit  eine  andere  Portion  Zink  auf  eine  andere  Portion  Wasser 

wirken   könne,  so  bringt  sie  doch  durch  Verbindung  mit  jenem  Oxyde  keine 

merkliche  Portion  des   circulirenden  Stromes   hervor.     Denn   die  Quantität 

der   Elektricität  hängt  ab  von  der  Quantität  des  oxydirten  Zinks  und  hat 

ein   festes   Verhältniss  zu   derselben;    und   die  Intensität  der  Elektricität   ist 

proportional    der  Verwandtschaft   des   Zinks   zu   dem  Sauerstoff  unter   den 

obwaltenden  Umständen,  und  sie  erleidet  kaum,  wenn  überhaupt,  irgend  eine 

Abänderung  durch  den  Gebrauch  von  starker  oder  schwacher  Säure  (908). 

„920)  Wenn  ferner  Zink,  Platin  und  Salzsäure  gebraucht  werden,  scheint 

die  Elektricität  von  der  Verwandtschaft  des  Zinks  zum  Chlor  abzuhängen, 

und   genau  im  Verhältniss  zu    der,   in   der  That  zu  einander   äquivalenten 

Anzahl  der  sich  verbindenden  Zink-  und  Chlortheilchen  in  Circulation  gesetzt 

xu  werden. 

„921)  Allein,  wenn  man  die  Oxydation  oder  eine  andere  direkte  Ein- 
wirkung auf  das  Metall  selbst  als  die  Ursache  und  Quelle  des  elektrischen 
Stromes  betrachtet,  ist  es  von  der  äussersten  Wichtigkeit  zu  bemerken,  dass 
der  Sauerstoff  oder  andere  Körper  sich  in  einem  besonderen  Zustand,  näm- 
Bch  in  dem  Zustand  der  Verbindung  befinden  muss,  und  nicht  bloss  dies, 
sondern,  ferner  beschränkt,  in  einem  solchen  Verbindungszustand  und  solchem 
Verhältniss,  worin  er  einen  Elektrolyten  constituirt  (823).  Eine  Zink-  und 
eine  Platinplatte,  in  Sauerstoffgas  miteinander  verknüpft,  vermögen  nicht 
einen  elektrischen  Strom  zu  erzeugen  oder  als  eine  VoLTA'sche  Kette  zu 
wirken,  selbst  wenn  man  die  Temperatur  so  steigert,  dass  das  Zink  sich  bei 
Weitem  rascher  oxydirt  als  im  Fall  das  Plattenpaar  in  verdünnte  Schwefel- 
säure getaucht  wäre,  denn  dieser  Sauerstoff  macht  keinen  Theil  eines  Elek- 
trolyten aus,  und  kann  daher  die  Kräfte  vermittelst  Zersetzung  oder  gar 
wie  die  Metalle  durch  sich  selbst  nicht  weiter  leiten.  Sollte  jemand  an  dem 
gasigen  Zustand  Anstoss  nehmen,  so  denke  er  sich  flüssiges  Chlor.  Dies 
erregt,  indem  es  sich  mit  dem  Zink  verbindet,  keinen  Elektricitätsstrom  durch 
die  beiden  Platten,  denn  seine  Theilchen  können  nicht  die  an  dem  Ver- 
bindungspunkt thätige  Elektricität  zu  dem  Platin  durchleiten.  Es  ist  an  sich 
kein  Leiter  wie  die  Metalle,  auch  ist  es  kein  Elektrolyt,  also  während  der 
Zersetzung  nicht  der  Leitung  fähig,  und  folglich  findet  an  der  Stelle  eine 
blosse  chemische  Aktion  und  kein  elektrischer  Strom  statt.2 


1  Wollaston,  Phil.  Trans.   1801,  p.  427. 

9  „Ich  will  nicht  behaupten,  dass  in  solchen  Fällen  gar  keine  Spuren  von  Elektricität 
«scheinen.  Ich  meine  nur,  dass  auf  keine  Weise  Elektricität  erregt  werde,  die  von  den  die 
VbLTA'sche  Elektricität  erregenden  Ursachen  herrührte,  oder  zu  ihnen  Bezug  hätte,  oder  ihner 

J6* 


k 


cQa  Dreizehntes  Kapitel. 


„922)  Man  könnte  auf  den  ersten  Blick  vermuthen,  ein  leitender,  aber 
nicht  elektrolytischer  Körper  vermöge  die  dritte  Substanz  zwischen  dem 
Zink  und  Platin  abzugeben,  und  wahr  ist,  dass  es  dergleichen  giebt,  welche 
fähig  sind,  eine  chemische  Wirkung  auf  die  Metalle  auszuüben.  Sie  müssen 
jedoch  aus  den  Metallen  selbst  genommen  werden,  denn  ausser  diesen  und 
der  Kohle  giebt  es  keine  Substanzen  dieser  Art  Um  diesen  Gegenstand 
durch  einen  Versuch  zu  entscheiden,  machte  ich  die  folgende  Vorrichtung. 
Von  geschmolzenem  Zinn  brachte  ich  so  viel  in  eine  V-förmig  gebogene 
Röhre,   dass   deren  Arme  zur  Hälfte  gefüllt  wurden  (Fig.   142)  und  steckte 

darauf  zwei  dicke  Platindrähte  bis  zu  einer  gewissen  Tiefe 
in  das  Zinn,  Hess  nun  das  Ganze  erkalten,  und  verband 
die  Enden  /  und  w  mit  einem  empfindlichen  Galvano- 
meter. Darauf  erhitzte  ich  bei  x  die  Röhre  aufs  Neue} 
während  der  Arm  y  kalt  gelassen  wurde.  Sogleich  wurde 
das  Galvanometer  durch  den  thermoelektrischen  Strom 
ergriffen.  Ich  steigerte  die  Hitze  bei  x  fortwährend,  l» 
endlich  Zinn  und  Platin  sich  daselbst  verbanden,  was 
bekanntlich  unter  einer  starken  chemischen  Aktion  und  I 
Fig.  142.  lebhafter  Erglühung  geschieht;    allein  dennoch  wurde  die 

Wirkung  auf  das  Galvanometer  nicht  im  Mindesten  dabei 
erhöht.  Während  der  ganzen  Zeit  war  keine  andere 
Ablenkung  zu  beobachten  als  die  von  dem  thermoelektrischen  Strom  her- 
rührende. Wiewohl  hier  also  ein  Leiter,  und  zwar  ein  chemisch  auf  das 
Zinn  wirkender,  angewandt  wurde,  Hess  sich  doch,  da  derselbe  kein  Elek-  ; 
trolyt  war,  nicht  die  geringste  Wirkung  eines  elektrischen  Stromes  ver-  '\ 
spüren  (947). 

„923)   Diesem  nach  ist  es  augenscheinlich,    dass  die  Eigentümlichkeit  _ 
eines  Elektrolyts  ein  wesentlicher  Theil  der  VoLiVschen  Kette  ist;  und  wenn 
man  die  Natur  eines  Elektrolyten  in  Betracht  zieht,  ergeben  sich  gute  Gründe, 
warum  er,  und  nur  er  allein,  wirksam  sein  kann.    Ein  Elektrolyt  ist  immer 
ein  zusammengesetzter  Körper;   er  ist  leitend,  aber  nur  während  er  zersetzt 
wird.     Seine  Leitung  hängt  ab  von  seiner  Zersetzung  und  von  der  Fort- 
führung seiner  Theilchen  in  parallelen  Richtungen  mit  dem  Strom;  und 
so  innig  ist  diese  Verknüpfung,  dass,  wenn  der  Fortführung  Einhalt  geschieht, 
auch  der  Strom  gehemmt  ist,   wenn  die  Bahn  der  ersteren  verändert  wird, 
die  Bahn  und  Richtung  des  letzteren  ebenfalls  geändert  werden.   Die  Theilchen 
eines  elektrolytischen  Körpers  sind  alle  so  wechselseitig  verknüpft,   stehen, 
durch  ihre  ganze  Erstreckung  in  Richtung  des  Stromes,  in  solcher  Beziehung 
zu  einander,    dass,    wenn  das  letzte  nicht  abgegeben  wird,   das  erste  auch 
nicht   die   Freiheit   hat,    in    die   neue   Verbindung   einzugehen,   welche  die 

proportional  wäre.     Die  zuweilen  auftretende  Elcktricität  ist  der  kleinstmögliche  Brach  von  der, 
welche  die  th&tige  Substanz  erzeugen  kann,    wenn  sie  zu  einer  Volt  Ansehen  Wirkung  vorge- 
richtet wild;  wahrscheinlich  ist  sie  von  dieser  nicht  Viooooo»  seihst  nicht  Viooowo»  und  sehr  wahr- 
st sie  aus  einer  ganz  anderen  Quelle  her." 


Das  Gesetz  von  Faraday.  565 


füge  Verwandtschaft  des  wirksamsten  Metalles  zu  erzeugen  trachtet;  und 
in  ist  der  Strom  selbst  gehemmt;  denn  die  Abhängigkeiten  des  Stromes 
1  der  Zersetzung  sind  so  gegenseitig,  dass  gleichviel,  wer  von  ihnen 
prünglich  bedingt  sein  mag,  d.  h.  ob  die  Bewegung  der  Theilchen  oder  die 
wegung  des  Stromes,  die  eine  unveränderlich  in  Begleitung  der  anderen 
eugt  wird  und  in  Beziehung  zu  ihr  steht 

„924)  Betrachten  wir  nun  Wasser  als  den  Elektrolyten  und  auch  als 
1  oxydirenden  Körper.  Die  Anziehung  des  Sauerstoffes  zum  Zink  ist  unter 
sen  Umständen  grösser  als  die  des  Sauerstoffes  zum  Wasserstoff;  allein 
lern  er  sich  mit  dem  Zink  verbindet,  sucht  er  einen  Elektricitätsstrom  in 
wisser  Richtung  in  Circulation  zu  setzen.  Diese  Richtung  hängt  zusammen 
ie  durch  unzählige  Versuche  gefunden)  mit  der  Übertragung  des  Wässer- 
tes vom  Zink  zum  Platin  hip,  und  mit  der  entgegengesetzten  Fortfuhrung 
n  frischem  Sauerstoff  vom  Platin  abwärts  gegen  das  Zink,  so  dass  der 
rom  nur  in  einer  Linie  fortschreiten  kann  und,  während  er  fortschreitet, 
it  Erneuerung  der  Vorgänge  auf  der  Zinkfläche,  die  anfangs  zugleich  die 
)mbination  und  Circulation  bedingten,  bestehen  und  sie  begünstigen  kann. 
aher  die  Fortdauer  sowohl  der  Wirkung  daselbst  als  die  des  Stromes.  Es 
•giebt  sich  mithin  als  ganz  ebenso  wesentlich,  dass  ein  Elektrolyt  in  der 
ette  zugegen  sei,  damit  die  Wirkung  in  einer  gewissen  constanten 
.ichtun g  vorwärts  gefuhrt  werden  könne,  als  dass  ein  oxydirender  oder 
in  anderer  direkt  auf  das  Metall  zu  wirken  fähiger  Körper  daselbst  befind- 
en sei;  und  es  zeigt  sich  auch  als  nothwendig,  dass  beide  Umstände  in 
inen  zusammenfliessen,  oder  dass  der  direkt  auf  das  Metall  chemisch  ein- 
wirkende Körper  eines  von  den  Ionen  des  angewandten  Elektrolyten  sei. 
\iag  nun  der  VoLTA'sche  Apparat  durch  die  Lösung  einer  Säure,  oder  eines 
\lkalis,  oder  Sulfurets,  oder  durch  eine  geschmolzene  Substanz  (476)  angeregt 
worden  sein,  so  ist  dieser  Körper  bisher  doch  immer,  so  viel  ich  weiss,  ein 
Anion  (943)  gewesen;  und  ich  schliesse  aus  einer  Betrachtung  über  die 
Principien  der  elektrischen  Aktion,  dass  es  nothwendig  ein  Körper  dieser  ' 
Klasse  sein  muss. 

„925)  Betrachtet  man  die  Wirkung  der  in  der  VoLTA'schen  Kette  ange- 
wandten Schwefelsäure,  so  findet  man,  dass  sie  unzulänglich  ist,  durch  ihre 
Verbindung  mit  dem  gebildeten  Oxyd,  irgend  eine  merkliche  Portion  der 
Elektricität  des  Stromes  hervorzubringen,  aus  dem  einfachen  Grunde,  weil 
ihr  eine  der  wesentlichsten  Bedingungen  abgeht.  Sie  bildet  keinen  Theil 
eines  Elektrolyten,  noch  steht  sie  in  Beziehung  zu  irgend  einem  in  der 
Lösung  anwesenden  Körper,  welcher  eine  gegenseitige  Überführung  der 
ITieilchen  und  die  damit  verknüpfte  Überführung  der  Elektricität  erlaubte. 
Freilich,  da  die  Fläche,  an  welcher  die  Säure  das  durch  Wirkung  des  Wassers 
gebildete  Oxyd  auflöst,  mit  dem  metallischen  Zink  in  Berührung  steht,  so 
icheint  keine  Schwierigkeit  in  der  Betrachtung,  dass  das  Oxyd  daselbst  einen, 
einer  chemischen  Wirkung  auf  die  Säure  proportionalen  elektrischen  Zustand 
lern  ohne  Zersetzung  leitenden  Metall  mittheilen  könne.   Allein  an  der  Seite 


egg  Dreizehntes  Kapitel. 


der  Säure  ist  keine  Substanz  zur  Vervollständigung  des  Stromes  da; 
Wasser  als  Wasser  kann  ihn  nicht  leiten,  oder  wenigstens  einen  so  kle 
Antheil,  dass  die  Wirkung  rein  zufällig  und  fast  unwahrnehmbar  ist  (c 
und  als  ein  Elektrolyt  kann  es  ihn  nicht  leiten,  weil  ein  Elektrolyt  vero 
der  gegenseitigen  Beziehung  und  Wirkung  seiner  Theilchen  leitet, 
weil  weder  eines  der  Elemente  des  Wassers  noch  das  Wasser  selbst,  so 
wir  beobachten  können,  gegen  Schwefelsäure  ein  Ion  ist  (848). * 

„926)  Diese  Ansicht  von  dem  secundären  Charakter  der  Schwefels 
als  eines  Agens   bei   der  Erzeugung  des  VoLTA'schen  Stromes  wird  fi 
unterstützt  durch  die  Thatsache,  dass  der  erzeugte  und  durchgelassene  Si 
direkt  und   genau  proportional  ist  der  Menge  des  zersetzten  Wassers 
der  Menge  des  oxydirten  Zinks   (868.  991),   und   er   ist   derselbe  wie 
welcher   zur  Zersetzung  einer   gleichen  Menge  Wasser  erfordert  wird, 
also  die  Wasserzersetzung  zeigt,   dass   sie  die  Elektricität  hergegeben 
so   bleibt   keine   andere  Elektricität   zu  erklären,   oder   irgend   eine   an 
Wirkung   herzuleiten   als   die   zwischen   dem  Zink   und   dem  Wasser  s 
findende. 

„927)   Der  allgemeine  Fall  [denn  er  schüesst  den  früheren  (924) 
bei  Säuren  und  Basen  lässt  sich  theoretisch  folgendermaassen  angeben. 

sei  a  (Fig.  143)  eine  trockene  Sauerstoffsäure  und  b 
'  \        trockene  Base,   die   sich   in  c  berühren,   und   an  i 

■BMgM&Kfc,.^  ]        Enden  durch  die  Platinplatten  p,  p  und  den  Platindra 
/»lEKHes^äf*         in   elektrischer  Gemeinschaft   stehen.    Wenn   nun  ; 

a  b 

Säure  und  Base  flüssig  wären  und  bei  c  eine  Verbinc 


Fig.  143. 

Nach  Farad ay.         stattfände,  mit  einer  so  mächtigen  Verwandtschaft, 

sie  einen  elektrischen  Strom  hervorzurufen  vermö« 
so  würde  der  Strom  doch  nicht  in  einem  bedeutenden  Grade  circul 
weil  erfahrungsmässig  weder  a  noch  b  ohne  Zersetzung  leiten  kör 
denn  sie  sind  unter  allen  Umständen,  ausgenommen  gegen  sehr  schw 
Ströme  (970.  986),  entweder  Elektrolyte  oder  sonst  Isolatoren.  Nun 
die  Verwandtschaften  bei  c  nicht  von  der  Art,  dass  sie  die  Elem 
von  a  oder  b  zu  trennen  suchten,  sondern  sie  haben  nur  das  Bestrc 
beide  Körper  zu  einem  Ganzen  zu  vereinigen.  Der  Wirkungsort  ist  d 
isoiirt,  die  Wirkung  selbst  lokal  (921.  947),  und  es  kann  kein  Strom  zu  St 
kommen. 

tt  Wenn  Säure  und  Base  in  Wasser  gelöst  sind,  dann  ist  es  1 

kleiner  Antheil  der  von  chemischer  Wirkung  herrührei 

dem  Wasser  ohne  Zersetzung  fortgeleitet  werde  (966.  < 

fcheil  wird  so  klein  sein,  dass  er  zu  dem,  welcher  von 

chemischen  Kraft  herrührt,  in  gar  keinem  Verhältniss  s 


dies  stimmt  mit  Humphry  Davy,   welcher  experimentell  zu  der  A 
aiw.iUq  bei  ihrer  Verbindung  keinen  elektrischen  Strom  nerval 


Das  Gesetz  von  Faraday.  r(J*r 


und  da  er  nicht  die  wesentlichen  Principien  der  VoLTVschen  Säule  involvirt, 
gehört  er  nicht  zu  den  hier  untersuchten  Erscheinungen.1 

,,929)  Wenn  statt  der  Sauerstoffsäure  eine  Wasserstoffsäure,  z.  B.  Salz- 
säure, genommen  wird  (927),  so  sind  die  Umstände  ganz  verändert;  dann 
kann  ein  Strom,  entsprungen  aus  der  chemischen  Wirkung  der  Säure  auf 
die  Base,  möglicher  Weise  stattfinden.  Allein  nun  wirken  beide  Körper  als 
Elektrolyte,  denn  jeder  liefert  nur  einen  Bestandtheil  zur  gegenseitigen  Ver- 
bindung, z.  B.  einer  Chlor,  der  andere  Metall;  und  der  Wasserstoff  der 
.  Saure  und  der  Sauerstoff  der  Base  stehen  bereit,  mit  dem  Chlor  der  Säure 
und  dem  Metall  der  Base  in  Übereinstimmung  mit  dem  Strom,  und  gemäss 
den  allgemeinen  bereits  ausfuhrlich  entwickelten  Grundsätzen,  zu  wandern. 
,930)  Die  Ansicht,  dass  die  Oxydation  oder  eine  andere  direkte 
lemische  Einwirkung  auf  das  Metall  die  alleinige  Ursache  des  elektrischen 
>mes  in  der  gewöhnlichen  VoLTVschen  Säule  sei,  wird  unterstützt  durch 
Vorgänge,  welche  stattfinden,  wenn  Lösungen  von  Alkalien  oder  Schwefel- 
ten (93  *•  943)  ^^  der  verdünnten  Schwefelsäure  als  elektrolytische 
ter  angewandt  werden.  Die  bereits  (884)  erwähnten  Versuche  ohne  Metall- 
itact  und  mit  alkalischen  Lösungen  als  erregende  Flüssigkeiten  wurden 
le  zur  Erläuterung  dieses  Punktes  angestellt. 

„931)  Es  wurden  nun  die  Versuche  über  die  Zersetzung   der  Körper 
ein   einfaches  Plattenpaar  wiederholt  (899),  jedoch   unter  Anwendung 
Ätzkalilauge,  statt  der  Schwefelsäure,  in  dem  Gefässe  v  (Fig.  141),  und 
Benutzung  der  Vortheile,    die   der  Metallcontact   darbietet   (895).     Alle 
rheinungen  waren  den  früheren   gleich;    das  Galvanometer  wurde  abge- 
:;  Lösungen  von  Jodkalium,  salpetersaurem  Silber,  Salzsäure  und  Glauber- 
wurden  bei  x  zersetzt;   und  die  Orte,  wo  die  abgeschiedenen  Bestand- 
erschienen,   sowie  die  Ablenkungen  des  Galvanometers  zeigten  einen 
von   gleicher  Richtung,   wie  wenn  Säure  im  Gefässe  v  war,   d.  h. 
Abe   ging  vom  Zink  durch  die  Lösung  zum  Platin,    und  zurück  durch 
Galvanometer  und  das  zersetztwerdende  Agens  zu  dem  Zink. 
,932)   Die  Ähnlichkeit  in  der  Wirkung   der  verdünnten  Schwefelsäure 
der    Kalilauge   geht   indess   noch   viel  weiter,   selbst   bis   zur  Identität 
>hl  in  der  Menge  als  in  der  Richtung  der  erzeugten  Elektricität.   Eine 
lirte  Zinkplatte  erleidet  für  sich  in  einer  Kalilauge  keine  merkliche 
irkung;   berührt  man  sie  aber  in  der  Lösung  mit  einer  Platinplatte,  so 
an  der  Oberfläche  dieser  letzteren  Wasserstoff  entwickelt,  und  das  Zink 
irt,    genau   wie  wenn  es  in  verdünnte  Schwefelsäure  eingetaucht  wäre 
Demgemäss  wiederholte   ich   den  zuvor  beschriebenen   Versuch   mit 
jenen  Zinkplatten  (864  u.  s.  w.),  gebrauchte  aber  dabei  Kalilauge  statt 


w: 


1  „Es  versteht  sich,  glaube  ich,  von  selbst,  dass  ich  hier  nicht  behaupte,  jede  kleine,  zu- 
und    bloss  mögliebe  Wirkung,  die  während  der  chemischen  Aküon  aus  unbedeutenden 

m  des  elektrischen  Fluidums  entspringen  kann,  in  Rechnung  zu  ziehen,  sondern  bloss 
die  Aktionen,    von  denen  die   Kraft  der  Volt  Ansehen  Batterie  wesentlich   abhängt,    zu 

leiden  und  zu  identificiren." 


568  Dreizehntes  Kapitel. 

verdünnter  Schwefelsäure.  Wiewohl  eine  viel  längere  Zeit,  als  bei  Anwen- 
dung von  Säure,  nämlich  drei  Stunden,  für  die  Oxydation  von  7,55  Gran 
Zink  erfordert  wurde,  so  fand  ich  doch,  dass  der  an  der  Platinplatte  ent- 
wickelte Wasserstoff  zu  dem  an  der  Zinkoberfläche  gebildeten  Oxyde  äqui- 
valent war.  Mithin  findet  die  ganze  Schlussfolge,  welche  auf  das  frühen 
Beispiel  anwendbar  war,  auch  hier  seine  Anwendung:  der  Strom  geht  in 
derselben  Richtung,  und  seine  zersetzende  Wirkung  hat  gleichen  Grad  von 
Stärke,  wie  wenn  Säure  statt  des  Alkalis  angewandt  worden  wäre  (688). 

„933)  Es  scheint  mir  daher  der  Beweis  vollständig,  dass  die  Verbindung 
der  Säure  mit  dem  Oxyd  in  dem  vorhergehenden  Versuch  nichts  mit  der 
Erzeugung  des  elektrischen  Stromes  zu  schaffen  habe)  denn  derselbe  Strom 
wird  erzeugt,  wenn  statt  der  Wirkung  der  Säure  die  umgekehrte  des  Alkais 
zugegen  ist.  Ich  glaube  nicht,  dass  man  für  einen  Moment  annehmen  könne, 
das  Alkali  wirke  chemisch  als  eine  Säure  auf  das  gebildete  Oxyd.  In 
Gegentheil  führen  unsere  allgemeinen  chemischen  Kenntnisse  zu  dem  Schluss, 
dass  die  gewöhnlichen  Metalloxyde  eher  als  Säuren  denn  als  Alkalien  wirken; 
und  doch  würde  diese  Art  von  Wirkung  im  gegenwärtigen  Fall  einei 
umgekehrten  Strom  zu  erregen  trachten,  wenn  das  Oxyd  des  erregende* 
Metalles  bei  seiner  Verbindung  mit  dem  dazu  vorhandenen  Körper  überhaupt 
einen  Strom  hervorbrächte.  Allein  statt  irgend  einer  Verschiedenheit  dieser 
Art  war  die  Richtung  der  Elektricität  constant,  und  die  Menge  derselbe« 
auch  proportional  dem  zersetzten  Wasser  oder  dem  oxydirten  Zink.  Hu , 
hat  Gründe  zu  glauben,  dass  Sauren  und  Alkalien,  wenn  sie  mit  Metallen 
in  Contact  stehen,  auf  die  sie  nicht  direkt  einwirken  können,  doch  einen 
Elnfluss  auf  deren  Anziehungen  zum  Sauerstoff  (941)  ausüben.  Allein  afle 
Wirkungen  in  den  obigen  Versuchen  beweisen,  glaube  ich,  dass  es  die  notb- 
wendig  von  der  Elektrolysirung  des  Wassers  (921.  923)  abhängige  und  mit 
ihr  verknüpfte  Oxydation  des  Metalles  ist,  welche  den  Strom  erzeugt;  das» 
die  Säure  oder  das  Alkali  bloss  als  Lösemittel  wirkt,  durch  Fortschaflimg 
des  oxydirten  Zinks  anderen  Portionen  gestattet  neues  Wasser  zu  zersetzen 
und  so  die  Entwicklung  oder  Bestimmung  des  Stromes  unterhält 

„934)  Ich  änderte  nun  die  Versuche  dahin  ab,  da» 
ich  eine  Ammoniaklösung  statt  der  Kalilösung  anwandte, 
und  da  sie  im  Zustande  der  Reinheit  ein  schlechter  Leiter 
ist,  wie  das  Wasser  (554),  wurde  sie  durch  Zusatz  von 
schwefelsaurem  Ammoniak  leitender  gemacht  Allein  in 
allen  Fällen  waren  die  Wirkungen  dieselben  wie  vorhin; 
Zersetzungen  gleicher  Art  fanden  statt,  und  der  elektrische 
Strom,  welcher  dieselben  hervorrief,  hatte  dieselbe  Richtung 
wie  in  den  eben  beschriebenen  Versuchen. 

»935)  Um  die  gleiche  und  ähnliche  Wirkung  von  Säure 
und  Alkali  auf  eine  noch  strengere  Probe  zu  stellen,  wurden  Vorrichtungen  wie 
in  Fig.  144  gemacht.  Das  Glasgefäss  A  enthielt  verdünnte  Schwefelsäure,  das 
andere  B  verdünnte  Kalilauge,  PP  war  eine  in  beide  Flüssigkeiten  eingetauchte 


Du  Gesetz  von  FvuUy.  c(5g 

latinplatte,  und  ZZ  waren  amalgamirte  Zinkplatten,  die  mit  einem  empfind  • 
eben  Gahranometer  in  Verbindung  standen.  Wenn  diese  gleichzeitig  in 
ie  baden  Gelasse  getaucht  wurden,  zeigte  sich  gewöhnlich  zuerst  eine 
Jnrache  Wirkung,  und  zwar  zu  Gunsten  des  Alkalis,  d.  h.  der  elektrische 
trom  suchte  durch  die  Gefasse  in  Richtung  des  Pfeiles  zu  gehen,  also  in 
ngekehrter  Richtung,  wie  sie  von  der  Säure  in  A  allein  hervorgebracht 
orden  sein  würde.  Allein  die  Wirkung  hörte  augenblicklich  auf  und  die 
Wirkung  der  Platten  in  den  Gefässen  war  so  gleich,  dass,  da  sie  wegen  der 
ngekehrten  Stellung  der  Platten  entgegengesetzt  war,  kein  dauernder  Strom 
iraus  entsprang. 

„936)  Manchmal  nahm  ich  statt  der  Platten  PP  eine  Zinkplatte,  und 
itt  den  Platten  ZZ  Platinplatten;  allein  dies  verursachte  keinen  Unterschied; 
ch  eine  Kupferplatte  als  mittlere  Platte  angewandt,  brachte  keine  Änderung 
rvor. 

»937)  ^a  d'e  Entgegenstellung  der  elektromotorischen  Plattenpaare  andere 
sultate  erzeugte,  als  die  von  dem  blossen  Unterschied  ihrer  unabhängigen 
«klingen  herrührenden  (Ion.  1045),  so  ersann  ich  eine  andere  Form  des 
jparates,  wobei  die  Wirkung  der  Säure  und  des  Alkalis  noch  direkter  ver- 
gehen werden  konnte.  Ein  cylindrisches  Glas- 
£iss,  inwendig  etwa  zwei  Zoll  tief  und  einen 
dl  im  Durchmesser ,  von  wenigstens  einen 
iertelzoll  dicken  Wänden,  wurde  in  der  Mitte 
»unter  in  zwei  Hälften  zerschnitten  (Fig.  145). 
in  breiter  Messingring,  von  grösserem  Durch- 
itsser  als  das  Gefass,  wurde  mit  einer  Schraube         „ 

Flg.    145.  flg.    146. 

trsehen   und  um  die  beiden  Hälften  gelegt,  so  Nac|,  kakaday. 

ass,  wenn  man  die  Schraube  fest  anzog,  diese 

lälften  zu  einem  wasserdichten  Gefass  gegen  einander  gedrückt  wurden. 
Tiesspapier  von  verschiedenen  Graden  der  Permeabilität  wurde  nun  in 
itücke  von  solcher  Grösse  zerschnitten,  dass  es  leicht  zwischen  die  ge- 
lten Hälften  des  Gefässes  eingeschoben  werden  konnte,  und  wenn  diese 
larauf  wieder  dicht  zusammen  geschraubt  wurden,  eine  poröse  Scheidewand 
0  der  Mitte  des  Gefässes  bildete,  die  zweien  Flüssigkeiten  zu  beiden  Seiten 
krselben  keine  andere  als  eine  sehr  langsame  Vermischung  gestattete,  aber 
hnen  doch  erlaubte,  ungehindert  als  ein  Elektrolyt  zu  wirken.  Die  beiden 
»gebildeten  Räume  will  ich  die  Zellen  A  und  B  nennen  [Fig.  146).  Dies 
Instrument  habe  ich  bei  Untersuchung  der  Beziehungen  von  Flüssigkeiten 
Md  Metallen  unter  sich  und  unter  einander  von  sehr  allgemeiner  Anwend- 
barkeit gefunden.  Verbindet  man  es  noch  mit  einem  Galvanometer,  so 
ist  es  leicht,  damit  die  Beziehung  eines  Metalles  zu  zwei  Flüssigkeiten,  oder 
»eier  Metalle  zu  einer  Flüssigkeit,  oder  zweier  Flüssigkeiten  zu  zwei  Metallen 
Wnumitteln. 

»93^)  Verdünnte  Schwefelsäure  vom  spezifischen  Gewicht  1,25  wurde 
<l  die  Zelle  A  gegossen  und  eine  starke  Lösung  von  Ätzkali  in  die  Zelle  B. 


570  dreizehntes  Kapitel. 

Sie  mischten  sich  langsam  durch  das  Papier,    und  zuletzt  bildete  sich 
dem  Papier,   zur  Seite  des  Alkalis,   eine  dicke  Kruste  von  schwefelsaui 
Kali.     In  jede  Zelle  wurde   eine  saubere  Platinplatte   eingesteckt   und 
einem  empfindlichen  Galvanometer  verbunden;   allein  es   konnte  kein  el 
trischer  Strom  beobachtet  werden.     Also  war  der  Contact  der  Säure 
der  einen  Platinplatte  und  der  des  Alkalis  mit  der  anderen  unfähig  ei 
Strom  zu  erzeugen,  und  ebenso  wenig  war  die  Verbindung  der  Säure 
dem  Alkali  wirksamer  (925). 

»939)  Wurde  eine  der  Platinplatten  fortgenommen  und  durch  eine  Z 
platte  ersetzt,  so  entstand,  diese  mochte  amalgamirt  sein  oder  nicht, 
starker  elektrischer  Strom.  Allein  es  war  gleich,  ob  das  Zink  in  die  Sä 
und  das  Platin  in  das  Alkali  getaucht,  oder  die  umgekehrte  Anordn 
getroffen  war:  immer  ging  der  elektrische  Strom  vom  Zink  durch  den  E 
trolyten  zum  Platin,  und  von  da  durch  das  Galvanometer  zurück  zu  < 
Zink.  Am  stärksten  schien  der  Strom  zu  sein,  wenn  das  Zink  in  < 
Alkali  und  das  Platin  in  der  Säure  befindlich  war. 

„940)  Bei  diesen  Versuchen  schien  also  die  Säure  kein  Übergew 
über  das  Alkali  zu  haben,  vielmehr  schwächer  als  dieses  zu  sein.  Folg 
hat  man  auch  keinen  Grund  zu  der  Annahme,  die  Verbindung  des  gt 
deten  Oxyds  mit  der  umgebenden  Säure  habe  einen  direkten  Einfluss 
die  Hervorbringung  der  erregten  Elektricität;  vielmehr  scheint  diese  g 
von  der  Oxydation  des  Metalles  herzurühren  (919). 

„941)  In  der  That  hat  das  Alkali  ein  Übergewicht  über  die  Säure 
der  Fähigkeit,  das  Metall  in  den  sogenannten  positiven  Zustand  zu  verseö 
Denn  wenn  Platten  von  gleichem  Metall,  z.  B.  Zink,  Zinn,  Blei  oder  Kuj 
zugleich  in  die  Säure  und  das  Alkali  eingetaucht  werden,  geht  der  d 
trische  Strom  von  dem  Alkali  durch  die  Zelle  zur  Säure  und  zurück  du 
das  Galvanometer  zum  Alkali,  wie  schon  Humphry  Davy  früher  angegebc 
Dieser  Strom  ist  so  mächtig,  dass,  wenn  man  amalgamirtes  Zink  oder  Z 
oder  Blei  anwendet,  das  Metall  in  der  Säure,  sogleich  wie  es  mit  dem  Mc 
in  dem  Alkali  verbunden  wird,  Wasserstoffgas  entwickelt,  nicht  verm« 
einer  direkten  Einwirkung  der  Säure  auf  sich,  denn  wenn  der  Contact  un 
brochen  wird,  hört  die  Wirkung  auf,  sondern  weil  es  in  Bezug  auf 
Metall  in  dem  Alkali  stark  negativ  wird. 

„942)  Die  Überlegenheit  des  Alkalis  geht  ferner  daraus  hervor,  d 
wenn  man  Zink  und  Zinn,  oder  Zinn  oder  Blei  anwendet,  das  in  dem  AI 
befindliche  Metall,  was  für  eines  es  auch  sei,  positiv  wird,  und  das  in 
Säure  negativ.  Was  für  ein  Metall  sich  auch  im  Alkali  befinde,  so  wird 
doch  oxydirt;  das  in  der  Säure  dagegen  behält  seinen  Metallglanz,  so  , 
dies  vom  elektrischen  Strom  abhängt. 

„943)  Dasselbe  ergiebt  sich  auch,  wenn  man  Lösungen  von  Sulphun 
anwendet  (930),  um  zu  zeigen,  dass  es  die  chemische  Wirkung  des  Met 


1  „Elements  of  chemical  Philosophy,  p.   149,  oder  Phil.  Trans.  403.  1826/* 


Das.  Gesetz  von  Faxaday.  571 


nd  eines  der  Ionen  des  angewandten  Elektrolyten  sei,  welche  alle  Elek- 
ricität  der  VoLTx'schen  Kette  erzeugt  So  geht  der  Strom,  wenn  Eisen  und 
Enpfer  in  verdünnte  Säuren  getaucht  werden,  von  dem  Eisen  durch  die 
•Bissigkeit  zum  Kupfer,  wie  Humphry  Davy  gezeigt  hat;1  in  Kalilauge  hat 
r  dieselbe  Richtung,  aber  in  einer  Lösung  von  Schwefelkalium  geht  er 
mgekehrt  In  den  beiden  ersten  Fällen  ist  es  der  mit  dem  Eisen  sich 
erbindende  Sauerstoff,  in  dem  letzteren  der  mit  dem  Kupfer  sich  ver- 
indende  Schwefel,  durch  den  der  elektrische  Strom  erzeugt  wird.  Allein 
iese  beiden  Ionen  existiren  als  solche  in  dem  gleichzeitig  zersetzt  werdenden 
lektrolyt;  und  was  mehr  ist,  sie  beide  sind  Anionen,  denn  sie  entlassen 
ie  Elektrolyten  an  ihren  Anoden,  und  wirken  gerade  wie  Chlor,  Jod  oder 
gend  ein  anderes  Anion  gewirkt  haben  würde,  welches  statt  der  zuvor 
ie  VoLTA'sche  Kette  in  Thätigkeit  setzenden  genommen  worden  wäre. 

„944)  Der  folgende  Versuch  vervollständigt  die  Reihe  der  Beweise  über 
en  Ursprung  der  Elektricität  in  der  VoLTA'schen  Säule.  Ein  flüssiges 
malgam  von  Kalium,  von  diesem  Metall  nicht  mehr  als  ein  Hundertel  ent- 
iltend,  wurde  in  Wasser  gebracht  und  durch  ein  Galvanometer  mit  einer 
;  demselben  Wasser  befindlichen  Platinplatte  verbunden.  Sogleich  ging  ein 
ektrischer  Strom  von  dem  Amalgam  durch  den  Elektrolyt  zum  Platin, 
ieser  Strom  konnte  nur  durch  die  Oxydation  des  Metalles  hervorgerufen 
in,  denn  es  war  weder  eine  Säure  noch  ein  Alkali  vorhanden,  um  sich 
it  ihm  zu  verbinden  oder  auf  ihn  einzuwirken. 

„945)  Ferner  brachte  ich  eine  Platin-  und  eine  blanke  Bleiplatte  in 
iines  Wasser.  Sogleich  ging  ein  starker  Strom  von  dem  Blei  durch  die 
lüssigkeit  zum  Platin.  Er  war  so  stark,  dass  er  eine  Jodkaliumlösung  zer- 
fzte,  die  unter  Anwendung  des  schon  (880)  Fig.  135,  S.  551  beschriebenen 
pparates  in  die  Kette  gebracht  worden  war.  Hier  gab  es  keine  Wirkung 
m  Säure  oder  Alkali  auf  das  aus  dem  Blei  gebildete  Oxyd,  welche  die 
lektricität  geliefert  haben  könnte;  diese  rührte  also  bloss  von  der  Oxy- 
ition   des  Metalles  her." 

Die  vorstehende  Zusammenfassung  von  Faraday*s  Ansichten  ist  von 
rosser  Wichtigkeit  Die  in  (916)  ausgesprochenen  Grundlagen  seiner  che- 
lischen  Theorie  der  galvanischen  Erscheinungen  hat  sich  in  der  Folge  als 
nrchaus  richtig  erwiesen.  Wenn  auch  zu  jener  Zeit  nur  der  auf  die 
lektricitätsmenge  bezügliche  Theil  der  Sätze  als  wissenschaftlich  erwiesen 
brachtet  werden  durfte,  und  der  auf  die  Proportionalität  zwischen  der 
ntensität"  oder  der  elektromotorischen  Kraft  und  der  chemischen  Ver- 
indtschaft  bezügliche  schon  deshalb  dem  Beweise  nicht  zugänglich  war 
nl  die  Chemie  noch  keinerlei  Mittel  besass,  ihrerseits  die  Stärke  der 
emischen  Verwandtschaft  zu  messen,  so  war  doch  in  der  hier  gegebenen 
jffassung  die  Lücke  ausgefüllt,  welche  früher  wiederholt  als  der  wesent- 
hste   Mangel   der   chemischen   Theorie    des   Galvanismus    hat    bezeichnet 


1  „Elements  of  chemical  Philosoph,  p.  148. 


«4 


C72  Dreizehntes  Kapitel. 


werden  müssen:  es  war  der  zahlenmässige  Zusammenhang  zwischen  deJ9 
chemischen  und  den  elektrischen  Grössen  hergestellt  Auf  diesem  Weg* 
allein  war  es  für  die  chemische  Theorie  möglich,  die  ältere  Lehre  zu  übo» 
winden,  und  nicht  nur  das  gleiche,  sondern  erheblich  mehr  zu  leiste«, 
als  jene. 

Freilich  wurde  durch  Faraday  selbst  die  Wirkung  seiner  Erkenntnis 
abgeschwächt,  indem  er  in  (918)  die  elektrische  und  die  chemische  Krafl 
völlig  identificirt,  statt  sie  nur,  wie  es  die  wissenschaftliche  Vorsicht  erfordert; 
in  das  Verhältniss  gegenseitiger  Abhängigkeit  bei  gegebenen  Bedingungen 
zu  setzen.  Er  hat  selbst  das  meiste  dazu  beigetragen,  Beweise  gegen  die*; 
Identität  zu  liefern,  indem  er  Wege  kennen  lehrte,  elektrische  Ströme  ohfl£ 
jedes  Zuthun  chemischer  Vorgänge,  durch  Induktion,  zu  erhalten.  Eben» 
ist  seine  Auffassung,  dass  nur  die  Oxydation  des  Zinks,  und  nicht  dfe 
Verbindung  des  entstandenen  Oxyds  mit  der  Säure  (919)  für  die  Strom 
bildung  von  Belang  ist,  zu  den  vorübergehenden  Theilen  seiner  Ansichtet 
zu  rechnen;  doch  auch  hier  ist  es  der  ungeeignete  Zustand  der  chftj 
mischen  Anschauungen  seiner  Zeit,  welcher  ihn  zu  unhaltbaren  Ansichten 
kommen  lässt.  j 

Sehr  wesentlich  ist  dann  wieder  der  in  (921)  betonte  Punkt,  dass  dfej 
chemischen  Vorgänge,  um  elektrisch  wirksam  zu  sein,  zwischen  Metallen  und 
Elektrolyten  stattfinden  müssen,  und  dass  die  Gegenwart  eines  zusammen*, 
gesetzten  Stoffes  dieser  Klasse  ganz  unumgänglich  nothwendig  ist,  um  &\ 
Entstehung  elektrischer  Erscheinungen  auf  chemischem  Wege  zu  ermöglichet. 
Die  darauf  folgenden  Paragraphen  geben  mit  aller  Klarheit  den  weseflfc" 
liehen  Fortschritt  in  der  Auffassung  der  elektrochemischen  Vorgänge  wieder* 
welcher  durch  Faraday's  Entdeckungen  bewerkstelligt  worden  ist,  und  vef» 
dienen  als  die  Grundlage  unserer  jetzigen  Ansichten  das  sorgsamste  Studium 
jedes,  der  in  diesen  Dingen  klar  zu  sehen  wünscht.  Dabei  sind  in  Einzel- 
heiten allerdings  Irrthümer  nicht  ausgeschlossen;  so  wirkt  die  Ansicht, 
dass  die  Säuren  bei  der  Leitung  ihrer  wässerigen  Lösungen  nur  seeundtf 
betheiligt  seien,  störend  auf  die  Auffassung  einzelner  Fragen  (926  u.  ffi),  und 
der  in  (933)  versuchte  Beweis  dafür,  dass  die  Säure  mit  der  Wirkung  nichls 
zu  thun  habe,  beruht  auf  der  jetzt  aufgegebenen  Ansicht,  dass  die  Säuret 
und  Basen  als  solche  Ionen  sein  können.  Auch  die  in  den  folgenden  Para- 
graphen beschriebenen  Versuche  müssen  gegenwärtig  anders  gedeutet  werdet. 
Die  von  Faraday  ganz  richtig  erkannte  Überlegenheit  alkalischer  Flüssig* 
keiten  in  der  Erregung  des  „positiven"  Zustandes  im  Metall  beruht  aul 
Gründen,  die  erst  in  jüngster  Zeit  erkannt  worden  sind  und  die  eine  gute 
Bestätigung  der  chemischen  Theorie  abgeben. 

In  den  nun  folgenden  Auseinandersetzungen  geht  Faraday  auf  d« 
Unterschied  ein,  der  zwischen  den  chemischen  Vorgängen,  welche  zu  einen 
elektrischen  Strom  Anlass  geben  und  mit  der  entstehenden  Elektricitats 
menge  durch  das  Gesetz  der  Proportionalität  verknüpft  sind,  und  denc 
besteht,  welche  ohne  entsprechende  elektrische  Erscheinungen  erfolgen.  Scho 


Das  Gesetz  von  Faraday.  573 


der  sorgfältigen  Unterscheidung  der  beiden  Fälle  liegt   ein  wesentliches 

iches  Verdienst,  denn  die  Vermengung  derselben  hat  von  jeher 

wichtigste  Waffe  der  Contacttheoretiker  gegen  die  andere  Ansicht  gebildet 

Allerdings  kommt  er  nicht  dazu,   den  Normalfall,   in  welchem  nur  die  der 

elektrischen  Wirkung  proportionale  chemische  Wirkung  stattfindet,  allgemein 

«faistellen,   wohl   aber   giebt   er  wenigstens   einige   Beispiele,  in   welchen 

dfcser  Fall  nahezu  verwirklicht  ist.     Es  ist  sehr  bemerkenswert!!,  dass  mit 

kr  Lösung  dieser  theoretischen  Frage  auch  die  einer  praktischen  von  ganz 

cninenter  Bedeutung  verbunden  war,   nämlich  die  Herstellung   einer   con- 

Jturten  VoLTA'schen  Kette.     Die  Erkenntniss  freilich,  dass  beide  Fälle  einen 

enzigen  bilden,  war  erst  einer  viel  späteren  Zeit  vorbehalten. 

II.  Weitere  Spekulationen.  Am  Schlüsse  seiner  experimentellen 
Darlegungen  giebt  Faraday  endlich  einige  theoretische  und  hypothetische 
Betrachtungen.  Obwohl  diese  des  Vergänglichen  weit  mehr  enthalten,  als 
Ee  früheren  Paragraphen,  so  theile  ich  sie  doch  mit,  da  es  von  grösstem 
nteresse  ist,  zu  sehen,  in  welcher  Gestalt  sich  unser  Forscher  die  von  ihm 
entdeckten  Thatsachen  veranschaulicht.  An  den  Schwierigkeiten,  die  er  hier 
m  überwinden  versucht,  hat  in  der  Folge  noch  ein  halbes  Jahrhundert 
bearbeitet,  und  erst  in  jüngster  Zeit  sind  sie  gehoben  worden. 

„946)  Es  giebt,  meiner  Meinung  nach,  in  der  Elektricitätslehre  keinen 
wichtigeren  Punkt,  als  den  Zustand  des  Metalles  und  des  elektrolytischen 
Leiters  in  der  einfachen  VoLTA'schen  Kette  vor  und  in  dem  Augenblick 
der  ersten  Vollziehung  des  Metallcontactes.  Verständen  wir  ihn  recht,  würde 
uns  sicher  der  Schlüssel  zu  den  Gesetzen,  nach  denen  die  grosse  Mannig- 
faltigkeit der  direkten  und  zufälligen  VoLTA'schen  Erregungen  vor  sich 
geht,  unmittelbar  gegeben  und  viele  neue  Felder  für  die  Untersuchung 
geöffnet  sein. 

„947)  Es  scheint,   dass  wir  in  vielen  Fällen  von  chemischer  Verwandt- 
schaft (z.  B.  dem  vom  Zink  mit  dem  Sauerstoff  des  Wassers  u.  s.  w.)  bis  zu 
einem   gewissen    Grade   entscheiden    können,    welche    von    den    beiden 
Wirkungsweisen  der  Anziehungskraft  ausgeübt  werde  (996).     Bei  der 
einen  Weise  können  wir  die  Kraft  nach  aussen  fortleiten  und  sie  anderswo 
das  Äquivalent  ihrer  Wirkung  ausüben   lassen  (867.  917);    bei  der  anderen 
wird  sie  nicht  fortgeführt,  sondern  an  dem  Orte  (ihrer  Entstehung)  gänzlich 
ausgeübt.     Das   erste   ist  der  Fall  bei   der  voltaelektrischen  Erregung,    das 
andere  bei  der  gewöhnlichen  chemischen  Verwandtschaft;   allein  beide  sind 
chemische  Aktionen,  und  stammen  von  einer  Kraft  oder  einem  Princip  ab. 
„948)  Die  allgemeinen  Umstände  der  ersten  Wirkungsweise  finden  sich 
bei  allen  VoLTA'schen  Strömen;  allein  in  ihrer  Vollkommenheit  und  frei  von 
denen  der  zweiten  Weise  nur  in  einigen  Fällen,  z.  B.  wenn  Zink  und  Platin 
in  Kalilauge,  oder  amalgamirtes  Zink  und  Platin  in  verdünnte  Schwefelsäure 
getaucht  sind. 

„949)  Angenommen,  es  sei  durch  die  vorhergehenden  Versuche  und 
Betrachtungen  hinreichend  erwiesen,  dass,  bei  Anwendung  von  Zink,  Platin 


574  Dreizehntes  Kapitel. 


und  verdünnter  Schwefelsäure,  die  elektromotorische  Wirkung  von  der  Vi 
wandtschaft  zwischen  dem  metallischen  Zink  und  dem  Sauerstoff  des  W; 
abhänge  (921.  924),   so  ist  ersichtlich,   dass  das  Metall  für  sich  unter  den 
obigen  Umständen  nicht  Kraft  genug  hat,  den  Sauerstoff  aufzunehmen 
den  Wasserstoff  aus  seiner  Verbindung  zu  treiben;  denn  in  der  That,  sol 
eine  Wirkung  findet  nicht  statt.   Allein  es  erhellt  auch,  dass  es  durch 
Anziehung  zu  dem  Sauerstoff  der  mit  ihm  in  Berührung  stehenden  Thei 
so  weit  zu  wirken  vermag,  um  die  ähnlichen  Kräfte,  welche  zwischen  di< 
und  den  anderen  Sauerstofftheilchen  und  den  Wasserstofftheilchen  des  W; 
bereits  wirksam  sind,  in  einen  eigenthümlichen  Zustand  von  Spannung 
Polarität  zu  versetzen,  und  wahrscheinlich  auch,  um  die  Kräfte  seiner  eigen 
Theilchen,  welche  mit  dem  Wasser  in  Berührung  sind,  in  einen  ähnli 
Zustand  überzuführen.   So  lange  dieser  Zustand  verbleibt,  tritt  keine  fern 
Wirkung  ein:   allein  wenn  er  durch  Schliessung  der  Kette  erhöht  wird,  if 
welcher   die   in   Bezug   auf  das  Zink    und   den  Elektrolyt   nach   entgegen- 
gesetzten Richtungen  wirkenden  Kräfte  einander  genau  zu  neutralisiren  ver- 
mögen,   dann   findet  zwischen  den  Sauerstoff-  und  Wasserstofftheilchen  des 
Wassers  zwischen  der  Berührungsstelle  des  Platins  und  dem  Orte  der  Wirksam- 
keit des  Zinks  eine  Reihe  von  Zersetzungen  und  Wiederzusammensetzungen 
statt,  denn  diese  dazwischen  befindlichen  Theile  stehen  offenbar  in  inniger  \ 
Abhängigkeit  und  Beziehung  zu  einander.    Das  Zink  bildet  eine  direkte  Ver- 
bindung mit  denjenigen  Sauerstofftheilchen,  welche  unmittelbar  vor  ihm  in 
getheilter  Relation  zu  ihm  und  dem  Wasserstoff  stehen:  das  Oxyd  wird  durch 
die  Säure  fortgenommen,  und  dadurch  eine  frische  Berührungsfläche  zwischen  1 
dem  Zink  und  Wasser  hergestellt,    um   die  Wirkung   zu    erneuen   und  zu 
wiederholen. 

„950)   Praktisch  wird  der  Spannungszustand  am  besten   erhöht,   wenn 
man  das  Metall,  welches  eine  schwächere  Anziehung  zum  Sauerstoff  hat  ab 
das   Zink,   in    verdünnte    Schwefelsäure   taucht   und   es   auch   mit  Zink  in 
Berührung  setzt.     Die  Kraft  der  chemischen  Verwandtschaft,  welche  in  den 
Wassertheilchen  durch  die  vorherrschende  Anziehung  des  Zinks  zum  Sauer- 
stoff influencirt  oder  polarisirt  worden  ist,   wird  dann  in  sehr  ausserordent- 
licher Weise  durch  die  beiden  Metalle  fortgeführt,  so  dass  sie  längs  der  Kette  ■ 
wieder  eintritt  in  den  elektrolytischen  Leiter,   welcher  sie  nicht  ohne  Zer- 
setzung,  wie  es  die  Metalle  thun,   fortleiten   oder  überfuhren  kann;   oder  > 
wahrscheinlicher  wird  sie  dann  durch  die  Kraft,  die  gleichzeitig  die  Verbin-  j 
düng  des   Zinks   mit   dem   Sauerstoff  des   Wassers   vervollständigt,    genau  1 
balancirt  und  neutralisirt.   In  der  That  sind  die  Kräfte  der  beiden  Theilchen,  < 
die  gegen  einander  wirken,  und  folglich  entgegengesetzte  Richtung  haben,  i 
die   Quelle   zweier   entgegengesetzten   Kräfte   oder  Kraftrichtungen   in   dem  ; 
Strom.    Sie  sind  nothwendig  zu  einander  äquivalent    Da  sie  in  entgegen* 
gesetzter  Richtung   fortgeführt   werden,   so   erzeugen   sie   den   sogenannten 
Strom;   und  es   scheint   mir   unmöglich,   der  Idee  zu  widerstehen,   diesem 
Strome  müsse  in  der  Flüssigkeit  und  zwischen  der  Flüssigkeit  und  dem  Zink 


Das  Gesetz  von  Faraday.  575 


a  Zustand  der  Spannung  vorausgegangen  sein:   die  erste  Folge  der 
ffinität  des  Zinks  zum  Sauerstoff  des  Wassers. 

»95  *)  Ich  habe  mich  sorgfältig  bemüht,  einen  Spannungszustand  in  dem 
iktrolytischen  Leiter  aufzufinden,  und  in  der  Meinung,  dass  er  entweder 
t  oder  nach  der  Entladung  etwas  einer  Struktur  Ähnliches  erzeugen  möge, 
sucht,  dasselbe  durch  polarisirtes  Licht  sichtbar  zu  machen.  Für  eine 
asplatte,  7"  lang,  i1/,"  breit  und  6"  tief,  richtete  ich  zwei  Paare  Platin- 
iktroden  vor,  ein  Paar  für  deren  Enden  und  das  andere  für  deren  Seiten. 
ie  für  die  Seiten  waren  7"  lang  und  3"  hoch,  und  wurden  in  der  Zelle 
irch  einen  mit  Kattun  überzogenen  Holzrahmen  von  einander  gehalten,  so 
ss,  wenn  sie  durch  Verbindung  mit  einer  Batterie  zur  Wirksamkeit  auf 
5  in  die  Zelle  gegossene  Flüssigkeit  angeregt  worden,  die  alsdann  auf- 
itgenden  Gasblasen  den  mittleren  Theil  der  Flüssigkeit  nicht  trüben 
«inten. 

„952)  Ich  goss  eine  concentrirte  Auflösung  von  schwefelsaurem  Natron 
die  Zelle  und  verband  die  Elektroden  mit  einer  Batterie  von  1 50  Paaren 
jrzölliger  Platten.  Der  Strom  ging  so  ungehindert  durch  die  Zelle,  dass 
z  Entladung  ebenso  gut  war  wie  bei  Anwendung  eines  Drahtes.  Es  wurde 
in  quer  gegen  die  Bahn  des  elektrischen  Stromes  ein  polarisirter  Licht- 
•ahl  durch  die  Flüssigkeit  geleitet  und  mittelst  einer  Zerlegungsplatte  unter- 
cht.  Allein,  wiewohl  er  von  der,  der  Einwirkung  der  Elektricität  unter- 
jrfenen  Lösung  eine  sieben  Zoll  dicke  Schicht  durchdrungen  hatte,  und 
ewohl  der  Metallcontact  während  der  Beobachtung  bald  vollzogen,  bald 
ifgehoben  und  bald  im  umgekehrten  Sinne  hergestellt  wurde,  war  doch 
cht  die  mindeste  Spur  einer  Einwirkung  auf  den  Strahl  wahrzunehmen. 

»95  3)  Nun  wurden  die  grossen  Elektroden  fortgenommen,  und  die 
eineren,  für  die  Enden  der  Zelle  eingerichteten,  eingesetzt.  In  jede  der- 
lben  war  ein  Schlitz  eingeschnitten,  damit  man  hindurchsehen  konnte.  Die 
ihn  des  polarisirten  Strahles  war  nun  dem  Strom  parallel  oder  in  Richtung 
>n  dessen  Achse  (517);  allein  dennoch  konnte  weder  bei  Schliessung  noch 
n  Öffnung  der  Kette  irgend  eine  Wirkung  wahrgenommen  werden. 

„954)  Bei  Anwendung  einer  starken  Lösung  von  salpetersaurem  Blei 
att  des  schwefelsauren  Natrons  waren  die  Resultate  ebenso  negativ. 

„955)  Da  ich  es  für  möglich  hielt,  dass  die  durch  die  successiven  Zer- 
tzungen  und  Wiederzusammensetzungen  des  Elektrolyten  geschehene  Ent- 
dung  der  elektrischen  Kräfte  jede  etwaige  Wirkung  des  anfänglichen  Span- 
jngszustandes  neutralisirt  und  deshalb  zerstört  haben  möchte,  so  nahm 
h  eine  Substanz,  die  im  flüssigen  Zustand  ein  vortrefflicher  Elektrolyt,  im 
sten  aber  ein  Isolator  ist,  nämlich  borsaures  Blei,  in  Form  einer  glasigen 
atte,  und  verband  die  Seiten  und  die  Ränder  dieser  Masse  mit  den  Metall- 
atten  und  letztere  bald  mit  den  Polen  einer  VoLTA'schen  Batterie,  bald, 
n  eine  Elektricität  von  höherer  Intensität  anzuwenden,  mit  einer  Elektrisir- 
aschine,  und  leitete  nun  einen  polarisirten  Strom  bald  in  dieser,  bald  in 
aer  Richtung   durch   die  Masse;    allein   auch  jetzt   konnte    ich    nicht   die 


cyß  Dreizehntes  Kapitel. 


geringste  Anzeige  von  einer  Wirkung  auf  das  Licht  beobachten.  Hiera« 
schliesse  ich,  dass  die  Elektrolyte,  ungeachtet  des  neuen  und  ungewöhnlicher 
Zustandes,  welchen  sie  entweder  während  der  Zersetzung  (wo  offenbar  eine 
ungeheure  Menge  Elektricität  durch  sie  geht)  annehmen  müssen,  oder  ia 
dem  Spannungszustand,  welchen  sie  vorausgesetztermaassen  vor  der  Zersetzung 
oder  in  starrer  Gestalt  besitzen,  nicht  die  Fähigkeit  haben,  auf  einen  polari»  i 
sirten  Lichtstrahl  einzuwirken,  da  auf  keine  Weise  eine  Art  von  Struktur 
oder  Tension  in  ihnen  sichtbar  gemacht  werden  kann. 

„956)  Es  giebt  jedoch  einen  schönen  experimentellen  Beweis,  dass  die , 
Metalle  und  die  Elektrolyte  vor  der  Erzeugung  des  elektrischen  Stromes  und  i 
ehe  die  heterogenen  Metalle  in  Berührung  gesetzt  werden  (91$! 
einen  Spannungszustand  annehmen.  Ich  nahm  einen  VoLTA'schen  Apparat  j 
bestehend  aus  einem  Cylinder  von  amalgamirtem  Zink  und  einem  doppelter^ 
Cylinder  von  Kupfer.  Diese  stellte  ich  in  eine  Flasche  mit  verdünnter  | 
Schwefelsäure, x  wo  sie  nach  Belieben  durch  einen  Kupferdraht,  der  zur  Ein* 
tauchung  in  zwei  an  den  Platten  befestigten  Näpfchen  mit  Quecksilber  vof*' 
gerichtet  war,  in  Berührung  gesetzt  werden  konnten. 

„957)  Bei  dieser  Vorrichtung  fand  keine  chemische  Wirkung  statt,  » 
lange  nicht  die  Platten  in  Verbindung  gesetzt  waren.  Allein  bei  Voll« 
ziehung  des  Contactes  kam  ein  Funke  zum  Vorschein,8  und  die  Lösung 
wurde  sogleich  zersetzt.  Bei  Aufhebung  des  Contactes  wurde  wieder  def 
gewöhnliche  Funke  erhalten  und  die  Zersetzung  hörte  auf.  Klar  ist,  ctaif 
hier  der  Funke  vor  der  Vollziehung  des  Metallcontactes  entstanden  seil' 
muss,  denn  er  ging  durch  eine  Luftschicht,  und  ebenso  muss  er  vor  der^ 
elektrolytischen  Wirkung  übergesprungen  sein,  denn  diese  konnte  nicht  cbh 
treten,  ehe  nicht  der  Strom  überging,  und  der  Strom  konnte  nicht  übel-, 
gehen,  ehe  nicht  der  Funke  erschien.  Hierdurch,  glaube  ich,  ist  es  genugsnfli 
bewiesen,  dass,  so  wie  das  Zink  und  das  Wasser  durch  ihre  gegenseitige 
Einwirkung  die  Elektricität  des  Apparates  erzeugen,  sie  auch  durch  ihre 
erste  gegenseitige  Berührung  in  einen  kräftigen  Spannungszustand  verscüt 
werden  (951),  welcher,  obschon  nicht  fähig  eine  wirkliche  Zersetzung  de* 
Wassers  zu  verursachen,  doch  im  Stande  ist,  einen  elektrischen  Funken 
zwischen  dem  Zink  und  einem  geeigneten  Entlader  überspringen  zu  machen 
sobald  der  Abstand  dazu  klein  genug  ist.  Der  Versuch  beweist  die  direkte 
Erzeugung  eines  elektrischen  Funkens  durch  rein  chemische  Kräfte. 

„958)   Mit    der   Hervorbringung    dieses   Funkens    durch    ein    einzelnen 
Plattenpaar  sind  jedoch  einige  Umstände  verknüpft,  die   man  kennen  mus^ 


1  „Gebraucht  man  Salpeter -Schwefelsäure,   so   ist   der  Funke   kräftiger;   allein   et 
dann  örtliche  chemische  Wirkungen  eintreten,  die  fortdauern,  ohne  den  Metallcontact  zu  erfordern.* 

*  „Es  ist  allgemein  angenommen  worden,  dass  bei  Schliessung  einer  einfachen  Kette  keil 
Funken  entstehe ;  allein  die  bereits  in  diesem  Aufsatz  aufgestellten  Beobachtungen  führten  arid 
darauf,  einen  solchen  zu  erwarten.  Der  Verbindungsdraht  muss  indess  kurz  sein;  denn  bei 
Anwendung  eines  langen  Drahtes  treten  Umstände  ein,  die  einen  grossen  Einfluss  auf  den  Funktf 
ausüben."     Vgl.  indessen  die  Anmerkung  auf  S.  562. 


Das  Gesetz  von  Faraday.  tjj 


etm  der  Versuch  gelingen  soll.  Wenn  die  amalgamirten  Berührungsflächen 
inz  blank  und  trocken  sind,  ist  der  Funke  bei  Vollziehung  des  Contactes 
yeoso  glänzend,  wo  nicht  glänzender  als  bei  Aufhebung  desselben.  Befindet 
ch  dagegen  auf  der  Quecksilberoberfläche  ein  Häutchen  von  Oxyd  oder 
chmutz,  so  ist  der  erste  Funke  oft  schwach,  oder  er  bleibt  ganz  aus, 
öhrend  man  bei  Aufhebung  des  Contactes  einen  hellen  Funken  bekommt, 
üesst  man  etwas  Wasser  auf  das  Quecksilber,  so  verliert  der  Funke  bedeu- 
md  an  Glanz,  erscheint  aber  ganz  regelmässig,  sowohl  bei  Vollziehung  als 
ei  Aufhebung  des  Contactes.  Macht  man  die  Berührung  zwischen  blankem 
latin,  so  ist  der  Funke  auch  sehr  klein,  allein  gleichmässig  auf  beiden  Wegen, 
adess  ist  der  wahre  elektrische  Funke  sehr  klein,  und,  wenn  man  Queck- 
Iberflächen  anwendet,  wird  der  grösste  Theil  des  Lichtes  von  der  Ver- 
rennung dieses  Metalles  erzeugt  Die  mit  der  Verbrennung  des  Quecksilbers 
erknüpften  Umstände  sind  am  günstigsten  bei  Aufhebung  des  Contactes; 
enn  der  Akt  der  Trennung  legt  blanke  Metallflächen  bloss,  während  bei 
roIlziehung  des  Contactes  oft  eine  dünne  Schicht  von  Oxyd  oder  Schmutz 
azwischen  kommt.  Daraus  ist  die  allgemeine  Meinung  entsprungen,  dass 
er  Funke  nur  bei  Aufhebung  des  Contactes  erscheine. 

„959)  In  Bezug  auf  die  andere  Klasse  von  Fällen,  nämlich  die,  wo  eine 
bemische  Verwandtschaft  ausgeübt  wird  (947),  aber  keine  Fortfuhrung  der 
jraft  in  die  Ferne  stattfindet  und  kein  elektrischer  Funke  erzeugt  wird,  ist 
inleuchtend,  dass  bei  solchen  Verbindungen  Kräfte  der  intensivsten  Art 
rirksam,  und  auf  irgend  eine  Weise  in  ihrer  Wirksamkeit  balancirt  sein 
lüssen,  da  diese  Kräfte  so  unmittelbar  und  ausschliesslich  gegen  einander 
;erichtet  sind,  dass  keine  Anzeigen  von  dem  mächtigen  Elektricitätsstrom, 
len  sie  erzeugen  können,  zum  Vorschein  kommen,  wiewohl  derselbe  End- 
ustand  der  Dinge  erhalten  wird,  wie  wenn  ein  Strom  übergegangen  wäre. 
Ls  war,  ich  glaube,  Berzelius,  welcher  zuerst  die  Wärme-  und  Lichtent- 
nckelung  bei  Verbrennungen  als  Folgen  dieser  Äusserungsweise  der  elek- 
rischen  Kräfte  der  sich  verbindenden  Theilchen  ansah.  Allein  wir  bedürfen 
iner  genaueren  und  ausgedehnteren  Kenntniss  von  der  Natur  der  Elektricität, 
md  von  der  Art,  wie  sie  den  Atomen  der  Materie  beigesellt  ist,  ehe  wir 
lie  Wirkung  dieser,  die  Atome  so  vereinigenden  Kraft  einsehen,  und  die 
^'atur  des  grossen  Unterschiedes,  welchen  sie  in  den  beiden  soeben  unter- 
schiedenen Wirkungsweisen  darbietet,  begreifen  können.  Wir  können  uns 
jedanken  darüber  machen,  aber  diese  sind  zur  Zeit  unter  die  grosse  Masse 
zweifelhafter  Kenntnisse  (876)  zu  rechnen,  welche  wir  eher  zu  verringern 
ils  zu  vermehren  suchen  müssen;  denn  die  vielen  Widersprüche  in  diesen 
Kenntnissen  selbst  zeigen,  dass  sich  nur  ein  kleiner  Theil  von  ihnen  zuletzt 
ds  wahr  erweisen  kann. 

„960)  Von  den  beiden  Wirkungsweisen  der  chemischen  Verwandtschaft 
st  es  wichtig  zu  bemerken,  dass  die,  welche  den  elektrischen  Strom  erzeugt, 
•ben  so  bestimmt  in  ihren  Wirkungen  ist  als  die,  welche  die  gewöhnlichen 
Gemischen  Verbindungen  hervorbringt,  so  dass,  wenn  man  die  Erzeugung 

Ostwald,   Elektrochemie.  37 


578  Dreizehntes  Kapitel. 

oder  Entwicklung  der  Elektricität  bei  Verbindungen  oder  Zersetzung« 
untersucht,  es  nöthig  ist,  nicht  bloss  gewisse,  von  einem  Elektricitätsstron 
abhängige  Effekte  zu  beachten,  sondern  auch  deren  Menge;  und  wiewohl 
in  einzelnen  Fällen  von  chemischer  Aktion  die  dabei  thätigen  Kräfte  zum 
Theil  auf  die  eine,  zum  Theil  auf  die  andere  Weise  ausgeübt  werden,  so 
sind  es  doch  nur  die  zur  Erzeugung  des  Stromes  wirksamen,  welche  eine 
Beziehung  zur  VoLTA'schen  Aktion  haben.  So  sind,  wenn  sich  Sauerstoff 
und  Wasserstoff  zu  Wasser  verbinden,  elektrische  Kräfte  von  der  unge- 
heuersten Grösse  thätig  (86 1.  873);  allein  auf  welche  erdenkliche  Weise  auch  I 
bis  jetzt  die  Flamme,  welche  sie  bei  ihrer  energischen  Verbindung  erzeug«,  : 
untersucht  worden  ist,  so  hat  man  doch  nur  höchst  geringe  Spurea 
von  jenen  Kräften  aufgefunden.  Diese  können  daher  nicht  als  Beweise 
von  der  Natur  der  Wirkung  angesehen  werden,  sondern  sind  nur  zufallig 
und  in  Bezug  auf  die  thätigen  Kräfte  unvergleichlich  klein;  sie  geben  keinen 
Aufschluss  über  die  Art,  wie  die  Theilchen  auf  einander  wirken,  oder  wie  . 
ihre  Kräfte  zuletzt  angeordnet  werden. 

„961)  Dass  solche  chemische  Aktionen  keinen  elektrischen  Strom  ; 
erzeugen,  stimmt  völlig  mit  dem,  was  wir  vom  VoLTA'schen  Apparate  wissen, 
bei  welchem  es  wesentlich  ist,  dass  eines  der  sich  verbindenden  Elemente 
einen  Theil  von  einem  elektrolytischen  Leiter  ausmache  oder  in  direkter 
Beziehung  zu  ihm  stehe  (921.  923).  Dass. solche  Fälle  keine  freie  Span- 
nungselektricität  erzeugen,  und  dass  sie  dagegen,  wenn  sie  in  VoLTA'sche 
Aktionen  verwandelt  werden,  einen  Strom  liefern,  in  welchem  die  entgegen- 
gesetzten Kräfte  so  gleich  sind  um  einander  zu  neutralisiren,  beweist  die 
Gleichheit  der  Kräfte  in  den  gegen  einander  wirkenden  Körpertheilchen,  und 
deshalb  die  Gleichheit  von  elektrischen  Kräften  in  denjenigen  Quantitäten 
der  Substanzen,  welche  elektrochemische  Äquivalente  genannt  werden  (824 
Dies  ist  ein  fernerer  Beweis,  dass  die  elektrochemische  Aktion  (783  u.  s.w.) 
bestimmter  Natur  ist,  und  dass  die  chemische  Verwandtschaft  und  die  Elek- 
tricität ein  und  dieselbe  Kraft  ausmachen  (917  u.  s.  w.). 

„962)  Die  direkte  Beziehung  der  Wirkungen,  welche  in  der  VoLTA'schen 
Säule  an  dem  Orte  der  experimentellen  Zersetzung  ausgeübt  werden,  a 
den  chemischen  Verwandtschaften,  die  an  dem  Orte  der  Erregung  thatig 
sind  (891.  917),  giebt  eine  sehr  einfache  und  natürliche  Ansicht  von  der 
Ursache,  weshalb  die  entwickelten  Körper  oder  Ionen  in  gewissen  Richtungen 
wandern;  denn  nur  wenn  sie  in  diesen  Richtungen  wandern,  sind  ihre  Kräfte 
im  Stande,  neben  den  überlegenen  Kräften,  die  an  dem  Orte,  wo  die  Wir- 
kung des  Ganzen  bedingt  wird,  vorwalten,  zu  bestehen  und  sie  zu  kompen- 
siren  (wenigstens  in  der  Richtung).  Wenn  z.  B.  in  einer  VoLTA'schen  Kette, 
deren  Thätigkeit  durch  die  Anziehung  des  Zinks  zum  Sauerstoff  des  Wassefi 
bedingt  wird,  das  Zink  von  rechts  nach  links  wandert,  so  wird  jedes  andere 
in  die  Kette  eingeschlossene  Kation,  welches  ein  Theil  eines  Elektrolyten 
ist  oder  in  dem  Moment  einen  Theil  eines  solchen  ausmacht,  sich  auch  von 
der  Rechten  zur  Linken  bewegen;  und  wie  der  Sauerstoff  des  Wassers  sich! 


Du  Gesetz  i 


579 


möge  seiner  natürlichen  Verwandtschaft  zum  Zink,  von  der  Linken  zur 
echten  bewegt,  so  wird  auch  jeder  andere  Körper,  der  in  dieselbe  Klasse 
»hört  {d.  h.  jedes  andere  Anion)  und  zur  Zeit  unter  seiner  Herrschaft  steht, 
ch  von  der  Linken  zur  Rechten  bewegen. 

„963)  Dies  lässt  sich  durch  Fig.  147  erläutern,  wo  der  doppelte  Kreis 
ine  geschlossene  VoLTA'sche  Kette  vorstellen  mag,  deren  Kräfte  bestimmt 
nd,  wenn  wir  für  einen  Moment  annehmen,  das  Zink  b  und  das  Ratin  c 
äen  Platten  von  den  auf  das  Wasser  d,  e  und  andere  Substanzen  ein- 
irkenden  Metallen,  deren  Wirksamkeit  jedoch  durch  Anwendung  einer 
atterie  bei  a  so  verstärkt  worden,  dass  sie  verschiedene  Zersetzungen 
^vorbringen.  Diese  An- 
ibme  ist  erlaubt,  weil 
ie  Wirkung  der  Batterie 
ar  in  einer  Wiederholung 
Essen  besteht,  was  zwi- 
:hen  b  und  c  vorgeht, 
a  Fall  b  und  c  wirklich 
ur  ein  einfaches  Platten- 
aar ausmachen.  Das 
tnk  b  und  der  Sauer- 
off d  suchen  sich,  ver- 
löge  ihrer  gegenseitigen 
erwandtschaft,  mit  ein- 
nder  zu  verbinden;  allein 
a  der  Sauerstoff  bereits 
üt  dem  Wasserstoff  e  ver- 
eiden ist,  und  die  ihm 
inwohnenden  chemischen 
Jäfte  zur  Zeit  neutralisirt  *"iB-  '47-    Nach  Kakauav, 

nd  durch  die  des  Wasser- 

offes,  so  muss  dieser  Wasserstoff  e  den  Sauerstoff  d  verlassen,  und  in  Richtung 
es  Pfeiles  vorschreiten;  sonst  kann  das  Zink  b  sich  nicht  in  derselben  Rich- 
mg  bewegen,  um  sich  mit  dem  Sauerstoff  d  zu  verbinden,  noch  kann  sich  der 
auerstoff  d  in  der  entgegengesetzten  Richtung  bewegen,  um  sich  mit  dem 
ink  b  zu  verbinden,  da  die  Relation  der  ähnlichen  Kräfte  von  b  und  e  zu 
in  entgegengesetzten  Kräften  von  d  dies  verhindert.  So  wie  der  Wasser- 
off e  vorrückt  und  bei  dem,  einen  Theil  der  Kette  ausmachenden  Platin  cf 
llangt,  theilt  er  durch  dieses  seine  elektrischen  oder  chemischen  Kräfte 
an  nächsten  Elektrolyt  in  der  Kette  mit,  nämlich  dem  geschmolzenen 
blorblei  gh,  dessen  Chlor,  in  Übereinstimmung  mit  der  Richtung  des  Sauer- 
offes,  bei  d  wandern  muss,  denn  es  hat  die  Kräfte  zu  kompensiren,  die 
seinem  Theil  der  Kette  gestört  sind  durch  den  überwiegenden  Einfluss 
t  durch  die  Batterie  a  unterstützten  Kräfte  zwischen  dem  Sauerstoff  und 
nk  bei  d,  b;  und  aus  einem  ähnlichen  Grunde  muss  das  Blei  in  der  durch 

37" 


jptfM 


' 


c8o  Dreizehntes  Kapitel. 

den  Pfeil  angedeuteten  Richtung  wandern,  damit  es  zu  dem  ersten  bewegenden 
Körper  seiner  eigenen  Klasse,  nämlich  dem  Zink  b  in  richtige  Relation 
komme.  Wenn  Kupfer  von  i  bis  k  in  den  Bogen  kommt,  wirkt  es,  wie  es 
früher  das  Platin  that,  und  wenn  bei  /,  m  ein  anderer  Elektrolyt,  z.  B.  Jod- 
zinn, vorhanden  ist,  so  muss  das  Jod  /,  als  ein  Anion,  sich  übereinstimmend 
mit  dem  erregenden  Anion,  nämlich  dem  Sauerstoff  d  bewegen,  und  das 
Kation  Zinn  m  wandert  in  Übereinstimmung  mit  den  übrigen  Kationen  4,  t 
und  hy  damit  längs  dem  ganzen  Bogen  die  chemischen  Kräfte,  sowohl  ihrer 
Richtung  als  ihrer  Menge  nach,  im  Gleichgewicht  seien.  Sind  die  Anionen 
fähig  bei  ihrer  Circulation  sich  mit  den  Metallen  an  den  Anoden  der 
respektiven  Elektrolyte  zu  verbinden,  wie  es  beim  Platin  /und  beim  Kupfer  i 
der  Fall  sein  würde,  so  werden  diese  Körper  Theile  der  Elektrolyte,  und 
wandern  sogleich  unter  dem  Einfluss  des  Stromes;  allein  wegen  ihrer  Relation 
zum  Zink  b  ist  es  offenbar  unmöglich,  dass  sie  in  anderer  Richtung  wandern 
können  als  in  der,  welche  mit  dessen  Lauf  übereinstimmt,  und  deshalb 
können  sie  nicht  anders,  als  von  der  Anode  zu  der  Kathode  überzugehen 
suchen. 

„964)  Bei  einem  Kreise,  wie  der  gezeichnete,  lassen  sich  daher  alle 
bekannten  Anionen  innerhalb,  und  alle  Kationen  ausserhalb  zusammen- 
stellen. Wenn  irgend  eine  Anzahl  derselben  als  Ionen  in  die  Constitution 
der  Elektrolyten  eintritt,  und  sie,  einen  Bogen  bildend,  gleichzeitig  einem 
gemeinschaftlichen  Strom  unterworfen  sind,  so  müssen  die  Anionen,  in  Über- 
einstimmung  mit  einander,  in  der  einen  Richtung,  und  die  Kationen  in  der 
entgegengesetzten  wandern.  Noch  mehr!  Es  müssen  äquivalente  Mengen 
dieser  Körper  in  entgegengesetzten  Richtungen  wandern.  Das  Vorrücke* 
von  jeden  32,5  Theilen  Zink  b  muss  begleitet  sein  von  einem  Zurückweichen  -j 
von  8  Theilen  Sauerstoff  bei  d,  von  36  Theilen  Chlor  bei^*,  von  126  Theilca 
Jod  bei  /;  sowie  von  einem  Vorschreiten  elektrochemischer  Äquivalente  von 
Wasserstoff,  Blei,  Kupfer  und  Zinn,  bei  e,  k,  k  und  tn. 

„965)  Nimmt  man  die  vorstehende  Darstellung  für  einen  richtigen  Aus- 
druck der  Thatsachen,  so  wird  sie  doch  nur  eine  Bestätigung  gewisser  allge- 
meiner Ansichten  sein,  welche  Humphry  Davy  in  seiner  BAKER'schen  Vorlesung 
von  1806  ausgesprochen,1  und  im  Jahre  1826  in  einer  anderen  BAKER'schett 
Vorlesung  verbessert  aufgestellt  hat.8  (S.  323  und  350.)  Sein  allgemeiner  Satt 
ist  der:  Chemische  und  elektrische  Anziehungen  werden  durch  die 
nämliche  Ursache  erzeugt,  die  in  dem  einen  Fall  auf  Theilchen, 
in  dem  anderen  auf  Massen  von  Substanz  einwirkt;  und  ein  und 
dieselbe  Eigenschaft,  verschiedentlich  abgeändert,  ist  die  Ur- 
sache aller  Erscheinungen  bei  den  verschiedenen  VoLTA'scben 
Combinationen.3  Diesen  Satz  halte  ich  für  wahr;  allein  indem  ich  ihn 
annehme  und  vertheidige,  muss  ich  mich  gegen  die  Voraussetzung  ver- 
wahren, als  wollte  ich  Allem,  was  damit  in  jenen  beiden  Aufsätzen  verknüpft 


1  Philos.  Trans.  1807.  *  Ebenda  383.  1826.  *  Ebenda  389.   1826. 


Das  Gesetz  von  Faraday.  rgj 

,  beistimmen  oder  die  Experimente,  welche  daselbst  als  entscheidende 
weise  der  Wahrheit  des  Satzes  angeführt  werden,  gutheissen.  Wäre  dies 
ane  Meinung  gewesen,  würde  ich  diese  Untersuchungen  nicht  unternommen 
ben.  Vielleicht  glauben  einige,  ich  wäre  verpflichtet  gewesen,  jene  Auf- 
ze  durchzugehen,   das,   was  ich  anerkenne,   von  dem,   was  ich  verwerfe, 

unterscheiden,  und  für  beide  Fälle  gute  experimentelle  oder  philosophische 
weise  anzuführen;  allein  dann  wäre  ich  auch  gezwungen  gewesen,  alles, 
s  für  und  wider  die  Nothwendigkeit  des  Metallcontactes,  für  und  wider 
n  Ursprung  der  VoLTA'schen  Elektricität  bei  chemischen  Aktionen  ge- 
lrieben  worden  ist,  ebenfalls  zu  recensiren,  und  diese  Arbeit  mochte  ich 
:ht  im  gegenwärtigen  Aufsatz  unternehmen." x 

12.  Ströme  ohne  Elektrolyse.  In  dem  zweiten  Haupttheil  der  achten 
ihe  seiner  Untersuchungen,  den  er  „Über  die  zur  Elektrolysirung  noth- 
ndige  Intensität"  überschrieben  hat,  geht  Faraday  auf  die  Frage  ein,  ob 
m  Ströme  von  so  geringer  Intensität  durch  einen  Elektrolyten  senden  könne, 
ss  überhaupt  keine  Elektrolyse  erfolgt,  und  bejaht  diese  Frage  auf  Grund 
liger  Versuche,  die  wir  gegenwärtig  schwerlich  als  bindend  anerkennen 
nnen.  Die  sehr  weitgehenden  Schlüsse,  welche  er  aus  diesen  Versuchen  zog, 
ste  er  selbst  am  Schlüsse  der  Abtheilung  zusammen:  „Es  scheint,  dass  ein 
H.TA'scher  Strom  von  einer  gewissen  Intensität,  die  von  der  Stärke  der  ihn 
rvorrufenden  chemischen  Verwandtschaften  abhängt,  einen  gegebenen  Elek- 
Jyten  ohne  Beziehung  auf  die  Menge  der  durchgegangenen  Elektricität  zer- 
tzen  kann,  indem  die  Intensität  allein  entscheidet,  ob  der  Elektrolyt 
rsetzt  werde,  oder  nicht.  Wenn  sich  dieser  Schluss  bestätigt,  werden  wir 
t  Umstände  so  einrichten  können,  dass  dieselbe  Menge  von  Elektricität 
>ergeht  in  derselben  Zeit,  durch  dieselbe  Oberfläche,  in  denselben  Körper, 

denselben  Zustand,  und  dass  sie  dabei  doch  an  Intensität  verschieden  ist, 
ld  daher  in  dem  einen  Falle  zersetzt,  und  in  dem  anderen  nicht.  Denn 
mint  man  eine  Elektricitätsquelle  von  einer  zum  Zersetzen  unzureichenden 
itensität,  und  ermittelt  die  in  einer  gegebenen  Zeit  übergegangene  Elek- 
icitätsmenge,  so  ist  es  leicht,  eine  andere  Quelle  von  zureichender  Intensität 
i  nehmen,  und  durch  Dazwischensetzung  schlechter  Leiter  die  Menge  der 
lektricität  auf  dasselbe  Verhältniss,  wie  im  ersten  Strom  zurückzuführen, 
ad  dann  werden  alle  Bedingungen  zur  Hervorbringung  der  beschriebenen 
esultate  erfüllt  sein." 

An  diesen  Sätzen  ist  so  gut  wie  alles  irrthümlich.  Zunächst  scheint 
äraday  hier  nicht  gewahr  geworden  zu  sein,  dass  die  von  ihm  angenommene 

1  „Ich  beabsichtigte  früher  in  einer  Anmerkung  sämmtliche  Aufsätze  derjenigen  Physiker 
feafohren,  welche  den  Ursprung  der  Elektricität  in  der  VoLTA'schen  Säule  von  dem  Contact 
er  von  der  chemischen  Aktion  oder  von  beiden  Ursachen  ableiten ;  allein  nach  dem  Erscheinen 
i  ersten  Theiles  von  Herrn  Becquerel's  wichtigem  und  werthvollem  Traitf.  de  V EUctricite 
du  Magnitisme  hielt  ich  es  für  besser,  hinsichtlich  dieser  Citate  und  der  von  jenen  Physikern 
"gestellten   Ansichten  auf  dieses  Werk  zu  verweisen.     Man  sehe  S.  86,  91,  104,  110,  112, 

7,     Il8,      I20,      151,     152,     224,     227,     228,     232,     233,     252,     255,     257,     258,     290   U.    S.    W.    — 

Juli   1834." 


c82  Dreizehntes  Kapitel. 

Leitung  der  Elektrolyte  ohne  Zersetzung  das  von  ihm  ausgesprochene  Gesetz 
aufheben  würde,  wie  denn  die  zuletzt  von  ihm  erörterte  Möglichkeit  zweier 
Ströme  von  gleicher  Stärke,  von  denen  der  eine  zersetzend  wirkt,  der 
andere  nicht,  in  vollem  Widerspruche  mit  dem  Gesetz  von  der  festen  elek- 
troly tischen  Wirkung  steht1  Sodann  ist  es  auffallend,  dass  er,  der  sonst 
jeden  Gedanken  in  einen  Versuch  zu  übersetzen  pflegte,  diesen  Versuch 
nicht  angestellt  zu  haben  scheint,  der  doch  so  leicht  auszuführen  war.  Wir 
wissen  gegenwärtig,  dass  ein  solcher  Versuch  nicht  ausführbar  ist,  dass  die 
von  dem  Urheber  selbst  als  möglich  angesehene  Verletzung  seines  Gesetzes 
nicht  stattfindet,  und  dass  keine  Elektricitätsbewegung,  auch  nicht  die 
geringste,  in  einem  Elektrolyten  ohne  die  entsprechende  Bewegung  der 
Ionen  eintreten  kann.  Die  Erscheinungen,  welche  Faraday  getäuscht  haben, 
und  welche  darin  bestehen,  dass  der  von  Zink  und  Platin  in  verdünnter 
Schwefelsäure  entwickelte  Strom  dauernd  durch  verdünnte  Säure  zwischen 
Platinelektroden  gehen  kann,  ohne  dass  eine  Spur  der  durch  den  Strom  zu 
erwartenden  Gase  an  den  Platten  erscheint,  sind  erst  viel  später  durch 
Helmholtz  aufgeklärt  worden,  welcher  sie  auf  die  Diffusion  der  gelösten 
Gase  durch  die  Flüssigkeit,  und  den  daraus  erfolgenden  Verbrauch  derselben 
an  der  anderen  Elektrode  zurückzuführen  lehrte. 

Die  folgende  Abtheilung  von  Faraday*s  Arbeiten  bezieht  sich  auf  „zu- 
sammengesetzte VoLTA'sche  Ketten  oder  die  VoLTA'sche  Batterie,"  und 
beginnt  mit  einer  wichtigen  Auseinandersetzung  des  Verhältnisses  der  ver- 
stärkten Elektricität  der  Batterie  zu  dem  Gesetz  der  festen  elektrolytischen 
Wirkung.  „Geht  man  von  der  Betrachtung  einfacher  Ketten  zu  deren  Ver- 
einigung in  einer  VoLTA'schen  Batterie  über,  so  ist  einleuchtend,  dass,  wenn 
die  Sachen  so  geordnet  werden,  dass  zwei  Gruppen  von  Verwandtschaften} 
statt  gegen  einander,  mit  einander  wirken  müssen,  sie  dann  statt  einander 
zu  stören,  vielmehr  einander  unterstützen  müssen.  Dies  ist  der  einfache 
Fall  von  zwei  Plattenpaaren,  welche  zur  Bildung  einer  Kette  angeordnet  sind. 
Bei  solchen  Anordnungen  wird  die  Thätigkeit  des  Ganzen  bekanntlich  erhöht, 
und  wenn  man  zehn  oder  hundert,  oder  eine  noch  grössere  Zahl  solcher 
Alternationen  zweckmässig  zusammenstellt,  so  wird  die  Kraft  Verhältnis^ 
massig  erhöht,  und  wir  erhalten  jenes  vortreffliche  Instrument  zu  physi- 
kalischen Untersuchungen,  die  VoLTA'sche  Batterie. 

„990)  Aus  den  bereits  aufgestellten  Grundsätzen  von  der  festen  Wirkung 
ist  aber  klar,  dass  die  Quantität  der  Elektricität  in  dem  Strom  nicht  erhöht 
werden  kann  mit  Vergrösserung  der  Quantität  des  Metalles,  welches  an 
jeder  neuen  Stelle  der  chemischen  Aktion  gelöst  und  oxydirt  wird.    Eine 

1  Bei  einer  späteren  Gelegenheit  fällt  es  Faraday  allerdings  auf,  dass  die  Annahme  einer 
Leitung  ohne  Zersetzung  seinem  Gesetze  widerspricht  (1032);  er  meint  aber,  dass  der  Antbti 
des  Stromes,  welcher  ohne  Zersetzung  geleitet  werde,  dem  anderen  gegenüber  als  zu  unbedeutesd 
nicht  in  Betracht  komme.  In  der  oben  gegebenen  Darlegung  hat  er  selbst  gezeigt,  dass  ms» 
die  beiden  Antheile  in  ein  beliebiges  endliches  Verhältniss  bringen  könnte  (felis  jene  Anskkt 
richtig  wäre),  und  sich  somit  im  Voraus  widerlegt. 


Das  Gesetz  von  Faraday.  cg? 

einfache  Zink-Platin-Kette  versetzt  vermittelst  der  Oxydation  von  32,5  Gran 
Zink  ebenso  viel  Elektricität  in  den  Zustand  des  Stromes,  als  eine  tausend 
Mal  grössere  Menge,  oder  nahezu  fünf  Pfund  desselben  Metalles,  durch  seine 
Oxydation    in    einer    regulären   Batterie   von    tausend   Plattenpaaren    liefern 
würde.    Denn  es  ist  einleuchtend,  dass  die  Elektricität,  welche  in  der  ersten 
Zelle  vom  Zink  durch  die  Säure  zum  Platin  geht,    und  die  von  der  Zer- 
setzung einer  festen  Menge  Wasser  in  der  ersten  Zelle  begleitet  oder  gar 
erzeugt  ist,  in  der  zweiten  Zelle  nicht  vom  Zink  durch  die  Säure  zum  Platin 
gehen  kann,   ohne  dort  dieselbe  Menge  Wasser  zu  zersetzen   und  dieselbe 
Menge  Zink  zu  oxydiren.     Dasselbe  geschieht  in  allen    übrigen  Zellen;    in 
jeder  muss  das  elektrochemische  Äquivalent  Wasser  zersetzt  werden,  ehe  der 
Strom  durch  dieselbe  gehen  kann.     Denn  die  Menge  der  durchgegangenen 
Elektricität  und  die  Menge  des  zersetzten  Elektrolyten  müssen  äquivalent 
zu  einander  sein.   Die  Wirkung  einer  jeden  Zelle  geht  also  nicht  dahin,  die 
in  irgend  einer  Zelle  in  Bewegung  gesetzte  Quantität  zu  vergrössern,  sondern 
diejenige  Quantität  forttreiben  zu  helfen,  deren  Übergang  mit  der  Oxydation 
des  Zinks  in  dieser  Zelle  vereinbar  ist,  und  in  dieser  Weise  erhöht  sie  jene 
Eigentümlichkeit   des   Stromes,   welche   wir   mit   dem    Namen    Intensität 
bezeichnen,  ohne  die  Quantität  zu  vermehren,  welche  der  in  jeder  Zelle  der 
ganzen  Reihe  oxydirten  Menge  des  Zinks  entspricht. 

„991)  Um  dies  zu  beweisen,  stellte  ich  zehn  Plattenpaare  von  Platin 
und  amalgamirtem  Zink  mit  verdünnter  Schwefelsäure  zu  einer  Batterie 
zusammen.  Als  ich  diese  Batterie  schioss,  wirkten  alle  Platten,  und  an  den 
Platinflächen  entwickelte  sich  Gas.  Dies  wurde  gesammelt,  und  es  ergab 
sich,  dass  die  Menge  desselben  in  allen  Zellen  gleich  war;  und  ebenso  stand 
die  Menge  des  an  jeder  Platinplatte  entwickelten  Wasserstoffes  in  demselben 
Verhältniss  zu  der  des  an  jeder  Zinkplatte  gebildeten  Zinkoxyds,  wie  das  früher 
bei  den  Versuchen  mit  der  einfachen  Kette  der  Fall  war.  Es  war  also 
gewiss,  dass  gerade  so  viel  und  nicht  mehr  Elektricität  durch  die  Reihe  von 
lehn  Plattenpaaren  durchgegangen  war,  als  durch  ein  einziges  Paar  gegangen 
oder  in  Bewegung  gesetzt  sein  würde,  ungeachtet  im  ersten  Falle  eine  zehn 
Mal  grössere  Menge  Zink  verbraucht  wurde.  .  .  . 

»99  3)  Dass  die  Zersetzungskraft  einer  Batterie  die  eines  einfachen  Platten- 
paares übertrifft,  ist  auf  zweierlei  Weise  einleuchtend.  Elektrolyte,  welche 
durch  eine  so  starke  Verwandtschaft  zusammengehalten  werden,  dass  sie 
dem  einfachen  Plattenpaare  widerstehen,  geben  ihre  Elemente  unter  dem 
von  vielen  Plattenpaaren  erregten  Strome  aus;  und  ein  Körper,  welcher 
durch  die  Wirkung  eines  Plattenpaares,  oder  weniger  Paare  zersetzt  wird, 
zerfallt  entsprechend  leichter  in  seine  Ionen,  wenn  auf  ihn  die  von  einer 
grösseren  Zahl  von  Plattenpaaren  erregte  Elektricität  einwirkt. 

„994)  Beide  Wirkungen  sind,  glaube  ich,  leicht  verständlich.  Was  auch 
die  Intensität  sein  mag  (und  sie  muss  natürlich  von  der  Natur  der  Elek- 
tricität abhängen,  ob  diese  nun  aus  einer  oder  mehreren  Arten  von  Flüssig- 
keiten bestehe,  aus  Vibrationen  eines  Äthers  oder  irgend  einer  anderen  Art 


t%A  Dreizehntes  Kapitel. 

oder  einem  Zustande  von  Materie),  so  ist  doch  nicht  schwierig  einzusehen, 
dass  der  Grad  der  Intensität,  mit  welcher  ein  Elektricitätsstrom  von  dem 
ersten  VourA'schen  Element  entwickelt  wird,  eine  Verstärkung  erfahrt,  wenn 
dieser  Strom  der  Wirkung  von  einem  zweiten  Voi/TA'schen  Element  aus- 
gesetzt wird;  und  da  die  Zersetzungen  bloss  widerstrebende  Wirkungen  sind, 
aber  von  genau  gleicher  Art  wie  die,  welche  den  Strom  erzeugen,  so  scheint 
es  eine  natürliche  Folgerung,  dass  die  Verwandtschaft,  welche  der  Kraft  einer 
einzelnen  Zersetzungswirkung  widerstehen  kann,  unfähig  sei,  den  Kräften  so 
vieler  Zersetzungswirkungen,  welche  in  der  Voi/TA'schen  Säule  gemeinsam 
thätig  sind,  Widerstand  zu  leisten. 

„995)  Dass  ein  Körper,  welcher  einem  Strom  von  schwacher  Intensität 
unterliegt,  noch  leichter  einem  von  grösserer  Stärke  weicht,  und  dabei 
keinen  Widerspruch  mit  dem  Gesetz  von  der  festen  elektrolytischen  Wirkung 
darbietet,  ist  vollkommen  erklärlich.  Alle  Thatsachen,  und  auch  die  Theorie, 
welche  ich  aufzustellen  wagte,  zeigen,  dass  der  Akt  der  Zersetzung  dem 
Übergange  des  elektrischen  Stromes  eine  gewisse  Kraft  entgegensetzt,  und 
dass  dieser  Widerstand  mehr  oder  weniger  leicht  überwunden  wird,  in  dem 
Maasse,  als  der  zersetzende  Strom  eine  grössere  oder  geringere  Kraft  besitzt, 
stimmt  mit  allen  unseren  Kenntnissen  von  dem  elektrischen  Wesen  voll- 
kommen überein." 

Wir  sehen  hier  Faraday  zwar  auf  vollkommen  richtigen  Wegen,  indem 
er  die  beiden  wichtigsten  elektrischen  Grössen,  die  Elektricitätsmenge  und 
die  Spannung  oder  „Intensität",  richtig  unterscheidet  und  in  ihren  charak- 
teristischen Eigenschaften  erkennt.  Die  vollständige  Herrschaft  über  dieses 
Gebiet  war  ihm  aber  nicht  gegeben,  und  dies  zu  einer  Zeit,  wo  die  Mög- 
lichkeit dazu  durch  Ohm  bereits  lange  erwiesen  war.  Alles,  was  hier  aus- 
einandergesetzt worden  war,  ist  eine  unmittelbare  Folgerung  aus  dem 
OHM'schen  Gesetz,  und  die  Kenntniss  desselben  hätte  Faraday  eine  grosse 
Summe  von  Mühe  und  Arbeit  erspart.  Dazu  wäre  der  Vortheil  gekommen, 
dass  die  Bedeutung  dieses  Gesetzes  von  der  Seite  eines  überzeugten  An- 
hängers der  chemischen  Theorie  gewürdigt  worden  wäre.  In  Deutschland 
hatten  sich  nur  die  Gesinnungsgenossen  des  grossen  Entdeckers,  die  Contact- 
theoretiker,  mit  dem  OHM'schen  Gesetz  beschäftigt,  und  die  Fülle  von  Auf- 
klärung, die  es  wie  über  alle  anderen  Gebiete,  auch  über  das  der  Zersetzung 
durch  den  Strom  bringen  konnte,  wurde  erst  in  viel  späterer  Zeit  geerntet 
So  hat  auch  nach  dieser  Richtung  jener  lange  Kampf  geschadet,  welchem 
eine  solche  Unsumme  von  Zeit  und  Arbeit  mit  so  geringen  Ergebnissen 
geopfert  worden  war. 

In  dem  weiteren  Verfolge  seiner  Arbeiten  beschäftigt  sich  Faraday  mit 
der  Untersuchung  der  günstigsten  Anordnungen  VourA'scher  Batterieen,  und 
schlägt  als  die  beste  amalgamirtes  Zink  und  Platin  in  verdünnter  Schwefel- 
säure vor,  da  in  diesem  Falle  der  ideale  Grenzzustand,  dass  nur  gleichzeitig 
mit  dem  Strome  und  proportional  demselben  die  chemische  Wirkung  statt- 
findet, sehr  nahe  erreicht  werden  kann.    Die  Anwendung  des  amalgamirten 


Das  Gesetz  von  Faraday.  cgc 


iks  scheint  ziemlich  gleichzeitig  von  Kemp1  und  Sturgeon2  vorgeschlagen 
rden  zu  sein.  Für  die  Ursache ,  dass  beim  amalgamirten  Zink  in  ver- 
einter Säure  kein  Angriff  erfolgt,  nimmt  Faraday  ganz  richtig  den  Umstand 
Anspruch,  dass  durch  die  flüssige  Beschaffenheit  der  amalgamirten  Ober- 
:he  alle  vorhandenen  Unterschiede  durch  die  Anwesenheit  beigemengter 
teile  aufgehoben  werden,  so  dass  die  Bildung  kleiner  örtlicher  Ketten, 
j  bei  unreinem  Zink  stattfindet,  vermieden  wird.  Zur  Stütze  dieser  An- 
ht  weist  er  auf  die  Versuche  von  de  la  Rive  hin,  durch  welche  nach- 
wiesen worden  war,  dass  reines  Zink  von  Säuren  fast  gar  nicht  angegriffen 
rd.s 

Am  Schlüsse  der  achten  Reihe  seiner  Experimentaluntersuchungen  geht 


1  Jameson's  Edinburgh  Journ.  Oct  1828.  (Cit  nach  Faraday.) 
*  Recent  Experimental  Researches,  etc.   1830,  p.  74.  (Cit  nach  Faraday.) 
8  Diese  Versuche  von  de  la  Rive  sind  in  der  Biblioth.  univers.  43,  391,  auch  in  Pogg. 
in.  19,  221.   1830  mitgetheilt,  und  ergeben,   dass  die  Geschwindigkeit  der  Lösung  des  Zinks 
Sauren   von   der  Reinheit  des  Zinks   in   Bezug  auf  metallische  Beimengungen   abhängt,   und 
mi  um  so  grosser  wird,  je  mehr  fremde  Metalle  vorhanden  sind.    Möglichst  reines,  destillirtes 
ok  löst  sich  überhaupt  kaum  in  verdünnter  Schwefelsäure  auf. 

•  Dass  die  Erscheinung  elektrischer  Natur  ist,  vermuthete  er  alsbald,  und  fand  es  auch 
ich  seine  Versuche  bestätigt.  Als  er  reines  Zink,  welches  für  sich  so  gut  wie  kein  Wasser- 
»figas  gab,  mit  dünnem  Platindraht  umwickelte  und  so  in  die  Säure  that,  erhielt  er  alsbald 
eder  eine  heftige  Gasentwickelung,  welche,  wie  schon  Wollaston  beobachtet  hatte  (S.  153), 
r  vom  Platin  ausging.  Ferner  fand  er,  dass  Schwefelsäure  von  verschiedenen  Verdünnungen 
ch  verschieden  schnell  wirkte,  und  als  er  die  Leitfähigkeit  dieser  Lösungen  ermittelte  (über 
s  Verfahren  dazu  finden  sich  keine  näheren  Angaben  vor),  so  ergab  sich,  dass  die  bestleitende 
nre  auch  die  war,  welche  das  Zink  am  schnellsten  auflöste. 

Die  Theorie,  welche  sich  DE  LA  Rive  über  die  Erscheinungen  gemacht  hatte,  ist  folgende. 
He  geringe  chemische  Aktion,  welche  immer  bei  reinem  Zink  stattfindet,  erregt  einen  elek- 
schen  Strom  zwischen  jedem  Zinktheilchen  und  dem  es  berührenden  Theilchen  von  fremdem 
etalle.  Diese  kleinen  Molekularströme  zersetzen  das  Wasser,  welches  sie  durchdringen,  führen 
n  Wasserstoff  zum  beigemengten  Moleküle,  welches  in  allen  hier  angewendeten  Gemengen 
gativ  ist,  und  den  Sauerstoff  zum  Zinkmoleküle,  welches  positiv  ist.  Letzteres  Molekül  ver- 
ndet  sich,  sowie  es  oxydirt  ist,  mit  der  in  der  Flüssigkeit  vorhandenen  Schwefelsäure,  und 
Idet  schwefelsaures  Zinkoxyd,  welches  aufgelöst  bleibt.  Die  Wasserzersetzung,  und  folglich 
e  Wasserstoffentwickelung  in  einer  gegebenen  Zeit  wird  demnach  um  so  beträchtlicher  sein, 
i  die  elektrischen  Ströme  zwischen  den  einzelnen  Theilchen  stärker  sind.  Die  Intensität  dieser 
rttane  hängt  aber  vom  Leitungsvermögeu  der  Säure  ab,  und  wie  wir  gesehen  haben,  ist  die 
isentwickelung  desto  beträchtlicher,  je  stärker  dieses  Leitungsvermögen  ist.  Auch  rouss  die 
tensität  von  dem  Unterschiede  der  Oxydirbarkeit  des  Zinks  und  ,des  demselben  beigemengten 
etattes  abhängen,  jedoch  sehen  wir,  dass  das  Zink -Eisen  von  allen  Gemengen  die  grösste 
nkung  hervorbringt" 

DE  LA  Rive  geht  nun  dazu  über,  diesen  letzteren  Widerspruch  gegen  seine  Voraus- 
taugen  zu  erklären ;  doch  gelingt  ihm  dies  kaum  befriedigend,  und  wir  brauchen  nicht  in  eine 
örterung  über  die  Stichhaltigkeit  seiner  Betrachtungen  einzugehen.  Von  Interesse  ist  an  der 
iseinandersetzung,  die  allerdings  nach  dem  heutigen  Standpunkte  in  manchen  Stücken  anders 
d  namentlich  einfacher  lauten  würde,  dass  hier  wohl  zum  ersten  Male  ein  Zusammenhang 
ischen  der  elektrischen  Leitfähigkeit  und  der  chemischen  Reaktionsgeschwindigkeit  aufgestellt 
rd.  Ein  solcher  Zusammenhang  besteht  in  einem  weit  ausgedehnterem  Maasse,  als  de  la 
ve  hier  angedeutet  hat,  doch  gehört  die  Entdeckung  desselben  ganz  der  neuesten  Zeit  an. 


g86  Dreizehntes  Kapitel. 

Faraday  auf  den  „Widerstand  der  Elektrolyte  gegen  elektrolytische  Aktie 
ein,  und  erörtert  die  Wirkung  der  Zwischenplatten.  Auf  die  vielen  alte 
Arbeiten,  welche  seit  Gautherot  und  Ritter  (S.  173)  über  diesen  Gegenst 
veröffentlicht  worden  sind,  geht  er  nicht  ein.  Einen  wesentlichen  Fortsei 
in  der  Auffassung  der  Erscheinung,  welche  inzwischen  mit  dem  Namen 
Polarisation  bezeichnet  worden  war,  macht  er  insofern,  als  er  zu  dem  & 
kommt:  „Die  allgemeine  und  hauptsächliche  Ursache  dieser  Erscheinunj 
ist  der  Widerstand  gegen  chemische  Zersetzungen."  Zum  Beweise  desseib 
der  ohnedies  aus  seiner  ganzen  Auffassung  der  elektrochemischen  Erscl 
nungen  folgt,  zeigt  Faraday,  dass,  wenn  man  in  der  Zersetzungsstelle  s 
verdünnter  Schwefelsäure  allein  ein  Gemenge  derselben  mit  Salpetersä 
hat,  die  Schwächung  eine  viel  geringere  ist.  „Dies  scheint  eine  Folge  da\ 
zu  sein,  dass  die  Schwierigkeit  der  Zersetzung  des  Wassers  vermindert 
wenn  dessen  Wasserstoff,  statt  frei  ausgetrieben  zu  werden,  auf  den  Sau 
Stoff  der  Salpetersäure  zur  Bildung  eines  seeundären  Produktes  an  der  ¥ 
thode  übertragen  werden  kann,  wie  hier.  Denn  gemäss  den  schon  ai 
gesprochenen  Ansichten  von  dem  elektrischen  Strom  und  seinen  Wirkung 
widersteht  das  Wasser  nun  nicht  mehr  der  Zersetzung  mit  dem  voll 
Betrage  der  auf  der  gegenseitigen  Anziehung  seines  Sauerstoffes  und  Was» 
Stoffes  entspringenden  Kraft,  sondern  diese  Kraft  ist  theilweise  aufgewog 
und  folglich  geschwächt  durch  die  Anziehung  des  Wasserstoffes  an  c 
Kathode  zu  dem  Sauerstoff  der  Salpetersäure  daselbst,  mit  welchem  er  si 
zuletzt  verbindet,  statt  frei  zu  entweichen." 

Bei  der  Benutzung  verschiedener  Zwischenplatten  erhielt  Faraday  c 
schon  von  Ritter  gefundene  Ergebniss,  dass  Zink  nur  wenig,  Kupfer  v 
mehr  dem  Strome  hinderlich  war,  und  zwar  das  letztere  erst  nach  einig 
Augenblicken.  „Dies  scheint  daher  zu  rühren,  dass  die  Flächen  jen 
besonderen  Zustand  annehmen,  vermöge  dessen  sie  den  umgekehrten  Stn 
zu  erregen  trachten.  Denn  wenn  eine  oder  mehrere  dieser  Platten  umj 
kehrt  wurden,  was  sich  vermittelst  der  Tassenkrone  leicht  bewerkstellig 
Hess,  wurde  der  Strom  auf  einige  Augenblicke  kräftig  erneuert,  und  hö 
dann  abermals  auf.  . .  .  Alle  diese  Verzögerungseffekte,  die  sich  durch  Z 
Setzungen  an  Flächen  äussern,  die  zu  den  ausgeschiedenen  eine  gros» 
oder  geringere  oder  gar  keine  Verwandtschaft  haben,  zeigen  in  allgemeii 
und  hübscher  Weise  die  chemischen  Beziehungen  und  den  Ursprung  < 
elektrischen  Stromes,  st>wie  den  Gleichgewichtszustand  der  Verwandtschafi 
an  dem  Entstehungs-  und  Zersetzungsorte.  Auf  diese  Weise  vermehren 
die  Beweise  zu  Gunsten  der  Einerleiheit  der  beiden.  Denn  sie  beweisen  <i 
Antagonismus  der  chemischen  Kräfte  in  dem  elektromotorischen  Theil 
den  chemischen  Kräften  in  dem  eingeschalteten  Theil;  sie  zeigen,  dass 
ersteren  elektrische  Wirkungen  erzeugen,  die  letzteren  sich  diesen  wid 
setzen;  sie  bringen  die  beiden  in  ein  unmittelbares  Verhältniss;  sie  thun  c 
dass  jede  von  ihnen  die  andere  bedingen  kann,  sie  kehren  augenscheinl 
Ursache  und  Wirkung  um,  und  beweisen,  dass  die  chemische  und  elektria 


Das  Gesetz  von  Faraday.  c37 

Wirkung  nur  zweierlei  Äusserungen  eines  einzigen  Wesens  oder  einer  einzigen 
Kraft  darstellen." 

Den  hier  von  Faraday  gezogenen   Schluss  von   der  gegenseitigen  Be- 
dingtheit der  chemischen  und  elektrischen  Vorgänge  auf  die  Gleichheit  ihres 
Wesens    wird    man    heute    nicht    mehr    als    berechtigt   anerkennen   dürfen, 
obwohl  solche  Schlüsse  auch  jetzt  noch  häufig  gezogen  werden.   Denn  diese 
Bedingtheit  tritt  nur  in  bestimmten  Fällen  ein;    es  sind  ebenso  chemische 
Vorgänge  ohne  elektrische,  wie  auch  insbesondere  elektrische  ohne  chemische 
möglich  und  wirklich,  und  in  allen  solchen  Fällen  könnte  man  die  behauptete 
Gleichheit  beider  nur  durch  unbeweisbare  und  unzweckmässige  Hypothesen 
formal  herstellen.   Vielmehr  ist  uns  heute  die  gegenseitige  Bedingtheit  zweier, 
Terschiedenen   Gebieten    angehöriger   Erscheinungsreihen    eine   so   geläufige 
Thatsache,   dass  wir  ganz  allgemein  solche  Beziehungen  zwischen  je   zwei 
beliebigen  Energiearten  erwarten.   Um  bei  der  chemischen  Energie  zu  bleiben, 
können  wir  eben  solche  Beziehungen,  wie  sie  zu  der  elektrischen  vorhanden 
sind,   zu  der  mechanischen  Energie  wie  zur  Wärme  aufweisen,    ohne  dass 
irir  uns  dadurch  für  berechtigt  halten,  das  Wesen  der  chemischen  Erschei- 
nungen mit  dem  der  Wärme  oder  der  mechanischen  Arbeit  gleich  zu  setzen. 
Das  Gemeinsame,  was  in  allen  diesen  Fällen  vorhanden  ist,  besteht  in   der 
gegenseitigen   Umwandlung   der   Energie;    diese    ist   durch   bestimmte    Be- 
ziehungen zwischen  den  Faktoren  der  verschiedenen  Energiearten  geregelt, 
mid  da  alle   diese  Umwandlungen   gegenseitig  sind,    ist   es   nicht   statthaft, 
einer  der  Arten  der  Energie  einen  Vorzug  vor  der  anderen  zu  geben. 

Diese  Verhältnisse  sind  zwar  einfach  genug,  wenn  man  sie  sich  einmal 
klar  gemacht  hat,  doch  schien  es  nöthig,  sie  hier  ausdrücklich  auszusprechen, 
um  ein  für  alle  Male  den  richtigen  Gesichtspunkt  für  die  Beurtheilung  einer 
Anschauungsweise  zu  gewinnen,  wie  sie  uns  hier  an  Faraday  entgegen- 
getreten ist,  und  wie  sie  später  sich  immer  wieder  zeigen  wird. 

Bei  der  weiteren  Erörterung  der  Polarisationserscheinungen  weist  Faraday 
darauf  hin,  dass  die  Wirkung  durch  die  chemische  Veränderung  der  an  den 
Hatten  liegenden  Flüssigkeit  nur  das  unmittelbar  anliegende  Häutchen  zu 
treffen  brauche,  um  merkbar  zu  sein,  und  fuhrt  für  die  Zähigkeit,  mit 
welcher  Stoffe  an  Oberflächen  hängen  bleiben,  folgenden  hübschen  Versuch 
aa.  ^Eine  polirte  Platinplatte  wurde  nur  auf  einen  Augenblick  in  heisse 
ooncentrirte  Schwefelsäure  getaucht  und  dann  in  destillirtes  Wasser,  darin 
herumgeführt,  herausgenommen,  und  trocken  gewischt;  darauf  wurde  sie  in 
dne  zweite  Portion  destillirten  Wassers  gebracht,  darin  herumbewegt  und 
abermals  trocken  gewischt;  jetzt  ward  sie  in  eine  dritte  Portion  destillirten 
Wassers  getaucht,  darin  beinahe  acht  Sekunden  herumbewegt,  und  nun  ohne 
Abwischen  in  eine  vierte  Portion  destillirten  Wassers  gebracht,  und  fünf 
Jmuten  darin  gelassen.  Die  beiden  letzten  Portionen  Wasser  wurden  nun 
«f  Schwefelsäure  geprüft;  die  dritte  zeigte  keine  merkbaren  Spuren  von 
fcser  Säure,  aber  die  vierte  gab  nicht  nur  sichtbare,  sondern  auch  für  diese 
Anstände  sehr  reichliche  Anzeigen  von  derselben." 


1*38  Dreizehntes  Kapitel. 


Neben  der  Ursache  der  Ausscheidung  solcher  Stoffe,  welche  eine 
entgegengesetzte  elektromotorische  Kraft  an  den  Platten  bewirken,  nimmt 
Faraday  noch  eine  zweite  Ursache  an,  welche  „in  dem  ungewöhnlichen 
Zustande  der  Metalloberfläche"  liegen  soll,  dessen  erste  Beobachtung  er  aal 
Ritter  zurückfuhrt,  und  deren  Beweis  er  in  der  langen  Dauer  der  ent- 
sprechenden Wirkung  auch  nach  Ausschaltung  der  zersetzenden  Kette  sieht 
Gegenwärtig  wissen  wir,  dass  dieser  zweite  Umstand  von  dem  ersten  nkrhl 
wesentlich  verschieden  ist,  d.  h.  dass  es  sich  gleichfalls  um  eine  Wirkung 
elektrolytisch  ausgeschiedener  Stoffe  handelt.  Die  längere  Dauer  dies« 
Wirkung,  die  sich  insbesondere  bei  kathodischer  Polarisation  von  Platin- 
platten zeigt,  rührt  von  dem  absorbirten  Wasserstoff  her,  welcher  in  das 
Platin  eindringt,  und  nur  langsam  wieder  entweicht.  Auch  in  diesem  Falk 
sind  die  Erscheinungen  insbesondere  durch  Helmholtz  klar  gestellt  worden. 

13.  Rückblick.  Überschaut  man  die  Summe  von  Faraday's  Leistungen 
für  die  Elektrochemie,  so  findet  man  sie  ausserordentlich  gross.  Durch  die 
Entdeckung  seines  Gesetzes  der  festen  elektrolytischen  Wirkung  hat  er  für 
unser  Gebiet  etwa  dasselbe  gethan,  war  Ohm  für  die  Lehre  von  dem  elek- 
trischen Strome  gethan  hatte,  nämlich  das  zahlenmässig  ausdrückbare  Grund- 
gesetz gefunden,  auf  welches  alle  weiteren  Messungen  zurückzufuhren  sind, 
und  welches  erst  gestattet,  Gesetz  und  Ordnung  in  die  Fülle  der  Erschei- 
nungen zu  bringen.  Aber  dies  ist  nicht  das  einzige  Verdienst  dieser  Arbeiten. 
Die  sachgemässe  Unterscheidung  der  beiden  elektrischen  Grössen,  der  Elek- 
tricitätsmenge  und  der  Spannung  oder  Intensität,  ist  zwar  nicht  Faraday*3 
Werk  allein,  denn  sie  war  schon  von  Volta  in  wesentlich  derselben  Weise 
durchgeführt  worden.  Von  grösster  Bedeutung  aber,  und  ganz  Faraday*! 
Verdienst  ist  die  richtige  Zuordnung,  welche  er  zwischen  diesen  elektrischen 
Grössen  und  den  entsprechenden  chemischen  bewerkstelligt  hat,  indem  ä 
die  Elektricitätsmenge  mit  der  Stoffmenge,  die  elektrische  Spannung  mä 
der  chemischen  Verwandtschaft  in  Beziehung  brachte.  Dadurch  hatte  o 
die  Grundlagen  der  künftigen  chemischen  Theorie  der  VoLTA'schen  Ketfc 
gelegt,  denn  nach  mehr  als  einem  halben  Jahrhundert  angestrengter  Arbeit 
ist  die  Forschung  genau  auf  den  gleichen  Standpunkt  gelangt.  Die  inzwischei 
zu  leistende  Arbeit  bestand  vornehmlich  in  der  Ausbildung  des  Begriffe 
der  chemischen  Verwandtschaft,  welcher  zu  Faraday's  Zeiten  noch  keinef 
scharf  definirbaren,  und  noch  weniger  einen  zahlenmässig  aufweisbaren  Inhal 
besass.  Als  dieser  gefunden  war,  Hess  sich  der  von  Faraday  nur  postuliitx 
Zusammenhang  in  der  That  aufweisen  und  so  die  chemische  Theorie  dei 
galvanischen  Erscheinungen  durchfuhren. 

Neben  diesen  ungemeinen  Fortschritten  waren  einzelne  Missgriffe  hervor 
zuheben,  wie  die  nicht  ganz  richtige  Bestimmung  der  Ionen,  und  die  Aft 
nähme  der  metallischen  Leitung  in  den  Elektrolyten  neben  der  rein  elektro 
lytischen.  Es  ist  bereits  hervorgehoben  worden,  dass  zwar  der  erste  Miss 
griff  ziemlich  bald  beseitigt  worden  ist,  und  daher  nicht  viel  Behinderun) 
des  Fortschrittes  verursacht  hatte,   dass  aber   der  zweite   seine   schädlich 


Das  Gesetz  von  Faraday.  egg 


Virkung  sehr  viel  länger  und  einschneidender  gezeigt  hat.  Einen  Vorwurf 
larf  man  hieraus  für  Faraday  schwerlich  ableiten,  denn  den  ersten  Irrthum 
heilte  er  mit  seiner  ganzen  Zeit,  und  zu  dem  zweiten  wurde  er  gerade 
lurch  die  Sorgfalt  veranlasst,  mit  welcher  er  die  Gültigkeit  seines  Gesetzes 
>riifte.  Während  der  Anfanger  in  der  Wissenschaft  fast  immer  geneigt  ist, 
len  von  ihm  gefundenen  Regelmässigkeiten  eine  allzuweite  Geltung  beizu- 
egen,  wird  der  erfahrene  Forscher  in  dieser  Beziehung  immer  vorsichtiger, 
lenn  er  sieht  nur  zu  oft  die  ursprünglich  vermuthete  Bedeutung  solcher 
Mlgemeinheiten  sich  mehr  und  mehr  einschränken.  Dadurch  entsteht  ein 
gewisses  Misstrauen  auch  in  solchen  Fällen,  wo  zunächst  keine  Ausnahme 
aufzutreten  scheint,  und  man  ist  aus  berechtigter  Vorsicht  geneigt,  wider- 
sprechenden Instanzen  eine  grössere  Bedeutung  zuzuschreiben,  als  ihnen 
zukommt.  Nun  ist  die  Entdeckung  und  erste  Prüfung  eines  Gesetzes  eine 
ganz  andere  Thätigkeit,  als  seine  spätere  messende  Durcharbeitung,  und  es 
wäre  in  den  meisten  Fällen  verlorene  Arbeit,  beide  Aufgaben  gleichzeitig 
lösen  zu  wollen.  Faraday  war  also  ganz  berechtigt,  diese  zweite  Aufgabe 
zu  verschieben,  oder  Anderen  zu  überlassen;  dass  dieser  naturgemässe  Vor- 
gang in  diesem  Falle  ungünstige  Wirkungen  gehabt  hat,  ist  wesentlich  eine 
Folge  der  ausserordentlichen  Bedeutung  des  Gesetzes. 

14.  Aufnahme  des  FARADAY'schen  Gesetzes.  Nachdem  Faraday  sein 
Gesetz  veröffentlicht  hatte,  blieb  es  ihm  nicht  erspart,  dasselbe  sowohl  gegen 
Angriffe  auf  seine  Gültigkeit,  wie  auch  gegen  Aneignung  durch  Andere  ver- 
teidigen zu  müssen.  Die  ersten  Angriffe  gingen  von  keinem  Geringeren 
aus,  als  von  Berzelius,  der  in  seinem  Jahresberichte  aus  den  Arbeiten  von 
Faraday  sehr  wenig  sachgemässe  Auszüge  gab.  Es  ist  hier  ganz  auffallend 
zu  beobachten,  in  welchem  Maasse  die  Abweichung  der  Ansichten  über  die 
Theorie  der  elektrischen  Erscheinungen  —  Berzelius  war  Anhänger  der 
Contactlehre,  nachdem  er  zuerst  der  chemischen  Theorie  angehangen 
hatte  —  selbst  bei  einem  so  ausgezeichneten  Manne  wie  Berzelius  nicht 
nur  die  Sicherheit  des  Urtheiles,  sondern  sogar  die  Gerechtigkeit  und 
Unparteilichkeit  des  wissenschaftlichen  Berichterstatters  beeinträchtigt  hat. 

In  seinem  ersten  Bericht  über  das  Gesetz1  äussert  sich  Berzelius  zwar 
kritisch,    aber  doch  noch  nicht  unbedingt  abweisend.     Nachdem  er  die  von 
Faraday  angegebenen  Versuche  ziemlich  unvollständig  berichtet  hat,  schreibt 
er:  „Bei   der  Beurtheilung  dieser  Versuche  will  es  scheinen,    als  wäre  der 
Satz,  dass  dasselbe  Quantum  Elektricität  stets  dieselbe  Grösse  der  Zersetzung 
gebe,  nicht  so  vollkommen  bewiesen,  als  man  wünschen  könnte.   Die  Sache 
^  vielleicht  richtig.     Dies  darf  jedoch   nicht  von   einer  näheren  Kritik  des 
Weises   abhalten.     Jeder,    der  Gelegenheit  hatte,   das  Quantum  von   che- 
mischer Zersetzung,   welches  eine    neu    aufgebaute  Säule    bewirkt,   zu  ver- 
gleichen mit  dem,    welches  nach  24  Stunden  dadurch  hervorgebracht  wird; 
'er  gesehen  hat,  in  welchem  Grade  der  Abstand  nicht  allein  zwischen  den 

1    15.  Jahresber.  för  1834.    Tübingen  1836.    S.  30  u.  ff. 


cqo  Dreizehntes  Kapitel. 

Platten  der  Säule,  d.  h.  die  Dicke  des  zwischenliegenden  Liquidums,  som 
auch  zwischen  den  Leitungsdrähten  in  der  Flüssigkeit  auf  den  Gang 
Zersetzung  influirt,  findet  nicht  in  Faraday^s  Arbeit  angegeben,  wie 
messen  kann,  was  diese  wirken  in  Beziehung  auf  die  Quantität  des 
durchgehenden  Stromes.  ...  In  den  Resultaten  dieser  Versuche  finde 
nichts,  was  entscheidend  genug  wäre,  um  mehr  zu  beweisen,  als  dass,  \ 
Wasser  und  geschmolzenes  Chlorblei  nach  einander  von  demselben  < 
trischen  Strome  durchsetzt  werden,  die  Quantitäten  des  reducirten  Bleis 
Wasserstoffes  Äquivalente  sind.  Aber  auch  hier  bedingt  .  .  .  die  Gegen 
der  Schwefelsäure  im  Wasser  eine  Unsicherheit.  .  .  .  Noch  eine  andere  F 
kann  hier  aufgeworfen  werden;  ist  dasselbe  Quantum  von  Elektricität  nö 
um  ein  Atom  Silber  und  ein  Atom  Sauerstoff  von  einander  zu  trennen, 
um  ein  Atom  Kalium  und  ein  Atom  Sauerstoff  zu  trennen,  d.  h.  um  K 
von  einem  so  unermesslichen  Unterschiede  der  Grösse  aufzuheben?  K 
die  Intensität  an  Kraft  ersetzen,  wie  sie  zur  Überwindung  einer  gross 
Kraft  vorauszusetzen  ist?  Wäre  nicht  der  Umstand  denkbar,  dass  Verwa 
schatten  von  gleicher  Grösse  von  demselben  Strom  gleich  überwur 
werden,  und  Verwandtschaften  von  verschiedenem  Grade  mit  so  gerinj 
Unterschiede  in  der  Quantität,  dass  er  im  Kleinen  in  die  Beobachtungsft 
fällt?  Es  ist  bekannt,  dass  das  Blei  nur  mit  Schwierigkeit  und  u 
Kochen  das  Chlor  vom  Wasserstoff  scheidet,  dass  also  diese  Verwa 
schatten  sehr  nahe  liegen.  Man  sieht  hieraus,  dass  die  Untersuchung 
einem  weit  umfassenderen  Gesichtspunkt  aus  genommen  werden  in 
ehe  das m  Resultat,  das  Farad ay  daraus  entnommen  hat,  als  gültig  betrac 
werden  kann." 

Aus  diesen  Darlegungen  wird  der  Irrthum  klar,  welcher  Berzeuuj 
seinen  Zweitein  an  dem  Gesetz  von  Faraday  veranlasst  hat:  es  ist  die 
sieht,  dass  gleiche  Elektricitätsmenge  gleiche  wirksame  Kräfte  bedei 
Nach  dem,  was  früher  dargelegt  worden  ist,  kann  Faraday  keine  Schule 
diesem  Missverständnisse  beigemessen  werden,  denn  er  hat  völlig  sachgei 
die  Elektricitätsmenge  von  der  Intensität  unterschieden,  und  das  Verhäl 
beider  insbesondere  daran  klar  gemacht,  dass  er  zeigte,  wie  in  einer  S 
von  beliebig  vielen  Plattenpaaren  die  Elektricitätsmenge  stets  dieselbe 
wenn  an  einer  Zinkplatte  eine  bestimmte  Menge  Metall  gelöst  wird, 
dass  durch  den  Aufbau  zur  Säule  nur  die  Intensität  wächst.  Berzelius 
sich  hierüber  nicht  klar  geworden,  und  daher  rührt  sein  Einwand. 

Eine  Entschuldigung  für  Berzelius  liegt  indessen  in  dem  Umsta 
dass  Faraday  sich  anderen  Einwürfen  ausgesetzt  hatte,  welche  durc 
berechtigt  waren,  und  in  welchen  Berzelius  unzweifelhaft  competenter 
als  sein  Gegner.  Es  ist  dies  der  fehlerhafte  Satz,  dass  nur  aus  glei 
Atomen  zusammengesetzte  Verbindungen  der  Elektrolyse  unterliegen  ;S. 
Es  wurde  bereits  bemerkt,  dass  Faraday,  um  diesen  Satz  aufrecht  zu  ha 
die  Existenz  eines  Antimonoxyds  SbO  angenommen  hatte,  und  Berz 
musste  es  leicht  werden,  in  einer  experimentellen  Untersuchung  das  Irrt! 


Das  Gesetz  von  Faraday.  cgj 


bc  dieser  Behauptung  zu  zeigen.1  Es  ist  ganz  menschlich ,  wenn  er  an- 
richte dieser  wenig  begründeten  Behauptung  seines  Gegners  auch  dessen 
dere  Ergebnisse  in  Zweifel  ziehen  zu  dürfen  glaubte. 

In  seinein  nächsten  Jahresbericht  referirt  Berzelius  über  die  achte  Reihe 
ti  Faraday*s  Untersuchungen ,  und  machte  gegen  die  Beweiskraft  von 
sen  Experimenten  über  Ströme  ohne  metallische  Berührung  die  nahe- 
gende  Einwendung,  dass  die  Contactkräfte  zwischen  Metall  und  Flüssigkeit 
r  „Erklärung"  ausreichen.  Auf  das  elektrolytische  Gesetz  bezieht  sich  die 
gende  Bemerkung.  „Ferner  hat  er  (Faraday)  zu  zeigen  gesucht,  was 
ch  jedem  die  Erfahrung  zeigt,  der  sich  mit  hydroelektrischen  Versuchen 
schäftigt  hat,  dass  jeder  verschiedene  Verwandtschaftsgrad,  um  überwunden 
werden,  auch  einen  verschiedenen  Intensitätsgrad  des  elektrischen  Stromes 
fordert,  und  dass  zersetzbare  flüssige  Körper  Ströme  von  geringerer  Inten- 
ät  leiten  können,  als  zu  ihrer  Zersetzung  nöthig  sind.  Hier  fragt  man 
h:  Was  wird  dann  aus  dem  Gesetz,  dass  eine  gleiche  elektrische  Quantität 
der  Circulation  immer  gleiche  Äquivalente  trennt?  denn  es  ist  klar,  dass 
i  jeder  Zersetzung,  die  einer  bestimmten  Kraft  bedarf,  eine  bestimmte 
wtion  des  Stromes  übrig  bleibt,  welcher  durch  den  Verwandtschaftsgrad 
is  Gleichgewicht  gehalten  wird.  Faraday  beantwortet  die  Frage  damit, 
iss  diese  Quantität  im  Verhältniss  zu  der,  welche  zur  Aufhebung  der 
tonischen  Verwandtschaft  aufgehe,  so  gering  sei,  dass  sie  bei  den  Ver- 
leben über  das  Quantitative  nicht  in  Rechnung  komme.  Aber  ganz  zuge- 
gen, dass  die  Quantität  des  elektrischen  Stromes  und  der  chemischen 
Ersetzung  einander  wirklich  entsprechend  sein  muss,  so  dürfte  qs  doch, 
wohl  aus  dem  nun  angeführten,  wie  aus  den  im  vorigen  Jahresberichte 
m  mir  gemachten  Einwürfen  klar  sein,  dass  jede  hydroelektrische  Zer- 
tzung  von  so  viel  Nebenumständen  begleitet  sei,  dass  das  gefundene  quan- 
ative  Messungsresultat  unmöglich  mit  dem  theoretischen  vollkommen  über- 
stimmen kann/' 

Berzelius  ist  auch  hier  in  seiner  Kritik,  die  den  gleichen  Irrthum 
züglich  der  „Kraft"  des  Stromes  enthält,  viel  zu  weit  gegangen.  Aus 
n  späteren  Untersuchungen  hat  sich  in  striktem  Gegensatz  zu  seinen  Ein- 
inden  ergeben,  dass  das  Gesetz  von  Faraday  zu  den  wenigen  gehört,  von 
:nen  eine  messbare  Abweichung  nicht  hat  nachgewiesen  werden  können, 
e  also  innerhalb  der  Grenzen  der  bisher  erreichten  Genauigkeit  als  völlig 
nau  angesehen  werden  dürfen. 

Viel  heftiger  noch,  als  im  Jahresberichte,  äussert  sich  Berzelius  später 
der  vierten  Auflage  seines  Lehrbuches.  Diese  enthält  zunächst  abweichend 
»  den  früheren  Auflagen  die  Beschreibung  des  mehrfach  erwähnten  Ver- 
iches,  durch  welchen  Berzelius  sich  selbst  von  einem  Anhänger  der  chemi- 
hen  Theorie  zu  einem  der  Contacttheorie  gemacht  hat,  und  der  durch 
t  Fig.   148   genügend   veranschaulicht   wird;    darin    bezeichnet  K  Kupfer, 

1  15.  Jahresber.  S.  142.  *  16.  Jahresber.  S.  33. 


S9?_ 


Dreizehnte!!  Kapitel. 


Z  Zink,  SZ  Zinksulfat,  SF  Salpetersäure.  Berzelius  schüesst  seine 
Schreibung  des  Versuches  mit  den  Worten:  „Aus  diesem  einfachen 
suche  folgt  also  unwidersprechlich ,  dass  die  in  dem  feuchten  Leite 
Säule  auftretenden  chemischen  Erscheinutagen  nicht  die  Ursache  des  el 
sehen  Zustandes,  sondern  umgekehrt  eine  Folge  davon  sind  und  in  dt 
bestimmt  werden,  dass  sie  sogar  das  Umgekehrte  davon  werden  können 
sie  waren,  ehe  die  elektrischen  Ströme  ihren  Lauf  begannen. 


Fig.   148.     Nach  Berzelius. 


„Die  Gegner  der  Contacttheorie  haben  ganz  unzulässige  Erklän 
von  diesem  Experiment  versucht,  um  das  Resultat  desselben  mit  der 
nannten  chemischen  Theorie  der  Säule,  die  dadurch  vollkommen  wid 
wird,  scheinbar  in  Einklang  zu  bringen.  Es  giebt  noch  manche  ander« 
ganz  ebenso  entscheidende  Beweise  gegen  diese  Theorie,  deren  Anfül 
ich  hier  für  überflüssig  halte." 

Bei  der  Auseinandersetzung  der  Theorie  der  Elektrolyse  polemisirt 
zelius  beinahe  gegen  alle  Ansichten,  welche  Faradav  ausgesprochen  ha' 
erwähnt  den  Satz,  dass  ein  Elektrolyt  nur  leiten  kann,  indem  er  ze 
wird  und  bemerkt  dazu:  „Diese  Annahme  hat  insofern  einige  Wahrst 
lichkeit  für  sich,  als  es  zu  den  seltenen  Ausnahmen  gehört,  dass  ein  £ 
durch  einen  solchen  flüssigen  Körper  geht,  ohne  allmählich  seine  Bes 
theile  zu  trennen;  aber  solche  Ausnahmen  giebt  es,  und  sie  beweisen, 
wenn  auch  die  Trennung  der  Bestandtheile  eine  meistens  eintretende  Wii 
des  Durchganges  des  elektrischen  Stromes  ist,  sie  doch  nicht  die  Bedin 
dazu  ausmacht.  Es  ist  ausserdem  bekannt,  dass  der  Strom  der  Fric 
elektricität  mit  Leichtigkeit  durch  sie  hindurchgeht  ohne  Zeichen  der 
Setzung,  während  doch  die  Elektricität  in  beiden  dieselbe  ist,  wiewol 
letzterwähnte  nur  einen  äusserst  kurzen  Zeitmoment  dauert,  in  welcher 
Vis  inertiae  der  Materie  nicht  überwunden  werden  kann.  Wäre  der  . 
nommenc  Umstand  richtig,  so  würden  sich  diese  flüssigen  Körper  » 
stens  wie  Nichtleiter  für  den  momentanen  Strom  der  Frictionselekt 
verhalten. 

„Diese  Naturforscher  (es  ist  Faradav  gemeint)  nehmen  auch  an, 
wenn  ein  und  derselbe  hydroelektrische  Strom  nach  einander  durch  me 
einzelne  zusammengesetzte  flüssige  Körper  geht  und  sie  zersetzt,  die  re 
Anzahl   von   getrennten  Atomen  oder  Mischungsgewichten   bei   allen  \ 


Das  Gesetz  von  Faraday.  rgo 

t,  aus  welchen  verschiedenen  Grundstoffen  sie  auch  zusammengesetzt 
ein  mögen;  so  dass  nach  dieser  Annahme  derselbe  elektrische  Strom, 
reicher  ein  Atom  Silber  von  einem  Atom  Sauerstoff  scheidet,  auch  ein 
itom  Kalium  von  einem  Atom  Sauerstoff  trennt,  während  die  erste  Ver- 
ladung eine  der  losesten,  und  die  letztere  eine  der  festesten  ist,  die  wir 
ennen.  Als  faktischen  Beweis  dafür  fuhrt  Faraday  an,  dass  ein  und  der- 
elbe  hydroelektrische  Strom,  der  zuerst  durch  Wasser  und  dann  durch 
eschmolzenes  Chlorblei,  gegangen  ist,  aus  beiden  an* der  negativen  Seite 
Reiche  Mischungsgewichte  Blei  und  Wasserstoff  abgeschieden  habe.  Die 
fereinigungskraft  zwischen  Blei  und  Chlor  und  zwischen  Sauerstoff  und 
Vasserstoff  sind  der  Grösse  nach  nicht  bedeutend  von  einander  verschieden ; 
usserdem  sind%  die  Versuche  mit  zu  kleinen  Quantitäten  angestellt,  um  aus 
len  gefundenen  Quantitäten  ein  Resultat  ziehen  zu  können,  welches  sich 
Ugemein  uns  auf  alle  Verbindungen  anwenden  Hesse,  sie  mögen  auf  grosser 
der  kleiner  Vereinigungskraft  beruhen.  Es  ist  durchaus  zu  früh,  auch  nur 
-ermuthungsweise  die  Zuiässigkeit  dieses  Resultates  für  ein  allgemein  gelten- 
les  Naturgesetz  anzunehmen.  Gleichwohl  hat  man  schon  angefangen,  dies 
xl  thun,  und  hat  es  das  Gesetz  der  festen  elektrolytischen  Aktionen 
genannt.  Es  zeigt  sich  sogleich,  dass  dies  Gesetz  auf  dem  angenommenen 
Satz  beruht,  dass  ein  flüssiger  Körper  den  Strom  nicht  anders  als  durch 
Trennung  seiner  Bestandtheile  leiten  könne;  aber  wenn  dies,  wie  wir  sahen, 
licht  als  eine  Naturnotwendigkeit  angesehen  werden  kann,  und  wenn  ge- 
schmolzene Körper  in  dem  Maasse  ihres  grösseren  Leitungsvermögens,  und 
dem  ungleichen  Grade  von  Vereinigungskraft,  der  ihre  Bestandtheile  zu- 
sammenhält, einem  grösseren  oder  kleineren  Theil  des  Stromes  den  Durch- 
gang gestatten,  ohne  dass  dieser  Theil  Zersetzung  bewirkt,  so  finde^ keine 
Vergleichung  statt  zwischen  der  Quantität  dessen,  was  in  ungleichen  Körpern 
getrennt  wird,  und  der  Grösse  des  Stromes.  Das  Gesetz  der  fixen  elektro- 
lytischen Aktion  erfordert  ausserdem  eine  Menge  von  Annahmen,  welche  die 
Wahrscheinlichkeit  gegen  sich  haben,  wie  z.  B.  dass  keine  anderen  Verbin- 
dungen als  die  erster  Ordnung  von  dem  elektrischen  Strome  getrennt  werden 
können,  und  dass,  wenn  die  Versuche  zeigen,  dass  auch  andere  zerlegt 
»erden,  dies  seeundär  ist  in  Folge  des  Vereinigungsstrebens  des  Wasser- 
stoffs an  der  negativen  und  des  Sauerstoffs  an  der  positiven  Seite,  indem 
tfese  hier,  so  wie  sie  aus  dem  Wasser  frei  werden,  neue  Verbindungen  ein- 
Wien; —  Schlüsse,  die  nur  einer  kleinen  Anwendung  von  Logik  bedürfen, 
^  verworfen  zu  werden." 

So  ungerecht  im  Ganzen  diese  Kritik  ist,  so  hat  doch  Berzelius  mit 
Hnem  <lurch  die  Gegnerschaft  gesteigerten  Scharfblick  die  schwachen  Punkte 
*  dem  von  Faraday  eingenommenen  Standpunkte  ganz  sachgemäss  bezeich- 
tf,  und  weder  die  „metallische"  Leitung  der  Elektrolyte,  noch  der  Satz, 
iss  nur  Verbindungen,  die  aus  gleichen  Atomen  zusammengesetzt  sind,  der 
ektrolyse  unterliegen,  hat  sich  halten  können.  Dagegen  ist  der  aus  der 
rrschiedenheit  der  Verwandtschaften  hergenommene  Einwand  unhaltbar,  da 

0«twa)d,   Elektrochemie.  $$ 


CQA  Dreizehntes  Kapitel. 


die  Arbeit  des  Stromes  nicht  in  der  durchgeleiteten  Elektricitätsmenge,  son< 
in  der  Polarisation,  welche  sich  der  Ausscheidung  der  Zersetzungsprod 
an  den  Elektroden  widersetzt,  zum  Ausdruck  kommt.  Um  die  Zeit,  wo 
geschrieben  wurde,  waren  eben  die  richtigen  Gesichtspunkte  im  Wei 
begriffen,  und  der  Einwand  konnte  bald  beantwortet  werden,  wenn  es  < 
noch  geraume  Zeit  dauerte,  bis  der  Irrthum  völlig  ausgerottet  war. 

Der  andere  Angriff,  welchen  Faraday  zu  bestehen  hatte,  war  einer 
das  Eigenthum.  Im"  Januar  1835  veröffentlichte  C.  Matteucci1  eine 
Oktober  1834  datirte  Abhandlung,  welche  im  wesentlichen  das  Faraday*: 
Gesetz,  allerdings  in  einer  weit  weniger  klaren  Weise  brachte,  ohne  das 
der  Arbeiten  von  Faraday  Erwähnung  that,  welche  mehr  als  ein  Jahr  vo 
veröffentlicht  worden  waren.  Matteucci's  Versuche  bestanden  darin,  das 
Ketten  aus  verschiedenen  Metallen  bildete,  und  diese  durch  eine  Silberlös 
zwischen  Platinplatten  schloss.  Aus  seinen  Messungen  zog  er  den  folgen 
Schluss:  „Eine  gegebene  Menge  eines  beliebigen  Metalles,  in  einer  beliebi 
Säure  schneller  oder  langsamer,  je  nach  der  Concentration  einer  Säure, 
Temperatur  des  Lösungsmittels  u.  s.  w.  aufgelöst,  entwickelt  immer  < 
gleiche  Menge  elektrochemischer  Kraft,  während  die  galvanometrische  Wirk 
sehr  veränderlich  ist/' 

Die  Versuche  wurden  dergestalt  ausgeführt,  dass  kleine  Säulen,  gewc 
lieh  aus  vier  Paaren  Zink  mit  Platin,  Kupfer  oder  Gold  gebildet  wun 
deren  Strom  so  lange  durch  die  Silberlösung  geleitet  wurde,  bis  das  Z 
das  immer  in  gleicher  Menge  angewendet  wurde,  völlig  aufgelöst  war. 
hält  schwer,  zu  glauben,  dass  solche  Versuche  wirklich  das  angegeb 
Resultat  gegeben  haben.  Denn  auf  die  vom  Strome  unabhängige  Wirk 
der  Säuren  auf  das  gewöhnliche  Zink,  welches  je  nach  den  Umständen  ei 
ganz  verschiedenen  Bruchtheil  der  Gesammtmenge  ausmachen  kann,  ist  n 
die  mindeste  Rücksicht  genommen,  auch  erwähnt  Matteucci  nicht,  das 
etwa  amalgamirtes  Zink  angewendet  hätte. 

Als  zweites  Ergebniss  seiner  Versuche  theilt  er  den  Satz  mit:  „L 
man  durch  verschiedene  Metallsalzlösungen  den  durch  eine  gewisse  tleV 
chemische  Wirkung  entwickelten  Strom  gehen,  so  sind  die  in  diesen 
schiedenen  Lösungen  reducirten  und  ausgeschiedenen  Metalle  verschie 
und  welches  auch  ihre  relativen  Dichten  seien,  so  verhalten  sie  sich  imi 
wie  die  chemischen  Äquivalente  derselben  Metalle."  (Die  ungenaue  1 
drucksweise  ist  nicht  Schuld  der  Übersetzung,  sondern  dem  Original  n 
gebildet.)  Der  Nachweis  dieser  Beziehung  erfolgte,  indem  hinter  eina 
geschaltete  Lösungen  von  Silber-  und  Kupfersalzen  gleichzeitig  zersetzt  wur 
nach  einem  einwurfsfreien  Verfahren. 

Ein  dritter  Satz,   welchen  Matteucci  ausspricht,   lautet:    „Ordnet 
verschiedene  Metalle  so  zu  Säulen  an,  dass  sich  ihre  zersetzten  Mengen 
halten,  wie  ihre  chemischen  Äquivalente,  so  erhält  man  eine  gleiche  elel 
* 

1  Ann.  chim.  phys.  58,  75,  1835. 


Das  Gesetz  von  Faraday.  cqc 


chemische  Wirkung/'  Der  Nachweis  dieser  Beziehung  wird  auf  eine  sehr 
seltsame  Weise  erbracht  „Ich  habe  dazu  sehr  kleine  Platten  von  Blei  und 
Kupfer  mit  solchen  von  Platin  verbunden;  die  letzteren  waren  an  Gewicht 
gleich,  die  anderen  im  Verhältniss  ihrer  Äquivalente.  Nachdem  die  kleinen 
Säulen  so  angeordnet  waren,  konnte  ich  die  Platten  von  Kupfer  und  Blei 
mit  Hülfe  von  Salpetersäure  auflösen.  Die  abgeschiedene  Silbermenge  (in 
einem  Silber- Voltameter)  war  in  beiden  Fällen  gleich."  Hier  hat  Matteucci 
das  Gesetz,  welches  er  entdeckt  zu  haben  behauptet,  nicht  einmal  verstanden, 
denn  Faraday  selbst  hatte  schon  deutlich  genug  auseinandergesetzt,  dass  die 
unmittelbare  Lösungsreaktion  der  Reagentien  auf  die  Metalle  überhaupt  nichts 
rar  Entstehung  des  Stromes  beiträgt. 

Gegen  diesen  Versuch  der  Aneignung  erhob  sich  mit  grosser  Energie 
Poggendorff  in  einer  Anmerkung,  mit  der  er  die  Übersetzung  der  achten 
Reihe  von  Faraday^s  Untersuchungen  begleitete. *  Nachdem  er  die  Prioritäts- 
firage  erledigt  hat,  fährt  er  fort:  „Wem  von  beiden  also  hier  die  Ehre  der 
Priorität  gebühre,  liegt  klar  am  Tage.  Möglich,  wenngleich  nicht  sehr  wahr- 
scheinlich, dass  die  Arbeiten  des  Auslandes  so  spät  zur  Kenntniss  der  Floren- 
tiner Physiker  gelangen  (man  erinnere  sich  nur,  wie  schnell  ihnen  die  Kunde 
von  der  Magnet-Elektricität  zugekommen  ist);  —  wie  aber  in  Paris  die  Ent- 
deckung Faräday's  so  unbekannt  sein  (oder  ignorirt  werden)  kann,  dass 
daselbst  der  Aufsatz  Matteucci's  ein  Jahr  hernach  ins  Publikum  gebracht 
wird,  ist  in  der  That  unbegreiflich.  Der  Wissenschaft  freilich  gilt  es  gleich, 
durch  wen  sie  erweitert  wird  (wiewohl  keiner  diesen  Satz  anerkennt,  wenn 
er  selbst  dabei  betheiligt  ist);  —  aber  eine  so  wichtige  Entdeckung,  wie  die 
letzte  des  Herrn  Faraday,  unstreitig  der  einzige  wahre  Fortschritt  in  der 
Kenntniss  der  chemischen  Wirksamkeit  der  Elektricität  seit  dem  Jahre  1800, 
dem  Jahre  der  Entdeckung  der  Wasserzersetzung  durch  die  Säule,  —  eine 
solche  Entdeckung  fordert  doch  wohl  zu  einigem  Dank  gegen  ihren  Urheber 
auf,  und  die  öffentliche  Anerkennung  seiner  wohlbegründeten  Prioritätsrechte 
ist  sicher  der  geringste  Dank,  den  man  ihm  bringen  kann." 

Diese  Episode  hat  indessen  nicht  gehindert,  dass  zwischen  Faraday  und 
Matteucci  sich  später  freundschaftliche  Beziehungen  entwickelt  haben,  welche 
sowohl  in  persönlichem  wie  brieflichem  Verkehr  zum  Ausdruck  kamen. 

1  Poog.  Ann.  35,  260.  1835. 


38* 


Fig.   149.     Christian  Friedrich  SchOnbein. 


Vierzehntes  Kapitel. 

Die  Entwicklung  der  Elektrochemie  bis  zur 
Entdeckung  des  Energieprinzipes. 


1.  Einleitung.  Durch  die  Entdeckung  des  ersten  quantitativen  ' 
setzes  in  der  Elektrochemie  durch  Faraday  war  dieser  Wissenschaft  ( 
neue  Bahn  eröffnet  worden,  indem  sie  aus  dem  Kindheitsstadium,  das  du 
das  blosse  Kennenlernen  der  Erscheinungen  in  qualitativem  Sinne  geke 
zeichnet  ist,  in  das  reifere  Entwickelungsalter  übertrat,  in  welchem  die  Fi 
des  zahlen  massigen  Zusammenhanges  mit  dem  Ganzen  der  natürlichen 
scheinungen  gestellt  und  beantwortet  werden  kann.  Allerdings  erwies 
das  FARADAv'sche  Gesetz  nach  dieser  Richtung  zunächst  noch  wenig  fru 
bar,  wohl  weil  der  Übergang  desselben  in  das  Bewusstsein  der  Fora 
noch   eine   längere  Zeit   beanspruchte.     Ferner  aber  war  jene  Zeit  eine 


Die  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.        507 


Vorbereitung  auf  die  grosse  Frage  nach  den  allgemeinen  Gesetzen  jenes 
Zusammenhanges  überhaupt,  und  die  Beantwortung  derselben,  wie  sie  in 
dem  Gesetz  von  der  proportionalen  Umwandlungsfähigkeit  und  der  Erhaltung 
der  Energie  gefunden  wurde,  war  eine  nothwendige  Voraussetzung  für  die 
Entwickelung  der  entsprechenden  Seite  der  Elektrochemie.  So  sehen  wir  in 
der  nun  zu  schildernden  Zeit  die  verschiedensten  Wege  alle  auf  diesen  einen 
Punkt,  den  Zusammenhang  der  Naturkräfte,  oder  vielmehr  der  Energieformen 
unter  einander  zusammenlaufen,  und  die  spezielle  Geschichte  der  Elektro- 
chemie zeigt  besonders  deutlich  das  ungeheure  Maass  von  Klärung  und  För- 
derung, welches  durch  die  Beantwortung  dieser  Frage  gewonnen  wurde. 

Im  Übrigen  ist  diese  Zeit  durch  eine  Reihe  kleinerer  Fortschritte  aus- 
gefüllt, die,  im  Einzelnen  vielleicht  von  geringerer  Bedeutung,  durch  ihren 
Zusammenhang  mit  den  allgemeinen  Fragen  wesentlich  zur  Entwickelung  des 
Ganzen  beitragen.  Unser  Gebiet  ist  noch  immer  ein  vorwiegend  experimen- 
telles, und  wie  schon  früher  haben  wir  beständig  Thatsachen  zu  registriren, 
welche  sicher  beobachtet  und  festgestellt  sind,  aber  mit  den  vorhandenen 
Ansichten  über  das  Wesen  und  den  Zusammenhang  der  elektrochemischen 
Erscheinungen  sich  nur  schwierig  oder  gar  nicht  in  Zusammenhang  bringen 
lassen.  Deshalb  liegen  auch  hier  zahlreiche  Anfänge  von  Gedankenreihen 
und  thatsächlichen  Beziehungen  vor,  mit  denen  ihre  Zeit  und  ihre  Entdecker 
nichts  anzufangen  wussten,  als  sie  auf  der  grossen  Credit-Seite  des  wissen- 
schaftlichen Contobuches  einzutragen,  und  ihre  Begleichung  einer  ausgiebigeren 
Zukunft  zu  überlassen. 

Aus  diesem  Grunde  wird  es  hier  mehr  noch  als  früher  nöthig  sein,  die 
-inzelnen  Fäden  unserer  Geschichte  neben  einander  zu  verfolgen,  ohne  dass 
'uf  ihren  Zusammenhang,  der  sich  erst  viel  später  geltend  macht,  einge- 
;angen  werden  kann.  Dadurch,  dass  diese  einzelnen  Gedankenreihen  bis 
u  ihrem  jetzigen  Ergebniss  einzeln  dargestellt  würden,  könnte  man  sich  von 
er  Noth wendigkeit  einer  derartigen  Behandlung  allerdings  einigermaassen 
ei  machen.  Der  dadurch  zu  gewinnende  Vortheil,  dass  man  das  eng  Zu- 
ammengehörige  in  der  That  bei  einander  hat,  würde  aber  durch  den  Nach- 
heil erkauft  werden,  dass  das  Bild  von  der  jeweiligen  GesammtaufTassung 
ies  Gebietes  in  einer  bestimmten  Zeit  verloren  ginge,  und  dass  dadurch  gerade 
die  lehrreichste  Erscheinung  unserer  Geschichte,  die  gegenseitige  Befruchtung 
der  auf  verschiedenen  Stellen  gewonnenen  Fortschritte,  nicht  zur  Anschauung 
gelangen  könnte. 

2.  Becquerel's  Sauerstoffkette.  Es  ist  schon  an  früherer  Stelle 
(S.  438)  angegeben  worden,  dass  Becquerel  ganz  am  Anfange  seiner  elektro- 
chemischen Arbeiten  eine  Kette  entdeckt  hat,  welche  die  Entstehung  elek- 
trischer Ströme  durch  chemische  Vorgänge  besonders  deutlich  zu  machen 
schien:  die  Säure -Alkali -Kette.  Als  dann  später  der  Kampf  der  beiden 
rheorieen  entstanden  war,  ist  diese  Kette  der  Gegenstand  vielfacher  Er- 
örterungen geworden.  Insbesondere  die  erst  später  von  Becquerel  an 
-einer  Kette    beobachtete   Erscheinung,    dass   sich   an   der  in  der  Kalilauge 


::-.-   -J»       _ 


egg  Vierzehntes  Kapitel. 

stehenden  Platinplatte  Sauerstoff  entwickelt,  wenn  man  die  andere  Platte  ia  ' 
concentrirter  Salpetersäure   stehen   hat,   erregte   besonderes  Aufsehen,  und 
wurde  viel  discutirt.    Die  Herstellung  und  das  Verhalten  beschreibt  Becquerel 
folgendermaassen : l 

„Man  nehme  ein  Glasrohr  von  5 — 6  mm  Weite,  verschliesse  es  durch 
feinen  Thon,  der  mit  einer  concentrirten  Lösung  von  Ätzkali  oder  Atznatron 
angefeuchtet  ist,  und  fülle  nun  den  übrigen  Theil  der  Röhre  gleichfalls  mit 
dieser  Flüssigkeit  an.  Dann  stelle  man  die  Röhre  in  eine  Flasche  mit  con- 
centrirter Salpetersäure,  und  setze  Säure  und  Alkali  in  Verbindung  mittels 
zweier  Platinstreifen,  die  durch  einen  Platindraht  vereinigt  sind.  Sogleich 
findet  an  der  in  Alkalilauge  stehenden  Platte  eine  ziemlich  starke  Gasent- 
wickelung statt,  während  sich  an  der  anderen  keine  zeigt.  Das  aufsteigende 
Gas  ist  reiner  Sauerstoff.  Der  Strom,  welcher  diese  Zersetzung  bewirkt, 
rührt  von  der  Wirkung  der  Säure  auf  das  Alkali  her,  und  in  Folge  dessen 
nimmt  die  erste  positive,  und  das  letztere  negative  Elektricität  an." 

Becquerel  stellt  nun  weiter  fest,  dass  an  der  anderen  Platte  zwar  kein 
Wasserstoff  erscheint,  wohl  aber  die  Salpetersäure  reducirt  wird.  Ferner 
erhält  man  ähnliche  Wirkungen,  wenn  man  an  Stelle  des  Alkalis  ein  Neu- 
tralsalz nimmt.  „Man  sieht  also,  dass  in  diesem  ausserordentlich  einfachen 
Apparat  alle  Körper  zersetzt  oder  angegriffen  werden,  wie  wenn  sie  der 
Wirkung  einer  gewissen  Zahl  von  Plattenpaaren  unterworfen  wären.  .  . . 
Nichts  widersteht  also  der  Wirkung  dieses  elektrochemischen  Apparates, 
welcher,  wenn  er  zweckmässig  eingerichtet  wird,  den  grossen  Vorzug  hat, 
dass  er  mehrere  Tage  in  Wirkung  bleibt,  ohne  dass  die  Intensität  des  Stro- 
mes ...  in  einer  auch  für  die  empfindlichsten  Instrumente  wahrnehmbaren 
Weise  modificirt  würde." 

Der  Strom  dieser  Kette  sollte  nach  Becquerel  eine  ganz  besondere 
Eigenschaft  besitzen,  nämlich  zwar  chemische  Zersetzungen  hervorzubringen, 
aber  keine  Wärme.2  An  der  Platinplatte,  welche  in  die  Alkalilösung  taucht, 
entwickelt  sich  Sauerstoff,  und  die  Geschwindigkeit  dieser  Entwickelung  : 
(10  cem  in  24  Stunden!)  wird  durch  die  Einschaltung  eines  dünnen  Platin- 
drahtes  von  ^so  mm  Durchmesser  nicht  merklich  gehemmt,  auch  zeigt  der 
Draht  keine  merkliche  Erwärmung. 

Die  Erklärung  seiner  Beobachtung  hätte  sich  Becquerel  aus  dem  Ohm'*  ', 
sehen  Gesetze  selber  geben  können.     In  der  Säure-Alkali-Zelle  befand  sich  j 
ein  sehr  grosser  Widerstand,    indem    die  beiden   Flüssigkeiten   durch  einen  , 
befeuchteten  Thonpfropf  getrennt  waren;   dementsprechend  war  die  Strom- 
stärke sehr  gering,  und  der  Widerstand  des  dünnen  Platindrahtes  war  nur 
ein  kleiner  Bruchtheil  von  dem  des  Apparates.    Somit  konnte  auch  in  diesem 
keine  merkliche  Erwärmung  stattfinden.    Diese  Eigenschaft  hätte  aber  ebenso 
jeder  andere  Strom  unter  gleichen  Umständen  gezeigt. 

1  Bibl.  univers.  00,   215.  —  Pogg.  Ann.  37,  429.   1836. 

■  Bibl.  univers.  59,  218.   1836.  —  Pogg.  Ann.  37,  433.  1836. 


Die  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.        cqq 

3.  Discussionen.  An  die  Mittheilung  von  Becquerel  über  seinen 
ipparat,  den  er  später  die  Sauerstoffkette  (pile  ä  oxyg£ne)  nannte,  knüpften 
ich  alsbald  weitere  Erörterungen.  F.  Mohr  (der  Erfinder  der  Quetschhahn- 
ürette)  glaubte1  nachweisen  zu  können,  dass  sich  überhaupt  kein  Sauerstoff 
1  der  Kette  entwickele,  sondern  dass  sich  Becquerel  durch  das  Auftreten 
on  Stickoxyd  habe  täuschen  lassen.  Dies  wurde  von  Jacobi  in  Dorpat2 
urechtgestellt,  der  auch  gleichzeitig  der  OHM'schen  Theorie  gemäss  die  Auf- 
lärung  dafür  gab,  dass  die  Kette  mit  ihrem  sehr  grossen  inneren  Wider- 
tande  scheinbar  keine  Wärme  in  einem  dünnen  Drahte  entwickelte. 

Jacobi  erörtert  des  weiteren  den  Widerspruch  zwischen  der  von  Davy 
i  352)  beobachteten  Unwirksamkeit  der  Säure- Alkalikette  und  der  Wirk- 
amkeit  der  BECQUEREi/schen,  und  findet  die  mögliche  Lösung  darin,  dass 
tsterer  den  schwachen  Strom  dieser  Kette  nicht  habe  beobachten  können. 
Tatsächlich  liegt,  wie  hier  gleich  vorausnehmend  bemerkt  sein  mag,  kein 
Widerspruch  vor,  denn  das  Wesentliche  der  BECQUEREi/schen  Kette  liegt  in 
er  oxydirenden  Wirkung  der  benutzten  concentrirten  Salpetersäure.  Ver- 
iinnte  Salz-  oder  Schwefelsäure,  wie  Davy  sie  anwandte,  können  eine 
ilche  Wirkung  nicht  ausüben,  und  daher  entsteht  bei  ihrer  Anwendung  nur 
q  kurzer  Stromstoss,  aber  kein  dauernder  Strom. 

Die  Notwendigkeit  der  Salpetersäure  wurde  von  Mohr8  bei  Gelegenheit 
1er  Vertheidigung  gegen  die  Angriffe,  welche  sein  erster,  fehlerhafter  Auf- 
tz  über  die  BECQUEREi/sche  Kette  veranlasst  hatte,  erkannt,  ohne  dass  er 
rilich  die  Ursache  dieser  Notwendigkeit  aufzeigen  konnte. 

Auch  Dulk4  bestätigte  auf  Grund  von  gemeinsam  mit  Moser  angestellten 
ersuchen,  dass  die  BECQUEREL'sche  Kette  die  Eigenschaft  hat,  Sauerstoff  zu 
twickeln,  was  Mohr  auch  in  seiner  zweiten  Mittheilung  in  Abrede  gestellt 
tte.  Ferner  konnte,  da  die  Kette  in  grösserem  Maassstabe  ausgeführt 
>rden  war,  die  Wärmeentwickelung  in  einem  dünnen  Draht  leicht  nach- 
wiesen werden. 

Ähnliche  Ströme,  wie  mit  dieser  Kette,  wurden  erhalten,  als  geschmoi- 
ne  Phosphorsäure  mit  Bleioxyd  oder  Kali  unter  Einschaltung  von  Platin- 
iktroden  zur  Berührung  gebracht  wurden.  „Als  unabweisliche  Thatsache 
?llt  sich  aus  allen  diesen  .  .  .  Versuchen  heraus,  dass  bei  jeder  chemischen 
erbindung,  bei  jedem  chemischen  Process  Elektricität  frei  wird,  ohne  dass 
e  gleichzeitige  Zersetzung  eines  zusammengesetzten  Körpers,  wie  des  Was- 
rs,  nöthig,  oder  der  Eintritt  des  chemischen  Processes  an  eine  gewisse  Be- 
haffenheit  der  zusammengesetzten  Körper,  dass  sie  nämlich  aus  1  und  1 
stehen  müssten,  gebunden  wäre;  immer  und  überall  wird  Elektricität  frei,  wo 
:h  zwei  Körper  mit  einander  chemisch  verbinden,  gleichviel,  ob  sie  einfach 
er  zusammengesetzt,  ob  sie  durch  Wasser  oder  durch  Wärme  in  den  flüssigen 
stand  versetzt  werden,  wenn  sie  sich  nur  in  recht  vielen  Punkten  berühren." 


1   Pogg.  Ann.  39,   12g.   1836.  a  Pogg.  Ann.  40,  67.   1837. 

3  Pogg.  Ann.  42,  76.  1837.  *  Pogg.  Ann.  42,  91.  1837. 


500  Vierzehntes  Kapitel. 


Zu  der  so  weitgehenden  Verallgemeinerung  sind  Dulk  und  Moser  ins- 
besondere durch  den  Umstand  gebracht  worden,  dass  auch  bei  der  Ver- 
einigung von  Nichtelektrolyten,  nämlich  von  Blei,  Zink  und  Zinn  mit  Queck- 
silber, „zwar  nicht  bedeutende,  aber  doch  entschiedene  Ablenkungen  der 
Nadel"  beobachtet  wurden.  Diese  letztere  Behauptung  hat  später  zu  Er- 
örterungen Anlass  gegeben,  bei  denen  es  sich  herausstellte,  dass  die  beob- 
achteten Ströme  Thermoströme  waren,  welche  durch  die  bei  der  Amalgam- 
bildung auftretende  Temperaturveränderung  veranlasst  waren. 

Von  anderer  Seite  versuchte  Grove1  der  BBCQUEREi/schen  Kette  beizu- 
kommen.  Wenn  man  in  derselben  die  Salpetersäure  durch  verdünnte  Schwefel- 
säure ersetzt,  so  wird  der  Strom  äusserst  schwach,  und  Grove  vermuthete, 
dass  die  Ursache  davon  die  sei,  dass  mit  dem  Strom  eine  Wasserzersetzung 
an  den  Platinelektroden  nöthig  ist,  welche  hervorzubringen  der  durch  die 
Wechselwirkung  von  Säure  und  Alkali  entstehende  Strom  zu  schwach  sei 
Da  nun  die  Wasserzersetzung  viel  leichter  mit  unedlen  Metallen  vor  sich 
geht,  so  versuchte  er,  die  Platinplatten  der  BECQUEREi/schen  Kette  folgeweise 
durch  Eisen,  Kupfer  und  Zink  zu  ersetzen,  und  erhielt  seiner  Erwartung 
gemäss  auch  viel  stärkere  Ströme.     Mit  Zink  wurden  die  stärksten  erhalten* 

„Aber  die  bemerkenswertheste  Thatsache  ist  die,  dass  die  in  der  Saure 
befindliche  Zinkplatte,  obwohl  sie  viel  mehr  chemisch  angegriffen  wird,  stet» 
die  positive  Elektricität  annahm,  d.  h.  dass  sie  das  Kupfer  der  gewöhnliche« 
VoLTA'schen  Kette  darstellte." 

Grove  hat  nicht  unternommen,  diesen  Widerspruch  gegen  die  chemische 
Theorie  jener  Zeit  aufzuklären,  obwohl  er  ihr  Anhänger  war.  Wenn  er  dm 
Versuch  quantitativ  mit  den  Mitteln  seiner  Zeit  durchgeführt  hätte,  so  hatte 
er  sich  überzeugen  können,  dass  in  diesem  Falle  auch  das  Zink  im  Alkali 
das  einzige  angegriffene  Metall  ist,  und  das  in  der  Säure,  welches  er  durch 
Amalgamiren  gegen  zufällige  Reaktionen  hätte  schützen  können,  überhaupl 
keinen  Gewichtsverlust  erleidet.  Er  hätte  so  eine  Bestätigung  des  Satzes 
gefunden,  dass  stets  das  angegriffene  Metali  den  negativen  Pol  bildet 

Pfaff  versäumte  nicht,  sich  gleichfalls  über  die  Kette  zu  äussern,2  (b 
sie  der  Contacttheorie  zu  widersprechen  schien.  Nachdem  er  das  Irrthüm- 
liehe  der  Behauptungen  Mohr's  (S.  599)  aufgezeigt,  und  seine  Meinung  dahif 
ausgesprochen  hatte,  dass  sich  die  neue  Kette  bezüglich  ihres  Stromes  k 
nichts  von  anderen  schwach  wirkenden  unterscheide,  fahrt  er  fort:  „Dtf 
Erfolg  bei  allen  diesen  Versuchen  erklärt  sich,  ohne  seine  Zuflucht  zur  Mit- 
wirkung einer  chemischen  Aktion  nehmen  zu  müssen,  sehr  befriedigend  nad 
der  Contacttheorie,  wenn  man  berücksichtigt,  dass  die  Metalle  mit  den  Laugel 
viel  stärker  elektronegativ  bei  der  blossen  Berührung  werden,  als  mit  dci 
Säuren,  worüber  meine  eben  erschienene  „Revision  der  Lehre  vom  Galvano 
Voltaismus"  die  weiteren  Belege  enthält." 

Durch    diese   Wendung,    deren   Erfindung    auf  Marianini   und   Fechsej 

1  Comptes  rendus  8,  802.   1839.  *  Pou<;.  Ann.  40,  443.   1837. 


Die  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       6oi 


(S.  460)  zurückgeht,  war  freilich  die  Contacttheorie  wieder  gerettet;  ob  aber 
<fe  Wissenschaft  dadurch  eine  Förderung  erfahren  hatte,  darf  billig  bezweifelt 
werden,  und  wurde  auch  von  den  Zeitgenossen  bezweifelt 

Wie  man  sieht,  haben  die  vorstehend  berichteten  Arbeiten  zwar  eine 
ganze  Reihe  einzelner  Thatsachen  zu  Tage  gefördert,  dagegen  aber  keinen 
Weg  gezeigt,  um  diese  zusammenzufassen  und  im  Zusammenhange  zu  ver- 
stehen. Auch  in  der  Folgezeit  ist  die  BECQUEREi/sche  Kette  noch  lange  ohne 
Erklärung  geblieben,  und  die  Ursache  ihrer  ziemlich  erheblichen  elektro- 
motorischen Kraft,  welche  mehr  als  die  Hälfte  von  der  eines  ÜANiELi/schen 
Elementes  beträgt,  ist  erst  in  neuester  Zeit  aufgeklärt  worden. 

4.  Constante  Ketten.  Schon  oben  wurde  die  Eigenschaft  der 
ÜBCQUEREi/schen  Kette,  auch  bei  ziemlich  langdauernden  Stromschlusse  einen 
recht  constanten  Strom  zu  geben  (S.  598),  erwähnt.  Becquerel  legte  darauf 
ein  grosses  Gewicht,  und  in  einer  Abhandlung  über  eine  constante  Kette1 
beschreibt  er  dieselbe  Kette  in  etwas  abgeänderter  Form.  Über  die  Theorie 
derselben  ist  er  ein  wenig  klarer,  als  früher,  jedoch  schreibt  er  immer  noch 
<bs  Wesentliche  der  Elektricitätsentwickelung  der  Wirkung  der  Säure  auf 
<bs  Alkali  zu. 

Das  Problem  der  constanten  Kette  war  ein  hochwichtiges  für  den  ge- 

ttnmten  Galvanismus.     Es  ist  bereits  berichtet  worden,  wie  Ohm  durch  die 

Veränderlichkeit  der  gewöhnlichen  Ketten  zuerst  über  die  Gesetze  der  Strom- 

Wdung  in  die  Irre  geführt  worden  war,  und  welche  Schwierigkeiten  Fechner 

xu  überwinden  hatte,  um  mit  diesen  unvollkommenen  Hülfsmitteln  Messungen 

ion  einiger  Zuverlässigkeit  zu   erlangen.     Neben  diesen   praktischen  Fragen 

kamen  aber  noch  andere  von   unmittelbarster  wissenschaftlicher  Bedeutung 

:  in  Betracht.    So  lange  die  Ketten  von  veränderlicher  elektromotorischer  Kraft 

I   waren,  enthielten  sie  noch  ein  bestimmendes  Element  von  unbekanntem  und 

j  daher  unbeherrschtem  Betrage;    dass  ein  solches  Objekt  nicht  geeignet  ist, 

wn  darüber  eine  zuverlässige  Theorie  zu  machen,  ist  einleuchtend,  und  so 

.   bnge  es  nicht  gelang,  die  Ursache  dieser  Unregelmässigkeiten  aufzufinden 

;   und  zu  beseitigen,  war  auch  die  Hoffnung  vergeblich,  eine  solche  Theorie 

■   ausfindig   zu    machen.      Denn    quantitative    Beziehungen    sind    nur   möglich 

:  «tischen  Dingen,  welche  ihrerseits  quantitativ  bestimmt  sind,  und  die  Volta'- 

[  sehe  Kette  war  das  in  ihrer  bisherigen  Gestalt  sicher  nicht.    Als  dann  später 

L  &  Theorie  der  VoLTA'schen  Kette  sich  wirklich  entwickelte,  waren  es  in  der 

That  die  constanten  Ketten,   weiche   die  ersten   Ergebnisse   in   dieser  Rich- 

r  tung  gaben. 

Die  erste  Kette,  welche  den  Namen  einer  constanten  Kette  im  heutigen 
Sinne  verdient,  ist  von  Daniell2  construirt  worden.  Daniell  hat  sich  als 
oner  der  begabtesten  und  erfolgreichsten  Nachfolger  Fakaday's  auf  dem 
elektrochemischen  Gebiete  erwiesen,    und   neben   der  Erfindung  seiner  con- 

1  Ann.  chim.  phys.  66,  84.   1837. 

1  Phil.  Trans.   1836,   107.  —  Poüg.  Ann.  42.  2(13.   1837. 


Ö02  Vierzehntes  Kapitel. 


stanten  Kette  verdanken  wir  ihm  noch  weitere  erhebliche  Förderungen  der 
Wissenschaft,  auf  welche  bald  einzugehen  sein  wird. 

John  Frederic  Daniell1  war  am  12.  März  1790  in  London  geborea, 
hatte  nach  einem  guten  Unterricht  zunächst  eine  technische  Laufbahn  ii 
einer  Zuckerraffinerie  eingeschlagen,  wo  er  bereits  durch  die  Einfithrun| 
erheblicher  Verbesserungen  im  Betriebe  seine  Begabung  verrieth,  doch  vcf 
Hess  er  bald  diese  Beschäftigung,  um  sich  der  Wissenschaft  zu  widmen.  In 
Jahre  181 3  wurde  er  bereits  zum  Mitgliede  der  Royal  Society  erwählt;  sein 
Beschäftigungen  waren  damals  wesentlich  meteorologischen  Untersuchunga 
gewidmet,  in  welchem  Gebiete  er  bahnbrechendes  geleistet  hat;  noch  gegen 
wärtig  ist  das  von  ihm  erfundene  und  nach  ihm  benannte  Hygrometer  eb 
Zeugniss  dieser  Thätigkeit.  Daneben  beschäftigten  ihn  sehr  verschieden 
artige  andere  Arbeiten,  wie  die  Gasgewinnung  aus  Harz,  die  Messun( 
hoher  Temperaturen,  die  Erscheinungen  der  Krystallisation  u.  s.  w.  Sei« 
elektrochemischen  Arbeiten,  welche  für  uns  von  besonderem  Interesse  stn4 
begann  er  im  Jahre  1836  mit  der  Erfindung  der  constanten  Säule,  welch 
gleichfalls  seinen  Namen  noch  heute  uns  in  Erinnerung  bringt;  hierfiii 
wurde  er  durch  die  Verleihung  der  CoPLEY-Medaille  ausgezeichnet.  Weiten 
wichtige  Arbeiten,  insbesondere  über  das  FARADAY^sche  Gesetz  folgten;  untn 
ihnen  ist  besonders  die  Untersuchung  über  die  Elektrolyse  zusammengoß 
setzter  Verbindungen  hervorzuheben,  welche  ihn  zu  der  Verbesserung  dd 
von  Faraday  begangenen  Fehlers  bezüglich  der  Natur  der  Ionen  führt» 
er  erkannte,  dass  die  Säuren  und  Basen  keine  Ionen  sind,  sondern  nur  dk 
Metalle  oder  metallähnlichen  Compiexe  einerseits,  und  die  Halogene,  sowk 
die  diesen  entsprechenden  Atomgruppen  der  zusammengesetzten  Säure* 
andererseits. 

Am  13.  März  1845  hatte  Daniell,  der  seit  1831  Professor  der  Chemk 
am  Kings  College  in  London  war,  seine  Vorlesung  gehalten,  und  war  ifl 
bester  Gesundheit  zu  einer  Sitzung  der  Royal  Society  gegangen,  als  er  plöts 
lieh  von  einem  Schlaganfalle  ergriffen  und  trotz  schleuniger  Hülfe  in  wenige* 
Minuten  dahingerafft  wurde. 

Die  erste  Arbeit  Daniell's,  mit  der  wir  uns  hier  zu  beschäftigen  haben,  ä 
zunächst  mehr  dem  Lehr-,  als  dem  Forschungszwecke  gewidmet;  sie  enthäl 
die  Beschreibung  einer  besonders  eingerichteten  Kette,  mittelst  deren  nun 
das  FARADAY'sche  Gesetz  anschaulich  demonstriren  kann.2 

In  dem  zweiten  Theile  dieser  Arbeit  wird  dagegen  der  Apparat  bc 
schrieben,  welcher  bis  auf  den  heutigen  Tag  seine  Bedeutung  behalten  hart 
die  constante  Batterie,  welche  den  Namen  der  ÖANiELL'schen  trägt. 

„Fig.  1 50  stellt  eine  der  zehn  Zellen  dieser  Batterie  im  Durchschnitt  d* 
ab  cd  ist  ein  Kupfercylinder,  6  Zoll  hoch  und  3^  Zoll  weit,  oben  bei  * 
offen,  unten  aber  geschlossen  bis  auf  die  Düse  ef,  die,  anderthalb  Zoll  wei 

1  Phil.  Mag.  28,  409.   1846. 

*"Philos.  Transactions  1836,   107.  —  Pogg.  Ann.  42,  263.   1837. 


Die  Entwickeluog  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Encrgieprinapes.        OOl 

Pfropfen  trägt,  durch  welchen  der  Glasheber  gkijk  gesteckt  ist. 
bei  a  b  ist  eine  zweite  Kupferdüse,  entsprechend  der  am  Boden,  und 
;n  durch  zwei  horizontale  Arme.  Vor  der  Einsteckung  des  Pfropfens 
untere  Düse  ef  wird  durch  diese  ein  Stück  einer  Ochsengurgel  ge- 
und  an  der  oberen  Düse  Imno 


1"' 


i^r 


vim  festgebunden.  Nachdem 
häutige  Röhre  auch  unten 
den  eingesteckten  Pfropf  ge- 
sefestigt  worden  ist,  bildet  sie 
nere  Kammer,  welche  mit  dem 
ber  in  Gemeinschaft  steht,  so 
wenn  sie  bis  m  o  mit  einer 
keit  gefüllt  worden  ist,  jeder 

Zusatz  durch  die  Öffnung  k 
it  pq  ist  eine  amalgamirte 
inge,  6  Zoll  lang  und  */j  Zoll 
jetragen  durch  den  Rand  der 

Düse  mittelst  des  Holzstückes 
s  durch  ein  in  ihr  oberes  Ende 
tes  Loch  gesteckt  ist;  t  ist 
jpfchen   mit  Quecksilber,  von 

und  einer  Vertiefung  in  dem 

Ende  der  Zinkstange  aus 
i  die  beiden  Metalle  der  ver- 
•nen  Zellen  mit  einander  in 
düng  gesetzt  werden, 
^ehn  solche  Zellen  stehen  auf 
Tisch  im  Kreise,  die  Heber  nach  innen  gekehrt,  mit  den  Öffnungen 
nem  Gefäss,  welches  zur  Aufnahme  der  aus  ihnen  fliessenden  Flüssig- 
stimmt ist.  Über  der  inneren  Kammer  jeder  Zelle  befindet  sich  ein 
t,  gehalten  durch  einen  seitwärts  stehenden  Träger. 
)er  Zweck  bei  der  Construction  dieser  Batterie  war:  i.  die  Zinkfläche 
nst  klein  zu  machen;  2.  das  gebildete  Zinkoxyd,  das  für  die  Wirkung 
ttterie  so  schädlich  ist,  zu  entfernen;  und  3.  das  am  Kupfer  frei 
de  Wasserstoffgas  ohne  Fällung  einer  das  Metall  verschlechternden 
nz  zu  absorbiren. 

'ur  Erreichung  des  ersten  Zweckes  wurde  die  amalgamirte  Zinkstange 
in  genommen,  dass  ihre  Oberfläche  nicht  mehr  als  10  Quadratzoll 
während  die   Innenfläche   des  Kupfercy linders  beinahe  72  Quadratzoll 

Jm  das  gebildete  Zinkoxyd  (Zinksalz)  zu  entfernen,  war  über  der 
1  Kammer  der  Trichter  befestigt,  aus  welchem  fortwährend  frische 
in  abgepasster  Menge  zufioss,  während  die  schwerere  Lösung  des 
ydes  in  demselben  Maasse  am  Boden  durch  den  Heber  abfloss. 


Nach  Dani  ell. 


604 


Vierzehntes  Kapitel. 


>y 


et 


Iß- 


1 


Um  endlich  das  Wasserstoffgas  zu  absorbiren,  wurde  der  Raum  z 
der  Hautröhre  und  dem  Cylinder  mit  einer  Lösung  von  schwefe 
Kupferoxyd  gefüllt. 

„Diese  Batterie,  richtig  construirt,  entwickelt  durchaus  kein  Gas 
am  Zink,  noch  am  Kupfer,  weder  vor,  noch  nach  der  Schliessun 
Kupfer  erschien  kein  Wasserstoff,  sondern  statt  desselben  ein  schöi 
Überzug  von  reinem  Kupfer,  so  dass  die  Fläche  dieses  Metalles  fort 
erneuert  wurde.  Sowie  aber  ein  Voltameter  in  den  Kreis  einges 
ward,  zeigte  sich  darin  eine  sehr  lebhafte  Gasentwickelung.  Sie  w 
weit  stetiger  und  andauernder,  als  bei  gewöhnlichen  Batterieen;  aber  \ 
war  eine  allmähliche,  wenn  auch  langsame  Abnahme  zu  spüren,  wah 
lieh,  weil  in  Folge  der  Fällung  des  Kupfers  die  Kupfervitriollösung  sc 
und  weniger  leitend  wurde. 

„Um  diesem  Mangel  abzuhelfen,  wurde,  wie  Fig.  151  zeigt,  di 
Düse  bdeg  ringförmig  mit  einem  Kupfersiebe  aefh  umgeben,  das  ; 
Rande  des  Cylinders  ruht  und  mit  zerstossenem  Kupfervitriol  gefüllt 

wie  nun,  bei  der  Wirkung  der  Batterie, 
sung  schwächer  wird,  löst  sich  der  Kupi 
.  auf,  und  erhält  sie  stets  bei  gleicher  Concei 
Dies  Mittel  entsprach  dem  Zweck  vollk 
sechs  Stunden  lang  erhielt  sich  der  Strom 
veränderter  Kraft." 

Durch  eine  eingehende  Untersuchunj 
nun  Daniell,  dass  der  Zinkverbrauch  sei 
der  durch  das  FARADAY'sche  Gesetz  erf< 
Menge  entsprach,  wenn  er  ihn  mit  den 
den  gleichen  Strom  in  einem  Voltamet 
wickelten  Wasserstoff  verglich;  auch  stellte 
schiedene  Versuche  an,  welche  die  Bestä 
der  Batterie  bestätigten. 

In    der   hier    beschriebenen    Gestalt 
I  Batterie  noch  einige  Übelstände,  welche 

/  finder   folgeweise   beseitigte.     Zunächst   sl 

JHB  ■■■  fest,    dass   die    beständige  Erneuerung  de 

"^H  ^^F  am  Zink  nicht  erforderlich  ist,  so  dass  er 

^^l  ^^  ständiiehe  Einrichtung  der  Tropftrichter  f< 

Fig.  151.    Nach  Daniell.       konnte,  ohne   der  Wirkung  zu   schaden. 

erwiesen  sich  die  Cylinder  aus  Ochsengurg 
Blase  als  nicht  haltbar;  sie  wurden x  durch  solche  aus  dünnem  Thor 
welche  dem  Zweck  vollkommen  entsprachen,  und  viel  bequemer  im  G 
waren.  Für  die  Wirkung  ergab  es  sich  als  wesentlich,  den  Widerst 
Elementes  so  klein  .als  möglich  zu   machen,    und  Daniell,   der  dan 


K.-A 


1  Philos.  Trans.  1839,  92. 


ie  Entwkkehuig  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       605 


nasche  Gesetz  noch  nicht  kannte,  vertiefte  sich  in  eine  grosse  Reihe  von 
itersuchungen  über  den  Einfluss  der  Gestalt  und  Lage  seiner  Metalle  auf 
r  Stromstärke.  Bei  dieser  Gelegenheit  beobachtete  er  gleichfalls  die  ausser- 
lentlich  starke  Abnahme  des  Widerstandes  seiner  Flüssigkeiten  beim  Er- 
nnen. 

5.  Andere  Erfinder.  Die  von  Daniell  gegebene  Anordnung  der 
tte  war  fast  gleichzeitig  von  F.  W.  Mullins1  zu  dem  gleichen  Zwecke 
lutzt  worden,  um  einen  beständigen  Strom  zu  erhalten.  „Ich  hatte  eine 
ir  dünne  Kalbsblase  vorbereitet,  und  nachdem  ich  eine  Spule  von  dünnem 
pferblech  nebst  einer  kleinen  Menge  einer  Lösung  von  Kupfersulfat  hinein- 
bracht hatte,  that  ich  beides  in  einen  thönernen  Topf,  in  welchem  ein 
ikcylinder  enthalten  war,  welcher  genau  an  seine  innere  Oberfläche  sich 
schloss,  und  I  lj4  Zoll  von  dem  Kupferblech  abstand,  dazu  eine  genügende 
mge  verdünnter  Schwefelsäure  aus  5  Theilen  Säure. auf  100  Theile  Wasser, 
s  ich  die  Kraft  der  Säule  mit  dem  Voltameter  prüfte,  fand  ich,  dass 
ihrend  mehrerer  Stunden  die  erste  Ablenkung  nur  geringe  Verminderung 
fahr,  obwohl  ich  weder  die  benutzten  Flüssigkeiten,  noch  irgend  etwas 
ideres  an  der  ursprünglichen  Anordnung  abgeändert  hatte.  Der  bei  diesem 
rersuch  benutzte  Topf  war  nur  21/a  Zoll  weit  und  3  Zoll  tief.  Bei  einem 
Reiten  Versuch  mit  derselben  Batterie  und  denselben  Lösungen  verband 
4  sie  mit  einem  Elektromagnet  von  Hufeisengestalt.  .  .  .  Der  Magnet  hielt 
jo  Pfand  während  dreier  Stunden." 

Mullins  berichtet  darauf  über  Versuche  bezüglich  der  besten  Gestalt 
ad  Entfernung  der  Platten  und  der  angemessensten  Flüssigkeit,  als  welche 
sr  eine  Lösung  von  Salmiak  erkannte,  und  fährt  fort:  „Nachdem  ich  so 
aperimentell  die  geeignetsten  Entfernungen,  sowie  die  besten  Flüssigkeiten 
^stimmt  hatte,  erbaute  ich  eine  VoLTA'sche  Batterie,  in  welcher  ich  die 
»wähnten  Grundsätze  zur  Geltung  brachte,  so  weit  die  zwischengeschaltete 
fanbran  und  die  anderen  Umstände  es  gestatten,  und  von  der  ich  nun  eine 
rorze  Beschreibung  geben  will.  In  einen  thönernen  Topf,  6  Zoll  tief  und 
\  Zoll  weit,  stelle  ich  einen  Cylinder  aus  amalgamirtem  Zink,  welcher  auf 
Irci  Beinen  von  einem  halben  Zoll  Höhe  steht,  die  aus  dem  Cylinder  ge- 
chnitten  sind,  und  dessen  Höhe,  die  Beine  eingeschlossen,  nur  2  Zoll  beträgt, 
n  diesem  Cylinder  steht  in  einem  Abstände  von  3/8  Zoll  ein  kupfernes  Ge- 
fcs  mit  einem  */4  Zoll  weiten  Rande  an  seinem  oberen  Umfange,  um  welchen 
fe  Blase  gespannt  ist;  der  Boden  des  Gefässes  ruht  auf  einem  kreisförmigen 
tacke  von  getrocknetem  Buchsbaumholz,  welches  den  Cylinder  um  einen 
fiertelzoll  überragt;  eine  dünne  längliche,  wohl  gereinigte  und  befeuchtete 
Base  ist  über  das  Ganze  gezogen  und  um  den  oberen  Rand  mit  einer 
ichnur  befestigt;  das  Holzstück  schützt  sie  gegen  die  Berührung  mit  dem 
fopfer,  welches  die  Blase  beschädigen  würde.  Dieser  Cylinder,  von  der 
föhe  des  Topfes,  ist  in  der  Mitte  der  Höhe  mit  sechs  Löchern  versehen, 


1  Phil.  Mag.  9,  283.  1836. 


6o6 


Vierzehntes  Kapitel. 


die  mit  einem  inneren  Cylinder  communiciren,  der  von  dem  äusseren  d 
einen  Raum  von  3/t  Zoll  getrennt  ist,  und  dessen  Boden  auf  gleicher  1 
mit  den  Löchern  steht,  während  er  oben  an  dem  äusseren  Cylinder 
gelöthet  ist.  Diese  Kammer  dient  dazu,  Krystalle  von  Kupfersulfat,  ' 
das  erforderlich  ist,  und  ebenso  die  Flüssigkeit  aufzunehmen,  welche 
über  den  oberen  Rand  der  Löcher  steigen  soll.  Eine  kleine  Menge 
Salmiaklösung  wird  ausserhalb  des  Cylinders  in  den  Topf  gegossen,  b: 
den  Rand  des  Zinkcylinders  überragt;  diese  Lösung  braucht  nicht  em 
zu  werden;  die  andere  erfordert  die  Hinzufügung  einiger  Krystalle 
Kupfersulfat  alle  vier  Stunden." 

Ein  weiterer  unabhängiger  Erfinder  der  cbnstanten  Kette  ist  M.  H.  J* 
der  um  dieselbe  Zeit,  wie  Daniell  die  gleiche  Kette  erfunden  hatte,  ii 
Veröffenüichung  aber  später  kam.  Jacobi  ist  nach  anderer  Seite  eine 
interessante  Persönlichkeit:  er  hat  nicht  nur  die  Galvanoplastik  erfui 
sondern  war  auch  der  erste,  welcher  mit  einigem  Erfolg  versucht  hat 
elektromagnetischen  Kräfte  zu  mechanischen  Arbeitsleistungen  zu  beni 
Gerade  seine  Bemühungen  in  dieser  Richtung  hatten  ihn  zu  der  Erfin 
der  constanten  Säule  geführt,  die,  wie  er  bemerkt,  für  diese  Sache 
Lebensfrage  war. 


„Die  in  Fig.  152  angegebene  Construction  hat  alle  meine  Erwarte 
übertroffen.     Das  Prinzip  war,  zwei  durch  eine  Membrane  getrennte  Fli 


Die  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       607 


eiten  anzuwenden,  von  denen  jede  den  Eigenthümlichkeiten  des  in  sie 
uichenden  Metalles  entsprach. .  .  .  Sie  vereinigt  Leichtigkeit  der  Manipulation 
lit  allen  sonstigen  Bedingungen,  die  man  von  einem  Volt  Aachen  Apparat 
-fallt  wünscht  Dabei  ist  er  so  kräftig,  wie  man  es  bei  diesen  Dimen- 
onen  nur  verlangen  kann.  In  Fig.  152  ist  A  ein  Kupfergefäss,  7V4"  (Zoll) 
s  Durchmesser  und  mit  3"  hohem  Rande;  B  ein  angelötheter  Trog,  der 
ireh  ein  Gitter  von  A  getrennt  ist.  C  ist  ein  hölzerner  Reif  von  Längen- 
)lz  gebogen,  */4"  stark,  */,,  besser  1"  hoch  und  6ljz"  im  Durchmesser, 
r  ist  mit  einer  Thierblase,  am  besten  Rindsblase,  bespannt,  und  ruht  auf 
trei  Glasstäbchen  xx,  die  eine  Linie  hoch  sind,  so  dass  der  Abstand  der 
lembrane  vom  Kupfer  nur  1'"  beträgt.  Zwei  Glasstäbchen,  ebenfalls  1'" 
ach,  sind  in  dem  Rahmen  befestigt  und  auf  ihnen  ruht  die  Zinkplatte  Z 
Mi  6"  Durchmesser.  Die  obere  Seite  der  Zinkplatte  ist  mit  Siegellack- 
rniss  überzogen,  und  ein  Quecksilbergefäss  darauf  angebracht.  Der  Raum 
irischen  Blase  und  Zinkplatte  wird  mit  Salmiaklösung  (1  Vol.  concentrirte 
Äsung,  20 — 25  Vol.  Wasser)  angefüllt,  und  der  Raum  zwischen  Thierblase 
ad  Kupfer  mit  Kupfervitriollösung,  so  concentrirt  als  möglich.  Zur  Unter- 
idtung  der  Concentration  wird  der  Trog  B  mit  pulverisirtem  Kupfervitriol 
gefüllt.  E  ist  eine  Röhre  zum  Ablassen  der  Flüssigkeit;  man  hat  nur  nöthig, 
das  Rohr  von  dem  Haken  G  loszumachen  und  herunterzubiegen,  was  die 
Kautschuk- Verbindung  zulässt  Dieser  Krahn  ist  einfach,  leicht  herzustellen 
und  äusserst  bequem." 

Jacobi  beschreibt  nun  eine  Reihe  von  Versuchen,  aus  denen  die  unge- 
wöhnliche Beständigkeit  des  neuen  Apparates  hervorgeht.  Meist  nahm  die 
Ablenkung  der  in  einen  einfachen  Ring  gestellten  Magnetnadel  während  der 
chiiessung  in  den  ersten  Stunden  zu,  was  er  mit  Recht  auf  eine  vergrösserte 
eitfähigkeit  der  Flüssigkeit  zurückführte;  auch  einige  andere  Ursachen  fuhrt 

an.     „Jedenfalls  ist  es  interessant,  auch  einmal  eine  Kette  zu  haben,  die 

drei  Stunden  um   ii°  zunimmt." 

Jacobi  giebt  alsdann  die  Regeln  für  den  Gebrauch  seiner  Kette,  welche 
it  den  heute  geltenden  ganz  übereinstimmen.  „Obgleich  immer  einige 
afsicht  nöthig  ist,  liegt  der  Vortheil  eigentlich  darin,  dass  man  überhaupt 
1  Stande  ist,  die  Kette  constant  zu  erhalten,  was  bei  allen  anderen  einiger- 
aassen  kräftigen  Apparaten  bisher  nicht  möglich  war,  man  mochte  sich 
lälen,  wie  man  wollte.  Ich  habe  wer  weiss  was  angestellt,  um  diesen 
chtigen  Zweck  zu  erreichen;  alles  hatte  aber  seine  Grenzen,  die,  wenn 
:  überschritten  waren,  keine  Wiederherstellung  der  Kraft  zuliessen.  Die 
iherigen  galvanischen  Apparate  konnten  einen  wirklich  zur  Verzweiflung 
ingen." 

Über  die  Theorie  der  Kette  scheint  sich  Jacobi  klarer  gewesen  zu  sein, 

Dantell,  denn  während  dieser  die  Schwefelsäure  beim  Zink  für  wesentlich 
it,  hat  Jacobi  von  vornherein  eine  neutrale  Flüssigkeit  benutzt;  auch  be- 
riet er,  dass  das  Zink  „beinahe  alles  auf  VoLTA'sche  Weise  aufgelöst" 
d,    und   dass  die  Nebenwirkungen  unbedeutend  sind.     „Jedenfalls  ist  der 


ßo8  Vierzehntes  Kapitel. 


Verlust  unbedeutend  im  Vergleich  mit  der  Wärme,  welche  ungenützt  durch 
den  Schornstein  fliegt."  Genauer  hat  er  sich  in  der  kurzen  brieflichen  Mit- 
theilung leider  nicht  ausgesprochen. 

6.  Streit  mit  Becquerel.     Über  die  Priorität  der  Erfindung  der  con- 
stanten  Kette  entstand  ein   Streit  zwischen  Edmond  Becquerel,  dem  Sohne 
von    Antoine   Becquerel,    der    diese   Ehre   für    seinen    Vater   in    Anspruch 
nahm,   und  Daniell,  welcher  in  den  Spalten   der  Annales  de  chimie  et  cfc 
physique   ausgefochten   wurde.1     Hierbei    stellte   sich   die   bemerkenswert^ 
Thatsache  heraus,  dass  zwar  der  ältere  Becquerel  unzweifelhaft  ähnliche  Zu- 
sammenstellungen, wie  sie  Daniell  benutzt  hat,  schon  viel  früher  hergestellt 
hatte,   dass  er  auch  sie  auf  ihre  Constanz  geprüft  hat,  dass  er  sie  aber  in- 
constant  gefunden  hat     So  wurde  von  ihm  insbesondere2  eine  Zusammen- 
stellung von  Zink  in  Zinksulfat  und  Kupfer  in  Kupfernitrat  benutzt,  bei  der 
beide   Flüssigkeiten  durch    poröse  Scheidewände   von  Goldschlägerhaut  ge- 
trennt waren,  also  eine  fast  vollständig  der  DANiELL'schen  Form  entsprechende 
Kette;  Becquerel  fand  aber  ihren  Strom  gleich  840,  7 2°  und  68°  an  seinen 
Galvanometer  nach  dem  Ablauf  von  je  einer  Viertelstunde,  also  nichts  weniger 
als  constant.     Auch   erörtert   er   alsbald  die  Herstellung  constanter  Ketten, 
und  bemerkt  dazu:    „Auch  muss  ich  betonen,   dass  die  Kette  in  sich  die 
Ursache    der  Verminderung   der   Intensität   des   elektrischen   Stromes  trägt 
welche  sie  beständig  erfährt.     Denn   von   dem    ersten  Augenblicke  ab,  hl 
welchem  sie  thätig  ist,    finden  Zersetzungen  und  Übertragungen  der  Stofc 
statt,  welche  die  Platten  polarisiren,  so  dass  sie  einen  dem  ursprünglichen 
entgegengesetzten  Strom  hervorrufen.     Die  Kunst  besteht  also   darin,  die« 
Absätze  in  dem  Maasse,  wie  sie  sich  bilden,  mittelst  passend  angebrachter 
Flüssigkeiten  wieder  aufzulösen.     Man  gelangt  dazu  mittelst  des  Verfahren* 
welches  ich  angegeben  habe;  so  dient  bei  dem  Versuche  5  (Kupfer  in  ver^ 
dünnter  Schwefelsäure  und  Zink  in  verdünnter  Schwefel-  und  Salpetersäurt 
die    in   der  Kupferabtheilung   vorhandene   Schwefelsäure   dazu,    einen 
Zink   aufzulösen,    welcher    auf  die   Kupferplatte    übergeführt   wird;    ei 
bemächtigt  sich  die  Salpetersäure,   welche   in   der  anderen  Abtheilung 
eines  Theiles   des  Kupfers   der  Lösung,   welche   die   beiden   Scheide 
durchdrungen  hat  und  vom  Zink  reducirt  wird.     Vermindert  man  auf 
Weise  die  Stärke  des  seeundären  Stromes,  so  erhält  man  merklich  con 
Wirkungen." 

Wie  man  aus  dieser  Darlegung  sieht,  war  Becquerel  weit  davon 
fernt,    die  Eigenschaft  der  von   ihm  benutzten  Zusammenstellung  der 
talle   in    den  Lösungen   ihrer  Salze  zu  erkennen,   auf  denen    die  W 
des  DANiELL'schen  Elementes  beruht,    und  es  ist  unbegreiflich,   wie  er 
der  letzterwähnten,  unzweifelhaft  ganz  inconstanten  Kette  die  Zahlen  62, 
und  61  für  die  Ablenkungen  seines  Galvanometers  in  Zwischenräumen 


Ann.  dum.  phys.  (III),  3,  436.  1841.  —  ibid.  5,  401  und  412. 
Lnn.  chim.  phys.  41,  22.   1829. 


Die  Entwickehing  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzip  es.         609 

iner  Viertelstunde  hat  erhalten  können,  während  die  wirklich  constante 
rdnung  ihm  unter  gleichen  Umständen  eine  Abnahme  von  20  Prozent 
rben  hatte.  Jedenfalls  war  Daniell  berechtigt,  den  von  E.  Becquerel 
benen  Anspruch  zurückzuweisen,  und  die  allgemeine  Meinung  hat  ihm 
>t  gegeben,  indem  sie  seinen  Namen  mit  der  Kette  bis  auf  den  heutigen 

in  Verbindung  gelassen  hat,  und  auch  künftig  wird  lassen  müssen. 

Im  Anschluss  an  seine  Vertheidtgung  beschreibt  Daniell1  die  letzte 
alt,  welche  er  seiner  Kette  gegeben  hat.  Die  beistehende  Wiederholung 
:r  Zeichnung  (Fig.  1 53)  giebt  eine  genügende  Vorstellung  davon,  so  dass 

einer  Beschreibung  abgesehen  werden  kann. 


Fig.  153.     Nach  Daniell. 


7.  Andere  constante  Ketten.  Daniell's  wichtige  Erfindung  hat  ais- 
eine Reihe  weiterer  Versuche  angeregt,  die  von  diesem  erlangten  Vor- 
;  auch  auf  andere  Weise  zu  erreichen.  Den  erheblichsten  Erfolg  auf  diesem 
ete  errang  William  Robert  Grove,  ursprünglich  Rechtsanwalt,  sodann 
ssor  an  der  London  Institution  durch  die  Erfindung  der  nach  ihm  be- 
ten Kette  mit  concentrirter  Salpetersäure.  Grove  hat  sich  ausserdem 
1  die  Construction  einer  Kette  bekannt  gemacht,  welche  zwar  von  keiner 
ischen  Anwendung,  desto  mehr  aber  von  theoretischem  Interesse  war: 
gleichfalls  nach  ihm  benannten  Gasbatterie. 

Die  GROVE"sche  Kette  war  nicht  nur  von  Bedeutung  als  die  erste  von 
Sicherer  elektromotorischer  Kraft,  sondern  auch  als  die  erste  nach  einem 
n  Prinzip  in  der  Anwendung  eines  starken  Oxydationsmittels  an  der 
ode.  Die  wissenschaftlichen  Zeitschriften  jener  Jahre  sind  voll  der  An- 
mung  über  die  Kraft  und  Beständigkeit  seiner  Kette,  und  manche  Arbeit 
ohne  sie  nicht  ausgeführt  werden  können. 


1  Phil.  Mag.  20,  194.   1843. 
<w>ld, 


6lO  Vierzehntes  Kapitel. 


Die  erste  Mittheilung  über  seine  Batterie  machte  Grove  der  Pai 
Akademie1  durch  die  Vermittelung  Becquerei/s. 

„Seit  einiger  Zeit  habe  ich  mich  der  porösen  Diaphragmen  als  M 
zum  Studium  der  VoLTA'schen  Ströme  bedient,  und  ich  habe  sie  mit  Ei 
zur  Erklärung  einer  Erscheinung  angewendet,  die  man  bisher  nicht  für 
elektrische  hielt,  nämlich  die  Auflösung  des  Goldes  in  Salpetersalzsi 
(Königswasser),  welche  nicht  ohne  eine  der  beiden  Säuren  stattfindet 
scheint  mir,  dass  die  nachstehenden  Versuche  keine  Zweifel  über  die  c 
trische  Natur  der  Erscheinung  lassen. 

„i.  Auf  dem  Boden  eines  kleinen  Glases  habe  ich  einen  gewöhnlk 
Pfeifenkopf  befestigt;  in  diesen  goss  ich  reine  Salpetersäure,  in  das  i 
Salzsäure  bis  zu  der  gleichen  Höhe.  In  der  letzten  Flüssigkeit  Hess  ich  ei 
Stückchen  Goldblatt  während  einer  Stunde,  worauf  sie  eben  so  blank 
schienen,  als  in  dem  Augenblicke  des  Eintauchens.  Nun  wurde  ein  G 
draht  so  angebracht,  dass  er  gleichzeitig  die  Salpetersäure  und  ein  G 
blättchen  berührte:  das  berührte  Blättchen  wurde  sofort  aufgelöst,  währ 
die  anderen  nicht  angegriffen  wurden. 

„2.  Der  Versuch  wurde  umgekehrt  angestellt,  doch  machte  er  eil 
Schwierigkeiten,  dass  das  Gold  nicht  lange  in  der  Salpetersäure  blei 
konnte,  ohne  angegriffen  zu  werden,  was  auf  die  Gegenwart  der  salpetri 
Säure  zurückzuführen  ist;  doch  war  das  Ergebniss  überzeugend  genug, 
festzustellen,  dass  die  Berührung  keinerlei  Wirkung  auf  das  Gold  in  di< 
Säure  hervorbrachte,  während  das  auf  der  Seite  der  Salzsäure  immer  ; 
gelöst  wurde. 

„3.  Ich  stellte  die  Verbindung  mit  einem  Platindraht  an  Stelle  e: 
Golddrahtes  her;  die  Wirkung  blieb  stets  die  gleiche. 

a  • 

„4.  Das  Äussere  des  Pfeifenkopfes  wurde  auf  fast  der  ganzen  Oberflä 
mit  Blattgold  überzogen;  ein  Stückchen  desselben  wurde  wie  gewöhnlicl 
die  Salzsäure  gebracht.  Als  die  Verbindung  mit  der  Salpetersäure  hei 
stellt  worden  war,  wurde  dieses  Blättchen  aufgelöst,  während  das  Gold 
der  Oberfläche  des  Pfeifenkopfes  nicht  angegriffen  worden  war. 

„5.  Ich  färbte  die  Salpetersäure  mit  etwas  Lackmus;  als  die  Verbind 
hergestellt  worden  war,  konnte  ich  in  der  Salzsäure  nicht  die  mindeste  1 
bung  beobachten. 

„6.  Ich  bediente  mich  des  Kupfernitrats  an  der  Stelle  der  Salpetersä 
die  Wirkung  war  ähnlich,  doch  fand  die  Auflösung  langsamer  statt;  auf  < 
negativen  Metalle  sah  ich  keine  Fällung. 

„7.  Ich  brachte  in  Salzsäure  zwei  Goldblättchen,  die  mit  den  be 
Enden  einer  VoLTA'schen  Kette  in  Verbindung  standen;  die  Säure  wi 
zersetzt  und  das  positive  Blättchen  aufgelöst 

„Alle  diese  Versuche  zeigen,  dass,  sowie  der  elektrische  Strom,  wel 
von  der  Wechselwirkung  der  beiden  Säuren  durch  das  Diaphragma  heni 


1  Comptes  rendus  8,  567.   183Q. 


Die  Entwkkehwg  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       6 1 1 


schlössen  wird,  die  Säuren  zersetzt  werden:  der  Wasserstoff  der  Salz- 
ure  verbindet  sich  mit  einem  Theile  des  Sauerstoffes  der  Salpetersäure, 
ld  das  Chlor  verbindet  sich  mit  dem  Golde.  Bei  allen  diesen  Versuchen 
urden  die  Ströme  mit  einem  Galvanometer  nachgewiesen,  und  in  jedem 
alle  wirkte  das  aufgelöste  Gold  wie  das  Zink  in  einer  gewöhnlichen  Volta'- 
:hen  Kette.  Die  grösste  Ablenkung  wurde  mit  Platin,  Gold  und  den 
eiden  Säuren  erhalten.  Indem  ich  über  die  Wirkung  nachdachte,  kam  ich 
uf  den  Gedanken,  dass,  da  Gold,  Platin  und  die  beiden  Säuren  einen  so 
arken  elektrischen  Strom  hervorbrachten,  a  fortiori  die  gleiche  Zusammen- 
teilung mit  Zink  an  Stelle  des  Goldes  eine  Kette  bilden  müsste,  welche 
ärker  ist,  als  alle  bisher  bekannten.  Ich  habe  nicht  gesäumt,  diesen  Ge- 
anken  dem  Versuche  zu  unterwerfen,  und  habe  einen  vollständigen  Erfolg 
rzielt:  ein  einziges  Paar  aus  einer  amalgamirten  Zinkplatte,  i  Zoll  lang 
ad  */*  Zoll  breit,  ein  Platincylinder  von  3/4  Zoll  Höhe,  dazu  ein  Pfeifen- 
;>pf  und  ein  kleines  Glas,  bilden  ein  VourA'sches  Element,  welches  leicht 
igesäuertes  Wasser  zersetzt  Bei  dieser  Zusammenstellung  ist  die  Wirkung 
>nstant,  und  eine  Fällung  eines  Metalles  auf  einem  anderen  findet  nicht 
att;  auch  bietet  sie  den  grossen  Vortheil,  dass  man  die  concentrirteste 
alpetersäure  benutzen  kann. 

„Ich  versuchte  die  gleiche  Anordnung  mit  kaustischem  Kali  an  Stelle 
?r  Salzsäure,  auf  welche  ich  durch  den  schönen  Versuch  von  Becquerel 
^kommen  war:  die  Wirkung  war  gleichfalls  mächtig.  Da  man  in  diesem 
alle  die  Zinkplatte  nicht  zu  amalgamiren  braucht,  so  würde  ich  diese  An- 
rdnung  vorziehen,  wenn  nicht  ein  unüberwindliches  Hinderniss  vorhanden 
äre:  das  Kaliumnitrat  krystallisirt  in  den  Poren  des  Thones  und  sprengt 
in;  somit  muss  man,  wenn  man  nicht  eine  andere  Scheidewand  ausfindig 
lacht,  welche  die  Wirkungen  der  concentrirten  Säuren  vertragen  kann,  diese 
usammenstellung  verlassen.  Ich  lud  nun  den  Apparat  mit  concentrirter  Sal- 
etersäure  und  mit  Schwefelsäure,  welche  mit  sechs  Theilen  Wasser  verdünnt 
ar:  der  Strom  hatte  fast  die  gleiche  Stärke,  wie  mit  Salzsäure,  wodurch 
ne  grosse  Ersparniss  und  die  Vermeidung  jeder  Gefahr  für  das  Platin  er- 
ficht wurde.  Die  Salpetersäure  muss  übrigens  immer  concentrirt  sein,  denn 
enn  sie  einen  Theil  ihres  Sauerstoffes  verloren  hat,  so  dass  der  Wasser- 
off nicht  mehr  absorbirt,  sondern  an  der  Oberfläche  entwickelt  wird,  nimmt 
ie  Wirkung  ab  und  wird  unbeständig. 

„Man  wird  einen  grossen  Vortheil  darin  finden,  sich  einer  durch  eine 
oröse  Scheidewand  getheilten  Zelle  auch  in  Flüssigkeiten  zu  bedienen,  in 
eichen  sich  Zersetzungsplatten  befinden.  Braucht  man  be^pielsweise  Sauer- 
off, so  muss  die  negative  Elektrode  in  concentrirte  Salpetersäure  gesetzt 
erden,  die  positive  in  verdünnte  Schwefelsäure.  Wünscht  man  Chlor,  so 
setzt  man  die  Schwefelsäure  durch  Salzsäure;  braucht  man  Wasserstoff, 
werden  die  beiden  Elektroden  in  verdünnter  Salzsäure  untergebracht, 
dem  man  als  positive  Elektrode  amalgamirtes  Zink  nimmt  u.  s.  w.  Mit 
»sen  Mitteln  und  einer  kleinen  Säule  von  der  oben  angegebenen  Construction 


39* 


6l2  Vierzehntes  Kapitel. 


kann  ein  Reisender  in  seiner  Tasche  ein  elektrochemisches  Laboratorium  mit 
sich  führen. 

„Ich  habe  eine  runde  Säule  herstellen  lassen,  welche  nicht  mehr  als 
4  Zoll  im  Durchmesser  und  i  l/4  Zoll  Höhe  besitzt.  Diese  Säule  besteht  aus 
sieben  sehr  kleinen  Gläsern  und  sieben  Pfeifenköpfen;  sie  hat  im  Ganzen 
20  Quadratzoll  metallische  Oberfläche  und  giebt  etwa  I  Kubikzoll  Gas  in 
2  Minuten.  Sie  rivalisirt  also  mit  einer  gewöhnlichen  Säule  von  50  bis 
60  Platten." 

8.  Die  Zink-Kohle-Kette.  Die  grossen  Vorzüge  der  GROVE'schet 
Säule  wurden  alsbald  anerkannt;  insbesondere  beschrieben  Schönbein1  unc 
Poggendorff  ihre  Wirkungen  so  eindringlich,  dass  ihre  Anwendung  sid 
bald  verbreitete.  Auch  dauerte  es  nicht  lange,  bis  der  Ersatz  des  theurer 
Platins  durch  leitende  Kohle  gefunden  wurde.  Hier  rührt  die  Mittheilun§ 
von  Schönbein  her,  welcher  über  eine  nach  dem  GROvE*schen  Prinzip  ge 
baute  Kette  mit  Kathoden  von  Retortenkohle  von  ihrem  Erfinder  Cooper  ii 
London  Nachricht  erhalten  hatte,  und  diese  Nachricht  alsbald  durch  eigen« 
Versuche  bestätigen  konnte.2  Die  Wirkung  einer  winzigen  derartigen  Ketb 
kam  der  einer  Platinkette  sehr  nahe. 

Die  Anwendung  der  Kohle  an  Stelle  des  Platins  in  der  GROVE'schei 
Kette  ist  etwas  später  auch  von  Bunsen  angegeben  worden.  Dadurch,  das 
dieser  ein  Verfahren  fand,  aus  Steinkohle  und  Koke  eine  geeignete  Kohl 
in  beliebiger  Gestalt  herzustellen,  ermöglichte  er  eine  viel  leichtere  und  aufl 
giebigere  Fabrikation  solcher  Elemente,  und  es  ist  daher  auch  in  der  Folg 
sein  Name  mit  dieser  Zusammenstellung  in  Verbindung  geblieben. 

In  einem  bestimmten  Punkte  unterschied  sich  indessen  anfangs  et 
BuNSEN^sche  Kette  von  der  GROVE*schen.  Bunsen  benutzte  die  Porositä 
seiner  Kohle  dazu,  um  die  Thonzelle  zu  ersparen,  indem  er  die  Kohle  i 
die  Gestalt  eines  hohlen  Cylinders  brachte,  welcher  mit  Salpetersäure  gt 
tränkt  und  dann  unmittelbar  in  die  verdünnte  Schwefelsäure  gestellt  wuitJ 
welche  den  Zinkcylinder  enthielt.  Durch  eine  angemessene  Discussion  de 
ÜHM'schen  Formel  hatte  er  nachgewiesen,  dass  man  auf  eine  gegebene  Meng 
Zink  die  grösste  Wirkung  erhält,  wenn  man  den  inneren  Widerstand  da 
Elementes  so  klein  wie  möglich  macht,  und  daraus  ergab  sich  die  Cot* 
struetion,  welche  die  möglichste  Näherung  der  beiden  Flächen  bezweckte 
In  der  Folge  hat  man  allerdings  wieder  die  Thonzelle  eingeführt,  da  sie 
Anwendung  einer  grösseren  Menge  Salpetersäure  gestattet  und  auch 
Zink  besser  gegen  diese  schützt. 

Die  Figuren  154  und  155  zeigen  die  Einzelheiten  jener  ältesten  F< 
des  Kohlenelementes;  Fig.  155  bezieht  sich  auf  das  von  Bunsen  voi 
bene  Verfahren,  den  Überschuss  der  Salpetersäure  durch  Einblasen  von 
in  den  Kohlencylinder  zu  entfernen. 


i 


1  Poog.  Ann.  49,  589.  1840.  *  Pogg.  Ann.  49,  589.  1840. 

*  Pogg.  Ann.  54,  417.  1841.  —  ibid.  55,  265.  1842. 


J 


Die  Entwkkelnng  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieminzipes.       Öl% 

Bald  darauf  kehrte  indessen  auch  Bunsen1  zu  der  Anwendung  des 
Tosen  Thoncylinders  zurück,  und  gab  seiner  Kette  die  Gestalt,  die 
sich  im  wesentlichen  unverändert  bis 
heute  erhalten  hat  Die  Figuren  156 
und  157  bedürfen  keiner  weiteren  Er- 
klärung. 


Nach  Bunsen. 


9.   Die    elektrolytischen   Erscheinungen    und    die  Theorie   der 
onen.    Einen    fast   noch   erheblicheren  Fortschritt,   als   die  Erfindung  der 


istanten  Kette,  verdanken  wir  Daniell  in  seinen  Untersuchungen  über  die 
iktrolyse  secundarer  Verbindungen,  welche  den  ersten  wesentlichen 
■ritt  über  den  von  Faraday  gewonnenen  Standpunkt  hinaus  darstellen. 
besondere  hat  Daniell  den  Irrthum  Faradav's  bezüglich  der  Ionennatur 
Säureanhydride  und  der  Metalloxyde  (S.  535)  berichtigt,  und  aus  den 
.■fliehen  Äusserungen  Faraday's  geht  hervor,  dass  er  selbst  mit  dieser 
besserung   der   Anschauungen    ganz   einverstanden   war.     Daniell   legte 


■  Ann.  chim.  phyi.  8,  28.   1843  (Mittheilung  von  Reiset).  —  Pogg.  Ann.  00,  401.  1843. 


614 


Vierzehntes  Kapitel. 


seine  Ansichten  in  drei  Briefen  an  Faraday  dar,  welche  in  den  Philosophie 
Transactions  von   1839  u.  ff.  veröffentlicht  sind. 

Der  erste  dieser  Briefe l  geht  von  der  folgenden  Frage  aus:  Nach 
Faraday  wird  bei  der  Elektrolyse  wässeriger  Lösungen  wesentlich  nur  Wasser 
zersetzt;  nach  den  Beobachtungen  Davy's  (S.  190)  entsteht  hierbei,  wenn  ein 
Salz  zugegen  ist,  immer  Säure  und  Alkali  in  freiem  Zustande.  Welche  Be- 
ziehung haben  diese  gleichzeitigen  Vorgänge?  Zur  Beantwortung  wurden 
quantitative  Elektrolysen  ausgeführt. 

„Die  Versuchszelle,  welche  ich  zuerst  anwandte,  bestand  aus  e 
dicken  Glascylinder,  dessen  Inhalt  etwa  14  Kubikzoll  betrug,  und  welcher 
ursprünglich  an  beiden  Enden  geschlossen  war.  Er  wurde  der  Länge  nach 
in  zwei  gleiche  Hälften  geschnitten,  um  zwischen  beide  eine  dünne  Thon- 
platte  einzuschliessen,  welche,  wenn  das  Ganze  wieder  mittelst  zweier  mes- 
singener Ringe  mit  Schrauben  zusammengehalten  wurde,  das  Gefäss  in  zwei 
Abtheilungen  trennte.  Durch  den  Boden  jeder  Abtheilung  ging  der  Draht 
einer  Platinelektrode  von  2s/4  Zoll  Länge  und  1  Zoll  Breite;  an  den  oberen 
Enden  war  je  eine  gebogene  Glasröhre  eingeschliffen,  um  die  bei  den  Ver- 
suchen entwickelten  Gase  aufzufangen.    Die  Figuren  158  und  159  stellen  ejoe- 


Nach  Dan  [ELL. 


Vorder-  und  eine  Seitenansicht  des  Apparates  dar.  abcd  ist  der  Glascylinder,^ 
ef  das  poröse  Diaphragma,  g  h  die  Messingringe  und  -schrauben,  mit  denen  j 
die  beiden  Hälften  zusammengeschraubt  sind;  i  und  k  sind  die  beiden  EleV-j 
troden;    /  und  w  die  Queckailbernäpfe,   mittelst  deren  die  Verbindung  «fcl 


1  Philo*.  Tran».   18J9,  97. 


Die  Entwkkefang  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       615 


Batterie  hergestellt  wurde;  n  o  und  p  q  sind  die  gebogenen  Röhren,  durch 
he  die  gasförmigen  Produkte  gesammelt  wurden." 

Nach  einigen  Mittheilungen  über  die  Brauchbarkeit  des  Apparates  und 
Hülfsmittel  zur  Bestimmung  von  freier  Säure  und  freiem  Alkali  be- 
eibt  Danisll  seine  Versuche: 

„1.  Versuch.  Die  Zelle  wurde  mit  einer  Lösung  von  Natriumsulfat  ge- 
n,  deren  specifisches  Gewicht  1,052  war,  so,  dass  die  Elektroden  bedeckt 
»n  und  die  Zelle  etwa  zur  Hälfte  gefüllt  war.  Als  die  Verbindung  mit 
Batterie  hergestellt  wurde,  ergab  sich,  dass  gute  Leitung  vorhanden  war; 

die  Zersetzung  wurde  fortgeführt,  bis  20  Kubikzoll  Wasserstoff  von 
Platinode  und  9  Kubikzoll  Sauerstoff  von  der  Zinkode  gesammelt  wor- 

waren. 

„Die  Lösung  von  der  Platinode  wurde  mit  einem  gläsernen  Heber  sorg- 
g  abgezogen  und  erwies  sich  stark  alkalisch;  mittelst  des  Alkalimeters 
ib  sie  einen  Gehalt  von  12  Gran  freien  Natrons.  Die  Lösung  von  der 
code  war  sehr  sauer,  und  neutralisirte  so  viel  Soda,  als  15,1  Gran  Schwefei- 
re entspricht. 

„Daher  ergaben  die  Resultate  dieses  ersten  Versuches,  dass  die  Zer- 
;ung  eines  Äquivalentes  Wasser  begleitet  war  von  der  Zersetzung  eines 
au  gleichen  Äquivalentes  von  schwefelsaurem  Natron,  denn  die  Unter- 
iede  sind  nur  von  geringem  Betrage."  In  der  That  ergab  die  Berech- 
\g  12,8  Natron  und  16,1  Schwefelsäure  an  Stelle  der  gefundenen  Werthe 
und  15,1. 

„Diese  genau  äquivalenten  Ergebnisse  sind  an  und  für  sich  sehr  be- 
rkenswerth;    ich  war  aber  nun  eifrig,   zu    bestimmen,    ob  sich  die  Kraft 

Stromes,  wie  bisher  angenommen  wurde,  zwischen  den  beiden  Elektro- 
:n  genau  getheilt  hatte. 

„2.  Versuch.  Der  vorige  Versuch  wurde  in  ganz  gleicher  Weise  wieder- 
t;   nur  wurde  ein  Voltameter,  dessen  Platten  die  gleiche  Grösse  hatten, 

die  der  Zelle,  und  das  mit  der  gewöhnlichen  verdünnten  Schwefei- 
re geladen  worden  war,  in  den  Stromkreis  eingeschaltet.  Der  Versuch 
de  fortgeführt,  bis  70,8  Kubikzoll  der  gemischten  Gase  aus  dem  Volta- 
er  gesammelt  worden  waren;  es  wurde  dabei  gefunden,  dass  der 
sserstoff  aus  der  Versuchszelle  47,5  und  der  Sauerstoff  von  der  Zinkode 
>5  Kubikzoll  betrug.  Der  erstere  ist  fast  genau  gleich  dem  durch  das 
tameter  angegebenen  Wasserstoff,  während  der  letztere  etwas  weniger 
ägt,  als  die  äquivalente  Menge  des  Sauerstoffes.  Immerhin  kann  kein 
ifel  bestehen,   dass  die  Menge  der  gemischten  Gase  aus  der  Salzlösung 

die  aus  der  verdünnten  Schwefelsäure  gleich  waren. 

„Betrachten  wir  nun,  wie  gewöhnlich,  die  Leitung  des  Stromes  als 
:h  den  Übergang  des  Sauerstoffes  und  Wasserstoffes  allein  bedingt,  so 
inen  wir  zuerst  zu  der  ausserordentlichen  Schlussfolgerung  geführt  zu 
len,  dass  der  gleiche  Strom,  welcher  zur  Trennung  von  einem  Äquivalent 
rrstoff  und  einem  Äquivalent  Wasserstoff  in  dem  einen  Gefass  eben  aus- 


6i6 


Vierzehntes  Kapitel. 


reicht,  in  dem  anderen  Gefässe  während  derselben  Zeit  ein  Äquivalent  Sauer- 
stoff und  Wasserstoff  trennt,  und  ausserdem  ein  Äquivalent  Schwefelsaure 
von  der  entsprechenden  Menge  Natron.  Die  Aufklärung  eines  solchen  Er- 
gebnisses musste  offenbar  von  grösster  Bedeutung  sein." 

10.  Die  Uberführungserscheinungen.  Bevor  Danieix  indessen  an 
die  Aufklärung  dieses  Widerspruches  ging,  beschäftigte  er  sich  erst  mit  da 
schon  von  Porret1  beobachteten  Erscheinung,  dass  nach  dem  Durchleitea 
des  Stromes  die  Höhe  der  Flüssigkeit  in  den  beiden  durch  die  poröse 
Scheidewand  getrennten  Abtheilungen  verschieden  war,  und  rwar  wurde  die 
Lösung  im  Sinne  des  positiven  Stromes  mitgenommen,  um  so  stärker,  je 
schlechter  sie  leitete. 

Femer  construirte  er  einen  neuen  Apparat,  um  den  Übelstand  zu  ver- 
meiden, dass  durch  die  Scheidewand  die  getrennten  Flüssigkeiten  sich  dock 
ziemlich  schnell  vermischten.     Der  neue  Apparat  ist  in  Fig.  160  dargestellt; 


Fig.   ]6o.     N'ach.DANiF.LL.  3 

er  unterscheidet  sich  von  dem  alten  wesentlich  dadurch,  dass  an  Stelle  einer  j 
porösen  Scheidewand  deren  zwei  angebracht  wurden,  welche  die  Ende*  ] 
eines  heberförmigen  Glasrohres  schlössen,  auf  welches  die  beiden  Gefässe  ftr  j 
die  Lösung  aufgeschliffen  waren.  Die  Scheidewände  wurden  in  diesem  Falle  ] 
aus  Thierblase  hergestellt  I 

„ab  cd  und  efgk  sind  die  beiden  Glaszellen;    ikl  ist  die  gebogene 
Glasröhre,  welche  in  dem  hölzernen  Träger  mn  befestigt  ist;   o  und/  sind 


1  Annals  of  Philotophy,  July   ]8l6. 


Die  Entwicketang  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       6x7 


lie  beiden  Elektroden,  die  mit  den  Quecksilbergefässen  s  und  /  durch 
He  Drähte  aq  und  fr  verbunden  sind;  st  und  uw  sind  die  beiden 
gebogenen  Glasröhren,  welche  zur  Aufsammlung  der  entwickelten  Gase 
iienen." 

Die  mit  diesem  Apparate  ausgeführten  Versuche  entsprachen  durchaus 
lern  oben  geschilderten;  sie  wurden  zunächst  wieder  mit  schwefelsaurem 
fatron  wiederholt,  und  gaben  die  gleichen  Resultate;  ferner  wurden  ähnliche 
/ersuche  mit  verdünnter  Schwefelsäure  angestellt,  aus  denen  Daniell  schloss, 
bss  etwa  ein  Viertel  des  Äquivalentes  von  der  Kathode  zur  Anode  über- 
geführt wird,  und  zwar  war  diese  Überfuhrung  die  gleiche,  ob  an  der  Anode 
wm  Platin  sich  Sauerstoff  entwickelte,  oder  ob  an  Stelle  des  Platins  amal- 
gamirtes  Zink  benutzt  wurde,  welches  beim  Stromdurchgang  in  entsprechen- 
der Menge  in  Lösung  ging. 

Daniell  stellte  sich  nun  die  Frage,  ob  vielleicht  Säure  und  Alkali  bei 
der  Elektrolyse  des  schwefelsauren  Natrons  eine  überschüssige  Menge  von 
Bektricität  mit  sich  führten,  welche  an  den  Elektroden  die  Zersetzung  des 
Wassers  bewirken.  Um  diese  Frage  zu  beantworten,  schaltete  er  in  den 
itromkreis  geschmolzenes  Bleichlorid  ein.  Rührten  beide  Zersetzungen  von 
ahgefuhrter  Elektricität  her,  so  musste  das  ausgeschiedene  Blei  der  Summe 
eider  Produkte  äquivalent  sein,  im  anderen  Falle  war  nur  die  Äquivalenz 
tit  dem  einen  Produkt  zu  erwarten.  Die  Messung  mit  dem  Schwefelsäure- 
oltameter  sah  Daniell  nicht  mehr  als  entscheidend  an,  weil  auch  die 
chwefelsäure  übertragen  wird,  und  daher  ähnliche  Verhältnisse,  wie  bei  den 
icutralsalzen  vorliegen  konnten.  Das  Ergebniss  war,  dass  das  ausgeschiedene 
fei  dem  Wasserstoff  oder  dem  Alkali  allein  äquivalent  war,  dass  also  der 
Viderspruch  bestehen  blieb,  wonach  in  der  Lösung  des  Neutralsalzes  der 
»trom  eine  doppelte  Zersetzung  zu  bewirken  schien. 

Weitere  Versuche  wurden  mit  den  Lösungen  anderer  Salze  angestellt, 
unächst  mit  Chlornatrium.  „Eine  Platte  von  reinem  Zinn,  deren  Gewicht 
75,8  Gran  war,  wurde  als  Zinkode  (Anode)  in  der  Doppelzelle  benutzt, 
reiche  in  allen  ihren  Theilen  mit  einer  concentrirten  Lösung  von  Chlor- 
latrium  angefüllt  war.  Während  des  Stromdurchganges  erschien  nicht  die 
jeringste  Gasspur  an  der  Zinnelektrode,  und  kein  Geruch  nach  Chlor  wurde 
ntwickelt.  Der  Versuch  wurde  unterbrochen,  nachdem  24  Kubikzoll  Wasser- 
toff  von  der  Platinode  entwickelt  worden  waren.  Die  Zinnelektrode  wog 
tun  546,1,  der  Verlust  war  29,7  Gran  oder  fast  genau  ein  halbes  Äquivalent, 
nd  entsprach  der  Menge  des  entwickelten  Wasserstoffgases.  Die  Lösung 
n  der  Platinode  war  alkalisch  und  zeigte  15  Gran  Natron  an;  fugen  wir 
Gran  Natron  aus  der  Verbindungsröhre  hinzu,  deren  Inhalt  schwach 
[kaiisch  war,  so  haben  wir  genau  ein  halbes  Äquivalent.  .  .  .  Dieser  Ver- 
teil wurde  wiederholt,  indem  eine  Röhre  mit  geschmolzenem  Bleichlorid 
den  Strom  eingeschaltet  wurde.  Die  Ergebnisse  sind  in  der  folgenden 
ibelle  aufgeführt  und  mit  den  genauen  chemischen  Äquivalenten  ver- 
chen. 


618  Vierzehntes  Kapitel. 


Versuch  Berechnet 
Entwickeiter  Wasserstoff  ...     12,6  11,8 

Reducirtes  Blei 24,9  26,0 

Gelöstes  Zinn 16,3  14,6. 

„Nun  ist  der  einfachste  Weg  für  das  Verständniss  der  Ergebnisse  dieses 
Versuches,  anzunehmen,  dass  für  ein  Äquivalent  des  in  der  ersten  Zelle 
elektrolysirten  Bleichlorids  ein  Äquivalent  Natron  in  der  zweiten  Zelle  elek- 
trolysirt  wurde;  das  Chlor  des  letzteren  wurde  von  der  Zinnelektrode  auf- 
genommen, und  das  Natrium  an  der  Platinode  reagirte  auf  das  Wasser,  und 
gab  als  secundäres  Produkt  ein  Äquivalent  Wasserstoff;  nach  dieser  Annahme 
musste  der  Strom  durch  das  Chlornatrium  allein  übergeführt  worden  sein, 
und  es  ist  kein  Wasser  elektrolysirt  worden. 

„Denn  wir  müssen  in  der  That  bei  der  Erörterung  der  Ergebnisse  aller 
dieser  Versuche  den  Grundsatz  annehmen,  dass  die  Kraft,  welche  wir  an 
einem  Punkte  des  Stromkreises  durch  ihre  bestimmte  Wirkung  gemessen 
haben,  an  keinem  Punkte  desselben  Kreises  mehr  als  die  äquivalente  Menge 
Arbeit  thun  kann;  dass  der  Strom,  welchen  wir  durch  die  Elektrolyse  eines 
einfachen  Äquivalentes  Bleichlorid  gemessen  haben,  nicht  im  Stande  sei» 
kann,  gleichzeitig  ein  Äquivalent  Chlornatrium  und  ein  Äquivalent  Wasser 
an  denselben  Elektroden  zu  elektrolysiren.  Die  Summe  der  Kräfte,  welche 
irgend  eine  Zahl  von  Ionen  in  einem  zusammengesetzten  Elektrolyt  m* 
sammenhält,  konnte  übrigens  nur  gleich  der  Kraft  sein,  welche  die  Elemente 
eines  einfachen  Elektrolyten  zusammenhielt,  welcher  gleichzeitig  in  demselben 
Strome  elektrolysirt  wurde." 

Diese   Darlegungen    enthalten    Scharfsinniges    und    Falsches    in   merk» 
würdigem  Gemisch.     Die  Grundlage  der  Erörterung  ist  richtig:   das  Gesell 
von  Faraday  gestattet  nicht,  dass  an  der  einen  Stelle  des  Stromkreises  Ä 
gleiche  Elektricitätsmenge  durch  die  einfache,  an  der  anderen  Stelle  durch 
die  doppelte  Menge  Ionen  geführt  wird,  denn  es  spricht  eben  die  Äquivalä» \ 
zwischen  den  verschiedenen  Ionen  auch  in  elektrischer  Beziehung  aus.    Vot 
Kräften  (force)  ist  aber  hier  überall  nicht  die  Rede;    vielmehr  ist  der  Zu» 
sammenhang  zwischen  der  Elektricitätsmenge  und  der  Stoffmenge  ganz  us* 
abhängig  von  solchen  Fragen.     Als  Zeichen   dafür,   wie   schwer  es  damak 
auch  besonnenen  und  physikalisch  gut  gebildeten  Forschern  war,  diese  Dingt1 
klar   zu    unterscheiden,    ist   die  Stelle  immerhin  von  Interesse;   der  heftige 
Widerspruch,  welchen  Berzeltus  gegen  das  FARADAY^sche  Gesetz  erhob  (S.  589)^ 
Wird  dadurch  verständlicher. 

„Wie  aber  sollen  wir  nun  diesen  Grundsatz  auf  die  Elektrolyse  <fc»^ 
schwefelsauren  Natrons  und  die  Ergebnisse  der  Versuche  damit  anwenden!: 
Wasser  schien  elektrolysirt  zu  werden;  und  gleichzeitig  erschienen  Säiat 
und  Alkali  mit  dem  Wasserstoff  und  dem  Sauerstoff  an  den  entspreche»* 
den  Elektroden.  Wir  können  nicht  annehmen,  dass  nach  der  Zersetaug 
des  Wassers  noch  ein  Kraftüberschuss  für  die  Zersetzung  des  Salzes  ixba§ 
war;   sondern  wir  müssen  annehmen,   dass   der  einzige  zersetzte  Elektrolyt 


Die  Entwicklung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       6  IQ 


hwefelsaures  Natron  war,  "dessen  Ionen  aber  nicht  die  Säure  und  das 
Ikali  des  Salzes  waren,  sondern  ein  Anion,  bestehend  aus  einem  Äquivalent 
rhwefel  und  vier  Äquivalenten  Sauerstoff,  und  dem  metallischen  Kation 
itrium;  aus  dem  ersten  bildete  sich  an  der  Anode  durch  secundäre  Wirkung 
Awefelsäure  unter  Entwickelung  von  einem  Äquivalent  Sauerstoff,  und  aus 
m  letzteren  an  der  Kathode  durch  secundäre  Wirkung  des  Metalles  Natron 
iter  der  Entwickelung  eines  Äquivalentes  Wasserstoff. 

„Diese  elektrochemischen  Betrachtungen  sind  übrigens  auf  viele  andere 
lzartige  Verbindungen  anwendbar,  wie  ich  nachher  zeigen  werde;  und 
hren  bezüglich  der  mitgetheilten  Versuche  zu  dem  Ergebnisse,  dass  die 
lemischen  Formeln  der  benutzten  Salze,  insofern  sie  Elektrolyte  sind,  folgen- 
nrnaassen  abgeändert  werden  müssen: 

Chemische  Formel  Elektrolytische  Formel 

Schwefelsaures  Natron  .     .     .     .     (S  +  3O)  +  (Na  +  O)  (S  +  4O)  +  Na 

Schwefelsaures  Kali (S  +  3  O)  +  (K  +  O)  (S  +  4  O)  +  K 

Salpetersaures  Kali (N+  5O)  +  (K  +  O)  (N+  60)  +  K 

Phosphorsaures  Natron  .     .     .     .     (P  +  2V80)  +  Na  +  O)  (P  +  37,0)4- Na. 

„Diese  Ansicht  fuhrt  mich  zu  einer  Änderung  der  Meinung,  welche  ich 
isher  über  die  Zersetzung  des  Kupfersulfates  in  der  constanten  Batterie 
ehegt  habe,  sowie  über  die  Elektrolyse  der  Salze,  deren  metallische  Basis* 
ir  sich  unfähig  ist,  das  Wasser  zu  zersetzen.  Ich  habe  immer  das  Erscheinen 
es  Kupfers  auf  der  Platinode  der  secundären  Wirkung  des  daselbst  ent- 
nckelten  Wasserstoffes  zugeschrieben;  die  eben  entwickelten  Betrachtungen 
öthigen  mich  aber,  das  Kupfer  als  das  Ergebniss  einer  primären  Wirkung 
nzusehen,  indem  die  elektrolytische  Formel  des  Kupfersulfates  nicht 
5  +  3O)  +  (Cu  +  O)  ist,  sondern  (S  +  4O)  +  Cu." 

Zum  Verständniss  der  vorstehenden  wichtigen  Ausführungen  sei  bemerkt, 
bss  Daniell  durchweg  Äquivalentformen  schreibt,  in  welchen  die  Atom- 
[ewichte  der  zweiwerthigen  Elemente  Sauerstoff,  Kupfer,  u.  s.  w.  nur  halb 
0  gross  angenommen  werden,  wie  gegenwärtig;  die  einwerthigen  Elemente 
lagegen  hatten  damals  die  gleichen  Zahlen,  wie  jetzt.  Was  ferner  die 
ormel  des  phosphorsauren  Natrons  anlangt,  so  ist  das  gewöhnliche  Bi- 
atriumphosphat  gemeint,  dessen  Formel  gegenwärtig  HNa8P04  geschrieben 
drd;  verdoppelt  man  den  alten  Atomgewichten  entsprechend  die  Zahl  der 
iauerstoffatome,  und  nimmt  den  Wasserstoff  als  mit  Sauerstoff  zu  Wasser 
erbunden  an,  so  ergiebt  sich  die  von  Daniell  benutzte  Formel. 

„Die  nachstehenden  Versuche  wurden  angestellt,  um  den  Punkt  noch 
eiter  aufzuklären. 

„14.  Versuch.  Die  Zelle  mit  der  doppelten  Scheidewand  wurde  an  der 
latinode  mit  einer  gesättigten  Lösung  von  schwefelsaurem  Kupfer  gefüllt; 
ie  Verbindungsröhre  und  die  Zelle  mit  der  Zinkode  wurden  mit  Schwefel- 
ure  von  gewöhnlicher  Stärke  geladen,  und  ein  Voltameter  in  den  Strom- 
eis geschlossen.  Der  Vorgang  wurde  unterbrochen,  nachdem  35  Kubikzoll 
t  gemischten  Gase  gesammelt  worden  waren.     Das  auf  der  Platinode  ge- 


Ö20  Vierzehntes  Kapitel. 

fällte  Kupfer  wog  15,5  Gran,  und  die  Lösung  a  in  der  Zelle  mit  der  Platii 
welche  sauer  war,  zeigte  durch  die  Neutralisation  mit  Soda  18,8  Gran  1 
Schwefelsäure  an.  Alle  diese  Ergebnisse  nähern  sich  sehr  den  gen 
Aquivalentverhältnissen,  wie  es  die  nachstehende  Tabelle  ausweist: 

Beobachtet  Berechnet 

Sauerstoff  und  Wasserstoff  ...     35  Kubikzoll  35,4  Kubikzoll 

Gefälltes  Kupfer 16,5  Gran  16  Gran 

Freie  Schwefelsäure 18,8      „  20      „     . 


„15.  Versuch.  Der  letzte  Versuch  wurde  wiederholt,  indem  an  * 
der  Zinkode  von  Platin  eine  solche  von  Zink  eingesetzt  wurde;  die  Ei 
iiisse  und  deren  Vergleich  mit  den  genauen  Äquivalentzahlen  ergeben 
aus  der  Tabelle: 

Beobachtet  Berechnet 

Sauerstoff  und  Wasserstoff  ...     35  Kubikzoll  35,4  Kubikzoll 

Gefälltes  Kupfer 16,7  Gran  16  Gran 

Gelöstes  Zink 16,4      „  16      v 

Freie  Schwefelsäure 18,8      „  20      „     . 

„Das  Auftreten  von  freier  Schwefelsäure  in  der  Platinode-Zelle  an 
an  der  Zinkode  ist  sehr  merkwürdig.  Der  Ansicht  zufolge,  welche  ich 
gelegt  habe,  muss  man  sich  von  dem  Ergebniss  folgende  Vorstellung  mac 
Der  Transport  des  Stromes  in  der  Doppelzelle  musste  durch  die  Elektrc 
des  zusammengesetzten  Elektrolyts  Kupfersulfat  (S  +  4O)  +  Cu  und  des 
fachen  Elektrolyts  Wasser  H  +  O  bewerkstelligt  worden  sein,  indem 
Ladung  durch  den  einen  bis  zu  seiner  Berührungsstelle  mit  dem  and 
gebracht  und  dort  diesem  abgeliefert  wurde.  Beginnen  wir  der  Bequem 
keit  wegen  mit  dem  Kupfersulfat,  so  ist  das  Metall  auf  der  Platinode  a 
setzt  worden,  und  das  zusammengesetzte  Anion  (S  +  4O)  wandert  bi 
dem  angesäuerten  Wasser,  da  es  aber  nichts  antrifft,  womit  es  sich 
binden  kann,  so  tritt  die  Zersetzung  des  Wassers  ein,  dessen  Wasse 
sich  mit  einem  Atom  Sauerstoff  des  zusammengesetzten  Anions  (S  + 
vereinigt,  während  Schwefelsäure  (S  +  3O)  nachbleibt;  gleichzeitig  gehl 
Strom  mit  dem  Äquivalent  von  Sauerstoff  aus  dem  Wasser  weiter, 
dieser  wird  entweder  an  der  Platin-Zinkode  abgegeben  oder  vom  Zink 
genommen." 

Diese  Darlegungen  zeigen,  wie  schwer  es  selbst  demjenigen,  der 
richtige  Ansicht  zum  ersten  Male  erfasst  hat,  werden  kann,  diese  Ar 
folgerichtig  durchzufuhren.  Zwei  Seiten  weiter  zeigt  Daniell  in  ders« 
Abhandlung,  dass  man  die  Säuren  als  Wasserstoflverbindungen  auff 
müsse,  deren  Ionen  einerseits  Wasserstoff,  andererseits  der  mit  Wasse 
verbundene  einfache  Stoff  oder  Stoffcomplex  sind.  Demgemäss  hätte  ei 
Vorgang  so  schildern  müssen,  dass  an  der  Stelle,  wo  die  Kupferlösun 
die  verdünnte  Schwefelsäure  grenzt,  das  Ion  SO4  ungestört  weiter  wai 
da  auch  in  der  Schwefelsäure  dasselbe  Ion  vorhanden  ist;  erst  an  der  A 
braucht  dann   eine   etwaige   chemische  Reaktion   angenommen   zu   we 


Die  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       62 1 

\llerdings  entsteht  hierbei,  wenn  man  das  Ion  nicht  im  freien  Zustande 
«andern  lassen  will,  sondern  eine  Reihe  von  abwechselnden  Trennungen 
wd  Verbindungen  nach  dem  Vorgange  von  Grotthuss  annimmt,  die  Noth- 
arendigkeit,  an  der  Berührungsstelle  das  dort  vorhandene  CuSO4  mit  dem 
fPSO*  das  Ion  SO4  tauschen  zu  lassen;  doch  giebt  diese  Annahme  gleich- 
zeitig Rechenschaft  von  dem  Auftreten  der  freien  Schwefelsäure  an  der 
Kathode,  und  ist  somit  in  Danieli/s  Sinne  durchaus  consequent. 

Derartige  Erscheinungen,  dass  die  geistige  Energie  eines  Mannes  wohl 
zureicht,  um  eine  grundlegende  Umgestaltung  einer  fehlerhaften  Ansicht 
xq  bewerkstelligen,  dass  sie  aber  bei  der  Durchfuhrung  des  Gedankens  an 
einzelnen  Stellen  plötzlich  versagt,  und  den  Entdecker  dort  in  den  eben 
überwundenen  Fehler  zurückfallen  lässt,  sind  keineswegs  selten.  Die  An- 
strengung für  die  ganz  consequente  Durchfuhrung  einer  ungewohnten  An- 
sicht ist  eben  erheblich  grösser,  als  die  zur  Conception  des  Gedankens 
erforderliche,  und  die  Übung  in  dem  Gebrauch  des  neuen  Denkhülfsmittels, 
welche  seine  Anwendung  so  wesentlich  erleichtert,  muss  erst  noch  gewonnen 
werden. 

11.  Bestimmung  der  wahren  Ionen.  „Ein  anderer  naheliegender 
Pönkt  von  grossem  Interesse  war,  zu  bestimmen,  welche  Beziehung  zu  dem 
Strome  die  Produkte  der  Elektrolyse  der  Ammoniaksalze  aufweisen  würden; 
£s  zeigte  sich  folgendes. 

„16.  Versuch.  Die  Doppeldiaphragma -Zelle  wurde  mit  einer  Zinkode 
*on  Zinn  versehen,  mit  einer  starken  Lösung  von  Salmiak  geladen,  und  ein 
Voltameter  wurde  in  den  Kreis  geschaltet.  Das  Gas  von  der  Platinode 
•rurde  über  Quecksilber  gesammelt.  Als  35  Kubikzoll  der  gemischten  Gase 
entwickelt  waren,  wurde  der  Versuch  unterbrochen. 

„An  der  Zinkode  war  kein  Gas  abgegeben  worden;  der  Verlust  des 
Zinns  betrug  30,4  Gran.  Von  der  Platinode  wurden  23,5  Kubikzoll  Wasser- 
stoffgas'gesammelt;  die  Lösung  in  dieser  Zelle  roch  sehr  stark  ammoniaka- 
lisch  und  ergab  durch  Neutralisation  einen  Gehalt  von  8^4  Gran  Ammoniak 
in  freiem  Zustande.  Die  Annäherung  dieser  Zahlen  an  die  Äquivalente  er- 
giebt  sich  aus  der  folgenden  Tabelle: 

Versuch  Berechnet 
Gemischte  Grase  aus  dem  Voltameter      .     .     .     35,0  35,4 

Wasserstoff  von  der  Platinode 23,5  23,6 

Zinn 30,4  29,0 

Ammoniak 8,25  8,5. 

„Salmiak  erwies  sich  somit  als  ein  Elektrolyt,  dessen  einfaches  Anion 
Chlor  ist,  und  dessen  zusammengesetztes  Kation  aus  Stickstoff  mit  vier 
Äquivalenten  Wasserstoff  besteht.  Seine  elektrolytische  Formel  ist  daher 
licht  (Cl  +  H)  +  (N  +  3H),  sondern  Cl  +  (N  +  4H)." 

An  diesen  Versuch  schliesst  Daniell  einen  ähnlichen  mit  Ammonium- 
ulfat,  dessen  Ergebnisse  zu  dem  entsprechenden  Schlüsse  fuhren,  dass  die 
Wien  SO4  und  NH4  sind. 


Ö22  Vierzehntes  Kapitel. 


„Es  ist  unmöglich,  nicht  von  der  merkwürdigen  und  für  mich 
kommen  unerwarteten  Übereinstimmung  betroffen  zu  werden,  welch« 
eben  dargelegten  Ergebnisse  mit  zwei  berühmten  Hypothesen  haben 
der  von  Berzelius  bezüglich  der  Constitution  des  Salmiaks,  und  mi 
von  Davy,  bezüglich  der  Natur  der  Säuren  und  deren  salzartigen  V< 
düngen. 

„Der  erste  ist  durch  Analogieen,  welche  hier  zu  wiederholen  unr 
ist,  zu  der  Ansicht  gekommen,  dass  der  Salmiak  das  Chlorid  eines  ! 
thetischen  Radikals  ist,  welches  er  Ammonium  genannt  hat,  und  w< 
aus  einem  Äquivalent  Stickstoff  und  vier  Äquivalenten  Wasserstoff  zusair 
gesetzt  ist;  das  Oxyd  dieses  Radikals  sieht  er  als  die  Basis  seiner  Saue 
salze  an.  Nach  dieser  Ansicht  ist  Salmiak  nach  der  Formel  (N  +  4H) 
zusammengesetzt,  und  schwefelsaures  Ammoniak  nach  (N+4H  +  0)  +  (SH 
Die  erste  Formel  stimmt  genau  mit  der  Schlussfolgerung,  welche  wi 
der  Elektrolyse  dieses  Salzes  gezogen  haben;  die  letztere  weicht  abei 
der  elektrolytischen  Ansicht  ab,  welche  nicht  eine  Verbindung  von  ! 
und  Basis  annehmen  lässt,  sondern  eine  von  Ammonium  und  dem  zusam 
gesetzten  Anion  (S  +  4O). 

„Die  Hypothese  von  Davy  war,  dass  die  Salze  der  Sauerstoffsäuren 
ähnliche  Constitution  haben  könnten,  wie  die  binären  Verbindunger 
Chlors  mit  den  Metallen,  und  dass  die  Säurehydrate  als  Wasserstoffs 
angesehen  werden  müssen.  Wie  Salzsäure  eine  einfache  Verbindung 
Elemente  Chlor  und  Wasserstoff  ist,  oder  Cl  +  H,  so  kann  Schwefels 
hydrat  eine  Verbindung  eines  zusammengesetzten  Radikals  mit  Wass* 
oder  (S  +  4O)  +  H  sein. 

„Lässt  man  Salzsäure  auf  Natron  wirken,  so  wird  Wasser  und  Nat 
chlorid  oder  Cl  +  Na  gebildet.  Lässt  man  Schwefelsäure  auf  Natron  w 
so  wird  gleichfalls  Wasser  gebildet,  und  eine  binäre  Verbindung  eine 
sammengesetzten  Radikals  mit  Natrium,  oder  (S  +  4O)  +  Na. 

„Die  allgemeine  Ansicht,  welche  er  darlegte,  war,  dass  ein  Ra 
welches  einfach  wie  Chlor,  oder  zusammengesetzt  wie  Cyan  oder  (S  - 
sein  kann,  mit  Wasserstoff  eine  Säure  bildet  und  mit  einem  Metall  ein 
Die  Ansicht  war  durch  mancherlei  Analogieen  unterstützt;  sie  hat  jed< 
den  Vortheil,  dass  sie  die  Constitution  einer  natürlichen  Gruppe  von  Sl 
welche  einander  so  ähnlich  sind,  wie  die  Salze,  und  welche  die  frü 
Theorieen  in  die  beiden  verschiedenen  Klassen  der  Sauerstoffsalze  un 
Haloidsalze  spalteten,  als  ähnlich  erweist.  Der  Fortschritt  der  organi 
Chemie  und  die  Lehre  von  der  Substitution  haben  die  Wahrscheinli 
verstärkt,  welche  diese  Hypothese  auszeichnet,  und  die  Ergebnis» 
Elektrolyse,  welche  ich  eben  dargelegt  habe,  werden  vermuthlich  ä 
mittelbare  Beweise  ihrer  Richtigkeit  angesehen  werden.  Die  einzig 
scheinung,  welche  sie  nicht  umfasst,  ist  die  Zersetzung  der  verdi 
Schwefelsäure,  denn  es  ist  kein  Grund  zu  sehen,  warum  das  Säurel 
nicht  in  Schwefelsäure  und  ein  Äquivalent  Sauerstoff  an  der  Zinkode 


Die  Entwicklung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       623 


isserstoff  an   der  Platinode  zerfallen   soll,   oder  in  (S  +  4O)  +  H   anstatt 

„Betrachten  wir  dagegen  das  Wasser  als  den  Elektrolyten,  welcher  bei 
ser  Gelegenheit  zersetzt  wird,  so  ist  es  nicht  weniger  schwierig  zu  ver- 
len,  warum  ein  Viertel  Äquivalent  Schwefelsäure  den  Sauerstoff  zur 
kode  begleitet,  und  wie  die  Leitung  mit  ihrer  Gegenwart  zusammenhängt, 
in  obwohl,  wie  wir  gesehen  haben,  die  übergehende  Menge  Schwefelsäure 
allen  Fällen  dieselbe  ist,  so  nimmt  die  Leichtigkeit  der  Elektrolyse  in 
n  Verhältnisse  ab,  als  der  Antheil  an  Säure  unter  das  Verhältniss  von 
in  zu  eins  in  der  Mischung  fallt." 

Die  Schwierigkeit,  welche  Daniell  hier  in  den  Erscheinungen  bei  der 
lwefelsäure  sieht,  sind  später  der  Ausgangspunkt  hochwichtiger  Forschungen 
vesen,  welche  das  Wesen  der  elektrolytischen  Leitung  in  entscheidender 
nse  aufgeklärt  haben.  Es  wird  daher  später,  bei  der  Besprechung  der 
rschungen  Hittorf's,  Gelegenheit  sein,  auf  diese  Frage  zurückzukommen, 
shalb  ihre  Erörterung  an  dieser  Stelle  noch  unterbleiben  kann.  Nur  soviel 
l  gesagt  werden,  dass  es  sich  hier  nicht  um  einen  Widerspruch,  sondern 
1  eine  Erweiterung  und  Vertiefung  derselben  Ansicht  handelt,  zu  denen 
xiell  hier  den  Grund  gelegt  hatte.  Es  ist  dies  eine  sich  häufig  wieder- 
lende  Erscheinung,  dass  gerade  die  Stellen,  an  denen  eine  sonst  gute  und 
luchbare  neue  Anschauung  Schwierigkeiten  findet,  später  den  Ausgang 
uer  und  wichtiger  Entwickelungen  bilden.  Es  ist  daher  nichts  unzweck- 
issiger,  als  wie  es  vielfach  halb  unbewusst  geschieht,  solche  Stellen  ver- 
cken  zu  wollen,  um  dem  Credit  des  Gedankens  nicht  zu  schaden.  Ist 
r  Gedanke  gut,  so  wird  sicher  eine  solche  unebene  Stelle  der  Ansatz- 
nkt  einer  entwickelungsfahigen  Knospe  sein;  eine  solche  verdecken  heisst 
1  Entwickelung  stören.  Hat  aber  der  Gedanke  keine  Lebenskraft,  so  kann 
nicht  schnell  genug  beseitigt  werden,  und  für  den  Urheber  selbst  ist  es 
herlich  besser,  wenn  dies  früher,  als  wenn  es  später  geschieht. 

12.  Fortsetzung.  In  einer  zweiten  Mittheilung  über  die  Elektrolyse 
:undärer  Verbindungen,1  welche  wie  die  erste  in  Form  eines  Briefes  an 
raday  veröffentlicht  wurde,  beschreibt  Daniell  einige  sehr  interessante 
rauche.  Er  wünschte  zu  beweisen,  dass  wirklich  das  Metall  und  nicht  das 
cyd  als  Kation  wandert,   und  verfuhr  zu  diesem  Zweck  folgen dermaassen: 

„Eine  kleine  Glasglocke,  welche  oben  eine  Öffnung  besass,  war  unten 
rch  eine  darüber  gespannte  Membran  verschlossen.  Sie  wurde  zur  Hälfte 
t  einer  nur  schwachen  Lösung  von  kaustischem  Kali  gefüllt  und  in  ein 
isgefäss  gehängt,  welches  eine  starke  neutrale  Lösung  von  Kupfersulfat 
:hielt,  unter  deren  Oberfläche  sie  eben  getaucht  wurde.  Eine  Platinelek- 
de,  welche  mit  dem  letzten  Zinkstabe  einer  grossen  constanten  Batterie 
1  zwanzig  Zellen  verbunden  war,  wurde  in  die  Kalilösung  gesteckt;   eine 


1  Philos.  Trans.  1840,  20Q. 


624  Vierzehntes  Kapitel 


andere,  die  mit  dem  Kupfer  der  ersten  Zelle  verbunden  war,  wurde  in 
Kupfersulfat  unmittelbar  unter  dem  Diaphragma  angebracht,  welche 
beiden  Lösungen  trennte.  Der  Kreis  leitete  sehr  gut,  und  die  Wirkunj 
sehr  energisch.  Wasserstoff  wurde  an  der  Platinode  oder  der  in  das 
tauchenden  Elektrode  abgegeben,  und  Sauerstoff  an  der  Zinkode  im  Ki 
sulfat.  Eine  kleine  Menge  Gas  sah  man  auch  von  der  Oberfläche 
Diaphragmas  aus  sich  entwickeln.  Nach  etwa  10  Minuten  fand  ma 
untere  Fläche  des  Diaphragmas  mit  einem  schönen  Überzuge  von  m 
schem  Kupfer  bedeckt,  durchsetzt  mit  Kupferoxyd  von  schwarzer  und  K 
oxydhydrat  von  hellblauer  Farbe. 

„Die  Erklärung  dieser  Erscheinung  ist  offenbar.  In  der  Versucl: 
haben  wir  zwei  Elektrolyte,  welche  durch  eine  Scheidewand  getrennt 
der  Strom  muss  durch  beide  gehen,  um  den  Kreislauf  zu  vollenden. 
Kupfersulfat  wird  in  seine  Bestandtheile,  das  zusammengesetzte  1 
Schwefelsäure  plus  Sauerstoff,  und  das  einfache  Kation  Kupfer  getrennt 
Sauerstoff  des  ersteren  entweicht  an  der  Zinkode,  das  Kupfer  wird  abe 
seiner  Wanderung  nach  der  Platinode  an  der  Oberfläche  des  zweiten 
trolyts  aufgehalten,  als  welches  wir  für  den  Augenblick  Wasser  an 
können,  dessen  Leitfähigkeit  durch  die  Gegenwart  des  Kalis  verbessert  w< 
ist.  Das  Metall  findet  hier  nichts,  womit  es  sich  verbinden  kann,  um  s 
Lauf  zu  vollenden;  da  es  gezwungen  wird,  stehen  zu  bleiben,  giebt  es 
Ladung  dem  Wasserstoff  des  zweiten  Elektrolyts  ab,  welcher  an  die  Plat 
geht  und  entwickelt  wird.  Der  entsprechende  Sauerstoff  bleibt  gleic 
an  der  Scheidewand  stehen,  indem  er  seine  Ladung  dem  Anion  des  Ki 
sulfats  abgiebt.  Kupfer  und  Sauerstoff,  welche  derart  an  der  Zwischei 
zusammentreffen,  treten  theilweise  in  Verbindung,  und  bilden  das  seh 
Oxyd;  wegen  der  Geschwindigkeit  der  Wirkung  ist  aber  für  das  Ganze 
Zeit  zur  Verbindung,  so  dass  ein  Theil  des  Kupfers  im  metallischer 
stände  bleibt  und  ein  Theil  des  Sauerstoffes  entweicht.  Die  Fällunj 
blauen  Hydroxyds  stammt  unzweifelhaft  von  der  Mischung  eines  kleine 
theiles  der  beiden  Lösungen  her." 

Ähnliche  Versuche  stellte  Daniell  noch  mit  verschiedenen  an 
Metallsalzen  an,  und  erhielt  mit  Silber,  Blei,  Palladium,  Quecksilbei 
sogar  mit  Eisen  metallische  Ausscheidungen;  Magnesium  konnte  da 
nicht  auf  diese  Weise  erhalten  werden. 

Was  die  Deutung  dieser  seltsamen  Beobachtungen  anlangt,  so 
diese  im  Sinne  der  gegenwärtigen  Ansichten  erst  an  viel  späterer  Stell 
geben  werden;  auch  soll  schon  hier  betont  werden,  dass  in  dieser  Bezi< 
noch  manches  aufzuklären  ist.  Daniell  betrachtete  sie  als  einen  bind 
Beweis  zu  Gunsten  seiner  Ansicht  von  der  Natur  der  Ionen,  und  gin| 
halb  dazu  über,  dieser  Ansicht  entsprechend  die  Nomenclatur  der 
neu  zu  gestalten.  „Bevor  ich  in  den  Einzelheiten  meiner  Experimental 
suchungen  weiter  gehe,  muss  ich  Ihre  Nachsicht  für  einige  Bemerkunj 
Hinsicht  der  Nomenclatur  erbitten,  in  welcher  ein  Wechsel  nach  einer  s< 


Die  Bntwickehing  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       625 


iderang  der  Ansichten  ganz  nothwendig  erscheint;  ohne  sie  scheint  es 
im  möglich,  Umschreibungen  von  der  umständlichsten  Art  zu  vermeiden, 
von  Sie  sich  in  dem  Vorstehenden  genugsam  überzeugen  können.  Wenn 
'  von  Salzen  als  Elektrolyten  sprechen,  bedürfen  wir  dringend  bezeichnen- 
•  Namen  für  die  zusammengesetzten  Anionen,  mit  denen  ihre  metallischen 
tionen  verbunden  sind  So  habe  ich,  wenn  vom  Kupfersulfat  als  Elek- 
lyten  die  Rede  war,  dessen  Anion  als  Schwefelsäure  plus  Sauerstoff  be- 
zhnen  müssen,  obwohl  nichts  umständlicher  und  der  Wortbedeutung  nach 
eher  sein  kann.  Nach  vielem  Nachdenken  über  den  Gegenstand  kam  ich 
•auf,  dass  der  Ausdruck  Ion,  welchen  Sie  eingeführt  haben,  um  gleichartig 
beiden  Bestandteile  eines  Elektrolyts  zu  bezeichnen,  und  welchen  Sie 
tter  zu  Kation  und  Anion  zusammengesetzt  haben,  um  die  Elemente  zu 
nennen,  welche  beziehungsweise  nach  der  Kathode  oder  der  Anode  wan* 
rn,  als  eine  allgemeine  Endigung  benutzt  werden  könnte,  um  die  Ver- 
ldungen  zu  bezeichnen,  welche  bei  der  Elektrolyse  der  Salze  nach  der 
ikode  wandern,  und  diese  insbesondere  unterschieden  werden  können,  in- 
m  man  den  leicht  abgeänderten  Namen  der  Säure  vorsetzt  So  kann, 
detrolytisch  betrachtet,  das  Kupfersulfat  das  Oxysulfion  des  Kupfers  ge- 
nnt  werden,  und  Kaliumnitrat  Kalium-Oxynitrion.  Das  Oxysulfion  des 
iteren,  welches  zu  der  Zinkode  der  Batterie  wandern  würde,  besteht  aus 
+  4O);  das  Oxynitrion  des  letzteren  aus  (N  +  60).  Das  Ammonium- 
xysulflon  oder  (S  +  4O)  +  (N  +  4H)  würde  das  Ammoniumsulfat  be- 
lehnen." 

Nach  einer  Apologie  für  diese  Neuerung  und  einer  Erörterung  der 
iwierigkeit,  dass  die  angenommenen  zusammengesetzten  Ionen  nicht  für 
&  herstellbare  Stoffe  seien,  schildert  Daniell  einige  Versuche,  diese  zu 
)üren.  In  der  Voraussetzung,  dass  diese  Stoffe  bei  niedriger  Temperatur 
ständiger  sein  werden,  unternahm  er  die  Elektrolyse  der  Schwefelsäure  bei 
va  —  200  C,  und  fand  auch,  dass  viel  weniger  Sauerstoff  entwickelt  wurde, 
;  dem  Wasserstoff  entsprach.  Doch  gelang  es  ihm  nicht,  die  entstandene 
tie  Verbindung  zu  isoliren;  er  vermuthet,  dass  eine  Verbindung  von 
hwefel  mit  sieben  Äquivalenten  Sauerstoff  entstanden  sein  könnte,1  doch 
irden  die  Versuche  abgebrochen. 

Der  von  Daniell  erwähnte  Einwand  ist  derselbe,  welcher  seinerzeit  gegen 
ivy's  Theorie  gemacht  worden  war,  und  gleiches  wurde  gegen  die  Radikal- 
eorie  der  Chemie  zur  Geltung  gebracht.  Es  Jiat  langer  Zeit  bedurft,  bis 
in  im  letzteren  Falle  eingesehen  hat,  dass  es  gerade  in  der  Natur  eines 
idikals  begründet  ist,  dass  es  nicht  isolirt  werden  kann,  und  erst  in  neuester 
it  beginnt  man  anzuerkennen,  dass  es  ähnlich  mit  den  Ionen  bestellt  sein 
iss,    nachdem   auf  diesem  Boden  wiederholt  Einwände  gegen  die  Ionen- 

1  Diese  Voraussicht  hat  sich  später  wesentlich  bewährt,  indem  als  Produkt  der  Elektrolyse 
er  diesen   Umständen  Überschwefelsäure    entsteht,    deren  Formel  (H^K)8  in  gegenwärtiger 
reibart)  Daniell's  Vermuthung  entspricht. 
Ottwald,   Elektrochemie.  40 


626 


Vierzehntes  Kapitel. 


theorie  erhoben  worden  sind,  welche  von  den  Einsprechenden  fiir  unwider- 
leglich gehalten  wurden. 

Weitere  Versuche  Danibll's  beziehen  sich  auf  die  schon  oben  erwähne 
Anomalie,  welche  die  freien  Säuren  bezüglich  der  Überfuhrung  zeigen.  V» 
suche  mit  freien  Basen  ergaben,  dass  diese  sich  an  der  anderen  Elektrode 
der  Kathode,  anhäuften,  aber  gleichfalls  in  viel  geringerer  Menge,  als  den 
Äquivalent  des  Stromes  entsprach.  Auch  dieser  Befund  erfuhr  erst  durd 
HrrroRF  seine  Erklärung.  Es  wird  nicht  nöthig  erscheinen,  auf  diese  V« 
suche  näher  einzugehen;  ebenso  wird  der  kurze  Bericht  genügen,  dass  e 
bei  der  Elektrolyse  von  Ammoniumoxalat  an  der  Anode  Kohlensäure  erttet 
in  welche  sich  das  Anion  der  Oxalsäure,  das  Oxalion  C*0*,  verwandelte 
Bei  der  Elektrolyse  von  äthylschwefelsaurem  Kali  erschien  an  der  Anode 
wie  erwartet,  Äthylschwefelsaure  und  Sauerstoff,  an  der  Kathode  Wasserstau 
und  Kali. 

13.  Theorie  der  Elektrolyse.  Nach  der  in  diesen  letzten  Versuche* 
angedeuteten  Richtung  wurden  diese  Untersuchungen  nach  einigen  Jahre«1 
fortgesetzt  und  abgeschlossen.  An  der  Arbeit  betheiligte  sich  diesmal  da 
Schüler  und  Assistent  Daniell's,  W.  A.  Miller.    Ein  neuer  Apparat,  dead 

Einrichtung  aus  der  bei 
stehenden  Fig.  161  kädj 
zu  ersehen  ist,  und  wel 
eher  gleichfalls  mit  emt 
doppelten  Scheide«» 
ausgestattet  war,  dieat 
hierbei;  sein  Vorzug  nj 
dem  älteren  bestand  darl 
dass  seine  Form  «4 
günstiger  für  die  Ld 
fähigkeit  des  Ganzen  «1 
wodurch  die  unbequef 
Erwärmung  durch  d 
Strom  vermieden  werdj 
konnte.  Es  wurden  zunächst  die  verschiedenen  Salze  der  Phosphors» 
elektrolyslrt;  aus  den  Versuchen  wurde  der  nicht  ganz  gerechtfertigte  Schi 
gezogen,  dass  in  den  Salzen,  welche  ein,  zwei  oder  drei  Atome  Natrium  et 
halten,  drei  untereinander  verschiedene  Phosphorsäuren  enthalten  sind, 
muss  beachtet  werden,  dass  die  Lehre  von  den  mehrbasischen  Sa« 
damals  noch  nicht  mit  der  Sicherheit  gehandhabt  werden  konnte,  die 
zur  Zeit  durch  die  Entwicklung  des  Molekularbegriffes  erhalten  hat; 
Missgriff  ist  also  durchaus  entschuldbar. 

Bei  der  Untersuchung  der  Salze  der  arsenigen  Säure  wurde  die  Be 
Achtung  gemacht,   dass  sich  kein  Sauerstoff  entwickelte,  da  er  die  ; 

1  Philos.  Trans.   1844,   1. 


Fig.  161.      Nach  Daniell. 


Die  Entwkkching  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       627 

»  —  — 

an  der  Anode  zu  Arsensäure  oxydirte.  „Es  könnte  vermuthet  werden, 
ler  Sauerstoff,  welcher  mit  der  arsenigen  Säure  nach  der  Zinkode 
rte,  sich  mit  dieser  (unterwegs)  verbunden  und  Arsensäure  gebildet 
doch  dies  fand  nicht  statt."  Auch  für  diese  auffällige  Erscheinung  ist 
klärung  erst  viel  später  gefunden  worden. 

Nichtige  Ergebnisse  wurden  erhalten,  als  Ferrocyankalium  untersucht 
Aus  den  Erscheinungen,  die  hier  nicht  im  Einzelnen  geschildert 
1  sollen,  ging  unzweifelhaft  hervor,  dass  Kalium  nach  der  einen  Seite 
rte  und  das  Ferrocyanion  nach  der  anderen.  Gleiche  Ergebnisse 
i  sich  mit  anderen  complexen  Salzen  heraus.  Daxiell  geht  ziemlich 
über  diese  Erscheinungen  fort;  in  späterer  Zeit  sollten  sie  sich  als 
•osser  Bedeutung  für  die  Theorie  der  Salze  erweisen. 
en  breitesten  Raum  in  der  Abhandlung  nimmt  die  Untersuchung  der 
ungen  ein,  welchen  der  Gehalt  der  den  Versuchen  unterworfenen  Salz- 
en in  den  Zellen  erfuhr.  Diese  Erscheinung  war  den  Forschern  ganz 
tändlich,  denn  sie  hatten  folgende  Überlegung  angestellt,  aus  der  sie 
sen  zu  müssen  glaubten,  dass  die  Änderung  des  Gehaltes  an  beiden 
xlen  gleichförmig  stattfinden  müsse.  Indem  sie  von  den  früher  (S.  623 
j6)  erwähnten  Versuchen  über  die  Concentrationsänderungen  saurer  und 
:her  Lösungen  reden,  fahren  sie  fort:  „Indessen  war  damals  ein  Umstand 
hen  worden,  auf  welchen  bei  der  Rechnung  Acht  gegeben  werden  muss, 
h  dass  die  Entwickelung  eines  ganzen  Äquivalentes  der  Ionen  an  den 
xien  unter  den  gemachten  Voraussetzungen  von  der  Übertragung  nur 
talben  Äquivalentes  an  jeder  Seite  begleitet  wird.  Dies  geht  klar  aus  dem 
Jen  Diagramm  hervor 
52\  Es  soll  A,  B,  C 
eine  Reihe  von  Chlor- 
1  darstellen,  ay  b,  c 
.  eine  Reihe  von  Ka- 
lmen, welche  mit  den 
tomen  der  oberen 
verbunden  sind.  X, 
eine  Mittellinie  oder 
ewand,  Z  und  P  sind 
lektroden.  Stellt  1 
tordnung  dar,  bevor 
om  durchgeht,  wobei 
ind  a,  ß  und  b  u.  s.  w. 
den  sind  und  zusam- 

»etzte  Theilchen  von  Chlorkalium  bilden,    so  wird   2   die  Anordnung 
nachdem  ein  einzelnes  Äquivalent  der  Ionen  an  den  Elektroden  ent- 
worden ist.     Jedes  Theilchen  wird  nothwendig  einen  halben  Schritt 
ms  gegangen  sein,  indem  es  sich  mit  dem  anliegenden  Theilchen  ver- 
hat,    so  dass  nun  £a,   Cb,  De  u.  s.  w.  die  Kette  zwischen  den 

40* 


Fig.  162.     Nach  Daniell. 


628  Vierzehntes  Kapitel. 


Elektroden  bilden.    Wird  nun  angenommen,  dass  ein  zweites  Äquivalent  an! 
den  Elektroden  in  Freiheit  gesetzt  wird,  so  wird  ein  Atom  von  jedem  loa 
die  Mittellinie    überschritten   haben,   ein  Äquivalent  ist  daher   übertragen 
worden,  während  zwei  entwickelt  worden  sind,  wie  Fig.  162  zeigt." 

Diese  Überlegung  ist  ein  ausgezeichnetes  Beispiel  für  die  schädlich«] 
Folgen  einer  „selbstverständlichen",  d.  h.  nicht  eingehend  geprüften  Voraus* 
setzung.  Auf  den  ersten  Blick  scheint  keine  Einwendung  gegen  den  Schi« 
möglich  zu  sein,  und  in  der  That  haben  lange  Zeit  hindurch  alle  Physika 
so  fest  an  die  Bündigkeit  der  Darlegung  geglaubt,  dass  Hittorf,  der  aaf 
die  Willkürlichkeit  der  „selbstverständlichen"  Annahme,  die  hier  gemacht 
worden  ist,  hinwies,  zuerst  überhaupt  nicht  verstanden  wurde.  Die  Willk&f; 
liegt  in  der  Annahme,  dass  die  beiden  Ionen  gleich  grosse  „Schritte-1 
machen.  Es  ist  von  vornherein  gar  kein  Grund  zu  der  Annahme  vorhanden 
dass  jedes  der  beiden  Ionen  gerade  die  Hälfte  des  gemeinsamen  W 
zurücklegt;  es  kann  das  eine  auch  zwei  Drittel  wandern,  während  das  an« 
nur  ein  Drittel  des  Weges  macht,  und  so  ist  jedes  andere  Verhältniss 
lieh.  Und  in  der  That  hat  sich  erwiesen,  dass  dies  der  Schlüssel  zu 
den  Erscheinungen  ist,  welche  Daniell  sich  nicht  hat  erklären  können.  W 
er  nur  einmal  alle  Voraussetzungen,  welche  er  bei  seinen  Schlüssen  bem 
hat,  ausdrücklich  ausgesprochen  oder  hingeschrieben  hätte,  so  hätte  er 
Willkür  der  einen  eben  erwähnten  bemerken  müssen.  Der  Fehler,  wel 
hier  unser  sonst  so  scharfsinniger  Forscher  begangen  hat,  kommt  a 
ordentlich  häufig  vor,  ja  man  kann  ihn  wahrscheinlich  die  fruch 
Fehlerquelle  nennen,  die  überhaupt  in  der  Wissenschaft  ihre  schädli 
Wirkungen  übt.  Das  Mittel,  sie  zu  vermeiden,  ist  schon  angegeben  woi 
es  besteht  in  der  pedantisch  genauen  Aufzählung  der  gemachten  V01 
Setzungen.  Dass  es  in  allen  Fällen  ein  sicherer  Schutz  ist,  kann  leider 
behauptet  werden,  da  es  kein  Kriterium  für  die  Vollständigkeit  einer  so! 
Aufzählung  giebt;  dass  aber  bei  seiner  regelmässigen  Anwendung  uniahto 
unbegründete  Behauptungen  nicht  aufgestellt  werden  würden,  ist  unzweifeflnl 

In  einem  Rückblicke  auf  die  Gesammtergebnisse  seiner  Arbeiten  fid^ 
Daniell  die  wichtigsten  Punkte  derselben  folgendermaassen  zusammen: 

„Überblicken  wir   die   in   den   vorstehenden  Versuchen   erhaltenen 
gebnisse  und  die  Schlüsse,  welche  wir  aus  ihnen  zu  ziehen  berechtigt 
so  wird,   wie  wir  glauben,   zugegeben  werden,   dass  viele  von   ihnen 
höchstem   Interesse  und  grosser  Wichtigkeit   sind;    auch  sind  mehrere  vti 

ihnen  im  Widerspruch    mit   den   grundlegenden  Prinzipien  der  Elektrolyt 

"i 

wie  sie  bisher  angenommen  worden  sind.  i 

„Wir  haben  gesehen,  dass  die  bestimmte  Wirkung  des  Stromes  I 
jedem  Augenblicke  stattfindet,  und  sein  Durchgang  durch  einen  zusammd 
gesetzten  flüssigen  Leiter  ist  immer  begleitet  von  der  Entwickelung  vfl 
Wasserstoff  oder  dem  metallischen  Element  oder  aber  eine  Gruppe  *■ 
Stoffen  wie  Ammonium,  welche  eine  äquivalente  Verbindung  darsteM 
sowie  von  der  gleichzeitigen  Ausscheidung  des  nichtmetallischen  Elemenft 


Die  Entwickelnng  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       629 


oder  einer  Gruppe  von  Stoffen  von  gleichen  elektrischen  Eigenschaften  an 
der  Zinkode.  Es  wird  bequem  sein,  folgende  Klassen  derartiger  Elektrolyte 
zu  unterscheiden. 

„1)  Ein  Elektrolyt  kann  aus  einfachen  Ionen  bestehen,  und  muss  dann 
zusammengesetzt  sein  aus  einem  einfachen  Äquivalent  Metall  (oder  Wasser- 
stoff) als  Kation,  und  einem  einfachen  Äquivalent  eines  nichtmetallischen 
Elementes  als  Anion;  wie  z.  B.  K,  J;  Ag,  Cl;  u.  s.  w.  Solche  Stoffe  können 
einfache  Elektrolyte  genannt  werden. 

„2)  Ein  Elektrolyt  kann  aus  einem  zusammengesetzten  Kation,  von  dem 
ein  einzelnes  Äquivalent  an  der  Stelle  des  Metalles  steht,  und  aus  einem 
einzelnen  eines  einfachen  nichtmetallischen  Anions  bestehen,  wie  z.  B.  NH4,  Cl. 
Wahrscheinlich  bilden  die  organischen  Basen  Kationen  von  dieser  zusammen- 
u gesetzten  Beschaffenheit,  und  wenn  ihre  Salze  elektrolysirt  werden,  so  wird 
J  immer  Wasserstoff  neben  ihnen  an  der  Platinode  entwickelt,  wie  das  z.  B. 
beim  Ammoniak  geschieht.  Diese  und  die  folgenden  können  wir  complexe 
Bektrolyte  nennen. 

„3)  Ein  Elektrolyt  kann  aus  einem  zusammengesetzten  Anion,  von  dem 
einzelnes  Äquivalent  die  Stelle  eines  einfachen  nichtmetallischen  Elementes 
einnimmt,  und  einem  einfachen  Kation,  einem  Metall  oder  Wasserstoff  be- 
len,  wie  z.  B.  H,  CN*;  K,  SO4;  Na,  NOfl. 
,,4)  Ein  Elektrolyt  kann  aus  einem  einzelnen  Äquivalent  eines  zusammen- 
;n  Kations  und  einem  einzelnen  Äquivalent  eines  zusammengesetzten 
bestehen,  wie  z.  B.  NH4,  SO4. 
Diese  vier  Klassen  können  unter  dem  Namen  der  einbasischen   Elek- 
trolyte  vereinigt  werden,   da   ein   einzelnes  Äquivalent   der   Kraft   (wie   sie 
*farch  das  Voltameter  gemessen  wird)  einzelne  Äquivalente  der  Elektrolyte 
«kktrolysiren  würde. 

„5)  Ein  Elektrolyt  kann  auch  zwei  oder  mehrere  Äquivalente  eines 
metallischen  Kations  (oder  Wasserstoff)  oder  einzelne  Äquivalente  von  zwei 
«der  mehreren  verschiedenen  metallischen  Kationen  enthalten,  während  das 
Anion  aus  einem  einzelnen  Äquivalent  eines  zusammengesetzten  Ions  besteht, 
wie  K*,  FeCy8.  Dieses  zusammengesetzte  Ion  enthält  im  Falle  eines  Sauer- 
ttoftsalzes  die  sogenannte  wasserfreie  Säure  verbunden  mit  so  vielen  Äqui- 
ten  Sauerstoff,  als  metallische  Ionen  oder  Wasserstoff)  vorhanden  sind, 
wie  Na3,  PK)6,  O8. 

,In  diesem  Falle   werden   so   viele  Äquivalente   der  Kraft   erforderlich 

»sein,   um   ein  Äquivalent  des  Elektrolyts  zu  elektrolysiren,   als  Äquivalente 

[Metall  (oder  Wasserstoff)  in  dem  Kation  vorhanden  sind.    Solche  Elektrolyte 

mehrbasische  heissen. 

„Bei    diesen    zusammengesetzten    Anionen    und   Kationen    scheint    der 

inerstoff,   welcher  mit  der  sauren  Gruppe  wandert,   und  der  Wasserstoff, 

icher  mit  der  alkalischen  Gruppe  entwickelt   wird,    unter   dem  Einflüsse 

5  Stromes  in  einer  anderen  Weise  mit  den  anderen  Elementen  verbunden 

i  sein,  als  wie  diese  Elemente  unter  einander.    Denn  wir  haben  gefunden, 


63O  Vierzehntes  Kapitel. 


dass  in  den  meisten  Fällen  diese  Verbindung  unmittelbar  gelöst  wird,  so  wie  sie 
aus  dem  Einflüsse  des  elektrischen  Stromes  sich  entfernt,  während  in  anderen 
Fällen  ihre  scheinbare  dauernde  Verbindung  nur  die  Folge  einer  seeundären 
Wirkung  ist,  wenn  der  Sauerstoff  eine  chemische  Verbindung  von  höherem 
Oxydationsgrade  zu  bilden  vermag;  wie  andere  seeundäre  Wirkungen  ähn- 
licher Art  ist  auch  diese  von  verschiedenem  Betrage. 

„Die  Ausscheidung  des  Kations  und  Anions  eines  Elektrolyts  in  äqui- 
valenten Verhältnissen  erfolgt  nicht  immer,   wie   sie   gewöhnlich    dargestellt 
wird,  durch  deren  gleichzeitige  Übertragung  in  entgegengesetzten  Richtungen 
nach  den  Elektroden,    in   dem    genauen  Verhältnisse   von  je  einem  halben 
Äquivalent;  sondern  sie  erfolgt  zuweilen  dadurch,  dass  ein  ganzes  Äquivalent 
des  Anions  zur  Zinkode  geht,   während  ein  ganzes  Äquivalent  des  Kations 
unverbunden  an  der  Platinode  übrig  gelassen  wird,  oder  auch,  indem  nicht 
äquivalente  Theile  derselben  in  entgegengesetzten  Richtungen  wandern,  deren 
Summe  indessen  ein  ganzes  Äquivalent  der  nach  der  einen  oder  der  anderen 
Richtung  beförderten  Stoffe  ausmacht;  oder  genauer  gesprochen,  durch  den 
Transport  von  soviel  Stoff,   als  ein  Äquivalent  chemischer  Kraft  auszuübet  j 
vermag,  so  dass,  wenn  das  nach  der  Zinkode  übertragene  Anion   mehr  ab: 
ein  halbes  Äquivalent  beträgt,  das  nach  der  Platinode  beförderte  Kation  unf 
ebensoviel  weniger  als  ein  halbes  Äquivalent  ausmacht,  und  umgekehrt;  Ä 
frei  werdenden  Mengen  des  Kations  und  des  Anions  sind  dabei  immer  ht 
äquivalenten   Mengen.     In   keinem    Falle   ist   indessen   der   Übergang  einen 
ganzen    Äquivalents    des    Kations    unter    Ausschluss    des    Anions    bemertt 
worden.  1 

„Diese  Thatsachen  sind,  wie  wir  glauben,  unvereinbar  mit  irgeni 
welchen  molekularen  Hypothesen,  soweit  bisher  solche  zur  Erklärung  def 
Erscheinungen  der  Elektrolyse  erdacht  worden  sind;  auch  haben  wir  selbal 
nichts  befriedigenderes  an  deren  Stelle  zu  setzen.  Wir  ziehen  daher  vor^ 
die  Aufklärung  den  nachfolgenden  Arbeiten  zu  überlassen,  anstatt  die  schod 
viel  zu  grosse  Zahl  der  übereilten  Generalisationen  um  eine  weitere  zu  vei« 
mehren." 

Zum  Verständniss  der  unter  2  bis  5  benutzten  Formeln  sei  wiederholt 
daran  erinnert,  dass  Daniell  die  älteren  Äquivalentformeln  braucht;  del 
Ausdruck  „Äquivalent"  hat  aber  bei  ihm  nicht  die  genau  definirte  Bedeutung 
wie  heute,  sondern  dient  mehrfach  für  das,  was  wir  jetzt  Molekel  nenne« 
In  den  Ausdrucksformen  der  gegenwärtigen  chemischen  Anschauungen  wirf 
man  im  Sinne  der  obigen  Auseinandersetzungen  ein-  und  mehrwerthigj 
Ionen  unterscheiden,  welche  sowohl  einfach  oder  elementar,  wie  auch  ztf( 
sammengesetzt  sein  können.  Auch  werden  in  der  heutigen  SchreibweM 
der  Salze  die  Ionen  meist  unmittelbar  zum  Ausdruck  gebracht,  die  Iond 
des  Trinatriumphosphates  Na3P04sind  3  Na  und  PO4.  Abweichungen  kommq 
bei  der  Formulirung  der  complexen  und  Doppelsalze  vor,  doch  ist  aud 
hier  die  allgemeine  Annahme  einer  die  Ionen  darstellenden  Schreibweise  mri 
eine  Frage  kurzer  Zeit. 


Die  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       63 1 

In  dem  letzten  Absätze  spricht  Daniell  endlich  aus,  dass  die  Ionen 
ineswegs  nur  gleiche  Wege  wandern,  sondern  dass  der  auf  jedes  der  beiden 
nen  fallende  Wegantheil  jeden  Werth  zwischen  1  und  o  haben  kann,  indem 
t  Wegantheil  des  anderen  Ions  diesen  Bruch  zu  Eins  ergänzt  So  ein- 
zh  schliesslich  diese  Erkenntniss  ist,  so  schwierig  war  es,  auf  sie  zu  kommen, 
id  so  folgenreich  hat  sich  später  die  Messung  der  entsprechenden  Weg- 
itheile  durch  Hittorf  gezeigt  In  dem  Ausklingen  dieser  werthvollen 
rbeiten  auf  den  eben  bezeichneten  Punkt  zeigt  sich  die  charakteristische 
igenthümlichkeit  einer  guten  Experimentaluntersuchung:  indem  die  Haupt- 
ige, welche  Stoffe  als  die  Ionen  anzusehen  sind,  befriedigend  beantwortet 
t,  ergiebt  sich  aus  der  Antwort  selbst  ein  neues  und  fruchtbares  Problem, 
fir  werden  die  gleiche  Erscheinung  wiederfinden,  wenn  von  den  Arbeiten 
ir  Beantwortung  dieses  Problems  die  Rede  sein  wird. 

Die  Gedanken,  welche  in  diesen  Arbeiten  ausgesprochen  sind,  haben 
ch  nur  ziemlich  langsam  verbreitet;  die  vorgeschlagenen  Namen  sind  bis- 
er noch  nicht  in  den  allgemeinen  Gebrauch  genommen  worden,  wiewohl 
erade  in  jüngster  Zeit  sich  das  Bedürfniss  nach  solchen  kurzen  Bezeichungen 
rieder  gezeigt  hat  Die  gegen  den  Schluss  berührten  Schwierigkeiten, 
reiche  darin  liegen,  dass  die  Ionen,  so  lange  sie  wandern,  beständig  sind, 
rährend  sie  alsbald  nach  der  Ausscheidung  zerfallen,  ist  bis  auf  den  heutigen 
Tag  empfunden  worden,  und  hat  eine  Verschärfung  noch  dadurch  erfahren, 
lass  man  gegenwärtig  die  Ionen  nicht  nur  so  lange  sie  unter  dem  Einflüsse 
les  elektrischen  Stromes  wandern,  in  einem  freien  Zustande  befindlich  an- 
immt,  sondern  einen  solchen  Zustand  überhaupt  beständig  in  jeder  elek- 
rolytischen  Lösung  als  vorhanden  ansieht  Die  Erwägung,  welche  am 
besten  zum  Verständniss  dieser  Verhältnisse  fuhrt,  ist  die,  dass  die  Ionen 
rit  elektrischen  Ladungen  von  sehr  grossem  Betrage  behaftet  sind,  welche 
ie  an  den  Elektroden  verlieren.  In  dieser  Veränderung  des  Zustandes  der 
men  hat  man  die  Veränderung  ihrer  Beständigkeit  zu  suchen,  wenn  auch 
in  weiterer  Einblick  in  das  Wesen  dieses  Zusammenhanges  nicht  vorhan- 
en  ist. 

15.  Die  Messung  galvanischer  Constanten.  Unmittelbar  nach  der 
Erfindung  der  constanten  Ketten  trat  das  Bedürfniss  auf,  die  Constanten 
ieser  Vorrichtungen  in  hinlänglich  genauer  Weise  zu  messen,  und  es  begann 
Se  Ausbildung  der  galvanischen  Messverfahren,  deren  Bedeutung  seit  jenen 
Tagen  bis  heute  immer  mehr  zugenommen  hat  Und  zwar  lag  eine  doppelte 
Uifgabe  vor:  es  mussten  einerseits  Instrumente  ausgebildet  werden,  welche 
1  sich  vergleichbare  Messungen  für  die  entsprechenden  Grössen  gaben,  und 
Reitens  entstand  alsbald  das  Bedürfniss,  die  Sprache  der  individuellen  In- 
trumente  unter  einander  vergleichbar  zu  machen,  so  dass  ein  Physiker  die 
fessung  des  anderen  verstehen  und  wiederholen  konnte,  ohne  sich  des- 
dben  Instrumentes  bedienen  zu  müssen.  In  dem  Zeitraum,  mit  dem  wir 
ös  zu  beschäftigen  haben,  wurde  nur  der  erste  Theil  dieser  Aufgabe  be- 
ledigend gelöst.     Für  den  zweiten,   die  Ausbildung   allgemeiner  oder  ab- 


6?2  Vierzehntes  Kapitel. 


soluter  Messungen  wurde  ein  wichtiger  und  entscheidender  Anfang  gei 
doch  liegt  die  eigentliche  Entwickelung  dieser  Seite  der  messenden  E 
in  einer  viel  späteren  Periode. 

Die  Grundlage  beinahe  aller  galvanischer  Messmethoden  ist  das  Oh: 
Gesetz.  Um  die  etwas  umständlichen  Darlegungen,  in  welchen  dei 
decker  die  so  überaus  mannigfaltigen  Seiten  seines  Gesetzes  zur  Ansch 
gebracht  hat,  für  den  unmittelbaren  Gebrauch  ins  Enge  zu  ziehen,  sc 
nochmals  erinnert,  dass  wenn  i  die  Stromstärke,  oder  die  in  der  Zeite 
durch  einen  Querschnitt  des  Leiters  geflossene  Elektricitätsmenge, 
elektromotorische  Kraft  und  r  den  Widerstand  darstellt,  das  OHM'sche  < 
die  einfache  Form  erhält: 

e 
l  =         . 
r 

Dabei  setzen  sich  die  Grössen  e  und  r  additiv  aus  allen  elektrom 
sehen  Kräften  und  Widerständen  zusammen,  welche  in  dem  ganzen  l 
kreise  vorhanden  sind. 

Von  der  ausserordentlichen  Mannigfaltigkeit,  welche  dieses  so  üt 
einfache  Gesetz  in  seinen  Anwendungen  erlangen  kann,  hat  Ohm 
selbst  eine  Anschauung  in  seinen  Abhandlungen  (S.  388  bis  417)  gej 
Die  nachstehenden  Darlegungen  werden  zeigen,  dass  das  Gebiet  der  Ai 
düngen  dadurch  bei  weitem  nicht  erschöpft  war,  und  bis  auf  den  hei 
Tag  ergiebt  sich  neues  und  wichtiges  aus  der  Benutzung  des  Gesetze 
Lösung  neuer  Aufgaben. 

16.  Die  Messung  der  Stromstärke.  An  dem  gewöhnlichen  Gal 
meter  war  es  sehr  bald  als  ein  Übelstand  empfunden  worden,  dass  di 
Theilkreise  abgelesenen  Grade  keineswegs  der  Stärke  des  elektrischen  St 
proportional  sind,  und  es  finden  sich  mancherlei  Angaben,  wie  die  Messi 
vergleichbar  gemacht  werden  können.  Zu  einem  wirklichen  Messappan 
erst  Pouillet1  das  Galvanometer  entwickelt,  indem  er  die  Tangenten 
die  Sinusbussole  erfand. 

„Die  Tangentenbussole  besteht  aus  einem  starken  Bande  von  K 
dessen  Länge  1,6  m,  dessen  Breite  0,02  m,  und  dessen  Dicke  0,002  i 
trägt;  es  ist  mit  Seide  bedeckt  und  in  solcher  Weise  gebogen,  dass  es 
genau  einen  Kreis  von  0,412  m  Durchmesser  bildet.  Die  übersteh 
Enden  des  Bandes  sind  aufeinander  gelegt,  und  tauchen  in  zwei  Queclc 
näpfe,  wo  sie  den  Strom  aufnehmen.  Der  Kreis  ist  senkrecht  aufgc 
in  seinem  Mittelpunkte  schwebt  an  einem  Coconfaden  eine  Magne 
von  s  bis  6  cm  Länge,  welche  einen  leichten  Zeiger  von  Holz  oder  I 
16  cm  lang,  trägt;  dieser  dient  zum  Ablesen,  da  sein  Ende  sich  aul 
Umfange  eines  getheilten  Kreises  bewegt.  Befindet  sich  die  Kreiseber 
Bandes  im  magnetischen  Meridian,  so  steht  die  Magnetnadel  auf  Null; 
sich  ein  stärkerer  oder  schwächerer  Strom  durch  das  Band  begiebt,  sc 


1  Comptes  rendus  4,  268.  1837. 


ie  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       633 


r  Nadel  östlich  oder  westlich  um  einen  Betrag  abgelenkt,  welcher  von 
r  Stärke  des  Stromes  abhängt  Ist  das  Gleichgewicht  hergestellt,  d.  h.  ist 
r  Kraft  des  Erdmagnetismus,  welche  die  Nadel  nach  dem  Meridian  treibt, 
r  entgegengesetzten  Kraft  gleich,  mit  welcher  der  Strom  die  Nadel  aus 
jser  Lage  treibt,  so  wird  die  Stromstärke  durch  die  Tangente  der  Ab- 
tkung  der  Nadel  gemessen. 

„Die  Sinusbussole  besteht  aus  einem  ähnlichen  Kupferbande,  welches 
er  in  Gestalt  eines  Rechteckes  gebogen  ist;  die  grossen  horizontalen  Seiten 
ben  2  dem,  die  kleinen  senkrechten  5  bis  8  cm,  je  nach  dem  zu  er- 
chenden  Grade  der  Empfindlichkeit.  Das  Rechteck  ist  auf  einem  ge- 
eilten Kreise  angebracht,  und  bildet  so  zu  sagen  dessen  Alhidade,  und 
ie  Magnetnadel  ist  in  der  Mitte  des  Rechteckes  so  aufgehängt,  dass  ihr 
ittelpunkt  in  der  Normalen  des  Kreismittelpunktes  liegt  Wenn  ein  Strom 
ireh  das  Rechteck  geht,  so  wird  die  Nadel  abgelenkt;  man  folgt  aber  ihrer 
swegung,  so  dass  sie  sich  immer  in  der  Ebene  des  Rechteckes  befindet, 
s  sie  dort  stehen  bleibt,  und  von  der  Magnetkraft  und  der  Kraft  des 
romes  im  Gleichgewicht  gehalten  wird.  In  diesem  Falle  ist  die  Strom- 
ärke  proportional  dem  Sinus  der  Abweichung  der  Magnetnadel. 

„Für  sehr  schwache  Ströme  richtet  man  die  beiden  beschriebenen  Büs- 
ten mit  einem  Multiplicator  statt  mit  einem  einfachen  Stromkreise  her." 

Pouillet  benutzte  diese  beiden  Instrumente,  um  für  die  Abhängigkeit 
a-  Stromstärke  vom  Widerstände  eine  Reihe  von  Formeln  nachzuweisen, 
eiche  mit  den  von  Ohm  gegebenen  identisch  sind.  Aus  diesem  Grunde 
t  wiederholt  versucht  worden,  ihm  die  Ehre  der  Entdeckung  dieser  Ge- 
ize zuzuwenden,  und  man  hat  zu  diesem  Zwecke  die  Sage  verbreitet,  Ohm 
itte  sein  Gesetz  nur  theoretisch  abgeleitet,  und  erst  Pouillet  hätte  es 
cperimentell  geprüft  und  bewährt.  Aus  den  oben  (S.  383)  gegebenen 
achweisen  geht  hervor,  dass  gerade  umgekehrt  Ohm  sein  Gesetz  zunächst 
npirisch  gefunden,  und  erst  später  die  allgemeine  Ableitung  desselben  in 
nlehnung  an  die  FomuER'sche  Theorie  der  Wärmeleitung  entwickelt  hat. 

Die  beiden  eben  beschriebenen  Instrumente  haben  eine  sehr  grosse 
erbreitung  gefunden.  An  der  Tangentenbussole  lehrte  bald  darauf  (s.  w.  u.) 
riLH£LM  Weber  die  Stromstärke  in  absolutem  Maasse  messen,  und  die 
nusbussole,  welche  für  schwächere  Ströme  empfindlicher  ist,  erfuhr  durch 
)ggendorff  eine  vielfältige  Anwendung  und  lebhafte  Empfehlung.  Für 
hr  schwache  Ströme  hatte  Nobili  das  Galvanometer  ausgebildet;  hier  wurde 
a  ganz  bedeutender  Fortschritt  durch  die  Änderung  der  Art  der  Ablesung 
zielt 

Neben  diesen  und  noch  einigen  anderen  wenig  verbreiteten  elektro- 
Dtorischen  Apparaten  zur  Messung  der  Stromstärke  war  noch  das  von 
juday  erfundene  Voltameter  in  Gebrauch,  dessen  Gestalt  lange  die  von 
m  Entdecker  gegebene  blieb.  Es  galt  nur  noch,  genau  nachzuweisen, 
ss  beide  Arten  von  Messinstrumenten  genau  und  nicht  nur  annähernd 
)portionale  Angaben  machen. 


634  Vierzehntes  Kapitel. 


17.  Die  Spiegelablesung.  Die  gegenwärtig  in  so  allgemeinem  Ge- 
brauche befindliche  Methode,  kleine  Winkel  an  Messinstrumenten,  deren 
messende  Theile  eine  Drehung  ausfuhren,  mit  Hülfe  von  Spiegel  und  Skala 
abzulesen,  rührt  von  Poggendorff  her,  welcher  sie  im  Jahre  1826  zum 
Messen  der  täglichen  Änderungen  der  magnetischen  Declination  vorschlug.1 
Nachdem  er  zuerst  ein  auf  der  Benutzung  eines  Theodoliten  beruhendes 
ziemlich  umständliches  Spiegelverfahren  zur  Messung  der  gesammten  Decli- 
nation beschrieben  hat,  legt  er  dar,  wie  die  Beobachtung  der  Veränderungen 
dieser  Grösse  sich  sehr  viel  leichter  bewerkstelligen  lässt  „Man  braucht, 
wie  leicht  zu  erachten,  den  Magnetstab  zu  diesem  Zweck  nur  mit  einem 
einzigen,  in  einer  beliebigen  Verticalebene  gestellten  Spiegel  zu  versehen, 
und  statt  des  Theodoliten  ist  nur  ein  .  .  .  horizontal  befestigtes  Fernrohr  und 
eine  horizontal  liegende  geradlinige  Theilung  .  .  .  nöthig.  Die  Winkelbewe- 
gungen des  Magnetstabes  sind  dann  leicht  gefunden." 

Angewendet  wurde  das  Verfahren  erst  später  von  Gauss  und  Weber 
bei  ihren  grundlegenden  Untersuchungen  über  den  Erdmagnetismus.  Das 
Verfahren,  das  Galvanometer  mit  Spiegel  und  Skala  abzulesen,  hat  sich  un- 
mittelbar daraus  ergeben,  und  1842  spricht  Poggendorff2  davon  wie  von 
einer  in  Deutschland  längst  bekannten  Sache,  „während  sonderbar  genug  in  j 
Frankreich  der  Apparat  noch  ganz  unbekannt  zu  sein  scheint". 

18.  Vergleich  des  Voltameters  mit  der  Tangentenbussole. 
Wenn  auch  die  von  Faraday  (S.  497)  mitgetheilten  Versuche  genügten,  um 
die  Überzeugung  von  der  nahen  Proportionalität  zwischen  der  magnetischen 
und  der  chemischen  Wirkung  des  Stromes  zu  begründen,  so  waren  sie  doch 
nicht  geeignet,  die  Frage  zu  entscheiden,  ob  die  Proportionalität  eine  strenge 
oder  nur  angenäherte  sei;  ja  Faraday  selbst  hatte  durch  seine  Annahme 
von  Strömen,  welche  durch  Wasser  gehen  können,  ohne  es  zu  zersetzen, 
ein  constantes  Verhältniss  beider  in  Frage  gestellt.  In  einer  sehr  sorgfältigen 
Arbeit  wies  M.  Jacobi3  nach,  dass  allerdings  eine  strenge  Proportionalität 
besteht,  wenigstens  so  weit  die  Genauigkeit  der  Versuche  reicht.  Zu  diesem 
Zwecke  bediente  er  sich  einer  Tangentenbussole  nach  Nervander,  in  welcher 
die  Ausschläge  bis  zu  60  Graden  benutzt  werden  konnten;  das  Ergebnis» 
war  die  strenge  Gültigkeit  des  Gesetzes.  Unter  Hinzuziehung  einer  Versuchs- 
reihe von  Pouillet  (S.  632)  konnte  er  aussprechen,  dass  zwischen  den  Grenzen 
von  0,2  bis  77  ccm  Knallgas  in  der  Minute  das  Gesetz  gültig  ist  „Hat 
man  daher  eine  Bussole  ein-  für  allemal  auf  einen  Elektrolyten  bezogen,  so 
kann  man  dadurch  mit  eben  derselben  Sicherheit  wie  mit  dem  Volta- 
Elektrometer  das  Atomgewicht  der  Körper  bestimmen.  Ja,  die  Angaben 
dieser  Bussole  sind  dann  als  absolute  Maasse  zu  betrachten,  so  dass  sich 
die  Physiker  leichter  über  angegebene  und  etwa  bestrittene  Effekte  ver- 
ständigen können." 

1  Poog.  Ann.  7,   127.   1826.  *  Pogg.  Ann.  56,  370.   1842. 

8  Pogg.  Ann.  48,  26.  1839. 


Die  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       635 


Neben  diesem  bemerkenswerthen  Hinweis  auf  das  Bedürfniss  absoluter 
essungen  im  Gebiete  des  Galvanismus  enthält  die  Arbeit  noch  eine  für 
ne  Zeit  sehr  nothwendige  Betonung  der  Thatsache,  dass  specifische  Unter- 
hiede  verschiedener  Ströme  von  übrigens  gleicher  Stärke  für  das  Galvano- 
eter  in  keiner  Weise  vorhanden  sind.  Zu  solchen  Annahmen  war  nicht 
ar  de  la  Rive  und  Becquerel  geneigt,  sondern  die  mehrfach  erwähnte  An- 
cht  Faraday's  kommt  im  Grunde  auf  die  gleiche  Annahme  hinaus,  obwohl 
.  Faraday  selbst  die  wesentliche  Gleichheit  der  Elektricität  verschiedenen 
frsprunges  nachgewiesen  hatte. 

19.  Widerstandsmessungen.  Neben  den  Stromstärken  erwiesen  sich 
ar  relativen  Messung  alsbald  die  Widerstände,  zunächst  der  metallischen 
,eiter,  als  geeignete  Objecte.  Von  allen  elektrischen  Grössen  sind  diese 
m  leichtesten  aufzubewahren  und  in  gleichem  Betrage  wiederherzustellen; 
luch  gewähren  sie  weit  leichter  als  die  anderen  die  Möglichkeit,  sie  mess- 
ar  zu  verändern.  In  der  Herstellung  und  Handhabung  der  Widerstände 
nacht  sich  daher  am  meisten  der  Fortschritt  der  messenden  Elektrik 
geltend,  und  es  ist  kein  Zufall,  dass  von  allen  elektrischen  Normalmaassen 
fas  des  Widerstandes  am  ersten  hergestellt  wurde  und  in  allgemeinen  Ge- 
brauch  kam. 

Die  Forscher,  welche  sich  zunächst  in  diesem  Zweige  der  Physik  Ver- 
dienst erwarben  sind  der  Petersburger  Jacobi  und  der  Engländer  Wheat- 
Roke,  und  zwar  haben  beide  nicht  nur  gleichzeitig  gearbeitet,  sondern  die 
Form  ihrer  Instrumente  ist  eine  so  übereinstimmende  geworden,  dass  es 
■dmrer  hält,  an  ihre  gegenseitige  Unabhängigkeit  zu  glauben,  die  indessen 
•eher  bezeugt  ist  und  keinem  Zweifel  unterworfen  werden  kann. 

Jacobi  nannte  sein  Instrument,  welches  er  zu  einer  grossen  Zahl  genauer 
Messungen  benutzte,  Voltagometer. 

Das  Instrument1  besteht  wesentlich  aus  einem  auf  einen  isolirenden 
ylinder  aufgewickelten  gleichförmigen  Drahte,  auf  dem  ein  mit  einer  kleinen 
uth  versehenes  Röllchen  läuft.  Die  Axe  des  Cylinders  ist  einerseits  mit 
Bern  Schraubengewinde  versehen,  welches  dieselbe  Steigung  hat,  wie  die 
Indungen  des  Drahtes,  und  welches  in  einer  festen  Mutter  läuft.  Dreht 
an  den  Cylinder,  so  können  zwischen  dem  Röllchen  und  dem  einen  Ende 
s  Drahtes  beliebige  Drahtlängen  eingeschaltet  werden.  Bringt  man  daher 
*s  Ende  und  das  Röllchen  in  leitende  Verbindung  mit  dem  Stromkreise, 
kann  man  in  diesen  stetig  so  viel  Widerstand  bringen,  als  man  will,  und 
nn  die  benutzte  Drahtlänge  und  damit  den  Widerstand  an  der  Zahl  der 
indungen  und  ihren  Bruchtheilen  ablesen.  Die  Einzelheiten  der  Einrich- 
ig  sind  aus  den  Figuren  163  bis  165  zu  entnehmen;  es  sind  dort  zwei 
liehen  gezeichnet,  von  denen  nur  eines  zum  gewöhnlichen  Gebrauch  dient; 
;  andere  wird  zum  Kalibriren  des  Drahtes  benutzt. 
Das  entsprechende,  ganz  ähnliche  Instrument,  welches  Wheatstone  con- 

1   Pogg.  Ann.  59,   145.   1843. 


Vieriehntes  Kapitel. 


6|6 

struirt  hat,  wird  weiter  unten  2 
selben  Forschers  beschrieben  werden. 


mit  den  übrigen  Instrumenten  des- 


Fig.  163.     Nach  Jacobt. 

20.    Das  Differentialgalvanometer.     Um  die  Leitfähigkeit  derMe-, 
talle  zu  messen,  hatte  bereits  1826  Becquerei.2  ein  sehr  sinnreiches  Verfahren 

ersonnen,  welches  vollkom- 
men zuverlässige  Werfe 
gab,  obwohl  damals  die 
OHu'sche  Theorie  deseWt- 
frischen  Stromes  noch  nicht 
bekannt  war.  Es  beruht 
auf  der  Anwendung  eine 
neuen  Instrumentes,  da 
DirTerenti  a  1-  Galvaii  ometers, 
und  der  Benutzung  einer 
NuIIraethode,  d.h. eines 
Verfahrens,  bei  dem  die 
Wirkung  auf  das  strom- 
prüfende Instrument  durch 
passende  Anordnung  auf- 
gehoben wird,  so  da»  j 
dieses  nur  den  Zweck  hat,  . 
zu  erweisen,  dass  die  ge* 
suchten  Bedingungen  er- 
füllt sind,  nicht  aber  zur 
eigentlichen  Messung  ver- 
wendet wird.  Der  grosse 
Vortheil  derartiger  Methoden  liegt  darin,  dass  sie  weder  eine  Kenntniss  de) 
Verhältnisses  zwischen  dem  Strom  und  dem  Nadelausschlag,  noch  eine  solche 
der  Stromgesetze  überhaupt  voraussetzen,  dass  die  Stromquelle  nicht  constant 


Fig.   164.     Nach  Jai 


1  Ann.  chirn.  phyi.  82,  410.   tStb. 


Die  Entwicklung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Eneigieprinzipes.       637 

a>  sein  braucht,  und  dass  das  Prüfungsinstrument  sehr  empfindlich  gemacht 
veraen  darf,  da  es  nur  das  Nichtvorhandensein  einer  Wirkung  anzuzeigen, 
licht  aber  eine  Wirkung  zu  messen  hat. 


Fig.   165.     Nach  Jacobi. 

„Nehmen  wir  an,  dass  wir  an  jedem  Ende  einer  Säule  zwei  Drahte  von 
demselben  Metall  befestigen,  die  an  Länge  und  Durchmesser  einander  gleich 
sind,  so  ist  es  einleuchtend,  dass,  wenn  man  sie  paarweise  verbindet,  man 
»ei  elektrische  Ströme  von  gleicher  Stärke  haben  wird,  da  beiderseits  alles 
gleich  ist  Nehmen  wir  nun  zwei  Kupferdrahte  von  etwa  20  m  Lange  und 
'/j  mm  dick,  mit  Seide  besponnen,  und  wickeln  wir  diese  beiden  Drähte 
m  die  Büchse  eines  Galvanometers,  so  haben  wir  vier  Enden.  Setzen  wir 
liese  Enden  mit  den  vier  Drähten  in  Verbindung,  die  an  der  Säule  be- 
estigt  sind,  so  haben  wir  im  Galvanometer  zwei  Ströme  von  gleicher  Stärke; 
ind  richten  wir  uns  so  ein,  dass  die  Ströme  entgegengesetzte  Wege  ein- 
schlagen, so  wird  die  Nadel  allseitig  gleich  und  entgegengesetzte  Wirkungen 
irfahren,  und  daher  in  ihrer  Gleichgewichtslage  bleiben.  Dies  ist  das  erste 
Mnzip,  von  dem  wir  Gebrauch  machen  werden. . .  . 

„Es  seien  P  und  N  (Fig.  166)  die  beiden  Enden  einer  Säule,  G  G'  ein 
oalvanometer,  Pa,  Pd,  Nc,  Nb  die  vier  Drähte,  die  von  den  Enden  aus- 
gehen, und  welche  nach  den  vier  Queck- 
ülbernäpfen  a,  b,  c  und  d  geführt  sind, 
n  die  gleichfalls  die  vier  Drahtenden  a  e, 
Vj  cS  un<^  dk  münden,  welche  so  ge- 
kreuzt sind,  dass  zwei  gleiche  und  ent- 
gegengesetzte Ströme  entstehen.  Nehmen 
*ir  ausserdem  an,  dass  die  Entfernungen 
*b  und  cd  gleich  seien,   so  wird,   wenn  Fig   ,66,    Nacb  becqubreu 

nan  a   mit  b,   und  e  mit  d  durch   zwei 

Drähte  verbindet,  die  einander  an  Länge  und  Dicke  gleich  sind,  die  Magnet- 
ladel  von  ihrer  Gleichgewichtslage  nicht  abgelenkt  werden,  denn  da  die 
rheilströme,  welche  durch  ab  und  cd  gehen,  einander  an  Intensität  gleich 
iind,  so  sind  es  auch  die  anderen  Ströme,  welche  die  grossen  Kreise  durchl- 
aufen. Dieser  Gleichgewichtszustand  wird  immerfort  bestehen,  welches  auch 
lie  Änderungen  seien,    die   die  Ladung  der  Säule  erfährt...  .  Dies  ist  das 


638 


Vierzehntes  Kapitel. 


zweite  Prinzip,  dessen  wir  uns  bedienen  wollen,  um  das  Problem  der  elek- 
trischen Leitfähigkeit  der  Metalldrähte  zu  lösen." 

Entsprechend  der  richtigen  Methode  sind  auch  die  Ergebnisse  der  Mes-  ! 
sungen   Becquerei/s   einwurfsfrei,    was   die   Zahlenwerthe   der   beobachtetet  4 
Leitfähigkeiten  anlangt.     Zwar  gestattete  ihm  sein  Verfahren  zunächst  nur, 
die  Gleichheit  der  Widerstände  zweier  Drähte  zu  erweisen.     Indem  er  aber  : 
ermittelte,    welche   Änderung   er    in    der   Dicke   eines   Drahtes   vornehmen 
musste,  um  ihn,  nachdem  er  seine  Länge  geändert  hatte,  auf  den  gleichen 
Widerstand  wie  den  ungeänderten  Draht  zu  bringen,  konnte  er  die  Beziehung 
feststellen,   welche  zwischen  diesen  beiden  Bestimmungsstücken  des  Wider- 
standes besteht.     Darnach  ergab  sich,  übereinstimmend  mit  dem,  was  Davt 
gefunden  hatte,  dass  verschiedene  Drähte  desselben  Metalles  gleich  gut  leiten, 
wenn    sich    ihre   Querschnitte   verhalten   wie    ihre   Längen,    oder   dass  der  1 
Widerstand  proportional  der  Länge  und  umgekehrt  proportional  dem  Quer- 
schnitt zunimmt.     Für  Drähte  von  verschiedenen  Metallen  sind  die  Leitfähig- 
keiten  bei   gleichen    Dimensionen    verschieden,    und    zwar   fand   Becqderel 
folgende  Coefficienten: 


Kupfer 
Gold. 
Silber 
Zink  . 
Zinn  . 


ioo 

93>6o 
73»6o 
28,50 

15,50 


Platin  .     . 
Eisen   .     . 
Blei     .     . 
Quecksilber 
Kalium     . 


16,40 
15,80 

8,3<> 
3,45 
i,33- 


Metalle,  welche  sich  nicht  zu  Draht  ziehen  Hessen,  wurden  in  geschmol- 
zenem Zustande  in  kalibrirte  Glasröhren  aufgesogen.  Die  erhaltenen  Zahlen- 
werthe sind,  wie  erwähnt,  ziemlich  richtig;  auch  hatte  Becquerel  auf  den 
Einfluss  der  Temperatur  sachgemäss  Rücksicht  genommen;  unbekannt  war 
ihm  jedoch  noch  der  grosse  Einfluss  fremder  metallischer  Beimischungen, 
wodurch  einige  seiner  Zahlen  beeinflusst  sind. 

21.  WHEATSTONE's.Methoden.  Einen  bedeutenden  Fortschritt  machte 
die  Technik  der  elektrischen  Messungen  im  Jahre  1843,  wo  Charles  Whkat- 
stone1  eine  Anzahl  von  Apparaten  und  Methoden  für  diesen  Zweck  beschrieb, 
von  denen  einige  bis  auf  unsere  Zeit  im  Gebrauch  geblieben  sind.  Insbe- 
sondere ist  in  dieser  Abhandlung  die  Differentialschaltung  zur  Messung  von 
Widerständen  angegeben,  welche  unter  dem  Namen  der  WHEATSTONE'schen 
Brücke  in  täglichem  Gebrauche  steht. 

Wheatstone  beginnt  seine  Abhandlung  mit  einer  Darstellung  der  Ohm'- 
sehen  Theorie,  deren  grossen  praktischen  Werth  er  bei  Gelegenheit  seiner 
Arbeiten  zur  Einführung  des  elektrischen  Telegraphen  in  den  grossen  Betrieb 
kennen  gelernt  hatte,  und  schlägt  dann  einige  neue  Namen  vor,  von  denen 
allerdings  nur  einer  oder  der  andere  in  Gebrauch  gekommen  ist  Eine 
Stromquelle  nennt  er  einen  Rheomotor;  je  nachdem  sie  einfach  oder  zu- 
sammengesetzt ist,  heisst  sie  ein  rheomotorisches  Element  oder  eine  rheo- 


1  Philos.  Trans,  f.   1843.  —  Pooo.  Ann.  62,  499.   1845. 


Die  Kutirickelnng  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       639 

otorischc  Reihe.  Das  Messinstrument  zur  Bestimmung  der  Stromstärke 
isst  ein  Rbeometer.  Durch  ein  Rheotom  wird  der  Strom  periodisch  unter- 
ochen,  durch  einen  Rheotrop  umgekehrt,  ein  Rheoskop  zeigt  nur  das  Dasein 
s  Stromes  an,  ohne  ihn  messen  zu  lassen.  Ein  Rheostat  dient  dazu,  den 
röm  beständig  zu  halten;  er  besteht  aus  einem  Widerstände,  welchen  man 
r.h  Bedarf  verändern  kann.  Von  allen  diesen  Bezeichnungen  ist  fast  nur 
e  letzte  von  allgemeiner  Anwendung  geblieben. 

Die  erste  Aufgabe,  mit  der  sich  Wheatstone  beschäftigt,  ist  die  der 
essung  elektromotorischer  Kräfte.  Er  benutzt  dazu  das  Verfahren,  dass  er 
treh  veränderliche  Widerstände  die  Ströme  der  zu  vergleichenden  Quellen 
eich  macht;  alsdann  müssen  sich  die  elektromotorischen  Kräfte  umgekehrt 
malten,  wie  die  Widerstände.  Sind  in  den  Stromkreisen,  wie  gewöhnlich, 
ibekannte  Widerstände  vorhanden,  so  macht  man  zwei  weitere  Beobach- 
ugen  mit  einer  anderen  gleichen  Stromstärke.  Dann  verhalten  sich  die 
aterschiede  der  hinzuzufugenden  Widerstände  umgekehrt  wie  die  elektro- 
rtorischen  Kräfte.1 

Um  diese  Widerstandsveränderungen  in  bequemer  und  genau  messbarer 
eise  auszuführen,  benutzte  Wheatstone  zwei  auf  dem  gleichen  Prinzip  be- 
hende Apparate,  welche  gleichfalls  mit  dem  Agometer  Jacobi's  {S.  635) 
»ereinstimmen.  Die  Figuren  167  und  168  lassen  die  Einzelheiten  derselben 
kennen. 


„Das  eine  Instrument  ist  in  Fig.  167  abgebildet;  g  ist  ein  Cylinder  aus 
alz  und  k  einer  aus  Messing,   beide  von  gleichem  Durchmesser  und  mit 

1  Ist  £  die  elektromotorische  Kraft,  /  die  Stromstärke  und  W  der  Widerstand,  10  ist 
h  dem  OmTschen  Gesetz  /  =  E\  W  und  in  dem  zweiten  Stromkreise  /'  =  E'j  W.  Macht 
]  beide  Stromstärken  gleich,  so  gilt  E\  W=  E'j  W,  Wird  nun  in  beiden  Ketten  Wider- 
d  hinzugefugt,  bis  sie  eine  neue  gleiche  Stromstärke  haben,  so  ist  Ej(W+w)  =  £'/(»"+  vi'), 
aus  mittelst  der  ersten  Gleichung  folgt  Ejw  =  E'  \vf. 


040 


Vierzehntes  Kapitel. 


ihren  Axen  einander  parallel.  Auf  dem  Holzcy linder  ist  ein  Schraubengaa,' 
eingeschnitten,  und  an  einem  seiner  Enden  trägt  er  einen  Messingring, 
welchem  das  Ende  eines  langen  und  sehr  dünnen  Drahtes  befestigt 
dieser  wird  auf  den  Holzcylinder  gewickelt,  so  dass  er  den  Schraubengaaj 
gänzlich  füllt,  und  dann  mit  seinem  zweiten  Ende  an  dem  jenseitigen  B 
des  Messingcylinders  befestigt.  Zwei  Federn  /  und  k,  von  denen  die  < 
auf  dem  Messingring  des  Holzcylinders,  die  andere  auf  das  Ende  des  \ 
singcylinders  h  drückt,  sind  mit  zwei  Klemm  seh  rauben  b  verbunden,  um 
Drähte  der  Kette  aufzunehmen.  Die  abnehmbare  Handhabe  m  dient  ,-. 
Drehen  der  Cylinder  um  ihre  Axen.  Steckt  man  sie  auf  den  Cylinder  i 
und  dreht  nach  der  Rechten,  so  wird  der  Draht  vom  Holzcylinder  ab- 
auf  den  Messingcylinder  aufgewickelt;  steckt  man  sie  dagegen  auf  den  Cy!»- 
der  g  und  dreht  nach  der  Linken,  so  geschieht  das  Umgekehrte.     Da  die 


Fig.  168.    Nach  Wbeatstoke. 


Windungen  auf  dem  Holzcylinder  isolirt  sind  und  durch  den  Schraubengaft{ 
von  einander  fern  gehalten  werden,  so  durchläuft  der  Strom  auf  di 
Cylinder  den  Draht  seiner  ganzen  Länge  nach;  allein  auf  dem  Messing* 
cylinder,  wo  die  Windungen  nicht  isolirt  sind,  geht  der  Strom  von  deo 
Punkte,  wo  der  Draht  den  Cylinder  berührt,  sogleich  zur  Feder  i.  Df 
wirksame  Theil  der  Drahtlänge  ist  also  das  veränderliche  Stück,  welche 
sich  auf  dem  Holzcylinder  befindet" 

Während  dieser  Rheostat  für  grössere  Widerstände  dient,  werden  kleinere 
durch  ein  etwas  anders  eingerichtetes  Instrument  erzeugt,  bei  welchem  d« 
Draht  fest  auf  einen  Cylinder  gewickelt  ist,  und  ein  parallel  der  Cylinderaxe 
verschiebbarer  Contact  vor-  oder  zurückgeschoben  wird,  wenn  man  de» 
Cylinder  dreht.     (Vgl.  Fig.  168.) 


Die  Entwicklung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       64 1 

Um  ein  Grundmaass  des  Widerstandes  zu  haben,  welches  nach  Bedarf 
der  hergestellt  werden  kann,  schlägt  Wheatstoke  einen  Kupferdraht  von 
icm  Fuss  Länge  und  100  Gran  Gewicht  vor.  Die  scheinbar  näher  liegende 
tfioition  des  Drahtes  durch  seine  Dicke  verwirft  er  aus  dem  sehr  ver- 
nftigen  Grunde,  dass  ein  Gewicht  viel  leichter  mit  Genauigkeit  zu  bestimmen 
,  als  ein  Drahtdurchmesser.  Wir  haben  es  hier  mit  dem  ersten  Wider- 
indsnormal  zu  thun;  freilich  hat  es  sich  nicht  bewährt,  weil  der  Wider- 
ind  des  Kupfers  gegen  die  Anwesenheit  von  äusserst  geringen  Beimischungen 
tderer  Metalle  ungemein  empfindlich  ist,  und  ausserdem  von  dem  mecha- 
schen  Zustande  desselben  abhängt. 

Um  grössere  Widerstände  in  einen  Stromkreis  zu  schalten,  wo  die 
beostaten  nicht  ausreichen,  stellt  Wheatstone  Widerstandsrollen  her, 
dches  Instrument  sich  gleichfalls  einen  bleibenden  Platz  erworben  hat  „Es 
steht  aus  sechs  Rollen  eines  mit  Seide  besponnenen  Kupferdrahtes  von 
wz  1/200  Zoll  Durchmesser.  Zwei  dieser  Rollen  halten  je  50  Fuss  Draht, 
e  übrigen  resp.  100,  200,  400  und  800  Fuss.  Die  beiden  Drahtenden 
ler  Rolle  sind  oben  befestigt  an  kurze  dicke  Drähte,  die  dazu  dienen,  alle 
aufrollen  zu  einer  Länge  zu  vereinigen;  die  beiden  Drähte  a  und  b  bilden 
t  Enden  sämmtlicher  Rollen  und  dienen  dazu,  sie  mit  der  Kette  zu  ver- 
ligen. An  der  oberen  Fläche  einer  jeden  Rolle  befindet  sich  eine  doppelte 
ehbare  Messingfeder,  deren  Enden  nach  Belieben  entweder  auf  die  Enden 
r  dicken  Verbindungsdrähte  gebracht  oder  von  ihnen  entfernt  und  bloss 
f  das  Holz  geschoben  werden  können.  In  der  letzten  Stellung  muss  der 
rom  durch  die  Drahtrolle  gehen,  in  der  ersten  aber  geht  er  durch  die 
ider  und  schliesst  den  ganzen  Widerstand  der  Drahtrolle  von  der  Kette 
is. . .  .  Dreht  man  die  Federn  gehörig,  so  kann  man  jedes  Multiplum  von 
)  Fuss,  bis  zu  1600  Fuss  aufwärts,  in  die  Kette  bringen." 

Mit  diesem  Hülfsmittel  bestätigte  Wheatstone  nun  mehrere  Sätze  aus 
ir  Theorie  der  Ketten,  welche  bis  dahin  nicht  eingehender  geprüft  worden 
aren;  so  stellte  er  fest,  dass  die  elektromotorische  Kraft  nicht  von  der 
rosse  der  Berührungsflächen  abhängt,  und  dass  sie  beim  Aneinanderschalten 
ehrerer  Elemente  proportional  der  Anzahl  derselben  wächst.  Auch  fand 
,  dass  eine  Kupfer-Zinkkette  dieselbe  elektromotorische  Kraft  aufwies, 
mn  statt  der  Kupfervitriollösung  das  Sulfat,  Acetat  oder  Chlorid  dieses 
etalles  verwendet  wurde.  Das  Nitrat  gab  infolge  von  Nebenreaktionen  etwas 
»weichende  Zahlen.  Dies  Ergebniss,  welches  scheinbar  sehr  zu  Gunsten 
r  Contacttheorie  spricht,  von  den  Anhängern  aber  auffalligerweise  nicht 
diesem  Sinne  verwerthet  worden  ist,  hat  erst  in  neuester  Zeit  seine  Er- 
trung  und  die  erforderliche  Ausdehnung  und  Einschränkung  seiner  Gültig- 
t  erfahren. 

Ebenso  maass  Wheatstone  die  Polarisation  in  verdünnter  Schwefelsäure 
sehen  Platinplatten    und   fand  2,3  Daniell,    unabhängig  von   der  Ström- 
te innerhalb  der  eingehaltenen  Grenzen  von  3  bis  6  Elementen. 
Auch   die   elektromotorischen   Kräfte   einiger   noch    nicht    untersuchter 

)stwaldt  Elektrochemie.  41 


642 


Vierzehntes  Kapitel. 


Metalle  wurden  bestimmt;  so  fand  er  insbesondere  Kaliumamalgam  gegei 
Kupfer  in  Kupfervitriol  gleich  2,0  Daniell,  gegen  Platin  in  Platinchkxü 
2,3  Daniell;  die  letzte  Combination  zerlegt  Wasser  mit  Leichtigkeit  Bkx- 
hyperoxyd  in  verdünnter  Schwefelsäure  gab  endlich  mit  Kaliumamalgaa 
3,3  Daniell;  es  ist  dies  wohl  eine  der  grössten  elektromotorischen  Kräfte^ 
welche  bekannt  sind. 

Im  Gegensatze  dazu  ergab  die  thermoelektrische  Kraft  zwischen  Wismutk 
und  Kupfer  zwischen  dem  Gefrier-  und  dem  Siedepunkte  des  Wassers  sich 
zu  etwa  7ioo  Daniell. 

Zur  Bestimmung  der  Widerstände  von  Ketten  giebt  Wheatstonk  vier 
verschiedene  Methoden  an,  die  im  einzelnen  nicht  wiedergegeben  zu  werden 
brauchen;  sie  stellen  alle  Fälle  dar,  in  welchen  das  OHM'sche  Gesetz  eine  be- 
sonders einfache  Gestalt  annimmt,  und  daher  die  Berechnung  des  Resultat« 
sich  ohne  Mühe  bewerkstelligen  lässt.    Um  Flüssigkeitswiderstände  zu  messen, 

dient  das  Instrument  Fig.  169,  welches  aus  einer  Glasröhre 
besteht,  von  der  ein  der  Axe  paralleler  Theil  weggeschliffefl 
ist,  so  dass  eine  Rinne  nachbleibt.  In  dieser  bewegt  sich  eine 
Platinplatte,  welche  im  Verein  mit  einer  zweiten,  am  Ende  der 
Rinne  befestigten  Platinplatte  die  Länge  der  Flüssigkeitssaale 
begrenzt.  „Um  den  Widerstand  einer  Flüssigkeit  zu  mes«% 
verfahre  ich  dann  so:  Ich  schliesse  eine  kleine  constante  Bat- 
terie, bestehend  aus  drei  Elementen,  dem  Rheostat  und  dei* 
Widerstandsrollen  und  der  eben  beschriebenen  Messröhre,  vtt 
Kette.  Bei  einem  Abstände  des  Stempels  von  der  festen  Platte 
gleich  einem  Viertelzoll  fülle  ich  den  Zwischenraum  mit  der 
Flüssigkeit,  deren  Widerstand  gemessen  werden  soll  Durch 
Einstellung  des  Rheostates  bringe  ich  die  Nadel  des  Galvano- 
meters auf  einen  bestimmten  Punkt,  und  nachdem  dieser  auf- 
gezeichnet worden  ist,  ziehe  ich  den  Stempel  des  Apparates 
um  den  ganzen  Zwischenraum  von  einem  Zoll  zurück  und 
fülle  das  Ganze  wieder  mit  Flüssigkeit.  Hierdurch  sinkt  die  Abweichung 
der  Nadel.  Ich  verringere  nun  den  Widerstand  der  Kette  mittelst  des  Rheo- 
states und  der  Widerstandsrollen,  bis  die  Nadel  genau  auf  dem  Punkt  steht, 
wo  sie  stand,  als  die  eingeschaltete  Flüssigkeitssäule  nur  einen  ViertelxoB 
betrug.  Die  reducirte  Länge  des  aus  der  Kette  gebrachten  Drahtes  ist  das 
Maass  von  einem  Zoll  der  Flüssigkeit.  Die  aus  der  Zersetzung  der  Flüssig- 
keit entspringende  elektromotorische  Gegenkraft  bleibt  bei  dem  ganzen  Vor 
gang  dieselbe,  und  hat  daher  keinen  Einfluss  auf  das  Endresultat" 

Wheatstone  giebt  dazu  einige  Vorsichtsmaassregeln,  um  den  durch  d* 
Elektrolyse   der  Flüssigkeit   entstehenden  Fehler   zu    vermindern,    und  settt  ; 
auseinander,    welche   Bedeutung   die   genaue    zahlenmässige   Kenntniss  da* 
Widerstandes  der  Flüssigkeiten  haben  würde.     Bestimmte  Angaben  werdet: 
noch  nicht  gemacht. 

Um  ein  und  dasselbe  Galvanometer  zur  Messung  starker  und  schwacher 


Fig.   169. 

Nach  Wheat- 
stone. 


Dit  Entwickehing  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       643 


ie  benutzen  zu  können,  beschreibt  er  weiter  die  Anwendung  eines 
Anschlusses.  „Wenn  man  den  Strom  zugleich  zwei  Wege  gehen  lässt, 
denen  der  erste  aus  dem  Galvanometerdraht,  und  der  andere  aus  einem 
en,  die  Enden  des  ersteren  verbindenden  Drahte  v  besteht,  so  theilt  er 
zwischen  beiden  im  umgekehrten  Verhältniss  von  deren  Widerständen. 
q  man  hierbei  zur  Abzweigung  des  Stromes  verschiedene  Drähte  an- 
et,  kann  man  die  Wirkung  auf  die  Galvanometernadel  beliebig  schwächen, 
t  man  die  verhältnissmässigen  Kräfte  für  das  Galvanometer  ohne  den 
ctionsdraht,  so  werden  sie  in  demselben  Verhältniss  bleiben,  wie  auch 
Viderstand  des  letzteren  sein  mag."  Auch  dieses  Verfahren  ist  seitdem 
uernder  Anwendung  geblieben. 

12.    Die  WHBATSTONE'sche   Brücke.     Die   wichtige   Schaltung,   mit 
Vheatstone's   Name   dauernd   verbunden   geblieben   ist,   beschreibt   er 
dem  Namen  des  Differential- Widerstandsmessers;  gegenwärtig  nennen 
e  die  WHEATSTONE'sche  Brücke. 

fach  einer  Darlegung,  dass  die  gewöhnliche  Methode  zuweilen,  z.  B. 
ihr  kleinen  Widerständen,  versagt,  und  dass  die  Schwankungen  der 
istärke,  deren  Beständigkeit  ja  vorausgesetzt  ist,  die  Messung  falschen 
:n,  erwähnt  er  das  Differentialgalvanometer  von  Becquerel,  dem  er 
1  die  praktische  Brauchbarkeit  abspricht.  „Alle  die  von  diesem  In- 
ente  erwarteten  Vortheile  können  ohne  einen  der  damit  verknüpften 
el  erlangt  werden  mittelst  einer  einfachen  Vorrichtung,  die  überdies 
ortheil  hat,  dass  sie  sich  an  jedem  Galvanometer  unmittelbar  anbringen 
statt  dass  früher  ein  besonders  dazu  construirtes  Instrument  erforder- 
en 


=L 


1         1 


5 


=3 


Fig.  170.     Nach  Wheatstone. 


Fig.  170  stellt  diese  Vorrichtung  dar.  Es  ist  ein  Brett,  auf  welchem 
iupferdrähte,  Zb,  Za>  C a,  Cb,  befindlich  sind,  deren  Enden  an  mes- 
ten  Verbindungsschrauben  befestigt  sind.  Die  beiden  Verbindungs- 
iben  Z  und  C  haben  den  Zweck,  die  von  den  beiden  Polen  eines 
notors  kommenden  Drähte  aufzunehmen,  und  die  mit  a  und  b  bezeich- 
Schrauben  dienen   zum   Halten   der  Enden  des  Galvanometerdrahtes. 

41* 


644  Vierzehntes  Kapitel. 


Vermöge  dieser  Vorrichtung  geht  von  jedem  Pole  des  Rheomotors  ein  Drahl 
zu  jedem  Ende  des  Galvanometerdrahtes,  und  wenn  die  vier  Drähte  an 
Länge,  Dicke  und  Substanz  gleich  sind,  so  ist  ein  vollkommenes  Gleicb 
gewicht  hergestellt,  so  dass  auch  ein  noch  so  kräftiger  Rheomotor  nicht  dk 
geringste  Ablenkung  der  Galvanometernadel  hervorbringt  Die  Schliessung^ 
ZbaCZ  und  ZabCZ  sind  in  diesem  Falle  genau  gleich;  allein  da  beidk 
Ströme  in  entgegengesetzter  Richtung  durch  das  Galvanometer  zu  geha 
trachten,  welches  ein  gemeinschaftlicher  Theil  beider  Schliessungen  ist,  a 
wird  kein  Effekt  auf  die  Nadel  hervorgebracht.  .  .  .  Allein  wenn  in  einen 
der  vier  Drähte  ein  Widerstand  eingeschaltet  wird,  so  findet  sich  das  Gleich 
gewicht  am  Galvanometer  gestört.  .  .  . 

„Nachdem  das  Gleichgewicht  durch  Einschaltung  eines  Widerstandes  ii 
einen  der  vier  Drähte  gestört  worden  ist,  kann  es  wieder  hergestellt  werden 
indem  man  in  einen  der  anliegenden  Drähte  einen  gleichen  Widerstand  ein- 
schaltet. Um  den  Maasswiderstand  und  den  zu  messenden  Widerstand  an- 
zuschalten, sind  die  Drähte  Zb  und  Cb  unterbrochen  und  in  cy  d  und  e,J 
Verbindungsschrauben  zur  Aufnahme  von  Drahtenden  angebracht.  Wem 
einmal  das  Gleichgewicht  hergestellt  ist,  wird  durch  Schwankungen  da 
Stromstärke  das  Galvanometer  in  keiner  Weise  gestört. 


-3  &— 


Fig.  171.     Nach  Wheajstone. 

„Fig.  1 7 1  zeigt  eine  andere  und  in  mancher  Hinsicht  bequemere  Draht- 
vorrichtung. Zur  Bezeichnung  dieser  sind  Buchstaben  benutzt,  und  es  gelt« 
dieselben  Bemerkungen,  wie  vorher. 

„Geringe  Unterschiede  in  der  Länge  und  selbst  in  der  Spannung  dtf 
Drähte  sind  hinreichend,  um  das  Gleichgewicht  zu  stören.  Es  ist  dahff 
nöthig,  eine  Einrichtung  zu  haben,  mittelst  deren  man,  wenn  zwei  Drahte 
in  Ca  und  Za  angebracht  sind,  ein  vollkommenes  Gleichgewicht  herstelta 
kann.  .Hierfür  ist  bei  dem  Instrument  Fig.  170  ein  Metallstück»  mit  einer 
Zwingschraube  eingelassen,  und  ein  anderes  Stück  m  dreht  sich  um  n,  wäh- 
rend sein  freies  Ende  immer  auf  dem  Drahte  ruht  So  wie  dieses  beweg- 
liche Metallstück  einen  grösseren  Winkel  mit  dem  festen  macht,  wird  <kf 
Widerstand  in  dem  Zweige  Zb  vermindert;  ist  jedoch  das  GleichgewkU 
dadurch  gestört,  dass  Cb  zu  gross  ist,  so  muss  das  bewegliche  Metallstöd 
nach  der  anderen  Seite  gedreht  werden." 

Die  weiteren  Darlegungen  Wheatstone's  beziehen  sich  auf  einige  Ai 
Ordnungen  von  geringerem  Interesse,  und  brauchen  nicht  wiedergegeben  > 
werden. 


Die  Entwickelang  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       645 


Die  Summe  der  in  dieser  Arbeit  niedergelegten  neuen  Methoden  ist 
Ar  gross,  und  die  messende  Elektrik  hat  durch  sie  einen  bedeutenden 
Ulfschwung  erfahren.  Bei  ihm  und  bei  Jacobi,  welche  um  diese  Zeit  die 
rheblichsten  Verdienste  um  die  Ausgestaltung  des  Messwesens  in  unserem 
lebiete  sich  erworben  haben,  macht  sich  geltend,  dass  beide  praktische 
3ele  verfolgten:  Wheatstone  das  Telegraphenwesen  und  Jacobi  die  elektro- 
aagnetischen  Maschinen.  In  der  Praxis  macht  sich  die  Ersparniss,  welche 
lurch  vorgängige  genaue  Berechnung  der  obwaltenden  Verhältnisse  sich 
jegenüber  einem  blossen  Probiren  gewinnen  lässt,  am  schnellsten  geltend, 
md  so  wird  die  Ausbildung  des  Messwesens  erzwungen.  Der  Forscher  im 
Moratorium  wird  nicht  so  dringend  darauf  hingewiesen,  und  so  zeigt  es 
ach  häufig,  dass  lange  Zeit  über  eine  Frage  beobachtet  und  gestritten  wird, 
ahne  dass  man  zu  einer  Entscheidung  gelangen  kann,  weil  es  an  Zahlen- 
massigen  Gründen  fehlt.  So  wie  aber  eine  exacte  Messung  vorliegt,  ist  die 
Angelegenheit  entschieden.  Beispiele  hierfür  gewährt  uns  die  Geschichte 
unseres  Gegenstandes  in  Fülle;  ich  brauche  nur  an  die  Erörterungen  über 
den  Übergangswiderstand  zu  erinnern,  die  in  dem  Augenblicke  verschwanden, 
wo  Lenz  durch  seine  Messungen  erwiesen  hatte,  dass  sein  Werth  Gesetzen 
unterworfen  ist,  welche  mit  dem  Wesen  eines  Widerstandes  nicht,  wohl  aber 
mit  dem  einer  elektromotorischen  Kraft  vereinbar  sind.  Nach  dieser  Rich- 
ung  kann  die  Praxis  ebenso  schulend  auf  die  Theorie  einwirken,  wie  es  die 
Vissenschaft  auf  anderer  Seite  der  Praxis  gegenüber  thut.  In  gewissem 
5inne  ist  ja,  wie  Mach  wiederholt  hervorgehoben  hat,  die  Wissenschaft  eine 
konomische  Methode:  sie  ermöglicht,  ein  Maximum  an  Thatsachen  mit  einem 
Iinimum  von  geistiger  Anstrengung  zu  beherrschen,  und  daher  das  Gebiet 
es  Beherrschbaren  entsprechend  auszudehnen.  Auf  diesen  ökonomischen 
iesichtspunkt  wird  aber  die  Praxis  beständig  gewaltsam  hingewiesen,  und  sie 
bringt  ihn  dem  wissenschaftlichen  Forscher,  der  ihn  nur  zu  leicht  vergisst, 
rirksam  wieder  in  Erinnerung. 

23.  Die  Sätze  von  Ohm  und  Kirchhoff.  Wheatstone  hatte  die 
iinrichtung  seiner  Brücke  angegeben,  ohne  auf  das  ihr  zu  Grunde  liegende 
Mnzip  näher  einzugehen.  Die  hier  auftretende  Frage  war  die  nach  der 
Leitung  in  einem  System  zusammengesetzter  linearer  Leiter,  welche  sich 
/erzweigen  und  zusammenlaufen,  und  sie  war  bereits  zur  Hälfte  von  Ohm 
n  seinem  Werke  über  die  galvanische  Kette  gelöst  worden.  Später  ver- 
vollständigte Kirchhoff  noch  als  Student1  diese  Lösung  und  gab  ihr  eine 
»ehr  elegante  Form,  so  dass  sie  in  der  Folge  fast  nur  unter  seinem  Namen 
bekannt  geworden  ist.  Die  Darlegungen  Ohm's  lasse  ich  zunächst  ihrer  Be- 
deutung wegen  folgen. 

„Die  bisherigen  Betrachtungen  reichen  auch  hin,  den  Hergang  zu  ent- 
cheiden,  der  stattfindet,  wenn  sich  die  galvanische  Kette  irgendwo  in  zwei 
>der  mehrere  Zweige  spaltet.     Zudem  mache  ich  darauf  aufmerksam,   dass 

1  Poüg.  Ann.  64,  $13.  1845. 


646  Vierzehntes  Kapitel. 


schon  oben,  zugleich  mit  der  Gleichung  S  =  A/L  die  Regel  aufgefunden 
worden  ist,  dass  die  Grösse  des  Stromes  in  irgend  einem  homogenen  Theüe 
der  Kette  durch  den  Quotienten  aus  dem  Unterschiede  der  an  den  Enden 
des  Theiles  vorhandenen  elektrischen  Kräfte  und  seiner  reducirten  Langt 
gegeben  wird.  Zwar  ist  diese  Regel  dort  nur  für  den  Fall  aufgestellt  worden, 
dass  die  Kette  sich  nirgend  in  mehrere  Zweige  spaltet,  aber  eine  ganz  ein- 
fache, aus  der  Gleichheit  der  ab-  und  zuströmenden  Elektricitätsmenge  m 
allen  Querschnitten  eines  jeden  prismatischen  Theiles  hergenommene  und 
der  dortigen  ähnliche  Betrachtung  giebt  die  Überzeugung,  dass  dieselbe  Regd 
auch  für  jeden  einzelnen  Zweig  im  Falle  der  Spaltung  der  Kette  noch  gültig 
bleibt.  Nimmt  man  nur  an,  dass  sich  die  Kette  z.  B.  in  drei  Arme  spaltet, 
deren  reducirte  Längen  )n,  ^  und  A3  sein  mögen,  setzt  man  zudem  vorauf 
dass  an  jeder  von  diesen  Stellen  die  ungespaltene  Kette  und  die  einzelnen 
Zweige  gleiche  elektrische  Kraft  besitzen,  und  sonach  keine  Spannung  da- 
selbst eintritt,  und  bezeichnet  man  den  Unterschied  der  an  diesen  beiden 
Stellen  befindlichen  elektrischen  Kräfte  mit  a,  so  ist  in  Folge  der  angeführten 
Regel  die  Grösse  des  Stromes  in  den  drei  Zweigen  beziehentlich: 

a  n  a 

Aj  /.j  Aj 

woraus  zunächst  folgt,  dass  sich  die  Ströme  in  den  drei  Zweigen  umgekehrt 
wie  deren  reducirte  Längen  verhalten,  so  dass  ein  jeder  sich  finden  lässt, 
sobald  man  die  Summe  der  drei  kennt  Die  Summe  aller  drei  zusammen 
ist  aber  offenbar  der  Grösse  des  Stromes  an  jeder  anderen  Stelle  des  nicht 
gespaltenen  Theiles  der  Kette  gleich,  weil  ausserdem,  was  hier  immer  noch 
vorausgesetzt  wird,  der  bleibende  Zustand  der  Kette  nicht  eingetreten  wäre. 
Bringt  man  damit  die  aus  den  obigen  Betrachtungen  sich  ergebende  Schluss- 
folge in  Verbindung,  dass  nämlich  durch  die  Grösse  des  Stromes  und  die 
Natur  eines  jeden  homogenen  Theiles  der  Kette  das  Gefälle  der  ihm  ent- 
sprechenden, die  Elektricitätsvertheilung  darstellenden  geraden  Linie  gegeben 
ist,  so  erhält  man  die  Gewissheit,  dass  die  zu  dem  nicht  gespaltenen  Theile 
der  Kette  gehörige  Vertheilungsfigur  so  lange  dieselbe  bleiben  muss,  als  der 
Strom  in  ihr  dieselbe  Grösse  behält,  und  umgekehrt;  woraus  folgt,  dass  die 
Unveränderlichkeit  des  Stromes  in  dem  nicht  gespaltenen  Theile  der  Kette 
nothwendiger  Weise  eine  Unveränderlichkeit  des  Unterschiedes  der  an  den 
Enden  dieses  Theiles  hervortretenden  elektrischen  Kräfte  voraussetzt." 

Ohm  zeigt  nun,  wie  man  auf  Grund  dieser  Voraussetzungen  die  Strom- 
stärke in  den  Zweigen  berechnen  kann,  und  bemerkt,  dass  er  „auch  diese 
entlegenere  und  bisher  weniger  beachtete  Eigenthümlichkeit  der  galvanischen 
Kette  in  der  Erfahrung  auf  völlig  entscheidende  Weise  bestätigt  gefun- 
den habe." 

Indessen  ist  diese  Darstellung  noch  in  gewissem  Sinne  unvollständig; 
sie  giebt  zwar  Rechenschaft  über  die  Stromstärke  in  den  einzelnen  Zweigen 
eines  gespaltenen  Leiters  nicht  aber  unmittelbar  mehr  in  dem  Falle,  da» 


Die  Entwickching  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       647 

irischen  zwei  solchen  Zweigen  noch  eine  Zwischenverbindung  besteht,  wie 
» B.  gerade  der  Galvanometerzweig  in  der  WHEATSTONE'schen  Brücke. 

Hier  ist  es  nun,  wo  die  zweite  von  Kirchhoff  gegebene  Regel  ein- 
ritt  Kirchhofes  kurze  Darlegung  ist  die  folgende,  wobei  auch  die  Über- 
nnstimmung  seines  ersten  Gesetzes  mit  dem  von  Ohm  unmittelbar  zu 
Tage  tritt 

„Wird  ein  System  von  Drahten,  die  auf  eine  ganz  beliebige  Weise  mit 
anander  verbunden  sind,  von  galvanischen  Strömen  durchflössen,  so  ist: 

i.  wenn  die  Drähte  i,  2,  .  .  .  .  fu  in  einem  Punkte  zusammenstossen: 

A  +  /,  +  •••■  +  //.  =  o, 

wo  /x,  72,  .  .  .  die  Intensitäten  der  Ströme  bezeichnen,  die  jene  Drähte 
dorchfliessen,  alle  nach  dem  Berührungspunkte  zu  als  positiv  gerechnet; 

2.  wenn  die  Drähte  1,  2,  3,  .  .  .  v  eine  geschlossene  Figur  bilden: 

Ix  wx  +  I2  w%  H +  Ivwv, 

gleich  der  Summe  der  elektromotorischen  Kräfte,  welche  sich  auf  dem  Wege 
h  2,  ...  v  befinden,  wo  wl9  w%i  ...  die  Widerstände  der  Drähte,  Ix,  I%  .  .  . 
Üe  Intensitäten  der  Ströme  bezeichnen,  von  denen  diese  durchflössen  werden, 
lue  nach  einer  Richtung  als  positiv  gerechnet. 

„Der  erste  Theil  dieses  Satzes  ist  eine  unmittelbare  Folge  davon,  dass 
lern  Berührungspunkt  der  Drähte  1,  2,  .  .  .  p  ebensoviel  Elektricität  zugeführt 
ds  entzogen  wird;  der  Beweis  des  zweiten  Theiles  ist  folgender.  Die  elek- 
tische Spannung  eines  Punktes  im  Drahte  /  ist  tnt  —  ntlt,  wo  /,  die  Ent- 
erbung desselben  vom  Anfangspunkt  dieses  Drahtes  bezeichnet;  nennen  wir 
Üe  ganze  Länge  dieses  //  und  die  elektromotorische  Kraft,  die  ihren  Sitz 
in  der  Berührungsstelle  dieses  und  des  folgenden  Drahtes  hat,  Kt-,  so  er- 
halten wir  durch  die  Betrachtung  der  Spannungen  der  Berührungspunkte  je 
zweier  auf  einander  folgender  Drähte  die  Gleichungen: 

mi  ~~  ni  K  "+"  ^-i  =  m2 > 


mv  — :  nv  ly  +  Kv  =  mx . 
„Es  ist  also: 

»i/i'  +  »2/2'+--+^/>Ari  +K2  +  ■•••  +  A'„; 

da  aber  J£=zntkiqt  und  w,-  =  /J/ktqt  ist,  wo  ki  die  Leitungsfähigkeit  und 
9i  den  Querschnitt  des  Drahtes  i  bezeichnet,  so  können  wir  die  Gleichung 
Schreiben: 

Ix  wx  +  72  w%  H h  IyWy  =  Kx  +  K2  + h  K¥, 

fc'.  z.  b.  w. 

„Dieser   Satz  liefert  uns  durch  wiederholte  Anwendung  immer  so  viel 
Gleichungen,  als  zur  Bestimmung  aller  /  nöthig  sind.     Wenden  wir  ihn  auf 


648  Vierzehntes  Kapitel. 


den  vorliegenden  Fall  an,   so  erhalten  wir  durch  ihn,  wenn  wir  die  Dra 
durch    die    in   Fig.    172    beigeschriebenen    Zahlen    bezeichnen,    da   /5  = 

sein   soll: 

/3  +  /4  =  o,         I2  w%  -  IA  w4  =  o. 

^  Aus  dieser  Gleichung  folgt: 

Fig.  172.     Nach  Kirchhoff. 

24.    Messung    elektromotorischer    Kräfte.     Verhältnissmässig 
meisten  Schwierigkeiten  bei  der  genauen  Messung  machte  die  dritte  Grc 
in  der  OHM'schen  Formel,  die  elektromotorische  Kraft,  und  zwar  nicht  z 
wenigsten  wegen  ihrer  Unbeständigkeit  in  den  meisten  VoLTx'schen  Ketl 

Zur  unmittelbaren  Messung  elektromotorischer  Kräfte  kann  allerdii 
das  Elektrometer  dienen,  welches  ja  schon  viel  länger  als  das  Galvanome 
bekannt  war,  wenigstens  in  seinen  einfachen  Formen  als  Elektroskop.  AI 
die  vorhandenen  Instrumente  dieser  Art  waren  um  jene  Zeit  so  wenig  empfti 
lieh,  dass  sie  zur  Messung  an  einzelnen  Ketten  nicht  dienen  konnten  u 
nur  bei  Säulen  aus  vielen  einzelnen  Gliedern  Anwendung  fanden.  Wie  < 
Galvanometer  und  der  Rheostat  zur  Messung  elektrischer  Spannungen 
verwenden  seien,  hat  Poggendorff1  gezeigt,  indem  er  das  später  nach  il 
benannte  Compensationsverfahren  angab. 

Poggendorff  beginnt  seine  Abhandlung  mit  einer  Übersicht  der  : 
Messung  von  Spannungen  bisher  angewendeten  Methoden.  Die  älteste,  \ 
Ohm  angegebene  besteht  darin,  dass  man  aus  zwei  Messungen  der  Stro 
stärke  unter  Einschaltung  bekannter  Widerstände  sich  zwei  Gleichungen  v 
schafft,  aus  denen  sich  die  elektromotorische  Kraft  als  Function  der  Stro 
stärken  und  der  Widerstände  ergiebt.  Es  ist  dabei  die  Voraussetzung  \ 
macht,  dass  bei  beiden  Messungen  die  elektromotorische  Kraft  den  gleid 
Werth  gehabt  hat,  was  jedesmal  zweifelhaft  ist,  wenn  polarisirbare  Elektroc 
in  dem  Stromkreise  vorhanden  sind. 

Fechner  hat  dann  das  vergleichende  Verfahren  angegeben,  dass  ir 
die  zu  untersuchende  Kette  und  eine  zum  Vergleich  dienende  Normalke 
gleichzeitig  in  denselben  Stromkreis  schaltet  und  die  Stromstärke  abl» 
welche  man  erhält,  wenn  einmal  die  beiden  Ketten  in  demselben  Sinne  1 
dann  im  entgegengesetzten  Sinne  verbunden  sind.  Es  ist  bei  diesem  V 
fahren  keine  Widerstandsmessung  nöthig,  indem  der  unbekannte  Gesami 
widerstand    des  Stromkreises    herausfällt,    und    man  erhält    unmittelbar  1 

m 

Verhältniss  der  beiden   elektromotorischen  Kräfte;    doch    gilt   gleichfalls 
Voraussetzung,    dass    diese    während    der   Messungen    sich    nicht    veränd 
haben. 

Gleichfalls  auf  Fechner  geht  endlich   das  dritte  Verfahren  zurück, 
welchem  die  Kette  mit  einem  empfindlichen  Galvanometer  und  einem  § 

1  Pogg.  Ann.  64,   161.   1841. 


Die  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       ÖAQ 


ossen  Widerstände  in  einen  Kreis  geschlossen  wird.     Ist  der  Widerstand 
r  Kette   verschwindend   klein    im    Verhältniss   zum    Gesammtwiderstande, 
sind   die  Stromstärken   unmittelbar   proportional  den  elektromotorischen 
räften. 

25.  Poggendorff's  Compensationsmethode.  Der  neue  Gedanke, 
stehen  Poggendorff  einführte,  bestand  darin,  dass  er  die  zu  messende 
)annung  durch  eine  entgegengeschaltete  Spannung  von  veränderlicher  Grösse 
ifhob,  indem  er  die  Grösse  der  Gegenspannung  so  lange  abänderte,  bis 
1  eingeschaltetes  Galvanometer  keinen  Strom  anzeigte.  Zuerst  wollte  er 
?s  so  ausführen,  dass  er  die  veränderliche  Spannung  einer  magnetelek- 
schen  Maschine  entnahm,  bei  welcher  sie  proportional  der  Geschwindigkeit 
r  Drehung  wächst.  Später  erst  kam  er  auf  den  einfacheren  Einfall,  sich 
r  auf  jedem  Stromkreise  vorhandenen  Veränderlichkeit  der  Spannung  zu 
iienen,  indem  er  durch  Abzweigung  von  zwei  Punkten  dieses  Kreises 
Spannung  entnahm.  Je  mehr  Widerstand  sich  im  Verhältniss  zu  dem 
»ammten  Widerstände  zwischen  den  Punkten  befindet,  um  so  grösser 
der  Spannungsunterschied  zwischen  ihnen,  und  so  ist  es  leicht  möglich, 
rch  passende  Änderung  des  Widerstandes  die  Spannung  zu  finden,  welche 
r  zu  messende  gerade  aufhebt.  Die  Ausführung  der  Methode  beschreibt 
ggendorff  folgen dermaasse n : 

„Man  nehme  irgend  eine  constante  Kette  von  grosser  Kraft,  am  besten 
te  GRovE'sche,  und  bestimme  nach  der  ÜHM'schen  Methode  ihre  elektro- 
dorische  Kraft  und  ihren  Widerstand. 

„Nun  verbinde  man  sie  mit  der  inconstanten  Kette,  deren  elektromoto- 
che  Kraft  k"  ermittelt  werden  soll,  z.  B.  mit  einer  gewöhnlichen  Zink- 
jpfer-Kette  auf  folgende  Weise  (Fig.  173):  Man  ver- 
lüpfe  durch  einen  Draht  a  die  Zinkplatten  beider 
stten,  und  durch  einen  Draht  b  die  Zinkplatte  der 
constanten  Kette  mit  der  Platinplatte  der  constanten, 
idlich  führe  man  noch  einen  Draht  c,  der  irgend 
nen  empfindlichen  Multiplicator  einschliesst,  von 
eser  Platinplatte  zu  der  Kupferplatte  oder  über- 
mpt  der  negativen  Platte  der  inconstanten  Kette, 
me  indes  ihn  in  dauernder  Verbindung  mit  ihr  zu 
ilten. 

„Der   Draht  a    nebst   den  Flüssigkeiten  w   der 
)nstanten  Kette  liefern  zusammen  den  Widerstand  r\ 

ir  Draht  b  gewährt  den  Widerstand  r\  Wenn  diese  beiden  Widerstände  in 
Js  rechte  Verhältniss  zu  einander  gebracht  sind,  so  wird  in  dem  Drahte  c 
*  Strom  Null  sein,  und  dies  erkennt  man  daran,  dass  bei  momentaner 
Messung  mit  diesem  Draht  die  Nadel  des  Multiplicators  durchaus  keine 
wegung  macht." 

Die  Formel,  welche  für  diesen  Zustand  gilt,  war  vorher  von  Poggen- 
iff  mittelst  der  OHM'schen  Theorie  abgeleitet  worden;  sie  hat  die  Gestalt 


HZ  z 

Fig.  173. 
Nach  Poggendorff. 


6|o 


Vierzehntes  Kapitel. 


k"  =  k' — —  ,  ■  Die  weitere  Auseinandersetzung,  wie  man  nach  erstmalig 
erfolgter  Abgleichung  den  Versuch  wiederholt,  nachdem  die  inconstante  Kette 
einige  Zeit  ungeschlossen  gestanden  hat,  um  einen  genaueren  Werth  zu  er-  , 
langen,  kann  übergangen  werden.  Dagegen  ver- 
dient die  Bemerkung  Erwähnung,  dass  der  Wider- 
stand der  inconstanten  Kette  in  der  Gleichung  nicht 
vorkommt,  und  daher  beliebig  sein  kann  und 
nicht  bestimmt  zu  werden  braucht 

Die  Messung  der  Drahtwiders  tande  bewerk- 
stelligte Poggendokff  mittelst  seines  Widerstands- 
messers, l  welcher  aus  vier  etwa  meterlangen  Neu- 
silberdrähten  bestand,  die  über  einer  Skala  befestigt 
waren  und  paarweise  durch  übergeschraubte  starke 
Messingklammern  verbunden  werden  konnten.  Die 
Fig.  174  wird  wohl  eine  eingehendere  Beschrei- 
bung  des  Rheochords  ersetzen. 

Durch  die  Messung  zweier  constanten  Ketten, 
deren  elektromotorische  Kräfte  vorher  nach  der 
OHM'schen  Methode  bestimmt  waren,  gegen  ein- 
ander überzeugte  sich  Pogcendorff  von  der  Ge- 
nauigkeit seiner  Methode. 

Ausser  diesem  Verfahren  wird  noch  ein  zweites 
beschrieben,  welches  auf  der  Messung  des  Strom« 
in  einem  der  seitlichen  Zweige  beruht;  es  hat 
weiter  keine  Anwendung  gefunden  und  kann  daher 
an  dieser  Stelle  übergangen  werden. 

26.  Die  Abänderung  des  Compensatio!«- 
Verfahrens  durch  E.duBois-Revmond.  Auf  eine 
besonders  elegante  Form,  nicht  nur  für  die  An- 
wendung, sondern  auch  für  die  Theorie  brachte 
später  Emil  du  Bois-Reymond  *  die  Pocc.E.'reiORFr'sehe 
Compensationsmethode.     Seine  Worte  sind: 

„Auf  einem  Brett,  einer  Latte,  u.  d.  m.,  denke  man  sich  nach  Art  einer 
Klaviersaite  über  zwei  Stege  mittelst  einer  Öse  an  dem  einen,  eines  Wirbel* 
an  dem  anderen  Ende  einen  Messingdraht  NS  (Fig.  175)  von  etwa  2  m  Länge 
und  1,75  mm  Dicke  ausgespannt,  und  dessen  Enden  durch  einen  Pom/scben 
Gyrotropen  G  mit  dem  Zink  und  Kupfer  einer  DANiELi/schen  Kette  D  ver- 
knüpft. Dieser  Draht  heisst  der  Nebenschüessdraht  An  dessen  einem 
Ende  N  ist  das  eine  Ende  des  Multiplicatorkreises  Nfi  Mr  angelothet  Da* 
andere  Ende  dieses  Kreises  r  ist  an  dem  Nebenschüessdraht  irgendwie  be- 
weglich gemacht.  .  .  . 


Nach  Pogcendorff. 


1  Pooo.  Ann.  52,  511 


[841- 


*  Abliandl.  der  Berl.   Akud.    1862.    107. 


Die  Entwicklung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       65  I 


X 


„Es  sei: 

,yE  die  elektromotorische  Kraft  der  DxNiELi/schen  Kette,  an  deren  Stelle 
in  sich  eine  beständige  Kette  irgend  welcher  Art  denken  kann,  die  die 
aasskette  heissen  soll; 

„W  der  Widerstand  der  diese  Kette  enthaltenden  Leitung,  gemessen  bis 
m  Nebenschliessdraht; 

„L  der  Widerstand  des  ganzen  Nebenschliessdrahtes; 

,yX  der  Widerstand  der  eigentlichen  Nebenleitung,  d.  h.  des  Nebenschliess- 
ahtes  zwischen  den  Enden  der  Multiplicatorleitung; 

yfM  der  Widerstand  des  Multiplicatorkreises;  und  endlich 

,^  eine  im  Kreise  befindliche 
ektromotorische  Kraft  von  ent- 
jgengesetztem  Zeichen  wie  E, 
B.  die  des  in  Fig.  175  bei  fi 
merklichen  Muskels,  dessen 
rom  der  punktirte  Pfeil  anzeigt. 

„Setzen  wir  L  +  W—  C,  so 
t  die  Stärke  der  beiden  sich 
ckenden  Ströme  im  Multipli- 
torkreise  den  Ausdruck: 

El-  fC 

~(C  -  x)  (J/  +  x)  +  Afl  ' 

„Sie  wird  also  =  o,  wenn 
/.  =  yC.  Umgekehrt  wird  diese 
tztere  Beziehung  hergestellt  je- 
smal,  dass  man  bei  entgegen- 
setztem E  und  y  durch  pas- 
nde  Veränderung  von  A  den 
rom  im  Multiplicatorkreise  zum 
erschwinden  bringt.    Man  hat 

sdanny/E  =  Xj C,  und  man  braucht  nur  das  Verhältniss  l :  C zu  bestimmen, 
ler  wenn  L  in  Bezug  auf  W  bekannt  ist,  das  von  l :  L,  um  das  Verhältniss 
:  L  oder  den  Werth  von  y  als  Bruchtheil  der  elektromotorischen  Kraft  der 
aasskette  zu  erfahren. 

„Dies  ist,  wie  ich  kaum  zu  sagen  brauche,  nichts  als  eine  leichte  Ab- 
lderung  der  von  Poggendorff  angegebenen  Compensationsmethode.  .  .  .  Diese 
bweichung  besteht  darin,  dass  während  wir  das  Ende  des  Multiplicator- 
eises  am  Nebenschliessdraht  verschieben,  Herr  Poggendorff  dieses  Ende 
st  lässt,  dafür  aber  die  Länge  der  eigentlichen  Nebenleitung,  deren 
Widerstand  wir  k  nannten,  verändert,  bis  der  Strom  verschwindet.  Bei  Hrn. 
)ggendorff  bleibt  also  der  Widerstand  des  die  Maasskette  enthaltenden 
veiges  beständig.  Bei  uns  wird  dieser  Widerstand  stets  um  ebensoviel 
rgrössert  oder  verkleinert,  als  der  der  Nebenleitung  verkleinert  oder  ver- 
össert. 


Fig.  175.     Nach  E.  du  Bois-Reymond. 


ÖC2  Vierzehntes  Kapitel. 


„In  Folge  dessen  nimmt  die  Bedingungsgleichung  für  das  Verschwinde« 
des  Stromes  im  Multiplicatorkreise  in  Hrn.  Poggendorff's  und  in  unserem 
Falle  eine  wesentlich  verschiedene  Gestalt  an.     In  unserem  Falle  heisst  sie 

y ■  =  c-  L  Da  E  und  C  Constanten  sind,  so  ist  y,  die  zu  messende  elektro- 
motorische Kraft,  eine  lineare  Function  von  X,  und  zwar  X  einfach  proportional. 
Nicht   so   bei   Hrn.  Poggendorff  .  .  .    Die  Bedingungsgleichung  lautet  dort 

E  W 

y  =  ii—  t— sp,  d.  h.  y  als  Function  von  X  wird  dargestellt,  indem  man  die 

Ordinaten  einer  gleichschenkligen  Hyperbel  .  .  .  abzieht  von  den  Ordinalen 
einer  den  Abscissen  parallelen  Asymptote. 

„Es  bedarf  also  bei  letzterem  Schema  noch  stets  einer  gewissen  Rechnung, 
um  die  Grösse  der  Kraft  zu  finden,  während  in  unserem  Falle  nichts  dam 
gehört,  als  die  Messung  der  Strecke  Nr,  der  Entfernung  der  Enden  des 
Multiplicatorkreises  auf  dem  Nebenschliessdraht,  der  ja  der  Widerstand  l 
proportional  ist.  Mit  einem  Wort,  am  Nebenschliessdraht,  wie  wir  ihn  an- 
wenden, misst  sich  dje  elektromotorische  Kraft,  wie  das  Zeug  an  der  Elle. 
So  viel  ich  weiss,  ist  diese  merkwürdige  Eigenschaft  unseres  Schemas  bisher 
der  Aufmerksamkeit  der  Elektriker  entgangen/* 

Diese  Verbesserung  der  PoGGENDORFF^schen  Methode  ist  wiederum  ein 
sprechendes  Beispiel  für  den  Satz,  dass  man  auf  das  Einfachste  immer  erst 
zuletzt  kommt.  Aber  noch  zu  einer  anderen  Bemerkung  giebt  sie  uns  Anlast 
Ist  man  gewohnt,  statt  mit  Stromstärken,  mit  Spannungen  zu  denken,  so  be- 
darf es  keines  analytischen  Beweises,  dass  auf  dem  Drath  NS  ein  gleich- 
förmiges Gefälle  der  Spannung  vorhanden  ist,  und  dass  in  dem  Multiplicator- 
kreise kein  Strom  vorhanden  ist,  wenn  die  darin  thätige  elektromotorische 
Kraft  gerade  der  bei  r  vorhandenen  Spannung  gleich  ist.  Auch  dass  die 
Spannung  der  Messkette  D  sich  zu  der  im  Punkte  r  verhalten  muss,  wie 
der  Widerstand  Nr  zu  dem  ganzen  Widerstände  des  Kreises,  ist  gleichfalls 
unmittelbar  anschaulich.  Nur  eine  Unsicherheit  könnte  noch  bleiben,  nämlich 
die,  ob  man  nicht  die  Leitfähigkeit  des  Nebenschlusses  NAfr  berücksichtigen 
müsse,  wenn  man  den  gesammten  Widerstand  auswerthet.  Doch  folgt  aus 
der  Überlegung,  dass  nach  der  Voraussetzung  durch  diesen  Kreis  kein  Strom  « 
fliesst,  auch,  dass  dieser  Kreis  nicht  als  Leiter  wirkt  und  demnach  ausser 
Rechnung  bleibt. 

27.  Das  Additionsgesetz  der  Spannungen.  Durch  seine  Compen* 
sationsmethode  (S.  650)  hatte  Poggendorff  die  Möglichkeit  erhalten,  elektro- 
motorische Kräfte  mit  weit  erheblicherer  Genauigkeit  zu  messen,  als  früher, 
und  er1  benutzte  das  Verfahren,  um  das  „elektromotorische  Gesetz"  w 
prüfen,  d.  h.,  sich  zu  überzeugen,  dass  bei  drei  in  derselben  FlüssigkÄ 
stehenden  Metallen  die  Spannung  zwischen  zweien  derselben  gleich  der 
Summe  der  Spannungen  des  ersten  zum  dritten  und  des  dritten  zum  zweiten 
ist.     Für  die  Anhänger  der  VoLTA'schen  Lehre  war  hier  ein  Problem  vor- 


1  Pogg.  Ann.  70,  60.   1847. 


Entwicklung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       653 


nden,  denn  es  traten  bei  der  Messung  verschiedene  Metallberührungen  auf, 
d  jene  Beziehung  kann  nicht  anders  bestehen,  als  wenn  das  VoLTA'sche 
►annungsgesetz  erfüllt  ist  (S.  133).  Nimmt  man  dagegen  an,  dass  zwischen 
n  verschiedenen  Metallen  überhaupt  keine  Spannungen  bestehen,  so  ergiebt 
h  dieses  Resultat  einfach  aus  dem  Begriff  der  Spannung  oder  elektro 
3torischen  Kraft  als  nothwendig.1 

Für  jene  Zeit  war  es  indessen  doch  ein  Ergebniss  von  einigem  Werthe, 
3s  das  Statthaben  jener  Beziehung  an  einer  Reihe  von  Beispielen  mit 
össerer  Genauigkeit  nachgewiesen  wurde,  als  die  früheren  Messungen  er- 
öglicht  hatten.  Um  ein  Beispiel  zu  geben,  sei  erwähnt,  dass  zwischen 
ink,  Kadmium  und  Eisen  folgende  Zahlen  gefunden  wurden:  Zink-Kadmium 
=  6,39,  Kadmium-Eisen  =  3,60;  Summe  =  9,99.  Unmittelbar  wurde  ge- 
mden:  Zink-Eisen  =  10,12.  In  ähnlichen  Grenzen  bewegen  sich  die  anderen 
rhaltenen  Werthe. 

Ein  gleiches  Gesetz  erwies  sich  auch  gültig,  als  jedes  Metall  in  einer 
besonderen  Flüssigkeit  sich  befand.  Das  hieraus  folgende  Ergebniss,  dass 
omit  zwischen  den  verschiedenen  Flüssigkeiten  keine  erheblichen  elektro- 
notorischen  Kräfte  bestehen  können  (oder  solche,  die  dem  Spannungsgesetz 
interworfen  sind)  wurde  freilich  noch  nicht  ausgesprochen. 

Auch  bei  diesen  Messungen  trat  der  Umstand  zu  Tage,  dass  die  elek- 
tromotorischen Kräfte  zwischen  den  verschiedenen  Metallen  in  den  Flüssig- 
keiten sehr  veränderlich  waren.     Die  Contacttheorie  leitete  dieses  Verhalten 
von  oberflächlichen  Veränderungen  ab,  welche  die  Metalle  in  der  Flüssigkeit 
erfuhren.    Dadurch  wurde  zum  Nachtheil  der  Sache  die  Frage,  unter  welchen 
Umständen  man  constante  Werthe  erlangt  (wie  sich  solche  erfahrungsmässig 
im  DANiELi/schen  Element  gezeigt  hatten),  gar  nicht  gestellt,    obwohl  es  in 
der  Natur  der  Sache  liegt,  dass  Naturgesetze  nur  an  Zahlen  gefunden  werden 
können,  welche  ganz  bestimmte  Werthe  darstellen,  auf  die  keine  unbeherrsch- 
ten Umstände  mehr  Einfluss  haben. 

Auch  über  den  Einfluss,  welchen  die  Temperatur  auf  die  elektromoto- 
rische Kraft  der  VoLTA'schen  Kette  hat,  besitzen  wir  den  ersten  zuverlässigen 
Versuch  von  Poggendorff.  a  Er  setzte  zwei  Ketten  aus  Kupfer  und  amal- 
gamirtem  Zink  zusammen  und  verband  sie  gegen  einander,  so  dass  durch 
ein  eingeschaltetes  Galvanometer  kein  Strom  ging.  Nun  wurde  die  eine 
Kette  erwärmt,  während   die  andere  bei  Zimmertemperatur  verblieb.     „Man 


1  Um  dies  einzusehen,  stelle  man  sich  die  Spannungen  der  drei  Metalle  gegen  die  Flüssig- 

#• 

*■ 

*'  I 

kcit  durch  entsprechend  hohe  Senkrechte  vor:   |  (   misst  man  dann   den  Unterschied 

1  2  3 

zwischen   1  und  3,   so   muss  er  nothwendig  gleich  sein  der  Summe  der  Unterschiede  zwischen 
1  und  2  und  zwischen  2  und  3.    Es  ist  dies  wieder  ein  drastisches  Beispiel  dafür,  in  welchem 
Maasse  die  VoLTA'sche  Contacttheorie  die  Ansicht  der  einfachsten  Verhältnisse  complicirt. 
*  Pogg.  Ann.  50,  264.  1840. 


6  54  Vierzehntes  Kapitel. 

kann  die  Flüssigkeit  der  einen  Kette,  wenn  sie  nur  der  der  anderen  gleich 
ist,  bis  zum  Sieden  erhitzen,  ohne  die  geringste  Anzeige  eines  Stromes  a 
erhalten.  .  .  .  Daraus  geht  hervor,  dass  die  Wärme  keinen  Einfluss  auf  die 
elektromotorische  Kraft  der  Hydroketten  ausübt" 

Die  Schlussfolgerung,  welche  Poggendorff  hier  für  alle  Hydrokette« 
gezogen  hat,  ist  zu  allgemein;  er  hat  zufällig  eine  der  Ketten  getroffen, 
welche  einen  sehr  kleinen  Temperatureinfluss  haben,  während  andere  in 
dieser  Beziehung  eine  viel  grössere  Veränderlichkeit  zeigen. 

28.  Absolute  Maasse.  Durch  die  vorstehend  beschriebenen  Methoden 
war  die  Möglichkeit  gegeben  worden,  mit  bestimmten  Instrumenten  Mes- 
sungen auszuführen,  die  eine  bestimmte  quantitative  Bedeutung  hatten, 
welche  dieselbe  blieb,  so  lange  die  Instrumente  die  gleichen  blieben,  oder 
wenn  andere  Apparate  gleicher  Natur  durch  unmittelbaren  Vergleich  auf 
jene  bezogen  waren.  Dass  es  nicht  nöthig  ist,  bei  diesem  Zustande  zu  ver- 
harren, wies  zuerst  Gauss  durch  seine  Definition  eines  absoluten  Maasses 
für  die  magnetischen  Messungen  nach.1  Die  Erweiterung  des  Prinzipes  auf 
elektrische  Messungen  verdanken  wir  dem  Freunde  und  Schüler  Gauss*, 
Wilhelm  Weber.2 

Der  Gedanke  war  dabei  der  folgende: 

Von  Gauss  war  schon  1832  gezeigt  worden,  dass  die  Wirkungen  der 
Magnete  aufeinander,  insofern  sie  sich  als  räumliche  Kräfte  darstellen,  in 
mechanischem  Maasse  gemessen,  d.  h.  auf  die  Einheiten  Länge,  Zeit  und 
Masse,  zurückgeführt  werden  können,  so  dass,  wenn  diese  Einheiten  gegeben 
sind,  eine  vorliegende  magnetische  Kraft  unzweideutig  ausgedrückt  werden 
kann.  Es  ist  dies  durch  die  Überlegung  einleuchtend,  dass  die  zu  messende 
Wirkung  eben  eine  mechanische  ist,  d.  h.  darin  besteht,  dass  bestimmten 
Massen  bestimmte  Geschwindigkeiten  ertheilt  werden,  oder  dass  sie  bestimmte 
Kräfte  erfahren,  welche  wieder  durch  die  erzeugten  Geschwindigkeiten  ge- 
messen werden  können.  Somit  ist  die  Angabe  dieser  mechanischen  Wir- 
kungen ausreichend,  um  auch  für  die  Ursachen  derselben,  die  magnetischen 
Kräfte  ein  eindeutiges  und  vollständiges  Maass  festzustellen.  Darnach  ist, 
wenn  wir  die  jetzt  benutzten  Einheiten  anwenden,  als  Einheit  des  Magnetis- 
mus die  Menge  desselben  anzusehen,  welche  auf  eine  gleiche  Menge  in  der 
Einheit  der  Entfernung  (1  cm)  wirkend,  der  Einheit  der  damit  verbundenen 
Masse  (1  g)  die  Einheit  der  Geschwindigkeit  (1  cm  in  der  Sekunde)  ertheilt 
Wie  man  sieht,  gehört  zu  dieser  Definition  nichts,  als  die  mechanischen 
Begriffe  der  Länge,  Zeit  und  Masse,  und  daher  nannte  Gauss  diese  Bestim- 
mung die  absolute,  weil  sie  alle  speeifischen  magnetischen  Grössen  vermied1 


1  Comment.  soc.  scient.  Gotting.  8,   1833.  —  Klassiker  der  exaet.  Wiss.  63,   1894. 

8  Pogg.  Ann.  55,  27.  1842. 

*  Dass  dies  doch  nicht  vollständig  der  Fall  ist,  und  eine  speeifisch  magnetische  Gröee, 
die  Magnetisirungsconstante,  in  der  Bestimmung  enthalten  bleibt,  soll  hier  nur  anmerkungsweae 
erwähnt  werden,    um   den  geschichtlichen  Gang   der  Darstellung  nicht   zu  unterbrechen,     Die 


Die  Entwicklung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       655 

Dasselbe  Verfahren  wendete  nun  Wilhelm  Weber  auf  die  Messung  elek- 
cher  Ströme  an.    Das  Mittel  dazu  ergiebt  sich  aus  dem  Umstände,  dass 

elektrischer  Strom  in  derselben  Weise  anziehend  und  abstossend  auf 
?n  Magnet  wirkt,  wie  ein  anderer  Magnet;  man  kann  daher  die  Wir- 
ig eines  Stromes  durch  die  eines  Magnetes  ersetzt  denken,  und  wenn 
1  einen  Strom  hat,  welcher  ebenso  wirkt,  wie  ein  mit  der  Einheit  des 
^netismus  behafteter  Magnet,  so  kann  man  ihm  die  Einheit  der  Strom- 
ke  zuschreiben. 

Freilich  tritt  hier  noch  die  Nothwendigkeit  einer  weiteren  Bestimmung 
,  die  darin  begründet  ist,  dass  ein  Strom  nicht  punktförmig  gedacht 
den  kann,  wie  .ein  Magnetpol.  Vielmehr  erweist  sich  die  Wirkung  eines 
3mes  als  gegeben  durch  die  Fläche,  welche  er  umkreist,  projicirt  auf  die 
sne,  welche  die  Pole  der  Magnetnadel  und  ihre  Drehaxe  enthält.  Es 
ss  demnach  die  Bestimmung  hinzugefügt  werden,  dass  der  Strom  die 
che  mit  dem  Radius'  Eins  umkreisen  muss;  wenn  er  dann  auf  einen  in 
en  Mittelpunkte  belegenen  Magnetpol  eine  Kraft  ausübt,  welche  einem 
imm  die  Geschwindigkeit  1  cm/sec  ertheilen  würde,  so  hat  er  die 
irke  Eins. 

Die  praktische  Ausführung  dieses  Gedankens  gestaltet  sich  derart,  dass 
in  eine  Magnetnadel  in  den  Mittelpunkt  eines  kreisförmigen  Stromes  bringt, 
in  stellt  mit  anderen  Worten  eine  Tangentenbussole  her,  deren  Radius 
nau  gemessen  ist.  Aus  der  Tangente  des  Ausschlages  und  der  nach  der 
vuss'schen  Methode  bestimmten  Intensität  des  Magnetismus  am  Orte  der 
essung  ergiebt  sich  dann  die  Stromstärke  in  absolutem  Maasse. 

Um  die  umständliche  Ausführung  absoluter  Strommessungen  für  die 
vecke  der  Laboratoriumsmessungen  entbehrlich  zu  machen,  musste  der 
isammenhang  mit  irgend  einer  anderen  leicht  zu  ermittelnden,  der  Strom- 
irke  proportionalen  Grösse  gesucht  werden,  und  Weber  machte  denn  auch 
imittelbar  nach  seiner  ersten  Mittheilung  einen  solchen  Weg  gangbar.  Dies 
ar  unter  Benutzung  des  FARADAY^schen  Gesetzes  möglich,  nach  welchem 
e  Menge  eines  zersetzten  Stoffes  nur  von  der  durch  denselben  gegangene 
lektricitätsmenge  oder  dem  Produkte  der  Stromstärke  in  die  Zeit  abhängig 
L  Wurde  ermittelt,  welche  Wassermenge  der  Strom  Eins  in  der  Zeit  Eins 
der  in  einer  Sekunde  zersetzt,   so  war  damit  ein  Verfahren  gegeben,   die 


Dnstante  macht  sich  darin  geltend,  dass  die  Wechselwirkung  zweier  Magnete  nicht  nur  von 
rer  Entfernung  und  der  Menge  des  Magnetismus  abhängt,  sondern  auch  von  dem  Mittel,  in 
elchem  die  Magnete  enthalten  sind.  Hierdurch,  und  da  man  auch  dem  sogenannten  leeren 
aume  eine  bestimmte  Magnetisirungsconstante  zuschreiben  muss,  ist  es  unmöglich,  einen  von 
«eifisch  magnetischen  Grössen  freien  Ausdruck  für  die  mechanischen  Wirkungen  zweier  Magnete 
1  gewinnen,  und  das  von  Gauss  und  Weber  erstrebte  Ziel  muss  als  gegenwärtig  und  in  an- 
hbarer  Zeit  unerreichbar  bezeichnet  werden.  Trotz  dieses  Umstandes  hat  die  sogenannte  ab- 
Iute  Messung  der  elektrischen  Grössen  sich  als  von  ganz  ausserordentlichem  Werthe  für  die 
ssenschaftliche  wie  die  technische  Entwickelung  der  Elektrik  erwiesen,  und  muss  daher  in 
serer  Darstellung  auch  eine  entsprechende  Stelle  finden. 


656  Vierzehntes  Kapitel. 


Angaben  des  Voltameters  alsbald  in  absolute  Stromstärke  umzurechnen, 
und  weiter  mit  Hülfe  desselben  die  Angaben  jedes  anderen  strommessenda 
Instrumentes  auf  absolute  Werthe  zu  reduciren. 

Zur  Ausführung  der  Messungen1  benutzte  Weber  nicht  die  absolute 
Tangentenbussole,  sondern  eine  cylindrische  Spule  von  gemessener  Win- 
dungsfläche, welche  senkrecht  zum  magnetischen  Meridian  aufgehängt  worden 
war  und  durch  den  Erdmagnetismus  eine  Drehung  erfuhr,  wenn  der  Strom 
durchgeleitet  wurde. 

Als  Ergebniss  von  fünf  Versuchen  ergab  sich  als  das  elektrochemische 
Äquivalent  des  Wassers  in  absolutem  Maasse  der  Werth  0,009376.  Das 
heisst:  die  absolute  Einheit  der  Elektricitätsmenge  bedarf  zu  ihrem  Durch- 
gänge durch  Wasser  der  Menge  von  0,009376  mg  Wasserstoff  und  Sauer- 
stoff, oder  damit  1  g  Wasser  zersetzt  wird,  sind  rund  1 00000  absolute  Ein- 
heiten Elektricität  erforderlich. 

Die  von  Gauss  und  Weber  benutzten  mechanischen  Einheiten  sind 
andere,  als  die  gegenwärtigen,  nämlich  Milligramm,  Millimeter  und  Sekunde. 
Unter  Berücksichtigung  dieser  Änderung  beträgt  der  gegenwärtig  bekannte 
Werth,  auf  die  WEBER'schen  Einheiten  übertragen,  0,00933.  Die  Abweichung 
jener  ersten  Bestimmung  von  dem  richtigen  Werth  beträgt  also  kaum  ein 
halbes  Procent. 

29.  Technische  Anwendungen  der  Elektrochemie.  Ebenso,  wie 
die  Ausbildung  des  absoluten  Maassystems  in  den  Zeiten,  die  wir  eben  be- 
trachten, zwar  begonnen,  aber  in  neuester  Zeit  erst  ausgeführt  und  verbreitet 
worden  ist,  verhält  es  sich  mit  den  praktischen  Anwendungen  der  Elektro- 
chemie, wenn  man  die  Benutzung  der  VoLTA'schen  Ketten  für  telegraphische 
Zwecke  ausnehmen  will.  Sowohl  für  die  jetzt  zu  bedeutender  Ausbildung 
gelangte  elektrolytische  Analyse,  wie  für  die  elektrochemischen  Anwendungen 
der  grossen  Technik  lassen  sich  die  Beispiele  schon  früh  nachweisen,  und 
gerade  heute,  wo  die  chemische  Technik  im  Begriffe  ist,  eine  Umwälzung 
durch  die  Einführung  elektrochemischer  Verfahren  zu  erleben,  ist  es  von 
Interesse,  diese  ersten  Anfange  kennen  zu  lernen. 

Der  erste  Name,  welcher  uns  hier  entgegentritt,  ist  Becquerel.  Zwar  j 
finden  wir  in  Bezug  auf  die  Anwendung  des  elektrischen  Stromes  wir  5 
chemischen  Analyse  die  ersten  Andeutungen  bereits  in  den  Arbeiten  ÜA?rt 
vom  Jahre  1805.  Bestimmte  Gestalt  haben  sie  dann  aber  erst  durch  den 
unermüdlichen  Becquerel  gewonnen,  welcher  ein  praktisches  Verfahren  kennen 
lehrte,  kleine  Mengen  Mangan  und  Blei  von  anderen  Metallen  zu  scheiden, 
und  somit  zu  erkennen.2  Das  Verfahren  beruht  darauf,  dass  diese  Metalle 
sich  als  Hyperoxyde  am  positiven  Pole  abscheiden,  was  andere  Metalle,  die 
keine  Hyperoxyde  zu  bilden  vermögen,  unter  gleichen  Bedingungen  nicht 
thun.   Diese  Abscheidung  gelingt  am  leichtesten,  wenn  die  Metalle  als  Acetate 


1  Pogg.  Ann.  66,   181.  1842.  *  Ann.  chim.  phys.  43,  380.  1830. 


Die  Entwicklung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       657 

»rhanden  sind  oder>  was  ebenso  gut  ist,  wenn  irgend  ein  Acetat  im  Über- 
husse  am  positiven  Pole  zugegen  ist 

„Nichts  ist  leichter,  als  nach  dieser  Methode  das  Mangan  vom  Eisen 
1  scheiden;  es  genügt,  eine  Lösung  dieser  Metalle  in  Essigsäure  herzustellen, 
ld  genügend  grosse  Platinplatten  und  eine  hinreichend  starke  Säule  zu 
ihmen,  damit  der  Versuch  schnell  genug  gehen  kann.  Arbeitet  man  derart 
it  einer  kleinen  Menge,  so  genügen  zuweilen  einige  Stunden,  namentlich, 
enn  man  die  Vorsicht  beobachtet,  von  Zeit  zu  Zeit  das  Hyperoxyd,  welches 
ch  am  positiven  Pole  bildet,  zu  entfernen.  Enthält  die  Lösung  1  g  essig- 
tures  Mangan,  so  sind  24  Stunden  und  zuweilen  auch  mehr  erforderlich; 
och  hängt  wie  gesagt  die  Zeit  von  der  Grösse  der  Platten  und  der  Stärke 
er  Säule  ab.  Wenn  sich  die  Platte  nicht  mehr  färbt,  so  kann  man  sicher 
iin,  dass  die  Lösung  kein  Mangan  mehr  enthält,  oder  wenigstens  eine  un- 
estimmbar  kleine  Menge,  denn  1  mg,  und  noch  weniger,  in  1  g  Wasser 
elöst,  wird  durch  dies  Verfahren  sichtbar  gemacht/' 

Auch  als  Vater  der  elektrochemischen  Metallurgie,  welche  heute 
ine  so  grosse  Rolle  spielt,  hat  man  Becquerel  zu  betrachten.  In  einer  kurzen 
Nachricht1  theilt  er  mit,  dass  man  Silber,  Kupfer  und  Blei  aus  ihren  Erzen 
tuf  elektrolytischem  Wege  ausbringen  könne.  Das  Verfahren  bestand  wesent- 
ich  darin,  dass  die  Metalle  in  lösliche  Verbindungen  übergeführt,  und 
iann  mittelst  positiverer  Metalle,  insbesondere  Eisen,  ausgefällt  wurden.  Eine 
Anwendung  äusserer  Stromquellen  fand  nicht  statt.  Insofern,  als  die  Aus- 
scheidung des  Silbers  durch  Quecksilber  in  den  älteren  Amalgamationsver- 
fehren  lange  vorher  geübt  worden  war,  haben  die  von  Becquerel  angegebenen 
Methoden  nichts  prinzipiell  Neues;  nur  hat  er  zuerst  die  elektrische  Natur 
der  hierbei  stattfindenden  Vorgänge  erkannt,  und  damit  ein  Mittel  gegeben, 
sie  weit  eingehender  zu  regeln,  als  bis  dahin  möglich  gewesen  war. 

30.  Galvanoplastik  und  elektromagnetische  Maschinen.  Die 
erste  Nachricht  über  die  Anwendung  des  Kupferniederschlages  zur  Herstel- 
lung von  getreuen  Abbildungen  geformter  Gegenstände,  die  gegenwärtig 
unter  dem  Namen  der  Galvanoplastik  eine  so  wichtige  Rolle  spielt,  findet 
sich  in  einem  Briefe,  welchen  Jacobi2  an  Faraday  richtete,  und  der  im 
Jahre  1839  veröffentlicht  worden  ist.  Dieser  Brief  enthält  ausserdem  die 
erste  Nachricht  über  die  Anwendung  der  elektromagnetischen  Kraft  im 
Grossen,  und  ist  somit  nach  zwei  Seiten  ein  wichtiges  Document  zur  Ge- 
schichte der  Elektrotechnik. 

„Vor  einiger  Zeit  hat  mich  ein  glücklicher  Zufall  bei  meinen  elektro- 
magnetischen  Arbeiten  zu   der  Entdeckung   geführt,3    dass    man  mit  Hülfe 

1  Bibl.  univ.  15,  432.   1838.  —  Pogg.  Ann.  46,  285.   1838. 

•  Philos.  Mag.  15,  161.  1839. 

8  Die  gleiche  Beobachtung,  dass  nämlich  das  in  der  DANiELL'schen  Kette  abgesetzte 
Kupfer  auf  das  genaueste  die  Oberfläche  der  Platte  wiedergiebt,  auf  welcher  es  niedergeschlagen 
ist,  hat  Daniell  schon  früher  gemacht;  er  hat  aber  nicht  daran  gedacht,  dass  diese  Erscheinung 
einer  technischen  Anwendung  fähig  wäre. 

Ostwald,  Elektrochemie.  42 


6c8  Vierzehntes  Kapitel. 


der  VoLTA'schen  Wirkung  erhabene  Copieen  von  gestochenen  Kupferplatta 
machen  kann,  von  denen  auf  gleichem  Wege  umgekehrte  Copieen  erhaka 
werden  können,  so  dass  man  es  in  der  Gewalt  hat,  die  Kupfercopieen  k 
jeder  beliebigen  Anzahl  zu  erhalten.  Durch  diesen  VoLTA'schen  Proces 
werden  die  feinsten,  ja  mikroskopische  Striche  wiedergegeben,  und  die 
Copieen  sind  so  identisch  mit  dem  Original,  dass  auch  die  strengste  Unter- 
suchung nicht  den  kleinsten  Unterschied  finden  kann. . . .  Ich  kann  mir  er- 
sparen, den  von  mir  gebrauchten  Apparat  ausführlich  zu  beschreiben.  Es 
ist  einfach  eine  VoLTA'sche  Kette  a  cloison,  in  welcher  die  gestochene  Platte 
an  Stelle  der  gewöhnlichen  Kupferplatte  benutzt  ist,  indem  sie  in  eine  Lösung 
von  Kupfersulfat  getaucht  ist.  .  .  .  Für  den  Erfolg  der  Operation  ist  es  voa 
grösster  Wichtigkeit,  dass  die  Lösung  immer  gesättigt  erhalten  wird.  Die 
Wirkung  muss  nicht  zu  schnell  sein;  50  bis  60  Gran  Kupfer  sollen  in  24  Stan- 
den auf  den  Quadratzoll  niedergeschlagen  werden.  .  .  . 

„Natürlich  kann  man  auch  das  Kupfersulfat  reduciren,  wenn  wir  den 
Strom  eines  einfachen  VoLTA'schen  Paares  mittelst  Kupferelektroden  durch 
die  Lösung  gehen  lassen;  in  dem  Maasse,  wie  die  Anode  oxydirt  wird,  to- 
deckt sich  die  Kathode  mit  reducirtem  Kupfer,  und  man  kann  sich  die  Zu- 
führung von  concentrirter  Lösung  ersparen.  Nach  der  Theorie  sollte  mal 
erwarten,  dass  an  der  einen  Seite  genau  so  viel  Kupfer  reducirt  wird,  wie- 
viel  an  der  anderen  oxydirt  wird,  jedoch  habe  ich  immer  einen  grösserei 
oder  kleineren  Unterschied  gefunden,  derart,  dass  die  Anode  mehr  verliert; 
als  die  Kathode  gewinnt.  Der  Unterschied  scheint  nahezu  constant  xa 
sein,  denn  er  nimmt  nicht  weiter  zu,  wenn  der  Versuch  eine  gewisse  ZA 
gedauert  hat.  .  .  . 

„Was  die  technische  Bedeutung  dieser  VoLTA'schen  Copieen  anlangt,  so 
möchte  ich  bemerken,  dass  man  die  gestochene  Kathode  nicht  nur  von  Kupfer 
oder  negativeren  Metallen  nehmen  kann,  sondern  auch  von  positiveren  und 
deren  Legierungen  (ausgenommen  Messing),  obwohl  diese  Metalle  u.  s.  w.  dk 
Kupferlösung  für  sich  viel  zu  heftig  zersetzen.  So  kann  man  beispielsweise 
Stereotypen  in  Kupfer  machen,  welche  nach  Belieben  vervielfältigt  werden 
können.  Ich  werde  binnen  kurzem  die  Ehre  haben,  Ihnen  ein  Basrelief  aas 
Kupfer  zu  schicken,  dessen  Original  aus  einer  plastischen  Substanz  gebildet  ist, 
die  sich  allen  Bedürfnissen  und  Capricen  der  Kunst  anschmiegt  Durch  dies 
Verfahren  werden  alle  diese  feinen  Züge  erhalten,  welche  die  hauptsächlichste 
Schönheit  eines  derartigen  Werkes  ausmachen,  und  welche  beim  Giessea 
gewöhnlich  verloren  gehen,  da  dieser  Process  sie  nicht  in  aller  ihrer  Rein- 
heit wiedergeben  kann.  Die  Künstler  müssen  dem  Galvanismus  sehr  dankbar 
sein,  der  ihnen  diesen  neuen  Weg  hierzu  eröffnet  hat." 

Jacobi  erzählt  weiter,  wie  er  im  letzten  Winter  oft  seinen  grossen  Saal 
mit  DRUMMOND'schem  Kalklicht  erleuchtet  hat,  zu  dem  er  das  Knallgas  durch 
Elektrolyse  verdünnter  Schwefelsäure  in  dem  Maasse  erzeugt  hatte,   als  « 
in  der  Lampe  verbrannte.     Anfangs  war  die  Batterie  noch  recht  unbequem  * 
zu   unterhalten.     „Gegenwärtig   nimmt   eine  Batterie   mit   dem  Zersetzung»- 


Die  Entwitkelnng  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       659 


parat,  welche  3  bis  4  Kubikfuss  elektrolytisches  Gas  in  der  Stunde  liefert, 
:ht  viel  mehr  Platz  ein,  als  eine  Seite  des  Papiers,  auf  welchem  ich  Ihnen 
ireibe,  und  ist  etwa  9  Zoll  hoch.  Dies  ist  sicherlich  eine  schöne  An- 
ndung  der  VoLTÄ*sehen  Batterie. 

„Bei  der  Anwendung  des  Elektromagnetismus  zur  Bewegung  von  Ma- 
hnen war  die  grösste  Schwierigkeit  immer  die  Umständlichkeit  und  schwie- 
ge Handhabung  der  Batterieen.     Diese  Schwierigkeit  besteht  nicht  länger, 
ährend  des  letzten  Herbstes,  in  einer  vielleicht  schon  zu  weit  vorgeschrit- 
len  Jahreszeit,   habe   ich,   wie  Sie   vielleicht   aus   den  Zeitungen   ersehen 
hen  werden,  meinen  ersten  Versuch  mit  der  Schifffahrt  auf  der  Newa  in 
lerzehnrudrigen  Schaluppe  mit  Radrudern,  die  durch  eine  elektromagnetische 
aschine  in  Bewegung  gesetzt  wurden,  gemacht.   Obwohl  wir  während  ganzer 
ige  fuhren,  und  gewöhnlich  mit  10  oder  12  Personen  an  Bord,  so  war  ich 
ich  nicht  sehr  befriedigt  von   diesem    ersten  Versuche,    denn    es    ergaben 
:h   so    viele   Fehler  der  Construction   und   Mängel   der  Isolirung   an   den 
aschinen  und  der  Batterie,  welche  nicht  auf  der  Stelle  verbessert  werden 
mnten,  dass  es  mir  äusserst  unangenehm  war.     Da  jetzt  diese  Verbesse- 
mgen  und  wichtigen  Veränderungen  beendigt  sind,  so  werden  die  Versuche 
nnen  kurzem  wieder  aufgenommen  werden.     Die  Erfahrungen  des  letzten 
ihres  nebst  den  Verbesserungen  der  Batterie  ergeben,   dass  zum  Hervor- 
ringen   einer    Pferdekraft    (wie    bei    Dampfmaschinen)    eine    Batterie    von 

0  Quadratfuss  Platin,  in  entsprechender  Weise  angeordnet,  erforderlich 
t;  ich  hoffe  aber,  dass  8  bis  10  Quadratfuss  die  Wirkung  ergeben 
erden.  Wenn  der  Himmel  mir  meine  Gesundheit  erhält,  welche  durch 
eständige  Arbeit  ein  wenig  angegriffen  ist,  so  hoffe  ich  binnen  eines  Jahres 
in  elektromagnetisches  Schiff  von  40  bis  50  Pferdekraft  hergerichtet  zu 
aben." 

31.  Die  Polarisation.  Die  Ausbildung  der  Messhülfsmittel  kam  zu- 
ächst  einer  Erscheinung  zu  Gute,  welche,  zwar  lange  bekannt,   und  auch 

1  früherer  Zeit  im  wesentlichen  richtig  verstanden,  später  eine  wunder- 
che  Reihe  verschiedenartiger  Auffassungen  durchzumachen  hatte,  bevor 
ie  einigermaassen  wissenschaftlich  bewältigt  werden  konnte.  Dies  ist 
a  einem  solchen  Maasse  der  Fall,  dass  noch  bis  auf  unsere  Zeit  dies 
Gebiet  zu  den  wenigst  bekannten  und  verstandenen  in  dem  ganzen  weiten 
Jmfange  der  Elektrochemie  gehört.  Es  handelt  sich  um  die  Erschei- 
nungen, welche  sich  an  den  Grenzflächen  zwischen  den  Elektrolyten  und 
len  Elektroden  abspielen,  wenn  ein  Strom  durch  sie  geht,  die  Polari- 
►  ationserscheinungen. 

Von  wem  der  Name  Polarisation,  welcher  seit  der  Mitte  der  dreissiger 
fahre  für  die  fraglichen  Vorgänge  üblich  ist,  in  die  Wissenschaft  eingeführt 
vorden  ist,  habe  ich  nicht  ermitteln  können.  Es  sieht  so  aus,  als  wäre  der 
Vame  erst  um  diese  Zeit  entstanden,  denn  in  dem  dritten  Bande  von 
8ecquerei/s  Trait£  kommt  der  Name  bei  der  Darstellung  der  von  Gautherot 
ind  Ritter  (S.  173)  beobachteten  Thatsachen  nicht  vor,  dagegen  im  fünften, 

42* 


66o  Vierzehntes  Kapitel. 


welcher  1840  erschienen  ist,  wird  er  bei  dem  Bericht  über  Schönbi 
Arbeiten  in  einer  Weise  benutzt,  als  wenn  er  ganz  gebräuchlich  wäre. 
liegt  deshalb  nahe,  Schönbein  als  den  Erfinder  des  Namens  anzusehen,  ; 
auch  dieser  benutzt  ihn,  ohne  ihn  besonders  zu  erklären,  also  wie  ein 
kanntes  Wort.  Dazu  kommt,  dass  elf  Jahre  früher  in  einer  Abhandlung 
Becquerel1  der  Ausdruck  wieder  wie  ein  bekanntes  Wort  in  ganz  demse 
Sinne  gebraucht  wird,  wie  später.  Ich  habe  deshalb  darauf  verzichtet, 
Entstehungsgeschichte  des  Namens  aufzuklären,  und  würde  für  entspreche 
Hinweise  aus  dem  Leserkreise  dankbar  sein. 

Die  älteste  Geschichte  der  Angelegenheit  ist  bereits  (S.  173)  mitgetl 
worden.  Sowohl  die  Erscheinung  des  Gegenstromes  nach  Abtrennung 
Elektroden  von  der  primären  Kette,  wie  auch  die  Schwächung  des  Hai 
Stromes  durch  Zwischenschaltung  „unthätiger"  Kettenglieder  ist  von  Rn 
in  sehr  vollständiger  Weise  untersucht  worden,  so  dass  zunächst  die  Forsch 
wenig  über  den  bereits  erlangten  Standpunkt  hinausgelangte.  Wenn  glei 
wohl  eine  ausserordentlich  grosse  Zahl  von  Arbeiten  seit  der  zweiten  Hs 
der  zwanziger  Jahre  über  den  Gegenstand  veröffentlicht  wird,  so  erkea 
wir  in  diesem  Falle  ganz  besonders  den  Einfiuss  des  Umstandes,  dass 
Galvanometer  so  ausserordentlich  leicht  die  Gewinnung  eines  ausgedehn 
Zahlenmateriales  gestattet,  welches,  wenn  es  auch  nicht  wissenschaftlich 
wältigt  wird,  doch  als  „schätzbares  Material"  den  Fachgenossen  nicht  von 
halten  zu  werden  pflegt. 

Die  neue  Reihe  von  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  beginnt  ziemlich  glei 
zeitig  im  Jahre  1825;  die  hier  auftretenden  Namen  sind  Davy,  de  la  E 
und  Marianini.  Die  Arbeiten  Davy*s  sind  schon  (S.  353)  erwähnt  word 
sie  sind  wenig  umfassend,  aber  in  ihrer  Deutung  wohl  gelungen.  Sehr 
eingehender,  wenn  auch  weniger  glücklich  in  der  Auffassung  sind  die  Arbe 
de  la  Rivers.2  Er  beobachtete  die  Stromschwächung  durch  eingeschal 
Zwischenplatten  und  zog  aus  seinen  Versuchen  folgende  Schlüsse:  „1.  I 
eine  oder  mehrere  Metallptatten,  welche  in  eine  leitende  Flüssigkeit  sc 
recht  zu  der  Linie,  welche  die  beiden  Pole  verbindet,  angebracht  wen 
die  Intensität  des  Stromes,  welcher  sie  durchdringt,  schwächen.  2.  I 
diese  Schwächung  des  Stromes  fast  Null  ist,  wenn  der  die  Platten  dui 
laufende  Strom  sehr  energisch  ist  und  von  einer  aus  vielen  Paaren  bestel 
den  Säule  herstammt;  dass  aber  der  Strom  in  einem  um  so  stärkeren  ^ 
hältniss  geschwächt  wird,  je  geringer  seine  ursprüngliche  Intensität  ist; 
dass  daher  ein  stärkerer  Strom  erforderlich  ist,  um  die  gleiche  Menge 
durch  die  Zersetzung  zu  erhalten,  wenn  die  Flüssigkeit  durch  Platten  ut 
brochen,  als  wenn  sie  stetig  ist.8    3.  Dass  von  zwei  Strömen  gleicher  In 

1  Ann.  chim.  phys.  41,  23.   1829. 

*  Ann.  chim.  phys.  28,  208.   1825. 

•  DE  LA  Rive's  Ausdrucksweise  ist  an  dieser  Stelle  nicht  gut  verständlich;  ich  hat 
glaubt,  ein  Versehen  des  Abschreibers  oder  Druckers  annehmen  zu  dürfen,  und  den  Satz 
gemäss  hergestellt 


Die  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energiepriniipes.        66  [ 

ät,  welche  der  eine  ursprunglich,  der  andere  nach  dem  Durchtritt  einer 
ler  mehrerer  Hatten  besitzt,  der  erste  viel  mehr  durch  die  Einschaltung 
ler  Platte  vermindert  wird,  als  der  andere,  welcher  bereits  ähnliche  Platten 
rrchlaufen  hat" 

Zur  Erklärung  dieser  Thatsachen  weist  de  la  Rive  auf  die  ähnlichen 
erhältnisse  der  Wärme  und  des  Lichtes  hin,  welche  gleichfalls  in  ihrer 
usbreitung  durch  eingeschaltete  Platten,  wenn  diese  auch  für  sich  durch- 
ssig  sind,  behindert  werden,  doch  geht  er  nicht  näher  auf  diesen  Punkt 
n.  Auch  in  dieser  Beziehung  ist  ihm  Ritter  vorausgegangen,  was  aller- 
ngs  eher  ein  negatives,  als  ein  positives  Verdienst  ist.  Wir  werden  alsbald 
hen,    dass    der   gleiche   Gedanke 

it   einer  gewissen   Zähigkeit  auch       i —    — "  -— — | 

•i  anderen  Forschern  wiederkehrt.       I  I 

In  einer  späteren  Abhandlung 1 
mmt  dann  de  la  Rtve  auf  die 
scheinungen  der  seeundären  Säule 
rück.  Sein  Versuch  der  Erklärung  ! 
nicht  eben  glücklich.  Nachdem 
im  Anschluss  an  Ritter  nach- 
wiesen hatte,  dass  nicht  die  ge- 
deten  Zersetzungsprodukte  Säure 
.d  Alkali  die  Ursache  des  Stromes 
id,  welcher  in  einer  Ladungssäule 
(tsteht  (wie  das  von  Volta  be- 
mptet  worden  war) ,  indem  die 
adung  auch  nach  dem  Abwaschen 
eser  Stoffe  an  den  Metallen  haften 
ieb,    setzte    er   auseinander,   dass 

an  den  Strom  im  Metall  als  eine —  ~  —    —  

olge  von  Zersetzungen  undWieder-  F'K-  '76-    *>e  la  Rive. 

:rbindungen  der   in   den  Metallen 

>rhandenen  neutralen  Elektricität  auflassen  könne.  Wird  also,  nachdem 
sr  Strom  einige  Zeit  gedauert  hatte,  der  Draht  aus  der  Leitung  genommen, 
)  würde  er  an  einem  Ende  einen  Oberschuss  positiver,  am  anderen  einen 
berschuss  negativer  Elektricität  haben.  Vermöge  einer  der  magnetischen 
iuüichen  Coercitivkraft  halte  der  Draht  nun  diesen  Überschuss  zurück  und 
erhindere  ihn  am  Ausgleich. 

Nun  hatte  aber  de  la  Rive  selbst  eben  durch  eine  Reihe  von  Versuchen 
■wiesen,  dass  die  Wirkung  nur  eintritt,  wenn  ein  flüssiger  Leiter  an  den 
letallischen  grenzt.  Er  erwähnt  diesen  Einwand  mit  der  Bemerkung,  dass 
elleicht  die  Wirkung  bei  Metallen  nur  zu  schwach  sei,  um  beobachtet 
erden  zu  können,  und  fährt  fort:    „Wenn  die  Leiter,  welche  zu  zweien  die 

1   Bibl.  nnivem.  36,  9».    (8l6.   —   Pogg.  Ann.  10,   +25.    1827. 


662  Vierzehntes  Kapitel. 


vier  Enden  verbinden,  beide  metallischer  Natur  sind,  so  ist  kein  Grund  vor- 
handen, weshalb  das  Gleichgewicht  sich  mehr  nach  der  einen  Richtung;  all 
nach  der  anderen  wiederherstellen  sollte,  während  wenn  einer  der  Leiter  m 
flüssiger  ist,  seine  Gegenwart,  indem  er  die  Kette  schliesst  (eine  nothwendigt 
Bedingung  zu  der  Wiederherstellung),  nicht  hindert,  dass  der  Strom  tut 
grösserer  Leichtigkeit  durch  den  metallischen  Leiter  gehe,  und  den  Drähtei 
erlaubt,  sich  zu  entladen,  und  auf  ihren  natürlichen  Zustand  zurückzu- 
kommen." 

Man  wird  dieser  „Erklärung"  alles  eher  nachsagen  können,  als  dass  sie 
befriedigend  oder  auch  nur  klar  sei. 

Um  die  Ähnlichkeit  eines  solchen,  in  den  „elektrodynamischen  Zu- 
stand" versetzten  Drahtes  mit  einem  Magnet  nachzuweisen,  giebt  de  la  Rni 
den  Versuch  an,  dass  man  den  Draht  durchschneidet  und  die  Richtung 
des  Stromes  untersucht,  der  entsteht,  wenn  man  die  beiden  getrennten 
Stücke  in  denselben  Leiter  taucht.  „Wie  beim  Magneten  müssen  die  ge- 
trennten Stücke  an  den  zuvor  vereinigt  gewesenen  Enden  entgegengesetzte  , 
Pole  erhalten.  Die  Richtung  des  Stromes  zeigt,  dass  dieses  allerdings  der  ; 
Fall  ist,  aber  der  Strom  ist  schwach  und  oft  Null,  wie  dies  immer  eintritt, 
wenn  man  sich  nicht  von  den  Drähten  derjenigen  Stücke  bedient,  welche  in 
die  der  Wirkung  der  Säule  ausgesetzte  Flüssigkeit  getaucht  waren."  Hwr 
sieht  man  ungemein  deutlich  die  Wirkung  der  vorgefassten  Meinung,  der 
Autosuggestion.  Hätte  de  la  Rive  erwartet,  dass  gar  keine  Wirkung  vor- 
handen ist,  so  hätte  er  in  den  erzählten  Versuchsergebnissen  auch  dafär 
eine  Bestätigung  finden  können. 

32.  Arbeiten  von  Marianini.  Gleichzeitig  mit  de  la  Rive  und  un- 
abhängig von  diesem  veröffentlichte  Stefano  Marianini  seine  Untersuchungen 
über  den  gleichen  Gegenstand.1  Für  die  Wirkung  der  Zwischenplatten 
glaubte  Marianini  sogar  einen  einfachen  mathematischen  Ausdruck  gefunden 
zu  haben,  der  einigermaassen  an  das  OHM'sche  Gesetz  erinnert:  Ist  *  die 
Zahl  der  aktiven,  /;/  die  der  nicht  aktiven  Elemente  und  D  die  Wirkung 
eines  der  ersten,  so  ist  die  Wirkung  d  der  zusammengesetzten  Kette  gleich 
d=nDj(n  +  tn).  Die  Erklärung  sucht  Marianini  völlig  in  den  analogen 
Erscheinungen  des  Lichtes.  „So  besitzen  zwei  Substanzen,  durch  welche 
sich  das  Licht  mit  verschiedener  Schnelligkeit  hindurch  bewegt,  wie  x*B. 
Luft  und  Wasser,  einen  gewissen  Grad  von  Durchsichtigkeit,  wenn  sie  in 
dickeren  Schichten  über  einander  gelagert  sind;  werden  sie  aber  in  sehr 
dünnen  Schichten  durch  einander  gemengt,  so  bilden  sie  ein  fast  undurch- 
sichtiges  Medium.      Auf  gleiche   Weise   würde   ein   elektrischer   Strom  bei 


1  Die  Arbeiten  dieses  Forschers  sind  zuerst  in  einem  grösseren  Werke:  Saggio  di  op* 
rienze  electrometriche ,  Venezia  1825,  erschienen.  Ein  Auszug,  dem  auch  der  obensteheadt 
Bericht  zu  Grunde  liegt,  wurde  dann  zuerst  in  den  Annales  de  chimie  et  de  physique  33,  HJ- 
1826,  und  alsdann  in  Schwkiggf.r's  Journal  der  Physik  und  Chemie,  49,  22.  1827,  ab- 
gedruckt. 


Die  Entwicklung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       663 

inem  Durchgange  durch  eine  metallische  und  flüssige  Schicht  von  belie- 
ger  Dicke,  wenigstens  innerhalb  gewisser  Grenzen,  nur  eine  geringe  Ver- 
inderung  seiner  Intensität  erleiden,  aber  bei  jeder  Wechsellagerung  einer 
össeren  Zahl  minder  dicker  Schichten  würde  er  neuen  Brechungen  (Re- 
gionen) unterworfen  und  mit  grosser  Schnelligkeit  geschwächt  werden, 
iejenigen,  welche  annehmen,  dass  der  elektrische  Strom  sich  in  Wellen- 
jwegungen  fortpflanze,  nach  Art  des  Schalles,  würden  eine  leichte  Erklärung 
is  Phänomens  finden,  indem  sie  seine  Bewegung  in  metallischen  und  in 
blechten  Leitern  mit  der  des  Schalles  in  festen  und  in  gasförmigen  Kör- 
Tn  verglichen/' 

An  gleicher  Stelle  finden  sich  Untersuchungen  über  die  Veränderung 
r  elektromotorischen  Stellung  der  Metalle  durch  ihre  Thätigkeit  als  Leiter. 
jch  in  dieser  Beziehung  ist  Marianini  nicht  über  Ritter  hinausgelangt. 

Einige  Zeit  später  unternahm  derselbe  Forscher  eine  eingehendere  Unter- 
chung  dieser  Verhältnisse, 1  wobei  es  ihm  besonders  auf  den  Nachweis  des 
sammenhanges  der  Stromschwächung  durch  Zwischenplatten  und  der  Ver- 
derung  der  elektromotorischen  Kraft  der  Metalle  durch  deren  Einschaltung 
einen  Stromkreis  zwischen  feuchte  Leiter  mit  der  RiTTER'schen  Ladungs- 
jle  ankam.  Auch  die  (ältere)  Theorie  Ritter's,  dass  sich  wegen  der 
tüechten  Leitung  der  feuchten  Zwischenschichten  die  Elektricität  in  seiner 
cundären  Säule  anhäufe,  erschien  ihm  zweifelhaft,  da  man  bei  anders- 
tiger  Einschaltung  schlechter  Leiter  eine  solche  Wirkung  nicht  erhalten 
mn.  Eine  ganze  Anzahl  anderer  Erscheinungen  fand  er  mit  dieser  Ansicht 
eichfalls  in  Widerspruch,  so  dass  er  nicht  nur  diese  Ansicht  Ritter's  ver- 
arf,  sondern  überhaupt  einen  Zusammenhang  zwischen  der  Stromschwächung 
jrch  Zwischenplatten  und  der  Erscheinung  des  Gegenstromes  der  secun- 
iren  Säule  in  Abrede  stellte. 

Um  zu  einer  Entscheidung  über  die  Quelle  der  Spannung  der  secun- 
iren  Säule  zu  gelangen,  untersuchte  er,  ob  diese  an  dem  feuchten  Leiter 
der  an  dem  Metall  hafte.  Zu  diesem  Zwecke  kehrte  er  in  einer  geladenen 
sundären  Säule  die  Tuchscheiben  um:  es  ergab  sich  nur  eine  Schwächung, 
ie  der  inzwischen  vergangenen  Zeit  entsprach.  Ferner  legte  er  die  Tuch- 
:heiben  der  geladenen  Säule  zwischen  frische  Kupferplatten:  die  so  erhaltene 
äule  erwies  sich  als  nicht  geladen.  Dagegen  änderte  der  Ersatz  der  Tuch- 
:heiben  durch  frische  in  einer  geladenen  secundären  Säule  die  elektromoto- 
sche  Kraft  nicht  wesentlich.  Somit  haftet  die  Ladung  am  Metall  und  nicht 
n  der  Flüssigkeit. 

Auf  die  Veränderung  der  elektromotorischen  Stellung  des  Metalles  fuhrt 
un  Marianini  die  Ladungssäule  zurück,  und  stellt  jede  andere  Ursache  in 
brede.  Wir  haben  hier  wieder  ein  anschauliches  Beispiel  für  die  Ungründ- 
:hkeit,  welcher  die  Anhänger  des  VouiVschen  Erklärungsprinzipes  nur  zu 
icht  verfielen.    Warum  die  elektromotorische  Kraft  des  Metalles  eine  andere 


1  Giornale  di  fisica  9,  253.  —  Journ.  f.  Chemie  und  Physik  49,  300.   1827. 


664  Vierzehntes  Kapitel. 


wird,  nachdem  es  als  Elektrode  gedient  hat,  wird  gar  nicht  gefragt;  a 
genügt  der  Nachweis  der  veränderten  Stellung  in  der  Spannungsreihe,  u 
alles  zu  sagen,  was  zu  sagen  ist  In  dieser  Beziehung  ist  selbst  Rtrac 
seinem  Kritiker  voraus  gewesen ,  indem  er  nach  dem  Vorgang  Brugu* 
telli's  die  chemische  Veränderung  des  Metalles  an  der  Oberfläche,  foeffick 
in  dem  unhaltbaren  Sinne  einer  Verbindung  mit  Wasserstoff,  als  die  Ur- 
sache ansah. 

Nach  einer  anderen  Richtung  liegt  in  Marianini's  Arbeiten  allerdings 
ein  Fortschritt,  welcher  aber  zunächst  nicht  zur  Geltung  kam.  Es  ist  diö 
die  Auffassung  der  Erscheinung  als  einer,  die  nur  von  der  elektromotorischen 
Kraft  abhängt.  Es  ist  schon  bemerkt  worden  (S.  424),  dass  die  später  von 
Fechner  eingeführte  Vorstellung  eines  Übergangswiderstandes,  welchem  er 
die  Stromschwächung  zuschrieb,  die  klare  Erkenntniss  der  Sache  einiger- 
maassen  aufgehalten  hat.  Allerdings  sind  bei  Marianini  diese  Begriffe  noch 
keineswegs  so  scharf  geschieden,  dass  von  einer  sicheren  Auffassung  dieses 
Gegensatzes  die  Rede  sein  könne,  doch  geht  gerade  aus  seiner  Polemik 
gegen  Ritter  hervor,  dass  bis  zu  einem  gewissen  Grade  ein  Bewusstsem 
desselben  bei  ihm  bestand. 

Bei  Gelegenheit  seines  Berichtes  über  diese  Arbeiten  kam  auch  Bio 
querel  in  seinem  Trait^1  auf  den  Gegenstand  zu  sprechen  und  gab  eine 
Erklärung,  welche,  ohne  dass  er  es  zu  wissen  schien,  mit  der  von  Volta 
völlig  übereinstimmte.  Er  sah  in  der  seeundären  Kette  nur  einen  Fall  der 
seinigen  aus  Säure  und  Alkali  (S.  597).  „Nun,  wenn  zwei  Platinplatten  sich 
in  einem  elektrischen  Strome  befinden,  in  welchem  auch  eine  Salzlösung 
vorhanden  ist,  was  geschieht?  Die  Oberfläche  der  positiven  Platte  überzieht 
sich  mit  einer  sauren,  und  die  der  negativen  Platte  mit  einer  alkalische! 
Schicht;  die  beiden  Platten  befinden  sich  daher  in  demselben  Zustande  (« 
die  einer  Säure-Alkalikette)  .  .  .  und  da  der  elektrische  Effekt  derselbe  ist,  ] 
so  müssen  wir  schliessen,  dass  auch  die  Ursache  die  gleiche  sein  muss."      _i 

33.  Christian  Friedrich  Schönbein.    An  dieser  Stelle  tritt  uns  zum 
ersten  Male  in   unserem  Gebiete  ein  Mann   entgegen,   mit   dessen  Arbeite*  j 
und  Ansichten  wir  uns  wiederholt  zu  beschäftigen  haben  werden.    Christiaw  ; 
Friedrich  Schönbein   ist   am    18.  Oktober  1799  in  Metzingen  in  Schwaben 
geboren,    und   wurde,    nachdem  er  einige  Jahre  als  Lehrer  thätig  gewesen 
war,  und  dann  Reisen  in  England  und  Frankreich  gemacht  hatte,  im  Jahre 
1828  Professor  der  Chemie  an  der  Universität  zu  Basel,  in  welcher  Stellung  . 
er  1868  starb. 

Unter  der  grossen  Zahl  der  „Originale",  die  sich  in  dem  Stande  dff 
deutschen  Gelehrten  vielleicht  zahlreicher  ausbilden,  als  in  irgend  eine» 
anderen  Stande,  war  Schönbein  eines  der  bestcharakterisirten.  Nicht  nur 
durch  seine  persönlichen  Eigenschaften,  die  ihn  bis  zu  seinem  hohen  Ata 
an  Schnurren  aller  Art  eine  unerschöpfliche  Freude  finden  Hessen,  und  ihn 


1  Bd.  3,  S.  109. 


Die  Entwickehiiig  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       565 

einem  der  amüsantesten  Gesellschafter  machten,  den  man  sich  denken 
in,  sondern  auch  durch  die  Art  seiner  wissenschaftlichen  Arbeiten,  welche 
iz  und  gar  verschieden  von  der  aller  anderen  war,  tritt  diese  Eigenschaft 
■vor.  Schönbein  liebte  eigene  Wege  zu  gehen,  und  sich  mit  Aufgaben  zu 
assen,  welche  den  Anderen  nicht  in  den  Sinn  kamen;  seine  berühmteste 
tdeckung,  die  des  Ozons,  ist  ein  redendes  Beispiel  dafür,  denn  diese  Ent- 
ikung  dürfte  die  einzige  sein,  welche  wesentlich  vermittelst  des  Geruch- 
nes  bewerkstelligt  worden  ist.  Während  diese  Entdeckung  durch  die 
theiligung  anderer  Forscher  ausgebildet  worden  ist  und  sich  in  ihrer  Be- 
utung, gezeigt  hat,  liegen  von  ihm  noch  zahlreiche  Forschungen  über 
talytische  Vorgänge  und  ähnliches  vor,  welche  noch  einer  solchen  Be- 
3eitung  harren,  und  in  denen  noch  ungehobene  Schätze  von  erheblichem 
trage  zu  finden  sind.  Denn  Schönbein  war  in  seinen  Arbeiten  überall  ein 
rginner,  kein  Vollender.  Quantitative  Messungen  lagen  ihm  sehr  fern,  und 
ir  ganz  ausnahmsweise  sieht  man  ihn  sich  bei  seinen  zahlreichen  Arbeiten 
ischliessen,  die  Wage  zu  benutzen.  Die  gleiche  Eigentümlichkeit  macht 
:h  bei  dem  Theil  seiner  Arbeiten  geltend,  mit  dem  wir  uns  hier  zu  be- 
häftigen  haben:  auch  die  Elektrochemie  verdankt  ihm  wichtige  Anregungen, 
>er  er  hat  sie  nicht  bis  zu  einem  klaren  und  unzweifelhaften  Ergebniss 
jrcharbeiten  mögen,  und  so  ist  die  Forschung  unter  Benutzung  der  von 
im  gewonnenen  Gesichtspunkte  doch  bald  über  ihn  fortgeschritten. 

Schönbein  hat  während  seines  langen  Lebens  sehr  ausgedehnte  person- 
elle Beziehungen  zu  seinen  Zeit-  und  Fachgenossen  gehabt.  Mit  Liebig  und 
Vöhler  war  er  befreundet,  und  letzterer  schreibt  über  ihn:1  „Schönbein  ist 
chon  seit  acht  Tagen  bei  mir.  .  .  .  Ich  veranlasste  ihn,  einen  Vortrag  mit 
Versuchen  über  seine  so  merkwürdigen  Beobachtungen  über  die  Bildung  des 
alpetrigsauren  Ammoniaks  zu  halten.  Es  fanden  sich  etwa  150  Zuhörer 
nn,  die  dem  Vortrage  des  originellen  Kerls  mit  grossem  Interesse  folgten, 
fa,  hätten  wir  nur  seinen  Magen  und  ich  ausserdem  seine  Rhinoceroshaut! 
Er  wird  morgen  seine  Nordpolfahrt,  wie  er  es  nennt,  antreten,  d.  h.  eine 
Excursion  auf  den  Harz  machen." 

Auch  mit  Faraday,  den  Schönbein  auf  seinen  wiederholten  Reisen  kennen 
gelernt  hatte,  verband  ihn  eine  herzliche  Freundschaft,  die  in  einer  ganzen 
Reihe  von  Briefen  des  ersteren,  die  erhalten  sind,  zu  Tage  tritt.  Sie  hatten 
sich  als  Gesinnungsgenossen  bezüglich  der  chemischen  Theorie  der  Kette 
zusammengefunden. 

34.  Schönbein's  Arbeiten.  Gegen  die  Erklärung  von  Becquerel 
nachte  Schönbein  in  seiner  ersten  Arbeit2  über  die  elektrische  Polarisation 
inen  schlagenden  Einwand  geltend.  Die  von  diesem  angenommene  Wirkung 
ann  offenbar  nicht  eintreten,  wenn  man  statt  der  Salzlösung  die  einer  reinen 
läure  oder  eines  Alkalis  nimmt;  der  Versuch  ergab  indessen,  dass  die  Pola- 


1  Hofmann,  Aus  J.  LiEbig's  und  F.  Wöhler's  Briefwechsel.  II,  122. 
*  Pogg.  Ann.  46,  109.  1839. 


666  Vierzehntes  Kapitel. 


risation  sehr  kräftig  unter  den  gewöhnlichen  Bedingungen  eintritt1  Ferner 
wurde  beobachtet,  dass  wenn  der  secundäre  Strom  durch  Schliessung  uf 
Null  herabgesunken  war,  ein  neuer  Strom  erhalten  werden  konnte,  wen 
man  nur  die  leitende  Verbindung  zwischen  beiden  Drähten  unterbrach,  und 
sie  sich  selbst  überliess.  Beide  Versuche  sprechen  durchaus  gegen  die  An- 
sicht von  Becquerel.  Was  seine  eigene  Ansicht  anlangt,  so  will  Schönbedt 
zwar  eine  solche  nicht  mit  Bestimmtheit  verlautbaren,  er  meint  aber  doch, 
dass  die  eben  von  ihm  studirten  Erscheinungen  der  Passivität  des  Eisens  (S.  696} 
mit  der  Sache  zu  thun  haben.  Einer  chemischen  Veränderung  der  Metalle 
an  ihrer  Oberfläche  glaubt  er  die  Ursache  nicht  zuschreiben  zu  dürfen,  da 
auch  die  schwächsten  Ströme  polarisirend  wirken;  wenn  aber  der  Strom  so 
schwach  ist,  dass  er  Wasser  nicht  zersetzen  kann,  wie  soll  er  durch  die 
Ausscheidung  der  Elemente  des  Wassers,  d.  h.  durch  Wasserzersetzung  die 
Polarisation  hervorbringen  können? 

Ferner  schildert  Schönbein  einige  Versuche,  aus  welchen  sich  ergiebt, 
dass  auch  Flüssigkeiten  polarisirt  werden  können.  Zersetzt  man  verdünnte 
Schwefelsäure  in  einem  zweischenkligen  Rohre,  entfernt  die  Elektroden  nnd 
ersetzt  sie  durch  zwei  frische  Platindrähte,  die  durch  ein  Galvanometer  ver- 
bunden sind,  so  erhält  man  gleichfalls  einen  Strom  von  derselben  Richtung, 
wie  einen  gewöhnlichen  Polarisationsstrom.  Es  wird  also  die  Flüssigkeit 
gleichfalls  polarisirt,  und  die  Wirkung  beschränkt  sich  nicht  nur  auf  (fie 
Elektroden.  Auch  die  Erscheinung  der  „Erholung"  fand  bei  polarisirten  i 
Flüssigkeiten  statt.  Zur  Entstehung  einer  Polarisation  in  der  Flüssigkeit  war 
aber  erforderlich,  dass  eine  Gasentwickelung  bei  der  Elektrolyse  stattfand; 
war  der  Strom  zu  schwach  dazu,  so  konnte  auch  kein  secundärer  Strom  -j 
erhalten  werden. 

Die  naheliegende  chemische  Erklärung  dieser  Erscheinungen  wurde  von 
Schönbein  zwar  erörtert,  aber  doch  verworfen,  weil  auch  nach  dem  Erhitzen 
die  polarisirte  Schwefelsäure  ihre  Eigenschaft  behielt,  während  etwaiger  Wasser- 
stoff entwichen  sein  musste.     Er  stellt  schliesslich  eine  Vermuthung  des  In- 
haltes auf,  dass  durch  den  schwachen  Strom  eine  Änderung  der  chemischen 
Beziehung   zwischen   den  Bestandteilen   des  Elektrolyts   hervorgerufen  sei,  j 
welche  zwar  nicht  zu  einer  Trennung  der  Bestandteile,  aber  doch  zu  einer  1 
Änderung   ihrer   gegenseitigen   Beziehung   und    einer  Lockerung   ihres  Zu*  1 
sammenhanges  gefuhrt  habe.    „Dieser  Zustand  der  Spannung  und  einer  be-    i 
stimmten  Anordnung  hört  nun  mit  seiner  Ursache  nicht  auf,  sondern  dauert 
infolge  der  Trägheit  der  Theilchen  noch  kürzere  oder  längere  Zeit  an,  und 
indem    nun    die  Bestandtheile  jedes  Moleküles   des   Elektrolyten   allmählich 
wieder  in  ihre  normale  Relation  zu  einander  treten,  z.  B.  also  das  Sauerstoff 


1  Die  Unrichtigkeit  der  Hypothese,  welche  Becquerel  über  die  Ursache  der  Polarastfo* 
aufgestellt  hatte,  wurde  auch  von  Golding  Bird  (PhU.  Mag.  13,  379.  1838)  gesehen,  der  et«« 
früher  als  Schönbein  nachgewiesen  hatte,  dass  auch  bei  der  Anwendung  reiner  Sturen  oder 
Alkalien  die  Polarisation  eintritt. 


IMc  EntwickHnng  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       667 

r  Chlortheilchen  wieder  in  die  alte  innigere  Verbindung  mit  den  Wasser- 
ftheilchcn  zurückkehrt,  wird  die  nämliche  Erscheinung  veranlasst,  die 
ritt,  wenn  Wasserstoff  mit  Sauerstoff  oder  Chlor  sich  verbindet,  d.  h.  es 
steht  ein  VoLTA'scher  Strom,  der  vom  Wasserstoff  zum  Sauerstoff,  oder, 
»  das  gleiche  ist,  der  von  der  Flüssigkeitssäule,  die  mit  dem  negativen 
drahte  in  Berührung  stand,  zu  der  Säule  geht,  die  mit  dem  positiven  Pol 
nittelbar  communicirte." 

35.  Beobachtungen  von  Henrici.  Gleichzeitig  mit  den  ersten  Beob- 
ltungen  Schönbein's  wurden  solche  von  Henrici1  veröffentlicht,  welche 
>  Auftreten  der  Polarisation  bei  Entladungen  der  statischen  Elektricität 
chwiesen.  Von  den  Belegungen  einer  Leidener  Flasche  ging  eine  Leitung 
rch  eine  mit  Flüssigkeit  gefüllte  Röhre.  In  diesem  Stromkreise  war  eine 
rch  einen  fallenden  Hebel  bethätigte  Unterbrechungsstelle  so  angebracht, 
ss  zuerst  die  Entladung  durch  die  Röhre  ging,  und  einen  Augenblick 
rauf  die  beiden  Elektroden  mit  einem  Galvanometer  verbunden  wurden. 
i  ergab  sich  in  allen  Fällen  eine  Ablenkung  des  Galvanometers  in  einem 
lchen  Sinne,  dass  der  Strom  in  der  Flüssigkeit  die  entgegengesetzte  Rich- 
ng  der  ursprünglichen  Entladung  hatte. 

Bei  der  Erörterung  der  möglichen  Ursachen  stellt  Henrici  deren  drei 
if:  ungleiche  Erwärmung  der  Platindrahte,  elektrische  Polarisirung  der 
atindrähte  und  elektrische  Polarisirung  der  Flüssigkeit.  Den  ersten  und 
m  letzten  Fall  schliesst  er  aus,*  es  bleibt  somit  nur  der  zweite  übrig.  Für 
iese  Polarisirung  wurden  die  bekannten  Verhältnisse  wiedergefunden :  es  war 
öthig,  dass  feste  und  flüssige  Körper  an  einander  grenzen,  die  Polarität 
erschwand  in  der  Flüssigkeit  ziemlich  schnell,  Hess  sich  aber  an  den  heraus- 
enommenen  Drähten  längere  Zeit  nachweisen,  und  Kupferdrähte  zeigten  die 
Erscheinung  schwächer  als  Platindrähte. 

Über  die  Ursache  der  Erscheinung  wagt  Henrici  noch  keine  Meinung 
uszusprechen. 

In  einer  zweiten  Abhandlung  über  die  elektrische  Polarisirung  der  Me- 
alle8  kam  auch  er  indessen  zu  dem  Schlüsse,  dass  diese  von  chemischen 
/orgängen  an  den  Platindrähten  herrühren,  welche  durch  den  entstandenen 
Strom  hervorgerufen  waren.  Um  diese  Vermuthung  zu  prüfen,  stellte  er 
Cetten  aus  den  Stoffen  zusammen,  in  welche  sich  die  benutzten  Flüssigkeiten 
>ei  der  Elektrolyse  spalten,  und  fand  in  der  That,  dass  jedesmal  die  Strom- 
"ichtung  einer  so  hergestellten  Kette  mit  der  übereinstimmte,  welche  die 
Polarisation  gegeben  hatte.  Auch  gelang  es  ihm,  durch  die  Anwendung 
wn  Reagenspapieren  die  entstandene  Säure  und  Basis  nachzuweisen. 

1  Pogg.  Ann.  46,  585.  1839. 

*  Was  den  dritten  Fall  anlangt,  so  hat  Henrici  einen  eigenthümlichen  positiven  Ladungs- 
äckstand in  der  Flüssigkeit  mittelst  des  Elektroskops  beobachtet,  dessen  Aufklärung  ihm  nicht 
elungen  ist.  Er  giebt  an,  dass  erst  eine  wiederholte  Berührung  der  Flüssigkeit  die  Entladung 
ollständig  gemacht  habe.     Auf  das  Galvanometer  hatte  diese  Ladung  keinen  Einfluss. 

8  Pogg.  Ann.  47,  431.  1839. 


668  Vierzehntes  Kapitel. 


36.  Die  chemische  Theorie  der  Polarisation.  Kurze  Zeit  nach 
jener  ersten  Abhandlung  veröffentlichte  Schönbein  eine  zweite,1  welche  einen 
wesentlichen  Fortschritt  jener  gegenüber  enthielt,  da  sie  die  chemische  Ur- 
sache der  Erscheinung  durch  eine  Anzahl  sehr  anschaulicher  Versuche  ausser 
Zweifel  setzte.  Diese  Versuche  werden  von  ihm  selbst  folgendennaassen 
kurz  zusammengefasst: 

„Werden  Platindrähte,  welche  kürzere  oder  längere  Zeit  ...  als  Elek- 
troden gedient  haben,  in  einer  Weingeistflamme  bis  zum  Rothglühen  erhitzt^ 
so  verlieren  sie  hierdurch  ihr  elektromotorisches  Vermögen.  .  .  . 

„Wird  ein  positiv  polarisirter  Platindraht  auf  einen  Augenblick  in  eine 
Chlor-  oder  Bromatmosphäre  gebracht,  so  erscheint  dessen  elektromotorische 
Kraft  völlig  vernichtet. 

„Wird  ein  positiv  polarisirter  Platmdraht  in  eine  Atmosphäre  von  Sauer- 
stoff gestellt,  so  verliert  er  ebenfalls  seine  Polarität;  damit  aber  diese  Wirkung 
eintrete,  ist  nöthig,  dass  der  Draht  etwas  länger  in  dem  Gase  verweile  als 
im  Chlor. 

„Ein  negativ  polarisirter  Platindraht  verliert  seine  elektromotorische 
Kraft,  wenn  man  ihn  einige  Sekunden  lang  in  einer  Atmosphäre  von  Wasser- 
stoff stehen  lässt. 

„Ein  Platindraht,  sei  er  positiv  oder  negativ  polarisirt,  scheint  in  seiner 
elektromotorischen  Beschaffenheit  keine  Veränderung  zu  erleiden,  wenn  er 
in  die  Atmosphäre  einer  Luftart  gebracht  wird,  welche  weder  auf  den  Wasser- 
stoff, noch  auf  den  Sauerstoff  bei  Anwesenheit  von  Platin  wirkt 

„Wird  ein  Platindraht  nur  auf  wenige  Sekunden  in  Wasserstoffgas  ge- 
taucht,  so    erlangt   er  alle  Eigenschaften  eines  positiv  polarisirten  Drahtes,    j 

„Gold-  und  Silberdrähte  erlangen  kein  elektromotorisches  Vermögen, 
wenn  man  sie  in  Wasserstoffgas  bringt. 

„Ein  Platindraht,  in  Sauerstoff  gebracht,  wird  nicht  negativ  polarisirt, 
ebensowenig  Gold  und  Silber. 

„Platin,  Gold  und  Silber,  nur  auf  wenige  Augenblicke  in  gasförmiges 
Chlor  gebracht,  nehmen  die  elektromotorische  Beschaffenheit  eines  elektro- 
negativ  polarisirten  Drahtes  an.  Bromgas  übt  die  gleiche  Wirkung  auf  die 
genannten  Metalle  aus. 

„Wird  Wasser  (durch  etwas  Schwefelsäure  leitender  gemacht)  mit  Wasser- 
stoffgas geschüttelt,  diese  Flüssigkeit  in  eine  unten  mit  Blase  verbundene 
Glasröhre  gebracht,  letztere  in  ein  gläsernes  Gefäss  gestellt,  das  ebenfalls 
gesäuertes  aber  wasserstofffreies  Wasser  enthält,  und  verbindet  man  beide 
Flüssigkeiten  mit  dem  Galvanometer  durch  Platindrähte,  so  erhält  man  einen 
Strom,  der  von  der  Wasserstofflösung  zur  anderen  Flüssigkeit  geht  El 
verhält  sich  erstere  zur  letzteren,  wie  Zink  zu  Kupfer,  oder  wie  positiv  » 
negativ;  bestehen  aber  die  beiden  Verbindungsdrähte  aus  Gold  oder  Sflbefj 


^ogg.  Ann.  47,   101.   183g. 


Die  Entwicklung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       669 


statt  aus  Platin,   so  liefern   besagte  Flüssigkeiten   auch   nicht   den   aller- 
»wachsten  Strom. 

j^Wird  der  Versuch  unter  ganz  denselben  Umständen  .  .  .  angestellt, 
r  dass  die  eine  Flüssigkeit  Sauerstoff  anstatt  Wasserstoff  enthält,  so  er- 
t  man  keinen  Strom,  seien  die  Verbindungsdrähte  aus  Platin,  Gold  oder 


„Führt  man  den  Versuch  unter  den  gleichen  Umständen  aus,  und  ent- 

It  die  eine  Flüssigkeit  etwas  Chlor  oder  Brom  anstatt  Wasserstoff  aufgelöst, 

verhält  sich  das  chlorhaltige  Wasser  zu   dem  chlorfreien  wie  Kupfer  zu 

ik,  mögen  die  Flüssigkeiten  mit  dem  Galvanometer  durch  Platin-,  Gold- 

1er  Silberdrähte  verbunden  sein. 

„Setzt  man  der  Wasserstofflösung  eine  gehörige  Menge  wässeriges  Chlor 
ler  Brom  zu,  so  verliert  sie  das  angeführte  elektromotorische  Vermögen; 
rd  umgekehrt  die  Chlor-  oder  Bromlösung  mit  derjenigen  des  Wasser- 
:>ffes  in  gehöriger  Quantität  versetzt,  so  verliert  jene  die  erwähnte  Eigen- 
haft, einen  Strom  zu  erregen. 

„Behandelt  man  negativ  polarisirte  Salzsäure  oder  Bromwasserstoffsäure 
it  der  gehörigen  Menge  Wasserstofflösung,  so  wird  hierdurch  der  elektro- 
otorische  Charakter  der  Säure  zerstört 

„Lässt  man  durch  schwefelsäurehaltiges  Wasser  (enthalten  in  einer  Schen- 
dröhre)  den  Strom  einer  Säule  gehen,  so  liefert  die  Flüssigkeit  nur  in  dem 
alle  einen  secundären  Strom,  wenn  dieselbe  mittelst  Platindrähte  mit  dem 
ralvanometer  in  Verbindung  gesetzt  wird.  Bei  Anwendung  von  Gold-  oder 
ilberdrähten  als  Verbindungsmittel  mit  dem  Multiplicator  wird  die  Nadel 
ieses  Instrumentes  auch  nicht  im  mindesten  afficirt. 

„Stellt  man  den  Versuch  wie  erwähnt  an,  nimmt  aber  statt  schwefel- 
äurehaltigen  Wassers  verdünnte  Salzsäure,  so  erhält  man  von  letzterer  einen 
ecundären  Strom,  seien  die  Verbindungsdrähte  aus  Platin,  Gold  oder 
Silber." 

Nach  der  Darlegung  seiner  Versuche  geht  Schönbein  zu  ihrer  Erörterung 
iber.  Die  meisten  der  beobachteten  Thatsachen  sprechen  unzweideutig  für 
sine  chemische  Quelle  der  secundären  Ströme.  Die  einzige  Schwierigkeit 
liegt  in  dem  Umstände,  dass  in  gewissen  Fällen  nur  dann  eine  Wirkung  zu 
beobachten  ist,  wenn  Platindrähte  als  Elektroden  benutzt  werden.  Schönbein 
sucht  sich  auf  folgende  Weise  davon  Rechenschaft  zu  geben.  „Die  An- 
wesenheit des  Platins  bestimmt  die  Vereinigung  des  Wasserstoffes  mit  dem 
Sauerstoff,  welche  Elemente  sich  in  beiden  bei  dem  Versuche  dienenden  Flüs- 
sigkeiten aufgelöst  befinden.  (Ich  muss  hier  beiläufig  bemerken,  dass  das 
gebrauchte  Wasser  nicht  ausgekochtes  war,  also  Luft,  d.  h.  Sauerstoff,  auf- 
gelöst enthielt)  Diese  chemische  Aktion  veranlasst  Störung  des  elektrischen 
Gleichgewichts  und  es  muss,  bekannten  Gesetzen  gemäss,  der  in  Oxydation 
begriffene  Körper  (in  diesem  Falle  also  die  Wasserstofflösung)  sich  positiv 
verhalten.  Gold  und  Siiber  besitzen  bekanntlich  die  Eigenschaft  nicht,  die 
chemische  Vereinigung   des    Sauerstoffes   mit   dem  Wasserstoff  zu    bewerk- 


67 O  Vierzehntes  Kapitel. 


stelligen;  und  eben  in  diesem  Mangel  des  Vermögens  liegt  es  begründet, 
dass  die  genannten  Metalle,  wenn  sie.  als  Schliessungsmittel  gebraucht  werden, 
in  der  erwähnten  Flüssigkeit  keinen  Strom  zu  erregen  im  Stande  sind." 

In  dieser  Erklärung  ist  richtiges  und  falsches  durch  einander  gemengt 
Allerdings   hängt   die  Möglichkeit  der  Strombildung  mit  der  Fähigkeit  des 
Platins,  die  Verbindung  der  Gase  zu  befördern,  zusammen;  aber  diese  Fähig- 
keit ist  selbst  nur  ein  Ausdruck  der  Fähigkeit  des  Platins,  die  Gase,  insbe- 
sondere den  Wasserstoff  in   merklicher  Menge   zu   absorbiren,   und   sie  auf 
diese  Weise  dem  elektrochemischen  Vorgange  zugänglich  zu  machen.   Schök- 
bein  theilt  hier  mit  allen  seinen  Zeitgenossen  und  noch  vielen  Nachfolgenden 
den  Irrthum,    dass  es  genüge,   nur  in  einer  Flüssigkeit,   die  mit  den  Elek- 
troden in  Berührung  steht,  irgend  eine  chemische  Wirkung  hervorzubringen, 
um  auch   einen  entsprechenden  Strom  zu  haben.     Schon  die  strenge  An- 
wendung   des   FARADAY'schen   Gesetzes   würde    einen    solchen   Irrthum   un- 
möglich machen   müssen,   indessen  war  und  ist  er  so  weit  verbreitet,  dass 
Schönbein  in  seiner  Voraussetzung  überhaupt   keine  der  Untersuchung  be- 
dürftige Annahme,  sondern  eine  wissenschaftliche  Wahrheit  sah,  über  welche 
weiter  zu  reden  nicht  nöthig  ist. 

Thatsächlich  liegt  die  Sache  so,  dass  jeder  chemische  Vorgang,  welcher 
in  der  Flüssigkeit  ohne  Betheiligung  des  elektrischen  Stromes,  der  von  den 
Elektroden  ausgeht,  stattfindet,  keinen  Beitrag  zu  diesem  Strome  liefern  kann. 
Es  sind  also  nur  die  durch   den  Strom  vermittelten   indirekten,   nicht  die 
unmittelbaren  Vorgänge,  welche  in  Betracht  zu  ziehen  sind;  dass  das  Wasser- 
stoff- und  sauerstoffhaltige  Wasser  durch  Vermittelung  der  Platinelelctroden 
einen  Strom  gab,  liegt  nicht  an  dem  Antheil  Wasserstoff,  welcher  auf  der 
einen  Seite  durch  die  Hülfe  des  Platins  sich  mit  etwa  vorhandenem  Sauer- 
stoff verbindet  (denn  wenn  auch  auf  dieser  Seite  gar  kein  aufgelöster  Sauer- 
stoff vorhanden  ist,  findet  der  Strom  statt),  sondern  der  Sauerstoff  der  einen 
Seite  geht  gleichzeitig  mit  dem  Wasserstoff  der  anderen  unter  Vermittelung 
des  elektrischen  Stromes  in  den  Zustand  des  Wassers  über,  indem  gleich- 
zeitig  die   leitenden   Ionen  des  zwischengeschalteten  Elektrolyts  durch  ihre 
Bewegung  den  chemischen  Vorgang  vermitteln.    Die  genauere  Beschreibung 
dieser  Erscheinungen  wird   erst  viel  später   gegeben   werden   können;  hier 
handelte  es  sich  wieder  nur  darum,  der  Festsetzung  einer  irrigen  Anschauung 
zuvorzukommen. 

Durch  den  Umstand,  dass  Schönbein  in  der  gebräuchlichen  unrichtigen 
Vorstellung  über  die  Art,  wie  der  chemische  Vorgang  den  elektrischen  be- 
dingt, befangen  war,  wurde  er  zu  ziemlich  seltsamen  Hypothesen  genöthigt, 
um  zu  erklären,  wie  die  chemische  Verwandtschaft  des  an  der  einen  Elek- 
trode befindlichen  Sauerstoffs  zu  dem  weit  entfernten,  an  der  anderen  Elek- 
trode befindlichen  Wasserstoff  überhaupt  thätig  sein  könne;  wir  brauchen 
ihm  in  seine  Vermuthungen  über  die  mögliche  Bildung  eines  Wasserstofr 
suboxyds  aus  Wasserstoff  und  Wasser  nicht  zu  folgen. 

Viel  bedeutungsvoller  sind  die  Betrachtungen  Schönbein's  über  die  Pöla- 


i 


Die  Entwicklung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       671 

tion  durch  sehr  schwache  Ströme.  Wenn  die  durch  gewöhnliche  Ströme 
wirkte  Polarisation  sich  ab  rein  chemischer  Natur  erwiesen  hat,  so  er- 
eint es  nicht  zulässige  die  ganz  ähnlichen  durch  schwache  Ströme  be- 
iden Erscheinungen  einer  anderen  Ursache  zuzuschreiben.  Dadurch  wurde 
genöthigt,  auch  in  dem  letzteren  Falle  das  Stattfinden  einer  chemischen 
setzung  anzunehmen,  und  die  von  Faraday  zugegebene  Möglichkeit,  dass 
wache  Ströme  durch  Elektrolyte  ohne  Zersetzung  gehen  können,  zu 
gnen.  Dies  war  ein  ungemein  wichtiger  Schluss,  der  grossen  Einfluss  auf 
Entwickelung  der  ganzen  Frage  gehabt  hat. 

Schönbein  fasst  die  allgemeinen  Ergebnisse  seiner  Versuche  in  folgende 
r  Leitsätze  zusammen,  welche  in  der  That  einen  bedeutenden  Fortschritt 
der  Erkenntniss  des  Wesens  der  Polarisation  darstellen: 

„i.  Es  giebt  keine  eigentliche  VoLTA'sche  Polarisation1  weder  der  festen, 
:h  der  flüssigen  Leiter,  und  alle  seeundären  Ströme,  welche  durch  soge- 
inte polarisirte  Körper  erregt  werden,  haben  ihre  Quelle  in  einer  gewöhn- 
len  chemischen  Aktion,  die  entweder  in  der  Vereinigung  von  Stoffen, 
er  in  der  Zersetzung  einer  chemischen  Verbindung  besteht. 

„2.  Die  Ansicht  Faraday's  und  anderer  Physiker  ist  irrig,  gemäss  welcher 
rch  Elektrolyte  sehr  schwache  elektrische  Ströme  gehen  können,  ohne 
ss  jene  eine  Zersetzung  erleiden. 

„3.  Bei  Elektrolyten  ist  Stromleitung  und  Elektrolysation  eine  und  die- 
be  Sache. 

„4.  Das  beste  und  sicherste  Kennzeichen,  an  welchem  das  Stattgefunden- 
ben einer  Elektrolysation  erkannt  wird,  ist  der  sogenannte  polarisirte  Zu- 
ind  der  Leiter." 

Alle  diese  Sätze  sind  nicht  nur  richtig,  sondern  auch  wichtig;  insbe- 
ndere  ist  das  im  vierten  Satze  ausgedrückte  Hülfsmittel  zur  Erkennung  der 
lelctroryse  von  der  vielfaltigsten  Anwendung  geworden,  und  hat  mehrfach 
1  wichtigen  Entscheidungen  geführt. 

Schönbein  beschliesst  seine  Abhandlung  mit  einer  Polemik  gegen  Pfaff, 
st  sich  gegen  einige  früher  von  ihm  geäusserte  Ansichten  ausgesprochen 
atte.  Wenn  es  sich  auch  wieder  um  die  gewöhnlichen,  immer  wieder  hin 
nd  her  gewendeten  Argumente  handelt,  so  ist  doch  der  von  Pfaff  erhobene 
inwand  bemerkenswert!!,  dass  die  Existenz  von  Thermo-  und  magnetelek- 
ischen  Strömen  gegen  die  chemische  Theorie  zeuge.  Schönbein  protestirt 
lit  Recht  dagegen.  „Weil  durch  Reibung  und  andere  mechanische2  Mittel 
Värme  erzeugt  werden  kann,  dürfen  wir  etwa  aus  dieser  Thatsache  schliessen, 
lass  auf  chemischem  Wege  keine  Wärme  erregt  werde?     Keinem  Physiker 

1  Schönbein  versteht  hier  unter  dem  Worte  Polarisation  eine  rein  elektrische  Ladung, 
lie  unabhängig  von  einer  chemischen  Zustandsänderung  ist.  Gegenwärtig  ist  das  Wort  in  dem 
%meinen  Sinne  im  Gebrauch,  dass  es  das  Vorhandensein  einer  durch  den  Stromdurchgang 
*Üngten  elektromotorischen  Gegenkraft  ganz  ohne  Rücksicht  auf  deren  nähere  Beschaffenheit 
^  Ausdruck  bringt 

2  Im  Original  steht  durch  ein  Versehen  „chemische". 


672  Vierzehntes  Kapitel. 


ist  bis  jetzt  so  etwas  zu  sagen  *  in  den  Sinn  gekommen.  Wenn  nun  2 
allgemein  angenommen  wird,  dass  Wärme,  wie  auch  Licht,  durch  sehr  ' 
schiedene  Mittel,  namentlich  auch  durch  Chemismus  entbunden  werden  köi 
warum  sollte  dies  nicht  auch  mit  der  Elektricität  der  Fall  sein?  Der  gros 
Beachtung  der  Physiker  scheint  mir  gerade  der  Umstand  werth  zu  sein,  < 
nicht  selten  die  Ursache,  welche  Wärme  erregt,  auch  Licht  hervorbringt 
Elektricität  entbindet." 

Wir  haben  hier  eine  der  um  jene  Zeit  so  zahlreichen  Vorahnungen 
Energieprinzipes  vor  uns,   und  damit  wieder  ein  Beispiel,  wie  nahe  oft 
Forscher   an  den  grössten  Wahrheiten  vorübergeht,   ohne   sie   genauer 
Auge  zu  fassen.    Solche  Fälle  zeigen  uns  am  deutlichsten,  wie  „geheimn 
voll  offenbar"  uns  die  Natur  gegenübertritt! 

Von  gleicher  Beschaffenheit,  wie  der  hier  von  Schönbein  erledigte  E 
wand  war  ein  anderer,  welchen  Poggendorff  erhob.1  In  einer  Erörten 
über  die  Bedeutung  des  FARADAv'schen  Gesetzes  für  die  chemische  The< 
des  Galvanismus  stellt  er  in  Abrede,  dass  dieses  eine  Stütze  der  chemiscl 
Theorie  sei,  und  erklärt  die  gegenteilige  Meinung  für  übereilt  „Wo 
ein  Grund,  dass  das  Gesetz  nicht  bestehen  könne,  wenn  der  Strom 
Säule  von  Contact  der  Metalle  oder  von  irgend  einer  anderen,  vom  Cher 
mus  verschiedenen  Ursache  erzeugt  würde?  Wer  hat  gezeigt,  dass  das 
wähnte  Gesetz  nur  allein  für  den  VoLTA'schen  Strom  gelte,  nicht 
elektrische  Ströme  aus  irgend  einer  anderen  Quelle?"  Dem  gegenüber  1* 
freilich  zu  fragen:  wer  hat  das  behauptet? 

Und  nun  beschreibt  Poggendorff  einen  Versuch,  welchen  er  selbst 
überflüssig,  weil  unzweifelhaft,  gehalten  hat  und  welcher  beweist,  dass 
Strom  einer  SAXTON^schen  elektromagnetischen  Maschine,  welcher  also  si< 
nicht  chemischen  Ursprunges  war,  ebenso  beim  Durchgang  durch  meh 
hinter  einander  geschaltete  Voltameter  gleiche  Wasserstoffmengen  aus  je< 
entwickelt.  Daraus  schliesst  er  nun,  „dass  das  Gesetz  der  festen  eleV 
lytischen  Aktion  kein  ausschliessliches  Eigenthum  des  VoLTA'schen  Stro 
ist,  und  dass  es  deshalb,  ungeachtet  seiner  grossen  Wichtigkeit  in  and 
Beziehung,  bei  der  Frage  nach  dem  Ursprünge  der  VourA'schen  Elektri 
gar  keine  Bedeutung  hat" 

Poggendorff  hat  hierbei  übersehen,  dass  gerade  nach  den  Entdeckur 
Volta's  der  Aufbau  einer  Kette  ohne  Mitwirkung  eines  Leiters  zweiter  Kl 
nicht  möglich  ist;  das  Vorhandensein  eines  Stromkreises  aus  Leitern  \x 
Klassen  ist  aber  auch  die  einzige  Bedingung,  die  erfüllt  sein  muss,  d 
die  Verhältnisse  eintreten,  unter  denen  sich  das  FARADAY,sche  Gt 
bethätigt.  Somit  ist  allerdings  kein  Strom  in  einer  VoLTA*schen  K 
ohne  Mitwirkung  der  durch  das  Gesetz  geregelten  Verhältnisse  mög 
und  die  Bedeutung  desselben  für  die  Theorie  der  Kette  erscheint  utt 
weichlich. 

1  Pogg.  Ann.  44,  642.  1838. 


Die  EntwickehiDg  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       673 


37.  Matteücci  über  Polarisation.  Um  die  gleiche  Zeit  wie  Schön- 
rx  war  Matteücci1  zu  einer  ähnlichen  Ansicht  über  die  Natur  der  Polari- 
tion  gelangt,  die  er  in  folgenden  Sätzen  zusammenfasse 

„i.  Platinplatten,  welche  dazu  gedient  haben,  den  Strom  einer  Säule 
irch  Wasser  zu  leiten,  und  an  denen  die  Gase  Sauerstoff  und  Wasserstoff 
:h  entwickelt  haben,  bewahren  über  eine  gewisse  Zeit  eine  Schicht  Gas. 

„2.  Jede  Platinplatte,  welche  man  in  Wasserstoff-  oder  Sauerstoffgas 
rtaucht  hat,  überzieht  sich  mit  einer  Schicht  des  Gases,  und  bewahrt  diese 
nige  Zeit. 

„3.  Werden  zwei  Platten,  von  denen  die  eine  mit  Wasserstoff,  die  andere 
it  Sauerstoff  bedeckt  ist,  gleichzeitig  in  Wasser  oder  in  eine  andere  Flüssig- 
st getaucht,  so  entwickelt  sich  ein  Strom,  welcher  in  der  Flüssigkeit  vom 
Wasserstoff  nach  dem  Sauerstoff  geht. 

„4.  Wird  nur  eine  Platte  auf  diese  Weise  mit  Gas  präparirt  und  mit 
*r  anderen  in  die  Flüssigkeit  getaucht,  so  giebt  sie  einen  Strom  in  dem 
inne,  wie  wenn  man  gleichzeitig  die  beiden  Platten  gebraucht  hätte." 

Die  ausführliche  Abhandlung  habe  ich  nicht  ausfindig  zu  machen  ver- 
locht. 

38.  Die  Polarisation  in  der  Contacttheorie.  Während  auf  diese 
Veise  die  Anhänger  der  chemischen  Theorie  sich  ohne  erhebliche  Schwierig- 
eren und  Widersprüche  mit  den  Vorgängen  der  galvanischen  Polarisation 
bzufinden  wussten,  bestand  im  Lager  der  Contacttheoretiker  eine  grosse 
Schwierigkeit,  welche  auf  dem  eigentlichen  Boden  dieses  Anschauungskreises, 
ler  formalen  Theorie,  erwachsen  war.  Im  Sinne  der  OHM'schen  Theorie 
[ab  es  nämlich  zwei  Möglichkeiten,  die  Erscheinung  der  Stromschwächung 
iurch  Zwischenplatten  und  die  ähnlichen  Erscheinungen  aufzufassen :  es 
rannte  dies  von  einer  Verminderung  des  Zählers  in  der  Formel  1  =  e\r.  oder 
ron  einer  Vergrösserung  des  Nenners  darin  herrühren,  d.  h.  die  Strom- 
>chwächung  konnte  von  einer  neu  entstandenen  elektromotorischen  Kraft 
lerrühren,  welche  sich  der  ursprünglichen  entgegensetzte  und  durch  den 
Strom  hervorgerufen  wurde,  oder  sie  konnte  daher  stammen,  dass  sich  der 
Widerstand  in  Folge  des  Stromdurchganges  vermehrt  hatte.  Beide  An- 
sichten hatten  eifrige  Vertreter  gefunden,  die  erste  in  Ohm,  die  zweite  in 
Fechner  (S.  424). 

An  diesem  Problem  zeigte  sich  zum  ersten  Male,  dass  es  unter  Um- 
ständen recht  schwierig  ist,  zwischen  den  Wirkungen  einer  elektromotorischen 
Gegenkraft  und  der  eines  passiven  Widerstandes  zu  unterscheiden,    nament- 


1  Comptes  rendus  7,  741.  1838.  Es  befinden  sich  auf  dieser  Seite  zwei  Mittheilungen 
von  Becquerel  über  den  Gegenstand;  die  erste  enthält  in  kurzer  Gestalt  die  Ergebnisse  der 
ästen  Abhandlung  Schönbein's  über  die  Polarisation,  die  andere  ist  der  Schluss  einer  von 
Matteücci  eingereichten  Abhandlung,  dessen  Text  oben  gegeben  ist  Für  die  Erkenntniss, 
d*ss  Platinplatten  durch  die  Behandlung  mit  Gasen  in  einen  ähnlichen  Zustand  gebracht  werden 
können,  wie  durch  Benutzung  als  Elektroden,  scheint  demnach  die  Priorität  Matteücci  zu 
&bühren. 

ütiwald,   Elektrochemie.  43 


6/4  Vierzehntes  Kapitel. 


lieh  wenn,  wie  zu  jener  Zeit,  nur  das  Galvanometer  als  Messhülfemittel  zu 
Gebote  steht.  Zwar  einen  Punkt  mussten  die  Vertreter  des  Übergangswider- 
standes, zu  denen  sich  ausser  Fechner  bald  Poggendorff  gesellte,  alsbald 
zugeben,  dass  nämlich  mindestens  ein  Theil  der  Stromschwächung  von  einer 
entgegengerichteten  elektromotorischen  Kraft  herrührt,  denn  es  war  nicht 
schwierig,  das  Vorhandensein  einer  solchen  nach  der  Öffnung  des  ursprüng- 
lichen Stromes  nachzuweisen,  wie  das  seinerzeit  schon  Ritter  gethan  hatte 
(S.  175).  Es  blieb  somit  nur  noch  die  Frage  übrig,  ob  neben  der  Gegen- 
kraft  noch  ein  Ubergangswiderstand  vorhanden  sei,  und  diese  Frage  wurde 
von  Poggendorff  zunächst  mit  grossem  Eifer  bejaht.1  Auf  der  anderen 
Seite  hatte  Ohm2  schon  längst  gezeigt,  dass  die  von  Fechner  ausgeführten 
Rechnungen  keineswegs  das  Vorhandensein  eines  solchen  Widerstandes  be- 
weisen, sondern  dass  seine  Beobachtungen  sich  ebenso  gut  durch  die  An- 
nahme einer  mit  der  Stromstärke  proportional  wachsenden  Polarisation  oder 
elektromotorischen  Gegenkraft  deuten  lassen,  und  daher  der  Einfachheit  wegen 
so  zu  deuten  sind.  Fechner  hat  dagegen8  einige  Einwendungen  geltend 
gemacht,  welche  ihm  die  Annahme  eines  Ubergangswiderstandes  als  die 
natürlichere  erscheinen  Hessen,  indessen  war  doch  ein  bündiger  Beweis  auf 
diesem  Wege  unmöglich,  da  geeignete  Annahmen  über  die  Grösse  der  elek- 
tromotorischen  Gegenkraft  oder  des  Ubergangswiderstandes  immer  die  that- 
sächlichen  Erscheinungen  darzustellen  gestatten,  und  unabhängige  Messungen 
einer  der  in  Betracht  kommenden  Grösse,  der  Polarisation  oder  des  etwaigen 
Übergangswiderstandes,  nicht  auszuführen  waren. 

39.  Wechselströme.  Ein  von  diesen  Schwierigkeiten  freies  Argument 
wurde  erst  von  dem  holländischen  Physiker  Vorsselmann4  de  Heer  in  De- 
venter  beigebracht.  Einige  Zeit  vorher  hatte  de  la  Rive  das  Verhalten  der 
von  den  eben  erfundenen  magnetelektrischen  Maschinen  gelieferten  Ströme 
studirt,  welche  ihre  Richtung  schnell  hinter  einander  wechseln,  und  da- 
durch manche  Besonderheit  zeigen.  Eine  dieser  Besonderheiten,  welche 
de  la  Rive  besonders  aufgefallen  war,  bestand  darin,  dass  Zwischenplatten 
von  Platin,  welche  auf  gewöhnliche  Ströme  in  bekannter  Weise  erheblich 
schwächend  wirken,  auf  die  Wechselströme  der  Maschine  ohne  Einfluss  waren. 
Ist  ein  Übergangswiderstand  vorhanden,  so  muss  er  für  die  vorwärts  und 
rückwärts  gehenden  Ströme  in  gleicher  Weise  vorhanden  sein,  und  es  ist 
kein  Grund  einzusehen,  warum  ihn  Wechselströme  nicht  zeigen  sollen.  Rührt 
dagegen  die  Stromschwächung  von  einer  elektromotorischen  Gegenkraft  her, 
so  wird  durch  die  vom  ersten  Stromstoss  herrührende  Polarisation  der  zweite, 
entgegengesetzt  verlaufende  verstärkt,  und  so  fort,  so  dass  schliesslich  alle 
Polarisation  dem  Strome  wieder  zu  Gute  kommt;  eine  Schwächung  braucht 
daher  nicht  einzutreten. 


1  Pooo.  Ann.  52,  497.   1841. 

*  Schweigger's  Journ.  f.  Chemie  und  Physik  63,  385.   1831. 

3  Schweigger's  Journ.  f.  Chemie  und  Physik  67,   127.   1833. 

4  Pogg.  Ann.  49,   109.   1840. 


Die  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       07  $ 


Poggbndorff  erkannte  die  Beweisführung  an,  stellte  aber  die  Thatsache, 
welche  sie  gegründet  war,  in  Abrede,  denn  nach  seinen  Versuchen  wurde 
ir  der  Übergangswiderstand  bei  Wechselströmen  erheblich  kleiner  gefun- 
i,  war  aber  immerhin  noch  vorhanden. 

Vorsselmann  de  Heer  wies  in  einer  Antwort1  darauf  hin,  dass  de  la 
e  ausdrücklich  die  Umstände  angegeben  habe,  unter  welchen  der  Ein- 
>s  der  Zwischenplatten  verschwindet,  und  die  Poggendorrff  nicht  einge- 
ten  habe.  Gegen  die  Bemerkung  Poggendorff^s ,  dass,  wenn  auch  die 
Wesenheit  der  Polarisation  erwiesen  sei,  die  Abwesenheit  des  Übergangs- 
lerstandes daraus  nicht  folge,  erwidert  Vorsselmann  de  Heer:  „Die  Be- 
rkung  ist  vollkommen  richtig.  Aber  dürfte  man  nicht  mit  mehr  Recht 
ii  den  Vertheidigern  der  FECHNER'schen  Theorie  den  Beweis  verlangen 
nnen,  dass  die  Polarisation  nicht  die  alleinige  Ursache  der  Erscheinungen 
,  noch  sein  könne,  sondern  dass  man  noth wendig  ausser  dieser  noch 
le  andere  Ursache  aufsuchen  müsse?  Bevor  man  zwei  verschiedene  Ur- 
:hen  zur  Erklärung  einer  und  derselben  Erscheinung  annimmt,  thut  man 
mer  wohl,  sich  zu  überzeugen,  ob  nicht  eine  einzige  Ursache  hinreiche, 
ntia  non  sunt  multiplicanda.  Solch  ein  Beweis  ist  aber  weder  von 
khner,  noch  von  sonst  jemand  gegeben." 

In  einer  Nachschrift  zu  diesem  Aufsatze  hält  zwar  Poggendorff  seine 
nsichten  noch  aufrecht,  bemerkt  aber  gleichzeitig,  dass  ihm  einige  Zweifel 
iran  gekommen  seien,  ob  wirklich  bei  seinen  Versuchen  die  Polarisation 
^mieden  gewesen  sei.  Indem  er  es  auch  als  wünsch enswerth  bezeichnet, 
)n  dem  Übergangswiderstand  absehen  zu  dürfen,  erklärt  er  doch  noch 
nige  Thatsachen  nicht  anders  verständlich.  Es  ist  dies  der  Anfang  zu  seiner 
Jlligen  Aufgabe  dieser  Annahme,  welche  etwas  später  erfolgte. 

40.  Messung  der  Polarisation.  Inzwischen  war  auf  dem  Boden  des 
Haschen  Gesetzes  gleichfalls  versucht  worden,  die  Frage  zu  entscheiden, 
var  waren  hier  nur  Wahrscheinlichkeitsgründe  ausfindig  zu  machen,  diese 
ssen  sich  aber  von  so  überzeugender  Beschaffenheit  beibringen,  dass  auch 
er  der  Sieg  der  von  Ohm  vertretenen  Auffassung  blieb.  Der  Beweisgang 
l  hier  in  den  quantitativen  Verhältnissen  der  Polarisation.  Wurden  diese 
r  verschiedene  Umstände  festgestellt,  so  konnte  die  Frage  entschieden 
erden,  welche  von  den  beiden  Auffassungen  zu  der  einfacheren  Formel 
hrte,  und  wenn  dies  auch  nicht  unbedingt  als  ein  Beweis  für  die  Richtig- 
st derselben  geltend  gemacht  werden  konnte,  so  war  es  doch  ein  erheb- 
:hes  Gewicht  zu  Gunsten  ihrer  Zweckmässigkeit,  und  hierin  liegt  ja  der 
esentlichste  Werth  einer  wissenschaftlichen  Ansicht. 

Die  ersten,  welche  sich  mit  der  Aufgabe  beschäftigt  haben,  die  Grösse 
^  Polarisation  zu   messen,    sind  Daniell   und   Wheatstone2  gewesen.     Es 


1  Pogg.  Ann.  63,  31,   1841. 

1  Philos.  Trans.   1842.  —  Pogg.  Ann.  60,  387.   1843. 

43 


• 

ftnß  Vierzehntes  Kapitel. 


1  Pogg.  Ann.  69,  226.  1843. 

E  -  p  E 

2  Die  erste  Annahme  wird  durch  die  Formel  i  =  — — — »  die  zweite  durch  1  « -r 

W  H'+j 

ausgedrückt.     Befreit   man  in  der  zweiten  Gleichung  durch  eine  einfache  Umformung  die  rechte 

E  —  ti  .  «^_ 

Seite  von  dem  i,  so  erhält  man  1  =  — — — »  was  die  Form  der  ersten  Gleichung  ist    Dk  «** 

deutung  der  Buchstaben  ist  folgende :   i  =  Stromstärke ,  E  =  elektromotorische  Kraft,  f  m  Fol* 
risation,   W  —  Widerstand,  u  =■  Obergangswiderstand. 


war  dies  das  erste  Mal,  dass  die  OHM'sche  Theorie  in  England  angewendet 
worden  ist,  und  jene  Forscher  sehen  die  Polarisation  ohne  weiteres  als  eine 
elektromotorische  Kraft  an. 

Daniell  und  Wheatstone  hatten  die  Knallgasmengen  bestimmt,  welche 
durch  verschiedene  Zusammenstellungen  von  constanten  Elementen  mit  einem 
Voltameter  erhalten  worden  waren,  wenn  man  den  Strom  jedesmal  die  gleiche 
Zeit  wirken  Hess.   Die  erhaltenen  Zahlen  Hessen  sich  aus  der  OHM'schen  Theorie 
durch  die  folgende  Formel  A  =  (nE  —  e)j(nR  +  r)  darstellen,  in  welcher  A 
die  in   der  Zeiteinheit  entwickelte  Knallgasmenge,   also  die  Stromstärke,  E 
die  elektromotorische  Kraft  einer  DANiELi/schen  Zelle,  R  ihr  innerer  Wider- 
stand, n  die  Anzahl   der  Zellen   bedeutet;    r  ist  der  Widerstand  des  Volta- 
meters  und  der  Zuleitungen,  und  c  ist  die  elektromotorische  Gegenkraft  der 
Polarisation.     Die  gemachten  Beobachtungen   Hessen  sich  befriedigend  unter 
der  Annahme    darstellen,    dass    die  Polarisation  e  =  2,49  E,    also  rund  der 
zweiundeinhalbfachen  Werth  der  elektromotorischen  Kraft  des  DANiEu/schen 
Elementes,    unabhängig   von    der    Stromstärke,    ist.      Daraus   wäre   also  zu 
schliessen,  dass  die  Polarisation  als  eine  Constante,  wenigstens  bei  derselben 
Flüssigkeit,  anzusehen  ist. 

Zu  dem  gleichen  Ergebnisse1  kam  auch  Lenz  in  einer  Arbeit  über  die 
Gesetze  der  Wärmeentwickelung  durch  den  Strom,  welche  ihn  zu  der  Wieder- 
entdeckung eines  wichtigen  Gesetzes  führte,  mit  dem  wir  uns  später  zu  be- 
schäftigen haben  werden.  Diesen  Arbeiten  schickte  Lenz  eine  äusserst  sorg- 
fältige Voruntersuchung  über  die  Mittel  der  Strommessung  voraus,  und  bei 
dieser  Gelegenheit  musste  er  das  Verhalten  eines  Voltameters  im  Stromkreise 
untersuchen.  Hierbei  ergab  sich,  dass  die  Beobachtungen  sich  durch  die 
Annahme  einer  constanten,  d.  h.  von  der  Stromstärke  unabhängigen  Polari- 
sation innerhalb  der  Versuchsfehler  darstellen  Hessen;  der  Werth  derselben 
betrug  2,9  Daniell. 

Gleichzeitig  spricht  sich  Lenz  über  die  Frage  aus,  ob  man  einen  Über- 
gangswiderstand oder  eine  Polarisation  annehmen  müsse.  Formell  kann  man 
beides,  denn  ob  man  in  der  OHM'schen  Formel  einen  der  Stromstärke  um- 
gekehrt proportionalen  Widerstand  oder  eine  von  der  Stromstärke  unab- 
hängige Polarisation  annimmt,  fuhrt  rechnerisch  zu  genau  denselben  Re- 
sultaten.2 Doch  entschied  sich  Lenz  für  die  Verwerfung  des  Übergang* 
Widerstandes  aus  folgenden  Gründen-.    „Es  ist  consequent,  für  die  Erklärung 


Die  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       ßjj 


er  Erscheinung  nicht  zwei  Ursachen  anzunehmen,  wenn  man  mit  einer 
su  ausreicht;  da  nun  eine  Polarisation  der  Platten  gewiss  existirt,  und  die- 
be  ausreicht,  um  die  Erscheinungen  zu  erklären,  so  ist  es  consequent, 
als  alleinige  Ursache  anzusehen. 

„Der  Charakter  eines  Widerstandes  in  den  Erscheinungen  des  galvani- 
len  Stromes  hat  immer  etwas  passives;  es  ist  diesem  Charakter  entgegen, 
ss  ein  solcher  Widerstand  von  der  Stärke  des  Stromes  abhängen  soll, 
d  in  der  That  finden  wir  solches  auch  nicht  für  feste  Körper,  noch  für 
ssige. 

„Alle  sonstigen  Widerstände  gegen  den  galvanischen  Strom  sind  den 
lerschnitten  des  Leiters  umgekehrt  proportional,  sowohl  bei  festen,  wie 
i  flüssigen  Leitern;  der  Widerstand  des  Überganges  würde  auch  hiervon 
le  Ausnahme  machen." 

Über  die  Grösse  der  Polarisation  stellt  Lenz  nach  seinen  Versuchen 
Igende  Sätze  auf: 

„Die  Polarisation  an  den  Elektroden  erfolgt  augenblicklich  in  ihrer  ganzen 
ärke  auf  den  Eintritt  des  Stromes. 

„Sie  ist  unabhängig  von  der  Stärke  des  Stromes. 

„Sie  ist  unabhängig  von  der  Grösse  der  Elektroden,  wenn  diese  eine  ge- 
isse,  für  stärkere  Ströme  bedeutendere  Grösse  überschreitet. 

„Sie  hängt  ab  von  der  Natur  der  Elektroden  und  der  mit  ihnen  in  Be- 
ihrung  stehenden  Flüssigkeit,  nicht  aber  von  der  Concentration  derselben 
►ei  der  verdünnten  Schwefelsäure)." 

41.  Poggendorff's  Wippe.  Gegen  die  Annahme  einer  von  der  Strom- 
ärke  unabhängigen  Polarisation  wendete  sich  Poggendorff  in  einer  Arbeit, l 
e  ursprünglich  zu  ganz  anderen  Zwecken  begonnen  worden  war.  Zu  jener 
*it  wurde  die  Frage,  ob  man  mit  einem  einzigen  Elemente  Wasser  zer- 
tzen  könne,  mit  einem  gewissen  Eifer  bearbeitet,  und  nachdem  de  la  Rive2 
nen  auf  der  Anwendung  von  Inductionsströmen  beruhenden  Apparat,  eine 
rt  Transformator,  hierzu  angegeben  hatte,  machte  Poggendorff3  eine  Mit- 
eilung  über  ein  Verfahren,  das  auf  der  Anwendung  der  Polarisation  be- 
llte, und  darin  bestand,  dass  man  eine  Anzahl  neben  einander  geschal- 
ter4 Voltameter  mit  einer  einzelnen  GROVE'schen  Kette  verband,  und 
ichdem  der  Strom  einige  Augenblicke  gedauert  hatte,  eine  Verbindung 
ir  Voltameter  hinter  einander  herstellte.  Dadurch  addirten  sich  die  Span- 
ingen der  Voltameter,  wie  die  der  Plattenpaare  der  Säule,  und  man  erhielt 
ne  entsprechend  vervielfachte   elektromotorische  Kraft,    welche    die  Polari- 

1  Pogg.  Ann.  61,  606.   1844.  *  Ann.  chim.  phys.  8,  36.   1843. 

3  Pogg.  Ann.  60,  568.  1843.    —  Ebenda  61,  586.   1844. 

4  Neben  einander  geschaltet  nennt  man  die  Verbindung  aller  gleichartigen  Elektroden, 
iter  einander  die  der  ungleichartigen.  Im  ersten  Falle  gingen  alle  Drähte  von  den  Kathoden 
d  alle  von  den  Anoden  der  Voltameter  zu  den  beiden  Polen  der  Kette,  im  anderen  war 
mer  eine  Kathode  mit  der  Anode  des  nächsten  Voltameters  verbunden. 


6;  8 


Vierzehntes  Kapitel. 


sation  in  einer  eingeschalteten  Zersetzungszelle  nun  leicht  überwinden  ko 
während  die  benutzte  GROVE'sche  Kette  dazu  nicht  im  Stande  ist 

Um  nun  die  erforderlichen  Umschaltungen  schnell  herstellen  zu  köi 
hatte  Poggendorff  seine  Wippe  construirt,  welche  diese  Umschaltungen  c 
eine  einfache  Bewegung  besorgte.  Die  Einrichtung  wird  aus  den  Figurer 
und   178  klar;   B B  sind  die  Voltameter,    welche  durch  Drähte    mit  dt 


Fig.    177. 


X  ach    IJ< »( .  < .  E  X  DORF  F. 


ein    Brett  AA    gebohrten    Quecksilbernäpfen    verbunden    sind.      Über 
Näpfe    wird    ein    Brett    (Fig.   178)    gesetzt,    welches    um    die    Stifte  bb 
schaukelnde  Bewegung  ausführen    kann,   wobei    die  Enden    der   darauf 
festigten  Drähte   rechts  oder  links  in  die  Näpfe  tauchen.     Liegt  das 
mit  der  rechten   Seite  nach   unten,    so    erkennt    man,   dass  die  Voltat 
neben  einander   geschaltet  sind,    und  sich   in   der  Verbindung  befinder 
der  sie  geladen  werden  können.     Wird  dann  das  Brett,    die  Wippe, 
links  gelegt,   so  sind  die  Voltameter  hinter  einander   geschaltet,    und 
elektromotorischen  Kräfte  addiren  sich.     Gleichzeitig  tauchen  in  der  re< 
Lage  die  Drähte  P  und  Z  in  zwei  Näpfe,  welche  mit  dem  Platin  und 
der  GROVE'schen  Kette  verbunden  sind,  während  in  der  linken  Lage  ar 
Stellen  0  und  H  die  Ableitung  des  Stromes   erfolgt.     Wir  lernen  hiei 
Typus  einer  Vorrichtung  kennen,    die  seitdem   in  den  mannigfaltigster 
stalten  in  der  Elektrik  Anwendung  gefunden  hat. 

Die  wichtigste  dieser  Anwendungen  ist  für  uns  die  zur  Messung 
Grösse  der  Polarisation.  Um  eine  solche  zu  bewerkstelligen,  braucht 
nur  zwischen  0  und  H  das  entsprechende  Messinstrument  anzubringen 
bei  freilich  dadurch  eine  Schwierigkeit  entsteht,  dass  die  elektromotoi 
Kraft  der  Polarisation  ausserordentlich  veränderlich  ist,  und  somit  ein 
fahren  angewendet  werden  muss,  welches  auch  veränderliche  Kräfte  zu  m 
gestattet.  Ein  solches  hatte  Poggendorff  kurz  vorher  in  seiner  Cot 
sationsmethode  ausgebildet  (S.  649),  und  die  Wippe  erlaubte,  die  Polarii 
immer  wieder  herzustellen,  wenn  sie  durch  den  Zeitverlust  bei  der  erfc 
liehen  Einstellung  sich  abgeschwächt  hatte. 

Die  Schaltung,  welche  die  Messung  nach  dem  Compensationsverf 
gestattet,   ist  in  Für.  1*0  angegeben,    wobei    '*     «olarisirende  Kette 


Die  Eotwicketung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des   Energie prioiipes.        670 

richzeitig  zur  Messung,  d.  h.  zum  Vergleich  mit  der  elektromotorischen 
■aft  der  Polarisation,  die  sich  in  OH  entwickelt,  dient.  Durch  den  Ver- 
geh mit  der  Fig.  178,  welche  die  erforderliche  Schaltung  in  dem  einfach- 
;n  Falle  angiebt,  und  die  zugehörigen  Darlegungen  auf  S.  678  wird  man 
:h  leicht  in  der  Fig.  179  zurechtfinden. 

Poggendorff  benutzte  nun  dies  Hülfsmittel,  um  die  verschiedenen  Umstände 
sündig  zu  machen,  welche  auf  die  elektromotorische  Kraft  der  Polarisation 
nfluss  haben,  und  fand,  dass  diese  in  der  That 
hr  veränderlich  sich  erwies.  Zunächst  hatte  die 
romstärke,  sodann  die  Stromdichte  (Stärke,  divi- 
rt  durch  die  Plattengrösse)  einen  Einfluss,  und 
/ar  nimmt  die  Polarisation  mit  beiden  zu  und  ab. 
ie  Natur  und  Oberflächenbeschaffenheit  der  Platten 
wies  sich  gleichfalls,  wie  bekannt,  von  grosser 
;deutung;  so  wurde  gefunden,  dass  platinirtes 
lit  galvanisch  abgeschiedenem,  fein  zerthciltem 
atin  überzogenes)  Platin  sich  viel  schwächer  po- 
risirte,  als  blankes.  Auch  die  Natur  der  Flüssig- 
st ist  von  grösster  Bedeutung.  Atzkali  gab  eine 
rössere  Polarisation,  ab  Schwefelsäure  und  Sal- 
etersäure,  und  Salzsäure  eine  noch  kleinere.  Die 
emperatur  wirkt  derart,  dass  bei  steigender  Tem- 
eratur  die  Polarisation  abnimmt.  ..   ,  r'g'  '79' 

Nach     POGGENDORFF. 

42.  Das  Maximum  der  Polarisation.  Etwa 
m  die  Zeit  dieser  Arbeiten  bildete  sich  auch  die  Vorstellung  von  den 
Eigenschaften  der  Polarisation  aus,  welche  seitdem  eine  sehr  lange  Zeit  herr- 
:hend  geblieben  ist,  obwohl  sie  in  einem  wichtigen  Punkte  das  Richtige 
erfehlte.  Den  Ausdruck  dieser  Ansichten  findet  man  bei  Poggendorff,  ' 
tr  früher  eine  abweichende  Annahme  vertreten  hatte,  in  folgenden  Worten  : 

„Von  dieser  Intensität  (Poggendorff  bezeichnet  mit  diesem  Worte  nach 
hm  die  Stromdichte,  oder  die  Stromstärke,  dividirt  durch  die  Oberfläche  der 
lektrode)  hängt  die  Polarisation  in  solcher  Weise  ab,  dass  sie  anfangs  rasch 
it  derselben  steigt,  darauf  immer  langsamer  und  langsamer,  um  sich 
■ymptotisch  einer  Grenze  zu  nähern,  über  welche  hinaus  eine  fernere  Er- 
)hung  der  Intensität  keine  oder  nur  eine  sehr  unmerkliche  VergrÖsserung 
1  Polarisation  bedingt." 

Von  dieser  Zeit  ab  lassen  sich  beständig  wiederholte  Bemühungen  der 
schied  ensten  Forscher  nachweisen,  dieses  Maximum  der  Polarisation  zu 
essen,  und  fast  jeder  neue  Arbeiter  auf  dem  Felde  hat  sich  genöthigt  ge- 
hen, die  Ergebnisse  seiner  Vorgänger  für  falsch  und  unbrauchbar  zu  er- 
ären.  Die  Ursache  davon  ist,  dass  ein  Maximum  der  Polarisation  unab- 
ingig  von  der  Stromdichte  thatsächlich  nicht  besteht;  die  Polarisation  wächst 


1  pn<tG.  Ann.  70,   178, 


6gO  Vierzehntes  Kapitel. 

vielmehr  beständig  mit  dieser,  und  je  nach  dem  Verfahren  mussten  demrari 
die  verschiedenen  Forscher  die  verschiedensten  Werthe  erhalten. 

Sehr  anschaulich  werden  diese  Verschiedenheiten  durch  einen  von  Pogcen- 
dorff  in  derselben  Abhandlung  mitgetheilten  Versuch,  durch  welchen  sich 
ergab,  dass  die  Polarisation  zwischen  Platinplatten  in  hohem  Maasse  dadurch 
beeinflusst  ist,  ob  die  Platten  blank  oder  mit  Platinschwarz  überzogen  sind 
Im  letzteren  Falle  ist  die  Polarisation  um  etwa  ein  Viertel  geringer,  als  mit 
blanken  Platten;  auch  ändert  sie  sich  viel  weniger  mit  der  Stromstärke  und 
erreicht  schneller  ihren  endgültigen  Werth. 

Auch  noch  eine  weitere  Bemerkung  in  dieser  Arbeit  hat  einen  länger 
dauernden  Einfluss  geübt.  Schon  aus  seinen  früheren  Versuchen  mit  der 
Wippe  hatte  Pocgendokff  den  Schluss  gezogen,  dass  die  Polarisation  sich 
auf  beide  Platten  gleich  vertheilt,  so  dass  gegen  eine  „neutrale"  Platte  die 
Wasserstoffplatte  ebenso  stark  positiv,  wie  die  Sauerstoffplatte  negativ  er- 
scheint, und  an  platinirten  Platten  fand  er  dies  bestätigt  Doch  kann  dies 
nur  eine  annähernde  Bestimmung  sein,  da  der  elektrische  Zustand  einer 
„neutralen"  Platte  kein  bestimmter  ist,  sondern  von  manchen  schwer  zu 
definirenden  Umständen  abhängt. 

Die  erste  ausgedehntere  Arbeit  über  elektromotorische  Kräfte  und  Pol»- 
risation  wurde  dann  von  den  Petersburgern  Physikern  Lenz  und  Sawilje»1 
ausgeführt.  Während  diese  den  physikalischen  Theil  ihrer  Untersuchung  mit 
aller  für  jene  Zeit  nur  möglichen  Sorgfalt  ausführten,  Hess  der  chemisch« 
sehr  viel  zu  wünschen  übrig,  indem  sie  unreine  Stoffe  und  unbestimmte 
Concentrationen  anwendeten.  Es  ist  dies  ein  Umstand,  der  auch  in  der 
Folge  nicht  selten  sich  geltend  gemacht  hat;  oft  genug  ist  eine  unverhahnisj- 
mässig  grosse  Sorgfalt  auf  die  Messung  von  Grössen  verwendet  worden, 
deren  Definition,  soweit  sie  von  der  chemischen  Beschaffenheit  der  ver- 
wendeten Stoffe  abhing,  ausser  allem  Verhältniss  schlechter  war,  als  die 
physikalische  der  augenblicklich  gemessenen  Grössen.  Bei  den  Anhängern 
der  Contacttheorie  ist  eine  derartige  Vernachlässigung  der  chemischen  Ver- 
hältnisse zwar  menschlich  erklärlich,  sie  hat  aber  vielfach  in  nachweisbarem 
Maasse  den  Fortschritt  der  Wissenschaft  aufgehalten. 

Lenz  und  Saweljew  bemühten  sich,  ähnlich  wie  es  vorher  PMoBBUOM 
gethan  hatte,  nicht  nur  die  gesammte  Kraft  der  beiden  Elektroden  platten 
zu  messen,  sondern  sie  massen  jede  einzeln,  wobei  sie  freilich  eine  bestimmte 
Voraussetzung  machen  mussten,  nämlich  die,  dass  nur  dort  Polarisation 
eintritt,  wo  Gasentwickelung  vorhanden  ist;  wo  kein  Gas  entsteht,  ist  nach 
ihnen  auch  keine  Polarisation  vorhanden.  Offenbar  ist  eine  derartige  An- 
nahme einigermaassen  willkürlich,  und  wohl  gleichfalls  aus  der  Abneigung 
yeyen  die  chemische  Theorie  der  Kette  und  daher  gegen  die  Henicksieb- 
tigung  der  chemischen  Verhältnisse  überhaupt  entstanden.  Gegenwärtig 
wissen    wir,    dass  die  Annahme  im  Allgenieii 


Die  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       68 1 


>en    die   einzelnen   Messungen    dieser   Arbeit    keine    Bedeutung   erlangen 
inen. 

Dagegen  fanden  sie  ein  bestimmtes  Gesetz  auf,  welches  zur  Berechnung 
*  elektromotorischen  Kräfte  beliebiger  aus  zwei  Metallen  in  zwei  Flüssig- 
ten  zusammengesetzter  Ketten  brauchbar  ist,  und  zwar  lautet  dies  dahin, 
>s  diese  elektromotorischen  Kräfte  sich  als  Summen  je  zweier  Glieder  dar- 
Uen  lassen,  welche  nur  von  der  Combination  jedes  Metalles  mit  seiner 
issigkeit  abhängig  sind,  dagegen  nicht  davon  abhängen,  welche  derartige 
mbinationen  man  mit  einander  verbindet.  Misst  man  daher  alle  derartige 
>mbinationen  von  Flüssigkeit  und  Metall  gegen  eine  einzige  solche,  so  er- 
ben sich  die  elektromotorischen  Kräfte  aller  möglichen  Zusammenstellungen 
rselben  durch  Subtraction  der  entsprechenden  Werthe  von  einander. 

So  hatte  Zink  in  Zinksulfat  gegen  Platin  in  Salpetersäure   —4,29,  Zink 
Zinksulfat  gegen  Kupfer  in  Kupfersulfat  —2,17  gegeben;  der  Unterschied 
—  2,12.     Die   unmittelbare  Messung   von  Kupfer   in  Kupfersulfat   gegen 
atin  in  Salpetersäure  gab  —2,01. 

Über  die  Ursache  dieses  Gesetzes  äussern  sie  sich  nicht;  man  erhält 
i  offenbar  als  eine  Folge  der  Annahme,  dass  die  elektromotorischen  Kräfte, 
eiche  zwischen  den  verschiedenen  Flüssigkeiten  vorhanden  sind,  von  ver- 
bindend kleiner  Grösse  den  anderen  gegenüber  sind. 

In  ähnlicher  Weise  wie  die  elektromotorischen  Kräfte  der  verschiedenen 
Combinationen"  wurden  die  der  Polarisation  bearbeitet,  und  auch  hier  Hess 
ch  ein  gleiches  Gesetz  nachweisen;  die  Polarisation  und  die  ursprüngliche 
lektromotorische  Kraft  addiren  sich  einfach. 

In  einer  Abhandlung,  welche  Poggendorff  unmittelbar  auf  die  eben 
rwähnte  folgen  Hess,  bemerkt  er,  dass  auch  er  zu  einem  ähnlichen  Ge- 
rtz gelangt  sei.  Er  hatte  gefunden,  dass  gewisse  Ketten,  wenn  sie  von 
Hnem  Strome  durchflössen  werden,  welcher  ihrem  eigenen  Strome  entgegen- 
jerichtet  ist,  eine  grössere  elektromotorische  Kraft  aufweisen,  als  bei  un- 
mittelbarer Bethätigung,  und  sich  dann  überzeugt,  dass  diese  grössere  Kraft 
die  Summe  ihrer  eigenen  Kraft  und  der  Polarisation  ist.  Es  spricht  dies 
Gesetz  so  aus,  „dass  die  ursprüngliche  elektromotorische  Kraft  einer  Volta'- 
schen  Kette  durch  die  Polarisation  nicht  geändert  wird,  so  dass  die  Gegen- 
kraft, mit  welcher  bei  entgegengesetzter  Schaltung  zweier  Ketten  die  schwächere 
der  stärkeren  widerstrebt,  einfach  die  Summe  ihrer  ursprünglichen  Kraft  und 
der  Polarisation  ihrer  beiden  Platten  ist." 

43.  Elektrolyse  durch  eine  einfache  Kette.  Von  verschiedenen 
Forschern  (S.  677)  ist  ein  gewisses  Gewicht  auf  die  Thatsache  gelegt  worden, 
dass  man  mit  einer  einfachen  Kette  keine  sichtbare  Wasserzersetzung  hervor- 
bringen könne.  Während  dies  zwar  in  dem  meist  untersuchten  Falle,  dass 
die  Elektroden  Platinplatten  sind,  seine  Richtigkeit  hat,  sind  schon  aus  den 
älteren  Zeiten  des  Galvanismus  einzelne  Thatsachen  bekannt,  dass  unter  An- 
wendung von  Elektroden  aus  anderen  Metallen  die  Wasserzersetzung  ganz 
Wohl  möglich  ist. 


(382  Vierzehntes  Kapitel. 


An  eine  derartige  Beobachtung  von  Pfaff,  l  welche  von  diesem  in  sehr 
ungenügender  Weise  unter  Verletzung  des  OiWschen  Gesetzes  erklärt  worden 
war,    knüpfte  Henrici2  einige  Erörterungen   und   Versuche   an,    welche  be- 
stätigen,   dass  Elektroden   aus  anderen   Metallen  als  Platin  im  Allgemeinen 
die  Wasserzersetzung  ermöglichten.    Die  Wirkungen  waren  sehr  verschieden, 
und  die  in  einer  Stunde  mittelst  eines  einfachen  Zink-Kupferpaares  erhaltenen 
Gasmengen  waren  für  Platin  =o,  Silber  =0,3,  Kupfer  =  12,  Messing  =19, 
Stahl  ==  34,  Zinn  =  36,  Zink  =  72.     Es  nimmt  also  die  Wasserstoffmenge  in  ; 
dem  Maasse  zu,    als   das   Metall   oxydirbarer  wird.     Um    zu    sehen,   welche  ; 
Elektrode  die  Wirkung  zeigt,  wendete  er  solche  aus  verschiedenen  Metallen  j 
an,  und  fand,  dass  die  Anode  von  oxydirbarem  Metall  sein   muss;  die  Ka-  j 
thode  übt  keinen  erheblichen  Einfluss  aus.  j 

Über  die  Ursache  dieser  Erscheinung,  die  er  wiederholt  unerwartet  und 
merkwürdig  nennt,  zerbricht  sich  Henrici  auf  einer  ganzen  Anzahl  Seiten 
der  „Annalen"  den  Kopf,  ohne  auf  irgend  eine- plausible  Erklärung  zu  ge- 
langen. Er  hilft  sich  schliesslich  mit  der  Annahme,  dass  der  Übergangs- 
widerstand bei  den  oxydirbaren  Metallen  kleiner  sei,  als  bei  den  anderen  i 
Bei  dieser  Gelegenheit  gewinnt  man  einen  Einblick  über  die  Ursache  der 
Beliebtheit  dieser  willkürlichen  Annahme  bei  den  Anhängern  der  Contact- 
theorie:  sie  enthob  sie  der  Berücksichtigung  der  chemischen  Vorgänge  an 
den  Elektroden,  indem  sie  dafür  ebenso  einen  formalen  Ausdruck  setzte,  wie 
das  bei  der  Contactkraft  geschehen  war.  Insofern  ist  die  Ansicht  des  Über- 
gangswiderstandes so  recht  aus  dem  Geiste  dieser  Theorie  geschaffen. 

In  einer  etwas  späteren  Arbeit  über  den  gleichen  Gegenstand  erntete 
Schönbein3  die  Früchte,  welche  auf  diesem  Boden  so  reichlich  für  die  An- 
hänger der  chemischen  Lehre  zu  holen  waren.  In  unerschöpflichen  Variationen 
führte  er  den  Satz  experimentell  durch,  dass  jedesmal  die  Wasserzersetzung 
erreichbar  ist,  wenn  man  eine  Elektrode  so  herstellt,  dass  der  an  ihr  iu 
erwartende  Bestand theil  des  Wassers  sich  dort  mit  irgend  etwas  anderem 
verbinden  kann,  wozu  er  Verwandtschaft  hat.  Als  Typus  aller  dieser  Ver- 
suche sei  der  erste  wiedergegeben: 

„Zwei  Platinstreifen  wurden  auf  die  bekannte  (elektrochemische)  Weise 
mit  Bleihyperoxyd  oder  Silberhyperoxyd  überzogen  und  auf  das  Sorgfältigste 
mit  reinem  Wasser  abgespült.  Liess  ich  nun  dieselben  als  Elektroden  der 
fraglichen  Kette  (es  war  eine  GROVE'sche  Kette  mit  passivem  Eisen  an  Stelle 
des  Platins)  in  reines  Wasser  eintauchen,  so  trat  an  der  positiven  Elektrode 
eine  sehr  merkliche  Entwickelung  von  Sauerstoffgas  ein.  Wurde  das  Wasser 
mit  einigen  Tropfen  Salpetersäure  versetzt,  so  fiel  die  Gasentwickelung  an 
der  positiven  Elektrode  noch  viel  lebhafter  aus,  und  dauerte  dieselbe  so  lange 
an,  bis  jede  Spur  von  Hyperoxyd  an  der  negativen  Elektrode  verschwunden  * 
war.     Mit  dem  Verschwinden   des    letzten  Theilchens  jener  Substanz  borte 


1  Pogg.  Ann.  49,  461.   1840.  *  Pogg.  Ann.  52,  387.  1841. 

8  Pogg.  Ann.  67.  35.  1842. 


j 


Die  Entwicklung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.        58  3 


die  wahrnehmbare  Zersetzung  des  Wassers  auf.  Es  ist  kaum  nöthig 
zufügen,  dass  die  Elektrolyse  dieser  Flüssigkeit  ganz  unmerklich  aus- 
wenn  reine  Platinelektroden  in  das  reine  oder  gesäuerte  Wasser  ein- 
len,  oder  wenn  nur  die  positive  Elektrode  eine  Hülle  von  Hyperoxyd 
Ob  beide  Platinelektroden  mit  Hyperoxyd  überzogen  waren,  oder  nur 
legative  allein,  schien  auf  die  Lebhaftigkeit  der  Wasserzersetzung  keinen 
liehen  Einfluss  auszuüben/' 

Auf  gleiche  Weise  Hess  sich  eine  Entwickelung  von  Wasserstoff  erreichen, 
l  die  Anode  aus  oxydirbaren  Stoffen  hergestellt  oder  von  solchen  um- 
n  war.  Daraus  ergiebt  sich  der  allgemeine  Schluss,  dass  die  Wasser- 
tzung  durch  die  einfache  Kette  dann  eintritt,  wenn  durch  eine  auf 
einen  oder  anderen  Seite  wirkende  chemische  Verwandtschaft  die  zer- 
nde  Wirkung  des  Stromes  unterstützt  wird:  gewiss  eine  schöne  Bestä- 
ig  der  von  Faraday  ausgesprochenen  Ansichten  über  die  Wechselbeziehung 
:hen  den  in  der  Kette  befriedigten  und  den  in  der  Zersetzungszelle  ge- 
lten Verwandtschaften.  Schönbein  setzt  diese  Verhältnisse  mit  bemerkens- 
her  Klarheit  auseinander. 

„Setzen  wir  nun  den  Fall,    dass  in  der  Zersetzungszelle  der  einfachen 

e  sich  reines  Wasser  befinde,  und  die  in  diese  Flüssigkeit  eintauchenden 

:troden  Platin-  oder  Goldstreifen  seien.    Im  allerersten  Augenblicke  schon, 

der  Strom  der  Kette  durch  die  Zersetzungszelle  geht,  wird  eine  gewisse 

ige  Wassers  zersetzt,    und    der  daraus  abgeschiedene  Sauerstoff  auf  die 

tive    Elektrode,    der   Wasserstoff  auf  die    negative    Elektrode    abgesetzt 

den.     Die    unmittelbare   Folge    hiervon    wird    sein,    dass   jene    Elektrode 

ative   Polarität,    diese    positive    erlangt,    und   zwar  wird   der  Grad  dieser 

mtäten  im  Verhältniss  stehen  zu  der  Menge  des   im   ersten  Augenblicke 

der  Strömung  zersetzten  Wassers  oder  zu   der  Grösse  des  anfänglichen 

)mes.     Im   zweiten  Augenblicke  sucht  die  Kette  einen  Strom   durch  die 

setzungszelle  zu  schicken,    ebenso   gross,   als  derjenige   war,    welcher  im 

ten   Augenblicke  durch  die  Zersetzungszelle    ging.     Allein   dieser  Strom, 

zweiten  Augenblicke  erzeugt,  wird  nicht  so  gross  sein  können,  als  es  der 

om  des  ersten  Augenblickes  war;   denn   die  Polarität  der  Elektroden  ruft 

zweiten  Moment  einen  seeundären  Strom  hervor,  der  dem  von  der  Kette 

ichzeitig   erregten    entgegengesetzt   ist.     Es    muss   daher  der  letztere   um 

:  Grösse  des  seeundären  Stromes  vermindert  werden.     Würde  nun  diese 

össe  gleich  sein  der  Grösse  des  primären  Stromes,  welchen  die  Kette  im 

eiten  Augenblicke  hervorruft,  so  könnte  in  diesem  zweiten  Momente  gar 

ine  Elektrolyse  mehr  stattfinden,  d.  h.  müsste   der  Secundäre  Strom  dem 

imären  gerade  das  Gleichgewicht  halten.    Gestatten  es  nun  die  Umstände, 

ss   das   ganze  Quantum   der  im  ersten  Augenblicke  der  Strömung  ausge- 

hiedenen  Ionen  des  Wassers  an  den  Elektroden  haftete,  so  würde  vielleicht 

t  durch  die  Polarisation  im  zweiten  Augenblicke  hervorgerufene  seeundäre 

rom  die  Stärke  des  in  derselben  Zeit  durch  die  Kette  erregten  primitiven 

romes   erreichen.     Da  aber  das   die  Elektrode   umgebende  Wasser  durch 


684  Vierzehntes  Kapitel. 


sein  Auflösungsvermögen  einen  Theil  der  Ionen  von  den  Elektroden  sofort 
entfern t,  so  kann  ein  solches  Stromgleichgewicht  nicht  eintreten,  und  rauss  v 
der  Strom  der  Kette  in  den  ersten  Momenten  ihrer  Thätigkeit  den  durch  i 
die  Elektroden  erregten  Gegenstrom  überwinden.  Dieses  Übergewicht  wird  ; 
aber  so  unbedeutend  sein,  dass  dadurch  keine  wahrnehmbare  Elektrolyse  des  : 
Wassers  wird  bewerkstelligt  werden  können.  i 

„Umhüllen  wir  aber  die.  negative  Elektrode  mit  einer  Materie,  welche 
sich  mit  dem  nascirenden  Wasserstoffe  chemisch  verbindet,  d.  h.  schaffen 
wir  den  Wasserstoff,  der  in  Folge  der  Stromthätigkeit  an  der  negativen 
Elektrode  auftritt,  in  dem  Augenblicke  seines  Auftretens  daselbst  fort,  so 
wird  dadurch  die  positive  Polarisation  der  Elektrode  verhindert,  somit  die 
Grösse  des  seeundären  Stromes  vermindert,  damit  aber  auch  die  Intensität 
des  primären  Stromes  gesteigert,  und  eben  dadurch  die  Elektrolyse  des 
Wassers  befördert." 

Diese  Darlegung  Hesse  nichts  zu  wünschen  übrig,  wenn  nicht  Schön- 
bein noch  unter  einem  Mangel  an  Klarheit  über  die  in  Betracht  kommende»  I 
elektrischen  Grössen  gelitten  hätte.  Er  redet  immer  von  Grösse  oder  Stärke  9 
des  Stromes,  wo  er  von  dessen  Spannung  reden  sollte.  Führt  man  diese  1 
Verbesserung  aus,  so  lässt  sich  seinen  Darlegungen  auch  heute  kaum  etwas  , 
hinzufügen. 

Weiter  stellt  sich  nun  Schönbein  die  Frage,  ob  die  erhebliche  Steigerung 
der  Wirkung,  wie  sie  z.  B.  im  Gro Väschen  Element  stattfindet,  nur  von  der 
depolarisirenden  Wirkung  dieser  Säure  herrühre,  und  verneint  sie  auf  Grund 
von  Überlegungen,  welche  alle  Beachtung  verdienen.  Er  legt  dar,  dass  je 
nach  der  Natur  des  depolarisirenden  Stoffes  die  Aufnahme  des  an  der  Elek- 
trode abgeschiedenen  Gases  mit  verschiedener  Stärke  erfolgen  muss,  und 
dass  daher  ein  Stoff,  welcher  grössere  Verwandtschaft  zu  diesem  hat,  auch 
eine  grössere  Steigerung  des  Stromes  bewirken  muss.  Indem  er  Betrach- 
tungen in  der  Art  der  von  Grotthuss  eingeführten  anstellt,  nimmt  er  zunächst 
durch  die  Wirkung  der  Elektroden  eine  Richtung  der  Molekeln  an,  derart, 
dass  sich  die  negativen  der  positiven  Elektrode  zuwenden,  und   umgekehrt 

„Denken  wir  uns  nun  die  Molekeln  des  Wassers  in  der  Zersetzungszelle 
auf  die  angegebene  Weise  geordnet,  und  nehmen  wir  an,  es  sei  die  negative 
Elektrode  dieser  Zelle  unmittelbar  mit  einer  Substanz  umgeben,  welche 
zum  Wasserstoff  eine  grosse  Verwandtschaft  besitzt  (z.  B.  Sauerstoff,  Chlor, 
Brom  u.  s.  w.),  so  muss  unter  den  angeführten  Umständen  eine  derartige 
Materie  gegen  den  Wasserstoff  der  ihr  benachbarten  Wassermolekel  eine 
chemische  Anziehung  ausüben.  Diese  Anziehung  ändert  nothwendig  <te 
chemische  Verhältniss  ab,  in  welchem  der  Sauerstoff  und  Wasserstoff  dff 
fraglichen  Wassermolekel  zu  einander  stehen,  d.  h.  vermindert  die  Stitfte 
der  Affinität  dieser  Elemente  zu  einander  und  gestattet  eben  deshalb  de» 
Sauerstoff  des  ersten  (mit  der  negativen  Elektrode  in  unmittelbarer  Berührung 
stehenden)  Wassertheilchens,  dass  er  eine  grössere  chemische  Anziehungskraft 
ausübt   gegen    das   ihm    'dem    Sauerstoffe)    zugekehrte  Wasserstoffatom  <kf 


Die  Bntwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.        685 


ten  Wassermolekel.    Hierdurch  wird  in  dieser  letzteren  Molekel  ebenfalls 
Schwächung  der  Affinität  seiner  Bestandteile  verursacht,  und  die  Affi- 
des   Sauerstoffs    zu    dem    Wasserstoffatom    der   dritten    Wassermolekel 
*igert.     Der   veränderte  Zustand    der   dritten  Molekel  fuhrt  nothwendig 
ähnliche  Veränderung  der  vierten  Molekel  herbei  u.  s.  w.    Die  Elemente 
Wassermolekeln,   welche   sich   zwischen    den  Elektroden  befinden,    er- 
tn    somit   in   ihren   chemischen  Verhältnissen  zu  einander  die  nämliche 
inderung,   welche  in   den  Bestandteilen   der  ersten  Wassermolekel  ver- 
cht  wird  durch  den  Einfluss  der  wasserstoffanziehenden  Substanz,  mit  der 
negative  Elektrode    umgeben   ist.     Alle  Wasserstoffatome   der   zwischen 
Elektroden  liegenden  Wassermolekeln  erhalten  daher  unter  den  obwalten- 
Umständen  das  Bestreben,  gegen  die  negative  Elektrode  der  Kette  hin 
zu   bewegen,    und  da  der  Strom  der  letzteren  die  Wasserstoffatome  in 
gleichen  Richtung  zu  bewegen  sucht,  so  lässt  sich  leicht  begreifen,  wie 
le  Impulse,    gleichzeitig  wirkend,    eine  grössere  Wirkung  hervorbringen, 
die,  welche  nur  einer  dieser  Impulse  zu  verursachen  vermag." 
Wenn  man  von  den  molekularhypothetischen  Ansichten,  die  in  der  vor- 
tenden  Darlegung  eine  viel  zu  breite  Stelle  einnehmen,  und  leicht  durch 
emeinere  hypothesenfreie  Betrachtungen  ersetzt  werden  können,  absieht, 
kann   man  die  ausgesprochenen   Ansichten  nur  als  sachgemäss   und  im 
ne  einer  wirklich  entwickelungsfahigen  chemischen  Theorie  des  Galvanis- 
s  gehalten  ansehen.    Auch  heute  würde  man  als  Ursache  der  beobachteten 
atsachen  nur  den  Umstand  bezeichnen  können,  dass  der  für  das  Zustande- 
nmen  des  Stromes  erforderliche  chemische  Vorgang  verschiedene  Arbeit 
itet,    je    nach    der   Natur    der    entstehenden    Produkte,    und    dass   dem- 
näss  eine  um  so  grössere  Spannung  durch   ihn   erzeugt  wird,   je  grösser 
i   verfügbare    chemische  Arbeit   ist.     Die    Frage,    wie    die*  an   der   einen 
*ktrode   befindlichen  Stoffe    ihren   Einfluss    bis    auf  die    andere  Elektrode 
lüber  üben  können,  welche  Schönbein  durch  seine  molekulare  Betrachtung 
heben  sucht,    und  welche  im  Grunde  identisch  mit  der  Frage  ist,   wie 
t  beiden  Zersetzungsprodukte  getrennt  von  einander  an  den  beiden  Elek- 
)den   erscheinen   können,    findet  heute  allerdings  eine  einfachere  Antwort 
der  Erkenntniss  von  der  Freiheit  der  Ionen  im  Elektrolyt,  welche  auch 
lion  vor  der  Einwirkung  des  Stromes  vorhanden  ist. 

44.  Die  Gaskette.  In  einer  etwas  abweichenden  und  dadurch  weit 
fälligeren  Form  wurde  der  Versuch  von  Schönbein  über  die  Strombildung 
rch  Wasserstoff  und  Sauerstoff  (S.  668)  in  Berührung  mit  Platin  durch 
.  R.  Grove1  angestellt.  Dieser  hatte  seit  einiger  Zeit,  angeregt  durch 
lNiell's  Entdeckung  einer  constanten  Kette,  über  entsprechende  Zusammen- 
hängen mit  einem  Metall  gearbeitet  (S.  610),  indem  er  abwechselnde 
rtten  von  Metall  und  unglasirtem  Porzellan  in  einen  Trog  kittete,  und  mit 
rschiedenen   Flüssigkeiten   versuchte.     Unter   anderem    benutzte   er   einen 


1  Philos.  Mag.  14,   129.  .1839. 


(336  Vierzehntes  Kapitel. 


derartigen  Trog   mit  Platinplatten ,    und    wurde    dadurch   zu   dem   folger 
Versuch  geführt: 

„Zwei  Streifen  von  Platin,  2  Zoll  lang  und  3/8  Zoll  breit,  aufrecht  i 
bei  einander  stehend,  waren  in  dem  Boden  einer  Glasglocke  hermetisch  c 
angebracht  Die  heraustretenden  Enden  waren  mit  einem  empfindlü 
Galvanometer  verbunden,  das  Glas  wurde  mit  angesäuertem  Wasser  ge 
und  beide  Platinstreifen  dadurch  vollständig  gereinigt,  dass  sie  zu  posit 
Elektroden  einer  VoLTA'schen  Batterie  gemacht  wurden  u.  s.  w.  Nach 
die  Verbindung  mit  der  Batterie  unterbrochen  war,  wurde  über  jedem  PI 
streifen  eine  Glasröhre  von  4/10  Zoll  Durchmesser  befestigt,  eine  mit  Wa 
stoff,  die  andere  mit  Sauerstoff  gefüllt.  Das  angesäuerte  Wasser  reichte 
zu  einer  bestimmten  Marke,  so  dass  etwa  die  Hälfte  des  Platins  mit 
Gase,  die  andere  Hälfte  mit  dem  Wasser  in  Berührung  war.  In  dem  Au 
blicke,  wo  die  Glasröhren  soweit  herabgelassen  worden  waren,  dass  ein  1 
von  der  Oberfläche  des  Platins  mit  den  Gasen  in  Berührung  kam,  w 
die  Nadel  des  Galvanometers  abgelenkt,  so  dass  sie  mehr  als  halb  hei 
schwang;  sie  blieb  bei  15  °  stehen,  und  das  Platin  mit  dem  Wasser 
wirkte  wie  das  Zink  in  der  Kette.  Wurden  die  Röhren  so  weit  erho 
dass  die  Streifen  mit  Wasser  bedeckt  waren,  so  ging  die  Nadel  lang 
auf  Null  zurück;  in  dem  Augenblick  aber,  als  die  Röhren  wieder  ges 
wurden,  wurde  die  Nadel  wieder  abgelenkt;  wurden  die  Röhren  beziij 
des  Platins  gewechselt,  so  fand  die  Ablenkung  nach  der  entgegengeset 
Seite  statt. 

„Die  Wirkung  war  nach  den  ersten  Minuten  viel  schwächer  gewor 
wurde  aber  einigermaassen  hergestellt,  wenn  die  Röhren  so  gehoben  wur 
dass  die  Oberfläche  des  Platins  bespült  war,  und  dann  wieder  gesenkt  wur 
Nach  24  Stunflen  hatte  sich  das  Wasser  in  der  Röhre  mit  Wasserstoff 
einen  halben  Zoll,  und  in  der  mit  Sauerstoff  um  drei  Achtelzoll  gehoben 
zwei  anderen  Röhren  ohne  Platin,  welche  dieselben  Gase  über  derse 
Flüssigkeit  enthielten,  war  in  der  gleichen  Zeit  das  Wrasser  kaum  merl 
gestiegen;  die  Wirkung  konnte  daher  nicht  von  einer  Lösung  herriil 
Als  die  gleichen  Platinplatten  der  Wirkung  einer  Umgebung  von  gew< 
licher  Luft,  oder  derselben  Gase,  z.  B.  beide  Sauerstoff,  oder  beide  Wai 
stoff,  ausgesetzt  wurden,  wurde  das  Galvanometer  nicht  beeinflusst. 
wurde  das  Platin  in  dem  Wasserstoff  zu  dem  positiven,  das  in  dem  Sa 
stoff  zu  dem  negativen  Pole  eines  einzigen  VoLTA'schen  Paares  gems 
das  Wasser  stieg  jetzt  mit  einer  Geschwindigkeit  von  3/8  Zoll  in  der  Sti 
in  der  Wasserstoffröhre,  und  entsprechend  in  der  Sauerstoffröhre;  war 
Platin  nicht  durch  ein  Metallpaar  unterstützt,  so  wurde  der  Sauerstoff  c 
als  nach  seinem  Verhältniss  absörbirt.  Ich  hoffe  dadurch,  dass  ich  den 
such  mit  einer  Reihe  Zellen  anstelle,  die  Zersetzung  des  Wassers  mit  r 
seiner  Bildung  zu  bewerkstelligen." 

Durch  die  gleichzeitige  Erfindung  seiner  constanten  Kette  (S.  610) 
Grove  von  der  Verfolgung  seines  Versuches  mit  der  Gaskette  abgekomi 


Die  Eotwicketung  der  Elektrochemie 


687 


nahm  ihn  erst  1842  wieder  auf,1  da  ihn  der  damals  gewagte  Ausspruch, 

er  mittelst  der  Wasserbildung  Wasser  zu   zersetzen   hoffe,   nachträglich 

t  überraschte.     Indessen  gelang  dieser  Versuch  in  der  That,  als  er  an- 

llt  wurde.    „Ich  Hess  daher  eine  Reihe  von  50  Paaren  anfertigen,  deren 

ilt  und  Anordnung  in  Fig.  180  gegeben  ist.    Es  bezeichnet  darin  ox  die 

Sauerstoff  und  hy  die 

Wasserstoff  gefüllten 

en,  und  die  schwarzen 

n     in    der   Axe    der 

en  die  platinirten  Pla- 

eifen,    die    etwa   ein 

:elzolI  breit  waren.  Es 

!ar,  dass  die  Flüssig- 

bei    Berührung    des 
ns  sich  durch  capillare 

ehung  über  die  Ober- 

e    desselben    ausbrei- 

und  somit  der  Gasab- 
tion eine  ausgedehnte 
he   darbot     Die  Bat- 
wurde mit  verdünnter  Schwefelsäure  von   1,2  speeifischem  Gewicht  ge- 
n." 

Grove  beschreibt  nun  die  verschiedenen  Wirkungen  der  Säule,  die  mit 
:n  einer  gewöhnlichen  Kupfer-Zinksäule  von  ziemlicher  Stärke  überein- 
mten;  insbesondere  wurden  verschiedene  Stoffe  mit  Leichtigkeit  elektro- 
ch  zersetzt.  Ferner  versuchte  er  die  Wirkung  anderer  Gase,  fand  sie 
gleich  Null;  nur  wenn  Wasserstoff  und  Stickstoff  verwendet  wurden, 
hte  sich  eine  schwache  Wirkung  geltend,  die  Grove  indessen  dem  nicht 
•,  au szuschli essenden  Sauerstoff  im  Stickstoff  zuschrieb.  Während  des 
mdurchganges  verschwanden  die  beiden  Gase  sehr  nahe  in  dem  Verhält- 
;,  in  welchem  sie  Wasser  bilden. 

„Wie  ist  die  Wirkung  nach  der  Contacttheorie  zu  erklären?  Ich  hänge 
;haus  keiner  Theorie  an  und  habe  mich  beständig  bemüht,  mit  dem  Auge 

Contacttheoristen  auf  die  Erscheinungen  der  VoLTA'schen  Elcktricität  zu 
iuen,  aber  ich  kann  sie  in  diesem  Lichte  nicht  sehen.    Wenn  eine  Wahr- 

in  der  Contacttheorie  ist,  so  verstehe  ich  sie  entweder  nicht,  oder  mein 
st  ist  unbewusst  voreingenommen.  Wo  ist  der  Contact  in  diesem  Ver- 
he,  wenn  nicht  überall?  Liegt  er  an  den  Berührungspunkten  der  Flüssig- 
,  des  Gases  und  des  Platins?  Wenn  dem  so  ist,  findet  dort  die  chemische 
fkung  statt,  und  da  Contact  immer  für  die  chemische  Wirkung  nothwendig 
so  kann  man  allen  Chemismus,  oder  nach  der  Theorie  von  einem  uni- 
sellen    Plenum   alle   Naturerscheinungen   auf    den    Contact    zurückfuhren. 


1  Philo«.  M*£.  21,  4 


1842.  -  Poe 


184  3- 


688  Vierzehntes  Kapitel. 


Contact  mag   nöthig  sein;    aber  wie  kann   er  in  Beziehung  stehen  zu  < 
Ursache  oder  einer  Kraft?" 

Seine  eigene  Meinung  über  die  Ursache  der  Kraft  in  seiner  Gasl 
äussert  Grove  zunächst  ziemlich  unbestimmt.  Die  wesentliche  Ursache  sei 
ihm  die  kataly tische  Kraft  des  Platins  zu  sein,  welche  die  Verbindung 
beiden  Gase  bewerkstellige.  Wie  aber  die  durch  eine  weite  Flüssig! 
schicht  getrennten  Gase  auch  unter  Zuhülfenahme  der  kataly  tischen  1 
des  Platins  zur  Verbindung  gelangen,  war  das  Räthsel,  welches  auch  G 
nicht  zu  lösen  unternahm.  Die  Erscheinung  war  die  genaue  Umkeh 
einer  gewöhnlichen  Elektrolyse;  und  die  gleiche  Schwierigkeit  besteht 
in  dem  entfernten  Auftreten  der  beiden  Gase  an  den  Elektroden. 

45.  Theoretische  Erörterungen  über  die  Gaskette.  An  die  t 
setzung  der  Abhandlung  Grove's  in  seinen  Annalen  knüpft  Poggenih 
der  um  diese  Zeit  das  freiwillige  Amt  Pfaff*s,  die  VoLTA'sche  Theorie 
jeder  Gelegenheit  zu  vertheidigen,  übernommen  hatte,  einige  Erörterun 
„Zunächst  möchte  ich  die  Frage  umkehren,  möchte  fragen:  wie  ist  < 
die  Wirkung  jener  Batterie  nach  der  chemischen  Theorie  zu  erklären?  D 
eine  Oxydation  des  vom  Sauerstoff  eingehüllten  Platins?  schwerlich;  < 
dann  müssten  ja  die  in  diesem  Gase  stehenden  Platten  die  zinkwerth 
oder  positiven  Elemente  sein,  während  gerade  umgekehrt  die  vom  Wa 
stoff  berührten  Platten  sich  als  solche  erweisen.  Oder  durch  die  gegense 
Verbindung  der  in  den  Röhren  enthaltenen  Gase,  des  Sauerstoffs  und 
Wasserstoffs?  Doch  auch  wohl  nicht,  denn  ohne  Zweifel  tritt  der  elektri 
Strom  unmittelbar  im  Moment  des  Schliessens  der  Kette  ein,  und  folg 
wenn  man  nur  den  Versuch  darauf  einrichten  will,  ehe  ein  Zusammentr 
der  durch  die  Flüssigkeit  von  beiden  Gasen  verschluckten  Theilchen  möj 
ist.  Oder  will  man  vielleicht  annehmen,  die  beiden  Gase  zersetzten  die  il 
zunächst  liegenden  Wassertheilchen  derart,  dass  der  Sauerstoff,  sich 
Wasserstoff  verbindend,  den  Sauerstoff,  und  der  Wasserstoff,  sich  mit  & 
stoff  verbindend,  den  Wasserstoff  antriebe,  und  so  fort.  Das  wäre  denn  » 
eine  zu  unwahrscheinliche,  wenn  nicht  gar  widersinnige  Hypothese.  W< 
Erklärungsgründe  bleiben  sonach  der  sogenannten  chemischen  Theorie  ü 
Ich  sehe  durchaus  keine!  Wie  mir  scheint,  kann  die  Unnahbarkeit 
Unzulänglichkeit  dieser  Theorie  nicht  einleuchtender  dargethan  werden 
gerade  durch  die  zuvor  beschriebene  Batterie." 

Was  nun  die  Erklärung  nach  der  Contacttheorie  anlangt,  so  i 
Poggendorff,  wie  zu  erwarten,  keine  Schwierigkeit  Durch  die  Berüi 
mit  den  Gasen  werden  die  Metalle  an  ihrer  Oberfläche  verändert,  „gleic 
mit  einer  Schicht  eines  anderen  Metalles  überzogen,"  und  daher  rührt 
der  Strom.  Poggendorff  bestreitet,  dass  dies  eine  willkürliche  Annahm« 
es  sei  dies  im  Gegentheil  durch  vielfältige  Versuche  erwiesen. 

Dies  ist  offenbar  ein  Zirkelschluss;  denn  diese  Veränderungen  1 
durch  den  Einfluss  anderer  Stoffe  ein,  und  erweisen  sich  mit  den  mögl 
chemischen  Vorgängen  im  engsten  Zusammenhange.    Es  zeigt  sich  w 


Die  Entwicklung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       680 


die  Contacttheorie  zwar  mit  einer  formalen  „Erklärung"  stets  bei  der 
ld  ist,  jedesmal  aber  auch  auf  die  vertiefte  Betrachtung  der  Erscheinung 
h  der  causalen  Seite  verzichtet. 

Gegen  den  Standpunkt  von  Pfaff  macht  sich  ein  Fortschritt  bei  Poggen- 
ff  geltend,  indem  dieser  doch  zu  modern  denkt,  um  sich  zu  der  Annahme 
zr  unerschöpflichen  Ursache,  eines  Perpetuum  mobile  zu  entschliessen. 
enn  Volta  und  seine  Vertheidiger  vom  Contact  in  diesem  Sinne  sprechen, 
kann  es  ihnen  wohl  niemals  eingefallen  sein,  den  Contact  an  sich  dabei 
inen  zu  wollen,  sondern  eine  in  oder  bei  dem  Contact  auftretende  Kraft; 
l  dass  es  solche  Kräfte  giebt,  die  bis  jetzt  noch  nicht  mit  Sicherheit  auf 
chemischen  Verwandtschaften  zurückgeführt  werden  können,  sehen  wir 
eben  an  der  Capillarkraft,  einer  Kraft,  die  an  Mächtigkeit  keineswegs  der 
yanischen  nachsteht."  Hier  hätte  nur  Poggendorff  die  Analogie  noch 
wenig  weiter  fuhren  müssen:  ebensowenig,  wie  die  Capillarität  ununter- 
chen  einen  Strom  von  Wasser  in  Bewegung  zu  setzen  vermag,  würde 
e  ihr  analoge  Contactkraft  einen  elektrischen  Strom  zu  Stande  bringen 
inen. 

Poggendorff  schliesst  hier  mit  den  bekannten  Worten:  dass  die  Contact- 
orie  nicht  widerlegt  und  die  chemische  Theorie  nicht  erwiesen  ist.  „Allen 
herigen  Beweisen  für  die  letztere  Theorie  gehen  Maass  und  Zahl,  die 
hren  Grundlagen  der  exacten  Naturforschung,  ab,  und  so  lange  sie  fehlen, 
lange  andererseits  nicht  die  chemischen  Verwandschaftskräfte  auf  dieselben 
undlagen  zurückgeführt  sind,  so  lange  dürfen  auch  die  letzteren  nicht  un- 
lingt  als  Ursache  des  Galvanismus  angesehen  werden." 

Mit  den  letzten  Worten  hat  Poggendorff  den  entscheidenden  Punkt  be- 
chnet,  in  welchem  es  der  chemischen  Theorie  noch  fehlte.  Es  hat  aller- 
igs  noch  fast  ein  halbes  Jahrhundert  gedauert,  bis  diese  Forderung  hat 
ullt  und  die  chemische  Theorie  des  Galvanismus  auf  eine  feste  Grundlage 
stellt  werden  können. 

In  einer  Abhandlung  über  die  „Sauer-Wasserstoffsäule"  versuchte  auch 

hönbein1  sich   von  dem  Standpunkte  seiner  chemischen  Theorie  mit  den 

scheinungen  auseinanderzusetzen.     Die    grosse  Schwierigkeit,    welche  das 

.»rständniss  auch  den  Anhängern  der  chemischen  Theorie  bot,  kann  nicht 

sser  veranschaulicht  werden,  als  durch  den  Umstand,  dass  dieser  Forscher, 

i  dem    wir   so    manche   aufklärende  Bemerkung  über  eben   diese  Fragen 

tben  rühmen  können,  das  Richtige  weit  verfehlte.    Indem  Schönbein  ebenso 

ie  Grove  die  katalytischen  Eigenschaften  des  Platins  als  wesentlich  für  das 

jstandekommen  des  Stromes  ansah,  glaubte  er  die  erforderliche  chemische 

Wirkung    in    der  Bildung    eines  Wasserstoffsuboxydes    aus  Wasserstoff  und 

asser    sehen    zu   müssen.     Gegen  die  Ansicht  von  Grove,    dass  die  Ver- 

indung  der  beiden  Gase  den  Strom  bedinge,   macht  er  ungefähr  dieselben 

inwände  geltend,  welche  wir  eben  von  Poggendorff  gehört  haben,  und  wir 


1  Pogg.  Ann.  68,  361.  1843. 

Ostwald,   Elektrochemie.  44 


6go 


Vierzehntes  Kapitel. 


haben  das  wunderliche  Schauspiel,  Freund  und  Gegner  der  themisc 
Theorie  einträchtig  gegen  eine  Auffassung  des  Vorganges  kämpfen  zu  sei 
welche  gerade  den  Blick  fast  gewaltsam  auf  die  wesentliche  Bedingung 
Stromerzeugung  durch   chemische  Wirkung,  die  Trennung  der  Reaktiot 


Nach  Grove. 


Fig. 


zwei  räumlich  verschiedene  Phasen,  hinlenkt.  Wie  weit  damals  Schösbdm  « 
dieser  Erkenntniss  entfernt  gewesen  ist,  der  er  sich  zu  anderen  Zeiten  wie 
ziemlich  genähert  hatte  (S.  684),  geht  aus  einem  Versuche  hervor,  weichet 
Beweis  dafür  dienen  soll,  dass  die  Verbindung  von  Sauerstoff  und  Wassers 
nicht  die  Ursache  des  Stromes  ist  Schöm 
brachte  in  die  Röhre,  welche  den  Wasser 
enthielt,  mit  Sauerstoff  gesättigtes  Wasser, 
dass  dieser  Sauerstoff  sich  unmittelbar  mit! 
Wasserstoff  unter  dem  Einflüsse  des  PU 
verbinden4konnte:  eine  Verstärkung  des  S 
mes  fand  dadurch  nicht  statt  Die  Beotx 
tung  ist  ganz  richtig,  sie  entspricht  der  sc 
vielfach  betonten  Thatsache,  dass  die  un 
telbaren  chemischen  Reaktionen  übern; 
nichts  zur  Strombildung  beitragen. 

46.  Weiteres  über  die  Gask« 
Die  ausführlichsten  Mittheilungen  über  s 
Gasbatterie  machte  Grove  in  einer  lai 
Abhandlung,  welche  im  Jahre  1843  ersch 
Aus  dieser  seien  zunächst  die  Formen  (Fig, 
bis  185;  wiedergegeben,  die  er  seinem  Apparat  ertheilt  hat,  und  die  1 
weitere  Beschreibung  verständlich   sein  werden;    die  gestrichelten  Linie 


Fiß.   183.     Nach  Gr« 


1  Philoi.  Trans.   1843;  —  Hiilos.  Mag.  24,  186    1844. 


Die  Entwickelang  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes. 


691 


183  stellen  den  Finger  dar,  mit  dem  man  die  Röhre  zum  Zwecke  des 
ausnehmen»  versclili essen  kann.  Als  die  beste  Form  empfiehlt  er  Fig.  182, 
denn  auch  die  typische  Gestalt  geworden  ist,  in  welcher  die  Gaskette 
ien  physikalischen  Instituten  sich  verbreitet  hat. 


Die  beschriebenen  Versuche  entsprechen  zum  Theil  denen,  welche  schon 

ier  geschildert  worden  sind;   an   neuen  sind  die  folgenden  zu  erwähnen: 
Eine   gewöhnliche  Sauerstoff-Wasserstoffkette  wurde   mit  einer  zweiten 

bunden,  welche  auf  der  einen  Seite  Wasserstoff,  auf  der  anderen  gar  kein 

i  enthielt.  Wenn  die  Was- 

rtoffseite  der  zweiten  Kette 

:   der    Sauerstoffseite    der 

ten  verbunden   wurde,   so 

wickelte    sich   Wasserstoff 

der  Röhre,  welche  vorher 

11  Gas  enthielt,  und  in  der 

leren    verschwand    es;    so 

äs  durch  die  Wirkung  der 

ien   Gaskette   der  Wasser- 

pff  aus  der  einen  Röhre  in 

:  andere  übertragen  wurde. 

e  Erklärung  findet  Grove 

nlich    der    der   Wasserzer- 

zung  durch   ein   einzelnes 

ir,    wenn    eine   Elektrode 

ii  mit  dem  Sauerstoff  verbinden  kann.    „Kurz,  obwohl  vier  Paare  erforder- 

1  sind,  um  Wasser  zu  zersetzen,  wenn  Platinelektroden  angewendet  werden, 

war  doch,  da  Platin  in  einer  Wasserstoffatmosphäre  sich  wie  ein  oxydir- 

es  Metall   verhält,    mit   dieser  Hülfe  ein  einziges  Paar  dazu  im   Stande, 


Fig.   185.     Nach  Grove. 


6q2  Vierzehntes  Kapitel. 

gerade  wie  ein  Paar  aus  einer  gewöhnlichen  Batterie  mit  einer  Anode  aus  j 
Kupfer  Wasser  zersetzen  wird." 

Im  Anschluss  an  seine  Kette  mit  Salpetersäure  (S.  611)  versuchte  Grove 
auch  eine  solche,  deren  eine  Elektrode  Platin  in  Wasserstoff,  deren  andere 
Platin  in  Salpetersäure  war:  die  Wirkungen  waren  recht  starke,  und  vid 
deutlicher,  als  bei  einer  gewöhnlichen  Gaskette.  Ebenso  Hess  sich  eine  wirk- 
same Kette  aus  Sauerstoff  und  reducirenden  Mitteln,  wie  Eisenvitriol,  bauen, 
doch  waren  die  Ketten  mit  gasförmigem  Sauerstoff  viel  schwächer,  als  wenn 
Wasserstoff  genommen  wurde.  Grove  schreibt  dies  dem  Umstände  zu,  dass 
es  fast  unmöglich  ist,  aus  den  Versuchsflüssigkeiten  den  Sauerstoff  auszu- 
schliessen,  und  beweist  bei  dieser  Gelegenheit,  dass  entgegen  der  Annahme 
von  Schönbein  ohne  Sauerstoff  die  Kette  nicht  wirkt.  Zwar  erhält  man 
auch  mit  Wrasserstoff  auf  der  einen  Seite  allein  Wirkungen,  aber  diese  rühren 
von  dem  in  den  Lösungen  vorhandenen  Sauerstoff  her,  und  verschwinden 
schnell,  wenn  man  durch  Schliessen  des  Stromes  diesen  Antheil  verbraucht 
Ebenso  hört  alle  Wirkung  auf,  wenn  man  den  Sauerstoff  durch  chemische 
Mittel,  wie  Phosphor,  entfernt,  so  dass  auch  die  Erklärung  des  ersten  Ver- 
suches durch  „Polarisation"  nicht  haltbar  ist. 

Sauerstoff  mit  Stickstoffoxydul  und  -oxyd  war  völlig  unwirksam;  mit 
Äthylen  fand  eine  schwache,  aber  deutliche  Wirkung  statt,  mit  Kohlenoxyd 
eine  erhebliche;  auch  konnte  Grove  die  Bildung  von  Kohlensäure  nachweisen. 
Mit  Chlor  gab  Sauerstoff  anfangs  starke  Wirkungen,  die  aber  bald  verschwan- 
den und  unregelmässig  waren. 

Wasserstoff  gab  Wirkungen  mit  allen  Gasen;  da  aber  die  Gegenwart  von 
Sauerstoff  nicht  auszuschliessen  war,  so  haben  diese  Ergebnisse  keine  Be- 
deutung. Nur  die  Wirkung  mit  Chlor  war  unzweifelhaft;  sie  ist  grösser,  als 
mit  Sauerstoff.     Ebenso  gab  Chlor  und  Kohlenoxyd  eine  starke  Kette. 

Ausser  einigen  weiteren  Versuchen  von  geringerem  Interesse  beschreibt 
Grove  in   einer  Nachschrift  einen,    der  ihn   mit  besonderem  Erstaunen  er- 
füllte.    In  der  Batterie  Fig.  185   hatte   er   einerseits  Stickstoff,   andererseits 
Wasserstoff  in  der  Hoffnung,  dass  Ammoniak  entstehen  möchte.     An  Stelle 
einer  Verminderung  der  Gasvolume   nach  dem  Schluss  der  Kette  trat  aber 
in  der  Stickstoffröhre  eine  Vermehrung  ein,  und  es  erwies  sich,  dass  diese 
Vermehrung  durch  Wasserstoff  hervorgebracht  war,  welcher  von  der  einen 
Seite  auf  die  andere  hinübergewandert  war.    An  Stelle  des  Stickstoffs  konnte 
auch    Kohlensäure   benutzt   werden.     Der   Versuch    gelang   nur,   wenn  der 
Wasserstoff  und  die  Elektroden  sehr  rein  waren.     „Über  die  Theorie  dieser 
Versuche  will  ich  keine  bestimmte  Meinung  wagen.    Dass  gasförmiger  Wasser» 
stoff  Sauerstoff  dem  Wasserstoff  (im  Wasser)  sollte  entreissen  können,  ohne 
dass  der  letztere  eine  andere  Verbindung  bildet,  ist  eine  so  neue  Thatsache, 
dass  jeder  Versuch  einer  Erklärung  verfrüht  erscheint.    Wenn  wir,  entgegen 
den  Ansichten  Dalton's,  annehmen,  dass  gemischte  Gase  mit  einer  schwache! 
Verwandtschaft  zusammengehalten  werden,   so  können  wir  sagen,    dass  dk 
Verwandtschaft  des  Wasserstoffs   zum  Stickstoff  oder  der  Kohlensäure  dk 


Die  Entwicklung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.        ÖQ% 

kung  hervorbringt,  .  .  .  aber  warum  bringt  dann  Sauerstoff  nicht  die 
"he  Wirkung  hervor?  . . .  Andererseits  kann  es  eine  Contactwirkung  genannt 
den;  doch  giebt  die  ohne  Zusammenhang  mit  der  chemischen  Theorie 
t  Geiste  keine  andere  Vorstellung,  als  die  Thatsache  selbst,  und  gewährt 
en  Anknüpfungspunkt,  um  die  Erscheinung  mit  anderen  zu  verbinden." 
Was  die  wirkliche  Erklärung  dieses  schönen  Versuches  anlangt,  so  lässt 
sich  an  dieser  Stelle  nur  andeuten.  Die  elektromotorische  Stellung  des 
>serstoffs  ist  eine  Function  seines  Druckes,  und  die  elektromotorische 
ft  ist  immer  so  gerichtet,  dass  der  Wasserstoff  an  den  Stellen  des  niederen 
ckes  entwickelt,  an  den  Stellen  höheren  Druckes  verbraucht  wird.  Der 
>m  wirkt  mit  anderen  Worten  so,  dass  die  ursprünglichen  Druckunter- 
ede sich  ausgleichen.  Dies  ist  als  eine  ganz  allgemeine  Thatsache  auf- 
ssen;  die  elektromotorischen  Kräfte  aller  VoLTA'schen  Ketten  wirken  in 
1  Sinne,  dass  eine  stabilere  Anordnung  angestrebt  wird,  als  die  vorhan- 
e.  Somit  muss  in  diesen  Versuchen  der  Wasserstoff  sich  nach  der 
Jensäure  oder  dem  Stickstoff  hinüberbegeben,  da  dort  sein  Partialdruck 
l  ist.  Da  die  entsprechende  elektromotorische  Kraft,  nachdem  die  ersten 
heile  des  Gases  übergegangen  sind,  sehr  schwach  ist,  so  erklärt  sich  auch, 
5  nur  reine  Materialien,  in  welchen  keine  fremde  elektromotorische  Kraft 
i  geltend  macht,  die  Wirkung  zeigen. 

Ist  die  Erklärung  richtig,  so  muss  sie  auch  für  Sauerstoff  gelten,  für 
chen  Grove  nichts  ähnliches  beobachtet  hat.  Dies  hängt  aber  wohl 
lit  zusammen,  dass  die  Absorption  des  Wasserstoffs  durch  Platin  un- 
^leichlich  viel  reichlicher  erfolgt,  als  die  des  Sauerstoffs,  so  dass  mit  letz- 
i.m  die  Wirkung  zu  langsam  wird,  als  dass  man  sie  beobachten  könnte, 
1  dass  zweitens  auch  das  zweite,  indifferente  Gas  meist  schon  sauerstoff- 
tig  sein  wird. 

An  die  Auseinandersetzung  seiner  Versuche  schliesst  Grove  seine  Be- 
ttungen, welche  von  allgemeinerem  Interesse  sind  und  Beachtung  ver- 
nen.    Es  ist  zu  erinnern,  dass  sie  im  Jahre  1843  geschrieben  sind,  wo  in 

gland  eben  die  Versuche  von  Joule  den  Begriff  des  mechanischen  Wärme- 

jivalents  experimentell  erläuterten. 
Nach   einer  Darlegung  von  GROTTHUss'schen  Ansichten,    welche  er  als 

jchaulich,  wenn  auch  wahrscheinlich  nicht  die  Thatsachen  vollständig  dar- 

liend,  bezeichnet,  fährt  er  fort: 
„Eine  Anzahl  von  Hypothesen  kann  zur  Erklärung  dieser  und  anderer 

Tkwürdigen  Erscheinungen  vorgeschlagen  werden,   und  ist  vorgeschlagen 

•rden;    sie  stimmen  alle  darin   überein,    dass  sie  das  uns  Ungeläufige  auf 

5  zurückführen,  was  uns  geläufig  ist.     Als  didaktische  Erläuterungen  sind 
unzweifelhaft  nützlich,    und  in   diesem  Sinne  haben  sie  auch   bisher  zu 

n  Fortschritt  der  Wissenschaft  beigetragen.    Es  ist  indessen  ein  seltsamer 

istand,  der  einiger  Betrachtung  werth  ist,  dass  die  VoLTA'sche  Hypothese, 
von   Grotthuss,  die  Emissions-   und  Undulationshypothese   des  Lichtes, 

1  soweit  ich  sehen  kann,  alle  bisher  vorgeschlagenen  physikalischen  Hypo- 


(5g4  Vierzehntes  Kapitel. 


thesen    die    natürlichen    Vorgänge   als   Wirkungen    von    Materie    und  Be- 
wegung  darstellen.      Diese   beiden   scheinen    die   ausgezeichnetsten,    wenn 
nicht  die  einzigen  Vorstellungen  des  Geistes  bezüglich  der  Naturerscheinungen 
zu  sein,    und  wenn  wir  versuchen,    Zustände  der  Materie  zu   erklären  oder 
zu  verstehen,  welche  nicht  offenbare  Bewegungen  sind,  so  reduciren  wir  sie 
theoretisch  oder  hypothetisch  auf  solche:    die  Sinne    empfinden   die  ver- 
schiedenen Wirkungen  von  Schall,  Licht,  Wärme,  Elektricität  u.  s.  w.,  der 
Geist  scheint  aber  nur  fähig  zu  sein,  sie  bloss  als  Arten  der  Bewegung  zu 
begreifen.     Ist   dies   nicht    ein    Argument    dafür,    dass    alle    physikalischen 
Wirkungen    auf  diese  Begriffselemente   zurückzuführen  sind?     Oder  müssen 
wir  nach   neuen  Kräften  des  Geistes  ausschauen,    oder   wird,    mit   anderen 
Worten,  eine  grössere  Vertrautheit  mit  anderen,  jetzt  fern  liegenden  Erschei- 
nungen den  Geist  befähigen,  sie  klarer  zu  verstehen,  und  so  die  Notwendig- 
keit aufheben,  sie  theoretisch   auf  bekanntere,  uns  einfacher  vorkommende 
Erscheinungen  zurückzuführen?     Die  Fortsetzung  dieser  interessanten  Unter- 
suchung würde  mich  in  eine  Discussion  führen,  welche  dem  Zwecke  meiner 
Abhandlung,    und    dem   allgemeinen  Charakter    der  Beiträge   an   die  Royal 
Society    fremd    ist;    doch   ergiebt    sich    die  Frage    so    unmittelbar  aus  dem 
Gegenstande  und  ist  so   nöthig,    um   meine  eigenen  Ansichten  zu  erklären, 
dass  ich  diese  kurze  Darlegung  für  hinreichend  hergehörig  halten  zu  dürfen 
glaube.     Sie  berührt  die  interessante,  kaum  definirbare  Grenze,  an  welcher 
Physik  und  Metaphysik  sich  berühren. 

„Es  sind  einige  theoretische  Punkte  vorhanden,  an  welchen  meine  Gas- 
batterie  Veranlassung  zu  interessanten  Betrachtungen  giebt;  einer  derselben 
ist  die  Contacttheorie.  Wenn  meine  Kenntniss  dieser  Theorie  richtig  ist, 
so  ist  mir  unerfindlich,  wie  die  Wirkung  meiner  Batterie  damit  in  Einklang 
gebracht  werden  kann.  Denn  sieht  in  der  That  die  Contacttheorie  die  Be- 
rührung als  die  wirksame  Ursache  der  VoLTA'schen  Wirkung  an,  fügt  aber 
zu,  dass  diese  nur  durch  chemische  Wirkung  in  Umlauf  gesetzt  werden 
kann,  so  sehe  ich  wenig  Unterschied  ausser  in  dem  blossen  hypothetischen 
Ausdruck  zwischen  beiden  Theorieen;  jeder  Schluss,  welcher  aus  der  einen 
zu  ziehen  ist,  würde  sich  auch  aus  der  anderen  ergeben;  es  ist  keine  Zeit- 
folge in  den  Erscheinungen  vorhanden,  denn  die  Berührung  oder  Schliessung 
des  Stromkreises  und  die  elektrolytische  Wirkung  erfolgen  gleichzeitig,  bt 
dies  die  Ansicht  der  Contacttheorie,  so  ist  der  Streit  der  beiden  Theorieen 
einer  um  Worte.  Wenn  aber  die  Contacttheorie  mit  dem  Ausdruck  Be-  - 
rührung  irgend  eine  Vorstellung  von  Kraft  verbindet,  welche  einen  Volta1- 
sehen  Strom  unabhängig  von  der  chemischen  Wirkung  hervorbringt  odtf  J: 
hervorbringen  kann,  eine  Kraft  ohne  Verbrauch,  so  kann  ich  sie  nur  ab 
unvereinbar  mit  der  Gesammtheit  der  VoLTA'schen  Thatsachen  und  der  all- 
gemeinen Erfahrung  betrachten. 

„Ein  anderer  Punkt,  welchen  die  Gasbatterie  nähe  legt,  ist  die  Bfr 
ziehung  zwischen  der  latenten  Wärme  in  den  verschiedenen  Zellen  der  Bat- 
terie und  dem  Voltameter.     Gemäss  der  üblichen  Theorie  vom  Wännestoff 


Die  Entwicklung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       Qgt 


inen   Sauerstoff  und   Wasserstoff  die   Gasgestalt   nicht   annehmen,   ohne 
lbare  Wärme  latent  zu  machen.     Da  nun  in  der  Gasbatterie  die  aus  der 
Itameterflüssigkeit  entwickelten  Gase  genau  so  viel  Wärme  erfordern  und 
Anspruch  nehmen  müssen,   als    in  jeder  Zelle  durch  das  Flüssigwerden 
Gase  frei  gemacht  wird,   so  wird  es  ein  bemerkenswerther  Gegenstand 
1,  .  .  .  festzustellen,    ob  die  in  dem  Voltameter  verbrauchte  Wärme  den 
gebenden  Körpern  entzogen  wird,    oder   ob  sie  durch   die  Wirkung  der 
Serie  selbst  geliefert   wird,    d.  h.  da  die  chemische  Kraft  in  dem  Volta- 
tfer  umgekehrt  gleich  ist  der  chemischen  Kraft  in  jeder  Batteriezelle,  und 
Wärmekraft   im  Voltameter   ebenfalls    umgekehrt   äquivalent   ist    der   in 
er  Batteriezelle,  ob  dann  die  gleiche  gegenseitige  Abhängigkeit  der  letz- 
en, wie  der  ersteren  Kräfte  vorhanden  ist?     Die  Wirkung  im  Voltameter 
er  gewöhnlichen  Batterie  würde  sehr  dagegen  sprechen,  dass  die  Wärme 
r  Umgebung  entzogen  wird,  da  es  bekannt  ist,  dass  das  Wasser  bei  der 
iktrolyse  seine  Temperatur  eher  erhöht,  als  erniedrigt.  .  .  .  Ein  Theil  dieser 
älligen  Wärme  mag  von  dem  Widerstände  gegen  den  Strom  herrühren, 
:lchen  die  Platten  und  Drähte  des  Voltameters  ausüben;   wird  aber  ange- 
mmen,    dass   die  Gasbatterie  genau   die  genügende  Wärme   liefert,   oder 
enn  der  Ausdruck  erlaubt  ist)  dass  die  Elektricität  in  genügend  viel  Wärme 
rwandelt  wird,   um  den  Bedürfnissen  der  sich  ausdehnenden  Gase  zu  ge- 
gen,  so  müsste,  da  jede  Zelle  durch  die  (Kondensation  ihrer  Gase  diesen 
.darf  gerade  decken  kann,  eine  Temperaturerhöhung  in  der  ganzen  Bat- 
rie  merkbar  sein,  die  der  Wärme  gleich  ist,  welche  durch  die  Verdichtung 
t  Gase  in  allen  Zellen  hervorgebracht  wird,  minus  der  Wärme  einer  Zelle." 
Diese  Überlegungen,    welche    um   jene  Zeit   so    fremdartig    erschienen, 
iss  Grove  wegen  der  entsprechenden  Ausdrücke  um  Entschuldigung  bittet, 
id    uns   heute    ganz   geläufig   als    unmittelbare    Folgerungen   des   Gesetzes 
>n  der  Erhaltung  der  Energie.     Es  verdient  hier  bemerkt  zu  werden,  dass 
ch  Grove  sehr  bald  zu   der  allgemeinen  Auffassung  der  Energie  um  wand- 
ngen    durchgearbeitet   hat,    und    sein  Buch   über  die  Wechselwirkung  der 
aturkräfte,  welches  1847  erschien,1  und  welches  ungefähr  denselben  Zweck 
erfolgt,  wie  das  gleichzeitige  Werk  von  Helmholtz  (siehe  nächstes  Kapitel), 
enn    auch    in    weniger   strenger  Weise,    giebt  Zeugniss   von    dem   Erfolge 
ieser  geistigen  Arbeit. 

Auch  soll  «die  Aufmerksamkeit  noch  besonders  auf  die  S.  693  gegebenen 
Darlegungen  gewendet  werden.  Das  ersterwähnte  Verfahren,  die  Naturerschei- 
ung  als  mechanische  darzustellen,  hat  um  jene  Zeit  die  Wissenschaft  vollkommen 
eherrscht,  und  gilt  auch  noch  heute  meist  als  ein  unbezweifelbares  Postulat 
>em  gegenüber  macht  es  sich  eben  jetzt  geltend,  dass  auf  diese  Weise  eine 
ngemessene  Darstellung  der  Wirklichkeit  sich  nicht  erreichen  lässt,  und  eben 
eginnt  die  Wissenschaft  den  anderen  Weg  zu  gehen,  nämlich  durch  die 
Ausbildung  angemessener  neuer  Begriffe   und   eine  entsprechende  Schulung 

1  On  the  correlation  of  physical  forces,  London   1847. 


6ö6  Vierzehntes  Kapitel. 


des  Vorstellungsvermögens  die  Zusammenfassung  der  Erscheinungen  anzu- 
streben, welche  die  mechanistische  Anschauungsweise  nicht  hat  ergeben 
wollen.  Das  neue  Begriffsgebiet,  um  dessen  Ausbildung  es  sich  handelt,  ist 
das  der  Energie,  und  die  mechanische  Weltanschauung  sieht  in  unseren 
Tagen  ihrer  Ablösung  durch  die  energetische  entgegen. 

An  die  Erörterung  der  Polarisationserscheinungen  schliessen  sich  zeitlich 
wie  inhaltlich  die  Untersuchungen  über  den  passiven  Zusand  des  Eisens. 

47.  Passives  Eisen.  Während  dies  Metall  in  seinen  galvanischen  Ver- 
hältnissen sich  im  Allgemeinen  zwischen  Zink  und  Blei  stellt,  kann  es  unter 
Umständen  Eigenschaften  annehmen,  welche  es  als  ein  edles  Metall,  etwa  von 
dem  galvanischen  Verhalten  des  Platins,  erscheinen  lassen.  Dieser  auffällige 
Wechsel  hat  zu  einer  sehr  grossen  Anzahl  von  Untersuchungen  Anlass  ge- 
geben, welche  zu  dem  Ergebniss  geführt  haben,  dass  das  so  veränderte 
Eisen  sehr  wahrscheinlich  mit  einer  Schicht  eines  metallisch  leitenden  Oxyds 
vom  galvanischen  Charakter  des  Manganhyperoxyds  überzogen  ist,  welche 
ihm  die  fragliche  Stellung  verleiht;  doch  sind  gegen  diese  Auffassung  auch 
mannigfaltige  Widersprüche  geltend  gemacht  worden. 

Wiewohl  an  die  Kenntniss  dieser  Thatsache  sich  bisher  noch  keine 
wichtige  wissenschaftliche  Entwickelung  geknüpft  hat,  so  können  wir  doch 
nicht  umhin,  uns  mit  den  wesentlichsten  Erscheinungen  auf  diesem  soviel  ] 
durchforschten  Gebiete  bekannt  zu  machen;  einerseits  wegen  des  breiten 
Platzes,  welchen  sie  in  der  Mitte  der  dreissiger  Jahre  in  der  wissenschaft- 
lichen Litteratur  einnehmen,  andererseits,  weil  in  der  That  noch  keineswegs 
alle  Fragen,  die  sich  hier  erheben,  bisher  befriedigend  beantwortet  worden 
sind,  und  somit  der  kommenden  Forschung  noch  manches  zu  enthüllen 
übrig  bleibt. 

Die  ersten  Beobachtungen,  welche  sich  hier  anfuhren  lassen,  sind  im 
Jahre  1790  gemacht  worden;  sie  sind  somit  ungefähr  ebenso  alt,  wie  <fc 
Kenntniss  der  galvanischen  Erscheinungen.  Der  Beobachter  ist  James  Keb, 
und  die  Arbeit  steht  im  80.  Bande  der  Philosophical  Transactions,  I7<ft 
S.  359.  Die  ganz  in  Vergessenheit  gerathene  Abhandlung  ist  von  Fechsb 
aufgefunden  und  dann  durch  Schweigger  in  seinem  Journal  wieder  veröffent- 
licht worden.1 

Die  Haupterscheinung,  um  welche  sich  die  Versuche  Keir's  bewegen» 
schildert  er  folgendermaassen:  „Ich  digerirte  ein  Stück  fein  Silber  in  reiner  1 
farbloser  Salpetersäure,  und  während  der  Auflösung,  noch  ehe  die  Sättigung 
vollendet  war,  goss  ich  einen  Theil  der  Flüssigkeit  in  ein  Weinglas  auf  reint 
und  frisch  geschabte  Stücke  von  Eisendraht,  und  bemerkte  einen  plötzlicher 
und  reichlichen  Niederschlag  von  Silber.  Der  Niederschlag  war  anfangt 
schwarz,  nahm  aber  dann  die  Gestalt  des  Silbers  an,  und  war  fünf  bis  sechs 
Mal  grösser  im  Durchmesser,  als  das  Stückchen  Eisendraht,  den  er  umgah. 
Die  Wirkung  der  Säure  auf  das  Eisen  hielt  eine  Weile  an,  worauf  sie  arf* 


1  Schweigger's  Journ.  f.  Chemie  und  Physik  58,   151,   1826. 


ie  Entwicklung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       6Q7 


i;  das  Silber  löste  sich  wieder  auf,  die  Flüssigkeit  wurde  klar,  und  das 
i  lag  ruhig  und  glänzend  in  der  Flüssigkeit  am  Boden*  des  Gefässes,  wo 
lehrere  Wochen  lang  blieb,  ohne  dass  es  die  mindeste  Veränderung 
,  oder  einen  Niederschlag  des  Silbers  bewirkte. 

„Als  die  Silberauflösung  vollkommen  gesättigt  war,  wurde  sie,  wie  schon 
mann  bemerkt  hat,  vom  Eisen  nicht  verändert." 

Keir  fand  nun  weiter,  dass  die  schützende  Wirkung  der  Silberlösung 
auch  auf  beigemischte  Salpetersäure  bis  zu  einem  bestimmten  Concen- 
>nsgrade  erstreckt,  und  dass  die  Anwesenheit  von  „phlogistisirter"  Sal- 
rsäure  (salpetriger  Säure)  die  Schutzwirkung  vermindert  und  die  Angreif- 
eit  erhöht. 

Ferner  ergab  sich,  dass  es  sich  nicht  um  eine  Veränderung  der  Lösung, 

ern  um  eine  des  Eisens  handelt,  denn  die  Lösung,  welche  nicht  mehr 

das  darin  liegende  Eisen  wirkte,  war  gegen  frisches  wirksam,  während 

Eisen,    welches  von  der  Lösung  nicht  mehr  verändert  wurde,    auch  in 

her  Lösung    unverändert   blieb.     Die  Veränderung  des  Eisens  war  eine 

flächliche,  denn  wenn  das  ruhige  Eisen  unter  der  Lösung  gekratzt  wurde, 

änd    wieder  die  Reaktion  statt.     Wurde  in  die  Lösung,   unter  welcher 

Eisen  ruhig  lag,   ein  frisches  Stück  Eisen  gebracht,   so  fand  nicht  nur 

liesem  eine  Fällung  statt,  sondern  auch  das  ruhig  gewesene  Eisen  wirkte 

ler  auf  die  Lösung.    Keir  hat  sich  bei  der  weiteren  Untersuchung  dieser 

rheinung  allerdings  einen  Irrthum  zu  Schulden  kommen  lassen,  denn  er 

»t  an,    dass  die  blosse  Berührung  der  Lösung  mit  frischem  Eisen  auch 

ruhige  zur  Reaktion  bringt;   thatsächlich  ist  dazu   nicht  eine  Berührung 

Lösung,    sondern    des   veränderten    Eisens    mit    frischem    Eisen    er- 

erlich. 

Ebenso  wie  die  Silberlösung  fand  Keir  concentrirte  reine  Salpetersäure 
csam;  das  damit  behandelte  Eisen  fällte  die  Silberlösung  nicht. 

„Die  Veränderung,  welche  auf  solche  Weise  in  dem  Eisen  hervorge- 
ht wird,  ist  bloss  in  der  Oberfläche;  das  schwächste  Reiben  bringt  frisches 
sn  hervor,  und  macht  es  dadurch  zur  Einwirkung  der  Säure  fähig. 

„Aus  dieser  Ursache  können  die  veränderten  Eisenstücke,  ohne  ihre 
andere  Eigenschaft  zu  verlieren,  nur  mit  besonderer  Mühe  getrocknet 
den;  ich  brachte  sie  deshalb  aus  der  Silberlösung  oder  der  concentrirten 
^etersäure  unmittelbar  in  die  andere  Flüssigkeit,  die  ich  zu  untersuchen 
ischte;  doch  kann  man  sie  auch  vorher  in  ein  Glas  mit  Wasser  thun, 
sie  in  die  zu  prüfende  Flüssigkeit  gelegt  werden;  man  muss  aber  be- 
ken,  dass  sie  ihre  besondere  Eigenschaft  verlieren,  wenn  sie  sehr  lange 
VTasser  bleiben;  allein  in  Salmiakgeist  können  sie  unverändert  aufbewahrt 
Jen." 

Die  veränderten  Eisenstücke  verlieren  auch  die  Fähigkeit,  Kupferlösungen 
allen.     Die  Nitrate  von  Biet   und  Quecksilber  vermögen  gleichfalls  das 
n  in  gleicher  Art  zu  verändern. 
48.    Untersuchungen   von    Wetzlar.     Am    Schlüsse   seiner  Arbeit 


698  Vierzehntes  Kapitel. 


verspricht  Keir  in  einer  späteren  Abhandlung  seine  Meinung  über  die  Uf» 
sache  dieser  ungewöhnlichen  Erscheinungen  zu  sagen,   jedoch  hat  er  am 
Versprechen   nicht  gehalten,   und  die  Beobachtungen  geriethen  gänzlich  a  i 
Vergessenheit.     Erst  im  Jahre   1827  wurden  sie  durch  Dr.  Gustav  Wetzlo, 
praktischen    Arzt   in    Hanau,1    wieder    in    etwas    anderer    Gestalt   bemerkt 
„Bringt  man  auf  die  Oberfläche  eines  blanken  Eisenstäbchens  einige  Reihet  , 
einzelner   Tropfen    einer    massig    concentrirten    Lösung    des    Salpetersäuren 
Kupferoxyds,  so  wird  man  mit  Erstaunen  wahrnehmen,  dass  das  Verhahea 
der  einzelnen  Tropfen  ein  durchaus  verschiedenes  ist.    Einige  zersetzen  sich, 
sowie  sie  das  Eisen  berühren,  und  überkupfern   es;    andere  erst  nach  einer  j 
oder  mehreren   Minuten;   andere  nach  einer  oder  etlichen   Stunden;   einige* 
wenige  sind  noch  nach  vielen  Tagen  unzersetzt. 

„Bringt  man  auf  mehrere  Stäbchen  zugleich  Tropfen,  so  findet  man, , 
dass,  während  z.  B.  auf  einem  fast  alle  Tropfen  innerhalb  einer  Stunde  zer-  . 
setzt  werden,  auf  einem  anderen  die  meisten  sehr  lange  unverändert  bleiben.... 

„Vereinigt  man  mehrere  nahe  bei  einander  stehende  unzerseUte* 
Tropfen  zu  einem  einzigen  grösseren,  so  bleibt  auch  dieser  unverändert; 
zieht  man  aber  nun  mit  einem  Glasstäbchen  eine  Linie  von  ihm  hin  a 
einer  in  der  Nähe  befindlichen,  sich  überkupfernden  Stelle,  so  verbreitet 
sich  augenblicklich  die  Reduction  von  dieser  über  die  ganze,  von  den  ver- 
einigten  Tropfen  bedeckte  Eisenfläche.  Offenbar  dient  letztere  aber  nur 
als  negativer  Pol  zur  Anlagerung  des  gefällten  Kupfers,  dessen  Fällung, 
nebst  Auflösung  des  Eisens,  fortwährend  von  jener  communicirenden  posn 
tiven  Stelle  ausgeht." 

Wie  man  sieht,  handelt  es  sich  um  ganz  ähnliche  Erscheinungen,  wie 
jene  von  Keir  beschriebenen;  ein  Fortschritt  macht  sich  hier  aber  dahk 
geltend,  als  Wetzlar  auf  die  elektrochemischen  Beziehungen  hinweist,  auf 
welche  Keir  seinerzeit  natürlich  nicht  hat  aufmerksam  werden  können. 

Eine  weingeistige  Lösung  von  Kupfernitrat  wird  durch  Eisen  gar  nicht 
gefällt,  während  eine  gleiche  Lösung  von  Kupferchlorid  augenblicklich  zer» 
setzt  wird.     Ein  Zusatz  von  Silbernitrat  zum  Kupfernitrat  hebt  die  Fällbar- : 
keit  gleichfalls  auf. 

Im  weiteren  Verlauf  seiner  Abhandlung2  kommt  Wetzlar  mehrfach  auf 
den  elektrochemischen  Gegensatz,  welcher  hier  entsteht,  zurück,  und  giett 
einige  Beweise  für  ihn.  So  findet  er,  dass  ein  unthätig  gewordenes  Stück ^ 
Eisen  durch  Berührung  mit  einem  thätigen,  sowie  durch  jedes  positive  Metil 
wieder  in  den  thätigen  Zustand  zurückgebracht  werden  kann.  „Berührte 
ich  ein  in  einer  Kupfervitriollösung  liegendes  blankes  Stäbchen  mit  defll 
Finger,  so  trat  keine  Veränderung  ein;  ebensowenig,  wenn  ich  ein  Silber* 
blech  daran  hielt.  Nur  ein  mit  der  Kupfersolution  positiv  werdendes  Metil 
brachte    im  Augenblick  Überkupferung   des    Stäbchens   zuwege,   also  z.  & 


1  Schweigger's  Journ.  f.  Physik  und  Chemie  49,  470.   1827. 
8  Ebenda  60,  88  und   129.   1827. 


Die  Entwicklung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       ßOQ 


er  dem  Eisen  auch  ein  Zink-,  Blei-  und  Stanniolstreifen.  .  .  .   Ich  habe 
i  erwähnt,  dass  die  Berührung  mit  Silber  keine  Veränderung  bei  dem 
er  Kupferlösung  liegenden  negativen   Stäbchen  zuwege  bringe.     Wenn 
indessen  einen  berührenden   Silberdraht  mit  seinem  anderen  Ende   um 
Eisenstäbchen    wickelte,    und    letzteres    nun    in    die    Solution    tauchte 
»ei  jenes  blanke  negative  von  jenem  durchaus  nicht  berührt  wurde),  so 
ie  in  demselben  Augenblicke  auch  jenes  überkupfert.  —  Hier  wird  also 
Reduction  an  letzterem  durch  eine  Kette  mit  Zwischenraum  veranlasst" 
49.    Elektrische    Messungen    durch    Fechner.     Unmittelbare  Mes- 
sen   der   elektrischen  Spannung   oder  der  Stromrichtung  zwischen  dem 
itiv  gewordenen   und  dem  gewöhnlichen   Eisen   hat  Wetzlar  allerdings 
t  ausgeführt.     Diese  Lücke  wurde  aber  alsbald  durch  Fechner1  ausge- 
,    der   Wetzlar's    Ansichten    über   den    elektrochemischen    Zustand    des 
.nderten  Eisens  völlig  bestätigt  fand.     Nachdem   er  geschildert  hat,   wie 
:iner  officinellen  Silbernitratlösung  das  Eisen  gegen  Silber  zuerst  positiv 
,  sodann  aber  schwach  negativ  und  schliesslich  Null  wurde,  fährt  er  fort: 
„Als    ich    den   vorigen  Versuch    mit   einem  Antheil  einer  anderswoher 
)genen  officinellen  Silberauflösung  anstellte,  war  die  Ablenkung  des  Eisens 
nfalls  anfangs  positiv,  sie  ging  aber  bald  in  die  entgegengesetzte  negative 
r,    und  erhielt  sich  dauernd  auf  dieser  Seite.     Da  ich  fand,    dass  diese 
»erauflösung  etwas  sauer  reagirte,  setzte  ich  auch  jener  neutralen  Silber- 
lösung etwas  reine  concentrirte  Salpetersäure  zu,   und  erhielt  auch   hier 
selbe  Resultat,  d.  h.  es  ging  die  anfangs  positive  Ablenkung  des  Eisens 
it  nur  auf  Null   zurück,    sondern    ins    negative    über.     Nachdem    dieser 
ergang  ins  negative  erfolgt  war,  goss  ich,  den  Versuch  auf  die  Wetzlar'- 
e  Art  weiter  fortsetzend,    noch    eine   sehr  bedeutende  Menge  Säure  zu, 
dass,    wenn  ich  frisches  Eisen   und  Silber  hineintauchte,    das  Eisen  sich 
ort  aufzulösen  begann,  und  positiv  verhielt;   es  blieb  nicht  nur  das  Eisen 
nk,  sondern  seine  negative  Ablenkung  dauerte  noch  eine  Weile  fort,  bis 
'tzlich    ein  heftiges  Auflösen  des  Eisens,  Fällung  von  Silber,   und   damit 
jleich  Überspringen  der  negativen  Ablenkung  des  Eisens  in  die  positive 
olgte,    ganz    in    Übereinstimmung    mit   Wetzlar's   Versuch    und   Ansicht. 
Id  verschwand  das  gefällte  Silber,  und  das  Eisen  wurde  wieder  blank  und 
rkungslos,  und  in  demselben  Augenblicke,  wo  dies  geschah,  war  auch  die 
gative  Ablenkung  des  Eisens  wieder  da.     Ich    habe  jedoch    bei    wieder- 
lten  Versuchen  bemerkt,    dass  die  Erscheinung  hierbei  gewöhnlich  noch 
:ht  stehen  blieb,  vielmehr  das  Auflösen  des  Eisens  und  das  Wiederblank- 
rden   nebst  Auflösung    des   gefällten  Silbers  wohl  4  bis  6  Mal,    oft   sehr 
mell   hinter  einander,    abwechselten,    wobei  jedesmal  die  Ablenkung  der 
ignetnadel   auf  das  Entgegengesetzte   übersprang,    bis   das  Eisenstäbchen 
letzt  jedesmal  unwirksam  liegen  blieb." 

Zum  Schluss  erörtert  Fechner  die  Möglichkeiten  einer  Erklärung  dieser 

1  Schweigger's  Journ.  f.  Physik  und  Chemie  53,  141.  1828. 


700  Vierzehntes  Kapitel. 

Erscheinungen,  und  betont,  dass  er  eine  solche  vergeblich  gesucht  habt 
Er  hat  zuerst  an  die  Bildung  eines  Überzuges  gedacht,  doch  war  er  durch 
den  Augenschein  davon  abgekommen.  „In  der  That  bleibt  das  Eisen  so 
blank,  dass  sich  an  eine  Oxydation  desselben  nicht  denken  lässt."  Andere 
Erklärungsversuche,  welche  er  selbst  experimentell  als  unhaltbar  erweist,  j 
sollen  nicht  erst  angeführt  werden.  j 

Ähnliche  Mitteilungen  sind  alsdann  von  J.  F.  W.  Herschel1  gemacht 
worden;  wesentlich  Neues  enthalten  dessen  Beobachtungen  nicht. 

50.    Schönbein's    Untersuchungen.      Die    von    Keir    und    Wetzlar 
beobachteten  Erscheinungen  wurden  später  unabhängig  von  Schönbein2  ent-  ■ 
deckt,    welcher    eine  Fülle    weiterer   Versuche    daran    knüpfte.      Sein   erster 
Versuch  wurde  in  etwas  anderer  Form  ausgeführt,  als  jene  älteren,  nämlich 
folgendermaassen : 

„Wird  das  eine  Ende  eines  Eisendrahtes  rothglühend  gemacht,  und 
nach  dem  Erkalten  in  Salpetersäure  vom  specifischen  Gewicht  1,35  getaucht, 
so  wird  weder  das  fragliche  Ende,  noch  irgend  ein  anderer  Theil  des  Drahtes 
angegriffen  werden,  obgleich  bekanntlich  eine  solche  Säure  ziemlich  heftig 
auf  gewöhnliches  Eisen  wirkt.  Um  zu  sehen,  wie  weit  der  Einfluss  des 
oxydirten  Endes  des  Eisens  geht,  habe  ich  einen  Eisendraht  von  50  Fuss 
Länge  und  lj2  Linie  Dicke  genommen,  das  eine  Ende  auf  etwa  3  Zoll  er- 
hitzt, es  in  Säure  von  der  oben  erwähnten  Stärke  getaucht  und  dann  das 
andere  Ende  in  dieselbe  Flüssigkeit  gebracht.  Es  fand  keine  Wirkung  der 
Säure  auf  das  Eisen  statt." 

Bei  Temperaturen  über  75  °  verschwindet  der  schützende  Einfluss;  Ein- 
tauchen  in  Säure  von  1,5  specifischem  Gewicht  bringt  dieselbe  Wirkung 
hervor,  wie  Erhitzen.  Hier  schliessen  sich  die  von  Schönbein  beobachteten 
Erscheinungen  an  jene  älteren  an. 

Wenn  ein  Draht  indifferent  gemacht  ist,  und  man  verbindet  ihn  leitend  j 
ausserhalb  der  Säure  mit  einem  zweiten,  gewöhnlichen  Draht,  so  zeigt  sich 
dieser  nach  dem  Eintauchen  gleichfalls  unwirksam.  Man  kann  nun  den 
ersten  Draht  entfernen,  und  mit  einem  dritten  so  verfahren,  dass  man  ihn 
zuerst  mit  dem  zweiten  leitend  verbindet,  und  dann  in  die  Säure  bringt;  audi 
dieser  wird  unwirksam  sein.  Ebenso  kann  man  den  Zustand  auf  einen  vierten, 
fünften  u.  s.  w.  Draht  übertragen:  die  Schutzwirkung  ist  unerschöpflich. 

„Eine  andere  Thatsache,  welche  meines  Wissens  bisher  nicht  beobachtet 
worden  ist,  ist  folgende:  Ein  auf  irgend  eine  der  beschriebenen  Arten  un- 
wirksam gemachter  Draht  wird  in  Salpetersäure  vom  specifischen  Gewicht  1,35 
getaucht,  so  dass  ein  beträchtlicher  Theil  ausserhalb  der  Flüssigkeit  bleibt; 
ein  anderer,  gewöhnlicher  Draht  wird  gleichfalls  so  in  die  Säure  getaucht,  I 
dass  ein  erheblicher  Theil  hervorragt.  Der  eingetauchte  Theil  des  Drahtes  < 
wird  natürlich  lebhaft  angegriffen  werden.     Lässt  man   nun  die  ausserhalb 

1  Ann.  chim.  phys.  64,  87.  1833.  —  Pogg.  Ann.  32,  211.  1834. 
*  Philos.  Mag.  9,  53.  1836.  —  Pogg.  Ann.  87,  390.  1836. 


Die  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       70 1 

»äure  befindlichen  Enden  der  Drähte  einander  berühren,  so  wird  der 
jrente  Draht  unmittelbar  in  einen  aktiven  verwandelt  werden,  welches 
die  Länge  der  nicht  eintauchenden  Theile  der  Drähte  sei  ....  ein 
1,  welches  die  beiden  Enden  leitend  verbindet,  wirkt  in  gleicher  Weise." 
^Jach  der  Beschreibung  einiger  anderer  Versuche  von  geringerer  Be- 
ng  theilt  Schönbein  weiter  mit,  dass  dieser  passive  Zustand,  welcher 
r  fortan  beibehalten  wird,  dem  Eisen  auch  dadurch  ertheilt  werden 
dass  man  es  zur  Anode  eines  Stromkreises  in  Salpetersäure  macht, 
nn  verbindet  es  sich  nicht  mit  der  Säure,  wie  das  andere  Metalle  thun, 
rn  der  Sauerstoff  entwickelt  sich  daran,  ebenso,  als  wenn  der  Draht 
Platin  wäre.  Hierzu  ist  keine  concentrirte  Säure  erforderlich;  auch 
verdünnte  wirkt  in  gleicher  Art.  Andere  verdünnte  Sauerstoffsäuren 
n  ebenso,  wenn  auch  etwas  schwieriger,  dagegen  lässt  sich  in  Halogen- 
xstoffsäuren  der  passive  Zustand  nicht  herstellen.  An  anderen  Metallen 
:e  er  keine  ähnlichen  Zustände  erzeugen. 

51.  Faraday's  Erklärung.  Schönbein  theilte  diese  Thatsachen  in 
sndorff's  Annalen  mit.  Gleichzeitig  machte  er  eine  Mittheilung  darüber 
iraday,  und  ermächtigte  ihn,  dieselbe  nach  Belieben  zu  veröffentlichen, 
7araday  an  der  oben  angeführten  Stelle  auch  bewerkstelligte,  indem  er 
rseits  einen  an  den  Herausgeber  des  Philosophical  Magazine,  Phillips, 
hteten  Brief  hinzufügte,  in  welchem  er  seine  Erfahrungen  und  Ansichten 
die  Erscheinung,  die  ihn  auf  das  Lebhafteste  gefesselt  hatte,  hinzufügte. 
Vfittheilung  Schönbein's  in  den  Annalen  ist  ausfuhrlicher  und  enthält 
s  Thatsachen,  welche  in  dem  Briefe  an  Faraday  nicht  mitgetheilt  sind, 
sondere  die  Beobachtung,  dass  durch  Glühen  im  Wasserstoffstrome  dem 
1  der  passive  Zustand  genommen  wird.  Der  obenstehende  Bericht 
?sst  sich  dem  englischen  Briefe  an,  auf  den  sich  Faraday  in  seiner 
tigen  Antwort  bezieht. 

Diese  briefliche  Anknüpfung  hatte  ausser  der  wissenschaftlichen  noch 
►ersönliche  Folge,  dass  sich  aus  ihr  zwischen  den  beiden  so  unähnlichen 
lern  eine  Freundschaft  entwickelte,  welche  bis  zum  Tode  Faraday's 
rte  (S.  665).  Zunächst  hat  diese  Beziehung  Schönbein  allerdings  nicht 
indert,  sich  gegen  den  Erklärungsversuch  seines  Freundes  auszusprechen, 
gegen  ihn  Gründe  anzuführen,  welche  wir  gegenwärtig  kaum  noch  als 
end  werden  anerkennen  können. 

Faraday  bestätigte  in  seinem  Schreiben  zunächst  die  von  Schönbein 
tgebenen  Thatsachen,  und  fuhrt  folgende  hinzu:  Eisen  wird  von  Sal- 
rsäure  (1,35)  zuerst  angegriffen,  geräth  aber  bald  freiwillig  in  den  pas- 
1  Zustand.  Es  kann  augenblicklich  dazu  gebracht  werden,  wenn  man 
inter  der  Flüssigkeit  mit  einem  Platindraht  berührt.  Wie  Platin  wirken 
i,  Silber,  Kohlenstoff  in  verschiedenen  Formen.  Daraus  erklärt  sich  auch 
freiwillige  Passivwerden:  sowie  von  dem  im  Eisen  enthaltenen  Kohlen- 
"  ein  Theilchen  freigelegt  wird,  tritt  seine  schützende  Wirkung  ein.  Um- 
shrt  wirkt  die  Berührung  mit  Zink  oder  einem  anderen  leicht  oxydirbaren 


702  Vierzehntes  Kapitel. 


Metall:  sie  hebt  den  vorhandenen  passiven  Zustand  auf.  Passives  I 
wirkt  auch  nicht  auf  Lösungen  von  Kupfer-  und  Silbersalzen;  bei  letz 
treten  besondere  Erscheinungen  auf. 

Unter  Einschaltung  eines  Galvanometers  zeigte  sich,  dass,  solang* 
Eisen  im  gewöhnlichen  Zustande  war,  es  sich  ähnlich  dem  Zink  vei 
hatte  es  den  passiven  Zustand  angenommen,  so  zeigte  es  die  elektroi 
rischen  Eigenschaften  des  Platins.  Wenn  die  Enden  des  Galvanometer 
Eisen  und  Platin  in  Verbindung  standen,  und  man  tauchte  zuerst  das  I 
dann  das  Eisen  ein,  so  entstand  ein  einmaliger,  ziemlich  starker  Strom 
worauf  das  Galvanometer  auf  Null  zurückging.  Dies  rührte  nicht  voi 
Bildung  einer  isolirenden  Schicht  her,  denn  das  System  zeigte  sich  für  a 
Ströme  leicht  durchgängig.  Macht  man  das  Elsen,  welches  unter  d 
Umständen  passiv  geworden  ist,  durch  Berührung  mit  einem  Stück 
wieder  aktiv,  so  entsteht  alsbald  ein  starker  Strom,  indem  das  Eisen  ; 
griffen  wird  und  sich  wie  Zink  gegen  Kupfer  verhält.  „Eines  der  \* 
vollsten  Ergebnisse  für  den  gegenwärtigen  Zustand  der  Wissenschaft,  wc 
diese  Versuche  darbieten,  ist  der  ergänzende  Nachweis,  dass  die  Voi 
sehe  Elektricität  auf  chemischer  Wirkung  und  nicht  auf  Berühi 
beruht.  Dieser  Beweis  ist  ebenso  schlagend  wie  der,  welchen  ich  in  m< 
Experimentaluntersuchungen  gegeben  habe  (S.  549).  Was  kann  in  der 
deutlicher  zeigen,  dass  der  Strom  durch  chemische  Wirkung  verur 
wird,  und  nicht  durch  Berührung,  als  die  Thatsache,  dass,  trotzdem  die 
rührung  bestehen  bleibt,  der  Strom  aufhört,  wenn  die  chemische  Wir 
aufgehört  hat?" 

Faraday  geht  nun  zu  der  Frage  über,  auf  welche  Ursache  diese 
thätigkeit  des  Eisens  zurückzuführen  ist.  Er  warnt  zunächst,  diesen  Zu 
mit  dem  des  amalgamirten  Zinks  zu  verwechseln;  letzteres  ist  durcl 
Amalgamation  nur  positiver  geworden,  während  das  Eisen  seine  Fäht 
sich  mit  Sauerstoff  zu  verbinden,  verloren  hat  „Ich  habe  durchaus 
Eindruck,  dass  die  Oberfläche  des  Eisens  oxydirt  ist,  oder  dass  die  < 
flächenschicht  des  Metalles  sich  in  einem  Verhältniss  zum  Sauerstof 
Elektrolyts  befindet,  welches  einer  Oxydation  äquivalent  ist  Da 
Schicht  ihre  Verwandtschaft  für  Sauerstoff  befriedigt  hat,  und  untei 
vorhandenen  Umständen  nicht  von  der  Säure  aufgelöst  wird,  so  tritt  1 
eine  Erneuerung  der  Oberfläche,  noch  ein  Wiederbeginn  der  Anzie 
der  successiven  Theile  des  Eisens  auf  die  Elemente  der  successiven 
theile  des  Elektrolyts  ein,  und  deshalb  findet  auch  nicht  die  sueo 
chemische  Wirkung  statt,  durch  welche  der  elektrische  Strom  (welche 
stimmt  ist,  sowohl  was  seine  Entstehung,  als  seine  Wirkung  anlangt) 
gesetzt  werden  kann." 

Zur  Unterstützung  seiner  Meinung  erwähnt  Faraday,  dass  bei  dem  < 
von  Schönbein  beschriebenen  Versuche  sich  durch  das  Glühen  eine  C 
Schicht  nothwendig  bilden  muss.  Wenn  man  auch  bei  den  auf  elektris 
Wege  passiv  gemachten  Eisen  diese  Schicht  nicht  sehen  kann,    so  is 


Die  Entwicklung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.        70% 


jegenbeweis,  da  auch  eine  durch  Erhitzen  erhaltene  Schicht,  die  so 
ist,  dass  sie  unsichtbar  bleibt,  das  Eisen  passiv  machen  kann.  Ferner 
rieh  die  Schicht  mechanisch  entfernen,  worauf  alsbald  die  Wirkung 
it.  Alles  Passivwerden  ist  mit  der  Entwickelung  eines  kurzdauernden 
sehen  Stromes  verbunden,  bei  welchem  das  Eisen  als  Anode  wirkt, 
Sauerstoff  aufnimmt.  Das  Aktivwerden  durch  Zink  beruht  auf  der 
tion  dieser  Oxydschicht 

um  Schluss  beschreibt  Faraday  sehr  seltsame,  vielfach  wiederholte 
hrerscheinungen  in  saurer  Silberlösung,  die  ganz  den  von  Keir  und 
er  beschriebenen  entsprechen,  und  von  gleichzeitigen  Wechseln  der 
richtung  in  einem   eingeschalteten  Galvanometer  begleitet  sind,    doch 

das  Eingehen  auf  diese  Dinge  hier  zu  weit  führen. 
2.    Fortsetzung.     Ausser  Faraday  hatte   noch   ein  anderer  Forscher, 
>ussox,  Professor  der  Physik  am  Gymnasium  zu  Zürich,  versucht,  die 
nen  Erscheinungen  auf  bekannte  Ursachen  zurückzuführen,  jedoch  mit 
eniger  Glück.     Mousson  ging  von  der  Beobachtung  aus,    dass  starke 
ersäure,  welche  salpetrige  Säure  enthält,  viele  Metalle,   unter  anderen 
Eisen  nicht  angreift.     Indem  er  nun  annahm,  dass  das  Eisen  zunächst 
tlpetersäure  zu  salpetriger  Säure  reducirt,  welche  den  Draht  umgiebt, 
auf  ihn  zu  wirken,  versuchte  er  alle  Passivitätserscheinungen  auf  diesen 
md    zurückzufuhren.1      Gegenüber   dieser   Hypothese    hatte    Schönbein 
i  schweren  Stand2  mit  seiner  abweisenden  Kritik;  schon  der  eine  Um- 
dass  die  schützende  Wirkung  Wochen   und  Monate   dauert,  schliesst 
nnahme  aus,  dass  der  Schutz  von   einer  Flüssigkeitsschicht  herrühren 
,  da  eine  solche  durch  Bewegung  und  Diffusion  alsbald  von  der  Ober- 
entfernt würde. 
\btr  auch  gegen  die  von  Faraday  ausgesprochene  Ansicht  erhob  sich 
.beix,3    indem  er  eine  Reihe  von   Erscheinungen  als   nicht  mit  ihr  in 
mg  zu   bringen  ansah.     Zunächst  hob  er  den  vollkommenen,   ja  be- 
rs  hellen  Glanz  hervor,  welchen   ein   passiver  Eisendraht  zeigt;    aller- 
will  er  dies   nicht  als  einen  unbedingten  Widerspruch  hinstellen.     In 
hat  war  es  auch   damals  wohlbekannt,    dass  es  Schichten  von  so  ge- 
•  Dicke  geben  kann,  dass  sie  noch  nicht  die  Farben  dünner  Blättchen 
1,   sondern  farblos  sind.     Ferner  hob  er  hervor,  dass  sich  der  passive 
nd    verliert,    wenn    man  das  Eisen   in   verdünnte   Salpetersäure  bringt; 
man  es  aber  unter  diesen  Umständen  als  Anode  wirken,   so  bleibt  es 
r.     Die   Erklärung  nach   Faraday    liegt    nahe:    verdünnte  Salpetersäure 
lie  Oxydschicht  langsam  auf;  dient  aber  das  Eisen  als  Anode,  so  wird 
jehicht    immer   wieder    erneuert,    und    das  Eisen    muss  passiv  bleiben. 
*r   bezweifelt  Schönbein,    dass  beim  Passivwerden   in  concentrirter  Sal- 
saure  sich  eine  Oxydschicht  bilden  könne.  Dieser  Zweifel  ist  unbegründet; 

1   Pogg.  Ann.  39,  330.   1836.  *  Togg.  Ann.  39,  342.   1836. 

1  Pogg.  Ann.  39,   137.   1836. 


704  Vierzehntes  Kapitel. 

auch  beim  Oxydiren  des  Eisens  mit  verdünnter  Salpetersäure  scheidet  j 
sehr  leicht  ein  Oxyd  aus,  welches  in  Salpetersäure  unlöslich  ist.  A 
glaubt  Schönbein  das  abwechselnde  Aktiv-  und  Passivwerden  nicht 
Faraday's  Ansicht  reimen  zu  können.  Bei  Berücksichtigung  des  Umstan 
indessen,  dass  die  Auflösung  der  von  der  mittelstarken  Säure  gebilde 
Schicht  nicht  augenblicklich  erfolgen  kann,  lässt  sich  auch  eine  durch 
plausible  Vorstellung  von  diesem  Pulsiren  gewinnen. 

Fakaday  antwortete  unmittelbar  auf  die  Angriffe  Schön bein*s  in  ein 
Briefe  an  den  Herausgeber  des  Philosophical  Magazine,1  ohne  indessen  i 
auf  die  Einzelheiten  seiner  Erklärung  einzugehen.  Vielmehr  betonte 
dass  er  mit  Schönbein  darin  ganz  einverstanden  sei,  dass  noch  vieles  an « 
Erscheinung  der  Erklärung  bedürfe.  Er  hätte  nur  keine  bessere  Erkläru 
inzwischen  ausfindig  machen  können.  Auch  wollte  er  nicht  behaupten,  d 
der  Überzug  gerade  aus  einem  der  bekannten  Eisenoxyde  bestehe,  vieln» 
scheine  ihm  der  Zustand  der  „eines  sehr  feinen  Gleichgewichtes  zu  sei 
auf  welches  auch  die  Erscheinungen  des  Pulsirens  hindeuten. 

An  diese  anfänglichen  Arbeiten  schlössen  sich  noch  manche  andere; 
ohne  zu  der  Entwickelung  des  Ganzen  viel  beizutragen,  und  die  Frage 
bis  auf  den  heutigen  Tag  noch  einigermaassen  controvers  geblieben, 
dessen  muss  doch  betont  werden,  dass  die  von  Farad ay  gegebene  Erkläru 
bei  weitem  die  beste  ist,  welche  bisher  hat  ausfindig  gemacht  werden  könnt 
fugt  man  die  sehr  wahrscheinliche  Annahme  hinzu,  dass  die  gebildete  0x\ 
schiebt  die  Eigenschaft  metallischer  Leitung  besitzt,  wie  sie  beispielswe 
am  Manganhyperoxyd  vorhanden  ist,  so  erscheint  es  allerdings  möglich,  v 
allen  Einzelheiten  dieser  so  überaus  mannigfaltigen  Verhältnisse  genügen 
Rechenschaft  zu  geben,  wenn  auch  messende  Versuche,  die  bisher  no 
nicht  vorhanden  sind,  allein  genauer  werden  sagen  können,  was  im  Aug< 
blicke  der  Passivirung  mit  dem  Eisen  vorgeht. 

53.  Theoretische  Verwerthung  der  Passivitätserscheinung.  . 
einen  „neuen  Beweis  für  den  chemischen  Ursprung  der  Voi/rA'schen  B 
tricität"  fuhrt  Schönbein2  den  folgenden  Umstand  an:  „Bringt  man  eil 
passiven  Eisendraht  in  Berührung  mit  Platin  in  eine  Auflösung  von  schwe 
saurem  Kupferoxyd,  so  scheidet  sich  an  dem  letzteren  Metalle  auch  ke 
Spur  von  Kupfer  aus,  wird  aber  der  passive  Eisendraht  in  besagter  Flüss 
keit  zur  chemischen  Thätigkeit,  d.  h.  zur  Oxydation  und  Kupferfällung 
stimmt  (z.  B.  durch  Berührung  mit  einem  gewöhnlichen  Eisendraht  innert 
der  Lösung),  so  erscheint  in  dem  gleichen  Augenblicke  das  Platin  mit  eir 
Kupferhäutchen  überzogen.  Würde  nun  durch  den  blossen  Contact  zwisc 
Platin  und  Eisen  das  elektrische  Gleichgewicht  gestört  werden,  so  mü 
nothwendig  beim  Eintauchen  beider  Metalle  in  die  Kupfersalzlösung 
elektrischer  Strom  entstehen,  und  in  Folge  seiner  Richtung  am  sogenam 
negativen  Platin  sich  Kupfer  absetzen;   was  aber,  wie  schon  bemerkt,  n 

1  Philos.  Maj;.  10,  175.  183;.  *  Pogg.  Ann.  39,  351.  1836. 


Die  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.        jq  - 


ieht.    Aus  der  Abwesenheit  jeder  chemischen  Wirkung  dieser  einfachen 

auf  das  elektrisch  so  leicht  zersetzbare  Kupfersalz  lässt  sich  auch  auf 

Abwesenheit  eines   elektrischen    Stromes   schliessen.     Wollte   man   an- 

en,   ein  solcher  sei  dennoch  vorhanden,   aber   zu  schwach,    um  eine 

ische  Zersetzung  zu  veranlassen,  so  muss  eine  solche  Meinung  gänzlich 

geben  werden,  wenn  man  das  Galvanometer  zu  Rathe  zieht.    Wird  mit 

einen  seiner  Drahtenden  ein  Platindraht,  mit  dem  anderen  ein  passiver 

draht  verbunden,  und  taucht  man  dann  beide  Metalle  in  die  Kupfer- 

sung,  so  zeigt  sich  das  Galvanometer  nicht  im  mindesten  afficirt;  setzt 

aber  auf  irgend   eine  Weise   den   passiven  Eisendraht   in   chemische 

gkeit,    durch   heftige   Erschütterung  z.  B.  oder   durch  Berührung   mit 

i  aktiven  Metalle,  so  wird  im  gleichen  Augenblicke  die  Nadel  bewegt 

en  und  das  Vorhandensein  eines  elektrischen  Stromes  angezeigt  sein.  .  .  . 

beständige  Gleichzeitigkeit   beider  Erscheinungen   setzt   aber   eine  Ab- 

igkeit  der  einen  von  der  anderen  voraus,  beweist  mit  anderen  Worten, 

der  Quell  der  VoLTA'schen  Erscheinungen  nicht  die  Berührung  hetero- 

r  Stoffe,  sondern  die  chemische  Thätigkeit,  und  hauptsächlich  die  Oxy- 

>n  ist." 

54.    Passivität   anderer   Metalle.      Weitere   Passivitätserscheinungen 
e  Th.  Andrews  l  kennen,  indem  er  das  Vorhandensein  dieser  Eigenschaft 
Vismuth  und  Kupfer   nachwies,   wenn   sie   in  Berührung  mit  Platin  in 
entrirte  Salpetersäure  gebracht  wurden.     Ein  Fortschritt  gegenüber  den 
en  Beobachtungen  wurde  insofern  gemacht,    als  Andrews   zeigte,   dass 
1  das  Wismuth  als  Anode  einer  etwas  stärkeren  Batterie  gebraucht  wurde, 
ich   allerdings  löste,    nur   in   anderer  Weise,    als  bei  der  gewöhnlichen 
virkung  der  Säure,  und  ohne  Gasentwickelung.    Auch  Eisen  verhält  sich 
Beim  ersteren  findet  auch  langsame  Lösung  statt,  wenn  es  sich  in  Sal- 
rsäure  von   1,5  specifischem  Gewicht  befindet,  wo  es  sofort  passiv  wird. 
Andrews  fasst  die  Gesammtheit  seiner  Beobachtungen  in  den  Satz  zü- 
rnen:   „Der  Contact  eines  elektronegativen  Metalles  erhöht  die  gewöhn- 
*  Wirkung  einer  Sauerstoffsäure  auf  ein  positives  Metall,  wenn  die  Säure 
verdünnt   ist,    dass   es   durch  Wasserzersetzung   oxydirt   wird;    dagegen 
sögert   oder   vernichtet    er    diese   Wirkung,    wenn    die   Säure    so    con- 
trirt    ist,    dass  jenes   Metall   vermöge   der   Zersetzung   der   Säure   selbst 
dirt  wird/' 

Die  Beobachtungen  von  Andrews  wurden  durch  Schönbein2  geprüft  und 

tätigt.     Indessen  ergab  sich  einiger  Unterschied  zwischen  beiden;    wäh- 

d  das  Eisen  fast  ganz  ohne  Wirkung  auf  Salpetersäure  bleibt,   wenn  es 

siv  geworden  ist,  setzt  sich  die  Auflösung  beim  Wismuth  noch  fort,  nur 

bedeutend  verminderter  Geschwindigkeit.    Es  zeigt  sich  dies  daran,  dass 

Strom  zwischen  Eisen  und  Platin  in  Salpetersäure  für  ein  gewöhnliches 


1  Philos.  Mag.  12,  305.   1838.  --   Pogg.  Ann.  45,   121.   1838. 
*  POGG.  Ann.  43»   1.   1838. 
)stvald,   Elektrochemie.  45 


7o6  Vierzehntes  Kapitel. 


Galvanometer  aufhört,  sowie  die  Passivität  eingetreten  ist;1  beim  Wismtfk 
folgt  auf  den  ersten  starken  Ausschlag  ein  schwächerer,  aber  dauernder  k 
gleichem  Sinne.  Auch  verliert  Eisen  seinen  passiven  Zustand,  wenn  es  ait 
passivem  Wismuth  unter  Salpetersäure  zusammengebracht  wird,  was  es* 
allgemeine  Eigenschaft  „positiver"  Metalle  ist.  Endlich  verhält  sich  das  Ww 
muth  insofern  abweichend,  als  es  sich  mit  Sauerstoff,  bezw.  mit  Aniooct 
verbindet,  wenn  es  als  Anode  in  einem  Stromkreise  benutzt  wird,  während 
Eisen  sich  unter  solchen  Umständen  wie  Platin  verhält,  und  den  Sauerstof 
frei  entweichen  lässt. 

Einige  weitere  interessante  Beobachtungen  am  passiven  Wismuth,  welche 
inzwischen  nicht  weiter  untersucht  worden  sind,  während  sie  wohl  verdienen, 
eingehender  erforscht  zu  werden,  können  hier  nicht  erörtert  werden,  In 
den  Arbeiten  Schönbein's  sind  noch  zahllose  andere  derartige  Beobachtungen 
enthalten,  und  die  Durchsicht  derselben  gewährt  noch  heute  eine  unerschöpf- 
liche Ausbeute  an  merkwürdigen  Thatsachen  und  verfolgungswerthen  Problemen. 

Auch  vom  Kobalt  und  Nickel  giebt  Schönbein2  an,  dass  sie  sich  wie 
Eisen  verhalten. 

Weitere  Untersuchungen  über  diese  Frage,  welche  zu  wesentlichen  Auf- 
klärungen gefuhrt  hätten,  sind  aus  unserer  Zeit  nicht  mehr  anzuführen, 
wenn  auch  noch  zahlreiche  Veröffentlichungen  darüber  sich  in  den  Zeit- 
schriften finden,  und  die  Forschung  ist  über  den  von  Faraday  (S.  701)  ge- 
wonnenen Standpunkt  nicht  hinausgelangt 

55.  Flüssigkeitsketten.  Nobili.  Durch  die  Bemühungen  der  Ver- 
treter der  chemischen  Theorie  waren  die  Fälle,  in  denen  messbare  elektrische 
Wirkungen  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  durch  die  Wechselwirkung  flüssiger 
Leiter  ohne  alle  Theilnahme  von  Metallen  entstehen,  ziemlich  zahlreich  ge- 
worden, wenn  auch  ein  unzweifelhafter  Nachweis  solcher  Erregungen  nur 
in  wenigen  Fällen  erbracht  worden  war.  Denn  in  den  meisten  Fällen  kamen 
daneben  noch  Berührungen  mit  Metallen  in  Frage,  welche  nicht  ausgeschaltet 
waren,  so  dass  verhältnissmässig  spät  der  einwurfsfreie  Nachweis  geführt 
wurde,  dass  es  wirklich  reine  „Flüs&igkeitsketten"  giebt. 

Dieser  Beweis  wurde  von  Nobili3  beigebracht,  welcher  auch  auf  die  er- 
forderliche  Gleichförmigkeit  seiner  Elektroden,  sowie  darauf  Rücksicht  nahm» 
dass  diese  nur  mit  gleichartigen  Flüssigkeiten  in  Berührung  kamen,  eine 
Maassregel,  welche  z.  B.  Becquerel  fast  immer  vernachlässigt  hatte. 

„ich  fülle  zwei  kleine  Gläser,  welche  ich  A  und  B  nennen  will,  mit 
einer  Lösung  von  Salpeter,  und  ich  tauche  die  Enden  meines  Galvanometers 
hinein,  welche  aus  zwei  kleinen  Platinplatten  bestehen.  Ich  nehme  dann  ein 
drittes  Glas  C,  und  giesse  etwas  Salpetersäure  hinein.  Die  Verbindungen 
stelle  ich  durch  zwei  Bügel  von  Asbest  her,  welche  ich  mit  der  Lösung 
der  Gefässe  A  und  B  tränke.     Mit  einem  dieser  Bügel  stelle  ich  eine  Ver- 

1  Ganz  hört  der  Strom  nicht  auf,  wie  Schönbein  später  (a.  a.  O.  S.  95)  mittelst  ein« 
sehr  empfindlichen  Galvanometers  fand. 

1  A.  a.  O.,  S.  18.  3  Ann.  chim.  phys.  38,  239.  1829. 


Die  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.        jqj 


mg  mit  einem  der  Gefässe  her,  z.  B.  mit  dem,  welches  ich  A  genannt 

;  in  der  Hand  halte  ich  den  zweiten  Bügel,  nachdem  ich  an  eines  seiner 

m   ein   Stück   kaustischen  Kalis   gebracht   habe,   welches   ich    zunächst 

ti  Befeuchten    mit   der   in  den  Gefässen  A  und  B  enthaltenen  Lösung 

ld  gemacht  habe.     Schliesslich  bringe  ich  das  Alkali  mit  der  Salpeter- 

\  in  Berührung  in  dem  Augenblicke,  wo  ich  das  andere  Ende  des  Ver- 

ungsbügels   in   das  Gefäss  B   getaucht  habe.     Die  chemische  Wirkung 

int  alsbald,  und  die  Nadel  meines  Multiplicators  begiebt  sich  bei  ihrer 

n  Schwingung  auf  40  bis  45  °,  indem  sie  einen  Strom  anzeigt,  welcher 

er  leitenden  Flüssigkeit  von  dem  Alkali  zu  der  Säure  geht.     Ich  trage 

;e,  vor  und  nach  dem  Versuche  die  Gleichförmigkeit  der  Platinplatten 

nessen,   in  die  mein  Galvanometer  ausläuft.     Der  grösseren  Sicherheit 

m   pflege   ich   dem  Stromkreise  zwei  andere  Gläser  A'  und  B'  einzu- 

n,    um  in  diese  die  Verbindungsbügel  zu  senken;    die   in  die  Gläser  A 

B  tauchenden  Platinplatten   sind    auf  diese  Weise  gänzlich  gegen  jede 

der  Säure  oder  dem  Alkali  herrührende  Änderung  geschützt,  da  diese 

in  so  grosser  Entfernung  befinden:   in  jedem  Falle  hat  man  durch  die 

icehrung   des  Stromkreises   ein    unmittelbares  Mittel,   die  Ergebnisse  zu 

ahrheiten.  ... 

„Bei  diesen  Versuchen  sind  die  alkalischen  und  erdigen  Stoffe  im  festen 

tande  wirksam;  gelöst  geben  sie  eine  sehr  viel  schwächere  Wirknng,  und, 

ziemlich  sonderbar  ist,  eine  Wirkung,  die  häufig  die  entgegengesetzte  von 

ist,  welche  sie  im  festen  Zustande  hervorbringen.    Diese  Umkehrung  ist 

beim   Kalkwasser   beständig    erschienen.     Es    ist   dies    ein   unerwartetes 

ebniss,  welches  beim  eingehenden  Studium  sich  dem  Geiste  der  elektro- 

mischen  Theorieen  wenig  günstig  erweisen  dürfte." 

Auf  die  weiteren  Darlegungen  Nobili's,  in  welchen  auf  die  von  Becquerel 

l  Anderen  begangenen  Fehler  bezüglich  der  widerspruchsfreien  Anordnung 

Flüssigkeitskette  aufmerksam  gemacht  wird,   braucht  hier  nicht  einge- 

igen   zu  werden,    ebensowenig  auf  seine  weiteren  Messungen,    zu  denen 

selbst  bemerkt,   dass  sie  keine  vergleichbaren  Werthe  ergeben,    weil  die 

schaffenheit  des  benutzten  Stromkreises  wechselnd  war.    Dagegen  verdient 

Zähnung,    dass  Nobili  auch  Ströme  bei  der  Auflösung  von  Salzen   und 

•  Ausführung  doppelter  Zersetzungen    gesehen    hat;    die   letzteren    waren 

Erdings  gering  und  von  unbeständiger  Richtung.    Die  von  ihm  bei  dieser 

legenheit    gleichfalls    angegegebenen    thermo-hydro-  elektrischen    Ströme 

ren   nicht    neu,    sondern   schon  lange  vorher  von  Schweigger  beobachtet 

»rden  (S.  303). 

56.  Fechner  über  Flüssigkeitsketten.  Wohl  nicht  ohne  den 
unsch,  die  von  Nobili  angedeuteten  Schwierigkeiten  für  die  chemische 
leorie  zur  Geltung  zu  bringen,  hat  dann  zehn  Jahre  später  Fechner  die 
itersuchung  der  reinen  Flüssigkeitsströme   unternommen.1     Das  Verfahren 


1  Pogg.  AnD.  48,  1.  1829.     . 

1      k  45 


7o8  Vierzehntes   Kapitel. 


war  im  wesentlichen  das  gleiche  wie  das  von  Nobili:  „In  Fig.  i8£ 
a,  by  A,  B  vier  Glasgefässe.  Die  Gefässe  a  und  b  wurden  mit  eine: 
derselben  Flüssigkeit  gefüllt,  und  die  an  den  Enden  des  Multiplicato 
findlichen  Platten,  in  der  Regel  Platinplatten,  hineingestellt.     Sie  mög 

zuleitenden  Gefässe  heissen.    A  und  B  dienten  zur  Auf 
vO       Ciy     ^er  Flüssigkeiten,  deren  Wirkung  auf  einander  geprüft  \ 

,  2      sollte.     Sie   sollen   die    erregenden   Gefässe   heissen. 

(jl\       (ß\     und    3    sind    kleine    heberförmige,    mit   capillaren    Öffr 

versehene  Röhren  (Fig.  187),  welche  dazu  dienten,   die 
-_   ,  z.       '        munication  zwischen   den   Gefässen   auf  die   in   der  Fie^ 

Nach  Fechner.  ° 

gedeuteten  Weise  zu  vermitteln." 

Fechner  schildert  nun  weiter  die  Vorsichtsmaassregeln,  welche  er  1 

Anstellung  der  Versuche  beobachtet  hat.     Die  wichtigste  von  ihnen  I 

sich    auf  die   Gleichförmigkeit    der   als    Elektroden    ber 

f,  /)     Platinplatten.     Nach    der  mechanischen  Reinigung  zeigt 

sich   häufig    noch    verschieden:    „Trotz  äusserster  Sorg 

^T   , lß*  f  der  Reinigung  der  beiden  Platten  habe  ich  es  wohl  ka 

Nach  Fechner.  ö      ö 

dazu  gebracht,  dass  sich  nicht  ein  kleiner  Ausschlag  \ 
hätte,  ja  oft  war  er  nicht  unbedeutend,  letzteres  gewiss,  wenn  die  Reii 
nach  vorhergehenden  Versuchen  nicht  auf  das  Sorgfältigste,  mit  Vernn 
jeder  fremden  Berührung,  ausser  durch  das  Reinigungsmittel  bewerk 
worden  war;  auch  war  er  dann  oft  bleibend.  Sonst  aber  pflegte  si< 
Ausschlag  allmählich  zu  verlieren,  und  die  Nadel  dann  genau  den 
anzunehmen,  den  sie  ohne  Schluss  des  Multiplicators  mit  den  Platte 
nahm:  ein  Beweis,  dass  meine  Platinplatten  der  Substanz  nach  vollko 
homogen  sind.  .  .  .  Nie  wurden  die  Versuche  eher  begonnen,  als  bis 
Punkt  völliger  Homogenität  erreicht  war;  was  mir  einige  Male  viel  Ze 
Mühe  durch  oftmalige  Wiederholung  der  Reinigung  gekostet  hat." 

Die  ersten  Versuche,  welche  Fechner  anstellte,  beziehen  sich  a 
BECQUEREi/sche  Kette.  Er  fand,  dass  in  der  That,  wenn  er  Salpete 
und  Kali  zwischen  Salpeterlösungen  in  den  zuleitenden  Gefässen  zu 
Kreise  schloss,  ein  Ausschlag  nach  der  einen  Seite  der  Säure  erfolgte 
dagegen  Salpeterlösung  eingeschaltet  wurde,  erschien  kein  Ausschlag, 
diesen  Versuchen  scheint  gefolgert  werden  zu  müssen:  ,,a)  dass  die  chei 
Wirkung  Antheil  an  der  Strömung  hatte,  b)  dass  die  Kraft  der  Becqi 
sehen  Kette  wirklich  auf  dieser  Wirkung  beruht.  Wir  werden  indessen 
den  Verfolg  der  Versuche  sehen,  wie  beide  Folgerungen  in  Nichts  zerf 


1  Die  Bedeutung  dieser  Bezeichnung  erläutert  Fechner  wie  folgt  durch  ein  1 
„Die  zuleitenden  Gefässe,  in  welchen  die  Platinplatten  stehen,  seien  mit  Salpeterlösu 
Gefass  A  mit  Salpetersäure,  das  Gefass  B  mit  Kali  gefüllt.  Der  Strom  geht  hier  in 
regenden  Gefässen  vom  Kali  zur  Salpetersäure,  und  der  Ausschlag  erfolgt  mithin  so,  a 
die  in  das  Gefass  a  tauchende  Platte  negativ  gegen  die  andere  wäre,  wenn  man  sich  de 
durch  die  Wirkung  der  Platten  erregt  dächte.  Dies  kurz  zu  bezeichnen,  sage  ich:  de 
schlag  erfolgt  nach  der  Seite  der  Salpetersäure." 


Die  Entwicklung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.        709 


Fechner  zeigt  zunächst,  dass  wegen  der  Symmetrie  der  Anordnung  kein 
m  entstehen  kann,  wenn  sowohl  in  den  zuleitenden  Gefassen,  wie  in 
mittleren  Heber  Salpeter  sich  befindet.  Wenn  die  Flüssigkeit  in  den 
tenden  Gefassen  durch  Brunnenwasser  ersetzt  wurde,  wodurch  die  voll- 
mene  Symmetrie  aufgehoben  wurde,  so  entstand  wieder  ein  Strom.  An 
r  grossen  Reihe  weiterer  Beispiele  zeigte  er,  dass  diese  Bedingung  immer 
die  Strombildung  maassgebend  ist. 

Die  Kraft  der  Kette  war  gering  und  schwer  zu  messen,   da  die  Platin- 
en sich  schnell  polarisirten.     Indessen  führte  Fechner  doch  Messungen 
um  sie  mit  der  Kraft  zu  vergleichen,  welche  mittelst  der  Anordnung 
Becquerel  (Platinplatten  in  Kali  und  Salpetersäure)  zu  beobachten  war. 
>ei  ergab  sich  die  letztere  Kraft  etwa  70  Mal  grösser,  als  die  erstere,  und 
hner  schloss  mit  Recht  daraus,  dass  die  BECQUEREi/sche  Kette  ihre  Kraft 
entlich    der   Wirkung    der    beiden    verschiedenen   Flüssigkeiten   auf   das 
in  verdanke.     Dies  Hess  sich  dadurch  bestätigen,  dass  sich  die  Kraft  als 
löchstem  Grade  abhängig  von  der  Natur  der  Metalle  erwies,  welche  man 
den    beiden    Flüssigkeiten    in    Berührung    brachte.      Wird    endlich    die 
ssigkeitskette  so  angeordnet,  dass  die  zuleitenden  Gefässe  Kali  enthalten, 
giebt  sie  einen  Strom,   der  dem  entgegen  gerichtet  ist,   welcher  durch 
Einwirkung  der  Säure  auf  das  Kali  nach  Becquerel  erfolgen  sollte.    Das 
iche  findet  statt,  wenn  man  Salpetersäure  in  die  zuleitenden  Gefässe  nimmt. 
Wurde  die  Zahl  der  Verbindungsheber  zwischen  Säure  und  Alkali  ver- 
hrt,  so  nahm  die  Wirkung  nicht  zu,  obwohl  der  chemische  Vorgang  eine 
rstärkung    erfuhr;    auch    dies  sieht  Fechner  als  einen  Beweis  gegen   die 
^mische  Theorie  an,  und  es  ist  jedenfalls  einer  gegen  die  Auffassung  von 

CQUEREL. 

Ebensowenig  wirkte  eine  grössere  oder  geringere  Vermischung  durch 
iterschiede,  die  man  dem  Stande  der  beiden  sich  berührenden  Flüssig- 
iten  gab. 

Fechner  geht  schliesslich  zu  der  Mittheilung  einer  grossen  Zahl  ein- 
ner  Messungen  mit  den  verschiedenartigsten  Zusammenstellungen  über, 
gebnisse  aligemeinen  Charakters  hat  er  aus  ihnen  nicht  ziehen  können, 
e  denn  auch  die  endlichen  Schlussfolgerungen  aus  der  Gesammtheit  der 
irsuche  darauf  hinauslaufen,  dass  man  Sicheres  überhaupt  nicht  sagen 
nne.  „Die  Ansicht,  welche  ich  über  diese  Gegenstände  für  die  wahrschein- 
hste  halte,  ist  die:  a)  dass  die  Flüssigkeiten  unter  einander  und  mit  den 
stallen  ebensogut  elektromotorisch  wirken  können,  als  die  Metalle  unter 
lander,  und  unter  demselben  Gesetz  der  galvanischen  Spannungsreihe 
rhen;1  b;  dass  daher,  wenn  man  nur  den  nächsten  Erfolg  der  Berührung 
Betracht  ziehen  wollte,  keine  Strömung  in  Ketten  aus  Flüssigkeiten  und 
stallen,  sondern  bloss  ein  Gleichgewichtszustand  (wie  wenn  die  Flüssigkeit 


1  Fechner    hat   übersehen,    dass  das   Gesetz  der  Spannungsreihe  hier  unmöglich  gelten 
m.    da  sonst  überhaupt  keine  Ketten  möglich  wären,    wie  schon  Volta  klar  erkannt  hatte. 


7  i  o  Vierzehntes  Kapitel. 

Quecksilber  ist)  entstehen  würde;  .  .  .  c)  dass  durch  die  entgegengesetzte 
Elektricität,  welche  an  den  Berührungsflächen  entsteht,  secundäre  Effekte 
(chemische  und  ähnliche  Wirkungen)  zwischen  den  Metallen  und  den  m- 
sammengesetzten  Flüssigkeiten  hervorgehen,  welche  jenen  Gleichgewichts-  jj 
zustand  aufheben;  .  .  .  d)  dass  der  zusammengesetzte  Erfolg  dieser  secundären 
Effekte  im  Allgemeinen  der  ist,  dass  für  die  Versuche  am  Cpndensator  und 
die  Strömungswirkungen  in  geschlossenen  Ketten  dasselbe  Resultat  heraus- 
kommt, als  wenn  die  Flüssigkeiten  mit  Vernachlässigung  ihrer  elektromoto- 
rischen Wirkung  bloss  Leiter  wären  und  alles  von  der  elektromotorischen 
Wirkung  der  Metalle  unter  einander  abhinge,  so  dass  man,  wo  es  sich  nicht 
darum  handelt,  auf  den  letzten  Grund  der  Erscheinungen  zurückzugehen, 
bei  dieser  Darstellungsweise  stehen  bleiben  kann." 

Wie  man  sieht,  ist  an  Stelle  einer  Besiegung  der  chemischen  Lehre 
etwas  wie  eine  Insolvenzerklärung  der  Contacttheorie  zu  Tage  gekommen, 
gewiss  eine  unbeabsichtigte  Wirkung  bei  dem  eifrigen  Anhänger  dieser. 

Die  Lehre   von   den  Flüssigkeitsketten   ruhte    nach  dieser  Bearbeitung 
eine  lange  Zeit;   die  Aufklärung  der  Quelle  der  hier  stattfindenden  elektro- 
motorischen Wirkungen  war,  wie  so  manches,  erst  der  jüngsten  Zeit  vor- ' 
behalten. 

57.    Die   Fortsetzung   des   Kampfes   der   Theorieen.     Wenn  wir 
von    unserem    gegenwärtigen   Standpunkte   aus   das  Werk   Faraday's  über- 
schauen,  so  sollten  wir  geneigt  sein,  anzunehmen,  dass  mit  demselben  das 
Wesentliche  zur  Theorie  der  galvanischen  Erscheinungen  gegeben  war,  und 
der  nachfolgenden  Zeit  nur  übrig  blieb,  die  gefundenen  Grundlagen  auszu- 
bauen und  zu  erweitern.     So  ist  indessen  die  Entwickelung  nicht  verlaufen; 
vielmehr  dauert  auch  nach  Faraday's  Auftreten  der  Kampf  der  Meinungen 
mit  unverminderter  Stärke  fort,  ja  er  nimmt  an  Heftigkeit  eher  zu  als  ab. 
Fragt  man,    woher  diese  Erscheinung  rühren  mag,   so  findet  man  nur  den 
einen  Umstand,  dass  es  an  einem  entscheidenden  Versuch  gegen  die  Con- 
tacttheorie noch  immer  fehlte.     Zwar  Hess  sich  nicht  leugnen,  dass  Faraday 
ein  in  sich  geschlossenes  und  folgerechtes  System  der  chemischen  Theorie 
des  Galvanismus  gegeben  hatte.    Da  aber,  wie  immer  in  einem  lange  dauern- 
den Kampfe,  es   den  Betheiligten  allmählich  unmöglich  geworden  war,  die 
Argumente  des  Gegners  unbefangen  zu  würdigen,  und  von  den  verschiedenen 
vorgeschlagenen  Theorieen  diejenige  zu  wählen,  welche  relativ  die  beste  war, 
sondern  jeder  den  einmal  gewählten  Standpunkt  mit  allen  Mitteln  zu  halten 
sich  bestrebte,  so  konnte  es  kommen,  dass  die  Contacttheoretiker  das  Fara- 
DAY^sche  Gesetz  zwar  anerkannten,  sein  Gewicht  zu  Gunsten  der  chemischen 
Theorie  dagegen  keineswegs  zugeben  wollten.     Zwar  war  durch  dies  Gesetx 
der  Proportionalität  zwischen  der  Elektricitätsmenge  und  der  Stoffmenge  bei 
einem  elektrischen  Strome   durch  einen  Elektrolyten   erwiesen,   dass   über- 
haupt keine  Elektricitätsbewegung  in  einem  Leiter  zweiter  Klasse  stattfinden 
kann,  ohne  dass  ein  entsprechender  chemischer  Vorgang  mit  dieser  verbun- 
den ist.     Der  chemische  Vorgang  ist   somit  unlösbar  mit  dem  elektrischen 


Die  Entwkkelung  der  Elektrochemie  b 


r  Entdeckung  des  Energieprinz  ipes. 


iipft,  und  in  der  VoLTA'schen  Kette  kann  nie  der  eine  ohne  den  anderen 
aden.     Soviel  mussten  auch  die  Anhänger  der  Contactlehre  zugeben; 
achten  aber  geltend,   dass  alles  dies  stattfinden  könne,   ohne  dass  die 
Hage  ihrer  Ansichten,  dass  zwischen  den  verschiedenen  Metallen  durch 
blosse  Berührung  Spannungsunterschiede  entstehen,  dadurch  erschüttert 
;.    Die  Chemiker  machten  allerdings  geltend,  dass,  wenn  die  chemischen 
änge  die  „Kraft"  für  den   elektrischen  Process  liefern   und  zeitlich   un- 
bar  mit  diesen  verbunden  sind,    man   keinen  Grund  habe,   nach  einer 
■en  Ursache  der  elektrischen  Erregung  zu  suchen,  als  sie  in  der  chemi- 
i  Verschiedenheit  der  Bestandteile  einer  Kette  gegeben  ist;  der  Ein- 
.  der  Gegner,   dass  der  Condensatorversuch  doch   thatsächlich  das  Be- 
n  eines  solchen  elektrischen  Spannungsunterschiedes  erweise,  liess  sich 
:h  nicht  widerlegen,  und  die  Contacttheorie  somit  nicht  vernichten. 
So  sehen  wir  den  Kampf  noch  längere  Zeit  andauern,   und  wenn  er 
;sslich  nahezu  aufhörte,  so  geschah  dies  nicht,  weil  er  entschieden  war, 
ern    weil   die   gegen   einander   gestellten    Gründe   bis   zur  Erschöpfung 
erholt  worden   waren,    ohne  dass  einer  von  ihnen   unbedingt  durchge- 
igen   hätte.     Die   ganze   Angelegenheit   wurde   schliesslich   der  Zukunft 
lassen,  und  noch  gegenwärtig  dürfte  es  eine  nicht  unbedeutende  Anzahl 
Anhängern  der  Contacttheorie    geben,   wenn   auch    nach  der  Meinung 
Gegner  bereits  die  letzten  Vertheidigungswerke  niedergelegt  worden  sind, 
unzweifelhaftes  Kennzeichen  für  den  Weg,  welchen  diese  Angelegenheit 
kicii    muss,    liegt   in   dem  Umstände,   dass   sich  die  Contacttheorie  fast 
;er    in    der  Defensive  befunden    hat,    und    dass   sie   der  chemischen   im 
fe    der   Zeit   immer   weitere   Zugeständnisse    hat   machen    müssen.     Ein 
her   Gang,   der  sich  durch   fast   ein   Jahrhundert   verfolgen    lässt,   giebt 
en  Raum  für  die  Vermuthung,  dass  er  sich  noch  einmal  umkehren  wird, 
verlorene  Boden  lässt  sich  nicht  wieder  gewinnen,  und  das  Ende  kann 
anderes  sein,  ab  dass  infolge  der  immer  sich  vermehrenden  Zugeständ- 
;    endlich    die   Contacttheorie   von    der   chemischen   praktisch    nicht   zu 
xscheiden  sein  wird. 
Ein   anderer   Umstand   kann    hierher  allerdings   auch    nicht    übersehen 
Jen:  der,  dass  die  Vertreter  der  chemischen  Theorie  den  ganzen  Werth 
FARADAv'schen  Entdeckung  für  ihre  Ansicht  selbst  nicht  vollständig  er- 
:en.     Es  ist  schon   dargelegt  worden,   wie  der  Entdecker  selbst  seinem 
etze  die  Scharfe  nahm,  indem   er  irrthümlich  die  Möglichkeit  einer  me- 
inen Leitung  neben  der  elektrolytischen  in  Leitern  zweiter  Klasse  zugab; 
1  in  der  Folge  sehen  wir,   dass    nur  langsam   sich  die  Denkgewohnheit 
teilt,  vermöge  deren  keine  Bewegung  der  Elektricität  ohne  die  materieller 
ilchen    in   solchen  Leitern   zugegeben  werden    darf.     Die  formale  Seite 
s  solchen   Gesetzes   lässt   sich   verhältnissmässig  leicht  dem  Gedächtniss 
ragen  und  gegebenen  Falls  in  Anwendung  bringen;  das  beständige  Be- 
rtsein  der  durch  das  Gesetz  geregelten  Verhältnisse  muss  dagegen  erst 
sam  mittelst  einer  entsprechenden  Anpassung  erworben  werden,  und  ein 


7  I  2  Vierzehntes  Kapitel. 


solcher  Vorgang  braucht  erfahrungsmässig  auch  bei  einem  gut  entwickelte» 
Intellekt  eine  ziemlich  beträchtliche  Zeit.  Dies  ist  auch  der  Grund  dafür, 
dass  selbst  Faraday  zuweilen  in  der  Anwendung  seines  eigenen  Geseto 
schwankt  und  Missgriffe  begeht. 

58.  Ohm's  Ansichten.    Auch  Ohm1  hat  in  dem  Kampfe  der  Meinung« 
das  Wort  ergriffen,    um  seine  Ansicht  darzulegen.     Er  war,   wie  schon  er- 
wähnt, ganz  und  gar  Anhänger  Volta's,   und  führte  seine  Vertretung  vot 
dessen  Lehre  wie   fast   alle   seine  Gesinnungsgenossen   mehr   vertheidigend», 
als  fördernd;    er  wies  nach,   dass  die  von  den  Gegnern  vorgebrachten  Ver- 
suche nicht  zureichend  seien,  um  die  VoLTA'sche  Lehre  zu  widerlegen,  zeigte 
aber  nicht,   welche  weiteren  Aufschlüsse  sich  über  das  Problem  selbst  mit 
Hülfe  dieser  Lehre  erhalten  lassen.     Über  die  Quelle  eines  grossen  Theiles 
der  Meinungsverschiedenheiten  äussert  er  sich  in  sehr  sachgemässer  Weise, 
indem  er  sie  der  Benutzung  des  Multiplicators  zuschreibt.    „Der  Multiplicator 
ist  sowohl  wegen  seiner  leichten  Behandlung,  wie  auch  wegen  seiner  lautes 
Sprache,  ein  eminentes  Mittel  zur  Entdeckung  von  wirkenden  und  die  Wir» 
kung  verändernden  Ursachen,  aber  er  giebt  seiner  Natur  nach  in  der  Regel 
nur  eine  summarische  Anzeige  von  dem  Vorgefallenen,  und  lässt  uns  bat 
ganz  in  Ungewissheit  hinsichtlich  des  einem  jeden  einzelnen  Gliede  beinK 
legenden  Antheiles  an  der  ganzen  Wirkung;   er  pflegt  in  das  von  ihm  n 
verkündende  Resultat  das  Wo  und  Wie  der  einzelnen  Veranlassungen  dazu 
nicht  aufzunehmen.     Daher  kommt   es,   dass  die  verschiedenen  Beobachter 
über  dieses  Wo  und  Wie  so    ganz   verschiedener  Meinung  werden.    Dam 
genau  genommen,  bleibt  es  der  Willkür  eines  jeden  überlassen,  sich  diese 
beiden  Dinge  noch  ganz  beliebig  zu  dem  gegebenen  Resultat  hinzuzudenken; 
darum  greift  denn  auch  jeder  gerade  nach  denen,  die  sein  Auge  am  meisten 
auf  sich  zu  ziehen  geeignet  sind."    In  der  That  lässt  sich  kaum  eine  bessere 
Charakteristik  von  der  Beschaffenheit  des  Streites  geben,  und  Ohm  bescheidet 
sich   denn   auch,   bindende  Beweise   zu   Gunsten   der   von  ihm  vertretenen 
Meinung  beizubringen;  er  begnügt  sich  mit  WahrscheinlichkeitsbewdseiL 

Im  Gegensatze  zu  den  leicht  zu  erhaltenden,  aber  schwer  zu  entziffern* 
den  Aussagen  des  Multiplicators  lobt  er  das  Elektrometer,  und  in  gewissem 
Sinne  mit  Recht,  denn  es  giebt  in  der  Spannung  eine  viel  einfachere  elek- 
trische Grösse,  als  die  von  mehreren  Umständen  abhängige  Stromstärke. 
Allerdings  war  er  noch  nicht  gewahr  geworden,  wie  auch  die  Angaben  des 
Elektrometers  schliesslich  verwickelterer  Natur  sind,  als  es  auf  den  ersten 
Blick  erscheint,  und  dass  sie  insbesondere  immer  Summen  mehrerer  Span- 
nungen sind,  aus  denen  die  Einzelwerthe  sich  gleichfalls  nicht  frei  von  Willkur 
ableiten  lassen. 

Über  die  chemische  Theorie  äussert  sich  Ohm  zunächst  nur  lobend: 
„Der  grosse  und  zuweilen  höchst  überraschende  Einfluss,  den  ein  in  der 
Kette  von  selbst  eintretender  oder  erst  künstlich  hervorgerufener  chemischer 


1  Schweigger's  Journ.  63,  160.  1831. 


Die  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.        71? 


sss  auf  die  Art  und  Grösse  ihrer  Wirkung  äussert,  zieht  den  Beobachter 
tisam  mit  Gewalt  zu  der  Ansicht  hin,  dass  der  chemische  Process  als 
Grundlage  aller  galvanischen  Thätigkeit  anzusehen  sei;  auch  finden  wir 
?r  That,  dass  von  der  Entdeckung  der  VoLTA'schen  Säule  an  sich  fast 
Beobachter  zu  jener  Ansicht  hingeneigt,  und  kürzere  oder  längere  Zeit 
ihr  verweilt  haben.  Die  genaue  Kenntniss  des  elektrischen  Zustandes 
•  geschlossenen  Kette  scheint  völlig  geeignet  zu  sein,  den  hier  ange- 
m  Streitpunkt,  welcher  bis  jetzt  noch  immer  Stimmen  für  und  wider 
gefunden  hat,  bis  zu  seiner  endlichen  und  unwiderruflichen  Entscheidung 
ihren." 

Man  kann  in  der  That  den  Mittelpunkt  der  Frage  nicht  schärfer  be- 
ulen, als  es  hier  geschehen  ist;   nur  ist  allerdings  die  Lösung  der  Auf- 
t    mit   ebendenselben  Schwierigkeiten    verknüpft,   welche   eben    für   das 
Manometer  erörtert  worden  sind.     Auch  das  Elektrometer  giebt  die  ge- 
lten Werthe  stets  als  Summen,  und  es  ist  nicht  möglich,  aus  den  Beüb- 
ungen desselben  allein  die  Entscheidung  zu  finden.    Ein  Beweis  dafür  ist, 
i  noch  bis  auf  den  heutigen  Tag  Meinungsverschiedenheiten  darüber  be- 
en,  an  welchen  der  vier  verschiedenen  Berührungsstellen  einer  gewöhn- 
en Kette,  z.  B.  einer  DANiELi/schen,  die  Spannung  sitzt,   oder  vielmehr, 
die  gesammte  Spannung  sich  auf  diese  Stellen  vertheilt. 
Ohm   entscheidet   sich   auf  Grund   der  mehrfach  erwähnten  Thatsache, 
5  Ketten  mit  Säuren  dieselbe  Spannung  haben,  wie  solche  mit  indifferenten 
ktrolyten,   gegen  die  chemische  Theorie,    und   giebt   noch  eine  weitere 
sfuhrungsform  des  Versuches  von  Berzelius  (der  mit  dem  FECHNER'schen 
»erimentum  crucis  identisch  ist)  an,  welche  zeigt,  dass  in  einem   Element 
Kupfer   in   verdünnter  Salpetersäure    und  Zink  in  Zinknitratlösung  der 
om  wie  gewöhnlich  geht,  obwohl  das  Kupfer  das  angegriffene  Metall  ist, 
id  das  Zink  auf  der  anderen   Seite  seinen  Metallglanz   unverändert  bei- 
lält".    Wenn  Ohm  seinen  Zinkstab  vor  und  nach  dem  (hinreichend  lange 
>gedehnten)  Versuche  gewogen   hätte,   so   hätte    er  sich  allerdings  über- 
igen können,  dass  das  Zink  aufgelöst  wird,  wenn  es  auch  seinen  Metall- 
;nz  beibehält,  und  wenn  auch  die  benutzte  Lösung  für  sich  keine  Wirkung 
f  Zink  äussert. 

Die  Unzulänglichkeit  der  gegen  die  Beweiskraft  dieses  Versuches  durch 
la  Rive  erhobenen  Einwände  (S.  448)  weiss  Ohm  sehr  scharf  zu  beleuchten, 
d  er  weist  die  Behauptung  de  la  Rivers,  dass  die  Wirkung  wesentlich 
f  der  Berührung  der  beiden  Lösungen  beruhe,  durch  quantitative  Ver- 
che  zurück,  aus  denen  sich  ergiebt,  dass  die  Wirkung  nur  1/20  von  dem 
sammten  Strome  betragen  kann,  wenn  man  die  von  de  la  Rive  gemachten 
oraussetzungen  annimmt. 

Um  die  VOLTA'sche  Ansicht  durchfuhren  zu  können,  muss  Ohm  freilich 
\i  die  Berührung  zwischen  Metall  und  Flüssigkeit  als  eine  wesentliche  Quelle 
)n  Spannungen  hinweisen.  Er  tadelt  die  Gegner  ziemlich  bitter,  dass  sie 
iesen  von  Volta  schon  betonten  Gesichtspunkt  unbeachtet  gelassen  hätten; 


n  i  4  Vierzehntes  Kapitel. 

indessen  ist  Volta  in  der  That  nicht  so  schuldlos,  wie  Ohm  ihn  erscheinen 
lassen  möchte.  Wenn  er  diese  Wirkung  nicht  für  nahezu  Null  gehalten 
hätte,  wäre  er  nicht  berechtigt  gewesen,  sich  beständig  feuchter  Leiter  unter 
der  Voraussetzung  zu  bedienen,  dass  sie  nur  ableiten,  nicht  erregen;  und 
gerade  die  ausgiebige  Anwendung,  welche  Volta  und  seine  Nachfolger  von 
diesem  experimentellen  Hülfsmittel  gemacht  haben,  ist  die  Ursache,  warum 
der  Vorwurf  der  Vernachlässigung  dieser  Grösse  von  Seiten  der  Chemiker 
nicht  verstummen  will. 

59.  Schönbein's  Tendenz-Theorie.  Die  befruchtende  Wirkung, 
welche  unerwartete  und  mit  den  vorhandenen  Ansichten  im  Widerspruch 
stehende  Thatsachen  auf  die  Ausbildung  eben  dieser  Ansichten  üben  können, 
tritt  in  recht  anschaulicher  Weise  in  einer  Arbeit  hervor,  in  welcher  Schök- 
bein1  von  einigen  Beobachtungen  über  die  elektromotorische  Wirkung  der 
Hyperoxyde  Rechenschaft  giebt.  Die  auffallend  negative  Stellung  des  Braun- 
steins oder  Manganhyperoxydes  war  schon  Volta  bekannt;  später  theilte 
Munck  af  Rosenskiöld  mit,  dass  auch  Bleihyperoxyd  in  gleichem,  ja  noch 
stärkerem  Sinne  wirkt.  Schönbein  fand  im  Silberhyperoxyd  einen  weiteren, 
und  zwar  den  stärksten  Repräsentanten  dieser  negativen  Hyperoxyde.  Wenn 
man  nun  einen  mit  Hyperoxyd  überzogenen  Platindraht  mit  einem  reinen 
in  Salpetersäure  schliesst,  so  findet  ein  Strom  statt,  und  das  Hyperoxyd  löst 
sich  in  der  Säure  auf.  Diese  Erscheinung  steht  nun  in  einem  auffalligen 
Gegensatze  zu  der  üblichen  chemischen  Theorie,  denn  zwischen  Salpetersäure 
und  den  genannten  Hyperoxyden  findet  keine  irgend  bekannte  chemische 
Wirkung  statt,  und  dennoch  erscheint  ein  Strom. 

Um  nun  diesen  Widerspruch  zu  heben,  entschloss  sich  Schönbein  » 
einer  sehr  bemerkenswerthen  Änderung  der  chemischen  Theorie,  welche 
zwar  die  dauernde  Fassung  derselben  noch  nicht  ergab,  sich  dieser  aber  *. 
doch  im  richtigen  Sinne  annäherte.  Da  Schönbein's  Ansichten  möglichen 
Missverständnissen  sehr  ausgesetzt  sind,  so  sollen  sie  mit  seinen  eigenen 
Worten  wiedergegeben  werden,  zumal  sie  von  einiger  Bedeutung  für  die 
Entwickelung  der  chemischen  Theorie  geworden  sind: 

„Gewöhnlich  sagt  man,  Stoffe,  welche  in  inniger  Berührung  stehen, 
wirken  nicht  chemisch  auf  einander,  wenn  sie  nicht  eine  bestimmte,  unter- 
scheidbare  Verbindung  mit  einander  eingehen,  oder  wenn,  falls  wir  es  mit 
zusammengesetzten  Materien  zu  thun  haben,  die  eine  nicht  unter  dem  Eon 
flusse  der  anderen  zerlegt  wird;  überhaupt,  wenn  die  Berührung  der  Sub* 
stanzen  keine  qualitative  Veränderung  nach  sich  zieht .  . .  Würden  wir  aber, 
indem  wir  ein  solches  Urtheil  fällen,  sagen,  dass  die  beiden  fraglichen  Ma- 
terien bei  ihrer  Berührung  durchaus  gar  keine  chemische  Aktion  auf  einander 
ausüben,  dass  sie  sich  absolut  unthätig  gegen  einander  verhielten,  so  würdet 
wir  etwas  behaupten,  nicht  nur  wozu  wir  durchaus  kein  Recht  hätten,  son- 
dern etwas,    was  höchst  unwahrscheinlich  wäre  und  mit  aller  Analogie  i 


1  Pogg.  Ann.  43,  89.  1838. 


1 

J 


Die  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.        n  \t 


rspruch  stände.  Es  lässt  sich  wohl  als  chemisches  Axiom  der  Grund- 
lufstellen,  dass,  so  oft  verschiedenartige  Materien  in  Conflict  gerathen, 
zwischen  denselben  chemische,  je  nach  der  verschiedenen  Beschaffen- 
der Materien  mehr  oder  weniger  intensive  Anziehungskräfte  ins  Spiel 
nen,  mögen  letztere  irgend  eine  chemische  Verbindung  oder  Trennung 
lassen  oder  nicht. 

Ja  wir  müssen  sogar  in  den  Fällen,  wo  ein  chemisches  Resultat  wirk- 
?rzielt  wird,  annehmen,  dass,  bevor  dasselbe  statt  hat,  das  Spiel  der 
ischen  Ziehkräfte  bereits  begonnen  habe;  dass  dem  aktuellen  ein  poten- 

•  chemischer  Process  vorausgegangen  sei,  da  ersterer  nur  eine  Wirkung 
etzteren  ist" 

Schönbein  geht  nun  zu  der  Auseinandersetzung  einiger  Beispiele  über, 
te  die  vorgetragene  Theorie  erläutern.  Er  betrachtet  das  Beispiel 
er,  Schwefelsäure  und  Zink,  und  legt  dar,  wie  der  Sauerstoff  des  Was- 
chon  Anziehung  zum  Zink  äussere,  noch  bevor  es  zu  einer  Verbindung 
nt,  und  wie  zu  dem  Zinkoxyd  die  Schwefelsäure  Verwandtschaft  äussere, 

*  es  sich  noch  gebildet  hat,  „diese  chemischen  Anziehungskräfte  müssen 
orhanden  betrachtet  werden,   und  sie  sind  es,   welche  das  elektrische 
hgewicht  stören,  ehe  die  wirkliche  Oxydation  des  Zinks  erfolgt.     Ver- 
sich von  selbst,  dass  die  Entbindung  der  Elektricität  auch  während  des 

5  der  Verbindung  des  Metalles  mit  dem  Sauerstoff  fortdauert." 
Auf  Grund  dieser  Annahmen  hat  nun  Schönbein  keine  Schwierigkeiten, 
>eobachteten  Erscheinungen,   welche  er  noch  in  mannigfaltiger  Weise 
r   Gewohnheit  gemäss  variirt,    zu  erläutern.     Die  Frage,    wie    der  Zu- 
lenhang  zwischen  der  chemischen   und  der  elektrischen  Thätigkeit  zu 
ehen    sei,    erklärt  er  nicht  beantworten  zu   können,    und  stellt  sie  mit 
X  auf  den  gleichen  Boden,  wie  die  Annahme  der  Voltaisten,  dass  bei 
Berührung  der  Stoffe  die  Elektricitäten  getrennt  würden.     Nachdem  er 
so  mit  diesen  auseinandergesetzt,   kennzeichnet  er  sein  Verhältniss  zu 
bisherigen  „Chemikern",  welche  das  Auftreten  der  Elektricität  von  dem 
haben    einer   sichtberen   chemischen   Wirkung  abhängig  machen:    „Ich 
egen    behaupte,   dass   schon   die   blosse    Tendenz   zweier   Körper,   sich 
lisch  zu  verbinden,   deren  elektrisches  Gleichgewicht  stört,   wenn  auch 
»    wirkliche    Vereinigung    derselben    erfolgt.      Allerdings    nehme   ich   zu 
:her  Zeit  an,   und  die  Erfahrung  rechtfertigt   diese  Annahme,    dass  ein 
m,  der  in  Folge  einer  wirklichen  Verbindung  zweier  Stoffe  entsteht,  un- 
ich  grösser  und  stärker  ist,    als  derjenige,    der  nur  durch  die  Tendenz 
gleichen  Materien  nach  Vereinigung  hervorgerufen  wird." 
Die   hier  von  Schönbein   in  den   noch  ziemlich  unbehülflichen  Formen 
er  Zeit  dargelegten  Ansichten  über  den  Zusammenhang  des  elektrischen 
»nies    der   VoLTA'schen   Kette   mit   den    „potentiellen"   chemischen   Vor- 
gen in  derselben  nähern  sich  in  ganz  auffälliger  Weise  den  Vorstellungen, 
welchen  die  letzten  Entwicklungen  der  Wissenschaft  uns  in  jüngster  Zeit 
ihrt  haben.     Auch  die  heutige  Forschung   steht   auf  dem  Standpunkte, 


Mittel  zu  seiner  Klärung  und  Stärkung  gewesen. 

Zu  der  Zeit  der  Aufstellung  seiner  Theorie  war  Schönbein  freilk 
ziemlich  weit  von  dieser  Klärung  entfernt,  wie  aus  einer  bald  hernac 
öffentlichten  zweiten  Arbeit  hervorgeht,  in  welcher  er  für  die  durch 
sehe  „Tendenz"  erregten  Ströme  den  Ausdruck  „Tendenzströme"  voi 
Der  besondere  Anlass  des  Aufsatzes  interessirt  uns  allerdings  nicht 
lieh  —  er  handelt  von  den  sehr  schwachen  Strömen  zwischen  Pia 
passivem  Eisen  —  wohl  aber  der  Nachweis,  dass  fast  alle  Metalle,  a 
nicht  wasserzersetzenden,  nämlich  Zink,  Kadmium,  Kupfer,  Blei,  Zinn 
Quecksilber,  wenn  man  sie  mit  Platin  und  Wasser  zu  einem  Kreise  s 
einen  dauernden  Strom  geben.  Hier  kommt  also,  obwohl  sich  die 
unter  diesen  Umständen  nicht  unmittelbar  oxydiren,  doch  wegen  der 
sehen  Tendenz  der  Strom  zu  Stande,  was  für  Schönbein  ein  Argui 
Gunsten  seiner,  und  gegen  die  Theorie  von  de  la  Rive  ist.  Freilich 
er  wieder  einen  Theil  seiner  Wirkung  durch  die  Annahme  des  von  I 
begangenen  Irrthums,  dass  schwache  Ströme  durch  einen  Elektroly 
können,  ohne  ihn  zu  zersetzen,  welche  Eigenschaft  er  gerade  für  sei 
denzströme  in  Anspruch  nimmt;  Faraday  konnte  ihm  daher  später  m 
den  Vorwurf  machen,  dass  er  ein  dauerndes  Phänomen,  wie  den 
durch  einen  blossen  Zustand  erklären  wolle,  was  ein  Widerspruch  sei 
Schönbein  hat  im  Laufe  seiner  späteren  Entwickelung  seinen  Fehl 
Theil  wieder  gut  gemacht,  indem  gerade  er  es  war,  der  die  Unhal 
der  Annahme  Faraday's  nachwies,  und  zum  ersten  Male  in  aller  : 
darauf  aufmerksam  gemacht  hatte,  dass  Stromleitung  und  Zersetz) 
Elektrolyt  ganz  und  gar  untrennbare  Vorgänge  sind.    Den  Beweis  fi 


Die  EntwickeluiJß  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.        r  \  j 

oft  schon  vernichtete  chemische  Theorie  stand   kräftiger  und  ange- 

r  da,  als  je  zuvor.    Mit  unermüdlichem  Eifer  erhob  er  wiederum  seine 

e, 1  um  seine  Fachgenossen  zu  warnen,  und  gleichzeitig  stellte  er  eine 

Anzahl  von  Versuchen   an,   welche   die  Vereinbarkeit   der  Contact- 

mit  den  Thatsachen   und  die  Unrichtigkeit  der  chemischen  Theorie 
tn  sollten, 
mächst  ergab   sich,    dass  bei  Verbren nungs Vorgängen  sich  im  Allge- 

durchaus   keine   elektrische  Ladung  des  Elektrometers,   auf  dessen 
die  Verbrennungen  stattfanden,  nachweisen  Hess, 
'rner  wurden  zahlreiche  Versuche  über  die  Erregung  zwischen  festen 
issigen  Leitern   angestellt,    und    zwar    unter  Benutzung  des  Conden- 

Leider  hat  Pfaff  bei  diesen  Versuchen  das,  was  er  erst  zu  beweisen 
nämlich  dass  bei  der  Berührung  der  Metalle  mit  Wasser  oder  dem 
n  Finger  keine  Erregung  eintritt,    ohne  weiteres  vorausgesetzt,   und 

Versuchen  alle  Beweiskraft  genommen.  Der  hier  begangene  metho- 
Fehler  wiegt  um  so  schwerer,  als  Pfaff  gerade  bei  diesen  Arbeiten 

brochen  Gelegenheit  hatte,  sich  davon  zu  überzeugen,  dass  zwischen 
:eiten    und  Metallen  jedenfalls  Spannungen   entstehen;    es   war   also 

ch   für  den  damaligen  Standpunkt  durch    nichts  gerechtfertigte  An- 

dass  gerade  bei  der  Berührung  mit  Wasser  oder  der  undefinirbaren 
gkeit  des  Fingers  solche  Spannungen  ausbleiben  sollten.  Demgemäss 
5,  was  er  als  Spannung  der  Metalle  mit  den  von  ihm  verwendeten 
:eiten  maass,  nichts,  als  der  Unterschied  der  Spannungen  dieser  Me- 
t  den  Flüssigkeiten  einerseits  und  mit  Wasser,  bezw.  „Fingerfiüssig- 
ndererseits.  Eine  Angabe  der  einzelnen  Ergebnisse  ist  demnach 
*ig. 

1  besonderes  Gewicht  legt  Pfaff  auf  folgende  Beobachtung:  Es 
sin  Zinkstreif  für  sich  in  verdünnte  Schwefelsäure  getaucht,  und  die 
-  gewissen  Zeit  entwickelte  Wasserstoffmenge  gemessen.  Dann  wurde 
rsuch  wiederholt,  aber  indem  der  Zinkstreif  mit  einem  Platinblech 
len  wurde.  Hierdurch  löste  sich  viel  mehr  Zink,  und  ein  Theii  des 
^toffe^  erschien  am  Platin.  „In  diesem  Falle  hätte  wenigstens  ein 
er  Affinität,  durch  welche  Zink  aufgelöst  und  Wasserstoffgas  an  dem- 
entwickelt  wird,  auf  das  Platin  tibertragen  worden  sein,  die  Entwicke- 
es  WasserstofTgases  am  ZUk  vermindert  und  was  daran  fehlte,  am 
stoff  entwickelt  worden  teil  müssen.  Aber  an  dem  Zinkstreifen  ent- 
t  sich  in  gleicher  Zeit  chfpHnriel  Wasserstoff,  als  zuvor,  und  ausser- 
it  nun  eine  freilich  viel  SPjMjjpC»  gleichsam  accessorische  Entwickelung 
asserstofTgas  am  PlatinbkÜBfc  Beide  Processe  gingen  also  gleichsam 
nabhängig  ne  ch,  der  chemische  Process  nach  wie 

t  gleicher  J  n  der  durch  die  Berührung  der  Me- 

"'  >m   versetzten  Elektricität  abhängige 


7  1 3  Vierzehntes  Kapitel. 


Zersetzungsprocess,  der  unter  der  bestimmten  galvanischen  Form  ai 
indem  der  Wasserstoff  sich  am  Platin,  der  Sauerstoff  am  Zink  entwic 
Es  reicht  hin,  diese  Thatsache  ausgesprochen  zu  haben,  um  ihr  ganze« 
wicht  gegen  die  chemische  Theorie  und  ihre  Beweiskraft  für  die  Coi 
theorie  zu  erkennen." 

Leider  hat  Pfaff  unterlassen,  den  Punkt  zu  bezeichnen,  welcher 
eine  so  grosse  Beweiskraft  zu  haben  schien;  thatsächlich  war  der  anges 
Versuch  eine  schöne  Erläuterung  für  die  von  de  la  Rive  vermuthete, 
auch  noch  nicht  mit  Klarheit  durchgeführte  Verschiedenheit  der  flu 
Stromwirkung  indifferenten  örtlichen  chemischen  Wirkung,  und  den 
dem  Strom  verbundenen  und  durch  ihn  vermittelten  elektrochemü 
Vorgange. 

Auch  in  Veranlassung  der  Mittheilung  Schönbein^s  über  die  Grove 
Kette,  in  welcher  dieser  die  Erscheinungen  derselben  zu  Gunsten 
chemischen  Theorie  gedeutet  hatte,  Hess  sich  Pfaff1  über  den  glei 
Gegenstand  aus,  und  wusste  ihn,  wie  sich  erwarten  Hess,  zu  einem  ex 
mentum  crucis  gegen  die  chemische  Theorie  zu  verwerthen.  Das  Ex 
ment  bestand  darin,  dass  er  an  Stelle  der  Schwefelsäure  eine  Lösung 
Zinksulfat  in  der  GROVE'schen  Kette  anwendete,  und  die  Wirkung  keines 
schwächer  fand;  die  Verstärkung,  welche  er  beobachtet  haben  will,  ist 
ein  Irrthum.  Aus  der  Abwesenheit  jedes  ursprünglichen  chemischen 
ganges  in  der  ungeschlossenen  Kette  leitete  nun  Pfaff  seinen  entscheidei 
Beweis  her. 

Wie  man  sieht,  handelt  es  sich  um  nichts  mehr,  als  das  Fechner' 
experimentum  crucis,  d.  h.  den  Versuch  von  Berzelius,  in  etwas  abgeänd 
Gestalt,  und  alles,  was  früher  (S.  449  und  485)  über  den  Punkt  gesagt  wo 
ist,  gilt  auch  hier.  Es  ist  dies  ein  weiteres  Beispiel  für  die  Unermüdlich 
mit  welcher  die  alten  Argumente  immer  wiederholt  wurden,  wenn  neue  1 
ausfindig  zu  machen  waren. 

61.  Poggendorff's  Eintreten  für  die  Contacttheorie.  Der 
Faraday  an  die  Spitze  seiner  Untersuchungen  über  den  Ursprung  der  Vo 
sehen  Elektricität  gestellte  Versuch  (S.  550),  bei  welchem  Zink  und  F 
einerseits  durch  verdünnte  Schwefelsäure,  andererseits  durch  Jodkaliumlö 
verbunden  wurden,  worauf  ein  Strom  ohne  die  Berührung  verschied 
Metalle  entstand,  konnte  natürlich  von  den  Anhängern  der  Contactlehr 
gedeutet  werden,  dass  es  sich  um  den  Unterschied  der  Berührungswirkui 
der  beiden  Flüssigkeiten  mit  den  Metallen  handelt.  Indessen  bemerkt 
gendorff,  welcher  um  diese  Zeit  begonnen  hatte,  seine  bisherige  Stel 
zwischen  den  Parteien  mit  der  eines  entschiedenen  Contactisten  zu 
tauschen,2  dazu:  „Der  Versuch  ist  so  auffallend,  und  die  davon  gege 
Erklärung  hat  scheinbar  so  viel  annehmliches,  dass  man  sich  nicht  wun 
kann,   wenn  die  Anhänger  der  chemischen  Theorie  des  Galvanismus  < 


1  Pogg.  Ann.  53,  303.   1841.  *  Pogg.  Ann.  49,  31.  1840. 


Die  EatwickeluDg  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprmzipes.        7  IQ 

anz  vorzügliche  Stütze  ihrer  Meinung  zu  erblicken  vermeinen.  Auf 
rtheidiger  der  Contacttheorie  hat  er  dagegen  wenig  Eindruck  gemacht, 
achlich  wohl  deshalb,  weil  sie  geglaubt  haben,  bei  den  zahlreichen 
■fen,  die  ausserdem  der  chemischen  Theorie  gemacht  werden  können, 
ae  vereinzelt  stehende,  scheinbar  für  dieselbe  sprechende  Thatsache 
Rücksicht  nehmen  zu  brauchen." 

jcgemdorff  hat  nun  eine  grosse  Anzahl  weiterer  Fälle  untersucht,  und 
die  beistehend  angedeutete  Anordnung  gebraucht,  welche  wohl  ohne 
;  Erklärung  verständlich  ist.  Bei  dieser  Gelegenheit  beschreibt  er  einen 
at,  welcher  seitdem  in  vielen  tausenden  von  Exemplaren  hergestellt 
ngewendet  worden  ist:   es   ist   dies  die  Klemmschraube  (Fig.  189). 


u 


=™D 


Nach    PUC (JENDUR ff. 


hier  bedarf  es  keiner  näheren  Beschreibung.  Die  kleine  Erfindung 
/on  grosser  Bedeutung,  denn  bis  dahin  besass  man  zur  galvanischen 
ndung  der  Drähte  und  Platten  nur  das  eine,  unbequeme  Mittel,  den 
ksilbernapf. 

Bei  der  Schilderung  seiner  Versuche  erwähnt  Poggendorff  mit  grosser 
"alt  alle  Vorsichtsmaassregeln,  welche  er  hat  nehmen  müssen,  um  einiger- 
sen  übereinstimmende  Werthe  zu  erlangen.  Insbesondere  erwiesen  sich 
;eringfügigsten  Umstände  bei  der  Behandlung  der  Metalle  als  von  Ein- 
auf die  beobachteten  elektromotorischen  Kräfte;  Verschiedenheiten  beim 
igen,  Bewegen  der  Platten  in  der  Flüssigkeit  können  die  Ergebnisse 
:  nur  verändern,  sondern  sogar  umkehren.  Durch  die  weitere  Geschichte 
Versuche,  messend  in  die  Lehre  von  den  elektromotorischen  Kräften 
idringen ,  zieht  sich  unaufhörlich  dieselbe  Klage:  die  Unbeständigkeit 
zu  messenden  Grössen.  Es  gehört  zu  den  auffälligsten  Erscheinungen 
er  Geschichte  unseres  Gebietes,  dass  eine  auf  die  Frage  gerichtete  Unter- 
ung,  unter  welchen  Umständen  man  constante  und  zuverlässige  Werthe 
diese  wichtigen  Grössen  erhalten  könne,  lange  Zeit  überhaupt  nicht  an- 
ellt  wurde;  man  nahm  die  Unregelmässigkeiten  als  unvermeidlich  in  den 
f.  Die  Schuld  an  dieser  Vernachlässigung  trägt  zum  grossen  Theil  die 
lacttheorie.  Indem  nach  dem  Vorgange  von  Fechner  die  bei  der  Be- 
ung  der  Metalle  auftretenden   sichtbaren  oder  unsichtbaren  Änderungen 


s 


Ttjirrrrt   r-r 


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:rjfl££  vc«  c*r;  SÄ«:*r  2.5  -i: 

Da%*    Y'SS;Ls:ß'.*ii    bei    Versuchen,    et    ».-cz 
raren,  Ergebnisse  erhielt,,  welche  er  al: 


»i  ■uiv  «i ;  w 


jm  hsniümge  ar.sah.  /:ann  nicht  Wunder  nehmen.     Er 

in  di-t   beiden   Satze   zusammen:    ..Als   Hauotres^Itar   meiner  Versuche 

»ich  nun  ajf  das  Bestimmteste  herausgestellt,  dass  —  die  Grosse  der 

•r<rfnov>ri%ch'm   Kraft    im  Allgemeinen   durch   ^ede   dem  \V 

S'jfotanz  verändert  wird,  bald  vergrössert.  bald  verringert,  und  zwar,  w* 

wohJ   zu   merken    ist,    durch    dieselbe  Substanz,   dem  Wasser  in  demsdxt: 

Verhältnis  zugesetzt,  für  eine  MetaLI-Combinaiion  vergrößert,  und  für  ei 

andere  verringert  wird. 

„Ebenso  wenig  habe  ich  finden  können,  dass  diese  Kraft  in  einem  ge- 
raden Verhaltniss  zu  der  Starke  der  Verwandtschaft  zwischen  dem  positifa 
Metall  und  dem  negativen  Kestandtheil  der  Flüssigkeit  stehe.  Sie  ist  in 
Fallen  schwach,  wo  man  diese  Verwandtschaft  für  stark  zu  halten  hat,  und 
zeigt  sich  dagegen  stark,  wo  man  nur  eine  schwache  Verwandtschaft  an- 
nehmen muss.  Häufig  entsteht  sogar  ein  Strom,  und  bisweilen  ein  redt 
kraftiger,  wo  nach  dieser  Verwandtschaft  durchaus  keine  Wirkung  w  er- 
warten wäre." 

Wie  weit  hergeholt  unter  Umständen  die  Einwürfe  gegen  die  chemische 
Theorie  ausfielen,  wird  aus  einer  weiteren  von  Poggendoff1  gemachten  Be* 
merkung  ersichtlich.  Zu  anderen  Zwecken  war  die  Änderung  der  Strom- 
starke  gemessen  worden,  welche  im  Kreise  einer  GROVE^schen  Zelle  durch 
Einschalten  einer  oder  mehrerer  Kupferplatten  zwischen  gesättigter  Losung 
von  Kupfervitriol  entstanden  war;  bekanntlich  ist  diese  sehr  gering.  D* 
durch  ergab  sich,  dass  eine  sehr  bedeutende  Menge  Kupfer,  die  ein  W 
beliebiges  Vielfaches  des  Äquivalents  vom  aufgelösten  Zink  beträgt,  durch 
eine  gegebene  Zinkmenge  gelöst  und  abgeschieden  werden  kann. 

„Diese  Erscheinung  hat  noch  ein  besonderes  Interesse  in  Bezug  »■ 
die  Lehre,  nach  welcher  der  galvanische  Strom  aus  der  Auflösung  d* 
Zinks  entsteht,  und  die  Wirkung  desselben  „abhängt  von  dem  Kamp' 
der  Kräfte  an  den  Orten  der  Elektricitätserzeugung  und  der  ElcU- 
trozersetzung." 

1   I'oug.  Ann.   55,   292.   1842. 


Die  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       72 1 


Nach  dieser  Lehre,  sollte  man  meinen,  müsste  der  Totaleffekt  in 
auf  die  Ursache  desto  kleiner  sein,  je  grösser  und  zahlreicher  die 
31  Orten  der  Elektrozersetzung  zu  überwindenden  Kräfte  sind.  Die 
henden  Versuche  aber  zeigen,  dass  dieser  •  Effekt  zunimmt  mit  der 
?  und  Anzahl  dieser  Kräfte.  Es  bestand  nämlich  die  angewandte  Bat- 
aus zwei  Plattenpaaren;  es  wurde  daher,  als  eine  Zersetzungszelle 
ehaltet  war,  von  zwei  Atomen  Zink  in  den  Erregungszellen  so  viel 
icität  entwickelt,  als  zur  Fällung  von  einem  Atom  Kupfer  nöthig  war. 
inschaltung  von  zwei,  drei  oder  vier  Zersetzungszellen  fällten  dagegen 
Uome  Zink,  resp.  zwei,  drei  oder  vier  Atome  Kupfer  auf  den  negativen 
n,  und  zugleich  oxydirten  sie  eben  so  viele  an  den  positiven.  Der 
ch  hätte  noch  viel  weiter  ausgedehnt  werden  können,  allein  so,  wie  er 
:,  liefert  er  den  Beweis,  dass  ein  Atom  Zink  durch  die  angeblich  bei 
•  Auflösung  entwickelte  Elektricität  eine  ganz  unbegrenzte  Zahl  von 
*ratomen  oxydiren  und  reduciren  kann.  Wie  dies  aber  mit  jener  Lehre 
reinbaren  sei,  ist  nicht  wohl  einzusehen." 

Poggendorff  hat  bei  dieser  Darlegung  nur  das  eine  übersehen,  dass  bei 
«nutzten  Versuchsanordnung  die  gesammte  Menge  des  ausgeschiedenen 
?rs  Null  gewesen  ist,  da  immer  an  der  einen  Elektrode  ebensoviel  gelöst, 
an  der  anderen  ausgeschieden  wurde.  Eine  chemische  Arbeit  wurde 
iberhaupt  nicht  geleistet,  und  ein  Widerspruch  gegen  jenen  von  Faraday 
.'stellten  Satz  liegt  nicht  vor. 

61.  Napoleon  III.  als  Theoretiker  des  Galvanismus.  Unter  den 
retern  der  chemischen  Theorie  findet  sich  auch  ein  Mann,  welchen  man 
zu  finden  einigermaassen  überrascht  sein  wird:  Louis  Napoleon,  der 
ire  Kaiser  der  Franzosen.  Während  er  in  der  Festung  Harn  seinen 
jbungsversuch  abbüsste,  schrieb  er  an  Arago  einen  Brief,  welcher 
wde  Theorie  enthielt,  die  er  später  auch  dem  Urtheil  Faraday*s  unter- 
;  wie  dies  gelautet  hat,  ist  unbekannt,  da  sich  in  dessen  Nachlass  die 
vort  nicht  gefunden  hat.1 

„Die  Quelle  der  Elektricität  ist  von  Volta  der  Berührung  unähnlicher 

alle  zugeschrieben  worden.     Davy  hat  diese  Meinung  getheilt,    indessen 

tn  seitdem  hervorragende  Gelehrte,  unter  ihnen  der  berühmte  Faraday 

chemischen  Zersetzung  des  Metalles  die  einzige  Ursache  der  Elektricität 

^schrieben.     Indem  ich   diese  letztere  Hypothese  annahm,  habe  ich  mir 

igt:    da   in   der  Kette  nur  ein  Metall  sich  oxydirt,   so  muss  das  zweite, 

in  die  Elektricität  nur  von  der  chemischen  Wirkung  herrührt,    nur  eine 

jndäre  Rolle  spielen.     Welches  ist  nun  diese  Rolle?     Es  ist  die,  wie  ich 

ibe,   die  Elektricität,   welche    durch    die   chemische  Wirkung  entwickelt 

d,  anzuziehen    und    fortzuleiten,    ähnlich    wie  dies  bei  der  gewöhnlichen 

ktrisirmaschine   stattfindet.      Thatsächlich   durchtritt    hier   die   durch    die 

bung   entwickelte   Elektricität   einen    unvollkommenen   Leiter,    die   Luft, 

1  B.  Jones,  Life  and  letters  of  Faraday,  2,   169.  London   1870. 

")$twald.    Elektrochemie.  46 


722  Vierzehntes  Kapitel. 


und  wird  angezogen  und  geleitet  von  einem  vollkommenen  Leiter,  dar 
Metall.  In  der  Säule  geht  die  durch  die  Oxydation  irgend  eines  Metalfa 
entwickelte  Elektricität  durch  den  unvollkommenen  Leiter,  die  Flüssigkeit, 
und  wird  durch  einen  vollkommenen  Leiter  gesammelt  und  fortgeleitet,  das 
angrenzende  Metall. 

„Da  dieser  Gedanke  mir  klar  und  einfach  erschien,  so  suchte  ich  eh 
Mittel,  durch  den  Versuch  zu  prüfen,  ob  er  zutreffend  ist,  und  machte  des» 
halb  die  folgende  Überlegung.  Ist  es  wahr,  dass  von  den  beiden  in  der 
Säule  gebrauchten  Metallen  das  eine  nur  als  Leiter  dient,  so  muss  man  es 
durch  dasselbe  Metall  ersetzen  können,  welches  sich  oxydirt,  vorausgesetrt, 
dass  es  sich  in  einer  Flüssigkeit  befindet,  welche  der  Elektricität  den  Durch- 
gang gestattet,  ohne  das  Metall  anzugreifen. 

„Der  Versuch    hat    meine   Voraussicht  bestätigt.     Ich    construirte  zwei 
Ketten   nach   dem  Prinzip  Daniell's,    aber    mit  einem   einzigen  Metall.    Ich 
setzte  einen  Cylinder  von  Kupfer  in  eine  aus  Wasser  und  Salpetersäure  zu- 
sammengesetzte Flüssigkeit,  welche  in  einem  Gefäss  aus  porösem  Thon  ent- 
halten  war,  und  umgab  dies  mit  einem  anderen  Cylinder  aus  Kupfer,  welcher 
sich  in  mit  Schwefelsäure  angesäuertem  Wasser  befand,  worin  Kupfer  nicht    ■ 
angegriffen  wird.     Nachdem    ich  die   Verbindungen   wie  gewöhnlich  berge-    . 
stellt  hatte,  konnte  ich  leicht  mit  dieser  aus  zwei  Paaren  bestehenden  Säule   j 
Jodkalium  zersetzen,  und  nachdem  ich  an  den  zwei  Polen  zwei  Kupferplatten    ' 
befestigt  hatte,  die   in  eine  Lösung  von  Kupfersulfat  getaucht  waren,  saffl-   < 
melte  ich  an  dem  Pole,  welcher  mit  dem  angegriffenen  Kupfer  in  Verbindung 
stand,  einen  Absatz  von  Kupfer. 

„Ich  stellte  einen  zweiten  Versuch  mit  Zink  allein  an.  In  das  poröse 
Gefäss  gab  ich  verdünnte  Schwefelsäure,  und  umgab  es  mit  einem  anderen 
Zinkcylinder,  welcher  in  lauwarmem  Wasser  stand.  Mit  zwei  so  hergestellten 
Paaren  zersetzte  ich  gleichfalls  Jodkalium,  und  erhielt  unter  Beobachtung 
der  erforderlichen  Vorsichtsmaassregeln  einen  Kupferniederschlag  an  dem 
Pole,  welcher  mit  dem  angegriffenen  Zink  verbunden  war. 

„Schliesslich  kehrte  ich  die  übliche  Anordnung  der  Metalle  um,  und 
setzte  in  das  Innere  der  Röhre  Kupfer  in  verdünnter  Salpetersäure,  und 
umgab  sie  mit  Zink  in  reinem  Wasser,  und  erhielt  so  gleichfalls  eine  ziem- 
lich starke  Säule. 

„Ich  hätte  gern  die  verschiedene  Stärke  der  Ströme  sorgfältig  gemessen, 
doch  war  mir  dies  unmöglich  aus  Mangel  an  einem  Galvanometer.  Meine 
Bemühungen,  ein  solches  herzustellen,  gelangen  nicht,  weil  die  Magnetnadeln 
stets  durch  die  Wirkung  der  eisernen  Stäbe  abgelenkt  wurden,  welche  sich 
vor  meinen  Fenstern  befinden. 

„Indessen  scheint  mir  durch  die  Versuche,  welche  ich  habe  ausfährt11 
können,    nachgewiesen    zu    sein,    dass  in  der  Säule  die  Ursache  der  Elek- 
tricität rein  chemisch  ist,  da  ein  einziges  Metall  ausreicht,  um  einen  Stro^ 
hervorzubringen,    und   dass  das  nicht  oxydirte  Metall  nur  den  Zweck  ha* 
die    Elektricität    zu    übertragen,    wie    bei    der    gewöhnlichen    Elektricit^ 


Die  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.        12% 


iesslich,  dass  jedes  Metall  positiv  oder  negativ  ist,  je  nach  der  Flüssig- 
weiche  es  umgiebt" 

Napoleon  schliesst  mit  der  Bemerkung,  dass  er  diese  Theorie  mit  grosser 
ickhaltung  aufstelle,  da  ihm  die  nöthigen  Fachkenntnisse  abgehen. 
Der  Aufsatz  hat  ein  Interesse,  welches  über  das  an  der  Person  seines 
assers  hinausgeht,  denn  er  enthält  eine  unbeabsichtigte  Kritik  der  Theorie 
de  la  Rive,  die  man  sich  kaum  schlagender  denken  kann.  In  der  That 
heinen  die  gezogenen  Schlussfolgerungen  von  dem  Standpunkte  dieser 
orie  aus  vollkommen  berechtigt,  und  da  wir  jetzt  wissen,  dass  die  he- 
genden Versuche  auf  Selbsttäuschung  beruhen,  und  die  erwarteten  Er- 
e  keineswegs  eintreten,  so  ist  hier  jene  Theorie  in  der  unbefangensten 
se  ad  absurdum  geführt. 

Der  rührende  Hinweis  auf  das  Loos  des  Gefangenen,  welches  in  der 
lerkung  über  die  Störung  durch  die  Gitter  enthalten  ist,  wird  lediglich 
natische  Zwecke  gehabt  haben.  Denn  die  Abweichungen  der  Magnet- 
el,  wie  sie  durch  die  Gitter  veranlasst  sein  könnten,  hätte  die  Anwendung 
Galvanometers  keineswegs  verhindert,  sonst  dürfte  kein  gewöhnliches 
)oratorium  die  Anwendung  gestatten,  denn  in  einem  solchen  sind  in 
>talt  von  Gas-  und  Wasserröhren  sicher  grössere  Eisenmengen  vorhanden, 
an  den  Fenstern  des  Gefängnisses  zu  Harn. 

62.     Zweite    Vertheidigung     der    chemischen    Theorie    durch 

radav.     Durch  das  kräftige  Eintreten  Faraday's  für  die  chemische  Theorie 

ren  die  Anhänger  der  anderen  keineswegs  entmuthigt  worden;  wir  haben 

*eits  gesehen,  wie  namentlich  Poggendorff  sich  bemühte  zu  zeigen,  dass 

5  elektrolytische  Gesetz  gar  keine  Bedeutung  für  die  Frage  selbst  habe, 

alle   Ströme,    nicht   nur    die  durch  galvanische  Ketten    erzeugten,   dem 

setze    unterliegen.     Indessen    wird   die   Wirkung   doch    wohl    empfunden, 

nn  auch  nicht  zugestanden  worden  sein;  jedenfalls  ist  der  Ton  der  Ver- 

Hdiger  der  VoLTA'schen  Lehre  seitdem  heftiger,  der  der  Chemiker  sicherer 

worden. 

Faraday  griff  noch  ein  zweites  Mal  in  die  Debatte  ein,  indem  er  die 
ihl  der  Fälle,  in  denen  elektrische  und  chemische  Wirkung  gleichzeitig 
id  von  einander  abhängig  eintreten,  durch  eine  weitere  Reihe  von  Ketten 
rmehrte,  und  dazu  noch  Betrachtungen  allgemeiner  Art  fugte,  welche 
n  schwächsten  Punkt  der  VoLTA'schen  Lehre,  die  Verletzung  des  Energie- 
inzipes,  ans  Tageslicht  brachten.  Zwar  war  um  jene  Zeit  das  Prinzip  in 
iner  allgemeinen  Gestalt  noch  nicht  ausgesprochen,  doch  ging  eine  starke 
Drahnung  desselben  durch  viele  Forscher  jener  Zeit,  und  insbesondere  bei 
iraday  finden  sich  hier  und  in  der  Folge  zahlreiche  Äusserungen,  welche 
t  Überzeugung  von  der  Einheitlichkeit  aller  „Naturkräfte"  zum  Ausdruck 
ingen;  ja  diese  Überzeugung  beherrschte  von  dieser  Zeit  ab  in  solchem 
aasse  sein  wissenschaftliches  Denken,  dass  seine  Arbeitspläne  fast  alle  durch 
esen  Gedanken  der  gegenseitigen  Abhängigkeit  der  verschiedenen  natür- 
hen  Agentien   bestimmt   werden.     Allerdings  war  es  ihm  nicht  gegeben, 

46* 


Die  Entwicklung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.        725 


DD;  denn  die  beiden  Meinungen  stehen  in  solchem  Contrast,  dass  die 
Singer  der  einen  gezwungen  sind,  in  jedem  Punkt  rücksichtlich  der  wahr- 
inlichen  und  inneren  Natur  des  Agens,  welches  alle  Erscheinungen  der 
tischen  Säule  bedingt,  von  den  anderen  abzuweichen. 
,,1797)   Die   Contacttheorie   ist   die  Theorie  von  Volta,   dem   grossen 
iccker  der  nach  ihm  benannten  Säule;  seit  seiner  Zeit  ist  sie  durch  ein 
r   von   Physikern   vertheidigt   worden,    unter   denen   in    neueren   Zeiten 
mer  hervorragen,   wie  Pfaff,  Marianini,   Fechner,  Zamboni,  Matteucci, 
sten,    Bouchardat,    und,    was   die   Erregung   der   Kraft   betrifft,   selbst 
y,  —  sämmtlich  helle  Sterne  in  den  hohen  Regionen  der  Wissenschaft, 
chemische  Theorie,  zuerst  von  Fabroni,1  Wollaston2  und  Parrot8  auf- 
teilt) ist  seitdem   mehr  oder  weniger  entwickelt  worden  durch  Oersted, 
la  Rive,  Pouillet,   Schönbein  und  viele  Andere,  unter  denen  Becquerel 
irorgehoben  zu  werden  verdient,  da  er  nach  und  nach  eine  grosse  Masse 
strengsten  experimentellen  Beweise  für  den  Satz,  dass  chemische  Aktion 
Qer  Elektricität  entwickele,   herbeigeschafft  hat;4   auch  de  la  Rive  muss 
annt  werden,  sowohl  wegen  der  grossen  Klarheit  und  Beständigkeit  seiner 
sichten,    als  auch  wegen  der  vielen  Thatsachön  und  Argumente,   die  er 
q  Jahre  1827  bis  auf  den  heutigen  Tag  so  eifrig  geliefert  hat.6 

„1798)  Bei  Prüfung  dieser  Aufgabe  durch  die  Resultate  der  bestimmten 
rtrochemischen  Aktion  sah  ich  mich  genöthigt,  es  mit  denen  zu  halten, 
den  Ursprung  der  VoLTA'schen  Kraft  lediglich  in  die  chemische  Aktion 
een  (875.  965),  und  ich  wagte  darüber  im  April  1834  einen  Aufsatz  zu 
treiben  (875  u.  s.  w.),G  der  besonders  die  Aufmerksamkeit  von  Marianini 
egt  hat.7  Der  Rang  dieses  Physikers,  die  Beobachtungen  von  Fechner8 
d  die  Kunde,  dass  im  grösseren  Theil  von  Italien  und  Deutschland  die 
ntacttheorie  noch  vorwaltet,  haben  mich  veranlasst,  die  Frage  auPs  Sorg- 
tigste  wieder  vorzunehmen.  Ich  wünschte  nicht  bloss,  mich  vor  Irrthum 
hüten,  sondern  strebte  auch  danach,  mich  von  der  Wahrheit  der  Contact- 
Jorie  zu  überzeugen;  denn  einleuchtend  ist  es,  dass  die  contact-elektro- 
rtorische  Kraft,  wenn  sie  existirte,  eine  Kraft  sein  müsste,  verschieden  von 
ier  anderen  Naturkraft,    nicht  nur  in  Bezug   auf  die  von    ihr   erzeugten 


1  Im   Jahre    1792   u.    1799.     Becquerel's    Traite    de    l'electricite,    1,    81    bis   91;    und 
cholson's  Quarto  Journ.  3,  308,  4,   120,  oder  Journ.  de  phys.  6,  348. 
*  Im  Jahre  1801,  Phil.  Trans.  427.   1801. 

3  Im  Jahre   1801,  Ann.  de  chim.  42,  45.   1829;  46,   361.   1831. 

4  Im  Jahre   1824  u.  s.  w.,   Ann.   de  chim.  25,   405.   1824;   35,    113.    1827;   46,    1831. 
5-  276.  337;  47,  113;  49,  131. 

5  Ebenda  37,  225.   1828;   30,  297;   62,   147.   1836.     (Pogg.  Ann.  15,  98  u.   112;  88, 

5;  40, 355.) 

8  Philos.  Trans.  425.   1834.     (Pogg.  Ann.  35,   1  u.  222.) 

7  Mcmorie  della  Societa  Italiana  in  Modena,  21,  205.   1837. 

8  Philos.  Mag.  13,  205.  1838,  oder  Pogg.  Ann.  32,  481.  —  „Fechner  citirt  auch  Pfaff's 
Liderung  auf  meinen   Aufsatz  (d.  i.  Pfaff's  Revision   der  Lehre   vom   Galvano- Voltaismus). 

bedaure  unaufhörlich,  dass  das  Deutsche  für  mich  eine  versiegelte  Sprache  ist." 


726  Vierzehntes  Kapitel. 


Erscheinungen,  sondern  auch  in  den  weit  höheren  Punkten  der  Beschränkung, 
bestimmten  Kraft  und  endlichen  Erzeugung  (2065). 

„1799)  Ich  wage  zu  hoffen,  dass  die  dadurch  gewonnenen  experimen- 
tellen Resultate  und  Argumente  der  Wissenschaft  nützlich  sein  werden.  Ich 
fürchte,  das  Detail  wird  ermüdend  sein;  allein  es  ist  eine  nothwendige  Folge 
der  Beschaffenheit  des  Gegenstandes.  Die  Contacttheorie  hat  lange  die 
Geister  eingenommen,  ist  durch  grosse  Autorität  unterstützt,  und  hat  in 
einigen  Theilen  von  Europa  Jahre  lang  fast  unumschränkt  geherrscht.  Wenn 
sie  ein  Irrthum  ist,  kann  sie  nur  durch  eine  grosse  Anzahl  mächtiger 
experimenteller  Beweise  ausgerottet  werden,  was,  nach  meiner  Meinung, 
schon  daraus  hinlänglich  hervorgeht,  dass  de  la  Rive's  Aufsätze  noch  nicht 
die  Bearbeiter  dieses  Gegenstandes  überzeugt  haben.  Dies  ist  der  Grund, 
weshalb  ich  es  für  nützlich  hielt,  mein  ferneres  Zeugniss  dem  seinigen  und 
dem  von  Anderen  hinzuzufügen,  und  die  Thatsachen  weit  mehr  zu  verviel- 
fältigen, als  es  für  den  Beweis  und  die  Verbreitung  einer  neuen  wissen- 
schaftlichen Wahrheit  nöthig  gewesen  wäre  (2017).  Ich  habe  dadurch  hin 
und  wieder  nur  erweitert,  doch,  wie  ich  hoffe,  auch  verstärkt,  was  Andere, 
und  namentlich  de  la  Rive,  bewiesen  haben. 

„1800)  Es  wird  zur  Verdeutlichung  der  Aufgabe  beitragen,  zuvörderst 
die  verschiedenen  Ansichten  vom  Contact  anzugeben.  Volta's  Theorie  ist: 
dass  leitende  Körper  durch  ihren  blossen  Contact,  ohne  Veränderung  ihrer 
Natur,  Elektricitätserregung  an  den  Berührungspunkten  verursachen,  und 
dass  W'asser  und  wässerige  Flüssigkeiten  diese  Eigenschaft  zwar  besitzen, 
aber  in  einem  so  schwachen  Grade,  dass  sie  im  Vergleich  zu  dem  Grade, 
in  welchem  sie  zwischen  den  Metallen  entsteht,  gar  nicht  in  Betracht  kommt1 
Die  jetzigen  Ansichten  der  italienischen  und  deutschen  Contactphysiker  sind, 
glaube  ich,  im  Allgemeinen  dieselben,  ausgenommen,  dass  sie  bisweilen 
mehr  Wichtigkeit  auf  den  Contact  der  unvollkommenen  Leiter  mit  den 
Metallen  legen.  So  hält  Zamboni  (im  Jahre  1837)  den  Contact  der  Metalle 
unter  sich,  und  nicht  den  der  Metalle  mit  den  Flüssigkeiten,  flir  die  mäch- 
tigste Quelle  der  Elektricität;2  allein  Karsten  verlegt  die  elektromotorische 
Kraft  in  den  Contact  der  Flüssigkeiten  mit  den  starren  Leitern.8  Marianini 
hat  dieselbe  Ansicht  vom  Contact,  nur  dass  er  noch  hinzufugt,  der  wirkliche 
Contact  sei  nicht  nothwendig  zur  Äusserung  der  erregenden  Kraft,  es  könnten 
vielmehr  zwei  ungleiche  Leiter  auf  ihren  gegenseitigen  Zustand  einwirken, 
wenn  sie  auch  noch  durch  luftvolle  Zwischenräume  von  0,0001  Linie  und 
mehr  getrennt  seien.4 

„1801)  de  la  Rive  dagegen  streitet  flir  die  blosse  und  direkte  chemische 
Aktion,  und,  so  weit  ich  sehe,  nimmt  er  keinen  Strom  in  der  VoLTA'schen 
Säule  an,  der  nicht  mit  einem  vollständigen  chemischen  Effekt  verbunden 
sei    und    davon    abhänge.      Der    bewundernswürdige   Elektriker   Becqueril, 

1  Ann.  de  chimie,  40,  225.   1802. 

•  Biblioth.  universelle,  6,  387.   1836;  8,  189.  1837.  *  L'inrätut,  Nr.  15a 

4  Mem.  della  Soc.  Ital.  in  Modena,  21,  232.  237.  1837. 


Die  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.        727 


ll  er  sich  mit  grosser  Vorsicht  ausdrückt,   scheint  es  für  möglich  zu 
,  dass  die  chemischen  Anziehungen,   wenn  sie  nicht  stark  genug  zur 
fältigung  der  Cohäsionskraft  sind,  elektrische  Ströme  hervorrufen  und 
rbindungen  verursachen  können. l   Schönbein  behauptet,  dass  ein  Strom 
eine  Tendenz  zur  chemischen   Aktion  erzeugt  werden   könne,   d.  h. 
Substanzen,  die  eine  Tendenz,  sich  chemisch  zu  vereinigen,  besitzen, 
Strom  erzeugen,  obgleich  die  Tendenz  nicht  durch  eine  wirkliche  Ver- 
ng  der  Substanzen  befriedigt  werde.3     In  diesen   Fällen   fällt   die   be- 
lete  Kraft  mit  dem  VoLTA'schen  Contact  zusammen,  insofern  die  wir- 
m   Substanzen   während   der  Erzeugung   des  Stromes    nicht   verändert 
rn.     Davy*s  Meinung  war,    dass   ein   Contact  gleich  dem   VoLTA'schen 
Strom  errege^  oder  verursache,   dieser  aber  durch  chemische  Verände- 
rn unterhalten  werde.    Ich  selbst  bin  für  jetzt  der  Meinung  de  la  Rivers, 
glaube,    dass  in   der  VoLTA'schen  Säule  der  blosse  Contact  nichts  zur 
jung   des    Stromes    beiträgt,    ausgenommen,    dass    er   die   vollständige 
ische  Aktion  vorbereitet  und  darin  ändert  (1741.  1745). 
„1802)  Die  Contactansichten  sind  also  verschieden,   und   gehen,    man 
wohl  sagen,  von  der  einen  in  die  andere  über,  selbst  so  weit,  dass  sie 
:hemische  Aktion  einschliessen;  allein  die  beiden  Extreme  scheinen  mir 
3rinzip    unvereinbar    unter  jeglicher    Gestalt.     Sie    sind    folgende.     Die 
acttheorie    nimmt   an,   dass,   wenn    zwei    verschiedene,    die  Elektricität 
ide  Körper  in  Contact  stehen,   an  dem  Berührungspunkt  eine  Kraft  da 
/ermöge  welcher  der  eine  Körper  einen  Theil  seiner  natürlichen  Portion 
Elektricität  dem  anderen  Körper  giebt,    und  der  letztere  sie  zu  seiner 
len  natürlichen  Portion  aufnimmt;    dass  die  Berührungspunkte,    obwohl 
onach  Elektricität  gegeben  und  empfangen  haben,  die  durch  den  Contact 
nlasste  Ladung  nicht  halten  können,    sondern  ihre  Elektricitäten  gegen 
respektive  hinter  ihnen  befindlichen  Massen   entladen   (2067),    dass   die 
ft,    welche    am  Berührungspunkt  die  Theilchen  veranlasst   einen    neuen 
and  anzunehmen,  sie  nicht  befähigen  kann,  diesen  Zustand  zu  behalten 
>9),  dass  alles  dieses  ohne  bleibende  Änderung  der  in  Berührung  stehenden 
älchen    geschieht    und    keinen  Bezug  hat  zu   deren   chemischen  Kräften 
55.  2069). 

„1803)  Die  chemische  Theorie  nimmt  an,  dass,  an  dem  Orte  der 
-kung,  die  in  Berührung  stehenden  Theilchen  chemisch  auf  einander 
ken,  und  im  Stande  sind,  unter  Umständen,  mehr  oder  weniger  von  der 
kenden  Kraft  in  eine  dynamische  Form  zu  versetzen  (947.  996.  1120), 
s  unter  den  günstigsten  Umständen  das  Ganze  in  dynamische  Kraft  ver- 
adelt wird  (1000),  dass  dann  der  Betrag  der  erzeugten  Stromkraft  ein 
laues  Äquivalent  der  ursprünglich  angewandten  chemischen  Kraft  ist,  und 
ss   in    keinem    Fall    (bei    der  VoLTA'schen    Säule)    ein    elektrischer   Strom 


1  Ann.  de  chimie,  40,   171.   1825.  —  Traite  de  l'electricite,  1,  253.  258. 
•  Philos.  Mag.  12,  227.  311.  314.  1838.  —  Pogo.  Ann.  38,  89  u.  220. 


728  Vierzehntes  Kapitel. 


erzeugt  werden  kann,  ohne  thätige  Ausübung  und  Verzehrung  eines  gleichen 
Betrages  von  chemischer  Kraft,  und  endend  mit  einem  gegebenen  Betzag 
von  chemischer  Veränderung. 

„1804)  Marianini's  Aufsatz1  war  für  mich  ein  starker  Beweggrund,  den 
Gegenstand  wieder  aufzunehmen;  allein  der  Weg,  den  ich  einschlug,  be- 
zweckte nicht  so  sehr  die  Beantwortung  einzelner  Einwürfe,  als  vielmehr  die 
Erlangung  von  Beweisen,  die,  mochten  sie  die  streitigen  Punkte  betreffe» 
oder  nicht,  für  mich  selbst  genügend  waren,  entweder  die  eine  oder  die 
andere  Theorie  anzunehmen.  Dieser  Aufsatz  ist  daher  keine  Streitschrift, 
sondern  eine  Sammlung  fernerer  Thatsachen  und  Beweise  für  die  Richtigkeit 
von  de  la  Rivers  Ansichten.  Die  von  Marianini  berührten  Fälle  sind  von 
hohem  Interesse,  und  alle  seine  Einwürfe  müssen  dereinst  beantwortet 
werden,  wenn  man  numerische  Werthe  sowohl  von  der  Intensität  als  Quantität 
der  Kraft  erlangt;  allein  sie  alle  sind  widerlegbar  und  hängen,  meiner  Mei- 
nung nach,  von  Quantitätsveränderungen  ab,  welche  die  allgemeine  Frage 
nicht  ernstlich  treffen.  Wenn  dieser  Physiker  z.  B.  Zahlenwerthe  giebt,  * 
erhalten  durch  Betrachtung  zweier  Metalle,  mit  Flüssigkeiten  an  deren  ent- 
gegengesetzten Enden,  welche  Gegenströme  zu  bilden  trachten,  so  glaube 
ich,  dass  der  Unterschied,  welchen  er  dem  entweder  vollzogenen  oder 
abgebrochenen  Metallcontact  zuschreibt,  erklärlich  sei  durch  zum  Thcfl 
bekannte  Thatsachen  rücksichtÜGh  entgegengesetzter  Ströme;  ebenso  gro« 
und  grössere  Unterschiede  habe  ich  bei  Vollziehung  des  Metallcontactes  in 
der  Kette  beobachtet,  und  in  früheren  Aufsätzen  (1046)  beschrieben. 

„1805)  In  Betreff*  desjenigen  Theiles  seiner  Abhandlung,  der  von  Schwefel- 
leberlösungen handelt,2  hoffe  ich  auf  die  weiterhin  gemachten  Untersuchungen 
verweisen  zu  dürfen.  Ich  finde  nicht,  wie  der  italienische  Physiker,1  dass 
in  Lösungen  von  Schwefelkalium  Eisen  positiv  sei  gegen  Gold  und  Platin, 
sondern  finde  es  im  Gegentheil  stark  negativ,  und  aus  weiterhin  folgenden 
Gründen  (2049). 

„1806)  Anlangend  die  Erörterung  der  Ursache  des  Funkens  vor  dem 
Contact,4  so  nimmt  Marianini  diesen  Funken  an,  den  ich  bereits  ganz  auf- 
gegeben habe.  Jacobi's  Aufsatz6  überzeugte  mich,  dass  ich,  hinsjehtlich 
dieses  Beweises  von  dem  Dasein  eines  Spannungszustandes  in  den  Metallen 
vor  ihrem  Contact,  im  Irrthum  war  (915.  936).  Ich  brauche  daher  für  jetzt 
nicht  mehr  zu  thun  als  meine  eigenen  Beobachtungen  zurückzunehmen. 

„1807)  Ich  schreite  nun  zu  dem  allgemeinen  Argument,  lieber  als  »1 
einer  particulären  Controverse  oder  zur  Discussion  von  Fällen  einer  schwachen 
Kraft  oder  zweifelhaften  Beschaffenheit;  denn  vom  Anfange  an  hat  sich  in 
mir  die  Ansicht  befestigt,  dass  wir  keinen  schwachen  Einfluss  oder  keine 
geringfügige  Erscheinung  zu  erklären  haben,  sondern  eine  Kraft  von  grosser 


1  Memorie  della  Societa  Italiana  in  Modena,  21,  205.   1827. 

•  Ebenda  21,  217.  1827.  »  Ebenda  21,  217.   1827.  «  Ebenda  81,  «5. 

6  Philos.  Mag.  13,  40 1.   1838.  —  POGG.  Ann.  44,  633. 


Die  Entwickclung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.        72Q 

:,  und  dass  daher  die  Ursache,  sowohl  in  Intensität  als  Quantität,  im 

tniss  zu  den  erzeugten  Kräften  stehen  müsse. 

1808)   Alle   Untersuchungen    sind    an   Strömen    und    mit    Hülfe    des 

lometers  gemacht;   denn  es  schien  mir,    dass  ein  solcher  Gang  und 

lches  Instrument  am  besten  zur  Untersuchung  der  VoLTA'schen  Elek- 

geeignet  seien.     Das  Elektrometer  ist  ohne  Zweifel  ein  höchst  wich- 

Instrument;    allein   die   Physiker,   die    dasselbe   gebrauchen,   stimmen 

itlich  der  Sicherheit  und  Empfindlichkeit  seiner  Resultate  nicht  überein. 

selbst  wenn  man  die  wenigen  Resultate,  die  bis  jetzt  durch  das  Elektro- 

geliefert  wurden,  als  richtig  ansieht,  sind  sie  bei  weitem  zu  allgemein, 

ie  Frage,   ob  Contact  oder  chemische  Aktion  das  Erregende  in  der 

/sehen  Batterie  sei,  zu  entscheiden.     Soll  das  Instrument  genau  sein 

zuverlässige  Angaben   für   irgend    eine    Theorie   liefern,   so   würde   es 

l  sein,  eine  Tafel  über  die  Wirkung  des  Contactes  zwischen  den  zur 

ruetion  der  VoLTA'schen  Säule  dienenden  Metallen   und  Flüssigkeiten, 

'eise  genommen,  zu  entwerfen  ( 1 868),  und  in  einer  solchen  Tafel  sowohl 

Achtung  als  den  Betrag  der  Contactkraft  auszudrücken. 

,1809)  Die  Anhänger  der  Contacttheorie  nehmen  an,  dass,  wiewohl  die 

le  starke  elektromotorische  Kräfte  an  ihren  gegenseitigen  Berührungs- 

ten   ausüben,   diese  dennoch  in  einer  ganz  metallischen  Kette  so  auf- 

gen  werden,  dass  durch  jegliche  Anordnung  kein  Strom  erzeugt  wird. 

B.  in  Fig.  190  die  Contactkraft  vom  Kupfer  K  und  Zink  Z  gleich   io+>-, 

mrd  bei  m  ein  drittes  Metall         fn    . 

"-F* ^ b ^ b- 


a, 


zuu>  ö  nv 


copptr 


»ehaltet,  gleichviel  welches, 

ringen  die  Berührungen  mit 
und  Kupfer   in   b    und   c 

Kraft  gleich  10  in  der  ent-  Fig.  I90#    n^Faraday. 

ngesetzten  Richtung  •«+  her- 
Wäre  z.  B.  Kalium  eingeschaltet,  und  dessen  Contactkraft  bei  b  =  5  4v, 

airde  die  Contactkraft  bei  £  =  -<+  15  sein;  oder  wäre  es  Gold  und  dessen 

taetkraft   bei  b  =  -<f  19,   so  würde   die  Contactkraft    bei   c  =  +►  9  sein. 

st  dies  eine  sehr  freie  Annahme,  die  nöthig  ist,  damit   die  Theorie  mit 

Thatsachen   übereinstimme;   ich  glaube  jedoch,    es    ist  eine  blosse  An- 

me,    denn    ich    erinnere   mich   keiner,   von  jener  Theorie  unabhängigen 

a,  welche  die  Wahrheit  derselben  beweisen. 

„18 10)  Andererseits  wird  angenommen,  dass  flüssige  Leiter  und  solche 
per,  welche  Wasser  enthalten,  oder  in  anderen  Worten,  diejenigen,  die 

Elektrolyte  genannt  habe  (664.  823.  921),  entweder  keine  Contactkraft 
den  Punkten  ihrer  Berührung  mit  den  Metallen  ausüben,  oder,  wenn 
der  Fall  ist,   mit  dem  sehr  wichtigen   Unterschiede,  dass  die  Kräfte  in 

geschlossenen  Kette  nicht  demselben  Gesetz  der  Compensation  oder 
itralisation  unterworfen  sind,  welches  für  Metalle  gilt  (1809).  Allein 
5  ist,  ich  darf  es  wohl  sagen,  auch  eine  Annahme;  denn  es  wird  nicht 
ch    eine    unabhängige   Messung    oder    durch   Thatsachen    (1808)    unter- 


730  Vierzehntes  Kapitel. 


stützt,   sondern   nur  durch  die  Theorie,   welche   selbst  dadurch   unterstött 
werden  soll. 

„1811)  Geleitet  von  dieser  Meinung  und  in  der  Absicht  zu  ermittdiv 
was  in  der  geschlossenen  Kette  durch  Contact  und  was  durch  chemische 
Aktion  bewirkt  werde,  bemühte  ich  mich  unter  den  Körpern  der  letztere! 
Klasse  (1810)  einige  zu  finden,  welche  keine  chemische  Einwirkung  auf  & 
angewandten  Metalle  hätten,  also  diese  Ursache  zum  Strome  ausschlössen, 
und  dennoch  gute  Elektricitätsleiter  wären,  so  dass  sie  Ströme  zeigen  miissten, 
die  aus  dem  Contact  dieser  Metalle  mit  einander  oder  mit  den  Flüssigkeit« 
entsprängen.  Schliessend,  dass  jeder  Elektrolyt,  der  den  Thermostrom  eines 
einzigen  Wismuth-Antimonpaares  leiten  würde,  dem  verlangten  Zweck  ent-l 
spräche,  suchte  ich  nach  solchen,  und  war  bald  so  glücklich  einige  w 
finden." 

Die    von    Faraday    nun    beschriebenen    Versuche    sind    mit    Schwefel- 
kalium  als  Elektrolyt  und  Eisen  und  Platin  als  Elektroden  ausgeführt  worden, 
und    ergaben,    dass   trotz   der   grossen  „Contactkraft"  zwischen   den  beiden! 
Metallen  kein  Strom  in  einer  so  zusammengestellten  Kette  beobachtet  werden  1 
konnte.    Dass  nicht  etwa  Widerstände  diese  Erscheinung  hervorriefen,  bewies  I 
Faraday  dadurch,  dass  er  in  den  Stromkreis  ein  Thermoelement  aus  Antimon  i 
und  Wismuth  einschaltete  und  durch  schwache  Erwärmung  einer  der  Löth-  \ 
stellen  einen  kleinen  Thermostrom  hervorrief;    dieser  ging  leicht  durch  den  * 
Kreis  und  bewies  so  seine  gute  Leitfähigkeit.     Wurde  andererseits  an  der 
Stelle,  wo  sich  Eisen  und  Platin  berührten,  ein  mit  Salzlösung  oder  Wasser 
befeuchtetes  Papier  eingeschaltet,   so  entstand  alsbald  ein  Strom,   der  den 
Thermostrom  weit  an  Stärke  übertraf.     Ähnlich  verhielten  sich  Gold,  Palla- 
dium  und  Nickel;    alle  Zusammenstellungen   dieser  Metalle  unter  sich  und 
mit  Eisen  und  Platin  in  Schwefelkalium  waren  wirkungslos,  wie  sie  auch  mit 
dem    Elektrolyten   keine   chemischen    Vorgänge   erkennen   liessen.     Ebenso 
verhielten  sich  die  zusammengesetzten  Körper  von  metallischer  Leitfähigkeit: 
Bleiglanz,  Kupferkies,  Schwefelkies,  Eisenhammerschlag. 

Als  ein  ähnlicher  Elektrolyt,  wie  die  concentrirte  Schwefelkaliumlösung 
erwies  sich  die  „grüne  salpetrige  Säure",  d.  h.  die  Flüssigkeit,  welche  sich 
bildet,  wenn  man  Stickstofifhyperoxyd  mit  dem  gleichen  Volum  Wasser  ver- 
dünnt. Auch  hier  wurde  mit  Eisen  gegen  Platin  keine  Wirkung  erhalten, 
obwohl  die  Flüssigkeit  gut  leitet. 

„Wenn  aber  der  Contact'  zwischen  Platin  und  Eisen  eine  elektromoto- 
rische Kraft  besitzt,  warum  erzeugt  er  keinen  Strom?  Erwärmung  oder  eiw 
geringe  chemische  Aktion  an  der  Berührungsstelle  erzeugt  einen  Strom  unc 
die  letztere  sogar  einen  starken.  Wenn  nun  alles  andere  als  der  Contac 
einen  Strom  erzeugen  kann,  warum  thut  es  denn  dieser  nicht?  Die  einzige! 
Antworten  darauf  sind,  dass  das  passive  Eisen  dieselben  elektromotorische) 
Eigenschaften  und  Relationen,  wie  das  Platin  besitze,  oder  dass  die  salpetrig 
Säure  unter  demselben  Gesetze  wie  die  Metalle  stehe,  und  dadurch  di 
Summe  aller  Contacteffekte  vernichtet  werde,   oder  ein  genaues  Aufhebe 


ie  Entwickdung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.        731 

rte  erfolge.     Dass  das  Eisen  insofern  dem  Platin  gleicht,   als  es  an 

!ontactpunkten  keine  elektromotorische  Kraft  ohne  chemische  Aktion 

glaube  ich;    dass   es  aber  diesem   in  seinen   elektrischen  Aktionen 

h  ist,  erhellt  aus  der  Verschiedenheit  zwischen  den  beiden  in  con- 

r  und  in  verdünnter  Salpetersäure,  aus  der  sehr  grossen  Verschieden- 

t  der  sie  elektrische  Ströme  in  Salpetersäure  und  in  Schwefelkalium- 

eiten,  und  auch  aus  anderen  Verschiedenheiten.    Dass  die  salpetrige 

vas  ihr  Contactvermögen  anlangt,  von  den  übrigen  Elektrolyten  ge- 

nd  mit  den  Metallen  in  dem,  was  bei  diesen  nur  eine  Annahme  ist, 

engestellt  werden  müsse,  ist  eine  willkürliche  Erklärungsweise,  deren 

igkeit  bei  dem  Schwefelkalium  später  in  Betracht  kommen  wird." 

itere  Versuche  Faraday's  beziehen  sich  auf  passives  Eisen   und  auf 

dene    Metalle    in    Kalilösung;    auch    in    diesen    Fällen    fanden    keine 

statt,  und  gleichzeitig  keine  chemische  Wirkung. 

1  den   Beweis    nun    auch    von    der  anderen   Seite  zu   fuhren,    stellte 

t  des  weiteren   eine  Anzahl   von  Versuchen   an,    in    denen  Metalle 

wurden,    auf  welche  Schwefelkalium   chemisch    einwirkt.     In   diesen 

wurden  immer  Ströme,  zum  Theil  recht  starke,  beobachtet,  wie  das 

ziel  früher  von  Davy  angegeben  worden  war.     Derselbe  hatte  auch 

;esehen,  dass  in  gewissen  Fällen,  z.  B.  bei  Eisen  und  Kupfer,  der  Strom 

e  die  entgegengesetzte  Richtung  hat,  wie  in  Schwefelkalium. 

as  die  von  den  Contacttheoretikern  hierfür  gegebene  Deutung  durch 

dene  oberflächliche  Schichten  anlangt,  so  bemerkt  Faraday  dazu: 

883)    Marianini  hält  es  für  möglich,  dass  der  Stom  aus  der  Contact- 

les    gebildeten   Sulfurets    entspringe.     Allein    diese   Annahme    ist  hier 

Zinn)    gänzlich    ausgeschlossen,    denn  wie  kann   ein    nichtleitender 

einen  Strom  erzeugen,   sei  es  durch  Contact  oder  sonst  irgendwie? 

s   hat    man    einen   solchen  Fall  nachgewiesen,   noch  liegt  er  in   der 

der  Dinge.    Es  kann  also  nicht  der  Contact  des  Sulfids  sein,  welcher 

n  Strom  hervorruft,  und  wenn  in  diesem  Falle  nicht,  warum  in  irgend 

Denn  hier  geschieht  nichts,  was  nicht  in  jedem  anderen  Falle  eines 

denselben  erregenden  Elektrolyt  erzeugten  Stromes  geschieht. 

1884)     Welch  schönen  Beweis  giebt  andererseits  das  Resultat  für  die 

gung  der  chemischen  Theorie!   Zinn  kann  Schwefel  aus  dem  Elektrolyt 

Idung  eines  Sulfids  aufnehmen,  und  während  es  dies  thut,  erregt  es  im 

Itniss   dazu   einen  Strom;   allein,  wenn  nur  das  gebildete  Sulfid  durch 

düng  des  Metalles  die  Flüssigkeit  ausschliesst,   und  die  fernere  chemi- 

Virkung  verhindert,  hört  auch  der  Strom  auf.    Es  ist  für  diesen  Zweck 

nöthig,  dass  es  ein  Nichtleiter  sei;    denn  leitende  Sulfide  verrichten 

ben  Dienst  und  bringen  ungefähr  dasselbe  Resultat  zuwege.    Was  kann 

iarer  sein,   als  dass   während    der  Bildung  des  Sulfids  der  Strom 

wird,  und  dass  nach  seiner  Bildung  der  blosse  Contact  nichts  zu  dieser 

ng  vermag." 

»iesen  Gedanken   bringt   nun  Faraday  in   der   mannigfaltigsten  Weise 


732  Vierzehntes  Kapitel. 


experimentell  zur  Geltung,  und  weist  eine  ganze  Reihe  von  Beispiele 
in  welchen  gleiche  Verhältnisse  stattfinden.  Einen  besonders  anschai 
Versuch  theilt  er  später  mit: 

„191 1)    Bevor  ich  diesen  Abschnitt  schliesse,  will  ich  noch  der  s< 
und  mannigfaltigen  Erscheinungen  erwähnen,  die  sich  einstellen,  wenn 
und  Silber  oder  zwei  Stücke,  entweder  von  Silber  oder  von  Kupfer,  1 
gelben  Lösung  eine  Kette  bilden.     Sind  die  Metalle  Kupfer  und  Sil! 
ist  das  Kupfer  anfangs  positiv  und  das  Silber  bleibt  blank-,   in   kurz 
hört    aber   diese  Wirkung  auf,    und  das  Silber  wird  positiv.     Zur  g 
Zeit  beginnt  es  sich  mit  Schwefel  zu  verbinden   und  mit  Schwefelsi 
überziehen;  nach  einiger  Zeit  wird  das  Kupfer  wieder  positiv,  und  so 
mehrmals  die  Wirkung  von  der  einen  Seite  zur  anderen   um,   und 
zeitig   auch   der  Strom,   je    nachdem    die  Umstände   nach   der  einei 
günstiger  sind,  als  nach  der  anderen. 

„191 2)  Wie  aber  soll  man  glauben,  dass  der  zuerst  entstandene 
von  der  Berührung  des  gebildeten  Schwefelkupfers  herrühre,  da  dessen 
wart  der  Grund  ist,  warum  der  anfängliche  Strom  abnimmt,  und  das 
das  anfangs  von  geringerer  erregender  Kraft  ist  und  deshalb  vom  Su! 
bleibt,  nach  einiger  Zeit  das  Übergewicht  erlangt  und  einen  Strom  c 
der  den  am  Kupfer  erregten  überwältigt?  Was  anderes  kann  dies 
änderungen  erklären,  als  die  chemische  Aktion,  welche  mir,  soweit 
jetzt  gekommen  sind,  alle  hervorgebrachten  Wirkungen  mit  der  g 
Einfachheit  zu  erklären  scheint,  wie  mannigfaltig  auch  die  Wirkunj 
und  die  begleitenden  Umstände  seien?" 

Auf  diese  sechzehnte  Reihe  seiner  Untersuchungen  liess  Farac 
mittelbar  die  siebzehnte  folgen,  in  welcher  dieselben  Fragen  von  ; 
Seite  behandelt  werden.  Es  wurden  Ketten  aus  einem  Metall  un< 
Flüssigkeit  hergestellt,  und  durch  Erwärmung  an  der  einen  Elektro 
„chemische  Kraft  erhöht".  Die  erhaltenen  Ergebnisse  waren  von  2 
verwickelter  Beschaffenheit,  und  die  grosse  Zahl  von  Einzelbeobach 
an  welche  sich  keine  bestimmten  Schlüsse  knüpfen  lassen,  steht  in  < 
Gegensatze  zu  dem  schnellen  und  entscheidenden  Gang,  mit  dem  bi 
Faraday  auf  sein  Ziel  loszugehen  pflegte.  Ebenso  bringen  die  w< 
grosser  Breite  geschilderten  Ketten  ohne  Metallcontact  nichts  neues  ü 
früheren  entscheidenden  Versuche  (S.  551)  hinaus. 

Zum  Schlüsse  giebt  nun  Faraday  eine  Zusammenfassung  alles 
was  er  über  die  Frage  der  beiden  Theorieen  zu  sagen  hat  Diese  v 
Kundgebung  ist  nachstehend  vollständig  wiedergegeben.  Wie  in 
Kunstwerke  geben  diese  Betrachtungen  nicht  nur  einen  Abschluss  de 
innerhalb  des  Rahmens  der  damaligen  Wissenschaft,  sondern  die  an 
Stelle  ausgesprochenen  entscheidenden  Überlegungen  lassen  den  Eint 
neuen  Zeit  erkennen,  in  welcher  das  entscheidende  Hülfemittel  unserei 
Wissenschaft,  das  Energiegesetz,  das  erste  Wort  in  allen  wissenscha 
Fragen  spricht.     Noch   sollte   es   zwei  Jahre  dauern,   bis  J.  R.  Mayi 


f  Entwkketang  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.        733 

de  dies  Gesetz  in  seiner  ganzen  Einfachheit  darlegte,  und  noch 
Seit,  bis  es  auf  die  Erscheinungen  der  VoLTA'schen  Elektricität 
sse  Anwendung  fand;  aber  bedeutungsvoll  genug  ist  der  Um- 
iss  auch  in  der  unvollkommenen  Gestalt  das  Gesetz  seine  Kraft 
und  Klarheit  zu  verbreiten  begann,   noch   bevor  es  selbst  klar  er- 

9)  Das  Argument  ist  nun  in  dem  geeigneten  Zustand  zur  Wieder- 
:  des  zuvor  erwähnten  (1835.  J^44)  wichtigen  Punktes,  welcher, 
mit  Wahrheit  von  einem  Vertheidiger  der  Contacttheorie  vorge- 
erden  könnte,  die  Kraft  der  obigen  experimentellen  Resultate  völlig 
n  würde,  obwohl  er  diese  Theorie  nicht  völlig  in  den  Stand  setzt, 
und  für  die  Thätigkeit  der  Säule  und  die  Existenz  eines  Stromes 
i>en  anzugeben;  —  welcher  aber,  wenn  er  falsch  ist,  die  Contact- 
anz  wehrlos  und  unbegründet  lassen  würde. 

5o)  Ein  Anhänger  der  Contacttheorie  kann  es  sagen,   dass  die  ver- 

tn  leitenden  Substanzen,  die  in  vorstehenden  Versuchen  angewandt 

den  Metallen  analog  seien,  d.  h.  dass  sie  an  ihren  Berührungspunkten 

Metallen  und  anderen  zur  Schliessung  der  Kette  angewandten  starren 

eine  elektromotorische  Kraft  entwickeln,    dass   diese  aber  an  jeder 

teile  eine  so  abgemessene  Stärke  habe,  dass  die  Summe  der  Kräfte 

geschlossenen  Kette  Null  sei  (1809).     Die  Wirkungen  der  Contacte 

*ktromotorische  Spannungswirkungen,    allein    aufgewogene,    und    so 

ein  Strom  entstehen.    Allein  wo  ist  eine  Erfahrung  zur  Stütze  dieser 

ung?     Wo   sind    die    gemessenen   elektromotorischen   Resultate,    die 

/eisen  (1808)?     Ich  glaube,  es  giebt  keine. 

61)  Die  Contacttheorie  nimmt  an,  dass  der  blosse  Contact  von  ver- 
artigen Substanzen  elektromotorische  Kräfte  entwickle,  und  überdies, 
tschen  Metallen  und  flüssigen  Leitern  ein  Unterschied  bestehe  (18 10), 
eiche   Annahme  die  Theorie  den   Strom    in    der  VoLTA'schen   Säule 
klären   kann,   denn  während  vorausgesetzt  wird,  dass  in  einer  ganz 
:hen  Kette  die  Contacteffekte  immer  vollständig  aufgewogen  werden, 
ch   angenommen,  dass  die  Contacteffekte  der  Elektrolyte  oder  ein- 
eten  Flüssigkeiten  mit  den  Metallen  sich  nicht  aufheben,  sondern  so 
von   jeder  Art    von    Gleichgewicht   bleiben,    dass    kräftige    Ströme, 
iie  kräftigsten  einer  VoLTA'schen  Säule  entstehen  können.    Wenn  dem 
warum  macht  aber  denn  die  Schwefelkaliumlösung  eine  Ausnahme? 
keine  Ähnlichkeit  mit  Metallen;    sie    scheint    nicht  ohne  Zersetzung 
n;  sie  ist  ein  vortrefflicher  Elektrolyt,  und  in  gewissen  Fällen  (1880) 
trefflicher  erregender  Elektrolyt,  welcher,  wenn  er  chemisch  wirkt, 
ftigsten  Ströme  erzeugt;   in  allen  diesen  Punkten  ist  sie  den  Metallen 
mähnlich,    und    in    ihrer  Wirkung    ähnlich  den   sauren   oder  salzigen 
i,   die  man   gewöhnlich  anwendet.     Wie  kann  man  denn,  ohne  einen 
n  direkten  Versuch,  und  bloss  um  die  Gründe  der  Gegner  zu  vereiteln, 
e  Voraussetzung  erlauben, .  dass  sie  ihren  Platz  unter  den  Elektrolyten 


734  Vierzehntes  Kapitel. 


verlasse  und  mit  den  Metallen  in  eine  Klasse  komme;    und   zwar  in 
Punkte,  der  selbst  bei  diesen  eine  reine  Ausnahme  ist  (1809)? 

„1862)  Es  ist  aber  nicht  allein  das  Schwefelkalium,  dem  man 
Vorrecht  einräumen  müsste;  es  müsste  auch  ausgedehnt  werden  ; 
salpetrige  Säure  (1843.  1847),  au^  die  Salpetersäure  (1849  ete0  un^ 
auf  Kalilösung  (1854);  alle  diese  gehören  zur  Klasse  der  Elektrolyt 
zeigen  doch  keine  Ströme  in  Ketten,  wo  sie  nicht  chemisch  wirken 
selbe  Ausnahme  muss  ferner  für  schwache  Lösungen  von  Schwefe 
(1842)  und  Ätzkali  (1856)  gemacht  werden;  denn  sie  zeigen  gleiche  I 
nungen  wie  die  stärkeren  Lösungen.  Und  wenn  die  Contacttheorii 
für  diese  schwache  Lösungen  in  Anspruch  nehmen,  wie  wollen  sie  t 
mit  der  schwachen  Salpetersäure  machen,  welche  der  starken  in  ihn 
kung  auf  Eisen  nicht  ähnlich  ist  (1977),  sondern  einen  kraftvollen 
erzeugt? 

„1863)  Der  Anhänger  der  chemischen  Theorie  wird  von  keiner 
Schwierigkeiten  behelligt;  denn  erstlich  prüft  er  durch  einen  eil 
direkten  Versuch,  ob  die  beiden  gegebenen  Substanzen  in  der  Kette  cl 
auf  einander  wirken.  Ist  es  der  Fall,  so  erwartet  er  einen  entsprec 
Strom  zu  finden,  im  entgegengesetzten  Fall  findet  er  keinen  Strom,  obw 
Kette  ein  guter  Leiter  ist  und  er  sorgfältig  darnach  sieht  (1829). 

„1864)  Ferner,  nimmt  er  den  Fall  mit  Eisen,  Platin  und  Schwefeil 
lösung,  so  ist  kein  Strom  da;  ersetzt  er  aber  das  Eisen  durch  Zi 
findet  er  einen  kräftigen  Strom.  Statt  des  Zinks  könnte  ich  Kupfer, 
Zinn,  Kadmium,  Wismuth,  Blei  und  andere  Metalle  nehmen;  allein  ich 
Zink,  weil  es  von  dem  Schwefelkalium  gelöst  wird,  und  so  den  Fall  in 
sehr  einfachen  Zustande  lässt;  die  Thatsache  ist  indes  bei  jedem  1 
Metalle  eben  so  entschieden.  Wenn  nun  die  Contacttheorie  richtig 
wenn  Eisen,  Platin  und  Schwefelkalium  Contacte  gäben,  die  hinsichtl 
elektromotorischen  Kraft  im  vollkommenen  Gleichgewicht  ständen, 
zerstört  der  Austausch  des  Eisens  gegen  Zink "  das  Gleichgewicht 
Tausch  eines  Metalles  gegen  ein  anderes  in  einer  metallischen  Kette 
keine  Veränderung  dieser  Art;  und  dasselbe  gilt  von  der  grossen  Z 
Körper,  welche,  als  starre  Leiter,  zur  Bildung  von  leitenden  (aber  cl 
unwirksamen)  Ketten  (1867  etc.)  benutzt  werden  können.  Wenn  die  Sc 
kaliumlosung  zufolge  ihrer  Wirkung  bei  den  angeführten  Versuchen  (18 
den  Metallen  beizuzählen  ist,  wie  kommt  es#denn,  dass  sie,  combii 
Zink,  Kupfer  und  Silber  u.  s.  w.  (1882.  1885  etc.),  den  Metallen  gs 
ähnlich  wirkt  und  mit  gleicher  Kraft  wie  die  besten  der  anderen  K 

„1865)  Diese  Schwierigkeit  nöthigt,  meiner  Meinung  nach,  die  C 
theoristen  zu  einer  neuen  Annahme,  zu  der,  dass  diese  Flüssigkeit  z 
wie  das  beste  Metall  oder  der  beste  Leiter  erster  Klasse  wirke,  z 
aber  wie  der  beste  Elektrolyt  oder  beste  Leiter  zweiter  Klasse.  Das 
aber  sicherlich  eine  sehr  lockere  Art  des  Philosophirens  in  einer  Erfa 
Wissenschaft  sein  (1889);  und  überdies  ist  es  höchst  ungünstig  für  ein« 


_i   ■»_ 


te  Entwfckelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       73  c 

i,  dass  diese  zweite  Bedingung  oder  Beziehung  derselben  sich  nie- 
i  selbst  einstellt,  so  dass  sie  uns  einen  reinen  Fall  eines  Stromes 
sem    Contact   liefert;    er   tritt   niemals   auf   ohne  jene   chemische 

auf  welche  die  Chemisten  so  einfach  jeden  alsdann  entstehenden 
irückführen. 

66)  Ich  brauche  wohl  nicht  zu  sagen,  dass  dasselbe  Argument  auf 
,  wo  salpetrige  Säure,  Salpetersäure  und  Kalilösung  benutzt  werden, 
:her  Kraft  anwendbar   ist,    und    durch   die  Resultate  derselben  mit 

Stärke  unterstützt  wird  (1843.   1849.   1853). 


67)  Obwohl  es  für  ganz  unnöthig  gehalten  werden  mag,  bildete  ich  doch 
Substanzen,  die  sämmtlich  leitend  waren,  und  dem  eingeschlossenen 
meter  viele  Ketten,  in  der  Hoffnung  eine  zu  finden,  die  ohne  chemi- 
ztion  einen  Strom  gebe,  und  so  eine  elektromotorische  Contactkraft 
.  Die  Anzahl  und  Verschiedenartigkeit  dieser  Versuche,  bei  denen 
Graphit,  Sulfurete,  Oxyde,  alles  Leiter  selbst  für  einen  Thermostrom,  auf 
liedliche  Weise  combinirt  wurden,  wird  aus  folgender  Übersicht  erhellen: 


1)  Platin 

2)  Eisen 

y 
y 

8) 
9) 

Kupferglanz, 
Eisenkies, 

3)  Zink, 

4)  Kupfer, 

5)  Graphit, 

6)  Hammerschlag, 

7)  Graubraunsteinerz, 

10)  Kupferkies, 

1 1)  Bleiglanz, 

12)  Schwefelkupfer 

13)  Schwefeleisen, 

14)  Schwefelwismu 

,  künstl, 

künstl., 

th. 

1   und 

2 

mit 

5, 

6, 

7, 

8, 

9, 

10, 

11, 

12, 

13,    14; 

1     „ 

3 

„ 

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10 

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13, 

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13; 

4     » 

13 

„ 

13; 

1     „ 

4 

„ 

12. 

1868)  Marianini  giebt  nach  Versuchen  an,  Kupfer  sei  positiv  gegen 
ifelkupfer;1  nach  demselben  Physiker  ist,  übereinstimmend  mit  den 
sten,  Schwefelkupfer  positiv  gegen  Eisen  (1878)  und  Eisen  positiv  gegen 
t.     Diese  drei  Körper  müssten   daher  eine  sehr  kräftige  Kette  geben; 


Memorie  della  Societa  Italiana  in  Modena  21,  224.   1837. 


736  Vierzehntes  Kapitel. 

allein ,  was  für  Schwefelkupfer  ich  auch  gebrauchen  mochte,  so  erhielt  id 

doch  von  einer  solchen  Combination  nicht  die  geringste  Wirkung. 

„1869)  Da  ßleihyperoxyd  ein  Körper  ist,  der  in  Schwefelkaliumlö 

und  überhaupt  in  jeder  Kette,  wo  er  seinen  Sauerstoff  abgeben  kann,  ci 

kraftvollen  Strom  liefert,  so  glaubte  ich  erwarten  zu  dürfen,  dass  er  dmtk' 

seinen  Contact  mit  Metallen  einen  Strom  hervorbringen  werde,  wenn  ito! 

haupt  Contact  es  könne.    Ein  Theil  des  nach  (1822)  bereiteten  wurde  wohl 

getrocknet,  was  hierbei  durchaus  wesentlich  ist,  und  zu  folgenden  Combinfr 

tionen  verwandt: 

Platin,  Zink,  Bleihyperoxyd; 

Platin,  Blei,  Bleihyperoxyd; 

Platin,  Kadmium,  Bleihyperoxyd; 

Platin,  Eisen,  Bleihyperoxyd. 

Sobald  nur  Temperaturunterschiede  ausgeschlossen  waren,  gab  von  allen 
diesen  Combinationen  keine  die  geringste  Anzeige  von  einem  Strom,  wie- 
wohl sie  alle,  was  Leitungsfähigkeit  betraf,  vollkommen  dem  Zweck  ent- 
sprachen, d.  h.  selbst  den  sehr  schwachen  Thermostrom  zu  leiten  vermochten. 


„1870)  In  der  Contacttheorie  sind  es  daher  nicht  allein  die  Metalle,  von 
denen  angenommen  werden  muss,  dass  ihre  Contactkräfte  in  jeder  aus  ihnen 
gebildeten  Kette  sich  bei  völliger  Vernichtung  aufheben  (1809),  sondern  aDe 
starren  leitfähigen  Körper,  Kohle,  Oxyde,  Sulfurete,  müssen  in  dieselbe  Ka-  1 
tegorie  gestellt  werden.     Dasselbe  gilt  von  allen  schon  genannten  Elektro-  « 
lyten,  Kalilösung,  Schwefelkaliumlösung,  salpetrige  Säure,  Salpetersäure,  für  ■ 
alle  Fälle,  wo  sie  nicht  chemisch  wirken.     In  der  That  alle  Leiter,  welche 
in  der  Kette  nicht  chemisch  wirken,  müssen  nach  der  Contacttheorie  als  in 
diesem  Zustand  angesehen  werden,  bis  einmal  ein  VoLTA'scher  Strom  ohne 
chemische  Aktion  hervorgebracht  wird  (1858). 

„187 1)  Selbst  wenn  man  dann  zugiebt,  es  beweisen  die  von  Volta  und 
seinen  Nachfolgern    mit   dem    Elektrometer   erhaltenen  Resultate,   dass  der 
blosse  Contact  eine  elektromotorische  Kraft  habe  und  einen  solchen  Effekt 
hervorbringen  könne,   so  zeigen  doch  sicherlich  alle  Versuche  mit  blossem 
Contact   allein,    dass   die   elektromotorischen  Kräfte   in   einer  Kette  immer 
aufgewogen  sind.     Wie  könnten  sonst  die  oben  genannten,   so  höchst  ver- 
schiedenartigen Substanzen  in  dieser  Beziehung  übereinstimmen?  es  sei  denn 
in  der  That,    alle  stimmten  darin  überein,   dass  sie  durchaus  keine  solche 
Kraft  besitzen.    Wenn  dem  aber  so  ist,  wo  ist  die  Quelle  der  Kraft,  welche 
zufolge   der  Contacttheorie   den  Strom    in   der  VoLTA'schen  Säule  erklären 
soll?     Wenn  sie  nicht  aufgewogen  sind,   wo  ist  ein  genügender  Fall,  dass 
Contact  für  sich  einen  Strom  erzeuge?    Oder  wo  sind  die  numerischen  Data, 
welche   die   Möglichkeit   eines   solchen   Falles   erweisen   (1808.    1868)?    Die 
Contact-Physiker  sind  verpflichtet,  hervorzubringen  nicht  einen  Fall,  wo  der 
Strom  unendlich  klein  ist,  denn  ein  solcher  kann  den  Strom  der  VoLTA'schen 
Säule  nicht  erklären  und  fällt  immer  innerhalb  des  streitigen  Gebietes,  welches 


Me  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       737 

Live  so  gut  vertheidigt  hat  —  sondern  einen  Fall  von  solcher  Deut- 
und  Wichtigkeit,  dass  er  werth  sei,  den  vielen  von  den  Chemisten 
ebrachten  Fällen  gegenüber  gestellt  zu  werden  (1892);  denn  ohne 
eint  mir  die  Contacttheorie,  auf  die  Säule  angewandt,  keinen  Halt 
m,  und  da  sie  elektromotorische  Contactkraft  selbst  bei  dem  Zustand 
.ichwichts  behauptet,  fast  ohne  Grund  zu  sein. 

372)  Um  diese  und  ähnliche  Schlüsse  zu  vermeiden,  muss  die  Con- 
>rie  sich  in  der  sonderbarsten  und  unregelmässigsten  Weise  schmiegen 
egen.  So  muss  angenommen  werden,  der  Contact  der  Schwefel- 
3sung  mit  Eisen  sei  aufgewogen  durch  die  vereinte  Kraft  ihres  Con- 
mit  Platin  und  des  Contactes  von  Eisen  und  Platin  mit  einander; 
»eim  Vertauschen  des  Eisens  gegen  Blei  wird  der  Contact  des  Sulfurets 
m  letzteren  Metall  nicht  mehr  durch  die  beiden  anderen  Contacte 
)gen,  sondern  hat  plötzlich  seine  Relation  verändert.  Nach  wenigen 
en,  wenn  sich  durch  die  chemische  Aktion  ein  Häutchen  von  Sul- 
;ebildet  hat,  hört  der  Strom  auf,  wiewohl  die  Kette  ein  guter 
ist  (1885),  und  nun  muss  angenommen  werden,  dass  die  Lösung 
ste  Relation  zu  den  Metallen  und  zu  dem  Schwefelblei  wieder  er- 
md  einen  Gleichgewichtszustand  der  Contacte  in  der  Kette  hervor- 
it  habe. 

873)  So  muss  auch  bei  dieser  Schwefellösung  und  bei  Kalilösung 
der  Theorie  angenommen  werden,  dass  Verdünnung  keine  Ver- 
ng  in  dem  Charakter  der  Contactkraft  hervorbringe,  dagegen  bei  der 
jrsäure  eine  starke  Veränderung  dieser  Art  (1977).  Von  den  Säuren 
Jkalien  (wie  Ätzkali),  in  Fällen,  wo  sie,  wie  mit  Zink  und  Platin, 
*  hervorbringen,  muss  angenommen  werden,  dass  sie  ein  Übergewicht 
•aft  nach  gleicher  Seite  hervorbringen,  obwohl  man  von  diesen  Kör- 
egen ihrer  so  verschiedenen  Natur  erwarten  sollte,  sie  gäben  entgegen- 
e  Ströme. 

1874)   Für  jeden  besonderen  Fall  eines  Stromes  sind  die  Anwälte  der 

;ttheorie  genöthigt,  Kräfte  von  entsprechender  Stärke  mit  den  erhal- 

Resultaten  an  den  Contactpunkten  anzunehmen   und  die  Theorie  dar- 

zu   modeln  (1956.   1992.  2006.  2014.  2063),    da   s*e    keine    allgemeine 

.ung  für  die   angewandten  Säuren   oder  Alkalien  oder  andere  elektro- 

ien  Lösungen  besitzt.     Das  Resultat  läuft  demnach  darauf  hinaus:    die 

ie  kann  in  Betreff  der  Resultate  nichts  voraussagen;  sie  wird  von  keinem 

;ines  ohne  chemische   Aktion   erzeugten  Stromes   unterstützt,    und  bei 

mit  chemischer  Aktion  schmiegt  sie  sich   den  Thatsachen  an,  genau 

echend  den  Variationen,  welche  die  rein  chemische  Kraft  erfahrungs- 

y  nachweist. 

,1875)    Wie    einfach    dagegen    werden    die   zahlreichen  experimentellen 

täte  von  der  chemischen  Theorie    aufgefasst,    umschlossen,    combinirt 

selbst  vorausgesagt!     Wo   ein  Strom   ist,    ist    auch    chemische  Aktion; 

diese  aufhört,  verschwindet  auch  jener  (1882.   1885.   J894);  die  Aktion 

twald,  Elektrochemie.  47 


738  Vierzehntes  Kapitel. 


findet  nach  Umständen  entweder  an  der  Anode  oder  der  Kathode  stall 
(2039.  2041);  und  die  Richtung  des  Stromes  ist  unveränderlich  verknüpt 
mit  der  Richtung,  in  welcher  die  thätigen  chemischen  Kräfte  die  Anioncü 
und  Kationen  zwingen  umherzukreisen  (962.  2052). 

„1876)  Zieht  man  nun  neben  diesen  Umständen  noch  in  Betracht,  das 
die  vielen  Ketten  ohne  chemische  Aktion  (1825  etc.)  keinen  Strom  erzeugen, 
dass  die  mit  chemischer  Aktion  fast  immer  einen  Strom  hervorbringen;  das 
es  hunderte  giebt,  in  welchen  die  chemische  Aktion  ohne  Contact  eine« 
Strom  hervorbringt  (2017  etc.);  dass  eben  so  viele  mit  Contact,  aber  ohne 
chemische  Aktion  als  unwirksam  bekannt  sind  (1867);  —  wie  kann  man  da 
dem  Schlüsse  widerstehen,  dass  die  Thätigkeit  der  VoLTA'schen  Batterie  in  | 
der  Ausübung  chemischer  Kraft  begründet  sei?  ...  . 

„2029)  Es  mangelt  also  nicht  an  Fällen,  wo  chemische  Aktion  allein 
VoLTA'sche  Ströme  erzeugt  (2017);  und  wenn  wir  näher  den  Zusammenhang 
betrachten,  welcher  zwischen  der  chemischen  Aktion  und  dem  erzeugten 
Strome  stattfinden  muss,  so  finden  wir,  dass  er  desto  genauer  wird,  je 
weiter  wir  ihn  verfolgen;  zur  Erläuterung  dieses  Satzes  werden  die  folgenden 
Fälle  hinreichen. 

„2030)  Chemische  Aktion  entwickelt  Elektricität  Dies  ist  durch 
Becquerel  und  de  la  Rive  zum  Uberfluss  dargethan.  Becquerel's  schöne 
VoLTA'sche  Kette  aus  Säure  und  Alkali 1  ist  ein  höchst  überzeugender  Be- 
weis, dass  chemische  Aktion  überflüssig  hinreicht,  elektrische  Erscheinungen 
hervorzubringen.  Eine  grosse  Anzahl  der  in  gegenwärtigen  Aufsätzen  be- 
schriebenen Resultate  beweist  dasselbe. 

„2031)  Wo  chemische  Aktion  vorhanden  ist,  aber  vermindert 
oder  aufgehoben  wird,  wird  auch  der  elektrische  Strom  geschwächt 
oder  vernichtet.  —  Die  Fälle  mit  Zinn  (1882.  1884),  Blei  (1885),  Wismuth 
(1895)  unc*  Kadmium  (1905)  in  Schwefelkaliumlösung  sind  vortreffliche  Bei- 
spiele von  der  Wahrheit  dieses  Satzes. 

„2032)  Wenn  man  ein  Stück  Körnerzinn  in  starke  Salpetersäure  taucht, 
so  wird  es  gewöhnlich  keine  Einwirkung  erleiden,  in  Folge  der  Oxydschicht, 
welche  sich  auf  demselben  durch  die  Hitze  gebildet  hat,  welche  bei  dem 
Process  der  Zerstücklung  desselben  angewendet  wird.  Wenn  man  dann  zwei 
Platindrähte,  verbunden  mit  einem  Galvanometer,  in  die  Säure  steckt  und 
einen  derselben  gegen  das  Zinnstück  drückt,  wird  kein  elektrischer  Strom 
erzeugt.  Wenn  man  hierauf,  bei  diesem  Zustand  der  Dinge,  das  Zinn  unter 
der  Säure  mit  einem  Glasstab  oder  einer  anderen  nicht  leitenden  Substanz, 
welche  die  Schicht  auf  der  Oberfläche  zu  durchbrechen  im  Stande  ist,  kratzt, 
so  wirkt  die  Säure  auf  das  frisch  entblösste  Metall  und  erzeugt  einen  Strom; 
allein  wegen  Bildung  von  Zinnoxyd  und  Erschöpfung  der  umgebenden 
Flüssigkeit  (191 8)  hört  die  Wirkung    nach  einigen  Augenblicken   auf,  und 


i 


1  Annal.  de  chim.    35,     112.    1827.  —  Biblioth.  univ.   14,    129.    171.    1838.  —  POGG. 
Ann.  37,  443;  42,  76.  91  und  48,  19. 


Die  Entwicklung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.        1\Q 

auch  der  Strom.  Jede  Schramme  auf  der  Oberfläche  des  Zinns  ruft 
e  Reihe  von  Erscheinungen  hervor. 

033)  Der  Fall  mit  Eisen  in  starker  Salpetersäure,  welche  im  ersten 
tt  wirkt  und  einen  Strom  erzeugt  (1843.  1951.  2001),  durch  diesen 
ig  aber  so  viel  von  seiner  Thätigkeit,  der  chemischen  sowohl  wie 
chen,  verliert,  gehört  ebenfalls  hierher. 

1034)  Werden  Blei  und  Zinn  in  Salzsäure  verknüpft,  so  ist  das  Blei 
5  positiv  gegen  das  Zinn;  dann  wird  das  Zinn  positiv  und  bleibt  es. 
Wechsel  schreibe  ich  dem  Umstand  zu,  dass  das  gebildete  Chlorblei 
heil  das  Blei  einhüllt,  und  so  die  Fortdauer  der  Wirkung  verhindert; 
*n  das  Chlorzinn,  da  es  weit  löslicher  ist  als  das  Chlorblei,  leichter  in 
üssigkeit  übergeht,  so  dass  die  Wirkung  fortdauert  und  das  Metall 
id  einen  positiven  Zustand  annimmt. 

2035)  Die  schon  beim  Zinn  (19 19)  und  Kadmium  (1918)  erwähnte 
ng  der  einhüllenden  Flüssigkeit,  einige  der  Resultate  mit  zwei  Metallen 
:er  und  heisser  Säure  (1966),  und  diejenigen  Fälle,  wo  das  Metall  in 
•  Säure  negativ  wird  gegen  dasselbe  Metall  in  kalter  Säure  (1953  etc.), 
on  gleicher  Art  Die  letzteren  lassen  sich  schön  erläutern  durch  zwei 
\  Blei    in   verdünnter   Salpetersäure.     Lässt   man   sie   eine   kurze  Zeit 

so  steht  die  Nadel  nahe  auf  o°;  erhitzt  man  aber  die  eine  Seite,  so 
las  Metall  daselbst  200  oder  mehr  negativ,  und  bleibt  es,  so  lange  die 
unterhalten  wird.  Beim  Erkalten  »dieser  Seite  und  Erhitzen  der  anderen 
dasjenige  Stück  Blei,  welches  zuvor  positiv  war,  negativ,  und  so  fort 
ige  Male. 

2036)  Wenn   die   chemische  Wirkung    sich    umkehrt,    thut    es 
der   Strom.  —  Dies  zeigt  sich  in  den  Fällen,  wo  zwei  Stücke  des- 

.  aktiven  Metalles  in   dieselbe  Flüssigkeit  getaucht  sind.     Werden  zwei 

e  Silber  in  starker  Salzsäure  verknüpft,   so    ist  anfangs  das  eine  und 

das  andere  positiv,  und  die  Umkehrungen  in  der  Richtung  des  Stromes 

ehen  nicht  langsam,  wie  bei  einer  allmählichen  Aktion,  sondern  unge- 

scharf  und  plötzlich.     Ebenso,  wenn  Silber  und  Kupfer  in  verdünnter 

efelkaliumlösung  [verknüpft  werden,   ist  das  Kupfer  chemisch  wirksam 

positiv,  und  das  Silber  bleibt  blank,  bis  plötzlich  das  Kupfer  zu  wirken 

»rt,  und  das  Silber,  zum  Beweise  der  bei  ihm  anfangenden  chemischen 

ung,  in  einem  Augenblick  mit  Sulfuret  überzogen  wird,  und  die  Nadel 

8o°  fortspringt.     Zwei  Stücke  von  Silber  oder  von  Kupfer  in  Schwefel- 

11  bewirken  dasselbe. 

„2037)  Nimmt  man  Metalle,  welche  in  den  angewandten  Flüssigkeiten 
*ksam  sind,  und  erleiden  die  letzteren  während  der  Zeit  durch  andere 
:ände,  als  Wärme  u.  s.  w.  (1838.  1937},  keine  Veränderung,  so  entstehen 
\  Ströme,  und  in  Folge  dessen  keine  solche  Umkehrungen. 
„2038)  Wo  keine  chemische  Aktion  ist,  wird  auch  kein  Strom 
ugt.  —  Dies  ist,  wie  wohl  bekannt,  der  Fall  bei  den  gewöhnlichen  starren 
Tn,    bei  Metallen   und   anderen  Körpern  (1867).     Es  hat  sich  auch  als 

4M     * 
i 


740 


Vierzehntes  Kapitel. 


richtig  erwiesen  bei  Anwendung  flüssiger  Leiter  (Elektrolyte),  alle  Mal,  wo 
diese  keine  chemische  Aktion  ausüben,  wiewohl  so  verschiedenartige  Körper, 
als  Säuren,  Alkalien  und  Sulphurete  angewandt  wurden  (1843.  1853.  1825. 
1829).     Dies  sind  sehr  schlagende  Fälle. 

„2039)    So  wie  aber  die  chemische  Aktion  anfängt,   tritt  auch 
ein  Strom  auf.  —  Dieser  Satz  lässt  sich  durch  folgenden  Versuch  gut  er- 
läutern.    Man  mache  eine  Vorrichtung,  wie  in 
Fig-  l9l>  lade  die  beiden  Röhren  mit  derselbe» 
reinen,  blassgelben,  starken  Salpetersäure,  ver- 
binde   sie    durch   den    Eisendraht  i   und  ver- 
knüpfe die  Platindrähte  /,  /  mit  dem  Galvano- 
meter.   Der  Apparat  ist  nur  eine  andere  Form 
der  einfachen  Vorrichtung  Fig.  192,  wo,  nach 
Art  eines  früheren  Versuches  (389),  zwei  Platten, 
eine  von  Eisen  und  eine  von  Platin,    parallel  gestellt  sind,  jedoch  getrennt 
durch  einen  Tropfen  starker  Salpetersäure  an  jedem  Ende.     In  diesem  Zu-  \ 

iron stand  wird  in  keinem  der  Apparate  ein  Strom  erzeugt; 

n    \  1 Z5*    setzt  man  aber  bei  b,  Fig.  192,  einen  Tropfen  Wasser 


Fig.   191.     Nach  Faraday. 


platintmv 

Fig.  192.     Nach  Faraday. 


hinzu,  so  beginnt  die  chemische  Aktion,  und  es  ent- 
steht ein  kräftiger  Strom,  obwohl  ohne  Metallcontact 
oder  sonstigen  Contact.  Um  dies  bei  dem  Apparat  Fig.  191  zu  beobachten, 
wurde  in  b  ein  Tropfen  Wasser  hinzugesetzt.  Anfangs  gab  es  keine  chemische 
Aktion  und  keinen  elektrischen  Strom,  obwohl  Wasser  daselbst  vorhanden 
war;  der  Contact  mit  dem  Wasser  bewirkte  also  nichts.  Nun  wurden  Saure 
und  Wasser  mittelst  des  Endes  vom  Draht  i  bewegt  und  mit  einander  ver- 
mischt; in  wenigen  Momenten  trat  die  chemische  Aktion  ein,  das  Eisen  ent- 
wickelte Salpetergas  am  Orte  seiner  Wirkung,  und  plötzlich  erlangte  es  da- 
selbst Positivität  und  erzeugte  einen  kräftigen  elektrischen  Strom. 

„2040)  Wenn  die  chemische  Aktion,  welche  einen  Strom  in 
der  einen  Richtung  erzeugt  hat  oder  erzeugen  konnte,  umgekehrt 
oder  vernichtet  wird,  wird  auch  der  Strom  umgekehrt  oder  ver- 
nichtet. 

„2041)  Dies  ist  ein  Prinzip  oder  Resultat,  welches  die  chemische  Theorie 
von   der  Erregung   des  Voltaismus   aufs   schlagendste   bestätigt   und   durch 
viele  wichtige  Thatsachen  erläutert  wird.    Volta  zeigte  im  Jahre  1802,1  dass 
krystallisirtes  Manganhyperoxyd   stark  negativ  ist  gegen  Zink  und  ähn- 
liche Metalle,  oder,  nach  seiner  Theorie,  an  dem  Contactpunkt  Elektricität 
dem  Zink  giebt.     Becquerel  untersuchte  diesen  Gegenstand  im  Jahre  1835 
mit  Sorgfalt,  und  kam  zu  dem  Schluss,  jedoch  sich  vorsichtig  ausdrückend, 
dass  die  Thatsachen  für  die  Contacttheorie   günstig   seien.2     Im    folgenden 
Jahre  beschäftigte  sich  de  la  Rive  mit  demselben  Gegenstand,    und  zeigte, 


1  Ann.  de  chim.  40,   224.   1802. 
1  Ebenda  60,   164.   171.   1835. 


Die  Entwickehmg  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.        741 

tens  meiner  Überzeugung  nach,  dass  das  Hyperoxyd  eine  chemische 
lerung  erleidet,  Sauerstoff  verliert,  eine  Umwandlung,  die  vollkommen 
r  Richtung  des  erzeugten  Stromes  übereinstimmt.1 

2042)  Das  in  grüner  salpetriger  Säure  mit  Platin  verknüpfte  Hyperoxyd 
t  einen  Strom  und  ist  negativ  gegen  das  Platin,  während  es  zugleich 
toff  abgiebt  und  die  salpetrige  Säure  in  Salpetersäure  verwandelt,  eine 
ierung,  die  durch  einen  chemischen  Versuch  leicht  nachzuweisen  ist 
petersäure  ist  das  Oxyd  negativ  gegen  Platin;  allein  seine  Negativität 
ehr  erhöht,  wenn  man  ein  wenig  Alkohol  zu  der  Säure  setzt,  indem 

die  Reduction  der  Säure  unterstützt.  Verknüpft  mit  Platin  in  Ätzkali- 
;  begünstigt  ein  wenig  Alkohol  auffallend  die  Verstärkung  des  Stromes 
imselben  Grunde.  Werden  Hyperoxyd  und  Platin  in  Schwefelkalium- 
;  verknüpft,  so  ist,  wie  zu  erwarten,  ersteres  stark  negativ. 

2043)  Im  Jahre  1835  beobachtete  Muncke  das  auffallende  Vermögen 
leihyperoxyds  zur  Hervorbringung  ähnlicher  Phänomene  wie  das  Man- 
peroxyd,2  und    diese  Thatsache  führte  de  la  Rive  im  Jahre  1836  so- 

auf  entsprechende  Umwandlungen    zurück.8     Schönbein   Hess   diesen 

ss  nicht  gelten,  und  gründete  seine  Ansicht  von  „Tendenzströmen" 

e  von  ihm  bei  diesem  Körper  beobachteten  Erscheinungen,  namentlich 

1  Unwirksamkeit  in  Salpetersäure.4    Meine  eigenen  Resultate  bestätigen 

Dn  de  la  Rive;  denn  durch  direkte  Versuche  finde  ich,  dass  das  Hyper- 

von  Körpern  wie  Salpetersäure    eine  Einwirkung   erleidet.     Kali    und 

starke  Salpetersäure,    mit  Bleihyperoxyd    gekocht,    lösen    es    reichlich 

Bildung  von    salpetersaurem   Bleioxyd.     Es  wurde  Salpetersäure  ver- 

t  und  darauf  in  zwei  Theile  getheilt.    Der  eine  wurde  mit  einer  Lösung 

Schwefelwasserstoffgas   geprüft,    zeigte    aber   keine  Spur  von  Blei;    der 

e  wurde  mit  etwas  Bleihyperoxyd  (1822)  versetzt,  eine  Stunde  lang  in 

hnlicher  Temperatur  stehen  gelassen,  dann  filtrirt  und  auf  dieselbe  Weise 

ift;  er  zeigte  dann  einen  reichlichen  Bleigehalt. 

„2044)   Das  Bleihyperoxyd    ist    negativ  gegen  Platin  in  Lösungen  von 

isalz  und  Kali,  Körpern,  von  denen  man  glauben  möchte,   sie  wirkten 

chemisch  auf  dasselbe  ein.     Allein   direkte  Versuche  zeigen,  dass  sie 

hinreichende  Wirkung  ausüben,  um  alle  Effekte  hervorzubringen.    Einen 

ren  Beweis,  dass  der  Strom  der  aus  diesen  Körpern  gebildeten  Volta'- 

n  Kette  chemischen  Ursprunges  ist,  giebt  die  rasche  Abnahme  der  Kraft 

erzeugten  Stromes  nach  dem  Moment  der  ersten  Eintauchung. 

„2045)  Die  kräftigste  Combination  aus  Bleihyperoxyd,  Platin  und  einer 

sigkeit  wurde  erhalten,    wenn    letztere  aus  gelber  Schwefelkaliumlösung 

and.     Eine  zweckmässige  Anstellungsweise  solcher  Versuche  ist  die,  dass 

das  Hyperoxyd  mit  etwas  destillirtem  Wasser  zu  einem  weichen  Teig 

1  Ebenda  61,  40.   1836.  —  Biblioth.  univ.  1,   152.   158.   1836.  —  POGG.  Ann.  37,  225. 

2  Biblioth.  univ.  1,   160.   1836.  a  Ebenda  1,   162.   154.   1836. 

4  Philos.  Mag.  12,  226.  311.   1838   und   Biblioth.  univ.  14,   155.   1838.  —  Pogg.  Ann. 
229. 


742  Vierzehntes  Kapitel. 


anknetet,  mit  diesem  Teige  das  untere  Ende  einer  Platinplatte  mittelst  eines 
Glasstabes  gleichförmig  überzieht,  und  zwar  dick  genug,  um  das  Platin  wöU  ! 
zu  schützen,  dann  gut  trocknet,  und  endlich  diese  Platte  mit  einer  blanken 
Platinplatte  in  dem  angewandten  Elektrolyt  verknüpft.  Wenn  die  Platinplatte  *: 
nicht  vollkommen  überzogen  ist,  treten  örtliche  Ströme  ein  (1120),  welche! 
das  Resultat  stören.  Auf  diese  Weise  lässt  sich  leicht  zeigen,  dass  das  Blei-  '. 
hyperoxyd  negativ  gegen  Platin  sowohl  in  Schwefelkalium  als  in  Salpeter- 
säure ist.     Mennige  giebt  in  beiden  Flüssigkeiten  dasselbe  Resultat. 

„2046)  Bei  Anwendung  von  Schwefelkaliumlösung  lässt  sich  indes  mit 
Protoxyden  dieselbe  Art  von  Beweis  zur  Stütze  der  chemischen  Theorie  er- 
halten wie  mit  Hyperoxyden.  So  zeigte  sich  Bleioxyd,  das  durch  Glühen 
des  Nitrats  und  durch  Schmelzen  erhalten  und  auf  die  Platinplatte  (2045) 
gestrichen  worden,  in  Schwefelkaliumlösung  stark  negativ  gegen  metallisches 
Platin.  Bleiweiss,  auf  dieselbe  Weise  angewandt,  verhielt  sich  ebenso.  Beide 
Körper  waren  dagegen  in  verdünnter  Salpetersäure  stark  positiv  gegen 
Platin. 

„2047)  Dieselbe  Erscheinung  zeigt  sich  in  der  Wirkung  des  oxydirten 
Eisens.  Wenn  man  eine  Eisenplatte  durch  Erhitzung  mit  einem  Oxyd  von 
solcher  Beschaffenheit  und  Festigkeit  überzieht,  dass  es  kaum  oder  gar  nicht 
von  Schwefelkaliumlösung  angegriffen  wird,  so  entsteht  nur  ein  schwacher 
oder  gar  kein  Strom,  indem  sich  ein  solches  Oxyd  wie  Platin  in  der  Lösung 
verhält  (1840).  Oxydirt  man  aber  das  Eisen  durch  Aussetzung  der  Luft, 
oder  durch  Anfeuchten  und  Trocknen,  oder  durch  Befeuchten  mit  etwas 
verdünnter  Salpeter-  oder  Schwefelsäure,  nachheriges  Waschen,  anfangs  mit 
Ammoniak-  oder  Kalilösung  und  darauf  mit  Wasser,  und  endliches  Trocknen, 
oder  durch  Befeuchten  mit  Kalilösung,  Erhitzen  in  der  Luft,  Waschen  mit 
destillirtem  Wasser  und  Trocknen,  so  giebt  es,  verknüpft  mit  Platin  in 
Schwefelkaliumlösung,  einen  kräftigen  Strom,  bis  alles  Oxyd  reducirt  ist,  und 
während  der  ganzen  Zeit  ist  es  negativ. 

„2048)  Gerostetes  Eisen  ist  in  derselben  Lösung  stark  negativ.  Auch 
eine  mit  Eisenoxydul,  Eisenoxyd  oder  Spatheisenstein  überzogene  Platin- 
platte (2045)  verhält  sich  so. 

„2049)   Dies  Resultat  ist  eines  von  denen,   gegen  die  man  sich  in  den 
zuvor  (1826.  1886)  beschriebenen  Versuchen  zu  hüten  hat.    Wenn  man  eine 
scheinbar  blanke  Eisenplatte  in-  verdünnte  Schwefelkaliumlösung  taucht,  so 
ist  sie  gegen  Platin  anfangs  negativ,  dann  neutral  und  zuletzt  schwach  positiv. 
In  starker  Lösung  ist  sie  zuerst  negativ,   wird  dann   neutral   und  bleibt  es. 
Eisen  kann  nicht  vollkommen  mit  Sandpapier  gereinigt  werden;  allein  nach 
dieser  Reinigung   ist   es   negativ,    und   je    frischer    und   besser   es    gereinigt 
worden  ist,   desto  kürzer  dauert  diese  Negativität.     Dieser  Effekt  rührt  von 
einer  sofort  eintretenden  Oxydation  des  Eisens  während  seiner  Berührung  mit 
der  Luft  und  von  nachheriger  Reduction  dieses  Oxydes  durch  die  Lösung  her. 
Wenn  man  die  Eigenschaften  des  Eisens  in  Erwägung  zieht,  kann  dies  Resultat 
nicht    unnatürlich    erscheinen.     Reines  Eisen,   in   Schwammform,   entzünde! 


Die  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       743 

>n  selbst  an  der  Luft,  und  eine  frisch  gesäuberte  Platte,  in  Wasser 
at  oder  damit  benetzt  oder  nur  der  Luft  ausgesetzt,  bewirkt  augen- 
h  den  Geruch  nach  Wasserstoff.  Die  dünne  Oxydhaut,  welche  sich 
id  einer  momentanen  Aussetzung  bilden  kann,  ist  daher  vollkommen 
*nd,  den  erzeugten  elektrischen  Strom  zu  erklären. 
J050)  Zum  ferneren  Beweise  der  Wahrheit  dieser  Erklärungen  stellte 
le  Eisenplatte  unter  die  Oberfläche  einer  Schwefelkaliumlösung,  und 
e  daselbst  mit  einem  Stück  Holz,  welches  einige  Zeit  mit  derselben 
y  getränkt  worden  war.  Das  Eisen  war  dann  gegen  das  mit  ihm  ver- 
e  Platin  neutral  oder  sehr  schwach  positiv.  Während  es  mit  dem 
in  Verbindung  stand,  wurde  es  wieder  mit  dem  Holz  gerieben,  um 
rische  Berührungsfläche  zu  erlangen.  Es  wurde  nun  nicht  negativ, 
ti  blieb  sehr  schwach  positiv,  zum  Beweise,  dass  die  frühere  Negativität 
n  temporäres  Resultat  der  an  der  Luft  gebildeten  Oxydschicht  war. 

2051)  Nickel  scheint  derselben  Wirkung  wie  Eisen  unterworfen  zu 
doch  in  viel  geringerem  Grade.  Alle  Umstände  waren  analog,  und 
af  das  Eisen  (2050)  angewandte  Beweis  war  auch  hier*  anwendbar  mit 
lben  Resultat. 

2052)  So  stimmen  demnach  alle  diese  Erscheinungen  mit  Protoxyden 
iyperoxyden  darin  überein,  den  entstehenden  Strom  auf  chemische 
n  zurückzuführen,  nicht  bloss,  was  die  Abhängigkeit  des  Stromes  von 

Aktion  betrifft,  sondern  auch  in  Bezug  auf  die  Abhängigkeit  der 
tung  des  Stromes  von  der  Richtung,  welche  die  chemische  Verwandt- 
das  erregende  oder  elektromotorische  Anion  anzunehmen  zwingt.  Und 
:,  glaube  ich,  ein  höchst  schlagender  Umstand,  dass  diese  Körper, 
e,  wenn  sie  chemisch  wirken  können  und  wirken,  Ströme  erregen, 
die  geringste  Macht  dazu  haben,  sobald  blosser  Contact  verstattet 
$69},  obwohl  sie  vortreffliche  Leiter  der  Elektricität  sind  und  die  durch 
e  und  wirksamere  Mittel  erregten  Ströme  leicht  durchlassen. 


,,2053)  Bei  solch  einer  Masse  von  Zeugnissen  für  die  Wirksamkeit  und 
nglichkeit  der  chemischen  Aktion,  wie  (1878.  2052)  gegeben  worden 
>ei  so  vielen  wirksamen  Ketten  ohne  Metallcontact  (2017),  und  unwirk- 
n  mit  demselben  (1867):  was  für  ein  Grund  kann  vorhanden  sein,  in 
Fällen,  wo  chemische  Aktion  und  Contact  vereinigt  sind,  die  Wirkung 
lieh  dem  Contact  oder  irgend  etwas  anderem  als  chemischer  Kraft  zu- 
lreiben?  Solch  ein  Schluss  scheint  mir  sehr  unphilosophisch:  es  heisst 
erwiesene  und  thätige  Ursache  entlassen,  um  eine  bloss  hypothetische 
■  anzunehmen. 

Thermo-elektrischer  Beweis. 

„2054}  Die  Erscheinungen  der  schönen  Entdeckung  .  Seebeck's,  der 
mo-Elektricität,  sind  zuweilen  und  noch  neuerlich  als  Beweis  der  elek- 
trischen Kraft  des  Contactes  zwischen  Metallen  und  ähnlichen  starren 


744  Vierzehntes  Kapitel. 

Leitern  angeführt  worden  (1809.  1867).1  Eine  kurze  Betrachtung,  gla 
ich,  reicht  hin,  zu  zeigen,  wie  wenig  Stütze  diese  Erscheinungen  der 
sagten  Theorie  gewähren. 

„2055)  Wenn  der  Contact  der  Metalle  einen  erregenden  Einfluss 
VoLTA'schen  Ketten  ausübt,  so  kann  man  kaum  bezweifeln,  dass  die  ther 
elektrischen  Stöme  von  derselben  Kraft  herrühren,  d.  h.  von  der  ^1 
locale  Temperatur  bewirkten  Störung  des  Gleichgewichtes  der  Kräfte 
verschiedenen  Contacte  in  der  metallenen  oder  ähnlichen  Kette.  Diejeni 
welche  die  Thermo-Effekte  als  Beweise  für  die  Contact-Effekte  anfür 
müssen  sich  zu  dieser  Ansicht  bekennen. 

„2056)  Bei  Annahme  einer  Contactkraft  müssen  wir  auch  annehi 
dass  Wärme  diese  Kraft  entweder  verstärke  oder  schwäche.  Denn  wen 
Fig«  l93  A  Antimon  und  B  Wismuth  ist,  und  eine  Erwärmung  bei  x  e 

x,         Strom  in  Richtung  des  Pfeiles  hervorruft,  und  v 

^^y^/^^^y^^    angenommen  wird,    dass  Wismuth    im   Contact 

Antimon  positiv  gegen  letzteres  zu  werden  suche 
muss  Wärme  diese  Positivität  schwächen,  oder,  * 


% 


Fig.  193.     Nach  Faraday.  ,.  *       •  j      j        wt         ^  i_  *; 

vorausgesetzt  wird,   das  Wismuth  suche    negativ 
werden,   so  muss  Wärme  den  Effekt  verstärken.     Wie  wir  zu  entsche 
vermögen,  welche  der  beiden  Ansichten  anzunehmen  sei,  scheint  mir  t 
klar;  denn  nichts  in  den  thermo-elektrischen  Erscheinungen  allein  kann 
Punkt  durch  das  Galvanometer  entscheiden. 

„2057)  Wenden  wir  uns  zu  dem  Ende  zu  der  VoLTA'schen  Kette 
finden  wir  dort  die  Stellung  des  Antimons  und  Wismuths  verschieden 
nach  dem  angewandten  flüssigen  Leiter  (2012).  Das  Antimon,  das  in  Sä 
negativ  gegen  Wismuth  ist,  ist  positiv  gegen  dasselbe  in  Alkali  und  Schw 
kalium;  und  überdies  finden  wir  beide  fast  in  der  Mitte  der  Metallr 
In  der  thermo-magnetischen  Reihe  dagegen  liegen  sie  an  den  Enden 
stehen  so  im  Gegensatz  zu  einander  wie  nur  möglich.  Dieser  Untersc 
wurde  vor  langer  Zeit  vom  Prof.  Cumming  hervorgehoben;2  wie  vertraj 
sich  mit  der  Contacttheorie  der  Volt  Ansehen  Kette? 

„2058)  Wenn  ferner  Silber  und  Antimon  eine  Thermokette  (Fig. 
bilden,  und  die  Berührungsstelle  x  erhitzt  wird,  so  geht  der  Strom 
Silber  zum  Antimon.  Bilden  Silber  und  Wismuth  eine  Thermokette  (Fig. 
und  die  Stelle  x  wird  erhitzt,  so  geht  der  Strom  vom  Wismuth  zum  S: 
Angenommen,  die  Wärme  erhöhe  die  Contactkraft  (2056),  so  geben 
Resultate  die  Contactkraft  zwischen  diesen  Metallen  so:  Antimon  < — Sil 
und  Wismuth — *  Silber.  Allein  in  der  VoLTA'schen  Kette  geht  der  S 
an  den  Contactpunkten  vom  Silber  sowohl  zum  Antimon  als  zum  1 
muth,  sobald  verdünnte  Schwefelsäure,  verdünnte  oder  starke  Salpeter 
oder  Kalilösung  angewandt  wird   (2012);    der  Metallcontact  wie  der  ir 


1  Fechner's  Worte,  Philos.  Mag.  13,  206.   1838.  —  Poc.g.  Ann.  42,  483. 
*  Annais  of  Philosophy  6,   177.   1823. 


Die  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       7d$ 

)kette  kann  also  auf  jeden  Fall  hier  sehr  wenig  zu  thun  haben.    Im 
Schwefelkalium  geht  der  Strom  an  den  Contactpunkten  vom  Antimon 


Ov  '      -1-  r  -■  r>  4  "■   *  ^> 


B  S 


I 


> 


Fig.  194.  Fig.   195. 

Nach  Faraday. 

m  Wismuth  zum  Silber,  ein  Resultat  ebenso   unverträglich  als  das 

mit  dem  Thermo-Effekt.  Wenn  farbloses  Schwefelwasserstoff-Schwefel- 

zur  Schliessung  der  VourA'schen  Kette  angewandt  wird,   geht   der 

an  den  Contactpunkten  vom  Wismuth  zum  Silber,    und  vom  Silber 

ntimon,  während  er  in  starker  Salzsäure  an  den  Contactpunkten  gerade 

ehrt  vom  Silber  zum  Wismuth  und  vom  Antimon  zum  Silber  geht. 

5059)  Ferner  geht  in  der  Thermoreihe  der  Strom  an  den  Contact- 
en  der  Metalle  vom  Kupfer  zum  Gold,  vom  Zinn  oder  Blei  zum 
',  Rhodium  oder  Gold,  vom  Zink  zum  Antimon  oder  Eisen  oder  selbst 
t,  vom  Wismuth  zum  Nickel,  Kobalt,  Quecksilber,  Silber,  Palladium, 
Platin,  Rhodium  oder  Graphit,  —  also  gerade  in  umgekehrter  Rich- 
vie  bei  denselben  Metallen,  wenn  sie  mit  den  gewöhnlichen  sauren 
*en  VoLTA'sche  Ketten  bilden  (2012). 

2060)   Diese  und  viele  andere  Widersprüche,   welche  bei  einem  Ver- 

der  Theorie  des  Thermocontactes  und  des  VoLTA'schen  Contactes  er- 

en,  lassen  sich  nur  erklären  durch  Annahme  einer  specifischen  Wirkung 

ontactes  von  Wasser,    Säuren,  Alkalien,  Sulfureten   und  anderen  er- 

len  Elektrolyten   für  jegliches  Metall.     Dieser   angenommene  Contact 

n  Thermo-Metallcontact  nicht  nur  dadurch  unähnlich,  dass  er  in  den 

?ichförmigen  Temperaturen  geschlossenen  Ketten  keinen  Gleichgewichts- 

d   besitzt,   sondern  auch  in  der  Ordnung   der  angewandten  Metalle 

Beziehung   zu    demselben   hat.     So    müssen  Wismuth    und  Antimon, 

*  in  der  Thermoreihe  weit  auseinander  stehen,    diesen  Extracharakter 

Ȋurecontact  sehr  stark  in  entgegengesetzter  Richtung  entwickelt  haben, 

lit  einander  eine  nur  schwache  VourA'sche  Combination  zu  bilden.   Und 

las  Silber  betrifft,  welches  in  der  Thermoreihe  zwischen  Zinn  und  Zink 

so  ist  nicht  nur  dieselbe  Abweichung  erforderlich,   sondern  es  muss 

der  Effekt  davon  so  gross  sein,  dass  er  so  vollständig  wie  er  es  thut 

;elbst  kräftig  die  Unterschiede  umkehrt,  welche  die  Metalle  (gemäss  der 

icttheorie)  hervorzubringen  trachten. 

,2061)  Zum  ferneren  Gegensatz  mit  solch  einer  Annahme  muss  daran  er- 
:  werden,  dass,  obwohl  die  Thermoreihe  der  Kette  verschieden  ist  von  der 
hnlichen  VoLTA'schen  (2012),  sie  doch  vollkommen  mit  sich  selbst  über- 
mmt,  d.  h.  dass  wenn  Eisen  und  Antimon  schwach  mit  einander  sind 
iVismuth  stark  mit  Eisen,  dies  auch  stark  mit  Antimon  ist;  ferner,  da&« 


746  Vierzehntes  Kapitel. 


wenn  der  Strom  an  der  heissen  Berührungsstelle  vom  Wismuth  zum  R 
dium  geht,  und  vom  Rhodium  zum  Antimon,  es  auch  an  der  heissen  St 
noch  kräftiger  vom  Wismuth  zum  Antimon  übergeht  Zur  vollen  Über 
Stimmung  mit  dieser  einfachen  und  wahren  Relation  müsste  Schwefels 
nicht  sehr  kräftig  mit  Eisen  und  Zinn  und  schwach  mit  Silber  sein,  wie 
es  in  der  VoLTA'schen  Kette  ist,  da  diese  Metalle  in  der  Thermoreihe  n 
weit  auseinander  stehen;  auch  dürfte  sie  sich  voltaisch  nicht  fast  gl 
gegen  Gold  und  Platin  verhalten,  da  diese  in  der  Thermoreihe  weit 
einander  stehen. 

„2062)  Endlich  findet  sich  in  der  Thermokette  eine  Relation  zur  Waü 
welche  zeigt,  dass  für  jegliche  Portion  von  entwickelter  elektrischer  ¥ 
eine  entsprechende  Änderung  in  einer  anderen  Kraft  oder  Kraftform,  n 
lieh  der  Wärme,  stattfindet,  die  jene  zu  erklären  vermag.  Dies  haben  ü 
einstimmend  die  Versuche  von  Seebeck  und  Peltier  gezeigt.  Allein 
Contactkraft  ist  eine  Kraft,  welche  Etwas  aus  Nichts  hervorzubringen 
ein  Resultat  der  Contactkraft,  welches  weiterhin  (2069.  2071.  2073)  be 
auseinandergesetzt  werden  kann. 

„2063)  Welche,  aus  den  Thatsachen  der  Thermo-Elektricität  ableitba 
Beweise  für  die  Contactvvirkung  bleiben  dann  übrig,  da  sonach  die  K 
auf  die  Säure  oder  andere  gebrauchte  Elektrolyte  bezogen  werden  n 
(2060),  und  da  man  sie  nicht  nur  unsicher  nach  jedem  Metall,  sondern  a 
in  direkter  Übereinstimmung  mit  der  Veränderung  der  chemischen  Akt 
zu  variiren  hat  (2874.   1956.   1992.  2006.  2014)? 

„2064)  Die  Contacttheoretiker  scheinen  zu  glauben,  dass  die  Anbau 
der  chemischen  Theorie  berufen  seien,  die  Erscheinungen  der  Thermo-E 
tricität  zu  erklären.  Ich  kann  nicht  einsehen,  dass  die  SEEBECK'sche  K 
irgend  eine  Beziehung  zur  VoLiVschen  habe,  und  glaube,  dass  Becquek 
Untersuchungen  diesen  Schluss  hinreichend  rechtfertigen.1 

Unwahrscheinlichkeit  der  angenommenen  Contactkraft 

„2065)  Sonach  habe  ich  eine  gewisse  Masse  experimenteller  Zeugn 
und  daraus  gezogener  Schlüsse  gegeben,  welche  mir  zur  Aufhellung 
streitigen  Punktes  geeignet  scheinen,  in  Zusatz  zu  den  Angaben  und  Ar 
menten  der  grossen  Männer,  die  bereits  ihre  Resultate  und  Meinungen 
Gunsten  der  chemischen  Theorie  des  Voltaismus  und  gegen  die  Conti 
theorie  ausgesprochen  haben.  Zum  Schluss  will  ich  noch  ein  Argum 
hinzufügen,  hergenommen  von  der,  nach  mir,  unphilosophischen  Natur 
Kraft,  auf  welche,  nach  der  Contacttheorie,  die  Erscheinungen  bexo| 
werden. 

„2066)  Nach  dieser  Theorie  wird  angenommen  (1802),  dass,  wo  1 
ungleiche  Metalle  (oder  richtiger:  Körper)   einander  berühren,  die  unglei 


1  Annales  de  chim.  41,  355.   1829;  46,   275.   1829. 


4e  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.        747 

Theile  auf  einander  wirken  und  entgegengesetzte  Zustände  erregen. 

,Tie  dies  nicht,  glaube  vielmehr,  dass  eine  solche  Wirkung  in  vielen 

wischen  aneinander  liegenden  Theilchen  stattfinden  kann,  z.  B.  vor- 

d  die  Aktion   in   den   gewöhnlich    chemischen  Erscheinungen,    und 

»rbereitend  denjenigen  Akt  der  chemischen  Combination,  welcher  in 

„TA'schen  Kette  den  Strom  hervorruft  (1738.  1743). 

y6j)  Allein  die  Contacttheorie  nimmt  an,  dass  diese  Theilchen,  welche 

durch  ihre  gegenseitige  Aktion  entgegengesetzte  elektrische  Zustände 

haben,  diese  Zustände  auf  einander  entladen  können,   und  doch  in 

.fanglichen  Zustande  bleiben,  in  jeder  Hinsicht  durch  den  früheren 

g  nicht  verändert  werden.     Sie  nimmt  auch  an,   dass  die  Theilchen, 

:h  ihre  gegenseitige  Wirkung  plus  und  minus  geworden  sind,  während 

r  dieser  inducirten  Aktion  stehen,  sich  entladen  auf  Theilchen  gleicher 

xiit  ihnen  und  so  einen  Strom  erzeugen. 

068)  Dies  stimmt  in  keiner  Hinsicht  mit  bekannten  Wirkungen  überein. 
man  in  Bezug  auf  chemische  Erscheinungen  zwei   Substanzen,   wie 
off  und  Wasserstoff,  so  kann  man  sich  denken,   dass  zwei  Theilchen 
*iden,    wenn  sie  nahe  gebracht  und  erhitzt  werden,    entgegengesetzte 
de  an  ihren  gegenüberliegenden  Oberflächen  induciren,   vielleicht  so, 
ch  Berzelius*  Ansicht  (1739),    und  dass  diese  Zustände,   sich  immer 
steigernd,    endlich    in    eine    gegenseitige  Entladung  der  Kräfte   über- 
wobei die  Theilchen  sich  verbinden  und  unfähig  sind,  den  Effekt  zu 
holen.     Während   sie    unter  Aktion    stehen    und    ehe   die   Einwirkung 
,  können  sie  ihren  Zustand  nicht  freiwillig  verlieren;    allein   bei  Ent- 
g  der  Ursache  der  gesteigerten  Inductionswirkung,  nämlich  der  Wärme, 
ier  Effekt  auf  seinen  ersten  Zustand  herabsinken.    Wenn  die  wirkenden 
hen  in  die  Constitution  eines  Elektrolyten  eingeschlossen  sind,  körinen 
le  Stromkraft  erzeugen  (921.  924)   proportional   mit  dem  Betrage  der 
tuchten  chemischen  Kraft  (868). 

2069)  Allein  die  Contacttheorie,  welche  gemäss  den  Thatsachen  zu  der 

ime  genöthigt  ist,   dass  die  wirkenden  Theilchen  sich  nicht  verändern 

.  2067  —  denn  sonst  würde  sie  die  chemische  Theorie  sein),  ist  auch 

mgen  anzunehmen,  dass  die  Kraft,  welche  zwei  Theilchen  in  den  Stand 

einen   gewissen  Zustand  in  Bezug  auf  einander  anzunehmen,   unfähig 

lieselben  in  diesem  Zustande  zu   erhalten,    und   so  leugnet  sie  virtuell 

grosse  Prinzip   der  Naturforschung,    dass   Ursache   und  Wirkung  gleich 

(2071).      Wenn    ein    Platintheilchen    durch    Contact    mit    einem    Zink- 

hen  seine  eigene  Elektricität  willig  dem  Zink  abtritt,  weil  durch  seine 

nwart  das  Platin  einen   negativen  Zustand  anzunehmen    sucht,   warum 

das  Platintheilchen  von  irgend  einem  hinter  ihm  liegenden  Platintheil- 

Elektricität  aufnehmen,    da  dies   nur  dahin   streben  würde,   eben  den 

nd  zu  zerstören,  in  den  es  durch  das  Zink  versetzt  ward?    Dies  ist  nicht 

rall  bei  der  gemeinen  Vertheilung  (und  Marianini  nimmt  an,  die  Con- 

irkung  könne  durch  Luft  und  durch   messbare  Entfernungen  hindurch 


n a%  Vierzehntes  Kapitel. 

wirken);1  denn  dabei  nimmt  eine  Kugel,  die  durch  Vertheilung  negati 
macht  ist,  keine  Elektricität  von  umgebenden  Körpern  auf,  wie  sie 
ringsum  unisolirt  sein  mag;  und  wenn  wir  Elektricität  in  sie  hineinzws 
so  wird  sie  gleichsam  zurückgeschlagen  mit  einer  Kraft,  die  der  de 
theilenden  Körpers  äquivalent  ist. 

„2070)  Oder  wenn  man  vielmehr  annimmt,  dass  das  Zinktheilchen 
seine  vertheilende  Wirkung  das  Platintheilchen  positiv  zu  machen 
und  das  letztere,  in  Verbindung  stehend  mit  der  Erde  oder  mit  ar 
Platintheilchen,  auf  diesen  Elektricität  hervorruft  und  so  den  positive 
stand  erlangt:  warum  sollte  es  diesen  Zustand  gegen  das  Zink  enl 
gerade  die  Substanz,  welche,  indem  sie  das  Platin  diesen  Zustand  ann< 
macht,  natürlicherweise  am  geeignetsten  sein  sollte,  denselben  zu  unter! 
Oder  ferner,  wenn  das  Zink  das  Platintheilchen  positiv  zu  machen 
warum  sollte  nicht  Elektricität  vom  Zink  zum  Platin  übergehen,  da 
ersteres  ebenso  gut  als  die  benachbarten  Platintheilchen  mit  letztere 
Contact  ist?  Oder,  wenn  das  Zinktheilchen  im  Contact  mit  dem 
positiv  zu  werden  sucht,  warum  strömt  nicht  Elektricität  zu  ihm  ai 
hinteren  Zinktheilchen,  so  gut  als  aus  dem  Platin?2  Für  den  angenomi 
Vorgang  ist  keine  hinlänglich  wahrscheinliche  oder  philosophische  Ui 
nachgewiesen,  noch  ist  ein  Grund  gegeben,  warum  nicht  ein  oder  der  1 
der  zuvor  angegebenen  Effekte  stattfinden  sollte,  und,  wie  ich  schon  * 
holt  gesagt  habe,  ich  kenne  kein  einziges  Factum  oder  keinen  Fal 
Contactstrom,  auf  welchen,  in  Ermangelung  solcher  wahrscheinlichen  Ur 
die  Theorie  sich  stützen  kann. 

„2071)  In  der  That,  die  Contacttheorie  nimmt  an,  dass  eine  Kra 
mächtige  Widerstände  zu  überwältigen  im  Stande  ist,  z.  B.  den  von 
odeV  schlechten  Leitern,  welche  der  Strom  durchläuft,  so  wie  den  von 
trolytischen  Aktionen,  wo  Körper  durch  sie  zersetzt  werden,  aus  Nicht 
springen  kann;  dass,  ohne  irgend  eine  Veränderung  in  der  wirkenden  N 
oder  den  Verbrauch  einer  erzeugenden  Kraft,  ein  Strom  hervorgerufen  v 
kann,  welcher  unausgesetzt  gegen  einen  constanten  Widerstand  fortgeh 
nur  gehemmt  werden  kann,  wie  in  der  VoLTA'schen  Batterie,  durc 
Trümmer,  welche  seine  Äusserung  in  seiner  eigenen  Bahn  angehäu: 
Dies  würde  in  der  That  eine  Schöpfung  der  Kraft  sein,  und  ist 
anderen  Kraft  in  der  Natur  gleich.  Wir  kennen  viele  Processe,  durch  ^ 
die  Form  der  Kraft  so  verändert  werden  kann,  dass  eine  scheinbare 
Wandlung  der  einen    in   die   andere  stattfindet     So  können  wir  eher 

1  Memorie  della  Societä  Italiana  in  Modena  21,  232.  233.   1837. 

8  „Der  Einfachheit  wegen  habe  ich  mich  so  ausgedrückt,  wie  wenn  bei  Hervort 
dieser  Vertheilungszustände  das  eine  Metall  aktiv  und  das  andere  passiv  wäre,  wähn 
Theorie  verlangt,  dass  jedes  gegenseitig  dem  anderen  unterworfen  ist«  Allein  dies  macht 
Unterschied  in  der  Kraft  der  Argumente;  wogegen  eine  vollständige  Angabe  der  * 
Änderungen  an  beiden  Seiten  die  sich  darbietenden  Einwürfe,  welche  indes  nach  bei« 
sichten  gleich  stark  sind,  verdunkelt  haben  würde." 


Me  Elitwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.        740 

1  elektrischen  Strom  und  den  Strom  in  elektrische  Kraft  verwandeln, 
lönen  Versuche  von  Seebeck  und  Peltier  zeigen  Verwandelbarkeit 
irme  und  Elektricität;  und  andere  von  Oersted  und  mir  zeigen  die 
delbarkeit  von  Elektricität  und  Magnetismus.  Allein  niemals,  selbst 
ei  dem  Gymnotus  und  der  Torpedo  (1790)  findet  eine  Schöpfung  von 
tatt,  eine  Erzeugung  von  Kraft,  ohne  eine  entsprechende  Erschöpfung 
was,  ihr  Nahrung  Gebendes.1 

072)  Man  muss  sich  stets  erinnern,  dass  die  chemische  Theorie  von 
Iraft  ausgeht,  deren  Dasein  zuvor  bewiesen  ist,  und  dass  sie  deren 
>nen  folgt,  selten  etwas  voraussetzend,  was  nicht  durch  eine  ent- 
nde  einfache  chemische  Thatsache  unterstützt  wird.  Die  Contact- 
dagegen  geht  von  einer  Voraussetzung  aus,  der  sie  andere  hinzufugt, 
es  die  Fälle  erfordern,   bis  zuletzt  die  Contactkraft,   statt  das  feste 

lelbare  Wesen  zu  sein,   wie  es  Volta  anfangs  voraussetzte,   so  ver- 
:h  als  die  chemische  Kraft  selbst  ist. 

073)  Verhielte  es   sich   anders,    als  es  ist,   wäre   die  Contacttheorie 
dann  müsste,  so  scheint  mir,  die  Gleichheit  von  Ursache  und  Wirkung 

iet  werden  (2069).  Dann  würde  auch  das  Perpetuum  mobile  mög- 
in;  und  es  würde  gar  nicht  schwer  halten,  auf  den  ersten  gegebenen 
nes  allein  durch  Contact  erzeugten  elektrischen  Stromes  eine  elektro- 
tische  Vorrichtung  zu  construiren,  welche,  dem  Prinzipe  nach,  unauf- 
■>  mechanische  Effekte  hervorbrächte, 
oyal  Institution,  26.  December  1839." 

4.  Weitere  Discussionen.  Auch  das  zweite  Eintreten  Faraday*s 
?  chemische  Theorie  änderte  an  der  Stellung  der  einzelnen  Forscher 
,    wie    denn  in   der  ganzen   Angelegenheit  die  Beobachtung    gemacht 

„(Note,    29.  März   1840.)  —  Ich   bedaure   ein  höchst  wichtiges  Zeugniss  für  dies  philo- 

le  Argument  zuvor  nicht  gekannt  zu  haben,  nämlich  die  Meinung,  welche  Dr.  Roget  in 

im  Januar  1829  erschienenen  „Treatise  on  Galvanism"  in  der  „Library  o(  useful  Know- 

ausgesprochen  hat.     Dr.  Roget  ist  durch  die  Thatsachen  der  Wissenschaft  ein  Anhänger 

mischen  Theorie;  allein  die  schlagendste  Stelle,  welche  ich  nun  hervorzuheben  wünsche, 

folgende  Paragraph  im  Art.  Galvanism.  —  Von  der  VoLTA'schen  Contacttheorie  sprechend, 

„Wäre  irgend  ein  ferneres  Raisonnement  erforderlich,    sie   umzustürzen,   so  Hesse  sich 

chtiges  Argument  aus   folgender  Betrachtung  hernehmen.     Vermöchte   eine  Kraft   zu  be- 

welche    die   ihr   von  der  Hypothese  zugeschriebene  Eigenschaft  besässe,    nämlich   einer 

keit  einen  unausgesetzten  Impuls  in  einer  constanten  Richtung  zu  ertheilen,    ohne   durch 

*ene  Wirkung  erschöpft  zu  werden,    so   würde   sie   wesentlich   verschieden  sein  von  allen 

ten  Kräften  in  der  Natur.     Alle  Kräfte  und  Quellen  von  Bewegung,  mit  deren  Operation 

kannt  sind,    werden,   wenn   sie   ihre   eigentümlichen  Wirkungen   ausüben,   verausgabt  in 

ben  Verhältniss,  als  diese  Wirkungen   hervorgebracht   werden;    und   daraus  entspringt  die 

;lichkeit,  durch  sie  einen  immerwährenden  Effekt,  oder,  mit  anderen  Worten,  eine  immer- 

de  Bewegung  hervorzubringen.    Allein  die  elektromotorische  Kraft,  welche  Volta  den  in 

:  stehenden  Metallen  zuschreibt,  ist  eine  Kraft,  welche,  so  lange  der  von  ihr  in  Bewegung 

n  Elektricität  ein  ungehinderter  Lauf  verstattet  ist,  niemals  verbraucht  wird,  und  fortwährend 

erminderter  Kraft  erregt  wird  in  der  Erzeugung  eines  unaufhörlichen  Effektes.    Gegen  die 

eit  einer  solchen  Voraussetzung  sind  alle  Wahrscheinlichkeiten  nur  unendlich.  —  Roget." 


7  cq  Vierzehntes  Kapitel. 


werden  kann,  dass  durch  all  den  Ungeheuern  Aufwand  überzeugungskräftig- 
ster Argumente  auf  beiden  Seiten  doch  niemals  eine  Bekehrung  eines  Gegncs 
bewerkstelligt  worden  ist.  In  der  That  ist  mir  in  der  ganzer  weitschichtiget 
Litteratur  bis  auf  das  gleich  zu  erwähnende  halbe  Zugeständniss  Schönbedtb 
kein  Fall  begegnet,  dass  ein  Anhänger  einer  der  Theorieen  in  seiner  Ab* 
sieht  wankend  gemacht  worden  wäre,  vielmehr  bleibt  Jeder,  sei  er  Contacbst 
oder  Chemiker,  „unentwegt"  auf  seinem  Standpunkt  stehen  und  hat  für 
die  gegentheiligen  Anschauungen  nur  ein  mitleidiges  Erstaunen  übrig.  Diese 
Erscheinung  kennzeichnet  besser  als  alles  andere  den  damaligen  unent- 
wickelten und  unfertigen  Zustand  der  Wissenschaft  in  diesem  Gebiete. 

Die  Unklarheit  über  die  Art  der  chemischen  Wirkung,  welche  in  dem 
VoLTA'schen  Element  vor  sich  geht,  tritt  in  der  ganzen  Discussion  über  die 
beiden  Theorieen  immer  wieder  hervor.  Während  schon  Ritter  die  Noth- 
wendigkeit  eines  räumlich  getrennten  Vorganges  zum  Behufe  der  galvani- 
schen Wirkung  erkannt  hatte,  sah  Poggendorff,  x  freilich  nicht  ohne  Schuld 
der  Vertreter  der  chemischen  Theorie  selbst,  in  dem  Nachweise,  dass  es 
Ketten  ohne  primäre,  d.  h.  vor  dem  Stromschlusse  stattfindende  chemische  ] 
Wirkung  gebe,  einen  entscheidenden  Einwand  gegen  die  chemische  Theorie. ; 
Thatsächlich  liegt  die  Sache  so,  dass  nur  die  erst  beim  Stromschlusse  ein- 
tretende Wirkung  es  ist,  die  überhaupt  mit  der  elektrischen  in  Zusammenhang 
gebracht  werden  darf;  die  primäre,  oder  besser  örtliche  Wirkung  hat  mit 
dem  Strome  nichts  zu  thun. 

Die  eben  erwähnte  Abhandlung  Poggendorff^s  ist  im  Übrigen  bestimmt, 
die  von  Schönbein  und  namentlich  Faraday  untersuchten  Fälle,  wo  Ketten 
mit  Eisen  und  Platin  oder  Silber,  die  nach  der  Contacttheorie  einen  starken 
Strom  wegen  der  bedeutenden  Verschiedenheit  der  Metalle  in  der  Spannungs- 
reihe geben  sollten,  thatsächlich  keinen,  oder  nur  einen  sehr  schwachen, 
bald  verschwindenden  geben,  im  Sinne  der  Contacttheorie  zu  „erklären". 
Die  Erklärung  beruht  auf  demselben  Gesichtspunkte,  welchen  Marianini  und 
Fechner  schon  früher  geltend  gemacht  hatten,  nämlich  der  Annahme,  da» 
durch  die  Wirkung  der  Flüssigkeiten  auf  die  Metalle  deren  Stellung  in  der 
Spannungsreihe  abgeändert  werde.  Diese  Wirkung  wird  ausdrücklich  als 
eine  nicht  chemische  bezeichnet;  was  für  eine  sie  thatsächlich  ist,  bleibt 
unentschieden,  und  so  behält  diese  Deutung  allerdings  den  Charakter  der 
Willkürlichkeit.  Insbesondere  fehlt  eine  Deutung  des  Zusammenhanges,  da» 
in  solchen  Fällen,  wo  chemische  Wirkung  und  gleichzeitig  der  Strom  aus- 
bleibt, auch  gerade  die  oberflächliche  Veränderung  der  Metalle  den  Werft 
erhält,  dass  die  Spannungen  sich  aufheben.  Es  ist  dies  die  immer  wieder- 
holte Erscheinung,  dass  die  Contacttheorie  zwar  formell  mit'  den  Thatsachen 
fertig  werden  kann,  über  die  weiteren  zu  Tage  tretenden  Beziehungen  aber 
keine  Auskunft  geben  will. 

Faraday  selbst,  welcher  sich  durch  die  Anstrengungen  bei  der  Ausfuhrung 

1  Pogg.  Ann.  54,  353.    1841. 


e  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.        nc\ 

i  beschriebenen  Untersuchungen  eine  ernstliche  Erkrankung  zuge- 
ttte,  von  deren  Folgen  er  sich  nie  wieder  vollständig  erholen  konnte, 
sich  fernerhin  unbedingt,   auf  die  Discussion  über  den  Werth  der 
rheorieen   einzugehen.     In   einem   Briefe  an    den   Herausgeber   des 
lical  Magazine1  erklärt  er  zunächst,  wie  es  gekommen  sei,  dass  er 
rartigen  Angriff  von  Dr.  Hare  unbeantwortet   gelassen   habe,   und 
t:    „Mein  Grund   für   diese  Ablehnung   war   nicht   ein  Mangel   an 
gegen  Dr.  Hare,  sondern  meine  feste  Überzeugung,  dass  polemische 
und  Erwiderungen    nur   eine   unfruchtbare  Beschäftigung  sind.  .  .  . 
t  in  Ihrer  Zeitschrift  auch  mehrere  Angriffe  aus  Deutschland,  Italien 
*ien  auf  die  chemische  Theorie  der  VoLTA'schen  Batterie  und  auch 
'e  meiner  Versuche.     Für  meinen  Theil  weigere  ich  mich,  öffentlich 
en  Auseinandersetzungen  Notiz  zu  nehmen,  weil  in  ihnen  nichts  ent- 
st,   was   meinem  Geiste   einen   neuen  Gesichtspunkt  giebt,   der  die 
ufklärt,  oder  mir  einen  Grund  zur  Änderung  meiner  Meinung  giebt. 
lern  ich  diesen  Punkt  erwähne,  möchte  ich  einen  Wunsch  aussprechen, 
ige  von  den  Vertretern  der  Contacttheorie  auf  eine  Betrachtung  ein- 
lochten, welche  sie  bisher  auf  das  Sorgfältigste  vermieden  zu  haben 
i,  nämlich  die  unwissenschaftliche  Natur  der  angenommenen  Contact- 
ie  ich  sie  in  §  2065  bis  2073  meiner  „Experimentaluntersuchungen" 
;en  versucht  habe,    und  wie  Dr.  Roget  sie  in  Worten  ausgedrückt 
jlche  ich   meiner  Abhandlung  angehängt  habe.     Eine  derartige  Be- 
ig  scheint  mir  die  Grundlagen   selbst   der  Contacttheorie  zu  be- 
....    Soviel  ich  sehen  kann,   drücken  sie  ein  grundlegendes  Prinzip 
lches  nicht  bei  Seite  gesetzt  oder  umgangen  werden  kann  von  einem 
:haftlichen    Geiste,   welcher   nur   einen    massigen   Grad   von   Strenge 
Hessen  besitzt,  und  ich  muss  gestehen,  dass  ich,  bevor  irgend  eine 
t  oder  der  Schein  einer  Antwort  in  Gestalt  einer  Voraussetzung  oder 
/ie   auf  den  Ausspruch  dessen,   was  ich  als  ein  Naturgesetz  ansehe, 
n  worden  ist,    nicht  geneigt  bin,    eine  Bedeutung  Thatsachen  zuzu- 
en,  welche  zwar  zu  Gunsten  der  Contacttheorie  vorgebracht,  von  den 
*ern  der  chemischen  Theorie  jedesmal  gleich  vortheilhaft  für  ihre  An- 
,  und  gleich  übereinstimmend  mit  ihnen  befunden  worden  sind." 
..    Einwand  von  Jacob  1.    Von  den  gewöhnlichen  Argumenten  gegen 
emische    Theorie    unterscheidet   sich    ein   von    M.  Jacobi  2   erhobenes 
seine   Originalität.     Dieser   sehr   begabte    Forscher   beschäftigte   sich 
vor  mehr  als  fünfzig  Jahren  mit  der  Aufgabe,  die  mechanischen  Wir- 
1  des  Elektromagnetismus  technisch  zu  verwerthen,  und  war  dabei  zu 
obachtung  gelangt,  dass  der  Strom  seiner  Batterie  geringer  war,  wenn 
^geschaltete  elektromagnetische  Motor  Arbeit  verrichtet,    als  wenn   er 
ind.    „Man  hat  also  hier  eine  Maschine,  welche,  wenn  sie  einen  mecha- 
1  Effekt  hervorbringt,  weniger  Zink  consumirt,  als  wenn  sie  sich  in 


Philos.  Mag.  22,  268.   1843.  9  Pogg.  Ann.  48,  41.  1839. 


j  c  2  Vierzehntes  Kapitel. 

Ruhe  befindet.  Das  ist  bei  anderen  Triebkräften  nicht  der  Fall,  und  bleibt 
gewiss  ein  frappantes  Factum,  wenn  es  sich  auch  erklären  lässt 

„Aber  auch  die  anderen  Attribute  des  galvanischen  Stromes  bieten  ahn» 
liehe  Phänomene  dar  .  .  .  überhaupt,  wenn  man  irgend  einen  Effekt  ausser- 
halb der  Erregungszelle  erlangen  will,  wird  in  dieser  die  Zinkconsumtioii 
oder  die  chemische  Thätigkeit  vermindert.  Mir  scheint  es,  dass,  da  sammt 
liehe  Effekte  zugleich  proportional  im  Strom  existiren,  derjenigen  Weise  da 
chemischen  Aktion,  die  sich  durch  die  elektrolytische  Zersetzung  kund  giebt 
kein  grösseres  Recht  zugestanden  werden  dürfte,  als  den  übrigen;  ja  sogar 
da  sämmtliche  Attribute  der  Elektricität  hervorgebracht  werden  können,  ohm 
einer  elektrolytischen  Aktion  zu  bedürfen,  keine  elektrolytische  aber  oh» 
gleichzeitige  magnetische,  Polarisations-,  Wärme-  und  andere  Erscheinungen 
so  ist  vielmehr  der  Chemismus  im  Nachtheil,  wenn  von  dem  Rechte  die  Red« 
ist,  als  Ursache  der  verschiedenen  Phänomene  aufzutreten.  Es  ist  ein  logi- 
scher und  deshalb  unüberwindlicher  Widerspruch,  dass  die  Ursache  std 
umgekehrt  wie  die  Wirkung  verhalten  solle,  und  das  verlangt  die  Ansicht 
welche  bei  den  Hydroketten  die  Oxydation  oder  den  chemischen  Pnocea 
als  das  allein  Bedingende  ansieht." 

Diese  Auseinandersetzungen  des  scharfsinnigen  Gelehrten  zeigen  die 
ganze  Unsicherheit,  in  welcher  sich  selbst  tiefer  Denkende  zu  jener  Zeit,  drei 
Jahre  vor  dem  ersten  Aufsatze  J.  R.  Mayer's,  bezüglich  der  Fragen  da 
Energie  befanden.  Wir  wissen  jetzt,  dass  in  allen  von  Jacobi  angeführten 
Fällen  sich  eine  elektromotorische  Gegenkraft  entwickelt,  welche  die  Strom« 
stärke,  und  deshalb  den  Zinkverbrauch  vermindert;  der  maximale  Verbraudi 
bei  ruhender  Maschine  entspricht  einer  maximalen  Wärmeentwickelung  ia 
der  gesammten  Leitung,  und  die  Summe  der  als  Wärme  und  mechanische 
Arbeit  oder  andere  Leistung  abgegebenen  Energie  ist  in  allen  Fällen  genau 
dem  Zinkverbrauch  proportional. 

Damit  wird  denn  auch  der  erhobene  Einwand  hinfällig,  als  sei  die  von 
der  Kette  geleistete  Wirkung  dem  Zinkverbrauch  umgekehrt  proportional 
(was  auch,  wenn  Jacobi  Recht  hätte,  ein  ungenauer  Ausdruck  wäre);  vielmehr 
sind  beide  direkt  proportional,  wenn  man  die  gesammte  Wirkung  in  Betracht 
zieht,  und  sich  nicht  auf  eine  einzige  beschränkt. 

Wenn  man  also  auch  dem  von  Jacobi  erhobenen  Einwände  keine  Be- 
rechtigung zugestehen  kann,  so  unterscheidet  er  sich  doch  durch  seine 
scharfsinnige  Beschaffenheit  wesentlich  von  den  üblichen  der  Voltaisten  und 
hätte  eine  eingehendere  Erörterung  verdient,  welche  fruchtbarer  hätte  werden 
können,  als  viele  andere  Discussionen  über  den  Gegenstand  zusammen* 
genommen. 

Die  andere  Bemerkung  Jacobi's  steht  allerdings  nicht  auf  der  Höhe  dfl 
eben  besprochenen,  und  ist  von  Schönbein  durch  den  Hinweis  widerleg 
worden,  dass  von  keinem  „Chemiker"  behauptet  worden  ist,  es  rührte 
alle  elektrischen  Erscheinungen  von  chemischen  Vorgängen  her;  "letzter 
werden  vielmehr  nur  für  die  hydroelektrischen  Vorgänge  in  Anspruch  p 


te  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       je? 

.  Auch  ist  die  Behauptung  offenbar  unrichtig,  dass  man  keinen 
len  Vorgang  ohne  Polarisations-  oder  magnetische  Erscheinung  her- 
sn  könne. 

Zweite  Formulirung  von  Schönbein's  Tendenztheorie.    Auf 

lenden  Kampf,  welcher  zwischen  den  zwanziger  und  vierziger  Jahren 

1  des  Werthes  der  beiden  Theorieen  geherrscht  hatte,  folgt  um  die 

r  vierziger  Jahre  fast  plötzlich  eine  Stille,   ohne  dass  eine  Ursache 

ara  in  dem  Übergange  der  wichtigsten  Vertreter  der  einen  Seite  auf 

ire  nachzuweisen  wäre.     Vielmehr  dürfte  wohl  die  Ursache  in  der 

:h  entstandenen  Erfahrung  liegen,    dass  irgend  ein  Erfolg  von  dem 

ntiren  hin  und  her  nicht  zu  erreichen  war;  das  Interesse  der  Forscher 

sich  daher  von  dem  ergebnisslosen  Kampfe  ab  und  anderen  Gegen- 

zu.   Gleichzeitig  mag  wohl  auch  eine  unbewusste  Empfindung  dafür 

en  gewesen  sein,  dass  in  der  sich  eben  entwickelnden  mechanischen 

heorie    sich   die  Gründe  für  oder  wider  finden  würden,   welche   zu 

ltscheidung  fuhren  könnten,  nachdem  alle  bis  dahin  versuchten  sich 

tt   genügend   durchschlagend    erwiesen   hatten.     So   steht   die   letzte 

,   diesem  Streite  gewidmete  Abhandlung1   im  Jahre    1849   ziemlich 

da  und  erweckt  keinerlei  Erwiderungen  von  Seiten  der  Gegner. 

t  somit  nach  dieser  Seite  die  Arbeit  kaum  ein  Interesse,   so  ist  sie 

rwähnenswerth   als   eine   ausfuhrliche  Darlegung  der   von  Schönbein 

"rüher  aufgestellten  „Tendenztheorie"   der  VoLTA'schen  Kette.     Diese 

ist  der  gegenwärtig  als  richtig  erkannten  von  allen  älteren  Versuchen 

ilichsten,  und  wenn  sie  auch  noch  genug  der  vergänglichen  Bestand- 

nthält,  so  ist  doch  andererseits  ihr  Grundgedanke  fruchtbar  und  lehr- 

nd  spricht  den  von   den  Vertretern  der   chemischen  Theorie  immer 

en  Zusammenhang  zwischen  den  chemischen  Verhältnissen  und  deren 

chen  Wirkungen  in  so  anschaulicher  Gestalt  aus,  dass  sie  in  dieser 

it  auch  noch  jetzt  einen  gewissen  Werth  beanspruchen  kann.     Aller- 

lat  sie  auf  ihre  Zeit  keine  Wirkung  geübt;  die  Ursache  davon  ist  die 

wiederkehrende:    es   konnten  die  Folgerungen  aus  der  Theorie  nicht 

nässig  geprüft  und  bestätigt  werden,   und  so  entging  ihr  das  Grund- 

t  der  Bedeutung  jeder  wissenschaftlichen  Theorie. 

ie  wichtigsten  Stellen  aus  dieser  zweiten  Abhandlung  Schönbein's  lauten : 

3ekanntlich   bin    ich    selbst  mit  den  strengsten  Contactisten   über  die 

;keit  der  Annahme  einverstanden,  dass  es  viele  hydroelektrische  Ketten 

welche  Voltaisch  wirksam  sind,  ohne  dass  in  ihnen  vor  bewerkstelligter 

>sung  irgend  eine,  entweder  durch  Verbindung  oder  Zersetzung  sich 

ide  chemische  Thätigkeit  stattfindet.  .  .  .  Nichtsdestoweniger  suche  ich 

iie  Ursache   der  in  solchen  Ketten  auftretenden   Erscheinungen  nicht 

im  blossen,  von  allem  Chemismus  unabhängigen  Contacte  zweier  ver- 

SchOnbein,    Über   die   chemische    Theorie    der   VoLTA'schen   Säule,    POGG.  Ann.  78, 

49. 

rald,   Elektrochemie.  48 


«* 


754  Vierzehntes  Kapitel. 

schiedener  Materien,  z.  B.  zweier  Metalle,  sondern  in  einer  allerdings 
Berührung  bedingten  chemischen  Anziehung,  welche  ein  Bestandth 
Kette  .  .  .  gegen  das  Anion  oder  Kation  einer  der  zur  Kettenbildung 
wendeten  elektrolytischen  Flüssigkeiten  ausübt.  Der  chemischen  An: 
z.  B.  einer  Sauerstoff-  oder  wasserstoffgierigen  Substanz  gegen  das  eil 
das  andere  Ion  des  Wassers  schreibe  ich  eine  Störung  des  ursprün 
chemischen  Gleichgewichts  eines  Wassermoleküls  zu,  welches  mi 
Substanz  der  angedeuteten  Art  in  Berührung  geräth,  ohne  dass  ab( 
durch  die  Verbindung  der  Bestandtheile  des  Wassermoleküls  aufgehe 
werden  und  einer  der  Bestandtheile  mit  der  anziehenden  Substanz 
Wirklichkeit  chemisch  zu  vereinigen  braucht.  Eine  solche  Störu 
chemischen  Gleichgewichts  hat  nach  meinem  Dafürhalten  auch  diejen 
elektrischen  Gleichgewichts  des  besagten  Wassermoleküls  oder  den 
Zustand  zur  Folge,  welchen  ich  die  elektrische  Polarisation  zu  nennen 
Die  Wasserstoffseite  unseres  elektrolytischen  Wassermoleküls  wird 
elektrisch,  dessen  Sauerstoffseite  negativ.  Zieht  eine  Substanz  die  Sai 
seite  des  Wassers  an,  was  der  häufigere  Fall  ist,  so  wird  die  ihr  zu 
dete  Seite  des  Wassermoleküls  negativ,  also  die  Sauerstoffseite  sein; 
Substanz  eine  chemische  Anziehung  gegen  den  Wasserstoff  des  Wassc 
so  kehrt  sich  ihr  die  positive  oder  die  Wasserstoffseite  des  Wassern 
zu.  Befindet  sich  auf  der  einen  Seite  des  Wassermoleküls  eine  Sa 
anziehende,  auf  der  anderen  Seite  eine  Wasserstoff  begierige  Materie 
es  klar,  dass  unter  diesen  Umständen  zwei  chemisch  elektromotoriscl 
Wirkungen  auf  das  Wassermolekül  ausgeübt  werden,  welche  nothwen« 
Bezug  auf  die  eintretende  elektrische  Polarisation  oder  Spannung 
wirken  müssen,  als  nur  eine  einzige,  weil  dieselben  das  Wassertheik 
demselben  Sinne  polarisiren.  Stellt  man  an  die  entgegengesetzten 
des  Wassertheilchens  Substanzen,  welche  eine  gleich  starke  chemisci 
ziehung  entweder  nur  gegen  den  Sauerstoff  oder  den  Wasserstoff  de 
trolytischfcn  Moleküls  ausüben,  so  sieht  man  leicht  ein,  dass  keine  elel 
Polarisation  desselben  erfolgen  kann,  weil  in  diesem  Falle  die  wir 
elektrischen  Zugkräfte  das  Wassermolekül  mit  gleicher  Stärke  im  enl 
gesetzten  Sinne  zu  polarisiren  suchen.  Stehen  an  den  entgegenge 
Seiten  des  Wassermoleküls  Substanzen,  von  denen  jede  ebenfalls  er 
nur  den  Sauerstoff  oder  den  Wasserstoff  des  Wassers  anzieht,  sind  atw 
gegen  den  gleichen  Bestandtheil  des  Elektrolyts  gerichteten  chemisch 
Ziehungen  an  Stärke  einander  ungleich,  so  tritt  zwar  unter  derartige 
ständen  auch  noch  eine  Polarisation  des  Wassermoleküls  ein;  es  wii 
die  Intensität  derselben  nur  dem  Unterschied  der  Grösse  der  von 
Substanzen  gegen  das  gleiche  Ion  des  Wassers  ausgeübten  Anzie 
proportional  sein  können.  Was  im  Voranstehenden  von  der  Pola 
des  Wassers  gesagt  ist,  findet  leicht  seine  Anwendung  auf  die  durch 
sehe  Ziehkräfte  zu  bewerkstelligende  Polarisation  aller  elektrolytischen  1 
keiten." 


ie  Entwicklung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       755 

:h  dieser  Darlegung  seiner  Anschauungen  geht  Schönbein  dazu  über, 
eisen,  dass  mit  dieser  sich  die  bekannten  Thatsachen  gut  vereinigen 
während  andererseits  die  von*  den   Contactisten  erhobenen  Einwen- 
gegen  die  chemische  Theorie  theils  dieser  gegenüber  nicht  zutreffen, 
if  irrthümlicher  Auffassung  beruhen.     Auf  diese  Einzelheiten,  sowie 
gleichzeitig  gegebenen  Nachweis,    dass  auch  die  VoLTA'sche  Säule 
Thatsachen  entsprechend  nach  seiner  Theorie  deuten  lässt,  braucht 
igegangen  zu  werden.    In  seinen  Schlussworten  bemerkt  Schönbein: 
übe,  dass  jetzt  die  Zeit  zum  Abschliessen  eines  Vergleiches  zwischen 
ien   Rivaltheorieen  des   Voltaismus   gekommen    ist,    denn    es   liegen 
1  Streitenden  so  viele  klar  redende  Thatsachen  vor,  dass  ihrer  Auto- 
*r  Forscher  sich  gern  unterwerfen  wird,  dem  es  mehr  um  den  Besitz 
hrheit,    als  um   das   Aufrechterhalten  seiner  bisherigen  Meinung  zu 
,    der  mit  anderen  Worten  mehr  Wahrheitsliebe,    als  Eitelkeit   und 
be  hat.     Was  mich  selbst  betrifft,  so  stehe  ich  gar  nicht  an,  offen 
/erholen   zu    bekennen,    dass   ich   früher   im  Sinne  der  chemischen 
manches  vertheidigte,  was  ich  jetzt  als  Irrthum  preisgebe  und  um- 
gewisse Behauptungen  der  Contactisten  als  irrthümlich  betrachtete, 
ich  nun  für  vollkommen  begründet  halte." 

einer  schliesslichen  Zusammenfassung  giebt  Schönbein  nochmals  seine 

an,    weshalb   er  trotz  seines  Entgegenkommens  nicht  zur  strengen 

:heorie  übergehen  könne;  sie  kommen  wesentlich  auf  die  Nichtberück- 

ng  der  doch  offenbar  vorhandenen  chemischen  Beziehungen  heraus, 

ien    sich   die   Richtung   des   Stromes    bei    beliebigen   Combinationen 

igen    lässt,    während    die   Contacttheorie    dafür    keine   Anhaltspunkte 

luch   kann  Schönbein  die  Annahme  der  Contactkraft   nicht  billigen, 

r  man  ununterbrochen  Arbeit  zumuthet,  ohne  dass  ihr  gestattet  wäre, 

zu  erschöpfen,"  während  die  chemische  Theorie  auch  hierüber  nach 

en  Gesetzen  Rechenschaft   gebe.     Von   seiner  eigenen  Theorie  giebt 

lass  sie  wahrscheinlich  noch  sehr  verbesserungsbedürftig  ist. 

chen    wir    nach   Einwänden    gegen    die  Theorie   von   Schönbein,    so 

diese    sich   wesentlich    auf   die    Frage    nach    dem    Zusammenhange 

*ndenzströme"  zum  Farad Av'schen  Gesetze  richten.     Nach   letzterem 

cein  Strom  ohne  entsprechende  chemische  Wirkung  zugegeben  werden, 

muss    unweigerlich   an  die  Stelle  des  durch  die  chemischen  „Zieh- 

veranlassten  Stromes  ohne  wirklichen  chemischen  Vorgang  ein  solcher 

lern,  wenn  auch  unmerklichen  chemischen  Vorgange  treten.    Bei  der 

raday  nachgewiesenen  ungeheuren  Menge  der  Elektricität,  welche  mit 

chemischen  Äquivalent  eines  jeden  Ions  verbunden  ist,  hat  eine  solche 

ne  keine  Schwierigkeit,    wenn   auch   die  vorausgesetzten   chemischen 

ge   nicht  analytisch   nachzuweisen   sind.     Auch  hat  in  der  That  die 

i  der  VoLTA'schen  Erscheinungen  in  der  Folge  sich  in  solchem  Sinne 

:elt 

.    Die    Contacttheorie    und    das    Energiegesetz.     Von   den  der 

48* 


756  Vierzehntes  Kapitel. 

neueren  Zeit  angehörigen  Vertretern  der  Contacttheorie  ist  häufig  der  } 

wurf,  dass  diese  Theorie  mit  dem  Gesetze   von  der  Erhaltung  der  En< 

im  Widerspruch   stehe,    als   unbegründet  zurückgewiesen  worden.    Das 

sich  bei  der  Aufstellung  dieser  Theorie  durch  Volta  in  der  That  um 

Annahme  der  Möglichkeit  eines  Perpetuum  mobile  gehandelt  hat,  ist  sc 

zeit    schon    dargelegt    worden;    dass    der    gleiche    Standpunkt    auch 

nach  fast  einem  halben  Jahrhundert  aufrecht  erhalten,    und  was  besor 

bemerkenswerth  ist,  gegen  die  Ansichten  von  Julius  Robert  Mayer,  den 

den    ersten   klaren    Ausspruch    des   Energiegesetzes   verdanken,    verthc 

worden  ist,   geht  aus  der  letzten  Schrift  hervor,   welche  Pfaff  zur  Vei 

digung   der  Contacttheorie   in   hohem   Alter   herausgegeben  hat     In  d 

Arbeit 1  erörtert  er  ausführlich  die  inzwischen  erschienenen  Arbeiten  der 

treter  der  chemischen  Theorie  und,  nachdem  er  diesen  gegenüber  die 

kannten  Gesichtspunkte  geltend  gemacht  hat,  geht  er  auf  die  bereits  a 

führte  Bemerkung  Faraday*s  (S.  749'  ein,  in  welcher  dieser  den  vom  Dr.  R 

geltend  gemachten  Einwand  bezüglich   der  Unerschöpflichkeit  der  von 

Contactisten  angenommenen  Kraft  ohne   entsprechenden   Aufwand  zu 

seinigen  macht,    näher  ein.     Pfaff  sieht  in  diesem  Einwände  nur  ein 

kennen  des  Wesens  einer  primären  Kraft,   und  in  der  Annahme,  dass 

Wirkung  nicht  ohne  fortdauernde  Ursache  stattfinden  könne,  einen  sc 

liehen  Irrthum.    „Als  man  damit  umging,  den  durch  den  elektrischen  S 

einer  galvanischen  Kette  oder  VoLTA'schen  Säule  erzeugten  und  unterhalt 

Elektromagnetismus   als   bewegende  Kraft   der  Dampfkraft   zu    substitu 

wurde  scheinbar  sehr  sinnreich  bemerkt,  dass  dabei  in  der  Hauptsache  n 

gewonnen  werden  könne,  indem  zur  Erzeugung  und  Unterhaltung  des 

trischen   Stromes   gerade   ebenso   viele  Äquivalente  Zink   durch  Oxyd 

verzehrt   werden   müssten,    als  unter  dem  Dampfkessel  in  den  Steink( 

oder  Coaks  Äquivalente  von  Kohlenstoff  und  Wasserstoff  (durch  Oxyd* 

verzehrt  wurden,   und  dass  es  das  immer  wieder  erneuerte  Verzehrtwt 

des  Zinks  oder  des  Kohlenwasserstoffes  sei,  was  die  hier  erregte  beweg 

Kraft  erzeuge,  die  im  wesentlichen  identisch  sei,  ob  sie  nun  in  dem  < 

Falle  sogleich  und  bloss  als  Wärme,   in  dem  anderen  als  Ausgleichung 

Elektricitäten  auftrete,  deren  Quantität  gerade  ebenso  viel  Wärme  erze 

müsse,  um  eine  gleiche  Bewegung  hervorzubringen  wie  die  durch  die 

brennung  erzeugte  Wärme.    Dieselbe  Ansicht  einer  gleichsam  fortdauer 

Ernährung  der  Kraft  oder  einer  fortdauernden   neuen  Erzeugung  ders« 

durch  einen  immer  wieder  erneuerten  chemischen  Process,  und  also  H( 

Schaffung  der  Nahrung  für  denselben,  d.  h.  der  Materien,  die  sich  in 

selben   ausgleichen,   hat   man    in    der   Erklärung   der   Lebenserscheim 

geltend  gemacht,  indem  man  eine  Lebenskraft  als  ein  blosses  Phantom 

1  Parallele  der  chemischen  Theorie  und  der  VoLTA'schen  Contacttheorie  der  gmlvai 
Kette,  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  neuesten  Einwände  Faraday's,  Leop.  Gmeld 
Schönbein's  gegen  letztere  nebst  allgemeinen  Betrachtungen  über  das  Wesen  einer  phy 
Kraft  und  ihrer  Thätigkeit.     Kiel  1845. 


He  Entwickelung  der  Elektrochemie  bis  zur  Entdeckung  des  Energieprinzipes.       7C7 

d  ihre  Thätigkeit  in  allen  Fällen  nur  als  abhängig  von  der  Thätig- 
ses  Processes   ansah.     Wenn   wir   indessen   die  Verkettung  der  Ur- 
und  Wirkungen  bis  zu  ihren  ersten  Anfängen  hinauf  verfolgen,   so 
(i   wir   erst  zu  den  wahren  Kräften  der  Natur,   zu  ihren  primitiven 
n,  die  zu  ihrer  Thätigkeit  keine  anderen  erfordern,  die  ihnen  voran- 
die  keine  Nahrung  in  dem  eben  erwähnten  Sinne  erheischen,    die 
m   aus  einem  unerschöpflichen  Grunde  Bewegungen  immer  wieder 
"achen  und  vorhandene  unterhalten  und  beschleunigen  können.    Wenn 
ommen  wahr  ist,  dass  in  der  Natur  keine  Bewegung  vernichtet  werden 
oder,    wie  man   sich  ausdrückt,    dass  das  Quantum  der  einmal  vor- 
an Bewegung  unverkümmert   und  unvermindert  bleibt,   und  wenn  in 
Sinne  auch  jeder  abgeleiteten  Ursache  der  Charakter  der  Unzerstör- 
sommt,  so  gehört  zu  den  Charaktern  einer  primitiven  Ursache,  d.  h. 
/ahren  physischen  Kraft,  auch  das  Merkmal  der   Unerschöpflich- 
.  .  Ein  aller  Beachtung  weither  Aufsatz  von  J.  R.  Mayer  (Bemerkungen 
lie   Kräfte   der   unbelebten  Natur   in    den  Annalen    der   Chemie    und 
icie,  42,  233),  der  gerade  diesen  Gegenstand,  den  wir  hier  betrachten, 
er  Aufgabe  gemacht  hat,  wird  uns  die  beste  Gelegenheit  geben,  diese 
näher  zu  beleuchten,    und  wir  hoffen,    das  Irrige  der  Ansichten,    die 
>e   aufgestellt   hat,    und   die  mit  dem  von   uns  behaupteten  in  einem 
n  Widerspruche  stehen,  nachzuweisen. 

■ierr  Mayer  geht  ganz  richtig  von  dem  Satze  aus,  dass  Kraft  und  Ur- 

von  Wirkung  identisch  sind,    und  dass   die   Wirkung  das   Maass  für 

Kraft    ist,    aber    sein   erster  Irrthum   besteht  darin,    dass   er  diese  Ur- 

C  der  Wirkung  E  gleich  setzt,  und  sie  in  dieser  Wirkung  aufgehen, 

sam  verausgabt  werden  lässt,  indem  er  ausdrücklich  sagt:   Hat  die  ge- 

e  Ursache  C  eine  ihr  gleiche  Wirkung  E  hervorgebracht,  so  hat  eben 

C  zu    sein   aufgehört.     Dieser  Satz  hat   nur  Gültigkeit  und  Wahrheit 

>geleitete  Ursachen,  nicht  aber  für  primitive,  für  diejenigen,  welche  wir 

im  engeren  Sinne  Kräfte  nennen  dürfen,    und  deren  Unzerstörlichkeit 

Mayer  selbst  im  Anfange  seines  Aufsatzes  einräumt.  .  .  .  Für  die  Fort- 

.ung    einer  Bewegung    durch    ein  verwickeltes  System  von  Maschinen, 

*n,  Hebeln  u.  s.  w.  gilt  dieser  letztere  Satz  unbedingt,  aber  er  gilt  nicht, 

man  ihn  weiter  auf  das  Primum   movens  ausdehnt,   wie  namentlich 

1   die  einfache  Betrachtung  beweist,    dass  dieselbe  Menge  von  Wärme, 

le  durch  Verwandlung  einer  gewissen  Menge  Wasser  in  Dampf  ein  ge- 

s  Quantum  von  Expansivkraft  (entlehnte  Kraft)  des  Wasserdampfes  und 

1   diese  ein  gewisses  Quantum  Bewegung  hervorgebracht  hat,   bei  dem 

gang  dieses  Dampfes  zum  W'asser  mit  seiner  unzerstörten  Kraft  wieder 

jrtritt,  und  dieselbe  Menge  von  Wasser  in  Dampf  verwandeln  kann,  und 

1    immer  neue  Wiederholung  desselben  Vorganges  denselben  Erfolg  in 

tum   wieder  hervorzubringen   vermag,   ohne   damit  aufgehört  zu  haben, 

ne  zu  sein,  und  mit  ihrer  unzerstörten,  unzerstörbaren  und  unerschöpf- 

1  Repulsivkraft  zu  wirken." 


7j8  Vierzehntes  Kapitel.     Die  Ent Wickelung  der  Elektrochemie  etc. 

Durch  diese  Auseinandersetzung  gestattet  uns  Pfaff  einen  Blick  in  srina 
Vorstellungskreis  zu  thun,  welcher  uns  sein  zähes  Festhalten  an  derVoutf 
sehen  Lehre  begreiflich  erscheinen  lässt.  Oder  es  ist  vielleicht  umge 
das  Einleben  in  den  VoLTA'schen  Vorstellungskreis,  welches  ihn  zu  sema 
oben  dargelegten  Ansichten  gebracht  hat.  Diese  enthalten  wie  bei  Vota 
die  Annahme,  dass  ein  Perpetuum  mobile  ganz  wohl  möglich  sei,  und  des- 
halb sehen  wir  ihn  in  seinem  Werke  noch  seitenlang  die  Ansichten  Mayens 
bekämpfen,  welcher  in  jedem  einzelnen  Falle  den  Verbrauch  von  „Kraflf 
—  wir  sagen  jetzt  Energie  —  behauptet  und  nachweist,  wenn  andere 
Kraft  entstanden  ist.  Es  hat  keinen  Werth,  diese  an  Mißverständnissen 
reiche  Polemik  im  Einzelnen  darzustellen;  durch  seine  Verteidigung  des 
Voltatemus  in  solchem  Sinne  hatte  Pfaff  ihm  schon  zu  jener  Zeit  eigentüdi 
das  Urtheil  gesprochen.  Man  darf  ihn  nicht  dadurch  retten  wollen,  dass 
man  seine  Verträglichkeit  mit  dem  Energiegesetz  nachweist,  nachdem  man 
die  entsprechenden  Änderungen  gemacht  hat.  Diese  Änderungen  treffen  das 
Wesen  der  Contactlehre,  wie  aus  den  Worten  noch  zum  Überfluss  hervor- 
geht, mit  denen  Pfaff  seine  „Parallele"  und  gleichzeitig  die  wichtigste  Thätig- 
keit  seines  Lebens  schliesst.  Er  hebt  hervor,  dass  „unwidersprechlich"  der 
Spannungsunterschied  zwischen  verschiedenen  Metallen  nachgewiesen  sei, 
und  dass  dadurch  die  gewöhnlichen  Gesetze  der  elektrischen  Vertheilung 
eine  Abänderung  erleiden,  deren  Verhandensein  nur  durch  eine  entsprechende 
Kraft  gedeutet  werden  könne.  „Gerade  das  ist  unsere  unerschöpfliche  elektro- 
motorische Kraft,  die  ebenso  sicher,  wenn  die  entgegenwirkende  Kraft  aut- 
hört, d.  h.  wenn  die  Elektricitäten  in  der  geschlossenen  Kette  abgeleitet 
werden  und  ihr  Ausgleichungsbestreben  befriedigen  können,  und  also  nicht 
mehr  entgegenwirken,  dieselbe  Wirkung  von  neuem  erzeugen,  dieselbe  neue 
Störung  zu  Stande  bringen  muss,  wovon  eben  der  ununterbrochene  elek- 
trische Strom  abhängt." 

Diese  Darlegungen  eines  Vertreters  der  alten  Schule  dürfen  als  Ab- 
schluss  einer  Periode  angesehen  werden,  welche  den  durch  Volta  eröffneten 
Kreis  der  Vorstellungen  erschöpft  und  ihm  abgewonnen  hat,  was  aus  ihm 
zu  gewinnen  war.  Schon  an  verschiedenen  Stellen  des  vorstehenden  Be- 
richtes ist  in  die  bekannten,  immer  wiederholten  Argumente  für  und  wider 
ein  neuer  Ton  hineingeklungen,  welcher  auf  eine  Gedankenreihe  ganz  anderer 
Art  hinwies,  als  jene  bis  zur  Erschöpfung  hin  und  her  gewendeten  „Beweise*, 
und  es  ist  kein  Zufall,  dass  der  unermüdliche  Vertreter  jener  älteren  Ge- 
danken auch  derjenige  ist,  welcher  deren  Gegensatz  gegen  die  neuen  Ein* 
sichten  mit  voller  Schärfe  ausspricht.  Die  unübersehbare  Förderung,  welche 
die  Erkenntniss  des  Energieprinzips  in  allen  Gebieten  der  Naturwissenschaft 
bewirkt  hat,  macht  sich  nicht  zum  wenigsten  auch  in  dem  Gebiete  der 
Elektrochemie  geltend,  und  mit  dieser  Erkenntniss,  ja  schon  einige  Zeit 
vorher,  beginnt  ein  neuer  wesentlicher  Abschnitt  unserer  Geschichte. 


5  Prescott  Joule. 


Fünfzehntes  Kapitel. 

Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie. 


.llgemeines.  Die  Geschichtserzählung  hat  uns  im  letzten  Kapitel 
m  Punkte  geführt,  wo  die  älteren,  ohne  Rücksicht  auf  das  Gesetz 
irhaltung  der  Energie  gebildeten  Anschauungen  einerseits  sich  als 
nd  erwiesen ,  dem  Fortschritt  der  thatsach  liehen  Erkenntniss  zu 
ndererseits  mit  den  Forderungen  dieses  Gesetzes  in  unmittelbaren 
ich  geriethen,  und  so  sich  selbst  beseitigten.  Dem  entsprechend 
ler  wesentliche  Theil  der  neuen  Entwickelung  an  die  Erkenntniss 
endung  dieses  Gesetzes  gebunden,  und  das  Gesetz,  welches  den 
lauptfaktor  der  elektrischen  Energie  mit  den  chemischen  Grössen 
:  das  Gesetz  der  elektromotorischen  Kräfte  entsteht  alsbald 
-  Anwendung,  wenn  auch  zunächst  nur  in  unvollkommener  Gestalt. 
;sen  würde  man  irren,  wenn  man  annähme,  dass  die  neue  Erkennt- 
lusgesprochen  zu  werden  brauchte,  um  sofort  zum  Allgemeingut 
[enossen  zu  werden.  Ganz  im  Gegensatz  zu  dieser  Erwartung  sind 
ist  nur  vereinzelte  Forscher,  welche  sich  überhaupt  des  neuen 
■edienen    wollen.     Wie   an    der  Stelle,   wo  ein   Fluss  in   das  Meer 


760  Fünfzehntes  Kapitel. 

einmündet  trotz  der  freien  Diffusion,  welche  zwischen  seinem  Wasser  ml 
dem  des  Meeres  besteht,  sich  noch  lange  Strecken  hindurch  die  Strafet 
seiner  trüben  Fluthen  zwischen  dem  klaren  Grün  des  Meerwassers  verfolg« 
lassen,  so  finden  wir  die  alten,  unhaltbar  gewordenen  Anschauungen  noch? 
lange  im  Gebrauch,  und  neben  den  wenigen,  aber  sich  ständig  vermehren- 
den Forschern,  welche  sich  der  neuen  Lehre  und  ihren  Consequenzen  an* 
schliessen,  behaupten  die  Anhänger  der  alten  Ansichten  namentlich  a 
Deutschland  sich  zunächst  noch  in  fuhrenden  Stellen,  um  allerdings  an  Zahl 
und  an  Belang  ihrer  Leistungen  in  gleicher  Weise  abzunehmen.  Auch 
Brackwasserbildungen  in  Gestalt  von  Vermischungsversuchen  beider  An- 
schauungen lassen  sich  bemerken;  ihnen  ist  naturgemäss  die  geringste  Dauer 
beschieden. 

Die  ersten  Einflüsse  der  neuen  Erkenntniss  lassen  sich  beobachten, 
bevor  diese  Erkenntniss  selbst  klar  ausgesprochen  worden  ist,  und  in  dem 
vorigen  Kapitel  hat  sich  mehrfach  die  Gelegenheit  geboten,  auf  den  Einflus 
hinzuweisen,  welchen  die  noch  latente  Erkenntniss  von  der  Unmöglichkeit 
eines  Perpetuum  mobile  auf  das  wissenschaftliche  Denken  ausgeübt  hat 
Insbesondere  hat  Faraday  selbst  die  Bedeutung  dieses  Gedankens  auf  das 
lebhafteste  gefühlt,  und  ihn  trotz  seines  mehr  speculativen  Charakters  schliess- 
lich für  bindender  erachtet,  als  alle  seine  experimentellen  Beweise  (S.  749> 
Gerade  auf  diesem  Gebiete  bricht  sich  die  neue  Auffassung  zu  einer  Zeit 
Bahn,  wo  der  allgemeine  Satz  noch  gar  nicht  ausgesprochen  war,  und  wo 
deshalb  noch  ein  unsicheres  Tasten  an  Stelle  des  bewussten  Fortschrittes 
dienen  muss,  um  den  Weg  ins  Unbekannte  zu  finden. 

Dem  gleichen  Umwandlungsprocess  sind  zu  etwa  derselben  Zeit  auch 
die  anderen  Gebiete  der  Physik  unterworfen  gewesen,  wenn  auch  der  Ablauf 
desselben  mit  sehr  verschiedener  Geschwindigkeit  erfolgte.  Am  schnellsten 
und  besten  hat  sich  die  Thermomechanik  entwickelt,  da  hier  wegen  der 
ausserordentlichen  Bedeutung  des  Gebietes  für  den  wichtigsten  Apparat  der 
Technik,  die  Dampfmaschine,  einerseits  werthvolle  Vorarbeiten  den  Fortschritt 
erleichterten,  andererseits  der  grosse  Umfang  experimenteller  Bestimmungen 
die  Bewährung  der  gefundenen  theoretischen  Ergebnisse  am  Versuch  er- 
möglichten. In  unserem  Gebiete,  der  Elektrochemie,  war  der  Gang  einer 
ähnlichen  Entwickelung  auf  das  erheblichste  dadurch  behindert,  dass  die  Ge- 
setze der  chemischen  Vorgänge  in  dem  Sinne,  in  welchem  sie  hierin 
Betracht  kommen,  noch  gar  nicht  bekannt  waren,  und  erst  nach  sehr  langer 
Zeit  gefunden  wurden.  Dadurch  war  der  Fortschritt,  welchen  die  Elektrik 
ihrerseits  ziemlich  bald  in  der  neuen  Richtung  erfahren  hatte,  für  die  Elek- 
trochemie zunächst  von  geringem  Nutzen;  erst  mit  der  Erschliessung  der 
Thermodynamik  oder,  wie  wir  heute  sagen  würden,  der  Energetik  der 
chemischen  Vorgänge  war  die  Möglichkeit  gegeben,  das  gegenseitige  Ver- 
halten der  chemischen  und  elektrischen  Energie  in  Formeln  zu  fassen,  und 
die  Befruchtung,  welche  jedes  Gebiet  durch  den  neuen  Gedankenkreis  er- 
fahren hatte,  auch  der  Elektrochemie  zu  gute  kommen  zu  lassen.    Da  diese 


Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie.  761 


kelung  erst  der  neuesten  Zeit  angehört,   so   werden  wir  die  Fäden, 
hier   alsbald   angesponnen   werden,    erst   nach   dem    Verlaufe   eines 
Jahrhunderts  aufgenommen  sehen,  die  dann  allerdings  schnell  sich  zu 
ungemein  ausgedehnten  und  mannigfaltigen  Gewebe  gestalten. 

Die   Arbeiten    von   Joule.     An  früherer  Stelle  haben  wir  bereits 
1,  wie  das  Gesetz  von  der  Erhaltung  der  Energie  und  von  der  Un- 
lkeit  des  Perpetuum  mobile  die  Gedanken  und  Ansichten  der  Forscher 
lsst  hat,    lange  bevor  es  klar  ausgesprochen  worden  war.     Da   nun 
1  der  Folge  der  wesentlichste  Fortschritt,  welchen  die  Elektrochemie 
enschaftlicher  Hinsicht  gemacht  hat,    auf  der  Anwendung  dieser  all- 
en  Prinzipien   beruht,    so   werden  wir  mit  Sorgfalt   insbesondere  die 
Schritte  zu  verfolgen  haben,    mit  denen   die  neue  Erkenntniss  ihren 
1  unser  Gebiet  gemacht  hat.    Auch  hier  tritt  uns,  und  vielleicht  noch 
jlicher  als  sonst,  die  Wahrheit  entgegen,    dass  wirkliche  Fortschritte 
wissenschaftlichen  Erkenntniss  und  Beherrschung  der  Thatsachen  nur 
n  Wege  quantitativer  Messungen   erzielt  werden  können.     Zwar  wird 
abei    auch    wieder    der    Umstand    geltend    machen,    dass    die   ersten 
igen,  auf  welchen  die  Aufstellung  grosser  und  weittragender  Gesetze 
*,    häufig    ein  wunderliches  Missverhältniss  zwischen  dem  an  sie  ge- 
en  Aufwände,    was  Apparate   und  auch  oft  Genauigkeit  der  Messung 
i,    und    dem   Umfange    der   aus    ihnen   gezogenen  Schlussfolgerungen 
;en,    indem    oft  mit  den  dürftigsten  Mitteln   die  weittragendsten  Ent- 
igen gelungen  sind;  —  dies  ist  aber  nur  eine  Bestätigung  für  den  Satz, 
ie  Entdeckung  einer  Wahrheit    und    die   Prüfung   ihrer  Grenzen  zwei 
erschiedene  Geschäfte  sind,    die    nur  selten   von   einer  und  derselben 
gleich    befriedigend    ausgeführt    werden    können.     Unter    den   hervor- 
sten  Entdeckern  finden   sich    zahlreiche    schlechte  Messkünstler,    und 
vorragenden  Messkünstler  haben   selten   hervorragende  Entdeckungen 
ht.     Nur    in    einem   Punkte    hängt  die  Entdeckung  neuer  Wahrheiten 
hatsachen    von    der   Ausführung    genauester    Messungen    ab,    nämlich 
es  sich  um  Resterscheinungen,  d.  h.  um  solche  Phänomene  handelt, 
r  im  Verein  mit  anderen  vorkommen,  und  erst  erkannt  werden  können, 
em  der  Antheil,  welcher  jener  Haupterscheinung  zukommt,   in  Abzug 
:ht  worden  ist.    Solche  Erscheinungen  werden  mit  dem  Fortschritt  der 
nschaft  und  dem  Abbau  der  allgemeinsten  Verhältnisse  immer  häufiger, 
amit  wächst  dann   auch   die  Wichtigkeit  genauer  Messungen  auch  für 
hätigkeit  des  Entdeckers. 

)ie  Kenntniss  der  galvanischen  Hnergieverhältnisse  ist  von  der  Ent- 
ng  des  Gesetzes  abhängig,  nach  welchem  die  Wärmeentwickelung  in 
Stromkreise  des  VouiVschen  Kreises  erfolgt.  Die  allgemeine  Bedeu- 
eines  solchen  Gesetzes  war  zu  der  Zeit,  da  es  aufgefunden  wurde, 
ings  noch  nicht  ersichtlich,  doch  darf  es  wohl  als  nicht  zufällig  ange- 
werden,  dass  der  erste  Entdecker  dieses  Gesetzes  derselbe  Mann  war, 
em   wir  die  umfassendste   und   sorgfältigste  Messung  des  zwischen  der 


762  Fünfzehntes  Kapitel. 


mechanischen  Arbeit  und  der  Wärme  bestehenden  Verhältnisses  verdanket* 
Ja  bei  genauerer  Betrachtung  dieser  Entdeckung  des  mechanischen  Wärm* 
äquivalents,  welche  unabhängig  von  der  etwas  früher  veröffentlichten  Aibei 
J.  R.  Mayer's  durch  den  gleichen  Mann  gemacht  worden  war,  ergiebt  es 
sich,  dass  gerade  die  Beschäftigung  mit  den  galvanischen  Wärmeerscheinungei 
den  Fortschritt  auf  das  allgemeinere  Problem  vorbereitet  hatte. 

Dieser  Entdecker  war  einer  der  in  England  nicht  seltenen  Männer,  äe, 
obwohl  anderen  Berufearten  angehörig,  sich  als  Liebhaber  mit  der  Wissen- 
schaft beschäftigen,  und  es  darin  zu  erheblichen  Resultaten  bringen.  Jams 
Prescott  Joule,  am  24.  December  1818  in  der  Nähe  von  Manchester  ge* 
boren,  widmete  sich  praktischen  Berufsarten,  und  besass  in  Salford  bei 
Manchester  eine  ziemlich  bedeutende  Brauerei.  Seine  wissenschaftlichen 
Untersuchungen  nahmen  von  dem  Bestreben  ihren  Ausgang,  die  eben  ent- 
deckten Elektromagnete  zu  mechanischer  Arbeit  zu  benutzen,  da  die  sehr 
grosse  Kraft,  mit  welcher  sie  ihren  Anker  anziehen,  die  Hoffnung  auf  be- 
trächtliche Arbeitsleistungen  nahe  legte.  Bei  dieser  Gelegenheit  sind  Jörn 
offenbar  die  bedeutenden  Wärmeentwickelungen  entgegengetreten,  welche 
bei  Anwendung  starker  Ströme  in  den  Drähten  entstehen,  und  um  diese 
unerwünschte  Erscheinung  zu  beherrschen  und  womöglich  zu  vermeiden, 
war  die  Kenntniss  ihrer  Gesetze  erforderlich. 

Der  kurze  Auszug  seiner  Arbeit,  welcher  in  den  Sitzungsberichten 
der  Royal  Society  von  London  mitgetheilt  ist,  enthält  die  Entdeckung  in 
folgenden  Worten:1  „Die  Untersuchungen  des  Verfassers  sind  auf  die  Er- 
mittelung des  verschiedenen  Grades  der  Leichtigkeit  gerichtet,  mit  welcher 
verschiedene  Arten  Metall  von  verschiedener  Grösse  sich  beim  Durchgänge 
der  VoLTA'schen  Elektricität  erhitzen.  Der  von  ihm  hierzu  benutzte  Apparat 
bestand  aus  einer  Spule  des  dem  Versuche  zu  unterwerfenden  Drahtes,  der 
in  ein  Gefass  mit  Wasser  gebracht  war,  dessen  Temperaturänderung  durch 
ein  sehr  empfindliches  Thermometer  gemessen  werden  konnte;  und  einem 
Galvanometer,  um  die  durch  den  Draht  geschickte  Menge  Elektricität  an 
messen,  welche  durch  die  Wassermenge  geschätzt  wurde,  die  durch  dieselbe 
Elektricität  zersetzt  wurde.  Der  aus  den  Ergebnissen  der  Versuche  gezogene 
Schluss  ist,  dass  die  Wärmewirkung  der  durchgeschickten  Elektricität  dem 
Widerstände  proportional  ist,  welcher  sich  ihrem  Durchgange  widersetat, 
welche  auch  die  Länge,  Dicke,  Form  und  Art  des  Metalles  sei,  das  den 
Strom  schliesst;  und  dass,  caeteris  paribus,  die  Wärmewirkung  im  verdop- 
pelten Verhältniss  (im  Quadrat)  der  durchgeschickten  Elektricität  ist;  somit 
auch  im  doppelten  Verhältniss  der  Geschwindigkeit  des  Durchganges.  Aus 
seinen  Versuchen  schliesst  er  auch,  dass  die  durch  Verbrennung  des  Zinks 
im  Sauerstoff  entwickelte  Wärme  ebenso  eine  Folge  eines  Widerstandes 
gegen  elektrische  Leitung  ist." 

Dieser  kurzen  Darstellung  der  Ergebnisse  seien  aus  der  bald  erschienenen 


1  Philos.  Mag.  18,  308.   1841. 


Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie. 


763 


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üchen  Abhandlung1  die  Figuren  angeschlossen,   welche   die  überaus 
m  Apparate   darstellen,   deren  sich  Joule  zu   seinen  Versuchen   be- 

F*g*  197  ist  sein  Galvanometer,  ein  in  einen  Holzblock  eingelassener 
Cupferstab,  rechtwinklig  ge- 

in  dessen  Mitte  sich  die 
nadel  einer  Bussole  dreht 
l  ist  sein  Calorimeter,  ein 
licher  Glascylinder;  A  stellt 

eine  Glasröhre  gewickelten 
dar.  Das  Ergebniss  dieser 
le    war    das    oben    ange-  Fig#  I97>    Nach  j0ÜLE< 

jle  geht  dann  zu  einer  zweiten  Versuchsreihe  über,  welche  sich  auf 

ge  bezieht,    ob   sich   die  flüssigen  Leiter  ebenso  verhalten,  wie  die 

chen.     Er  beantwortet  die  Frage  bejahend,  obwohl  die 

n   zu   diesem  Zweck  angestellten  Versuche  keineswegs 

eignet   sind,    die  Frage   selbst  richtig  zu  beantworten. 

spiel  dafür  sei  sein  erster  Versuch  hier  wiedergegeben: 

;h  construirte  ein  einfaches  VoLTA'sches  Paar  aus  dünnen 

von  amalgamirtem  Zink  und  platinirtem  Silber  (Hrn. 
Anordnung);    die   Platten   waren    zwei   Zoll   breit   und 

um  einen  Zoll  auseinander  gehalten  durch  ein  Stück 
an    dessen    gegenüberliegenden    Seiten    sie    durch    eine 

befestigt  waren.     Mit   dem  oberen  Ende  wurden  zwei 

Cupferdrähte  mit  Hülfe  messingener  Klammern  in  gute 

;che  Verbindung    gebracht.     Das   auf  diese  Weise    ge- 

VoLTA'sche.  Paar   wurde    in    zwei  Pfund  Schwefelsäure 

37  speeifischem  Gewicht    gebracht,    die    in  einem  thö- 

Topf    enthalten    war.      Die    ganze    Anordnung    zeigt 

Vurde  der  Strom    geschlossen,    so    dass  der  gesammte 
sehe  Widerstand  0,06  (in  einer  vorher  angegebenen  Ein- 
ar,  so  stand  das  Galvanometer  auf  49,5  =  1,84  Q;2  und 
,5,  wenn  der  ganze  metallische  Widerstand  auf  1,16  durch  die  Hinzu- 
von   10  Fuss   dünnen  Kupferdrahtes  vermehrt  wurde.     Daraus   folgt 


Fig.   198. 
Nach  Joule. 


1,84 


<M53 


;  woraus  r, 


len  von  Ohm  gegebenen  Prinzipien,  dass  .  ,v 

&   &  r       >  (r+IjI6)        (r  +  0,06) 

iderstand  der  Zelle,  sich  gleich  0,299  ergiebt.  Unmittelbar  nach  diesem 
:he  war  die  Temperatur  der  Flüssigkeit  490,  und  die  der  Luft  50,2°; 
Tom  wurde  für  eine  Stunde  geschlossen,  während  welcher  Zeit  die 
anfänglich  bis  50  weiter  ging,  darauf  ging  sie  bis  46  zurück  und  die 

Philos.  Mag.  19,  260.   1841. 

Diese  Angabe  bezieht  sich   auf  eine  von  Joule   vorher  definirte  Einheit,    über    welche 
Erläuterungen  hier  nicht  erforderlich  sind. 


764  Fünfzehntes  Kapitel. 

mittlere  Lage  war  48°44'  =  1,8  Q.     Die  Temperatur  der  Flüssigkeit  wai 

53)7°)  «  hatte  also  eine  Erhöhung  von  4,7°  stattgefunden." 

Um  die  gesammte  Menge  der  entwickelten  Wärme  zu  erhalten, 
ziemlich  verwickelte  Rechnung  an,  in  welcher  zunächst  die  \ 
lungsverluste  und  die  Abweichung  der  specinschen  V 
seiner  Flüssigkeit  von  der  des  Wassers  in  Rechnung  gel 
wurde.  Weiter  aber  brachte  er  eine  Correktur  für  die 
lösung  des  Zinkoxyds  an,  die  er  für  nothwendig  hiel 
Faradav  bewiesen  habe,  dass  dieser  Vorgang  zur  S 
bildung  nichts  beitrage.  Er  hat  daher  die  Wärmeentwick 
bei  der  Auflösung  des  Zinkoxyds  in  Schwefelsaure  um 
bar  gemessen,  und  die  erhaltene  Zahl  in  Abzug  geb 
Nach  Ausführung  aller  dieser  Rechnungen  findet  er  die 
*T '**■         2,1    als    Ausdruck    für    die    in    seinem   Apparat   entwi 


Stromwärme,  während  aus  dem  Vergleich  mit  den  durc 
Erwärmung  von  Drähten  gemessenen  Wärmemengen  2,03  hätte  erf 
werden  müssen;  die  Übereinstimmung  erscheint  ihm  genügend. 

Weitere  Versuche  ergaben  allerdings  zum  Theil  viel  schlechtere  I 
einstimmungen,  indessen  genügen  sie  ihm,  um  den  Satz  auszuspre 
„Die  Warme,  welche  in  einer  gegebenen  Zeit  in  einer  belieh 
Zelle  durch  wahre  VoLTA'sche  Wirkung  entwickelt  wird,  ist 
portional  dem  Leitwiderstande  des  Paares,  multiplicirt  mit 
Quadrat  der  Stromstärke." 

Die  Frage,  welche  Joule  hier  mit  bemerkenswerther  Kühnheit  in 
griff  genommen  hat,  ist  thatsächlich  viel  verwickelter,  als  sie  ihm  hier ; 
erschienen  ist  Zwar  haben  die  späteren  Untersuchungen  den  Satz  in; 
bestätigt,  als  sich  wirklich  auch  elektrolytische  Widerstände  ebens< 
metallische  in  Bezug  auf  ihre  Wärmeentwickelung  verhalten,  doch  wa 
von  Joule  gewählte  Mittel,  die  der  „wahren  VoLTA'schen  Wirkung" 
sprechende  Wärme  zu  erhalten,  allerdings  nicht  das  sachgemässe. 

Weiter  stellte  Joule  Versuche  über  die  Wärmeentwickelung  an, 
er  in  dem  Stromkreise  ein  Voltameter  aus  Platinplatten  in  verdünnter  Seh 
saure  anbrachte.  Die  Berechnung,  welche  er  daran  schliesst,  hat  ein 
verwickeltes  und  schwerverständliches  Aussehen;  sein  Gedanke  ist  de 
gende:  Bei  der  Elektrolyse  entsteht  ein  Widerstand  gegen  die  Zerset 
welcher  die  Stromstärke  vermindert,  aber  nicht  als  ein  gewöhnlicher  V 
stand  in  Rechnung  gebracht  werden  kann.  Zieht  man  diesen  Wider 
vom  gesammten  Widerstände  ab,  so  ergiebt  sich  der  thatsächliche  V 
stand,  auf  den  die  Rechnung  zu  beziehen  ist. 

Nun  ist  das  Stromhinderniss,  welches  sich  im  Voltameter  entwi 
kein  Widerstand,  sondern  eine  elektromotorische  Kraft;  prüft  man  aber 
diesem  Gesichtspunkte  die  Rechnung  Joule's,  so  findet  man,  dass  er 
richtig  die  von  ihm  als  Widerstand  bezeichnete  Grösse  wie  eine  eli 
motorische  Kraft  in  Rechnung  bringt,   wenn  auch  auf  einem  Umwege 


Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie.  765 


schwer  verstandlich  erscheint,  dass  er  dem  Leser  durch  eine  gra- 
1  Darstellung  die  Sache  zu  erleichtern  sucht.  Seine  Angabe,  dass  die 
tat  von  31/,  Zellen  seiner  Batterie  dazu  nöthig  war,  um  den  Wider- 
gegen  die  Elektrolyse  zu  überwinden,  lässt  keinen  Zweifel,  dass  er 
„Widerstand"  doch  als  eine  elektromotorische  Kraft  aufgefasst  hat, 
ass  er  nur  den  einfachen  Ausdruck  für  das  vorliegende  Verhältniss 
and. 

ie  stillschweigende  Voraussetzung  bei  dieser  Rechnung,   wie  bei  der 

1   ist   offenbar,   dass    die    chemische  Wirkung,   wie   sie   sich  in  einer 

eerzeugung  bei  dem  Vorgange  ausdrücken  würde,  sich  in  elektrische 

ng  von  solcher  Art  verwandelt,  dass  durch  diese  eine  gleiche  Wärme- 

ig  hervorgebracht  wird.     Man  erkennt  in  diesen  Gedanken  die  ersten 

se  zu  der  allgemeinen  Auffassung  des  Energiegesetzes,   welche  Joule 

seine  späteren  Arbeiten  bezüglich  der  Wärme  und  der  mechanischen 

:  experimentell  durchgeführt  hat.    Auch  die  auf  die  elektrochemischen 

nge  bezügliche  Seite  des  Gesetzes  von  der  Erhaltung  der  Energie  hat 

später  gemeinsam  mit  William  Thomson  von  den   inzwischen  gewon- 

klareren  Gesichtspunkten  aus  bearbeitet,  doch  ist  die  gleiche  Aufgabe 

früher  allgemein  von  Helmholtz  in  seiner  Schrift  von  der  Erhaltung  * 

Iraft  in  gleichem  Sinne  gelöst  worden. 

Den  einfachsten  Fall,  bei  welchem  keine  dieser  Voraussetzungen  gemacht 
irden  braucht,  untersuchte  Joule  zuletzt:  es  war  dies  die  Elektrolyse 
Kupfersulfatlösung  zwischen  Kupferelektroden.  „In  diesem  Falle  war 
elektrolytischer  Widerstand  vorhanden,  und  die  Wirkung  kann  einfach 
ine  Übertragung  von  Kupfer  von  der  positiven  zur  negativen  Elektrode 
sehen  werden.  Alle  Stromhindernisse  bestanden  somit  in  dem  Wider- 
le  gegen  Leitung." 

Aus  der  Anwendung  des  Gesetzes  von  der  Wärmeentwickelung  in  ein- 
n  Theilen  des  Stromkreises  zieht  nun  Joule  sehr  bemerkenswerthe 
üsse  auf  die  Wärmeentwickelung  im  gesammten  Stromkreise.  Diese 
üsse  sind: 

„  1 .  Dass,  wenn  die  Elektroden  eines  galvanischen  Paares  von  gegebener 

isität   durch   einen  einfachen  Leiter  verbunden   werden,    die   gesammte 

rA'sche  Wärme,   welche  im   ganzen  Stromkreise  entsteht  (vorausgesetzt, 

keine  örtlichen  Wirkungen  in  dem  Paare  stattfinden),  welches  auch  der 

erstand  des  Leiters  sei,  proportional  der  Anzahl  der  Atome  (Wasser  oder 

c)  sein  wird,    die  bei  der  Entstehung  des  Stromes  in  Betracht  kommen. 

in  wird  der  Leitwiderstand  vermindert,  so  wird  die  Stromstärke  in  dem 

chen  Verhältnisse  vermehrt,  und  nach  dem  Gesetze  wird  die  Wärmemenge, 

:he  dann  durch  den  Strom  in  einer  gegebenen  Zeit  erzeugt  wird,  gleich- 

1   proportional  wachsen;    während   natürlich  die  Zahl  der  in  dem   Paare 

rtrolysirten  Atome  in  dem  gleichen  Verhältniss  zunehmen  muss.1 

1  Es  wird,  mit  anderen  Worten,  bei  geringerem  Widerstände  zwar  die  vom  Widerstände 
ihrende  Wärmeentwickelung  proportional  vermindert;   weil  aber  gleichzeitig  der  Strom  um- 


766  Fünfzehntes  Kapitel. 


„2.   Dass  die  gesammte  Volt  Arsche  Wärme,   welche   durch   irgend 
Paar  entwickelt  wird,  direkt  proportional  seiner  Intensität1  und  der  Zahl 
Atome  ist,  welche  darin  elektrolysirt  werden.    Denn  die  Stromstärke  ist  pr*1 
portional  der  Intensität  des  Paares,  und  demnach  ist  die  Wärmeentwickduogl 
proportional  dem  Quadrat  der  Intensität  des  Paares.     Gleichzeitig  ist  aber! 
die  Zahl  der  elektrolysirten  Atome  der  ersten  Potenz  der  Stromstärke 
der  Intensität  des  Paares  proportional. 

„3.  Dass  wenn  irgend  eine  VoLTA'sche  Anordnung,  ob  einfach  oder  zu- 
sammengesetzt, einen  Strom  durch  irgend  einen  Stoff,  ob  einen  Elektrolyt 
oder  nicht,  sendet,  die  gesammte  VoLTA'sche  Wärme,  welche  während  irgend 
einer  Zeit  entwickelt  wird,  der  Zahl  der  Atome  proportional  ist,  welche  in 
jeder  Zelle  des  Stromkreises  elektrolysirt  werden,  multiplicirt  mit  der  vir- 
tuellen Intensität2  der  Batterie." 

Um  diese  Verhältnisse  bequem  übersehen  zu  können,  werden  einige 
einfache  Formeln  von  Nutzen  sein.  Ist  i  die  Stromstärke,  r  der  Widerstand 
und  e  die  elektromotorische  Kraft,  so  heisst  das  Gesetz  von  Joule,  wenn 
wir  von  dem.  Proportionalitätsfaktor  absehen: 

W=ir2, 
wo  W  die  in  der  Zeiteinheit  entwickelte  Wärme  ist.    Nimmt  man  das  Ohm*- 

sehe  Gesetz  /  =  —  hinzu,  so  ergeben  sich  die  Formen  W =  ei  und  W=-> 

von  denen  die  erste  den  von  Joule  schliesslich  ausgesprochenen  Satz  enthalt 
Joule  schliesst  seine  Versuche  und  Betrachtungen  mit  den  Worten: 
„Berzelius  nimmt  an,  dass  die  bei  der  Verbrennung  entwickelten  Licht- 
und  Wärmemengen  durch  die  Entladung  der  Elektricität  zwischen  dem  Sauer- 
stoff und  dem  verbrannten  Körper,  welche  sich  verbinden,  veranlasst  werden, 
und  ich  bin  der  Meinung,  dass  die  hier  und  bei  einigen  anderen  chemischen  Vor- 
gängen entstehende  Wärme  die  Folge  eines  elektrischen  Leitungswiderstandes 
ist.  Meine  Versuche  über  die  bei  der  Verbrennung  von  Zinkspänen  in  Sauer- 
stoff entwickelte  Wärme  (welche  ich,  wenn  sie  genügend  vollständig  sind,  ver- 
öffentlichen werde),  unterstützen  diese  Ansicht  sehr,  und  die  Bestimmungen  der 
Wärmemenge,  welche  Crawford  durch  die  Explosion  eines  Gemisches  von 
Sauerstoff  und  Wasserstoff  erhalten  hat,  können  fast  als  entscheidend  angesehen 
werden.  In  seinen  einwandfreien  Versuchen  hat  ein  Gran  Wasserstoff  genug 
Wärme  entwickelt,  um  ein  Pfund  Wasser  um  9.60  zu  erwärmen.  Nun  wissen 
wir  aus  einem  früheren  Versuch,  dass  die  in  einer  GROVE'schen  Zelle  bei  der 
Elektrolyse  von  25,7  Gran  Zink  entwickelte  Wärme  theoretisch  3,46°  be- 
trägt;   und  die  Wrärme,  welche  gleichzeitig  in  dem  metallischen  Theile  des 


gekehrt  proportional  dem  Widerstände  zunimmt,  und  die  Wärmeentwickelung  dem  Quadrat 
der  Stromstärke  proportional  ist,  so  ist  das  Ergebniss  eine  Zunahme  der  gesammten  Wirme- 
entwickelung,  proportional  der  ersten  Potenz  der  Stromstärke. 

1  Unter  „Intensität'*  versteht  hier  Joule  ebenso  wie  Faraday  die  elektromotorische  Kraft 
1  „Ist  eine  Zersetzungszelle  in  dem  Stromkreise,  so  wird  die  virtuelle  Intensität  der  Bat- 
terie im  Verhältnisse  zu  deren  Widerstand  gegen  Elektrolyse  reducirt." 


Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie.  767 


sungskreises  entwickelt  worden  ist,  beträgt  0,48°;  die  gesammte 
sehe  Wärme  ist  daher  3,94°.  Daher  würde  die  gesammte  Wärme, 
i  der  Elektrolyse  von  einem  Äquivalent  oder  32,3  Gran  Zink  entwickelt 
b95°  betragen,  was,  auf  die  Capacität  von  einem  Pfund  Wasser  redu- 
9°  ausmacht.  Aus  meinen  Messungen  über  die  Intensität  der  Volta'- 
Anordnungen  geht  aber  hervor,  dass  die  Intensität  einer  GROVE'schen 
verglichen   mit   der   Verwandtschaft   von   Wasserstoff  zu    Sauerstoff, 

trägt;  daraus  ergiebt  sich  9,2  als  die  Wärme,  welche  durch  die  Ver- 

ing  von  einem  Gran  Wasserstoff  nach  der  Theorie  der  Widerstände 

len  müsste:  das  Ergebniss  von  Crawford  ist  nur  um  0,4  grösser." 

ie  Gedankenarbeit,   welche  Joule  in   diesen  Betrachtungen   und  Ver- 

1  niedergelegt  hat,  muss  als  eine  sehr  beträchtliche  bezeichnet  werden, 

mehr,  als  sie  auf  einem  noch  völlig  unbebauten  Boden  stattfand.    An 

3enstehenden  Darlegungen  fehlt  nur  noch  ein  kleiner  Schritt,  um  das 

eine  Ergebniss  in  den  Worten  auszudrücken,  dass  die  elektromotorische 

einer  beliebigen  Kette  der  auf  das  Äquivalent  bezogenen  Wärmeent- 

ung  für  den  in  der  Kette  stattfindenden  chemischen  Vorgang  propor- 

ist.     Wie  erwähnt,    hat  Joule  diesen  Schritt   später   gemeinsam   mit 

iomson  gethan,  und  die  entsprechende  Theorie  der  galvanischen  Kette 

ann  lange  Zeit  hindurch  als  die  Grundlage  für  jede  verallgemeinerte 

»sung  der  elektrochemischen  Vorgänge  in  ihrem  Zusammenhange  mit 

^n   Energieformen   gegolten.     Wenn   sie  auch  gegenwärtig  als   unvoll- 

g  erkannt  worden   ist,    indem  zu   diesem  Ausdrucke   noch  ein  zweites 

von  einem  unter  Umständen  sehr  erheblichen  Betrage  treten  muss,  so 

doch   in  dieser  Arbeit  Joule's   unzweifelhaft  die  ersten  Keime  zu  alle 

vor,  was  später  nach  dieser  Richtung  geleistet  worden  ist. 

\.  Die  Darstellung  von  Helmholtz.  Während  man  in  der  Dar- 
tig,  welche  Joule  den  von  ihm  erschlossenen  Erkenntnissen  giebt,  noch 
ch  die  Schwierigkeiten  erkennen  kann;  mit  denen  er  bei  der  Bildung 
Clärung  dieser  neuen  Gedanken  zu  thun  hat,  finden  sich  diese,  wie  sie 
aus  dem  Gesetz  von  der  Erhaltung  der  Energie  ergeben,  mit  muster- 
r  Klarheit  in  der  Schrift  ausgesprochen,  in  welcher  zum  ersten  Male 
allgemeine  Anwendbarkeit  und  Fruchtbarkeit  dieses  Gesetzs  über  alle 
^te  der  Physik  nicht  nur  angedeutet,  sondern  auch  in  den  grundlegen- 
Ansätzen  klar  gelegt  war.  Es  ist  dies  die  im  Jahre  1847  erschienene 
ift  von  Hermann  Helmholtz:  Über  die  Erhaltung  der  Kraft.1  Die  für 
n  Betracht  kommenden  Stellen  sind  nachstehend  wiedergegeben: 
„Wir  haben  in  Beziehung  auf  die  galvanischen  Erscheinungen  zwei 
ien  von  Leitern  zu  unterscheiden:  1)  diejenigen,  welche  nach  Art  der 
lle  leiten,  und  dem  Gesetz  der  galvanischen  Spannungsreihe  folgen; 
Wenigen,  welche  diesem  Gesetze  nicht  folgen.    Alle  diese  letzteren  sind 


1  Berlin,  bei  G.  Reimer.    1847.  —  Klassiker  d.  ex.  Wiss.  Nr.   1. 


768 


Fünfzehntes  Kapitel, 


zusammengesetzte  Flüssigkeiten,   und  erleiden   durch  jede  Leitung  ein 
Quantität  der  geleiteten  Elektricität  proportionale  Zersetzung. 

„Wir  können  danach  die  experimentellen  Thatsachen  eintheilen 
solche,  welche  nur  zwischen  Leitern  der  ersten  Klasse  stattfinden,  die  L 
verschiedener  sich  berührender  Metalle  mit  ungleichen  Elektricitäten 
2)  in  solche  zwischen  Leitern  beider  Klassen,  die  elektrischen  Spam 
unterschiede  der  offenen  und  die  elektrischen  Ströme  der  geschlossenen i 

Durch  eir 
lieb  ige  C 
nation  vo 
tern  erster 
können  n 
elektrisch« 
me  nerv, 
bracht  w 
sondern  ni 
trischeSpa 
gen.  Diese 
nungen  sin 
nicht  äqui 
einer     ge 


(Junendbildniss.) 


die  bishe 
trachteten 
che  eine  Sl 
des  elektr 
Gleichgew 

bezeichm 

die  galvan 

Spannut 

sind  viel 
entstaro 
durch  die 
Stellung  dt 
frischen  ( 
gewichtes, 
sie    kann 


Bewegung  der  Elektricität  hervorgerufen  werden  ausser  bei  Lagen 
derungen  der  Leiter  selbst  durch  die  geänderte  Vertheilung  der  | 
denen  Elektricität.  Denken  wir  uns  alle  Metalle  der  Erde  mit  eirtan 
Berührung  gebracht,  und  die  entsprechende  Vertheilung  der  Elek 
erfolgt,  so  kann  durch  keine  andere  Verbindung  derselben  irgend  eint 
Änderung  seiner  elektrischen  freien  Spannung  erleiden,  ehe  nicht  eil 
rührung  mit  einem  Leiter  zweiter  Klasse  erfolgt  ist.     Den  Begriff  dei 


Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie.  7&Q 


ft,   der  Kraft,   welche   an    der  Berührungsstelle  zweier  verschiedenen 

\  thätig  ist,   und  ihre  verschiedenen  elektrischen  Spannungen  erzeugt 

iterhält,  hat  man  bisher  nicht  näher  bestimmt  als  eben  so,  weil  man 

mselben   auch   die  Erscheinungen  der  Berührung  von  Leitern  erster 

eiter  Klasse  zu  umfassen  suchte  zu  einer  Zeit,  wo  man  den  constanten 

esentlichen  Unterschied  beider  Erscheinungen,  den  chemischen  Process, 

nicht   als   solchen  kannte.     In  dieser  dadurch  nothwendig  gemachten 

immtheit  der  Begriffsfassung  erscheint  nun  allerdings  die  Contactkraft 

e  solche,  welche  in  das  Unendliche  Quantitäten  freier  Elektricität  und 

nechanische  Kräfte,  Wärme  und  Licht  erzeugen  könnte,  wenn  es  einen 

n  Leiter  zweiter  Klasse  gäbe,  welcher  nicht  durch  die  Leitung  elektro- 

/ürde.    Gerade  dieser  Umstand  ist  es  auch  wohl,  welcher  der  Contact- 

:  trotz  ihrer  einfachen  und  präcisen  Erklärung  der  Erscheinungen  ein 

rschicdenes  Widerstreben   entgegengesetzt   hat.1     Dem   von    uns   hier 

ufuhrenden  Prinzip  widerspricht  der  bisherige  Begriff  dieser  Kraft  also 

wenn  nicht  die  Notwendigkeit  der  chemischen  Processe  mit  in  den- 

aufgenommen  wird.     Geschieht  dies  aber,    nehmen  wir  an,   dass  die 

zweiter  Klasse  der  galvanischen  Spannunigsreihe  eben   deshalb   nicht 

,    weil  sie  nur  durch  Elektrolyse  leiten,   so  lässt  sich  der  Begriff  der 

:tkraft  sogleich  wesentlich  vereinfachen   und  auf  anziehende  und  ab- 

lde  Kräfte  zurückfuhren.     Es   lassen   sich   nämlich   offenbar   alle   Er- 

ungen  in  Leitern  erster  Klasse  herleiten  aus  der  Annahme,    dass  die 

iedenen  chemischen  Stoffe  verschiedene  Anziehungskräfte  haben  gegen 

iiden  Elektricitäten,  und  dass  diese  Anziehungskräfte  nur  in  unmessbar 

n  Entfernungen  wirken,  während  die  Elektricitäten  auf  einander  es  auch 

Dsseren   thun.     Die  Contactkraft   würde   danach    in    der  Differenz   der 

hungskräfte  bestehen,  welche  die  der  Berührungsstelle  zunächst  liegen- 

detalltheilchen   auf  die  Elektricitäten   dieser  Stelle   ausüben,    und   das 

ische  Gleichgewicht  eintreten,  wenn  ein  elektrisches  Theilchen,  welches 

lern  einen  zum  anderen  übergeht,  nichts  mehr  an  lebendiger  Kraft  ver- 

xler  gewinnt.     Sind  ct  und  cti  die  freien  Spannungen   der  beiden  Me- 

at  e  und  ait  e  die  lebendigen  Kräfte,  welche  das  elektrische  Theilchen  e 

iinem  Übergange  auf  das  eine   oder  das  andere  nicht  geladene  Metall 

mt,    so  ist  die  Kraft,    welche  es  beim  Übergänge  von  dem  einen  ge- 

en  Metall  zum  anderen  gewinnt: 

e  (a  —  a  )  —  e  (ct  —  c  ) . 
Gleichgewicht  muss  diese  =  o  sein,  also: 

die  Spannungsdifferenz  muss  bei  verschiedenen  Stücken  derselben  Me- 
constant  sein,  und  bei  verschiedenen  Metallen  dem  Gesetz  der  galvani- 
1  Spannungsreihe  folgen. 

1  „Faraday,  Experimentaluntersuchungen  über  Elektricität.  17.  Reihe.  —  Philos.  Trans, 
p.  I.  No.  2071  und  Pogg.  Ann.  53,  568." 
itwald,    Elektrochemie.  49 


770  Fünfzehntes  Kapitel. 


„Bei  den  galvanischen  Strömen  haben  wir  in  Bezug  auf  die  Erhal 
der  Kraft  hauptsächlich  folgende  Wirkungen  zu  betrachten:  Wärmeentw 
lung,  chemische  Processe  und  Polarisation.  Die  elektrodynamischen 
kungen  werden  wir  beim  Magnetismus  durchnehmen.  Die  Wärmeentwicke 
ist  allen  Strömen  gemein;  nach  den  beiden  anderen  Wirkungen  können 
sie  für  unseren  Zweck  unterscheiden  in  solche,  welche  blos  chemische 
Setzungen,  in  solche,  welche  blos  Polarisation,  und  in  solche,  welche  b 
hervorbringen. 

„Zuerst  wollen  wir  die  Bedingungen  der  Erhaltung  der  Kraft  unteren 
an  solchen  Ketten,  bei  welchen  die  Polarisation  aufgehoben  ist,  weil  < 
die  einzigen  sind,  für  welche  wir  bis  jetzt  bestimmte  durch  Messungen 
währte  Gesetze  haben.  Die  Intensität  des  Stromes  y  einer  Kette  von  n 
menten  wird  gegeben  durch  das  OHM'sche  Gesetz: 

wo  die  Constante  A  die  elektromotorische  Kraft  des  einzelnen  Elemc 
und  W  der  Widerstand  der  Kette  genannt  wird;  A  und  W  sind  in  di< 
Ketten  unabhängig  von  der  Intensität.  Da  während  eines  gewissen  1 
raumes  der  Wirkung  einer  solchen  Kette  nichts  in  ihr  geändert  wird, 
die  chemischen  Verhältnisse  und  die  Wärmemenge,  so  würde  das  Gt 
von  der  Erhaltung  der  Kraft  fordern,  dass  die  durch  die  vorgegangt 
chemischen  Processe  zu  gewinnende  Wärme  gleich  sei  der  wirklich 
wonnenen.  In  einem  einfachen  Stück  einer  metallischen  Leitung  vom  Wi 
stand  w  ist  nach  Lenz1  die  während  der  Zeit/  entwickelte  Wärme: 

wenn  man  als  Einheit  von  w  die  Drahtlänge  nimmt,  in  welcher  die  Eir 
des  Stromes  in  der  Zeiteinheit  die  Wärmeeinheit  entwickelt.  Für  verzw« 
Schliessungsdrähte,  wo  die  Widerstände  der  einzelnen  Zweige  mit  wa 
zeichnet  werden,  ist  der  Gesammtwiderstand  w  gegeben  durch  die  Gleich 

Vf 

die  Intensität  yn  im   Zweige  wn  durch: 


lwa 


Jw 


also  die  Wärme  &n  in  demselben  Zweige: 

o-n-y%w*-?rt, 

un 

und  die  in  der  ganzen  verzweigten  Leitung  entwickelte  Wärme: 


&  =  2[&a]  =  y2w 


2~,2  V 


w 
L    aj 


t  =  y%w.t. 


1  „Pogg.  Ann.  59,  203  u.  407.   1843  aus  ^em  Bull»  <*e  l'acad.  d.  scienc.  de  St  I 
bourg.  1843." 


Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie.  771 


h  ist  die  in  einer  mit  beliebigen  Verzweigungen  der  Leitung  ver- 
1  Kette  entwickelte  Gesammtwärme,  wenn  das  Gesetz  von  Lenz  auch 
»ige  Leiter  passt,  wie  es  Joule  gefunden  hat: 

Vir  haben  zweierlei  Arten  von  constanten  Ketten,  die  nach  dem  Schema 
iNiEii/schen  und  die  nach  dem  der  GROVE*schen  construirten.  Bei 
steren  besteht  der  chemische  Vorgang  darin,  dass  sich  das  positive 
in  einer  Säure  auflöst,  und  aus  einer  Lösung  in  derselben  Säure  das 
e  sich  niederschlägt.  Nehmen  wir  als  Einheit  der  Stromintensität 
je,  welche  in  der  Zeiteinheit  ein  Äquivalent  Wasser  zersetzt  (etwa 
g  genommen),  so  werden  in  der  Zeit/  gelöst  njt  Äquivalente  des 
tn  Metalles,  und  ebenso  viele  des  negativen  niedergeschlagen.  Ist 
ie  Wärme,  welche  ein  Äquivalent  des  positiven  Metalles  bei  seiner 
tion  und  Lösung  des  Oxyds  in  der  betreffenden  Säure  entwickelt,  az, 
e  gleiche  für  das  negative  aCi  so  würde  die  chemisch  zu  entwickelnde 
£  sein  =  njt{a%  —  ac). 

lemische  würde  also  der  elektrischen  gleich  sein,  wenn: 

A  =  az  —  acy 

'enn  die  elektromotorischen  Kräfte  zweier  so  combinirten  Metalle  dem 
»chied  der  bei  ihrer  Verbrennung  und  Verbindung  mit  Säuren  zu  ent- 
nden  Wärme  proportional  wären. 

In  den  nach  Art  der  GROVE^schen  Kette  gebauten  Elementen  wird  die 
sation    dadurch    aufgehoben,    dass    der    auszuscheidende    Wasserstoff 
:h    zur    Reduction    der   sauerstoffreichen    Bestandtheile    der  Flüssigkeit 
tucht   wird,    welche    das    negative  Metall    umgiebt.     Es  sind  dahin  zu 
*n    die   GROVE^schen    und  BuNSEN'schen   Elemente:    amalgamirtes  Zink, 
nnte  Schwefelsäure,  rauchende  Salpetersäure,  Platin  oder  Kohle;  ferner 
lit  Chromsäure   gebauten  constanten   Ketten,    unter   denen    genaueren 
ingen   unterworfen  sind:    amalgamirtes  Zink,    verdünnte   Schwefelsäure, 
ig  von  saurem  chromsaurem  Kali  mit  Schwefelsäure,  Kupfer  oder  Platin. 
:hemischen  Processe    sind    in    den    beiden    mit  Salpetersäure   gebauten 
n  gleich,  ebenso  die  in  den  beiden  genannten  mit  Chromsäure;  daraus 
*  gemäss  der  eben  gemachten  Deduction  folgen,  dass  auch  die  elektro- 
rischen  Kräfte  gleich    seien,    und    das  ist  in   der  That  nach   den  Mes- 
m   von   Poggerdorff1    sehr    genau    der  Fall.     Die   mit  Kohle    gebaute 
msäure-Kette  ist  sehr  inconstant,  und  hat  eine  beträchtlich  höhere  elek- 
trische Kraft,    wenigstens  im  Anfang;    dieselbe  ist  deshalb  hier  nicht 
rechnen,  sondern  zu  den  Ketten  mit  Polarisation.    Bei  diesen  constanten 
m  ist  also  die   elektromotorische  Kraft  unabhängig  von  dem  negativen 
11;  wir  können  sie  uns  auf  den  Typus  der  ÜANiELi/schen  Kette  zunick- 
ten,   wenn    wir  als  den  letzten  die  Flüssigkeit  unmittelbar  berührenden 


1  „Pogg.  Ann.  54,  429.   1841   und  57,   104.   1842." 

49* 


772  Fünfzehntes  Kapitel. 


Leiter  erster  Klasse  die  dem  Platin   zunächst  liegenden  Theilchen  von  sat ! 
petriger  Säure  und  Chromoxyd  ansehen,  so  dass  wir  die  GROvE'schen  uni 
BuNSEN^schen  Elemente  als  Ketten  zwischen  Zink  und  salpetriger  Säure,  dir 
mit  Chromsäure  gebauten  als  Zink-Chromoxydketten  erklären  würden. 

„Unter  den  Ketten  mit  Polarisation  können  wir  solche  unterscheiden, 
welche  bloss  Polarisation  und  keine  chemische  Zersetzung  hervorbringen,  und 
solche,  welche  beides  bewirken.  Zu  den  ersteren,  welche  einen  inconstanten, 
meist  bald  verschwindenden  Strom  geben,  gehören  unter  den  einfache* 
Ketten  die  von  Faraday  l  mit  Lösung  von  Ätzkali,  Schwefelkalium,  salpetriger 
Säure  gebildeten  Combinationen,  ferner  die  der  stärker  negativen  Metalle  ifl 
den  gewöhnlichen  Säuren,  wenn  das  positivere  derselben  die  Säure  nickt 
mehr  zu  zersetzen  vermag,  z.  B.  Kupfer  mit  Silber,  Gold,  Platin,  Kohle  in 
Schwefelsäure  u.  s.  w.;  von  den  zusammengesetzten  alle  mit  eingeschalteten 
Zersetzungszellen,  deren  Polarisation  die  elektromotorische  Kraft  der  anderen 
Elemente  überwiegt.  Scharfe  messende  Versuche  haben  über  die  Intensitäten 
dieser  Ketten  bis  jetzt  wegen  der  grossen  Veränderlichkeit  des  Stromes  nicht 
gemacht  werden  können.  Im  Allgemeinen  scheint  die  Intensität  ihrer  Ströme 
von  der  Natur  der  eingetauchten  Metalle  abzuhängen,  ihre  Dauer  wächst 
mit  der  Grösse  der  Oberflächen  und  mit  der  Abschwächung  der  Strom- 
intensität; aufgefrischt  können  sie  werden,  auch  wenn  sie  fest  ganz  ver- 
schwunden sind,  durch  Bewegungen  der  Platten  in  der  Flüssigkeit  und  durch 
Berührung  derselben  mit  der  Luft,  wodurch  die  Polarisation  der  Wasserstoff- 
platte  aufgehoben  wird.  Von  solchen  Einwirkungen  mag  auch  wohl  der 
geringe,  nicht  aufhörende  Rest  des  Stromes  herrühren,  den  feinere  galvano- 
metrische Instrumente  immer  anzugeben  pflegen.  Der  ganze  Vorgang  ist 
also  eine  Herstellung  des  elektrischen  Gleichgewichtes  der  Flüssigkeitsthefl- 
chen  mit  den  Metallen;  dabei  scheinen  sich  einmal  die  Flüssigkeitstheilchen 
anders  zu  ordnen,  und  dann,  wenigstens  in  vielen  Fällen,2  auch  chemische 
Umänderungen  der  oberflächlichen  Metallschichten  zu  entstehen.  Bei  den 
zusammengesetzten  Ketten,  wo  die  Polarisation  ursprünglich  gleicher  Platten 
die  Wirkung  des  Stromes  anderer  Elemente  ist,  können  wir  die  dabei  ver- 
lorene Kraft  des  ursprünglichen  Stromes  als  secundären  Strom  wiederge- 
winnen, nachdem  wir  die  erregenden  Elemente  entfernt,  und  die  Metalle  der 
polarisirten  unter  sich  geschlossen  haben.  Um  das  Prinzip  von  der  Erhaltung 
der  Kraft  hier  näher  anzuwenden,  fehlen  uns  bis  jetzt  noch  alle  speciellen 
Thatsachen. 

„Den  verwickeltsten  Fall  bilden  diejenigen  Ketten,  in  welchen  Polari- 
sation und  chemische  Zersetzung  neben  einander  vor  sich  gehen;  dazu  ge- 
hören die  Ketten  mit  Gasentwickelung.  Der  Strom  derselben  ist,  wie  der 
der  blossen  Polarisationsketten,  zu  Anfang  am  stärksten,  und  sinkt  schneller 


1  „Experimentaluntersuchungcn  über  Elektricitilt.   1 6.  Reihe.  —  Philos.  Trans.   1840,  p.  I. 
und  Pogg.  Ann.  52,    163  und  547.   1841." 

*  „Ohm  in  Pogg.  Ann.  63.  389.  1844." 


Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie.  773 


mgsamer  auf  eine  ziemlich  constant  bleibende  Grösse.  Bei  einzelnen 
nten  dieser  Art,  oder  Ketten,  welche  nur  aus  solchen  zusammengesetzt 
hört  der  Polarisationsstrom  nur  äusserst  langsam  auf;  leichter  gelingt 
,pegen,  schnell  constante  Ströme  zu  erhalten,  bei  Combination  von  con- 
1  Ketten  mit  einzelnen  inconstanten,  namentlich,  wenn  die  Platten  der 
*n  verhältnissmässig  klein  sind.  Bisher  sind  aber  an  solchen  Zusam- 
*llungen  nur  wenige  Messungsreihen  gemacht  worden;  aus  den  wenigen, 
1  ich  aufgefunden  habe,  von  Lenz1  und  Poggendorff,3  geht  hervor, 
die  Intensitäten  solcher  Ketten  bei  verschiedenen  Drahtwiderständen 
durch  die  einfache  OHM'sche  Formel  gegeben  werden  können,  sondern 

man  die  Constanten  derselben  bei  geringen  Intensitäten  berechnet, 
n  die  Ergebnisse  der  Rechnung  für  höhere  Intensitäten  zu  gross.  Man 
deshalb  den  Zähler  oder  den  Nenner  derselben,  oder  beide  als  Func- 

der  Intensität  betrachten;  die  bisher  bekannten  Thatsachen  liefern  uns 
Entscheidung  dafür,  welcher  von  diesen  Fällen  eigentlich  stattfinde. 

Suchen  wir  das  Prinzip  von  der  Erhaltung  der  Kraft  auf  diese  Ströme 
renden,  so  müssen  wir  dieselben  in  zwei  Theile  theilen,  in  den  incon- 
n  oder  Polarisationsstrom,  über  den  dasselbe  gilt,  was  wir  über  die 
1  Polarisationsströme  gesagt  haben,  und  in  den  constanten  oder  Zer- 
igsstrom.  Auf  den  letzteren  ist  dieselbe  Betrachtungsweise  anwendbar, 
ir  die  constanten  Ströme  ohne  Gasentwickelung.  Die  durch  den  Strom 
gte  Wärme  muss  gleich  sein  der  durch  den  chemischen  Process  zu 
genden.  Ist  z.  B.  in  einer  Combination  von  Zink  und  einem  negativen 
le  in  verdünnter  Schwefelsäure  die  Wärmeentbindung  eines  Atomes 
bei  seiner  Auflösung  und  der  Austreibung  des  Wasserstoffes  az  —  a,ky 
t  die  in  der  Zeit  dt  zu  erzeugende  Wärme: 

J{a%  —  ah)dt. 

i  nun  die  Wärmeentwickelung  in  allen  Theilen  einer  solchen  Kette  pro- 
onal  dem  Quadrate  der  Intensität,  also  J2Wdt,  so  hätten  wir  wie  oben: 


y  = 


az  -  ah 


w 

die  einfache  OHM'sche  Formel.  Da  diese  aber  ihre  Anwendung  hier 
:  findet,  so  folgt,  dass  es  Querschnitte  in  der  Kette  giebt,  in  denen  die 
meentwickelung  einem  anderen  Gesetze  folgt,  deren  Widerstand  also 
:  als  constant  zu  setzen  ist.  Ist  z.  B.  die  Entbindung  von  Wärme  in 
ld  einem  Querschnitt  direkt  proportional  der  Intensität,  wie  es  unter 
Ten  die  durch  Änderung  der  Aggregatzustände  gebundene  Wärme  sein 
s,  also  &  =5  \ij dt>  so  ist: 

J(az  -  ah)  =  J*w  +  3>, 


y  = 


az   -  ah   -  f* 


w 


1  „Pogg.  Ann.  69,  229.   1843."  *  „Ebenda  67,  531.   1846." 


774  Fünfzehntes  Kapitel. 


Die  Grösse  (jl  würde  also  mit  in  dem  Zähler  der  OHM'schen  Formel  ersehet»  ls 

Der  Widerstand  eines  solchen  Querschnittes  würde  sein  w  =  -jj  =  ~ .    \ 

nun  aber  die  Wärmeentwickelung  desselben  nicht  ganz  genau  proportional  §i 
der  Intensität,  also  die  Grösse  fi  nicht  ganz  constant,  sondern  mit  der  Intet 
sität  steigend,   so  erhalten  wir  den  Fall,   welcher  den  Beobachtungen  von 
Lenz  und  Poggendorff  entspricht. 

„Als  elektromotorische  Kraft  einer  solchen  Kette  würde  nach  Analogie 
der  constanten  Ketten,  sobald  der  Polarisationsstrom  aufgehört  hat,  & 
zwischen  Zink  und  Wasserstoff  zu  bezeichnen  sein.  In  der  Ausdruckswdx 
der  Contacttheorie  wäre  es  die  zwischen  Zink  und  dem  negativen  Metall, 
vermindert  um  die  Polarisation  des  letzteren  in  Wasserstoff.  Wir  müssen 
dann  nur  dieses  Maximum  der  Polarisation  für  unabhängig  von  der  Inten- 
sität des  Stromes  ansehen,  und  für  verschiedene  Metalle  um  ebenso  vid 
verschieden,  als  es  die  elektromotorischen  Kräfte  dieser  Metalle  sind.  Der 
Zähler  der  OHM'schen  Formel,  berechnet  aus  Intensitätsmessungen  bei  ver- 
schiedenen Widerständen,  kann  aber  ausser  der  elektromotorischen  Kraft 
einen  Summanden  enthalten,  welcher  von  dem  Übergangswiderstande  her- 
rührt, und  welcher  bei  verschiedenen  Metallen  vielleicht  verschieden  ist  Das 
ein  Ubergangswiderstand  existire,  folgt  nach  dem  Prinzip  von  der. Erhaltung 
der  Kraft  aus  der  Thatsache,  dass  die  Intensitäten  dieser  Ketten  nicht  nach 
dem  OHM'schen  Gesetz  zu  berechnen  sind,  da  doch  die  chemischen  Processe 
dieselben  bleiben.  Dafür,  dass  in  Ketten,  wo  die  Polarisationsströme  aufge- 
hört haben,  der  Zähler  der  OHM'schen  Formel  von  der  Natur  des  negativen 
Metalles  abhänge,  habe  ich  noch  keine  sicheren  Beobachtungen  auffinden 
können.  Um  die  Polarisationsströme  schnell  zu  beseitigen,  ist  es  hierbei 
nöthig,  die  Dichtigkeit  des  Stromes  an  der  polarisirten  Platte  möglichst  zu 
erhöhen  theils  durch  Einfügung  von  Zellen  mit  constanter  elektromotorischer 
Kraft,  theils  durch  Verkleinerung  der  Oberfläche  dieser  Platte.  In  den  hier- 
her gehörenden  Versuchen  von  Lenz  und  Saweljew1  ist  nach  ihrer  eigenen 
Angabe  die  Constanz  der  Ströme  nicht  erreicht  worden,  die  von  ihnen  be- 
rechneten elektromotorischen  Kräfte  enthalten  demnach  noch  die  der  Polari-  j 
sationsströme.  Sie  fanden  für  Zink  Kupfer  in  Schwefelsäure  0,51,  für  Zink 
Eisen  0,76,  für  Zink  Quecksilber  0,90. 

„Schliesslich  bemerke  ich  noch,  dass  ein  Versuch,  die  Gleichheit  der  auf 
chemischem  und  elektrischem  Wege  entwickelten  Wärme  experimentell  nach- 
zuweisen, gemacht  ist  von  Joule.  2  Doch  ist  gegen  seine  Messungsmethoden 
mancherlei  einzuwenden.  Er  setzt  z.  B.  für  die  Tangentenbussole  das  Gesetx 
der  Tangenten  als  richtig  voraus  bis  in  die  höchsten  Grade  hinein,  hat  keine 
constanten  Ströme,  sondern  berechnet  deren  Intensität  nur  nach  dem  Mittel 
der  Anfangs-  und  Endablenkung,  setzt  elektromotorische  Kraft  und  Wider- 


1  „Bull,  de  la  classe  phys.  math.  de  l'acad.  d.  scienc.  de  St  Petersbourg.  5,   I  und  Pogg. 
Ann.  57,  497.   1842." 

*  „Philos.  Mag.  19,  275.   1841   und  20,  204.   1843." 


Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie.  yyc 


von  Zellen  mit  Gasentwickelung   als   constant   voraus.     Auf  die  Ab- 

jtng  seiner  quantitativen  Wärmebestimmungen  von  anderweitig  gefun- 

Zahlen  hat  Hess  schon   aufmerksam   gemacht.     Dasselbe  Gesetz  will 

cqüerel  empirisch  bestätigt  gefunden  haben  nach  einer  Anzeige  des- 

i  in  den  Comptes  rendus  (1843.  No.  16). 

,Wir  haben  oben  uns  genöthigt  gesehen,  den  Begriff  der  Contactkraft 
«zufuhren  auf  einfache  Anziehungs-  und  Abstossungskräfte,   um   den- 
1  mit  unserem  Prinzip  in  Übereinstimmung  zu  bringen.    Versuchen  wir 
Luch,  die  elektrischen  Bewegungen  zwischen  Metallen  und  Flüssigkeiten 
kzufuhren.     Denken  wir  uns  die  Theile  des  zusammengesetzten  Atoms 
Flüssigkeit  mit  verschiedenen  Anziehungskräften  gegen  die  Elektricitäten 
>t,  und  demgemäss  verschieden  elektrisch.     Scheiden  diese  Atomtheile 
;n  metallischen  Elektroden  aus,  so  giebt  jedes  Atom  nach  dem  elektro- 
hen  Gesetz    eine   von   seinen   elektromotorischen  Kräften   unabhängige 
e  ±E  an  dieselben  ab.   Wir  können  uns  deshalb  vorstellen,  dass  auch 
r  chemischen  Verbindung  schon  die  Atome  mit  Äquivalenten  ±  E  ver- 
en  sind,   welche  für  alle  ebenso  gleich  sind,  wie  die  stöchiometrischen 
iralente  der  wägbaren  Stoffe  in  verschiedenen  Verbindungen.     Tauchen 
zwei  verschiedene  elektrische  Metalle  in  eine  Flüssigkeit  ein,  ohne  dass 
hemischer  Process  stattfindet,  so  werden  die  positiven  Bestandteile  der- 
n  von  dem  negativen  Metall,   die  negativen  vom   positiven  angezogen. 
Erfolg   wird   also    eine   veränderte  Richtung  und  Vertheilung  der  ver- 
denen  elektrischen  Flüssigkeitstheilchen  sein,  deren  Eintreten  wir  als  Pola- 
onsstrom  wahrnehmen.    Die  bewegende  Kraft  dieses  Stromes  würde  die 
rische  Differenz  der  Metalle  sein,  ihr  müsste  deshalb  auch  seine  anfäng- 
Intensität  proportional  sein;    seine  Dauer  muss  bei   gleicher  Intensität 
Menge  der  an  den  Platten  anzulagernden  Atome,  also  ihrer  Oberfläche, 
ortional  sein.    Bei  den  mit  chemischer  Zersetzung  verbundenen  Strömen 
mt    es    dagegen    nicht  zu   einem  dauernden  Gleichgewicht  der  Flüssig- 
theilchen  mit  den  Metallen,   weil    die   positiv  geladene  Oberfläche   des 
:iven  Metalles  fortdauernd  entfernt  wird,    dadurch,   dass  sie  selbst  zum 
andtheil  der  Flüssigkeit   wird,    also   eine    stete  Erneuerung  der  Ladung 
ix  ihr  stattfinden  muss.     Durch  jedes  Atom  des  positiven  Metalles,  wel- 
mit   einem  Äquivalent    positiver    Elektricität   vereinigt   in    die  Lösung 
ntt,  wofür  ein  Atom  des  negativen  Bestandteiles  neutral  elektrisch  aus- 
idet,  wird  eine  Beschleunigung  der  einmal  begonnenen  Bewegung  her- 
gerufen,  sobald    die  Quantität  der  Anziehungskraft  des  ersteren  Atoms 
+  E,  bezeichnet  durch  as>  grösser  ist  als  die  des  letzteren  ae.     Die  Be- 
ung  würde  dadurch  in  das  Unbegrenzte  an  Geschwindigkeit  zunehmen, 
n    nicht   auch  zugleich  der  Verlust  an   lebendiger  Kraft  durch  Wärme- 
rickelung   wüchse.     Sie   wird    deshalb    nur   wachsen   bis   dieser  Verlust, 
Vdty  gleich  ist  dem  Verbrauch  an  Spannkraft  J(az  —a^)dt  oder  bis: 

J  w 


776  Fünfzehntes  Kapitel. 


Ich  glaube,  dass  in  dieser  Unterscheidung  der  galvanischen  Ströme  in  sokfc^ 
welche  Polarisation,  und  in  solche,  welche  Zersetzung  hervorbringen,  wie  m 
durch  das  Prinzip  von  der  Erhaltung  der  Kraft  bedingt  wird,  der  einap 
Ausweg  zu  finden  sein  möchte,  um  gleichzeitig  die  Schwierigkeiten  io 
chemischen  und  der  Contacttheorie  zu  umgehen." 

Werfen  wir  auf  die  in  diesen  kurzen  Auseinandersetzungen  enthaltend 
Gesichtspunkte  einen  Blick  zurück,  so  tritt  uns  zunächst  (S.  769)  der  Nach- 
weis entgegen,  dass  das  VoLTA'sche  Spannungsgesetz  eine  Nothwendigkdt 
vom  Standpunkte  des  Gesetzes  von  der  Erhaltung  der  Energie  ist  Damit 
war  der  entscheidende  Einwand  gegen  die  Haltbarkeit  der  ursprünglichen 
Ansicht  Volta's  (S.  758)  ausgesprochen,  dass  es  auch  metallische  Leiter  geben 
könne,  welche  dem  Spannungsgesetz  nicht  unterliegen.  Die  darauf  folgende 
Auseinandersetzung  über  die  Annahme  verschiedener  Anziehungskräfte  gegen 
die  Elektricitäten  war  so  lange  zulässig,  als  man  diese  als  wirkliche  Dinge, 
etwa  als  unwägbare  Flüssigkeiten  ansah;  gegenwärtig  wo  die  in  Betracht 
kommende  Grösse,  die  Elektricitätsmenge,  ihren  realen  Charakter  verloren 
hat,  und  als  ein  Factor  der  eigentlich  realen  Grösse,  der  elektrischen  Energie, 
angesehen  wird,  kann  man  diese  Anschauungsweise  nicht  mehr  gutheissen. 
Da  andererseits  die  älteren  Nachweise  von  Spannungsunterschieden  zwischen 
verschiedenen  Metallen  mit  dem  Condensator  gegenwärtig  als  völlig  zweifel- 
haft erwiesen  sind,  und  die  unzweifelhafteren  Methoden  im  Gegentheil  ergeben 
haben,  dass  wenn  überhaupt  Spannungsunterschiede  bestehen,  sie  jedenfalls 
sehr  kleine  Werthe  haben  müssen,  so  fällt  zur  Zeit  die  Notwendigkeit,  die 
Ergebnisse  der  Condensatorversuche  in  die  Theorie  der  Ketten  aufzunehmen, 
überhaupt  fort.  Dies  wird  noch  klarer  durch  die  S.  770  von  Helmhotz  ge- 
gebenen Betrachtungen;  andererseits  ist  bereits  früher  gezeigt  worden,  dass 
die  Annahme  der  elektrischen  Erregung  Null  bei  der  Berührung  der  Metalle 
sich  mit  dem  Spannungsgesetz  gleichfalls  im  Einklänge  befindet 

In  fler  einfachen  Formel  A  =  az  —  ac  ist  das  gleiche  Ergebniss  enthalten, 
welches  Joule  früher  nicht  ganz  so  vollständig  in  dem  Satze  gegeben  hatte, 
dass  die  „virtuelle  Intensität",  d.  h.  die  elektromotorische  Kraft  der  Kette  der 
durch  den  chemischen  Vorgang  entwickelten  Wärme  proportional  ist  Bei 
Helmholtz  ist  statt  der  Proportionalität  die  Gleichheit  vorhanden,  passende 
Maassbestimmungen  der  vorkommenden  Grössen  vorausgesetzt,  und  an  Stelle 
der  unrichtigen  Gleichsetzung  der  chemischen  und  elektrischen  Wärme  tritt 
die  vorsichtigere  bedingte  Ausdrucksweise,  dass,  wenn  die  Gleichheit  statt- 
finde, die  elektromotorische  Kraft  durch  die  auf  das  Äquivalent  bezogene 
Wärmeentwickelung  gegeben  wäre.  Helmholtz  hat  selbst  später  gezeigt, 
dass  dies  im  Allgemeinen  nicht  der  Fall  ist,  und  hat,  wenn  auch  nicht  als 
der  erste,  doch  völlig  selbständig  den  vollständigen  Ausdruck  für  die  Be- 
ziehung der  beiden  Grössen  aufgestellt. 

Weiter  ist  auf  die  S.  771  kurz  ausgesprochene  Schlussfolgerung  hinzu- 
weisen, dass  in  galvanischen  Elementen  mit  verschiedenen  Elektroden,  in 
denen  aber  der  gleiche  chemische  Vorgang  stattfindet,  auch  dieselbe  elektro- 


Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie.  777 


sehe  Kraft  vorhanden  sein  müsse.  Es  gehörte  damals  einiger  Muth 
diesen  theoretischen  Schluss  auszusprechen,  da  eben  Poggendorff  be- 
zu  haben  schien,  dass  dies  nicht  der  Fall  sei.  Die  Zukunft  hat 
oltz  recht  gegeben,  und  jene  Angabe  von  Poggendorff  wurde  als 
nlich  erkannt;  es  waren  die  kleinen  Unterschiede,  welche  sich  je 
der  Beanspruchung  des  Elementes  ergeben  hatten,  von  Poggendorff 
:eresse  eines  Widerspruches  gegen  die  chemische  Theorie  als  wesent- 
mgesehen '  worden. 

ron  grosser  Feinheit  sind  Helmholtz*  Darlegungen  des  Vorganges  bei 
stmaligen  Herstellung  des  elektrischen  Zustandes  in  der  Kette  und  die 
ie  der  Ladungsströme,  welche  er  bei  dieser  Gelegenheit  giebt.    Äusser- 
at  diese  Theorie   eine   gewisse  Ähnlichkeit  mit  der  „Tendenztheorie" 
chönbein;   sie   unterscheidet  sich  aber  von  dieser  wesentlich  dadurch, 
Ielmholtz  wirkliche  Änderungen  in  dem  Zustande  der  sich  berühren- 
lächen  annimmt,  und  so  den  von  Faraday  gegen  jenen  mit  Recht  er- 
en  Einwand,  dass  er  Ströme  ohne  entsprechenden  Aufwand  stattfinden 
wolle,    sachgemäss   vermeidet      Nur    insofern    hat   sich   die   heutige 
ie  anders  entwickelt,  als  die  von  Helmholtz  noch  einigermaassen  un- 
lmt  gelassenen  Vorgänge,   welche  an  den  Berührungsstellen  zwischen 
i  und  Flüssigkeit  stattfinden,   in  allen  Fällen  als  chemische  angesehen 
n   müssen,   während  Helmholtz  noch  sehr  geneigt  ist,    im  Sinne  der 
Aschen  Ansicht  in  der  Thatsache   der  blossen  Berührung  eine  Quelle 
ischer  Bewegung,  wenn  auch  nicht  dauernder  Art  zu  sehen. 
(..    Die   Abhandlung   von    William   Thomson.     Schon   oben 
degentlich   der   Arbeiten   von   Joule   erwähnt   worden,    dass    das   von 
letzteren   als  blosse  Proportionalitätsbeziehungen  aufgestellte  Verhältniss 
hen    der   elektromotorischen    Kraft   der  VoLTA'schen   Ketten   und   dem 
ge  der  Wärme,  welcher  ihren  chemischen  Vorgängen  entspricht,  später 
William   Thomson   in    bestimmterer   Form    ausgesprochen   worden    ist. 
dsätzlich  enthält  diese  Arbeit  der  Darlegung  von  Helmholtz  gegenüber 
s  neues  oder  weiteres;  die  Art  der  Darstellung  ist  allerdings  ganz  anders, 
durch  die   concrete  Gestalt,   welche  hier  dem  Beweise  gegeben  wird, 
icht  für  manchen  anschaulicher;   einen  allgemeineren  Charakter  besitzt 
ifalls  die  Ableitung  von  Helmholtz,   da  sie  nicht  an  ein  einzelnes  Bei- 
anknüpft. 

Es  liegt  vielleicht  gerade  an  dieser  concreteren  Form,  dass  die  vor- 
nde  Arbeit  eineft  viel  grösseren  Einfluss  auf  den  Entwickelungsgang 
Wissenschaft  ausgeübt  hat,  als  die  um  vier  Jahre  ältere  Auseinander- 
ing  von  Helmholtz.  Aus  diesem  Grunde  wird  es  gerechtfertigt  er- 
inen, auch  die  wesentlichen  Theile  dieser  Abhandlung *  vollständig 
.erzugeben. 
„1)   Gewisse  Prinzipien,   welche  Hr.  Joule  entdeckt  und  zuerst  in  ver- 


1  Philos.  Mag.  (4)  2,  429.   185 1. 


yyg  Fünfzehntes  Kapitel. 


schiedenen  Abhandlungen  mitgetheilt  hat,  mussten  schliesslich  ein 
Theil  der  mechanischen  Theorie  der  Chemie  werden.  Der  Gegenstand  der- 
gegenwärtigen  Mittheilung  ist,  diesen  Prinzipien  gemäss  für  jeden  Fall  ekkto] 
lyrischer  Zersetzung  die  Beziehung  zwischen  der  elektromotorischen  Intensität,  s 
den  elektrochemischen  Äquivalenten  der  thätigen  Stoffe  und  dem  mechaBH 
sehen  Äquivalent  der  chemischen  Wirkung,  welche  durch  den  Verbraud 
einer  gegebenen  Menge  der  Materialien  stattfindet,  zu  ermitteln;  und  aas 
diesem  die  elektromotorische  Intensität  einer  einzelnen  DANiEu/schen  Zefl^j 
sowie  die  elektromotorische  Kraft,  welche  zur  Zersetzung  des  Wassers  er- 
forderlich ist,  nach  Versuchen  zu  berechnen,  welche  Herr  Joule  so  freund- 
lich war,  mir  mitzutheilen. 

„2)  Wird  ein  galvanischer  Strom,  welcher  mit  Hülfe  einer  magnet> 
elektrischen  Maschine  hervorgebracht  wird,  zur  Elektrolyse  verwendet,  so 
wird  er  in  irgend  einer  Zeit  weniger  Wärme  in  seinem  ganzen  Stromkreise 
entwickeln,  als  der  verbrauchten  Arbeit  entspricht,  und  zwar  um  einen  Be- 
trag, welchen  man  das  thermische  Äquivalent  der  chemischen  Wirkung,  die 
er  hervorgebracht  hat,  nennen  könnte.  Dies  ist  die  Wärmemenge,  welche 
erhalten  werden  würde,  wenn  man  die  Elemente  der  zersetzten  Substanz 
wieder  verbinden  und  die  Verbindung  nach  allen  Beziehungen  in  ihren  erste! 
Zustand  wieder  zurückbringen  würde,  oder  mit  anderen  Worten,  wenn  man 
alles  rückgängig  machte,  was  der  elektrochemische  Apparat  gethan  hat  Nun 
wird  die  Wärmemenge,  welche  der  gethanen  Arbeit  äquivalent  ist,  erhalten 
durch  Division  der  Zahl,  welche  die  Arbeit  misst,  mit  der  Zahl,  welche 
in  derselben  Einheit  das  mechanische  Äquivalent  der  Wärmeeinheit  giebt 
Wird  daher  das  mechanische  Äquivalent  der  Wärmeeinheit  mit  J  bezeichnet, 
die  in  irgend  einer  Zeit  gethane  Arbeit  mit  W>  die  gesammte  in  derselben 
Zeit  im  Stromkreise  entwickelte  Wärme  mit  H9  und  das  Wärmeäquivalent 
der  hervorgebrachten  chemischen  Wirkung  mit  0,  so  haben  wir: 

welche  Gleichung  auch  in  der  Form  geschrieben  werden  kann: 

W=JH+M,  ;* 

wenn  M  benutzt  wird,  um  den  Werth  von  JO  oder  das  mechanische  Äqui- 
valent der  chemischen  Wirkung  zu  bezeichnen,  welche  in  der  angegebenen 
Zeit  hervorgebracht  wird. 

„3)  Um  die  Nothwendigkeit  zu  umgehen,  veränderliche  oder  unstetige 
Ströme  zu  betrachten,  wollen  wir  annehmen,  dass  die  Maschine  aus  einer 
metallischen  Scheibe  besteht,  welche  an  ihrer  Axe  und  an  ihrem  Umfange 
durch  feste  Drähte  berührt  wird,  und  welche  in  ihrer  eigenen  Ebene  um 
eine  durch  ihren  Mittelpunkt  gehende  Axe  gedreht  wird,  welch  letztere  in 
irgend  einer  Lage  gehalten  wird,  welche  nicht  rechtwinklig  zu  der  Richtung 
der  erdmagnetischen  Kraft  steht.  Werden  diese  Drähte  durch  einen  Contact 
zwischen  ihren  Enden  verbunden,  so  entsteht  bekanntlich  in  ihnen  ein  Strom, 


Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie.  77g 


1  Stärke  der  Winkelgeschwindigkeit  der  Scheibe  direkt,  und  dem 
stände  im  ganzen  Stromkreise  umgekehrt  proportional  ist.  Daher 
zwischen  den  Enden  der  Drähte,  wenn  sie  durch  ein  isolirendes  Mittel 
andergehalten  werden,  eine  elektromotorische  Kraft  bestehen,  welche 
int  und  der  Winkelgeschwindigkeit  der  Scheibe  proportional  sein  wird. 

4)  Wir  nehmen  nun  an,  dass  die  Enden  des  Drahtes  mit  den  Elek- 
1  eines  elektrochemischen  Apparates  verbunden  werden,  z.  B.  einer 
tischen  Batterie  irgend  welcher  Art,  oder  eines  Apparates  zur  Zer- 
ig  des  Wassers;  auch  wollen  wir  annehmen,  dass  die  elektromotorische 
ität  zwischen  ihnen  genügend  ist,  um  einen  Strom  in  der  eigenen 
ing  hervorzubringen.  In  den  vorstehenden  Gleichungen  wird,  wenn 
lf  diesen  Fall  angewendet  werden,  jedes  Glied  proportional  der  Zeit 
da  die  Wirkung  dauernd  und  gleichförmig  ist,  und  daher  wird  es  be- 
sein,  die  Zeiteinheit  als  die  Periode  anzusehen,  während  welcher  die 
V  und  H  bezeichneten  Beträge  von  Arbeit  und  Wärme,  sowie  der  Be- 
fon  chemischer  Wirkung,  deren  thermisches  und  mechanisches  Äqui- 
:  mit  0  und  M  bezeichnet  worden  sind,  hervorgebracht  werden.  Be- 
let  r  den  Radius  der  Scheibe,  m  die  Winkelgeschwindigkeit,  mit  der 
jwegt  wird,  F  die  Componente  des  Erdmagnetismus  senkrecht  zu  ihrer 
1  und  y  die  Stärke  des  inducirten  Stromes,  so  wird  die  in  der  Zeit- 
it  durch  die  Bewegung  der  Scheibe  gegen  den  durch  die  Wirkung  des 
agnetismus    auf  den    entstandenen  Strom  hervorgerufenen  Widerstand 

r 

ne  Arbeit  ausgedrückt  sein  durch  das  Integral  J cos .F .y dz\  wie  leicht 

o 
^weisen  ist,    ob   nun   der  Strom   unmittelbar  zwischen  dem  Mittelpunkt 

Jcheibe    und    dem    durch    den  festen  Draht  berührten   Punkt  auf  dem 

nge  durchgeht,    oder  ob  er,   wie  das  in  Wirklichkeit  stattfinden  muss, 

mehr  oder  weniger  von  der  geraden  Linie  durch  die  seitliche  Ausdeh- 

des  kreisenden  Leiters  verbreitet.     Hieraus  folgt: 

W=\r*Fy<o.  (3) 

„5)  Es  sei  E  die  Menge  (in  Masseneinheiten,  z.  B.  Gran)  eines  der  bei 
chemischen  Vorgange  betheiligten  Elemente,  welche  in  der  Zeiteinheit 
rolysirt  oder  verbunden  werden,  und  &  sei  die  Wärme,  welche  während 
chemischen  Wirkung  bei  der  Elektrolyse  oder  Verbindung  von  der 
jeneinheit  jenes  Elementes  absorbirt  wird.     Dann  haben  wir: 

0  =  *£,  (4) 

M=J.&E.  (5) 

„Nun  ist  von  Farad ay  gezeigt  worden,  dass  bei  elektrochemischen 
:ungen  irgend  welcher  Art,  die  durch  einen  stetigen  Strom  hervorge- 
ht werden,  der  Betrag  der  Wirkung  in  einer  gegebenen  Zeit  annähernd, 
1  nicht  genau  proportional  der  Stromstärke  ist;  und  alle  folgenden  Unter- 
ungen  haben  diesen  Schluss  bekräftigt.     Die  einzige  Ausnahme,  welche 


780  Fünfzehntes  Kapitel. 


bisher  meines  Wissens  entdeckt  worden  ist,  ist  die  von  Faraday  entdeckte 
Thatsache,  dass  verschiedene  Elektrolyte  einen  stetigen  Strom  leiten  können, 
wenn  dessen  elektromotorische  Intensität  unterhalb  einer  gewissen  Grenze 
ist,  ohne  dass  sie  eine  stetige  Zersetzung  erfahren,  *  und  hieraus  können  wir 
es  als  wahrscheinlich  annehmen,  dass  im  Allgemeinen  die  mit  grösseren  und 
geringeren  elektromotorischen  Intensitäten  zersetzten  Mengen  nicht  streng 
proportional  der  Stromstärke  sind. 

„Diese  nichtelektrolytische  Leitfähigkeit  ist  indessen,  wenigstens  in  dem 
Falle  des  Wassers  als  äusserst  gering  gefunden  worden,  und  es  ist  nicht 
wahrscheinlich,  dass,  wenn  in  irgend  einem  gewöhnlichen  Falle  die  Elektro- 
lyse stattfindet,  die  dadurch  geleitete  Elektricitätsmenge  stets  sehr  gross  im 
Vergleiche  mit  der  elektrolytisch  geleiteten  ist  Das  normale  Gesetz  der 
wahren  elektrolytischen  Leitung  wird  daher  als  anwendbar  für  die  Leitung 
durch  den  elektrochemischen  Apparat  angesehen  werden  können,  vorbehalt- 
lich der  Abänderung  in  solchen  Fällen,  wo  eine  Abweichung  davon  erwiesen 
werden  kann.  Wenn  wir  daher  mit  «  das  elektrochemische  Äquivalent  des 
besonderen  Elementes  bezeichnen,  an  welchem  wir  die  elektrochemische 
Wirkung  messen,  d.  h.  die  Menge  desselben,  welche  in  der  Zeiteinheit  durch 
die  Wirkung  der  Stromstärke  Eins  elektrolysirt  oder  verbunden  wird,  so 
haben  wir,  da  die  wirkliche  Stromstärke  y  ist: 

E=*y.  (6) 

„Die  Abweichungen  von  dem  normalen  Gesetze,  welche  in  besonderen 
Fällen  bestehen  mögen,  können  dadurch  zum  Ausdruck  gebracht  werden, 
dass  man  für  e  einen  veränderlichen  Werth  annimmt.  Fände  es  z.  B.  statt, 
dass  wenn  die  elektromotorische  Intensität  eines  Apparates  für  die  Zersetzung 
des  Wassers  eine  bestimmte  Grösse  überschreitet,  die  Zerzetzung  genau  pro- 
portional der  Stromstärke  stattfindet,  und  dass  unterhalb  dieser  Greme  ein 
schwacher  Strom  ohne  Zersetzung  durchgehen  würde,  so  würde  e  eine  un- 
stetige Function  der  Intensität  sein,  indem  es  einen  constanten  Werth  hat, 
wenn  die  Intensität  grösser  ist,  und  Null  wird,  wenn  sie  geringer  ist,  als  die 
Grenze  der  Zersetzung. 

„6)  Nach  dem  JouLE'schen  Gesetz  über  die  Wärmeentwickelung  im  Strom- 
kreise ist  die  in  der  Zeiteinheit  entwickelte  Wärmemenge  streng  proportional 
dem  Quadrat  der  Stromstärke,  wenn  der  Widerstand  in  allen  betrachteten 
Umständen  constant  ist;  wir  können  daher  passend  annehmen: 


1  „Es  ist  wahrscheinlich,  dass  wenn  ein  Elektromotor  von  einer  unter  einer  bestimmtet 
Grenze  liegenden  Intensität  mit  zwei  Platinplatten,  die  in  Wasser  getaucht  sind,  in  Verbind*"! 
gebracht  wird,  zunächst  kein  elektrolytischer  Widerstand  vorhanden  ist;  und  der  zerseUewie 
Strom  geht  mit  stetig  sinkender  Stärke  durch,  bis  die  Elektroden  durch  den  abgeschieden» 
Sauerstoff  und  Wasserstoff  in  einen  gewissen  Zustand  gebracht  worden  sind,  so  dass  sie  afc 
dem  Wasser  dazwischen  eine  Widerstandskraft  ausüben,  welche  der  eines  Elektromotors  stk* 
nahe  ist,  worauf  ein  sehr  geschwächter  Strom  von  gleichförmiger  Starke  durchgeht,  ob*  j 
weitere  Zersetzung  zu  bewirken.  Ich  hoffe  binnen  Kurzem  einen  Bericht  über  einige  Versack« 
mittheilen  zu  können,  welche  ich  zur  Erläuterung  dieses  Verhaltens  angestellt  habe." 


J 


Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie.  78 1 


//=  Ry*;  (7) 

r  aber  nicht  sicher  sind,  dass  der  gesammte  Widerstand  von  der  Strom- 
unabhängig  ist,  wenn  sich  eine  elektrolytische  Flüssigkeit  im  Strom- 
befindet,  so   dürfen   wir   R   nicht   als  constant  annehmen.     In  dem 
stehenden  ist  über  R  nur  angenommen  worden,   dass  es  in  allen  vor- 
lenden  Fällen  weder  unendlich  gross,  noch  unendlich  klein  wird. 

,7)  Setzen  wir  die  Ausdrücke  (3),  (4)  und  (6),  (7)  für  die  drei  Werthe 
rsprünglichen  Gleichung  (1)  ein,  so  haben  wir: 

Ryt  =  i^!^.  _  0srt  (g) 

is  sich  ergiebt: 

r  =  1 — -j- (9) 

,8)  Aus  dem  Resultat  wird  ersichtlich,  dass,  je  nachdem  der  Werth 
Winkelgeschwindigkeit  der  Scheibe  über  oder  unter  einem  gewissen 
he  ii  ist,  welcher  durch  die  Gleichung: 

0  =  rü  (IO) 

nmt  ist,  der  Werth  von  y  positiv  oder  negativ  wird;  und  daraus 
issen  wir,  dass,  wenn  die  Winkelgeschwindigkeit  genau  diesen  Werth 
die  elektromotorische  Intensität  der  Scheibe  genau  gleich  ist  der  ent- 
igerichteten  elektromotorischen  Kraft,  welche  auf  die  festen  Drähte 
1  den  elektrochemischen  Apparat,  mit  dem  sie  verbunden  sind,  aus- 
t  wird. 

„Nehmen  wir  als  Einheit  der  elektromotorischen  Intensität  die  an,  welche 
^eiter  von  der  Längeneinheit  hervorbringt,  wenn  er  durch  ein  magne- 
es  Feld  von  der  Einheit  der  Stärke  mit  der  Einheit  der  Geschwindigkeit 
ner  Richtung  bewegt  wird,  welche  senkrecht  auf  seiner  eigenen  Länge 
auf  den  Kraftlinien  des  Feldes  ist,  so  kann  leicht  bewiesen  werden, 
die  elektromotorische  Kraft  der  Scheibe  unter  den  angegebenen  Um- 
len  durch  die  Gleichung  gegeben  ist: 

i=*\r*Fw.  (11) 

in  daher  /  die  elektromotorische  Kraft  der  Scheibe  bezeichnet,  wenn  sie 
de  die  des  elektrochemischen  Apparates  aufhebt,  so  haben  wir  nach  (10): 

1=706.  (12) 

„Diese   Gleichung    enthält    einen   allgemeinen   Ausdruck  für  den   schon 

e  von  Joule  ausgesprochenen  Satz,    dass  die  von  verschiedenen  chemi- 

n   Verbindungen  entwickelten   Wärmemengen   für  elektrisch   äquivalente 

gen  der  chemischen  Wirkung  proportional  der  Intensität  der  galvanischen 

•rdnungen   sind,    welche  das  Stattfinden   der  Verbindungen  ermöglichen, 

e  dass  in   ihnen   irgend   eine  Wärmeentwickelung  eintritt,    und  der  Satz 

n  allgemein  folgendermaassen  ausgesprochen  werden: 

„Die  Intensität  eines  elektrochemischen  Apparates   ist   in   ab- 


782  Fünfzehntes  Kapitel. 


solutem  Maasse  gleich  dem  mechanischen  Äquivalent  der  chemi- 
schen Wirkung  von  solchem  Betrage,  als  mit  einem  Strome  toi 
der  Einheit  der  Stärke  in  der  Einheit  der  Zeit  stattfindet" 

W.  Thomson    schliesst   an    diese  Darlegung  einige  Betrachtungen  über] 
das  Verhalten  der  geschilderten  Maschine,   welche  uns  hier  nicht  weiter 
beschäftigen   haben,    und   berechnet   dann    aus   thermischen  Angaben 
Beobachtungen  von  Joule  die  elektromotorische  „Intensität",  d.  h.  die  el( 
motorische  Kraft  der  DANiELi/schen  Zelle   in  absolutem  Maasse.     Zu  einer] 
Prüfung  des  ausgesprochenen  Proportionalitätsgesetzes  fehlten  die  Unterlagen. 
Leider  hat  er  sich  nicht  entschliessen  können,    die  von   den  Schöpfern  der] 
absoluten  Methode,  Gauss  und  Weber,  eingeführten  Einheiten  beizubehalten 
sondern  hat  englisches  Maass  und  Gewicht  benutzt,  wodurch  die  allgemeii 
Einführung  des  Verfahrens  wohl    unzweifelhaft    nicht    gefordert    worden  ist] 
Die  Art  und  Weise  einer  solchen  Berechnung  theilt  er  dann  in  einem 
hange  ausführlich  mit. 

Die  hier  in  ihren  wesentlichsten  Theilen  wiedergegebene  Arbeit  ist 
Zeit  hindurch  die  Grundlage  für  die  theoretische  Berechnung  der  elel 
motorischen  Kräfte  galvanischer  Ketten  aus  thermochemischen  Daten 
wesen.  Sie  enthält  unter  einer  etwas  abweichenden  Gestalt  den  glei< 
Gedankengang,  welchen  Helmholtz  in  seiner  Schrift  über  die  Erhaltung 
Kraft  gegeben  hatte,  ist  aber  viel  bekannter  geworden,  als  jene  um 
Jahre  ältere  Darlegung,  wohl  infolge  ihrer  für  die  rechnerische  Anwendi  ^ 
eher  geeigneten  Form.  Zur  Sache  muss  schon  hier  erwähnt  werden,  daem 
die  ausdrücklich  ausgesprochene  Voraussetzung,  es  dürfe  keine  lokale  Wärme- 
entwickelung stattfinden,  im  Allgemeinen  nicht  erfüllbar  ist.  Aus  dem  Zttjj 
sammenhange  der  oben  angegebenen  Stelle  scheint  hervorzugehen,  da4 
Thomson  hier  eher  die  durch  örtliche  chemische  Vorgänge  ohne  Mitwirkung 
des  Stromes  entstehenden  Reaktionen,  z.  B.  die  Auflösung  des  gewöhnlich« 
Zinks  in  Säuren  vor  dem  Schlüsse  des  Stromes,  gemeint  hat;  aber  aucfl 
wenn  solche  Nebenwirkungen  ausgeschlossen  sind,  hat  es  sich  in  der  Folgl 
erwiesen,  dass  an  den  Elektroden  durch  die  Stromwirkung  selbst  Warn»" 
Wirkungen  stattfinden,  deren  Vorhandensein  gleichfalls  die  unmittelbare  Am 
wendung  jener  Betrachtung  unzulässig  macht.  Doch  gehört  die  Erörtern^ 
der  hier  anzubringenden  Verbesserung  in  ein  späteres  Kapitel  unserer  GÄ 
schichte.  * 

In  der  oben  gegebenen  Darstellungsweise  erscheint  die  BeweisfiihruflJ 
verwickelter  und  undurchsichtiger,  als  in  der  Natur  der  Sache  liegt,  wil 
denn  allgemein  die  einfachste  Gestaltung  einer  wissenschaftlichen  Erkenntnis 
eine  ganz  andere  Aufgabe  ist,  als  ihre  Entdeckung.  Bezeichnen  wir  mit  1 
die  Elektricitätsmenge,  welche  mit  einem  Gramm  Wasserstoff  oder  eine! 
äquivalenten  Menge  eines  anderen  Ions  verbunden  ist,  so  dass  beim  Dufdl 
gang  dieser  Elektricitätsmenge  durch  einen  beliebigen  Elektrolyten  ein  Gramd^ 
Äquivalent  des  betreffenden  Ions  ausgeschieden  oder  aufgenommen  wird,  st 
ist  die  elektrische  Arbeit  oder  Energie,   welche   eine  solche  Menge  leistet 


Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie.  783 


gleich  6«,  wo  ^  die  elektromotorische  Kraft  bedeutet,  indem  jede 
•che  Energie  gleich  dem  Produkte  der  Elektricitätsmenge  in  die  Span- 
st,  welche  diese  verliert  oder  gewinnt.  Macht  man  die  oben  erwähnte 
Setzung,  dass  die  durch  die  Wärmemenge  H  gemessene  chemische 
ty  die  bei  dem  entsprechenden  chemischen  Vorgange  entwickelt  wird, 
»llständig  in  elektrische  Energie  verwandelt,  so  muss  die  Gleichung  be- 

sich  unmittelbar: 

H 
n  =  — 

6 

Da  nun  nach  dem  FARADAY^schen  Gesetz  6  einen  constanten  Werth 
ctrochemisch  äquivalente  Ionenmengen  hat,  so  besagt  der  Satz  die 
ule  ausgesprochene  Proportionalität  zwischen  der  elektromotorischen 

nnd  der  Wärmeentwickelung  H,  und  giebt  gleichzeitig,  wenn  alle 
menden  Grössen  in  absolutem  Maasse  ausgedrückt  sind,  die  einfache 
ge    für   die    rechnerische    Bestimmung   der   elektromotorischen   Kraft 

Wärmetönung  und  umgekehrt.  Gleichzeitig  sieht  man,  dass,  wenn 
lachte  Voraussetzung,  dass  alle  Wärme  in  elektrische  Energie  über- 
icht  erfüllt  ist,  die  elektromotorische  Kraft  grösser  oder  kleiner  ist, 
berechnete,  je  nachdem  die  Kette  sich  beim  Stromdurchgange  ab- 
ier erwärmt,  indem  im  ersten  Falle  eine  grössere  Menge  elektrischer 

erscheint,  als  durch  die  Reaktionswärme  gedeckt  wird,  so  dass  der 
:  Wärme  aus  der  Umgebung  aufnehmen  muss,  und  umgekehrt, 
ss   die  ältere  Ableitung  so  viel   verwickelter   aussieht,    als    die    eben 
te,  liegt  daran,  dass  um  jene  Zeit  es  nöthig  war,  erst  an  einem  Bei- 
tchzuweisen,    in    welcher    Art    eine    chemische    und    eine    elektrische 

in  einander    überfuhrbar    und    mit    einander    in  Zusammenhang  zu 

sind;  die  Verwickelung  liegt  nur  in  der  Hineinnahme  dieser  Dar- 
in den  Ansatz,  denn  sachlich  erhält  er  denselben  Gedanken,  der 
ti  möglichst  kurzer  Gestalt  zur  Anschauung  gebracht  worden  ist. 
Joule's  spätere  Arbeiten.  Die  in  der  älteren  Arbeit  von  1841 
:nen  Versuche  wurden  von  Joule  später  mit  grosser  Sorgfalt  fort- 
1  das  Ergebniss  derselben  theilte  er  der  Pariser  Akademie  im  Jahre 
m  Zwecke  einer  Preisbewerbung  mit,    ohne   dass  die  Arbeit  jedoch 

erreichte.  Die  Abhandlung  war  als  eine  Methode  zur  Bestimmung 
rmeentwickelung  bei  chemischen  Vorgängen  gedacht;  gegenwärtig 
*  Interesse  wesentlich  nach  der  umgekehrten  Richtung,  bezüglich 
ammenhanges   zwischen    den   thermischen   und  elektrischen  Erschei- 

le  beginnt  mit  der  Wiederholung  der  folgenden  drei  Sätze,  welche 
Jetrachtungen  zu  Grunde  liegen,  und  welche  er  bereits  früher2  aus- 
len  hatte: 


üios.  Mag.  (4)  3,  481.   1852. 

em.  of  the  Lit.  and  Philos.  Soc.  of  Manchester  (3),  19,   275. 


784  Fünfzehntes  Kapitel. 

,,i)  Dass  der  Leitungswiderstand  fester  oder  flüssiger  Leiter  die  lufr 
wickelung  einer  Wärmemenge  veranlasst,  welche  für  eine  gegebene  Zeit  4c 
Grösse  des  Leitungswiderstandes  und  dem  Quadrat  der  durchgelassa» 
Elektricität  proportional,  ist. 

„2)  Dass  der  Widerstand  gegen  Elektrolyse,  welchen  das  Was» 
leistet,  keine  Ursache  für  die  Wärmeentwickelung  in  der  Zersetzungszdk 
giebt.  Gleichzeitig  wird  die  gesammte  Wärmemenge,  die  in  dem  gan&t 
Stromkreise  entwickelt  wird,  wegen  der  Verminderung  der  elektromotorischei 
Kraft  des  Stromes  infolge  des  Widerstandes  gegen  die  Elektrolyse  kleiner. 
Es  ist  vernünftig,  anzunehmen,  dass  die  Verminderung  der  vom  Strome 
entwickelten  Wärme  durch  die  Wärmeabsorption  in  der  Zersetzungszelle  ve* 
ursacht  ist. 

„3)  Dass  der  durch  die  RrrrER'sche  Polarisation  verursachte  Widerstand 
.  eine  Wärmeentwickelung  an  der  Oberfläche  hervorruft,  an  welcher  diese 
Erscheinung  stattfindet;  und  so  geschieht  es,  dass  die  Verminderung  der 
Wärmeentwickelung  infolge  der  verminderten  Intensität  der  Säule  genau 
compensirt  wird,  so  dass  die  gesammte  Wärme,  welche  in  dem  ganzen 
Stromkreise  entwickelt  wird,  aus  den  chemischen  Vorgängen  in  der  Säule 
berechnet  werden  kann,  als  wenn  keine  Polarisation  vorhanden  wäre." 

Bei  diesen  drei  Sätzen  handelt  es  sich  um  die  einfache  Beziehung 
dass  die  gesammte  durch  einen  bestimmten  chemischen  Vorgang  gegebeoe 
Wärmeentwickelung  sich  schliesslich  in  dem  Stromkreise  wiederfinden  muss, 
und  zwar  in  den  Leitern  als  infolge  des  Widerstandes  entwickelte  Wärme, 
während  für  die  am  Orte  des  chemischen  Vorganges  entwickelte  Wärme 
die  Voraussetzung  gemacht  wird,  dass  sie  sich  vollständig  in  elektrische 
Energie  verwandelt.  Die  thatsächlichen  Verhältnisse,  wie  sie  sich  später 
herausgestellt  haben,  entsprechen  völlig  dem  ersten  Theil  der  Voraus- 
setzung, da  dieser  ein  einfacher  Ausdruck  des  Gesetzes  von  der  Erhaltung 
der  Energie  ist,  dem  zufolge  die  durch  den  chemischen  Vorgang  er- 
haltene Wärme  davon  unabhängig  sein  muss,  ob  sie  unmittelbar  bei  dem 
Process  erhalten  worden  ist,  oder  ob  noch  die  Zwischenform  der  elektrischen 
Energie  vorhanden  gewesen  war.  Der  zweite  Theil  dagegen  ist  nicht  richtig, 
denn  eine  Zersetzungszelle  entwickelt  im  Allgemeinen  nicht  die  Wärmemenge, 
welche  ihrem  Widerstände  entspricht,  sondern  eine  andere,  welche  grösser, 
aber  auch  kleiner  sein  kann,  als  jene.  Dem  entsprechend  ist  auch  die  elek- 
tromotorische Gegenkraft  der  Polarisation  nicht,  wie  Joule  angenommen 
hatte,  der  entsprechenden  chemischen  Wärmeentwickelung  proportional.  Bei 
Joule  findet  sich  ausserdem  noch  die  Bezeichnung  der  Polarisation  als  eines 
Widerstandes,  wodurch  die  Darstellung  etwas  weniger  durchsichtig  wird. 

Die  Versuche  Joule's  enthalten  zunächst  sorgfältige  Bestimmungen  der 
Wärmeentwickelung,  welche  gemessene  Ströme  in  gemessenen  Widerständen 
hervorrufen,  um  auf  diese  als  Normen  die  späteren  Messungen  beziehen  xu 
können.  Dabei  ergab  sich  eine  erneute  Bestätigung  des  Gesetzes  der  gal- 
vanischen Wärmeentwickelung  für  einen  ziemlich  bedeutenden  Umfang  von 


Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie. 


785 


iedenen  Stromstärken  und  Widerständen.  Alsdann  ging  Joule  zu  seiner 
ichen  Aufgabe  über,  die  Verbindungswärme  der  Metalle  mit  Sauerstoff 
•und  der  oben  gegebenen  Annahmen  zu  bestimmen;  der  Gang  seiner 
:he  wird  aus  der  Beschreibung*  des  ersten,  die  ich  hier 
geben  will,  ersichtlich  werden: 

Ich  nahm  ein  Glasgefäss  (Fig.  201),  gefüllt  mit  3  Pfund 
Lösung,  die  aus  24  Theilen  Wasser,  7  Theilen  krystalli- 
Kupfervitriols  und  1  Theil  starker  Schwefelsäure  bestand, 
se  Lösung  wurden  zwei  Platten  gesenkt,  die  eine  von 
,  die  andere  von  Kupfer,  und  jede  war  mittelst  einer 
ne  mit  einem  dicken  Kupferdrahte  verbunden,  welcher 
lork  des  Gefässes  durchsetzte,  und  in  dem  Quecksilber- 
1  endete.     Ein  sehr  feines  Thermometer,   von  dem  jeder 


23*28 


Grad  Celsius  entsprach,  war  gleichfalls  im  Kork  be- 


Fig.   201. 
Nach  Joule. 


,  so  dass  seine  Kugel  sich  nahezu  in  der  Mitte  der  Flüs- 
t  befand.    Endlich  wurde  ein  gläserner  Rührer  b  eingeführt. 

,Die  Versuche  wurden  folgendermaassen  ausgeführt:    Eine 
au£   vier   grossen  DANiELi/schen  Zellen  wurde   mit   dem 
nometer  b  durch  zwei  dicke  Kupferdrähte  verbunden,  von 
t  der  eine  ganz,  der  andere  an  zwei  Quecksilbernäpfen  cc 
Drochen    war.     Die   Verbindung    zwischen    diesen   Quecksilbergefässen 
*  zuerst  durch  einen  kurzen   dicken  Kupferdraht   hergestellt,    und    die 
ikung  des  Galvanometers  beobachtet.     Die  durch  diese  Ablenkung  an- 
>ene  Stromstärke  werde  ich  A  nennen.     Nun  wurde  der  dicke  Kupfer- 
aus den  Näpfen  c  c  entfernt,  und  die  Normalwiderstandsrolle  aus  Silber 
n  Wasser  gehalten  wurde,  um  ihre  Erhitzung  zu  vermeiden)  wurde  an 
n  Stelle  gebracht,  und  die  Ablenkung  wieder  bemerkt.    Den  in  diesem 
*n  Falle   beobachteten  Strom  will   ich  B  nennen.     Die  Silberdrahtrolle 
e  nun   entfernt    und   an  ihre  Stelle  das  oben  beschriebene  Voltameter 
zt;  die  Elektrolyse  wurde  genau   10'  lang  ausgeführt,  wobei  der  Stand 
^adel  in   regelmässigen  Zwischenräumen  abgelesen  wurde.     Den  durch 
Beobachtung  gegebenen  Strom  will  ich   C  nennen.    Die  Ströme  B  und 
irden  dann  wieder  in  der  umgekehrten  Ordnung  beobachtet,  die  Mittel 
dieser  und  der  vorigen  Messung  genommen,   um  auf  diese  Art  etwaige 
.Tungen  in  der  Kraft  der  Säule  auszugleichen. 

„Die  Temperatur  der  Lösung  wurde  mit  den  gebräuchlichen  Vor- 
smaassregeln  beobachtet,  unmittelbar  vor  dem  Anfange  und  nach 
Ende  der  Elektrolyse.  Der  Betrag  der  Elektrolyse  wurde  aus  dem 
icht  der  negativen  Kupferelektrode  vor  und  nach  jedem  Versuch  be- 
ut. 

„Nennen  wir  x  den  Widerstand  eines  Metalldrahtes,  welcher  den  Strom 
leicher  Weise  schwächt,  wie  die  elektrolytische  Zelle,  indem  wir  den 
erstand  der  Rolle  Silberdraht  Eins  setzen,  so  haben  wir: 

st wald*,    Elektrochemie.  50 


ygg  Fünfzehntes  Kapitel. 

(A-  QB. 
(A-  B)C' 

und  dieser  Werth  giebt  mit  C  multiplicirt       "^  ^-  für  die  Wärmewirkunj 

des  Stromes  C,  welcher  durch  den  Draht  mit  dem  Widerstände  x  geht« 

Die  Wärmewirkung  der  Normalsilberdrahtrolle  wurde  durch  Versucht 
festgestellt,  die  an  dem  vorangegangenen  Tage  gemacht  worden  waren,  und 
ebensolche  wurden  an  dem  folgenden  Tage  angestellt  Dies  geschah,  um 
die  etwaige  Veränderlichkeit  des  Erdmagnetismus  auszuschalten.  Die  aus- 
führlichen Versuchszahlen  brauchen  nicht  mitgetheilt  zu  werden,  es  genügt 
die  Angabe,  dass  die  Ergebnisse  sich  von  der  Wahrheit  nicht  sehr  weit  ent- 
fernen. Die  bei  der  Zersetzung  des  Kupfersulfats  in  Metall,  Sauerstoff  und 
Schwefelsäure,  welches  der  im  Voltameter  stattfindende  chemische  Vorgab 
ist,  verbrauchte  Wärmemenge  findet  Joule,  in  die  gegenwärtig  benutzten 
Einheiten  übertragen,  gleich  527  AT,  während  aus  den  neueren  Messungen 
von  J.  Thomsen  560  K  folgt  Um  die  Oxydationswärme  des  Kupfers  zu  be- 
stimmen, maass  Joule  ausserdem  noch  die  bei  der  Verbindung  des  Kupfer- 
oxyds mit  Schwefelsäure  freiwerdende  WTärmemenge,  und  erhielt  nach  Abzug 
derselben  die  Oxydationswärme  des  Kupfers  zu  380  K,  welche  Zahl  von  der 
als  genau  anzusehenden  372  AT  noch  weniger  abweicht  Alle  diese  Werthe 
beziehen  sich  auf  ein  Verbindungsgewicht  oder  63,5  g  Kupfer,  und  die 
Wärmeeinheit  K  ist  die,  welche  1  g  Wasser  von  o°  bis  ioo°  erwärmt 

In  ähnlicher  Weise  führte  Joule  Messungen  über  die  Verbrennungswänne 
des  Zinks  und  des  Wasserstoffs  aus,  indem  er  Zinksulfat  und  verdünnte 
Schwefelsäure  elektrolysirte.  Das  Ergebniss  für  Zinkoxyd  ist  ziemlich  falsch, 
775  AT  statt  853;  dagegen  nähert  sich  das  für  Wasser  sehr  der  Wahrheit: 
671  K  statt  684. 

Da  bei  diesen  Berechnungen  nur  von  der  ersten  Voraussetzung,  der 
der  Erhaltung  der  Energie  Gebrauch  gemacht  worden  ist,  so  ist  das  Ver- 
fahren als  prinzipiell  einwurfsfrei  zu  bezeichnen,  und  wir  sehen  auch  hier 
Joule  auf  einem  damals  nur  von  wenigen  verstandenen  Wege  seine  Ergeb- 
nisse gewinnen.  Die  Bedeutung  dieses  Mannes  ist  fast  nur  in  der  Richtung 
bisher  gewürdigt  worden,  dass  er  als  der  Erste  genauere  experimentelle  Mes- 
sungen über  das  mechanische  Äquivalent  der  Wärme  angestellt  hat,  an 
dessen  Entdeckung  er  ein  selbständiges  Anrecht  hat,  wenn  auch  J.  R.  Mayer 
das  Gesetz  weiter  aufgefasst  und  früher  veröffentlicht  hat  Bei  Gelegenheit 
dieser  Arbeiten  lernen  wir  Joule  von  einer  neuen  Seite  schätzen,  von  der 
eines  selbständigen  Denkers  von  hervorragender  Originalität,  und  wir  er- 
halten gleichzeitig  einen  deutlichen  Einblick  in  seine  Gedankenwerkstatt, 
denn  gerade  diese  Untersuchungen  und  daran  sich  anschliessende  über  die 
Verwendung  von  Elektromagneten  zur  Erzeugung  mechanischer  Arbeit  hatten 
ihn  zu  seiner  grossen  Entdeckung  geführt. 

7.   Arbeiten  von  J.  Bosscha.     Die  von  Joule  und  William  Thomsos 
gegebene  Anregung  blieb  recht  lange  Zeit  ohne  Nachfolge;   erst  im  Jahre 


Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie.  737 


wurde  durch  den  holländischen  Physiker  Bosscha  in  Leiden1  eine  er- 
Untersuchung darüber  angestellt,  ob  die  von  den  Genannten  gemachten 
ssetzungen  sich  mit  der  Wirklichkeit  decken.     Bei  dieser  Gelegenheit 
e  sich  wie  häufig  der  petrificirende  Einfluss  geltend,  welcher  den  Über- 
eines  wissenschaftlichen  Gedankens  aus  der  ersten  Hand  in  die  zweite 
:et:   während  Helmholtz  und  Thomson  es   noch  unbestimmt  gelassen 
,  ob  wirklich  alle  durch  den  chemischen  Vorgang  entwickelte  Energie 
inerhalb  der  Kette  in   elektrische   umwandelt,   betrachtet  Bosscha  es 
sowohl  als  seine  Aufgabe,  diese  Voraussetzung  zu  prüfen,  als  vielmehr, 
beweisen.     Naturgemäss  bezogen  sich  seine  ersten  Messungen  auf  die 
mmenste   der   damals   bekannten   Ketten,   die   ÜANiELi/sche,   und   bei 
fand  er,  den  Thatsachen  gemäss,  allerdings  die  chemische  Energie  so 
gleich  der  elektrischen,  dass  er  die  noch  vorhandenen  Unterschiede  als 
chsfehler  auffassen  zu  dürfen  glaubte.     Als  er  dann  in  der  Folge2  mit 
tn   Thatsachen   bekannt   wurde,   welche   zu   der  Voraussetzung   nicht 
en  wollten,  so  untersuchte  er  nicht  deren  Haltbarkeit,  sondern  ersann 
\nzahl  besonderer  neuer  Annahmen,  welche  die  Thatsachen  mit  jener 
lssetzung  in  Übereinstimmung  bringen'  sollten. 

Da  ähnliche  Vorgänge  sich  in  der  Entwickelungsgeschichte  der  Wissen- 

:  beständig  wiederholen,  ist  es  von  Werth,  in  den  einzelnen  Fällen  ihre 

laffenheit    etwas    eingehender    zu    untersuchen.     Fast    immer   könnten 

s  Missgriffe  vermieden  werden,  wenn  man  sich  die  Mühe  nähme,  die 

ichlich   gemachten   Voraussetzungen   ausdrücklich    auszusprechen.     Die 

;ch  gegebene  Notwendigkeit,  sich  diese  wenigstens  vor  Augen  zu  fuhren, 

e  in  vielen  Fällen  vor  entsprechenden  Missgriffen  unmittelbar  bewahren; 

kommt  der  wesentliche  Vortheil,  dass  dadurch,  wenn  auch  nicht  der 

r,  so  doch  der  eine  oder  andere  Leser  dazu  angeregt  wird,  die  Zulässig- 

derselben  zu  prüfen.     Indessen  ist  die  mit  der  Erfassung  eines  wesent- 

i  Fortschrittes  der  Wissenschaft  verbundene  Mühe  für  die  meisten  so 

i,   dass  nach  der  Erreichung  dieses  Zieles  des  Verständnisses  Kraft 

Lust  zur  Prüfung  des  Bodens,  auf  welchem  es  begründet  worden  ist, 

Wanderer  ausgegangen  sind,  und  er  empfindet  es  als  eine  Belästigung, 

1  an  ihn  die  Anforderung  gestellt  wird,  auf  dem  Gipfel,  den  er  mit  so 

ser  Anstrengung  erklommen  hat,  auch  noch  Untersuchungen  vorzuneh- 

,  ob  er  aus  festem  Felsen,  oder  veränderlichem  Eis  und  Schnee  besteht. 

In    seiner   zweiten  Mittheilung  geht  Bosscha  auf  die   elektromotorische 

"t  anderer  Zusammenstellungen  ein,  und  findet  da  manche  Widersprüche 

chen  der  aus  der  chemischen  Wärme  berechneten   und  der  thatsäqhlich 

>achteten    elektromotorischen  Kraft.     So  ergiebt  sich   aus  den  verschie- 

:n    Beobachtungen    der   bei    der  Elektrolyse    des  Wassers   entstehenden 

risation,  dass  diese  rund  2,3  Mal  so  gross  gefunden  wird,   als  die  elek- 

lotorische   Kraft    eines    ÖANiELi/schen   Elementes.      Berechnet    man    die 


1  Pogg.  Ann.  101,  517.  1857.  *  Pogg.  Ann.  103,  487.  1858. 

50* 


ygg  Fünfzehntes  Kapitel. 

Wärmeentwickelung,  welche  dieser  elektromotorischen  Kraft  entsprecht 
würde,  so  erhält  man  viel  zu  grosse  Zahlen  gegenüber  der  unmittelbar  be- 
stimmten Verbrennungswärme  des  Wasserstoffs  im  Sauerstoff.  Die  beiden 
Werthe  stehen  im  Verhältniss  114:71.  „Wie  seltsam  auch  dies  Resultat 
auf  den  ersten  Blick  erscheinen  mag,  so  glaube  ich  doch  nicht,  dass  es 
schwer  hält,  eine  Erklärung  davon  zu  finden.  In  der  That,  die  Gase,  welche 
sich  bei  der  Elektrolyse  des  Wassers  entwickeln,  besitzen  andere  Eigen- 
schaften, als  die,  welche  Favre  und  Silbermann  in  ihren  Calorimetern  ver- 
brannten. Der  bei  der  Elektrolyse  in  Freiheit  gesetzte  Sauerstoff  bildet  jene 
Modification,  welche  man  mit  dem  Namen  Ozon  oder  als  aktiven  Sauerstoff 
bezeichnet  hat.  Der  gleichfalls  im  Statu  nascendi  entwickelte  W asserstoff  kann 
bei  Metallsalzen  Reductionen  hervorbringen,  welche  der  gewöhnliche  Wasser- 
stoff nicht  zu  Stande  bringt.  Die  Gase  also,  welche  durch  Elektrolyse  in 
Freiheit  gesetzt  werden,  charakterisiren  sich  durch  eine  grössere  chemische 
Verwandtschaft.  Nun  ist  ganz  unbestreitbar,  dass  eine  chemische  Verbin- 
dung eine  desto  stärkere  Wärmeentwickelung  liefert,  je  grösser  die  Ver- 
wandtschaft der  sich  vereinigenden  Substanzen  ist.  Man  konnte  also  im 
Voraus  erwarten,  dass  die  durch  die  elektromotorische  Kraft  des  Polarisa- 
tionsstromes bestimmte  Verbindungswärme  der  aktiven  Gase  grösser  sein 
werde,  als  die,  welche  die  Herren  Favre  und  Silbermann  fanden,  als  sie 
diese  Gase  sich  im  gewöhnlichen  Zustande  verbinden  Hessen.  Nach  diesen 
Erklärungen  würde  die  durch  unsere  Messungen  gelieferte  Zahl  das  elektro- 
thermische  Äquivalent  der  Verbindung  von  Wasserstoff  und  Sauerstoff  im 
aktiven  oder  Entstehungszustande  vorstellen." 

In  den  vorstehenden  Darlegungen  ist  so  gut  wie  alles  fehlerhaft,  und 
es  ist  um  so  wichtiger,  schon  hier  auf  die  zweifelhaften  Bestandtheile  dieser 
Argumentation  hinzuweisen,  als  die  hier  gegebene  Auffassung  die  Wissen- 
schaft lange  Zeit  beherrscht  hat,  und  vermuthlich  auch  noch  heute  eine 
Anzahl  Vertreter  besitzt.  Zunächst  ist  die  Zahl  für  die  elektromotorische 
Kraft  der  Polarisation,  von  welcher  ausgegangen  wird,  keine  richtige.  Sie 
stellt  die  Polarisation  in  dem  Falle  dar,  wo  ein  mehr  oder  weniger  starker 
Strom  durch  die  Lösung  geht;  nun  ist  aber  die  Polarisation  von  der  Strom- 
stärke abhängig,  und  es  muss  zuerst  festgestellt  werden,  welcher  Werth 
eigentlich  als  der  richtige  den  Rechnungen  zu  Grunde  zu  legen  ist  Die 
Forschungen  der  neuesten  Zeit  haben  gelehrt,  dass  in  der  That  die  Polari- 
sation mehr  als  zweimal  zu  hoch  geschätzt  worden  ist,  und  dass  eine  dauernde 
Zersetzung  des  Wassers  (unter  Ausschluss  seeundärer  Vorgänge)  bei  einer 
elektromotorischen  Kraft  möglich  ist,  welche  der  eines  DaNiELi/schen  Ele- 
mentes nahe  liegt. 

Ein  zweiter  bedenklicher  Schritt  ist  die  Einfuhrung  zweier  Arten  von 
chemischen  Vorgängen  an  der  Elektrode:  solcher,  welche  mit  dem  Strome 
verknüpft  sind,  und  solcher,  welche  davon  unabhängig  sind.  Zwar  hat 
Hosscha  hier  einen  sehr  hochstehenden  Vorgänger,  nämlich  Faraday,  von 
dem  die  Unters^^ung  primärer  und  seeundärer  Vorgänge  an   den  Elek- 


Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie.  789 


a  herrührt;  nichtsdestoweniger  hat  sich  durch  diese  Idee  ein  immer 
er  Ausweg  gezeigt,  Widersprüche  zwischen  der  Annahme  der  vollstän- 

Umwandlung  der  chemischen  Energie .  in  elektrische  durch  den  Hinweis 
ie  Möglichkeit  solcher  Nebenwirkungen  formell  zu  beseitigen.  Hierbei 
ich  fast  immer  eine  seltsame  Umkehrung  der  logischen  Forderungen 
Beweises  geltend  gemacht,  denn  die  Vertreter  solcher  Ansichten  hielten 
Aufgabe  meist  für  erledigt,  wenn  sie  darauf  hingewiesen  hatten,  dass 
>rhandenen  Unterschiede  durch  Nebenreaktionen  erklärt  werden  könnten, 
zahlenmässigen  Beweis,  dass  in  der  That  die  vorausgesetzten  Neben- 
onen  gerade  die  erforderliche  Wärmeentwickelung  geben,  haben  sie 
owenig  anzutreten  versucht,  wie  hier  ihr  Vorgänger,  sondern  im  Gegen- 
von  der  anderen  Seite  verlangt,   sie  sollten  beweisen,    dass  überhaupt 

Nebenreaktionen  stattfinden,  was  bei  der  Unbestimmtheit  dieses  Be- 
s  allerdings  nicht  wohl  auszufuhren  war. 

Sachlich  sei  noch  zu  dem  bestimmten  Falle  bemerkt,  dass  das  Ozon 
als  geringfügiges  Nebenprodukt  bei  der  Elektrolyse  auftritt,  und  dass 
Annahme,  aller  Sauerstoff  entstehe  in  der  Gestalt  von  Ozon,  eine  will- 
:he  und  unbewiesene  Voraussetzung  ist.  Die  Existenz  eines  Ozonwasser- 
s  ist  zwar  von  Osann  behauptet  worden,  der  Beweis  konnte  aber  nicht 
irt  werden,  und  in  der  That  kann  der  gewöhnliche  Wasserstoff  alles 
n,  was  der  elektrolytische  thut. 

Für  die  kautschukartige  Natur  der  gegebenen  „Erklärung"  findet  sich 
ld  in  der  Abhandlung  ein  Nachweis.  Bosscha  geht  auf  den  Umstand 
dass  die  Polarisation  verschieden  gefunden  worden  sei.    „Es  scheint  mir 

schwierig,  dies  Phänomen  zu  erklären.    Wir  haben  angenommen,  dass 

Verlust  oder  Gewinn  an  Spannkraft  oder  lebendiger  Kraft,  welcher  an 
Oberfläche  der  Elektroden  stattfindet,  die  elektromotorische  Kraft  modi- 
n  müsse.  Ebenso  wie  die  Aktivität  der  durch  die  Elektrolyse  ent- 
elten  Gase  die  elektromotorische  Kraft  des  Polarisationsstromes  erhöht, 
so  muss  die  Zurückführung  der  Gase  in  den  gewöhnlichen  Zustand, 
1  sie  an  der  Oberfläche  der  Elektroden  geschieht,  den  Werth  von  p 
Polarisation)  verringern."  Auf  die  Schwierigkeit,  dass  gleichzeitig  an 
elben  Elektrode  die  höhere  Polarisation,  welche  durch  die  Ozonbildung 
ngt  ist,  und  die  niedere,  welche  durch  die  Rückverwandlung  des  Ozons 
ewohnlichen  Sauerstoff  bedingt  ist,  bestehen  soll,  ist  nicht  eingegangen 
den.  Es  müsste  denn  weiter  die  Annahme  gemacht  werden,  dass  je 
1  der  Stromstärke  ein  Theil  der  Gase  in  dem  einen,  und  der  andere 
il  in  dem  anderen  Zustande  abgeschieden  wird. 

Weiter  geht  Bosscha  auf  den  Schluss  aus  seinen  Voraussetzungen  ein,  dass 
elektromotorische  Kraft  verschiedener  Ketten,  in  denen  der  gleiche  chemi- 
1  Vorgang  stattfindet,  z.  B.  solcher  aus  Zink  und  einem  anderen  Metall  in 
ren,  gleich  gross  sein  müsse,  wie  auch  Svanberg  angab,  gefunden  zu  haben.1 

1  Pogg.  Ann.  73,  298.   1848. 


7QO  Fünfzehntes  Kapitel. 


Hier  zeigt  er  indessen  eine  anerkennenswerthe  Objectivität  des  Urthdkv 
indem  er  diese  Angabe  in  Zweifel  zieht,  und  durch  den  Versuch  thatsadt» 
liehe  Verschiedenheiten  ermittelt.  Die  Erklärung  wird  auf  ähnlichem  Wep 
gesucht:  es  wird,  wie  schon  William  Thomson  angedeutet  hatte,  angenoo- 
men,  dass  der  Entwickelung  des  Wasserstoffes  an  verschiedenen  Metalki 
ein  von  der  Natur  desselben  abhängiger  Widerstand  sich  entgegensetze,  iw 
dem  die  Unterschiede  herrühren. 

8.   Die  thermochemischen  Forschungen.    P.  Favre.     Die  weitere 
Entwickelung  der  von  Joule,  Helmholtz  und  W.  Thomson  angeregten  Ideei 
war  im  höchsten  Maasse  davon  abhängig,  dass  die  maassgebenden  Grössen, 
die  Wärmeentwickelungen  bei  chemischen  Vorgängen,  einer  genaueren  Unter- 
suchung unterzogen  wurden.     Die  Geschichte  dieses   interessanten  Kapitels  i 
kann  an  dieser  Stelle   nicht   gegeben   werden,    es  sei  nur  so  viel  erwähnt, 
dass,  nachdem  aus  dem  Anfange  des  Jahrhunderts  einzelne  Messungen  von 
Lavoisier   und  Laplace,   sowie   dem  Grafen  Rumford   vorlagen,   lange  Zeit 
keine  weiteren  Untersuchungen  über  diesen  Gegenstand  vorgenommen  wurden. 
Erst  1823  stellte  die  Pariser  Akademie  eine  Preisfrage  über  die  Quellender 
thierischen  Wärme,  bei  welcher  Gelegenheit  C.  S.  Despretz,1  welcher  auch 
den  Preis  erhielt,   einige  Bestimmungen  über  die  Verbrennungswärmen  der 
in  Betracht  kommenden  Stoffe  ausgeführt  hat,  die  er  später  auch  auf  Metalle 
ausdehnte.     Später  folgte  Dulong,    dessen  Versuche  aber  erst  nach  seinein 
Tode  herausgegeben  wurden.3 

Der  erste,  welcher  systematische  Messungen  auf  Grund  richtiger  Prinapien 
vornahm,  war  dann  G.  H.  Hess,  dessen  Arbeiten  im  Jahre  1839  begannen,8  und 
die  ihn  noch  vor  der  Aufstellung  des  Gesetzes  von  der  Erhaltung  der  Energie 
zu  der  Aufstellung  des  Gesetzes  von  den  constanten  Wärmesummen  führten, 
welches  nichts  als  eine  Vorausnahme  eines  Theiles  jenes  allgemeinen  Gesetxes 
ist.  Die  Entdeckung  von  Hess  besagt  nämlich,  dass  die  gesammte  Wärme- 
menge, welche  bei  einem  chemischen  Vorgange  entwickelt  wird,  nur  vom 
Anfang  und  Ende  dieses  Vorganges  abhängt,  nicht  aber  von  den  Zwischen- 
stufen, welche  der  Vorgang  durchläuft.4 

Fast  gleichzeitig  mit  den  Arbeiten  von  Hess  erschienen  dann  die  thermo- 
chemischen Untersuchungen  von  Andrews6  und  Graham,6  welche  einzelne 
besondere  Fragen  betrafen.     Von  viel  grösserer  Bedeutung  waren  die  1 


1  Ann.  chim.  phys.  26,  337.   1824.  —  Rech.  exp.  sur  les  causes  de  la  chaleur  aninufc 
Paris  2824.     (Die  Abhandlung  in  den  Ann.  chim.  phys.  ist  unvollständig.) 

*  Comptes  rendus   7,  871.   1838. 

9  Zusammen    abgedruckt    im    9.    Bande    der    „Klassiker    der    exakten    Wissenschaften "♦ 
Leipzig  1890. 

4  Der  Satz  ist  nur  richtig,  wenn  der  Druck,  unter  welchem  alle  Reaktionen  erfolgen,  der 
gleiche  ist.    Ein  besonderer  Fall  ist  der,  dass  keine  Volumänderung  stattfindet,  und  somit  über- 
haupt  keine  äussere  Arbeit  geleistet  wird.     Die  erste  Bedingung  war  von  Hess  immer  einge- 
halten worden,  wenn  er  ihre  Nothwendigkeit  auch  nicht  gekannt  hat. 

5  Trans.  Irish  Acad.  19,  228.   1841  u.  ff. 

6  Chem.  Soc.  Mem.  1,  106.  1841—43.  —  Journ.  f.  prakt.  Chem.  80,  152.  1843  *•  ^ • 


Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie.  ng  \ 


inenen  Arbeiten  von  Favre  und  Silbermann,1  durch  welche  ein  unge- 
ausgedehntes,  wenn  auch  nicht  immer  fehlerfreies  Versuchsmaterial 
Vissenschaft  zugänglich  gemacht  wurde.  Auf  diese  Arbeiten  haben 
dann  noch  ziemlich  lange  Zeit  die  Rechnungen  in  unserem  Gebiete 
tzt,  bis  später  durch  die  Forschungen  von  Julius  Thomsen  und  Mar- 
*  Berthelot  die  Grundlagen  unserer  gegenwärtigen  Kenntnisse  in  diesem 
*te  gelegt  wurden. 

Von  den  beiden  oben  genannten  Forschern  ist  Pierre  Favre  für  uns 
rch  von  besonderer  Bedeutung,  dass  er  die  Wärmeerscheinungen  bei 
VoLTA'schen  Ketten  zum  Gegenstande  sehr  ausgedehnter  Arbeiten 
tte.  Waren  auch  durch  Joule  die  grundlegenden  Verhältnisse  bereits 
elegt  worden,  so  gab  es  doch  noch  im  Einzelnen  sehr  viel  zu  arbeiten, 
diesen  Aufgaben  hat  sich  unser  Forscher  mit  der  grössten  Ausdauer 
•zogen. 

Pierre  Antoine  Favre  ist  am  20.  Februar  181 3  in  Lyon  geboren.    Seine 

jnschaftliche  Ausbildung  erhielt  er  durch  Peligot,  dessen  Assistent  am 

>ervatoire  des  Arts  et  Metiers  er  nach  kurzer  Zwischenthätigkeit  im  phy- 

gischen  Gebiete  wurde.     Während  dieser  Stellung  befreundete  er  sich 

Silbermann,   welcher   gleichzeitig   am   physikalischen   Institut   derselben 

talt  unter  Pouillet  Assistent  war,  und  beide  vereinigten  sich  zu  der  aus-? 

Anten  Arbeit  über  die  Wärmeentwickelungen  bei  chemischen  Vorgängen, 

:he  die  erste  weitumfassende  Untersuchung  dieser  Art  war.    Auch  in  der 

je  blieb  Favre  diesem  Gebiete  getreu,  und  hat  darin  bis  zu  seinem  Ende 

•beitet    Er  wurde  nacheinander  Professor  an  der  Facult£  de  Mtedecine  in 

s,  Professor  der  Chemie  an  der  Facult£  des  Sciences  in  Marseille  und 

ren  derselben  Facultät.    1878  musste  er  wegen  Krankheit  seine  Stellungen 

jeben,  und  verschied   nach  langem  Leiden  in  Marseille  am   17.  Februar 

o  im  Alter  von  67  Jahren.2 

Bereits  in  der  gemeinsam  mit  Silbermann  ausgeführten  Arbeit  hatte 
rKE  auch  die  Verhältnisse  der  VoLTA'schen  Kette  berücksichtigt;  genauer 
g  er  auf  sie  1853 3  ein.  An  diese  Mittheilung  schloss  sich  eine  Reihe 
terer  kleinerer  Aufsätze  in  den  Comptes  rendus  vom  Jahre  1854  an, 
che  zu  einer  Gesammtarbeit  zusammengefasst  in  den  Memoires  der 
ademie  des  Sciences,  Bd.  25,   1877,  veröffentlicht  wurden. 

Die  ersten  Versuche  beziehen  sich  auf  die  Frage,  ob  das  Gesetz  von 
-  Erhaltung  der  Energie  sich  auch  bei  den  hydroelektrischen  Erscheinungen 
itätigt.  Es  wurde  eine  Kette  in  das  Quecksilbercalorimeter  gebracht,  und 
entwickelte  Wärme  gemessen,  indem  einmal  die  beiden  Elektroden  nur 
-ch  einen  kurzen,  praktisch  widerstandsfreien  Kupferdraht  geschlossen 
ren,    während  bei  anderen  Versuchen  längere  oder  kürzere  Widerstands- 

1  Comptes  rendus  18 — 29.     Zusammengefasst  in  den  Ann.  chim.  phys.  34,  357;  36,   I; 
406.  1852—53. 

2  Comptes  rendus  90,  329.   1880.  3  Ann.  chim.  phys.  40,  293.   1853. 


7Q2  Fünfiehntes  Kapitel. 

drähte  eingeschaltet  wurden.    Als  Ketten  dienten  solche  aus  Zink  und  PI 
in   verdünnter  Schwefelsäure  nach   Smee,    und    der  Betrag   der  chembd 


Fig.  : 


Nach  Favre. 


Wirkung 
Fig.  202 


wurde  durch  das  Volum  des  entwickelten  Wasserstoffes  gemessen. 

und  203  geben  die  Zusammensetzung  der  Elemente  und  den  Auf- 
bau von  mehreren  in  dem  Queck- 
silbercalorimeter  zu  erkennen.  Letz- 
teres ist  wesentlich  nichts  als  ein  grosses 
Thermometer  aus  Eisen,  in  dessen 
Inneres  mehrere  unten  geschlossene 
Röhren  ragen,  welche  Favre  Muffeln 
nennt.  Diese  Muffeln  nehmen  die 
Röhren  auf,  in  welchen  die  chemischen 
Vorgänge  stattfinden,  in  diesem  Falle 
die  Ketten,  und  die  in  ihnen  ent- 
wickelte Wärme  theüt  sich  dem  Queck- 
silber des  Calorimeters  mit,  welches 
dadurch  eine  Ausdehnung  erfährt.  Der 
Betrag  dieser  Ausdehnung  kann  in 
dem  getheilten  Rohre  TC  TC  ge- 
messen werden,  und  um  den  Queck- 
silberfaden  vor  dem  Versuch  auf  N°» 
zu  bringen  dient  die  Schraubenpumpe  " 
EE  sind  die  Messröhren,  in  denen 
das  in  den  Ketten  entwickelte  Was- 
serstorTgas  aufgefangen  wird. 


Fig.  103.     Nach  Fav 


Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie. 


793 


Zunächst  ergab  sich,  dass  die  für  i  g  Wasserstoff  entwickelte  Wärme 
längig   von   dem  Widerstände   des   Stromkreises   ist,    und   gleich   der 
lemenge,  welche  sich  beim  Auflösen  des  Zinks  in  verdünnter  Schwefel- 
unmittelbar entwickelt    Es  hat  also  keinen  Einfluss  auf  die  gesammte 
leentwickelung,  ob  vorher  ein  grösserer  oder  kleinerer  Theil  der  Energie 
lektrische    in    den    äusseren    Stromkreis    gewandert   war.     Als   aber   in 
Stromkreis    gleichzeitig   ein    Voltameter    mit   verdünnter    Schwefelsäure 
schaltet    wurde,    ergab    sich    eine   geringere  Wärmemenge,    und    zwar 
ie  um  so  viel  geringer,  als  die  Verbrennungswärme  des  im  Voltameter 
ekelten    Knallgases    beträgt.      Dabei    mussten    natürlich    mehrere   (fünf) 
ente  hintereinander  geschaltet  werden,  um  die  zur  Elektrolyse  erforder- 
elektromotorische Kraft  zu  erzeugen,  und  demnach  wurde  nur  die  einem 
:el  des  aufgelösten  Zinks  entsprechende  Menge  Knallgas  gebildet.     Die 
m  sind: 

Ein  Äquivalent  Zink  bei  unmittelbarer  Auflösung  giebt  .     .      188  K 

Nach  Einschaltung  des  Voltameters 117    ,, 

Verbrennungswärme  von  l/5  Äquivalent  Knallgas       ...       69    „ 


Summe     186  K. 

Die  Summe  der  beiden  Wirkungen,   186  K,  ist  innerhalb  der  Versuchs- 

r  gleich  der  unmittelbaren  Wärmeentwickelung  von   188  K. l 

Als  zweite  Aufgabe   stellte   sich   Favre  den   Nachweis  des  Erhaltungs- 

tzes  für  den  Fall,  dass 

elektrische  Strom  me- 

lische  Arbeit  leistet.  Zu 

am   Zwecke  wurde    ein 

1er  elektromagnetischer 

or    in    ein    besonderes 

mmeter  eingeschlossen, 

rend   eine  Batterie  von 

'  SMEE'schen  Elementen 

dem  früher  beschriebe- 
Calorimeter  unterge- 
cht  war.  Die  von  dem 
tor  geleistete  Arbeit 
inte  durch  die  Höhe  be- 
nmt  werden,  auf  welche 

gewisses    Gewicht    ge- 
icht  wurde,  und  der  ganze 
ifbau  ist  in  Fig.  204  sehe- 
risch dargestellt. 
Die  ohne  äussere  Arbeit  Fig.  204.    Nach  Favre. 


1  Als  Wärmeeinheit  K  dient  hier   wie   in   dem   ganzen  Werke  die  Wärmemenge,   welch*» 
Wasser  von  o°  bis  100°  erwärmt. 


iqa  Fünfzehntes  Kapitel. 


von  einem  Äquivalent  Zink  entwickelte  Wärme  betrug   187  AT.     Wenn 
Motor  ohne  Bewegung  in  den  Strom  eingeschaltet  war,   so  entwickelte 
durch  seinen  Widerstand  22  AT,  während  in  der  Batterie  164  K  en 
wurden:  die  Summe  ist  wieder  186  K.    Lief  der  Motor,  ohne  ein 
zu  heben,  so  entwickelte  er  48  AT,  die  Kette  139  K\  Summe  187  K. 
der  Motor  endlich  ein  Gewicht,   so  entwickelte  er  29  K,   die  Kette  154 
Die  Summe  ist  geringer  als   früher,   nämlich  nur  183  K\   der  Un 
von  4  oder   5  K  entspricht  der  geleisteten  Arbeit,  welche  131  Kilo: 
meter  oder  4,5  K  betrug. 

Da  bei  diesem  Versuch  der  Betrag  der  Arbeit  so  gar  klein  war, 
er    kaum    erheblich    über    die   Versuchsfehler    hinausging,    so    wied 
Favre  die  Bestimmung  unter  günstigeren  Verhältnissen.     Zahlen  sind  über 
diese   Versuche    leider    nicht    mitgetheilt,    sondern    nur    das   Endergebnis» 
dass    das    mechanische   Wärmeäquivalent    gleich    413    statt   426   gefunden  |- 
worden  war. 

Weitere  Versuche  über  die  Wärmeentwickelung  bei  der  Magnetisirung, 
sowie  bei  der  Induction  unter  verschiedenen  Umständen,  brauchen  hier  nicht 
mitgetheilt  zu  werden;  sie  bestätigen  gleichfalls  den  Satz  von  der  Erhaltung 
der  Energie. 

An  diese  Messungen,  bei  denen  bereits  zu  jener  Zeit  neue  Entdeckungen 
nicht  zu  erwarten  waren,  schloss  sich  etwas  später1  eine  weit  interessantere 
und  schwierigere  Frage:  wieviel  von  der  chemischen  Energie  kann  in  Gestalt 
der  elektrischen  aus  einem  galvanischen  Elemente  erhalten  werden? 

Auf  diese  Frage  war  Favre  dadurch  gelangt,  dass  es  ihm  nicht  ge- 
lungen war,  auch  durch  Anwendung  sehr  grosser,  ausserhalb  des  Calorv 
meters  angebrachter  Widerstände  alle  Wärme  aus  der  Kette  nach  aussen 
zu  ziehen;  es  blieb  immer  ein  nicht  unbeträchtlicher  und  die  Versuchsfehler 
weit  übersteigender  Betrag  der  Wärme  im  Element  zurück.  Da  der  innere 
Widerstand  in  seinen  SMEE^schen  Ketten  gegen  den  äusseren  verschwindend 
klein  war,  so  erschien  diese  Unmöglichkeit,  alle  chemische  Wärme  in  elek- 
trische zu  verwandeln,  von  prinzipieller  Wichtigkeit,  und  Favre  widmete  der 
Frage  ein  besonderes  Interesse,  ohne  freilich  die  richtige  Antwort  zu  finden. 
Als  Beispiel  für  die  Erscheinung  sei  der  folgende  Auszug  aus  einer  seiner 
Tabellen  angeführt: 

Wärme  in  Wärme  im 

Calorimeter  Widerstände 

Die  Batterie  allein 187  K                    — 

Bussole  dazu 146  „         41  K 

r  =  1000  mm 50  „  136  „ 

r  =  2000  „ 42  „  144  „ 

r  =  4000  „ 37  „  150  „ 

r  =  6000  „ 33  „  154 


»t  • 


Wie  man  sieht,   nimmt  die  Wärmeentwickelung  in  der  Batterie  immer 

1  Comptes  rcndus  46,  658.   1858. 


Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie.  7QC 

ine  jedoch  Null  zu  werden,  und  es  lassen  sich  nur  etwa  6/e  der  ge- 
ten  Wärme  der  Batterie  entziehen,  das  letzte  Sechstel  bleibt  aber  darin. 
rAVRE  prüfte  verschiedene  Erklärungsversuche.  Zunächst  zeigte  sich, 
Dei  fortgesetztem  Betrieb  des  SMEE^schen  Elementes  sich  zuweilen  Zink 
en  Platinplatten  absetzte;  die  zur  Zersetzung  des  Zinksulfats  erforder- 
Energie  musste  daher  dem  Strome  entzogen  werden,  und  da  sich  das 
allmählich  wieder  auflöst,  so  wird  die  entsprechende  Wärme  frei.  In- 
i  erwies  sich  diese  Erklärung  als  nicht  ausreichend,  denn  wenn  Ele- 
?  angewendet  wurden,  in  welchen  die  Flüssigkeiten  durch  eine  poröse 
getrennt  waren,  so  dass  eine  Zinkabscheidung  nicht  möglich  war, 
m  dennoch  41  bis  45  K  in  der  Batterie  zurück,  welche  nicht  übertrag- 
baren. 

Schliesslich  wurde  Favre  zu  derselben  Ansicht  gefuhrt,  welche  Bosscha 
*8)  ausgesprochen  hatte,  dass  nämlich  die  Wärme  daher  rühre,  dass 
Vasserstoff  in  einem  anderen  Zustande  ausgeschieden  werde,  als  er  ge- 
dieh ist,  und  dass  der  Übergang  aus  diesem  aktiven  Zustande  in  den 
►hnlichen  die  örtliche  Wärmeentwickelung  bedingt  Er  spricht  dies 
ndermaassen  aus:  „Die  Wärmeschwingungen  und  die  elektrodynami- 
1  Schwingungen  können  somit  gleichzeitig  in  dem  Strome  entstehen, 
dass  die  ersten  die  Umwandlungen  der  letzteren  bedingen;  und  um- 
hrt." 

Es  muss  an  dieser  Stelle  wieder  auf  den  seltsamen  Entwicklungsgang 
^wiesen  werden,  welchen  diese  Frage  genommen  hat.  Das  Energiegesetz 
ngt,  dass  die  in  einander  umgewandelten  Energiemengen  einander  äqui- 
it  sind,  d.  h.  dass  wenn  die  umgewandelten  Beträge  wieder  zurückver- 
lelt  werden,  sie  genau  den  verschwunden  gewesenen  gleich  sind.  Ob 
in  einem  gegebenen  Falle  die  Umwandlung  vollständig  oder  unvoll- 
lig  erfolgt,  darüber  sagt  der  erste  Hauptsatz  nicht  das  geringste  aus. 
Stelle  der  von  Helmholtz  formulierten  Aussage,  dass,  wenn  die  Um- 
ilung  der  chemischen  Energie  in  die  elektrische  vollständig  ist,  die  be- 
tte Beziehung  zwischen  der  Reaktionswärme  und  der  elektromotorischen 
t  bestehen  müsse,  hat  sich  die  Annahme  gesetzt,  die  Umwandlung  müsse 
tändig  sein,  und  anstatt  die  Thatsache,  dass  ein  Unterschied  besteht, 
n  auszusprechen,  dass  eben  Fälle  vorliegen,  in  denen  die  Umwandlung 
theilweise  erfolgt,  glaubt  Favre  wie  Bosscha  Auskunft  darüber  geben 
nüssen,  warum  sie  nicht  vollständig  erfolgt.  Um  also  eine  wohlbeob- 
ete  Thatsache  mit  einem  gar  nicht  existirenden  Gesetze  in  Einklang  zu 
*en,  wird  eine  Hypothese  gemacht,  die  anderweitig  nicht  begründet 
so  schwierig  ist  es  zuweilen,  die  Thatsachen  in  ihrer  Einfachheit  auf- 
>sen. 

8.  F.  M.  Raoult.  Nachdem  die  Arbeiten  Favres  bis  zu  diesem  Punkte 
ehen  waren,  trat  eine  längere  Unterbrechung  derselben  ein,  während 
her  ein  anderer  französischer  Forscher,  der  später  durch  seine  Unter- 
ungen  über  den  Gefrierpunkt  der  Lösungen  berühmt  gewordene  F.  M 


ngft  Fünfzehntes  Kapitel. 

Raoult,1  die  Untersuchung  aufnahm  und  beträchtlich  förderte.  Raoul 
der  erste,  welcher  einen  unmittelbaren  Vergleich  der  in  der  Kette  entwic 
und  der  auf  elektrischem  Wege  übertragbaren  Energie  in  Gestalt  von  V 
ausführte,  und  die  im  Allgemeinen  vorhandene  Verschiedenheit  der  „< 
sehen"  und  der  „elektrischen"  Wärme  auffand.  Daneben  sind  von  ih 
Stimmungen  elektromotorischer  Kräfte  ausgeführt  worden,  die,  wenn  sie 
nichts  prinzipiell  Neues  ergaben,  doch  zur  Aufklärung  einiger  Punkt 
Werth  waren. 

Der  erste  Theil  von  Raoult's  Arbeiten  bezieht  sich  auf  die  Mi 
der  elektromotorischen  Kräfte,  für  welche  er  zwei  Verfahren  angieb 
Oppositions-  und  die  Derivationsmethode;  sie  beruhen  beide  auf  de 
setzen  der  verzweigten  Ströme  und  haben  kein  besonderes  Interesse, 
die  Messung  der  elektromotorischen  Kraft  führte  er  das  ÜANiELL'sche  El 
als  Norm  ein,  und  gab  ihm  d 
stehend  abgebildete  Form,  in  w 
es  in  der  Folge  vielfach  angei 
worden  ist.  Die  beiden  Gefäss 
halten  je  Kupfer-  und  Zinl 
lösung,  in  welche  Platten  odei 
von  dem  entsprechenden  Metal 
chen;  der  verbindende  Heber 
den  Enden  mit  Blase  gescl 
und  wird  jedesmal  nach  dem  Gebrauche  entfernt  und  entleert,  um 
Vermischung  der  Flüssigkeiten  zuvorzukommen. 

Die  Untersuchung  erstreckte  sich  zunächst  auf  die  Frage,  ob  dii 
tromotorische  Kraft  einer  Kette  dieselbe  bleibt,  wenn  ein  Strom  du: 
geht,  und  wenn  dies  nicht  der  Fall  ist.  Es  ergab  sich  eine  sehr  £ 
Abnahme  der  Kraft  beim  Stromdurchgange  sowohl  im  Falle  des  Daniell 
wie  des  SMEt'schen  Elementes  und  Raoult  spricht  daher  den  Satz  aus: 
elektromotorische  Kraft  einer  VoLTA'schen  Kette  ist  die  gleiche  währei 
Zersetzung  und  unmittelbar  darauf,  während  einer  intensiven  Wirkunj 
wenn  die  Wirkung  Null  ist,  wenn  nur  die  Stoffe  sich  nicht  ändern, 
mit  den  Polflächen  in  unmittelbarer  Berührung  sind." 

Ferner  beschäftigte  sich  Raoult  mit  der  Frage  nach  der  Zusa: 
Setzung  der  elektromotorischen  Kräfte  in  den  Elementen  mit  zwei  N 
und  zwei  Flüssigkeiten.  Jedes  Metall  in  seiner  Flüssigkeit  nannte 
Halbelement,  und  aus  der  Messung  verschiedener  Zusammenstellungen  : 
Halbelemente  gelangte  er  zu  dem  Satze:  „Die  elektromotorische  Kraft, 
durch  die  Zusammenstellung  zweier  Halbelemente  hervorgebracht  wi 
gleich  der  algebraischen  Differenz  der  Kräfte,  die  durch  jedes  bei  <: 
rührung  mit  einem  dritten  beliebigen  Halbelemente  hervorgebracht  i 

'  Comptes  renduä    87,    501.).    1863;    58,  521.   1864.  —  Ann.  chim.   phys.   (4), 
1864  und  4,  39;.   1865. 


Fig.  105.     Nach  Raoult. 


Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie.  797 


geschieht,  als  wenn  durch  die  Berührung  der  Flüssigkeiten  unter  ein- 
keine  elektromotorische  Kraft  hervorgebracht  würde." 
ür  die  Richtigkeit  dieses  Satzes  werden  zahlreiche  Beobachtungen  bei- 
:ht;  er  gilt  sowohl  für  ruhende  Elemente,  wie  auch  für  die  Polarisation 
liedener  Platten.  Dass  ein  solcher  Satz  bestehen  kann,  hängt  mit  der 
;en  elektromotorischen  Kraft  der  Flüssigkeiten  gegen  einander  zusam- 
auf  deren  Betrachtung  Raoult  nun  übergeht. 

)ie  von  Becquerel  gemachte  Annahme,    dass    bei  der  Berührung  von 

oder  Platin   mit  Flüssigkeiten  keine  elektromotorische  Kraft  entstehe, 

verworfen,  weil,  wie  Raoult  mit  Recht  bemerkt,  die  Änderung  der 

lung   einer  solchen  Platte  in  der  Flüssigkeit  im  Laufe  der  Zeit  ganz 

liehe  Werthe  annehmen  kann,   wie  sie  bei  der  Zusammenstellung  mit 

Kupferplatte  in  Kupfersulfat  (welche  ihre   Spannung  unverändert  bei- 

t)  nachweisen  lässt.    Man  darf  daher  nicht  annehmen,  dass  eine  Grösse, 

le  sich   um  0,4  eines  DANiELi/schen  Elementes  ändern    kann,  Null   ist. 

einen  Einblick  in  den  Betrag  der  elektromotorischen  Kräfte  von  Flüssig- 

cetten  zu  erhalten,  untersuchte  Raoult  den  Fall,  welchen  schon  Nobiu 

Fechner  hergestellt  hatten:  zwei  gleiche  Elektroden  in  der  gleichen  Flüs- 

it,  zwischen  denen  die  anderen  Flüssigkeiten  sich  befanden.    Die  dabei 

achteten    elektromotorischen  Kräfte  waren  sehr  klein.     Raoult   sprach 

r  den  Satz  aus:  „Die  bei  der  Berührung  zweier  Flüssigkeiten  entstehende 

romotorische  Kraft  ist  sehr  nahe  gleich  dem  Unterschiede  der  Kräfte, 

he  bei  der  Berührung  jeder  derselben   mit  einer   beliebigen  Flüssigkeit 

:ehen."     Es  besteht  mit  anderen  Worten  zwischen  den  Flüssigkeiten  das 

itz  der  Spannungsreihe,  wie  es  Volta  für  die  Metalle  angenommen  hatte; 

hier   wie  dort  lässt  sich   sagen,    dass  am   einfachsten   dem  Gesetz  der 

nnungsreihe  genügt  wird,  wenn  die  Spannungen  selbst  Null  sind. 

Raoult  nahm  indessen  das  Bestehen  ziemlich  bedeutender  Spannungen 
inzelnen  Flüssigkeitsketten,  insbesondere  der  Säure-Alkali-Kette  an.  Hierzu 
te  ihn  folgende  Überlegung:  „Ein  Äquivalent  Kali  entwickelt  bei  der 
bindung  mit  Schwefelsäure  160  K.    Die  elektromotorische  Kraft  xy  welche 

der  Wirkung  des  Kalis  auf  die  Schwefelsäure  herrührt,  beträgt  demnach, 
h  dem-  Prinzip   der  Übereinstimmung  der  elektromotorischen  Kräfte   mit 

1    Wärmeentwickelungen    berechnet,    gemäss    der   Proportion  =  -    , 

o  >      c>  r  IOO         2^g 

=  67,  wo  239  die  in  einem  DANiELL'schen  Elemente  für  ein  Äquivalent 
^findende  Wärmeentwickelung  ist,  und  die  elektromotorische  Kraft  des- 
3en  gleich   100  gesetzt  wird." 

Diesen  Schluss  versucht  Raoult  auf  eine  ganz  bemerkenswerthe  Weise 
prüfen.    Eine  Kali-Schwefelsäure-Kette  gab  mit  frischen  Platinplatten  vor 

Polarisation  70,  mit  Gold  79,  mit  Kohle  73;  mit  Sauerstoff  bis  zur  Sät- 
mg  polarisirte  Platinplatten  gaben  77;  da  nun  so  verschiedene  Elektroden 
lezu  gleiche  Werthe  gaben,    erscheint  es   unwahrscheinlich,    dass  es  sich 

eine  speeifische  Eigenschaft  der  Elektroden   handelt,   und  die  constante 


7g8  Fünfzehntes  Kapitel. 


elektromotorische   Kraft   muss   dem   constant   bleibenden    Faktor   in 
Ketten   zugeschrieben  werden,  nämlich  der  Berührung  zwischen  Säure 
Alkali. 

Diese  Schlussweise   ist  jedenfalls  viel  besser  begründet,    als  die 
über  diese  Frage  gehegten  Vermuthungen,  sie  ist  aber  dennoch  nicht  ri 
Die  theoretisch  beste  Kette  von  den  untersuchten  ist  die  mit  sauerstoffhaltige!! 
Platinplatten,    da  sie  die  einzige  constante  ist;    die  theoretische  Au 
derselben,   welche  in  neuester  Zeit  erbracht  worden   ist,    ergiebt,   dass 
elektromotorische  Kraft  doch  an  der  Berührungsstelle  der  Platinplatten  dI- 
den  Flüssigkeiten  liegt,    und  an  der  Berührungsstelle  der  beiden  Lösung« 
nur  etwa  6  in    den    gebrauchten  Einheiten  vorhanden    ist.     Die  Gleichheit 
der  elektromotorischen  Kräfte  bei  den  verschiedenen  Elektroden  rührt  daher, 
dass   in  allen  Fällen  der  gleiche  chemische  Vorgang   an   ihnen   stattfindet, 
indem  beim  Stromdurchgang  einerseits  Sauerstoff,   andererseits  Wasserstoff 
ausgeschieden  wird.     Die  mit  Sauerstoff  gesättigten  Elektroden  werden  da- 
durch nich  polarisirt,  da  einerseits  der  auftretende  Wasserstoff  oxydirt  wird, 
andererseits  die  vorhandene  Sättigung  mit  Sauerstoff  nicht    geändert  wird, 
wenn  auch  neuer  Sauerstoff  erscheint. 

Raoult  wendet  sich  nun  zu  der  Frage  nach  der  Polarisation  der  Elek- 
troden. Um  sie  zu  bestimmen,  benutzt  er  eine  Wippe,  welche  die  polarisirte 
Platte  abwechselnd  mit  der  polarisirenden  Säule  und  dem  compensirendei 
Stromkreise  verbindet,  in  welchem  die  elektromotorische  Kraft  gemessen  wiid 
Auf  Grund  vorgängiger  Versuche  hatte  er  gefunden,  dass  bei  ioo  Strom- 
wechseln  in  der  Sekunde  ein  Werth  für  die  Polarisation  beobachtet  wird, 
welcher  bei  weiterer  Steigerung  der  Geschwindigkeit  der  Wippe  nicht  mekr 
zunimmt;  diesen  hat  er  daher  für  den  thatsächlichen  Werth  genommen 
Von  den  beobachteten  Einzelheiten  sei  angeführt,  dass  er  ein  Maximum  der 
Wasserstoffpolarisation  beim  Platin  in  verdünnter  Schwefelsäure  fand,  welche* 
vom  Oberflächenzustande  des  Metalles  nur  in  geringem  Grade  abhängig  war. 
Verschiedene  Metalle  gaben  verschiedene  Polarisationen;  am  grössten  war 
die  des  Quecksilbers.  Die  Sauerstoffpolarisation  war  bei  nicht  angreifbares 
Elektroden  wesentlich  unabhängig  von  der  Beschaffenheit  der  letzteren,  und 
auch  ziemlich  unabhängig  von  der  Natur  der  benutzten  Lösung;  nur  Alkalica 
gaben  abweichende  Werthe.  Als  allgemeine  Ursache  der  Polarisation  siebt 
Raoult  chemische  Vorgänge  an  den  Elektroden  an. 

Der  zweite  Theil  von  Raoult's  Arbeit  *  bezieht  sich  auf  den  VergtekJ 
der  chemischen  und  elektrischen  Energie.  Um  von  allen  Benutzung«« 
zweifelhafter  fremder  Werthe  unabhängig  zu  sein,  bestimmte  er  beide  Wertke 
besonders  im  Wärmemaass,  indem  er  ein  Quecksilbercalorimeter  nach  Favii 
und  Silbermann  (S.  792)  dazu  benutzte.  Letzteres  war  sehr  einfach  aus  einem 
starkwandigen  Glaskolben  mit  zwei  Hälsen  construirt;  der  eine  Hals  erhielt 
eine  aus  gefirnisstem  Kupferblech  gefertigte  Muffel,  der  andere  zwei  Hahn* 


1  Ann.  chim.  phys.  (4),  4,  392.   1865. 


Das  Energiegesetr  in  der  Elektrochemie. 


nit  Gyps  eingekittet,  von  denen  die  eine  i 
rath,   die   andere   zur   Messröhre   führte. 


i  eine  Pipette  mit  Queck- 
Fig.  206   zeigt   die   Ein- 


Fig.  106.     Nach  Raoult. 

;    C  ist  das  Calorimeter,   A  eine  Sinusbussole,   B   eine  Tangenten- 
erstere  maass  die  Spannung  an  den  Polen  des  Elementes,    letztere 

nstärke.    Fig.  207  stellt  eines 

tzten  Elemente  dar;  die  innere 

t  durch  einen  angekitteten  un- 
Pfeifenkopf  gegen  die  äussere 

Dssen,   um   die  Vermischung 

sigkeiten  zu  hindern. 

ächst   bestimmte   Raoult  die 

«enge,    welche  seiner   elektri- 

nheit  entsprach.     Als  Einheit 

romotorischen  Kraft  wählte  er 

DANiELb'schen  Elementes,   als 

ler  Elektricitätsmenge  die  mit 

■serstorT  oder  einer  äquivalenten  Menge  eines  anderen  Ions  verbun- 

nge;    letztere   wurde   durch   das   in   einem   eingeschalteten   Kupfer- 

:r  {Kupfersulfat  zwischen   zwei  Kupferplatten}  abgeschiedene  Kupfer 

1,   erstere  durch   den   Vergleich   mit  einem  Normal-Daniell   mittelst 

isgalvanometers.     Als  Wärmemenge,   welche  diesen   Einheiten   ent- 

.vurden  239  K  gefunden;    diese  Wärme  wird   entwickelt,   wenn  die 
Elektricitätsmenge  einen  Anfall  der  Spannung  um  den  Betrag  der 

atorischen  Kraft  eines  Daniell  erleidet. 

Wärmeentwickelung,   welche  der  Fällung  eines  Äquivalents  Kupfer 
Sulfat  durch  Zink  entspricht,  beträgt  nach  Favre  und  Silbermasü's 

oult  bestätigten  Messungen  232  A";  es  besteht  also,  wie  auch  Joule 

scha   gefunden    hatten,    eine    fast    vollkommene    Übereinstimmung 


Fig.  207.     Nach  Raoult 


3oO  Fünfzehntes   Kapitel. 

zwischen    beiden.     Bei    anderen  Elementen  findet  sie  sich  nicht  in 
Maasse  wieder. 

So  berechnet  Raoult  aus  seinen  Messungen  der  elektromotorischen 
und  Favre  und  Silbermann's   thermochemischen  Messungen    folgende  Vi 
gleichstabelle: 

Substitution  des  Kupfers  durch  Zink  im  Sulfat     .     .     .  232  K  233  K 

„  „  Bleis  durch  Zink 156   „  1 25  „ 

„  ,,  Silbers  durch  Kupfer 163   „  98  „ 

„  „  Wasserstoffs  durch  Zink 184   „  136  „ 

Eigene  Messungen  der  Wärmeentwickelung  im  Element,  wenn  dieset 
durch  einen  kurzen  Draht  geschlossen  war,  gaben  mit  der  aus  der  elektro- 
motorischen Kraft  berechneten  Wärme  verglichen: 

Kupfer  im  Sulfat,  Eisen  im  Sulfat 191  K  146  A' 

Platin  in  Salpetersäure,  Zink  in  Schwefelsäure.     .     .     .  433    „  406  „ 

Platin  in  Salpetersäure,  Zink  in  Kali 472    „  502  „ 

Kupfer  im  Sulfat,  Zink  in  Kalilauge 302    „  323  „ 

Chlor  in  Chlorwasserstoff  mit  Kohle,    Kupfer  im  Sulfat  302    „  323  „. 

Um  also  die  elektrische  Energie  eines  beliebigen  Elementes  zu  berechnen, 
braucht  man  nur  seine  elektromotorische  Kraft  in  Einheiten  des  DAKiEii/schcn 
Elementes  zu  bestimmen,  und  mit  dem  Faktor  239  K  zu  multipliciren;  die 
erlangte  Zahl  giebt  die  Wärmemenge  an,  welche  das  Element  in  elektrischer 
Form  nach  aussen  leisten  kann,  wenn  ein  Äquivalent  in  Grammen  der  be- 
theiligten  Stoffe  verbraucht  wird. 

Das  letzte  Element  ist  gleichfalls  nach  den  Bestimmungen .  von  Favbi 
und  Silbermann  berechnet. 

Wie  man  sieht,  stimmen  beide  Reihen  keineswegs  überem.  Auch  iÄ 
sich  Raoult  im  Gegensatz  zu  den  meisten,  welche  über  diese  Angelegenheil 
arbeiteten,  vollkommen  klar  darüber,  dass  dies  keineswegs  der  Fall  zu  seil 
braucht.  „Wenn  bei  dem  in  der  Säule  erfolgenden  chemischen  Vorgange 
alle  Theilwirkungen,  die  an  der  thermischen  Wirkung  sich  betheiligen,  <fcf 
auch  an  der  elektrischen  Wirkung  thäten;  wenn  alle  Wärmequellen,  wie  & 
Oxydation,  die  Verbindung  der  Säuren  mit  den  Basen,  die  Zustandsände- 
rungen  der  Stoffe,  die  Lösung,  die  Diffusion  u.  s.  w.  —  wenn  alle  diese 
Ursachen,  welche  fähig  sind,  eine  bestimmte  Menge  lebendiger  Kraft  als 
Wärme  zu  entwickeln  oder  zu  verbrauchen,  auch  fähig  wären,  eine  gleiche 
Menge  als  Elektricität  hervorzubringen  oder  zu  verschlucken,  so  müsste  d* 
VoLTA'sche  Wrärme  gleich  der  chemischen  sein.  Dies  findet  aber  nicht  notb- 
wendig  statt,  und  je  nachdem  die  zu  elektrischer  Wirkung  unfähige  Ursache 
Wärme  entwickelt  oder  verbraucht,  wird  die  Volt  Ansehe  Wärme  grösser  oder 
kleiner  als  die  chemische  sein  können." 

In  dieser  klaren  Einsicht  der  Freiheit  des  Verhältnisses  zwischen  beiden 
Grössen  ist  Raoult  seinen  Zeitgenossen  weit  voraus,  und  nur  in  eineffl 
Punkte  macht  er  noch  eine  unbegründete  Voraussetzung,  nämlich  darin, 
dass  er  annimmt,  gewisse  Theilvorgänge  verwandeln  ihre  Energie  völlig  in 
elektrische,  und  andere  gar  nicht. 


i 


Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie.  8oi 


iin  solcher  Unterschied  kann  nicht  gemacht  werden,  und  es  wäre  rich- 
gewesen,  einfach  zu  erklären,  dass  die  chemische  und  die  elektrische 
ie  zwar  sich  häufig  nahe  kommen,  dass  aber  ein  bestimmtes  Verhält- 
wischen beiden  allgemein  nicht  besteht.    Es  hängt  von  der  chemischen 
der  reagirenden  Stoffe  ab,   wie  gross  der  Umwandlungscoefficient  ist. 
£s   mag   gleich  bei   dieser  Gelegenheit  ein  Irrthum  berichtigt  werden, 
er   häufig   zu  Gunsten   der  vorausgesetzten  Gleichheit  beider  Grössen 
igen  worden  ist.     Man  findet  gelegentlich  die  Bemerkung,  es  sei  nach 
besetz  von  der  Erhaltung  der  Energie  unmöglich,  dass  mehr  elektrische 
jie  aus  einer  Kette  entwickelt  werde,  als  sie  in  chemischer  Gestalt  liefern 
?.   Die  Antwort  darauf  ist,  dass  ein  Überschuss  an  Energie  der  Umgebung 
/arme  entzogen  werden  kann,   so  dass  keinerlei  Verletzung  des  ersten 
»tsatzes  erforderlich  ist.     In  den  wohlbekannten  Erscheinungen  der  Lö- 
und  der  Verdampfung  hat  man  ohnedies  eine  grosse  Gruppe  von  Vor- 
en,    bei   denen   mit  einer  freiwillig  eintretenden  Zustandsänderung   die 
ahme  von  Energie  aus  der  Umgebung  verbunden  ist,   oder  eine  Ab- 
mg  während  des  Vorganges  stattfindet. 

Ausser  den  Wärmemessungen  an  Elementen  stellte  Raoult  auch  noch 
:e  an  Voltametern  an.  Er  fand  in  den  untersuchten  Fällen  (Kupfer- 
t  und  verdünnte  Schwefelsäure  zwischen  Platinplatten)  die  Wärmeent- 
elung  stets  grösser,  als  sie  nach  dem  Widerstände  des  Voltameters  sein 
*,  doch  war  der  Betrag  dieser  „lokalen  Wärme"  mit  der  Stromstärke 
:hieden,  so  dass  sich  Allgemeines  nicht  hierüber  sagen  lässt. 
Diese  Arbeiten  Raoult's  fanden,  obwohl  sie  einen  reellen  Fortschritt 
den  damals  eingenommenen  Standpunkt  hinaus  darstellten,  keine  An- 
nnung  zu  ihrer  Zeit,  und  Raoult  musste  sich  sogar  mehrfach  seine 
-ität  gegenüber  später  Gekommenen  wahren.  Auch  hat  er  die  so  gut 
mnenen  Arbeiten  auf  elektrischem  Gebiete  nicht  weiter  fortgesetzt  und 
h  sehr  bedeutende  Forschungen  auf  einem  ganz  anderen  Felde  sich  die 
*nschaftliche  Anerkennung  erworben,  welche  ihm  hier  zu  Unrecht  so  lange 
igt  worden  ist. 

9.  Favre's  spätere  Arbeiten.  Mit  dem  Jahre  1860  tritt  bei  Favre 
längere  Pause  in  seinen  Untersuchungen  über  die  elektrochemischen 
meerscheinungen  ein.  Erst  sechs  Jahre  später  werden  sie  wieder  auf- 
immen;1  die  Erörterungen  knüpfen  wieder  an  die  Unterschiede  an; 
he  der  Versuch  zwischen  der  chemischen  und  elektrischen  Wärme  zu 
nnen  gab.  Da  diese  Unterschiede  bei  den  mit  Gasentwickelung  ver- 
lenen  Vorgängen  am  auffälligsten  waren,  beschäftigte  sich  Favre  vpr- 
end  mit  diesen.2 

Die  bekannte  Eigenschaft  des  Palladiums,  Wasserstoff  aufzunehmen,  wurde 
von  Favre  benutzt,  um  über  die  Rolle  des  letzteren  in  der  Kette  wei- 
1  Aufschluss  zu  erlangen.    Mit  Platin  gab  eine  Kette  198  K;  wurde  unter 


1  Comptes  rendus  63,  369    1866.  *  Ebenda  67,   1014.   1868. 

iwald,    Elektrochemie.  5  I 


802  Fünfzehntes  Kapitel. 


gleichen  Umständen  Palladium  an  Stelle  des  Platins  benutzt, 
Wasserstoff  entwickelt  wurde,  so  entstanden  240  AT,  also  42  K 
vorher.  Nun  wurde  die  Kette  durch  einen  grossen,  ausserhalb  des  ^st 
meters  befindlichen  Widerstand  geschlossen,  und  unter  RerücksichtigULjr-^ 
durch  den  geringen  Widerstand  innerhalb  der  Kette  bedingten  Wä 
Wickelung,  ergab  sich  die  nicht  transformirbare  Wärme  im  Palladium-EU 
zu  89  K,  die  im  Platin-Elemente  zu  47  K.  Der  Unterschied  betragt 
42  AT,  gerade  die  Zahl,  welche  für  die  Bindung  des  Wasserstoffe  diK 
Palladium  gefunden  worden  war.  Diese  Wärme  lässt  sich  9omit 
elektrische  Energie  verwandeln. 

Durch  eine  Reihe  anderer  Versuche,  bei  denen  das  Palladium 
trode  in  einem  Voltameter  benutzt  wurde,  konnte  dies  Ergebniss  n 
bestätigt  werden:  niemals  bethätigte  sich  die  bei  der  Absorption  des  ""^tä^ 
Stoffs  frei  werdende  Energie  elektromotorisch.     Favre  deutet  dies  Brgfrfrfr 
in  seinem  Sinne  des  aktiven  Wasserstoffs,  gegenwärtig  wissen  wir,  das* 
unabhängig  von  sogenannten  molekularen  Umwandlungen  des  Wasserstau 
jede  Elektrode,   welche  mit  gasförmigem  Wasserstoff  im  Gleichgewicht«*; 
auch  das  gleiche  Potential  haben  muss.     Demgemäss   können   wir  in  da 
Sätzen,   in   welchen   Favre   dann   seine   Versuchsergebnisse   zusarnmeafa^ 
keineswegs   den  Ausdruck   wirklicher  Erfahrungsthatsachen   sehen,  sondern 
nur  den  einer  bestimmten  theoretischen  Ansicht,   welche  weder  die  einzig 
mögliche,  noch  auch  die  beste  ist.     Favre  schreibt: 

„Die  in  dem  VoLTA'schen  Kreise  bethätigte  Wärme  rührt  allein  von 
den  elektrolytischen  Vorgängen  her,  welche  sich  im  Kreise  vollziehen;  sie 
ist  gleich  der  gesammten  Wärme,  welche  durch  diese  Reaktionen  ent- 
wickelt wird. 

„Die  Wärmemenge,  welche  in  den  Ketten  verbleibt,  stammt  von  all» 
molekularen  Reaktionen  her,  welche  auf  die  elektrolytische  Reaktion  folg» 
oder  ihr  auch  vorhergehen  können,  und  welche  sich  nicht  durch  den  Streu* 
kreis  bethätigen;  sie  ist  gleich  der  algebraischen  Summe  aller  einzelnen  bfl 
diesen  Vorgängen  entwickelten  Wärmemengen." 

Zur  Zeit  müssen  wir  den  ersten  Satz  als  unrichtig  bezeichnen;  er  nw» 
lauten:  die  im  Stromkreise  bethätigte  Wärmemenge  ist  äquivalent  dem  Vcr- 
hist  an  freier  Energie,1  welcher  durch  den  elektrolytischen  Vorgang  beÄtf 
ist  Der  zweite  Satz  enthält  eine  richtigere  Ansicht;  in  der  That  «ad  dfc 
nicht  an  den  Stromkreis  gebundenen,  und  daher  auch  nicht  dem  Farawi'* 
sehen  Gesetz  unterliegenden  Vorgänge  für  die  Umwandlung  in  elektrische 
Energie  unzugänglich. 

Ein  sehr  langes  und  interessantes  Kapitel2  widmet  Favre  der  „Von*- 
sehen  Energie",  die  er  so  definirt:  „Ich  verstehe  unter  dem  Namen  d* 
VoLTA'schen  Energie  die  Wärmemenge,  welche  in  einem  chemischen  Elekto- 


1  Der  Begriff  der  freien  Energie  wird  weiter  unten  erläutert  werden. 
1  Comptes  rendus  69,  34.   186g  und  73,  767  u.  ff.  187 1. 


Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie.  $03 

entwickelt  wird,  und  in  den  Stromkreis  in  elektrodynamischer  Gestalt 
sgbar  ist,  und  welche  zur  Leistung  irgendwelcher  Arbeit  verwendet 
a  kann."  (Es  ist  gerade  diese  Grösse,  welche  ab  die  freie  Energie 
OLTAJschen  Kette  zu  bezeichnen  ist)  Um  diese  Grösse  zu  bestimmen, 
rt  Favre  im  Allgemeinen  so,  dass  er  die  Kette  in  das  Calorimeter 
»  und  sie  durch  einen  grossen  Widerstand  ausserhalb  des  Calorimeters 
wt;  dann  entwickelt  sich  die  übertragbare  Energie  als  Wärme  im 
"Stande,  und  nur  der  nicht  übertragbare  Theil  bleibt  im  Calorimeter 
c  Ausserdem  bleibt  im  Calorimeter  noch  der  von  dem  Widerstände 
Lette  herrührende  Theil  der  Stromenergie,  doch  kann  dieser  sehr  klein 
srhältniss  zu  dem  äusseren  Widerstände  gemacht  und  ausserdem  noch 
Ler  Kenntniss  beider  Grössen  als  Correction  in  Rechnung  gebracht 
:n,  da  nach  dem  Gesetz  von  Joule  sich  die  entwickelten  Wärmemengen 
Ke  Widerstände  verhalten.  Die  untersuchten  Ketten  bestanden  alle 
eits  aus  Zink  in .  verdünnter  Schwefelsäure,  andererseits  aus  verschie- 

Oxydattoosmittela,  die  nachstehend  angeführt  sind.  In  der  folgenden 
le  sind  zunächst  diese  Oxydationsmittel  angegeben,  sodann  die  ge- 
te  Wärme,  bezogen  auf  ein  Gramm-Äquivalent,  und  in  letzter  Reihe 
bertragbare  Wärme. 

Gesammt-  Übertragbare 

Wärme  Wärme 

Kupferenlfat,  gelöst 254  K  243  Ä" 

Mercuristüfat,  in  Wasser  aufgeschlämmt     .     .     .  397  „  296 

Chromsäure  mit  Schwefelsäure 590  „  3Q6 

Salpetersäure,  reine  käufliche 418  „  468 

Rauchende  Salpetersäure 527  >»  498 

Übermangansaure  und  Schwefelsäure      ....  607  „  392 

Unterchlorige  Säure 629  ,,  508 

Wasserstoff hyperoxyd  mit  Salzsäure 664  „  216 

tiese  Tabelle  ist  ausserordentlich  lehrreich.  Ausser  in  dem  Falle  des 
x'schen  Elementes,  welches  in  erster  Reihe  verzeichnet  ist,  findet 
en  der  gesammten  und  der  übertragbaren  Wärme  keine  auch  nur  an- 
rrte  Gleichheit  statt,  und  man  sieht,  dass  es  ein  besonderer  Zufall  war, 

welchen  sowohl  Joule  und  William  Thomson,  wie  auch  Bosscha  gerade 
all  genauer  untersucht  haben,  in  welchem  die  chemische  Energie  sich 
mau  in  elektrische  verwandelt.  In  der  Mehrzahl  der  übrigen  Fälle  ist 
jertragbare   Wärme   kleiner,   als   die   gesammte;   besonders   gross   ist 

Unterschied  beim  Wasserstoffhyperoxyd,  wo  weniger  als  ein  Drittel 
arme  übertragen  wird.     Sehr  bemerkenswerth  ist  aber,   dass  auch  in 

Falle,  dem  des  GROVE^schen  Elementes,  mit  gewöhnlicher  (also  ver- 
ch  etwa  sechzigprocentiger)  Salpetersäure  die  übertragbare  Wärme 
er  ist,  als  die  in  der  Kette  entwickelte,  so  dass  sich  die  Kette  durch 
rom  abkühlen  muss,  statt  sich  wie  die  übrigen  Ketten  zu  erwärmen, 
scheinung  kam  Favre  sehr  unerwartet,  und  er  stellte  eine  Anzahl  von 
hen  über  die  Einwirkung  der  Salpetersäure  auf  das  Zink  an,  „um 
hi  Aufklärung  darüber  zu  erhalten".     Er  erhielt  sie  aber  nicht 

51* 


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,-A  Fünfzehntes  Kapitel. 

Jas-  :iun  folgende  Kapitel  beschäftigt  sich  mit  der  Elek.j, 
.Ca-  iapK  von  allen.    Das  allgemeine  Ergebniss  der  hier  mii ..      ■  ■■ 
.»iMpwemten  Versuche  entspricht  dem,  welches  die  Untersuchung  de^ti 
»mit»    ^tiehrt   hatte:    auch   hier   ist   die   Wärmeentwickelung    nbgHe* 
v  rmus?c*iung  entsprechend,  dass  die  chemische  Energie  genau  in  M 
linsT^wn.  sondern  es  finden  immer  Nebenwirkungen  statt,  für  die 
ssbw  iricamng  wie  früher  dient,  die  Annahme  von  Zustandsander 
u^wctBsienen  Stoffe.     Die  Versuchsanordnung  war  die  folgende 

•aar  SMEE'sche  Zellen  waren  in  ebensovielen  Muffeln  des  CalorinMBJ 
i:rKr-£ebracht;  daneben  enthielt  dasselbe  Calorimeter  einen  grossen  Witte- 
sa=c-  Ein  zweites  Calorimeter  nahm  das  Voltameter  auf,  in  welchem 
.äe  Flüssigkeit  befand,  deren  Zersetzung  untersucht  werden  sollte. 
W^ierstand  dieses  Voltameters  war  gegenüber  dem  im  ersten  Calorimets 
«rscöwindend  klein.  Auf  diese  Weise  kam  im  zweiten  Calorimeter  nur  die 
srcundare  Warme  zur  Geltung;  und  bei  einem  Elektrolyt,  welcher  genau 
so  viel  elektrische  Energie  verbraucht,  als  der  Verbindungswärme  seiner 
Ionen  entspricht,  würde  im  zweiten  Calorimeter  überhaupt  keine  Wanne 
ru  beobachten  sein.  Thatsächlich  ergab  sich  fast  immer  eine  Erwärmung 
im  zweiten  Calorimeter;  dadurch  wurde  bewiesen,  dass  das  Voltameter  im 
Trennung  der  Stoffe  mehr  Energie  verbrauchte,  als  bei  ihrer  Verbindung 
frei  wird,  und  Favre  nahm,  wie  angegeben,  an,  dass  diese  Energie  zur  Um- 
wandlung der  im  aktiven  Zustande  abgeschiedenen  Stoffe  in  den  gewöhn- 
lichen verbraucht  würde. 

Eine  sehr  bemerkenswerthe  Ausnahme  von  dieser  sonst  allgemeinen 
Kegel  fand  sich  bei  der  Chlor-  und  Bromwasserstonsäure,  denn  diese  beiden 
gaben  bei  der  Elektrolyse  im  Voltameter  eine  Abkühlung  zu  erkennen,  die 
erstere  unmittelbar,  die  zweite  nach  Abzug  der  durch  die  Auflösung  da 
freigewordenen  Broms  in  der  überschussigen  Säure  entwickelten  Wärme. 
Favre  begnügt  sich  damit,  diesen  Umstand  hervorzuheben,  ohne  sich  ad' 
seine  Erörterung  einzulassen.  Und  doch  hätten  ihn  gerade  Erscheinungen. 
wie  diese  und  die  oben  erwähnte  mit  der  GROVE'schen  Kette,  dazu  zwingen 
müssen,  seine  als  „selbstverständlich"  angenommene  Voraussetzung,  dass  die 
chemische  und  die  elektrische  Wärme  einander  gleich  sein  sollen,  auf  ihre 
Berechtigung  ernstlich  zu  prüfen. 

Auf  die  Einzelheiten  der  Messungen,  deren  Überblick  vielfach  durch 
einige rmaassen  verzwickte  und  schwerlich  überall  berechtigte  Betrachtungen 
und  Rechnungen  erschwert  ist,  würde  einzugehen  nicht  lohnend  sein,  zumal 
diese  keinen  Einfluss  auf  die  Entwicklung  der  Wissenschaft  geübt  haben. 
Doch  verdienen  einige  Thatsachen  Erwähnung  wegen  ihres  Zusammenhanges 
mit  späteren  Ergebnissen. 

Die  Messungen  der  Wärmemengen,  welche  bei  der  Elektrolyse  verschie- 
dener Salze  und  Säuren  im  Voltameter  verbleiben,  ergab  für  Kupfersulfät 
und  -nitrat  naheliegende  Werthe,  ebenso  von  jenen  verschiedene,  aber  unter 
sich  stimmende  Werthe  Tür  Schwefel-  und  Salpetersäure.     Hieraus  und  aus 


Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie.  80< 


bn  ähnlichen  Erfahrungen  zieht  Favre  den  Schluss,  „dass  in  einem  fie- 

ge  mehrerer,  in  einer  genügenden  Wassermenge  gelöster  Salze  ein*  atchi- 

dlisches  oder  metallisches  Molekül  nicht   angesehen   werden   kann,   als 

Mte  es  besonders  diesem  oder  jenem  Metall  oder  Nichtmetall.     Nimmt 

daher  durch  Elektrolyse  vermittelst  eines  hinreichend  energischen.  Stro- 

irgend  ein  Molekül,  ein  nichtmetallisches  oder  metallisches  heraus,  so 

der  Gleichgewichtszustand  nicht  gestört,   weil  gleichzeitig  an 'der  ent- 

mgesetzten   Elektrode    ein    anderes,    metallisches   oder   nichtmetallisches 

*kül  austritt." 

Diese  Darlegung  enthält  eine  merkwürdige  Vorausnahme  der  später  aus- 
Ideten  Theorie  der  freien  Ionen,   durch  welche  die  gegenseitige  Unab- 
jigkeit  der  Ionen,  falls  nur  Kationen  und  Anionen  in  äquivalenten  Mengen 
landen  sind,  ausgesprochen  wird.  Diese  Ansichten  sind  übrigens  keineswegs 
durch  die  elektrolytischen  Erscheinungen  hervorgerufen  worden,  wenn  sie 
i  in  ihnen  ihre  beste  Stütze  gefunden  haben,  denn  bereits  im  Jahre  1839 
Gay-Lussac  auf  Grund  rein  chemischer  Betrachtungen l  die  Überzeugung 
gesprochen,   dass   in   einer  Lösung,   die  mehrere  Salze   neben  einander 
lält,  die  „Säuren  und  Basen"  in  jeder  möglichen  Weise  mit  einander  Ver- 
den sind,  und  sich  keineswegs  mit  bestimmter  Auswahl  paaren.    Bei  Ge- 
rnheit  einer  Erörterung  der  Theorie  von  Berthollet,    nach  welcher  sich 
unlöslichen  und  die  flüchtigen  Verbindungen   unter  den  möglichen  mit 
•liebe  bilden,  weist  er  darauf  hin,  dass  in  diesen  Verhältnissen  zwar  eine 
ache  der  Abscheidung,  aber  keine  der  Bildung  liegen  kann,  denn  die 
enschaften  von  Stoffen,  die  sich  noch  nicht  gebildet  haben,  können  un- 
glich  eine  Ursache  sein,  dass  sie  sich  bilden.    Daher  muss  man  annehmen, 
s   alsbald    nach    dem  Zusammenbringen   der  Stoffe   sich    alle   möglichen 
rbindungen  bilden.    „Man  kann  diesen  verschiedenen  Ursachen  der  Tren- 
lg  (Unlöslichkeit  und  Flüchtigkeit)  nicht  genügen,  ausser  durch   die  An- 
lme,  dass  im  Augenblicke  der  Vermischung,   vor  aller  Abscheidung  ein 
kliches  Durcheinander  (un  veritable  pele-mele)  zwischen  Säuren  und  Basen 
ttfindet,    d.  h.  dass  die  Säuren  sich  mit  jeder  beliebigen  Base  verbinden 
i    umgekehrt.     Anf  die  Anordnung    der  Verbindung   kommt   wenig   an, 
in  nur  die  Acidität  und  Alkalinität  befriedigt  wird,  und  diese  sind  offen- 
•  immer  befriedigt,  welcher  Austausch   zwischen  Säuren   und  Basen  auch 
:tfinde." 

Gay-Lussac  nennt  die  Grundlage  seiner  Betrachtung  il*s  Piinzip  der 
quipollenz";  bis  zu  dem  Schritt,  dass  er  diese  nach  keiner  Seite  durch 
gezeichnete  Kräfte  zusammengehaltenen  Bestandtheile  als  thatsächlich  frei 
usehen  sich  entschlossen  hätte,  konnte  er  freilich  nicht  gelangen.  Waren 
:h  schon  diese  Betrachtungen  den  damaligen  Chemikern  so  fremdartig, 
s  sie  in  keiner  Weise  von  den  Zeitgenossen  berücksichtigt  wurden,  und 
:  viel  später,  als  die  elektrolytischen  Erscheinungen  auf  ähnliche  Betrach- 


1  Ann.  chim.  phys.  70,  407.   1839. 


3q6  Fünfzehntes  Kapitel. 


tungen   geführt   hatten,   wurde  jenes  alte  Zeugniss   für  die  Lehre  von  der 
Freiheit  der  Ionen1  ans  Tageslicht  gebracht 

An  letzter  Stelle  beschäftigt  sich  Favre  mit  der  Elektrolyse  der  Vo- 
bindungen  der  Alkalimetalle.   Er  erwartete  bei  deren  grossen  Btldungswärmet 
einen  bedeutenden  Bedarf  an  elektromotorischer  Kraft  zur  Elektrolyse,  uai 
war  nicht  wenig  erstaunt,  dass  er  mit  so  geringen  Beträgen  auskam,  wie  er 
thatsächlich   beobachtete.     Denn   da  jedes  SitEE'sche  Element   die  W 
menge   1 50  K  ungefähr  ausgiebt,  und  die  Bildungswärme  des  Kaliumsuite 
die  der  Schwefelsäure  um  580  K  übertrifft,  welche  letztere  etwa  480  K 
Elektrolyse   braucht,   so   erwartet  Favre  für  das  Kaliumsulfat  einen  Bedarf 
von  1060  Ky  entsprechend  der  Wirkung  von  mehr  als  7  SwEE'schen  Ele- 
menten von  je  150  K.     Statt  dessen  genügten  schon  5  Elemente,  denn  die; 
der  Batterie  entzogene  Wärmemenge  betrug  640  K  beim  Kaliumsulfat,  uad 
fast  ebenso  viel  beim  Natriumsulfat     Ebenso  zeigten  die  verschiedenen  lös- 
lichen Basen,  Kali,  Natron,  Baryt,  Strontian,  alle  nahezu  den  gleichen  Be- 
darf an  Energie,  nämlich  etwa  510  K. 

Bei  der  Erklärung  dieser  Erscheinungen  geräth  Favre  in  grosse  Schwierig- 
keiten. Er  nimmt  zunächst  an,  dass  die  Salze  der  Leichtmetalle  nicht  amkß 
etektrolysirt  werden,  als  die  Schwermetalle,  d.  h.  in  Metall  und  Kation.  Um 
aber  die  geringe  Stromarbeit  zu  erklären,  muss  er  weiter  annehmen,  dass 
entgegen  den  sonstigen  Annahmen,  die  seeundäre  Reaktion  der  ausgeschie- 
denen Metalle  auf  das  Lösungswasser  hier  elektromotorisch  wirksam  ist, 
während  doch  sonst  den  seeundären  Reaktionen  die  elektromotorische  Wirk- 
samkeit abgesprochen  wird,  und  seine  ganze  Theorie  der  Abweichungen  der 
chemischen  Wärme  von  der  elektrischen  auf  der  Voraussetzung  beruht,  das 
jene  elektrisch  unwirksam  sind.  Auch  in  dieser  Angelegenheit  hat  erst  die 
neueste  Zeit  Aufklärung  auf  Grund  der  Erkenntniss  gebracht,  dass  die  An- 
nahme einer  Abscheidung  der  Alkalimetalle  und  deren  unmittelbar  darauf 
eintretenden  Reaktion  auf  das  Lösungswasser  unlogisch  ist.  Denn  wenn  das 
Metall  als  Ion  vorhanden  war,  so  sollte  es  nach  dieser  Annahme  den  Ioncs- 
zustand  verlassen,  und  diesen  alsbald  durch  die  Reaktion  auf  das  Wasser 
wieder  annehmen.  Ist  aber  der  Strom  fähig,  das  Metall  aus  dem  Iooeo- 
zustand  zu  bringen,  so  ist  es  widersinnig,  anzunehmen,  dass  er  das  ausge- 
schiedene Metall  nicht  auch  im  neuen  Zustande  erhalten  und  nicht  verhtf- 
dem  kann,  dass  es  in  seinen  früheren  Zustand  wieder  zurückkehrt 

An  dieser  Stelle  nehmen  wir  von  Favre  Abschied.  Seine  Arbeit  hat 
trotz  der  ungemeinen  Mühe  und  Sorgfalt  zu  keinem  dauernden  Ergebnis*» 
was  die  allgemeine  Auffassung  der  von  ihm  untersuchten  Thalsachen  as- 
langt>  gefuhrt,  und  als  Ursache  dieses  Misslingens  erkennen  wir  die  Ablenkung 
seines  Blickes  von  der  unbefangenen  Betrachtung  der  Thatsachen  durch 


1  Es  braucht  kaum  hervorgehoben  zu  werden,   dass  die  von  Gay-Lussac  den  Ansichten 
seiner  Zeit  gemäss  gewählte  Ausdrucksweise,  nach  welcher  Säuren  und  Basen,  statt  der  Anion« 
und  Kationen,   als  die  Bestandteile  der  Salze  angesehen  werden,  auf  das  Wesen  der  Betracb- 
über  die  Freiheit  der  Salzbestandtheile  keinen  Einfluss  hat. 


Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie.  %qj 


rassetzung,  die  er  nicht  geprüft  hatte,  weil  er  sie  für  unzweifelhaft  hielt. 

Irrthum,  dem  er  verfallen  war,  wurde  auch  nach  ihm  noch  von  Vielen 

eilt;   an   ihm   empfinden  wir  ihn  aber  um  so  mehr,   als  Favre  in  der 

:en    Anlage   seiner   Untersuchungen    eine    bemerkenswerthe   Originalität 

:.     Ich  mache  besonders  aufmerksam,  in  welchem  Maasse  Favre  in  den 

riüen  seiner  Lieblingswissenschaft ,  der  Thermochemie,  zu  denken  weiss; 

'dem    seine   Arbeiten    die    elektrischen   Eigenschaften    der   VoLTA'schen 

en  zum   Gegenstände   haben,   macht  er  weder  vom  Omf'schen,   noch 

JouLE'schen,  kaum  vom  FARADAY'schen  Gesetze  einen   ausdrücklichen 

rauch,  sondern  weiss  alle  in  Betracht  kommenden  Grössen  in  die  ther- 

:he  Sprache  zu  übersetzen.    Ob  diese  Beschränkung  eine  freiwillige  oder 

ei  willige,  durch  die  Ungewohntheit  ihrer  Handhabung  erzwungene  war, 

:  wenig  zur  Sache,  da  wir  unseren  Forscher  auf  dem  einmal  gewählten 

len  mit  völliger  Sicherheit  und  Richtigkeit  (soweit  nicht  jene  unrichtige 

aussetzung  in  Frage  kommt)   sich  bewegen  sehen.     Gerade  für  die  ge- 

chtliche  Betrachtung  der  Angelegenheit  ist  dieser  Umstand  von  beson- 

?m  Interesse;  er  zeigt,  wie  auch  in  der  Beschränkung  auf  einen  kleinen 

*nkreis  durch  die  Vertiefung  der  Arbeit  in  diesem  Kreise  Erhebliches  ge- 

:et  werden  kann. 

10.  Weitere  Forscher.  Mit  der  Messung  der  Beziehung  zwischen  der 
mischen  Wärmeentwickelung  und  der  elektromotorischen  Kraft  beschäf- 
en  sich  auch  Mari£-Davy  und  L.  Troost,  l  indem  sie  die  elektromotori- 
en  Kräfte  einer  grossen  Reihe  von  Zusammenstellungen  maassen,  deren 
irmetönungen  durch  die  Messungen  von  Favre  und  Silbermann  festgestellt 
ren.  Das  Verfahren  bestand  in  Strommessungen  mittelst  einer  genauen 
ngentenbussole  unter  Benutzung  bestimmter  Widerstände,  also  im  wesent- 
len  nach  der  Methode  von  Ohm.  Wenn  die  Zusammenstellungen  für  sich 
nen  genügenden  Strom  gaben,  wurden  sie  in  einen  Kreis  mit  anderen 
tten  geschaltet,  deren  Constanten  vorher  bestimmt  waren;  durch  Messungen 
r  elektromotorischen  Kraft  des  zusammengesetzten  Stromkreises  und  Ab- 
hen  des  von  der  Hülfekette  herrührenden  Werthes  konnten  die  gesuchten 
hlen  gefunden  werden. 

Um  der  Bestimmung  der  erforderlichen  Constanten  zu  entgehen,  he- 
tzten sie  ein  Mittel,  welches  zwar  einfach,  aber  keineswegs  einwurfsfrei  ist. 
ir  eine  bestimmte  Kette,  die  SMEF/sche,  aus  Zink  und  platinirtem  Platin  in 
rdünnter  Schwefelsäure  ermittelten  sie  die  elektromotorische  Kraft  in  den 
fälligen  Einheiten  ihrer  Tangentenbussole  und  ihres  Widerstandes;  indem 
r  nun  annahmen,  dass  die  zu  beweisende  Beziehung  in  diesem  Falle  wirk- 
h  bestehe,  konnten  sie  den  Faktor  berechnen,  welcher  ihre  elektromoto- 
chen  Kräfte  in  Wärmeeinheiten  übersetzte.  Für  die  Auflösung  des  Zinks 
ter  Wasserstoffentwickelung  hatten  Favre  und  Silbermann  185  K  gefunden; 
fanden   für   die   elektromotorische   Kraft   der    SMEE^schen   Kette    21 530; 


1  Ans.  chim.  phys.  53,  423.   1858. 


808  Fünfzehntes  Kapitel. 

folglich  ist  0,00857  der  Faktor,  welcher  mit  der  beobachteten  elektrom 
rischen  Kraft  zu  multipliciren  ist,  um  die  Wärmetönung  zu  geben. 

Die  Ergebnisse  der  auf  diese  Weise  angestellten  Versuche  zeigen, 
leicht  es  ist,   Zahlen  zu  erhalten,   welche  einer  einmal  gemachten  V01 
Setzung  entsprechen,   die  theoretisch  begründet  erscheint,    so  dass  an 
Richtigkeit  kein  Zweifel  erhoben  wird.     Die  nachstehende  Tabelle  übe 
Neutralisation  des  Kalis  durch  verschiedene  Säuren  zeigt  eine  Überein 
mung  auf  etwa  ein  Procent,  obwohl  die  von  Favre  und  Silbermann  ; 
gebenen  Werthe    nachweislich    um   etwa   10  Procent   fehlerhaft  sind, 
sind  durch  die  Methode  der  Berechnung  die  Fehler  theilweise  eliminirt, 
bleibt  immerhin  die  Übereinstimmung  sehr  auffällig,  zumal  man  weiss, 
die  vorausgesetzte  Beziehung  keineswegs  zutreffend  ist. 

Die  elektrischen  Messungen  der  den  Neutralisationswärmen  entspre 
den  elektromotorischen  Kräfte  wurden  ausgeführt,  indem  eine  Kette 
Zink  in  Kali  und  Platin  in  der  Säure  gebildet  wurde;  die  der  Auflösung 
Zinks  in  Alkali  und  der  Wasserzersetzung  entsprechenden  Wärmemei 
resp.  elektromotorischen  Kräfte  wurden  in  Rechnung  gebracht 

Säuren  Kette                 Calorimeter 

Schwefelsäure 160  161 

Salpetersäure 155  155 

Salzsäure 158  157 

Brom  wasserstoffsäure 155  155 

Jodwasserstoffsäure 155  157 

Oxalsäure 142  142 

Weinsäure 134  134 

■■  Essigsäure 139  140 

Citronensäure 137  137 

Ameisensäure 125  —  . 

Die  Übereinstimmung  ist  sehr  auffällig,   noch   auffälliger  ist  allere 
dass   bei    der  Ameisensäure,   bei    welcher   calorimetrische  Messungen 
vorlagen,  auf  elektrischem  Wege  eine  um  etwa  9  Procent  kleinere  Zah 
funden  wurde,  als  bei  Essigsäure,  während  wir  jetzt  wissen,  dass  beide  & 
fast  genau  gleiche  Neutralisationswärmen  haben. 

Aus   diesen  Übereinstimmungen    und  Widersprüchen   wird   man 
Schluss   auf  den  Werth   der   Arbeit    machen    können.      Sie    ist   intere 
als  eines  der  deutlichsten  Beispiele  einer  Autosuggestion,  welche  gerad 
diesem  Gebiete  noch  wiederholt  ihre  schädlichen  Einflüsse  geübt  hat. 

11.  Das  JouLE'sche  Stromgesetz.  Die  soeben  bis  an  die  Sc! 
der  neueren  Entwickelung  verfolgte,  von  Joule  zuerst  aufgestellte  Bezic 
zwischen  der  chemischen  Wärmeentwickelung  der  VoLTA'schen  Kette 
ihrer  elektromotorischen  Kraft  war,  wie  man  sich  erinnern  wird,  nicli 
Ergebniss  eines  unmittelbaren  Schlusses,  sondern  das  Endglied  einer  zi 
mengesetzten  Schlussreihe,  welche  ihren  Ausgang  von  dem  experimer 
Gesetze  nahm,  dass  die  in  einem  Leiter  entwickelte  Wärmemenge  dem  V 
stände  und  dem  Quadrat  der  Stromstärke  proportional  ist,  und  durc 


Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie.  80Q 


rendung  dieses  Schlusses   auf  die  ganze  Kette  unter  einer  bestimmten 
Aussetzung  das  Resultat  ergeben  hatte. 

Während  naturgemäss  dieser  Schluss  dem  Verständniss  zunächst  man- 
lei  Schwierigkeiten  bot,  war  das  Stromgesetz  von  Joule  leicht  aufzufassen 
zu  prüfen,  und  so  finden  wir  bald  mehrere  Forscher  damit  beschäftigt, 
e  Prüfung  vorzunehmen.  Es  wird  genügen,  hier  deren  Namen  zu  nennen, 
ceiner  von  ihnen  etwas  wesentliches  hinzugethan  hat;  es  sind  Edmond 
juerel,1  Lenz,3  Botto8  und  Poggendorff,4  die  sich  zunächst  mit  der 
he  beschäftigten,  und  alle  zu  einer  Bestätigung  der  JouLE'schen  Formel 
ngten. 

Die   letztgenannte  Abhandlung  giebt  von  den  Schwierigkeiten,  welche 
ausserhalb  des  Energiebegriffes  aufgewachsenen  und  verbleibenden  Phy- 
rn  das  volle  Verständniss  des  JouLE'schen  Gesetzes  bot,    eine  deutliche 
;chauung. 

Indem  Poggendorff   die   mit  Hülfe   des  OtiM'schen  Gesetzes   aus   dem 

Aschen  folgende  Beziehung  W  =  e  i  betrachtet,    wo   W  die  Wärmeent- 

<elung  in  der  Zeiteinheit,  i  die  Stromstärke  und  e  die  elektromotorische 

ft  bedeutet,  kommt  er  zu  dem  Schluss,  dass  zunächst  bei  gleichbleibender 

:tromotorischer  Kraft  die  Wärmeentwickelung  proportional  der  Stromstärke 

somit  der  in  der  Zeiteinheit  aufgelösten  Zinkmenge  ist.  „Dies  für  die  chemi- 

*  Theorie  scheinbar  so  günstige  Resultat  ist  neuerdings  noch  von  Botto 

:h.  de  l'&ectr.  5,  353)  hervorgehoben  worden,   aber  derselbe  hat  unbe- 

kt  gelassen,   dass  sich  die  Sache  ganz  anders  gestaltet,    wenn   man  die 

>mstärke  constant  setzt  und  die  elektromotorische  Kraft  variabel  nimmt. 

in  ist  die  gesammte  Wärmemenge,  welche  die  Kette  in  einer  gegebenen 

entwickelt,    proportional  dieser  Kraft  und  folglich   kann  sie  in   Ketten 

;chiedener  Art  bei  einer  und  derselben  Menge  von  elektrolytisch  aufge- 

em  Zink  sehr  ungleich  sein." 

Es  ist  nicht  einzusehen,  wie  dieser  ganz  richtige  Satz  im  Widerspruch 

der  chemischen  Theorie  stehen  sollte.     Denn  in  diesen  verschiedenen 

ten    finden    neben    der    Auflösung    des   Zinks    noch    ganz    verschiedene 

nische  Wirkungen  statt,    und  es  ist  der  chemischen  Theorie   ganz  ent- 

chend,    wenn   sich   für  diese  Verschiedenheiten  des  Vorganges  verschie- 

1  Stromwärmen  ergeben. 

Poggendorff  hat  das  Ergebniss  seiner  Betrachtung  auch  der  Prüfung 
:h  den  Versuch  unterworfen,  indem  er  einmal  eine  GROVE'sche,  das 
;re  Mal  eine  Danieli/scIic  Batterie  in  einen  Stromkreis  brachte,  welcher 
*n  einer  Sinusbussole  und  einem  Rheostat  noch  ein  thermometerartiges 
ument  enthielt,  in  dessen  Gefäss  Alkohol  enthalten  war,  in  welchem 
Spule  dünnen  Drahtes  lag;  aus  dem  Steigen  des  Alkohols  konnte  die 
wickelte  Wärme  ermessen  werden.     Es  ergab  sich  in  der  That,  dass  bei 


1  Ann.  chim.  phys.  (3)  9,  21.   1843.  *  Pogg.  Ann.  81,   18.   1844. 

*  Archives  de  l'electr.  5,  353.   1845.  4  Poüg.  Ann.   73,  366.   1848. 


SlO  Fünfzehntes  Kapitel. 


gleicher   Stromstärke    beide   Batterien    in    dem    „Galvanothermometer"  frlsj 
gleiche  Wärmemenge  entwickelten;    da  nun  die  reducirten  Längen  des  ß»|t  je 
sammten    Widerstandes    sich    wie    die   elektromotorischen   Kräfte   verhalt« 
müssen,  damit  die  Stromstärken  gleich  sind,  ist  damit  erwiese«,  dass 
die  Wärmeentwkkelungen  beider  Batterieen  den  elektromotorischen  KriÜta 
derselben  proportional  sind. 

Gegenwärtig  ist  uns  dies  Ergebniss,  welches  diesem  tüchtigen  Physhtr 
so  viele  Denkschwierigkeiten  bereitete,   fest   eine  „selbstverständliche"  Er- 
sieht.    Denn  die  elektrische  Energie,  welcher  die  entwickelte  Wärmemenge 
proportional  sein  muss,  ist  durch  das  Produkt  der  elektromotorischen  Kraft 
in  die  Elektricitätsmenge  gegeben;  die  in  der  Zeiteinheit  durch  einen  Quo1* 
schnitt  des  Leiters  gehende  Elektricitätsmenge  ist  aber  das,   was   man  die 
Stromstärke  nennt.    Somit  drückt  die  oben  aus  dem  JouLE'schen  Gesetz  ab- 
geleitete Gleichung   \V=ei  nichts  aus,   als  die  Gleichheit  der  elektrisd« 
Energie  mit  der  aus  dieser  entstehenden  Wärme,  und  das  JouLE^sche  Gesetz 
lässt  sich  umgekehrt  aus  dem  Energiegesetz  ableiten,  wenn  man  das  Ohm*- 
sehe  als  gegeben  annimmt. 

Weiter  beschäftigte  sich  Poggendorff  mit  dem  Umstände,  der  aus  der- 
selben Gleichung  sich  ergiebt,  da$s  die  in  der  Zeiteinheit  entwickelte  Wärme- 
menge keineswegs  constant  ist,  oder  ein  Maximum  hat,  sondern  über  alk 
Grenzen  zu  wachsen  vermag,  wenn  man  die  Stromstärke  entsprechend  grosser 
werden  lässt.  Auch  dies  sagt  nichts  anderes,  als  dass  die  in  der  Zeiteinheit 
umgesetzte  Energie  beliebig  wachsen  kann,  wenn  man  den  erforderlichen 
chemischen  Aufwand  entsprechend  wachsen  lässt. 

Ferner  gelangt  Poggendorff  durch  einfache  Betrachtungen  zu  dem  Er- 
gebniss,  dass  bei  gegebener  Kette  dann  ein  Maximum  der  WärmeentwickehiDg 
eintreten  müsse,  wenn  der  Widerstand,  in  welchem  die  Wärme  gemessen 
wird,  gleich  dem  Widerstände  in  und  neben  der  Kette  ist.  Auch  dies  &■ 
gebniss  liess  sich  bestätigen,  und  Poggendorff  betrachtete  es  als  einen  Beweis 
dafür,  dass  das  JouLE'sche  Gesetz  in  der  That  für  den  ganzen  Stromkids 
gültig  ist. 

Poggendorff  findet  diese  Beziehungen  auffallend  und  merkwürdig;  be- 
ruhigt sich  aber  über  die  Merkwürdigkeit  dieses  Verhaltens  durch  eiset 
Vergleich  zwischen  der  Wärmewirkung  und  der  magnetischen  Wirkung  des 
Stromes,  da  für  diese,  wenn  man  sie  auf  die  Summe  aller  Querschnitte  be- 
zieht, gleichfalls  der  Gesammtbetrag  bis  ins  Unbegrenzte  wachsen  kann. 
Angesichts  einer  solchen  Betrachtung  begreift  man  wohl,  wie  er  im  Jahre 
vorher  dazu  gekommen  war,  der  Abhandlung  über  die  Erhaltung  der  Kraft, 
welche  ihm  Helmholtz  für  seine  Annalen  angeboten  hatte,  die  Aufaahoe 
zu  versagen,  ebenso,  wie  er  es  sechs  Jahre  früher  mit  der  Abhandlung  xok 
J.  R.  Mayer  gemacht  hatte.  Denn  ein  Vergleich  dieser  beiden  Grössen  ist 
deshalb  ganz  unzulässig,  weil  es  sich  im  Falle  der  Wärme  um  eine  Energie- 
oder Arbeitagrösse  handelt,  während  die  magnetische  Kraft  keine  Arbeit 
bedeutet,   sondern  nur  «n*n  Faktor  einer  solchen.     Auch  erreicht  Pocgeü- 


Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie.  3 1 1 


p  seinen  Zweck  nur  durch  Summirung  aller  magnetischen  Kräfte,  welche 
dem  Querschnitt  des  Leiters  wirksam  sind,  für  welche  Grösse  eiae  pfay- 
ische  Bedeutung  nicht  ganz  naheliegend  ist.    Von  ähnlicher  Beschaflen- 
ist  die  sich  unmittelbar  anschliessende  Betrachtung,   dass  gemäss  der 
rniuss'schen  Theorie  in  allen  Querschnitten  des  Elektrolyts  unaufhörlich 
Atzungen  stattfinden,  und  somit  auch  die  Summe  der  chemischen  „Wir- 
ren" beliebig  gross  gemacht  werden  kann.    Eine  ähnliche  Betrachtungs- 
£  Pogg£ndorff>s   ist   schon  früher  als  missverständlich   erwähnt  worden 
21};  hier  kehrt  sie  in  der  gleichen  Gestalt  wieder. 
Zum  Schluss  erörtert  Poggendorff,   welche  Gesetze   man   für  die  Ge- 
räidigkeit  aufstellen  müsse,  mit  welcher  die  elektrische  Materie  in  dem 
er  äiesst.    Es  hat  keinen  Zweck,  diese  Betrachtungen  hier  wiederzugeben; 
sind  ein  belehrendes  Beispiel  dafür,  wie  ein  allen  ungewohnten  theo- 
chen Betrachtungen  so  abholder  Mann,   wie  Poggendorff,   sich  Mayer 
Helmholtz  gegenüber  erwiesen  hatte,  sich  in  vollkommen  hypothetische 
zulationen  vertiefen  kann,   wenn  nur  diese  sich  auf  gewohntem  Boden 
egen.    Denn  allen  den  an  dieser  Stelle  mitgetheilten  Betrachtungen  über 
Geschwindigkeit  der  Elektricität  und  die  Menge  derselben,   die  sich  in 
m  gegebenen  Letter  in  Bewegung  befindet,  sind  von  solcher  rein  hypo- 
ischer  Beschaffenheit,  da  ihnen  nirgendwo  eine  messbare  und  aufweisbare 
sse  entspricht.     Die  Physik  hat  aber  nur  mit  messbaren,   nicht  mit  ge- 
lten Grössen  zu  thun. 

Es  ist  nicht  die  Absicht,    den  verdienten  Forscher  wegen  dieses  Ver- 

ens  besonders  zur  Rede  zu  stellen,  sondern  nur  eine  ungemein  und  häufig 

retende  Erscheinung  in  einem  besonderen  Falle  zu  charakterisiren.    Auch 

sre  heutige  Wissenschaft  ist  noch  vielfach  geneigt,   auf  die  Ermittelung 

Beziehungen  zwischen  rein  hypothetischen  Grössen  einen  ganz  unbilligen 

rth  zu  legen.    So  pflegt  man  es  Clausius  hoch  anzurechnen,  dass  er  die 

chwindigkeit  der  Gasmolekeln  berechnet  hat.     Formulirt  man  dieses  Er- 

niss  nach  seinem  thatsächlichen  Inhalt,  so  heisst  es:   wenn  man  sich  ein 

aus  kleinen  Theilchen  bestehend  denkt,  welche  den  Druck  durch  elasti- 

?n  Stoss  auf  die  Wände  des  Gelasses  ausüben,  so  müssen  diesen  Theil- 

n   gewisse,    berechenbare  Geschwindigkeiten   zugeschrieben  werden,    um 

thatsächlich    stattfindenden  Druck  zu   erhalten.     An  dieser  Gestalt  des 

Lihmten  Ergebnisses,    in  welcher  nichts  falsches  oder  unbilliges  liegt,  er- 

it  man,  wie  dürftig  es  im  Grunde  ist. 

Von  ähnlicher  Beschaffenheit  sind  so  manche  Dinge,  welche  ab  wichtige 
tandtheile  der  Wissenschaft  angesehen  werden.  Um  von  diesem  Gesichts- 
kte  aus  das  Vorhandene  zu  prüfen,  braucht  man  sich  nur  in  jedem  Falle 
fragen:  handelt  die  fragliche  Gleichung  von  messbaren  Grössen,  oder 
lt?  So  lange  nicht  alle  in  der  Gleichung  auftretenden  Grössen  messbar 
aufweisbar  sind,  lehrt  die  Gleichung  physikalisch  nichts  ganz  bestimmtes/ 
es  muss  an  den  der  Messung  noch  nicht  zugänglichen  Werthen  die 
riffliche    Analyse    ausgeführt   werden    (S.  7),    bis   dies    Ziel    erreicht    ist 


3i2  Fünfzehntes  Kapitel.     Das  Energiegesetz  in  der  Elektrochemie. 


Dies  ist  die  allgemeine  Bedeutung  des  KiRCHHOFF'schen  Wortes  über 
Mechanik,  dass  sie  die  Erscheinungen  zu  beschreiben  habe;  die  Aufg 
der  messenden  Wissenschaften  im  Allgemeinen  ist,  zahlenmässige  Beziehui 
zwischen  den  vorhandenen  messbaren  Grössen  aufzustellen.  Ist  dies 
reicht,  so  ist  die  wissenschaftliche  Aufgabe  gelöst,  und  alles  übrige 
vom  Übel. 

Diese  Betrachtung  fuhrt  uns  schliesslich  wieder  auf  den  Punkt  zur 
von  dem  wir  in  diesem  Kapitel  ausgegangen  waren.  Die  ausserorden 
grosse  Bedeutung  des  Energiegesetzes  liegt  wesentlich  darin,  dass  die  Em 
dasjenige  ist,  was  allem  physischen  Geschehen  gemein  ist,  so  dass  alle 
Ziehungen,  welche  man  zwischen  den  verschiedenen  Gebieten  der  N< 
erscheinungen  aufstellen  kann,  in  letzter  Instanz  Energiebeziehungen  ! 
Für  die  ältere  Physik  war  der  Kraftbegriff  der  grundlegende;  jeder  Auij 
gegenüber  wurde  zunächst  die  Frage  gestellt,  auf  welche  Kräfte  lässt 
die  Erscheinung  zurückführen?  So  dürfen  wir  bei  klarer  Erfassung 
Energiegesetzes  nicht  mehr  fragen,  denn  die  Kraft  ist  ein  Begriff,  wel 
nur  einer  von  den  vielen  vorhandenen  Formen  der  Energie,  der  med 
sehen,  angehört.  Vielmehr  lautet  die  richtige  Frage:  welche  Energiea 
betheiligen  sich  an  der  Erscheinung?  und  aus  der  Antwort  auf  diese  Fi 
und  der  Kenntniss  der  Gesetze  der  vorhandenen  Energieen  ergiebt  sich 
was  sich  wissenschaftlich  über  die  Sache  sagen  lässt. 


FiR.    Io8.      W.    H[TTOHF. 


Sechzehntes  Kapitel. 

e  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten. 


Vorbemerkung.  Bereits  bei  der  Beobachtung  der  ersten  Erschei- 
i  der  Elektrolyse  war  den  Forschern  ein  räthselhaftes  Phänomen  ent- 
fetteten, dessen  Erklärung  alsbald  die  allergrössten  Schwierigkeiten 
;:  das  getrennte  Auftreten  der  Bestandtheile  des  Elektrolyts  an  Stellen, 

von  einander  so  weit  entfernt  waren,  dass  die  Möglichkeit  ganz  aus- 
jssen  war,  diese  Bestandtheile  könnten  von  der  Trennung  einer  und 
len  Stoffmenge  herrühren.  Jeder,  der  unbefangenen  Blicks  an  diese 
chen  herantrat,  musste  sich  sagen,  dass  hier  ein  Widerspruch  mit 
vorhanden  war,  was  man  aus  den  vorhandenen  Annahmen  bezüglich 
solchen  Zersetzung  hätte  erwarten  sollen.  Es  ist  schon  (S.  3 12)  mit- 
t  worden,  in  welcher  Weise  die  Schwierigkeit  durch  Gkotthuss  zu 
jen  versucht  worden  war;  in  Ermangelung  einer  besseren  Erklärung 
nan  sich  damit  zufrieden  gegeben,  ohne  dass  doch  die  vorhandenen 
iprüche  wirklich  beseitigt  worden  wären.     Zwar  für  die  Haupterschei- 


8 14  Sechzehntes  Kapitel. 


nung,  das  getrennte  Auftreten  der  Bestandteile,  war  ein  Bild  gegebe 
mehr  als  diese  Thatsache  hatte  Grotthuss  zu  erklären  nicht  untern 
können,  da  die  Kenntniss  seiner  Zeit  über  die  dieser  einen  Thatsache 
hinausging.  Es  dauerte  aber  keineswegs  lange,  so  erschienen  neue 
achtungen,  welche  sich  unter  dem  gegebenen  Bilde  schwerlich  be 
Hessen. 

Die  bemerkenswerthesten  desselben  waren  die  von  Davy  anges 
Beobachtungen  über  das  Wandern  der  Stoffe  durch  einander  (S.  197 
welchen  hervorging,  dass  die  chemische  Verwandtschaft  zwischengek 
Stoffe  keineswegs  im  Stande  ist,  Säuren  von  ihrer  Wanderung  nacl 
positiven  Pol,  Alkalien  von  ihrer  zu  dem  negativen  zurückzuhalten.  I 
man  sich  allenfalls  mit  Grotthuss  denken,  dass  bei  einer  gleichartigen 
sigkeit,  wie  Wasser,  die  „Kraft"  eines  eben  fretgewordenen  Wasserstof 
gerade  hinreichen  könnte,  um  das  nächstliegende  Sauerstoffatom  de 
grenzenden  Wasser  zu  entrassea  (wenn  auch  diese  Annahme  bei  gen 
Analyse  auf  sehr  böse  Schwierigkeiten  föhrt),  und  so  fort,  so  versagte 
Vorstellung  doch,  wenn  man  das  Kali  ausser  seinem  schwefelsauren 
durch  freie  Schwefelsäure  sich  bewegen  sah,  ohne  dass  diese  es  in  j 
Laufe  aufhalten  konnte.  Denn  wie  sollte  die  Schwefelsäure,  welche  ; 
die  Kathode  umgebende  Wasser  grenzte,  ihr  Atom  Kali  an  das  Wass 
geben,  da  doch  die  zu  trennende  Verwandtschaft  zwischen  ihr  un< 
Kali  so  viel  grösser  ist,  als  die  gleichzeitig  befriedigte  Verwandtschaft  z? 
Kali  und  Wasser?  Um  hier  die  Ansicht  von  Grotthuss  durchzufuhren, 
nichts  übrig,  als  die  weitere  Annahme,  dass  die  beim  Eintritt  des  ¥ 
die  Schwefelsäure  gewonnene  Verwandtschaft  bei  der  ganzen  Wan 
durch  die  Schwefelsäure  aufbewahrt  und  wirksam  bleibt,  um  sich  ers 
Austritt  aus  derselben  wieder  zu  bethätigen,  und  diesen  Austritt  de 
zu  ermöglichen.  In  der  That  hat  sich  keiner  der  Vertheidiger  der 
Huss'schen  Ansicht  zu  diesem  Schlüsse  verstanden.1 

Die  Aufhebung  dieser   grossen  Schwierigkeit   ist  auf  einem  W< 
lungen,  welcher  von  allen  möglichen  als  der  fernstliegende  erschien, 
die  zu  überwindende  Schwierigkeit  lag  nicht  in  den  elektrischen,  son< 
den  chemischen  Ansichten;    auf  dem  Boden  der  üblichen  Chemie, 
die  Ionen  der  Elektrolyte  als  mit  einander  verbunden   ansah,    war 
That   ein  unbedingter  Widerspruch  der  Anschauungen    mit    der  Erf 
vorhanden.     Als  aber,  zunächst  in  Veranlassung  ganz  anderer  Gründe 
Ansicht  aufgegeben  wurde,  und  den  Ionen  in  den  Elektrolyten  eine 


1  Im  Text  ist  die  Sache  gemäss  den  damals  geltenden  Ansichten  dargesteöt  wort 
Kali  und  Schwefelsäure  die  Ionen  des  Kaliumsulfats  sind.  Ein  kleines  Nachdenken  « 
der  Einwand  auch  vollkommen  in  Kraft  bleibt,  wenn  man  die  heutigen  Annahmen 
Ionen  benutzt;  es  ist  immer  möglich,  durch  Hintereinanderschichten  verschiedener  Lös« 
Ion  zu  zwingen,  aus  einem  Gebiet,  wo  es  durch  grössere  Verwandtschaften  zurückgenaltei 
in  ein  anderes  zu  treten,  in  welches  es  durch  geringere  Verwandtschaften  gezogen  f 
keinem  dieser  Fälle  bleibt  die  Überführung  aus. 


Die  Leitung  der  Elektricit&t  in  den  Elektrolyten.  g  i  c 


t  Unabhängigkeit  und  Freiheit  zugeschrieben  wurde,  verschwanden  die 
iertgkeiten  ganz  und  gar,  und  die  Gesammthert  der  elektrolytischen 
Sachen  erfuhr  eine  einfache  und  klare  Deutung. 

Der  Weg,  welcher  bis  zu  dieser  Erkennt niss  geführt  hat,  ist  ein  un- 
rin  langer  und  schwieriger  gewesen.  Stufe  für  Stufe  mussten  die  Eigen- 
ten  erkannt  werden,  welche  den  elektrischen  Vorgängen  in  Elektrolyten 
tnmen,  und  die  vielfachen  Streitigkeiten  bei  dieser  Gelegenheit  sind  ein 
lauliches  Zeugniss  dafür,  in  welchem  Maasse  die  wirklich  sich  ergeben- 
Verhäitnisse  dem  widersprachen,  was  man  auf  Grund  jener  unzweck- 
igen  Ansichten  erwarten  zu  müssen  glaubte.  So  sehen  wir  hier  ver- 
issmässig  einfache  Dinge  nur  unter  den  grössten  Anstrengungen  in  das 
nthum  der  Wissenschaft  übergehen,  und  werden  Zeugen  davon,  wie  sehr 
prüfte  Voraussetzungen  die  Entwickelung  der  Wissenschaft  zu  hemmen 
tögen.  Wenn  man  die  Geschichte  der  grossen  Entdeckungen  betrachtet, 
berzeugt  man  sich  leicht,  dass  mindestens  die  Hälfte  derselben  dadurch 
acht  worden  sind,  dass  Dinge,  weiche  der  ganzen  Zeit  bis  dahin  als 
>stverständlich"  gegolten  hatten,  in  Zweifel  gezogen,  geprüft  und  falsch 
nden  worden  sind. 

Zwei  Fragen  sind  es,  deren  Beantwortung  den  Inhalt  der  Entwickelungs- 
hichte  der  Lehre  von  der  Stromleitung  in  den  Elektrolyten  ausmacht 
eine  bezieht  sich  auf  den  gesetzmässigen  Zusammenhang  zwischen  der 
egung  der  Elektricität  und  der  gleichzeitig  erfolgenden  der  Ionen,  oder 
wägbaren  Begleiter  der  Elektricitätsbewegung;  ihre  Beantwortung  ist 
:h  das  FARADAY*sche  Gesetz  angebahnt,  und  durch  W.  Hittorf  und  F.  Kohl- 
ch  auf  ihren  gegenwärtigen  Stand  geführt  worden.  Die  andere  lautet: 
sind  die  Thatsachen  der  elektrolytischen  Leitung  mit  denen  der  allge- 
len  Chemie  vereinbar;  der  erste  Versuch  ihrer  Beantwortung  liegt  in 
Theorie  von  Grotthuss  vor,  ein  zweiter  ist  im  Jahre  1857  durch  Claüsius 
acht  worden,  und  der  entscheidende  Gedanke  wurde  dann  nicht  früher 
1887  von  Svante  Arrhenius  ans  Licht  gebracht.  Zwischen  den  durch 
?  Männer  gekennzeichneten  wichtigen  Entwicklungsstufen  liegen  zahl- 
te einzelne  Fortschritte  von  geringerem  Belange,  und  noch  zahlreichere 
ümer  und  verfehlte  Versuche. 

2.  Ältere  Messungen  der  elektrischen  Leitfähigkeit  Die  ersten 
enden  Versuche  über  die  verschiedene  Leitfähigkeit  der  Metalle  für  Elek- 
ät  wurden  von  Davy1  angestellt.  Bei  dem  damaligen  Mangel  an  Mess- 
mitteln in  diesem  Gebiete  (das  Galvanometer  wurde  erst  einige  Jahre 
r  erfunden)  ist  es  von  Interesse,  zu  sehen,  wie  sich  Davy  geholfen  hat: 
bloss  eine  Batterie  durch  einen  Wasserzersetzungsapparat,  und  brachte 
zu  untersuchenden  metallischen  Leiter  als  Nebenschluss  parallel  zu  dem 
terzersetzungsapparat  an.  Wurden  wenige  Plattenpaare  genommen,  so 
te  dadurch  die  Wasserzersetzung  aufgehoben  werden;  bei  der  Vermeh- 


1  Pbilos.  Trans.   1821.  —  Pogg.  Ann.  71,    241.   1822. 


3x6  Sechzehntes  Kapitel. 


rung  der  Plattenpaare  trat  sie  wieder  ein,   und  Davy  bestimmte  d 
die  Anzahl   der  Paare,   welche   durch    einen  Draht  von  6  Zoll  Länge 
V220  Zoll  Dicke  „entladen"  wurden.     Die  Reihe  war:   Silber  65,  Kupfer 
Zinn   12,  Platin   n,  Eisen  6,  Blei  5  bis  6;  sie  giebt  in  der  ThatdieR 
folge  der  Leitfähigkeiten  annähernd  wieder,  doch  klagt  Davy  selbst  darül 
dass  seine  Ergebnisse  nicht  recht  übereinstimmend  erhalten  werden  Ig 

Von  den  Gesetzen,  welchen  die  Leitfähigkeit  der  Metalle  unterw« 
ist,  entdeckte  er  zunächst  das,  dass  sie  mit  steigender  Temperatur  abni 
Er  erläutert  dies  durch  einen  hübschen  Versuch:  „Hat  man  in  einem  Vom1 
sehen  Kreis  einen  5  bis  6  Zoll  langen,  so  dünnen  Platindraht  angebracht,  das 
die  Elektricität,  welche  durch  ihn  hindurchgeht,  ihn  in  seiner  ganzen  Lange 
rothglühend  macht,  und  bringt  man  nun  irgend  einen  Theil  desselben  durck 
eine  untergehaltene  Spirituslampe  zum  Weissglühen,  so  erkaltet  augenblick- 
lich der  übrige  Theil  des  Drahtes  bis  unter  die  Temperatur  des  sichtbar« 
Glühens.  Und  hält  man  umgekehrt  an  irgend  eine  Stelle  des  rothglühenden 
Drahtes  ein  Stück  Eis,  oder  treibt  einen  Strom  kalter  Luft  darauf,  so  werden 
augenblicklich  die  übrigen  Stellen  des  Drahtes  viel  heisser,  und  kommen 
vom  Roth-  zum  Weissglühen." 

Ferner  fand  Davy,  dass  die  Leitfähigkeit  der  Drähte  ihrer  Länge  um- 
gekehrt proportional  war,  indem  die  Zahl  der  entladenen  Plattenpaare  sich 
umgekehrt  wie  die  Länge  verhielt.  Deshalb  konnte  er  die  Versuche  über 
die  Leitfähigkeit  nunmehr  so  anstellen,  dass  er  die  Drahtlangen  ermittelte, 
welche  die  gleiche  Zahl  von  Plattenpaaren  entluden.  Die  Ergebnisse  waren: 
Platin   1,  Silber  6,  Kupfer  5,5,  Gold  4,  Blei  3,8,  Palladium  0,9,  Eisen  o£ 

„Ich  habe  ferner  gefunden,  dass  in  VoLTA'schen  Batterieen  von  der  eben 
beschriebenen  Art  und  Anzahl  von  Plattenpaaren  das  Leitvermögen  eines 
Drahtes  für  Elektricität  (bei  gleicher  Länge)  nahe  der  Masse  desselben  direkt 
proportional  war,  wie  sich  das  erwarten  Hess."  Von  der  Form  des  Quer- 
schnittes und  demnach  der  Oberfläche  war  die  Leitung  dagegen  unabhängig, 
denn  sechs  dünne  Drähte  leiteten  ebenso  gut,  wie  ein  gleich  langer  Draht 
vom  sechsfachen  Gewichte.  Auch  Hess  Davy  einen  Draht  flach  walzen,  und 
fand  ihn  gleich  gut  leitend,  wie  einen  gleich  schweren  und  langen  runden 
Draht.  „In  der  Luft  zeigte  sich  der  flache  Draht  als  der  bessere  Leiter  aus 
dem  Grunde,  weil  er  sich  schneller  abkühlte;  als  aber  beide  Drähte  von 
Wasser  umgeben  waren,  Hess  sich  keine  Verschiedenheit  in  ihrem  Leitver- 
mögen wahrnehmen." 

V ersuche,  die  Leitfähigkeit  von  Flüssigkeiten  zu  bestimmen,  scheiterten, 
„doch  scheint  sich  aus  den  Versuchen  wenigstens  soviel  zu  ergeben,  dass 
das  Leitvermögen  der  besten  flüssigen  Leiter  mehrere  hunderttausendmal 
schwächer  ist,  als  das  der  schlechtesten  Leiter  unter  den  Metallen/' 

Über  die  Frage,  ob  die  Leitfähigkeit  der  Metalle  von  der  Beschaffenheit 
des  elektrischen  Stromes  abhänge,  kommt  Davy  zu  keinen  recht  bestimmten 
Ergebnissen;  diese  Angelegenheit  ist  dann  erst  von  Ohm  (S.  388)  erledigt 
worden.     Dagegen  hat  er  wohl  die  ersten  Beobachtungen  darüber  gemacht 


li 


\1 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  8l7  " 


die  Wärmeentwickelung  dem  Widerstände  proportional  ist.  Nach  quali- 
en  Versuchen  über  den  Grad  der  Erhitzung,  welchen  die  verschiedenen 
die  erfahren,  ergab  sich,  dass  die  Reihe  der  Erhitzung  mit  der  Reihe 
Leitfähigkeiten  in  umgekehrter  Ordnung  läuft.  „Es  erhellte  ferner  aus 
n  Versuche,   bei   welchem   ähnliche  Drähte  aus  Platin  und  aus  Silber 

in  dem  Schliessungsbogen  unter  gleichen  Mengen  Ol  befanden,  dass 
Erzeugung  der  Wärme  nahe  in  dem  umgekehrten  Verhältniss,  wie  ihr 
ingsvermögen  steht;  denn  während  das  Silber  die  Temperatur  des  Öls 
um  4°  vermehrte,  erhöhte  das  Platin  sie  um  22°;  —  dass  endlich  die  Be- 
mgen  zur  Wärme  dieselben  sind,  welche  Intensität  auch  die  Elektricität 
als  ich  die  Entladungen  von  Leidener  Batterieen  durch  Drähte,  welche 

unter  Wasser  befanden,  hindurchgehen  Hess;  diese  erhitzten  sich  näm- 
in  derselben  Folge,   wie   durch   die  Voi/TA'sche  Batterie,   indem   dabei 
Eisen  eher  schmolz,  als  Platin,  dieses  eher  als  Gold,  und  so  weiter/' 
Die  von  Davy  mit  so  unvollkommenen  Mitteln  entdeckten  Beziehungen 
:hen  der  Gestalt  der  Leiter  und  deren  Leitfähigkeit  wurden  dann,  nach- 

in  dem  Galvanometer  ein  bequemes  und  genaues  Messhilfsmittel  ge- 
en  worden  war,  völlig  bestätigt.  Zuerst  geschah  dies  durch  Becquerel, 
mit  Hülfe  seines  Differentialgalvanometers  noch  ohne  Kenntniss  des 
'sehen  Gesetzes  recht  genaue  Messungen  anstellte  (S.  638),  indem  er 
einfaches  Substitutionsverfahren  anwandte,  d.  h.  einen  angenommenen 
naldraht  durch  andere  ersetzte,   deren  Länge  und  Dicke  er  so  wählte 

abänderte,  dass  sie  die  gleiche  Wirkung  gaben,  wie  jener  Normaldraht. 
Durch  Ohm  wurde  nun  weiter  festgestellt,  dass  die  Leitfähigkeit  oder 
Widerstand  eines  gegebenen  Leiters  eine  von  der  Stromstärke  oder 
elektromotorischen  Kraft  unabhängige  Grösse  ist;  in  dieser  Entdeckung 
ht  ja  das  eigentliche  Wesen   des  OHM'schen  Gesetzes.     Auch  verfehlte 

nicht,  einige  Bestimmungen  der  Widerstandseigenschaften  von  Metallen 
ufuhren. 

Bei  Gelegenheit  seiner  Maassbestimmungen  über  die  galvanische  Kette 
:e  dann  Fechner  (S.  422)  fest,  dass  die  auf  die  Form  der  Leiter  bezüg- 
n  Gesetze  auch  für  flüssige  Leiter  gelten,  und  gab  gleichzeitig  als  erster 
Methode,  durch  Berücksichtigung  der  Polarisation  zu  genauen  Messungen 
*r  Grösse  bei  zersetzlichen  Leitern  zu  gelangen.  Ohne  Rücksicht  auf 
*  Grösse  hatte  Poggendorff  gelegentlich  seiner  Arbeit  über  den  Multipli- 
r  (S.  375)  die  eigenthümliche  Erscheinung  des  Maximums  der  Leitfähig- 
der  Schwefelsäure  bei  einer  mittleren  Verdünnung  beobachtet. 
Endlich  ist  zu  erwähnen,  dass  das  entgegengesetzte  Verhalten  der  flüs- 
1  Leiter  in  Bezug  auf  den  Einfluss  der  Wärme  durch  Ohm1  zuerst  er- 
lt  worden  ist.  In  dem  Fig.  209  abgebildeten  Apparate  fand  er  eine 
sere  Ablenkung  am  Galvanometer,  wenn  die  mit  Flüssigkeit  gefüllte 
re  zz  erwärmt  wurde.     Da  im  übrigen  alles  unverändert  blieb,  konnte 

1  Pogg.  Ann.  63,  403.   1844. 
stwald,  Elektrochemie.  52 


8i8 


Sechzehntes  Kapitel. 


die  vergrösserte  Ablenkung  nur  der  Erwärmung  zugeschrieben  werden.  AI 
in  der  Folge  diese  Beobachtung  bestätigt  wurde,  bildete  sich  die  Memail*^- 
aus,  es  sei  dies  ein  charakteristisches  Kennzeichen  der  Elektrolyte  im  Gega*^ 

satz  zu    den   Metallen;  hm 
dessen    ist    dies    Verhata 


H 


Ol 


1- 


m, 


%r- 


Fig.  209.     Nach  Ohm. 


nt/   zwar  bei  weitem  das  hat 
X    gere,  doch  giebt  es  auf  bfr^J 
den  Seiten  Ausnahmen. 
Ebenso,  wie  das  Difc 
rentialgalvanometer  zu  der  Messung  der  Leitfähigkeiten  die  Möglichkeit  ge- 
geben  hatte,   wandte   auch   der   Erfinder   der   Tangentenbussole,   Poüillet, 
(S.  632)  sein  Instrument  zu  gleichem  Zwecke  an.1     Wenn  auch  die  Mühe»- 
lung  der  erhaltenen  Zahlen  wenig  Interesse  hat,   ausser   der  Beobachtung, 
dass   schon   sehr   geringe  Beimischungen   fremder  Metalle   die  Leitfähigkeit 
bedeutend   herabdrücken,   so   ist   die  Arbeit  doch  insofern  nicht  ohne  Be-  fc 
deutung,  als  hier  Poüillet  selbständig,  wenn  auch  noch  in  ziemlich  unvoDr  fc 
kommener  Gestalt  einen  Theil  des  OHM'schen  Gesetzes  ausspricht   „In  meinem 
Apparate  wirkten  die  elektromagnetischen  Kräfte,  welche  zur  Messung  des 
Leitungsvermögens  dienten,  proportional  den  Tangenten  der  Ablenkung  der 
Nadel,  und  als  von  einem  und  demselben  Draht  nach  einander  die  Langes 
l\>  4>  4  etc-  genommen  wurden,    standen  die  Tangenten  /j,  /a,  /s  etc.  der 
Ablenkungen  niemals  im  umgekehrten  Verhältniss  dieser  Längen.     Dagegen 
verhielten    sie    sich    umgekehrt,    wie    die    um    eine    Grösse  X    vermehrten 
Längen.     Die  Grösse  A  blieb  für  verschiedene  Längen  eines  und  desselben 
Drahtes  constant.  ...   Es  scheint  mir  demnach,   dass  die  Leitfähigkeit  sich 
in  aller  Strenge  umgekehrt  wie  die  Länge  der  Drähte  verhält,  vorausgesettt, 
dass  man  den  Widerstand,  welchen  die  Elektricität  beim  Durchgange  durch 
die  zwischen  den  Plattenpaaren  befindliche  Flüssigkeit  und  die  verschiedenen 
Leiter,  die  zu  den  Drähten  hinfuhren,  erleidet,  in  Rechnung  zieht" 

Eine  systematische  Untersuchung  der  elektrischen  Leitfähigkeit  fester 
und  flüssiger  Körper  wurde  dann  im  Jahre  1846  durch  Edmond  Becquerel, 
den  Sohn  von  Antoine  Becquerel,  vorgenommen,2  der  sich  gleichfalls  des 
DirTerentialgalvanometers  bediente.  Die  Versuchsanordnung  ist  in  Fig.  210 
dargestellt;  EE'  ist  ein  Rheostat  nach  Wheatstone  mit  kleinen  Abänderungen 
(S.  639),  AA'  ist  der  zu  untersuchende  Draht,  von  dem  durch  einen  gleiten- 
den Contact  C  verschiedene  Längen  nach  einander  eingeschaltet  wurden; 
dadurch  konnten  die  Widerstände  der  Zuleitungen  unschädlich  gemacht 
werden,  indem  man  nur  die  Unterschiede  des  Widerstandes  maass,  welche 
zwei  verschiedenen  Stellungen  von  C  entsprachen. 

Becquerel  untersuchte  auch  den  Einfluss,  welchen  die  Temperatur  auf 
die  Leitfähigkeit  hat,  genauer,  indem  er  den  aufgespulten  Draht  in  ein  mit 


1  Timite  de  Physique  1,  754.  1827;  nach  Pogg.  Ann.  15,  91.  1829. 
od.  cfaim.  phv-  1846. 


Die  Leitung  der  Elekiricitäl  i: 


B  Elektrolyten. 


8-9 


hermometer  ausgestattetes  Gefass  brachte,  in  welchem  sich  Wasser 
dessen  Temperatur  man  verändern  konnte.  Es  ergab  sich  bei  diesen 
en   der  Temperaturcoefncient   der  Lettfähigkeit,   d.  h.   die   verhält- 


Fig.  i 


Nach  Becquerel, 


ige  Abnahme  der  Leitfähigkeit  für  einen  Grad,  bezogen  auf  die 
;keit  bei  0°  als  Einheit,  ziemlich  verschieden,  von  0,00104  beim 
ber  bis  zu  0,0062  beim  Zinn.  Von  der  später  durch  Clausus  er- 
Regelmässigkeit,    dass  bei  reinen  Metallen   dieser  Coefricient  gleich 

dem  Ausdehnungscoefficienten  der  Gase  nahezu  übereinstimmend 
Becquerel  nichts  bemerkt. 

weiterer  Theil   der  Arbeit   bezieht   sich   auf  die  Leitfähigkeit  der 
;iten.     Der  dazu  dienende  Apparat  ist  gleichfalls  geeignet,  richtige 
u  geben,  und 
heidet  sich 

Form  nach 
n,    welchen 


i.    Nach  Becquerel. 

Apparate  wurden  in  die  beiden  Zweige  des  Differentialgalvanometers 
iltet  und  ins  Gleichgewicht  gebracht.  War  dies  geschehen,  so 
e  eine  Elektrode  um  ein  gemessenes  Stück  verschoben,  und  durch 
erstand  die  entstandene  Änderung  der  Leitfähigkeit  ausgeglichen; 
^schaltete  Drahtwiderstand  ist  dem  ausgeschalteten  Flüssigkeitswider- 
leich. 


820  Sechzehntes  Kapitel. 


Was   die   allgemeinen   Ergebnisse   anlangt,    so    findet   Becquerel  i 
Klassen  von  Salzen.     Die  der  ersten  vermindern  mit  zunehmendem  Gchakl^ 
den  Widerstand,   und  zwar,   wie  er  zu  finden  glaubte,   nach  einer  linem] 
Function;   ist  R  der  Widerstand  und  q  der  Gehalt  in  der  Volumeinheit, 

gilt  die  Formel  R  =  A  H ,  wo  A  und  B  Constanten  sind.    Die  Salze  der] 

zweiten  Klasse  sind  die  sehr  leichtlöslichen;  sie  vermindern  anfangs  da 
Widerstand,  aber  über  einen  gewissen  Gehalt  hinaus  vermehren  sie  Da 
wieder  mit  zunehmendem  Gehalte.  Hierzu  gehören  Zinksulfat  und  Kupfer- 
nitrat.  Alle  von  Becquerel  untersuchten  Salzlösungen  vermindern  ihm 
Widerstand  beim  Erwärmen. 

Fast  gleichzeitig  wurde  auch  in  Deutschland  eine  umfassendere  und  voa 
gröberen  Fehlern  freie  Untersuchung  über  die  elektrische  Leitfähigkeit  von 
Lösungen  im  Giessener  Laboratorium  unter  Buff's  Leitung  von  E.  N.  Hors- 
ford  ausgeführt.1  Das  Verfahren  war  das  von  Wheatstone  angegebene 
(S.  642),  indem  die  Polarisation  berücksichtigt  wurde.  Zunächst  wurde  erneut 
festgestellt,  dass  der  Widerstand  der  Länge  direkt  und  dem  Querschnitt  um- 
gekehrt proportional  ist,  so  dass  sich  für  den  Widerstand  einer  Flüssigkeit 
ein  specifischer  Coefficient  angeben  lässt. 

Zur  Untersuchung  gelangten  Lösungen  von  Schwefelsäure,  Zink-  und 
Kupfervitriol,  Kochsalz,  Chlorkalium,  Chlorbaryum,  Chlorstrontium,  Chlor- 
calcium,  Chlormagnesium  und  Chlorzink.  Aus  den  erhaltenen  Zahlen  sind 
keine  Schlüsse  gezogen  worden,  weil  der  Verfasser  seine  Arbeit  fortzusetzen 
gedachte.  Doch  ist  es  nicht  dazu  gekommen;  Horsford  legte  sich  in  Amerika 
auf  die  Fabrikation  von  Backpulver  und  wurde  ein  reicher  Mann. 

Prüft  man  die  mitgetheilten  Zahlen,  so  ergiebt  sich  folgendes,  was  spater 
von  Anderen  wiedergefunden  ist.  Schwefelsäure  hat  ein  Minimum  des  spc- 
cifischen  Widerstandes  bei  einem  specifischen  Gewicht  zwischen  1,24  und 
1,30.  Lösungen  desselben  Salzes  ändern  ihren  Widerstand  angenähert  um- 
gekehrt  proportional  dem  Gehalt,  doch  ist  der  Widerstand  verdünnterer  Lö- 
sungen kleiner,  als  der  Proportionalität  entspricht. 

3.  Nochmals  die  metallische  Leitung  der  Elektrolyte.  Für  die 
weitere  Entwicklung  klarer  Ansichten  über  die  Elektricitätsleitung  in  den 
Elektrolyten  war  es  nothwendig,  zu  einer  Entscheidung  darüber  zu  gelangen, 
ob,  wie  Faraday  angenommen  hatte,  eine  nichtelektrolytische  Leitung  neben 
der  elektrolytischen  in  Flüssigkeiten  möglich  ist,  oder  nicht.  Allerdings  lässt 
sich  eine  solche  Frage  auf  experimentellem  Wege  nie  absolut  beantworten; 
alles,  was  der  Versuch  uns  lehren  kann,  ist,  ob  innerhalb  einer  bestimmten 
angebbaren  Grenze  eine  solche  metallische  Leitung  neben  der  elektrolytischen 
stattfindet,  oder  nicht  Mehr  aber  brauchen  wir  nicht  zu  wissen;  ist  diese 
Grenze  hinreichend  weit  hinausgerückt,  dass  der  mögliche  Betrag  auf  keinen 
Vorgang  einen  sieht-  oder  messbaren  Einfluss  äussert,  so  hat  es  wenig  Be- 

70.  - 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  321 

ung>   wenn   dem    gegenüber   prinzipiell   hervorgehoben   wird,    dass   ein 
ireis"  gegen  die  Möglichkeit  der  metallischen  Leitung  nicht  gegeben  sei. 
Durch  die  Untersuchungen  von  Schönbein  und  Henrici  über  die  Pola- 
ion  (S.  667)  war  in  der  That  dieser  Beweis  in  einem  sehr  weiten  Um- 
e  gefuhrt  worden.     Erkennt  man  die  Polarisation  als  einen  chemischen, 
h   die  Wirkung   der  elektrolytisch   ausgeschiedenen  Ionen   veranlassten 
yang  an,   so  kann  aus  jenen  Nachweisen,  dass  kein  Strom,  sei  er  auch 
1  so  schwach,  durch  eine  Elektrode  und  einen  Elektrolyt  von  geeigneter 
:haffenheit  gehen  kann,   ohne  erstere  zu  polarisiren,   der  unzweifelhafte 
uss  gezogen  werden,  dass  bis  zu  jener  Grenze  der  Nachweisbarkeit  der 
ine  auch  die  Leitung  eine  elektrolytische  gewesen  ist.    Freilich  war  nicht 
iesen,    dass   nicht   nur  ein  Theil  der  Ströme  elektrolytisch  gewesen  ist, 
der  andere  metallisch;   jedenfalls  war  aber  die  von  Farad ay  angenom- 
le  Möglichkeit,  dass  ganz  schwache  Ströme  ohne  jede  Elektrolyse  durch- 
en könnten,  bis  zur  Grenze  des  Messbaren  widerlegt. 

Neben  diesen  qualitativen  Nachweisen  wurden  im  Laufe  der  Zeit  auch 
ntitative  erbracht.  In  einer  sorgfältigen  Arbeit  —  wohl  der  besten,  die 
t  gelungen  ist  —  hat  Buff1  die  Proportionalität  zwischen  der  an  dem 
vanometer  gemessenen  Stromstärke  und  der  elektrolytischen  Wirkung 
>rüft  und  bis  zu  sehr  geringen  Stromstärken  bestätigt  gefunden. 

In  seiner  ersten  Arbeit  über  das  elektrolytische  Gesetz2  verglich  er  die 
ichzeitige  Wirkung  des  von  einem  sehr  constanten  Daniell-Element  ge- 
erten  Stromes  auf  ein  empfindliches  graduirtes  Galvanometer  und  auf  eine 
Dernitratlösung  zwischen  Silberelektroden.  Von  den  verschiedenen  Ver- 
den seien  die  nachstehenden  angeführt;  in  der  ersten  Reihe  steht  die 
uer  /  des  Stromes  in  Minuten,  in  der  zweiten  der  gefundene,  in  der  dritten 
:  berechnete  Silberniederschlag  in  Milligrammen,  in  der  letzten  endlich 
:  Silbermenge,  welche  in  der  Zeit  von  6000  Minuten  niedergeschlagen 
>rden  wäre.  Die  Übereinstimmung  der  beiden  mittleren  Reihen  lässt  nichts 
wünschen  übrig. 


; 

gefunden 

ucugc 

berechnet 

In  6000  Min. 

2934 

63,1 

63,09 

129 

1510 

63,3 

63,37 

251,5 

960 

76,55 

76,88 

478,4 

83 

72,3 

72,43 

5226  . 

Die  Stromstärken  verhalten  sich  etwa  wie  1 :  40,  ohne  dass  die  Pro- 
>rtionalität  gestört  wäre.  Die  Berechnung  der  Silbermengen  beruht  auf 
;r  vorgängigen  Messung  der  in  den  Stromkreis  eingeschalteten  Widerstände. 
3enso  wurde  bewiesen,  dass  auch  der  zweite,  auf  die  Äquivalenz  verschie- 
ner  Ionen  bezügliche  Theil  des  FARADAv'schen  Gesetzes  bei  schwachen 
römen  keine  Abänderung  erfährt. 


1  Liebig's  Ann.  86,  1.  1853  und  94,  15.  1855. 
8  Liebig's  Ann.  85,  1.  1853. 


322  Sechzehntes  Kapitel. 


In  einer  späteren  Arbeit,1  in  welcher  sich  auch  ein  Bericht  über 
inzwischen  mit  Foucault  (s.  w.  u.)  geführte  Auseinandersetzung  befindet, 
erweitert  Buff  seine  Versuche  auf  die  Messung  des  Wasserstoffe,  der  duni 
sehr  schwache  Ströme  abgeschieden  wird.  Durch  die  Anwendung  Woiu- 
sTON'scher  Spitzen  (S.  154)  und  vorherige  Sättigung  der  Flüssigkeit  mit  de« 
abzuscheidenden  Gase  bemühte  er  sich,  die  Versuchsfehler  infolge  der  Ab- 
sorption der  kleinen  Gasmengen  nach  Möglichkeit  zu  verringern.  Als  Bei- 
spiel sei  eine  mit  einer  Lösung  von  Natriumsulfat  erhaltene  Reihe  mitgetheüt: 


Stromstärke 

gefunden 

Gasmenge 

berechnet 

1,032 

o,449 

0,481 

0,889 

0,257 

0,239 

0,422 

0,257 

0,239 

o,330 

0,110 

0,127 

2,856 

0,891 

0,875  • 

„Obgleich  die  ...  Unterschiede  der  gefundenen  und  berechneten  Gas- 
mengen verhältnissmässig  nicht  gering  sind,  so  gehen  sie  doch  nicht  über 
die  Grenzen  der  unvermeidlichen  Beobachtungsfehler  und  finden  auch,  wie 
man  bemerkt,  nicht  immer  in  demselben  Sinne  statt.  ...  Es  gleichen  sich 
die  einen  jeden  einzelnen  Versuch  betreffenden  Unterschiede  im  Ganzen 
einer  Reihe  fast  vollständig  wieder  aus.  Eine  solche  Übereinstimmung  der 
berechneten  mit  den  gefundenen  Gasmengen  wäre  unmöglich,  wenn  nicht 
die  Zersetzung  mit  der  circulirenden  Elektricitätsmenge  bei  allen  Stromstärken 
stets  gleichen  Schritt  gehalten  hätte." 

Die  Arbeit  von  Buff  war  um  so  willkommener,  als  eben  von  anderer 
Seite  der  gegentheilige  Nachweis,  dass  in  den  Elektrolyten  eine  metallische 
Leitung  vorhanden  sei,  zu  fuhren  versucht  wurde.  Es  war  Lüon  Foucault,1 
der  dieses  unternahm.  Der  Versuch,  auf  welchen  er  sich  stützt,  kommt 
darauf  hinaus,  dass,  wenn  man  in  einer  symmetrischen  Kette  aus  Leitern 
beider  Klassen  die  Dicke  der  Flüssigkeitsschichten  unsymmetrisch  macht, 
man  einen  Strom  erhält.  „Man  nehme  zwei  Ketten  von  Zink  und  Platin, 
völlig  übereinstimmend,  verbinde  sie  Pol  an  Pol  und  schalte  ein  Galvano- 
meter zwischen  zwei  gleichnamige  Platten  ein;  es  ist  klar,  dass  bei  jener 
Annahme  und  aus  Gründen  der  Symmetrie  kein  Strom  stattfinden  darf, 
weder  im  einen,  noch  im  anderen  Sinne.  Für  diejenigen,  welche  die  metal- 
lische Leitung  der  Flüssigkeiten  leugnen,  ist  alle  Wirkung  aufgehoben;  fär 
die,  welche  sie  annehmen,  ist  in  jeder  Kette  eine  schwache  Wirkung  nach- 
geblieben; da  sie  aber  beiderseits  gleich  sind,  so  kann  der  Galvanometer- 
draht keinen  Strom  durchlassen.  Ist  dies  gegeben,  so  nähern  wir  nur  die 
Platten  des  einen  Paares,  ohne  das  andere  zu  berühren;  nach  der  Annahme, 
wonach  keine  Leitfähigkeit  der  Flüssigkeit  vorhanden  ist,  hat  sich  nichts 
geändert;  nach  der  umgekehrten  Annahme  ist  eine  Verminderung  des  Wider- 


1  LutBiü's  Ann.  96,   1.  1855.  *  Comptes  rendus  37,  580.  1853. 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  823 


ides  zu  Gunsten  des  zweiten  Paares  eingetreten ,  und  dieses  muss  starker 
rorden  sein,  als  das  erste:  thatsächlich  findet  dies  statt." 

Es  soll  hier  nicht  auf  die  etwas  bedenkliche  Schlussweise  dieser  Dar- 
jng  eingegangen  werden,  obwohl  es  leicht  sein  würde,  den  Beweisführen- 
l  mittelst  seiner  eigenen  Voraussetzungen  ad  absurdum  zu  fuhren.  Der 
indversuch  selbst  hat  sich  als  nicht  stichhaltig  erwiesen,  indem  die  beob- 
itete  Wirkung  von  anderen  Ursachen,  insbesondere  von  der  Änderung  der 
tctrischen  Beschaffenheit  der  Platinplatte  durch  die  Bewegung  innerhalb 
•  Flüssigkeit  herrühren.  Dieser  Nachweis  ist  von  de  la  Rive  erbracht 
rden;1  auch  hat  Buff  (a.a.O.)  durch  einen  einfachen  Versuch  gezeigt, 
>s  die  beobachteten  Ströme  andere  Ursachen  hatten,  als  die  von  Foucault 
rausgesetzten;  umgiebt  man  nämlich  die  zu  bewegenden  Platten  mit  Cylin- 
rn  von  porösem  Thon,  so  hat  es  keinen  Einfluss,  ob  man  sie  nähert  oder 
tfernt. 

4.  Faraday's  Meinung.  Faraday  Hess  sich  indessen  durch  diese  Nach- 
ise  nicht  völlig  überzeugen  und  schrieb  einen  ziemlich  langen  Aufsatz 
•er  die  Frage,  der  trotz  seiner  Breite  sehr  lesenswerth  ist,  da  in  ihm  dem 
oblem  der  elektrolytischen  Leitung  mit  seltener  Energie  zu  Leibe  gegangen 
rd.     Ich  lasse  den  Aufsatz  mit  einigen  Kürzungen  folgen.' 

„Seit  der  Zeit,    in  welcher  das  Gesetz  der  festen  elektrolytischen  Wir- 
ing  zum  ersten  Male  aufgestellt  worden  war,  ist  die  Frage  entstanden,  ob 
e  Stoffe,  welche  die  Klasse  der  Elektrolyte  bilden,  nur  in  der  Weise  leiten, 
iss  sie  die  ihnen  eigene  Veränderung  unter  dem  Einflüsse  des  elektrischen 
tromes  erfahren,  oder  ob  sie  leiten  können,  wie  es  die  Metalle,  trockenes 
iolz,  Spermaceti  u.  s.  w.  in  verschiedenen  Graden  thun,   d.  h.  ohne  gleich- 
artige chemische  Veränderung  in   ihnen.     Die  erste  Art  der  Leitung  wird 
Is  die  elektrolytische  bezeichnet,  und  die  Übertragung  der  elektrischen 
Iraft   wird   dabei   als  nothwendig  mit  den  eintretenden  chemischen  Ände- 
ungen  verknüpft  angesehen;  die  zweite  Art  mag  als  eigentliche  Leitung 
»ezeichnet  werden,  und  hier  lässt  der  Vorgang  der  Leitung  den  Körper  in 
jenau  demselben  Zustande  zurück,   wie    er  ihn  vorgefunden  hat.     Elektro- 
nische Leitung  ist  mit  dem  flüssigen  Zustande  eng  verbunden,  ebenso  mit 
ler  zusammengesetzten  Natur  und  den  chemischen  Verhältnissen  der  Stoffe, 
n  denen  sie  vorkommt,  und  man  sieht  sie  als  dem  Grade  (d.  h.  der  Leichtig- 
<eit)  nach  als  mit  den  Verwandtschaften  der  Bestandteile  dieser  Stoffe  ver- 
knüpft an;   daneben  giebt  es  aber  andere  Umstände,   welche  offenbar,  und 
das  in  hohem  Maasse,  die  Geschwindigkeit  der  Übertragung  beeinflussen,  wie 
die  Temperatur,  die  Gegenwart  anderer  Stoffe  u.  s.  w.    Die  eigentliche  Lei- 
tung ist  dem  Grade  nach  insofern  verschieden,  als  die  Menge  der  Elektricität, 
welche  durch  hunderte  von  Meilen  Kupferdraht  in  einer  unbestimmbar  kurzen 
Zeit   hindurchgehen   würde,   Jahrhunderte   brauchen   würde,    um  durch  die 
gleiche  Länge  eines  anderen  Stoffes,  wie  Schellack,  zu  gelangen;  und  dennoch 


1  Ann.  chim.  phys.  46,  41.  1856.  *  Philos.  Mag.  10,  98»  1855. 


$24  *  Sechzehntes  Kapitel. 


bietet  das  Kupfer  und  die  ähnlichen  Stoffe  dem  Strome  einen  Widerstand 
dar,  und  Schellack  wie  seine  Verwandten  leiten. 

„Der  Fortschritt  und  die  Bedürfnisse  der  Wissenschaft  haben  es  in  den  j 
letzten  vier  oder  fünf  Jahren  und  insbesondere  im  gegenwärtigen  Augen»  ! 
blicke  von  Wichtigkeit  gemacht,  die  Frage,  ob  ein  Elektrolyt  irgend  einen 
Grad  von  eigentlicher  Leitung  zeigen  kann,  genauer  zu  betrachten,  und  die 
Versuche  zur  Entscheidung  der  Frage  sind  bis  zu  einem  beträchtlichen  Grade 
der  Feinheit  getrieben  worden.  .  .  . 

„Die  Frage  bezüglich  der  Elektrolyte  kann  in  drei  Formen  gestellt  werden. 
Sie  können  immer  einen  Grad  von  eigentlicher  Leitfähigkeit  haben;  oder  sie 
können  immer  frei  von  solcher  Leitfähigkeit  sein;  oder  sie  können  eigentliche 
Leitfähigkeit  bis  zu  einem  bestimmten  Zustande  hinauf  haben,  welcher  entweder 
durch  die  zur  Elektrolyse  erforderliche  Intensität  oder  durch  andere  Um- 
stände bestimmt  ist,  so  dass,  wenn  dieser  Zustand  erreicht  wird,  die  eigent- 
liche Leitung  in  elektrolytische  übergeht.  Und  diese  drei  Formen  können 
ferner  verändert  variirt  werden,  je  nach  dem  physischen  Zustande  des  Elek- 
trolyts, insofern  er  fest  oder  flüssig,  heiss  oder  kalt,  rein  oder  mit  anderen 
Stoffen  vermischt  ist. 

„Seit  der  Zeit,  in  welcher  die  Frage  von  mir  selbst  erhoben  wurde,  seit 
zwanzig  Jahren  bis  zum  heutigen  Tage,  habe  ich  es  als  nothwendig  erachtet, 
die  Frage  offen  zu  lassen.     Denn  so  genaue  Thatsachen  in  einigen  Fällen 
von-  denen  herangezogen  worden  sind,  welche  in  allen  Fällen,  in  denen  ein 
Elektrolyt  den  Theil  eines  Leiters  gebildet  hat,   chemische  Zersetzungen  er- 
halten zu   haben  glauben,  und  so  gern  ich  diese  Thatsachen  und  Schlüsse 
anerkannt  haben  würde,   wenn  nicht  entgegenstehende  Betrachtungen  vor- 
handen wären,  so  bin  ich  doch  genöthigt,  mein  Urtheil  zurückzuhalten,  weil 
thatsächlich  solche  Betrachtungen  vorhanden  sind.    Erstens  wird  zugegeben, 
dass  alle  Stoffe,  welche  nicht  Elektrolyte  sind,  selbst  Gase  (Becquerel)  eigent- 
liche Leitung  besitzen;  wir  haben  daher  a  priori  Grund  zu  der  Erwartung, 
dass   auch   die   Elektrolyte   solche   besitzen   werden.     Beschränken   wir  die 
Betrachtungen   der  verschiedenen  Körper  auf  die  Elektrolyte,  so  ist,  wenn 
auch  der  Betrag  der  Elektricität  von  bestimmter  Spannung,  welche  sie  im 
flüssigen  Zustande   elektrolytisch  leiten,   oft  fast  unendlich  viel  grösser  ist, 
als  sie  im  festen  Zustande  leiten  können,  doch  immerhin  die  Leitung  in  dem 
letzteren  Falle  sehr  deutlich.    Ein  Stück  von  vollkommen  trockenem,  festem 
Salpeter  entladet  ein  Goldblattelektrometer  sehr  leicht,   und  wie  ich  glaube 
durch  eigentliche  Leitung;  und  ist  dies  der  Fall,  so  sehe  ich  nicht  ein,  wie 
die  Annahme   der  höchsten   elektrolytischen  Leitfähigkeit   im   flüssigen  Zu- 
stande ein  Grund  dafür  sein  soll,  dass  eine  Eigenschaft,  welche  dem  Körper 
im   festen  Zustande  zukam,    im  flüssigen  absolut  verschwinden   soll,   wenn 
auch  jene  die  letztere  weit  übertreffen    mag,    und  sie  zur  Zeit  unmerklich 
machen  kann.     Diese  Betrachtungen    gründen   sich  indessen  mehr  auf  die 
Abwesenheit  eines  endgültigen  und  strikten  Beweises  auf  der  Gegenseite,  als 
dass  sie  selbst  von  positivem  Charakter  wären,   doch  scheint  mir,   dass  die 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  325 


:heinungen  der  statischen  Elektricität  uns  verschiedene  Gründe  von  posi- 
•  Natur  für  die  Annahme  der  eigentlichen  Leitfähigkeit  bei  Elektrolyten 
rn  können.  Einige  derselben  will  ich  kurz  darzulegen  versuchen,  indem 
den  Gegenstand  durch  die  Beziehung  auf  Wasser  darlege,  welches  in 
em  Zustande  nur  einen  geringen  Grad  von  elektrolytischer  Leitung 
tzt 

„Die  gewöhnlichen  Erscheinungen  der  statischen  Ladung  und  Influenz 

wohlbekannt  Wird  ein  geriebener  Glasstab  oder  ähnlicher  Körper 
e  an  eine  leichte  vergoldete  Kugel  gehalten,  die  durch  einen  Metalldraht 
ier  Hand  getragen  ist,  so  stört  die  Influenzwirkung  die  Anordnung  der 
rtricität  in  der  Kugel,  und  diese  wird  stark  angezogen;  wird  an  Stelle 
Kugel  eine  Seifenblase  genommen,  so  geschieht  dasselbe.  Wird  eine 
ale  mit  reinem  destillirten  Wasser  gefüllt  und  dieses  mit  der  Erde  durch 
>es  Filtrirpapier  verbunden,  und  wird  eine  Kugel  von  elektrisirtem  Schel- 
:  2  oder  3  Zoll  oberhalb  der  Mitte  des  Wassers  aufgehängt,  und  wird 
i  Platte  von  trockener  isolirender  Guttapercha  von  8  Zoll  Länge  und 
loll  Breite  mit  einem  Ende  zwischen  das  Wasser  und  den  Schellack  ge- 
lt, so  kann  sie  hernach  fortgezogen  und  untersucht  werden,  und  man 
let  sie  ohne  Ladung,  selbst  wenn  sie  den  Schellack  berührt  hat;  ist  aber 

ein  Ende  mit  dem  Wasser  unter  dem  Lack  in  Berührung  gekommen 
d  sie  kann  eingetaucht  werden),  so  dass  sie  eine  Schicht  davon  mit  der 
ktricität,  welche  das  Wasser  durch  Influenz  erworben  hat,  davonträgt,  so 
iebt  sich,  dass  sie,  wie  zu  erwarten  war,  in  einem  Zustande  gefunden 
d,  der  dem  des  Schellacks  entgegengesetzt  ist." 

Faraday  beschreibt  nun  noch  einige  andere  Versuche,  welche  alle  das- 
be  beweisen,  nämlich  dass  Wasser  wie  ein  gewöhnlicher  Leiter  durch 
luenz  geladen  werden  kann.  „Es  kann  aber  gesagt  werden,  dass  in  allen 
sen  Fällen,  welche  mit  Leitung  verbunden  sind,  eine  entsprechende  und 
)portionale  elektrolytische  Wirkung  stattgefunden  haben  kann,  und  dass 
sich  daher  um  Fälle  elektrolytischer  Leitung  handelt;  die  nachstehende 
►Ige  eines  solchen  Gedankens  machte  mich  indessen  glauben,  dass  die 
sultate  die  eigentliche  Leitung  des  Was- 
rs  beweisen.  Nehmen  wir  eine  Wasser- 
ise  an,  welche  sich  mitten  zwischen  einer 
>sitiven  und  einer  negativen  Fläche  be- 
idet,  wie  in  der  Fig.  212,  so  werden  die  ^.  _.  \  ^ 

'  .  .  .  Fig.  212.     Nach  Faraday. 

leile  in  und  um  p  positiv,    und  die  in 

ld    um   n   negativ   geladen   werden,    und    zwar   ausschliesslich   durch   die 

:örung  der  ursprünglich  in  der  Blase  vorhandenen  elektrischen  Kraft,  d.  h. 

me  unmittelbare  Leitung  der  elektrischen  Kraft  von  P  oder  N;  die  Theile  e 

ier  q  werden  keine  elektrische  Ladung  haben,  und  von  diesen  bis  zu  den 

heilen  /  und  n  wird  die  Ladung  stufenweise  zunehmen.     Die  Elektricität, 

eiche  in  /  und  n  und  überall  sonst  erscheint,   ist   geleitet   worden   von 

en  einen  Theilen  der  Blase  zu  den  anderen,   und   wenn   die  Blase  durch 


g26  Sechzehntes  Kapitel. 


zwei  Halbkugeln  von  Metallen  ersetzt  wird,  welche  an  den  äquatorialen 
Theilen  e  und  q  etwas  getrennt  sind,  so  wird  sich  die  Elektricität  (bevor 
sie  in  der  stetigen  Blase  geleitet  wird)  als  ein  heller  Funke  zeigen.  Nu 
können  die  Theile  an  irgend  einer  Stelle  der  Wasserblase  unter  zwei  Ge- 
sichtspunkten betrachtet  werden:  als  Leiter  eines  Stromes  durch  sich,  oder 
als  Empfänger  einer  Ladung;  in  beiden  Auffassungen  liefert  die  Idee  der 
eigentlichen  Leitung  ausreichenden  und  befriedigenden  Grund  für  das  Er- 
gebnisse die  Idee  der  elektrolytischen  Leitung  scheint  mir  aber  hier  mit 
Schwierigkeiten  behaftet  zu  sein.  Denn  betrachten  wir  die  Theile  am  Äqua- 
tor eq\  sie  nehmen  keine  dauernde  Ladung  an,  und  sie  haben  geleitet,  wie 
die  oben  erwähnte  Wirkung  der  Halbkugeln  zeigt;  auch  sind  sie  nicht  in 
einem  Zustande  gegenseitiger  Spannung,  wie  sich  das  durch  sehr  einfache 
Versuche  mit  den  Halbkugeln  beweisen  lässt.  Es  muss  daher  Sauerstoff 
von  e  nach  n  gegangen  sein,  und  Wasserstoff  von  e  nach  /,  d.  h.  nach  den 
Theilen,  zu  denen  die  Elektricität  geführt  worden  ist,  denn  ohne  solchen 
Übergang  der  Anionen  und  Kationen  würde  kein  Übergang  der  Elektricität 
stattgefunden  haben,  und  somit  keine  elektrolytische  Leitung.  Nun  entsteht 
aber  die  Frage:  Wo  erscheinen  diese  Elemente?  ist  das  Wasser  um  n  oxy- 
dirt,  und  das  um  p  hydrogenisirt?  und  sind  die  Elemente  schliesslich  gegen 
die  Luft  diffundirt,  wie  das  im  Falle  der  Elektrolyse  gegen  Luftpole  eintritt? 
(S.  501.)  Mit  Rücksicht  auf  solche  Fragen  entstehen  andere  Betrachtungen 
rücksichtlich  der  Theile  um  /  und  n,  und  des  Zustandes  der  Ladung,  welche 
sie  angenommen  haben.  Sie  haben  die  Elektricität  aufgenommen,  welche 
als  ein  Strom  durch  die  äquatoriale  Zone  zu  ihnen  gegangen  ist,  sie  haben 
aber  keinen  Strom,  oder  keinen  verhältnissmässigen  Strom  in  sich  gehabt  — 
die  Leitung  hat  bis  zu  ihnen  geführt,  nicht  aber  durch  sie;  so  ist  beispiels- 
weise keine  Elektricität  durch  die  Punkte  /  und  n  gegangen,  doch  ist  zu 
ihnen  durch  eine  Art  Leitung  mehr  Elektricität  gegangen,  als  zu  irgend 
einem  anderen  Punkt  der  Blase.  Es  ist  mit  unseren  Vorstellungen  von  der 
elektrolytischen  Leitung  nicht  zu  vereinigen,  wenn  wir  annehmen,  dass  diese 
Theile  durch  solche  Leitung  geladen  seien,  denn  zur  Ausfuhrung  dieser 
Function  ist  es  ebenso  wesentlich,  dass  die  Elektricität  das  zersetzte  Theü- 
chen  ver lässt  auf  der  einen  Seite,  wie  dass  es  dahin  gejit  auf  der  anderen 
Seite;  das  blosse  Entweichen  des  Wasserstoffs  und  Sauerstoffs  genügt  nicht, 
um  das  Ergebniss  zu  erklären,  denn  ein  solches  Entweichen  kann  allerdings 
angenommen  werden  in  dem  Falle  von  Elektroden,  welche  in  das  Wasser 
tauchen;  wenn  aber  die  Elektricität  nicht  von  den  zersetzten  Theilchen  in 
die  Elektroden  und  weiter  in  die  Drähte  übergehen  kann,  so  dass  sie  irgend- 
wo anders  im  Stromkreise  ihr  volles  Äquivalent  elektrischer  Arbeit  thun 
kann,  so  findet  keine  elektrolytische  Zersetzung  an  den  letzten  Theilchen 
des  Elektrolyts,  noch  eine  Leitung  durch  seine  Masse  statt  Selbst  in  dem 
oben  angeführten  Falle  mit  Luft  erfolgt  ein  vollständiger  Übergang  durch 
die  letzten  Theilchen  des  Elektrolyts.) 

„Enthält  die  obige  Überlegung  keinen  Irrthum,  und  kann  sie  als  aus- 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  827 


:hend  angesehen  werden,  um  zu  beweisen,  dass  die  Theile/  und  n  nicht 
letrolysirt  werden,  so  reicht  sie  auch  aus,  zu  beweisen,  dass  keines  der 
eilchen  zwischen  /  und  n  elektrolysirt  worden  ist;  denn  wenn  auch  eines 
1  ihnen  bei  e  und  q  einen  Strom  erfahren  hat,  so  konnte  es  seine  Ele- 
nte  nicht  ausgeben,  ausser  wenn  die  benachbarten  Theilchen  vorbereitet 
ren,  sie  in  einem  vollkommen  äquivalenten  Grade  aufzunehmen.  Hebt 
n  die  Elektrolyse  bei  n  und  /,  d.  h.  an  den  Theilen  der  Oberfläche,  wo 
bewegte  Elektricität  stehen  bleibt,  auf,  so  heisst  das,  entsprechend  unseren 
jenwärtigen  Ansichten  über  die  Elektrolyse,  dass  man  sie  an  allen  zwischen- 
jenden  Stellen  aufhebt;  und  hebt  man  die  Elektrolyse  auf,  so  hebt  man 
r  elektrolytische  Leitung  auf,  und  es  bleibt  nun  nichts  anderes  übrig,  als 
1  eigentliche  Leitung,  um  über  die  sehr  sichtbaren  Leitungswirkungen, 
Iche  in  dem  Falle  vorhanden  sind,  Rechenschaft  zu  geben. 

„Es  könnte  angenommen  werden,  dass  ein  gewisser  Zustand  polarer 
»annung  in  diesen  Fällen  statischer  Influenz  eintreten  mag,  welcher  ein 
ttelding  zwischen  dieser  und  der  elektrolytischen  Leitung  ist,  oder  dass 
1  gewisser  vorbereitender  und  gleichsam  unvollständiger  Zustand  voraus- 
setzt werden  kann,  welcher  den  Fall  der  statischen  Influenz  in  einer 
asserkugel,  wie  ich  sie  betrachtet  habe,  von  dem  gleichen  Falle  bei  Me- 
Ukugeln  unterscheidet.  Unsere  künftige  weitere  Kenntniss  wird  uns  viel- 
icht  einen  solchen  Zustand  zeigen;  jedoch  bei  unseren  gegenwärtigen  be- 
immten  Anschauungen  über  eigentliche  und  elektrolytische  Leitung  muss 
?merkt  werden,  dass  eine  solche  Entdeckung  ebenso  gut  mit  der  einen 
nsicht,  wie  mit  der  anderen  übereinstimmen  könnte,  wiewohl  sie  sehr  wahr- 
:heinlich  beide  ändern  und  verbessern  würde. 

Kommen   wir   auf  die  Betrachtung   der  Theilchen    zwischen  /   und  n 

jrück,    so  finden  wir,    dass  sie,    ob  wir  sie  in  Bezug  auf  den  Strom,  den 

e  erfahren,  oder  die  Ladung,  die  sie  angenommen  haben,  betrachten,  eine 

:etige  Reihe  bilden;    der  Theil  in  e  hatte  den  grössten  Strom,   der  bei  n 

einen,  und  der  bei  r  einen  massigen,  und  es  sind  Theile  vorhanden,  welche 

»den  zwischenliegenden  Grad  durchgelassen  haben.     Dasselbe  gilt  für  die 

.adung;  sie  ist  am  grössten  in  n  und  Null  in  e,  und  zwischen  beiden  kommt 

eder  Zwischenwerth  vor.     Diese  oberflächlichen  Theilchen  enthalten   somit 

ile  die  bestehende  Ladung,  und  somit  befindet  sich  alle  Elektricität,  welche 

geleitet  ist,    in  ihnen;    folglich   müssen   alle  Resultate    der  Elektrolyse    dort 

»ein;    und   dies  würde  der  Fall  sein,    wenn  wir  auch  eine  volle  Kugel  von 

kVasser  an   Stelle  der  Blase  nehmen.     Denn   wenn   die   Theilchen,   welche 

nehr  Strom  erfahren  haben,  auch  mehr  von  den  elektrolytischen  Resultaten 

am  sich  haben  sollten,    als  die  anderen,    so  müsste  die  Elektricität,  welche 

thatsächlich  vorwiegend,  wenn  nicht  vollständig  mit  diesen  anderen  verbunden 

ist,    sie   durch   wirkliche  Leitung  erreicht  haben,   welche   gerade   als    nicht 

existirend  angesehen  wird.     Zu  Gunsten  der  elektrolytischen  Ansicht  wollen 

wir  annehmen,   dass  die  Leitung  an  diesen  oberflächlichen  Theilen  en 

und  dass  dort  diese  elektrolytischen  Produkte  sich  ansammeln,   inden 


828  Sechzehntes  Kapitel. 


für  den  Augenblick  den  früheren  Einwand  übergehen,  dass  die  Elektricift 
diese  Theilchen  erreicht  hat,  ohne  durch  sie  gegangen  zu  sein.  Nehmen 
wir  daher  ein  Theilchen  bei  r  und  betrachten  wir  seinen  elektrolytisdn 
Zustand  als  proportional  der  Elektricität,  welche  dieses  Theilchen  erreich 
und  es  geladen  hat,  so  können  wir  annehmen  —  denn  wir  haben  die  Mög- 
lichkeit, die  Influenzwirkung  in  beliebigem  Grade  zu  vermindern  — ,  dass 
die  Elektricität,  deren  Leitung  an  dem  dort  befindlichen  Theilchen  aufge- 
hört hat,  gerade  genügt  hat,  um  es  zu  zerlegen,  und  das  oberflächliche 
Theilchen,  welches  sich  früher  unten  befunden  hatte,  geladen  zu  hinter- 
lassen. In  diesem  Falle  wird  ein  anderes,  starker  geladenes  und  näher  an  n 
gelegenes  Theilchen,  wie  in  s,  genügend  Elektricität  an  seinen  Ort  geleitet 
erhalten,  um  zwei  Theilchen  Wasser  zu  zersetzen;  doch  kann  dies  offenbar 
nicht  das  zunächst  an  r  belegene  Theilchen  sein,  sondern  es  müssen  noch 
viele  Theilchen  mit  zwischenliegenden  Ladungen  zwischen  beiden  existireo. 
Nun  entsteht  die  Frage:  wie  können  diese  Theilchen  zwischenliegende  La- 
dungen durch  elektrolytische  Leitung  allein  erhalten?  Elektrolytische  Wirkung 
ist  bestimmt,  und  die  Theorie  der  elektrolytischen  Leitung  nimmt  selbst  an, 
dass  die  Theilchen  des  Sauerstoffs  und  Wasserstoffs  bei  ihrer  Wanderung 
nicht  beliebige,  sondern  ganz  bestimmte  Kraftmengen  mit  sich  fuhren,  die 
nicht  getheilt  werden  können,  sondern  als  Ganzes  von  einem  solchen  Theil- 
chen genommen  und  einem  anderen  gegeben  werden  müssen.  Wie  kann 
aber  irgend  eine  Anzahl  von  Theilchen,  oder  irgend  eine  Wirkung  solcher 
Theilchen  den  Bruchtheil  der  Kraft  tragen,  welche  mit  jedem  einzelnen  Theil- 
chen verbunden  ist?  Es  ist  allerdings  kein  Zweifel,  dass,  wenn  zwei  ge- 
ladene Theilchen  ihre  Ladung  entweder  an  ein  einziges  abgeben  können, 
oder  auf  drei  oder  mehr  Theilchen,  dass  dann  alle  Schwierigkeiten  ver- 
schwinden. Durch  eigentliche  Leitung  kann  dies  geschehen:  da  wir  uns 
aber  nicht  ein  halb  zerlegtes  Theilchen  vorstellen  können,  so  kann  ich  nicht 
einsehen,  wie  dies  durch  elektrolytische  Leitung  geschehen  kann,  d.  h.  wie 
die  zwischen  r  und  s  belegenen  Theilchen  zu  zwischenliegenden  und  unbe- 
stimmten Graden  geladen  werden  können,  wenn  Leitung  ohne  Elektrolyse 
bei  ihnen  und  ihrer  Umgebung  in  Abrede  gestellt  wird. 

„Wird  angenommen,   dass  die  zwischen  e  und  n  belegenen  Theilchen 
elektrolytisch  mittelst  des  Stromes  leiten,   welcher   durch   sie  geht  (indem 
wir   zeitweilig   ausser   von   anderen   ernstlichen  Einwänden    davon   absehen, 
dass  die  Produkte  nicht  an   den  Orten   gefunden   werden,    an   welche  die 
Elektricität  geführt  worden  ist),  so  wird  das  gegenwärtige  Argument  immer 
noch  seine  Kraft  behalten.     Es  soll  bei  r  genug  Elektricität  durchgegangen 
sein,    um  zwei  Theilchen  Wasser  zu  zersetzen,    und  bei  s  nur  genug,   um 
eines  zu  zerlegen  —  wie  kann  ein  Theilchen  zwischen  r  und  s  seine  Ele- 
mente mit  den  nach  r  oder  nach  s  gelegenen  Theilchen  austauschen,  wenn 
nur  elektrolytische  Leitung  zugegeben  wird?   oder  wie  kann,   wie  oben  er- 
wähnt,  ein  Theilchen   seine  Kraft  von  zweien   erhalten,   oder  sie  an  zwei 
abgeben?     Viele  andere  Betrachtungen   ergeben  sich  bei  der  Betrachtung 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  g2Q 


Wasserblase  unter  statischer  Influenz;  doch  liefern  die  eben  dargelegten, 

1  die,  welche  sich  auf  den  Sitz  der  elektrolytischen  Wirkung  beziehen, 

an  dem  Platze  des  Stromes  oder  der  Ladung,  eine  solche  Summe  von 

iwierigkeiten,  dass  diese  allein  genügen,  um   mich  zur  Zeit  alle  Schlüsse 

der  fraglichen  Sache  vertagen  zu  lassen. 

„Die  Leitfähigkeit  des  Wassers  kann  unter  einem  anderen  Gesichts- 
akte betrachtet  werden,  nämlich  bezüglich  der  absoluten  Ladung,  welche 
er  Flüssigkeit  gegeben  werden  kann.  Eine  Spitze  an  der  Elektrisir- 
schine  kann  die  benachbarten  Theilchen  der  Luft  laden,  und  diese  strö- 
:n  davon.  Das  Gleiche  kann  mit  Theilchen  von  Kampher  oder  Terpentinöl 
»chehen  —  und  ebenso  mit  den  Theilchen  des  Wassers.  Werden  zwei 
nne  Drähte  mit  dem  RuHMKORFF'schen  Apparate  verbunden  und  in  destil- 
:es  Wasser  etwa  einen  halben  Zoll  von  einander  entfernt  getaucht,  so 
gen  die  gewöhnlich  vorhandenen  Stäubchen  alsbald,  wie  das  Wasser  eine 
düng  aufnimmt,  und  wie  die  geladenen  Wassertheile  in  Strömen  fort- 
hen  und  sich  gegenseitig  in  der  Masse  entladen.  Nun  ist  eine  solche 
.düng  nicht  mit  Elektrolyse  verbunden,  denn  die  Bedingung  derselben  ist, 
ss  die  Elektricität  durch  das  Wasser  geht  und  nicht  darin  festgehalten 
rd.  Die  blosse  Ladung  des  Wassers  giebt  uns  keine  Vorstellung,  wo 
jendwelche  durch  die  Elektrolyse  freigemachte  Bestandtheile  sich  entwickeln 
nnen,  und  dennoch  kommt  die  Leitung  sehr  bei  dem  Akt  der  Ladung 
Betracht.  Ein  Regenschauer  fallt  durch  einen  Luftraum,  welcher  elek- 
scher  Wirkung  unterliegt,  und  jeder  Tropfen  wird  geladen;  Tröpfchen 
>nnen  von  einem  elektrisirten  Springbrunnen  mit  sehr  hoher  Ladung  ge- 
3rfen  werden;  in  beiden  Fällen  ist  die  Leitung  in  hohem  Grade  thätig, 
h  finde  es  aber  sehr  schwierig  zu  verstehen,  wie  diese  Leitung  eine  elek- 
olytische  sein  kann. 

„Wenn  entgegengesetzt  elektrisirte  Wassertropfen  einander  genähert 
erden,  so  leiten  sie  durch  Fortführung,  d.  h.  als  Träger  der  Elektricität; 
erühren  sie  sich,  so  entladen  sie  einander,  und  die  Function  der  Leitung 
ndet  alsbald  statt.  Wird  die  oben  erwähnte  Wasserblase  aus  dem  Influenz- 
ebiete  entfernt,  so  neutralisiren  sich  die  entgegengesetzten  Elektricitäten 
ei  n  und  /,  indem  sie  durch  die  Wassertheilchen  geleitet  werden.  Müssen 
ir  in  diesem  Falle  annehmen,  dass  die  Leitung  eine  eiektrolytische  ist? 
nd  wenn,  wo  sind  die  getrennten  Bestandtheile,  und  wo  sollen  sie  er- 
cheinen?  Es  muss  eine  feste  Überzeugung  sein,  welche  in  solchen  Fällen 
ie  eigentliche  Leitung  leugnen  wollte,  und  wenn  sie  hier  nicht  geleugnet 
/ird,  warum  wird  sie  dann  überhaupt  geleugnet? 

, ,Das  Ergebniss  alles  Nachdenkens,  welches  ich  über  den  Gegenstand  mit- 
teilen kann,  ist  ein  vertagtes  Urtheil.  Ich  kann  nicht  sagen,  dass  die  eigent- 
che  Leitung  in  den  Elektrolyten  zur  Zeit  widerlegt  ist;  aber  ich  kann  auch 
icht  sagen,  dass  ich  einen  Fall  weiss,  dass  ein  noch  so  schwacher  Strom 
litttelst  Platinelektroden  durch  angesäuertes  Wasser  geleitet  worden  wäre, 
hne  dass  diese  polarisirt  worden  wären.    Es  kann  sein,  dass  die  Gegei 


8  -50  Sechzehntes  Kapitel. 


von  metallischen  Elektroden  durch  ihre  Eigenthümlichkeiten  die  nothwendige 
Bedingung  zur  Entwickelung  der  Elemente  vervollständigen,  welche  bei  dm 
gleichen  Grade  der  Elektrisirung  ohne  die  Metalle  nicht  entwickelt  werden 
würden;  andererseits  kann  es  sein,  dass,  nachdem  die  Metalle  polarisirt  sai 
und   ein  entsprechender  Spannungszustand   entstanden   ist,    ein   Betrag  von 
eigentlicher  Leitung  zwischen  ihnen  und  dem  Elektrolyt  neben  der  elektri- 
schen   Wirkung   gleichzeitig   stattfinden    mag.     Darüber   besteht  jetzt  loa 
Zweifel,  dass  bezüglich  der  Elektrolyse  und  ihrer  Gesetze  sich  alles  so  iw» 
hält,  als  gäbe  es  nur  elektrolytische  Leitung;    bezüglich  der  statischen  Er- 
scheinungen, welche  ebenso  wichtig  sind,  und  der  Stufen,  durch  die  sie  ii 
dynamische  Wirkungen  übergehen,  ist  es  aber  wahrscheinlich,    dass  eigent- 
liche Leitung  bei  Elektrolyten  in  genau  der  Weise  stattfindet,  wie  bei  anderen 
zusammengesetzten  Körpern,  denn  dies  ist  bisher  nicht  widerlegt,  wird  durch 
starke  Wahrscheinlichkeitsgründe  gestützt  und  ist  möglicherweise  wesentlich. 
Indessen  sind  die  äussersten  Grenzen  der  elektrischen  Intensität  so  weit  von 
einander  entfernt,  und  so  unendlich  verschieden  nach  der  entgegengesetzten 
Richtung  sind  die  Stoffmengen,  welche  die  wesentlichen  Erscheinungen  beider 
Arten  hervorbringen  können    und   hervorbringen,   dass  diese  Trennung  der 
Leitungswirkung  denen  vollkommen  und  ganz  erscheinen  kann,  deren  Geist 
eher  geneigt  ist,   eigentliche  Leitung  durch  elektrolytische  ersetzt  zu  sehen, 
als   anzunehmen,    dass  sie  zwar  reducirt,    aber   nicht   zerstört  ist;   dass  sie 
gleichsam    für   Elektricität   von   grosser   Menge    und    kleiner    Intensität  ver- 
schwindet,   aber    reichlich    genügt   für  alle  natürlichen   und   künstlichen  Er- 
scheinungen,  wie   die   beschriebenen,   bei  denen  sowohl  Intensität  wie  Zeit 
sich  vereinigen,   um  die  schliesslich   erforderten  Ergebnisse  zu  begünstigen. 

„Indessen  sollen  wir  über  Naturgesetze  nicht  dogmatisiren,  oder  ohne 
Beweis  über  ihre  physische  Natur  entscheiden;  und  in  der  That  sind  die 
beiden  Arten  der  elektrischen  Wirkung,  die  elektrolytische  und  die  statische, 
so  verschieden,  und  doch  beide  so  wichtig  —  die  eine  alles  durch  Quantität 
leistend  bei  sehr  geringer  Intensität,  die  andere  viele  ihrer  Hauptresultate 
durch  Intensität  mit  kaum  einer  verhältnissmässigen  Quantität  gebend  — 
dass  es  gefährlich  sein  würde,  zu  schnell  die  wirkliche  Leitung  in  den  wenigen 
Fällen,  in  denen  Wasser  der  Leiter  ist,  zu  leugnen,  während  man  doch 
weiss,  dass  sie  in  den  meisten  Leitern  wesentlich  ist,  allein  aus  dem  Grunde, 
weil,  wenn  Wasser  als  Elektrolyt  benutzt  wird,  die  elektrolytische  Leitung 
für  jeden  Fall  der  elektrolytischen  Wirkung  wesentlich  ist" 

5.  Elektrostatische  Elektrolyse.  Der  von  Faraday  in  der  vor- 
stehenden Abhandlung  ausgesprochene  Zweifel,  ob  sein  Gesetz  bei  den  Er- 
scheinungen der  statischen  Influenz  noch  gültig  ist,  hat  L.  Soret  in  Genf1 
veranlasst,  einen  entsprechenden  Versuch  anzustellen,  welcher  ergab,  dass 
allerdings  auch  für  diese  Vorgänge  das  Gesetz  als*  gültig  angenommen 
werden  muss. 


1  Ann.  chim.  phys.  47,  119.  1856.  —  BibL  univers.  de  Gentve,  Man  1856. 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  831 


„Der   Versuch,    den    ich   mir   vorgenommen   habe,    ist   der   folgende: 

imt  man  zwei  in  einander  stehende  Gefässe  von  Glas,  füllt  beide  bis  zu 

x  gewissen  Höhe  mit-Wasser  und  verbindet  das  Wasser  des  inneren  Ge- 

es    mit  dem  Leiter  einer  Elektrisirmaschine,   das   des  äusseren  Gefässes 

dem  Boden,  so  hat  man  eine  wirkliche  Leidener  Flasche  mit  Belegungen 

Wasser.     Setzt   man   die  Maschine  in  Bewegung,   so   werden   wir   der 

wohnlichen  Sprache  ge  uäss  sagen,   dass  die  positive  Elektricität  sich  aus 

1  Conductor  der  Maschine  in  das  Wasser  begiebt,  um  sich  an  der  inneren 

she   des  Glases  anzusammeln,   während  die  negative  Elektricität,   durch 

positive  der  inneren  Belegun  \  angezogen,  aus  dem  Boden  durch  einen 

rallischen  Leiter   sich   in  das  äussere  Wasser  begiebt,    und  sich   an   der 

seren   Seite   des   inneren   Glases   anhäuft.     Es   handelt   sich    darum,    zu 

en,   ob  die  Elektroden,  d.  h.  die  Enden  der  metallischen  Leiter,   welche 

das  Wasser  tauchen,   polarisirt  werden,   was  ein  sicherer  Beweis  für  die 

setzung  des  Elektrolyts,   nach  der  Meinung  der  meisten  Physiker,   sein 

rde.  . . . 

„Folgendermaassen  wurde  der  Versuch  ausgeführt.  Ein  sehr  reines  und 
ckenes  Glas  wurde  zur  Hälfte  mit  gewöhnlichem  oder  schwach  ange- 
lertem  Wasser  gefüllt;  der  besseren  Isolierung  wegen  stand  es  auf  einem 
rzkuchen.  In  dieses  Wasser  wurden  zwei  Platinplatten  getaucht,  die  vor- 
r  nach  der  von  Faraday  angegebenen  Methode  gereinigt  worden  waren.  .  .  . 
ese  beiden,  mit  Platindrähten  versehenen  Platten  wurden  durch  Glasröhren 
tgehalten,  die  an  den  Rändern  des  Glases  befestigt  waren;  das  Ganze  war 
t  Siegellack  befestigt,  so  dass  die  Platten  keine  Bewegung  auszuführen 
rmochten. 

„In  dieses  Gefäss  wurde  ein  zweites  gestellt,  welches  aus  einer  langen 
isernen  Probirröhre  von  etwa  0,7  m  Höhe  bestand.  Die  Röhre  war  ausser- 
Jb  mit  Gummilack  gefirnisst  und  der  Rand  war  mit  einem  Wulst  von 
egellack  versehen.  In  das  Innere  war  eine  gewisse  Menge  Wasser  mit 
t  Vorsicht  gegossen  worden,  dass  die  Wände  oberhalb  des  Wassers  nicht 
jnetzt  wurden.  Vermöge  dieser  Einrichtungen  ist  man  sicher,  dass  keine 
lektricität  aus  der  Maschine  längs  der  Wände  des  inneren  Gefässes  ent- 
eicht; wie  man  unten  sehen  wird,  kann  man  sich  hiervon  auch  durch  einen 
imittelbaren  Versuch  überzeugen. 

„Alsdann  wurde  das  Innere  der  Probirröhre   mit  dem  Conductor  einer 
lektrisirmaschinc  mittelst  einer  Messingkette  verbunden." 

Bevor  der  Versuch  ausgeführt  wurde,  überzeugte  man  sich  von  der 
rleichheit  der  beiden  Elektroden  in  dem  äusseren  Gefässe.  Eine  einmalige 
adung  dieser  Leidener  Flasche  gab  keine  messbare  Polarisation.  Als  aber 
ie  Ladung  sechzehnmal  hinter  einander  wiederholt  wurde,  indem  jedesmal 
ie  Flasche  inzwischen  durch  einen  anderen  Leiter  entladen  wurde,  ergab 
ch  zwischen  dem  Platin,  welches  mit  dem  Boden  verbunden  gewesen  war 
nd  die  Zuleitung  der  negativen  Elektricität  besorgt  hatte,  und  der  unbe- 
jhrt  gebliebenen  zweiten  Platinplatte   ein  Strom,  als  die  beiden  durch 


g^2  Sechzehntes  Kapitel. 


empfindliches   Galvanometer   geschlossen   wurden.     „Es   scheint  also,  da 
eine  Zersetzung  stattgefunden  hat,  wie  schwierig  es  auch  ist,  sich  einefafrlh 
Wickelung  des  Sauerstoffs  an  der  Oberfläche  des  Glases  vorzustellen/*       1k 

Nachdem  einige  weitere  Versuche  auseinandergesetzt  worden  sindi  wekfels 
die  gute  Isolirung  des  Apparates  beweisen,  und  welche  einen  ÜbergafJ 
des  elektrischen  Stromes  an  der  Oberfläche  des  Wassers  ausschliessen  ß 
wurde  Terpentinöl  auf  die  Oberfläche  desselben  gegossen,  ohne  dass  de 
Ergebnisse  sich  änderten),  wurde  schliesslich  noch  ein  Versuch  angestel, 
welcher  die  Polarität  dieser  Art  elektrischer  Zersetzung  zur  Anschawnf 
brachte.  „Anstatt  die  Platinplatte  unmittelbar  mit  dem  Boden  in  Verbindmj 
zu  setzen,  wurde  neben  dem  äusseren  Glase  ein  ganz  ähnliches  Gefass  an- 
gebracht, in  welches  gleichfalls  zwei  wohl  gereinigte  Platinplatten  von  gleicher 
Grösse  wie  die  anderen  tauchten.  Von  der  Platinplatte  des  ersten  Gefass« 
ging  ein  Kupferdraht  in  das  Wasser  des  zweiten,  und  eine  der  Platinplatten 
dieses  Gefässes  wurde  mit  dem  Boden  in  Verbindung  gesetzt;  dann  wurde 
der  frühere  Versuch  wiederholt.  Nach  sechzehn  Entladungen  wurden  nach 
einander  die  beiden  Plattenpaare  mit  dem  Galvanometer  in  Verbindung  ge- 
setzt, und  sie  gaben  sehr  nahe  die  gleiche  Ablenkung. 

„Somit  ist  der  Betrag  der  Zersetzung,  wie  es  durch  die  Polarisation  der 
Elektroden  gemessen  wird,  der  gleiche,  ob  der  Strom  durch  eine  Elektrode, 
oder  durch  zwei  geleitet  wird.  .  .  . 

„Diese  Versuche  widersprechen  sonach  der  Hypothese  einer  eigenen 
(metallischen)  Leitfähigkeit  der  Flüssigkeiten."  | 

In  späterer  Zeit  sind  die  hier  gewonnenen  Ansichten  bestehen  geblieben, 
und  es  hat  sich  bis  auf  unsere  Zeit  trotz  der  so  ausserordentlich  gesteigerten 
Mannigfaltigkeit  und  Feinheit  der  Untersuchungsmittel  kein  Umstand  ergeben, 
welcher  zu  der  Annahme  einer  metallischen  Leitung  neben  der  elektrolyti- 
schen in  irgend  einem  Leiter  zweiter  Klasse  Anlass  gegeben  hätte.  Es  fuhrt 
dies  zu  dem  Schlüsse,  dass  allerdings  eine  Ursache  zu  existiren  scheint, 
welche  das  gleichzeitige  Vorkommen  der  beiden  Arten  der  Leitung  neben 
einander  ausschlieft;  vielleicht  wird  gerade  dieser  Umstand  einmal  da*u 
führen,  die  Ausgestaltung  bestimmterer  Vorstellung  über  das  Wesen  der 
metallischen  Leitung  zu  vermitteln. 

6.  Die  Wanderung  der  Ionen.  Aus  den  früher  (S.  614)  geschilderten 
Arbeiten  Daniell's  hatte  sich  ergeben,  in  welchem  Maasse  die  genauere 
Untersuchung  der  elektrolytischen  Vorgänge  im  Lichte  des  FxRADAY'schen 
Gesetzes  Klarheit  und  Sicherheit  in  die  Beurtheilung  derselben  zu  bringen 
vermag.  Diese  Arbeiten  schlössen,  nachdem  die  vorgenommene-  Aufgabe 
erledigt  war,  mit  einem  Problem,  das  in  hohem  Maasse  zu  einer  weiterei 
Verfolgung  einlud.  Denn  sie  endigten  mit  der  Frage,  wie  die  Bewegung 
der  Ionen,  die  von  dem  Vorgange  der  elektrolytischen  Stromleitung  unzer 
trennlich  ist,  von  der  Natur  derselben  abhängig  ist,  und  welchen  Anthei 
daher  in  einem  gegebenen  Elektrolyt  jedes  der  vorhandenen  Ionen  an  de 
gesammten  Stromleitung  habe. 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  333 


Zu  der  Zeit,  wo  jene  Arbeiten  mit  dieser  Frage  abschlössen,  wurde  das 

dem  kaum  verstanden.     Ein  Beweis  dafür  ist,    dass  nicht  nur  zunächst 

land  die  Frage  aufgenommen  hat,  sondern  auch,  nachdem  zehn  Jahre 

er  die  Aufgabe   bearbeitet,   und   mit   schönstem  Erfolge   gelöst   wurde, 

allgemeine  Ablehnung  der  Empfang  war,  welcher  diesen  bahnbrechen- 

Untersuchungen   zu  Theil   wurde.     Der  Forscher,  dem   wir   hier   eine 

wesentlichsten  Förderungen   verdanken,   welche   die   Elektrochemie   er- 

en   hat,    musste   in  reichlichstem  Maasse  das  Schicksal   derer   erfahren, 

?   was  davon  erkannt,"  und  wenn  er  in  unseren  civilisirten  Zeiten  nur 

isch  „gekreuzigt  oder  verbrannt"  worden  ist,  so  hat  er  doch  ein  halbes 

ischenalter  darauf  warten  müssen,  bis  seine  Forschungen  gebührend  ge- 

digt  worden  sind,  und  seine  Gedanken  die  Verbreitung  erhalten  haben, 

welcher  sie  erst  ihre  allgemeine  Fruchtbarkeit  entfalten  konnten. 

Die  Arbeiten,  von  denen  hier  die  Rede  ist,  sind  die  im  Jahre  1853 a 
onnenen  Untersuchungen  von  Wilhelm  Hittorf  in  Münster  über  die 
nderungen  der  Ionen  bei  der  Elektrolyse.1  Die  hier  niedergelegten 
schungen  haben  den  grössten  Einfluss  auf  die  Ausbildung  unserer  jetzigen 
sichten  über  die  Beschaffenheit  der  Elektrolyte  und  die  Vorgänge  der 
ctrolytischeri  Leitung  gehabt,  und  ihr  Studium  fuhrt  uns  mitten  in  die 
rriffswelt  hinein,  in  welcher  die  Gegenwart  sich  bewegt. 

Der  neue  Gesichtspunkt,  unter  welchem  diese  Versuche  ausgeführt 
rden  sind,  wird  in  der  ersten  Abhandlung  bereits  auf  das  klarste  in  den 
jenden  Worten  ausgesprochen: 

„Es  würde  gewiss  von  grosser  Wichtigkeit  sein,  wenn  wir  diese  Be- 
gungen,  welcher  die  kleinsten  Theilchen  eines  Elektrolyten  während  des 
irchganges  eines  Stromes  unterworfen  sind,  genauer,  als  in  den  allgemein- 
n  Umrissen  darstellen  könnten.  Sie  werden  nicht  allein  über  das  Wesen 
r  Elektricität,  sondern  auch  über  die  chemische  Constitution  der. Körper 
:ht  verbreiten. 

„Es  scheint  möglich,  durch  den  Versuch  die  relativen  Wege,  welche 
i  beiden  Ionen  während  der  Elektrolyse  zurücklegen,  in  vielen  Fällen  zu 
stimmen.  Da  uns  im  Folgenden  dieser  Punkt  allein  beschäftigen  wird, 
wollen  wir  ihn  in  der  Zeichnung  ebenfalls  allein  hervortreten  lassen.  Zu 
*sem  Ende  wählen  wir  die  Darstellungsart,  die  Berzelius  in  seinen  Werken 
*bt,  in  welcher  die  beiden  Ionen  sich  unter  einander  befinden  und  in 
rizontaler  Richtung  an  einander  verschieben  (Fig.  213).  Gesetzt,  der  Elek- 
>lyt  sei  durch  ein  indifferentes,  den  Strom  nicht  leitendes  Lösungsmittel 
den  flüssigen  Zustand  gebracht.  Vermögen  wir  die  Flüssigkeit  an  irgend 
1er  bestimmten  Stelle  zu  spalten,  so  werden  wir  nach  der  Elektrolyse  in 
lern  Theil  die  Ionen  in  einem  anderen  Verhältnisse  finden,  als  vor  der- 
ben. Dieses  Verhältniss  wird  durch  die  Wege  bedingt,  welche  jedes  Ion 
hrend  des  Durchganges  des  Stromes  zurücklegt. 

1  Pogg.  Ann.  89,   177.  1853. 

9  Gesammtausgabe  in  den  Klassikern  der  exakten  Wiss.  Nr.  21  und  23. 
Ostwald,   Elektrochemie.  53 


834 


Sechzehntes  Kapitel. 


„Machen  wir  z.  B.  die  Annahme,  welche  in  den  älteren  Darstellung« 
stillschweigend  vorausgesetzt  wurde,   dass  die  Wege  einander  gleich  sein, 
demnach  die  beiden  wandernden  Ionen  sich  in  der  Mitte  der  ursprünglich* 
Entfernung  begegnen,   so  lehrt  ein  Blick  auf  die  Fig.  213,   dass  nach  der* 
Elektrolyse  der  Theil  der  Flüssigkeit,  der  an  die  Anode  grenzt,  ein  hau»!1 
Äquivalent  des  Anions   mehr,    ein   halbes  Äquivalent  des  Kations  weniger 
enthalten   wird,   wie   vor  derselben.     Für  den  anderen  Theil,    der  mit  dff 

Anode  in  Berührung  stand, 

•••••••••••• 


I 


r 
li 


•••••••• 


Fig.  213.    Nach  Hittorf. 


gilt  natürlich  das  Umge- 
kehrte. Unter  Äquivakat 
ist  die  Menge  des  freige- 
wordenen Bestandteils  ver- 
standen. 

„Legen  die  beiden  Ionen 
nicht  gleiche  Wege  zunick, 
begegnen  sie  sich  nicht  in 
Mitte,  so  wird  die  Seite  der 
Flüssigkeit,  auf  der  das 
schneller    sich    bewegende 


Ion  auftritt,  um  mehr  ab 
ein  halbes  Äquivalent  desselben  vermehrt,  und  um  weniger  als  ein  halbes 
Äquivalent  des  anderen  vermindert  worden  sein.  Die  Fig.  214  zeigt  das  für 
die  Annahme,   dass   das  Anion  l/s,   das  Kation   2/s   des  Weges  zurücklegt 


088888  888888«© 
8888888888888  ob© 


88888888888888 


888888888888888c© 

8888888888883888© 

888888888888888880 

8888888888(88888888 

*► 

Fig.  214.    Nach  Hittorf. 


Die  Seite  der  Flüssigkeit  an  der  Anode  enthält  nach  der  Zersetzung  1/t  Äqui- 
valent des  Anions  mehr,  */,  Äquivalent  des  Kations  weniger,  als  vor  der- 
selben.   Die  andere  Seite  zeigt  das  umgekehrte  Verhältniss. 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  335 

„Es  gilt  offenbar  dieses  Resultat  allgemein.     Legt  das  eine  Ion  —  des 
jes  zurück,  das  andere   -^-^ — >    so   wird   die    Seite   der   Flüssigkeit,   in 

:her  ersteres  auftritt,  —  Äquivalent   desselben   mehr,       ~~       Äquivalent 

anderen  weniger  enthalten.     Die   entgegengesetzte  Beziehung  wird   für 
andere  Seite  des  Elektrolyten  gelten." 

In  dieser  kurzen  Darlegung,   welche  an  Klarheit  und  Durchsichtigkeit 

its  zu  wünschen  übrig  lässt,  ist  das  Programm  der  Untersuchungen  ent- 

en,    welche   sich,   wie  Hittorf   selbst   bemerkt,   viel   weiter  ausgedehnt 

en,   als  anfangs  beabsichtigt  worden  war,    und  welche  den  Zeitgenossen 

unverständlich  blieben.    Hittorf  beginnt  damit,  die  älteren  Bemühungen 

zulegen,   die   an   den  Elektroden  auftretenden  Concentrationsänderungen 

erklären.     Er  erwähnt   zuerst   mit   lebhafter  Anerkennung  die  Arbeiten 

.  Daniell  und  knüpft  dann  an  eine  Mittheilung  von  Pouillet  (Pogg.  Ann. 

474)  an,  welcher  nach  der  Elektrolyse  einer  Lösung  von  Goldchlorid  die 

ssigkeit  an. der  negativen  Elektrode  ihres  Goldes  beraubt  gefunden  hatte, 

i  daraus  den  Schluss  zog,    dass    nur   die    negative  Elektrode  überhaupt 

setzende  Wirkung  ausübe.    „Es  ist  sonderbar,  wie  dieser  einfache  Versuch 

allgemein  missverstanden  worden  ist.     Die  Verdünnung,  welche  die  Lö- 

tg  am  negativen  Pole  erleidet,   beweist  keineswegs,   dass  das  betreffende 

tall  bei  der  Elektrolyse  nicht  wandert.     Wir   überzeugen  uns  davon  so- 

ich,  wenn  wir  einen  Blick  auf  die  Fig.  213  oder  214  zurückwerfen.     Das 

tion    ist   im    obigen  Falle  im  freien  Zustande  ein  fester  Körper,   verlässt 

0  als  solcher  beim  Ausscheiden  durch  den  Strom  das  Lösungsmittel.    Die 

*.  213  ist  unter  der  Annahme  entworfen,    dass   die  Ionen  gleiche  Wege 

ücklegen,    und  lehrt,    dass  die  Seite  an  der  Kathode  um  1/1  Äquivalent 

s   Kations    nach    der   Elektrolyse   vermehrt   ist.     Da  nun   ein  Äquivalent 

sselben  fest  geworden,  so  wird  die  Lösung  um  l/2  Äquivalent  vermindert, 

i.  um   Yi  Äquivalent  des  Salzes  verdünnt  sein.     Die  Verdünnung  muss 

so  auch,  wenn  das  Kation  wandert,  am  negativen  Pol  eintreten;  sie  muss 
offenbar  unter  allen  Umständen,  so  lange  nicht  das  Kation  allein  wandert, 

is  Anion  ruht.     Erst  in  diesem   und  einzigen  Falle  wird  an  der  Kathode 

e  ursprüngliche  Concentration  bleiben. 

„Gerade  diese  Verdünnung,   welche  die  Flüssigkeit  um  den   negativen 

)1  in  den  Fällen  erleidet,   wo  das  Kation  die  Lösung  verlässt,   kann  vor- 

ifflich   benutzt   werden,    um    die   Überführung   quantitativ   zu   bestimmen. 

hne  Einschaltung  von  Asbest  oder  eines  Diaphragmas  wird  leicht  eine  ge- 

iue  Spaltung  des  Elektrolyten  erreicht." 

Hittorf  geht  nun  zu  der  Beschreibung  seiner  Apparate   über,   welche 

den  Figuren  215  und  216  abgebildet   sind.     Da  er  später  diesen  ziem- 

h  verwickelten  Apparat   durch   andere,    einfachere   ersetzt   hat,   so   kann 

n   der  eingehenderen  Beschreibung  hier  abgesehen  werden.     Der  Zweck 

r  verschiedenen  Theile  ist,  die  Trennung  der  Flüssigkeit  in  der 

53* 


836 


Sechzehntes  Kapitel. 


gestatten,  nachdem  die  Elektrolyse  ausgeführt  ist.  Mit  diesem  Appant 
wurde  zunächst  durch  die  Elektrolyse  einer  Lösung  von  Kupfersulfat  da 
Folgende  festgestellt: 

Die  Stromstärke  hat  keinen  Einfluss  auf  die  Überfuhrungszahl;  dm 
Versuche,  bei  denen  sich  die  Stromstärken  wie  1 1  :  42 :  96  verhielten,  gab« 
für  die  Überführung  des  Kupfers  die  Zahlen  29,1,  28,5,  28,9;  „es  uute- 
liegt  keinem  Zweifel,  dass  die  Überfuhrung  von  der  Intensität  des  Stromes 
unabhängig  ist." 

Die  Verdünnung  der  Lösung  hat  einen  Einfluss;  als  der  Gehalt  vm 
6,35  Theilen  Wasser  auf  ein  Theil  Salz  bis  zu  148,3  Wasser  geändert  wurden 

änderte  sich  die  Überfuhrung  von  27,6  fto- 
cent  bis  36,2  Procent. 

Die    Temperatur    zeigt    zwischen  41 
und  210  keinen  messbaren  Einfluss. 


r 

a 
As 


Fig.  215. 


Fig.  216. 


Nach  Hittorf. 


Ähnliche  Versuche  mit  Silbernitrat  ergaben  gleichfalls  eine 
keit  der  Überführung  von  der  Verdünnung,  die  aber  nur  bei  grösseren 
Concentrationen  merklich  war,  und  von  einer  etwa  siebenprocentigen  Lösung 
ab  verschwand,  indem  bei  grösseren  Verdünnungen  die  Zahlen  constant  blieben. 

Weiter  untersuchte  Hittorf  Silbersalze  anderer  Säuren,  von  denen  er 
das  Sulfat  und  das  Acetat  wählte.  Er  fand  relativ  zum  Silber  die  Geschwin- 
digkeit des  Ions  der  Schwefelsäure  am  grössten,  dann  kam  das  der  Salpeter- 
säure, und  schliesslich  das  der  Essigsäure.  Da  er  glaubte,  dass  diese  drei 
Zahlen  auch  die  Reihenfolge  der  Verwandtschaftsgrade  der  drei  Säuren  in« 
Silber  ausdrückten,  so  wurde  ihm  eine  Beziehung  der  chemischen  Verwandt 
schaft  zur  Wanderungsgeschwindigkeit  wahrscheinlich. 


•  • 


i 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  3^7 


„Um  den  bemerkten  Zusammenhang  zu  deuten,  drängt  sich  leicht 
ende  Betrachtung  auf.  Von  mehreren  Anionen  werden  wir  dasjenige, 
zhes  in  der  Vereinigung  mit  demselben  Kation  den  grössten  Weg  zur 
>de  zurücklegt,  für  das  elektronegativste  erklären.  Analoges  gilt  von 
ireren  Kationen,  die  mit  demselben  Anion  vorliegen.  Je  weiter  andere 
i  Stoffe  in  der  Spannungsreihe  von  einander  abstehen,  desto  kräftiger 
rheint  ihre  chemische  Verwandtschaft.  Wir  würden  danach  in  den  Wegen, 
che  die  Ionen  während  der  Elektrolyse  zurücklegen,  ein  Maass  für  ihre 
mische  Verwandtschaft  suchen  dürfen."  Hittorf  fugt  alsbald  eine  Ver- 
lrung  hinzu,  diesen  theoretischen  Versuch  als  erwiesen  zu  nehmen;  er 
damit  sehr  recht  gehabt,  denn  diese  Betrachtung  hat  sich  in  der  Folge 
ganz  irrthümlich  erwiesen,  und  dürfte  sich  bei  eingehender  Untersuchung 
h  logisch  nicht  wohl  halten  lassen. 

Weiter  theilt  Hittorf  noch  einen  Versuch  darüber  mit,  ob  der  bei  der 
ktrolyse  von  Eisensalzen  entwickelte  Wasserstoff  primär  oder  sekundär 
Das  Eisen  war  theilweise  als  Oxyd  vorhanden,  die  gesammte  Eisen- 
nge  erwies  sich  aber  der  durch  denselben  Strom  im  Voltameter  ausge- 
iedenenen  Silbermenge  äquivalent,  so  dass  Hittorf  den  Wasserstoff  für 
undär  erklärt. 

Endlich  wurde,  um  den  Einfluss  des  Lösungsmittels  zu  prüfen,  eine 
oholische  Silbernitratlösung  verwendet;  es  ergab  sich,  dass  der  Unter- 
lied  zu  Gunsten  des  Ions  der  Salpetersäure,  welcher  bei  der  wässerigen 
sung  beobachtet  worden  war,  bei  der  alkoholischen  stärker  ausgeprägt 
h  zeigte.  „Dieses  Resultat,  das  man  nicht  erwartet,  mahnt  zur  Vorsicht 
der  Deutung  unserer  Zahlen." 

Dies  ist  in  Kürze  der  Inhalt  der  ersten  Mittheilung  Hittorf's.    Für  den 
utigen  Leser  ist  in  der  Abhandlung  nichts  enthalten,  was  den  Widerspruch 
irgend  einem  Maasse  herausforderte;    man  empfindet  im  Gegentheil  un- 
mein   wohlthuend   gegenüber  so    manchen   zeitgenössischen  Arbeiten   die 
hlichte    Klarheit   der   Auffassung,    welche    dabei   einen    Gesichtskreis   mit 
fitesten   Ausblicken   eröffnet.     Um  so  seltsamer  muthet   uns   der  Wider- 
ruch  an,  welcher  sich  allseitig  gegen  diese  Forschungen  erhob;   von  den 
rschiedensten  Seiten  werden  Einwendungen  geltend  gemacht  und  andere 
uffassungen  des  elektrolytischen  Vorganges  dargelegt.    Von  allen  diesen  hat 
:h  keine  als  stichhaltig  erwiesen.    Wir  haben  es  hier  mit  einem  der  nicht 
ltenen  Vorgänge  zu  thun,   dass  eine  neue,   von  dem  Gewohnten  abwei- 
lende  Ansicht,   welche  durch  einen  einfachen  und  klaren  Gedanken  über 
ne  ganze  Reihe  bisher  bestandener  Schwierigkeiten  hinweghilft,  mit  beson- 
drem Eifer  verworfen  wird.     Als  wollte  man  sich  das  Gute,  welches  unge- 
jcht  kommt,   nicht  gefallen  lassen,   werden  alle  möglichen  Gründe,   auch 
ie  fadenscheinigsten,   hervorgesucht,   um  es  ablehnen  zu  dürfen,   und  mit 
iner   seltsamen   Genugthuung   bemüht   man   sich,    nachzuweisen,   dass   die 
Knge  doch  nicht  so  einfach  seien,  wie  sie  im  Lichte  des  neuen  Gedankens 
rscheinen.     Oft  genug  wird,  wie  auch  in  unserem  Falle,  die  Entwickelung 


g^g  Sechzehntes  Kapitel. 

der  Wissenschaft  durch  dies  Gebahren  verzögert,  und  erst  einer  spätere»  lc 
Zeit  bleibt  es  vorbehalten,  Gerechtigkeit  zu  üben  und  —  sich  selbst  dam  ■* 
eine  Lehre  zu  ziehen. 

7.  R.  Kohlrausch's  Schwierigkeit.  Als  ein  entsprechendes  Zeog- 
niss  dafür,  in  welchem  Maasse  die  hier  von  Hittorf  vorgetragene  Anschauung 
welche  uns  jetzt  vollkommen  einfach  und  selbstverständlich  erscheint,  audk 
bei  hervorragenden  Forschern  Schwierigkeiten  des  Verständnisses  begegnete, 
kann  eine  von  R.  Kohlrausch  unter  dem  Titel:  Über  die  elektrisch« 
Vorgänge  bei  der  Elektrolyse  veröffentlichte  Arbeit1  dienen.  Zunächst 
findet  sich  eine  klar  aufgefasste  Darstellung  der  Stoffbewegung  bei  der 
Elektrolyse,  welche  wir  noch  heute  als  fast  völlig  sachgemäss  bezeichnet 
müssen;  alsdann  bringt  sich  aber  unser  Forscher  selbst  in  einen  Widersprach, 
welcher  thatsächlich  gar  nicht  vorhanden  ist,  und  nur  aus  einer  missverstand- 
lichen  Entwickelung  aus  der  richtigen  Voraussetzung  entstanden  ist 

„Nach  dem  jetzigen  Stande  der  Wissenschaft,  wenigstens  soweit  man 
ihn  aus  der  Litteratur  erkennen  kann,  scheint  es  als  eine  ausgemachte  Sacbe 
betrachtet  zu  werden,  dass  der  elektrische  Strom  in  einem  Elektrolyten 
etwas  wesentlich  anderes  ist,  als  der  Strom  im  metallischen  Theile  des 
Schliessungsbogens.  Während  man  im  letzteren  die  beiden  Elektricitäten 
in  entgegengesetzten  Richtungen  von  Atom  zu  Atom  des  Metalles  wandern, 
diese  Atome  aber  selbst  an  ihrer  Stelle  bleiben  lässt,  wird  der  Elektrolyt 
gewissermaassen  als  ein  Isolator  betrachtet,  und  der  Strom  kommt  in  ihm 
nur  dadurch  zu  Stande,  dass  die  ponderablen  Atome  selbst,  die  einen 
überladen  mit  positiver  Elektricität  in  der  Richtung  des  Stromes,  die  anderen 
überladen  mit  negativer  Elektricität  in  der  entgegengesetzten  Richtung  fort- 
wandern, so  dass  hier  die  Bewegung  der  Elektricitäten  an  die  Bewegung 
der  ponderablen  Masse  geknüpft  erscheint.  Nach  der  elektrochemischen 
Theorie  erhalten  aber  die  Atome  ihre  Überladung  an  Elektricität  nicht  eist 
an  den  Polplatten  der  Zersetzungszelle,  oder  durch  die  elektromotorische 
Kraft,  sondern  sie  besitzen  dieselbe  schon  von  vornherein.  Im  Wasseratom 
z.  B.  hat  bei  der  chemischen  Verbindung  das  Wasserstoffatom  freie  positive, 
das  Sauerstoffatom  ebensoviel  negative  Elektricität  erhalten,  und  diese  freien 
Elektricitäten,  indem  sie  an  die  getrennten  Atome  geknüpft  bleiben  und  mit 
ihnen  wandern,  bilden  den  Strom  in  den  Elektrolyten.  Auf  diese  Art  erklärt 
sich  einfach  der  Zusammenhang  zwischen  der  mit  dem  Magneten  gemessenen 
Stromintensität  im  Drahte  und  der  Menge  der  Zersetzungsprodukte. 

„Diese  Betrachtungsweise  des  Stromes  im  Elektrolyten  soll  im  Folgenden 
die  elektrolytische  Hypothese  genannt  werden.  Sie  erscheint  so  einfach 
und  abgerundet,  dass  man  sie  gerne  als  eine  ausgemachte  Wahrheit  betrachten 
möchte,  und  dass  sie  vielfach  als  solche  wirklich  gelehrt  wird.  Fragt  man 
aber  die  Gelehrten  privatim  um  ihren  Glauben  an  die  Sache,  so  erfahrt  man, 
dass  dieser  keineswegs  auf  sehr  festen  Füssen  steht;    der   eine   hat 

1  Pogg.  Ann.  97,  397.   1856. 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  839 


andere  jenes  Bedenken.  In  solchen  Fällen  bleibt  nichts  übrig,  als  die 
pothese,  soweit  es  thunlich  ist,  in  ihre  Consequenzen  zu  verfolgen,  ent- 
ler,  um  die  Natur  über  diese  Consequenzen  zu  befragen,  oder  die  Über- 
stimmung zwischen  ihnen  und  bekannten  Naturgesetzen  auf  theoretischem 
rge  zu  prüfen." 

Als  eine  solche  Consequenz,  welche  zu  einem  unerwarteten  Ergebniss 

rt,    untersucht   nun  Kohlrausch  die  Vorgänge  bei  dem  Übergange  der 

tung  aus  einem  Elektrolyten  in  ein  Metall  und  umgekehrt.    Nachdem  er 

verschiedenen   hier   möglichen  Vorstellungen   geprüft  hat,   legt   er   die 

:hfolgende  dar,  die  ihm  als  die  angemessenste  erscheint: 

„Nach   dieser  Ansicht   enthält  jeder  Körper   in   seinem    unelektrischen 
stände   ein   gewissermaassen   zu  seiner  Existenz  gehöriges  Quantum   von 
jtraler  Elektricität.    Als  die  Bestandteile  des  Wassers  sich  chemisch  ver- 
öden,  hat  eine .  Zerlegung  der  Elektricitäten  stattgefunden;   das  Wasser- 
ffatom  gab  eine  gewisse  Menge  —  q  seines  negativen  Theiles  der  neutralen 
?ktricität  an  das  Sauerstoflatom  ab,  und  dieses  rückwärts  eine  Menge  +  q 
ler  wenn  man  will,  q')  seines  positiven  Theiles  an  das  Wasserstofjatom. 
is   letztere   hat   dann   den  Überschuss  2q   an   freier  positiver  Elektricität, 
ch  ist  das  eine  q  dieses  positiven  Überschusses  eigentlich  als  ein  Mangel 
negativer  Elektricität  zu  betrachten.    Wird  das  Atom  wieder  von  seinem 
ichbar  getrennt  und  in  die  Lage  gebracht,  in  einen  unelektrischen  Zustand 
rückkehren  zu  können,   so  wird  es  die  an  dem  negativen  Theile  seiner 
mtralen  Elektricität  fehlende  Menge  —  q  aufnehmen,  das  überschüssige  +  q 
>er  abgeben. 

„Darnach  würde  die  .  .  .  Auffassungsweise  die  sein,   dass  die  Polplatte 

der  Richtung  des  positiven  Stromes   die  Hälfte   des   mit   dem   positiven 

estandtheile  des  Elektrolyten  ankommende  Elektricität  aufnähme  und  fort- 

hrte,  während  in  entgegengesetzter  Richtung  ein  negativer  Strom  diesem 

estandtheile  die  zu  seiner  unelektrischen  Existenz  nothwendige,  aber  noch 

blende  andere  Hälfte  an  negativer  Elektricität  zuführte.    Und  eben  dieselbe 

trömung   im   metallischen   Theile   des   Schliessungsbogens   würde    an    der 

nderen,    nämlich  der  positiven  Polplatte  genügen,  dem  negativen  Bestand- 

leile  bei  seiner  Ankunft  das  ihm  Fehlende  zu  geben  und  seinen  Überschuss 

ntzuleiten. 

„Wenn  nun,  und  das  sind  die  Prämissen, 

a)  in  jeder  Sekunde  an  jede  der  Polplatten  doppelt  so  viel  Elektricität 
[elangt,  als  diese  in  derselben  Richtung  fortfuhrt,  und  wenn 

b)  nach  der  GROTTHUss'schen  Ansicht  die  in  der  Sekunde  an  den  Pol- 
)latten  ausgeschiedenen  Quantitäten  der  Bestandtheile  ebenfalls  durch  alle 
ibrigen  Querschnitte  des  Elektrolyten  gleichfalls  hindurchgehen,  so  kommt 
ler  eigenthümliche  Schluss  zu  Stande,  dass  der  Strom  im  Elektrolyten 
ioppelt  so  stark  sein  muss,  als  der  im  metallischen  Theile  des  Schliessungs- 
>ogens.  Denn,  um  es  rücksichtlich  des  positiven  Stromes  zu  wiederholen: 
7ür  die  Elektricitätsmenge   +2q,   welche   im  Elektrolyten  in  der  Richtung 


340  Sechzehntes  Kapitel. 


des  positiven  Stromes  wandert,  geht  im  Draht  nach  derselben  Richtung  ar 
+  q\  es  wird  aber  durch  das  zweite  q  des  Elektrolyten  keine  positive  Beb 
tricität  an  der  Kathode  angehäuft,  indem  dies  +  ?  lediglich  darum  ab  fri 
erscheint,  weil  dem  hier  ausgeschiedenen  Bestandtheil  die  gleiche  Mop 
derjenigen  negativen  Elektricität  fehlt,  welche  ihm  in  seinem  unelektrischa 
Zustande  zukommt,  dieser  fehlende  Theil  —  q  aber  von  der  Polplatte  weg». 
des  negativen  Stromes  im  Drahte  im  Augenblicke  der  Ausscheidung  aaf : 
den  betreffenden  Bestandtheil  des  Elektrolyten  übergeht 

„Man  täuscht  sich,  wenn  man  etwa  glaubt,  durch  Anwendung  einer  der 
anderen  Auffassungsweisen,  oder  von  einer  vierten,  diesem  Schlüsse,  dass  in 
Elektrolyten  der  Strom  die  doppelte  Intensität  haben  müsse,  wie  der  ia 
metallischen  Schliessungsbogen,  aus  dem  Wege  zu  gehen.  Man  kommt  • 
dadurch,  so  lange  man  die  obigen  Prämissen  festhält,  entweder  genau  u 
demselben  Schlüsse,  oder  zu  dem  gleich  bedeutenden:  dass  im  Drahte  ein 
einfacher  Strom  ist  von  derselben  Intensität,  wie  jeder  der  beiden  Strome, 
welche  in  entgegengesetzter  Richtung  den  Elektrolyt  durchlaufen." 

Und  nun  geht  Kohlrausch  auf  die  Beschreibung  einer  Versuchsanord- 
nung über,  mittelst  deren  er  diesen  Schluss  geprüft  hat  Sie  bestand  im 
Wesentlichen  aus  einem  Leiter,  welcher  einen  langen  prismatischen  Trog 
mit  einem  Elektrolyten  enthielt.  Über  dem  Troge  und  ebenso  über  einem 
anderen  horizontalen  Theile  des  Leiters  befanden  sich  zwei  Magnetnadeln, 
deren  Lage  durch  Fernrohr  und  Skala  an  einem  Spiegel  abzulesen  war. 
Der  Strom  wurde  durch  das  Leitersystem,  das  im  übrigen  so  eingerichtet 
war,  dass  die  anderen  Theile  keine  ablenkende  Wirkung  auf  die  Magnete 
übten,  hindurchgeleitet,  und  aus  den  Ablenkungen  die  Drehmomente  des 
Stromes  im  Elektrolyten  und  im  metallischen  Leiter  berechnet  Diese  Rech- 
nung gestaltete  sich  ungemein  verwickelt,  da  einerseits  der  Einfluss  der 
räumlichen  Ausdehnung  des  elektrolytischen  Leiters,  andererseits  die  gegen- 
seitige Einwirkung  der  Magnete  auf  einander  und  die  der  entfernteren  Theik 
des  Schliessungsbogens  auf  jeden  der  beiden  Magnete  zu  berechnen  war; 
so  nimmt  denn  auch  die  Mittheilung  dieser  Rechnungen  allein  mehr  ab 
zwölf  Seiten  ein.  Das  Ergebniss  war  *'=  0,98635  /,  wo  1  die  Stromstärke 
im  Elektrolyten,  i  die  im  metallischen  Leiter  bezeichnet,  d.  h.  beide  Ströme 
sind  gleich. 

Nachdem  nun  nachgewiesen  ist,  dass  der  früher  gezogene  Schluss  un- 
gültig ist,  geht  Kohlrausch  auf  eine  Erörterung  ein,  wie  dies  Ergebniss  mit 
der  Theorie  zu  vereinigen  sei,  und  giebt  eine  sehr  umständliche  Ausein- 
andersetzung, welche  schliesslich  in  die  einfache  Überlegung  mündet,  dass  m 
der  Trennung  eines  Sauerstoffatoms  von  einem  Wasserstoffatom  nicht  jedes 
Atom  den  ganzen  Weg  zurückzulegen  braucht,  sondern  nur  den  halben, 
oder  mit  Rücksicht  auf  die  Arbeit  von  Hittorf,  dass  eines  der  Atome  den 
einen  und  das  andere  den  anderen  Theil  des  Weges  macht,  so  dass  der 
gesammte  Weg  der  Elektricitäten  nicht  der  doppelte,  sondern  wirklich  nur 
der  einfache  ist    Ein  Blick  auf  die  Fig.  213  und  214  lehrt  dieses  alsbald; 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  84 1 

i  um  sich  vollkommene  Klarheit  darüber  zu  verschaffen,  braucht  der 
ser  nur  unter  diesem  Gesichtspunkte  die  obenstehende  Auseinandersetzung 
:hmals  durchzusehen,  um  sich  zu  überzeugen,  dass  bei  den  dort  ange- 
cnmenen  Elektricitätsbewegungen  nicht  die  einfache,  sondern  die  doppelte 
nge  der  Zersetzungsprodukte  ausgeschieden  werden  würde,  als  voraus- 
setzt, so  dass  zu  deren  Entladung  im  metallischen  Leiter  auch  der  dop- 
Ite  Strom  erforderlich  wäre.  Überhaupt  muss  man  sich  unmittelbar  sagen, 
ss  die  erste  Darlegung  schon  deshalb  einen  Fehler  enthalten  musste,  weil 
r  doppelte  Strom  in  einem  Theile  des  Leiters  unvermeidlich  zu  einer 
ihäufung  freier.  Elektricität  an  den  Elektroden  proportional  der  Dauer  des 
romes  fuhrt,  was  nicht  möglich  ist. 

Kohlrausch  hat  sich  zu  dieser  Erkenntniss  offenbar  mit  einigen  Schwierig- 
sten hindurchgekämpft,  denn  er  giebt  eine  ungemein  lange  und  umständ- 
he  Auseinandersetzung  dieser  einfachen  Verhältnisse,  welche  eher  geeignet 
,  den  Leser  zu  verwirren,  als  ihn  aufzuklären,  wenn  sie  auch  an  sich 
irchaus  einwurfsfrei  ist  Von  Werth  ist  indessen  der  ausdrückliche  Aus- 
ruch der  Voraussetzungen,  die  zu  machen  sind,  um  die  elektrolytische 
ypothese  (S.  838)  der  Stromleitung  mit  der  Erfahrung  in  Einklang  zn  bringen, 
arnach  ist  vorauszusetzen,  dass  die  Wirkung  eines  mit  dem  Ion  bewegten 
ektrischen  Theilchens  proportional  seiner  (elektrischen)  Masse  und  seiner  Ge- 
hwindigkeit  in  der  Stromrichtung  und  umgekehrt  proportional  dem  Quadrat 
iner  Entfernung  sei,  und  dass  die  Wirkung  einer  negativen  Elektricitäts- 
iwegung  gleich  der  einer  gleichen  positiven  Elektricitätsmenge  in  entgegen- 
setzter Richtung  sei.  Da  dies  alles  Voraussetzungen  sind,  welche  in  den 
)rigen  Theilen  der  Elektricitätslehre  als  richtig  angesehen  werden,  so  liegt 
nn  schliesslich  überall  eine  vollkommene  Übereinstimmung  der  Erfahrung 
it  der  Theorie  vor. 

Von    grösserem    Interesse,    als    diese   anschauliche  Demonstration,   wie 

iwer  es  oft  ist,  die  Dinge  in  ihrer  Einfachheit  zu  sehen,  sind  einige  Stellen, 

welchen  die  Analyse  des  Zersetzungsvorganges   bei  der  Elektrolyse  der 

LOTTHUSs'schen  Auffassung   gemäss    im   einzelnen   durchgeführt  wird.     Die 

ischauung,  welche  sich  Kohlrausch  schliesslich  von  diesen  Erscheinungen 

Lcht,   ist  durch  die  Fig.  217  vorgestellt.     Darin  bedeuten  aa  die  Wasser- 

>me,    deren   Bestandteile    durch  -  , 

und  —  gekennzeichnet  sind,  und  -4r      J+        —|r       J+       -+ 

;     mit    Pfeilspitzen    bezeichneten    ^""^L..  TT^T «    ^^777^™ 

r  Fig.  217.    Nach  R.  Kohlrausch. 

lien  stellen  die  Wege  dar,  welche 

rse  Bestandtheile  zurücklegen  müssen,  bevor  sie  sich  mit  dem  nächsten 
tgegenkommenden  Atom  vereinigen  können,  um  die  neuen  Wassertheil- 
znbb  zu  bilden,  und  Kohlrausch  betont  ausdrücklich,  dass  gegen  diese 
ege  die  Entfernungen  der  beiden  Elektricitäten  in  den  Doppelatomen  ver- 
iwindend  klein  sind.  Um  die  letzteren  bewegen  sich  aber  nur  die  beiden 
ome  im  verbundenen  Zustande,  während  die  ganzen  übrigen  Wege  inj 
ien  Zustande  zurückgelegt  werden   müssen.     Daraus  folgt  aber  mit  Noth- 


g^2  Sechzehntes  Kapitel. 


wendigkeit  ein  Schluss,  welchen  R.  Kohlrausch  freilich  nicht  gezogen  bb 
nämlich  dass  die  der  Elektrolyse  unterliegenden  Verbindungen  während  des  lc 
allergrössten  Theiles  der  Zeit,  während  welcher  sie  an  der  Stromleitung  \&  |t 
theiligt  sind,  sich  nicht  im  verbundenen,  sondern  im  getrennten  Zustande 
befinden  müssen;  die  Bewegung  der  einzelnen  Atome  allein  kann  de 
Stromleitung  bewirken,  und  die  stromleitenden  Atome  müssen  daher  not- 
wendig frei  sein. 

Es  ist  sehr  merkwürdig,  wie  dieser  unmittelbare  und  auf  Grund  der 
gemachten  Voraussetzungen  gar  nicht  zu  umgehende  Schluss  von  keinem 
der  Forscher,  die  sich  bis  dahin  und  in  der  Folgezeit  mit  diesen  Fragen 
beschäftigt  haben,  gezogen  und  ausgesprochen  worden  ist,  bis  dies  im  Jahre 
1887  durch  Arrhenius  geschah.  Es  darf  wohl  nicht  angenommen  werden, 
dass  der  Gedanke  keinem  der  betreffenden  Männer  gekommen  sei;  dazu 
war  er  doch  zu  naheliegend.  Wohl  aber  hat  offenbar  jeder  einen  solchen 
Gedanken  für  ganz  unzulässig  gehalten,  da  er  allem  widersprach,  was  die 
Chemie  lehrte  und  behauptete,  und  die  weitere  Erkenntniss,  dass  auch  aus 
der  Chemie  eine  Menge  von  Widersprüchen  und  Unklarheiten  durch  eine 
entsprechende  Reform  der  Anschauungen  beseitigt  werden  würde,  konnte 
sich  nicht  entwickeln.  Auch  hat  es  geschichtlich  in  der  That  einer  Reihe 
neuer  Erkenntnisse  bedurft,  um  den  Schluss,  zu  welchem  die  altbekannten 
Thatsachen  längst  berechtigten,  endlich  ziehen  zu  lassen.  An  jene  alten 
Widersprüche  hatte  man  sich  eben  gewöhnt,  und  ihre  Beseitigung  um  den 
Preis  einer  fundamentalen  Umwälzung  erschien  als  eine  zu  weitgehende  For- 
derung. Als  aber  eine  ganz  neue  und  damals  noch  wenig  bewährte  Theorie, 
die  Gastheorie  der  Lösungen  van  t'  Hof^s,  die  Umgestaltung  forderte,  da 
wurde  sie  zu  Gunsten  derselben  durchgeführt,  und  erst  im  Anschlüsse  daran 
ergaben  sich  die  unzähligen  weiteren  Vortheile,  welche  die  Reform  mit 
sich   brachte. 

8.  Hittorf's  Arbeiten.  Fortsetzung.  In  seiner  zweiten  Mittheilung 
beschreibt  Hittorf1  zunächst  nochmals  die  Grundlagen  seines  Verfahrens, 
und  verbessert  es  nach  zwei  Richtungen.  Einmal  wird  die  Analyse  der 
Veränderung  im  Salzgehalt  nicht  mehr  wie  früher  auf  das  Volum  der  Lö- 
sung bezogen,  sondern  auf  das  Gewicht  des  Lösungsmittels;  es  verschwindet 
dadurch  eine  Fehlerquelle,  welche  allerdings  so  geringfügig  ist,  dass  sie  in  J 
den  früheren  Fällen  keine  die  Versuchsfehler  überschreitende  Abweichung  ! 
hat  bewerkstelligen  können.  Zweitens  beschreibt  er  zwei  neue  Apparate, 
deren  Construction  dadurch  nothwendig  geworden  war,  dass  er  die  Sabe 
der  Alkalimetalle  in  den  Kreis  seiner  Arbeiten  zog,  und  auf  die  bei  deren 
Elektrolyse  auftretenden  Erscheinungen  besonders  Rücksicht  zu  nehmen 
hatte.  Die  Apparate  sind  in  den  Fig.  218  und  219  dargestellt;  der  eine  ist 
ohne  Diaphragmen,  der  andere  mit  solchen  ausgeführt  Letztere  erleichtern 
sehr  die  Arbeit  und  sind  von  Hittorf  benutzt   worden,   nachdem   er  sich 

1  Pogo.  Ann.  08,  1.  1856. 


Die  Leitung  der  ElektriciUt  in  den  Elektrolyten. 


843 


erzeugt  hatte,  dass  er  bei  der  Anwendung  derselben  die  gleichen  Resultate 
lielt,  wie  ohne  solche.  Zu  bemerken  ist  wesentlich  das  Hülfsmittel,  durch 
isen  Anwendung  er  die  Gasentwickelung  an  beiden  Elektroden  vermied, 
Iche  durch  Vermischung  der  Schichten  seinen  Zweck  vereitelt  hätte:  er 
nutzte  statt  des  üblichen  unangreifbaren  Metalles  eine  Kathode  von  Cad- 
urn,  wodurch  an  Stelle  von  Sauerstoff  (resp.  Chlor  oder  dergl.)  sich  ein 
dmiumsak  bildet,  welches  in  Folge  des  grossen  specirischen  Gewichts 
ner  Lösung  an  den  Boden 
5  Glases  sich  begiebt,  ohne 
die  oberen  Schichten  zu 
.ndem. 

Als  Einwand  gegen  die 
lässigkeit  des  Verfahrens 
x  die  Erscheinung  geltend 
macht  worden,  dass  unter 
nständen  durch  den  Strom 
:  gesammte  Salzlösung  fort- 
führt wird,  wenn  ein  porö- 
1  Diaphragma  sich  in  der 
rombahn  befindet  (S.  845). 
1  gerade  in  derselben  Zeit 
s  Gesetze  dieser  Erschei- 
ng  durch  Gustav  Wiede- 
nn  einer  genauen  Unter- 
:hung  unterzogen  worden 
ren,  lag  der  Einwand  in 
r  That  nahe.'  Auch  diesen 
nkt  konnte  indessen  Hit- 
w  befriedigend  erledigen: 
Fortführung  der  gesamm- 

Flüssigkeit    durch    den 
om    und   die  Wanderung 
•   Ionen   geschehen    unab- 
lgig  von  einander,  so  dass  man  die  Verhältnisse  der  Weglängen  der  Ionen 
-echnen  darf,  als  fände  die  Fortführung  der  Flüssigkeit  überhaupt  nicht  statt. 

Den  auf  den  ersten  Augenblick  etwas  überraschend  aussehenden  Satz, 
>s  das  Ergebniss  der  Überfuhrungsmessungen  nicht  geändert  wird,  wenn 
der  Anode  (resp.  an  der  Kathode)  sich  beliebige  andere  Salze  bilden, 
wenn  die  Elektroden  mit  beliebigen  anderen  Salzlösungen  umgeben  sind, 
gründet  Hittorf  durch  folgende  Überlegung: 

„Wie  ich  in  der  ersten  Mittheilung  gezeigt,  werden  die  Überführungen, 
Iche  wir  suchen,  dadurch  bedingt,  dass  die  Ionen  eines  jeden  Querschnittes 
1  eine  bestimmte  Strecke  des  Zwischenraumes,  der  ihn  von  dem  nächsten 
nnt,   den  betreffenden  Elektroden  sich   nähern.     Ich  habe  daselbst  durch 


Nach  Hittorf. 


Nach  Hittori. 


g44  Sechzehntes  Kapitel. 

die  Figuren  213  und  214  (S.  834)  zu  veranschaulichen  gesucht,  dass  die 
Zahlen,  welche  wir  finden,  die  relativen  Wege  ausdrücken,  welche  die  beiden 
Ionen  jedes  Querschnittes  bei  jeder 
Zersetzung  und  Wiedervereinigung 
nach  den  Polen  zurücklegen.  Oboe 
Einfluss  auf  dieselben  muss  die  Natur 
der  Elektroden  sein,  welche  wir  nadi 
Faradav  als  die  Begrenzungen  des 
Elektrolyten,  als  die  Thüren,  durch 
welche  der  Strom  aus-  und  eintritt, 
anzusehen  haben.  Unsere  Zahlen 
werden  nicht  geändert,  welche  Me- 
talle wir  zu  den  Polen  nehmen,  wenn  : 
nur  dadurch  die  Losung  in  der  Nähe 
der  Trennungsstelle  nicht  verän- 
dert wird.  Ich  wählte  die  Anode  bis 
jetzt  stets  aus  dem  Metall,  dessen  ! 
Salz  in  der  Lösung  sich  befand,  weil 
dadurch  ein  dreifacher  Zweck  am  ein-  ' 
fachsten  zu  erreichen  war.  Einmal  wurde  die  störende  Gasentwickelung  an  ., 
diesem  Pole  vermieden;  sodann  entstand  daselbst  eine  specirisch  schwerere 
Flüssigkeit,  und  endlich  gelangte  kein  anderes  Salz  in  die  Lösung.  Wir 
dürfen  aber  zur  Anode  jedes  Metall  benutzen,,  sobald  es  nur  mit  dem  Ank* 
eine  lösliche  Verbindung  eingeht,  wenn 
wir  nur  Sorge  tragen,  dass  das  ent- 
stehende Salz  um  die  Anode  bleibt, 
wenigstens  nicht  in  die  Nähe  der 
Trennungsstelle  gelangt  In  analoger 
Weise  verhält  es  sich  mit  der  Ka- 
thode. Wird  die  Lösung  um  den 
positiven  Pol  zur  Analyse  benutzt,  so 
dürfen  wir  den  negativen  mit  einem 
anderen  Elektrolyten  umgeben,  wenn 
er  nur  nicht  während  der  Elektrolyse 
bis  zur  Trennungsstelle  vordringt'' 
Der  auf  Grund  dieser  Überlegungen 
entstandene  Apparat  ist  durch  Fig.  218  dargestellt,  wo  die  Anode  aus  amalgi- 
mirten  Cadmium  sich  in  dem  untersten  Gefässe  befindet,  und  die  Trennung  der 
beiden  Flüssigkeitsantheile  zum  Zweck  der  Analyse  mit  Hülfe  der  Diaphrag- 
men erfolgt.  Mit  diesem  Apparate  wurden  zunächst  die  Alkalisalze  untersucht' 
Bevor  Hittorf  indessen  auf  die  Mittheilung  seiner  Versuchsergebnis« 
eingeht,    nimmt  er  auf  eine  Äusserung  R.  Bunsen's  Bezug,1   nach  welcher 


Nach  Hittork. 


1  Pog«.  Ann.  91,  61^ 


.854. 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten, 


JS45 


itromdichte  die  Kraft  des  Stromes  wachse,  Verwandtschaften  zu 
m,  und  setzt  auseinander,  wie  dies  zwar  fiir  die  praktischen  Er- 
ler  Elektrolyse  gelte,  nicht  aber  für  die  Wanderungserscheinungen, 
als  von  der  Stromstärke,  und  somit  -dichte  unabhängig  erwiesen 
elmehr  handelt  es  sich  bei  dem  Ausspruche  Bunsen's  nur  um  die 

die  sogenannte  primäre  oder  secundäre  Reaktion  das  Übergewicht  an 
ode  hat,  und  nur  darauf  kann  sich  jene  Äusserung  beziehen.  Die 
der  Wanderungsgeschwindigkeit  ist  aber,  wie  eben  gezeigt,  unab- 
von  der  besonderen  Beschaffenheit  der  an   den  Elektroden   statt- 

Reaktionen. 
len  Alkalisalzen  wurden  nun  alsbald  viel  einfachere  Ergebnisse  er- 
;  vorher  mit  den  Salzen  des  Kupfers  und  Silbers,  denn  die  Über- 
ahlen  erwiesen    sich    als    unabhängig    von    der   Verdiinnung. 
,   deren  Gehalt  an  Chlor- 
vischen    1 : 4,8   und   1  :  449 
,  gaben  dieselben  Werthe, 

in  dem  Sinne,  dass  beide 
eile  nahezu  gleich  schnell 
nur  das  Chlor  etwas  schnei- 
Überführung  des  letzteren 
;  im  Mittel  zu  0,5 1 5 ;  die  des 
lemgemäss  0,485.    Ebenso 

sich  Brom-  und  Jodkalium, 
erführungen  auch  zahlen- 
lit  der  des  Chlorkaliums 
nfallen ;    Chlorammonium 

sich  diesen  Salzen  an. 
rat,  -sulfat  und  -acetat 
;egen  eine  geringere  Uber- 

des     Anions,     aber     die 

Jnabhängigkeit     von     der 

"g- 

Untersuchungen    von    G.    Wiedemann.      Gleichzeitig   mit   den 

welche  die  Aufklärung  des  Vorganges  bei  der  elektrolytischen 
lurch  die  Untersuchung  der  an  den  Elektroden  auftretenden  Con- 
sanderungen  zum  Gegenstande  hatten,  beschäftigte  sich  ein  anderer 

dessen  Name  uns  noch  vielfach  entgegentreten  wird,  Gustav  Wiede- 

einer  anderen  Gruppe  von  Vorgängen,  deren  Gesetze  er  bei  dieser 
it  mit  grosser  Vollständigkeit  ermittelte. '  Es  handelt  sich  um  die 
en,  welche  die  gesammte  elektrolytische  Flüssigkeit  erfährt,  wenn 
;s  Diaphragma  in  die  Strombahn  eingeschaltet  ist.  Die  Erschei- 
bereits  von  Danieli.  erwähnt  worden,    doch    hat   der   von  diesem 


185*. 


846 


Sechzehntes  Kapitel. 


genannte  englische  Forscher  Porret,  welchen  er  als  den  ersten  Beobachter 
nennt,  einen  Vorgänger  in  Rbuss,1  welcher  in  Moskau  1809  solche  Beob- 
achtungen gemacht  hatte. 

An  dein  Apparate  Fig.  223  wurde  zunächst  die  Thatsache,  dass  die 
Flüssigkeit  im  Sinne  des  positiven  Stromes  fortgeführt  wird,  geprüft  und 
bestätigt.  Die  Einrichtung  desselben  ist  leicht  zu  erkennen:  es  sind  zwei 
Glasgefässe  von  geeigneter  Gestalt  mit  ihren  abgeschliffenen  Rändern  unter 
Zwischenfügung  einer  Thonplatte  an  einander  gelegt,  und  werden  in  dieser 
Stellung  durch  Schrauben  mit  Muttern  zusammengehalten.  Die  horizontalen 
Offnungen  dienen  zur  Einfuhrung  der  Elektroden,  die  oberen  zur  Einsetzung 
von  Wasserstandröhren.  Die  Erscheinung  trat  bei  den  meisten  Flüssigkeiten 
auf,  deutlicher  bei  schlechtleitenden,  weniger  bei  besser-  und  gar  nicht  bei 
gutleitenden,  wie  verdünnter  Schwefelsäure. 

Messende  Versuche  wurden  mit  dem  Apparate  Fig.  224  ausgeführt, 
der  aus  einer  Thonzelle  besteht,   an  die  ein  gläserner  Aufsatz  gekittet  ist, 


Nach  G.  WlEDEMANN. 


welcher  die  übergeführte  Flüssigkeit  abzuleiten  und  zu  messen  gestattete. 
In  der  Thonzelle  befand  sich  die  eine  cylindrische  Elektrode,  ausserhalb 
derselben  die  andere.  Wurde  ein  Strom  von  der  äusseren  Elektrode  rur 
inneren  geleitet,  so  floss  die  mitgeführte  Flüssigkeit  in  die  vorgelegte  Flascbe. 

Das  Ergebniss  der  Messungen  war  zunächst,  dass  die  Menge  der  über- 
geführten Flüssigkeit  der  Stromstärke  proportional  ist.  Diese  Menge  ist  im 
übrigen  unabhängig  von  der  Grösse  und  Dichte  der  porösen  Wand.  Von 
deren  Natur  zeigte  sich  indessen  die  Grösse  abhängig;  so  gaben  Zellen  aus 
dichterem  Material  eine  geringere  Überführung,  als  porösere. 

Von  der  Natur  der  Flüssigkeit  Hess  sich  keine  genauere  Abhängigkeit 
nachweisen,  als  dass  die  Überführung  dem  Widerstände  derselben  parallel 
ging,  ohne  dass  man  eine  Proportionalität  auszusprechen  berechtigt  wäre. 


1  Sevkfek's  Gesch.  Darst.  de«  Galvan.   1848,  541;  nach  WiKDEUANN  a.  4.  O. 


Die  Leitung  der  Elektricilät  in  den  Elektrolyten 


847 


Der  Apparat  (Fig.  225)  wurde  nun  dahin  abgeändert,  dass  nicht  die 
rehgeflossene  Flüssigkeitsmenge,  sondern  der  erzeugte  Druck  gemessen 
rde,  welcher  die  Überführung  eben  aufzuheben  vermochte.  Dazu  wurde 
die  Stelle  der  Ausflussröhre  ein  Manometer  gebracht.  Dabei  ergab  sich, 
ss  die  Druckhöhen,  bis  zu  welchen  die  Flüssigkeiten  durch  den  galvani- 
len  Strom  aufsteigen,  der  Intensität  des  Stromes  direkt  proportional  sind. 
;  sind  bei  verschiedenen  Oberflächengrösscn  derselben  Zelle  der  Oberfläche 
igekehrt  proportional,  und  wachsen  ferner  direkt  proportional  der  Dicke 
r  Zellwand. 

Versuche  mit  Kupfervitriollösungen  verschiedenen  Gehaltes  ergaben 
dlich,  dass  die  Druckhöhen  den  Widerständen  der  Losung  direkt  pro- 
rtional  sind. 

Im  Anschlüsse  an  seine  Untersuchungen  über  die  elektrische  Fortführung 
r  Flüssigkeiten  durch  poröse  Scheidewände  betheiligte  sich  auch  G.  Wiede- 
,nn  an  der  Untersuchung  der  Concentrationsanderung  an  den  Elektroden,1 


Nach   G.   WlHDEMANN. 


ldem  er  den  durch  Fig.  226  dargestellten  Apparat  verwendete.  Die  mit 
emselben  erhaltenen  Ergebnisse  waren  theilweise  durch  Versuchsfehler  ge- 
rübt, und  im  Allgemeinen  weniger  einer  einfachen  Deutung  fähig  als  die 
on  Hittorf  über  diese  Frage  erhaltenen.  Dagegen  veranlassten  ihn  die 
nit  der  Fortfuhrung  der  Flüssigkeiten  zusammenhängenden  Betrachtungen, 
ine  Beziehung  aufzustellen,  welche  sich,  nachdem  sie  längere  Zeit  als  fast 
ioffnungslos  angesehen  worden  war,  doch  als  in  der  Natur  der  Sache  be- 
gründet erwies:  eine  Beziehung  zwischen  der  elektrischen  Leitfähigkeit  der 
.ösungen,  und  den  Bewegungshindernissen,  welche  sich  den  Ionen  ent- 
gegenstellen, und  für  welche  in  erster  Annäherung  die  innere  Reibung  der 
Flüssigkeiten  in  Betracht  zu  ziehen  ist  Mit  Hülfe  des  in  Fig.  227  darge- 
stellten  Apparates   ermittelte   er   für  Lösungen,    deren  Leitfähigkeit   er   be- 


1  Pooo.  Ann.  »,  177.  1856. 


84» 


Sechzehntes  Kapitel. 


7.      Nach    G.   WlEDEMANN. 


stimmte,  auch  die  inneren  Reibungen.  Der  Apparat  besteht  aus  der  Vorriek- 
tung  d  a  bf,  welche  zur  Herstellung  eines  constanteo  Druckes  nach  den 
Prinzip  der  MAKiOTTE*schen  Flasche  zusammengestellt  ist,  und  einem  hori- 
zontal liegenden  Capiliarrohr  nebt 
Pipette  kkl,  welche  die  zu  unter- 
suchende Flüssigkeit  aufnahmen.  Durch 
Beobachtung  der  Zeit,  welche  die 
der  Pipette  enthaltene  Flüssigkeit  ge- 
brauchte, um  mittelst  des  vorhanden« 
Druckes  durch  die  Capillare  gepresst  n 
werden,  ergab  sich  die  relative  Zähig- 
keit oder  innere  Reibung. 

Die  elektrischen  Leitfähigkeiten 
wurden  nach  der  von  Becquerel  und 
Wheatstone  angegebenen  Weise  tlurch 
Substitution  gemessen. 

Aus  dem  Vergleich  beider  Zahlen- 
reihen ergab  sich  schliesslich  als  anl 
nähernde  Regel,  dass  der  Widerstand 
der  Losungen  der  Zähigkeit  der  Flüs- 
sigkeiten direkt,  ihrem  Salzgehalt  umgekehrt  proportional  sei.  Wiedemans 
»  bemerkt  ausdrücklich,  dass  diese  Regel  nur  die  Annäherung  sei,  doch  weist 
er  in  mehreren  Fällen  deren  gute  Übereinstimmung  mit  den  Messungen 
nach.  Auch  weist  er  darauf  hin,  dass  die  Zähigkeit  nicht  das  eigentlich; 
Maass  für  die  Bewegungshindernisse  der  Ionen  sei,  da  sich  die  Ionen  am 
Lösungsmittel  reiben,  bei  der  Bestimmung  der  Zähigkeit  aber  die  Losung 
an  sich  selbst. 

11.  Die  elektrolytischen  Untersuchungen  von  G.  Magnus.  Um 
die  Bedeutung  des  Verdienstes  ganz  zu  würdigen,  welches  sich  Hittokf  um 
jene  Zeit  durch  seine  experimentellen  Arbeiten  ebenso,  wie  durch  die  Klar- 
heit seiner  Anschauungen  erworben  hat,  besitzt  man  einen  Maassstab  in 
einer  Abhandlung,  welcher  einer  der  damals  namhaftesten  Physiker  Deutsch- 
lands, Gustav  Magnus,  Professor  der  Physik  in  Berlin,  unter  dem  Titel: 
„Elektrische  Untersuchungen"1  veröffentlichte.  Magnus  hat  sich  bedeutende 
Verdienste  auf  dem  Gebiete  der  messenden  Physik  und  insbesondere  da- 
durch erworben,  dass  er  als  der  erste  in  Deutschland  den  jüngeren  Physikern 
die  Gelegenheit  gab,  durch  Arbeiten  im  Laboratorium  sich  in  der  Technik 
des  Experimentirens  auszubilden.  Die  hier  zu  betrachtenden  Arbeiten  ver- 
mehren Magnus'  Verdienste  indessen  nicht. 

Magnus  geht  gleichfalls  von  den  Beobachtungen  Danieix's  (S.  614)  aus, 
und  wendet  gegen  dessen  Ansichten  von  der  Natur  der  Salze  und  dem 
Wesen  der  elektrolytischen  Zersetzungen   ein,   dass  die  von  ihm  angenom- 


1  Pogg.  Ann.  102, 


185?- 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  849 


jnen  Stoffe,  wie  Oxysulfion,  Oxynitrion  u.  s.  w.  nie  dargestellt  worden 
en;  er  glaubt  der  Änderung  der  chemischen  Anschauungen,  welche  diese 
inahme  mit  sich  bringt,  durch  eine  passende  Änderung  der  Auffassung  der 
»ktrolyse  entgehen  zu  können. 

Über  Hittorf's  Untersuchungen  wird  bemerkt,  dass  sie  in  anderer  Be- 
hung  von  grossem  Interesse  seien,  dass  sie  aber  nicht  den  Zweck  hätten, 
1  ÜANiELi/schen  Beobachtungen  zu  erklären! 

Um  dies  nun  selbst  zu  thun,  zersetzte  Magnus  in  einem  dem  Daniell'- 
len  (S.  614)  ähnlichen  Apparate  mit  senkrecht  stehender  einfacher  Scheide- 
md  Kupfersulfat  zwischen  Platinelektroden,  und  untersuchte  nach  einiger 
it  die  Lösungen.  „Auf  diese  Weise  zeigte  sich,  dass  für  das  an  der  nega- 
en  Elektrode  ausgeschiedene  Metall  ein  volles  Äquivalent  Schwefeläure 
ri  geworden  war;  allein  von  diesem  waren  nur  60  bis  70  Procent  in  der 
gativen  Zelle  enthalten,  die  übrigen  befanden  sich  in  der  positiven.  Es 
rd  folglich  von  den  beiden  zur  positiven  Elektrode  wandernden  Substanzen 
ir  von  dem  Sauerstoff  ein  volles  Äquivalent  übergeführt,  nicht  aber  von 
r  Säure,  wenigstens  nicht  bei  Anwendung  einer  Scheidewand  von  thie- 
icher  Base. 

„Dieses  Resultat  ist  der  DANiELi/schen  Hypothese  entgegen,  denn  wenn 
is  schwefelsaure  Kupferoxyd  aus  Kupfer  und  Oxysulfion  bestände,  so 
üsste  dieses  letztere  als  solches  zur  positiven  Elektrode  gelangen." 

Auf  diesen  einen,  ohne  die  von  Hittorf  so  nachdrücklich  als  nothwendig 
wiesenen  Vorsichtsmaassregeln  ausgeführten  Versuch  gründet  Magnus  seine 
erurtheilung  der  DANiELi/sshen  Ansicht! 

Seine  eigene  Ansicht,  durch  welche  er  den  von  Daniell  aufgedeckten 
Widerspruch  zu  heben  glaubt,  ohne  die  übliche  chemische  Theorie  verlassen 
1  müssen,  stellt  er  folgendermaassen  dar: 

„Zwar  glaube  ich,  dass  es  möglich  ist,  dieses  Verhalten  des  Stromes 
jf  bekannte  Erscheinungen  zurückzuführen,  allein  es  wird  mir  schwer,  die 
orstellung,  welche  ich  mir  von  der  elektrischen  Zersetzung  entworfen  habe, 
ier  mitzutheilen.  Theils  sind  in  neuerer  Zeit  so  viele  Theorieen  über  den 
rorgang  der  Elektrolyse  veröffentlicht  worden,  dass  ich  dieselben  nicht  gern 
urch  eine  neue  vermehre,  theils  ist  die  Vertheilung  der  Elektricität  auf  eine 
leihe  isolirter  Leiter,  auf  welche,  wie  ich  glaube,  die  elektrolytischen  Er- 
cheinungen  sich  zurückführen  lassen,  noch  nicht  so  vollständig  bekannt, 
m  diese  Zurückflihrung  in  allen  Theilen  durchführen  zu  können.  Ich  würde 
eshalb  meine  Ansicht  ganz  unterdrücken,  wenn  ich  nicht  glaubte,  dass 
lieselbe  besonders  geeignet  sei,  die  Versuche  in  einen  übersichtlichen  Zu- 
ammenhang  zu  bringen.  Nur  als  ein  Mittel  hierfür  betrachte  ich  die  fol- 
gende Auseinandersetzung: 

„Es  scheint  mir  zunächst  unmöglich,  anzunehmen,  dass  die  Elektricität 
;ich  in  dem  Leiter  bewege,  wie  die  Flüssigkeit  in  einer  Röhre,  so  dass  sie 
:u  einer  bestimmten  Zeit  an  einer  Stelle  derselben,  und  bald  darauf  an  einer 
anderen,   entfernteren  angekommen  ist.     Ich  kann  mir  nur  vorstellen,   dass 

Ostwald,  Elektrochemie.  54 


8 CO  Sechzehntes  Kapitel. 

die  Elektricität  sich  von  Schicht  zu  Schicht  in  ähnlicher  Weise  in  dem  Leiter 
fortpflanzt,  wie  die  Wirkung  eines  leuchtenden  Körpers  fortgepflanzt  wird 
Ob  man  dabei  annehmen  dürfe,  dass  die  elektrische  Fortpflanzung  wie  <Bc 
des  Lichtes  auf  Schwingungen  eines  Äthers  beruhe,  oder  in  welcher  andern 
Weise  sie  vor  sich  gehe,  muss,  wie  ich  glaube,  für  jetzt  dahingestellt  bleib«. 
Aber  auch  ohne  die  Art  der  Fortpflanzung  genauer  kennen  zu  lernen,  st 
man  genöthigt,  anzunehmen,  dass  sie  von  Schicht  zu  Schicht  erfolge.  Fehlen 
auch  die  Beweise  hierfür  in  Bezug  auf  die  Fortpflanzung  in  einem  metalli- 
schen Leiter,  so  lässt  sich  wenigstens  mit  vieler  Wahrscheinlichkeit  zeigen, 
dass  in  einer  zersetzbaren  Flüssigkeit  die  Fortpflanzung  in  jener  Weise  statt- 
findet, und  zwar  ähnlich,  wie  die  Fortpflanzung  der  Reibungselektricität  oder 
der  Elektricität  von  hoher  Spannung  durch  eine  Anzahl  isolirter  Leiter. 

„Um  etwas  bestimmter  anzudeuten,  was  ich  meine,  stelle  man  sich  zw« 
gleiche  Metallplatten  A  und  B  vor,  die  in  einiger  Entfernung  parallel  einander 
gegenüberstehen,  und  zwischen  denselben  eine  Anzahl  isolirter  Kugeln,  deren 
Durchmesser  nur  klein  im  Verhältniss  zur  Grösse  der  Platten  A  und  B  ist 
Liegen  diese  Kugeln  in  gleichen  Abständen  von  einander,  alle  in  einer 
geraden  Linie,  welche  zwei  homologe  Punkte  der  beiden  Platten  verbindet, 
und  erhalten  die  beiden  Platten  fortwährend  gleiche  Mengen  Elektricität, 
die  Platte  A  von  positiver,  und  die  Platte  B  von  negativer,  so  nehmen 
sämmtliche  Kugeln  beide  Elektricitäten  durch  Vertheilung  an,  und  zwar  die 
positive  Elektricität  nach  der  der  Platte  B  zugewandten  Seite,  die  negative 
nach  der  entgegengesetzten. 

„Sobald  die  Elektricitäten  dieser  Kugeln  so  stark  geworden  sind,  dass 
ein  Funke  übergeht,  geht  ein  solcher  zwischen  je  zwei  Kugeln,  sowie  zwischen 
den  Platten  und  den  ihnen  zunächst  befindlichen  Kugeln  über.  Man  sagt 
dann,  die  Elektricität  hat  sich  entladen,  oder  sie  hat  sich  von  der  einen 
Platte  zur  anderen  fortgepflanzt.  Wird  den  Platten  fortwährend  Elektricität 
zugeführt,  so  finden  die  Entladungen  immer  von  neuem  statt  Je  besser 
das  Leitungsvermögen  der  Kugeln  ist,  um  so  leichter  laden  sie  sich,  und 
um  so  schneller  entladen  sie  sich  wieder;  um  so  mehr  Elektricität  wird  also 
in  der  Zeiteinheit  durch  die  Kugelreihe  fortgepflanzt. 

„Wenn  man  diese  Art  der  Ausgleichung  oder  Fortpflanzung  der  Elek- 
tricität als  einen  Strom  bezeichnen  darf,  so  ist  hiernach  die  Intensität  dieses 
Stromes,  d.  i.  die  Quantität  der  Elektricität,  welche  in  der  Zeiteinheit  über- 
geht, um  so  grösser,  je  besser  das  Leitungsvermögen  der  Kugeln  ist. 

„Ähnlich  wie  die  Entladung  durch  solche  isolirte  Leiter  stelle  ich  mir 
den  Übergang  der  Elektricität  durch  einen  Elektrolyten  vor.  Denn  man 
kann  sich  diesen  ebenfalls  aus  einzelnen  Theilen  bestehend  denken,  auf 
welche  die  Elektricität  der  Elektroden  in  ähnlicher  Weise  einwirkt,  wie  dk 
elektrischen  Platten  A  und  B  auf  die  zwischen  ihnen  befindlichen  Kugeln. 
Der  wesentliche  Unterschied  ist  nur  der,  dass  bei  der  Entladung  der  Elek- 
tricität durch  die  Kugelreihe  die  +E  der  einen  Kugel  sich  mit  der  —  £ 
der  nächsten  verbindet,  während  in  den  Elektrolyten  sich  auch  zugleich  ein 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  35  I 


•ktropositiver  Bestandtheil  des  einen  Theilchens  mit  einem  elektronegativen 
standtheil  des  nächsten  Theilchens  vereinigt.  .  .  . 

„Denkt  man  sich  parallel  mit  jener  Reihe  von  Kugeln  eine  zweite  oder 
össere  Anzahl  solcher  Reihen,  alle  aus  gleichen  und  gleich  weit  von  ein- 
ider  abstehenden  Kugeln,  und  sieht  man  von  den  Störungen,  welche  die 
ugeln  der  einen  Reihe  in  Bezug  auf  die  Vertheilung  der  Elektricität  in  der 
ideren  Reihe  hervorbringen,  ab,  so  findet  in  jeder  Reihe  der  Übergang 
ir  Elektricität  in  gleicher  Weise  statt,  und  daher  geht  durch  jede  Ebene, 
e  parallel  den  Platten  A  und  B  ist,  dieselbe  Menge  von  Elektricität  in 
jrselben  Zeit,  analog  dem  Durchgange  durch  einen  Elektrolyten." 

Es  hält  schwer,  sich  auf  Grund  dieser  Betrachtung  davon  zu  überzeugen, 
iss  ausser  der  Bewegung  der  Elektricität  noch  etwas  anderes  in  dem  Leiter 
attfindet;  insbesondere  erscheint  die  elektrolytische  Zersetzung  an  den  Elek- 
oden  als  etwas  Zufälliges,  und  von  einer  Berücksichtigung  des  FARADAY^schen 
ektrolytischen  Gesetzes  ist  überhaupt  nicht  die  Rede! 

Die  Erscheinung,  welche  Magnus  als  die  wichtigste  für  das  Verständniss 
er  elektrolytischen  Vorgänge  erscheint,  und  welcher  er  daher  auch  experi- 
lentell  die  grösste  Aufmerksamkeit  widmet,  ist  die  Thatsache,  dass  bei  dem 
orhandensein  zweier  oder  mehrerer  Elektrolyte  die  Abscheidung  der  Ionen 
on  der  Stromdichte  abhängig  ist,  dergestalt,  dass  bei  geringer  Dichte  nur 
as  am  leichtesten  abscheidbare  Ion  auftritt,  während  bei  zunehmender  Dichte 
uch  die  anderen  nach  Maassgabe  ihrer  Abscheidbarkeit  auftreten.  Wir 
issen  jetzt,  dass  diese  Erscheinung  nur  von  dem  abhängt,  was  unmittelbar 
1  der  Elektrode  vorhanden  ist,  und  mit  der  eigentlichen  Leitung  des 
tromes  nichts  zu  thun  hat 

Auch  nach  anderer  Seite  zeigen  sich  die  Ansichten  von  Magnus  als 
ngenügend,  und  den  bereits  gemachten  Fortschritten  nicht  entsprechend. 
o  lässt  er  die  zersetzende  Wirkung  noch  immer  von  den  Elektroden  aus- 
sen, während  doch  Faraday  ausgesprochen  und  noch  kurz  vorher  Kirch- 
dff  durch  die  Bearbeitung  der  ÜHM'schen  Theorie  vom  Standpunkte  der 
ektrostatischen  Gesetze  eingehend  gezeigt  hatte,  dass  die  Wirkung  überall 
dem  ganzen  Stromkreise,  proportional  dem  Gefälle  der  Spannung,  statt- 
idet.  Auch  hat  Magnus  in  seiner  ganzen  Arbeit  vermieden,  sich  der  An- 
chten  und  Bezeichnungen  von  Faraday  zu  bedienen  und  diese  Enthaltung 
»legentlich  durch  das  Bedürfniss  nach  wissenschaftlicher  Strenge  und  Voraus- 
rtzungslosigkeit  zu  begründen  versucht. 

So  wenig  diese  Arbeit  und  eine  ihr  folgende  (s.  w.  u.)  auch  Dauerndes 
der  Wissenschaft  hinterlassen  hatten,  so  war  doch  die  Gegnerschaft  des 
achangesehenen  Berliner  Physikers  dadurch  von  grosser  Bedeutung  für  die 
ntwickelung  der  Sache,  dass  durch  sie  die  Berücksichtigung  der  Arbeiten 
jttorf's  auf  lange  Zeit  verhindert  wurde.  Die  ferneren  Mittheilungen 
nseres  Forschers  über  die  Wanderung  der  Ionen  beginnen  alle  mit  polemi- 
:hen  Auseinandersetzungen,  und  wie  berechtigt  wir  auch  jetzt  die  Mehrzahl 
nner  Angriffe  auf  die  zeitgenössischen  Ansichten  finden  müssen,  wie  schla- 

54* 


g{?2  Sechzehntes  Kapitel. 

gend  uns  seine  Logik,  mit  der  er  diese  auf  ihren  wahren  Werth  zurück- 
zuführen weiss,  jetzt  erscheint  —  auf  seine  Zeit  hat  er  dadurch  keinen 
dauernden  Eindruck  hervorzubringen  vermocht.  Erst  nach  langer  Zeit  sind, 
zuerst  durch  die  Arbeiten  von  F.  Kohlrausch  über  die  elektrische  Leitfähig- 
keit der  Elektrolyte,  Hittorf's  Arbeiten  zur  verdienten  Beachtung  und  Be- 
nutzung gekommen. 

Den  Inhalt  von  Magnus*  Arbeit  übersehen  wir  am  besten  an  dem 
Auszuge,  in  welchem  der  Verfasser  schliesslich  seine  Ergebnisse  zusam- 
menfasst : 

,,i)  Es  bedarf  der  ÜANiELi/schen  Annahme  eines  Oxysulphion,  Oxy- 
nitrion  und  dergl.  nicht,  um  die  von  ihm  und  Hrn.  Miller  beobachtete  so- 
genannte doppelte  Zersetzung  zu  erklären.  Die  Annahme  wird  sogar  dadurch 
widerlegt,  dass  sich  aus  der  positiven  Elektrode  niemals  Verbindungen  wie 
S  +  4O  oder  N  +  60  abscheiden.  Zwar  zeigt  sich  an  dieser  Elektrode 
stets  ein  dem  abgeschiedenen  Metall  entsprechendes  volles  Äquivalent  Sauer- 
stoff, allein  von  der  Säure  findet  sich  nur  ein  Theil,  oft  nur  60  Proc.  Der 
übrige  Theil  wird  bei  Anwendung  einer  porösen  Scheidewand  in  der  nega- 
tiven Zelle  gefunden. 

„2)  Sind  mehrere  Salze  in  derselben  Flüssigkeit  vorhanden,  so  zersetzt 
der  Strom  bei  einer  gewissen  Intensität  nur  eins  derselben.  Ebenso  wird, 
wenn  ein  Salz  gelöst  in  Wasser  zur  Elektrolyse  angewandt  wird,  bei  einer 
gewissen  Stromstärke  nur  Salz,  nicht  aber  das  Wasser  zersetzt.  Es  giebt 
daher  für  jeden  zusammengesetzten  Elektrolyten  eine  Intensitätsgrenze,  bei 
welcher  nur  der  eine  seiner  Bestandteile  zersetzt  wird. 

„3)  Bei  Anwendung  von  Strömen,  deren  Intensität  geringer  ist,  als  die 
Grenze,  geht  die  ganze  Menge  der  Elektricität  an  die  Substanz  über,  auf 
welche  sich  dieselbe  bezieht.  Diese  Substanz  wird  allein  zersetzt.  Die  Graue 
entspricht  daher  dem  Maximum  der  Elektricität,  welche  an  diese  Substanz 
übergehen  kann,  oder  dem  Maximum  dieser  Substanz,  das  bei  unverändertem 
Elektrolyten  und  unveränderten  Elektroden  in  einer  gegebenen  Zeit  zersetzt 
werden  kann. 

„4)  Diese  Grenze  ist  abhängig  von  der  Grösse  der  Elektroden,  von  der 
Zersetzbarkeit  der  verschiedenen  Bestandtheile  eines  Elektrolyten,  von  dem 
Verhältniss,  in  welchem  sich  diese  in  ihm  vorfinden. 

„5)  Da  bei  Anwendung  derselben  Intensität  die  Elektroden  einander 
näher  oder  ferner  sein  können,  so  ist  auch  das  Maximum  der  besserleiten- 
den Substanz,  das  durch  denselben  Strom  und  dieselben  Elektroden  zersetzt 
wird,  dasselbe,  die  Elektroden  mögen  einander  näher  oder  ferner  sein. 

„6)  Die  Intensitätsgrenze  ist  der  Grösse  der  Elektroden  proportional) 
vorausgesetzt,  dass  der  Querschnitt  des  Elektrolyten  gleich  dem  der  Elek- 
troden ist. 

„Diese  Proportionalität  gilt  aber  nur  so  lange  die  Zusammensetzung  des 
Elektrolyten  ungeändert  bleibt. 

„7)  Die  Leitung  der  Elektricität  durch  einen  Elektrolyten  und  die  dabei 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  852 

ittfindende  Zersetzung  lassen  sich  auf  die  Vertheilung  der  Elektricität  auf 
>lirten  Leitern  zurückfuhren. 

„8)  Dadurch  lässt  sich  die  von  Daniell  erhobene  Schwierigkeit  der  so- 
mannten  doppelten  Zersetzung  beseitigen. 

„9)  Es  bedarf  derselben  Kraft,  um  eine  einfache  Substanz  aus  einer 
nären  Verbindung  auszuscheiden,  die  nöthig  ist,  um  sie  aus  einer  zusam- 
engesetzten  salzartigen  Verbindung  zu  tre/inen. 

„10)  Ebenso  ist  dieselbe  Kraft  erforderlich,  um  dieselbe  Menge  Chlor 
is  den  Chlorüren  und  Chloriden  von  Zinn  und  Kupfer  abzuscheiden.  Aber 
lan  erhält  dabei  aus  den  Chlorüren  doppelt  soviel  Metall,  als  man  durch 
enselben  Strom  aus  den  Chloriden  erhält. 

„11)  Auch  ist  dieselbe  Kraft  erforderlich,  um  aus  einer  Auflösung  von 
)dsäure  und  aus  verdünnter  Schwefelsäure,  die  in  getrennten  Gefässen  zer-  - 
Jtzt   werden,    gleiche  Menge  Sauerstoff  zu   erhalten.     Dabei  wird  aber  für 
in  Äquivalent  Wasserstoff,   das  aus  der  letzteren  ausgeschieden  wird,   nur 
in  Fünftel  Äquivalent  Jod  erhalten. 

„12)  Das  FARADAY^sche  Gesetz  ist  in  seiner  vollsten  Ausdehnung  an- 
wendbar, indem  auch  aus  zusammengesetzten  salzartigen  Verbindungen  stets 
quivalente  Mengen  ausgeschieden  werden.  Doch  sind  die  galvanischen 
äquivalente  nicht  dieselben,  wie  die  chemischen. 

„13)  Die  Salztheile  verändern  in  dem  Elektrolyten  ihre  Stelle  theils 
lurch  die  fortwährenden  Zersetzungen  und  Verbindungen,  theils  durch  Dif- 
usion.  Auf  die  Diffusion  hat  das  specifische  Gewicht  der  Lösung  einen 
>edeutenden  Einfluss,  der  indessen  bei  verschiedenen  Salzlösungen  ver- 
schieden ist." 

Fast  jeder  dieser  Sätze  hat  sich  in  der  Folge  der  Zeit  als  falsch  oder 
>chief  erwiesen.    Dass  trotzdem  diese  Arbeit  als  eine  hervorragende  Leistung 
n  dem  Gebiete  der  Elektrochemie  zu  ihrer  Zeit  angesehen  worden  ist,  kenn- 
zeichnet die  gedanklichen  Schwierigkeiten,   welche  damals   die  Beurtheilung 
dieser  Verhältnisse  verursachte. 

12.  Elektrolytische  Studien  von  H.  Buff.  Ein  weiterer  Kämpfer 
in  diesem  so  plötzlich  entstandenen  Streite  ist  H.  Buff  in  Giessen  gewesen, 
welcher  in  „elektrolytischen  Studien"1  sich  über  die  Ansichten  von  Magnus 
und  Wiedemann  aussprach;  die  von  Hittorf  zu  erwähnen,  hielt  er  offenbar 
für  überflüssig,  denn  in  seinen  hier  in  Betracht  kommenden  Arbeiten  hat  er 
sorgfältig  vermieden,  Hittorf's  Namen  auch  nur  zu  nennen.  Seine  Erörte- 
rungen beziehen  sich  wesentlich  auf  die  von  Magnus  ausgesprochenen  An- 
sichten, und  man  darf  zu  seinem  Lobe  anfuhren,  dass  deren  schwache  Seiten 
richtig  angegeben  werden.  Das  Positive,  was  Buff  liefert,  verdient  freilich 
ein  geringeres  Lob. 

Buff  beginnt  mit  der  Auseinandersetzung  der  üblichen  Ansichten  über 
den  Gang  der  elektrolytischen  Zersetzung,   welche  sich  im  wesentlichen  an 


1  Ann.  d.  Chemie  und  Pharm.  105,   145.  1858. 


gi?4  Sechzehntes  Kapitel.  ' 

Grotthuss  anschliesst,  obwohl  er  Fechner  als  seinen  Gewährsmann  nennt 
Ferner   aber  vertritt  er  die  Ansichten  Danieli/s  bezüglich  der  Constitution 
der  Salze  Magnus  gegenüber.     In  dieser  Discussion  spiegelt  sich  der  Wider- 
spruch, in  welchem  sich  nicht  lange  vor  jener  Zeit  die  beiden  angesehensten 
und  einflussreichsten  Chemiker  befunden  hatten,  und  der  nur  mit  dem  Tode 
des  einen  geendet  hatte.     Berzelius  und  Liebig,  die  vorher  nahe  befreundet 
gewesen  waren,  hatten  sich  infolge  ihrer  entgegengesetzten  chemischen  An- 
sichten von  einander  entfernt,    und  waren  schliesslich  in  bittere  Fehde  ge- 
rathen.    Einer  der  Streitpunkte  war  auch  der  über  die  Auffassung  der  Säuren 
und  Salze  gewesen.    Für  Berzelius  bestanden  die  beiden  Klassen  der  Sauer- 
stoffsalze  und  der  Haloidsalze;    erstere  waren  aus  Metalloxyd   und  Säurean- 
hydrid zusammengesetzt,  die  anderen  aus  Metall  und  Halogen.     Für  Liebig 
waren  alle  Salze  von  gleicher  Constitution,   sie   bestanden    aus  Metall  und 
Halogen,   resp.  einer  zusammengesetzten  Atomgruppe,  welche  dessen  Stelle 
vertrat.     Diese  zusammengesetzten  Gruppen  waren  aber  identisch  mit  den 
von  Daniell  angenommenen  Ionen.     Dementsprechend  hielt  auch  noch  im 
Jahre    1857   Magnus,    der   ein   Schüler  Berzelius'   war,   an    der   alten  Salz-    I 
theorie  fest  und   bemühte  sich,  die  entgegenstehende  Ansicht  von  Daniell 
zu.  widerlegen,  während  Buff  als  ein  Mitglied  des  LiEBic'schen  Kreises  die 
hier  vorhandene  Unterstützung  der  neueren  chemischen  Ansichten  willkom- 
men hiess. 

Es  fällt  Buff    nicht   schwer,    den   schwachen  Punkt   der  MAGtfus'schen 
Theorie  aufzuzeigen.     Nach  der  Darstellung  seiner  Lehre  fahrt  er  fort: 

„Niemand  wird  in  Abrede  stellen  können,  dass  zwischen  den  gleich- 
artigen Molekülen  einer  Flüssigkeit,  die,  wenn  auch  nur  durch  den  kleinsten 
Raum  von  einander  getrennt  sind,  ein  auf  die  beschriebene  Weise  zu  ein- 
ander  erfolgender  Übertritt  der  elektrischen  Ladungen  zu  einander  denkbar, 
ja  sogar  wahrscheinlich  ist.  Allein  dies  zugegeben,  was  wird  dadurch  ge- 
wonnen zur  Aufklärung  gerade  dessen,  was  den  wesentlichen  Unterschied 
im  Verhalten  der  Elektrolyten  bilden  soll,  nämlich  des  Phänomens  der  elek- 
trischen Zersetzung  und  der  damit  zusammenhängenden  Vorgänge?  Weder 
die  Ausscheidung  der  Bestandtheile  an  getrennten  Stellen,  noch  die  Propor- 
tionalität der  Zersetzung  mit  der  Stromstärke,  noch  ihre  Constanz  wird  da- 
durch im  geringsten  verständlicher  gemacht." 

Gegen  die  Vorstellung  der  Kugelreihen  macht  Buff  ferner  einen  weiteren 
Einwand  geltend,  der  sich  auf  die  alsdann  zu  erwartende  untere  Grenze  der 
Leitung  bezieht:    „Wäre   nun  dieses  Beispiel  passend    und  überhaupt  dem 
Vorgange  bei  der  Elektrolyse  entsprechend,   so   müsste  es,   wenigstens  so 
scheint  mir  die  Sache,  für  jeden  Elektrolyten  eine  Tension  geben,  für  welche 
zwar  seine  Moleküle  den  Zustand    der   elektrischen  Vertheilung  annehmen, 
aber  den  Übergang  des  Fluidums  von  Molekül  zu  Molekül  nicht  mehr  ge- 
statten könnten.     Dann  wäre  also  der  Strom   unterbrochen.     Diese  Grenze 
müsste  z.  B.  im  Wasser  bei  Anwendung   einer   geringen  elektromotorischen 
Kraft  durch  allmähliche  Vergrösserung   der   eingetauchten  Platten  bald  er- 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  355 


icht  werden  können.    Nun  hat  man  aber  gefunden,  dass  durch  Vergrösse- 
ng  der  Platten  der  Strom  gefördert  wird." 

Bis  auf  die  letzte  irrthümliche  Wendung  —  die  Spannung  ist  in  diesem 
die  offenbar  von  der  Plattengrösse  nicht  abhängig  —  ist  der  Einwand  zu- 
iffend.  Er  trifft  allerdings,  wie  Clausius  gezeigt  hat,  nicht  nur  die  Hypo- 
ese  von  Magnus,  sondern  auch  die  von  Grojthuss. 

Weiter  widerlegt  Buff  die  Behauptung  von  Magnus,  dass  bei  geringer 
>annung  nur  der  am  leichtesten  zersetzbare  Antheil  eines  gemischten  Elek- 
)lyten  zerlegt  wird,  durch  einige  Versuche  nach  dem  ursprünglich  von 
wy  gegebenen  Schema.  In  den  unteren  Theil  eines  U-Rohres  wird  der 
mischte  Elektrolyt  gegossen,  und  an  der  Seite,  an  welcher  seine  Wan- 
rung  untersucht  werden  soll,  mit  reinem  Wasser  überschichtet.  Nach 
irzerer  oder  längerer  Zeit  konnten  dann  immer  sämmtliche  vorhandenen 
itionen  oder  Anionen  in  dem  Wasser  und  an  der  Elektrode  nachgewiesen 
Tden,  zum  Beweise  dafür,  dass  sie  sich  sämmtlich  an  der  Stromleitung 
theiligten.  In  vollkommen  sachgemässer  Weise  waren  so  die  störenden 
iflüsse  vermieden,  welche  durch  die  Nebenreaktionen  an  den  Elektroden 
rvorgerufen  werden. 

Weniger  glücklich  ist  Buff  bei  seinem  Versuch,  die  Überftihrungsver- 
Itnisse  zu  deuten.  Seine  wenig  klaren  und  ziemlich  umständlich  vorge- 
genen  Ansichten  hier  wiederzugeben,  würde  zu  weit  führen,  zumal  da 
iter  eine  Probe  seiner  Betrachtungen  gegeben  werden  soll;  der  entschei- 
de Punkt,  in  welchem  Buff  die  Ursache  der  Erscheinung  sucht,  liegt  in 
ier  Darlegung,  nach  welcher  der  zur  Stromleitung  und  Zersetzung  bereits 
nutzt  gewesene  Antheil  des  Elektrolyts  immer  wieder  die  Stromleitung 
ernehmen  soll,  und  dadurch  viel  weniger  davon  zur  Elektrode  geführt 
rde,  als  dem  FARADAY^schen  Gesetz  entspreche. 

Wenn  man  die  zum  Schluss  von  Buff  gegebene  Zusammenstellung  seiner 
uptergebnisse  durchsieht,    so  findet  man  sie  immerhin  bedeutend  besser, 
die  entsprechende  Darlegung  von  Magnus.     Er  schreibt: 

„1)  Die  zuerst  von  Daniell  gegebene  Anschauungsweise,  dass  die  Salze 
rch  den  elektrischen  Strom  in  eine  metallische  Grundlage  und  einen  ein- 
hen  oder  auch  zusammengesetzten  Salzbildner  gespalten  werden,  entspricht 
-  grösseren  Mehrzahl  der  Zersetzungserscheinungen  unmittelbar,  und  steht 
t  keiner  einzigen  bis  jetzt  untersuchten  in  Widerspruch.  Sie  ist  ausserdem 
entbehrlich,  um  die  Elektrolyse  der  Salze  mit  dem  FARADAY'schen  Gesetze 
Übereinstimmung  zu  bringen. 

„2)  Wenn  eine  Flüssigkeit,  durch  die  ein  elektrischer  Strom  geht,  meh- 
e  Elektrolyte  enthält,  so  betheiligen  sie  sich  alle,  nach  Maassgabe  ihres 
itvermögens  an  der  Fortpflanzung  des  elektrischen  Fluidums,  und  alle, 
veit  sie  leiten,  befinden  sich  im  Zustande  der  fortschreitenden  Zersetzung. 

„3)  Die  elektrolytische  Wanderung  ist  unzertrennlich  von  der  Leitung 
r  Elektricität  durch  diese  Flüssigkeiten,  und  hält  mit  derselben  gleichen 
hritt. 


+ 


a  b  c   d    e   f 


a  "b   c   d   e  f 


3-6  Sechzehntes  Kapitel. 

„4)  Die  VoLTA'sche  Theorie  mit  der  von  Fechner  gegebenen  Ergänzung 
ist  ausreichend  zur  Erklärung  aller  bis  jetzt  wohl  untersuchten  elektrisch- 
chemischen  Erscheinungen." 

In  dem  Bewusstsein,  dass  seine  oben  erwähnte  Auseinandersetzung  über 
das  Wesen  der  elektrolytischen  Leitung  doch  verbesserungsbedürftig  sei, 
wohl  auch  veranlasst  durch  die  von  Hittorf  ausgesprochenen  Einwände,  gab 
Buff  bald  darauf  eine  erneute  Darlegung  seines  Standpunktes:1 

„Man  denke  sich  eine  elektrische  Kette  durch  Platinelektroden  geschlos- 
sen, die  in  Wasser  tauchen.  Der  Strom  sei  beständig  geworden,  Zersetzung 
sei  eingetreten,  und  die  Elemente  des  Wassers  seien  in  der  Richtung  der 
Zersetzung  geordnet. 

„Betrachten  wir  den  Zustand  der  Flüssigkeit  in  dem  Augenblicke,  da 
an  dem  positiven  Pole  Sauerstoff,  an  dem  negativen  Wasserstoff  ausgeschie- 
den worden;  O  und  H  mögen  chemisch  proportionale  Mengen  beider  Stoffe 
und  E  eine  Elektricitätsmenge  bezeichnen,  die  als  •(-£  im  H  und  gleich- 
zeitig als  -£  im  O  eines  Äquivalents  Wasser  enthalten  ist  Bezeichnen 
wir  ferner  in  Fig.  228  mit  den  Buchstaben  a,  b,  c  u.  s.  w.  bestimmte  Stellen 
im  Inneren  der  durch  die  eingetauchten  Platinplatten  begrenzten  Schicht 
des  Elektrolyten.  Die  mit  +  und  —  bezeichneten  Kreise  mögen  die  be- 
züglichen Lagen  der  durch  den  Strom  geordneten  Wasserstoff-  und  Sauer- 
stoffatome andeuten. 

Ein  Wasserstofftheilchen  des  Wasserfadens  I,  dessen  Sauerstoff  soeben 
frei  geworden  ist,  befindet  sich  in  diesem  Augenblicke  in  der  Stellung  a 
zunächst  der  positiven  Elektrode,  und  erscheint  verbunden  mit  dem  0  des 
nächsten  Wasseratoms,  dessen  H  sofort  zu  dem  O  des  dritten  Wasseratoms 
getreten  ist  u.  s.  w.  bis  zu  dem  (n  —  1)  Atome  H,  welches  in  demselben 
Augenblicke  mit  dem  #-ten  Atome  O  verbunden  erscheint,  das  sein  H  eben 
an  die  negative  Elektrode  abgegeben  hatte. 

„Da  auf  den  Polplatten  fortwährend  Elektricität  angehäuft  ist,  so  wird 
Hx    des   Wasserfadens  I   abgestossen,    Oa    angezogen;   beide   wechseln  Ire 

Stellen  und  pflanzen  diese  Wirkung  durch  die  ganze 
j       Reihe    fort,   deren  Bestandteile   sämmtlich  in  die 
unter  II  bezeichnete  Stellung  eintreten. 
"~  „Bei  a  (Fig.  228,  II)  ist  auf  diese  Weise  +£ 

II  entfernt  und  — iE"  zugeführt  worden.  Der  elektrische 
Zustand  an  dieser  Stelle  hat  sich  also  um  2  E  ver- 
ändert;   oder,   was   dasselbe  ausdrückt,    um  bei  * 

III  die  frühere,  in  I  betrachtete  elektrische  Beschaffen- 
~.        ft     M   ,  heit  wieder  herzustellen,  würde  +  E  zugeführt  wer- 

den  müssen.  Es  ist  ganz  so,  als  wäre  +2E  in 
der  Richtung  gegen  den  negativen  Pol  abgeflossen,  oder  auch  —  2E  von 
dieser  Seite  her  zugeströmt.     Dasselbe  gilt  für  jeden  anderen  Punkt  in  der 

1  Ann.  d.  Chemie  und  Pharm.  106,   203.   1858. 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  357 


»ihe;  in  jedem  zeigt  sich  gegen  vorher  ein  elektrischer  Unterschied  2E. 
ahrend  also  +  E  in  der  Richtung  vom  positiven  zum  negativen  Pole,  und 
E  in  entgegengesetzter  Richtung  von  Atom  zu  Atom,  je  nur  um  einen 
:hritt  vorwärts  gegangen,  ist,  wenn  man  nur  das  Resultat  ins  Auge  fasst, 
mau  dasselbe  eingetreten,  als  wäre  in  derselben  Zeit,  durch  jeden  Quer- 
hnitt  des  Wasserfadens,  von  der  einen  Polplatte  zur  anderen  +  E  in  der 
nen  Richtung  und  —  E  in  der  umgekehrten  Richtung  gegangen;  oder 
ich,  als  wäre  durch  jeden  Querschnitt  in  der  Richtung  vom  positiven  zum 
jgativen  Pole  +  2  E  gegangen,  oder  endlich  auch,  könnte  man  sagen,  aber 
rtzt  im  umgekehrten  Sinne,  durch  jeden  Querschnitt  —  2  E. 

„Diesen  2E,  welche  sich  durch  die  Flüssigkeit  bewegen,  müssen  andere 
E  entsprechen,  welche  gleichzeitig  durch  die  eine  Elektrode  ein-  und  durch 
ie    andere   austreten.     In   der   That   erfordert,   wie   bereits   hervorgehoben 
urde,    die  Herstellung   des    anfanglichen   in   II  betrachteten  Zustandes  der 
lüssigkeit  das  Zuströmen  von  +  2  E  von  der  Seite  der  positiven  Elektrode, 
der  von    —  2  E  von  Seite   der  negativen  Elektrode.     Gleiche  Elektricitäts- 
lengen  sind   also   gleichzeitig   durch  jeden  Querschnitt  der   geschlossenen 
Cette,  sowohl  durch  die  flüssigen  wie  die  festen  Bestandteile  derselben  ge- 
wandert. 

„Werfen  wir  jetzt  einen  Blick  auf  das  Verhalten  der  Bestandtheile  der 
Flüssigkeit,  der  Träger  des  elektrischen  Fluidums.  So  oft  die  elektroposi- 
Iven  Moleküle  gegen  den  negativen  Pol,  die  elektronegativen  gegen  den 
Positiven  Pol  je  um  einen  Schritt  vorrücken,  treten  zwei  beliebig  gewählte 
angleichwertige  Atome,  die  beim  Beginn  der  Zersetzung  noch  zu  Wasser 
verbunden  waren,  je  um  die  Summe  ihrer  respectiven  Wege  aus  einander. 
Ebenso  gross  ist  folglich  der  Weg,  den  die  elektrischen  Massen,  womit  die 
Atome  beladen  sind,  in  derselben  Zeit  beschreiben. 

„Die  Bewegung  einer  Elektricitätsmenge  2E  durch  die  Wegstrecke  /  im 
Inneren  der  Flüssigkeit  entspricht  also  der  Bewegung  von  O  und  H  je  durch 
den  Weg  1/a  /;  oder  allgemeiner  ausgedrückt:  es  ist  /  gleich  der  Summe 
der  Wege  von  O  und  H. 

„Der  Eintritt  von  zwei  Äquivalenten  Elektricität  von  den  Elektroden 
in  die  Flüssigkeit  ist  gleichbedeutend  mit  der  Ausscheidung  von  zwei  Äqui- 
valenten der  Bestandtheile  des  Elektrolyten.  Die  elektrische  Zersetzung  von 
zwei  Äquivalenten  Wasser  entspricht  also  der  Zuführung  von  einem  Äqui- 
valent  Sauerstoff  zum  positiven  und  einem  Äquivalent  Wasserstoff  zum  nega- 
tiven Pole. 

„Aber  wie  ist  es  möglich,  dass  an  dem  positiven  Pole  2  O  und  an  dem 
negativen  2H  frei  werden  können  in  derselben  Zeit,  in  deren  Verlauf  dem 
einen  dieser  Pole  nur  O  und  dem  anderen  nur  H  zugeführt  wird?  In  der 
That  wird  es  nur  dadurch  möglich,  dass  die  Polflächen  in  die  Flüssigkeit 
eintauchen,  und  dass  die  Lücken,  welche  in  die  Reihen  der  wandernden 
Elemente  des  Wassers  durch  ihre  Fortführung  von  den  Polen  entstehen, 
sich   immer  wieder  ausfüllen  können.     Indem  z.  B.  (Fig.  228,  II)  Ha  von  der 


I 


gcg  Sechzehntes  Kapitel. 

positiven  gegen  die  negative  Elektrode  vorgeschoben,  O,  aber  ausgeschieden 
worden,  ist  eine  Lücke  entstanden,  die  sich  jedoch  unmittelbar  wieder  aus-  . 
füllt,  weil  noch  ein  zweites  Wasseratom  zersetzt  wird,  dessen  H  nunmehr  n 
die  Reihe  eintritt,  und  an  dieser  Seite  momentan  das  Ende  derselben  bildet 
Der  umgekehrte  Vorgang  findet  gleichzeitig  an  der  negativen  Elektrode 
statt.  So  wird  der  anfängliche  in  I  dargestellte  Zustand  immer  wieder  er- 
neuert (Fig.  228,  III),  und  die  beschriebenen  Vorgänge  können  sich  immer 
wiederholen,  ohne  dass  die  bereits  fortgeführten  Elemente  in  ihren  Bewegungen 
gestört  werden." 

Beim  Durchlesen  dieser  langathmigen  Auseinandersetzungen,  und  beim 
Vergleich  derselben  mit  der  kurzen  und  klaren  Darlegung  Hittore's  (S.  833} 
darf  man  wohl  sagen,  dass  es  kaum  möglich  ist,  eine  an  sich  einfache  Sache 
umständlicher  und  unverständlicher  falsch  darzustellen,  als  es  hier  geschehen 
ist.  Man  kann  die  Beschaffenheit  dieser  Arbeit  nicht  schlagender  kennzeich- 
nen, als  Hittorf  es  mit  der  Bemerkung  gethan  hat:  „Wem  die  Auffassung 
der  Überführungsverhältnisse  noch  nicht  ganz  geläufig  geworden  ist,  den 
wird  gewiss  die  Lektüre  dieses  Aufsatzes  wieder  verwirren." 

Um  indessen  das  Gute,  was  der  Aufsatz  dennoch  enthält,  dem  Leser 
(der  hieran  prüfen  mag,  wie  weit  er  die  Darlegung  Hittorf's  aufgenommen 
hat)  nicht  vorzuenthalten,  fuge  ich  die  folgende  Stelle  hinzu: 

„Alles,  was  bisher  bezüglich  des  Fortschreitens  der  Elektricität  durch 
die  Masse  eines  einfachen  Elektrolyten,  wie  des  Wassers  gesagt  wurde,  lässt 
sich  in  gleicher  Weise  leicht  auch  bei  zersetzbaren  wässerigen  Lösungen  in 
Anwendung  bringen,  sobald  man  nur  die  Ausgangspunkte  unserer  Unter- 
suchung nicht  aus  dem  Auge  verliert.  Allerdings  ist  es  sehr  wahrscheinlich, 
dass  die  Atome  eines  aufgelösten  Salzes  nicht  mehr  in  ununterbrochener 
Berührung  stehen,  gleich  denen  des  Wassers,  dass  sie  vielmehr  um  so  weiter 
auseinander  liegen,  je  verdünnter  die  Lösung  ist.  Man  wird  daher  die  ohnehin 
nicht  zu  umgehende  Hypothese  gestatten  müssen,  dass  die  Bestandteile 
eines  aufgelösten  Elektrolyts  während  der  durch  die  Lösung  fortschreitenden 
Zersetzung  und  Wanderung  sich  vermöge  ihrer  elektrischen  Ladungen  bis 
zu  gewissen  Abständen  von  einander  entfernen  können,  ohne  gleichwohl 
aufzuhören,  in  wechselseitiger  chemischer  Beziehung  zu  bleiben." 

Es  ist  beachtenswerth,  wie  auch  Buff  auf  den  gleichen  Gedanken  ge- 
führt wird,  welchen  wir  soeben  bei  Kohlrausch  bemerkt  haben,  oder  viel- 
mehr, dass  er  bei  seiner  Paraphrase  der  Auseinandersetzungen  von  Kohlrausch 
auch  diesen  auffallenden  und  den  damaligen  Ansichten  einigermaassen  wider- 
sprechenden Gedanken  nicht  einfach  fallen  liess,  dass  die  Annahme  wenig- 
stens einer  zeitweiligen  Freiheit  der  Ionen   bei   der  Elektrolyse    nicht   um- 
gangen werden  kann.    Die  hier  gebrauchte  Wendung  klärt  den  Widerspruch 
gegen  jene  älteren  Ansichten  keineswegs  auf,  und  so  sehen  wir  die  Forscher 
jener  Zeit  sich  dicht  an  dem  Gedanken  hin  und  her  bewegen,   welcher  in 
unseren  Tagen  endlich  zur  Befreiung  der  Geister  auf  diesem  Gebiete  geführt 
hat:  die  Erkenntniss  von  der  Freiheit  der  Ionen  im  Elektrolyt 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  859 


13.  Hittorf's  Vertheidigung.  Durch  die  eben  besprochenen  Arbei- 
1,  welche  sich  alle  mehr  oder  weniger  scharf  gegen  seine  Ergebnisse  ge- 
jidt  hatten,  war  Hittorf  veranlasst  worden,  der  weiteren  Mittheilung  seiner 
beiten  eine  „Rechtfertigung"1  vorauszuschicken,  in  welcher  er  sich  mit 
len  auseinandersetzt. 

Die  Rechtfertigung  beginnt  wieder  mit  der  Darlegung  der  Grundlagen 
ner  Anschauungen,  wie  wir  sie  bereits  S.  833  kennen  gelernt  haben;  es 
ir  dies  nothwendig,  da  diese  in  der  That  von  allen  anderen  Autoren  mehr 
er  weniger  missverstanden  war,  am  meisten  von  Magnus,  gegen  den  sich 
ttorf  deshalb  besonders  wendet. 

Ein  zweiter  Punkt  mehr  experimenteller  Natur  wird  gegen  die  Arbeit 
n  Wiedemann  (S.  847)  zur  Sprache  gebracht;  er  tadelt  nicht  ohne  Berech- 
nung den  Umstand,  dass  bei  dessen  Apparat  keine  vollkommene  Sicherheit 
gen  die  Vermischung  der  Schichten  an  den  Elektroden  gegeben  sei,  und 
tont  den  wesentlichsten  Punkt,  dass  zwischen  den  Elektroden  eine  Schicht 
veränderter  Flüssigkeit  erhalten  bleiben  muss.  Bei  dieser  Gelegenheit 
merkt  er:  ich  glaube  nicht,  dass  diese  (seine  eigenen)  Apparate  durch 
ssere  und  genauere  ersetzt  werden  können  —  eine  Bemerkung,  welche 
n  einige  Vorwürfe  eingebracht  hat.  Ebenso  macht  Hittorf  einige  Aus- 
zungen über  die  Rechnungsweise. 

Ferner  wird  der  von  Wiedemann  herangezogene  fortführende  Einfluss 
f  die  Gesammtheit  der  Lösung  erörtert.  Wenn  die  verschiedene  Gehalts- 
derung  an  den  Elektroden  hierauf  beruhte,  so  müssten  die  Ergebnisse 
von  abhängig  sein,  ob  die  Lösung  bis  zu  den  Elektroden  reicht,  oder 
)se  von  anderen  Lösungen  umgeben  sind.  Hittorf  weist  nun  nach,  dass 
rser  Umstand  auf  die  Ergebnisse  der  Überführungsversuche  keinen  Einfluss 
sübt,  so  dass  auch  nach  dieser  Seite  seine  Auffassung  und  sein  Verfahren 
rechtfertigt  erscheint.  Bezüglich  der  Ursache  der  fortführenden  Wirkung 
iliesst  er  sich  einer  von  Quintus-Icilius2  ausgesprochenen  Ansicht  an, 
nach  die  Erscheinung  von  der  porösen  Wand  bedingt  ist,  und  ohne  sie 
:ht  stattfindet.     Auch  hierin  hat  ihm  die  Zukunft  Recht  gegeben. 

Die  Notwendigkeit  der  Vertheidigung  gegen  die  anderen  Ansichten  hat 
rroRF  ferner  veranlasst,  verschiedene  wichtige  Punkte  seiner  Auffassung 
stimmter  und  ausführlicher  als  früher  darzulegen,  sowie  auch  einen  Irr- 
im  zu  berichtigen.  In  seiner  zweiten  Mittheilung  hatte  er  geglaubt,  eine 
theiligung  des  Wassers  bei  der  Elektrolyse  annehmen  zu  müssen,  weil  er 
i  sehr  verdünnten  Chlorkaliumlösungen  Abweichungen  gefunden  hatte,  für 
1  er  hierin  die  Ursache  suchte.  Inzwischen  hatte  er  sich  durch  Rechnung 
erzeugt,  dass  bei  der  bekannten  sehr  geringfügigen  Leitfähigkeit  des  reinen 
assers  der  entsprechende  Antheil  weit  unterhalb  der  Versuchsfehler  liegen 
isse.  Um  die  Grundlage  dieser  Überlegung  zu  beweisen,  nämlich  dass 
j  vorhandenen  Ionen  sich  alle  nach  Maassgabe  ihrer  Leitfähigkeit  an  der 


1  Pogg.  Ann.  103,   1.   1858.  2  Experimentalphysik,  S.  642. 


36o  Sechzehntes  Kapitel. 


Stromleitung  betheiligen,  stellte  er  folgenden  wichtigen  Versuch  an.  Er 
unterwarf  eine  Lösung  aus  äquivalenten  Mengen  von  Chlor-  und  Jodkaiiaa 
der  Elektrolyse  und  bestimmte  die  Überführung.  Nach  der  namentlich  vw 
Magnus  ausgesprochenen  Ansicht  hätte  das  „leichter  zersetzbare"  Jodkalinn 
allein  die  Leitung  besorgen  müssen,  da  ja  auch  an  der  Anode  Jod  alkb 
ausgeschieden  wird,  und  demnach  hätte  die  Concentration  des  Chlors  an 
den  Elektroden  keine  Änderung  erfahren  dürfen.  Statt  dessen  ergab  sich, 
dass  die  Änderung  die  beiden  Halogene  in  gleicher  Weise  betroffen  hatten 
wie  denn  auch  die  Überfuhr ungs Verhältnisse  der  beiden  Salze  die  gleiches 
sind.  Es  war  hierdurch  bewiesen,  dass  in  der  That  die  „Festigkeit  der 
Bindung"  der  Ionen  keinen  Einfluss  auf  ihre  Fähigkeit  ausübt,  den  Strom 
zu  leiten  und  durch  ihn  bewegt  zu  werden.  Auf  diesen  nach  vielen  Rich- 
tungen folgenreichen  Versuch  werden  wir  noch  zurückzukommen  Anlass 
haben. 

Die  Leitsätze,  welche  seiner  Auffassung  der  Elektrolyse  zu  Grunde 
liegen,  fasst  Hittorf  wie  folgt  zusammen: 

„Die  Veränderung  (der  Concentration  an  den  Elektroden)  ist  demnach 
bedingt  durch  die  Bewegungen,  welche  die  Ionen  in  den  unveränderten 
Schichten  vollbringen. 

„Die  Zahlen  für  die  Überführung  drücken  daher  die  relativen  Wege  aus, 
welche  an  der  Trennungsstelle  die  Ionen  in  dem  die  Salz-Moleküle  tren- 
nenden Abstände  zurücklegen,  oder  die  relativen  mittleren  Geschwindig- 
keiten, welche  sie  daselbst  besitzen. 

„Das  Loos,  welches  die  Ionen  an  den  Polen  erfahren,  braucht  bei  der 
Bestimmung  der  Überführung  nicht  beachtet  zu  werden,  und  hat  keinen  Ein- 
fluss auf  die  Zahlen,  vorausgesetzt,  dass  dadurch  keine  Unterbrechung  dö 
Stromes  herbeigeführt  und  die  Lösung  an  der  Trennungsstelle  nicht 
geändert  wird." 

Insbesondere   der   letzte  Satz  ist  von  der  grössten  Bedeutung  für  die 
Technik  der  Überfuhrungsversuche,  da  er  eine  ungemein  grosse  Freiheit  für 
vortheilhafteste  Anordnung  der  Versuche  gewährt.     „So  braucht  die  Anode 
nicht  aus  dem  Metalle  zu  bestehen,   welches   der  Elektrolyt  enthält;  wenn 
dasselbe   sich   nur  mit  dem  Anion  zu   einer  löslichen  Verbindung  vereinigt 
und  das  neu  entstandene  Salz  nicht  bis  zur  Trennungsstelle  diffundirt,  müssen 
dieselben  Zahlen  resultiren.    Wir  dürfen  auch  das  Anion  frei  auftreten  lassen, 
sobald  für  unsere  Apparate  eine  solche  Einrichtung  getroffen  ist,  dass  von 
der  Flüssigkeit,  die  an  der  Anode  entsteht,  keine  Spur  an  die  Trennungs- 
fläche gelangt.     Ja,   es  wird  gestattet  sein,   von  vornherein  die  Anode  mit 
einer  bekannten  Quantität  von  einer  der  Zusammensetzung  nach  gegebenen 
Lösung  eines  beliebigen  Elektrolyten  zu  umgeben  und  auf  sie  die  zu  unter- 
suchende Lösung  zu  lagern.    Werden  die  Schichten  derselben  an  der  Tren- 
nungsstelle dadurch  nicht  afficirt,  so  gewinnt  man  richtige  Zahlen.     In  ana- 
loger Weise  ist  es  erlaubt,   mit  der  Umgebung  der  Kathode  zu  verfahren, 
oder  gleichzeitig  die  Flüsc'  beiden  Polen  abzuändern. 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  86 1 


„Denn  in  all  diesen  Fällen  sind  die  Pole  von  vollständig  bekannten 
Izlösungen  umgeben,  welche  die  flüssigen  Elektroden  für  den  mittleren 
ektrolyten,  dessen  Uberfuhrungsverhältnisse  wir  suchen,  bilden.  Die  Be- 
rgungen seiner  Ionen  an  der  unveränderten  Trennungsstelle  können  durch 
ise  Verhältnisse  nicht  berührt  werden." 

Durch  den  Nachweis,  dass  man  in  der  That  die  gleichen  Überführungs- 
hlen  bekommt,  ob  man  sich  diese  Freiheiten  nimmt  oder  nicht,  hat  Hittorf 
wiesen,  dass  die  Grundlagen  seiner  Überlegungen  richtig  sind,  und  er  hat 
:h  gleichzeitig  durch  diese  weitreichenden  Verallgemeinerungen  die  Mög- 
hkeit  errungen,  eine  Anzahl  von  Fällen  zu  untersuchen,  die  sonst  unzugäng- 
:h  gewesen  wären. 

Endlich  beweist  Hittorf  durch  einige  Versuche,  dass  die  Einschaltung 
ner  porösen  Scheidewand  an  den  Ergebnissen  nichts  ändert,  dass  also  die 
jrtfuhrung  der  gesammten  Lösung,  so  weit  sie  unter  den  vorhandenen 
erhältnissen  auftritt,  mit  der  Überführung  der  Ionen  nichts  zu  thun  hat. 

Bei  der  Erörterung  seiner  Ergebnisse  kommt  Hittorf  auch  auf  die  eben 
röffentlichte  Theorie  von  Clausius  (s.  w.  u.)  zu  sprechen.  Nachdem  er  sie 
kurzen  Zügen  geschildert  hat,  fährt  er  fort:  „Der  Schluss,  zu  dem  er 
s  diesen  Prämissen  gelangt,  ist  unbestreitbar.  Das  FARADAY^sche  Gesetz, 
jlches  für  die  schwächsten  Ströme  sich  als  gültig  erwiesen,  tritt  in  Wider- 
ruch  mit  den  Vorstellungen  der  heutigen  Chemie  über  die  Beschaffenheit 
les  flüssigen  zusammengesetzten  Körpers.  Die  Ionen  eines  Elektrolyten 
nnen  nicht  in  fester  Weise  zu  Gesammtmolekülen  verbunden  sein,  und 
ise  in  bestimmter  regelmässiger  Anordnung  bestehen. 

Hittorf  hat  diesen  Gedanken  nicht  weiter  verfolgt;  vielleicht  wäre  er  sonst 
iion  dreissig  Jahre  früher  auf  die  Dissociationstheorie  der  Elektrolyte  gelangt, 
hebt  alsbald  eine  Inconsequenz  der  damaligen  Theorie  hervor,  die  darin 
gt,  dass  an  der  Oberfläche  des  leitenden  Cylinders  eine  Schicht  von  freier 
*ktricität  angenommen  werden  muss,  um  das  Spannungsgefälle  zu  erzeugen, 
lches  die  Ionen  in  entgegengesetzter  Richtung  in  Bewegung  setzt.  Wäre 
r  Gedanke  von  der  Freiheit  der  Ionen  weiter  verfolgt  worden,  so  hätte 
h  alsbald  die  Möglichkeit  ergeben,  diese  Oberfläch eniadung  durch  eine 
tsprechende  Ansammlung  freier  Ionen  von  dem  gleichen  Zeichen  aufzu- 
sen,  wobei  durch  die  bekannten  sehr  grossen  Elektricitätsmengen,  die  an 
a  Ionen  haften,  die  Menge  der  ponderablen  Substanz,  die  solchen  Ladungen 
tspricht,  ausserordentlich  klein  anzunehmen  ist. 

14.  Entgegnungen.  Auf  die  in  Hittorf's  „Rechtfertigung"  erhobenen 
nwände  versäumten  die  betreffenden  Forscher  nicht  zu  antworten.  Wäh- 
ld  Wiedemann  l  in  seiner  Erwiderung  namentlich  einige  gegen  seinen 
>parat  gemachte  Einwendungen  zu  entkräften  unternahm,  in  Bezug  auf 
1  Auffassung  der  Erscheinung  aber  sich  seinem  Gegner  zu  nähern  begann 
*ilich  nicht  ohne  Abweichungen,  welche  eine  weitere  Erwiderung  hervor- 


1  Pogg.  Ann.  104,   162.  1858. 


gg2  Sechzehntes  Kapitel. 


riefen),  und  Clausius  sich  darauf  beschränkte,  einen  von  Hittorf  begangen 
Irrthum  bezüglich  einer  Äusserung  zu  berichtigen,  ohne  auf  die  Frage  ein» 
gehen,  wie  die  freie  Elektricität  auf  die  Oberfläche  des  Elektrolyts  gelange,  ragte 
Magnus  l  sich  völlig  unbekehrt.    In  einer  gegen  Hittorf  gerichteten  Abhand- 
lung,  in   welcher  übrigens  diesem  die  Ehre  der  Erwähnung  in  der 
nur  unter  dem  Text  in  einer  kurzen  Anmerkung  gewährt  wird,  hält  er 
früheren  Ansichten  aufrecht,  und  giebt  ein  Schema  für  die  Elektrolyse  des 
Kupfersulfats,  nach  welchem  das  Auftreten  des  metallischen  Kupfers  an  der 
Kathode    nur   dadurch    zustande   kommt,   dass   gleichzeitig  Wasser  zerseW 
wird,  dessen  Wasserstoff  das  Kupferoxyd  reducirt.     Aus  dem  Schema  cr- 
giebt  sich  beiläufig,    dass  nothwendig  neben  dem  Kupfer  auch  in  neutraler 
Lösung  Wasserstoff  auftreten  muss,  und  zwar  in  dem  Verhältniss  mehr,  als 
die  Lösung  verdünnter  ist,  was  mit  den  Thatsachen  in  vollständigem  Wider- 
spruche steht. 

Im  übrigen  enthält  die  Abhandlung  eine  Polemik  gegen  Osann,  welcher 
angegeben  hatte,  dass  elektrolytisch  ausgeschiedener  Wasserstoff  mit  Hülfe 
von  Platinschwarz  oder  Kohle  Silbersulfat  reduciren  könne.  Magnus  stellt 
dies  auf  Grund  einiger  Versuche  in  Abrede,  durch  welche  er  zeigt,  dass  in 
der  gewöhnlichen  Batteriekohle  ziemlich  viel  Eisen  enthalten  ist,  dem  er  die 
vorhandenen  Wirkungen  zuschreibt.  Auch  hier  hat  er  sich  geirrt;  gasförmiger 
Wasserstoff  ist  sehr  wohl  im  Stande,  bei  Gegenwart  von  platinirtem  Platin 
nicht  nur  Silbersalze,  sondern  sogar  Kupfersalze  zu  reduciren.  Und  so  sehen 
wir  Magnus  auf  allen  Punkten  seines  Feldzuges  zu  Gunsten  der  elektro- 
chemischen Anschauungen  seines  Lehrers  Berzelius  unglücklich  und  ohne 
wissenschaftlichen  Erfolg  operiren. 

15.  Hittorf's  dritte  Arbeit  In  seiner  dritten  und  letzten  Mittheilung 
über  die  Wanderungen  der  Ionen2  giebt  Hittorf  den  grössten  und  bedeutend- 
sten Theil  seiner  Arbeiten  über  den  Gegenstand.  Bis  auf  den  heutigen  Tag 
ist  dieser  im  besten  Sinne  klassischen  Untersuchung  keine  gefolgt,  in  welcher 
an  Umfang,  Genauigkeit  und  Bedeutung  der  Ergebnisse  ähnliches  geleistet 
worden  wäre,  und  diese  Arbeit  ist  noch  immer  die  ausgiebigste  Quelle 
unserer  Kenntnisse  in  dem  Gebiete. 

Der  erste  Theil  der  Arbeit  wird  wieder  von  einer  ausfuhrlichen  Aus- 
einandersetzung mit  den  Gegnern  eingenommen.    Die  Discussion  mit  Wede- 
mann  wird    zu  Ende   geführt,    indem    einige    früher   gegen   seinen   Apparat 
erhobene  Bedenken  als  durch  die  Antwort  (S.  861)  erledigt  zurückgenommen 
werden.     Um    so   länger   und    unergiebiger   ist  die  Auseinandersetzung  mit 
Magnus.     Hittorf  lässt  sich  die  Mühe    nicht   verdriessen,   Punkt  fiir  Punkt 
die   Widersprüche  aufzuweisen,   in  welchen  sich  dessen  Ansichten  mit  der 
Erfahrung  befinden.    Es  scheint  indessen  nicht,  als  wenn  trotz  der  schlagen- 
den Logik  der  Beweisführung  und  den  unzweideutigen  Ergebnissen  der  Er- 
fahrung es  Hittorf  gelungen  wäre,  auf  seine  Zeitgenossen  seine  Überzeugung 


1  Pogg.  Ann.  104,  553.  1'  f  Ebenda  106,  337.  1859. 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  863 


1  übertragen.  In  den  Lehr-  und  Handbüchern  jener  Jahre  werden  diese 
rbeiten  zwar  den  Ergebnissen  nach  kurz  angeführt,  den  Darlegungen  der 
egner  wird  aber  überall  viel  mehr  Beachtung  gezollt  Diese  durch  äussere, 
it  der  Wissenschaft  ausser  Zusammenhang  stehende  Gründe  verursachte 
rscheinung  hat  auf  die  Entwickelung  richtiger  Ansichten  in  diesem  schwie- 
gen Gebiete  eine  überaus  schädliche  Wirkung  ausgeübt,  und  eine  grosse 
nzahl  von  Fortschritten,  die  der  neueren  Zeit  angehören,  hätte  sich  bei 
tchgemässer  Beachtung  der  Forschungen  Hittorf's  weit  früher  bewerk- 
elligen  lassen,  als  es  geschehen  ist  Erst  in  unseren  Tagen  sind  die 
chätze  der  Aufklärung  gehoben  worden,  welche  hier  so  lange  ohne  die 
chuld  des  Entdeckers  brach  liegen  mussten. 

Wir  brauchen  der  Auseinandersetzung  mit  Magnus  nicht  im  einzelnen 
achzugehen,  da  dessen  Ansichten  gegenwärtig  wohl  bis  auf  die  letzten 
puren  verschwunden  sind.  Zur  Kennzeichnung  der  Stimmung,  mit  welcher 
Iittorf  an  diese  Arbeit  ging,  mögen  die  einleitenden  Worte  dazu  wieder- 
egeben  werden: 

„Der  Hauptgegner   meiner   Arbeiten   bleibt  Hr.  Magnus.  .  .  .    Das  Ver- 
alten,  welches  ich  in  Betreff  desselben  zu  beachten  habe,  vermag  ich  kaum 
ufzufinden.    Hr.  Magnus  hat  in  seiner  ersten  Abhandlung  meine  elektrischen 
arbeiten  erwähnt,  und  angegeben,  dass  dieselben  mit  der  Zersetzung,  welche 
lie  Elektrolyte  durch  den  Strom  erfahren,  nichts  zu  thun  hätten,  und  über 
lie    DANiELi/sche  Theorie,    nach   welcher   die   Sauerstoffsalze   in  Metall   am 
legativen  Pol  und  Säure  plus  Sauerstoff  am  positiven  zerfallen,  nichts  lehren, 
vährend  sie  doch  die  Methode   enthalten,    um   jene    festzustellen,    und    für 
iiese  die  ersten  experimentellen  Belege  liefern.     Es  fanden  ferner  darin  die 
Erscheinungen,  welche  in  den  Lösungen  der  schweren  Metalle  an  den  Elek- 
troden auftreten,  und  die  den  Gegenstand  meiner  ersten  Mittheilung  bilden, 
*ine  Deutung,  mit  welcher  kein  einziges  Ergebniss  meiner  quantitativen  Be- 
stimmungen   zu    vereinigen    ist     Hr.  Magnus  vertheidigte    endlich   in  Bezug 
auf  die  elektrolytischen  Vorgänge  den   Standpunkt,   welchen  Berzelius  ein- 
nahm und  in  der  letzten  Auflage  seines  Lehrbuches  Bd.  I,  S.  93  u.  ff.  erörtert. 
Berzelius  bestritt  bekanntlich   in  Folge  dieser  Auffassung  auf  das  heftigste 
das  elektrolytische  Gesetz  von  Faraday  und  verdammte  noch   1843  (S.  100) 
ohne  genauere  Prüfung  eine  Entdeckung,  welche  unstreitig  zu  den  wichtigsten 
unseres  Jahrhunderts  gehört   und   in  allen  Fällen  so  glänzend  sich  bewährt. 
So  weit  kann  gegenwärtig  niemand  demselben  mehr  folgen." 

In  dem  weiteren  Verlaufe  seiner  allgemeinen  Erörterungen  kommt  Hit- 
torf auf  einen  ungemein  wichtigen  Punkt  zu  sprechen,  der  sich  auf  das 
Verhältniss  zwischen  der  Zersetzlichkeit  im  chemischen  Sinne  und  der  elek- 
trolytischen Leitfähigkeit,  die  ja  auch  als  ein  Zersetzungs Vorgang  aufgefasst 
wurde,  besteht  Da  hier  die  Keime  einer  hochwichtigen  späteren  Gedanken- 
reihe zu  erkennen  sind,  so  gebe  ich  die  Stelle  ganz  wieder: 

„Unter  den  Elektrolyten  besitzen  diejenigen,  deren  Ionen  durch  eine  im 
chemischen  Sinne  schwache  Verwandtschaftskraft  vereinigt  sind,  keineswegs 


g^4  Sechzehntes  Kapitel. 

das  bessere  Leitungsvermögen.  So  lange,  als  die  galvanische  Zersetnm , 
selbst,  ist  ja  der  grosse  Widerstand,  den  das  reine  Wasser  dem  elektrischen  '. 
Strome  bietet,  aufgefallen.  Liegt  auch  keine  zuverlässige  Bestimmung  des- 
selben vor,  wir  werden  ihn  nicht  überschätzen,  wenn  wir  ihn  im  Folgendes 
millionenmal  grösser  wie  denjenigen  annehmen,  welchen  die  Mehrzahl  der 
Salze  im  geschmolzenen  Zustande  zeigt.  Zu  den  bestleitenden  Salzen  ge- 
hören ferner  die  des  Kaliums,  Natriums,  wie  C1K,  CINa,  S04K,  S04Na, 
NOeK,  N06Na,J  während  die  Verbindungen  des  Quecksilbers  (ClHg,  JHg, 
BrHg,  CyHg)  einen  nicht  viel  geringeren  Widerstand,  als  das  reine  Wasser 
besitzen.  Die  Chemie  betrachtet  aber  die  Bestandteile  des  Chlorkaliums 
als  durch  eine  der  grössten  Verwandtschaftskräfte  vereinigt.,  Quecksilber- 
chlorid wird  von  ihr  zu  den  schwächeren  Verbindungen  gezählt  Sie  kommt 
zu  diesem  Schlüsse,  weil  sie  über  eine  Menge  Metalle,  welche  letzteres  zer- 
setzen, verfugt,  während  keines  ersteres  zu  trennen  vermag.  Ich  kann  hier 
noch  nicht  untersuchen,  ob  dieser  Schluss  über  jeden  Zweifel  erhaben,  und 
ob  die  Lehre  von  der  Verwandtschaft,  unstreitig  der  schwächste  Theil  der 
Wissenschaft,  in  ihren  Prinzipien  begründet  ist.  Obige  Beispiele,  deren  Zahl 
sich  leicht  vermehren  Hesse,  zwingen  aber  schon  an  dieser  Stelle  vorläufig 
einen  Unterschied  zu  machen  zwischen  der  Zersetzbarkeit  einer  Verbindung 
durch  den  Strom  und  derjenigen,  welche  auf  den  gewöhnlichen  chemischen 
Mitteln  basirt.  Derselbe  wird  vielfach  übersehen,  und  ist  von  Hrn.  Magnus 
überall  bei  seinen  Untersuchungen  ausser  Acht  gelassen.  Wir  bemerken 
keine  Abhängigkeit  unter  diesen  beiden  Eigenschaften  einer  Verbindung  und 
nichts  ist  weniger  gerechtfertigt,  als  die  Annahme  einer  Proportionalität 
zwischen  ihrem  elektrischen  Widerstand  und  der  Verwandtschaft,  welche 
ihren  Ionen  die  heutige  Chemie  beilegt. 

„Eigentümliche  Verhältnisse,  welche  uns  jetzt  ebenso  unbekannt  sind, 
wie  das  Wesen  der  Elektricität  und  des  chemischen  Processes  werden  in 
der  Constitution  der  Elektrolyte  obwalten  und  den  übrigen  Verbindungen 
fehlen." 

Prophetische  Worte,  die  auf  das  schärfste  die  Entwicklung  kennzeich- 
nen, welche  die  Angelegenheit  dreissig  Jahre  später  genommen! 

Und  an  etwas  späterer  Stelle:    „Wenn   die  Ionen  des  Salzes  im  freien 
Zustande  oder  im  Status  nascens  das  Lösungsmittel    nicht   zersetzen,  wird 
kein  Chemiker   sich    veranlasst   fühlen,    ihnen    diese  Fähigkeit  während  der 
Überführung  beizulegen.     Bei  solchen  Elektrolyten  findet  daher  unsere  Auf- 
fassung  keine    Schwierigkeit.     Die   Sache   gestaltet   sich   anders,   wenn  die 
Ionen  diese  Eigenschaft  besitzen.     Entschieden  treten  diese  Verhältnisse  bei 
den  Kalium  Verbindungen  ein,  also  gerade  da,  wo  nach  meiner  zweiten  Mit- 
theilung die  Zahlen  für  die  Überfuhrung  von  der  Concentration   fast  unab- 
hängig erscheinen  und  daher  die  Bewegung  der  Ionen  zwischen  den  unzer- 


1  Hittorf  benutzt  hier  die  früheren  Aquivalentgewichte,    bei    denen   die  zweiwerthigen 
Elemente  O,  S  u.  s.  w.  mit  dem  halben  jetzigen  Atomgewichte  angesetzt  waren. 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  865 


trt  bleibenden  Wassertheilchen  am  unzweideutigsten  darstellen.  Die  Ver- 
andtschaftslehre,  der  gegenwärtig  die  Mehrzahl  der  Chemiker  huldigt,  und 
eiche  die  hervorragendsten  Forscher  zu  ihren  wärmsten  Vertretern  zählt, 
inn  solche  Vorgänge  nicht  erwarten,  und  ich  glaube  nicht  zu  irren,  wenn 
h  in  diesem  Umstände  die  Ursache  erblicke,  weshalb  die  consequente 
urchftihrung  der  Gesetze  von  Ohm  und  Faraday  bei  der  Elektrolyse  bis 
tzt  unterlassen  wurde." 

Auch  hier  wird  der  entscheidende  Punkt  mit  grösster  Sicherheit  be- 
lehnet: als  die  Gesetze  von  Ohm  und  Faraday  auf  die  Elektrolyse  und  die 
lektrolyte  in  aller  Strenge  angewendet  wurden,  erwies  sich  die  Grundlage 
»r  neuen  Theorie,  die  Annahme  der  freien  Ionen  in  den  Elektrolyten,  als 
avermeidlich. 

Hittorf  geht  nun  zu   der  Schilderung  einer  grossen  Anzahl  von  Ver- 
ichen   über,   bei  denen  er  die  ungemein  grosse  Ausgiebigkeit  der  neuen 
(ethode,  den  Zustand  der  Salze  in  Lösung  zu  ermitteln,  allseitig  erwies.     So 
onnte  er  feststellen,  dass  im  Uranylchlorid  (UOaCl,  nach  heutiger  Schreib- 
eise) die  Ionen  wirklich  UOa  und  2CI  sind,  entsprechend  der  Theorie  *von 
eligot  und  im  Widerspruch  mit  der  Auffassung  von  Berzelius,  ferner,  dass 
ie    Salze   der   Alkaloide   in   Halogen    und   ein    dem    Ammonium   analoges 
lation  zerfallen,  dass  die  Lösungen  von  Zinnchlorid  vollkommen  in  gelöstes 
innoxyd  und  freie  Salzsäure  zerfallen  sind  u.  s.  w.     Es  ist  nicht  thunlich, 
ie  ganze  Summe  neuer  und  bis  dahin  unzugänglich  gewesener  Erkenntnisse 
ufzuzählen,  welche  durch  diese  Forschungen,  abgesehen  von  der  Bestim- 
mung der  Zahlenwerthe  der  Überführung,  erschlossen  wurde.    Als  besonders 
fichtig   sei    noch    die   Unterscheidung   erwähnt,    welche   Hittorf   zwischen 
ien    gewöhnlichen   Doppelsalzen    vom  Typus  des  Alauns    und    den  Salzen 
on    der  Art   des   Ferrocyankaliums ,    welche    inzwischen    als    complexe 
i  a  1  z  e    bezeichnet   worden   sind ,    zu    machen   gelehrt   hat.      Während   die 
rsteren  in  ihren  Lösungen  in  die  Bestandtheile  zerfallen,    und   sich   daher 
^ie  Gemische  zweier  Salze  verhalten,  erweisen  sich  die  anderen  als  einfache 
*alze,    in    denen   der   eine    metallische   Bestandtheil   (im  Blutlaugensalz   das 
iisen)  nicht  als  Kation  auftritt,  sondern  einen  Bestandtheil  des  zusammen- 
gesetzten,  „complexen"   Anions   ausmacht.     Dies    kann    dadurch    erwiesen 
Verden,    dass  dieses  zweite  Metall   bei  der  Elektrolyse  nicht  nach  der  Ka- 
hode  geht,  sondern  mit  den  anderen  Bestandtheilen  des  Anions  zur  Anode, 
ialiumeisencyanür,  Cyansilberkalium,  Natriumplatinchlorid  erwiesen  sich  als 
eguläre  complexe  Salze,  während  bei  einigen  anderen  der  mit  zunehmender 
IVassermenge    fortschreitende   Übergang    in    gewöhnliche  Doppelsalze   nach- 
weisbar ist.     Am  auffälligsten  erwies  sich  das  Verhalten  des  Kadmiumjodids, 
welches  sozusagen  mit  sich  selbst  ein  complexes  Salz  bildet,  indem  scheinbar 
überhaupt  kein  Kadmium  zur  Kathode  geht,  da  nach  der  Elektrolyse  in  der 
Flüssigkeit  daselbst  weniger  Kadmium   vorhanden  ist,    als  vorher.     Hittorf 
deutete  dies  dahin,  dass  in  der  Lösung  zusammengesetzte  Kadmiumjodmole- 
keln vorhanden   sind,    etwa  der  Formel  Cd3J6  entsprechend,    welche  in   die 

Ostwald,   Elektrochemie.  55 


355  Sechzehntes  Kapitel. 


Ionen  Cd  und  Cd,J6  zerfallen,  so  dass  mit  dem  Anion  Cd,J6  mehr  Kadmran 
von  der  Kathode  fortgeführt  wird,  als  durch  die  Bewegung  des  Kations  Cd 
dahin  gelangt.    Diese  Deutung  ist  vielfach  in  Zweifel  gezogen  worden,  dod; 
hat  sie  sich  in  der  Folge  durchaus  bestätigen  lassen. 

An  die  Mittheilung  der  Ergebnisse  seiner  zahlreichen  Versuche  schhcat: 
Hittorf  Erörterungen  allgemeiner  Beschaffenheit,  welche  zu   der  Zeit  ihrer . 
Veröffentlichung  wohl  noch  mehr  Widerspruch  und  Ablehnung  verursacht 
haben   mögen,   als  die  mitgetheilten  Thatsachen,   an  deren  Richtigkeit  sich 
schliesslich    nicht   zweifeln    Hess.     Um   so    bedeutsamer   erscheinen   sie  ans 
jetzt  als  Zeichen  dafür,  mit  welcher  Unwiderstehlichkeit  schon  damals,  auch 
ohne  Kenntniss  der  entsprechenden  Thatsachen  auf  den  angrenzenden  Ge- 
bieten,  sich  die  Ansichten  geltend   machten,   welche  in  der  neuesten  Zeit,  i 
wenn  auch  nicht  ohne  Kampf,  als  die  richtigen  von  der  Mehrzahl  der  zum 
Urtheil  Berufenen  angenommen  worden  sind.    Gleichzeitig  liefern  diese  Dar- 
legungen einen   weiteren  Beleg   dafür,    in  welchem  Maasse  ausgesprochene 
und  gut  begründete  Einwände  gegen  ein  angenommenes  System  wirkungslos 
bleiben  können,  wenn  nicht  an  die  Stelle  des  falschen  gleichzeitig  ein  besseres 
dargeboten  wird,  welches  die  Fehler  vermeidet,  im  übrigen  aber  mindestens 
das  gleiche  leistet,  wie  das  alte. 

Zunächst  weist  Hittorf  auf  einen  bisher  vollkommen  übersehenen  Zu- 
sammenhang hin,  welcher  zwischen  der  Fähigkeit,  elektrolytisch  zu  leiten 
und  chemische  Reaktionen  auszuüben  besteht:  „Nur  bei  denjenigen 
Verbindungen  vermag  die  Elektricität  den  Austausch  unter  den 
Molekülen  hervorzurufen,  welche  denselben  auch  durch  die  ge- 
wöhnlichen Erscheinungen  der  Wahlverwandtschaft  gegen  andere 
ähnlich  constituirte  Körper  zeigen.  Wir  vermissen  nämlich  diesen 
Austausch  bei  denjenigen  zusammengesetzten  Stoffen,  welche  den  Strom 
isoliren,  entweder  vollständig,  oder  sehen  ihn  nur  unter  besonderen  Be- 
dingungen sich  einstellen. 

„Die  nichtbasischen  Oxyde,  sowie  die  äquivalenten  Verbindungsstufen 
ihrer  Radikale  mit  Chlor,  Brom,  Jod,  Schwefel  sind  vortreffliche  Belege  ftr 
unsere  Behauptung. 

„Faraday  hat  zuerst  auf  die  ihnen  gemeinsame  Isolation  des  galvanischen 
Stromes  aufmerksam  gemacht,  welche  vor  ihm  bloss  bei  einzelnen  derselben 
von  H.  Davy   und   de  la  Rive  bemerkt  worden  war.     Er   fand  die  flüssige 
wasserfreie    Schwefelsäure,    die    geschmolzene    Borsäure,    den   Jodschwefel, 
Realgar,  Auripigment,  AsCl8,  SnCl4,  SnJ4   und  die  Chloride  von  Schwefel, 
Phosphor,  Kohle  nicht  leitend.    Schwefelkohlenstoff,  condensirte  Kohlensäure 
und  schweflige  Säure  können  hinzugefügt  werden.     Ohne  Zweifel  verhalten 
sich    flüssige    wasserfreie  Salpetersäure,  Untersalpetersäure,  Stickoxydul  auf 
gleiche  Weise. 

„Ich  kann  nicht  mit  Faraday  annehmen,  dass  diese  Verbindungen  des- 
halb isoliren,  weil  ihre  Bestandteile  nicht  nach  gleichen  Äquivalenten  ver- 
bunden sind.  ...  Ich  suche  den  inneren  Grund  darin,  dass  sie  nicht  mit  den 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  ^       367 


asischen  Verbindungen  und  unter  einander  den  Austausch  der  Bestand- 
aeile  zeigen,  dass  ihre  Moleküle  dieses  Austausches  unfähig  sind, 
linige  Beispiele  werden  diesen  Gesichtspunkt  klarer  hervortreten  lassen. 

„Ich  habe  mich  überzeugt,  dass  die  wasserfreie  geschmolzene  Chfom- 
äure  CrOs  den  Strom  von  fünf  GROVE'schen  Elementen  für  ein  empfind- 
ches  Galvanometer  mit  astatischen  Nadeln  vollständig  isolirt,  wenn  die 
geringste  Schicht  die  Platindrähte  trennt.  Ebenso  isolirend  verhält  sich 
Zhromoxy chlorid,  Cr02Cl2. 

„Unsere  früheren  Elektrolysen  lehren,  dass  Chromsäure  in  den  Verbin- 
lungen  mit  basischen  Oxyden  vom  Strome  nicht  zersetzt  wird.  Verbin- 
lungen  der  Chromsäure  mit  Säuren  sind  unbekannt.  Bei  dem  Zusammen- 
commen  der  chromsauren  Salze  mit  anderen  Salzen  tritt  niemals  eine  Spaltung 
ler  Chromsäure  ein. 

„Vergleichen   wir   damit   das  Verhalten    des  Uranoxyds  U08    und   des 
Jranoxychlorids  UOaCl2,  Verbindungen,  deren  Formeln  ganz  analoge  sind. 
Das  Uranoxychlorid  leitet  im  geschmolzenen  Zustande  und  wird,  wie  in  der 
wässerigen  Lösung,   in  U02   und   2CI  zersetzt.     Dieselbe  Spaltung   erleidet 
es  gegen  salpetersaures  Silberoxyd.     Das  schwefelsaure  Uranoxyd  giebt  mit 
Chlorbaryum  schwefelsauren  Baryt  und  Choruranyl.    Es  zeigt  hier  den  Aus- 
tausch von  (S03  +  O)  und  U02,  den  auch  der  Strom  veranlasst.     Könnten 
wir  U08  schmelzen,  so  würde  es  als  Leiter  sich  zeigen  und  in  U02  und  O 
zerfallen.  .  .  . 

„Ebenso  lehrreich  sind  die  Verbindungen,  welche  die  Alkoholradicale 
Methyl,  Äthyl,  Amyl  u.  s.  w.  mit  den  früher  aufgezählten  Anionen  bilden. 
Die  Chemiker  haben  bekanntlich  geschwankt,  ob  diese  Körper  zu  den  Salzen 
zu  zählen  sind,  da  bei  denselben,  sie  mögen  in  Wasser  oder  Alkohol  gelöst 
sein,  die  doppelten  Zersetzungen  gegen  andere  Salze  gewöhnlich  ausbleiben. 
Der  Austausch  tritt  meistens  erst  bei  höherer  Temperatur  ein.  Alle  diese 
Verbindungen  sind  aber  Isolatoren  für  unsere  Galvanometer,  die  stärkste 
galvanische  Batterie  bewirkt  keine  wahrnehmbare  Zersetzung. 

„Das  Verhalten,  welches  Quecksilber -Chlorid,  -Bromid,  -Jodid  und 
-Cyanid  gegen  den  Strom  beobachten,  wird  von  der  herrschenden  Theorie 
über  die  Elektrolyse  nicht  erwartet.  Die  drei  ersten  Verbindungen  schmelzen 
bekanntlich  leicht  im  wasserfreien  Zustande,  leiten  aber  alsdann,  wie  Faraday 
zuerst  fand,  die  Elektricität  so  schlecht,  dass  die  Zersetzungsprodukte  kaum 
qualitativ  erkannt  werden  können.  In  den  Versuchen,  welche  Beetz1  mit 
geschmolzenem  Jodid  anstellte,  schied  der  Strom  einer  sechspaarigen  Zink- 
eisensäule in  14  Stunden  im  gleichzeitig  eingeschalteten  Voltameter  bloss 
0,162  g  Silber  ab.  Unsere  Salze  lösen  sich,  mit  Ausnahme  des  Jodids,  noch 
gut  in  Wasser,  vermindern  aber  den  Widerstand  desselben  so  wenig,  dass 
an  eine  quantitative  Bestimmung  der  elektrolytischen  Verhältnisse  nicht  ge- 
dacht werden  kann. 


1  „Pogg.  Ann.  92,  459.   1854.4' 

55 1* 


o^g  Sechzehntes  Kapitel. 

„Es  liegen  uns  hier  zusammengesetzte  Körper  vor,  welche  ihre  beiden 
Elemente  nach  einfachen  Äquivalenten  enthalten,  welche  von  den  meisten 
Metallen  zersetzt  werden,  und  in  denen  daher  die  heutige  Chemie  eine  relativ 
schwache  Verwandtschaft  voraussetzt.  Dennoch  trotzen  sie  in  obiger  Weise 
dem  Strome,  dem  Bezwinger  der  Kaliumsalze,  dem  keine  Verwandtschaft*- 
kraft  nach  der  gewöhnlichen  Auffassung  widerstehen  soll. 

„Das  Räthsel  löst  sich  sogleich,  sowie  wir  die  Zersetzungen  der  doppelten 
Wahlverwandtschaft  mit  ihnen  hervorbringen  wollen.  Da  finden  wir,  wie  die 
Sauerstoffsäuren,  welche  als  die  stärksten  betrachtet  werden,  weder  in  ver- 
dünntem, noch  in  concentrirtem  Zustande,  weder  in  der  Kälte,  noch  in  der 
Wärme  dieselben  zerlegen  und  keinen  Chlorwasserstoff  oder  Bromwasserstoff 
oder  Jodwasserstoff,  ja  nicht  einmal  Blausäure  austreiben.  Die  Sauerstoff- 
salze des  Quecksilberoxydes  werden  im  neutralen  Zustande  sämmtlich  vom 
Wasser  zersetzt  und  liefern  die  bekannten  schwerlöslichen,  basischen  Ver- 
bindungen. Wir  können  aber  die  wässerigen  Lösungen  unserer  Haloi'dsalze 
mit  beliebigen  Sauerstoffsalzen  versetzen  und  erhitzen,  ohne  eine  Veränderung 
wahrzunehmen.  Der  Austausch  der  Bestandteile  der  Moleküle  stellt  sich 
nicht  ein.  Phosphorsaures  Natron,  Oxalsäure  und  lösliche  Oxalsäure  Salze 
geben  in  den  sauren  Lösungen  des  Quecksilberoxydes  sogleich  Niederschlage. 
Bei  den  Haloidsalzen  bleiben  sie  aus.  Die  Lösung  von  Quecksilbercyanid 
gibt  mit  salpetersaurem  Silberoxyd  kein  Cyansilber,  sondern  es  krystallisirt 
das  von  Wöhler  entdeckte  Doppelsalz  2CyHg  +  N06AgO  heraus.  Eine 
analoge  Verbindung  liefert  chromsaures  Kali,  2CyHg  +  CrOsKO,  ohne  dass 
ein  Austausch  der  Ionen  sich  einstellt 

„In  anderen  Fällen  tritt  freilich  die  doppelte  Zersetzung  ein.  Salpeter- 
saures Silberoxyd  giebt  mit  der  Lösung  des  HgCl  und  HgBr  Chlor-  und 
Bromsilber.  Ebenso  zersetzt  Kalihydrat  die  letztgenannten  Haloidsalze  und 
gibt  den  Niederschlag  von  Quecksilberoxyd.  Das  HgCl  und  HgBr  zeigen 
gegen  die  Jodmetalle  den  Austausch  der  Bestandtheile,  und  Quecksüber- 
cyanid,  welches  den  Sauerstoffsäuren  trotzt,  wird  von  C1H,  BrH,  JH,  ja  von 
SH  leicht  zersetzt  und  liefert  die  dort  vermisste  Blausäure.  Die  Chemie 
vermag  uns  nicht  zu  erklären,  warum  der  Austausch  in  dem  einen  Falle 
erfolgt,  in  dem  anderen  ausbleibt.  Da  jene  Salze  den  Austausch  unter  ein- 
ander zeigen,  so  wird  die  Ursache  zuletzt  in  der  Beschaffenheit  der  Queck- 
silberverbindungen zu  suchen  sein.  In  einzelnen  Fällen  werden  die  Hinder- 
nisse, welche  hier  bestehen,  durch  die  Beschaffenheit  der  anderen  Moleküle 
noch  überwunden,  in  den  meisten  geschieht  es  nicht. 

„Dieser  Schwierigkeit  geht  aber  der  grosse  Leitungswiderstand  des 
Chlorides,  Bromides  u.  s.  w.  parallel,  während  das  Chlorür  und  Bromür  des 
Quecksilbers,  als  basische  Verbindungen,  leicht  vom  Strome  zersetzt  werden." 

Die  vorstehenden  Betrachtungen  sind  von  äusserster  Wichtigkeit,  denn 
sie  gewähren  uns  Ausblicke  nach  einer  Richtung,  welche  zwar  in  neuerer 
Zeit  manche  Ausbeute  gegeben  hat,  im  ganzen  aber  noch  des  entscheiden- 
den Fortschrittes  harrt.     Der  hier  von  Hittorf  zum  ersten  Male  gesehene 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  gßg 


usammenhang  zwischen  elektrolytischer  Leitfähigkeit  und  chemischer  Reak- 
onsfahigkeit  ist  zwar  gegenwärtig  in  einzelnen  Fällen,  namentlich  dem  der 
äuren  und  Basen,  völlig  aufgeklärt  und  seinen  Gesetzen  nach  bekannt,  da- 
chen bleibt  aber  ein  grosses  Gebiet  noch  unbekannt,  welches  man  als  das  der 
Jgemeinen  elektrochemischen  Affinitätslehre  bezeichnen  kann.  Es  sprechen 
lancherlei  Anzeichen  dafür,  dass  uns  in  Zukunft  eine  Ionentheorie  der 
nemischen  Vorgänge  bevorsteht,  und  es  ist  daher  von  Wichtigkeit,  auf 
iese  erste  Quelle  dieser  Entwickelung  hinzuweisen. 

Mit  der  Gewissenhaftigkeit,  welche  den  echten  Forscher  kennzeichnet, 
at  Hittorf  nicht  unterlassen,  im  Falle  der  Quecksilberverbindungen  darauf 
inzuweisen,  dass  einzelne  Punkte  in  den  Reaktionen  derselben  für  ihn  noch 
nerklärlich  seien.  Diese  Punkte  haben  inzwischen  alle  Aufklärung  erhalten, 
nd  wie  immer  in  solchen  Fällen  eine  gute  Theorie  sich  am  besten  zeigt, 
o  hat  auch  hier  die  endliche  Aufklärung  nur  die  Richtigkeit  der  allgemeinen 
Jesichtspunkte  um  so  besser  bewiesen.  Die  fraglichen  Unterschiede  der 
Leaktionen  rühren  daher,  dass  zwar  die  Halogenverbindungen  des  Queck- 
ilbers  nur  sehr  wenig  leiten  und  des  Umtauschens  fähig  sind,  aber  doch  in 
inetn  bestimmten  geringen  Grade  diese  Eigenschaft  haben.  Deshalb  sind 
hre  Reaktionen  zwar  beschränkt,  aber  nicht  aufgehoben,  und  es  hängt  von 
len  näheren  Bestimmungsstücken  der  Reaktion,  insbesondere  von  der  Un- 
öslichkeit  der  entstehenden  Niederschläge  ab,  ob  sich  der  Stoff  als  reaktions- 
ähig  oder  -unfähig  erweist. 

„Bei  den  Versuchen,  welche  ich  mit  Platinchlorid  und  Goldchlorid  an- 
gestellt, zeigte  sich  in  der  Lösung  derselben  stets  freie  Salzsäure.  Es  war 
dies  für  meine  Zwecke  zu  bedauern,  da  diese  Verbindungen  sich  sonst  wie 
das  Chlorid  des  Quecksilbers  verhalten  hätten.  Ihre  Lösungen  würden  einen 
ihnlichen  grossen  Widerstand  gezeigt  und  das  interessante  Schauspiel  ge- 
Doten  haben,  wie  der  Strom  gerade  die  schwächsten  Verwandtschaftskräfte, 
Areiche  bei  den  Metallen  vorkommen,  nicht  zu  überwinden  vermag.  H.  Rose1 
tiat  für  ihre  Lösungen  ähnliche  Anomalien  aufgeführt,  wie  sie  vorher  mit- 
ijetheilt  wurden. 

„Die  Spaltung,  welche  die  Doppelsalze  vom  Strome  erfahren,  zeigt  viel- 
leicht am  deutlichsten,  von  welchem  Momente  die  elektrolytische  Natur  be- 
dingt wird.  Wir  sahen  bei  denselben  die  Ionen  der  Alkalisalze,  welche  die 
stärkste  Verwandtschaftskraft  nach  der  heutigen  Chemie  fesselt,  sich  trennen, 
und  die  schwächsten  Verbindungen,  wie  CyAg,  PtCl2,  HgCl,  AuCl3  daneben 
unzerlegt  bleiben.  Dieselbe  Spaltung  ist  dem  Chemiker  aus  jeder  Zersetzung 
der  doppelten  Wahlverwandtschaft,  welche  die  Doppelsalze  veranlassen,  ge- 
läufig. Bei  der  Elektrolyse  erwartet  man  sie  aber  so  wenig,  dass  selbst 
da,  wo  ihre  Folgen  vollständig  beobachtet  waren  und  nicht  anders  erklärt 
werden  können,  Niemand  auch  nur  die  Möglichkeit  ausgesprochen  hat. 
Die  Verbindung,  welche  mit  dem  Alkalisalz  vereinigt  ist,  mag,  wie  Jodcad- 

1  „Ausfuhrl.  Handbuch  der  analytischen  Chemie  1,   197  und  233.   1851." 


1 


g^Q  Sechzehntes  Kapitel. 

mium,  im  freien  Zustande  ein  Elektrolyt  sein;   hier  bietet  sie  dem  stärksten 

Strome  Trotz. 

„Nachdem  die  erörterten  Thatsachen  vorliegen,  halte  ich  mich  berech- 
tigt, das  Wesen  der  Elektrolyse  in  den  Molekularvorgang  zu  verlegen,  welcher 
nach  Bergmann  von  der  doppelten  Wahlverwandtschaft  bewirkt  wird. 

„Alle  Elektrolyte   sind    Salze   im   Sinne   der   neueren   Chemie 
Während  der  Elektrolyse  findet  der  Austausch  zwischen  denselben 
Bestandtheilen  ihrer  Moleküle  statt,  wie  bei  der  doppelten  Wahl- 
verwandtschaft.    Derselbe  vermittelt  die  Fortpflanzung  der  Mole- 
kularbewegung, welche  wir  elektrischen  Strom  nennen.     Je  nach- 
dem   dieser   Austausch    in    den    verschiedenen   Elektrolyten    bei    derselben 
veranlassenden  Ursache  schneller  oder  langsamer  vor  sich  geht,  werden,  wie 
ich  glaube,  die  verschiedenen  Leitungswiderstände  hervorgerufen.    Ich  hoffe, 
in  dem  Nachtrag  zu  meinen  elektrochemischen  Arbeiten  diesen  Zusammen- 
hang  durch    eine   Anzahl   Widerstandsmessungen    bestimmter    darlegen  zu 
können,   als   es   mir  jetzt   möglich  ist.     Die  hier  bestehenden  Unterschiede 
machen  sich  in  den  chemischen  Erscheinungen  erst  geltend,  wenn  sie  ausser- 
ordentlich gross  sind.     Für  alle  Elektrolyte,  bei  welchen  wir  in  der  Chemie 
den  Austausch  theilweise  oder  vollständig  vermissen,  stellt  sich  ein  solches 
Verhältniss  heraus. 

„Der  grosse  Leitungswiderstand  des  reinen  Wassers  rührt  ebenfalls 
daher,  dass  der  Austausch  von  Wasserstoff  und  Sauerstoff  sehr  schwierig 
unter  den  Molekülen  vor  sich  geht;  denn  die  Resultate,  welche  die  wäs- 
serigen Lösungen  der  untersuchten  Elektrolyte  ergaben,  sind,  wie  bereits 
hervorgehoben,  nur  möglich,  wenn  die  Salze  unzerlegt  in  der  Lösung  ent- 
halten sind,  mit  anderen  Worten,  wenn  der  Austausch  zwischen  den  Ionen 
des  Salzes  und  des  Wassers  so  gut  wie  fehlt.  Wäre  er  vorhanden,  so  lägen 
ja  sehr  verschiedenartige  Moleküle,  Säurehydrate,  basische  Oxyde,  Salze  und 
Wasser  dem  Strome  vor  und  würden  sehr  verwickelte  Theilungen  desselben 
veranlassen.  Da  die  Salze  den  Austausch  unter  einander  zeigen,  so  haben 
wir  den  Grund,  wie  bei  dem  Chloride,  Cyanide  des  Quecksilbers,  in  der 
Beschaffenheit  der  Wassermoleküle  zu  suchen. 

„Aus  den  Erscheinungen  der  Chemie  lässt  sich  das  Fortbestehen  der 
gewöhnlichen  Salze  in  der  Lösung  blos  vermuthen,  nicht  beweisen.  Man  ist 
bekanntlich  auch  nicht  einig,  bei  welchen  Verbindungen  die  Zersetzung  ein- 
tritt, sobald  sie  sich  nicht  durch  einen  Niederschlag  oder  eine  Gasentwickelung 
geltend  macht.  Die  Elektrolyse  lässt  hierüber  keinen  Zweifel,  wie  ich  bei 
Zinnchlorid  (S.  864)  nachgewiesen  habe. 

„Es  scheint  mir  sehr  beachtenswerth,  dass  die  Moleküle  des  Wassers 
mit  den  meisten  isolirenden  Chlor-,  Brom-,  Jod-  und  Schwefelverbindungen 
unter  bedeutender  Wärmeentwickelung  sich  zersetzen,  Wasserstoffsäuren  und 
die  Hydrate  von  Sauerstoffsäuren  bilden. 

„Kommt   dagegen  eine  Wasserstoffsäure   und   die  Sauerstoffverbindung 
eines  basischen  Radicals  zusammen,   so   geht   gerade   der   entgegengesetzte 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  871 


organg,  die  Bildung  des  Haloi'dsalzes  und  des  Wassers,  und  zwar  ebenfalls 
ater  Wärmeentwickelung  vor  sich.  Bei  der  Mischung  zweier  neutralen  Salz- 
isungen  wird  eine  Erwärmung  nicht  beobachtet,  so  lange  kein  Niederschlag 
itsteht 

„Die  Verbindung  des  Wasserstoffs  mit  dem  Sauerstoff  ist  nicht  die  ein- 
ge,  welche  einen  so  grossen  Widerstand  besitzt  und,  gepaart  mit  sauren 
)xyden,  so  leicht  vom  Strom  zersetzt  wird.  Es  wiederholt  sich  diese  Er- 
lernung bei  der  Blausäure.  Sie  wird  ebenso  schwer  wie  das  Wasser 
erlegt;  gepaart  dagegen  mit  Eisencyanür  und  anderen  Cyanmetallen,  wird 
ie  leicht  vom  Strome  gespaltet.  Die  Blausäure  vermag  nicht  die  Sauerstoff- 
alze  zu  zerlegen,  Kohlensäure  auszutreiben.  Die  Eisenblausäure  theilt  da- 
egen  das  Verhalten  der  gewöhnlichen  Säurehydrate. 

„Die  Leitungswiderstände  der  Elektrolyte  werden  in  entgegengesetzter 
Veise,  wie  diejenigen  der  Metalle,  von  der  Wärme  verändert  Sie  erscheinen 
ämmtlich  kleiner  in  höherer  Temperatur  und  weisen  dadurch  auf  eine  Er- 
eichterung  des  Austausches  hin. 

„Der  Widerstand  der  Lösungen  muss  nicht  allein  von  der  Natur  des 
Salzes,  sondern  auch  von  der  Beschaffenheit  des  Lösungsmittels,  sowie  von 
ler  Concentration  abhängen.  Diese  Verhältnisse  lassen  sich  erst  mit  Erfolg 
läher  erörtern,  wenn  eine  Anzahl  passend  gewählter  Widerstandsbestim- 
nungen  vorliegt. 

„In  meinen  elektrochemischen  Arbeiten  wollte  ich  mir  den  unbefangenen 
Standpunkt  des  Beobachters  wahren  und  benutzte  deshalb  mit  Vorliebe  die 
pARADAY^sche  Nomenclatur,  welche  nur  thatsächliche  Verhältnisse  ausdrückt 
und  nichts  Hypothetisches  über  unbekannte  Kräfte  und  Fluida  einschliesst. 
Ich  versuche  nicht,  den  Molekularvorgang,  welcher  in  der  Elektrolyse  und 
doppelten  Wahlverwandtschaft  sich  geltend  macht,  tiefer  zu  ergründen,  und 
bin  weit  entfernt,  mich  an  eine  Theorie  desselben,  die  mehr  oder  weniger 
^ine  Theorie  der  chemischen  Processe  überhaupt  sein  würde,  zu  wagen. 
Ich  halte  jedoch,  und  dieser  Überzeugung  möchte  ich  Ausdruck  geben,  ich 
halte  das  Studium  der  Elektrolyse  sehr  geeignet,  eine  bestimmtere  und  rich- 
tigere Auffassung  der  chemischen  Erscheinungen  anzubahnen.  Der  Mole- 
Vcularvorgang  bietet  sich  hier  in  der  einfachsten  und  deshalb  günstigsten 
^eise  der  Forschung  dar,  weil  er,  wie  schon  bemerkt,  zwischen  gleichartigen 
Massentheilchen  vor  sich  geht. 

„In  der  That  lassen  die  quantitativen  Bestimmungen  der  chemischen 
Verhältnisse  bei  der  Elektrolyse,  wie  ich  sie  in  meinen  Mittheilungen  ver- 
sucht, bereits  eine  Seite  desselben  hervortreten,  welche  in  den  gewöhnlichen 
chemischen  Erscheinungen  der  Beobachtung  nicht  zugänglich  wird,  und  über 
einen  Cardinalpunkt  der  Chemie,  wie  ich  glaube,  entscheidet. 

„Ich  nehme  hier  die  S.  864  angeregte  Frage  auf,  welche  nicht  länger 
umgangen  werden  kann. 

„Wenn  in  der  Elektrolyse  keine  Umwandlung  der  Stoffe  eintritt,  so 
lässt  sich  die  Thatsache,  dass  die  Ionen  des  Salzes  an  den  Elektroden  ver- 


g^2  Sechzehntes  Kapitel. 


mehrt  und  vermindert  werden,  ohne  dass  die  mittleren  Schichten  der  Lösung 
eine  Änderung  in  der  quantitativen  Zusammensetzung  erfahren,  nur  begreifen, 
wenn  erstere  an  den  Theilchen  des  Lösungsmittels  sich  vorbeibewegen,  ohne 
sie  zu  zersetzen.  Die  Verhältnisse  der  Überfuhrung  treten  bei  keinen  Ver- 
bindungen so  unzweideutig  hervor,  wie  gerade  bei  den  Kaliumsalzen,  wo  sie 
fast  unabhängig  von  der  Concentration  der  wässerigen  Lösung  bleiben. 

„Bewegen  sich  aber  Kaliumtheilchen  in  Entfernungen  von  ihren  Anionen, 
welche  sehr  gross  sind  gegen  ihre  Abstände  von  dem  nächsten  Wasseratome, 
und  lassen  letzteres  unzersetzt,  nimmt  ferner  die  Intensität  der  chemischen 
Kraft  nach  höheren  Potenzen  der  Entfernung,  wie  der  zweiten,  ab,  so  können 
hier  nicht  mehr  die  Verwandtschaftsverhältnisse  bestehen,  welche  wir  im 
freien  Zustande  der  Körper  finden. 

„Die  Chemiker  gehen  in  ihren  Grundanschauungen  gegenwärtig  sehr 
auseinander.  Bekzelius1  denkt  sich  den  stärksten  elektropositiven  Körper, 
das  Kalium,  vereinigt  mit  dem  stärksten  elektronegativen  Körper,  dem  Sauer- 
stoff, mit  einer  grösseren  Kraft,  als  wodurch  irgend  eine  andere  Verbindung 
zusammengehalten  wird,  und  diese  Vereinigungskraft  wird  direkt  von  keiner 
anderen  Kraft,  als  der  des  elektrischen  Stromes  überwunden.  Das  „Ver- 
einigungsstreben ist  eine  Folge  der  elektrischen  Relationen  der  Atome,  wobei 
sie  sich  mit  entgegengesetzten  vorherrschenden  Polen  einander  anziehen  und 
sich,  wenn  sie  sich  in  frei  beweglichem  Zustande  befinden,  zusammenlegen  und 
einander  mit  derselben  Art  von  Kraft  festhalten,  wie  die  ist,  womit  zwei  Mag- 
nete mit  entgegengesetzten  Polen  zusammenhaften,  von  welcher  grossen  Kraft 
uns  die  sogen.  Elektromagnete  so  staunenerregende  Beweise  gegeben  haben." 

„Die  Verwandtschaft,"  so  beginnt  Bunsen  die  dritte  Abhandlung  der 
photochemischen  Untersuchungen,2  „oder  die  Kraft,  welche  die  Theile  sub- 
stantiell verschiedener  Körper  zu  einer  Verbindung  zusammenfuhrt,  ist  etwas 
dem  Wesen  und  der  Grösse  nach  unabänderlich  Gegebenes,  das,  wie  alk 
Kräfte  und  wie  die  Materie  selbst,  weder  zerstört,  noch  erzeugt  werden  kann. 
Es  ist  daher  nur  ein  übelgewählter  Sprachgebrauch,  wenn  man  von  Ver- 
wandtschaftskräften redet,  die  ein  Körper  unter  Umständen  erlangt,  und  die 
er  unter  anderen  Umständen  wieder  verliert." 

„Darnach  ist  die  chemische  Vereinigung  zweier  Körper  nur  ein  einfaches 
Phänomen  der  Anziehung  zwischen  je  zwei  ihrer  Theilchen.  Die  denselben 
innewohnenden  Kräfte  bewegen  sie  in  grössere  Nähe  zu  einander  und  halten 
sie  daselbst  zusammen. 

„Nach  dieser  Vorstellungsweise  wird  die  bei  chemischen  Processen  ent- 
stehende Wärme  die  Quantität  der  lebendigen  Kraft  sein,  welche  durch  die 
bestimmte  Quantität  der  chemischen  Anziehungskräfte  hervorgebracht  werden 
kann."     Helmholtz,  Erhaltung  der  Kraft  S.  32.  - — 

„Diese  Auffassung  wird  aber  entschieden  von  anderen  Forschern  zurück- 
gewiesen.    Dieselben    erklären    sich  zwar  nicht  weiter  über  das  Wesen  des 


1  „Lehrbuch  1,   106."  »  „Pogg.  Ann.  100,  481.   1857." 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten«  873 


lemischen  Processes,  stellen  aber  bestimmt  in  Abrede,  dass  die  sogenannten 
erwandtschaftsverhältnisse,  wie  sie  die  freien  Körper  zu  einander  zeigen, 
r  die  Erscheinungen,  welche  dieselben  Stoffe  in  ihren  Verbindungen  ver- 
tlassen,  maassgebend  sind.  Davy  und  Dulong,  sowie  alle  Anhänger  der 
Inartheorie  der  Salze  nehmen  diesen  Standpunkt  ein.  Gerhardt  hielt  ihn 
>enfalls  in  seinen  Speculationen  fest,  wie  seine  eigenen  Worte  darthun 
ögen: 1 

„„Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  ich,  wenn  ich  von  einem  Radical 
>reche,  damit  keinen  Körper  bezeichnen  will  von  der  Form  und  den  Eigen- 
:haften,  die  er  im  isolirten  Zustande  hätte,  sondern  ich  unterscheide  einfach 
ie  Beziehung,  nach  welcher  gewisse  Elemente  oder  Gruppen  von  Elementen 
ch  substituiren,  oder  aus  einem  Körper  in  den  anderen  übergehen.  Übrigens 
igt  die  oberflächlichste  Beobachtung,  wie  gross  der  Unterschied  ist  zwi- 
hen  einem  Element,  wie  es  sich  in  freiem  Zustande  zeigt,  und  demselben 
lement,  wenn  es  eine  Verbindung  eingegangen;  es  wird  Niemandem  ein- 
Uen,  die  chemischen  Eigenschaften  der  schwarzen  Kohle  oder  des  Diamanten 
it  denen  des  Kohlenstoffes  identificiren  zu  wollen,  wie  er  in  jenen  Tausen- 
rn  der  sogenannten  organischen  Verbindungen  vorkommt;  die  gewöhnlichste 
>gik  zwingt  zu  derselben  Unterscheidung  bezüglich  des  Chlors  und  des 
rasserstoffs,  und  im  Allgemeinen  rücksichtlich  aller  einfachen  und  zusammen- 
setzten Körper."" 

„In  den  Isomerien  finden  wir  nicht  nur  die  physikalischen  Eigenschaften 
isselben  chemischen  Stoffes,  sondern  auch  die  Verwandtschaftsäusserungen 
rändert.  Der  gewöhnliche  Phosphor  reducirt  die  Salze  des  Kupfers,  des 
Ibers  und  anderer  Metalle;  der  rothe  ist  indifferent.  Das  Ozon  scheidet 
>d,  Brom  aus  den  Salzen;  der  gewöhnliche  Sauerstoff  vermag  es  nicht. 
iese  Unterschiede  in  dem  Verhalten  sind  von  verschiedenen  Wärmeverhält- 
ssen  bedingt,  die  sich  stets,  wo  die  Umwandlung  eines  isomerischen  Zu- 
andes  in  einen  anderen  vor  sich  geht,  geltend  machen.  In  einer  Notiz 
>er  die  Allotropie  des  Selens2  zeigte  ich,  dass  der  gewöhnliche  farblose 
losphor  eine  grössere  Wärmemenge  enthalten  müsse,  wie  der  rothe,  und 
eselbe  beim  Übergange  in  letzteren  verliere.  Silbermann  und  Favre  fanden 
irklich  einige  Zeit  nachher  die  Verbrennungswärme  des  farblosen  Phosphors 
jträchtlich  über  1/0  höher,  wie  diejenige  des  rothen,  nämlich  5953  Wärme- 
nheiten  für  ersteren  und  bloss  5070  für  letzteren.  Könnten  wir  Ozon  in 
-össerer  Menge  darstellen,  so  würden  wir  eine  Wärmeentwickelung  bei 
iner  Umwandlung  in  gewöhnlichen  Sauerstoff  und  eine  grössere  Verbin- 
imgswärme  wie  bei  letzterem  beobachten. 

„Unsere  Kenntnisse  über  die  Isomerien  der  Körper  sind  noch  ganz  und 
ar  fragmentarisch,  und  ohne  prophetische  Gaben  in  Anspruch  zu  nehmen, 
irf  man  der  Chemie  nach  dieser  Seite  grosse  Entdeckungen  vorhersagen, 
/ie  dürftig  aber  auch  die  jetzt  zu  Gebote  stehenden  Thatsachen  sind,    sie 

1  „Lehrbuch  d.  organ.  Chemie  4,  606."  *  „Pogg.  Ann.  84,  219.   185 1." 


$7A  Sechzehntes  Kapitel. 

genügen,  um  zu  zeigen,  dass  der  chemische  Process  noch  etwas  anderes,  1 
als  ein  blosses  Anziehungsphänomen  im  Sinne  Newtons  sein  muss.  Dl 
nämlich  die  Phosphorsäure,  welche  aus  dem  rothen  Phosphor  entsteht,  ab* 
solut  identisch  ist  mit  derjenigen,  welche  der  gewöhnliche  liefert,  so  könnet 
doch  nicht  beide  Verwandtschaftskräfte  den  Phosphor  in  dieselbe  begleiten. 
Berzelius1  wollte  wirklich  die  allotropischen  Zustände  der  Elemente  in  die 
Verbindungen  übergehen  lassen  und  bemühte  sich,  die  Isomerien  der  lett- 
teren  auf  diesen  Umstand  zurückzuführen.  Ich  glaube  nicht,  dass  dieses 
Speculationen  die  thatsächlichen  Verhältnisse  entsprechen. 

„Wir  dürfen  nicht  übersehen,  dass  chemische  Verbindungen  vorliegen, 
welche  bei  der  Zersetzung  eine  bedeutende  Wärmeentwickeluug  zeigen, 
trotz  der  Vergasung,  welche  gleichzeitig  die  Bestandteile  erleiden;  letztere 
müssen  daher  sehr  beträchtliche  Wärmemengen  binden,  wenn  sie  mit  ein- 
ander sich  vereinigen. 

„Erwägen  wir  diese  Verhältnisse,  so  werden  wir  unser  Urtheil  über  das 
Wesen  des  chemischen  Processes  suspendiren  und  Faraday  beipflichten,  dass 
nach  unserem  heutigen  Wissen  blos  das  Gewicht  der  Stoffe  in  den  Verbin- 
dungen als  unverändert  zu  erkennen  ist. 

„Sobald  wir  die  Zustände,  welche  die  Stoffe  isolirt  und  in  den  Ver- 
bindungen besitzen,  unterscheiden,  verlieren  die  Resultate  meiner  Arbeiten 
das  Widerstrebende,  welches  manche  Forscher  darin  gefunden.  Sie  zeigen 
sich  in  vollkommener  Übereinstimmung  mit  den  Erfahrungen  der  Chemie 
und  lassen  wenigstens  die  Möglichkeit,  eine  wirkliche  Theorie  derselben  vor- 
zubereiten, durchblicken.  Wir  wundern  uns  nicht  mehr,  dass  die  Kalisalze 
millionenmal  leichter  vom  Strome  zersetzt  werden,  als  das  Wasser,  das  sie 
leichter  spalten,  als  die  meisten  anderen  Salze.  Denn  diese  Verhältnisse 
beutet  der  Chemiker  fast  in  jedem  seiner  Versuche  aus.  Er  war  so  gewöhnt, 
an  den  Processen  in  den  wässerigen  Lösung  nur  die  Salze  sich  betheiligen 
zu  sehen,  dass  er  nicht  wenig  staunte,  wie  zuerst  eine  Einwirkung  des 
Wassers  auf  die  Resultate  der  doppelten  Wahlverwandtschaft  bei  dem  ge- 
wöhnlichen phosphorsauren  Natron  beobachtet  wurde.  Dieselben  Vorgänge 
machen  bei  der  Elektrolyse  gerade  den  entgegengesetzten  Eindruck:  man 
sucht  nach  der  Zersetzung  des  Wassers,  während  bloss  Salze  derselben 
unterliegen. 

„Das  Studium  der  Leitungswiderstände  halte  ich  für  ein  grosses  Bedürf- 
niss  der  Chemie;  wir  gewinnen  dadurch  ein  Maass  für  die  Spaltbarkeit  der 
verschiedenen  Salze,    für   ihre    basischen  und  sauren  Eigenschaften,   welche 
wesentlich  von   derselben  abhängen.     Die  herrschende  Verwandtschaftslehre 
kann  keine  Erklärung  der  doppelten  Zersetzung  geben  und  hat   überhaupt, 
wenn  wir  aufrichtig  sein  wollen,  nur  dadurch  Dienste  geleistet,  dass  sie  die 
Wissenschaft   gegen   die  Übereilung   der  Aichemisten   schützte.     Eine  neue 
Tha^sache  ist  aus  derselben  nicht  hervorgegangen. 

1  „Pogg.  Ann.  61,   i.   1844." 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  875 


„Man  hält  sie  gewöhnlich  für  unentbehrlich,  um  von  den  Fällen  der 
ifachen  Wahlverwandtschaft,  in  welchen  ein  freier  Körper  einen  verbundenen 
scheidet  und  substituirt,  Rechenschaft  zu  geben.  Diesen  Thatsachen  ver- 
nkt  sie  ihren  Ursprung,  ist  aber  nur  eine  sehr  mangelhafte  und  unbe- 
tnmte  Umschreibung  derselben. 

„Der  Apparat,  welcher  in  Pogg.  Ann.  Bd.  98   (S.  843)  abgebildet  und 
r  so  nützlich  gewesen  ist,  eignet  sich  sehr  gut,   um   diesen  Vorwurf  zu 
gründen    und   zu    veranschaulichen.     Wir   nehmen   zur   Anode   im   Glas- 
en A  eine  amalgamirte  Zink-  oder  Cadmiumplatte,   füllen  dasselbe  nebst 
m  Gefasse  B  mit  einer  concentrirten  Lösung  von  Chlorkalium,  während  C 
le  verdünntere  Lösung  eines  Kupfer-  oder  Silbersalzes  und  die  Kathode 
s   einem    dieser   Metalle    erhält.     Es    entsteht   dadurch    ein   DANiELi/sches 
ement  von  anderer,  als  der  gewöhnlichen  Form,  in  dem  sich  die  Flüssig- 
sten sehr  langsam  mischen.    Der  Strom  desselben,  welcher  nach  der  Ver- 
ndung  der  beiden  Pole  entsteht,   ist   zwar  durch   die  Länge  der  flüssigen 
eiter  sehr  geschwächt,  aber  sehr  constant,    und  wird  für  wissenschaftliche 
rbeiten  manchmal  gute  Dienste  leisten. 

„Für  das  Kupfer  oder  Silber,  welches  auf  der  Kathode  sich  ansetzt, 
ird  genau  ein  Äquivalent  Zink  oder  Cadmium  gelöst.  Da  die  Flüssigkeit 
11  positiven  Pol  ungetrübt  bleibt,  so  treten  diese  Metalle  mit  einem  Äqui- 
üent  Chlor  in  Verbindung.  Es  wird  nicht  das  Wasser,  wie  man  vielleicht 
Igemein  annimmt,  zersetzt,  sondern  die  Verhältnisse  sind  genau  dieselben, 
ie  in  meinen  früheren  Versuchen,  wo  blos  ein  stärkerer  Strom  die  Vor- 
chtung  durchfloss.  Durch  die  quantitative  Analyse  kann  man  sich  Über- 
zügen, dass  0,485  des  Äquivalentes  Kalium  aus  dem  Gefasse  A  wandert 
nd  0,515  des  Äquivalentes  Chlor  hineintritt. 

„Alle  Metalle,  welche  in  der  elektrischen  Spannungsreihe  elektropositiver 
ls  Kupfer  oder  Silber  sind,  substituiren  hier  das  Kalium.  Letzteres 
krird  nämlich  nicht  frei,  sondern  verdrängt  an  der  Grenzfläche  mit  der  zweiten 
~ösung  das  Kupfer  und  Silber  aus  der  Verbindung.  Wir  können  das  Wasser 
ranz  ausschliessen,  das  Zink  oder  Cadmium  mit  feuerflüssigem  Chlorkalium, 
las  Silber  mit  geschmolzenem  Chlorsilber  umgeben,  und  erhalten  dasselbe 
Resultat.  Wenn  die  gewöhnliche  chemische  Theorie  des  Galvanismus  noch 
lurch  Beispiele  widerlegt  werden  müsste,  so  könnte  die  Contacttheorie  jene 
Kombination  als  treffliches  experimentum  crucis  benutzen. 

„Taucht  die  Elektrode  von  Kupfer  oder  Silber  in  das  Chlorkalium,  in 
welchem  Zink  oder  Cadmium  sich  befindet,  so  stellt  sich  sogleich  der  Gegen- 
strom ein,  und  der  primäre  sinkt  fast  auf  Null.  Die  letztgenannten  Metalle 
bleiben  so  gut  wie  unverändert  und  verhalten  sich,  wie  wenn  sie  allein  in 
der  Flüssigkeit  wären. 

„In  unserem  DANiELi/schen  Elemente  ist  die  Gesammtwärme,  welche  der 
Strom  erregt,  gleich  der  Wärmemenge,  die  bei  der  Bildung  des  Chlorzinks 
oder  Chlorcadmiums  frei  wird,  vermindert  um  diejenige,  welche  zur  Reduction 


gyg  Sechzehntes  Kapitel. 

des  Chlorsilbers  nöthig  war.  Darin  bestehen  ja  die  einzigen  Veränderungei, 
welche  derselbe  hervorbringt.  Der  Erfolg  der  chemischen  Processe,  wekfe 
der  einfachen  Wahlverwandtschaft  zugeschrieben  werden,  ist  daher  bedingt, 
von  der  Wärmemenge,  welche  die  Äquivalentgewichte  der  Körper  im  isolirta 
Zustande  mehr  enthalten,  wie  im  verbundenen.  Soll  ein  gegebener  Stoff 
einen  anderen  in  einer  Verbindung  substituiren  und  letzteren  in  den  isolirta 
Zustand  versetzen,  so  darf  das  Wärmeäquivalent  des  ersteren  nicht  kleiner 
sein,  wie  das  des  letzteren.  Es  bedingt  die  sogenannte  Verwandtschaft, 
und  von  ihm  wird  die  elektromotorische  Kraft  des  galvanischen  Stromes 
abhängen. 

„Diese  Verbindungswärme  kann  aber  nur  zum  kleinsten  Theil  als 
chemische  Spannkraft  gedacht  werden;  denn  tritt  die  Zersetzung  der  flüs- 
sigen Verbindungen  unter  solchen  Verhältnissen  ein,  wo  die  Bestandteile 
nicht  die  Eigenschaften  des  isolirten  Zustandes  annehmen,  so  ist  die  Zer- 
setzbarkeit  der  elektrischen  Leitungsfähigkeit  proportional  und 
steht  in  gar  keiner  Beziehung  zur  Verbindungswärme. 

„Die  Arbeit,  welche  der  Strom  bei  der  Elektrolyse  verrichtet,  wenn  die 
Ionen  an  den  Elektroden  frei  werden,  und  welche  durch  die  Polarisation 
angezeigt  ist,  wird  nur  zum  allerkleinsten  Theil  auf  die  Trennung  verwendet 
Dieselbe  dürfte  vielleicht  fast  ganz  darin  bestehen,  dass  den  Ionen  der  Zu- 
stand der  Bewegung  zurückgegeben,  ihre  Moleküle  mit  der  lebendigen  Kraft 
wieder  versehen  werden,  welche  sie  im  isolirten  Zustande  besitzen,  und  von 
welcher  ihre  Eigenschaften  abhängen.  Die  meisten  zusammengesetzten  Ionen, 
welche  wir  in  unseren  Versuchen  gefunden,  bestehen  im  isolirten  Zustande 
nicht  fort.  Die  Isomerien,  an  deren  Studium  wir  grosse  Erwartungen  knüpfen 
dürfen,  stellen  die  ausserordentlich  wichtige  Thatsache  fest,  dass  dieselbe 
chemische  Materie  verschiedene  Wärmemengen  binden  kann  und  in  diesen 
Zuständen  eine  verschiedene  Verwandtschaft  äussert  und  mit  verschiedenen 
physikalischen  Eigenschaften  versehen  ist.  .  .  ." 

Auf  diese  Darlegungen  folgen  einige  Seiten  polemischer  Erörterungen, 
welche  sich  einerseits  auf  eine  von  Kohlrausch  und  Weber  versuchte 
Bestimmung  der  Arbeit  zur  Trennung  einer  gewissen  Menge  von  Wasser 
in  seine  Elemente  beziehen,  andererseits  die  Ansichten  von  Clausius  zum 
Gegenstande  haben.  Ich  habe  geglaubt,  sie  hier  fortlassen  zu  können,  da 
namentlich  die  letzteren  sich  auf  die  heute  gelöste  Schwierigkeit  bezüglich 
der  Oberflächenladung  der  Elektrolyte  beziehen,  welche  schon  früher  (S.  861) 
erörtert  worden  ist.  Kann  dieser  Einwand  als  erledigt  angesehen  werden, 
so  gilt  doch  nicht  das  Gleiche  für  einige  andere  Einwände,  welche  die  kine- 
tische Theorie  der  Flüssigkeiten  treffen,  und  welche  daher  nachstehend  wieder- 
gegeben sind: 

„Für  Chlorkalium  habe  ich  die  Untersuchung  (zweite  Mittheilung,  S.859) 
auf  sehr  verdünnte  wässerige  Lösungen  (etwa  i  Theil  Salz  in  500  Theile 
Wasser)  ausgedehnt  und  gefunden,  wie  immer  noch  für  die  Analyse  die 
Zersetzung  das  Salz  allein  trifft.    Die  Überführungen  von  Chlor  und  Kalium 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  377 

id   fast   dieselben,   wie   bei    der   stärksten   Concentration.     Wir   haben    in 
esem  Falle   auf  i  Molekül  CIK  etwa  4000  Moleküle  HO.     Wie   oft   muss 
is  erstere,  ehe  es  einmal  einem  gleichartigen  Moleküle  begegnet,  mit  Wasser- 
eilchen  zusammenstoßen!   Die  eigenthümlichen  Lagen,  in  denen  zwei  Ionen 
lsscheiden,    und   welche   für   die  Elektrolyse   allein    in   Betracht   kommen, 
innen   unmöglich  die  am  häufigsten  eintretenden   sein.     Diese  Molekular- 
:wegungen  müssen  daher  äusserst  lebhaft  sein,  wenn  sie  den  Bedürfnissen 
>n  nur  massigen  Strömen  genügen  sollen.    Die  Wände  der  Gefässe,  welche 
itende  Flüssigkeiten   enthalten,   erleiden   aber  keinen  anderen  Druck,  wie 
snjenigen,   welchen    die  Schwere  erzeugt.     In  den  Diffusionserscheinungen 
ihen  wir,  wie  äusserst  langsam  die  Salztheilchen  ihren  Platz  verlassen  und 
n  Wasser  sich  bewegen.    Ob  man  für  die  Stromintensität  eine  Grenze  sich 
enken  darf,  will  ich  gar  nicht  erörtern. 

„Es  scheint  mir  eine  sehr  merkwürdige  Thatsache,  dass  Verbindungen 
ie  C1H,  welche  flüssig  zu  den  bestleitenden  Elektrolyten  gehören,  im  gas- 
►rmigen  Zustande  den  Strom  vollständig  für  unsere  sehr  empfindlichen  Gal- 
anometer  isoliren.  Es  lässt  sich  dieselbe  nicht,  wie  Clausius  glaubt,  aus 
er  geringen  Dichtigkeit  des  letztgenannten  Zustandes,  wie  er  gewöhnlich 
arliegt,  erklären.  Denn  bei  den  sehr  verdünnten  Lösungen  der  Salzsäure, 
eiche  ich  benutzt,  enthalten  gleiche  Volumina  weniger  Moleküle  von  C1H, 
ls  sich  in  dem  Gase  bei  dem  gewöhnlichen  Drucke  der  Luft  finden.  Dennoch 
ifft  die  Spaltung  im  ersten  Falle  die  Theilchen  von  C1H  so  gut  wie  allein. 
:h  beabsichtige  diese  Thatsache  experimentell  etwas  näher  zu  untersuphen, 
renn  ich  mir  die  nöthigen  Apparate  verschaffen  kann. 

„In  meinen  elektrolytischen  Mittheilungen  habe  ich  mir  die  Freiheit 
enommen,  die  Theorieen  von  Forschern  zu  erörtern  und  theilweise  zu  be- 
ämpfen,  deren  hohe  Verdienste  um  die  Wissenschaft  ich  nicht  weniger  als 
ie  eifrigsten  Anhänger  derselben  bewundere.  Ich  würde  mir  diese  Oppo- 
tion  nicht  erlaubt  und  meine  individuelle  Auffassung  der  ihrigen  unter- 
eordnet  haben,  wenn  nicht  nackte  Thatsachen  damit  in  Widerspruch  ge- 
ethen,  welche  nach  einem  sehr  einfachen  Verfahren,  in  möglichst  einfachen 
Apparaten,  durch  analytische  Bestimmungen  gewonnen  wurden,  die  häufig 
uf  ein  blosses  Abdampfen  und  Wägen  hinauslaufen.  Das  Bedenken,  dass 
ennoch  diese  Thatsachen  unrichtig  sein  können,  suche  ich  durch  die  Er- 
wägung zurückzudrängen,  dass  der  Fehler  alsdann  bald  und  leicht  von  dem 
inbefangen  Prüfenden  gefunden  werden  wird,  und  nur  mir,  nicht  der  Wissen- 
chaft,  Nachtheil  bringen  kann.  Anders  verhält  es  sich  mit  den  Theorieen 
hrer  Autoritäten.  So  segensreich  sie  wirken,  wenn  sie  begründet,  so  ver- 
lerblich  hemmen  sie  den  Fortschritt  oft  Jahrhunderte  lang,  wenn  sie  un- 
ichtig  waren." 

16.  Ausländische  Urtheile.  Es  braucht  kaum  gesagt  zu  werden, 
lass  es  nicht  nur  die  deutschen  Forscher  waren,  welche  die  Schwierigkeiten 
m  Verständniss  der  Überführungserscheinungen  empfanden;  auch  in  den 
nglischen  und  französischen  Veröffentlichungen  der  Zeit  findet  man  genug 


878 


Sechzehntes  Kapitel. 


3       2        1 

Nach  Napier. 


Zeichen  davon.  Als  Beispiel  mag  eine  Abhandlung  von  Napier1  c 
welcher  im  Anschluss  an  einige  Versuche,  durch  welche  er  Abweict 
von  dem  FARADAY'schen  Gesetz  nachzuweisen  glaubte,  eine  Theor 
elektrolytischen  Zersetzung  darlegte,  welche  von  der  (gleichfalls  ir 
liehen)  alleinigen  Wanderung  der  Säure  nach  dem  positiven  Pol  Reche 
geben  sollte: 

„Die  doppelte  Reihe  (Fig.  229)  stellt  eine  Linie  von  zusammenge 
Atomen  dar,   welche  einen  Elektrolyten  bilden;    darin  ist  a  die  Säui 

das  negative  Element,  und  b  di< 
oder  das  positive  Element,  und  cc 
die  Drähte  oder  festen  Leiter  dar, 
die  Elektricität  zu  der  Zersetzui 
führen;  die  letzten  Theile,  die  \ 
Berührung  mit  dem  Elektrolyt  Ix 
können  als  Elektroden  angesehen  \ 
Die  Theilchen  a  b  werden  durch  ih 
wandtschaft  an  einander  gehalten. 
„Nun  soll  angenommen  werden,  dass  ein  Äquivalent  Elektrici 
positive  Ende  der  Batterie  verlässt  und  sich  längs  der  festen  The 
Leiters  bewegt;  so  wird  der  Theil,  auf  welchem  die  Elektricität  stehen 
um  diese  Zeit  sich  in  einem  höheren  Zustande  der  Erregung  befind 
die  anderen  Theile.  Kommt  der  elektrische  Strom  zu  dem  letztei 
der  festen  Kette,  welche  mit  dem  Elektrolyten  in  Berührung  ist,  : 
ursacht  seine  erhöhte  Erregung,  dass  es  den  nächsten  sauren  Theil 
zieht  und  bindet;  sind  diese  verbunden,  so  geht  die  Elektricität  a 
ersten  basischen  Theil  bx  über  und  giebt  ihm  eine  erhöhte  Erregung, 
ihn  veranlasst,  sich  mit  dem  sauren  Theil  a%  zu  verbinden;  die  elel 
Kraft  geht  auf  b2  über,  welches  seinerseits  erregt  wird,  und  a3  nimn 
so  durch  die  Kette  bis  zu  dem  letzten  Theil  b3,  welcher  keine  weiten 
hat,  um  sich  zu  verbinden,  und  deshalb  seine  Elektricität  an  den 
Leiter  abgiebt,  welche  dann  nach  der  Batterie  weiter  geht.  ...  Ai 
Weise  sehen  wir,  dass  jede  äquivalente  Zersetzung  ein  Äquivalent  Si 
die  positive  Elektrode  bringt.  Dies  ist  genau  das,  was  wirklich  der 
rung  gemäss  stattfindet.2  Dass  diese  Zersetzungen  und  Wiederverbin 
zwischen  den  Theilchen  eines  Salzes  auch  eine  Strömung  des  Sal 
Sinne  des  Stromes  und  elektrische  Endosmose  hervorbringen  können 
sehr  leicht  eingesehen  werden." 

Als  ein  weiteres  Zeugniss  für  die  in  der  Geschichte  der  Phyi 
unerhörte  Einstimmigkeit,  mit  welcher  die  Ergebnisse  der  Beobacl 
Hittorf's  verworfen  wurden,  seien  einige  Sätze  aus  dem  1856  erschi 
zweiten  Bande  von  de  la  Rive's  Traite  de  l'&ectricite'  (S.  323)  angefüh 
Erklärung  für  die   ungleiche  Concentrationsänderung  an  den  Elektro< 


1  Philos.  Mag.  29,  92.   1846. 


*  Dies  ist  ein  Irrthum. 


.*■ 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  870 


ir  Elektrolyse  des  Kupfersulfats  hatte  d'Almeida  die  ganz  verfehlte  Dar- 
ellung  gegeben,  dass  es  sich  um  eine  gleichzeitige  Zersetzung  des  Salzes 
ad  beigemischter  Säure  handle;  der  Wasserstoff  der  letzteren  sollte  dann 
ttnndär  Kupfer  reduciren.  Diese  Ansicht  wird  mit  Beifall  vorgetragen,  und 
.1  Anschluss  hieran  fährt  de  la  Rive  fort:  „Bei  den  Versuchen  Hittorf's 
nd  die  beobachteten  Erscheinungen  gemischter  Natur.  Ein  Theil  des  redu- 
rten  Metalles  rührt  von  der  unmittelbaren  Zersetzung  des  Salzes  her,  ein 
iderer  von  der  Reduction  durch  den  Wasserstoff,  welcher  von  der  Zer- 
rtzung  des  sauren  Wassers  stammt,  das  in  den  metallischen  Lösungen, 
e  so  schwer  neutral  zu  haben  sind,  enthalten  ist.  Was  die  Richtigkeit 
eser  Erklärung  beweist,  ist,  dass  je  verdünnter  die  Lösung  ist,  desto  be- 
hütender der  Antheil  des  unmittelbar  reducirten  Metalles  ist,  weil  man  die 
raft  des  angesäuerten  Wassers  vermindert."  Dass  man  gleichzeitig  die 
Craft"  des  gelösten  Salzes  in  demselben  Verhältniss  vermindert,  scheint 
cht  bemerkt  worden  zu  sein.  Weiter  wird  die  Vermuthung  ausgesprochen, 
iss  an  der  Anode  sich  die  dort  angekommene  Säure  nicht  vollständig  mit 
:m  Metall  der  Anode  verbindet  (was  für  die  Überführung  vollkommen 
eichgültig  ist),  und  da  im  Falle  des  Silberacetats  sich  die  Angaben  von 
[ttorf  mit  den  Voraussetzungen  des  Berichterstatters  im  Widerspruch  be- 
iden, so  werden  hier  kurzweg  Ungenauigkeiten  der  Beobachtungen  an- 
kommen. Aus  der  ganzen  Stelle  geht  hervor,  dass  auch  de  la  Rive  in 
ls  Verständniss  der  Erscheinung  nicht  tiefer  als  ungefähr  Magnus  einge- 
ungen  war. 

Diese  auffallende  Erscheinung  giebt  Anlass  zum  Nachdenken.  Gegen- 
irtig  kommen  uns  die  Ansichten  Hittorf's  so  einfach  und  klar  vor,  dass 
ir  nicht  begreifen  mögen,  wie  man  ihnen  gegenüber  überhaupt  im  Zweifel 
in  kann,  ob  sie  brauchbar  sind  oder  nicht.  Kann  man  es  sich  denken, 
iss  zu  jener  Zeit  sämmtliche  Geister  so  mit  Blindheit  geschlagen  waren, 
iss  sie  diese  einfachen  Dinge  nicht  sehen  konnten?  Wenn  eine  andere 
ischauliche  Hypothese  vorgelegen  hätte,  durch  welche  die  Blicke  in  eine 
^stimmte  Richtung  gelenkt  gewesen  wären,  so  könnte  man  sich  eine  solche 
Wirkung  allenfalls  vorstellen,  und  man  hätte  aus  der  Geschichte  der  Wissen- 
:haft  eine  hübsche  Anzahl  von  Beispielen  für  ein  solches  Verhalten.  Hier 
>er  war  das  nicht  der  Fall;  jeder  von  den  Gegnern  Hittorf's  hatte  seine 
gene  Hypothese  über  den  Vorgang  der  Elektrolyse,  und  einig  waren  sie 
ur  in  dem  Punkte,  dass  jedenfalls  Hittorf  nicht  Recht  hätte.  Dieser  Unl- 
and drängt  zu  der  anderen  möglichen  Auffassung  hin,  dass  es  in  der  That 
er  Einfluss  einiger  im  Besitz  der  damaligen  öffentlichen  Meinung  befind- 
:hen  Physiker  war,  die  sich  Magnus,  dem  ausgesprochensten  Gegner  Hit- 
drf's,  anschlössen,  und  durch  das  Gewicht  ihrer  Meinung  den  Credit  jener 
xbeiten  in  solchem  Maasse  verminderten,  dass  auch  die  nicht  unmittelbar 
etheiligten  sich  einer  genaueren  Prüfung  dieser  mit  solcher  Energie  abge- 
hnten  Arbeiten  überhoben  glaubten.  Wie  dem  auch  sei;  die  Wirkung  ist 
*ine  dauernde  gewesen.    Zwar  spät,  aber  dann  um  so  nachdrücklicher  hat 


A 


17.  Chemische  Schwierigkeiten.  Die  Thatsachen  der  El 
und  der  dabei  stattfindenden  Leitungsvorgänge  hatten  schon  sehr 
Notwendigkeit  ergeben,  die  üblichen  chemischen  Ansichten  über 
sammengesetzten  Stoffe,  nach  welchen  diese  die  Atome  in  einen 
'  Verbände  enthalten  sollten,  erheblich  abzuändern.  Der  erste  Ve 
dieser  Richtung  war  der  von  Grotthüss  gewesen,  und  wie  nothwc 
darin  ausgesprochene  Erweiterung  der  chemischen  Vorstellungen  w 
daraus  hervor,  dass  sie  sich  in  fast  unbestrittener  Herrschaft  di 
ein  halbes  Jahrhundert  gehalten  hat  und  noch  heute,  wo  sie  du 
bessere  und  den  Thatsachen  strenger  sich  anschliessende  ersetzt  is 
Anhänger  zählt. 

Während  diese  Hypothese  einen  vorläufig  befriedigenden  A 
über  das  grösste  Räthsel  der  Elektrolyse  giebt,  das  getrennte  * 
der  Bestandtheile  des  Elektrolyts  an  den  Elektroden,  wie  weit  : 
von  einander  entfernt  seien,  so  lässt  eine  eindringendere  Überlegt! 
nicht  unbedeutende  Schwierigkeiten  bezüglich  der  Bedingungen  c 
welche  die  Erscheinung  ermöglichen  sollen.  Die  von  Grotthüss  S€ 
wickelte  Ansicht,  dass  zwar  die  elektrostatische  Anziehung  von  d 
ab  geringer  wird,  dass  aber  die  Abnahme  der  einen  Anziehung 
einen  Pole  durch  die  Zunahme  der  anderen  von  dem  anderen  Pol 
zu  einem  constanten  Summenwerthe  ergänzt  wird  (S.  3 1 3),  ist  ganz  u 
da  sie  mathematisch  fehlerhaft  ist.  Indessen  lässt  sich  hier  Aushülfe 
Von  Kirchhoff  ist  gezeigt  worden,  dass  die  Thatsachen  der  ele 
Leitung  zu  der  Voraussetzung  freier  Elektricität  von  regelmässig  1 
licher  Spannung,  d.  h.  eines  stetig  veränderlichen  elektrischen  Potc 


Die  Leitung  der  Elektricitiit  in  den  Elektrolyten.  38 1 


Hiernach  gehen  die  Kräfte,  welche  allerdings,  wie  Grotthuss  angenommen 
atte,  elektrostatischer  Natur  sind,  nicht  von  den  Polen  aus,  sondern  von 
er  Oberfläche  des  Leiters,  und  so  lassen  sich  alle  Eigenschaften  der  Leitung 
erstellen,  welche  bei  den  Leitern  beider  Klassen  durchaus  gleich  sind.  Die 
Tatsächlich  vorhandenen  Verschiedenheiten  machen  sich  nicht  früher  geltend, 
b  bis  Elektroden  in  den  Leitern  zweiter  Klasse  vorhanden  sind,  und 
[ihren  daher  nicht  von  der  Leitung  als  solcher  her,  sondern  von  den  Vor- 
ängen,  welche  den  Übertritt  des  elektrischen  Stromes  aus  den  Elektrolyten 
i  andere  Leiter  begleiten. 

Eine  andere  Schwierigkeit  blieb  aber  für  die  GRorrHuss'sche  Theorie 
estehen,  welche  allerdings  von  keinem  ihrer  Anhänger  oder  Gegner  betont 
orden  ist  Sie  liegt  in  der  Frage  nach  den  Vorgängen  an  der  Grenz- 
äche  zweier  Elektrolyte.  So  lange  alle  binären  Complexe,  durch  deren 
echselseitige  Umsetzung  der  Strom  geleitet  werden  soll,  von  gleicher  Natur 
nd,  kann  man  allenfalls  gelten  lassen,  dass  der  Austausch  entsprechender 
heilstücke  zwischen  den  Nachbarn  in  Summa  keine  Arbeit  weder  erfordert 
der  liefert,1  wie  aber,  wenn  verschiedene  Elektrolyte  an  einander  grenzen? 
s  gehe  z.  B.  der  Strom  aus  einer  Lösung  von  Chlorkalium  in  eine  von 
Kaliumjodid  über.  So  lange  ein  Kaliumatom  innerhalb  der  ersten  Lösung 
randert,  findet  es  immer  wieder  ein  Chloratom  vor,  nachdem  es  sich  eben 
on  einem  solchen  getrennt  hat,  und  die  Trennung  erfordert  keine  grössere 
Arbeit,  .als  durch  die  folgende  Verbindung  gewonnen  werden  kann.  An  der 
rrenze  aber  muss  das  Kalium  sein  Chloratom  aufgeben,  um  sich  mit  einem 
odatom  zu  vereinigen,  während  es  doch  zu  dem  letzteren  eine  weit  ge- 
ingere  „Verwandtschaft"  hat,  als  zum  ersteren.  Trotzdem  nimmt  man  nicht 
lie  geringste  Schwierigkeit  bei  diesem  Übergange  wahr,  und  die  elektrische 
-eitfähigkeit  ist  dieselbe,  als  wenn  zwei  ganz  indifferente  Leiter  an  einander 
grenzten.     An  Stelle  dieses  einen  Beispieles  Hessen  sich  hunderte  anfuhren; 

1  Bei  strengerer  Analyse  fuhrt  indessen  auch  die  Grundansicht  von  Grotthuss  zu  einem 
inigermaassen  unerwarteten  Ergebniss.  Die  von  ihm  angenommene  Möglichkeit,  dass  ei n# Atom, 
achdem  es  eben  aus  seiner  Verbindung  mit  einem  anderen  frei  geworden  ist,  fähig  sein  soll, 
inen  benachbarten  Complex  zu  zersetzen,  um  unter  Entziehung  des  anderen  Bestandteiles  ein 
im  genau  gleiches  Atom  frei  zu  machen,  bedingt  die  Annahme,  dass  eine  ruhende  Kraft  (um 
i  der  Sprache  jener  Anschauungen  zu  bleiben)  durch  eine  genau  gleich  grosse  einwirkende 
Itslü  aufgehoben  werden  könne.  Eine  mechanische  Analogie  für  solche  Vorgänge  ist  nicht 
orhanden,  vielmehr  bedingt  die  Wechselwirkung  zweier  gleicher  und  entgegengesetzter  Kräfte 
ichts  anderes  als  Ruhe.  Damit  also  die  von  Grotthuss  zur  Erklärung  der  Elektrolyse  an- 
enommene  reihenweise  Umsetzung  eintreten  soll,  muss  die  weitere  Annahme  gemacht  werden, 
ass  die  zwischen  den  Atomen  vorhandenen  und  sie  verbindenden  Kräfte  unendlich  klein  seien 
n  Vcrhältniss  zu  den  treibenden  elektrostatischen  Kräften,  welche  die  Leitung  und  den  nach 
rROTTHüSS  erforderlichen  wechselseitigen  Austausch  verursachen.  Da  nun  aber  diese  elektro- 
aüschen  Kräfte  ihrerseits  beliebig  klein  gemacht  werden  können,  ohne  dass  die  Leitung  auf- 
Ort,  so  bleibt  schliesslich  nur  die  Annahme  übrig,  dass  diese  Kräfte  eben  gleich  Null  sind, 
.  h.  dass  die  Atome  des  elektrolytischen  Complexes  gar  nicht  verbunden  sein  können,  sondern 
ei  sein  müssen.  Dies  ist  genau  der  Standpunkt,  auf  welchen  die  letzte  Entwickelung  der 
rage  auch  wirklich  geführt  hat. 

Ostwald,  Elektrochemie.  56 


gg2  Sechzehntes  Kapitel. 


immer  zeigt  es  sich  (vgl.  insbesondere  die  Versuche  von  H.  Davy,  S.  197; 
bei  der  Leitung  durch  aneinandergrenzende  Elektrolyte  trotz  der  grösstei 
Verschiedenheiten  der  chemischen  Verwandtschaft,  welche  man  zwischen  da 
verschiedenen  Bestandteilen  voraussetzt,  dass  diese  Verschiedenheiten  durch- 
aus keinen  Einfluss  auf  die  Leitung  haben,  und  sie  in  keinem  Falte  weder 
schwächen,  wenn  sie  überwunden,  noch  stärken,  wenn  sie  befriedigt  wendoi 
Im  Sinne  der  Theorie  von  Grotthuss  bleibt  nur  übrig,  zu  schliessen,  das 
die  Verschiedenheit  der  Affinitätskräfte  zwischen  den  Bestandteilen  der  Elek- 
trolyte für  den  gegenseitigen  Austausch  überhaupt  nicht  in  Betracht  kommen, 
d.  h.  nicht  vorhanden  sind.  Es  bleibt  mit  anderen  Worten  nur  die  Annahme 
übrig,  dass  zwischen  den  Bestandteilen  gar  keine  Kräfte  wirken,  und  dass 
diese  daher  sich  unabhängig  von  einander  bewegen  können,  also  thatsächlick 
frei  sind. 

Einen  solchen  Schluss  hätte  schon  Davy  im  Jahre  1805  ziehen  können 
Dass  er  weder  von  ihm,  noch  von  einem  seiner  Nachfolger  gezogen  worden 
ist,  trotzdem  die  Thatsachen  offenkundig  dalagen,  wird  wohl  unzweifelhaft 
auf  den  strikten  Widerspruch  zurückzuführen  sein,  in  welchem  dieser  Schluss 
mit  allem  stand,  was  damals  über  die  chemische  Verwandtschaft  und  den 
Zustand  der  Stoffe  in  Lösung  als  gültig  und  keinem  Einwände  unterworfen 
angenommen  wurde.  Die  galvanischen  Erscheinungen  hatten  so  viel  Uner- 
wartetes und  mit  den  gewohnten  Ansichten  im  Widerspruche  Stehendes  ge- 
bracht, dass  es  unwissenschaftlich  erscheinen  musste,  die  „wohlbewährten" 
älteren  Ansichten  auf  Grund  von  Widersprüchen  zu  opfern,  die  auf  einem 
eben  erst  entdeckten  und  mit  dem  Vorhandenen  allseitig  kaum  zu  vereinigen- 
den Gebiete  entstanden  waren.  Es  lag  mit  anderen  Worten  weit  näher, 
die  Ursache  des  Widerspruches  in  der  Beschaffenheit  der  elektrischen  Er- 
scheinungen, als  in  der  der  chemischen  Ansichten  zu  sehen,  und  erst,  als 
eine  viel  weiter  gehende  Vertrautheit  mit  jenen  erreicht  war,  entstand  dring- 
lich das  Bedürfniss,  den  noch  immer  nicht  hergestellten  Einklang  zu  finden, 
und  trat  die  Möglichkeit  in  den  Gesichtskreis,  dass  die  Ursache  des  Wider- 
spruches nicht  bei  der  Elektrik,  sondern  bei  der  Chemie  zu  suchen  sein 
könnte. 

18.  Grovb's  Schwierigkeit.     Zu  den  Forschern,  welche  am  frühesten 
die  Unzulänglichkeit  der  GROTTHuss'schen  Theorie  bemerkt  haben,   gehört 
W.  R.  Grove,  der  Entdecker  der  Gasbatterie.    Es  waren  gerade  die  Erschei- 
nungen an  diesem  Apparat,   welche  ihn  auf  einen  schwachen  Punkt  dieser 
Anschauung  aufmerksam  werden  Hessen.1     „Letztlich  ist  es  mir  schlagend 
entgegengetreten,  dass  die  Gasbatterie  einen  erheblichen  Einwand  gegen  die 
Theorie  von  Grotthuss  liefert,   oder   dass   sie  mit  anderen  Worten  uns  in 
ein  Dilemma  bringt,  demzufolge  wir  entweder  diese  Theorie  aufgeben  müssen, 
oder  die  allgemein  angenommenen  Ansichten  (ich  glaube  sagen  zu  dürfen, 
die   festgestellten   Gesetze)   der   chemischen   Verwandtschaft.     Folgendes   ist 


1  Philos.  Mag.  27,  348.   1845. 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  ggj 

neine  Schwierigkeit.  In  einem  einfachen  Paar  der  Gasbatterie  müssen  wir 
ier  GROTTHUss'schen  Theorie  gemäss  annehmen,  dass  freier  Sauerstoff  und 
Wasserstoff  verbundenen  Wasserstoff  und  Sauerstoff  auseinander  reissen,  denn 
ib  wir  annehmen,  dass  die  Wirkung  an  der  Wasserstoffseite  des  Elektrolyts, 
xter  an  der  Sauerstofiseite,  oder  an  beiden  gleichzeitig  stattfindet:  die  Kraft, 
welche  die  Bildung  des  Wassers  hervorbringt,  wird  als  hinreichend  stark 
ingesehen,  um  die  Kraft  zu  überwinden,  mit  der  seine  Bestandteile  bereits 
verbunden  sind,  d.  h.  die  Kraft  ist  gleich  und  ungleich  zu  derselben  Zeit. 

„Auch  bietet  die  Gasbatterie  einen  Fall,  bei  welchem  eine  schwächere 
Verwandtschaft  eine  stärkere  überwindet,  z.  B.  wenn  Wasser  der  Elektrolyt 
ist  und  Stickstoffhyperoxyd  und  Sauerstoff  die  Gase  sind:  thatsächlich  haben 
wir  einige  Fälle  in  der  Chemie,  bei  denen  die  Ordnung  der  Verwandtschaft 
umkehrbar  ist,   wie   bei  der  Zersetzung  des  Wassers  durch  Eisen  und  die 
von  Eisenoxyd  durch  Wasserstoff,   vorausgesetzt,    dass  es  in  beiden  Fällen 
dasselbe  Eisenoxyd  ist,   was   vielfach   angezweifelt   wird.     Wir  haben  aber, 
soviel  mir  bekannt,  keinen  Fall,  wo  die  ruhenden  und  die  zersetzenden  Ver- 
wandtschaften identisch  sind,  wie  dass  beispielsweise  die  Verwandtschaft  von 
Sauerstoff  und  Wasserstoff  Wasser,    und    dass  die  von  Sauerstoff  zu  Eisen 
Eisenoxyd  zersetzt    Wenn  Wasser  durch  eine  Reihe  von  Gasketten  an  den 
Elektroden  zersetzt  wird,  tritt  diese  Schwierigkeit  nicht  auf,  denn  abgesehen 
von  allen  Theorieen  über  eine  Übertragung  in  den  Ketten  der  Batterie,  liegt 
nichts  unzulässiges  in  der  Thatsache,  dass  die  vervielfältigte  Kraft  einer  Reihe 
von  Affinitäten  eine  einer  einzelnen  gleiche  oder  stärkere  Affinität  überwin- 
den sollten,  gerade  wie  wir  Kali  durch  eine  Reihe  von  Affinitäten  zwischen 
Zink  und  Sauerstoff  zerlegen   können.     In   der  einfachen  Zelle  findet  aber 
eine  solche  Steigerung  der  Intensität  nicht  statt. 

„Es  könnte  gesagt  werden,  dass  das  feinzertheilte  Platin  die  chemischen 
Energieen  der  Gase  steigert,  doch  ist  dies,  wie  ich  glaube,  unvereinbar  mit 
allem,  was  wir  über  die  katalytische  Wirkung  des  Platins  wissen.  Alle  beob- 
achteten Thatsachen  sprechen  dafür,  dass  Platin  die  Gase  in  Zustände  bringt, 
welche  ihrem  nascirenden  Zustande  entsprechen,  d.  h.  dem,  in  welchem  ihre 
chemischen  Energieen  die  höchsten  sind;  es  ändert  aber  ihre  specifischen 
Energieen  nicht  ab;  so  befähigt  Platin  den  gasförmigen  Sauerstoff,  sich  mit 
gasförmigem  Wasserstoff  zu  verbinden,  aber  es  giebt  nicht  dem  Sauerstoff 
die  Affinitäten  des  Chlors  und  dem  Wasserstoff  die  des  Kaliums.  Selbst  die 
Annahme  einer  solchen  Hypothese  hilft  uns  nicht,  denn  welche  besonderen 
Kräfte  das  Platin  auch  bezüglich  der  Gase  besitzen  mag,  es  muss  die  gleichen 
auch  bezüglich  des  Elektrolyts  besitzen:  man  kann  ihm  schwerlich  die  Eigen- 
schaft zuschreiben,  die  Verbindung  zu  befördern,  und  dennoch  bei  derselben 
Molekel  nicht  die  Trennung  zu  verhindern.  Es  findet  also  in  allen  Fällen 
Gleichheit  statt 

„Auch  kann  nicht  angenommen  werden,  dass  die  Wirkung  der  Flüssig- 
keit in  dem  Falle  der  Gasbatterie  verschieden  ist  von  den  anderen  Fällen 
der  Elektrolyse;  aber  der  Strom  der  Gasbatterie  wirkt  auch  auf  den  Magnet, 

56* 


gg4  Sechzehntes  Kapitel. 

und  es  würde  gegen  alle  Analogie  sein,  hier  eine  Ausnahme  in  Bezug  auf 
seine  Wirkung  in  einem  Theile  des  Kreises  anzunehmen.  Eine  Hypothese 
könnte  gebildet  werden,  nach  welcher  auf  lösliche  Superoxyde  des  Wasser- 
stoffs und  Superhydride  des  Sauerstoffs  Bezug  genommen  wird;  dann  müsste 
aber  eine  gleiche  Hypothese  auf  alle  Fälle  der  Elektrolyse  ausgedehnt  werden, 
und  diese  Ansicht  bietet  manche  Schwierigkeit.  Vielleicht  kann  einer  der 
Leser  das  Problem  lösen ;  denn  wie  geistreich  und  nützlich  auch  die  Grott- 
Huss'sche  Theorie  ist  —  wenn  sie  nicht  mit  den  Thatsachen  stimmt,  so  ist 
sie  nur  eine  Theorie,  während  die  Gasbatterie  eine  Thatsache  ist;  und  in 
dem  Falle  der  Collision  beider  braucht  nicht  gesagt  zu  werden,  welche  von 
ihnen  an  die  Wand  gedrückt  werden  muss." 

19.  Williamson's  Ansichten.  Während  Grove  seine  Bemerkungen 
darauf  beschränkt  hatte,  einen  Widerspruch  aufzudecken,  in  welchem  sich 
die  Thatsachen  mit  den  üblichen  chemischen  Ansichten  befanden,  machte 
Willi amson  im  Jahre  185 1  den  ersten  Versuch,  eine  Reform  dieser  letzteren 
anzubahnen.  Obwohl  der  Ausgangspunkt  hierbei  keineswegs  im  Gebiete  der 
Elektrochemie  lag,  ist  es  doch  von  Wichtigkeit,  diese  Ansichten  genauer 
kennen  zu  lernen,  denn  seine  Frucht  hat  der  Gedanke  Williamson's  schliess- 
lich doch  viel  mehr  auf  diesem  Felde  gebracht,  als  auf  dem,  für  welchen 
er  ursprünglich  bestimmt  war. 

Das  chemische  Problem,  welches  von  Willi  amson  in  seiner  Arbeit  be- 
handelt wurde,  war  das  der  Ätherbildung.     Wir  können  uns  hier  nicht  in 
die    chemischen  Erörterungen   vertiefen,   welche   damals   mit   dem  wohlbe- 
kannten chemischen  Vorgange  verbunden  waren,  dass  durch  die  Einwirkung 
der  Schwefelsäure  auf  Alkohol  Äther  erhalten  wurde.     Es  genügt,  zu  be- 
merken,  dass  die  Fragen  wesentlich  auf  den  Punkt  hinausliefen,  ob  im  Äther 
ein  Alkoholrest,  oder  deren  zwei  vorhanden  sind.    Während  die  ältere  Theorie 
den  Äther  einfach  als  ein  Anhydrid  des  Alkohols  aufgefasst  hatte,  und  ihm 
daher  ebensoviel  Kohlenstoffatome  zuschrieb,  als  im  letzteren  enthalten  sind, 
war  andererseits  geltend  gemacht  worden,   dass  bei  der  Annahme  von  zwei 
Alkoholradikalen    im  Äther   die  Dampfvolume  der  beiden   übereinstimmten. 
Heute  würde  das  letzte  Argument  als  unbedingt  durchschlagend  sofort  an- 
erkannt werden;  es  darf  aber  nicht  vergessen  werden,  dass  die  heutige  Mole- 
kulartheorie, auf  welche  hin  man  diese  Entscheidung  fällen  würde,  eben  erst 
im  Entstehen    war    und    gerade    durch    die   Erörterung   des   Ätherproblems 
einen  wichtigen  Theil  ihrer  Entwickelung  und  Befestigung  erfuhr.     Es  war 
also  höthig,  auf  einem  unabhängigen  Wege  den  Nachweis  zweier  Alkohol- 
radikale im  Äther  zu  führen,  und  dies  gelang  Williamson  auf  einem  Wege, 
der  seitdem  für  solche  Zwecke  klassisch  geworden  ist:  er  stellte  einen  Äther 
mit  zwei  verschiedenen  Alkoholradikalen  her.     Ein  solcher  ist  nur  unter 
der  Voraussetzung  möglich,  dass  in  der  That  zwei  Alkoholradikale  im  Äther 
vorhanden  sind,  und  der  Nachweis  seiner  Existenz  ist  somit  gleichbedeutend 
mit  dem  Nachweis  der  doppelten  Ätherformel. 

Bei  Gelegenheit  der  Versuche  zur  Darstellung  dieser  gemischten  Äther 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  385 


r  es  nun  nöthig  gewesen,  auf  den  chemischen  Vorgang  bei  der  Äther- 
iung  etwas  näher  einzugehen,  und  da  ergab  sich  bald  die  Nothwendig- 
t,  unter  gleichen  äusseren  Umständen  die  Möglichkeit  einer  gleichzeitigen 
düng  und  Zersetzung  eines  und  desselben  Stoffes  (hier  der  Ätherschwefel- 
ire)  anzunehmen.  Dies  führte  Williamson  weiter  zu  der  allgemeinen  An- 
bt,  dass  die  chemischen  Verbindungen  keineswegs  den  starren  Bestand 
3en  können,  welchen  man  ihnen  für  gewöhnlich  zuschreibt,  sondern  dass 
ischen  ihren  Bestandteilen  ein  unaufhörlicher  Austausch  angenommen 
rden  muss,  welcher  unaufhörlich  die  Atome  der  verschiedenen  Molekeln 
ft.  In  der  Folge  hat  sich  gezeigt,  dass  eine  solche  Annahme  vielzu  weit 
tit;  insbesondere  in  der  organischen  Chemie  ist  sie  am  wenigsten  zulässig. 
i  Beispiel  für  viele:  fände  ein  solcher  fortwährender  Austausch  statt,  so 
isste  ein  Gemenge  von  Methylacetat  und  Äthylformiat  sich  alsbald  theil- 
ise  in  ein  solches  von  Äthylacetat  und  Methylformiat  umsetzen,  und  in 
inem  Verhalten  identisch  sein,  mit  einem  Gemenge  aus  den  letzteren  Stoffen. 
es  ist  nicht  der  Fall,  vielmehr  lassen  sich  aus  dem  ersten  Gemenge  seine 
sonderen  Bestandtheile  ebenso  durch  fractionirte  Destillation  abscheiden, 
e  aus  dem  letzteren,  und  nur  bei  sehr  langer  Einwirkung  lässt  sich  der 
nfang  der  Umsetzung  nachweisen.  Bei  in  Wasser  gelösten  Salzen  ist  dies 
erdings  ganz  anders;  aus  einem  Gemenge  von  Kaliumsulfat  und  Natrium- 
trat erhält  man  unter  allen  Umständen  genau  die  gleichen  Produkte,  wie 
is  einem  Gemenge  von  Natriumsulfat  und  Kaliumnitrat  (äquivalente  Mengen 
tr  Stoffe  jedesmal  vorausgesetzt),  und  in  allen  ihren  Eigenschaften  zeigen 
:h  die  aus  den  verschiedenen  Ausgangsstoffen  gemischten  Lösungen  voll- 
>mmen  identisch. 

In  den  Darlegungen  von  Williamson  ist  also  sehr  viel  richtiges  enthalten, 
it  findet  es  gerade  auf  die  von  ihm  gewählten  Gebiete  keine  Anwendung, 
h  lasse  die  wesentlichsten  Stellen  folgen:1 

„Häufig  finden  in  der  Wissenschaft  Neuerungen  nur  dadurch  Boden, 
iss  sie  Vorstellungen  vernichten,  welche  ihnen  vorangingen  und  mehr  oder 
eniger  zu  ihrer  Aufstellung  dienten;  wenn  indessen  der  Gesichtspunkt,  den 
h  hier  gegeben  habe,  als  ein  Schritt  weiter  in  das  Verständniss  des  Gegen- 
andes  betrachtet  wird,  so  ertrage  ich  gern  den  Vorwurf  der  Neuerung; 
rnn  mein  Resultat  besteht  darin,  den  Zusammenhang  und  die  Verträglich- 
st von  Ansichten  zu  zeigen,  die  bisher  als  entgegengesetzt  betrachtet  wurden, 
uf  diese  Weise  ist  durch  meine  Versuche  die  bestmögliche  Rechtfertigung 
;r  berühmten  Forscher  gegeben,  die  die  eine  oder  die  andere  der  beiden 
:h  streitenden  Theorieen  verfochten  haben;  es  werden  ihre  Schlüsse  mit 
men  ihrer  gleich  ausgezeichneten  Gegner  in  Übereinstimmung  gebracht. 

„Bevor  ich  den  Gegenstand  der  Ätherbildung  verlasse,  möchte  ich  einige 
rorte  über  eine  Anwendung  hinzufugen,  die  sioh  ungezwungen  von  selbst 
is  der  Thatsache  ergiebt,  auf  der  der  Process  beruht.    Ich  meine  die  Über- 


1  Liebig's  Anoden  77,  45.  1851. 


g36  Sechzehntes  Kapitel. 


tragung  von  homologen  Molekülen  in  abwechselnd  entgegengesetzter  Rich- 
tung, was,  wie  ich  zu  zeigen  mich  bemüht  habe,  die  Ursache  der  fortwähren- 
den  Wirkung   der  Schwefelsäure    in  jenem    merkwürdigen   Process  ist    Es 
liegt  nahe,  zu  fragen,  woher  es  kommt,  dass  der  Wasserstoff  und  der  Kohlen- 
wasserstoff fortwährend  ihre  Plätze  wechseln?  —  Grössere  Affinität  des  einen 
Moleküls  als  des   anderen,   oder  ähnliche  Verhältnisse  können   die  Ursache 
nicht  sein;   denn   momentan  sieht  man  bei  einem  neuen  Molekül  die  Über- 
tragung sich  wiederholen,   die  in  dem  vorhergehenden  Augenblick  bewirkt 
worden   ist.     Bei  Betrachtung   dieser   merkwürdigen  Thatsache    leuchtet  es 
sofort  ein,  dass  die  Leichtigkeit  eines  Austausches  um  so  grösser  sein  muss, 
je    näher   die  auszutauschenden  Moleküle  einander   stehen;    so    dass,  wenn 
Wasserstoff  und  Amyl  in  einer  Verbindung  einander  vertreten  können,  Was- 
serstoff und    Äthyl,   als   einander   in   Eigenschaften    und   Zusammensetzung 
näher  stehend,  sich  leichter  in  derselben  Verbindung  ersetzen  können,  und 
die  Leichtigkeit  des  Austausches  zwischen  dem  noch  viel  ähnlicheren  Wasser- 
stoff und  Methyl  noch  viel  grösser  sein  muss.     Wenn  dies  aber  wahr  ist, 
muss    dann    nicht   auch   der  Austausch  eines  Moleküles  durch  ein  anderes 
von  identischen  Eigenschaften  der  leichteste  von  allen  sein?    Sicherlich  muss 
es  das  sein,  wenn  es  überhaupt  einen  Unterschied  giebt,  und  wenn  das  ist, 
so   verbietet  die  Analogie  unserer  Vorstellungen,   anzunehmen,    dass  diese 
Thatsache  eine  dem  Wasserstoff  besonders  eigene  unter  vielen  Verbindungen 
sei,  die  ihm  in  anderer  Beziehung  so  sehr  gleichen.     Wir  werden  auf  diese 
Weise  zu  der  Annahme   gefuhrt,   dass   in   einem  Aggregat  von  Molekülen 
jeder  Verbindung  ein  fortwährender  Austausch  zwischen  den  in  ihr  enthal- 
tenen Elementen  vor  sich  geht.    Angenommen  z.  B.,  ein  Gefäss  mit  Salzsäure 
würde  durch  eine  grosse  Zahl  von  Molekülen  von  der  Zusammensetzung  GH 
ausgefüllt,  so  würde  uns  die  Betrachtung,  zu  der  wir  gelangt  sind,  zu  der 
Annahme  führen,    dass  jedes  Atom  Wasserstoff  nicht  in  ruhiger  Gegenein- 
anderlagerung  neben  einem  Atom  Chlor  bleibe,  mit  dem  es  zuerst  verbunden 
war,  sondern  dass  ein  fortwährender  Wechsel  des  Platzes  mit  anderen  Was- 
serstoffatomen stattfindet.     Natürlich  ist  dieser  Wechsel  für  uns  nicht  direkt 
wahrnehmbar,    weil  ein  Atom  Chlorwasserstoff  wie  das  andere  ist;  aber  an- 
genommen,  wir  mischen  Salzsäure   mit   schwefelsaurem  Kupferoxyd  (unter 
deren  Atomen  ein  ähnlicher  Platzwechsel  stattfindet),  so  werden  die  basischen 
Elemente,  Wasserstoff  und  Kupfer,    ihren  Platzwechsel  nicht  auf  den  Kreis 
von  denjenigen  Atomen  beschränken,  mit  denen  sie  zuerst  verbunden  waren. 
Der  Wasserstoff  wird  sich   nicht  blos  von  einem  Atom  Chlor  zum  anderen 
bewegen,  sondern  auch  abwechselnd  ein  Atom  Kupfer  vertreten,  indem  sich 
Schwefelsäure  und  Kupferchlorid  bildet    Auf  diese  Weise  sind  zu  jeder  Zeit, 
wenn  wir  eine  Mischung  untersuchen,  die  Basen  unter  den  verschiedenen 
Säuren  getheilt,  und  in  gewissen  Fällen,  wo  die  Verschiedenheiten  der  Eigen- 
schaften der  entsprechenden  Moleküle  sehr  gross  sind,  findet  man,  dass  die 
stärkeren  Säuren    und   stärkeren  Basen   fast  gänzlich  zusammen  verbunden 
bleiben  und  die  schwächeren  Säuren  sie**       "   den  schwächeren  Basen  ver- 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  g%j 

Ligen.  Dies  ist  wohl  bekannt  für  eine  Mischung  von  Schwefelsäure  und 
jrem  Boraxsalz,  und  bildet  eine  wichtige  Bestätigung  unserer  Fundamental- 
inahme,  dass  je  grösser  die  Verschiedenheit  in  den  Eigenschaften,  um  so 
iwieriger  der  abwechselnde  Austausch  der  Moleküle  sei. 
•  „Angenommen  dagegen,  wir  mischten  die  Salzsäure  statt  mit  schwefel- 
urem  Kupferoxyd  mit  schwefelsaurem  Silberoxyd  in  wässeriger  Lösung 
d  es  träte  in  dem  ersten  Augenblick  eine  ähnliche  Theilung  der  Basen 
iter  die  Säuren  ein,  indem  sich  die  vier  Verbindungen:  S04Ha,  S04Aga, 
H  und  ClAg  bildeten,  so  ist  klar,  dass  die  letztere  Verbindung  wegen 
rer  Unlöslichkeit  in  Wasser  sich  -trennen  und  aus  dem  Kreis  der  Um- 
tzung,  der  durch  die  Löslichkeit  veranlasst  wurde,  austreten  muss.  Die 
ei  in  Lösung  bleibenden  Bestandteile  setzen  aber  natürlich  den  Austausch 
rer  Bestandteile  fort,  und  geben  Anlass  zur  Entstehung  neuer  Mengen 
Ag,  so  lange,  bis  alle  in  der  Flüssigkeit  enthaltenen  Bestandtheile  sich  zu 
eser  Verbindung  vereinigt  haben,  während  nur  ein  sehr  geringer  Theil 
jlöst  in  dem  Kreise  der  Umsetzung  bleibt 

„Um  meine  Ansicht  klarer  zu   machen,  will  ich  noch  ein  Beispiel  an- 

hren,  dessen  Beziehung  zur  Ätherbildung  interessant  ist     Es  ist  bekannt, 

iss  wenn  Kalihydrat  in  Alkohol  gelöst  wird,  so  ist  es  zum  Theil  nicht  als 

dches  in  der  Lösung  enthalten,  denn  durch  Kohlensäure  wird  nur  ein  Theil 

s  kohlensaures  Salz  niedergeschlagen,  während  das  übrige  ein  Doppelsalz 

lit   dem   Äther   bildet.     Es   ist   diese   Thatsache   eine   nothwendige   Folge 

leiner  Ansichten,  dass  in  einem  flüssigen  Gemenge  von  Salzen  ein  bestän- 

iger  Austausch  der  analogen  Bestandtheile  stattfindet,   denn    es  muss  sich 

H  C  H 

jf  diese  Weise  in  dem  Gemenge  der  Verbindungen  ^O  und     2t_t60   eine 

C  H 
swisse  Quantität  der  zwei  anderen,  HsO  und     8|r50  in  jedem  Augenblicke 

3rfinden,  die  sich  mit  der  hinzutretenden  Kohlensäure  verbindet 

„So  ist  der  allgemeine  Process  der  chemischen  Zersetzung.  Wie  es 
ch  von  selbst  versteht,  wird  eine  Verbindung  ebensowohl  dadurch  aus  dem 
reise  der  Zersetzung  gezogen,  dass  sie  unter  den  Bedingungen  des  Ver- 
iches  gasförmig  wird,  als  dass  sie  einen  in  dem  Auflösungsmittel  unlöslichen 
üssigen  Körper  bildet 

„Ich  glaube,  dass  diese  Erklärung  in  dem  zweiten  Theile  mit  derjenigen 
jereinstimmt,  welche  bereits  vor  vielen  Jahren  von  Berthollet  gegeben 
urde,  ohne  von  der  atomistischen  Hypothese  Gebrauch  zu  machen,  auf 
e  sich  die  meine  gründet.  Dieser  ausgezeichnete  Forscher  bezog  sich  blos 
lf  die  Theilung  der  Säuren  in  die  Basen,  eine  Thatsache,  die  ich  aus  der 
*wegung  der  Atome  abgeleitet  habe.  Es  ist  bekannt,  dass  die  allgemeine 
batsache,  auf  welche  Berthollet  seine  Ansicht  gründete,  von  vielen  jetzigen 
deutenden  Chemikern  geleugnet  wird;  ich  glaube  indessen,  dass  die  Fälle, 
e  dieselben  anfuhren,  blos  scheinbare  Ausnahmen  von  dem  Gesetze  sind, 
id  sich  bei   genauerer  Prüfung  als  neue  Bestätigungen  der  Wahrheit  der 


WD 


Sechzehntes  Kapitel. 


Auffassung  des  grossen  Savoyers  erweisen  werden  —  wie  ich  fiir  den  FaB 
der  Borsäure  und  Schwefelsaure  bereits  gezeigt  habe. 

„Die  Chemiker  haben  mit  der  Änderung  der  atomisüschen  Theorie  ■ 
den  letzten  Jahren  eine  unsichere  und,  wie  ich  glaube,  unbegründete  Hypo- 
these verknüpft,  nämlich  die,  dass  die  Atome  im  Zustande  der  Ruhe  seien. 
Ich  verwerfe  diese  Hypothese  und  gründe  meine  Ansichten  auf  die  breibare 
Basis  der  Bewegung  der  Atome." 

Die  Darlegungen  Willi amson 's  wurden,  wie  erwähnt,  nicht  mit  Rück- 
sicht auf  die  elektrochemischen  Erscheinungen  ausgearbeitet,  und  wurden 
auch  für  diesen  Zweck  zunächst  nicht  benutzt.  Diesen  Schritt  that  sechs 
Jahre  später  Robert  Claüsius. 

20.  Claüsius'  Theorie  der  elektrolytischen  Leitung.  Ziemlich 
gleichzeitig  mit  den  Versuchen  Hittorf's  über  die  Wanderung  der  Ionen 
erschien1  eine  Arbeit  von  Clausus, 
durch  welche  die  Frage,  wie  über- 
haupt die  Leitung  in  den  Elektro-  : 
lyten  zu  Stande  kommt,  ihrer  Lö- 
sung um  einen  wesentlichen  Schritt 
entgegengefahrt  wurde.  Auf  die 
Schwierigkeiten,  welche  der  erste 
Versuch  der  Beantwortung  dieser 
Frage  noch  übrig  gelassen  hatte, 
ist  bereits  hingedeutet  worden;  die 
weiteren  Schritte,  durch  welche 
diese  beseitigt  wurden,  geschahen 
in  langen  Zwischenräumen,  und 
nicht  ohne  den  Widerspruch  der 
in  ihren  gewohnten  Anschauungen 
gestörten  Chemiker. 

Der  wesentliche  neue  Gedanke, 
welcher  bei  Claüsius  auftritt,  hegt 
in  der  Erkenntniss,  dass  die  Er- 
scheinungen bei  der  elektrolytischen 
Leitung  mit  der  Annahme  eines  festen  Zusammenhanges  der  Bestandtheile 
der  Elektrolyte,  der  Ionen,  nicht  vereinbar  sind.  Die  Gründe,  welche  dagegen 
sprechen,  hat  Claüsius  selbst  so  anschaulich  dargelegt,  dass  ich  auf  seine 
gleich  wiederzugebenden  Auseinandersetzungen  nur  verweisen  kann ;  von 
Interesse  ist  es,  den  Weg  kennen  zu  lernen,  auf  dem  er  zu  seinen  Ansichten 
kam.  Diese  sind  keineswegs  unmittelbar  aus  der  Betrachtung  der  elektrc- 
lytischen  Erscheinungen  entstanden,  sondern  mehr  ein  beiläufiges  Ergebniss 
von  Ansichten,  welche  auf  einem  ganz  anderen  Boden  erwachsen  waren. 
Dieser  Boden  war  die  kinetische  Hypothese. 


Fig.  130.    Robert  Claüsius. 


'  POGO.  Ann.  101,  338.   1857. 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  ggg 


In  Clausius*  wissenschaftlicher  Brust  wohnten  zwei  Seelen,  welche  er 
brigens  selbst  ziemlich  sorgfältig  auseinander  hielt.  Einerseits  war  er  einer 
er  erfolgreichsten  Förderer  der  mechanischen  Wärmetheorie  in  ihrem  voraus- 
etzungslosesten  Sinne,  d.  h.  des  Theiles  der  Wissenschaft,  welcher  sich  mit 
ler  Erforschung  der  Zusammenhänge  der  verschiedenen  Arten  der  Energie 
«schäftigt,  ohne  etwas  mehr,  als  die  erfahrungsmässigen  Zusammenhänge 
nessbarer  Grössen  vorauszusetzen.  Andererseits  war  er  ein  eifriger  Pfleger 
ler  kinetischen  Hypothese,  d.  h.  der  Ansicht,  dass  alle  Energieformen,  zu- 
lächst  die  Wärme,  nichts  anderes  sind,  als  mechanische  Energie,  die  nur 
i  so  kleinen  Abmessungen  sich  bethätigt,  dass  der  unmittelbare  Nachweis 
irer  mechanischen  Natur  nicht  möglich  ist 

Auf  dem  Boden  dieses  zweiten  hypothetischen  Gebietes  entstand  nun 
*ner  Gedanke,  durch  welchen  Clausius  die  bessere  Deutung  der  elektro- 
nischen Erscheinungen  fand,  als  vorher  innerhalb  der  starren  Bindungs- 
nschauung  möglich  war,  welche  damals  die  Vorstellungen  der  Chemiker  fest 
ollständig  beherrschte.  Obwohl  Clausius  sich  dessen  bewusst  war,  dass  die 
Vahrheit  dieser  Hypothese  an  sich  unbeweisbar  ist,  so  war  er  doch  in 
olchem  Grade  davon  überzeugt,  durch  sie  das  Richtige  getroffen  zu  haben, 
lass  er  sich  nicht  scheute,  einer  seiner  Hauptabhandlungen  die  Überschrift 
u  geben:    „Über  die  Art  der  Bewegung,  welche  wir  Wärme  nennen." 

Diese  dogmatische  Behauptung  der  Wahrheit  einer  Ansicht,  für  welche 
üe  mehr  als  die  Zweckmässigkeit  im  besten  Falle  erwiesen  werden  kann,  ist 
ron  den  Zeitgenossen  keineswegs  zurückgewiesen,  sondern  im  Gegentheil  fast 
einstimmig  willkommen  geheissen  worden,  und  der  seitdem  üblich  gewordene 
Nfame  der  „mechanischen  Theorie  der  Wärme"  drückt  die  der  Hypothese 
:u  Grunde  liegende  Vorstellung  in  schärfster  Weise  aus.1  Zwar  soll  nicht 
verschwiegen  werden,  dass  die  hervorragendsten  Vertreter  der  neuen  Wissen- 
schaft sich  der  hypothetischen  Beschaffenheit  dieses  Gedankenkreises  immer 
>ewusst  blieben,  und  nicht  versäumt  haben,  auf  den  Unterschied  der  voraus- 
etzungslosen  reinen  Thermodynamik,  die  wir  jetzt  als  einen  Zweig  der  all- 
gemeinen Energetik  auffassen  müssen,  von  der  hypothetischen  Vorstellung 
ler  kinetischen  Gastheorie  hinzuweisen,  und  zu  betonen,  dass  jene  ihre 
jültigkeit  behaupten,  wenn  diese  auch  als  falsch,  oder  richtiger,  als  unzu- 
eichend  erwiesen  werden.    Aber  wie  das  in  solchen  Fällen  immer  geht:  was 


1  Zum  Zustandekommen  dieser  Verwechselung  hat  allerdings  der  gebräuchliche  Name 
*hermodynamik  oder  mechanische  Wärmetheorie  einiges  beigetragen.  Geschichtlich  hatte  sich  der 
Tarne  aus  der  Aufgabe  entwickelt,  zwischen  der  Wärme  und  der  mechanischen  Arbeit  die  vor- 
an denen  Umwandlungsbeziehungen  aufzustellen,  weil  dies  die  erste  Energieumwandlung  war, 
eren  Gesetze  entdeckt  wurden.  Durch  das  Vorhandensein  einer  hoch  ausgebildeten  theoretischen 
fechanik  war  auch  für  die  anderen  Energieformen  die  Beziehung  auf  die  mechanische  Energie 
er  nächstliegende  und  sicherste  Schritt,  und  so  trat  diese  eine  Energieform  mehr  in  den  Vorder- 
rund,  als  theoretisch  nothwendig  war.  Erst  in  unserer  Zeit  besinnt  man  sich  auf  das  richtige 
'erhältniss,  und  der  Name  Thermodynamik  wird  mehr  und  mehr  durch  Energetik  ersetzt, 
elctier  keine  bestimmte  Energieform  in  den  Vordergrund  stellt,  und  dadurch  erkennen  lässt, 
iss  es  sich  eben  um  die  Gesetze  der  Umwandlungen  jeder  Form  in  jede  andere  handelt 


ggo  Sechzehntes  Kapitel. 


die  fuhrenden  Männer  nur  als  anschauliche  und  zweckmässige  Hypothese  xo 
behandeln  unternommen  hatten,  das  hielten  die  Schüler  für  ausgemachte 
Wahrheit,  und  es  erregt  auch  noch  gegenwärtig  in  den  weitesten  wissen- 
schaftlichen Kreisen  ein  unwilliges  Befremden,  wenn  man  darauf  hinweist, 
dass,  wissenschaftlich  gesprochen,  jene  Vorstellungen  völlig  in  der  Luft 
schweben,  und  dass  nicht  der  geringste  Beweis  dafür  vorhanden  ist,  dass 
den  ausgebildeten  Anschauungen  die  Wirklichkeit  auch  nur  annähernd  ent- 
spricht 

Dadurch  soll  nicht  behauptet  werden,   dass  jene  Anschauungen  nicht 
auch  ihren  Nutzen  gehabt  hätten.    Vielmehr  muss  von  vornherein  zugegeben 
werden,  dass  jenes  Bild  mit  der  Wirklichkeit  manche  Züge  gemein  hat,  und 
dass  das  Bild  daher  wohl  geeignet  war,  auf  gewisse  Seiten  der  Wirklichkeit 
aufmerksam  zu  machen,   welche  der  unmittelbaren  Beobachtung  sich  nickt 
dargestellt  hatten,  und  deshalb  übersehen  worden  waren.    Ein  solcher  Nutzen 
liegt  in   unserem   Gebiete  vor,    indem    auf  Grund  der  hypothetischen  Vor- 
stellung eine  Art  Rechtfertigung  dafür   gegeben   wurde,   von    der  üblichen 
Auffassung  der  Beschaffenheit  und  Constitution  der  chemischen  Verbindungen 
abzuweichen,    und   dabei   die   schlimmsten    der  Widersprüche  abzuschaffen, 
in  welche  jene  älteren  Auffassungen  allmählich   mit  der  Erfahrung  gekom- 
men waren. 

Die  fragliche  Anschauung  kommt  bekanntlich  im  Wesentlichen  darauf 
hinaus,  dass  die  Gase  aus  kleinsten  Theilchen  oder  Molekeln  bestehend  an- 
genommen werden,  welche  sich  alle  in  sehr  schneller  und  heftiger  Bewegung 
befinden,  und  durch  ihr  Aufprallen  an  die  Gefässwände  die  Druckerscheinung 
bewirken.  Es  lässt  sich  leicht  nachweisen,  dass  ein  solches  mechanisches 
Gebilde  manches  von  den  Eigenschaften  eines  Gases  besitzen  muss.  So 
verhält  sich  insbesondere  der  Druck  umgekehrt  wie  der  eingenommene 
Raum,  und  macht  man  die  weitere  Voraussetzung,  dass  die  Temperatur 
eines  Gases  der  lebendigen  Kraft  der  Molekeln  proportional  sei,  so  ergeben 
sich  auch  die  allgemeinen  Gesetze  bezüglich  der  Wärmeausdehnung  der  Gase. 

Auf  die  Schwierigkeiten  und  Widersprüche,  in  welche  sich  diese  Hypo- 
these an  anderen  Stellen  verwickelt  hat,  soll  hier  nicht  eingegangen  werden, 
sondern  auf  eine  weitere,  von  Maxwell  zuerst  durchgeführte  Schlussfolgerung, 
dass   in    einem   solchen  Gebilde  die  Geschwindigkeiten  der  Molekeln  nicht 
unter  einander  gleich   sein   können,   sondern  zwischen  Null  und  Unendlich 
alle  möglichen  Werthe  nach  einem  bestimmten  Gesetze  haben  müssen.    Diese 
Ansicht  half  in  sehr  glücklicher  Weise  über   eine  allgemeine  Schwierigkeit 
hinaus,  in  welche  die  früher  in  der  Chemie  benutzten  Hypothesen  über  die 
Natur  der  chemischen  Verbindungen  geführt  hatten.     Diese  älteren  Hypo- 
thesen  fassten   den   Bestand    einer   chemischen   Verbindung    als   den  eines 
mechanischen,    von    Kräften    zusammengehaltenen   Gebildes    auf,    und   die 
chemische  Zersetzung  war  ihnen  die  Überwindung  der  kleineren,   zwischen 
den  Bestandtheilen    der  Verbindung   bestehenden  Kraft  durch  die  grössere 
des  hinzugesetzten  Stoffes  eines  der  Bestandteile.    Diese  Ansicht 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  8oi 


erlangte  ausschliessliche  Reaktionen;  lag  eine  Verbindung  AB  vor  und 
atte  ein  hinzukommender  Stoff  C  zu  A  eine  grössere  Anziehung,  als  sie 
vischen  A  und  B  bestand,  so  wurde  die  Verbindung  unweigerlich  voll- 
ändig  zersetzt  und  die  neue  A  C  ebenso  vollständig  gebildet. 

In  dieser  Vorstellung  war  kein  Raum  für  die  Thatsache,  dass  alle  solche 
Versetzungen  immer  nur  theilweise  erfolgen.  Obwohl  bereits  am  Ende  des 
origen  Jahrhunderts  Berthollet  das  allgemeine  Gesetz  erkannt  hatte,  dass 
Ue  chemischen  Vorgänge  nur  unvollständig  sind,  und  dass  das  chemische 
Gleichgewicht,  das  unveränderte  Nebeneinanderbestehen  gewisser  Mengen 
er  ursprünglichen  Stoffe  und  der  Produkte  ihrer  Wechselwirkung  neben 
inander,  der  normale  Fall  des  chemischen  Processes  ist,  so  hatte  sich  doch, 
esentlich  zu  Gunsten  der  herrschenden  Anziehungshypothese  (welcher 
brigens  auch  Berthollet  merkwürdiger  Weise  anhing),  ein  so  energischer 
Widerspruch  gegen  die  Anerkennung  dieser  Thatsache  erhoben,  dass  die 
issenschaftliche  Welt  mit  Vergnügen  die  Gelegenheit  benutzte,  welche  ihr 
inige  von  Berthollet  gemachte  Fehler  gaben,  das  unwillkommene  Kind 
lit  dem  Bade  auszuschütten,  um  sich  von  diesem  den  Besitz  jener  Hypo- 
lese  nicht  rauben  zu  lassen. 

Es  ist  kein  erhebendes  Zeugniss  für  die  Beschaffenheit  des  menschlichen 
md  insbesondere  des  wissenschaftlichen  Geistes,  dass  die  Beseitigung  jener 
inzulänglichen  Anziehungshypothesen  nicht  eher  gelang,  als  bis  für  das  ver- 
oren  gegangene  Spielzeug  ein  neues,  ebenso  hypothetisches  geboten  werden 
tonnte.  Durch  jene  von  Maxwell  ausgesprochene  Consequenz  der  kineti- 
schen Hypothese  besann  man  sich  endlich  auf  die  längst  bekannten  That- 
achen  der  unvollständigen  Vorgänge,  und  nachdem  man  ihre  Berechtigung 
»ich  durch  die  hypothetische  Passkarte  gesichert  hatte,  wurden  unter  deren 
jarantie  denn  auch  endlich  die  revolutionären  Thatsachen  zugelassen,  welche 
)is  dahin  sorgfaltig  sekretirt  oder  diskreditirt  worden  waren.  Die  Verschie- 
lenheit  in  den  Bewegungszuständen  der  Molekeln  machte  die  Möglichkeit 
heilweiser  Reaktionen  „verständlich",  und  verschaffte  ihnen  die  Beachtung, 
velche  sie  unter  dem  alten  Regiment  der  reinen  Anziehungslehren  nicht 
latten  gewinnen  können. 

Das  wesentliche  Verdienst,  welches  die  kinetische  Hypothese  sich  er- 
vorben  hat,  ist  also  die  Befreiung  der  Geister  von  jenem  nicht  durch 
lie  Thatsachen,  sondern  durch  das  Bedürfniss  ihrer  Schematisirung  ent- 
tandenen  Vorurtheil.  Zwar  war  diese  Hülfe  nicht  ganz  wohlfeil  erkauft, 
lenn  an  die  Stelle  des  verworfenen  Bildes  trat  ein  anderes,  welches  die 
rhatsachen  allerdings  in  dem  eben  erwähnten  Zuge  getreuer  darstellte,  als 
las  frühere,  welches  aber  auch  seinerseits  nicht  verfehlte,  eine  ähnliche 
Jcheuklappenwirkung  auf  die  weitere  Entwicklung  der  Wissenschaft  zu 
lussern,  wie  jenes  ältere  Bild.  Für  diese  hypothetischen  Bilder,  auf  welche 
>is  heute  noch  insbesondere  die  Chemie  einen  unverhältnissmässigen  Werth 
egt,  lässt  sich  die  Umkehrung  des  tiefsinnigen  Wortes  anwenden:  alles  Ver- 
;ängliche    ist   nur   ein  Gleichniss.  —  In  der  That  lehrt  die  Geschichte  der 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  ggg 


99* 


,4)  Wir  wollen  nun  auf  die  Art,   wie   man  sich  die  Elektricitätsleitung 
terhalb  eines  Elektrolyten  vorstellen  muss,  etwas  specieller  eingehen. 

„Die  Moleküle  des  Elektrolyten  werden  durch  den  Strom  in  zwei  Be- 
ndtheile  zerlegt,  welche  entweder  einfache  Atome  oder  selbst  auch  schon 
s  mehreren  Atomen  zusammengesetzte  Moleküle  sein  können,  wie  z.  B.  im 
ipfervitriol  der  eine  Bestandtheil  Cu  einfach  und  der  andere  S04  zusam- 
Migesetzt  ist  Ich  werde  diese  Bestandtheile,  mögen  sie  nun  aus  einem 
er  aus  mehreren  Atomen  bestehen,  die  Theilmoleküle  nennen,  und  ein 
nzes  Molekül  des  Elektrolyten,  wo  es  zur  Unterscheidung  nöthig  ist,  ein 
rsammtmolekül. 

„Aus  der  Art,  wie  die  Zersetzung  des  Elektrolyten  mit  der  Elektricitäts- 
tung  zusammenhängt,  muss  man  schliessen,  dass  die  beiden  Theilmoleküle 
ihrer  Verbindung  zu  einem  Gesammtmolekül  entgegengesetzte  elektrische 
stände  haben,  welche  auch  nach  ihrer  Trennung  fortbestehen.  Unter  der 
>raussetzung,  dass  es  zwei  Elektricitäten  gebe,  muss  man  also  annehmen, 
ss  das  eine  Theilmolekül  einen  Überschuss  an  positiver,  das  andere  einen 
enso  grossen  Überschuss  an  negativer  Elektricität  habe;  unter  der  Voraus- 
tzung  von  nur  einer  Elektricität  dagegen  muss  man  annehmen,  dass  das. 
le  Theilmolekül  mehr  und  das  andere  weniger  Elektricität  besitze,  als  zum 
utralen  Zustande  nöthig  ist. 

„Dass  zwei  Moleküle  von  verschiedener  Natur  bei  ihrer  Berührung  solche 
tgegengesetzten  elektrischen  Zustände  annehmen  können,  ist  sehr  wohl 
nkbar.  Ebenso  liegt  keine  Schwierigkeit  darin,  sich  diese  Zustände  auch 
ch  der  Trennung  als  fortbestehend  zu  denken,  so  lange  man  nur  annimmt, 
ss  nirgends  innerhalb  des  Leiters  eine  grössere  Anzahl  positiver  Theil- 
oleküle  allein  oder  negativer  Theilmoleküle  allein  angehäuft  sei,  sondern 
ss  beide  Arten  von  Theilmolekülen  überall  so  gleichmässig  verbreitet  seien, 
ss  sich  in  jedem  messbaren  Räume  gleichviel  Moleküle  beider  Arten  be- 
iden. In  diesem  Falle  kann  nämlich  aus  den  Kräften,  welche  die  an  einem 
leilmolekül  haftende  Elektricitätsmenge  von  den  Elektricitätsmengen  der 
^gebenden  Theilmoleküle  erleidet,  wegen  der  entgegengesetzten  Wirkungen 
r  positiven  und  negativen  Theilmoleküle,  keine  starke  Resultante  entstehen, 
4che  jene  erstere  Elektricitätsmenge  nach  einer  bestimmten  Richtung  zu 
riben  und  dadurch  von  seinem  Molekül,  wenn  dieses  an  der  Bewegung 
rhindert  wäre,  zu  trennen  suchte. 

„Wäre  dagegen  in  einem  Räume  eine  grosse  Anzahl  von  Molekülen  be- 
dlich,  welche  alle  mit  gleicher  Elektricität  geladen  wären,  so  würde  die 
sktricitätsmenge  irgend  eines  zur  Betrachtung  ausgewählten  Moleküls  von 
n  Elektricitätsmengen  aller  anderen  abgestossen  werden,  und  diese  Kräfte 
irden,  wenn  sich  das  betrachtete  Molekül  nicht  gerade  in  der  Mitte  der 
tsse  befände,  durch  ihre  Vereinigung  eine  beträchtliche  in  der  Richtung 
n  innen  nach  aussen  wirkende  Kraft  bilden  können.  Da  auch  die  an  den 
deren  Molekülen  haftenden  Elektricitätsmengen  ganz  ähnlichen  Wirkungen 
terworfen   wären,   indem  jede   durch    die  Gesammtwirkung  aller  übrigen 


3q4  Sechzehntes  Kapitel. 


nach  aussen  gedrängt  würde,  so  würde  in  dem  elektrischen  Zustande  der 
ganzen  Masse  eine  Spannung  obwalten,  welche  sich  nur  dann  unverändert 
erhalten  könnte,  wenn  die  Masse  absolut  nicht  leitend  wäre.  Im  ander« 
Falle  würde  die  freie  Elektricität  aller  Moleküle,  je  nach  der  Güte  der  Lei- 
tung mehr  oder  weniger  schnell  nach  aussen  strömen,  zunächst  an  die  Ober- 
fläche der  Masse,  und  von  da,  wenn  die  Masse  nicht  vollkommen  isotirt 
wäre,  in  die  weiteren  Umgebungen. 

„5)  Betrachten  wir  ferner  den  Vorgang  der  Zersetzung  selbst,  wie  er  i 
der  Flüssigkeit,  welche  als  Elektrolyt  dient,  oder  den  Elektrolyten  aufgelöt 
enthält,  stattfindet,  so  darf  zunächst  so  viel  als  feststehend  betrachtet  werden, 
dass  nicht  die  an  der  einen  Elektrode  frei  werdenden  Theilmoleküle  skA 
durch  die  Flüssigkeit  bis  zur  anderen  Elektrode  fortbewegen,  sondern  das 
in  der  ganzen  zwischen  den  beiden  Elektroden  befindlichen  Flüssigkeitsmasse 
überall  Zersetzungen  und  neue  Verbindungen  geschehen,  so  dass  die  posi- 
tiven Theilmoleküle,  welche  während  der  Zeiteinheit  an  der  Kathode  an- 
kommen, zwar  der  Anzahl  nach  mit  denen  übereinstimmen,  welche  von 
der  Anode  ausgehen,  aber  nicht  dieselben  sind,  und  ebenso  in  Bezug  auf 
die  negativen  Theilmoleküle,  welche  an  der  Anode  ankommen. 

„Die  Art,  wie  die  in  den  verschiedenen  Flüssigkeitsschichten  stattfinden- 
den Zersetzungen  unter  einander  zusammenhängen,  bedarf  aber  noch  einer 
näheren  Feststellung,  und  namentlich  muss  eine  Ansicht,  welche  ziemlich 
nahe  zu  liegen  scheint,  welche  aber  entschieden  unrichtig  ist,  von  vornherein 
ausgeschlossen  werden. 

„Man  könnte  sich  nämlich  möglicherweise  vorstellen,  dass  die  Zersetzung 
von  der  einen  Elektrode,  z.  B.  von  der  Anode,  ausginge,  dass  die  negativen 
Theilmoleküle  der  zersetzten  Gesammtmoleküle  hier  festgehalten  würden,  die 
positiven  dagegen  zur  nächsten  Flüssigkeitsschicht  gingen  und  dort  eine 
neue  Zersetzung  bewirkten,  indem  sie  sich  mit  den  negativen  Theilmolekülen 
dieser  Schicht  verbänden,  und  die  positiven  frei  machten,  dass  diese  letzteren 
dann  weiter  zur  folgenden  Schicht  gingen,  und  hier  abermals  dieselbe  Wir- 
kung ausübten  u.  s.  f.  Hiernach  würde  die  Zersetzung  einer  Schicht  die 
Ursache  für  die  Zersetzung  der  folgenden  Schicht  sein,  und  die  Wirkung 
der  in  dem  Leiter  vorhandenen  treibenden  Kraft  würde  ich  darauf  be- 
schränken, erstens  die  frei  gewordenen  positiven  Theilmoleküle  der  vorigen 
Schicht  nach  der  folgenden  zu  bewegen,  und  zweitens  dadurch,  dass  sie  die 
positiven  Theilmoleküle  dieser  Schicht  ebenfalls  vorwärts  drangt,  die  Zer- 
setzung zu  erleichtern. 

„Die  Unrichtigkeit  dieser  Vorstellungsweise  ergiebt  sich  aber  "sogleich 
daraus,  dass  nach  ihr  innerhalb  der  Flüssigkeit  während  des  Stromes  stets 
ein  Überschuss  von  positiven  Theilmolekülen,  und  somit  auch  von  freier 
positiver  Elektricität  vorhanden  sein  müsste,  was,  wie  schon  erwähnt,  nach 
den  Gesetzen  über  die  Vertheilung  der  freien  Elektricität  für  einen  stationären 
Strom  ebenso  unzulässig  ist,  wie  für  den  Gleichgewichtszustand.  In  der- 
selben Weise  würde  man,  wenn  man  die  vorher  beschriebene  Art  der  Fort- 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  895 


iflanzung  der  Zersetzungen  in  umgekehrter  Richtung  von  der  Kathode 
air  Anode  annehmen  wollte,  einen  Überschuss  von  negativen  Theilmole- 
cülen  innerhalb  der  Flüssigkeit  erhalten,  welcher  natürlich  gleichfalls  un- 
statthaft ist 

„Als  Grundbedingung  für  alle  weiteren  Betrachtungen  müssen  wir  an 
lern  Satze  festhalten,   dass  sich  innerhalb  jedes  messbaren  Raumes 
ler  Flüssigkeit  gleich   viel   positive   und  negative  Theilmoleküle 
befinden,  mögen  diese  nun  alle  je  zwei  zu  Gesammtmolekülen  verbunden 
lein,  oder  mögen  einige  im  unverbundenen  Zustande  zwischen  den  Gesammt- 
molekülen zerstreut  sein. 

„Hieraus  folgt,  dass  in  einer  elektrolytischen  Flüssigkeit,  welche  sich  in 
ihrem  natürlichen  Zustande  befindet,  indem  keine  Art  von  Theilmolekülen 
in  ihr  überwiegt,  unter  dem  blossen  Einflüsse  derjenigen  Kraft,  welche  dazu 
dient,  den  Leitungswiderstand  zu  überwinden,  solche  abwechselnde  Zer- 
setzungen und  Wiederverbindungen  der  Moleküle,  wie  sie  zur  Elektricitäts- 
leitung  nöthig  sind,  stattfinden  können. 

„Die  Erklärung  dieser  Thatsache  bietet  eine  eigenthümliche  Schwierig- 
keit dar,  welche,  wie  es  mir  scheint,  nur  dadurch  geboten  werden  kann, 
dass  man  ein  durchaus  anderes  Verhalten  der  Flüssigkeiten  annimmt,  als  es 
l>isher  gebräuchlich  war.  Ich  will  versuchen,  dieses  in  den  nächsten  Para- 
graphen auseinander  zu  setzen. 

„6)  Es  sei  eine  Flüssigkeit  gegeben,  welche  entweder  ganz  oder  zum 
Theil  aus  elektrolytischen  Molekülen  besteht,  und  wir  wollen  zunächst  einmal 
annehmen,  diese  Moleküle  hätten  sich  im  natürlichen  Zustande  der  Flüssig- 
keit in  irgend  einer  bestimmten  Anordnung  gelagert,  in  welcher  sie,  so  lange 
keine  fremde  Kraft  auf  sie  einwirkt,  verharrten,  indem  die  einzelnen  Mole- 
küle zwar  vielleicht  um  ihre  Gleichgewichtslagen  oscilliren,  aber  nicht  ganz 
aus  denselben  heraustreten  könnten;  ferner  sei,  wie  man  es  bei  jeder  der- 
artigen Anordnung  voraussetzen  muss,  die  Anziehung  zwischen  zwei  Theil- 
molekülen, welche  zu  einem  Gesammtmolekül  verbunden  sind,  und  daher 
einander  sehr  nahe  sind,  grösser,  als  die  Anziehung  zwischen  dem  positiven 
Theilmolekül  eines  Gesammtmoleküls  und  dem  negativen  eines  anderen. 
Wenn  nun  innerhalb  dieser  Masse  eine  elektrische  Kraft  wirkt,  welche  die 
positiv  elektrischen  Theilmoleküle  nach  einer  und  die  negativ  elektrischen 
nach  der  entgegesetzten  Richtung  zu  treiben  sucht,  so  fragt  es  sich,  welchen 
Einfluss  diese  auf  das  Verhalten  der  Moleküle  ausüben  muss. 

„Die  erste  Wirkung  würde  offenbar,  sofern  die  Moleküle  als  drehbar 
vorausgesetzt  werden,  darin  bestehen,  alle  Moleküle  in  gleicher  Weise  zu 
richten,  indem  die  beiden  entgegengesetzt  elektrischen  Bestandteile  jedes 
Gesammtmoleküls  sich  nach  den  Seiten  drehen  würden,  wohin  sie  durch  die 
wirksame  Kraft  getrieben  werden. 

„Ferner  würde  die  Kraft  die  zu  einem  Gesammtmolekül  vereinigten 
Theilmoleküle   zu   trennen    und  nach  entgegengesetzten  Richtungen  zu  be- 


gg5  Sechzehntes  Kapitel. 


wegen  suchen,  und  wenn  diese  Bewegung  einträte,  so  würde  dadurch 
positive  Theilmolekül  des  einen  Gesammtmoleküls   mit  dem  negatives 
folgenden  zusammenkommen  und  sich  mit  ihm  verbinden.    Nun  muss 
um  die  einmal  verbundenen  Theilmoleküle  zu  trennen,  die  Anziehung, 
sie   auf  einander  ausüben,    überwunden  werden,   wozu  eine  Kraft  von 
stimmter  Stärke  nöthig  ist,  und  dadurch  wird  man  zu  dem  Schlüsse  gefuhÜ 
dass,   so    lange   die   in    dem    Leiter   wirksame   Kraft   diese  Stärke 
nicht  besitzt,  gar  keine  Zersetzung  der  Moleküle  stattfinden  könitJ 
dass   dagegen,    wenn   die  Kraft  bis  zu  dieser  Stärke  angewachsei] 
ist,   sehr  viele  Moleküle  mit  einem  Male  zersetzt  werden  müsset, 
indem   sie    alle  unter  dem   Einflüsse  derselben  Kraft  stehen,  nid 
fast  gleiche  Lage  zu    einander   haben.     In  Bezug  auf  den  elektrisch« 
Strom  kann  man  diesen  Schluss,  wenn  man  voraussetzt,  dass  der  Leiter  nnr 
durch  Elektrolyse  leiten  könne,  so  ausdrücken:     So  lange  die  im  Leiter 
wirksame  treibende  Kraft  unter  einer  gewissen  Grenze  ist,  bewirkt 
sie  gar  keinen  Strom,    wenn   sie   aber   diese  Grenze  erreicht  hat, 
so  entsteht  plötzlich  ein  sehr  starker  Strom. 

„Dieser  Schluss  widerspricht  aber  der  Erfahrung  vollkommen.  Schon 
die  geringste  Kraft1  bewirkt  einen  durch  abwechselnde  Zersetzungen  und 
Wiederverbindungen  geleiteten  Strom,  und  die  Intensität  dieses  Stromes 
wächst  nach  dem  OHiu'schen  Gesetze  der  Kraft  proportional. 

„Demnach  muss  die  obige  Annahme,  dass  die  Theilmoleküle  eines  Elek- 
trolyten in  fester  Weise  zu  Gesammtmolekülen  verbunden  sind,  und  diese 
eine  bestimmte  regelmässige  Anordnung  haben,  unrichtig  sein.  Man  kann 
dieses  Resultat  noch  allgemein  folgendermaassen  aussprechen:  Jede  Annahme, 
welche  darauf  hinauskommt,  dass  der  natürliche  Zustand  einer  elektrolytischcn 
Flüssigkeit  ein  Gleichgewichtszustand  ist,  in  welchem  jedes  positive  Theil- 
molekül mit  einem  negativen  fest  verbunden  ist,  und  dass  ferner  um  die 
Flüssigkeit  aus  diesem  Gleichgewichtszustande  in  einen  anderen  überzuführen, 
welcher  dem  vorigen  im  Wesentlichen  gleicht,  und  sich  nur  dadurch  von 
ihm  unterscheidet,  dass  eine  Anzahl  positiver  Theilmoleküle  mit  anderen 
negativen  als  vorher  verbunden  ist  —  auf  diejenigen  Moleküle,  welche  diese 
Veränderung  erleiden ,  sollen,  eine  Kraft  von  bestimmter  Stärke  wirken  muss 
—  steht  im  Widerspruche  mit  dem  OHM'schen  Gesetze. 

„Ich  glaube  daher,  dass  die  folgende  Annahme,  bei  welcher  dieser 
Widerspruch  gehoben  ist,  und  welche,  wie  es  mir  scheint,  auch  mit  den 
sonst  bekannten  Thatsachen  vereinbar  ist,  einige  Beachtung  verdient 

1  „Ich  muss  hierbei  noch  einmal  ausdrücklich  hervorheben,  dass  hier,  wie  in  dieser  ganzen 
Abhandlung,  nicht  von  den  Kräften  die  Rede  ist,  welche  an  den  Elektroden  wirken,  wo  die 
Zersetzungsprodukte  ausgeschieden  werden,  und  die  Polarisation  überwunden  werden  muss, 
sondern  lediglich  von  der  Kraft,  welche  innerhalb  des  Elektrolyten  selbst  wirkt,  wo  jedes  Theil- 
molekül, welches  von  dem  bisher  mit  ihm  verbundenen  Theilmolekül  getrennt  wird,  sich  so- 
gleich wieder  mit  einem  anderen  Theilmolekül  derselben  Art  verbindet,  so  dass  die  Masse  im 
Wesentlichen  un geändert  bleibt  und  nur  der  Leitungswiderstand  zu  Überwinden  ist." 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  ggrr 


;,7)  In  meiner  Abhandlung  „Über  die  Art  der  Bewegung,  welche  wir 
arme  nennen",1  habe  ich  die  Ansicht  ausgesprochen,  dass  in  Flüssigkeiten 
i  Moleküle  nicht  bestimmte  Gleichgewichtslagen  haben,  um  welche  sie  nur 
rilliren,  sondern  dass  ihre  Bewegungen  so  lebhaft  sind,  dass  sie  dadurch 
ganz  veränderte  und  immer  neue  Lagen  zu  einander  kommen,  und  sich 
regelmässig  durch  einander  bewegen. 

„Denken  wir  uns  nun  in  der  elektrolytischen  Flüssigkeit  zunächst  ein 
1  ein  einzelnes  Theilmolekül,  z.  B.  ein  elektro-pösitives,  befindlich,  von 
Ichem  wir  voraussetzen  wollen,  dass  sein  elektrischer  Zustand  noch  ganz 
■selbe  sei,  wie  in  dem  Momente,  wo  es  aus  einem  Gesammtmolekül  aus- 
schieden wurde.  Ich  glaube  nun,  dass,  indem  dieses  Theilmolekül  sich 
[sehen  den  Gesammtmolekülen  umherbewegt,  unter  den  vtelen  Lagen,  die 
annehmen  kann,  auch  zuweilen  solche  vorkommen,  in  welchen  es  das 
jative  Theilmolekül  irgend  eines  Gesammtmoleküls  mit  stärkerer  Kraft 
rieht,  als  die,  mit  welcher  die  beiden  zu  dem  Gesammtmolekül  gehörigen 
leilmoleküle,  deren  Lage  zu  einander  auch  nicht  ganz  unveränderlich  ist, 
h  in  diesem  Augenblicke  gegenseitig  anziehen.  Sobald  es  in  eine  solche 
treten  ist,  verbindet  es  sich  mit  diesem  negativen  Theilmolekül,  und  das 
»her  mit  demselben  verbundene  positive  Theilmolekül  wird  dadurch  frei, 
eses  bewegt  sich  nun  ebenfalls  allein  umher  und  zerlegt  nach  einiger  Zeit 
1  anderes  Gesammtmolekül  auf  dieselbe  Art  u.  s.  f.,  und  alle  diese  Be- 
rgungen und  Zersetzungen  geschehen  ebenso  unregelmässig,  wie  die  Wärme- 
wegungen,  durch  welche  sie  veranlasst  werden. 

„Betrachten  wir  ferner  das  Verhalten  der  Gesammtmoleküle  unter  ein- 
der,  so  glaube  ich,  dass  es  auch  hier  zuweilen  geschieht,  dass  das  positive 
leilmolekül  eines  Gesammtmoleküls  zu  dem  negativen  .eines  anderen  in 
le  günstigere  Lage  kommt,  als  jedes  dieser  beiden  Theilmoleküle  im  Augen- 
cke  gerade  zu  dem  anderen  Theilmolekül  seines  eigenen  Gesammtmoleküls 
t.  Dann  werden  sich  jene  beiden  bisher  fremden  Theilmoleküle  zu  einem 
sammtmolekül  verbinden,  und  die  beiden  dadurch  frei  werdenden  Theil- 
)leküle  (das  negative  des  ersten  und  das  positive  des  zweiten  Gesammt- 
)leküls)  werden  sich  entweder  ebenfalls  unter  einander  verbinden,  oder 
nn  die  Wärmebewegung  sie  daran  verhindern  sollte,  so  werden  sie  sich 
ter  die  übrigen  Gesammtmoleküle  mischen,  und  dort  ähnliche  Zersetzungen 
rvorbringen,  wie  sie  vorher  von  einem  einzelnen  Theilmolekül  beschrieben 
rden. 

„Wie  häufig  in  einer  Flüssigkeit  solche  gegenseitige  Zerlegungen  vor- 
mmen,  wird  erstens  von  der  Natur  der  Flüssigkeit  abhängen,  ob  die  Theile 
r  einzelnen  Gesammtmoleküle  mehr  oder  weniger  innig  zusammenhängen, 
d  zweitens  von  der  Lebhaftigkeit  der  Molekularbewegung,  d.  h.  von  der 
mperatur. 

„8;    Wenn    nun   in    einer   Flüssigkeit,    deren  Moleküle   sich   schon    von 

1  „Pooo.  Ann.  100,  353.   1857." 
Ostwald,   Elektrochemie.  57 


ggg  Sechzehntes  Kapitel. 


selbst  in   einer  solchen   Bewegung   befinden,    wobei    sie    ihre  Theilmolekük 
in   unregelmässiger  Weise  austauschen,  eine  elektrische  Kraft  wirkt,  wefck 
alle    positiven  Theilmoleküle  nach   einer   und   alle  negativen  nach  der  eä\ 
gegengesetzten    Richtung   zu    treiben    sucht,    so    lässt    sich    leicht   einse 
welcher    Unterschied    dadurch    in    der    Art    der    Molekularbewegung 
treten   muss. 

„Ein  freies  Theilmolekül  wird  dann  nicht  mehr  ganz  den  unregelmäs9f 
wechselnden  Richtungen,  nach  welchen  es  durch  die  WärmebewegungM 
getrieben  wird,  folgen,  sondern  es  wird  die  Richtung  seiner  Bewegung  m 
Sinne  der  wirksamen  Kraft  ändern,  so  dass  unter  den  Richtungen  der  freia 
positiven  Theilmoleküle,  obwohl  sie  noch  sehr  unregelmässig  sind,  doch  eine 
gewisse  Richtung  vorherrscht,  und  ebenso  die  negativen  Theilmoleküle  sidt 
vorherrschend  nach  der  entgegengesetzten  Richtung  bewegen.  Ausserdem 
werden  bei  der  Einwirkung  eines  Theilmoleküls  auf  ein  Gesammtmolekül 
und  bei  der  Einwirkung  zweier  Gesammtmoleküle  auf  einander  solche  Zer- 
legungen, bei  welchen  die  Theilmoleküle  in  ihren  Bewegungen  zugleich  der 
elektrischen  Kraft  folgen  können,  erleichtert  werden  und  daher  häufiger  statt- 
finden, als  ohne  die  Kraft,  indem  auch  in  Fällen,  wo  die  Lage  der  Moleküle 
noch  nicht  günstig  genug  ist,  dass  die  Zerlegung  von  selbst  eintreten  könnte, 
die  Mitwirkung  der  elektrischen  Kraft  ihr  Eintreten  veranlassen  kann.  Um- 
gekehrt, solche  Zerlegungen,  bei  denen  die  Theilmoleküle  sich  der  elektri- 
schen Kraft  entgegen  bewegen  müssten,  werden  durch  diese  Kraft  erschwert 
und  dadurch  seltener  gemacht  werden. 

„Betrachtet  man  im  Inneren  dieser  Flüssigkeit,  während  die  elektrische 
Kraft  wirkt,  ein  kleines  auf  der  Richtung  der  Kraft  senkrechtes  Flächenstück, 
so  gehen  durch  dieses  während  der  Zeiteinheit  mehr  positive 
Theilmoleküle  in  positiver  als  in  negativer  Richtung  hindurch, 
und  mehr  negative  Theilmoleküle  in  negativer  als  in  positiver 
Richtung.  Da  nun  für  jede  Art  von  Theilmolekülen  zwei  in  entgegen- 
gesetzter Richtung  stattfindende  Durchgänge  sich  gegenseitig  in  ihrer  Wirkung 
aufheben,  und  nur  der  für  die  eine  Richtung  bleibende  Überschuss  von 
Durchgängen  in  Betracht  kommt,  so  kann  man  das  Vorige  auch  einfacher 
so  ausdrücken:  es  geht  eine  gewisse  Anzahl  positiver  Theilmoleküle  ■ 
in  positiver  und  eine  Anzahl  negativer  Theilmoleküle  in  negativer 
Richtung  durch  das  Flächenstück.  Die  Grösse  dieser  beiden  Zahlen 
braucht  nicht  gleich  zu  sein,  weil  sie  ausser  von  der  treibenden  Kraft,  welche 
für  beide  gleich  ist,  auch  noch  von  dem  Grade  der  Beweglichkeit  abhängt, 
welcher  bei  verschiedenartigen  Theilmolekülen  aus  mehreren  Gründen  ver- 
schieden sein  kann. 

„Diese  entgegengesetzte  Bewegung  der  beiden  Arten  von  Theilmolekülen 
bildet  den  galvanischen  Strom  innerhalb  der  Flüssigkeit.  Um  die  Starke 
des  Stromes  zu  bestimmen,  ist  es  nicht  nöthig,  die  Anzahl  der  in  positiver 
Richtung  durch  das  Flächenstück  gehenden  positiven  Theilmoleküle  und  die 
Anzahl  der  in  negativer  Richtung  hindurchgehenden  negativen  Theilmoleküle 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  ggg 


inzeln  zu  kennen,  sondern  es  genügt,  wenn  man  die  Summe  beider  Zahlen 
ennt.  Mag  man  nämlich  von  der  Vorstellung  ausgehen,  dass  es  zwei  Eiek- 
icitäten  gebe,  und  dass  ein  negativ  elektrisches  Theilmolekül  mit  einer  ge- 
issen  Quantität  freier  negativer  Elektricität  begabt  sei,  oder  von  der  Vor- 
rellung,  dass  es  nur  eine  Elektricität  gebe,  und  dass  ein  negativ  elektrisches 
'heilmolekül  weniger  Elektricität  besitze,  als  für  den  neutralen  Zustand  nöthig 
t,  in  beiden  Fällen  muss  man  annehmen,  dass  es  zur  Vermehrung  eines 
alvanischen  Stromes  gleich  viel  beiträgt,  ob  ein  positiv-elektrisches  Theil- 
lolekül  sich  nach  der  Richtung  des  Stromes,  oder  ob  ein  ebenso  stark 
egativ-elektrisches  Theilmolekül  sich  nach  der  entgegengesetzten  Richtung 
ewegt  Wenn  wir  also  für  den  Fall,  dass  die  Molekularbewegung  derart 
•äre,  dass  nur  für  die  positiven  Theilmoleküle  ein  Überschuss  der  Bewegung 
ach  einer  Richtung  stattfände,  und  dass  während  der  Zeiteinheit  n  positive 
Tieilmoleküle  in  positiver  Richtung  durch  das  Flächenstück  gingen,  die 
adurch  bedingte  Stromstärke  mit  C .  n  bezeichnen,  so  müssen  wir  dem 
ntsprechend  bei  einer  Bewegung,  bei  welcher  gleichzeitig  n  positive  Theil- 
loleküle  in  der  positiven  und  n  negative  Theilmoleküle  in  der  negativen 
Lichtung  hindurchgehen,  die  Stromstärke  mit  C(n  +  n)  bezeichnen. 

„9)  Bei  dieser  Auffassung  des  Zustandes  der  Flüssigkeiten  fällt  die  oben 
rwähnte  Schwierigkeit  fort.  Man  sieht  leicht,  dass  der  Einfluss,  welchen 
je  elektrische  Kraft  auf  die  schon  von  selbst  stattfindenden,  aber  noch  un- 
egelmässigen  Zersetzungen  und  Bewegungen  der  Moleküle  übt,  nicht  erst 
»eginnt,  wenn  die  Kraft  eine  gewisse  Stärke  erreicht  hat,  sondern  dass 
chon  die  geringste  Kraft  in  der  vorher  angegebenen  Weise  ändernd  auf 
lieselben  einwirken,  und  dass  die  Grösse  dieser  Wirkung  mit  der  Stärke  der 
Craft  wachsen  muss.  Der  ganze  Vorgang  stimmt  also  mit  dem  OHM'schen 
jesetze  sehr  gut  überein. 

„Weshalb  das  elektrische  Leitungsvermögen,  welches  von  der  Leichtig- 
eit,  mit  welcher  die  Zerlegungen  der  Moleküle  innerhalb  der  Flüssigkeit 
eschehen,  abhängt,  bei  verschiedenen  Flüssigkeiten  so  verschieden  ist,  wes- 
alb  z.  B.  bei  den  Molekülen  des  Schwefelsäurehydrats  die  Zerlegungen  so 
thx  viel  leichter  stattfinden,  als  bei  den  Wassermolekülen,  und  woher  der 
edeutende  Einfluss  kommt,  welchen  die  Verdünnung  der  Schwefelsäure  auf 
ie  Güte  der  Leitung  ausübt,  ist  freilich  bisher  nicht  hinlänglich  erklärt,  in- 
essen  sehe  ich  darin  auch  nichts,  was  als  Widerspruch  gegen  die  vorstehende 
heorie  geltend  gemacht  werden  könnte. 

„Der  Unterschied  dagegen,  dass  bei  Leitern  zweiter  Klasse  das  Leitungs- 
srmögen  mit  wachsender  Temperatur  zunimmt,  erklärt  sich  aus  dieser 
heorie  in  sehr  ungezwungener  Weise,  indem  die  grössere  Lebhaftigkeit  der 
neren  Bewegung  offenbar  dazu  beitragen  muss,  die  gegenseitigen  Zer- 
gungen  der  inneren  Moleküle  zu  erleichtern. 

„Vergleichen  wir  die  ältere  GROTTHUss'sche  Theorie  mit  der  hier  ent- 
tckelten,  so  liegt  der  Unterschied  hauptsächlich  darin,  dass  in  jener  ange- 
>mmen  wird,  die  Bewegung  werde  erst  durch  die  elektrische  Kraft  hervor- 

57* 


OOO  Sechzehntes  Kapitel. 

gerufen,  und  finde  nur  nach  zwei  bestimmten  Richtungen  statt,  indem  (fiele: 
Zersetzungen  regelmässig  von  Molekül  zu  Molekül  fortschreiten,  währe»i«x 
nach  dieser  die  schon  vorhandenen  Bewegungen  nur  geändert  werden,  unllc 
auch  das  nicht  so,  dass  sie  vollkommen  regelmässig  werden,  sondern  nnJL 
so,  dass  in  der  noch  immer  grossen  Mannigfaltigkeit  von  Bewegungen  de 
beiden  bestimmten  Richtungen  vorherrschen. 

,,io)  Nachdem  ich  die  vorstehende  Ansicht  über  das  Verhalten  elektro» 
lytischer  Flüssigkeiten  niedergeschrieben  hatte,  erfuhr  ich  in  der  Unterhaltung 
mit  einem  Chemiker,  dass  eine  ähnliche  Ansicht  über  das  Verhalten  zusam- 
mengesetzter flüssiger  und  luftförmiger  Körper,  schon  von  Williamson  in 
einer  Abhandlung  über  die  Theorie  der  Ätherbildung1  ausgesprochen  ist 
Es  heisst  in  dieser  Abhandlung  unter  anderen:2  „„Wir  werden  auf  diese 
Weise  zu  der  Annahme  geführt,  dass  in  einem  Aggregat  von  Moleküleo 
jeder  Verbindung  ein  fortwährender  Austausch  zwischen  den  in  ihr  enthal- 
tenen Elementen  vor  sich  geht.  Angenommen  z.  B.,  ein  Gefass  mit  Salz- 
säure würde  durch  eine  grosse  Zahl  von  Molekülen  von  der  Zusammen- 
setzung C1H  ausgefüllt,  so  würde  uns  die  Betrachtung,  zu  der  wir  gelangt 
sind,  zu  der  Annahme  führen,  dass  jedes  Atom  Wasserstoff  nicht  in  ruhiger 
Gegeneinanderlagerung  neben  dem  Atom  Chlor  bleibe,  mit  dem  es  zuerst 
verbunden  war,  sondern .  dass  ein  fortwährender  Wechsel  des  Platzes  mit 
anderen  Wasserstoffatomen  stattfindet."" 

„Hiernach  scheint  Williamson  sogar  eine  noch  grössere  Wandelbarlceit 
in  der  Gruppirung  der  Theilmoleküle  anzunehmen,  als  zur  Erklärung  der 
Elektricitätsleitung  nöthig  ist.  Er  spricht  von  einem  fortwährenden  Wechsd 
eines  Wasserstoffatoms  mit  anderen  Wasserstoffatomen,  während  es  zur  Er- 
klärung der  Elektricitätsleitung  genügt,  wenn  bei  den  Zusammenstössen  der 
Gesammtmoleküle  hin  und  wieder  und  vielleicht  verhältnissmässig  selten  ein 
Austausch  der  Theilmoleküle  stattfindet.  ] 

„Williamson    führt   zur   Bestätigung    seiner  Ansicht    das   Verhalten  an, 
welches  stattfindet,    wenn    in   einer  Flüssigkeit  zwei  Verbindungen  mit  ver- 
schiedenen  elektro- positiven    und  verschiedenen    elektro-  negativen  Bestand- 
teilen gelöst  sind,  dass  dann  die  beiden  ursprünglichen  Verbindungen  nicht 
einfach  bestehen  bleiben,  oder  eine  andere  Anordnung  der  Art  entsteht,  bei 
welcher  ein  elektro-positiver  Bestandtheil  ausschliesslich  mit  einem  der  beiden 
elektronegativen  Bestandteile  verbunden  ist,   und  umgekehrt,   sondern  dass 
alle  vier  mögliche  Combinationen  sich  in  einem  gewissen  Verhältnisse  bilden, 
woher  es  kommt,    dass,    wenn  .irgend  eine  der  vier  Verbindungen  unlöslich 
ist,  diese  sich  ausscheidet.    Auch  ich  glaube,  dass  dieses  Verhalten  sich  sehr 
natürlich  daraus  erklärt,  dass  die  Verbindungen  je  zweier  Theilmoleküle  nicht 
fest,  sondern  wandelbar  sind,  und  dass  ein  positives  Theilmolekül  nicht  blos 

1  „Annalen   der  Chemie   und  Pharmacie  77,  37.     Gelesen  vor  <Jer  British  Association  zu 
Edinburg." 

9  „Ebenda  S.  46." 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  goi 


i  positives  Theilmolekül  derselben  Art,  sondern  auch  ein  solches  von 
derer  Art  verdrängen  kann,  und  ich  habe  dieses  Verhalten  bei  der  Auf- 
dlung  der  oben  entwickelten  Theorie  gleich  mit  im  Auge  gehabt.  Indessen 
lte  ich  es  auch  hierbei  nicht  für  nöthig,  dass  alle  Moleküle  in  fortwähren- 
m  Wechsel  begriffen  sind,  sondern  es  scheint  mir  zu  genügen,  wenn  sie 
h  hin  und  wieder  gegenseitig  austauschen,  denn  wenn  die  Anzahl  der 
istausche  auch  im  Verhältniss  zur  Anzahl  der  Stösse  gering  ist,  so  kann 
doch,  an  sich  betrachtet,  noch  sehr  gross  sein,  und  daher  in  kurzer 
it  eine  bedeutende  Änderung  in  der  ursprünglichen  Verbindungsart  her- 
rbringen. 

„Da  ich  zu  dem  Schlüsse  über  die  im  Inneren  einer  Flüssigkeit  statt- 
denden  Austausche  der  Theilmoleküle  ganz  unabhängig  und  auf  einem 
rchaus  anderen  Wege  wie  Willi amson  gelangt  bin,  so  habe  ich,  auch 
chdem  ich  die  Abhandlung  desselben  kennen  gelernt  habe,  doch  noch 
glaubt,  meine  Betrachtungen  unverändert  mittheilen  zu  dürfen,  indem  es 
durch  am  besten  ersichtlich  sein  wird,  inwiefern  diese  beiden  Betrachtungs- 
*isen  einander  gegenseitig  zur  Bestätigung  dienen. 

,,ii)  Es  ist  in  neuerer  Zeit  mehrfach  die  Frage  erörtert,  ob  in  Leitern 
reiter  Klasse  neben  der  Leitung  durch  Elektrolyse  auch  noch  eine  Elek- 
citätsleitung  der  Art,  wie  in  Leitern  erster  Klasse  stattfinde. 

„Vom  theoretischen  Gesichtspunkte  aus  scheint  mir  der  Annahme,  dass 
;ide  Arten  von  Leitung  in  demselben  Körper  gleichzeitig  stattfinden  können, 
chts  entgegen  zu  stehen.  Die  Bestimmung  aber,  wie  sich  in  einzelnen 
allen  die  beiden  verschiedenen  Leitungen  ihrer  Grösse  nach  zu  einander 
erhalten,  wird  bei  dem  Mangel  an  genau  festgestellten  Thatsachen,  welche 
s  Grundlage  für  theoretische  Schlüsse  dienen  könnten,  für  jetzt  wohl  ganz 
it  experimentellen  Untersuchung  überlassen  bleiben  müssen. 

„Für  diejenigen  Körper,  welche  bis  jetzt  in  dieser  Beziehung  untersucht 
id,  und  welche  ihrer  vielfachen  Anwendung  wegen  die  wichtigsten  sind, 
tt  sich  gezeigt,  dass  die  Leitung  ohne  Elektrolyse,  wenn  sie  überhaupt 
:istirt,  jedenfalls  sehr  gering  ist,  und  es  wird  daher  nicht  nöthig  sein,  auf 
ese  Art  von  Leitung,  welche  übrigens  theoretisch  nichts  wesentlich  Neues 
trbieten  würde,  hier  näher  einzugehen." 

Zu  den  vorstehenden  klaren  und  anschaulichen  Schilderungen  ist  nur 
*nig  hinzuzufügen,  da  das  wesentliche  Allgemeine  schon  in  der  Ein- 
itung  bemerkt  worden  ist.  Nur  bezüglich  der  Frage,  in  welchem  Maasse 
e  von  Clausius  vorausgesetzte  Dissociation  oder  der  theilweise  Zerfall 
s  Elektrolyts  in  seine  Ionen  im  gegebenen  Falle  vorhanden  ist,  müssen 
lige  Bemerkungen  gemacht  werden.  Clausius  hebt  besonders  hervor, 
5S  dieser  Betrag  nur  sehr  gering  zu  sein  braucht  (S.  901),  offenbar,  um 
n  Einwendungen  der  Chemiker  zu  begegnen,  welche  gerade  die  frag- 
hen  Verbindungen,  wie  Schwefelsäure,  Salzsäure,  Kaliumsulfat  u.  s.  w., 
e  als  Elektrolyt^  wirken,  als  durch  die  stärksten  Verwandtschaften  züsam- 
engehalten   ansahen.     In  dieser  Beziehung   steht  er  in  einem   bemerkens- 


Q02  Sechzehntes  Kapitel. 


werthen  Gegensatze  zu  dem  Chemiker  Williamson,  der  seinerseits  einen  «• 
begrenzten  und  unaufhörlichen  Austausch  annahm,  und  Clausius  versaraÄ 
auch  nicht,  darauf  hinzuweisen,  dass  man  ohne  diese  extreme  Annahme 
auskommen  kann.  Dies  ist  gerade  der  Punkt,  an  welchem  die  spätere 
Forschung  eingesetzt  hat.  Erst  nachdem  man  sich  entschlossen  hat,  die» 
Zugeständniss  aufzugeben,  und  die  durch  andere  Entdeckungen  nahe  gelegte 
Annahme  zu  machen,  dass  gerade  in  den  bekannten  Fällen  die  Zahl  der 
zerfallenen  Molekeln  eine  relativ  sehr  grosse  ist,  wurde  es  möglich,  für  <fc 
von  Clausius  gegebene  Erklärung  den  Boden  zu  finden,  auf  dem  allein  die 
Bündigkeit  einer  Anschauung  geprüft  werden  kann,  nämlich  das  Gebiet  der 
zahlenmässigen  Bewährung. 

Bevor  es  hierzu  kam,  war  allerdings  noch  ein  langer  Weg  zurückzu- 
legen, welcher  zunächst  in  die  Fragen  nach  der  Leitfähigkeit  der  Elektrolyte 
führte,  deren  Bedeutung  fiir  die  Aufgabe  bereits  Hittorf  klar  erkannt  und 
ausgesprochen  hatte. 

21.  Die  Leitfähigkeit  der  Elektrolyte.  Die  älteren  Arbeiten  über 
die  elektrische  Leitfähigkeit  der  Elektrolyte  hatten  zunächst  nur  die  Erforschung 
der  vorhandenen  Beziehungen  in  allgemeiner  Gestalt  zum  Zwecke,  und  che- 
mische Gesichtspunkte  sind  bei  jenen  Arbeiten  über  die  vorher  (S.  815)  be- 
richtet worden  ist,  auf  keine  Weise  in  Frage  gekommen.  Auch  die  weitere 
Entwickelung  hat  sich  chemischen  Fragen  zunächst  nicht  zugewendet;  viel- 
mehr war  die  zunächst  bearbeitete  Aufgabe  die  nach  einer  möglichst  ein- 
fachen und  genauen  Methode  zur  Messung  dieser  Grösse.  Denn  hier  lag 
eine  Schwierigkeit  vor,  von  welcher  die  Messung  metallischer  Widerstände 
frei  ist:  die  Polarisation.  Zwar  ändert  diese  nicht  den  Widerstand  im  Strom- 
kreise, sondern  nur  die  elektromotorische  Kraft;  da  aber  alle  Widerstands- 
messungen in  letzter  Instanz  auf  Strommessungen  begründet  sind,  so  macht 
sich  jede  Änderung  des  anderen  bestimmenden  Faktors  der  Stromstärke, 
der  elektromotorischen  Kraft,  ebenso  geltend,  wie  es  eine  Widerstandsände- 
rung thun  würde,  und  muss  experimentell  oder  rechnerisch  eliminirt  werden, 
wenn  man  ein  richtiges  Ergebniss  haben  will. 

Das  Verfahren,  welches  für  diesen  Zweck  zuerst  angewendet  wurde,  ist 
von  Wollaston  (S.  642)  angegeben  worden,  und  besteht  darin,  dass  man 
zwei  Versuche  mit  verschiedenem  Flüssigkeitswiderstande  anstellt,  bei  denen 
man  die  Polarisation  constant  erhält.  Man  erhält  dadurch  zwei  Gleichungen 
des  OHM'schen  Gesetzes,  aus  denen  man  die  elektromotorische  Kraft  der 
Polarisation  eliminiren  kann.  Um  die  Voraussetzung  des  Verfahrens  zu  er- 
füllen, hat  man  dafür  zu  sorgen,  dass  die  Stromstärke  constant  bleibt;  man 
muss  daher  den  Unterschied  der  beiden  Flüssigkeitswiderstände  durch  solche 
aus  Draht  ersetzen,  wenn  man  von  dem  einen  zu  dem  anderen  übergeht, 
und  hat  in  diesem  Drahtwiderstande  ein  Maass  des  Flüssigkeitswiderstandes. 

Die  Ausführung  des  Versuches  lehrte,  dass  es  recht  schwer  ist,  die 
Polarisation  auch  unter  solchen  Bedingungen  constant  zu  erhalten,  und 
wir  können  im  Laufe  der  sechziger  T  '       "*;e  stufenweise  Entwickelung  der 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  003 


.n  verfolgen,  die  zur  Vermeidung  dieser  Schwierigkeit  ersonnen 
sind. 

1  leichtesten  Hess  sich  die  Polarisation  in  dem  Falle  vermeiden,  dass 

ctrolyt  ein  Salz  eines  Metalles  war,  aus  welchem  die  Elektroden  be- 

Durch   die  Erfahrungen   an  der  DANiELi/schen  Kette  war  die  Un- 

-lichkeit  solcher  Elektroden  auch  beim  Durchgang  stärkerer  Ströme 

geworden.  Dazu  kam  dann  die  von  E.  du  Bois-Reymond  *  gelegentlich 
arbeiten  aus  der  Elektrophysiologie  gemachte  Beobachtung,  dass  die 
laft  der  Nichtpolarisirbarkeit  in  ganz  besonders  hohem  Grade  dem 
lirten  Zink  in  Zinkvitriollösungen  zukommt.  Für  diesen  Fall  wenig- 
>sen  sich  Flüssigkeitswiderstände  ebenso  bequem  und  sicher  messen, 
allische,  und  wir  verdanken  W.  Beetz  eine  entsprechende,  sehr  sorg- 
sgeführte  Untersuchung,  welche  uns  die  ersten  unzweifelhaften  Werthe 
m  Gebiete  geliefert  hat.2  Als  weiterer  Vorzug  der  Arbeit  muss  er- 
verden,  dass  in  ihr  von  einem  streng  vergleichbaren  Maass  zum 
Aale   für   diesen    Zweck   Gebrauch    gemacht   wird:   die  Widerstände 

auf  die  vor  kurzem  von  Werner  Siemens  eingeführte  Einheit,  den 
and  eines  Quecksilberfadens  von   1  m  Länge  und  1  mm2  Querschnitt, 

• 

Nichtpolarisirbarkeit  der  Zinkelektroden  gab  ferner  Gelegenheit,  eine 
:h  in  Betracht  kommende  Frage  zu  entscheiden:  die  nach  dem  Vor- 
ein eines  etwaigen  Übergangswiderstandes.  „Um  über  diesen  ins 
1  kommen,  stellte  ich  folgende  Versuche  an:  In  die  .  .  .  Röhre  wurde 
zahl  amalgamirter  Zinkklötze  gebracht,  welche  stempelartig  an  die 
rände  anschlössen  und  in  ihrer  Axe  mit  einem  feinen  Bohrer  durch- 
aren.  Die  Klötze  hafteten  in  der  Regel,  sobald  sie  sich  berührten, 
einander,  doch  konnten  einige  immer  durch  Neigen  des  Rohres  von 

•  getrennt  werden.     Lagen   alle  Klötze  dicht  an  einander  und  auch 

•  Polplatte,  so  trat  der  Strom  nur  an  den  beiden  Enden  der  Flüssig- 
e  aus  dem  Metall  in  die  Flüssigkeit  und  durchlief  dann  dieselbe, 
die  Klötze  von  einander  und  von  der  Polplatte  abgerückt,  so  musste 
ere  Male  aus  dem  Metalle  in  die  Flüssigkeit  übertreten,  die  Länge 
hlaufenen  Flüssigkeit  aber  blieb  immer  die  gleiche." 

fangs  fand  Beetz  nach  diesem  Verfahren  bei  mehreren  Unterbrechungen 
rgrösserten  Widerstand.  Als  er  jedoch  die  Klötze  in  Zinkvitriollösung 
te,  verschwand  diese  Erscheinung,  und  er  fand: 

Bei  3  Unterbrechungen 460,2 

„2  „  460,0 

„     1   Unterbrechung 459»9 

„    o  „  459,7  • 

in   Übergangswiderstand    im    eigentlichen  Sinne    des  Wortes  existirt 


tzungsber.  der  Berl.  Akademie   1859.  465.  *  POGG.  Ann.  117,   1.   1862. 


Q04  Sechzehntes  Kapitel. 

Was  die  übrigen  Ergebnisse  der  Arbeit  anlangt,  so  haben  wir  uns  mit 
ihnen  kaum  zu  beschäftigen.  Sie  bestanden  wesentlich  in  der  Bestätigung 
und  zahlenmässigen  Feststellung  der  von  den  älteren  Autoren  beobachteten 
allgemeinen  Verhältnisse,  nach  welchen  der  Widerstand  mit  steigender  Tem- 
peratur zu-  und  mit  steigendem  Gehalt  an  gelöstem  Elektrolyt  abnimmt; 
letzteres  jedoch  im  vorliegenden  Falle  bis  zu  einem  bestimmten  Gehalt,  bei 
dem  der  Widerstand  ein  Minimum  war;  darüber  hinaus  nahm  der  Wider- 
stand mit  steigendem  Salzgehalt  zu.  Dieses  Minimum  verschiebt  sich  mit 
steigender  Temperatur  nach  der  Seite  der  höheren  Concentrationen. 

Von  Interesse  sind  schliesslich  die  Angaben  von  Beetz,  auf  welche 
Weise  er  andere  Flüssigkeiten  auf  ihre  Leitfähigkeit  zu  untersuchen  beab- 
sichtigte.. Um  alle  Störungen  durch  Elektroden  zu  vermeiden,  bemühte  er 
sich,  in  einer  in  sich  zurücklaufenden  Flüssigkeitsmasse  Ströme  zu  erzeugen, 
welche  bei  gleicher  elektromotorischer  Kraft  sich  verhalten  müssen  wie  die 
Leitfähigkeiten.  Erstens  Hess  er  sich  einen  Multiplicator  aus  einer  Glasröhre 
herstellen,  in  welchem  er  einen  Magnet  aufhängte.  Der  Multiplicator  lief  in 
ein  gleichfalls  aus  Glas  hergestelltes  Solenoid  aus,  in  welchem  durch  Unter- 
brechung eines  daneben  verlaufenden  Stromes  Inductionsströme  erzeugt  wer- 
den konnten;  das  Ganze  war  mit  Flüssigkeit  gefüllt.  Indessen  gelang  es 
nicht,  auf  diese  Weise  gute  Messungen  zu  erhalten,  da  die  Störungen  durch 
den  primären  Strom  im  Verhältniss  zu  den  schwachen  entstehenden  Induc- 
tionsströmen  zu  gross  waren.  Ebensowenig  gelang  ein  anderer  Versuch,  die 
dämpfende  Wirkung,  welche  die  Umgebung  mit  leitender  Flüssigkeit  auf 
eine  schwingende  Magnetnadel  ausübt,  und  welche  gleichfalls  der  Leitfähig- 
keit proportional  ist,  für  die  Messung  zu  benutzen.  Auch  hier  liegt  es  an 
der  Kleinheit  der  auftretenden  Kräfte,  die  durch  die  verhältnissmässig  sehr 
geringe  Leitfähigkeit  der  Flüssigkeiten  verursacht  wird.  In  einer  anderen 
Gestalt  ist  der  Plan  später1  von  Guthrie  und  Boys  ausgeführt  worden,  in- 
dessen waren  auch  hier  die  erhaltenen  Wirkungen  so  gering,  dass  von  einer 
praktischen  Anwendung  des  Verfahrens  nicht  die  Rede  sein  konnte.  Heute, 
wo  die  Technik  dem  Experimentator  durch  mehrphasige  Wechselströme 
rotirende  Magnetfelder  von  grosser  Stärke  zur  Verfugung  stellt,  hat  die 
Wiederholung  derartiger  Versuche  viel  bessere  Aussicht  auf  Erfolg. 

Auf  einem  anderen  Wege  versuchte  Paalzow2  die  in  der  Polarisation 
liegenden  Schwierigkeiten  zu  beseitigen.  Er  behielt  die  von  Beetz  ange- 
wendeten Elektroden  von  amalgamirtem  Zink  in  Zinkvitriollösung  bei,  und 
brachte  die  zu  untersuchende  Flüssigkeit  zwischen  die  Lösungen.  Da  zwi- 
schen verschiedenen  Flüssigkeiten  nur  sehr  geringe,  schwierig  nachweisbare 
Polarisation  entsteht,  die  man  vernachlässigen  kann,  so  war  dadurch  die 
Aufgabe  im  Allgemeinen  gelöst,  wenn  auch  im  Einzelnen  mancherlei  Schwie- 
rigkeiten nachblieben. 

Von  allgemeinerer  Anwendung  ist  auch  dieses  Verfahren  nicht  geworden, 

1  Philos.  Mag.  (5)  4,  328.   1880.  *  Pogo.  Ano.  136,  489.  1869. 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  qqc 

ia  fast  um  die  gleiche  Zeit  die  Ausarbeitung  einer  anderen  Methode  be- 
gann, welcher  die  Zukunft  angehören  sollte.  Es  ist  dies  das  gleich  zu  be- 
sprechende Verfahren  von  Kohlrausch,  welches  auf  der  Anwendung  von 
Wechselströmen  beruht 

Diese  Methode  entwickelte  sich  so  zweckmässig,  dass  auch  die  später 
ron  Fuchs1  und  Lippmann2  angegebene  elektromotorische  Methode,  die  gleich- 
älls  die  Polarisation  vermeidet,  indem  statt  des  einen  dauernden  Strom  er- 
brdernden  Galvanometers  ein  Elektrometer  benutzt  wird,  welches  nur  eine 
einmalige  Ladung  beansprucht,  sie  nicht  zu  verdrängen  vermocht  hat  Bei 
veitem  das  meiste,  was  für  elektrochemische  Fragen  von  Belang  geworden 
st,  ist  durch  die  Anwendung  der  Methode  von  Kohlrausch  gefunden  worden, 
;o  dass  ein  Eingehen  auf  deren  Entwicklung  von  Interesse  ist 

Die  erste  Mittheilung  über  das  Verfahren  ist  in  einer  Arbeit  von 
Friedrich  Kohlrausch  und  W.  A.  Nippoldt3  enthalten,  die  unter  dem  Titel: 
Über  die  Gültigkeit  der  OHM'schen  Gesetze  für  Elektrolyte  und 
sine  numerische  Bestimmung  des  Leitungswiderstandes  der  ver- 
dünnten Schwefelsäure  durch  alternirende  Ströme  im  Jahre  1869 
erschien.  Hier  befinden  sich  die  ersten  Anfänge  der  Methode,  die  in  ihrer 
vervollkommneten  Gestalt  mehr  wie  jede  andere  dazu  beigetragen  hat,  unsere 
Kenntniss  dieser  wichtigen  Grössen  zu  vermehren  und  die  schon  von  Hittorf 
erhoffte  fordernde  Wirkung  auf  die  Erkenntniss  auch  der  chemischen  Ver- 
hältnisse der  Lösungen  auszuüben. 

Kohlrausch  und  Nippoldt  erörterten  zunächst  die  Methoden,  die  bei 
der  Leitfähigkeitsbestimmung  von  Elektrolyten  auftretenden  Polarisationen 
zu  vermeiden.  Nachdem  sie  das  Verfahren  von  Beetz,  welches  nur  für 
solche  Lösungen  anwendbar  ist,  fiir  die  es  unpolarisirbare  Elektroden  giebt, 
und  das  von  Paalzow  besprochen  haben,  bei  dem  dieser  Übelstand  aller- 
dings im  Wesentlichen  vermieden  ist,  weisen  sie  auf  eine  weitere  Mög- 
lichkeit hin,  die  Polarisation  unschädlich  zu  machen,  nämlich  durch  die 
Anwendung  sehr  kurz  dauernder  Ströme,  bei  denen  die  Polarisation  keine 
Ceit  hat,  sich  auszubilden.  Nur  tritt  hier  der  Ubelstand  ein,  dass  zwar  im 
Ersten  Augenblicke  keine  Polarisation  vorhanden  ist,  eine  solche  aber  in 
:ürzester  Frist  entsteht,  so  dass  die  Versuche,  einzelne  durch  Magnetinduction 
rhaltene  Stromstösse  zu  benutzen,  an  diesen  Nachwirkungen  scheiterten. 

„Man  vermeidet  diese  Nachwirkung  der  Polarisation  vollständig,  wenn 
ian  immer  paarweise  gleiche  Inductionsstösse  in  abwechselnder  Richtung 
nwendet.  Denn  zwei  entgegengesetzte  Ströme  von  gleichem  Integralwerth 
cheiden  an  jeder  der  Elektroden  die  beiden  Bestandtheile  des  Elektrolyten 
1  chemisch  äquivalenten  Mengen  aus.  Nimmt  man  an,  dass  dieselben  sich 
ofort  wieder  zu  der  ursprünglichen  chemischen  Verbindung  vereinigen,  so 
>t    jede  Elektrode    nach    dem   Durchgange    der   beiden   Ströme   wieder   im 

1   Pogg.  Ann.  156,   162,   1875.  *  Comptes  rendus  83,   192.   1876. 

»  Pogg.  Ann.  138,  280.  1859.  * 


qo6  Sechzehntes  Kapitel. 


Anfangszustande,  wobei  natürlich  vorausgesetzt  wird,  die  Stärke  des  einzeln« 
Stosses  bleibe  unterhalb  der  Grenze,  wobei  eine  Entwickelung  von  Gasbläs- 
chen eintritt,  und  ferner,  die  Aufeinanderfolge  geschehe  so  rasch,  dass  nicht 
in  der  Zwischenzeit  eine  merkliche  Menge  des  ausgeschiedenen  Stoffes  durch 
Diffusion  verschwinde.  Sollte  nun  auch  die  Wiedervereinigung  nicht  mo- 
mentan erfolgen,  so  weiss  man  doch  aus  den  Versuchen  von  de  la  Rive 
und  von  Poggendorff,  dass  sie  in  kurzer  Zeit  geschieht,  indem  bei  hin- 
reichend raschem  Wechsel  kräftiger  Ströme  die  Gasentwickelung  aufhörte. 
Man  sieht  aber  zugleich,  dass  die  Polarisation  an  beiden  Elektroden  gleich 
ist,  wenn  diese  sich  in  symmetrischen  Verhältnissen  befinden,  insbesondere 
also  gleiche  Grösse  haben,   so  dass  sie  keinen  Strom  hervorbringen  kann." 

Auf  Grund  dieser  Überlegung  wird  nun  dargelegt,  dass  die  erforder- 
lichen entgegengesetzt  gleichen  Ströme  durch  die  Drehung  eines  Magnets 
in  einem  Galvanometergewinde  sich  leicht  herstellen  lassen,  dass  ferner  die 
durch  Ungleichheiten  der  Elektroden  etwa  noch  möglichen  Reste  der  Polari- 
sation dadurch  beliebig  verkleinert  werden  können,  dass  man  die  Elektroden 
möglichst  gross  macht,  indem  die  elektromotorische  Kraft  einer  bestimmten 
ausgeschiedenen  Menge  des  polarisirenden  Stoffes  in  erster  Annäherung  seiner 
Dichte  proportional,  also  der  Grösse  der  Elektroden  umgekehrt  proportional 
sein  wird. 

Die  Anwendung  des  Gedankens  setzt  ein  Hilfsmittel  voraus,  mit  dem 
man  solche  gleiche  entgegengesetzte  Ströme  messen  kann;  auf  ein  gewöhn- 
liches Galvanometer  wirken  sie  nicht,  indem  sie  ihre  ablenkende  Wirkung 
abwechselnd  aufheben.  Dagegen  ist  das  Elektrodynamometer  von  Wilhelm  « 
Weber1  ein  solches  Instrument.  Es  besteht  aus  zwei  Rollen  von  Draht,  von 
denen  die  eine  fest  ist,  die  andere  innerhalb  jener  drehbar  aufgehängt  ist 
Stehen  die  Rollen  anfangs  einander  parallel,  und  schickt  man  durch  beide 
einen  Strom,  so  erfolgt  eine  elektrodynamische  Abstossung  der  Stromkreise, 
und  die  Rollen  suchen  sich  senkrecht  zu  einander  zu  stellen.  Die  Ausschläge 
sind  dem  Quadrat  der  Stromstärke  proportional  und  von  der  Stromrichtung 
unabhängig;  sie  erfolgen  daher  auch,  wenn  Wechselströme  durch  den  Ap- 
parat gehen. 

Die  erste  Ausfuhrung  des  Verfahrens  erfolgte  durch  unmittelbare  Sub- 
stitution, indem  zuerst  bei  gegebener  Drehungsgeschwindigkeit  des  Magnets 
der  Ausschlag  bei  eingeschaltetem  Flüssigkeitswiderstande  gemessen  wurde, 
und  dann  ein  Drahtwiderstand  aufgesucht  wurde,  welcher  den  gleichen  Aus- 
schlag bewirkte.  Durch  passende  Auseinanderschaltung  der  Versuche  wurde 
der  Einfluss  der  Veränderlichkeit  der  Drehungsgeschwindigkeit  des  Magnets 
(der  durch  eine  Sirene  bethätigt  wurde,  deren  Tonhöhe  die  Drehungsge- 
schwindigkeit maass)  ausgeschaltet. 

Die  Ursache,  diese  unbequeme  Methode  an  Stelle  einer  der  bequemen 
„Nullmethoden",    des   DirTerentialmultiplicators    oder   der  WHEATSTONE,schen 


1  Elektr.  Maassbestimmungen  I.  Abh.  d.  K.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1846. 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  qq7 

brücke  anzuwenden,  sahen  Kohlrausch  und  Nippoldt  in  dem  Umstände,  dass 
lie  Ausschläge  des  Dynamometers  dem  Quadrat  der  Stromstärke  proportional 
ind,  also  in  der  Nähe  des  Nullpunktes  einen  zu  kleinen  Werth  annehmen; 
udem  ist  die  Richtung  des  Ausschlages  von  der  Stromrichtung  unabhängig, 
o  dass  man  aus  ihm  nicht  ersehen  kann,  nach  welcher  Seite  man  die  Wider- 
tände  ändern  soll.  Erst  nach  Vollendung  der  Arbeit  ergab  sich  ein  Aus- 
cunftsmittel:  „Es  ist  dabei  übersehen,  dass  man  den  Schwierigkeiten  entgeht, 
venn  man  die  beiden  Rollen  des  Dynamometers  in  verschiedene  Zweige 
ler  Leitung  bringt  Dadurch  werden  die  obigen  Methoden  ebenso  leicht 
mwendbar,  wie  bei  dem  gewöhnlichen  Galvanometer,  was  die  beabsichtigte 
Ausdehnung  der  Messungen  auf  andere  Flüssigkeiten  wesentlich  erleich- 
tern wird." 

Bevor  die  Methode  zu  Messungen  angewendet  wurde,  ging  eine  Unter- 
suchung über  die  Grösse  der  Polarisation  voraus,  welche  unter  den  vorhan- 
denen Umständen  zu  erwarten  war.  Ein  einzelner  Stromstoss  zerlegte  nicht 
mehr  als  etwas  über  ein  Milliontel  Milligramrfi  Wasser,  wobei  rund  0,002  Kubik- 
millimeter  Wasserstoff  ausgeschieden  wurden.  Mit  Elektroden  von  108  Quadrat- 
millimeter Oberfläche  ergab  sich  eine  sehr  starke  Polarisation.  „Dies  über- 
raschende Resultat  lässt  zwei  Deutungen  zu.  Entweder  sind  die  elektro- 
motorischen Kräfte  so  dünner  Gasüberzüge,  wie  die  eben  genannten,  Grössen 
von  derselben  Ordnung,  wie  die  elektromotorischen  Kräfte  der  Hydroketten, 
oder  man  müsste  Zweifel  an  der  Richtigkeit  des  OHM'schen  Gesetzes  für 
Elektrolyte  hegen." 

Indessen  entschied  der  Versuch  die  Frage  alsbald  im  ersten  Sinne.  Als 
Elektroden  von  je  2900  Quadratmillimeter  Oberfläche  angewendet  wurden, 
/erschwanden  die  Abweichungen,  welche  früher  bei  verschiedener  Drehungs- 
jeschwindigkeit  des  Inductors  beobachtet  waren,  und  der  Flüssigkeitswider- 
stand verhielt  sich  ganz  wie  ein  metallischer,  indem  bei  Steigerung  der 
Tonhöhe  der  Sirene  um  vier  Oktaven,  also  auf  die  sechzehnfache  Geschwin- 
digkeit, die  Ausschläge  für  den  flüssigen  und  den  metallischen  Widerstand 
einander  gleich  blieben. 

Indessen  wurde  die  hier  einmal  angeregte  Frage  nach  der  Gültigkeit 
des  OHM'schen  Gesetzes  für  Elektrolyte  weiter  untersucht,  indem  immer  ge- 
ringere und  geringere  elektromotorische  Kräfte  angewendet,  und  die  ent- 
sprechenden Stromstärken  gemessen  wurden.  Da  die  Anwendung  von  Wech- 
selströmen an  der  unzureichenden  Empfindlichkeit  des  Dynamometers  sehr 
bald  eine  Grenze  fand,  so  wurde  die  von  Beetz  benutzte  Zusammenstellung: 
Zink  in  Zinksulfatlösung,  angewendet;  die  erforderlichen  kleinen  Spannungen 
gab  ein  Thermoelement.  Dabei  wurde  bis  auf  0,00006  von  der  elektro- 
motorischen Kraft  eines  GROVE'schen  Elementes  herabgegangen,  ohne  dass 
eine  die  Versuchsfehler  überschreitende  Abweichung  beobachtet  werden 
konnte;  das  OHM'sche  Gesetz  war  also  für  alle  Stromstärken  und  Spannungen, 
die  irgend  für  den  Zweck  in  Frage  kommen  konnten,  als  gültig  bei  Elek- 
trolyten erwiesen  worden. 


go8  Sechzehntes  Kapitel. 


„Aus  der  elektromotorischen  Kraft  des  Thermoelementes  lässt  sich  leicht 
überschlagen,  dass  der  schwächste  der  obigen  Ströme,  das  elektrolytische 
Gesetz  von  Faraday  als  allgemein  gültig  vorausgesetzt,  in  einer  Sekunde 
4.  iO"~8  Milligramm  Wasser  zersetzt  haben  würde.  Buff  hat  nachgewiesen, 
dass  für  einen  etwa  doppelt  so  starken  Strom  in  angesäuertem  Wasser  (aller- 
dings zwischen  Platinspitzen)  das  FARADAY^sche  Gesetz  noch  gültig  ist  Er- 
lauben wir  uns  daher,  auch  für  unseren  Fall  anzunehmen,  dass  eine  Zer- 
setzung stattfand,  so  folgt,  dass  die  geringste  elektrische  Scheidungskraft,  '. 
welche  auf  die  Theile  eines  Elektrolyten  gewirkt  hat,  grösser  ist,  als  die 
chemischen  Affinitätskräfte  derselben.  Man  wird  also  in  der  That  der  An- 
nahme von  Clausius,  dass  eine  Stabilität  chemischer  Verbindungen  im  ge- 
wöhnlichen Sinne  gar  nicht  vorhanden  sei,  nahe  geführt." 

An  diesem  Schluss  ist  nur  auszusetzen,  dass  kein  Recht  vorliegt,  ihn 
auf  alle  chemischen  Verbindungen  auszudehnen.  Denn  er  gilt  nach  der  Art, 
wie  man  zu  ihm  gelangt  ist,  offenbar  nur  für  solche  chemische  Verbin- 
dungen, welche  der  Elektrolyse  fähig  sind,  und  dies  ist  nur  eine  kleine  Zahl 
unter  allen.  Werthvoll  ist  aber  diese  Bemerkung  als  ein  unverdächtiges 
Zeugniss  dafür,  mit  welcher  Gewalt  sich  bei  der  unbefangenen  Betrachtung 
der  Leitungserscheinungen  die  Erkenntniss  von  der  Freiheit  der  Ionen  auf- 
drängt. 

Die  nach  der  Methode  zunächst  an  verschiedenen  Lösungen  von  Schwefel- 
säure ausgeführten  Bestimmungen  brauchen  hier  keinen  Platz  zu  finden,  da 
sie  später  durch  genauere  ersetzt  worden  sind.  Dagegen  muss  erwähnt 
werden,  dass  schon  in  dieser  Arbeit  dafür  Sorge  getragen  wird,  die  beob- 
achteten Zahlen  auf  vergleichbares  Maass  zu  überrechnen.  Zu  dem  Zwecke 
wurde  die  Länge  und  der  Durchmesser  der  Röhre,  in  welcher  die  Messungen 
vorgenommen  worden  waren,  sowie  der  Ausbreitungswiderstand  von  den 
Enden  der  Röhre  bis  zu  den  Platinelektroden  bestimmt,  und  daraufhin  die 
Umrechnung  auf  Quecksilbereinheiten  vorgenommen,  so  dass  die  erhaltenen 
Zahlen  angaben,  um  wieviel  die  untersuchten  Flüssigkeiten  mehr  Widerstand 
aufwiesen,  als  ein  gleichgeformtes  Stück  Quecksilber.  Auch  in  dieser  Be- 
ziehung ist  die  Abhandlung  von  grossem  vorbildlichen  Werthe. 

22.    Polarisationserscheinungen   bei   Wechselströmen.     Die  Be- 
nutzung von  Wechselströmen  bei  der  Messung  der  elektrischen  Leitfähigkeit 
bot   für   F.  Kohlrausch    auch   den   Anlass,    die   elektromotorische  Kraft  zu 
untersuchen,    welche  durch  sehr  kleine  an    den  Elektroden   ausgeschiedene 
Mengen    der   Zersetzungsprodukte    entsteht.1     Durch   Becquerel2  war   nach 
einer  allerdings  etwas  rohen  Methode  bereits  wahrscheinlich  gemacht  worden, 
dass  bei  kleinen  Werthen  der  Polarisation  diese  den  ausgeschiedenen  Mengen 
des  polarisirenden  Stoffes  proportional  ist.     Der  hier  auftretende  Faktor  hat 
aber  ein  bedeutendes  Interesse,   da   er  in  engem  Zusammenhange  mit  den 
sogenannten  molekularen  Dimensionen  der  Stoffe  steht,  oder  besser  gesagt, 


1  Pogg.  Ann.  148,   143.   1873.  "  Comptes  rendus  22/381.   1846. 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  QOQ 


t  Grenze  der  Schichtdicke  erkennen  lässt,  bei  welcher  die  Stoffe  die  Eigen- 
laften  zu  verlieren  beginnen,  die  sie  in  Masse  besitzen.1 

Um  zu  einer  Kenntniss  der  vorhandenen  Polarisation  zu  gelangen,  ent- 
ckelte  Kohlrausch  die  Gleichungen  des  elektrischen  Stromes,  welcher  in 
tinellem  Wechsel  einen  zwischen  zwei  Elektroden  befindlichen  Elektrolyt 
rchsetzt,  indem  er  auf  die  elektromotorische  Gegenkraft  der  dabei  ent- 
senden Polarisation  unter  der  Voraussetzung  Rücksicht  nahm,  dass  sie 
r  durchgegangenen  Elektricitätsmenge  und  daher  der  Menge  der  abge- 
hiedenen  Stoffe  proportional  ist.  Seine  Versuche  bestanden  in  der  Messung 
s  Ausschlages  des  Elektrodynamometers,  wenn  in  den  Kreis  einmal  der 
üssigkeitswiderstand,  das  andere  Mal  ein  annähernd  gleicher  Metallwider- 
md  eingeschaltet  war.  Die  Rechnung  ergiebt,  dass  alsdann  infolge  der 
>larisation  der  Ausschlag  mit  der  Flüssigkeit  nicht  nur  kleiner,  sondern 
ch  unter  bestimmten  Umständen  grösser  sein  kann,  als  mit  dem  polarisa- 
»nsfreien  Widerstände,  und  die  Beobachtung  bestätigte  die  Rechnung,  und 
mit  auch  die  gemachten  Voraussetzungen. 

Das  Zahlenergebniss  war,  dass  die  Polarisation  von  der  elektromoto- 
chen  Kraft  eines  Daniell  hervorgebracht  wird  durch  Schichten  von 
xdooooooi  5  Milligramm  Wasserstoff  und  0,000000012  Milligramm  Sauer- 
>rT  auf  ein  Quadratmillimeter.  Die  entsprechende  Wassermenge  würde  eine 
hicht  von  0,000000001  35  cm  bilden.  Setzt  man  das  annähernde  Maxi- 
jm  der  Polarisation  auf  2,4  Daniell,  so  würde  diese  Wasserschicht  rund 
XX)  000  003  cm  dick  sein.  Über  die  thatsächlich  vorhandene  Schichtdicke 
ist  sich  natürlich  nichts  aussagen;  vielmehr  muss  als  wahrscheinlich  ange- 
immen  werden,  dass  eine  bestimmte  Schichtdicke  gar  nicht  anzugeben  ist, 
ndern  ein  zwar  schneller,  aber  doch  stetiger  Übergang  von  der  Elektrode 
5  zum  Elektrolyt  stattfindet. 

23.  Ausbildung  der  Methode.  Die  weitere  Entwicklung  der  Methode 
r  altemirenden  Ströme  ging  dann  in  einzelnen  Stufen  vor  sich.  In  einer 
I74  erschienenen  Arbeit,  welche  in  erster  Linie  die  eben  erwähnten  Er- 
heinungen  der  Phasenverschiebung  wechselnder  Ströme  unter  der  Einwirkung 
ner  elektrolytischen  Zelle  zum  Gegenstande  hat,  beschreibt  F.  Kohlrausch2 

1  Es  ist  eine  allgemeine  experimentelle  Thatsache,  dass  die  Eigenschaften  der  StofTe  andere 
:rden,  wenn  sie  in  sehr  dünnen  Schichten  untersucht  werden;  was  wir  gewöhnlich  die  physi- 
lischen  Eigenschaften  einer  bestimmten  Substanz  nennen,  hat  seine  Gültigkeit  somit  nur  bis 
einer  bestimmten  Grenze.  Diese  Grenze  kann  durch  sehr  verschiedene  Methoden  ermittelt 
:rden,  und  zeigt  sich  in  merkwürdiger  Übereinstimmung  ziemlich  unabhängig  von  der  Be- 
laffenheit  des  Stoffes  und  der  Natur  der  untersuchten  Eigenschaft  bei  rund  1/10ooooooo  cm 
legen.  Man  hat  diese  Zahl  mit  der  Grösse  der  Molekeln  in  Zusammenhang  gebracht,  und 
)hl  auch  die  Thatsache  einer  solchen  Grenze  als  einen  Beweis  für  die  wirkliche  Existenz  der 
olekeln  angesehen.  Thatsächlich  handelt  es  sich,  wenn  man  sich  von  allen  Hypothesen  frei 
lten  will,  in  allen  diesen  Fällen  nur  um  den  bereits  erwähnten  Umstand,  dass  die  Eigen- 
laften  der  Materie  in  Masse  andere  sind,  als  die  in  Schichten,  welche  dünner  sind,  als  die 
en  angegebene  Grenze. 

*  Pogg.  Ann.  Jubelband,   290.   1874. 


9io 


Sechzehntes  Kapitel. 


zwei  Verbesserungen,  von  denen  namentlich  die  zweite  von  bedeutende! 
Wichtigkeit  ist.  Zunächst  ersetzte  er  die  früher  als  Motor  bei  der  Er- 
zeugung der  Wechselströme  benutzte  Sirene  durch  ein  Räderwerk,  vermittek 
dessen  ein  Magnet  in  einer  Drahtspule  gedreht  werden  konnte.  Der  Apparat 
ist  beistehend  wiedergegeben;  durch  verschiedene  Belastung  des  Anbiete 
können  sehr  verschiedene  Geschwindigkeiten  hergestellt  werden. 


Fig.   231.     Nach  F.  Kohlrausch. 


Diese  Vorrichtung  ist  nur  in  beschränktem  Umfange  im  Gebrauch  ge- 
blieben, da  in  dem  Induction sapparate  bald  ein  viel  einfacheres  Mittel  ge- 
funden wurde,  die  erforderlichen  Wechselströme  herzustellen. 

Der  zweite  Fortschritt  bestand  in  der  Herstellung  geeigneter  Elektroden. 
Die  Theorie  zeigt,  dass  der  Einfluss  der  Polarisation  auf  die  Messung  um  so 
geringer  wird,  je  grösser  unter  gleichen  Umständen  die  Elektroden  sind 
Bei  gleichbleibender  Plattengrösse  kann  man  nun  eine  sehr  bedeutende  Ver- 
grösserung  der  wirksamen  Elektro  den  fläche  erzielen,  wenn  man  die  Elektroden 
platinirt.  Das  Platin  pflegt  sich  nämlich  bei  der  Elektrolyse  nicht  als  :u- 
sammenhängende  metallische  Schicht  auszuscheiden,  sondern  in  Gestalt  eines 
pulverigen,  sammetschwarzen  Niederschlages,  welcher  vermöge  dieser  Be- 
schaffenheit eine  unvergleichlich  grössere  wirksame  Oberfläche  hat,  als  eine 
blanke  Platte.  Diese  Verbesserung  ist  für  die  Entwickelung  des  Verfahrens 
von  grosser  Bedeutung  gewesen,  da  erst  durch  sie  die  Herstellung  kleiner 
und  handlicher  Apparate  möglich  geworden  ist. 

Das  folgende  Jahr  bringt  nun  eine  ausgedehnte  Untersuchung  der  Leit- 
fähigkeit  einer  bestimmten  Klasse   von  Elektrolyten,   der  Chloride,   welche 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten. 


QU 


Kohlrausch  und  Grotrian1  ausgeführt  worden  ist.     Die  benutzte  Ver- 

isanordnung  ist  durch  die  Fig.  232  wiedergeben,  in  welcher  ab  das  Elek- 

lynamometer,    5 

Sinusinductor, 

den   elektrolyti- 
len  Widerstand, 

den  Rheostaten 
i  C  einen  Com- 
rator  darstellt;  die 
len  mit  100  be- 
chneten  Stücke 
l  zwei  Wider- 
ide  von  100  Ein- 


Fig.  232.     Nach  F.  Kohlrausch. 


en,    welche   zwei    Arme    des  WHEATSTONE'schen   Brücke    bilden. 

Der  eigentlichen  Messung  wurde  eine  sehr  sorgfältige  Untersuchung  der 
glichen  Fehlerquellen  des  Verfahrens  vorausgeschickt,  welche  dasselbe  als 
ig  vertrauenerweckend  kennzeichneten.  Die  Hauptfrage  war,  in  welchem 
isse  es  gelungen  war,  den  Einfluss  der  Polarisation  zu  beseitigen.  Dass 
ier  That  bei  Anwendung  der  platinirten  Elektroden  die  hiervon  veran- 
ten  Fehler  unter  den  Werth  der  übrigen  Versuchsfehler  gebracht  worden 
en,  ergab  sich  daraus,  dass  erstens  der  Widerstand  einer  gegebenen 
ssigkeit  sich  unabhängig  von  der  Umdrehungszahl  des  Sinusinductors 
ies,  und  dass  zweitens  eine  Zinkvitriollösung  die  gleichen  Werthe  ergab, 
n  sie  einerseits  zwischen  unpolarisirbaren  Zinkelektroden  mit  constantem 
andererseits  zwischen  Platinelektroden  mit  Wechselstrom  untersucht 
de.  Die  beobachteten  Zahlen  sind,  auf  gleiche  Temperatur  reducirt, 
,49,  537,41,  537,20.  Es  ist  nicht  leicht,  irgend  eine  andere  Eigenschaft 
s  flüssigen  Stoffes  nach  ganz  verschiedenen  Methoden  mit  einer  gleichen 
auigkeit  zu  bestimmen.  „Zugleich  wird  durch  die  letzte  der  drei  Prü- 
fen der  nicht  überflüssige  Nachweis  geführt,  dass  die  Arbeit  der  Wechsel- 
me  (bei  denen  die  Bestandtheile  der  Elektrolyte  nur  sehr  kleine  Pendel- 
vingungen  gegen  einander  ausführen)  dem  OHM'schen  Gesetz  für  constante 
•me  folgt." 

Zur  Untersuchung  gelangten  die  Chloride  von  Kalium,  Natrium,  Ammo- 
n,  Lithium,  Calcium,  Magnesium,  Baryum,  Strontium,  sowie  Salpetersäure; 
benutzten  Lösungen  waren  meist  ziemlich  concentrirt,  die  verdünntesten 
lielten  etwa  5  Procent.  Aus  der  Betrachtung  der  erhaltenen  Werthe, 
:he  auf  runde  Procentgehalte  umgerechnet  wurden,  ergaben  sich  viele 
eine  Beziehungen,  aber  kaum  durchgreifende  Regelmässigkeiten.  Am 
5ten  wird  die  Übereinstimmung  hervorgehoben,  welche  sich  in  der  Ver- 
*rlichkeit  der  Leitfähigkeit  mit  der  Temperatur  bei  den  Chloriden  zeigt. 
ie  merkwürdige  quantitative   Übereinstimmung   des  Temperatureinflusses 


1  Pogg.  Ann.  154,   1.   1875. 


gi2  Sechzehntes  Kapitel. 

findet  für  die  Chloride  in  verdünnter  Lösung  statt. 
tigen  Lösungen  liegt  der  Coefncient  für  o°  zwischen  l/j 
der  Coefncient  für  i8°  .  . .  zwischen  '/«  urK*  Vir  ^er 
diesen  Grössen  ist  allerdings  viel  grösser,  als  dass  er 
achtungen  zurückgeführt  werden  könnte,  aber  doch  ai 
als  bei  sonstigen  Naturgesetzen  von  nur  angenäherter 
Dui.oNoPErnJschen  Gesetze  für  die  specifischen  Wärmen  < 

Was  die  Leitfähigkeiten  selbst  betrifft,  so  wird  zur 
meinsam  ist  allen  diesen  Curven  ihr  stetiger  Verlauf;  e 
Leitungs Vermögens  bei  irgend  einer  Concentration  fi 
Übrigen  aber  begegnet  man,  sowohl  was  die  absolute 
Vermögens  verschiedener  Substanzen,  als  was  die  Geseta 
das  letztere  bei  einem  und  demselben  Körper  von  dei 
hängt,  einer  Mannigfaltigkeit,  die  wenigstens  bei  den  ( 
muss."  Während  dies  für  die  concentrirten  Lösungen 
die  verdünnten  einfachere  Verhältnisse  erwarten,  unc 
gleichbare  Zahlen  zu  haben,  ist  auf  den  Grenzwerth  t 
das  Verhältniss  zwischen  dem  Leitvermögen  und  der 
steigender  Verdünnung  annähert.  Setzt  man  das  L< 
k  =  xp(i  —  Xp),  wo  p  der  Procentgehalt  an  Salz  und 
welche  Formel  das  Verhälfniss  beider  ziemlich  gut  darstt 
erhalten  -  -  =  x,  welches  diesen  Grenzwerth,  das  „sp 
mögen  des  Körpers  in  wässeriger  Lösung"  darstellt. 

Die  wichtigste  Bemerkung,  welche  über  diesen  We 
die  folgende:  „Sucht  man  nun  nach  einein  Zusammen! 
Leitungsvermögen  x  mit  anderen  physikalischen  Eigen: 
Körper,  so  bemerkt  man  leicht,  dass  x  ungefähr  die  u 
folgt,  wie  das  chemische  Äquivalentgewicht  der  was 
kann  Ax  des  specifische  Lei tungsver mögen  nach  Aquü 
o°  stellen  sich  folgende  Zahlen  heraus: 

BaCI, O.00102  NajCl,    .      . 

SrCI, 0,00098  1  MgCI*     •      . 

KjCt, 0,00125  1-ijCl,    .    . 

CaCI, 0,00094  '  (NIV.Cl,   . 

Man  sieht  also,  dass  bei  gleichen  Mengen  Chlor  ir 
tungsvermögen  verdünnter  Lösungen  von  derselben  Ol 

Dies  Ergebniss  hätte  noch  genauer  dahin  ausgesprc 
dass  die  kleinen  Unterschiede  bei  den  vergleichbaren  ( 
der  zweiwerthigen  Metalle  parallel  den  Atomgewichten 

Weiter  findet  sich  eine  Analogie  zwischen  der  I 
specifischen  Gewicht  der  festen  Salze. 

Diesen  Ergebnissen  sieht  man  es  nicht  an,  in  w 
die    Verhältnisse    der    elektrischen    Leitfähigkeit    der    l 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  qi? 


strische  Ausbeute  gegeben  haben.  Wie  es  damals  bei  den  Physikern  all- 
mein  üblich  war,  ist  auch  hier  das  Leitvermögen  auf  Gewichtseinheiten 
;r  gelösten  Stoffe  bezogen  worden,  und  die  dem  Chemiker  so  nahe  liegende 
Dehnung  auf  chemisch  vergleichbare,  d.  h.  äquivalente  Mengen,  deren  Be- 
itzung  übrigens  auch  schon  durch  das  FARADAY^sche  Gesetz  geboten  war, 
tt  nur  in  der  Gestalt  einer  abgeleiteten  Function  auf.  Es  hat  auch  in 
:r  Folge  noch  einige  Zeit  gedauert,  bis  diese  natürlichere  und  angemes- 
nere  Ausdrucksweise  für  die  hier  betrachtete  Eigenschaft  in  Aufnahme 
^kommen  ist 

Es  ist  vielleicht  nicht  überflüssig,  bei  dieser  Gelegenheit  die  Bemerkung 
i  machen,  dass  die  in  der  Physik  traditionell  gebräuchliche  Beziehung  der 
rrschiedenen  Grössen  auf  Gewichts-  oder  Volumeinheiten,  die  Bestimmung 
?r  „speci  fischen"  Grössen,  sich  der  Erkenntniss  allgemeinerer  Gesetzmässig- 
iiten  vielfach  hindernd  in  den  Weg  gestellt  hat.  Fast  ausnahmelos  hat  die 
osse  Umrechnung  solcher  Grössen  (oder  geeigneter  Functionen  derselben) 
lf  chemisch  vergleichbare  Mengen,  Äquivalent-  oder  Molekulargewichte, 
imittelbar  zu  der  Erkenntniss  einfacher  Gesetzmässigkeiten  gefuhrt.  Unsere 
tzige  Kenntniss  solcher  Beziehungen  lässt  uns  einsehen,  dass  die  chemi- 
:hen  Verbindungsgewichte  eine  viel  allgemeinere  Norm,  einen  viel  bestim- 
menderen Faktor  darstellen,  als  die  Masse  oder  das  ihr  proportionale  Gewicht, 
i  allen  diesen  Fällen  hat  die  übliche  Vernachlässigung  des  chemischen 
esichtspunktes  in  nachweisbarem  Maasse  nicht  nur  den  Fortschritt  der 
/issenschaft  behindert,  sondern  auch  den  Ausdruck  und  das  Verständniss 
sr  bekannten  Beziehungen  erschwert. 

Einen  weiteren  Schritt  in  der  Erkenntniss  der  möglichen  Beziehungen 
vischen  der  inneren  Reibung  und  dem  elektrischen  Widerstände  bei  Elek- 
olyten  versuchte  O.  Grotrian  zu  thun,1  indem  er  den  Temperatureinfluss 
ii  beiden  Grössen  in  Vergleich  setzte  und  eine  grosse  Ähnlichkeit  der 
iiden  aussprach.  Die  Widerstände  wurden  nach  der  Methode  der  alter- 
renden  Ströme  bestimmt,  die  Reibungen  nach  einer  zuerst  von  Coulomb 
igegebenen,  mittelst  einer  in  der  Flüssigkeit  schwingenden  Scheibe.  Zwar 
ld  solche  Versuche  viel  schwieriger  anzustellen  und  zu  berechnen,  als  die 
i  der  gleichen  Grösse  fuhrenden  Messungen  der  Durchlaufszeit  durch  capil- 
re  Röhren,  wie  sie  u.  A.  Wiedemann  (S.  848)  für  diesen  Zweck  angewendet 
itte.  Es  scheint  jedoch,  als  wenn  gerade  der  Umstand,  dass  ein  ganz  be- 
nders  grosser  mathematischer  Apparat  angewendet  worden  war,  um  unter 
ancherlei  vereinfachenden  Annahmen  die  Ergebnisse  der  Schwingungsver- 
che  auf  die  Reibungsconstante  zu  berechnen,  die  Vorstellung  hervorgerufen 
.t,  dass  die  Ergebnisse  von  entsprechend  grosser  Genauigkeit  gewesen  seien, 
es  vorauszusetzen,  ist  unter  solchen  Umständen  immer  bedenklich,  denn 
verwickelter  die  Theorie  eines  Messapparates  ist,  um  so  weniger  kann 
an  sicher  sein,  dass  diese  Theorie  auch  genügend  ist;  in  dem  vorliegenden 

1  Pogg.  Ann.  157,   130.   1876. 
Ostwald,   Elektrochemie.  58 


qxa  Sechzehntes  Kapitel. 


Falle  hat  sich  in  der  That  gezeigt,  dass  die  verwickelte  Theorie  nicht  «lr 
Stande  gewesen  war,  Fehler  zu  verhindern,  welche  nicht  nur  20  bis  ftlc 
sondern  in  einigen  Fällen  sogar  einige  Hundert  Procent  betragen  haben.    iE1 

In  dem  Falle,  der  uns  hier  beschäftigt,  ist  allerdings  die  Sache  nicht »If 
bedenklich.  Denn  die  Fehler  in  den  Zahlenwerthen  der  Reibungsconstante^lii 
zu  denen  die  Theorie  Anlass  giebt,  sind  systematische,  d.  h.  solche,  wekk«^ 
mit  den  Werthen  der  gesuchten  Grössen  zugleich  regelmässig  zu-  und  &|s 
nehmen.  In  Fällen,  wo  es  sich  wie  hier  nur  um  den  Vergleich  nahestehe» 
der  Zahlen  handelt,  haben  solche  Fehler  nur  einen  geringen  Einfluss,  wd 
sie  für  naheliegende  Werthe  nahezu  gleich  gross  sind,  und  sich  dadurch  am  (c 
den  Differenzen,  die  hier  in  Frage  kommen,  wesentlich  herausheben. 

Die  erwarteten  Regelmässigkeiten  in  den  Beziehungen  zwischen  den 
Änderungen  der  elektrischen  Leitfähigkeit  und  der  „Fluidität"  mit  der  Tem- 
peratur stellten  sich  allerdings  als  viel  gerinfiigiger  heraus,  als  erwartet 
worden  war;  eine  allgemeine  Ähnlichkeit  liess  sich  allenfalls  behaupten, 
jedoch  waren  mancherlei  charakteristische  Erscheinungen,  welche  die  eine 
Grösse  zeigte,  bei  der  anderen  nicht  vorhanden,  und  umgekehrt.  Auch  giebt 
sich  Grotrian  schliesslich  im  Anschlüsse  an  eine  Bemerkung  von  G.  Win»- 
mann  (Galv.  I,  633)  sachgemäss  Rechenschaft  hiervon:  „Übrigens  ist  ohne 
weiteres  eine  genaue  Übereinstimmung  der  Temperaturcoefficienten  für  Flui- 
dität  und  Leitungsvermögen  nicht  zu  erwarten;  denn  bei  ersterer  handelt  es 
sich  um  die  Reibung,  welche  die  unzerlegten  Flüssigkeitsmoleküle  bei  einer 
gegenseitigen  Verschiebung  erleiden,  bei  letzterer  kommt  dagegen  die  Rei- 
bung in  Frage,  welche  die  in  entgegengesetzter  Richtung  an  einander  vorbei- 
bewegten Ionen,  also  die  Theile  der  Salzmoleküle  zu  überwinden  haben. 
Dass  beide  Arten  der  Reibung  sich  nicht  in  gleicher  Weise  mit  der  Tem- 
peratur zu  ändern  brauchen,  ist  unschwer  einzusehen." 

In  dem  folgenden  Jahre  theilte  Kohlrausch1  eine  weitere  Reihe  von 
Messungen  der  elektrischen  Leitfähigkeit  mit,  welche  insbesondere  eine  Anzahl 
verschiedener  Säuren  behandeln.  In  der  Einleitung  finden  sich  einige  ent- 
schuldigende Bemerkungen  darüber,  dass  er  so  viel  Mühe  auf  die  Messung 
dieser  Grössen  verwendet  habe,  von  denen  sich  kein  entsprechender  Nutzen 
absehen  lasse.  „Aber  wenn  man  zunächst  nicht  weiss,  an  welcher  Seite  eine 
Erscheinung  Gesetzmässigkeiten  zeigen  wird,  so  bleibt  kaum  ein  anderer 
Weg,  als  sie  vollständig  zu  untersuchen." 

In  der  Erörterung  seiner  Ergebnisse  beschäftigt  sich  Kohlrausch  zunächst 
wieder  ziemlich  ausfuhrlich  mit  den  Erscheinungen  des  Maximums  der  (spe- 
eifischen)  Leitfähigkeit,  aus  welcher  Ergebnisse  von  Belang  indessen  bisher 
nicht  erlangt  worden  sind.  Die  Rechnungen  werden  wieder  auf  Procent- 
gehalte der  untersuchten  Lösungen  gefuhrt,  und  es  wird  ähnlich,  wie  bei 
den  Chloriden  (S.  912)  schliesslich  aus  einer  Interpolationsformel  die  speeifische 
Leitfähigkeit   bei    unendlicher   Verdünnung   berechnet.     Aus    diesen   Zahlen 


1  Pogg.  Ann.  159,   233.   i8;6. 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  g\c 


hält  dann  Kohlrausch  durch  Multiplication  mit  den  Äquivalentgewichten 
ls  „specifische  Leitungsvermögen    nach  Äquivalenten".     Die  Zahlen  sind: 

0  =  0,0323,  HBr  =  o,03io,  HJ=o,03i9,  HN03=o,0336,  |(H2S04)= 0,0203, 
H2CaO*)  =  o,075,  |(H8P04)  =  0,0021.  „Man  bemerkt,  dass  diese  Grösse 
r  die  vier  einbasischen  Säuren  nahezu  gleich  ist,  dagegen  für  die  mehr- 
isischen  beträchtlich  kleiner."  Über  diese  letzteren  Zahlen  ist  zu  bemerken, 
lss  sie  aus  viel  zu  concentrirten  Lösungen  abgeleitet  sind  und  nicht  die 
igenommene  Bedeutung  haben.  Schwefelsäure,  Oxalsäure  und  Phosphor- 
ure  ändern  sämmtlich  auch  noch  bei  hohen  Verdünnungen  ihre  Leitfähig- 
it  in  so  hohem  Maasse,  dass  die  benutzte  Interpolationsformel  ganz  un- 
:htige  Resultate  giebt.1 

„Rechnet  man  den  Gehalt  der  vier  genannten  einbasischen  Säuren  in 
Dleculzahlen  in  gleichem  Volumen  um,  so  kommt  man  ....  auf  das  merk- 
irdige  Resultat,  dass  wässerige  Lösungen  von  HNO8,  HCl,  HBr  und  HJ 
e  letzteren  beiden  zunächst  innerhalb  der  untersuchten  Grenzen)  bei  glei- 
er  Moleculzahl  in  der  Volumeinheit  ein  nahe  gleiches  Leitungsvermögen 
ben.  . .  .  Auf  die  Bedeutung  dieser  Thatsache  für  eine  Mechanik  der  Elek- 
►lyse  werde  ich  im  Zusammenhange  mit  anderen  Beobachtungen  zurück- 
mmen.2  Einstweilen  lässt  sich,  unter  Zuhülfenahme  nur  des  FARADAY*schen 
setzes,  der  obige  Satz  auch  so  aussprechen:  In  wässerigen  Lösungen  von 
sicher  Molekülzahl  HNO3,  HCl  (HBr  oder  HJ)  werden  die  Bestandteile 
rch  gleich  grosse  Scheidungskräfte  mit  nahe  gleicher  wechselseitiger  Ge- 
iwindigkeit  an  einander  vorbeibewegt." 

Eine  weitere  wichtige  Erörterung  widmet  Kohlrausch  dem  Verhältniss 
ischen  elektrischer  Leitfähigkeit  und  chemischer  Zusammensetzung: 

„Im  §  8  wurde  nachgewiesen,  dass  in  dem  Leitungsvermögen  der  wäs- 
igen  Schwefelsäure  für  das  Mischungsverhältniss,  in  welchem  die  beiden 
rper  zu  der  chemischen  Verbindung  H^  +  H2S04  zusammentreten,  ein 
limum  vorhanden  ist. 

„Ferner  hat  sich  gezeigt,  dass  das  äusserst  geringe  Leitungsvermögen 
•  gesättigten  H2S04  verbessert  wird  durch  Zusatz  sowohl  von  Wasser,  wie 

1  Schwefelsäureanhydrid. 

„Ich  glaube,  dass  diese  beiden  Thatsachen  auf  denselben  Grund  zurück- 
nmen,  wie  die  dritte,  dass  zwei  Nichtleiter,  nämlich  Wasser  und  Essigsäure 
:  einander  gemischt  einen  Leiter  geben. 

„Nach  dem  unerwarteten  Auffinden  des  erstgenannten  Minimums  der 
iwefelsäure  habe  ich  die  anderen  beiden  Erscheinungen  erwartet,  und  da 
se  Ansicht  sich  bestätigt  hat,  so  will  ich  die  Erwägungen,  welche  sich  mir 
r  aufdrängten,  kurz  mittheilen. 


1  Der  Missgriff  wäre  nicht  begangen  worden,  wenn  die  „äquivalente  Leitfähigkeit"  an  den 
littelbar  erhaltenen  Beobachtungszahlen  für  die  verschiedenen  Verdünnungen  berechnet  worden 
e,  anstatt  an  dem  Ergebniss  der  Extrapolation  der  specifischen  Leitfähigkeiten.  Bei  den 
jren  Zahlen  tritt  das  Gesetz  der  Zunahme  mit  der  Verdünnung  viel  deutlicher  hervor. 

*  Nachr.  v.  d.  K.  Ges.  der  Wiss.  z.  Göttingen,   1876,  213. 

58* 


gi5  Sechzehntes  Kapitel. 


„Wir   kennen    nicht    eine    einzige  Flüssigkeit,    welche    in    gewöhnfidw 
Temperatur  für  sich  ein  gut  leitender  Elektrolyt  wäre.     Als  Beispiele  nidt 
leitender  einfacher  Verbindungen  mögen  Wasser,  schweflige  Säure,  Kohlen- 
säure, Essigsaure,  geschmolzene  Borsäure,  Chromsäure,  wasserfreie  Schwett! 
säure,  Chromoxychlorid,  Schwefelkohlenstoff,  Chlorschwefel,  Chlorzinn  dienen ] 
An  Alkohol,  Äther,  fette  und  ätherische  Ole  brauche  ich  kaum  zu  erinnern...! 

„In  gewöhnlicher  Temperatur  kann  man  nur  wenige  in  wässeriger  I>l 
sung  gut  leitende  Körper  bis  zu  vollständiger  Concentration  verfolgen.  Aber 
von  denjenigen,  die  man  wenigstens  bis  zu  bedeutender  Concentration  ver- 
folgen kann,  weiss  man,  dass  sie  ein  Maximum  des  Leitungsvermögens  für 
ein  bestimmtes  Mischungsverhältniss  mit  Wasser  besitzen,  von  wo  ab  eine 
weitere  Verstärkung  der  Lösung  die  Leitung  verringert. 

„Dabei  neigt  sich  der  Gang  der  Curven  überall  schliesslich  für  den 
Punkt  vollkommener  Sättigung  dem  Nullpunkt  zu.  Ich  vermuthe,  dass 
flüssiges  HCl  und  HNO3  ein  sehr  geringes  Leitungsvermögen  besitzen,  ja 
vielleicht  Nichtleiter  sind.  An  der  bis  87  Proc.  verfolgten  wässerigen  Lösimg 
der  Phosphorsäure  ist  die  Endrichtung  der  Curve  nach  dem  Nullpunkte  iu 
auffallend.  Ähnliches  findet  man  bei  dem  leichtlöslichen  essigsauren  Kall 
Atznatron -Lösung  hat  in  der  stärksten  von  mir  untersuchten  Lösung  nur 
etwa  den  vierten  Theil  ihres  Maximal-Leitungsvermögens;  noch  weiter  ver- 
hältnissmässig  geht  das  wässerige  Ammoniak  herunter.  Auch  bei  Chlor- 
magnesium kommt  man  in  gesättigter  Lösung  bereits  auf  die  Hälfte  des 
Maximums. 

„Wenn  man  hiernach  nur  Gemische  mehrerer  Flüssigkeiten  kennt,  welche 
(in  gewöhnlicher  Temperatur)  gut  leiten,  so  liegt  die  Vermuthung  nahe,  dass 
die  Elektrolyte  erst  durch  die  Vermischung  gut  leitend  werden.  (Hieraus 
würde  sofort  folgen,  dass  im  Allgemeinen  bei  bestimmten  Lösungsverhält- 
nissen Maxima  des  Leitungsvermögens  eintreten  müssen).  .  .  .  Eine  Ursache 
für  den  günstigen  Einfluss  des  Lösungsmittels  ergiebt  sich  leicht  durch  fol- 
gende Erwägungen: 

„Die  Moleküle  werden  durch  die  elektrischen  Kräfte  zerrissen.  Man 
sagt  nun  zwar, x  und  natürlich  mit  vollem  Recht,  dass  die  zu  dieser  Zer- 
reissung  verbrauchte  Arbeit  wieder  gewonnen  wird,  sobald  zwei  wandernde 
Theilmoleküle  zusammentreffen  und  ein  neues  Gesammtmolekül  bilden.  Aber 
dieser  Gewinnst  ist  doch  wohl  nicht  so  zu  verstehen,  dass  das  neu  gebildete 
Molekül  um  den  vollen  Betrag  der  auf  die  frühere  Trennung  verwendeten 
Arbeit  leichter  elektrolytisch  zerreissbar  wäre.  Die  Wirkung  der  vorher  aul 
die  Ionen  verwandten  Stromarbeit  wird  sich  darin  äussern,  dass  das  neu 
gebildete  Molekül  mit  grösserer  lebendiger  Kraft  seiner  inneren  Bewegung 
versehen  ist,  mit  anderen  Worten,  dass  es  eine  höhere  Temperatur  besitzt, 
als  die  vorher  getrennten  Moleküle.    Freilich  ist  es  schon  hierdurch  leichter 


1  „Vgl.  z.  B.  Hittorf,   Pogg.  Ann.  103,  52.  1858;    Quincke,   ebenda  144,  6.  1871 
WiEDEMANN,  Galvanismus  (2)  I,  631." 


Die  Leitung  der  Elektricitat  in  den  Elektrolyten.  Q17 


Teissbar  geworden,  wie  wir  aus  der  Lockerung  des  chemischen  Zusammen- 
nges  durch  die  Wärme  wissen,  und  auch  aus  der  Zunahme  des  elektri- 
len  Leitungsvermögens  mit  der  Temperatur  vermuthen  können.  Allein 
ss  kommt  hier  gar  nicht  in  Betracht. 

„Denn  wenq  wir  Leitungsvermögen  messen,  so  thun  wir  dies  bei  einer 
stimmten  Temperatur  und  entziehen  zu  diesem  Zwecke  beständig  die 
rch  den  Strom  gebildete  Wärme,  d.  h.  die  eben  genannte  Lockerung  des 
emischen  Zusammenhanges,  ehe  wir  weiter  elektrolysiren.  Oder  auch, 
iem  wir  die  Entziehung  nicht  momentan  und  vollständig  ausführen  können, 
sagen  wir,  der  Elektrolyt  ist,  weil  er  durch  den  Strom  erwärmt 
Drden  ist,  besser  leitend  geworden,  und  müssen  diesen  Einfluss  aus  dem 
jsultat  eliminiren. 

„Also  es  wird,  ohne  dass  die  Theilchen  der  Moleküle  dauernd  in  Frei- 
it  gesetzt  werden  (welche  Wirkung  nicht  zum  Leitungswiderstand,  sondern 
r  Polarisation  der  Elektroden  gehört),  bei  der  Trennung  und  Wiederver- 
ligung  auch  eine  gewisse  Menge  elektrischer  Arbeit  in  Wärme  verwandelt, 
lche  Menge  mit  der  chemischen  Verwandtschaft  zusammenhängt;  und  die 
ere,  fast  verlassene  Anschauung  des  Leitungswiderstandes  als  einer  Äusse- 
ig  der  chemischen  Kräfte1  scheint  doch  nicht  immer  ganz  grundlos  ge- 
sen  zu  sein.  Freilich  darf  sie  nicht  allgemein  angewandt  werden,  und 
1  wenigsten  darf  man  den  Leitungswiderstand  einfach  mit  dem  chemischen 
sammenhang  der  Moleküle  gleich  setzen. 

„Ist  das  Vorige  richtig,  so  müssen  wir  also,  wenn  wir  eine  gute  Leitung 
ben  wollen,  die  wandernden  Bestandteile  vor  dem  häufigen  Zusammen- 
flfen  schützen,  und  diesen  Dienst  verrichtet  eben  das  Lösungsmittel,  welches 
1  Ionen  die  Möglichkeit  giebt,  einen  Theil  ihres  Weges  —  und  zwar  einen 
1  so  grösseren  Bruchtheil,  je  mehr  Lösungsmittel  vorhanden  ist  —  ohne 
ubildung  von  Molekülen  zurücklegen. 

„Es  ist,  wie  man  sieht,  der  so  beschriebene  Vorgang  nichts  anderes, 
eine  Umschreibung  des  kürzeren  Ausdruckes;  die  Reibung  der  elektro- 
isch  wandernden  Moleküle  an  einander  ist  grösser,  als  an  den  Theilen 
1er  fremden  Flüssigkeit.  Hieraus  würde  dann  ohne  weiteres  folgen,  dass 
5  Leitungsvermögen  mit  der  Menge  des  gelösten  Elektrolyten  nicht  pro- 
rtional,  sondern  verzögert  wächst,  was  bei  allen  mir  bekannten  Lösungen 
r  Fall  ist." 

Schliesslich  weist  Kohlrausch  auf  die  grosse  Ähnlichkeit  hin,  welche 
ischen   dem  Gange  des  Widerstandes  und   der  Erstarrungstemperatur  der 


1  „In  einer  eben  veröffentlichten  Arbeit  Züllner's  „Über  die  Beziehungen  zwischen  hydro- 
lamischen  und  elektrodynamischen  Erscheinungen"  (I^cipz.  Ber.  1876,  Febr.  12.)  finde  ich 
:  langer  Zeit  zum  ersten  Male  wieder,  und  zwar  mit  Hinweisung  auf  die  von  mir  geäusserte 
inung,  dass  chemische  Verbindungen  an  sich  immer  schlecht  leiten  (München.  Sitzungsbcr. 
75,  304.)  die  Behauptung  ausgesprochen,  dass  der  elektrische  Leitungswiderstand  mit  di»r 
seit  beim  Zerreissen  eines  Moleküles  zusammenhängt,  jedoch  ohne  weitere  Ausführung  des 
^enstandes." 


gi3  Sechzehntes  Kapitel. 


Schwefelsäuren  und  Essigsäuren  besteht.  „Einem  hochgelegenen  Erstarrungs- 
punkt entspricht  ohne  Ausnahme  ein  hoher  Widerstand.  .  .  .  Die  Schwefel- 
säure zeigt  noch  weitergehende  Analogieen.  Die  Erstarrungstemperatur  er- 
reicht Maxima  ...  für  dieselben  Mischungsverhältnisse,  bei  denen  auch  der 
Widerstand  Maxima  zeigt.  Auch  das  zweite  Minimum  der  Erstarrungstem- 
peratur, welches  von  Pfaundler  und  Schnegg  auf  den  Gehalt  93,4  Procent 
gelegt  wird,  fällt  nicht  weit  von  dem  zweiten  Minimum  des  Leitungswider- 
standes. Die  ersten  Minima  liegen  weiter  auseinander.  ...  Es  ist  von  vorn- 
herein klar,  wie  die  Neigung,  fest  zu  werden,  mit  dem  grösseren  Reibungs- 
widerstand der  Bestandtheile  bei  ihrer  elektrolytischen  Wanderung  in  einem 
inneren  Zusammenhange  stehen  kann." 

Diese  Darlegungen  sind  interessant  wegen  der  Schwierigkeiten,  welche 
sich  sichtlich  überall  herausstellen,  wo  man  die  älteren  Ansichten  über  den 
festen  Zusammenhang  der  Bestandtheile  der  Elektrolyte  mit  den  Thatsachen 
der  elektrolytischen  Leitung  in  Einklang  zu  bringen  versucht. 

24.  Die  unabhängige  Wanderung  der  Ionen.  Den  erheblichsten 
theoretischen  Fortschritt  in  der  Auffassung  der  Erscheinungen  der  elektrischen 
Leitfähigkeit  machte  Fr.  Kohlrausch  in  einer  Arbeit,  welche  am  17.  Mai 
1876  der  Göttinger  Gesellschaft  der  Wissenschaften  vorgelegt  wude.1 

„Ich  erlaube  mir,  als  einen  Nachtrag  zu  einer  früheren  Mittheilung  einige 
Bemerkungen  zur  Mechanik  der  Elektrolyse  vorzulegen.  In  dem  genannten 
Aufsatze  habe  ich  zusammen  mit  Hrn.  Grotrian  nachgewiesen,  dass  wäs- 
serige verdünnte  Lösungen  der  Chloride  von  den  sämmtlichen  Alkalien  und 
alkalischen  Erden  ein  nicht  sehr  verschiedenes  Leitungsvermögen  besitzen, 
wenn  eine  gleiche  Anzahl  von  Äquivalenten  gelöst  wird. 

„Hält  man  die  noch  bleibenden  Unterschiede  mit  den  Überfuhrungs- 
zahlen der  wandernden  Bestandtheile  zusammen,  wie  sie  von  Wiedemann, 
Weiske  und  vor  allem  von  Hittorf  in  dessen  klassischer  Arbeit  über  die 
„Wanderungen  der  Ionen  während  der  Elektrolyse"  festgestellt  worden  sind, 
so  bemerkt  man  alsbald  einen  offenbaren  Zusammenhang  zwischen  den 
beiden  Grössen.  Bei  weiterer  Verfolgung  des  Gegenstandes  wird  man  dann 
zu  einer  durch  ihre  Einfachheit  ausgezeichneten  Annahme  über  das  Wesen 
des  elektrischen  Leitungs Widerstandes  verdünnter  Lösungen  geführt,  welche 
ich  hier  an  früheren,  sowie  an  einigen  seitdem  von  mir  beobachteten  Bei- 
spielen entwickeln  will. 

„Dem  reinen  Wasser  kommt  ein  merkliches  Leitungsvermögen  nicht  zu, 
und  deswegen  ist  es  am  natürlichsten,  die  Stromleitung  in  der  wässerigen 
Lösung  eines  Körpers  so  anzusehen,  dass  nicht  das  Wasser,  sondern  die 
gelösten  Theile  den  Strom  leiten.  Diese  Auffassung  dürften  jetzt  die  meisten 
Physiker  theilen.  Hiernach  dient  das  Wasser  nur  als  das  Mittel,  in  welchem 
die  elektrischen  Verschiebungen  vor  sich  gehen,   und  elektrischer  Leitungs- 


1  Göttinger  Nachrichten   1876,  213. 


j 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  gjg 


ierstand  der  Lösung  würde  der  Reibungswiderstand  sein,  welchen  die 
ndernden  Elemente  des  Salzes  u.  s.  w.  an  den  Theilchen  des  Wassers  und 
ch  aneinander  finden. 

„Ist  nun  die  Lösung  sehr  verdünnt,  so  wird  diese  Reibung  vorwiegend 
den  Wassertheilchen  stattfinden.  Darnach  wird  man  weiter  zu  schliessen 
rsucht  sein  —  und  dies  ist  ein  Schluss,  der  meines  Wissens  bisher  noch 
:ht  gezogen  worden  ist  —  dass  jedem  elektrochemischen  Elemente  (z.  B. 
m  Wasserstoff,  Chlor  oder  auch  einem  Radicale,  wie  NO8)  als  solchem 
1  bestimmter  Widerstand  in  verdünnter  wässeriger  Lösung  zukommt,  gleich- 
*1,  aus  welcher  Verbindung  es  elektrolysirt  wird.  Da  wir  aber  von  dem 
esen  einer  Lösung  wenig  wissen,  so  ist  klar,  dass  eine  solche  Annahme 
ir  durch  erfahrungsmässige  Belege  eine  Berechtigung  gewinnt. 

„Ich  denke  nun  für  eine  grosse  Gruppe  von  Körpern,  nämlich  für 
mmtliche  auf  ihr  Leitungsvermögen  untersuchten  einbasischen  Säuren  und 
re  Salze  den  Nachweis  fuhren  zu  können,  dass  die  Thatsachen  dem  obigen 
itze  sehr  nahe  entsprechen. 

„Stellen  wir  uns  zu  diesem  Zwecke  verdünnte  Lösungen  vor,  welche  in 
»ichem  Räume  eine  gleiche  Anzahl  elektrolytischer  Moleküle  enthalten.  Ich 
?rde  solche  Lösungen  als  elektrochemisch  gleichwerthig  bezeichnen.  Als 
»ktrolytisches  Molekül  wird  selbstverständlich  nicht  immer  das  von  der 
lemie  jetzt  angenommene  Molekül  angesehen,  sondern  derjenige  Bruchtheil 
s  letzteren,  der  durch  die  gleiche  Strommenge  zersetzt  wird,  wie  ein  Molekül 
s  zwei  chemisch  einwerthigen  Bestandtheilen. 

„Jede  Lösung  bilde  eine  Säule  von  dem  Querschnitt  Eins,  und  werde 
>n  der  elektrischen  Scheidungskraft  (dem  Potential-Gefälle)  Eins  angegriffen, 
enn  alsdann  die  Ionen  die  entgegengesetzten  Geschwindigkeiten  u0  und  u 
rsitzen,  so  ist  nach  dem  FARADAY*schen  Gesetze,  nach  welchem  jeder  wan- 
;rnde  Molekül-Theil  eine  von  seiner  Natur  unabhängige  Elektricitätsmenge 
it  sich  fuhrt,  die  Stromstärke  proportional  mit  u0  +  u  (und  mit  der  Anzahl 
ir  in  der  Längeneinheit  der  Säule  enthaltenen  Moleküle,  welche  ja  aber  in 
len  Lösungen  gleich  sein  soll). 

„Andererseits  ist  bekanntlich  die  Stromstärke  im  Querschnitt  Eins  bei 
;r  elektrischen  Spannungskraft  Eins  nichts  anderes,  als  was  man  das  Lei- 
ngsvermögen  /  der  Lösung  nennt,  welches  demnach  mit  u0  +  u  proportional 
in  muss. 

„Das  Verhältniss  der  Geschwindigkeiten  u0  und  u  ist  von  Hittorf  für 
tie   grosse  Anzahl  von  Verbindungen  bestimmt  worden.     Wir  nennen  mit 

ittorf  n  =  - — ^— -  die  Überfuhrungszahl   des   Bestand theiles,    welcher   die 
(«o  +  *) 

eschwindigkeit  u0  besitzt. 

„Es  seien  nun  zwei  elektrochemisch  gleichwerthige  Lösungen  zweier 
erbindungen  I  und  II  gegeben,  welche  einen  gemeinsamen  Bestandteil 
iben,  z.  B.  denjenigen,  welchem  die  Geschwindigkeit  u  zukommt,  wäh- 
nd  der  andere  Bestandtheil   bez.  u   und  u"  haben  möge.     Die  Leitungs- 


">t-'jUL*^m^i    JSJCttK- 


920 

vermögen    der  I»sungcn  mcgen  bex.  /   raid  /"    i>*>wr.ri     Das  räd  nk 
'/bigem; 


/  * 


„Unsere  Hypothese  verlangt  also,  dass  die  I x:r unga-imargg  eja2< 
chemisch  gleichwerthiger  Lesungen  zweier  EfcktroJyte.  vekäie  einen  Bea 
theil  gemeinsam  haben,  sich  umgekehrt  verhaken,  wöe  die  Über3äbr=ngaaH 
des  gleichen  Bestandteiles; 

'>der  auch,  dass  das  Product  aus  dem  Lerömgsverinrigcn  der  Loso 
und  der  Cberfuhrungszahl  des  gemeinsamen  Bestandtheijes  asf  beüa  Sä 
gleich  sei, 

„Diese  Folgerung  bestätigt  sich  nun  an  der  folgenden  Zgsa-nrreagcH 
sammtlichen  mir  vorliegenden  Materiales  aus  Elektrolyten  mit  embaszsd 
Sauren: 

KCl  977         0,510 


KNO»         927         0,459 


KHr 

1044 

o,5 '4 

KJ 

1048 

0,50 

NaCl 

<)77 

0,410 

', 

«t 

*» 

NaCl 

807 

0.63 

1.21 

*          •   * 

XH*a 

949 

0.51 

1.03 

1.00 

CaJCl 

742 

0.68 

1.32 

Mg ;  Cl 

712 

0.69 

i-sr 

•      *  • 

*0? 

BaJCl 

800 

0.62 

1.22 

1  " 

SrlCl 

777 

0.65 

1.26 

HCl 

3230 

0,161 

a3©2 

0.516 

AgXO» 

810 

<>o3 

1.14 

1.07 

HNO3 

33*0 

0.142 

0.275 

0,2*; 

HBr 

3100 

0,178 

0.329 

0.340 

HJ 

3100 

0,258 

0.328 

0.510 

KBr 

1044 

0,468 

o,94 

aoQ 

KJ 

1048 

0,50 

o.93 

1.02 

KNO» 

927 

o*5<>5 

1,05 

1.03 

KCIO» 

843 

o,55 

1,16 

1.12 

KAc 

699 

0,676 

1,40 

1.38. 

„In  der  ganzen  Zusammenstellung  findet  sich  nur  eine  bedeuti 
Differenz  zwischen  den  Verhältnissen  von  n  und  /,  nämlich  bei  HJ.  Gc 
hier  ist  aber  schon  aus  dem  Gange  der  Überfuhrungszahlen,  weche  Hrr 
angiebt,  wahrscheinlich,  dass  n  für  Jod  zu  gross  gefunden  worden  ist 
nur  eine  Beobachtung  zu  Grunde  liegt,  und  da  bei  den  Säuren  nicht, 
bei  den  Salzen,  Gegenversuche  an  beiden  Elektroden  angestellt  wc 
können,  so  ist  ein  solcher  Irrthum  leicht  möglich. 

„Die  Annahme  von  der  unabhängigen  Beweglichkeit  der  Ionen 
sich  zweitens  durch  die  Uberführungszahlen  allein  prüfen,  und  hierc 
auch  an  Körpern,  deren  Leitungsfähigkeit  noch  nicht  bekannt  ist,  besta 
oder  widerlegen.  Man  sieht  nämlich  leicht  ein,  dass  zwischen  den  ( 
ftihrungszahlen  der  vier  Verbindungen,  welche  aus  zwei  Paaren  elc 
chemischer  Atome  AA'  und  B  B'  gebildet   werden   können,   die   folg 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  02  i 


iehung  bestehen  muss.    Es  mögen  zu  den  Elektrolyten  AB,  AB',  A'  B, 
B'   die  Uberführungszahlen  tnlnl,   m2n2,   w3n9,   m4n4   gehören,   wo    m 
ner  zu  A,  n  zu  B  gehört  und  natürlich  stets  m  +  n  =  /  ist. 
„Dann  verlangt  unsere  Annahme  offenbar,  däss: 

fit  *  Äff  j  ftl*  Wj 

—   .  — — ^_      ^^S     ^— — —       • 

„In  den  folgenden  sechs  Beispielen  aus  Hittorf's  Bestimmungen,  mit 
iehung  der  Zahlen  für  HNO8  nach  Wiedemann,  dürften  die  Abweichungen 

der  verlangten  Beziehung  kaum  mehr  betragen,  als  die  Unsicherheit  der 
bachtung  erwarten  lässt: 


A 

A' 

B 

B' 

n 

n 

n 

n 

ttt*  fn* 

»1«4 

K 

Na 

Cl 

NO8 

0,51 

0,495 

0,63 

0,614 

0,60 

0,60 

Na 

Ba 

;ci 

NO8 

0,63 

0,614 

0,616 

0,61 

0,38 

o,39 

H 

Ca 

Cl 

NO8 

0,161 

0,142 

0,68 

0,62 

3,18 

2,84 

K 

Na 

Cl 

J 

0,51 

0,50 

0,63 

0,62 

0,59 

0,59 

K 

Na 

Cl 

Ac 

0,51 

0,324 

0,63 

0,443 

1,21 

1,23 

K 

Ag 

Cl 

NO8 

0,324 

0,495 

0,627 

0,626 

1,88 

1,72. 

„Ich  bin  nach  diesen  beiden  an  der  Erfahrung  geprüften  Folgerungen 
Ansicht,  dass  der  hier  aufgestellte  Satz  eine  grosse  Wahrscheinlichkeit 
tzt,  das  heisst,  dass  wir  von  der  Beweglichkeit  eines  elektrolytischen 
tandtheiles  im  Wasser  sprechen  dürfen.  Hiernach  stelle  ich  einstweilen 
ende  Zahlen  für  diese  Beweglichkeiten  auf,  die  des  Wasserstoffs  gleich 
5  gesetzt: 

Br         Cl         J  K        NH      NO*     Ag      CIO8     Ba        Na        Ca        Sr        Mg       Ac 

o,  1 9     o,  1 9     o,  1 8     o,  1 8     o,  1 7     o,  1 5     o,  1 5     o,  1 5     o,  1 2     o,  1 1     0,10    0,10     0,09     0,09. 

„Die  Beweglichkeit  des  Wasserstoffs  übertrifft  also  die  der  anderen 
nente  um  das  5-  bis  8-fache,  und  es  lässt  sich  wohl  mit  Sicherheit  be- 
3ten,  dass  das  gute  Leitvermögen  der  Säuren  eben  daher  rührt,  dass 
Wasserstoff  ihr  einer  wandernder  Bestandtheil  ist.  Vielleicht  trifft  diese 
lerkung  auch  die  gute  Leitung  in  den  gelösten  Ätzalkalien.1 

„Die  obigen  Zahlen  geben  nun  auch  die  Möglichkeit,  das  Leitungsver- 
;en  einer  verdünnten  Lösung  eines  Elektrolyts  zu  berechnen,  dessen  Be- 
dtheile  die  Beweglichkeiten  u  und  u  besitzen.  Enthält  ein  Gewichtstheil 
Lösung  /  Gewichtstheile  des  Elektrolyts,  bedeutet  A  sein  elektrochemi- 
s  Molekulargewicht,  so  ist  das  auf  Quecksilber  bezogene  Leitungs vermögen 
»r  Lösung  nahezu  gegeben  durch: 

,  (u  +  u')p 

k  =  0,027  -A— Z-  • 

Faktor  von  /  stellt  also  das  specifische  Leitungsvermögen  vor. 
„Endlich  lässt  sich  noch,  ähnlich,  wie  das  von  W.  Weber  und  R.  Kohl- 
ch    zuerst    für   das  Wasser    gezeigt   worden    ist,    freilich    unter  anderen 

1  Die  letzte  Vermuthung  hat  sich  in  dieser  Gestalt  nicht  als  richtig  erwiesen;  die  gute 
ag  der  Ätzalkalien  rührt  daher,  class  das  in  ihnen  enthaltene  Hydroxyl  OH  ein  schnell 
;rndes  Ion,  nächst  dem  Wasserstoff  das  schnellste,  ist 


Q22  Sechzehntes  Kapitel. 


elektrolytischen  Voraussetzungen,  welche  den  unserigen  nicht  entsprechen, 
die  treibende  Kraft,  welche  zu  einer  bestimmten  Geschwindigkeit  eines  der 
obigen  Bestandtheile  gehört,  in  mechanischem  Maasse  ausdrücken.  Durch 
Einfuhrung  des  absoluten  Widerstandes  des  Quecksilbers  und  des  elektro- 
chemischen Äquivalents  erhält  man  z.  B.  für  Wasserstoff  die  Geschwindigkeit 
2,9  mm/io12  sec  als  diejenige,  welche  zu  der  elektrischen  Scheidungskraft 
Eins  in  absolutem  magnetischen  Maasse  gehört  (Millimeter,  Milligramm  und 
Sekunde  als  Grundeinheiten).  Hieraus  folgt,  dass,  wenn  auf  eine  Säule  von 
verdünnter  HCl  (oder  HBr,  HNO3  u.  s.  w.)  von  a  mm  Länge  eine  elektro- 
motorische Kraft  von  a  Daniell  wirkt,  der  Wasserstoff  mit  einer  Geschwind^- 
keit  von  0,33  mm /sec  verschoben  wird.  Durch  Multiplication  dieser  Zahlen 
mit  u  entsteht  die  Geschwindigkeit  eines  anderen  Ions  unter  gleichen  Ver- 
hältnissen. 

„Rechnet  man  die  elektromotorische  Kraft  in  mechanische  Maasse  um, 
indem  man  annimmt,  dass  der  Wasserstoff  durch  die  Kraft  bewegt  wird, 
welche  auf  die  mit  ihm  wandernde  Elektricitätsmenge  von  der  elektromoto» 
tischen  Kraft  ausgeübt  wird,  so  findet  sich,  dass  um  den  Wasserstoff  ml 
einer  Geschwindigkeit  von  1  mm /sec  elektrolytisch  durch  Wasser  hinduri 
zu  pressen,  auf  jedes  Milligramm  Wasserstoff  eine  Kraft  gleich  dem  Gewichte 
von  33000  kg  wirken  muss.1  Dividirt  man  mit  dem  Product  aus  dem  elek- 
trochemischen Molekulargewicht  und  der  Zahl  u  eines  anderen  Bestandteiles 
in  33000,  so  erhält  man  die  für  diesen  geltende  Zahl. 

„Wie  weit   die    hier   entwickelten   Gesetze   sich  verallgemeinern  lasse*,] 
oder  auf  gewisse  Gruppen  von  Stoffen  beschränkt  bleiben,  wie  weit  sie  ferner 
genau,    oder  nur  angenähert  gelten,    dies    kann   nur  durch  weitere  ExperH 
mentaluntersuchungen  entschieden  werden.     Jedenfalls  muss  ich  hier  seh« 
erwähnen,    dass   von   den   auf  ihr  Leitungsvermögen  untersuchten  Körpöij 
einer  ganz  ausserhalb  der  obigen  Beziehungen  steht,  nämlich  die 
sobald  man  nach  Analogie  mit  den  essigsauren  Salzen  annimmt,  dass  Wa 
stoff  das  eine  Ion  bildet.     Danach  müsste  nämlich  die  Essigsäure  ein 
guter  Leiter  sein,   während  sie  in  Wirklichkeit  auch  in  wässeriger 
unter  den  hier  angeführten  Körpern  nicht  einmal  den  schlechtest  leit 
nahe  kommt.     Es   dürfte   aus  diesem  ganz  abnormen  Verhalten  zu  fo 
sein,    dass   bei   der  Essigsäure  andere  Bedingungen  vorliegen,   als  bei 
anderen  Säuren  oder  auch  bei  den  essigsauren  Salzen,  sei  es  in  Betreff 
chemischen  Constitution   oder   der  Art   ihrer  Lösung   in  Wasser.    Es 
wenn   auch    nicht   zu    den  Beispielen    dieser  Mittheilung  gehörig,  ein 
ähnlicher  Fall  in  der  wässerigen  Ammoniaklösung  vor.     Da  nämlich 
seits  die  Ammoniaksalze  vorzüglich  gut  leiten,  und  andererseits  die  Ät 
Kali   und  Natron  weit  besser,    als  ihre  Salze,   so  erwartete  ich,   dass 
besonders   gut   das   wässerige  Ammoniak   leiten  würde.     Aber  statt  de« 

1  „Diese  Zahlen  beruhen  lediglich  auf  den  Leitungswiderständen,  haben  also  nkÜ* 
der  Überwindung  der  chemischen  Affinitätskräfte  zu  thün,  welche  sich  in  der  Polarisati* 
Elektroden  aussprer1 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  923 


erhält  sich  diese  Substanz  wie  die  Essigsäure  als  ein  so  schlechter  Leiter, 
ass  sie  offenbar  einer  ganz  anderen  Gattung  von  Körpern  angehört.  Diese 
Tatsache  giebt  der  Meinung  einiger  Chemiker,  dass  dass  wässerige  Ammo- 
iak  keine  den  Atzalkalien  ähnliche  Verbindung  NH*OH  enthalte,  sondern 
lass  sie  eine  blosse  Auflösung  von  NH3  sei,  eine  Stütze.1 

„Die  weitere  Behandlung  derartiger  Fälle  spare  ich  mir  auf,  sowie  ich 
iber  die  von  mir  beobachteten  mehrbasischen  Säuren  und  ihre  Salze  einst- 
weilen nur  bemerke,  dass  ihr  Leitungsvermögen,  aus  den  obigen  Überfuhrungs- 
ahlen  der  Bestandteile  berechnet,  zu  gross  ausfällt. 

„Zum  Schluss  möchte  ich  noch  auf  einen  Vergleichspunkt  zwischen 
ien  Leitungsvermögen  und  den  Überfuhrungszahlen  gelöster  Elektrolyte  hin- 
weisen, auf  welchen  Hr.  Hittorf  selbst  mich  freundlichst  aufmerksam  ge- 
dacht hat. 

„Die  meisten  untersuchten  Elektrolyte  weisen  nämlich  eine  mit  steigen- 
ler  Concentration  abnehmende  Überfuhrungszahl  des  Kation  auf.  Einige 
•ewahren  aber  auch  in  stärkerer  Lösung  nahe  dasselbe  Verhältniss  der  Über- 
ihrung,  wie  in  verdünnter.  Es  sind  dies  mehr  oder  weniger  die  Kalisalze 
nd  demnächst  das  einzige  untersuchte  Ammoniaksalz,  das  Chlorammonium. 

„Nun  zeigt  auch  das  Leitungsvermögen  der  letztgenannten  Körper  eine 
tinliche  Übereinstimmung  und  einen  Gegensatz  gegen  die  übrigen.  Bei 
en  meisten  Elektrolyten  nimmt  das  Verhältniss  des  Leitungsvermögens  zum 
rocentgehalt  der  Lösung  stetig  und  beträchtlich  ab;  häufig  ja  so  stark,  dass 
ie  bekannte  Erscheinung  des  Maximums  auftritt.  Gerade  bei  den  Kali-  und 
Linmoniaksalzen  aber  ist  dies  Verhältniss  viel  constanter. 

„Aus  diesem,  wie  gesagt,  von  Hrn.  Hittorf  bemerkten  Zusammenhange 
rürde  das  interessante  Resultat  sich  ergeben,  dass  die  Bewegungshindernisse, 
reiche  in  dichterer  Lösung  auftreten,  im  Allgemeinen  mehr  das  Kation,  als 
as  Anion  treffen.  Doch  fuge  ich  gleich  hinzu,  dass  auch  dem  letzteren 
ine  verminderte  Beweglichkeit  zugeschrieben  werden  muss,  um  die  beob- 
chteten  Leitungsvermögen  stärkerer  Lösungen  zu  erklären." 

Die  vorstehenden  Darlegungen  sind  für  die  Kenntniss  der  elektrolytischen 
-eitfähigkeit  von  grösster  Bedeutung  geworden,  denn  die  Zukunft  hat  gezeigt, 
lass  die  hier  versuchte  Betrachtungsweise  sich  allgemein  durchfuhren  lässt 
lnd  somit  eine  sachgemässe  Darstellung  der  thatsächlichen  Verhältnisse  er- 
möglicht. Gleichzeitig  hat  der  Gedanke  von  der  unabhängigen  Wanderung 
k*  Ionen  in  wirksamster  Weise  den  Gedanken  von  der  unabhängigen 
-*istenz  der  Ionen  schon  vor  der  Elektrolyse  vorbereitet.  Die  hier  aus- 
bildete Anschauung  verlangt,  dass  z.  B.  das  Kaliumion  des  Chlorkaliums 
^  grössten  Theil  seines  Weges  (einen  um  so  grösseren,  je  verdünnter  die 
■^Ung  ist)  in  unverbundenem  Zustande  zurücklegt,  bis  es  wieder  auf  ein 
*lorion  trifft,  und  das  thatsächlich  vorhandene  Gesetz,  dass  die  Bewegungen 


1  Alle  diese  Widersprüche  haben  durch  die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation  Auf- 
^Oiig  erfahren,  worüber  weiter  unten  Auskunft  gegeben  werden  wird. 


Q24  Sechzehntes  Kapitel. 

des  einen  Ions  durch  die  Natur  des  anderen  nicht  messbar  bestimmt  werden, 
beweist,  dass  die  Zeit,  während  welcher  die  Bewegungen  des  einen  Ions  von 
dem  entgegengesetzten  beeinflusst  sind,  verschwindend  klein  gegen  die  Zeit 
ist,  während  welcher  solche  Einflüsse  nicht  stattfinden.  Von  dieser  Erkennt- 
niss  bis  zu  der,  dass  die  Ionen  thatsächlich  frei  sind,  auch  wenn  keine"  elek- 
trolytische Bewegung  an  ihnen  stattfindet,  ist  nur  ein  kleiner  Schritt;  aller- 
dings ist  dieser  erst  später  gemacht  worden. 

Kohlrausch's  Theorie  von  der  unabhängigen  Wanderung  der  Ionen 
bildet  in  der  der  Lehre  von  der  elektrolytischen  Leitfähigkeit  den  Übergang 
von  den  älteren  Anschauungen  und  Kenntnissen  zu  den  neueren.  Wie  in 
allen  anderen  Gebieten  der  Elektrochemie  hat  auch  in  diesem  die  alsbald 
zu  erörternde  Theorie  der  freien  Ionen  von  Arrheniüs  entscheidend  gewirkt, 
indem  sie  das  Vorhandene  zusammenfasste  und  eine  Fülle  neuer  Aussichten 
eröffnete.  Dadurch  ist  das  Verständniss  der  weiteren  Entwicklung  des  Ge- 
bietes von  der  Kenntniss  dieser  Theorie  abhängig  und  sie  kann  nur  im  An- 
schluss  an  diese  dargestellt  werden. 

An  dieser  Stelle  soll  daher  nur  noch  über  die  technische  Ausgestaltung 
der  Methode  der  Leitfahigkeitsbestimmungen  einiges  bemerkt  werden.  In  ' 
ihrer  älteren  Gestalt  war  sie  von  der  Benutzung  des  Sinusinductors  (S.  910 
und  des  Elektrodynamometers,  zweier  Apparate,  die  nicht  überall  vorhanden 
sind,  abhängig.  In  einer  1879  veröffentlichten  ausführlichen  Arbeit  von 
Fr.  Kohlrausch  1  wurde  zunächst  der  Sinusinductor  durch  den  gewöhnlichen 
Inductionsapparat  ersetzt.  Dieser  liefert  zwar  Wechselströme,  die  an  Elek- 
tricitätsmenge  gleich  sind;  im  Verlauf  der  Stromstärke  sind  aber  die  Offnungs- 
ströme  von  den  Schliessungsströmen  sehr  verschieden,  und  es  war  von 
vornherein  nicht  abzusehen,  ob  nicht  diese  Verschiedenheit  einen  Fehler 
in  den  Messungen  bedingen  würde.  Vergleichende  Versuche  nach  verschie- 
denen Methoden  ergaben  indessen,  dass  solche  Fehler  nicht  auftraten;  da- 
durch war,  da  ein  Inductionsapparat  in  jedem  Laboratorium  zu  finden  ist, 
eine  bedeutende  Erleichterung  des  Verfahrens  erreicht. 

Die  in  der  Anwendung  des  Telephons  an  Stelle  des  Dynamometers 
liegende  noch  erheblichere  Vereinfachung  beschrieb  Kohlrausch   1880.* 

25.  Schluss.  Gleichzeitig  einen  Rück-  wie  einen  Vorblick  enthält  eine 
1878  geschriebene  Arbeit  Hittorf's,  und  wir  können  unser  Kapitel  nicht 
angemessener  schliessen,  als  durch  die  Wiedergabe  seiner  Erörterungen. 
Hittorf  hatte3  noch  einmal  Gelegenheit  genommen,  seine  allgemeinen  An- 
schauungen zu  erörtern,  nachdem  sein  Satz  „Elektrolyte  sind  Salze"  von 
Bleekrode  bei  Gelegenheit  von  Untersuchungen  über  die  Leitfähigkeit  ver- 
schiedener organischer  Verbindungen  angegriffen  worden  war.  Er  beginnt 
mit  seiner   lesenswerthen   Darlegung   der   geschichtlichen  Entwickelung  der 

1  WiED.  Ann.  6,    I.    1879. 

*  Verh.   d.   phys.   u.   med.   Ges.   zu  Würzburg,    21.  Febr.   1880;    auch    WiED.  Ann.  Vi 
653.   1880. 

8  Wied.  Ann.  4,  374.   1878. 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  Q2$ 


Ansichten  über  die  Elektrolyse;  bei  der  Schilderung  des  Gegensatzes  zwischen 
Berzelius  und  Farad ay  bemerkt  er:  „Berzelius  war,  indem  er  sowohl  das 
elektrolytische  Gesetz,  wie  die  übrigen  Resultate  Faraday's  verwarf,  ganz 
consequent;  denn  beide  stehen  im  vollen  Widerspruch  mit  der  Auffassung, 
welche  am  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  über  das  Wesen  der  chemischen 
Verbindung  durch  die  Erfolge  des  NEWTON'schen  Gesetzes  in  der  Astronomie 
und  durch  den  Einfluss  von  Laplace  auf  Lavoisier  und  Berthollet  sich 
gebildet  hatte,  und  welche  von  dem  schwedischen  Forscher  ohne  prinzipielle 
Änderung  seinem  Systeme  zu  Grunde  gelegt  worden  war.  .  .  .  Wie  con- 
trastiren mit  der  Thatsache,  dass  bei  der  Elektrolyse  einer  verdünnten  Chlor- 
kaliumlösung nur  das  Salz,  dagegen  kein  Wasser  zersetzt  wird,  die  theore- 
tischen Vorstellungen  von  Berzelius  und  die  noch  immer  herrschenden 
Ideen  der  Chemie!  C1K  und  S04K  sind  Verbindungen,  deren  Bestandtheile 
bezüglich  der  Grösse  der  sogenannten  Verwandtschaft,  mit  welcher  sie  an 
einander  gebunden  sein  sollen,  von  keiner  anderen  übertroffen  werden.  Und 
dennoch  sucht  sich  dieselben  der  elektrische  Strom  für  seine  Fortpflanzung 
aus,  wenn  sie  nur  in  winzigen  Mengen  neben  grossen  Quantitäten  von 
Wasser  vorkommen.  Er  muss  sie  zu  dem  Ende  in  ihre  Bestandtheile  Cl 
und  K  oder  SO4  und  K  zerlegen  und  diese  Ionen  zwischen  den  unverändert 
bleibenden  Molekülen  Wasser  bewegen.  Ihre  relativen  Geschwindigkeiten 
erscheinen  unabhängig  von  der  Zahl  der  Wassermoleküle,  zwischen  denen 
sie  gesondert  vorbeigehen.  Und  doch  zersetzt  das  Kalium,  welches  hier  als 
Ion  so  indifferent  gegen  die  Moleküle  des  Wassers  sich  verhält,  wenn  es  den 
freien  Zustand  angenommen  hat,  das  Wasser  sogleich  auf  das  energischste 
und  scheidet  Wasserstoff  ab. 

„Noch  wunderbarer  wird  uns  das  Schauspiel,  wenn  wir  beachten,  dass 
wir  für  die  Spaltung  dieser  Salze  keineswegs,  wie  man  oft  noch  irrthümlich 
annimmt,  jener  grossen  Zahl  galvanischer  Elemente,  mit  welchen  H.  Daw 
zuerst  die  Alkalimetalle  darstellte,  bedürfen.  Das  schwächste  Thermo- 
element bewirkt  proportional  der  Stärke  und  der  Dauer  seines  Stromes 
jene  Spaltung  und  Überführung,  sobald  wir  nur  Sorge  tragen,  dass  ein 
Strom  überhaupt  zu  Stande  kommen  kann,  dass  er  die  Ionen  Cl  und  K 
oder  SO4  und  K  nicht  in  den  freien  Zustand  zu  versetzen  braucht.  Dies 
bewirken  wir  aber  leicht,  wenn  wir  die  Lösungen  der  Kaliumsalze  z.  B. 
zwischen  Lösungen  von  ZnSO,  in  denen  amalgamirte  Zinkplatten  als  Elek- 
troden dienen,  einschalten.  .  .  . 

„Die  elektrolytischen  Thatsachen,  welche  ich  festgestellt  habe,  lehren 
unzweideutig,  dass  die  Wärmeentwickelung  bei  der  Verbindung,  und  der 
Zusammenhalt  der  Bestandtheile  in  der  Verbindung  nicht  in  der  Abhängig- 
keit von  Ursach  und  Wirkung  stehen.  Die  von  fast  allen  Chemikern  noch 
immer  festgehaltene  Auffassung,  dass,  je  grösser  jene  ist,  desto  stärker 
dieser  erscheint,  befindet  sich  in  vollem  Widerspruch  mit  dem  Vorgange 
der  Elektrolyse.  Hier  zeigen  sich  die  beiden  Momente  gesondert  und  ohne 
Abhängigkeit  von  einander.    Als  elektromotorische  Kraft  erscheint  die  Wärme- 


Q26  Sechzehntes  Kapitel. 


entwickelung1  und  im  Leitungswiderstande  der  flüssigen  Verbindung  offenbart 
sich  die  Beweglichkeit  der  Bestandteile. 

„Zu  den  vortrefflich  leitenden  Elektrolyten  gehören  fest  alle  Kaum» 
Verbindungen,  welche  gegenwärtig  bekannt  sind.  Dieselben  enthalten  db 
jenigen  Ionen,  welche  bei  der  Vertauschung  des  freien  Zustandes  mit  dem- 
jenigen, den  sie  in  den  Verbindungen  haben,  die  stärkste  Wärmeentwicl«' 
lungen  von  allen  Stoffen  geben.  Infolge  dessen  vermag  kein  anderes  Metal 
bei  niedrigen  Temperaturen  das  Kalium  aus  seinen  Verbindungen  in  da 
freien  Zustand  zu  versetzen,  während  umgekehrt  das  freie  Kalium  alle  Me- 
talle und  die  meisten  anderen  Stoffe  aus  ihren  Verbindungen  verdrängt 

„Wenn  bei  der  Elektrolyse  von  Kaliumsalzen  die  Ionen  an  den  Elek- 
troden frei  werden,  so  entsteht  daher  die  stärkste  Polarisation,  welche  wir 
kennen.  Ist  die  elektromotorische  Kraft  desselben  auch  noch  nicht  bestimmt, 
sie  wird  gemäss  der  von  Joule  erkannten  Abhängigkeit  von  der  Grösse  jener 
Wärmeentwickelung  diejenige  von  vier  DANiELi/schen  Elementen  nicht  viel 
übersteigen.  Um  daher  die  Elektrolyse  eines  Elektrolyten  auch  unter  den 
ungünstigsten  Umständen,  wenn  beide  Ionen  frei  werden,  zu  veranlassen, 
werden  wir  nirgend  einer  Kette  bedürfen,  deren  elektromotorische  Kraft  die 
eben  genannte  zu  übersteigen  braucht.  Bleiben  dagegen  die  Ionen  des 
Elektrolyten  in  demjenigen  Zustande,  den  sie  in  der  Verbindung  haben,  so 
genügt  zur  Elektrolyse,  wie  bemerkt,  das  schwächste  Thermoelement 

„Diesen  Thatsachen  gegenüber  vermochte  ich  den  von  manchen  For- 
schern festgehaltenen  Glauben,  dass  der  chemische  Process  ein  Anziehungs- 
phänomen im  Sinne  des  grossen  Newton  sei,  und  dass  die  bei  demselben 
auftretende  Wärme  „die  Quantität  derjenigen  lebendigen  Kraft  sei,  welche 
aus  einer  bestimmten  Quantität  der  chemischen  Anziehungskräfte  hervor- 
gebracht werde"  nicht  zu  bewahren.  Das  Studium  der  Elektrolyse  hat  mich 
frühzeitig  der  Lehre  Boscowich's2  entfremdet,  und  den  Ansichten  Faraday^ 
zugeführt. 

„Stahl  mit  seiner  phlogistischen  Theorie  steht  meinem  Gefühle  nach  der 
Wahrheit  viel  näher,  als  Laplace,  Lavoisier  und  Berthollet,  sobald  wir  das 
Phlogiston  nicht  als  Materie,  sondern  als  lebendige  Kraft  deuten.  Die  leben- 
dige Kraft  der  intramolekularen  Bewegung,  welche  Elemente  wie  Cl  und  K 
im  unverbundenen  Zustande  besitzen,  geht  zum  Theil  denselben  als  Wanne- 
bewegung  bei  dem  so  räthselhaften  Vorgange,  den  wir  chemische  Verbin- 
dung nennen,  verloren.  Dadurch  haben  aber  diese  Stoffe  ganz  andere 
Eigenschaften  gewonnen.    Sie  verhalten  sich  jetzt  bei  der  Fortpflanzung  des 


1  Dieser  Satz  drückt  die  Voraussetzung  aus,  dass  Wärmeentwickelung  und  elektromotorisch? 
Kraft  einander  proportional  seien,  wie  das  früher  ziemlich  allgemein  angenommen  wurde.  E* 
wird  später  ausführlich  gezeigt  werden,  dass  dies  nicht  richtig  ist,  und  dass  die  aus  der  Wirnw- 
tönung  berechnete  elektromotorische  Kraft  der  wirklichen  zwar  oft  ziemlich  nahe  kommt,  tber 
im  Allgemeinen  nicht  mit  ihr  übereinstimmt. 

2  „c.  Th.  Young,  A  course  of  Lectures  on  Natural  Philosophy;  new  edition  by  Kellahd 
(1874),  P.  471." 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  Q27 


elektrischen  Stromes,  wie  sie  sich  in  dem  bekanntesten  und  gemeinsten  aller 
chemischen  Vorgänge,  bei  dem  Austausche  gegen  andere  Salze  in  derselben 
Lösung  zeigen.  Wenn  dem  Chlorkalium  das  essigsaure  Silber  begegnet,  so 
entzieht  das  schwache  Ag  dem  starken  K  das  starke  Cl;  das  Kalium  muss 
sich  mit  dem  schwachen  Anion  der  Essigsäure  begnügen.  Die  Wassermole- 
küle bleiben  bei  diesem  Vorgange  des  Salzaustausches  ebenso  unbetheiligt, 
wie  bei  demjenigen  der  Elektrolyse. 

„Längst  waren  vorurtheilsfreie  Chemiker,  wie  Gay-Lussac,  Williamson, 
zur  Einsicht  gekommen,  dass  dieser  Austausch  der  Salze  nicht  als  Wahl- 
verwandtschaft gedeutet  werden  kann,  sondern  dass  Salze  diejenigen  chemi- 
schen Verbindungen  sind,  welche  ununterbrochen  ihre  Bestandtheile  gegen 
einander  austauschen,  und  dadurch  von  den  anderen  Verbindungen,  welche 
zur  Zersetzung  noch  besserer  Bedingungen  bedürfen,  unterscheiden. 

„Die  Allotropieen,  welche  gegenwärtig  schon  für  so  viele  unzerlegbare 
Stoffe  bekannt  sind,  machen  es  wahrscheinlich,  dass  die  Wärme  allein  die 
Veränderung  in  den  Eigenschaften  bedingt.  Denn  dieselbe  Materie  der 
Kohle,  des  Phosphors  u.  a.  m.  zeigt  in  den  isomerischen  Zuständen,  welche 
sie  unter  Aufnahme  oder  Abgabe  von  Wärme  annimmt,  ebenso  grosse 
Unterschiede  in  den  Eigenschaften,  als  sie  sonst  nur  durch  chemische  Ver- 
bindung mit  anderen  Substanzen  gewinnt.  Der  elektrische  Strom,  welcher 
an  den  Elektroden  für  jedes  Ion  diese  ausserordentliche  Metamorphose,  diesen 
grossartigen  Zustandswechsel  bewirkt,  muss  zum  mächtigsten  Hilfsmittel  der 
Forschung  werden,  wenn  sie  einst  diesen  Vorgang  an  den  Elektroden  seinem 
M/esen  nach  besser  wie  heute  ergründet  hat,  und  infolge  davon  modificirend 
*n  denselben  eingreifen  kann. 

„Als  das   wichtigste   Ergebniss   meiner   mühevollen   und   zeitraubenden 
Ajialysen    betrachte    ich  den  Nachweis,    dass  die  so  räthselhafte  potentielle 
Energie  in   der  Natur  bei   den  unverbundenen   chemischen  Stoffen   nicht  in 
<ler  Arbeit  von  Anziehungskräften  bestehen  kann,  wenn  sie  auch  in  Arbeits- 
einheiten  gemessen  werden  muss.     Für  die  Entwickelung  ist  es  unbedingt 
**öthig,    die    Grenzen    unseres   sicheren    Wissens    überall   bestimmt   zu    be- 
zeichnen.    Das    offene    Bekenntniss,    dass   wir   das    Wesen    des    chemischen 
I^rocesses  nicht  verstehen,  dass  wir  mit  den  gegenwärtigen  Hilfsmitteln   nur 
*iie  Massen   der  Bestandtheile  in  den   Verbindungen   unverändert  erkennen, 
Mnd  über  die  Eigenschaften,   welche  sie  behalten  haben,    nichts  bestimmtes 
anzugeben  vermögen,    ist  dem  Fortschritt  förderlicher,    als  die  Behauptung, 
*3ass  jeder  Vorgang  in  der  Natur  dem  Wesen  nach  ein  Anziehungsphänomen 
im   Sinne  Newtons  sei.     Heute,  wo  Mathematiker  wie  W.  Thomson,  Helm- 
*ioltz,  Maxwell  das  Verdienst  Faraday's,  welcher  diesen  Satz  bekämpft  und 
fdas  Jahrhundert  daran  erinnert  hat,  dass  schon  Leibnitz  denselben  als  scho- 
lastisch bezeichnete,  offen  anerkennen,  darf  meine  vor  20  Jahren   aus  den 
^lektrolytischen  Thatsachen  gezogene  Folgerung  bei  den  Physikern  und  Che- 
mikern keinen  Ansloss  mehr  erregen." 

Der    nächste   Punkt,    welchen   Hittorf  nun  erörtert,    ist  die  Annahr 


IMUIUI^KCIL     clll^ClUHIL     WClUCll.         IVIIKIIUUC     AJCUCLUUllg     ^CW  1I1I1CI1    blCCI 

sie   logische  Folgerungen    gestatten,    welche    den  Kreis  der   Thatsa 
weitern.     Diese   Probe    hat    die   Theorie    der    elektrischen    Fluida    ri 
standen.    Die  vielen  neuen  fundamentalen  Thatsachen,  welche  .seit 
Stellung  der  herrschenden   Theorie  das  elektrische   Gebiet  so    auss< 
lieh    erweiterten,    dasselbe    mit    fast    allen    Zweigen    der  exaeten  F< 
verknüpften   und   ihm   universelle  Bedeutung  ertheilt  haben,  sind  c 
gefunden  worden.     Der  grösste  Entdecker  aller  Zeiten,   er,  der  die 
des    elektrischen    Wissens    so    ausserordentlich     erweiterte,     den 
Natur  mit  dem  feinsten   Gefühl  für  die  Wahrheit  auf  diesem  Geb 
stattete,    Faraday,    wurde    der    entschiedenste    Gegner   jener    schol 
Annahmen. 

„Wäre  die  Oberfläche  unserer  Erde  stets  mit  Wasserdämpfen 
so    würde    die    Entwickelung   der    elektrischen    Wissenschaft    einen 
Gang  genommen  haben.    Vor  den  Erscheinungen  der  sogenannten  s 
Klektricität  wäre  man   auf  die  Thatsachen  der  Elektrolyse  aufmerk 
worden.     Man    würde    nämlich    beachtet    haben,   wie    der   Wassers 
Kupfer,  Silber  etc.,   welche  ein  Zinkstückchen  beim  Eintauchen   in 
züglichen  Salzlösungen  reducirt,  an  der  Oberfläche  eines  an  sich  indi 
Metalls,   wenn  dieses  irgendwo  das  Zink  berührt,   erscheinen,   und 
dem    elektrischen   Strome    zuerst    begegnet.     Niemand  würde  es  d 
gefallen  sein,  bei  der  Formulirung  der  elektrolytischen  Erscheinung* 
den  chemischen  Stoffen  noch  zwei  FTuida  als  Träger  aufzustellen.    D 
sachen  der  sogenannten  statischen   Elektricität  wäre  keine  andere 
geworden,    als  diejenige,   welche  Faraday  zuerst  in  der  elften  Reil 
Experimentaluntersuchungen  niedergelegt  hat. 


Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten.  920 


Referate  über  meine  zweite  Mittheilung  die  gröbsten  Fehler  nachweisen. 
Als  ich  dieselben  zurückwies,  wurde  meine  für  die  Chemiker  inhaltreiche 
dritte  Mittheilung  nur  einer  Titelanzeige  (Jahresber.  1859,  S.  36)  gewürdigt. 
Diese  Handlungsweise  und  der  Umstand,  dass  die  damaligen  ausländischen 
Berichterstatter  meine  Aufsätze  vollständig  ignorirten,  hatte  zur  Folge,  dass 
meine  Arbeiten  in  chemischen  Kreisen  lange  Zeit  absolut  unbekannt  blieben. 
Wie  sich  leicht  aus  der  heutigen  Litteratur  nachweisen  lässt,  huldigen  die 
Chemiker  mit  wenigen  Ausnahmen  bezüglich  der  Elektrolyse  noch  immer 
den  Irrthümern  von  Berzelius  und  lassen  in  ihren  Theorieen  diese  funda- 
mental wichtige  Erscheinung  und  das  FARADAY^sche  Gesetz  unberücksichtigt. 
Und  doch  werden  alle  Erklärungen,  welche  auf  der  Stärke  der  sogenannten 
Affinität  beruhen,  durch  dasselbe  hinfällig  und  erscheinen  demjenigen,  welcher 

*  

sich  die  unerbittlichen  Consequenzen  der  elektrolytischen  Thatsachen  klar 
gemacht  hat,  als  leere  Phrasen." 

Hittorf  geht  nun  im  einzelnen  dazu  über,  die  Beobachtungen  von 
Bleekrode  mit  seinem  Satze:  „Elektrolyte  sind  Salze"  zu  vergleichen.  Unter 
sachgemässer  Betonung  der  Übergangsstufen,  welche  in  dieser  Beziehung 
me  in  jeder  anderen  vorhanden  und  zu  erwarten  sind,  legt  er  wiederholt 
ien  Zusammenhang  zwischen  chemischer  Reaktionsfähigkeit  und  elektro- 
nischer Leitfähigkeit  dar;  in  dieser  Sache  ist  auf  seine  früheren  Ausein- 
indersetzungen S.  866  u.  ff.  zu  verweisen.  Der  bemerkenswertheste  Punkt 
n  diesen  Erörterungen  ist  die  Thatsache,  dass  die  wasserfreien  Halogen- 
vasserstoflfsäuren  im  flüssigen  Zustande  nicht  leitend  sind.  Die  Beobachtung 
aar  schon  von  Gore  gemacht  worden  und  Bleekrode  hatte  sie  bestätigt. 
rlirroKF  gesteht,  dass  er  diese  interessante  Thatsache  nicht  erwartet  hat, 
<ann  aber  nicht  finden,  dass  sie  seinem  allgemeinen  Satze  gefährlich  wird. 
,Diesem  isolirenden  Verhalten  der  Wasserstoffverbindungen  im  wasserfreien 
Sustande  geht  parallel  die  Schwierigkeit  des  Austausches  gegen  andere  Salze, 
welche  sie  dann  zeigen.  Die  interessanten  Versuche  von  Gore1  lehren,  dass 
basische  Oxyde  und  kohlensaure  Salze  keine  Veränderung  in  Berührung 
nit  der  tropfbar  flüssigen  wasserfreien  Salzsäure  erleiden.  Sie  zeigen,  dass 
ias  Resultat,  welches  Pelouze  schon  vor  50  Jahren  in  dem  Aufsatze:2  „Über 
ien  Einfluss  des  Wassers  auf  eine  grosse  Anzahl  chemischer  Reaktionen" 
nittheilte,  allgemein  gültig  ist.  Der  letztgenannte  Chemiker  fand  nämlich, 
iass  die  freien  Säuren,  in  absolutem  Alkohol  gelöst,  sich  ganz  anders  als 
m  Wasser  verhalten,  nämlich  des  Austausches  mit  den  meisten  anderen 
Salzen  unfähig  sind  und  insbesondere  die  kohlensauren  Salze  nicht  mehr 
^ersetzen."  Über  die  Ursache  dieser  Eigentümlichkeit  vermag  Hittorf 
illerdings  nur  Vermuthungen  zu  äussern;  erst  der  zehn  Jahre  später  sich 
entwickelnden  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation  war  die  Aufklärung 
rorbehalten. 


1  Philos.  Mag.  u)  20,  541.   1865. 

9  Ann.  chim.  phys.  (2)  50,  314  u.  434.    1832.  —  Pogg.  Ann.  26,  343.   1832. 
Ostwald,  Elektrochemie.  5 9 


930  Sechzehntes  Kapitel.     Die  Leitung  der  Elektricität  in  den  Elektrolyten. 


Hittorf's  Schlussworte  sind:  „Ich  darf  meine  Rechtfertigung  mit  der 
Versicherung  schliessen,  dass  die  Überzeugung,  welche  ich  bezüglich  der 
chemischen  Natur  der  Elektrolyte  aus  meinen  früheren  Studien  gewonnen 
habe,  durch  die  Versuche  von  Bleekrode  nur  befestigt  worden  ist  Wer 
den  Satz:  „Elektrolyte  sind  Salze"  nicht  festhält,  dem  muss  die  Elektro- 
chemie wieder  das  Chaos  werden,  weiches  ich  in  der  Einleitung  zu  schildern 
versuchte.  Es  ist  hohe  Zeit,  dass  aus  Lehrbüchern  der  Physik  und  der 
Chemie  die  Irrthümer,  welche  die  Autorität  von  Berzelius  hineingebracht 
hat,  verschwinden ,  und  dass  die  sogenannte  elektrische  Spannungsreihe,  in 
welche  die  von  jenen  falschen  Ideen  geleitete  Phantasie  des  schwedischen 
Forschers  die  elementaren  Stoffe  ordnen  wollte  und  welcher  die  thatsäch- 
liehen  Verhältnisse  so  sehr  widersprechen,  nicht  mehr  abgedruckt  wird 
Die  Chemie  der  Zukunft  kehrt  niemals  zur  elektrochemischen  Theorie  von 
Berzelius  oder  einer  ähnlichen  zurück.  Dagegen  wird  sie  den  Thatsachen 
der  Elektrochemie  und  ihren  unerbittlichen  Consequenzen  Rechnung  tragen 
müssen." 


Fitf-  233.     RU1KH.K  Kom.r 


Siebzehntes  Kapitel. 

Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen. 


1.  Vorerinnerung.  Wie  bei  verschiedenen  Gelegenheiten  betont  worden 
lag  der  wesentlichste  Grund  für  den  Streit  der  beiden  Theorieen  der 
trochemischen  Erscheinungen  in  den  von  Volta  aufgefundenen  That- 
en  der  Spannungserscheinungen  bei  der  Berührung  zweier  Metalle.  Zwar 
s  sich  allmählich  herausgestellt,  dass  ein  einwandfreier  Nachweis  für  das 
landensein  einer  solchen  Spannung  auf  den  meisten  Wegen,  die  Volta 
eschlagen  hatte,  nicht  zu  erreichen  war;  ein  Versuch  war  aber  übrig 
ieben,  der  den  Voltaisten  als  entscheidend  galt,  und, den  auch  Faradav 
Gelegenheit  seines  Kampfes   gegen   die  Contacttheorie   nicht  angegriffen 

S9* 


q^2  Siebzehntes  Kapitel. 


hatte.    Es  war  dies  der  Condensatorversuch,  der  Versuch,  dass  ein  aus  zwei 
verschiedenen  Metallen  gebildeter  Condensator,  zwischen  dessen  Platten  sich 
nur  Luft  befindet,    nach  der  metallischen  Verbindung  der  Platten  und  der 
darauf  erfolgenden  Trennung   derselben  sich  elektrisch  geladen   zeigt    Die 
Ordnung  und  ungefähre  Grösse  der  Spannung  erwies  sich  übereinstimmend 
mit  der,  welche  man  beim  Eintauchen  derselben  beiden  Metalle  in  Wasser 
fand;    allerdings    mit   einem   merkwürdigen   Unterschiede.      Während  beim 
Condensatorversuche   sich   das  Zink  nach  der  Trennung  positiv  gegen  das 
Kupfer  erweist,  hat  in  einer  Kette  aus  den  beiden  Metallen,  die  man  in  eine 
wässerige  Flüssigkeit  taucht,  das  Zink  negative  Spannung  gegen  das  Kupfer. 
Für  die  Voltaisten  lag  darin  keine  Schwierigkeit,  denn  gerade  dies  Resultat 
muss  auftreten,  wenn  man  die  elektromotorische  Kraft  in  die  Berührungsstelle 
zwischen  den  beiden  Metallen  verlegt.    Um  dies  einzusehen,  denke  man  sich 
der  Einfachheit  wegen  das  Elektrometer,  mittelst  dessen  die  Spannung  beob- 
achtet wird,  aus  dem  gleichen  Metalle,  wie  die  eine  Condensatorplatte,  z.  B. 
aus  Kupfer  hergestellt.     Die  Kupferplatte  der  Zink-Kupferkette  sei  zur  Erde 
abgeleitet,  habe  also  die  Spannung  Null.    Dann  wird  auch  nach  der  Volta'- 
schen  Theorie  das  Zink  die  Spannung  Null  haben  müssen,  da  zwischen  den 
Metallen  und  dem  Wasser  keine  Erregung   stattfinden   soll.     An  der  Stelle 
aber,  wo  die  Zinkplatte  mit  dem  Kupfer  des  Elektrometers  in  Verbindung 
gesetzt  wird,   entsteht  eine  elektromotorische  Wirkung  in  der  Art,  dass  das 
Kupfer  gegen  das  Zink  negativ  wird,    und  das  Elektrometer  muss  negative 
Elektricität  anzeigen,  die  aber  nach  dieser  Ansicht  nicht  vom  Zink  herrührt, 
sondern  von  dem  Metall  des  Elektrometers,  wo  dies  das  Zink  berührt   Ganz 
das  gleiche  Ergebniss  wird  erhalten,   wenn   man  das  Elektrometer  aus  Zink 
oder  einem  anderen  Metall  hergestellt  denkt;  jedesmal  sind  Metallberührungen 
in  solcher  Zahl  und  Ordnung  vorhanden,    dass  die  thatsächlich  eintretende 
Spannung  der  von  der  Theorie  vorhergesagten  entspricht. 

Dass  dies  so  sein   kann,    ohne  dass  darum  die  Theorie  als  richtig  an- 
erkannt zu  werden  braucht,   liegt,  wie  gleichfalls  erinnert  sein  soll,  in  dem 
Umstände  begründet,    dass  immer  die  Zahl  der  Berührungen  verschiedener 
Stoffe  grösser  ist,  als  die  Zahl  der  zwischen  ihnen  möglichen  unabhängigen 
Messungen  der  Spannung.     Dadurch  ist  bedingt,  dass  man  noch  eine  voll- 
kommen willkürliche  Annahme  über  diese  machen  darf,  ohne  dass  man  mit 
den  Thatsachen  irgendwie  in  Widerspruch  zu  gerathen  braucht,  und  ebenso 
widerspruchsfrei,   wie   nach  der  VoLTA'schen  Annahme,   lassen  sich  die  Er- 
scheinungen   darstellen,    wenn    man    die  Spannung   zwischen    verschiedenen 
Metallen  gleich  Null  setzt,  und  nur  die  Berührungen  zwischen  den  Metallen 
und  den  Nichtmetallen  oder  Leitern  zweiter  Klasse  als  wirksam  ansieht.   Man 
wird  dann  allerdings  genöthigt,  auch  die  Luft  als  einen  Leiter  zweiter  Klasse 
anzusehen,  was  mit  den  isolirenden  Eigenschaften  derselben  in  einigem  Wider- 
spruch steht.     Indessen  braucht  immerhin   dieser  Einwand  nicht  als  ein  ab- 
soluter  angesehen    zu   werden,    da    ein    unbedingter   Unterschied   zwischen 
einem  Leiter  und  einem   Nichtleiter   schwerlich   angenommen   werden  darf. 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheizrangen.  q-j? 


er  Condensatorversuch  erklärt  sich  dann  folgendermaassen:  Das  Zink  wird 
rgen  Luft,  wie  gegen  Wasser  negativ,  das  Kupfer  positiv  elektrisch.  Ver- 
rietet man  beide  Metalle  mit  einander,  so  macht  man  dadurch  ihre  Span- 
ing  gleich,  und  der  in  der  Kette  Kupfer-Luft-Zink  vorhandene  Spannungs- 
iterschied  findet  sich  nicht  mehr  zwischen  den  Metallen  vor,  sondern  in 
rr  dazwischenliegenden  Luft.  Das  Zink  ist  negativ  gegen  Luft;  wird  es 
Lher  auf  die  Spannung  Null  gebracht,  so  muss  die  an  das  Zink  grenzende 
jft  positiv  erscheinen.  Ebenso  ist  es  mit  dem  Kupfer;  es  ist  positiv  gegen 
lft,  und  wird,  wenn  es  seinerseits  auf  die  Spannung  Null  gebracht  ist,  die 
[grenzende  Luft  negativ  erscheinen  lassen.  Diese  Ladungen  der  Lufthülle 
ld  es  aber,  welche  wir  nach  der  Trennung  des  Condensators  am  Elektro- 
eter  messen;  darum  muss  das  Kupfer  beim  Condensatorversuch  auch  bei 
x  zweiten  Annahme  negativ,  das  Zink  positiv  erscheinen. 

Von  den  Vertretern  der  chemischen  Theorie  hatte  sich  in  dem  bisher 
^handelten  Zeiträume  keiner  zu  dieser  Überlegung,  welche  den  Streit  im 
resentlichen  beendet  hätte,  durchgearbeitet  Vielmehr  war  von  diesen,  vor 
len  von  de  la  Rive  auf  das  Zustandekommen  der  Spannung  wenig  ein- 
sangen worden;  man  begnügte  sich  mit  der  Behauptung,  dass  diese  durch 
lemische  Vorgänge  bedingt  sei,  ohne  dass  ein  klarer  Ausspruch  der  Be- 
ugungen bewerkstelligt  worden  wäre,  die  erfüllt  sein  müssen,  damit  der 
lemische  Vorgang  elektrisch  wirksam  wird.  Denn  dass  zahllose  chemische 
-ocesse  stattfinden,  ohne  von  sichtbaren  elektrischen  Erscheinungen  begleitet 
i  sein,  steht  ausser  Zweifel;  es  ist  also  noch  noth wendig  ein  besonderer  Unl- 
and vorhanden,  welcher  für  die  elektrischen  Erscheinungen  noth  wendig  ist, 
id  den  aufzufinden  die  eigentliche  Lebensfrage  der  chemischen  Theorie  war. 
tatt  dessen  sehen  wir  de  la  Rive  sich  mit  dem  Hinweis  begnügen,  dass  zwar 
dem  chemischen  Vorgang  ein  proportionaler  elektrischer  entspreche,  dass 
>er  ein  grösserer  oder  geringerer  Theil  der  erzeugten  Elektricität  sich  wäh- 
:nd  des  Vorganges  innerhalb  der  reagirenden  Massen  ausgleichen  könne, 
ine  für  unsere  Instrumente  sichtbar  zu  werden. 

Wir  können  de  la  Rive  hieraus  keinen  besonderen  Vorwurf  machen, 
snn  zu  der  Zeit  der  Aufstellung  seiner  chemischen  Theorie  war  das  elek- 
olytische  Gesetz  noch  nicht  bekannt,  und  der  Zusammenhang  zwischen  der 
eitung  der  Elektricität  in  Elektrolyten  und  den  entsprechenden  chemischen 
orgängen  nicht  durchschaut.  Aber  auch  Faraday  ist  es  nicht  gelungen, 
esen  Schritt  zu  thun,  zu  welchem  ihn  die  Kenntniss  seines  Gesetzes  aller- 
ngs  befähigt  hätte;  ihm  waren  noch  nicht  die  elektrochemischen  Anord- 
mgen  bekannt,  welche  dem  theoretischen  Ideal  sich  so  weit  als  möglich 
inähern.  Erst  Daniell  verwirklichte  durch  seine  Kette  dieses  Ideal  eines 
ektrochemischen  Apparates,  an  welchem  diese  entscheidende  Frage  beant- 
Drtet  werden  konnte;  selbst  hat  er  freilich  sich  mit  der  Frage  nicht  be- 
häftigt. 

Ab  dann  durch  Joule  der  Zusammenhang  zwischen  der  (als  Wärme 
messenen)   chemischen   Energie   und   der   elektrischen   aufgedeckt   wur^~ 


Q7A  Siebzehntes  Kapitel. 


war  die  ÜANiELi/sche  Kette  die  erste,  und  auch  fast  die  einzige,  welche  einen 
Vergleich  in  dieser  Beziehung  ermöglichte.  Für  die  chemische  Theorie  war 
dies  ein  ungemein  erheblicher  Fortschritt;  es  handelte  sich  um  nichts  weniger, 
als  den  endlichen  klaren  Ausdruck  für  den  immer  vorausgesetzten,  hoch  mt- 
mals  aber  zahlenmässig  nachgewiesenen  ursächlichen  Zusammenhang  der 
chemischen  Erscheinungen  mit  den  elektrischen.  Die  Frage,  wie  die  ge- 
sammte  Spannung  des  Daniellelementes  sich  auf  die  vier  Berührungssteüeo 
vertheilt,  die  in  dieser  Kette  vorhanden  sind,  wurde  allerdings  hierbei  nicht 
beantwortet,  denn  die  gefundene  Beziehung  enthält  nur  einen  Zusammenhang 
zwischen  der  gesammten  messbaren  Spannung  der  Kette  und  der  gesammten 
chemischen  Energie  des  entsprechenden  Vorganges,  lässt  aber  die  Frage 
nach  der  Vertheilung  dieser  Grössen  auf  die  verschiedenen  Stellen  der  Kette 
offen.  Dagegen  brachte  die  Notwendigkeit,  zu  dem  Zwecke  der  theore- 
tischen Berechnung  der  elektromotorischen  Kraft  die  Wärmeentwickelung 
eines  bestimmten  chemischen  Vorganges  zu  berechnen,  es  mit  sich,  dass 
der  Rechnung  wesentlich  nur  solche  Ketten  unterzogen  wurden,  in  welchen 
solche  genau  definirbare  Processe  verlaufen;  diese  sind  es  aber  gerade,  welche 
jene  Bedingung  des  gesetzmässigen  Zusammenhanges  zwischen  der  Menge 
der  chemisch  veränderten  Stoffe  und  der  bewegten  Elektricität  erfüllen. 

So  hat  denn  der  erhebliche  von  Joule  angebahnte  Fortschritt,  obwohl 
die  Richtigkeit  seines  Gedankens  namentlich  nach  seiner  erneuten  Darlegung 
und  zahlenmässigen  Bestätigung  durch  William  Thomson  allgemein  anerkannt 
wurde,  doch  den  endgültigen  Sieg  der  chemischen  Theorie  nicht  bewerk- 
stelligen können;  dazu  gehörte  nothwendig  ausser  dem  Nachweis  der  Be- 
ziehung zwischen  den  Gesammtwerthen  der  Spannung  und  der  chemischen 
Energie  noch  die  Analyse  der  einzelnen  Spannungen  in  der  Kette.  So  sehen 
wir  denn  diese  Aufgabe  von  verschiedenen  Forschern  bearbeitet.  Zuerst 
ganz  im  Sinne  der  VoLTA'schen  Theorie;  und  obwohl  jeder  Versuch,  die 
Zahlenwerthe  für  die  elektromotorische  Kraft  bei  der  sogenannten  Metall- 
berührung mit  einer  auch  nur  massigen  Genauigkeit  zu  bestimmen,  ander 
ungemein  grossen  Veränderlichkeit  eben  dieser  Werthe  scheiterte,  und  bis 
auf  den  heutigen  Tag  gescheitert  ist,  so  hat  dieser  üble  Ausfall  des  Ver- 
suches, für  die  VoLTA'sche  Theorie  die  grundlegenden  Zahlen  zu  messen, 
die  Überzeugung  von  ihrer  Bedeutung  nicht  etwa  erschüttert,  sondern  im 
Gegentheil  durch  eine  Art  Reaktionswirkung  gesteigert  In  der  Veränder- 
lichkeit der  beobachteten  Werthe  sah  man  nicht  den  Nachweis,  dass  noch 
unbeherrschte  Einflüsse,  von  denen  die  VoLTA'sche  Theorie  nichts  wusste, 
die  Zahlen  maassgebend  beeinflussen,  sondern  man  sah  darin  nur  die  grosse 
Schwierigkeit,  zu  der  genauen  Kenntniss  jener  mystischen  Werthe  vorzu- 
dringen, deren  Ermittelung  der  so  lange  vertheidigten  Theorie  die  uner- 
schütterliche Grundlage  geben  sollte,  und  mit  der  Schwierigkeit  wuchs  der 
Eifer  und  der  Glauben. 

Die  chemische  Theorie  befand  sich  in  diesem  Punkte  nicht  in  günstiger 
Lage.     Wenn  sie  auch  die  Bedeutung  der  nach  der  VocrVschen  Methode 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  g?c 


tialtenen  Ergebnisse  anzweifeln  und  sie  auf  minimale  chemische  Vorgange 
rückfuhren  mochte,  so  hatte  sie  doch  nichts  bestimmtes  an  die  Stelle  zu 
tzen  und  besass  keine  Methode,  welche  ihr  gestattet  hätte,  ihrerseits  die 
rgelegten  Zahlen,  so  schwankend  sie  waren,  durch  bessere,  nach  einwurfs- 
rier  Methode  gefundene  zu  ersetzen.  Alles,  was  sie  zu  sagen  vermochte, 
ir,  dass  zwischen  Stoffen,  die  auf  einander  keine  chemische  Wirkung  aus- 
>en,  auch  keine  elektrische  Spannung  entstehen  könne,  und  dass  somit 
in  Grund  vorliegt,  an  der  Berührungsstelle  zweier  Metalle  eine  elektro- 
Dtorische  Kraft  anzunehmen.  Aber  man  muss  gestehen,  dass  ein  solches 
-gument  nur  auf  den  eine  Wirkung  äussern  wird,  der  bereits  von  der 
chtigkeit  der  chemischen  Theorie  überzeugt  ist. 

Diesen  Verhältnissen  entsprechend  beschränken  sich  die  Versuche,  in 
t  Vertheilung  der  Spannungen  an  der  VoLTA'schen  Kette  einzudringen, 
nächst  ausschliesslich  auf  die  Wiederholung  und  zahlenmässige  Ausgestal- 
rig  des  VoLTA'schen  Verfahrens.  Dabei  macht  sich  derselbe  Umstand 
ltend,  welchen  wir  wiederholt  in  der  Entwickelungsgeschichte  unseres  Ge- 
ntes zu  bemerken  Gelegenheit  gehabt  haben.  Während  der  erste  Forscher, 
r  sich  mit  der  Frage  beschäftigt  und  die  Unsicherheit  dieser  Bestimmungen 
nnen  gelernt  hat,  seinen  eigenen  Zahlen  gegenüber  sich  durchaus  skeptisch 
rhält,  und  ihnen  nur  einen  ganz  vorläufigen  Charakter  zuspricht*,  hegen 
2  späteren  nicht  mehr  Zweifel  über  die  prinzipielle  Zulässigkeit  des  Ver- 
lrens,  sondern  nur  über  die  mehr  oder  weniger  grosse  Zweckmässigkeit 
r  verschiedenen  möglichen  Ausfuhrungsformen.  Erst  spät  wird  ein  unab- 
*igiger  Weg  gefunden,  auf  welchem  sich  der  Spannungsunterschied  zwischen 
rschiedenen  Metallen  zeigen  müsste,  wenn  er  vorhanden  wäre.  Die  auf 
esem  zweiten  Wege  erhaltenen  Ergebnisse  erwiesen  sich  als  im  vollstän- 
gsten  Gegensatze  zu  den  VoLTA'schen  Zahlen  stehend,  und  es  konnte 
.rum  nicht  fehlen,  dass  die  Anhänger  der  alten  Anschauung  die  Richtig- 
st des  neuen  Weges  in  Frage  stellten.  Die  Vertreter  der  chemischen 
nschauung  ihrerseits  sind  die  Unterstützung,  welche  sie  hier  finden  konnten, 
ige  nicht  gewahr  geworden,  weil  der  neue  Weg  ganz  nach  physikalisch- 
athematischer  Seite  lag.  Denn  diese  neue  Methode  der  Messung  von 
>annungsunterschieden  zwischen  Metallen  beruhte  auf  den  Erscheinungen 
x  Wärmeentwickelung  und  -absorption  an  der  Verbindungsstelle  der  Me- 
lle, wenn  durch  beide  ein  elektrischer  Strom  geleitet  wird,  und  schien 
nächst  mit  unserer  Frage  nichts  zu  thun  zu  haben. 

Endlich  gehört  der  neuesten  Zeit  noch  die  Auffindung  eines  dritten 
eges  an,  welcher  wieder  mehr  auf  chemischer  Seite  liegt,  und  welcher 
Übereinstimmung  mit  den  eben  erwähnten  Forschungen  gleichfalls  dazu 
fuhrt  hat,  dass  den  Metallen  die  Erzeugung  erheblicher  elektromotorischer 
-äfte  bei  gegenseitiger  Berührung  nicht  zugesprochen  werden  kann.  Dieser 
n  Lippmann  und  Helmholtz  gangbar  gemachte  Weg  beruht  auf  den  Er- 
heinungen  der  Oberflächenspannung  bei  der  Polarisirung  von  Quecksilber- 
►erflächen,    und    hat    nicht    nur  jene  alte  Frage  nach  der  Thätigkeit  rW 


(Vif)  Siebzehntes  Kapitel. 

Metalle  entschieden,  sondern  auch  die  Zahlenwerthe  aller  in  der  Kette  w- 
handenen  einzelnen  Spannungen  zu  messen  gestattet 

Dies  ist  in  grossen  Zügen  der  Entwickelungsgang,  welchen  die  vor- 
liegende Frage  genommen  hat.  Wir  gehen  nun  dazu  über,  die  einzelne» 
Abschnitte  dieses  langen  Weges  kennen  zu  lernen,  und  das  Spiel  der  ver- 
zögernden und  beschleunigenden  Kräfte  zu  verfolgen,  welche  auf  die  Fort- 
bewegung der  Wissenschaft  in  dieser  Richtung  eingewirkt  haben. 

2.  Die  Arbeiten  von  R.  Kohlrausch.  Seit  der  Zeit,  wo  Eehai 
und  Ritter  die  Spann ungserscheinungen  an  den  Polen  der  VoLTA'schei 
Kette  untersucht  hatten  (S.  265),  war  keine  neue  Arbeit  über  den  Zu- 
sammenhang der  elektroskopischen  Eigenschaften  der  VoLTA'schen  Ketten 
erschienen,  obwohl  durch  die  Aufstellung  der  OHu'schen  Theorie  ein  be- 
sonderes Interesse  dafür  entstanden  war.  Es  lag  dies  wesentlich  an  dem 
Missverhältniss,  welches  zwischen  der  Empfindlichkeit  der  Elektroskope  und 
der  des  Galvanometers  bestand;  waren  doch  auch  jene  Messungen  nur  grobe 
Schätzungen  gewesen,  obwohl  die  vielfach  gesteigerte  Spannung  vtelgliednger 
Säulen  untersucht  wurde. 

Mit  der  Herstellung  eines  empfindlichen  Elektrometers  hatten  sich  dam 
mehrere  Physiker  beschäftigt;  zu  einer  Entwicklung  gelangte  aber  zunächst 
nur  ein  von  Dellmann1  angegebener  Apparat.  Dieser  war  ursprunglich  nicht 
zu  dem  Zwecke  erfunden  worden,  ein  Pracisionsinstrument  zu  werden,  son- 
dern sollte  im  Gegentheil  nur  möglichste  Einfachheit  und  Wohlfeilheit  an- 
streben; so  bestand  es  in  seiner  ersten  Gestalt  aus  einem  Zuckerglase,  einigen 

a  Drahten  und  Korken,  wie  Fig.  234  zeigt.     Der  wesent- 

-*-*ty  -  — f  lichste  Theil  war  ein  an  einem  Seidenfaden  aufgehängter 
Hebel  aus  sehr  dünnem  Silberdrahte,  dessen  beide  Arme 
etwas  aus  der  Mittelebene  herausgebogen  waren,  so 
dass  zwischen  ihnen  ein  Streifen  von  leitendem  Material 
Platz  fand.  Nachdem  beide  gleichzeitig  geladen  worden 
\  Jp  |  -i—  waren,  stiessen  sie  sich  ab,  bis  die  Torsion  des  Fadens 

1      -J     h — '*    der  abstossenden  Kraft  das  Gleichgewicht  hielt. 

Fig  „.  Unter  den  Händen  von  Rudolf  Kohlrausch  '  ent- 

Nach  Dei.lmann.       wickelte   sich    das   Instrument chen   zu    einem    genauen 

wissenschaftlichen  Hilfsmittel,  welches  der  Elektrik  eine 

Anzahl   wesentlicher   Dienste    geleistet    hat.     Der   Vergleich    der   Fig.  235- 

welche  die  Anordnung  von  Kohlrausch   darstellt,   mit  der  Fig.  234  macht 

den  schnellen  Entwickelungsprocess  des  Apparates  sehr  anschaulich. 

Zum  Verständniss  der  Fig.  235  sei  angegeben,  dass  der  aus  dünnstem  Silber- 
draht gefertigte  drehbare  Hebel,  der  rechts  bei  a  sichtbar  ist,  an  einem  Glas- 
faden hängt,  welcher  durch  die  oben  gezeichnete  Vorrichtung  einer  messbaren 
Torsion  unterworfen  werden  kann.  Die  zu  messende  elektrische  Spannung  wird 
dem  Hebel  durch  die  Zuleitung  tu  m  mitgetheilt,  welche  gehoben  und  gesenkt 

1  Pogg.  Ann.  56,  301.   1842;  88,  49.   1843  '  Ebend»  72,  353.  1847. 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen. 


937 


'den  kann;  tn  berührt  beim  Heben  zunächst  den  festen  Bügel  a  a,  dessen 

ne  so  gebogen  sind,  dass  sie  den  Hebel  zwischen  sich  aufnehmen  können. 

ch  der  feste  Hebel  kann  gehoben  und  gesenkt  werden;   in  ersterer  Lage 

ührt  der  den  drehbaren  Hebel, 

der  zweiten  lässt  er  ihn  frei. 

1  daher  das  Instrument  zum 

ssen  benutzt  werden,  so  stellt 

n  den  Hebel  senkrecht  zum 

gel,  hebt  den  Bügel  und  die 

leitung,    wodurch    alle    drei 

eile  metallisch  verbunden  sind; 

dann  wird  erst  die  Zuleitung 

;enkt  und  abgetrennt,  sodann 

•  Bügel  gesenkt  und  der  Hebel 
gegeben.  Dreht  man  dann 
1   Träger   des  Glasfadens   in 

Nulllage  zurück,  so  folgt  der 
bei  nicht,  sondern  bleibt  in- 
je  der  Abstossung  unter  einem 
nkel  stehen,  den  man  mit  der 
pe  q  an  dem  Kreise  K  ab- 
en  kann.  Das  ringförmige 
isgefass  r  enthalt  concentrirte 
iwe feisäure,  um  das  Innere 
cken  und  gut  isolirend  zu 
ten. 

Über  die  Handhabung  des 
^ktrometers,  die  erforderlichen 
rrekturen  und  die  Berechnung 

•  Resultate  giebt  Kohlrausch 
dann    eine    musterhaft    sörg- 
ige  Untersuchung,  bei  welcher 
zeigt,  dass  das  Instrument  für  viele  Zwecke  der  CouLOMß'schen  Drehwage 
•zuziehen  ist.     Auf  diese  Einzelheiten  ist  hier  nicht  einzugehen. 

Die  erste  Aufgabe,  welche  Kohlrausch  mit  seinem  neuen  Hilfsmittel  zu 
en  unternahm,  war,  die  von  der  OHM'schen  Theorie  vorausgesetzte  Über- 
stimmung der  „elektroskopischen  Kraft"  mit  der  elektromotorischen  Kraft, 

sie  in  der  bekannten  Formel  Ohm's  auftritt,  nachzuweisen.  Dass  dieser 
:hweis.  gelang,  geht  aus  dem  Titel  der  Arbeit1  hervor,  in  welcher  er  über 
le  Ergebnisse  berichtet:  „Die  elektromotorische  Kraft  ist  der  elektro- 
pischen  Spannung  an  den  Polen  der  geöffneten  Kette  proportional,"  wozu 
bemerkt:   „die  Richtigkeit  der  in  der  Überschrift  aufgestellten  Behauptung 


Fig.  235.    Nach  R.  Kohlrausch. 


1  Pogg.  Ann.  76,  88  u.  220.  1848. 


ai 


Siebzehntes  Kapitel. 


ist  gewisss  von  den  meisten  Physikern  stillschweigend  angenommen  wc 
obschon  eine  direkte  Bestätigung  derselben  wegen  der  Unvollkomm 
der  Messwerkzeuge  nicht  versucht  werden  konnte".  Allerdings  war 
das  Dei.t.m  an  tische  Elektrometer  in  der  verbesserten  Form  nicht  empü 
genug,  um  die  Spannung  eines  einzelnen  Elementes  mit  einem  gen 
kleinen  Fehler  messen  zu  lassen,  und  Kohlrausch  meint,  dass  „es 
ausser  dem  Bereiche  der  Möglichkeit  liegen  möchte,  die  Empfind] 
eines  Elektrometers  bis  zur  genauen  Angabe  dieser  ausnehmend  ge 
Spannung  selbst  zu  steigern".  Kohlrausch  construirte  deshalb  dazu 
Condensator  mit  möglichst  constanter  Verstärkungszahl,  um  die  zu  me 
Spannung  entsprechend  zu  erhöhen,  und  giebt  an,  dass  es  ihm  dadui 
lungen  sei,  die  elektroskopische  Spannung  einfacher  VoLTA'scher  Ketti 
mit  derselben  Genauigkeit  zu  messen,  mit  welcher  man  ihre  elektror 
sehen  Kräfte  galvanometrisch  bestimmt 


Fig.  236.     Nach  R.  Kohlrausch. 


Der  Condensator  ist  nach  der  von  Kohlrausch  mitgetheilten  Zeit 
in  Fig.  236  abgebildet.  Man  erkennt  die  beiden  horizontal  ;ingebr 
Platten,   die  der  besseren  Isolirung  wegen  an  Seidenschnüren  hängen 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  Q39 

tere  liegt  fest,  die  obere  ist  durch  eine  Führung  parallel  sich  selbst  ver- 
liebbar;  die  stets  gleich  sich  herstellende  kleine  Entfernung  der  beiden 
itten  wird  dadurch  erzielt,  dass  die  untere  an  drei  Stellen  ihrers  Umfanges 
ane  angeschmolzene  Platten  von  Schellack  trägt,  deren  Dicke  die  gegen- 
tige  Lage  der  beiden  Plätten  bestimmt.  In  dm  sieht  man  die  Zuleitung 
11  Elektrometer,  hinter  dem  Condensator  ist  das  zu  messende  Element 
jebracht. 
Anfangs  erhielt  Kohlrausch  nicht  die  Übereinstimmung  seiner  Zahlen, 
er  nach  der  Genauigkeit  seiner  Messhilfsmittel  erwarten  durfte;  die  Ur- 
he  dafür  ergab  sich  bald  darin,  dass  seine  inconstanten  Ketten  sehr  schnell 
:h  dem  Offnen  ihre  Spannung  vermehrten,  so  dass  sie  grösser  war  als 
,  welche  sie  während  des  Stromschlusses  und  der  galvanometrischen  Mes- 
ig  zeigten.  Um  dieser  Fehlerquelle  zu  entgehen,  brachte  er  die  in  ppqq 
gedeutete  Wippe  an,  welche  ihm  ermöglichte,  die  Spannung  unmittelbar 
±  dem  Offnen  des  Stromes  zu  messen,  und  erhielt  auf  diese  Weise  fei- 
nde Vergleichstabelle.  In  derselben  bedeuten  die  Zahlen  der  ersten  Reihe 
i  galvanometrisch  gemessenen  elektromotorischen  Kräfte,  die  der  beiden 
deren  Reihen  sind  die  elektroskopischen  Spannungen,  und  zwar  in  der 
;ten  Spalte  aus  Ausschlagswinkeln,  in  der  zweiten  aus  den  Torsionswinkeln 
rechnet,  welche  erforderlich  waren,  um  jedesmal  dieselbe  Ablenkung  der 
del  herzustellen.  Die  Übereinstimmung  lässt,  wie  man  sieht,  nichts  zu 
nschen  übrig,  wobei  bemerkt  werden  mag,  dass  die  Zahlen  der  obersten 
ihe  einander  willkürlich  gleich  gesetzt  worden  sind,  um  die  Werthe  der 
ii  Spalten  auf  vergleichbares  Maass  zu  bringen. 

Elektro-  Spannung  der 

motorische      geöffneten  Kette 

Kraft  I  II 

Sink  in  Zinkvitriol-Platin  in  Salpetersäure  von   1,357  spec.  Gew.  28,22  28,22  28,22 

Sink  in  Zinkvitriol,  jedoch  die  Salpetersäure  von  1,213  spec.  Gew.  28,43  27,71  27,75 

Sink  in  Zinkvitriol,  Kohle  in  Salpetersaure  von  1,213  spec.  Gew.  26,29  26,15  26,19 

Sink  in  Zinkvitriol-Kupfer  in  Kupfervitriol 18,83  18,88  19,06 

1)   Silber  in  Cyankalium-Kochsalz-Kupfer  in  Kupfervitriol.     .     .  14,08  14.27  I4>29 

>)  Desgleichen,   später 13*67  13.94  13,82 

:)  Desgleichen,  noch  später I2,35  12,35  12,26 

„Ein  Blick  auf  diese  Zahlen  wird  hinreichen,  um  den  Satz,  dass  die 
:ktromotorische  Kraft  der  Spannung  der  frisch  geöffneten  Kette 
Dportional  ist,  ausser  allen  Zweifel  zu  setzen." 

An  der  GROvE'schen  Kette  machte  Kohlrausch  noch  eine  Beobachtung, 
Iche  von  einigem  Interesse  ist,  wenn  sie  auch  nicht  weiter  verfolgt  worden 

„Bei  dieser  letzteren  (der  Kette  mit  Salpetersäure  von  1,213)  zeigte 
1  aber  am  deutlichsten,  dass  die  Spannung  der  geöffneten  Kette  und  die 
<tromotorische  Kraft  denselben  Grund  haben.  Sobald  nämlich  die  Kette 
chlossen  war,   stiegen  Blasen   an  der  Platinplatte  empor,   die  Spannung 

nun  momentan  geöffneten  Kette  war  nur  noch  12,93,  die  elektromoto- 
:he  Kraft,  so  gut  sie  bei  der  Unruhe  der  Nadel  zu  bestimmen  war,   12,8. 


QAO  Siebzehntes  Kapitel. 


Plötzlich  hörte  die  Gasbildung  auf,  und  die  Galvanometernadel,  welche  m*^ 
47  gestanden  hatte,  setzte  sich  in  Bewegung  und  legte,  ohne  dass  andtrlP^ 
eingeschalteten  Drahtmasse  das  geringste  geändert  wurde,  in  i  bis  2  Minttoj1^" 
den  Weg  bis  59  zurück.  Damit  war  rücksichtlich  der  Triebkraft  derZt 
stand  eingetreten,  wie  ihn  die  Messungen  Nr.  2  angeben.  Diese  Erscher—* 
habe  ich  mehrmals  beim  Gebrauch  einer  schwachen  Säure  beobachtet* 
Hierzu  bemerkt  auch  Poggendorff  in  einer  Anmerkung,  dass  auch  ihm  dieses 
Verhalten  bekannt  sei  (Pogg.  Ann.  53,  444.  1841).  An  der  angeführt« 
Stelle  ist  die  Erscheinung  auch  ganz  richtig  dahin  gedeutet,  dass  es  s& 
um  eine  plötzliche  Änderung  des  chemischen  Vorganges  handelt  In  der 
ersten  Art  wirkt  die  Kette,  um  es  kurz  auszudrücken,  wie  eine  SiiEE'säie, 
d.  h.  die  Salpetersäure  wird  nur  als  Säure,  nicht  als  Oxydationsmittel  bean- 
sprucht; in  der  zweiten  Art  wirkt  die  Salpetersäure  oxydirend,  und  damit 
hängt  die  höhere  elektromotorische  Kraft  zusammen.  Poggendorff  hat  das 
Argument  zu  Gunsten  der  chemischen  Theorie,  welches  in  diesem  Versuche 
liegt,  gar  wohl  gefühlt,  denn  er  fügt  hinzu:  „Es  ist  wohl  schwer  zu  sagen, 
ob  diese  Änderung  (des  chemischen  Vorganges)  Ursache  oder  Wirkung  des 
Sprunges  sei,  aber  so  viel  ist  einleuchtend,  dass  die  Anhänger  der  chemi- 
schen Theorie  aus  diesem  Vorgange  keine  Stütze  ihrer  Ansicht  entnehmen 
können;  denn  der  erwähnte  Process  ist  in  seinen  beiden  Stufen  kein  rem 
chemischer  Process,  sondern  ein  von  dem  elektrischen  Strom  selbst  bewirkter 
Process,  bei  dem  noch  dazu,  da  er  am  Platin  vorgeht,  kein  Metall  gelöst 
wird."  Thatsächlich  ist  die  Erscheinung  ein  vorzügliches  Beispiel  dafür,  wie 
mit  der  Änderung  des  chemischen  Vorganges  auch  die  elektromotorische 
Kraft  sich  sprungweise  ändert,  obwohl  alle  Contacte  die  gleichen  bleiben. 
Es  ist  nur  das  eine  dabei  auffallend,  dass  sich  keiner  der  Anhänger  der 
chemischen  Theorie  dieses  vortrefflichen  Argumentes  zu  bedienen  ge- 
wusst  .hat. 

Von  dem  Nachweise  der  Übereinstimmung  zwischen  der  elektromotori- 
schen Kraft  und  der  elektroskopischen  Spannung  bei  verschiedenen  Ketten 
ging  Kohlrausch  alsbald1  zu  dem  Nachweise  der  Spannungsvertheilung  in 
dem  Stromkreise  der  einfachen  Kette  über.  Auch  hier  waren  ihm  Ermak 
und  Ritter  für  den  Fall  der  Säule  vorausgegangen;  doch  bot  immerhin  der 
Nachweis  der  gleichen  Verhältnisse  an  der  einfachen  Kette  ein  genügendes 
Interesse.  Auch  diese  Versuche  wurden  mit  Hülfe  des  DELLMANN*schen  Elek- 
trometers und  des  Condensators  ausgeführt 

„Ein  sehr  feiner  langer  Draht  bildete  in  Form  eines  Zickzackes  den 
Schliessungsbogen  der  einfachen  Kette.  Zu  dem  Ende  war  er  mit  Hülfe 
von  Stecknadeln  auf  einen  leichten  Holzrahmen  so  gespannt,  dass  alle  Win- 
dungen gleiche  Länge  hatten. 

,,a)    Wird   ein  Punkt  dieses  Drahtes  abgeleitet  und  ein  anderer  Punkt, 
welcher   dem    positiven  Strome  entgegen  liegt,    mit  dem  Condensator  ver- 


1  Pogg.  Ann.  78,  1.   1849. 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  041 


aden  und  so  geprüft,  so  zeigte  dieser  positive  Elektricität;  lag  aber  der 
prüfte  Punkt  auf  der  anderen  Seite  des  abgeleiteten,  so  entstand  eine 
gative  Ladung. 

,,b)  Lag  dieselbe  Drahtlänge  zwischen  dem  abgeleiteten  und  dem  ge- 
üften  Punkte,  so  zeigte  das  Elektrometer  genau  dieselbe  Spannung  an, 
)  auch  im  Schliessungsbogen  die  Prüfung  vorgenommen  wurde. 

,,c)  Blieb  irgend  ein  Punkt  beständig  abgeleitet  und  wurden  nun  suc- 
ssive  immer  weiter  von  ihm  abliegende  Punkte  geprüft,  so  steigerte  sich 
>  Elektricität  und  zwar  genau  proportional  den  zwischenliegenden  Draht- 
gen. Nehmen  wir  irgend  eine  Längeneinheit  an,  mit  welcher  wir  die 
ahtlängen  messen,  so  wächst  also  bei  jeder  Längeneinheit  die  Elektricität 
1  gleich  viel,  und  wenn  wir  dieses  auf  die  Längeneinheit  erfolgende  Wachs- 
im  das  Gefälle  der  Elektricität  nennen,  so  würde  also  aus  diesen  Ver- 
:hen  hervorgehen,  dass  in  einem  homogenen  Theile  des  Schliessungsbogens 
1  unverändertem  Querschnitt  das  Gefälle  überall  dasselbe  ist." 

Ein  zweiter  Versuch  betraf  den  Einfluss  der  verschiedenen  Drahtdicke 

das  Gefälle.  „Gleiche  Längen  von  verschieden  dickem  Silberdrahte 
rden  gewogen,  woraus  das  Verhältniss  ihrer  Querschnitte  sich  ergab, 
chdem  sie  in  der  Weingeistflamme  an  dem  einen  Ende  zusammenge- 
imolzen  waren,  wurde  ein  Zickzack  aus  ihnen  gebildet,  welches  zur  Hälfte 
»  dem  dickeren,  zur  Hälfte  aus  dem  feineren  Drahte  bestand  und  mit 
sem  Schliessungsbogen  die  Kette  geschlossen. 

,,a)  In  einem  einzelnen  der  beiden  Theile  dieses  Bogens  herrschte  überall 
»selbe  Gefälle. 

,,b)  Wurde  das  eine  Ende  des  feinen  Drahtes  abgeleitet  und  das  andere 
de  desselben  geprüft,  wobei  das  Elektrometer  Elektricität  von  der  Stärke  E 
Ute,  und  wurde  nun  mit  der  dickeren  Hälfte  des  Zickzackes  ebenso  ver- 
ren,  so  zeigte  sich  hier  eine  Elektricität  e>  welche  sich  zu  E  verhielt,  wie 
*  Querschnitt  des  dünneren  Drahtes  zu  dem  des  dickeren.  Mit  anderen 
:>rten:  es  verhielten  sich  die  Gefälle  umgekehrt,  wie  die  Querschnitte. 

,,c)  Blieb  ein  Punkt  in  dem  dickeren  Drahte  abgeleitet  und  wurde  nun 
nählich  die  Prüfung  nach  dem  dünneren  Drähte  hin  fortgesetzt,  so  zeigte 
h  bei  der  Ankunft  in  diesem  keineswegs  ein  Sprung  in  der  elektrischen 
annung,  sondern  nur  ein  rascheres  Wachsen  von  da  an.  Der  letzte  Quer- 
initt  des  dicken  und  der  erste  des  dünnen  haben  also  keine  verschiedene 
annung  der  Elektricität." 

Weitere  Versuche  bezogen  sich  auf  Schliessungskreise  aus  verschiedenen 
tallen;  die  Widerstände  der  Drähte  waren  vorher  auf  galvanometrischem 
*ge  bestimmt  worden.     Als  Ergebniss  verzeichnet  Kohlrausch: 

,,a)  Dass  bei  Drähten  von  verschiedenem  Metalle,  aber  gleichem  Quer- 
initt,  die  Gefälle  direkt  wie  die  specifischen  Widerstände  der  Metalle, 

,,b)  bei  Drähten  von  verschiedenem  Metalle  und  ungleichem  Querschnitt 
Gefälle  direkt  wie  die  specifischen  Widerstände  und  umgekehrt  wie  ihre 
erschnitte  sich  verhalten  werden." 


942 


Siebzehntes  Kapitel. 


War  somit  alles,  was  über  den  metallischen  Schliessungskreis 
war,  geprüft  worden,  so  blieb  noch  übrig,  den  flüssigen  Leiter  ebenso  *l 
untersuchen.  Zu  diesem  Zwecke  diente  die  in  Fig.  237  dargestellte  panU 
epipedische  Wanne  voll  Kupfervitriollösung,  in  welche  einerseits  ein  Knpfo 
blech  eingesenkt  war,  das  die  eine  Schmalseite  völlig  ausfüllte,  an 
anderen  Ende  stand  ein  Thonbecher  mit  Zinkvitriollösung  und  einer  Züj 
platte,  so  dass  das  Ganze  ein  DANizi.i,'sches  Element  darstellte.  Die  Sp»' 
nung  wurde  an  verschiedenen  Stellen  durch  feine,  bis  auf  die  untere  Qoaw 
schnittsflache  isolirte  Kupferdrähte  (Fig.  237)  abgeleitet,  welche  an  beliebig« 
Stellen  in  die  Flüssigkeit  getaucht  werden  konnten.  Diese  Anordnung  die* 
einerseits  dazu,  nachzuweisen,  dass  das  Gesetz  von  dem  Gefalle  der  Spa- 
nung  auch  für  den  flüssigen  Leiter  gilt,  andererseits,  dass  in  einem  gegeben 
Querschnitt  des  Leiters  überall  die  gleiche  Spannung  herrscht 

„Die  vorigen  Versuche  bestätigen  in  allen  Stucken  die  OnM'sche  A> 
sieht  von  der  elektroskopischen  Beschaffenheit  der  geschlossenen  Kette.  On 
giebt  aber  mehr;  seine  Theorie  lehrt  die  elektroskopische  Kraft  jeder 
zelnen  Stelle  aus  der  Gesammtspannung  der  offenen  Kette  und  der  Kennt- 
niss  der  reducirten  Längen  aller  einzelnen  Theile  genau  vorherbestimmen. 
Es  soll  jetzt  ein  Versuch  vorgelegt  werden,  welcher,  die  früheren  in  sien 
fassend,  als  Prüfung  der  gesammten  Theorie  angesehen  werden  kann. 

„Die  Anordnung  des  Versuches  wird  leicht  aus  Fig.  237  zu  entnehmen 
sein.   Ein  hölzerner,  mit  Wachs  innen  überzogener  und  mit  drei  Stellschrauben 

versehener  Kasten  enthalt 
die  DANiEix'sche  Kette 
geschlossen  wird  dieKette 
durch  einen  langen,  im 
Zickzack  geformten,  sehr 
feinen  Draht ,  welcher 
durch  Hülfe  von  Steck- 
nadeln auf  einen  leichten 
Holzrahmen  gespannt  ist 
Die  Enden  dieses  Drahtes 
sind  an  zwei  dicke  Kupfer- 
drähte gelöthet,  welche  in 
dem  Holzrahmen  stecken 
und  in  die  Quecksilber- 
näpfchen c  und  d  ein- 
tauchen. Soll  nun  die 
Kette  geöffnet  werden, 
so  neigt  man  den  Rah- 
men vom  über.  In  der 
Figur  bemerkt  man,  wie  diese  Bewegung  bewerkstelligt  worden  ist;  eine 
Spiralfeder  zieht  den  Rahmen  zurück,  ein  Stift  bei  e  verhindert  aber  sein 
weiteres  Zurückweichen,  so  dass  er  zum  Schlüsse  der  Kette  aufrecht  steht.." 


Nach  R.  Kohli 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  njs 

An  dieser  Zusammenstellung  nimmt  nun  Kohlrausch  die  Messung  der 
»annung  an  den  verschiedenen  Stellen  vor.  Bevor  er  auf  die  Berechnung 
Liier  Ergebnisse  eingeht,  erörtert  er  noch  die  verschiedenen  möglichen 
nnahmen  über  den  Sitz  der  elektrischen  Spannung  in  der  DANiELi/schen 
ette,  und  zeigt,  dass  das  thatsächliche  Ergebniss  der  Messung  von  diesen 
nnahmen  unabhängig  ist,  da  durch  den  zur  Messung  dienenden  ableiten- 
5n  Kupferdraht  dem  Gesetz  der  Spannungsreihe  gemäss  immer  wieder  die 
Leichen  Spannungen  herauskommen  müssen,  wie  man  sich  die  Einzelwerthe 
ach  vertheilt  denkt  Geht  man  beispielsweise  von  der  Drahtleitung  zur 
aipferplatte  und  der  Vitriollösung  über,  so  kann  man  nicht  erwarten,  den 
pannungsunterschied  zwischen  dem  Kupfer  und  der  Lösung,  welcher  an 
eser  Stelle  besteht,  am  Elektrometer  zu  Gesichte  zu  bekommen,  denn 
jrch  die  Prüfelektrode  (Fig.  237)  wird  gerade  eine  gleiche  und  entgegen- 
setzte Spannung,  wie  die  zwischen  der  Kupferplatte  und  der  Lösung 
fischen  diese  und  das  Elektrometer  gebracht,  so  dass  sich  die  Lösung  ver- 
Jten  muss,  wie  ein  metallischer  Leiter.  Dies  fand  sich  denn  auch  durch 
n  Versuch  bestätigt,  und  daher  war  es  möglich,  den  Verlauf  der  Spannung 
der  ganzen  Zusammenstellung  zu  berechnen  und  mit  der  Messung  zu 
rgleichen,  nachdem  die  Widerstände  der  einzelnen  Theile  des  Stromkreises 
r  sich  gemessen  worden  waren.  In  der  nachstehenden  Tabelle  sind  die 
gebnisse  des  Versuches  und  der  Rechnung  mit  einander  verglichen,  indem 
e  Kette  geschlossen  war  und  der  Quecksilbernapf  d  abgeleitet  war. 

Berechnet    Beobachtet 

a)  Der  zweite  untere  Winkel  des  Zickzackes 0,93  0,85 

b)  „     vierte         „  „  „  „  1,86  1,85 

c)  „     sechste      „  „  „  „  2,80  2,69 

d)  Das  Quecksilbernäpfchen  c  der  Kupfertafcl 3,73  3,70 

e)  Die  Lösung  des  Kupfervitriols  2,02  Zoll  von  der  Kupferplatte       4,80  5,03 

0     »  »»         »  ••  4>°2     »»       f.      ..  »  5»86  5>99 

g)     „  m         »  ,»  6  „       „      „  „  6,91  6,93 

h)    „  ,,         ,,  1,  8  „       ,,      ,,  „  7,98  7>9° . 

Die  vorstehenden  Zahlen  zeigen,  wenn  auch  der  Grad  der  Übereinstim- 
ung  in  einigen  Fällen  zu  wünschen  übrig  lässt,  die  OHM'sche  Theorie  in 
nem  solchen  Maasse  erfüllt,  dass  an  deren  Geltung,  auch  was  die  elektro- 
opischen  Eigenschaften  des  Stromkreises  der  einfachen  Kette  anlangt,  nicht 
r  mindeste  Zweifel  bestehen  kann. 

3.  Die  einzelnen  Spannungen.  Nach  der  Erledigung  der  Messungen 
r  OHM'schen  Theorie  der  Ketten  wendete  Kohlrausch  sich  der  Frage  zu, 
e  die  einzelnen  Spannungen  in  der  DANiELi/schen  Kette  vertheilt  sind, 
n  hierauf  eine  Antwort  zu  erlangen,  musste  er  sich  eines  Condensators 
dienen,  der  nicht  nur  die  beiden  Metalle,  sondern  auch  die  beiden  Flüssig- 
iten  einander  gegenüber  zu  stellen  gestattete.  Ersteres  konnte  leicht  durch 
itten  aus  Zink  und  Kupfer  erreicht  werden;  das  letztere  ermöglichte  er 
durch,  dass  er  die  Flüssigkeit  durch  Fliesspapier  aufsaugen  Hess,  das  auf 


qaa  Siebzehntes  Kapitel. 


einer  Glasplatte  ausgebreitet  war,   und   solche   Platten    mit   entspr 
Metallplatten  verband.     Zwar  war  der  Faktor  des  lezten  Condensators 
dem    des   ersten   verschieden,   doch    Hess   sich   diese  Verschiedenheit 
passende  Anordnung  der  Messungen  mittelst  Rechnung  beseitigen.    Im 
zelnen  ergaben  seine  Versuche  das  Folgende:  '■. 

Die  Messungen  am  Zink-Kupfer-Condensator  ergaben  für  die  Spann 
zwischen  den  beiden  Metallen  4,17,  welche  Grösse  in  der  Folge  mit  Zn| 
bezeichnet   werden    wird.     Wurden   die   beiden  Metalle  einer  Danlell' 
Kette  mit  den  gleichnamigen  Platten  des  Condensators  verbunden,  so 
die  Spannung  F  =  4,5i   erhalten.     „F   besteht   nun    aus    der  Differenz 
elektrischen  Erregungen  zwischen  Zink  und  Zinkvitriol  und  zwischen  Kapfcr 
und  Kupfervitriol,  indem,  wie  sich  nachher  zeigen  wird,  die  beiden  Vitridb 
bei   ihrer   gegenseitigen  Berührung   ganz   oder   fast  ganz  neutral  verhaKa. 
Es  kann  also  F  durch  Zn  |  ZnSO4  —  Cu  |  CuSO4  dargestellt  werden,  und  » 
ist,  weil  hier  derselbe  Condensator  gebraucht  wurde,  die  Gleichung  gegeben: 

Zn  |  Cu :  (Zn  |  ZnSO4  -  Cu  |  CuSO4)  =  4,17  : 4,5 1 . 

„Ich  bediente  mich  nun  einer  Methode,  welche  Hr.  Buff  (Ann.  der 
Chemie  und  Pharm.  42,  5)  angegeben  hat,  um  die  elektrischen  DifferenJ» 
zwischen  Metallen  und  Flüssigkeiten  ungetrübt  von  fremden  Einflüssen  n 
erhalten.  Zu  dem  Ende  ward  als  untere  Condensatorplatte  die  Zinkplatte 
benutzt,  als  obere  eine  Glasplatte,  auf  welcher  eine  mit  Zinkvitriol  getränkte 
Scheibe  mit  Löschpapier  lag.  Nachdem  die  Zinkplatte  durch  einen  Zink- 
draht mit  dem  Zinkvitriol  verbunden  war,  zeigte  der  letztere  positive  Elek- 
tricität,  und  zwar  mit  der  Stärke  4,41.  Es  darf  aber  diese  Zahl  nicht  in 
unmittelbare  Beziehung  zu  den  oben  gefundenen  Zahlen  gesetzt  werden,  wcO 
hier  ein  Condensator  von  anderer  condensirender  Kraft  gebraucht  ist" 

Ein  ähnlicher  mit  Kupfervitriol  angestellter  Versuch  ergab,  als  die  Zink- 
platte  des   Condensators   mit   diesem    durch    einen   Kupferdraht   verbunden  1 
wurde,   —  2,94.     Hieraus  folgt  die  zweite  Gleichung: 

Zn  |  ZnSO4 :  (Zn  I  Cu  —  Cu  |  CuSO4)  =  4,41 : 2,94. 

„Aus  den  beiden  gefundenen  Gleichungen  lässt  sich  aber  das  Verhält- 
niss  der  Grösse  der  einzelnen  Erregungen  auf  algebraischem  Wege  ableiten. 
Wird  die  elektrische  Differenz  zwischen  Zink  und  Kupfer  durch  die  Zahl  4,17 
vorgestellt,  so  ist  die  Differenz  zwischen  Zink  und  Zinkvitriol  gleich  5,21 
und  die  zwischen  Kupfer  und  Kupfervitriol  gleich  0,70. 

„Das  sieht  nun  so  freilich  recht  hübsch  aus,  aber  man  darf 
diesen  Zahlen  ein  zu  grosses  Gewicht  nicht  beilegen."  Und  nun 
setzt  Kohlrausch  mit  bemerkens weither  Unparteilichkeit  gegen  seine  eigenen 
Bestimmungen  die  mannigfaltigen  Fehlerquellen  auseinander,  welche  die  Er- 
gebnisse trüben  können.  Eine  andere  Versuchsreihe,  die  er  als  die  ab- 
weichendste bezeichnet,  hatte  die  Zahlen  zu  4,17,  6,07  und  1,56  statt  der 
früheren  ergeben,  wo  die  erste  des  Vergleiches  wegen  beiderseits  gleich  ge- 
setzt worden  ist. 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  945 


.  Um  nun  noch  die  oben  erwähnte  Frage  nach  der  gegenseitigen  Er- 
cgung  der  beiden  Flüssigkeiten  zu  prüfen,  wurde  zuerst  der  Condensator 
.11s  Zink  und  Zinkvitriol  hergestellt  und  gemessen.  Alsdann  wurde  das 
ünkvitriol  auf  der  Glasplatte  durch  Kupfervitriol  ersetzt,  von  dem  die  Ab- 
»tung  durch  einen  mit  Zinkvitriol  getränkten  Faden  bewerkstelligt  wurde. 
»Dadurch  fand  nun  dieselbe  Ladung  des  Condensators  statt,  wie  in  dem 
Luderen  Falle,  wenigstens  so  genau,  dass  die  kleinen  Abweichungen  voll- 
kommen in  die  Fehlergrenzen  der  Beobachtungen  fallen.  Sollte  dennoch 
sine  Erregung  zwischen  den  beiden  Vitriolen  stattfinden,  so  beträgt  sie 
^hwerlich  mehr  als  1/20  von  der  Differenz  zwischen  Zink  und  Kupfer/' 

Die  durch  die  Studie  am  Daniell-Element  angebahnte  Untersuchung 
ler  elektromotorischen  Kräfte  zwischen  den  Metallen  und  den  Flüssigkeiten 
^urde  von  Kohlrausch  nach  kurzer  Zeit  fortgesetzt,1  indem  er  die  Stellung 
Einiger  anderer  Metalle  in  der  Spannungsreihe  zu  ermitteln  suchte.  In  der 
Einleitung  dazu  macht  er  mit  Recht  aufmerksam,  dass  alle  galvanometrischen 
Methoden  immer  nur  Summen  von  Spannungen  geben,  und  dass  alle  Glei- 
chungen, welche  man  mit  Hülfe  solcher  Messungen  bilden  kann,  immer 
Mindestens  eine  Unbekannte  zu  viel  enthalten,  so  dass  sie  nicht  numerisch 
aufgelöst  werden  können.  So  darf  man  z.  B.  bei  den  Versuchen  von  Pog- 
ibndorff  (S.  719)  für  das  Verhalten  der  Flüssigkeit  zu  den  Metallen  jede 
aeliebige  Annahme  machen,  ohne  dass  die  vorhandene  Beziehung  gestört 
arird,  wenn  man  das  VourA'sche  Spannungsgesetz  als  gültig  annimmt;  eben-  * 
deshalb  können  solche  Versuche  nichts  über  den  wirklichen  Spannungsunter- 
schied zwischen  den  Metallen  allein  lehren.  Auch  entgeht  ihm  nicht,  dass 
selbst  der  „äusserste  Standpunkt  der  chemischen  Theorie"  mit  Poggendorff\s 
Messungen  verträglich  ist,  denn  die  Beziehungen  bleiben  auch  bestehen, 
wenn  man  die  Erregung  zwischen  den  Metallen  gleich  Null  setzt.  „Will  man 
die  elektrischen  Differenzen  der  Metalle  ohne  den  störenden  Zutritt  der  Flüs- 
sigkeiten studiren,  so  bleibt  der  Gebrauch  der  Magnetnadel  ausgeschlossen, 
und  als  Untersuchungsmittel  nach  unserem  jetzigen  Stande  der  Wissenschaft 
nur  der  Condensator  mit  dem  Elektrometer  übrig." 

Nun  entstand  aber  die  Schwierigkeit,  dass  der  von  der  Entfernung  der 
Platten  abhängige  Faktor  des  Condensators  schwerlich  gleich  erhalten  werden 
kann,  wenn  man  verschiedene  Platten  benutzen  muss.  Um  sich  hiervon  un- 
abhängig zu  machen,  verfuhr  Kohlrausch  in  folgender  Art: 

„Verbindet  man  mit  den  Condensatorplatten  eine  Elektricitäts-Quelle  k 
in  der  Art,  dass  man  den  Pol,  welcher  +  E  liefert,  durch  in  die  Spannungs- 
reihe gehörige  Körper  mit  der  positiveren,  den  anderen  mit  der  negativeren 
verbindet,  so  bekommt  der  Condensator  eine  Ladung,  welche  der  Elektrici- 
täts-Quelle k  +  d  entspricht,  wenn  d  die  elektrische  Differenz  der  beiden 
Metalle  vorstellt,  aus  denen  der  Condensator  besteht.  Verknüpft  man  aber 
n    der   umgekehrten  Weise,   so   bekommt   man   eine  Ladung,   welche   der 

1  Pogg.  Ann.  82,  1.  1851. 

Oatwald,   Elektrochemie.  6O 


Bis  hier  ist  alles  methodisch  in  schönster  Ordnung.  Nun  a 
sich  Kohlrausch  das  Bedenken,  dass  es  keine  ganz  constante  1 
gebe,  und  um  den  hierin  liegenden  Fehler  zu  vermeiden,  verfii 
dass  er  zwei  Condensatoren  neben  einander  untersucht,  einen  vo: 
Kupfer  und  den  zweiten  von  den  zu  untersuchenden  Metallen.  D< 
der  benutzten  Hydrokette  (einer  DANiELi/schen)  wird  dann  nach  d 
niss  der  Messung  an  dem  Kupfer-Zink-Condensator  bestimmt, 
dann  die  Spannung  des  anderen  Condensators  verglichen.  Dies 
wäre  einwurfsfrei,  wenn  bewiesen  wäre,  dass  ein  Kupfer-Zink-C 
immer  unveränderlich  die  gleiche  Spannung  besitzt.  Kohlrausch 
bar  in  dem  damaligen  Stadium  seiner  Versuche  eine  solche  An 
„selbstverständlich"  gehalten,  denn  er  hat  die  Thatsache,  dass 
Annahme  vorliegt,  nicht  einmal  besonders  hervorgehoben.  Man 
fehl  gehen,  wenn  man  dieses  Übersehen  des  sonst  so  musterhaft 
Beobachters  seiner  festen  Überzeugung  von  der  Richtigkeit  de 
theorie  zuschreibt,  die  ihm  einen  Zweifel  an  der  Gültigkeit  d 
setzung  bestimmter  und  constanter  Spannungsunterschiede  zwi 
Metallen  gar  nicht  kommen  Hess.  In  der  Folge  hat  allerdings  ¥ 
selbst  das  Beste  dazu  gethan,  die  Trüglichkeit  dieser  Voraussetzu 
stens  soweit  sie  die  Ergebnisse  der  Condensatorversuche  anlang 
zelnen  nachzuweisen. 

Vor  der  Ausführung  der  Versuche   überzeugte  sich  Kohlrai 
dass  an  der  Stelle  massiver  Platten  sich  solche  von   beliebigem 
wenden  lassen,  die  mit  einer  Schicht  des  zu  untersuchenden  Met 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  047 


:hwendigkeit  ergiebt,  den  Condensator  anders  einzurichten.  Eine  massive 
iplatte  war  noch  ganz  blank  mit  ihren  Lackstellen  versehen,  konnte  aber 
t  am  anderen  Tage  geprüft  werden,  wo  sie  schon  ihren  Glanz  zumeist 
"ioren  hatte.  Sie  wurde  gegen  eine  Kupferplatte  geprüft,  und  es  stellten 
h  an  diesem  Tage  für  Pb|Cu  die  Zahlen  92,7  und  90,1  heraus,  am 
genden  Tage  81,9  und  am  dritten  74,0.  Aller  Glanz  war  jetzt  auch  ver- 
hwunden  und  das  Blei  ganz  angelaufen."  Ähnliche  Ergebnisse  wurden 
it  anderen  Metallen,  insbesondere  Zinn  beobachtet,  so  dass  Kohlrausch 
ine  Untersuchung  mit  folgendem  „Bedenken"  schliesst: 

„Statt  die  Arbeit  mit  anderen  Metallen  fortzusetzen,  breche  ich  sie  hier 
Drerst  ab.  Die  Versuche  mit  dem  Bleie  zeigen  zu  Genüge,  dass  die  Er- 
?bnisse  nur  dann  Werth  haben,  wenn  die  Oberflächen  der  Condensator- 
iatten  rein  metallisch  sind,  und  so  möchte  es  vorerst  am  nöthigsten  sein, 
ese  so  einzurichten,  dass  sie  ganz  frei  von  Lack  sind  und  jeden  Augen- 
ick abgeputzt  werden  können.  Wer  kann  auch  dafür  einstehen,  dass  nicht 
e  an  der  Oberfläche  der  Metalle  condensirten  Gase,  wie  sie  es  bei  den 
osER'schen  Bildern  gethan,  so  auch  hier  eine  Rolle  spielen?  So  gern  ich 
ch  der  Ansicht  wäre,  dass  meine  Messungen  die  Stelle  der  edlen  Metalle 
der  Spannungsreihe  einigermaassen  richtig  bestimmen,  so  will  ich  doch 
:ht  leugnen,  dass  ich  neue  Versuchsreihen  mit'  neuen  Instrumenten  anzu- 
illen  für  nöthig  erachte.  Der  Grund,  weshalb  ich  dennoch  eine  halbfertige 
-beit  veröffentliche,  ist,  abgesehen  davon,  dass  der  grösste  Theil  dessen, 
is  ich  geschrieben  habe,  doch  geschrieben  werden  musste,  in  unseren 
itverhältnissen  zu  suchen,1  welche  eine  Unterbrechung  der  Arbeiten  als 
Dglich  erscheinen  lassen." 

4.  Kohlrausch's  spätere  Arbeit.  Aus  dem  von  Kohlrausch  be- 
igten halbfertigen  Zustande  ist  dann  die  Arbeit  nicht  herausgekommen, 
rei  Jahre  später  veröffentlichte  er  einen  Nachtrag2  dazu,  von  dem  er  gleich- 
ls  erklärt,  dass  er  nur  unvollständig  sei,  und  nur  veröffentlicht  werde,  weil 
»n  anderer  Seite  die  gleiche  Frage  in  Angriff  genommen  sei.  Der  Nach- 
ig  „liegt  schon  seit  anderthalb  Jahren  und  wartet  auf  Vollendung,  doch 
iben  mich  interessantere  Untersuchungen  aus  diesem  Gebiete  gedrängt,  da 
le  genauere  Bestimmung  der  Zahlen  schwerlich  einen  praktischen  Zweck 
t,  das  Theoretische  mir  aber  trotz  der  ungenauen  Zahlen  ziemlich  ver- 
:hert  erscheint" 

Kohlrausch  hatte  inzwischen  einen  Condensator  gebaut,  welcher  den 
iher  gestellten  Anforderungen  entsprach,  und  mit  demselben  in  der  That 
:mlich  abweichende  Ergebnisse  erhalten.  Eine  Anschauung  des  Conden- 
tors  giebt  Fig.  238;  er  besteht  aus  zwei  aufrecht  stehenden  Platten,  die 
rmittelst  einer  entsprechenden  Anzahl  von  Feinbewegungen  einander  genau 
rallel    gestellt,    und    nach   stattgehabter   Entfernung   wieder   auf  gleichen 

1  Die  Arbeit  ist  datirt:    Cassel,  den   15.  October  1850. 
*  Pogg.  Ann.  88,  464.   1853. 

6O* 


I 


948 


Sicbzebotes  Kapitel. 


Abstand  genähert  werden  können.  Um  die  erfon 
quem  ausfuhren  zu  können,  ist  mit  Hülfe  von 
Schaltbrett  hergestellt,  welches  wie  folgt  beschriebt 
„Ein  hölzerner,  mit  Blei  ausgegossener  Klotz  ' 
Quecksilbernäpfchen  und  ebenso  eine  Anzahl  Kupl 


Fig.  138.     Nach  R.  Kohluausch. 


durch  seitliche  Klemmschrauben  in  richtiger  Hör 
etwas  hellere  Theil  stellt  das  Schellack  vor;  das  Me 
an  der  Seite  einen  hervorragenden  Stift. 

„In  den  Trägern  der  Condensatorplatten  sine 
feine  Drähte  befestigt,  die  mittelst  eines  kleinen  ai 
Stifte  der  Quecksilbernäpfchen  o  und  d  gehängt  u 
Ende  der  Drähte  ist  amalgamirt. 

„Die  beiden  isolirten  und  ebenfalls  mit  Kle 
Näpfchen  haben  unten  Messingschrauben,  welche  i 
sind.  Mit  diesen  Näpfchen  werden  durch  die  Dräl 
stallten  Kette  verbunden. 

„Die  Kupferhaken  sind  in  geschlitzten  Holzsäui 
sie  in  das  Quecksilber  getaucht,  so  ist  das  betrei 
Erde  abgeleitet,  denn  das  andere  Ende  des  Hakens 
gelotheten,  feinen  Spiraldraht  mit  einem  metalliscr 
welches  seinerseits  durch  die  Fortsetzung  r  mit  de 

„Der  Draht  /  verbindet  das  Quecksilbernäpfcht 
draht  des  Elektrometers.  . .  . 

„Der  Gebrauch  des  Condensators  ist  nun  sehr 
Zinkplatte,    t  eine   Kupferplatte,   q'  der  Draht,    w 


Ö  *N:i:i  L\schcn  Kette  führt.        .-"  --:     "-      "'       :.  *  * 
Vliher  (S.  943)  gegebene  Me:::   -     ..'.        t=z.l- 
'c^nzen   der  Metalle  die  M.-:;-.:.    .— 
»SLtors:    erstens,    wenn   di-_    .    :.  :r:.  .    -_—         ir" 

3  unden  werden,  zweit-n-    v  -r::    .     ' 

i<.T  ÜANiKLi/schen  K/r.-.   -::*    .r-   ..*:      ." 
**C^upferpole  geschieh: .    -:»:    .:—*  "       "   *      . 

"xiacht  wird. 

„Das  erste  <.rr- •  :V   -.-:  *     t. 

■r-c-rbindet,    das   zw.  *-.     v   :::    :;.. 
rnittleren    durch    I-    •:•■::.•         -  .- 
dlurch   die  Vorri •::::."..    :     *•-.-:■-  .    - 

^.Avei   Drahten,    5chv..L:\     .-  .    - 
^^amirt." 

Mit  diesen   V.  r-  r        :  ' 
TMaasse  die  beirr.  :        *.'     :  . 
czlem   Oberfliic ;:•.-..-- *.--*  .-    -- 

^Ietallen  wieder::    *J  --  .  _- 

lichste  der  I-V."  :.*  :.  :- 
i  n  dem  Sinne,  •::•>•  -  -  - 
vvar.     Kupfer  ar.  .•:-:  ;  .' 

Mit  Riicksirh*  i..'  .  -      -      -     -  _  . 

*Jie   folgenden   Z-v*.  ■:"    .  -  •- 
-\g  =  109,  Au  =  ■  :=    '■• 
paar  Kinheiten  . .  .-.'■. — 
=sind  ziemlieh  b:  :-."■■:        ■  — 
Auch  di-.    "."*•.  •.■•-. 
lallen  und  F. .—  :•    -■- 
"wie    früher  Zr.     ...=-.    * 
-  2,67 1 . 

Wie  mar.  «.'"*•.- 
wohl  Anla^  :.-.**-    :-  ••-        - 
Prüfung   zu    •:-••:*:  •„•  - 
immer    sich    '.%::•;.-•     - 
V«  Uta 'sehen  '!''•'.-  ■  •  -    .  ._ 

die   Unb»-stan  1  ;••  •  •      -     -  .  . 

Weichlingen.    •.•*;••     .  ^     ,.  cn 

/-eigen,  müs-\-   .••*••-_  cr- 

dass  die  Gr.*-  - 

luichst ein  M«.«.  •■-     ^  cnrn 

Gewalt   hat.     r.-r    ..       ^  .  _  ;iber, 

methode    g«/.-  . _^ |  {\\r 

welche  ihm.-.    -   :-  _  sjrht, 

von   den  m:*       .  -  _ 


gcQ  Siebzehntes  Kapitel. 


und  bis  auf  den  heutigen  Tag  wird  noch  von  vielen  diesen  Werfhen,  dem 
schwankende  Beschaffenheit  bei  jedem  neuen  Bestimmungsversuch  nur  immor 
deutlicher  zu  Tage  getreten  ist,  eine  grundlegende  Bedeutung  für  die  Theorie 
der  VoLTA'schen  Ketten  und  der  Elektricitätserregung  überhaupt  beigelegt 
Es  lässt  sich  dies  nur  aus  dem  Umstände  erklären,  dass  die  Theorie  bestraf 
lange  bevor  die  schwankende  Beschaffenheit  ihrer  Grundlage  zu  Tage  p* 
treten  war,  und  dass  es  sehr  schwer  ist,  die  Herrschaft  einer  einmal  ange- 
nommenen Theorie  zu  brechen  und  die  einer  nicht  angenommenen  her» 
stellen,  selbst  wenn  zu  Gunsten  der  letzteren  die  experimentellen  Gründe  viel 
deutlicher  sprechen,  als  für  die  erste. 

5.  Weitere  Spannungsmessungen.  An  die  Arbeiten  von  Kohl- 
rausch  zur  Bestimmung  der  Spannungsunterschiede  zwischen  Metallen  unter 
sich  und  mit  Flüssigkeiten  schlössen  sich  viele  andere,  welche  im  Wesen  die 
gleichen  Resultate  gaben,  wie  jene  grundlegende  Untersuchung.  An  diesen 
Arbeiten  sieht  man  am  deutlichsten,  in  welchem  Maasse  eine  vorgefesste 
Meinung  blind  gegen  die  Thatsachen  machen  kann.  Weil  nach  der  Vor- 
sehen Hypothese  die  Metalle  gegen  einander  grosse  Spannungsunterschiede 
haben  sollten,  verschloss  man  sich  gegen  die  Erkenntniss,  dass  die  mittelst 
des  Condensators,  der  einzigen  vorhandenen  Methode,  gemessenen  Werthe 
ausserordentlich  weit  von  der  Beständigkeit  und  Bestimmtheit  entfernt  waren, 
welche  von  so  allgemeinen  Naturconstanten  beansprucht  werden  muss. 
Einer  der  betheiligten  Forscher  nach  dem  anderen  klagt  darüber,  dass  die 
beobachteten  Spannungen  so  ungemein  von  unbeherrschbaren  Zufälligkeiten 
abhängen,  und  wenn  auch  für  diese  Unregelmässigkeiten  die  stets  bereite 
Theorie  Auskunft  durch  angenommene  oder  nachgewiesene  Oberflächen- 
schichten gab,  so  war  damit  allerdings  eine  augenblickliche  Ausflucht  ge- 
geben, aber  kein  Mittel,  für  die  grundlegenden  Grössen  der  Theorie  irgend- 
welche einwurfsfreien  Zahlenwerthe  zu  finden.  Trotzdem  sehen  wir  einen 
Forscher  nach  dem  anderen  sich  der  hoffnungslosen  Aufgabe  hingeben,  und 
heute  sind  nach  all  der  Arbeit  diese  Zahlen  nicht  wesentlich  genauer  be- 
kannt, als  R.  Kohlrausch  sie  uns  seinerzeit  kennen  gelehrt  hatte;  alle  Ver- 
feinerung der  Messhilfsmittel  hat  zu  nichts  gedient,  als  die  Veränderlichkeit 
der  Zahlen  deutlicher  ins  Licht  treten  zu  lassen. 

Der  Zeit  nach  sind  die  ersten  weiteren  Arbeiten,  nach  denen  von 
R.  Kohlrausch,  die  von  W.  Hankel  ausgeführten. 1  Die  Methode  war  wieder 
die  des  Condensators,  nur  war  das  ÜELLMANN'sche  Elektrometer  durch  eines 
eigener  Construction  ersetzt,  welches  wesentlich  aus  einem  BBHRENs'schen 
(S.  290)  mit  mikroskopischer  Ablesung  bestand.  Um  gegen  die  Veränderlichkeit 
frisch  geputzter  Platten  gesichert  zu  sein,  wurden  alle  Messungen  gegen  eine 
unverändert  bleibende  Kupferplatte  ausgeführt,  deren  Zustand  als  dauernd 
angenommen  wurde.     Über  die  grosse  Abhängigkeit  des  elektromotorischen 

1  Abhandlungen   der  kgl.  sächs.  Ges.  der  Wiss.,  phys.-math.  Klasse,  0,   1    und  7,  585. 
1864/ 1865. 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  gc\ 


Zustandes  der  Platten  von  der  vorangegangenen  Behandlung  wird  Folgendes 
xnitgetheilt: 

„Die  nachfolgenden  Versuche  werden  darthun,  dass  die  Spannung,  welche 
l>ei    den   zuvor   beschriebenen   Messungen   zwischen  Zink   und   Kupfer   sich 
zweigt,  gar  sehr  von  der  Beschaffenheit  dieser  Oberflächen  abhängt,  weshalb 
es  nothwendig  wird,  stets  genau  anzugeben,  in  welchem  Zustande  sich  die 
Oberflächen  der  Platten  befunden  haben,  oder  welchen  Operationen  sie  zuvor 
unterworfen  worden  sind;   selbst  die  edlen  Metalle  verändern  durch  blosses 
Liegen   an  der  Luft   ihre  Oberflächen.     Ferner  werden  durch  Wasser  und 
andere  Flüssigkeiten,  auch  wenn  man  die  Platten  sofort  nach  dem  Benetzen 
damit   wieder   abtrocknet,   Änderungen   erzeugt,    und   unter  Umständen   so 
schnelle,   dass  ein  infolge  der  blossen  Annäherung  der  Hand  eingetretener 
Beschlag  einer  Platte,   der  sofort  wieder  verschwindet,   hinreicht,  um  merk- 
liche Modificationen  hervorzurufen." 

Gegenüber  solchen  Erfahrungen  muss  billig  gefragt  werden,  ob  denn 
überhaupt  die  Möglichkeit  vorhanden  ist,  eine  unveränderte  Oberfläche  irgend 
einer  Metallplatte  zur  Messung  zu  bringen.  Denn  die  in  solchen  Fällen  ein- 
tretenden Änderungen  haben  alle  die  Eigenschaft,  dass  sie  langsam  auf- 
hören, mithin  in  den  ersten  Augenblicken  nach  der  Behandlung  der  Platte 
mit  den  Reinigungsmitteln  am  schnellsten  verlaufen.  Dadurch  bleibt  jeder 
einzelne  Versuch  dem  Einwände  ausgesetzt,  dass  die  grösste  Änderung  bereits 
vor  sich  gegangen  ist,  bevor  die  erste  Messung  hat  ausgeführt  werden  können. 
Und  neben  dieser  unüberwindlichen  Schwierigkeit  ist  noch  die  andere,  noch 
bedenklichere  vorhanden,  dass  nämlich  überhaupt  keine  Reinigungsoperation 
im  Stande  ist,  eine  wirklich  reine  Oberfläche  zu  liefern.  Denn  immer  muss 
die  Platte  mit  anderen  Stoffen,  den  Reinigungsmitteln,  berührt  und  gerieben 
werden;  und  man  kann  hundert  gegen  eins  wetten,  dass  von  diesen  Stoffen 
sich  Bestandtheile  auf  der  Oberfläche  der  Platte  ansammeln  müssen.  Dass 
man  durch  bestimmte  Reinigungsmethoden  schliesslich  constante  Werthe 
erlangen  kann,  beweist  nichts,  als  dass  durch  das  Verfahren  eine  stets  gleich- 
bleibende Verunreinigung  der  Oberfläche  erzeugt  wird,  keineswegs  aber, 
dass  die  Oberfläche  rein  ist.  Um  ein  Bild  von  der  Veränderlichkeit  solcher 
Platten  zu  geben,  seien  die  Versuche  mit  einer  Goldplatte  angeführt,  bei 
welcher  man  sie  am  wenigsten  erwartet.  „Der  grösste  Ausschlag,  den  eine 
frisch  geputzte  Goldplatte  gab,  war  —0,65  Skalentheile;  er  sank  in  1/2  bis 
3/4  Minuten  auf  —0,50  Skth.,  nach  einer  neuen  halben  Minute  auf  —0,40, 
und  nach  10  Minuten  betrug  er  nur  noch  —0,20  Skth." 

Das  Gleiche  wird  aus  der  von  Hankel  schliesslich  zusammengestellten 
Tabelle  (S.  952)  ersichtlich,  welche  die  beobachteten  Werthe  und  ihre  Ver- 
änderlichkeit angiebt. 

Zum  Verständniss  der  Tabelle  sei  bemerkt,  dass  die  Spannung  zwischen 
frisch  gereinigtem  Zink  und  Kupfer  gleich  100  gesetzt  worden  ist,  dass  aber, 
um  Zeichenwechsel  zu  vermeiden,  die  Stellung  des  Zinks  mit  200,  und  die 
des  Kupfers  demgemäss  mit    100  bezeichnet   worden    ist.     Wie   man   sieht, 


952 


Siebzehntes  Kapitel. 


beträgt  in  einem  Falle  die  Veränderlichkeit  fast  den  ganzen  Betrag  des 
Spannungsunterschiedes  zwischen  Zink  und  Kupfer,  also  etwa  8/4  Volt  o 
moderner  Messung. 


Name  des  Metallcs 


Ort  in  der  Spannungsreihe 


I! 


unmittelbar 

nach  dem 

Putzen 


i — 2  Tage  4 — 7  Tage 


nach  dem  Putzen 


;'   Betrag  der 

Ä       .     ;  beobachtetes 
2  Monate    xr    »    . 

Veränderung 


II 


Aluminium  .  .  . 
Amalgamirtes  Zink 
Zink 

• 

Kadmium     .     .     . 

Zinn 

Blei 

Antimon.  .  .  . 
Wismuth  .  .  . 
Neusilber  .  .  . 
Messing  .... 
Quecksilber .     .     . 

Eisen 

Stahl 

Gusseisen  .  .  . 
Kupfer    .... 

Gold 

Palladium  .  .  . 
Silber      .... 

Coke 

Platin 


225 
200: 
200 
176 

177 
156 

131 
128 

125 
122 

119 

116 

109 

108 

100 

100 

85 
83 
78 

77 


188 


116 

110 
60 


165 


164 
164 

«35 

122 

110 


140 


85 


100 


86 
81 

70 

78 


157 

43 

139 

37 

152    . 

25 

»51 

:i 

»13 

18 

106 

22 

105 

20 

— 

59 

92 

-4 

93 

16 

96 

12 

— 

i     «4 

— 

19 

82 


12 


Als  ein  weiteres  Beispiel  solcher  Unterschiede  sollen  die  Beobachtungen 
Hankei/s  an  einer  Kadmiumplatte  dienen.  Die  gegossene  Platte  war  an- 
fangs etwas  zu  klein  gerathen;  sie  gab  in  diesem  Zustande  sofort  nach  dem 
Putzen  den  obenstehenden  Werth  176,  d.  h.  24  gegen  Zink.  Als  nun  die 
Platte  durch  Hämmern  ausgedehnt  worden  war,  gab  sie,  ebenfalls  gleich 
nach  dem  Putzen,  den  Werth  19  gegen  Zink;  der  erste  nach  dem  Hämmern 
und  Abschleifen  erhaltene  Werth  war  gar  nur  12! 

Ein  zweiter  Theil  von  Hankei/s  Arbeit  ist  der  Messung  der  Spannung 
zwischen  Metallen  und  Flüssigkeiten  gewidmet.  Auch  hier  machten  sich 
ausserordentlich  schnell  vor  sich  gehende  Veränderungen  geltend,  die  zwar 
an  sich  nicht  ohne  Interesse  sind,  den  erhaltenen  Werthen  aber  jede  be- 
stimmte theoretische  Bedeutung  rauben.  Das  Verfahren  bestand  darin,  dass 
ein  oben  eben  geschliffener  Trichter  mit  aufgebogener  Röhre  so  unter  der 
oberen  Platte  des  Condensators  angebracht  wurde,  dass  die  in  ihn  gegossene 
Flüssigkeit  mit  ihrer  oberen  Fläche  die  untere  Platte  des  Condensators  er- 
setzte. In  die  aufgebogene  Röhre  des  Trichters  wurde  nun  das  zu  prüfende 
Metall  getaucht,  und  der  Spannungsunterschied  zwischen  den  beiden  Flächen 
des  Condensators  gemessen.    Von  früher  her  war  der  Spannungsunterschied 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  gci 


sehen  dem  Metall  und  der  oberen  Condensatorplatte  bekannt;  durch  Ab- 
hen  derselben  von  der  eben  beobachteten  Spannung,  welche  die  Summe 
•  Spannungen  Metall  |  Wasser  und  Metall  |  Condensatorplatte  darstellt,  konnte 
in  die  Spannung  Metall  |  Wasser  erhalten  werden.  Nachstehende  Beschrei- 
tig eines  Versuches  giebt  eine  weitere  Verdeutlichung  des  Verfahrens. 

„Auf  den  Rand  des  leeren  Trichters  wurde  eine  in  der  früher  ange- 
Denen  Weise  polirte  Zinkplatte  gelegt,  und  ihre  Differenz  gegen  die  obere, 
t  langer  Zeit  in  der  Luft  ruhig  schwebende  Kupferplatte  in  bekannter 
eise  gemessen.    Das  Elektrometer  zeigte  einen  Ausschlag  von  —  8,49  Skth. 

„Darauf  wurde  an  die  Stelle  der  Zinkplatte  eine  frisch  geputzte  Kupfer- 
itte  gelegt,  und  gleichfalls  ihre  Spannung  gegen  die  obere  kupferne  Con- 
osatorplatte  gemessen.     Der  erhaltene  Ausschlag  betrug  —0,18  Skth. 

„Nach  Entfernung  der  Kupferplatte  wurde  der  Trichter  mit  destillirtem 
asser  gefüllt,  und  sodann  nach  dem  Niederlassen  der  oberen  Condensator- 
itte  bis  zu  dem  gewohnten  Abstände  von  10  Theilstrichen  des  Ocular- 
krometers  ein  durch  Putzen  mit  Schmirgelpapier  polirtes  und  durch  einen 
nnen  Kupferdraht  mit  der  Erde  in  leitender  Verbindung  stehendes  Kupfer- 
ck  in  die  Flüssigkeit  der  mit  dem  Trichter  zusammenhängenden  seidichen 
hre  getaucht.     Die  obere  Condensatorplatte  war  ebenfalls   mit  der  Erde 

leitende  Verbindung  gesetzt  worden;  diese  letztere  Verbindung  wurde 
er  noch  während  des  Eintauchens  des  Kupferstückes  in  das  Wasser  auf- 
hoben. Nach  dem  Aufziehen  der  oberen  Condensatorplatte  musste  das 
?ktrometer  einen  Ausschlag  zeigen,  der  der  im  Augenblicke  der  Unter- 
teilung der  zuletzt  genannten  Ableitung  vorhandenen  Spannung  entsprach. 

vorliegenden  Falle  beobachtete  ich  einen  Ausschlag  von  0,96  Skth. 

„Das  Kupferstück   blieb   ruhig   eingetaucht.     Als    dann    nach   ungefähr 
bis  1  Minute  die  obere  Condensatorplatte  wieder  niedergelassen  und  nach 
lfhebung  ihrer  Ableitung  zur  Erde  wieder  emporgezogen  wurde,  gab  das 
?ktrometer  einen  Ausschlag  von   —0,21  Skth. 

„Bei  Wiederholung  eben  dieses  Verfahrens  nach  abermals  3/4  bis  1  Minute 
id  ich  einen  Ausschlag  von  +  0,09  Skth.  Zehn  Minuten  nach  dem  Ein- 
teilen betrug  der  Ausschlag  +  0,38  Skth.  und  blieb  von  da  an  für  längere 
it  constant. 

„Aus  der  Differenz  der  mittelst  der  Zink-  und  Kupferplatte  erhaltenen 
isschläge  8,49  —0,18  Skth.  ergiebt  sich  die  Grösse  des  Ausschlages,  wel- 
*r  der  Spannung  Zn|Cu  entspricht,   =8,31  Skth. 

„Aus  der  Vergleichung  der  mit  der  Kupferplatte  und  der  beim  Ein- 
teilen des  Kupferstückes  in  Wasser  beobachteten  Ausschläge  lässt  sich 
ner  die  zwischen  Wasser  und  Kupfer  eintretende  elektrische  Spannung 
rechnen  und  mittelst  des  soeben  gegebenen  Werthes  in  der  von  uns  ge- 
hlten  Einheit  Zn  |  Cu  ausdrücken. 

„Bildete  nämlich   die  polirte  Kupferplatte  die  untere  Condensatorfläche, 
wurde  ein  Ausschlag  von  —0,18  erhalten.     Derselbe  stieg   auf  —0,96, 


QtA  Siebzehntes  Kapitel. 


als  die  untere  Condensatorfläche  aus  Wasser  bestand,  in  welches  ein  frech 
polirtes  Kupferstück  soeben  eingetaucht  wurde.  Daraus  folgt,  dass  bei  diesem 
Versuche  im  Momente  des  Eintauchens  das  Wasser  gegen  das  Kupfer  poatw 
war,  und  zwar  betrug  diese  Spannung  in  Skalentheilen  des  Elektrometers 
0,96  —  0,18  =  78  Skalentheil,  oder  nach  der  von  uns  gewählten  Einheit 
+  0,09  Zn  |  Cu." 

Hankel  hat  nun  mit  grosser  Geduld  das  Verhalten  einer  Anzahl  Metalle 
gegen  Wasser  je  nach  der  Dauer  der  Berührung  untersucht  Als  allgemeines 
Ergebniss  spricht  er  aus,  dass  alle  Metalle  im  ersten  Augenblick  negativ 
gegen  Wasser  sind,  doch  verschiebt  sich  die  Spannung  sehr  bald  nach  der 
positiven  Seite.  Die  unedlen  Metalle,  wie  Zink,  zeigen  kaum  Spuren  dieser 
ersten  negativen  Stellung,  und  werden  sehr  schnell  positiv,  doch  glaubt 
Hankel  auch  bei  ihnen  ein  entsprechendes  Verhalten  annehmen  zu  dürfen. 
Wir  werden  später  auf  dies  Ergebniss  zurückzukommen  haben. 

6.  Spätere  Versuche.  Ein  weiterer  Beobachter  in  dem  dornigen  Ge- 
biete der  messenden  Bestimmung  der  zwischen  den  Metallen  am  Condensator 
merklichen  Spannungen  war  E.  Gerland.1  Seine  Messungen  zeigen  des 
weiteren,  dass  so  viele  verschiedene  Zahlen  erhalten  werden,  als  Beobachter 
sich  bethätigen;  es  hat  demnach  kaum  einen  besonderen  Werth,  auf  sie 
näher  einzugehen.  Dagegen  verdient  ein  Irrthum  erwähnt  zu  werden,  welchen 
er  hier  begeht,  und  welcher  sich  später  mehrfach  wiederholt  hat  Indem  er 
im  Sinne  der  chemischen  Theorie  die  Erwägung  macht,  dass  voraussichtlich 
die  in  der  Luft  enthaltene  Feuchtigkeit  die  Ursache  des  Spannungsunter- 
schiedes sein  muss,  da  sonstige  Verschiedenheiten  der  Gase,  in  denen  der 
VoLTA'sche  Versuch  angestellt  wird,  keinen  merklichen  Einfluss  ausüben, 
schliesst  er,  dass  es  eine  Bestätigung  der  chemischen  Theorie  wäre,  wenn 
die  mittelst  des  Condensators  in  Luft  gemessenen  Spannungsunterschiede 
zwischen  verschiedenen  Metallen  gleich  denen  in  Wasser  gemessenen  sein 
würden.  Da  quantitative  Messungen  nicht  vorliegen,  vergleicht  er  die  ent- 
sprechenden Spannungsreihen,  und  deutet  das  Ergebniss  im  ungünstigsten 
Sinne  für  die  chemische  Theorie.  Das  umgekehrte  würde  richtiger  gewesen 
sein  und  entspricht,  wie  wir  jetzt  wissen,  den  Thatsachen. 

Bei  dieser  Gelegenheit  giebt  Gerland  nun  die  unrichtige  Ableitung, 
nach  welcher  die  elektrische  Differenz  zweier  Metalle  gleich  dem  halben 
Unterschiede  zwischen  den  elektrischen  Erregungen  der  Metalle  und  Wasser 
sein  soll.  Der  hier  begangene  Irrthum  beruht  darauf,  dass  Gerland  annimmt, 
es  werde  eine  bestimmte  Elektricitätsmenge  durch  die  Berührung  der 
Metalle  mit  Wasser  freigemacht,  während  der  Inhalt  des  VoLTA'schen  Ge- 
setzes dahin  lautet,  dass  unabhängig  von  der  erforderlichen  Elektricitätsmenge 
eine  bestimmte  Spannung  sich  herstellt.  Es  liegt  somit  nicht,  wie  Gerund 
bemerkt,  ein  Fehler  bei  Wüllner  (Experimentalphysik  II,  825)  vor,  der  gan* 
richtig  beide  Differenzen  einander  gleich  setzt,  sondern  bei  ihm  selbst  Ahn- 


1  Pogg.  Ann.  138,  513.   1868.  *  Ebenda  137,  552.   1869. 


J 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  nee 


ie  Fehler  sind  auch  in  der  Folge  begangen  worden,  weshalb  hier  die 
vähnung  von  Interesse  ist. 

Die  Mittheilung  seiner  Messungsergebnisse  leitet  Gerland  mit  den  charak- 
istischen  Worten  ein:  „So  leicht  es  ist,  mit  dem  beschriebenen  Apparate 
düngen  zu  bekommen,  so  schwer  ist  es,  mit  ihm  solche  zu  erhalten,  von 
len  man  sicher  sein  kann,  dass  sie  nicht  in  zufalligen  Störungen  ganz 
sr  theilweise  ihren  Grund  haben." 

An  die  hier  geschilderten  Arbeiten  haben  sich  in  der  Folge  noch  zahl- 
che  ähnliche  angeschlossen,  deren  Ergebnisse  von  denen  der  ersten  zwar 
ofern  verschieden  waren,  als  andere  Zahlen  gefunden  wurden;  der  allge- 
:ine  Charakter  derselben,  die  grosse  Unbestimmtheit  und  Veränderlichkeit  blieb 
r  gleiche.  Auch  auf  den  Einwand  von  de  la  Rive,  dass  die  beobachteten 
ktromotorischen  Kräfte  durch  den  Einfluss  der  umgebenden  Gase  entstehen, 
rde  Rücksicht  genommen;  und  da  nach  dieser  Richtung  noch  die  entschei- 
idsten  Beobachtungen  gemacht  wurden,  so  mögen  sie  hier  erwähnt  werden. 

Von  William  Thomson  ist1  ein  Verfahren  zum  Nachweis  und  zur  Mes- 
lg  des  scheinbaren  Spannungsunterschiedes  angegeben  worden,  welches 
ar  anscheinend  von  den  früheren  Methoden  wesentlich  verschieden  ist,  that- 
:hlich  aber  auf  das  gleiche,  nämlich  den  Spannungsunterschied  eines  Luft- 
idensators  aus  zwei  verschiedenen  Metallen  herauskommt.  Der  Versuch 
ruht  auf  der  unmittelbaren  Anwendung  des  von  demselben  Forscher  er- 
idenen  Halbring-  und  Quadrantelektrometers,   und   da   dieses  Instrument 

die  Entwickelung  der  Experimentalforschung  auf  diesem  Gebiete  von 
iger  Bedeutung  geworden  ist,  so  soll  hier  etwas  näher  auf  seine  Geschichte 
gegangen  werden. 

Als  ältestes  Datum  seiner  Erfindung  giebt  William  Thomson  selbst  das 
ir  1857  an>  in  welchem  er  die  erste  Nachricht  darüber  in  italienischer 
räche 2  veröffentlicht  hat.  In  der  That  findet  sich  hier  das  Wesentliche  des 
trumentes  bereits  so  vollständig  angegeben,  dass  der  nachfolgende  aus- 
gliche Auszug  der  italienischen  Abhandlung  gleichzeitig  als  älteste  Mit- 
rilung  und  als  sachgemässe  Darstellung  des  Prinzipes  dienen  kann.. 

Diese  erste  Darstellung  William  Thomson's  hat  ihr  besonderes  geschicht- 
les  Interesse  dadurch,  dass  sie  den  Zusammenhang  seines  Instrumentes 
t  den  älteren  Formen  der  Elektrometer  durch  die  eigene  Darstellung  des 
finders  hervortreten  lässt,  ein  Zusammenhang,  dessen  Vorhandensein  später 
llständig  in  den  Hintergrund  getreten  ist. 

„1)    Idiostatisches  Abstossungselektrometer. 

„Die  Gestalt  des  elektroskopischen  Elektrometers,  welcher  ich  bisher 
ch  vielen  Versuchen  den  Vorzug  gegeben  habe,  ist  eine  Abänderung  des 

1  Proc.  Litt,  and  Philos.  Soc.  Manchester,  21.  Jan.   1862;  —  Ges.  Abhandl.  I.  308. 

2  Atti  deU'  Accademia  pontificia  de'  nuovi  Lincei  11,  177,  1857.  Sessione  del  7.  Marzo 
;8.  (In  der  deutschen  Übersetzung  von  William  Thomson's  gesammelten  Abhandlungen, 
rlin  1890,  S.  258,  ist  irrthümlich  das  Datum  dieser  Mittheilung  auf  den  Februar  1857  angegeben.) 


gc5  Siebzehntes  Kapitel. 


ÜELLMANN'schen  Elektrometers,  das  in  Poggbndorff's  Annalen  beschrieben  ist 
Wie  bei  dem  ÜELLMANN'schen  Elektrometer  und  der  von  Faraday  verbesserten 
CouLOMß'schen  Drehwage  dient  ein  Glasfaden  dazu,  den  beweglichen  Zeiger 
zu  tragen,  und  die  elektrische  Kraft  wird  durch  die  Torsionselasticität  an- 
gezeigt. In  Nachahmung  des  Instrumentes  von  Dellmann  (welches  ich  mit 
grosser  Befriedigung  1857  in  Kreuznach  durch  die  Freundlichkeit  seines  Er- 
finders in  Thätigkeit  gesehen  habe),  benutzte  ich  einen  festen  Leiter,  welcher 
zwei  metallische  Streifen  trägt,  welche  so  angeordnet  sind,  dass  sie  einen 
länglichen,  leichten  und  beweglichen  Streifen  abstossen;  der  eine  und  der 
andere  von  beiden  muss  zu  Anfang  des  Versuches  elektrisirt  werden.  Mein 
Instrument  weicht  aber  von  dem  Dellmann's  dadurch  ab,  dass  durch  seine 
Anordnung  der  bewegliche  Leiter  in  beständiger  Verbindung  mit  dem  festen 
gehalten  wird  vermittelst  eines  feinen  Platindrahtes,  der  an  der  Mitte  des 
ersten  befestigt  ist  und  ein  kleines  Gewicht  von  Glas  oder  Blei  trägt;  dies 
hängt  untergetaucht  in  Schwefelsäure,  die  in  einem  Gefässe  von  Blei  ent- 
halten ist,  das  den  untersten  mittleren  Theil  des  festen  Stückes  bildet  Dieser 
feste  Theil  ist  isolirt  auf  der  Spitze  eines  langen  Trägers  aus  Krystallglas 
(3  bis  4  Zoll  sind  ausreichend)  in  der  Mitte  eines  gläsernen  Gehäuses  be- 
festigt. Der  bewegliche  Leiter  ist  an  einem  sehr  feinen  Glasfaden  aufgehängt, 
der  4  oder  5  Zoll  lang  ist,  und  wie  bei  der  CouLOMß'schen  Wage  von  einem 
getheilten  Kreise  herabhängt.  Die  Form  des  beweglichen  Leiters,  welche 
vielleicht  am  besten  für  ein  Instrument  zu  genauen  Beobachtungen  geeignet 
ist,  besteht  wie  bei  Dellmann  aus  einem  Stück  feinen  Metalldrahtes,  in  der 

Mitte  gewunden,    um  eine  bequeme  Aufhängung 
zu    ermöglichen,    und   an   den  Enden   ein  wenig 
durch  Schlagen  mit  einem   Hammer  abgeplattet: 
™   t.  ™  2^9  er  bildet  so  eine  Nadel  von  etwa  zwei  Zoll  Länge, 

Nach  W.  Thomson.  ~ 

Fig.  239  I.  Ich  habe  diese  Nadel  noch  nicht  in 
meinem  Elektrometer  versucht,  sondern  bediene  mich  für  Vorlesungszwecke 
eines  doppelten  Streifens  von  Goldpapier.    Die  letzte  dieser  Formen,  die  ich 

versucht  habe,  hat  die  Gestalt  II 
und  ist  einfach  hergestellt,  in- 
dem zwei  Stücke  Goldpapier 
zusammengeklebt  und  in  die 
angegebene  Form  geschnitten 
worden  sind.  Diese  Nadel  ist 
v  4l/2  Zoll  lang  und  ungefähr  in 

Fig.  239  II.    Nach  w.  Thomson.  den    Verhältnissen    der   Figur. 

Ich  habe  es  wichtig  gefunden, 
wenn  sie  sich  krümmt,  und  ihre  Enden  aus  ihrer  Ebene  heraustretet 
dass  sie  durch  Ankleben  eines  sehr  feinen  Glasfadens  versteift  werden  muss; 
auch  muss  sie  in  eine  sehr  trockene  Atmosphäre  gebracht  werden,  drei 
oder  vier  Tage  lang,  wenn  sie  sich  gekrümmt  hat  Alsdann  wirkt  sie  wie 
ein   sehr   bequemes   Elektrometer   und   ist   empfindlicher,    als   irgend  eines 


=JU 


. 


Ü 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen. 


957 


deiner  Goldblattelektroskope.  Ich  ziehe  es  diesem  vor,  um  die  elementare 
Theorie  der  VoLTA'schen  und  galvanischen  Versuche  mit  Hülfe  des  Con- 
lensators  zu  zeigen. . . . 


„2)  Heterostatisches  Elektrometer  und  Elektroskop. 

„Ich  habe  gleichfalls  zwei  oder  drei  Formen  sehr  empfindlicher  Elektro- 
kope  construirt,  mit  denen  ich  unmittelbar  die  elektrische  Spannung  eines 
einfachen  Kupfer-Zink-Paares  ohne  die  Hülfe  des  Condensators  zeigen  kann. 
Jber  die  beste  Form  dieses  Instrumentes  zu  genaueren  Untersuchungen  bin 
ch  noch  nicht  ganz  im  reinen;  doch  will  ich  kurz  eine  Form  beschreiben, 
im  in  Vorlesungen  unmittelbar  die  Spannungswirkung  eines  einfachen  Zink- 
iupfer-Paares,  oder  die  bei  der  schnellen  Trennung  zweier  2-  bis  3-zölliger 
5latten  von  Zink  und  Kupfer  zu  zeigen.  Für  Vorlesungen  habe  ich  eine 
7orm  bequem  gefunden,  welche  die  positive  und  negative  Elektricität  durch 
mtgegengesetzte  Bewegungen  unterscheiden  lässt. 

„Der  feste  Leiter  in  dieser  Zusammenstellung  besteht  wesentlich  aus 
len  beiden  Hälften  eines  breiten  Ringes  (aus  Messingblech,  aussen  41/a,  innen 
6/8  Zoll  im  Durchmesser),  Fig.  240,  der  durch  einen 
uf  den  inneren  Rand  gelötheten  cylindrischen  Streifen 
erstärkt  ist.  (Ohne  diesen  Streifen  geht  es  nicht, 
enn  man  nicht  den  Ring  aus  viel  stärkerem  Mes- 
ngblech  in  den  Verhältnissen,  wie  sie  die  Figur 
lgiebt,  herstellt.  Ich  habe  die  Absicht,  ein  neues 
istrument  in  solcher  Weise  an  Stelle  des  beschrie- 
*nen  herstellen  zu  lassen,  und  ich  hoffe,  es  empfind- 
:her  zu  finden.)  Dieser  Ring  wurde  zunächst  ganz 
sdreht  und  dann  mittelst  einer  feinen  Säge  auf  die 
älfte  geschnitten.    Die  beiden  Hälften  werden  durch 

rlasstäbe  auf  einem  Fusse  festgehalten  und  sind  durch  Schrauben  und  Führungen 
instellbar,  so  dass  sie  in  dieselbe  Horizontalebene  gebracht  und  voneinander 
ur  durch  eine  so  dünne  Luftschicht  getrennt  festgestellt  werden  können,  als 
s  nur  ohne  metallische  Berührung  möglich  ist.  (Bei  meinem  gegenwärtigen 
istrumente,  das  ziemlich  roh  ist,  beträgt  die  Entfernung  der  beiden  Stücke 
ings  des  Sägeschnittes  etwa  1/30  Zoll.)  Zwei  an  diesen  Messingstücken  be- 
istigte  Drähte  gehen  durch  zwei  Öffnungen  in  der  Wand  des  Glasgefasses 
nd  bilden  die  Prüfelektroden  des  Instrumentes;  ein  Streifen  von  vergoldetem 
'apier,  etwa  8/8  Zoll  breit,  in  der  Form  ausgeschnitten,  wie  die  Fig.  240 
eigt,  und  im  Gleichgewicht  gehalten  durch  ein  Gewichtchen  von  Glas  oder 
letall,  befindet  sich  an  einem  feinen  Glasfaden  in  C  aufgehängt;  auch  ist 
lit  guter  metallischer  Verbindung  ein  dünner  Platindraht  daran  befestigt. 
)ieser  Platindraht  hängt  mit  einem  gläsernen  Gewicht  am  Ende  unter  der 
)berfläche  der  Schwefelsäure,  die  in  einem  bleiernen  Becher  enthalten  ist, 
er  auf  einem  mit  der  inneren  Belegung  einer  Leidener  Flasche  verbundenen 


Fig.  240. 
Nach  W.  Thomson. 


958_ 


Siebzehntes  Kapitel. 


Ständer  steht;  die  Flasche  befindet  sich  in  dem  gläsernen  Gehäuse  des  Elek- 
trometers.1 Die  Flasche  wird  von  aussen  durch  eine  an  ihr  befestigte  hori- 
zontale Elektrode  elektrisirt;  diese  erstreckt  sich  an  einer  Seite  bis  zur  Wand 
des  Gehäuses,  wo  sich  eine  Öffnung  befindet, 
die  man  nach  Belieben  öffnen  und  schliessen 
kann.  Ist  die  Flasche  geladen,  so  schliesst 
man  diese  Öffnung,  bis  man  die  Ladung  er- 
neuem muss. 

„Ist  das  Glas  der  Flasche  sorgfaltig  ge- 
I  wählt,  so  können  zwei  oder  drei  Tage  ver- 
gehen, bevor  es  nöthig  wird,  die  Ladung 
zu  erneuern  für  alle  Arten  von  Versuchen.  Bei 
meinem  gegenwärtigen  Instrumente  schab* 
ich,  dass  sie  nach  wenigen  Stunden  erneuert 
werden  muss,  da  es  von  geringer  Empfind- 
lichkeit ist. 

„Hat  man  sich  die  verschiedenen  Theile 
derartiger  Instrumente  und  ihre  Anordnung 
klar  gemacht,  so  sieht  man  leicht,  dass,  wenn 
die  eine  Hälfte  des  Ringes  mit  der  Erde,  die 
andere  Hälfte  mit  einer  Elektricitätsquelle  in 
Verbindung  gesetzt  wird,  sich  der  Zeiger  C  nach  der  einen  oder  der  anderen 
Seite  bewegen  wird,  je  nachdem  die  Elektricität  mit  der  des  Zeigers  gleich 
oder  entgegengesetzt  ist.  Die  Empfindlichkeit  eines  solchen  Instrumentes  ist 
derartig,  dass,  wenn  ich  abwechselnd  die  eine  der  Hauptelektroden  (die  mit 
den  Halbringen  verbundenen  Drähte)  mit  der  Hand,  und  die  andere  mit 
einem  Stück  Kupfer  oder  Zink  berühre,  der  Zeiger  einen  sichtbaren  Aus- 
schlag nach  entgegengesetzter  Richtung  macht.  Sind  die  Stücke  Zink  und 
Kupfer  mit  den  beiden  Hauptelektroden  verbunden,  und  ich  berühre  das 
Zink  der  einen,  das  Kupfer  der  anderen  mit  den  Händen,  so  lässt  der 
Zeiger  eine  beträchtliche  Wirkung  erkennen.  Ist  die  dauernde  Elektrisirung 
des  Zeigers  +,  so  wird  er  gegen  den  Halbring  gehen,  welcher  mit  der  Hand 
berührt  wird,  und  wird  so  die  Spannung  eines  einzelnen  Elementes  Zink- 
Kupfer  zeigen. 

„Auch  die  VoLTA'sche  Contactelektricität  lässt  sich  sehr  bequem  mit 
dem  gleichen  Instrumente  zeigen:  um  dies  zu  thun,  ist  nur  nöthig,  die 
Scheiben  von  Ztnk  und  Kupfer  (welche  gewöhnlich  gebraucht  werden,  um 
den  Versuch  mit  dem  Condensator  zu  zeigen)  mittelst  dünner  Drähte  mit 
den  Hauptelektroden  in  Verbindung  zu  setzen;  nachdem  man  sie  an  den 
gläsernen  Handgriffen  gegen  einander  gedrückt  hat,  trennt  man  sie  schnell 
mit  einer  Bewegung,    die   senkrecht  zu  ihrer  Berührungsfläche  ist.    Augen- 


1  „Der  Platindraht,   welcher  das  eingetauchte  Gewicht  von  Blei   trtgt,    iit  twei  oder  A" 
Mal  langer,  im  Verhältniss  zu  den  anderen  Theilen,  als  in  der  Figiu  gezeichnet." 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  959 


icklich  bewegt  sich  der  Zeiger  nach  dem  Halbringe,  welcher  mit  dem 
upfer  verkünden  ist,  und  zeigt  den  negativen  Charakter  des  Kupfers  und 
en  positiven  des  Zinks." 

Nach  einigen  Bemerkungen  über  die  Herstellung  des  Zeigers  aus  dünnem 
Juminiumblech  beschreibt  Thomson  ferner  einige  Versuche  zur  Theorie  des 
alvanischen  Stromes,  erwähnt  die  Herstellung  eines  absoluten  Elektrometers, 
hne  auf  dessen  Beschreibung  einzugehen,  und  erklärt  schliesslich  die  von 
im  eingeführten  Ausdrücke  „idiostatisch"  und  „heterostatisch".  Ein  idio- 
tatisches  Elektrometer  macht  Angaben,  die  nur  von  der  zugefuhrten  Elek- 
ricität  [des  zu  untersuchenden  Körpers  abhängen;  so  ist  ein  gewöhnliches 
loldblattelektroskop  idiostatisch.  Ein  heterostatisches  Instrument  enthält  da- 
ngen bereits  irgend  eine  Elektrisirung,  von  deren  Zeichen  und  Betrage  der 
)inn  und  die  Grösse  des  Ausschlages  abhängt.  Das  BoHNENBERGER'sche 
'Jektrometer  ist  heterostatisch.  Das  beschriebene  Elektrometer  ist  es  gleich- 
üls.  „In  einem  reinen  heterostatischen  Gebilde  ist  die  auftretende  Kraft 
in  fach  proportional  dem  Potential,  oder  dem  Unterschied  der  Potentiale, 
ie  gemessen  werden." 

In  der  Folge  ist  nur  eine  Änderung  von  Belang  vorgenommen  worden : 
n  Stelle  des  einfachen  Sägeschnittes  durch  den  Ring  sind  zwei  senkrecht 
u  einander  stehende  angebracht  worden,  so  dass  der  Ring  in  vier  Quadranten 
rfällt,  welche  übers  Kreuz  mit  einander  verbunden  sind.  Man  erreicht  da- 
urch  den  Vortheil,  dass  die  Nadel  nicht  mehr  einseitig  zu  sein  braucht, 
>ndern  symmetrisch  um  die  Drehaxe  ausgeführt  werden  kann;  gleichzeitig 
höht  sich  die  Empfindlichkeit.  Diese  wurde  weiter  gesteigert  und  bestän- 
ger  gemacht,  indem  man  die  Quadranten  zu  hohlen  Kästchen  ausbildete, 
deren  Innerem  die  Nadel  schwingt. 

Der  S.  955  erwähnte  Versuch  besteht  nun  darin,  dass  die  beiden  Halb- 
ige (der  älteren  Form)  aus  zwei  verschiedenen  Metallen,  z.  B.  Zink  und 
upfer,  hergestellt  wurden.  Nachdem  die  Nadel  über  den  einen  Spalt  ge- 
acht  und  die  metallische  Verbindung  der  beiden  Halbringe  hergestellt 
orden  ist,  fuhrt  man  der  Nadel  eine  elektrische  Ladung  zu.  Ist  diese 
^sitiv,  so  wendet  sie  sich  zum  Kupfer,  ist  sie  negativ,  zum  Zink,  zum 
wichen,  dass  ersteres  als  negativ,  letzteres  als  positiv  elektrischer  Körper 
ich  aussen  wirkt. 

So  abweichend  die  äussere  Gestalt  des  Versuches  erscheint,  so  ist  er 
3ch  nichts,  als  der  gleiche  Condensatorversuch,  von  dem  bisher  die  Rede 
*wesen  ist,  nur  dass  das  Elektrometer  unmittelbar  mit  den  Erregerplatten 
irbunden  ist.  Und  es  bleibt  auch  derselbe  Einwand  bestehen.  Der  Ver- 
ich  beweist,  dass  Kupfer  durch  die  Luft  negativ  wirkt,  und  Zink  positiv; 
o  aber  der  Sprung  in  der  Spannung  der  beiden  leitend  verbundenen  Me- 
lle an  ihrer  Berührungsstelle  unter  einander,  oder  an  ihren  Berührungs- 
ellen mit  der  Luft  befindlich  ist,  darüber  sagt  der  Versuch  nichts  mehr, 
s  jene  älteren.  Auch  die  gleiche  Veränderlichkeit  der  hier  auftretenden 
pannungen  wird  von  Thomson  erwähnt. 


q£q  Siebzehntes  Kapitel. 

An  diesen  Versuch  von  William  Thomson  knüpft  nun  J.  Brown  as, 
indem  er  ihn  mit  verschiedenen  Metallen  in  verschiedenen  Gasei 
wiederholte.     Seine  Ergebnisse  sind  entscheidend. 

In  einer  „Theorie  der  VoLTA'schen  Wirkung"  betitelten  Abhandlang1 
spricht  er  sich  folgendermaassen  aus: 

„Die  Entstehung  eines  Potentialunterschiedes  durch  VoLTA'sche  Wirfang 
wird  von  Einigen  primär  dem  Unterschiede  der  chemischen  Anziehung  wi- 
schen den  beiden  Elementen  eines  VoLTA'schen  Paares  für  einen  Bestandthd 
(Ion)  eines  zusammengesetzten  Stoffes  (Elektrolyts)  zugeschrieben,  der  mit 
beiden  in  Berührung  steht,  wobei  das  Element  mit  der  grösseren  Verwandt- 
schaft das  positive  ist.  Von  Anderen  wird  behauptet,  dass  sie  einfach  von 
der  „Berührung"  der  beiden  Elemente,  ohne  Dazwischenkunft  eines  dritten 
Stoffes,  herrührt,  und  sie  ist  in  dem  Falle  zweier  Metalle  wie  Kupfer  und 
Zink  ihrer  gegenseitigen  chemischen  Anziehung  zugeschrieben  worden. !- 
Faraday  konnte  indessen  keinen  Strom  bei  der  Verbindung  zweier  Metalle 
entdecken  (Zinn  und  Platin),  obwohl  die  Wärmeentwickelung  bedeutend  war1 ' 
(S.  964),  und  er  nahm  an,  dass  die  Quelle  der  Energie  in  der  VoLTA'schen 
Kette  die  chemische  Verbindung  des  aktiven  Ions  mit  der  positiven  Platte 
sei,  indem  Zersetzung  nothwendig  zur  Entwickelung  dieser  Art  Elektricität 
sei.  Es  können  zahlreiche  alte  Versuche  angeführt  werden,  welche  zeigen, 
in  welchem  Maasse  die  elektrischen  Beziehungen  in  den  VourA'schen  Paaren 
verändert  werden  können,  ohne  dass  ihre  Berührung  verändert  wird. 

„Die  nachstehenden  Versuche  scheinen  ausreichend  zu  sein,  die  Wahr- 
heit der  erstgenannten  (chemischen)  Theorie  nachzuweisen. 

„Wird  eine  Spannungsreihe  A  durch  Eintauchen  verschiedener  Metall- 
paare in  einen  oxydirenden  Elektrolyt  und  Messung  des  entstehenden  Stromes 
gebildet,  und  eine  zweite  B  durch  die  Benutzung  von  Condensatorplatten 
in  der  gewöhnlich  von  den  Contacttheoretikern  angewendeten  Methode,  so 
findet  man  die  beiden  Reihen  auffallend  übereinstimmend.  Der  einfachste 
Schluss  scheint  zu  sein,  dass  die  sogenannte  „Contactkraft"  auf  die  An- 
wesenheit einer  Schicht  zwischen  den  Platten  zurückzufuhren  ist,  welche 
Wasser,  Kohlendioxyd  oder  andere  Sauerstoffverbindungen  entljä^,4  welcher 
Schicht  man  alle  Eigenschaften  eines  oxydirenden  Elektrolyts  zuschreiben 
kann,  mit  Ausnahme  ihrer  Leitfähigkeit. 

„Bilden  wir  eine  ^4-Reihe  mit  einem  anderen  Elektrolyten,  welcher  ein 
anderes  aktives  Ion,  z.  B.  Schwefel  enthält,  so  erhalten  wir  eine  völlig  andere 
Reihe,  welche  nach  der  Bemerkung  von  Professor  Fleming  Jenkin6  „gänzlich 
anormal  und  unvereinbar  mit  der  einfachen  Potentialtheorie"  ist. 


1  Philos.  Mag.  6,   142.   1878. 

1  Sir  William  Thomson,  Electrostatics  and  Magnetism,   §  400;  —  Tatt,   Rccent  A* 
vanccs,  p.  305  u.  ff. 

8  Philos.  Transactions  1834,  p.  436.  *  G.  Wiedemann,  Galvanismus  p.  12. 

6  Electricity  and  Magnetism  p.  217. 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  gß  \ 


„Ist  aber  die  chemische  Theorie  richtig,  so  müssen  wir  bei  der  Bildung 
er  Ä-Reihe*  wenn  wir  für  die  gewöhnliche,  Wasser  und  andere  Sauerstoff- 
bindungen enthaltende  Atmosphäre  eine  andere  nehmen,  die  eine  passende 
iwefelverbindimg  enthält,  die  Anomalie  verschwinden  sehen,  und  wir  müssen 
gleiche  Reihe  erhalten,  wie  vorher  mit  dem  schwefelhaltigen  Elektrolyten. 
i  dies  zu  prüfen,  wurde  der  folgende  Versuch  angestellt.  Von  der  That- 
he  ausgehend,  dass  Eisen  gegen  Kupfer  in  einem  oxydirenden  Elektrolyten 
e  Wasser)  positiv  ist,  während  Kupfer  gegen  Eisen  in  einer  Lösung,  die 
iwefelkalium  oder  einen  ähnlichen  Elektrolyten  enthält,  positiv  ist,  ver- 
tigte  ich  einen  Condensator  mit  Scheiben  von  4^3  Zoll  Durchmesser,  eine 
1  Kupfer,  die  andere  von  Eisen,  und  beide  gut  aufeinander  geschliffen. 
?  eiserne  Scheibe  war  an  dem  unteren  Ende  eines  eisernen  Stabes  fest- 
schraubt, der  in  einer  Messingröhre  gleitete,  die  in  dem  hölzernen  Deckel 
es  Glasgefässes  mit  Schellack  festgemacht  war.  Das  Gefass  stand  auf 
em  hölzernen  Untersatze,  durch  dessen  Mitte  sich  ein  ähnlicher  isolirter 
ib  erhob,  welcher  die  Kupferscheibe  trug.  Für  die  Bewegung  der  Scheiben 
rallel  zu  einander  und  für  die  Füllung  des  Gefässes  mit  Gasen  waren  die 
orderlichen  Mittel  vorhanden. 

„Um  die  durch  den  „Contact"  der  Platten  erregte  Ladung  zu  messen, 
nte  ein  Quadrant-Elektrometer,  das  eine  Ablenkung  von  5  mm  für  die 
annung  einer  Bichromatzelle  gab.  Wurden  die  Condensatorplatten  (in 
wohnlicher  Luft)  zur  Berührung  gebracht,  mit  den  entgegengesetzten  Quad- 
itenpaaren  verbunden  und  dann  entfernt,  so  bewegte  sich  der  Lichtzeiger 
er  1  cm  und  zeigte,  dass  das  Eisen  positiv  war,  wie  erwartet.  Alsdann 
rde  Schwefelwasserstoff  in  das  Glasgefäss  geleitet;  als  dann  die  Verbin- 
ig  und  Trennung  der  Platten  wiederholt  wurde,  erwies  sich  das  Eisen 
raüv  und  der  Lichtfleck  bewegte  sich  etwa  3  cm  entgegen  seiner  ersten 
:htung.     Dies  wurde  einigemale  wiederholt;    und  als   nach   dem  Versuche 

Kupferplatte  untersucht  wurde,  zeigte  sie  sich  von  tief  blauer  Farbe, 
hrend  das  Eisen  kaum  verändert  war.  Es  ist  zu  bemerken,  dass  hier  die 
zige  Veränderung  in  den  Umständen  des  Versuches  die  Änderung  der 
roosphäre  war,  welche  die  Platten  umgab.  Alle  Contacte  blieben  die- 
ben;  und  in  der  schwefelhaltigen  Atmosphäre  erlangten  die  Platten  die 
iche  elektrische  Beziehung,  wie  wenn  sie  in  einen  schwefelhaltigen  Elek- 
lyten  getaucht  worden  wären.  Selbst  das  Spannungsverhältniss  zwischen 
1  Platten  in  Luft  und  Schwefelwasserstoff  ist  nahe  gleich  dem  Verhält- 
s  ihrer  elektromotorischen  Kräfte  in  Wasser  und  einer  Lösung  von  Schwe- 
<alium. 

„Der  nächste  Versuch  scheint  in  ausgesprochener  Weise  die  Ansicht  zu 
stätigen,  dass  der  Potentialunterschied  zwischen  zwei  Metallen  wesentlich, 
nn  nicht  vollständig,  von  dem  Unterschiede  ihrer  Verwandtschaften  zu 
lern  Element  oder  einer  Verbindung  in  der  umgebenden  Atmosphäre  he- 
mmt ist.  Der  Versuch  ist  eine  Abänderung  eines  von  Sir  William  Thomson 
schriebenen   (Papers   on  Electricity  and  Magnetism,   317).     „„Ein    isolirter 

O  s  t  w  a  1  d ,   Elektrochemie.  6  I 


962 


Siebzehntes  Kapitel. 


Metallstab,  welcher  sich  um  eine  Axe  drehen  kann,  die  senkrecht  zu  der 
Ebene  eines  Metallringes  ist,  der  zur  Hälfte  aus  Zink,  zur  anderen  Hätte 
aus  Kupfer  besteht,  und  dessen  Hälften  zusammengelöthet  sind,  dreht  sich 
vom  Zink  gegen  das  Kupfer,  wenn  er  mit  Glaselektricität,  und  vom  Kupfer 
gegen  das  Zink,   wenn  er  mit  Harzelektricität  elektrisirt  wird/*"     An  Stelle 

eines  Ringes  aus  Kupfer  und  Zink  benutzte  ich  einen 
aus  Kupfer  ufid  Eisen,    CI,   von   3,1  Zoll  äusserem 
Durchmesser  und  mit  einer  Öffnung  von  1  Zoll.    Er 
stand   auf  einem  Dreifuss  innerhalb  eines  gläsernen 
Gehäuses  mit  ebenen  Wänden,   welches  durch  einen 
Gummischlauch  mit  einem  Entwickelungsapparat  für 
Schwefelwasserstoff  verbunden  werden  konnte.     Um 
das  erste  Auftreten  dieses  Gases   zu   erkennen,  war 
im  Inneren  des  Gehäuses  ein  Stück  Bleipapier  ange- 
bracht.    Auf   dem    Gehäuse    stand    eine   senkrechte 
Glasröhre    mit    einem    Torsionskopf,    von    dem   ein 
Platindraht  von  0,0025  Zoll  Durchmesser  und  19  Zoll 
Länge  herabhing,  der  die  Nadel  oder  den  Stab  n  von 
dünnem    Aluminiumblech   trug    (i1^  Zoll   lang  und 
8/lfl  Zoll    breit),    ferner    einen   Spiegel    von   4  Fuss 
Brennweite  und  ein  Glasgewicht  W>  das  in  ein  Gefiss 
mit  Wasser  tauchte,    um   die  Schwingungen  zu  be- 
ruhigen.   Der  Dreifuss  mit  dem  Ringe  ruhte  auf  drei 
Schrauben,  die  von  aussen  bethätigt  werden  konnten, 
und  mittelst  deren  die  Ringebene  so  gestellt  werden 
konnte,  dass  gleiche  Ausschläge  nach  beiden  Seiten 
der  Nulllinie    erhalten   wurden.     Die  Nadel   hing   1   oder  2  mm   über  dem 
Ringe,    möglichst   nahe  an  der  Verbindungsstelle  der  beiden  Metalle,  und 
mit   dem    Aufhängefaden    im    Mittelpunkte   des   Ringes.     Sie   wurde  durch 
Verbindung  mit  dem  positiven  oder  negativen  Pole  einer  WiNTKR'schen  Elek- 
trisirmaschine  geladen. 

„Pei  Vorversuchen  mit  einem  Kupfer-Zink-Ringe  wurden  Ablenkungen 
von  5  cm  nach  beiden  Seiten  mit  Leichtigkeit  erhalten.     Mit  dem  Kupfer- 
Eisen-Ringe  ergaben  sich  indessen  nur  Ablenkungen  von  1/a  bis  1  cm,  wobei 
sich  das  Eisen  wie  Zink  gegen  das  Kupfer  verhielt     Da  das  Potential  der 
Nadel  unter  den  angewendeten  Verhältnissen  nicht  constant  gehalten  werden 
konnte,  so  wechselte  der  Betrag  der  Ablenkung  beständig;   wurde  aber  dk 
Maschine  sorgsam  gehandhabt,   so  waren  diese  Veränderungen  gering  und 
störten    das   Ergebniss    nicht.     Das   Folgende   ist   ein   Auszug   meiner  Auf- 
zeichnungen   über   die   dritte   Ausfuhrung   des  Versuches.     Die   Nadel  war 
negativ  geladen    und   der  Ausschlag  betrug  etwa  lj%  cm  gegen  das  Eisen; 
das  Gehäuse  wurde    nun  mit  dem   Schwefelwasserstoffentwickler   verbunden 
und  dieser  durch  Schwefelsäure  in  Thätigkeit  versetzt.     Nach  2l/t  Minuten 
begann  das  Bleipapier  sich  an  den  Rändern  dunkel  zu  färben;    eine  halbe 


Fig.  242. 
Nach  J.  Brown. 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  Q63 

linute  später  ging  die  Nadel  durch  die  Nulllinie  und  wendete  sich  nach 
em  Kupfer  des  Ringes;  der  Ausschlag  war  etwa  lj%  cm.  Nun  wurde  die 
Tadel  mit  dem  positiven  Leiter  verbunden  und  wendete  sich  unmittelbar 
egen  das  Eisen;  wieder  negativ  gemacht,  ging  sie  zum  Kupfer;  und  so  fort, 
is  etwa  10  Minuten  nach  dem  Zuleiten  des  Gases  die  Ausschläge  unbe- 
immt  wurden,  indem  sich  das  Kupfer  mit  Sulfid  bedeckt  hatte,  welches 
eine  Verwandtschaft  zum  Schwefel  hat." 

Diese  Versuche  wurden  bald  darauf  vervielfältigt  und  verfeinert;1  unter 
Veglassung  der  Einzelheiten  bezüglich  der  technischen  Ausführung  seien 
ie  neuen  Thatsachen  angegeben. 

„Da  Kupfer  in  Wasser  negativ  gegen  Nickel  ist,  in  Salzsäure  aber 
ositiv,  so  wurde  ein  Ring  aus  diesen  beiden  Metallen  gemacht.  Hier  war 
ie  Ablenkung  in  Luft  etwa  4  cm,  Kupfer  war  negativ.  Nun  wurde  Chlor- 
rasserstoffgas  in  das  Gehäuse  geleitet:  nach  einigen  Schwankungen  über- 
tritt die  negativ  geladene  Nadel  den  Nullpunkt  und  wendete  sich  zum 
Tupfer;  die  Ablenkung  wuchs  langsam  bis  1,5  cm.  Der  Zufluss  des  Gases 
urde  dann  unterbrochen,  und  die  Ablenkung  nahm  langsam  ab.  Nach  vier 
tunden  war  sie  auf  1  mm  gefallen.  Dann  wurde  sie  wieder  grösser;  die 
ufuhrung  frischen  Gases  veranlasste  sie  aber,  kleiner  zu  werden,  eine  Er- 
:heinung,  deren  Erklärung  nicht  leicht  ist.  Die  Umkehrung  des  Potentials 
zr  beiden  Metalle  beim  Zulassen  des  Gases  war  indessen  vollkommen  ent- 
:hieden.  Der  Versuch  wurde  nicht  wiederholt  wegen  der  ätzenden  Wirkung, 
e  den  Apparat  zu  zerstören  drohte.  Das  Verhältniss  der  Potentialunter- 
:hiede  ist  natürlich  nur  angenähert,  da  der  Apparat  sich  nicht  für  genaue 
essungen  eignete. 

„In  einer  einfachen  VoLTA'schen  Zelle,  die  aus  einer  Kupfer-  und  einer 

inkplatte  besteht,    die  beide  in  eine  oxydirende  Flüssigkeit  tauchen,   fliesst 

zr    durch   den   chemischen  Vorgang   der  Kette   veranlasste  Strom   in   der 

lüssigkeit  vom  Zink  zum  Kupfer.    Trennen  wir  daher  den  Elektrolyt  durch 

ne    nichtleitende   Platte,    so   muss    positive  Elektricität   sich    auf  der  Seite 

*gen  das  Zink  ansammeln,  und  negative  an  der  Seite 

jgen  das  Kupfer.     Um  dies  zu  erweisen,   wurden   auf 

ne  Kreisscheibe  von  dünnem  Vulcanit,  die  in  der  Mitte 

ne  Öffnung  und  dazu  einen  radialen  Schlitz  cd  hatte, 

vei  Segmente  von  Papier  befestigt.    Diese  wurden  mit 

/asser  befeuchtet  und  das  Ganze  in  dem  Apparat  an 

teile  des  Ringes  aus  zwei  Metallen  gesetzt.    Die  Nadel 

urde  über  den  Schlitz  cd  gebracht  und  von  den  Punkten 

ö  *ig.  243. 

und  b  des  Papiers  wurden  zwei  Streifen  von  feuchtem  Nach  j  Brown. 
iltrirpapier  nach  aussen  geführt.     Die  äusseren  Enden 

srselben    lagen   neben    einander   auf  einer  Vulcanitplatte.  Die  Berührung 

nes  der  Enden  mit  einem  Stücke  Zink  oder  Kupfer,  oder  mit  einem  Ende 

1  Philos.  Mag.  7,   109.   1879. 

61* 


q^4  Siebzehntes  Kapitel. 


eines  zusammengelötheten  Zink -Kupfer -Paares  brachte  auf  die  elektrisirtc 
Nadel  keine  messbare  Wirkung  hervor;  wurde  aber  auf  das  eine  Ende  das 
Zink,  auf  das  andere  das  Kupfer  des  Paares  gelegt,  so  wich  alsbald  der 
Lichtfleck  des  Zeigers  um  etwa  10  cm  aus,  und  zeigte,  dass  das  mit  dem 
Zink  berührte  Papier  positiv  war.  Wurde  ein  Kupfer- Eisen- Paar  benutzt, 
so  war  die  Seite  des  Eisens  positiv;  als  aber  ein  Tropfen  Kaliumsulfid  auf 
das  feuchte  Papier  an  die  Stelle  der  Berührung  mit  dem  Kupfer  gebracht 
wurde,  wurde  die  Kupferseite  positiv.  War  das  Paar  Kupfer-Eisen  nicht 
zusammengelöthet,  sondern  durch  einen  Tropfen  Wasser  verbunden,  so 
erfolgte  keine  Ablenkung,  oder  nur  eine  sehr  geringe;  die  Zufiigung  von 
etwas  Kaliumsulfid  verursachte  eine  starke  Ablenkung  der  Nadel  und  der 
mit  dem  Kupfer  in  Berührung  stehende  Theil  war  nun  negativ  wegen 
des  Stromes,  der  durch  den  verbindenden  Tropfen  vom  Kupfer  zum 
Eisen  floss." 

Eine  dritte  ausfuhrlichere  Mittheilung  erschien  dann  im  Jahre  1886. l 
Diese  enthielt  eine  weitere  Anzahl  ähnlicher  Versuche,  bei  denen  die  Ver- 
hältnisse nach  Möglichkeit  abgeändert  waren.  An  Stelle  der  stark  auf  die 
Metalle  einwirkenden  Gase  Schwefelwasserstoff  und  Chlorwasserstoff  wurde 
in  einigen  Versuchen  Ammoniak  angewendet,  dem  man  eine  solche  Wirkung 
nicht  wohl  zuschreiben  darf;  das  Ergebniss  war  dasselbe,  dass  die  Polarität 
eines  Kupfer-Eisenpaares  sich  umkehrte,  wie  sie  es  auch  thut,  wenn  man 
eine  Kette  aus  den  beiden  Metallen  und  Wasser  zusammenstellt  und  dann 
Ammoniak  hinzufügt. 

Weiter  geht  Brown  auf  die  Auseinanderlegung  der  Vorstellungen  ein, 
die  man  sich  von  der  Vertheilung  der  Spannungen  bei  dem  Voi/rVschen 
Versuche  und  ähnlichen  Anordnungen  machen  muss;  die  Auffassung  wird 
am  kürzesten  dadurch  gekennzeichnet,  dass  man  die  Luft  als  einen  Elektro- 
lyten betrachtet.  Zwar  findet  sich  eine  solche  Ansicht  nicht  unmittelbar  hier 
ausgesprochen,  und  die  chemische  Theorie  unseres  Verfassers  besitzt  noch 
ziemlich  viel  von  der  Unbestimmtheit,  welche  der  de  la  Riw/schen  Gestalt 
der  chemischen  Theorie  zum  Vorwurf  zu  machen  war.  In  dem  Lichte  der 
neueren  Entwicklung  lassen  sich  indessen  die  Ergebnisse  und  Betrachtungen 
Brown's  am  einfachsten  in  dieser  Art  zusammenfassen;  der  Unterschied 
besteht  wesentlich  darin,  dass  er  das  Vorhandensein  eines  elektrolytischen 
Oberflächenhäutchens  als  den  wesendichsten  Umstand  betrachtet  und  die  Luft 
als  einen  vollständigen  Isolator  ansieht. 

In  dieser  Richtung  ist  von  besonderem  Interesse  ein  Versuch,  bei  dem 
zwei  möglichst  ebene  Platten  von  Zink  und  Kupfer  durch  eine  Schrauben- 
vorrichtung einander  auf  eine  sehr  geringe  Entfernung  genähert  wurden. 
Die  Platten  waren  in  einen  Stromkreis  geschlossen,  der  ausserdem  ein 
galvanisches  Element,  ein  Galvanometer  und  ein  Telephon  enthielt  Bei 
grosser  Nähe,   die  indessen  von  der  vollständigen  Berührung  noch  entfernt 


1  Proceedings  of  the  Roy.  Soc.  41,  294.   1887. 


1 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  QÖ^ 

*r>  ging  ein  schwacher  Strom  durch  den  Zwischenraum  der  beiden  Platten, 
*r  im  Galvanometer  eine  (unregelmässig  wechselnde)  Ablenkung  und  im 
elephon  ein  zischendes  Geräusch  hervorbrachte.  Die  Dicke  der  Schichten 
urde  annähernd  mit  einer  Mikrometerschraube  bestimmt  und  etwa  0,002  Zoll, 
50  1/ao  Millimeter,  gefunden.  Der  Widerstand  entsprach  bei  dieser  Anord- 
mg  etwa  100  Ohm  im  Condensator. 

Waren  diese  Versuche  auch  wohl  geeignet,  weitere  Belege  zu  der  Un- 
:herheit  zu  liefern,  mit  welcher  die  VoLTA'sche  Theorie  gerade  in  ihren 
rundlagen  behaftet  ist,  so  konnte  durch  sie  doch  nur  nachgewiesen  werden, 
iss  der  „Fundamentalversuch"  niemals  den  wahren  Potentialunterschied 
'ischen  den  beiden  Metallen  giebt,  sondern  der  Ausdruck  eines  ziemlich 
ibestimmten  elektrochemischen  Vorganges  ist.  Wie  sich  thatsächlich  die 
>annungen  vertheilen,  geht  aus  diesen  Versuchen  nicht  hervor,  und  sie 
igen  auch  keinen  Weg,  der  zu  diesem  Ziele  fuhren  könnte. 

7.  Ein  neuer  Weg.  Die  Versuche,  die  Summe  der  drei  Spannungen 
der  einfachen  Kette  mittelst  des  Condensators  in  ihre  Summanden  auf- 
lösen, beruhten  auf  der  stillschweigend  oder  ausdrücklich  gemachten  Vor- 
ssetzung,  dass  bei  dem  aus  zwei  Metallen  zusammengesetzten  geschlossenen 
ndensator  Spannungen  nur  an  einer  Stelle,  nämlich  an  der  Berührungs- 
Ue  der  beiden  Platten,  vorhanden  seien.  Die  mitgetheilten  Versuche 
ben,  zunächst  durch  die  Unbeständigkeit  der  Messungsergebnisse,  sodann 
f  unmittelbarere  Weise  durch  das  Experiment  von  Brown  gezeigt,  dass 
r  Voraussetzung  unhaltbar  ist.  Damit  ist  der  Bankerott  der  ganzen 
jthode  ausgesprochen,  und  wenn  die  Frage  überhaupt  beantwortet  werden 
lte,  so  musste  dies  auf  einem  ganz  neuen  Wege  geschehen. 

Ein  solcher  neuer  Weg   wurde  erst  im  Jahre   1867   gangbar   gemacht, 
lag  in  einer  Richtung,  in  welcher  man  ihn  nicht  vermuthet  hatte,  näm- 
h    nach    der    Seite    der   thermoelektrischen    und    der    reciproken    elektro- 
jrmischen  Vorgänge. 

Über  die  ersteren  ist  bereits  (S.  380)  das  Geschichtliche  mitgetheilt 
rden;  dass  der  Entstehung  elektrischer  Ströme  durch  Temperaturunter- 
üede  ein  Erscheinungsgebiet  der  Entstehung  von  Temperaturunterschieden 
rch  elektrische  Ströme  entsprechen  müsse,  ist  ein  Gedanke,  der  uns  heute 
ar  ziemlich  geläufig  ist;  seinerzeit  begegnete  die  entsprechende  Beobach- 
ig  zunächst  dem  Zweifel  und  sodann  der  Missachtung. 

Es  war  im  Jahre  1834,  dass  der  Uhrmacher  und  Liebhaber  der  Physik 
.Tier1  diese  Beobachtung  machte,  welche  völlig  unerwartet  war,  und  wegen 
ser  Beschaffenheit  lange  Zeit  nicht  beachtet  wurde,  da  in  ihr  kein  Zu- 
imenhang  mit  anderen  Thatsachen  zu  finden  war.  Die  Erscheinung 
iteht  darin,  dass,  wenn  ein  Strom  durch  einen  aus  verschiedenen  Me- 
en  zusammengesetzten  Leiter  geht,  an  den  Stellen,  wo  diese  zusammen- 

1  Ann.  chim.  phys.  56,  371.   1834. 


g66 


Siebzehnte!  Kapitel. 


stossen,  je  nach  der  Reihenfolge  der  Metalle  und  der  I 
bald  Wärme,  bald  Kälte  entsteht,  so  dass  die  bis  da 
gesehene  Wirkung  des  elektrischen  Stromes,  die  durch 
wärmen,  in  diesem  Falle  eine  Ausnahme  erleidet:  di 
abkühlend  wirken. 

Peltter  kam  auf  diese  Entdeckung  durch  die  t 
welche  er  bei  seinen  Versuchen  erhielt,  die  relative  I 
müths  und  des  Antimons  zu  bestimmen.  Es  entstand 
entgegengesetzter  Richtung,  wie  die,  welche  er  für  der 
durch  die  Erwärmung  der  Lothstelle  eines  thermoeli 
Kupfer  und  Zink  erzeugt  hatte,  und  da  er  diese  mit  Re< 
elektrischen  Wirkungen  des  Wismuths  veranlasst  ven 
sich  die  Temperaturunterschiede  an  den  Verbindungsstel 
Metalle  so  genau  wie  möglich  zu  messen.  Zu  diesem 
sich  eine  the 


Temperaturgrade.)  An  der  Lothstelle  Kupfer-Zink  gal 
wenn  er  vom  Kupfer  zum  Zink  ging,  26°,  der  positi 
Beispiel  muss  hinreichen,  um  die  Thatsache  festzuste 
Tafel  der  verschiedenen  Differenzen,  welche  die  Verl 
Metalle  verursacht,  würde  eine  besondere  Arbeit  vert; 
durch  der  Wissenschaft  ein  Fortschritt  zu  Theil  würde 

„Es  giebt  andere  Metalle,  welche  nicht  nur  eine  | 
erhöhung  geben,  sondern  an  deren  Löthstellen  man 
niedrigung  beobachtet  Diese  Metalle  sind  solche,  die  1 
muth  und  Antimon,  und  wahrscheinlich  auch  Arsenik.  ', 
wie  krystallisirt  ist,  hat  sie  mir  in  einem  sehr  geringei 
weichem  Eisen  in  Drahtform  habe  ich  sie  nicht  erhalt 

„Ich  habe  eine  Platte  von  Wismuth  an  eine  von 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen. 


967 

diesen  zusammengesetzten  Leiter  von  einem  elektrischen  Strom  von  wachsen- 
der Stärke  durchsetzen  lassen;  folgende  Ergebnisse  habe  ich  an  der  Löth- 
stelle  erhalten,  an  welcher  der  negative  Strom  eintrat: 


ein  Strom  von 


15' 


20l 


gab  eine  Temperatur  von      —2,5' 


-4*5°     " 


280        30°        350 
4,5°       o°         +4°. 


„An  der  positiven  Löthstelle  fand  eine  Temperaturerhöhung  von  10  °  bis 
50  °  statt." 

Somit  verhält  sich  diese  Zusammenstellung  für  stärkere  Ströme  wie  die 
früher  untersuchten,  welche  nur  eine  Verschiedenheit  der  Erwärmung,  nicht 
aber  entgegengesetzte  Temperaturänderungen  ergaben. 

Über  die  Ursache  dieser  Erscheinung  äussert  Peltier  die  ziemlich  un- 
bestimmte Vermuthung,  dass  sie  von  der  ungleichen  Leitfähigkeit  der  Metalle 
für  die  Elektricität  herrühren,  verschiebt  aber  die  Entscheidung,  da  er  über 
diese  Grösse  noch  keine  genügenden  Messungen  hat  anstellen  können. 

Um  den  Einwand  zu  prüfen,  welchen  einige  Physiker  gemacht  hatten, 
dass  die  mit  der  thermoelektrischen  Zange  beobachteten  Ströme  nicht  von 
Temperaturänderungen  an  den  berührten  Stellen, 
sondern  von  einer  Art  Induction  herrühren, 
änderte  Peltier  den  Versuch  dahin  ab,  dass  er 
an  Stelle  der  Zange  ein  Luftthermoskop  von 
einfacher  Einrichtung,  Fig.  245,  anwendete;  das 
Ergebniss  war  das  gleiche. 

Wie  man  sieht,  hatte  Peltier  nicht  erkannt, 
dass  zwischen  den  von  ihm  beobachteten  Er- 
scheinungen und  den  thermoelektrischen  ein 
enger  Zusammenhang  besteht.  Die  Aufdeckung 
desselben  erfolgte  erst  sehr  viel  später;  sie  war 
eine  Frucht  der  inzwischen  entwickelten  Thermo- 
dynamik in  ihrer  Anwendung  auf  die  elektrischen 
Erscheinungen.  Das  Verdienst  dieses  Fort- 
schrittes kommt  zunächst  William  Thomson1 
zu;  nur  wenig  später  veröffentlichte  Clausius2 
eine  ganz  ähnliche  Arbeit,  die  unabhängig  zu  den  gleichen  Formeln  führte. 
Der  wesentliche  Unterschied  zwischen  beiden  Theorieen  besteht  darin,  dass 
Thomson  die  sogenannte  CARNOT^sche  Function  noch  als  im  wesentlichen 
unbekannt  und  empirisch  aus  gewissen  Daten  (über  Dampfdruck  und  latente 
Wärme  des  Wassers)  abzuleiten  ansah,  während  Clausius  bereits  die  absolute 
Temperatur  des  Gasthermometers  als  den  Ausdruck  der  fraglichen  Function 
erkannt  hatte.  Das  gemeinsame  Ergebniss  beider  Ableitungen  ist  eine  Be- 
ziehung zwischen  der  thermoelektromotorischen  Kraft  und  dem  Betrage  der 


Fig.  245.     Nach  Peltier, 


1  Philos.  Mag.  (4)  3,  529.   1852.  —  Vorgel.  der  Edinb.  Roy.  Soc.  am  15.  Dec.   1852. 
*  POGG.  Ann.  90,  513.   1853.  —  Vorgel.  der  Berliner  Akad.  im  Nov.   1853. 


Q^g  Siebzehntes  Kapitel. 

Peltier -Wirkung  an  der  Grenzstelle  zweier  Metalle,   die  in  ihrer  einfachsten 

Gestalt  die  folgende  Form  annimmt:  j-f  =  jff>  wo  öt  die  thermolektris(*e 

Kraft  (die  Veränderung  der  Spannung  /  mit  der  Temperatur  Z),  Wdie  beim 
Durchgang  der  Elektricitätsmenge  E  entwickelte  Wärme  darstellt  und  die 
Temperatur  T  in  absoluter  Zählung  oder  von  —  273  °  unter  dem  Eispunkt 
ab  gerechnet  ist. 

Dieser  Zusammenhang  zwischen  den  beiden  Grössen  rührt  nun  daher, 
dass  die  PELTiER'sche  Wärme  als  die  Folge  eines  Potentialunterschiedes  auf- 
gefasst  wird,  der  an  der  Löthstelle  der  beiden  Metalle  besteht  Infolge  dieses 
Unterschiedes  kann  die  Elektricität  nicht  anders  als  unter  Abgabe  oder  Auf- 
nahme von  Energie  durch  diese  Sprungstelle  der  Spannung  gehen,  ebenso 
wie  eine  Wassermenge  einen  Niveauunterschied  nicht  ohne  positive  oder 
negative  Arbeitsleistung  überwinden  kann.  Bestimmt  man,  um  in  dem  letz- 
teren Bilde  zu  bleiben,  die  Wassermenge  und  den  Betrag  der  aufgenommenen 
oder  ausgeschiedenen  Energie,  so  kann  man  hieraus  den  Unterschied  der 
Wasserhöhen  berechnen,  wenn  diese  nicht  unmittelbar  zugänglich  sind.  In 
gleicher  Weise  kann  man  aus  der  Messung  des  bethätigten  Energiebetrages 
und  der  durchgegangenen  Elektricitätsmenge  die  Spannung  berechnen,  welche 
im  positiven  oder  negativen  Sinne  an  der  Löthstelle  vorhanden  ist 

Um  diese  hydromechanische  Analogie  auf  die  elektrischen  Verhältnisse 
zu  übertragen,  machen  wir  folgende  Überlegung.    Aus  dem  Gesetz  von  Jon* 
hatte  sich  mittelst  des  OHM'schen  Gesetzes  die  einfache  Formel  Q  =  ni  er- 
geben (S.  766),    d.  h.   die  in  der  Zeiteinheit  entwickelte  Wärme  Q  ist  der 
elektromotorischen  Kraft  n  und  der  Stromstärke  i  proportional,  und  beide 
sind  gleich,  wenn  sie  in  übereinstimmendem  Maasse  gemessen  werden.    Sind 
von  diesen  Grössen  zwei  bekannt,  so  kann  man   aus  einer  entsprechenden 
Messung  die  dritte  ableiten.     Misst  man  also  in  einem  gegebenen  Falle  die 
Stromstärke  und  die  Wärmeentwickelung,   so   kann    man    daraus  den  vor- 
handenen   Spannungsunterschied   berechnen.     Dieser   Spannungsunterschied 
kann  nun  von  zweierlei  Art  sein;   er  kann  einerseits  von  dem  Widerstände 
des   Leiters   herrühren    und   ist   dann    unabhängig   von   der  Stromrichtung. 
Zweitens  kann  an  der  Grenzstelle  zweier  Leiter  ein  dauernder  Spannungs- 
unterschied bestehen.    Die  von  diesem  verursachte  Wärmeentwickelung  muss 
von  der  Richtung  des  Stromes  abhängig  sein.     Denn  geht  der  Strom  in  der 
Richtung,    dass  der  Spannungsunterschied,    in   gleicher  Richtung  gerechnet, 
eine  Erhöhung  der  Spannung  ergiebt,   so   muss  an   einer   solchen  Stelle 
elektrische  Arbeit  geleistet  werden,  und  die  dazu  erforderliche  Energie  wird 
als   Wärme   aus   der   Umgebung   aufgenommen;    findet   umgekehrt  in  der 
Richtung  des  Stromes  ein   Fall  der  Spannung  statt,   so  verschwindet  aus 
dem    Strome   an   dieser   Stelle   ein   entsprechender  Betrag  der  elektrischen 
Energie,    und   dieser  muss  in  der  Gestalt  von  Wärme  erscheinen.     Solche 
Vorgänge,  bei  welchen  je  nach  dem  Sinne  des  Stromes  Wärme  verschwindet 
oder  entwickelt  wird,  sind  nun  die  von  Peltier  entdeckten,  und  daher  kann 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  QÖQ 


an  aus  dem  Betrage  dieser  Wärmewirkungen  auf  den  Betrag 
*r  an  der  Grenzfläche  zweier  Leiter  vorhandenen  Spannung 
:hliessen. 

Dieser  uns  jetzt  ziemlich  einfach  erscheinende  Schluss  ist  seinerzeit  weder 
>n  W.  Thomson  noch  von  Clausiüs  gezogen  oder  ausgesprochen  worden. 

Der  erste,  bei  dem  ich  eine  klare  Erkenntniss  dieser  Beziehung  aufge- 
nden  habe,  ist  F.  P.  le  Roux,  der  in  einer  am  20.  August  1866  vor  der 
iriser  Akademie  gelesenen  Abhandlung1  über  die  thermoelektrischen  Er- 
heinungen  den  folgenden  Satz  ausspricht:  „Wenn  in  einem  Strom- 
eise Absorptionen  oder  Entwickelungen  von  Wärme  stattfinden, 
eiche  der  Stromstärke  proportional  sind  und  demgemäss  mit 
*r  Stromrichtung  ihr  Zeichen  ändern,  so  entsprechen  diese  Wir- 
ingen proportionalen  elektromotorischen  Kräften  von  gleichem 
ler  entgegengesetztem  Sinne,  deren  Sitz  offenbar  an  den  Stellen 
t,  wo  sich  diese  Absorptionen  oder  Entwickelungen  der  Wärme 
rltend  machen." 

le  Roux  wendet  den  Satz  nur  auf  thermoelektrische  Verhältnisse  an, 
lern  er  verspricht,  bei  einer  anderen  Gelegenheit  auf  seine  Bedeutung  für 
droelektrische  Ketten  zurückzukommen;  diese  letztere  Arbeit  ist  indessen 
der  nicht  erschienen.  Aus  der  ersten  seien  folgende  Darlegungen  wieder- 
geben: 

„Ich  habe  die  PELTHSR'sche  Wirkung  beim  Durchgange  eines  Stromes 
ischen  Kupfer  und  einer  Anzahl  von  Metallen  gemessen.  Nehmen  wir 
ispielsweise  das  Paar  Kupfer- Wismuth. 

„Ich  stellte  eine  Art  Hufeisen  aus  zwei  rechtwinkligen  Stäben  von  Wis- 
ith  her,  die  gleichen  Querschnitt  und  gleiches  Gewicht  hatten  und  an 
en  oberen  Enden  durch  ein  Querstück  aus  demselben  Metall  verbunden 
ren.  An  jedes  untere  Ende  wurden  Kupferstreifen  gelöthet,  welche  unter 
tander  so  gleich  wie  möglich  waren;  durch  diese  wurde  die  Verbindung 
t  der  Säule  hergestellt.  Die  beiden  Arme  des  Hufeisens  tauchen  in 
lorimeter  von  vergoldetem  Messing  mit  120  g  Wasser;  diese  Calorimeter 
rhen  auf  drei  Spitzen  von  Holz,  sind  umgeben  von  Cylindern  aus  polirtem 
eissblech  und  mit  Deckel  und  Rührer  versehen.  In  jedes  taucht  ein  in 
hntelgrade  getheiltes  Thermometer;  da  der  Zwischenraum  zwischen  je 
ei  Theilstrichen  etwa  1  mm  beträgt,  so  lässt  sich  leicht  ein  Hundertstel- 
ad schätzen. 

„Wegen  der  Bequemlichkeit  der  Arbeit  wie  der  Sicherheit  der  Ergeb- 
;se  ist  es  wichtig,  wie  gleich  auseinandergesetzt  werden  soll,  dass  der 
rom  eine  vollkommen  constante  Intensität  beibehält.  .  .  .  (Es  folgt  nun  eine 
Schreibung  der  benutzten  Batterie  u.  s.  w.)  .  .  . 

„Nehmen  wir  an,  um  eine  Vorstellung  zu  haben,  dass  der  Strom  in 
s  rechte  Calorimeter  eintritt;    in   diesem  geht  er  daher  vom  Kupfer  zum 


1  Ann.  chim.  phys.  (4)  10,  201.  1867. 


970 


Siebzehntes   Kapitel. 


Wismuth  und  bringt  eine  Erwärmung  hervor.  Im  linken  Calorimeter  geht 
er  vom  Wismuth  zum  Kupfer  und  bedingt  Abkühlung.  Daneben  erwärmt 
sich  aber  jedes  Calorimeter  um  einen  Betrag,  welcher  dem  Widerstände  der 
eingetauchten  Leiter  proportional  ist;  es  sind  alle  Vorsichtsmaassregeln  ge- 
troffen, um  diese  Erwärmung  so  gleich  wie  möglich  zu  machen.  Indessen 
wird  dieses  Ergebniss  selten  erreicht;  gewöhnlich  findet  zwischen  den  beiden 
Zweigen  des  Paares  eine  kleine  Ungleichheit  der  Widerstände  statt  Wären 
keine  hiervon  herrührenden  Ungleichheiten  vorhanden,  so  würde  der  Unter- 
schied der  Temperaturerhöhungen  beider  Calorimeter  den  doppelten  Werth 
der  Peltier -Wärme  angeben,  wenn  man  von  den  Wärmeverlusten  durch 
Strahlung  und  Leitung  absieht.  Um  diesen  Unterschied  herausfallen  zu 
lassen,  kehrt  man  den  Strom  um  und  lässt  ihn  ebenso  lange,  wie  das  erste 
Mal  gehen  bei  gleicher  Intensität;  die  Summe  der  Unterschiede  der  Erwär- 
mungen der  beiden  Calorimeter  am  Ende  jeder  dieser  beiden  Perioden  giebt 
den  vierfachen  Werth  der  Wärmeentwickelung,  welche  man  messen  will" 

Auf  diese  Weise  hat  nun  le  Roux  die  Werthe  der  folgenden  Tabelle 
ermittelt.  Um  die  beobachteten  Wärmemengen  auf  eine  bekannte  elektro- 
motorische Kraft  zurückzufuhren,  ist  er  davon  ausgegangen,  dass  bei  dem 
DANiELi/schen  Element  die  chemische  und  die  elektrische  Wärme  sehr  nahe 
gleich  sind.  Indem  er  diese  für  ein  Gramm-Äquivalent  gleich  236  K  nahm, 
und  die  beobachtete  Wärmeentwickelung  auf  die  gleiche  Elektricitätsmenge, 
welche  ein  Gramm-Äquivalent  Kupfer  im  DANiELi/schen  Element  abscheidet, 
bezog,  konnte  er  durch  Division  der  beobachteten  Wärmemenge  mit  236 
die  entsprechende  elektromotorische  Kraft  oder  Spannung  berechnen,  welche 
an  der  Berührungsstelle  der  verschiedenen  Metalle  thätig  ist  Demgemäss 
beziehen  sich  die  nachstehenden  Werthe  auf  die  Kraft  der  DANiBix'schen 
Kette  als  Einheit.     Alle  Metalle  sind  gegen  Kupfer  gemessen. 

Legirung  SbCd  mit  20  Procent  Wismuth 0,014g 

Antimon  des  Handels 0,0055 

Eisen 0,0028 

Cadmium 0,00055 

Zink 0,0004 

Neusilber —0,0027 

Reines  Wismuth —0,0218 

Wismuth  mit  10  Procent  Antimon —0,0294. 

Die  fünf  ersten  Metalle  geben  eine  Temperaturerniedrigung  im  Sinne 
des  positiven  Stromes,  bei  ihnen  steigt  also  die  Spannung  beim  Übergange 
vom  Kupfer  zum  Metall;  bei  den  übrigen  ist  es  umgekehrt. 

Wie  man  sieht,  sind  die  Spannungsunterschiede  zwischen  den  verschie- 
denen Metallen  weit  davon  entfernt,  den  mittelst  des  Condensators  gemessenen, 
die  der  Voi/rA'schen  Theorie  entsprechen,  gleich  zu  sein;  sie  sind  von  gam 
anderer  Grössenordnung,  hundertmal  kleiner,  als  jene,  und  auch  im  übrigen 
ohne  ersichtliche  Beziehung  zu  ihnen.  So  entspricht  der  grösste  VoLTA'scbe 
Spannungsunterschied  dem  Element  Kupfer-Zink.  Nach  dem  Ergebniss  der 
Messungen  der  Peltier- Wärme  ist  gerade  .dieser  Unterschied  der  kleinste. 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  Q7  i 


8.  Die  Arbeiten  von  Edlund.  Wenn  auch  die  Messungsergebnisse 
ler  Arbeit  von  le  Roux  Beachtung  fanden,  so  scheint  die  theoretische  Über- 
sgung,  welche  er  ihnen  hinzufugte,  keine  Aufmerksamkeit  erregt  zu  haben. 
>o  erklärt  es  sich,  dass  einige  Jahre  später,  und  wieder  mit  gleichem  nega- 
iven  Erfolge  nach  aussen  ganz  ähnliche  Betrachtungen  von  einem  Physiker 
im  anderen  Ende  Europas  angestellt  worden  sind.  In  einer  am  14.  April 
869  vor  der  schwedischen  Akademie  gelesenen  Abhandlung1  setzt  E.  Edlund 
tuseinander,  dass  die  Bedeutung  der  von  Peltier  beobachteten  Abkühlungs- 
jrscheinungen  darin  liege,  dass  mit  ihrer  Hülfe  die  wahren  Potentialunter- 
ichiede  zwischen  den  Metallen  unabhängig  von  ihrer  wechselnden  Ober- 
lächenbeschaffenheit  sich  bestimmen  lassen.  Seine  allgemeinen  Darlegungen 
lecken  sich  im  Wesentlichen  mit  denen  seines  Vorgängers,  doch  sollen  sie 
wiedergegeben  werden,  um  den  Leser  mit  dem  fraglichen  Gedanken  um  so 
/ertrauter  zu  machen. 

„Angenommen,  man  habe  einen  Elektromotor  von  ganz  beliebiger  Be- 
schaffenheit, dessen  Pole  vermittelst  eines  Leiters  mit  einander  vereinigt  sind. 
Arenn  die  elektromotorische  Kraft  gleich  e  und  der  gesammte  Widerstand 
m  Elektromotor  zusammen  mit  dem  im  Leiter  gleich  /  ist,  so  ist  die  ganze 

om   Strom   entwickelte  Wärmemenge  gleich    -=  l  =  e  —  oder ,   wenn   s  die 

Stromstärke  bedeutet,  =  es.  Aber  ebensoviel  Wärme  muss  nach  dem  eben 
ngefiihrten  im  Elektromotor  verschwinden  oder  in  Elektricität  verwandelt 
werden.  Daselbst  geschieht  also  eine  Wärmeabsorption,  welche  der  elektro- 
lotorischen  Kraft,  multiplicirt  mit  der  Stromstärke,  proportional  ist.  Wenn 
lan  zwei  Elektromotore  hat,  deren  elektromotorische  Kräfte  e  und  e'  sind, 
nd   diese  in  gleicher  Richtung  wirken,   so    beträgt   die   ganze  vom  Strom 

ntwickelte  Wärmemenge         a     lt  =  (e  +  e')st3   wenn  st  und  lt  die  Strom- 

tärke  und  den  ganzen  Widerstand  bieten.  Diese  Wärmemenge  muss  also 
n  beiden  Elektromotoren  zusammen  absorbirt  werden.  Hieraus  folgt,  dass 
n  jedem  Elektromotor  eine  Wärmeabsorption  entsteht,  welche  der  gemein- 
chaftlichen  Stromstärke,  multiplicirt  mit  der  elektromotorischen  Kraft  pro- 
>ortional  ist.  Das  Resultat  wird  natürlich  dasselbe,  wenn  auch  eine  grössere 
£ahl  von  Elektromotoren  da  ist,  sobald  diese  nur  in  gleicher  Richtung  wirken. 
„Wenn  die  elektromotorischen  Kräfte  in  entgegengesetzter  Richtung 
virken  und  e  grösser  als  e*  ist,  so  erhält  man  einen  Strom  in  der  Richtung 
ier  ersteren  Kraft.  Die  ganze  vom  Strom  entwickelte  Wärmemenge  wird 
n  diesem  Falle  =  (e  —  e')  s  ,  wenn  s  die  Stromstärke  ist.  Eine  ebenso 
jrosse  Wärmemenge  muss  in  den  beiden  Elektromotoren  verschwinden.  Aber 
n  dem  ersteren  wird  die  Wärmemenge  e  $ti  absorbirt,  welche  grösser  ist,  als 
lie  vom  Strom  erzeugte.  Der  Unterschied  zwischen  beiden  ödes  e*  slt  muss 
ilso  in  dem  anderen  Elektromotor  erzeugt  werden,  so  dass  die  algebraische 
Summe  der  Wärme,  welche  entsteht,  und  der,  welche  verschwindet,  gleich 


1  Poog.  Ann.  187,  474.  1869. 


Q72  Siebzehntes  Kapitel. 


Null  werden  kann.  Hieraus  folgt  also,  dass,  wenn  ein  Strom  einen  Elektro- 
motor in  entgegengesetzter  Richtung  gegen  den  Strom  durchgeht,  welcher 
von  diesem  erzeugt  wird,  in  demselben  Elektromotor  eine  Wärmeproduktk» 
entsteht,  welche  dem  Produkte  der  elektromotorischen  Kraft  in  die  Strom- 
stärke proportional  ist.  Hieraus  ergiebt  sich  also  das  Schlussresultat:  Wenn 
ein  galvanischer  Strom  einen  Elektromotor  in  derselben  Richtung 
durchläuft,  wie  der  Strom,  welcher  vom  Elektromotor  erzeugt 
wird,  so  entsteht  Absorption  von  Wärme;  geht  der  Strom  dagegen 
in  entgegengesetzter  Richtung,  so  entsteht  Produktion  von  Wärme; 
die  Wärmemenge,  welche  im  ersten  Falle  absorbirt  und  im  letzten 
producirt  wird,  ist  proportional  der  durchgegangenen  Stromstärke, 
multiplicirt  mit  der  elektromotorischen  Kraft  an  der  Stelle,  wo 
die  Wärmeveränderung  geschieht/' 

Die  Anwendung  auf  die  elektromotorischen  Kräfte  an  der  Berührungs- 
stelle verschiedener  Metalle  ergiebt  sich  hieraus  unmittelbar,  und  die  Peltier- 
schen  Erscheinungen  stellen  sich  hiernach  als  ein  Mittel  dar,  diese  Kräfte 
zu  messen.  Edlund  macht  alsbald  darauf  aufmerksam,  dass  nach  diesem 
Verfahren  sich  ganz  andere  Zahlen  ergeben  könnten,  als  nach  der  üblichen 
Condensatormethode,  und  verspricht,  so  bald  als  möglich  Messungen  in  dieser 
Richtung  auszuführen. 

Im  Jahre  1870  theilte  dann  Edlund  die  ersten  Ergebnisse  seiner  Ver- 
suche über  die  Bestimmung  der  Spannungsunterschiede  zwischen  Metallen 
nach  der  angegebenen  Methode  mit.  *  Auf  das  Verfahren  und  die  erhaltenen 
Zahlen  soll  nicht  eingegangen  werden,  da  in  einer  späteren  Arbeit  beide 
verbessert  worden  sind.  Nur  das  allgemeine  Resultat  muss  erwähnt  werden: 
die  aus  den  Peltier- Erscheinungen  erschlossenen  Spannungsunterschiede 
zeigten  nicht  den  mindesten  Zusammenhang  mit  den  nach  der  Condensator- 
methode gewonnenen  Werthen.  „Es  ist  deshalb  höchst  wahrscheinlich,  dass 
die  elektrische  Spannung  (bei  der  Condensatormethode)  nicht  ausschliesslich 
von  dem  Contact  zwischen  den  beiden  Metallen,  sondern  von  der  Gas-  oder 
Wasserschicht,  die  auf  ihrer  Oberfläche  condensirt  wird,  abhängig  ist;  eine 
Ansicht,  für  die  bekanntlich  mehrere  Gründe  sprechen.  Dahingegen  zeigt 
es  sich,  dass  die  thermo-elektrische  Reihe  mit  der  für  die  elektromotorischen 
Kräfte  gleich  ist.  Die  Metalle,  welche  beim  Contact  mit  einander  die  grösste 
elektromotorische  Kraft  erzeugen,  geben  auch  den  grössten  thermoelektrischen 
Strom  bei  der  Erwärmung  der  Contactstelle;  aber  diese  thermoelektrischen 
Ströme  sind  nicht  bei  allen  Combinationen  proportional  den  entsprechenden 
elektromotorischen  Kräften." 

Die  Hauptabhandlung  Edlund's2  bestätigte  dies  vorläufige  Ergebniss  in 
allen  Punkten.  Das  Verfahren  bestand  darin,  dass  die  beiden  Berührungs- 
stellen des  zu  untersuchenden  Metallpaares  in  die  beiden  gleich  gebauten 
Gefässe    eines    Differential- Luftthermometers    eingesetzt    wurden;    die    dem 

1  Pogg.  Ann.  140,  435.    1870.  *  Ebenda  148,  404.   1871. 


Die  elektrochemischen  Spannuagsergcheinungeo. 


973 


uadrat  der  Stromstärke  proportionale  „JouLE'sche"  Wärme  wirkte  dann 
eichmässig  auf  beide  Seiten  des  Thermometers  und  brachte  in  dem  zwischen 
:iden  befindlichen  Manometer  keinen  Ausschlag  hervor;  die  PELTtER-Wirkung 
ar  dagegen  auf  beiden  Seiten  entgegengesetzt  und  verursachte  in  dem  einen 
efass  eine  relative  Abkühlung,  in  dem  anderen  eine  entsprechende  Erwär- 
mung, so  dass  der  Ausschlag  verdoppelt  wurde.     Die  Figuren  246  und  247 


Nach  Edlcnd. 


eben  eine  Vorstellung  von  der  Anordnung;  a  und  b  sind  die  beiden  von 
sn  Schutzhüllen  g  und  g"  umgebenen  Gefässe  des  doppelten  Luftthermo- 
leters;    k  k  ist  die  Verbindungsröhre,   in   welcher   sich  ein  flüssiger  Index 


Fig.  247.     Nach  Edlund. 


:findet,  und  die  die  in  den  beiden  Gefässen  entstehenden  Druck  verschieden- 
sten abzulesen  gestattet,  nachdem  der  ganze  Apparat  einen  am  Gradbogen  k 
>zulesenden  Winkel  gegen  die  Horizontalebene  erhalten  hat;  cc  und  cV  sind 
e  dem  Versuch  unterworfenen  Drähte.  Die  elektrischen  Verbindungen 
nd  nicht  gezeichnet 

Das  endliche  Ergebniss  seiner  Untersuchung  fasst  Edlund  schliesslich  in 
e  folgenden  Sätze  zusammen: 

„1)  Die  elektrische  Spannungsreihe  der  Metalle,  wie  sie  gegründet  auf 
ektroskopische  Versuche  aufgestellt  worden  ist,  steht  in  keinem  unmittel- 
iren  Zusammenhange  mit  den  elektromotorischen  Kräften  beim  Contact 
m-  Metalle,  weshalb  man  von  dieser  Reihe  nicht  auf  die  Grösse  oder  die 
eschaffenheit  dieser  Kräfte  schliessen  kann. 

„2)  Die  Ordnung  der  Metalle  in  der  elektromotorischen  und  der  thermo- 
ektrischen  Reihe  ist  vollkommen  dieselbe. 

„3}  Die  contact- elektromotorische  Kraft  für  die  elf  untersuchten  Metall- 


qja  Siebzehntes  Kapitel. 


Berechnet 

Cu  |  Ag 

-  4»95 

CujFe 

-26,4 

Cu  ,  Pt 

+   3>27 

Cu  |  Zn 

-   3.53 

Cu    Cd 

-   6,17 

Cu  ,  Ni 

+  46,8 

—   2,12 

Mikrovolt 

-11,28 

»? 

+    1,40 

»1 

-   i.5i 

»t 

-   2,64 

»» 

+  20,03 

»» 

combinationen  nimmt  mit  der  Temperatur  zu,  wenn  die  Versuche  bei  einer 
Temperatur  angestellt  werden,  die  nicht  +30  Grade  übersteigt. 

„4)  Die  thermo- elektrischen  Kräfte,  welche  bei  gegebenen  Metallcom- 
binationen  bei  einer  gegebenen  Temperaturveränderung  entstehen,  sind  nicht 
proportional  den  elektromotorischen  Kräften  derselben  Metallcombinationen." 

Der  Satz  4  hat  sich  in  der  Folge  als  unrichtig  ergeben,  die  PEi/riER-Wir- 
kungen  sind  den  thfcrmoelektrischen  Kräften  allerdings  proportional. 

Es  geht  dies  aus  einer  späteren  Untersuchung  von  H.  Jahn  l  hervor,  der 
die  Peltier- Wärmen  mittelst  des  Eiscalorimeters  maass  und  folgende  Ver- 
gleichstabelle für  die  durch  die  Stromstärke  Eins  entwickelte  Wärme  erhielt: 

Gefunden 

-  4,13 
-31»6 

+   3»30 

-  5,85 

-  6,16 

+  43,6 

Während  ein  Theil  der  Zahlen  sehr  gut  stimmt,  zeigen  sich  bei  anderen 
Abweichungen.  Doch  muss  bemerkt  werden,  dass  die  beobachteten  Grössen 
sich  als  Unterschiede  der  gesammten  und  der  JouLE^schen  Wärme  ergaben 
und  häufig  weniger  als  den  zehnten  Theil  der  ersteren  betrugen,  so  dass 
eine  starke  relative  Vermehrung  der  Versuchsfehler  vorhanden  ist 

Die  in  letzter  Reihe  verzeichneten  Zahlen  geben  die  thermoelektro- 
motorischen  Kräfte  der  bezeichneten  Metalle  für  einen  Grad  Temperatur- 
unterschied bei  Null  Grad  in  Mikrovolt.  Mit  273,  der  Temperatur  des 
Eispunktes  in  absoluter  Zählung  multiplicirt,  geben  sie  den  Spannungsunter- 
schied,   der    zufolge    der    Theorie   zwischen    den    Metallen    bestehen  muss. 

Die  von  le  Roux  und  Edlund  übereinstimmend  gezogenen  Schlüsse  über 
die  wahren  Potentialunterschiede  der  Metalle  blieben  zunächst  vollkommen 
unbeachtet,  und  wurden  nicht  einmal  einer  Widerlegung  gewürdigt.  Da- 
gegen entstand  für  die  beiden,  wie  es  scheint  unbekannter  Weise,  ein  Eides- 
helfer in  dem  hervorragenden  englischen  Physiker  James  Clerk  Maxwell, 
welcher  in  seinem  berühmten  Werke  über  die  Elektricität  und  den  Mag- 
netismus2 genau  den  gleichen  Gedanken  entwickelte  und  dabei  betonte,  dass 
dies  Verfahren  das  einzige  einwurfsfreie  sei,  um  die  fraglichen  Grössen  zu 
bestimmen.3 

1  Wied.  Ann.  34,  755.   1888. 

*  A  treatise  on  Elcctricity  and  Magnetism  I,  §  249.   1873. 

8  Die  Beweiskraft  der  von  le  Roux,  Edlund  und  Maxwell  benutzten  Überlegung  be- 
züglich der  Messung  der  wahren  Contactkraft  zwischen  den  Metallen  aus  der  PELTiEE'schen 
Erscheinung  wurde  von  F.  Kohlrausch  (Pogg.  Ann.  157,  601.  1875)  au^  Grund  einer  be- 
sonderen Hypothese  in  Frage  gestellt,  welche  darauf  hinausläuft,  dass  es  als  im  Wesen  &* 
elektrischen  Stromes  begründet  angesehen  wird,  dass  er  von  einer  Wärmebewegung  begM<t 
ist,  und  umgekehrt.  Es  nimmt  gemäss  dieser  Annahme  mit  anderen  Worten  strömende  Elek- 
tricität Wärme  mit,  und  strömende  Wärme  Elektricität. 

Wir  brauchen  auf  die  Durchfuhrung  dieser  Hypothese  im  Einzelnen  nicht  einzugehen.  E> 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  07  * 


Durch  diese  Überlegungen  und  Versuche  war  von  den  über  die  elektro- 
motorische Kraft  der  Ketten  vorliegenden  Frage  eine  beantwortet  worden: 
die  Spannung  zwischen  den  verschiedenen  Metallen  ist  jedenfalls  nicht  die 
Ursache  des  Spannungsunterschiedes  an  den  beiden  Polen  einer  VoLTA'schen 
Kette.  Denn  jener  Betrag  hatte  sich  nach  der  einzigen  Methode,  welche 
dafür  zur  Verfügung  stand,  als  verschwindend  klein  im  Verhältniss  zu  dem 
zu  erklärenden  Werthe  ergeben.  Folglich  musste  dieser  letztere  an  den 
anderen  vorhandenen  Berührungsstellen,  denen  zwischen  Metallen  und  Elek- 
trolyten, gesucht  werden.  Die  Beantwortung  der  hier  auftretenden  Fragen 
geschah  in  zwei  Stufen;  zunächst  wurde  der  Zusammenhang  zwischen  der 
chemischen  und  der  elektrischen  Energie  in  der  Kette  in  richtiger  Form  er- 
mittelt, wodurch  die  Berechnung  der  elektromotorischen  Kraft  aus  den 
Wärmetönungen  der  chemischen  Vorgänge  in  sachgemässer  Weise  möglich 
gemacht  wurde.  Diese  Theorie  gab  von  dem  Gesammtbetrage  der  elektro- 
motorischen Kraft  allerdings  Rechenschaft;  wie  dieser  sich  aber  auf  die  beiden 
wirksamen  Berührungsstellen  vertheilt,  konnte  auch  diese  neue  Theorie  nicht 
beantworten. 

Dieser  letzte  Aufechluss  wurde  wiederum  auf  einem  ganz  fern  abliegen- 
den Wege  gefunden.  Ähnlich  wie  die  PELTiER-Wirkung  die  Messung  des 
Spannungsunterschiedes  an  einer  einzigen  Berührungsfläche  gestattete, 
Während  alle  anderen  Methoden  immer  nur  Summen  von  mehreren  Span- 
nungen ergaben,  so  wurde  auch  für  die  Berührung  zwischen  Metallen  und 
Elektrolyten  ein  Weg  gefunden,  der  eine  einzelne  Spannung  ergab.  Da- 
durch konnte  der  letzte  Schritt  gethan  werden,  und  gegenwärtig  sind  wir 
über  den  Betrag  aller  einzelnen  Spannungen,  wie  sie  z.  B.  an  den  vier  Be- 
rührungsstellen der  DANiELi/schen  Kette  vorkommen,  ausreichend  unterrichtet. 
Wir  wissen,  dass  nicht  nur  nach  dem  eben  dargelegten  zwischen  den  beiden 
Metallen  Zink  und  Kupfer  kein  Potentialunterschied  besteht,  der  ein  Tausendstel 
Volt  überschritte,  sondern  dass  dies  auch  für  die  Berührungsstelle  der  beiden 
Lösungen  (wenn  man  beiderseits  die  Sulfate  von  gleicher  molekularer  Con- 
centration  benutzt)  gilt.    Von  dem  Betrage  der  gesammten  elektromotorischen 

gelingt  mittelst  derselben  ganz  wohl,  von  den  bekannten  Erscheinungen  ein  Bild  zu  geben,  zur 
Entdeckung  unbekannter  hat  sie  aber  nicht  geführt,    und   kann  deshalb  in  dieser  Beziehung  als 
entbehrlich   bezeichnet  werden.     Daneben    aber    scheint    sie    mit    einigen   Thatsachen,    die   auf 
anderen  Gebieten   bekannt  sind,   in  Widerspruch   zu   stehen.     Wenn   in  einem  neutralen  Leiter 
«durch  Influenz  eine  ungleiche  Vertheilung  der  Elektricität  bewerkstelligt  worden  ist,  so  ist  dies 
durch  einen  elektrischen  Strom   geschehen,   und   da  dieser  nach   der  Hypothese  Wärme   mitge- 
nommen hat,  so  muss  die  Temperatur  des  Leiters  verschieden  geworden  sein.    Jetzt  lassen  wir 
den   Leiter  in   diesem   Zustande   verweilen;    die    elektrische   Ladung  kann   sich   unter  günstigen 
Verhältnissen  viele  Stunden   halten,    während   es   nicht   möglich   ist,   ein  Gleiches   für  die  ent- 
standene Temperaturungleichheit  zu  behaupten,  da  wir  für  Wärme  keinen  Isolator  kennen.     Es 
muss  also  ein  umgekehrter  Wärmestrom   eintreten,    der  aber  keinen  proportionalen  Strom   von 
Elektricität  mit  sich  fuhren  kann,  die  elektrische  Ladung  bleibt  ja  bestehen,  während  sie  sonst 
verschwinden  müsste. 

Man   darf  daher  annehmen,    dass   durch   diese  Hypothese  die  Gültigkeit  der  oben  darge- 
legten Betrachtungen  nicht  erschüttert  oder  widerlegt  ist. 


Q~ß  Siebzehntes  Kapitel. 


Kraft  1,1  Volt  liegen  0,5  Volt  an  der  Grenzstelle  Zink  |  Zinksulfat  und  die 
übrigen  0,6  Volt  an  der  Grenzstelle  Kupfersulfat  |  Kupfer.  Die  Darlegung  der 
beiden  Entwicklungsstufen  dieser  Frage  wird  der  Gegenstand  der  nun  fol- 
genden Mittheilungen  sein. 

9.    Die   Reform    der   thermochemischen    Theorie    der   elektro- 
motorischen Kraft.     Während  in  der  eben  geschilderten  Weise  das  älteste 
Dogma  in   dem  Gebiete  der  elektromotorischen  Kräfte,   die  Lehre  von  der 
Contactelektricität  der  Metalle,    überwunden  war,   bereitete  sich  gleichzeitig 
ein  anderer  Umschwung  vor,  welcher  sich  auf  einen  anderen,  nicht  weniger 
hartnäckig  festgehaltenen  Satz  bezog.    Auch  hier  zeigt  sich  die  Erscheinung, 
dass  die  begriffliche  Bewältigung  der  aufgedeckten  Verhältnisse,   so  einfach 
sie  uns  jetzt  erscheint,    seinerzeit  so  fern  lag,    dass  die  vorhandenen  Beob- 
achtungen   zunächst   unbeachtet   gelassen,    und   dass   später   die    Versuche, 
Rechenschaft   von    diesen   zu  geben,    mehr  oder  weniger  schroff  abgelehnt 
wurden.     Der   hier   verlaufende  Streit   hat   in   seinen  einzelnen   Phasen  die 
grösste  Ähnlichkeit  mit  dem  Streit  der  beiden  Theorieen  des  Galvanismus, 
und  hier  wie  dort  ist  das  Schlussergebniss  des  Streites  erst  sehr  viel  später 
anerkannt  als  mitgetheilt  worden.     Auch  insofern  ist  Übereinstimmung  vor- 
handen, als  zwar  die  Gründe  der  Neuerer  gegen  die  alten  Theorieen  gut  waren, 
nicht  aber,  wenigstens  zunächst  nicht,  das  Neue,  was  sie  an  die  Stelle  des 
Alten  setzen  wollten.    Erst  die  stufenweise  Verbesserung  an  dieser  Seite  hat 
das  Wesentliche  für  die  schliessliche  Entscheidung  geliefert 

Die  erste  auffällige  Beobachtung  wurde  im  Jahre  1875  an  Flüssigkeits- 
ketten gemacht;  ihre  theoretische  Tragweite,  so  bedeutend  sie  war,  wurde 
allerdings  gar  nicht  richtig  gewürdigt.  Bei  Gelegenheit  von  Untersuchungen 
über  die  Leitfähigkeiten  von  Elektrolyten,  bei  denen  Berührungsstellen  zwischen 
verschiedenen  Lösungen  vorkamen  (S.  904),  stellte  A.  Paalzow  einige  Beob- 
achtungen über  Flüssigkeitsketten  an1  und  bemerkte  dabei  zunächst,  dass 
deren  elektromotorische  Kraft  nicht  verschieden  ist,  ob  die  Flüssigkeiten 
mit  einer  scharfbegrenzten  Trennungsfläche  an  einander  grenzen,  oder 
eine  Vermischung  über  kürzere  oder  längere  Strecken  stattgefunden  hat 
Paalzow  beschreibt,  auf  welchem  Wege  er  anfänglich  scharfbegrenzte  Tren- 
nungsflächen erhalten  hatte,  und  fährt  dann  fort:  „Als  ich  nun  eine  solche 
Kette  compensirt  hatte  und  durch  Umrühren  mit  einem  Glasstabe  der  Reihe 
nach  die  Trennungsflächen  zerstörte,  blieb  die  elektromotorische  Kraft  die- 
selbe und  die  Nadel  der  WiEDEMANN'schen  Bussole  blieb  ruhig  auf  Null. 
...  So  überraschend  dieses  Resultat  war,  so  hätte  es  doch  vorhergesehen 
werden  können,  denn  nur  bei  festen  Körpern  ist  eine  scharfe  Trennung^ 
fläche  möglich;  bei  Flüssigkeiten  wird  eine  solche  niemals  existiren,  es  wird 
sich  sofort  eine  neue  Schicht  aus  dem  Gemische  der  beiden  Flüssigkeiten 
bilden.  Bei  einer  sogenannten  scharfen  Trennungsfläche  werden  wir  dann 
auf  einem  kleinen  Intervall,  bei  einer  durch  Umrühren  zerstörten  auf  einem 

1  Pogg.  Ann.  Jubelband,  643.   1874. 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  qjj 


rösseren  alle  Mischungsgrade  finden,  und  für  diesen  Unterschied  allein  giebt 
3  keinen  zureichenden  Grund,  eine  Änderung  der  elektromotorischen  Kraft 
j  erwarten." 

Paalzow  geht  weiter  zu  Erörterungen  über  die  Quelle  der  Kraft  in  den 
lüssigkeitsketten  über.  „Nach  dem  Prinzip  von  der  Erhaltung  der  Kraft 
rwarten  wir  für  den  Strom,  welchen  die  Hydroketten  liefern,  einen  Ersatz 
i  der  Kette  selbst  In  der  bisher  betrachteten  Kette  Zinkvitriol  j  Schwefel- 
iurehydrat  |  Wasser  |  Zinkvitriol  würde  man  diesen  Ersatz  in  den  calorischen 
rocessen  zwischen  den  sie  constituirenden  Flüssigkeiten  suchen.  Von  diesen 
eben  sich  die  chemischen  Processe,  wie  früher  gezeigt,  ihren  calorischen 
Berthen  nach  auf,  es  findet  nur  eine  mechanische  Verschiebung  der  Flüssig- 
eren statt.  Es  bleiben  also  für  den  Ersatz  nur  die  Diffusionsprocesse  übrig, 
tiesen  ihn  zuzuschreiben,  halte  ich  für  unmöglich,  seitdem  ich  eine  Kette 
efunden  habe,  bei  welcher  durch  die  Diffusionsprocesse  nur  Kälte  geliefert 
ird  und  welche  dennoch  einen  kräftigen  Strom  liefert.  Es  ist  dies  die 
ombination  Zinkvitriol  |  Salzsäure  |  essigsaures  Zinkoxyd  j  Zinkvitriol  zwischen 
inkelektroden.  Von  den  hier  zu  betrachtenden  Diffusionsprocessen  liefert 
alzsäure  mit  Zinkvitriol  gemischt  eine  Temperaturerniedrigung,  ebenso  Salz- 
iure  njit  essigsaurem  Zinkoxyd;  essigsaures  und  schwefelsaures  Zinkoxyd 
it  einander  gemischt  zeigen  gar  keine  Temperaturveränderung. 

„Nun  unterscheide  ich  aber  bei  den  Hydroketten  überhaupt  die  che- 
ischen  und  Diffusionsprocesse,  welche  auch  bei  der  offenen  Kette  auftreten 
üssen,  von  denen,  welche  erst  durch  den  Schluss  der  Kette  hervorgerufen 
erden;  nur  den  calorischen  Werthen  der  letzteren  kann  der  Ersatz  für  die 
Tomarbeit  zugeschrieben  werden.  Es  möge  dies  an  dem  DANiELi/schen 
lemente  erläutert  werden.  Wählt  man  für  dasselbe  amalgamirtes  Zink, 
elches  vor  dem  Schlüsse  des  Elements  fast  gar  nicht  angegriffen  wird, 
inn  ist  nach  dem  Schlüsse  der  ganze  calorische  Werth  des  chemischen 
-ocesses  in  der  Kette  der  Stromarbeit  äquivalent.  Wird  aber  nicht  amal- 
imirtes  Zink  zu  derselben  genommen,  so  sind  zwei  chemische  Vorgänge  zu 
iterscheiden:  die  Auflösung  des  Zinks,  welche  auch  bei  offener  Kette  ein- 
eten  würde,  und  diejenige,  welche  der  Strom  erst  veranlasst  hat.  Ich  habe 
lieh  durch  den  Versuch  davon  überzeugt,  dass  die  rein  chemische  Auf- 
sung  des  Zinks  in  der  geschlossenen  Kette  gleich  der  ist,  welche  auch  in 
»r  offenen  Kette  auftreten  würde,  und  dass  die  Stromarbeit  nur  der  Zink- 
enge  entspricht,  welche  durch  den  Strom  aufgelöst  wird.  .  .  . 

„Wollte  man  die  Stromarbeit  der  Flüssigkeitsketten  den  calorischen 
Berthen  der  Diffusionsprocesse  zuschreiben,  so  dürften  das  nur  diejenigen 
in,  welche  erst  in  der  geschlossenen  Kette  auftreten,  und  es  müsste  der 
achweis  geliefert  werden,  dass  der  Diffusionsprocess  in  der  geschlossenen 
ette  anders  erfolgt,  als  in  der  offenen.  Zur  Zeit  fehlt  derselbe.  Aber  nach 
?n  Erfahrungen  an  der  Kette  Zinkvitriol  |  Salzsäure  |  essigsaures  Zink  |  Zink- 
triol  könnte  man  hier  die  Stromarbeit  weder  dem  einen,  noch  dem  anderen 
schreiben,  da  ja  hier  durch  die  Diffusion  nur  Kälte  producirt  wird. 

Ostwald.  Elektrochemie.  62 


978 


Siebzehntes  Kapitel. 


„Ich  neige  daher,  wenigstens  für  die  Flüssigkei 
Nobili's  zu:  dass  die  Ströme,  welche  sie  liefern,  ähr 
die  Thermoströme  sind,  und  dass  der  Ersatz  für  die  S 
aussen  absorbirten  Wärme  zu  suchen  ist.  Mit  den  ex 
dieser  Ansicht  bin  ich  noch  beschäftigt" 

In  diesen  Überlegungen  ist  Richtiges  und  Falscl 
mischt.  Die  Unterscheidung  zwischen  primärer  und  s 
der  Kette  ist  vollkommen  richtig,  wenn  auch  nicht 
ausgesprochen;  die  Ansicht  aber,  dass  ein  unter  Wärtr 
der  chemischer  Vorgang  nicht  die  Ursache  eines  Stn 
ruht  auf  einer  Verwechselung,  die  nicht  selten  bega 
noch  begangen  wird.  Der  zweite  Hauptsatz  der  mechai 
welcher  von  Clausius  in  der  Gestalt  formulirt  worden  i; 
nicht  von  selbst  von  einem  kälteren  zu  einem 
ist  von  seinem  Entdecker  dahin  erläutert  worden,  ds 
processe '  Arbeit  irgend  welcher  Art  aus  Wärme  entste 
vorhandene  Wärme  von  gleicher  Temperatur  war. 
untersuchten  Kette  entsteht  allerdings  elektrische  Ene: 
zeitig  Wärme  von  constanter  Temperatur  sich  in  diesi 
der  Energie  verwandelt;  es  ist  dies  aber  nicht  die  Folg 
sondern  eines  einseitig  verlaufenden  Vorganges,  welche 
rungen  der  wirkenden  Stoffe,  nämlich  zu  chemischen 
ihnen  führt.  Solche  Vorgänge  aber,  welche  unter  A 
aus  der  Umgebung  (die  constante  Temperatur  haben 
leisten  können,  sind  wohlbekannt;  als  Beispiel  sei  di 
Flüssigkeit  angeführt.  Lässt  man  diese  unter  geeign« 
finden,  so  kann  man  aus  ihr  Arbeit  gewinnen,  währe: 
freiwillig  abkühlt.  Hier  geht  also  Wärme  ohne  Sei 
kälteren  Körper  in  einen  wärmeren  über,  wenn  mai 
dampfung  zu  erhaltende  Arbeit  beispielsweise  dazu  b< 
masse  zusammenzudrücken,  die  sich  dabei  über  die 
gebung  erwärmt;  es  ist  dies  aber  auch  kein  Kreispix» 
seitig  verlaufender  Vorgang,  nach  dessen  Ende  die  wirl 
anderen  Zustande  sind,  als  zu  Anfang. 

Auch  der  schliesslich  angedeutete  Vergleich  mit 
nicht  ganz  zutreffend.  Eine  solche  wirkt  nur,  wenn  ai 
schiede  hervorgebracht  werden,  und  verbraucht  Wän 
peratur  als  die  der  Umgebung  zur  Stromarbeit. 

Dagegen  gestattet  Paalzow's  Beobachtung  einen 
nicht  geringer  Bedeutung:  seine  Kette  ist  ein  bündi| 
Annahme,  dass  in  den  Ketten  die  elektrische  Energie  d 


1  Unter  einem  Kreisprocesse  verstellt  man   einen   solchen  Vo 
alle  thäligen  Stoffe  wieder  in  demselben  Zustande  sind,  nie  tu  Auf 


Die  elektrochemischen  SpaDnungserscheinungen.  Q7Q 


r  entsprechenden  chemischen  Vorgänge  äquivalent  sei.  Wäre  dies  der* 
11,  wie  Helmholtz  vorläufig  vermuthet,  Thomson  und  seine  Nachfolger  als 
her  angenommen  hatten,  so  könnten  offenbar  nur  solche  chemische  Vor- 
nge  einen  elektrischen  Strom  in  der  Kette  geben,  welche  Wärme  ent- 
skeln;  chemische  Vorgänge,  welche  unter  Wärmeaufnahme  verlaufen, 
issten  elektrisch  indifferent  sein.  Durch  den  Nachweis,  dass  dies  nicht 
r  Fall  ist,  und  dass  chemische  Vorgänge,  die  unter  Wärmeverbrauch  ver- 
ifen,  allerdings  eine  wirksame  Kette  geben  können,  ist  unzweifelhaft  be- 
?sen,  dass  die  gemachte  Voraussetzung  falsch  ist  und  dass  zwischen  der 
emischen  und  der  elektrischen  Energie  mehr  oder  weniger  grosse  Unter- 
liede  bestehen  können. 

Es  hat  später  ziemlich  langer  Kampfe  bedurft,  jenen  Irrthum  bezüglich 
s  Verhältnisses  zwischen  chemischer  und  elektrischer  Wärme  klarzustellen, 
d  auch  die  PAALzow'sche  Kette  ist  für  diesen  Zweck,  wenn  auch  nicht 
n  ihrem  Entdecker,  verwerthet  worden. 

10.  Erörterungen  von  Edlund.  Der  Widerspruch,  welchen  Edlund 
ischen  den  bis  dahin  als  richtig  angesehenen  Werthen  für  die  Spannung 
ischen  den  Metallen  und  den  nach  seiner  Methode  vermöge  der  Peltier- 
irkung  sich  ergebenden  gefunden  hatte,  ist  für  ihn  unzweifelhaft  auch  die 
•sache  gewesen,  die  andere,  bis  dahin  nicht  bezweifelte  Ansicht  in  dem 
wichen  Gebiete,  die  Frage  nach  dem  Zusammenhang  zwischen  dem  Betrage 
r  als  Wärme  bei  dem  Vorgange  erscheinenden  chemischen  Energie  der 
jtte  und  der  elektrischen  Energie,  welche  sie  liefert,  der  Prüfung  zu  unter- 
.khen.  Wir  haben  (S.  786)  gesehen,  wie  aus  der  vorläufigen  Annahme,  die 
elmholtz  gemacht  hatte,  und  der  einmaligen  Bestätigung  derselben,  die 
.  Thomson  gefunden  hatte,  sich  schnell  die  Überzeugung  herausgebildet 
.tte,  dass  es  sich  hier  um  ein  allgemeines  Naturgesetz  handele,  trotzdem 
isser  dem  Falle  des  DANiELi/schen  Elementes  fast  alle  anderen  untersuchten 
Ule  dieser  Annahme  widersprachen;  man  hatte  sich  nach  dem  Vorgange 
>sscha's  (S.  788)  hier  mit  der  weiteren  willkürlichen  Annahme  geholfen, 
iss  in  der  Kette  neben  den  eigentlichen  elektrochemischen  Vorgängen  noch 
eitere,  ihnen  proportionale  stattfinden,  welche  zur  Entstehung  der  elek- 
schen  Energie  nichts  beitragen,  und  aus  diesem  Grunde  (ein  anderer  Grund 
:  in  der  That  nicht  beigebracht  worden)  als  secundäre  Vorgänge  angesehen 
ld  bezeichnet  wurden. 

Edlund  hat  als  der  erste1  das  erhebliche  Verdienst,  die  Unvereinbarkeit 
eser  Ansicht,  die  im  Bewusstsein  der  damaligen  Forscher  allmählich  den 
ang  eines  unbezweifelbaren  Naturgesetzes  eingenommen  hatte,  mit  experi- 
entellen  Thatsachen  nachgewiesen  und  die  Unabhängigkeit  jener  beiden 
lergiegrössen  ausgesprochen  zu  haben: 

„Aus  den  experimentellen  Versuchen,  die  angestellt  worden  sind,  um 
e  Wärmeerscheinungen  in  der  galvanischen  Säule  und  in  deren  Leitungen 


1  Pogg.  Ann.  159,  420.   1876. 

02 


q3q  Siebzehntes  Kapitel. 


kennen  zu  lernen,   hat  man  den  Schluss  gezogen,    dass   die  Wärmemenge, 
welche  in  Folge  des  Durchgangs  des  Stromes  durch  die  ganze  Leitung  (die 
Säule  darin  mitverstanden)  während  einer  bestimmten  Zeit  entsteht,    ebenso 
gross  ist,  wie  die  Wärmemenge,  welche  in  der  Säule  selbst  durch  die  che- 
mischen Vorgänge  in  derselben  Zeit  hervorgerufen  wird,  wobei  man  jedoch 
vorausgesetzt  hat,  dass  der  Strom  keine  äussere  Arbeit  verrichte,  z.  B.  indu- 
cire,  chemische  Zersetzungen  bewirke  u.  dergl.  mehr,    und   dass  unter  den 
genannten  Vorgängen   nur  die  verstanden  werden  müssten,   welche  primär 
sind   und    mit   der  Strombildung   in    direkter  Verbindung  stehen.     Um  im 
Folgenden  diese  beiden  Wärmemengen  von  einander  unterscheiden  zu  können, 
wollen  wir  diejenige,  welche  durch  den  Gang  des  Stromes  durch  die  Leitung 
verursacht  wird,  die  galvanische  Wärme,  und  die  Wärmemenge,  welche  durch 
die    chemischen   Vorgänge   in    der   Säule   entsteht,   die   chemische   Wärme 
nennen.    Man  hat  dann  aus  den  angestellten  Versuchen  den  Schluss  gezogen, 
dass  unter  der  erwähnten  Voraussetzung  die  chemische  Wärmemenge  der 
galvanischen  an  Grösse  gleich  sei.    Wenn  die  galvanische  Wärmemenge^» 
genannt  wird,  so  ist  nach  dem  bekannten  Gesetz  von  Joule  gw  =  Mil/t,  wo 
M  eine  Constante  ist  und  i  die  Stromstärke,   /  den  Leitungswiderstand  in 
der  Säule  und  der  Leitung  zusammen  und  /  die  Zeit,  während  welcher  der 
Strom  in  Thätigkeit  ist,  bedeuten.    Bezeichnet  E  die  elektromotorische  Kraft 
der  Säule,  so  kann  man  auch  gw  =  MEit  schreiben,  woraus  man  in  Folge 
des  gezogenen  Schlusses  kw  =  MEit  erhält,   wenn  kw  die  durch  die  pri- 
mären chemischen  Vorgänge  in  der  Säule  entwickelte  Wärme  bedeutet   Wenn 
n  die  Anzahl  der  chemischen  Äquivalente  bedeutet,  welche  durch  die  Wir- 
kung des  Stromes  an  der  positiven  Polscheibe  der  Säule  zersetzt  werden,  so 
ist   nach  dem  elektrolytischen  Gesetz  n  =  mit,   wo   m  eine   Constante  be- 
deutet, welche  von  der  Beschaffenheit  der  elektrolytischen  Flüssigkeit  unab- 

hängig  ist.     Man  schliesst  hieraus,  dass  kw  = ,  und  also  für  ein  Aqui- 

tu 
ME 

valent  kw  = ,  woraus  folgt,  dass  die  Wärmemenge,  welche  in  der  Säule 

Www 

von  den  primären  chemischen  Vorgängen  erzeugt  wird,  während  an  der  posi- 
tiven Polscheibe  ein  Äquivalent  zersetzt  wird,  ein  Maass  der  elektromotorischen 
Kraft  der  Säule  ist. 

„Wenn  die  galvanische  Wärme  wirklich  ebenso  gross  wie  die  primäre 
chemische  ist,  so  kann  man  folglich  gewissermaassen  sagen,  dass  die  ganze 
Wirksamkeit  des  Stromes  nur  darin  besteht,  dass  derselbe  die  chemische 
Wärme  nach  allen  Theilen  der  geschlossenen  Leitungsbahn  herumfuhrt  und 
davon  an  jeder  Stelle  gerade  so  viel  absetzt,  als  dem  Widerstände  an  der- 
selben Stelle  entspricht,  obgleich  es  allerdings  sehr  schwer  ist,  sich  einen 
klaren  Begriff  von  dem  wirklichen  physikalischen  Process  bei  diesem  Herum- 
führen zu  bilden.  Wenn  man  durch  ein  direktes  Messen  der  in  der  Säule 
entstandenen  Wärmemenge  finden  würde,  dass  diese  Wärmemenge  grosser 
als  die  durch  den  Durchgang  des  Stromes  verursachte  galvanische  Wärme- 
menge wäre,  oder  mit  anderen  Worten  die  Wärmemenge  überstiege,  welche 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen,  ggj 


der  Strom  in  einem  metallischen  Leiter  von  gleichem  Widerstände  mit  dem 
der  Säule  hervorrufen  würde,  so  müsste  man  annehmen,  dass  dieser  Wärme- 
überschuss  von  den  secundären  Processen,  die  in  der  Säule  stattfinden  mögen 
und  mit  der  Strombildung  nichts  gemein  haben,  herzuleiten  sei.  Auf  diese 
Weise  hat  man  auch  solche  Überschüsse  in  den  Fällen,  wo  sie  beobachtet 
worden  sind,  zu  erklären  gesucht.  Ist  eine  chemische  Zersetzungszelle  oder 
ein  Voltameter  in  die  Leitung  eingeschaltet,  so  dass  der  Strom  Gelegenheit 
hat,  z.  B.  Wasser  zwischen  Platinpolen  zu  zersetzen,  so  kann  nach  der  dar- 
gelegten Betrachtungsweise  nicht  alle  primäre  chemische  Wärme,  welche 
in  der  Säule  entsteht,  in  galvanische  Wärme  übergehen,  sondern  ein  Theil 
derselben  wird  zu  der  mechanischen  Arbeit,  die  zur  Erzeugung  der  polari- 
sations-elektromotorischen  Kraft  und  der  chemischen  Zersetzung  in  der  Zer- 
setzungszelle erforderlich  ist,  verbraucht.  Man  kann  sich  vorstellen,  dass 
dies  auf  die  Weise  zugehe,  dass  der  zu  dieser  Arbeit  nothwendige  chemische 
Wärmevorrath  durch  den  Strom  aus  der  Säule  in  die  Zersetzungszelle  ge- 
führt wird,  wo  derselbe  für  den  genannten  Zweck  angewandt  wird.  In  der 
Zersetzungszelle  kann  folglich  keine  andere  Wärmeentwickelung  entstehen, 
als  die,  welche  durch  den  Gang  des  Stromes  durch  die  elektrolytische  Flüssig- 
keit verursacht  wird.  Die  Wärmeerzeugung,  welche  man  in  der  Zersetzungs- 
zelle erhält,  muss  also  derjenigen  gleich  sein,  die  beim  Gange  des  Stromes 
durch  einen  metallischen  Leiter,  dessen  Widerstand  dem  der  Flüssigkeit 
gleich  ist,  hervorgerufen  wird.  Da  man  nun  beim  direkten  Messen  die  in 
der  Zersetzungszelle  entstandene  Wärmemenge  grösser  als  die  galvanische 
gefunden  hat,  so  hat  man  die  Ursache  davon  in  den  secundären  chemischen 
Processen,  die  dort  stattfinden  mögen  und  vom  Strome  unabhängig  sind, 
gesucht. 

„Schon  vor  mehreren  Jahren  habe  ich  eine  andere  Erklärung  der  frag- 
lichen Wärmeerscheinungen  gegeben.1  Diese  Erklärungsweise  war  in  Kürze 
die  folgende:  Wenn  der  Strom  keine  äussere  Arbeit  verrichtet,  besteht 
seine  ganze  Wirkung  darin,  dass  er  Wärme  in  dem  durchgegangenen  Leiter 
hervorruft.  Nachdem  der  Strom  aufgehört  hat,  findet  man  von  der  Thätig- 
keit  der  Säule  keine  anderen  Produkte,  als  die  chemischen  Veränderungen 
in  der  Säule,  und  die  Wärme,  die  theils  in  der  Säule,  theils  in  der  äusseren 
Leitung  entstanden  ist.  Es  ist  aber  einleuchtend,  dass  diese  Wärmemenge 
den  chemischen  Veränderungen  äquivalent  sein  muss,  dass  heisst  mit  anderen 
Worten,  dass  die  erzeugte  Wärmemenge  gerade  so  gross  sein  muss,  wie  die 
Wärmemenge,  welche  durch  dieselben  chemischen  Veränderungen  entstanden 
wäre,  wenn  kein  Strom  stattgefunden  hätte,  denn  sonst  hätte  man  ja  ent- 
weder chemische  Arbeit  oder  Wärme  aus  Nichts  erhalten.  Der  Strom  hat 
also  im  Ganzen  gar  keine  Wärme  erzeugt;  seine  totale  Wärmeproduktion  ist 
gleich  Null.  Nun  weiss  man  aber,  dass  der  Strom,  um  den  galvanischen 
Leitungswiderstand   zu    überwinden,    eine    gewisse    mechanische  Arbeit  ver- 


1  Oefvere.  Kg.  Vet.  Akad.  Vörhandl.   1869.  —  Pogg.  Ann.  137,  474.   1869. 


g32  Siebzehntes  Kapitel. 


richtet,  und  diese  Arbeit  geht  in  Wärme  über.  Der  Strom  bringt  also  in 
der  Leitung  eine  wirkliche  Produktion  von  Wärme  hervor.  Weil  aber  die 
totale  Wärmeproduktion  des  Stromes  gleich  Null  sein  muss,  kann  dies  nur 
dadurch  geschehen,  dass  ein  Verbrauch  von  Wärme  an  irgend  einer  Stelle 
der  Leitung  stattfindet,  und  diese  Stelle  kann  natürlich  keine  andere  sein, 
als  die,  wo  die  elektromotorische  Kraft  ihren  Sitz  hat.  Man  kommt  folglich 
zu  dem  Resultate,  dass  die  elektromotorische  Kraft,  um  den  Strom  hervor- 
zubringen, eine  Wärmemenge  verbraucht,  die  ebenso  gross  ist,  wie  die  gal- 
vanische Wärmemenge,  die  der  Strom,  um  den  galvanischen  Leitungswider- 
stand zu  überwinden,  in  der  Leitung  erzeugt.  Der  Wärmeverbrauch  der 
elektromotorischen  Kraft  ist  also  gleich  gw\  doch  folgt  hieraus  nicht,  dass 
dieser  Verbrauch  auch  gleich  kw  sei,  oder  dass  gw  und  kw  dieselbe 
Grösse  haben. 

„Wenn  nur  ein  einziger  Elektromotor  in  die  geschlossene  Leitung  ein- 
geschaltet ist,  und  dieselbe  Bezeichnung  wie  vorher  beibehalten  wird,  so  hat 
man  gw  =  Mi%lt  —  M Eit.  Im  Elektrometer  wird  also  in  der  Zeiteinheit 
eine  Wärmemenge  verbraucht,  welche  dem  Produkte  der  elektromotorischen 
Kraft  und  der  Stromstärke  proportional  ist.  Während  der  Auflösung  eines 
Äquivalents  Zink  wird  also  die  ganze,  vom  Elektromotor  verbrauchte  Wärme- 

menge  gw  = — -•     Dies  gilt,    wie   man  auch  /  verändern   mag,  d.  h.  wie 

auch  die  Stromstärke  vermehrt  oder  vermindert  wird.  Sind  zwei  Elekto- 
motoren  E  und  E  in  derselben  Richtung  thätig,  so  muss  in  der  Zeiteinheit 
die  ganze  Wärmeconsumption  in  beiden  zusammen  M{E  -f-  E')  i'  werden, 
wenn  i'  die  entstandene  Stromstärke  bezeichnet  Hieraus  wird  deutlich  MEt 
im  ersteren  und  ME'i'  im  letzteren  verbraucht.  Wenn  E  grösser  als  E 
ist,  und  der  eine  Elektromotor  in  entgegengesetzter  Richtung  gegen  den 
anderen  wirkt,  so  wird  die  ganze  verbrauchte  Wärmemenge  M(E  —  E)i", 
wenn  i"  die  Stromstärke  bezeichnet.  Im  ersten  Elektromotor  wird  nun  die 
Wärmemenge  M  ei'  verbraucht,  diese  ist  aber  grösser,  als  die  ganze  Wärme- 
menge, welche  der  Strom  infolge  des  Leitungs Widerstandes  erzeugt  to 
dem  anderen  Elektromotor  muss  deshalb  eine  Wärmemenge  erzeugt  werden, 
die  mit  ME'i"  gleich  ist.  Folglich,  wenn  der  Strom  in  derselben  Richtung, 
in  welcher  die  elektromotorische  Kraft  wirkt,  den  Elektromotor  durchläuft, 
wird  eine  Wärmemenge  verbraucht,  die  dem  Produkt  der  elektromotorischen 
Kraft  und  der  Stromstärke  proportional  ist,  geht  aber  der  Strom  in  ent- 
gegengesetzter Richtung,  so  wird  statt  dessen  eine  ebenso  grosse  Wärme- 
menge erzeugt. 

„Man  sieht  hieraus,  dass  die  beiden  Betrachtungsarten  in  einer  Hinsicht 
mit  einander  übereinstimmen,  nämlich  darin,  dass  die  Wärmesumme,  die  der 
Strom  im  Ganzen  erzeugt,  gleich  Null  ist;  aber  in  dem  einen  Falle  wird  die 
Wärme,  welche  der  chemische  Process  in  der  Säule  hervorbringt,  nach  den 
verschiedenen  Theilen  der  Leitung  herumgeführt,  im  anderen  Falle  wird 
dagegen  Wärme  vom  Strom  überall  in  der  Leitung  wirklich  erzeugt;  jedoch 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  983 


ist  die  ganze  erzeugte  Wärmemenge  derjenigen  gleich,  welche  die  elektro- 
motorische Kraft  verbraucht.  In  anderen  Hinsichten  fuhren  beide  Betrach- 
tungsweisen zu  verschiedenen  Resultaten;  so  ist  z.  B.  nach  der  einen  Be- 
trachtungsweise die  primäre  chemische  Wärmemenge  der  galvanischen 
Wärmemenge  gleich,  weshalb  auch  die  erstere  ein  Maass  der  elektromoto- 
rischen Kraft  abgiebt;  nach  der  anderen  hingegen  können  die  beiden 
genannten  Wärmemengen  verschieden  sein,  und  infolge  dessen  kann  die 
primäre  cherrtische  Wärmemenge  nicht  als  Maass  für  die  elektromotorische 
Kraft  dienen  u.  s.  w." 

Es  ist  vielleicht  für  das  Verständniss  dieser  wichtigen  Frage  von  Nutzen, 
sie  noch  einmal  mit  etwas  anderen  Worten  gestellt  und  beantwortet  zu 
sehen.  Die  ältere,  von  Edlünd  bekämpfte  Ansicht  besagt,  dass  die  gesammte 
als  Wärme  auftretende  chemische  Energie  sich  in  elektrische  verwandelt, 
wenn  der  chemische  Vorgang  in  einer  VoLTA'schen  Säule  stattfindet.  Nun 
wird  die  elektrische  Energie  durch  das  Produkt  ihrer  beiden  Faktoren:  elek- 
tromotorische Kraft  und  Elektricitätsmenge,  ausgedrückt.  Von  diesen  beiden 
Faktoren  ist  der  eine  bereits  bestimmt,  denn  gemäss  dem  FARADAY^schen 
Gesetze  entspricht  einer  bestimmten  Stoffmenge,  welche  in  der  Kette  eine 
chemische  Veränderung  erleidet,  eine  proportionale  Elektricitätsmenge,  und 
alle  Ketten  ohne  Ausnahme  setzen  dieselbe  Elektricitätsmenge  in  Bewegung, 
wenn  chemisch  äquivalente  Stoffmengen  in  ihnen  umgesetzt  werden.  Be- 
ziehen wir  somit  die  Rechnung  auf  solche  chemisch  äquivalente  Stoffmengen, 
so  sind  die  entsprechenden  chemischen  Wärmen  je  nach  der  Natur  der 
Reaktionen  verschieden,  und  ebenso  nach  den  Voraussetzungen  die  elek- 
trischen Energieen.  In  den  letzteren  ist  aber  der  eine  Faktor,  die  Elek- 
tricitätsmenge, immer  derselbe;  folglich  muss  der  andere  Faktor,  die  elek- 
tromotorische Kraft,  die  ganze  Veränderlichkeit  enthalten,  und  daher  der 
chemischen  Wärme  proportional  sein. 

Nun  ist  es  durch  keinen  Umstand  als  nothwendig  erwiesen,  dass  in  der 
Kette  die  entstehende  chemische  Energie  gleich  der  als  Wärme  gemessenen 
verschwindenden  chemischen  Energie  ist.  In  der  Dampfmaschine  z.  B.  ist 
Entsprechendes  bei  weitem  nicht  der  Fall;  von  der  chemischen  Energie  der 
Kohle  tritt  nur  etwa  1/10  als  mechanische  Arbeit  auf,  die  übrigen  9/io  ge^en 
in  Wärme  über,  und  ähnlich  verhält  es  sich  mit  vielen  Energieumwand- 
lungen. Es  ist  daher  sehr  wohl  möglich,  dass  die  in  der  Kette  entstehende 
elektrische  Energie  weniger,  ja  auch  dass  sie  mehr  beträgt,  als  die  ver- 
schwindende chemische  Energie;  wir  dürfen  nur  erwarten,  dass  der  Unter- 
schied der  beiden  durch  die  Änderung  einer  anderen  Energiemenge  sichtbar 
wird;  als  Wärmeentwickelung,  wenn  die  chemische  Energie  kleiner  ist,  als 
die  elektrische,  als  Wärmeabsorption,  wenn  das  umgekehrte  der  Fall  ist. 

Da  ferner  die  elektrische  Energie  dem  Produkt  von  Elektricitätsmenge 
und  Spannung  proportional  ist,  so  wird  in  einem  geschlossenen  Stromkreise, 
wo  die  Elektricitätsmenge  constant  ist,  überall  dort  elektrische  Energie  ver- 
schwinden,   wo    die    Spannung    abnimmt,    und    an    ihrer   Stelle    muss    eine 


Q%A  Siebzehntes  Kapitel. 


proportionale  Wärmemenge  erscheinen  (wenn  wir  andere  Umwandlungen 
ausschliessen);  umgekehrt  erfolgt  überall,  wo  die  Spannung  im  Sinne  der 
Stromrichtung  zunimmt,  eine  Vermehrung  der  elektrischen  Energie,  und 
dies  ist  nicht  möglich,  ohne  dass  an  derselben  Stelle  eine  gleiche  Menge 
einer  anderen  Energie,  z.  B.  Wärme,  verschwindet  Dies  ist  der  Grund, 
warum  in  einem  Elektromotor,  d.  h.  in  einem  Gebilde,  in  welchem  die 
Spannung  eine  plötzliche  Änderung  erleidet,  Wärme,  oder  allgemein  Energie 
verbraucht  wird,  wenn  ein  Strom  ihn  in  der  Richtung  durcheilt,  in  welcher 
er  selbst  einen  Strom  hervorrufen  würde.  Denn  in  dieser  Richtung  ist  im 
Elektromotor  ein  Sprung  von  niederer  zu  höherer  Spannung  vorhanden, 
und  jede  Elektricitätsmenge,  welche  über  diese  Stelle  geschickt  wird,  bedarf 
zu  ihrer  Hebung  auf  die  höhere  Spannung  eines  proportionalen  Energie- 
aufwandes. 

Es  bietet  sich  hier  wieder  von  selbst  das  schon  von  Ohm  benutzte  Bild 
des  Wasserstromes  dar.  Man  denke  sich  einen  ringförmig  in  sich  zurück- 
laufenden Kanal,  welcher  die  Leitung  darstellt  An  einer  Stelle  sei  eine 
Vorrichtung,'  z.  B.  ein  Wasserrad,  angebracht,  welche  das  Wasser  auf  eine 
höhere  Lage  hebt;  das  Rad  werde  durch  einen  Motor  angetrieben,  dessen 
Energieverbrauch  man  messen  kann.  Lässt  man  den  Motor  an,  so  wird  er 
eine  Energiemenge  verbrauchen,  welche  der  in  Bewegung  gesetzten  Wasser- 
menge (Elektricitätsmenge)  und  der  Hebung  des  Wassers  (Spannung  der 
Elektricität)  proportional  ist.  Diese  Energie  wird  bei  der  Bewegung  des 
Wassers  durch  den  Kanal  wieder  in  Gestalt  von  Wärme  abgesetzt  Jede 
Bewegung  des  Wassers  in  dem  ursprünglichen  Sinne  ist  mit  einem  ent- 
sprechenden Energieverbrauch  an  der  Stelle  des  Rades  verknüpft,  weil  dort 
eine  Hebung  stattfindet;  jede  entgegengesetzte  Bewegung  des  Wassers  lässt 
umgekehrt  eine  entsprechende  Menge  Energie  an  der  gleichen  Stelle  frei 
werden,  welche,  wenn  sie  keine  andere  Form  annehmen  kann,  nothwendig 
als  Wärme  erscheinen  muss. 

Zwischen   der  Strömungsenergie   und  dem  Energieaufwand  des  Motors 
muss  also  nothwendig  Gleichheit   bestehen,    keineswegs   aber   braucht  diese 
Gleichheit  sich   auf  eine  dritte  Energieform  zu   beziehen,    aus    welcher  der 
Motor  gespeist  wird.     Ist  z.  B.  dieser  Motor  eine  Dampfmaschine,   so  wird 
diese  an  chemischer  Energie  der  erforderlichen  Kohlen   etwa  das  Zehnfache 
von   der   Energie   beanspruchen,   welche   sie   in   Gestalt   von    mechanischer 
Arbeit   an    den   Strom    abgiebt;    die    übrigen    neun    Zehntel    erscheinen  im 
Kühlwasser  als  Wärme.     Ersetzen  wir  aber  die  Dampfmaschine  durch  eine 
solche,    die  mit  verflüssigter  Kohlensäure   getrieben   wird,    so  findet   umge- 
kehrt an  der  Arbeitsstelle  eine  bedeutende  Wärmeabsorption  statt;  ein  Theil 
dieser  Wärme    geht    in    Strömungsenergie    über,   während    ein    anderer  zur 
Überführung   der   flüssigen   Kohlensäure    in   gasförmige   dient     Diese    Um- 
stände geben  ein  Bild  dafür,  wie  die  chemische  Energie  in  der  Kette  sowohl 
grösser,   wie  kleiner  sein  kann,   als  die  elektrische  Energie,   welche  in  ihr 
entsteht 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  q3c 

Edlund  geht  nun  dazu  über,  die  beiden  Betrachtungsweisen  an  den 
ersuchen  von  Favre  und  Raoult  (S.  790)  einer  Prüfung  zu  unterwerfen, 
d  findet  nur  die  zweite  den  Thatsachen  entsprechend.  Zunächst  werden 
1  Unterschiede,  welche  von  beiden  zwischen  der  galvanischen  und  che- 
schen  Wärme  gefunden  und  auf  „secundäre"  chemische  Vorgänge  ge- 
hoben worden  sind,  erörtert,  und  es  wird  der  Widerspruch  hervorgehoben, 
r  darin  hegt,  dass  bei  ebendemselben  Vorgange  (der  Entwicklung  von 
asserstoff  an  Platin)  diese  secundäre  Wärme  bald  positiv,  bald  negativ  sein 
11.  Dann  aber  geht  Edlund  zu  der  Berechnung  einiger  Versuche  von 
ioult  über  die  Wärmeentwickelung  in  Zersetzungszellen  über  und  erlangt 
er  eine  zahlenmässige  Bestätigung  seiner  Anschauungen. 

Raoult  hatte  verdünnte  Schwefelsäure  und  Kupfersulfat  mit  verschie- 
den Stromstärken  und  verschiedenen  Elektroden  zersetzt  und  dabei  fol- 
;nde  lokalen  Wärmeentwickelungen  erhalten: 

Bei  der  Zersetzung  des  Wassers 
e  L  L' 

A  2,04  14898  cal.  14294  cal. 

B  i,75  7596    „  7363    ff 

C  2,16  17626    „  17162    „ 

Bei  der  Zersetzung  des  schwefelsauren  Kupferoxyds 
A  1,59  7594  cal.  8396  cal. 

B  1,58  7997    »     .  8i57    » 

C  1,36  2828    „  2899    „ 

Unter  e  stehen  die  beobachteten  elektromotorischen  Kräfte  der  Polari- 
ition  in  Einheiten  der  ÜANiELL'schen  Kette,  unter  L  die  lokale  Wärme. 

Achtet  man  nun  darauf,  dass  nach  den  übereinstimmenden  Versuchen 
ix  beiden  genannten  Forscher  für  die  einem  Äquivalent  entsprechende  elek- 
ische  Arbeit  des  DANiELL'schen  Elements  23900  cal.  in  Rechnung  gesetzt 
erden  können,  so  wird  man  die  lokale  Wärme  berechnen  können,  wenn 
an  von  dem  Produkt  dieser  Zahl  mit  der  unter  ?  stehenden  elektromoto- 
schen  Kraft  der  Polarisation,  die  ja  in  ÜANiELL-Einheiten  ausgedrückt  ist, 
e  zur  chemischen  Zersetzung  des  Wassers  resp.  des  Kupfersulfats  in  seine 
estandtheile  verbrauchten  Wärmemengen  abzieht.  Diese  betragen  nach 
*n  Versuchen  der  gleichen  Forscher  34462  resp.  29605  cal.;  fuhrt  man 
ie  Rechnung  aus,  so  erhält  man  die  oben  unter  L'  verzeichneten  Zahlen, 
eiche  von  denen  unter  L  um  nicht  mehr  abweichen,  als  die  Versuchsfehler 
^statten,  und  dadurch  die  Richtigkeit  der  Rechnungsweise  bestätigen. 

Unter  den  weiteren  Bestätigungen  seiner  Auffassung,  welche  Edlund 
abringt,  sei  noch  die  folgende  wegen  ihrer  Anschaulichkeit  erwähnt: 

„W.  Thomson  und  später  Bosscha  haben  folgenden  Versuch  angestellt1 
wei  gleiche  Voltameter  wurden  mit  derselben  Quantität  schwefelsauren 
fassers  gefüllt  und  dann  nach  einander  in  die  Leitung  einer  starken  gal- 
mischen    Kette    eingeschaltet.     Die    Elektroden    in    dem  einen   Voltameter 


1  Pogg.  Ann.  103,  487.  1858. 


og(5  Siebzehntes  Kapitel. 


bestanden  beide  aus  Platin,  in  dem  anderen  aber  war  nur  die  positive  Elek- 
trode aus  diesem  Metalle,  wogegen  die  negative  aus  amalgamirtem  Zink 
bestand.  Obgleich  derselbe  Strom  die  beiden  Voltameter  durchlief  und  folg- 
lich eine  gleiche  chemische  Zersetzung  in  beiden  stattfand,  so  stieg  dock 
die  Temperatur  in  dem  Voltameter,  welche  Zink  zur  negativen  Elektrode 
hatte,  viel  schneller  als  im  anderen.  Bosscha  ist  der  Ansicht,  dass  das  Ver- 
mögen des  Zinks,  den  Wasserstoff  aus  dem  aktiven  in  den  gewöhnlichen 
Zustand  überzuführen,  von  demjenigen  verschieden  ist,  welches  das  Platin 
in  dieser  Hinsicht  besitzt. 

„Ich  habe  den  Versuch  wiederholt  und  dasselbe  Resultat  erhalten.  Bei 
Anwendung  der  zweiten  Vorstellungsweise  ist  es  leicht,  die  Ursache  der  ver- 
schiedenen Temperaturerhöhungen  zu  finden.  In  den  beiden  Voltametern 
befindet  sich  eine  elektromotorische  Kraft,  welche  in  entgegengesetzter  Rich- 
tung gegen  den  Strom  der  Kette  wirkt.  In  dem  Voltameter,  dessen  beide 
Elektroden  aus  Platin  bestehen,  wird  diese  Kraft  ausschliesslich  von  der 
Polarisation  des  Wasserstoffs  und  Sauerstoffs  verursacht.  In  dem  anderen 
Voltameter  scheidet  sich  auch  Sauerstoff  auf  das  Platin  und  Wasserstoff  auf 
den  Zink  aus;  aber  ausser  der  Polarisation,  die  hieraus  entsteht,  wirkt  dies 
Voltameter  überdies  als  eine  Säule  entgegengesetzter  Richtung  gegen  den 
Strom.  Dass  das  Platin-Zinkgefäss  eine  grössere  Gegenkraft  als  das  andere 
Gefäss  entwickelt,  davon  kann  man  sich  leicht  überzeugen,  indem  man  erst 
das  eine  Gefäss  in  die  Stromleitung  einschaltet,  dann  dieses  wieder  heraus- 
nimmt und  statt  dessen  das  andere  hereinsetzt.  Man  findet  dann,  dass  der 
Strom  der  Kette  bedeutend  mehr  durch  das  Platin-Zinkgefäss,  als  durch  das 
andere  geschwächt  wird.  Die  Wärmemenge,  welche  daraus  entsteht,  dass 
der  Strom  in  entgegengesetzter  Richtung  gegen  die  in  den  beiden  Volta- 
metern wirkenden  elektromotorischen  Kräfte  läuft,  muss  deshalb  im  Platin- 
Zinkgefäss  grösser  als  im  anderen  werden." 

ii.  Untersuchungen  von  F.  Braun.  Etwas  später  als  Edlukd 
und  auf  Grund  wesentlich  anderer  Betrachtungen  gelangte  F.  Braun1  zu 
der  gleichen  Ansicht,  dass  die  von  Helmholtz  und  Thomson  angenommene 
Proportionalität  zwischen  Wärmeentwickelung  und  elektromotorischer  Kraft 
thatsächlich  nicht  vorhanden  ist.  Obwohl  seine  ersten  Erörterungen  über 
den  Gegenstand  noch  mancherlei  Irrthümliches  enthalten,  haben  sie  doch 
ihren  Werth,  da  sie  ihn  zu  der  experimentellen  Verfolgung  der  Frage  ver- 
anlassten und  so  die  einigermaassen  zweifelhaften  theoretischen  Betrachtungen 
durch  unzweifelhafte  Versuchsergebnisse  ergänzten  und  verstärkten. 

Der  Kernpunkt  von  Braun' s  Betrachtungen  ist  die  Frage,  ob  die  elek- 
trische und  die  chemische  Energie  sich  ohne  Rest  ineinander  und  in  mecha- 
nische Energie  verwandeln  lassen,  oder  ob  auch  hier  ein  Verhalten  wie  bei 
der  Wärme  vorliege.  Bei  der  letzteren  hat  es  sich  bekanntlich  ergeben, 
dass  niemals  die  gesammte  Wärme,  welche  von  irgend  einer  Wärmequelle 


1  WiED.  Ann.  5,    182.   1878. 


Die  elektrochemischen  SpannungserscheinuDgen.  037 


J9 


bestimmter  Temperatur  geliefert  wird,  sich  in  mechanische  Arbeit  oder  andere 
Energie  dnrch  einen  Kreisprocess  verwandeln  lässt,  sondern  nur  ein  Bruch- 
theil,  der  gegeben  ist  durch  den  Quotienten  aus  dem  Unterschiede  der  Tem- 
peraturen, zwischen  denen  die  Maschine  arbeitet,  dividirt  durch  die  absolute 
Temperatur  der  Wärmequelle.  Die  Frage  Braunes  war,  ob  die  genannten 
anderen  Energieen  ähnliche  Eigenschaften  aufweisen. 

In  die  Einzelheiten  seiner  Untersuchung,  die  er  an  einzelnen  bestimmten 
Seispielen  durchfuhrt,  brauchen  wir  Braun  nicht  zu  folgen;  sein  Ergebniss 
fasst  er  dahin  zusammen: 

„Stellt  man  die  Grössen,  um  welche  es  sich  hier  handelt,  nach  ihrem  Ver- 
-wandlungswerth  geordnet  zusammen,  so  würden  sie  die  Reihenfolge  haben: 
i).  elektrische  potentielle  Energie, 
,2)  mechanische  Arbeit, 
,3)  Wärme, 

so  dass  1)  fast  vollständig  in  2)  und  vollständig  in  3);  2)  vollständig  in  3), 
aber  nur  theilweise  in  1);  3)  im  Allgemeinen  niemals  vollständig  weder  in  1), 
noch  in  2)  übergeführt  werden  kann." 

Heute  wissen  wir,  dass  dies  Ergebniss  nicht  richtig  ist.  Mechanische 
und  elektrische  Energie,  wie  wir  sie  zu  messen  pflegen,  sind  vollständig  in- 
einander verwandelbar,  wenigstens  im  theoretischen  Sinne;  praktisch  ist  die 
Umwandlung  der  einen  Energie  in  die  andere  bis  zu  dem  Betrage  von 
90  Procent  eine  Leistung,  welche  die  Technik  mit  Sicherheit  auszuführen 
vermag.     Für  die  Wärme  gilt  dagegen  das  Gesagte. 

Um  nun  von  diesen  Betrachtungen  den  Übergang  auf  die  chemischen 
Vorgänge  zu  machen,  denkt  sich  Braun,  dass  durch  diese  stets  zuerst  Wärme 
erzeugt  wird.  Die  hierbei  auftretenden  beobachtbaren  Temperaturen  sind 
allerdings  viel  zu  gering,  als  dass  man  den  als  elektrische  Energie  zu  er- 
haltenden Betrag  hieraus  ableiten  könne.  „Bei  der  chemischen  Vereinigung 
aber  muss,  wenn  auch  nur  eine  sehr  kurze  Zeit  lang  das  Molekül,  welches 
sich  eben  gebildet  hat,  eine  sehr  hohe  Temperatur  besitzen.  Wenn  es  ge- 
länge, diese,  die  Verbindungstemperatur  selbst,  als  höchste  Temperatur  einer 
arbeitenden  Maschine  zu  verwenden,  so  würde  man  ungleich  günstigere  mecha- 
nische Effekte  erzielen.  Dies  scheint  aber  einzutreten,  wenn  man  die  che- 
mische Umsetzung  im  Kreise  eines  geschlossenen  Stromes  vor  sich  gehen 
lässt.  In  diesem  Falle  wird  das  Molekül  selbst  zur  arbeitenden  Maschine, 
die  Wärme  von  hoher  Temperatur  wird  nicht  erst  übertragen  auf  Wärme 
von  niederer  Temperatur,  sondern  sofort  in  diejenige  Bewegungsform  um- 
gesetzt, welche  man  strömende  Elektricität  nennt,  und  welche  ihrerseits  dann 
Arbeit  vollbringen  kann." 

Diese  Betrachtungen  sind  interessant  durch  die  Unbefangenheit,  mit 
welcher   die   thermodynamischen   Ableitungen    mit    molekularhypothetischen 

•  •  • 

Annahmen  vermischt  werden,  ohne  dass  dem  Autor  der  Übergang  von  dem 
sicheren  Boden  der  ersteren  auf  das  trügerische  Gebiet  der  letzteren  ins 
Bewusstsein   zu    treten  scheint.     Es  entspricht  dies  der  Denkweise,   welche 


qgg  Siebzehntes  Kapitel. 

noch  bis  auf  den  heutigen  Tag  die  vorherrschende  ist,  obwohl  eine  täglich 
sich  mehrende  Erfahrung  uns  zeigt,  dass  wirklich  bleibende  Ergebnisse  nur 
auf  dem  ersten  Boden  sich  gewinnen  lassen,  und  dass  die  molekularen  Be- 
trachtungen, sobald  sie  über  das  Gebiet  der  chemischen  Erscheinungen  hin- 
ausgehen, zu  deren  Darstellung  sie  ausgebildet  worden  sind,  regelmässig 
in  die  Brüche  führen.  Auch  in  diesem  Falle  war  es  nicht  anders,  und 
Braun  hat  die  Tragweite  seiner  werthvollen  Beobachtungen  erheblich  durch 
die  hypothetische  Gestaltung  abgeschwächt,  welche  er  ihnen  geben  zu 
müssen  glaubte. 

Auf  seine  erste  theoretische  Abhandlung  Hess  F.  Braux  zwei  Jahre 
später  eine  zweite  folgen,1  in  welcher  er  zur  Bestätigung  seiner  Zweifelan 
der  Gültigkeit  des  THOMsoN'schen  Satzes  ein  umfangreiches  experimentelles 
Material  beibringt.  Die  Arbeit  hat  eine  bedeutende  Aufmerksamkeit  erregt 
und  so  die  oft  wiederholte  Erfahrung  bestätigt,  dass  theoretische  Zweifel 
und  Widersprüche  einem  allgemein  angenommenen  Gedanken  gegenüber  so 
lange  wirkungslos  zu  bleiben  pflegen,  bis  der  Gegensatz  auf  einen  Punkt 
gefuhrt  worden  ist,  welcher  dem  unmittelbaren  Versuche  zugänglich  ist  und 
durch  ihn  entschieden  werden  kann.  So  war  es  auch  nach  Veröffentlichung 
der  Arbeiten  Braun's  für  die  Anhänger  des  THOMSON^schen  Satzes  die  erste 
Sorge,  die  Bündigkeit  der  Versuche  Braun's  anzuzweifeln  und  die  auf- 
gewiesenen Abweichungen  auf  „Nebenreaktionen"  zurückzufuhren. 

Braunes   Gesichtspunkte    ergeben    sich    aus    den    folgenden   Einleitungs- 
worten seiner  Abhandlung: 

„Gegen  die  THOMsoN'sche  Theorie,  obschon  sie  durch  die  ÜANiELi/sche 
und  einige  andere  Kettencombinationen  bewiesen  zu  werden  scheint,  habe 
ich  vor  einiger  Zeit  Widerspruch  erhoben.  Sie  setzt  stillschweigend  voraus, 
dass  chemische  Energie  eine  mit  mechanischer  Arbeit  wesentlich  gleiche, 
d.  h.  unbeschränkt  in  sie  verwandelbare  Energieform  ist.  Nun  sind  uns 
Fälle  bekannt,  in  welchen  ebenso  gut  wie  in  der  geschlossenen  Kette  alk 
Bedingungen  dafür  erfüllt  sind,  dass  sich  die  chemische  Energie  vollständig 
in  mechanische  Arbeit  umsetzen  könnte  (z.  B.  bei  den  Explosionen  einer 
Gaskraftmaschine);  wir  wissen  aber,  dass  dies  thatsächlich  nicht  eintritt,  dass 
die  potentielle  chemische  Energie,  welche  während  des  chemischen  Vor- 
ganges in  andere  Energieformen  übergeht,  sich  ebenso  verhält  wie  Wärme, 
welche  dem  schon  gebildeten  Verbindungsprodukte  von  aussen  zugeführt 
wird.  In  der  That,  die  dissoeiirbaren  Verbindungen  (und  dissoeiirbar  sind 
in  letzter  Instanz  wohl  alle),  speciell  die  in  einen  festen  und  einen  flüssigen 
resp.  gasförmigen  Körper  zerfallenden  Stoffe  scheinen  unbedingt  die  An- 
nahme zu  fordern,  dass  chemische  Energie  von  der  Energieform  der  Wärme 
ist,  da  man  durch  Zufuhren  einer  der  Verbindungsenergie  gleichen  Wärme- 
menge wieder  den  ursprünglichen  Gehalt  an  potentieller  Energie  im  System 
herbeiführen  kann.     Durch    derartige  Erwägungen   war  ich  zu  der  Ansicht 


1  Wied.  Ann.  16,  560.   1882. 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  OSO 

nmen,  welche  in  meiner  ersten  auf  den  Gegenstand  bezüglichen  Publi- 
1  stillschweigend  zu  Grunde  gelegt  ist,  und  von  ihr  ausgehend  hatte 
eitere  Schlüsse  gezogen.  Insbesondere  den  folgenden:  Bei  jedem  che- 
en  Process,  welcher  innerhalb  einer  Kette  (Zersetzungszelle)  nach  dem 
)AY,schen  Gesetz  verläuft,  geht  ein  Theil,  aber  auch  nur  ein  Theil  der 
ndungswärme  in  Stromarbeit  über;  der  Rest  der  chemischen  Wärme 
als  solche  im  Element  und  macht  einen  Bestandteil  der  sogenannten 
me  durch  secundäre  Processe"  aus.  Denjenigen  Bruchtheil  der  che- 
en  Energie,  welcher  in  Stromenergie  verwandelt  wird,  will  ich  den 
omotorischen  Nutzeffekt  des  Processes  nennen.  Er  soll  nach  meinen 
en  Betrachtungen  um  so  geringer  sein,  je  leichter  die  im  elektro- 
len  Process  entstehende  oder  zerfallende  Verbindung  durch  die  Wärme 
iirt  wird. 

.Wenden  wir  diese  Betrachtung  auf  die  DANiELi/sche  Kette  an,  so  müsste 
elektromotorische  Kraft  bestimmt  sein  aus  der  Zahlengleichung 

D  =  x .  (Zn,  O,  SO3  aq)  - y .  (Cu,  O,  SO3  aq) ,  ( i) 

und  y  echte  Brüche  sind.1     Thatsächlich  wissen  wir  aber  .  .  . ,  dass 
*hr  grosser  Annäherung  auch: 

D  =  (Zn,  O,  SO3  aq)  -  (Cu,  O,  S03aq)  (2) 

ld  aus  Gleichung  2  hat  man  seither  immer  geschlossen,  dass  x  =*y  =  1 
ie  es  die  THOMSON'sche  Theorie  verlangt." 

)ie  Versuche,  welche  Braun  zur  Prüfung  der  THOMsoN'schen  Theorie 
teilt  hat,  sind  sehr  zahlreich.  Aus  ihnen  lassen  sich  folgende 
sse  ziehen: 

.Diejenigen  Elemente,  welche  combinirt  sind  aus  den  Sulfaten  von  Zink, 
r  und  Cadmium  zeigen  .  .  .  eine  sehr  gute  Übereinstimmung  mit  der 
>ON*schen  Theorie.  Das  Gleiche  gilt  für  die  Acetate  dieser  drei  Metalle." 
t  man  nun  an,  dass  bei  diesen  Verbindungen  alle  chemische  Energie 
ktrische  übergeht,  und  berechnet  aus  der  elektromotorischen  Kraft  der 
1,  in  welche  Bleiacetat  eingeht,  die  Wärmeentwickelung  bei  der  Bildung 
tzteren,  so  findet  man  Werthe  zwischen  145  und  153  der  benutzten 
iten,  während  die  wirkliche  Wärme  nur  132  beträgt.  Der  Unterschied 
;1  grösser,  als  durch  die  Beobachtungsfehler  zu  erklären  wäre,  und  die 
1  mit  Bleiacetat  haben  daher  die  Eigenschaft,  dass  sie  sich  beim  Strom- 
gang abkühlen  müssen.  Umgekehrt  verhalten  sich  die  Silbersalze;  die 
sehe  Wärme  ist  um  etwa  35  Einheiten  grösser  als  die  elektrische,  und 
etten  erwärmen  sich  beim  Stromdurchgange  mehr,  als  ihnen  infolge 
Widerstandes  nach  dem  JouLE^schen  Gesetz  zukommt.  Dies  gilt  für 
all,  dass  das  Silber  in  der  Kette  Kathode  ist;  wirkt  es  umgekehrt  als 
t,   so  würde  beim   Stromdurchgange  die  entsprechende  Wärmemenge 


„Das  Zeichen  aq  hinter  der  Formel  bedeutet,  dass  die  angegebene  Verbindung  in  Wasser 
st;  die  Klammern  drücken  die  Wärmeentwickelung  bei  der  Verbindung  der  in  derselben 
eben  Elemente  oder  Atomgruppen  aus." 


ggO  Siebzehntes  Kapitel. 


verschwinden.  Auf  „secundäre  Processe"  lässt  sich  das  Ergebniss  nidrt 
zurückführen,  denn  weder  die  Silber-  noch  die  Bleielektrode  hat  in  den  an- 
gewendeten Lösungen  eine  Polarisation,  welche  0,003  Daniell  überschreitet 

„Die  Annahme,  dass  in  den  Combinationen  der  Sulfate  und  Acetate 
von  Zink,  Kupfer  und  Cadmium  die  ganze  chemische  Energie  der  einzelnen 
an  den  Elektroden  sich  abspielenden  Processe  in  Stromarbeit  übergehe,  fuhrt 
also  in  ihren  Consequenzen  zu  unlösbaren  Widersprüchen." 

Nachdem  Braun  noch  eine  weitere  Zahl  solcher  Widersprüche  auf- 
gezeigt hat,  geht  er  zu  der  Frage  über,  auf  welche  Weise  die  Abweichungen 
von  der  THOMsoN^schen  Theorie  zu  erklären  seien.  Er  stellt  die  Alternative, 
entweder  auf  einen  Zusammenhang  der  beiden  in  Betracht  kommenden 
Grössen  ganz  zu  verzichten,  oder  anzunehmen,  dass  an  jeder  Elektrode  nur 
ein  Bruchtheil  der  dort  erscheinenden  chemischen  Energie  in  elektrische 
übergehe.  Die  Coefficienten  des  elektrischen  Nutzeffektes  x  und  y  (S.  989; 
lassen  sich  freilich  aus  den  vorhandenen  Beobachtungen  nicht  unmittelbar 
bestimmen;  vielmehr  kann  eine  beliebig  grosse  Zahl  von  Werthen  ange- 
nommen werden,  welche  die  Bedingungen  erfüllen;  doch  glaubt  Braun  zu- 
nächst durch  Benutzung  solcher  Metalle,  deren  Verbindungswärmen  mit  den 
in  Betracht  kommenden  Elementen  möglichst  klein  ist,  zu  Grenzwerthen 
gelangen  zu  können,  zwischen  denen  diese  Coefficienten  liegen  müssen. 
Jedenfalls  war  es  ihm  möglich,  worauf  er  grossen  Werth  legt,  die  Coeffi- 
cienten x  und  y  immer  so  zu  bestimmen,  dass  sie  kleiner  als  Eins  waren, 
dass  also  für  den  Übergang  in  elektrische  Energie  immer  nur  ein  Theil  der 
chemischen  in  Anspruch  genommen  zu  werden  brauchte. 

In  einer  folgenden  Arbeit,1  welche  zunächst  der  Widerlegung  einer 
Anzahl  von  F.  Exner  mitgetheilter  Betrachtungen  und  Messungen  gewidmet 
ist,  giebt  Braun  einen  Weg  an,  auf  welchem  er  zu  einer  unmittelbaren  Be- 
stimmung der  „  Arbeitsfähigkeiten "  für  die  in  seinen  Ketten  erfolgenden 
chemischen  Vorgänge  zu  gelangen  hofft.  Exner  hatte  in  seiner  Arbeit  die 
elektromotorischen  Kräfte  von  Ketten,  die  nur  aus  Grundstoffen  zusammen- 
gesetzt sind,  zu  messen  geglaubt  (z.  B.  zwei  Metalle  in  flüssigem  Brom)  und 
die  erhaltenen  Zahlen  in  Übereinstimmung  mit  seiner  Annahme  über  die 
vollständige  Umwandlung  der  chemischen  Wärme  in  elektrische  Energie 
gefunden.  Bei  der  Prüfung  dieser  Angaben  stellten  sich  die  erheblichsten 
Widersprüche  heraus;  die  gefundenen  elektromotorischen  Kräfte  waren  kleiner, 
als  sie  sein  sollten.  Als  Beispiel  diene  eine  Kette,  welche  aus  Blei,  Brom 
und  Platin  zusammengesetzt  war;  sie  gab  eine  elektromotorische  Kraft  von 
1,20  Dan.,  während  aus  den  Wärmetönungen  sich  1,29  berechnet  Während 
hier  noch  ganz  wohl  von  einer  Übereinstimmung  geredet  werden  konnte, 
gab  eine  Kette  aus  Zink  mit  sorgfältig  getrocknetem  Brom  gleich  nach  der 
Herstellung  0,52,  nach  2X\%  Monaten  0,12  Dan.,  während  der  berechnete 
Werth   1,52   beträgt.     Hier  kann   von   einer  Übereinstimmung   nicht  mehr 


1  Wied.  Ann.  17,  593.   1882. 


Die  elektrochemischen  Spannungserschcinungen.  qqi 


die  Rede  sein.  Endlich  soll  noch  das  Element  Silber- Jod-Kohle  angeführt 
-werden;  es  gab  0,60  bis  0,63;  berechnet  ist  0,55.  Hier  ist  die  elektro- 
motorische Kraft  merklich  höher,  als  die  berechnete.  Da  diese  Thatsache 
den  Ansichten  Braun's  einigermaassen  entgegen  war,  so  hat  er  die  Be- 
stimmung wiederholt,  doch  nie  eine  Zahl  erhalten,  welche  der  berechneten 
gleich  kam. 

Die  so  gewonnenen  Zahlen  benutzte  nun  Braun,  um  seine  „Nutzeffekte" 
zu  berechnen.  Für  die  Zusammenstellung  Silber,  Brom,  Kohle  war  beispiels- 
weise die  elektromotorische  Kraft  0,84  Dan.  gefunden  worden.  Indem  Braun 
annahm,  dass  diese  Kraft  von  der  einzig  möglichen  chemischen  Wirkung 
zwischen  den  Bestandteilen,  der  Bildung  des  Bromsilbers,  herrühre  (was  eine 
nicht  unbedenkliche  Annahme  war),  konnte  er  folgende  Schlüsse  machen: 
Eine  Kette  Zink,  Bromzink,  Bromsilber  Silber,  gab  0,80  Dan.  Diese  Kraft 
ist  die  Differenz  zwischen  dem  Nutzeffekt  des  Zinkbromids  und  dem  des 
Silberbromids ;  somit  ist  der  Nutzeffekt  des  Zinkbromids  gleich  0,80 + 0,84  =  1 ,64. 
Die  Wärmetönung  entspricht  einer  Kraft  von  1,82;  somit  ist  der  Coefficient, 
welcher  den  Antheil  der  umwandelbaren  Energie  bei  der  Bildung  des  Zink- 
bromids angiebt,  — ^  =  0,92 . 

1,04 

Auf  ähnliche  Weise  berechnete  er  für  eine  grosse  Anzahl  von  chemi- 
schen Verbindungen  die  Nutzeffekte,  und  erhielt  im  Allgemeinen  Zahlen  für 
die  Coefficienten,  welche  unterhalb  der  Einheit  lagen,  seiner  Theorie  ent- 
sprechend. Nur  bei  einigen  Jodverbindungen,  insbesondere  bei  dem  eben 
erwähnten  Jodsilber  ergaben  sich  die  umwandelbaren  Energiemengen  grösser, 
als  die  Wärmetönungen.  „Dieses  sonderbare  Resultat  fällt  weg,  der  Nutz- 
effekt wird  kleiner  als  Eins,  wenn  man  die  Hypothese  macht,  dass  man  die 
Verbindungswärme  mit  gasförmigem  Jod  einzufuhren  habe."  Braun  sucht 
nun  auch  diese  Annahme  weiter  zu  begründen;  es  ist  nicht  erforderlich, 
hierauf  einzugehen,  weil  sich  beweisen  lässt,  dass  die  latenten  Schmelz-  und 
Dampfwärmen  überhaupt  nichts  mit  der  elektromotorischen  Kraft  zu  thun 
haben,  und  dass  z.  B.  bei  der  Temperatur  und  dem  Druck,  bei  welchen 
festes,  flüssiges  und  gasförmiges  Jod  neben  einander  existiren,  alle  drei,  wenn 
sie  Glieder  einer  Voi/TA'schen  Kette  sein  können,  auch  dieselbe  elektromoto- 
rische Kraft  geben  müssen. 

Zum  Schluss  giebt  Braun  einige  bemerkenswerthe  Betrachtungen,  welche 
die  Überlegung  zum  Inhalte  haben,  dass  auch  möglicherweise  die  auf  die 
beschriebene  Weise  bestimmten  Arbeitsfähigkeiten  chemischer  Vorgänge  be- 
stimmend für  die  rein  chemischen,  ohne  Mitwirkung  der  Elektricität  erfolgen- 
den gegenseitigen  Verdrängungserscheinungen  sind.  „Dem  von  Berthelot 
aufgestellten  Prinzip  .  .  .  der  maximalen  Wärmetönung  .  .  .  hätten  wir  dann 
ein  anderes  zu  substituiren,  welches  mit  mehr  Recht  den  Namen  „„Prinzip 
der  maximalen  Arbeitsfähigkeit""  fuhren  könnte."  Indessen  glaubt 
Braun  dennoch,  dass  Thatsachen  vorliegen,  die  sich  nicht  dieser  Form  fügen, 
und  will  seine  Bemerkung  nur  als  eine  Vermuthung  gelten  lassen. 


qq2  Siebzehntes  Kapitel. 

Diese  Arbeiten  haben,  wie  schon  bemerkt,  einen  bedeutenden  Einflnss 
ausgeübt.  Obwohl  gegenwärtig  fast  alles  an  den  theoretischen  Betrachtungen  | 
als  abänderungsbedürftig  bezeichnet  werden  muss,  so  liegt  den  mitgetheilten 
Erwägungen  doch  ein  richtiger  Kern  zu  Grunde,  welcher  nur  einer  andern 
und  sachgemässeren  Ausprägung  bedurfte,  um  einen  grossen  Fortschritt  in 
der  Auffassung  des  Problems  zu  bedingen.  Ich  gehe  daher  nicht  auf  eine 
Kritik  der  einzelnen  Aufstellungen  ein;  aus  den  Arbeiten,  über  die  alsbald 
zu  berichten  ist,  ergiebt  sich  diese  Kritik  und  die  Scheidung  des  Richtigen 
von  dem  Vergänglichen  von  selbst. 

12.  Die  Forschungen  von  Willard  Gibbs.  Mitten  in  die  Zeit 
hinein,  wo  in  Deutschland  die  Frage  nach  dem  Verhältniss  der  chemischen 
und  galvanischen  Wärme  in  Angriff  genommen  und  ihrer  Lösung  näher 
geführt  wurde,  fällt  die  Veröffentlichung  der  Arbeit  eines  amerikanischen 
Forschers,  in  der  die  Frage  wesentlich  im  gleichen  Sinne  entschieden  wurde, 
in  welchem  kurz  darauf  Helmholtz  sie  beantwortete.  Allerdings  wurde  diese 
Übereinstimmung  erst  in  viel  späterer  Zeit  bekannt,  denn  es  hat  nicht  leicht 
in  der  Geschichte  der  Wissenschaft  eine  Arbeit  gegeben,  bei  welcher  die 
Bedeutung  in  solchem  Missverhältniss  zu  der  Beachtung  gestanden. hätte,  die 
sie  zunächst  gefunden  hat.  Es  ist  die  Rede  von  der  grossen  Abhandlung 
von  Willard  Gibbs:    „Über  das  Gleichgewicht  heterogener  Stoffe."1 

Um  die  Bedeutung  dieser  Arbeit  zu  bezeichnen,  braucht  nur  gesagt  zu 
werden,  dass  ein  sehr  bedeutender  Theil  der  Gesetze  und  Beziehungen, 
welche  inzwischen  in  der  allgemeinen  (der  sogenannten  physikalischen)  Chemie 
entdeckt  worden  sind,  und  welche  zu  einer  so  erstaunlichen  Entwickelung 
dieses  Gebietes  in  dem  letzten  Jahrzehnt  geführt  haben,  sich  in  derselben 
mehr  oder  weniger  ausführlich  dargelegt  findet.  In  beispiellos  umfassender 
und  vollständiger  Weise  sind  die  Fragen  behandelt,  welche  die  Gleichge- 
wichtszustände zusammengesetzter  Systeme  zum  Gegenstande  haben,  und 
neben  den  gewöhnlich  allein  betrachteten  Einflüssen,  wie  sie  Druck  und 
Temperatur  auf  diese  Zustände  haben,  finden  sich  die  Wirkungen  der 
Schwere,  der  Elasticität,  der  Oberflächenspannung,  der  Elektricität  erörtert 
Nur  langsam  hat  die  experimentelle  Forschung  die  Wege  zu  gehen  be- 
gonnen, deren  Richtung  und  Ziele  sich  in  dieser  Arbeit  bezeichnet  finden, 
und  noch  jetzt  harrt  eine  Fülle  wissenschaftlicher  Schätze  ihres  experi- 
mentellen Abbaues,  der  an  vielen  Stellen  fast  ein  einfacher  Tagebau  zu 
nennen  ist. 

Gegenüber  solchen  Verhältnissen  muss  man  fragen:  Warum  hat  die 
Arbeit  keinen  ihrer  Bedeutung  entsprechenden  Erfolg  gehabt,  warum  sind 
nicht  alsbald  nach  ihrem  Erscheinen  die  Wirkungen  eingetreten,  die  später 
auf  anderem  Wege  stattgefunden  haben?  Die  Antwort  ist  eine  mehrfache. 
Vor  allen  Dingen  trägt  die  Schuld  die  recht  schwer  zugängliche  Gestalt,  in 


1  Transactions  of  the  Connecticut  Acadcmy,  III,   1876 — 1878.  —  Deutsch  in  W.  Gibb*. 
Thermodynamische  Studien,  Leipzig  1892. 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  993 


:her  der  Verfasser  seine  Ergebnisse  niedergelegt  hat.  In  streng  mathe- 
scher Formulirung  mit  so  concentrirtem  Text,  dass  das  Verständniss 
r  Seite  die  ernsthafteste  Mitarbeit  des  Lesers  fordert,  fuhrt  uns  der  Ver- 
*r  durch  seine  700  Gleichungen,  nur  selten  die  erhaltenen  Ergebnisse 
:h  anschauliche  Anwendungen  erläuternd.  Die  Abhandlung  ist  zu  inhalt- 
1  gewesen,  um  eine  unmittelbare  Wirkung  zu  äussern;  wenn  ihr  Inhalt, 
:  auf  300  Seiten  zusammengedrängt  zu  sein,  mit  Rücksicht  auf  den  Leser 
len  fünffachen  Raum  auseinander  gezogen  gewesen,  und  der  Welt  nicht 
einmal,  sondern  in  einzelnen,  zeitlich  hinreichend  getrennten  Abhand- 
en mitgetheilt  worden  wäre,  so  hätten  es  die  zeitgenössischen  Forscher 
iter  gehabt,  sich  der  hier  enthaltenen  Schätze  zu  bemächtigen.  Noch 
,  wo  die  dort  ausgesprochenen  Gedanken  weite  Verbreitung  gefunden 
an,  ist  das  Studium  der  Abhandlung  nicht  leicht,  und  die  Kenntniss  ihres 
dtes  nicht  so  verbreitet,  wie  sie  sein  sollte. 

Für  unseren  Gegenstand  sind  wesentlich  die  Darlegungen  über  die  elek- 
lotorischen  Kräfte  wichtig;  sie  gehören  glücklicherweise  zu  den  wenigen 
ilen  des  Werkes,  wo  sich  einiges  Eingehen  auf  experimentelle  Einzel- 
en  findet.  Auch  hier  soll  unter  Weglassung  des  mathematischen  An- 
es  das  wesentliche  Ergebniss  in  des  Autors  eigenen  Worten  gegeben 
den.  Nach  der  Aufstellung  der  Gleichung  für  die  möglichen  Änderungen, 
in  einer  Zelle  infolge  des  Stromdurchganges  stattfinden  können,  fährt  Gibbs 
:  „Die  auf  die  Wärmezufuhr  oder  die  Änderung  der  Entropie  bezüg- 
en  Grössen  werden  bei  Betrachtung  der  Ketten,  deren  Temperatur  als 
stant  angenommen  wird,  häufig  vernachlässigt.  Es  wird  mit  anderen 
rten  häufig  angenommen,  dass  weder  Wärme,  noch  Kälte  beim  Durch- 
ge  des  Stromes  durch  einen  vollkommenen  elektrochemischen  Apparat 
vorgebracht  wird  .  .  .  und  dass  in  der  Zelle  nur  Wärme  durch  Vorgänge 
indärer  Natur  erzeugt  werden  kann,  welche  nicht  noth wendig  und  un- 
elbar  mit  dem  Vorgange  der  Elektrolyse  verknüpft  sind. 

„Diese  Annahme  scheint  durch  keinen  genügenden  Grund  gerechtfertigt 
sein.  Es  ist  in  der  That  leicht,  einen  Fall  zu  finden,  in  welchem  die 
tromotorische  Kraft  völlig  durch  das  von  der  Entropie  abhängige  Glied 
immt  wird,  während  alle  anderen  Glieder  in  der  Gleichung  verschwinden. 
5  gilt  für  Grove's  Gasbatterie,  welche  mit  Wasserstoff  und  Stickstoff  ge- 
n  ist  (S.  692).  In  diesem  Falle  geht  der  Wasserstoff  zum  Stickstoff  über 
ein  Vorgang,  welcher  die  Energie  der  Zelle  nicht  ändert,  wenn  diese 
constanter  Temperatur  erhalten  wird.  Die  vom  äusseren  Drucke  gethane 
eit  ist  offenbar  gleich  Null,  ebenso  die  Gravitationsarbeit.  Dennoch  wird 
elektrischer  Strom  hervorgebracht.  Die  vom  Strom  geleistete  (oder  leist- 
j)  Arbeit  ist  ein  Äquivalent  der  Arbeit  (oder  eines  Theiles  derselben), 
:he  durch  die  Diffusion  der  Gase  ineinander  gewonnen  werden  könnte. 
;e  ist,  wie  Lord  Rayleigh  gezeigt  hat,1  gleich  der  Arbeit,  welche  durch 


1  Philos.  Mag.  49,  311.   1875. 
stwald,   Elektrochemie.  63 


GQA  Siebzehntes  Kapitel. 


die  Ausdehnung  der  einzeln  genommenen  Gase  auf  das  gemeinsame  End- 
volum bei  constanter  Temperatur  gewonnen  werden  kann.  Sie  ist . . .  gleich 
der  Zunahme  der  Entropie  des  Gebildes,  multiplicirt  mit  der  Temperatur. 

„Es  ist  möglich,  die  Construction  der  Zelle  so  abzuändern,  dass  Stick- 
stoff oder  ein  neutrales  Gas  nicht  nöthig  ist.  Die  Zelle  werde  aus  einer 
U-förmigen  Röhre  von  genügender  Höhe  gebildet,  und  enthalte  reinen  Was- 
serstoff von  sehr  ungleichem  Druck  (z.  B.  eine  und  zwei  Atmosphären), 
welch  letztere  durch  passend  belastete  Kolben,  die  in  den  Schenkeln  der 
Röhren  gleiten,  constant  erhalten  werden.  Der  Druckunterschied  der  das- 
massen  an  beiden  Polen  muss  natürlich  durch  den  Höhenunterschied  des 
angesäuerten  Wassers  im  Gleichgewicht  gehalten  werden.  Es  ist  kaum  daran 
zu  zweifeln,  dass  ein  solcher  Apparat  eine  elektromotorische  Kraft  haben 
wird,  welche  in  der  Richtung  eines  Stromes  wirkt,  der  Wasserstoff  aus  der 
dichteren  in  die  weniger  dichte  Masse  überführt.  Sicherlich  könnte  das  Gas 
durch  die  Wirkung  einer  äusseren  elektromotorischen  Kraft  nicht  ohne  Auf- 
wand von  soviel  elektromotorischer  Arbeit  in  entgegengesetzter  Richtung 
bewegt  werden,  als  der  mechanischen  Arbeit,  das  Gas  aus  einem  Schenkel 
in  den  anderen  zu  pumpen,  gleich  ist.  Und  könnten  wir  durch  eine  pas- 
sende Modification  der  metallenen  Elektroden  die  passiven  Widerstände  auf 
Null  reduciren,  so  dass  der  Wasserstoff  umkehrbar  von  einer  Masse  zur 
anderen  ohne  endliche  Änderung  der  elektromorischen  Kraft  gefuhrt  werden 

könnte,  so  würde  der  einzig  mögliche  Werth  der  elektromotorischen  Kraft 

j   1 
durch  den  Ausdruck   T-  -—     in  sehr  grosser  Annäherung  bestimmt  werden. 

Es  ist  zu  bemerken,  dass,  obwohl  die  Schwere  in  einer  derartigen  Zelle  eine 
grosse  Rolle  spielt,  indem  sie  den  Druckunterschied  in  den  Wasserstoffmassen 
erhält,  die  elektromotorische  Kraft  der  Schwere  nicht  zugeschrieben  werden 
kann,  da  die  Arbeit  der  Schwere  bei  dem  Übergange  des  Wasserstoffs  aus 
der  dichteren  Masse  in  die  dünnere  negativ  ist. 

„Weiter  ist  es  völlig  unwahrscheinlich,  dass  die  durch  Concentrations- 
unterschiede  von  Salzlösungen  verursachten  elektrischen  Ströme  (wie  in 
einer  Zelle,,  welche  Zinksulfat  zwischen  Zinkelektroden  oder  Kupfersulfat 
zwischen  Kupferelektroden  enthält,  wobei  die  Salzlösungen  an  den  Elektroden 
verschiedene  Concentration  haben),  welche  neuerdings  von  den  Herren  Helm- 
holtz  und  Moser  (S.  iooi)  untersucht  worden  sind,  sich  auf  solche  Fälle  be- 
schränken, in  denen  das  Vermischen  der  Lösungen  verschiedener  Concen- 
tration Wärme  entwickelt.  Denn  in  den  Fällen,  wo  die  Vermischung  der 
beiden  verschieden  concentrirten  Lösungen  keine  Wärme  entwickelt  oder 
bindet,  müsste  die  elektromotorische  Kraft  in  einer  solchen  Zelle  gleich  Null 
sein.  Und  wenn  bei  der  Vermischung  Kälte  entsteht,  so  würde  dieselbe 
Regel  nur  einen  Strom  zulassen,  durch  den  der  Unterschied  der  Concen- 
tration gesteigert  wird.  Derartige  Schlussfolgerungen  sind  aber  mit  der  von 
Professor  Helmholtz  gegebenen  Theorie  der  Erscheinung  ganz  unvertraglich. 

1   T  =  absolute  Temperatur,  rj  =  Entropie,  e  =  Elcktricitütsmcngc. 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungcn.  ggc 


„Ein  noch  schlagenderes  Beispiel  von  der  Notwendigkeit,  die  Ände- 
rungen der  Entropie  bei  den  a-priori-Bestimmungen  der  elektromotorischen 
Kraft  in  Betracht  zu  ziehen,  liefern  Elektroden  von  Zink  und  Quecksilber 
n  einer  Lösung  von  Zinksulfat.  Da  Wärme  bei  der  Auflösung  des  Zinks 
n  Quecksilber  absorbirt  wird,  so  wird  die  Energie  der  Zelle  durch  den 
Transport  von  Zink  zum  Quecksilber  bei  constanter  Temperatur  vermehrt. 
[Dennoch  wirkt  bei  dieser  Zusammenstellung  die  elektromotorische  Kraft  so, 
iass  ein  solcher  Transport  stattfindet.  Das  Element  zeigt  gewisse  Anoma- 
ien,  wenn  eine  erhebliche  Zinkmenge  mit  dem  Quecksilber  vereinigt  ist. 
Die  elektromotorische  Kraft  ändert  ihre  Richtung,  so  dass  dieser  Fall  ge- 
wöhnlich als  eine  Illustration  des  Satzes  citirt  wird,  nach  welchem  die  elek- 
rromotorische  Kraft  in  solcher  Richtung  wirkt,  dass  die  Energie  der  Zelle 
/ermindert  wird,  d.  h.  dass  solche  Änderungen  hervorgebracht  oder  ermög- 
licht werden,  welche,  wenn  sie  unmittelbar  stattfinden,  Wärme  entwickeln. 
Was  aber  auch  die  Ursache  der  elektromotorischen  Kraft  sein  mag,  welche 
in  der.  Richtung  vom  Amalgam  durch  den  Elektrolyt  zum  Zink  beobachtet 
worden  ist  (und  welche  nach  den  Bestimmungen  des  Hrn.  Gaugain1  nur 
1  25  von  der  *st,  welche  zwischen  Zink  und  reinem  Quecksilber  nach  der 
entgegengesetzten  *  Richtung  stattfindet),  so  können  doch  diese  Anomalien 
nicht  die  allgemeinen  Schlüsse  beeinträchtigen,  mit  denen  allein  wir  es  hier 
zu  thun  haben.  Sind  die  Elektroden  reines  Zink  und  ein  Amalgam  mit 
nicht  mehr  Zink,  als  das  Quecksilber  ohne  Verlust  seiner  Flüssigkeit  lösen 
kann,  und  ist  die  einzige  Wirkung  des  Stromes,  ausser  der  thermischen,  die 
Übertragung  des  Zinks  von  der  einen  Elektrode  zur  anderen  —  Bedingungen, 
welche  möglicherweise  nicht  bei  allen  den  angeführten  Versuchen  erfüllt 
gewesen  sind,  welche  aber  in  einer  theoretischen  Untersuchung  vorausgesetzt 
werden  dürfen,  und  welche  sicher  nicht  als  unverträglich  mit  der  Thatsache 
anzusehen  sind,  dass  bei  der  Auflösung  des  Zinks  in  Quecksilber  Wärme 
gebunden  wird  —  so  ist  es  unmöglich,  dass  die  elektromotorische  Kraft  die 
Richtung  hat,  dass  der  Strom  Zink  vom  Amalgam  zum  reinen  Zink  über- 
trägt. Denn  da  das  durch  den  elektrolytischen  Vorgang  aus  dem  Amalgam 
entfernte  Zink  unmittelbar  darauf  wieder  im  Quecksilber  aufgelöst  werden 
könnte,  so  würde  eine  solche  Richtung  der  elektromotorischen  Kraft  die 
Möglichkeit  bedingen,  eine  unbegrenzte  Menge  elektromotorischer  und  daher 
auch  mechanischer  Arbeit  zu  erlangen,  ohne  anderen  Aufwand  von  Wärme, 
als  solcher  von  der  constanten  Temperatur  der  Zelle. 

„Keiner  der  betrachteten  Fälle  bedingt  Verbindungen  nach  constanten 
Verhältnissen  und  die  elektromotorischen  Kräfte  sind  ausser  dem  Falle  der 
Zelle  mit  Elektroden  von  Zink  und  Quecksilber  sehr  klein.  Es  kann  mög- 
licherweise vermuthet  werden,  dass  bezüglich  solcher  Zellen,  in  denen  Ver- 
bindungen nach  bestimmten  Verhältnissen  stattfinden,  die  elektromotorische 
Kraft  sich  genau  genug  aus  der  Verminderung  der  Energie  ohne  Rücksicht 


1  Comptes  rendus  42,  430.   1856. 

63' 


Qo6  Siebzehntes  Kapitel. 


auf  die  Entropie  berechnen  Hesse.  Jedoch  scheint  der  Vorgang  der  chemi- 
schen Verbindung  im  Allgemeinen  nicht  die  Möglichkeit  anzudeuten,  das 
aus  der  Verbindung  von  Stoffen  durch  beliebige  Processe  ein  der  entwickelte! 
Wärme  äquivalenter  Betrag  von  mechanischer  Arbeit  erlangt  werden  könnte. 

„Beispielsweise  liefert  i  kg  Wasserstoff  beim  Verbrennen  mit  8  kg 
Sauerstoff  zu  flüssigem  Wasser  unter  dem  Drucke  einer  Atmosphäre  eine 
Wärmemenge,  welche  in  runder  Zahl  34000  Calorien  beträgt  .  .  .  Diese 
Wärme  kann  aber  nicht  bei  jeder  beliebigen  Temperatur  erhalten 
werden.  Eine  sehr  hohe  Temperatur  hat  die  Wirkung,  die  Verbindung  der 
Elemente  mehr  oder  weniger  zu  verhindern.  So  kann  nach  Hrn.  Saint* 
Claire  Deville1  die  durch  Verbrennung  von  Sauerstoff  und  Wasserstoff  er- 
zielte Temperatur  nicht  erheblich,  wenn  überhaupt,  25000  C.  übersteigen, 
was  bedingt,  dass  weniger  als  die  Hälfte  des  vorhandenen  Wasserstoffe  und 
Sauerstoffs  sich  bei  dieser  Temperatur  vereinigen  können.  Dies  gilt  für  die 
Verbrennung  unter  dem  Drucke  einer  Atmosphäre.  Nach  den  Bestimmungen 
von  Professor  Bunsen2  bezüglich  der  Verbrennung  im  geschlossenen  Räume 
kann  nur  ein  Drittel  der  Mischung  von  Sauerstoff  und  Wasserstoff  bei  der 
Temperatur  von  28500  und  dem  Drucke  von  zehn  Atmosphären  eine  che- 
mische Vereinigung  erfahren,  und  nur  etwas  mehr  als  die  Hälfte,  wenn  durch 
die  Beimischung  von  Stickstoff  die  Temperatur  auf  20240  herabgedrückt 
worden  ist  und  der  Druck  nach  Abzug  des  auf  den  Stickstoff  kommenden 
Theiles  etwa  drei  Atmosphären  beträgt. 

„Nun  sind  10  Calorien  bei  25000  anzusehen  als  umkehrbar  verwandelbar 
in  eine  Calorie  bei  40  und  die  mechanische  Arbeit,  die  der  Energie  von 
9  Calorien  äquivalent  ist.  Wenn  daher  alle  34000  Calorien,  die  bei  der 
Verbindung  von  Sauerstoff  und  Wasserstoff  frei  werden,  bei  der  Temperatur 
von  25000  und  keiner  höheren  erlangt  werden  könnten,  so  könnten  wir  die 
elektromotorische  Arbeit  eines  vollkommenen  elektrochemischen  Apparates, 
in  welchem  die  Elemente  bei  gewöhnlicher  Temperatur  und  bei  atmosphä- 
rischem Druck  verbunden  oder  getrennt  werden,  als  9/10  der  34000  Calorien 
ansehen,  und  die  im  Apparat  entwickelte  oder  verbrauchte  Wärme  würde 
1/10  von  34000  Calorien  betragen.  Dies  würde  natürlich  eine  elektromoto- 
rische Kraft  von  9/10  des  Betrages  ergeben,  welche  aus  der  Annahme  der 
vollständigen  Umwandelbarkeit  aller  34000  Calorien  in  elektrische  oder  mecha- 
nische Arbeit  berechnet  werden  kann.  Nach  allen  Anzeichen  ist  aber  die 
Schätzung  der  Temperatur  von  2500  als  der,  bei  welcher  wir  alle  Verbin- 
dungswärme  erlangen  können,    bedeutend    zu    hoch,3    und  wir  müssen  den 


1  Comptes  rendus  44,   199.   1857.  —  64,  67.   1867. 

2  Pogg.  Ann.  131,   161.   1867. 

8  ,,Wenn  die  allgemein  angenommenen  Vorstellungen  über  das  Verhalten  der  Gase  bei 
hohen  Temperaturen  nicht  ganz  irrig  sind,  so  ist  es  möglich,  den  allgemeinen  Charakter  eine* 
Vorganges  (welcher  höchstens  solche  Schwierigkeiten  bedingt,  wie  sie  in  theoretischen  Erörte- 
rungen vernachlässigt  werden)  anzugeben,  durch  welchen  Wasser  in  getrennte  Massen  von 
Wasserstoff  und  Sauerstoff  verwandelt  werden  kann,   ohne  anderen  Aufwand»   als  den  der  dem 


J 


Die  elektrochemischen  Spann ungserscheinungen.  097 


theoretischen  Betrag  der  zur  Elektrolyse  des  Wassers  erforderlichen  elektro- 
motorischen Kraft  als  erheblich  unter  9/io  Jenes  Betrages  liegend  ansehen, 
den  wir  unter  der  Voraussetzung  berechnen,  dass  alle  beim  Vorgang  aus- 
tretende Energie  elektromotorisch  wirksam  ist." 

W.  Gibbs  fuhrt  die  gleichen  Überlegungen  weiter  an  dem  Beispiele  der 
Chlorwasserstoffsäure  durch  und  weist  auf  eine  Anzahl  von  Thatsachen  hin, 
die  von  Favre  ermittelt  worden  sind,  und  seiner  Auffassung  entsprechen, 
während  sie  mit  der  Annahme  einer  vollständigen  Umwandlung  der  chemi- 
schen Energie  in  elektrische  im  Widerspruch  stehen.  Von  allgemeinerer 
Wichtigkeit  sind  dann  wieder  die  folgenden  Darlegungen  über  den  Einfluss, 
welchen  die  latente  Wärme  der  Aggregatzustandsänderung  auf  die  elektro- 
motorische Kraft  haben  müsste,  wenn  die  ältere  Ansicht  richtig  wäre. 

„Es  geschieht  oft  in  einer  galvanischen  oder  elektrolytischen  Zelle,  dass 
ein  an  einer  Elektrode  freiwerdendes  Gas  theilweise  als  solches  erscheint, 
theils  von  der  elektrolytischen  Flüssigkeit  und  theils  von  der  Elektrode  ab- 
sorbirt  wird.  In  solchen  Fällen  wird  eine  geringe  Veränderung  der  Um- 
stände, welche  die  elektromotorische  Kraft  nicht  merklich  beeinflusst,  ver- 
ursachen, dass  das  Ion  ganz  auf  die  eine  der  drei  erwähnten  Arten  aus- 
geschieden wird,  wenn  der  Strom  genügend  schwach  ist.  Dies  bedingt 
einen  erheblichen  Unterschied  in  der  Energiedifferenz  der  Zelle,  und  die 
elektromotorische  Kraft  kann  sicherlich  nicht  in  allen  diesen  Fällen  aus 
dieser  allein  berechnet  werden.  Die  Correctur  wegen  der  gegen  den  äusse- 
ren Druck  geleisteten  Arbeit,  wenn  das  Ion  als  Gas  in  Freiheit  gesetzt  wird, 
hilft  uns  nicht  zu  der  Ausgleichung  dieser  Unterschiede,  denn  aus  der  ge- 
naueren Betrachtung  geht  hervor,  dass  die  Correctur  die  Verschiedenheit  im 
Allgemeinen  vergrössern  wird.  Ebensowenig  ist  klar,  welchen  von  diesen 
Fällen  wir  als  normal,  und  welchen  als  mit  secundären  Vorgängen  behaftet 
anzusehen  haben. 

„Giebt  es  überhaupt  einen  Fall,  bei  welchem  secundäre  Vorgänge  aus- 
geschlossen sind,  so  können  wir  erwarten,  dass  dies  eintritt,  wenn  das  Ion 
der  Substanz  nach  identisch  mit  der  Elektrode  ist,  an  welcher  es  abge- 
lagert wird,  oder  von  welcher  aus  es  sich  in  den  Elektrolyt  begiebt.  Aber 
auch  in  diesem  Falle  entgehen  wir  der  Schwierigkeit  der  verschiedenen 
Formen  nicht,  in  welchen  der  Stoff  erscheinen  kann.  Ist  die  Temperatur 
des  Versuches  gleich  dem  Schmelzpunkt  des  Metalles,  aus  dem  die  Elektrode 
besteht  und  welches  das  Ion  bildet,  so  wird  eine  kleine  Änderung  der  Tem- 
peratur die  Ursache   sein,    dass   das   Ion   sich    im  festen   oder  im  flüssigen 

Energieunterschiede  der  Materie  in  den  beiden  Zuständen  entsprechenden  Wärme,  die  weit 
unterhalb  2500°  geliefert  werden  kann.  Die  wesentlichsten  Theile  des  Vorganges  würden  sein: 
1.  Verdampfung  des  Wassers  und  Erhitzung  desselben  auf  eine  Temperatur,  bei  der  ein  erheb- 
licher Theil  dissoeiirt  ist;  2.  thcilweUc  Trennung  des  Sauerstoffs  und  Wasserstoffs  durch  Fil- 
tration; 3.  Abkühlung  der  beiden  Gasmassen,  bis  der  in  ihnen  enthaltene  Dampf  verdichtet  ist. 
—  Eine  kleine  Rechnung  ergiebt,  dass,  bei  einem  stetigen  Vorgange  alle  bei  der  Abkühlung  der 
Produkte  erhaltene  Wärme  zur  Erhitzung  neuer  Wassermengen  benutzt  werden  kann." 


ggg  Siebzehntes  Kapitel. 


Zustande  ausscheidet,  oder  wenn  der  Strom  umgekehrt  verläuft,  dass  es  aus 
einem  festen  oder  aus  einem  flüssigen  Körper  austritt.  Da  hierdurch  eine  *■ 
erhebliche  Änderung  im  Energieunterschiede  bedingt  wird,  so  erhalten  wir 
verschiedene  Werthe  oberhalb  und  unterhalb  des  Schmelzpunktes  des  Me- 
talles, wenn  wir  nicht  auf  die  Änderung  der  Entropie  Rücksicht  nehmen. 
Die  Erfahrung  deutet  nicht  auf  solche  Unterschiede  hin, l  und  aus  der  Glei- 
chung ergiebt  sich,  dass  kein  Unterschied  vorhanden  zu  sein  braucht,  da 
dieser,  die  Schmelzwärme  eines  elektrochemischen  Äquivalents  des  Metalles, 
sich  aus  der  Gleichung  heraushebt. 

„Wenn  thatsächlich  solche  Unterschiede  vorhanden  wären,  so  würde  es 
leicht  sein,  Anordnungen  zu  erfinden,  bei  denen  die  von  einem  Metall  beim 
Übergang  aus  dem  flüssigen  in  den  festen  Zustand  entwickelte  Wärme  ohne 
weiteren  Aufwand  in  elektromotorische  und  daher  mechanische  Arbeit  um- 
gewandelt werden  könnte." 

13.  Helmholtz'  Eingreifen.  Unabhängig  von  den  eben  mitgetheilten 
Darlegungen  von  Willard  Gibbs  arbeitete  sich  auch  Helmholtz  zu  ähnlichen 
und  in  einigen  wesentlichen  Punkten  noch  weiter  entwickelten  Ansichten 
hindurch.  Infolge  des  Umstandes,  dass  sich  diese  Arbeiten  über  einen 
längeren  Zeitraum  erstrecken,  in  welchem  sich  die  Ansichten,  mit  denen 
der  grosse  Forscher  an  die  Aufgabe  herantrat,  wesentlich  geändert  haben, 
besitzen  wir  hier  ein  ausgezeichnetes  Beispiel  für  die  Überwindung  einer  ohne 
hinlängliche  Prüfung  angenommenen,  weil  „selbstverständlich"  erschienenen 
Ansicht  durch  die  sorgfältige  und  unerschrockene  Verfolgung  widersprechen- 
der Einzelergebnisse. 

Es  ist  bereits  erwähnt  worden,  dass  Helmholtz  in  seiner  Schrift  über 
die  Erhaltung  der  Kraft  aus  dieser  Annahme,  dass  sich  die  chemische 
Energie  vollständig  in  elektrische  verwandele,  den  Betrag  der  entsprechenden 
elektomotorischen  Kraft  berechnet  hatte,  dass  er  aber  gleichzeitig  die  An- 
nahme selbst  mit  einiger  Zurückhaltung  aufgestellt  hatte.  Erst  im  Jahre 
1873  begann  er  sich  experimentell  mit  derartigen  Fragen  zu  beschäftigen, 
und  wir  finden  ihn  zunächst,  vermuthlich  durch  den  Einfluss  der  Veröffent- 
lichung von  William  Thomson  (S.  777),  ganz  und  gar  auf  dem  von  diesem 
eingenommenen  Standpunkte,  indem  er  die  Möglichkeit  der  Wasserzersetzung 
durch  Kräfte,    die    unterhalb  des  aus  der  Verbrennungswärme  berechneten 

1  „Herr  Raoult  hat  mit  einem  galvanischen  Element  experimentirt,  welches  eine  Elektrode 
von  Wismuth  in  Berührung  mit  wismuthhaltiger  Phosphorsäure  enthielt  (Comptes  rendus  08, 
643.  1869).  Da  dies  Metall  beim  Schmelzen  885  Calorien  für  das  Äquivalent  erfordert,  während 
ein  DANiELL'sches  Element  etwa  24000  Calorien  elektromotorischer  Arbeit  für  ein  Äquivalent 
des  Metalles  liefert,  so  musste  der  Übergang  des  Wismuths  aus  dem  festen  Zustande  in  den 
flüssigen  eine  Änderung  der  elektromotorischen  Kraft  um  von  0,037  eines  DAXiELL'schen  Ele- 
mentes bedingen.  Bei  dem  Versuch  von  Raoult  zeigte  sich  aber  kein  plötzlicher  Sprung  in 
der  elektromotorischen  Kraft  in  dem  Augenblicke,  wo  das  Wismuth  seinen  Aggregatzusttfd 
änderte.  Thatsächlich  verursachte  eine  Temperaturveränderung  von  etwa  150  oberhalb  zu  15' 
unterhalb  der  Schmelztemperatur  nur  eine  Änderung  der  elektromotorischen  Kraft  um  0,002 
eines  DANiELL'schen  Elementes.     Versuche  mit  Blei  und  Zinn  gaben  ähnliche  Resultate." 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  QQQ 


„theoretischen"  Werthes  liegen,  leugnet,  da  sie  dem  Gesetz  von  der  Er- 
haltung der  Energie  widersprechen  würde.     Seine  Worte  sind:1 

„Es  ist  bekannt,  dass  wenn  ein  Danieli/scIics  Zink-Kupfer-Element  durch 
eine  Wasserzersetzungszelle  mit  Platinelektroden  geschlossen  wird,  ein  Strom 
entsteht  von  schnell  abnehmender  Stärke,  der  bei  der  gewöhnlichen  Art, 
den  Versuch  anzustellen,  zwar  nach  kurzer  Zeit  sehr  schwach  wird,  aber 
selbst  nach  sehr  langer  Zeit  nicht  ganz  aufhört.  Wir  wollen  diesen  Strom 
den  polarisirenden  nennen.  Wenn  wir  nachher  die  Zersetzungszelle  von 
dem  DANiELi/schen  Elemente  trennen,  und  ihre  Platinplatten  mit  dem  Gal- 
vanometer2 verbinden,  so  erhalten  wir  einen  anderen  Strom,  den  depola- 
risirenden,  der  in  der  Zersetzungszelle  entgegengesetzte  Richtung  hat,  als 
der  polarisirende,  und  ebenfalls  anfangs  stark  ist,  unter  den  gewöhnlichen 
Bedingungen  der  Beobachtung  aber  meist  bald  bis  zum  Unwahrnehmbaren 
schwindet 

„Es  ist  im  Wesentlichen  dieser  einfache  Versuch,  auf  den  sich  meine 
Untersuchungen  beziehen.  Die  zu  lösende  Frage  war:  worauf  beruht  die, 
wie  es  scheint,  unbegrenzt  lange  Fortdauer  des  polarisirenden  Stromes?  In 
einer  Kette  von  der  angegebenen  Zusammensetzung  kann  nämlich,  wenn 
nicht  noch  andere  Veränderungen  darin  vorgehen,  die  nach  dem 
FARADAY^schen  Gesetze  erfolgende  elektrolytische  Leitung  in  den  Flüssigkeiten 
nicht  zu  Stande  kommen  ohne  eine  Verletzung  des  Gesetzes  von  der  Er- 
haltung  der  Kraft.  Wenn  nämlich  keine  anderen  Äquivalente  potentieller 
Energie  verbraucht  werden,  müsste  in  einer  solchen  Kette  das  mechanische 
Äquivalent  der  in  dem  Stromkreise  erzeugten  Wärme  gleich  sein  dem  Arbeits- 
äquivalent der  bei  der  Elektrolyse  wirksam  gewordenen  und  verbrauchten 
chemischen  Kräfte.  Letzteres  ist  aber,  wenn  die  Zersetzung  nach  dem  Ge- 
setze der  elektrolytischen  Äquivalente  vor  sich  geht,  negativ,  und  kann  also 
nicht  einer  durch  den  Strom  zu  erzeugenden  positiven  Wärmearbeit  gleich 
sein.  Wasserzersetzung  kann  also,  wenn  das  FARADAY^sche  Gesetz  ausschliess- 
lich gültig  ist,  durch  ein  DANiELi/sches  Element  auch  in  der  minimalsten 
Menge  nicht  dauernd  unterhalten  werden.  In  der  That  wird  ein  Freiwerden 
der  Gase,  welche  das  Wasser  zusammensetzen,  bei  dem  oben  beschriebenen 
Versuche  nicht  beobachtet,  wenn  auch  der  Strom  noch  so  lange  fortdauert." 

Helmholtz  erledigt  dann  noch  einige  andere  Annahmen,  die  man  machen 
könnte,  um  von  dem  Strom  Rechenschaft  zu  geben,  indem  er  zeigt,  dass, 
welche  Zwischenzustände  man  auch  für  die  beiden  Gase  annehmen  möge, 
die  gesammte  Arbeit  für  das  freie  Erscheinen  derselben  immer  die  gleiche 
bleibt,  und  geht  dann  dazu  über,  auf  Grund  der  von  ihm  sogenannten  Con- 
vectionserscheinungen  die  Thatsachen  zu  erklären.  Mit  dieser  Seite 
der  Frage  haben  wir  uns  hier  nicht  zu  beschäftigen;  von  Belang  ist  nur 
die  mit  Sicherheit  ausgesprochene  Ansicht,  dass  durch  elektrische  Energie 
nicht  ein  chemischer  Vorgang  hervorgebracht  werden  könne,  welcher  mehr 

1  Pogg.  Ann.  150,  483.   1873.  2  Im  Original  steht  irrthümlich  „Voltameter". 


lOoo  Siebzehntes  Kapitel. 


Wärme  verbraucht,  als  durch  die  Umwandlung  der  elektrischen  Energie  ge- 
liefert werden  kann.  Die  auf  S.  804  erwähnten  Versuche  von  Favre  sind 
bereits  ein  Beweis  dafür,  dass  eine  solche  Ansicht  irrthümlich  ist,  denn 
dort  ist  Chlorwasserstoff  unter  Wärmeabsorption  elektrolytisch  zersetzt,  und 
diese  Wärmeabsorption  ist  unmittelbar  gemessen  worden. 

In  der  That  kennen  wir  eine  grosse  Anzahl  anderer  Vorgänge,  welche 
freiwillig  unter  Wärmeaufnahme  erfolgen,  indem  sie  gleichzeitig  nach  aussen 
Arbeit  leisten;  alle  diese,  wie  z.  B.  die  Verdampfung  des  Wassers  bei  con- 
stanter  Temperatur  unter  Überwindung  eines  entsprechenden  Druckes,  müssten 
nicht  möglich  sein,  wenn  die  angewandte  Schlussweise  richtig  wäre.  Der 
Irrthum  in  der  Schlussweise  liegt  darin,  dass  das  Gesetz  der  Erhaltung  der 
Energie  jedesmal  in  solchen  Fällen  aufrecht  erhalten  werden  kann,  indem 
der  arbeitende  Körper  den  erforderlichen  Zuschuss  von  Energie  ab  Wärme 
aus  seiner  Umgebung  aufnimmt.  Dieser  Betrag  ist  genau  gleich  dem,  den 
das  Gesetz  verlangt,  und  von  einer  Verletzung  desselben  ist  keine  Rede. 
Wohl  aber  liegen  Gesetzmässigkeiten  nach  anderer  Seite,  der  des  zweiten 
Hauptsatzes  vor,  welche  die  hier  möglichen  Vorgänge  regeln.  Helmholtz 
selbst  hat  zur  Aufklärung  dieser  Gesetze  in  dem  weiteren  Verlauf  seiner 
Arbeiten  wesentlich  beigetragen. 

Den  gleichen  Standpunkt  nahm  Helmholtz  noch  acht  Jahre  später  ein, 
denn  in  seiner  Faraday- Vorlesung  vor  der  Londoner  chemischen  Gesellschaft1 
äussert  er  sich  sehr  positiv  in  solchem  Sinne: 

„Wenden  wir  das  FARADAv'sche  Gesetz  an,  so  muss  ein  bestimmter 
Betrag  von  Elektricität,  welcher  durch  den  Stromkreis  geht,  einem  bestimmten 
Betrage  chemischer  Zersetzung  entsprechen,  welche  in  jeder  elektrolytischen 
Zelle  desselben  Stromkreises  stattfindet.  Nach  der  Theorie  der  Elektricität 
ist  die  durch  eine  solche  bestimmte  Elektricitätsmenge  beim  Stromdurch- 
gange gethane  Arbeit  proportional  der  elektromotorischen  Kraft  zwischen 
beiden  Enden  des  Leiters.  Sie  sehen  daher,  dass  die  elektromotorische  Kraft 
einer  galvanischen  Kette  proportional  sein  muss  und  thatsächlich  auch  ist 
der  Wärme,  welche  durch  alle  chemischen  Vorgänge  in  allen  elektrolytischen 
Zellen  während  des  Durchganges  derselben  Elektricitätsmenge  erzeugt  wird 
In  den  Zellen  der  galvanischen  Batterie  werden  chemische  Kräfte  in  den 
Stand  gesetzt,  Arbeit  zu  leisten;  in  den  Zellen,  wo  Zersetzung  stattfindet, 
muss  Arbeit  gegen  die  entgegengerichteten  chemischen  Kräfte  geleistet 
werden;  der  Rest  der  geleisteten  Arbeit  erscheint  als  die  durch  den  Strom 
entwickelte  Wärme,  soweit  als  sie  nicht  verbraucht  wird,  um  Magnete  zu 
bewegen,  oder  andere  Arbeitsäquivalente  zu  leisten. 

„Sie  sehen,  das  Gesetz  von  der  Erhaltung  der  Energie  verlangt,  dass 
die  elektromotorische  Kraft  jeder  Kette  genau  dem  Gesammtbetrage  der 
chemischen  Kräfte  entsprechen  muss,  welche  ins  Spiel  kommen,  und  zwar 
nicht    nur   die   gegenseitigen  Anziehungen   der  Ionen,   sondern   auch  diese 

1  Journ.  Chem.  Soc.    1881,  2;;.   —  Abhandlungen  III,  52.   1895. 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  IOOI 


ingeren  molekularen  Anziehungen,  welche  durch  das  Wasser  und  die 
leren  Bestandteile  der  Flüssigkeit  hervorgebracht  werden." 

14.  Die  Überwindung  des  Irrthums.     Inzwischen  hatte  Helmholtz 

elektrochemischen  Probleme  noch  nach  einer  anderen  Seite  zu  bearbeiten 
;onnen,  indem  er  sich,  möglicherweise  durch  die  inzwischen  aufgefundenen 
iersprüche  jener  älteren  Ansicht  über  die  elektromotorischen  Kräfte  mit 

Erfahrung  veranlasst,  die  Aufgabe  stellte,  auf  anderem,  von  der  Betrach- 
g  der  Wärmeentwickelung  unabhängigem  Wege,  elektromotorische  Kräfte 
berechnen.  Den  Weg  hatte  er  denn  auch  im  Jahre  1877  gefunden,1 
l  wenn  auch  scheinbar  das  Ergebniss  nur  von  bescheidener  Beschaffen- 
:  war,  da  es  sich  auf  eine  einzige,  bis  dahin  kaum  beachtete  Art  von 
±en  bezog,  so  hat  doch  die  spätere  Entwickelung  der  Sache  gelehrt,  dass 
der  That  in  diesem  ersten  Versuch  die  entscheidenden  Gedanken  bereits 
ührt  worden  sind,  welche  zu  der  späteren  Entwickelung  des  Gebietes 
l  zu  der  Ausdehnung  der  gefundenen  Lösung  auf  Ketten  aller  Art  ge- 
rt  haben.     Wesentlich  für  die  Kennzeichnung  des  neuen  Weges  ist,  dass 

Lösung  der  Aufgabe  nicht  mehr  wie  früher  nur  der  erste  Hauptsatz  der 
phänischen  Wärmetheorie  benutzt  wird,   sondern    dass   der  zweite  dabei 
*  entscheidende  Rolle  spielt.2 
Die  Aufgabe,  mit  der  sich  Helmholtz  in  dieser  Arbeit  beschäftigt,  ist 

der  Concentrationsketten;  der  Gedankengang  dabei  ist  der  folgende: 
Wenn  zwei  Salzlösungen  von  ungleicher  Concentration  einander  berühren, 
suchen  sie  ihre  Gehaltsverschiedenheit  auszugleichen,  indem  die  Lösung 
1  der  Seite  der  grösseren  zu  der  der  geringeren  Concentration  diffundirt. 
1  giebt  es  zwei  Wege,  um  die  Verschiedenheit  des  Gehaltes  auf  umkehr- 
em  Wege  unter  Arbeitsleistung  auszugleichen.  Man  kann  entweder  aus  der 
dünnteren  Lösung  so  viel  Wasser  verdampfen  lassen,  dass  dieses,  wenn  man 
der  concentrirteren  Lösung  hinzufügt,  die  beiden  Lösungen  gleich  macht. 
zy  man  kann  in  die  beiden  Lösungen  Elektroden  aus  demselben  Metall, 
ches  sie  enthalten,  setzen,  und  diese  leitend  mit  einander  verbinden.  Dann 
>teht  ein  Strom,  welcher  so  wirkt,  dass  die  concentrirtere  Lösung  durch 
>scheidung  des  Metalles  und  Fortwanderung  des  Anions  verdünnter,  die 
dünnte  Lösung  durch  Auflösen  des  Metalles  unter  Mitwirkung  des  hin- 
'anderten  Anions  concentrirter  wird.  Bei  beiden  Vorgängen  lässt  sich 
>eit  gewinnen;  bei  dem  ersten,  weil  der  Dampfdruck  über  der  verdünnten 


1  Monatsber.  Berl.  Akad.  26.  Nov.   1877.  —  WiED.  Ann.  3,  201.   1878. 

2  Auf  eine  Darlegung  des  Inhaltes  und  der  Entwickelung  des  „zweiten  Hauptsatzes"  kann 
nicht  eingegangen  werden;   es  würde  dies  ein  eigenes  Buch  erfordern.     Doch  soll  bemerkt 

len,  dass  in  dem  Texte  dieser  Darlegungen  soviel  von  dem  Wesen  dieses  wichtigen  Satzes 
Anschauung  kommen  wird,  dass  auch  der  Leser,  dem  dieser  nicht  geläufig  ist,  auf  keine 
>erwindlichcn  Schwierigkeiten  des  Verständnisses  stossen  wird,  wenn  ihm  auch  freilich  die 
ichtliche  Gedankenarbeit,  welche  von  der  älteren  Gestalt  dieses  Satzes  zu  den  von  Helm- 
rz  gefundenen  Anwendungs formen  desselben  geführt  hat,  nicht  vollkommen  anschaulich 
len  kann. 


J002  Siebzehntes  Kapitel. 


Lösung  grösser  ist,  als  über  der  concentrirten,  also  der  Dampf  mit  dem 
Unterschied  der  beiden  Drucke  von  jener  zu  dieser  überzugehen  bestrebt 
ist.  Bei  dem  zweiten  Vorgange  stellt  der  elektrische  Spannungsunterschied, 
welcher  zwischen  den  beiden  Elektroden  besteht,  eine  solche  Arbeitsquelle 
dar,  deren  Betrag  gleich  diesem  Unterschied,  multiplicirt  mit  der  durch- 
gehenden Elektricitätsmenge  ist  Die  letztere  aber  ist  durch  das  FARADAY'sche 
Gesetz  und  die  HrrroRF'sche  Uberführungszahl  bestimmt,  denn  wie  auf  S.  854 
dargelegt  worden  ist,  beträgt  die  Concentrationsänderung  an  den  Elektroden 
nicht  soviel,  als  dem  elektrochemischen  Äquivalent  der  durchgegangenen 
Strommenge  entspricht,  sondern  ist  ein  durch  das  Verhältniss  der  Wan- 
derungsgeschwindigkeiten bestimmter  Bruchtheil  davon. 

Da  nun  beide  Vorgänge  umkehrbar  ausgeführt  werden  können,  so  muss 
nach  einem  allgemeinen  Gesetze,  welches  als  der  zweite  Hauptsatz  der 
Energetik  bezeichnet  werden  kann,  und  welches  dahin  lautet,  dass  der  bei 
umkehrbaren  Vorgängen  zu  gewinnende  Arbeitsbetrag  nur  von  dem  An- 
fangs- und  Endzustande  des  Gebildes,  nicht  aber  von  der  Beschaffenheit  der 
Zwischenzustände  abhängt,  der  beiderseits  zu  berechnende  Arbeitsbetrag  gleich 
gross  sein.  Daraus  folgt,  dass  eine  Gleichung  bestehen  muss  zwischen  den 
Dampfdrucken  und  Dampfvolumen  der  Salzlösungen  einerseits,  und  der  elek- 
tromotorischen Kraft  der  Concentrationskette,  sowie  der  Überfuhrungszahl 
des  vorhandenen  Elektrolyts  andererseits.  Man  kann  also  jede  dieser  Grössen 
berechnen,  wenn  die  anderen  gegeben  sind,  und  erhält  insbesondere  aus 
den  Dampfdrucken  der  Lösungen  und  der  Überfuhrungszahl  die  elektro- 
motorische Kraft  der  Concentrationskette. 

So  bescheiden  dies  Ergebniss  im  Verhältniss  zu  dem  früher  als  richtig 
angesehenen,  welches  aus  der  Wärmeentwickelung  die  elektromotorische  Kraft 
jeder  beliebigen  Kette  zu  berechnen  gestattete  (S.  771),  auch  erscheinen  mag, 
da  es  nur  eine  besondere  Art  von  Ketten  betrifft,  deren  Vorhandensein  nach 
den  ersten,  70  Jahre  alten  Beobachtungen  von  Bucholz  und  Ritter  (S.  187 
inzwischen  völlig  in  Vergessenheit  gerathen  war,  so  hatte  es  doch  wenigstens 
den  einen  unleugbaren  Vorzug,  dass  es  richtig  war,  was  leider  von  dem 
anderen  nicht  gesagt  werden  konnte.  In  der  Folge  hat  sich  aber  diese  w 
anspruchslos  auftretende  Arbeit  als  bahnbrechend  für  die  richtige  Auffassung 
der  Ketten  aller  Art  erwiesen,  und  wenn  wir  gegenwärtig  im  Stande  sind, 
fast  alle  Fragen  in  diesem  Gebiete,  prinzipiell  gesprochen,  zu  beantworten, 
so  ist  es  nur  die  Fortentwickelung  der  hier  niedergelegten  Gedanken,  zu- 
nächst durch  Helmholtz  selber,  dann  durch  andere  Forscher  gewesen,  welche 
uns  dies  Ziel  hat  erreichen  lassen.  Es  sind  deshalb  die  allgemeineren  Be- 
trachtungen dieser  Abhandlung,  so  weit  sie  ohne  den  beigefugten  mathe- 
matischen Apparat  verständlich  sind,  nachstehend  wiedergegeben.1 

Die  Abhandlung  beginnt  mit  einer  Auseinandersetzung  des  Begriffes  der 
Uberführungszahl,    die  wir  nicht  zu  wiederholen  brauchen;    sie  schliesst  mit 


1  WiED.  Ann.  3,   201.   1878.     -  Monatsber.  d.  Berl.  Akad.  26.  Nov.   1877. 


Die  elektrochemischen  Spann ungserscheinungen.  1003 

lern  Satze:  „Ist  das  Metall  der  Elektrode  gleich^aemjenigen,  welches  in 
Ler  Lösung  enthalten  ist,  so  ist  das  ganze  Resultat  der  Elektrolyse  das- 
elbe,  als  wenn  ein  Äquivalent  Metall  von  der  Anode  an  die  Kathode  und 
1  -—  n)  Äquivalent  Salz  in  der  Lösung  von  der  Kathode  zur  Anode  ge- 
ührt  wäre. 

„Wenn  nun  die  Salzlösung  an  der  Kathode  concentrirter  ist,  als  an 
ler  Anode,  so  werden  durch  diese  Überfuhrung  die  Unterschiede  der  Con- 
entration  ausgeglichen.  Die  Flüssigkeit  nähert  sich  hierdurch  dem  Gleich- 
gewichtszustände, dem  die  Anziehungskräfte  zwischen  Salz  und  Wasser  auch 
n  den  Vorgängen  der  Diffusion  zustreben,  nämlich  dem  Zustande  gleich- 
nässiger  Vertheilung  des  Salzes.  Also  werden  die  in  dieser  Richtung  wir- 
renden chemischen  Kräfte  ihrerseits  auch  wiederum  den  elektrischen  Strom, 
Ler  in  ihrem  Sinne  wirktA  unterstützen  können. 

„Dass  nun  die  hierbei  eintretende  Arbeit  der  chemischen  Kräfte  in 
iiesem  Falle  nach  demselben  Gesetze,  wie  andere  elektrolytische  chemische 
'rocesse  als  elektromotorische  Kraft  wirkt,  lässt  sich  aus  der  mechanischen 
Värmetheorie  herleiten. 

„Einen  reversiblen  Process  ohne  Temperaturänderung,  wie  er  zur  An- 
wendung des  CARNOT'schen  Gesetzes  gefordert  wird,  können  wir  uns  auf 
olgende  Weise  herstellen: 

„1)  Wir  lassen  in  die  Anode  das  Quantum  positiver  Elektricität  E  lang- 

am  in  constantem  Strome  eintreten,  nehmen  dagegen  aus  der  Kathode  das 

Quantum  +  E  weg,    oder,    was    zu   demselben  Resultate    führt,    wir   lassen 

+-  \E   in    die  Anode  ein-,    —  \E  austreten,    umgekehrt   an    der   Kathode. 

»Venn  Pa  und  P*  die  Werthe  der  elektrostatischen  Potentialfunction  für  die 

>eiden  Elektroden  sind,  so  ist 

E(Pa  -  Pk) 

lie  Arbeit,  welche  geleistet  werden  muss,  um  diese  Durchströmung  zu  be- 
werkstelligen. Ist  die  Dauer  der  Durchströmung  gleich  t,  so  ist  die  Strom- 
ltensität  nach  elektrostatischem  Maass  gegeben  durch  die  Gleichung: 

7  t  =£. 
„2)  Unter  dem  Einflüsse  dieser  Durchströmung  kommt  in  der  elektro- 
nischen Zelle,  die  wir  mit  zwei  gleichartigen  Metallelektroden  versehen  und 
lit  einer  Lösung  desselben  Metalles  von  ungleicher  Concentration  gefüllt 
enken,  eine  Überführung  des  Salzes  im  Elektrolyten  zu  Stande.  Die  Ver- 
nderung,  welche  dadurch  im  Zustande  der  Flüssigkeit  entsteht,  können  wir 
ber  dadurch  beseitigen,  dass  wir  aus  allen  Schichten  der  Flüssigkeit,  wo 
er  Strom  die  Lösung  verdünnt,  so  viel  Wasser,  als  zugeführt  wird,  ver- 
ampfen  lassen,  umgekehrt,  wo  der  Strom  die  Flüssigkeit  concentrirt,  die 
ntsprechende  Menge  von  Wasser  durch  Niederschlag  von  Dämpfen  zu- 
ihren.  Wenn  man  in  dieser  Weise  den  Zustand  innerhalb  der  Flüssigkeit 
ollkommen  constant  erhält,  so  muss  das  Anion  ganz  an  seiner  Stelle  bleiben, 
»reil  sich  von  diesem  an  keinem  Ende  etwas  ausscheidet,  und  nichts  dazu- 
ommt.    Vom  Kation  muss  dagegen  durch  jeden  Querschnitt  der  Strombahn 


I004  Siebzehntes  Kapitel. 


eine  der  Stromstärke  vollkommen  äquivalente  Menge  gehen,  da  an  der 
Anode  ein  volles  Äquivalent  aufgelöst,  an  der  Kathode  niedergeschlagen 
wird.  Da  nun  die  Verschiebung  des  Anions  gegen  das  Wasser  sich  zu  der 
des  Kations  gegen  das  Wasser  wie  (i  —  n)  zu  n  verhält,  so  muss  das  Wasser 
mit  einer  Geschwindigkeit  vorwärts  gehen,  welche  (i  —  n)  von  der  des  Ka- 
tions  beträgt.  Wenn  also  ein  elektrolytisches  Äquivalent  des  Salzes  ver- 
bunden ist  mit  q  Gewichtstheilen  Wasser,  und  durch  ein  Flächenstück  d'ja 
der  Strom  von  der  Dichtigkeit  i  die  Quantität  idw  des  Kations,  in  Äqui- 
valenten ausgedrückt,  fuhren  soll,  so  müssen  durch  dasselbe  q(i  —  n)i.d"^ 
Gewichtstheile  Wasser  gehen,  um  die  Theile  des  Anions  an  ihrer  Stelle  zu 
erhalten. 

„Diese  q{\  —  n)i.diu  betragende  Menge  Wasser  fuhrt  mit  sich  als  auf- 
gelöste Bestandtheile  (i  —  n) i.dw  Äquivalente  des  Kations,  sowie  des  Anions. 
Die  Elektrolyse  treibt  durch  denselben  Querschnitt  n.i.dw  des  Kations 
vorwärts  und  (i  —  n)i.dzu  des  Anions  rückwärts,  daher  in  Summa  ein  Äqui- 
valent des  Kations  vorwärts  geht,  und  das  Anion  an  seiner  Stelle  bleibt" 

Nach  Ausfuhrung  einer  entsprechenden  Rechnung  erhält  dann  Helmholtz 
das  Resultat:  „Das  Wasser  also,  welches  sich  im  ganzen  Inneren  sammelt, 
und  nach  unserer  Voraussetzung  durch  Verdampfung  entfernt  werden  soll, 
wird  gerade  genügen,  um  an  den  Elektrodenflächen  wieder  niedergeschlagen 
die  dort  verlangte  Zufuhr  zu  geben.  Hierbei  kann  natürlich  sowohl  die 
Ansammlung  des  Wassers  im  Inneren,  wie  der  Niederschlag  an  der  Ober- 
fläche stellenweise  auch  negative  Werthe  haben. 

„3)  Die  Verdampfung,  beziehentlich  wo  sie  negativ  ist,  der  Niederschlag 
des  Dampfes  kann  so  gefuhrt  werden,  dass  man  durch  Zuleitung  der  Wärme 
zu  jedem    der  Volumelemente   die  Temperatur  während  der  Verdampfung 
constant  erhält.     Solange  Wasser  aus  einem  Volumelemente  entfernt  werden 
soll,    lässt   man  den  Dampf  damit  in  Berührung.     Schliesslich  trennt  man 
beide,  und  lässt  den  Dampf  unter  weiterer  Zufuhrung  von  Wärme  bei  con- 
stanter  Temperatur  sich  so  weit  dehnen,  bis  er  einen  bestimmten  Druck/! 
erreicht   hat.      Wo    die   Verdampfung   negativ   sein   soll,    wird    der  Dampf 
natürlich  aus  dem  Druck  px  entnommen,  und  unter  Abgabe  von  Wärme  bei 
constanter  Temperatur  zunächst  ohne,  nachher  mit  Berührung  der  Flüssig- 
keit comprimirt,  bis  er  Wasser  geworden  ist.     Da  der  Dampf,  der  mit  den 
concentrirteren  Theilen   der  Flüssigkeit  in  Berührung  ist,  geringeren  Druck 
hat,   als  der  mit  verdünnteren  Theilen  in  Berührung  stehende,  so  wird  bei 
der  Verdampfung  Arbeit  gewonnen,  wenn  das  Wasser  aus  den  verdünnten 
Theilen  in  die  concentrirten  übertragen  wird,  verloren,  wenn  umgekehrt. 

„4)  Die  elektrische  Strömung  kann  so  langsam  gemacht  werden,  dass 
die  dem  Quadrat  ihrer  Intensität  proportionale  Wärmeentwickelung  wegen 
Widerstandes  der  Leitung  verschwindend  klein  wird  im  Vergleich  mit  den- 
jenigen Wirkungen,  die  wir  bisher  besprochen  haben,  und  die  der  ersten 
Potenz  der  Intensität  proportional  sind. 

„Ebenso  könnte  die  Diffusion,  welche  zwischen  den  verschieden  con- 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  1005 

centrirten  Theilen  der  Lösung  vor  sich  geht,  durch  Einschaltung  enger  Ver- 
bindungsröhren auf  ein  Minimum  zurückgeführt  werden,  ohne  dass  die 
elektromotorische  Kraft  des  Apparates,  die  wir  berechnen  wollen,  dadurch 
geändert  wird. 

„Wir  können  deshalb  diese  beiden  irreversiblen  Processe  vernachlässigen 
und  das  CARNOT-CLAUSius'sche  Gesetz  auf  die  reversiblen  anwenden.  Da  alle 
an  dem  Process  theilnehmenden  Körper  dauernd  gleiche  Temperatur  haben 
sollen,  und  alle  dieselbe,  so  kann  keine  Wärme  in  Arbeit  und  durch  die 
reversiblen  auch  keine  Arbeit  in  Wärme  verwandelt  werden.  Es.muss  also 
die  Summe  der  gewonnenen  und  verlorenen  Arbeiten,  für  sich  genommen, 
gleich  Null  sein,  und  ebenso  die  Summe  der  ab-  und  zugefuhrten  Wärme." 

Helmholtz  geht  nun  dazu  über,  diese  Überlegung  in  Formeln  zu  klei- 
den, indem  er  die  elektrische  und  die  bei  der  Verdampfung  und  Wieder- 
verdichtung zu  gewinnende  mechanische  Arbeit  berechnet.  Diese  Rechnung 
soll  nicht  wiedergegeben  werden;  das  Ergebniss,  welches  unter  der  Voraus- 
Setzung  erhalten  wird,  dass  die  Änderung  des  Dampfdruckes  nach  dem  Ge- 
setze von  Wüllner  dem  Salzgehalt  proportional  ist,  und  dass  der  Wasser- 
dampf den  Gasgesetzen  folgt,  hat  die  Gestalt: 

Pk-Pa  =  t.V0[i-n).log.9-±, 

wo  b  und  V0  Constanten  sind,  und  q  eine  der  Concentration  umgekehrt 
proportionale  Grösse  ist,  die  man  als  die  Verdünnung  bezeichnen  kann;  die 
Zeichen  k  und  a  beziehen  sich  auf  die  Kathode,  resp.  Anode. 

Die  Prüfung  der  Formel  wurde  sowohl  in  relativer  Weise  vorgenommen, 
indem  aus  einer  Anzahl  von  Messungen  an  Kupfersulfatlösungen  verschie- 
denen Gehaltes  das  Verhältniss  der  elektromotorischen  Kräfte  P*  —  Pa 
zwischen  je  zwei  Lösungen  ermittelt  wurde,  wodurch  die  Constante  der 
Gleichung  nicht  ihrem  absoluten  Werthe  nach  bekannt  zu  sein  brauchte. 
Ferner  aber  ging  Hetmholtz  zu  der  Berechnung  der  Constanten  in  abso- 
lutem Maasse  über,  indem  er  für  diesen  Zweck  Messungen  der  Dampfdrucke 
über  Kupfersulfatlösungen  benutzte,  welche  auf  seine  Veranlassung  von 
J.  Moser  ausgeführt  worden  waren.  Beide  Berechnungen  gaben  eine  aus- 
reichende Übereinstimmung  zwischen  Beobachtung  und  Theorie.  Auf  ihre 
Wiedergabe  kann  hier  verzichtet  werden,  da  später  die  gleichen  Fragen  in 
einfacheren  Formen  behandelt  werden  sollen. 

Durch  die  Ergebnisse  dieser  Arbeit  war  Helmholtz  in  einen  vollstän- 
digen Widerspruch  mit  seinen  früheren  Ansichten  gekommen.  Denn  seine 
Schlussgleichung  enthielt  als  bestimmende  Grössen  für  die  elektromotorische 
Kraft  die  Überfiihrungszahl  und  die  Concentrationen  seiner  Salzlösungen, 
dagegen  durchaus  kein  Glied,  das  der  Wärmeentwickelung  bei  dem  hier 
stattfindenden  Vorgange,  der  Verdünnung  der  Salzlösung  entsprach.  Ja, 
man  konnte  aus  der  Formel  abnehmen,  dass  auch  die  verdünntesten 
Lösungen,  bei  denen  die  Verdünnungswärmen  bis  zur  Unmerklichkeit 
abnehmen,    elektromotorische  Kräfte  von   derselben   Grössenordnung  geben 


IOOÖ 


Siebzehntes  Kapitel. 


müssen,  wie  concentrirtere.  Dazu  kam,  dass  einige  d 
wie  Chlorzink,  Wärmeentwicklung,  andere  Wärmeabi 
dünnung  zeigen,  während  die  elektromotorische  Kraft 
von  immer  so  Hegt,  dass  die  in  der  concentrirteren  I 
trode  als  Kathode  wirkt. 

Solche  Widersprüche  konnten  einem  Manne  wie 
borgen  bleiben,  und  er  war  auch  nicht  der  Mann  da 
grund  zu  schieben,  und  sich  ihrer  Beachtung  zu  entz 
sich  mit  Sicherheit  annehmen,  dass  gerade  das  Auftret« 
ihn  zu  der  Prüfung  seiner  Ausgangspunkte  veranlas: 
diesem  Umstände  die  Fortschritte  verdanken,  die  wii 
sehen.  Schon  ein  Jahr  nach  jener  FARADAY-Vorlesur 
Gesichtspunkt  gewonnen,  von  dem  aus  eine  widersp 
der  elektrochemischen  Vorgänge  möglich  war,  und  es 
lichung  seiner  drei  Abhandlungen  zur  Therm ody na 
Vorgänge,  welche  auf  die  Entwickelung  der  Sache  ein 
ausgeübt  haben. 

Das  Resultat  der  hier  niedergelegten  Gedankenart 
Worte  fassen:  für  die  Umwandlung  in  andere  Ener 
gemeinen  nie  die  gesammte  Energie  maassgebend,  v 
benen  Änderung  eines  Gebildes  frei  wird,  sondern  ein 
welchen  Helmholtz  die  freie  Energie  nennt.  Dies 
kleiner  oder  auch  grösser  sein,  als  die  Gesammtenerg 

Je  nach  den  Bedingungen,  welchen  die  Umwam 
erlangt  die  freie  Energie  verschiedene  Definitionen.  Fii 
welche  Helmholtz  zunächst  betrachtet  hat,  und  welcr 
wichtigste  ist,  im  Vordergründe:  es  ist  die  freie  Energ 
peratur,  oder  die  freie  Energie  im  engeren  Sinne.  1 
Folgendes.  Ist  für  einen  Vorgang  die  freie  Energie 
der  gesammten,  so  geht  alle  auftretende  Energie  in 
und  kein  Antheil  derselben  erscheint  in  unvenvandelba 
Ist,  wie  das  der  häufigste  Fall  ist,  die  freie  Energie 
rung  der  gesammten,  so  erscheint  der  Überschuss  als 
bilde  erhöht  seine  Temperatur.  Ist  schliesslich  die  fre 
miiss  Energie  als  Wärme  aus  der  Umgebung  aufger 
das  Gebilde  kühlt  sich  freiwillig  ab,  wenn  die  Ur 
Wenden  wir  diese  Sätze  auf  die  Umwandlung  chemis 
frische  an,  so  erhalten  wir  die  möglichen  Fälle  des  \ 
Ketten,  wie  sie  von  Raoui.T  und  Favre  beobachtet 
Die  Kenntniss  dieser  wesentlichen  Gesichtspunkte  wirc 
nachfolgenden  Darlegungen  von  Helmholtz  erleichtern, 
Abhandlung  zur  Thermodynamik  chemischer  Vorgang 


1  Si  (zunähe  r.  Berl.  AIemI 


-   Ges.  Alihandl. 


Die  elektrochemischen  Spanmmgserscheinun^en.  1007 


„Die    bisherigen    Untersuchungen    über   die   Arbeitswerthe    chemischer 
Vorgänge  beziehen  sich  fast  ausschliesslich   auf  die  bei  der  Herstellung  und 
Lösung  der  Verbindungen  auftretenden  oder  verschwindenden  Wärmemengen. 
Nun  sind  aber  mit  den  meisten  chemischen  Veränderungen  Änderungen  des 
Aggregatzustandes  und  der  Dichtigkeit   des   betreffenden  Körpers  unlöslich 
verbunden.    Von  diesen  letzteren  aber  wissen  wir  schon,  dass  sie  Arbeit  in 
zweierlei   Form    zu    erzeugen    oder    zu    verbrauchen    fähig    sind,    nämlich 
erstens   in   der  Form  von  Wärme,    zweitens    in    der  Form  von   anderer 
unbeschränkt    verwandelbarer   Arbeit.     Ein   Wärmevorrath    ist    bekanntlich 
nach  dem  von  Herrn  Clausius  präciser  gefassten  CARNOT'schen  Gesetze  nicht 
unbeschränkt  in  andere  Arbeitswerthe  verwandelbar;  wir  können  das  immer 
nur   dadurch  und  dann  auch   nur  theilweise  erreichen,  wenn  wir  den  nicht 
verwandelten  Rest   der  Wärme  in  Körper  von    niederer  Temperatur    über- 
gehen   lassen.     Wir  wissen,    dass    beim  Schmelzen,  Verdampfen,   bei  Aus- 
dehnung von  Gasen  auch  Wärme  aus  den   umgebenden  gleich  temperirten 
Körpern    herbeigezogen    werden    kann,    um    in    andere    Form    überzugehen. 
Da  solche  Veränderungen,  wie  gesagt,  unlöslich  mit  den  meisten  chemischen 
Vorgängen  verbunden  sind,  so  zeigt  schon  dieser  Umstand,  dass  man  auch 
bei    den    letzteren    nach    der  Entstehung  dieser   zwei   Formen  von   Arbeits- 
äquivalenten fragen  und  sie  unter  den  Gesichtspunkt   des  CARNOT'schen  Ge- 
setzes stellen  muss.     Bekannt  ist  längst,   dass  es  von  selbst  eintretende  und 
ohne  äussere  Triebkraft  weitergehende  chemische  Processe  giebt,  bei  denen 
Kälte   erzeugt  wird.     Von  diesen  Vorgängen  wissen   die  bisherigen  theore- 
tischen Betrachtungen,    welche    nur   die    zu   entwickelnde  Wärme  als  Maass 
für  den  Arbeitswerth  der  chemischen  Verwandtschaftskräfte  betrachten,  keine 
Rechenschaft   zu    geben.1     Sie    erscheinen    vielmehr    als   Vorgänge,   welche 
gegen  die  Verwandtschaftskräfte  zu  Stande  kommen.    Der  Hauptsache  nach 
ist  die  ältere  Ansicht,  die  ich  selbst  in  meinen  früheren  Schriften  vertreten 
habe,  allerdings  gerechtfertigt.     Es  ist  keine  Frage,  dass  namentlich  in  den 
Fällen,  wo  die  mächtigeren  Verwandtschaftskräfte  wirken,  die  stärkere  Wärme- 
entwickelung mit  der  grösseren  Verwandtschaft  zusammenfällt,  soweit  letztere 
durch    die  Entstehung    und  Lösung    der    chemischen  Verbindungen    zu    er- 
kennen ist.    Aber  beide  fallen  doch  nicht  in  allen  Fällen  zusammen.    Wenn 
wir  nun  bedenken,  dass  die  chemischen  Kräfte  nicht  bloss  Wärme,  sondern 
auch   andere  Formen  von  Energie    hervorbringen    können,    letzteres   sogar, 
ohne  dass  irgend  eine  der  Grösse  der  Leistung  entsprechende  Änderung  der 
Temperatur  in   den  zusammenwirkenden  Körpern   einzutreten    braucht,    wie 
z.  B.  bei  den  Arbeitsleistungen  der  galvanischen  Batterien:  so  scheint  es  mir 
nicht   fraglich,    dass    auch    bei    den    chemischen   Vorgängen    die   Scheidung 
zwischen   dem  freier  Verwandlung   in  andere   Arbeitsformen   fähigen  Theile 
ihrer  Verwandtschaftskräfte    und    dem    nur    als   Wärme   erzeugbaren    Theile 
vorgenommen  werden  muss.     Ich  werde  mir  erlauben,  diese  beiden  Theile 

1  B.  Rathke,  Über  die  Prinzipien  der  Thermochemie  in  Abhandl.  d.  Xaturforsch.-Gesellsch. 
zu  Halle,  Bd.  XV. 


IOo8  Siebzehntes  Kapitel. 


der  Energie  im  Folgenden  kurzweg  als  die  freie  und  die  gebundene 
zu  bezeichnen.  Wir  werden  später  sehen,  dass  die  aus  dem  Ruh« 
und  bei  constant  gehaltener  gleichmässiger  Temperatur  des  Syste 
selbst  eintretenden  und  ohne  Hülfe  einer  äusseren  Arbeitskraft  fortg 
Processe  nur  in  solcher  Richtung  vor  sich  gehen  können,  dass  ( 
Energie  abnimmt.  In  diese  Kategorie  werden  auch  die  bei  constai 
tener  Temperatur  eintretenden  von  selbst  und  fortschreitenden  che 
Processe  zu  rechnen  sein.  Unter  Voraussetzung  unbeschränkter  G 
des  CLAUSius'schen  Gesetzes  würden  es  also  die  Werthe  der  freien 
nicht  die  der  durch  die  Wärmeentwickelung  sich  kundgebenden  ge 
Energie  sein,  die  darüber  entscheiden,  in  welchem  Sinne  die  chemis 
wandtschaft  thätig  werden  kann. 

„Die  Berechnung  der  freien  Energie  lässt  sich  der  Regel  nach 
solchen  Veränderungen  ausführen,  die  im  Sinne  der  thermodyn« 
Betrachtungen  vollkommen  reversibel  sind.  Dies  ist  der  Fall  h 
Lösungen  und  Mischungen,  die  innerhalb  gewisser  Grenzen  nach  b 
Verhältnissen  hergestellt  werden  können.  Auf  solche  beziehen  si 
die  von  G.  Kirchhoff1  über  Lösungen  von  Salzen  und  Gasen  anj 
Untersuchungen.  Für  die  nach  festen  Äquivalenten  geschlossenen  ch< 
Verbindungen  im  engeren  Sinne  dagegen  bilden  die  elektrolytischen 
zwischen  unpolarisirbaren  Elektroden  einen  wichtigen  Fall  reversil 
gänge.  In  der  That  bin  ich  selbst  durch  die  Frage  nach  dem  Zu 
hange  zwischen  der  elektromotorischen  Kraft  solcher  Ketten  und  de: 
sehen  Veränderungen,  welche  in  ihnen  vorgehen,  zu  dem  hier 
wickelnden  Begriff  der  freien  chemischen  Energie  geführt  wordei 
auch  hier  drängen  sich  Fragen  auf,  wie  die,  ob  und  wann  die  latent« 
der  sich  entwickelnden  Gase  oder  die  durch  Auskrystallisiren  eines 
Elektrolyse  erzeugten  Salzes  freigewordene  Wärme  auf  die  elektrom 
Kraft  Einfluss  habe  oder  nicht.  Die  von  mir  am  26.  November 
machte  Mittheilung  „„Über  galvanische  Ströme,  verursacht  durch 
trationsunterschiede""  (S.  1001)  fällt  schon  in  dieses  Gebiet  hinein/' 

Helmholtz  geht  nun  dazu  über,  auf  den  Fall  einer  umkehrbai 
die  beiden  Hauptsätze  der  mechanischen  Wärmetheorie  anzuwende 
er  den  Zustand  des  Elements  als  durch  seine  Temperatur  und 
einem  bestimmten  Ausgangspunkte  aus  gerechnete  Elektricitätsme 
im  positiven  oder  negativen  Sinne  durch  das  Element  gegangen  ist, 
ansieht.  Vermöge  der  gewöhnlichen  Methoden,  wie  sie  z.  B.  auc 
Ermittelung  des  Zusammenhanges  zwischen  der  latenten  Wärme  de 
und  der  Änderung  des  Dampfdruckes  mit  der  Temperatur  benutz 
sind,  gelangt  er  zu  einer  Gleichung,  die  in  vereinfachter  Gestalt 
Form  hat: 


1  Pogg.  Ann.  103,   17;  u.  206.   1858;  104,  612.    1858. 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  IOOQ 


Hier  bedeutet  d  Q  die  Wärmemenge,  welche  der  Kette  zugeführt  werden 
*j  damit  sie  beim  Stromdurchgange  ihre  Temperatur  beibehält;  T  ist 
fcbsolute  Temperatur,  P  die  elektromotorische  Kraft  und  de  die  durch- 
ingene  Elektricitätsmenge.  Da  bei  constanten  Ketten  dQ  und  de  ein- 
rr  proportional  sind,  so  kann  man  die  Gleichung  für  diesen  Fall  auch 
eiben: 

n  t  dP 

v;  dT 

Die  Deutung  des  Ausdruckes  ist  leicht;   —  ist  die  Veränderlichkeit  der 

tromotorischen  Kraft  mit  der  Temperatur,  und  die  Gleichung  besagt 
nach:  nimmt  die  elektromotorische  Kraft  mit  der  Temperatur  zu,  so 
s  der  Kette  während  des  Stromdurchganges  Wärme  zugeführt  werden, 
it  ihre  Temperatur  constant  bleibt,  d.  h.  die  Kette  kühlt  sich  freiwillig 
nimmt  dagegen  mit  steigender  Temperatur  die  elektromotorische  Kraft 
so  erwärmt  sich  die  Kette.  Nun  ist  die  Grösse  Q,  die  zuzuführende 
me,  folgendermaassen  bestimmt.  In  der  Kette  verschwindet  der  Energie- 
ag,  welcher  als  elektrische  Energie  nach  aussen  geht,  es  entsteht  da- 
sn  dort  die  Energiemenge,  welche  durch  den  chemischen  Vorgang  frei 
..  Ist  der  erste  Betrag  kleiner,  als  ,der  letzte,  so  muss  der  Kette  Wärme 
'fuhrt  werden,  wenn  sie  ihre  Temperatur  beibehalten  soll,  und  umge- 
"t  Somit  lässt  sich  die  Deutung  der  Gleichung  auch  so  aussprechen: 
iie  elektrische  Wärme  grösser,  als  die  chemische,  so  nimmt  die  elektro- 
orische  Kraft  mit  der  Temperatur  zu;  ist  sie  kleiner,  so  erfolgt  Ah- 
me. Bestimmt  man  also  die  Veränderlichkeit  der  elektromotorischen 
ft  mit  der  Temperatur,  so  kann  man  daraus  die  „locale"  Wärme  in  der 
te  berechnen. 

Gleichzeitig  sieht  man,  unter  welchen  Bedingungen  der  THOMSON^sche 
i  richtig  ist:  er  gilt  für  solche  Ketten,  deren  elektromotorische  Kraft  sich 
it  mit  der  Temperatur  ändert.  Zufällig  hat  gerade  die  DANiELi/sche 
te  diese  Eigenschaft,  und  daraus  hatte  sich  die  zu  enge  Auffassung  der 
enseitigen  Beziehung  der  beiden  Energieen  ergeben. 

Nachdem  Helmholtz  diesen  besonderen  Fall  behandelt  hat,  erörtert  er 
Verallgemeinerung,  welcher  die  Betrachtung  unterzogen  werden  kann, 
rm  an  Stelle  der  beiden  elektrischen  Veränderlichen  e  und  P  beliebige 
ere  Veränderliche  treten,  welche  mit  jenen  nur  die  Eigenschaft  gemein 
laben  brauchen,  dass  das  Produkt  von  je  zweien  eine  Energie  ist,  und 
;  je  einer  von  diesen  Faktoren  als  zustandsbestimmender  Parameter  auf- 
ssen  ist.  In  die  Einzelheiten  der  mathematischen  Erörterungen  wollen 
ihm  nicht  folgen;  die  allgemeinen  Ergebnisse  hat  er  selbst  in  der  oben 
hergegebenen  Einleitung  auseinandergesetzt. 

15.  Die  freie  Energie.  Um  den  wichtigen  Begriff  der  freien 
rgie  dem  Leser  noch  besser  vertraut  zu  machen,  wird  es  zweckmässig 
,  eine  Anzahl  von  Sätzen,  welche  Robert  von  Helmholtz,  der  früh- 
est waid,  Elektrochemie.  64 


IOIO  Siebzehntes  Kapitel. 


\ 


*■ 


» 


verstorbene  begabte  Sohn  des  grossen  Forschers,  zusammengestellt  hat,1 
anzuführen. 

,,i)  Jedem  (chemischen)  Körper  oder  System  von  Körpern  kommt  da 
bestimmtes  Quantum  von  freier  Energie  zu,  welches  nur  von  seinef 
Temperatur  und  seinem  augenblicklichen  Zustand  (z.  B.  Aggregatzustand) 
abhängt,  nicht  aber  von  dem  Wege,  auf  welchem  dieser  Zustand  erreicht 
wurde. 

„Davon  zu  unterscheiden  ist  die  Gesammtenergie,  welche  ausser  der 
freien  Energie  noch  das  Äquivalent  der  im  Körper  enthaltenen  unverwandd- 
baren  Wärme  umfasst. 

„2)  Die  Arbeit,  welche  durch  irgend  eine  isotherme  Zustandsanderurig 
(z.  B.  chemischen  Process,  Lösung,  Aggregatänderung,  Änderung  der  Capillar- 
fläche)  in  maximo  geleistet  werden  kann,  ist  zu  messen  durch  die  eintretende 
Abnahme  der  freien  Energie,  während  die  Differenz  der  Gesammtenergie 
das  Maximum  der  gewöhnlichen  Wärmeabgabe  angiebt 

„Die  freie  Energie  spielt  also  für  chemische  Systeme  dieselbe  Rolle,  wie 
die  potentielle  Energie  für  mechanische. 

„3)  Demgemäss  ist  ein  chemisches  System  nur  dann  im  stabilen  Gleich- 
gewicht, wenn  seine  freie  Energie  den  kleinsten  bei  der  herrschenden  Tem- 
peratur möglichen  Werth  angenommen  hat. 

„Von  selbst  eintretende  Processe  sind  daher  immer  solche,  welche  das 
jjj,  System  von  einem  Zustande  grösserer  zu  dem  der  kleinsten  freien  Energie 

-■■  hinfuhren. 


h  *. 


I 
i 


JS' 


Beides  gilt  nicht  von   der  Gesammtenergie,   z.  B.  nimmt  dieselbe  bei 

Kältemischungen  von  selbst,  d.  h.  durch  Aufnahme  äusserer  Wärme  zu 

„4)  Im  Allgemeinen  kann  man  also  sagen,  dass,  wenn  zwei  Zustande 
eines  Körpers  in  gegenseitiger  Berührung  vorkommen,  ohne  sich  zu  stören, 
dieselben  gleiche  freie  Energie  besitzen  müssen. 

„5)  Unter  den  möglichen  isothermen  Zustandsänderungen  sind  speciell 
}  die  reversiblen  die  günstigsten.    Denn  nur  sie  leisten  wirklich  das  Maximum 

j  der  Arbeit,  welche  die  Abnahme  der  freien  Energie  misst.     Darum  können 

aber  auch,  wenn  zwei  isotherm-reversible,  jedoch  sonst  beliebige  Wege  zur 
rl-  Verfügung  stehen,    die  gelieferten  Arbeitsgrössen  unmittelbar  gleich  gesettt 

r^*  und  auf  diese  Weise  Beziehungen  zwischen   den  beiderseitigen  Kräften  und 

Wegparametern  gewonnen  werden. 

„Auch  die  bei  diesen  Processen  auftretenden  Wärmemengen  sind  vom 
Wege  unabhängig,  nämlich  gleich  der  Differenz  der  nicht  verwandelbaren 
Wärme.  Dieselbe  ist  aber  nicht  identisch  mit  der  sogenannten  Wärme- 
tönung chemischer  Processe,  welche  vielmehr  nur  durch  einen  vollständig 
irreversiblen,  d.  h.  arbeitslosen  Process  mit  wenigstens  gleichen  Endtempe- 
i  raturen  geliefert  wird,  und  der  Änderung  der  Gesammtenergie  entspricht 

i\  „6)    Ist  im  Besonderen    der   von    dem   Zustande  A   in    den  Zustand  B 


1  Wied.  Ann.  30,  401.   1887. 


I 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  IOI I 


überzuführende  Körper  ein  verdampfbarer,  so  ist  ein  stets  verwendbarer 
isotherm-reversibler  Process  der  folgende:  Man  verwandelt  den  im  Zustande  A 
befindlichen  Körper  in  seinen  gesättigten  Dampf,  verändert  dann  dessen 
Druck  isotherm  und  ausser  Berührung  mit  etwa  nicht  verdampften  Theilen 
des  Körpers,  bis  der  dem  Zustande  B  entsprechende  Sättigungsdruck  des 
Körpers  erreicht  ist.  Darauf  comprimirt  man  wieder  in  Berührung  mit 
schon  vorher  im  Zustande  B  befindlichen  Substanztheilen.  Dann  wird  sich 
der  Dampf  als  Körper  B  niederschlagen.  Diesen  Process  werde  ich  kurz 
den  Verdampfungsprocess  nennen.  Die  von  ihm  gelieferte  Arbeit  ist  mit 
Hülfe  des  MARiorrE-GAY-LussAc'schen  Gesetzes  oder  einer  anderen  Zustands- 
gieichung für  Dämpfe  in  Dampfdrucken  ausdrückbar. 

„7)  Allgemein  ergiebt  sich  dabei,  dass  dem  Zustande  grösserer  freier 
Energie  auch  grösserer  Dampfdruck,  Zuständen  gleicher  freier  Energie  auch 
gleiche  Dampfdrucke  entsprechen,  und  umgekehrt." 

16.  Helmholtz'  zweite  Abhandlung.  Einige  Monate  nach  seiner 
ersten  Mittheilung  veröffentlichte  Helmholtz  seine  zweite  Abhandlung  zur 
Thermodynamik  chemischer  Vorgänge.1 

Die  Mittheilung  enthält  wesentlich  die  Darlegung  eines  theoretisch  be- 
sonders einfachen  Falles,  in  welchem  aus  den  Dampfdrucken  die  elektro- 
motorische Kraft  berechnet  werden  kann  (vergl.  S.  iooi).  Es  ist  dies  der 
Fall  zweier  gegen  einander  geschalteter  Ketten  aus  Zink,  Zinkchlorid,  Queck- 
siberchlorür,  Quecksilber.  „Ein  Strom,  der  in  der  Richtung  vor  sich  geht, 
wie  ihn  die  elektromotorische  Kraft  dieser  Elemente  zu  erzeugen  strebt,  löst 
Zink  auf,  während  eine  äquivalente  Menge  des  Chlorürs  reducirt  wird  und  ihr 
Chlor  abgiebt.  Es  entsteht  also  neugebildetes  Zinkchlorid,  ZnCl2,  was  in 
Lösung  übergeht.  Andererseits  zerfällt  ungelöstes,  festes  Quecksilbersalz, 
HgKTl2,  in  Hg2,  welches  sich  dem  übrigen  Quecksilber  zumischt,  und  Cl2, 
welches  an  das  Zink  tritt.  Bei  umgekehrter  Stromrichtung  wird  im  Gegen- 
theil  Zink  aus  der  Lösung  reducirt  und  neues  Mercurochlorid  gebildet.  Bei 
verschiedener  Concentration  der  Flüssigkeit  ändert  sich  in  diesen  Vorgängen 
nur,  dass  das  neugebildete  Zinkchlorid  in  eine  anders  concentrirte  Lösung 
desselben  Salzes  eintritt,  beziehentlich  das  ausgeschiedene  aus  einer  solchen 
austritt.  Ausser  den  chemischen  Kräften,  welche  die  Bildung  des  Chlorzinks 
auf  Kosten  des  Kalomels  begünstigen,  kommen  noch  in  Betracht  diejenigen, 
welche  das  gebildete  Chlorzink  in  die  wässerige  Lösung  überzuführen  suchen; 
diese  werden  in  den  verdünnteren  Lösungen,  wie  gleich  von  vornherein  zu 
vermuthen  ist,  wirksamer  sein,  als  in  concentrirteren.  In  der  That  zeigen 
die  Versuche  sogleich,  dass  die  verdünnteren  Lösungen  den  Elementen  eine 
grössere  elektromotorische  Kraft  geben. 

„Wenn  man,  wie  bei  den  Versuchen  geschah,  zwei  Elemente  mit  ver- 
schieden concentrirten  Lösungen  einander  entgegensetzt,  so  wird  ein  Strom, 
der  durch  beide  geht,  in  einem  so  viel  ZnCl2  bilden,  als  im  anderen  zerlegt 


1  Sitzungsber.  Berl.  Akad.,  27.  Juli  1882.  —  Ges.  Abhandl.  II,  979. 

ÜA  * 


1 0 1 2  Siebzehntes  Kapitel. 


I 


wird.  Aber  wenn  in  eine  verdünntere  Lösung  Chlorzink  eintritt,  und  die- 
selbe Quantität  aus  einer  concentrirteren  austritt,  so  wird  dies  ein  Vorgang 
sein,  der  Arbeit  leisten,  also  auch  als  elektromotorische  Kraft  einen  Strom 
erregen  kann.  Dieser  Process  ist  übrigens  bei  geringer  Stromintensität,  bei 
welcher  die  dem  Quadrate  derselben  proportionale  Wärmeentwickelung  im 
Schliessungsbogen  verschwindet,  und  nur  die  der  Intensität  direkt  propor- 
tionalen Grössen  zu  beachten  sind,  vollkommen  reversibel. 

„Nun  können  wir  aber  die  Concentration  einer  solchen  Lösung  auch 
auf  einem  zweiten,  vollkommen  reversiblen  Wege,  nämlich  durch  Verdunstung 
ändern.  .  .  .  Erstens  müssen  wir  die  Wassermenge  dW  aus  reinem  Wasser 
verdampfen  lassen.  .  .  .  Dann  müssen  wir  den  Dampf  ausser  Berührung  mit 
Wasser  sich  weiter  dehnen  lassen,  bis  er  das  specifische  Volum  des  über 
der  Salzlösung  stehenden  gesättigten  Dampfes  hat.  .  .  .  Endlich  ist  der 
Dampf  mit  der  Salzlösung  unter  dem  constant  bleibenden  Drucke  zu  com- 
primiren." 

Indem  Helmholtz  diese  Rechnung  allgemein  ansetzt,  kann  er  durch 
Subtraction  der  zu  zwei  verschiedenen  Concentrationen  gehörigen  Arbeits- 
werthe  die  Arbeit  berechnen,  welche  der  Überführung  des  Wassers  aus  der 
weniger  concentrirten  in  die  concentrirtere  Lösung  entspricht.  Für  die  zahlen- 
massige  Ausrechnung  ist  die  Kenntniss  der  Dampfdrucke  über  den  ver- 
schiedenen Lösungen  von  Zinkchlorid  erforderlich;  Helmholtz  bedient  sich 
für  diesen  Zweck  einer  Reihe  von  Messungen,  welche  unter  seiner  Leitung 
von  J.  Moser  ausgeführt  worden  waren.  Das  Ergebniss  war,  dass  die  be- 
berechnete elektromotorische  Kraft  in  einem  bestimmten  Falle  im  Mittel 
0,11541  Volt  betrug,  während  die  Berechnung  je  nach  den  benutzten  For- 
meln 0,11579  und  0,11455  ergab.    Die  Übereinstimmung  ist  also  genügend. 

„Ein  bemerkenswerther  Zug  in  diesen  Vorgängen  scheint  mir  darin  zu 
liegen,  dass  die  Anziehung  des  Wassers  zu  dem  zu  lösenden  Salze  einen  so 
grossen  Theil  der  wirksamen  chemischen  Kräfte  zwischen  den  sich  gegen- 
seitig verdrängenden  Elementen  (Zink  und  Quecksilber)  ausmachen  kann. 
In  den  vorliegenden  Messungen  beträgt  die  elektromotorische  Kraft  der 
Lösung  allein  etwa  nur  ein  Achtel  von  der  ganzen  Kraft  der  concentrir- 
teren Lösungen.  Aber  die  Kraft  der  Lösung  kann  sich  bei  den  weiteren 
Verdünnungen,  welche  nicht  mehr  hinreichende  Constanz  für  genauere  Mes- 
sungen hatten,  noch  erheblich  vermehren,  und  nach  der  gegebenen  Formel 
könnte  sich  diese  Kraft  bei  immer  weiter  wachsenden  Werthen  der  Ver- 
dünnung bis  zu  jedem  beliebigen  Grade  steigern.  Daraus  würde  folgen, 
dass  in  sehr  verdünnten  Lösungen  oder  in  ganz  salzfreien  Säuren  Metalle, 
die  wir  sonst  als  unoxydirbar  in  der  betreffenden  Säure  betrachten,  sich 
spurenweise  bis  zu  einer  gewissen  Grenze  unter  Wasserstoffentwickelung 
würden  lösen  können.  Ich  bemerke,  dass  ganz  ähnliche  Verhältnisse  auch 
bei  der  Lösung  der  Gase  nach  der  mechanischen  Wärmetheorie  stattfinden 
müssen,  woraus  sich  zum  Theil  ganz  veränderte  Ansichten  über  das  Wesen 
der  galvanischen  Polarisation  ergeben  möchten." 


J 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  IOI3 


Die  letzten  Bemerkungen  enthalten,  wie  oft  bei  Helmholtz,  den  Keim 
einer  ganzen  weiteren  Gedankenreihe  von  grosser  Wichtigkeit.  Die  fragliche 
Formel  ergiebt  die  freie  Energie  F  für  den  Übergang  des  Wassers  von  einer 

verdünnteren  zu  einer*  concentrirteren  Lösung  in  der  Gestalt  F=  K.\og-,7> 

wo  c'  und  c"  die  beiden  Concentrationen  sind,  und  K  eine  Constante  be- 
deutet. Lässt  man  die  Concentration  c"  gleich  Null  werden,  so  wird  die 
freie  Energie  unendlich  gross,  d.  h.  keine  Kraft  kann  verhindern,  dass  etwas 
von  dem  Salz  in  das  reine  Wasser  übergeht.  Das  gilt  ganz  allgemein; 
reines  Wasser  muss  nicht  nur  die  unlöslichsten  Stoffe,  sondern  auch  die 
edelsten  Metalle  bis  zu  einem  bestimmten  Betrage  lösen;  mit  anderen  Worten: 
es  giebt  überhaupt  kein  reines  Wasser,  sondern  alles  Wasser  enthält  etwas 
von  allem  gelöst,  womit  es  in  Berührung  war.  Dieser  Gedanke  erweitert 
unseren  Gesichtskreis  in  sehr  bedeutendem  Maasse,  und  hat  in  der  Folge 
vielfach  zu  einer  richtigeren  und  fruchtbaren  Auffassung  chemischer  Ver- 
hältnisse geführt 

Eine  dritte  und  letzte  Abhandlung  elektrochemischen  Inhaltes  veröffent- 
lichte Helmholtz  im  folgenden  Jahre.1  Sie  beschäftigt  sich  mit  d^n  Er- 
scheinungen der  galvanischen  Polarisation  und  wird  im  Zusammenhange  mit 
anderen  Arbeiten  über  die  gleiche  Frage  später  besprochen  werden.  Für 
uns  von  Interesse  ist  die  Einleitung,  in  welcher  Helmholtz  das  Verhältniss 
seiner  Forschungen  zu   denen  von  W.  Gibbs,  Braun   und  Anderen  darlegt. 

„Zur  Vorgeschichte  der  in  meiner  ersten  Mittheilung  zur  Thermodynamik 
chemischer  Vorgänge  vom  2.  Februar  1882  entwickelten  Sätze  erlaube  ich 
mir  hier  nachzutragen,  dass  zunächst  Lord  Rayleigh  in  einem  von  der  Royal 
Institution  am  5.  März  1875  gehaltenen  Vortrage  es  als  allgemeines  Prinzip  aus- 
gesprochen hat,  dass  nicht  die  Wärmeentwickelung  allein  über  die  Möglich- 
keit entscheidet,  ob  eine  chemische  Veränderung  in  bestimmter  Richtung 
eintrete,  sondern  dass  dies  nur  geschehen  könne,  wo  dabei  die  Entropie 
(dissipation  of  energy)  wachse,  oder  wenigstens  nicht  abnehme.2 

„Dass  die  Wärmeentwickelung  allein  genommen  namentlich  nicht  für 
die  Grösse  der  elektromotorischen  Kräfte  galvanischer  Elemente  entscheidend 
sei,  hat  Herr  F.  Braun  in  einer  Reihe  von  Aufsätzen  vom  Jahre  1878  an- 
fangend ausgesprochen  und  durch  eine  Anzahl  wichtiger  Versuche  erwiesen. 
Die  theoretischen  Anschauungen  freilich,  von  denen  er  in  den  ersten  dieser 
Aufsätze  ausgegangen  ist,  namentlich  der  Satz,  dass  „„die  chemische  Energie 
von  der  Natur  der  Wärme  sei"",  dass  jeder  chemische  Vorgang  zunächst 
immer  nur  Wärme  erzeuge,  und  dass  es  nur  von  zufälligen  Nebenumständen 
abhänge,  wie  viel  von  der  hohen  Temperatur  der  eben  verbundenen  Atome 
in  reversible  Arbeit  anderer  Art  verwandelt  werde,   ist  meines  Erachtens  in 


1  Sitzungsber.  Berl.  Akad.,  31.  Mai   1883.  —  Ges.  Abhandl.  III,  92. 

1  Das  hier  Lord  Rayleigh  durch  Helmholtz  zugeschriebene  Verdienst  kommt  tbat- 
säcfilich  Horstmann  zu,  der  die  Anwendung  des  zweiten  Hauptsatzes  auf  chemische  Erschei- 
nungen in  prinzipiell  richtiger  Weise  bereits  1873  (Liebig's  Annalen  170,  192.  1873)  dargelegt  hat. 


IOI4  Siebzehntes  Kapitel. 

Widerspruch  mit  den  Thatsachen,  welche  zeigen,  dass  galvanische  Ketten 
auch  unter  Bindung  von  Wärme  arbeiten  können.  Ein  Process,  wie  ihn 
Herr  Braun  dort  angenommen  hat,  würde  nicht  reversibel  sein,  und  also, 
wenn  er  bei  der  Auflösung  eines  Metalles  eintritt,  nicht  auch  bei  der  Aus- 
scheidung desselben  in  gleicher  Weise  vor  sich  gehen  können.  Da  übrigens 
der  genannte  Autor  sich  neuerdings  mit  meiner  analytischen  Formulirung 
des  Princips  einverstanden  erklärt  hat,  so  wird  weitere  Discussion  dieser 
theoretischen  Frage  nicht  nöthig  sein. 

„Die  grosse  Vereinfachung  der  thermodynamischen  Sätze  ferner,  welche 
sich  durch  die  Darstellung  der  Energie  und  Entropie  eines  Körpersystems 
durch  die  Differentialquotienten  einer  Integralfunction  ergiebt,  hat  vor  mir 
schon  im  Jahre  1877  Herr  Massieu  gefunden  und  wenigstens  für  zwei 
Variable  vollständig  durchgeführt,  aber  ohne  Beziehung  auf  chemische  Pro- 
cesse.  ...  In  sehr  umfassender  und  allgemeiner  Weise  sind  endlich  die 
thermodynamischen  Beziehungen  für  molekulare  und  chemische  Vorgänge  in 
Körpersystemen,  die  aus  beliebig  vielen  verschiedenen  Stoffen  zusammen- 
gesetzt oder  gemischt  sind,  von  Herrn  J.  W.  Gibbs  (1878)  analytisch  ent- 
wickelt worden.  Herrn  Massieu's  charakteristische  Function  ist  darin  eben- 
falls gefunden  und  Kräftefunction  für  constante  Temperatur  genannt. 
Die  allgemeinen  Ergebnisse  aller  dieser  Untersuchungen  zeigen  natürlich 
keine  wesentlichen  Unterschiede,  soweit  sie  einfach  Folgerungen  aus  den 
wohlbekannten  Principien  der  Thermodynamik  sind. 

„Für  die  Theorie  der  galvanischen  Polarisation  haben  nun  diese  Folge- 
rungen aus  der  Thermodynamik  deshalb  grosse  Wichtigkeit,  weil  sich  zeigt, 
dass  der  Überschuss  freier  Energie  des  Knallgases  über  die  des  Wassers  in 
hohem  Grade  von  dem  Druck  abhängt,  während  die  Wärmeentwickelung 
bei  der  Verbindung  davon  fast  unabhängig  ist.  So  lange  man  die  elektro- 
motorische Kraft  der  Polarisation  nach  letzterer  berechnen  zu  müssen  glaubte 
(was  ich  selbst  in  meinen  früheren  Arbeiten  gethan  habe),  musste  sie  als 
eine  fast  unveränderliche  Grösse  erscheinen,  und  das  machte  gewisse  Vor- 
gänge bei  der  Polarisation  eines  Voltameters  fast  unerklärlich.  Wenn  man 
aber  die  elektromotorische  Kraft  nach  der  freien  Energie  berechnet,  so  er- 
scheint sie  im  höchsten  Grade  veränderlich  mit  der  Gassättigung  der  letzten 
den  Elektroden  anliegenden  Flüssigkeitsschichten,  und  dadurch  wird  die  Er- 
klärung eines  grossen  Theiles  der  Polarisationserscheinungen  wesentlich  ver- 
ändert,  und  das  meiste,  was  bisher  räthselhaft  war,  erscheint  verständlich." 

17.  Prüfung  der  HELMHOLTz'schen  Formel.  Das  Ergebniss  der 
Theorie  von  Helmholtz,  insbesondere  der  Zusammenhang  zwischen  der 
localen  Wärme  und  der  Veränderlichkeit  der  elektromotorischen  Kraft  mit  der 
Temperatur  (dem  Temperaturcoefficienten)  der  umkehrbaren  Ketten  wurde 
bald  der  Gegenstand  einiger  experimenteller  Untersuchungen,  doch  nur  mit 
halbem  Erfolge.    Zuerst  beschäftigte  sich  unter  Helmholtz*  Leitung  S.  Czapski1 


1  Wied.  Ann.  21,  209.   1884. 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  I O I  5 


mit  der  Frage,  etwas  später  auf  Braun's  Veranlassung  A.  Gockel.1  Das 
Verfahren  war  etwas  verschieden,  indem  Czapski  die  Unterschiede  der  elek- 
tromotorischen Kraft  maass,  welche  sich  bei  Veränderung  der  Temperatur 
an  den  ganzen  Ketten  zeigten,  während  Gockel  alle  einzelnen  thermoelek- 
tromotorischen  Kräfte  an  den  Berührungsstellen  der  verschiedenen  Bestand- 
teile seiner  Ketten  bestimmte,  und  den  hieraus  sich  ergebenden  Gesammt- 
betrag  der  Veränderlichkeit  mit  der  Temperatur  durch  Summirung  berechnete. 
Zur  Prüfung  der  Formel  ist  wohl  das  erste  Verfahren  als  das  rationellere 
zu  bezeichnen,  da  bei  dem  zweiten  die  Versuchsfehler  der  einzelnen  Be- 
stimmungen sich  summiren  und  das  Ergebniss  entsprechend  unsicherer 
machen. 

Aus  beiden  Untersuchungen  ging  hervor,  dass  zwar  qualitativ  die  Helm- 
HOLTz'sche  Theorie  mit  den  Messungen  übereinstimmte  insofern,  als  das 
Zeichen  des  Temperaturcoefficienten  und  das  der  localen  Wärme  die  erforderte 
Gleichheit  zeigten;  die  Zahlen werthe  der  beiden  Grössen  wiesen  aber  nicht 
die  theoretische  Beziehung  zu  einander  auf,  sondern  zeigten  Abweichungen, 
die  zum  Theil  erheblich  waren  und  über  die  zu  erwartenden  Versuchsfehler 
hinausgingen.  Insbesondere  die  mit  Mercurosalzen,  wie  Calomel,  angesetzten 
Ketten,  die  wegen  ihrer  Beständigkeit  und  bequemen  Messbarkeit  besonders 
geeignet  schienen,  die  Theorie  zu  prüfen,  zeigten  grosse  und  regelmässige 
Abweichungen  in  dem  Sinne,  dass  die  Temperaturcoefficienten  viel  zu  klein 
im  Verhältniss  zu  den  aus  den  thermochemischen  Zahlen  berechneten  localen 
Wärmeentwickelungen  waren.  Keiner  von  beiden  hatte  unmittelbare  calori- 
metrische  Messungen  an  seinen  Ketten  gemacht,  sondern  sie  hatten  beide 
die  Zahlen  von  J.  Thomsen  als  vollkommen  zuverlässig  benutzt. 

Das  Urtheil,  welche  beide  über  das  Ergebniss  ihrer  Messungen  fällen, 
zeigt  eine  bemerkenswerthe  Verschiedenheit.  Czapski,  der  Schüler  Helm- 
holtz',  ist  überzeugt,  dass  die  Theorie  richtig  sein  muss  und  sucht  die 
Ursache  der  Abweichung  wesentlich  in  der  Unsicherheit  der  thermochemi- 
schen Daten.  Gockel,  der  unter  der  Leitung  Braun's  gearbeitet  hatte,  und 
deshalb  der  genannten  Theorie  kühler  gegenüber  stand,  betont,  dass  die 
thermochemischen  Daten  so  weite  Fehlergrenzen  nicht  erwarten  lassen,  wie 
sie  thatsächlich  aufgetreten  sind,  und  erklärt  strict,  dass  die  Theorie  un- 
richtig sein  müsse.  Insbesondere  hat  er  bei  Thermoketten  mit  Quecksilber, 
Quecksilberchlorür  und  verschiedenen  gelösten  Chloriden  sehr  verschiedene 
Temperaturcoefficienten  erhalten,  und  findet  mit  Recht  diese  Thatsache  un- 
vereinbar mit  der  Theorie  von  Helmholtz.  Indessen  hat  sich  inzwischen 
diese  Beobachtung  als  unrichtig  erwiesen. 

Die  Aufklärung  kam  dann  schliesslich  auf  eine  unerwartete  Weise:  es 
ergab  sich  ein  bedeutender  Fehler  in  den  thermochemischen  Zahlen  für 
Quecksilber,  der  kein  gewöhnlicher  Messungsfehler  war,  sondern  in  der  Wahl 
einer  ungeeigneten  Reaktion    (die   für  sich  richtig  gemessen  war,   die   aber 


1  Wied.  Ann.  24,  618.  1885. 


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IOl6  Siebzehntes  Kapitel. 

anders  verlief,  als  in  der  Berechnung  vorausgesetzt!  wurde)  lag.  Verbessert 
man  diesen  Fehler,1  so  fallen  die  grossen  Abweichungen  fort,  und  es  bleiben 
in  der  That  nur  solche  noch  übrig,  welche  sich  cflurch  die  Versuchsfehler 
erklären  lassen. 

Versuche,  bei  denen  sowohl  die  elektrischen  wie  <Äie  thermischen  Grössen 
an  denselben  Ketten  gemessen  wurden,  sind  endlich \ von  H.  Jahn*  ausge- 
führt worden,  und  haben  zu  einer  vollständigen  Bestätigung  der  Theorie 
von  Helmholtz  geführt,  wie  aus  der  nachstehenden  Zusammenstellung  her- 
vorgeht: 

Kupfer-Zink-Sulfat —   4,2  —   4,3 

Kupfer-Blei-Acetat —  54,4  —48,4 

Silber-Zink-Chlorid +46,6  4-51,5 

+21,8  +26,4 

+22,4  +25,4 

Silber-Zink-Bromid +  1 1 ,6  +1 3,3 

Silber-Blei-Nitrat +79,5    .  +7&,9 

Silber-Kupfer-Nitrat +89,2  +89,2. 

Die  erste  Spalte  giebt  die  Zusammensetzung  der  Kette  in  leicht  ver- 
ständlicher Weise;  Kupfer-Zink-Sulfat  bedeutet  beispielsweise  die  DANmu/sche 
Kette  aus  Kupfer-  und  Zinkelektroden  in  den  Lösungen  ihrer  Sulfate.  Die 
drei  Zink-Silber-Chloridketten  enthalten  Chlorzinklösungen  von  verschiedener 
Concentration.  Die  Zahlen  geben  die  seeundären  oder  localen  Wärmen  in  der 
Kette,  und  zwar  in  erster  Reihe  die  unmittelbar  beobachteten,  in  zweiter  die 
aus  dem  Temperaturcoefficienten  berechneten.  Wenn  auch  die  Zahlen  noch 
ziemlich  grosse  Unterschiede  erkennen  lassen,  so  ist  zu  bedenken,  dass  sie 
als  Differenzen  viel  grösserer  Werthe  auftreten,  die  ihrerseits  mit  Versuchs- 
fehlern behaftet  sind,  so  dass  eine  bedeutende  Häufung  der  relativen  Fehler 
eintritt. 

18.  Die  einzelnen  Potentialunterschiede.  Durch  die  theoretischen 
Fortschritte  von  W.  Gibbs  und  Helmholtz  war  der  Zusammenhang  zwischen 
der  elektromotorischen  Kraft  der  Ketten  und  dem  chemischen  Vorgange, 
der  in  ihnen  verläuft,  vollkommen  klar  gelegt  worden;  die  erhaltenen  For- 
meln beziehen  sich  indessen  nur  auf  die  Gesammtkraft  der  Kette  und 
lassen  die  Frage  nach  der  Vertheilung  dieser  Kraft  auf  die  einzelnen  Be- 
rührungsstellen unbeantwortet.  Das  Scheitern  der  Bemühungen,  die  Frage 
nach  der  VoLTA'schen  Methode  des  Luftcondensators  zu  beantworten,  und 
die  elektrothermischen  Thatsachen  in  ihrer  Deutung  durch  le  Roux  und 
Edlund  hatten  die  Annahme  erheblicher  Potentialsprünge  an  den  Berüh- 
rungsstellen der  Metalle  vollends  ihres  Haltes  beraubt.  Es  blieb  also  nur 
der  Schluss  übrig,  dass  die  elektromotorischen  Kräfte  an  den  Berührungs- 
stellen der  Metalle  mit  den  Elektrolyten,  oder  allenfalls  an  der  Berüh- 
rungsstelle  der   letzteren    liegen  mussten;    der   zweite  Fall  war   leicht  aus- 


1  W.  Nernst,  Ztschr.  f.  phys.  Chemie  2,  23.   1888. 
»  Wied.  Ann.  29,  21.   1886. 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  I O I  7 


uschli essen ,  da  es  zahlreiche  Ketten  giebt,  in  denen  nur  eine  einzelne 
Jektrolytische  Flüssigkeit  vorhanden  ist,  und  die  dennoch  wesentlich  dieselbe 
elektromotorische  Kraft  haben,  wie  die  Ketten  aus  gleichen  Metallen  mit  ver- 
chiedenen  Elektrolyten.  Dies  stimmte  sehr  gut  mit  dem  Ergebniss  der 
hermodynamischen  Behandlung  der  Ketten  überein:  war  die  Änderung  der 
rheinischen  Energie  (der  freien,  nicht  der  gesammten)  die  Ursache  der  elek- 
romotorischen  Kraft,  so  musste  geschlossen  werden,  dass  der  Ort  der  letz- 
eren  mit  dem  Orte  zusammenfallt,  wo  die  Änderung  der  chemischen  Energie 
ind  ihre  Umwandlung  in  elektrische  stattfindet,  d.  h.  an  den  Berührungs- 
itellen  der  Metalle  mit  den  Elektrolyten,  denn  der  chemische  Vorgang  ist 
vesentlich  auf  diese  Stellen  beschränkt. 

Wie  aber  die  Spannung  sich  auf  die  beiden  Berührungsstellen,  z.  B. 
Cupfer  Kupfersulfat  und  Zink !  Zinksulfat  in  der  DANiELi/schen  Kette  vertheilt, 
var  durch  jenen  theoretischen  Fortschritt  nicht  entschieden,  und  konnte  auch 
lurch  ihn  nicht  entschieden  werden.  Denn  der  chemische  Vorgang,  die 
\uflösung  des  Zinks  und  die  Fällung  des  Kupfers  waren  zwar  örtlich  ge- 
rennt, aber  zeitlich  untrennbar,  und  es  war  mit  den  vorhandenen  Kenntnissen 
licht  möglich,  die  entsprechende  Frage  zu  beantworten:  welcher  Antheil 
ler  gesammten  Wärmeentwickelung  kommt  der  Fällung  des  Kupfers,  und 
welcher  der  Lösung  des  Zinks  zu?  Hier  mussten  ganz  andere  Betrachtungen 
eintreten,  und  zwar  solche,  welche  eine  gesonderte  Behandlung  der  ein- 
zelnen Elektrode  gestatteten. 

Der  Weg,  welcher  zu  diesem  Ziele  geführt  hat,  war  ähnlich  wie  der 
ilektrothermische  Weg  bezüglich  der  Frage  nach  den  Spannungsunterschieden 
wischen  zwei  Metallen  ein  ganz  unerwarteter.  Die  ersten  Anfänge  haben 
vir  bereits  kennen  gelernt;  sie  reichen  in  die  ersten  Jahre  der  VoLTA'schen 
Cette  zurück,  und  wir  finden,  wie  bei  so  vielen  anderen  wichtigen  Dingen, 
f.  W.  Ritter  unter  den  ersten,  die  sich  damit  beschäftigt  haben.  Die  That- 
»chen,  um  die  es  sich  hier  handelt,  sind  die  Bewegungserscheinungen 
im  polarisirten  Quecksilber  (S.  170). 

Nach  den  ersten  Beobachtungen  Ritter's  über  diesen  Gegenstand  haben 
»ich  im  Laufe  der  Zeit  zahlreiche  Forscher  mit  diesen  merkwürdigen  und 
.inerklärlichen  Erscheinungen  beschäftigt.  Da  keiner  von  ihnen  etwas  wesent- 
iches  zum  Verständniss  der  Sache  beigebracht,  wenn  auch  fast  jeder  neue 
Formen  der  Erscheinungen  beschrieben  hat,  die  noch  keineswegs  alle  voll- 
commen  ins  Klare  gesetzt  worden  sind,  so  begnüge  ich  mich  mit  einer 
Zusammenstellung  der  Litteratur1  in  der  unterstehenden  Anmerkung. 


1  Ritter,  Voigt's  Magazin  4,  637.  1802.  —  Hellwig,  Gilb.  Ann.  32,  289.  1809.  — 
tERBoin,  Ann.  de  Chimie  41,  196.  1802.  —  Erman,  Gilb.  Ann.  32,  261.  1809.  —  Her- 
chel,  Philos.  Trans.  1824,  162.  —  Pfaff,  Schweigg.  Journ.  49,  190,  1826;  Schweigger, 
ebenda  324.  —  Nobili,  Schweigg.  Journ.  44,  45.  1828.  —  Serullas,  Ann.  chim.  phys. 
*4,  192.  1827.  —  Runge,  Pogg.  Ann.  8,  107.  1826  und  eine  Reihe  weiterer  Arbeiten  in 
lerselben  Zeitschrift.  —  Draper,  Philos.  Mag.  26,  185.  1845.  —  Paalzow,  Pogg.  Ann. 
.04,  419.  1858. 


jQjg  Siebzehntes  Kapitel. 


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Die  wissenschaftliche  Bewältigung  dieser  Dinge  datirt  von  dem  Jahre 
1873,  wo  von  einem  bis  dahin  unbekannten  Forscher  eine  Erstlingsarbeit 
unter  dem  Titel:  Beziehungen  zwischen  den  capillaren  und  den  elektrischen 
Erscheinungen  veröffentlicht  wurde.1  Gabriel  Lippmann,  der  Verfasser  dieser 
Arbeit,  setzte  seine  Untersuchungen  später  fort,  und  im  Anschluss  an  seine 
Forschungen  hat  sich  dann  eine  Gedankenreihe  von  erheblicher  Wichtigkeit 
entwickelt.     Der  Anfang  jener  ersten  Abhandlung  lautet: 

„Vorliegende  Untersuchung  wurde  im  Laboratorium  des  Herrn  Professor 
Kirchhoff  ausgeführt,  dem  ich  für  seinen  Rath  und  gütige  Unterstützung 
meinen  herzlichsten  Dank  schuldig  bin.  —  Es  wäre  wohl  schwierig  ge- 
wesen, die  Beziehung  zwischen  den  elektrischen  Variabein  und  den  soge- 
nannten Capillarconstanten  a  priori  aufzusuchen;  ich  gelangte  in  der  That 
nur  allmählich  dazu,  indem  ich  von  einem  Experiment  ausging,  das  ich 
Herrn  Professor  W.  Kühne  in  Heidelberg  verdanke,  und  das  im  Folgenden 
besteht.  Ein  Quecksilbertropfen  wird  in  verdünnte  Schwefelsäure  gebracht, 
welche  eine  Spur  von  gelöstem  doppeltchromsaurem  Kali  enthält;  ein  blanker 
Eisendraht  wird  in  der  Nähe  so  befestigt,  dass  er  in  die  Säure  taucht  und 
den  Rand  des  Quecksilbertropfens  berührt.  Sobald  die  Berührung  statt- 
gefunden hat,  geräth  der  Tropfen  in  regelmässige  Schwingungen,  welche 
Stunden  lang  dauern  können.  Die  Verwandtschaft  dieser  Erscheinung  mit 
den  Bewegungen  von  Quecksilberelektroden  (siehe  G.  Wiedemann,  Galv. 
§  368.  1872)  ist  auffallend  und  die  Erklärung  offenbar  dieselbe.  Sie  wäre 
folgende  nach  der  bisher  angenommenen  Anschauung.  Die  chromsäure- 
haltige Flüssigkeit  würde  die  Oberfläche  des  Tropfens  oxydiren  und  so  eine 
Abdachung  desselben  hervorbringen.  Bei  dieser  Berührung  mit  dem  Eisen 
bildet  sich  eine  Eisen -Quecksilberkette.  Der  entstehende  Strom  würde  die 
Oberfläche  elektroiytisch  reduciren,  der  Tropfen  sich  contrahiren,  der  Contact 
mit  dem  Eisen  aufgehoben  sein.  Dann  würde  dasselbe  Spiel  wieder  beginnen, 
und  so  immer  weiter.  Wenn  man  hinreichend  concentrirte  Chromlösungen 
nimmt,  so  sieht  man  diese  Vorgänge  wirklich  stattfinden.  Hier  bei  verdünnter 
Lösung  bleibt  aber  die  Oberfläche  immer  blank.  In  der  That  haben  messende 
Versuche  bewiesen,  dass  die  Polarisation  der  Oberfläche  eines  Quecksilber- 
tropfens mit  Wasserstoff  die  Zusammenziehung  desselben  bewirkt,  und  dass 
man  also  nur  an  die  bekannte  depoiarisirende  Wirkung  der  Chromsäure  zu 
denken  braucht,  um  sich  die  beschriebene  Bewegung  zu  erklären. 

„Versuche,  die  ich  nun  ausführlicher  mittheilen  will,  haben  gezeigt:  dass 

die   Capillarconstante  (Oberflächenspannung,    Coefficient   der  La- 

I  |  PLACE'schen  Formel)    an    den   Berührungsflächen  von  Quecksilber 

und  verdünnter  Schwefelsäure  eine  stetige  Function  ist  von  der 
elektromotorischenKraft  derPolarisation  an  derselben  Oberfläche." 

Die  Abhandlung  verbreitet  sich  dann  über  folgende  Gegenstände:  Ver- 
änderung der  Capillarconstante  mit  der  elektromotorischen  Kraft  der  Polari- 


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1  Pogg.  Ann.  140,  546.   1873. 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen. 


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,  das  Capillarelektrometer,  die  Elektrocapillar-Kraftmaschine,  Elektrici- 
wickelung  und  Polarisation  bei  Capillarerscheinungen,  Polarisation  durch 
trkräfte.  Über  die  wichtigsten  Theile  der  Arbeit  sei  nachstehend  mit 
/orten  des  Autors  berichtet: 

Der  Apparat  bestand  aus  einer  vertikalen  kalibrirten  Glasröhre  GG', 
>n  unten  mittelst  eines  Gummischlauches  in  Verbindung  stand  mit 
Quecksilberreservoir  A  (Fig.  248).  Das  Quecksilber  stieg  also  in  die 
GG',  erlitt  aber 
st  eine  Capillarde- 
>n,  die  mit  dem 
:ometer  gemessen 
,  und  aus  der  die 
larconstante  nach 
iter  Weise  ermittelt 
Der  obere  Theil 
lasröhre  war  mit 
inter  Schwefelsäure 
rol.  Säure)  gefüllt, 
\  den  Quecksilber- 
zusM  benetzte  und 
urch  den  Glasheber 
in  das  Glasgefass  B 
zte,  welches  gleich- 
et der  verdünnten 
gefüllt  war.  Der 
dieses  Gefässes 
nit  einer  Queck- 
chicht  B  bedeckt, 
5  zweite  Elektrode 
t  sollte.  Die  Capil- 
ression  des  Queck- 
in der  Röhre  GG'  wurde  natürlich  von  dem  Druck  der  verdünnten 
corrigirt.  Um  eine  bekannte  EKP  (elektromotorische  Kraft  der 
>ation)  in  M  hervorzurufen,  wurden  die  beiden  Quecksilbermassen, 
:h  die  in  B  und  die  Masse  A  M  respektive  mit  zwei  Punkten  P  Q  des 
ssungskreises  eines  Daniells  verbunden  mittelst  der  zwei  Platindrähte  a 
?,  die  man  die  Pole  des  Apparates  nennen  kann.  Ein  Zweigstrom 
lief  den  Apparat,  der  nun  als  Zersetzungszelle  arbeitete,  und  zwar  so 
bis  die  hervorgerufene  EKP  gleich  war  dem  Potentialunterschiede 
ien  ^  und  Q.  Dann  steht  die  EKP  zu  der  elektromotorischen  Kraft 
Daniell  im  selben  Verhältniss,  wie  der  Widerstand  P  Q  zu  dem  Wider- 
:  des  ganzen  Schliessungskreises  des  Daniells.  Dieses  Verhältniss  Hess 
ius  der  Ablenkung  einer  in  diesen  Schliessungskreis  eingeschalteten 
mtenbussole  ableiten.     Das  Verhältniss   der  Quecksilberoberflächen    in 


Fig.  248.     Nach  Lippmann. 


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I020 


Siebzehntes  Kapitel. 


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iJ/  und  in  B  wurde  absichtlich  sehr  klein  genommen,  damit  die  F.  KP  in 
M  allein  in  Betracht  komme;  denn  es  ist  ersichtlich,  dass  eine  Elektriritals- 
menge,  welche  genügt,  um  in  AI  eine  beliebige  Wasserstoffpolarisation  her- 
vorzurufen, auf  der  viele  zehntausendmal  grösseren  Fläche  B  keine  merkliche 
Sauerstoffpolarisation  geben  wird.  So  hatte  man  denn  aus  den  Angaben 
der  Bussole  die  EKP  in  AT,  aus  den  Angaben  des  Kathetometers  die  gleich- 
zeitige Capillarconstante.  Um  in  AI  die  EKP  auf  Null  zu  reduciren,  braucht 
man  nur  eine  einfache  metallische  Schliessung  zwischen  a  und  ß  einzu- 
schalten. —  Die  zu  messenden  Grössen  sind  nicht  gering.  So  ist  die  De- 
pression in  einer  Röhre  vom  Radius  0,32  mm  gleich  14,0  mm  für  EKP  =  o. 
Für  EKP=  1  Daniell  ist  sie  18,90  mm;  die  Niveauänderung  also  4,90,  gleich 
0,35  der  anfänglichen  Depression.  Die  Capillarconstante  ist  demnach  gleich 
30,4  für  EKP=o-,  gleich  40,6  für  EKP  =  1  Daniell." 

Lippmann  beschreibt  nun  eine  andere  Form  des  Versuches,  bei  welchem 
eine  aufrecht  stehende  Röhre   angewendet   wurde,   die   am  Ende   zu  einer 

sehr  feinen,  etwas  kegelförmigen  Capillare  ausgezogen 
war   und  mit  dieser   in  ein   Glas  mit  Schwefelsaure 
tauchte,   auf  dessen  Boden  sich  Quecksilber  befand 
(Fig.    249).      Es    wurde     zunächst    der    Druck    für 
EKP  =  o  bestimmt,   bei  welchem  das  Quecksilber 
an  einer  bestimmten,  mit  dem  Mikroskop  abgelesenen 
Stelle  der  Capillare  sich  befand;  dann  wurde' eine  be- 
stimmte EKP  angelegt,    und  der  Druck  verändert, 
bis  wieder  das  Quecksilber  an  derselben  Stelle  er- 
schien.    Es  verhalten  sich,  gemäss  der  Theorie  der 
Capillarität,    alsdann   die  Capillarconstanten  wie  die 
Drucke,  da  der  Meniscus  in  beiden  Fällen  die  gleiche 
Gestalt   hatte,    indem    er    an    derselben   Stelle  der 
Röhre  entstand.     In  dem  untersuchten  Falle  betrug 
der    anfängliche    Druck     für    EKP  =  0,750  mm; 
nach    Einschaltung   eines   Daniell   mussten    260  mm 
Quecksilber  dazugeschaltet  werden,  welche  0,35  des 
anfänglichen    Werthes    ausmachen,    wie   früher  ge- 
funden. 

Auf  Grund    dieser    Beobachtungen    construirte 
nun  Lippmann  ein  äusserst  empfindliches  Elektrometer, 
welches  er  das  Capillar-Elektrometer  nannte.    Seine 
ig.   49.      ac      ippma     .    irjnrjchtung  entspricht  der  eben  beschriebenen  zweiten 

Versuchsanordnung;  die  umstehenden,  einer  späteren  Veröffentlichung  üpp- 
mann's  entnommenen  Figuren  250  und  251  geben  eine  Anschauung  von  der 
Einrichtung  des  Apparates.  Fig.  250  ist  schematisch;  man  erkennt  in  A  die 
obere  Quecksilbersäule,  welche  durch  den  sehr  kleinen  Meniscus  in  der  unten 
befindlichen  Capillare  am  Ausfliessen  verhindert  wird;  der  Stand  des  letz- 
teren wird  durch  das  Mikroskop  AT  abgelesen.     In  der  Fig.  251  ist  die  Ein- 


Die  elektrochemischen   Spann ungierscheinungen.  102  I 

richtung  zum  Hervorbringen  und  Messen  des  Zusatzdruckes  ersichtlich;  durch 
die  Schraube  V  wird  ein  Gummibai!  zusammengepreßt  und  die  in  ihm 
enthaltene  Luft  drückt  einerseits  auf  das  Quecksilber  in  der  Röhre  A, 
andererseits  auf  das  des  seitlich  stehenden  Manometers.  Jedem  Stande  des 
Manometers   entspricht   eine    bestimmte    zwischen    u    und   ß   eingeschaltete 


Nach  Lippmann. 


elektromotorische  Kraft.  Lippmann  bemerkt  hierzu:  „Sehr  überraschend  aber 
war  bei  allen  diesen  Versuchen,  wo  der  Kreis  geschlossen  war,  d.  h.  wo 
zwischen  a  und  ß  entweder  ein  einfacher  Draht  oder  eine  constante  elektro- 
motorische Kraft  eingeschaltet  war,  die  Constanz  der  Resultate,  d.  h.  der 
Capillarconstante,  und  die  Un Veränderlichkeit  der  Gleichgewichtslage  des 
Meniscus.  Man  war  ja  von  jeher  an  gewisse  „Störungen"  gewöhnt,  die  in 
Capillarversuchen  bei  der  gewöhnlichen  Anordnung,  d.  h.  ohne  elektrische 
Schliessung  vorkommen,  und  die  sich  auch  natürlich  hier  wiederfanden, 
sobald  a  und  ß  von  einander  isolirt  blieben.  Diese  Störungen  bestehen 
darin,  dass  i,  die  Gleichgewichtslage  eine  verschiedene  ist,  je  nach  dem 
Sinne  der  eben  vorhergegangenen  Bewegung  der  Quecksilbersäule;  2.  die- 
selbe sich  bei  einer  Erschütterung,  z.  B.  beim  Anklopfen  plötzlich  andern 
kann;  3.  dass  sich  ausserdem  die  Gleichgewichtslage  mit  der  Zeit  langsam 
ändert,  und  nur  nach  Stunden  sich  zu  verschieben  aufhört.  —  Schloss  man 
aber  die  Leitung,  indem  man  z.  B.  einen  einfachen  Draht  zwischen  a  und  ß 
einschaltete,   so  verschwand  plötzlich  jede  Unregelmässigkeit,   und  es  ward 


I022  Siebzehntes  Kapitel. 

unmöglich,  eine  solche  wieder  hervorzurufen,  d.  b.  die  Gleichgewichtslage 
wurde  dermaassen  constant,  dass  sich  der  Meniscus  auf  das  Fadenkreui 
immer  wieder  einstellte  mit  einer  Schärfe,  die  trotz  der  angewandten 
22ofachen  Vergrosserung  nichts  zu  wünschen  übrig  Hess.  Es  gelang  auch 
übrigens,  die  Ursache  dieser  Störungen  nachzuweisen  (S.  1025)." 

Eine  andere  interessante  Anwendung  der  von  ihm  erschlossenen  Er- 
scheinungen zeigte  Liitmann  in  der  Erbauung  eines  Capillar-Motors.  „Ein 
solcher  Motor,   der   im   physikalischen  Institut  zu  Heidelberg  sich  befindet; 


Fig.  252.    Nach  Lippmann. 

besteht  aus  einem  mit  verdünnter  Schwefelsaure  ä  i5°/0  Vol.  gefüllten  Glas- 
kasten KK',  der  zwei  Gläser  bb'  enthält,  welche  zum  Theil  mit  Quecksilber 
gefüllt  sind.  Diese  Quecksilbermassen  bb'  können  respective  durch  Platin- 
drähte ee',  deren  oberer  Theil  vor  der  Berührung  mit  der  Saure  durch 
Glasröhrchen  geschützt  ist,  mit  den  Polen  eines  Daniells  D  in  Verbindung 
gesetzt  werden.  In  der  Schliessung  ist  eine  Wippe  W  enthalten,  welche 
diese  Verbindungen  umzukehren  erlaubt,  so  dass  jede  Quecksilbermasse  sich 
successive  mit  Wasserstoff  polarisirt.  Auf  jeder  Quecksilbermasse  schwimmt 
ein  Bündel  Glasröhren  BB',  welche  etwa  2  mm  Durchmesser  haben  und 
oben  und  unten  offen  sind;  ca.  300  dieser  Röhren  bilden  ein  vertikales 
Bündel,  welches  durch  Platindrähte  zusammengehalten  ist,  und  60  mm  Höbe, 
60  mm  Durchmesser  hat.     In  der  Axe  jedes  Bündels  ist  ein  Glasstab  mit 


\ 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  IO23 


eingeklemmt,  welcher  die  Rolle  des  Stieles  eines  Stempels  spielt.  Die  untere 
Hälfte  des  Bündels  taucht  in  Quecksilber,  während  die  obere  unter  der 
Säure  steht  und  ganz  mit  derselben  gefüllt  ist.  Das  Bündel  schwimmt  frei 
auf  dem  Quecksilber;  es  bleibt  deswegen  vertikal,  weil  der  Glasstab,  der 
ihm  als  Stiel  dient,  in  einen  metallischen  Bügel  Ulf  gefasst  ist,  dessen 
untere  Enden  nicht  frei  sind,  sondern  in  die  untere  Seite  eines  doppelten 
horizontalen  Hebels  eingreifen,  welcher  um  eine  feste  horizontale  Axe  dreh- 
bar ist  und  wie  ein  Wagbalken  oscilliren  kann;  an  ihm  hängen  die  beiden 
Bündel  gleichsam  nach  oben,  wie  die  Wageplatten  nach  unten,  und  halten 
sich  das  Gleichgewicht  Mittelst  des  vertikalen  Bügels  V,  der  Stange  s 
jnd  des  Krummzapfens  z  kann  die  oscillirende  Bewegung  vom  Hebel  in 
*ine  drehende  des  Schwungrades  R  umgesetzt  werden;  die  Welle  des 
Schwungrades  trägt  einen  zweiten  Krummzapfen  z'3  der  die  Wippe  in  Be- 
legung setzt.  Das  Ganze  erinnert  stark  an  gewisse  Schiffsdampfmaschinen. 
Wird  nun  die  Maschine  mittelst  der  Schraubenklemmen  00'  in  Verbindung 
nit  einem  Daniell  gesetzt,  so  polarisirt  sich  die  eine  Quecksilbermasse  mit 
Wasserstoff,  die  andere  mit  Sauerstoff.  Auf  der  einen  Seite  werden  die 
3apillarconstante,  die  Capillardepression  in  und  zwischen  den  Röhren, 
und  somit  die  Kraft,  mit  welcher  das  Bündel  in  die  Höhe  getrieben  wird, 
um  0,35  ihres  Werthes  vergrössert,  und  dies  Bündel  steigt  in  die  Höhe; 
auf  der  anderen  Seite  findet  das  Entgegengesetzte  statt.  Das  Rad  fangt 
an,  sich  zu  drehen;  nach  vollendeter  Excursion  wird  der  Strom  durch 
die  Wippe  umgelegt,  und  das  Spiel  fängt  im  entgegengesetzten  Sinne 
wieder  an." 

Diese  Maschine  hat  zwar  keine  praktische  Bedeutung  gewonnen,  ist 
aber  als  der  Typus  einer  neuen  Art  der  Erzeugung  mechanischer  Energie 
aus  elektrischer  von  bedeutendem  Interesse.  Wenn  man  sie  dreht,  ohne 
dass  die  Klemmschrauben  mit  einer  Kette  verbunden  sind,  so  ergiebt  sie 
sich  als  eine  Stromquelle,  und  ein  zwischen  den  Klemmschrauben  ange- 
brachtes Galvanometer  wird  abgelenkt.  Der  Zusammenhang  zwischen  den 
capillaren  und  den  elektrischen  Erscheinungen  ist  also  ein  umkehrbarer, 
wie  der  Strom  eine  Änderung  der  Oberfläche  hervorruft,  so  bringt  eine 
Änderung  der  Oberfläche  einen  Strom  hervor. 

„Diese  Ströme  lassen  sich  auf  einfache  Weise  erzeugen  und  messen. 

„Zur  Messung  diente  der  bereits  beschriebene  Apparat  (Fig.  248).  Die 
Pole  aß  wurden  respective  mit  den  Enden  eines  Spiegelgalvanometers  von 
2000  Windungen  verbunden.  Um  einen  Versuch  zu  machen,  wurde  das 
2uecksilberreservoir  A  entweder  gesenkt  oder  gehoben;  dadurch  änderte 
jich  das  Niveau  in  der  Glasröhre,  zugleich  schlug  die  Galvanometernadel 
ius,  und  zwar  genügte  es,  Niveauänderungen  von  einigen  Millimetern  vor- 
zunehmen, um  Messungen  machen  zu  können;  man  erhält  sonst  solche 
ütröme,  dass  der  nicht  astasirte  Magnet  an  die  Hemmung  schlägt.  Wenn 
ias  Niveau  gehoben  wird,  vergrössert  sich  die  Berührungsfläche  des  Queck- 
silbers   mit   der  Säure  in  M.     Dann    zeigt   das  Galvanometer  einen  Strom 


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!024 


Siebzehntes  Kapitel. 


an,  der  durch  die  verdünnte  Säure  von  der  sich  vergrössernden 
Elektrode  zur  anderen  geht  Bei  der  Senkung  ändert  sich  der  Sinn 
des  Stromes. 

„Es  wurde  mit  verschiedenen  Hubhöhen  und  verschiedenen  Glasröhren 
experimentirt.  Sei  a  der  beobachtete  Ausschlag  des  Galvanometers,  /  die  Hub- 
höhe, r  der  Radius  der  Röhre;  alle  gefundenen  Zahlen  genügten  der  Bedingung: 


das  heisst:  die  entwickelte  Elektricitätsmenge  ist  der  Vergrösserung 
der  Oberfläche  proportional   und  von  deren  Form  unabhängig." 

Lippmann  theilt  nun  die  Bestimmung  dieser  Elektricitätsmenge  in  ab- 
solutem Maasse  mit.  Sein  Ergebniss  lässt  sich  anschaulich  in  dem  Satze 
wiedergeben;  „Darnach  würde  eine  Oberflächen  vergrösserung  von  i  m1  eine 
Elektricitätsmenge  entwickeln,  die  nahezu  130  mg  Wasser  zersetzen  würde.... 
„Man  kann  dieselben  elektrischen  Ströme  auf  sehr  einfache  Weise  er- 
zeugen. Ein  Glasgefäss  enthält  Quecksilber  und  verdünnte  Schwefelsäure. 
Ein  Glastrichter,  mit  Quecksilber  gefüllt,  wird  so  befestigt, 
dass  seine  untere  feine  Öffnung  in  die  Säure  taucht  Wenn 
nun  die  zwei  Quecksilbermassen,  die  in  dem  Glasgefäss 
und  dte  in  dem  Trichter  respective  mit  den  Draht- 
enden eines  Galvanometers  verbunden  sind,  so  bleibt 
die  Nadel  so  lange  abgelenkt,  als  das  Ausfliessen  des 
Quecksilbers  dauert.  Die  Ausdehnung  der  Oberfläche 
eines  jeden  sich  bildenden  Tropfens  bedingt  die  Ent- 
stehung des  Stromes. 

„Man  kann  den  Trichter  durch  ein  ausgezogenes 
Rohr,  das  Gefäss  durch  ein  zweites  ähnliches  Rohr  er- 
setzen und  so  den  einfachen  Elektromotor  (Fig.  253' 
construiren.  Dann  fliesst  das  Quecksilber  durch  beide 
Röhren  hindurch;  wenn  der  stationäre  Zustand  erreicht 
ist,  bleibt  die  Ablenkung  der  Galvanometer  constant" 

Eine  weitere  Folge  der  Umkehrbarkeit  der  Erschei- 
nung ist  die,  dass  die  Berührungsflächen  zwischen  Queck- 
silber und  Säure  sich  polarisiren  müssen,  wenn  man  sie 
dehnt  oder  verkleinert.  Darauf  beruht  die  Polarisation 
durch  Capillarkräfte.  „Wenn  man  nach  aufgehobener 
metallischer  Verbindung  zwischen  den  Polen  aß  eine 
Verschiebung  des  Quecksilbers  vornimmt,  befindet  man  sich  eben  in 
den  gewöhnlichen  Umständen,  da  man  ja  bisher  in  Capillarversuchen 
für  eine  elektrische  Schliessung  nicht  gesorgt  hat  Dann  bemerkt  man 
Erscheinungen,  von  denen  ein  Theil  als  „unerklärte  Störungen"  wohl 
bekannt  ist  Wenn  man  das  Reservoir  A  hebt,  also  die  Oberfläche  in  .1/ 
vergrössert  und  zugleich  den  Pol  ß  zur  Erde  ableitet,  so  ladet  sich  der 
Draht  a  mit  freier  negativer  Elektricität,  wie  dies  mittels  des  THoicsotrschcn 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  102  5 


lektrometers  constatirt  wurde;  der  Ausschlag  des  Elektrometers  kann/"V 
ross  werden,  als  hätte  man  seine  Pole  mit  denen  eines  DANiELi/schen  Bf:  \, 
jrbunden.  Zugleich  bemerkt  man,  dass  die  Depression  in  der  Glasröhre 
rösser  ist,  als  bei  geschlossener  Leitung.  Mit  anderen  Worten,  die  Capillar- 
)nstante  ist  grösser,  als  vorher.  Nun  ist  die  Vergrösserung  der  elektro- 
totorischen  Kraft  zwischen  Quecksilber  und  verdünnter  Säure  mit  gleich- 
jitiger  Vergrösserung  der  Capillarconstante  der  gemeinsamen  Oberfläche 
:>en  das,  was  man  Polarisation  durch  Wasserstoff  nennt;  man  wird  also  die 
rscheinung  so  deuten:  wenn  man  auf  mechanischem  Wege  die  Be- 
ihrungsfläche  zwischen  Quecksilber  und  saurem  Wasser  ver- 
rössert,  polarisirt  sich  dieselbe  dadurch  mit  Wasserstoff." 

Es  wird  gut  sein,  alsbald  einem  möglichen  Irrthum  zuvorzukommen, 
elcher  an  dieser  Stelle  durch  die  gewählte  ungenaue  Ausdrucksweise  ent- 
ehen  könnte.  Unter  Polarisation  mit  Wasserstoff  darf  nur  eine  katho- 
ische  Polarisation  verstanden  werden;  ob  bei  dem  erwähnten  Vorgange 
eier  Wasserstoff  an  der  Fläche  erscheint,  oder  nur  eine  vorhandene  ano- 
sehe  oder  Sauerstoffpolarisation  geringer  wird,  kann  durch  die  Versuche 
cht  entschieden  werden.  Offenbar  hat  Lippmann  die  unausgesprochene 
oraussetzung  gemacht,  dass  die  Berührungsfläche  zwischen  Quecksilber 
id  Säure  an  und  für  sich  polarisationsfrei  sei,  und  alsdann  giebt  es  aller- 
ngs  für  die  beobachtete  Verschiebung  nach  der  kathodischen  Seite  keinen 
ideren  Ausdruck.  Inzwischen  hat  sich  in  der  Folge  herausgestellt,  dass  ^j 
e  „natürliche"  Grenzfläche  zwischen  Quecksilber  und  Säure  allerdings  einen 
:>tentialunterschied  in  einem  solchen  Sinne  besitzt,  wie  er  einer  anodischen 
>larisation  entsprechen  würde;  unter  diesen  Bedingungen  ist  man  nicht 
irechtigt,  die  bei  der  Vergrösserung  der  Fläche  auftretende  Verschiebung 
;s  Potentialunterschiedes  zwischen  den  beiden  Stoffen  als  eine  Polarisation 
it  Wasserstoff  zu  bezeichnen. 

„Darauf  begründet  sich  ein  recht  frappanter  Versuch,  den  man  mit  & 
im  Capillarelektrometer  ausführen  kann.  Wenn  man  durch  Anblasen  oder 
lugen  mit  dem  Munde  den  Luftdruck  über  der  Quecksilbersäule  variiren 
sst,  so  kann  man  ganz  ohne  Anstrengung  die  Quecksilbersäule  in  der  feinen 
Ditze  in  Bewegung  setzen;  dies  aber  nur  so  lange,  als  die  metallische 
:hliessung  zwischen  a  und  ß  besteht.  Wird  diese  aufgehoben,  so  wird 
omentan  das  Quecksilber  unbeweglich,  wie  festgefroren.  Dies  erklärt  sich 
:  wenn  man  z.  B.  hineinbläst,  so  fängt  die  Quecksilberfläche  an,  sich  zu 
rgrössern,  dabei  polarisirt  sie  sich,  und  die  Vergrösserung  der  Capillar- 
mstante  bedingt  eine  Vergrösserung  des  Capillardruckes,  die  für  die  Lunge 
tüberwindlich  ist.     Das  Entgegengesetzte  findet  beim  Saugen  statt." 

In  ausführlicherer  und  zum  Theil  auch  methodisch  abgerundeterer  Ge- 
ilt hat  Lippmann  dann  seine  Arbeit  zwei  Jahre  später  in  französischer 
>rache    veröffentlicht;1    die    Gesammtheit   der    von    ihm    untersuchten    Er- 


1  Ann.  chim.  phys.  (5)  5,  494.  1875. 
Ostwald,   Elektrochemie.  65 


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I026 


Siebzehntes  Kapitel. 


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scheinungen  fasst  er  in  die  beiden  Gesetze  zusammen,  welche  er  auch  mathe- 
matisch formulirt: 

„Die  Oberflächenspannung  an  der  Trennungsfläche  zwischen 
verdünnter  Schwefelsäure  und  Quecksilber  ist  eine  Function  der 
an  dieser  Fläche  bestehenden  elektrischen   Differenz. 

„Wenn  man  durch  mechanische  Mittel  die  Oberfläche  ändert, 
so  ändert  sich  die  elektrische  Differenz  dieser  Oberfläche  in  sol- 
chem Sinne,  dass  die  zufolge  des  ersten  Gesetzes  entwickelte 
Oberflächenspannung  der  Fortsetzung  der  Bewegung  widerstrebt" 
Von  grosser  Wichtigkeit  ist  noch,  die  Form  der  Function  kennen  zu 
lernen,  welche  zwischen  Oberflächenspannung  und  elektrischer  Differenz  be- 
steht. In  der  beistehenden  Fig.  254  ist  der  Verlauf  nach  Lippmann  wieder- 
gegeben; als  Ab- 
scissen  sind  die 
elektrischen  Span- 

nungsunter- 
schiede  in  Daniell- 
Einheiten,  als  Or- 
dinaten  die  Werthc 
der  Oberflächen- 
spannung aufge- 
tragen. Wie  man 
sieht,  erreicht  bei 
dem  Werthe  von 
von  etwa  0,9  Da- 

niell  die  Oberflächenspannung   ein  Maximum.     Diese  Thatsache   wird  sich 
später  als  von  grosser  Bedeutung  erweisen. 

Was  die  mathematische  Theorie  anlangt,  welche  Lippmann  von  den 
Vorgängen  giebt,  so  ist  sie  rein  formaler  Natur  und  zeigt,  in  welcher  Weise 
unter  der  Voraussetzung,  dass  die  Vorgänge  umkehrbar  sind  (was  sehr  nahe 
zutrifft)  der  Verlauf  der  Spann ungscurve  mit  den  elektrischen  Capacitäts- 
grössen  der  Trennungsfläche  zusammenhängt.  Über  die  Art,  wie  die  gegen- 
seitige Beeinflussung  der  beiden  Grössen  zu  Stande  kommt,  hat  er  sich  nicht 
geäussert. 

Wie  alle  neuen  und  ungewohnten  Dinge  hatte  auch  die  Entdeckung 
Lippmann^s  zunächst  ziemlich  eifrigen  Widerspruch  erfahren,  doch  vermochte 
der  Entdecker  leicht,  die  Irrthümer  seiner  Gegner  nachzuweisen. l  Allerdings 
ist  durch  diese  Gegnerschaft  wenigstens  in  Deutschland  einige  Zeit  lang  eine 
eingehendere  Beschäftigung  mit  diesen  Sachen  behindert  worden,  und  noch 
jetzt  macht  sich  vielfach  eine  geringe  Vertrautheit  mit  diesen  schönen  und 
interessanten  Erscheinungen  geltend. 

19.    Die  Theorie  der  Doppelschichten.     In  der  bisher  dargelegten 


°'K_  °-5 


0,9     1,0 

Fig.  254.     Nach  Lippmann. 


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1  Wieü.  Ann.  11,  316.   1880. 


1 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  1027 


restalt  scheint  die  von  Lippmann  untersuchte  Erscheinung  mit  unserem 
roblem,  der  Frage  nach  dem  Betrage  der  Potentialunterschiede  an  der 
rrenzfläche  zwischen  Metall  und  Elektrolyt,  keinerlei  Zusammenhang  zu 
aben.  Dass  thatsächlich  ein  solcher,  und  zwar  in  sehr  inniger  Weise  be- 
teht,  ist  dann  durch  Helmholtz  nachgewissen  worden. 

Helmholtz*  Arbeiten  über  diese  Frage  nehmen  ihren  Ausgang  von 
dnen  Untersuchungen  über  die  galvanische  Polarisation.  In  weiterem 
lusbau  der  von  Varley  und  Maxwell  betonten  Ähnlichkeit  einer  Zer- 
?tzungszelle  mit  einem  Condensator  von  ungeheurer  Capacität  wurde  er 
azu  geführt,  nach  den  beiden  Belegungen  dieses  Condensators  zu  fragen, 
i  seinen  Studien  über  elektrische  Grenzschichten  vom  Jahre  18791  stellte 
r  dann  zuerst  den  Begriff  der  elektrischen  Doppelschicht  auf.  Wenn 
wei  Leiter  an  einander  grenzen,  welche  trotz  der  Berührung  auf  einem 
erschiedenen  Potential  stehen,  so  muss  an  ihrer  Grenzfläche  eine  An- 
äufung  freier  Elektricitäten  stattfinden,  die  an  ihrem  Ausgleiche  durch  die 
rrsache  gehindert  werden,  welche  den  Spannungsunterschied  hervorgebracht 
at.  Solches  findet  z.  B.  an  den  Berührungsstellen  der  Metalle  mit  den 
lektrolyten  statt.  Die  beiderseits  angehäuften  entgegengesetzten  Elektrici- 
ten  vermehren  ihre  Menge  im  umgekehrten  Verhältnisse  ihres  Abstandes, 
>  dass  das  Produkt  desselben  gleich  bleibt;  die  hierbei  aufgehäufte  Energie- 
icnge  ist  proportional  dem  Quadrat  des  Spannungsunterschiedes  und  um- 
kehrt proportional  dem  Abstände  beider  Schichten.  Die  Energiemenge 
ürde  also  unendlich  gross  werden,  wenn  die  beiden  elektrischen  Schichten 
ch  bei  der  Berührung  der  Stoffe  unendlich  nahe  kämen;  da  es  aber 
nen  Widerspruch  enthält,  dass  an  einer  endlichen  Menge  Materie  eine 
nendliche  Menge  Energie  enthalten  sein  könne,  so  muss  die  Entfernung 
er  beiden  elektrischen  Schichten  eine  endliche  sein,  und  sie  ergiebt  sich 
us  der  Messung  der  Capacität  solcher  Systeme,  d.  h.  aus  der  Messung  der 
Jektricitätsmenge,  welche  zur  Ladung  eines  polarisirbaren  Systems  zu 
inem  bestimmten  Potential  erforderlich  ist.  Die  Beobachtungen  geben  für 
iese  Zahl  Grössen,  die  um  ein  zehnmilliontel  Millimeter  sich  bewegen 
rgl  S.  909). 

Die  Anwendung  der  Begriffe  auf  die  von  Lippmann  untersuchten  elek- 
•ocapillaren  Erscheinungen  erfolgte  bei  Gelegenheit  einer  von  Helmholtz 
eranlassten  Untersuchung  über  diesen  Gegenstand.  Während  nach  der 
xperimentellen  Seite  diese  von  A.  König  durchgeführte  Arbeit2  nicht  ein- 
'urfsfrei  erscheint,  da  alle  späteren  Untersuchungen  in  Bezug  auf  einen 
'ichtigen  Punkt  (die  Gleichheit  des  Maximaiwerths  der  Oberflächenspannung 
1  verschiedenen  Elektrolyten)  abweichende  Verhältnisse  gezeigt  haben,  so 
edingen  die  von  Helmholtz  hinzugefügten  Bemerkungen  allerdings  einen 
rheblichen  Fortschritt  auch  über  den  von  Lippmann  (S.  1027)  erreichten 
tandpunkt  hinaus. 

1  WiED.  Ann.  7,  337.   1879.  8  Wied.  Ann.  16,    i.   1882. 

65* 


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jQ2g  Siebzehntes  Kapitel. 


Nach  einigen  Bemerkungen  über  das  an  einer  polarisirten  Fläche  be- 
stehende Gleichgewicht  fährt  Helmholtz  fort: 

„Dass  wir  bei  wirklich  ausgeführten  Versuchen  über  galvanische  Polari- 
sation uns  diesem  Gleichgewicht  bis  auf  eine  fast  verschwindend  ldeine 
Differenz  genähert  haben,  erkennen  wir  daraus,  dass  die  elektrische  Be- 
wegung, der  vorher  bestehende  galvanische  Strom  aufhört,  oder  nur  in 
verschwindend  kleinen  Bruchtheilen  seiner  ursprünglichen  Stärke  bestehen 
bleibe.  Dem  Potentialunterschiede,  der  dann  noch  zwischen  mindestens 
einer   der  Elektroden    und   der  Flüssigkeit,   meistens  aber  zwischen  beiden 

t  Elektroden  und  der  letzteren  bestehen  muss,  wird  an  der  Grenzfläche  selbst 

eine  elektrische  Doppelschicht  entsprechen,  wie  eine  solche  sich  nach  den 
allgemeinen  Gesetzen  der  Elektricitätsvertheilung  an  jeder  Fläche  ausbilden 
muss,  an  der  ein  Sprung  im  Werthe  des  Potentials  stattfindet.  Ich  habe 
schon  früher  nachgewiesen ,  dass  die  Grösse  der  Potentialdifferenz  P  durch 
das  Moment  der  Doppelschicht  ;;/  gegeben  ist,  indem 

P  =  4^;«. 

*  r\  Unter  Moment  der  Doppelschicht  verstehe  ich  die  Dichtigkeit  der  positiven 

j  .  |  Flächenbelegung,  multiplicirt  mit  dem  Abstände  von  der  negativen  Flachen- 

belegung. Jede  elementare  Elektricitätsmenge  in  einer  solchen  Doppelschicht 
wird  abgestossen  von  der  benachbarten  gleichnamigen  Menge  derselben 
Schicht,  angezogen  durch  die  entgegengesetzte  der  anderen  Schicht.  Da 
aber  die  Theiie  der  eigenen  Schicht  näher  sind,  als  die  gleich  grossen  der 
entgegengesetzten,    und   näher   den   tangentialen  Richtungen  in  der  Fläche 

\A  ili  liegen,  so  wird  die  Abstossung  in  der  Richtung  der  Fläche  die  Anziehung 

überwiegen  und  in  jeder  mit  einer  Doppelschicht  belegten  Fläche  muss  die 

;it   -  elektrostatische    Kraft    eine   Dehnung    der   Fläche  hervorzubringen   streben. 

Wenn  also  die  elektrisirte  Fläche  eine  capillare  Contractionskraft  von  ge- 
wisser Grösse  hat,  so  wird  die  mit  einer  Doppelschicht  belegte  Fläche  eine 
Verminderung  der  capillaren  Spannung  zeigen  müssen.    Es  wäre  also  unter 

»  fei;  diesen  Umständen  zu  erwarten,  dass  die  capillare  Spannung  im  unbeladenen 

*mw.  Zustande  eine  Maximum  sein  müsste. 

„Nun  haben  wir  es  bei  den  polarisierten  Elektrodenflächen  offenbar  mit 
,,.«;'  einer  viel  complicirteren  Anordnung  zu  thun,  da  die  Elektricität,  welche  im 

^  I  i :  Elektrolyten  sich  anhäuft,  nach  Faraday's  Gesetz  jedenfalls  ponderable  Ionen 

des  Elektrolyten  mit  herangeführt  hat.  Aber  die  eben  angestellte  Betrachtung 
lässt  sich  noch  erheblich  verallgemeinern  auf  einem  Wege,  der  schon  von 
Herrn  Lippmann  eingeschlagen  ist,  wobei  nur  die  Voraussetzung  festgehalten 
zu  werden  braucht,  dass  die  Kräfte,  unter  deren  Einfluss  die  Grenzschichten 
sich  bilden,  conservative  Kräfte  seien,  und  die  dabei  eintretenden  Änderungen 
daher  vollkommen  reversibel.  Das  thatsächliche  Vorhandensein  der  Rever- 
sibilität dieser  Processe  ist  durch  die  Versuche  von  Herrn  Lippmann  gleich- 
zeitig grossentheiis  bestätigt  worden." 

Helmholtz  geht  nun  auf  eine  rechnerische  Erörterung  ein,   indem  er 
die  Arbeiten  bestimmt,  welche  zur  Vergrösserung  einer  mit  einem  Elektro- 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  I02Q 


lyten  in  Berührung  stehenden  Elektrodenfläche  erforderlich  ist,  und  gelangt 
dadurch  zu  der  einfachen  Gleichung,  in  der  T  die  Oberflächenspannung, 
P  den  Potentialunterschied  und  e  die  Dichtigkeit  der  Elektricität  in  der 
Grenzfläche  bedeutet 

dT  _ 

~dP  —   ""  *' 

* 

„Letztere  Gleichung  sagt  aus,  dass  für  einen  Grenzwerth  der  Oberflächen- 
spannung T  die  Dichtigkeit  der  Elektricität  a  =  o  sein  müsse.  Ausserdem 
zeigt  die  Gleichung,  dass  der  absolute  Werth  der  angesammelten  Elektri- 
cität «  durch  Messungen  von  T  und  P  in  absolutem  Maasse  gefunden 
werden  kann. 

„Die  Voraussetung,  dass  es  conservative  Kräfte  sind,  die  das 
Gleichgewicht  an  der  polarisirten  Fläche  bestimmen,  führt  also 
notwendig  zu  der  Vorraussetzung,  dass  in  diesem  Zustande  der 
maximalen  Spannung  der  Oberfläche  die  letztere  frei  von  jeder 
elektrischen  Doppelschicht  sei  und  dass  eben  dann  auch  kein 
Potentialunterschied  zwischen  dem  Quecksilber  und  der  Flüssig- 
keit bestehe.  "Diese  Folgerung  kann  durch  weitere  Versuche  geprüft  werden, 
da  man  jede  Ladung  der  Quecksilberfläche  durch  schnelle  Vergrösserung 
derselben,  wie  sie  beim  Abtropfen  vorkommt,  muss  beseitigen  können. 

„Faraday's  elektrolytisches  Gesetz,  dessen  strenge  Gültigkeit  alle  spä- 
teren Versuche  nur  bestätigt  haben,  zeigt,  dass,  wo  keine  Elektrolyse  möglich 
ist,  auch  keine  Elektricität  vom  Metall  zum  Elektrolyten  oder  umgekehrt 
übergehen  kann.  Einen  scheinbaren  Widerspruch  dagegen  könnte  man  in 
den  bekannten  älteren  Versuchen  über  galvanische  Ströme,  die  durch  un- 
gleichzeitiges Eintauchen  zweier  gleichartigen  Elektroden  in  die  gleiche 
Flüssigkeit  erregt  werden,  zu  finden  glauben.  Diese  zeigen  allerdings,  dass 
sogar  ohne  vorangegangene  Stromwirkung  an  der  zuerst  eingetauchten  Platte 
in  den  ersten  Sekunden  oder  Minuten  nach  dem  Eintauchen  Veränderungen 
vor  sich  zu  gehen  pflegen,  welche  den  Potentialunterschied  zwischen  dem 
Metall  und  der  Flüssigkeit  verändern. 

„Das  Quecksilber,  als  Elektrode  angewendet,  hat  bei  den  hierherge- 
hörigen Versuchen  einen  wichtigen  Vortheil  vor  den  festen  Metalien.  Seine 
Berührungsfläche  mit  der  Flüssigkeit  ist  dehnbar  und  kann  beliebig  ver- 
kleinert oder  vergrössert  werden,  und  wenn  man  die  oberflächlichen  Theiie 
des  Quecksilbers  sich  in  eine  Reihe  von  Tropfen  sammeln  und  abfallen  lässt, 
so  können  sich  fortdauernd  aus  dem  Inneren  des  reinen  Metalles  neue 
Theiie  an  der  Oberfläche  entwickeln,  die  vorher  weder  mit  der  Luft,  noch 
mit  der  Flüssigkeit  in  Berührung  gewesen  waren.  In  der  That  hat  auch 
schon  Hr.  Quincke,  wie  mir  scheint  mit  Recht,  auf  die  Analogie  der  durch 
schnell  abtropfendes  Quecksilber  erregten  Ströme  mit  denen  aufmerksam 
gemacht,  welche  bei  festen  Metallen  durch  ungleichzeitiges  Eintauchen  erregt 
werden. 

„Der  Sinn  dieser  von  selbst  eintretenden  Veränderung  an  der  Oberfläche 


1030 


Siebzehntes  Kapitel. 


der  neugebildeten  Quecksilberoberfläche  ergiebt  sie 
und  Hrn.  Quinckes  Beobachtungen.  Nach  des  letzte 
Versuchen  geht  der  positive  Strom,  der  durch  abl 
unteren  Theile  des  Elektrolyten  wieder  sammelndes  Qi 
in  den  bisher  untersuchten  Elektrolyten  immer  in  de 
den  Quecksilbers,  d.  h,  dass  die  sich  unten  sammelnd 
deren  Oberfläche  die  Schichten,  die  die  Änderung 
sich  concentriren,  hat  positiveres  Potential,  als  die 
immer  wieder  erneuerte  Fläche. 

„Eine  solche  Potentialdifferenz  erfordert  eine  elf 
deren  positive  Hälfte  im  Inneren  des  unteren  Qu« 
dagegen,  am  Anion  der  Flüssigkeit  haftend,  in  dei 
durch  ist  der  Sinn  der  elektrischen  Ladung  gegeben,  w 
Geschwindigkeit  an  der  Oberfläche  des  Quecksilbers 
schwindigkeit  eine  massige  ist,  folgt  aus  dem  Umstar 
Tropfenstrom  schwache  Potential  unterschiede  hervor! 
wie  Hr.  Quincke  gezeigt  hat,  bei  wachsender  Geschi 
Stromes  sich  bald  einem  Maximum  nähern,  welches  d 
der  Geschwindigkeit  nicht  mehr  überschritten  wird, 
treten,  sobald  die  neuen  Theile  der  oberen  Quecksi 
Tropfen  übergehen,  dass  sie  sich  nicht  mehr  merk] 
sie  abreissen,  und  daher  die  obere  Fläche  in  vollstar 
stände  bleibt. 

„Nach  Faradav's  Gesetz  würde  der  hierbei  vo 
positiver  Elektricität  in  das  Metall  nur  vermittelst 
finden,  die  einen  Stoff  beträfe,  der  eine  noch  geringt 
tiven  Elektricität  hat,  als  das  Quecksilber.  Zunäc 
atmosphärischen  Sauerstoff  zu  denken,  dem  man,  we 
in  der  Flüssigkeit  aufgelöst,  ausreichende  Verwandtscl 
tricität  zuschreiben  könnte,  um  diese  dem  Quecksi 
dafür  positive  an  das  Metall  abzugeben.  Die  La 
würde  sich  dadurch  erklären,  dass  dieser  gelöste  Sa 
Menge  vorhanden  ist,  und  nur  langsam  durch  Dil 
kann. . . .  Wäre  einer  der  in  grösserer  Menge  vornan 
Flüssigkeit  an  der  Elektrolyse  schuld,  so  würde  wo! 
der  Ladung  zweier  sich  berührender  Flächen  in 
Zeitperioden  zu  Stande  kommen  können. 

„Ich  möchte  aber  die  hier  hingestellte  Hypothes 
solche  anerkannt  wissen.  Für  das  Folgende  genügt 
sache,  dass  unter  den  bisher  eingehaltenen  Bedii 
Quecksilber  in  Berührung  mit  elektrolytischer  Flüssi 
positiv  gegen  die  Flüssigkeit  ladet 

„Die  Langsamkeit  dieser  Ladung  bei  beschrän 
übrigens  viel  auffallender  in  Hrn.  Lippmann's  Versuc 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  IOßl 


elektrometer  gezeigt,  insofern  der  feine  Quecksilberfaden  desselben  aus  jedem 
Grade  der  Ablenkung,  wenn  er  so  gut  isolirt,  als  der  Apparat  das  gestattet, 
sich  selbst  überlassen  bleibt,  allmählich  sich  immer  wieder  einer  bestimmten 
Gleichgewichtslage  nähert,  die  verschieden  ist  von  der,  die  frisch  abgetropftes 
Quecksilber  annimmt  In  der  feinen  Capillarröhre  des  LippMANN'schen  In- 
strumentes geschieht  die  Diffusion  nur  ausserordentlich  viel  langsamer,  als 
in  den  besprochenen  Tropfapparaten,  und  braucht  Stunden,  während  eine 
unmittelbare  elektrolytische  Ausgleichung  mit  der  Säure,  falls  eine  solche 
möglich  wäre,  im  Querschnitt  der  Röhre  ohne  Verzögerung  von  Statten 
gehen  könnte. 

„Daraus  schliesse  ich,  dass  wenn  eine  schnell  abtropfende 
und  übrigens  isolirte  Quecksilbermasse  durch  die  tropfende  Spitze 
mit  einem  Elektrolyten  in  Berührung  ist,  das  Quecksilber  und  der 
Elektrolyt  kein  verschiedenes  Potential  haben  können.  Denn 
hätten  sie  es  —  wäre  z.  B.  das  Quecksilber  positiv  —  so  würde 
jeder  fallende  Tropfen  eine  Doppelschicht  an  seiner  Oberfläche 
bilden,  welche  +  E  aus  dem  Quecksilber  wegnähme  und  dessen 
positives  Potential  immer  kleiner  und  kleiner  machte,  bis  es  dem 
der  Flüssigkeit  gleich  wäre/' 

Dieser  letzte  Satz  ist  nun,  obwohl  Helmholtz  diesen  Schluss  nicht  selbst 
gezogen  hat,  der  Ausgangspunkt  der  erwähnten  wichtigen  Entwicklung  ge- 
wesen. Durch  den  ganzen  Streit  über  den  Sitz  der  elektromotorischen  Kraft 
in  der  VoLTA'schen  Kette  zog  sich  die  Schwierigkeit,  dass  eine  Messung  der 
an  den  einzelnen  Stellen  der  Berührung  befindlichen  Spannungen  nicht  zu 
ermöglichen  war,  da  bei  jeder  experimentellen  Anordnung  immer  mehr  Be- 
rührungsstellen entstanden,  als  unabhängige  Messungen  ausführbar  waren. 
Der  von  den  Gegnern  der  Contacttheorie  an  dem  Condensatorversuch  ge- 
machte Einwand  lässt  sich  gleichfalls  in  der  Gestalt  aussprechen,  das  dabei 
die  Voraussetzung  gemacht  ist,  an  den  Berührungsstellen  zwischen  Metall 
und  Luft  bestehe  keine  Spannung,  was  auf  keine  Weise  bewiesen  worden 
ist  Hier  ist  endlich  ein  Mittel  gegeben,  ein  Metall  und  einen  Elektrolyten 
so  zu  verbinden,  dass  zwischen  beiden  kein  Potentialunterschied  besteht,  und 
dadurch  wird  das  bis  dahin  vollkommen  unzugängliche  Gebiet  der  einzelnen 
Spannungen  zwischen  verschiedenen  Körpern  der  Messung  zugänglich.  Es 
ist  eine  bemerkenswerthe  Erscheinung,  dass  dieser  wichtige  Schluss  weder 
von  Helmholtz  selbst,  noch  von  A.  König,  der  sich  unter  Helmholtz'  Leitung 
mit  Versuchen  über  den  Gegenstand  beschäftigte,  gezogen  worden  ist.  Dies 
geschah  erst  fünf  Jahre  später  durch  W.  Ostwald. 

Im  Anschluss  an  diese  Darlegung  theilt  Helmholtz  Versuche  von 
A.  König  mit,  aus  denen  sich  eine  Bestätigung  der  oben  gezogenen  Schlüsse 
ergiebt.  Wenn  eine  schnell  abtropfende  Quecksiibermasse  durch  einen  me- 
tallischen Leiter  mit  einem  Quecksilbertropfen  verbunden  wurde,  der  sich 
in  derselben  Flüssigkeit  befand,  so  nahm  dieser  das  Maximum  der  Ober- 
flächenspannung an,  und  seine  Oberflächenspannung  verminderte  sich,  wenn 


io32 


Siebzehntes  Kapitel. 


irgend  eine  elektromotorische  Kraft  zwischen  geschaltet  wurde,  unabhängig 
von  der  Richtung  dieser.  Ebenso  ergab  sich,  dass,  wenn  eine  vorhandene 
Quecksilberobernäche  plötzlich  erneuert  wurde,  sie  eine  höhere  Oberflächen- 
spannung aufwies,  als  vorher.  „Quecksilber,  dessen  Oberfläche  seit  längerer 
Zeit  mit  einem  lufthaltigen  Elektrolyten  in  Berührung  ist,  wird  also  im  allge- 
meinen positiv  geladen  sein,  und  bedarf  der  Wasserstoffzuführung  durch 
einen  kathodischen  Strom,  um  in  seiner  Capillarspannung  zuzunehmen.  Das 
ist  der  von  Herrn  Ltpfmann  vorzugsweise  beobachtete  gewöhnliche  FalL 
Dehnung  der  Fläche  verdünnt  die  vorhandene  elektrische  Doppelschicht  der- 
selben und  vermindert  dadurch  den  Potential  unterschied  zwischen  Queck- 
silber und  Elektrolyten.  Dadurch  wird  die  vorhandene  elektromotorische 
Kraft  der  Zelle  in  dem  Sinne  geändert,  dass  ein  anodischer  Strom  be- 
günstigt wird.  Jenseits  des  Maximums  muss  aber  sich  alles  dies  umgekehrt 
verhalten." 

20.  Messung  absoluter  Potentialunterschiede.  Nachdem  Helm- 
holtz  die  Sache  bis  unmittelbar  an  den  Punkt  geführt  hatte,  wo  seine  Über- 
legungen die  Möglichkeit  ergaben,  das  alte  Hauptproblem  der  VoLTA'schen 
Kette  zu  lösen,  Hess  er  sie  ruhenj  um  nie  mehr  wieder  auf  sie  zurück- 
zukommen. Welches  der  Grund  dieser  Zurückhaltung  war,  lässt  sich  schwer- 
lich vermuthen;  im  Zusammenhange  damit  mag  gestanden  haben,  dass  er 
bis  an  sein  Lebensende  ein  Anhänger  der  VoLTA'schen  Theorie  insofern 
gewesen  zu  sein  scheint,  als  er  die  nach  der  Condensatormethode  gefundenen 
grossen  Potential  unterschiede  zwischen  den  Metallen  für  reell  ansah,  und  sie 
einer  von  den  verschiedenen  Metallen  verschieden  ausgeübten  „Anziehung 
für  die  Electricitat"  zuschrieb. 

Der  erste  Versuch,  auf  Grund  der  Überlegungen  von  Helmholtz  in  das 
Problem  der  einzelnen  Spann  ungsunterschiede  einzudringen,  wurde  dann  von 
Bichat  und  Blondlot1  gemacht.  Indem  sie  ein  LrppMANn'sches  Capillar- 
elektrometer  mit  zwei  verschiedenen  Flüssigkeiten  füllten  und  für  jede  die 
elektromotorische  Kraft  aufsuchten,  durch  deren  Einschaltung  das  Queck- 
silber bis  zum  Maximum  derOberflächenspannung  polarisirt  wurde,  ermittelten 
sie  die  Potential  unterschiede,  welche  im  gewöhnlichen  Zustande  zwischen 
diesen  Flüssigkeiten  und  dem  Quecksilber  bestehen.*  Aus  je  zwei  so  unter- 
suchten Flüssigkeiten  und  zwei  Elektroden  von  Quecksilber  bildeten  sie  nun 
eine  Kette,  und  maassen  deren  elektromotorische  Kraft.    Da  aus  den  vorigen 

1  Comptes  rendus  100,  791.   1885. 

*  Damit  die  angewandte  elektromotorische  Krad  nur  auf  die  zu  untersuchende  GranAachc 
wirkt,  nimmt  man  diese  möglichst  klein  und  begrenzt  den  Elektrolyten  andererseits  durch  eint 
recht  grosse  Quecksilberiläche,  Bringt  man  nun  zwischen  beide  Quecksilbermassen  eine  be- 
stimmte elektromotorische  Kralt,  so  wird  durch  die  erfotgende  Polarisation  auf  den  beiden 
Flachen  eine  gleiche  Eleklricitatsmenge  zugleich  mit  chemisch  äquivalenten  Mengen  entgegen- 
gesetzter Ionen  ausgeschieden.  Da  aber  die  Potential  anderung  durch  die  Polarisation  der  pro 
Flächeneinheit  ausgeschiedenen  Ionenmenge  proportional  ist  (S.  908),  so  beträgt  sie  u  B.  nui 
Vimo  an  ^cr  flössen  Elektrode,  wenn  diese  1000  Mal  grösser  ist,  als  die  kleinere,  was  experi- 
mentell sehr  leicht  in  erreichen  ist.      Der  Kunstgriff  rührt  von   Lippmann  her. 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  I033 


Versuchen  die  Potentialunterschiede  zwischen  dem  Quecksilber  und  den 
Flüssigkeiten  bekannt  war,  so  konnten  sie  durch  Abziehen  dieser  Werthe 
von  der  der  Gesammtkraft  den  Potentialunterschied  zwischen  den  Flüssig- 
keiten erhalten,  auf  dessen  Bestimmung  ihre  Arbeit  gerichtet  war. 

Die  Erkenntniss  indessen,  dass  in  jenen  Überlegungen  von  Helmholtz 
in  der  That  die  Lösung  der  Hauptfrage  vorhanden  sei,  wurde  erst  1887 
durch  W.  Ostwald1  ausgesprochen.  Unter  Benutzung  des  Ergebnisses  von 
le  Roux  und  Edlund  (S.  969),  dass  zwischen  den  Metallen  keine  Potential- 
unterschiede von  Belang  bestehen,  zeigte  er,  dass  mittelst  einer  Queck- 
silber-Tropfelektrode sich  die  Potentialunterschiede  beliebiger  Metalle  und 
Elektrolyte  messen  lassen,  und  bestimmte  gleichzeitig  mit  einer  Anzahl  solcher 
Grössen  die  Grenzen  der  Genauigkeit,  innerhalb  welcher  auf  diese  Weise 
die  Messung  ausfuhrbar  war. 

Aus  der  Mittheilung  seien  folgende  Stellen  angeführt: 

„Die  gebräuchlichen  galvanometrischen  und  elektrometrischen  Methoden 
zur  Bestimmung  der  elektromotorischen  Kraft  geben  diese  stets  als  eine 
Summe  von  mindestens  drei  Potentialunterschieden,  welche  nicht  in  ihre 
Bestandtheile  aufgelöst  werden  kann.  Den  theoretischen  Erörterungen  über 
den  Sitz  der  elektromotorischen  Kraft  im  galvanischen  Element,  sowie  über 
das  Verhältniss  zwischen  chemischer  und  galvanischer  Energie  wird  durch 
diesen  Umstand  eine  Schranke  gezogen,  welche  sich  wiederholt  als  im 
höchsten  Maasse  hinderlich  erwiesen  hat. 

„Das  Problem  ist  offenbar  ein  fundamentales.  Zu  seiner  Lösung  sind 
bereits  einige  Schritte  geschehen;  den  letzten  und  entscheidenden  hat  man 
bisher  zu  thun  versäumt.  Was  zunächst  die  Potentialunterschiede  an  den 
Berührungsstellen  der  Metalle  anlangt,  so  hat  Edlund  sehr  wahrscheinlich 
gemacht,  dass  dieselben  mittelst  der  PELTiER'chen  Wirkung  gemessen  werden 
können.  Sie  haben  sich  als  sehr  klein  ergeben  und  übersteigen  nach  den 
Messungen  von  le  Roux  meist  nicht  den  Werth  von  wenigen  Millivolts." 

Nach  einem  Bericht  über  die  Versuche  von  Bichat  und  Blondlot  und 
nach  ihrer  Bemerkung,  dass  das  Verfahren  mit  dem  Capillarelektrometer  oft 
dadurch  unausführbar  wird,  dass  das  Quecksilber  seine  Beweglichkeit  verliert, 
heisst  es  weiter: 

„Nachstehend  werde  ich  eine  Methode  beschreiben,  welche  von  diesem 
Übelstande  frei  ist.  Sie  gestattet  nicht  nur  Potentialunterschiede  zwischen 
Flüssigkeiten,  sondern  auch  solche  zwischen  Flüssigkeiten  und  Metallen  un- 
mittelbar zu  messen  und  ermöglicht  dadurch  die  Beantwortung  einer  grossen 
Reihe  von  Fragen,  die  bisher  unzugänglich  waren.  Die  Methode  beruht  auf 
der  Anwendung  einer  tropfenden  Elektrode,  welche  schon  vor  langer 
Zeit  von  W.  Thomson  zur  Messung  von  Luftpotentialen  angegeben  worden 
ist.     Für  Flüssigkeiten  bedient  man  sich  des  Quecksilbers. 


1  Festschrift  der  Polytechnischen  Schule  zu  Riga,  Riga  1887.  —  Ztschr.  f.  phys.  Chemie 
1,  583.   1887. 


b 


ig].  Siebzehntes  Kapitel. 

„In  einer  Untersuchung  über  elektrische  Grenzschichten  äussert  sich 
H.  von  Helmholtz  (S.  1031):  „„Daraus  schHesse  ich,  dass  wenn  eine 
schnell  abtropfende  und  übrigens  isolirte  Quecksilbermasse  durch 
die  tropfende  Spitze  mit  einem  Elektrolyten  in  Berührung  ist,  das 
Quecksilber  und  der  Elektrolyt  kein  verschiedenes  Potential  haben 
können.  Denn  hätten  sie  es,  wäre  z.  B.  das  Quecksilber  positiv,  so  würck 
jeder  fallende  Tropfen  eine  Doppelschicht  an  seiner  Oberfläche  bilden,  welche 
positive  Elektricität  aus  dem  Quecksilber  wegnähme,  und  dessen  positives 
Potential  kleiner  und  kleiner  machte,  bis  es  dem  der  Flüssigkeit  gleich  wäre."" 

„Eine  abtropfende  Quecksilbermasse  ist  somit  eine  Elektrode, 
mittelst  deren  man  Flüssigkeiten  mit  dem  Elektrometer  ohne 
Potentialänderung  verbinden  kann.  Die  Anwendung  dieses  Ergeb- 
nisses auf  die  Messung  einzelner  Potentialunterschiede  ist  evident.  Im  Gegen- 
satz zu  allen  anderen  Elektroden  bringt  die  Tropfelektrode  keinen  neuen 
unbekannten  Potentialunterschied  in  den  Versuch  und  gestattet  somit,  jedes 
von  einer  Flüssigkeit  behauptete  Potential  direkt  mit  einer  beliebigen  Genauig- 
keit zu  messen. 

„Dabei  ist  freilich  vorausgesetzt,  dass  die  Entladung  des  Quecksilbers 
vollständig  erreicht  wird.  In  Berührung  z.  B.  mit  verdünnter  Schwefel- 
säure ladet  sich  Quecksilber  zwar  nicht  absolut  momentan,  aber  doch  ziem- 
lich schnell  positiv.  Durch  die  Tropfenbildung  wird  diese  Ladung  immer 
wieder  entfernt,  und  es  wird  sich  aus  dem  Kampf  zwischen  Ladung  und 
Entladung  ein  Zustand  zwischen  beiden  feststellen,  der  dem  letzteren  um  so 
näher  kommt,  je  grösser  die  in  der  Zeiteinheit  gebildete  Tropfenoberfläche 
im  Verhältniss  zu  der  sich  ladenden  Grenzfläche  der  Elektrode  ist  Durch 
einen  von  A.  König1  ausgeführten  Versuch  wird  erwiesen,  dass  eine  annä- 
hernd vollständige  Entladung  durch  eine  Tropfelektrode  erreicht  werden 
kann;  innerhalb  welcher  Grenzen  aber  noch  Ladung  nachbleibt,  geht  aus 
dem  Versuch  nicht  hervor. 

„In  diesem  Zustande  befand  sich  die  Angelegenheit,  als  ich  (im  April 
18S6)  den  Plan  fasste,  Flüssigkeitspotentiale  mittelst  tropfender  Quecksilber* 
elektroden  zu  messen.  Die  Ausführung  des  Planes  war  unmittelbar  davon 
abhängig,  wie  weit  auf  diesem  Wege  eine  Entladung  der  Elektroden  iu 
erzielen  war. 

„Ich  begann  damit,  zwei  Tropftrichter  mit  etwa  60  cm  langen  Röhren 
mit  Ausflussspitzen  zu  versehen  und  sie  isolirt  neben  einander  aufzustellen. 
Die  Ausflussspitzen  waren  so  eng,  dass  das  Quecksilber,  womit  die  Trichter 
gefüllt  wurden,  in  Form  eines  Staubes  austrat,  wenn  die  Spitzen  in  eine 
Flüssigkeit  gebracht  wurden.  Ich  liess  beide  Spitzen  sich  in  derselben  Flüssig- 
keitsmasse entladen  und  verband  das  Quecksilber  des  einen  Trichters  mit 
der  Erdleitung,  das  des  anderen  mit  dem  Elektrometer.  War  die  Entladung 
eine  vollständige,   so   musste  das  Elektrometer  in  Ruhe  bleiben.     Dies  war 

'  „Wied.  Ann.  16,  35.   i88s." 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  1035 


im  Allgemeinen  nicht  der  Fall;  beide  Spitzen  zeigten  meist  einen  sehr  merk- 
lichen Potentialunterschied,  bis  zu  0,1  Volt 

„Da  das  Quecksilber  sich  gegen  die  meisten  Flüssigkeiten  (es  wurde 
gewöhnlich  verdünnte  Schwefelsäure  benutzt)  positiv  ladet,  so  folgt,  dass  die 
Tropfelektrode,  welche  sich  positiv  gegen  die  andere  zeigte,  schlechter  war 
als  diese.  Die  schlechtere  Spitze  wurde  nun  geändert;  gelang  es,  sie  zu 
verbessern,  so  wurde  sie  meist  besser,  als  die  andere.  Jetzt  wurde  diese  in 
Arbeit  genommen  und  verbessert,  und  so  abwechselnd  weiter.  Doch  gelang 
es  mir  nicht,  auf  diesem  Wege  zwei  hinlänglich  gleich  wirkende  Spitzen  zu 
erhalten;  Unterschiede  von  einigen  Hundertsteln  Volt  blieben  bestehen  und 
liessen  sich  nicht  beseitigen;  auch  änderte  sich  das  Verhältniss  zweier  Spitzen 
häufig  während  des  Gebrauches. 

„Um  mich  nun  zu  überzeugen,  wie  weit  die  Entladung  vollständig  war, 
führte  ich  den  Versuch  von  König  in  folgender  Form  aus.  Ein  LippMAXN'sches 
Capillar-Elektrometer  wurde  mit  verdünnter  Schwefelsäure  beschickt  und  mit 
einem  Tropftrichter  leitend  verbunden,  welcher  sich  in  verdünnter  Schwefel- 
säure von  gleicher  Beschaffenheit  (aus  demselben  Vorrath)  entlud.  Das  unten 
angesammelte  Quecksilber  wurde  mit  der  Erdleitung  verbunden  und  der 
Meniskus  durch  Anwendung  des  erforderlichen  Druckes  wieder  an  das  Faden- 
kreuz des  Ablese-Mikroskops  gebracht.  Wenn  ich  jetzt  zwischen  den  Tropf- 
trichter und  das  Elektrometer  positive  oder  negative  elektromotorische  Kräfte 
einschaltete,  so  sank  in  beiden  Fällen  der  Quecksilberfaden  des  Elektro- 
meters. Dies  geschah  aber  erst,  wenn  die  elektromotorischen  Kräfte  ziemlich 
bedeutend,  0,05  bis  0,1  Volt  waren;  innerhalb  dieser  Grenzen  hatten  sie  gar 
keinen  Einfluss,  obwohl  das  Elektrometer  sonst  noch  0,0002  Volt  erkennen 
Hess.  Dieser  Versuch  zeigte  also  nur,  dass  die  Entladung  annähernd 
erreicht  war.  Es  Hess  sich  aber  doch  erkennen,  dass  die  Entladung  nicht 
ganz  voUständig  war,  denn  bei  Einschaltung  positiver  Kräfte  wurde  der 
Quecksilberfaden  viel  eher  in  Bewegung  gesetzt,  als  mit  negativen  Kräften. 
Eine  Verschiebung  Hess  sich  schon  bemerken  bei  +  0,05  Volt,  aber  anderer- 
seits bei  —  0,08  bis  —  0,10  Volt.1 

„So  unbefriedigend  der  Versuch  in  dieser  Form  war,  so  lehrte  er  doch, 
dass  die  Entladung  der  von  mir  angewandten  Tropfelektroden  noch  nicht 
vollständig  erfolgte.  Es  begann  nun  für  mich  eine  Reihe  von  Versuchen, 
die  Tropfelektroden  zu  verbessern,  welche  meine  Geduld  auf  die  härteste 
Probe  gestellt  haben.  Die  einzelnen  Stationen  dieses  langen  Weges  zu  schil- 
dern, würde  zu  weit  fuhren;  ich  begnüge  mich,  die  Form  der  Tropfelek- 
troden zu  beschreiben,  welche  ich  schliesslich  als  die  zweckmässigste  erkannt 
habe.  Dieselbe  ergab  sich  aus  der  Beobachtung,  dass  es  für  jede  Ausfluss- 
spitze von  bestimmter  Beschaffenheit  einen  bestimmten  Druck  giebt,  bei 
welchem  sie  sich  am  vollständigsten  entladet;  niedere,  sowie  auch  höhere 
Drucke  bedingen   eine  Verschlechterung.     Dieser   kritische  Druck    (der   sich 

1  „Diese  Beobachtungen  zeigen  deutlich  die  grosse  Unemprindlichkeit  der  Methode  von 
Bichat  und  Blondlot  (S.  141 )." 


lO^ö  Siebzehntes  Kapitel. 

innerhalb  einiger  Centimeter  Quecksilber  ohne  Schaden  ändern  darf)  ist  um 
so  höher,  je  kleiner  die  Ausflussöffnung  ist.  Sucht  man  für  mehrere  gege- 
bene Spitzen  diesen  Druck  auf  und  vergleicht  ihre  Wirkungen,  so  überzeugt 
man  sich,  dass  man  auf  diese  Weise  ziemlich  übereinstimmende  Elektroden 
erlangen  kann.  Dabei  erweisen  sich  meist  die  feineren  Spitzen,  welche  mit 
höherem  Druck  arbeiten,  als  die  besseren.  Doch  ist  auch  das  Umgekehrte 
zu  beobachten,  so  dass  ausser  dem  Querschnitt  der  Öffnung  noch  ihre 
Form  einen  nicht  unbedeutenden  Einfluss  auf  die  Güte  der  Elektrode  hat . . . 

„Ob  die  besten  auf  diesem  Wege  herstellbaren  Tropfelektroden  voll- 
kommen genau  das  gleiche  Potential  annehmen,  wie  die  Flüssigkeit,  kann 
nicht  in  Frage  kommen,  sondern  nur,  wie  gross  die  unter  allen  Umständen 
noch  vorhandenen  Unterschiede  sind.  Um  dies  festzustellen,  suchte  ich  den 
Versuch  von  A.  König  genauer  zu  gestalten.  Während  nämlich  die  elektro- 
motorische Kraft,  welche  das  Maximum  der  Oberflächenspannung  erzielt, 
innerhalb  der  Grenze  von  etwa  0,1  Volt  wechseln  kann,  ohne  dass  jene 
merklich  verschieden  ausfällt,  kann  man  unter  der  wohlbegründeten  Voraus- 
setzung, l  dass  oberhalb  und  unterhalb  des  Maximums  die  Änderung  der 
Oberflächenspannung  mit  dem  Potentialunterschied  symmetrisch  verläuft, 
mit  viel  grösserer  Genauigkeit  jene  zum  Maximum  gehörige  elektromotorische 
Kraft  bestimmen.  Man  sucht  zu  diesem  Zwecke  je  zwei  zusammengehörige 
Werthe  der  elektromotorischen  Kraft  auf,  bei  welchen  die  Oberflächenspan- 
nung gleich  gross  ist;  das  Mittel  aus  beiden  ist  der  gesuchte  Werth." 

Beim  Vergleich  der  Versuchsergebnisse  mit  dem  Capillarelektrometer 
und  der  Tropfelektrode  fand  sich,  dass  beide  zwar  naheliegende,  aber  nie 
identische  Werthe  gaben;  die  Trofelektrode  blieb  immer  etwas  zurück,  wie 
zu  erwarten  war,  und  zwar  betrug  der  Unterschied  durchschnittlich  0,05  Volt 
und  stieg  in  einzelnen  Fällen  auf  0,12  Volt  an.  Ostwald  beschreibt  ein 
Verfahren,  um  durch  Anwendung  zweier  Elektroden  von  verschiedener  Güte 
die  erforderliche  Correction  zu  ermitteln,  und  zeigt,  dass  sich  dadurch  der 
Fehler  auf  durchschnittlich  weniger  als  0,01  Volt  einschränken  lässt.  Indessen 
soll  auf  diese  Einzelheiten  nicht  eingegangen  werden,  da  in  der  Folge  die 
Tropfelektroden  so  weit  verbessert  worden  sind,  dass  solche  Correctionen 
nicht  mehr  erforderlich  waren. 

„Ehe  ich  zur  Beschreibung  der  mittelst  tropfender  Elektroden  unter- 
suchten Erscheinungen  übergehe,  will  ich  noch  einige  gelegentlich  während 
der  Vorarbeiten  gemachte  Beobachtungen  und  Messungen  besprechen,  an 
die  sich  ein  Interesse  knüpft. 

„Bekanntlich  hat  Lippmann  gezeigt,  dass  die  Oberflächenspannung  zwi- 
schen Quecksilber  und  einer  elektrolytischen  Flüssigkeit  eine  stetige  Function 
des  dort  herrschenden  Potentialunterschiedes  ist.  Ist  letzterer  gleich  Null,  so 
muss  (nach  Helmholtz)  jene  einen  höchsten  Werth  annehmen,  der  von  der 

1  „Larmor,  Philos.  Mag.  (5)  20,  426.  1885."  (Es  hat  sich  später  erwiesen,  dass  die 
Voraussetzung  in  vielen  Fällen  nicht  zutrifft,  indes  fällt  der  dadurch  bedingte  Fehler  hier  nicht 
ins  Gewicht.) 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  I037 


Natur  der  Flüssigkeit  (bis  auf  secundäre  Abweichungen)  unabhängig  ist.  Ich 
beobachtete  die  in  der  folgenden  Tabelle  gegebenen  „natürlichen"  Ober- 
flächenspannungen, d.  h.  solche,  welche  sich  ohne  Anwendung  äusserer 
elektromotorischer  Kräfte  herstellten,  indem  ich  die  Quecksilbersäulen  mass, 
welche  zur  Einstellung  des  Quecksilberfadens  auf  den  Nullstrich  der  Okular- 
scala  im  Capillarelektrometer  erforderlich  waren;  sie  sind  unter  A  verzeichnet. 
Unter  e  stehen  die  elektromotorischen  Kräfte,  nach  deren  Einschaltung  die 
Oberflächenspannung  den  Maximalwerth  annahm,  unter  B  die  zugehörigen 
Quecksilberhöhen.  Endlich  sind  unter  e'  und  B'  weitere  Werthe  von  ein- 
geschalteter elektromotorischer  Kraft  und  zugehörigem  Quecksilberdruck  ver- 
zeichnet: 


Lösung 

A 

e 

B 

e 

B' 

B-B' 

H«S04  =   2  1 

485 

870 

640 

370 

575 

67 

„   =  20  1 

489 

880 

640 

380 

598 

42 

„   =  200  1 

502 

890 

642 

390 

604 

38 

H»P04  =   3I  . 

504 

900 

639 

400 

606 

33 

„   =30l 

510 

900 

641 

400 

608 

33 

„   =  300  1 

524 

910 

642 

410 

615 

27 

HCl  =   1  1 

547 

590 

638 

90 

579 

59 

„   =  10 1 

561 

590 

642 

90 

589 

53 

„   =  100  1 

564 

650 

644 

150 

605 

39 

HBr  =»  10  1 

534 

570 

639 

10 

547 

92 

„   =  100  1 

547 

530 

644 

30 

580 

64 . 

„Die  Werthe  der  der  Oberflächenspannung  proportionalen  Quecksilber- 
höhen sind  in  Millimetern  gegeben,  die  der  elektromotorischen  Kräfte  in 
Millivolts.  Mann  sieht  zunächst,  dass  die  „natürlichen"  Oberflächenspan- 
nungen unter  A  sehr  verschieden,  von  485  bis  564  schwankend,  sich  er- 
weisen. Bringt  man  dieselben  auf  das  Maximum  B,  so  verschwinden  diese 
Unterschiede  fast  völlig;  die  Werthe  bewegen  sich  zwischen  638  und  644, 
weichen  also  um  nicht  ganz  ein  halbes  Procent  vom  Mittel  ab.  Dies  ist 
wohl  als  ein  experimenteller  Beweis  für  die  Richtigkeit  des  Schlusses,  zu 
welchem  v.  Helmholtz  auf  theoretischem  Wege  gelangt  war,  anzusehen,  dass 
die  fraglichen  Maximalwerthe  die  eigentlichen,  von  secundären  Einflüssen 
befreiten  Oberflächenspannungen  sind.  Die  vorhandenen  Unterschiede  rühren 
indessen  nicht  von  Versuchsfehlern  her,  sondern  von  der  verschiedenen  Be- 
schaffenheit der  entsprechenden  Lösungen,  welche  kleine  Abweichungen  der 
beobachteten  Art  von  vornherein  erwarten  Hessen.  Denn  die  eigenen  Ober- 
flächenspannungen der  verschiedenen  Salzlösungen  sind  verschieden,  und 
demgemäss  auch  die  an  der  Grenzfläche  mit  Quecksilber. 

„Von  grossem  Interesse  sind  die  folgenden  Spalten.  Die  elektromoto- 
risphen  Kräfte  e'  betragen  jedesmal  500  mv  weniger,  als  die,  welche  den 
Maximalwerth  geben;  die  zugehörigen  Oberflächenspannungen  B'  sind  also 
durch  eine  Polarisation  von  jedesmal  500  mv  entstanden.  Sie  sind  keines- 
wegs gleich;  die  Unterschiede  B  —  B'  schwanken  von  27  bis  92  mm.  Die 
gleiche   Polarisation   bewirkt   also   nicht   eine   gleiche   Änderung   der  Ober- 


1038 


Siebzehntes  Kapitel. 


II 


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flächenspannung,  sondern  eine  von  der  Natur  und  Concentration  der  Lösung 
in  hohem  Maasse  abhängige.  Die  hier  auftretenden  Grössen  stehen  in  engster 
Beziehung  mit  den  molekularen  Dimensionen  der  polarisirenden  Ionen  und 
können  zur  Bestimmung  der  letzteren  dienen  (S.  1028).  Indessen  soll  an 
dieser  Stelle  auf  solche  Anwendungen  nicht  eingegangen  werden,  da  uns 
dies  zu  weit  vom  Hauptgegenstande  entfernen  würde;  ich  begnüge  mich  mit 
der  Bemerkung,  dass  nach  den  vorstehenden  Zahlen  zwischen  den  moleku- 
laren Distanzen  der  Doppelschichten  bei  verschiedenen  Elektrolyten  sehr 
bedeutende  Unterschiede  bestehen." 

Ostwald  ging  nun  dazu  über,  das  Verfahren  auf  die  Messung  der 
Potentialunterschiede  zwischen  verschiedenen  Metallen  und  Elektrolyten  anzu- 
wenden, indem  er  diese  zusammenstellte,  in  den  Elektrolyten  eine  Tropf- 
elektrode brachte,  und  den  zwischen  dieser  und  dem  Metalle  vorhandenen 
Spannungsunterschied  mass.  Von  der  Mittheilung  der  Zahlenwerthe  soll 
Abstand  genommen  werden,  da  sie  später  durch  andere  ersetzt  worden  sind. 
Auch  hier  machten  sich  wieder  die  von  allen  Forschern  in  diesem  Gebiete 
beobachteten  und  beklagten  Unregelmässigkeiten  geltend,  deren  Quelle  erst 
später  aufgedeckt  worden  ist. 

Über  die  allgemeinen  Ergebnisse  werden  die  folgenden  Bemerkungen 
gemacht. 

„Die  Natur  des  Metalles  hat  auf  die  fraglichen  Werthe  offenbar  den 
grössten  Einfluss.  Zink  und  Cadmium  werden  in  allen  untersuchten  Säuren 
negativ,  Kupfer,  Antimon,  Wismuth,  Silber  und  Quecksilber  in  allen  positiv; 
Zinn,  Blei  und  Eisen  zeigen  positive  und  negative  Werthe  von  0,1  bis  0,2  Volt 
Im  Mittel  erhält  Zink  das  Potential  —  0,7  Volt,  Cadmium  —0,3,  Zinn,  Eisen 
und  Blei  ±  o,  Kupfer  +  0,3  bis  0,4,  Wismuth  +  0,4,  Antimon  +  0,3,  Silber 
4-  0,5  und  Quecksilber  +  0,8  Volt.  Das  ist  ein  Ausdruck  der  „Spannungs- 
reihe" der  Metalle  in  wässerigen  Lösungen,  welche  im  Grossen  und  Ganzen 
von  der  Natur  der  letzteren  nur  in  secundärer  Weise  beeinflusst  wird,  wenig- 
stens so  lange  einigermaassen  analoge  Stoffe,  d.  h.  solche,  welche  ähnliche 
Reactionen  auf  die  Metalle  ausüben,  in  Betracht  kommen. 

„Die  Natur  der  gelösten  Säure  hat  indessen  innerhalb  dieser  engeren 
Grenzen  eine  sehr  ausgeprägte  Bedeutung.  Insbesondere  unterscheiden  sich 
die  Halogenwasserstoffsäuren  auf  das  deutlichste  von  den  Sauerstoffsäuren, 
welche  eine  gesonderte  Gruppe  für  sich  bilden. 

„Ein  Überblick  über  die  Sauerstoffsäuren  zeigt  zunächst,  dass  bei  den 
meisten  Metallen  die  beobachteten  Werthe  innerhalb  der  Grenzen  von  etwas 
mehr  als  einem  Zehntelvolt  unabhängig  von  der  Natur  der  Säuren  sind. 
Namentlich  bei  verdünnteren  Lösungen  tritt  diese  Beziehung  ein,  die  nur  in 
einzelnen  Fällen  durch  Ausnahmen  durchbrochen  wird. 

„Die  Halogenwasserstoffsäuren  weisen  besondere  Verhältnisse  auf,  indem 
sie  untereinander  und  von  den  Sauerstoffsäuren  viel  mehr  verschieden  sind, 
als  die  letzteren  unter  sich 

„Auch    für   den  Einfluss  der  Verdünnung  lassen  sich  einige  allge- 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  1039 


neine  Gesetzmässigkeiten  aufstellen.  In  bei  weitem  den  meisten  Fällen  rücken 
lie  Zahlen  mit  steigender  Verdünnung  nach  der  negativen  Seite:  negative 
Potentiale  werden  numerisch  grösser,  positive  kleiner.  Gleichzeitig  nähern 
rieh  die  mit  verschiedenen  Säuren  erhaltenen  Werthe  einander  mit  zuneh- 
mender Verdünnung,  so  dass  vorhandene  Unterschiede  sich  ausgleichen  und 
die  oben  erwähnten  Gesetzmässigkeiten  bei  grosser  Verdünnung  genauer  zu- 
ireffen,  als  bei  geringer. 

„Ob  der  Einfluss  der  Verdünnung  gross  oder  klein  ist,  hängt  sowohl 
tfon  der  Natur  des  Metalles,  wie  von  der  Säure  ab.  Zink,  Eisen,  Wismuth 
sind  Metalle,  bei  welchen  die  Verdünnung  der  Säuren  grosse  Veränderungen 
in  dem  erwähnten  Sinne  mit  sich  bringt;  bei  Cadmium,  Blei,  Kupfer,  Wis- 
rnuth,  Silber  und  Quecksilber  sind  die  Werthe  viel  weniger  veränderlich. 
Insbesondere  sind  die  Zahlen  dann  meist  unabhängig  von  der  Verdünnung, 
wenn  das  Salz,  welches  durch  die  Einwirkung  der  Säure  auf  das  Metall  ent- 
steht oder  entstehen  könnte,  unlöslich  ist. 

„Regeln  solcher  Art,  wie  die  eben  angegebenen,  rufen  naturgemäss  die 
Frage  nach  ihrer  Ursache,  und  nach  der  Ursache  der  vorhandenen  Aus- 
nahmen hervor;  diese  Frage  aber  fuhrt  zu  der  weiteren,  wodurch  die  beob- 
achteten Potentialunterschiede  überhaupt  bedingt  sind. 

„Der  alte  Kampf  zwischen  der  Contacttheorie  und  der  chemischen  Theorie 
des  Galvanismus  ist  gegenwärtig  wohl  ziemlich  allgemein  im  Sinne  H.  Davy's 
entschieden,    wonach   die  Potentialdifferenz   durch   die  Berührung   chemisch 
verschiedener   Stoffe   bedingt  wird  —  der  Contacttheorie   entsprechend  — , 
während  die  zur  Unterhaltung  des  galvanischen  Stromes  erforderliche  Energie 
durch  den  chemischen  Process  beschafft  wird,  wodurch  die  chemische  Theorie 
zu  ihrem  Rechte  kommt     Nun  wird  aber  durch  das  FARADAY^sche  elektro- 
lytische Gesetz   eine   ganz   bestimmte  Beziehung   zwischen   beiden  Gebieten 
gegeben,   nach  welcher  die  elektromotorische  Kraft  durch  die  Stromenergie 
in  eindeutiger  Weise  bestimmt  wird:  es  wird  somit  die  verfugbare  chemische 
Energie   die   mögliche    und   nothwendige  elektromotorische  Kraft  bedingen. 
Die  frühere  Annahme,  dass  sich  die  chemische  Energie  glattauf  in  elektrische 
verwandle,   ist  von  W.  Gibbs,  H.  von  Helmholtz,  F.  Braun   und  Anderen 
als   unhaltbar  erwiesen  worden;   gegenwärtig  weiss  man,   dass  nur   ein  be- 
stimmter Bruchtheil  der  chemischen  Energie  in  elektrische  verwandelbar  ist. 
„Der  chemische  Vorgang  nun,  welcher  in  dem  untersuchten  Falle  mög- 
lich  ist,    und  wohl  auch  mehr  oder  weniger   stattfindet,    ist   die  Zersetzung 
der  Säurelösungen  durch  die  Metalle  unter  Bildung  der  entsprechenden  Salze 
und  unter  Freiwerden  von  Wasserstoff,  und  es  liegt  die  Frage  vor,  in  welcher 
Beziehung  die  Energieänderungen  bei  diesen  Vorgängen  zu  den  beobachteten 
Potentialunterschieden  stehen. 

„Von  Andrews  ist  schon  vor  langer  Zeit  der  Satz  ausgesprochen  worden, 
dass  die  Wärmetönung  bei  der  Zersetzung  einer  Säure  durch  ein  Metall  nur 
von  der  Natur  des  letzteren,  nicht  aber  von  der  der  Säure  abhänge.  Die 
spätere  Forschung  hat  den  Satz  als  nicht  vollkommen  richtig  erwiesen;  der- 


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JO40  Siebzehntes  Kapitel. 


selbe  ist  nur  annähernd  wahr  und  erleidet  in  einigen  Fällen  bedeutende  Aus- 
nahmen. Der  entsprechende  galvanische  Parallelsatz  würde  dahin  lauten, 
dass  die  elektromotorische  Kraft  zwischen  Metall  und  Säure  wesentlich  von 
der  Natur  des  ersteren,  und  viel  weniger  von  der  der  letzteren  bedingt  wird 
Dies  ist  auch  thatsächlich  der  Fall,  wie  oben  hervorgehoben  wurde.  Die 
Ausnahmen  von  ÄNDREws'schen  Satze  treten  namentlich  bei  den  Verbindungen 
der  Halogene,  insbesondere  mit  Silber  und  Quecksilber  auf,  wo  gleichfalb 
die  Potentialunterschiede  sich  unregelmässig  verhalten. 

„Aber  noch  weiter    gehen    die    auf  den    ersten  Blick    zu    erkennenden 

Analogien.    Von  den  untersuchten  Metallen  zersetzten  Zink,  Cadmium,  Eisen 

und    allenfalls  Zinn   die   wässerigen  Säuren    unter  Wärmeentwickelung,  die 

fl  |  übrigen  würden  dagegen    hierzu   Wärme    verbrauchen,    wenn    der  Vorgang 

stattfände.  Von  den  zuerstgenannten  Metallen  werden  die  beiden  ersten 
immer,  die  beiden  anderen  meist  negativ  in  Säuren,  die  anderen,  Kupfer, 
Wismuth,  Antimon,  Silber  und  Quecksilber,  nehmen  ein  positives  Potential 
an.  Es  steht  also  offenbar  das  Zeichen  der  Wärmetönung  des  wirklichen 
l    1  *  oder  möglichen  chemischen  Vorganges  in  engster  Beziehung  zu  dem  Zeichen 

i\  l  der  elektrischen  Differenz.1" 

\  Ostwald    führt  nun  einen   zahlenmässigen  Vergleich   zwischen  den  ge- 

*1 »  messenen  Potentialunterschieden    und   den   aus    den   Wärmeströmungen  be- 


rechneten Werthen,  und  fährt  fort: 

„Wie  man  sieht,  stimmen  in  den  seltensten  Fällen  die  beobachteten 
elektromotorischen  Kräfte  mit  den  aus  den  Wärmetönungen  berechneten 
numerisch  überein,  während  ein  Parallelgehen  in  den  meisten  Fällen  un- 
zweideutig vorhanden  ist.  Man  könnte  fragen,  ob  nicht  die  früher  erwähnte 
Unvollkommenheit  in  der  Entladung  der  Tropfelektrode  die  Ursache  davon 
ist.  Doch  sind  fast  alle  berechneten  elektromotorischen  Kräfte  kleiner  (oder 
negativ  grösser)  als  die  beobachteten;  die  Fehler  der  Tropfelektrode  aber 
liegen  im  entgegengesetzten  Sinne.  .  .  . 

„Man  könnte  ferner  die  Annahme  machen,  dass  die  in  Betracht  zu 
ziehende  Reaktion  nicht  die  Ausscheidung  von  molekularem  Wasserstoff,  H«, 
sei,  sondern  die  von  einzelnen  Wasserstoffatomen.  Da  durch  die  Ver- 
bindung von  Wasserstoffatomen  zu  Molekeln  unzweifelhaft  Wärme  entwickelt 
wird,  so  würde  der  Ausscheidung  des  atomistischen  Wasserstoffes  eine  ge- 
ringere positive  Wärmeentwickelung,  resp.  ein  grösserer  Wärmeverbrauch 
entsprechen.  Dadurch  würden  allerdings  die  beobachteten  und  die  be- 
rechneten Zahlen  einander  näher  rücken.  Indessen  ist  die  freilich  nur  erst 
ziemlich  hypothetisch  bestimmte  Verbindungswärme  der  Wasserstoffatome % 
so  gross  gefunden  worden  (rund  1000  K  für  1  g  Wasserstoff),  dass  überhaupt 
keines  der  untersuchten  Metalle  unter  dieser  Annahme  negative  Potentiale 
zeigen  könnte. 

1  „Lehrbuch  der  Allg.  Chemie,  Bd.  II.     Leipzig  i88;.4t 
*  „K.  Wieüemanx,  WiED.  Ann.  18,  509.   1883." 


1 


Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen.  1041 


„Auch  müssten  dann  die  in  der  letzten  Spalte  verzeichneten  Differenzen 
constante  Werthe  zeigen,  was  bei  weitem  nicht  der  Fall  ist.1 

„Die  vorstehenden  Zahlen  sind  somit  auch  in  ihrer  Art  eine  Bestätigung 
des  Satzes,  dass  die  chemische  Energie  nicht  völlig  in  elektrische  übergehen 
kann.  Demgemäss  bietet  der  Fall,  wo  bei  der  Reaktion  zwischen  Säure 
und  Metall  Wärme  frei  wird,  dem  Verständniss  weiter  keine  Schwierigkeit: 
statt  der  Potentialdifferenz,  welche  der  ganzen  chemischen  Energiedifferenz 
entspricht,  erscheint  nur  ein  Bruchtheil  davon.  Der  andere  Fall  aber,  wo 
das  Zeichen  der  Wärmetönung  und  dem  entsprechend  das  Zeichen  der 
Potentialdifferenz  sich  umkehrt,  ist  viel  schwieriger  zu  verstehen.  Der  ent- 
sprechende chemische  Vorgang  wäre  nicht  eine  Bewegung  des  Säureradikals 
zum  Metall,  sondern  eine  Entfernung  desselben;  nicht  eine  Bildung,  sondern 
eine  Zerlegung  des  Metallsalzes  mit  Hilfe  von  freiem  Wasserstoff. 

„Ein  derartiger  Vorgang  findet  nun  in  wägbarem  Maasse  sicher  nicht 
statt.  Doch  braucht  man  deshalb  diese  Betrachtung  nicht  von  der  Hand 
zu  weisen,  da  die  Potentialdifferenz  eben  nicht  durch  den  wirklich  statt- 
findenden,  sondern  so  zu  sagen  durch  den  potentiellen  Vorgang,  durch  die 
Natur  der  sich  berührenden  Stoffe  bedingt  wird.  Die  in  allen  Lösungen 
von  Elektrolyten  nach  der  wohlbegründeten  Annahme  von  Clausius  vor- 
handenen freien  Ionen  können  auch  den  erwähnten  Vorgang  in  unwägbarem 
Maasse  bedingen.  Doch  muss  freilich  zugestanden  werden,  dass  diese  Vor- 
stellungen noch  nicht  zu  genügender  Klarheit  durchgearbeitet  sind,  um  eine 
befriedigende  Darstellung  der  Erscheinungen  zu  geben. 

„Etwas  anschaulicher  gestalten  sich  molekulare  Betrachtungen.  Nach 
dem  FARADAY'schen  Gesetz  sind  zwar  die  jeder  Valenz  entsprechenden 
Elektricitätsm engen  an  den  Ionen  gleich  gross;  die  Erfahrung  verlangt 
aber  den  Zusatz,  dass  das  Potential  dieser  Elektricitätsmengen  bei  der 
Wechselwirkung  der  Ionen  sehr  verschiedene  Werthe  haben  kann.  Bilden 
sich  nun  an  der  Berührungsstelle  des  Elektrolyts  mit  dem  Metall  die  elek- 
trischen Doppelschichten  aus,  so  wird  es  von  dem  Werth  der  Potentiale 
der  verschiedenen  in  Wechselwirkung  tretenden  Ionen  (Metall,  Säureradikal, 
Wasserstoff)  abhängen,  welches  Potential  das  Metall  zeigen  wird.  Hierdurch 
erscheint  insbesondere  der  Wechsel  des  elektrischen  Zeichens  mit  dem 
Wechsel  der  Reaktionswärme  erklärlich. 

„Ich  habe  die  hypothetischen  Veranschaulichungen  der  oben  mit- 
getheilten  Beobachtungen  absichtlich  in  grösster  Kürze  angedeutet  Bei 
dem  ungeheuren  Umfang  des  neuerschlossenen  Gebietes  und  der  fast  völligen 
Unbekanntschaft  mit  den  Hauptpunkten  desselben  ist  in  erster  Linie  eine 
weitere    experimentelle    Durchforschung    desselben    von    Nöthen;    die    theo- 


1  „Durch  Bestimmung  der  Temperaturcoefficienten,  mit  welchen  die  untersuchten  Potential- 
unterschiede behaftet  sind,  würden  sich  die  zugehörigen  AVärmetönungen  gemäss  der  v.  Helm- 
HOLTz'scben  Theorie  ermitteln  lassen.  Ich  habe  noch  nicht  die  Zeit  gefunden,  entsprechende 
Untersuchungen  auszufuhren." 

Ostwald,  Elektrochemie.  66 


1042 


Siebzehntes  Kapitel.     Die  elektrochemischen  Spannungserscheinungen. 


retische  Nachkonstruktion   darf  nicht  in  die  Einzelheiten  gehen,   bevor  diese 
selbst  mannigfaltig  und  sicher  genug  festgestellt  sind." 

Die  letzten  Theile  dieser  Darlegungen  geben  manchen  Bemerkungen 
Raum  und  dürfen  keinen  Anspruch  erheben,  eine  befriedigende  Erklärung 
der  beobachteten  Erscheinungen  zu  enthalten.  Sie  sind  mitgetheilt  worden, 
um  an  einem  weiteren  Beispiele  die  Unsicherheit  zu  zeigen,  welche  vor  der 
Aufstellung  der  Theorie  von  Arrhenius  in  der  Beurtheilung  fast  aller  elektro- 
chemischen Verhältnisse  herrschte.  In  dem  gleichen  Hefte  der  Zeitschrift 
für  physikalische  Chemie,  in  dem  diese  Abhandlung  abgedruckt  war,  ist  die 
Arbeit  enthalten,  die  die  Grundlage  aller  weiteren  Fortschritte  in  unserem 
Gebiete  bildet,  und  von  der  aus  auch  die  hier  beschriebenen  Vorgänge  ihre 
sachgemässe  Aufklärung  gewonnen  und  ihre  eigentliche  Fruchtbarkeit  ent- 
faltet haben. 


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Fig.  255.     Hermahn  Helmholtz.     (Bildniss  aas  den  achtziger  Jahren.) 


Achtzehntes  Kapitel. 

Einzelne  Fortschritte  der  Elektrochemie 

bis  zur  Aufstellung  der  Theorie  der  elektrolytischen 

Dissociation. 


1.  Allgemeines.  Ähnlich  wie  die  Aufstellung  des  Gesetzes  von  der 
Erhaltung  der  Energie  einen  plötzlichen  und  bedeutenden  Fortschritt  in 
dem  Verstandniss  der  elektrochemischen  Erscheinungen  bewirkte,  fand  eine 
wesentlich  veränderte  und  verallgemeinerte  Auffassung  in  diesem  Gebiete  durch 
die  Aufstellung  der  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation  statt.  Auch  sind 
beide  Epochen  insofern  ähnlich,  als  sie  durch  eine  Anzahl  einzelner  Fort- 
schritte und  theilweiser  Erkenntnisse  vorbereitet  sind,  welche  dem  rückwärts- 
schau enden  Auge  des  Geschichtsforschers  wie  ganz  unmittelbare  Annähe- 
rungen an  den  Hauptpunkt  des  Fortschrittes  erscheinen  und  leicht  den 
Eindruck  erwecken,  als  sei  der  schliesslich  entscheidende  Schritt  nur  ein 
sehr  kleiner  gewesen.  Um  sich  hiervon  ein  richtiges  Bild  zu  verschaffen, 
braucht  man  indessen  nur  auf  die  unmittelbare  Wirkung  zu  achten,  welche 
eben  dieser  Schritt  hervorbringt:  der  mehr  oder  weniger  eifrige  Widerspruch 


1044  Achtzehntes  Kapitel. 


der  Zeitgenossen  pflegt  darüber  keinen  Zweifel  zu  lassen,  wie  lebhaft  der 
Gegensatz  des  neuen  Gedankens  zu  dem  üblichen  Anschauungskreise  em- 
pfunden wird. 

Dem   entsprechend  sind   es  zwei  Leitmotive,  die  sich  aus  dem  Chorus 
der  „Merker",  der  Vertreter  des  jeweils  orthodoxen  Anschauungskreises,  bei 
bedeutenden    Fortschritten    immer    wieder    heraushören    lassen.     Zunächst 
wird    der   Vorwurf   der   Neuerung,    des   Widerspruchs    gegen    „anerkannte 
Wahrheiten"    erhoben,    indem    als    Grundlage    für   das   verwerfende  Urtheil 
gewöhnlich    die   Giltigkeit  derjenigen   Ansichten   angenommen  wird,    welche 
durch  die  neue  Einsicht  als  unzureichend  gekennzeichnet  werden.    Hat  sich 
dann    dieses   Stadium    erfolgreich    überwinden    lassen,   so    ertönt    die  zweite 
Weise:  die  Sache  ist  nicht  neu.     Dann  werden  jene  früher  erwähnten  Vor- 
stufen zu  dem  entscheidenden  Schritte  hervorgesucht,   und  es  wird  klärlich 
bewiesen,    dass  man  schon  lange  so  weit  war.     Erst  nachdem   auch  diese 
Stufe  überwunden  ist,  tritt  die  unbefangene,  streng  abwägende  geschichtliche 
Einschätzung  in  ihre  Rechte  und  giebt  Jedem  das  Seine. 

Aus  diesem  Grunde  ist  es  nöthig,  bevor  wir  an  die  Schilderung  des 
letzten  und  wichtigsten  Kapitels  unserer  Geschichte  gehen,  noch  einmal  die 
einzelnen  Fäden  aufzunehmen,  die  in  den  früheren  Kapiteln  angesponnen 
sind,  und  sie  bis  zu  dem  Punkte  zu  verfolgen,  wo  sie  in  das  Gewebe  der 
heutigen  Elektrochemie  übergegangen  sind.  Wir  werden  dadurch  in  den 
Stand  gesetzt,  einerseits  wahrzunehmen,  wie  schwierig,  ja  unmöglich  es  war, 
innerhalb  des  älteren  Anschauungsgebietes  zu  der  einfachen  Auffassung  der 
Erscheinungen,  zu  der  wissenschaftlichen  Beherrschung  des  täglich  anwachsen- 
den Thatsachenvorrathes  zu  gelangen,  und  andererseits,  wie  unwiderstehlich 
eben  diese  Thatsachen  auf  jene  allgemeinen  Auffassungen  hindrängten,  deren 
klarer  Ausspruch  im  Jahre  1887  erfolgte.  Ein  besonderes  eindringliches 
Beispiel  bot  uns  bereits  die  Lehre  von  der  elektrolytischen  Leitfähigkeit; 
S  andere  finden  sich  in   den   Kapiteln  über  den   Sitz   der   elektromotorischen 

Kraft  und  den  inneren  Vorgang  der  VoLTA'schen  Kette,  und  noch  an  vielen 
anderen  Punkten.    Der  Eindruck  der  Zusammenhangslosigkeit,  welchen  diese 
vorbereitende  Übersicht  nothwendig   machen    muss,    giebt  den  Zustand  der 
J  Wissenschaft  in  jener  Zeit  vollkommen  sachgemäss  wieder,    und  bietet  den 

passenden  Hintergrund  für  das  geschlossene  und  einheitliche  Bild,    welches 
uns  die  heutige  Elektrochemie  Dank  jenem  grossen  Fortschritt  gewährt. 

Derartige  Zustände  in  der  Wissenschaft  bringen  häufig  alsbald  das  Hilfs- 
mittel hervor,  welches  in  Ermangelung  einer  zusammenfassenden  Theorie 
die  Bewältigung  des  Thatsachenmateriales  ermöglicht:  die  sachgemässe  litte- 
rarische Verarbeitung  desselben.  So  besitzen  wir  auch  in  dem  Gebiete  der 
Elektrik  ein  Werk,  welches  der  Wissenschaft  in  solchem  Sinne  sehr  be- 
:     1  deutende  Dienste  geleistet  hat,    und  welches  in  seinen  aufeinanderfolgenden 

j        \  Auflagen  seit  dem  Jahre   1861   jeweils  ein  sehr  vollständiges  Bild  von  dem 

Thatsachenbestand   des   Galvanismus    gegeben    hat.     Es    ist    dies    die   von 
Gustav  Wiedemann   1861   zum  ersten  Male  herausgegebene,    gegenwärtig  in 


11 


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.     Einzelne  Fortschritte  der  Elektrochemie  u.  s.  w.  1045 

vierter  Auflage  erscheinende  „Lehre  vom  Galvanismus  und  Elektromagnetis- 
mus'^ welche  in  der  dritten  Auflage  zu  einer  Lehre  von  der  Elektricität 
erweitert  wurde.  Es  war  dies  lange  fast  das  einzige  Werk,  aus  welcher  über 
die  Thatsachen  der  Elektrochemie  Zusammenhängendes  zu  erfahren  war, 
und  ist  auch  noch  gegenwärtig,  was  die  Zusammenstellung  des  erfahrungs- 
massigen  Materiales  anlangt,  an  Vollständigkeit  und  Zuverlässigkeit  nicht 
übertroffen.  Durch  diese  Eigenschaften  gewähren  die  in  den  aufeinander- 
folgenden Auflagen  enthaltenen  Darstellungen  des  experimentellen  wie 
des  theoretischen  Zustandes  der  entsprechenden  Perioden  ein  vorzügliches 
Bild  für  die  stufenweise  Entwicklung  des  Gebietes  und  sind  eine  un- 
schätzbare Fundgrübe  litterarischer  Nachweise  für  jeden  Arbeiter  und  Schrift- 
steller in  der  Elektrik. 

2.  Die  elektrolytische  Abscheidung  der  Leichtmetalle.  Der  von 
Davy  so  erfolgreich  betretene  Weg  der  elektrolytischen  Reduktion  der  Leicht- 
metalle (S.  206)  führte  zunächst  nicht  weiter,  als  bis  zur  Herstellung  von 
Kalium  und  Natrium;  von  ihm  und  seinen  Zeitgenossen  finden  sich  zwar 
einige  Mittheilungen,  nach  denen  auch  die  Metalle  der  alkalischen  Erden 
reducirt  sein  sollen,  indessen  handelt  es  sich  hier  nur  um  die  Amalgame 
und  die  reinen  Metalle  sind  nicht  dargestellt  worden.  Der  erste  weitere 
Schritt  wurde  dann  fast  ein  halbes  Jahrhundert  später  durch  Robert  Bunsen 
gethan, '  welcher  das  Magnesium  aus  dem  geschmolzenen  Chlorid  darstellen 
lehrte.  „Geschmolzenes  Chlormagnesium  wird  so  leicht  durch  den  Strom 
zersetzt,  dass  man  daraus  in  kurzer  Zeit  mit  wenigen  Kohlenzinkelementen 
einen  mehrere  Gramm  schweren 
Metallregulus  erhalten  kann.  . . . 

„Als  Zersetzungszelle  dient  ein 
ungefähr  31/1  Zoll  hoher  und  2  Zoll 
weiter  Porzellantiegel  (Fig.  256),  der 
durch  ein  bis  zur  halben  Tiefe  hin- 
einreichendes Diaphragma  aa  in 
zwei  Hälften  getheilt  ist,  in  deren 
einer  das  abgeschiedene  Chlor  auf- 
steigt und  von  dem  in  der  anderen 
abgesetzten  Magnesium  fern  gehal- 
ten wird.  Das  Diaphragma  lässt  sich 
aus  einem  dünnen  Porzellan  decke  1 
herstellen,  den  man  mittelst  eines 
Schlüsseleinschnittes  wie  Glas  leicht 
brechen  und  in  die  passende  Gestalt  bringen  kann.  Der  Tiegel  wird  mit 
einem  aus  einem  gewöhnlichen  Ziegelstein  gefeilten,  doppelt  durchbohrten 
Deckel  (Fig.  257)  bedeckt,  durch  welchen  die  beiden  Pole  cc  gesteckt  sind. 
Man  feilt  diese  Pole  aus  derselben  Masse,    woraus  die  Cylinder   der  Zink- 


1  Ann.  d.  Chemie  und  Pharm. 


\qa,6  Achtzehntes  Kapitel. 


Kohlenketten  gefertigt  werden;  dies  gelingt  ohne  Schwierigkeit,  da  diese 
Kohlenmasse  eine  solche  Beschaffenheit  hat,  dass  sie  sich  bohren,  drechseln, 
feilen,  und  selbst  mit  Schraubengewinden  versehen  lässt.  Zur  Befestigung 
der  Kohlenpole  im  Deckel  dienen  die  Kohlenkeile  dd,  zwischen  welchen  man 
auch  die  beiden  Platinstreifen  zur  Zu-  und  Ableitung  des  Stromes  einklemmt 
Die  sägeförmigen  Einschnitte  am  negativen  Pole  sind  zur  Aufnahme  des 
reducirten  Metalles  bestimmt,  welches  in  Gestalt  eines  Regulus  darin  haften 
bleibt.  Ohne  diese  Vorrichtung  würde  dasselbe  in  der  specifisch  schwereren 
Flüssigkeit  aufsteigen  und  an  der  Oberfläche  theilweise  wieder  verbrennen. 
Man  beginnt  den  Versuch  damit,  dass  man  den  Tiegel  sammt  seinem  Deckel 
mit  den  darin  befestigten  Polen  bis  zum  Rothglühen  erhitzt,  mit  geschmol- 
zenem Chlormagnesium  bis  an  den  Rand  vollgiesst,  und  dann  die  Kette 
in  dem  soeben  angedeuteten  Sinne  schliesst.  Um  aber  die  zu  jeder  Zeit 
des  Versuches  reducirte  Menge  Magnesium  und  den  Gang  der  Operation 
verfolgen  zu  können,  muss  die  Stromstärke  mittelst  einer  eingeschalteten 
Tangentenbussole  von  Zeit  zu  Zeit  beobachtet  werden.  Nennt  man  den 
Radius  des  Bussolenringes  in  Millimetern  gemessen  R,  T  die  absolute 
Intensität  der  horizontalen  Componente  des  Erdmagnetismus,  und  q>  den 
Ablenkungswinkel  der  Nadel,  so  ist  bekanntlich   die  absolute  Intensität  des 

Stromes  J= — tgqp.     Ist   ferner   w   das  elektrochemische  Äquivalent  des 

Wassers,  d.  h.  die  in  Milligrammen  ausgedrückte  Wassermenge,  welche  in 
der  Sekunde  durch   die   Stromeinheinheit  zersetzt   wird,   so    ist   die    in   der 

Zeit  t  durch    den  Strom  J  zersetzte  Wassermenge  *£<?•     In  diesem 

Ausdrucke  ist  T  je  nach  der  Zeit  und  dem  Orte  der  Beobachtung  variabel, 
und  bedarf  daher  einer  besonderen  Bestimmung.  Da  aber  das  elektro- 
chemische Äquivalent  des  Wassers  mit  grosser  Schärfe  ermittelt  ist,  so  lässt 
sich  mit  Hülfe  desselben  der  Werth  von  T  oder  die  Intensität  des  horizon- 
I  J  talen   Theiles    des    Erdmagnetismus    durch   einen   einfachen   Versuch   leicht 

\  finden,  bei  welchem  man  nur  die  Wassermenge  w  zu  bestimmen  hat,  welche 

ein  mit  einer  WEBER'schen  Tangentenbussole  gemessener  Strom  in  der  Zeit  / 
zersetzt." 

Bunsen  beschreibt  nun  eingehender  seine  zu  solchem  Zweck  angestellten 
Versuche,  weiche  die  allerersten  elektrochemischen  Arbeiten  sind,  bei  denen 
die  benutzten  Stromstärken  in  absolutem  Maasse  angegeben  sind,  und  giebt 
auch  für  einen  Reduktionsversuch  mit  Chlormagnesium  die  entsprechenden 
Angaben.  „Die  dieser  Stromquantität  entsprechende  Menge  reducirten  Mag- 
nesiums beträgt  daher  4,096  g.  Der  wirklich  erhaltene  Regulus  wog  aber 
im  mit  Einschluss  der  kleineren  abgeschiedenen  Metallkörner  nur  2,450  g,  also 

■  ungefähr  3/6  der  theoretischen  Menge.    Diese  Differenz  muss  ausserordentlich 

■  gering  erscheinen,  wenn  man  erwägt,  dass  ein  Theil  des  reducirten  Metalles 

als  feinzertheiltes  Pulver  im  Chlormagnesium  zurückbleibt,  ein  anderer  Theil 
aber  auf  Kosten  des  an  der  Anode  abgeschiedenen  Chlors  wieder  ver- 
brennt. .  .  . 


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Einzelne  Fortschritte  der  Elektrochemie  u.  s.  w. 


IO47 


„Nach  der  Leichtigkeit,  mit  der  das  Magnesium  durch  den  Strom  ab- 
geschieden wird,  hätte  man  erwarten  sollen,  dass  auch  Baryum,  Calcium 
und  Strontium  sich  auf  demselben  Wege  würden  darstellen  lassen.  Allein 
die  Zersetzungen  der  Chlorüre  und  Jodüre  dieser  Metalle  bieten  sehr  sonder- 
bare Erscheinungen  und  Schwierigkeiten  dar,  auf  die  ich  in  einer  späteren 
Arbeit  zurückkommen  werde." 

Von  den  versprochenen  weiteren  Mittheilungen  sind  zunächst  solche 
über  die  Herstellung  des  Aluminiums1  von  Bunsen  veröffentlicht  worden. 
Nach  der  Bemerkung,  dass  er  sich  in  seiner  ersten  Abhandlung  weitere 
Mittheilungen  vorbehalten  habe,  fährt  er  fort:  „Obgleich  Hr.  Deville  sich 
seitdem  mit  demselben  Gegenstande  und  namentlich  mit  der  Bereitung  des 
von  Wöhler  entdeckten  Aluminiums  im  Grossen  beschäftigt  hat,  scheint 
mir  dessenungeachtet  eine  kurze  Mittheilung  des  Verfahrens  nicht  überflüssig, 
durch  welches  man  nach  der  von  mir  angegebenen  Methode  das  Aluminium 
in  grösseren  regulinischen  Massen  und  zwar  leichter  noch  als  das  Magnesium 
gewinnen  kann,  wenn  man  sich  zur  Reduktion  eines  der  bekannten  Doppel- 
chlorüre  des  Aluminiums  bedient,  welche  die  zur  Elektrolyse  nöthige  Schmelz- 
barkeit zeigen." 

Bunsen  schildert  nun  zunächst  ein  bequemes  Verfahren,  um  durch  Er- 
hitzen von  mit  Kohle  gemischter  Thonerde  im  Chlorstrome  beliebige  Mengen 
Chloraluminium  zu  bereiten.  „Wird  die  so  erhaltene  Chlorverbindung  mit 
Kochsalz  zu  gleichen  Atomen  in  einer  Digerirflasche  erwärmt,  so  erhält  man 
das  bekannte,  weit  unter  2000  schmelzbare  Chloraluminium -Natrium,  aus 
dem  das  Aluminium  nach  der  in  meiner  Arbeit  über  das  Magnesium  an- 
gegebenen Methode  reducirt  werden  kann.  Da  sich  das  Metall  bei  niederer 
Temperatur  pulverförmig  ausscheidet,  so  trägt  man  während  der  Elektrolyse 
allmählich  so  viel  pulverisirtes  geschmolzenes  Kochsalz  in  die  Mischung  ein, 
dass  man  die  Temperatur  endlich  beinahe  bis  zum  Schmelzpunkt  des  Silbers 
steigern  kann.  Nach  beendigtem  Versuch  findet  man  in  der  erkalteten 
Chlorverbindung  das  Metall  in  grossen  regulinischen  Kugeln,  die  man  durch 
Eintragen  in  weissglühend  geschmolzenes  Kochsalz,  in  dem  sie  untersinken, 
zu  einem  Regulus  zusammenschmelzen  kann,  der  sich  leicht  zu  quadratzoll- 
grossen  Blechen  aushämmern  lässt." 

Zum  Schluss  erwähnt  Bunsen,  dass  sich  sein  Schüler  Dr.  Matthiessen 
aus  London  mit  der  Abscheidung  des  Natriums,  Calciums  u.  s.  w.  beschäftige 
und  bereits  günstige  Ergebnisse  erhalten  habe.  Die  ausführliche  Mittheilung8 
erschien  im  Jahre  1855;  sie  enthält  eine  Anzahl  technischer  Einzelheiten 
von  Interesse;  auch  erwies  sich,  dass  die  früheren  Beobachter  reines  Calcium 
nicht  in  Händen  gehabt  hatten,  da  seine  Eigenschaften  andere  waren,  als 
die  beschriebenen.     Prinzipiell  Neues  ist  indessen  hier  nicht  zu  erwähnen. 

Sowohl  bei  Bunsen  wie  bei  seinem  Schüler  spielt  ein  von  dem  ersteren 


1  Pogg.  Ann.  92,  648.  1854. 

•  Ann.  der  Chemie  und  Pharm.  93,  277.  1855. 


IO48  Achtzehntes  Kapitel. 


.  1 


aufgestellter  Satz,  dass  mit  der  Dichte  des  Stromes  seine  Kraft,  Verwandt- 
schaften zu  überwinden,  zunimmt,  eine  grosse  und  nicht  ganz  sachgemässe 
Rolle.     Die  viel  erörterte  Stelle1  lautet: 

„Den    wichtigsten    Einfluss    auf    die    chemischen   Wirkungen    übt   die 
Dichtigkeit   des  Stromes   aus,    d.  h.  die  Stromstärke,    dividirt  durch  die 
Polfläche,  an  der  die  Elektrolyse  erfolgt.     Mit  dieser  Dichtigkeit  wächst  die 
Kraft  des  Stromes,  Verwandtschaften  zu  überwinden.    Leitet  man  z.  B.  einen 
Strom  von  gleichbleibender  Stärke  durch  eine  Lösung  von  Chromchlorid  in 
Wasser,   so    hängt   es  von  dem  Querschnitt  der  reducirenden  Polplatte  ab, 
ob   man  Wasserstoff,    Chromoxyd,    Chromoxydul   oder  metallisches  Chrom 
erhält.     Ein  nicht  minder  erhebliches  Moment  bildet  die  relative  Masse  der 
Gemengtheile  des  vom  Strome  durchflossenen  Elektrolyten.     Vermehrt  man 
z.  B.  bei  stets  gleichbleibender  Stromstärke  und  Poloberfläche  den  Chrom- 
chlorürgehalt  der  Lösung,   so  erreicht  man  bald  einen  Punkt,   bei  welchem 
die  Chromoxydulausscheidung  von   einer  Reduktion   des   Metalles   begleitet 
und  endlich  von  dieser  ganz  verdrängt  wird." 

Diese  Beobachtungen  sind  noch  heute  von  grösster  Bedeutung  für  die 
elektrolytische  Abscheidung  leicht  oxydirbarer  Metalle;  ihre  Deutung  beruht 
auf  der  Frage  der  sogenannten  Nebenreaktionen.  Die  Stromleitung 
wird  in  dem  besprochenen  Falle  so  gut  wie  ausschliesslich  von  den  Chrom- 
ionen besorgt.  Findet  die  elektrolytische  Ausscheidung  langsam  an  einer 
grossen  Elektrode  statt,  so  hat  das  ausgeschiedene  Metall  Zeit,  sich  auf 
Kosten  des  Wassers  zu  oxydiren,  oder  besser  gesagt,  es  scheidet  sich  statt 
des  Metalles  Wasserstoff  ab;  dabei  muss  die  Lösung  basisch  werden,  da  an 
der  Anode  eine  äquivalente  Menge  Chlor  entweicht.  Je  grösser  die  Strom- 
dichte  wird,  um  so  weniger  kann  diese  Nebenreaktion  stattfinden,  und  man 
gelangt  so  zu  einer  Grenze,  bei  der  das  Ion,  welches  die  Leitung  bewerk- 
stelligt, sich  auch  allein  an  der  Elektrode  abscheidet. 

3.  Elektrolyse  organischer  Verbindungen.  Während  in  den 
Arbeiten  von  Daniell  (S.  614)  der  wohlgelungene  Versuch  gemacht  worden 
war,  in  die  Constitution  der  gelösten  anorganischen  Elektrolyte  durch  die 
Untersuchung  der  Ergebnisse  der  elektrolytischen  Zersetzung  einzudringen, 
wurde  ein  ähnlicher  Schritt  bezüglich  der  organischen  Verbindungen  von 
Kolbe2  versucht.  Kolbe  hatte  früher3  beobachtet,  dass  der  galvanisch  aus- 
geschiedene Sauerstoff  eine  besonders  starke  oxydirende  Wirkung  ausübt, 
und  gedachte  sich  der  zerlegenden  Wirkung  des  Stromes  in  dem  folgenden 
Falle  zu  bedienen: 

„Von  der  Hypothese  ausgehend,  dass  die  Essigsäure  eine  gepaarte 
Oxalsäure  sei,4  welche  Methyl  als  Paarung  enthält,  hielt  ich  es  jenen  nicht 

1  Pogg.  Ann.  91,  619.   1854. 

2  Ann.  der  Chemie  und  Pharm.  69,  257.   184Q. 

8  Mein,  and  Proc.  of  the  Chemical  Society  3,  285.   185 1. 

4  Zur  Erklärung  dieser  Auffassung  diene,  dass  damals  die  Formel  der  Oxalsäure  als  die 
Hälfte  der  gegenwärtigen  geschrieben  wurde,   und  daher  mit  dem   zusammenfiel,    was  wir  jetzt 


Einzelne  Fortschritte  der  Elektrochemie  u.  s.  w. 


IO49 


für  unwahrscheinlich,  die  Elektrolyse  möchte  eine  Spaltung  derselben  in  ihre 
beiden  zusammengepaarten  Bestandtheile  etwa  in  der  Weise  bewirken,  dass 
infolge  gleichzeitiger  Wasserzersetzung  am  positiven  Pole  Kohlensäure  als 
Oxydationsprodukt  der  Oxalsäure,  am  negativen  eine  Verbindung  von  Methyl 
mit  Wasserstoff,  nämlich  Grubengas,  auftreten.  Die  vermuthete  Zersetzung 
ist,  wie  sich  aus  den  nachstehenden  Versuchen  ergiebt,  zwar  nicht  genau  in 
dem  ausgesprochenen  Sinne  erfolgt,  aber  die  Resultate  sind  darum  nicht 
minder  interessant,  und  dürften  eine  noch  grössere  Beachtung  verdienen, 
da  sie  uns  die  Aussicht  eröffnen,  durch  die  elektrolytische  Zersetzung  orga- 
nischer Verbindungen  über  ihre  chemische  Constitution  wichtige  Aufschlüsse 
zu  erhalten." 

Die  Versuche,  welche  Kolbe  anstellte,  betrafen  hauptsächlich  das  Ka- 
liumsalz der  Valeriansäure.  Bei  der  Elektrolyse  entstand  Kohlensäure, 
Wasserstoff,  ein  riechendes  kohlenstoffhaltiges  Gas  und  schliesslich  ein  flüs- 
siger Kohlenwasserstoff,  der  Valyl  genannt  wurde,  nebst  einer  geringen 
Menge  eines  Esters.  Von  diesen  Produkten  erschien  an  der  Kathode  nur 
Wasserstoff,  alle  anderen  an  der  Anode.  Von  einer  Zerlegung  der  Säure  in 
dem  angenommenen  Sinne  konnte  also  nicht  die  Rede  sein.  Dagegen  war 
allerdings  das  erwartete  Radikal  der  Valeriansäure  erschienen,  denn  der 
flüssige  Kohlenwasserstoff  entsprach  der  Formel  C4H9  in  der  damaligen 
Schreibweise;  heute  würde  er  C8H18  formulirt  werden,  da  die  Dampfdichte 
gleich  4,05  gefunden  wurde.  Das  riechende  Gas,  das  dem  Wasserstoff  bei- 
gemischt war,  erwies  sich  als  der  Formel  OH8  entsprechend;  es  war  nach 
der  heutigen  Bezeichnung  ein  Butylen.  Endlich  enthielt  die  rohe  ölförmige 
Flüssigkeit  neben  dem  „Valyl"  noch  Butylvalerat  (valeriansaures  Valyloxyd 
nach  Kolbe's  Bezeichnung). 

„Die  oxydirende  Wirkung  des  im  Kreise  des  galvanischen  Stromes  sich 
ausscheidenden  Sauerstoffes  bringt  demnach  in  der  Auflösung  des  valerian- 
sauren  Kalis  dreierlei  Erscheinungen  hervor: 

1)  Die  Zerlegung  der  Säure  selbst  in  Valyl  und  Kohlensäure, 

HO .  {C8H*jC203  +  O  =  C8H9  +  2  CO2  +  HO. 

Valeriansäure  Valyl 

2)  Die  Zerlegung  des  Valyls  in  Ditetrylgas  und  Wasser, 

C8H9+0  =  2C4H*  +  HO. 

Valyl  Ditetryl 

3)  Eine  direkte  Oxydation  des  Valyls  zu  Valyloxyd,  welches  letztere 
im  Entstehüngsmomente  sich  dann  mit  freier  Valeriansäure  verbindet, 

C«H9  +  O  +  (CWJCTO»  =  C8H90 .  (C^CK)8. 

Valyl  Valeriansäure  valeriansaures  Valyloxyd 

„Die  beiden  letzten  Processe  scheinen  neben  und  völlig  unabhängig 
von  einander  vor  sich  zu   gehen.     Es  ist  mir  indes  nicht  gelungen,   genau 

Carboxyl,  COOH,  nennen.  Es  handelt  sich  also  wesentlich  um  die  Geltendmachung  der  An- 
sicht, welche  heute  als  gültig  angesehen  wird. 


Li 


■  ■* 


IO50 


Achtzehntes  Kapitel. 


1 


die  Umstände  zu  ermitteln,  welche  die  Bildung  des  einen  oder  des  anderen 
Produktes  vorzugsweise  begünstigen." 

Eine  weitere  Versuchsreihe  betraf  die  Zerlegung  des  Kaliumsalzes  der 
Essigsäure.  Die  erhaltenen  Produkte  waren  im  Wesentlichen  Kohlensäure 
und  „Methyl",  nämlich  ein  Gas,  das  Kolbe  als  C2H8  formulirte,  ganz  ent- 
sprechend seiner  Voraussetzung  über  die  Bestandtheile  der  Essigsäure,  nur 
dass  es  auch  an  der  Anode,  nicht  an  der  Kathode  erschien.  Die  heutige 
Formel  des  Gases  ist  C2H6  und  sein  Name  Äthan. 

Diese  Arbeiten  Kolbens  erregten  zu  ihrer  Zeit  ein  bedeutendes  Aufsehen, 
da  sie  den  experimentellen  Beweis  für  seine  theoretische  Auflassung  der 
Constitution  der  Säuren  zu  enthalten  schienen.  Indessen  hat  er  sie  nicht 
fortgesetzt,  obwohl  der  Titel  den  Vermerk  „Erste  Abhandlung"  trägt.  Auch 
hat  sich  in  der  Folgezeit  ergeben,  dass  die  von  Kolbe  isolirten  Kohlen- 
wasserstoffe die  doppelte  Molekulargrösse  besassen,  als  den  angenommenen 
Radikalen  zukommen  müsste;  die  letzteren  haben  sich  als  nicht  existenz- 
fähig erwiesen. 

Was  die  elektrochemische  Auffassung  des  Vorganges  bei  der  Elektro- 
lyse der  untersuchten  Salze  anlangt,  so  waren  sie,  wie  aus  den  angeführten 
Worten  Kolbe's  hervorgeht,  ganz  irrthümlich.  Zu  jener  Zeit  waren  die 
Untersuchungen  von  Daniell  (S.  614)  bereits  veröffentlicht,  und  Liebig  hatte 
auch  auf  rein  chemischem  Gebiete  die  neuere  Auffassung  der  Salze  als  aus 
Metall  und  Säureradikal  bestehend  bereits  zur  Geltung  gebracht;  Kolbe  wäre 
also  wohl  in  der  Lage  gewesen,  sich  ein  sachgemässeres  Bild  von  dem 
stattfindenden  Vorgange  zu  machen.  Indessen  wurden  zu  jener  Zeit  die 
Ergebnisse  physikalisch -chemischer  Versuche  von  den  „reinen"  Chemikern 
noch  weit  weniger  beachtet,  als  diese  heute  zu  geschehen  pflegt,  und  so 
dauerte  es  noch  eine  beträchtliche  Zeit,  bis  die  richtigen  Gesichtspunkte  ge- 
funden wurden. 

Da  die  Arbeit  trotz  des  grossen  Interesses,  das  sich  an  ihre  Ergebnisse 
geknüpft  hatte,  weder  von  Kolbe,  noch  von  einem  anderen  Forscher  alsbald 
fortgeführt  worden  ist,  so  dauerte  es  eine  lange  Zeit,  bis  die  richtigen  Ge- 
sichtspunkte für  den  Vorgang  der  Elektrolyse  bei  Salzen  organischer  Säuren 
gefunden  und  ausgesprochen  wurden;  dies  geschah  erst  1864  durch  KekulS1 
in  einer  gleichfalls  nur  begonnenen,  nicht  fortgesetzten  Arbeit.  Seine  Dar- 
legungen, die  man  heute  in  kürzerer  und  einfacherer  Gestalt  aussprechen 
würde,  lauten: 

„Wenn  der  galvanische  Strom  auf  die  wässerige  Lösung  des  Salzes 
einer  organischen  Säure  einwirkt,  so  wird  zunächst,  wie  bei  nahezu  allen 
metallhaltigen  Verbindungen,  am  negativen  Pol  das  Metall  in  Freiheit  ge- 
setzt Kann  dieses  das  Wasser  zersetzen,  so  wird  Wasserstoff  abgeschieden 
und  es  findet  gleichzeitig  an  der  Hydrode  (—Pol)  Anhäufung  von  Base  statt 
Der  Rest  des  organischen  Salzes  wird  durch  die  molekularen  Zersetzungen, 


1  Ann.  d.  Chemie  und  Pharm.   131,  79.   1864. 


Einzelne  Fortschritte  der  Elektrochemie  u.  s.  w. 


IOJI 


welche  den  Strom  ausmachen,  fortwährend  nach  dem  positiven  Pol  hinge- 
schoben und  kann  sich  dort  in  zweierlei  Weise  verhalten.  Er  kann  ent- 
weder, wenn  das  organische  Molekül  unmittelbar  mit  der  Elektrode  in  Be- 
-ührung  steht,  in  einfachere  Bestandteile  zerfallen;  es  kann  andererseits, 
wenn  das  organische  Salz  durch  Wasser  von  der  Elektrode  getrennt  ist, 
versetzend  auf  dieses  einwirken;  dadurch  wird  Sauerstoff  in  Freiheit  gesetzt 
und  gleichzeitig  die  organische  Säure  regenerirt,  die  sich  deshalb  an  der 
Oxode  ( +  Pol)  anhäuft. 

„Die  Zersetzung  der  organischen  Säure  kann  dabei  immer  als  secun- 
däre  Reaktion  angesehen  werden.  Man  kann  annehmen,  sie  werde  durch 
den  Sauerstoff  hervorgerufen,  der  sich  als  Gas  entwickelt  haben  würde,  wenn 
keine  oxydirbare  Substanz  zugegen  gewesen  wäre.  Die  Produkte  dieser 
Zersetzung  lassen  sich  daher  mit  einer  gewissen  Wahrscheinlichkeit  aus 
folgenden  Betrachtungen  voraussehen. 

„Der  am  +  Pol  verwendbare  Sauerstoff  muss  dem  Wasserstoff  äqui- 
valent sein,  der  am  —  Pol  in  Freiheit  gesetzt  wird;  er  muss  also  auch 
äquivalent  sein  der  Menge  Metall,  die  im  organischen  Salz  enthalten  ist;  er 
wird  mithin  direkt  durch  die  Basicität  der  Säure  angezeigt.  Da  ferner  ein 
Molekül  Wasser  die  zur  Oxydation  von  zwei  Äquivalenten  Metall  nöthige 
Menge  Sauerstoff  liefern  kann,  so  sieht  man  leicht,  dass  bei  zweibasischen 
Säuren  die  Reaktion  zwischen  einem  Molekül  Wasser  stattfinden  kann;  dass 
bei  einbasischen  Säuren  dagegen  zwei  Moleküle  des  organischen  Salzes  mit 
einem  Molekül  Wasser  in  Wirkung  treten  müssen  u.  s.  w. 

„Die  Basicität  einer  Säure  wird  nun  ausserdem  ausgedrückt  durch  die 
Anzahl  derjenigen  Sauerstoffatome,  die  direkt  und  vollständig  an  Kohlenstoff 
gebunden,  nach  der  Ausdrucksweise  der  Typentheorie  im  Radikal  enthalten 
sind.  Man  hat  also  mit  der  Anzahl  der  so  gebundenen  Sauerstoffatome, 
oder  wenn  man  will,  mit  der  Anzahl  der  Carbonylradikale  einen  zweiten 
Maassstab  für  den  Grad  der  Oxydation.  Man  weiss  ferner,  dass  der  durch 
zwei  seiner  Verwandtschaftseinheiten  an  den  Sauerstoff  gebundene  Kohlen- 
stoff (Radical  Carbonyl)  sich  bei  vielen  Reaktionen  von  der  organischen 
Gruppe  loslöst;  dass  er  bei  Oxydationen  z.  B.  als  Kohlensäure  austritt.  Man 
kann  daher  mit  ziemlicher  Wahrscheinlichkeit  erwarten,  dass  er  auch  bei 
elektrolytischen  Oxydationen  als  Kohlensäure  abgeschieden  wird,  indem  er 
den  zur  völligen  Oxydation  nöthigen  Sauerstoff  der  organischen  Gruppe 
entzieht 

„Man  sieht  aus  dieser  Betrachtung,  dass  aus  der  Basicität  allein  folgende 
Werthe  abgeleitet  werden  können: 

„1)  Die  Anzahl  der  Moleküle  des  organischen  Salzes,  die  auf  ein  Mo- 
lekül Wasser  in  Wirkung  treten;  2)  die  Menge  des  am  —  Pole  frei  werden- 
den Wasserstoffs;  3)  die  Menge  der  durch  die  Zersetzung  entstehenden 
Kohlensäure.  Daraus  lässt  sich  dann  die  wahrscheinliche  Zusammensetzung 
des  Hauptproduktes  herleiten. 


1052 


Achtzehntes  Kapitel. 


*  3: 


„Man  könnte  diese  Betrachtungen  durch  die  folgende  allgemeine  Formel 
ausdrücken,  in  welcher  n  die  Basicität  der  Säure  bezeichnet: 


n 


C.+MO„+,  +  -  H20  =  C  H  0_  +  n  CO.  +  —  M«0  +  -  H*. 

m  +  n     o      n     p  +  n    '2  m     o     p — n     '  2  2 


„Diese  Formel  ist  direkt  anwendbar,  wenn  die  Säure  zweibasisch  (oder 
überhaupt  paarbasisch)  ist;  alle  Glieder  müssen  mit  2  multiplicirt  werden, 
wenn  die  Säure  einbasisch  (oder  überhaupt  unpaar- basisch)  ist.  Man 
hat   dann: 

2Cm.  HJVIO.    +  «H20  =  2C  H  Oo_n  +  2«C02  +  «MJ3  +  «H8. 

m  +  n     o      n     p  +  n    *  2  m     o     p — n    '  «     •  •  •  2 

„Ich  lege  diesen  Formeln  nicht  mehr  Werth  bei,  als  sie  verdienen,  und 
ich  will  für  den  Augenblick  nur  darauf  aufmerksam  machen,  dass  sie  direkt 
andeuten,  dass  alle  Säuren,  deren  Basicität  ebenso  gross  ist,  als  ihre  Atomig- 
keit,  bei  der  Zersetzung  durch  den  galvanischen  Strom  Kohlenwasserstoffe 
erzeugen  müssen. 

„Man  könnte  die  Produkte  der  Zersetzung  solcher  Säuren  durch  den 
Strom  auch  direkt  aus  den  rationellen  Formeln  ableiten,  z.  B.: 

zweiatomig-zweibasische  Säuren  einatomig-einbasische  Säuren 

~7ccv)7 


M. 


co.o 

M 


CO.O 
M 


„Es  ist  einleuchtend,  dass  diese  Formeln  nur  dann  eine  Zersetzung  aus- 
drücken, wenn  diese  in  voller  Reinheit  verläuft.  Man  sieht  aber  leicht  ein, 
dass  die  Reaktion  durch  die  mannigfaltigsten  Umstände  gestört  oder  ge- 
wissermaassen  getrübt  werden  kann.  Es  ist  zunächst  denkbar,  dass  die 
Oxydation  ganz  aufhört,  obwohl  der  Strom  die  Flüssigkeit  durchstreicht. 
Es  findet  dies  dann  statt,  wenn  die  Flüssigkeit  allzu  verdünnt  ist,  und  für 
zweibasische  Säuren  auch  dann,  wenn  die  Lösung  am  positiven  Pole  stark 
sauer  geworden  ist.  Es  ist  weiter  möglich,  dass  die  Oxydation  auf  halbem 
Wege  einhält,  oder  mit  anderen  Worten,  dass  der  Rest  des  organischen 
Salzes  sich  nicht  in  die  kleinstmöglichen  Gruppen  spaltet,  sondern  dass  Pro- 
dukte einer  weniger  weitgehenden  Zerstörung  gebildet  werden,  die  der  an- 
gewandten Substanz  noch  näher  stehen.  Es  kann  endlich  vorkommen,  dass 
das  nach  den  oben  mitgetheilten  Gleichungen  entstehende  Produkt  sehr 
leicht  zersetzbar  oder  oxydirbar  ist;  man  kann  dann  die  Bildung  secundärer 
Zersetzungsprodukte  erwarten. 

„Was  schliesslich  den  am  —  Pole  in  Freiheit  gesetzten  Wasserstoff  an- 
geht, so  kann  derselbe  sich  entweder  als  Gas  entwickeln  oder  er  kann 
chemisch  auf  die  angewandte  Substanz  einwirken;  der  letztere  Fall  wird 
dann  eintreten,  wenn  die  organische  Säure  die  Eigenschaft  besitzt,  sich  ad- 
ditioneil mit  dem  Wasserstoff  vereinigen  zu  können,  oder  wenn  sie,  wie  die 
meisten  Nitrokörper  und  einige  andere  Substanzen,  durch  nascirenden  Wasser- 
stoff reducirt  werden  kann." 

Wenn  auch  der  Gedanke  der  vorstehenden  Darlegungen  etwas  um- 
ständlicher zum  Ausdruck  gekommen  ist,    als    nöthig,   so  ist  er  doch  voll- 


Einzelne  Fortschritte  der  Elektrochemie  u.  s.  w. 


1053 


commen  richtig  und  sachgemäss.  Heute  würden  wir  sagen,  dass  das  Salz 
*iner  organischen  Säure  R.COOM  bei  der  Elektrolyse  in  die  beiden  Ionen 
R.COQ  und  M  gespalten  wird,  und  dass  der  Complex  R.COO  nach  dem 
Verlust  seiner  elektrischen  Ladung  an  der  Anode  unbeständig  wird  und  meist 
in  R  und  CO*  zerfallt,  welches  erstere  je  nach  seiner  Zusammensetzung 
weitere  Schicksale  erfahrt 

Die  Versuche,  welche  Kekul£  angestellt  hat,  beziehen  sich  auf  die  Salze 
einiger  zweibasischen  Säuren.  So  gab,  den  Voraussetzungen  gemäss,  bern- 
steinsaures Natron,  CaH\-r)rw   >    bei    der   Elektrolyse    Kohlendioxyd    und 

Äthylen,  C'H4;   fumarsaures  Salz,  C2H2~q~n   ,  gab  Kohlendioxyd  und  Ace- 

tylen,  C8H8.  Weitere  Versuche  mit  anderen  Salzen  waren  noch  nicht  ab- 
gerundet genug,  um  sie  mitzutheilen,  und  Kekul£  verspricht,  Genaueres  in 
einer  späteren  Abhandlung  zu  geben;  indessen  hat  auch  diese  spätere  Ab- 
handlung das  Schicksal  gehabt,  nicht  an  das  Licht  der  Welt  zu  kommen. 

Den  gleichen  theoretischen  Standpunkt,  wie  Kekul£,  nimmt  in  einer 
später  erschienenen  Arbeit  Edme- Alfred  Bourgoin1  ein,  wenn  es  auch  in 
seiner  Darstellung  den  Anschein  hat,  als  sei  er  der  Autor  der  Theorie.  An 
einer  Anzahl  weiterer  Beispiele  zeigt  er  die  möglichen  Reaktionen,  welche 
der  Säurerest  je  nach  den  verschiedenen  Versuchsumständen  erfahren  kann, 
und  er  fasst  seine  Ergebnisse  in  die  folgenden  Sätze  zusammen: 

„1)  Der  Strom  wirkt  auf  gleiche  Weise  auf  die  anorganischen  wie  orga- 
nischen Säuren  und  ihre  Salze:  er  scheidet  das  basische  Element,  Wasser- 
stoff oder  Metall,  ab,  welches  an  den  negativen  Pol  geht,  während  der  Rest 
der  Säure  oder  des  Salzes  an  den  positiven  Pol  geht. 

,Dies  ist  die  ursprüngliche  Wirkung  des  elektrischen  Stromes. 
,2)  Das  Wasser  ist  kein  Elektrolyt:    es  wird   durch  den  Strom  bei  der 
Elektrolyse  der  Säuren  und  Salze  nicht  zersetzt  und  wirkt  nur  als  Lösungs- 
mittel oder  hydratisirend. 

„3)  Die  organischen  Säuren  und  ihre  Salze  geben  je  nach  den  Um- 
ständen, unter  denen  man  arbeitet,  am  positiven  Pole  Erscheinungen  der 
Hydratation  oder  der  Oxydation. 

„Hydratation.  —  Die  Elemente  der  wasserfreien  Säure  bilden  inner- 
halb des  Wassers  die  gewöhnliche  Säure  zurück,  wie  das  der  Fall  bei  den 
Mineralsäuren  ist. 

„Oxydation.  —  1.  Fall.  Der  dem  basischen  Element  entsprechende 
Sauerstoff  reagirt  auf  die  Elemente  der  anhydrischen  Säure  und  bringt  eine 
erste  regelmässige  Oxydation  hervor;  der  Abkürzung  wegen  schlage  ich 
vor,  dies  die  charakteristische  Reaktion  der  organischen  Säure  zu 
nennen. 

„2.  Fall.  Die  Säure  erfährt  eine  tiefere  Oxydation  und  ergiebt  ver- 
schiedenartige Oxydationsprodukte." 


1  Ann.  chim.  phys.  (4)  14,   157.   1868. 


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1054 


Achtzehntes  Kapitel. 


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Nach  einigen  weiteren  Sätzen  über  Concentrationsänderungen  an  den 
Polen,  die  sich  durch  die  HirroRF^schen  Arbeiten  erledigen,  schltesst  Boür- 
goin  seine  Arbeit  mit  dem  Ausspruch:  „Der  Strom  kann  uns  nicht  die 
Constitution  der  organischen  Säuren  aufdecken,  und  die  als  rationell  aus-  1, 
gegebenen  Formeln,  die  sich  auf  seine  Wirkung  gründen,  haben  keinerlei 
wissenschaftlichen  Werth." 

Seit  jener  Zeit  haben  die  hier  angeregten  Fragen  fast  vollständig  geruht, 
und  erst  in  unseren  Tagen  sind  sie  wieder  erörtert  worden. 

4.  Einheiten  und  Constanten.  Durch  die  Aufstellung  der  Beziehung 
zwischen  elektromotorischer  Kraft  und  Wärmeentwickelung,  sowie  durch  die 
entsprechende  Entwickelung  der  anderen  Gebiete  der  Elektrochemie  waren, 
wie  auch  in  der  allgemeinen  Elektrik,  die  Bedürfnisse  nach  messenden  Be- 
stimmungen und,  als  Grundlage  für  diese,  nach  allgemeinen  Einheiten  ent- 
standen. Die  Aufgabe,  solche  allgemein  gültige  Einheiten  aufzustellen,  war, 
wie  berichtet  (S.  654),  durch  die  Aufstellung  des  absoluten  Maasssystems  von 
Gauss  und  Weber  bereits  gelöst  worden;  die  Annahme  desselben  Hess  in- 
dessen lange  genug  auf  sich  warten.  Es  ist  bemerkenswerth,  dass  es  schliess- 
lich nicht  wissenschaftliche,  sondern  technische  Bedürfnisse  waren,  welche 
den  Ausschlag  gaben,  und  eine  Einigung  über  allgemein  angenommene 
Grundmaasse  zu  Stande  brachten.  Gegenwärtig  ist  bekanntlich  jener  Gauss- 
WEBER'sche  Grundgedanke  in  der  gesammten  Elektrik,  der  wissenschaftlichen 
wie  der  technischen,  allgemein  durchgeführt;  ehe  es  aber  so  weit  gekommen 
war,  sind  eine  ganze  Anzahl  anderer  Versuche  gemacht  worden,  von  denen 
auch  einige  während  einiger  Zeit  Erfolg  gehabt  haben.  Da  die  ausführliche 
Darstellung  der  Entwickelungsgeschichte  dieser  Angelegenheit  der  Aufgabe 
dieses  Werkes  zu  fern  liegt,  so  muss  auf  sie  verzichtet  werden,  so  vielfach 
interessant  sie  auch  sein  würde. 

Die  erste  elektrische  Grösse,  welche  in  befriedigender  Weise  festgestellt 
wurde,  war  die  Elektricitätsmenge,  und  zwar  geschah  dies,  wie  bereits 
mitgetheilt,  indem  mit  Hülfe  des  Farad  Ansehen  Gesetzes  die  auf  absolute 
elektromagnetische  Einheiten  bezogene  Elektricitätsmenge  festgestellt  wurde, 
die  mit  einem  Milligramm  Wasserstoff  verbunden  ist  und  sich  in  einem  Elek- 
trolyt gleichzeitig  mit  diesem  bewegt.  Bereits  Weber  hatte  eine  solche 
Messung  ausgeführt  (S.  655)  und  einige  Zeit  darauf  wurde  eine  sorgfaltige 
Neubestimmung  derselben  durch  Casselmann1  im  Auftrage  Bunsen's  ausge- 
führt. Auch  hat  dieser  darauf  hingewiesen  (S.  1046),  dass  umgekehrt  mittelst 
des  elektrochemischen  Äquivalents  der  Elektricitätseinheit  oder,  wie  wir  uns 
kürzer  ausdrücken  können,  mittelst  der  FARADAY^schen  Constanten  absolute 
Messungen  von  Elektricitätsmengen  auf  die  einfachste  Weise  ausgeführt  werden 
können.  Dieses  Prinzip  ist  bis  auf  den  heutigen  Tag  in  Anwendung  ge- 
blieben, und  die  im  Jahre  1893   erfolgte  gesetzliche  Bestimmung  der  elek- 


1  Über  die  Kohlcnzinkkctte,  Dissert.  Marburg. 


Einzelne  Fortschritte  der  Elektrochemie  u.  s.  w.  1055 


frischen  Einheiten  macht  bezüglich  der  Elektricitätsmenge  von  der  Definition 
mittelst  der  FARADAY'schen  Gesetzes  Gebrauch. 

Von  weiteren  elektrischen  Einheiten  ist  die  der  Spannung  oder  des 
elektrischen  Potentials  dann  zuerst  Gegenstand  einer  sorgfältigen  Definition 
gewesen. 

Als  bequemste  Norm  bot  sich  zunächst  das  DANiELi/sche  Element  dar, 
dessen  Beständigkeit  von  allen  Beobachtern  bestätigt  worden  war.  Indessen 
gaben  doch  auch  DANiBLi/sche  Ketten,  die  auf  verschiedene  Weise  zusammen- 
gestellt waren,  zuweilen  ziemlich  verschiedene  Werthe,  und  es  war  deshalb 
ein  verdienstliches  Unternehmen,  die  Ursachen  dieser  Schwankungen  zu  er- 
forschen, um  sie  womöglich  zu  beseitigen.  Eine  solche  Arbeit  verdanken 
wir  dem  schwedischen  Physiker  A.  F.  Svanberg,  l  dem  es  alsbald  nach  seinen 
Angaben  gelungen  war,  die  Schwankungen  auf  weniger  als  ein  Tausendstel 
des  Werthes  der  elektromotorischen  Kraft  herabzudrücken. 

Zunächst  stellte  Svanberg  fest,  in  welchem  Grade  die  elektromotorische 
Kraft  von  der  Concentration  der  benutzten  Flüssigkeiten  abhing.  Dabei 
ergab  es  sich,  dass  sie  zunahm,  wenn  die  Kupferlösung  concentrirter  wurde. 
Beim  Zink  war  der  Einfluss  verschieden,  je  nachdem  gewöhnliches  oder 
amalgamirtes  Zink  benutzt  wurde;  bei  gewöhnlichem  Zink  war  die  elektro- 
motorische Kraft,  wenn  Zinksulfat  angewendet  wurde,  um  so  grösser,  je 
verdünnter  die  Zinklösung  war;  wurde  aber  Schwefelsäure  benutzt,  so  sank 
die  elektromotorische  Kraft.  Wurde  aber  amalgamirtes  Zink  benutzt,  so 
dass  keine  Gasentwickelung  stattfand,  so  war  die  Kraft  mit  Säure  grösser, 
als  die  mit  Zinkvitriol;  in  letzterem  hatten  beide  Arten  Zink  die  gleiche  Kraft. 

Diese  Bezugsgrösse  der  elektromotorischen  Kraft  ist  sehr  lange  im  Ge- 
brauch gewesen,  namentlich  da  sie  G.  Wiedemann  in  seinem  grossen  Werke 
über  den  Galvanismus2  angenommen  hatte  und  durchgängig  benutzte.  Später 
hat  sie  freilich  der  systematischen  Definition,  die  sich  aus  dem  Gauss- Weber'- 
schen  System  ergab,  weichen  müssen;  das  Prinzip  indessen,  die  elektro- 
motorische Kraft  praktisch  durch  Bezugnahme  auf  eine  bestimmmte  Kette 
zu  definiren,  ist  gleichfalls  bis  jetzt  im  Gebrauch  geblieben. 

Prinzipiell  ist  nun  durch  die  Definition  der  beiden  Faktoren  der  elek- 
trischen Energie,  der  Elektricitätsmenge  und  der  Spannung  das  System  der 
elektrischen  Einheiten  vollkommen  festgelegt,  indem  alle  anderen  elektrischen 
Grössen  sich  durch  diese  beiden  mit  Hülfe  von  zeitlichen  und  räumlichen 
Grössen  ausdrücken  lassen.  Doch  hat  es  sich  praktisch  erwiesen,  noch  ein 
reproducirbares  Grundmaass  für  eine  dritte  elektrische  Grösse  einzuführen, 
den  Widerstand.  Die  Ursache  dazu  ist,  dass  von  allen  elektrischen  Grössen 
Widerstände  am  leichtesten  sich  herstellen,  vergleichen,  und  unverändert 
aufbewahren  lassen.  Deshalb  sind  die  meisten  elektrischen  Messmethoden 
auf  die  Anwendung  gemessener  Widerstände  gegründet,    und   man  braucht 

1  Pogg.  Ann.   73,  290.  1848. 

1  Die  Lehre  vom  Galvanismus  und  Elektromagnetismus,  Braunschweif;   1861. 


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IO56  Achtzehntes  Kapitel. 

nur  beispielsweise  die  von  Wheatstone  (S.  638)  gegebenen  Methoden  darauf- 
hin anzusehen,  um  die  Bemerkung  bestätigt  zu  finden. 

Einer  der  ersten,  welche  einen  bestimmten  Widerstand  als  Einheit  defi- 
nirten,  war  Lenz,1  welcher  als  solche  einen  Fuss  Kupferdraht  „No.  II"  be- 
nutzte. Ähnlich  verfuhr  Wheatstone,  nur  dass  er  statt  einer  Nummer  der 
Drahtlehre  das  Gewicht  von  einem  Fuss  seines  Drahtes  angab:  er  sollte 
100  Grain  wiegen.  Dies  war  allerdings  ein  Fortschritt,  aber  kein  genügender, 
denn  es  stellte  sich  alsbald  heraus,  dass  „Kupfer"  keine  ausreichende  Be- 
stimmung war,  denn  einmal  ändert  dieses  seinen  Widerstand  beträchtlich 
mit  der  Temperatur,  und  dann  zeigen  verschiedene  Kupferproben  so  be- 
deutende Verschiedenheiten  ihres  Widerstandes,  dass  jede  Genauigkeit  ver- 
eitelt wird.  Dies  zeigte  sich  auch  bei  dem  ersten  Versuche,  die  Physiker 
auf  eine  bestimmte  Widerstandsgrösse  zu  einigen,  welchen  Jacobi  im  Jahre 
1848  machte,2  indem  er  an  verschiedene  namhafte  Elektriker  Kupferdrahte 
versandte  mit  der  Bitte,  deren  Widerstand  als  Einheit  bei  ihren  Unter- 
suchungen anzunehmen.  Leider  waren  die  Drähte  entweder  nicht  mit  ge- 
nügender Sorgfalt  abgeglichen  worden,  oder  sie  hatten  sich  später  stark 
verändert;  jedenfalls  stellte  es  sich  bald  heraus,  dass  die  verschiedenen 
jACOBi'schen  Einheiten  sehr  bedeutende  Unterschiede  unter  einander  zeigten. 

Inzwischen  entwickelte  sich  die  elektrische  Telegraphie  und  machte  die 
Frage  nach  einer  Einheit  des  Widerstandes  dringend.  Zunächst  entstanden 
in  den  verschiedenen  Verwaltungen  lokale  Einheiten,  gerade  wie  es  bei  der 
Ausbildung  der  Längen-  und  Gewichtseinheiten  zugegangen  war.  Durcb 
einen  wohlüberlegten  Vorschlag,  und  insbesondere  durch  die  Herstellung 
praktischer  und  genauer  Messapparate  hatte  dann  seit  dem  Jahre  1860 
Werner  Siemens8  die  nach  ihm  benannte  Einheit  in  allgemeinen  Gebrauch 
eingeführt.  Die  SiEMENs'sche  Einheit  ist  definirt  als  der  Widerstand  eines 
Quecksilberfaden  von  1  qmm  Querschnitt  und  I  m  Länge  bei  o°.  Sie  hatte 
allen  früher  vorgeschlagenen  gegenüber  den  Vorzug,  dass  die  mit  der 
Structur  des  Metalles  zusammenhängenden  Verschiedenheiten,  welche  in 
ihren  Ursachen  noch  unbekannt  waren,  und  jede  genaue  Definition  ver- 
eitelten, wegen  des  flüssigen  Zustandes  des  Quecksilbers  wegfielen;  zudem 
ist  kaum  ein  Metall  so  leicht  rein  herzustellen,  wie  dieses.  Durch  diese 
Umstände,  und  namentlich  durch  die  grosse  Verbreitung  der  von  der  Firma 
Siemens  &  Halskje  hergestellten  und  auf  die  Quecksilbereinheit  bezogenen 
Messapparate  ist  diese  Grösse  etwa  zwanzig  Jahre  lang  in  fast  allgemeinem 
Gebrauch  gewesen. 

Allerdings  begann  fast  unmittelbar  nach  der  Aufstellung  der  Quecksilber- 
einheit ein  Kampf  gegen  diese,  welcher  ihr  anfangs  keinen  erheblichen 
Abbruch  thun  konnte,  im  Laufe  der  Zeit  aber  doch  zu  ihrer  Verdrängung 
geführt  hat.  Es  sind  dies  die  Bemühungen,  das  WEBER'sche  absolute  Maass 
des  Widerstandes  herzustellen  und  als  Norm  zu  benutzen. 


1  Pogü.  Ann.  45,   105.   1838. 
8  Pogg.  Ann.  110,   1.   1860. 


*  Comptcs  rendus  34,  277.  1848. 


Einzelne  Fortschritte  der  Elektrochemie  u.  s.  w.  1057 


Weber  selbst  hatte  nicht  unterlassen,  bei  Gelegenheit  der  Entwicklung 
seines  Systems  einen  gegebenen  Draht  zu  untersuchen,  und  seinen  Wider- 
stand in  absoluten  Einheiten  auszudrücken;  auch  waren  Copieen  dieses  Wider- 
standes von  anderen  Physikern  benutzt  worden,  doch  gelangte  auch  dieses 
Maass  seinerzeit  nicht  zu  allgemeiner  Einführung.  Auf  den  Vorschlag 
William  Thomson's,  der  sich  mehrfach  mit  dieser  Frage  beschäftigt  hatte, 
ernannte  im  Jahre  1861  die  British  Association  for  the  Advancement  of 
Science,  eine  freie  wissenschaftliche  Gesellschaft,  zur  Untersuchung  und  För- 
derung dieser  Frage  einen  Ausschuss,  der  sich  zunächst  dafür  entschied, 
die  WEBER'sche  Widerstandseinheit  ihren  Arbeiten  zu  Grunde  zu  legen, 
und  der  dann  mit  Geldmitteln,  die  zum  Theil  von  der  Londoner  Royal 
Society  herrührten,  die  praktische  Herstellung  der  WEBER'schen  Einheit 
unternahm. 

Zur  Ausfuhrung  der  Arbeiten  vereinigten  sich  Clerk  Maxwell  und 
Fleming  Jenkin,  welche  ihre  Ergebnisse  1863  und  1864  der  British  Asso- 
ciation mittheilten.  Für  den  praktischen  Gebrauch  sollte  nicht  die  WEBER'sche 
Einheit  unmittelbar  dienen,  da  sie  viel  zu  klein  ist,  sondern  eine,  die 
1 0000000000  mal  grösser  ist,  als  diese  auf  Millimeter  und  Sekunde  be- 
zogene Einheit  Gleichzeitig  wurde  auf  den  Vorschlag  von  Latimer  Clarr 
die  neue  Einheit  auf  den  Namen  Ohm's  getauft,  indem  sie  Ohmad  genannt 
wurde.  Dieser  Name  ist  der  kürzeren  Form  Ohm  beibehalten  worden; 
ebenso  das  Prinzip,  die  Einheiten  nach  verdienten  Männern  des  Gebietes  zu 
benennen;  freilich  ist  durch  eine  Reihe  von  Umständen,  die  auch  anders 
hätten  gestaltet  werden  können,  keiner  von  den  beiden  Schöpfern  des  ab- 
soluten Maasssystems,  weder  Gauss  noch  Weber,  in  angemessener  Weise 
berücksichtigt  worden. 

Diese  ersten  Versuche  zur  Einfuhrung  fanden  zunächst  keinen  beson- 
deren Anklang,  obwohl  der  Ausschuss  #eine  grössere  Anzahl  von  Copieen 
der  „Ohmad"  herstellen  liess,  die  er  theils  an  namhafte  Physiker  verschenkte, 
theils  auch  käuflich  abliess.  Namentlich  auf  dem  Continente  blieb  die 
SiEMENs'sche  Einheit  fast  in  alleiniger  Anwendung. 

Dieser  Zustand  änderte  sich  erst  mit  der  Entwicklung  der  Elektro- 
technik. Bis  dahin  war  bei  dem  Betriebe  der  elektrischen  Telegraphen  fast 
ausschliesslich  Widerstände  in  Frage  gekommen,  und  ein  Anlass,  andere 
Grössen  zu  benutzen,  trat  kaum  ein.  Mit  der  Einfuhrung  der  elektrischen 
Energie  in  die  technischen  Betriebe  mussten  aber  nothwendig  Messungen 
von  Spannungen ,  magnetischen  Feldern ,  Inductionscoefficienten  u.  dergl. 
vorgenommen  werden,  und  hier  erst  traten  die  Vorzüge  des  WEBER'schen 
Systems,  welches  alle  diese  Grössen  in  Zusammenhang  brachte,  unabweislich 
in  den  Vordergrund.  Beendet  wurde  diese  Entwickelung  durch  einen  inter- 
nationalen elektrischen  Congress,  der  1881  in  Paris  tagte  und  folgende  Be- 
schlüsse fasste: 

1)  Als  Grundeinheiten  der  elektrischen  Maasse  gelten  das  Centimeter, 
die  Maasse  eines  Gramms  und  die  Sekunde. 

Ostwald,   Elektrochemie.  67 


IOC8  Achtzehntes  Kapitel. 

2)  Die  bis  jetzt  angewandten  Einheiten,  das  Ohm  und  Volt,1  behalten 
ihre  gegenwärtigen  Bedeutungen:   I08  für  ersteres  und   ioB  für  letzteres. 

3)  Die  Widerstandseinheit  Ohm  wird  dargestellt  durch  eine  Quecksilber- 
säule von   i  qmm  Querschnitt  bei  o°  C. 

4)  Eine  internationale  Commission  soll  beauftragt  werden,  durch  neue 
Versuche  die  Länge  einer  Quecksilbersäule  von  i  qmm  Querschnitt  bei  o° 
zu  bestimmen,  welche  den  Werth  Ohm  darstellt. 

5)  Man  nennt  Ampere  die  Stromstärke,  welche  ein  Volt  in  einem  Ohm 
hervorruft. 

6)  Man  bezeichnet  als  Coulomb  die  Elektricitätsmenge,  welche  durch 
ein  Ampere  in  einer  Sekunde  geliefert  wird. 

7)  Man  definirt  als  Farad  die  Capacität,  welche  durch  die  Bedingung 
bestimmt  ist,  dass  ein  Coulomb  in  einem  Farad  ein  Volt  giebt 

Die  Commission,  von  der  unter  Punkt  4  die  Rede  ist,  beschloss  das 
Ohm  als  den  Widerstand  einer  Quecksilbersäule  von  106  cm  Länge  und 
1  qmm  Querschnitt  bei  o°  festzustellen,  obwohl  aus  den  verschiedenen  Mes- 
sungen, die  vorlagen,  bereits  wahrscheinlich  wurde,  dass  der  wahre  Werth 
etwas  grösser  ist.  Im  Jahre  1893  ist  dieser  Werth  abgeändert  und  auf 
106,3  cm  festgesetzt  worden;  diese  letztere  Zahl  ist  wahrscheinlich  auf  *jim 
genau.  Die  erste  Einheit  der  British  Association  war  auf  104,8  cm  bestimmt 
worden,  enthielt  also  einen  Fehler  von  1,5  Procent.  Die  seitdem  von  anderen 
hervorragenden  Physikern  bestimmten  Werthe  schwankten  zwischen  dieser 
Zahl  und  107,1  und  es  bestätigte  sich  auf  diese  Weise  das  von  Werner 
Siemens  erhobene  Bedenken  gegen  die  Einführung  der  absoluten  Einheit,  die 
darauf  hinausgingen,  dass  man  Widerstände  sehr  viel  genauer  copiren  und 
vergleichen  kann,  als  man  den  absoluten  Werth  herstellen  kann;  William 
Thomson  hatte  dagegen  um  jene  Zeit,  als  der  erste  Ausschuss  der  British 
Association  tagte,  gesagt,  es  würde  gut  möglich  sein,  die  Einheit  alsbald  auf 
Viono  &enau  zu  erhalten. 

Um  die  verschiedenen  Einheiten  von  einander  zu  unterscheiden,  ist 
man  übereingekommen,  das  Ohm  von  106,0  cm  das  legale,  das  neuere  vnn 
106,3  cm  das  internationale  zu  nennen.  Die  vom  Curatorium  der  phy- 
sikalisch-technischen Reichsanstalt  ausgearbeiteten  Bestimmungen,  die  sehr 
ähnlich  auch  für  die  meisten  anderen  Länder  angenommen  sind,  lauten: 

„Als  Ohm  gilt  der  elektrische  Widerstand  einer  Quecksilbersäule  von 
der  Temperatur  des  schmelzenden  Eises,  deren  Länge  bei  durchweg  gleichem 
Querschnitt  106,3  crn  und  deren  Masse  14,452  g  beträgt,  was  1  qmm  Quer- 
schnitt der  Säule  gleich  geachtet  werden  darf. 

„Ein  unveränderlicher  Strom  hat  die  Stärke  von  1  Amp.,  wenn  er . . . 
0,001  118  g  Silber  in  einer  Sekunde  mittlerer  Sonnenzeit  niederschlagt" 

Die  Definition  der  Einheit  der  elektromotorischen  Kraft  mit  Hülfe  eines 


1  Voll  ist  die  Einheit  der  elektromotorischen  Kraft  oder  Spannung;  die  elektromotorische 
Kraft  eines  DANlELL'schen  Elementes  hclräct   1,07  Volt. 


Einzelne  Fortschritte  der  Elektrochemie  u  s.  w. 


IO59 


Normalelementes,  z.  B.  des  von  Lahmer  Clark  *  (Quecksilber,  Merkurosulfat, 
gesättigte  Lösung  von  Zinksulfat,  amalgamirtes  Zink),  steht  noch  aus. 

5.  Die  galvanische  Polarisation.  Durch  die  Beziehung  der  elektro- 
motorischen Kräfte  der  Ketten  vom  Typus  der  DANiEix'schen  auf  die  Wärme- 
entwickelung der  in  ihnen  stattfindenden  chemischen  Reaktion  hatte  sich  ein 
Gesichtspunkt  ergeben,  welcher  in  gleicher  Gestalt  auf  alle  anderen,  von 
chemischen  Vorgängen  abhängigen  elektromotorischen  Kräften  anwendbar 
war.  Von  solchen  anderen  Vorgängen  waren  es  wesentlich  die  der  galva- 
nischen Polarisation,  auf  welche  sich  gleiche  Betrachtungen  anwenden  Hessen, 
und  wir  haben  bereits  gesehen,  wie  in  den  Arbeiten  von  Bosscha,  Favre 
und  Raoült(S.  787  u.ff.)  solche  versucht  worden  sind,  ohne  allerdings  zu  einem 
befriedigenden  Ergebnisse  zu  fuhren.  Auch  die  von  diesen  Forschern  zur 
Erklärung  angenommene  Hypothese  der  secundären  Reaktionen  erwies  sich 
als  unhaltbar,  und  es  ist  bereits  (S.  999)  mitgetheilt  worden,  wie  die  hier 
auftretenden  Widersprüche  Helmholtz  zu  der  richtigen  Theorie  der  Ketten 
geführt  haben.  Helmholtz  hat  dann  nicht  versäumt,  die  gefundenen  rich- 
tigeren Anschauungen  auf  die  Polarisationserscheinungen  anzuwenden,  und 
wir  verdanken  ihm  in  diesem  Gebiete  neben  der  Ermittelung  der  allgemeinen 
Grundlagen  auch  den  Nachweis  einer  Anzahl  von  secundären  Umständen, 
welche  gerade  den  meist  untersuchten  Vorgang  der  Polarisation  bei  der 
Elektrolyse  der  verdünnten  Schwefelsäure  zwischen  Platinelektroden  in  seinen 
Einzelheiten  verstehen  lehrte. 

Bevor  wir  indessen  auf  die  Darstellung  dieser  letzten  Fortschritte  ein- 
gehen, wird  es  gut  sein,  auf  die  ältere  Entwickelung  bis  zu  diesem  Punkte 
einen  schnellen  Rückblick  zu  werfen. 

Eine  erste  Gesetzmässigkeit,  die  freilich  nur  unter  bestimmten  Bedingungen 
zur  Geltung  kommt,  ist  von  Svanberg*  mitgetheilt  worden.  Er  stellte  einer 
Zinkplatte  in  verdünnter  Schwefelsäure  Platten  von  verschiedenen  anderen 
Metallen  gegenüber,  leitete  den  Strom  von  drei  DANiELL'schen  Elementen 
durch,  und  bestimmte  die  entstandene  kathodische  Polarisation  Diese  erwies 
sich  ab  nahezu  unabhängig  von  der  Natur  des  zweiten  Metalles,  wenn  dessen 
Oberfläche  nur  polirt  war,  denn  sie  betrug  in  seinen  Einheiten3  für  Platin 
3,09,  Kupfer  2,98,  Eisen  3,08,  Silber  2,71;  sogar  Zink  gab  die  Zahl  2,95. 
„Das  Verhalten  wäre  folglich  ein  solches,  wie  wenn  der  Wasserstoff  durch 
die  Wirkung  des  Stromes  auf  der  Oberfläche  aller  Metalle  zu  gleichem 
Dichtigkeitsgrad  condensirt  würde  und  der  solchergestalt  verdichtete  Wasser- 
stoff dem  für  die  Metalle  gültigen  elektromotorischen  Gesetze  folgte,  nämlich 
die  Kraft  bloss  abhinge  von  den  äussersten  in  die  Flüssigkeit  tauchenden 
Metallen.  .  .  .  Dies  Gesetz  kann  indessen  nicht  absolut  sein,  sondern  bloss 
angenähert  für  negative  Metalle  gelten." 

Etwa  um  dieselbe  Zeit  beschäftigte  sich  Wilhelm  Beetz4  mehrfach  mit 

1  Journ.  Tel.  Eng.  7,  53.   1878.  *  Pogg.  Ann.   73,   298.   1848. 

3  Die  elektromotorische  Kraft  eines  DANIELL-Elementes  betragt  in  diesen  Einheiten  15,6. 

4  Pogg.  Ann.  77,  493.   1849.  —  Ebenda  90,  42.   1853. 


IOÖO  Achtzehntes  Kapitel. 

den  Polasisationserscheinungen  und  ihren  Zusammenhang  mit  den  elektro- 
motorischen Kräften  der  entsprechenden  GROVE'schen  Gasketten.  Von  seinen 
Zahlenergebnissen  sei  erwähnt,  dass  er  die  elektromotorische  Kraft  der  Sauer- 
stoff- Wasserstoffkette  viel  kleiner,  etwa  nur  halb  so  gross  fand,  wie  die  Pola- 
risation bei  der  elektrolytischen  Ausscheidung  der  beiden  Gase  aus  „Wasser", 
d.  h.  verdünnter  Schwefelsäure,  denn  der  erste  Werth  betrug  nicht  viel  mehr, 
als  die  elektromotorische  Kraft  eines  ÜANiELL-Elementes.  Dagegen  stimmten 
bei  der  Elektrolyse  der  Salzsäure  beide  Werthe  nahezu  überein. 

Wie  Chlor  verhielt  sich  Brom  und  Jod;  Beetz  giebt  darüber  folgende 
Vergleichstabelle : 

Polarisation  Elektrom.  Kraft 

Jod 3,59  3,36 

Brom 4,89  6,98 

Chlor IO>58  io,io 

Wasserstoff 19,08  *7»89 

Chlor   4-  Wasserstoff 28,83  27»99  • 

Die  Einheit  ist  so,  dass  die  elektromotorische  Kraft  einer  DANiELi/schen 
Kette  21,22  beträgt.  Die  Übereinstimmung  ist  recht  befriedigend.  Die  an- 
gegebenen einzelnen  Polarisationen  sind  gegen  eine  „unveränderte"  Platin- 
platte gemessen,  d.  h.  gegen  eine  solche,  an  welcher  keine  Polarisation  vor- 
genommen worden  war.  Es  ist  dies  allerdings  eine  schlechte  Methode,  da 
,  eine  Platinplatte  je  nach  der  vorangegangenen  Behandlung  ganz  verschiedene 
Stellen  in  der  Spannungsreihe  einnimmt 

Im  übrigen  ist  aus  den  Zahlen  für  die  elektromotorischen  Kräfte  ver- 
schiedener Gasketten  ersichtlich,  dass  diese  auf  das  Deutlichste  mit  den 
chemischen  Verwandtschaften  der  Gase  zu  einander  zusammenhängen.  Auf 
diesen  Umstand  einzugehen,  fühlte  Beetz  als  Anhänger  der  Contacttheorie 
keine  Veranlassung.  Die  von  Beetz  gefundene  Reihenfolge,  bei  der  indessen 
viele  scheinbare  (durch  Verunreinigungen,  insbesondere  Sauerstoffgehalt  der 
Gase  veranlasste)  Grössen  vorhanden  sind,  lasse  ich  nebst  den  Zahlenwerthen 
der  elektromotorischen  Kräfte  folgen;  die  Einheit  ist  die  frühere: 

Chlor  31,49,  Brom  27,97,  Sauerstoff  23,98,  Stickstoffoxydul  21,33, 
Cyan  21,16,  Kohlensäure  20,97,  Stickoxyd  20,52,  Luft  20,50,  Schwefel- 
kohlenstoff 19,60,  Äthylen  18,36,  Phosphor  16,06,  Kohlenoxyd  13,02, 
Schwefelwasserstoff  3,05,  Wasserstoff  0,00. 

Die  Zahlen  sind,  wie  ersichtlich,  alle  auf  Wasserstoff  bezogen,  und  geben 
somit  die  Kraft  einer  Kette,  deren  zweites  Glied  Wasserstoff  ist  Alle 
anderen  Gase  zeigen  sich  dabei  negativ  gegen  Wasserstoff.  Zink  in  ver- 
dünnter Schwefelsäure  steht  um  19,68  Einheiten  hinter  dem  Wasserstoff. 
Als  Elektrolyt  diente  in  allen  Fällen  verdünnte  Schwefelsäure  1  :  100;  ob 
die  Natur  desselben  einen  Einfluss  auf  die  Grösse  der  Kraft  übt,  ist  nicht 
untersucht  worden. 

Ahnlichen  Arbeiten,  wie  diese,  deren  Inhalt  wesentlich  Zahlen  als 
„schätzbares  Material"  bringt,   weitere  Schlüsse   aber   thunlichst   vermeidet, 


Einzelne  Fortschritte  der  Elektrochemie  ü.  s.  w.  t  06 1 


können  wir  im  Verlaufe  unserer  Geschichte  häufig  begegnen,  wenn  wir  auch 
nicht  Anlass  haben  werden,  viel  Notiz  von  ihnen  zu  nehmen.  Es  entspricht 
diese  Art  zu  arbeiten,  einem  um  jene  Zeit  weit  verbreiteten  Zuge  der  wissen- 
schaftlichen Forscher.  Die  üblen  Folgen  des  wüsten  Speculirens  waren  an 
den  Naturphilosophen  offenbar  geworden,  und  die  Generation,  welche  ihre 
Entwicklung  in  der  darauf  folgenden  Periode  der  Ernüchterung  durchge- 
macht hatte,  wich  allen  weitergehenden  Erörterungen  mit  einer  bewussten 
Scheu  aus.  In  dem  Bedürfniss,  streng  auf  dem  Boden  der  Wirklichkeit  zu 
bleiben,  verwechselten  sie  jene  haltlosen  Phantasieen  mit  den  Bestrebungen, 
zwischen  verschiedenen  Erscheinungsgebieten  Zusammenhänge,  die  sich  in 
Gestalt  von  bestimmten  Gleichungen  darstellen  lassen,  aufzustellen,  und  ver- 
warfen alles,  was  über  den  engen  Kreis  der  unmittelbaren  Beobachtung 
hinauszugehen  schien.  Dieser  Geistesrichtung,  welche  vielleicht  am  schärf- 
sten bei  dem  Berliner  Physiker  Magnus  ausgeprägt  war,  erschien  nicht  nur 
die  „Speculation"  im  Allgemeinen  als  verwerflich,  sondern  auch  die  Ver- 
bindung der  mathematischen  mit  der  experimentellen  Physik,  und  es  haben 
sich  aus  jener  Zeit  drastische  Äusserungen  erhalten,  in  denen  solchen  Über- 
zeugungen Ausdruck  gegeben  wurde. 

Es  braucht  wohl  kaum  besonders  hervorgehoben  zu  werden,  dass  eine 
solche  Erscheinung  keineswegs  in  der  besonderen  Beschaffenheit  der  zu 
jener  Zeit  thätigen  Männer  ihren  Ursprung  gehabt  hat,  sondern  als  die 
normale  und  unvermeidliche  Reaktionserscheinung  dem  vorhergegangenen 
Excess  gegenüber  zu  erwarten  war.  Es  wäre  daher  kurzsichtig,  aus  diesem 
Verhalten  jenen  Männern  einen  besonderen  Tadel  machen  zu  wollen.  Für 
die  Entwickelung  der  Naturwissenschaften,  namentlich  in  Deutschland,  war 
die  Reaktion  nicht  nur  unvermeidlich,  sondern  auch  wohlthätig  und  im 
hohen  Maasse  nützlich;  freilich  ist  ein  Heilmittel,  so  segensreich  es  wirken 
kann,  darum  doch  kein  Nahrungsmittel.  Die  Wissenschaft  hat  bald  jene 
Hungerkur,  nachdem  sie  ihre  Wirkung  gethan  hatte,  aufgegeben,  wenn  auch 
nicht  ohne  hernach  wieder  einige  Zeit  in  das  entgegengesetzte  Extrem  zu 
verfallen,  von  dem  sie  sich  in  der  Gegenwart  wieder  zu  befreien  scheint 

Einen  bedeutsameren  methodischen  Fortschritt  machte  dann  die  Lehre 
von  der  galvanischen  Polarisation  durch  eine  Arbeit  von  A.  Crova,1  indem 
dieser  an  die  Stelle  der  ziemlich  unbestimmt  gebliebenen  allgemeinen  Er- 
fahrung, dass  die  Polarisation  mit  der  Stromstärke  wächst,  einen  bestimmten 
Formelausdruck  setzte,  dessen  Übereinstimmung  mit  der  Erfahrung  er  in 
einigem  Umfange  nachwies.  Ist  auch  dieser  Ausdruck  zunächst  nichts  mehr, 
als  eine  Interpolationsformel  gewesen,  deren  Form  dem  Verlauf  der  Er- 
scheinung möglichst  entsprechend  gewählt  worden  war,  ohne  dass  sie  durch 
irgend  einen  inneren  Grund  gerechtfertigt  worden  wäre,  so  war  doch  ein 
wichtiger  Fortschritt  insofern  dabei  vorhanden,  als  die  Formel  zu  der  Bildung 
eines  neuen  Begriffes  führte,  der  sich  in  der  Folge  als  recht  bedeutungsvoll 


1  Ann.  chim.  phys.  60,  413.   1863. 


[ 


IOÖ2  Achtzehntes  Kapitel. 


erwiesen  hat.  Die  Formel  lautet:  P  =  C  —  Ne~Ia,  wo  C,  N  und  a  Con- 
stanten sind,  während  e  die  Basis  der  natürlichen  Logarithmen,  P  die  elek- 
tromotorische Kraft  der  Polarisation  und  /  die  Stromstärke  ist.  Lässt  man 
/  von  Null  bis  Unendlich  wachsen,  so  ändert  sich  P  zwischen  zwei  be- 
stimmten Grenzen,  denn  für  7=o  ist  P=C—N  und  für  /=  oo  ist  P=C. 
Die  Polarisation  kann  also  zwischen  den  Grenzen  C—N  und  C  wachsen; 
C—N  ist  die  Anfangspolarisation  und  C  das  Maximum  der  Polarisation. 
Wenn  auch  in  neuerer  Zeit  mehr  und  mehr  ersichtlich  geworden  ist,  dass 
es  ein  Maximum  der  Polarisation  im  eigentlichen  Sinne  nicht  giebt,  indem 
diese  fortwährend,  wenn  auch  nur  mit  langsamer  Beschleunigung  bei  steigen- 
§.>*  der  Stromstärke  wächst,  so  hat  sich  doch  der  andere  Begriff,   die  Anfangs- 

polarisation, als  um  so  wichtiger  bewiesen.  Der  Werth  C—N  entspricht 
dem  Falle,  dass  die  Stromstärke  Null  ist,  d.  h.  dass  eben  die  elektromoto- 
rische Kraft  der  Batterie  die  Gegenkraft  der  Polarisation  zu  überwinden 
beginnt.  Dieser  Werth  ist  also  in  viel  besserem  Sinne  ein  Maass  für  die 
„Kraft",  welche  zur  Überwindung  der  entgegenstehenden  chemischen  Ver- 
wandtschaft erforderlich  ist,  als  das  präsumirte  Maximum  der  Polarisation. 
Indessen  hat  Crova  diese  Seite  seiner  Formel  gerade  nicht  hervorgehoben 
und  die  Verwerthung  des  Begriffes  des  Minimums  der  Polarisation  ist  erst 
der  neueren  Zeit  vorbehalten  geblieben. 

Bezüglich  des  Einflusses  verschiedener  Umstände  auf  die  Polarisation 
kam  Crova  zu  dem  Ergebnisse,  dass  der  Druck  überhaupt  keinen  messbaren 
Einfluss  ausübt  (was  nicht  richtig  ist),  während  mit  steigender  Temperatur 
die  Polarisation  kleiner  wird.  Sie  folgt  übrigens  bei  ioo°  denselben  Gesetzen, 
wie  bei  niedriger  Temperatur  und  auch  die  Constante  N  behält  ihren  Werth; 
nur  C  verändert  sich.  Dies  folgt  daraus,  dass  die  Curven,  welche  die  Pola- 
risation in  ihrer  Abhängigkeit  von  der  Stromstärke  darstellen,  bei  verschie- 
denen Temperaturen  einander  parallel  bleiben.  In  Worten  heisst  dies,  dass 
das  Minimum  und  das  Maximum  der  Polarisation  durch  die  Temperatur  in 
gleichem  Betrage  verändert  werden. 

Ändert  man  die  polarisirte  Oberfläche  (es  wurden  immer  Platinelektroden 
in  verdünnter  Schwefelsäure  benutzt),  so  zeigt  sich  der  Maximalwerth  in 
solchem  Sinne  veränderlich,  dass  er  mit  Verkleinerung  der  Fläche  steigt; 
das  Minimum  der  Polarisation  ist  dagegen  von  der  Elektrodenfläche  unab- 
hängig, wie  das  auch  zu  erwarten  war,  da  es  die  Polarisation  für  die  Strom- 
stärke Null  darstellt.  In  der  That  hat  hier  Crova  versäumt,  zu  beachten, 
dass  die  entscheidende  Grösse  für  die  Polarisation  nicht  die  Stromstärke, 
sondern  die  Strom  dichte,  d.  h.  die  Stromstärke,  dividirt  durch  die  Ober- 
fläche der  Elektrode  ist.  Ferner  wurde  die  Beobachtung  von  Poggendorff 
bestätigt  (S.  679),  dass  der  Zustand  der  Oberfläche  einen  ungemein  erheb- 
lichen Einfluss  auf  die  Grösse  der  Polarisation  ausübt.  Crova  schliesst  aus 
der  Gesammtheit  dieser  Versuche,  dass  die  elektromotorische  Kraft  der  Pola- 
risation innerhalb  gewisser  Grenzen  von  der  Masse  der  auf  der  Oberfläche 
der  Elektroden  condensirten  Gase  abhängt.    „Thatsächlich  ist,  so  lange  keine 


Einzelne  Fortschritte  der  Elektrochemie  u.  s.  w.  IO63 


Gasentwickelung  auf  der  Oberfläche  stattfindet,  die  elektromotorische  Kraft 
des  Voltameters  gleich  der  der  Säule,  wenn  deren  Kraft  von  Null  bis  zu 
dem  Werthe  der  Anfangspolarisation  ansteigt;  darüber  hinaus  tritt  Gasent- 
wickelung ein,  und  indem  die  Intensität  des  Stromes,  der  durch  das  Volta- 
meter  geht,  sowie  die  an  der  Oberfläche  der  Platten  entwickelte  Gasmenge 
zunimmt,  fährt  die  Polarisation  fort,  langsamer  und  langsamer  zu  wachsen. 
Auf  diese  Weise  wird  man  zu  der  Vorstellung  gefuhrt,  dass  auch  während 
der  Gasentwickelung  die  Änderung  der  elektromotorischen  Kraft  des  Volta- 
meters von  der  Zunahme  der  Gasverdichtung  an  der  Oberfläche  der  Platten 
herrührt,  dass  diese  Verdichtung  um  so  langsamer  anwächst,  je  erheblicher 
die  Gasentwickelung  bereits  ist,  und  dass  sie  sich  einer  bestimmten  Grenze 
nähert,  welche  erreicht  ist,  wenn  die  Gasentwickelung  hinreichend  schnell 
geworden  ist  Die  Wärme  vermindert  diese  Verdichtung,  und  wir  haben 
gesehen,  dass  sie  die  Polarisation  um  einen  constanten  Betrag  vermindert, 
welches  auch  die  Geschwindigkeit  der  Gasentwickelung  sei.  Endlich  müsste 
die  Natur  dieser  Verdichtung  ganz  verschieden  von  der  sein,  welche  man 
durch  eine  Steigerung  des  Druckes  erreichen  kann." 

Um  die  erhaltenen  Ergebnisse  zu  prüfen,  benutzte  Crova  noch  das 
andere  Verfahren  der  Messung  der  Polarisation,  indem  er  durch  eine  mecha- 
nische Vorrichtung,  eine  „Wippe"  (S.  679),  das  Voltameter  von  dem  zer- 
setzenden Strome  abtrennte,  und  es  gleichzeitig  mit  dem  messenden  Kreise 
verband.  Seine  Wippe  bestand  aus  zwei  auf  derselben  Axe  sitzenden  Rä- 
dern, in  welche  je  acht  radiale  Streifen  aus  Metall  eingelegt  waren,  die  unter 
sich  und  mit  einem  Ring  auf  der  Axe  in  leitender  Verbindung  standen;  von 
einander  waren  sie  isolirt.  Durch  passend  angebrachte  Federn  wurde  der 
Strom  ab-  und  zugeleitet,  und  die  Federn  konnten  so  gestellt  wurden,  dass 
die  Voltameterplatten  entweder  unmittelbar  nach  ihrer  Abtrennung  von  der 
Kette  in  den  messenden  Kreis  geschaltet  wurden,  oder  eine  beliebige  Zeit 
später;  ebenso  konnte  die  relative  Dauer  der  Berührung  beliebig  verändert 
werden. 

Mittelst  dieses  Apparates  wurde  zunächst  die  wichtige  Thatsache  be- 
wiesen, dass  der  depolarisirende  Strom  bei  genügend  rascher  Drehung  der 
Räder  die  gleiche  Stärke  hatte,  wie  der  polarisirende;  die  durch  den  letzteren 
ausgeschiedenen  Zersetzungsprodukte  gaben  also  bei  ihrer  Verbindung  die 
gleiche  Elektricitätsmenge  aus,  welche  für  ihre  Zerlegung  erforderlich  ge- 
wesen war. 

Ferner  wurde  ermittelt,  dass  alle  Flüssigkeiten  Polarisation  mit  allen 
Elektroden  geben,  wenn  auch  oft  sehr  kleine.  Gewöhnlich  wird  ein  Metall 
in  der  Lösung  eines  seiner  Salze  als  unpolarisirbar  angesehen;  es  ist  es  in- 
dessen keineswegs  im  strengen  Sinne,  sondern  nähert  sich  nur  diesem  Zu- 
stande bei  Strömen  von  geringer  Dichtigkeit.  Crova  sucht  die  Ursache 
dieser  Erscheinung  darin,  dass  das  frisch  abgeschiedene  Metall  immer  negativ 
gegen  älteres  sei,  indessen  ist  diese  Erklärung  nicht  richtig.  Es  ist  vielmehr 
ein  Concentrationsstrom  (S.  1001),  aufweichen  die  Polarisation  in  solchen 


IO64  Achtzehntes  Kapitel. 


Fällen  zurückzuführen  ist.  Durch  die  Elektrolyse  wird  zwar  die  gesammte 
Zusammensetzung  einer  solchen  Voltameterflüssigkeit  nicht  geändert,  wohl 
aber  ihre  Concentration  an  den  beiden  Elektroden,  indem  diese  an  der 
Anode  grösser,  an  der  Kathode  kleiner  wird,  als  zuvor.  Da  nun  zwei  gleiche 
Elektroden,  in  verschieden  concentrirte  Lösungen  ihrer  Salze  tauchend,  einen 
Spannungsunterschied  in  solchem  Sinne  zeigen,  dass  durch  den  verursachten 
elektrischen  Strom  dieser  Unterschied  ausgeglichen  werden  würde,  so  ist 
die  Ursache  einer  „Polarisation"  ersichtlich.  Nur  ist  es  keine  Ionenpolari- 
sation, wie  man  die  gewöhnliche  nennen  könnte,  sondern  eine  Concen- 
trationspolarisation. 

Weiter  wurde  mit  dem  Apparat  eine  Bestätigung  der  früheren  Formeln 
über  die  Abhängigkeit  der  Polarisation  von  der  Stromstärke  erhalten. 

Der  Betrag  der  Polarisation  in  verdünnter  Schwefelsäure  wurde  immer 
etwas  grösser,  als  die  elektromotorische  Kraft  zweier  DAKiELi/scher  Elemente 
gefunden;  wurden  zwei  solche  dem  DepoIarisationsst.ro me,  wie  er  vom  Unter- 
brecher geliefert  wurde,  entgegengestellt,  so  machte  sich  ein  kleiner  Über- 
schuss  an  elektromotorischer  Kraft  zu  Gunsten  des  Voltameters  geltend. 

Um  sich  schliesslich  Rechenschaft  zu  geben,  in  welcher  Art  die  Ver- 
änderlichkeit der  elektromotorischen  Kraft  im  Voltameter  zu  Stande  kommt, 
da  es  sich  doch  immer  um  dieselben  Stoffe  handelt,  und  in  den  bekannten 
Fällen  die  Menge  derselben  auf  die  elektromotorische  Kraft  keinen  Einfluss 
hat  ;dicke  oder  dünne  Zinkplatten  geben  genau  die  gleiche  Spannung),  weist 
Crova  auf  den  einzigen  ihm  bekannten  Fall  hin,  wo  thatsächlich  eine  Ab- 
hängigkeit der  elektromotorischen  Kraft  von  der  Stoffmenge  (genauer  von 
der  Concentration)  stattfindet.  Es  ist  dies  beim  Zinkamalgam  der  Fall. 
Wenn  in  einem  solchen  der  Gehalt  von  5  Procent  bis  auf  0,8  Procent  ab- 
nahm, konnte  er  keine  Änderung  der  elektromotorischen  Kraft  einer  damit 
gegen  Kupfer  in  Kupfersulfat  gebauten '  Kette  beobachten;  bei  0,4,  0,16  und 
0,11  Procent  sank  diese  aber  auf  0,92,  0,90  und  0,77  ihres  früheren  Werthes, 
und  Crova  spricht  die  Vermuthung  aus,  dass  auch  das  Gesetz  der  Abnahme 
der  Kraft  mit  dem  Gehalte  einen  ähnlichen  Gang  zeigen  würde,  wie  die 
Polarisation.  Die  Ursache  dieser  Veränderlichkeit  schreibt  er  der  mit  der 
relativen  Menge  zunehmenden  „Verwandtschaft"  des  Quecksilbers  zu  dem 
anderen  Metalle  zu,  und  er  weist  auf  eine  Anzahl  ähnlicher  Beobachtungen 
von  Gatjgain  und  E.  Bf.cquf.rhl  hin. 

Heute  wissen  wir,  dass  die  Erscheinung  der  Abhängigkeit  der  elektro- 
motorischen Kraft  von  der  Concentration  der  betheiligten  Stoffe  ganz  allge- 
mein ist,  und  dass  nur  die  Stoffe  constanter  Concentration,  wie  die  reinen 
Metalle,  eine  von  der  Menge  unabhängige  elektromotorische  Stellung  be- 
sitzen. So  wird  man  denn  auch  mit  Interesse  von  den  nachstehenden  Dar- 
legungen Crova's  Kenntniss  nehmen,  wenn  diese  auch  in  einigen  Punkten 
das  Rechte  verfehlen : 

„Wirklich  hat  auch  in  dem  Falle  eines  Voltameters  mit  angesäuertem 
Wasser  die   elektromotorische  Kraft   des   direkten  Stromes   die  Folge,    dass 


Einzelne  Fortschritte  der  Elektrochemie  u.  s.  w.  IOÖ5 


zuerst  die  Molekeln  des  Wassers,  oder  vielmehr  der  Verbindung  S04H 
(Äquivalentformel!)  gerichtet  werden,  so  dass  die  Atome  des  Wasserstoffs 
nach  dem  negativen  Pole,  die  des  Sauerstoffs  oder  des  Radikals  SO4  nach 
dem  positiven  weisen;  alsdann  findet  ihre  Zersetzung  statt. 

„Alsdann  strebt  aber  der  auf  der  negativen  Platte  abgeschiedene  Was- 
serstoff, die  nichtzersetzten  Moleküle  nach  der  gerade  entgegengesetzten 
Richtung  zu  stellen;  das  Gleiche  thut  der  auf  der  positiven  Platte  abge- 
schiedene Sauerstoff.  Die  Summe  der  beiden  Wirkungen  subtrahirt  sich  von 
dem  ursprünglichen  Strome.  Wenn  das  Metall,  aus  welchem  die  Elektroden- 
platten bestehen,  keine  Wirkung  auf  die  Gase  hätte,  die  sich  an  ihren  Ober- 
flächen entwickeln,  so  würde  die  Summe  der  eben  besprochenen  Wirkungen 
constant  sein  und  gleich  der,  welche  die  einzelnen  Gase  ausüben;  die  Polari- 
sation müsste  dann  unabhängig  von  der  Gasmenge,  die  sich  an  den  Polen 
entwickelt,  also  auch  unabhängig  von  der  Stromstärke  sein.  Aber  eben  da- 
durch, dass  die  Platinplatten  auf  ihrer  Oberfläche  eine  gewisse  Gasmenge 
verdichten,  üben  sie  auf  diese  eine  Anziehung  aus  und  vermindern  die  Kraft, 
mit  welcher  sie  die  Moleküle  des  Wassers  im  umgekehrte  Sinne  zu  richten 
streben.  So  lange  die  Gasschicht  sehr  dünn  ist,  macht  sich  der  Einfluss  des 
Metalls  in  hohem  Grade  geltend,  und  die  Kraft  der  Polarisation  kann  sich 
von  Null  bis  zu  einer  gewissen  Grenze  ändern;  über  diese  hinaus  macht 
sich  der  Einfluss  des  Metalls  in  dem  Maasse,  als  die  Masse  des  angehäuften 
Gases  auf  den  Platten  zunimmt,  immer  weniger  und  weniger  geltend  und 
wird  schliesslich  unmerklich.  Die  Polarisation,  d.  h.  die  Summe  der  elektro- 
motorischen Wirkungen,  welche  von  den  Gasen  auf  die  Flüssigkeit  ausgeübt 
werden,  wird  mehr  und  mehr  von  dem  fremden  Einflüsse  befreit,  den  die 
Natur  der  Metallplatten  ausübt,  und  nähert  sich  einer  Grenzpolarisation, 
welche  die  ausschliesslich  von  der  Natur  der  Gase  herrührende  ist." 

So  zutreffend  diese  Darstellung  in  manchen  Stücken  ist,  bleibt  sie  doch 
eine  Aufklärung  darüber  schuldig,  woher  der  grosse  Einfluss  der  Oberflächen- 
beschaffenheit der  Elektroden  auf  den  Grenzwerth  der  Polarisation  rührt. 
Die  nothwendige  Ergänzung  liegt  in  der  Berücksichtigung  der  Über- 
sättigungserscheinungen, deren  Stätte  die  Elektroden  sind;  die  Gase 
entwickeln  sich  keineswegs  augenblicklich,  sowie  die  entsprechende  Sättigung 
der  Flüssigkeit  eingetreten  ist,  sondern  erst,  wenn  ein  mehr  oder  weniger 
erheblicher  Überschuss  vorhanden  ist.  Daher  rührt  es,  dass  die  Concen- 
tration  der  abgeschiedenen,  aber  noch  nicht  in  Gasform  übergegangenen  Ele- 
mente sehr  viel  grösser  wird,  als  dem  Gleichgewichtszustande  entspricht; 
damit  wächst  auch  die  elektromotorische  Kraft  der  Polarisation,  und  alle 
Umstände,  welche  Einfluss  auf  die  Übersättigung  haben,  werden  auch  den 
Grenzwerth  beeinflussen  müssen.  Als  sin  solcher  Umstand  ist  in  erster  Linie 
die  Oberflächenbeschaffenheit  der  Elektrode  zu  nennen. 

6.  Die  Untersuchungen  von  Helmholtz.  Es  ist  schon  bemerkt 
worden  (S.  999),  dass  die  ersten  experimentellen  Arbeiten,  durch  welche 
Helmholtz  zu  seiner  Theorie  der  VoLTA'schen  Ketten  gefuhrt  wurde,    sich 


jq66  Achtzehntes  Kapitel. 


I 


I 


I, 


auf  die  Polarisation  bezogen  und  dass  er  damals1  noch  in  der  irrthümlichen 
Vorstellung  befangen  war,  dass  die  Wärmeentwickelung  des  chemischen  Vor- 
ganges der  elektromotorischen  Kraft  proportional  sei.  Daraus  glaubte  er 
umgekehrt  schliessen  zu  müssen,  dass  durch  eine  geringere  elektromotorische 
Kraft,  als  dem  Wärmeverbrauch  eines  bestimmten  Zersetzungsvorganges  ent- 
spricht, der  betreffende  Stoff  nicht  elektrolytisch  zersetzt  werden  könnte. 
Gegen  diesen  Schluss  lagen  Widersprüche  in  dem  Verhalten  des  Wassers 
oder  vielmehr  der  verdünnten  Schwefelsäure  gegen  geringe  elektromotorische 
Kräfte  vor,  und  diese  Widersprüche  bilden  den  Ausgangspunkt  von  Helm- 
holtz'  Untersuchungen.  Als  erste  Erscheinung,  deren  Wirksamkeit  die 
dauernden  schwachen  Ströme  erklären  kann,  welche  eintreten,  wenn  beispiels- 
weise ein  Voltameter  mit  Platinplatten  in  verdünnter  Schwefelsäure  und  ein 
ÜANiELL-Element  in  einen  Kreis  geschaltet  wvrden.  Der  Verbindungswärme 
der  abgeschiedenen  Gase  Wasserstoff  und  Sauerstoff  würde  eine  elektromoto- 
rische Kraft  von  etwa  1,3  Daniell  entsprechen,  und  daher  dürfte,  den  eben 
erwähnten  Ansichten  gemäss,  ein  DANiELL-Element  überhaupt  keinen  Strom 
durch  das  Voltameter  schicken  können.  Thatsächlich  beobachtet  man  einen 
Strom,  wenn  auch  einen  schwachen,  welcher  beliebig  lange  andauern  kann. 
Zur  Erklärung  dieses  Stromes  giebt  Helmholtz  folgende  Betrachtungen: 

„Wenn  nun  ein  elektrischer  Strom  durch  eine  Wasserzersetzungszelle 
geht,  deren  Flüssigkeit  Wasserstoff  gelöst  enthält,  oder  deren  Elektroden  ihn 
occludirt  haben,  so  wird  an  derjenigen  Elektrode,  zu  welcher  der  Strom  den 
Sauerstoff  hindrängt,  dieser  wieder  zu  Wasser  werden  können,  indem  eine 
entsprechende  Menge  gelösten  Wasserstoffs  aus  der  Flüssigkeit  oder  occlu- 
dirten  Wasserstoffs  aus  der  Elektrode  dazu  verbraucht  wird.  Andererseits 
wird  statt  dieses  bisher  freien  (wenigstens  nicht  mit  Sauerstoff  chemisch  ver- 
einigten) Wasserstoffs  eine  gleiche  Menge  elektrolytisch  ausgeschiedenen 
Wasserstoffs  an  der  anderen  Elektrode  wieder  erscheinen  und  entweder  in 
der  Flüssigkeit  sich  lösen,  oder,  wenn  Zeit  und  Raum  dazu  ist,  in  die  Platin- 
elektrode selbst  hineingedrängt  werden.  Obgleich  hierbei  also  Elektrolyse  in 
der  Flüssigkeit  stattfindet,  kommen  doch  schliesslich  beide  Produkte  der  Elek- 
trolyse nicht  zum  Vorschein,  sondern  das  Endresultat  ist,  dass  freier  Wasser- 
stoff an  oder  in  der  einen  Elektrode  verschwindet  und  an  der  anderen  in 
vermehrter  Menge  wieder  auftritt.  Ich  möchte  mir  erlauben,  für  diesen  Vor- 
gang, der  bei  den  Polarisationsströmen  eine  hervorragende  Rolle  spielt,  den 
Namen  der  elektrolytischen  Convection  vorzuschlagen.  Es  ist  bei  diesem 
Processe  von  der  den  Strom  treibenden  elektromotorischen  Kraft  nicht  die 
Arbeit  gegen  die  chemischen  Verwandtschaftskräfte  des  Wrasserstoffs  und 
Sauerstoffs  zu  leisten,  welche  geleistet  werden  muss,  wenn  Wasser  in  diese 
seine  beiden  Elemente  endgültig  getrennt  werden  soll,  und  elektrolytische 
Convection  kann  deshalb  durch  eine  schwache  elektromotorische  Kraft 
unterhalten    werden,    welche    durchaus    nicht   im    Stande    ist,   Wasser  wirk- 


1  Pogg.  Ann.  150,  483.   1873. 


Einzelne  Fortschritte  der  Elektrochemie  u.  s.  w.  IOÖ7 

lieh    zu    zersetzen,    wie   z.  B.    durch    die    Kraft   von   einem    DANiEix'schen 
Elemente. 

„Das  Gleiche  gilt,  wenn  die  Flüssigkeit  sauerstoffhaltig  ist,  oder  die 
Platinplatten  Sauerstoff  oecludirt  enthalten  sollten.  Dann  verschwindet  durch 
die  elektrolytische  Convection  freier  Sauerstoff  auf  der  einen  Seite,  während 
die  gleiche  Menge  auf  der  anderen  Seite  zum  Vorschein  kommt. 

„Der  auf  solche  Weise  bei  dem  Vorgange  der  Convection  an  der  einen 
Elektrode  frei  gewordene  Wasserstoff  oder  Sauerstoff  ist,  soweit  er  nicht  in 
der  Elektrode  oecludirt  wird,  offenbar  ebenso  frei  in  der  Flüssigkeit  zu  diffun- 
diren,  durch  Strömungen  in  derselben  fortgeführt  zu  werden,  beziehentlich 
sich  als  Gas  zu  entwickeln,  wie  die  bei  der  gewöhnlichen  Elektrolyse  ent- 
wickelten Gase.  Indem  er  in  die  Flüssigkeit  diffundirt,  wird  er  auch  wieder 
an  die  andere  Elektrode  gelangen  können,  um  wieder  der  elektrolytischen 
Convection  zu  verfallen  und  auf  diese  Weise  in  fortdauerndem  Kreislaufe 
einen  gewissen  Grad  elektrischer  Strömung  unterhalten  zu  können. 

„Ein  DANiELi/sches  Element  kann  also  in  einer  Wasserzersetzungszelle 
mit  Platinelektrode  nicht  bloss  dann,  wenn  die  Flüssigkeit  mit  Luft  in  Be- 
rührung ist,  einen  nie  aufhörenden  schwachen  Strom  unterhalten,  sondern 
auch  in  einem  vollkommen  abgeschlossenen  Gefässe;  wenn  dessen  Elek- 
troden mit  Sauerstoff  gesättigt  sind  und  seine  Flüssigkeit  Sauerstoff  aufgelöst 
enthält." 

Das  Gleiche  gilt  offenbar  auch  für  Wasserstoff.  Helmholtz  prüfte  die 
Richtigkeit  seiner  Ansichten  durch  die  Herstellung  eines  Voltameters  mit 
möglichst  gasfreier  Flüssigkeit;  dies  erreichte  er  entweder  durch  lange  fort- 
gesetztes Auspumpen  mit  der  Quecksilberluftpumpe,  oder  durch  elektro- 
lytischen  Verbrauch  des  im  Uberschuss  vorhandenen  Gases.  Ein  solches 
Voltameter  Hess  zwar  bei  Anbringung  einer  elektromotorischen  Kraft  einen 
Strom  erkennen,  dieser  blieb  aber  nicht  bestehen,  sondern  nahm  schnell  auf 
ein  unmessbares  Minimum  ab. 

„Wenn  nun  die  elektromotorische  Kraft  des  ÜANiELL'schen  Elements  in 
unserem  Falle  keine  sichtbare  Wasserzersetzung  zu  Stande  bringt,  so  bringt 
sie  doch  Polarisation  an  der  Elektrode  hervor,  und  diese  ist  selbst  ein 
Arbeitsäquivalent.  Denn  die  polarisirten  Platten  sind  nachher,  von  dem 
polarisirenden  Element  getrennt,  im  Stande,  selbständig  für  eine  gewisse 
Zeit  einen  elektrischen  Strom  hervorzubringen,  also  Wärme  im  Leitungs- 
draht zu  entwickeln,  beziehentlich  bei  passender  Anordnung  alle  anderen 
Formen  der  Arbeit  zu  leisten,  welche  galvanische  Ströme  leisten  können. 
Im  Zustande  der  Polarisation  haben  wir  es  offenbar  mit  einer  veränderten 
Anordnung  der  ponderablen  Atome  und  der  Elektricitäten  in  der  Zer- 
setzungszelle und  in  den  Elektroden  zu  thun,  über  deren  besondere  Be- 
schaffenheit wir  hier  keine  specielleren  Annahmen  zu  machen  oder  Ver- 
muthungen  aufzustellen  nöthig  haben,  so  lange  es  sich  nur  um  die  Berück- 
sichtigung der  Arbeitswerthe  handelt.  Der  Zustand  der  Polarisation  ist  zu 
betrachten   als    ein    neuer  Gleichgewichtszustand,    dem    die    Zersetzungszelle 


jq68  Achtzehntes  Kapitel. 


unter  dem  Einflüsse  der  Elektrisirung  der  Elektroden  zustrebt,  und  der,  wenn 
die  an  den  Elektroden  angehäufte  Elektricität  sich  entladen  kann,  wieder  in 
den  Zustand  elektrisch  neutralen  Gleichgewichts  zurückstrebt.  Da  aber  zur 
Herstellung  eines  Gleichgewichts  in  einem  begrenzten  System  von  Körpern, 
wie  die  Zersetzungszelle  ist,  immer  nur  ein  endlicher  Betrag  von  Arbeit 
nöthig  ist,  so  kann  die  Herstellung  der  Polarisation  immer  nur  einen  Strom 
von  endlicher  Dauer  geben,  oder  einen  solchen,  dessen  Intensität  sich  asym- 
ptotisch der  Null  nähert,  und  der  polarisirende  Strom  könnte  im  Ganzen 
nur  ebenso  viel  Elektricität  in  der  einen  Richtung  strömen  machen,  als  der 
depolarisirende  in  der  entgegengesetzten  Richtung. 

— m  „In  so  weit  dies  der  Fall  ist  —  und  meine  Versuche  zeigen,  dass  man 

I  in  gasfreien   Flüssigkeiten  und  bei  gasfreien  Elektroden   einem  solchen  Zu- 

stande wenigstens  sehr  nahe  kommen  kann  —  wirkt  die  Zersetzungszelle 
wie  ein  Condensator  von  sehr  grosser  Capacität.  In  der  That,  wenn  man 
nach  der  gewöhnlichen  Vorstellungsweise  negativ  geladenen  Sauerstoff  der 
einen  Elektrode,  positiv  geladenen  Wasserstoff  der  anderen  Elektrode  ge- 
I  nähert    denkt,    aber   so,    dass    der  Austausch   der  Elektricität    zwischen   der 

J       li^  Elektrode  und  den  genannten  Bestandteilen  des  Wassers  nicht  möglich  ist, 

i  s:>    wird   sich    auf  der  Elektrode   selbst   die  entsprechende  Menge    der  ent- 

gegengesetzten Elektricität  anhäufen  können,  und  jede  Elektrode  würde  dann 
t  mit  der  Flüssigkeit  einen  Condensator  von  verschwindend  kleiner  Dicke  der 

isolirenden  Schicht  und  eben  deshalb  von  ungeheurer  Capacität  bilden. 
Diese  Analogie  ist  neuerdings  von  den  Herren  Varley1  und  Maxwell*  be- 
tont worden. 

„In  der  That  entsprechen  die  Erscheinungen,  welche  bei  Einschaltung 
eines  polarisirbaren  Plattenpaares  in  einem  Stromkreis  entstehen,  in  ihren 
Hauptzügen  denen,  die  ein  Condensator  von  sehr  grosser  Capacität  dar- 
bieten würde.  Der  polarisirende  Strom  ist  der  Strom,  welcher  den  Conden- 
sator ladet,  der  depolarisirende  der,  welcher  ihn  entladet.  Man  muss  sich 
die  Capacität  des  Condensators  nur  so  gross  vorstellen,  dass  seine  Ladung 
und  Entladung  wahrnehmbare  Zeiträume,  Sekunden  oder  Minuten  in  An- 
spruch nimmt." 

Helmholtz  stellt  sich  nun  die  Frage,  ob  der  andauernde  Strom  in  einer 

gewöhnlichen    Zersetzungsstelle    mit    der    unvollständigen    Isolirfahigkeit   der 

Zwischenschicht  eines  schlechten  Condensators   in  Vergleich    zu    setzen   sei, 

I  so  dass  man  der  FARADAY'schen  Ansicht  gemäss  ihr  einen  Rest  metallischer 

j  Leistungsfähigkeit  im  Elektrolyt  zuschreiben  könnte,  doch  gelangt  er  zu  der 

'  Überzeugung,   dass   eine  solche  Annahme  nicht  erforderlich   ist,    indem    die 

ioben  dargelegten  Erscheinungen  der  elektrolytischen  Convection  vollständige 
Auskunft  über  die  thatsächlich  zu  beobachtenden  Erscheinungen  giebt. 

Die  vorstehend  wiedergegebene  Arbeit   ist  in   mehrfacher  Hinsicht  be- 


I 


1  Proceed.  Roy.  Society,   12.  Jan.   1871. 

*  A  Treatise  on  Electricity  and  Magnetism.     Oxford   1873.     h  Z22- 


Einzelne  Fortschritte  der  Elektrochemie  u.  s.  w.  IOÖQ 


merkenswerth.  Sie  ist  die  erste  einer  Reihe  von  überaus  wichtigen  Unter- 
suchungen, welche  Helmholtz  über  elektrochemische  Fragen  angestellt  hat, 
und  es  finden  sich  in  ihr  eine  ganze  Anzahl  von  Gedankenansätzen,  aus 
denen  sich  später  wichtige  Fortschritte  entwickelt  haben.  Aber  auch  das 
thatsächliche  und  Anschauungsmaterial,  welches  sie  bringt,  hat  einen  bedeuten- 
den Einfluss  auf  die  Entwickelung  der  hier  behandelten  Fragen  geübt,  und 
eine  strengere  Auflassung  der  Erscheinungen  eingeführt,  als  sie  bis  dahin 
erlangt  worden  war.  Wir  werden  in  der  Folge  vielfach  auf  die  hier  nieder- 
gelegten Gedanken  zurückzukommen  haben. 

Wie  sich  aus  diesen  Keimen  dann  die  richtige  Theorie  der  elektro- 
motorischen Kräfte  entwickelt  hat,  ist  bereits  (S.  999)  geschildert  worden; 
Helmholtz  ist  dann  zehn  Jahre  später  in  seiner  dritten  und  letzten  Abhand- 
lung über  die  Thermodynamik  chemischer  Vorgänge *  auf  die  Erscheinungen 
der  galvanischen  Polarisation  auf  Grundlage  der  Theorie  der  freien  Energie 
wieder  eingegangen,  und  er  zeigt  auch  auf  diesem  Gebiete,  wie  gross  die 
Aufklärung  ist,  die  man  durch  derartige  Betrachtungen  erlangen  kann. 

In  der  Einleitung  stellt  Helmholtz  das  Verhältniss  fest,  in  welchem  sich 
seine  Forschungen  mit  denen  von  Willard  Gibbs,  Braun  und  Anderen  be- 
finden, und  weist  auf  den  wesentlichen  Unterschied  hin,  welchen  die  Be- 
trachtung der  freien  Energie  im  Gegensatz  zu  der  früher  üblichen  Betrachtung 
der  gesammten  Energie  für  die  Elektrolyse  gerade  in  dem  bekanntesten 
Falle,  wo  Sauerstoff  *  und  Wasserstoff  entstehen,  ergiebt.  Die  freie  Energie 
ist  vom  Druck  und  der  Gassättigung  in  hohem  Maasse  abhängig,  die  Wärme- 
entwickelung fast  gar  nicht.  Demgemäss  ist  auch  die  elektromotorische 
Kraft  der  Polarisation  nicht,  wie  ältere  irrthümliche  Theorieen  voraussetzen 
Hessen,  nahezu  unabhängig  von  jenen  Grössen,  sondern  in  weitestem  Umfange 
abhängig,  wie  dies  auch  die  Erfahrung  gezeigt  hat.  Helmholtz  fasst  seine 
Vorstellungen  über  den  Vorgang  der  Elektrolyse  folgendermaassen  zusammen: 

„Die  Grundvorstellungen,  von  denen  ich  immer  ausgegangen  bin,  und 
die  ich  festhalte,  sind  das  Gesetz  von  der  Constanz  der  Energie  und  die 
strenge  Gültigkeit  von  Faraday's  elektrolytischem  Gesetz.  Letzterem  ent- 
sprechend halte  ich  die  Voraussetzung  fest,  dass  Elektricität  der  Flüssigkeit 
an  die  Elektroden  nur  unter  äquivalenter  chemischer  Zersetzung  übergehen 
kann,  und  dass  dieser  Übergang  nicht  stattfinden  kann,  vielmehr  die  Grenz- 
fläche wie  eine  vollkommen  isolirende  Zwischenschicht  wirkt,  wenn  die  zur 
Zerlegung  der  chemischen  Verbindungen  nöthige  Arbeit  nicht  durch  die 
vorhandenen  elektrischen  Kräfte  geleistet  werden  kann. 

„Wenn  in  einem  Voltameter  die  beiden  Elektroden  elektrisch  geladen 
werden  und  verschiedenes  Potential  erhalten,  so  werden  zunächst,  dem  Ab- 
fall des  Potentials  entsprechend,  elektrische  Kräfte  im  Inneren  der  Flüssig- 
keit wirksam,  welche  +£  gegen  die  Kathode,  —E  gegen  die  Anode  treiben. 
Diese  Bewegung  der  Elektricität  geschieht,  wie  wir  wissen,  niemals  ohne  die 


1  Sitzungsber.  der  Berl.  Akad.  31.  Mai   1883.  —  Ges.  Abb.  III,  92. 


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1™ 


1070  Achtzehntes  Kapitel.  I 

Bewegung  der  Ionen  der  Elektrolyten,  an  denen  die  bewegte  +£  und -£ 
haftet.  Es  geht  also  positiv  geladener  Wasserstoff  ff+  ff—;  zur  negativ 
geladenen  Kathode,  und  negativ  geladener  Sauerstoff  [—  O— )  an  die  positiv 
geladene  Anode.1  Wenn  es  nachher  zur  Entwickelung  der  Gase  kommt, 
so  sind  die  ausgeschiedenen  Gase  elektrisch  neutral.  Also  muss  nach  deai 
consequent  durchgeführten  Prinzip  des  FARADAir'schen  Gesetzes  der  ent- 
wickelte Wasserstoff  (ff+  .ff—)  sein  und  den  frei  gewordenen  Sauerstoff 
entweder  {—0—.+0+)  oder  '  —  0+).  Da  die  Molekeln  des  entwickelten 
Sauerstoffs  aus  zwei  oder  (Ozon)  drei  Atomen  bestehen,  so  halte  ich  die 
erste  Form  wahrscheinlicher;  Ozon  würde  sein;  (—  Ö — .  +0—  .  +0+  . 

„Die  hierbei  entstandene  Ansammlung  von  (//+)  an  der  negativ  ge- 
ladenen Kathode  und  von  {—O—)  an  der  positiv  geladenen  Anode  ergiebt 
zunächst  die  condensatorischen  Ströme  zu  den  sich  polarisirenden  Elek- 
troden. Bei  diesen  verhalten  sich  die  beiden  Elektrodenflächen  wie  zwei 
Condensatorflächen  von  colossaler  Capacitat,  letztere  bedingt  durch  den 
ausserordentlich  geringen,  nur  molekularen  Abstand  der  entgegengesetzt  ge- 
ladenen beiden  Schichten.  Verbindet  man  die  beiden  Elektroden  nach  Aus- 
schaltung der  Batterie  durch  einen  einfachen  Leitungsdraht,  so  entladen  sieb 
die  beiden  Condensatoren  wieder,  und  geben  den  depolarischen  Strom. 
Der  hierbei  stattfindenden  Electricitätsbewegung,  welche  die  Grenzen  des 
flüssigen  Leiters  nicht  überschreitet,  scheinen  die  chemischen  Kräfte  inner- 
halb der  Flüssigkeit  gar  keinen  Widerstand  entgegenzusetzen,  da  unter  dem 
Einflüsse  verteilender  Kräfte  sich  elektrolytische  Leiter  ebenso  vollständig 
in  elektrostatisches  Gleichgewicht  setzen,  wie  metallische.  Das  zeigt  bis  m 
einem  hohen  Grade  von  Genauigkeit  Sir  William  Thomson  water  dropping 
collector,  in  dem  die  schwächsten  elektrostatischen  Kräfte  die  Oberfläche  der 
sich  lösenden  Wassertropfen  bis  zum  vollkommensten  elektrostatischen  Gleich- 
gewicht zu  laden  im  Stande  sind.  Ich  selbst  habe  in  möglichst  luftleer  ge- 
machten Zersetzungszellen  die  bei  sehr  geringen  elektromotorischen  Kräften 
leicht  zu  constatirende  Proportionalität  zwischen  elektromotorischer  Kraft  und 
Grösse  der  condensatorischen  Ladung  bis  hinab  zu  0,0001  Daniell  verfolgen 
können.  Dagegen  ist  der  Übergang  der  Elektricität  von  den  geladenen 
Ionen  der  Grenzschicht  an  das  Metall  offenbar  dem  Widerstände  der  chemi- 
schen Kräfte  unterworfen.  Erst  die  elektrische  Entladung  der  Ionen  löst 
definitiv  die  chemische  Verbindung.  Solange  sie  noch  nicht  entladen  sind, 
können  sie  noch  aus  der  Ansammlung  an  den  Grenzschichten  bei  langsamer 
Schwächung  der  sie  festhaltenden  elektrischen  Anziehungskraft  ohne  in  Be- 

1  Helmholt?,  setzt  hier  die  Wasserstoffionen ,  der  Formel  des  freien  Wasserstoffes  ent- 
sprechend, als  aus  zwei  Atomen  bestehend  voraus.  Gegenwärtig  wissen  wir,  dass  Wasserstoff- 
ionen  die  halbe  Molekulargrüssc  des  gasförmigen  Wasserstoffes  haben.  Ebenso  ist  das  andere 
Ion  des  Wassers  nicht  zweiwerthiger  Sauerstoff,  sondern  das  einwerthige  Hydroa  vi  OH.  In 
solchem  Sinne  wäre  also  der  Text  zu  andern,  um  ihn  mit  den  iniwischen  erlangten  Kenntnissen 
im  Einklang  zu  halten.  Das  Wesentliche  der  Darlegungen  wird  durch  diese  Umstände  nur  in 
geringem  Grade  berührt. 


Einzelne  Fortschritte  der  Elektrochemie  u.  s.  w. 


IO7 1 


acht  kommende  Wärmeentwickelung  in  ihre  frühere  Verbindung  zurück- 
*hren.  Dies  fuhrt  zum  Schluss,  dass  der  mächtigste  und  wesentlichste 
heil  der  chemischen  Kräfte,  der  namentlich  die  eigentlich  typischen  Ver- 
ladungen zusammenhält,  in  der  verschiedenen  Anziehung  der  elementaren 
ubstanzen  gegen  die  beiden  Elektricitäten  begründet  ist.  Faraday^s  Gesetz 
wingt  dabei  zu  der  Annahme,  dass  jede  Valenzstelle  jedes  Elements  immer 
lit  einem  ganzen  Äquivalent,  sei  es  positiver  sei  es  negativer  Elektricität 
eladen  sei,  und  dass  die  Grösse  dieser  elektrischen  Äquivalente  ebenso  un- 
bhängig  von  dem  Stoffe  ist,  mit  welchem  sie  sich  verbinden,  wie  die  Atom- 
ewichte der  einzelnen  chemischen  Elemente  unabhängig  sind  von  den  Ver- 
indungen,  die  sie  eingehen,  gerade  so,  als  wäre  die  Elektricität  selbst  in 
itome  getheilt. 

„Dass  die  elektrischen  Kräfte,  die  hierbei  in  Betracht  kommen,  durch- 
us  nicht  zu  klein  sind,  um  die  grossen  bei  den  chemischen  Scheidungen 
md  Wiedervereinigungen  auftretenden  Arbeitsbeträge  zu  leisten,  ergiebt  sich, 
irenn  man  die  colossale  Grösse  der  bei  diesen  Processen  ausgetauschten 
lektrischen  Äquivalente  berücksichtigt.  Meine  in  der  FARADAY^schen  Lec- 
ure  veröffentlichte  Berechnung  ergiebt,  dass  wenn  das  an  den  Atomen  von 
mg  Wasserstoff  haftende  +E  auf  eine  Kugel,  dass  —  E  auf  eine  andere, 
jin  Kilometer  entfernte  ohne  Verlust  übertragen  werden  könnte,  beide  Ku- 
geln sich  mit  dieser  Kraft  anziehen  würden,  welche  der  Schwere  von 
02180  kg  gleich  sein  müsste.  Eben  wegen  der  colossalen  Grösse  dieser 
^adungen  der  Atome  sind  auch  die  verhältnissmässig  schwachen  Anziehungs- 
:räfte,  welche  ein  oder  zwei  DANiELi/sche  Elemente  in  einer  elektrolytischen 
Flüssigkeit  hervorbringen,  verhältnissmässig  so  grosser  Leistungen  fähig. 
Schwach  sind  diese  Kräfte  nur  den  kleinen  Mengen  freier  Elektricität  gegen- 
iber,  welche  durch  unsere  Elektrisirmaschinen  geliefert  werden. 

„Die  für  die  Herstellung  des  elektrischen  Gleichgewichts  nöthige  Aus- 
)ildung  der  elektrischen  Doppelschichten  erklärt  einen  grossen  und  wesent- 
ichen  Theil  der  Vorgänge  bei  der  Polarisation,  nämlich  die  starken  An- 
angsströme  bei  Ladung  und  Entladung  der  Elektroden.  Erheblich  ver- 
ängert  werden  können  diese  Ströme,  wenn  gleichzeitig  Occlusion  eines  oder 
>eider  Gase  im  Metall  der  Elektroden  vorkommt.  Aber  keiner  dieser  Pro- 
:esse  erklärt  die  unbegrenzte  Dauer  der  Ströme  bei  schwächeren  elektro- 
notorischen  Kräften." 

Die  nun  folgenden  Auseinandersetzungen  über  die  Erscheinungen  der 
"onvection  stimmen  im  Wesentlichen  mit  den  bereits  früher  erwähnten 
S.  1066)  Darlegungen  überein,  so  dass  sie  hier  übergangen  werden  können. 

Ebenso  ist  hier  nicht  auf  die  Rechnungen  einzugehen,  durch  welche 
-Ielmholtz  die  freie  Energie  des  Knallgases  bestimmt.  Es  ergiebt  sich,  dass 
liese  mit  dem  Logarithmus  des  Volums  der  Gase  veränderlich  ist  (ähnlich 
vie  bei  den  Concentrationsketten,  S.  1005),  und  somit  alle  Werthe  zwischen 
^ull  und  Unendlich  annehmen  kann.  Das  Gleiche  gilt  für  die  entsprechen- 
len    elektromotorischen    Kräfte.     Auch    die  Berücksichtigung   der  Lösungs- 


[072  Achtzehntes  Kapitel. 

erscheinungen  fuhrt  zii  ähnlichen  Betrachtungen.  Endlich  erfährt  ein  weitem 
Umstand  Berücksichtigung,  der  bis  dahin  nicht  in  Betracht  gezogen  war, 
nämlich  die  Bildung  der  Gasblasen. 

Wenn  eine  Gasblase  in  einer  Flüssigkeit  vorhanden  ist,  so  hat  das  ein- 
geschlossene Gas  nicht  nur  den  hydrostatischen  Druck,  welcher  der  Tiefe 
der  Blase  unter  der  Flüssigkeitsoberfläche  entspricht,  sondern  dazu  einen 
weiteren  Druck,  welcher  dadurch  entsteht,  dass  sich  die  Oberfläche  der  Blase 
in  Folge  der  CapiLlarkraft  zu  verkleinern  strebt.  Dieser  Druck  ist  um  sc 
grösser,  je  kleiner  die  Blase  ist,  und  zwar  nimmt  er  umgekehrt  proportiona 
dem  Radius  der  Blase  zu,  erlangt  also  für  die  kleinsten  Blasen  die  grösstei 
Werthe.  Wenn  daher  in  der  Flüssigkeit  noch  keine  Blase  vorhanden  ist,  st 
ist  für  die  Entstehung  einer  solchen  ein  sehr  viel  grösserer  Druck  zu  über- 
winden, als  für  die  Vergrösserung  einer  bereits  vorhandenen  Blase,  und  darauf 
ergiebt  sich  ein  sehr  bedeutender  Widerstand  gegen  die  erste  Ausscheidung 
gasförmiger  Zersetzungsprodukte  bei  der  Elektrolyse,  welcher  in  einer  ent- 
sprechenden Vergrösserung  der  Polarisation  seinen  Ausdruck  findet.  „Dk 
elektrolytischen  Gase  zeigen  ein  entsprechendes  Verhalten.  Man  muss  an- 
fangs eine  grössere  elektromotorische  Kraft  gebrauchen,  um  die  ersten  Blasen 
zu  erhalten,  ab  nachher  nöthig  ist,  um  die  Entwickelung  zu  unterhalten 
Wenn  diese  begonnen  ist,  kann  man  in  kleineren  Schritten  zu  schwächeren 
Kräften  absteigen.  Dann  steigen  die  Blasen  schliesslich  nur  noch  von  einer 
oder  einigen  Stellen  des  Drahtes  auf.  Unterbricht  man  die  Entwickelung 
auch  nur  auf  wenige  Minuten  durch  zu  grosse  oder  zu  schnelle  Abschwächung 
der  elektromotorischen  Kraft,  so  muss  man  von  neuem  eine  viel  grössere 
Kraft  zur  Einleitung  eines  neuen  Blasenstromes  einführen.  Offenbar  hat  sich 
dann  die  Rissstelle  zwischen  Flüssigkeit  und  Elektrode  geschlossen  und  muss 
neu  gebildet  werden. 

„Es  kann  daher  der  Anfang  der  Blasenbildung  von   vielen  kleinen  Zu- 
fälligkeiten an   der  Oberfläche   der  Elektroden  abhängen.     Platinirtes  Platin 
bildet  leichter  Blasen  als  glattes. 
!  uAuf  die  elektromotorische  Gegenkraft  des  Voltameters,  d.  h.  auf  die 

Grösse,  die  man  als  Stärke  der  Polarisation  zu  bezeichnen  pflegt,   muss  die 
i  Gasentwickdung  einen  wesentlichen  Einfluss  haben  insofern,  als  die  chemisch» 

Arbeit  nach  dem  oben  gegebenen  Theorem  von  der  Gasbeladung  der  letzter 
Flüssigkeitsschichten  abhängt  und   diese   durch    die  Entwickelung  der  Gas 
r  I        t  blasen   herabgesetzt  wird.     Darin    könnte   auch  die   Erklärung  für  die   ver 

r  1         ,  schiedene    elektromotorische   Kraft    der    galvanischen    Elemente     mit    eine 

[   |         .  Flüssigkeit  liegen,  in  denen  sich  Wasserstoff  an  verschiedenen  Metallen  ent 

wickelt.  Wo  die  Blasen  sich  schwer  bilden,  wird  der  Wasserstoff  sich  ii 
einer  mit  diesem  Gase  stärker  gesättigten  Flüssigkeit  ausscheiden  müssen 
war  mehr  freie  Energie  verlangt.  Dies  könnte  an  den  unedlen  Metallen  in 
Gegensatz  zum  Platin  der  Fall  sein  und  ihr  abweichendes  Verhalten  erklären 
Diese  Umstände  erschweren  nun  auch  in  hohem  Grade  die  Messung  dei 
elektromotorischen  Kräfte,  welche  im  gegebenen  Falle  nöthig  sind,  um  eint 


U" 


Einzelne  Fortschritte  der  Elektrochemie  u.  s.  w.  1073 


ndauernde  Gasentwickelung  einzuleiten,  und  zwar  ist  das  Hinderniss  für  die 
Blasenbildung  verhältnissmassig  grösser  in  den  Fällen,  wo  die  Flüssigkeit 
geringere  Gasmengen  enthält,  weil  aus  diesen  schwerer  an  einem  gegebenen 
*unkte  diejenige  Gasmenge  zu  sammeln  sein  wird,  welche  nöthig  ist,  um 
len  bei  gleicher  Grösse  der  Gasblasen  gleichbleibenden  capillaren  Druck  der 
:apillaren  Fläche  das  Gleichgewicht  zu  halten.  Hierzu  wird  bei  gleich  grossen 
Blasen  immer  dieselbe  Menge  Gas  herbeigeschafft  werden  müssen,  während 
lie  Menge,  welche  den  Druck  der  über  der  Flüssigkeit  stehenden  Atmo- 
phäre  trägt,  diesem  Drucke  proportional  ist,  so  dass  in  demselben  Maasse 
nehr  Gas  zur  Füllung  der  Blase  verlangt  wird,  als  die  Flüssigkeit  mehr 
lavon  enthält."1 

7.  Oxydations-  und  Reduktionsketten.  Schon  wiederholt  ist  betont 
vorden,  dass  der  Grund,  weshalb  die  chemische  Theorie  der  VoLTA'schen 
Cetten  nicht  längst  den  Sieg  über  die  Contacttheorie  erfochten  hat,  zu  einem 
grossen  Theile  in  der  ungenügenden  Beantwortung  der  Frage  liegt,  wie  ein 
:hemischer  Vorgang   beschaffen   sein    müsse,   damit  er  elektrisch 


1  An  dieser  Stelle  möge  die  Veröffentlichung  einer  Reihe  von  schnell  auf  einander 
Agenden  Publicationen  erwähnt  werden,  welche  im  Jahre  1878  begännen  und  in  ungewöhn- 
ichem  Maasse  das  Interesse  der  betheiligten  Forscher  erregten.  Es  wurden  darin  die  von 
►E  la  Rive  aufgestellten  Ansichten  der  radikalen  chemischen  Theorie  unter  Zuziehung  der  Helm- 
roLTZ-THOMSON'schen  Meinung  von  der  Proportionalität  zwischen  Wärmetönung  und  elektro- 
lotorischer  Kraft  vertreten.  Der  Verfasser  derselben,  Franz  Exner,  brachte  ein  grosses  Zahlen- 
laterial  bei,  welches  überall  auf  das  Beste  zu  den  Ansichten  passte,  die  dadurch  bewiesen 
rerden  sollten.  Bei  der  alsbald  von  verschiedenen  Seiten  vorgenommenen  Prüfung  dieses  Ma- 
?rials  ergaben  sich  allerdings  fast  unglaubliche  Resultate.  Fast  nirgends  konnten  die  mitgetheilten 
Wahlen  bestätigt  werden;  ja  es  wurden  Fälle  nachgewiesen,  in  denen  die  zu  erwartenden  Zahlen 
rrthümlich  berechnet  worden  waren,  und  wo  dennoch  die  Beobachtungen  mit  den  Berechnungen 
uf  das  Beste  übereinstimmten. 

So  ist  denn  von  diesen  Arbeiten  trotz  der  mit  grosser  Ausdauer  geführten  Verteidigung 
lerselben  durch  ihren  Verfasser  nichts  in  den  Bestand  der  Wissenschaft  übergegangen;  auch 
ind  die  Ansichten,  die  ihnen  zu  Grunde  lagen,  soweit  sie  neu  waren,  als  irrthümlich  erwiesen 
vorden  und  haben  keinen  weiteren  Anklang  gefunden.  Nur  wegen  der  grossen  Breite,  welche 
liese  Angelegenheit  in  der  elektrochemischen  Litteratur  eingenommen  hat,  ist  hier  ihre  geschicht- 
iche  Erwähnung  nöthig  gewesen;  das  nachstehende  Litteraturvcrzeichniss  wird  dem  Leser,  der 
ich  für  diese  Episode  aus  irgend  einem  Grunde  intercssirt,  es  leicht  machen,  die  Belege  für 
lie  angegebenen  Verhältnisse  zu  prüfen. 

Exner,  Sitzungsber.  Wien.  Akad.  77,  Febr.  1878;  Wied.  Ann.  6,  388.  1878.  —  Der- 
elbe,  Sitzungsber.  77,  Mai  1878;  Wied.  Ann.  6,  336.  1879.  —  Derselbe,  Sitzungsber.  79, 
uli  1878;  Wied.  Ann.  6,  353.  1879.  —  Derselbe,  Sitzungsber.  80,  Juli  1879;  Wied.  Ann. 
),  591.  1880.  —  Derselbe,  Sitzungsber.  80,  Dec.  1879;  Wied.  Ann.  10,  265.  1880.  — 
Seetz,  Wied.  Ann.  10,  348.  1880.  —  Exner,  Sitzungsber.  81,  Mai  und  Juli  1880;  Wied. 
Vnn.  11,  1034  und  1036.  1880.  —  Derselbe,  Sitzungsber.  82,  Nov.  1880;  Wied.  Ann.  12, 
»30.  1881.  —  Beetz,  Wied.' Ann.  12,  290.  1881.  —  Schultze-Berge,  Wied.  Ann.  12, 
^07  und  319.  1881.  —  Julius,  Wied.  Ann.  13,  276.  1881.  —  Hallock,  Wied.  Ann.  16, 
;6  und  82.  1882.  —  Exner,  Sitzungsber.  84,  Juli  1881;  Wied.  Ann.  15,  412.  1881.  — 
Derselbe,  Sitzungsber.  86,  551.  1882.  —  Uijanin,  Wied.  Ann.  30,  699.  1887.  —  Exner, 
sitzungsber.  95,  März  1887;  Wied.  Ann.  32,  53.  1887.  —  Hallwachs,  Wied.  Ann.  32, 
>4.  1887  u.  s.  w. 

Ostwald,   Elektrochemie.  °8 


II 


Achtzehntes   Kapitel. 


} 


II 


1 


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1 

4  — i 


ii 


"I074 

wirksam  wird.  Es  muss  zugestanden  werden,  dass  erst  in  jüngster  Zeit 
die  hier  zu  erfüllende  Bedingung  in  das  allgemeinere  Bewusstsein  überzu- 
gehen begonnen  hat,  und  bis  auf  den  heutigen  Tag  findet  sich  in  den 
wenigsten  Lehrbüchern  eine  klare  Auseinandersetzung  dieser  Bedingung,  ja 
kaum  jemals  die  Aufstellung  der  Frage  überhaupt. 

Es  ist  dies  um  so  auffallender,  als  die  Frage  bereits  in  den  Anfangs- 
zeiten der  Elektrochemie  richtig  gestellt  und  richtig  beantwortet  worden  ist; 
freilich  haben  die  Arbeiten,  in  denen  sich  Frage  und  Antwort  findet,  kaum 
irgend  welche  Beachtung  gefunden.  Der  Grund  hierfür  ist  wie  schon  mehr- 
fach in  ähnlichen  Fällen  darin  zu  suchen,  dass  die  vorgetragenen  richtigen 
Ansichten  sich  nur  schwer  mit  den  üblichen  chemischen  Vorstellungen  ver- 
einigen Hessen;  und  an  den  letzteren  zu  zweifeln,  wagte  bis  vor  kurzer  Zeil 
kaum  einer. 

Der  hier  zu  erörternde  Punkt  ist  bereits  mehrfach  berührt  worden;  es 
handelt  sich  um  die  schon  von  Ritter  gefundene  Erkenntniss,  dass  nur 
solche  chemische  Vorgänge  elektrisch  wirksam  sind,  welche  sich 
in  zwei  Theile  zerlegen  lassen,  die  zwar  gleichzeitig,  aber  örtlich 
getrennt,  an  den  beiden  Elektroden  verlaufen.  Das  ÜANiELi/sche 
Element  bietet  hierfür  das  beste  Beispiel  dar.  Sein  chemischer  Vorgang 
besteht  in  der  Fällung  einer  Kupfersulfatlösung  durch  metallisches  Zink,  eine 
Reaktion,  die  sofort  eintritt,  sowie  man  die  beiden  Stoffe  mit  einander  in 
Berührung  bringt.  In  der  DANiELi/schen  Kette  finden  die  beiden  Theile, 
aus  denen  der  Vorgang  besteht,  gleichzeitig  aber  von  einander  getrennt 
statt;  das  metallische  Zink  wird  an  der  Anode  aufgelöst,  und  gleichzeitig 
das  Kupfersulfat  an  der  Kathode  zersetzt.  Durch  die  räumliche  Trennung 
der  beiden  reagirenden  Stoffe  wird  bewirkt,  dass  die  Reaktion  nur  in  dem 
Maasse  stattfinden  kann,  als  sich  die  entgegengesetzten  Elektricitäten  an 
den  beiden  Metallen  ausgleichen  können,  und  diese  Elektricitätsbewegung  ist 
nach  dem  FARADAY^schen  Gesetz  dem  Betrage  des  gleichzeitigen  chemischen 
Vorganges  proportional.  Daraus  ergiebt  sich  ein  anderer  Ausdruck  der 
gleichen  Erkenntniss:  elektrisch  wirksam  sind  nur  die  Vorgange  in  der 
Kette,  die  dem  Farad AY'schen  Gesetz  gemäss  erfolgen;  alle  Vorgänge,  für 
welche  die  Bedingungen  örtlich  zusammen  vorhanden  sind,  finden  ohne 
Beziehung  auf  dies  Gesetz  statt,  und  kommen  daher  elektrisch  nicht  in 
Betracht.  Endlich  kann  man  überlegen,  um  diese  wichtige  Sache  von 
allen  Seiten  anzuschauen,  dass  dem  Farad AY'schen  Gesetz  nur  solche  Vor- 
gänge unterliegen,  bei  denen  die  Ionen  des  vorhandenen  Elektrolyts  be- 
theiligt sind;  alle  elektrochemisch  wirksamen  Reaktionen  müssen  sonach 
Ionenreaktionen  sein. 

Diese  weiteren  Gesichtspunkte  sind,  wie  bemerkt,  erst  spät  allgemein  ver- 
standen, wenn  auch  schon  früh  ausdrücklich  ausgesprochen  worden.  Der 
Forscher,  bei  welchem  ich  sie  zuerst  in  genügender  Gestalt  angetroffen  habe,  ist 
ein  sonst  nicht  weiter  bekannt  gewordener  Engländer,  namens  R.  Arrott,  über 
welchen  selbst  Poggendorff's  biographisches  Handwörterbuch  nichts  bringt. 


Einzelne  Fortschritte  der  Elektrochemie  u.  s.  w.  1075 


Seine  Arbeit1  bezieht  sich  auf  Ketten  aus  einem  Metall  und  zwei  Flüssig- 
keiten, einer  reducirenden  und  einer  oxydirenden,  wie  sie  schon  von  Davy 
(S.  157)  gebaut  worden  waren;  ihre  Wirkungen  schliesst  er  an  die  Erschei- 
nungen der  Polarisation  an.  Seine  in  mancher  Beziehung  bemerkenswerthe 
Abhandlung  hat  allerdings  zu  ihrer  Zeit  keine  Beachtung  gefunden,  und  erst 
in  der  neuesten  Zeit  ist  der  hier  gebahnte  Weg  wieder  begangen  worden. 

„Nachdem  ich  seit  einiger  Zeit  mit  der  Untersuchung  einiger  bemerkens- 
werther  VoLTA'scher  Wirkungen  beschäftigt  gewesen  bin,  die  in  bisher  noch 
nicht  beobachteten  oder  wenigstens  nicht  ihrer  Wichtigkeit  entsprechend 
bearbeiteten  Fällen  eintreten,  sehe  ich  mich  veranlasst,  die  Ergebnisse  meiner 
Untersuchungen  mitzutheilen. 

„Es  ist  eine  Thatsache,  welche  jedem  bekannt  ist,  der  die  Erscheinungen 
bei  der  chemischen  Zersetzung  durch  Elektricität  sorgfältig  beobachtet  hat, 
dass  die  in  der  zersetzten  Flüssigkeit  befindlichen  Elektroden  die  Eigenschaft 
annehmen,  einen  Strom  in  der  entgegengesetzten  Richtung  hervorzubringen, 
wenn  sie  mit  einander  verbunden  werden,  ohne  dass  sie  aus  der  Flüssig- 
keit entfernt  worden  sind.  ... 

„Ich  habe  beobachtet,  dass  ein  Strom  in  vielen  Fällen  hervorgebracht 
wird,  wo  aus  der  Natur  der  angewandten  Flüssigkeiten  die  Entstehung  des 
Stromes  weder  auf  die  Neutralisation  von  Säure  und  Alkali,  noch  auf  die 
Wirkung  der  Flüssigkeiten  auf  die  angewandten  Metalle  zurückgeführt  werden 
kann.  So  fand  ich,  dass  die  Lösungen  von  Ferro-  und  Ferrisalzen  einen 
Strom  hervorbringen,  wenn  sie  mit  einander  in  Berührung  gebracht  und 
durch  Platin  verbunden  werden;  das  Ferrisalz  wird  reducirt  und  das  Ferro- 
salz  oxydirt. 

„Der  Strom  schien  in  diesem  Falle  von  der  Oxydation  und  Reduktion 
der  Flüssigkeiten  mit  Hülfe  der  Elemente  des  Wassers,  das  zersetzt  wurde, 
herzurühren,  und  es  erschien  wahrscheinlich,  dass  bei  der  Anwendung  von 
Stoffen,  welche  eine  grössere  Anziehung  zu  Sauerstoff  und  Wasserstoff  be- 
sitzen, auch  grössere  Wirkungen  beobachtet  werden  könnten.  Von  diesem 
Gesichtspunkte  aus  versuchte  ich  Lösungen  von  Chlor  und  fand  die  Wirkung 
bedeutend  verstärkt.  Alsdann  versuchte  ich  es  mit  einer  Lösung  von  Jod  in 
Wasser  und  in  einer  Lösung  von  Jodkalium;  die  Wirkung  war  sehr  schwach, 
und  dies  ist  genau,  was  zu  erwarten  war,  denn  Jod  hat  fast  eine  gleiche 
Tendenz,  sich  mit  Sauerstoff  wie  mit  Wasserstoff  zu  verbinden,  wie  aus  der 
Art  hervorgeht,  in  welcher  es  das  Wasser  zersetzt.  Zu  der  Zeit,  wo  ich 
diese  Versuche  machte,  wusste  ich  nicht,  dass  Schönbein  mittelst  Chlor  einen 
Strom  erhalten  hatte. 

„Wir  haben  eine  äusserst  einfache  und  hübsche  Veranschaulich ung 
dieser  Wirkungen  in  dem  Falle  der  Eisensalze.  Werden  zwei  Röhren  an 
einem  Ende  mit  Gyps  verschlossen,  und  füllt  man  die  eine  mit  Ferro-,  die 
andere  mit  Ferrisulfat,  und  setzt  beide  in  ein  Gefäss  mit  verdünnter  Schwefel- 


1  Philos.  Mag.  22,  427.   1843.     Vorgelegt  der  Chem.  Soc.  am   15.  Nov.    1842. 

AK* 


1076 


Achtzehntes  Kapitel. 


11 


1 


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\ 


säure,  so  bemerkt  man  keine  Änderung,  wenn  man  rothes  Blutlaugensah 
zu  dem  Ferrisalz,  und  Schwefelcyankalium  zu  dem  Ferrosalz  fügt;  werdet 
aber  die  beiden  Lösungen  durch  einen  Platinstreifen  verbunden,  so  tretei 
augenblicklich  Zeichen  von  Oxydation  in  der  einen,  von  Reduktion  in  de 
anderen  auf.  Auch  habe  ich  einen  Apparat  in  der  Form  einer  Batterii 
erbaut,  welcher  gleichzeitig  die  fragliche  Wirkung  erläutert  und  als  eine  be 
queme  und  sparsame  Vorrichtung  zur  Anstellung  der  gewöhnlichen  galva 
nischen  Versuche  dienen  kann.  Sie  besteht  aus  sechs  kleinen  cylindrischei 
Gefässen,  in  welchen  Röhren  aus  gebranntem  Thon  befestigt  sind.  Klein 
Cylinder  von  Platinblech,  0,6  Zoll  breit  und  1,5  Zoll  lang,  stehen  in  de: 
porösen  Röhren,  und  ausserhalb  derselben  breitere  Cylinder  von  1,8  Zo 
Durchmesser  und  1,5  Zoll  Höhe.  Das  Ganze  war  als  Kette  verbunder 
indem  der  äussere  Cylinder  des  ersten  Gefässes  mit  dem  inneren  des  zwei 
ten  u.  s.  f.  verbunden  war;  die  poröse  Röhre  wurde  dann  mit  starker  Sal 
petersäure  und  das  Gefäss  mit  einer  Lösung  von  Schwefelkalium  gefiilli 
Diese  Anordnung  entspricht  vollkommen  der  DANiELi/schen  Kette,  nur  das 
die  metallischen  Flächen  ausschliesslich  aus  Platin  bestanden. 

„Mit  einem  Apparat  von  obenstehenden  Abmessungen  habe  ich  in 
Voltameter  0,5  Kubikzoll  der  gemischten  Gase  in  der  Minute  erhalten,  un< 
die  Wirkung  blieb  während  mehrerer  Stunden  unter  geringer  Abnahme  be 
ständig. 

„Ich  finde,  dass  die  Stoffe,  welche  unter  ähnlichen  Umständen  einei 
Strom  hervorbringen,  sehr  zahlreich  sind;  z.  B.  die  Oxyd-  und  die  Oxydul 
salze  des  Eisens,  Zinns  und  Mangans,  alkalische  Sulfide,  Hyposulfite,  Hypo 
phosphite  oder  eine  Wasserstoffsäure  auf  der  einen  Seite,  und  Chlor  odei 
Salpeter-  oder  Chromsäure  auf  der  anderen. 

„Die  Stärke  der  Wirkung  ist  übrigens  bei  den  verschiedenen  Zusammen 
Stellungen  sehr  verschieden;  so  ist  sie  mit  Eisensalzen  sehr  gering,  wahrem 
mit  Chlor  oder  Salpetersäure  und  einem  Alkalisulfid  eine  solche  Starb 
hervorgebracht  wird,  dass  die  Wirkung  eines  einzigen  Paares  genügt,  Wasse 
zu  zersetzen. 

„Man  bemerkt,  dass  jede  Zusammenstellung  aus  einem  oxydirendei 
und  einem  reducirenden  Stoffe  besteht,  und  die  eintretende  Änderung  is 
in  allen  die  gleiche:  der  oxydirende  Stoff  wird  reducirt,  und  der  reducirend 
oxydirt. 

„Benutzen  wir  einen  Stoff,  z.  B.  Chlor  allein,  so  findet  das  entsprechend 
Element  des  Wassers  nichts,  womit  es  sich  verbinden  kann,  und  wird  abge 
schieden;  in  diesem  Falle  ist  aber  die  Intensität  der  Wirkung  sehr  vermindeii 

„Die  Art,  in  welcher  die  Versuche  ausgeführt  wurden,  ist  sehr  einfad 
Ein  kleines  Gefäss  aus  gebranntem  Thon  war  innerhalb  eines  Weinglase 
befestigt;  die  beiden  Flüssigkeiten  wurden  dann  in  dies  Gefäss  und  da 
Weinglas  gegossen,  bis  sie  in  gleicher  Höhe  standen;  auf  diese  Weise  warei 
sie  in  freier  Berührung,  während  ihre  wirkliche  Mischung  nur  sehr  langsan 
vor  sich  ging;  dann  wurden  Metallplatten,  die  in  allen  Fällen  aus  Platin  be 


Einzelne  Fortschritte  der  Elektrochemie  u.  s.  w.  1077 


standen,  in  die  Flüssigkeiten  getaucht;  sie  waren  vorher  sorgfältig  mit  Sal- 
petersäure und  Kali  gereinigt  und  mit  Wasser  gewaschen. 

„Ich  will  nun  die  Schlüsse  auseinandersetzen,  zu  denen  ich  bezüglich 
der  Gesetze  gelangt  bin,  welche  die  Wirkung  der  gewöhnlichen  Voi/rVschen 
Batterie,  sowie  die  in  den  oben  beschriebenen  Anordnungen  regeln. 

„Ich  finde  diese  in  vollkommener  Übereinstimmung  mit  denen  der  ge- 
wöhnlichen mechanischen  Kräfte,  nämlich  dass  Wirkung  und  Gegenwirkung 
einander  gleich  und  entgegengesetzt  sind.  Wenn  ein  Metall  aus  seiner  Lö- 
sung reducirt  wird,  so  scheint  die  gleiche  Gegenwirkung  als  eine  Consequenz 
aus  dem  Gesetz  der  festen  elektrolytischen  Wirkung  zu  folgen,  und  in  Fällen, 
wo  kein  fester  Stoff  ausgeschieden  wird,  gilt  das  gleiche  Gesetz. 

„Um  dies  zu  beweisen  und  gleichzeitig  zu  zeigen,  dass  die  Wirkung 
nicht  von  irgend  einem  besonderen  Zustande  des  Metalles  abhängt,  füllte 
ich  ein  poröses  Gefäss  mit  einer  Mischung  von  starken  Lösungen  von 
schwefelsaurem  Eisenoxydul-  und  -oxydsalz;  dies  Gefäss  wurde  dann  in 
ein  anderes,  mit  derselben  Mischung  gefülltes,  gestellt,  eine  Platinplatte  wurde 
in  jedes  Gefäss  gebracht,  und  der  Kreis  durch  ein  empfindliches  Galvano- 
meter geschlossen.  Es  fand  nicht  die  geringste  Wirkung  statt.  Die  Platten 
wurden  nun  mit  den  Polen  einer  Batterie  verbunden,  und  die  durchgehende 
Strommenge  mittelst  des  Voltameters  gemessen.  In  den  Lösungen  entwickelte 
sich  kein  Gas,  auch  wurde  kein  Eisen  reducirt,  aber  die  Menge  des  Oxyd- 
salzes nahm  auf  der  einen  Seite  zu,  und  die  des  Oxydulsalzes  auf  der 
anderen.  Nachdem  So  Maass  Gas  gesammelt  worden  waren,  wurde  die 
Batterie  entfernt,  und  die  Platten  wie  früher  durch  ein  Galvanometer  ver- 
bunden. Es  entstand  ein  kräftiger  Strom  in  der  entgegengesetzten  Richtung 
des  Batteriestromes;  die  Wirkung  war  mit  frischen  Platten  die  gleiche,  und 
wenn  diese  einfach  mit  Wasser  gewaschen  wurden,  konnten  sie  aus  einem 
Gefäss  in  das  andere  gebracht  werden,  ohne  dass  der  kleinste  Einfluss  auf 
den  Strom  hervorgebracht  wurde,  vorausgesetzt,  dass  auch  die  Verbindung 
mit  dem  Galvanometer  gewechselt  wurde.  Das  Ganze  wurde  wieder  mit 
der  Batterie  derart  verbunden,  dass  der  Strom  in  der  entgegengesetzten 
Richtung  des  früheren  Batteriestromes  durchgehen  musste,  und  als  80  Maass 
Gas  wieder  gesammelt  und  die  Batterie  entfernt  worden  war,  konnte  nicht 
de*  geringste  Strom  beobachtet  werden,  als  die  Platten  mit  dem  Galvano- 
meter verbunden  wurden,  und  alles  befand  sich  in  genau  dem  Zustande, 
wie  zu  Anfang.  Die  Kraft  der  Lösung,  einen  Strom  hervorzubringen,  nimmt 
stufenweise  ab,  wird  aber  nicht  eher  vollständig  aufgehoben,  bevor  der 
zweite  oder  Rückstrom  den  gleichen  Betrag  erreicht  hat,  wie  der  erste.  Die 
Menge  des  Rückstromes  kann  nicht  genau  ohne  Hülfe  der  Batterie,  welche 
ihn  beschleunigt,  gemessen  werden,  denn  die  Lösungen  vermischen  sich  er- 
fahrungsmässig  unvermeidlich,  und  daraus  entstehen  grosse  Irrthümer.  Ein 
gleicher  Versuch  wurde  mit  Salpetersäure  ausgeführt,  welche  grosse  Mengen 
von  niederen  Oxydationsstufen  des  Stickstoffs  enthielt,  und  ergab  völlig 
ähnliche  Resultate. 


1078 


Achtzehntes  Kapitel. 


! 


„Auch  wenn  der  Kreis  vollständig  metallisch,  aber  nicht  homogen  is 
findet  ein  Rückstrom  statt,  denn  die  in  einer  thermoelektrischen  Kette  en 
wickelte  Wärme  verursacht  einen  Strom  in  der  umgekehrten  Richtung,  w 
der  erzeugende.  In  diesem  Falle  können  wir  aber  nicht  den  Betrag  b 
stimmen,  da  es  unmöglich  ist,  die  Wärme  davor  zurückzuhalten,  dass  sie  sie 
ausbreitet  und  in  die  Theile  vordringt,  welche  kalt  bleiben  sollen.  Mö; 
licherweise  findet  das  Gleiche  in  einem  homogenen  Kreise  statt,  und  n 
die  äusserst  geringe  Intensität,  welche  nur  der  gleich  ist,  welche  den  Stro 
zum  Durchgang  veranlasst,  verhindert  uns  daran,  ihn  zu  beobachten. 

„Aus  diesen  und  ähnlichen  Beobachtungen  kann  man  als  ein  allg 
meines  Gesetz  aufstellen,  dass,  wenn  ein  Strom  durch  eine  Reihe  von  Leite 
geht,  er  einen  Zustand  hervorruft,  welcher  einen  gleichen  und  entgege 
gesetzten  Strom  verursachen  kann,  vorausgesetzt,  dass  die  hervorgebracht 
Änderungen  dauernd  sind. 

„Es  kann  die  Gültigkeit  dieses  Gesetzes  in  allen  Fällen  bewiesen  werde 
in  denen  eine  Flüssigkeit  im  Stromkreise  ist,  mit  der  einzigen  Ausnahn 
des  Falles,  wo  zwei  Stücke  desselben  Metalls  durch  eines  ihrer  Salze  ve 
bunden  sind;  hier  sind  die  Erscheinungen  die  gleichen,  als  wenn  ein  re 
metallischer  Stromkreis  vorhanden  wäre  (Faraday). 

„Diese  Ergebnisse  scheinen  zu  zeigen,  dass  etwas  von  der  Natur  eim 
Kraft  durch  den  Strom  geleitet  wird,  und  die  Erscheinungen  der  Spannuc 
scheinen  diesen  Gedanken  sehr  zu  unterstützen,  denn  hier  haben  wir  Körpc 
die  wirklich  in  Bewegung  gesetzt  werden. 

„Nehmen  wir  nun  an,  dass  jede  Molekel  fähig  ist,  eine  anziehende  Kra 
auf  jede  andere  Molekel  in  seiner  Nachbarschaft  auszuüben,  so  sind  die  Ei 
scheinungen  des  VoLTx'schen  Stromes  genau  dieselben,  welche  aus  eine 
solchen  Anziehung  hervorgehen  müssen,  und  die  VoLTA'sche  Wirkung  scheii 
chemische  Wirkung  unter  einer  anderen  Gestalt  zu  sein,  indem  die  Wirkun 
in  dem  einen  Falle  zwischen  Molekeln  stattfindet,  welche  sich  in  sehr  g< 
ringen  Entfernungen  befinden,  und  im  anderen  zwischen  solchen  in  eim 
erheblichen  und  sichtbaren  Entfernung. 

„Wird  irgend  eine  Zahl  von  Molekeln  oder  verschiedenen  Stoffen  nebe 
einander  gebracht,  so  dass  sie  sich  frei  bewegen  können,  so  ordnen  sie  sie 
derart  an,  dass  ihre  Kräfte  sich  im  Gleichgewicht  befinden;  und  bis  die» 
Zustand  erreicht  ist,  befinden  sich  die  Molekeln  in  einem  Zwangszustand 
Wenn  z.  B.  Chlor,  Wasserstoff  und  Wasser  in  Berührung  gebracht  werde 
so  verbinden  sie  Chlor  und  Wasserstoff  zu  Chlorwasserstoff,  und  dies  ist  ei 
Gleichgewichtszustand.     Die  Form,  in  welcher  dieser  Zustand  erreicht   wir 


scheint  der  folgende  zu  sein: 


Das   Atom   Cl   verbindet   sich   ir 


dem  vorher  mit  O  verbunden  gewesenen  H,  während  das  O  sich  mit  de 
freien  H  vereinigt,  so  dass  C1H  und  HO  gebildet  werden;  befinden  sie 
aber    Cl    und    H    von    einander    entfer  durch    Wasser    getrenc 


Einzelne  Fortschritte  der  Elektrochemie  u.  s.  w.  1070 


CSaSaSa^aÜaS)  >  so  kann  keine  Wirkung  stattfinden,  denn  die  Molekeln 

können  keine  solche  Anordung  finden,  dass  ein  vollständiger  Kreis  gebildet 
wird,  ohne  welchen  sie  ihre  Anziehung    nicht  ausüben    können.     Wird  aber 

H    und   Cl   durch  ein  Metall   verbunden    (hYoYhYoYTT)(^  einen  Körper, 

dessen  atomistische  Constitution  der  einer  Flüssigkeit  ähnlich  ist,  so  ist  der 
Kreis  geschlossen,  HCl  wird  gebildet  und  das  Gleichgewicht  wiederherge- 
stellt. Die  Anziehung,  welche  vorher  zwischen  H  und  Cl  bestanden  hatte, 
war  wegen  deren  grossen  Nähe  nicht  zur  Beobachtung  gelangt;  nun  aber 
pflanzt  sie  sich  durch  den  ganzen  Stromkreis  fort,  und  wir  haben  dadurch 
die  Mittel,  die  hervorgebrachten  Erscheinungen  zu  beobachten. 

„Ist  Cl  das  einzige  freie  Element,  so  ordnen  sich  die  Atome  folgender- 


massen    /^v^n  indem  Cl  und  H  sich  verbinden   und  O  frei  gemacht  wird, 


sind  O  und  Cl  in  dem  Augenblicke  der  Entwickelung  des  O  nicht  in  Be- 
rührung, sondern  in  einiger  Entfernung,  so  haben  wir  dieselben  Erscheinungen 
wie  im  ersten  Falle,  nur  dass  das  O,  weil  es  nichts  findet,  womit  es  sich 
verbinden  kann,  an  der  Oberfläche  des  Metalls  in  Freiheit  gesetzt  wird.  In 
diesem  Falle  geht  die  Wirkung  viel  schneller  vor  sich,  als  wenn  kein  Metall 
angewendet  wird,  in  Folge  der  grossen  Anziehung  zwischen  den  positiven 
und  negativen  Atomen  des  Platins1  (denn  die  Anziehung  durch  den  Strom- 
kreis ist  gleich  der  stärksten  Anziehung  an  irgend  einem  Punkte  desselben). 
Es  ist  nicht  nothwendig,  dass  die  auf  solche  Weise  wirkenden  Atome  ele- 
mentare Stoffe  seien,  denn  zusammengesetzte  Stoffe,  wie  Cyan,  viele  Neu- 
tralsalze und  organische  Verbindungen  wirken  in  gleicher  Weise. 

„Das  Ergebniss  der  Wirkung  ist  dasselbe,  ob  wir  die  Flüssigkeiten  ein- 
fach mischen,  oder  aus  ihnen  wie  oben  einen  VoLTA'schen  Kreis  bilden. 
Mischen  wir  z.  B.  ein  Äquivalent  Cl  mit  einem  Äquivalent  SnCl,2  so  wird 
Äquivalent  SnCl2  gebildet.  Wenn  wir,  anstatt  die  Flüssigkeiten  zu  mischen, 
sie  in  poröse  Gefässe  thun,  die  wir  in  verdünnte  Salzsäure  stellen,  und  sie 
durch  einen  Streifen  Platin  verbinden,  so  ist  das  Ergebniss  dasselbe,  wie 
früher,  und  die  Menge  der  Säure  bleibt  dieselbe,  da  sie  bloss  gedient  hat, 
die  Flüssigkeiten  mit  einander  zu  verbinden,  und  entbehrt  werden  könnte, 
wenn  nicht  die  unvermeidliche  Vermischung,  welche  bei  unmittelbarer  Be- 
rührung der  beiden  Flüssigkeiten  eintreten  würde,  die  Ergebnisse  sehr  un- 
befriedigend machen  würde.  Nehmen  wir  an  Stelle  der  oben  genannten 
Lösungen    das  Proto-    und   Perchlorid    des    Eisens,    so    dauert   die  Bildung 


1  Der  Text  lautet:  „in  consequence  of  the  great  attraction  between  the  zincous  and  the 
chlorous  Atoms  of  the  platina"  und  ist  wahrscheinlich  so  zu  deuten,  dass  der  Verfasser  das 
Platin  als  aus  polarisirbaren  Atomen,  wie  eine  Flüssigkeit,  bestehend  annimmt. 

*  Der  Verfasser  schreibt  die  seiner  Zeit  gebräuchlichen  Äquivalentformeln;  SnCl  ist  Zinn- 
chlorür,  SnCl*  Zinnchlorid. 


io8o 


Achtzehntes  Kapitel. 


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1 


des  Per-  und  Protochlorids  an,  bis  die  Menge  dieser  Salze  in  beiden  Ge 
gleich  wird. 

„Daraus  geht  hervor,  dass  das  Ergebniss  das  gleiche  sein  würd< 
es  durch  Diffusion  hervorgebracht  wird. 

„Die  Wirkung  ist,  wie  früher  erwähnt,  ähnlich  bei  H  und  Cl;  1 
und  HO,  HS,  HJ,  KO,  KS,  KJ;  es  wird  Wasserstoff-  und  Metalle 
gebildet,  und  das  verbundene  Radikal  wird  abgeschieden.  Dies  Ges< 
allgemein,  und  gilt  für  gewöhnliche  chemische  Reaktionen;  hier  abet 
die  Ergebnisse  durch  die  seeundären  Umstände  geändert,  unter  denc 
Abscheidung  stattfindet.  So  wird  kein  Sauerstoff  entwickelt,  wenn 
KO  gefugt  wird,  doch  ist  dieses  Verschwinden  des  Sauerstoffe  ein  dui 
seeundäres  Ergebniss,  da  der  Sauerstoff  im  Augenblicke  seiner  Bildu 
Berührung  mit  Cl  und  KO  ist,  von  denen  er  absorbirt  wird  unter  B 
von  Kaliumchlorat.  Bei  der  VoLTA'schen  Anordnung  kann  aber  kein  s 
Resultat  entstehen,  denn  der  Sauerstoff  ist  im  Augenblicke  seiner  Ent 
lung  nicht  in  Berührung  mit  Cl,  und  erscheint  deshalb  als  Gas.  Ein  ai 
Unterschied  zwischen  VoLTA'scher  und  chemischer  Wirkung  ist  der; 
bei  der  ersteren  Stoffe  sich  verbinden,  welche  bei  einfacher  Mischung 
Wirkung  auf  einander  sind,  wie  z.  B.  Sauerstoff  und  Wasserstoff, 
rührt  aber  von  der  kräftigen  Anziehung  der  Platinmolekeln  her,  welcl 
den  Sauerstoff  und  den  Wasserstoff  wirken.  Dadurch  wird  die  Intensil 
zu  dem  Punkte  gesteigert,  dass  Verbindung  eintritt. 

„Es  wird  nun  ersichtlich,  weshalb  kein  Strom  durch  die  Verbii 
einer  Säure  und  eines  Alkalis  erzeugt  werden  kann;  ist  z.  B.  Kali  mil 
säure  in  Berührung,  so  haben  wir  einfach  einen  Austausch  der  Eier 
indem  K  mit  Cl  sich  verbindet,  während  der  befreite  Sauerstoff  mit  d 


der  Salzsäure  sich  verbindet, 


und   der   Strom   ist   daher  ai 


vier  Elemente  beschränkt,  welche  in  diesem  Falle  nicht  auseinandc 
nommen  werden  können;  dasselbe  gilt  für  Schwefelsäure,  indem  SC 
Cl  gesetzt  wird.  Salpetersäure,  Chromsäure  und  mehrere  andere 
können  in  ganz  verschiedenem  Sinne  wirken.  Das  ganze  Atom  NC 
ist  fähig,  wie  Cl  zu  wirken,  indem  sie  sich  mit  dem  positiven  Bestar 
der  Verbindung  vereinigt,  welche  damit  in  Berührung  ist,  und  das  R 
in  Freiheit  setzt,  wie  bei  der  Kette  aus  Salpetersäure  und  Kali  von  Becq 
In  diesem  Falle  aber  wird  die  Säure  zu  Stickoxyd  und  -peroxyd  re« 
Der  Zuwachs  der  Intensität  bei  der  Anwendung  von  Kali  scheint  dun 
Verwandtschaft  desselben  zu  einer  weiteren  Menge  Sauerstoff  un 
Bildung  von  Kaliumperoxyd  verursacht  zu  sein,  welches  unmi 
durch  Wasser  zersetzt  wird;  nimmt  man  Baryt,  so  wird  kein  Sauersto: 
wickelt. 

„„Die  Veränderungen,  welche  eintreten,  wenn  organische  Stoffe  i 
geordnet  werden,  dass  ein  Strom  gebü  bieten  ein  interessante 


Einzelne  Fortschritte  der  Elektrochemie  u.  s.  w.  1 08 1 


für  Untersuchungen,  und  es  scheint  wahrscheinlich,  dass  viele  als  katalytisch 
bezeichnete  Wirkungen  das  Ergebniss  von  Wirkungen  solcher  Natur  sind. 
Denn  es  ist  nicht  nothwendig,  dass  der  die  Flüssigkeiten  verbindende  Stoff 
ein  Metall  ist;  jeder  leitende  Stoff  wird  den  gleichen  Zweck  erfüllen;  auch 
ist  es  nicht  nothwendig,  dass  der  Stoff  eine  merkliche  Grösse  hat,  denn  ein 
einzelnes  Atom  kann  eine  veränderte  Anordnung  von  Molekeln  des  Stoffes 
hervorrufen,  mit  dem  es  in  Berührung  ist,  wie  in  dem  Falle  von  gemischten 
Sauerstoff  und  Wasserstoff  das  Platin  durch  die  Anziehung  seiner  Atome, 
und  diese  veränderte  Anordnung  wird  von  der  Natur  des  Stoffes  abhängen, 
welcher  die  Zersetzung  verursacht,  indem  die  Anordnung  der  Atome,  welche 
die  gewöhnlichen  Molekeln  zusammensetzen,  bei  beiden  ähnlich  ist. 

„„Hieraus  wird  hervorgehen,  dass  Volt  Ansehe  Wirkung  nichts  anderes 
als  chemische  ist,  die  unter  besonderen  Umständen  stattfindet,  welche  uns 
ermöglichen,  viele  von  den  Erscheinungen  zu  beobachten,  zu  deren  Entstehung 
sie  Anlass  giebt,  und  welche  wir  in  den  gewöhnlichen  Fällen  nicht  beob- 
achten können;  und  dass  die  chemische  Wirkung  das  Resultat  der  Tendenz 
der  Molekeln  ist,  sich  in  den  Gleichgewichtszustand  zu  begeben,  ähnlich  wie 
das  mechanische  Kräfte  thun."" 

Wenn  man  in  diesen  Auseinandersetzungen  die  Vorstellung  der  mecha- 
nischen Kräfte  zwischen  den  Atomen  durch  die  rationellere  der  Unterschiede 
der  freien  Energie  der  Stoffe  vor  und  nach  der  Reaktion  ersetzt,  wird  man 
sie  fest  durchgängig  zutreffend  finden.  Indessen  sind  sie,  wie  schon  erwähnt, 
ohne  alle  Wirkung  geblieben,  und  heute,  wo  die  gleichen  Fragen  behandelt 
werden,  ergiebt  sich,  dass  die  Angelegenheit  eben  dort  wieder  aufgenommen 
werden  muss,  wo  Arrott  sie  gelassen  hat.  Ihre  letzte  Aufklärung  hat  auch 
sie  in  der  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation  gefunden. 

8.  Accumulatoren.  Die  ältere  Geschichte  der  jetzt  zu  so  hoher  Be- 
deutung gelangten  seeundären  Säulen  oder  Accumulatoren  ist  schon  gegeben 
worden;  sie  ist  wesentlich  in  den  Arbeiten  von  J.  W.  Ritter  (S.  176)  enthalten. 
Inzwischen  ist  noch  die  Wippe  von  Poggendorff  und  die  THOMSEN'sche  Po- 
larisationsbatterie zu  nennen,  welche  beide  bestimmte  Aufgaben  mit  Hülfe 
der  Polarisationsströme  zu  lösen  lehrten. 

Auch  die  neuere  Entwickelung  .der  Sache  hat  einen  rein  wissenschaft- 
lichen Ausgangspunkt  genommen  in  einer  Arbeit  von  Gaston  Planta  über 
das  Verhalten  der  verschiedenen  Metalle  bezüglich  des  seeundären  Stromes 
nach  der  Polarisation.  l  Es  ergab  sich,  dass  die  grösste  Wirkung  beim  Silber 
stattfand;  darnach  kam  ^das  Blei.  Über  die  Ursache  war  Planta  ganz  im 
klaren:  wenn  die  übrigen  Bedingungen  gleich  sind,  ist  der  seeundäre  Strom 
um  so  stärker,  je  mehr  das  gebildete  Oxyd  gegenüber  dem  Metall  elektro- 
negativ  ist.  Bei  dem  Silber  findet  sich  diese  Eigenschaft  im  höchsten  Grade. 
Das  durch  die  Säule  gebildete  Oxyd  dieses  Metalls2  ist  elektronegativer  als 
selbst  das  Platin. 


1  Comptes  rendus  49,  402.   1859.  *  Es  ist  Silbersuperoxyd  gemeint. 


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Achtzehntes  Kapitel. 


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„Der  stärkste  secundäre  Strom  bei  der  Anwendung  von  angesäuerte 
Wasser  wird  von  Silberelektroden  hervorgebracht;  nach  dem  Silber  komi 
Blei,  Zinn,  Kupfer,  Gold,  Platin  und  Aluminium." 

In  einer  etwas  späteren  Mittheilung  ist  dann  die  Verwendung  dies 
Ergebnisses  zur  Construction  kräftiger  Ladungssäulen  enthalten.1  „Die  t 
sondere  Untersuchung,  welche  ich  über  diese  Ströme  angestellt  habe,  1 
mir  gezeigt,  dass  die  von  Bleielektroden  in  angesäuertem  Wasser  geliefo 
elektromotorische  Gegenkraft  etwa  21/a  mal  so  gross  ist,  wie  die  von  pla 
nirten  Platinelektroden,  und  6*/2  mal  grösser  als  die  von  Elektroden  a 
gewöhnlichem  Platin.  Diese  elektromotorische  Kraft  ist,  obwohl  sie  v 
Platten  aus  demselben  Metall  geliefert  wird,  erheblich  grösser  als  < 
eines  Elements  nach  Grove  oder  Bunsen;  es  rührt  dies  von  der  gross 
Verwandtschaft  des  Bleisuperoxyds  zum  Wasserstoff  her,  welche  bereits  v 
de  la  Rive  so  glücklich  für  die  Herstellung  VoLTA'scher  Ketten  verwerti: 
worden  ist.  Ich  habe  gefunden,  dass  der  Werth  dieser  elektromotorisch 
Kraft  sehr  nahe  gleich  1,5  ist,  wenn  man  die  eines  BuNSEN^schen  Elemei 
zur  Einheit  nimmt. 

„Diese  Beobachtungen  haben  mich  veranlasst,  eine  secundäre  Säule 
erbauen,  welche  wie  ich  hoffe,  den  Physikern  von  Nutzen  sein  wird.  D 
welche  ich  der  Akademie  vorzulegen  die  Ehre  habe,  besteht  aus  9  E 
menten,  die  eine  Oberfläche  von  10  Quadratmetern  haben.  Jedes  Element 
aus  zwei  langen  und  breiten  Streifen  von  Blei  gebildet,  welche  unter  Trennui 
durch  ein  grobes  Gewebe  schneckenförmig  aufgewickelt  sind  und  in  ang 
säuertes  Wasser  mit  1/10  Schwefelsäure  tauchen.  Der  Hauptstrom,  welch 
zur  Bethätigung  dieser  Batterie  erforderlich  ist,  hängt  von  der  Art  ab,  wie  c 
9  secundären  Paare  verbunden  sind.  Sind  sie  so  angeordnet,  wie  in  de 
vorgelegten  Apparate,  dass  sie  zu  drei  Elementen  von  der  dreifachen  Otx 
fläche  vereinigt  sind,  so  genügen  5  kleine  BuNSEN-Elemente,  deren  rin 
förmige  Zinke  7  cm  tief  eintauchen,  um  nach  einigen  Minuten  der  Ei 
Wirkung  einen  Funken  von  aussergewöhnlicher  Stärke  zu  geben,  wenn  m 
den  Kreis  der  Batterie  schliesst  Der  Apparat  wirkt  genau  wie  ein  Condc 
sator;  denn  er  gestattet,  in  einen  Augenblick  die  Arbeit  zusammenzu dränge 
welche  die  Säule  binnen  einer  gewissen  Zeit  geliefert  hat." 

Die  ausfuhrliche  Darstellung  der  Ergebnisse  Plante's  findet  sich  in  eir 
Arbeit,  welche  am  22.  Juni  der  Pariser  Akademie  eingereicht  worden  isi 
diese  bringt  einige  weitere  Angaben  über  besondere  Formen  und  A 
Wendungen  der  Ladungssäule,  aber  keinen  Fortschritt  von  Belang.  Der  t 
reits  in  der  ersten  Mittheilung  angegebene  theoretische  Standpunkt,  dass  c 
Ursache  der  Wirkung  in  der  Bildung  des  Bleisuperoxydes  liege,  wird  etw 
eingehender  ausgeführt. 

Der  wesentliche  Fortschritt,  welchen  Plante  über  diesen  Standpur 
hinaus  machte,  liegt   in    der  Entdeckung   der   beträchtlichen  Vergrösserui 


1  Comptes  rendus  50,  640.  1860. 


n.  (4)  15,  5.  1868. 


Einzelne  Fortschritte  der  Elektrochemie  u.  s.  w.  IO83 


der  Capacität,  welche  die  Bleiplatten  nach  längerem  Gebrauch,  d.  h.  nach 
wiederholter  Ladung  und  Entladung  annehmen.  Die  Mittheilungen  darüber 
sind  1879  in  einem  besonderen  Werke1  erfolgt,  in  welchem  sich  auch  weitere 
Angaben  über  die  Herstellung  solcher  secundärer  Ketten  finden.  Die  weitere 
Entwickelung  der  Sache,  insbesondere  die  Erfindung  Favres,  durch  Über- 
ziehen der  Bleiplatten  mit  einem  Gemisch  von  Mennige  und  Schwefelsäure 
von  vornherein  eine  grosse  Capacität  zu  erlangen,  haben  ausschliesslich 
technisches  Interesse. 

9.  Elektromotorische  Kräfte  zwischen  Flüssigkeiten.  Abgesehen 
von  vereinzelten  Messungen,  welche  R.  Kohlrausch  mittelst  eines  Conden- 
sators  anstellte  (S.  944),  rühren  die  ersten  Bestimmungen  der  elektromoto- 
rischen Kraft  der  Flüssigkeitsketten  von  E.  du  Bois-Reymond2  her.  Dieser 
war  bei  Gelegenheit  seiner  Arbeiten  über  die  elektrischen  Erscheinungen  im 
Thierkörper  auf  solche  Kräfte  gestossen,  und  vermittelst  der  von  ihm  aus- 
gebildeten PoGGENDORFF'schen  Methode  (S.  650)  konnte  leicht  eine  syste- 
matische Untersuchung  der  Verhältnisse  in  Angriff  genommen  werden. 
du  Bois-Reymond  begnügte  sich  zunächst  mit  einem  allgemeinen  orientiren- 
den  Einblick  in  das  neue  Gebiet  und  veranlasste  dann  einen  seinen  Schüler, 
Jacob  Worm-Müller,  8  zu  einer  systematischen  Untersuchung  desselben.  Wenn 
auch  bei  diesem  ersten  Angriff  das  Gebiet  noch  keineswegs  erobert  war,  so 
wurden  doch  einige  Beziehungen  gefunden,  welche  sich  ziemlich  allgemein 
bewährt  haben  und  welche  später  ihre  theoretische  Begründung  fanden,  so 
insbesondere,  dass  die  beobachteten  Kräfte  ganz  wesentlich  von  der  Concen- 
tration  der  benutzten  Lösungen  abhingen  und  in  arithmetischer  Reihe  zu- 
nahmen, wenn  die  Verdünnung  einer  Lösung  sich  in  geometrischer  Reihe 
änderte.  Allerdings  waren  die  elektromotorischen  Kräfte  der  Flüssigkeits- 
ketten in  noch  höherem  Grade  als  die  der  gewöhnlichen  Ketten  nur  als 
Summen  von  mehreren  Einzelwerthen  zu  erhalten,  und  die  Zerlegung  dieser 
Grössen  in  ihre  Summanden  konnte  nur  vermuthungsweise  versucht  werden. 
Leider  war  Worm-Müller  bei  der  Deutung  seiner  Zahlen  in  eine  ganz  ver- 
fehlte Richtung  gerathen,  indem  er  annahm,  dass  das  Wasser  als  Glied  der 
Flüssigkeitsketten  keine  elektromotorische  Kraft  gegen  die  verschiedenen 
Lösungen  entwickelt,  sondern  nur  die  Lösungen  gegen  einander.  Dadurch 
verfehlte  er  auch  die  Deutung  der  zwischen  den  verschiedenen  Lösungen 
wirkenden  Kräfte.  Gegenwärtig  wissen  wir,  dass  gerade  umgekehrt  das 
Wasser  die  grössten  Kräfte  gegen  die  Lösungen  entwickelt.  Worm-Müller 
hätte  auch  seinerseits  auf  diese  Vermuthung  kommen  können,  da  er  viel- 
fach die  Beobachtung  machen  musste,  dass  die  Ketten,  in  denen  Wasser  als 
ein  Glied  vorhanden  war,  eine  sehr  veränderliche,  von  der  Beschaffenheit  des 
Wassers  (frisch  destillirt  oder  alt)  abhängige  Kraft  aufwiesen. 


1  Recherches  sur  l'electricite.    Paris  1879. 

1  Reichert  und  du  Bois-Reymond's  Archiv  1867,  453. 

8  Untersuchungen  über  Flüssigkeitsketten,  Leipzig  1869.  —  Pogg.  Ann.  140,  114.  1870. 


1084 


Achtzehntes  Kapitel. 


Was  die  thermoelektrischen  Erscheinungen 
erwähnt,  die  ersten,  welche  überhaupt  beobachtet  w 
rührungsstellen  zwischen  Metallen  und  Elektrolyten  g< 
Als  dann  Seebeck  (S.  379)  die  thermoelektrischen 
Metallen  aHein  und  Peltier  die  Umkehrung  derselbei 
hervorgebrachten  Wärmeerscheinungen  an  den  Grenzfl 
lag  es  nahe,  auch  an  den  Berührungsstellen  zwisch 
trolyten  nach  ähnlichen  Erscheinungen  zu  suchen. 
sind,  wurde  dann  von  Wild1  gezeigt,  welcher  die 
gänge  an  der  Grenzfläche  zweier  Elektrolyte  nachv 
suchte.  Die  Umkehrung  gelang  ihm  nicht,  weder  er 
der  vor  ihm2  den  Versuch  angestellt  hatte,  konnte 
Stromes  durch  die  Grenzfläche  zweier  Elektrolyte  ein 
abhängige  Wärmeerscheinung  beobachten. 

Die  Ursache  hiervon  lag  wesentlich  in  den  vi 
gungen  dieses  Versuches  bei  den  Elektrolyten,  welch 
sehr  geringe  Leitfähigkeit  und  grosse  Wärmecapacit 
durch  den  Widerstand  veranlasste  Wärmeentwickelur 
als  die  „Peltier- Wärme",  und  daneben  die  hervo 
anderung  viel  kleiner.  Dass  dennoch  derartige  Wir 
wurde  durch  Carl  Schultz-Sellack8  nachgewiesen, 
Differentialthermometern  das  Vorhandensein  und  dei 
kungen  beobachten  konnte.  Es  wurden  sowohl  LufttV. 
elektrische  Ketten  angewendet,  doch  gelang  nur  der 
für  eine  eintgermaassen  zuverlässige  Messung  waren 
kungen  zu  klein. 

ro.  Photoelektrische  Erscheinungen.  Vo: 
Licht  elektrochemische  Erscheinungen  hervorruft,  sint 
querel,  den  Sohn  von  Antoine  Becquerel,  beobachte 
vorläufigen  Mittheilungen  seit  1839  gab  er  im  Jah 
Beschreibung  seines  photoelektrischen  Apparates,  ii 
zu  seinen  weiteren  Versuchen  beibehalten  hat. 

„Der  Apparat,  Fig.  258,  besteht  zunächst  aus  eir 
2  bis  3  m  Länge,  der  mit  einem  getheilten  Maass: 
dessen  sich  eine  quadratische  Holztafel  mit  sehr 
schieben  lässt,  welche  ein  Wassergefäss  trägt 

„Dieses  Wassergefäss  ist  ein  Würfel  von  1  Dec 
findet  sich  Wasser,  welches  durch  sehr  wenig  N; 
Tropfen  Salpeter-  oder  Schwefelsäure  schwach  leite: 
dieses  tauchen  zwei  Platten  von  Silber,  jede  25  qcm 
Dicke.     Diese   laufen    in   zwei  silberne  Stäbe  aus, 


1  Pogg.  Ann.  103,  353.  1858. 
*  Pogg.  Ann.  14X,  467.   1870. 


•  Mon»taber,  der 


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Einzelne  Fortschritte  der  Elektrochemie  u.  s.  w. 


IO85 


äulen  befestigt  sind.  Diese  Säulen  stehen  auf  der  Holztafel  und  gestatten, 
ie  beiden  Platten  mit  den  Enden  eines  sehr  empfindlichen  Galvanometers  mit 
.ngem  Draht  zu  verbinden.  Vor  dem  Wassergefäss  sind  auf  der  Tafel  zwei 
chirme  angebracht:  der  eine  ist  von  Kupfer  und  enthält  einen  Spalt  von 
cm  Breite  und  der  Höhe  des  Gefässes,   der  Mitte  desselben  entsprechend, 


Fig.  258.     Nach  E.  Becquerel. 


o  dass,  wenn  man  Licht  auf  den  Schirm  fallen  lässt,  nur  der  Theil  der 
Jilberplatte  unmittelbar  hinter  der  Öffnung  erleuchtet  wird  und  die  Wirkungen 
ler  Strahlung  empfängt.  Mittelst  zweier  Platten,  welche  genähert  oder  ent- 
ernt  werden  können,  wie  bei  den  Diffractionsapparaten,  kann  der  Spalt  nach 
belieben  breiter  oder  schmäler  gemacht  werden. 

„Der  zweite  Schirm  ist  ganz  undurchsichtig  und  weiss  bemalt,  er  steht 
inmittelbar  vor  dem  ersten,  wenn  man  jede  Wirkung  der  Strahlung  aufheben 
md  den  Theil  des  Sonnenspektrums  kennen  lernen  will,  welcher  auf  die 
ditte  des  ersten  Schirmes  fallt. 

„Es  ist  nothwendig,  das  Gefäss  mit  Wasser  zu  füllen,  welches  sehr  wenig 
eitet,  denn  der  Versuch  lehrt,  dass,  je  besser  die  Flüssigkeit  leitet,  um  so 
geringer  die  Stärke  der  zu  beobachtenden  Ströme  ist;  so  kann  es  geschehen, 
lass  man  überhaupt  keine  Wirkung  beobachtet,  wenn  man  zu  stark  ange- 
iäuertes  Wasser  nimmt. 

„Das  Actinometer  muss  in  einem  vollkommen  dunklen  Zimmer  stehen, 
n  welches  das  Licht  nur  durch  eine  Öffnung  im  Fensterladen  eindringen 
cann,  und  es  ist  am  besten,  das  Galvanometer  in  einem  anderen  Zimmer 
interzubringen.  Nachdem  man  die  Oberflächen  der  Platten  gut  gereinigt 
lat,  setzt  man  eine  derselben  Joddämpfen  aus,  bis  die  Schicht  des  Jod- 
ilbers  gelblich  erscheint  Das  Jodiren  muss  so  stattfinden,  dass  nicht  das 
nindeste  Licht  auf  die  Platten  fällt,  und  das  Innere  des  Dunkelzimmers  muss 
lurch  eine  sehr  entfernt  aufgestellte  Kerze  erleuchtet  sein,  damit  das  Jodid 
licht  beeinflusst  wird. 

„Sind  die  Platten  jodirt,  so  stellt  man  sie  in  das  Wassergefäss,  welches 
in  drei  Seiten  geschwärzt  und  mit  Wasser  gefüllt  ist,  derart,  dass  eine  Platte 
hre  jodirte  Seite  dem  Spalt  im  Schirme  zuwendet,  während  die  jodirte 
5eite  der  anderen  Platte  gegen  eine  der  schwarzen  Seiten   des  Gefässes  ge- 


io86 


Achtzehntes  Kapitel. 


II 


H 


wendet  ist,  so  dass  sie  nicht  das  geringste  von  den  chemischen  Strahlen 
hält,  welche  die  andere  Platte  beeinflussen.  Sind  sie  an  den  kupfer 
Trägern  befestigt,  so  verbindet  man  sie  mit  den  Enden  eines  vorzüglic 
Galvanometers  mit  langem  Draht. 

„Im  ersten  Augenblicke  entsteht  ein  ziemlich  kräftiger  elektrischer  Str 
welcher  von  der  Ungleichheit  der  Platten  herrührt;  überlässt  man  aber 
Apparat  sich  selbst,  so  bleibt  die  Nadel  zuweilen  auf  Null  stehen  oder  wei 
Grade  neben  dem  Nullpunkte.  Ist  sie  nicht  auf  Null,  so  bringt  man  ei 
kleinen  Magnetstab  von  ferne  heran,  mit  dem  man  die  Lage  des  astatisc 
Paares  beeinflusst,  bis  es  auf  Null  zurückgeführt  ist  .  .  ." 

Lässt  man  nun  auf  die  eine  Platte  des  so  vorgerichteten  Apparates  L 
fallen,  so  zeigt  sich  ein  elektrischer  Strom,  der  mit  der  Stärke  des  Lid 
zunimmt  und  daneben  von  der  Wellenlänge  desselben  abhängig  ist.  A 
zeigt  sich  ein  Unterschied,  je  nachdem  man  die  Platte  schon  belichtet  h 
oder  nicht;  während  auf  unbelichtete  Platten  das  rothe  Licht  nur  eine  s 
geringe  Wirkung  hat,  wird  die  Platte,  nachdem  sie  einmal  belichtet  wor 
ist,  auch  gegen  Roth  empfindlich.  Becquerel  unterschied  daher  anfangei 
und  fortsetzende  Strahlen,  doch  bezieht  sich  die  beobachtete  Erschein) 
nicht  auf  die  Beschaffenheit  der  Strahlen,  sondern  durch  die  erste  Belicht 
ist  die  empfindliche  Schicht  eine  andere  geworden  und  hat  demnach  a 
andere  photoelektrische  Eigenschaften  erlangt. 

In  einer  späteren  Abhandlung1  theilte  Becquerel  zunächt  ein  Verfah 
mit,  um  möglichst  empfindliche  und  constante  Platten  zu  erlangen,  wc 
sich  herausstellte,  dass  je  nach  der  Behandlung  der  Platten  die  erzeug 
Ströme  bald  in  der  einen,  bald  in  der  anderen  Richtung  gingen.  Für  irg 
eine  Theorie  dieser  Erscheinungen  ist  ein  solcher  Umstand  natürlich  < 
grosse  Schwierigkeit,  und  so  sieht  sich  auch  Becquerel  ausser  Stande, 
dieser  Beziehung  etwas  beizubringen. 

Dagegen  zeigte  er,  dass  die  photoelektrischen  Erscheinungen  sehr 
gemein  auftreten;  es  bedarf  dazu  nicht  besonders  präparirter  Platten,  s 
dem  mit  hinreichend  empfindlichen  Messinstrumenten  kann  man  fast  imi 
elektrische  Erregungen  beobachten,  wenn  man  eine  von  zwei  gleichartig 
in  einem  Elektrolyten  befindlichen  Elektroden  belichtet.  Ähnliche  Ersc 
nungen  wurden  von  Grove,  Hankel2  und  Anderen  beobachtet;  so  liei 
nach  Gouy  und  Rigollot3  zwei  bis  zum  Rothwerden  oxydirte  Kupferplai 
in  verdünnten  Lösungen  eines  Halogensalzes  sehr  ausgeprägte  photoe 
trische  Erscheinungen,  und  von  Minchin4  ist  eine  sehr  grosse  Zahl  von 
sammenstellungen  untersucht  und  beschrieben  worden,  durch  welche  2 
Theil  sehr  bedeutende  Wirkungen  entstehen. 

Aus  diesen  Untersuchungen  ist  so  viel  klar  geworden,  dass  es  sich 
eine  Veränderung  der  elektromotorischen  Kraft  zwischen  der  Elektrode  1 


1  Ann.  chim.  phys.  (3)  32,   176.  1851. 
8  Comptes  rendus  106,   1470.   1888. 


•  Wied.  Ann.  1,  402.   1877. 

4  P>  (5)  81,  207.   1891. 


Einzelne  Fortschritte  der  Elektrochemie  u.  s.  w.  IO87 


der  umgebenden  Flüssigkeit  handelt.  Diese  entsteht  und  verschwindet  sehr 
schnell  und  wird  am  grössten  in  wenig  leitenden  Flüssigkeiten.1  Den  Ver- 
such einer  Theorie  dieser  Vorgänge  hat  Griveaux2  gemacht,  doch  ist  hier 
noch  fast  Alles  von  der  Zukunft  zu  erwarten. 

II.  Zum  FARADAY'schen  Gesetz.  Es  ist  schon  wiederholt  bemerkt 
worden,  dass  die  Erkenntniss  der  ganzen  Tragweite  des  Farad AY'schen  Ge- 
setzes eine  Sache  langer  Arbeit  und  weitreichender  wissenschaftlicher  Ent- 
wickelung  gewesen  ist.  Während  es  zuerst  wesentlich  nur  als  ein  Gesetz 
aufgefasst  wurde,  welches  die  bei  der  Elektrolyse  auftretenden  Mengen 
zersetzter  Substanz  bestimmt,  hat  schon  Faraday  selbst  betont,  dass  es 
auch  auf  die  Vorgänge  in  der  VoLTA'schen  Kette  selbst  Anwendung  finden 
müsse,  und  es  ergab  sich  allgemein,  dass  sämmtliche  Elektricitäts- 
bewegungen  in  einem  Elektrolyt  durch  das  Gesetz  bestimmt  und  von  ihm 
abhängig  sind. 

Für  den  Fall  der  Kette  lautet  das  Gesetz  dahin,  dass  bei  der  Auflösung 
von  einem  Äquivalent  des  positiven  Metalls  immer  die  gleiche  Elektricitäts- 
menge  entwickelt  werden  muss,  gleichgültig,  welches  Metall  angewendet  wird 
und  welche  chemische  Reaktion  im  Übrigen  stattfindet.  Wohlgemerkt  handelt 
es  sich  hier  um  die  Elektricitätsmenge,  nicht  um  die  elektrische  Energie; 
diese  letztere  tritt  aber  dem  Gesetz  zufolge  ausschliesslich  in  dem  Werthe 
der  entsprechenden  elektromotorischen  Kraft  auf  und  hat  auf  die  Elektricitäts- 
menge keinen  Einfluss. 

Dieser  Theil  des  FARADAY^schen  Gesetzes  ist  von  Bernard  Renault8  in 
eingehender  Weise  geprüft  und,  wie  zu  erwarten  war,  bestätigt  worden. 
Da  in  dieser  Arbeit  noch  mancherlei  andere  nicht  unwichtige  Dinge  zur 
Sprache  gekommen  sind,  rechtfertigt  sich  ein  Eingehen  darauf.  Denn 
es  wurde  bei  dieser  Gelegenheit  gleichzeitig  ein  anderer  Punkt  berührt, 
nämlich,  ob  einem  und  demselben  Elemente  verschiedene  elektrische  Äqui- 
valente zukommen  können.  So  ist  das  Eisen  im  Chlorür  mit  zwei,  im 
Chlorid  mit  drei  Atomen  Chlor  verbunden.  Nach  dem  FARADAY^chen 
Gesetz  muss  es  bei  seiner  Ausscheidung  aus  dem  ersteren  zwei,  aus  dem 
letzteren  drei  Äquivalente  Elektricität  abgeben.  Nun  scheidet  sich  aus  Eisen- 
chlorid an  der  Kathode  aus  schwachen  Strömen  überhaupt  kein  Eisen  ab, 
sondern  es  wird  Eisenchlor ür  gebildet;  bei  grösserer  Stromdichte  entsteht 
auch  Eisen.  Doch  ist  hier  der  Einwand  möglich,  dass  alsdann  das  Eisen 
secundär  aus  zuerst  gebildetem  Chlorür  entstanden  sei,  und  die  Frage  ist 
nicht  ganz  unzweifelhaft  beantwortet. 

Diese  Lücke  füllen  nun  die  Versuche  von  Renault  dadurch  aus,  dass 
er  das  FARADAY^sche  Gesetz  nicht  für  die  Ausscheidung,  sondern  für  die  Auf- 


1  Die  stärksten  von  Minchin  beobachteten  Wirkungen  finden  statt,  wenn  man  als  leitende 
Flüssigkeit  organische  Stoffe,  wie  Aceton  u.  dergl.  verwendet,  deren  Leitfähigkeit  äusserst  gering 
ist.  Deshalb  müssen  die  Wirkungen  auch  mit  einem  Elektrometer  beobachtet  werden;  ein 
Galvanometer  ist  nicht  anwendbar. 

1  Comptes  rendus  107,  837.   1888.  8  Ann.  chim.  phys.  (4)  11,   137.   1867. 


io88 


Achtzehntes  Kapitel. 


14 


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lösung  des  Metalls  zur  Prüfung  brachte.  Wenn  je  nach  der  Natur 
Lösungsmittels  ein  und  dasselbe  Metall  auf  die  gleiche  gelöste  Menge 
schiedene  Elektricitätsmengen  in  Bewegung  setzt,  so  ist  der  Einwand 
secundären  Wirkung  (der  ohnehin  nicht  sehr  stichhaltig  ist)  völlig  ai 
schlössen  und  die  Möglichkeit  bewiesen,  dass  in  der  That  gleich  zusam 
gesetzte,  z.  B.  elementare  Ionen  verschiedene  Elektricitätsmengen  enth 
können,  welche  natürlich,  den  chemischen  Gesetzen  gemäss,  in  einfa 
rationalen  Verhältnissen  stehen  müssen. 

Die  Versuchsanordnung  war  sehr  einfach.  Ein  Porzellangefass,  we 
der  besseren  Isolation  wegen  (überflüssiger  Weise)  mit  Wachs  in  e 
zweiten  grösseren  befestigt  war,  enthielt  die  Kathode  von  Platin  oder  B 
in  einer  geeigneten  oxydirenden  Flüssigkeit.  Darin  stand  das  poröse  G 
mit  der  zweiten  Flüssigkeit,  und  das  zu  prüfende  Metall  wurde  mittelsi 
Zange  festgehalten  und  in  die  Flüssigkeit  gesenkt.  Von  den  beiden  ] 
troden  wurde  der  Strom  in  den  einen  Draht  eines  Differentialgalvanom 
geleitet;  durch  den  anderen  Draht  ging  der  Strom  eines  ähnlich  einge 
teten  Elementes,  in  welchem  Zink  die  Anode  bildete.  Dadurch,  das« 
Metalle  mehr  oder  weniger  tief  eingetaucht  wurden,  d.  h.  durch  Verände 
des  Widerstandes  der  Kette,  wurden  beide  Ströme  gleich  stark  gemach 
dass  das  Differentialgalvanometer  keinen  Ausschlag  gab.  War  der  S 
genügend  lange  geschlossen  gewesen,  so  wurden  die  beiden  Metalle  he: 
genommen  und  gewogen.  Um  beim  Zink  die  örtliche  Wirkung  auszuschlie 
wurde  es  in  eine  Lösung  von  Kochsalz  gethan;  aussen  befand  sich  gew 
lieh  Salzsäure,  so  dass  sich  Wasserstoff  an  der  Kathode  entwickelte. 

Auf  diese  Weise  ergab  sich,  dass  Kupfer,  welches  in  seinen  gew 
liehen  Salzen  zweiwerthig  ist,  sich  in  Chlornatrium  und  Salzsäure  sowi 
ammoniakalischen   Flüssigkeiten  als  einwerthiges  Metall  löst.     Wismuth 
Antimon  sind  dreiwerthig,  Zinn  je  nach  dem  Lösungsmittel  zwei-  oder 
werthig. 

Eisen  konnte  nicht  anders  als  zweiwerthig  gelöst  werden,  auch  i 
sich  Kaliumchlorat  oder  -bichromat  an  der  Anode  befanden.  Wurde  c 
gelbes  Blutlaugensalz  zur  Lösung  gesetzt,  so  liess  sich  erkennen,  dass 
bei  Gegenwart  der  oxydirenden  Flüssigkeiten  in  unmittelbarer  Nähe 
Kathode  immer  die  Reaktion  der  Ferrosalze  auftrat;  das  Ferrisalz  ente 
erst  in  einiger  Entfernung  von  derselben. 

Zinn   löste  sich   fast  nur  zweiwerthig;   nur  in  einer  alkalischen  Lö 
von   Kaliumnitrat    und    in  Alkalipolysulfiden  erwies  es  sich  als  vierwei 
Quecksilber  wurde  von  Cyankalium  zweiwerthig  gelöst,  von  anderen  Lösi 
mittein  einwerthig.     Tellur  ging  in  Salzsäure  zweiwerthig,  in  Alkalien 
werthig  in  Lösung. 

Für  die  Deutung  seiner  Versuche  bedient  sich  Renault  einer 
E.  Becquerel  ausgesprochenen  Regel,  wonach  die  Zahl  der  negativen  At 
die  in  der  Verbindung  sind,  maassgebend  für  ihr  elektrolytisches  Verh 
sein  soll,  indem  durch  den  gleichen  Strom  immer  so  viel  Metall  ausgeschi 


Einzelne  Fortschritte  der  Elektrochemie  u.  s.  w.  IO80 


werden  soll,  als  mit  je  einem  Atom  Halogen  verbunden  ist.  Zu  jener  Zeit  war 
der  Ausspruch  ziemlich  richtig,  da  man  damals  noch  kaum  mehrwertige 
Anionen  zu  formuliren  pflegte,  während  mehrwerthige  Kationen  vielfach  bekannt 
waren.  Später  hat  man  einsehen  müssen,  dass  eine  solche  Regel  ebensowenig 
haltbar  ist,  wie  eine  sich  auf  die  Kationen  beziehende  es  in  dieser  Form  wäre. 
Die  hier  vorhandenen  Schwierigkeiten  liegen  nicht  in  dem  elektrochemischen 
Theil  der  Beziehung,  denn  dieser  lautet  einfach  dahin,  dass  chemisch  äqui- 
valente Mengen  gleiche  Elektricitätsmengen  transportiren.  Vielmehr  liegt  die 
Schwierigkeit  allein  auf  rein  chemischem  Gebiete,  in  der  Aufklärung  des 
Verhältnisses  zwischen  chemischen  Äquivalenten  und  Atomgewichten.  Erstere 
sind  rein  erfahrungsmässige  Zahlen,  die  unter  anderem  ergeben,  dass  einem 
und  demselben  Element  unter  Umständen  verschiedene  Äquivalente  zukommen 
können;  überall  aber  sind  die  chemischen  Äquivalente  identisch  mit  den 
elektrischen.  Die  Atomgewichte  dagegen  sind  hypothetische  Grössen,  über 
sie  können  die  Meinungen  getheilt  sein  und  sind  es  gewesen;  das  Verhält- 
niss  des  FARADAY'schen  Gesetzes  zu  diesen  Zahlen  ist  also  nicht  ein  durch 
die  Erfahrung  bestimmtes,  sondern  es  muss  durch  eine  Definition  mit  Rück- 
sicht auf  die  Definition  der  Atomgewichte  willkürlich  festgelegt  werden.  Hält 
man  diese  Voraussetzungen  fest,  so  wird  man  keine  Schwierigkeiten  finden, 
in  den  zuweilen  etwas  verwirrenden  Verhandlungen  über  diese  Frage  den 
richtigen  Standpunkt  einzunehmen. 

12.  Das  Dilemma  von  Lippmann.  Für  den  offenbaren  Widerspruch, 
in  welchem  die  gebräuchlichen  chemischen  Vorstellungen  sich  mit  den  ein- 
fachen Thatsachen  der  elektrolytischen  Elektricitätsbewegung  befinden,  ist 
unter  anderem  die  nachstehende  Darlegung  Lippmanns1  ein  Beispiel.  Sie 
liefert  den  passendsten  Übergang  zn  dem  folgenden  Kapitel,  und  man  kann 
ihr  nur  den  einen  Vorwurf  machen,  dass  sie  die  unvermeidliche  Consequenz 
nicht  gezogen  hat,  auf  welche  ihre  Erörterungen  hinführen. 

„Es  sei  eine  in  einem  Glasgefäss  enthaltene  Wassermenge  durch  einen 
Platindraht  mit  dem  Erdboden  in  Verbindung  gesetzt.  Wenn  man  diesem 
Wasser  eine  geriebene  Harzstange  nähert,  so  wird  die  positive  Elektricität 
des  Bodens  angezogen  und  auf  der  Oberfläche  des  Wassers  ausgebreitet. 
Da  der  Platindraht  als  Eintritts-Elektrode  einer  Fluth  von  positiver  Elek- 
tricität dient,  so  bekleidet  er  sich  mit  Sauerstoffblasen  in  einer  der  eintreten- 
den Elektricität  proportionalen  Menge;  dies  geschieht  wenigstens,  wenn  man 
eine  Elektrode  von  sehr  kleiner  Oberfläche  anwendet,  z.  B.  eine  Wollaston'- 
sche  Spitze.  Die  Sauerstoffentwickelung  unter  diesen  Umständen  ist  übrigens 
eine  wohlbekannte  Thatsache;  sie  ist  namentlich  durch  Herrn  Buff  und 
Herrn  Soret  bestätigt. 

„Da  der  Sauerstoff  in  Freiheit  gesetzt  worden  ist,  so  muss  der  mit  ihm 
verbunden  gewesene  Wasserstoff  überschüssig  in  dem  Wasser  oder  auf  dessen 
Oberfläche  bleiben.    Dieser  der  Ladung  proportionale  Überschuss  von  Wasser- 


1  Comptes  rendus  81,  280.  1875.  —  Pogg.  Ann.  Erg-  ?»  33°»  l876* 
Ostwald,   Elektrochemie.  69 


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IOOO  Achtzehntes  Kapitel.     Einzelne  Fortschritte  der  Elektrochemie  u.  s.  w. 

stoff  bleibt  gewissermaassen  versteckt,  so  lange  das  Wasser  elektrisch  b 
er  entwickelt  sich  aber  im  Augenblicke  der  Entladung. 

„Es  reicht  hin,  die  Harzstange  zu  entfernen.  Die  Ladung,  die  d 
Influenz  festgehalten  worden  war,  fliesst  durch  die  Platinspitze  in  den 
den.  Da  diese  Spitze  die  Ausfluss-Elektrode  einer  positiven  Elektricitäts 
ist,  bekleidet  sie  sich  mit  Wasserstoffblasen.  Der  versteckte  Wa 
stoff  kommt  also  bei  der  Entladung  wieder  zum  Vorschein,  und  zwar 
ständig. 

„Denn  nach  dem  FARADAY^schen  Gesetz  entwickelt  dieselbe  Elektric 
menge,  die  beim  Eintritt  i  Äq.  Sauerstoff  frei  gemacht  hat,  beim  Au 
i  Aq.  Wasserstoff. 

„Da  der  versteckte  Wasserstoff  vollständig  wieder  erscheinen  muss 
kann  man  keinen  Theil  wieder  davon  entfernen,  weder  durch  Diffusion, 
durch  Oxydation,  noch  irgend  einen  physikalischen  oder  chemischen 
gang,  welcher  die  elektrische  Ladung  unverändert  lässt    Mit  anderen  Wo 
der  versteckte  Wasserstoff  ist  weder  verbunden,   noch  gelöst,    und  den 
ist  er  wirklich  da,   weil  man  ihn  durch  Entfernung  der  Harzstange  in 
heit  setzen  kann. 

„Übrigens  Hessen  sich  die  Worte  verbunden  und  gelöst  nur 
Wasserstoff  anwenden,  welcher  im  Inneren  einer  gewissen  Masse  enth 
wäre;  hier  aber  haben  wir  zum  ersten  Male,  wie  es  scheint,  ein  Bei 
einer  anderen  Art  von  materieller  Verknüpfung.  Der  versteckte  Wassei 
ist  ganz  an  der  Oberfläche  des  Wassers  enthalten,  ich  meine  in  dem  ' 
des  Körpers,   in  welchem  die  elektrische  Ladung  sich  ausgebreitet  befii 

„In  der  That  kann  man  jeden  Theil  der  inneren  Wassermasse  d 
Luft  ersetzen;  so  lange  man  die  Oberfläche  nicht  verändert,  ändert  siel 
elektrische  Ladung  und  folglich  auch  die  Menge  des  versteckten  Wa 
Stoffes  nicht.  Man  kann  also  die  Masse  aushöhlen,  ohne  die  Menge 
versteckten  Wasserstoffes  zu  ändern,  folglich  befindet  sich  dieser  an 
Oberfläche. 

„Ebenso  enthält  eine  entgegengesetzt  elektrisirte  Wassermasse  einen 
elektrischen  Ladung  proportionalen  Überschuss  von  Sauerstoff/' 


F'g-  259-     Svante 


Neunzehntes  Kapitel.   ■ 
Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation. 


i.  Allgemeines.  Die  Elektrochemie  ist  in  dem  Jahre  1887  in  ein 
wesentlich  neues  Stadium  getreten,  indem  in  diesem  Jahre  eine  Ansicht  auf- 
gestellt worden  ist,  welche  in  einem  ungeahnten  Umfange  eine  ganze  Anzahl 
von  bisher  ungelöst  gebliebenen  Problemen  zu  erledigen  und  eine  geschlos- 
sene Theorie  der  elektrochemischen  Erscheinungen  zu  entwickeln  gestattet  hat. 
Vermöge  dieser  Theorie  sind  nicht  nur  die  meisten  bisher  bekannten  That- 
sachen  des  Gebietes  in  gegenseitigen  Zusammenhang  und  logische  Ordnung 
gebracht  worden,  sondern  eine  Reihe  noch  nicht  bekannt  gewesener  Er- 
scheinungen und  Beziehungen  konnte  durch  sie  vorausgesehen  werden;  die 
Voraussicht  hat  sich  durchgängig  an  der  Erfahrung  bestätigt.  Wir  sind 
somit  in  unserer  Geschichte  in  der  ungewöhnlich  günstigen  Lage,  nicht  nur 
äusserlich,  sondern  auch  sachlich  einen  Abschluss  des  Entwicklungsganges 
und  ein  deutliches  und  ansehnliches  Ziel  unserer  Wanderung  aufweisen  zu 
können,  indem  die  meisten  und  wichtigsten  Fragen,  die  uns  bisher  beschäftigt 
haben,  ihre  befriedigende  Lösung  finden.  Dass  damit  die  ganze  wissen- 
schaftliche Angelegenheit  selbst  nicht  abgeschlossen  ist,  braucht  kaum  betont 
zu  werden.  Die  Eigenschaft  jeder  guten  zusammenfassenden  und  aufklären- 
den Theorie,  dass  sie  neben  der  Erledigung  einer  Anzahl  von  älteren  Pro- 
blemen eine  Fülle  von  neuen  Aufgaben  bringt,  kommt  der  hier  zu  be- 
sprechenden Anschauung  im  höchsten  Maasse  zu;  und  so  ist  die  Zeit  des 
Abschlusses   der  älteren  Aufgaben  der  Elektrochemie   auch    die  Zeit    ihrer 

69' 


jqq2  Neunzehntes  Kapitel. 


! 


lebendigsten  Weiterentwickelung  geworden.  Nur  ist  der  Charakter  der  E 
wickelung  gegenwärtig  ein    ganz  anderer  geworden.     Während   die   alte 

J  Arbeiten    mehr    an    kühne    und    mehr    oder    minder    glückliche    Streife 

in  unbekanntes  Land  von  unübersehbarer  Ausdehnung  gemahnen,  wel 
uns  zwar  mit  mancherlei  Wundern  und  Merkwürdigkeiten  aus  diesem 
biete  bekannt  machten  ,  einen  Überblick  über  die  ganze  Gestalt  dessel 
aber  nicht  ermöglichten,  sind  wir  jetzt  in  der  Lage,  ein  allgemeines  ] 
von  der  Form  und  Beschaffenheit  des  Landes  und  seines  Inhaltes  uns  mac 
zu  können,  und  der  vom  Zufall,  Glück  und  Instinkt  abhängige  Forschui 
reisende  —  oder  Abenteurer  —  wird  durch  den  systematisch  vordringen 
Arbeiter  ersetzt. 

Zu  dieser  entscheidenden  Wendung  hat  eine  ganze  Reihe  von  Umsi 
den  mitgewirkt.  Ist  auch  die  eben  erwähnte  neue  Auffassung  des  Zustar 
der  elektrolytischen  Leiter,  die  wir  Svante  Arrhenius  verdanken, 
Mittelpunkt  dieser  neuen  Entwickelung  gewesen,  so  hätte  doch  der  F 
schritt  nicht  entfernt  der  sein  können,  der  wirklich  stattgefunden  hat,  w 
nicht  auf  einer  ganzen  Anzahl  anderer,  für  die  Sache  gleichfalls  in  Fr 
kommender  Gebiete,  insbesondere  der  Lehre  von  der  chemischen  Ener 
gleichzeitig  Fortschritte  von  nicht  geringem  Belang  gemacht  worden  wä 
jj  Selten  sind   die  zur  Vollendung  des  „grossen  Werkes"  erforderlichen  l 

stände  in  so  kurzer  Zeit  und  unter  so  günstigen  allgemeinen  Verhältnis 
zusammengetroffen,  wie  in  diesem  Falle,  und  selten  hat  demgemäss  < 
wissenschaftliche  Frage  grossen  Umfanges  eine  so  alle  Erwartung  üben 
gende  Entwickelung  erfahren,  wie  die  Frage  nach  dem  Zusammenhange 

,  chemischen  und  elektrischen  Erscheinungen  in  der  VoLTA'schen  Kette. 

I  Bei    der  Darstellung   dieser  Entwickelung   wird    es   daher    nöthig  s 

etwas  weiter  auszugreifen,  und  die  wesentlichsten  Thatsachen  aus  der  neue 

l.  t         T-:  allgemeinen  Chemie  gleichfalls  kurz  zu  erwähnen.     Es  ist  schon  mehr! 

[  I         ii  betont  worden,  dass  die  Entwickelung  der  Elektrochemie  in  dem  Umsta 

ein  wesentliches  Hinderniss  gefunden  hatte,  dass  die  allgemeinen  Ges 
der  chemischen  Vorgänge,  soweit  sie  die  dabei  stattfindenden  Änderun 
der  Energie  und  die  zu  gewinnenden  Arbeitsleistungen  anlangen,  bis  in 
neueste  Zeit  unbekannt  geblieben  waren.  Als  diese  Lücke  ausgefüllt  woi 
war,  Hess  auch  die  Anwendung  der  gefundenen  Gesetze  auf  die  elek 
chemischen  Vorgänge  nicht  auf  sich  warten,  und  hat  alsbald  die  wertlr 
..  sten  Früchte  gezeitigt. 

.1  t  2.  Arrhenius*  erste  Abhandlung.     Im  Juni  1883  legte  Svante  A 

I  1  '%  henius  der  schwedischen  Akademie  der  Wissenschaften  eine  Arbeit  über 

galvanische  Leitfähigkeit  sehr  verdünnter  wässeriger  Lösungen  vor,  we 
1884  gedruckt  wurde.1  Das  allgemeine  Ergebniss  der  Arbeit  war,  dass 
Lösungen  bei  grosser  Verdünnung  ihre  Leitfähigkeit  sehr  nahe  proporti 
dem  Gehalt  an  elektrolytischer  Substanz  ändern.    Bei  grösserer  Concentra 


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1  Bijhang  tili  K.  Svenska  Vet-Akad.  Handl.  8,  No.   13.  1884. 


Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation.  IOQ3 


finden  hiervon  Abweichungen  in  solchem  Sinne  statt,  dass  die  Leitfähigkeit 
weniger  schnell  zunimmt,  als  dem  steigenden  Gehalt  entspricht.  Der  Betrag 
der  Abweichung  ist  bei  verschiedenen  Stoffen  sehr  verschieden  und  bei 
chemisch  ähnlichen  Stoffen  übereinstimmend.  Er  fasst  selbst  seine  Ergeb- 
nisse in  die  folgenden  Sätze  zusammen: 

,,l)  Die  Leitfähigkeit  einer  elektrolytischen  Lösung  ist  proportional  der 
Menge  des  gelösten  Elektrolyts  (oder  der  Zahl  der  gelösten  Molekeln),  wenn 
die  anderen  Umstände  als  unveränderlich  angesehen  werden  können. 

„2)  Sind  zwei  oder  mehrere  Salze  in  demselben  nichtleitenden  Lösungs- 
mittel aufgelöst,  so  ist  die  Leitfähigkeit  der  Lösung  gleich  der  Summe  der 
Leitfähigkeiten,  welche  die  Lösung  besitzen  würde,  wenn  einmal  nur  das 
eine  Salz,  das  andere  Mal  das  andere  allein  aufgelöst  wäre. 

„3)  Die  Leitfähigkeit  einer  verdünnten  Salzlösung  ist  gleich  der  Summe 
der  Leitfähigkeiten  der  Salzlösung,  indem  das  Lösungsmittel  als  nichtleitend 
betrachtet  wird,  plus  der  eigenen  Leitfähigkeit  des  Lösungsmittels."  Dieser 
Satz  ist  besonders  wichtig,  um  die  stets  vorhandene  eigene  Leitfähigkeit  des 
Lösungsmittels,  z.  B.  des  Wassers,  die  meist  von  der  Gegenwart  anderer  Elek- 
trolyte  herrührt,  von  denen  es  sehr  schwer  völlig  zu  befreien  ist,  in  Rech- 
nung zu  bringen.  Er  ist  anfangs  mehrfach  angezweifelt  worden,  hat  sich 
aber  in  der  Folge  als  im  Wesentlichen  stichhaltig  erwiesen. 

,,4)  Wenn  bei  der  Verdünnung  einer  Lösung  die  Leitfähigkeit  sich  nicht 
proportional  dem  Gehalt  ändert,  so  muss  nothwendig  ein  chemischer  Vor- 
gang in  der  Lösung  durch  den  Zusatz  des  Lösungsmittels  stattfinden. 

„5)  Sind  zwei  Stoffe  gleichzeitig  gelöst,  und  findet  der  Satz  2  keine 
Anwendung,  so  muss  ein  chemischer  Vorgang  zwischen  den  beiden  Stoffen 
stattgefunden  haben." 

Besondere  Verhältnisse  zeigten  sich  bei  den  sehr  verdünnten  Lösungen 
der  starken  Säuren  und  Basen,  denn  hier  nähert  sich  das  Verhältniss  zwischen 
Leitfähigkeit  und  Gehalt  (die  molekulare  Leitfähigkeit)  nicht  einem  grössten 
Grenzwerthe,  sondern  nimmt  bei  sehr  grossen  Verdünnungen  wieder  ab. 
Arrhenius  führte  mit  Recht  diese  Erscheinungen  auf  Vorgänge  zwischen 
dem  gelösten  Stoffe  und  den  im  Wasser  vorhandenen  Verunreinigungen 
zurück. 

Weiter  wird  der  Vorgang  der  elektrolytischen  Leitung  den  üblichen 
Ansichten  gemäss  als  mit  einer  Reibung  zwischen  den  Ionen  des  Elektrolyts 
und  dem  Lösungsmittel  verbunden  angesehen,  und  aus  einer  Betrachtung 
der  hierbei  maassgebenden  Umständen  werden  die  folgenden  weiteren  Sätze 
abgeleitet: 

„7)  Der  Widerstand  einer  elektrolytischen  Lösung  ist  um  so  grösser,  je 
grösser  die  innere  Reibung  ist. 

„8)  Der  Widerstand  einer  elektrolytischen  Lösung  ist  um  so  grösser,  je 
complicirter  die  Ionen  sind. 

„9)  Der  Widerstand  einer  elektrolytischen  Lösung  ist  um  so  grösser,  je 
grösser  das  Molekulargewicht  des  Lösungsmittels  ist." 


IQQA  Neunzehntes  Kapitel. 


Von  diesen  Sätzen  ist  der  letzte  wahrscheinlich  mit  den  Thatsac 
im  Widerspruch,  da  die  Leitfähigkeit  sehr  verdünnter  Lösungen  in  Aa 
grösser  ist,  als  die  der  entsprechenden  wässerigen  Lösungen. 

Diese  Sätze  dienen  nur  dazu,  die  Veränderlichkeit  der  Leitfähigkeil 
erklären,  welche  die  Elektrolyte  mit  veränderlicher  Verdünnung  zeigen, 
diesem  Ende  betrachtet  Arrhenius  die  gelösten  Zustände  als  zum  gros» 
oder  geringeren  Theil  aus  complexen  Molekeln  bestehend,  indem  er 
auf  eine  Darlegung  in  Fehling's  Handwörterbuch  der  Chemie1  stützt, 
welcher  für  diese  Annahme  einige  Gründe  angegeben  werden,  die  man  h 
allerdings  als  wenig  bindend  anerkennen  würde.  Je  complexer  der  gel 
Stoff  ist,  um  so  schlechter  muss  er  leiten;  andererseits  ist  es  eine  g 
gerechtfertigte  Annahme,  dass  die  Complexität  mit  steigender  Verdünn 
geringer  wird,  wobei  die  Leitfähigkeit  den  Beobachtungen  gemäss  zunin 
Dies  wird  in  folgenden  Sätzen  ausgesprochen: 

,,io)  Die  Complexität  einer  Salzlösung  ist  um  so  grösser,  je  leichter 
Bestandtheile  des  Salzes  Doppelverbindungen  bilden. 

,,ii)  Die  wässerigen  Lösungen  aller  Elektrolyte  enthalten  den  gelä 
Elektrolyten  mindestens  theilweise  im  Zustande  molekularer  Complexe. 

„12)  Verdünnt  man  die  Lösung  eines  normalen  Salzes,  so  nähert  : 
die  Complexität  asymptotisch  einer  unteren  Grenze. 

„13)  Die  Grenze,    der   sich    die   Complexität   eines   gelösten   norm; 
Salzes  bei  äusserster  Verdünnung  annähert,  ist  für  alle  normalen  Salze  ^ 
gleichen  Grade.     Wahrscheinlich  wird  diese  Grenze  erst  erreicht,  wenn 
Salze  sich  in  einfache  Molekeln  zertheilt  haben,  wie  sie  durch  die  chemis 
Molekularformel  dargestellt  werden." 

Wie  man  aus  diesen  Darlegungen  sieht,  ist  bei  Arrhenius  bereits 
Grundgedanke  vorhanden,  dass  die  Zunahme  der  molekularen  Leitfahig 
.j  mit  steigender  Verdünnung  das  Zeichen  für  einen  Vorgang  ist,  der  an 

mit  dem  Elektrolyten  stattfindet.     Nur   suchte    er   ihn  in  entgegengeset 

Richtung,   als   er  sich  später  herausgestellt  hat.     Nicht  der  Übergang  c 

plexer  Molekeln  in  einfache,  sondern  der  Übergang  der  einfachen  Mole) 

in  ihre  Theilstücke  oder  Ionen  hat  sich  als  der  bestimmende  Grund  erwie 

Dass  Arrhenius  damals  jene  Ansicht  haben  konnte,  liegt  zum  Theil  da 

■  dass  Mittel  zur  Bestimmung  der  Molekulargrösse  gelöster  Stoffe   noch  11 

I  bekannt  waren,  denn  die  erste  Arbeit  von  van*t  Hoff  über  den  Gegensl 

^  erschien  erst  zwei  Jahre  später.     Gleichzeitig  ersieht  man  hieraus,   welc 


1 


lerer  Ansichten  über  den  Zustand  gelöster  Elektrolyte  haben  musste;  in 


i[  grossen  Einfluss  die  Auffindung  dieser  Mittel  auf  die  Entwickelung  ratio 

I 

;}   *  <%  '  That  ist  später  gerade  auf  diesem  Wege  der  Gedanke  der  elektrolytisc 


Dissociation  entstanden. 

Unmittelbar  auf  diesen  ersten,  experimentellen  Theil  seiner  Arbeit 
Arrhenius  einen  theoretischen  folgen,   in  welchem  ein  neuer  wichtiger 


1  Neues  Handwörterb.  der  Chemie  IV,  156.  1882. 


Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation.  IOQ5 


nke  auftritt,  der  des  Zusammenhanges  zwischen  elektrischer  Leit- 
higkeit  und  chemischer  Reaktionsfähigkeit.  Zwar  hatte  schon 
ttorf  (S.  866)  auf  den  hier  vorhandenen  Zusammenhang  hingewiesen, 
>ch  war  erst  Arrhenius  in  der  Lage,  ihn  zahlenmässig  zu  verfolgen,  und 
n  Satz  von  der  Proportionalität  der  beiden  auszusprechen. 

Zunächst  beginnt  Arrhenius  damit,  für  den  auch  ihm  offenbar  nicht 
nz  befriedigend  erscheinenden  Begriff  der  Complexität  der  gelösten  Elek- 
Jyten  einen  anschaulicheren  zu  entwickeln.  Er  weist  zu  diesem  Zwecke 
f  die  Verhältnisse  beim  Ammoniak  hin,  wo  man  in  der  Lösung  ein  Ge- 
sch  von  Ammoniak,  NH3,  und  Ammoniumhydroxyd,  NH4OH,  annehmen 
nne.  Das  erste  ist  als  Nichtleiter,  das  andere  als  Elektrolyt  anzusehen, 
id  da  die  Menge  des  Hydroxyds  mit  steigender  Verdünnung  zunehmen 
jss,  so  muss  dies  auch  die  molekulare  Leitfähigkeit  thun. 

Von  den  Säuren,  die  damals  bezüglich  ihrer  Leitfähigkeit  bekannt  waren, 
rhält  sich  die  Essigsäure  ganz  ähnlich  wie  das  Ammoniak.  Über  diese 
rd  bemerkt:  „In  welcher  Beziehung  sich  die  beiden  Antheile  (der  leitende 
er  aktive  und  der  nichtleitende  oder  inaktive)  von  einander  unterscheiden, 
*ibt  aufzuklären.  Wahrscheinlich  ist  der  aktive  Theil  wie  beim  Ammoniak 
le  Verbindung  des  inaktiven  Stoffes  mit  dem  Lösungsmittel.  Oder  es  mag 
r  Unterschied  zwischen  dem  aktiven  und  dem  inaktiven  Theil  in  rein 
lysikalischen  Eigenschaften  bestehen,  wie  weiter  unten  gezeigt  werden  soll." 
e  Stelle,  auf  welche  hier  verwiesen  wird,  enthält  folgende  Überlegung, 
le  elektrolytisch  leitenden  Theile  müssen  des  doppelten  Austausches  fähig 
in,  den  sich  Arrhenius  den  damaligen  Ansichten  entsprechend  so  vor- 
illte,  dass  die  sich  austauschenden  Molekeln  einen  geschlossenen  Kreis 
den  müssen,  worauf  die  gegenseitige  Umwechselung  der  Theilmolekeln 
ittfinden    kann.     Wenn  nun  ein  Elektrolyt  auf  solche   Art  constituirt  ist, 

ss  in  einer  gegebenen  Zeit  nur  ein  Theil  —  desselben  an  solcher  Be- 
rgung theilnehmen  kann,  so  ist  offenbar  der  Coefncient  seiner  Aktivität 
sich  —     Es  ist  also  nicht  nöthig,  dass  ein  chemischer  Unterschied  zwischen 

n  beiden  Antheilen  bestehe. 

Arrhenius'  Vorstellungen  über  den  Vorgang  des  doppelten  Austausches 
id  der  davon  abhängigen  elektrolytischen  Leitung  sind  interessant  kennen 
lernen,  da  sie  der  Punkt  sind,  in  welchem  später  seine  eigene  Ent- 
ckelung  eingesetzt  hat.  „Wenige  Hypothesen  sind  von  der  wissenschaft- 
hen  Welt  so  allgemein  angenommen,  wie  die  von  Williamson  und  Clausius. 
ese  Hypothese  nimmt  bekanntlich  an,  dass  eine  elektrolytisches  Molekel  in 
1er  Lösung  in  zwei  Ionen  getheilt  ist,  welche  frei  beweglich  sind,  wenn 
ch  kein  Strom  durch  die  Lösung  geht.  Wenn  aber  das  Kation  der  einen 
Dlekel  in  die  Nachbarschaft  des  Anions  einer  anderen  gelangt,  so  können 
:h  die  beiden  Ionen  verbinden,  worauf  das  Anion  der  ersten  Molekel  und 
s  Kation  der  zweiten  (wenn  sie  sich  nicht  mit  einander  verbinden)  zwischen 


IOq6  -Neunzehntes  Kapitel. 


die  anderen  Molekeln  hineinwandern,  bis  sich  jedes  mit  dem  entgegengeset 
Ion  verbindet.     In    diesem  Falle   werden   neue   Ionen   frei   und  setzen 
Vorgang  fort. 

„Nun  wollen  wir  die  Folgerungen  aus  dieser  Hypothese  entwict 
Alle  Ionen  sind  mit  einer  gewissen  Menge  Elektricität  verbunden,  die  Anic 
mit  negativer,  die  Kationen  mit  positiver.  Aus  Symmetriegründen1 
diese  Mengen  für  alle  Ionen  gleich  gross.  Wenn  sich  nun  das  Kation  e 
Molekel  mit  dem  Anion  einer  anderen,  und  das  Kation  dieser  mit  dem  Ai 
einer  dritten  verbindet  u.  s.  f.,  so  kann  der  Vorgang  nur  dadurch  schlies 
dass  das  Kation  der  letzten  Molekel  sich  mit  dem  Anion  der  ersten 
bindet  oder  mit  einem  von  diesem  in  Freiheit  gesetzten  Anion.  Natüi 
geschieht  dies  alles  so  schnell,  dass  man  annehmen  kann,  dass  das  e 
Kation  sich  mit  dem  zweiten  Anion  in  demselben  Augenblicke  verbin 
wo  das  letzte  Kation  an  das  erste  Anion  tritt.  Während  dieser  Vorg 
stattfindet,  hat  sich  offenbar  eine  gewisse  Menge  Elektricität  (die  mit  eil 
Ion  verbundene)  in  einer  geschlossenen  Linie  bewegt.  Wir  wollen  die 
schriebene  Erscheinung  einen  Kreisstrom  nennen.  In  einem  Elektr 
finden  demnach  beständig  Kreisströme  statt, 
y  „Indessen  könnte  man  vermuthen,  dass  die  Kreisströme  aufhören  müs 

5  weil  man  nicht  annehmen  darf,   dass  der  Widerstand  gegen  diese  Stri 

{Ä  gleich  Null   ist,    namentlich,   wenn  man  den  Widerstand  als  ein  Reibui 

hinderniss  gegen  die  Bewegung  der  Ionen  auffasst.     Dennoch  geschieht 
nicht,  weil,  wenn  die  Energie  des  Kreisstromes  durch  den  Widerstand 
mindert  wird,*  diese  sich  in  Wärme  verwandelt,   d.  h.  die  Temperatur 
Lösung  wird  höher.     Wenn  man  nun  wie  gewöhnlich  annimmt,    dass 
gesammte  Energie  das  Streben  hat,  dass  ein  bestimmter  Bruchtheil  dersel 
als  Bewegung  der  Ionen  vorhanden  ist  (wie  dies  Hr.  Claüsius  annimmt), 
wird  sich  bald  ein  beweglicher  Gleichgewichtszustand  herstellen,  welcher 
[  [*  \\         ft  durch  gekennzeichnet  ist,  dass  der  Energieverlust  der  Kreisströme  in  e 

gewissen  Zeit  durch  eine  gleiche  Energiemenge  compensirt  wird,  die  aus 
Umwandlung  der  gesammten  Energie  herstammt." 

Aus  diesen  Darlegungen  ersieht  man  besonders  deutlich,  welche  Seh 
rigkeiten  für  eine  wirklich  befriedigende  Analyse  der  Erscheinungen 
beiden  stillschweigend  angenommenen  Hypothesen  von  dem  Zusammen!] 
der  Ionen  und  von  der  kinetischen  Natur  der  Wärme  machen,  wenn  i 
sie  vollständig  durchfuhren  will.  Auch  hat  es  nicht  an  Widerspruch  gc 
diese  Darstellung   von  Arrhenius    gefehlt,   doch  fällt  ein  solcher  sichei 

^  1  t         1  weniger  den  gezogenen  Schlüssen,  als  der  Beschaffenheit  der  Ausgangspui 

i\    [         I  zur  Last. 

Aus   seinen   Betrachtungen   leitet   Arrhenius    nun   die    elektrolytisc 
Gesetze  ab,  indem  er  insbesondere  die  Notwendigkeit  des  Faraday'sc 


i 


1  „Dieser    Satz    kann    strenger    bewiesen    werden,    was    im    folgenden    Paragraphen 
schehen  wird.*' 


Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation.  IOQ7 


setzes  nachweist,  wenn  man  das  Gesetz,  dass  niemals  freie  positive  oder 
gative  Elektricität  allein  erzeugt  werden  kann,  voraussetzt.  Ferner  zieht 
den  wichtigen  Schluss:  „Jeder  Stoff,  welcher  durch  doppelte  Zersetzung 
emisch  auf  einen  Elektrolyten  einwirkt  (so  dass  dessen  Ionen  getrennt 
rden),  ist  gleichfalls  eine  Elektrolyte,  und  dasselbe  sind  die  Produkte  der 
nsetzung."  Auch  dieser  Satz  ist  vielfach  angezweifelt  worden;  gegenwärtig 
er  in  so  vielen  Fällen  bewiesen  worden,  dass  an  seiner  allgemeinen  Gültig- 
it  kein  Zweifel  bestehen  kann. 

Was  nun  die  Hauptfrage,  den  Zusammenhang  zwischen  der  Leitfahig- 
it  und  der  chemischen  Affinität  oder  Reactionsfähigkeit  der  Elektrolyte 
langt,  so  spricht  Arrhenius  den  Satz  aus:  „Die  molekulare  Leitfähigkeit 
s  aktiven  Antheils  einer  Säure  (in  verdünnter  Lösung)  ist  constant  und 
abhängig  von  der  Natur  der  Säure." 

Dieser  Satz  enthält  einen  falschen  und  einen  richtigen  Bestandtheil.  Der 
weis  beruht  auf  der  falschen  Voraussetzung,  dass  die  Wanderungs- 
schwindigkeit  des  Anions  der  Säure  in  unbegrenzter  Verdünnung  unab- 
ngig  von  dessen  Natur  ist.  Der  Irrthum  (welcher  indessen  später  auch 
n  Anderen  begangen  worden  ist)  war  dadurch  entstanden,  dass  man  an- 
igs  fast  nur  Salze  mit  einfachen  anorganischen  Anionen  untersucht  hatte, 
ren  Wanderungsgeschwindigkeiten  von  einander  wenig  verschieden  sind; 
später  eine  grössere  Zahl  von  Fällen  zur  Kenntniss  gelangte,  musste  man 
h  überzeugen,  dass  es  sich  hier  bloss  um  eine  Annäherung  handelt  und 
ss  die  Wanderungsgeschwindigkeiten  gesetzmässig  verschieden  sind.  Der 
enstehende  Satz  muss  daher  umgeformt  werden  in:  Die  molekulare  Leit- 
ligkeit  des  aktiven  Antheils  einer  Säure  ist  konstant  und  gleich  der  Summe 
r  Wanderungsgeschwindigkeiten  des  Anions  und  des  Wasserstoffs.  Aus 
•sem  Satze  ergeben  sich  alsbald  die  weiteren  von  Arrhenius  ausgesprochenen 
►lgerungen:  „Je  besser  die  verdünnte  Lösung  einer  Säure  leitet,  um  so 
5sser  ist  ihr  aktiver  Antheil",  und  unter  Anwendung  der  Betrachtung,  dass 
r  der  aktive  Antheil  des  doppelten  Austausches  fähig  ist:  „Eine  Säure  ist 
i  so  stärker,  je  grösser  ihr  Aktivitätscoefficient  (ihre  molekulare  Leitfahig- 
it)  ist."     Derselbe  Satz  gilt  auch  für  Basen. 

Diese  weitreichenden  Schlussfolgerungen  konnte  Arrhenius  seinerzeit 
r  auf  wenige  Thatsachen  stützen,  da  damals  nur  fünf  oder  sechs  Säuren 
sichzeitig  in  Bezug  auf  ihre  Leitfähigkeit  und  auf  ihre  chemische  „Stärke" 
tersucht  waren.  Doch  hat  er  sich  in  der  Zukunft  (mit  einer  geringen  Ab- 
derung,  welche  auf  dem  eben  angegebenen  Umstände  beruht)  als  voll- 
mmen  richtig  bewährt,  derart,  dass  gegenwärtig  die  elektrische  Methode 
e  anderen  für  diesen  Zweck  verdrängt  hat.  Der  Nachweis  dieser  Be- 
hung  in  einer  grösseren  Anzahl  von  Fällen  (über  dreissig)  wurde  unmittel- 
r  nach  der  Veröffentlichung  von  Arrhenius*  Arbeit  durch  W.  Ostwald 
führt.1 


1  Journ.  f.  prakt.  Chemie  30,  39.   1884. 


jqq3  Neunzehntes  Kapitel. 

An  diese  grundlegenden  Ansichten  knüpft  Arrhenius  nun  eine  Ableit 
der   allgemeinen    Gleichgewichtsverhältnisse   zwischen    Elektrolyten,    die 
hier  trotz  ihres  wissenschaftlichen  Werthes  nicht  vollständig  wiedergebe^ 
sie  sich  viel  mehr  auf  chemische,  als  auf  elektrische  Fragen  bezieht 

Nur  einige  Bemerkungen,  welche  sich  in  der  Folge  auch  als  für 
uns  hier  beschäftigenden  Aufgaben  wesentlich  herausgestellt  haben,  sc 
Erwähnung  finden.  So  insbesondere  die,  dass  bei  sogenannten  unlöslic 
Stoffen  immer  eine  bestimmte,  wenn  auch  noch  so  geringe  Löslichkeit 
ausgesetzt  werden  muss,  woraus  sich  das  erfahrungsmässig  für  die 
sprechenden  heterogenen  Gleichgewichte  aufgestellte  Gesetz,  dass  die  v 
same  Menge  unlöslicher  Stoffe  konstant  ist,  unmittelbar  ergiebt  Ferner 
Arrhenius  betont,  dass  der  Aktivitätscoefficient  der  gelösten  Stoffe  von 
Verdünnung  in  verschiedenem  Maasse  abhängig  ist,  und  dass  deshalb 
constantes  Verhältniss  der  Affinitätsgrössen  z.  B.  zweier  Säuren  nicht 
stehen  kann.  Vielmehr  muss,  da  alle  Säuren  bei  unendlicher  Verdünn 
schliesslich  vollkommen  aktiv  werden,  das  Verhältniss  der  Aktivität  und  di 
das  der  Affinität  zweier  Säuren  sich  um  so  mehr  der  Einheit  nähern, 
die  Verdünnung  grösser  wird.  Auch  dieser  Satz  und  der  entspreche) 
dass  alle  Säuren  bei  maximaler  Verdünnung  gleich  stark  werden  müs 
hat  in  der  Folge  durchaus  Bestätigung  gefunden.  Die  Kühnheit  seiner  i 
Stellung  ist  um  so  bemerkenswerther,  als  die  zu  jener  Zeit  vorliegenden  T 
Sachen  nur  wenig  zu  seiner  Unterstützung  beitrugen  und  die  aus  di< 
Thatsachen  gezogenen  Anschauungen  weit  von  solchen  Schlüssen  entf 
waren.  Auch  in  diesem  Falle  ergaben  Versuche,  welche  W.  Ostwald 
stellte,  um  möglichst  „starke"  Säuren  ausfindig  zu  machen,1  dass  es  \i 
lieh  ein  Maximum  für  die  Stärke  der  Säuren  giebt,  und  dass  eine  Vereinig 
aller  Umstände,  die  für  die  Beförderung  der  Stärke  bekannt  waren,  k< 
weitere  Steigerung  über  dies  Maximum  hinaus  (das  bei  der  Salz-  und 
petersäure  nahezu  erreicht  ist)  nicht  zu  bewerkstelligen  vermochte. 

Endlich  beschäftigt  sich  Arrhenius  noch  mit  der  bereits  von  Hess  b( 
achteten  und  von  allen  späteren  Thermochemikern  wiedergefundenen  T 
sache,  dass  für  viele  Säuren  und  Basen  die  Wärmeentwickelung  bei 
Neutralisation  in  verdünnter  Lösung  den  gleichen  Werth,  unabhängig 
der  Natur  der  Säure  und  der  der  Base,  hat.  „Der  Einfachheit  wegen  wc 
wir  die  Wärmeentwickelung  bei  der  Umwandlung  eines  Stoffes  aus  < 
aktiven  Zustande  in  den  inaktiven  die  Aktivitätswärme  dieses  St< 
nennen. 

„Verbindet  sich  nun  eine  Säure  mit  einer  Basis,  beide  als  vollkomi 
aktiv  vorausgesetzt,  so  darf  man  diesen  Vorgang  als  die  Verdrängung  e 
schwachen  Säure  (des  Wassers)  aus  ihrem  Salze  (dem  basischen  Hyc 
durch  eine  starke  Säure  ansehen.  Wenn  daher  das  Wasser  vollkomi 
aktiv  wäre  (wie  die  Salze  der  starken  Säure  und  des  Wassers),  so  würde 


1  Journ.  f.  prakt.  Chemie  30,  235,  1884. 


Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation.  IOQO 

Neutralisationswärme  des  Wassers  (als  Säure  betrachtet)  gemäss  der  eben 
ausgesprochenen  Hypothese  gleich  der  der  starken  Säure  sein.  Das  heisst, 
es  würde  keine  Wärmeentwickelung  stattfinden.  Verwandelt  sich  nun  das 
vollkommen  aktive  Wasser  in  inaktives,  so  wird  seine  Aktivitäts  wärme  frei 
gemacht  Thatsächlich  muss  man  annehmen,  dass  unmittelbar  nach  seiner 
Bildung  das  Wasser  vollkommen  aktiv  ist,  denn  es  bildet  sich  durch  das 
Zusammentreffen  seiner  Ionen  H  und  OH,  die  mit  Bewegung  behaftet  sind. 
Die  Aktivität  geht  indessen  augenblicklich  verloren  und  es  entsteht  gewöhn- 
liches, fast  inaktives  Wasser.  Auf  diese  Weise  wird  bewiesen,  dass  die  Neu- 
tralisationswärme bei  dem  Übergange  einer  Säure  und  einer  Basis,  die  voll- 
ständig aktiv  sind,  in  Wasser  und  ein  gewöhnliches  Salz  nichts  als  die  Akti- 
vitätswärme des  Wassers  ist." 

Auch  mit  dieser  Betrachtung  hat  Arrhenius  wesentlich  das  Rechte  ge- 
troffen, und  wie  verschieden  auch  sich  in  der  Folge  die  Auffassung  des  Neu- 
tralisationsvorganges entwickelt  hat,  das  ist  doch  geblieben,  dass  es  sich 
hierbei  um  einen  Vorgang  handelt,  an  dem  das  gebildete  Wasser  entschei- 
dend betheiligt  ist  und  nicht  das  Anion  der  Säure  und  das  Kation  der  Basis. 

Schliesslich  soll  die  allgemeine  Bemerkung  gemacht  werden,  dass  bereits 
in  dieser  ersten  Arbeit  sich  die  grosse  Bedeutung  ankündigt,  welche  die  Unter- 
suchung der  elektrischen  Verhältnisse  für  die  Beurtheilung  der  chemischen 
Vorgänge  inzwischen  gewonnen  hat.  Was  seinerzeit  von  Berzelius  erfolglos 
angestrebt  worden  ist,  die  Entwickelung  einer  elektrochemischen  Affinitäts- 
lehre, hat  hier  seine  wissenschaftliche  Unterlage  gewonnen,  und  es  sind  zur 
Zeit  bereits  gegründete  Aussichten  vorhanden,  dass  das  Gebiet  dieser  Be- 
ziehungen weit  über  das  der  gewöhnlich  so  genannten  Elektrolyte  hinaus- 
reichen wird,  da  in  letzter  Linie  jeder  nicht  metallisch  leitende  Stoff  als 
Elektrolyt  im  weiteren  Sinne  aufzufassen  ist. 

3.  Prüfung  und  Bestätigung.  Die  beiden  Abhandlungen  von  Arr- 
henius erregten,  da  ihr  Verfasser  noch  völlig  unbekannt  war  und  dem  behan- 
delten Gegenstande  zu  jener  Zeit  von  der  Mehrzahl  der  Forscher  wenig  Inter- 
esse entgegengetragen  wurde,  nur  geringe  Aufmerksamkeit  und  fanden,  wo 
man  sie  beachtete,  keinen  besonders  freundlichen  Empfang.  An  einer  Stelle 
indessen  war  das  Gegentheil  der  Fall. 

Seit  einer  Reihe  von  Jahren  hatte  W.  Ostwald  l  sich  mit  der  Frage  be- 
schäftigt, wie  die  sogenannte  Affinitätsgrösse  oder  die  chemische  Verwandt- 
schaft der  verschiedenen  Stoffe  zu  messen  sei,  und  seine  Arbeiten  hatten 
sich  aus  experimentellen  Gründen  wesentlich  auf  Säuren  bezogen.  Dabei 
hatte  er  gefunden,  dass  für  die  verschiedenartigsten  Wirkungen  dieser  Stoffe 
bestimmte  Coefficienten  maassgebend  sind,  welche  von  der  Natur  der  statt- 
findenden Reaktion  unabhängig  und  für  die  verschiedenen  Säuren  charak- 
teristisch sind.  Ob  die  Wirkung  der  Säuren  in  der  Zersetzung  gelöster  oder 
in  der  Auflösung  unlöslicher  Salze,  in  der  Inversion  des  Zuckers,  der  Ver- 


x  Journ.  f.  prakt.  Chemie  16,  385.  1877. 


I  j  oo  Neunzehntes  Kapitel. 


seifung  der  Ester  oder  Amide  sich  äussert,  immer  findet  sie  nach  Maassj 
bestimmter  „Affinitätscoefficienten"  statt,  welche  sich  somit  ab  wicl 
Grössen  allgemeinsten  Charakters  herausstellten. 

Die  Messung  solcher  Affinitätscoefficienten  war  ursprünglich  ungei 
mühsam;  mit  seinen  ersten  Bestimmungen  an  drei  oder  vier  Säuren  hatte  < 
wald  etwa  ein  halbes  Jahr  zugebracht.  Wenn  auch  später  andere  Meth< 
gefunden  wurden,  durch  welche  die  Ergebnisse  weit  schneller  erhalten  we 
konnten,  so  war  doch  dem  Satze  von  Arrhenius  gegenüber,  dass  die  A: 
tätscoefficienten  der  elektrischen  Leitfähigkeit  der  betreffenden  Lösungen 
portional  seien,  ein  doppeltes  Interesse  vorhanden.  Einrnal  konnte  die  Be 
tung  der  gefundenen  Coefficienten  auf  ein  neues  und  unerwartetes  & 
ausgedehnt  werden,  sodann  aber  war,  wenn  sich  die  Beziehung  bestät 
ein  ungemein  ausgiebiges  Mittel  zur  Messung  dieses  Coefficienten  gege 
durch  welches  die  Kenntniss  dieser  Werthe  sich  sehr  bedeutend 
weitern  Hess. 

Ostwald   beeilte   sich    demgemäss,   die   Gültigkeit  jener   Beziehung 
prüfen;    das   Ergebniss   war   eine   glänzende   Bestätigung   der    Theorie 
Arrhenius,  wie  aus  der  nachstehenden  ersten  Mittheilung1  über  den  Gej 
stand  hervorgeht: 

„Da  nach  dem  FARADAY^schen  Gesetz  jedes  elektrolytische  Atom  ui 
hängig  von  seiner  Natur  eine  gleiche  Elektricitätsmenge  transportirt,  sc 
das  Leitungsvermögen  für  Elektricität,  eine  gleiche  Zahl  von  elektrolysirb 
Molekülen  vorausgesetzt,  nur  abhängig  von  der  Geschwindigkeit,  mit  wei 
die  Ionen  den  Transport  ausfuhren.  Diese  aber  hängt  wieder,  der  von  C 
sivs  entwickelten  Theorie '  der  Elektrolyse  gemäss,  wesentlich  von  der  Fä 
keit  der  Elektrolyte  ab,  ihre  Ionen  auszutauschen.  Von  dieser  Fäl 
keit  wird  nun  auch  die  Geschwindigkeit  der  chemischen  Re 
g.l  tionen  bedingt.     In  meinen  Studien  zur  chemischen  Dynamik2  habe 

r  \[  gezeigt,  dass  die  Geschwindigkeiten  irgend  welcher  unter  dem  Einfluss 

Säuren  verlaufender  Reaktionen  unter  einander  proportional  sind,  so  dass 
durch  eine  bestimmte  Eigenschaft  jeder  speciellen  Säure  bedingt  erschei: 
welche  ich  ihre  Äffinitätsgrösse  genannt  habe;  es  liegt  somit  der  Seh 
nahe,  dass  die  Reaktionsgeschwindigkeiten  dem  elektrischen  I 
tungsvermögen  der  Säuren  proportional  sind. 

„Zur  experimentellen  Prüfung  dieser  Anschauung  habe  ich  seit   eil 

halben  Jahre  Vorarbeiten  gemacht,  die  indessen  durch  andere  Arbeiten  i 

fach   unterbrochen  wurden.     Inzwischen   ist  durch  eine  Ideenreihe,  die 

kTi  |  anderem  Wege  zu  einem  gleichen  Resultat  fuhrt,  Hr.  Svante  Arrhenius 

i  i   l  -*  ähnlichen  Versuchen  geleitet  worden  und  hat  dieselben,  sowie  eine  aus  ih 


entwickelte,  sehr  beachtenswerthe  Theorie  der  chemischen  Verwandtscha 
zwei   Abhandlungen  veröffentlicht8    Dem  Autor  dieser  Abhandlungen, 


1  Journ.  f.  prakt.  Chemie  30,  39.   1884. 

2  Journ.  f.  prakt.  Chemie  (2)  27,  1.  1883;  28,  449.  1881. 

8  Bijhang  tili  K.  Svenska  Vet-Akad.  HandL  8,  N  TC4. 


Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation.  I IOI 


zu  dem  Bedeutendsten  gehören,  was  auf  dem  Gebiete  der  Verwandtschafts- 
lehre publicirt  worden  ist,  kommt  nicht  nur  die  Priorität  der  Publikation, 
sondern  auch  die  der  Idee  zu;  denn  obwohl  mir  die  Wahrscheinlichkeit  von 
Beziehungen  zwischen  den  Affinitätsgrössen  und  den  Leitungsfähigkeiten  seit 
der  Veröffentlichung  von  Kohlrausch's  grundlegenden  Arbeiten  über  die 
letzteren  nahegetreten  war,  habe  ich  die  oben  mitgetheilten  Überlegungen 
erst  machen  können,  nachdem  ich  die  allgemeinen  Gesetzmässigkeiten  der 
Geschwindigkeiten  chemischer  Reaktionen  erkannt  hatte,  d.  h.  seit  etwa 
einem  halben  Jahre.  Nun  ist  aber  die  Arbeit  von  S.  Arrhenius  bereits  am 
6.  Juni  1883  der  schwedischen  Akademie  vorgelegt  worden;  veröffentlicht 
wurde  sie,  wie  es  scheint,  etwa  im  Mai  dieses  Jahres;  zu  meiner  Kenntniss 
gelangte  sie  im  Juni  dieses  Jahres,  als  der  Verfasser  die  Freundlichkeit  hatte, 
sie  mir  zuzuschicken. 

„Ich  gebe  diese  Einzelnheiten,  um,  indem  ich  die  Unabhängigkeit  meiner 
Bestrebungen  auf  diesem  Gebiete  von  Arrhenius'  Arbeiten  darlege,  nicht  in 
den  Schein  einer  unmotivirten  Prioritätsreklamation  zu  gerathen.  Anderer- 
seits ist  aber  die  Angelegenheit  bedeutend  genug,  um  die  Veröffentlichung 
meinerseits  inzwischen  angestellter  Versuche  zu  rechtfertigen,  durch  welche 
das  nicht  eben  erhebliche  Vergleichsmaterial,  welches  dem  schwedischen 
Forscher  zu  Gebote  stand,  sehr  beträchtlich  erweitert  wird.  Ich  hebe  gleich 
hervor,  dass  die  Proportionalität  zwischen  dem  elektrischen  Leitungsvermögen 
und  den  Constanten  der  Geschwindigkeit  chemischer  Reaktionen  sich  in 
weitem  Umfange  bestätigt  hat,  so  dass  die  Bestimmung  des  ersteren  sich  den 
Methoden  der  Affinitätsbestimmung  gleichwerthig  anreiht. 

„Meine  Versuche  habe  ich  an  normalen  Säurelösungen  nach  der  vor- 
züglichen Methode  von  Kohlrausch1  mit  den  Wechselströmen  eines  kleinen 
Inductoriums  und  dem  Telephon  ausgeführt.  Da  es  sich  um  vergleichende 
Messungen  handelt,  benutzte  ich  als  constanten  Vergleichswiderstand  in  dem 
einen  Zweige  der  WHEATSTONE-KiRCHHOFF^schen  Anordnung  ein  mit  verdünnter 
Salzsäure  gefülltes  Widerstandsgefäss  von  gleicher  Grösse  wie  das,  welches 
die  zu  untersuchenden  Flüssigkeiten  aufnahm;  dadurch  wurde  gleichzeitig  der 
Einfluss  der  Temperatur  auf  Fehler  zweiter  Ordnung  herabgemindert.  Die 
Bestimmungen  sind  im  Übrigen  nur  vorläufige,  die  ich  durch  genauere 
zu  ersetzen  beabsichtige,  sowie  ich  in  den  Besitz  der  erforderlichen 
feineren  Messinstrumente  gelangt  sein  werde;  sie  können  Fehler  von  3  bis 
5  Procent  ihres  Werthes  enthalten.  Immerhin  ist  diese  Genauigkeit  bei 
Weitem  ausreichend,  um  die  fragliche  Beziehung  über  jeden  Zweifel  zu 
erheben. 

„In  der  nachfolgenden  Tabelle  habe  ich  das  Leitungsvermögen  der  an- 
gegebenen Säuren  unter  I  verzeichnet,  indem  das  der  Salzsäure  =  100  gesetzt 
wurde.  Unter  II  sind  die  Geschwindigkeitsgrössen  verzeichnet,  welche  ich 
bei  der  Katalyse  des  Methylacetats  durch  dieselben  Säuren  erhalten  habe, 


1  WiED.  Ann.  11,  653.   1880. 


II02 


Neunzehntes  Kapitel. 


i 


unter  III  die  entsprechenden  Werthe  für  die  Inversion  des  Rohrzu 
Eine  Übereinstimmung,  wie  sie  die  drei  Reihen  bieten,  habe  ich  selbst 
erwartet;  dieselbe  ist  wohl  geeignet,  jeden  Zweifel  an  der  Bedeutung 
Affinitätsgrössen  zu  heben. 


i.  Salzsäure,  HCl 

2.  Brom  Wasserstoff,  HBr   .... 

3.  Salpetersäure,  HNO8     .... 

4.  Äthylsulfonsäure,  C8H5 .  S08OH 

5.  Isäthionsäure,  C8H*OH  .  SO"OH 

6.  Benzolsulfonsäure,  CW.SO'OH 

7.  Schwefelsäure,  H8SO*    .... 

8.  Ameisensäure,  HCOOH     .     .     . 

9.  Essigsäure,  CH8.  COOH    .     .     . 

10.  Monochloressigsäure,  CH2C1 .  COOH 

11.  Dichloressigsäure,  CHC18.  COOH 

12.  Trichloressigsäure,  CCl8.COOH. 

13.  Glycolsäure,  CH8OH .  COOH      . 

14.  Methylglycolsäure,  CH8.  OCH8.  COOH 

15.  Äthylglycolsäure,  CH8.  OC8H6.  COOH 

16.  Diglycolsäure,  0(CHa.  COOH)8  .     . 

17.  Propionsäure,  C2H\  COOH    .     .     . 

18.  Milchsäure,  C8H*OH  .  COOH     .     . 

19.  0-Oxypropionsäure,  C8H4OH .  COOH 

20.  Glycerinsäure,  C2H8(OH)8.  COOH   . 

21.  Brenztraubensäure,  C8HsO  .  COOH  . 

22.  Buttersäure,  C8H7.COOH.     .     .     . 

23.  Isobuttersäure,  C8H7.  COOH.     .     . 

24.  Oxyisobuttersäure,  C8H6OH  .  COOH 

25.  Oxalsäure,  (COOH)2 

26.  Malonsäure,  CH8(COOH)8.     ... 

27.  Bernsteinsäure,  C8H4(COOH)8     .     . 

28.  Äpfelsäure,  C8H8OH(COOH)8     .     . 

29.  Weinsäure,  C8H8(OH)8(COOH)8  .     . 

30.  Traubensäure,  C8H8(OH)8(COOH)8  . 

31.  Brenzweinsäure,  C8H«(COOH)8    .     . 

32.  Citronensäure,  C8H«(OH) .  (COOH)8 

33.  Phosphorsäure,  PO(OH)'    .... 

34.  Arsensäure,  AsO(OH)8 


I. 

II. 

in. 

IOO 

IOO 

IOO 

101,0 

98 

III 

99,6 

92 

IOO 

79,9 

98 

91 

77,8 

98 

92 

74,8 

99 

104 

65,1 

73,9 

73,2 

1,68 

i»3i 

i,53 

0,424 

o,345 

0,40 

4,90 

4,30 

4,84 

25,3 

23,0 

27,1 

62,3 

68,2 

75,4 

1.34 

— 

1,31 

1,76 

— 

1,82 

1,30 

— 

i,37 

2,58 

— 

2,67 

0,325 

0,304 

— 

1,04 

0,90 

1,07 

0,606 

— 

0,80 

i,57 

— * 

1,72 

5,60 

6,70 

6,49 

0,316 

0,300 

— 

0,311 

0,286 

o,33 

1,24 

0,92 

1,06 

19,7 

17,6 

18,6 

3,IQ 

2,87 

3,o8 

0,581 

0,50 

o,55 

i,34 

1,18 

1,27 

2,28 

2,30 

— 

2,23 

2,30 

— 

1,08 

— 

1,07 

1,66 

1,63 

i,73 

7,27 

— 

6,21 

5,38 

— 

4,81 

„Bedenkt  man,  dass  weder  die  Temperatur,  noch  die  Verdünnuni 
den  drei  verglichenen  Versuchsreihen  dieselbe  war,  so  darf  man  die  1 
einstimmung  der  drei  Reihen,  deren  Unterschiede  im  Übrigen  ganz  g< 
massig  verlaufen,  wohl  befriedigend  nennen. 

„In  Bezug  auf  die  weitgehenden  Consequenzen,  welche  aus  diesen 
gebniss  gezogen  werden  können,  muss  ich  auf  die  oben  citirten  Arb 
von  S.  Arrhenius  verweisen.  Auch  findet  sich  wohl  in  Zukunft  Gelegei 
auf  die  Verschiedenheit  der  Vorstellungen  einzugehen,  welche  der  gen; 
Forscher  und  ich  uns  von  der  Natur  der  chemischen  Verwandte 
machen." 


Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation.  1 103 


In  einer  etwas  später  veröffentlichten  Arbeit1  wurden    diese  Ergebnisse 
durch  genauere   Messungen   bestätigt   und   auf  verschiedene  Verdünnungen 
erweitert     Die  Einzelheiten  brauchen   nicht  wiedergegeben   zu  werden,    da 
sie  durch  spätere  Untersuchungen   überholt   worden   sind;   von  allgemeinen  . 
Ergebnissen  seien  die  folgenden  erwähnt 

Zunächst  fand  sich,  dass  bei  den  schlechter  leitenden  Säuren  die  mole- 
kulare Leitfähigkeit  annähernd  proportional  der  Quadratwurzel  aus  der  Ver- 
dünnung zunahm.  Für  einzelne  Fälle  hatte  bereits  Kohlrausch  diese  Be- 
ziehung bemerkt;  hier  trat  sie  allgemein  auf.  Ferner  stellte  es  sich  heraus, 
dass  völlig  entsprechend  den  Ansichten  von  Arrhenius  ein  Maximum  der 
Leitfähigkeit  der  Säuren  vorhanden  ist,  welches  von  keinem  Stoffe  über- 
schritten wird.  Auch  ergaben  sich  deutliche  Anzeichen,  dass  dieser  Maxi- 
malwerth  nahezu  der  gleiche  war,  dem  auch  die  anderen  Säuren  zustrebten, 
was  gleichfalls  der  Theorie  von  Arrhenius  entspricht.  Die  Verhältnisse  mehr- 
basicher  Säuren  wiesen  deutliche  Abweichungen  auf,  über  welche  indessen 
erst  bei  späteren  Arbeiten  Klarheit  geschafft  wurde. 

Die  Gesetzmässigkeit,  nach  welcher  sich  die  molekulare  Leitfähigkeit 
der  Säuren  mit  der  Verdünnung  ändert,  bildete  dann  den  Gegenstand  einer 
dritten  Mittheilung,3  deren  Einleitungsworte  sind:  „Der  unerwartet  grosse 
Wechsel,  welchen  die  Reaktions-  und  die  dieser  proportionale  elektrische 
Leitfähigkeit  schwacher  Säuren  bei  zunehmender  Verdünnung  zeigt,  scheint 
die  Bedeutung  der  von  mir  nach  verschiedenen  Methoden  übereinstimmend 
gefundenen  Affinitäts-  oder  Reaktionswerthe  der  Säuren  auf  ein  ziemlich  ge- 
ringes Maass  herabzudrücken.  Denn  wenn  auch  die  Gültigkeit  dieser  Zahlen- 
werthe  für  die  Reaktionsfähigkeit  unabhängig  von  der  besonderen  Art  der 
Reaktion  bestehen  bleibt,  und  diese  somit  unzweifelhaft  das  messen,  was 
man  die  Affinität  oder  Stärke  der  Säuren  nennt,  so  kann  doch  der  Charakter 
von  Naturconstanten  nicht  ferner  Werthen  beigelegt  werden,  die  unter  Um- 
ständen bei  wachsender  Verdünnung  sich  wie   1  zu   100  ändern. 

„Die  Frage  nach  den  Gesetzen,  welchen  die  Reaktions-  oder  was  das- 
selbe ist,  die  elektrische  Leitfähigkeit  der  Säuren  unterliegt,  musste  daher 
erheblich  vertieft  werden,  insbesondere  muss  es  erforscht  werden,  ob  nicht 
der  Einfluss  der  Verdünnung,  der  bald  so  überaus  gross,  bald  sehr  gering 
ist,  sich  nicht  selbst  gesetzmässig  darstellen  lässt.  Ich  hoffe  nun  zeigen  zu 
können,  dass  derartige  Gesetze  vorhanden  sind.  Es  hat  sich  ergeben,  dass 
der  Einfluss  der  Verdünnung  auf  die  Leitfähigkeit  der  verschiedensten  Säuren 
durch  eine  und  dieselbe  Function  ausgedrückt  wird,  dergestalt,  dass  die 
Natur  der  Säure  eine  Constante  darin  bestimmt.  Diese  Constante  lässt  sich 
aus  einer  einzigen  Beobachtung  ableiten,  und  durch  sie  ist  die  jedem  Ver- 
dünnungsgrade zugehörige  Leitfähigkeit  im  Voraus  gegeben." 

Die  fragliche  Gesetzmässigkeit  ergab  sich  folgendermaassen.  Zunächst 
wurde    an    einer   grösseren    Zahl    starker   Säuren    nachgewiessen,    dass    ihre 


1  Journ.  f.  prakt  Chemie  30,  225.   1884.  *  Ebenda  31,  433.   1885. 


no4 


Neunzehntes  Kapitel. 


i 


molekulare  Leitfähigkeit  sich  bei  steigender  Verdünnung  einem  Maxie 
nähert,  welches  für  die  verschiedenen  Säuren  nahezu  dasselbe  ist.  Ob 
Werthe  wirklich  völlig  gleich  sind,  wurde  unentschieden  gelassen;  in 
Folge  hat  es  sich  herausgestellt,  dass  eine  Gleichheit  nicht  stattfindet,  son 
nur  eine  ziemlich  grosse  Annäherung.  Die  schwachen  Säuren  venne 
sämmtlich  ihre  molekulare  Leitfähigkeit  schnell  mit  steigender  Verdünr 
und  zwar  immer  in  der  Weise,  dass  die  Zunahme  der  Leitfähigkeit  für  glc 
Verhältnisse  der  Steigerung  der  Verdünnung  um  so  geringer  wird,  je  gre 
die  Leitfähigkeit  schon  selbst  ist  „Aber  noch  weit  enger  sind  die 
Ziehungen  zwischen  den  verschiedenen  Säuren.  Dem  Werth  1,76,  weh 
Ameisensäure  bei  2  Liter  zeigt,  kommt  der  der  Buttersäure  bei  32  L 
1,81   nahe.     Die  weiteren  Werthe  sind: 


Ameisensä 

iure 

Butt 

ersäure 

2  Liter      .     .     . 

.     .       1,76 

32  Liter 

.     .     .     .        1,81 

4     »»         •     < 

,     .       2,47 

64     ,, 

2,56 

8           M 

•     •       3,43 

128     „ 

•       3*59 

16     „ 

.     .       4,80 

256     „ 

•       5.04 

32     ,, 

.     .       6,63 

512     „ 

7,02 

64     ., 

.     .       9,i8 

1024     „ 

9,74 

128     „ 

.     .     12,6 

2048     „ 

•     I3»4 

256     „ 

.'   • 

.     .     17,0 

4096     „ 

18,0 

512     „ 

■     .     22,4 

8184     „ 

.     23,8 

024     „         .     . 

.     .     29,0 . 

16384     „ 

•     3»»5- 

f 


1 


i 


„Beide  Reihen   verlaufen    vollkommen    parallel,    indem  die  Werthe 
Buttersäure    immer    um    etwa    5   Procent   grösser   sind.     Ameisensäure 
Buttersäure  haben  also  stets  nahezu  gleiches  molekulares  Leitvermögen,  v 
letztere  16  mal  verdünnter  ist,  als  erstere. 

„Versucht  man,  diese  Beziehungen  auf  die  anderen  Säuren  gleich 
anzuwenden,  so  gelingt  dies  ohne  Schwierigkeiten;  wir  kommen  somii 
dem  Schlüsse,  dass  die  Verdünnungen,  bei  denen  die  molekuh 
Leitfähigkeiten  der  einbasischen  Säuren  gleiche  Werthe  hat 
stets  in  constanten  Verhältnissen  stehen  ....  Betrachtet  man 
Logarithmen  der  Verdünnungen  und  die  zugehörigen  molekularen  Leitß 
keiten  als  Coordinaten  einer  Curvc,  so  erscheinen  die  den  einzelnen  Sä 
zugehörigen  Züge  als  Theile  einer  und  derselben  Curve,  wel 
allen  Säuren  gemeinsam  ist.  Nur  muss,  um  den  Anschluss  der  einze 
Säuren  zu  bewirken,  der  Anfangspunkt  auf  der  Axe  der  Logarithmen 
Verdünnungen  für  jede  Säure  besonders  gewählt  werden  ....  Dies 
gebniss  ist  identisch  mit  dem  eben  gefundenen,  denn  wenn  gleiche  W< 
der  Leitfähigkeit  verschiedener  Säuren  sich  bei  gleichen  Verhältnissen 
Verdünnungen  ergeben,  so  müssen  die  Logarithmen  der  Verdünnui 
constante  Unterschiede  zeigen  ....  Da  es  sich  hier  ohne  Zweifel  um 
Naturgesetz  von  allgemeiner  Beschaffenheit  handelt,  von  dem  nach  me 
bisherigen  Erfahrungen  an  90  bis  100  einbasischen  Säuren  keine  Ausna 


Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation.  {  jqc 


vorhanden  ist,  so  liegt  der  Gedanke  nahe,  dass  die  fragliche  Curve  sich 
durch  einen  verhältnissmässig  einfachen  analytischen  Ausdruck  müsse  dar- 
stellen lassen.  Meine  Bemühungen,  denselben  zu  finden,  haben  indessen 
bisher  zu  keinem  Erfolg  geführt,  welcher  mich  befriedigt." 

Auf  die  angestellten  Versuche  in  dieser  Richtung  braucht  nicht  einge- 
gangen zu  werden.  Die  zu  jener  Zeit  vorliegenden  Beobachtungen  waren 
durch  eine  stetig  wirkende  Fehlerquelle  getrübt,  welche  zwar  an  sich  nicht 
bedeutend  war,1  aber  die  Eigenschaft  besass,  beständig  zunehmende  Ab- 
weichungen von  den  wahren  Werthen  zu  verursachen,  so  dass  hierdurch 
das  richtige  Bild  einseitig  verzerrt  wurde.  Während  so  zwar  die  allgemeinen 
Verhältnisse  der  Leitfähigkeit  der  Säuren,  insbesondere  deren  Abhängig- 
keit von  ihrer  Natur  und  Zusammensetzung,  in  einem  weiten  Umfange  sich 
aufklären  Hessen,2  blieb  die  Frage  nach  dem  wahren  Verdünnunggesetz 
ungelöst3 

4.  Die  Theorie  der  Lösungen.  In  diesem  hoffnungsvollen  Anfange 
der  Neuentwickelung  der  elektrochemischen  Beziehungen  waren  zwei  dunkle 
und  schwierige  Punkte  geblieben,  von  deren  Aufklärung  der  weitere  Fort- 
schritt abhängig  war.  Einmal  waren  die  Betrachtungen,  durch  welche  sich 
Arrhenius  den  so  tiefgreifenden  Unterschied  zwischen  den  leitenden  oder 
aktiven  und  den  nichtleitenden  oder  inaktiven  Molekeln  zu  verdeutlichen 
suchte,  wenig  befriedigend,  und  verlangten  dringend  eine  Verbesserung. 
Andererseits  erwies  sich  bei  jedem  neu  untersuchten  Stoff  das  „Verdünnungs- 
gesetz" für  die  Leitfähigkeit  der  Säuren  als  immer  zutreffend,  und  die  Frage 
nach  einem  rationellen  Ausdruck  dafür  und  seine  Beziehung  auf  anderweit 
bekannte  Thatsachen  musste  nothwendig  beantwortet  werden,  ehe  hier  an 
einen  erheblichen  Fortschritt  zu  denken  war. 

Beide  Aufgaben  sind  bald  darauf  gelöst  worden,  und  zwar  nicht  nur 
diese  beiden  Aufgaben,  sondern  auch  noch  viele  andere,  die  uns  bereits 
früher  auf  anderem  Gebiete  entgegengetreten  waren.  Es  geschah  dies  durch 
J.  H.  van*t  Hoff's  Theorie  des  osmotischen  Druckes. 

Seit  dem  Anfange  des  Jahrhunderts  ist  die  Thatsache  bekannt,  dass 
beim  Übereinanderschichten  verschieden  concentrirter  Lösungen  desselben 
Stoffes  sich  dieser  entgegen  der  Schwere  aus  den  unten    liegenden  concen- 


1  Sie  lag  in  einem  geringen  Ammoniakgehalt  des  zu  den  Verdünnungen  benutzten  Wassers. 

1  Journ.  f.  prakt  Chemie  32,  300.   1885. 

8  Es  ist  dem  Verfasser  wohl  erinnerlich,  dass  er  bei  seinen  Bemühungen,  die  fragliche 
Formel  zu  finden,  auch  den  jetzt  als  richtig  erkannten  Ausdruck  versucht  hat,  zumal  er  auf 
Grund  der  bekannten  Thatsache,  dass  die  Leitfähigkeit  zuerst  proportional  der  Quadratwurzel 
aus  der  Verdünnung  und  nachher  langsamer  bis  zu  einem  Maximum  wächst,  ziemlich  nahe  lag. 
Die  oben  erwähnte  Fehlerquelle  verursachte  aber  regelmässige  und  stetig  zunehmende  Abwei- 
chungen, so  dass  die  Formel  verworfen  wurde.  Als  später  die  richtige  Formel  auf  theoretischer 
Grundlage  entwickelt  wurde,  wollte  es  ein  günstiges  Geschick,  dass  an  dem  inzwischen  be- 
zogenen neuen  Wohnorte  des  Verfassers  sich  ein  Wasser  erhalten  Hess,  welches  von  diesem 
Fehler  fast  frei  war,  und  dass  gleichzeitig  mit  der  besseren  Theorie  auch  bessere  Messungen  er- 
halten wurden,  die  sich  einander  gut  anschlössen. 

Ostwald,  Elektrochemie.  70 


j  jq£  Neunzehntes  Kapitel. 

trirten  Schichten  in  die  höher  befindlichen  verdünnteren  begiebt,   und 
diese  Bewegung  nicht  eher   aufhört,    als  bis   eine    vollständig    gleichfön 
Vertheilung    des    gelösten    Stoffes    eingetreten    ist.      Stört    man    diese 
wegung   durch   Einschaltung   einer   Zwischenwand,   welche   dem    Durcl 
des    gelösten    Stoffes   Hindernisse   in   den   Weg   stellt,    so    macht   sich 
Druck  auf  die  Wand  geltend.     Namentlich  in  den  Zellen  der  Pflanzen 
Thiere  sind  solche  Erscheinungen  bemerkbar,  und  die  Frage  nach  den 
hältnissen  der  von  dieser  ungleichen  Bewegung  des  Lösungsmittels  und 
gelösten  Stoffe  herrührenden  Erscheinungen,  welchen  man    den  Namen 
osmotischen   gab,  hat    die  Botaniker   und  Physiologen    um    so    mehr 
schäftigt,  als  man  ihre  Bedeutung  für  die  im  Organismus  zu  Stande  komi 
den  Vorgänge  nicht  nur  nicht  verkannt,  sondern  zu  Zeiten  sogar  ein  * 
überschätzt  hatte. 

Im  Jahre  1877  machte  die  experimentale  Seite  der  Angelegenheit  d 
die  Arbeiten  des  Botanikers  Wilhelm  Pfeffer,  damals  in  Bonn,  einen  1 
tigen  Fortschritt.  Während  die  von  den  älteren  Forschern  in  diesem 
biete  ausgeführten  Untersuchungen  sich  immer  auf  Scheidewände  bez 
hatten,  die  zwar  Lösungsmittel  und  gelösten  Stoff  mit  verschiedener  L 
tigkeit  durchliessen ,  aber  schliesslich  doch  für  beide  durchgängig  w 
hatte  Pfeffer  feste  Scheidewände  hergestellt,  welche  nur  dem  Lösungsr 
den  Durchgang  gestatten,  für  den  gelösten  Stoff  aber  eine  ebenso  undi 
dringliche  Schicht  darstellen,  wie  eine  Wand  von  Glas  oder  Metall, 
gehörte  einige  Kühnheit  dazu,  eine  solche  Möglichkeit  auch  nur  ; 
nehmen;  und  nur  die  in  dieser  Beziehung  ganz  unzweideutigen  Erscheinu 
im  lebenden  Organismus,  in  welchen  solche  Stofftrennungen  durch  düi 
Zellhäute  sich  sehr  häufig  nachweisen  lassen,  konnten  zu  Versuchen  in  c 
Richtung  ermuthigen.  Dadurch,  dass  er  zwei  Lösungen,  die  sich  g< 
seitig  unter  Bildung  eines  Niederschlages  von  colloider  Beschaffenheit  f 
in  den  Zwischenräumen  eines  Gefässes  aus  porösen  Thon  zusammenti 
Hess,  gelangte  er  zu  solchen  halbdurchlässigen  Schichten.1  So  hat 
auf  solche  Weise  erzeugte  Schicht  von  Ferrocyankupfer  die  Eigenschaft, 
einer  wässerigen  Zuckerlösung  zwar  das  Wasser,  nicht  aber  den  Zi 
durchtreten  zu  lassen,  und  innerhalb  solcher  Schichten  machen  sich  du 
den  gelösten  Stoffen  herrührenden  oder  osmotischen  Drucke  in  i 
ganzen  Betrage  geltend. 

Stellt  man  nämlich  eine  mit  solchen  Scheidewänden  versehene  osmot 
Zelle,  die  Zuckerlösung  enthält,    in  reines  Wasser   und  verschliesst    sie 

t  einem   Manometer,   so    nimmt   man   wahr,   dass  das  Manometer  bald  < 

Druck  anzeigt,  welcher  langsam  zunimmt   und  schliesslich   bei    einem 

*  1  bestimmten  Werthe  stehen  bleibt.     Die  auf  diese  Weise  entstehenden  Di 

sind  von  auffälliger  Grösse;  eine  einprocentige  Zuckerlösung  giebt  z.  B. 
2/3  Atmosphären.     Sie   rühren  unzweifelhaft  von  dem  gelösten  Körper 

1  Die  erste  Herstellung  der  „Niederschlagsmembranen4'  und  der  Nachweis  ihrer  Un 
lässigkeit  für  bestimmte  Stoffe  rührt  von  Traube  her. 


i 


Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation.  I  j  Q7 

nn  sie  sind  erstens  der  Concentration  desselben  proportional,  und  anderer- 
its  können  sie  vom  Wasser  nicht  herrühren,  denn  das  Wasser  vermag  in 
lchen  Zellen  überhaupt  keinen  dauernden  Druck  auszuüben,  da  die  Zellen 
asser  durchfiltriren  lassen,  wenn  man  sie  mit  reinem  Wasser  füllt,  und 
»ses  unter  Druck  setzt. 

Die  Erscheinung  war  zur  Zeit  ihrer  Entdeckung  für  die  Physiker  ganz 
verständlich.  Pfeffer  theilte  seine  Beobachtungen  R.  Clausius  mit,  erregte 
er  keinen  Glauben  bei  ihm;  und  als  er  ihn  schliesslich  veranlasst  hatte, 
:h  die  Versuche  selbst  anzusehen,  war  ein  schweigendes  Kopfschütteln 
es,  was  Clausius  zur  Sache  äusserte.1  Auch  blieben  in  der  weiteren  Zeit 
jse  Beobachtungen  den  Physikern  und  Chemikern  meist  ganz  unbekannt, 
d  Pfeffer  verfolgte  sie  nur  nach  der  physiologischen  Seite,  nachdem  er 
nach  der  physikalischen  soweit  durchgearbeitet  hatte,  als  er  dessen  für 
ne  Zwecke  bedurfte. 

Durch  ein  zufälliges  Gespräch  auf  einem  gemeinsamen  Spaziergange  mit 
nem  botanischen  Collegen  de  Vries,  der  sich  gleichfalls  vom  physiologischen 
Endpunkte  aus  mit  den  Spannungserscheinungen  in  Pflanzenzellen  be- 
läftigte,  wurde  van't  Hoff  auf  die  hier  vorliegenden  merkwürdigen  That- 
:hen  aufmerksam  gemacht.  Ihm  traten  sie  vor  allen  Dingen  als  physi- 
lische  Erscheinungen  gegenüber,  und  er  suchte  ihre  allgemeinen  Be- 
hungen  festzustellen.  Diese  fand  er  in  der  Analogie  zwischen  dem 
lösten  und  dem  gasförmigen  Zustande. 

Dass  zwischen  beiden  eine  Ähnlichkeit  besteht,  war  schon  zu  wieder- 
lten  Malen  ausgesprochen  worden,  zunächst  ziemlich  unbestimmt,  be- 
mmter  unter  Anderen  von  Horstmann2  in  dem  Satze,  dass  wegen  der 
ereinstimmenden  Form  der  Gesetze  des  chemischen  Gleichgewichts  bei 
isen  und  bei  gelösten  Stoffen  die  Entropiefunction  bei  beiden  die  gleiche 
rstalt  haben  müsse.  Von  diesen  allgemeinen  Äusserungen  war  aber  zu 
r  bestimmt  formulirten  Anschauung  van't  Hoff,s  noch  ein  wesentlicher 
hritt  zu  thun,  der  in  der  Auflassung  des  osmotischen  Druckes  als  einer 
m  Gasdrucke  wesensgleichen  Grösse  lag. 

Auf  die  Entwicklung  dieses  Gedankens  und  den  Nachweis,  dass  that- 
:hlich  unter  Benutzung  des  osmotischen  Druckes  sich  für  jeden  gelösten 
>ff  eine  Gleichung  zwischen  dem  osmotischen  Druck,  dem  Volum  und 
r  Temperatur  aufstellen  lässt,  welche  nicht  nur  der  Form  nach  mit  der 
sgleichung  pv  =  RT  übereinstimmt,  sondern,  was  noch  viel  wichtiger  ist, 
welcher  die  Constante  R  für  die  gleiche  Stoffmenge  in  der  Lösung  den- 
ben  Werth  hat,  wie  für  den  Gaszustand,3  kann  hier  nicht  näher  eingegangen 
rden.    Nach  dem,  was  eben  über  die  freie  Energie  gesagt  worden  ist,  liegt 


1  Persönliche  Mittheilung  an  den  Verf.  —  Später  hat  sich  Clausius  allerdings  günstiger 
lssert,  doch  ist  er  nie  näher  auf  diese  Dinge  eingegangen. 

1  Liebig's  Ann.  170,  205.   1873. 

*  Die  Einzelheiten  dieser  wichtigen  Entdeckung  können  nachgesehen  werden  in  des  Ver- 
ers  Lehrb.  der  Allgem.  Chemie,  2.  Aufl.,  I,  651  u.  ff. 

70* 


uo8 


Neunzehntes  Kapitel. 


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i   i 


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,1 , 


die  Bedeutung  dieses  Fortschrittes  auf  der  Hand.  Während  früher  die 
einem  chemischen  Vorgange  leistbaren  Arbeitsbeträge  nur  für  den 
förmigen  Zustand  berechenbar  waren,  ermöglichte  die  Theorie  van*t  H< 
die  Anwendung  derselben  Formeln  auf  gelöste  Stoffe,  und  gestattet« 
unmittelbar  die  elektromotorischen  Kräfte  für  die  Vorgänge  zwischen  sol< 
zu  berechnen.  Beispielsweise  ergiebt  die  Berechnung  des  Unterschiedes 
freien  Energie  des  gelösten  Salzes  für  den  Durchgang  der  Elektricitätsm« 
Eins  durch  eine  Concentrationskette  (S.  1002)  unmittelbar  die  elektromc 
sehe  Kraft  derselben,  ohne  dass  man  der  Kenntniss  des  Dampfdruckes 
einer  anderen  Eigenschaft  der  Lösungen  bedarf.1 

5.  Eine    Schwierigkeit     Indessen    entstand    der  Lösungstheorie 
van't  Hoff  alsbald  eine  sehr  erhebliche  Schwierigkeit     Während  eine  gl 
Anzahl   von    Stoffen   sich   ohne   Widerspruch    den    mannigfaltigen  Ges« 
fugten,  welche  sich  aus  der  sachgemässen  Anwendung  der  Theorie   des 
motischen  Druckes  auf  die  an  den  Lösungen  stattfindenden  Vorgänge, 
besondere  die  des  Gefrierens  und  Verdampfens,    ergaben,    zeigte   sich 
Reihe  von  Stoffen    widerspenstig,    und   zwar   in    einem  Sinne,    welcher 
dem  bisherigen  Standpunkte  nicht  vorausgesehen  werden  konnte.     Die 
falligste  Gesetzmässigkeit  nämlich,  die  sich  aus  der  Theorie  des  osmotis« 
Druckes  ergeben  hatte,  war  die  folgende.     Bei  Gasen  ist  bekanntlich,  v 
man  chemisch  vergleichbare  oder  „molekulare"  Mengen    derselben    der 
trachtung  unterzieht,    die  Constante  R   der  Gasgleichung   von    der  Art 
Stoffes    unabhängig.      Daraus   ging    hervor,    dass   auch    bei    Lösungen 
Zahlenwerthe  gewisser  Grössen  (die  durch  die  Constante  R  bestimmt  1 
für  äquimolekulare  Mengen  der  gelösten  Stoffe  von  deren  Natur  unabhä 
werden  müssen.     So  muss  beispielsweise  der  Einfluss,  den  der  gelöste  ! 
auf  den    Gefrierpunkt   der   Lösung   hat,    für   äquimolekulare    Mengen 
schiedener  Stoffe  gleich  gross  sich  erweisen.     Dies  traf  in.  vielen  Fällen 
in  anderen,  und  zwar  sehr  wichtigen,  aber  nicht;    die  Ausnahmen    betr 
zumeist  die  bekanntesten  Stoffe,  wie  die  Salze  und  Säuren  der  anorganis* 
Chemie.     Wären   diese  Ausnahmen    solche    gewesen,   wie   sie    bei  man< 
organischen  Stoffen  auftraten,  dass  nämlich  die  aus  den  Beobachtungei 
berechnenden    Molekulargewichte    zu    gross    gewesen    wären,    so    hätte 
Sache  keine  besondere  Schwierigkeit  gemacht;    sie    erwiesen    sich    abei 
klein,   und  das  war  weniger  leicht    zu    erledigen.     Zu    grosse  Moleküls 
wichte  war  man  nämlich  lange  gewohnt  gewesen;    sie    kommen  verhält 
massig  häufig    vor,    und  hatten    ihre  Erklärung    durch    die  Annahme    < 
molekularen  Condensation,    einer  Verbindung    mehrerer  Molekeln    zu    i 
einzigen  erhalten.  Zu  kleine  Molekulargewichte  Hessen  sich  aber  auf  diese 
freilich  nicht  erklären,  und  van't  Hoff  half  sich  vorläufig  formal  dadurch, 

*  In   dem   angeführten   und   allen  ähnlichen  Fällen  wird  allerdings  die  Frage  etwas 
die  Dissociation   des  gelösten  Salzes  verwickelt,   insofern  die  aus  dem  Molekulargewicht  b 
nete   freie  Energie   noch   mit  einem  Faktor  zu  verschen  ist;   doch  macht  dieser  Umstand 
prinzipielle  Schwierigkeit. 


Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation.  t  iqq 


er  die  Constante  R  in  der  Gasgleichung  pv  =  RT  mit  einem  Coefficienten  i 
versetzte,  so  dass  letztere  die  Gestalt  pv  =  iR  T  annahm. 

6.  Andere  Zeichen  der  Zeit.  Während  durch  die  oben  geschilderte 
Arbeit  von  Arrhenius,  dem  damals  völlig  unbekannten  jungen  Physiker, 
nach  langer  Pause  der  erste  namhafte  theoretische  Fortschritt  in  der  Auf- 
fassung der  elektrochemischen  Erscheinungen  eingeleitet  worden  war,  regte 
sich  das  Interesse  an  diesen  Dingen  auch  an  anderen  Orten.  In  besonders 
deutlicher  Gestalt  trat  ein  solches  an  das  Tageslicht,  als  im  Jahre  1885 
durch  Olivier  Lodge  an  die  British  Association  for  the  Advancement  of 
Science  ein  Bericht  über  den  wissenschaftlichen  Zustand  der  Frage  von  der 
Elektrolyse  erstattet  wurde,  und  auf  eine  Anregung  desselben  Physikers  hin 
ein  „Electrolysis-Committee"  gegründet  wurde,  welches  das  vorhandene  Ma- 
terial auf  dem  Gebiete  sammeln,  wichtige  Fragen  lösen  und  die  ganze  An- 
gelegenheit nach  Möglichkeit  fördern  sollte.  In  den  folgenden  Jahren  ist 
dies  Committee  wiederholt  zusammengetreten  und  hat  einen  lebhaften  Brief- 
wechsel mit  verschiedenen  Gelehrten  unterhalten;  von  einem  bestimmten 
Erfolg  dieser  Thätigkeit  kann  aber  kaum  die  Rede  sein.  Es  ist  dies  nur 
ein  Beweis  dafür,  dass  sich  zwar  vorgeschriebene  Messungen,  Catalogisirungen 
oder  ähnliche  Arbeiten  mit  festem  Programm  auf  solche  Weise  organisiren 
lassen,  nicht  aber  Entdeckungen  und  wissenschaftliche  Fortschritte,  die  von 
neuen  Gedanken  abhängen.  Solche  werden  immer  der  schöpferischen  Thätig- 
keit Einzelner  überlassen  bleiben  müssen.  Auch  hat  sich  den  Mitgliedern 
dieser  Vereinigung,  zu  der  die  namhaftesten  Physiker  Englands  gehören,  in- 
zwischen offenbar  diese  Wahrheit  gleichfalls  aufgedrängt,  da  sie  in  den 
letzten  Jahren  nicht  mehr  zusammengetreten  ist,  und  auch  eine  begonnene 
Thätigkeit  in  Bezug  auf  die  Sammlung  und  Zusammenstellung  der  in  dies 
Gebiet  schlagenden  Arbeiten,  die  mit  solchen  Mitteln  ganz  wohl  ausfuhrbar 
ist,  aufgegeben  oder  aufgeschoben  hat. 

7.  Die  Theorie  der  freien  Ionen.  Der  interessanteste  Theil  aus  der 
Thätigkeit  des  Electrolysis-Committee  für  unsere  Geschichte  ist  ein  Brief, 
welchen  Arrhenius  im  Anfang  des  Jahres  1887  an  den  Schriftführer  des- 
selben, Oliver  Lodge,  gerichtet  hat,1  und  der  die  erste  Nachricht  über  den 
fundamentalen  Gedanken  enthält,  durch  welchen  Arrhenius  die  letzte  Ent- 
wickelung  der  Elektrochemie  begründet  hat 

„In  dem  Folgenden  beabsichtige  ich  mitzutheilen,  dass  ich  eine  Me- 
thode gefunden  habe,  um  das  Dissociationsverhältniss  oder  den  Aktivitäts- 

■  

coefficienten  eines  Stoffes  zu  bestimmen.  Aus  Ihren  letzten  Arbeiten  ver- 
muthe  ich,  dass  Sie  ein  besonderes  Interesse  an  dieser  Frage  nehmen 
werden. 

„In  einer  ungemein  geistreichen  und  wichtigen  Abhandlung,  die  neulich 
in  den  Verhandlungen  der  schwedischen  Akademie  veröffentlicht  worden  ist, 
hat  van^t  Hoff  gezeigt,    dass,    wenn   eine   Gramm-Molekel  eines  beliebigen 


1  Sixtb  Circular  des  British  Association  Committee  for  Electrolysis,  May   1887. 


1 1 1 0  Neunzehntes  Kapitel. 


Stoffes  gleichförmig  in  einem  gegebenen  Räume  vertheilt  ist,  sei  es  als 
oder  gelöst  in  einer  Flüssigkeit,  er  auf  die  Wände  des  Raumes  den  glei< 
Druck  ausübt,  welches  auch  die  Natur  des  Körpers  und  des  Lösungsm 
(auch  der  leere  Raum  als  solches  betrachtet)  sei. 

„Dies  Gesetz  ist  auf  den  von  Raoult  bezüglich  der  Erniedrigung 
Gefrierpunktes  erhaltenen  Zahlen  begründet,  und  befindet  sich  in  voller  L 
einstimmung  njit  der  Erfahrung;  auch  beruht  es  auf  starken  theoretis« 
Beweisen.  Nachdem  ich  die  Beweise  untersucht  habe,  kann  ich  kaum  iq 
einen  Zweifel  an  der  Gültigkeit  dieses  Gesetzes  haben. 

„Eigentümlicherweise  treten  aber  für  ein  Lösungsmittel,  nämlich  Wa 
sehr  bedeutende  Ausnahmen  auf:  der  Druck  ist  grösser,  als  das  obige  G 
verlangt.  Doch  giebt  es  einen  analogen  Fall,  wenn  der  Stoff  gasförmig 
nämlich  den  Fall  des  Jods  (ebenso  des  Broms  und  Chlors)  bei  hoher  1 
peratur.  Dies  wird  einwandsfrei  dadurch  erklärt,  dass  man  die  Jodmok 
als  bei  höherer  Temperatur  dissoeiirt  ansieht. 

„Dementsprechend  ist  es  natürlich,  anzunehmen,  dass  die  Stoffe,  we 
zu  grosse  Drucke  in  wässerigen  Lösungen  geben,  gleicherweise  dissoeiirt 

„Andererseits   war    ich    im  Jahre    1883   durch  den  Umstand,    dass 

molekulare  Leitfähigkeit  sehr  verdünnter  Lösungen  sich  einem  bestimi 

f  Werthe  nähert,  zu  dem  Schlüsse  geführt,  dass  bei  unbegrenzter  Verdüni 

alle  Elektrolyte  in  einfachere  (aktivere)  Molekeln  zerlegt  werden.  Nach 
Williamson-Clausius' sehen  Hypothese  werden  die  Ionen  der  aktiven  Mole 
als  frei  von  einander  betrachtet:  mit  anderen  Worten,  aktive  Molekeln  s< 
in  ihre  Ionen  dissoeiirt  sein.  Wird  diese  Hypothese  gemacht,  so  muss 
jede  verdünnte  Lösung  das  Dissociationsverhältniss  gleich  dem  Verhäl 
der  vorhandenen  molekularen  Leitfähigkeit  zu  der  Leitfähigkeit  bei  un 
licher  Verdünnung,  d.  h.  zu  dem  Maximum  der  molekularen  Leitfi 
I  keit  sein. 

„Geht  man  von  dieser  Hypothese  aus,  so  kann  man  nun  das  Ver 
niss  des  Druckes  eines  Elektrolyts  zu  dem  Drucke  bestimmen,  welchei 
ausüben  würde,  wenn  er  nicht  dissoeiirt  wäre.  Dieses  Verhältniss  n 
van't  Hoff  /,  und  es  kann  leicht  aus  Raoült's  Zahlen  berechnet  wer 
Stimmen  die  beiden  berechneten  Werthe  überein,  so  wird  es  sich  zei 
ob  unsere  Hypothese  richtig  ist.  Ich  habe  diese  Rechnung  gemacht, 
hier  sind  die  Zahlen  für  1  g  des  Stoffes,  gelöst  in  100  g  Wasser. 

„Die  erste  Spalte  giebt  die  aus  Raoult's  Daten  berechnete  Zahl; 
zweite  Spalte  die  aus  der  Leitfähigkeit  berechnete.     Die  in  der  Tabelle 
geführten  Zahlen    sind    1  +  (n  —  1)  cc,   wo  a  der  Aktivitätscoefificient  un 
die  Zahl  der  Ionen  in  der  Molekel  ist,  z.  B.  3  für  BaCla,  3  für  H*SO*,  2 
NaOH  oder  HCl  u.  s.  w. 

(Tabelle  siehe  Seite  un.) 

„Die  mit  (C)  bezeichneten  Zahlen  in  der  ersten  Spalte  rühren  nicht 
Raoult  her,  sondern  von  älteren  Versuchen  Rüdorff's.  Die  Zahlen 
zweiten  Spalte  sind  berechnet  nach  Ostwald  für  Säuren  und  Basen,    r 


Die  Theorie  der  elcktroly tischen  Dissociatioo.  Uli 

Kohlrausch  für  die  meisten  Salze,  für  einige  auch  nach  Long,  Grotrian, 
Klein  und  Ostwald.  Für  die  besser  leitenden  Salze  mögen  die  Zahlen  um 
10  bis  15  Procent  falsch  sein,  da  vielfach  Inter-  und  Extrapolation  erforder- 
lich war.  Für  schlechterleitende  Salze  sind  die  möglichen  Fehler  kleiner, 
und  für  die  Säuren  und  Hasen  ist  er  höchstens  5  Procent.  Über  die  Ge- 
nauigkeit von  Raoult's  Zahlen  bin  ich  nicht  im  Klaren;  ein  Fehler  von 
5  bis  10  Procent  erscheint  möglich.  Besonders  zu  bemerken  ist,  dass  die 
Leitfähigkeiten  bei  180  oder  250  gemessen  worden  sind,  die  Gefrierpunkts- 
erniedrigungen um  o°.  Mit  Rücksicht  auf  diese  Umstände  erscheinen  mir 
die  Zahlen  ziemlich  übereinstimmend,  ausgenommen  die  neun,  welche  mit 
einem  !  versehen  sind.  Von  diesen  sind  zwei  ältere  von  Rüdorff  und  die 
übrigen  gedenke  ich  nachzuprüfen.  Ich  werde  voraussichtlich  im  nächsten 
Jahre  an  diese  Arbeit  gehen  können.  Das  Verhalten  der  Kieselfluorwasser- 
stoßsaure  ist  aus  ihrer  theilweisen  Dissociation  (nach  Ostwald)  in  SiO"  und 
6HF1  erklärlich. 


I.  Nichtl 

o.94 
0,94 
o.93 

°-97 
1.04 
0.98 

0,84 

.67 
.7* 

-V> 
.83 
,88 
.'.'.5 
,90 

.92 

.t»3 

.04 

III.  Sau 

HCl 

HBr 

1.98 
2.03 

.90 

.94 
.94 

irai 
.92 

.9* 
.94 
.19 

.31 
,*4l 

,28 

.73! 
,46 

.03 

,49! 

,03 

,86 

,92 

,88 

KNO1  .... 

.  1.67 

1,81 

Äthylalkohol  .  . 

PropyUlkohol.  . 

KC'H'O* 

XbC'H'O' 

[  86 
■   '.73 

I,8l 
1,83 

3.09 

".79 
1,83 

Milchzucker     .  . 

KCIO"  .... 

.   1.78 

1,83 
2,38 

»■33 

Am'SO' 
K'C'O* 

.  :.9" 
■  -*.43 

Aceton 

001 

2,14 

090 

2.17 

Athyl-Acetit  .  . 

0,96 

2,69 
2,61 

BHO" 

Ameisensäure  .  . 
Biittersüure   .  .  . 

IV.    Sal 

l,04 

*<3* 
*.54 

»■50 

1,40 
*.'3 

2,23 

*.33 

SrCI' 

-  s,7<> 

■     :         P 

ZnCl» 

MeCI'    .... 

Cdl'        iQ   . 
CdjNO'tC)  . 
CdSO*      (C)   . 
MrSO* .... 

.  2.58 

.  2,&4 
.  o.94 

.     2,J2 

■  o.7S 
.    I.04 

202 

NaHO 

1,96 

2,40 
1,05 

1,561 
Mo 
'.35! 

1  79 

EfNOH   .... 

LiCl 

AmCl 

1.99 

1  HS 

1,90 

'.74 

1  00 

100 

KBr 

KOI 

CuSO4  .... 

.  0,97 
.  0,98 

1 

I 

1 

\ 

1 

I 

III2 

Neunzehntes  Kapitel. 

„Ich  glaube  daher,  dass  mar 
trolyten  in  massiger  Verdünnung 

NaOH 88 

KOH '  93        » 

HCl 90 

HfSO* 60       „ 

i  nun  sagen  kann,   dass  die  meisten  I 
erheblich  dissociirt  sind.     Beispielswei« 

Essigsäure    nur    etwa       1   Procent 

KCl 86 

K*SO* 67 

BaCl» 77 

MgSO4 40        „ 

11 


jeder  Stoff  in  seinem  hundertfachen  Gewicht  Wasser  gelöst. 

„Wie  oben  bemerkt,  üben  die  anderen  versuchten  Lösungsmittel  kc 
dissociirenden  Einfluss  auf  die  gelösten  Stoffe  aus.  Die  wenigen  hier 
angestellten  Versuche  beweisen,  dass  diese  Lösungen  auch  schlechte  L 
oder  Nichtleiter  sind.  Ist  die  obige  Hypothese  richtig,  so  kann  es  nui 
gelöste  Stoff  sein,  nicht  das  Wasser,  welcher  leitet,  denn  nur  der  erstere 
den  „osmotischen"  Druck  aus. 

„Ich  hoffe,  dass,  obwohl  ich  mich  nur  kurz  ausgesprochen  habe, 
Gedankengang  verständlich  sein  wird.  Da  die  Hypothese  noch  nich 
einem  Experimentum  crucis  geführt  hat,  so  kann  sie  nicht  als  vollkom 
gewiss  angesehen  werden,  doch  glaube  ich,  dass  die  obenstehende  Ta 
von  Ihnen  als  genügend  erachtet  werden  wird,  um  sie  für  eine  Discu: 
reif  zu  machen.  Von  chemischer  Seite  werden  wahrscheinlich  Einwendui 
erhoben  werden,  doch  sind  diese,  so  weit  ich  sie  kenne,  nicht  besor 
gefahrlich." 

Die  ausführliche  Darlegung  dieses  Gedankens  gab  Arrhenius  dann  V 
Zeit  darauf  in  den  Berichten  der  schwedischen  Akademie  vom  8.  Juni 
9.  November  1887;  zugänglicher  ist  die  Abhandlung  in  dem  ersten  B 
der  Zeitschrift  für  physikalische  Chemie.1  In  dieser  ausführlicheren  Abh 
lung  werden  zunächst  die  gleichen  Gesichtspunkte  geltend  gemacht,  w 
dem  mitgetheilten  Briefe.  Dann  folgt  eine  Tabelle,  welche  bedeutend 
gedehnter  ist  als  jene,  aber  sachlich  das  Gleiche  enthält.  Auch  über 
möglichen  chemischen  Einwendungen  gegen  seine  Theorie  äussert 
Arrhenius  recht  kurz:  „Die  Einwendungen,  welche  von  chemischer  : 
wahrscheinlich  hervorgehoben  werden  können,  sind  hauptsächlich  diese 
welche  gegen  Clausius'  Hypothese  erfunden  worden  sind  und  welche 
früher  (in  der  oben  angeführten  Schrift)  als  vollkommen  unhaltbar  di 
stellen  gesucht  habe.  Eine  Wiederholung  dieser  Einwände  dürfte  also  z 
lieh  überflüssig  sein.  Nur  einen  Gesichtspunkt  will  ich  hervorheben: 
gleich  der  gelöste  Körper  gegen  die  Wand  des  Gefasses  einen  osmotis 
Druck  ausübt,  ganz  als  ob  er  in  seine  Ionen  theilweise  dissociirt  wäre,  s 
doch  die  Dissociation,  die  hier  in  Frage  kommt,  nicht  völlig  gleich  mit 
die  z.  B.  beim  Zerfallen  eines  Ammoniumsalzes  bei  höheren  Temperat 
vorkommt.  Im  ersten  Falle  sind  nämlich  die  Produkte  der  Dissociation 
Ionen)  mit  sehr  grossen  Quantitäten  Elektricität  von  entgegengesetzter 


■  l  Ztschr.  f.  phys.  Chemie,  1,  631.   1887. 


Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation.  1 1 1 3 

geladen,  wodurch  gewisse  Bedingungen  (die  Incompressibilität  der  Electri- 
cität)  eintreten,  aus  denen  folgt,  dass  dje  Ionen  nicht  ohne  einen  grossen 
Aufwand  von  Energie  in  merkbarem  Grade  von  einander  getrennt  werden 
können.     Dagegen  kann  man  bei  gewöhnlicher  Dissociation,  wo  keine  solchen 

•  *  

Bedingungen  vorkommen,  im  Allgemeinen  die  Produkte  der  Zersetzung  von 
einander  trennen." 

Arrhenius  zieht  nun  aus  der  Annahme  einer  mehr  oder  weniger  voll- 
ständigen Dissociation  eine  Reihe  wichtiger  Schlüsse,  welche  einen  weiten 
Vergleich  der  Theorie  mit  den  Beobachtungen  ermöglichen.  Diese  Prüfungen 
gruppiren  sich  alle  um  den  Satz,  dass  die  Eigenschaften  einer  verdünnten 
Salzlösung  additiv  in  Bezug  auf  die  der  beiden  Ionen  sein  müssen.  Das 
heisst  Folgendes.  Da  die  verdünnten  Lösungen  der  Salze  wesentlich  ihre 
beiden  Ionen  enthalten,  so  müssen  ihre  Eigenschaften  die  Summen  der 
Eigenschaften  sein,  welche  den  beiden  Ionen  einzeln  zukommen.  Nun  ist 
es  meist  nicht  möglich,  die  Eigenschaften  der  Ionen  einzeln  zu  messen,  da 
diese  eben  nicht  einzeln  vorkommen.  Hat  man  aber  zwei  Salze  AB  und 
A  B\  so  ist  der  Unterschied  der  Zahlenwerthe,  welche  irgend  eine  Eigen- 
schaft für  diese  hat,  gleich  A  +  B  —  {A  +  B')  =  B  —  B\  wenn  wir  mit  den 
Buchstaben  A  und  B  gleichzeitig  diese  Eigenschaftswerthe  bezeichnen.  Für 
ein  anderes  Salzpaar  A' B  und  A' B'  beträgt  der  Unterschied  A'  +  B—{A'  +  B') 
=  B  —  B',  hat  also  wieder  den  früheren  Werth.  Es  ist  daher  der  Unter- 
schied der  Eigenschaftswerthe  solcher  Salzpaare,  welche  ein  gemeinsames 
Ion  enthalten,  von  der  Natur  dieses  Ions  unabhängig,  und  diese  Beziehung 
lässt  sich  allerdings  leicht  an  der  Erfahrung  prüfen.  Thatsächlich  war  ein 
solches  Verhalten  der  Salze  längst  experimentell  aufgefunden  worden,  bevor 
die  Theorie  es  als  nothwendig  nachwies. 

Am  deutlichsten  werden  diese  Verhältnisse,  wenn  man  eine  ganze  Reihe 
von  Salzen  so  ordnet,  wie  es  die  nachstehende  Tabelle  andeutet: 

A     +  B  A+B'  A+B"  A     +  B'" 

A'   +  B  A'   +  B'  A'   +  B"  A'   +  B 


A"  +  B  A"  +  B'  A"  +  B"  A"  +  B 

A'"+B  A"'+B'  A'"+B"  r+B 


in 
in 
m 


Dann  müssen  die  Unterschiede  der  Eigenschaftswerthe  zwischen  allen  Gliedern 
von  je  zwei  horizontalen  oder  vertikalen  Reihen  einander  gleich  sein.  Bildet 
ferner  man  diese  Unterschiede  gegen  die  Glieder  irgend  einer  Reihe,  z.  B.  der 
ersten  horizontalen  und  der  ersten  vertikalen,  so  erhält  man  Summanden,  dij 
man  zu  den  Werthen,  welche  den  Gliedern  jener  ersten  Reihen  angehören,  nur 
zu  addiren  braucht,  um  den  Werth  jedes  entsprechendes  Gliedes  der  Tabelle 
zu  finden.  Solche  Summanden  sind  von  Valson,  der  sie  bei  der  Dichte  der 
Salzlösungen  gefunden  hatte,  Moduln  genannt  worden,  und  das  Vorhanden- 
sein einer  Modularbeziehung  ist  eine  Folge  von  der  additiven  Beschaffenheit 
der  Eigenschaften  der  betreffenden  Stoffe. 

Solche  Modularbeziehungen  weist  Arrhenius  nun  an  einer  sehr  grossen 


! 


HIA  Neunzehntes  Kapitel. 

Anzahl  verschiedener  Eigenschaften  der  Salzlösungen  nach.  Insbeson 
sind  es  die  specifischen  Gewichte  und  Volume,  die  Brechungsverhälti 
die  Capillaritätserscheinungen,  das  elektrische  Leitvermögen  (vergl.  S.  < 
die  Gefrierpunktserniedrigung,  die  Thermoneutralität.  Den  interessant 
Fall  bildet  die  Neutralisationswärme.  Es  ist  schon  erwähnt  worden,  dass  i 
henius  bereits  auf  Grund  seiner  älteren  unvollkommeneren  Theorie  von 
Aktivität  der  leitenden  Molekeln  zu  dem  Schlüsse  gelangt  war,  dass 
Neutralisationswärme  aller  Säuren  und  Basen,  vollständige  Aktivität  voi 
gesetzt,  gleich  gross  sein  muss,  doch  war  der  damalige  Beweis  nicht  < 
durchsichtig.  Nach  der  Theorie  der  freien  Ionen  ist  die  Sache  sehr 
fach.  In  einer  Säure  ist  das  Anion  und  der  Wasserstoff  getrennt  vornan 
in  der  Basis  ebenso  das  Kation  und  das  Hydroxyl.  Verbinden  sich  t 
zu  einem  Neutralsalz,  so  ist  in  dessen  Lösung  Anion  und  Kation  gleicl 
getrennt;  diese  haben  also  keine  Veränderung  erfahren.  Nur  Wassei 
und  Hydroxyl  sind  nicht  mehr  getrennt,  sondern  haben  sich  zu  Wasser 
bunden.  Der  Vorgang  der  Neutralisation  besteht  also  im  Grenzfalle 
schliesslich  in  der  Wasserbildung  aus  den  beiden  Ionen  Wasserstoff 
Hydroxyl;  dieser  Vorgang  ist  aber  bei  allen  Säuren  und  Basen  der» 
und  daher  ist  auch  die  dabei  stattfindende  Wärmeentwickelung  dieselbe 

Dies  ist  der  wesentlichste  Inhalt  jener  Abhandlung,  welche  seitdem  e 
so  grossen  Einfluss  auf  die  Entwickelung  der  Elektrochemie  ausgeübt 
Der  Widerspruch,  welchen  Arrhenius  vorausgesehen  hatte,  blieb  nicht 
und  in  den  nächsten  Jahren  hatten  die  wenigen  Anhänger  der  Ansicht 
Arrhenius  ungemein  viel  zu  thun,  um  Angriffe  gegen  diese  abzuwet 
Zwar  handelte  es  sich  bei  diesen  Angriffen  meist  um  Missverständnisse; 
der  Zähigkeit  aber,  mit  der  diese  Missverständnisse  immer  wieder  begai 
wurden,  ging  doch  hervor,  wie  sehr  die  neue  Ansicht  allen  gewohnten  ' 
Stellungen  der  Chemiker  widersprach. 

Jedoch  war  für  die  Entwickelung  dieses  Gedankenkreises  um  jene  Zeit 
durch  ein  sehr  günstiger  Umstand  eingetreten,  dass  soeben  die  Zeitscl 
für  physikalische  Chemie  ins  Leben  getreten  war,  deren  Herausg 
W.  Ostwald  und  van't  Hoff  sich  die  Vertretung  der  neuen  Anschauui 
zur  Pflicht  machten.  Ohne  ein  solches  Organ  wäre  es  den  neuen  Gedai 
leicht  ebenso  schlecht  gegangen,  wie  so  vielen  anderen  fundamenl 
Änderungen  der  Ansichten,  z.  B.  der  Idee  von  der  Erhaltung  der  Ene 
die  auch  etwa  zehn  Jahre  ein  geduldetes  Dasein  führen  musste  (wenr 
überhaupt  Aufnahme  fand),  ehe  ihr  das  Recht  zugestanden  wurde,  in 
wissenschaftlichen  Zeitschriften  zu  existiren. 

8.  M.  Planck  über  die  molekulare  Constitution  verdüni 
Lösungen.  In  demselben  Heft  der  Zeitschrift  für  physikalische  Chemu 
dem  die  Abhandlung  von  Arrhenius  über  die  Dissociation  der  in  Wassei 
lösten  Stoffe  erschien,  veröffentlichte  Max  Planck  eine  kurze  Arbeit,  welche 
anderem  Wege  zu  einem  ähnlichen  Ergebnisse  führte,  wie  jene  Untersuch 
Durch  die  Entwickelung  einer  von  dem  Entropiebegriff  ausgehenden  The 


Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation.  1 1 1  5 

die  er  auf  verdünnte  Lösungen  anwandte,  war  er  zu  den  gleichen  Formeln 
für  den  Einfluss  gelöster  Stoffe  auf  dem  Gefrierpunkt  (und  den  Dampfdruck) 
verdünnter  Lösungen  gelangt,  wie  sie  van  t'Hoff  auf  Grund  des  Begriffes 
des  osmotischen  Druckes  entwickelt  hatte.  Er  fand  ebenso,  wie  van't  Hoff, 
die  an  den  Salzlösungen  erhaltenen  Erscheinungen  im  Widerspruch  mit  den 
gebräuchlichen  Anschauungen  über  die  Molekularbeschaffenheit  der  gelösten 
Salze,  ging  aber  einen  Schritt  weiter  als  dieser.  Statt  durch  Einfuhrung  eines 
Coefficienten,  wie  des  van't  HoFF^schen  „z",  sich  formal  mit  dem  Widerspruch 
abzufinden,  hob  er  ihn  hervor,  und  sprach  aus,  dass  hier  eine  Dissociation 
vorliegen  müsse.  „Wir  können  demnach  folgende  Sätze  aussprechen:  In 
den  verdünnten  Lösungen  in  Essigsäure,  Ameisensäure,  Benzol,  Nitrobenzol 
existiren  die  Moleküle  der  meisten  gelösten  Stoffe  in  normaler  Grösse  (i=  i), 
nur  für  gewisse  Stoffe,  die  Raoult  1.  c.  namhaft  gemacht  hat,  wird  (i  =  1/2)> 
d.  h.  es  existiren  in  der  Lösung  Doppelmoleküle.  In  wässerigen  Lösungen 
erleiden  dagegen  im  Gegensatz  zu  Raoult's  Annahme  die  meisten  minera- 
lischen Stoffe  eine  Zersetzung,  deren  Grad  durch  den  Werth  von  i  bestimmt 
wird.  Für  die  gelösten  Baryum-  und  Strontiumchlorüre  fand  Raoult  z.  B. 
die  molekulare  Gefrierpunktserniedrigung  ungefähr  =  50.  Daraus  folgt  i 
nahezu   =3,  d.  h.  die  Molekülzahl  ist  in  der  Lösung  nahezu  verdreifacht." 

Über  die  Art  der  Dissociation  und  die  bei  derselben  entstehenden  Pro- 
dukte, sowie  überhaupt  über  die  chemische  Seite  der  Frage  sprach  sich 
Planck  nicht  aus.  Auch  fehlt  jeder  Hinweis  auf  den  Zusammenhang  mit 
der  elektrolystischen  Leitfähigkeit.  So  werthvoll  daher  auch  seine  Schluss- 
folgerung für  die  Bestätigung  der  Ansichten  von  Arrhenius  waren,  welche 
wesentlich  die  Betrachtungen  von  van't  Hoff  benutzten,  so  kann  die  Arbeit 
doch  nicht  als  von  gleicher  Bedeutung  für  die  Entwickelung  unserer  An- 
sichten, wie  die  von  Arrhenius  angesehen  werden. 

9.  Weitere  Entwickelung  der  Dissociationstheorie.  Der  Über- 
gang der  noch  ziemlich  unbestimmten  Idee  der  „aktiven  Molekeln"  zu  der 
bestimmten  der  dissociirten  Ionen  war,  wie  wir  gesehen  haben,  bei  Arr- 
henius durch  den  Einfluss  der  Theorie  der  Lösungen  von  van't  Hoff  be- 
werkstelligt worden,  wobei  gleichzeitig  diese  Theorie  selbst  von  einer  recht 
unbequemen  Schwierigkeit,  die  in  dem  Coefficienten  i  lag,  befreit  worden 
war.  Die  gegenseitige  Befruchtung  der  Theorieen  beider  ging  indessen  noch 
viel  weiter,  und  dieser  Fortschritt   wurde   durch  W.  Ostwald  bewerkstelligt. 

Die  Lehre  von  der  Dissociation  und  die  damit  zusammenhängende  vom 
chemischen  Gleichgewicht  hatte  um  jene  Zeit  bereits  ziemlich  erhebliche 
Fortschritte  gemacht.  Nachdem  diese  Erscheinungen  zunächst  qualitativ 
durch  Deville  bearbeitet  und  durch  die  Bemühungen  einerseits  der  Schüler 
Deville's,  insbesondere  Debray  und  Isambert,  von  G.  Wiedemann  anderer- 
seits auch  für  die  einfacheren  Fälle  quantitive  Gesetze  ermittelt  worden 
waren,  wurde  die  umfassende  Theorie  solcher  Erscheinungen  für  den  Fall 
der  Gase  in  allgemeiner  Weise  aufgestellt.  Den  Grundgedanken  hierzu, 
die    Anwendung    der    Thermodynamik    und    insbesondere    der    Lehre    von 


1 1  1 6  Neunzehntes  Kapitel. 


« 

l-   *> 


i 


der  Entropie,  hatte  Horstmann  gegeben;    die  allgemeine  Entwicklung 
hierher  gehörigen  Formeln  und  deren  Anwendung  auf  die  wenigen   dan 
bekannten  Fälle  verdanken  wir  Willard  Gibbs,    der    auch    diese  Fragen 
seiner   oben    (S.  992)    erwähnten  Abhandlung   in    fast   erschöpfender  W 
bearbeitet  hatte.     Spätere  Forscher  hatten  einzelne  besondere  Aufgaben 
handelt  und  in  W.  Ostwald's  Lehrbuch    der  allgemeinen  Chemie    war 
in   dem  Gebiet   bekannt  Gewordene    übersichtlich   bearbeitet:    es    war  j 
hier    ein    einigermaassen    bekannter    und    bebauter   Boden    vorhanden, 
nur  deshalb  keine  reichlicheren  Früchte  trug,  weil  es  nur  verhältnissmä 
wenig  gasförmige  Verbindungen  giebt,  und  unter  diesen  wieder  nur  ein 
ringer  Bruchtheil  die  Erscheinungen  des  chemischen  Gleichgewichts  in  m 
barer  Weise  beobachten  lässt.    Im  Gegensatze  dazu  treten  solche  bei  gelö« 
Stoffen  unvergleichlich  viel  reichlicher  und  mannigfaltiger  auf. 

Dieses  Verhältniss  einer  guten  Theorie  ohne  rechtes  Object,  und  ei 
ausgiebigen  Objects  ohne  gute  Theorie  wurde  nun  mit  einem  Male  and 
als  van't  Hoff  die  Gültigkeit  der  Gasgesetze  und  Arrhenius  das  Stattfin 
der  Dissociation  in  Lösungen  nachgewiesen  hatte.  Alle  die  Formeln  für 
chemischen  Gleichgewichte  der  Gase  fanden  Anwendung;  viele  von  ih 
wurden  hier  zum  ersten  Male  geprüft,  und  in  allen  Fällen  war  der  Umi 
der  möglichen  Prüfung  ungemein  viel  weiter,  als  ihn  die  Gase  bisher 
stattet  hatten. 

Die   erste    kurze  Mittheilung    über    die  Anwendung   dieses   Theiles 
Gasgesetze  auf  die  dissoeiirten  Lösungen  wurde  im  Januar  1888 l  gema 
Eine   weitere  Mittheilung    erfolgte    einige  Monate    später2    und    bald   da 
theilten  van't  Hoff  und  Reicher  mit,  dass  sie  die  Formel  gleichfalls  gep 
und  mit  der  Erfahrung  im  besten  Einklänge  gefunden  hatten.3 

Jene  erste  Mittheilung  Ostwald's  „Zur  Theorie  der  Lösungen"  laut 

„Die  Untersuchungen  von  van^t  Hoff,  Planck  und  Arrhenius  über 
dünnte  Lösungen4  haben  in  neuester  Zeit  dazu  gefuhrt,  eine  vollstän« 
Analogie  derselben  mit  Gasen  nachzuweisen.  Eines  der  merkwürdigsten 
gebnisse  dieser  Forschungen  ist,  dass  die  nach  dem  gewöhnlichen  Spn 
gebrauch  durch  die  kräftigsten  Verwandtschaften  zusammengehaltenen  1 
bindungen,  wie  z.  B.  Chlorkalium,  Chlorwasserstoff,  Kaliumhydroxyd,  t 
sächlich  in  verdünnten  Lösungen  als  in  sehr  weitgehendem  Maasse  disso 
angesehen  werden  müssen. 

„Da    dieses   Ergebniss    auf  Grundlage    zum    mindesten    sehr    plausil 
wenn  nicht  unzweifelhafter  Voraussetzungen  nach  den  Gesetzen  der  Ther 
1  dynamik  abgeleitet  worden  ist,  lässt  sich,  so  sehr  es  die  gebräuchlichen 

I  I  schauungen  geradezu  auf  den  Kopf  stellt,    nicht  viel  dagegen  sagen. 

man  aber  zu  einer  derartigen  Wandlung  der  Anschauung  sich  entschli 
hat  man  das  Bedürfniss,  die  Berechtigung  derselben  einer  möglichst  scha 
Prüfung  zu  unterziehen. 

1  Zcitschr.  f.  phys.  Chemie  2,  36.  1888.        "  Ebenda  2,  270.  1888. 
8  Ebenda  2,  777.   1888.        4  Ebenda  1,  481.  577  und  631.  1887. 


Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation.  1 1 1 7 

„Eine  solche  Prüfung  wird  erzielt,  wenn  man  möglichst  weitgehende 
Consequenzen  der  Theorie  zieht,  um  sie  mit  der  Erfahrung  zu  vergleichen. 
Die  vorliegenden  Zeilen  bezwecken  die  Entwickelung  einer  derartigen  Con- 
sequenz  und  die  vorläufige  Mittheilung  der  Ergebnisse  ihrer  Prüfung. 

„Wenn  die  Elektrolyte  in  wässerigen  Lösungen  dissociirt  sind,  und  dazu 
Gesetzen  unterliegen,  welche  den  Gasgesetzen  analog  sind,  so  müssen  die 
für  Gase  entwickelten  Dissociationsgesetze  auch  für  die  Lösungen  Anwendung 
finden,  fm  einfachsten  Falle,  wo  eine  Molekel  in  zwei  zerfällt,  führt  nun  die 
Theorie  zu  folgender  für  Gase  gültigen  Formel: l 

R  [oS*Pä  =  t  +  const-> 

AA,     T 

welche  für  constante  Temperatur  und  den  Fall,  dass  keines  der  Zersetzungs- 
produkte überschüssig  vorhanden  ist,  die  Gestalt: 

**  =  < 

annimmt,  wo  p  der  Druck  des  unzersetzten,  p}  der  des  zersetzten  Antheiles 
und  c  eine  Constante  ist. 

„Nun  lässt  sich  nach  den  oben  erwähnten  Arbeiten  der  „Druck"  in 
der  Lösung  proportional  den  vorhandenen  Mengen  u  und  ux  der  Stoffe 
und    umgekehrt   proportional    dem  Volum    setzen;    die  Gleichung  wird,   da 

P'.p1~ — :  —  >  zu  — iV  =  c.     Ferner  lassen  sich  die  Mengen  u  und  uY  aus 

dem  elektrischen  Leitvermögen  berechnen,  wie  Arrhenius  (1.  c.)  gezeigt  hat. 
Nennt  man  fiv  die  molekulare  Leitfähigkeit  eines  Elektrolyts  beim  Volum  v 
und  fji^  den  Grenzwerth  der  Leitfähigkeit  bei  unendlicher  Verdünnung,  so 
ist  u:u1  =  (jjl^  —  Hv):^,  da  die  Leitfähigkeit  fiv  proportional  der  dissociirten 
Menge  des  Elektrolyts  ux  ist.  Daraus  folgt  als  für  alle  binären  Elek- 
trolyte  gültiges  Verdünnungsgesetz: 


/V 


v  =  const. 


„Die  Prüfung  dieser  Beziehung  lässt  sich  mit  grosser  Schärfe  an  den 
Säuren  und  Basen  ausführen,  über  welche  zahlreiche  Messungen  der  elek- 
trischen Leitfähigkeit  vorliegen.  Unter  Vorbehalt  künftiger  eingehender  Mit- 
theilungen begnüge  ich  mich  einstweilen  hervorzuheben,  dass  das  Ergeb- 
niss  meiner  Rechnungen  mit  aller  Entschiedenheit  zu  Gunsten  der 
Theorie  spricht.  Die  Formel  enthält  nicht  nur  sämmtliche  allgemeine 
Gesetze,  welche  ich  über  den  Einfluss  der  Verdünnung  auf  Säuren  und 
Basen,  zusammen  über  hundert  Stoffe,  früher  empirisch  gefunden  habe,  son- 
dern sie  fuhrt  auch  zu  numerischen  Ergebnissen,  die  zum  Theil  vollständig 
stimmen,  zum  Theil  Abweichungen  aufweisen,  deren  Betrag  von  der  Grössen- 
ordnung  derjenigen  ist,  welche  man  an  Gasen  constatirt  hat." 

Während  so  auf  einer  Seite  die  Dissociationstheorie  die  wünschens- 
wertheste  Unterstützung  und  Bestätigung  erfuhr,  erregten  ihre  Voraussetzungen 

1  „Ostwald,  Allg.  Chemie  II,  723."    (1.  Aufl.   1887.) 


j  j  lg  Neunzehntes  Kapitel. 


N 


1 


und  Schlüsse  gleichzeitig  mannigfaltigen  Widerspruch,  der  sich  allerd 
zunächst  mehr  mündlich  als  schriftlich  äusserte.  Gelegentliche  Angri 
konnten  zwar  erledigt  werden;2  doch  erschien  es  nothwendig,  die  ne 
Anschauungen,  welche  sich  aus  der  elektrolytischen  Dissociationstheorie 
geben  hatten,  im  Zusammenhange  zu  erörtern  und  nach  einigen  noch 
berührt  gebliebenen  Seiten  mit  der  Erfahrung  zu  vergleichen.  Diesem  Zwe 
war  zunächst  die  oben  erwähnte  zweite  Mittheilung  „über  die  Dissociatk 
theorie  der  Elektrolyten  von  W.  Ostwald  gewidmet,  aus  der  die  wes 
lichsten  Erörterungen  hier  eine  Stelle  finden  mögen: 

„Selten  hat  ein  glücklicher  Gedanke  in  so  hohem  Maasse  Licht  ü 
weite  und  schwierige  Gebiete  geworfen,  wie  die  von  Arrhenius3  entwick 
Idee,  dass  die  Elektrolyte  in  wässerigen  Lösungen  in  meist  ziemlich  * 
gehendem  Maasse  in  ihre  Ionen  dissociirt  sind.  Der  Genannte  hat 
zeigt,  wie  die  bisher  unerklärten  Anomalien,  welche  sich  in  Bezug  auf 
Beeinflussung  des  Gefrierpunktes  und  des  Dampfdruckes  durch  Salze,  Säi 
und  Basen  gezeigt  haben,  durch  jene  Annahme  verschwinden,  und  fi 
henius  hat  insbesondere  weiterhin  die  sehr  umfassende  Übereinstimm 
dargelegt,  in  welcher  die  Thatsachen  der  elektrolytischen  Leitfähigkeit 
jenen  stehen. 

„Trotzdem  scheinen  diese  Anschauungen  bei  den  Fachgenossen  Beder 
zu  erregen.  Man  scheut  sich,  Stoffe,  welche  ,durch  die  kräftigsten  Verwa 
Schäften  zusammengehalten  werden',  wie  Chlorkalium,  Chlorwasserstoffsä 
Kaliumhydroxyd,  als  in  der  Lösung  dissociirt  anzusehen;  man  kann 
nicht  denken,  dass  Kaliumatome,  welche  einzeln  in  wässerigen  Flüssigke 
herumschwimmen,  nicht  auf  das  Wasser  einwirken  sollten,  um  Kaliumhydrc 
und  Wasserstoff  zu  bilden. 

„Diese  Bedenken  sind  indessen  nur  scheinbare.  Einerseits  liegt 
Verwechselung  zwischen  den  Verwandtschaften,  welche  die  Elemente  e 
Verbindung  zusammenhalten,  und  denen,  welche  diese  Verbindung  and 
Stoffen  gegenüber  bethätigt,  vor.  Beide  Eigenschaften  sind  nicht  übei 
stimmend,  sondern  entgegengesetzt.  Je  energischer  ein  Stoff  zu  reagirer 
Stande  ist,  um  so  leichter  spaltet  er  seine  Atome  ab,  und  je  fester  s 
Elemente  verbunden  sind,  um  so  träger  muss  er  reagiren.  Wenn  St 
wie  Salzsäure  und  Kali  mit  grösster  Leichtigkeit  unter  Verlust  von  Wai 
Stoff  oder  Hydroxyl  auf  andere  Körper  reagiren,  so  dürfen  wir  doch  r 
schliessen,  dass  sie  dieselben  besonders  festhalten;  wenn  andererseits  Me 
und  Alkohol  den  Wasserstoff  oder  das  Hydroxyl  nur  schwierig  und  L 
sam,  oder  nur  unter  besonders  energischen  Einflüssen  aufgeben,  so  kör 
wir  die  Verwandtschaft,  welche  diese  mit  dem  übrigen  Molekularcom 
verbindet,  schwerlich  anders  als  stark  und  schwierig  zu  überwinden 
zeichnen.  Die  Überlegungen  aber  befinden  sich  in  voller  Übereinstimm 
mit  der  Annahme,  dass  die  Elektrolyte,  d.  h.  diejenigen  Stoffe,  welche  di 

1  Zeitschr.  f.  phys.  Chemie  2,  241.   1888.  *  Ebenda  2,  243  und  343.   188! 

8  „Zeitschr.  f.  phys.  Chem.  1,  631.   1887." 


Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation.  1 1  I Q 


die  Fähigkeit,  leicht  und  schnell  zu  reagiren,  ausgezeichnet  sind,  sich  leicht  in 
ihre  Ionen  trennen,  bezw.  in  wässeriger  Lösung  mehr  oder  weniger  dissociirt  sind. 

„Was  den  zweiten  Punkt  anlangt,  so  hat  Arrhenius  bereits  darauf  hin- 
gewiesen, dass  der  Zustand  der  Ionen  mit  ihren  enormen  elektrischen  La- 
dungen in  keiner  Weise  vergleichbar  mit  dem  der  betreffenden  Elemente 
im  sogenannten  freien  Zustande  ist.  Ein  Stück  Zink,  das  von  Salzsäure  im 
gewöhnlichen  Zustande  heftig  angegriffen  wird,  verliert  diese  Eigenschaft 
völlig,  wenn  man  es  mit  dem  positiven  Pole  eines  galvanischen  Elementes 
von  passender  elektromotorischer  Kraft  in  Verbindung  setzt.  Es  ist  eine 
altbekannte  Thatsache,  dass  der  elektrische  Zustand  die  chemischen  Affinitäten 
in  mannigfaltigster  Weise  abändert;  es  kann  somit  nicht  Wunder  nehmen, 
dass  die  freien  Kaliumatome,  welche  in  einer  Lösung  von  Chlorkalium 
existiren,  durch  ihre  sehr  bedeutenden  positiven  Ladungen  an  der  Einwirkung 
auf  das  Lösungswasser  verhindert  werden.  Geben  sie  aber,  wie  bei  der 
Elektrolyse  einer  Chlorkaliumlösung  geschieht,  ihre  Elektricität  an  der  Ka- 
thode ab,  so  wirken  sie  alsbald  auf  das  Wasser,  und  bilden  Kaliumhydroxyd 
und  Wasserstoff. 

„Um  sich  die  hier  obwaltenden  Verhältnisse  anschaulich  zu  machen, 
denke  man  sich  folgenden  selbstverständlichen'  Versuch  ausgeführt.  Zwei 
Gefasse  A  und  B  seien  mit  Chlorkaliumlösung  gefüllt  und  isolirt  aufgestellt; 
durch   den    mit  derselben  Lösung  gefüllte 

Heber  H  seien  sie  zunächst  leitend  verbun-  h 

den.      Jetzt   nähere    man   dem    Gefässe  A      i 
einen    z.   B.    negativ    elektrisch    geladenen 

Körper;  durch  die  Influenzwirkung  des-  '  '  Fig  ^  Nach  0sTWALD 
selben  werden  in  dem  leitenden  System 
A  HB  die  Elektricitäten  getrennt,  A  wird  positiv,  B  negativ  elektrisch.  Ent- 
fernt man  jetzt  den  Heber  H  und  darauf  den  Körper  K,  so  behält  man  A 
positiv  und  B  negativ  geladen.  Es  ist  der  alte  elementare  Influenzversuch, 
nur  an  einem  Leiter  zweiter  Klasse  ausgeführt. 

„Nun  kann  aber  in  dem  Leiter  zweiter  Klasse  nach  dem  Gesetz  von 
Faraday  die  Elektricität  nicht  anders,  als  gleichzeitig  mit  den  Ionen  wandern. 
Dass  A  positiv  elektrisch  wird,  kann  somit  nur  auf  die  Weise  geschehen, 
dass  positiv  elektrische  Kaliumatome  sich  in  A  versammeln;  in  B  häufen 
sich  negativ  elektrische  Chloratome  an.  Die  Menge  beider  hängt  von  der 
Intensität  der  9  Influenzwirkung  ab.  Bleibt  nach  der  Trennung  A  positiv 
elektrisch,  so  kann  dies  nicht  anders  stattfinden,  als  indem  positiv  ge- 
ladene unverbundene  Kaliumatome  in  der  Flüssigkeit  enthalten 
sind.  Entsprechendes  gilt  für  B.  Führt  man,  um  A  zu  entladen,  einen 
mit  der  Erde  verbundenen  Platindraht  in  die  Lösung  ein,  so  schwimmen  die 
Kaliumatome  zu  ihm  hin,  geben  ihre  Elektricität  ab  und  wirken  alsbald  in 
gewöhnlicher  Weise  auf  das  Wasser  ein,  indem  sie  Kalium  bilden  und  Was- 
serstoff entwickeln,  welcher,  wenn  die  Elektricitätsmenge  gross  genug  war, 
in  Bläschen  erscheint,  in  jedem  Falle  aber  den  Platindraht  polarisirt.  .  .  . 


j  j  20  Neunzehntes  Kapitel. 


„Ausser   den    thermodynamischen    und   den   aus   den   elektrostatisc 
Verhältnissen  geschöpften   Gründen   für   die  Annahme  der  Dissociation 
l  Elektrolyte  giebt  es  noch  solche  chemischer  Natur;    insbesondere   erfal 

die  empirischen  Affinitätsgesetze  eine  bis  in  die  letzten  Einzelheiten  du: 
führbare   Erklärung  und  Veranschaulichung   durch   diese  Theorie,    wie 
theilweise  schon  von  Arrhenius  gezeigt  worden  ist. 

„Durch  meine  während  einer  Reihe  von  Jahren  fortgesetzten  Bemühun] 
die  Affinitätseigenschaften  der  Stoffe  in  Maass  und  Zahl  auszudrücken, 
sich  ergeben,  dass  die  Wirkungen  der  Säuren  durch  Coefficienten  gere 
werden,  welche  unabhängig  von  der  Beschaffenheit  des  chemischen  > 
ganges  sind.  Diese  immer  wiederkehrenden  Affinitätscoefficienten  sind 
elektrischen  Leitfähigkeit  sehr  nahe  proportional.  Im  Lichte  der  von  / 
henius  entwickelten  Anschauungen  sind  diese  Affinitätscoefficienten  ni 
als  die  Maasszahlen  des  Dissociationszustandes  der  Säuren, 
mehr  eine  Säure,  deren  specifische  Wirkung  in  dem  Austausch  ihres  Was 
stoffatoms  gegen  andere  Elemente  oder  Atomgruppen  besteht,  in  Wasser 
ynd  das  andere  Ion  dissociirt  ist,  um  so  leichter  erfolgt  die  Verbind 
dieses  Ions,  oder  des  Wasserstoffs,  mit  anderen  Gruppen. 

„Befindet  sich  daher  eine  Säure  in  einem  bestimmten  Dissociati 
zustande,  so  wird  jede  Wirkung,  die  sie  zu  üben  vermag,  nach  Maasj 
dieses  Zustandes,  der  unabhängig  von  dem  Objekt  ist,  auf  das  sie  vi 
erfolgen.  Damit  ist  die  Notwendigkeit  für  die  Existenz  der  Affinitätsee 
cienten,  und  gleichzeitig  die  Bedingung,  unter  welcher  sie  rein  in  die 
scheinung  treten,  gegeben.  Üben  nämlich  vorhandene  andere  Stoffe  e 
Einfluss  auf  den  Dissociationszustand  aus,  so  muss  der  Affini  tätscoeffi« 
einen  anderen  Werth  annehmen.  Arrhenius  zeigt  in  der  nachstehenden 
handlung,  wie  die  bisher  völlig  räthselhaften  Einflüsse,  welche  die  Gegen 
neutraler  Salze  auf  die  Wirkungsfahigkeit  freier  Säuren  hat,  durch  sc 
Änderungen  des  Dissociationszustandes  sich  nicht  nur  begreifen,  sondern  ; 
numerisch  vorausberechnen  lassen. 

„Was  nun  das  Verhältniss  der  Affinitätscoefficienten  zu  der  elektris« 
Leitfähigkeit  anlangt,  so  wurde  schon  bei  früherer  Gelegenheit  hervorgehe 
dass  beide  zwar  annähernd,  aber  nicht  genau  proportional  sind.  Die  < 
trolytische  Leitfähigkeit  hängt  in  erster  Linie  davon  ab,  wie  gross  die  Ar 
freier  Ionen  ist,  in  zweiter  aber  davon,  wie  schnell  diese  Ionen  wanc 
Denkt  man  sich  bei  verschiedenen  Säuren  die  Dissociation  vollständig, 
wird  der  Theil  der  Leitfähigkeit,  welcher  von  der  Wanderungsgeschwindif 
des  Wasserstoffs  abhängt,  überall  gleich  sein;  der  Theil  dagegen,  wel 
von  der  Wanderungsgeschwindigkeit  des  negativen  Ions  bedingt  wird,  h 
1         V  von  der  Beschaffenheit  dieses  Ions  ab. 

t  ■  „Da  die  Wanderungsgeschwindigkeit  des  Wasserstoffs  die  der  schnell 

1  |  negativen  Ionen  um  mehr  als  das  Fünffache  übertrifft,  so  können  die  Ui 

schiede  im  Allgemeinen   nicht   gross   sein,    denn  selbst  wenn  das  neg< 
Ion   sich   gar    nicht   bewegte,   könnte   die  Leitfähigkeit   der  entsprechet 


Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation.  I  1 2 1 


Säure  nur  um  x/e  kleiner  sein  als  die  der  bestleitenden,  vollständige  Dis- 
sociation, wie  erwähnt,  vorausgesetzt.  Bei  weitem  der  grösste  Theil  der 
ungemein  beträchtlichen  Unterschiede  in  der  Leitfähigkeit  der  freien  Säuren 
kommt  somit  auf  Rechnung  des  Dissociationszustandes.  Wenn  man  den 
letzteren  in  erster  Annäherung  der  elektrischen  Leitfähigkeit  einfach  pro- 
portional setzt,  so  kann  der  dadurch  begangene  Fehler  im  äussersten  Falle 
nicht  mehr  als  16  Proc.  betragen  und  wird  meist  sehr  viel  kleiner  sein.  .  .  . 

„Aus  dem  Gesagten  ergiebt  sich,  dass  die  Bestimmung  des  Dissociations- 
zustandes die  erste  und  wichtigste  Aufgabe  ist,  die  uns  hier  entgegentritt. 
Dieselbe  ist,  wie  Arrhenius  a.  a.  O.  gezeigt  hat,  durch  den  Vergleich  der 
für  den  nicht  dissociirten  Stoff  berechneten  mit  den  thatsächlich  eintretenden 
Änderungen  des  Dampfdruckes  und  Gefrierpunktes  möglich,  am  genauesten 
geschieht  sie  aber  mit  Hülfe  der  elektrischen  Leitfähigkeit,  denn  diese  ist 
einfach  proportional  der  Anzahl  dissociirter  Ionen.  Auf  diesem  Gebiete  er- 
geben sich  daher  die  ausgiebigsten  und  genauesten  Hilfsmittel,  um  die 
Dissociationstheorie  der  Elektrolyte  auf  ihre  Fähigkeit,  die  thatsächlichen 
Erscheinungen  darzustellen,  zu  prüfen. 

„Für  die  wässerigen  Lösungen  der  Elektrolyte  sind  nun  folgende  Gesetz- 
mässigkeiten empirisch  gefunden  worden: 

„i)  Die  molekulare  Leitfähigkeit  aller  Elektrolyte  nimmt  mit  steigender 
Verdünnung  zu  und  nähert  sich  asymptotisch  einem  Maximalwerth. 

„2)  Diese  Maximalwerte  sind  für  Säuren  einerseits,  Basen  andererseits 
und  drittens  für  Salze,  bezogen  auf  äquivalente  Mengen  von  gleicher  Grössen- 
ordnung,  aber  nicht  völlig  gleich. 

„3)  Die  Maximalwerthe  lassen  sich  als  Summen  zweier  Grössen  dar- 
stellen, von  denen  die  eine  nur  vom  positiven,  die  andere  nur  vom  negativen 
Ion  abhängt. 

„4)  Für  Elektrolyte  von  grösseren  Concentrationen,  sowie  für  schwache 
Säuren  und  Basen  gilt  das  letztere  Gesetz  nicht;  eine  Annäherung  daran 
zeigt  sich,  wenn  man  Gruppen  von  Salzen  vergleicht,  deren  Ionen  gleich- 
werthig  sind. 

„5)  Schlechtleitende  Elektrolyte,  wie  schwache  Säuren  und  Basen,  ver- 
mehren ihre  molekulare  Leitfähigkeit  sehr  schnell  mit  steigender  Verdünnung. 
Bei  einbasischen  Säuren  und  einsäurigen  Basen  zeigt  sich  dabei  die  Be- 
ziehung, dass  die  Leitfähigkeit  zuerst  proportional  der  Quadratwurzel  aus  der 
Verdünnungsgrade  (dem  Volum)  zunimmt. 

„6)  Die  Zunahme  der  molekularen  Leitfähigkeit  erfolgt  bei  allen  ein- 
basischen Säuren  und  einsäurigen  Basen  nach  dem  gleichen  Gesetz.  Vergleicht 
man  solche  Elektrolyte  bei  Verdünnungen,  bei  welchen  ihre  Leitfähigkeiten 
gleiche  Bruchtheile  des  Maximalwertes  sind,  so  stehen  die  Verdünnungs- 
grade oder  Volume  in  constantem  Verhältniss. 

„Alle  diese  empirischen  Gesetzmässigkeiten  lassen  sich  als 
nothwendige  Folgerungen  aus  der  Dissociationstheorie  ableiten. 
Es  braucht  dazu  nur  noch  der  weitere,  von  van't  Hoff  ausfuhrlich  begrün- 

Ostwald,   Elektrochemie.  71 


1122  Neunzehntes  Kapitel. 


dete  Satz  hinzugezogen  zu  werden,  dass  die  Stoffe  in  verdünnten  Lösunj 
Gesetzen  folgen,  die  den  Gasgesetzen  vollkommen  analog  sind." 

Ostwald   wiederholt  nun  die  S.  1117  gegebene  Ableitung  der  Fora 

V 

und  fahrt  fort: 

„Diese   Gleichung    rauss,    wenn    die   Dissociationstheorie  ( 
Elektrolyte  richtig  ist,   das  gesammte  Verhalten  der  elektrisch 
Leitfähigkeit   binärer   Elektrolyte   ausdrücken.     Wir   wollen  sie 
den  oben  zusammengestellten  empirischen  Thatsachen  Punkt  für  Punkt  \ 
gleichen : 

„1)  Lässt  man  v  unbegrenzt  wachsen,  so  muss  der  Bruch  — - — ^ = 


sich  der  Null  nähern.  Da  fiv  einen  endlichen  Werth  hat,  so  muss  p^  - 
bei  steigender  Verdünnung  kleiner,  d.  h.  (jlv  immer  grösser  werden,  bis 
beim  Grenzwerth  fi^  anlangt. 

„2)  und  3)  Der  Werth  (i^  ist  die  Leitfähigkeit  des  vollständig  du 
ciirten  Elektrolytes.  Da  in  demselben  die  beiden  Ionen  sich  unabhär 
bewegen,  so  setzt  sich  fi^  aus  den  Bewegungsantheilen  der  Ionen  rein  ade 
zusammen,  ohne  dass  in  Betracht  kommt,  mit  welchem  anderen  Ion  voi 
eine  Verbindung  stattfand.  Vergleicht  man  solche  Elektrolyte,  welche 
gleiches  Ion  haben,  und  deren  anderes  Ion  keine  grossen  Verschiedenhe 
in  der  Wanderungsgeschwindigkeit  zeigt,  so  müssen  die  Summen  beider 
schwindigkeiten  von  gleicher  Grössenordnung  sein. 

„4)  Bei  Lösungen  von  endlicher  Concentration  gelten  diese  Beziehun 
im  Allgemeinen  nicht,  weil  in  die  Leitfähigkeit  als  Faktor  der  Dissociati< 
grad  eingeht,  welcher  von  Fall  zu  Fall  verschieden  sein  kann.  Die  gre 
Verschiedenheit  zeigt  derselbe  bei  Säuren  und  Basen;  Salze  dagegen,  nam 
lieh  solche  von  analoger  Formel,  befinden  sich  erfahrungsgemäss  bei  glei< 
Verdünnung  in  annähernd  gleichem  Dissociationszustande.  In  diesem  F 
sind  die  molekularen  Leitfähigkeiten  gleiche  Bruchtheile  der  Maximalwe 
und  die  oben  erörterten  additiven  Eigenschaften  derselben  bleiben  bestel 
nur  dass  nicht  die  eigentlichen  Geschwindigkeiten  der  Ionen,  sondern 
selben,  multiplicirt  mit  dem  Dissociationsgrad,  die  Addenden  bilden. 

„5)  Bei  schlechtleitenden  Basen  und  Säuren,  wo  fiv  gegen  ju^  klein 
bleibt  (jl^  —  (jlv  nahezu  constant  und  die  Formel  giebt  (iv%  =  v .  const 
heisst:    wenn  die  Leitfähigkeit  gering  ist,  so  wächst  sie  mit  steigender  y 
dünnung  so,  dass  ihr  Quadrat  dem  Volum  proportional,  oder  sie  selbst 
Quadratwurzel  aus  dem  Volum  proportional  zunimmt 

„6)   In   der  Gleichung  5 — —  •  v  =  c  hängt,  wenn  man  die  gen 

senen  Leitfähigkeiten  auf  den  Maximalwerth  bezieht,  nur  die  Constante  c 
der  Natur  des  Elektrolytes  ab;  alle  Elektrolyte  ändern  somit  ihre  auf 
Maximum  bezogene  Leitfähigkeit  nach  demselben  Gesetz.    Bestimmt  man 


Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation.  1123 


Verdünnungen  vl3v%  .  . .  für  mehrere  Elektrolyte,  bei  welchen  die  relative 
Leitfähigkeit  gleich   ist,   so   werden  in  der  Formel  die  Werthe  — — ^ 

V  T)  1) 

gleich  und  wir  haben  —  =  —  =  —  = oder  vx :  v2  :  v3  • . .  =  cx :  c2 :  cs  . .  •, 

Cl  ^8  c8 

d.  h.  die  Verdünnungen,  bei  welchen-  die  relativen  Leitfähigkeiten  verschie- 
dener Elektrolyte  gleiche  Werthe  annehmen,  stehen  in  constanten  Verhält- 
nissen, welche  nur  von  der  Natur  der  Elektrolyte  abhängen. 

„Aber  nicht  nur  die  allgemeinen  Verhältnisse  der  Elektrolyte  werden 
durch  die  Dissociationstheorie  dargestellt,  sondern  die  Formel  lässt  noch  eine 
exakte  numerische  Bestätigung  zu.     Schreibt  man  sie  in  der  Gestalt: 


m* 


(i  —  m)  v 


c, 


wo  tn  =  —  die  auf  das  Maximum  bezogene  Leitfähigkeit  bedeutet,  so  muss 

ein  binärer  Elektrolyt  durch  alle  Verdünnungen  hindurch  denselben  Werth 
für  die  Constante  C  geben.  Dies  trifft  nun  vollkommen  zu;  die  Grösse  C 
erweist  sich  in  so  weitem  Umfange  constant,  wie  nie  die  Dissociationsformel 
an  gasförmigen  Verbindungen  geprüft  wurde  und  geprüft  werden  konnte." 

Es  werden  nun  Tabellen  über  verschiedene  Säuren  mitgetheilt,  welche 
durch  die  Unveränderlichkeit  der  nach  der  vorstehenden  Formel  berech- 
neten Constanten  C  die  Richtigkeit  der  Formel  beweisen.  Dieser  Befund 
wurde  sehr  bald  darauf  durch  Messungen  von  van't  Hoff  und  Reicher  1  be- 
stätigt, welche  ihre  Mittheilung  mit  den  Worten  schliessen:  „Es  ist  wohl 
überflüssig,  auf  die  treffliche  Bestätigung  hinzuweisen,  welche  hiermit  das 
OsTWALü'sche  Verdünnungsgesetz  erfahren  hat;  kein  einziger  Fall  von  ge- 
wöhnlicher Dissociation  ist  innerhalb  so  weiter  Grenzen  geprüft  worden." 

Nur  wenig  später  als  von  Ostwald  ist  die  Anwendung  der  für  Gase 
gültigen  Dissociationsgesetze  auf  gelöste  Elektrolyte  von  M.  Planck2  versucht 
worden;  es  stand  ihm  indessen  kein  geeignetes  Versuchsmaterial  zu  Gebote 
und  so  misslang  der  Versuch. 

Indessen  erreichte  auch  diese  Auseinandersetzung  nicht  vollkommen  ihren 
Zweck.  Selbst  von  namhaften  Physikern  wurde  die  Bündigkeit  der  oben 
(S.  1 1 19)  benutzten,  auf  der  vollkommenen  Gültigkeit  des  FARADAY^schen  Gesetzes 
beruhenden  Beweisführung  in  Zweifel  gezogen  und  diesen  Zweifeln  mit  einem 
gewissen  Ingrimm  Ausdruck  gegeben.  Es  ist  eine  häufig  zu  beobachtende 
Erscheinung,  dass  ein  neuer  Gedanke,  der  eine  bedeutende  Umgestaltung 
des  Denkens  nothwendig  macht,  schon  an  und  für  sich  in  dem  Erhaltungs- 
gesetz der  wissenschaftlichen  Anschauungen  oder  dem  intellectuellen  Träg- 
heitsgesetze eine  Gegnerschaft  findet,  die  um  so  heftiger  sich  zu  äussern 
pflegt,  je  erheblicher  der  erforderte  Umschwung  ist  und  je  unsicherer  die 
vorgebrachten  Gegengründe  sich  erweisen.  Auch  in  diesem  Falle  blieben 
diese  Erscheinungen  nicht  aus,  und  ihr  Ablauf  musste  abgewartet  werden, 


1  Zeitschr.  f.  phys.  Chemie  2,  777.   1888.  9  Wied.  Ann.  34,   147.   1888. 

71* 


1 1 24  Neunzehntes  Kapitel. 


\ 


bevor  eine  ruhige  Prüfung  der  Sachlage  an  Stelle  des  leidenschaftlic 
Kampfes  in  den  Vordergrund  trat. 

Die  Hauptschwierigkeit  blieb  immer  die  Annahme  der  freien  Ionen, 
man  sich  durchaus  nicht  anders  als  mit  den  Eigenschaften  der  betreffen 
Elemente  behaftet  denken  mochte.  Bewusst  oder  unbewusst  war  es  im 
wieder  dieser  Umstand,  welcher  als  wesentlichster  Widerspruch  empfun 
wurde.  Sonst  wäre  es  nicht  erklärlich  gewesen,  wie  gegen  die  Theorie 
grösstem  Eifer  Gründe  hätten  geltend  gemacht  werden  können,  die  n 
den  Zweck  hatten,  eine  einfachere  oder  klarere  Auffassung  der  betreffer 
Thatsachen  zu  ermöglichen,  sondern  deren  einzige  Qualifikation  d 
bestand,  dass  sie  Aussicht  gaben,  der  Dissociationstheorie  Verlegend 
zu  bereiten. 

Aus  dieser  Zeit  des  Kampfes  soll  noch  die  nachstehende,  von  Os*n 
und  Nernst  geschriebene  Mittheilung  „über  freie  Ionen"  auszugsweise  wie 
gegeben  werden,  welche  einige  wesentliche  Punkte  der  Angelegenheit 
leuchtet  und  einiges  zur  Beendigung  des  Streites  beigetragen  haben  dür 

„Die  von  Clausius  eingeführte  Annahme,  dass  in  elektrolytisch  leitei 
Flüssigkeiten  ein  Theil  der  elektrolytischen  Molekeln  in  die  Ionen  zerfi 
sei,  hat  bekanntlich  in  neuerer  Zeit  von  S.  Arrheniüs  insofern  eine 
wickelung  erfahren,  als  er  den  Bruchtheil  der  Gesammtmenge  des  Elektro 
bestimmen  lehrte,  welcher  unter  gegebenen  Verhältnissen  in  Ionen  zerf! 
ist.  Als  übereinstimmendes  Ergebniss  einer  ganzen  Anzahl  verschied 
Bestimmungsmethoden  stellte  sich  heraus,  dass  nicht,  wie  bisher  angenom 
war,  ein  verschwindend  kleiner  Antheil  des  Elektrolyts  die  Zerlegung  erf 
sondern  dass  bei  den  meisten  Neutralsalzen,  sowie  den  starken  Säuren 
Basen  umgekehrt  nur  ein  kleiner  Bruchtheil  unzerlegt  in  der  Lösung  exi 
während  die  Hauptmenge  sich  in  Ionen  zu  spalten  pflegt. 

,',Während  man  mit  der  älteren  unbestimmten  Theorie  sich  so  gut 
ausnahmelos  einverstanden  erklärt  hat,  stösst  die  neuere  bestimmte  F 
derselben  immer  noch  auf  Widerspruch.  Zwar  ist  durch  einen  von 
der  Nachweis  geführt  worden,  dass  man  in  elektrostatisch  geladenen  I 
trolyten  freie  Ionen  annehmen  muss,  wenn  man  sich  nicht  mit  den  Gr 
gesetzen  der  Elektripitätslehre  in  Widerspruch  setzen  will,  doch  ist 
Möglichkeit  der  experimentellen  Ausführung  des  dort  angegebenen  Versu 
Schemas  uns  gegenüber  gesprächsweise  von  so  maassgebender  Seite  in  Z\* 

1  Zeitschr.  f.  phys.  Chemie  3,  120.  1889.  —  Die  im  Texte  erwähnte  Veranlassung  1 
durch  A.  Kundt  gegeben,  welcher  bei  einem  Besuche  der  beid«n,  damals  in  dem  Verhäl 
von  Professor  und  Assistent  zu  einander  stehenden  Verfasser  der  Note  seinen  Zweifel  ai 
Möglichkeit  der  wirklichen  Ausführung  des  S.  1119  schematistrten  Versuches  auf  sehr  enerj 
Weise  aussprach.  Nach  ihrer  Rückkehr  nach  Leipzig  nahmen  sie  am  folgenden  Tage  die 
suche  auf,  und  innerhalb  weniger  Stunden  waren  diese  so  weit  gediehen,  dass  der  Erfc 
den  Berliner  Collegen  berichtet  werden  konnte.  Den  erwarteten  Eindruck  zu  Gunstei 
'neuen  Ansichten  hat  er  allerdings  nicht  sofort  gemacht. 

\9  „Zeitschr.  f.  pfcys.  Chemie  2,  271.   1888."    (S.  n  19.) 


Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation.  I  1 2  5 


gezogen  worden,  dass  wir  es  für  unsere  Pflicht  gehalten  haben,  auch  in 
experimenteller  Richtung  jeden  möglichen  Zweifel  zu  entfernen. 

„Bekanntlich  sind  die  bei  elektrolytischen  Vorgängen  bewegten  Elek- 
tricitätsmengen  ausserordentlich  gross  gegenüber  denen,  welche  elektrostatisch 
gehandhabt  werden  können,  und  um  elektrolytische  Wirkungen  statischer 
Elektricität  zu  beobachten,  ist  daher  eine  besondere  Feinheit  der  Mittel  er- 
forderlich. Wurden  wir  doch  u.  a.  darauf  hingewiesen,  dass  ein  bis  zur 
Schlagweite  geladener  Luftcondensator  eine  nach  Quadratkilometern  zu  be- 
messende Ausdehnung  haben  müsse,  um  bei  der  Entladung  nur  i  mg 
Wasserstoff  in  Freiheit  zu  setzen. 

„Doch  ist  i  mg  Wasserstoff  sehr  viel  mehr,  als  zum  Nachweis  der 
Elektrolyse  erforderlich  ist.  Diese  Menge  nimmt  einen  Raum  von  12  bis 
13  ccm  unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  ein.  Überlegt  man,  dass  man 
unter  der  Lupe  leicht  ein  Bläschen  von  0,1  mm  Durchmesser,  unter  dem 
Mikroskop  ein  solches  von  0,01  mm  sehen  kann,  so  schrumpft  die  erwähnte 
riesige  Ausdehnung  des  Condensators  erheblich,  nämlich  auf  den  zehn  million- 
sten, resp.  zehntausendmillionsten  Theil  ein,  und  seine  Seiten  bemessen  sich 
nur  mehr  nach  Decimetern  oder  Centimetern. 

„Die  günstigsten  Verhältnisse,  welche  wir  für  die  Beobachtung  der  kleinen 
Wasserstoffmengen  aufzufinden  wussten,  liegen  in  den  Capillaren  des  Lipp- 
MANN^schen  Elektrometers  vor,  und  in  der  That  gelingen  die  Versuche  mittelst 
desselben  so  leicht,  dass  sie  mit  den  geringsten  Mitteln  und  ohne  jede  be- 
sondere Maassnahme  ausgeführt  werden  können.  Folgende  Anordnung  ge- 
stattet bequemes  und  sicheres  Arbeiten. 

„Ein  mit  einem  Glashahn  versehenes  Rohr  von  30  bis  40  cm  Länge 
wird  an  einem  Ende  zu  einer  Capillare  ausgezogen,  deren  Lumen  so  be- 
messen wird,  dass  der  Druck  des  bis  zur  Höhe  eingefüllten  Quecksilbers 
soeben  den  capillaren  Gegendruck  überwindet  und  das  Metall  auszutrbpfen 
beginnt  Man  befestigt  die  Röhre  senkrecht  in  einem  Halter  und  lässt  ihre 
Spitze  in  verdünnte  Schwefelsäure  tauchen.  Durch  Saugen  am  oberen  Ende 
"  wird  das  Quecksilber  in  der  Capillaren  gehoben  und  die  Schwefelsäure  dringt 
nach;  durch  passendes  Handhaben  des  Hahnes  bringt  man  dann  die  Grenz- 
fläche zwischen  Quecksilber  und  Schwefelsäure  an  einen  geeigneten  Ort, 
etwa  in  der  Mitte  der  Capillare.  Ein  in  das  Rohr  eingeschmolzener  Platin- 
draht vermittelt  die  Leitung  zum  Quecksilber.  Mit  dieser  Vorrichtung  haben 
wir  folgende  Versuche  gemacht: 

„1)  Ein  grosser  Glaskolben  wurde  mit  verdünnter  Schwefelsäure  gefüllt, 
nachdem  sein  Bauch  aussen  mit  Stanniol  beklebt  und  sein  Hals  der  besseren 
Isolirung  wegen  mit  Schellack  gefirnisst  war.  Der  Inhalt  des  Kolbens  stand 
durch  einen  nassen  Faden  mit  der  Schwefelsäure  des  vorbeschriebenen  In- 
strumentes, das  wir  Capillarelektrode  nennen  wollen,  in  Verbindung,  der 
Kolben  selbst  war  durch  eine  Hartgummiplatte,  auf  der  er  stand,  isofirt. 
Der  positive  Pol  einer  kleinen  Elektrisirmaschine  wurde  mit  der  äusseren 
Belegung  des  Kolbens  in  Verbindung  gebracht,  das  Quecksilber  der  Capillar 


1 1 26  Neunzehntes  Kapitel. 


elektrode    mit   der  Erde    verbunden.     Sowie    die  Elektrisirmaschine   in 
wegung  gesetzt  wurde,  ging  der  Meniscus  der  Capillarelektrode  heftig  n 
oben,  und  in  demselben  Augenblicke  hatten  sich  mehrere  Glasbläschen  « 
geschieden,  welche  den  Quecksilberfaden  an  einigen  Stellen  getheilt  hat 

„Untersuchen  wir  nun  die  Vorgänge  näher.  Durch  Zuführung  posit 
Elektricität  an  die  äussere  Belegung  des  Kolbens  wurde  die  negative  E 
tricität  im  Inneren  desselben  angezogen  und  festgehalten,  die  positive 
gegen  abgestossen.  Letztere  ging  durch  den  Faden  in  die  Capillarelekü 
über,  \ind  durch  den  Platindraht  der  letzteren  in  die  Erde.  Ein  geschloss< 
Strom  ist  nicht  vorhanden,  die  ganze  eintretende  Bewegung  der  Elektro 
geschieht  durch  Influenz. 

„Nun  beruht  der  von  einem  von  uns  (a.  a.  O.)  gegebene  Beweis  für 
Dasein  freier  Ionen  in  elektrisch  geladenen  Elektrolyten  auf  dem  Farai 
sehen  Gesetz,  nach  welchem  in  Elektrolyten  die  Elektricität  nicht  anders 
gleichzeitig  mit  den  Ionen  sich  bewegt.  Fände,  wie  uns  von  hochgeschäl 
Seite  als  möglich  eingewendet  wurde,  bei  der  Influenzwirkung  eine  me 
lische  Leitung  durch  den  Elektrolyten  statt,  so  wäre  kein  Grund  für 
Auftreten  von  Wasserstoff  an  der  Elektrode  vorhanden;  umgekehrt  bev 
letzteres,  dass  elektrolytische  Leitung  stattfand,  d.  h.  das  freie  Ionen 
handen  waren  und  sich  bewegt  hatten. 

„Es  findet  sonach  in  Übereinstimmung  mit  der  früheren  Betracht 
(S.  11 19)  folgendes  statt: 

„In  dem  Maasse,  als  sich  die  äussere  Belegung  des  Kolbens  po 
ladet,  findet  eine  Anziehung  der  negativen  Ionen  SO4  der  Schwefels; 
statt.  Die  positiven  Ionen  H  werden  dagegen  abgestossen  und  verschie 
sich  durch  den  nassen  Faden  bis  an  das  Quecksilber,  wo  sie  ihre  Elektrii 
abgeben  und  als  gewöhnlicher  Wasserstoff  erscheinen. 

„Man  könnte  gegen  diesen  Versuch  einwenden,  dass  durch  das  1 
hindurch  eine  elektrolytische  Elektricitätsbewegung  stattfinden  könnte 
dass  .die  Ausscheidung  von  Wasserstoff  von  dieser,  und  nicht  von  der 
fluenzelektricität  herrühre.  Dieser  Einwand  entfällt  schon  dadurch,  dass 
benutzte  Leidnerflasche  ihre  Ladung  sehr  gut  hielt;  er  wird  ausserdem  di 
folgenden  Versuch  widerlegt. 

„2)  Während  die  äussere  Belegung  des  Kolbens  mit  der  Erde  vert 

den   ist,    führt  man  der  Schwefelsäure  im  Inneren  desselben  mittelst  e 

nassen  Fadens  positive  Elektricität  zu.     Dann  unterbricht  man   die  Leit 

zur  Elektrisirmaschine  und  stellt,  ebenfalls  mittelst  eines  nassen  Fadens, 

1  Verbindung  der  Schwefelsäure   des  Kolbens   mit   der   der  Capillarelekti 

-  her,    während   das  Quecksilben  derselben   zur  Erde  abgeleitet  ist.     Alsl 

zeigen  sich  die  gleichen  Erscheinungen  wie  früher,  der  Quecksilberfa 
zuckt  nach  oben  und  zwischen  ihm  und  der  Schwefelsäure  sind  Gasbläsc 
sichtbar. 

„Die  Erklärung  dieses  Versuches  ist  g**  "*  *;ch  der  des  erste 
Indem  die  Elektrisirmaschine  positive  Ele1  hwefelsäure  zufi 


Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation.  1127 


neutralisirt  sie  die  negativen  Ionen  derselben,  welche  an  der  Stelle,  wo  der 
nasse  Faden  den  Conductor  berührt,  sich  mit  dem  Metall  desselben  ver- 
binden. Die  positiven  Ionen  ordnen  sich  den  Gesetzen  der  statischen  Elek- 
tricität  gemäss  an  der  Oberfläche  des  Leiters,  insbesondere  der  äusseren 
Belegung  gegenüber  an.  Verbindet  man  alsdann  die  Schwefelsäure  durch 
Vermittelung  der  Capillarelektrode  mit  der  Erde,  so  bewegt  sich  die  posi- 
tive Elektricität  mit  dem  Wasserstoff  bis  zum  Quecksilber;  erstere  geht 
dort  weiter,  der  letztere  bleibt  unelektrisch  zurück  und  scheidet  sich  gas- 
förmig aus 

„4)  Verbindet  man  das  obere  Quecksilber  eines  LiPPMANN^schen  Capillar- 
elektrometers  mit  einer  isolirt  aufgestellten  Metallkugel  und  unterwirft  diese 
durch  Nähern  und  Entfernen  von  geriebenen  Glas-  oder  Ebonitstangen  einer 
Influenzwirkung,  so  bewegt  sich  der  Quecksilberfaden  des  Elektrometers  um 
erhebliche  Strecken  in  dem  vorauszusehenden  Sinne.  Die  Bewegungen  im 
Capillarelektrometer  entstehen  bekanntlich  durch  Änderungen  der  Ober- 
flächenspannung, welche  ihrerseits  durch  Änderungen  der  Potentialdifferenz 
der  elektrischen  Doppelschicht  an  der  Grenzfläche  von  Quecksilber  und 
Schwefelsäure  bedingt  werden.  Es  findet  mit  anderen  Worten  durch  die 
Influenzwirkung  eine  Polarisation  des  Quecksilbermeniscus  statt.  Eine 
Polarisation  kann  aber  nur  durch  materielle  Änderungen  an  der  Grenzschicht 
hervorgerufen  werden;  die  Elektricitätsbewegung,  welche  bei  diesem  Ver- 
suche in  der  Schwefelsäure  des  Elektrometers  bewirkt  wird,  ist  somit  eine 
elektrolytische,  d.  h.  mit  Ionenbewegung  verbundene,  und  selbst  diese 
äusserst  geringen  Elektricitätsmengen  werden  nicht  etwa  durch  eine  Spur 
metallischer  Leitung  vermittelt. 

„Um  schliesslich  uns  davon  zu  überzeugen,  dass  bei  den  gewählten 
Dimensionen  ein  Auftreten  deutlich  sichtbarer  Elektrolyse  nichts  Unwahr- 
scheinliches hat,  wurde  Versuch  i)  unter  Berücksichtigung  der  quantitativen 
Verhältnisse  wiederholt.  ...  Es  hätten  unter  gewöhnlichen  Temperatur-  und 
Druckverhältnissen  6,3  X  io~~7  ccm  H  in  der  Capillare  zum  Vorschein  kom- 
men müssen. 

„Thatsächlich  fand  sich  in  ihr  nach  Beendigung  des  Versuches  ein  Gas- 
bläschen vor,  dessen  Länge  etwa  das  Doppelte  des  inneren  Durchmessers 
der  Capillare  betrug.  .  .  .  Schätzen  wir  das  Volum  des  Gasbläschens  als  Ellip- 
soid  mit  den  Axen  r,  r  und  2r,  so  ergiebt  sich  dasselbe  zu  4,3  X  io~7ccm, 
also  in  einer  Übereinstimmung  mit  dem  berechneten  Werthe,  welche  in 
Anbetracht  der  vielen  eingehenden  Faktoren,  die  theilweise  mit  sehr  grosser 
Unsicherheit  behaftet  sind,  als  genügend  angesehen  werden  kann. 

„Es  steht  somit  fest,  dass  die  Elektricitätsbewegung  in  Elektrolyten  dem 
FARADAY^schen  Gesetz  entsprechend  nur  unter  gleichzeitiger  Bewegung  pon- 
derabler  Massen,  der  Ionen,  erfolgen  kann,  und  dass  somit  in  elektrostatisch 
geladenen  Elektrolyten  eine  der  Elektricitätsmenge  entsprechende  Anzahl 
freier  Ionen  vorhanden  sind.  Dieselben  werden  sich,  den  elektrostatischen 
Gesetzen  gemäss,  wesentlich  an  der  Oberfläche  des  Leiters  anordnen. 


j  j  28  Neunzehntes  Kapitel. 


„Ks  kann  nun  aber  noch  die  Frage  aufgeworfen  werden,  ob  nicht  di 
freien  Ionen  erst  im  Augenblicke  der  elektrostatischen  Ladung  in  Frei! 
gesetzt  worden  sind,  so  dass  gleichzeitig  mit  der  Scheidung  der  Elektricitä 
eine  Art  Elektrolyse  im  Inneren  der  Flüssigkeit  selbst  verbunden  wäre.  Gei 
diese  Annahme  hat  indessen  schon  Clausius  seine  unwiderlegt  gebliebe 
Einwände  erhoben,1  welche  wesentlich  darauf  hinauslaufen,  dass  die  E 
tricitätsbewegung  in  Elektrolyten  den  allerschwächsten  elektromotorisc 
Impulsen  gehorcht,  was  nicht  möglich  wäre,  wenn  die  Elektricität  voi 
eine  merkliche  Arbeit  leisten  müsste.  Durch  die  nachfolgenden  Betn 
tungen  hoffen  wir  zu  erweisen,  dass  eine  solche  Annahme  nicht  nur 
von  Clausius  angeführten  Verhältnissen  widerspricht,  sondern  auch  zu  C 
Sequenzen  fuhrt,  die  mit  den  Hauptsätzen  der  Thermodynamik  unver 
bar  sind. 

„Denken  wir  uns  zunächst  einen  metallischen  Leiter  in  Form  einer  * 
dünnen  horizontalen  Kreisscheibe  angeordnet,  welche  um  eine  durch  il 
Mittelpunkt  gehende  senkrechte  Axe  drehbar  ist.  An  einer  Stelle  sei  ol 
halb  wie  unterhalb  der  Scheibe  je  eine  Platte  eines  Condensators  angebra 
zwischen  beiden  bestehe  eine  bestimmte  Potentialdifferenz.  Setzt  man 
Scheibe  in  Bewegung,  so  ist  dazu  keine  Arbeit  erforderlich,  vorausges< 
dass  die  Bewegung  so  langsam  ist,  dass  die  durch  die  Verschiebung 
Elektricitäten  in  dem  Leiter  von  sehr  kleinem  Widerstände  bedingte  Joule's 
Wärme,  die  dem  Quadrat  der  Stromstärke  proportional  ist,  vernachläs 
werden  kann.  Ersetzen  wir  jetzt  die  Metallscheibe  durch  einen  gleicl 
formten  Elektrolyten,  so  ist  zur  Drehung  desselben,  wenn  das  Coulomb's 
Gesetz  auch  für  elektrolytische  Leiter  Geltung  hat,  gleichfalls  keine  Ar 
erforderlich.  Nimmt  man  nun  an,  dass  bei  der  elektrostatischen  Lad 
eines  Elektrolyten  Arbeit  zur  Trennnng  der  Ionen  verbraucht  werde, 
muss  dieselbe  als  Wärme  der  Umgebung  entzogen  werden,  und  der  T 
des  Elektrolyts,  welcher  zwischen  die  Condensatorplatten  tritt,  muss  : 
abkühlen.  Beim  Austritt  aut  dem  elektrischen  Felde  werden  sich  die  Io 
wieder  vereinigen  und  eine  gleiche  Wärmemenge  erzeugen.  Wir  hä 
somit  einen  Apparat,  in  welchem  wir  ohne  Arbeitsaufwand  fortdauernd  T 
peraturdifferenzen  erzeugen  können,  was  dem  zweiten  Hauptsatze  widerspric 

An  diesen  anschaulichen  Beweis  schloss  sich  noch  ein  rechnerisc 
welcher  zu  denselben  Ergebnissen  führte.  Auch  die  bei  diesen  Bewe 
gemachte  Voraussetzung,  dass  sich  ein  elektrolytischer  Leiter  bezüglich  se 
elektrostatischen  Wirkungen  vollkommen  wie  ein  metallischer  verhalte,  wi 
geprüft  und  mit  der  Erfahrung  im  Einklänge  gefunden,  indem  die  Lad 
,|   »  einer  Elektrisirmaschine  durch  einen  elektrolytischen,  mit  der  Erde  vert 

denen  Schirm  nach  aussen  ebenso  unwirksam  gemacht  werden  konnte, 
durch   ein   metallisches  Gehäuse.     Auch   hierdurch   wird  die  Nothwendig 
der  Annahme  freier  Ionen  bewiesen. 


1  „Pogo.  Ann.  101,  338.  1857. 


(« 


Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation.  1 1 2Q 

Zum  Schluss  stellen  die  Verfasser  die  Erscheinungen  der  elektrolytischen 
Stromleitung  gemäss  der  Theorie  von  Arrhenius  dar  und  zeigen,  in  welch 
einfacher  Weise  sich  diese  Räthsel,  die  seit  Nicholson  und  Carlisle  die  wissen- 
schaftliche Welt  beschäftigt  hatten,  auf  Grund  jener  Annahme  lösen  lassen: 

„Es  sei  ein  Elektrolyt,  etwa  eine  Lösung  von  Chlorkalium,  gegeben,  in 
welchem  an  zwei  Querschnitten  die  Potentiale  +  V  und  —  V  herrschen.  Die 
erste  Wirkung  wird  darin  bestehen,  dass  sich  dem  ÜHM'schen  Gesetz  gemäss 
eine  elektrostatische  Ladung  von  +  V  bis  —  V  auf  der  Oberfläche  des  Leiters 
herstellt,  die,  wie  oben  nachgewiesen  wurde,  durch  eine  Ansammlung  posi- 
tiver, resp.  negativer  Ionen  an  der  Oberfläche  hervorgebracht  wird.  Hier- 
durch wird,  wie  das  von  Kirchhoff  für  metallische  Leiter  auseinandergesetzt 
wurde,  eine  Triebkraft  auf  die  im  Inneren  vorhandenen  Elektricitäten  in  dem 
Sinne  hervorgerufen,  dass  die  negative  Elektricität  nach  einer,  die  positive 
nach  der  anderen  Seite  sich  bewegt.  In  Elektrolyten  ist  aber  die  Elektricität 
an  die  Ionen  gebunden;  die  Triebkraft,  welche  für  die  beiden  Elektricitäten 
gleich  und  entgegengesetzt  wirkt,  setzt  die  Ionen  mit  Geschwindigkeiten  in 
Bewegung,  welche  umgekehrt  proportional  den  Reibungswiderständen  sind, 
welche  sie  erfahren.  Die  in  der  Zeiteinheit  transportirte  Elektricitätsmenge 
ist  also  proportional:  erstens  der  Potentialdifferenz,  zweitens  der  Anzahl 
freier  Ionen,  drittens  der  Summe  der  Wanderungsgeschwindigkeit  der 
letzteren. 

„Dies  ist  der  primäre  Vorgang  bei  der  elektrolytischen  Leitung,  wie  er 
sich  z.  B.  realisiren  lässt,  wenn  man  einen  in  sich  geschlossenen  Leiter  zweiter 
Klasse  in  einem  ungleichförmigen  Magnetfelde  bewegt.  Die  gegen  die  elek- 
trodynamischen Kräfte  hierbei  geleistete  Arbeit  erscheint  als  JouLE^sche  Wärme 
im  Leiter. 

„Verwickeitere  Verhältnisse  treten  ein,  wenn  die  Elektricität  in  einem 
aus  Leitern  erster  und  zweiter  Klasse  gebildeten  System  in  Bewegung  ge- 
setzt wird.  Wir  nennen  die  Theile  des  ersteren,  welche  an  den  Elektrolyt 
grenzen,  Elektroden.  An  diesen  verlässt  die  Elektricität  ihre  Träger,  die 
Ionen,  um  sich  auf  eine  noch  nicht  näher  gekannte  Weise  (die  vielleicht  der 
im  Elektrolyt  stattfindenden  ähnlich  ist)  im  Metall  fortzubewegen.  Die  Ionen 
bleiben  unelektrisch  zurück  und  bilden,  da  sie  in  diesem  Zustande  nicht 
beständig  sind,  entweder  miteinander  Molekeln  (wie  H,  Cl  und  andere 
elementare  Ionen),  oder  sie  reagiren  auf  das  Lösungsmittel  (wie  das  Ion 
der  Schwefelsäure,  SO4,  welches  nach  der  Gleichung  2S04  +  2H20  =  2H2SO* 
+  Oa  Schwefelsäure  und  Wasserstoff  giebt),  oder  endlich,  sie  reagiren  auf 
die  Substanz  der  Elektrode,  wenn  diese  von  geeigneter  Beschaffenheit  ist. 

„Der  Übergang  der  Elektricität  von  den  Ionen  auf  die  Elektroden  er- 
folgt im  Allgemeinen  nicht  ohne  weiteres,  sondern  er  setzt  eine  bestimmte 
Potentialdifferenz  voraus.  Solange  diese  nicht  erreicht  ist,  verhält  sich  das 
aus  Elektrolyt  und  Elektrode  gebildete  System  wie  ein  Condensator,  indem 
sich  an  der  Berührungsfläche  eine  Ansammlung  von  gleichnamig  geladenen 
Ionen    herstellt,    welche    die    entgegengesetzte   Elektricität   in    der  Elektrode 


Neunzehntes  Kapitel. 


.1 


II30  ^__  _  ■ 

bindet  und  die  gleichnamige  abströmen  lässt.  Es  bedingt  somit,  wie  befc 
auch  die  geringste  elektromotorische  Kraft  in  einem  zusammengese 
System  einen  Strom,  derselbe  dauert  aber  nur  an,  bis  der  Condeosatof 
laden  ist,  und  hört  dann  auf,  falls  Convection  ausgeschlossen  ist 
können  hier  des  weiteren  nur  auf  die  grundlegenden  Arbeiten  hinwe 
durch  welche  v.  Helmholtz  diesen  Theil  der  elektrolytischen  Vorgänge 
Klare  gesetzt  hat." 

10.  Die  Theorie  der  isohydrischen  Lösungen.  Während  so 
meist  vergebliche  Versuch  gemacht  wurde,  die  zahlreichen  Gegner  der  n 
Anschauungen  durch  Auseinandersetzungen  von  Fall  zu  Fall  zu  überzei 
wurde  das  erfolgreichere  Verfahren  nicht  verabsäumt,  möglichst  viele 
Gebiete  der  Herrschaft  der  Theorie  zu  unterwerfen  und  dadurch  ihre  wi 
schaftliche  Bedeutung  zu  erweisen.  Diese  Art  der  Arbeit,  gleichsam  mit 
Speer  in  der  einen  und  der  Kelle  in  der  anderen  Hand,  ist  der  Sache  s 
zuträglich  gewesen,  da  sie  in  die  Thätigkeit  eine  gewisse  Frische 
Lebendigkeit  brachte,  die  sonst  vielleicht  nicht  vorhanden  gewesen  \ 
auch  ist  auf  die  Dauer  der  Erfolg  nicht  ausgeblieben. 

Zunächst  nahm  Arrhenius  die  Anwendung  der  Gesetze  der  Gasd 
ciation  auf  gelöste  Elektrolyte  auf  und  wies  nach,1  dass  sich  aus  ihnen 
Anzahl  Beziehungen  ableiten  lassen,  welche  er  selbst  vorher8  empirisch 
funden  hatte.  Es  handelt  sich  um  die  gegenseitige  Beeinflussung  meh 
Elektrolyte  in  Bezug  auf  ihre  elektrische  Leitfähigkeit.  Arrhenius  hatte 
züglich  derselben,  ohne  damals  noch  von  irgend  einer  bestimmten  Th 
geleitet  zu  sein,  eine  Anzahl  von  Gesetzen  gefunden,  die  wesentlich  au 
Folgende  herauskommen.  Mischt  man  zwei  beliebige  Lösungen  verschiec 
Säuren3  mit  einander,  so  zeigt  sich  die  Leitfähigkeit  des  Gemisches 
schieden  von  der  Summe  der  Leitfähigkeiten  der  Bestandteile.  Doch  j 
es  im  Allgemeinen  zu  jeder  Lösung  der  einen  Säure  eine  solche  der  ande 
dass  keine  gegenseitige  Veränderung  der  Leitfähigkeit  bei  der  Vermiscl 
eintritt.  Arrhenius  nannte  solche  Lösungen  isohy drisch  und  fand  fu 
folgende  Sätze:  Lösungen,  die  in  einem  bestimmten  Verhältniss  vermi 
isohydrisch  sind,  sind  es  in  allen  Verhältnissen;  und  verschiedene  Lösui 
die  einzeln  mit  einer  und  derselben  bestimmten  Lösung  isohydrisch 
sind  es  auch  unter  einander. 


1  Zeitschr.  f.  phys.  Chemie  2,  284.   1888.  *  Wied.  Ann.  30,  51.   1887. 

8  Es  wurden  für  die  Versuche  Lösungen  von  Säuren  benutzt,  weil  diese  eine  viel  gl 
Veränderlichkeit  des  Leitvermögens   mit  der  Verdünnung   zeigen,    als  Neutralsalze,    und 
etwaige  Beziehungen  sicherer  zur  Anschauung  bringen  mussten. 

4  Dies  gilt  thatsächlich  nur  unter  der  Einschränkung,  dass  zwar  zu  jeder  Lösun 
schwächeren  von  beiden  Säuren  eine  Lösung  der  stärkeren  existirt,  für  die  das  im  Te: 
sagte  richtig  ist,  während  für  die  concentrirteren  Lösungen  der  stärkeren  Säure  von  ein« 
stimmten  Gehalte  ab  eine  entsprechende  Lösung  der  schwächeren  nicht  mehr  möglich  ist. 
die  obenstchenden  Darlegungen  hat  diese  Einschränkung,  die  im  übrigen  gleichfalls  sie 
der  Theorie  voraussagen  Hess,  keinen  Einfluss. 


Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation.  1 1 3 1 


Nun  sind  Säuren  solche  Elektrolyte,  welche  ein  bestimmtes  Ion  gemein- 
sam besitzen,  nämlich  das  Ion  Wasserstoff.  Unter  Berücksichtigung  dieser 
Thatsache  und  unter  Benutzung  der  bereits  bekannten  Gesetze  über  das 
chemische  Gleichgewicht  konnte  Arrhenius  nicht  nur  die  eben  ausgesprochenen 
Gesetze  theoretisch  ableiten,  sondern  alsbald  auch  eine  Reihe  weiterer  merk- 
würdiger Thatsachen  erklären,  welche  bis  dahin  vollkommen  unverständlich 
gewesen  waren.  Die  auffälligste  unter  diesen  war  der  ungemein  grosse  Ein- 
fluss,  welchen  die  Gegenwart  von  Neutralsalzen  auf  gewisse  von  freien  Säuren 
oder  Basen  bewirkte  Reaktionen  ausübt.  So  wird  beispielsweise  die  Inversion 
des  Rohrzuckers  durch  Essigsäure  auf  einen  kleinen  Bruchtheil  ihrer  Ge- 
schwindigkeit herabgesetzt,  wenn  man  der  Lösung  Natriumacetat  hinzusetzt. 
Ebenso  verlangsamen  Ammoniaksalze  in  einem  ganz  ausserordentlichen  Maasse 
die  Verseifung  von  Estern  durch  freies  Ammoniak.  Arrhenius  hatte  sich, 
gleichfalls  vor  Aufstellung  der  Theorie  der  freien  Ionen,  mit  dieser  Frage 
beschäftigt1  und  dabei  festgestellt,  dass  die  letztere  Wirkung  ausschliesslich 
den  Ammoniaksalzen  eigen  ist  und  von  anderen  Salzen  nicht  ausgeübt  wird. 
Ebenso  findet  der  oben  erwähnte  Einfluss  auf  die  Wirkung  der  Essigsäure 
nur  durch  Acetate  statt,  nicht  durch  andere  Salze. 

Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation  gab  nun  von  diesen  Er- 
scheinungen einfache  Rechenschaft.  In  einer  Lösung  von  Ammoniak  ist  ein 
kleiner  Theil  des  vorhandenen  Ammoniumhydroxyds  in  seine  Ionen  NH4  und 
OH  dissociirt,  und  es  findet  zwischen  diesen  Ionen  und  dem  unzersetzten 
Ammoniumhydroxyd  ein  Gleichgewicht  statt,  welches  von  den  Concen- 
trationen  der  drei  Bestandteile  abhängt  und  sich  verschiebt,  wenn  man 
eine  ändert.  Bezeichnen  die  Formeln  gleichzeitig  die  Concentrationen,  so 
giebt   die   Theorie   des   chemischen  Gleichgewichts  die  einfache   Beziehung 

4—— -  =  Const.     Setzt   man    nun    zu    der   Lösung   von    Ammoniak   ein 

Ammoniumsalz,  so  vermehrt  man  dadurch  sehr  stark  den  Faktor  NH4,  denn 
die  Ammoniumsalze  sind  fast  vollständig  dissociirt.  Dadurch  muss  in  dem- 
selben Verhältnisse  der  Faktor  OH  kleiner  werden,  denn  da  die  Dissociation 
des  Ammoniumhydroxyds  nur  gering  ist,  so  kann  die  Vergrösserung  des 
Faktors  NH^H,  des  nichtdissociirten  Ammoniumhydroxyds,  auch  nur  wenig 
betragen.  Nun  hängt  aber  die  Geschwindigkeit  der  Verseifung  von  der  Con- 
centration  des  Hydroxyls  ab  und  muss  daher  eine  sehr  bedeutende  Vermin- 
derung erfahren,  wie  es  auch  der  Versuch  ergeben  hat.  Ja,  so  weit  ging 
die  Übereinstimmung  der  Theorie  mit  dem  Versuch,  dass  auch  der  zahlen- 
mässige  Betrag  dieses  Einflusses  aus  den  anderweit  vorliegenden  Messungen 
über  die  Leitfähigkeit  des  Ammoniaks  sich  vorausberechnen  Hess  und  in 
bester  Übereinstimmung  mit  den  Beobachtungen  gefunden  wurde.  Alle  diese 
Bestätigungen  der  elektrolytischen  Dissociationstheorie  waren  um  so  werth- 
voller,  als  das  bezügliche  Versuchsmaterial  gesammelt  worden  war,  bevor  an 
eine  solche  Anwendung  desselben  gedacht  werden  konnte. 

1  Zeitschr.  f.  phys.  Chemie  1,   no.   1887. 


j  I  ^2  Neunzehntes  Kapitel. 


In  der  gleichen  Gedankenrichtung  bewegt  sich  eine  andere  Arbeit 
Arrhenius,1  welche  die  allgemeinen  Gleichgewichtserscheinungen  zwis 
Elektrolyten  zum  Gegenstande  hat.  Auch  hier  haben  sich  die  aus 
älteren  Arbeiten  über  die  Stärke  oder  Avidität  der  Säuren  und  die  theifo 
Zersetzung  der  Neutralsalze  durch  solche  gezogenen  experimentellen  Schi 
aus  theoretischen  Betrachtungen  gewinnen  lassen;  gleichzeitig  ergab 
Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation  vielfach  eine  weitere  und  allgemei 
Auffassung,  als  bis  sie  dahin  möglich  gewesen  war.  Doch  kann  aut  < 
Dinge  nicht  näher  eingegangen  werden,  da  ihre  Bedeutung  mehr  auf 
chemischem  Boden,  als  auf  elektrochemischem  liegt. 

Dasselbe  gilt  von  den  gleichzeitigen  Arbeiten  W.  Ostwald's  über 
Zusammenhang  zwischen  der  Zusammensetzung  und  Constitution  der  Sä 
und  ihren  in  der  elektrischen  Leitfähigkeit  zu  Tage  tretenden  Affini 
grossen.2  An  einem  etwa  240  Stoffe  umfassenden  Versuchsmaterial  kon 
derartige  Zusammenhänge  in  ausgiebigster  Weise  nachgewiesen  werden 
dass  alsbald  die  gewonnenen  Einsichten  benutzt  werden  konnten,  um  sc 
bende  chemische  Fragen  zu  entscheiden;  in  der  Folge  sind  diese  Arb 
von  zahlreichen  Forschern  fortgesetzt  worden. 

Näher  mit  unserer  Frage  steht  dagegen  eine  Arbeit  im  Zusammenh; 
durch  welche  Arrhenius8  wieder  an  einem  Beispiele  die  Fähigkeit  der  n 
Ansichten  zeigte,  unerwartete  Erscheinungen  voraussagen  zu  lassen, 
handelt  sich  hier  um  den  Unterschied,  den  die  Temperaturänderung 
die  Leitfähigkeit  der  beiden  Klassen  von  Leitern  zeigt.  Metalle  vermin 
sie  bekanntlich  bei  steigender  Temperatur,  Elektrolyte  vermehren  sie; 
dies  Verhalten  ist  so  allgemein,  dass  sich  allmählich  die  Überzeuj 
herausbildete,  es  müsse  so  sein,  und  der  umgekehrte  Fall  sei  grundsät 
unmöglich.  Auf  Grund  der  folgenden  Überzeugung  erwartete  Arrhe 
dass  bei  Elektrolyten  auch  der  umgekehrte  Fall  eintreten  könne,  un< 
gelang  ihm  alsbald,  Beispiele  hierfür  ausfindig  zu  machen. 

Der  Übergang  eines  nicht  dissoeiirten  Stoffes  in  Ionen  muss  wie 
Zustandsänderung  mit  positiven  oder  negativen  Wärmewirkungen  verbu 
sein.  Der  Betrag  solcher  Wärmewirkungen  ist  der  Messung  nicht  1: 
gänglich.  Denn  nach  den  Darlegungen  von  S.  11 14  ist  die  Neutralisat 
wärme  beliebiger  völlig  dissoeiirter  Säuren  und  Basen  constant  und  g 
der  Bildungswärme  des  Wassers  aus  seinen  Ionen.  Wie  erwähnt,  hat 
Beobachtung  diesen  Schluss  bestätigt;  die  fragliche  Wärmetönung  ist 
135  K.  Wenn  man  nun  eine  Säure  hat,  welche  nur  theilweise  dissoeiir 
^  «  und  sie   giebt  mit  einer  ganz   dissoeiirten  Basis    eine  Neutralisationswä 

-  die  geringer  ist,  als   135  K,  so  muss  ihre  Dissociation  Wärme  verbrauc 

3  ist  dagegen  die  Neutralisationswärme  grösser,   so  muss  sie  Wärme   bei 

Dissociation  entwickeln.     Die  Messungen  der  Thermochemiker,  insbeson 


1  Zeitschr.  f.  phys.  Chemie  6,   1.   1890.  *  Ebenda  3,   170.  1888. 

3  Zeitschr.  f.  phys.  Chemie  4,  96.   1889. 


Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation.  1 1 3  3 


von  J.  Tohmson,  zeigen  eine  ganze  Anzahl  von  Säuren,  welche  zum  zweiten 
Falle  gehören;  unter  ihnen  zeichnen  sich  z.  B.  Schwefelsäure  und  die  Säuren 
des  Phosphors  durch  grosse  Neutralisationswärmen  und  daher  positive  Disso- 
ciationswärmen  aus. 

Andererseits  steht  nach  den  Gesetzen  der  Thermodynamik  das  chemische 
Gleichgewicht  in  einem  engen  Zusammenhang  mit  der  Wärmetönung,  und 
zwar  so,  dass  bei  einer  Erhöhung  der  Temperatur  sich  immer  das  Gleich- 
gewicht im  Sinne  der  mit  Wärmeverbrauch  verbundenen  Reaktion  verschiebt, 
und  umgekehrt.  Demgemäss  muss  die  Dissociation  der  Phosphorsäure  mit 
steigender  Temperatur  geringer  werden.  Da  weiter  die  elektrische  Leitfähig- 
keit mit  dem  Betrage  der  Dissociation  zu-  und  abnimmt,  so  ist  in  diesem 
Umstände  eine  vermindernde  Ursache  für  die  Leitfähigkeit  gegeben. 

Allerdings  ist  dieser  Einfluss  nicht  der  einzige,  denn  gleichzeitig  nehmen 
mit  steigender  Temperatur  die  Reibungswiderstände,  die  das  Ion  bei  seiner 
Wanderung  erfahrt,  ziemlich  schnell  ab,  und  dieser  Umstand  bewirkt  die  so 
allgemeine  Zunahme  der  Leitfähigkeit  der  Elektrolyte  mit  der  Temperatur. 
Es  galt  daher,  solche  Stoffe  zu  finden,  bei  denen  der  erste  Einfluss  den 
zweiten  überwiegt.  Eine  entsprechende  Rechnung  zeigte  Arrhenius,  dass 
bei  gewissen  Lösungen  von  unterphosphoriger  Säure  und  von  Phosphor- 
säure die  beiden  Umstände  so  zusammenwirken,  dass  zuerst  die  Leitfähigkeit 
mit  steigender  Temperatur  wie  gewöhnlich  zunehmen,  dann  ein  Maximum 
erreichen,  und  dann  wieder  kleiner  werden  muss.  Entsprechende  Versuche 
waren  leicht  auszuführen,  und  sie  ergaben  alsbald  eine  völlige  Bestätigung 
der  unerwarteten  Beziehung  und  gleichzeitig  einen  schlagenden  Beweis  für 
die  Sicherheit,  mit  welcher  die  Dissociationstheorie  die  Verhältnisse  im  voraus 
zu  beurtheilen  gestattete. 

II.  Die  Theorie  der  VoLTA'schen  Ketten.  Wenn  ein  Gas  an 
einen  leeren  Raum  grenzt,  so  tritt  sofort  eine  sehr  schnelle  Bewegung  ein, 
die  zu  einer  gleichförmigen  Vertheilung  des  Gases  in  dem  gesammten  Räume 
fuhrt.  Stellt  man  die  analoge  Erscheinung  bei  Lösungen  her,  indem  man 
über  eine  Lösung  irgend  eines  Stoffes  das  reine  Lösungsmittel  schichtet,  so 
tritt  gleichfalls  die  Bewegung  ein;  sie  ist  aber  sehr  langsam  und  erfordert 
Tage  und  Wochen  für  dasselbe  Ergebniss,  welches  die  Gase  in  Sekunden 
zeigen.  Woran  liegt  dieser  grosse  Unterschied,  da  doch  nach  der  Theorie 
von  van't  Hoff  die  gleichen  Drucke  auf  die  gleichen  Massen  wirken?  Die 
Antwort  ist  leicht  zu  geben:  während  das  Gas  bei  seiner  Ausbreitung 
keine  erheblichen  Hindernisse  erfährt,  müssen  die  Theilchen  des  gelösten 
Stoffes  einen  bedeutenden  Reibungswiderstand  bei  der  Bewegung  durch  das 
Lösungsmittel  überwinden. 

Somit  ergiebt  sich  aus  dieser  Betrachtung  zunächst  die  Ursache  der 
Diffusionserscheinungen,  und  überlegt  man,  dass  der  Druckunterschied, 
welcher  in  zwei  aneinandergrenzenden  Schichten  der  Lösung  von  ver- 
schiedener Concentration  wirksam  ist,  eben  diesem  Concentrationsunterschiede 
proportional  ist,  so  hat  man  auch  die  Grundlage  einer  Theorie  der  Diffusion, 


1 1 34  Neunzehntes  Kapitel. 


i 


welche  mit  der  von  Fick  aufgestellten  und  an  der  Erfahrung  bestätigten  i 
einstimmt.  Weiter  kann  man  aber  aus  den  gemessenen  Geschwindigki 
der  Diffusionsbewegung  unter  gegebenen  Umständen  die  Reibungswi 
stände  berechnen,  welche  der  gelöste  Stoff  erfährt.  Sie  ergeben  sich 
sehr  bedeutend. 

Diese  naheliegenden  Schlüsse  aus  der  Theorie  von  van*t  Hoff  wui 
von  Walter  Nernst  18881  ausgesprochen  und  zunächst  auf  die  Diffusion 
differenter  Stoffe  angewendet.    Als  er  jedoch  auch  gelöste  Elektrolyte  der 
trachtung  unterzog,  ergab  sich  ein  neuer  Umstand.     Da  die   Ionen  in 
Lösungen  eine  individuelle  und  gesonderte  Existenz  "fuhren,  so   müssen 
auch  individuelle  Diffusionsgeschwindigkeiten  haben.    Daraus  folgt  aber, 
bei   der  Diffusion  einer  elektrolytischen  Lösung   gegen    reines  Wasser 
Trennung  der  Ionen  eintreten  muss,  indem   das  schnellere  Ion  voraus^ 
und  das  langsamere  zurückbleibt.     Daraus  folgt  aber  weiter,   dass  elek 
motorische  Kräfte  zwischen  den  verschiedenen  Theilen  der  Lösung 
treten  müssen.     Denn  die  Ionen  sind  mit  ihren  elektrischen  Ladungen 
bunden  und  nehmen  sie  mit  sich;  wandert  also  wie  z.  B.  bei  den  Säuren 
Kation  schneller,  als  das  Anion,  so  muss  der  verdünntere  Theil  der  Lös 
in  welchen  die  Wasserstoffionen  vordringen,  positiv  gegen  den  concentrirt 
sein,  in  welchem  die  langsameren  Anionen  zurückgeblieben  sind. 

Die  Folgerungen,  welche  sich  aus  dieser  Überlegung  für  die  Diffi 
ergeben,  sollen  nicht  näher  erörtert  werden;  nur  möge  bemerkt  wer 
dass  durch  diese  Potentialunterschiede  das  langsamere  Ion  beschleunigt, 
schnellere  zurückgehalten  wird,  bis  schiesslich  doch  die  Diffusion  tx 
Ionen  mit  gleicher  Geschwindigkeit  erfolgt.  Dadurch  gestaltet  sich 
Theorie  der  Diffusion  gelöster  Elektrolyte  viel  verwickelter,  als  die  indifferc 
Stoffe;  doch  hat  Nernst  für  die  einfachsten  Fälle  die  entsprechei 
Gleichungen  gegeben.  Die  erhaltenen  Formeln  gaben  Anlass  zu  einem 
merkenswerthen  Vergleich. 

Durch  die  Messungen  der  elektrischen  Leitfähigkeit  des  Elektrolytes 
nämlich  F.  Kohlrausch  (S.  922)  bereits  in  der  Lage  gewesen,  die 
wegungswiderstände  zu  berechnen,  welche  die  Ionen  in  der  Lösung  erfar 
wenn  sie  von  bekannten  elektrostatischen  Kräften  getrieben  werden, 
musste  nun  erwarten,  dass  die  aus  solchen  Beobachtungen  berechn 
Reibungswiderstände,  welche  die  Ionen  bei  ihrem  elektrischen  Am 
durch  die  Lösung  erfahren,  gleich  den  aus  den  Diffusionserscheinungen 
rechneten  Reibungswiderständen  ausfallen  müssen,  welche  sich  bei  dem 
tritt  der  Ionen  durch  den  osmotischen  Druck  zeigen.  Das  Erget 
dieses  von  Nernst  vorgenommenen  Vergleiches  erwies  die  Angemesser 
dieser  Betrachtungen;  beide  Widerstandscoefficienten  zeigten  sich  nicht 
der  Grössenordnung  nach  übereinstimmend,  sondern  fielen  auch  zahlenmi 
so  nahe  zusammen,  als  man  immer  nur  erwarten  konnte. 


1  Zeitschr.  f.  phys.  Chemie  2,  613.   1888. 


Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation.  1 1 3  5 

Neben  diesem  an  sich  hinlänglich  interessanten  Ergebnisse  fand  sich 
auf  gleichem  Wege  noch  eine  andere  Ausbeute,  welche  sich  in  der  Folge  als 
noch  weit  wichtiger  erweisen  sollte.  Es  ist  eben  erwähnt  worden,  dass  durch 
die  verschiedene  Wanderungsgeschwindigkeit  der  Ionen  bei  der  Diffusion 
eines  gelösten  Elektrolyten  sich  elektromotorische  Kräfte  zwischen  den 
verschieden  concentrirten  Theilen  herausstellen.  Solche  elektromotorische 
Kräfte  müssen  naturgemäss  auch  auftreten,  wenn  überhaupt  zwei  verschieden 
concentrirte  Lösungen  eines  Elektrolyten  an  einander  grenzen,  und  somit 
war  die  Möglichkeit  gegeben,  nicht  nur  das  Auftreten  von  Spannungen  an 
den  Grenzflächen  verschiedener  Lösungen,  d.  h.  die  Existenz  von  Flüssig- 
keitsketten (S.  706)  zu  erklären,  sondern  man  konnte  sogar  die  hier  vor- 
handenen Spannungen  aus  anderweit  zu  bestimmenden  Grössen  voraus- 
berechnen. 

Dieser  Schluss  findet  sich  in  der  erwähnten  Arbeit  nur  angedeutet; 
seine  Entwickelung  und  Prüfung  erfuhr  er  erst  im  folgenden  Jahre  in  Nernst  s 
Habilitationsschrift  über  die   elektromotorische  Wirkung   der   Ionen.1 

Durch  diese  Arbeit  wurde  den  neuen  Theorieen  ein  bis  dahin  noch  un- 
berührtes Feld  erschlossen.  Denn  während  die  oben  geschilderten  Arbeiten 
von  Arrhenius  und  Ostwald  sich  um  die  Erscheinungen  der  elektrischen 
Leitfähigkeit  und  die  damit  zusammenhängenden  Fragen  des  chemischen 
Gleichgewichts  in  Lösungen  gruppirten,  fand  sich  hier  das  immense  Gebiet 
der  elektromotorischen  Kräfte  zum  ersten  Male  auf  dem  neuen  Wege 
in  Angriff  genommen  und,  wie  gleich  hinzugefügt  werden  mag,  zum  grossen 
Theile  erobert.  Zwar  lagen  hier  bereits  die  Arbeiten  von  Helmholtz  vor, 
welche  die  Frage  allgemein  für  die  Fälle  gelöst  hatten,  in  denen  man  irgend 
einen  anderen  berechenbaren  Vorgang  ausfindig  machen  konnte,  mittelst 
dessen  das  Ergebniss  des  Stromdurchganges  durch  eine  Zelle  rückgängig 
gemacht  wird.  Aber  solche  Vorgänge  hatten  sich  nur  in  ganz  beschränktem 
Maasse  ausfindig  machen  lassen. 

Weiter  führte  der  Weg,  welchen  Nernst  ging.  Er  verfolgte  die  oben 
angedeutete,  bei  der  Betrachtung  der  Diffusion  aufgefundene  Spur,  welche 
ihn  in  folgerichtiger  Ausbildung  der  zunächst  gewonnenen  Anschauungen 
zu  der  Möglichkeit  führte,  das  Problem  der  allgemeinen  VoLTA'schen  Kette 
wenigstens  formal  zu  lösen;  die  Auffindung  aller  hier  auftretenden  Zahlen- 
werthe  nnd  damit  die  Vollendung  der  Analyse  war  allerdings  einer  späteren 
Zeit  vorbehalten. 

Die  erste  Frage,  welche  Nernst  behandelt,  ist  die  nach  dem  Potential- 
unterschied zwischen  zwei  verschieden  concentrirten  Lösungen  desselben 
Elektrolyten.  Indem  er  die  beim  Durchgange  der  Elektricitätsmenge  Eins 
durch  die  Trennungsfläche  erfolgenden  Concentrationsänderungen  bestimmt, 
kann  er  nach  dem  Gesetze  von  van't  Hoff  die  zugehörige  Arbeit  berechnen; 
diese    auf  die  Elektricitätsmenge  Eins  bezogene  Arbeit  ist  aber   numerisch 


1  Zeitschr.  f.  phys.  Chemie  4,   129.   1889. 


I  l  ^5  Neunzehntes  Kapitel. 


gleich  dem  Potentialunterschied  an  der  Trennungsstelle.     So  ergiebt  sich 
Formel  E' —  E"  =  *  — v  p^ln^j,  wo  E'  und  E"  die  beiden  Potentiale 

u  -f-  v  r  u         / 

Lösungen,  p'  und  p"  die  osmotischen  Drucke  in  ihnen  (die  den  Conc 
trationen  proportional  sind),  u  und  v  die  Wanderungsgeschwindigkeiten 
beiden  Ionen  und  In  den  natürlichen  Logarithmus  bezeichnet;  /0  ist  < 
von  der  Wahl  der  Einheiten  abhängige  Constante.  Aus  der  Formel  erg 
sich  zunächst,  dass,  wenn  beide  Ionen  gleich  schnell  wandern,  also  «—  v 
ist,  gar  keine  Potentialunterschiede  auftreten;  ferner,  dass  die  elektromotoris 
Kraft  E'—E"  nur  von  dem  Verhältniss  der  beiden  osmotischen  Dn 
/'  und  /"  abhängt,  nicht  von  ihren  absoluten  Werthen.  Stellt  man 
zwei  Ketten  her,  indem  man  in  einer  alle  Lösungen  »mal  concentr 
nimmt  als  in  der  anderen,  so  müssen  sie  beide  gleiche  Potential untersch 
zeigen.  Allerdings  wird  hierbei  die  Gültigkeit  der  Lösungsgesetze  und  * 
ständige  Dissociation  vorausgesetzt.  Nernst  hat  diesen  letzten  Satz  ab 
gemeines  Prinzip,  welches  er  das  Superpositionsprinzip  nannte,  se 
anderen  Erörterungen  vorausgeschickt. 

Da  ein  Mittel,  die  einzelnen  Spannungen  an  den  Berührungsflächen 
schieden  concentrirter  Lösungen  zu  messen,  nicht  vorhanden  war,  so  mi 
Nernst,  um  eine  experimentelle  Prüfung  seiner  Formel  zu  erlangen, 
Flüssigkeitsketten  construiren,  in  denen  die  verschiedenen  auftretenden  S 
nungen  alle  berechenbar  waren,  was  sich  mit  Hülfe  des  Superpositionsprii 
auch  ausfuhren  Hess.  Die  Ergebnisse  der  Versuche  stimmten  mit  der  R 
nung  dem  Sinne  und  der  Grössenordnung  nach  überall  zusammen;  aucl 
zahlenmässige  Übereinstimmung  mochte  in  Anbetracht  der  Häufung  der 
suchsfehler  als  genügend  erscheinen,  wenn  sie  auch  zu  wünschen  übrig 

Um  nun  den  Übergang  von  diesem  Punkte  auf  die  gewöhnlichen  Vo 
i  sehen  Ketten  zu  finden,  mussten  entsprechende  Betrachtungen  über  die 

J  gänge  an  den  Elektroden  angestellt  werden.     Der  einfachste  Fall  ist  hiei 

eines  Metalls  in  der  Lösung  eines  seiner  Salze.  Hier  wissen  wir,  dass 
Elektricitätsbewegung  mit  dem  Eintritt  von  Metall  in  den  Elektrolyt 
umgekehrt  proportional  verbunden  ist.  Gleichzeitig  mit  der  Elektrici 
bewegung  erfolgt  also'  eine  osmotische  Arbeit,  indem  das  Element  des 
treffenden  Ions  aus  dem  Zustande,  in  welchem  es  in  der  Elektrode  befin< 
war,  in  den  Zustand  der  Lösung  versetzt  wird  (oder  umgekehrt),  und 
rechnen  wir  diese  Arbeit  für  die  Elektricitätsmenge  Eins,  so  erhalten 
wieder  die  vorhandene  elektrische  Spannung. 

Nun  lässt  sich  diese  Berechnung  nicht  vollständig  ausfuhren,  da  wii 

den  Zustand  des  Ionenelements  im  Metall  kein  Maass  haben;  wohl  aber  köi 

3  wir  die  Unterschiede  dieser  Arbeit  berechnen,  welche  eintreten,  wenr 

Ion  in  der  Lösung  einmal  den  Gegendruck  /',  ein  andermal  den  Drucl 
findet,  und  die  Rechnung  ergiebt,  dass  die  Arbeit  und  somit  auch  die  elektri 
Spannung  dem  Logarithmus  des  osmotischen  Druckes  proportional  ist 
unbekannte,  von  der  Beschaffenheit  der  Elektrode  abhängige  Grösse  erscl 


i 


Die  Theorie  der  elektrolvtischen  Dissociation. 


"37 


als  eine  unbekannte  Integrationconstante.  Nernst  macht  darauf  aufmerksam, 
dass  man  diese  Grösse  formal  so  behandeln  kann,  als  wäre  sie  ein  Druck, 

und   erhält   für   die  Spannung  E  an   der  Elektrode  dadurch  den  Ausdruck 

P 
E  =  Kln  — ,  wo/  der  osmotische  Druck  der  Metallionen,  K  ein  von  den 

Maasseinheiten  abhängiger  Faktor  und  P  die  eben  erwähnte  Integrations- 
constante  ist,  die  von  der  Natur  des  Metalls  abhängt.  Um  für  diese  eine 
anschauliche  Deutung  zu  erlangen,  stellt  Nernst  folgende  Betrachtung  an: 

„Die  Thatsache,  dass  bei  der  Verdampfung  fester  und  flüssiger  Körper 
die  Molekeln  desselben  in  einen  Raum  getrieben  werden,  in  welchem  sie 
unter  einem  bestimmten  Drucke  sich  befinden,  nämlich  dem  Partialdrucke 
des  bei  diesem  Vorgange  entstehenden  Gases,  gab  Veranlassung,  dem  ver- 
dampfenden Körper  ein  Expansionsvermögen  zuzuschreiben;  den  Druck, 
unter  welchem  sich  die  gasförmigen  Verdampfungsprodukte  befinden,  nach- 
dem Gleichgewichtszustand  eingetreten  ist,  bezeichnet  man  als  die  Dampf- 
tension des  betreffenden  Körpers. 

„Wenn  wir  nun  im  Sinne  der  van't  HoF^schen  Theorie  annehmen, 
dass  auch  die  Molekeln  eines  in  Lösung  befindlichen  Körpers  unter  einem 
bestimmten  Drucke  stehen,  so  müssen  wir  einer  in  Berührung  mit  einem 
Lösungsmittel  sich  auflösenden  Substanz  ebenfalls  ein  Expansionsvermögen 
zuschreiben,  weil  auch  hier  ihre  Molekeln  in  einen  Raum  hineingetrieben 
werden,  in  welchem  sie  unter  einen  gewissen  Druck  gelangen;  offenbar  wird 
jeder  Körper  so  weit  in  Lösung  gehen,  bis  der  osmotische  Partialdruck  der 
bei  diesem  Vorgange  entstehenden  Molekeln  der  „Lösungstension"  des  Kör- 
pers gleich  geworden  ist. 

„Demgemäss  haben  wir  in  der  Verdampfung  und  Auflösung  gänzlich 
analoge  Vorgänge  zu  erblicken,  was  übrigens  schon  mehrfach  vermuthet 
worden  ist,  jedoch  ohne  Kennlniss  des  osmotischen  Druckes  einer  sicheren 
Begründung  entbehrte. 

„So  einfach  und  beinahe  selbstverständlich  diese  Betrachtungen  sind,  so 
fuhren  sie  doch  unmittelbar  zu  manchen  weitgehenden  und  bemerkenswerthen 
Schlussfolgerungen,  die  eine  Prüfung  der  van't  HoFF'schen  Theorie  von  ganz 
neuen  Gesichtspunkten  aus  ermöglichen;  hier  sei  jedoch  nur  auf  das  für 
unseren  augenblicklichen  Zweck  Wichtige  hingewiesen. 

„Wie  wir  offenbar  für  jedes  Gas  einen,  sei  es  festen,  sei  es  flüssigen 
Körper  ausfindig  machen  können,  dessen  Dampf-  oder  Dissociationsspannung 
mit  dem  Drucke  dieses  Gases  in  Concurrenz  tritt,  welcher  also,  sei  es  durch 
einfache  Verdampfung,  sei  es  durch  Zersetzung,  letzteres  entwickelt,  so  werden 
wir  auch  für  jede  in  Lösung  und  zwar  im  freien  Bewegungszustande  befind- 
liche Molekel,  daher  auch  für  jedes  Ion,  die  Existenz  von  Substanzen  an- 
nehmen müssen,  bei  deren  Auflösung  Molekeln  dieser  Gattung  entstehen. 
Da  liegt  es  nun  sehr  nahe,  oder  bietet  sich  vielleicht  als  einzige  Möglichkeit 
dar,  um  den  eben  ausgesprochenen  Satz  aufrecht  zu  erhalten,  nämlich  den 
Metallen  die  Fähigkeit  zuzuschreiben,  als  Ion  in  Lösung  gehen  zu  können. 

Ostwald,   Elektrochemie.  72 


i ,  ja 


Neunzehntes  Kapitel. 


Hiernach  besässe  jedes  Metall  in  Wasser  eine  eigen 
deren  Grösse  mit  P  bezeichnet  werden  möge. 

„Beachten  wir  nun,  was  für  Vorgänge  entste 
von  der  elektrolytischen  Lösungstension  P  in  eine 
Metall  gebildeten  Salzes  eintauchen,  in  welch  li 
Metalles  unter  dem  Drucke  /  stehen.  Es  sei  zunä 
ersten  Augenblicke  der  Berührung,  getrieben  von 
Anzahl  -+-  geladener  metallischer  Ionen  in  Lösung 
letztere  eine  gewisse  +■  Elektricitätsmenge  aus  d< 
transportirt  wird,  erhält  die  Flüssigkeit  eine  positiv 
Gestalt  der  in  ihr  enthaltenen  positiven  Ionen  an  i 
gleichzeitig  wird  natürlich  im  Metall  eine  entsprech 
frei,  welche  gleichfalls  an  die  Oberfläche  geht 
dass  an  der  Berührungsfläche  von  Metall  und  Elekt 
tricitäten  in  Form  einer  Doppelschicht  anhäufen  m 
kanntlich  durch  Herrn  v.  Helmholtz  schon  vor  eini 
Wege  wahrscheinlich  gemacht  worden  ist 

„Diese  Doppelschicht  liefert  nun  eine  Kräfte 
recht  zur  Berührungsfläche  von  Metall  und  Lösu 
metallischen  Ionen  aus  dem  Elektrolyten  zum  Met: 
elektrolytischen  Lösungstension  somit  entgegenwi: 
zustand  wird  offenbar  so  beschaffen  sein,  dass  be 
aufheben;  als  schli essliches  Resultat  erhalten  wir  d 
motorischen  Kraft  zwischen  Metall  und  Elektrolyt, 
Strom  in  der  Richtung  von  Metall  zur  Flüssigkei 
irgend  welche  Vorrichtungen  das  Zustandekommei 

„Wenn  P  <p,  findet  natürlich  der  umgekehr 
aus  dem  Elektrolyten  so  lange  metallische  Ionen 
auf  dem  Metall  nieder,  bis  die  elektrostatische  I 
durch  entstandene  4  Ladung  des  Metalls  und  —Li 
osmotischen  Druck  das  Gleichgewicht  hält  Es  1 
elektromotorische  Kraft  zwischen  Metall  und  Elel 
geeigneten  Bedingungen  hier  einen  galvanischen  S 
Richtung  veranlassen  würde.  In  beiden  Fällen  sind 
ordentlich  grossen  elektrostatischen  Capacität  der  1 
die  in  Lösung  gehen  bezw.  ausfallen,  sehr  klein. 

„Wenn  schliesslich  P  —  p  ist,  befindet  sich  i: 
Berührung  Metall  und  Elektrolyt  im  Gleichgewicht 
beiden  keine  Potentialdifferenz  auf.  Wenn  wir  c 
matisch  formuliren,  gelangen  wir  sofort  auf  einei 
zu  den  früheren  Gleichungen. 

„Da  P  der  Natur  der  Sache  nach  immer  ein 
muss,  so  folgt,  das  für  /  =  o,  d.  h.  in  reinem  Wa 
endlich  stark  negativ  laden;  dies  Resultat  steht  in  ■ 


Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation.  I  j  *g 

kürzlich  von  Hrn.  v.  Helmholtz  erhaltenen,  wonach  sich  für  eine  Con- 
centrationskette,  deren  einer  Pol  von  reinem  Wasser  bespült  wird,  unendlich 
starke  elektromotorische  Kräfte  ergeben,  welche  einen  in  der  Kette  vom 
letzteren  Pol  zum  anderen  verlaufenden  galvanischen  Strom  zu  veranlassen 
suchen.  Der  Umstand,  dass  wir  zu  etwas  physikalisch  so  Unmöglichem,  wie 
unendliche  Potentialdifferenzen  gelangen,  bedeutet  natürlich,  dass  Metall  und 
reines  Wasser  neben  einander  nicht  existiren  können;  dies  stimmt  sehr  gut 
mit  den  obigen  Ent Wickelungen,  in  denen  wir  den  Metallen  die  Fähigkeit 
zuschrieben,  spurenweise  als  Ion  in  Lösung  gehen  zu  können." 

Auf  Grund  dieser  Betrachtungen  entwickelt  Nernst  zunächst  die  Theorie 
der  Concentrationsketten,  und  gelangt  zu  den  gleichen  Schlussergebnissen, 
wie  Helmholtz  sie  auf  thermodynamischen  Wege  erlangt  hatte,  nur  dass 
in  seinen  Formeln  die  drei  vorhandenen  Spannungen  gesondert  auftreten, 
während  Helmholtz  bloss  ihre  Summe  erhalten  hatte.  Eine  Anzahl  von  Mes- 
sungen ergab  eine  gute  Bestätigung  der  Theorie. 

Weiter  werden  einige  Messungen  über  Flüssigkeitsketten  mit  Elektrolyten, 
die  ein  gemeinsames  Ion  enthalten,  mitgetheilt,  doch  wird  deren  Theorie 
nicht  durchgeführt;  dies  geschah  erst  später1  durch  Max  Planck,  der  die 
allgemeine  Theorie  der  Flüssigkeitsketten  entwickelte.  Auch  weitere  Rech- 
nungen und  Messungen  über  elektrolytische  Thermoketten  müssen  hier 
übergangen  werden.  Zum  Schluss  erörtert  Nernst  die  Verhältnisse  gal- 
vanischer Elemente,  indem  er  zu  dem  Begriff  der  umkehrbaren  Elektroden 
erster  Art  (ein  Metall  in  der  Lösung  seines  Salzes)  den  der  umkehr- 
baren Elektroden  zweiter  Art  fugt,  deren  Typus  durch  eine  Elektrode  von 
Quecksilber  unter  einer  Lösung  eines  Chlorids  und  bedeckt  mit  Queck- 
silberchlorür  gegeben  ist.  Durch  die  Gegenwart  dieses  „unlöslichen"  Salzes 
verlaufen  die  Erscheinungen  gerade  so,  als  wenn  die  Elektrode  „aus  einer 
metallisch  leitenden  Modification  des  Chlors  bestände,"  denn  beim  Strom- 
durchgange vermehrt  oder  vermindert  sich  die  Concentration  des  Chlors  im 
Elektrolyt,  wie  sich  die  des  Metalls  bei  einer  Elektrode  erster  Art  ver- 
ändert. Indessen  hat  Ostwald  später2  gezeigt,  dass  thatsächlich  dieser  Fall 
auf  den  ersten  zurückkommt,  und  nur  durch  die  bestimmte  Löslichkeit  des 
„unlöslichen"  Salzes  der  formale  Anschein  einer  zweiten  Art  Elektroden  be- 
wirkt wird. 

Die  Theorie  der  gewöhnlichen  VoLTA'schen  Ketten  konnte  nicht  voll- 
ständig behandelt  werden,  da  die  Kenntniss  der  maassgebenden  Grössen  P, 
der  „Lösungstensionen"  der  verschiedenen  Metalle,  noch  ausstand.  Die 
vorher  erhaltenen  Ergebnisse  waren  gewonnen  worden,  indem  diese  un- 
bekannten Grössen  durch  Benutzung  zweier  gleicher  Elektroden  in  der  Kette 
ausgeschaltet  wurden.  Zu  weiteren  Schlussfolgerungen  bot  sich  noch  der 
Umstand,    dass    diese    Grössen   P   von    der   Concentration    der   Ionen    im 


1  Wied.  Ann    40,  561.   1891. 

8  Lehrbuch  der  allgemeinen  Chemie,  II.  Aufl.  2,  I,  878.   1893. 

72* 


H40  Neunzehntes  Kapitel. 

Elektrolyt  unabhängig  sein  musste;  einige  beziiglic 
Spannung  des  DAMELi/schen  Elements  von  der  C 
Losungen  bereits  früher  beobachtete  Thatsachen  erg 
Überei  nsti  mmung. 

„Suchen  wir  schliesslich  die  Wirkungskreise  d< 
durch  einen  Vergleich  zu  veranschaulichen,  so  d 
ein  genähertes  Bild  davon  geben.  In  einem  Reser 
Kohlensäure,  in  einem  zweiten  eine  dieselbe  lebhat 
z.  B.  Ätzkalk,  und  dazwischen  eine  Cylinder-  und 
die  Druckdifferenzen  in  Arbeit  umzusetzen.  Die  Ma 
bis  alle  Kohlensäure  sich  verflüchtigt  hat,  gerade 
bis  zum  Verbrauch  des  Zinks  wirksam  ist" 

Durch  diese  Arbeit  war  ein  sehr  bedeutender  I 
chemie  angebahnt.  Auf  den  hier  eingeschlagenen 
eine  vollständige  Theorie  der  galvanischen  Erschein 
welche  überall  den  Thatsachen  entspricht  und  in  d 
Beobachtungen  in  diesem  vielbebauten  Gebiete  ka 
einen  Rest  gelassen  hat.  Auch  die  in  den  Schi 
Arbeit  ausgesprochene  Hoffnung:  „Schliesslich  werd 
lingen  sollte,  die  elektrolytischen  Lösungstensionen , 
welche  die  umkehrbaren  Elektroden  charakterisiren, 
ermitteln,  einen  wesentlichen  Fortschritt  in  der  B' 
versprechen  dürfen,  die  seit  Volta's  Zeiten  die  P] 
inzwischen  in  Erfüllung  gegangen.* 

12.  Zusammenfassung.  Auf  die  eben  gescl 
Zeitraum  dreier  Jahre  zusammengedrängten  grundl 
n«turgemäss  eine  Periode,  in  welcher  der  Ausbau 
wurde  und  die  zahlreichen  Aufgaben,  welche  die  neui 
zur  Bearbeitung  gelangten.  Zu  einem  zusammen* 
es  dann  im  Beginn  des  Jahres  1893,  wo  W.  Ostwa 
bearbeitung  der  Elektrochemie  für  die  zweite  Auflag 
allgemeinen  Chemie"  das  ganze  Gebiet  einer  Betr; 
Gesichtspunkten  aus  unterzog.  Das  Ergebniss  dieser 
Erwartungen;  obwohl  dem  Verfasser  die  Ausgiebigl 
aus  vielfacher  Erfahrung  wohl  bekannt  war,  hatte 
Ergebnisse  nicht  gefasst  gemacht,  die  ihm  bei  die 
gesucht  entgegentraten.3 


1  Ostwald,  Lehrb.  d.  allgem.  Chemie  S,  I,   1893. 

'  Ein  Zeugniss  hierfür  ist  in  dem  fraglichen  Werke  seit 
eigentlichen  Bearbeitung  hatte  der  Verfasser  eine  geschichtliche  1 
gegeben,  und  schloss  diese  mit  den  Worten:  ,,Es  ist  somit  alh 
diesem  Wege  die  vollständige  und  controlirbare  Theorie  des  Vc 
gewinnen  lassen,  so  dass  das  Problem  desselben  nach  fast  gen 
Lösung  erfährt."     Am  Schlüsse  des  Buches  war  diese  Hoffnung 


Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation.  1 1 4 1 


Von  den  einzelnen  Resultaten  sei  zunächst  die  Vervollständigung  der 
Theorie  der  umkehrbaren  Ketten  erwähnt.  Dass  sich  die  „Elektroden  zweiter 
Art"  auf  solche  erster  Art  zurückfuhren  Hessen,  ist  schon  bemerkt  worden. 
Weitere  Erörterungen  betrafen  die  Theorie  der  anomalen  Spannungen. 
Es  giebt  gewisse  Lösungen,  in  welchen  die  Metalle  keineswegs  ihre  gewöhn- 
lichen Spannungen  zeigen,  sondern  weit  abweichende;  so  hatte  schon  Jacobi 
beobachtet,  dass  Silber  in  Cyankalium  etwa  den  Platz  von  Zink  in  Schwefel- 
säure einnimmt.  Ostwald  wies  nun  darauf  hin,  dass  die  Metalle  in  solchen 
Fällen  sich  immer  verhalten,  als  wären  sie  weniger  edel,  und  dass/iie  Ab- 
weichungen nur  in  solchen  Fällen  auftreten,  wo  die  Metalle  mit  den  vor- 
handenen Elektrolyten  complexe  Verbindungen  bilden. 

Der  Begriff  der  complexen  Verbindungen  war  bereits  viel  früher1   von 
Ostwald  aufgestellt  worden,  um  einen  Ausdruck  für  die  sogenannten  ano- 
malen analytischen  Reaktionen  zu   schaffen.     Während    nämlich   alle  Salze 
v  ernes  Metalls,  die  in  gewöhnlicher  Weise  in  die  Ionen  dissociirt  sind,    über- 
\.  einstimmende   Reaktionen    aufweisen,    zeigen  sich   in    gewissen   Fällen    ab- 
|  weichende   Erscheinungen.     Ein  Beispiel   ist   das  Ferrocyankalium,  welches 
"keine  Eisenreaktion  zeigt,  obwohl  es  Eisen  enthält.     Es  wurde  nachgewiesen, 
&  dass  in  allen  solchen  Fällen  das  betreffende  Metall  nicht  als  Ion  vorhanden 
*i  ist,  sondern   einen  Bestandteil  eines   zusammengesetzten  Ions   (in  dem  er- 
:$  wähnten  Falle  des  Ferrocyanions,  Fe(CN)6)  bildet.     Gleichzeitig  wurde  betont, 
|  dass  theoretisch  gesprochen  immer  eine,    wenn  auch  noch  so  kleine  Menge 
^  des  complexen  Ions  dissociirt  sein  muss;  allerdings  kann  diese  Menge  oft  so 
v  gering  sein,  dass  sie  sich  jedem  analytischen  Nachweis  entzieht. 

■*:  Diese  Überlegungen  Hessen  sich  unmittelbar  für  das  Verständniss  der 

*.»  

•*••.  p 

„f  anomalen  Potentiale  verwerthen.  Aus  der  S.  1 1 38  gegebenen  Formel  £  =  Kln  — 

\ji    •  •      • . 

'%  i!j?h*  hervor,  dass  für  das  Potential  E  nur  der  osmotische  Druck  /  der  Me- 
£  taüllonen   in  Frage   kommt;    hat   der  Elektrolyt   daher   die  Beschaffenheit, 
:  dass  diese  verschwinden,  indem  das  Metall   in   eine   complexe  Verbindung 
>;.uberg<eht,  so  muss  der  Druck  /  sehr  klein   werden,2   und   damit   die   ent- 
■':[  sprechende  Spannung  zwischen  dem  Metall  und  dem  Elektrolyt  eine  wesent- 
•  :'•  lieh  andere,   und  zwar  in  solchem  Sinne,  wie  es  der  Versuch  ergeben  hat. 
:.  Durch  solche  Betrachtungen  und  ähnliche,  die  sich  auf  schwerlösliche  Salze 
•   beziehen,   Hessen   sich  sämmtliche  anomalen  Potentiale  erklären,  und  damit 
'  #äf  es  möglich,  alle  Fälle  der  umkehrbaren  Elektroden  der  Theorie  zu  unter- 
werfen.    Eine   Anzahl   Arbeiten,    die   in   Veranlassung   dieser   theoretischen 
Erwägungen   von    Ostwald's   Schülern    unternommen   worden   waren,8   be- 


1  Zeitschr.  f.  phys.  Chemie  3,  596.   1889. 

8  Gleich  Null  kann  der  Druck  p  nie  werden,  wie  es  die  Theorie  übereinstimmend  mit 
der  Erfahrung  ergiebt. 

1  Behrend,  Elektrometrische  Analyse,  Zeitschr.  f.  phys.  Chemie  11,  466.  1893.  — 
Brandenburg,  Abnorme  elektrische  Kräfte  des  Quecksilbers,  ebenda  11,  552.  1893.  —  Freu- 
denberg, Über  die  Bedeutung  der  elektromotorischen  Kraft  für  elektrolytische  Metall trennungen, 


1 142  Neunzehntes  Kapitel. 


stätigten  durchgängig  die  Folgerungen  dieser  Theorie  und  zeigten  ihre  vii 
faltige  Anwendbarkeit. 

Ein  zweiter  Fall  anomaler  elektromotorischer  Kräfte  tritt,  wie  schon  a 
gedeutet,  ein,  wenn  das  betreffende  Metall  mit  dem  Elektrolyten  ein  „unk 
liches"  Salz  bildet.  Aus  Betrachtungen,  die  schon  von  Helmholtz  (S.  ioi 
gegeben  worden  sind,  folgt,  dass  prinzipiell  gesprochen,  kein  Salz  unlösli 
ist,  wenn  auch  die  Löslichkeit  häufig  geringer  ist,  als  dass  sie  sich  mit  d 
gewöhnlichen  Hilfsmitteln  nachweisen  Hesse.  Somit  muss,  wenn  auch  c 
Elektrolyt  so  beschaffen  ist,  dass  er  mit  dem  Metall  der  Elektrode  ein  „1 
lösliches"  Salz  giebt,  doch  in  jenem  eine  bestimmte,  wenn  auch  sehr  klei 
Concentration  der  betreffenden  Metallionen  vorhanden  sein,  und  diese  reg 
dann  den  osmotischen  Druck  /  und  damit  das  Potential  E  der  Elektrode 

Aus  dieser  Überlegung  folgt  der  interessante  Schluss,  dass  die  Empfir 
lichkeit  einer  chemischen  Fällungsreaktion  und  die  elektromotorische  Kr 
der  entsprechenden  Kette  einen  parallelen  Gang  zeigen  müssen,  denn  bei 
wachsen  mit  abnehmender  Löslichkeit  des  Niederschlages.  So  reagiren  Bromi 
empfindlicher  auf  Silbersalze  als  Chloride,  und  Jodide  empfindlicher 
Bromide;  dem  entsprechend  nehmen  die  Potentiale  einer  Silberelektrode 
der  gleichen  Reihenfolge  zu,  wenn  sie  mit  Chloriden,  Bromiden  oder  Jodid 
in  Berührung  ist. 

Weiter  lässt  sich  die  Messung  solcher  Potentiale  zur  Bestimmung  < 
Löslichkeit  „unlöslicher"  Salze  verwenden,  da  sich  aus  der  gemesser 
Spannung  im  Vergleich  mit  der,  welche  ein  Elektrolyt  mit  bekanntem  ( 
halt  an  Metallionen  ergiebt,  der  osmotische  Druck  und  daher  die  Conc< 
tration  der  Metallionen  in  der  Lösung  des  „unlöslichen^  Salzes  berechn 
lässt.  Es  ist  von  Goodwin  (a.  a.  O.)  nachgewiesen  worden,  dass  solche  M 
sungen  mit  den  unmittelbaren  Bestimmungen,  wo  solche  möglich  sind,  gleic 
Ergebnisse  liefern;  sie  haben  aber  den  Vorzug,  dass  sie  bis  in  so  gerir 
Concentrationen  brauchbar  sind,  wo  alle  anderen  Methoden  versagen, 
dieser  Beziehung  stellen  solche  Bestimmungen  gegenwärtig  bei  weitem  < 
empfindlichste  Mittel  zum  Nachweis  und  zur  Messung  bestimmter  Stoffe  £ 
und  sie  übertreffen  das  bisher  empfindlichste  Verfahren,  die  Spektralanalj 
um  mindestens  ebenso  viel,  als  diese  ihrer  Zeit  sich  den  gewöhnlicl 
Methoden  des  analytischen  Nachweises  überlegen  gezeigt  hatte. 

13.  Oxydations-  und  Reductionsketten.  Gasketten.  Wähn 
auf  solche  Weise  sich  die  Theorie  derjenigen  Ketten  vollständig  hatte  aufstel 
lassen,  in  welchen  die  Elektroden  sich  chemisch  an  dem  Vorgange  betheilig 
blieb  eine  Anzahl  von  Ketten  übrig,  bei  welchen  der  ganze  chemische  V 
gang  im  Elektrolyten  verläuft,  und  den  Elektroden  nur  die  Rolle  der  Le: 
der  Elektricität    verbleibt.     Es    waren    dies    die    von  H.  Davy    zuerst    be< 


ebenda  12,  97.   1894.  —  Zengelis,   Über   die  elektromotorischen  Kräfte  unlöslicher  und  c 
plexer  Salze,  ebenda  12,  298.  1894.  —  Goodwin,  Studien  zur  VoLTA'schen  Kette,  ebenda 
577,   1894. 


Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation.  1143 


achteten,  dann  von  Arrott  (S.  1074)  näher  untersuchten  Ketten,  welche 
aus  einer  oxydirenden  und  einer  reducirenden  Flüssigkeit  nebst  zwei  unan- 
greifbaren Elektroden  bestehen.  Die  Frage,  ob  in  solchen  Ketten  die  Span- 
.nung  an  der  Berührungsstelle  der  beiden  Flüssigkeiten  oder  an  den  beiden 
Elektroden  befindlich  ist,  konnte  zunächst  durch  eine  von  W.  Bancroft1 
ausgeführte  Untersuchung  im  zweiten  Sinne  entschieden  werden.  Es  ergab 
sich,  dass  die  elektromotorische  Kraft  solcher  Ketten  eine  rein  additive  Grösse 
ist,  d.  h.  sich  aus  zwei  Summanden  zusammensetzte,  die  den  Elektroden 
einzeln  zukommen;  die  Art  der  Zusammensetzung  der  beiden  Elektroden 
mit  ihren  Flüssigkeiten  zu  Ketten  ist  ganz  ohne  Einfluss. 

Um  nun  zu  verstehen,  wie  durch  eine  derartige  Zusammenstellung  eine 
elektromotorische  Kraft  entstehen  kann,  muss  man  sich  der  Bedingungen 
erinnern,  welche  überhaupt  für  die  VoLTA'sche  Kette  erforderlich  sind.  Es 
hatte  sich  ergeben,  dass  in  einer  Kette  ein  chemischer  Vorgang  derart  statt- 
finden muss,  dass'  ein  Theil  desselben  an  der  einen,  der  andere  an  der 
anderen  Elektrode  sich  vollzieht;  gleichzeitig  müssen  diese  Vorgänge  mit 
dem  Übertritt  gleicher  Mengen  entgegengesetzter  Elektricitäten  aus  dem 
Elektrolyt  in  die  Elektroden  verbunden  sein.  Wie  sind  denn  diese  Be- 
dingungen in  unserem  Falle  erfüllt? 

Die  Antwort  ergiebt  sich,  wenn  man  überlegt,  dass  Oxydationsmittel 
immer  solche  Stoffe  sind,  welche  negative  Ionen  bilden  oder  posi- 
tive verschwinden  lassen;  umgekehrt  verhalten  sich  die  Reduc- 
tionsmittel.2  Die  Bestätigung  dieses  Satzes  ergiebt  sich  alsbald,  wenn 
man  irgend  welche  Fälle  untersucht.  Stellen  wir  beispielsweise  eine  Kette 
aus  Chlorwasser  und  Eisenchlorür  zusammen,  und  verbinden  beide  Flüssig- 
keiten durch  Platinelektroden,  so  zeigt  sich  ein  Strom,  indem  positive  Elek- 
tricität  durch  den  Draht  vom  Chlor  zum  Eisenchlorür  geht.  Denn  das  Chlor 
hat  die  Tendenz,  in  negativ  geladene  Chlorionen  überzugehen,  die  Elektrode 
muss  daher  die  entsprechende  Menge  positiver  Elektricität  abfuhren.  Um- 
gekehrt haben  die  positiv  zweiwerthigen  Ferroionen  die  Tendenz,  noch  eine 
dritte  Einheit  positiver  Elektricität  aufzunehmen,  um  in  dreiwerthige  Ferri- 
ionen  überzugehen.  Stelle  man  die  elektrische  Leitung  her,  so  können  beide 
Vorgänge  gleichzeitig  und  proportional  erfolgen,  indem  die  beim' Chlor  frei- 
werdende positive  Elektricität  zur  Ferroelektrode  übergeht,  und  die  Be- 
dingungen einer  constanten  Kette  sind  gegeben. 

Durch  diese  Betrachtungen  ist  auch  das  Räthsel  der  GROVE'schen  Gas- 
kette (S.  685)  gelöst.  Sauerstoff  und  Wasserstoff  sind  nichts  als  Oxydations- 
und Reductionsmittel,  und  zwar  ist  der  im  Elektrolyten  gelöste  Theil  der 
wirksame;  der  gasförmige  Antheil  dient  nur,  um  die  Concentration  des 
ersteren  constant  zu  halten.  Ostwald  hat  diese  Theorie8  bis  in  ihre  Einzel- 
heiten  entwickelt,    wobei  sich  mehrere  Folgerungen    ergaben,    die  mit  den 


1  Zeitschr.  f.  phys.  Chem.  10,  387.   1892.  *  Ostwald,  Lehrbuch  II,   1,  891.   1893. 

8  Ebenda  II,   1,  893.   1893. 


I  i  4.4  Neunzehntes  Kapitel. 


älteren  Messungen  im  Widerspruch  standen,  während  andere  überhaupt  nc 
nicht   experimentell   geprüft   waren.     In   einer   dadurch   veranlassten  Art 
von  F.  Smale1   über  diese  Frage  ergab  sich   indessen   eine    so  vollständ 
Bestätigung   der   aus    der  Theorie   gezogenen    Schlussfolgerungen,   dass 
deren  Gültigkeit  kein  Zweifel  mehr  übrig  blieb. 

Gleichzeitig  fand  sich  auf  diesem  Wege  ein  doppeltes  Ergebniss  bezi 
lieh  einer  sehr  alten  und  einer  sehr  neuen  Frage.  Die  alte  Frage  war 
nach  der  Stromquelle  bei  der  Säure -Alkali -Kette  von  Becquerel  (S.  4; 
Da  die  Verbindung  einer  Säure  mit  einer  Basis  kein  Oxydations-  und  Red 
tionsvorgang  ist,  kann  er  nicht  elektromotorisch  wirken,  und  wenn  dennc 
ein  Strom  erfolgt,  so  muss  dieser  eine  andere  Ursache  haben.  Als  sob 
erkannte  Ostwald  die  Gegenwart  des  Sauerstoffes  aus  der  Luft  an  ( 
beiden  Elektroden.  Sauerstoff  hat  die  Tendenz,  in  das  negative  Ion  Hydro 
überzugehen,  und  ist  daher  ein  Oxydationsmittel.  Nun  muss  aber  zugegel 
werden,  dass  die  Concentration  des  gelösten  Luftsauerstoffs  in  den  bei< 
Lösungen  einer  BECQUEREi/schen  Kette  ziemlich  gleich  sein  wird,  und  da! 
keine  Ursache  für  eine  elektromotorische  Kraft  vorhanden  ist  Dies 
zwar  richtig,  dafür  besteht  aber  ein  grosser  Unterschied  in  Bezug  auf  < 
osmotischen  Gegendruck  der  Hydroxylionen,  und  dieser  ist  die  gesuc 
Ursache.  In  der  Kalilösung  ist  der  Gegendruck  sehr  bedeutend,  da  1 
Kali  fast  vollständig  in  Kaliumionen  und  Hydroxylionen  dissoeiirt  ist. 
der  Säurelösung  würde  man  anzunehmen  geneigt  sein,  dass  die  Concentrat 
der.  Hydroxylionen  Null  ist,  da  dort  ein  Überschuss  von  Wasserstoffioi 
vorhanden  ist,  die  sich  mit  jenen  verbinden  können.  Indessen  ist  dies  ; 
den  mehrfach  betonten  Gründen  nicht  möglich,  da  sonst  die  elektromotoris< 
Kraft  unendlich  gross  sein  würde;  vielmehr  ist  eine  allerdings  sehr  gern 
Menge  Hydroxylionen  vorhanden,  deren  Betrag  gesetzmässig  mit  der  D 
sociation  des  Wassers  in  Wasserstoff  und  Hydroxyl  zusammenhängt  u 
diese  wichtige  Grösse  kennen  lehrt.  Dies  ist  die  neue  Frage,  und  fuhrt  nc 
die  entsprechende  Rechnung  aus,  so  findet  man,  dass  reines  Wasser  et 
ein  Zehnmilliontel  normal  in  Bezug  auf  seine  Ionen  ist,  d.  h.  dass  in  zc 
Millionen  Liter  Wasser  etwa  1  g  Wasserstoff-  und  17  g  Hydroxylionen  v 
handen  sind. 

Unmittelbar,  nachdem  Ostwald  diese  Zahl  zum  ersten  Male  berech 
hatte,  wurde  der  gleiche  Werth  auf  verschiedenen  anderen  Wegen  bestim 
und  es  gehört  zu  den  glänzendsten  Ergebnissen  der  an  solchen  Siegen  reiel 
Geschichte  der  neueren  Elektrochemie,  dass  alle  diese  von  einander  un 
hängigen  und  auf  gänzlich  verschiedene  Messungen  sich  beziehenden  Wi 
zu  dem  gleichen  Zahlenergebnisse  führten.2 

Schliesslich  mögen  noch  die  Fortschritte  erwähnt  werden,   welche 

1  Zeitschr.  f.  phys.  Chemie  14,  577.   1894. 

8  Ostwald,  Zeitschr.  f.  phys.  Chemie  11,  52.   1893.  -«-  WlJs»  ebenda  11,  492  und 

514.    1893.  —  Arrhenius,    ebenda  11,   826.    1893.  —  Bred^  '»  H,   829.    1893 

Nernst,  ebenda  14,  155.  1894.  —  Kohlrausch  und  Hf  od«  14,  317.  1 


Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation.  I  \ac 

Theorie  der  Elektrolyse  und  Polarisation  durch  die  neuen  Ansichten 
erfahren  hat.  Es  ist  schon  mehrfach  erwähnt  worden,  dass  der  unglück- 
liche Gedanke  eines  Polarisationsmaximums  unbillig  viel  Zeit  und  Kraft 
in  Anspruch  genommen  hat,  ohne  zu  einem  anderen  Ergebniss  zu  fuhren, 
als  dass  jeder  Forscher  je  nach  der  Art  seiner  Versuchsanordnung  andere 
Werthe  für  diese  vermeintliche  Constante  erhielt.  Die  sachgemässe  Frage 
ist  nicht  die  nach  einem  Maximum  der  Polarisation,  welches  es  nicht  giebt, 
wie  man  sich  durch  die  Anwendung  der  Betrachtungen  von  Helmholtz 
(S.  1072)  überzeugen  kann,  sondern  die  nach  dem  Minimum  der  Polari- 
sation, d.  h.  der  kleinsten  elektromotorischen  Kraft,  welche  einen  stetigen 
Strom  durch  eine  gegebene  Zusammenstellung  von  Elektrode  und  Elektrolyt 
treibt.  Diese  Kraft  wird  offenbar  gleich  sein  der  elektromotorischen  Kraft, 
die  von  vornherein  an  dieser  Grenzfläche  besteht,  und  wird  daher  nach  der 
S.  11 38  gegebenen  Formel  zu  berechnen  sein.  Es  ist  dabei  nicht  einmal 
die  Kenntniss  der  einzelnen  Spannungen  erforderlich,  sondern  man  kann 
sich  mit  den  experimentell  unmittelbar  zugänglichen  Summen  begnügen, 
indem  man  irgend  eine  beliebige  constante  Elektrode  willkürlich  zum  Null- 
punkt macht  Man  erhält  auf  diese  Weise  die  einzelnen  Spannungswerthe 
plus  oder  minus  einer  unbekannten,  aber  für  alle  gleichen  Constanten. 

Diese  Zurückfuhrung  des  Polarisationsproblems  auf  seine  einfachste 
Gestalt  ist  wesentlich  das  Ergebniss  der  Arbeiten  von  Le  Blanc,1  welcher 
zuerst  die  systematische  Erforschung  der  Polarisationsminima  sich  zur  Auf- 
gabe gemacht  hat  und  gleichzeitig  die  Erscheinungen  an  den  Elektroden 
einzeln  der  Messung  unterzog.  Bei  Gelegenheit  dieser  Arbeiten  hat  sich 
gleichzeitig  ein  anderer  Fortschritt  der  Erkenntniss  geltend  gemacht,  welcher 
in  der  Beseitigung  des  lange  benutzten  Begriffes  der  secundären  Reak- 
tionen liegt.  Man  findet  bis  auf  den  heutigen  Tag  fast  überall  z.  B.  die 
Elektrolyse  der  Alkalisalze  an  der  Kathode  so  geschildert,  dass  zuerst  durch 
den  Strom  das  Alkalimetall  abgeschieden  werde  und  dann  dieses  das  Wasser 
unter  Freiwerden  von  Wasserstoff  zersetze.  Die  Messung  der  Polarisation  an 
einer  solchen  Kathode  ergiebt  aber,  dass  die  dort  vorhandene  elektromoto- 
rische Kraft  viel  geringer  ist,  als  die  vom  Metall  unter  den  vorhandenen 
Umständen  entwickelte;  es  ist  also  gar  nicht  möglich,  dass  dies  sich  ab- 
scheidet. Vielmehr  muss  man  den  an  der  Kathode  entwickelten  Wasser- 
stoff, dem  auch  die  dort  vorhandene  Polarisation  entspricht,  als  das  primäre 
Produkt  der  Elektrolyse  ansehen.  Es  ist  nöthig,  zwischen  den  Ionen,  welche 
die  Leitung  der  Elektricität  besorgen,  und  denen,  welche  an  der  Elektrode 
unelektriseh  abgeschieden  werden,  sorgfältig  zu  unterscheiden.  Die  Elektri- 
citätsleitung  erfolgt  proportional  der  Concentration  und  der  Wanderungsge- 
schwindigkeit der  vorhandenen  Ionen;  zur  Abs  c  hei  düng  gelangen  dagegen 
diejenigen  Ionen,  deren  Umwandlung  in  den  unelektrischen  Zustand  den 
geringsten  Spannungsunterschied   erfordert.     Es   ist   ersichtlich,    dass  beide 


1  Zeitschr.  f.  phys.  Chemie  8,  299.  1891;    12,  333.   1893. 


I  j4Ö  Neunzehntes  Kapitel. 


keineswegs  die  gleichen  zu  sein  brauchen.  In  dem  erwähnten  Falle  wi 
die  Leitung  allerdings  durch  das  Alkalimetall  besorgt;  an  der  Kathode  si 
aber  neben  den  Ionen  des  letzteren  noch  Wasserstoffionen  vom  dissociirl 
Lösungswasser  vorhanden,  und  da  die  Umwandlung  der  letzteren  in  d 
unelektrischen  Zustand  den  geringsten  Spannungsaufwand  erfordert,  so  werd 
sie  abgeschieden.  Der  entsprechende  Betrag  an  Hydroxylionen  bleibt 
Wasser,  und  von  diesen  rührt  die  alkalische  Reaktion  her,  die  sich  an  < 
Kathode  ausbildet. 

14.  Die  Lösung  des  VoLTA'schen  Problems.  Indem  wir  uns  ni 
mehr  zu  dem  Abschlüsse  unserer  gesammten  Erörterungen  wenden,  schiel 
wis  uns  an,  die  allgemeine  Antwort  auf  die  Hauptfrage  der  Elektrocher 
zu  geben:  Welches  sind  die  Spannungen  an  den  verschiedenen  Berührun 
flächen  der  Bestandtheile  einer  Volt  Ansehen  Kette? 

Zunächst  ist  zu  erinnern,  dass  bei  der  Berührung  der  Metalle  nur  s< 
kleine  Spannungswerthe  auftreten  (S.  970);  das  Gleiche  gilt  in  den  meis 
Fällen  für  die  Berührung  der  Flüssigkeiten  unter  sich.  Der  Sitz  der  elekt 
motorischen  Kraft  fällt  mit  dem  Sitze  der  chemischen  Vorgänge  in  der  Kc 
zusammen  und  ist  in  den  Berührungsflächen  zwischen  Metallen  und  El 
trolyten  zu  suchen.  Wie  diese  Werthe  einzeln  zu  bestimmen  sind,  ist  glei< 
falls  schon  (S.  1034)  gezeigt  worden;  doch  fällt  von  dem  gegenwärtig 
reichten  Standpunkte  so  viel  weiteres  Licht  auf  die  ganze  Frage,  dass  sie  h 
noch  einmal  aufzunehmen  ist. 

Wenn  die  Aufgabe  so  gestellt  wird:  gegeben  ist  ein  Metall  und 
Elektrolyt;  wie  gross  ist  der  Potential  unterschied  zwischen  beiden?  so  m 
die  Beantwortung  abgelehnt  werden:  denn  die  Aufgabe  ist  unbestimmt  1 
Elektrolyt,  welcher  von  dem  Metall  noch  nichts  enthält,  mit  dem  er  in  ] 
rührung  steht,  kann  nicht  in  diesem  Zustande  bleiben;  er  muss  alsbald  ett 
davon  in  Gestalt  von  Ionen  aufnehmen.  Die  Spannung,  welche  sich  r 
herstellt,  ist  nach  der  Formel  von  Nernst  (S.  i  138)  von  der  Concentrat 
abhängig,  in  welcher  das  fragliche  Ion  vorhanden  ist;  so  lange  diese  G 
centration  zufällig  bleibt,  ist  die  Angabe  eines  bestimmten  Spannungsuni 
schiedes  unmöglich.  Diese  Betrachtung  giebt  eine  Erklärung  dafür,  wesh 
die  verschiedenen  Beobachter  so  verschiedene  Werthe  für  derartige  \ 
sammenstellungen  gefunden  haben.  Sie  zeigt  auch,  dass  die  auf  S.  i( 
erwähnten  Messungen  von  W.  Ostwald  dem  gleichen  Einwände  unterlieg 
und  es  entsteht  die  Frage,  ob  derartige  Bestimmungen  nicht  unter  solcl 
Bedingungen  ausgeführt  werden  können,  welche  eine  vollständige  Bestimi 
heit  des  Problems  gestatten. 

Die  Antwort  ist,  dass  dies  möglich  ist,  und  dass  schon  unter  jenen  V 
t  suchen  einige  sind,  bei  denen  die  wesentliche  Bedingung  einer  bestimmt 

Concentration  des  in  Betracht  kommenden  Ions,  hier  des  Quecksilberic 
erfüllt  war.     In  dem  Falle  nämlich,   dass  die  untersuchte  Säure  ein  „unl 
liches"  Salz  mit  dem  Quecksilber  bildet,  sind  die  Spuren  des   Metalls, 
vermöge  der  oxydirenden  Wirkung  des  Luftsauerstoffes  in  Lösung  geh 


\ 


Die  Theorie  der  elektrolytischen  Dissociation.  i  147 


vollkommen  ausreichend,  um  eine  Sättigung  der  Lösung  zu  bewerkstelligen; 
eine  weitere  Oxydation  bringt  einen  Niederschlag  des  Salzes  hervor,  ohne 
die  Concentration  zu  ändern,  und  so  sind  die  erforderlichen  constanten  Ver- 
hältnisse hergestellt.  Der  Fall,  in  welchem  diese  Bedingungen  am  günstigsten 
zusammentreffen,  ist  der  des  Quecksilbers  in  Berührung  mit  einem  Chloride, 
wobei  sich  Spuren  von  „unlöslichem"  Quecksilberchlorür  bilden;  für  diesen 
ergiebt  sich  nach  den  übereinstimmenden  Messungen  von  Ostwald,1  Paschen2 
(der  die  Methode  der  Tropfelektroden  nicht  unerheblich  vervollkommnet  hat) 
und  Rothmund3  (der  ein  anderes  Verfahren,  das  des  Maximums  der  Ober- 
flächenspannung, anwendete),  dass  zwischen  Quecksilber  und  einer  normalen 
Chlorkaliumlösung  der  Potentialunterschied  0,560  Volt  in  solchem  Sinne 
beträgt,  dass  das  Metall  positiv,  der  Elektrolyt  negativ  ist.  Auf  diese  „Normal- 
elektrode" lassen  sich  nun  alle  anderen  Spannungen  beziehen,  indem  man 
sie  mit  den  zu  untersuchenden  Metallen  und  Flüssigkeiten  zu  einer  Kette 
zusammenstellt  und  von  dem  gesammten  Werthe  der  Spannung  den  Betrag 
von  0,560  Volt  sachgemäss  in  Abrechnung  bringt;  auch  ist  gegebenen  Falles 
auf  die  geringe  Spannung  zwischen  den  beiden  Elektrolyten  Rücksicht  zu 
nehmen  (vergl.  S.  1140). 

Auf  solche  Weise  sind  die  wichtigsten  Spannungsunterschiede  zwischen 
Metallen  und  den  normalen  Lösungen  ihrer  Salze  gemessen  worden.  Dabei 
hat  es  sich  herausgestellt,  dass  die  alte  „Spann  ungsreihe"  im  wesentlichen 
richtig  bestimmt  ist,  wenigstens  was  die  Reihenfolge  der  Metalle  anlangte. 
Die  absoluten  Werthe4  gestalten  sich  derart,  das  Magnesium,  Zink,  Alu- 
minium, Cadmium  und  Eisen  negativ  gegen  den  Elektrolyten  sind,  und  zwar 
um  1,22,  0,61,  0,22,  0,19  und  0,09  Volt;  Blei,  Kupfer,  Quecksilber  und 
Silber  sind  dagegen  positiv  um  0,10,  0,56,  0,99  und  1,05  Volt.  Der  Wasser- 
stoff nimmt  eine  Mittelstellung  ein,  wie  das  schon  von  Berzelius  vermuthet 
worden  ist;  er  steht  zwischen  Blei  und  Kupfer  nahe  am  ersteren. 

15.  Rückblick  und  Schluss.  Lassen  wir  die  einzelnen  Punkte  des 
letzten  Kapitels  nochmals  an  unserem  Geiste  vorüberziehen,  so  muss  es 
einen  auffälligen  Eindruck  machen,  wie  fast  die  ganze  Ernte  der  Arbeit  von 
Generationen  durch  die  wenigen  Männer  unter  Dach  gebracht  worden  ist, 
von  denen  in  diesem  Kapitel  die  Rede  war.  Von  einem  Punkte  aus,  aus 
den  Räumen  des  Leipziger  physikalisch-chemischen  Instituts  sind  nach  Ver- 
öffentlichung von  Arrhenius'  grundlegender  Abhandlung  fast  alle  die  Ar- 
beiten ausgegangen,  durch  welche  die  alten  Räthsel  ihre  Lösung  gefunden 
haben  und  Gebiet  auf  Gebiet  dem  Reiche  der  wissenschaftlichen  Elektro- 
chemie hinzugefügt  wurde.  In  der  Geschichte  der  Wissenschaften  sind  nur 
wenige  Beispiele  für  eine  derart  zusammengedrängte  Gestalt  des  Fortschrittes 
vorhanden;  am  besten  sind  vielleicht  diese  Ereignisse  mit  der  Durchführung 
der  antiphlogistischen  Theorie  der  Chemie  durch  Lavoisier  und  seine  Arbeits- 

1  A.  a.  O.  *  Wied.  Ann.  41,  42.   1890. 

8  Zeitschr.  f.  phys.  Chemie  15,   1.   1895. 

4  Ostwald,  Lehrb.  II,   1,  946.  —  Neumann,  Zeitschr.  f.  phys.  Chem.  14,  229.  1894. 


I  1 48  Neunzehntes  Kapitel.     Die  Theorie  der.  elektrolytischen  Dissociation. 


genossen  zu  vergleichen.  Auch  hier  waren  es  wenige  Männer,  die  in  j 
meinsamer  Arbeit  die  Gedanken  entwickelten,  die  zuerst  mit  Hohn  und  7a 
abgelehnt  und  bekämpft,  doch  schliesslich  ihren  Weg  durch  die  Welt  machl 
und  der  Wissenschaft  ein  neues  Gesicht  gaben. 

Die  Ähnlichkeit"  zwischen  den  beiden  Ereignissen  geht  aber  wohl  nc 
weiter;  wir  werden  nicht  irren,  wenn  wir  gerade   in   dem  Umstände,  d« 
ebenso  wie  damals,  die  von  Arrhenius  verkündete   neue  Lehre   zuerst  i 
nur  Gegner  und  nur  ganz  wenige  Anhänger  gefunden  hat,  die  Ursache  i 
für  suchen,  dass  die  reichen  Früchte,   welche  sie  liefern  konnte,    nur  el 
diesen  Wenigen  zufielen.     Bis  in  die  letzten  Jahre,  wo  sie  endlich  als 
rechtigt  von  der  wissenschaftlichen  Welt  anerkannt  zu  werden  begann, 
von  dem  übrigen  Kreise  der  Chemiker  und  Physiker  sich  fast  niemand 
Hilfsmittel  bedienen  wollen,    welche  die- Theorie  der  freien  Ionen  gewähi 
kann  es  dann  Wunder  nehmen,  dass  die  Schätze,  welche  sie  erschloss,  jei 
nicht  in  die  Augen  fielen,  die  sie  entweder  von  vornherein  als  unsinnig 
lehnten,  oder  sich  mit  ihr  nur  beschäftigten,  um  sie  zu  „widerlegen"? 

Heute  ist  das  schon  anders  geworden.  Eine  ganze  Anzahl  litterarisc 
Erscheinungen  der  allerletzten  Zeit,  welche  sich  mehr  oder  weniger  unmit 
bar  auf  die  oben  skizzirte  Darstellung  der  neuen  Lehren  stützen,  giebt  < 
Beleg  dafür,  dass  der  Sieg  dieser  Ideen  auch  der  grossen  Allgemeini 
gegenüber  endgültig  errungen  ist.  Wenn  nach  einigen  Jahren  die  weitere  l 
wickelungsgeschichte  der  Elektrochemie  zu  schreiben  sein  wird,  so  wird  c 
Leser  bereits  ein  wesentlich  anderes  Bild  entgegentreten.  An  Stelle  der  weni| 
eng  unter  einander  verbundenen  Forscher  wird  eine  grosse  Zahl  solcher 
den  verschiedensten  Mittelpunkten  der  Wissenschaft  sein,  denen  die  weite 
Fortschritte  des  Gebietes  zu  danken  sein  werden,  und  in  der  Breite,  wel 
durch  eine  gleichzeitige  rapide  technische  Entwicklung  die  Angelegen 
dann  angenommen  haben  wird,  werden  leicht  die  engen  Anfänge  verges 
werden,  von  denen  sie  ausgegangen  ist.  Denn  die  Bedeutung,  wel 
gerade  die  Elektrochemie  für  die  nächste  Gestaltung  der  Culturwelt  annehi 
wird,  lässt  sich  kaum  überschätzen.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  darzulq 
wie  von  dieser  Seite  für  eine  nahe  Zukunft  eine  Umwälzung  zu  erwai 
ist,  welche  an  Bedeutung  der  durch  die  Dampfmaschine  verursachten  n 
nachstehen  wird.1  Wenn  aber  diese  Entwickelung  sich  vollzogen  ha 
wird,  so  wird  es  dem  Culturforscher  jener  Zeit  wiederum  merkwürdig  i 
lehrreich  sein,  alle  die  Keime  kennen  zu  lernen,  aus  denen  der  gewal 
Baum  erwachsen  ist,  und  er  wird  mit  Nachsicht  auf  den  in  dem  vorlieg 
den  Werke  gewagten  ersten  Versuch  blicken,  den  Lehrinhalt  der  Elek 
chemie  aus  ihrer  Entwickelungsgeschichte  begreiflich  zu  machen. 


1  Zeitschr.  f.  phys.  Chemie  15,  415.   1894. 


Autoren-Register. 


Ackermann,  J.  F.  42. 

Aldini,  G.  50.   1152. 

Alibert,  C.  41. 

Allizeau  299. 

Amoretti    231.   233.  235.  242. 

Ampere  367.  411.  467. 

Andrews,  Th.  705.  790.   1039. 

Arago  300.  367. 

Aretin,  von,  244. 

Arnim,  L.  A.von,  163.  168.  231. 

Arrhenius,    Svante   504.   1091. 

1092  fr.   1100.   1 109  ff.   n  16. 

1121.   11 30  ff.   1144.   1147. 
Arrott,  R.   1074^   1 143. 
Ash   113. 
Assalini  364. 
Aymar,  J.   254. 

Baader,  Franz  68.  231.  234. 

Babington  495. 

Banks,  J.   16.  87.   117.  302. 

Barlow  407. 

Baronio  45. 

Basse,  F.  H.  220.  275fr. 

Beccaria    10. 

Beck   308. 

Becquerel,    A.    C,    351.    377. 

398.  407.  411.  437  fr.  463  fr. 

472.  581.  597  f.  601.   608  f. 

635.  636fr.  656 f.  659.  660. 

604.  725-  738. 
Becquerel,    E.   608.  775.  809. 

8i8ff.   1064.   1084fr. 
Beddoes  191. 

Beetz,  Wilhelm  903.   1059  f. 
Behrend  1141. 
Behrens,    G     B.     290  f.     359. 

361.  950- 
Bennet,  A.  75  ff.  83  ff. 
Bergmann,  T.   184. 
Bernoulli,  Chr.   1 7  7  ff. 
Berthelot  791. 
Berthollet  308.  316.  329.  891. 

926. 
Berzelius      197.     292.     317  ff. 

335  ff-  347.  515.  535-589ff. 
622.  863.  872.  925. 

Bichat  1032. 

Biot  305  ff.  430. 

Bischof,  G.  400.  431  f. 

Blagden   16. 


Le  Blanc   1 145. 

Bleekrode  924.  929. 

Blondlot  1032. 

Böckmann   168. 

Bohnenberger*  291. 

du    Bois-Reymond,    E.    264. 

650  fr.  903.   1082.   1083. 
Bonaparte  304. 
Boscowich  926. 
Bosscha,   J.    786fr.   803.   985. 

1059. 
Botto  809. 

Bouchardat,  A.  462  f.  725. 
Bourgoin  1053  f. 
Boys  904. 
Branchi,  J.   223. 
.Brandenburg  1141. 
Braun,  F.  986  fr.   1013  f. 
Bredig  1144. 
Brennecke  308. 
Brown,  J.  960  ff. 
Brugnatelli,  L.  180.  181.  215  f. 

227. 
Bucholz,  C.  F.  187  f.  190.  220. 

245.  246.   1002. 
Buff,  H.  820.  821  f.  853  fr. 
Bunsen,    Robert    612  f.    872. 

1045  ff. 

Campetti    231  ff.    237  ff.    243. 

246  f.   1152. 
Canton  73. 

Carlisle   130  fr.   146.  220. 
Casselmann   1054. 
Castberg  227. 
Cavallo  49.  73  ff.  90  ff. 
Cavendish   13  fr.   16.  294. 
Caesalpin  227. 
Charles  59. 
Chenevix,  R.   172. 
Children  495. 
Cicero  244. 
Cingari  41. 
Clark,  Latimer  1057. 
Clausius   504.    861.   862.    877. 

888  f.  892  fr.  967.  969.  1095. 

1107. 
Claytield   191. 
Conde,  Prinz  von,   254. 
Cooper  612. 
Cotugni  42. 


Coulomb  59.  93  ff. 
Crawford  767. 
Creve,  Carl  Caspar  42.  49. 
Crova,  A.  1061  ff. 
Cruikshank,  W.  148.  149  ff.  443. 
Cumming,  J.  376  f. 
Cuthbertson  22. 
Czapski,  S.   10 14.   1015. 

Dance  494. 

Daniell  536.  601  ff.  608 f.  613fr. 

657.  675  f.  832.  933.    1048. 

»050. 
Davy,  H.  146.  148.  154.  155fr. 

190  fr.  230.  323fr.  335.  347. 

348  fr.  351fr.  362.398.430. 

447.    494.    5 '5-    536.    557- 
622.    660.    725.    727.    814. 

815  ff.  882.  925.   1142. 

Debray   11 15. 

Deimann  20.  21  ff. 

Dellmann  936. 

Desfontaines  308. 

Desormes  220  f. 

Despretz,  C.  S.   790. 

Deville,  Sainte-Claire  996. 1 1 1 5. 

Döbereiner  547  ff. 

Dollfuss  16. 

Donovan  430. 

Draper  10 17. 

Dulk  599  f. 

Dulong  790. 

Ebeling  217. 

Edlund    971  ff.     979ff.    985  f. 

I033- 
Egen   101. 

Einhof,  Heinr.  219. 

Erdmann  219. 

Erman,  P.   146.  168.  180.  255. 

264  ff.    280.    290.  342.  362. 

373-   1017. 
Ermendingcr  264. 
Ernst  von  Sachsen-Gotha   360. 
Exner,  F.  990. 

Fabbroni  102 ff.  222.  226.  725. 

Faraday  146.  354.  420.  469. 
471.  484.  489.  49i.  493 ff- 
549  ^  596.  613.  633.  634. 
635-  657-  665.    701  ff.   704. 


Parrot,  G.  F.   101.  221.  429^ 

.  462.  725- 
Paschen   1 147. 
Pearson  24. 
Peel,  W.   229.  230. 
Pellegrini,  Therese  301. 
Pclletan  59. 
Pelouze  929. 
Peltier  965  ff. 
Pennet  233. 
Pfaff  (Erlangen)  417. 
Pfaff,  C.  H.,  (Kiel)  42.  52.  54. 
61.  66.  67.   115.  183.  185fr. 
.248.    293.   430.   432.   451  f. 

453-    455-    4/0.    47<>.    479. 

487  ff.    558.   600.  671.  682. 

7i6ff.  725.  756fr.  1017. 
Pfeffer,  Wilhelm    1106.   1107. 
Pictet  367. 
Pignotti  222. 
Planck,  M.   11 14  f.  11 16.  1123. 

11 39- 
Plant6,  Gaston   io8if. 

Poggendorff   371.    373fr.   379. 

387.    402.    459.    470.    595. 

612.  633.  634.  648  fr.  652  fr. 

672.   674.   675.   677  fr.  681. 

688 f.  7i8ff.  750.  774.  777. 

809  fr.  940.   1081. 
Pohl,  G.  F.  417  fr.  470.  471fr. 

1152. 
Poisson   1  o  1 . 
Porret  616. 

Pouillet  632  f.  725.  818. 
Priestley,  J.    uff.  75.  81.  113. 

184. 

Quincke  916. 
Quintus-Icilius  859. 

Raoult  795  fr.  985.  998.  1006. 

1059.    11 10.    IUI. 
Rathke   1007. 
Rayleigh,  Lord   1013. 
Recke,  v.  d.  307. 
Redi  227. 
Reicher  1 1 1 6. 
Reil  42.  43. 
Reinhold   169. 
Renault,  Bernard   1087  f. 
Rialpi  31. 
Richmann  72  ff. 
Riffault  226.  229. 
Rigollot   1086. 
Rio,  da,  226. 
Ritter,  J.  W.    25.  55.  62.  66. 

67fr.   n  1  ff.   153.  155.  158fr. 

163.   167fr.   168.  169.  170fr. 

175  fr.     181.     182  fr.    188  ff. 

217.  228 f.  231fr.  246 f.  254. 


Autoren-Register. 

265.    273  f.    299.   302.    350. 

353-  359  f.  3<>6-  426  f.  444. 
452.  586.  1002.  1017.  1073. 
1081. 
Rive,  de  la,  367.  442  fr.  453 ff. 
483.  484.  543.  585.  635. 
66off.  674.  677.  713.  723. 
725.    726.    738.    741.    823. 

!    878  f.  933. 

Robertson  216.  287  f. 
•■  Roget  749.  751.  756. 
|  Rothmund   1147. 

Le  Roux,  F.  P.  969  f.   1033. 
|  Rüdorff  iiio.   IUI. 

Rumford  790. 

Runge  1017. 

Sabathier  59. 

Salva  280. 

Saussure  300. 

Saweljew  680  f. 

Schelling    68.    231.    234.  243. 

480. 
Schmidt,  G.  G.  431. 
Schmuck,  E.  J.  42. 
Schönbein  491.  596.  612.  664  fr. 

668  ff.  682  ff.  689.  700.  703. 

704.   705.   706.   714  fr.  725. 

727.   741-  753  ff.  821. 
Schultz-Seilack,  Carl  1083. 
Schweigger    301fr.    347.    371. 

372  f.    374-   378.    379-  696. 

1017. 
Seebeck  379  ff. 
Serullas  1017. 

Siemens,  Werner  903.   1056. 
Siemens  &  Halske  1056. 
Silbermann  788.  791. 
Simon,  PL.   101.   163.   164fr. 

220.  226.  288  f.  546. 
Singer  430. 
Smale,  F.  1144. 
Sömmering  280  ff. 
Soret  830  fr. 
Sprenger  217  f.  219. 
Stahl  926. 
Sturgeon  585. 
Sue  41.   173.   216. 
Sulzer,  J.  G.  41. 
Svanberg,  A.  F.   1055.   1059. 
Sylvester,  Ch.  229. 

Tenzel  254. 
Thenard  305.  348. 
Thomsen,  J.   780.  791.   1081. 
Thomson,  J.  J.   19. 
Thomson,  William  777 ff.  803. 

927.   934-   955 ff.  967.  969. 
979.  985.   1057. 

Threllfall   19. 


Tilloch  230. 
Torricelli  227. 
Traube  1106. 
Treviranus  214  f. 
Trommsdorf  245. 
Troost,  L.  807. 
Troostwijk,  P.  van,  2021  ff. 

Uttini  41. 

Valli,  Eusebio  43.  44.  61. 

Valson   II 13. 

Varley  1068. 

Vasalli  43.  51. 

Vauquelin  59.  308. 

Venturi  59. 

Volta,    A.    9.    25.  45  ff.  80  ff. 

92fr.   u6ff.   170.   i8of.  216. 

219  f.     227  f.     255.     256  fr. 

293fr.  299. 30of.  304. 427.430. 
Voltaire  300. 
Vries,  de,   11 07. 

Walker,  Ezechiel  430. 
Wartmann,  E.  457. 
Watson,  W.   1672. 
Weber,  Wilhelm  42.  633.  654. 

655  f.   1057. 
Webster  430. 
Weiss  236. 
Weisse,  Chr.  F.  307. 
Wcstrumb  220. 
Wetzlar  697  ff. 
Wheatstone    540.   635.   638  ff. 

675  f.  902.    1056. 
Wiedemann,    G.     845  ff.    853. 

859.    861.    862.    913.    916. 

1044.   1055.   11 15. 
Wienhold  243. 
Wijs  u  44. 
Wild   1083. 
Wilkinson,  C.   229. 
Williamson   316.    884  ff.    900. 

901.  927.   1095. 
Winklcr  274. 
Winterl  245  f. 
Wolke,  C.  H.  217. 
Wollaston     148.     153  fr.     172. 

430-  495-  725. 
Worm-Müllcr,  Jacob   1082  f. 

Wtillner  954.   1005. 

Yelin,  von  351. 
Young,  Th.  926. 

Zambeccari  31. 
Zamboni  359.  363  f.  725 
Zengelis   11 4  2. 
Zöllner  917. 


Berichtigungen  und  Zusät; 


t      „  31      „         „     i  H      „Ungehörigen"  statt  „AjigeliGrigei 

i     „     5     „        „       „     „vorhandenen"  statt  „fraglichen". 

)  Anmerkung  „      „75-  B.  372.    1785"  Blatt  „65,  B. 

[     Z.    8  von  oben    „     „1790"  statt  „1793". 

)     „17     11    unten  hat  „und  Geschmacks-"  auszufallen. 

i     „  14     „    oben'  lies-' „Kette"  statt  „Platte". 

(      „    18   "„    unten    „      „Anziehung    umgekehrt    proportio 

portionai". 
;     „   14     „    oben    „     „Silber"  statt  „Kupfer". 
i     „11     „    unten    „     „GBUNEE"  statt  „Gecbek". 
(     „     3     „        „       „     ,, Grüner"  statt  „Ghuiier". 
5.  „   13     „    oben    „     „mittelst"  statt  „mittelt" 
l      „      6      „    unten    „      „(S.    180)"  statt  „(5.    18D". 
5     „     8     „    oben   hat  „bald"  auszufallen. 

1  ist  die  Anmerkung  zwischen  Anführungszeichen  zu  seü 

j     Z.  20  von  unten  lies  „Versuchen"  statt  „Vessuchen". 

7  „      I      „         „      Die    Bemerkung    findet    sich    in    „An 

{Campetti  ist  wegen  Heimweh  1810 

>  »<S/>6„        „     lies  „mit  denen  wir  uns  jetzt  beschäfti 

wir  uns  jetzt  wenden  wollen." 

i     „  zo     ii        i<       .,     „regelmässigen"  statt  ,  Regelmässig 

J     „     4     „    oben  füge  hinzu:    „Um    dieselbe   Zeit    mac' 

Versuch  in  kleinerem  Maassstabe  (Phi 

}     ■■   II     »       ,,     ist  hinter  „war"  einzuschalten:   „sie  h. 

die  elektrische  Kraft  an  Säulen,  an  Co: 

der  Zahl  der  Platten  proportional  ist" 

8  „  17     „       ,,     ist  nach  „können"  einzuschalten:     „\ 

44,  37.  .»;»." 
;     „     9     „       „      ist  nach  „beschrieb"  hinzuzufügen:  Ein 

sich  im  Philo*.  Mag.  60,  253.  1822. 
!  Die  Nummern  der  Abschnitte  6.  6.  7.  8  verschieben  s 
:  Die  Unterschrift  unter  Fig.  105  hat  zu  lauten:  Nach  C 
|  Die  Unterschrift  unter  Fig.  106/107  hat  zu  lauten:  Na 
l  Z.  9  von  oben  lies  „dass"  statt  „das". 
i    „      7      „        „       ist  nach  „gezeigt"  hinzuzufügen:  POHI 

von  der  ÜHM'schen  Theorie  begriffen. 

>  „    10     „       „       lies  „Verhaltniss"  statt  „Verhältnisse". 
*   „    r6     „    unten     .,    „Chemiker"  statt  „Physiker". 

;  „  jpinz  unten  fehlt  *  vor  „Pbilos.  Tradsacüons". 

)  „  15  von  oben  hat  das  Wort  „umgekehrt"  auszufallen 

I  .,  6  „    unten   lies  „Abfall"  statt  „Anfall". 

l  „  14  „    oben    hat  das  Komma  hinter  „Poggenoohf 

:  „  21  „    unten   hat  „und"  vor  „häufig"  auszufallen. 

!  „  1 2  „       „       lies  Wheatstone  statt  Wollaston. 

i  „  9  ..       »         -     ..»■  *■  Wi 


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