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Imperativ,
Gebot uüd Verbot, imperativus , jrraeceptum,
inyttatif, prectpte. Objectives (d. i nicht
foderbefondem Befchaffenheit deflen, für welchen
esgültigift, gegründetes) Gefetz der Freiheit.
Ein Gefetz der Freiheit, -und folglich der Impe-
ra öV, unterfcheidet fich darin von einem Natur-
gesetze, dafs diefes lagt, was gefchieht, dahingegen
das Gefetz der Freiheit vorfchreibt , was vielleicht
we gefchieht (C. 8£o). In G. 37. unterfcheidet Karifc
aoch t wifchen G e b o t und I m p e r a t i y fo, cUfs er
zwar unter beiden Ausdrücken objective Gefetze der
Freiheit, aber unter Gebot die Vorftellung
c *ne$ folchen o.bjectiven Princips, fofern
€s für den Willen (der auch anderer Begehrun-
fen fähig ift) noth igen dift, felbft, unter
Imperativ aber blofs die Formel eines fol-
gen Gebots verlieht (M.II, 49.).
s. Ein jedes Ding wirkt nach Ge fetzen, eiiv
vernünftiges Wefen aber kann fich die Gefetz*
T orf teilen, nach welchen es wirkt. Solche. Ge*
fetze, die man fich vorftellt , wenn man darnach
^kt, heifsen Principien* T3as Vermögen aber f
^ch Principien zu wirken, heifs t ein W i 1 1 e. Folg«
Miift Vernunft, in fo fern fie Handlungen nach
^orfielhmg der Gefetze diefer Handlungen öder nach
p rincipien (Grundfätzen) möglich macht (pt aktifch iÄ)
•M Wille^inerlei. Die praktifcht Vernunft ift
• ■ • < •
45«>
Imperativ:
• nehmlich jederzeit ein WÖIe, Aber 'der Wille ift nicht
jederzeit praktifche Vernunft, indem der Wille ei-
gentlich für fich keinen Befiimmungsgrund'hat; fon-
dern' fein Beftirnrnungsgrürid liegt entweder im
Ge fetze der Vernunft, und dann ift er mit praktischer
Vernunft einerlei, die nichts anders iß, als das Ver-
mögen, nach dem Gefetze der Vernunft zu wollen,
oder in Principien(xMaxim^n, Handlungsregeln), die
blofb die Befriedigung linnlicher Antriebe zum Zweck
haben (in 'welchem Falle der Wille mit pragmati-
fcher Vernunft, d. i. der, die blofs Nutzen zum
Zweck hat, oder gar mit eiher blofs finnlichen An-
reizen dienenden Vernunft einerlei iß) £K..V.j. ift
Aef Wille an fich völlig der Vernunft, gemäfs, d. h-
wirjft das Vermögen nach Principien zu handeln fo,
dals jfui; da fiel be gar keine Beftimmüngsgründe da
find,' nqch andern, als nach Vernuhftprincipien f ^u
landein, fo ift er ein Vermögen, nur dasjenige zu
wählen f was, die Vernunft für gut erkennt (zu
. wollen /was das Gefetz fa£t)j ift der Wille an fich
iucht yQllig d^r' Vernunft gemäls, ' d, h. wirkt das
vermögen nach Principien#tf handeln auch wohl fo,
dafs für daflelbe Beftimmüngsgründe da find, die
nicht irü der VernurjÄ liegen, z. B. nach Principien,
: der Sinnlichkeit, fo ift der Wille der Vernunft nicht
n o t h w e n d i g folgfam, .fondern die Vernunft mufs,
wenn er folgfam feyn foll, den Willen gegen jene!
ihr fremden und .entgegengehenden .Benimm ungs^
gründe ' beftimmen. " Eine folche . Beftimmung dei
Wittens heifst N ö tk i *g u n g. Das öeTetz aber, wel
ches deswillen, durqh Nöthigung beftimnit, heifst
ein Gebot', iind . die F o r m e 1 , durch welche ein
folcbes Gebot ausgedrückt wird, e^n Imperativ
(G. 36.M.II, 48. K.XJX.).
• •
, -.£. Alle Imperativen enthalten . eip S o 1 1 e n , zj
B.dufollft mäfsig;. feyn , du foUft arbeitfam feynj
du, follft nicht fehlen. Sie zeigen aber dadurch
an, d^fs das Gefetz der .Vernunft, welches, alleirj
tooth wendig Und jedwi Wüi#a belümmen folfte, uuc
_ \
» « »
Imperativ. 451
darum b ) c c t i V helfet, zu dem Willen dis Sab jects
in dem Verhältni/Te lieht» dafs diefer , als. der Wille
eines befondern Suhjects (Individuums),* feiner ei-
gentümlichen fiefchaffenheit nach nicht npthwen«
dig durch das Gefetz beAimmt wfrd; welches Ver-
hältnis, dafs das Gefetz gegen, die andern Befiim-
mungsgründe des Willens gebietet, man eben <jü*
Nöthigung des Willens durch die ^efnunft x
nennt, Die Imperativen drücken aus, dafs etwas
zu thun oder zu unterlagen gut feyn würde ,. und
dafs fie das einem Willen Vagen» der nicht immer
darum etwas will, weil die Vernunft ihm yorftellt,
dafs es zu thun oder zu unterlagen gut fei. Dies
kann aus zweierlei Urfachen der Fall feyn. ', Entwe-
der weifs das handelnde Subject nicht 9 dafs die
Handlung gut üt. Da nun aber der Imperativ in
feiner eignen Vernunft, liegt, fo kann es blofs nicht
wiflen, dafs der gegebene Fall unter diefen Impera-
tiv gehört. Dann befolgt das Subject aus Unwissen-
heit den Imperativ nicht* Wer da weifs Gutes zu
thun, und t!\uts nichf, der fundigt; aber nicht,
wer es nicht weifs* Oder das Subject weife es,
aber feine Maximen oder Handlungsregeln (fubjecti-
ven Grundlatze) find den objectiven Gruqdfatzen
(Principien der praktifchen Vernunft, d. i. den Ge»
fetzen , nach welche** jedes vernünftig^ Wefen han-
deln follte) zuwider» So weifs ein Kind, dafs es Un-
recht thut, wenn es etwas thut, was feine Eltern
verboten haben; aber es hat neben der Maxime, fei«
nen Eltern zu gehorchen, auch die, zu thun, was
ihm angenehm iit; und es handelt nun, wenn es un-
gehorfam iß , nach der Maxime , die letztere Maxi«
me (der Sinnlichkeit) der erßern Maxime (der prak-
tifchen Vernunft) vorzuziehen (G. 40. M. II, 54- P*
56. f.). Gut heifst hier aber nicht , dafs es ange-
nehm fei, fo zu handeln; auch nicht, dafs es präg-
matifch gut oder nützlich (wozu gut) fei;
fondern dafs es praktisch gut oder fittlich
gut (an fich gut), fei, d. h. blofs vermitteln der
Vurftellung der Vernunft, blofs darum, weil es die
Ff a
/
\ '
45* löiperathr.
■«. •
Vernunft äut ch ihr Gefett vor fchrcibt , Zweck des
Willens feyn fblle (G.37.^. MII, 50.)» f. Ange-
nehm. und Gutes.
• ' 4. Ein vollkommen guter Wille, wiez. B.
der göttliche gedacht werden mufs, kann nicht fo
Vprgeftellt werden, als werde er auch zu gefetzmäf-
figen Handlungen durch das Gefetz genöthigt,
weil ,er fo beschaffen ift , dafs er von felbft nichts
«ndfers will, als was das Gefetz fagt. Daher gelten
für einen göttlichen und überhaupt für einen
^heiligen, d. i. der gar keine andern Befthnmungs-
gründehat, als das Gefetz, weder Gebote noch
Verbote, und alfo keine Imperativen. .Das
Sollen ift hier Am unrechten Ort, weil das Wol-
len fchön von felbß mit dem Gefetze einfiimmig ift.
Daher find Imperativen nur Formeln, das
Verhältnifs objectiver Gefetze des Wol*
Jens überhaupt 2u der fubjectiven Ünvollkom-
jöienheit des Willens diefes oder jenes vernünftigen
Wefens (z.B. des menfchlichen Willens) auszu-
drucken (G.39 M. II, 51.), ' •• >
5. Eine Vorfchrift oder Maxime kann entweder
Wop*u dienen, oder fie kann an fich gut feyn, das
ift, durch die Vertaunft zum Zweck des Willens ge-
macht werden, ohrie dafs fie felbft weiter einen
Zweck hat.. Die letztere ift nur ein Imperativ in
eigentlicher Bedteutung. Allein die erftere ift
doch obfectiv für jedes Suhject, welches den Zweck
hat, wozu fie dienen foll, und in diefyr Rückficht
Aennt Kant auch folche Vorschriften Imperativen,
ob fia es wohl nur in uneigentlicher Bedeutung des
Worts find. 'Denn fie enthalten eigentlich kein
Sollen, fondern geben nur Rath, wie man
am heften feinen Zweck erreichen könne , oder wie
map am beßeri etwas "bewirken könne. Sie enthal-
ten alfo ein e Nöthigung unter Voraussetzung einer
gewiffen Bedingung, nehm! ich dafs man einen ge-
wiffen Zweck habe, f. Bedingter Imperativ.
\
Imperativ;
455
6. Weil nun jedes prakfcifche (den Willen be-
ftimmende) Gefetz eine mögliche Handlung als (wo*
zu, oder an fach) gut und darum für ein Sub-
ject, welches durch Vernunft (nicht durch f blo.f*
it linn liehe Anreize) zum Wolle$ beftimmt wer-
den kann, als (bedingt, oder unbedingt) noth-
wendig vorftelit; fo find alle Imperativen Fbrr
mein der Beftimmung der Handlung, die>
nach dem, Princip ?ines in irgend ei-
ner Art (nehmlich wozu oder a^i fich) gu-
ten Willens nothwendig ift (G. 39. f.).
7. Noch giebt Kant folgende zwei Erklärungen
des Imperativs 2 - m . '
a. erift eine praktifche Regel, 'az£ die,
als Bedingung, der Wille , jeAes Teri
nünftigen Wefens nothwendig gebunden
i 1t (<J. 87)- Eine ;praktifcke!Regel ift aber die
Vorftellung einer Bedingung, mach welcher ein*
Handlung gefchehen Jtamw An diefe .*Bedin*
gang iß der /Wille " noth wendig gefeun?»
den, heifst, fie fagt aus, dafa etwas gefallenen folL
Folglich iß diefe Erklärung mit der in i M er fey ein
objeetives Gefetz der Freiheit (eine allgemeine prak-
tifche Regel) , welches fagt, was gefchehen folt (an
das der Wille jedes vernunftigen Wefens noth wen»
dig gebunden ift), einerlei.
b. er ift eine praktifche Regel, wo*
durch die an fich (fubjeetiv) zufällige Hand»
lung nothwendig gemacht wird (K. XX.)«
Er unterfcheidet fich nehmlich dadurch von einem
praktifchen Gefefcze, dafs diefes zwaraueji du
Notwendigkeit der Handlung vorftellfc , aber ohne
l nterfchied für jedes Subject , es mag nun daflelbe
auch die Handlung an fich felbft / (fubjeetiv) noth-
wendig finden , wie z. B. ein heiliges Wefen
{ Gott) , oder zufallig , wie ein finnliches Wefen (der
Mealch). Der Imperativ aber ftellt die Handlung
454 Imperativ.
blofs für ein finnliches Wefen, für. welches die Hand*
lung an fich zufällig ift, d. i wegen eines andern
Beltinunungsgrundes auch wohl nicht gefchehen
"lianlv, als noth wendig vor (f. 5. tu 4;).
«
' # * . » •
8* Nach dem , was in 5. gefegt worden ift , giebt
. es mehrere Arten rvön Imperativen , ' welche ick hier
in alphabetifcher Opdnung erklären will. Von einem
jeden« folchen Imperativ ift die fßrage, wie ift er
\ möglich ? Diefe Frage fordert nicht die Erklär ung,
•wie sman fcch die Vollziehung der Handlung denken
könne, welche der Imperativ vorfchreibt , fondern,
•wie es möglich fey, dafs ein folcher Imperativ unfern
^Willen beftimmen oder praktifch feyn könne (G. 44.).
• - <^ All gemeiner Imperativ der Pflicht,
f. Imperativ, kategorischer»
10. Apodiktifcher Imperativ (imperativ
vusapodictreus), derjenige Imperativ^ wel-
cher fagt, dafs dje Handlung zu irgend
einher o b j e c t i t nothw endigen , jib-
ficht' gut fei (S* 40.)» Nun kann es aber keine
©bjeetiv nothwendige Abficht , d. i. folche r die Jeder-
mann haben follte* geben, als die, .das Gefetz (den
Imperativ felbß) zu erfüllen; folglich ift ein apo-
diktifcher Imperativ derjenige , welcher gebietet , fo
• zu handeln^ wie Jedermann handeln, follte, oder
; das Gefetz (den Jmperativ felbß) zu erfüllen. Diefer
Imperativ ift sflfö, 'dem Inhalt nach, mit depa k ate-l
gorrifchen Imperativ einerlei; denn diefer gebieJ
tet ohjöe alle Abiicht r der apodiküfehe Imperativ
Aber* macht fich felbß zur objeetiv noth wendigen Ab-
ficht y welches identifch oder einerlei ift (G. 40.).
iL. Affe rtorif eher Imperativ, derjenige
Imperativ, welcher fägt, dafs die, Handln n
zu irgend einer wirklichen Ab fich
gu,t f*y (G. 40.), f. G^chickl'ifchkeit, 6. &
* 1 »
<>
imperativ. ;jtfl
18. Bedingter, hypothetifcher Impe-
rativ, Imperativ der Gefchicklich k eit;
Regel der Gefchicklichkeit, Voffchrift
der Gefchicklichkeit {impcrativu* hypothcticu±) y
derjenige Imperativ, welcher nicht den Wille A
fchlechthin als* Willen, fondern nur* in
Anfehüng einer begehrten Wirkung be-
fiimmt (P. 37.). AJ1« Imperativen gebieten rtehm»
lieh entweder hypöthetifch (bedingt) pdet ka-
tegorifch (unbedingt). Ein Imperativ gebietet
hypöthetifch/ wenn er die Handhing blofs unter
der Voraussetzung als noth^rendig vorftellt, wenn
man das will , wozu die Handlung als Mittel dient,
z. B* willft du nicht deine Gefundheit Ich wachen, fo
lebe mäfsig , ift ein hypothetifcher Imperativ , weil
hier eine Beding ung> auf griechifch H y p o t h e-
fis, iß, unter welcher die Hdndlüngsregel (die Ma-
xime oder der Imperativ) zu befolgen allein möglich
ift (G. 39. M. II, 52*)- Folglich ift der Imperativ be«
dingr oder hypöthetifch,' wenn er die Hand-
lung als. irgend wbzi\ gut, und nieht als blef*,aft
Xich felbft gut» gebietet. Die Handlung ilt dann
das Mittel zu dem, wozu fie gut ift, oder Zu ihrem
Zweck. Ein mäfsiges Leben ilt allerdings ein Mittef,
(eine Gefundheit zu erhalten; dazu ift alfo die Un-
terlaffung einer foldien Befriedigung der Naturtrie-
be, welche nach und nach die Organe zerftört und
die Gefundheit mitergrabt , gut. Eben darum ift
ntm der Imperativ; fey mäfsig, damit .du deine Ge-
fundheit nicht zerftöreft ,- fondern erhalteft, ein hy-
pöthetifch er Imperativ (G.39. M. II, 53.). Ein
folcher Imperativ beftimmt alfo das vernünftige We-
fen ziun Handeln , blofs als wirkende Urfache , blofs
in Anfehung der Wirkung uhd Zulänglichkeit zu
derfelben. Saget Jemanden, dafs er "in der JugeAd
arbeiten und fparen muffe, um im AltiSr nicht zu
darben; fo ift das eine"nchtige und zugleich wichti-
ge praktifche Vorfchrift des Willens
(Imperativ). Man lieht abör leicht; dafs der Willi
hier auf etwas ' anderes ver wiefenr weide , und dafe
w
I
Imperativ,
man vorausfetzt , dafs er es begehre* Diefes Bege]
ren aber mufa man ihm, dem Thater felbfi, überia
feB, und es fiehet dahin, ob er nicht^noch andej
Hülfsqueilen , aufser feinem felbfierworbenen Ve
mögend Vorher f ehe , pder oh er etwa nicht hoffe a
$u werden 9 oder etwa im Fall der. Noth lieh den]
fchlecht zubehelfen (P. 37.)-
pie Abficht aber, wozu die Handlung, welcl
der Imperativ vorfchreibt , gut.ift , kann blofs m ö
lieh, fie kann aber auch wirklich feyn. Die A
.ficht iß blofs möglich» . wenn ich fie haben kam
oder auch nicht; Es iß möglich , , dafs Jemand e
wa$ ausrechnen will; die Regel, nach welcher er dh
(es machen mufs, iß alfo ein Imperativ , der bloj
eii} e Handlung zu einer möglichen Abficht vo
fchreibt. Gefetzt aber, es gebe gewifle Ablichte}
die alle Menfchen , vermöge ihrer menfehlichen Nj
tur, wirklich haben, fo fordert der Imperativ, de
uns vorfchreibt, was zu thuQ fei, um diefe Abfiel
KU erreichen , . Handlungen , prelcfye zu einer wir]
liehen Abficht gut find. Bin hypothetifcHer Imp<
rativ, welcher Handlungen vorfchreibt, die zu e
ner möglichen Abficht gut find, iß ein probl<
m a t i f c h - praktif ches Princip, d. i. es kommt auf un
an , ob wir ihm gehorchein wollen f wir haben e
»ehifalicK nur blofe dann nöthig, wenn wir de
Zweck wollen, wosu die Handlung, die der Imp<
rativ vorfchreibt, gut iß;. Wer nichts ausrechne:
will, der braucht auch die Regeln nicht zu befolge^
welche vorschreiben, wie man es auszurechnen fu
be. Ein hypothetifcher I©iperativ, welcher Hancj
luiigen vorfchreibt, die zu einer wirklichen Ah
ficht, gut find , ift e}n. affertorifch - praktifche
Princip , d. i. yrir gehorchen einem folchen Princij
wirklich, weil wir wirklich die Abficht haben
wozu es uns die Handlung als Mittel vorfchreibt
denn wer. ernfilich die Abficht hat , der will aucl
das Mrtl#l und wandet es wirklich an (Q. 40. M. W\
Imperativ.
407
Die Möglichkeit des bedingten Imperativs» *
oder Imperativ? der Gefchicklichkeit, bedarf
keiner Erörterung; es ift nicht nöthig, erft noch 2.11
zeigen /wie eine Vorfchrift, ^reiche mir fagt, was
ich zu' thun habe, um ein/5 gewiffe Aufgabe zu lö-
ten, den Willen befiknmen könne, fo zu handeln,
als die Vorfchrift es angiebt, oder die Vorfchrift zjl
befolgen. Denn wer den Zjweck will, der will auch
die Mittel, diefen Zweck txl erreichen. Er nuifste
fonft entweder keine Vernunft haben , oder das Mit»
tel müfste pur Erreichung des Zwecks nicht unent-
behrlich nothwendig feyn , . pdir er müCste es nicht
in feiner Gewalt haben* .Bin folcher Imperativ ift
folglich ein analytifcher Satz. Ein analytifcher
Satz ift ein folcher, deflen Prädicat fchon im Subject
liegt Er iß aber nur analytifch in Anfehung des
Wollen s. Wenn ich wirklich etwas will, das nur
als Wirkung meiner Handlung möglich ift , welches
der Zweck meiner Handlung heifat, fo will ich
damit auch die Handlung , durch welche der Zweck
allein möglich iß. Was ein hypotbetifcher Impera-
tiv enthalten werde , das kann ich ohne feine Bedin- ,
gung nicht wiffen , denn weifs ich den Zweck nicht,
fo kann ich auch die Mittel zum Zweck nicht wif-
fen. Denn die Bedingung des hypothetischen Impe-
rativs ift der Zweck delKÜ, N was ar gebietet, oder,
den zu erreichen der hypothetifche Imperativ das
Mittel vorfchreibt. Wenn ' ich - nun nicht den
Zweck weifs, den Jemand hat, fo kann ich auch
nicht das Mittel fagen , wodurch er feinen Zweck
erreichen werde,, alfo den hypothetifchen Impe-
rativ nicht angeben, welcher eben diefes Mitted
vorfchreibt (G. 51. M. II , 66.)»
1 »
Wenn die hypothetifchen Imperativen den
Willen bffiimmen, oder machen follen, dafs nian
fie befolget, fo muffen fie in fo fern empirifch,
und können f^ann keine prak.tifchen Gefetzre,
feyn. Das. heifst , alle folche Handlungsregeln ha-.
Win fo fern ihren Grund .in der Erfahrung, als
I %
458 . ; Imperativ.
ich ohne Erfahrung nicht wiffen kann, ob ich
dn Gegcnltand (die Hypotheus}, 'weichen wirk-
lich zu machen (ier Imperativ fehrt, auch wol-
len werde. Was fich aber auf Erfahrung grün-
det , kann nicht für den Willen jedes vernünf-
tigen Wefens gelten, oder 'kein praktisches
Geietz feyn (M. II, 183* F. 3ü-)
Kant be weifet diefe 'Behauptung fehr einleuch-
tend alfo. Wenn ein Gegenftand, z. ß. im Alter
nicht zu darben, mich veranlagen foll, mir eine
folche Regel für meine Handlungen zu machen,
z. ß. ich will in. der Jugend arbeiten und fparen,
dafs wenn ich «nach diefer Regel handle, ich den
Gegenltaiid dadurch erlange, fo mufs ich doeh ei-
ne Uegierde nach diefem Gegenftande haben. Denn
iit e$ mir indifferent oder gleichgültig, ob ich,
im Alter darbe oder nicht, oder wäre mir der
Gegenltand etwa gar zuwider, wirkte die Vorftel-
lung deffelben Unluft in mir, fo dafs ich" ihn
verabfcheuc. fo werde ich mir auch keine folche
Handlungsregel machen. Soll aber eine Begierde
nach dfem Gegenftande in mir entliehen, fo mufs ich
mir diefen Gegenftand irorftellen , und diefe Vorftel-
lung mufs auf mein Begjhrungsvermögen wirken,
fo daCs ich dadurch beftimmt werde, den Gegen-
ftand wirklich zu machen, oder ihn zu erlangen.
Diefer Einflufs der Vorftellung eines Gegen ftai>des
auf mein Begehrttngsvermögen ^ heifst die /L u ß
an dämfelben. , Die Vorftellung, ibi Alter zu dar^
ben, mufs fo befchaffen feyn, dafs Ünluft in mitl
•entftehet, wenn ich daran denke, und Luft, wenn
iGh das Gegfjntheil mir vorftelle. Dadurch mufs
die Begierde entliehen, das letztere zu bewirken
.Nun % kann ich aber nicht eher von einer Luft
oder^ Unlufl, welche das Dafeyn . eines Gegend
.ftandes mi^ verur facht, etwas wiffen, als wenii
ich felbit diefe Luft <oder Unluft einmal gel
fühlt, oder wahrgenommen habe, dafs II e An|
dere empfanden. Das Keilst aber, ich mufs Jii
y
i Imperativ.' 459
*
ans Erfahrung kennen« Folglich kann ich keine
Luit oder Utiluft a priori kennen, und von x kei-
nem Gegenftande a priori f r d- i. ohne Erfahrung
wiffen , ob er Luft oder Unluft machen^ werde.
Soll alfo eine folche Handlungsregel meinen Wil-
len beftimmen, die auf die Erlangung eines Ge-
genfiandes gerichtet ift , fo mufs ich Luft an dem
£egenftande durch die Erfahrung haben, folglich
die Beftintinung« meines Willens durch die Hand-
iimgsregel, d. i. diefe Regel, als folche, empi-
ri fch feyn. Ein folcher Gegenftand heifst die M a-
terie des • Begehrungsvermögens, und eine folche
Regel ein materiales Princip. Folglich find afle
matenalen Principien empirifch und alfo keine
allgemeinen uud nothwendigen Regeln , d» i. prak-
tifchen Gefe€ze (M. II, 184. 185- ?• 38** £•)•
Das Uebrige findet man im Artikel G e f c h i c k»
lichkeit, 8- **• Expofiti*ön, 23.37.
13. Categörifch er Imperativ, f. Impe*
rati'v, kategorifcher«
14» Imperativ defr Gefchicklichkeit,
f. Imperativ, bedingter, u. Gefchicklich-
keit, 3, ff.
15. Imperativ der Pflicht, f. Impera-
tiv, kategorifcher.
16. Imperativ der KlugHeit, f. Ge-
schicklichkeit, 6. 9. u. Gebot, 3.
17. Imperativ der Sittlichkeit, f. Im-
pejrativ* kategorifcher«
-■ . %
18- Hy pothetifcher Imperativ, f. Im*
perativ; bedingter.
19, Katego tifcher Imperativ,' allge
460 InipaatiV»
meiner Imperativ der Pflicht, Imperativ
der Sittlichkeit, morelifcher Imperativ,
Gebot der Sittlichkeit, praktifchcr Impe-
rativ, Princip aller Pflichten, unbeding-
ter Imperativ (imperaävus caUgoricus), ein Im«
peraäv, weicher fo gebietet, dals er die Handlung,
weiche er gebietet, ohne alle andere Vpransfezung,
ohne alle Erziehung derfelben auf einen andernZweck,
als noth wendig vorftellt; und zwar als objeetiv
noth wendig , nicht weil : ein Grund dazu in dem
einzelnen Qubject läge, fondern als eine folche
Handlung, die für jedes vernünftige Wefen noth*
wendig iit (G. 39. M. II, 5a.). Wird die Hand»
lung, die der Imperativ gebietet, als an fich
felbft, nicht als wozu anders gut vergelteilt,
fo iit der Imperativ kategorifih oder ohne alle
Bedingung (unbedingt), und das Princip eines
an fich guten Willens (G. 40, M. II, 55.). Der ka-
tegorische Imperativ erklärt alfo die Handlung, die
er gebietet, ohne irgend eine Beziehung derfelben
auf eine aufser ihr liegende, durch fie zu errei-
chende, Abficht, die er' etwa der Handlung als Be-
dingung derfelben zum Grunde legte, für gut, und
gebietet fie alfo unmittelbar. Da nun hier die
Abficht wegfallt, fo iit es noth wendig, dem Im-
perativ ' zu gehorchen , wenn es einen folchen
giebt, oder er gebietet als ein apodiktifch-
praktifches Pnncip (G. 40. M. II, 55.)* Er be-
trifft nicht die Materie (den Inhalt oder Zweck))
der Handlung und das, was aus ihr folgt, fon-
dern die form (die Gefinnung, aus welcher .fie ge-
fchieht) und das Princip (den Befiimmungsgrund
des Willens), woraus fie felbft folgt; und das Wc-
f entlich - Gute der Handlung aus diefem Princip
befteht in der Gefinnung, der Erfolg mag feyn,
welcher er wolle (G. 43. M. II, 580*
Wie aber der kategorische Imperativ uns zum
Wollen* odei; zur Befolgung de (Ten, was er ge-
bietet , befämmen könne , da er gar keinen aufser
Ifbperfttiv. 46 1.
ihnt liegenden Zweck hat, oder nicht wom gebie-
tet, das fcu teigen hat grofse. Schwierigkeiten , und
bedarf einer Erörterung. Dafs es einen iol-
chen Imperativ der Sittlichkeit gebe, kann
nicht einmal durch ein Beifpiel ausgemacht
werden, denn er kann der Handlung nach von
dem Imperativ der Klugheit nicht, unter fchieden
werden. Z. B. wenn es heifst: du follft nichts
bezüglich, oder mit der Abficht, es nicht zu hal-
ten, verfprechen; fo kann dies ein blofser Bath
(Imperativ der Klugheit) zur Vermeidung irgend
eines Uebels feyn. Es foll etwa fo viel heifsen,
als, haß du den Zweck, dich nicht um den
Credit bei deinen Verfprechungen fc\i bringen , fo
mufst du nicht lügenhaft verfprechen. Soll es
aber ein Imperativ der Sittlichkeit (Pflichtge-
bot , moralifch - praktifches Gefetz (R. XXI.)) feyn,
der kategorifch oder ohne alle Bedingung gebietet,
fo wird kein Zweck dabei gedacht , fondern es
keifst blofs : du follft nicht betruglich verfpre-
chen; es mag uns übrigens in einseinen Fällen
nützlich oder fchädlich, angenehm oder unange-
nehm feyn. Es ift nun die Frage: wie ift ein
kategorifcher ImperaAv möglich? oder,
wie kann ein Gebot unfern Willen beftimmen, von
dem ich nicht fagen kann, wer den Zweck will,
der will auch die Mittel, weil ein kategori-
fcher Imperativ fich ebpn dadurch von einem hy-
pothetifchen Imperativ" unterfcheidet , dafs er
ohne einen vorauszufetzenden Zweck gebietet.
Man könnte freilich fehr leicht zeigen, dafs ein
folcher Imperativ möglich fei, wenn man ein Bei-
spiel von einet folchen Will cnsbeftimmung geben
könnte; denn dann wäre ein folcher Imperativ
wirklich, was abetf "wirklich ift, das mufs auch
möglich feyn, ob man gleich darum noch nicht
einlieht, wie er möglich ift, oder worauf feine
Möglichkeit beruhet. Nun kann mah aber durch
kein Beifpiel mit Gewifsheit darthun, dafs fchon
Jemandes Wille dureh , pmem folehen . Imperativ,
t
4<J« v Imperativ;
ohne alle andere Triebfedern f alfo blofa 'durch«
. Gefetz „beftimmt worden fei. Es ift immer mög-
lich, dafs insgeheim Furcht vor Befchamung, viel«
leicht auch dunkele Beforgnifs anderer Gefahren,
Ein flu fs auf den Willen haben möge. * Wer kann
das # Nichtfeyn einer UrCache durch Erfahrung be
weifen, Da diefe jiichts weiter lehrt, als dafs wii
die Ur fache nicht wahrnehmen, woraus aber nichl
folgt , dafs darum ,auch keine vorhanden fei. Aui
folfhen^Fall würde, aber der fogeoannte morali
fche Imperativ, der als. ein fol eher kategorifcl
(.unbedingt) .erfcheint , in der That nur ein<
pragmatrifche (Klugheits-) Vorfchrift feyn
Das heifst, diefer Imperativ würde uns auf un
fern /Vortheil aufmerkfam machen , und blofs leh
ren, die fen unfern Nutzen in Acht zu uehmei
(G. 48- f. M. II, 62.).
m
Da alfo nicht durch die Erfahrung ausgemach
werden kann, ob es einen folchen kategor ifchei
Imperativ gebe*; fo mufs , die Möglichkeit deffcl
'ben gänzlich a priori unterfucht werden. Das ift
wir muffen durch blofse Vernunft unterfu
chen , wie ein unbedingt . gebietendes Gebot dei
i, Willen beltimmen könne;, weil uns die Erfahruni
l>ier * nicht zu Hülfe kommt, .fondern uns gänq
lieh verjäfst. \. So viel i/t fadeflen vorläufig elnzi
fehen, dafs der kategor.ifche Imperativ
a. allein als ein praktifches Gefet
lautet. d,i. dafs er allein als eine folche Reg«
lautet, die Allgemeinheit und Neth wendigkeit h;
be. Soll es alfo .wirklich ein Sitten- oder M«
ral - Gefetz geben , und ift die Sittlichkeit nielj
ein blofse» Hirngefpinft , fo mufs es auch eine
kategor ifchen Imperativ geben, oder, ein Gl
bqt, das ohne alle Bedingung gebietet. Die übr
gen Imperativen,- der der Gefchicklichkei
oder der prQblematifche und der der Klu|
heit oder der äffe rtpiif che können Prin^cipie
des Willens heifsen, c*ser Gs-Arün». £j? t*-/l
fich vor/teilen moJs, rtn ic«.ti ^-i.f r^i - t:iv-
gen darnach einrichten w*-L A :«w *-t t - • -o>
nicht Ge fetze heüsen. De~u G* ■*-?< *«•.:. J- i—
cipien, die Jedermanns Wi er» z*-r ..l*zzi~\ ". *-
len, oder al'geineine vud icrr^tr-. ^e J-- • .>*
pien. Dies ifi aber bei cjtz w^^.-ta.
nicht der FalL Denn bei c* +*+ ^
welche beliebig ifi, oit* ve.:e
kann und auch nicht. Fo.g. *c& J: e* i_»_ t t i >-
wendig, nach dieien I^tj-eriürc^ r^. x*.t-* .'-
Wir können auch von eir.«n .c. : *m Iir;*~v. -r
oder einer folchen Torfe hrift jrctTZ/t-t ^:i*-ft.i4ii.:i^-v y
wenn wir nur die Abgeht a-f^fci-rc . ri: iät *s-
gebietet. Ein kategorischer Izr ztm — r i,i.*~
unbedingtes Gebot aber ge bietet« c;*-t :*~> *s*
Ablicht vorhergehet, and ftoü e* a«'^ i-::: ja
das Belieben des Wiilcnt, cli Ot^Z'i x- *****
folgen oder nicht. Folgiki* c.eö: *» n:»t:-T
gar keine Moralgefetze, oder o^e Fi-raufl uez'*^
ben ifl .ein kategor ifcher fc&peraÜT; wti ^*c-
fer drückt allein diejenige Nc«£-T*ei::\^i-<-i tut,
die zu einem Gefetze erfordert wir* O- 4> f. XL
U, C3.). Es ifi ferner vo^iuf^ t^**z-m-*tz. 9 z^_a
der kategorifche Imperativ
b. ein fynthetifch-prak ti'cier Sitz •
priori ifi. D. h. dafs wir da* vro-.«> # » ^ ex
gebietet, das kann nicht in ir^er-d «*.*-*. ±r. :+-:&.
liegen f wovon vörau*gefetzt wird , ö't %j c«
wollen. Sondern ich verknüpfe # «?rr. e *- '^1-
eher kategorifcher Satz meinen Wi'/m t.*T" jjl* *-i
foll,' das Wollen deflen f was er ;;*->•«*, oc*y
die gebotene That, mit meinem V.l., er., **£
zwar gänzlich a priori, d. L uTi^w^r^.z *« *^~
ler Erfahrung von Nutzen oder bcL^ä*r*, .4v
nehmlichkeit oder Unannehmlichkeit, alt torv
Wendig. Der kategorifche Imperativ icl; si.:%
ohne alle vor ihm hergehende A-£c:*t t ie. ,~ s~*
gen mein Vergnügen und m«i***n Nutzen f so ei*
* •
t
464 Imperativ*
fier Handlung beßimmen, und ich foll es foj
für nothwendig erkennen, ihn za befolgen, oh
dafs ich das Wollen, wie bei dem hypothetifch
Imperativ, von einepi Zweck ableite. So v
fehe ich ein , ich mufs dann übet alle Bewegi
lachen, die von meinem Vergnügen oder fcjutz
hergenommen find, völlig Herr feyn, und m
nen «Willen dagegen , beftimmen können. Ab
wie ein folches Gefetz für ein vernünftiges Wef
möglich feyn könne, das Ut die Frage; das heif;
es kömmt hier darauf 'an, zu zeigen: wie ei
fynthetifch-praktifcher Satz möglich fe
Diefe Unter füchung hat aber viel Schwierigke
(G. 50. M.II, 64A
Jetzt foll nun zu er. ß unterfucli
Verden: ob nicht cL^r blofse Begriff de
kategorifchen Imperativs aäch die Fo
mel deffelben angebe, d.i. ob Wir nicht ai
dem* was ein kategörifcher Imperativ, wie w\
Bishfr unterfucht haben, ift, auch den Satz fix
den können, der allein ein folcher kategorifcht
Imperativ feyn kann. Sodann wollen 4 ' wir z w e
teris die Mo gliche it eines folchen k<
tegorifchen Imperativs unterfucher
(•"im wenn wir gleich wiflen, wie ein Tolche
ai) 10] utes Gebot lautet, fo läfst fich daraus doc
noch nicht ejnfehen, warum es unfern^ Wille
beltimnien folle, oder warum» wir darnach har
dein oder es' befolgen follen (G. 51. M. II, 65.),
*
A. Was ein kategörifcher Imperati
enthalten werde, das kann ich wiflen,/ ohn
eine Bedingung, ohne einen Zweck zu wiffen
Denn c> er heifst ja eben darum kategorifche
(unbedingter) Imperativ," weil ejr ohriß alle Bedin
gung gebietet. Da er nun auf keine Bedingung
eingeschränkt ilt , fo enthält er nichts , als
4 das, was ihn »um GefeUfc mftcht, liehm
Imperativ.
465
lieh die Allgemeinheit, oder dafs er für Je-
dermann gelte;
ß. dafs die Maxime, nach (liefern Ge fetze zu
handeln, noth wendig fey (G. 51. f. M. II, 65.).
Der kategorische Imperativ ifi alfo nur ein
einziger, es kann mehrere Sittengefetze geben,
aber das, was iie zu Sittengefetzen für finnliche
Wefen, oder zu Gebpten macht, ifi das katego-
rifch Gebietende, und diefes kann nur in einem
einzigen Satze ganz rein enthalten feyn* Diefer
Satz heifst:
Handle nur nach derjenigen Maxime,
durch die* du zugleich wollen kannlt,
dafs fie ein allgemeines Gefetz werde.
*
Diefer Satz enthält nehmlich;
1. dafs ich bei jeder Handlung nicht etwa die
Wahl unter mehrern Maximen habe, fondern nur
nach Einer Maxime handele; dies iß die Not-
wendigkeit der Maxime, das eine Kennzeichen
des Gefetzes. Diefe Notwendigkeit ergiebt lieh
aber
2. aus der Allgemeinheit der Maxime. Es
mufs nehmlich eine folche Maxime feyn, in der
mein Wille mit eingefchloflen feyn kann, dafs fie
allgemeines Gefetz werde, d. i. die Allgemein*
heit mufs die Maxime beftimmen und die ürfach
feyn, dafs ich fie za meiner Maxime mache {G.
52. M. II f 67.). ' '
Es foll nun gezeigt werden: was diefes
Princip aller Pflichten oder diefer Grund-
fatz , nach welchem man alle Pflichten beftimmen,
oder entfeheiden fcann, ob etwas Pflicht oder nicht,
oder gar der Pflicht zuwider fei,, logen wolle.
MMaiphii. WörUrb. frBi. G g
\ 406 Imperativ.
\- - *
Wir laffen es übrigens noch unentfehiedeö , <
nicht überhaupt das, was man Pflicht neni
ein leerer Begriff, ein blofses Hirngefpinft f<
oder ob der Menfch wirklich Pflichten, zu erfül 1 c
und aus Pflicht zu handeln habe. Denn dies i,
-wie gefagtj , das Zweite, v as wir unterfuche
^wollen- (G. 52. M. II, ©aO*
NaJ:uri, im allgemeinßen Verftande des Wort
\ ift die Allgemeinheit des Gefetzes, nach welch«
Wirkungen gefchehen. Wenn ich z.B. Tage, di
Natur der Harze iß, dafs fie lieh im Waffer nid
auflöfen, aber im Feuer verbrenneti , s f o , heif^
das; die abgegebene Wirkung des Waffers un
. Feuers auf die Harze ift ganz allgemein , . ohi,
alle Ausnahme; oder auch, das Dafeyn der Hai
ze, d. i. die Artf wie fie vorhanden find, ij
nach diefen beiden allgemeinen Gefetzen befiimml
Alfo könnte , weil von dem allgemeinen Inipera
tiy der Pflicht keine Ausnahme gemacht werclei
fott , derfelbc auch fo h'eifsen ♦ handlefo, al
ob die Maxime deiner Handlung durcl
deinen Willen zu mallgerii einen Na
iurgefetze werden follte, fo, dafs alles nacl
diefer Maxime gefchehten xnüfste, und gar nich
anders gefchehen könnte. Dies ift der Hanoi
oder ein Grundfatz der Beurtheilung , nacK wel
,'chem wir entscheiden können, ob eine Handlung s
reeel.- nicht aber eine einzelne Handlung
^welche nach einer folchen Handlungsregel gethar
wird, gut fei oder nicht (G. 5a. M. II, 69.).
Um den Gebrauch diefes kategorifchen Impc«
"ratlvs zu zeigen, follen nun nach demfelben ei-
nige Pflichten beurtheilt werden. Damit erhell c<
dafs pt auf alle Arten von Pflichten feine Anwen«
dtujg finde , wollen wir die Pflichten wie ge-
wöhnlich in vollkommene und unvollkom-
x xxiene, und jede diefer beiden Arten in Pflich-
ten gegen uns felbft uiid gegen Andere
.eintheilen (G. 52, M. II, 79.).
Imperativ. _ +*y
I. Vollkommene Pflichten £nd !Y!:!:* # wtcJ.
che nie eine Ausnahme verlt-itten. I:.r Ker - Zei-
chen iß daher, dafs die ihnen cnfz?;^;^ ^t»:
Maximen lieh als allgemeines N-Uix.ii.crz
einmal denken lauen.
i. Pflicht jreeen uns felbSL Es LI x. BL
die Frage, ob der Seibitmord er Li üb: Jci? U:»
lic zu beantworten brin2e man die.e H*r£"ji*^
auf eine Maxime, nach der £e se. :_c_en J.l^
oder frage lieh, welches die Rc^et fei, z-£c\re
welcher man fich das Leben nthrnm wo !e. oe-
fetzt, man -wolle fich das Leben ncim*n , wol
man glaube, man habe grofse U*rbel zu f..rc:.:en,
und wenig Gutes mehr zu honen, f> L-nJit cue
Maxime: wenn das Leben bei feiner un-
gern Frift mehr Uebel droht, als es An*
nehmlichkeiten verfpricht, fo mui'i man
es abkürzen.- Diefe Maxime kann als allge-
meines Naturgefetz nicht ohne Wiierf^r^-:h ge-
dacht werden. Denn wenn diefes Naturgesetz vi*
re f fo wurden die Uebel des Lebens itets *o Ter»
mitteilt der Furcht auf den MenJinen wirken, <ii£g
er fich das Leben nehmen müfste. Nun 'iA es
aber die Beßimmung der Furcht, den ilrrnJchen
zu Wegfchaffung der Uebel , die feinem Leben
drohen, anzutreiben. Folglich wid«erfpr:-:ht die»
fer BefÜmmung der Furcht jene zuerfi ir.zti ^uztm
als Naturgefetz gedacht, die Furcht ktz,n i-icht
das Leben befördern und auch zera irren, und
Tvenn diefes dennoch ^ obwohl za verschiedenen'
Zeiten, der Fall ift, fo rührt diefes daher, dafs
die Wirkung der Fdrcht nicht durch dieselbe aL
lein, und unmittelbar, fondern vermittelt des
"Willens hervorgebracht wird, dafs die Furcht -li-
fo nicht nach einem Naturzefetze , fondern nach
einer Maxime wirkt (G* 53. M. II, 71.;.
4. Pflicht gegen Andere« Es fr»gt fich,
darf ich Geld borgen mit dem Verfprechen, d±l*
% I
/
46a Imp
* ■
ich es %vl beftimmter
ob ich wohl weifs f
feyn? Die Maxime lai
in &eldnoth iit y
gen, und vexfp
au bestimmter 5
gleich weifs, die
s hen. Diefie Max
turgefetz nicht ohr
Denn ein folches
Natürgefetze nich
Item Verfprechen
chen Verlpreche:
gen. Dafs niai
Verfprechen zu
her , weil ma
handle nach d
chen folle gel
. . % IL Um
die zuweilf
zwar nicht
denn diefe
eine Ein fr
dung auf
^flicht d
nieine Z
ich ffiiher
welche
der Ai
jfr, r
z\yar
kqnn
*^.ol
Fr?
ob
f!
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Imperativ.' N •, 469 .
i'iberlaffen und fich mit der Erweiterung
und Verbefferung fein>er Naturknlagen
nicht bemühen.' Diefe Maxime läfst lieh gar
wohl als allgemeines Natürgefetz denken, aber
es iit unmöglich, fie als folches zu wollen, weil
fonfi ein Widerfpruch in unferm Willen feyji wur-
de. . Die Naturanlagen machen , dafs wir allerlei
Ablichten haben, zu denen diefe Anlagen, wenn /
üe entwickelt und ausgebildet werden , dienlich 1
find. Wäre nun jene Maxime allgemeines Na* •
turgefetz, fa könnten wir runfere Naturanlageft
nicht entwickeln, : Welches uiiferer Abfielt, zu
einer andern Zeit, ganz entgegen ift (G, $$i fc .
M.II, 73.).'
ä. Pflicht ge'gen Andere. Wir können
eben fo, wie bei. der vorigen Pflicht, nicht wol-
len, dafs die Maxime: ich will Andern nicht*
entziehen, fie auch nicht einmal benei*
den, aber auch zu ihrem Wohlbefinden
und Beiltande in der Noth nichts beitrat
cen, allgemeines Natürgefetz werde. Denn*
venu wir uns in dem Zultande befinden follten,
die Hülfe Anderer nöthig zu haben > würden wir
licherlich nicht wollen , «iafs jefrie Maxime allge-
meines Natürgefetz werde (G. 56. M.II, 74.).
Diejenigen Maximen alfo* welche als allge-
meines Natürgefetz nicht einmal gedacht wer-
den können, widerftreiten unna^chlafs liehen
tder vollkommenen Pflichten.' Es darf in kei>,
utm Fall Jemand fich aus Furcht das Leben neh-
men, oder ein betrügliches Verfprechen thua;
uenn die Maximen, nach welchen diefes gelche-
hen würde, lafTen fich gar nicht einmal als &U-
H^ meines Natürgefetz denken. Diejenigen IVIa^
vimen aber, welche wir als allgemeines Naturge-
ittz nicht wollen können, widerftreiten ver-
dienftlichen odeT Vollkommnenan Pflichten.
I h darf woh\ zuweilen mir ein Vergnügen ma-
\
47° ' ( Imperativ.
cfeen, wenn ich lange genug an der Erweiterung
und Verbefferung meiner Naturänlagen gearbeitet
habe; ich darf wohl zum Wohlbefinden und Bei-
ftande . diefes oder jenes Menfchen nichts . beitra-
. gen, weil ich das, was ich habe, etwa gerade
i jetzt zum nothdürftigen Unterhalt meiner feibft
oder zu Bezahlung meiner Schulden brauche. Es
kommt alfo immer darauf an , ob das , was mich
beltimmt , jetzt ein« andere Maxime zu befolgen,
auch eine moralifche Maxime, und vielleicht «n-
nachlafsliche oder doch dringenderer- Pflicht iit.
Dafs aber folche Ausnahmen Platt, finden Können,
lieht man eben daraus, weil man die, der Pflicht-
maxinie entgegengefetzte Maxime ohne innern Wi-
derfprueh als Naturgefetz. denken , aber nicht wol-
len "kann. Bei den unnachlafslichen Pflichten
liegt die Unmöglichkeit im Denken der Maxime
als allgemeines Naturgefetz, folglich iit auch 1 kei-
ne Ausnahme davon .möglich; bei der verd'ienltli-
chen Pflicht liegt die Unmöglichkeit im Wollen
der Maxime als allgemeines Naturgefetz. Bei der
letztem i'oll ifli daher nur immer den Will e-n.
haben, aber in Anfehung der einzelnen Handlun-
gen iffc. es möglich , dafs es Ausnahmen gebe,
wenn eine jjndere moralifche Maxime mich- 'b>e-
ftimmt (tf. 57. M. II, 75*).
So find alfo alje Pflichten von jenem kätegp-,
rifchen Grundfatze abhängig, von welcher Art lie
auch feyn mögen; xliefer ürundfatz beßimmt- folg-
lich nicht nur, was Pflicht fei, fondern auch, ob,
Imperativ. 471
fpringenden Bedtirfnifle und Neigungen gegeben;
jener Grundfatz aber beßimmt^ welches die mo-
ralifche Maxime fei, nach welcher wir in Anfe-
hung diefer Gegenftände zu handeln verpflichtet
find, oder wie allein die darauf gerichtete Maxi-
me fittlicji gut fei. Wir erkennen übrigens die
Gültigkeit diefes kategorifchen Imperativs wirklich
an, denn wir fuchen ftets die Maximen, nach
welchen wir unfere Neigungen , . wenn |ie mit ihm
im Widerfireit find, befriedigen, mit denselben
io viel als möglich zu vereinigen, und erlauben
uns (mit aller Achtung für denfelben) nur einige,
wie es uns fcheint, unerhebliche und uns ab<:e*»
drungene Ausnahmen (<}. 5g. £.).
Unter der Voraussetzung, dafs es Pflichten ge-
be, ift alfo nun „ #
<r. bewiefen, dafs fie nur kategorifch, kei-
nesweges aber durch hy pothetiTche Imperati-
ven, ausgedruckt werden können; ^
ß. gezeigt, welches fchon viel ift, welche^
der Inhalt des kategorifchen Imperativs fey, der
das Princip aller Pflicht enthalten müfste.
Noch ift aber nicht a priori bewiefen worden,
dafs dergleichen Imperativ wirklich Itatt finde,
dafs es ein unbedingtes praktisches Ge/etz geba,
und diafs es Pflicht fey, diefes Gefetz zu befolgen
(G. 59. M. n,^77.>
Diefe Realität des kategorifchen Imperativs ift
auch nicht etwa aus den befondern Eigen-
fchaften der menfehlichen Natur abzu-
leiten; denn die frflicht foll praktifch- unbedingte
Notwendigkeit der Handlung feyn, und alfo mufs
fie für alle vernünftige Wefen gelten, und
a 1 1 Qjix darum aiuh für jeden' menfehlichen
Gefetzfeyn(M.II,73. G.fig.), f. Gebot, 5.
*
\
472 Imperativ/ " v
* K
>
Der Jcategorifcne Imperativ kann alfo i nicht aus
der Erfahrung entspringen ; , wie wohl folche
Regeln, die wo ztf dienen fallen. Wir 'muffen' alfo
feinem Möglichkeit blofs • mit-unferer Vernunft uq.
terfuchen. '
Da der kategorifche Imperativ nicht wozu ge-
bietet, oder nicht die Mittel zu einem aufser ihm
liegenden* Zweck angiebt,. fo enthalt er auch
nichts, was einen relativen Werth hat oder wo-
zu gut ifi. Folglich mufs er etiwas enthalten, was
einen abfoluten Werth hat oder an Jich gut ift.
Giebt e& nun etwas, Neffen Dafeyn an fich
felbft einen folchen abfoluten Werth hat, was
; nicht zu einem anderfi Zweck dient , fondern
Zweck an fich felbft iß, fo kann es auch ei-
nen kategori&hen Imperativ geben, der alsdann
diefes, was an lieh gut ift, oder was Zweck
an fifch felbft ift, ausdrücken würde; oder die-
fes würde de^ Grund eines folchen Imperativs , oder
praktifche» Gefetzes feyn (G. 64* M. II, 33.).
/ Wenn es alfo ein öberftes praktisches Prindip,
oder, ein^n dem Willen kategorifch gebietenden Im-
perativ geben foll, fo mufs er etwas gebieten, was
Zweck an. fich felbft iß, oder den Gebrauch von et-
was, als eines Zwecks an fich felbft, vorfchmben.
"Denn was Zweck an fich felbft ift, das mufs
,. w es für Jedermann feyn, weil, dafs es Zweck
ift, nicht in diefem oder jenem Subject liegt,
welches die Natur des relativen Zwecks ift,
fondern in dem Gegejifiande felbft. Wäre es da-
her nur für einige Zweck, fo wäre es relativer
und nicht abfoluter Zweck. Entweder alfo es be-
ftimmt den Willen gar nicht , dann iß es , gar
nicht Zw^ck, oder es mufs jeden Willen be-
ftimmen können* Ein folcher Gegenftand fchickt
fich alfo allein zu einem objeetiven £rincip des
Willens > oder einem folchen Beftimmungsgrnnd,
der für jeden Wille» gültig ift , alfo zu einem
I .
Imperativ. 473
»
allgemeinen praktischen Gefetze. Nun ift in
der Welt alles wozu da, nur die vernunftige
Natur ilt allein als Zweck an fich felbft da;
denn wäre das nicht, fo würde überall gar nichts
von abfolutem Werth angetroffen werden, und
es könnte für die Vernunft gar kein ober lies Prin-
cip geben. Jeder JYlenfch (teilt lieh alfo, wegen
ferner vernüni tigen Natur, fein eigenes Dafeyn
i als Zweck an fich felbft vor; und folglich üt
fein Dafeyn für ihn felblt ein Princip feiner Hand*
i lun^en. Aber aus ebendenselben Vernuiift"rim-
de itellt ach auch ein jedes andeie vernünftige
"Wefen fein Dafeyn als Zweck an fich felbft
Tor (f. Freiheit, 3a. ff,). Alfo ift die ver-
nünftige Na{ur überhaupt (nicht die fe oder jene,
deim der Grund liegt nicht darin p dafs es me\-
ne eigene ilt *) ein objeetives Princip für
den \\ iilen 4 oder ein folches , das jeden Willen
beitirxunt, und nicht blofs den Willen c\ofes oder
jenes Subjects. Folglich ift dies ein folches ober-
' ftes praktifches Princip, aus welchem alle Gefetze
des Willens muffen abgeleitet werden können.
Der ka tegorifch^e Imperativ kann alfo ai*ch fo
- ausgedrückt werden: handle fo, dafs du die
vernünftige Natur (in dir felbit und in Andern,
d. i. die Menfchheit als Subject ein^r folchen Per-
fönlichkeit) ftets als Zweck an fich .felbft
beh and eilt (fie folglich nie zum blofsen Mittel
gebraucheft) (G. 66~ M[. II, 85-)- Hie Anwendung
diefes Principsauf einzelne Pflichten f. im Arti-
kel: Zweck, und die Expofition noch eines an-
dern Ausdrucks- für den kategorifchen Impe-
rativ im Artikel: Autonomie, in welchem ei-
ne kurze Ueberficht deffen enthalten ift, was hier
ausführlicher vorgetragen worden; auch verglei-
che man damit die' Artikel: Expofition, AI. ff.,
Maxime und Wille (R. XXV.)*
\
■
*) Bas Princip würde fonft auch fubjeetiv ffeyn.
474 Imperativ.
* Bis hierher ifi alfo gezeigt worden, wie der
kategorische Imperativ heifsen oder was er enthalt
ten muffe, und wie er auf verschiedene Art ausge^
drückt werden könne. Nun mufs
B. gezeigt werden,, dafs der kategbri-
fche Imperativ auch wahr^utid als einPrincip
ja priori fchlechterdings noth wendig fei; denn
hieraus allein folgt erft, dafs Sittlichkeit kein!
Hirngefpinft fei (G. 96.). Wenn Freiheit des Wil-j
Jens vorausgeTetzt wird, fo folgt die Sittlichkeit
famt dem Jkategorifchen Princip daraus durch
blofse' Zergliederung des Begriffs der Freiheit.
Denn Freiheit ift diö Unabhängigkeit einer Cau-j
falitat oder wirkenden Urfache vonfremden ile
h e it im n\e n den Urfachen. Diefe Unabhängig-
keit kann aber nicht Gefetzlofigkeit feyn, denn
d$s gäbe eiiie' Caufalität ohne alle üe beltimmende
Urfachen, welches ein Unding ift. Folglich ift
die Freiheit die Eigenfchaft einer Caufalität,' hier
des Willens, fich felbft tu beftinunen oder lieh
felbft das Gefetz zu geben. Dies ift abfer das,
was die Formel des kategorifchen Imperativs, oder
das Princip der Sittlichkeit, ausdrückt: handle
nach einer folchen - M~axim$ , die fich
felbft zum allgemeinen Ge fetz e machen
kann, (die alfo nicht durch etwas anderes, fon-
ctem allein 4 urch lieh felbft, Gefetz ift), f. Au-
tonomie, v 4. ff. Alfo ift ein frfeier Wille und
ein Wille unter dem kategorifchen Imperativ oder
fittlichen Gefetzen einerlei (G. gg.)* Indeffen ift
der kategörifche Imperativ doch fynthetifch,
d. h. w^nn ich auch einen fchlechthin guten Wil-
len zergliedere; fo "findet Jich daraus \doch noch
»pht, dafs er dem kategorifchen Imperativ ge-
horche. Der Satz der gezeigt wird, und von dem
behauptet Wird, er fei fynthetifch, heifst eigent-
lich j für einen fchlechthin guten Willen gebietet
fein Imperativ kategorifch. , Null ift ein fchlecht-
hin guter Wille ein folcher, der nicht wozu, fon-
• Imperativ. 475
• /
dem an fich felbft gut iß, oder keinen relativen,
fondern abfoluten Werth hat. Es fragt fich; war-
um gehorcht ein folcher Wille gerade einem Ge-
bote, das auch nicht wozu, fondern unbedingt
gebietet,? Es mufs alfo noch ein Drittes feyn,
was diefe Verbindung zwifchen dem an fich guten
"Willen." und dem kalegorifchen Imperativ möglich
macht. Diefes Dritte foll nun eben aufgeiucht
werden (G. 99.% f- Freiheit, 31. ff.
Es fragt fich nehmlich: warum foll ich mich
denn dem kategoiifchen Imperativ unterwerfen
und zwar als ein vernünftiges Wefen überhaupt,
warum ift, folglich ein jedes vernünftiges Wefen,
als lolches, jenem Imperativ., unter worttn? Ich
will .einräumen , dafs mich kein IntereiTe dazu
antreibt, denn da würde der Imperativ nicht ka-
tegorisch, fondern nur unter ucr Vorausfetzung
(fub hypothefi), dafs \6\i diefes Interefle h;,tte, fulg-
liich hypot-hetifch gebieten. Aber ich muis
doch an diefem Imperativ nothwendig ein Inter-
efle "nehmen, und einfeben , wie das zugehet,
denn fonft, nähme ich kein folches Interclie an
ihm, würde ich ihm nicht gehorchen. Das Sol-
len in dem Imperativ würde nehmlich bei dem
vernünftigen Wefen eigentlich ein' Wollen feyn,
wenn die Vernunft bejl ihm dhne Hindernifs prak-
tifch wäre. Für Wefen aber, die, wie wir, noch
durch Naturtriebe afficirt werden, von denen das alfo
nicht immer gefchieht, was die Vernunft für lieh
allein thui? würde, heifst die Nothwendinkeit dei*
Handlung, die der kategorifche Imperativ gebietet,
nur ein Sollen, und die objeetive Notwendig-
keit, die im Gebot ift, ift nicht auch im Subject,
in dem ift die. Befolgung des Gebots vielmehr zu-
fällig (G. 102. f. M. II, 152 j.
Es fcheint alfo, als könnten wir es nicht be-
weisen, dafs wir einem, folchen kategorifchen
Imperativ zu gehorchen haben , und dafs er für
I
%%6 Imperativ* ,, '
uns Gefetz fey. Wir hätten dann zwar, das äch-
te Frincip der Sittlichkeit genauer befömmt,
könnten aber dem , der uns fragte, warum wir
gerade der Maxime zu gehorchen haben , welche
wir für allgemein gültig oder für Gefetz erken-
nen, keine genugthuende Antwort geben (M. II,
155. ©. 103,). Die Frage bleibt immer: woher
verbindet uns das moralifche Gefetz? 1
Freiheit, 34. ff.
1
Die Antwort auf * diefe Frage findet Inan im
Artike}.: Freiheit, 34. ff. infonderheit 38 — 40.
f. auch: Intelligenz, 3.
Es erhellet au$ dem, was dort gezeigt wird,
dafs man die-Frage: wie- ein kategorifcher
Imperativ möglich fey, fo. weit beantwor-
ten kann,
> >
a. dafs man die einzige Voraussetzung ange-
ben kann, unter der er allein möglich ifi, nehm-
lieh die Idee der Freiheit;
^ b. dafs man die Notwendigkeit diefer Vor-
ausfetzung einf eben kann (f. Freiheit, 40.), wel
ches zur Üeberzeugung von der (Gültigkeit des 4ia«i
tegorifchert Imperativs hinlänglich ilt; aber
c. wie diefe Voraussetzung felbß rnö glich iß
das läfst lieh duroh keine Vernunft jemals einfe
1 hen (f. Autonomie, ü. u. Freiheit, 41 u. 45.]
(6. 104. M>II, 1580-
Es ift aber kein Tadel für diefe Deductior
des oberfien Princips der Moralität, dafs fi^
ein unbedingtes praktifches Gefetz oder einen kaj
tegorifchen imperativ T feiner abfoluten Nothwenj
digkeit nach nicht begreiflich, machen kann. Diel
[es ift- vielmehr ein Vorwurf, den man der menfeh
liehen Natur überhaupt machen smijfste , d^ie blof
t^jUA. .j f '
I
\
Imperativ. 477
dos Bedingte aus feiner Bedingung begreifen kann,
Dafs diefe Deduction aber das moralifche Ge-
fetz nicht -von einer Bedingung, nehm lieh von
irgend einem zum Grunde gelegten Int er eile, ab-
leiten will, kann ihr nicht verdacht werden;
denn dann wurde e$ kein moralifche 8, d.i. ober-
fies Gefetz eine» freien Willens feyn, fondern
eine p-athologifche, d.i. durch das Gefühl der
Luft der Vernunft dictirte Vorschrift eines den
Neigungen dienenden Willens. Und fo begrei-
fen wir zwar nicht die praktische unbeding-
te Noth wendigkeit des kategorifchen Imperaths,
W begreifen aber doch feine Unbegreiflich-
keit. Mehr aber kann man von einer Philoso-
phie, die bis. zur Grenze der nien Schlichen Ver-
nunft in Frincipien itrebt, nicht fordern (G. 123.).
Es mufs Anfangs allerdings befremden, an
dem oberften Grundsätze- der Sittenlehre oder
dem kategorifchen Imperativ ein fo einfaches Ge-
fetz zu finden, wenn man an die grofsen und
mannigfaltigen Folgen denkt, welche daraus ge- ..
zogen werden können. So *ift jede Maxime der
Moral zuwider, die fich nicht, nach der Forde*
ning dieses Imperativs, dazu quqlificirt, als allge-
meines Gefetz gelten zu. können. Auch mufs das
gebietende Anfehen diefes Gefetzes , ohne dafs es
doch fichtbar • eine Triebfeder . bei fich fuhrt., in
Verwunderung fatzefl. Es lehrt uns nehtnlich
das Vermögen nn fr er Vernunft, durch die blofse
Idee, dafs floh eine Maxime zur Allgemein-
heit eines praktischen Gefetzes qualificire, die
Willkühr.zu befiimmen. Und fo machen diefe
praktischen Gefetze (die moralifchen) zuerit eine
Eigenfchaft der Willkuhr . (der Freiheit) kund, auf
die keine fpeculative Vernunft weder aus Gründen
a -priori, noch durch irgend eine Erfahrung ge-
rathen hätte (JBLXLVIJI,)- Ja, wenn auch die
fpeculative Vernunft darauf gekommen wäre, fo
hätte fie doch die Möglichkeit jener Eigenfchaft '
j
/
I
478 Imperativ.
durch nichts, darthun können. Gleichwohl thun
jene praktischen Gefetze diefe Eigenfchaft, nehm-
lich die Freiheit, unwidferfprechlich dar. * Wenn
man dies bedenkt, fo wird es weniger befrem-
den, diefe Geletze (gleich mathematischen Poftu-
laten) unerweislich und doch apbdikt^fch
au finden. Auch wird man lieh nun nicht Ter*
wundern; zugleich ein ganzes Feld von prakti-
fchen ErkenntniiTen vor (ich eröffnet zu fehen,
wo die Vernunft fo wohl in Anfehung derfelben
Idee der Freiheit, als auch Jeder anderer ihrer
Ideen des Ueber finnlichen , im Theoretifchen
'alles fchlechterdings vor fich verfchloflen finden
mufs (R. XXV: f.) - . "
»
Uehrigens da die Verbindlichkeit, welche der
kategorifche Imperativ ausfagt, tiieht blofs prak-
tifche Notwendigkeit (dergleichen ein Ge-
fetz überhaupt ausfagt), fondern auch Nöthigung
enthält, fo ift diefer Imperativ entweder ein Ge-
bot- oder Verbot -gefetz, nachdem die Bege-
hung oder Unterlaffüng als Pflicht vorgeftellt
wird (P.JXXL).
v so. Moralifcher Imperativ, f. Impe-
rativ, kategorifcher.
-
21. Pragnlatifcher Imperativ, Impe-
rativ der Klugheit, Anrathung, f. Ge-
schicklichkeit, 6. 7, 9., Qebot, 5. u. Prag-
m'atifch.
22. Prdblematifcher Imperativ, f, Ge-
f chicklichkeit, 5, €♦ f. u/Gebot, 3.
23. Technifcher Imperativ,' Impera-
tiv der Gefchicklichkeit, Kunftvorfchrif t,
f. Gefchicklichkeit, 3. ff. 7. j£ uu Imperativ,
bedingter.
• • - ' • • 1
Imperativ. Iricorruptibilität Individuum, 479
34. Unbedingter Imperativ, f. Impe-
rativ, kategorischer.
25. Man kann lieh alle möglichen Imperati-
ven in ihrem Zufammenhange untereinander, und
nach ihrer fpeciiifchen Verfchiedenheit, x am heften
fo vorfiellen ; ,
Die Imperativen find
f — ^«^— »-» 1 . ■ 11 1 ■ 1 <v <
hypöt h c t iTche oder kateg-orifch©
Regeln der G e fchicklich- praktische Gefetzo
keit überhaupt I
-A-
piobl ematifche; a f f ertOTif ch ej . apodik ti fehe;
iie£nd technifch; fiefindpr agma- fie Und praktif ch;
— • tifch;
. Kegeln der G e- jRathfchlä?e Gebote der S 1 1 1*
Ic hicklichkeit odeT der Klugheit lichkeit oder Mp-
KunJtvorfch^if- oder Wokl- xalgefetze,
t e n . f * x t k «regeln, *
(M.n, 59. g. 43.). ' , . .
Kant. Critik der rein. Vern. Methodenlehre IT. Hanptft.
L Abfchn. S. Q^o.
D ef f. Grundleg. zur Met. der V S. Ü^Abfchn. S. 36. ff. —
III. Abfchn. S. 98. &
D ef f. Crit. der prakt. Vern, I. Th. I. B. I. Haupt*.. S. ^6. ff.
D e ff. Met. Anf. der Rechtsl f Einleitung. §. Y. f. S. XIX* f.
Incorruptibilität,
s
f. Unver wesiichkelt.
Individuum,
einzelnes Ding, individumr* > fingulare, in-
dividu. Ein Ausdruck , der gebraucht wird,
um damit ein folches Ding zu* bezeichnen, wel-
ches durchgängig befiimmt ift, d. i. alle Beliini-
mungen hat, welche in einem Dinge zufammen
möglich find. Eine Idee in individuo heifst alfo
- 1
1
480 Individuum. , , !
' i
i
i
ein einzelnes Ding, welches durch die Idee allein!
nicht nur beiKmnibar (denn alsdann ift es nur
noch ein Begriff),' fondern durchgängig beibimmt '
ift; und welches Kant daher ein Ideal nennt,
Wefii} nehmlich einem Dinge von allen mögli-
chen lieh einander widersprechenden Prädicatenj
eins beigelegt werden ijaufs (entwfed^r das, be]a-j
hende oder verneinende), fo ift es durchgängig j
beftimmt. Es ift nicht blofs dem allgemeinem
Dinge {iiniverfale) entgegengefet^t, ein Ausdruck,!
-welcher bezeichnet, daj's das Ding ein blofser
Begriff ift, dem von je zwei einander con-;
tradictorifch - entgegengefetzten Prädicaten nur
eins zukommen kann, welches folglich alle die
Beftvnmuiigen^ haben kann, die dadurch ihm bei-i
gelegt werden können, dafs ein Prädicat mit fei-
nem contradictorifchen Gegen theil verglichen wird.!
Sondern es unterscheidet, fich auch dadurch von
einem Dinge in concreto ^ dafs es ein folches ift,
'deren, es nicht mehrere giebt. Ein Baum ift eini
Begriff, und von allen Prädicaten die fich einan-!
der contraejictorifiph entgegengefetzt lind, kann
ihm, nach derrt §at#e des Widerfpruchs eins zukom-
men/ Ein Baum, cier wirklich in der Natur!
^orhandeii ift, ift ein. Baum in concreto. Solcher!
Bäume giebt es indeflVn mehrere, in fo fern fie!
blofs den 'Begriff in concreto , oder in der Wirk-I
lichkeit , darfiellen. Aber jeder Baum als Indivi-!
duum ift hur einmal vorhanden, und einem
folchen" kömriit / wfenn ich mir alle Prädicate (Ac-
eidenzen) als den Inbegriff der gefammteft Mög-i
lichkeit vorftelle, jedes diefer Prädicate felbft zul
oder nicht, wodurch es alfo nicht, wie ein Be*
, griff, b'eftimmbar,, fondern wirklich beftimmt
yfiii So find die Menschheit in ihrer -ganzen VollJ
-komrhenheit, der Weife des Stoikern, Gott, Idea-
le oder Ideen in individuo . oder können nur als
einzelne Dinge, deren es nicht mehrere giebt,
gedacht werden (C. 596.)
1
1
' v Inneies. 431
Inneres.
internum, Interieur. Durch diefes Wort drückt
man den Begriff aus , welcher die Reflexion der
Urlheilskraft möglich macht, dafs das Ding flicht
in Beziehung (Relation) auf irgend etwas von ihm
Verfchiedcne» gedacht.' werden foll. Das Innere
eines Dinges wäre alfo das, was von ihm ohne:
alle Relation (Verhältnifs oder Beziehung zu et-
was von ihm Verschiedenen) kann gedacht wer-
den. Im Felde der Erfcheinungen (in der Natur)
giebt es aber, in diefem Sinne f kein Inneres; *
denn eine Subftanz in der Erscheinung hat nur
Verbal tnilTe zu ihren' Beltimmungen, ' fie ift ein
Inbegriff von lauter Relationen. ' Im Raum ift
nehnilich blofs Materie, die wir allein durch ihre
Undurchdringlichkeit oder Anziehung, d. i. durch
Zuruckftofsung , wenn andere Materie ijx den
Raum eindringen will, den fie erfüllt 9 oder
dadurch, dafs fie andere Materie nach lieh zu
treibt, kennen, folglich durch ihr Verhältnifs
zu andrer Materie. Nun haben wir zwar einen
inner n Sinn, und was in demfelben fich befin-
det, fcheint doch das Ifmere zu feyn. Allein
hier bezeichnet die Vorftenung des Innern nur,
dafs das, • was als der Zuftand unfers Gemüths
angefchauet wird, d.i. Gedanken, Gefühle, Bil-
der der Einbildungskraft u. f w., nicht im Raum
ift, fondern durch einen Sinn vorgeßellt wird,
der ganz unterfchieden ift von dem, durch wel-
chen uns räumliche Gegenftände vorgefiellt werden
(C. 57.). Uebrigens aber haben die Gegenftände
des innern Sinnes (die Vorstellungen) ebenfalls
keine inneren Beftimmungen r oder folche Prädi-
cate, die ihnen ohne alle Beziehung auf etwas
von ihnen Verfchiedenes zukämen (C* 331.)» Denn
alles", was befiimmf werden £oll 9 mnfs durch et-
was beftimmt werden, was erft von demfelben
getrennt und für fich , und dann erß als Beitim«
mung des Subjeets gedacht wird« Daher hat man
Melllns philo/. fVorterb. 5. Bd. H h
>
. *
482 ' Inneres.
•
auch eiii Urtheil fo erklärt, es fey' die Vorfiel
lang eines Verhältnifles iwifchen zwei Begrifleii
OS nun gleich diefe Erklärung unbefriedigend
yt, weil fiejerßlich nicht alle Arten von Ir
theilen umfafst, indem es Urtheile giebt, in wel
chen das Verhältnifs zwifchen zwei Ur theilen vor
geftellt wird , zweitens- nicht beftimmt wird
worin das Verhältnis bei dem Urtheil beitehe
(C. 140. f. M,I, 156.); fo ift fie doch darum, nirh
unrichtig, weil in der That in jedem Urtheil
eine Beziehung (Relation) gegebener Erkennt
nifTe ausgedrückt wird. Begriffe aber bezie
hen fich nicht nur als.Prädicate zu möglicher
Ürth'eilen auf irgend eine Vorltellung von einen
noch unbeltiinmten Gegenfiände; fondern lind aucl
rvjir dadurch Begriffe, dafs unter ihnen an de
re Vorfiellungen ehthalten find, vermittelt deren
lieh der Begriff auf Gegenfiände beziehen kann
(C.n 94-). Die Bilder der Einbildungskraft itcL
len fiets etwas Räumliches vor, und die Gefühl*
drücken felbft ein Verhältnifs aus, nehmlich das
des Gegenftandes zum , Begehrungsvermögen , ob
er begehrt oder verabfeheuet werde , und ex
kann alfö zfwar unmittelbar gefühlt, aber ohne
£ie Vorfiellung eines folchen Verhältnifles nicht
gedacht werden. Aus diefem allen folgt, daß
auch im . inneren Sinn nur Beziehung , abet
nichts Inneres, nichts dem Gegenfiände phne Be^
ziehung Zukommendes * vorgefiellt werden kann.
Die« kann aber auch nicht anders feyn, es liegt
in der Natur unfers Verfiandes, der nicht anders
als- auf diefe Art , durch . Beziehungen erkenne^
kann, welphes eben beftimmen oder Prädicate bei-
legen <heifst. Wir können uns daher vom Den-
ken eines Gegenftandes durch das, was ihm ohne
Beziehung (innerlich) zukäme, nicht einmal
eine Vorltellung machen, denn unfer Begriff da-
von i(t blofs negativ, er enthält blofs die Vernei-
nung der ErUenntnifs eines Dinges durch Bezie-
hung auf ein anderes. * Ein ©ing folglich , da*
• <
1
j
I
k _
Inneres. 483
■ *
io erkannt wurde., müfste unmittelbar, nicht ver-
mitteln: andrer Vorftellungen erkannt werden.
Unmittelbar erkennen heifst anfehauen , da nun .
aber das finnliche Anfehauen blind if^* f wenn es
nicht auf Begriffe gebracht und fo *on 'dem Ver-
ftande gedacht wird; fo müfste es alfo ein an-
fchauender Veritand feyrt , efer das Innere erkennt
te, den wir aber nicht haben y und von dem wir
uns wieder nur einen negativen Begriff machen
oder denken können, was er nicht ift, aber nicht,
was er ift. Hieraus folgt, dafs das Innere ei-
gentlich das feyn würde, jras nicht Erfchei-
nungiß, aber doch zum oberften Erklä-
rungsgrunde der Erscheinungen dienen'
Kann (Pr. 167.). Diefes wird uns aber, alle Na*
tnrwiflfenfchaft niemals aufdecken, weil diefe nur
die Wiflenfchaft von ,den Erfcheinungen ift, oder
dem eigentlichen Felde untrer Erkenntnifs, indem
uns zu dem Innern der Dinge der Zugang durch
die Natur im fers Erkenntnifs Vermögens gänzlich
verfchloflen ift. Wir haben alfo hier zweierlei
Bedeutung des Inneren auseinander gefetzt:
nach der einen druckt es aus , dafs der Gegen-
fiand von dem blofsen (reinen) Verftande, ohne al-
le Beziehung auf etwas von ihm Verfchiedenes, ge-
dacht werden foll; nach der andern, dafs er nicht
als im Raum , fondern blofs in unferm Gemüth
befindlich vorgeftellt werde. Beide Bedeutungen
hat Leibnjtz mit einander verwechfelt. Er mein-
te, das Innere der Dinge muffe nicht räumlich
feyn, weil im Raum blofs Verhältniffe find; es
muffe aber das Innere der Dinge blofs aus vorftel-
leudein Kräften- beliehen, weil der innere Sinn
nichts anders als Vorftellungen kennt. Aber das
Prädicat innerer vom Sinn gebraucht, drückt
eine Verfchiedenheit iil Beziehung auf den Sinn,
und vom Gegenftande, um von ihm die Erkennt-
nis durch Beziehung zu verneinen,* gebraucht,
^e V^richiedefnheit' in Beziehung' auf den Ver-
^*4filS& Solche Gegenftande nun, die an und
* Hh ä
r
464' Inneres*
für ficli , ohne alle Beziehung , keine Ausdehnung
haben (nicht räumlich find), folglich nicht zufam-
mengefetzt, -fondern einfach und blofs vorteilen-
de Kräfte find, nannte Leibnitz Monaden, und
aus ihnen meinte er, müfle auch alle Materie (das
' Ausgedehnte aus dem . nicht Ausgedehnten , das
wä^e alfo ungefähr fo, wie eine Linie aus Punc-
' ten) zufammengefetzt feyn (C. 521. M. I, 364.).
Aber es üt nicht zu glauben, dafs Leibnitz, ein
fo grofser Mathematiker! die Cörper aus JVIona-
den (und hiermit auch den Baum aus einfachen
Theilen) habe zufanijnenfetzen wollen. Er mein-
te nicht die Cörperwelt, fondern das, wap iie
nicht als Erfcheinung, fondern an fich feyn möch-
te, oder ihr für uns unerkennbares Subiirat, die
intelligibele Welt, . die blofs in der Idee der Ver-,
nunft liegt. Und da iß es allerdings richtig;,
dafs das Ding an fich, da die Ausdehnung und
Räumlichkeit, .welche blofs zur Erfcheinung ge-
hört, und von der Befchaifenheit unferer Sinn-
lichkeit herrührt , von demfelben, verneint
wenden mufs, nicht zufammengefetzt, 'und alfo
das in der Erfcheinung Zufammengefetzte, als
in der intelligibeln Welt, aus einfachen Sub-
stanzen (Monaden) beßehend gedacht werden muf-
fe." Auch fcheint er mit Plato dem men fehl ich en
Geilte ein urfprüngliches, obzwar jetzt nur ver-
dunkeltes, 4 intellectuelles (Verfiandes-) Anfchauen
diefer ' überfinnlichen Wefen beizulegen. . Er
ineinte aber nicht, dafs der Veirltand die Sinnen-
wefen auf diefe Art anfehauete, denn diefe hielt
er für Gegen ftände einer befondern Art von, An-
schauung (d eh in lieh durch Sinne) , deren wir al-
lein zum Behuf der für uns allein möglichen
Erkenntnifle fähig find, folglich, fo wie Kant,
für blofse Erfcheinungen in der itrengften Bedeu-
tung des Worts, /oder für (fpeeififeh eigentüm-
liche) Formen der Änfchauung. Leibnitzens An-
hänger halben theils diefes fein Syfiem mifsverfian-
4e*i, tlieiis das Fehlerhafte in demfelben, dafs er
Inneres.
485
inconfeqtient behauptete, die Sinnlichkeit fei eine
verworrene Vorfiellungsart, gar für feinen Haupt-
begriff gehalten , und fo das Syßem des MeifterS,
der als ein grofser Kopf auf dem richtigen Wege
war, gänzlich verKarin t (E. 121. f.). Im Mora-
lifchen giebt es ein Inneres, . z. H. der innere
Werth einer Penfon, d. i. der Werth, der auf den
GrundfAtzen beruhet, nach welchen fie denkt und
handelt. Aber diefes Innere ift auch nicht Er-
fcheinung, fonderh etwas Intelligibeles , und da-
her unerkennbar. Je weniger eine gute That
durch den Ein Hufs der finnlichen Gegenltände auf
das Begehrun gsverftipgen des Thäters hervorge- *
bracht wurde , defto mehr können, wir fie den
guten Grundfätzen cteflelben zufchreiben,« von der (
nen uns aber gänzlich unbekannt iß, wie fie un-
fern Willen beitimmen können, wie whr ein In-
terefle a*n der That nehmen können, eben darum,
weil fie keine Natururfachen find (G. 2.).
2. Hieraus iß nun die Bedeutung des Worts:
das Aeufsere, fchoh an fich klar, ohne dafs es
einer weitläuftigen Erörterung bedürfte, denn das
Aeufsere iß, in beiden Bedeutungen, das Ent-
gegengefetzte* des 'Innern. Folglich iß das*
Aeufsere der Begriff der Urtheilskraft, % durcl\
welchen ihr die Reflexion möglich wird, dafs der.
zu beurtheilende Gegenfiand in "Beziehung auf et-
was von ihm Verfchiedenfcs Tbeurtheilt oder gedacht,
denn beides ift eiherlei, werden foll (C. 321.). Der
aufser e Sinn aber heifst nicht de/, durch wel-
clien wir gewifle Gegenftände, Hofs vermittelß
ihrer Beziehung auf einander, uns vorftellen, denn
das gefchieht auch durchs den innern Sinn ;' fondern
diejenige Eigfcnfchaft des Gemüths, durch welche
wir uns Gegenftände als aufser uns, als nicht]
Mofs, in unferm Gemüth befindlich, und insge-jl
fammt im Baume, vorftellen (C. 37.). Die Zeit
kann auf serlich' nicht angefchauet werden, d. i,
fie wird nicht als etwas im Baume, aufser un-
48$ Inneres*
fertji Gemüth Befindliches, angefchauet« Und eben
fo kann wieder der Raum nicht als etwas in -uns,
in unferm Gemüth Befindliches, ; angefchauet wer-
den, ob er wobl wirklich blofs etwas in imfermj
Gemüth Befindliches ift, und es aufser unfern Vor-
stellungen keinen Raum und keine Cörperwe£t (ob-
wohl ein intelligibeles Subitrat derselben feyn mag;)
geben kann (C, 37.), Aeufsere Erfahrungen lind
daher folche, d ite im Raum gemacht werden ; äu l s e r e
Erscheinung ift eine folche, die lieh im Raum b«*»
findet; äufsere.. Anfchauung eine folche, der
die Vqrftellung des Raums »um Grunde. Jiegt (C.
38» fj. •
.3. Endlich giebt es noch eine Eintlieilung
an das Schlechthin- und Com parativ - In-
nerliche, Das Schlechthin - Innerliche ift
dasjenige, was wir bis jetzt unter dem, Innern
dem reinen Verfiande nach verltan den haben, da
es n^hmlich ausdrückt, dafs ein Gegenftand nicht
in Beziehung auf etwas von ihm Verfchiedenes
\ gedacht weidfe. Was der Materie -inner lipli eu- 1
' kommt, fuchen wir in allen Theilen des Raumes,
den fie einnimmt, ' und in allen Wirkungen, die
fie ausübt, und die freüich ± nur « immer Erschei-
nungen äufserer- Sinn«, alfo blofs VerhäHniffe, feyn
können. Wir haben alfo nichts Schlechthin-
fondern lauter Comparativ- Innerliches. Daa|
Comparativ - Innerliche ift nehmlich das,
was einem Dinge zukommt, wenn ich es an und
für ,fich felbi\ betrachte. Da find freilich alle
feine Beftimmungen immer nur durch Beziehung
auf etwas Anderes denkbar, aber ich betrachte
doch das Ding felbft und nicht fein Vfcrhältnifs zu
andern Dingen. Dips letztere ift fein Comparativ-
Aeufserliches. Wenn ich das Cotnpäfrativ • Innere
eines Tifches betrachte, fo beftimme ich fein
Tifchblatt. feine Beine, das Holz, woraus er
verfertigt ift , feine Gröfse. Das Cojnparativ-
Aeufsere delTelben aber ift das , was ihm zukommt,
Inneres; 487
.. . \ 1
wenn ich ihn mit etwas anderm vergleiche, ode/*
feine Lage betrachte , z. B. ob er gröfser oder
kleiner ilt, als ein anderer Tifch, wo er fieht,
wie er gefallt u. f. w. Das Schlechthin« Aeufoere
iß, was durchaus nur durch Beziehung zu etwas
Anderm erkannt wird. Das Comparativ • Innere
ift daher eben fo wie das Comparativ - Aeufsere
auch fchlechthin äufserlich, nur betrifft
das erfiere das Ding, felbft, das andere feine Ver-
hältniffe zu andern Dingen 9 obwohl das Ding
felbft, gefetzt es fei auch in dem innern Sinne,
immer nur durch YerhältniiTe erkennbar ift. Das
fchlechthin, dem reihen Verftande nach, Inner-
liche der Materie ift auch eine blofse Grille.
Denn die Materie ift gar kein Gegen ft and für den
reinen Verftand. Wollen wir aber das transzen-
dentale Object erkennen, welches der Grund .der
Erfcheinung feyn mag, die wir Materie nennen,
fo ift diefes ein blof&es Etwas, wovon wir nicht
einmal verftehen wurden, was es fei, wenn «s
uns auch Jemand fagen könntet Denn wir kön-
nen nur.folche Worte verftehen, denen etwas in.
unferer Anfchauung correfpondirt. Wenn die
.Klage, »wir fehen das Innere der Dinge gar
nicht ein , fo viel bedeuten foll , als , wir be-
greifen nicht durch unfern reinen Verftand, was
die Dinge, die uns erfcheinen, an fich, ohne fie
mit andern zu vergleichen, feyn mögen; fo ift
fie ganz unbillig und unvernünftig. Denn diefe
Klage will, man fplle ohne Sinne Dinge erken-
nen, mithin anfehauen können. Das heifst aber,
^rir tollten ein Erkenntnifs vermögen haben, wel-
ches von dem n\enfchlichen nicht blofs dem Gra-
de , fondern auch Togar der Art nach (fpeeififeh)
gändich unter fchieden wäre. Dann miifsten wir
aber nicht Menfchen, fondern Wefen feyn, von
denen wir felbft nicht einmal angeben können,
ob fie 1 auch möglich find, viel weniger noch ob fie
exiftiren öder wirklich find, und wierrfie beschaf-
fen ijjByd, . Ins Innere (die comparativ -oberften,
4ß& Inner]. Intellectuell. Intellectuiren.Intellig.
aber" doch finnlich - erkennbaren Gründe) der Na-,i
tur dringt Beobachtung und Zergliederung der Er-
fcheinüngen, und man kann nicht wiflen , \rie weit
\ diefes mit der Zeit gehen werde. Jene transfpen-
dentalen Fragen aber, die üb£r die Natur (die i
Erfcheihungen) hinausgehen, würden wir bei al-,
lern dem doch niemals beantworten könneh, wenn;
uns /auch die ganze Natur (der ganze Inbegriff derj
Erfcheinungen) aufgedeckt wäre. Denn es ift unsi
ja nicht einmal gegeben, unfer eigenes Gemüth!
andefs, ,als mit unferm innern Sinn anzufchanenj
Und in unferm Gemüth liegt doch das Geheimnifs
des Urfprungs unferier Sinnlichkeit. ' Die Bezie-;
hung unfrer ' Sinnlichkeit auf ein Object, und!
was den transfcendentale Grund diefer Einheit fei,
die wir Gegen ft and nennen, bleibt durch blof-
tfe' finnliche Anfchauung, durch die wir nur Rr-|
fcheinungen kennen lernen , ewig ' ürierforfch lieh;
(C 333- f)
* i
Innerlich,
£ Inneres«
Intellectuell,
f. Senfitiv.
Intellectuiren.
f. SenfifijDiren. ♦, .
/ *
v ' !
Intelligenz, *'
vernünftiges Wefeti, ( ens intelligens, intet
ligenet, Strt intelligent. Ein Wefen*« dai
im V ernunf tgebrauch von finnlicheij
Eindrücken unabhängig ift (mithin z~xi {
' Intelligeriz. T 489
Verftanctes weit gehört) (&. 117.)- Z. U. die
höchfte ilntelligenz, oder dasjenige Wefen,
von welchem wir glauben , dafs es der Weltur- •
heberaft,. und welches wir felbft nicht arifchauen
können, weil es kein iinnliches Wefen, keine
Erfcheinüng feyn, nicht zur Sinnen weit gehöret?
kann , fondern als der Grund des überfinnlichen
Subltrats aller Erfcheinungen , felbfi ein Ding an
lieh feyn, oder zur Verftandes- (nichtiinnli-
eben) 'Welt gehören, und im Gebrauch feiner
Vernunft zur Eikenntnifs nicht, "wie wir, von
filmlichen Eindrucken abhängen . fondern die Din-
ge erkennen mufs,« wie fie an lieh lind, und
licht blofs, wie fie erfcheinen (C. 660.).
«
2. Der Menfh betrachtet fich auch als In*»
telligenz, wenn er lichs bewufst ift, dafs er, '
unabhängig von finnlichen Eindrücken,
feine Vernunft zum Handeln gebrauchen kann. .
Er fetzt fich dadurch in eine andere Ordnung der
Dinge, als die der Sinnenwelt ift, und in ein
Verhältnifs zu Gründen, die feipen Willen' be*
fiimmen, das von ganz anderer Art ift, als das,
wenn er durch finnliche Eindrücke (Luft oder Un-
lufi) beftimmt wird. Er denkt lieh als Intelli-
genz, d. i. als Wefen, welches einen Willen hat,
der fich, unabhängig von aller Sinnenlufi, iogar
gegen diefelbe beftimmen kanji , und daher eine
Caufalität hat, die in der ganzen Natur nicht vor-
kömmt, nehmlich einen freien Willen; da hin-
sehen alle finnliche Urfache -wieder von einer an-
dem Urfache abhängt. Denn wenn er fich als
Phänomen (Erscheinung) in der Sinnenwelt wabr-
nimitit (welches e* wirklich auch iit), fo ilt feine
Caufalität, in fo fern fie von aufsen (durch Ge-
genftände) befiimmt wird, Naturgefetzen unter-
worfen. Das ift aber kein Widerspruch. Denn
ein Ding, wie der Menfch, kann in der Er-
fch einung (in fö fern es z,ur Sinnenwclt gehört)
cewiffen Gefetzen unterworfen fevn, von wtlcbni
49 o Intelligenz.
eben daffelbe, als Ding oder Wefeia an fich
felbfi (als Intelligenz), unabhängig ifi. Dafs der
Menfch aber auf diefe zwiefache Art fich felbtt
und die Gefetze des Gebrauchs feiner Kräfte, folg-
lich aller feiner Handlungen fich vorftelien, oder
beides aus zwei Standpuncten betrachten miilTe,
beruht, was das erße, dafs er 1 Erfcheinungl iit,
betrifft,, jauf dem Bewufstfeyn,' dafs er durch
Sinne sfficirt wirdj was das zweite aber betrifft
(dafs er Intelligenz ift) auf dem Bewufstfeyn f dafs
er unabhängig "von iinnlichen Eindrücken handeln
kann (G. ioQ.£. 117. M. II, 140, 151.)»
3. Die Canfalität 'falcher Handlungen, die
nur mit Hintan fetzung aller Begierden und finnis-
chen Anreizupgen gefchehe^ können, liegt in dem
Menfchen als einer Intelligenz und in den Gefetzen
der Wirkungen und Handlungen einer intelligibe-
Jen Welt (d. i. eines Ganzen vernünftiger Wefen,
als Dinge an fich felbft) f von der der Menfch
•aber nichts weiter Mceifs; als dafs darin lediglich
die Vernunft das. Gefetz gebe. Und zwar giebt
blofs reine Vernunft das Gefetz in der 'Verfiandes-
torelt, d.i. die Vernunft, in fo fern fie von Sinn-
lichkeit unabhängig ifi, oder fich nicht« durch
. finnliche Eindrücke zu Handlungsregeln beltimmen
läfst. Da nun der Menfch lediglich als Intelli-
genz das eigentliche Seibit, als Menfch hinge-
gen nur Erfcheinung diefes feines Selbffcs ifi- fo
gehen ihn die Gefetza feiner Vernunft unmit&lbar
und kategorisch (unbedingt) an. Wenn alfo 'Nei-
gungen und Antriebe, -mithin die ganze fctatur
der Sinnenwelt, ihn anreizen, fo kann das den
Gefetzen feines Wollens, als einer Intelligenz,!
Keinen Abbruch thun. Die Neigungen und An-
triebe verantwortet e;r nichtp und fchreibt fie nicht
feinem eigentlichen Selbfif, d. i. feinem Willen £U.
"^AtTer die Nachficht, die er gegen fie tragen möch-
te, wenn er* ihnen zum Nachtheil der Vernunft-
gefetze des Willens Eiaflufs auf feine Maximen
Intelligenz. IntelligibeL Interefle. 491
einräumete, die verantwortet er und fchreibt fie
lieh zu (G. ii6-)*
4. Eine'Intelfigenz, lagt Kant (P. ss^.%
ift ein Wefen, das der Handlungen nack
der Vorltellung von Gefetzen fähig ifL
Wenn nehmlich ein Wefen im Vernunftirebrauch
von finnlichen Eindrücken unabhängig fevn, und
diefer Vernunftgebrauch auf Handlungen gehen
foll, - £0 kann es nicht durch finnliche Geteuft an«
de zu feinen Handlungsregeln oder Maximen be*
fümmt werden. Folglich bleibt nichts übrig, da
die Materie des Begehrungsvermögens (der Gegen*
ftand) es nicht zu feinen Handlungen befiimmt,
als die Form, die feine Handiun^sreael hat. d.h.
dafs es darum eine Handlung thut 9 weil es lieh
die Begel, durch die es lieh diefe Handlung vor-
fchreifct, als allgemein und noth wendig für jedes
vernünftige Wefen denken kann, und nur nach
folchen Beteln, welche diele Form haben, oder
um diefer Form willen, d.h. nach Gefetzcn, weil
es Gefetze lind, handeln will. Die CauiVitit
(das Vermögen zu wirken oder zu handeln) ei*
nes folchen Wefens nach diefer VorfLeilunz der
Gefetze ift ein Wille. Folglich kann mr.n a-ich
lagen,, eine Intelligenz iß ein Wefen f das
einen Willen hat (P. £25.).
Intelliscibel,
f. Senfibel.
Intereffe,
approbaüo 9 interit. Die Abhängigkeit
^inea zufällig beftimmbaren Willens
von Principien . der Vernunft (G. 53 •).)•
Ein Wefen nehmlich, das einen abhängigen Wil-
\
492 Intereffe,
len hat, d.i. einen folchen', der nicht von felhft
jederzeit der Vernunft, fondern auch wohl bk)f-
fen Naturtrieben«, gemäfs ift, wird nicht no-th-
Wendig von Gründen (Vorfchriften) de* Vertmnft
zum Wollen beftimmt, fondern kann von einer
folchen Vorschrift dazu^ beftimmt -werden oder
nicht, d. i. der Wille iß mir zufäll ig 'beftimm-
barä Wenn nun ein Vernunftgrural oder eine
Haridlungsregel dennoch den Willen beftimmt, fo
inuls noihwendig iine Urfache dazu da feyn, wel-
ehe macht, daf$ der Wille dadurch beftimmt wird,
weil diefe Beftimmung nicht nothwendig ift. Die-
fe Urfache macht alfo, dafs> die Wirkung,' die
JVillensbefiimmttng, * nothwendig erfolgt, und
, diefe Wirkung jener Urfache, diefe t Dependenz
pder Abhängigkeit der WillensbeftimmUng, dafs fie
erfolgen mufs, heifst das Intereffe. "Gottes
Willen kann «man fich nicht'*anders als fo denken*
dafs er von 'felbft jederzeit der Vernunft gemäfs
ift; alfo kann bei demfelben auch kein Interef-
fe fiatt finden (P. 141.)- Der menfchliche v Wille
ift aber nicht immer der Vernunft gemäfs, fon-
. dem kann auch die Maxime haben; blofs eine
Neigung zu- befriedigen. Bei ihm findet alfo itets
ein Intereffe fiatt. Nur kann er ein Intereffe
Woran nehmen, und auch aus Intereffe han-
deln, n Beides ift zweierlei.- Wir nehmen wor-
an ein Intereffe , wenn es nicht der Gegenftand*
ift, der uns intereflirt (oder abhängig macht von
der Regel, nach . welcher der Gegenstand erlangt
oder wirVUch gemacht wird), fondern die Hand-
lung. Diefcs Intereffe ift das prakjiXche, und
befteht ; in der Abhängigkeit des Willens von Prin-
zipien, der Vernunft an fich felbft. Dann wir-
ke ich felbft ein Intereffe oder mache mich felbft
abhängig vom Gefetze meiner eigenen Vernunft,
weichte Abhängigkeit aber die für ein linnlich •Ver-
nünftiges Wefen allein mögliche Freiheit des
Willens ift. Wir »handeln aus Intereffe, wenn
es nicht die Handlung ift, die mich intereflirt,
i\
Intereffe. 493
fondern der Gegenftand, der dadurch gewirkt oder
erlangt wird. Diefes Intereffe ift .das patholo«
gif che , und befteht in der Abhängigkeit des
Willens von Principien der Vernunft, aber zum
Behuf der Neigung. Dann giebt die Vernunft
nur die pjakrifche Regel an, aber fie enthält, wie
dem Bedürfnifs der Neigung abgeholfen werden
kar;n, und dies iii es, was da macht, ddfs uns
die Regel beltimmt. Wir find von der Regel ab- .
hängig, weil wir von der Neigung abhängig lind;
und die Regel intereflirt uns nicht unmittelbar
felbft, alfo auch nicht blofs die Handlung, die
fie vorfchreibt, fondern der Gegenftand, auf Miel-
chen die Regel gerichtet ift. . Der Gegenftand ift
mir angenehm, darum- befolge ich die Regel; da
hingegen das praktifche Intereffe dann befleht,
dafs ich mir die Handlung angenehm mache, weil
ich die Regel zu befolgen, für Pflicht erkenne,
oder fie für das Gefetz meines Willens anerkenner
(G. 33*). Denn beim Wollen, aus Pflicht mufs
durchaus kein Intereffe den Willen beftimmen (G.
71.), f. Autonomie, 6. f.
2. Diefes Intereffe iß eigentlich ein Gefühl«
Es ift das Gefühl, wodurch die Vernunft prak-
tifch-, d.i. eine folcheUrfache wird, die den Willen
beftimmt. Vemunftlofe Gefchöpfe fühlen nu* finn-
liche Antriebe, vernünftige Gefchöpfe aber han-
deln immer nach Regeln oder Maximen , und ma-
chen fichs entweder blofs um diefer Antriebe wil-
len Zur Regel, fie' zu befriedigen, dann handeln
fie aus einem (pathologiCchen o^er leidenden)
Intereffe ,an einem Gegenstände; oder fie machen
lieh zur Regel, diefe Antriebe zu befriedigen öder*
nicht, je nachdem es mit dem Gcfetze üherein-
ftüumt oder nicht, dann nehmen fie ein (prakti-
fches oder felbft gewirktes) Intereffe an der
Handlung, weil fie um des Gefetzes willen ge*
fchieht. Ein unmittelbares Intereffe nimnit
die Vernunft nur alsdann an der Handlung , wenn
49*
Idtereffe.
c}ie Allgemeingfiltigkeit der Maxime derfelben ein
genuglamer üeßimmungsgrund des Willens iß.
Ein folches Interefle ilt allein rein. Wenn die
Maxime aber den Willen nur vennittelft eines Ge-
genftafvdes des Begehrens , oder unter Voraiusfe-
tzung eines befondern Gefühls des Subjects beltim-
xnen kann, fo nimrpt die Vernunft nur ein mit-
telbares InterefTe an der Handlung. Uxjd,. da
die Vernunft für fich allein weder Gegenstände
des Willens, noch ein befonderes dem Willen
zum Grunde liegendes Gefühl ohne Erfahrung aus-
findig machen kann, fo' üt ein folches Interefle,
clas den Willen vennittelft des Gegenitandes bc-
fiimmt, nur einpirifch und kein reines Ver-
min ftintereffe. So ift das logifc he Interefle der
Vernunft, oder das Interefle an der Beförderung
unferer Einrichten , niemals ein unmittelbares In-
terefle an der Handlung, fondern an dem Ge-
brauch, den ich davon zu machen die Abfichr
Jjabe, "oder an der Wiflenfchaft, deren Studium
mir unmittelbar Vergnügen macht; itudire ich
aber aus Pflicht, fo ilt es nicht mehr das logi-
fche, fondern das moralifche Interefle, aus
-welchem ich handle (G. iaa.).
3. Es ift aber unmöglich, ausfindig und bc-
greiflfth zu machen, wie der Menfch ein Inter-
efle am moralilchen Gefetze nehmen— könn e.
Und gleichwohl nimmt er wirklich eiA Interefle
an der Befolgung deflelben, welches wir das mo-
ralifche nennen. Die Grundlage dazu oder die
Fähigkeit in uns, ein folches Interefle am morali-
fche n Gefetze zu nehmen (oder Achtung fürs
moralifche Gefetz zu haben), nennen wir das/rho-
ralifche Gefühl (P. 14a.). Einige Phiiofophen
jhaben daffelbe fälfehlich. für das Richtmaafs ausge-
geben, nach welchem wir beurtheilen können,
was fittlich gut oder bofe ift. Allein das Inter-
efTe am Moralifchen ift vielmehr die fubjeetive
Wirkung, die daß blofie Gefetz auf den Wil~
.' /
Intereffe. 495
len, ohne dafs ihn irgend ein anderes Intereffe
beftimmt, ausübt, und diefes fuhjectiv hervorge-
brachte Interefie, welches rein praktifch und
frei ift, fowohl als die Urfache deflelben, das
Gefetz, verliert fich in den unerforfchllchen Tie-
fen der Vernunft. Sie, die Vernunft allein, ift
der Grund des Moralgefetzes als auch des Int er*
eile, welches wir an demfelben nehmen, aber
eben darum hierin, fo wie überall, weil fie keine
iWurcaufalität ift, die wieder ^ine andere fcaufa-
lüät vorausfetzt, auch für uns * unbegreiflich (G.
12}. f. P.'i44.), f. Freiheit, 41. Das Wohl*
gefallen am. Guten iß alfo mit Intereffe
verbunden, f. Gutes, 10.
4. Der Begriff eines Intereffe entfpringt
eigentlich aus dem Begriff einer Triebfeder (Wa-
ter animi)-, d. i. des fubjectiven Beitimmungsgrun-
des des Willens eines Wefens, deffen Vernunft
nicht fchon vermöge feiner Natur dem objectiven
Gefetze nothwendig gemäfs ift (P* 107.).' Die
Triebfeder des Willens kann in der Vernunft, fie
kann aber auch in Naturtrieben liegen; allein das
Intereffe" liegt fiets in der Vernunft, und kann
folglich blofs einem Wefen > welches Vernunft hat,
angelegt werden. Das Intereffe bedeutet da-
her eine Triebfeder ,' fo fern fie durch
Vernunft vorge fte 1 1 e t wird. Denn ift
das Intereffe auch pathologifch, fo wird es
doch durch die Regel der Vernunft (die Maxime),
für d^ren Befolgung uns der Gegenfiand vermit-
'telft der finnlichen Triebfeder reizt, Torgeftellt;
nur bei vernunftlofen Thieren treibt die Trieb fe-
der unmittelbar felbft an, bei vernünftigen, aber"
Jmnüch- bedingten Wefen hingegen wird die Trieb-
feder immer durch eine Maxime vorgefiellt, nach
to leb er nicht gehandelt werden würde , wenn
nicht die Triebfeder dazu in dem Gegcnitande felbft
U! »d dem Bedürfniffe deflelben oder in der Vernunft
läge. Eine iblche Triebfeder nun heifst das In-
- >.
49ö
Intereffe.
tereffe. Liegt die Triebfeder unmittelbar in der
Vernunft, fo ift das Gefe^z felbft die Triebfeder,
und ein Wille, der durch fie beitimmt wird, iit ein
inöralifcb- guter Wille. * Die Maxime (oder fub-
jeetive Handl\tngsregel) beruhet dann auf dem biof-
fen Intereffe,'' das das Subject an der Befolgung
des Gefetzes- nimmt , welches Gefetz felbft von
feinem Gebietenden alle Beimischung irgend eines
andern In tereffe ausfchliefst (G^7i*). Diefe Trieb-
feder ift nun das mqralifche' In tereffe, ein
reines iinnenfreies Intereffe der blofsen praktifchen
Vernunft, Liegt die, Triebfeder in dem, Q/egen«
fiande utid in dem Bedürfniffe deffelben. fo iit das.
Interefle path'ologifch oder finnlich, ein
empirifchös Intereffe der finjilidi- bedingten prakti-
schen Vernunft (P. 14.1;), f. Achtung.
^5. Intereffe iit alfo das Wohlgefallen,
was wir mit der Voritellung der Exiftenz
eines Gegenftandefc verbinden. .Wir wer-
den daher durch diefes Wohlgefallen , als Triebfe-
der,, die wir uns in einer Handlungaregel vor-
itellen , beitimmt, den Gegenfiand zu begehren
oder wirklich* zu machen , feine Exiftenz zu be-
wirken. Ift der Gegenitand nun finnlich., fo ift
das Intereffe patho logifch , ' ift es das blofse
Gefetz, fo nehmen wir ein Intereffd an der Be-
folgung ' deffelben , oder wollen ' die Befolgung
deffelben durch uns zur Exiftenz bringen, und
dies iit das prajktifche Intereffe. Dafs iich nicht
das mindefte Intereffe in ein Gefchmacksurtheil men-
gen muffe, findet man im Artikel: Gefchmacks-
urtheil* 1. b. Aber obgleich eiii Urtheil übei;
einen Gegenfiand des Wohlgefallens (über das Schö-
ne) iich auf kein Intereffe gründet (ganz unin-
tereffirt ift), fo kajm j# 4j?ch ein Intereffe her«t
Vorbringen (i
gefallen' am
dafs es gefäll
reinen xnora
Interefle. 497
Gefchmacksnrtheile begründen an fich auch gar
hein Interefle (fie intet« ff iren an lieh nicht),
fondern nur in der Gefeil fchaft macht der Gefeilig«
keits trieb/ dafs jnan gefallen will, und da intar*
eitifen die Gefchmacksurtheile (U. 5. £), f. Ge«
fchmacksur theil, i6# u. Gefchmack, ,13.
Das Wohlgefallen am Angenehmem
ift hingegen mit Intereffe verbunden, £ An«
genehm, 4.
6. Endlich fagt Kant auch (K HL); da* In-
tereffe fei die Verbindung der Loit mit
dem Begeh rungs vermögen, fofern diefe
Verknüpfung durch den Verfiand nach ei»
ner allgemeinen Regel (allenfalls auch
nur für das Subject) gültig zu feyn gear-
theilt wird. Diefe Erklärung fümmt vollkom-
men mit der in 4 gegebenen u berein. Demi eis
Liiit mit dem Besehnine*verm/>2:en verkr- ^feri,
keifst dran BegehruTi^verr^z^n eirwe Txleirfeäer
geben, und wenn der Verrar-s*, <3er <£*t Vf-rv^jf«*
der Regeln iit, eine all::*r;^elr-t E>2re» 3»J~***l *-sA
hiernach diefe Verii-1 yi -z~z 3-- £~ -£ er*.i*T '**uu
^ •» •» ^
weder für das S^iett cc« £-r ^•u , : , . /- 2*
wird die Triebfe&itr c -jc ^ «t^ V<ttuvä. "^ 7 vr;** >-»_.%
Wenn wir die L-J?- -r*. /ue ^.: -:>»:. 2>*-; ^ . -%- ;.« -*x~
mögen verbur*d*Ä U: t * 7: .*-:■: *-:.*:* ;**«•, t v*
Luft nennen, /.> _r \^a >»•;.* .. .* ^» ? «, »*n«3*
wir fie darci «ir^t i«**!^ - < •£ -trtr 1 *n <^/t <»*r 1%
mit der Be^rcr-rir-rZ "^'»J-'- u'.sn inrf i#* '»v '.♦*r />t^
vorhergeht /esse i * I »rit v ; <;,- vt-r #».* . *;"»*
Neigung '^-vz-r-js u - 1* . '.':** ••* .l^j-^'t'* */
ein Intere//e te* v*r. * » 1 * niv Ktr.% $ yir
penfume -prrf^xzx „ 1. _ -sn * • 1 > * ; * 1 * • ^-*
tereffa. Wcaa auiJ2*£?n *.^ *-»- : mf *» r *:*i#* vs»
/
495 Interefle.
dehi Gegenftande ein Vernein ftin'tff reffe («p-
. jjrobatio intellectualis) genannt werden \müflen.
Denn wäre. das Interefle finnlich und ni<Jxt blofs
auf reine. Vernunftprincipien gegründet, fo niüfstej
Empfindung des Gegenstandes. der Maxime mit Luffa
., verbunden feyn, und fo das Begehrungsverm&genj
zum Trachten nach* demfelben beftimmtyi körinen.
Wo aMb ein blofs raines Vernunftinterefle, an-
genommen werden mufs, da kann ihm kein In-
terefle der Neigung untergeschoben werden. Wir
können s aber doch einräumen, dafs das JBegehren
aus reinem Vernunftinterefle auch habituell (zur
Gewohnheit) - werden könne, und dann heifst fein
folches Begehren, % dem Sprachgebrauch bei pathoJ
, logifehem Bögehren nach, Neigung. Nur dafs
eine folehe Neigung nicht die Urfache , fondern di^
Wirkung, des Vernunftintereffe ifi. -Diefe Nei-
gung kann i\ie finnenfreie Neigung (propenfi
intelltciualis) genannt werden (K. IV.). • " .
/ 7. Man kann auch jedem Vermögen des Ge-
müths ^in Int «reffe beilegen, _ d. i, es giebi
für daflelbe ein Princip (einen* oberßen Grund),
welches die Bedingung enthält, .unter welch ej
allein &ie Ausübung des Vermögens beförderl
wir<L N Nun ifi die Vernunft das .Vermögeij
der "PjriTicipien (fie Hellt die oberften GriüruU
vor), folglich Jmufs fie auch das Interefle allei
übrigen Gemüthskräfte befiimmen oder die ßd
djngung der Anwendung einer fölehen Gemüths
kraft fefifetzen. Das Vernunftinterefle abe
fetzt für die Vernunft felbft diefe Bedingung feft
oder beftimmt fich feYbß.- Das* interefle dti
fpeculativen Gebrauchs der Vernunft befteh
in der Erkeriritnifs des Gegenstandes bis zu der
höchfteri Principieif a prjpri; dies- ifi das logi
fche Interefle der Vernunft (f. 2.); oder darin
dafs mein Verftand das Urtheil fällt, es fei mi
der Befriedigung ctetf-Wifsbegierde Lufi verbunden
und folglich müile die Regel befolgt werden, di
/
Intereffc
jo
Tamnft-desu anzuwenden. Erken T.tr^s der Ge-
«fiöde bis zu den hudütrn *«**« « ^'T
Lrianeen; darin behebt das Interne • _ ' /*
Gebrauch meiner Vernunft ^^"^;" 7;
mich hat Aus «liefern Imereffe der Be.oHer-,
fc fpeculaliven Vermmfw«r»*ens V^£ r*
b>it-Lr auch das Intereffe für die E^;^^
deilelben auf, die fe oder yene***, *~ »- d !.s in
temTedesUmfanges oder ^Allge-e.nfce.t
»Anfohung der Gattungen, und da» Int««-« c*%
Inhalts oder der Beftimmtheit m Abfi.Lt ,uf
die Mannigfaltigkeit der Arten .welche «"£ *£
.im ab doppelte und ftch einander * ^""^
b.ereffe derlieiden befcndern* ermahn <m lj«*u-
kiven Vernunft, nehnilkh de» Vytie, » J«
Scharffinns (des VWTtchniu**»*™-^
? ,.ns)ift, f. Gleichartigkeit 4- fi- D« ^
U. des praktifchen Gebrauch, der Vernunft
befteht in der Beftimnmng des Willens, ™ £
fehur.» des letzten und vol'.ftand.gen Zweck > (de.
höchlten Guts als Endzwecks). Dies üt *» P"£
tifche oder «oralifche Intereffe. der Vernunft
fr i\ Ich foll nehmlich das praku. che oder
1 r k rJ+** in meine Maxime aufnehmen,
riioralifche Geletz in meine * k-»ndfln,
oder zur Regel machen, nach der «» handeÄ
will," folglich m»r. ich auch mit der •***%£*
.'»Ar Repl eine Luft verknüpf«.., ^ £» * £
SinnenluS entgegen fetze, fo *•* * h ,J^^ u ^|
reichung meines höchiten Endzwecks ( I ugend _ und
Glü^kfeligkeir) von ^er Bemnxmung d es £ .«»
r u_ i,^«nrk Hierin beitent o.\% nur t* "
verfprechen Kann- mt-n» ^.rivk* ifttfT-
r » -n^u Mhfi-'ewirKte Drahtliche lf»'^»
gens unbegreifliche relblt.e^virK y ,, he ,
effe meiner Vernunft , ocer das l " tc "" C ' f h Han .
der Gebrauch meiner Vernunft zum m alrfcj H
dein für mich hat. Au* diefem ln.*r «•»•
mLfchen Vernunftgebrfmchs überhaupt fo £
praktüchen v einzelne Tugend, x. B.
I
t .
|oo v Interefle,
r
haupt erforderlich, % dafs die Principien und Be-
hauptungen derfelben fich. einander nicht wider-
fprechen muffen. Das macht aber keinen T heil
ihres Interefle aus, fondern ift die Bedingung
überhaupt Vernunft zu haben , d. 1. das , olTne
Welches Vernunft zu haben unmöglich ift. Nur
die Erweiterung der Vernunft in ihrem Gebrauch,
nicht die blofse Zufaninienftimmung derfelben mit
fich felbft, wird zum Interefle derfelben gewählt
(P..ÄXÖ. £ M. II, 33a.)-
8* Es fragt- fich nun, .welches Interefle iß
das oberfte , welchem, Interefle gebührt der Vor-
zug, fo dafs ihm/ (dem alles übrige nachgefetzt
^erden mufs) das andere untergeordnet ift; dem
Interefle der fpeculativen oder praktiCchent Ver-
nunft, dem logifchen oder\ praktifchen Interefle
der Vernunft. % Man nennt 'diefen Vorzug da«
Eriinat; alfo welchem' Verntmftgebrauch gebüh-
ret das Primat? Wi^r wollen aber jetzt als be-
wiefeh annehmen, aus der Vernunft entfpringen
a y jfriQri gewiffe Gründe (Yorfchrif ten) , .den Willen
zu beßimixien.' Wir wollen ferner annehmen,
dafs mit diefen Gründen , den Willen zu beitimmeti
(Moijalgefetzen), gewiffe thepr^tifche^Behauptutigen
(dafs der Wille frei, ein Urheber der,Welt$ und
eine Seelenunßerblichkeit ift) unzertrennlich" ver-
bunden wären, welche die Vernunft in ihrem
fpeculativen Gebrauche nicht zu Qrgrübeln und
i^och weniger zu be weifen vermag, (ob fie zwar
'. derfelben auch nicht widerfprechen muffen , weil
foult keine Vernunft möglich feyn würde (f. 7.
4m Ende). Obige Frage ift aber nicht fo zu
verliehen: welches Interefle mufs dem andern wei-
chen? denn das eine wide'rftreitet dem 7 andern
laicht not h wendig; fond^xn, mufs das praktische
Interefle dem logifchen untergeordnet werden,
und diq Vernunft jene theoretischen Behauptun-
gen , die mit dem praktischen unzertrennlich ver-
b^den. find, darum aufgeben, weil fie in ihrem
I '
•Intereffe. 501
fpeculaiiven Gebrauche diefelben Irecler begrei-
fen noch beweifen kann, und diefe dem Interefl»
der fpeculativeu Vernunft Abbruch thun, und
diefelbe / durch Wegreifeung aller Grenzen der Er*
kewitnifs, allem Unfinn und Wahnfinn 1 der Ein-
bildungskraft preisgeben möchten, oder mufs «
das logifche Intereffe dem praktifchen untergeord-
net werden, und die Vernunft jene Sätze, ohn»
allen andern Beweis und fo wenig £e auch davon
begreift,, annehmen und mit ihren übrigen Be-
griffen zu vereinigen Tuchen, weil fie fohft dem
praktifch'en Intereffe entfagen müfste ? (P. g 16. M,
H> 333-)' Epikur war für das erfte, f. Epi-
kureismus. 3. •
1
9. Haltte die Vernunft, in dem Gebrauch der-
felben -den Willen zu beftimmen. blofs das Inter-
effe der Neigung (approbatio a propenßane pro*
feeta), d. h. blofs ein pathol ogiPches und kein
praktifches Intereffe, welches der Fall wär^f,
wenn Glückfeligkeit das Princip der Moral ttraref,
und alles Handeln nur auf zeitliche oder ewige,
äufserliche oder innerliche Wohlfahrt dbzweckte,
folglich alle moralifche Vorfchiiften aus der Er-
fahrung hergenommen und eigentlich nicht prak-
tifche Gefetze, fondern nur Klugheitsregeln wä-
ren: fo .hatte auch Epikur vollkommen rfccht,
und die Vernunft , hatte in ihrem Tpeculativen Ge-
brauch allerdings das Primat. % Man müfste dann
in der Th^t nichts annehmen, was Vetnunft nicht
begreifen und nicht ^ beweifen könnte , . und wir -
müfsten durchaus auf jene . theoretischen Behaup»
tun gen (von der Freiheit des Willens, dem Da-
feyn Gottes und der Unfterblifchkeit) , die alsdann
nichts zum Grunde hätten, Verzicht thun. Denn
fonft würden die Neigungen der Vernunft Thed-
fophie, My fticismus» und jedes x Ungeheuejr
aufdringen; t weil nehmlich die 'Vernunft anneh-
men; müfste, was fie auch nicht begreifen und
beweifen könnte, wenn es nur deil auf ftetigan-
' \
502 Ititereffe.
gen (den Bedingungen alles Wohlfeym) gegrün-
deten .Vorfchriften lieh glückfelig zu machen jde-
xnäfs wäre. D^nn mufste (fie endlich aiich Mu-
hanupeds Paradies, die fchmelzende Vereinigung
jnir der Gottheit der Schwärmer und Fanatiker u.
der gl. annehmen, welches eben fo gut wäre, als
gar keine Vernunft zu haben» Hat aber die Ver-
nunft, in dem Gebrauch derfelben den Willen zu
beltimmen, ein pra>ktifches Interefl'e, y welches
der Fall ift, wenn der kategorifche Imperativ
(den man aus blofsenj Mifsverliändnifle fo gern lä»
cherlich machen möchte, und der doch ein Ge-
g^nfitad 'der gröfsten Achtung ift, bei deflen Mifs-
fyfndlung man wohl lagen kann , fie willen nicht,
•was Xie thi^p) das Princip der Moral ift , und al-
Jsa Handeln darauf abzwecken Jfoll, das Gefetz
um-dea Gefetzes willen zu befolgen, - folglich die
moralifcjten Vorfchriften aus der Vernunft allein ;
en tipringen . und praktifche Gefetze , lind: fo hat
die praktifche Vernunft das Primat, Dann mufs
die Vernunft, in ihrem fpeculativen Gebrauch, ob-
wohl nicht zu demfelben, fondern nur um ' iie,
als wären fie begreiflich und bewiefen, mit allem,
wa's $e begreifen und beweif en kann, zu verglei-
chen und zu verknüpfen, folche Sätze anneh-
men, die unab^rennlich (f. Glaubensfa-
c h q ) zum p r a k t i f C|h e n Interfefle gehören. Öies
ilt ihrem logifchen IntereiTe (der Einfchränkung
des ipeculativen Frevels, mehr erforfchen und
, wiffen zu wollen, als möglich ift) gar nicht, zu»
.widpr, weil fie diefe' Sätze (es ift -eine Freiheit
des , Willens, ein Gott, eine Unfterblichkeit) gar
iiicht gebrauchen foll, ihre Krkenptnifs zu erweis
tern, fondern blofs, der Modalität Eingang und
Nachdruck für das Leben in der Sinnenweft zu
verfchaffen, * d, h, nicht in fpeculativer fon-'
tlern in praktifcher Abiicht (M, II, 334. P,
10. .In der Verbindung alfq de« Gebrauchs
der reinen Vernunft in fpeculativer Abikht mit
\
1 H
Interefle. ' 505
dem Gebrauch derfelben in praktifcher Abficht
führt der letztere das Primat; wenn nehmlich
diefe Verbindung nicht et\fra zufällig und belie-
big,' fondern noth wendig iß. Das heißt,
wenn die Vernunft in praktischer , Hinficht - die
Annahme eines Satzes nicht entbehren ltaün , oh«
ne einem Endzweck alles und alfo auch des mo*
ralifchen Handelns gänzlich zu entTagen: lo* mufs
die Vernunft diefe Sätze unter ihre übrigen be-
wiefenen Vernunftlatze aufnehmen, eben fo., als
wären fie wirklich a priori erwieferi. .Denn fopft
wurde die Vernunft entweder im Widerftreit mit
fich felblt feyn, oder nicht das Handeln, fondenk
das Wiflen 'zu ihrem oberften Endzweck maqhen*
Sie würde im Widerftreit mit fich felbft feyn,
weil fie nichts annehmen würde, was fie nicht
einfehen und be weifen könnte, und doch, wenn
fie vernünftig , das ift nach Zwecken 'handeln,
und ihren Zv^ ecken einen Endzweck fetzen will,
Sätze annehmen müfste, gleich als wären fie von
ihr eingefehen und bewiefen« Die Vernunft kann
aber unmöglich das Wiflen (die Erkenntnifs) zum
oberften Endzweck des Gebrauchs ihrer felblt ma-
chen, weil alles Interefle zuletzt praktifch . ift.
Denn felbft das Interefle dar Vernunft im Ge-
brauch ihrer felbft zum Willen (der fpeculati-
ven) ift unbedingt, foll nur wozu dienen , und
ift alfo im praktifchen Gebrauche allein vollftan-
dig; • weil allem das Handeln nach Grundlatzen a
"priori unbedingt, nicht, weiter wozu, fondern
um fein felbft willen, ift (p. 21Q. f, M. II, 335.)*
Man vergleiche mir «liefern Artikel die: Ach-
tung und Gefchlnack, x3„ f, .
Kaut Grundleg. zur Met. der Sitt. II. Abfchn. S» 58*
# S. 71. — III. Abfcbn. S. i2i. f.
" D e f f, Grit, der pract. Vern. I. Th. I. B. HI. Hauptft.
S. xa7- — S. 141. — S. 144. — II. B. IL Hauptft.
v . m. S. aifi, ff.
Deff» Grit, der Urtheilikr, 1. & &• Sr£. &
Wife!»
fo4 Involution stheorie. Irrendes Gewiffen.
De ffv Met. Anfmgngr. der Recbtilebre. Einl*t. h S,
. '..»Lt..
Involutionstheorie,
f. Evolutionstheorie.
Ircendes Gewiffen,
f. Gewiffen, g.
5°5
Kanon,
canon, canon. Kanon nennt Kant den In*
begriff der Grundfätze a priori, oder der
tu« dem tnenfchlichen Erkenn tnifs vermögen felbft
enifpringenden Grundvorfchriften, welche be»
ftimmen, wie gewiffe Erkenntnifsvermö»'
gen überhaupt zu gebrauchen find,
wenn ihr Gebrauch richtig, d. i. fo fern
füll, dafs Erkenntnifs der Wahrheit dadurch
möglich werde, f, Difciplin. Ein folcher Ka-
non für den VerAand oder für die Vernunft über-
haupt Üt z. B. die allgemeine Logik in ihV
rem analytifchen Theile, aber nur der Form nach,
• denn üe abfirahirt von allem Inhalt. Der ana-
lytifcha Theil der Logik ift nehmlich derjenige,
welcher die Regeln des Verftandesgebrauchs über-
haupt vorträgt. So ilt die transf cendontale
Analytik der Kanon des reinen Verbandes
überhaupt ^(nehmlich des reinen Verftandcs in en-
gerer | Bedeutung, als Vermögens der reinen Be-
griffe und Jkr reinen Urtheirskraft) (C. 170.);
denn.diefer iß allein wahrer fynthetifcher Er-
oho
weil
aber
ein
itige
%
r
506 * ßanon.
. Gebrauch feines folchen Erkenn tnifs Vermögens mog«
lieh feyn'; da nun * die reine Vernunft an und für
.fich keine fynthetifchen Erkenntnifle von Gegen-
' ßänden, liefern kann , fo piebt es puch keinen Ka-
non für die Vernunft für denjenigen Gebrauch
derfelben, der blofs .auf Erkenntnis abzweckt
(denn wenn man durch blofse Vernunft Erkennt*
' nils von Gegenfiänden erkünfteln will, fo ent-
, /pringt nichts als Schein) (C. 27.)- Hieraus folgt,
dafs wenn es, einen Kanon für die Vernunft giebt,
diefer nur denjenigen Gebrauch derfelben betrifft,
welcher auf die Befiimmung des Willens durch
G^fetze a priori (das Sittengefetz) abzweckt, * Und
einen folchen Kanon der reineji prakti«
fc^ien Vernunft hat Kant in der Critik der
reinen Vernunft (C. 823 -—859) geliefert. Er han«
delt in dejjnfelben:
A» von dem letzten Zwecke des reinen Ge*
brauchs unfrer Vernunft;,
B. von dem Ideal des höchfien Guts, als ei-
nem Beftimmungsgrunde des letzten Zwecks d«r
reinen Vernunft;
C« vom Meinen, 'Willen und Glauben.,
m
* 3. A. Das ganze Beßreben der Vernunft iß
auf die Beantwortung folgender drei Fragen ge-
richtet , zu welcher doch unfer ganzer Schatz von
- Erfahrungserkenn tnifs nicht das Mind&ße liefert;
0, haben wir einen freien Willen?
b. iß unfere Seele unfterblich?
e. exifiirt ein Gott? ^ '
(»II, 948 — 950),
4, Esr iß ab^r der Vernunft an der Beantwor-1
tung diefer Fragen nicht d^rtini £0 * viel .gelegen, I
Kanon. , 507
■
weil fie uns etwa zu unterer Erkenntnifs unent-
behrlich wäre. Sie hängen Mais mit der WiW
lensbeitimmung zulammen; denn zur Erkenntnifs
können wir von der Beantwortung didfer Fragen '
nicht den geringften Gebrauch machen, und den-
noch trachtet die Vernunft fo fehr nach diefer
Beantwortung. Aus der Vernunft entfpringen
nehiuJich Geietze, werche nicht unter der Vor-
aus fetzung , „ dafs ich einen ge willen in der Er fah-
rung gegebenen Zweck will, fondern fchlechthin
gebieterj. Der Gebrauch der Vernunft zur Belirm-
mung des Willens durch diefe Gefetze heifse der;
praktifche Gebrauch der Vernunft (Im Gegen-
(atze gegen den- fpeculativen,* oder zum Er-
kennen^ durch * blofse /Verrmnft), und diefer er«
laubt folglich einen Kanon. Durch diefe Ger
fetze fc h reibt uns die Vernunft einen Zweck "vor.
dem ^ fie jeden andern Zweck nachzufetzen ^gebi^-
tet, und auf diefe letzte Abiicht unterer Vernunft;
gehen auch obige drei Fragen (in 3.)» nehmlich
was zu thun fei, wenn
« .•
a. der Wille frei;
b. eine zukünftige Weltj und
c ein Gott fei« ,
Die erfte Frage fragt, was zu thun fei, wenn
der Wille fich durchs Gefetz der Vernunft gegen
alle Antriebe der Sinnlichkeit hefiimmen könne,
und die Möglichkeit, diefer Willetisbeßimmung
zeigt die Erfahrung durch die Wirklichkeit. Alfo
haben wir es in einem Kanon der praktifchen
Vernunft nur .mit den beiden übrigen "Fragen zu
thun: *
*
a. iß ein künftigss Letren?
b, iß ein Gott?
LJ
' I
$°b
Kanon.
5. B* Alles das, woran 1 der Vernunft irgend
gelegen ift, kann man durch folgend« drei Fra-
gen ausdrucken:
.««was kann ich wiffen?
N
1
ßj was foll ich thun?
y. was darf ich hoffen? *v ' ,
• »
Von einem künftigen Leben und Gott kaim
inan durch blAfse Vernunft nichts wiffen; die
zweite Frage beantwortet die Crk;k der prakti-
• fchen Vernunft und eine darauf gegründete Sit-
tenlehre; die Antwort auf die dritte Frage ift;
«s taufs ein künftiges Leben und ein Gott feyn,
weil etwas gefchehen foll und gefchieht (das Sitt-
lichgute), welches ohne ein künftiges Leben und
fcinen Gott nicht .geschehen kann und alfo auch
faicht gefchehen foll (C* 833- £ M. I, 958 — 961.)-
6, Die Beantwortung der zweiten Frage be-
ruhet t n eh ml ich auf dem Gesetze unfrer Vernunft,
* das uns oft gegen unfre Neigungen gebietet, folg-
s lieh Handlungen *von uns fordert , , welche ge-
fchehen f ollen, und alfo auch muffen gefcÜehen
können. Handle ich nun fo, fo erreiche ich
den mir durch dip Vernunft aufgegebenen Zweck,
und bin es würdig, auch den mir von meiner
Xinnlichen Natur aufgegebenen Zweck zu errei-
chen, d, i. glücklich zu feyn (C. 83 6* f« 'M. 1» 9 C 4*
7, So noth wendig es nun ift, nach, dem Ge-
fetze unfrer Vernunft zu handeln, fo noth wendig
ifi es auch, anzunehmen, dafs Jedermann die
Glüekfeügkeit in einem feiner Würdigkeit propor-
tionirten Maafae zu hoffen Ur fache habe. Die
der Sittlichkeit propqrtionirte Glüekfeligkeit "kann
aber nur unter; Voraussetzung einer höchiten Ver-
Kanon,
. \
So*
mmft (einqs Gottes) gehofft werden, weil au*
blofser Natur eine folche nothwendige Verknu*
pfuug nicht erkannt werden Kann. Da uns nun .
fiie Sinnen \velt eine folche Verknüpfung' nicht dar«
bietet, fo muffen wir fie von einer künftigen
Welt hoffen. Folglich find Gott und ein künf-
tiges Lebtfn zwei von der Sittlichkeit
nicht zu trennende Vorausfetzungen.
Nur unter einem weifen Urheber und Begierer in
einer intelligibeln Welt macht die Glückfelig«
leit mit der Sittlichkeit ein Syfiem aus» Diefe
muffen wir folglich annehmen, und daher lieht
auch Jedenpanh die moralifchen Gefetze als Gebo-
te an. Ohne Gott und eine .zukünftige Welt find
die Gefetze der Sittlichkeit nicht Triebfedern der
Ausübung, weil fie nicht den ganzen Zweck
vernünftiger Wefen (fittlich und glücklich zu wer-
den) erfüllen. Ohne uns Zwecke vorzufetzen,"
können wir keinen Gebrauch von unferm Versan-
de machen. Die höchften Zwecke aber find die
der Moralität. Diefen follen wir alle Natur«
zwecke unterordnen, folglich alle Gefetze der
Vernunft als Gebote des Urhebers der Natur,
d.i. Gottes betrachten (M. I, 967 — 970. 973. '973.
98o).
Q. C. Diefe nothwendige Voransfetzung des.
zukünftigen Lebens und Dafeyns Gottes bei dem
üttlichguteii Handeln Keifst der Vernunftglaube. *\
an Gott und Unfterblichkeit, wobei nur das ein*
%ige Bedenkliche ift , dafs fich diefer Vernunft- '
glaube nur bei moralifchen Gelinnungen finden
kann. Nehmen wir folglich einen Menfchen an,
der in Anfehung fit lücher Gefetze gänzlich gleich- N
gültig wäre, fo würden, für diefen die Fragen,
welche die Vernunft aufwirft, blofs ein Gegen*
Jtand der Speculation. Auch ihm wird an der
Beantwortung diefer Fragen noch gelegen feyn,
denn es ilt kein Menfch bei denfelben frei , von
allem Intereffe; das merxfchliqhe Gemüth nimmt
5i o
Kanon.
•%
ein natürliches Interefle an. de* Moralitat, ob* es
gleich nicht ungetheilt und praktisch überwiegend
iß. Ob alfo gleich ein'Menfch, wegen des Man-
gels guter Gelinnungen, ein fehr geringes mor a-
lifches Interefle haben, das heifst, ihm nicht
viel daran liegen möchte f Jßttlich, gut, und fo
der Glückseligkeit würdig zu werden: fo wird
ihm doch immer nbch fo viel von diefem Inter-
efle für das Sittlichgute übrig bleiben, dafs es
die Wirkung 'haben wird, ihm ein göttliches Ela-
feyn und eine Zukunft furchtbar zu machen,
und das Moralgefetz als Gebot, d. i. verknüpft
mit Drohungen für den Vebertreter zu fürchten.
Denn dazji wird nichts mehr erfordert, als däfs
er wenigftens keine Gewifsheit vorfchützen könfte,
dafs kein folches Wefen und kein künftiges Le-
ben an zu treuen iei, wozu, weil es durch blofse
Vernunft , mithin apodiktifch bewiefen werden
mülste , er \die Unmöglichkeit von beiden darzu-
thun haben- würde, welches gewifs kein vernünf-
tiger Menfch übernehmen kann. Ein folcher (ne-
gativer) Glaube (des fittlich böfen Menfchen) wür-
de zwar nicht Moralitat und gute Gelinnungen
bewirken, könnte aber doch den Ausbruch der
bAfen mächtig zurückhalten. Machet daher nur
die Menfchen zu littlich guten Menfchen , fo Wer-
den fie auch an Gott und Unfterblielikeit glauben
(C. 857- *• M - *> 998.)-
9. Frage. Ift das nun der ganze Auffchlufs,
den uns die Philofophie über diefe beiden wichti-.
gen Fragen giebt? Kann, uns denn, wird man
fragen', die reine Vernunft weiter keine Ausfich-
ten über -die Grenzen der Erfährung Jiinatts eröff-
nen? Nur zwei Glaubensartikel* giebt fie uns?
So viel hätte auch wohl der gemeine Verband,
ohne darüber die Philofophen -zu Bathe zu ziehen,
und^ohne fo viele Zurüftungeh und Unterfuchun-
gen , die der Philofoph anltellt, ausrichten kön-
nen (C. 858- M. I, 999.).
Kanon. Karrikatur. 5ix
1 10, Antwort. Ja, die- höchße Philoso-
phie kann nichts weiter, als, was man ohne fie
anfangs nicht vorherfehen konnte , entdecken ,
dafs fie es in Anfehung der wefentlichen Zwecke
der menschlichen Natur nicht weiter bringen kön-
ne, als die Leitung, welche die Natur auch
dem gemeinen Verftande hat angedeihen lauen (M.
I, iooo.-C. 859«)*
• «
Man wird übrigens* noch vieles hieher gehö-
rige unter den Artikeln; Behaupten, Coji-
cret, E inheimifch, 5. Fr eiheit, a6. ff v 51.
Fürwahrhalten, Gewiffen, 7. Ideal, 3.
Ideal des höchften Guts, antreffen.
Kant. Critik der reinen Vern. Einlei t. VII. S. 27. —
Elementar]. II. Th. I. Abth, II. Buch. S. 170« —
". Methodenlehre II. Hauptih S. 8*3 — Q49.
Karrikatur,
caricatüre. Man nennt fo, das Charakte-
riftifche s eines Individuums, wenn d.iefes
Charakteriftifche übertrieben ift, d. i. wenn.
es der Normalidee der Zweckmäßigkeit
der Gattung felbft Abbruch thiit (ü. 59*)).,
„ fl. So ift eine Zeichnung, * darin das SpecU
fifche (nicht zu der Gattung Gehörige) in der Bil-
dung, die einzelne Per fönen charakterifirt, über-
trieben ift. l^arrikatur* Nach Sulzer (All-
gem. Tneotie-der fchönen Künfte, Art. Carrica-
tur) ifi dies die urfprüngliche Bedeutung des
Worts, die hernach "auf jede übertriebene
Vorftellung ift ausgedehnt worden. So fagt rrian
von /einem übertriebenen Charakter in einem Ge-.
dicht, es fei nun Lutifpiel, Trauerfpiel , Roman,
oder Heldengedicht, ^s fei eine Karrikatur.
Die Vorftellung wird dadurch poflirlich, oder es
wird dadurch etwas poflirlich vorgestellt; aber die
«
»
\
%
V
\
I
\
\
t
i
51* ^ Karrikatur. . t .
Karrikatur iß darum nicht blofs eine Voiftellung
des Poflirlichen, welches ein Gegenltand an lieh
hat, fondern die Darftellung der poflirlichen Vor-
fiel! ung, welche der Künfiler üch f von einer
-vielleicht /noch fo eroitliaften Seite des Gegenfian-
des, macht,
3. Das Uebertriebene des Charakteriftifchen des
Individuums ift alfo das Hauptmerkmal der Karri-
^Jk^tur, und es kömmt daher auf den richtigen
^Begriff diefes Uebertriebenen an.- Wir können uns
durch untere Einbildungskraft eine einzelne An-
£cha\iung machen, welche das ftichtmaafs ilt, wor-
nach wir beurtheilen können, ob eine Darfiel-
lung auch nicht fo über die Grenzen des Da 1 ge-
sellten hinausgehet , dafs daflelbe in der Natur an
» keinem Individuum der Gattung zu finden * feyri
würde; eine folche Anfchauurig nennt Kant die
Kormalidee. Diefe Normalidee kann alfo ih-
rem Begriffe riach nichts Specififch - Charakterifti-
jefies' enthalten. Gefetzt aber, die ParftelJung des
, Specififeh- Charakteriftifchen ati ein ein Individuum
wäre fo ,. dafs der Normalidee dadurch Abbruch
„ gethan würde, dafs der Gegenltand, fo>toie er dar-
geltellt ilt, nicht einmal mehr recht zu dem Zwecke
taugte, wozu er dienen folite; fo wäre die Dar-
fteilung Karrikatur. So ift die Darfiellurig eines
gewifTen Staatsmiitijters als ejn brennendes Bin-
fenlicht, Karrikatur, denn diefe Darfiellung des
Specififch »Charakt er itüfehen des Minifiers, dafs er
in der Nacht der Staatsverwirrung nur wenig
Licht geben foll, thut dem Gattungsfegriff des
Menfchen, der kein Bin fen licht feyn kann, Ab-
bruch. Unter den Neuern hat befonders Ho*
garth (ich durch folche Karrikaturen hervofge-
than»
r
4. Kant giebt (A, 479.) noch folgende Erklä-
rung von d*i* Kar iflfratar; fie ifi vorfetzlich
übertrie r
Karrikatur. Kategorie. 513
des Gefichts im Affect, zum Auslachen
erfofinen, Er fpricht aber hier eigentlich nur
von der Karrikatur des G e f i'c h t s , : indem die
Rede davon ilt, dafs ein durch. Hautfarbe oder
Pockennarben verunllaltetes und unlieblich gewor-
denes Geliclit, wenn Gutmüthigkeit und das Wa-
ckere aus denselben hervorleuchte; keine Zeich-
nung in Karrikatur fti. Kant fetzt aber noch
zwei Merkmale hinzu, von denen das eine den
Geilt, das andere den Zweck der Karrikatur aus-
drückt. Der Geilt der Karrikatur ilt, wie der
aller Darftellungen von Menfchcn, wenn üe
nkht blofs leere Bilder feyn Tollen, dafs fie den
Innern Menfchen, d. i. die lieh in Handlung
offenbarende eigen thümliche Sinnesart des Men-
fclien darltellen. Diele offenbart lieh aber äußer-
lich hur im Affect oder in dem heftigen Gefühl,
welches lieh durch merkliche Veränderungen im
menschlichen Cörper, vornehmlich im Geliebt,
äuJicrt. Der'Zweck der Karrikatur ift aber, den
Gegenstand lächerlich zu machen und ihn daher
polürltcb darzuitellen.
Kauf. Crit der Urtheihkr. $. 17. 59.*^
Kategorie, '
Prädicament, .Stammbegriff des reinen
Verftandes, xarrjyogia , praedicameittmn , c a-
tegorie, ' pre die amen t. Die Einheit,
welche der blofs e 11 Syn'thefis verschie-
dener Vorftellungen in einer Anfcha'u-
ung durch die Function des Verltandes
. f.). . Kant behauptet,
gen, welche, beim An-
und beim Denken, aus
1, und durch -welche der ;
, Vorftellungen (das Man-
fchauung (unmittelbaren
.audes durch den binn)
Kk
§ 1 4 ' Kategorie*
verknüpfte , und . fie in dieler Verkmipfung (Syn-
thefis) unferm Bewufsifeyn nicht mehr aJs \er-
fchiedene Vorfiellungen, iondern als eine einzige
(Einheit) vorftellA,. Er nennt diefe verknüj>i en-
den Vorßellungen Einheiten, weil fie alle Ver-
knüpfung möglich machen, und fie, folglieh nicht
auch nochmals ein Verknüpftes verschiedener Vor-
ftellungen gedacht -werden können. Die Opera-
tion de$ Verbandes,- wodurch er die verfchiede-
nen -Vorftellungen* in der Anfchaüung mit einan-
der Verknüpft, um fie durch die Einheit, die er
hinein legt, dem Bewufstfeyn als eine einzige
, Vorftellung zu überliefern, ifi felbft fehr zufom-
ityengefetzt , und wenn wir fie uns daher denken,
fo. verknüpft der Verftand auch die verschiedenen
Vorßellungen feiher Operationen beim Verknüpfen
zu einer einzigen Vorftellung, der Vorftellung ei-
nes Acts des Verftandes, welche Einheit diefer
Handlung Kant eine Function des Verftandes
nennt: -Nun giebt es verfchiedene felcher Acte,
alfo verfchiedene folcher Einheiten dler Operatio-
nen des Verftandes, oder' wie fie Kant nennt,
verfchiedene Functionen deflelben , und durch ei-
ne jede wird aucn eine folche Einheit in tias Ver-
knüpfte der verfchiedenen Vorltel Jungen in der
Anfcha\iung gelegt r die fodann, als ein Begriff
von diefena "Verknüpften des Mannigfaltigen in
der Anfchaüung eine Kategorie t genannt wird.
Ein Beifpiel 'hierzu findet man unter andern im
Artikel Dafeyn, 3- ff. , indem der Begriff % D a-
feyn eben eine folche Kategorie ilt. -
s« Die Kategorien find alfo, wie Brafiber
ger (Unterfuchungen über Kants Crit. I. der rein-
Vern. S. 109.) ganz i^chtig fagt, uranf abgliche
Eleöiente aller objeetiven Erkenntnifs, aber nicht
die einzigen, weil die Formen der Anfchautmg
(Raum und Zeit) auch dazu gehören. Es lind he
. griffe, die fich aber doch nicht weiter, wie an
dere Begriffe in Xheilvoritellun gen zerlegen laßen
Kategorie. 515
und ganz * einfach Und; daher fie ungefähr eben
fo zu den Begriffen -gerechnet werden kön-
nen, wie die Eins zu den Zahlen; Sie liegen
nicht urfjjrünglich im Verftande, als wären fie
angebohren , wie Leibnitz lieh von einigen Be-
griffen vorftellte, fondern lie entfpringen jedes*
mal bei den Operationen des Verftandes, als die
Functionen deffelben, aus ihm, tind find die
Einheiten der Verftandeshandlung, verschiedene
Vorltellungen unter eine gemeinfehaftliche zu ord-
nen', felbjft. Sie find alfo die Bedingungen, unter
welchen und durch welche es allein möglich ift,
das Mannigfaltige gegebener Anfchauungen zur
Vorfiellung eines Gegenltandes zu verknüpfen,
und überhaupt irgend einen Gegenitand zu denken.
Kant nennt diele Kategorien auch wohl reine
Verftandesbegriff e, weil der reine Verftand
ihr Geburtsort ilt, oder lie gänzlich a priori aus '
demfelben . entfpringen f und gebraucht auch wohl
diefe Ausdrücke als gleichbedeutend (C. iofi.)- Al-
lein eigentlich muffen diele beiden Ausdrücke von
einander unterfiphieden werden. Alle Kategorien
find nehmlich reine Verfiandesbegriffe, aber nicht
alle reine Verftandesbegriffe find Kategorien. Es
giebt nehmlich auch reine Verfiandesbegriffe, wel-
che blofs von Kategorien können abgeleitet wer-
den, und aus blofser Verknüpfung derfelben, oh-
ne einen neuen Uract diefer Verknüpfung entfprin-
gen., So ift der Begriff der Kraft nichts anders
als der Begriff der Caufalitat einer Subitanz, eine
Verknüpfung zweie* Begriffe, welche durch die
Kategorie der Subitanzialität möglich wird, indem
die Caufalitat als das Accidenz der Subitanz ge-
dacht wird. N Das find alfo abgeleitete reine Ver-
-itandesbegriffe , welche von den reinen Veriian-
desbegriffien , die Stammbegriffe find^ unterfchie-*
den werden muffen, und nur diefe Stammbegriffe
helfen eigentlich , Kategorien.
/■ * •
, *
gl 6 Kategorie.
■* •
Metaphyfifche Deduction $er Kate-
gorien.
3. Die erfte .Unterfuchung , welche hierüber
aiMEuftellen / ifi , ttÄre nun: wie ergeben fich alle
diefe Kategorien ganz vollftändig, wie lallen lie
fich auf eine Art entdecken, bpi der man gewifs
feyn kann, dafs man lie alle habe, dafs keine
fehle, 'und auch keine fich unter ihre Gefellfchaft
mifche, die nicht darunter gehört? Hierzu hat
nun Kant einen Leitfaden .an den verfchiedenen
Arten der Urtheile gefunden. Wenn nehprich
der Verstand die verfchiedenen Arten der Urtheile
(f. Function 4. ff.), hervorbringen will, fo erge-
ben fich die Einheiten oder Functionen dieler
Handlungen des Verßandes. Der Verltand ftellt
fich jede diefer feiner, übrigens fehr zufammenge-
fetzten Operationen als einen Act durch «eine befon-
dere VorfteHung vor, durch welche lie fich von deu
übrigen unterfcheidet. . Durch die eine Clafle diefer
einfachen Voritellungen denkt der Verfland, von
welchem Umfange die Befiimmung des Subjects
cUirch das Pradicat fei, entweder dafs das' Subject
, als ein einziger Gegenstand, und nicht als ein
Begriff, unter, dem mehrere Begriffe von Gegen-
ständen , als unter ihm enthalten, gedacht wer-
den können; oder dafs er als ein folcher Begriff
xmd zwar wieder für alle Begriffe von Gegen-
ständen, deren Merkmal er iß, oder nur für ei-
nige dureh das Pradicat. zu befiimrnen oft (f.
Function» 5. ff.). Durch eine andere Clafle
. diefer Vorfiellungen denkt der Verfiand die Be-
fiimmung der Befciiaff enheit des Subjects felbft
durch das Pradicat, und zwar entweder dadurch,
dafs es zu der Sphäre des Begriffs im Pradicat ge-
zählt wird (die Bejahung des Prädicats vom.
Subject), oder dadurch, dafs es von der Sphäre
des Begriffs im £fiidi&3t JttWge fehl offen
Verneinuh
dadurch.
*
• Kategorie. (J17
i
Prädicat auf irgend eine Art bfefchränkten Sphäre
alles Mögliche*» gezählt wird (die tiefchrän-
kung der Sphäre alles Möglichen für das Subject
als eines folchen) (f. Function, > £. ff.)/ und fo
bei den übrigen, Ciafleh (f. Function, n. ff.).
Liefe Begriffe oder Vorßellungen , von denen bei
allen * anheilen aus jeder ClaiTe wenigltcns eine
vorkommen mufs, und da denken nichts an-
ders als urtheilen iß, auch, bei allem ^Denken , und
die, als die Einheiten alles. Verknüpfens durch ur*
theilen und denken, das Urtheilen und Denken
eilt möglich machen, find nichts anders als die
Kategorien. Diefe' Herleitung der Kategorien aus
den verfchiedenen Arten der Urtheue nennt -Kant
die nietaphyfifc-he Deduction derfelben.
Sie ift um fo auffallender, da man bis» auf Kant
dieie Kategorien aus der Erfahrung herleitete, und
duch von ihnen behauptete, fie müfsten in aller
Erfahrungserkenntnifs vorkommen, ja felbfi in
iblchen Erkenntniflen , die nicht aus der Erfah-
rung entfpringen-, oder von denen es doch keine
Erfahrung giebt; weil man nehmlich keine Er-
fahrungserkenntnifs kennte, in welcher fie nicht
vorkämen , welches aber theils nichts dagegen be-
weilet, dafs lieh nicht vielleicht doch noch ein-
mal ein Erfahrungserkenntnifs werde entdecken
laden, in weichem fie nicht vorkommen, theils
auch nichts dagegen, dafs vielleicht in der Er-
kenn tnifs folcher Gegenfiände, von denen es kei-
ne Erfahrung geben kann, z. B. Gott, Geilt u.
f. \v. , vielleicht auch keine foiehe Begriffe ent-
halten feyn mögen, '
4. Der Satz, den Kant alfo behauptet , iß:
Die Stammbegriffe de$ reinen Ver-
bandes ; oder die Kategorien ent-
fpringen a priori aus dem reinen
rftande, denn fie treffen mit den
einen* logifchen Functionen
$ zufammen; ;
V
5*8 - - Kategorie. .
oder find eigentlich felbft diefe Einheiten , -welche
# die ^verfchiedenen Arten von Urtheilen npüglich
machen, * und durch welche (ich etjen diefe ier-
•fchiedenen Arten von Urtheilen unterfcheiden.
So vielerlei Functionen der Urtheile es alfo giebt,
io vielerlei Einheiten der Verknüpf ubg zu folclien
l?rtheile:q nmfs es folglich geben. Diefe ,Stanini-
begriffe des reinen Verltandes , wenn fie a priori
feyn fallen, riiüffen Allgemeinheit und Not-
wendigkeit in * ihrem Begriff enthalten. Sie
find alsdann die Begriffe, die ftets bei dem Ge-
fphäft des Denkens und Erkennens aus dem Ver-
sande entfpringen , : und durch welche* erlt alle
Erkenntnifs möglich wird, indem iie die gehörige
Noth wendigkeit und folglich Sicherheit und Ge-
wifsheit in unfere Erkenntnifs bringen. Um den
. obigen Satz gehörig zu verliehen , mufs man lieh
einen HauptUegriff deutlich , machen, der in der!
kr-itifchen Philofophie eine" grofse Rolle fpielt.
Dies ift der Begriff der Synthefis. Kant* ver-
ßeht unter diefem Wort diejenige Handlung des
N Vetftandes, oder ' des Denkens, durch die der!
Verftand das Mannigfaltige (die verschiedenen Vor
. ftellurigen) in der Anfchauung auf ge'wifle Weif«
durchgeht, auffafst Und fo mit einander verbin
det, dafs daraus eine Erkenntnifs wird (M* I, in
C* 102.);
5. Di£ Synthefis (welches Wort griechifc
ift, Und eigentlich Zufammen fetzung heifsti und
7 auch durch Verbindung, Verknüpfung aas
gedrückt werden kann) ift dasjenige, was.eigent
lieh die Elemente zu Erkeiintniffen fammlet unc
zu einem gewiffen Inhalt vereinigt, und geht.al
ler Analyfis ^vorher. Die Analyfis ift nehm
lieh 3ie --Auflöfung einer Erkenntnifs in ihre Ele
inente, wodurch die Erkenntnifs deutlich wird
indem ich durch fie mir bewufst werde , was al
les m meiner Erkenntnifs liegt. Bei der Entfte
/ hurig uiifrer Erkenntnifs kann nun aber die Ana
Kategon*. $t 9
lyfis nicht den Anfan; m*chf&. Denn ehe ich
etwas analyfiren oder in foi.e Elemente auikien
Jtann. mufs erit etwas Zufaiumen.;etVt£te3 da
jtvn, was ich auflofen foiL Folglich iii die Svn»
theiis eher als die Analyiis, oder die ediere geht
yor der letztern her. Cnfere Erkenntnifs ent-
fpringt alfo nicht, wie man es lieh vor Kant vor*
itelite, mit der Analy/is, fondern mit der S>n*
theiis, und der Verfiand mufs erft . zufammen«
fetzen und verknüpfen f ehe er auflofen und zer*
Ifiien bann. Synthefis, in der allgemeinfien
Bedeutung; ift alfo die Handlung des VerUundes,
vei Ichiedön e Vorfiellungen (das Mannigfaltige) zu
einander hinzu zu thun, und diefe Mannigfaltig*
ich der VorfieJlimfiren in Einer Erkenntnifs zu be»
greifen. So ift jedes Urtheil eine Synthefis; ich
thue nehmlich z. B. in dem Unheil » v alle Cörper
und zufammenpefetzt, zu der Clafle der zufam-
rjengefetzten Dinge auch die Cörper hinzu, und
fade alfo dadurch mehrere Vorfiellungen unter der
Vorftellun£ des Zufammenzefetzten zufammen.
Diefe Synthefis ift rein, wenn das Mannigfaltig*
der Anfchauunir. das durch' fie zufarnnirii;:*:? n»t
wird, a priori gegeben iit. Es Vht.it neKtuhih
Jiichrs zuiammeniitriV-t werden o**rr \>t\t.e z\t**
theiis entstehen, werin d*xi Verr-ax.-"« T.icht +u
was zum Zu f~n* tt; er-:. .Ten £*:re l -tr; *iH- 5* *n
ftird dem Verbinde ein *t-/: z-v. Z'-'jä'.'«?*^
oder zur SADtljeüs £*_** >*i« -c-»*._ cj? L;.c;.'ke
uif unfre binne* <j--s~j. c-/* r ;• -*'t er. 'i * 1
äann etwas a s ct I^fi*-".** 5~* •;'-.* ;*-?■*-*,
lind iit" folcli-cii t.Iv.i •*-_• , ',i.'-s*x * ••; : ' • :.*
tber unXere Slf.T-".:; * *\-t '.- •■•. *- ' 1 1 > v ! x
ion f 4. 31"; eir* IIc" ^\ _** t, ;-*.•.* >,-. * ■ »-^
hefis dar. Y-.rz. v-:, Z* ". »- .* •-* *■•>:•■ . «
in Manüi^f^U-r« -^ ** ;**~- -- -' -« ■«* * ;•'-•■*•
Chören aber ^ *u--a-t ^^ ta t-<* h»~ r r . •.-* .
mter we2cLe& n^»r Om. : ':• \\ .k t* •*<'.;. i#e
mpfangen kar- 7^<~ -'-.st./. • ». «-•- J.-- i--t
ind der Zeit ÜT i. iv r *risr."i» :-v: . <**-i u: #•=*
520 Kategorie.
i
Gemiith felbft dem Verßande zu einer Synthefis
darbietet, und wenn der Verüand diefen Stoff,
es fei nun zu reinen Anfchauungen , wie z. B. in
* der Geometrie, oder zu Begriffen von diefen An-
fchauungen, z. JJ. zu dem von einem Triangel,
verbindet, fo'heifst diele Svnthelis rein. 'Mit
der Synthefis eines Mannigfaltigen nun , fie mag
empirifch oder a priori feyn, fängt die Erkennt-,
nib an. Sobald nehmlich durch die Sinnlichkeit
der Stoff zur Erkenn tnifs gegeben wird, . mufs
ihn der Verltand verknüpfen. In der Folge wer-
den wir fehen, dafs dieles Gefchäft mit eineni
. fehr dunkeln Bewufstfeyn geichieht , und dafs
datier die Erkenntnifs anfänglich noch roh und
verworren feyn kann, und alfo der Analyfis be-
darf. ' Allein die Svntheiis iit doch das erfte,
worauf wir Acht zu geben haben, wenn wir
-über den erfien Urfprung unfrer Erkenntnifs ur-
theilen wollen (M. I, 112. C* 103.) »f. Synthefis.
* . 6. Die reine Synthefis allgemein
vorgefiellt gLebt die Kategorie, und
fie beruhet auf diefer Tyn thetif ch en Ein-
heit a priori, aU auf ihrem Grunde. Da
diele Safche ihrer Natur nach fo dunkel iit, fo
•wollen wir fie uns noch durch ein ßeifpiel er-
läutern. Gefetzt, wir wollen uns der reinen Vor-,
fiellung der Zeit bewufst werden, fo giebt uns
die reine Sinnlichkeit, d. i. die blofse Fä*
higkeit, finnliche Eindrücke zu erhalten, ein Man
Jiigfaltiges, in welchem wir weiter nichts unter
fcheiden können, als die Art, wie es mit ein
ander verknüpft iit, z.B. daß die Zeit ein Con
tinuum oder eine'ßetige Gröfse ift, d. h. ei
xie folche Gröfse , in der , ohne alle Lücken , das
Ende des einen Theils immer auch der Anfan
des folgenden iß, wie bei einer geraden inline
fortlaufenden Linie im liaum. Wir werden un
m der Folge überzeugen, dafs. diefe VSrknü
pfung vcriuittelfi: unferer Einbildungskraft in je
Kategorie. 5 2 1
lies Mannigfaltige hineingebracht wird.' Jetzt
wollen wir uns nur deutlich machen , worauf die
Verknüpfung (Synthelis) überhaupt, beruhet, oder
wie uns die Voritellung ucrfelbcn möglich wird.
Wäre die Zeit eine wirkliche Linie, Jo könnten
wir jße meflen durch irgend einen Maafsitab. Al-
lein die Zeit hat' die belöndere Befohaffenheit, dafs
wenn ein Theil derfelben entlieht, der andere
verfch windet, und fo 'bleibt uns kein anderes Mit-
telSibrig, ihre Theile mit einander zu verknü-
pfen, als das Zählen. Und hier, dünkt mich,
Vird es bei der Zeit am alleriichibarften, daf& es
der Veritand iit, der Verknüpfung und Einheit
hinein bringt, und dadurch die Voxftellung der \
£eit erlt möglich macht. Denn der Verftand
mufs durch das Zählen den verfloflenen Zchtheil
gleich fam feft halten und mit hinüber nehmen zu
dem folgenden Zeit theil, diefe beiden Zeitlht'ile
wieder zu dem folgenden, und fü Secunde zu
Secunde, Minute zu Minute, Stunde zu Stunde
fetzen , um lieh das Ganze der Zeit vorzuliegen,
die immer nur in der Grenze twifchen der ver-
floflenen und zukünftigen wirklich gegenwärtige
Zeit ift. Diefe Verknüpfung des einen Zeittheil-
chens mit dem andern (eigentlich des Mannigfal-
tigen oder der yerfchiedenen Vorftellungen in 4er ,
Zeit, die erlt durch die Verknüpfung des Verftan-
des. Zeit werden) würde uns aber doch zur Vor-
fteHung der Zeit noch nichts helfen, wenn nicht
in derfelben eine fynthetifche Einheit a priori lä*
ge Das heifst , durch tliefes Zählen mufs ich
die einzelnen Zeittheilchen zu' einem folchen Gan- '
zen verknüpfen, dafs ich fie alle in diefe Vor-
fiellung eines Ganzen, einer Einheit, { z. B. einer
Stunde Xo vereinigte, dafs ich nun nicht, mehr
an die einzelnen Theile denke, woraus das Ganze '
befteht, wenn ich mir diefes Ganze vorfielle.
Die Voritellung eines folchen Ganzen heifst fyn-
thetilche Einheit, und ift wohl zu un-
terfcheiden von der Vorfiellung der zu einem Gan-
M »
5? 2 Kategorie.
zen verknüpften Theile, in der ich mir das Gan--
ze in feinen Theilen denke', welches die a na-
iv ti»f che Einheit heifst., Jene fyntheti-
fche Einheit ilt aber zur Vorfiel] ung j^des Ge-
/ genltandes, als eines Ganzen, durchaus noth-
wendig, und lie ift alfo eine aus dem Veritande
felblt emfpringende Vorflellung a priori, durch
die er die Synthefis möglich macht. Dießi^fyri-
thetifche' Einheit iit nun jederzeit der Grund,
Aach welchem alle verfchiedene Vorilcllungen zu
einander hinzugeth.m werden^ und der folglich
ihnen, allen gemeinfehaftlich iß. Sie iit der reine
Vejrfta>ndesbegriff, und Tg ift diefer der Gru*id f
auf welchem i die ganze Synthefis beru-
het (M.I, 114. c; 104.).
7. Die Kategorie ift alfo eine fynthe-
tifche Einheit. des Mannigfaltigen in
derv Anschauung überhaupt;, djirch wel-
v che (Einheit) der Verjtand in feine Vorfiel-
lunaen einen tr ansfeenden talen Inhalt
bringt, und die daher a -priori auf Ob-
jekte geht (C, 105.). Im Artikel Dafeyn^ 4.-
findet man diefe Erklärung verdeutlicht. Warum
aber diefe Einheit fynthetifch heifst, habe ich
bereits gefagt, weiter" ausgeführt findet man es im
Art, Einheit, 14. wie auch, was das heifst,
daffc üe a priori auf Objecte geht.
*
r ■ ■ ' '
v • ■
g* Dafs Arifioteles ein Buch von diefen
Kategorien .gefchrieben hat, findet man im Art.
Ariftoteles, 4. f. Weil aber . Ariftoteles di
Quelle der Kategorien nicht kannte, fo wufste er we-
' der /die rechte' Anzahl derfelben anzugeben, noch
- fie gehörig von andern Begriffen zu unterfcheiden.
In den bereits angeführten Stellen diefes Wörterb.
im Artikel: Einheit, 14. u. Erfahr ungs ur-
theil liehet man ebenfalls, dafs diefe Kategorien
niohts als die logifchen Functionen in den Ur thei-
len find. * Es entfpringen daher auch gerade, fo
Kategorie. 523
viele' Kategorien, welche a priori auf Gegenfiände
der iinlchauung überhaupt gehen , als es logische
Functionen zu uit heilen giebt. Die Identität je-
der einzelnen, Kategorie mit einer - Function . zu
urtheilen wird unter den» Namen deVitlbt-n nach-
gewiefen. So v'ül es alfo Arten der L'rtheile
gkbt., 15 viel Kategorien oder Stamm begriffe d'es
reinen Verbandes giebt es, nicht mehr und nicht
weniger. - Und fo ift'der Verfiand völlig erfchöpft,
diele- Kategorien müden .durchaus die ganze Kr-
tteruHnils der Dinge aus blofsem Verlu-nd.; aus«
machen. Es üi alfo das Vermögen de« Verftaiv
des durch die" voll Händige Aulündung- ciiefer Ka-
tegorien völlig ausgemeflen, lie geben alle* an,
was von jedem Erfahriingügcsenßarjüe und.j^dem
Ge^enltande, der ohne Erfahrung erkannt oder
gedacht wird; a priori durch den bloisen Ver-
band erkannt werden kann (C. 105. Pr. 120. M. I,
-7.). ■ ■ , -
9. Die transfcendentale Tafel aller
diefer Kategorien findet man im Art. Kr fall •
tungsurtheil, 1 i. B. Die Identität j.-.dei ein-
zelnen Kategorie mit einer Function zu iu (heilen
wird eigentlich unter dem Namen diefer f<au Mo-
rien nachgewiefen . f. z. B. Dafeyn. C11 aner
doch auch hier ein Beifpiel da\on zu geb>m t will
ich zeigen , wie die dre.i Kategorien der Quanti-
tät von den Functionen der quantitativen Irtueile
abzuleiten lind. Im Art. Function, -'.. fi. fin-
det man die Arten der ITrtlieile ihrer Quantität
nach.. Es giebt aber in jeder Sprache 'Af irttr,
WnrlurMi m.in amfitrt wdrKp Q|iailtiU>t cU% g«-
Vorter haben den
er ind ividuel-
ind diele ^tanti-
, z. IS, <<*jui t
1, z, U, d'mler.
/
524 Kategorie-
jener, Ca jus' ift gelehrt; diefer Mann iß mein
, Freund.
« * ■
*
b. Far die befondern oder particularen
Urjtheile (Function, Ö.) find im Deutfchen die
Wörter: etliche, viele, mehrere, einige,
manche/ diefe Ouan titäts zeichen , z. ß. einige
Menfchen find gelehrt.
* c. Für die' allgemeinen bejahen-den Ur-
theile find im Deutfchen die Wörter: alle, je-
de, für die allgemeinen verneinenden Ur-
theile. die Wörter: keiner, Niemand,* folche
Quantitätsfceichen , z.B. alle Menfchen lind Werb-
lich; ke,in Menfch ift heilig.
Es giebt übrigens auch unbezeichnete Ur-
theile, worunter diejenigen zu verliehen find, de-
nen das' Zeichen der Quantität fehlt; z. B. der
Menfch ift ein Thier; wenn es regnet, fo wird
es nafs. Solche Urtheile gelten für allgemeine;
denn das Prädicat kommt dem Begriff im Subject
in feilem ganzeh Umfange zu, obgleich diefer
Umfang hier nicht durch ein besonderes Reichen
angegeben ift. Der Menfch heifst fo viel als
alle Menfchen. '
Diejenige Befchaffenheit eines Urtheils nun,
dafs man eins von diefen dreierlei Quantitätszei-
chen mit der Vorßellung im Subject verbinden
kann, oder noch befler., dafs ich die Verknü-
pfung zwifchen Subject, und Prädicat, die das,
Bii>dewörtchen ift ausdrückt, mit dem Quanti-
tätsseichen verbinden kann, z. B. •
Cajus, diefer eine ift, gelehrt;
Von den Menfchen, find viele, nicht ge-
lehrt; -
«
pie Menfchen, find alle, fter blich;
/*
Kategorie.
5*5
(tiefe Befchaffenheit der Urtheile heifst die Ouan-
tität derfelben. Nun fehen wir aber deutlich.
dafs im einzelnen Urtheile der Begriff . der
Einheit, im befondern Urtheile der Be-
griff der Vielheit, im allgemeinen Urtheile
der Begriff der Allheit diejenige Verknüpfung
• möglich macht, die man die Quantität der Ur-
theile nennt. Alfo mufs di$ Anlage zu dieicr
Verknüpfung und folglich zu den Begriffen: Ein-
heit, Vielheit, Allheit, ohne welche jen*
Verknüpfung nicht möglich iß, in dem Verbände
felbß liegen, und fie können nicht aus der Er-
fahrung entfpringen. Durch fie wird es uns mög-
lich, über die durch die Eindrücke auf die Sinne
gegebenen Gegenßände zu urtheilen, und fie zu
erkennen 5 aber fie entfpringen nicht durch Ab-
ftraction aus der Vorfiel lung diefer Erfahrungsge-
genftände. Sie find zum Wefen des quantita-
tiven Denkens unentbehrlich, s folglich für das
Denken n 6 th wendig, alfo a priori. Auch brin-
gen fie Noth wendigkeit in das Urtheil , denn
wenn ich fage, die Menfchen find alle Werb-
lich, fo behaupte ich, dafs jedes denkende Sub-
ject nothwendig fo urtheilen matten Uebrigens
laflen lieh in diefen Begriffen auch keine Merkma-
le weiter unterfcheiden, fie find einfach« Solche
einfache, aus der Anlage des Verfiandes beim Ge«
fchäft dös Urtheilens hervorgehejide Bcgrifle find
nun die Kategorien oder Stammbegr ifle des
reinen Verltandes r und wir haben folglich
die drei der Quantität:
Einheit, Vielheit, Allheit
gefunden.
V
Da die Einheit das ift, % wodurch die Viel-
heit und Allheit gemeflen wird: fo kann man fie
auch dastMaafs nennen; da die Vielheit ei-
gentlich das iit, was da macht, dafs ich m#»hre-
res Gleichartiges unterfcheiden kajm, welche V01-
flellung auch die Quantität oder Gröfse heifst:
-*1^
526 Kategorie.
fo kann man die Vielheit auch die Gröfse nen-
nen, und von ihr hat diefe Clafle der Katego-
rien den Namen, weif fie der .Hauptbegriff ift.
Und da die Allheit eigentlich das ift, was da
macht, daä mir' nichts an dem* ganzen Umfange
oder der Sphäre fehlt, welches -die Voritellinig
des Ganzen iß: fo kann die Jäheit auch da$
Ganze heifsen. Und fo fehen wir,, dafs die Be-
griffe:
Maafs, Gröfse, Gatnzes, v
diefe Iben Kategorien lind (M. I, uy. C. 106.)»
,to. Die Tafel der .Kategorien enthält nun ein
vollfi mdi£es Verzeichnifs aller der Begriffe, die '
uvlpr mglich aus dem Verfiande felbfi entfpringen,
und lo f wie fie noch mit keinem Erfahrungsbe-
griile -vermilcht lind. Der Verfiand enthalt alfo|
diele ßegiiffe a priori an fich, nicht als wenn lie,
ihm tngebohren waren (f. An ge bohren), fon-j
dem weil er eine folche Anlage hat, dafs er, U
bald er zu feinem Gefchaft des Denkens oder UV-
theilens wirkfam wird, dies Gefchaft nur auf die
Art treiben kann, dafs immer einer dieier ur-
sprünglichen reinen ISegriile dabei erzeugt wird
oder daraus, hervorgeht* Will er z. B. das Waf-
fer denken, fo denkt er es als ein Ganzes;
will or lieh' die Anlchauung Corp er denken,
fo mufs er fie entweder uls einen, oder als
viele, oder als alle Cörper denken; will er
weiter fortfehreiten in feiner Krkenmirifs, fo mufs
er lieh die Hcalitaten des Wallers otier des Cör-
pers denken» d* L die iWchatfenheilen, die ihm
zukommen, ?.* H* dio Fiüffigkeit des Wallers,
die tinditrehdring lichkeit des Corners. Be-
trachte ich nun den
ficht, dafc er ein fei
lieh, obwohl bei Üc\
drücke, folche He^ii
feix» und dadurch
der \ erlehiedeneu
I. • ■ •
Kategorie. N 5*7.
gm zu bewirken, und fondere alfo alle, feine
übrigen Vermögen davon ab, z. B. das Vermögen, * .
das Empi'rifche zu beurtheileri, fo heifst der Ver- . *
ltand in di'efer Abftraction ein reiner Vefftand.
in eben dem Sinne, als man Tagt,-, die reine,
Sinnlich h ei t. -£s wird folglich damit. nicht. •
gemeint, es gebe ein ganz ifolirtes oder abgefon^ ,.
dertes Vermögen , welches - der reine V e r ft a n d
heifse. ' Sondern es ift blofs ein lo°ifcher Kunft*
griff, dafs wir uns von einem Gegemtande das *
wegdenken, was wir zu unserer vorhabenden» Un-
terfuchung nicht gebrauchen können, und die '
übrigbleibenden Merkmale in einen befon'dern Be-
triff zufammenfaffen , und diefem einen befondern
Namen geben. So "fprechen wir vom Vernande* ^
der Einbildungskraft, dem Gedächtnifs, nicht als
wenn diefe . Vermögen wirklich fo von einander
abgeföndert, wie etwa zwei Cörper, neben ein an- '
der exiftirten; fondern um uns deutliche Vofüell un-
tren zu machen von dem, was bei allem Denken
vorkömmt. Haben w r ir etwa^ gerunden , dafs ne-
ben dem Urtheil noch etwas vorkömmt, 1 was wir ^
fchon einmal gedacht und uns nur erinnert ha- -
ben, fo fondern wir diefe "befondere Wirkung in
Gedanken von dem 'übrigen ab, und fchreiben^lie
einem befondern Vermögen , dem Gedächtnifs , zu, .
u. f. f. Darum wirken aber dennoch alle diele -
Vermögen in der^ Wirklichkeit zugleich , und»
wenn wir lie uns einzeln vorfteMen, fo ift das
eine logifche Abltracüon , welche die Deutlichkeit
in der Erkenn tnifs befördert, Der reine Ver-
lund ift nun ebenfalls' eine folche logifcl.e Ab
J:raclion, und wir verfiehen darunter den Ver-
Ji.tnd blofs in fo fern reine Begriffe aus ihm
enrfpringen, nicht aber dafs es ein folches abge-
ändertes Vermögen für fich in der - Wirklich-
Keit gebe. Man kann alfo nicht etwa fragen,
wo giebt es denn aber einen Menfqhen, der ei-
nen fo r einer* Verftand hätte?
5?8 .Kategorie.'
Qhne diefe urfprünglichen reinen Verftandes-
bcgriffe würden fich die verfchjedenen Vorftellun-
gen (das x Mannigfaltige) der Anfchauungen nicht
einmal als ein Gegenitand denken, und es würde
lieh folglich gar' niclits davon verliehen laTen.
Denn er mufs lieh, noth wendig das Mannigfaltige
der Anfchauung als eine Gröl'se, oder als eine
Bealität, oder als eine Subitanz u. f. w. den-
ken, d. i. als einen Gegenitand, der Gröfse,
Realität hat, für fich befteht u. f. w.
<
• Die Erntheil ung der Kategorien in ihrer Ta-
fel iXt aber auch fyftematiich, d. h. fie ilt aus
einem gemein fchaftlichen Princip entfprungen.
D^nn Kant fchliefst fo, die Kategorien lind die
Grundbegriffe des menfehlichen Verliarides, durch
welche alles Urth eilen möglich wird,; fe viele
von einander wefentlicH verichiedene Arten zu ur-
theilen es alfo giebt, fo viel Kategorien 'mufs es
auch« geben. , . Nun ift urtheilen nichts anders als
denken j oder lieh die Anfchauungen vermittelfi
des Verftändes durch Merkmale vorteilen, alfo
giebt es auch eben fo viel Arten ^ alles durch
Grundbegriffe zu denken. Und JTo ift die Anzahl
diefer Grundbegriffe, und welche es lin4, völlig
beftimmt.
Schon die Pythagoräxfche Schule foll ei-
nen Verfuch gemacht haben, die, einfachen Be-
griffe unferes Verfiandes aufzuziehen (Bruckeri Hiß»
Philo f. T. I. p. Q06.1 Schwabs Preisfchrift über die
Ffage: welche Fortfehritte u. f. w. <S. 4/7. )• ^ r * e
^venig es dem Ariitoteles geglückt ift, findet
man im Art. Ariftoteles, 4. f. Schwab, ein
erklärter Gegner der kritifchen Philofophie; fagt
felbft (a., a. 0. S. i38-) : „Kant gebührt unltreitig
das Lob, daf& er die einfachen Verfiandes begriffe
nicht, wie feine berühmten Vorgänger, Arifto
teles, Locke, Lambert und Ci'ufius, au
gerathewohl und rhapfodifti'fch,' fpnderii nach
m
1
\
i. , Kategorie. 529
einer £ewiflefi Regel, aufgelacht', und ihre An-
zahl beftimmt hat. Der Gedanhe, fie aus den
loglfchen Urtheilen abzuleiten, ift glücklich,,
und würde allein ein beweis \ov Kants metaphy-
fifchem\ Genie feyn, . ijrenn er a*ch nicht fo .-vieie
andere Troben davon gegeben Hätte." Die Phil »-
fophen vor Kant fchloflen^die einfachen Grundbe*
griffe , die fie fanden , nur durch In d u c t i on f
d.h. wenn fie fanden, dafs ein Begriff in meh*
rem gleichen Fällen vorkam, fo fehl offen üc 9
der Begriff fei ein folcher, der bei allen fol-'
chen Fällen ~vorkpmme, und folglich ein Grund- '
begriff, Sie fanden alfo diefe Begriffe nicht durch
ein Frincip a priori, fondern aus der Erfahrung,
welches ihnen darum möglich war, weil iie ' in
aller Erfahrungserkenntnifs vorkommen, indem,
wie wir uns bald überzeugen werden, der Ver-
ftand fie in alle Erfahrung hinein legt. Auch
konnten fie auf diefe Art niemals einfehen, war-
um gerade diefe und nicht auch andere Begriffe in
aller Erfahrungserkenntnifs vorkommen, weil fie
den Urfprnng derfelben aus »dem reinen Verftande
nicht kannten, und folglich nicht wufsten, daf*
der Verßand nur an diefe Begriffe gebunden iß,
durch die alles fein Denken und Erkennen allein
fortläuft (M. I, xi 9. C. 106. f.),
■
11. Schwab macht aber, mit mehrern, Kant
den Vorwurf, er habe nicht bewiefen, dafs' es
nicht mehr und nicht weniger Claffen von lo-
gifchen Urtheilen. gebe, als diejenigen, aus de-
nen er feinp Kategorien herleitet (f. Erfahrung 3-
urtheil, 11. A.). Wie diefe Schwierigkeit zu
löfen fei, findet man im Artikel Urtheil. Dafs
diefe Stämmbegriffe übrigens auch ihre yeben . fo
reinen abgeleiteten Begriffe haben, welche >
Kant Prädicabilien des reinen Verbandes nennt,
findet man im Art« Abgeleitet.
Mellins philo f. TpörttrbJ 5. Bd f • Li
I ' I
1 ' /
I
• 1
530 Kategorie.
t n
iß. Die Tafel diefer Kategorien ift im tljeo-
retilchen* Theile der Philofophie unentbehrlich.
Denn foll die Philofophie j fo weit fie auf Begrif-
fen er priori beruhet, als Wiffenfchaft behandelt
, werden, fo mute der Plan zu derfelben fo voll-
ßändig entworfen werden, ' dafs man fich verll-
chern kann , - es fehle nichts , auch mufs lie nach
befiimmten Grundbegriffen mit mathematischer
Schärfe und Genauigkeit abgetheilt werden. Dies
' ifi aber nur durch diefe Tafel der Kategorien mög-
lich, indem aus. derfelben allein' erhellet, wie
' viel Elementarbegriffe des Verltandes es giebt,
und welche lie find. 'Nun kann in einer Wiffen-
fchaft nichts weiter ^vorkommen , als dje verschie-
denen Einheiten, zu welchen der gegebene Stoff
durch den Verfiand nothwendig verknüpft werden
mufs, und die daraus entfpringenden Begriffe und
Sätze. Folglich müifen fich alle ' Momente der zu
unterziehenden fpeculativen Wiffenfchaft, ja fogar
' " . , die Ordnung derfelben , aus diefer Tafel eben fo
fyftematifch ergeben , als fie die Grundbegriffe
des^ menfchlichen Verltandes in einem vollftändi-
gen Syfiem aufftellt (C. 109. f* M. I, 123.).
' ^3. Kant hat in den Anfangsgründen
der Natur wiffenfchaft eine 'Probe geliefert,
. wie ' *diefe -, Tafel der Kategorien zur fintwerfung
des völiftändigen Plans und der Eintheihmg ei-
tler Wiffenfchaft zu gebrauchen fei, welche ich
hiet als Beifpiel 'herfetzen und. erläutern will.
^ £r will in dem genannten Bubhe eigentlich die
metaphyfifche Cörperlehre liefern,' oder lehren,
was man von einem Cörper überhaupt a priori
aus blofsen Begriffen wiJTen kann. Dies ift nun
nichts weiter als die vollfiändige Zergliederung
des Begriffs von einer Materie überhaupt,, denn
,n Tolles übrige einer reinen Naturiehre über einen
Cörper überhaupt iß nur durch Mathematik mög-
lich, weil der Begriff dazu conftruirt oder in der
reinen Anichauung a priori mufs dargjiLellt . wer-
Kategorie.
53i
den, um zu zeigen» dafs der Gegenftand mög-
lich, kein leerer. Gedanke, fei. Die AViflenfchaft
aber, vermittelfl der Cojifiructioiten a priori zu er-
kennen , ilt eben die Mathematik. Da nun der '
Verftand von einem Gegenltande nichts weiter den-
ken und erkennen kann, als die Gröfse, Be-
fchaff enheit', das Verhältnis deffelben zu
andern Gegerißänden (die Relation) utid » das
Verhältnifs deffelben zu unferm V^rftande (die
Modalität): fo muffen fich auch alle Beitim-
mungen des allgemeinen' Begriffs einer Materie
überhaupt , mithin auch alles , was a priori von
ihr gedacht, ja alles, was auch von ihr in der
mathematifchen Conftruction dargestellt, oder in
der Erfahrung, als befiimmte Materie, gegeben
werden mag, unter .diefe vier ClaCTen von Begrif-
fen bringen laden. Mehr ift hier nicht zu thtin,
zu entdecken öApv hinzuzufetzen, fondern. allen«
falls, wo in der Deutlichkeit oder Gründlichkeit
gefehlt feyn follte, es befler zu machen (N. Xy*).
14. Der Begriff der Materie mufs daher durch
alle ,vier Claffen der Verßandesbegriffe durchge-
führt werden, von denen jede demlelben eine
neue Beftimmung giebt. Die fünf äufsern Sinne
können nur durch Bewegung Eindrücke bekom-
men, da nun die Materie der Gegenftand dieler
äufsern Sinne ift^ fo mufs Bewegung die Grund*
beltimmung . der Materie feyn, und fie überhaupt
als etwas Bewegliches gedacht werden. Der Ver-
ftand führt daher. alle übrigen Beflimnmngen (Prä*
dicate) der Materie auf jene Grundbefiirumung zu-
rück, und fo ift die ganze Naturwiflenlchaft über-
haupt nichts anders als Bewegungslehre. Di*
B e we g u n g mufs ^älfo betrachtet werden ;
a. der Gröfse oder Quantität nach, %lg
ein reines. Quantum, d.i. als eine folche Gröfse,
bei der man alles wegdenkt, was irgend durch
die Erfahrung zur Beßimmung derfelben hinzu«
LI a
> *
:V
332 ■/* ^.- Kategorie. .'
kommt. Zugleich wird dabei abfirahirt von al-
ler Befchaffenheit und allem Verhältnis des 'Be-
weglichen iu einem, andern odfer zu unfrer Vor-
ftellungsart. • FolgHch kömmt hier- nur die Gröfse
I >v der Bewegung in Betrachtung, nicht; aber die
Gröfse des Beweglichen, welche zur Befchaffen-
\Jieit •deiTelfe^n gehört. Den Inbegriff der Begriffe
w\<% Sätze, welche hieraus entfpringen , nennt
Kant die Phoronomie oder reine Gröfsenlehre
der "Bewegung* Diefe Phprpnomie hat nur einen
einzigen allgemeinen Lehrfatz, der die Möglich-
keit der Zufammenfetzung der Bewegung aus. ein-
facheren Bewegungen dufch Confiruction lehrt, und
im Art. Bewegung, zuf'aihmengefe tzte, vor-
kömmt und erläutert wird. Der Begriff der Gröf-
fe ift nehmlich nichts anders, als der von der
Zufammenfetzung "des Gleichartigen nach einem
gewifffn Mftafse (der Einheit); Folglich ift die
Phoronomie nichts anders als die Lehre von der
^Z ü f a in me n f * t zung der Bewegung, und zwar
iiaih deh drei Kategorien der Gröfte und den Mo-
menten, die der Raum dazu an die Hand giebt:
a.^Einl^eit, wenn die Bewegung nur eine
Richtung in- einer und derfelben Linie hat; '
ß< Vielheit, wenn die Bewegung mehre-
re Richtungen in einer und derfelben Linie hat;
' ' ' ■- '
y. A 11 h e i t ; « wenn die Bewegung mehrere
Richtungen nach mehreren Linien hat.
* " /' . ,
Mehrere Beftimmungen der Bewegung als ei-
ner Gröfse kann es nicht geben. Die Bewegung
wird hier nehmlich als ein aus mehreren! Bewe-
gurigen Zufammengefetztes betrachtet, und ift x in
So fern eine Gröfse. ^ Die Gröfse der Bewegung
felbfi aber befieht, .weil x das Bewegliche' hier blofs
als ein Punct betrachtet wird, allein irt der Ge-
schwindigkeit* Nach diefer dreifachen Beltimmilng
/.
Kategorie. * 533
(«, j8 u. y) hat folglich der allgemeine phoronomi-
fche Lehrfatz drei Theile (f. Bewegung, S. 610.)
(N.30,). ,. . . '
15; Die Bewegung^ mufs ferner betrachtet
werden • \ *
b. der Befchaffenheit .oder Qualität
nach, als eine Befchaffenheit der Materie.
Hier na cli, mufs das Bewegliche eine Befthnmung
mehr bekommen, es mufs etwas 'da \feyn, was
beweglich iß, dem die Bewegung ßls Befchgffen-;
heit anhängen kann , $as bewegt werden und et-
was anders in Bewegung fetzen kann, Die^ ift
nur möglich, wenn etwas den Raum erfüllt und
dem Eindringen in denfelben Raum widerfieht.
Kaut ztrigt nun, dafs man lieh die Materie dar-i
um als ein Bewegliches denken muffe, deffen Be-
wegung eine urfprüngliche (den Grund der Bewe-
gung in fich felbß habende) bewegende Kraft fei f
tmd nennt daher den Inbegriff von Sätzen und -
Gegriffen hierüber Dy.n am ik* oder Lehre von der
Bewegung als urfprünglich bewegender Kraft. Die
Befchaffenheit wird riöhmlich durch Empfindung
gegeben , und folglich mufs die Befchaffenheit v
der Bewegung empfunden werden, dies ift nur
durch .''Videritand, folglich durch Erfüllung dejs
Raums möglich. Daher ift die Lehre davon eine
Lehre von der Bewegung als einer urfpnitiglich '
bewegenden Kraft. Nach den drei Kategorien
der Qualität mufs nun in derfelben gehandelt
werden:
Ä.i der Realität nach: von der. Erfüllung
des Raums durch Zur iickfto fsungskraf t, oder
dem Reellen (Soliden) im Räume;
ß, der Negation nach: yon der Durch«
dringung des Raums durch Anziehungs-
kraft, oder der Aufhebung des Reellen
(Soliden) im Räume;
\
534 , Kategorie.
y. der Limitation nach; von der Be-
fchränküng beider Kräfte durcheinander, oder
der Beitimmung des. Grades des Reellen
oder der Raumserfüllung.
(N. 30.) f. Bewegung,. VII,
16, Die Bewegung ruufs ferner -^trachtet
werden
* * ■ \ »
c. der Relation nach, in Beziehung o&et
im Verhältnils zu einer andern Bewegung. ^Hier-
nu h bekömmt das Bewegliche, aufser der Beitim-
mung, dafs es; auch in Ruhe,, durch urfprüng-
lich bewegende -Kraft den Raum erfüllt, noch die,
dals es, auch in Bewegung, eine bewegende Kraft
hat, welche es möglich macht, etwas anderes ße-
, wegliches in Bewegung zu fetzen oder yoA ihm
in Bewegung geletzt zu werden. Dt?n Inbegriff
der Sätze und Begriffe hierüber nennt Kant die
Mechanik, oder Lehre von der Bewegung als
abgeleiteter bewegender Ktaft. ' Nach den drei
Kategorien der Relation mufs in derselben gehan-
delt werden:
a ? der Subftantialitä t nach, vom Gefeta
der Selb ftftä ndigkeit oder Beharrlichkeit
derfelben Quantität Matetie,, f. Aufga-
* be 9 10, a,
/
I ... ' • .
ß. der Caufalität nach, vom Gefetz der
Trägheit, f, Bewegung, Villi 2.' u. Aufga-
be, 10, \b,
\
y. der Wechfel Wirkung oder Gern ein-
fchaft nach, voui Gefetz der Gegenwirkung
dar Materien, f. Gegenwirkung u« Aufga-
be, io L , c.
Der Begriff der Subßanz correfpondirtnehm-
lich genau dem JJegriff , def Selbüftändigkeit
, Kategorie. 535
» i
i •
der Materie, der Begriff, der Urfaöhe dem der,
äufsern Urfache der Bewegung der Materie, oh-
ne welche Urfache iie in ihrem Zuitande beharret
oder träge ift, und der Begriff der Wec h fei-
wirk ung" dem der Gegenwirkung zweier
Materiell. Wenn mah die angeführten Stellen
nachliefet, fo bedarf diefes Keiner weiteren Erör-
terung (N. 133. f.).
17. Endlich mufs die Belegung auch
,d. der Modalität nach betrachtet* werden,
d. i blofs in. Beziehung auf die Vorfiellungsart.
Für unfere Vorfiellungsart ifi lie aber eine Er-
fcheinung, die nur vermittelt der äufsern Sin*
ae für uns möglich iß; darum nennt Kant die
Lehre von der Bewegung der Materie iri Bezie-
hung auf unfre Vorfiellungsart die Phänomeno-
logie oder die Lehre von der Bewegung der Ma-
terie als Erfcheinung, Wie die plrei Kategorien
der Modalität hier auf diefe Lehre angewendete
werden und *fie erfchöpfen,* ift im Art. Bewe-
gung, IX, III. Lehrfatz a. b. c. zu finden (N.'
XX. f.).
%
18-^ Diefe Tafel der Kategorien giebt aber
auch zu manchen merkwürdigen Betrachtungen
VeranlafTung.. H
Es fällt zuerft in die Augen, dafs fie vier
Claffen von Vetftändesbegriffen enthält, nehmlich
die 1. der Quantität;*. 2. der Qualität; 3.
der Relation; 4. der Modalität. Sie läfst
fich aber in ö. Abtheilungeft zerfallen. Die erße
Abtheilung diefer Stammbegriffe des reinen Ver-
fiandes gehet auf Gegenftände der Anfchauung, es
macht dabei keinen Unterffchied, ob es Gegen-
ftände der reinen oder in der Erfahrung gegebe*
nen (empirifchen) Anfchauung lind. Die zweite
Abtheilung diefer Kategorien gehet auf das Dafeyn
diefer Gegenftände der Anfchauung, und «war
\ .
$36
Kategorie.
. \
• entweder im Verhältnifs diefer Gegenftände zu ein-
911 eleu, oder im Verhäknifs derlei ben zu dem Ver-
sande. Wenn wir nehmlich die Gegenstände der
Erfahrung oder auch der reinen Anfchauung an-
Ichauen, ' f 6 finden wir das an denfelben, was
wit uns in den Begriffen ihrer Quantität und Qua-
lität denken. Die Relation und Modalität aber
linden wir nicht in den Gcgcnitänden lelbß, fon-
dern in der Art, wie fie exilüren (M. l f 124,
C, ijo) t
19. . Die erfie diefer beiden Abtheilungen der
Kategorien nennt Kant die mathematischen,
fie find die Kategorien der Quantität und Qualität;
% der Grund diefer Benennung iß aber f weil fie
auf Gegenftände der Anfchauung gehen und fiel*
alfo confiruiren oder, wie es der Mathematiker
mit feinen Begriffen macht, in der Anfchauung
darfteilen laflen> Die zweite Abtheilung nennt
er die -d y n a m i f c h e n Kategorien , weil alles
Dafeyn als die- Wirkung einer Kraft (im Grie-
chifchen Dynamik) .gedacht werden mufs. Die
ferfie Abtheilung hat keine Correlata, d. i. Begriffe,
die fich entweder wechfelfeitig auf einander bezie-
hen, oder doch einander entgegen gefetzt find,
die zweite Abtheilung hat diefe Correlata oder
Oppofita. Diefer Unterschied mufs doch einen
Grund in der Natur des Verftandes haben , welches
» defio mehr einleuchtet, da wieder in den mathema-
tifchen Kategorien lieh ei was findet, was in den dy-
namifchen nicht angetroffen wird,, nehmlich in de-
nen von der Quantität ein Fortfehritt von der Ein-
* h,eit zu der Allhe.it, in denen von {Ur Qualität
ein Fortfehritt vom Etwas (der Realität) zu dem
' Nichts" (der Negation); zu diefem Behuf muffen
aber die .Kategorien der Qualität fo liehen: Reali-
tät, Limitation, Negation, f. Erfahrungs»
urtheil, xi. B, (M, I, 135. C» Wp. P*. >***)•
1
20, Es iß^ferner. bemerkend wer th , dafs alle
I
N
t
Kategorie. 537
vier Claflto eine gleiche Anzahl von Kategorien,
nehmlich immer drei enthalten« Alle Einthei-
lupg a priori aus Begriffen muf$ nehmlich fonft
zweitheilig- feyn (jedes Ding, ilt entweder A
oder nicht A); allein das ift blofs die lo gif che
oder analytifche Eintheilung nach -dem Satzö
des Widerfpruchs. Es gicbt aber auch eine nie«
taphyfifche pder fyn thetifche" Eintheilung
q priori aus Regriffen (nicht, wie in der Ma-
thematik, aus der dem Begrüfe correfpondirenden
Anfchauung a- priori) , und diele mufs jederzeit
dreithe ilig'feyn, weil zu jeder fynthetifchen
Einheit (welche einzuteilen ilt) dreierlei erfor-
derlich ilt _( worin fie folglich gctheilt weiden.
kann); 1. die Bedingung; a. das JJedingte;
3. der Begriff, der aus der Vereinigung des Be-
dingten mit feiner Bedingung entfpringt (U. LVIJ.*)
M. I, 176. C, no.) f
ai. JDaher rührt es nun auch, dafs in allen
vier Claflen die dritte Kategorie aus der Verbin-
dung der zweiten mit der eriten in einen Begriff
entfpringt. ' So ift die Allheit (Totalität, das
Ganze) nichts anders als der Begriff, % der aus
der Vereinigung .des Bedingten, der Vielheit,
mit feiner Bedingung, der Einheit, entfpringt,
oder Vielheit als Einheit betrachtet. Die Ein-
lcliränluing (Limitation) iß nichts anders
als Realität mit Negation verbunden; die
Gemeinfchaf t (Wechfel wirkun g) ift die
wechfel fei tige Wirkung der Caufulität der Subftan-
zen auf einander; die Notwendigkeit ift die
Wirklichkeit, deren Bedingung die blofse Mög^
lieh k ei t ift. J5s fcheint aber, als folge hieraus,
dafs d$r dritte VerftandesbegrifF i» jeder ^Cl^fTe
der Kategorien keine wahre Kategorie, kein
Stamnibegriff, fondern blöfs ein abgeleiteter Be-
griff des reinen Vörftandes (eine Prädicabilie)
fei. Allein der Actus des Verftandes, der zur
Verbindung beider Kategorien %xl der dritten ><er«
% •-
538
Kategorie.
fordert wird, ift noch ^ verschieden von dem -Actus;
1 durch welchen der Verftänd jene beiden Begriffe
einzeln 1 erzeugt , und liegt gar ijicht etwa /fchon
in der Erzeugung jener 'beiden*. Man lieht diefes
logleich dadurch ein , wenn man den Begriff der
.Zahl nimmt, welcher nichts anders als die* neue
Einheit <ein er Menge von Einheiten, alfo eine
Allheit ift. , Wäre nun die Zahl biofs durch das
Denken der Menge oder Vielheit und Einheit mög-
lich, fo -müfste es uns auch möglich feyn, das
Unendliche als eine Zahl zu denken, dehn in
dieiem Begriff ilt auch Vielheit und Einheit, al-
lein es ift» uns nicht möglich, das Unendliche als
den Verftandesbegriff der Allheit, oder als Zahl,
einer Grenze von anzugebenden Einheiten zu den-
ken. Das Unendliche Jälst lieh nicht unter den
Verftandesbegriff der Allheit fubfumiren^. es ilt
iem Vernunftbegriff (eine Idee). -Eben fo wenig
ilt es aus deij blofsen Begriffen> der Urfache und
Subftanz möglich einzufehen, wie eine Urfache
auf die Subftanz wirke, nehmlich nicht anders
als fo, dafs die Subftanz zurückwirkt, u* f. w.
(1VLI, 137. C. ni.).
ßö. Schwab, wirft' (a. a. Ö. S, 130. ) Kant
r vor, dafs feine Ableitung der Kategorien von den
Urtheilen hie und da fehr gezwungen fei. Zum
Beweife hievon führt er die Kategorie der Ge-
jtieinfchaft an. Wie aber dennoch diefe Kate-
gorie ganz deutlich in dem dksjunctiyen Urtheile
liegt und daffelbe möglich mächt, habe ich im
Art. Gemeinfeh aft ausführlich zu zeigen ge-
fucht. ' '
23. Ein Paar andere Bemerkungen, welche
fich noch über die Tafel der Kategorien machen
laffen, fiWd folgende. Im Logifchqn, oder
dem Denken überhaupt, .liegen die kategorifchen
Urtheile allen übrigen Urtheileri zufti Grunde,
denn die hypothetifchen xind disjimetiven Urtheile
, 1
r
l
Kategorie. 539
find aus kategorischen zufammengefetzf} und' die
Quantität., Qualität und Modalität , der Urtheile
find befondere Beliimmungen jener genannten drei ,
Arten von Urtheilen. Denn, wenn ich fage,
die Menfchen lind fr erblich, fo üt das ein kate-
gorisches Unheil, weil es eine Behauptung ohne
alle Bedingung ausfa^t. Solcher Behauptungen
find in einem hypothetifchen Urtheile zwei-, z* B.
wenn die Menfchen einen zerftör baren Cor per ha-
ben, fo find iie fterblich; in einem di*junctiven
Urtheile und zwei oder mehrere kategorische, z.B.
die Menfchen find entweder fterblich, oder im-
fterblich. Da es nun nothwendig eins diefer drei
Arten von Urtheilen feyn mu£s, dem die Beitim-
»Hingen der Quantität, Qualität und Modalität
zukommen, fo folgt, dafs das kategorifche Lr-
theil allen andern zum Grunde liege« Eben fo
lie^t nun - auch in Anfehung der Ge^enftände die
Kdtegorie der Subfianz allen übrigen (und folg-
lich auch allen übriren Begriffen von wirklichen
Dingen) zum Grunde; denn nur eine SuLiUnz
kann UiTache feyn und in Wechfelwiikung Itehm,
kann Grofse und Befchaffenheit hoben, oder das 9
wovon diefe Befiimmungen ausgela^t ■ werden,
wird in fo fern doch immer als Siihfranz betrach-
tet. Die zweite Bemerkung iit, dafs im Urtheile ,
die Modalität kein befonderes Prädkat HL In
dem problematifchen Urtheil, der Mm Ich kaum
fierben, wird durch das Wörtchen kann b!of* a^u-
gefaxt, dafs das Sterben des Menfchep allen Erf.-h-
rungsbedingungeh nach denkbar ift. E* kommt da-
durch nicht aufser dem Sterben noch eine neue Be-
fchaffenheit hinzu, fondern es wird nur auHjef^zt*
dafs die beigelegte Befchaffenheit nicht als et*«.**
betrachtet werde, was. in der Sinnenweit bereits
angefchaut werde, fondern was fich blcfs als den
Gefetzen der Erfahrung gemafs denken laiTe, Fb*it
fo thun nun auch die Modalbegriffe k<nne B^ft im-
mun g zu den Dingen hinzu. Ob ich da* flehen
im hohen Alter als möglich betrachte, oder aU
54* ' Kategorie.
-wirklich, das verändert keine Befiimmungen in der
Sa<.he felbft, thüt nichts zu dem Leben im hohen
Alter hinzu und nimmt nichts, davon weg , fondern
betrifft blofs die Art meiner Erkenntnifs deflelben,
ob ich es als einen blofsen, obwohl auf die Bedin-
gungen der Erfahrung gegründeten, Gedanken,
oder als etwas in der Sinnenwelt Befindliches er-
kenne. Dergleichen Betrachtungen haben alle ih-
ren grofsen Nutzen, und können hoch idelleicht
von' erheblichen Folgen für die wiflenfchaftlichfc
Fprm aller Vfcrnunfte'rkenntniffe- feyn. * So fehen
wir hieraus, dafs die Gegenßänd^ nicht in folche,
^die wirklich vorhanden, ^ und folche, die blofs
möglich find, clalßficirt werden können; fondern
i dafs die Möglichkeit und Wirklichkeit nur ver-
fchiejlene Arten die Dinge zu betrachten lind, in-
> dem Gegenftände, die blofs in unfern Begriffen
Vorhänden find, und noch nie. exiftiTt fiaben, fo
lange zu den Hirngefpirißen gezählt werden muf-
fen, bis. f\c, einmal in der Erfahrung angefchauet
weJrden (Fr. 123. *), ? ■ • ' r •
N mm
24. Schwab wirft fiber (a. a. O. S. 130) auch
* ^m* *
■ K die wichtige Frage aYif, ob die Tafel der Katego-
*rien auch vollftändig fei, giebt aber dazu fehr
wenig irre machende Beifpiele. Wichtiger ift das
Beifpiel, das 'Kant felbfi (C. 113.) aus der Trans-
fcendentaXphilofophie. der Alten giebfc Es ift der
Satz der Scholäftiker: jedes Ding ift eins, wahr,
v o 1 1 k o m in en. \ Hierin v fagt Boyoin (Phüofoph.
s Scoti P. L Logicae P> IL C. IL quaeft. V?) be-
fiehet die transfcendentale Wahrheit des Dinges r
die nehmlich jedem Dinge als folchem. zukömmt*
,35s ift nun die Frage, fegt diefes Princip wirk-
" lieh ein Paar Kategorien . aus , die nicht in jener
Tafel liehen, oder hat. diefe Behauptung ihren
Grund in deiner, faifch verftandenen Verftandesre-
gel? .Öer -Gebrauch des angefahrten Satzes alsr ei-
ner Erkenntnifsqüelle fiel in Abficht auf die dar-
aus entfp ringenden Folgerungen fehf kümmerlich
■■ ^ \ ■•"'••
I *
Kategorie- 541
aus, uni gab, wie wir bei jedem der drei Begrif* x
fe, die er enthält, fehen wollen, lauter tauto-
logifqhe, d. i. folche Sätze, die, nur mit andern ' s '
Worten t 1 daflelbe Tagten. Man pflegt daher in
neuem Zeiten diefen Satz auch nur ehrenthalben.
in der Metaphyfik aufzuhellen. IndelTen verdient
ein Gedanke, 'der fich fo lange Zeit erhalten hat,
fo leer er* auch zu feyn fcheint, immer eine Un-
terfuchung feines Urfprungs. Er inufs doch, da
er allgemein angenommen wurde, in irgend ei-»
ner Verfiandesregel feinen Grund haben. Diele
Verftandessegel wäre dann N wie es oft der
Fall gewefen ift, falfch verflanden und ausgelegt
worden.
Diefe vermeintlichen* transfcendcntalen Pradi- ■
cate der Dinge find nichts anders, als lo gif che
Erfordernifle oder ^Kriterien (Kennzeichen) aller
Erkemitriifs der Dinge überhaupt, und legen der-
selben die drei Kategorien der Quantität, nehm«
lieh Einheit, Vielheit und Allheit zum
Grunde. Ich fage, ße find logifche und nicht
trän sCcenderitale Erfordernifle der Erkennt«
nifs, d. h. fie find nicht material und .gehören
nicht zur Möglichkeit ' der Dinge oder Gegenftan-
de, über die wir denken, fo dafs wir .fagen
könnten, jedes Ding mufs fie an fich haben; fie
und nicht Eigenfchaften der Dinge, foirdern nur
formal -öder Begriffe, nach welchen wir im
Denken * überhaupt verfahren muffen. Da nun
die Logik' lehrt, wie wir der Natur imf^rs Ver-
bandes gömäfs überhaupt denken müSen , die
TransfcemdenXalpkilöfophie hingegen, was ,
für Vorfiellungen bei dem Denken über die Ge-
genstände fo aus dem Verfiand entfpringen, dafs
^ir keinen Gegenßand vor uns haben können, '
ohne diefe Vorfiellungen in ihm zu finden : f £0
fleht man ein, was das heifst, jene Begriffe find
logifche Erfordernifle in Anfehung jeder Er-
tanntnifg, und. nicht noth wendige und all-
•
/
£42 Kategorie. '
>
* * *
gemeine Eigenfchaften der Dihge. Wir
wollen diefes nun an jedem diefer <Jrei Begriffe
einzeln fehen. *
In jedem Erkenntjriffe iß nefcmlich:
a» Einheit des Begriffs, welches man die
qualitative anal.y ti'fche Einheit nennen
kann , um fie~ von der quantitativen, oder
der Kategorie der Einheit fowohl, als von der
qualitativen fynthetifchen zu unterfchei-
r den, f. Einheit, 10. : .
• , -»
b, Wahrheit des Begriffs in Anfehung der
Folgen. Jemehr wahre Folgen aus einem gege-
benen Begriffe entfpringen, \ deito mehr Kennzei-
chen hat man, dafs es der Hegriff ,von einem
wirklichen« Gegenftande und' keinem Hirngefpinfte
fei. Man Isann diefes die qualitative Viel-
heit der Merkrilale nenjien, die- -zu einem Be-
griffe als dem Grunde gehören, aus dem fie ent-
springen. Diefe Vielheit ift alfo nicht die Kate-
gorie der quantitativen Vielheit, durch wel-
che die Merkmale in dem Gegenfiande, als einer
Gröfse, deren 1 TheÜe iie find, gedacht .werden.
c. Vollkommenheit des Begriffs, die dar-
ih befteht^ dafs, fo wie von einem Biigriffe alle
♦jene Folgen abgeleitet werden konnten , umge-
kehrt , lie alle auf den einen Begriff zurückge-
führt werden können ^ und nur mit ihm und kei-
nem andern völHg zufammenftimmen. Man kann
diefes' die qualitative Vollfiändig^keit, r To-
talität oder Allheit nennen.
. /
Hieraus erhellet alfo, dafs diefe Begriffe le-
gi fche Kriterien oder Kennzeichen find, ohne
welche man überhaupt nicht denken kann, und
nach welchen man* jeden Gegenfiand ohne Unter-
schied behandeln mufs, die aber nicht etwas an
• » " ' i
I
t
Kategorie. 545
dem Gegenftande felbft nothwendig Befindliches
vorfiel) en. Es find freilich die drei Kategorien
der Gröfse, aber nicht auf Gegen Uände felbft an-
gewandt, fondern auf die Begriffe von denselben.
JYlai> lieht diefes auch daraus , wenn durch die
Kategorien der* Einheit, Vielheit und Allheit Ge-
genllande felbft erkannt werdeh follen, fo mufs
die Einheit in der Erzeugung der Gröfse durchaus
gleichartig angen ommen werden ; allein bei
jenen Begriffen ift die Rede von der Verknüpfung
ungleichartiger Erkenntuifsftücke in Eineih Be*
wufstfeyn, f. Einheit, 10. Wahrheit, Voll*
Kommen he it. Jene Regel der Alten betrifft
allo eine Bedingung der Uebereinftimmung aller
Erkenntnifs mit fich felbft , aber nicht eine Er- '
kenntnifs ar priori der Gegenftände (C. 113. ff. M. I,
Transfcenden tale Deduction der %
Kategorien.
1. Vorbereitung. •
J 25. Die vorhergehende Deduction zeigte, wie
aie Kategorien a priori en,tfp ringen , und bewies
die (es dadurch, dafs fie ihr völliges Zufammen—
treffen mit den allgemeinen logifeben Functionen
in den Urth eilen darthut. Nun mufs. gezeigt werp -
den, wie es möglich fei, durch dergleichen Be-
griffe a priori von finnlichen Gegenftänden , die uns
durch die Erfahrung gegeben werden, etwas zu
erkennen. , Es würde dazu nichts helfen, wenn
wir, wie es die Philofophen bisher thaten, über
die Erfahrungsgegenfiände nachdenken, und die
Kategorien in der Erfahr ungserkenntnifs von fol-
chen Gegenftänden auffuchen wollten. Wir wür-
den dann, was fchon lan^e bekannt war, finden,
dafs diefe einfachen Begriffe in, aller untrer Krfah-
rungserkenntnifs vorkommen. Diefe Nach weif ung
%
\
544 * Kategorie.
und*Herleitutig derfelben kann man" die eitipi>*i*
fche Deduction (eigentlich Illuftratioii ; der
Kategorien nennen. Allein diefe Deduction ' wür-
de uns zur Beantwortung der Frage: wie all es
möglich, dafs uns Begriffe, die aus unferm Ver-
bände entfpringen, Befehafienheiten Iblcher Ge-
genftiinde • angeben , di« wir aus der Erfahrung
kennen lernen? nichts helfen. Denn das,' was
iie uns von diefen Gegenständen der Erfahrung
kennen lehren, ift felbft keine Erfahrung, wie
könnte uns alfo»-die Auffuchung diefer Begriffe in
der Erfahrungserkenntnifs hierüber Auskunft ge-
bfen. Soll alfo jene Frage zu beantwor-
ten nöthig feyn, fo mufs diefe Deduction
% transfcendental feyn, das ift, Iie mufs durch
Unterfuchung des menfchlichen Erkenn tnifsvermö-
gens,. in wie fern daflelbe reiner Erkenntniffe a
priori fähig ift, und diefe mit den durch die Sin-
ne gegebenen Anfchaungen in Verknüpfung* flehen
können, gezeigt werden (M. I, 134. C. 11 80*
c£. Ei iß aber nö thi g, jene Frage:
wie kann man durch reine Begriffe a -priori eine
Befchaffenheit linnlicher Gcpenitände, die uns et
poßerierK gegeben find , hefiimmen ? zu beant-
worten. Denn, diefe Kategorien ftellen nicht
v blofs folche Pcädicate vor, welche nur ünnlichen
Gegenltanden beigelegt werden können , ' fondern
man kann durch fie jeden Gegenftand, er fei Imn-
lich oder nicht, ' denken. So kann man fehtf
wohl Gott als die Ur fache der Welt denken,
"ungeachtet Gott keiq linnlicher Gegenftand, . der
Begriff, Urfache, aber eine Kategorie üt. 1VW
dem, Begriff des Raums und der Zeit ift das nicht
der Fall, Qtan kann, fie blofs von finnlichen Ge-
genftanden gebrauchen, und von Gott nicht fe-
gen, ei; belinde fich irgendwo ini Räume, oder
habe fchon fo viele Jahre , Jahrhunderte oder Jahr-
taufenie gelebt. In der Phyhk hingegen iß die
Vorlielliing des Raumes und der Zeit unentbehr-
Kategorie.
545
lieh, und die TJeotnetrie geht ihren fichern Schritt
durch, lauter Erkenn tniffe a priori vom v Räume,
ohne dafs diefe \yiffenfcha£tei> einen s Beglaubi-
gungsfehein über die Rechtmäfsigkeit ihres Ge-
brauchs der. Begriffe des Raums und der Zeit von
ihren Gegenitänden und ihrer Erkenntnifle a,
yrori von denfeiben bedürften (f. Geometri e).
Denn der Raum iß die reine Form 'der Anfchauung
der äufsern Sinnenwelt, alle geoiuctrifche Erkenht-
uifs von demfelben beruhet auf Anfchauung a '
priori deflelben , und hat -alfo eine unmittelbare
Evidenz.. Die Gegenßände, mit welchen lieh die
Geometrie » befchäftigt , nehmlich die reinen Eor- .
men und Geltalten im Raum, werden durch die
Conftruction derfelben felbfi gegeben, und es kann
alfo hier kein Irrthitm ftatt finden oder lieh lange
halten. Die Kategorien hingegen muffen aller
dieler Vortheile entbehren; denn fie geben von
Gegen/tänden folche Prädicate an; welche fich
denken laden, wenn auch nichts dergleichen in
der Anfchauung dargeßellf und durch Aflicirung
der Sinne empfunden wird. Ja, da fich diefe
Kategorien, nicht '-auf Erfahrung gründen, indem"
"die Notwendigkeit und Allgemeinheit in densel-
ben nicht erfahren werden kann'; und da es .auch
in keiner Anfchauung a priori etwas giebt, - was
den Grund diefer Begriffe enthielte: fo fcheint
ihr Gebrauch ganz unbegrenzt zu feyn» Es nmfs
alfo von ihnen nachgewiesen werdpn, von wel-
chen Gegenitänden lie gültig gebraucht werden
können,, von allen ohne Untcrfchied, oder nur
ton finnlichen. Diefe trän sfeen dentale Deduction
der Kategorien iß um fo noth wendiger, weil die-
fe Begriffe fogar verleiten ' können , den Begriff
des Raums fei bß von nichtfinn liehen Gegen-
itänden zu gebrauchen , und z.B. den Sit£ des
aienfchlicheri Geiltes, als der Urfache des Lebens
und Denkens, ini Gehirn, als fei er wie Mate-
rie irgendwo im Raum befindlich; zu fliehen (f.
Deductiön) (M. I, 136. C. 119. ff.). '
MellinsphilrWört*rb.5.Bd. Mm
1
54$ • Kategorie.
2*]. Die Katpgorien find Begriffe, die uns
zum Denken unentbehrlich lind. Es fragt lieh
aber, w^s diefes den Gegenfiänden felbß, über
die wir denken und ihrer Befchaffenheit; angehe,
und wie es möglich fei, dafs die Gegenfiände,
von deneh wir uns eine Erkenntnifs verfchaffen,
lieh nach diefen ^Bedingungen urifers Denkens rich-
ten, und davon Beschaffenheiten annehmen kön-
nen? So ilt z. B. der Begriff der Ur fache ein
folcher, der uns an^die Vorßellüng bindet, dafs,
wenn ein Ding B vorhanden ift, jederzeit ein
anderes A vorhergegangen feyn muffe, welches
von B ganz verfeineren fei, und auf welches die-
fes nach einer Regel gefolgt fei. Nun finden wir
es in der Erfahrung auch gemeiniglich fo,
denn von allen Erfahrungsgegenfiänden laflen
fich nicht einmal die Urfachen entdecken, oder
find doch wenigfierfs noch nicht entdeckt; allein
ditefes *be weifet nichts dafür, dafs es noth wen-
dig und in a 1,1 en Fallen fo feyn muffe. Es
ilt nicht fogleich aus blofsen Begriffen einzugehen,
warum, die Erfahrungsgegenfiände darifrn fo be-
fchaflen feyn' muffen, weil unfer Verfiand an die-
fes Gefetz gebunden fei, und es iß daher auch a
priori zweifelhaft (und alles, was jnit der Vorltel-
lung der Noth wendigkeit und Allgemeinheit ver*
knüpft iß, läfst fich nicht a pojUriori oder aus
der Erfahrung erkennen), ob der Begriff der Ur-
fache nicht gar ein jleerer Begriff fei, und ob es
in der Erfahrung wirklich Urfachen gebe, ob wir
nehmlich nicht das, wovon wir blofs gewohnt
find,, dafs es vor B hergehet, v die,Ur lache des B
nennen , und ihm fälfehlich , durch die Gewohn-
heit getäufcht, die Notwendigkeit und Allge-
meinheit des Vorhergehens unterfchieben,' Viel-
leicht giebt es, könnte man fagen, Gegenftände
der Erfahrung» die fo befchaffen find; dafs lie
keine Ur fache haben. Sie liegen dann freilich in
einer folchen * Verwirrung , dafs unfer Verfiand,
der alles . durch den, Begriff der Urfache und Wir«
i
Kategorie.
547
imng erkennt, nichts davon begreift; allein das
hindert nicht, dafs alsdann der Begriff der Ur fa-
che für fie nicht ganz leer, nichtig und ohne
Bedeutung wäre. Ja giebt es nur
eine einzige
Erfahrung, die von ihm ausgenommen iß, fo
dafs er nicht von derielben gilt, fo fallt die
Notwendigkeit und Allgemeinheit, welche doch
Merkmale in die fem Begriffe find, und damit der
ganze Begriff felbft, über den Haufen (M.'I, 133,
C* I2fll).
28- Es iß durchaus nicht möglich, aus der Er*
fahrung zu erkennen, dafs der Begriff der Urfache,
und fo.die übrigen Kategorien, für alle Erfahrungs-
erkenntnifs und die Gegenfiände derfelben gültig-
lind , und ßch in denfelben vorfinden muffen. Denn
wollte nianfagen, dafs fie in allen Erfahrungen vor-
kommen , und dafs, wenn man d je Urfache von
manchen Ge^enftänden und Veränderungen nicht
wifle, daraus nicht folge, dafs fie keine haben,
dafs man vielmehr auch von ihnen eine Urfache
annehmen muffe, weil überdem das Gegründete
diefer Annahme durch den Erfojg unfers F orfchens
nach den Urfachen der Dinge, fo oft gerechtfertigt
werde: fo hätte man nicht bedacht, dafs daraus,
dafs fetwas immer fo gewefen fei, bei weitem
noch nicht folge, dafs es immer fo feyn werde,
und durchaus fo feyn muffe. Eben dies ilt es
aber, was durch den Begriff der Urfache behaup-
tet wird. Wenn A die Urfache von B keifst, fo
will das nicht Tagen, ß kann darauf folgen und .
«uch nicht, diefes Folgen iß zufällig; fondern
B mufs auf A nach einer fchlechthin allgemeineh,
d. i. ftets geltenden, Regel folgen, diefe Folge, ilt
nothwendig, Erfahrung giebt aber nie eine
ftrenge, fondern nur eine comparative Allge* ,
meinfreit, d. h. man.weifs blofs, dafs bisher noch
kein Fall ausgefallen iß, abter ni^it, dafs nie einer
ausfallen werde, weil keiner ausfallen könne.
Und fo verhält' es fich mit allen übrigen Katego-
Mm a *
/
/
548 Kategorie. -
rien., ja mijt allen reinen Verf^iidesbegriffen über-
haupt (M. I, 159. C. 123. .f.). v
ä. U eher gang.
29, Wenn wir uns Erkenn tnifs von Gegen-
ftänden der * Erfahrung erwerben , fo macht* der
Gegenftand die Vorfielfung möglich', dje iph mir
vpn ihm mache, oder ich bekomme meine Vor T
ßelluhg von dem Gegenfiande durch denfelben.
Dies kann man die empirifc he li eziehung ei-
ner Vofrftellung auf ihren Ge^eniiand nennen. Es
ift aber die Frage, ob es nicht auch umgekehrt
feyn könne, ob es nicht a^ch, Vorftellungen gebe,
welche ihren "Gegen ftatid möglich machen, fo dafs
ich folglich durch diefe Vorfiellungen fchon willen
kann, -wie gewiffe Gegenfiande 'befchaffen feyn
_wejrden und muffen? Wäre das, fo gäbe^ es eine
rationale Beziehung einer Vorfiellung zu ihrem
Gegenfiande, nehmlich, die, dafs did Vorfiellung
a priori "befiimnite," wie der Gcgenliahd befchaffen
Xei. Alle Erfahrungserkenntnifs enthält aber zwei-
erlei, eine Anfchauung des Gegenfiandes durch
" die, Sinne, wodurch etwas zum Erkenntnifs gegeben
wird, und einen Begriff von dem Gegenfiande, den
wir, in- der Anfchauung anfchauen.. Alle Anfchau-
ung mufs x^ber zweien Formen unfr er, Sinnlichkeit
•gemäfs fcyft, und wird durch diefe befiimmt, d. h.
es mufs alles, was wir anfchauen, im Räume und in
der Zeit, oder doch, wenn es etwas in unferm iniierh.
Sinn Befindliches ifi, in der Zeit angefchauet wer-
de , und folglich in fo fern den Gefetzen diefer
Formen ganz gemäfs feyn. Es fragt fich nun: ob
^ nicht auch die Begriffe ähnlichen Formen der' Be-
griffe gemäfs feyn muffen,, fo dafs'fie nur in die-
len Formen gedacht /werden kpnnen? "Wäre das*
fo müfste -alle Erfahrungserkenntnifs» der Gegen-
fiande, noth wendig folchen Begriffen (Formen cles
Denkens) gemäfs feyn, und es liefse fich ohne lie
kein Erfahrungsgegenfiand denken. * Sind nuiv die
Kategorie. 549 *
1
9
Kategorien dergleichen Begriffe a priori , fo ^iret
ihre objeetive Gültigkeit, oder dafs Jedermann das,
was fie ausfagen, in aller Erfalirungsgegenftimdeu
gültig finden mufs, darauf beruhen, dals durch lie
allein, Erfahrungserkenntnifs ( den Formen des Den*
iei>$ nach) : niöglich fei. Alsdann kann es > einen
Gegenstand geben, der nicht durch diefe Katego-
rien, im Denken des Gegenftandes, beftimmt wür-
de, weil es dann nicht möglich' ift, uns einen
Begriff von - irgend eineni Erfahrungsgegenftande
zu machen, als nach den Formen aller Begriffe
öder alles Denkens überhaupt, d. i. nach den Ka-
tegorien (M. I. 140. C. 124. ff.)-' -
»
30. Es ift alfö blofs die Frage zu beantwor-
ten: find die Kategorien f und überhaupt die Be-
griffe a priori, etwa die Bedingungen, unter wel-
chen allein Erfahrung, fowohl Erfahrungsgegen-
ftande als Erfahrungserkenntnifs, möglich ifi^
Sind fie das," fo find lie auch nothwendig; weil
fie dann nicht blofs der Grund der Möglichkeit
der Erfahrung* für einzelne Subjecte, wie z. B. det "
Sinn des Gefichts u. dergl. , fondern der Möglichkeit
der Erfahrung überhaupt find. Dies ift der ein-
zig mögliche Weg, ausfindig zu machen t wie Be»
griffe, die ihren Urfprong in unferm Verftande ha»
ben, etwas ven einem Gegenftande ausfagen kön-
nen , -der uns feiner Materie nach durch die Sinne
gegeben wird; denn durch die Ableitung diefer
Begriffe aus der Erfahrung würden wir die Not-
wendigkeit in denfelhen nie heraus bekommen,
weil in der Erfahrung al4es zufällig, ift (M. I, 141; x
C. ia6. f.). ,
- »
•
31. Die Kategorien können alfo nicht aus der
Erfahrung eritfpringen. Dennoch hat Bocke Jie f
als einfache Begriffe, in der Erfahrung aur-
gefucht: Diefer Fhilofoph ift es eigentlich, de*
auf die Beftimmung und Aufzählung der einfa-
chen Begriffe zuerlt aufmerkfam gemacht hat. Et
1
£5<> Kategorie.
< i
nimmt zwei Quellen derfelben an, den äufsern
und den innern Sinn* Hiernach clafllficirt ec
/die einfachen Begriffe auf folgende Art. Es giebt
foiehe,
i
- s
a. die aus einem einzigen Sinnj
b. die aus mehreren Sinnen;
c. die aus dem innern Sinn allein;
' i
d. die aus dem innern und äufsern Sinn
zugleich entfieherf.
Von den erfiern betrachtet er blofs die Soli-
v di tat; die der zweiten Clafle find: Banm, Fi«
gur, Bcwegurg und Ruhe; die der dritten
Clafle find; Perception und Wille; die der
•vierten Clafle: Vergnügen • und Schmerz,
Kraft, E^iftenz, Dauer und Einheit. Die
An' *hl der Begriffe ift in diefer Tafel ebenfalls nach
]keiner Regel und willkührlich beltimmt, auch
jmifcht er offenbar Begriffe, die aus reiner Sinnlich-
keit entfpringen, und empirifche Begriffe, fo wie
abgeleitete und Stammbegriffe des reinen Verßan-
de,s unter einander (Schwab, a. a. 0. S. 45 und
43. ff.). Die Haupt fache aber ift, dafs Locke
fo inconfequent verfuhr, und nach diefen Be-
griffen, die doch aus der Erfahrung entfpringen
follei), Gegenfiande beflimmen und fo zur Er-
kenntnifs dejfeJben gelangen wollte, von denen
.gar keine Erfahrung möglich iß, fo dafs die Er-
kenntnifs derfelb N en folglich von ganz anderer Art
iß, als die Erfahrungserkenntnifs. So gebraucht
Locke den Begriff der Exifienz von Gott, und
behauptet, das Dafeyn Gottes fei diejenige Wahr-
heit, welche man durch die Vernunft am leichte*
ße? erkennen könne, und die Evidenz derfelben
gleiche der aus » mathematifchen Demonßrationen
(Locke £jjai philo/. Cancern, erntend* hum* l* IV*
<
\
»
» \
KatearoCTc
eh. X. $. l-% Er kennt der T*»rr£F o"* T c ~* - t »
blöfs als einen ErfaLrtrrr^^rr.^r,, r~ :rv.. ..- ^_x
aber ohne Umltande ron Gi*rt„ ehirn. Gfir*: L«x...»„
der nicht in die Sinne f^Lt, iriiL i "*• Ci*aL «r
folglich keine Erfahrnncr ^ei>en I^t.il E' :*_ i..n
gar nicht ein, zu fra^ren z vx cl*.- ct .r*"T. e.i-
fachen Begriffe, die in om Erfi^-rui.irt'r^T.! *i»
den finnlich dar£eitel]t werfen, bu:l zi ii- .ii-t
Ge genftänden , die £ch alüer F-r:V:.rui.x: ci.tr t*.:-.^n^
etwas ihnen entfprechendes haiiex« c^zh cura ±*t
gedacht werden könne?
David Hume raTbnxiirte cfcrr^n cj* * i "ec-
tive Realität der all sen.ciT.eii It;'j ; r«
überhaupt, ja fogar ihr Dcfeyx: iü Ctr rtt.t
we£, und erklarte £e für Ur.cmr*- I-r :^i.«'U>
tet mit Berkley, dafs alle zllz^iwr"* lß~z~St
Grunde nichts als individut-Tüe J^r--i-V ▼ *-**■: .
man an einen gewifTm lü5cni'i ir,r r , *»^r li-*'
eine ausgedehntere Pecdt-; r r* -•* , *:?•£
mache, dafs man £ch re]erer.t ii Lj«u*~rr Ii;t.r-
viduen erinnere, die ihnen Li/»..i'*. j*j*t: hi.i!
er hält diefes für eine der Trici:}«. ur. uiitf
gröfsten Entdeckungen, cie r*i cto. j*--r'.*Ti
Jahren in der Republik der IViTeiJi :,*/•.♦•* £**:!*•• r.t
worden feien. Um zu er!;] Heu # wam-r: -w rr ii"e
Begriffe als allgemeine beh<~" ^'t-. It.. - ! *-^ : rr
dein Worte erwache der feidivic T**.e l**zrS . n.c
diefem die übrigen, die mit deinl* u*n. f.c*'i c*-*
Gefetzen der. Aehnlichkeit, der G *■: rr^:.vi»i^
der SuccelBon u, L w. TerbwrE.öen It **-?.; ul^e
Einbildungskraft gehe Ton d*?n elfifn rirxn hti-
dem, wir bekommen nach xir-A T.*b e.rte Leirt-
tigkeit, die ganze Beihe zu dtu«: i.'.r >f*-i: , riid
täufchen uns dann mit d*-r EjtjUL'Jvt r . *-* ^<^-
ten wir einen allgemeinen Be^r^ii fom**rt_ D*f Te
Täufchung beruhe alfo, fo wie das «ranz*? Oe r u;. •%
auf Äer Binbild ungskraft tmd Geiro^T t e*t f
f. übrigens Gewohnheit, £. ff- \ ebrirer.i +**
aber Hume bei diefer feiner BeKatipttu,* -vext
55* Kategorie.
xonfequentev als Loche. Er erkannte, dafs
man mit Begriffen, die ihren Urfpiung auf diele
Weife der Einbildungskraft urul Gewohnheit zu.
dünken hätten, unmöglich Gegenstände erkennen
f könne, von denen wir nie einen individuellen
Begriff erlangt hätten. Die reinfc IVJathemaük und
allgemeine ftaturwiffeijiciAaft lehren, dafs-jich Lo-
cke und H^iune in der Ableitung ihrer einfachen
und allgemeinen Begriffe aus der Erfahrung irr-
ten , indem, gegen beider Gründe,- jene Wiffen-
fchaften durch die That lehren, dafs es wirklich
Begriffe a priori gebe {LA "priori f 19.) (M. 1,
1 14a. C, 1*7. f.),
5Q. Locke öffnete durch feine Behauptung
der Schwärmerei Thür und Tljor; denn fo wie .
er einige feiner einfachen Begriffe ohne allen Grund,
aus der Erfahrungserkerintnifs zur Erkenntriif»
überfinnlicher Gegenltände ülfertrug, könnte man
^ebenfalls nicht nur feine übrigen einfachen Be-
griffe, fondern auch zufammengefetzte übertra-
gen, und fo alle Grenzen zwifchen der Erfah-
rung und dem, was nie Erfahrung werden kann,
,wegreifseh. So würde Locke z. B, , wenn er feine
übrigen einfachen Begriffe eben fowohl, als den
der Exiftenz von Gott gebrauchen wollte, (durch
den Begriff der Salidität) einen materiellen,
(durch den Begriff des -Paumes) irr*. Raum be- %
find liehen, (durch den Begriff der Fig«r) ei*
ne Figur habenden, (durch den Begriff der
'Buhe und Bewegung) der Bewegung und Ru-
he, fähigen, (durch den »Begriff des Veq^iigens
t^nd Schmerzes). des Vergnügens und Schmer»
ja es fähigen, aUcTpafliven i*nd ganz (innlichen
Oott bekommen, Man lieht nicht ehr, warum ein r
lolcher Gott nicht auch in die Sinne fallen follte,
und wenn die Vernunft einjnal die Befugmfs batj
über die Grenzen der, Erfahrung hinaus nach\ 4ec
Erfahrungserkenntnifs zii .verfahre».! WK.fr]
für 1 fie Grenzen foyn fallen, w
Kategorie. " 555
ibll dadurch in Schranken halten laden, dafs
man etwa lagt, man niufs hierin auch nicht zu
wut gehen. — Wie fich Hume hergeben durch
leine Behauptung den Skepticismus ergab, fin-
det man im Art. Hume, 5. — Kan^s Abhebt bei
feiner Critik der reinen Vernunft ift nua, die
menfehliche Vernunft föwohl vor Schwärmerei
als vor Skepticismus zu fiebern. Diefes ver-
flicht er. dadurch, dafs er darauf ausgeht, die
Grenzen aufzufinden, üher welche die menlchlitbe
Vernunft mit ihrem erkennenden Vermögen
nicht hinaus kann , und dabei dennoch ihr nicht
dadurch das FeLd zu verfchhefsen , in welchem ihr
Bach Zwecken handelndes Vermögen wirkfam
feyn kann, ein Feld, welches* in Anlehung der
Zwecke der Vernunft unltreitig weit über all»
Grenzen der menschlichen Erkenntnifs hinan»
reicht (M. I, 143. C. i28-)*
« «
55* -Ehe Kant die transfcendentale Deducrioif
der Kategorien ^ausfuhrt, fchickt v er etil noch ei*
ne Erklärung der Kategorien voraus, welche den
Realbegriff derfelben giebt, der eben durch die
Deduction bewiesen werden folL Sie heifst ; Ka«
tegorien find Begriffe von einem Cic*
genftande überhaupt, dadurch deffe.n An*
fchauung in Anfehung einer der Jogi*
fchen Functionen zu urtheilen, als be-
ftimmt angelehen wird.* Wenn wir nehm-
üch denken, fo ift es das erfte, dafs wir uns
ein Subject denken, wovon wir % etwas denken,
oder dem wir Prädicate beilegen. So lange wir
nun dein Subject noch gar kein Prädicat beigelegt
haben , ift. . da$ Subject noch ganz* unbeftimmt*
Wir denken uns im Begriff des Subject« bloft über»
haupt einen Gegenfiand, den, wir beftimmen, odet
Prädicate beilegen^ wollen.* Unter all« Begriffen,
Al ~ %h nun dem, was ich mir im Subject nur"
>.alr Gegenstand überhaupt denke, beile-
;*ehfc ^ es einige, welch« Kategorien
554 Kategorie*
heifsen. Das lind nun folche,
ich fic c|em Subjecte beilege, be
^welcher Function zu urtheilen • d
der Anfchauung flehe , ob er z.
von dem (in Anfehung andrer
allgemeine oder befondere oder
der bejahende oder' ,verneineiy
ITrtheile gefällt werden müfler
rifchen UrtHeil als Subject c
dacht werden muffe u. f. w.
den Begriff Corper denke, n
nicht weiter befiimmt habe,
unter zuvörderft überhaupt
Will ich nun mit diefer
andere verknüpfen, fo ilt
iß die Anfchauung eines
logiichen Functionen zu
jnit mir jene Verknüpf
die. Anfchauung fo beleb
Gegenftandes diefer Ar
den nlil ihm zu verl
%. B. den der Theilt
rie, der Allheit, oc
Einheit ltehe, fo •
alle, oder viele
ein Corper ift thei T
flen, dafs er unt
. oder Negation , c
ich entweder fage
find nicht the
theilbar; ferner
kategor ifchen U
ausmache, und
fianz oder d
entweder fagej
oder einiges "
die Kategorie
Subitanz,
darunter brf
A&fchauunf
Kategorie. 555
fchaffen fei, dafs er entweder überhaupt, in je-
dem Fall,- odet doch in Anfebung eines andern
mit ihm zu verknüpfenden Begriff« i'o zu betrach-
ten fei, dafs jederzeit alle Anfchauungen , die
zu der Sphäre des Begriffs eines Cörpers gehö-
, ren, auch zu der Sphäre des Begriffs der Theil-
barkeit gehören, und dafs der Cörper hierbei
immer nur als Subject, niemals als Prädkat be-
traclitet werden mülTe; und fo in allen übrigen
Kategorien (M. I, 144. C. ia&. I-)-
3. Dednction.
a. Nach der erfie» Ansgabe der Cri-
tik (C. 1. A. 94. E).
34. Wenn Erfahrung entfiehen foll, fo muf-
fen drei nrfprüngliche Vermögen der Seele wir-
ken , welche darum urfprünglich beifsen , weil
fie von keinem andern Vermögen der Seele weiter
abgeleitet werden können: der Sinn, die Ein-
bildungskraft und die Apperception. Di«
drei Wirkungen durch welche diefe drei Vermö-
gen die Erfahrung hervorbringen, find:
a. der Sinn fafst das Mannigfaltige der Ein-
drucke, die er empfängt, nach und nach auf,
«reiches die Synopfis deffelbeu heifst;
gskraft verknüpft diefe*
Eindrücke '■ mit einander,
deffelben heifst;
ion macht, dafs alles die-
kannt werden kann, als
Eindruck, den. wir erhaU
e Einheit deffelben ge-
$$6 t Kategorie.
Aber nicht nur die Erfahrung felbft bringen
diefe Vermögen durch ihre Wirkungen fc hervor,
foudern auch die Form, die alle Erfahrung we-
gen der Befchaffenheit der Vermögen, durch wel-
che wir zur Erfahrung gelangen, noihwendig an-
nehmen mufs. Diefe Vermögen haben alfo einen
zwiefachen Gebrauch, einen einpirif chen, zur
Bewirtung der Erfahrung lelbß, und einen
trän sfc enden talen, zur Bewirkung der Form
a priori , die alle Erfahrung noth wendig anneh-
men mufs.
55. Dafs ein Begriff völlig a priori erzeugt wer-
den, und dennoch die Vorliellung irgend eines ic-
ftimmten Gegenstandes (nicht blofs eine» Gegenwin-
des überhaupt) enthalten follte, iß unmöglich; denn
folcher begriff würde blofs eine Art des Denkei>s
ftyn , aber es würde dadurch nichts Bestimmtes
auf diefe Art gedacht werden, er würde die Form
äu einem Begriff von* einem. Gegenfibnde feyn,
aber er würde keinen Inhalt zu einem befiimm-
ten Gegenßande haben, deffen Begriff diefe Form
Annehmen könnte. Wenn ich z. B, fagd, die
Seele ift eine Subßanz, fo lege ich dem Gegen-
ftande, den ich Seele nenne, und im Subject
meines Urlheils als noch unbeßimmten Gegenfiand-
denke, einen folchen a priori erzeugten Begriff
bei* Aber eben darum erkenne ich noch nichts
yon diefem Gegenßande, .' fondern fage blofs di«
Art oder Form des Denkens aus, auf welche oder
tinter der der Begriff Seele mufs gedacht worden,
nehmlich blofs als Subject, aber nicht als blofse
Beitimmung eines andern Subjects odef als Prädi-
cat, Darum keAne ich aber noch nicht die Seele
als 4ine Subßanz, es fehlt mir noch an' etwas,
Wodurch der Begriff Snbfianz Inhalt bekömmt, es
mute in 'dem unbeßimmten Gegenßande Seele et«
Was, vielleicht -durch die Sinne, gegeben werden,
.was ich die Subßanz der Seele nennen» kann. So
Kategorie. 557
iit die &ubft*nz des Cörpers, .das den Raum Er-
füllende , die Materie des Cörpers (C. 1. A. 95.).
- s
56. Nun giebt es aber für uns Menfchen
Keine andere Art, wie unfern Begriffen von Ge-
genwänden eiji Inhalt gegeben werden Kann, als '
die Eindrücke , die wir auf die Sinne erhalten ;
wärm, es alfo reine Begriffe m priori giebt, fo
kann durch fie nichts, anders erkannt werden, als
das, was durch die Sinne un* gegeben wird,
folglich können fie . nur zur Erkenntnifs d*r Kr- *
fahrungsgegenfiände und zur Hervorbringung der
Erfahrungserkenntnifs dienlich feyn (C i» A. 95.)*
37. Will man alfo wiflen, wie man durch
die Kategorien , als Begriffen ,' die doch aus un-
ferm Verfiande entfpringen, wirkliche Gegenflan»
de, und nicht blofse Hirngefpinffe , erkennen
könne: fo mufs man unterfuchen, was das Er-
kenntnifsv ermögen thun mufs, um Erfahrungs-
ei kenntnifs N voh einem Gegenfiande hervorzubrin-
gen. Mufs der Verftand dazu gawiffe Vorftellun-
gen hervorbringen, ohne die keine Vorfiel] ung
eines Erfahrungsgegenftajides möglich feyn würde:
fo würde x die Kategorie eine folchc Yorftellung
feyn, die dann einfach feyn müfste, weil he
vielleicht alles Mannigfaltige verknüpfet, aber
felbft nicht als ein Mannigfaltiges von Vorfiel Jun-
gen durch die Sinne gegeben iit. Solche Elemen-
te einer Erkenntnifs a priori können dann, zwar
nicht, von der Erfahrung entlehnt feyn, denn fonft,
wären fie nicht a priori, fie können aber doch
blofs zur Erfahrungserkenntnifs dienen, und kein
andrer Gegenfiand, .als ein folcher, der vermit-
teilt finnlicher Eindrücke erkannt wird, kann
durch fie erkannt werden; denn fonft würden
diefe Begriffe nicht nur. ganz leer feyn, fondern
auch nicht einmal* im Denken, entliehen (C. 1.
A - 95. £)•
#58 ' Kategorie* .
Die Kategorien find nun folcHe Begriffe a prio-
ri , welche zu jeder Erfahrungserkenntnifs unum-
gänglich nöthig find, und daher auch in jeder
Erfahrungserkenntnifs vorkommen muffen; und
ihre Deduction ift gefuhrt , wenn gezeigt wird,
oafs es,' ohne fie, nicht möglich ift, einen Ge-
genfifind zu denken. Uni diefes einzufehen, muf-
fen wir erft unterfuchen, was alles im menfchli-
cheii Erkenntnifsvermögen vorgehen mufs, wenn
Erfahrungserkenntnifs entftehen foU (C. 1. A.96. f.).
38« Erkenfotnifs ift ein Ganzes verglichener und
verknüpfter Vorfiellungen; wenn daher auch der
Sinn durch eine Synopfis das Mannigfaltige der
Vorstellungen auffafst, fo mufs doch zu diefer
Synopfis auch eine Synthefis gehören, wodurch
das in dem Sinn Zufammengefäfste verknüpft wird,
folglich kann die Fähigkeit Eindrücke zu erhalten
{Receptivität) nur mit dem felbfithätigen Ver-
mögen, diefe Eindrücke feftzuhalten und mit ein-
ander zu verknüpfen (Spontaneität), Erkennt«*
nifs möglich % machen. Diefes felbltthätige Ver-
mögen wirkt riun eine dreifache Synthefis, die
zu aller Erkenntnifs noth wendig ift:
■
a. die Synthefis der Apprehenfion der Vor-
fiellungen in der Anfchauung (f. Apprehen-
fion);
. b. die Synthefis der Reproduction der
Vorftellungen in der Einbildung (f. Apprehen-
fion, 4.);
c. die Synthefis der Recognition der Vor-
fiellungen im Begriffe (f. Anfchauung, 11.).
v
Diefe dreifache Synthefis fetzt alfo auch ein
dreifaches Vermögen derfelben voraus, und in die-
fem Vermögen beftehet der Verftand, durch wel-
chen die Erfahrung ^ qte das, empiufoife Eroduct
Kategorie. 659.
aeffelben (C. 1. A. 97. ff.) und felbfi der Erfahl
rungs gegenfiand möglich wird , f. Gegen*
itand, 4. ff. (C. 1. A. 97. ff.).
39. So wie nur Ein. Baum und Eine Zeit ift,
in welchen alle Formen der Erfahrungsgegenftän-
de und alles Verhältnifs des Seyns und Nichtfeyn*
l.att findet.; fo- ifi auch nur Eine Erfahrung, in
welcher alle Wahrnehmungen als im durchgängigen
und gefetzmäfsigen Zufammenhange vorgeftellt
werden. Käme aber die Einheit der Verknüpfung
aus der Erfahrung in uns hinein, und entfpränge
Jie nicht aus unfetm Verftande, fo würde ein Ge-'
wühl von Erfcheinungen, aber keine zufainmen-
hangende. Erfahrung in uns feyn, Diele Einheit
und die Verknüpfung zu derselben wäre nehm- '
lieh dann zufällig und nicht allgemein. Und da
iiberdem das Verknüpfen nicht durch' die Selblt-
thätigkeit des Verftandes geschähe, fondern die
Einheiten in denfelben bloJs durch den Sinn auf-
getafst würden: fo gäbe das gedankenlcTe An-
stauungen, aber niemals Erkenn tnifs. Die.Ver- !
knüpfung und Einheit, welche der Verfiand in die '-
Fa f ahrüngserkenntnifs bringen mufs, die mufs er i
folglich auch in die GegCnfiände der' Erfahrung 1
bringen , die für uns nicht anders als in der An- '
fchauung vorhanden ßnd. Die Kategorien find,
demnach nichts anders, als die Bedingungen 1 ,
äes Denkens in einer möglichen Erfah-j ,
ritng, fo wie Kaum und Zeit die Bedingungen'
der Anfchauung zu einer möglichen Erfahrung 1
find. Das heifst, fo wie ohne Kaum und Zeit \
keine' Anschauungen möglich find, welche doch
's und den Gegenftänden '
; fo ift ohne Kategorien
welches ebenfalls zur Er-
den Gegenftänden derfel-
Alfo lind die Kategorien
ie aus dem menfehlichen
nid in . das durch die -Sin-
§ßo Kategorie.
jie zur Anfchduüng gegeben Mannigfaltige finnli-
cher Eindrücke die Einheit bringen, zu welcher
fie der Verftand verknüpft, und wodurch lie erft
; ein^ Ganzes finnlicher AnfcFauungen oder Gegen-
I Jfänd* werden. Da ei alfo., ©hne fie-, für ein fol«*
ches Erkenntnifsvermögen , als das menfehliche
ift, nicht einmal GegenJtände der Efkenntnifs ge-
ben kann, fo muffen l^e auch als etwas betrach«
v tet werdei*, was dem / Gegenfiande unvermeidlich
anhängt, welches Kant unter dem Ausdruck ver-
- ^^ fieht) fie haben objeetive Gültigkeit. Die
' Kategorien find alfo darum noth wendig, weil alle
N . Erkenntnifs- in ein reines Selbfibewufstfeyn mufs
zufanimengefafst, d. h. weil jede 'einzelne Vorftel-
lung an die Vorfiel! ung, dafs wir jene Vorfiel*
v > lung haben, mufs geknüpft werden. Dies ift
aber nur dadurch möglich, dafe alle.djefe Vorfiel-
lungen an' Einen Begriff geknüpft werden, wo-
durch dAs Ich, an welches die einzelnen (Vorfiel-
langen geknüpft fipd, allein als das •" nehmlicire
Ich in allen diefen Vorfiellungen erkannt werden
kann. Wenn ^ch z. B. die Identität meines Ichs
in allen 1 meinen Vorttellungen , in fo fern fie in
der £eit au f einander folgen, erkennen will, fo
ift das .hur dadurch möglich, dafs ichVfie durch
die Begriffe der Urfache und Wirkung, d. i. da-
durch, dafs ich fie als Urfachen und /Wirkungen
vx .^ufammenhängend .erkenne, verknüpfe und fo
Einheit des Bewufstfeyns hinein bringe, gleich-
fam als wäre, alles nun nur eine. einzige. Vorftel-
lupg , die an ein einziges. Ich geknüpft fei. Oh*
ne eine folche Vereinigung die ihren Grund in
uns hat ,' y/nväe das Mannigfaltige der Vorfiellun-
;, gen in unfern Wahrnehmungen nie Erfahrung wer-
den, fondem ein blindes Spiel mit Vorfiellun-
.' gen und noch weniger al$ ein Traum feyn. .-
Es iß, unmöglich, die Kategorien aus der Er*
, fahr ung abzuleiten; wie könnte man z, B c etwas
eine Urfache nennen, und damit behaupten, es
Kategorie. , 561
toülTe das 'mager hervorbringen, • was man feine
Wirkung nennt? Und wie* will, man fich, wenn
alles fias der Erfahrung entspringen foll, begreif*
lieh machen, dafs niemals etwas gefchkht ohne
eine 'wirkende Urfache, durch die es hervofge*
bracht wird*, und was 'foll der Grund davon feyn,
dafs die Gegfenftände fieh untereinander auf diefe
Weife verknüpfen laflen? Nach Kants GrtiAdfö*
tzen ift diefes fehr wohl begreiflich. Soll* nehrrw
lich etwas ein Stück meines Erkenntnifles werden,'
fo mufs es fo an' die Vorftelhirig r^ eines Ichs ge-
knüpft werden , dafs ich dabei ficher bin , ditf»
die' Vorstellung meines Ichs dabei diefelbq fei, Wel-
che in meiner übrigen Erkenntnifs vorkömmt.
Hieraus folgt alfo, dafs die Erfahr urtgs gegen«*
ftände ohne eine Vorftellung in ims nicht möglich
find. Eine folche Vorßellung einer allgemeinen-
Bedingung, ohne welche etwas' anders nicht Trfög-
lich ift, heilst eine Regel, und "Wenn das an*
dere fo feyn mufs, ein Gefetz* ••> • Folglich fte«*
hen die Erfahrungsgegenftände unter notlvffendi-
gen Gefetzen, - mithin ift der Grund ihres Zufam-
menhanges (ihrer Affinität) transzendental, ' un<|f
der empirifcKe ift 'die blofse Folge dav<m/ * Di*
Erfahrungsgegenftände , und mithin die Natur alst
Inbegriff derfelben, beruhet alfo auf der Befehaf-
fenheit unfres Verftandes und unfrep 'Sinnlichkeit--
Dies ift aber darum nicht weiter befremdlich /• weil
diefe Gegenftäiide nicht DingiO xn fich find, fon-
dern ans blofsen finnlicheii Eindrucken beßeheftV
welche der Verftand fehr wtihi< verknüpfen und
die Einheit hinein legen kann, die d priori aus
ihm entfpringt (G. x. A. 110.). " - .
40. Diefe Deduction ßellte hun Kant; nach-
dem er die einzelnen Theile derfelben im Vorher-
gehenden abgefondert vorgetragen hatte, auf fol-
gende Art im Züfammenhange vor. Die Möglich-
keit der Erfahrung und der Erkenntnifs der Er-
fahrungsgegenftände bei^uhet auf Sinn-, EinbiP
MellinsphiL PVörUrb. 5. Bd. • N n
< t
56 z Kategorie,
• .
dungskraft und Apperception* Jede diefer
drei Erkenntnifsquellen maght fowohl die Erfah-
rungserkenntnifs als auch die Erkenntnifs a priori,
als den Grund der Erfahrungserkenntnifs, mög-
lich. Der Sinn fiellt die ErfahrungsgegenRände
( vermitt eilt der Anfchaüung) in der Wahrneh-
mung vor, die Einbildungskraft in der Af-
fociation öden Vergefellfchaftung (und Repro-
duction), die Apjperception in dem empirifchen
Bew uf s % f e y n f dafs die reproducirten oder
durch die Einbildungskraft wieder hervorgebrach«
ten Vof Heilungen die nehmlichen lind, die in der
.Anfchaüung enthalten waren; welches Kant die
Recognition nennt. Es liegt aber der lammt-
liehen Wahrnehmung d\e reine Anfchaüung, der
Affociation die reine Syntheüs oder Verknüpfung
der Einbildungskraft, und. dem empirifchen Be-
wufstfeyn die reine Apperception (das Selbftbe-
wufsfcfeyn oder die Vorltellung der Identität des
Ichs iq den verfchiedenen Voritellungen) in dem
Er ke**ptnifs vermögen zum Grunde. 'Sollen wir
uns etwas vorftellpn, fo muffen wir uns deffel-
ben bewufst feyn, dies iß, das empirifche Le-
wufstfeyn; diefes Be wufstfeyn mufs aber auch
3iit dem Bewufstfeyn aller andern Vorfiel kragen,
die wir haben, zu einem und demfelben Bewufst«
feyn gehören , folglich muffen wir uns bei allen
Vorstellungen bewufst werden, da& das Ich, an
das wir £e knüpfen, in Änfehung aller immer
daffelbe ilt, welches Kant di<| reine Appercep-
tion neönt. Dies Princip lieht a priori feft, und
kann N das transfcendentale Princip der Einheit
alles Mannigfaltigen "nnferer Vorßellungen (mithin
auch in der Anfchaüung) heifsen. Nun iit die;
Einheit defc Mannigfaltigen verschiedener Vorfiel^
lungen in einem Subject fynthetifch, d.h. fi<
ifi nicht etwa, wie die analytifche, in mehn
Begriffen als, ihr gemeinschaftliches Merkmal em
haken, fo dafs diefe Begriffe alle unter ihr, J.
unter ihrem gemeinsamen Begriff liehen, welche^
Kategorie. 563
die analytifche Einheit feyn wurde, fondern
fie vereinigt alle. Theilvorfiellun£en in fich und
macht aus ihnen eine einzige Vorfiellung. Folg-
lich ift die reine Apperception ein Grund der
fynthetifchen Einheit des Mannigfaltigen in aller
möglichen Aufchauung. Soll aber das Mannig-
faltige der Vorftellungen zu. diefer Einheit vei ei-
nigt werden, fip mufs der Verftarid diefe Vereini-
gung bewirken, alfo fetzt die fynthetifche l.in-
heit eine Synthefis, Vereinigung, Toraus; ift alfo
jene Einheit a priori noth wendig, fo ift es auch
diefe Synthefis. Folglich ilt die Synthefis durch
die Einbildungskraft die Bedingung a priori 9 unter
der das Mannigfaltige der Vorftelluhgen allein zu
einer Efkenntnifs vereinigt werden kann. Dies
üt aber die *productive Synthefis der Einbildungs-
kraft a priori , d. i. diejenige, wodurch die An*
fchauungen urfprflnglich erzeugt werden, nicht die
reproduetive oder diejenige, wodurch wir Jie in
der Erinnerung uns noch einmal, in Abwesen-
heit der Gegenftände, wieder vorliegen. Folglich
kann es keine Erkenntnifs geben, und befonders
keine Erfahrung, ohne jene nothwendige Einheit
un<HSynthefis. Geht die Synthefis des Mannigfal-
tigen der Vorfiellungen in der Einbildungskraft
blofs auf die Verbindung desjenigen Mannigfalti-
gen, welches a priori ilt, fo heifst fie trans-
zendental, und die Einheit diefer Svntheli*
heifst transfcendental, wenn fie als a priori
noth wendig in Rückficht der urfprünglichen Ein-
heit der Apperception vorgefiel lt wird. Da nun
ohne diefe Einheit der Apperception keine Er*
kenntnifs möglich ilt, fo Üt die transfcendentale
Einheit der Synthefis der Einbildungskraft die rei-
f ne Form a priori, durch welche alle Gegenftände
möglicher Erfahrungen vorgefiellt werden mülten.
Die Einheit der Apperception in Beziehung auf
die Synthefis der Einbildungskraft ift der Ter*
.ftand, der, wenn die Synthefis transfcendental
ift, der reine Verftand heifsen kann, Alfo find
Nn a
564 * ' Kategorie,
im Verftande Peine Erkenn tniffe a priori,
welche die nothwendige Einheit der rei-
nen Synthefis der Einbildungskraft, in
Anfehung aller möglichen Erscheinun-
gen, enthalten. DieJfes find die Kategorien,
oder vielmehr die reinen Verftandesbegriffe
überhaupt. Folglich liehen alle Erfahrungsgegen-
„ftände als Data tu einer möglichen Erfahrung i.n-
ter dem VerftaYide des Menlchen , und der reine
Verftand defielben ift, vermittelft der Kategorien,
ein, formales und fynthetifches Princip aller Er-
fahrung. . ,
In dem vorhergehenden Abfatz iß die ganze
transfcendentale Deduction d^r Kategorien in der
Kürze enthalten, und zwar fo, dafs wir von
oben herunter gingen , nehmlich von der Jrans-
fcendentalen Einheit des Selbftbewufstfeyns , oder
dem oberfien Punct in der menfehlichen ErJ^ennt-
nifs, anfingen, und fo bis zu dem Empirifchen
oder der Erfahrungserkenntnifs fortgingen* und
auf diefe Art die Erzeugung derfelben zeigten.
Jetzt wollen wir, oim diefe Deduction deftomehr
ins Licht zu fetzen, lie umkehren, und den not-
wendigen Zufammenhang des Verltandes mit den
Erfariri*ngsgegenfiänden vermitteilt der Kategorien
dadurch vor- Augen legen , dafs wir von upten
hinauf gehen, und von der Erfahrung anfangen.
* <\
Das erfte, was uns zur Erkenn tri ifs gegetept
wird, ift der Erfahrungsgegenitand (denn alle Er-
kenntnifs fängt mit der Erfahrung an, darum
ehtfpringt fieaber nicht alle au v der Erfahrung),
diefer muf?, wenn er ein Gegenftand unferer Er-
kenntnifs werden, d. i. Erfahrungsgeg^nftand
feyn foll , mit Bewufstfeyn verbunden feyn. Diefe
Verknüpfung des Erfahrungsgegenßancles mit dem.
» Bewufstfeyn, delTelben heilst die Wahrneh-
mung. Nun enthält aber jeder JErfahrungseegen-
ftand ein Maftf^^tifte^ ver^ohi^der^^ Vorftj^ui*-
Kategorie. 565
gen, die wir durch ' die Simte erhalten; wir
würden alfo die. Wahrnehmung' diefer verfchiede-
nen Vorftellungen haben, alfo mehrere Wahr-
nehmungen, die, ohne Verbindung, einzeln und
zerftreuet in urilerm Bewufstfeyn feyn würden.
Folglich ift eine Verbindung aller diefer einzel-
nen, und fonft zerftreiieten , Wahrnehmungen
notbwendig. Diefe Verbindung liegt nicht fchon
in den ErfahrungsgegenJtänden , ob wir un$ -wohl
derfelben fo bewufst werden, dafs es uns fo'
fcheint, als käme -auch fie durch die Sinne in
uns, oder als entfpränge auch fie durch die Sin-
ne. Denn, follte diefe Verbindung durch den
Sinn in uns kommen, fo müfsten wir uns doch
derfelben bewufst werden, und da das Bewufstfeyn j
der Verbindung zweier Wahrnehmungen von dem)
Bewufstfeyn der zwei folgenden Wahrnehmungen
wieder getrennt und ifolirt feyn würde, fo müfste»
doch eine Verbindung diefer Verbindungen gefche«j
hen, welche nicht in- den Erfahrungsgegenftän-j
den läge. Es ift auch g^r nicht begreiflich, wie eina
Verbindung, welche fchQn in den Erfahrungsge-j
genftänden läge, zum Bewufstfeyn kommen kön<t
ne. Es ift alfo in uns ein thätiges Vermögen deij
Verbindung (Synth efis) diefes Mannigfaltigen
der Wahrnehmungen und der Vorftellungen. Die-
fes Vermögen nennen wif die Einbildungskraft, und
die Handlung derfelben, die fie unmittelbar an
den Wahrnehmungen ausübt, ' um fie zu verbin-
den, die Apprehenfion oder Auffaflung der-
felben. Die Einbildungskraft foll nehmlich das
Mannigfaltige der Anfchauung in ein Bild brin-
gen; vorher mufs fie ajfo die finnlichen Eindrü-
cke der verfchiedenen Vorftellungen, oder de$
Mannigfaltigen in den Erfahrungsgegenftänden
felbftthätig auffallen oder appre'hen diren. Diefe
Apprehenfion würde aber kein Bild und keinen Zu-
fammänhang der Eindrucke hervorbringen, w,enn:
nicht bei der Auffaflung der folgenden Wahrneh-
: "* 1 'jäie Vorhergehende zurückberufen oder durch
566 Kategoiia
die Einbildungskraft im Gedächtnifs wieder r c p r o -
ducirt werden könnte. Folglich mtiflen wir da-
/ zu ein reproductiv^s Vermögen der Einbil"
dun\>kraft haben. Die Reproduction, 'wenn die
Yorjtellungen fich nicht phne Unterfchied reproduci-
ren und Kein regellofer Haufe derselben entste-
hen Coli, mufs eine Regel haben, nach welcher
eine Vorltellung vielmehr mit der einen als mit
der andern Vorßellung in Verbindung tritt. Den
Grund diefer Beproduction nach Regeln nennt
man die Aflbciation der Vorfiellungen. Diefe Af-
* fociaiion darf aber nicht zufällig feyn f es darf
nicht 7 unbeftimmt und zufällig feyn, ob fich die
. Vorstellungen auch werden • aflbciiren lallen, ob
fie werden aflbciabel feyn* denn fonfi würden
»einige Vorjtelluftgen zum Bewufstfeyn kommen,
, andre nichts und »es würde alfo keine complete
Verbindung zwifchen ihnen möglich feyn. Folg-
t lieh mufs ein vor allen enipirifchen Gefetzen der
Einbildungskraft, alfo weh der Aflbciation,
priori einzufehender oder , yie Kant die* mit
jEinem V$f er f benennt , objeetiver Gtrund der
JReproduction und Aflbciation vorhanden feyn, der
iie der Notwendigkeit eines fich durch alle Er*
fahrungsgegenftände* erfireckenden Gefetzes unter-
/ wirft. Diefen objeetiven Grund aljer Aflbciation
der Erfahrungsvorfiellungen nennt Kant die Af-
finität derlelben (f. Affinität, 4. iF.) # Diefe
Affinität liegt nun in dem Grundfatze von der
Einheit der Apperceptjon , dafs nehmlich alle Er-
fahxungsvorfiellungen fo apprehendirt werden muf-
fen, dafs fie zur Einheit der Apperceptioft zufam-
?nenltimmeh. Diefe ZufammenlHmmung würde
«aber unmöglich feyn ohne eine fynthetifche
Einheit in ihrer Verknüpfung: 1 Folglich iß alich
, ewe folche fyntheüfche Einheit objeetiv nothwen»
, , dig. Die Affinitat aller Erfahrungsgeg^nfiände
. ~ und aller verfchiedefien Vorfiellungen^ in denfel-
ben Jft alfo die nothwendige Folge einer a priori
auf Regeln gegründeten ßynthefi* in der Ejöbil-
Kategorie. 6*>7
dungskr^ft und. der objectiven Einheit diefer Syn-
thefis. Die Einbildungskraft ift alfo auch ein
Vermögen einer Synth eü« a -priori, die aber den-
noch jederzeit finnlich ift, weil fie das Mannig-
faltige nur fo verbindet, wie es in der Anfchau-
ung ericheint. Eine folche *Synthefi$ a priori ift
z. B. die Geftalt eines Criangels. Die reine Ein-
bildungskraft liegt alfo, als ein Grundvermögen
der menfch liehen Seele, aller Erkenn trtifs a priori
wim Grunde. Vermit teilt derfelben wird' das
Mannigfaltige yerfchiedener Vorfiellungen an. dag
ftehende und bleibende Ich, welches alle unfere
Vorftell ungen begleitet, gebunden; diefes gefchie-
het nach einer dem Verftand angehörigen Regel ,
ohne welche die Notwendigkeit und folglich Ob- ,
jeetrvität in der Anfchauung wegfallen würde,
welche Regel es auch möglich macht, diefes Man-
nigfaltige der Vorftell ungen als eine Einheit zu
denken, die der Gegenftand heifst, und es ii\ die-
fem Begriffe wieder zu 'erkennen, ohne welche
Repognition im Begriffe alle Reproduction
zur Zufammenfetzung des Bildes der Erfahrung*-
gegenftätide fowohl als der Erfahrungserkenntnifs
unmöglich feyif würde. In der Recognition, wel-
che das höchfte empirifche Element der Erfahrung
iß, enthält die fe alfo Begriffe, welche die for-
male Einheit der Erfahrung und mit ihr alle objeeti-
ve Gültigkeit oder Wahrheit der Erfahrungserkennt-
nifs möglich machen. Die je Gründender Recogni-
tion des Mannigf altigen der Vorftellun-
gen in der Anfchauung, fo fern fi* blofs
die Form einer Erfahrung überhaupt
(folglich jeder möglichen Erfahrung) angehen,
find die Kategorien (C. i. A» 115. fi.y
41. Wii* bringen alfo felbft in die, Natur
die Ordnung und Regelmäßigkeit an den Gegen-
wänden derfelben, die auch darum Erscheinun-
gen und nicht Dinge an fich find. Denn diefe •
Natur ein&eit foö eine noth wendige, d. i. a priori
*
36$ Kategorie.
%
4
gewifle Einheit der Verknüpfung ' der Erfcheintm*
gen feyn. Wie follten wir aber wohl , a -priori
eine fynthetifche Einheit hervorbringen können,
wären nicht a priori in den urfprünglichen Er*
kenptnifsquellen unters Erkenntnifsvermcgens fub-
jective Grande [Solcher Einheit enthalten. Der
Verfiand ift alfo das Verniögen der Regeln, fo-
wohl die Erfahrungsregeln in den Erfcheinungen
auszufpähen, als auch ihnen' folche Regeln vor-
zuschreiben , welche ihnen noth wendig anhängen,
pder objectiv, d 4 L Gefetze find, un4 die a priori
aus dem Verfiande felbft herkommen.
■
per Verfiand ift alfo die Gefetzgebung -für die
Natur, d. i. ohne Verfiand ; wurde es gar keine
Natu* oder fynthetifche Einheit des Mannigfaltigen
der Erscheinungen nach Regeln geben. Denn Er-
scheinungen können, als folche, nicht aufser uns,
d. L unabhängig von unferm Erkenntnifsvermögen
als Dinge an üch (nicht Voritellurigen ) fiatt fin-
den, fondern exiftiren nur in unfrer Sinnjichkoit.
Un Ire Sinnlichkeit aber ift, als Gegenfiand der
Erkenn tnifs in einer Erfahrung, mit allem, was
£e enthalten mag, nur iA der Einheit, der Apper-
ception möglich. Die Einheit der Apperception
aber ift der transfcendentale Grund der notwendi-
gen Gefetzmäfsigkeit aller Erfcheinungen in einer
Erfahrung.. Diefe Einheit der Apperception ift die
Regel, das Mannigfaltige von Vorfiel] ungen aus ei-
, ner einzigen zu befiinunen , und das Vermögen, die-
' fcr Regeln ifij der Verfiand* Alle Erscheinungen
' liegen alfo, als mögliche Erfahrungen, eben fo im
Verfiande, - als fie, als blofse Anschauungen, in
r der Sinnlichkeit liegen, und erhalten vom Verfiande
} eben fo ilire formale Möglichkeit als von der
:< Sinnlichkeit.
/
Der reine Verfiand ifi alfo in den Kategorien
das Gefetz der lyilthetifchen Einheit aller Erfchei-
nungen, und erft dadurch Erfahrung ihrer. Form
Kategorie. 56g
nach urfprüriglich möglich. Und fo iß dfenn di0
trän sfcefi dentale Deciuction hiermit geführt worden;
d. i. es ilt begreiflich, gemacht worden, wie der
V erfand zur Sinnlichkeit, ein folches Verhältnils
haben könne, $Uf s aus dem cirfien reine Begriffe
a priori entfpringen, welche die Gegenftände der %
Erfahrung auf eine allgemeine uAd * nothwendige
Weife beitimmen oder fiit fie objeetive jGühigkeit,
d. i. Wahrheit, haben können (C. 1. A. 125. ff.).*
42. Von Dingen an fich können wir gar kei-
ne Begriffe a priori haben , denn nähmen wir R&
von dem Dinge, fo wären es keine l^egriffe et
priori, nähmen wir fie aus uns felblt, fo ift kein*
Grund da, warum die Din^e' fo befchaffen feyn-
follten^ wie wir fie a priori denken. Nur dann
können gewiffe* Begriffe a priori vor cler empirt'
fchen Erkenntnifs der Gegenfiiinde vorhergehen j
wem! diefe Gegenftände nicht Dinge an lieh, fon-r
dem Erfcheinungen find« Dann find fie bldfse*'
Modifikationen unfrer Sinnlichheit 'und Beltimmun-
gen unfers identifchen Selbfi, d. h. fie muffen
in durchgängiger Einheit einer und derfelben Ap~ ■
pereeptiön liehen. In diefer Einheit des Bewufst--
feyns aber befteht auch *~die Form aller Erkennt-
nifs der Gegenftändö (wodurch das Mannigfaltige;
als zu Einem Object gehörig, gedacht wird). Alfo
macht die Art, wie das Mannigfaltige der finnli-
cheh Vcrrfiellung ( Anfchauung) zu einem Bewufst-
feyn gehört, eine formale Erkenntnifs a
priori aller-Gegen ftände überhaupt ans, fo
fern fie gedacht werden. Und diefe Er-
kenntnifs find die Kategorien. Sie lind alfo
nur darum a priori möglich, weil es unfre Er-
kenntnifs blofs mit Erfcheinungen zu thun hat,-
deren Möglichkeit in uns felbit liegt , deren Ver* t
knüjpfung und Einheit (dafs fie als Gegenftände
vorgeftellt werden) blofs in uns angetroffen wird»
Und aus diefem Grunde,, dafs alle Erfahrungsge-
genftände Erfcheinungen fincl, dem einzig, mö
/•*
570 Kategorie.
*
liehen unter allen, üt auch diefe Deduction der
» Kategorien geführt worden (C. x. A/xag. fi.)*
b. Nach der zweiten und den fol-
genden Ausgaben der Critik (C.
12$. ff.). *
43/ In den Met. Anfängsgr. der Naturw. (N.
XVIII*); 3, fagte Kant, dafs die Aulgabe; wie
Erfahrung vermitteift der Kategorien
und nur allein durch diefeiben tpöglich
fei, welche eben durch die transfcendentale De-
duction derfelben aufgelötet wird, wie er jetzt
( 1786) einfehe, eine eben fo grofse ( Leichtigkeit
haue, als ihre Wichtigkeit grbfs fei. Denn die
Auflöfung derfelben könne beinahe durch eineu
einzigen Schlufs( ans der genau beftimmten Eirkiä-
' rung eines Urtheils überhaupt (dafs dies eine
, Handlung fei, durch welche gegebene Voijtellun-
gen zuerit Erkenntnifs eines Objects werden) veiU
richtet werden. Er leugnet nicht , dafs in der
jetzt Vorgetragenen Deduction noch einige Dun-
kelheit fei, und fagt, dafs ile dem gewöhnlichen
Schickfale des Verßandes im Nachforfcherf beizu-
nieffen fei, dem der knrzefte Weg gemeiniglich
der erfte fei, den er gewahr wird. Er werde
daher die nächfte Gelegenheit ergreifen, . diefen
Mangel in der Deduction zu ergänzen. Er be-
treffe auch nur die Art der Daritellung, nicht
den. Erklärungsgrund, der in der vorhergehenden
Deduction fchon richtig angegeben fei. Dies Ver-
fprechen hat nun Kant in der zweiten Auflage der
Critik der reinen Vernunft, nach der auch alle
folgende Auflagen unverändert abgedruckt find,
erfüllt, «und ich will nun diele Deduction der
Kategorien noch auf diefe Art darftellen.
44. Die V e r b in düng eines Mannig-
faltigen überhaupt kann niemals durch
Sinne in uns kommen, auch nicht einmal die
Kategorie. ' 57*
Verbindimg in de* reinen Vorßellung a priori des
Baums und d£r Zeit ; denn fie ift eine Wirkung
des felbftthätigen Vermögens der Vorftellungskraft,
d.,L des Verßandes. JDiefe Verbindung heifse Svn-
thefis. Sie ift die einzige Vorfiel] ung, die nicht
durch Gegenftände gegeben ift (M. I, 145. C.
129.), und ift die Vorftellung der fynthetifchen
Einheit des Mannigfaltigen in den Anfchauungen
fowohl als in den Begriffen. Dafs, -wenn diefa
Vorftellung möglich feyn foli, die Vorfiel 1 ung der
Einheit noch zu dem Act der Verbindung de«
Mannigfaltigen hinzukommen muffe, wird im Art.
Einheit» qualitative, gezeigt (M* I, ,146,
C. 130.).
45. Im Art. Ich, 2. wird gezeigt, dafs das
Ich denke alle unfre übrigen Vorftellungex\ müfle
begleiten können, .weil fonft etwas in uns vorge-
stellt werden würde, was gar nicht gedacht wer-
den könnte. Diefe Vorftellung; Ich denke,
heifst das reine oder urfprün gliche Selbft-
bewufstfeyn. Die mannigfaltigen Vorftellungen
würden nehmlich nicht insgefammt meine Vor-
ftellungen feyn, wenn fie nicht insgefammt zu Ei«.
pem Selbftbewufstfeyn gehörten. Nur dadurch,
dafs ich ein Mannigfaltiges gegebener Vorftellun-
gen in Ein Bewufstfeyn verbinden kann, d. i. durch
die fynthetifc*he Einheit der Apperception,
ift es möglich, dafs ich mir die Einerleiheit
(Identität) diefes Bewufstfeyns in dielen Vorfiele
lungen felbft, d. i. die analytifche Einheit
in der . Apperception , vorftelle. Die fyntheti-
fche Einheit der Apperception ift alfo der höchfte
Punct alles Denkens, der Verftand tfelbft, und
diefer ift alfo das Vermögen, a priori zu verbinden
oder das Mannigfaltige gegebener Vorftellungen .
unter Einheit des Seibit bewufstfeyns zu bringen;
und es ift folglich der oberße Grundfatz alles Ver-
ftandesgebraucks und folglich der ganzen menfch-
liehen Erkenntnifs ; <jUf* alles JMannigfal«
$7* Kategorie.
tige der Anfchauung mufs können un-
ter die fynthetifche Einheit des Selbft-
bewufstfeyn y gebracht werden. Diefe fvn-
thetifche Einheit des Selbftbf» wufstfeyns f welche
objectiv und fubjectiv feyn kann, ifi erklart*
irti Art. Einheit, objective. Unter diefem
- Grund fatze liehen hijn alle Vorftellungen' der An-
fchauurgen, in fo fern fie gedacht oder er-
kannt, und eben .darum in Einem Bewufstfeyn
verbunden werden muffen. / Er ilt unter den Er-
kenn tnifsquelleh die erfteoder oberfte reine
Verftandeserkenntnifs und die allgemeingültige
und nothwendige Bedingung aller Erkenntnis.
jÜebrigens ift er analyrifch, denn er fagt blofs,
• dafs alle meine Vorfiellurigen unter den Bedin-
gungen ftehen, muffen, die f fie zu meinen Vor-
fiellungen machen. Auch ilt er ein Princip für
.•den menschlichen Verftand, durch deffen Selbft-
jbewufstfeyn das Mannigfaltige der Anfchauung
jtiicht gegeben ' svird. Man findet diefes weiter
ausgeführt und erläutert im Art. Apperception,
jj. ff. Öewufstfeyn, 4. ff. Anfchauung, 11;
«
46. Ktint will nun- nachdem er diefes als
'Vorbereitung zu feiner Deduction vorausge-
schickt hat, die transfcendentale Deduction aus der
, genau beftimmten Erklärung eines Urtheils fuhren.
Eu dem Ende unterfucht er erft den Begriff eines
Urtheils. pie Erklärung, däls ein Ortheil
die Vorftellung des . Verhäl t-niffes zwi-
fchen zwei Begriffen fei, ift unbefriedigend, j
Denn erft lieh pafst fie nur auf kategorifche
oder unbedingte, aber nicht auf hypothetifche
und disjunetiv« Urtheile. Wenn es regiuet,,
fo wi*d es nafs, ilt ein hypothetifches Urtheil,
♦ das aber äüs zvrei kategorischen Urtheilen und
nicht aus zwei Begriffen befteht. Entweder 'giebt
es einen freien Willen, ♦ oder~ nicht, iß ein dis-
junetiy es 1 Urtheil, das aber .wieder aus zwei ka-j
, tegorifchen Urtheilen und nicht aus fo viel Be*
Kategorie.
573
griff eij befiehl:. Zweitens aber, ifi jene Erklä-
rung eines Urtheils darum nicht' befriedigend,
weil - v in derfelben nicht angegeben iß, worin
denn diöfes i Verhältnis eigentlich befiehe (M. I,
156. C 140. f.). Ein Urtheil ifi (wenn,
wir fowohl das* was Kaitf Wahrnehinungs^
urtheile r als auch das, was «er Erfahrung*-»
u r t h e i he nennt , unter einem Begriff zulamnienfaf-
fen wollen) die Art, gegebene Erkennt«
niffe zur Einheit der Apperception ztt,l
bringen. Wenn ich z. B, fage.: die Cörper
find fchwer, f 6 will ich auch die Cörper mit-
allem übrigen, was unter dem Begriff des Schwe-
ren fiebet, unter diefem Begriff vereinigen, und
fo durch die Einheit des Begriffs fchwer in
Ein Bewufstfeyn zufammen fafTen. , Sage ich :
wenn ich einen Cörper trage, fo fühle
ich eirven Druck der Schwere, fo will ich.
unter der Einheit des Gefühls der Schwere- auch,
das, was ich fühle, wenn ich einen Cörper trage,,
mir vorfiellen, und ailo dhdurch diefes letzte Ge-
fühl, mit allen übrigen, die jenem erften, dem
des Drucks der Schwere, gleich find, ^in Ein
Bewufstfeyn verknüpfen. Nun kann diefe Ein-
heit des Be wufstfeyns entweder fubjeetiv oder
objeetiv feyri. Sie iß fubjeetiv, heilst, der
Grund diefer Verknüpfung zur Einheit des ße-
wufstfeyns, alfo auch diefe ' Einheit felbß, iß
nur für das urtheilende Subject gültige Das iß.
z. ß. der Fall mit dem letztern Urtheile, in wel-,
chem es heifst: vpenn ich einen Cörper trage,
fo fühle ich ü. f. w. Es wird durch ein folches
Urtheil ein Zußand des Subjects,* aber nicht et-
was im Object oder Gegenßande ausgedrückt.
Solche Urtheile nun, in welchen die Einheit des
*Bewufstfeyns fubjeetiv iß und lieh auf etwas blc;fs
im Subject Befindliches, z.B. .auf Gewohnheit, ei-
ne gewiife daraus folgende Aflbciation u. dcrgl^
giündet, nennt Kant Wahrnehm un^surthei-
le. Allein die Einheit des Bewufstleyns in ei-
574 Kategorie*
Hern Uftheile Kann auch objectiv feyn, d. x i 3er
; Grund diefer Einheit des Bewufstfcyns *kann Auch
für Jedermann gültig feyn. Das iß z. B. der
Fall mit dem erfiern Urtheile, in welchem es
heifst, die Cörper find fchwer. Es wird durch
} ein folches Unheil etwas im Object angegeben.
Solche Urthefle nennt Kant Er fahr ungsurt hei-
jle. Sie find die eigentlichen Urtheile. Das
• Verhältnifswörtchen ift oder find ift das, . wo-
durch die objective Einheit der gegebenen Vorftel-
lungen von der JTubjectiven unterfchieden wird.
t)enn diefes ift oder find bezeichnet, dafs die
gegebenen Vorftellungen in Einem Bewufstfeyn
verbunden find, und dafs diefe Einheit, zu dqr
lie verknüpft' find, nothwendig und daher für Je-
dermann gültig, und nicht zufallig und blofs für
den Urtheilenden gültig fei. Im letztern Fall müfste
es nicht heifsen: die Cörper find Ichwer, fonde^n:
die Cörper fiijd mir, 'für mich, fchwer. Dafs
das Urtheil felbß lieh auf Erfahrung gründet, än-
dert hierin nichts. Man könnte nebmlich Tagen,
Erfahrung giebt doch keine Noth wendigkeit , wenn
lieh alfo das Urtheil, dafs die Cörper fchwer find,
auf Erfahrung gründet, wie kann diele Verknüp-
fung- nothwendig feyn? Die Antwort hierauf
f iß : in einer empirifchen Anfchauung gehören
freilich zwei Vorftellungen, welche felbß zu dem
Empirifchen der Anfchauung" gehören,, nicht noth*
wendig zu einander, denil.fonß wären fie nicht
empirifeh; aber zufällig können fie doch auch
nicht zu einander gehören, denn fonß wäre in
keiner empirifchen Anfchauung eine v allgemein-
gültige Verknüpfung, und ein jeder Anfchauende
machte * folglich Alsdenn eine andre Verknüpfung
und hätte einen andern Gegenfiand yor-fich. Es
mufs alfd in den in der Anfchauung zufällig zu
einander kommenden Vorftellungen eine Verbin^
düng zu einem Bewufstfeyn gejpacht werden, in
welcher die Einheit deS^Bewufstfeyhs^ nothwendig
' iß. Und durch diefe Mothwendigkeit in der Ein«
_ /
Kategorie» ' 375
heit des Bewnfstfeyns 'gehören die, fonß in der
Erfahrung zufällig zu einander kommenden , man*
unfähigen Vorftellungen in der Anfchauung nuth»
wendig zu einander; das heifst, wenn ans den
in der empirifchen Anfchauung gegebenen man*
nigf altigen Vorftellungen eine Erkenntnifs werden
folJ, oder die Vorftellung von der Notwendigkeit
und Allgemeingültigkeit der ^ Verknüpfung (Liefet *
mannigfaltigen Vorftellungen zu einer Einheit f wel-
che der Gegenftand heifrt: fo mufs diefe Ver-
knüpfung nach'gewiflen Gründen gefchehen, wel|
che allen unfern Vorftellungen diefe Befchaffenheit /
geben. Und diefe Gründe lallen ficji alle aus den
Grundfatz ableiten, _£afs alle unfre Vorftellungen
muffen untei 1 die fynthetifchie Einheit des Selbftbe-
yrufstfeyifs gebracht werden können, weil durch
diefe Einheit die Einheit der Anfchauung ajlein
ir.öglich^ ift, Die Vorftellung der Art nehmhch,
wie diefes gefchieht, ift mit Notwendigkeit ver-
knüpft/ weil fie auf der Befchaffenheit unfers v Ver-
ftandes, dafs er nur auf diefe und keine andre
Weife verknüpfen kann 9 beruhet Und eine fol- (
che Art zu verknüpfen ift nichts anders y als eine
Art öbjectiv zu urtheilen, und die Vorftellungen
diefer Art zu urtheilen, eine Kategorie (M. I, 157» ,
C. 141. f.)/ Alle finnliche Anfchauungen
ftehen folglich unter den Kategorien,
und diefe find die Bedingungen, unter,
welchen die verfchiedenen Vorftellun-
gen in den An fcha uungen allein in ein
obj'ectives Bewufstfeyn zufammen kom-
men können, f. Er fahrungsur thcil (M. I,
158- C. 143.).
46. Es ift nun jetzt gezeigt worden, dafs
fich keine Anfchauung denken lade/ in welcher
nicht das Mannigfaltige der verfchiedenen Vorftefi-
hingen; die fie enthält, durch eine Kategorie ver-
knüpft wäre, und dafs folglich jede Anfchauung
unter einer folchen Einheit ftehe. Jetzt füll nun
" . v X /*
/
57* ■ i Kategorie. * ,
i
' noch gezeigt werden , dafs alle objeetive Einheit,
, die. in jeder Anfchauung liegt, oder unter wel-
cher fie fiebt, eine Kategorie, fei, und. dadurch,
vollkommen ins, Licht gefetzt werden* wie die
Kategorien yon Gegenftänden einer Anfchauimg
überhaupt .möglich find, oder wie es möglich iit,
a priori zu beltimmen, wie die Gegenltände der
! Erfahrung befchaffen feyn muffen. Wir werden
i daraus fehen, dafs nur durch die Kategorien eine
» folche Einheit und Verknüpfung des Sinnlichen,
als- wir Natur nennen, möglich werde. Dies iit
nun das, womit Kant feine Deduction, nach der
erfien Darfteilung derfelben, anfing (M. I, 159,
t 171. Q. 144. ,f. 1.59. £)..•
*
48. Im Art. Apprehenfion findet man,
was Synthefis der Apprehenfion oder die
ZJufanunenfetfcungj in einer einpirifchen Anfchau-
ung heifst. Mit den Anfchauungefc' des Raums
und der Zeit iit nun fchon Einheit der Synthefis
aller Apprehenfion, als die Bedingung aller An-
- fchauung gegeben. Sie iit die Einheit der trans-
zendentalen Synthefis der Einbildungskraft, die-
iß Einheit ift aber * jederzeit eine Kategorie (f.
Jiinbildung^kraft, 5.). Nun kann uns keine
andere empirifche Anfchauung .gegeben werden
^ls in Raum und Zeit, weiJL wir keine andern
' formen der finnlichen Anfchauung haben. • Mit-
hin gelten die Kategorien von allen enfpirifchen-
Anfchauungen , da nur wegen diefer Kategorien
Gegenftünde der Erfahrung, d. i, mit Noth-
•wendigkeit und Allgemeingültigkeit verfehene Ein-
heiten des efhpirifch gegebenen Mannigfaltigen
der Vorfiellungen find. Alle objeetive Einheit in
d$Tk Erfahrungsgegenltänderi ift folglich ein< Kate-
gorie (M« I, 173. C. 160. f.). Beifpiele hierzu
fitidet man in den Art. Gröfse und Ur fache.
<
49. Die Kategorien find alfd nur Re- "
gelrf für eijien V eilt and, deffen ganzes
Kategorie, ' 577
Vermögen im Denken, . tSL i. Verbin-,
den des gegebenen Mannigfaltigen he-
fte he t. Denn, wpllten wir uns einen Verßand«
denken, der felbft anfchAuete (wie etwa einen
göttlichen, der fich nicht gegebene Gegenfiän»
de vorftellte, fondern die Gegertftände felbft durch
fein Vorfiellungsvermögen hervorbrächte), fo wür-
den die Kategorien zur Erkentytnifs eines folchen
Verbandes (deflen Erkennen ein Schaffen ' wäre,
und der die Dinge er kennet e, wie fie an und für
fich find, nicht wie fie durch das Erkenntnis*
vermögen vorgeftellt werden oder erfcheihen)
nichts helfen oder dazu beitragen können. Von
der Eigenthümlichkeit unfers Verßandes aber, dafs
er nur vermittelft der Kategorien und gerade
durch diele Art und Anzahl derfelben Einheit des .
Bewufstfeyns a priori hetvorbringt, läfst fich wei-
ter kein Grund angeben. Eben fo wenig läfst
fich aber auch zeigen,* Warum wir ceraHe diefa
und keine andern Functionen zu ürtheilen h *•
beri, oder warum Zeit und Raum die einzigen
Formen imfer er möglichen Anfchauung find (M.
I, 160* C. 145. f.).
50. Die Kategorien laden fich aber auch
blofs zur Erkenntnifs von Gegenständen der '
Erfahrung gebrauchen, und von keinen andern
Dingen, die etwa noch vorhanden feyn möchten,
ohne dafs uns eine Anfchauung derfelben durch
die Sinne gegeben iß. Davon wird man fich über«
zeugen, wenn man bedenkt., dafs zum Erkannt«
n i f s eines Gegenftandes aufser der Kategorie im*
mer noch eine Anfchauufig gehört. Man findet
das weiter ausgeführt in dem Art. Erkennen, 2.
n. Denken, 3. ff. Nun giebt es für uns kfeine
andere Art der Anfchauung als durch die Sinne
gegebene, f. Anfchauung 6*. und reine An-
schauungen, in denen nichts durch die Sinne
Gegebenes enthalten ift Allein die . reinen
Anfchauungen find blofs die Formen der'Erfah-
MeUinsvhU.fPört0rb,3.Bd., Oo
578 ' Kategorie*
I
rungsgegenfiande, und die Erkenn tnifs derfelben
hat alfo nicht exißirende Dinge, fondern blofs
die Formen der linnlichen Dinge zu Gegenft an-
öden, f. Anfchauung, 9. f. »Pafs es aber Din-
ge giebt, die in fqlchen Formen angefchaüet wer-
den, d. i. empirif ch e Anfchauujigen , können
wir riur * durch die finnlichen Eindrücke und die
Verknüpfung derfelben vermittelfi, der Kategorien
wiflen* Das Prodhct einer folchen Verknüpfung
heifst nun Erf ahrungserkenn tnifs, folglich
;eht aller Gebrauch der Kategorien blofs auf Er-
ahrungserkenntnifs (M. I. 161. C. 146. ff.).
.\ ' %
51. Unfere finnliche und empirifche
s | Anfchauung kann ^lfo allein den Katego-
rien Sinn und Bedeutung geben; denn oh-»
\ ne jene Anfchauung fehlt es den Kategorien an
'Inhalt, und fie find dann blofs leere For-
. : men des Denkens eines Gegenftandes
- überhaupt. Diefer Satz iß von der gröfsten
Wichtigkeit, denn er befiirhmt die Grenzen, in-
nerhalb welcher die Kategorien nur zur Erkennt»
tiifs gebraucht w^erden können. Die reinen For-
men der finnlichen Anfchauung erstrecken lieh in
ihrem Gebrauch blofs auf Gegenßände c^r Sinne,
und zwar nur auf folche finnliche Eindrücke,
welche lieh in diefe Formen ordnen können. Giebt
es welche f die fich in diefe Formen nicht ordnen
können, fo können wir fie nicht 'erhalten, aber
.diefe Formen. haben dann auch für fie keinen Ge-
brauch. Doch erhalten wir auch finnliche Ein-
drücke, für welche die eine Form unterer Sinn-
lichkeit, nehmlich der Kaum, keinen/ Gebrauch
hat, das find nehmlich diejenigen, welche blofs
irb. innern Sinn find, f. Anfchauung. 12. Am
allerwenigfien können Kaum und Zeit für über-
sinnliche Gegenßände Erkenntnifle geben, Ueber
die Grenzen der Erfahrung hinaus Bellen die För-
; men der Sinnlichkeit gar nichts vor , denn fie find
].' nur in, unterer Sinnlichkeit vorhanden, und haben
Kategorie. 57^
lifo aufser den Grenzen derfelben g$r Iceine Wirk»
lichkeit. Die Kategorien hingegen erfirec&en fich
in Anfehung ihres Gebrauchs , auf Gegenfiände det
Anfchauung überhaupt, diefe mag der un fr igen
ähnlich feyn oder nicht, wenn fie nur eiqe ihm*
liehe und nicht eine intellectuelle (d. i. durch Ver-
itand felbft gewirkte) Anfchauung ifi (f. A n f c h a u*
ung, 6.). Diefe weitere Ausdehnung der reinen
Verftandesbegriffe ', in Anfehung ihres Gebrauchs,
aber ünfere finnliche Anfchauung hinaus hilft uns
aber nichts zum Erkennen oder Befiimmen eines
Gegenfiandes. Denn es fehlt uns alsdann , we-
gen Mangel der Anfchauung, an dem Gegenfiände,
die reinen Verfiandesbegriffe find folglich dann leer
an Inhalt, z. B. wir denken dann sine Urfache*
haben aber nichts, was diefe Urfache wäre. Dann
können wir nicht einmal willen , ob folche Gegen«
fiäiide auch nur mögljch find, weil der Begriff
der Möglichkeit felbft eine der Anfchauung be-
dürftige Kategorie ifi (M. I, 162. C. 14s).
5fl. Nimmt man folglich einen' Gegenftand
an, der nicht 'kann finnlich angefchauet werden,
z, B. Gott, Geilt, und .dergl., fo kann man ihn
freilich durch alle die'Prädicate denken, die fchon
in der Vorausfetzupg liegen, dafs ihm nichts zur
finnlichen Anfchauung Gehöriges zukomme, z. B.
man kann fagen, dafs er nicht ausgedehnt, nicht
im Baume fei, dafs die. Dauer deflelben nicht eine
Zeitdauer fei, dafs in ihm keine Veränderungen
angetroffen Verden, u. dergl. Aber man kann
durch die Kategorien nicht befiimmen , was er fei,
ja fie laden fich nicht einmal darauf anwenden.
Z. B« ob es eine Subfianz gebe, d. i. eip Etwas-
das blofs als Subject, nie aber als Prädicät vom
einem andern Subject, gedacht werden könne, d^a
kann ich nur willen, wenn etwas durch die em*
pirifche Anfchauung gegeben ift, z. B. die Mate?
rie der Cörperwelt, das bjofs als Subfianz gedacht
Verden kann (M. L 163. C. 149)« Da* hindert
Oo a
$Qo Kategorie.
aber nicht, dafs der Gedanke von. efnem Gegen«
ßande, der fich nicht erkennen läfet, z. B. von
Gott, nicht dennoch feine wahren und nutzlichen
Folgen für den Vernunftgebrauch des Süb-
jects haben könnte, infoftorn diefer' Vernunftge«
brauch nicht auf die Erkenntnifa oder J Beftimmung
de* öbjects, fondern auf das Wollen oder die Be- j
ftimpiung des Subjects gerichtet ift. Dann läfst
ßch der Gegenftand allerdings durch die Kategc-
rien denken und na^h einer Analogie mit den Er*
fahrungsgegenftänden vorft eilen, aber nicht erken-
nen, wie er an fich ift (C. 166. *), f. Dafeyn, ij #
53. Die Verknüpfung durch die Kategorien ift
rein intelleetual, d:h. es ift gar ^nichts Sinn«
liches in derlei ben. Sie bekommen aber nur ob-
iective Realität, d. i. Anwendung auf wirkli-
che Gegenftände } durch die Formen der Anfohau-
ungen a priori (Raum und Zeit), deren Mannigfal-
tiges der Verftand zxl den (ynthelifchen * Einheiten
verknüpft, die wir uns in den Kategorien denken
(M. I, 164. C. 15a f.). Diefe Verknüpfung ift
abe^r nicht blofs intelleetual, fondern zugleich
finnlich und figurlich, und von ihr uruCs daher
die blofse Verfiand-es Verbindung , die allein in
den Kategorien gedacht wird , und intelleetual ilt f
wohl unter fchiedep. werden , • f. Einbildungs-
kraft, 5. ff.
54. Die Gegenftände der Erfahrung find Er-
fcheiungen.(f« Eriche in ung), den Inbegriff die-
fer Erscheinungen nennen wir, in fö fern eine
»otli wendige und allgemeine Verknüpfung unter
ihnen und in ihnen ift, Natur, folglich find *s
die Kategorien, die diefe Natur möglith machen,
diefe Verknüpfung hinein bringen , und * dadurch
die Gegenftände der Natur n priori heftunmen toxi
nen (2VL I, 176. C. 163. Pr. 109.). Es ift alfo ge
wifs , . dafs der Verftand feine Gefetze • nicht aui
der Natur fchöpft, fondern fie diefer vorfchreilu
Kategorie 68 *
(Pr. 113.)* Diefe Behauptung* fo auffallend lie ift,
verliert das Auffallende 9 wenn man Bedenkt , dafs
die Gegenftände der Natur nichts anders als ein
Verknüpftes finnlicher Affectionen find, * dafs fie
alfo dem erkennenden Subject inhäriren, und folg*
lieh auch unter den Gefetzen« des verknüpfen«,
den Vermögens des Subjects ftehen muffen. Die
Gegenftände der Natur find finnliche Affectio-
nen, heif st nehmlich , fie find Eindrücke auf unfre
Sinne. Dafs wir au B. , wenn wir "etwas fehtn,
nicht einen Gegenftand fehen^ der an fich, aufsei:
unfern Vorftellungen , aufser unfrer Anfchauuag
vorhanden ift, fondern dafs etwas fehen nichts
anders heifse, als geyyifle Eindrücke wahrnehmen,
die wir auf unfern Sinn des Gefichts erhalten , und
die wir vermitteln der Operationen der Einbil-
dungskraft und des Verftandes fo mit einander ver-
knüpfen, dafs dadurch die Gefialten entliehen,
welche wir die fichtbaren Gegenftände nennen, ift
das, was unter dem Ausdruck zu verliehen ift,
die Gegenftände der Natur inhäriren uns. Ein
Gegenftand der Natur ift alfo das- Product einer
'Einwirkung auf. unfre Sinne» und der, Verknü-
pfung, die wir in die durch jene Einwirkung ent-
ftandenen finnlichen Bindrücke hinein legen. Alle
mögliche Wahrnehmung hängt von der Verknüpfung
durch Apprehenfion ab, diefe etnpirifche Verknü-
pfung hängt aber wieder von der transfeendenta-
kn dördi die Kategorien ab, folglich muffen alle
Gegenftiiläde der Natur unter den Kategorien lie-
hen und ihre Gefetzmafoigkeit überhaupt von
denfelben erlangen. Die befondern , durch Erfah-
rung gegcft>enen , Naturgefetae find aber nicht von
den Kategorien: abzuleiten (M.I, 177. C. 164. f.).'
* _
5^Rsf:nhftt a. Wir können: keinen
Gegenftand denken, als durch Katego-
rien, und e r k,e n n e n , als durch Ari-
fohaütingen, die den Kategonen entsprechen,
ihnen einen: Inhalt. geben , und fo die Natttt in
/ ■ ■ /
I
58« Kategoyie.
t *
materieller Bedeutung möglich macheh. Alle
Erkenn tnifs ift aber, in fo fern* der Gegenstand
gegeben iß, empirifch, . d., h. Erfahrung,
Folglich' iit uns blofs von Gegenständen mög-
licher Erfahrung, und von keinen andern,
eine Erkenntnifs a priori (obwohl nicht von dem,
was an ihnen empirifch ilt) möglich (M. I, 17 Q.
C. ,165).
. 56. b. Die Kategorien enthalten die
Gründe der Möglichkeit aller Erfahrung,
und machen die Natur in fqrmeller Bedeutung
möglich/ Denn ,
s . -
- -• a. fiehen alle Anfchauungen unter den Kate*
gorien, die es allein möglich machen, dafs dos
in der Anfchauung gegebene Mannigfaltige in ei»
nen Begriff mit einander verknüpft wird ;
ß. wird felbft die Einheit in der Anfchauung,
die es. möglich macht, fie als einen Gegenfiand zu
, denken , durch die Selbfithätigkeit des Verbandes,
und den zum Grunde liegenden Stoff ^des Raums
und der Zeit, den Kategorien, gemafs, in die Ali«
(chauung hineingelegt, oder vielmehr die durch
finn liehe Eindrücke entfpiungene Empfindung da-
durch zu einer Anfchauung geformt;
7. giebt es keine andere Erkenn tnifs, .als die
durch lolche empirifche Anfchauungen, alfo auch
keine andere Erfahrungser kenn tnifs. .
Folglich enthalten die Kategorien die Grunde
der .Verknüpfung des durch die Eindrücke; auf .die
Sinne gelieferten Stoffs , welche Verknüpfung eben.
Erfahrung heifst; und diefe ift alib nujr- mög-
lich durch die Kategorien. > 1 .. • t
51. c. Um, fein Syfiefti der Erzeugung der
Erfahr ungagegenftände und der Erkenntnifs derlei-
Kategorie. 583.
ben vermittelft der Kategorien Ins Licht zu fetzen,
verglich K. daflelbe mit den drei verschiedenen
Haupttheorien über die Erzeugung. Es giebt
te. das Syftem der Epigenefis. Oiefes Sy-
item behauptet, dafs die entfteKenden Wefen aus.
den fie erzeugenden Wefen wirklich entfpringen, fo
dafs der Zeugungsftoff der Eltern allmählig zu ei*
nem neuen organifchen Wefen ihrer Art ausgebil-
det werde, und fo das zu erzeugende Wefep.
nach und durch die Zeugung wirklich entliehe»
Ein folches Syftem ift nun auch das luritifche vom
Urfprung der Erfahrung. Sie, die Erfahrung, ift
vor der Erkenn tnifs defTen, der die Erfahrung
macht , nicht vorhanden , fondern die Erfahrungs-
gegenftande felbft werden m^t der ganzen Erfäh-
rungserkenntnifs durch das erkennende Subject ver-
mittelft der Eindrücke, die es auf die Sinne er-
hält, der Formen des Raums und der Zeit, und
der Verknüpfung alles diefes Mannigfaltigen durch
die .Kategorien, alfo durch den Actus des Erken-
nens , erft erzeugt. Es giebt alfo nicht eher Er«
fahrungsgegenftände , und Vorfiellungen, die £ch
auf fie beziehen , oder durch die fie erkannt wer-
den, als erft dann, wenn fie durch das,, die Er*
fahrung erzeugende, Subject erzeugt werden (C.
166. M. L 179)^ Diefes Syftem unterscheidet (ich
alfo ganz von
ß. dem Syftem der Evolution. Diefes Sy-
ftem behauptet, dafs gleich bei der Schöpfung die
Keime zu allen Wefen find erfchaffen worden,
und lieh durch die Zeugung bloß entwickeln.
Ein folches Syftem vom Urfprung der Erfahrung
ift nun das gemeine, welches behauptet, alle Gegen-
wände der Erfahrung find fchon vor der Er^cenntnifs
derfelben vorhanden. Gleich bei der Schöpfung ift
alles fo eingerichtet, wie wir es durch den Act.
des Erkennens nach und nach erfahren, fo dafs
die Erfahrung dutch uns nicht erft erzeuget , Ion-
584^ Kategorie.
t
f
dern nur entwickelt wird. "Ware diefe* Syftcm richi
tig7 - datin konnten die Kategorien nicht <i prior j
lind noth wendig feyn, und Hume hätte recht, dafi
es keine andern 'Ur fachen als zufällige gebe, d
i folche, von denen man (^en muh, dafs di
Wirkungen aus ihnen nicht noth wendig $rfolgtf
Wir könnten nie Tagen 9 wenn die Sonne aufgebe
fo m u Cs es Tag werden/, fordern nur , £o kau
es Tag werden; . denn wenn ai^ch alle; Bedingun
gen dawaren, unter welchen es Tag wird 9 könnt
es dann doch vielleicht nicht Tag werden, we'
dann in dem Begriff der Urfa«he nicht die No
Vrndigkeit liegt; auch iit dann das Qefetz: dafi
aJi<? Veränderung ihre Ur fache hcjber* muis, nicht,
zu reuen.
• » . »
y. Das Syftem des Occ aUonalismus be-
hauptet , dafs der Schöpfer bei Gelegenheit einer
jeden Begattung, der, während derfelben fich mi-
19h eilten, Materie die Bildung zu einem Qrga-
nifclien Wefen giebt. Ein folches jSyfiem vom Ur-
. fpiurig der Erfahrung • wäre nun ein Mittelweg
zw üchen den bey den vorigen , und würds behaup-
tejn , es wären ups. ipit . unferer Eminenz ge wifle
Anlagen zum Denken eingepflanzt 9 . die von un-
• ferip Urheber (q, eingerichtet worden, d^fs .fie ge-
n^u eipe folche ErJ^enntnifs hervorbrächten, die
init dem, -wie der Schöpfer die Naturdinge qin-
' gerichtet habe, vollkommen übereinftimme. Die
1 fes t Sylterix kann erftUch nicht , erwiefqn werden
i fgndqrrx kann blofs als eine Hypothefe gelten , de
! rejf Richtigkeit wir /aber nie durch, ihjr Zufam
ni£i) treffen mit der Erfahrung erproberj können
weil, wir diefes flammen treffen nie erfahren kön
rien f Denn unfxe I^rkenntrufs, entlieht dann wi
bpi d«?r. Epigen^fis,, die Natur /aber entljbefyt wi
b^ 4^r EvoJutiprt, beides läufy; neben ciijaride
in der vollkQmn^enßen, ÜÄbereinfijmmifngj- fort
Ijfa, wir aus unferer Er^ern^i^s nicht hinaus, un,
zijf Nai^/gehf^^öjpeij, .ijm L dift üfl^n ^
Kategorie«. 585
91113g tler falben, mit unferfcr. Erkenntnift zu erfor*
leben , fo Können wir auch die Richtigkeit dielet
Hypothefe nicht weiter erproben. Ferner ift be( ;
eii\er (pichen Hyporhefe nicht abzufeilen, wo et
mit folchen vorbeftimmten Anlagen ein feinde ha«
bei} foll. Denn diefe Anlagen ' zum Denken find
alsdann nicht die notwendigen Bedingungen der
Erfahrung, „ fondern ganz zufällig, und können*
anders und anders feyn , je nachdem die Natur >ef %
etwa in der Folge noch erfordern mochte. Wai
aj>er die Hauptfache ilt, fo würde bei diefer .Hy-
pothefe den Kategorien die Notwendigkeit fehlen*
die doch ihrem Begriff wef entlieh abgehört. Ich
wurde z. B. vom Begriff . der Urfac^he lagen mük
fcn f ich bin fo eingerichtet, dafgich alles fo den«
keh fnufa , , als hänge es noth wendig wie Urfacho
und Wirkung zufammen, damit meine Erkennt*
nifs ni( der Natur zufammenftimmc. Hingegen
nach dem kritifchen Syitem giebt es gar keine an' ,
dere Natur, als d*e, welche in meinen Sinnen
ift, und fie befteht gerade in diefer Verknüpfung
durch Ur fache und Wirkung (C# i6ß. f. M. I % ifto)«
Iß*, Diefe transfcendentale Deduction der Kater
gorien. iff. alfo ein Beweis, dafa fie die G^ünd*
find , welche die Erfahrung möglich machen. Zu-
gleich fehen wir aus derfelben, wie es möglich
iß , dafs es eine theoretifche Erkenn tnifs überhaupt,
und infond<rheit von den Gegenftändeh der Erfah-
rung , g«b$q kann. Diefe Deduction zeigt , dafo die
ErfabruagserkenTjtnifs nvcbtp anders ift, als eine
Beftinunüng der Anfghauungen, die; wir in Raum
qnd Zeit ^ haben , eße uns .eigentlich inhäriren;
'und deren Gegenstand? darum picht Dinge a,&
fich Qnd, fondern Erfolieinungen, .und dafi
die Möglichkeit derfelbeq auf der Beschaffenheit
ipifets £r^nntaifsyermogsns beruhet,, Hievaus.
folgt,, dafs alle Erfahrung abhängt von dem Prinn
cip , dafs alje ünfarq Affeqtionen durch die urfprung*
liehe fy3*tfcfrfchf %WÜP* 4» B^wufstfeyns, veralte
586 Kategorie.
telfi der Kategorien 9 verknüpft, und alfo eben fo
durch die Form unfers Verftandes, wie durch
die urfprun glichen Formen unfrer Sinnlich-
keit, R^um und Zeit, beftimmt werden (CA 6ß.
f^lVLI< iß*. Pr.no).
»
59« Wie aber diefe eigenthümliche Eigen*
Jchaft unferer Sinnlichkeit felbft, oder die unteres
Verbandes und der ihm und allem Denken zum'
Grunde liegenden Apperception oder des Selbftbe-
wufstfeyns, möglich fei, läfst fich nicht weiter
auflöfen und beantworten. Aber es läfst fich auch
ein überzeugender Grund angeben, warum wir
. diefe Frage niemals beantworten können, nehm«
lieh der, weil wir die Sinnlichkeit und den Ver-
* Hand zu aller Beantwortung, und zu allem Den«
ken der Gegenftände immer wieder nöthig haben,
fo ift es unmöglich , über den Urfprung und die
" Möglichkeit diefer unfrer Erkenntnifs vermögen
felbß etwas zu erkennen; denn dazu. würde ein
Anderes Vermögen nöthig feyn', in welchem der.
Grund dazu aüfgefucht werden müfste, wodurch
wir aber doch nicht am Ende feyn, und wieder
nach dem Grund diefes neuen Vermögens fragen
Würden , ' und fo fort ohne Ende (P. in),'
Vom Gebrauch der Kategorien in
*'. praktifcher Beziehung.
60. Diä reine Kategorie allein drückt
hut das Denken eines Gegenftandes über-
haupt aus« Unter der reinen Kategorie verfte-
. ben wir aber den blofsen ' Verßandesb^griff , fo-
dafs dabei von aller finnlichen Vorstellung abftra-
hirt; wird. .Wenn ich z. R die Gröfse denke,
ohne diefe Gröfse etwa mir raumlich, oder 4 auch
als: »ine Zeitdauer vorzufallen, fondern 4 blofs als
das Gleichartige in einer Anschauung überhaupt,
£p ift das der reine ganz intellektuelle Verftanctesbe-
griff. Diefer reine Veritancfeabegriff ift nur elfte von
J Kategorie, 537
den verschiedenen Arten (modis), (ich überhaupt ei*
nen Gegenftand zu denken; tiehmlich dje Art, ficht
ihn als ein gleichartiges Mannigfaltiges zu den*
ken« '■ Denken iit die Handlung des Verstandes, ge-
gebene Anfchauungon auf einen Gegen Hand zu
beziehen, z. B. ioh fehe ein Haus vor mir, fo
denke ich, wenn ich mir dafielbe als etwas' oder
einen Gegenftand vorftelle, in dem das Man-
nigfaltige gleichartig ift, fo dafs ich es mir als
ein aus Theilen einefiei Art zufammengefetzte&Gan«
zes vorftelle. Fehlt mir aber die Anfchauung, fa
denke ich in der Kategorie der Gröfse weiter nichts,
als die Einheit in der Verknüpfung ' eines jeden
Gleichartigen überhaupt; Man findet das weiter
ausgeführt im Art, Denken,/ 5. Urii nun aber
einen bestimmten Gegenftand durch die Kategorie
zu denken, dazu gehört noch ein Schema, d. i.
man mafs ihm noch eine finnliche Form unterle*- <
gen, f. Gebrauch, 12* und Schema. Soll ein
Gegenftand als Gröfse erkannt werden , fo nmfs
er entweder eine Ausdehnung im Raum, oder
doch eine Zeitdauer haben. Ohne beides ift es
nicht möglich/ ihn als Gröfse auch nur zu den«
ken, (M. -I, 347. G. 304. f.). WolleA wir fehen,
ob wir den Begriff der Ur fache von einem Ge-
genftande richtig gebrauchen , fo bedürfen wir dazu*
der Anfchauung in der Zeit. Denn die Hauptfache *
bei der realen Ur fache, nicht dem blofs logifchen
Grunde, ift, dafs fie der Zeit nach eher fei, ,al$
ihre Wirkung, und fie erfordert alfo eiÄe) An«
fchauung des Gegenftand.es, auf den fie angewen-
det wird , in der Zeit (M. I, 336. C. 288-)> £ De*
monnrabal/ fi«
61- Die reinen Kategorien, ohwefol*
che finnliche Formen, find allo blofs die 'reine
Form des Verftandesgebrauchs , und drücken nur
aus, "wie ein Gegenftand gedacht wixd, können
aber allein noch keinen Gegenftand fyeftinimen, ^
£ Gebrauch, iä., Denken, 8* und ,Ge^
6ftft - Kategorie:
gtnfUnd, i&. (M. I, 34s. c - 3°5)- E» Hegt
liier eine f ch w« r zu vermeidei^de Tau«
(chttAg zum Gru/ide. Weil die Kategorien
nicht aus der Sinnlichkeit entfpringen, fo fcheint
• ihr Gebrauch fich weiter ^ls blofs auf fin et-
liche Gegenfiände zu erfir ecken (f. 51). Allein
fie find blofs Gedanken formen (L 51)» durch
iWelche allein fich .noch nichts erkennen läfst. ün-
Icheiden wir indeflen von den Erfahrungsgegen*
len , welche wir doch nur für ups inhärirende
J&rfcheinuftgen erkennen muffen, noch ein Ding;
yrM uns nicht inhärirt - und nicht Erfchemung,
tfcer der .Grund, der Erfcheinung ifi, kurz das,
was die .Erfcheinung an fich feyn mag, • aufser
dem Subject, welthe» die Erfchemung an&hauet:
fo ifi die Frage, .ob wir ein folches Ding
an fich nicht vermittelet der Katego-
rien erkennen? f. Erfcheinung (M. X» 349^
C. 305. f.)*. Die Beantwortung diefer Frage findet
man im Art» An fich, 4., Deniten, g. und im
gegenwärtigen Art. 51 und 52-
» * .-
62. W^nn JemaAd, nach allen, diefen Erörte-
rungen, doch noch Bedenken trägt 9 zuzugeben^
dafs die Kategorien von GegenfUnden, von >weü
eben es keine Anfchauungen giebt, nicht zunl Er-
kennen dprfelben gebraucht werden können , der
darf nur den Verfuch machen, ob es ihm möglich
fei, wirklich etwas von. einem folchen Gegenwand
aju . erkennen , was nicht blofs in dem. Begriff
der Kategorie liegt. Denn die blq&e Entwickehitog
diefes< Begriffs hilft nichts zur. Erkenqtnif* des
Gegenstandes deffelben. Es* ifi nehm^fah dann im*
nier noch die Frage, ob 5s auch einen folchen
Gege*ftand, geb©> als- man fich durah die Kategorie
. denken .will; Die Kategorie kann, ja, wie . es audh
wirldich der Fall ift» blofs die Einheit des Denken p
bedeuten ^ wozu, aber ein Ver&hiedenes vwi y***r
JfceHwgen gegeben * feyn mufs», webn. diefe. Einheit
wijklibh etwas verknüpfen ,und pkbt blofs, »den
4
\
1
Kategorie . 53$
Grand der Verknüpfung durch Denken Yorftellen
folt. Der. Satz z. B, : Alles , was da 4ft , exiftirt
als Subftanz oder als eine der. Subftanz anhängen*/
de Bestimmung (Accidenz) , ift ein fynthetifchet !
Satz. Denn in dem; Begriff des Dafeyns oder Exi* <.
fiirens liegt nicht der Begriff der Subftanz oder*
des Accidenz. Auch ift diefer Satz ein traftsfcen*
dentaler Grundfatz , denn er behauptet etwas ohn6
alle Bedingungen der Erfahrungen von Gegenftän*
den überhaupt, nicht blofs von' finnjichen Gegen*
fänden. Wie will man nun aber einen folchen
Satz beWeifen , oder welchen Gebrauch will man
davon machen $ IWo ift das dritte, was es mög*
lieh machen foll 9 den Begriff des Dafeyns fo mit
dem der Subftanz oder des Accidenz zu verknüpfen,
dafs ein für alle Gegenftände v finnliche oder nicht*
fumliche, geltender Satz daraus werde? Nur für
finnliche Gegenftände kann dieler Satz bewiefeft
und verftanden Werden, f. Accidenz (M. 1,558«
C. 3 i 4 . f.). •
63. Wir fehen alfo hieraus , durch die* Kate»
gorien laden fich zwar Gegenftände denken, aber
nicht a priori beftim'men oder erkennen; und
es ift unmöglich, die Kategorien dazu zu gebrau*
chen, uns durch fie von Dingen an fich ein theo*
retifches ßrkenntnifs zu erwerben. Allein, es
liegt doch auch nichts Unmögliches darin, dafs
ein Ding an fich eine folche Befchaffenheit haben
könne, als wir uns in der Kategorie denken.
Denn der Sitz diefer Begriffe ift ja nicht die Sinn« \
lichkeit, fo dafs wir z. B. eben fo, wie wir fa-
gen muffen, was im Raum und in der Zeit ift,
kann kein Ding an fich feyn, und ein Ding an
fich kann nicht im Raum und in der Zeit feyn,
auch fagen mufsten , was eine Urfach ift , das kann
kein Ding an lieh feyn, und ein Ding an fich
kann keine Urfache feyn. Der Sitz der Kategorien
ift der reine Yerftand. , Da fie alfo nicht, wie
, Hume meinte, aus der Erfahrung entfpr in gen,
69°
Kategorie.
IIb kanii man auch nicht behaupten 9 dafs Re blöfii
Jvon ErfahrungsgegenAänden . gültig feyn können«
'Können wir alfo auch von 'Dingen an fich durch
die Kategorien nichts erkennen, Xo ift es darum
. doch nicht unmöglich, wenn wir etwa beym mo-
ralifch ,, guten Handeln -uns Dinge an lieh denken
muffen, fie durch Kategorien zu denken, weil
wir ohne Kategorien gar nicht denken können, in«
dem fie die Formen alles Denkens find. . Wir fehen
hieraus, wi6 wichtig es ift, den nicht empirifchen
Urfprung der Kategorien nachzuweifen ; denn $nt-
. fprängen fie au3 der Erfahrung, , fo wäre der Ge-
brauch derXelben von Gegenfiänden, von denen es
keine . Erfahrung geben kann, ganz abfurd, und
aufs gfcütidelte ausgedrückt, eine grundlofe Schwär*
inerei (P. 94. f. M. II, 1 * 39)*
» . .
64. Zu jedem Gebrauch der Vernunft in An*
fehung eines Gegenliandes werden Kategorien er-
fordert , ohne die kein Gegenfiand gedacht werden
kann. Soll ein theoretifcher Gebrauch von der
Vernunft gemacht werden, d. b. follen die Katego-
rien gebraucht werden, Erkenntnifs eineä Gegen Üan-
des zu erlangen, fo mufs eine finn liehe Anfchau-
ring des Gegenfiand es möglich feyn. Dann iß der
Gegenfiand ein Erfahr ungsgegenftand , und gehört
?ur Nqtuir, oder ift eine Erfcheinung in der Sin-
nenwelt. Nun giebt es aber drei Ideen der Ver-
nunft: Gott,, freier Wille, unfierblicher
Geilt, d. h. Begriffe von Gegenfiänden, die, in
gar keiner Erfahrung gegeben werden können.
yon diefen Gegenfiänden kann ich daher auch keine
Erkenntnifs erlangen; aber da mir doch die Ideen
Von denfelben unentbehrlich lind, fo mufs ich fie
durch die Kategorien blofs denken. Aber wir
. brauchen auch diefe Ideen gar nicht, um die Ge-
genfiände derfelbtjn zu erkennen, indem die Er-
kenntnifs derfelben gar nicht zu unfrer übrigen
Erkenntnifs paffen oder helfen würde. Es liegt
uns bei diefen Ideejx nur daran, zu willen, dafs
Kategorie.
591
>
£e nicht Himgefpinße find, dafs es Keine erdich*
teten Gegenfiände find. Dies fichert uns nun die
reine praktische Vernunft, f. Glaubens fac h-e»
und hierbei hat die theoretifche Vernunft nichts
veiter zu thun, als diefe Gegenfiände durch Ka*
tegorierx blofs zu denkest, welches ganz wohl
auch ohne alle Anfchauung angebt. Denn die Ka-
tegorien haben unabhängig von aller Anfchauung
und vor derselben ihren Sitz und Urfprung im rei*
neu Verftande. £*ie bedeuten immer einen Gegen««
ftand, .auf welche Art er uns auch gege?
ben feyn mag. Nun find uns freilich die Gegen« '
fiände jener Ideen gar nicht gegeben , allein dafs
fie nicht erdichtet find, ift uns durch die
praktifche Vernunft gefiebert. Mithin iß die Kate- {
gori£, als blofse Gedankenform, hier doch nicht
der Gedanke von einem blofsen Hirngefpinft Die
Begriffe, Gott, Freiheit, Unfierblichkeit , haben
Realität , oder unfere Befiimmung nöthigt uns , als
vernünftige Wefen ihre Wirklichkeit anzunehmen,
wenn fich auch die Vernunft darum dagegen letzen
möchte , weil wir diefe Wirklichkeit weder bewei«
fen noch begreifen können (P. 245., f. M. II, 355.)* '
65« Die Kategorien können alfo auch objeetive
Realität im Felde des Ueberfinnlichen haben, d,,h#
es kennen auch überfinnliche Gegenfiände durch •
fie gedacht werden, die wirklich keine Hirnge-
fpinße find; aber diefe Realität ift blofs prak-
tifch anwendbar, d. h. es läfst fich dadurch
kein übersinnlicher Gegenfiand erkennen, fondern
fie liehen blofs mit dem aus dem reinen Willen
hervorgehenden Befiimmungägrunde der freien
WiUkühr oder dem moralifchen Ge fetze in not-
wendiger Verbindung. Sie haben daher auch nur
immer auf Wefen als Intelligenzen, d. i. als
vernünftige Wefen, und an diefen auch nur auf
das Verhältnifs der Vernunft z.um Willen Be-
ziehung. Sie gehen alfo immer nur aufs Prakti-'
fche, oder die reine WiUensbefiimmung; aber
9
6£i Kategorie.
dienen im gtaingften nicht dazu , uns eine Erkennt*
toife der Natur jener überfinnlichen Intelligenzen
eu v er fch äffen. Werden nehmlich auch in Verbin-
dung ' mit ihnen Eigenfchaften jener Intelligenzen
herbeigezogen 9 die zur theoretischen Vorftellung£
ert derfefben gfehören, fo foll und kann dadurch
gafr nicht ein Wiffen deflen, was diefe Wefen find,
hervorgebracht werden. Wenn wir uns z. B. Got-
tes Eigenfchaften denken, fo verfchafft uns das
faicht eine eigentliche Erkenntnifs Gottes , denn
trer vermag die Weisheit, Allwiflenheit u. f. w.
ku erkennen. Sondern wir haben blofs die Befug«
iiifs, fie anzunehmen, weil fie uns in praktifcher
Abficht noth Wendig find, indem fich ohne fie das
höchfte Gut, vollkommen fte Uebereinftimmung der
Glückseligkeit der vernünftigen Wefen mit ihrer
Sittlichkeit in der intelligibeln Welt, nicht den-
ken Jäfst 9 und dennoch diefes höchlte Gut das Ziel
tinfers Strebens feyn foll. Wir denken dann folche
vbferfinnliche Wefen nach eiNer Analogie mit den
finnlichen Wefen, /und fagen z. B.: was die Caufa-
lität des Verftandes und des Willens bei den ver-
nünftigen Wefen der Sinnen weit ift, day ifl bei
Gott etwas Unbekanntes , das nur zu feinen Wer-
ken in einem ähnlichen Verhältnifs liehet, fo dafs
wir darum diefes Analogon auch wo~hl Verftand und
Willen neifnen, und Gott Verftand und Willen
beilegen. Auf diefe Weife geben wir alfo der rei-
ften theoretifchen Vernunft durch die Anwendung
der Kategorien aufs Uebe'rfinnliche, aber nur v in
praktifcher Abßcht , nicht den minderen Vorfchub
(P. 99. M. II, 243)*
66. Hiermit ift alfo das Räthfel aufgelötet ,
Kant dem Gebrauch 'der Kategorien zur Erkennt*
tiifs des üeberfinnlichen die objeetive Realität, oder
dafs fie wirklich^ Erkenntnifle liefern, äbfprechen,
und ihnen doch diefe Realität zum Denken folcher
überfinnlichen Gegen ß an de im Felde des morali-
fchsn Handelns zugeftehen könnte. So lange man
. v
Kategorie |9J
«
Jen praktifchen Gebrauch der Vtfnuftft, Mtimlich
tat BelUmmung der freien Willkühr/ nicht vom
theöretifchen Gebrauch der Vernunft, zwc Ernennt*
pifs, gehörig unterschied, mufst$ es freilich in*
tonfequent ausfehen, und wider die Critik
der Einwurf gemacht werden,, dafs Ka»t in der
pritik der praktifchen Vernunft einen Gebrauch
der Kategorien zugebe und felbft behaupte* 4 dem
er in der Critik. der theoretifchen Vernunft zu
yer werfen fcheine. Allein 'in der Critik der reinen
Vernunft verwirft Kant die theoretifche Beftimmung
der NQumenep oder des Ueberfinnüchen durch Kala»
gorieh , in der Critik der praktifchen Vernunft aber
giebt er dkfe Beftimmung auch nicht zu , fondern
behauptet nur, <fofc der Begriff das höchften Gut» ib»
nen einen überünnlichen Gegenwand zuiichere. .Denn
die Freiheit des Willens ift in dem Begriff der Be»
fiimmung einet Willkiihr durch Vernunft a priori'
fnthajten, und ohne Gott und Unsterblichkeit kam}
es kein höchßes Gut geben; follen wir uns alfo
untere Handlungen zurechnen und unfre Beftimmung
nicht für ein Hirpgefpinß halten, fo muffen wi»
jene überünnlichen Gegenfiände für reell halten,
und fie dann nothwendig durch Kategorien den*
Jen. JJnd Co verfcjhwindet jene- Inconfeqttenz»
Es ift n eh ml ich ein ganz anderer Gebrauch, den
man von djen. Kategorien zum Denken cier übor? .
fraulichen GegenHände für das IJaudeln macht, al4
der, wenn man lieh wirklich eine Erkenntnifa diefev
Gegenfiände durch 4ie verf chatten will. Dagegen
eröffnet fich tyier «ine kaum zu erwartende und lehr
befriedigende Bestätigung »der confequenten: Den*
kung*»art der Critik der reinen Vernunft. . Diefe
Critik bewies nehiplich, dafs die Gegenftände der
Erfahrung fammtlich, unfef eignes Subject mit ein-
gefchloflen, Erfcheinungen find. Sie fcjiärfte aber
dahei ein, dafs, obwohl man die Wirklichkeit 1
des Ueberfinnlichen nicht beweifen könne, -man ea
darum doch nicht für Erdichtung und feinen Be-
gaff für Jeer an Inhalt zu halten habe. Die prak«
nUÜinsvhilof. fFörurb. 3, Af. Pp .
I
594. Kategorie, ,
tifche VAnunft aber verfchafft, dhffie däfs' hierbei
Bücklicht auf die fpeculativ© Vernunft genommen
wird, eu>em überfinnlichen Grgenftande der Kate-
gorie Ür fache, riehfolich dem freien Willen,
Realität: Obwohl diefe Caufalität des freien Willen»
dadurch nicht . erkannt , fondern nur zum prakti-
fchen Gebrauch gedacht wird.. Und fo wird das,
was ia r d*r Critik der reinen Vernunft blof« ge-
dacht werden konnte, ob der Begriff des Ueber-
iinnlichen nicht doch vielleicht Gegeriftande habe,
in der Critik der praktifchen Vernunft durch eine
Thatfache beftätigt (P. 8- ff. M. IL 167. 168.).
• *
• 1
67; Aus dem, was hier gefagt worden ift, wenn
m^n datait das,' was im Art. Dämonologie, 5.
* und G<m, 45» feu finden ift, wird man lieh voll-
kommen überzeugen, ' wie erfpriefslich für Theo*
logie und Moral die Deduction iß, dafs der ni ersch-
liche Verfiand die Kategorien beim Denken erzeuge,
durch fie die Eindrücke der Sinne verknüpfe und
So . finnliche ' Gegenftände erkennen könne. Denn
dureli diefe mühfame Deduction allein kann verhü-
tet werden , diefe Kategorien , wie P 1 a t o 9 fütf
angebohrte Begriffe zuhalten. Hatten wir nehm -
lieh angebohrne Begriffe in uns; fo wäntn wir
nicht lieber, dereinlt noch immer- fölehe Begriffe
in uns zu entdecken, und der Gebrauch derfel-
ben wäre dann ohne Grenzen ; ferner wäre dann
der Anaiafsung zu überfchwenglichen Theorien, des
Ueberßrinlichen , wozu uns die Erke*mtnif$ ange-
- bohrend fei, Thür und Thor geöffnet, und füre fie
kein« Bude abzufeilen/ Durch jene Deduction kann
aber auch verhütet «werden, ' diefe "Kategorien aus
der Erfahrung abzuleiten-, wie es B-pikur machte*
Wären ße nelimlich aus der Erfahrung entfpfun-
gen , datin müfsten wir allen und jeden Gebrauch
cterfelben, felbft den in praktifcher Abficht, blofs
auf Gegenstände »und Beilimmungägründe der Sinne
einschränken. Nun ift aber bewiefen , dafs die Ka-
tegorien nicht empirifchen Urfprungs find , foudern
■ /
«
#
%
/
I
/
593 '
ttafs fie ihren Sitz und ihre Quelle im reinen Ver- ^
ftande haben, und dafs fie auf Gegenftänd'e
überhaupt bezogen werden können, unabhän-
gig ron der Anfchauung} dafs fie z war nur in An«
Wendung 1 auf Er fahrungsgegenßände theo*
retifches ^rkenntnifs zu Stande bringen; aber dafs
fie doch auch auf einen durch' praktische Vernunft
gegebenen Gegehftartd angewandt 9 zum bell im in-
ten Denken des Ueberfinnlichen dienen, jedoch
nur mit der fiinfehränkung, fo fern das Heber*
finnliche biofs durch folche Prädicate beltioitntwird,
die nothwendfg zur reinen a priori gegebenen prak*
tifclien Abficht und der Möglichkeit derfelben ge-
hören. .So bringen denn Einfchränkung der reinen
Vernunft im Felde des Wiffens, und Erweiterung
derfelben • im Felde des Handelns die beiden Ver*
mögen der Vernunft, mit Sicherheit zu erkennen,
und fittlich gut zu handeln, allererft in das Ver-
hältnifs zu einander ^ worin Vernunft überhaupt
zweckniäfsig gebraucht werden kann. Diefes ßer-
fpiel aber beweifet beffer • als jedes andere , d.ifs
der Weg zur Weisheit, 'wenn er' gefiebert und
nicht ungangbar oder irreleitend werden foll, bei
uns Menfchen unvermeidlich durch die Wiffrnfchaft
gehen muffe. Freilich mufs man aber* erft das
Ganze de* Wiflenfchaft vollkommen überfehen, urA
überzeugt zu feyn, .dafs die Wiflenfchaft zur Weis«
heit füjire (P. £56. M. IL 36*.).
Die Kategorien der Freiheit*
' f>ß. Wenn die Willkühr des Menfchen durch
reine Vernunft beftimmt wird, fo ift die Hand-
lung, die daraus hervorgeht, fittlich gut, wird fio
wider die reine Vernunft beftimmt , fo ift die daraus
entfpringende Handlung fittlich böfe. Die Begriffe
des moralifchen Guten und Böfen fetzen alib voraus, s
dafs • in der Vernunft ein Beitimmun£ss;rund der
Wiljkühr Ü^ge, oder dafs die reine Vernunft ver- x
mktelfiLxüefes Jteiümmüttgsgrri indes eine Cau/alität
/ I
s
$96 Kategorie. -
für die Willfenhr habe, d, i. als Urfoch« auf die
Willkühr wirke. Dieter Begriff des moralifchen Gu-
ten und Böfen iß das für die praktische Vernunft,
was der Begriff des Gegenstandes füv 4ie tbeoreti-
Xche , Vernunft iß. Nur ift hier folgender Unter«
fchied. Die Kategorien beziehen lieh . urfprungüch
auf GegenÄände, denn fie find Beit immun gen -der
Xynthetifchen Einheit des Mannigfaltigen gegebe-
ner Anfqhauungen in einem * Bewufstfeyn. Die
praktische Vernunft hat ahnliche Begriffe an dem
Guten und Böfen, aber diefe Begriffe fallen nicht
' die Einheiten zur Verknüpfung des Mannigfaltigen
in einen Begriff vom Gegenfiande feyn, fondern
üe fetzen die Gegen ftände fchon voraus. Sie find
vielmehr Zufällige Beschaffenheiten qejer Modi einer
einzigen Kategorie, nehmlich der Caufalität,
in fo fern der Beitimmungsgrund derfelbeo in der
Vernunft liegt. Die Vernunft wird nehrtilich hier
als eine Caufalität gedacht, indem fie durch die
Vernunftverftellung eines. Gefetzes* welches iie f
als Gefetz der Freiheit , lieh felbft giebt , die Will-
kühr beftimmt, und lieh dadurch als ^- priori prak?
tifch beweifet. Die Handlungen flehen alfo hier*
mit unter einem Gefetze, das kein, Naturgefetz,
fondern ein .Gefetz der Freiheit jiit, jmd find alfo
info fern als Wirkungen intelligibelet Wefea zu
betrachten. Allein die Handlungen find dtfeh auch
Begebenheiten in der finijlichen Welt und , als
folche, Erfcheinungen, die unter NaturgeGetzen
ftehen und .nach denfelben gefefaehen. lux letzte-
ren Verhaltniffe können fie allein durch die Kate-
gorien Gegenfiande des Erkennen* fejfa, allein in
diefem .Verhaltniffe haben fie nichts 3£oralifche&
fondern gehören. für die Phyfih. Das erftere VerJ
hältnifs ift pjlein ihre moralifche Seite, und von
diefer muffen fie durch die Kategorien gedacht wer.
den, weil fie doch in- der Sinnenwslt gefchehen
follen, aber diefes Denken foll nichf dienen,» ei**
zufehen, wie tfandlr us freiem Wfüjpp p» ©g,
lieh find, Sondern r
dem alleinigen -Princip des moralifchert Gefouses zu
beftimmen. Die fehlen Begriffe -des Guten und Bo-
len können alfo, als Modi der Caufalität der rei-
nen Vernunft, ■ nur Jtatt heben, das Mannigfaltige .
(nicht der Anfchaturngen, fondern) der Begeh*
rungen zur Einheit des Bewufstfeyns der im mo-
ralifchen Gefetze ■ gebietenden praktischen Vernunft
zu verknüpfen , oder fie dem reinen a priori- ge- ;
bietenden Willen zu unterwerfen (F. 114. f. M.
IL «86.). ; r
6g. Es giebt alfe Kategorien der Frei-
heit des Willens, (o wie es Kategorien'
der Nothwehdigkeit der' Natur giebr.
Diefe -Kategorien der Freiheit haben aber einen au-
genscheinlichen Vorzug vor den Kategorien der
Natur. Die letztern find . nur Gedanken formen',
welche die möglichen Beltinunungen a priori der
Gegenitande für jede uns' mögliche Anfchäuung- be- (
zeichnen. Die Kategorien der Freiheit Hingegen
find Formen des Begehren s , welche 1 die mögli-
chen Beftimittungen a priori der Handlungen -be-
zeichnen. Sie- lind nicht Bestimmungen der Sinn-
lichkeit in Arvfehimg der Affectionen derselben,
fondern der ■ Willkühr in Anfehung der Functio-
nen, oder .Einheiten, ihrer Handlungen. Di*
freie Willkühr kann nun nicht Co, wie der Ver-
ftand, durch die Sinnlichkeit, einer Anfchäuung ge-
geben werden, die ihr völlig, fo wie denVerftan-
desbegrrffen die Anfchäuung, correfpondirte. Allein
ftatt der Anfchäuung hat fie , welches bei keinen
Begriffen des theoretifchen Gebrauchs unfers Erkennt-
nilsvermörerrs fifltt findet, ein reines uraktifches
$9d
Kategorie:
Baum un* Zeit lifegen aber nicht In de* Vernunft,
fondern in der Sinnlichkeit. Was den Kategorie*! der
Natur diefe Formen der Anfchauun gen. find, das ift
den Kategorien der Freiheit die For j» eines rei-
1} e n W i 1 1 e n s, die bei der Vorfiellung der Handlun-
gen aus -freier Willküht* als gegeben zum Grunde
Jiegt, ohne welche fic}* moralische Handlungen gar
Dicht eiwnaJ denken laflen. Dicfc hat nun eine merk-
würdig Folge. In allen Vorfqhriften der reinen
praktischen Vernunft ifi es um die Wiljensbe»
ft imm urig, (Beftimmungen 4 urc h den Willen) zu
thun; ab6r nicht, darum, ob und wie diefe Ab-
lichten der praktifchtn Vernunft . in : der Sipjien-
weit ausgeführt w erden können , welches das JPhy-
fifelje der Handlung betrifft. Die praktischen Be*
, griffe a 'priori oder die Kategorie n der Freiheit
gönnen daher in Rücklicht der freien BeÄirr^unirig
der Willkübr fogleich praktische Erkenntni(Te i wer-
den, d, h, durch Beftimmung der Willkuhr reali-
iirt und ihnen dadurch ein Gegenfiand gegeben
Verden, ohne dafs fie nöthig haben t erft' auf eine
, AnXckauung zu warten, um Bedeutung *u bekom-
men. Der Grund davon ift- nehn^lich, weil lie
{He Wirklichkeit deffefi, wa& ihn#n.als ifrr Gegen-
stand conelpondirt, ' nehmlich, die, /WiUensgelin-
ii;ung, r .4elbft hervorbringfen , undifiä nicht er/t , et-
w^ Gegebenes haben muffen. Die, theoretifohen
Begriffe oder Kategorien der Natur, hin gegen- muf-
fen durchaus frft durch gegebene Affectionen.der
Sinnlichkeit Bedeutung bekommen. Noch ift zu.
bewerte* dafs. diefe . Kategorien die praktifch^
Verpunft überhaupt angehen, und. folglich .die
fammtlicherj Arten . der. Beftimmungen _deir freien
Wiyk\ihr-auM r u^en. Sie fangen daher jmit fol«
che» ; WiHen$J>eflpimimgen an, *die noch nicht
pioralifch beftimmt, .fondern. tylofs finnlich be-
dingt und*, und gehen (o 19 der Ordnung fort
bis zu denen, die ni^ht niehj finnlich bedingt,
fondern blofs durchs mqralifche . Gefetfc beftunmt
find (P. n & . $, J&'U 4 *fia V •.. '. : r i - .
% «
Kategorie; 609
<*/0. * r Taffll
der Kategorien der Freiheit in Anfehung
der Begriffe des Guten und Böfen.
I. > ' j r
. Der Quantität nach:
Einheit : v fubjectiv* WillensbeitimmungeA,
nach Maximen, Willen smeinun^gen
des Individuum«
Vielheit : objective Willensbeftimmungen*
nach Principien, Vorfchriften für
Viele*.
Allheit: a priori objective fowohl als fubjective
Willensbeftinunungen für alle Weferi, die
eine freie Witlkühr haben, Gefctze
für Alle.
• ö. 3.
Der Qualität nach: Der Relation nach: »
Realität: praktifche Re- Subita ntia li tat: Wil-
geln des Begehen s. lensbeftiihmung in Be-
ziehung auf die Pe#^
fönlichkeit.
Negation: praktifche Caufalität: Willensbe-
Regeln des Unter- ftimmung in Beziehung
laffens. auf den ZuftaaTd der'
* ' ■ Perfon.
Limitation: pr^kti- Wechfel Wirkung :
fche Regeln der Aus- Willensbeftimmung in
nahmen. • Beziehung auf den
wechfelfeitigen
Einflufs einer Perfon
auf den Zuftand der
andern«
Der »Modalität nach:
Moralische Möglichkeit: das Erlaubt«. 1
Moralifche Unmöglichkeit: das Uner-
laubte*
\ •
6oo
Kätegori«*
(
die PfJieSt,
das* Pf HchtwH
Moraltfche Wirklichkeit:
Mötalifchei Nichtfeyn:
drige.
pYIoralifch e Noth wend igkeit: die voll*
,} kommene Pflicht.
[Moralifche Z ufalligkeit: die unvollkom-
men e Pflicht. (P. 117, M. IL flSsV
• 1
Zur Erläuterung diefer , Tafel will ich noch
folgendes bemerken. . Die Kategorien der Frei-
heit find nichts anders als der .Begriff der Cau-
falitat deV Yerntfnft in Btfftimmung der Will-
kühr, durchgeführt durch rämmtliche Kategorien»
welches dann die Begriffe des Guteii und Böfen
giebt. Wird die WiHkühr eines Wefens fo beftimmt,
dafs der Befiimmungsgrund nur für diefe "Eine
Willkühr gültig iß, dann kann der ßeftimmuugs-
gr<und nicht in der Vernunft liegen ;;. ofcf er wohl
diu ch die Vernunft auf eine Pegel für das Indivi*
dunir^ebrachrf: wird. , Der Beftimmungsgründ liegt
dann in dem, Privatgefühl des Individuums , und
die Handlung ift entweder angenehm oder un-
angenehm. In Anfehung der Moralität iß die
Handlung dann noch, unbeftimmt, fie Üt noch
nicl)t irioralifch gut oder böfe, fondern. blofs finn-
lich; d.i. durchs Gefühl der Luft oder Ünluft,
bedingt. Die Regelf nach Welcher ^Ifo die Will*
fcähr beftimmt wird, ift blofs für dieYe einzelne
^illkühr gültig > und eine folche Regel heilst eine
WillensnjeiniiTig des Individuum. Das
vv^KendeSubjectmufs aber auch, wenn es moralifch
handelri foll , die reine Willensbeftimmung a priori
fcur fubjeetiven Peßinvmung feiner Willkühr , d. i
das G^fetz zu feiner Maxime machen. _ Wird die
Willkühr eines Wefens fo beftimmt, dafs der,Be-
•ftimmungsgründ Miir für viele S'fibjiScte der Will-
I&hir gültig ift, darin kann der Beftimmungsgründ
nach ilicht hTdfer Vernunft Hegen j afefer dk er doch
für viele gültig feyn foll, fo mufs er wtffvigftens
durch eine Regel vorgefiellt werdet , bei der ein
\
%
* * Kategorie* 60 *
^erätmft begriff zum Gtunde lie£t, Aarch Welchen
es möglich wird/ dafs fie für viele gilt. Das ift
nun der Begriff des Zwecks. Wenn viele eirienf
und denfelben Zweck haben, dann ift es möglich*
dafs fie eine und diefelbe Handlungsrege) wollen,
die auf diefen Zweck gerichtet ift. . Dann ift di6
Handlung aber 4 wiederum nur wozu gut; d. i;
nützlich, ocler dem Zweck hinderlich, d* i. f c h ä d^
lieh, aber nicht an fich, d. i. moraliffch gut
oder böfe. Die Handlungsreger ift zwar eine Vor^
% fchrif t für viele , d.i. objeetiv, aber noch nicht
für Alle. Das Gefetz, das für alle gilt, oder
die reine • Willensbeltimmung a -priori, ift indeffeii
auch zugleich eine .Vorfchrift , die ftir viele gilt,
oder eine pbjeetive WillensbeiHmmung nach Prin*
cipieft. Nur dann, wenn Alle nach einem Frihcip
wollen könnet) f oder die Willensbeftimmung ih^
ren Grund gar tiicht in einer Neigung hat, alfo
gar nicht finrilich bedingt ift, ift fie ein Gefetz^
und die gar nicht finnlich bedingte Handlung nach
diefem Gefetfe (objeetiv) und üin diefes Ge fetze*
willen (fubjeetiv) das Motalifch-Gute und das Ge-
gen t heil davon r Üas Morälifch - Böfe. Ift hingegen
die Handlung durch aufsern Zwang bedingt, oV
wohl fie nacht dem Gefetze gefchieht, fo ift die
Handlung das Rechtlich -Gute und ihr Gegen theii
das Rechtlich- Böfe , oder das B echt und Rechts-
widrige. Ift die Handlung überhaupt finnlich be-
dingt, gefchieht aber dem Gefetze gemafs, fo ift
die Handlung blofs^ legal oder gefe tzrrtäfsig , und
das Gegen t heil davon, die illegale oder ge fetz wi-
drige Handlung. Das Gute kann ferner etwas Fo«
fitives feyn, d. i. etwas Reelles, eine wirklich**
Handlung, die nach einem öefetze und um deflel«
ben willen gethan wird; orfer etwas Kegatives,
eine Handlung, die nicht gethan, fondern unter*
laffen,wird, der Gegen ft and eines Verbots; oder
endlich kann' das Gute etwas feyn, das durch ein*
Ausnahme beRimmt wird, d. i. durch ein Ge-
fetfc,* wa? &b EHaubnifs zu einer Handlung giebk
. *
6bz Kategorie.
Dies findet bei den Pflichten der Güte fiatt, ^acü
diefen t mufs ich z. JB. zwar immer den Gründfatz
bähen, wohlzuthun, das Gefetz gebietet nehmlich
blofs die Maxime der Handlung, nicht die Hand«
lung felbih Nun habe ich aber Schulden, zu be-
zahlen , und Schulden pti bezahlen ift eine Pflicht,
von der das Gefetz nicht Hofs den Gründfatz , fon-
dern aucji die Handlung gebietet. Hier wird alfo
der Gründfatz der Wohlthätigkeit durch das Gefetz
der Gerechtigkeit in An fehung fremden Eigenthums
ejngefchränkt, wodurch für die Handlungen nach
, dem Grvndfatze der Wohlthätigkeit eine Ausnahme
tntfpringt: thue nicht wohl mit dem, .womit
du Andern das Ihrige geben follft, und die Be-
folgung diefer Regel ilt eine gute Handlung nach
einer praktischen Regel der Ausnahme, Uebrigena
vift hier .wieder nicht blofs von der reinen prakti-
fchen Vernunft die Rede , fondern von der pr,akti~
Jfchfcn Vernunft überhaupt» Dalier auch die Regeln
des Begehtos nicht blofs. als mor al jfche , fopdern
überhaupt für jedes Begehen, zu nehmen lind.
Wir können aber eine moralifch gute oder böfe
Handlung auch nach der Beziehung betrachten,
welche die WiUensbefiimmung hat. Und da ftöfst
uns züerft der Begriff, auf, der alle Beziehung
Überhaupt erß möglich macht, der Begriff der Sub*
fiflenz. Die WiUensbefiimmung mufs als in einem.
Subject befindlich und demselben anhängend . ge-
dacht werden. Ein Subject aber, das der morali-
fchen WiUensbefiimmung vermögend iß, heifst eine
Perfon, die moralifche Subftanz ift alfo der
Begriff der Perfönlichkeit. Und hier haben,
wir wieder Gelegenheit einzufehen, dafs wir Gott
gar wohl als Subftanz denken können, denn wir
[teilen uns darunter nicht eine phyfifche, fondern
eine mOralifche Subftanz vor, alfo nicht ein We-
fen , das etwa wie die Materie im Baum ftets fort«
dauert, fondern ein Wefea, welches das^ fort-
dauernde Subftrat des moralifc^n Wplleps iß, oder
eine moralifche Perfpn, deffen Natur oder Subfianz,
Kategorie; 603
in fpeculativen Sinne, uni übrigens ganzlich nn«
bekannt iit und bleiben mufs. Der Betriff der
moralifchen Caufalitat und «Dependenti
iit der von der Willensbeftimmung in Beziehung
auf den ♦Zuft and der Perfon,. dafs'nehmliuh auch
wohl andere, . als moralifche Gründe, den -Willen
beftimmen können , dafs daher das moralifche Ge-
ftfz für einen folchen Willen , wie z. B. der inen fch*
liehe ifi, ein Gebot wird, woraus für iJ&n de*
Begriff von Pflicht entfpringt, uiLw^i Der. Be-
griff der moralifchen Wechfel wirkung i{t
der von dem wechfelfeitigen. moralifchen Kiufiufs
der r er fönen auf ihre , Willensbeftimmung , und«
fo auf ihren moralifche* Zuftand, z. B. aus den
vollkommenen Pflichten der einen Perfon entliehen
Rechte der andern , und umgekehrt* oder bei ver-
dienitlichen Pflichten verpflichtet die Wohlthätig-
keit der einen Perfon. die andere zur Dankbarkeit,
und die Perlon lieh keit diefer letztern modiheirt
uieder die Befchaffenheit der Wohlthätiekeit der
erftern. Ich habe aber hier dife Freiheitskatetrorien
blofs auf . die moralifche WilJensbeliimmung * an«
gewendet, um fie durch ein ^Beifpiel fogleich
zu erläutern, Sie muffen aber hier in dem wei*
teften Sinn des Worts genommen • werden- 1 wie
in diefer • ganzen Tafel , fp dafs Sie jede möglir
ehe Art der Willensbeftimmung unter lieh befaß-
ten. Die Freiheitskategorien de; Modalität ündet
man in Anfehung des Moralgefetzes von denen det
Natur abgeleitet und erläutert in den Art/, die
von ihnen handeln, f. Erlaubt; 5 und Pflicht.
Hier bemerke ich nur noch, dafs das Er-
laubte und Unerlaubte hier nicht blofs: in
moralifcher Bedeutung zu nehmen iit» Es foli
liier das bedeuten, was mit einer blofs mögli-
chen Vorfchrift zu handeln (ohne auf die Mora*
Htät der Handlung zu fehen) in. EirifHmmung oder
Widerffoeit iit. So fagt man, in der Geometrie ift
e s nichj erlaubt, zur, Conftructioii andere Werk-
zeuge zu gebrauchen, als Cirkel t*ni Lineal; ei-
Goß ' Kategorie^
- * ■ *
nem flfcdner ift es nicht erhrnBc; neue Wftr-
'ter oder Wortfügungen zu fehmieden •, " deitt Dich-
ter hingegen . ift dies in gewifl(em MaaEse erlaube
Hier wird nicht an 'Pflicht gedacht? denn wer fich
um den Buf eines Redners bringen will, dem kann
es Niemand wehren, fremde Wöt ter und Wortfü-
gungen tu fchmiederu Es ift hier der Jmperativ
' des Erlaubten und Unerlaubten blofs prpblema-
' tifch, f. Imperativ, prablematifcher; Die
Pflicht bedeutet hier wieder die Willensbeftim-
iwng xii einer Handlung t deren Imperativ tf*
' £ertorif ch ift, die vollkommene Pflicht eine
folche. Willensbeftknmung, deren Handlung durch
einen apödiktifchen Imperativ geboten wird,
(P./30. *jfo. /
71. Man fieht, dafs in diifer Tafel die Be*
ftimmurig der Willkühr durch Grunde, die in der
Vernunft liegen , d. i. die Freiheit all eine Art
jron Gaufalität der Handlungen betrachtet wird,
Hie keinen empirifchen BeftimmungsgTUnden , d. i.
folchen, >die in den Gegenftänden oder in d$r finn-
lichen Neigung des Subjects liegen , utitfer worfe
iß. •• Dadurch beziehen fich allo die moralifche
Handlungen . auf die . Kategorien der Natur , in f<
fern fie ab ErFcheinungen in der Sinnen weit Na
turgegepftimde f nehmlieh durch die Caufalüt&t dej
Willens bewirkt^ Naturbegebenheiten , w*r<Jen ibl
Jen. Da aber der Beßimmungsgrund nicht in ei
^jaem Gegenftand der Sinnen weit oder einer finnli
dien Befchaffenheit des Suhjecty liegt f So kann &4
als auiser der Sinnen weit in der Freiheit als Ei
genfehaft eines intelligibeln Wefen$ angenogninei
Werden. Die Kategorien der Modalität, niachei
endlich den Uebcrgang von praktifchen Principiei
Überhaupt zu denen der Sittlichkeit, indem' fie &|
Begriffenes Erlaubten, der Pflicht u. f. v*\
^ufitetlen, obwohl für die Moral ität »nur proi
blema tifch, d.i. eis möglich. £5rft das niorq
lifclse Gefetzt,*- als ein Factum der Vtärmtnft, re^
*
\ -
* « . • • Kategorie. r • 603
< •
lifirt diefe Begriffe , indem daffelbe für diefe Katego«
rien das ift, was die Anfcfaauung für die Katego-
rien der' Natur ift. Dadurch können dann die
jraktifchen Pnncipien aller erft dogmatifch, d.i.
Ms wirkliche gegründete deitimmungsgrüsde der
Wüikühr dargeftellt werden (P. 11Q. &U Et, *59-)*
7a. In diefer Tafel überfieht man nun den
ganzen <P1 an von dem, was man in der prakti-
schen Philosophie zu leifien hpt. *• Dergleichen
nach Principien* abgefafste Eintheihmg ift aller
WilTenfchaft, ihrer Gründlichkeit fowohl als-Ver-
Handlichkeit und Vollftändigkeit halber, fehr zu-,
fraglich. So \Veifs man z. B. aus diefer Tafel 9
und der erften Nummer derfelben, von den Frei?
iiekskategorien der Quantität nach, fbgleich, wo-
von man in praktischen Erwegungeto anfangen mufs;
Es ift nehmlich ziierft zu handeln von den Maxi*
men, die Jcdfer auf feine Neigungen gründet; fo-
dann von den Vorschriften/ die ™r eine Gattung
vernünftiger Mfefen gelten,* fofern diefe in ge-,
wiflen\ Neigungen übereinkommen; und endlich
von den Gqfetzen, welche für alle gelten, unan-
gefehen ihrer Neigungen. Nach der zweiten Num-
mer ift zuerft'zu handeln von den "pnvkiifchen Re-
geln, welchö ein gewiflfes Verhalten vorfclireiben ;
fodann von d£n praktifchen Regeln , welche ein ge-
wiflfes Verhalten unterfagen; und endlich von fol«
chen praktifchen Regeln, welche von eifern gewif»
fen vorgefchriebenen oder unterfaßten Verhalten
Ausnahmen zu machen genauen« Auf diefe .-Weifq
überfieht man den ganzen Plan von dem, was
man in der fyftematifchen Bearbeitung einer prak-
tifchen Fhilofophie, dia uns, nach einem folchen
Plan bearbeitet, noch fehlt, zu leiften hat. Man
kann durch dtttfe Kategorien fog*r jede Trage fin*
den, die in der praktifchen Philofbphie za beant-
worten ift,, und zugleich die Ordnung, : die .dabei
au befolgen ift (P. ng.jf. M. II, a6o.).
\
606 Kateg.Imp, Katharktikon. Keines. Kepler^
Kant Gfitik der rein. Yern. Eletnentarh. TT. Thi T. Alnli.
I. Buch S. 90— 1Ö9. ^— j II, Buch. ' III. Hauptfi, £>.
. 504 f. — S. 314. f. I. Auflage S. 94^ 130.
De ff. Prolegbmenen, $ 20. ff, S. ßi.ff, — §. ^9. S. 1*7. 1F.
De ff. Critik Her prakt. Vern. Vorrede S. ß. ff. — 20. *f.
• I. Tl|. T. B. I. Ha^tft. 5. 94. — S. 99. . II. B. IL
Hauptß. Su 114. ff. — S. 245. f. — S. 25$. <
j:
K^tegorifcher Imperativ^
1 » « « 1
£ Imperativ, kakegorifcher«
« 1 l
*
Katharktiköni
Pur ga/nz , . Reinigungsmittel f ttaitegrixoi; ,
purgativum, purgatoriiun, piirgatif* Ein Mit-
tel, das .wegzufchaffen, was einem Vermögen in
. leinen Wirkungen , nacn den Wiikungsgefetzen
deflelben;' hinderlich iit. Die angewandte Logik,
fagt Kant, iit ein Katharktikon (eigentlich Ka-
thartikon) des gemeinen Verfiandes, das heifst,
Ee iR ein Mittel , das wegzufchaffen, was d$m Ver-
band i.A. der Anwendung feiner flegeln, hinderlich
feyn kann , z. B. die HindernifTe $er Aüfmerkfam-
keit, die Urfachen des Irrthums, des Zweifels,
\ies Scrupels u. f. w, (C. 73. f. L. ia.}.
• <
Keines
f. Di'njg, 4*
.' Kepler.
Johann KepleT; feiger der gröfoten Agronomen
feiner Zeit* wurde fcirWiel im Würtembergifchen
den -27;- December, 457* > zwei Monat zu früh,
gebohren. Er ftudirte in dem Klofter Maulbronn
und zu Tübingen, wurde dafelbß 1^91 Magifter,
Kep!er. 607
» V
und fing darin das Studium der Theologie und
Mathematik an. Er nahm in der letztern Wirte n-
fchaft bald fo zu, dafs er zum Profeflbr der Ma^
thematik und Moral nach Grätz in Steiermark be-
rufen wurde* , ' '. , .
«
Im Jahr 1598 sog er wegen der den Prote*
ftanten drohenden Gefahr nach Ungarn, und fiu^
dierte dafefbft mit vielem Fleifs die Aitronomi©
und andere Theile der Mathematik , wurde abeir'
bald darauf wieder in feinem Stelle zu Grätz einge*
Jetzt, Im lahr 1600 zog ihn Tycho Brahe nach
Prag, wo fie beide gemeinfchaftlich in der Aßrono*
niie arbeiten wollten. * Allein Tycho Brahe ftarb
fchon .im Jahr 1601. Vor feinem Tode präfentirtd
T. Brahe Kepler dem Kaifei? Rudolph II», der ihm
eine Befoldung ausmachte, und ihn zum; kaiferli*
chen Mathematicus ernannte; die Befoldung wurde
ihm aber zum erßenmal erft 1600 ausgezahlt; und
er erhielt he auch nachher öfters fehr unrfchtig.
Naih K. Rudolphs Tode erzeigte ihln der Kaifer
Matthias viel Gnade, und befahl auch; dafs ihm
feine rückständige Befoldung follte ausgezahlt wer-
den; aber -ex bekam darum doch diefeüefoldung
flicht richtiger als vorher. Im Jahr i6iß wählte er
lintz zu- fernem Wohnort ^ hatte aber dafelbJt jieue
Vci driefslichkeiten , denn die Geiftlichkeit von der
au^ pur gifchen Corifeflion fchlofs ihn von, der Kir»
ch^ijjremeinfohaft aus, weiPer die Fonnula Concor*
<'«/£ nicht unter fchreiben wollte. Im Jahr 1626
20g er wieder nach ^rag und ßarb den iß. »Nov. 1^30
zu Regenspurgj wohin er gereifet, vfiav} 4im di*
Bezahlung feiner rückfiändigen Befoldung . ausztfr»
wirken.
Er hat zuerft den unrichtigen Namen, d*r Tr äg* •
heitskraft (vis inertine) gebraucht (f, Gegen-
wirkung, 6. f.) und hing noch fehr an der Stern*
Meuterei» altein er hat auch fehr viel neue Wahrheit
• s
S
~L
$08 Ketzer,
ten gelehrt, fchon die richtigere Vorftelllmg v vdTi der
*n ziehenden Kraft der Körper vorgetragen, und die
von ihm entdeckte richtige Theorie des Planeten-
lauft tat ihn unlterblich gemacht (N..i*g.).
t\
Ketzer,
•Jgmaast fiaerettczis , herilique. Biefen. Namen
erhält, von dprt Rechtgläubigen einer' Kirche , der,
welcher fich a^wer z\x diefer Kirche be-
kennt, aber doch im Wesentlichen des
Glaubens (in articulis grewis moirienti et fyj\da-
mentedihus) derfelben, (was man nehmiieh
dazu maclit) von ihr abweicht, . vor-
nehmlich w.enn er feinen Irrglauben
a u s b r e i t e trv Man unter fcheidet - ihn von ei-
nem Ungläubigen ( infiddis ) , : der den Kir-
jchenglauben gar nicht anerkennt, und einem Irr-
gläubigen (errans)** der im Nichtöffentlichen
von dem Kirchenglauben abweicht. So wilrd aus
£eri er&enj lob Jahren der chriitlichen Kirche Ce-
rinthUs insgemein für einen Ketzer ausgegeben,
weil er Chr iß um für einen blofsen M mühen ge-
halten, der fich nur durch Weisheit und Heiligkeit
ausgezeichnet habe; aus dem a weiten Jahrhundert
nannte man den Karpp^rates und Valentinus
Ketzer, weil Ijie lehrten, Jefus fei von Jofeph ge»
ueuget worden, und. nur darin von andern Men-
fchen unterschieden gewefen , . dafs er eine fefte und
freine Seele gehabt habe« Aus eben dem Jahrhun-
dert nennt Kleweas v.orn Alex an Arien (Stro*
tnat. -Hb. Jflh pag* 7«a.), den Prpdikus einen
üatzer> v ^w^il er gelehrt habe, man fojle nicht be-
ten. Die Saturnilianer nannte man Ketzer,
weil fie das Faften verachteten, und den.Cftrdon,
weiler an der Aechthfeit einiger äpöitoJifchen Briefe
zweifelte, und die Offenbarung Johanuis ftj* un*
acht verwarf (IL 155*).
V * v
Ketzer. Keufctheit. / 609
Ein folcher Ketzer, wird , fo wie ein Aufruhrer
1:11 Staat, hi einer folchen Kirche noch für firaf ba-
rer gehalten, als ein äufserer Feind. Er- wird von
der Kirche durch einen Bannfluch, dergleichen die
Römer über den ausfpractien, der wider des Senats
Einwilligung über deh Rubicon ging, ausgefiofsen,
und allen Höllengöttern, übergeben (R. 156.).
Das Wort Ketzer kömmt her vom Monsroli-
fchen, Chadzareiu Die Mongolen nennen nehm-
lieh Tibet (nach Gregorii Alphab. Tibet, pag. n.)
Tan gut -vChadzar, d.i. das Land der Häuferbe-
wohner , um diefe von fich , als in' Wüften unter
Zelten lebenden Nomaden, zu unterfcheiden. Hier-
aus ift der Name der Chadzaren, und, fo der
der Ketzer entfianden. Als nehmlich die Mon-
Solen den tibetanifchen Glaube», oder die Lehre
der Lamas , der mit dem Manichäismus , der Leh-
re des Manes , dafs es 'einen guten und einen
Lüfen Gott gebe, übereinnimmt, vielleicht auch
wohl aus dem Manichäismus entfprungen feyn mag,
bei ihr^n Einbrächen in Europa verbreiteten, und
diefe Lehre die der Chadzaren nannten: fo
pflegte man von diefer Zeit an alle von den Leh-
ren der Kirche abweichende Vorfiel lungen. Leh-
ren der Ketzer zu nennöji. .' Die Namen Haere*
tlcus , Ketzer, und Mcmichaeus wurden daher
noch eine geraume Zeit hindurch als Synonymen
gebraucht (R. 16 6; *)•
Keufchheit,
cafiitas, chaftetc. Die Tugend in Anfe-
hung der linnlichen Antriebe der Ge-
fchlechtslufi. Es fragt fich, ob* es eine fol-
che Tugend gebe, d. h. ob der Gebrauch des Ge-
fchlechtsvermögens, in Anfehung der Pcrfon felbit,
die es ausübt, unt«r einem ein fch ranken den Pflicht-
gefetze Itehc; oder ob es erlaubt fei, den Gebrauch
MtUitu hpil.Prörfrb.3. Bd. Q <j .
V
6io Keufchh'eit. Kind»
i
der Gefehl echts eigen fchaften der blofs thierifchen
Luft zu widmen, wenn map "auc^ den Zweck
der Natur, die Fortpflanzung feiner Art; nicht
dabei beabsichtige, ohne damit einer Pflicht ge-
gen lieh feitet zuwider zu handeln, » Dafs es* ei-
ne folche Tugertd gebe , f folgt daraus , dafs der
Älenfch durch einen zweckwidrigen, oder auch biofi
unzweckmäfsigen ' Gebrauch feiner Gefchlechtsei-
genfch'aften feinre Persönlichkeit anfgiebt, indem
er jich hlofs zum Mittel der Befriedigung thieri-
f eher Triebe gebraucht. Auch macht er lieh da-
durch/ dafs er lieh hierin gänzlich der thierifctien
I^eiguhg überläfst, zur geniefs baren, aber hier-
in doch zugleich zur. naturwidrigen d.i. ekelhaf-
ten Satfhe, und beraubt fich fo aller Achtung fü*
lieh felblt. Es läfst lieh auch die Maxime, den
Gefchlechts trieb zweck wiÄrig odei; unzweckmäfsig
iu befriedigen, gar nicht einmal als allgemeines
Gefetz denken; denn dadurch würde die Fortdauer
- der Menfchengattung, und alfo die Moralität, in
den Subjecten derfelben, felblt unmöglich werden.
Hieraus folgt, dafs. die Keufchheit eine fchuldige
. Tugendpflicht des Menfchen fei (T, 76. ff.).
Kind,
infems, >e~nfant* Ein Kind, in bürgerli-
cher Bedeutung, ift derjenige, der fei-
/ ner Jahre wegen (im bürgerlichen Zu-
ftande) fich nicht einmal felbft, vielwe-
niger feine Art erhalten kann 9 ob. et
^gleich äeji Trieb und das Vermögen, mit-
hin den Ruf d^r Nattfr für fich hat, fie
jl u erzeugen: Diefes Kind , in bürgerlicher
Bedeutung , iß als Naturmenfch c?in Mann,
denn aufser dem,, bürgerlichen Zuitande hat er. das
Vermögen, fich- felblt zu erhalten, feine Art zut er-
zeugen, % und auch diefe, lammt feinem .Weibe,
zu erhalten (S.JIL äöj,).
s
%
Kinderfirage. IJitche; * 611
Kinderfrage.
*
Eine Frage,- aus der der Frager, wenn
fie ihm auch beantwortet werden könn-
te,. doch nichts Kluges zu machen ver-
liehen würde (R. 89*).
Eine folche Frage iß z. B. die: ob die JHoU
lenftrafen endliche, oder ewige Strafen fejm wer*
den. Würde das erfte gelehrt, fo möchten man-
che denken 9 ' fo hoffe ich , ich werde es aushal-
ten können. Würde aber das andere behauptet,
und zum Glauben sfymbol gezählt, fo dürfte gegen
die Ablicht , die man damit hat , nehmlich von der
Immoralität abzufchr ecken , leicht die Hoffnung
daraus entliehen, man werde, felbft nach dem
ruchlofeiten Leben, völlig ftraflos bleiben. Penn
der um Rath und Trofi befragte Geiftiiche mufs
dann in den Augenblicken der (päteit Reue - am*
Ende des Lebens nothwendig Hoffnung 'zur völli-
en Losfprechung machen, weil er zwifchen die-
er und der ewigen Verwerfung Kein Mittleres fia-
tuirt, und er doch aus Menfchlithkeit die letztere
nicht ankündigen kann. Das ift die- unvermeid-
liche Folge, wenn die Ewigkeit des dem hier
geführten Lebenswandel gemäßen künftigen Schick-
fals als Dogma vorgetragen, und nicht vielmehr
der Menfch angewiefen wird, aus feinem bisheri- •
gen fitilicb^n Zufiande fich einen Begriff voAa künf-
tigen zu machen, und darauf, als auf die natürlich
vorherzugehenden Folgen deflelben, felbft zu
fchliefsen (R. 89. * f.).
«
Kirche,^
tcclefia, eglife* Das ethifche gemeine
Weferi, wenn es unter der göttlichen
nioralifchen Gefetzgebung gedacht iwir'd
(fi. 14a.). Sie ift, wenn fie fichtbar iß, oder
I
• I
6x2, i „; Kijrche,
aus wirklich vereinigten Menfchen befieht, die
Repräfentantin eines Staats (Reichs)
Gbttes, d. h. fie fiellt eine Vereinigung aller
vernünftigen Wefen zu einem nach Tugendgefe-
tz^n unter der ^berherrfchaft Gottes regierten ge-
meinen Wefen vor* (R. 144.}- Eine fichtbare
* Kirche, die ihren, Kirchenglauben für allgemein
verbindlich ausgiebt, heifi>t eine katholifche,
diejenige, welche fich gegen folche Anlprüche An-
derer verwahrt^ eine protefiahtifche Kirche
(R. 156.).
ö. In fo fern eine jede Gefellfchaft unter öf-
fentlichen Gefetzen eine Unterordnung^ ihrer Glie-
der (im -Verhältnifs derer, die den Gefetzen der
Gefejlfchaft gehorchen , zu denen , welche auf die
• Beobachtung derfelben halten) bei lieh führt, ilt
die durch Religion zur Kirche vereinigte Menge
die Gemeine. Diele Iteht unter ihren Obern
, (Lehrer oder auch Seelenhirten genannt), die
nur die Gefcliäfte des ^mfichtbaren Oberhaupts der
Kirche (Gottes) verwalten, und in diefer Bezie-
hung insgefammt Die n e r der Kirche heifsen. Die
wahre lichtbare Kirche ifi diejenige, welche das
moralifche Reich Gottes auf Erden fo gut darltellt,
als es durch Menfchen gefchehen kann. Die Er-
fordernde , mithin auch die Kennzeichen der wah-
ren Kirche, find folgende:
a. Der Quantität nach: die Allgemein-
heit der Kirche, d. i. dafs es aufser ihr nicht
noch' eine andere geben kann, und dafs lieh keine
vernünftigen Wefen denken lafleri, die fie aus-
fchlöfle ; folglich mimerifche Einheit derfelben
(dafs fie der Zahl nach nur eine einzige iß und
feyn kann), wozu lie die Anlage in lieh enthalten
inufs. Hiervon iß aber wieder das Merkmal ihre
Nothwendi gkeit, d. i. dafs fich moralifche yVt-
fen aufser* diefer Verbindung gar nicht denken
laßen. §ie < k^nn % war in zufälligen Meinungen
«. /
Kirche. 613
getheilt und uneins feyn, mtifs aber doch in An-
fehung der wesentlichen Abficht auf folchen Grund*
fätzen errichtet feyn, welche diefe in Meinungen
Getheikeft nothwendig zur allgemeinen Vereinigung
in eine einzige Kirche führen 'muffen. - In der
wahren Kirche Kann es alfo keine Sectenfpaltung
eeben. ^ * '
t
b. Der Qualität nach: die Lauterkeit
der Kirche, ^nehmllch die Vereinigung unter blofs
moralifchen Triebfedern (gereinigt vom Blöd« .
finn jdes Aberglaubens und dem Wahnfinn der
Schwärmerei). Sie kann nehmlich zwar Ceremo-
nien haben, aber diefe Ceremonien muffen auf
Moralität abz wecken, und nicht etwa für Gna-
denmittel gehalten werden.- In der -wahren Kirche
darf es alfo keinen abergläubifchen und fchwänne-
rifcheri Gottesdienit (Cultus) geben.
c. Der Relation nach: die Freiheit der
Kirche, fowohl innerlich, die Unabhängigkeit det
Glieder von einander, als aufh äufserlich, die '
Unabhängigkeit der Kirchs von der politifchen
Macht, beides als in einem, von aller despoti-
fchen Herrfchaft weit entfernten, Freißaat (dafs
alfo weder Priefter her rfchaft, noch Herrfchaft feyn
wollender Infpirjrten in ihr fei)* Sie kann nehm-
lieh zwar Lehrer haben, die fie durch die Kraft
der Wahrheit ttnd'Ueberzeugung, durch die Kraft
der Moralität in Lehre und Beifpiel regieren *) f
und vom Staat auf ihre Grenzen zurück gewiefen*
werden, wenn fie Unruhe und Unficherheit im
Staat anrichten, und die Kirche alfo aufhören
*) Alle Re,chte der Kirche fincl : vermahnen , belehren , ftärken
und treuen; und die Pflichten der Bürger gegen die Kirche find
ein geneigtes Ohr und ein williges Herz, Mendels-
sohns Jerufalem 1. Abth* S. 62. r -
/
l
/
\
614 '- Kirche- .
follte, die wahre Kirche iu/eyn; * aber weder cli^
Lehrer noch 4er Staat darf die Gewiflert\d$r Glie-
der despotifch beherrfchen, wenigßens kann diefc
Herrfchaft nicht zu den _ Grund fatzen einer wahren
Kirche gehören *). ' In der wahren Kirche darf
al Co weder Hierarchie (Priefier her rfchaft), jioch
Illum'inatismus (Infpirirtenherrfchaf t) f m eine
Art von Demokratie (Volksherr fchaft) , durch* be*
fondere Eingebungen , * feyn ,.. die nach' jede» fei-
nem Kopfe von anderer ihren verfchieden feyn
können.
d. Der Modalität nach: die Unverander«
liphkeit der Ccmftitution der Kirche, doch
mit dem Vorbehalt, dafa die zufälligen Anord-
nungen f welche blofsf die Adminifiration (Ver-
waltung) betreffen , .nach Zeit und " ümftänden
können abgeändert werden; wozu lie doch aber
die fichern Grundfätze fchon in fich felbft (in der
Idee ihres Zweck», nehmlich, Moralität) a -priori
enthalten mufs. Die wahre, Kirche kann nur auf
eine einzige Art befiimmbar, fo und nicht anders
feyn (H. 167). Sie kann alfo zwar Symbole ha*
ben, aber diefe find willkührlich , und, weil *""
nen die Authentizität (die Sicherheit , dafs fie den
Willen des Gefetzgebers enthalten) mangelt, zu-
fällig, dfem Widerfprüch ausgefetzt und veränder-
lich. In der wahren Kirche muffen öffentliche zur
Vorschrift gemachte Gefetze feyn, auf welche fich
die ganze Conßitution urfprünglich gründet, und
die zufammen fich gl e ich f am in einem Gefetzbucjie
finden, Welches Authenticität' hat (R. 142. ff. 22&>
**) Mfan fiehet bald die Kirche das Merkmal weit in das Gebiet
des Staat» hin übertragen, bald den Staat fiJi Eingriffe erlauben,
die, den angenornjnenen.Begriffeii zufolge, eben fo ge^yaltfam febd*
nen. ftXendelsfohns Jernfaleni , 1. Abfchn. S. 4.
ftirche. 615
5. Ueber diefe Vorftellung von der Constitution
der Kirche wird Folgendes mehr Licht geben, und.
betrifft alfo das Kennzeichen einer wahren Kirche
ihrer Modalität nach. * Der reine Religions-
glaube, d. i. der Glaube, welcher auf innern
Geietzen beruht, die Ach aus jedes Menfchen ei-
gener Vernunft entwickeln laden, ift dei jenige,
welcher allein eine ; all gemeine Kirche gründen,
kann. Dehn er ift ein bloCser Vernunftglaube, d.
i. ein Für wahrhalten deflen, was in moralifcher
Ablicht n oth wendig für wahr gehaltet werden
mufs., und läfst lieh alfo Jedermann mittheilen,
♦ oder diefs Für wahr halten läfst fich in Jedermann
hervorbringen. Der hiftorifche Glaube hinge-
gen, d. i. der Glaube, welcher fich blofs auf
Thatfachen (facta) fiützt, kann keine allgemein
ne Kirche gründen» weil er feinen Einflufs nicht
weiter ausbreiten kann,- als' fo weit die Nachrich-
ten hinlangen können. Denn wenn ich Facta glau-
ben foll, fo mufs ich in folchen Zeiten und an
folchen Orten leben , die mich nicht hindern, fon-
derri mir es vielmehr möglich machen f diefe Facta
nicht nur zu erfahren , fondern auch ihre Glaub*
Würdigkeit zu beurtheilen, wozu ich überdem
noch das Vermögen und gewifle KenntnifTe haben
mufs. Und dennoch iß eine befondere Schwäch*
der menfchlichcn Natur daran fchuld, dafs fich
auf den reinen Religionsglauben keine Kirche grün-
den läfst (R. 145).
■
4. Die Menfchen bedürfen nehmlich einei;
gottesdien itlichen Religion, d. i. einer fol-
chen, in welcher die Pflicht als Betreibung einer
Angelegenheit Gottes, nicht des Menfchen, be-
handelt Wird; weil es ihnen fchwer wird, fich
Gott nicht als ein bedürftiges Wefen zu denken,
dem fie zu dienen verpflichtet find, und fich vor*
aufteilen, dafs fie fchon dadurch beitändig im Dien*
fie Gotjtes find,, wenn fie ihre Menfchenpflichten
erfüllen. Wie Gott als unfer Gefetzgeber verehrt
\
£i6 Kirche. ^
feyn will, 1 das hat er uns entweder durch* Mofs
Ita t u tarifch e Gefetze,' d. i. folche} die uiis
nicht von felbft, fondern blofs darum, weil er
fie^uns gab, * verpflichten, oder durch rein mo-
r a 1 i f c b e Gefefze , d. i. folche , die uns von
felbft verpflichten, und die wir ebdn darum,
.weil fic uns »verpflichten, auch für »feine Ge-
fetze erkennen, geboten« Iih erftem Fall ift
.die Kenntnifs* feiner (ftatutarifchen) Gefetze nur
dadurch möglich, . dafs fie uns offenbaret werdep,
das Für wahr halten derfelben gründet fleh dann auf
«diefc Offenbarung, als auf 'ein Factum, und ift
ein hiftoriföher, nicht ein reiner Vernunft-
Nglqutie. • Eine Offenbarung kann aber, als eine
Thatfache, nicht zu Jedermanns Kenntnifs und
Ueberzeugung gelangen, und alfo auch nicht füf
. Jedermann verbindend feyn. ,Wie Gott alib, als
unfer Gefetzgeber, von uns, hlofs als Menfchen
(nicht als zu einer, die al]geVneine ? Beförderung
des Sittlichguten zur Ablicht habenden, Gefell-
4 fchaft Verbundenen) verehrt feyn will, das mufs
er uns durch die rein moralifchen! Gefetze geboten
haben. Wir find aber in Anfehung Gottes nicht
blofs Menfchen, die in Rückficht des Sittlich guten
noch im Natur fian de leben, fondern auch Bürger
i eines göttlichen Staats (Reichs Gottes) auf
Erden, oder Mitglieder einer Verbindung,
vyelchetauf die Beförderung des Sittlichguten un-
ter den Menfchen abzweckt , unter dorn Namen
einer Kirche. Und hier fcheint die Frage: wie
will Gott in einer Birche (von einer Gemeinde,
* die Gott als ihr unfichtbares Oberhaupt ^betrachtet,
das fc, nach Ttigendgefetzen rbgiert und richtet)
verehrt feyn? nicht durch blofsö Vernunft, ; fon-
♦ dern durch eine ftatutarifche, 1 uns nur durch eine
Oiicnbarung lumd werdende, Gofetzgebung beant-
wortlich zu feyn. Mithin fcheint eipe Kirche ei-
nes hiitorifchen Glaubens, welchen man, im Ge-
genfatze mit dem? reinen Religionsglauben, den
Kirchenglauben nennen kann , zu bedürfen,
Kirche. 61^
f. Rirehehglauben. Denn bei dem reinen Re-
ligionsglauben 'kommt es blofs auf das, was die
Materie der Verehrung Gottes ausmacht, nehmlich
die in moralifcher Gefinnung geschehende Beobach-
tung aller Pflichten , als feiner Gebote', an. Eine
Kirche aber, als Vereinigung vieler Men-
Ichen unter moralifcheri Gefinnun gen zu
einem moralifchen gemeinen Wefen, be-
darf einer öffentlichen Verpflichtung. % Das
heilst, eine Kirche bedarf einer gewiffen Form,
welche auf Bedingungen beruhet, die aus der Er-
fahrung entfpringen, und die folglich an, fich zu-
fällig und mannigfaltig (nicht blofs eine ein-
zige) ift, mithin nicht ohne göttliche Jlatutarifche
Gefetze erkannt werden^ kann. Aber diefe Form
zu beftimmen,' darf darum nicht fofort als ein Ge-
fchäft des göttlichen Gefetzgebers angefehen wer-
den.. Man kann vielmehr mit Grunde annehmen,
der göttliche Wille fei, dafs wir die Vernunftidee
eines folchen gemeinen Wefens felbft * ausführen,
und felbft die Form einer iblchen Kirche beftimmen*
Nun möchten zwar' die Menfchen manche Form %
einer Kirche mit unglücklichem Erfolg verfuchen, :
aber darum Collen fie dennoch nicht aufhören, mit
Vermeidung ihrer gemachten fehler diefem Zwecke
aufs. neue nachzuftreben. Diefes Gefohäft ift ihre
Pflicht, aber es ift gänzlich ihnen felbit aber] affin.
Man hat alfp nicht Urfache, die Gefetze zur Grün-
dung und Forni irgend einer Kirche geradezu für
göttliche ftatutarifche zu halten. Es ilt viel-
mehr Vermeflenheit, jene Gefetze für göttliche aus-
zugeben, und fich der Bemühung zu überheben,
noch ferner an der Form der Kirche zu beflern.
Oder es ift wohl gar ein ufurpiites Anfehen,
das man. fich giebt, wenn man jene Gefetze für
göttliche aiisgiebt, um durch 'das Vorgeben göttli-
cher Autorität der Menge mit den Kirchenfatzun-
gen^in Joch aufzulegen. Dagegen würde es Eigen-
dünkel feyn, die Göttlichkeit der Anordnung ei-
6i8
Kirche.
V
«er Kirche fchlechtweg zu läugnetj. Woher will^
man wiffen, dafs die Art, wie eine Kirche ange-
ordnet ifij nicht vielleicht auch eine befondere
göttliche Anordnung feyn könne? Sie mufs aber
alsdann freilich auch, fo viel wir einfehen, mit
der moralischen Religion in der gröfsten Einstim-
mung feyn. Der Eigendünkel, hierüber verwerfend
ahzufprechen, würde cieftb gröfser feyn, wenn
nicht wohl eingesehen werden kann, wi<r eine folche-
,Kirche ohne die gehörig vorbereitenden Fortfehritte
des Publikums in Religionsbegriffen auf einmal ha-
ben erfcheinen können. Es ift alfo zweifelhaft,
ob Got't oder die Menfchen felbft eine Kirche grün-
den follen. Bei diefer Zweifelhaftigkeit nun be-
-weift lieh der Hang der Menfchen zu einer got->
t e s d i e n ß 1 i.c h eli Religion , welche auf willkür-
lichen Vörfchrifteri beruht. Aus diefer Beschaffen-
heit einer gottesdienßlichen Religion aber entfpringt
der. Hang der Menfcheit zum Glauben an ftatuta-
rifche göttliche Gefetze, un,ter der Vorausfetzung,
dafs* über dem . heften Lebenswandel (den der
Menfch nach .Vorfchrift der rein moralifchen RelK
gion immer einfchlag&n mag) doch noch eine der
Offenbarung hedürftige Gefetzgebung hinzukom-
. men müITe. Mit diefer Gefetzgebung ift. es nehm-
Jich auf die unmittelbare Verehrung des höchffen
Wefefts angefehen, nicht auf die Verehrung Got>
tes ver mitte Iß der Vernunft, und fchon vorge-
schriebenen Befolgung feiner Gebote. Hierdurch
gefchieht es nun, dafs Menfchen die Vereinigung
zu einer -Kirche und die Einigung in Anfehung der
ihr zu gebenden Form, imgleichen öffentliche
Veranßaltungen zur Beförderung des Moralifchen
in d£r Religion , niemals für a rv fi c h noth wendig
halten werden. Sie werden fie nur als Mittel be-
trachten , um durch Feierlichkeiten , Glaubensbe-
kenntniffe gqoffenbarter Gefetze und Beobachtung
der zur Form der Kirchfe (die doch felbß blofs
Mittel zur Beförderuug der Moralität iß) gehörigen
.Kirche; 6ig
Vorfchriften ihrem Gott zu dienen *) (wie <fi*
fagep). - Indeffen und alle diefe Obfervanzen im
Grunde mpralifchgleichgültige Handlungen, wer-,
den aber eben darum für defto gottgefälliger ge-
halten , weil fie blofs um feinet willen g eicheheu
follen. Der Kirchenglaube geht alfo iil der Bear-.
beitung der' Menfchen zu einen) ethifcheji gemei-
nen Wefen (einer Kirche) natürlicherweife vor
dem freinen Religiousglaubeh vorher, und Tem-
pel (dem öffentlichen Gottesdienst geweihetö Ge-
bäude) waren eher , als Kirchen (Ver f am nv»
lungsörter zur Belehrung und Belebungen
moralifchen Gefinnungen). Eben fo warerr P r i e-
fier (ge weihe te Verwalter^, frommer Gebräuche)
eher,\ als Geifiliche (Lehrer der reinmoralifchen
Religion), und gehen cliefen mehren th eil s auch
noch im Range und Werthe bei der grofsen Menge
vor (R. 145. ff.). .
•
5. Es kann alfo mancherlei fich von einander
abfondernde Kirchen geben, weil die Form der-
felben zufällig iff, aber es kann in ihnen all e.h. 1
dennocli eine und diefelbe wahre Religion anzu-
treffen feyn (R. 154). Wenn aber eine l^irche fich
lelbft, wie gewöhnlich gefchieht, für die einige
allgemeine ausgiebt (ob fie gleich auf einen befon-
*) Gott bedarf finfcrcs Beiftandes nicht, 'verlanget keinen D,icnffc
von uns, keine Aufopferung unferer Rechte zu feinem Bellen, Kei-
ne Verzicht ,auf nnfeve Unabhängigkeit zu feinem Vortheil, Dia
Wörter, Dieji'ft, Ehre u. a. haben *in Beziehung auf Gott ein© x
ganz andere Bedeutung , als in Beziehung auf Menfchen. G.Ottes-
üienft iil nicht Dicnit, den ich Gott erzeige, Ehre Gottes nicht
Ehre, die ich- Gott anthue. Man hat, nrn die Worte zu retten, '
ihre Bedeutung geändert. Der gemeine Mann aber klebt noch im- *
mer an d«r ihm gewöhnlichen Bedeutung , und hänget noch immer
feft an feinem Sprachgebrauch, woraus «in Keligiöus fachen viel Ver-
wirrungen entftanden find. Mendel rfohns Jeru falero , x. Ablclin.
S.6o.f. ■ *
1
»
1
ßio KircRe.
«
' dem Öffenbarungsglauben gegründet ift/ der, als hi-
fiorifch, nimmermehr voj* Jedermann gefordert
•werden kann), fo , wird der, /welcher ihren be-
fördern Kirchenglauben gar flicht anerkennt, von
ihr ein Ungläubiger genannt (R. 155), f.
Ketzer.
6. Das wichtigße Merkmal der Wahrheit einer
wahren Kirche ilt alfo ihrTechtmäfsiger Anfpruch
auf Allgemeinheit. Gründet fie 'lieh nur auf
einen Öffenbarungsglauben, fo entbehrt , fie diefes
Merkmal. Denn ein Offenbarungsglaube ift ein
hiftorifcher . Glaube , der- zwar durch Schrift -lieh
weit ausbreiten, de* fpateften Nachkommenschaft
zugefichert werden , und auch zum Kirchenglau-
ben (deren es mehrere geben kann) zulangen kann,
aber doch nicht einer allgemeinen überzeugenden
Mitteilung fällig iß; Nut* der reine Religionsglau-
be, der lieh gänzlich auf Vernunft gründet, kann
als pioth wendig, mithin für den einzigen er-
kanjit werden, der die wahre Kirche auszeich-
net. Aber dennoch mufs irgend ein hiftorifcher
Jtirchenglaube benutzt Verden , wegen des natür-
lichen Bedürfnifles aller Menfchen , zu den höch-
fien VernunftbegrifFen und Gründen immer etwas
Sinnlichbaltbar es zu verlangen. Die Men-
fchen verlangen immer irgend eine Erfahrungsbe-
itätigurtg, worauf man bei der Abficht, einen Glau-
ben allgemein zu intrefduciren, wirklich auch
Rückficht nehmen mufs, und die man gemeinig-
lich auch vorfindet (R. 157). Wehn alfo gleich
(der uiiverqieidlichen Einfchränkung der menfchli-
chen Vernunft geniäfs) ein hiftorifcher Glaube als
Leitmittel' die reine Religion afBckt, doch mit
• dem Bewufstfeyn,* dafs er blofs ein föleher fei,
N fo kann ,e!ine folche Kirche, die fich auf beiderlei
Glauben gründet, immer die wahre heifsen. Der
. Kirchenglaube tnufs aber dann, als folcher, auch
ein Princip bei fich führen, dem reinen Religiofis-
glauben -(ich continuirlich zu nähern. Da, nun über
Kirche. 62 x
hiitorifche Glaubenslehren der Streit nie- vermieden
werden kann , fo kann eine folche Kirche nur di&
fi reitende genannt weiden. Sie mufs aber die
Auslieht haben 9 endlich in die unveränderte
che und alles vereinigende, triurnphi-
rende, überzugehen (R. 167., f.). In der Qffenba-
jung Johannis - wird diefe Idee, nehmlich die Kir-
che als tri um phirend, d. i. nach allen über«
wundenen Hinderniflen als mit Glückfeligkeit
noch hier auf Erden bekrönt, und fe das künftige
und letzte Schickfal derfelben , (welches aber eben
darum in keiner endlichen Zeit erreichbar ilt,) vor-
gestellt. Die Scheidung det Guten von den Böferi,
die während der Fortichritte der Kirche zu ihrer.
Vollkommenheit diefem Zwecke nicht zuträglich
gewefen feyn würde (indem die Vermifchung bei-
der unter einander gerade dazu nöthig war, theils
um den erftern zum Wetzftein der Tugend zu, die-»
nen, theils um die andern durch da? Beifpiel der
erllern vomJBöfen abzuziehen), wird, nach vollen-
deter Errichtung des göttlichen Staats, als die
letzte Folge, derfelben vorgeftellt. Diefer wird
noch der letzte Beweis feiner Fettigkeit, als Macht
betrachtet, hinzugefügt. Er hat den vollkomme-
nen Sieg über alle äufsere Feinde erhalten, die
auch als in einem Staate (dem Höllenit3' te) be-
trachtet werden. Hiermit bat dann alles Erden e-
ben ein Ende, indeai der letzte Feind der Milien
Menfchen, der Tod, aufgehoben wird (1 Cor. 1,5,
26)» So hebt dann an beiden Theilen, dem einen
zum Heil, dem andern zum Verderben, die Lfn-
flerblichkeit an. Die Form, der Kirche wud nun
aufgelöfet. Der Statthalter auf Erden aber tritt
nun niit denen zu ihm, als Himmelsbürger, erho-
benen Menfchen in eine CJafle. Und fo wird dann
Gott alles in' allem feyn (1 Cor. 15, aß.)
(ß. 200/ ff.). " Diefer letzte Ausgang kann (wenn
man das' Geheimnifs volle, über alle Grenzen der
Erfahrung I^ii*ausreichende , blofs zur heiligen G e-
fchichte der Menschheit ; Gehörige f uns allo prak~
622 . ' ' » Jauche.
V "
tifch nichts Abgehende , bei Seite fetzt) fo verfian-
den werden , dafs der Gefchichtsglaube felÜft auf»
' hören werde. Denn als Kirchenglaubc bedarf er
ein heiliges Buch zürn Leitbande der Menfchen,
und verhindert dadurch die Einheit und Allgemein-
* heit der Kirche» Er wird daher in einen reinen*
für alle Welt gleich, einleuchtenden Religionsglau-
ben übergehen 5 wohin wir denn jetzt •, durch ah«
haltende Entwicklung der reinen Vernunftreli*
gion aus jener gegenwärtig noch nicht entbehrli-
chen Hülle, fleifsig arbeiten follen (R. 264 *).
- . , . 7. Die kirchliche -Glaubenseinheit mit. der Glau*
bensfreiheitoderf r eiheit in Glaubens fächern zu
vereinigen, ift eine Aufgäbe , zu deren Aufiöfung die
, Idee der objectiven Einheit der VernAnftreligion durch
das moralifche Interefle, welches wit* an ihr nehmen,
continuirlich antreibt; Es ift aber wenig Hoffnung
vorhanden , $iefes "in einer Tichtbaren Kirche
zu Stande zu bringen, wenn wir die menfchliche
/ Natur hierüber befragen. Eine jede Kirche hegt
den ftolzen Anfpruch, eine allgemein fe ziji wer-
den * wie jeder einzelne Staat den, eine Univer-
falmönarchie pu errichten. .So wie fich aber die
Kirche ausgebreitet hat und herrschend wird, zeigt
fich bald ein Princip der Aufiöfung und Trennung
* in verfchiedene Secten (II. i#2 *) f.).
8- Di e Gefchichte der Kirche (Kirchen gefchich«
te) iß die Gefchichte des Kirchenglaubens , f. Kir-
chen glaube, 12 1; Diefe Gefchichte kann aber
nur Einheit haben , wenn fie blofs auf denjenigen
Theil xles menschlichen Gefchlechts eingefehränkt
wird, bei welchem jetzt die Anlage zur Einheit
der allgemeinen Kirche fchon ihrer Entwicke-
' lung nahe geblacht ift. Denp durch diefe ift we-
nigftens . die Fraae , wegen des Unterfchieds des
Vernunft-^ind Gefchichtsglaubens fchon aufgeftellt,
und ihre Entfcheidung fcur größten moralifcheu
^ > Angelegenheit gemacht« Die Gefchichte verfehl^
V.
Kirche. 623
Jener Volker, deren Glaube in keiner Verbin-
düng: unter einander fteht, gewährt keine Ein«
heit der Kirche. Eben for mufs auch eine Einheit J
des Principe da feyn , wenn man die Folge ver-
fchiedener Glaubensarten nach einander in ei*
nein und dem fei ben Volk zu den Modificatio-
nen einer und derfelbeh Kirche rechnen ' foll (R.
134. f.). So führte die chriftliche Kirche von* ih*
rem, Anfange an den Keim und die Principien zur
objectiven Einheit des wahren und allgemeinen
Religionsglaubens bei lieh, dem . fie allmählig nä-
her gebracht wird. Der jüdifche Glaube aber
gab Zur Gründung der chriftlichen Kirche nur die
fhyfifche Veranlagung, und fieht daher mit dem
chriftlichen Kirchenglauben in ganz und gar kei-
ner wefentlichen Verbindung , d. i. in keiner Ein*
heit nach Begriffen (R. i85-)- Das Juden thum ift
eigentlich gar keine Religion, fondern blofs Ver-
einigung einer Menge Menfcheri, die lieh zu • ei-
nem gemeinen Wefen unter blofs poliüifchen
Gefetzen (einein Staat) formten. Sie formten Jich
mithin nicht zu einer Kirche, oder zu einem ge-
meinen > Wefen unter blofs e t h-i f c h e n Geletzen.
Dafs Gott als das Oberhaupt de^ Staats betrachtet
wurde i machte, dafs. man diefen Staat mit ei-
ner Kirche, in der Gott allein das Oberhaupt
feyn kann* verwechfelte. Das Judenthum follte
alfo ein blofs weltlicher Staat feyn, fo dafs,
wenn derfelbe etwa durch widrige Zufälle zerrif-
fen worden, ihm nQch immer der (wefAtlich zu
ihm gehörige) politifche Glaube an einen Wie-
defherfteller deffelben (Meiüas) übrig bli^l>e. . Der
Beweis für die Richtigkeit diefer Behauptmig^iit:
1. lind alle Gebote gat nicht mit der Forderung
an die moralifche Gefinnung in Befolgung
derfelben (Worin nachher das Ctyrifienthum ilas
Hauptwerk fetzte) gygpben; fl. find ah.fichtlioh
alle Folgen aus der_ Erfüllung nder Uebertre-
ta»g diefer % Gebote nur auf i r d i f c h e einge-
4* doch ohne Glauben an ein künfti-
* I
624 Kirche.
, ges'Lebfin gar Iceine Religion gedacht werden
kann; 5. ift es foiweit gefehlt, dafs das Juden*
thum eine zum Züitande der allgemeinen' Kirche
gehörig Epoche, oder diefe allgemeine Kirche wohl
gar felbfi: zu feiner Zeit .ausgemacht habe, dafs
es vielmehr das ganze menfchliche Gefehl echt *von
leiner Gemeinfchaft ausfchlofs. Es foh fleh. als ein
befonderes ,vom Jehovah für* lieh auserwähltes Volk
. an*, welches alle anderk Völker anfeindete, und
dafür von jedem angefeindet wurde (R. xq6. ff.).
.9. Fragt man: welche Zeit dfer ganzen, bis-
her bekannten Kirchengefchichte die hefte fei, fo
antwortet K.'; es ifi die jetzige. Und zwar ver-
fleht er y diefes fo , dafs man den Keiip. des % wah-
ren Religiorisglaubens, fo wie er* jetzt in der Chri-
l£enheit, wenigftens von einigen, öffentlich gelegt
worden, nur ungehindert Geh mehr und mehr darf
entwickeln laden. Dann kann man auch davon
eine contihuirliche Annaheruug zu einer, alle Mpn-
fchen auf immer vereinigenden, Kirche erwarten.
Und diefe Kirche wird allein das feyn , was fie
feyn foll, die fichtbare »VorfteÜung (das
Schema) eines unfichtbären Reichs Got-
tes auf Exden. Der Beweis, diefer Behauptung
iß: Die Vernunft hat jfetzt in allen^ Ländern Eu-
ropas unter wahren Religionsverehrern 1. d.cn
Grundfatz der billigen Befcheidenheit in Aus-
sprüchen über Offenbarung angenommen, weil man
derfelben, wenn fie ihrem praktifchen Inhalte nach
lauter Göttliches enthält , . nicht die M ö g 1 i c h-
keit abftreiten, ungleichen die Verbindung der
Menfchen , zu einer Religion nicht füglich ohne ein
heiliges Buch und einen auf daffelbe gegründeten
Kirchenglauben zu Stande gebracht und erhalten
werden kann; 2* den Grundfatz, dafs die heilige
Gefliehte jederzeit als auf das Moralische ab-
zLweckend gelehrt und erklärt wenden nxüfle ,. weil
fie blofs zum Behuf jdes Kirchenglaubens angelegt
ifi, und für lieh allein auf die Annehmung mora-
\
\
Kirche. { 62$
lifrher Maximen fchlechterdings keinen Einflufs
haben "kann ijnd foll, fondern diefen nur zur le-
bendigen Darftellung ihres waWren Gegenftandes
(der zur Heiligkeit liinftrebemlen Tugend) gesehen
i(t. Zugleich fchärft man forg faltig, und (weil
vornehmlich der gemeine Menfch einen beftändi-
gen Hang in (ich hat, zum unthatigen . Glauben
überzufchreiten) wiederholen tlich ein: dafs die
wahre Religion nicht im Wiflen oder Bekennen
deffen, was Go$t zu urifrer Seligwerdung thue
oder gethan habe, befiehe; fondern in dem, was
wir thun muffen, um deffen würdig zu werden.
Das letztere kann aber niemals etwas anders feyn 9
als was für fich felbft einen unbezweifelten un-
bedingten Werth halt, mithin uns allein Gott
wohlgefällig machen kann. Von der Nothwendig»
keit deffen aber, was wir hiernach zu thun haben,
und worin es beftehe, kann jeder Menfch ohne
Schriftgelehrfamkeit völlig gewifs werden (K. 197. fE) #
10. Eine Kirche, als ein gemeines Wefen
nach Religionsgefetzen zu errichten , fcheint mehr
als mehfehliche Weisheit (fowohl der Einlicht als
Gefinnung nach) zu erfordern. Das moralifche
Gute, welches durch eine folche Veranstaltung be-
abfichtigt wird, fcheint zu dxefem Behuf fchon an
ihnen vorausgefetzt werden zu muffen. Wie
können Menfchen ein Reich Gottes lüften, als
wäre es das Reich eines menfehlichen Monarchen;
Gott mufs felbft der Urheber feines Reichs feyn.
Allein wir wiflen nicht , was Gott unmittelbar da-
zu thue. Gottes nnmittelbare Wirkungen find
uns ja überhaupt unbekannt, wie könnten wir
wiflen, was er unmittelbar thut, um die
Hee feines Reichs, in welchem Bürger und Un-
tothanciji zu feyn, wir die moralifche Befiim»
mung in uns finden, in der Wirklichkeit darzu-
stellen. Aber das wiflen wir wohl, was wir
fozii thun (ölten. , Was vfrir zu thun haben, um
uns zu Gliedern des Reichs Gottes tauglich zu
/
V
t
\
I
626 Kirche.
machen, iit uns nicht unbekannt. • Diefe Idee,
fie ipag nun durch Vernunft ' oder durch Schrift
im menschlichen Gefcljlecht erweckt itnd öffent-
lich geworden feyn f wird \ins doch zur Anord-
nung einer Kirche verbinden, von welcher im
letzten fall (wenn jene Idee durch Schrift erweckt
und öffentlich ward) Gott felbft als Stifter anzuse-
hen ift. Ift aber Gott auch der Urheber der Con-
stitution, fo' find doch Menfchen, als Glieder
und freie Bürger diefes Reichs, in allen fällen
die Urheber der O r g a n i f a t i o n* Diejenigen un-
ter diefen Menfchen, welche f der Organifation
gemäfs, die öffentlichen Gefchäfte .der Kirche ver-
walten , machen , als Diener detfelben , die Admi-
-niftra tion ,der Kirche aus. Alle übrigen Glie-
der aber find eine ihren Gesetzen unterworfene
Mitgenoflenfchaft, welche die Gemeine' Jheifst
(R. sa6.).
'iL Die reine Vernunftreligion verfiattet als
öffentlicher Religionsglaube nur die blofse Idee
von einer unfichtbären Kirche. Die ficht-
bare Kirche, die auf Satzungen gegründet iit,
ift. allein einer Organifation durch Menfchen be-
dürftig und fähig. Der Dienfi untefr Aet Herr-
fchaft des guten Princips (der Sittlichkeit) in der
unfichtbaren Kirche kann alfo nicht als ein Kir-
chehdienft angefehen werden , und . die, Vernunft-
religion hat folglich keine' gefetzlichen Diener, als
Beamte eines ethifchen gemeinen Wefens. • Ein
jedes Glied der unfichtbaren Kirclie empfangt un-
mittelbar ¥ von dem höchiten Gefetzgeber, Gott,
feine Befehle. Wir ftehen aber gleichwohl in
Anfehung aller unferer Pflichten (die wir insge-
fammt zugleich als göttliche\ Gebote anzufehen ha-
ben, worin eben das Wefen der Religio» befiehl)
jederzeit im Dienfie Gottes. Folglich yrird die
reine Vernunftreligion alle woiihtenkende
Menfchen zu ihren Dienern (doch ohiiextofs fie
Beamte find} haben, qur werden fie in fo fern
/,
Küche. .627
nicht Diener einer fichtbaren Kirche heifcen
Können. Jede auf fiatutarifchen Gefetzen errich-
tete Kirche kann nur in fo. fern die wahre feyn,
als üe ein Princip in lieh enthält, fich dem rei-
nen Vernunftglauben (als demjenigen, der, wenn
er praküfeh ilt, in jedem Glauben eigentlich die
Religion ausmacht) beftändig zu nähern. Denn
ihr Ziel'iit, den Kirchen glauben (nach dtem, was
in ihm hiftorifch ifi) mit der Zeit * entbehren zu
Können. Alfo werden wir in den fiatutarifchen
Gefetzen, auf welchen die lichtbare Kirche errich-
tet iß, und durch die Beamten derfelben, doch
einen Dienft (eultus) der Kirche in fo fqrn an-
nehmen können 9 als diefe ihre Lehren und An-
ordnungen jederzeit auf jenen letzten Zweck (ei-
nen öffentlichen Religionsglauben) richten. Nun
wird es aber, weil es in allen Ständen der. Men-
fchen folche giebt , die ihr Gefchäf t nicht ' verlie-
hen, und denen es an einem guten Willen (unter
der Herrfchaft des guten Princips) fehlt, auch
Diener der Kirche geben, welche auf jenes Ziel
gar nicht .Rücklicht nehmen. Diefe werden viel-
mehr die Maxime der cöntinuir liehen Annäherung
zu demfelben für verdammlich halten, die An-
hänglichkeit aber an dem hifiorifchen und fiatuta-
rifchen Thpil des Kirchenglaubens für allein feiig-
machend erklären , und daher des Afterdien«
fies der Kirche oder (deflen i was durch diefe vor-
geftellt wird) des ethifchen gemeinen We-
fens unter der Herrfchaft des guten Prin-
cips mit Recht befchuldigt werden können (R.
Ä27. ff.), f. Afterdienfi.
\2. Jefus ifi: nun ein Lehrer, von dem die
Gefchichte (oder wenigfiens die allgemeine, nich£
gründlich -zu beftreitende, Meinung) fagt, dafs er.
•ine xeine, für alle Welt fafsliche (naturliche)
und eindringende Religion , deren Lehren , als #
uns aufbehalten, wir deshalb felbfi prüfen kön-
nen, v zuerft öffentlich und fogar zum Trotz einet
. Rr ä
-%
64d Kjrch^.
lälBgen f zur jiioralifchen Ab ficht/ nicht abzwecken*
den, hierrfchenden v Kirchenglaubens (deflen Frohn-
dienft znjp Beifpiel jedes andern in der Hauptfa-
che blofs ftatutarifchen Glaubens, '■ dergleichen in
der Welt zu der Zeit allgemein war, dienen Kann),
Vorgetragen habe. Wir finden f *dafs er die allge-
taierne Vernunftreligion zur oberftcn unnachlafsli-
then Bedingung eines jeden Religionsglaubens ge-
r toaeht, und i\ur gewiffe Statuta hinzugefügt habe«
Wir finden ferner, dafs diefe Statuta Fprnien und
Obfervahzen lenthälten, die zu Mitteln dienen fül-
len, eine auf jerfe Principien zu gründende Kir-
che zu Stande zu bringen. Diefer Kirche Kann
mah folglich, un erachtet der Zufälligkeit und des
Willhuhrlichen der hierauf abzweckenden Anord-
nungen Jefu, den Namen der wahren allgemeinen
Kirche nicht ftreuig machen. Jefu felblt aber
kann man das Anfehen nicht gründlich beltreiten,
die Menfchen zur Vereinigung in diefe Kirche be-
rufen su haben. Darum mufs man aber den
Glauben nicht mit neuen beläft igen den Anordnun-
gen vermehren, oder auch aus den von Jefu zti-
erft getrofieiien b^fonders heilige, und für fich
felblt als Religion sfiücke' verpflichtende Hand-
lungen machen wollen (R. ajjß. f.). Jefus kann al*
to zwar nicht als Stifter der Von allen Satzun-
, gen reinen, in aller Men fehein Herz geschriebenen,
Religion (denn die iit nicht von willkührlichem
.Urfprung), aber doch* der erfien wahren Kirche
Verehrt werden (fi. 239.). Irr dieser '(dhriltlidhen)
Kirche kann mm weder der hiHorifche Glaube,
noch .der praktische und moralifalte Vernunftglau-
be, als für fich allein beftehend angefallen, und
eintr von dera> andern getrennt werden. Der
'Vernunftglaube kanti nicht von dem hiitoiifchcn
v ^ Glauben getrennt werden, Woil, der' chriftlkha
Glaube ein Religionsgfaube ilt; der Irifiorifche
• Glaube nicht von dein Vernunft glauben , weil der
' cbrifiliche Glaube ein gelehrter Glaube (d*i. den
'tnan nicht ausblofser Vemuiift entwickelt fon-
,*
Kirche.
fiag 1
lern Vöh endern tarnen mufs) ift (R. Zbd.\ Soll
nun nicht die grofse Zahl der Un gel ehrten gana
blind von der kleinen Zahl der ßchriftgelehrten
abhängen, fo mufs die allgemeine Menfchenvert
tnmft in einer natürlichen Religion in der chrüt*
liehen Glaubenslehre für das oberfte, gebietend«
Frincip anerkannt und geehrt, die Offenbarung*^
lehre aber als blofses, aber höchft fchätzbaffest '
Mittel zur natürlichen Religion geliebt und dilti*
virt werden. Denn auf die Offenbarungslehre ift
die Kirche gegründet, und ob fie gleich der Ge*
lehrten als Ausleger und Aufbewahrer bedarf, fo
giebt ße dotph auch, der natürlichen Religion * felbft l
für die Unwiflenden, Fafslichkeit, Ausbreitung
und Fortdauer (R. 250.). Das ift der wahre Dien ft
der Kirehe f unter der Herr fehaft des guten Prim
cips, der ächten Moralität; aller andere ift Af*
terdiejift, f. Afterdienft, i.
13. Eine Kirche, welche dies umkehrt, und
den Offenbarungsglauben zum Zweck, die natür-
liche Religion aber zum Mittel macht , hat nicht
eigentlich Diener (rninifiri). Dergleichen hat nur
die vorher böfchriebene Kirche, diefe Afterkirch*
hingegen h^t gebietende hohe Beamte (oßiciales),
welche lieh für die einigen berufenen Ausleger ei*
ner heiligen Schrift gehalten willen* wollen* Und
wenn fie auch gleich (wie in einer proteftanti*
fchen Kirche) , nicht» im Glänze der Hierarchie^
als mit äufserer Gewalt bekleidete geiftlich^ Beamt
tc, erfcheinen, und fogar mit Worten dagegen
p r o t eft i r e n , fo berauben fie doch die reine Ver»
nunftreligion der ihr gebührenden Würde. Diefe
befteht nehrolich darin , dafs die reine Vernunftrer
Jigion allemal die höchfte Auslegerin der heiligen
Schrift, feyn mufs. Dahingegen gebieten jene ho-
hen/Beamten, die Schriftgel ehr famieit allein zum
Behuf des Kirchen glaubens zu brauchen. Sie ver-
wandeln auf diefe Art den Dienft (jninifieriurn)
der Kirche in eine ßeherrfefrung (vrnptriunf)
€30 /* Kirche, / v
der Glieder derselben, ob fie zwar (um diefe Air-
mafsimg zu verftecken) fich den befcheidenen Ti-
, tel der 1 Diener beilegen (R. 251.)-, Weil nun, auf-
fer diefem Clerus, alles übrige Laie ift (das
Oberhaupt des gemeinen politifchen Wefens oder
des Staats nicht ausgenommen), fo beherrscht die
Kirche zuletzt den Staat. Sie beherrfcht ihn aber
nicht eben durch Gewalt, fondern durch Einftufs'
auf jäie Gemüther, $ iberdem auch durch Vorfpiege«
lüng des Nutzens, den diefer vorgeblich aus ei-
. jiem unbedingten Gehorfam foll ziehen Können.
Denn dazu hat eine geißliche Difciplin dann ftelbfi
das Denken des Volks gewöhnt. Alsdann unter-
gräbt aber auch die Gewöhnung an Heuchelei die
Redlichkeit und Treue der Unterthanen , und wi-
tzig* fie zum Scheindien fi at^clf in bürgerlichen
Pflichten ab. So bringt denn alsdann die Kirche,
/wie alle fehlerhaft genommene Frincipien, gerade
das Gegentheil vbn dem hervor, was üe beabsich-
tigt (ft. a78).
i
Die Stifter der ehr ift liehen Kirche nah-
men überdem die Gefchichte des Judenthums,
als < ein damaliges Anpreifungsmittel , . unter ~ die
-_ wefentjichen Artikel des Glaubens auf , und fetz-
ten noch Traditionen und Auslegungen hinzu.;
^Diefe erhielten voft Concilien gefetzliche Kraft,
oder wurden dufch Gelehrfamkeit beurkundet,
odefr gar mit den Eingebunden des in n^rn Lichts
(dem Antipoden der Gelehrfamkeit, weil es lieh
jeder Laie auch anmafsen kann) vermehrt. Es ift i
dafier auch noch nicht abtufehen, wie viejl Ver-|
Änderungen dadurch dem chriftliohen Kirchenglau-
ben noch bevorftehen mögen. Das ift aber nicht?
zu vermeiden, fo lange wir die Religion nicht
. in (Luc. 17, si. as.), föndern aufser uns fuchen
(R. 254). S. übrigens: After dien ft, a* ff.).
1 »
14. Dasjenige Joch ift fanft , . und. die Laß ift
leicht (Matth. *i ,. 30.) , wo die Pflicht als durch
Kirche. Kirchendiehfl. jKircliengehen. 631
nnfere eigene Vernunft uns aufgelegt betrachtet
werden kann. Diefes Joch nehmen wir in fo fern,
weil ' wir. es uns felbft auflegen*, freiwillig auf uns.
Von diefer Art find aber nur die moralifchen Ge-
fetze , . als göttliche Gebote , von denen allein der
Stifter der reinen Kirche fagen konnte: fie fiitd
nicht fchwer (1 Joh. 5, 5;) (R, 076. *);
Kant Religion III. St. IV. S. 14*. — VIEL Ä04. —
IV, Stück , S, **6 — »78.
Kirchendienft.
•
Verehrung Gottes zur Belehrung und Be-
lebung in moralifchen Gefinnungen. Er eiitftand
aus dem Tempel dienft, d. i. dem knechtifcheit
Gottesdienfte , der eine gewiße öffentlich gäfetzli«*
che Form bekommen hatte, nachdem mit diefen
Gefetzen allmählig die moralifche Bildung der Meri-
fchen verbunden worden. Der Tempeldienft nahm
wieder von einem Götzendienlt feinen Urfprung,'
indem dem hülflofen Menfchen durch die natürliche,
auf dem Bewufstfeyn feines Unvermögen* gegrün-
dete, Furcht eine folche Verehrung mächtigerer
Wefen, als er fich fühlte , abgenöthigt wurde. Dem
Kirchendienft fowohl als dem Tempeldienft liegt
ein Gefchichtsglaube xum Grunde, bis man end-
lich diefen blofs für. proviforifch , und in ihm die
fymbolifche Dar Heilung und das Mittel der Beför-
derung eines reinen Religionsglaubens» zu fehefe
angefangen hat (R. £70*).
Kirchengeheij, \
öffentlicher Gottesdienft, cultus, eulte,
80 wird der feierliche äufsere Gottesdienft
in einer Kirche genarint (R 4 308). Es find hier
vier Merkmale des Kirchengehens angegeben:
I
6&2 Rirchengchen.
a» es ift ein Gottes dien ff; s
b. diefer Gottesdienft ift ein aufs er er;
c. er ift feierlich;
• *
d. in eiiier £jrchf.
' :
a* Pas/ Kirchesgehen ift ein Göt tesdiejiii
Ein Gottesdienft aber ift eine Verehrung. Gottes.
!Durch unfere Zufammenkunft an dazu gefetzlich
geweiheten Tageij wollen wir nehmlich die Gott-
heit verehren , «ufr 'Belehrung und Belebung in
moralifohen Gefinnungen.
k • '• ....
b. Diefer Gottesdienft ift ein aufs er er, d. i*
er fällt in die äufserri Sinne , und ift nicht, wie
das Beten , ein innerer Gottesdienft*
c. Er iß feierlich, >d. i mit folchen Um-
ftänden (Förmlichkeiten) begleitet, welche die
. Wichtigkeit der Sache erfordert.
■
d. Es ift ein Gottesdienft in einer Kirche,
d. i. an einem Verfammlnngsort, der zur Eeleh-
i rung und Belebung in moralifchen Gefinnungen
befümmt iß.
' \
2. Die Ab ficht des Kirchengehens oder des
öffentlichen Gottes dienftes ift, die äufae-
r $ Au ab r ei t u n g des Sittlich guten dadurch , dafs
-man in den öffentlichen Zufammenkünften, an da-
zu gefetzlich geweiheten Tagen, religiöfe , Lehren
und Wünfcfye (und hiermit dergleichen Gefinnun-
gen) laut werdeil läfst, und lie fo durchgängig
mitteilt. Denn ' Gott bedarf keines Dienftes ; alfo
mufs d?s Kirchengehen oder der öffentliche Got-
tesdienft uns felbit zur Abficht haben. Hauptfäch-
lich aber ift d$r öffentliche Gottesdienft eine ünn-
liehe parftellung der Gfemeinfch*ft 4tr Gläubigen,
I '
I
' v Kirchengehen. 633.
*
und daher iß er picht allein in jener erfiern Rück-
ficht, dafd durch ihn das Bittlichgute füll ausge-
breitet werden, ein für jedeiji Einzelnen zu
feiner Erbauung anznpreifendes Mittel; fondfrn
auch eipje ihnen» als Bürgern eines ^rier auf Er-
den vorzufallenden göttlichen Staats, für das
Ganze unmittelbar obliegende Pflicht; nur mufs
diefer Gottesdienit auch nicht Förmlichkeiten ent-
halten , die das Ge willen beläfügen können. Wenn,
der Gottesdienit z. B, Förmlichkeiten (Ceremonien)
enthielte, c|ie. auf Idololatrie führen, fo wutlde
das gegen das Vernunftgebot feyn: du follfi dir
kein Bildnifs machen u. f. w. (R. 299. f.*
308. f.)*'
9
3. Das Kirchengehen an lieh als ein Gnaden» .
mittel gebrauchen zu wollen , ift ein Wahn. Denn
es wird ja durch den öffentlichen Gottesdienit nichts 1
gethan, und alfo keine von den Pflichten, die
uns als Gebote Gottes obliegen, ausgeübt, mit-»
hin dadurch Gott nicht unmittelbar gedient. Den«
noch follen wir nicht vcrlaflen unfere Verfamm-
lung t wie etliche pflegen, fondern unter
einander ermahnen (Ebr. 10, 25.). Darum hat aber
Gott mit der Cele;brirung diefer Feierlichkeit, die
eine blofs finnliche Vorltellung der Allgemein*
heit der Religion ift, nicht befondere Gnaden
verbqnden ; . wenn es gleich mit der' Denkungsart
eines guten Bürgers in einem politifcheh ge-
meinen Wefen (Staat) und der äufsern Anftan-
digkeit gar wohl" zufammenftimmt , dafs man dem
Begenten des Staats durch äufsere Zeichen der Ehr-
erbietung zu gefall rn fucht, und dadurch feine
Achtung für die bürgerliche Verfaflung überhaupt
an den Tag legt. Allein zur Qualität eines Bür-
gers im Reiche Gottes, als folchen, trägt es
nichts l^ei, <fcfs man Gott durch das Kirchengehen
zugefallen fucht, vielmehr verfälfeht diefer Walin
<^e fitüichgute Gefinnung, und dient dazu, den
•fchlechten moralifchen Gehalt feiner Gefiiinun^
',
634 Kircliengehen. v r
den Augen Anderer, und felbft fein eil eigenen,
durch einen " betriiglichen Anftrich von Frömmig-
keit* zu verdecken (R. 309. f.). •*;
4- Wir haben gefehen, dafs durchs Hirchen-
gehen auch Erbauung beab fichtigt wird.- Das öf-
fentliche Gebet bei dem öffentlichen Gottesdienft
ift nun zwar auch kein Gnadenmittel, aber es iß
doch eine ethifche Feierlichkeit, fowohl das in
der Vereinigten Anftimmung der r^ligiöfen Lieder,
als auch das in der förmlich durch den Mund
des ; Geiftlichen im Namen der ganzen Gemeinde*
an Gott gerichteten, alle moralifche Angelegen-,
heit der Menfchen in fich fallenden Anrede« Diefe
letztere, da fie die moralifche Angelegenheit der
Menfchen als öffentliche Angelegenheit vorßellig
macht, 'wo der Wunfeh eines Jeden mit den
Wunfchen aller zu einerlei Zweck (der Herbei-*
fiihrung des Reichs Gottes) 'als vereinigt vorgeftellt
Verden foll, kann nicht allein die Rührung bis
zur fittlichen Begeiferung erhöhen, fondern hat
ajich mehr Vernunftgrund für fich als die Privat-
gebete. In den letztern kleidet man den morali-
schen Wunfeh, der, den Geift des Gebets ausmacht,
in eine förmliche Anrede, ohne dabei an Verge-
genwärtignng des höchften Wefens und eine eigene
befondere Kraft diefer rednerifchen Figur ztf den-
ken. Es wird hierbei vorausgefetzt, dafs der Be-
tende nicht der Meinung ift, das Privatgebet fei
ein Gnadenmittel, Bei dem gemein fchaftlichen Ge-
bet in der Kirche hingegen ift eine befondere Ab-
ficht, nehmlich, es foll eine Feierlichkeit feyn,
welche die Vereinigung aller Menfchen im
gemeinfehaftlichen Wunfche des ganzen "Reichs Got-
tes vorftelft. Hierdurch erhält man nun ein Mit-
tel, jedes Einzelnen moralifche Triebfeder defto
mehr in Bewegung zu fetzen ; welches nicht fchick-
licher gefchehen kann, als durch Vergegenwärti-
gung des unfichtbaren Oberhaupts des "■- ~* ~ L *"'*
Kirchengehen/ Kirchenglaubc, 635
• • • • ! ' '
tes vermittelft einer förmlichen\än ihn gerichteten'
^nrede (R. 306. *)'f.).
Ktst Religion IV. St. Allg. Anm. S. 299.fi. — S-3o6*£
Kirchenglaube ,
1 1
Bibelglaube, biblifcher Glaube, got-
tesdieiißlicher Religionsghube, Offen-
barungsglaube. Der Inbegriff der blöfs
ftatutarifchen Glaubenslätze, welche
zugleich als göttliche Gebbte gedacht
werden follen (F. 73). Glaubensfatze find aber
ftatutärifch, heifst, fie find für uns zufäl-
lig und Offenharurigslehren. Diefer Kirchenglau-
be kann fich nun blofs, wie bei den Proteftanten,
auf die Bibel gründen , ,pder , wie in der römi-
fchen Kirche , auch auf die T r a d i»t i o n. Er hält
oft das, was blofs Vehikel und Mittel zur Beför-
derung der Religion ift, für Artikel derfelben.
Und der gemeine Mann nennt diefen Kirchenglaur
ben Religion (R. 154). In Anfehung eines folchen
Kirchen glauben s kann es nun Sectienverfchiedenheit.
geben, wie fchon das eine ift, dafs die eine Par-
tei ihn blofs auf die Bibel, die andere ihn auch
auf die Tradition gründet. (F. 70.' f. 73* R. 152.)
Auch find die fogenannten Religionsftreitigkciten
iiic etwas anders, als Zänkereien um den Kirchen-
glauben gewefen (R. 155.)*
1
%
2. Allgemeinheit für einen Kirchenglau-
ben,' d. i. die Üeberzeugung von der Wahrheit
der Glaubensfätze deflelben von allen Menfchen
zu' fordern (catholicismus hierarchicus$ , iit ein Wi-
derfpruchl Denn unbedingte Allgemeinheit, d. b.
dafs ohne alle Einschränkung alle Menfchen diefe
Glaubensfätze- für .wahr annehmen follen, (Jetzt
äW idigkeit voraus ^jd. i. dafs es gar nicht mög-
s „
«3*
Kirchenglaube*
lieh iÄ 9 dafs 4 , fic nicht wahr fe^n Jollter}, Noth^
wendigkeit findet aber nur da itatt, wo die Ver-
nunft felbft die Glauben$(atze hinreichend begrün-
det! mithin diefe nicht blöke Statuten , d. *. von
der Willkühr eines Oberherrn ausgehende Lehren
find» Denn da ift die Ueherzeugung , dafs diefe
% Lehren von diefem Oberherrn wirklich herrühren,
offenbar nur zufällig, weil fie auf Erfahrung be-
ruhen, die nicht Jedermann gemacht hat, und bei
der euch keine abfolute Sicherheit ftatt finden kann,
Bei dem reinen Religionsglauben hingegen,
d» i bei dem Inbegriff mor^lifcher Glaubensfätze,
>ve]che zugleich. als göttliche Gebote gedacht wer?
den follen, kann keine' Sectirerei in Glaubensfa»
eben Itatt finden „ weil diefe mit dem Bewufstfeyn
ihrer Notwendigkeit verbunden, und a priori
'erkennbar, d. i* Vernunftlehren des Glaubens
{für alle Menfchen) find. Wenn alfo in einer Kir-
che Sectirerei angetroffen wird, fo entfpring;* üe
immer aus einem Fehler, /des Kirchenglaubens,
(der daher auch nur für einige Menfchen, z. £,
für Judenchriften gültig ift). Diefer Fehler befteht
darin, dafs man die Statuten eines folchen Kk«
chenglaubens, felbft göttliche Offenbarungen, für
wefentliche Stücke der Religion (die fich.blofs
Auf moraliiche Begriffe gründet) hält; dafs man
mithin den Empirismus in Glaubansfachen , d. i
die Behauptung, dafs Glaubensfachen , die lieh
auf Erfahrung gründen, eben fo allgemein und
noth wendig feyn fqllen, als folche, die lieh auf
Vernunft gründen, dem Rationalismus (der her
hauptung des Gegentheils) unterschiebt, und fo
das blofs Zufällige für an (ich noth wendig aus*
giebt. Es Hann aber in zufälligen Lehren vieler-
lei einander wider ft reitende , theils Satzungen,
theils Auslegungen von Satzungen geben, Folglich
ift es leicht einzufehen, dafs der blofse Kirchen-
glaube eirje reiche Quelle unendlich vieler Secten
in Glaubensfachen feyni werde (F. 73.)
Rirchenglaybe. 6yj
*
5. Der allem Religionswahn abhelfende oder
vorbeugende Grundfatz eines Kirchenglaubens ift:
dafs diefer neben den ftatutarifchen Sätzen f deren
er vorjetzt nicht gänzlich entbehren kann, . aoch zu-
gleich ein Prinzip in fich enthalten muffe , die Re«
ligion des guten Lebenswandels herbeizuführen.'
Denn die Religion des guten Lebenswandels ift da*
eigentliche Ziel des Kirchenglaubens. Wäre lie all-
gemein herrfchend, fo würden wir des Kirchen*
glauben«, als eines blofsen Mittels dazu, gäni
entbehren- können (R. 269). Der Kirchenglauba
fnufs alfo durch den reinen Religionsglauben ge-
läutert werden. Es fragt fich folglich, Worin b#*
flehet denn diefe Läuterung? Um diefes bcHimmt
anzugeben f fcheint Kant der zum Gebrauch Hfehick-
lichite Probierftein folgender Satz zu ieyn: ein je*
der Kirchenglaube, fo fern er blofs ftatutarifch»
Glaubenslehren für wefentliche Religionslehren aus-
giebt, hat eine gewifTe Beimifchung vom Hei-
denthum. Das Heiden th um beftehet neh/nlich
darin y das Aeufserliche , d* i, das Aufserwefent-
liche der Religion für wefentlich auszugeben. Diel«
Beimifchung des Heidenthums kann fo weit ge»
hen f dafs die ganze Religion in einen blofsen Kh*
chenglauben übergeht, .der Gebräuche für Gefetz*
ausgiebt. Dann wird die ganze Religion baaies
Heidenthnm. Heidenth^im {Paganisinusy ilt nehm-
Kch, deif Worterklärung nach, der rtügiöfe Aber-
glaube des Volks in Wäldern (Heiden). Das Volk
in Wäldern heifst aber eine Menge, deren Reli-
gionsglaube noch ohne' alle kirchliche Verfaflung,
mithin ohne öffentliches Gefetä iß. Witler diefen
Schimpfnamen des Heidenthums verfchlägt das
nichts, dafs jene Lehren doch göttliche Offenba-
rungen feien, Depn nicht jene ftatutarifchen Leh-
ren und Kirchenpflichten felbft, fonderft der Un-
bedingt ihnen beigelegte Werth, dafs fie Reli-
gionsftütke feyn Tollen , ift das ,. was da macht,
dafs eine folche Glaubensweife den Namen des Hei-
fonthuitts verdient (F. 74. f.).
»
638 Kirchenglaube.
4. Von dem Purict alfo, wo. 3er Kirchehglaube
anfängt , für lieh jelbit 'mit Autorität zu fprechen,
hebt die Sectirerei an. Und dies iß der Fall, wenn
der' Kirchenglaube nicht durch den reinen Reli-
gionsglauben rectificirt wird« .Denn da der rpine
Religionsglaube (als praktifcher Vernunftglaube)
feinen Einflufs auf die menschliche Seele nicht ver-
lieren kann, der mit dem Bewufstfeyn der Frei-
heit verbunden ift. indeflen dafs der Kirchenglaube
über die Ge wiflen Gewalt ausübt : fo fucht eiii Je-
der etwas für feine eigene Meinung in den Kir-
chenglauben hinein pder aus ihm heraus zu brin«
geh (F. 76.)* ..■"■''•
5, Diefe Gewalt yeranlafst nun entweder
a. Separatismus, d.i. blofsft Abfonderung
von -der Kirche, oder Enthaltung von der öf*.
f entlichen Gemeinfchaft mit ihr ; oder ein
b. Schisma, d. i. öffentliche Spaltung der in
Anfehung der kirchlichen Form Andersdenkenden,
ob fie zwar der Materie nach lieh zu eben der«
Jelben bekennen; oder
, ä _ ■ • ■ *
c. Sectirerei, d. i. Zufamn\entretung der
Diflideiften in Anfehung gewifler Glaubenslehren
insbesondere, nicht immer geheime, aber doch
vom Staat nicht fanetionirte Gefellfchaften; von de-
nen einige Glieder noch befondere , nicht fürs grofse
Publicum^ gehörende, geheime Lehren aus eben
demfelben Schatz herholen (gleichfam Clubbiften
der Frömmigkeit); oder endlich
* *
A. Syncretismus, d. i die Sucht Frieden
zu ftiften, in der Meinung, durch die Zufam-
menfchmelzung verfchiedener Glaubensarten allen
genug zu thun. Die Syncretijten lind noch fchlim-
mer als die Sectirer , weil bei dein Syncretismus
Gleichgültigkeit in Anfehung der Religion über«
Kirchenglaube«
Ö39
haupt zum Grunde liegt , und weil fie im Grunde
{ behaupten, dafs, da doch ein Kirchenglaube im
Volk feyn muffe , einer So gut -wie der andere fei f m
; wenn er lieh nur durch die' Regierung gut band*
haben lade. Dies ifi ein Grund fatz , der im Munde
des Regenten, als eines falchen, ganz rich-
tig, auch fogar weife ifi; denn der Regent, als
folcher, bekümmert fich nur um den Staatszweck.
Allein im Urtheil des Unterthanen felbfi, .der
diefe Sache aus feinem eigenen und' zwar morali-
fchen Intereffe zu erwägen hat, würde diefer Grund-
fatz die äufserfte Geringschätzung der Religion ver- v
rathen, Denn es ifi für die Religion keine gleich-
gültige Sache, wie das Vehikel der Religion be-
schaffen fei, was Jemand in feinen Kirchenglau*
ben aufnimmt (F. 77. f ).
6. Man kann mit Grunde annehmen, dafs es
gar nicht die Sache der Sta,itsregierung fei, für
die künftige Seligkeit der Unterthanen Sorge zu,
tragen, und ihnen den Weg dazu an zu weifen.
Folglich kann es nur die Abficht der Regierung
feyn, den Kirchenglauben dazu zu gebrauchen,
lenkfame und moralifchgute Unterthanen zu.
haben (J?. 95.). . * >
7.. Zu dem Ende wird die Regierung
a. keinen» Naturalismus, d. i. Kirchenglaii-
ben ohne Bibel, fanetioniren ; weil es bei dem*
felben gar keine; dem Einflufs der Regierung un-
terworfene kirchliche Form geben würde , <vel-
ches der Vorausfetzung widerfpricht. sSie wird
alfo •
b; die biblifche Orthodoxie fanetiöniren
oder die öffentlichen Volkslehrer daran binden;
in Anfehung welcher diefe wiederum unter der
Beurtheilung der Facultäten Stehen würden , die
w angeht, weil fonfi ein Ffaffenthum, d. i eine
64 ö
Kiirchenglaube.'
Hefrfchaft der Werkleute des Kirchenglaubens ent-
fiehen würde, dasf Volk nach ihren Ablichten zu
•behWrfchen. Aber die fiegierung wird
<
c. den Orthodoxismus, d. i. die Meinung
von der Hinlänglichkeit des Kirchenglaubens zur
Religion durch ihre Autorität flicht fanctioniren
oder befiätigen; weil diefer die natürlichen Grund-
fatze der Sittlichkeit zur Neben fache macht, da
fie vielmehr die Hauptftütze iß, worauf die Re-
gierung mufs rechnen können, wenn fie in ihr
Vojk Vertrauen fetzen (oll. Endlich kann die Re-
gierung am wenigfien
d. den Myfticisrn us t d.i. die Meinung
des Volks, übernatürlicher infpiration felbft theil-
hnftig werden zu können, zum Rang eines öffent-
lichen Kirchen glauben s erheben oder fanctioniren;
weil er gar nichts öffentliches iß, und fich alfo
dem Einflufs der Regierung gänzlich entzieht
(F. 95. ff.)- ,
8. 'Der biblifche Glaube ilt ein Meffia-
nifcher Getchichtsglaube , dem ein Buch des
Bundes Gottes mit Abraham zum Grunde liegt,
und beßeht aus einem niofaifch- meflianifchen
und einem e v a n g e 1 i f c h - meflianifchen Kirchen-
glauben. Diefer Kirchenglaube erzählt den Ur-
fprung und die SchickfaJc des Volks Gottes fo
vollftändig, dafs er von dem anhebt, was in der
Weltgefchichte überhaupt das oberfie ift, dem Welt-
anfang (in ^ler Genefis oder dem er Ren Buch
M o f e). Er verfolgt aber auch diele Schickfale bis
zu dem, was in der Weltgefchichte überhaupt das
letzte iß, bis zum Ende aller Dinge (inderApokalyp-
fis oder Offenbarung Johannis). Dies kann nun frei-
lich von keinem Andern, als von einem göttlich-
infpirirten Verfafler erwartet werden; denn weder
bei dem Weltanfang noch dem Weltende iß ein
Menfch zugegen gewefep. Es bietet lieh aber bei
Kirchenglaube. * 641
diefer Gefchichte eine bedenkliche Zahlen -Cabala
dar, in Anfehung, der wichtigften Epochen der
heiligen Chronologie« Bengel und Frank haben
nehmlich gezeigt, dafs die Zahl 7. in der Berech-»*
imng der Hauptperioden diefer Gefchichte «ine
grofse Bolle fpiele , . welche Vorftellung den Glau-
ben an die Authenticität diefer biblifchen Ge-
fchichtserzählung mehr fch wachen alr Starken durfte
(F.99.f.> :
9. Die Beglaubigung der Bibel , als* eines in
Lehre und Beispiel zur Norih dienenden evange-^
lifch-meflianifchen Glaubens, kann nicht auf die
Gottesgc^ahrtheit ihrer VerEafler (dafs ihnen ihre
KenntnüTe von Gott find mitget heilt worden) fich
gründen {denn diefe V er f affer waren immer dem
möglichen Irrthimi ausgefetzte Menfchen): Man
mufs vielmehr diefen Glauben als etwas betrach-
ten, was', wie die Wirkung feines Inhalts auf
die Moral i tat des Volks bezeugt, von Lehrern
aus diefem Volk felbft, als Menfchen, die mit dem N
Wiftenfchaftlichpn ganz unbekannt (Idioten) waren,
aus dem reinen Quell der allgemeinen, jedem ge-
meinen Menfchen beiwohnenden Vernunftreligion
gefchöpft ift. Eben daher mufst? es aucn, durch
diefe Einfalt, auf die Herzen des Volks den ausge-
breiteten und kräftigften Einflufs haben (F. 103.),
10. Es giebt gewifle Kraf tgenie's , welche fo .
keck find, dafs fie wähnen, fie wären diefem
Leitbande, des Kirchenglaubens (der Bibel) fchon *
emwachfen. Einige von ihnen fchwärmen als
Theophilanthrop^ri , in öffentlichen, dazu errich-
teten Kirchen. Andere derfelben fchwärmen als
Myftiker, bei der Lampe innerer Offenbarungen»
Allein die Regierung würde bald ihre Nachlicht
bedauern, wenn iie jenes grofse Stiftungs- und «
Leitungsmittel der bürgerlichen Ordpung und Hube
(die Bibel) vernachläfsigt und leichtlihnigen Hän-
den überladen hätte. JVIan ka^iin die Frage auf«
Mdlins philof. fVörfrb. 3, Bd. SS
642 Kircheijglaube.
werfen: ob der Bibelglaube (als empirifcher), oder
umgekehrt die 'Moral (als reiner Vernunft- .und
ReligVonsglaube) dem Lehrer zum Leitfaden dienen
lolle ? Mit andern Worten : , ift die Lehre von
Gott, weil iie in der Bibel fieht, oder fteht Xie
in der Bibel, weil fie von Gott ilt£ Der erftere
Satz ift augenfcheinlich inconfequent; weil das
göttliche Anfeilen des Buchs hierbei vorausgefetzt
werden mufs, um die Göttlichkeit der Lehre ddi-
felben. zu be weilen. ' Alib kann nur der zweite
Satz fiatt finden, der aber fchlechterdings keines
Bew*eijTes fähig iß, weil es keine Erkenn tnifs über-
sinnlicher Gegenstände giebt. Der durch Furcht
abgenothigte Gehorfam in Anfehung des Glaubens
an folche in der Bibel als übernatürlich aufgedell-
te, Gegenftände und Thatfachen, alrf zur Seligkeit
erforderlich, iß Aberglaube (F. Ifi6, ff.).
11» Die moralifche Auslegung der Bibel
ift die einzige evangelifeb-biblifche Methode der
Belehrung des Volks in der wahren, innern und
allgemeinen Religion. Diefe iit nehmlich eine
Auslegung für diejenigen , welche nicht (empiriieh)
t 2M wiflen verlangen, was der heilige Verfairer nüt
\ feinen Worten für einen Sinn vei blinden haben
, roag, fpndern was 1 die Vernunft (a priori) in qio-
raiifcher Rücklicht bei Veranlaflung einer Spruch-
ftelle, , als Text der Bibel 9 für eine Lehre, unter-
legen kann. Und das iit es, was das Volk zu
willen verlangt, wenn ihm etwas an der wahren
intern und allgemeinen Religion liegt 9 die von
dem parliculären Kirchenglauben, als Gefchichts-
' glauben (bei dem . es allein darauf ankommen mag,
was diefer oder jener Menfch gelehrt hat) unter-
schieden ift. Hierbei geht dann alles mit Ehr-
lichkeit *und Offenheit, ohne Täufchung au. Da-
hingegen wird das Volk in (einer Abficht (die es
haben foll) g^täufcht, , wenn es ftatt des mora-
lifcheri (allein feligipachenden) Glaubens, den ein
jeder falst* *inen Geichkhtsglauben «rhait, den
Kirchenglaube.
643
keiner aus dem Volk zu be weifen vermag;« und
kann dann mit Recht feinen Lehrer anklagen (F.
uo.), £, 'Auslegung. « % *
*
12. Was wurde aber gefchehen, wenn der
Kirchenglaube. diefes grofse Mistel der VolksLitung
(die Bibel) einmal entbehren müfste? Dies ift eine
biblifch - hißorifche Frage, deren Beantwortung
unfer Vermögen der Wahrfagung überfteigt. Aber
fo viel- ift gewifs, dafs es der Weisheit der Äe-
gierung gemäfs ift (als deren Interefle, -in Anfe»
hang der Eintracht und Ruhe |les Volks in einem
Staat, hiermit in enger Verbindung fieht), dafür
zu forgen, dafs äie Bibel, bei allem Wechfel de#
Meinungen, noch lange Zeit in Anfehen bleibe
(F. 112.).
Mufs alfo ein hiftorifcher Kirchenglaube jeder*
zeit', als wefentliches Stück des feligmachenden
Glaubens, noch zu dem reinen Religionsglaüben.
hinzukommen? oder ift er ein blofses Leitmittel
fcum reinen Religionsglauben? Mufs er einmal in
den reinen R^ligionsglauben übergehen können,
wie ferne diefe Zukunft auch fei (ß. 169. f.) ? Wenn
das hiftorifche Erkenntnifs von einer Genügthuung
für die Sünden 4 er Menfchen zum Kirchenglauben,
ein gebefferter Lebenswandel aber als Bedingung
jener Genügthuung zum reinen moralifchen Glau-
ben gehört, fo wird diefer gebefferte Lebenswan-
del vob dem Kirchenglauben hergehen muffen
(ß. 171.). Der Kirchen glaube, als ein hiftori-
fcher Glaube, fängt mit Recht von dem Glau-
ben an eine ftell vertreten de Genügthuung an. Da
der- Kirchenglaube aber nur das Vehikel für den
reinen Religionsglauben enthält (in welchem der
eigentliche Zweck liegt) , fo mufs die Maxime" des
Thnns den Anfang machen. Denn diefe ift das,
was in dem reinen Religionsglauben, als. einem
praktifchen Glauben/ die Bedingung ift. ' Die
Maxime des Wiffens oder theoretifchen
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644. Kircbeöglaube. . - ■ .
/
Glaubens abar , kann nur die Befeftigung ' oder
Volleildung der Maxime des' Thuns bewirken (B.
173.). , Es iit eine< nothwejidige Folge der phyfi-
fchen 'und zugleich der moralifchen, Anlage in uns,
dafs die Religion endlich von allen empirifchen
Bedingungen ' allmählig losgemacht Werae; Diefe
empirifchen Bedingungen find Statuten , welche auf
t Gefchichte beruhen. Sie vereinige^ vermittelß ei-
nes Kirchen gl aub'efts die M^nfchen proviförifch
zur Beförderung des Guten» Und fo iR es., wie
der ewrge Friede im Natürrecht, eine Idee der
reinen Vernunftreligion, dafs fie zuletzt über alle
herrfche, s damit Gott -fäi alles in allem (1.
\2or. 15. a80- So lange der Menfch (die Gattung)
ein Kina war, war er klug als ein Kind (1. Cor.
13, 11.)» UI *d wufste mit Satzungen (die ihm ohne
feiii Zuthun auferlegt worden) auch" wohl Gelehr-
samkeit zu verbinden. Ja. er machte fos;ar die
. Philofophie der Kirche dienftbar. Wfcnn er 'aber
ein Manil >fcird, legt er ab, \vas kindifch iß. Der
erniedrigende Unter fchied zwifchen Laien und
Klerikern hört auf, und Gleichheit entfpringt
aus der. fahren Freiheit. Darum giebt es aber dock
keine Anarchie (Gefetzlöfigkeit. Denn ein Jeder ge-
, horcht zwar dem (nicht ftatutarifchen) Gefetz, das
er (ich felbft vorfchreibt; aber er mufs es doch
fuich zugleich als den ihm durch 'die Vernunft geof-
fenbarten Willen des Weltherrfchers anfehen. /Die-
fe^ verbindet nehmlich alle unter "einer gemein-
schaftlichen Regierung un fichtbaren Wefen in
einem Staate^ welcher durch die fichtbare Kir*
che vorher dürftig vorgeßellt und vorbereitet war
(R.i 7 9,£>
13. Der biblifche Theolog ift eigentlich der
Schrift gel ehrte für den Kirchen glauben*
der auf Statuten beruht/ d. i. auf Gefetzen, die
aus de» Willkühr eines andern herflieCsen. Der ra-
tionale Theolog ift der Vernunftgelehrte für
den Religionsgraüben, folglich - denjenigen^
Kirchenglaube. . 645 x
der attf innern Gefetzen beruht, d. i. auf folchen,
die fich aus jedes Menfchen, eigener Vernunft ent-
wickeln laßen. In der Bibel findet iifch. das Chri-
Itenthunv, . das ift,* die finnliche Vorftellungsart des
göttlichen Willens in derjanigep Form, welche, fo
viel wir wiflen, die fchi<:klichfte ift* ihm Einflufs
auf die Gemüther zu vferfchaffen. Es ift aber aus
zwgi ungleichartigen Stücken zufammengefetzt, das
eine enthält den Kanon, das andere ,das Organon
oder Vehikel der Religion. Per erfte kann der rei-
ne Religionsglaube (ein ohne Statuten auf blofsQr
Vernunft gegründeter Glaube) genannt werden , der
andere ift der Kirche.n'glaube, der ganz auf
Statuteji beruht, die einer Offenbarung bedurf-
ten, wenn fie für heilige Lehren und Lebensvor-
fchriften gelten füllten. — Nun ift es Pflicht, auch
diefes Leitzeug dazu zu gebrauchen, dem göttli-
chen Willen Einflufs auf die Gemüther zu ver-
fchaffen, wenn es für göttliche Offenbarung ange-
nommen werden darf. Und fo läfst fichs hieraus
erklären, warum der fich auf Schrift gründende
hirchenglaube gemeiniglich mit verftanden ■ wird^
wenn man den Religionsglauben nennt (F. 44..).
14. Zu diefem Vehikel (d. i^ dem, was über
die Religionslehre noch hinzukommt) gehört auch
J ;och die Lehrmethode, die, man als den Apo-
ftein felbft überlaflen betrachten darf. Das heifst,
m *n kann diefe Lehrmethode nicht als; gottliche
Offenbarung, fondern beziehungs weife auf die Den-
kungsart der damaligen Zeiten (Hat* avSßwrov) , und
ni cht als Lehrftücke an lieh felbft ( K «r &Xi)»v*v)
ctltend annehmen. Und zwar findet man in die-
ler Lehrmethode theils ein negatives Verfahren,
ftehmlich die blofse Zuladung gewiffer damals hörr-'
Chemien an fich irrigen Meinungen, um nic^t
f e ? e » einen herrschenden, doch im Wefentlichen
? e gen, die Religion nicht ftreitenden , ^damaligen
^ ahn zu verftofsen (z. B. den Ton den BefeiTemai };
l heila ein pofitives Verfahren, nehmlich, daß fich
- 1 -»
..*-
\
%
X
!
646 • Kirchenglaube.
die Apoßel der yorliebe eine» Volks füt 4 feinen' al-
ten Kirchen glauben, der jetzt ein Ende haben
Zollte, bedienten, um den neuen zu introduciren
(z. B. die Deutung der Gefchichte des a]t6n Bun-
des als ^Vorbilder von dem, wa^ im neuen ge-
schah) (F. 47.). , v
15. Um deswillen ift eine Schriftgelehrfam-
kek des Chriftenthums manchen Schwierigkeiten
der Auslegungskunft unterworfen, über die und
deren Erihcip der biblifche Theoiog mit dem ra-
tionalen Theolog in Streit gerathen mufs. Der
erftere Ift für die theoretische biblifche Erkenntnifs
■vorzüglich .beforgt, und zieht dahef den letzteren
in ^Verdacht, . er wolle alle Offenbarungslehren
wegphilofophiren. Der letztere fieht mehr aufs
Prafetifche, d. i. mehr auf Religion, als auf den
Kirchunglauben , und befchuldigt daher den efftem,
dafs er durch feine öffenbarungslehren den End*
■zweck des Chriftenthums, der als innere Religion
jnoralifch feyn mufs, und auf der Vernunft beruht,
ganz aus de;n Augen Dringe (F. 4Ö-), f« Ausle-
gung. ' * • .
16. St&tutarifche Dogmen könneh als wesent-
liche Erforderniffe zum Vortrag eines gewiffen
• Kirchen»glaubens angesehen werden. Weil
aber der Kirchenglaube nur VehikeJ des Religion«-
glänbens, N mithin an (ich veränderlich ift und ei-
ner allmihlig^n Reinigung bis zur Congruenz mit
dem letzten fähig bleiben mufs, fo kann er felbß
nkht zum Glaubensartikel gemacht werden. Al*
lein , der Kirtfhenglaube darf doch auch in Kirchen
nicht öffentlich angegriffen oder auch mit trockenem
Füfs Übergängen werden, weil e;r unter der Ge-
wahrfam der Regierung fieht, die für öffentliche
JEintraclit und Frieden Sorge tragt. Des Lehrers
Sach^ aber ift , dafür zij. warnen , dem Kirchenglau-
ben nicht eine für fich teftehende Heiligkeit beizule-
*
1
Kirchenglaube.
647
gen ^ fondejn ohne Verzug zu dem dadurch eingelei-
teten Religionsglauben überzugehen (F. 58«)*. •
17. * Zum Kirchen glauben wird hißorifche Ge-
lehr famkeit, zum Religionsgi atjben die. Vernunft
erfordert. Den Kirchenglaitf>en als Vehikel . des
Religionsglaubens auszulegen, ift freilich eine For-
derung der Vernunft; aber wo ift eine folche recht-
mäfsiger, als Wo etwas nur als, Mittel zu etwa»
Anderm als Endzweclt (dergleichen die Religion iß)
einen Werth hat? Und giebt es überall wohl «iri
höheres Princip der Ehtfcheidung^ wenn über Wahr-i
heit geltritten wird, als d\e Vernuilft? (F. 64,). x
iß. Man kann einräumen, wenn vom Kirch efr-
glauben die Rede iß, dafs das -Glauben an geWiHe
thoretifche Sätze für fich felblt eine Verbindlich-
keit enthalte. Denn bei dem' Kirchenglauben ift
es auf keine andere Praxis, als die det angeord-
neten Gebräuche, angefehfen, wo die, . fo fich zu
einer Kirche bekennen, zum Für wahrhalten nichts
mehr bedürfen , als dafs die Lehre niefht unmög-
lich fei. Zum. Religionsglauben hingegen ift Ue-
b er zeugung von der Wahrheit erforderlich, wel-*
che aber durch Statuten (dafs fie , göttliche Sprüche
find) nicht beurkui>cfet werden kann. Denn, dafs
Statuten ^göttlich find, müfste nun immfcr wiedefr-
um durch Gefchichte ' be wiefen werden, die aber
nicht % befugt ift, fich felblt für göttliche Offen-
barung auszugeben (F. 67.).
1
19. Maivkann aber mit Grunde fagen: dafs
das Reich Gottes zu uns gekommen fei
(Matth. 6, 10.)» wenn auch nur das Princip des
all mahl igen Ueberganges des Kirchenglaubens zur
allgemeinen Vernunftreligion allgemein und irgend-
wo auch öffentlich Wurzel gefafst hat (die
wahre moralische Religion öffentlich gelehrt und
der Kirchenglaube blofs als Vehikel derfelben voi-
geftcilt wird). Datm wird von den Mitgliedern
\
\
.V
645 Kirchenglaulbe. ^
einer folchen Kirche auf Errichtung eines göttli-
chen ethifchcn Staats (Reichs Gottes) % auf Erden
wirklich hingearbeitet, obgleich die wirkliche Er-
richtung deflelben noch in unendlicher Weite von
uns entfernt liegt. Es wird alfo nicht behauptet,
dafs man dem Kirchenglauben den DienfiT aufragen
falle, dies thun nur diejenigen, die den Eigen-
dünkel haben, die fiarken G elfter zu fpielen, ohne
einmal zu willen , worauf; es ankömmt ; auch nicht,
dafs man ihn befehden folle. Es kann dem JKir»
chenglauben fein nützlicher Ein Auf s als eines Ve-
hikels erhalten, und ihm gleichwohl als einem
Wahne von gottes<lienftlicher Pflicht aller Einfluß
auf den feegriff der eigentlichen (nehmlich morali-
schen) Religion abgenommen, und fo Verträglich-
keit der Anhänger derfelben unjter einander durch 1
die GrVmdfätze der einigen V^rnunftreligion gelüf-
tet werden* Die Verfchiedenheit der ftatutarifchen
Glaubensarten follte hierbei kein Hindernife feyn,
denn die Lehrer haben alle Satzungen und Obser-
vanzen dqch zum gemeinfcbaftlichen Zweck aller
Glaubensarten , zur einigen Vernunftreligion aus*
zulegen. Das Ziel aber ift einft, vermöge der
überhand genommenen wahren Aufklärung
(einer Gesetzlichkeit, die aus der moralifchen Frei-
heit "hervorgeht) mit Jedermanns Einftimmung die
r Form eines erniedrigenden Zwangsmittels ' gegen
eine kirchliche Form, die der Würde einer mora-
lifchen Religion angemejTen ift, nehmlich die eines ,
freien Glaubens (f, Frohri- und Lehnglaube)
zu vertatffchen (IU' lßi.-f.).
■ " ...
so. Der Kirchenglaube ift es allein, von dem
man eine allgemeine hiftorifche Darftellung erwar-
ten kann ; denn die. Religion ift kein öffentlicher,
fondern ein innerer Zuftand, folglich giebt es keine
Gefchichte der Religion, fondern nur eine Ge-
schichte des Kircheriglaubehs. Diefe Gefchichte be*
fteht darin, dafs man den Kirchenglauben, nach
feiner verfchiedenen und veränderlichen Form» mit
Kirchenglaube. Kirchenwefen. 640
dem alleinigen and unveränderlichen reinen Reli-
gionsglauben vergleicht. Von da an , vo der Kir-
cheng] anbe feine Abhängigkeit von den einfchrän-
ienden Bedingungen des reinen Religionsglaubens,
vsd der Notwendigkeit der. Zufammenlümmung
Biit ihm, öffentlich anerkennt, fangt die allge-
meine Kirche an, fich zu einem ethifchen fetaat
Gottes zu bilden. Und von da an fchreitet fie
auch nach einem fefiitehenden Princip, welches
für adle TVIenfchen und Zeiten ein und daflelbe Üt f
zur Vollendung eines folchen Reichs Gottes fort.
Man kann voraus fehen, dafs die Gefchichte des
Kirchenglaubens nichts , als die Erzählung von dem
beftändige» Kajnpf zwifchen dem gottesdienftlichen
und dem moralischen Religionsglauben feyn werde.
Der Menfch iß nehmlich beitändig geneigt , den Kir-
chenglauben, eis Gefchichtsglaufcen, obenan £u
fetzen. • 13er reine Religionsglaube «aber giebt fei«
Ben Anspruch auf de? Vorzug, der ihm als allein
feelenbeffernden Glauben zukommt, nie auf/ und
wird ihn endlieh ge wifs behaupten (R. i$40 f.
Kirche ß.
Kant Religion. HL St. S. 145 — 184. — IV. $^3 #
S. 269.
De ff. Streit der Facolt. I, Abfchn. HL Anhang. S. 44
— 127.
Kirchenwefen ,
s
eccleßae ratio. Das Kirchenwefen ifi die
Anita lt zum öffentlichen Gottesdienft
für das Volk, und mufs von der Religion, als
einer innern, Gefinnung, forgfaltig unterfchieden
werden. Das Kirchenwefen ftehet unter dem Ober-
befehlshaber des Staats, die Religion hingegen ift
ganz äufser dem Wirkungskreis* der bürgerlichen
Macht; das erftere hat den äufiern Gottesdienft
zum Gegen&and, der aus dem Volk feinen ür-
« >
t
650 ' Kirchcnwefeh*
fprung hat (es fei Meinung oder Ueberzeugung),
die letztere hat. den iimern Gottesdienfi zum Ge-
genfiande, der aus der Vernunft entfpringt (und
nets Ueberzfeugurig feyh m^ifs). Das Kirchenwefen
alt indeflen ein wahres Staatsbedürfnifs ; -denn die
Mitglieder des Staats", muffen lieh auqh als Unter-
thanen einer höchften unfichtbaren Macht be-
trachten, der fie zu huldigen fchuldig find, und
die mit der bürgerlichen oft iii einen fehr unglei-
chen Streit kommen kann. Der Staat hat alfo das
negative Recht, den Einflufs der Lehrer auf da^
fichtbare, politifche gemeine Weferi (den Staat),
der der öffentlichen Ruhe nachtheilig feyit möchte,
abzuhalten» / Es iß ein ßecht der Policei, zu hin«»
dem, dafs bei £em innern iStreit der Lehrer, oder
dem der vecfchicdefcen Kirchen untereinander, die
bürgerliche Eintracht nicht in Gefahr komme (K.
188- £)•
2. Der Staat hat aber nicht das pofitive
Recht der Confiitutionalgefetzgebung der- Kirche,
4. h- das Kirchenwefen nach feinem Sinne , wie
es ihm vortheilhaft dünkt, einzurichten', und
dem Volk deh Glauben und gottesdienftliche For-
men (ritus) vorzuschreiben oder zu' befehlen ♦ Die-
ses müfs gänzlich den Lehrörn und Vorjtehera,
die es lieh ^felbft gewählt hat, überlaffen bleiben.
Dafs eine Kirche ein eii gewiffen Glauben , und wel-
chen fie haben, oder dafs fie ihn s unabänderlich
erhalten muffe, hängt, dem Recht nach , nicht von
der Obrigkeit ab (K. 189-)-
* • \
\
/' \
3. Es ift unter der Würde der obrigkeit-
lichen /Gewalt, fich in das Innere dar Kirche zu
milchen, ünd*z. B+ es nicht' zuzulaflen, fiafs fich
die Kirche felbß reformiren dürfe; weil fie fich
dabei , als einem, Schulgezänfcto , auf den Fufs der
Gleichheit mit ihren Unterthanen einläfst. Der
Monarch, der feine Gewalt gebraucht, Einrich-
tungen im Innern der Kirche zu machen , ' hau-
I
Kirchenwefeh. 6$i,
delt .zwar der Gewalt nach als Monarch , aber der
Sache nach , in die er lieh milcht, als Kenner,
Vorfteher und Verwalter des Kirchenglaubens.'
(K. 1&9.)
4« Die obrigkeitliche Gewalt verfteht aber auch
nichts von dem Innern der Kirche, vornehmlich
von den innerti Reformen derfelben, und kann
fie alfo auch darum nicht verbieten» Denn als
obrigkeitliche Gewalt ift fie nicht Glaubenskenner.
Es kann auch der Gefetzgeber nicht etwas über das
Vplk v hefchliefsen , was das gefammte- Volk nicht
über fich felbß hefchliefsen kann. Das Volk kann
aber nicht hefchliefsen , es wolle in feinenden
Glauben betreffenden Einficht en, der Aufklärung,
niemals weiter fortfehreiten» Denn das Volk
wurde der Menfchheit f die es in feiner eigenen
Ferfon achten fall, mithin dem höchfien Rechte
deflplben, entgegen hapdeln, wenn es hefchliefsen
wollte, fich in Änfehung des Kirchen wefens nie
zu reformiren. Alfo kann auch keine obrigkeit-
liche Gewalt, die itets nur das über das' Volk be«
fchliefsen foll, was daffelbe , felbft über fich be- .
fchliefsen würde, wenn es hierin nach Grund-
fatzefrr des Rechts und der Pflicht handelte, über
das Volk hefchliefsen, dafs das Volk nie zu bef-
fern Eirifichten in feinem Glauben,, und folglich »
zu einer hiernach verbelferten innern Einrichtung
der Kirche.gelangen folle. (K. 189. f.)-
5. Was aber die Koften der Erhaltung £es /
Kirchen wefens betrifft , fo können diefe nicht dem
Staat, fondern muffen dem Theil des Volks, der
Ach zu einem oder dem andern Glauben bekennt,
d. i. nur der Gemeine zu Laßen kommen. Denn
da der Staat kein Recht hat, fich in das Innere
der Kirche izu mifchen, fo hat er auch nicht die
Pflicht, die Koften zur Erhaltung der Kirche zu
tragen. Der Staat hat keine Religion , und bekennt
fich zu keinem Glauben, fondern nur das Volk,
»'*
652 Kirchenwefen. Klar» Klarheit
nicht .als Staatsburger , fondern als diejenigen, tfis
einen gewiflen Glauben haben; folglich geht die
Unterhaltung der verfchiedenen Kirchen , oder R*
ligionsgefellfchaften im Staat, demfelberi nibhts
-weiter an,, als dafs er nicht leidet, • dafs daraus
Unruhen für den Staat entfpringen 9 und dafs Staats-
bürger äufserlich lieh von aller Kirchengemein fchaft
losfagen, und in Anfehung der Moral i tat und He*
ligion im Heidenthum odf r im Zuftande der Wü*
den leben (R. 190);
.1
Klar,
clara, claire\ iß eine Vorßellung, in der das
Bewufstfeyn zum Bewufstfeyn des Un-
tterfchiedes derfelben von andern zu-
reicht (C. 415 *) f z. B. , wenn ich in de* Ferne
einen Menfchen von einem Baum unterfahren
kann, fp iß meine Vorßellung von beiden darum
noch nicht klar» Denn ich fchHefse vielleicht
nur, dafs das eine Ding ein Menfch, das andere
ein Baum iß« Nur dann, wenn ich mir bewußt
bin, dafs ich feinen Kopf, feinen Rumpf, feine
Aerme und Beine fehe, iß meine Vorßellung von
dem Menfchen klar (A* 16.). In der Logik (L. 41)1
fagt 'Kant noerj : bin ich mir der Vorßellung
bewufst, fo iß ße klar. Aber das iß falfch, l
Klarheit.
Klarheit«
♦ ' -
co gnitio clara, connoiffance claire* Das Bewufst-
feyn feiner Vorßellung, welches zum Xfewufst-
\ ieyn des Unterfcjiiedes derfelben von andern
zureicht. Dies iß die richtige Erklärung der Klar-
heit der Erkenptnifs. _ Kants Erklärung derfelben j
in der Anthropologie und Logik (L, 41) iß alib
, falfch, und nach einer Vorßellung, die er fonß
Klarheit. 653
Von der Klarheit hatte. Kant felbft verwirft diefe
Vorftellnng in der Critik. Die Erklärung in der
Anthropologie heilst : Klarheit ift dasBewufst-
feyn feiner Vorfiellungen, welches zur
Unterfche idung eines Gegeriftandes von
andern zureichf (A. ao). Klarheit ift aber
nicht, wie die Logiker Tagen, das'Bewüfst-
feyn einer Vorftellung; denn ein gewiffer
Grad des 'Bewufstfeyns mufs felbft in manchen
dunkeln Vorfiellungen anzutreffen feyn (gegen Kun*
tzens Behauptung , Logik« $. 89*)- W* r würden
nehmlich in der Verbindung dunkeler Vorfiellun-
gen gar keinen Unterfchied machen, wenn gar
kein Bewufstfeyn damit verbunden wäre, und
doch vermögen wir diefes bei den Merkmalen man«
eher Begriffe, z. B. der gemeine Verfiand unter«
fcheidet Aecht und Billigkeit richtig von einander,
und kann doch den Unterfchied .zwiieherv beiden
Begriffen nicht angeben, zum Be weife, dafs er
nicht klare f fondern dunkele Begriffe von Recht
und Billigkeit hat« Der Grad des Bewufstieyns,
der mit dielen Begriffen verknüpft ift, reicht aber
nicht zur Erinnerung der Merkmale zu, wodurch
der gemeine Verfiand diefe Begriffe von einander
unter fcheidet (C. 414. * £)•
■
s. Reicht alfo das Bewufstfeyn zur Unter-
scheidung zweier Vorfiellungen s von einander zu,
aber nicht zum Bewufstfeyn des Unterfchiedes zwi-
schen beiden Vorfiellungen, fo muffen die Vorfiel-
lungen noch dunkel, und nicht klar, genannt
werden; z. B. der Tonkünfiler hat im Phantafiren
nur dunkele Vorfiellungen von den vielen Noten,
die er zugleich greift, ob er fie wohl unterfcheidet,
indem er fie nicht verwechfelt und fehl greift
(C 4.15. *). Die Klarheit ift eine Vollkommenheit
Werer Vorftellungen, welche wir auch das Licht
derfelben nennen. Sie* ift aber entweder aefthe-
tifch oder logifch. Die aeithel ifche Klarheit
iß die Klarheit in 4er Anfbhauung; die logifchs
654 Klarheit. Kleinigkeit. Klugheit.
i
Klarheit ift die Klarheit in den Begriffen. Nur von
der letztem wird in der Logik gehandelt; die
erftere gehört in eine empirifche Aefthetili,
die uns noch fehlt, f. Aefthetik, 15. Von der
Deutlichkeit unterscheidet Ijich die Klarheit da-
* durch , dafs äiefe blofs ein' Bewufstfeyn ift , die
zum Bewufstfeyn des Unterfchiedes zureicht, jene
aber ein bewufstfeyn, in der nicht blofs Bewufst-
feyn,, fondern auch Klarheit des Unterfchiedes iß,
(b dafs auch die Zufammenfetzung in den Vorftel-
lungeri Jdar üt, oder txian noch Bewufstfeyn des
Unterfchiedes in' den Ünterfchieden hat (A. 2o\
U Deutlichkeit.
Klebriglieit,
vifcoßtas, tenacite. Die Befchaffenheit der Ma«
teirie,' dafs fie in., minderm Grade jftarr
iß. Ein Cörper alfo, deffen Theile durch eine
Meine Kraft an einander vetfchoben werden fyün-
v ncn f ilt klebrig (N. 89). "
r
Klugheit,
-prudentitiy prudcnte. Die Gefchicklichkeit,
Alle Zwecke, die uns von unfern Neigun-
gen aufgegeben find, in den einigen,
die Glückfeligkei t, zu vereinigen, und
alle Mittel, die dazu zufaminenftimmen,
anzuwenden, um dazu zu gelangen. Die
Anweifung dazu ift die Lehre der Klugheit»
,Was unferer freien Willkühr diefe Zwecke auf-
giebt, ift die pfychologifrhc Befchafjfenheit des
Menfchen, das ift', die. Befchaffenheiten deffelben,
die blofs aus. der Erfahrung erkannt werden kpn-
nep, nehmlich feine Naturtriebe, z, B. der 1 Er-
haltungstrieb , der Gefälligkeits trieb , . * der Ge-
fchlechtstrieb u, f — r T*e Bedingungen f < unter
Klugheit 655
welchen alfo die freie Willkühr hiernach ausgeübt
wird, find empirifch* Die Vernunft kann dabei
deinen andern als regulativen Gebrauch machen,
das heilst, fie gebietet hier nicht 9 wie. diefe
Triebe befriedigt werden follen 9 denn es üt hier
die Rede nicht von der Beftimmung der freien Will-
kühr 'durdh Gefetze der Vernunft a priori , fbndern
durch Natut triebe bei einem Wefen, das Vernunft
hat. Die Vernunft dient hier nur , die empirifchen
Gefetze, die Forderungen der Befriedigung finnli-
cher. Bedürfnifle, die aus den Naturtrieben entfprin-
gen, unter eine Einheit zu bringen. Die Regeln
nun , was wir zu thun haben , um die Zwecke
zu erreichen, die uns von unfern Sinnen empfoh-
len werden, z. B. uns felbß und unfre Art zu
erhalten \ und dies auf unfere eigene Glückfelig-
keit zu beziehen , heifsen pragmatifche Gefetze
des freien Verhaltens, fie heifsen auch Impera-
tiven der Klugheit, (f. Gefchicklich kei t,
C 9. und Gebot, 3.), Klugheitsregeln, Vor-
schriften der Klugheit, oder Maximen der
Selbstliebe. Sie unterfcheiden fich von den rei-
nen, von aller Erfahrung unabhängigen, prakti«
fchen öefetzen a -priori, welche praktifche Ge-
fetze des freien Verhaltens, auch Imperativen
der Sittlichkeit, Gefetze der Sittlich-
keit, oder Moral ge fetze heifsen, dadurch,
dafs jene nur Rathfchläge geben, diefe aber
gebieten; dafs jene nur hypothetisch, d* L
unter der Voraussetzung, dafs wenn wir unfre
BedürfnÜTe befriedigen wollen , und diefes zu un-
ferer Glückseligkeit tauglich finden, Vorschriften,
geben, «wie wir es zu machen haben , oder die
Handlung wird nicht fchlechthin , fondern nu# als
Mittel' zu einer andern Abliebt geboten , diefe aber
iategorifch, d. i. phne alle Bedingung gebie-
ten , wir mögen den Gegenltand des Gebots xum
Zweck haben oder nicht, (C QQ&. P, G4-)», •
Die Klugheitslehre oder Politik als eine
05* - Klugheit - '
Theorie der Maximen, zu fpinen auf Vöt*
theil berechneten Abfichten die taug«
lichften Mittel zu wählen (Z. 7a), giebt
alfo zweierlei Regeln:
a. -Regeln; welche beftimmen f was zur ölüct
feligkeit dient, und wie die finnlichen ^Zwecke
zu diefer Vernunftidee zu vereinigen ß$d?
» »
b. Regeln, welche beftimmen, was für Mit-
tel anzuwenden, wie fiezu vereinigen und zu
gebrauchen lind , um jene Zwecke zu erlangen
und zu erhalten.
,. . *
* 3. Das Wort Klugheit wird eigentlich in
•zweifachem Sinne genommen; im erften kann das,
was, es bedeutet, den Namen Weltklugheit,
im zweiten den der Privatklugheit führen.
Die Weltklugheit ift die Gefchicklichkeit
eines\Menfchen, auf andere Einflufs zu
haben»* um fie, zu 'feinen Abfichten zu
gebtauchen. Die Privatklugheit, oder die
Klugheit im engften VerHande^ iß die Ge-
fchix:kliclikeit in der Wahl der Mittel
zu feinehi eigenen gröfsten Wohlfeyn»
oder* die Einficht, alle feine Abfichten
zu feinem eigenen dauernden Vortheil
zu vereinig e n. Diefe - Klugheit ift eigentlich
diejenige, worauf felbft der Werth der Welt-
klugheit beruhet, und wer welt^lug ißt
nicht aber privatklug, von dem könnte man
befler Tagen: er ift gefcheut und verfehle
gen, im Ganzen aber doch unklug (G. 42. *)•
4. In der Anthropologie (A. 127) Jagt Kant:
?Ver Urthpihkraf t in »Gefchäf ten zeigt , ift g e-
cheut^ hat er «dabei zugleich Wit$ 9 foheiftt
er kl u g. In Gefchäften , heifst aber , im Umgang
mit Menfchen. Hat nun Jemand zugleich Witz
(das Vermögen f zum Befondern das Allgemeine
\
\
Klugheit. ' 65g n
•
lutautferiketi), (o findet er in fernem TJmgang^t
mit Menfchen immer etwas zu feinem Vortheil zu
benutzen , und findet fo in allen feinen /Gefchaf»
ten^diefe IdeAtitftt, welchem dann macht y dafs
man ihn klug nerVn*. -Wenn- man* Jemanden aitf
.feine Schwanke erwiedert; ihr feid nicht klug» '
fo ilt>- da$ &n> -etwas platter Ausdruck für, ihd
fc h e r z t?£ . oder ihr feid -nicht g e f c h ^11 1, Ei*
gefcheut-er Menfdfi, fagt K (A. 158*)» ift eiii
nichtig und prrtktifch, ab^r kiinftlos uih
t h e i 1 e n d e r »MenTfch* Wer nehfnlich nur in d er
Urtheilskraft von der Natur» nicht verwahrlofec *
ilt , der wird lein 4 Ur theilskrafr auch in • <*efchäf* %
ten feeigfetw Die Natur km^n alfo allein einen Men-
fchen g^fcheut machen. Erfahrung aber kann
ihn klug, d. i; zutti künftlich en Verftandesge-
brauch gefchickt machen« Cef c heut zu feyn,
dazu gehört nehmlich nur gbmebrer und gefunder
Verftand, at>er< alles richtig auf feinen Volaheil
beziehen zu können, dazu gehört fchon Witz und
Scharflinn , die ohne viel Erfahrung von den Diifr x
gen des Lebens nicht möglich lind. Doch möchte
wohl zu r <aineiii hohem Grade Ton Weltklughcic
fo viel künftlicher Verßandesgebrauch nöthig ieyn,
als zur FriVatkUigheit. < Man iifcht hifefttus, dafs
K. in der Anthropologie dafc Wort Klugheit
eigentlich in eii>er theoretifchen Bedeutung,
aelmiiieh * Bur • k ün ft l i c h e n Veritandesgebrauch,
nimmt, in feinen kritifchen Schriften aber in
£raktifeher Bede&Uftig, für prVg*natifehen,Ver-
itandesgebratföh. * Urid fo heifct gefchreut feyti.
auch, im tfoeoretiffchen Sinn, der kunftlo»- v*
fe Verftandeagebri&öh, und im praktifchen Siim;
der welfeklagfc Verftandesgebrauch , der a,bet
doch die Verfohlage^heit, d. i. die KunftvAn* %
dere zu betrüge» , nicht ausfchliefst , und v in fo
fern diefe Weltklugheit oft gefunden wird'fcww .
ganz,. aU Verband eagebr auch aber doch nicht, gc-
mein ift» • .• t • • ♦ * - - » * ■ ■'•:>: -•
656
Klugheit.
/
u»
Regeln ,
.^.._ ihren dauerhaften Vorthell bringe,
undurchdringliches • Dunkel einge-
' >diefer Vortheil auf das ganze Dafeyn
a. i. auf Glückfeligk.eit belogen wer-
Es erfordert alfo viel Klugheit dies ein«
wenn die ppaktifchen darauf gefiimmten
durch gefchickte Ausnahmen, auch nur
auf erträgliche Art den* Zwecken, des Lebens ange-
paßt werden /ollen (P. 64). Welch ein Unterschied
aber iß in der Beurtheilung unterer Handlungen,
wenn wir He blofs nach der Klugheit, und
.wenn wir fie nach der • Sittlichkeit -würdigen;
wie man lieh, nach de»* Uebertretüng der erfiern,
blofs über feine Unklugheit. ärgert, nach Ueber-
tretüng de* letztern ,. feiner Unfittlichkeit wegen,
fich felbfi verachtet; und wie fehr lieh folglich
Handlungen aus Klugheit von Handlungen um
des fittlichen G/sfetses willen unt<erfcheiden,
findet man im Art. Expofition, 30.
' & Die Politik (Klugheitslehre) fagt:
... - 4 r • • •
Seid klug wie die Schlangen;
> ' "' • . * ,
die Moral (Sittenlehre) fetzt; (als ein&hränkende
Bedingung) hinzu;
und ohne Falfch wie die Tauben,
Wenn,, beides nicht in Einem Gebote zufammen
beRehen kann, £0. giebt es einen Streit der Poli-
tik mit der Moral; fall aber doch beides durchaus
vereinigt feyn* fo iit es abfur4* dafs eine JVlis-
helligkeit zwifchen der Moral und Politik ftatt
finden folL Dann iß alfo die Frage , wie diele
Streit auszugleichen fei, nichtig* > und läfst iic
gar nicht einrüaL als Aufgabe hinftellen. Der Satz :
Ehrlichkeit iß die beße Politik, enthält
eine Theorie, der die Praxis, leider! fehr käufig
I
* Klugheit. ' 659 #
widerfpricht. Denn unter der Ehrlichkeit leidet
unfer Vortheil oft fehr, Der Satz aber:
• Ehrlichkeit fit beffer denn alle Po-
• 1
litik, \ », j..
/
iß über allen Einwurf unendlich erhaben, Jund
die Ehrlichkeit ift durchaus die unumgängliche
Bedingung aller Politik (Z. 72. f.). Dafs die Klug« •
heit übrigens 'eine Art der Geschicklichkeit
fei, findet man, im Art. Gefchicklichkeit. '
7. Die Klugheit ift die Vernunft, wel-
che di'e natürlichen Neigungen bezähmt,
damit fie lieh unter einander nicht
felbft aufreibei*, fondern zur Zufammen-
itimmung in einem Ganzen, Glückfe*
ligkei t genannt, gebraucht werden kön« *
nen. Da nun die . Moral ität auch die Vernunft
ift,' welche die natürlichen Neigungen bezähmt,
fo können beide leicht mit einander vei*wechfelt
werden. Aber fie unterfcheiden fioh beide fehr
durch den Zweck von einander, welchen fie bei
der Bezähmung der natürlichen' Neigungen haben.
Der Zweck jler Klugheit ift, dafs fich die natürli- ,
chen Neigungen nicht einander, felbit aufreiben;
fohdern zur Bewirkung der Gluckfeligkeit zufammen
itimihen; der Zweck der Moralität aber ift fie fert>ft> -
denn fie ift nicht ein Mittel wozu, fie bezähmt
die Neigungen blofs darum , Veil fie nur nach
Maximen befriedigt Wejden follen , die als allge*
meine Gefetze gewollt werden können, und weil
es nicht* wozu, fondern a.n 'f i c h gut ift , die
Neigungen der Pflicht unterzuordnen. Die Klug-
heit hat alfo eine folche Befriedigung der Neigung
zum Zweck, die nicht hindert, dafs die Neigun-
gen, der gröfstmöglichen Anzahl nach, auf das ge-
nugthuendefte und dauerhaftefte befriedigt werden
köonAn. Die, Moralität hat nicht die ' Befriedi-
gung der Neigungen zum Zweck,, fordern erlaubt
, Tt a ;
»I
<.
■»
\
660 Klugheit. Klüglich.
fie tiux f doch unter der Bedingung; dafs die
Allgemeingültygkeit und Notwendigkeit; der Hand-
lung 11m des Gefetzes willen \fjets jener Befriedi- ]
,gung Vorgehe., wenn beide mit einander im Wi-
derstreit find (R. 70.}, ' .
Klüglich,
■
prudehter, -prudeiftment. Ein Adverbium/ wel.
<<hes fo viel heilst f als mit Klugheit. So kann
man fragein: ifi es klüglich, ein falfches Verfpre-
■chen zu- thun ? welches von der Frage nach der
Pflichti&äfsigkeit diefer Handlung fehr verschieden
ift. t Die Antwort, würde l^yn , es kann für jetzt
klüglich gehandelt feyn, auf diefe Art zu lügen,
aber da die Folgen davon für den Lügner nicht
voraus zu fehen find, fo ift es doch kl\ig lichter,
auch üm N des Vortheils willen, nach einer
allgemeinen Maxime , d. i. einer folchen , die für
Jedermann Gültigkeit hat, zu handeln, bei der man
xu aller Zeitlicher geht, w«il der, welcher dar-
nach handelt , doch von Andern fo angesehen wer-
den follte , als verdiene er efi nicht , für die
Handlungen , denen ;diefe Maxime : zum -Gründe
liegt, wenigstens durch fie zu. leiden. Und fo ift
es klüglich er, nichts zu verfprechen^ als in
de? Abficht, es auch zu halten (G. 18-)-
/ . •. • • •
, , i2w Allein fo gcftellt , ift diefe Handlungsr*
gel nur eine Maxime der Klugheit, f. Klug-
heit. Sollte fie eine Maxime der' Moralität
feyn , d. i. ein Sittengefetz , oder ein, Princip det
Pflicht , Äo müfste ich nicht meinen Vortheil , . fon»
derii den Zweck ; nach allgemeinen Maximen , d. i
nach Sittengefetzen zu handeln, dabei zur Abficht
haben. Denn di6 Maxime, ein Verfprechen zu
thun. in der Abficht, es nicht zu halten, kann.
nicht allgemeine Maxime feyn , weiji es *bei der
Allgemeinheit derfelben kein Versprechen . geben
Klümpchen, Knauferei Knickerei. 66 1
konnte , indem Niemand ihm glauben wurde« Und
fo fehen wir.' dafs es manchmal fehr vortheil»
h a f t feyn kann , von jener Max^itie abzuweichen,
wiewohl es freilich f i c h e r e r ift, bei ihr za biet*
ben, aber dafs esitets Pflicht ift, nach derfdben
zu handeln (G. ig. M. II, sa.)*
Klümpchen,
f. a. Atomus und Atomiftik.
Knauferei.
s
Knickerei, fcfcitnpf liebe Kargheit, „ Pein-
lichkeit im Verthun, lefine, ladferie,
mefc/uinerie. Der karge Geitz, wenn
er fchimp flieh • ift. ' Der Geitz ift das Laßer,
welches das Prinpip hat, nur zu beßtzen, aber
nicht zu gebrauchen. Der karge Geitz ift der,
welcher das Frineip hat, nur das zu' erhalten^
was man beützt, aber es nicht zu gebrauchen.
Diefer karge Geitz ift endlieh föhimpfllch, wenn
das Prrncip zu erhalten den Gebrauch felbft dann
ausfchliefs* , wenn es fckimpftich ift ^ nicht zu ge-
brauchen. Man kann aber von dem Nichtgebrauch
deffien, was man^befkzt, nur dann Schimpf haben,
wenn man feine Pflichten- gegen andere vernach-
läffigt. Sinei dieCe Pflichten Rechtspflichten, fo
kann, man aus Erfüllung derfelben gezwungen wer«
den, und da, findet alfo keine Knauferei ftett.
Folglich kann die Knauf erei blofs Vernachläffigung
der Liebespflichten gegen Andere feyn, in der Ab»
ficht, das zu erhalten, was man befitzt, (F. g8.)>
Knickerei,
f. Knauferei.
» i
662 Können^ Körper. Körperlehre.
Rönnen,
«
j>offe 9 pouvoir. Das Zeitwort für die Kategorie
der Möglichkeit, f. Möglichkeit. So heifst:
ich kann denken» es ift mir möglich zu, denken.
Das Können wird in Seyn verwandelt,, wenn
man die Möglichkeit an einem wirklichen Fall
be weifen kann (P. iß?)-
rper, .
f. Cörper.
. »
«. »
Körpeylelirej
« i
Phyfik, Phyfica, : Phyfique. Die Natur«
lehre der ausgedehnten Natur: Die. Naturleh-
re ift die Lehre von allen Dingen 9 . in.fo fern fie Ge-
genstände unferer Sinne find, mithin auch in der Er-
fahrung, feyn können. Der eine Haupttheil diefer
befümmten* Natur dinge find die Gegenitände äufse»
rer£inne, d.i. diejenigen,. Welche wir leben,
hören, fühlen, riechen und fchmecken können.
Die£e Gegenitände find alle im. Raum ufcd folglich
ausgedehnt, und heifgen Körper;: und die fi&chaf-
fenheit diefer Körper ift der Gegenfiand des Zweigs
der Na kurlehre, welcher die Körperlehre heifst
(N. JV* IX.). Die Körperlehre kann nun entweder
einß reine oder angewandte feyns. jene iß die
Nrftfcrlehre von den- a priori zu erkennenden, Be-
schaffenheiten der Korper; diefe handelt von den
in der 7 Jvatur wirklich vorhandenen Körpern* Di«
erfterA ift; nur vermitteln der Mathematik möglich,
weil die Möglichkeit def Körper auf einer An-
fchauung a priori beruhet, # die .. dem Begriffe corre-
fpondiret (f. Anfchauün^g), Vernunfterkenntnifs
durch Anfchauung ilt aber Mathematik (N.
IX. X.), fi' .• ■
Rörpferlehr«. ' ' 663
»
• ß; Di* Körpcrlehre kann- such, allein durch
Anwendung der Mathematik auf diefelbe Natur-
wiffenfchaft werderi. Denn Wiffenfchaft jft
eine* fyftematifche Erkenntnifs aus Principien, Dies
ift aber nur möglich, wenn die , Erkenntnifs a'
-priori ift, denn diefe allein giebt Principien. Da
nun die Möglichkeit der Erkenntnifs a priori
in der Körperlehre auf. Anfchauung beruht, Xa
kann fie -nur fo viel eigentliche Wiffenfchaft ent-
halten, als Mathematik in ihr. angewandt werde»
kann (N. IX.), . Damit aber diefe Anwendung der
Mathematik, auf die Körperlehre möglich werde,
fo muffen Principien der C onfir actio n der -Be-
griffe vorangtefchickt werden , welche zur Möglich-
keit der Materie • überhaupt gehören. Es mufs
folglith der Körperlehre eine vollftändige Zerglie- '
derung des Begriffs von einer Materie überhaupt
zum Grunde gelegt werden, welches ein Geschäft
der Phüofophie ift, die aus blofsen Begriffen er-
kennt. Die Philofophie bedient fich arber hierzu
keiner befondern »Erfahrungen, fondern nur deflen,
was £a im abgeänderten (durch Abftractieu ge-
dachten), ob zwar an fich empir flehen (aus der Er-
fahrung hergenommenen) Begriffe einer Materie felbit
antrifft. Sie* bezieht aber diefep Begriff auf die
reinen Anfohauungen im Baume und in der Zeit,"
nach den dem Begriffe der Natur wefentlich anhän-
genden Ge fetzen; und diefs giebt eine wirkliche
Metaphyfik» dar körperlichen Natur odec
metaphyfifche Körperlehre. Diefe .Wi0en-
fchaft ift alfo ein Zweig der gefammten Metaphy-
fik, Der eine Hauptzweig der Ätetaphyfik iß nehm-
lieh die rationale Phyfiologie der Natur. Diefe;
Wiffenfchaft betrachtet die Natur', d. i. den Inbe-
griff . gegebner Gegenftände* Wenn nun der Ge-
brauch der Vernunft in einer folchen rationalen
Naturbetrachtung phyfifch oder immanent ift,
fo entjieht /eine folohe Naturerkenntnifs a priori,
die in der Erfahrung {in concreto} kann.ange- v
wandt werden.. .Diefe immanent? Phyfiologie b?-
364 Körperlchre. "Kosmologie.
\ \
_ 1
die Natur als den Inbegriff 1 alle* Gegen-
fiande der Sinne, mithin fo, wie fie uns gegeben*,
ift, .aber nur hach Bedingungen ~« ptupri, unter
denen Üe uns überhaupt gegeben werden, kann,
Sie eine der beiden.. Arten von Gegenständen der
Natur., die es nur giebt, find nun die der au-
fs ern Sinne, Der Inbegriff diefcr Gegen flau de ift
die körperliche N*tfcr. - Diö »Metaphyfik Aqr
ködrperlickeir Natur h*i£sjfe F h y Xi k oder K &r j&e r-
JLebr«, aber wdfl fie ruu: die Pii^icipi^n ihr er ; Er-
kenn tnifs cl przort.enthafren foli r rationale Phy
0k {p]Ly\fica rationaliz) «der' Kör p&jrlj&hre der
reine» Vernunft. Die reine Fbyfik, die mehr
Mathematik , als Pbil?fophia der . Na tthr ift , ift al-
11a von diefer, welche , aoachr Phücrfophie als Ma-
thematik ift, noch unterfchfcdeB , u^dtfcoifst all-
gemeine Phyfik (phyfiea gotfralis). Denn die
<Metaphyfik der Natur fordert fich» gä<nz-,
lieh von der Mathematik der Natur ah, : bat
aueb bei weitem nicht fc* Ivi&V erweiternde Ein-
lochten anzubieten, alsdiefS?, ift « ahfcr . doch ieht
wichtig in Ahfehiing dter<€ritik«ile$» <tü£ die Natur
.anzuwendenden reinen ¥erfiändeserkenritniITes über-
haupt. In Ermangelung einer Colcheea Met^phyfik
der Natur haben felbft Mathematiker die . Natur-
lehre mit Hypotheken bei äfi igt- Kant -hat en&efo>
che Meta phyfik der Natur herausgegeben,
iwpter dem Titel: Metaphyfifcbe Anfangs-
gründe der Naturwiffenfehäft, Riga, 17&6.
Je. 875. N. XIL>
Kosmologie; .
rationale Kosmologie, transfcen<Lentale
Welterkenntfnifs* Gosmologia^ Cosutologie.
Die Wiffenfchaft, deren Gegenft^nd der Lnbe-
' griff aller Erscheinungen (dieiWelt):ift (C:
391.). Diefe Wiflenfchaft ift, alsfölche? die etwas
lehrt, eine Schein wiffenf^h>iit^ als Solche
' V •
* X
. ' - Kosmoldgif . 665
aber, die .den Inbegriff der Scheinkenntmffe . auf*
fiellt, welche ans der Vernunft entfptingen , Wenn
wir die Vorftellung von einqm abfoluten Ganzen
aller Erscheinungen für einen Verftandesbegriff hal-
ten, dem ein wirklicher 'Gegenstand in der EH»
fahrung, die, Welt, correfpondirt, eine ächte
Wiflenfchäft* * Sie ift dann ein Zweig der Meta»
phyfik. Der eme . Hauptzweig der Metaphyfik ift
nelimlich dife. rationale P'hyfiologie der Na-
tur. Diefe- Wiffenfchaft betrachtet die Natur,
d. u den Inbegriff ' gegebener Gegenfiände (fie mö-
gen nun den Sinnen, odtr, wenn man will,* ei-
ner andern Art : von Anfchauung gegeben feyn).
Wenn nun der Gebrauch der Vernunft- m einer fol»
chen rationalen Naturbetrachtung hy perphyiifch
oder trans fcendejit i|t, fo entlieht eine ver-,
mein tl ich a Erkenn tnife dtes Inbegriffs aller Er-
fcheinungen als eines exiftirenden abfoluten Gan-
zen« Diefe Rationale Naturbetrachttrag geht nehm*» .
lieh auf diejenige Verknüpfung der Gegen ftände
der Erfahrung f welche, alle Erfahrung überfteigt,
nehmlich zu einem abfoluten Ganzen 9 aufserhalb
deflen Gränzen es weiter keine NaturgegenJtände
mehr * giebt.. / Diefe t>rajxsfcendente Phyliol oi-
gie betrachtet aber iiui*adie innere Verknüpfung
der Gegenitände der Erfahrung zu einem, folttbem
abfoluten Ganzen , nicht die Abhängigkeit der
Welt vow ' einem Wefen aufser derfelbeu, und iß
daher .eine Phyfiologi* der gefammten .Natur,, d. i
eine ti ansfeen dentale Welterhenijtnift
(C. 874), £ Ep^yclopä'die, **• '•
a.> Wolf hat eine Kosmologie geschrieben
XCosmologia gjneralhs, inethodo feien bified
"perträetatä , qua ad> folidam^ ivprivüs Dei ab»
qu€' Naturae cogfiitioneuxvuißeriüturt Edit. novo,
Frcft* et Lipf. 1737.« 4.)- E* hat aber in diefcr
Kosmologie viel von dem, was* zur metaphyfi-
fchen ftärperje'hre gehört, z. B, die Abhandlungen
Von dem Begriff der Körper. Der Harne einer
666 Kosmologif eh. * KosmotReologie. Kraft.
transfcendentalen Kosmologie' rührt ■von
Wolf her. -
t
» ' ■
Kosmologifch, .
cefmologicus , cosmologiqu*. So heifst alles,
was zur Welt, als folcher, getokt,. f. Welt.
Ko'smologifcher Beweis für das Dafeyn GA>
tes, f. Beweis, £ und Gptt, 35, ff. Kosmo-
logifchf Ideen, Weltbegriffe, find Ver-
nunf tbegriffe , welche in der , Kosmologie vorkom-
men , und die Welt als ein abfolutes Ganzes vor«
Selten, £ Vernunft J>e griff. "'
r . «
Kosmotheo.logie,
,£ Costaotheologie. ' : •
t ■ - ' K?aft, ( *..
vis, fotüe- Ein allgemeiner Name alles
deffen, was ein. Grutad» iß, ruf dem die
Hervorbringung einer Beftimmung be-
ruht. Solche allgemeine Namen bezeichnen aber
öfters reine Verlta-ndesbeg/iff e^' und ein fbl-
cher, 'aber abgeleiteter Begriff ! (nicht urfprüng-
lieber, Kategorie ,< oder Stammbegriff) des reinen
Verbandes, oder eine Prädicabilie , nehmljich, die
der Kategorie U r f a c h e , iß auch der Begriff der
Kraft; Er wird aber hier n^it Abfiräctiöfi von fei-
iiem Schema erklärt , . und fo bekommen wir nur
^den logifchen Begriff gefiel ben. Der Begriff der
Kraft entfpringt nehmlich aus dem reinen yerfian-
de, wenn wir uns eine Subfianz denken, welche
a)s Ürfache Wirkungen hervorbringt. Diefe ganze
Verknüpfung von Begriffen fowohl,; als äuclü die
Begriffe felblt, ^gefchieht^ durch die. Kategorie, der
\
V.
*
Kräfte 667
Caufalität, und die Begriffe felbß lind Kategorien*
Es ift alfo kein U r a <f t des reinen Verfiaftdea nö-
thig (wie zu den Kategorien), um den Begriff der
Kraft zu denken. Wenn wir ab^r ein* Urjache
ohne den Zeitbegriff denken, fo ift fie blofs der
logilche Begriff eines Grundes , und denken wir
uns Wirkungen ohne den Zekbegriffy • fo denken
wir uns blofs den logifoben Begriff der Folgen aus
einem Grunde, und zwar als Beßimmungen oder
Prädicate irgend eines Subjects (lo gif che Wirkun-
gen, welche fiets logifeke Accidenzen lind)*
die ihren Grund in ihrem oder einem andern Sab«
ject (Subßanz ohne Zeitbegriff, oder logifcheät
Substanz) haben. Folglich, iß das, was den Grund
der Beßimmungen enthält, das Subject, und
realiter ,. nicht . .blofs logifeh , gedacht , die : Sub-
ßanz. Dia Subßanz enthält « den Grund . der Accir
denzen(E. 73. *)•
1 1
s« Der Begriff der Kraft kann alfo auch
durch den; Nameh der metaphyfifchen Kategorien
erklärt werden^ und hiernaoh «iß* Kraft r die Cau-
falitäit'einfrr'Subßariz. , AlhrWiKkuhgen, dfe,
fich* herVortktpi y muffen « einen Grund haben , eine
tJrfache, die *fie hervorbringt!; nun find . diefe
Wirkungen nachts anders 1 als. Beßimmungen , eines
Dinges, »die ALenfelben als: Accidenzen inhnriren;
folglich ift. aar- Grund diefeii Accidenzen . zusetzt
immer in dein 'zu fuGhen , was nicht.: Accidenjs
iß, d. h. in der .Subßanz (C. 676).- .. f
■ ■
5. Die) Gaufalität fuhrt auf den, Begriff der
Handlung..) Handlung bedeutet nehmlich das'
Verhältnife . des* Subjects tder «Gaufalität zur Wirr
kung, £. Handlung. 1 Die Handlung aber führt
auf deA Begriff der Kräf £; denn diefer^ifi der
Segriff von; dem Verhältfcifs de« Subjects
der Caufalität Order». der. Subftanz zu dem i
Ac,cidenB r in fo fern;fie\den Grund* der»-
felbcn erhält ? (E. 73. *)). Die «Kraft, iß alfo
* ♦
1 \
/
668 v Kraft. '
der in dein Subject der Caufalität , der SuBfianz,
liegende Grund der Mogliftiheit feines Verhält-
nifles zur Wirkung oder der Handluaag (G* ^49,
M. I, 093^
4. „ Man mufs daher nickt Tagen : das Ding
(die' Subfians) ift eine Kraft , fondern die Subßanz
hat eine Kraft. Denn der Satz: die Subftanz
ifi eine Kraft, ift ein allen ontolbgifchen Be*
griffen wider ftreitertder mtid in feinen Folgen der
JVtetaphyfik fahr nachthfftüger Satz. '•- Denn durch
ihn geht der Begriff de* Snbftanz im Grunde ganz
verloren , nebmlich dez - des Subjects > der Inkäreoz,
ftatt defien ' alsdann der. des Subjects der Depen*
clenz gefetzt, und fo die Snbftanz mit der Urfa*
che und • dieTinhärenz mit der Dependem vqrwech-
fbk wird. So walke es eben, Spin aza haben,
welcher die allgemeine Abhängigkeit (Etepen-
denz) aller Dinge in* der Welt von einem Urwe?
feil,- als ihrer gem^anfcliaftlicheialJr fache, £ür ei-
nerlei hielt mit einer fo&chen Anharugigljeit (inhär
renz) aller Dinge in der Welt an emba% iJtve^kn,
dafs fie nicht von dentfelhen getrennt uoxd für £ch
exiftiren können. Er machte Nalfo * jejuo allgemein
wirkende Kraft felbft zur Subfta<nz Und verwandet
te die Dependenz in *; Inirärenz. < *. r Eine Sobftanz
hat wohl ein VerhäHnifs au ihrea& Aeddenzen als
Subject , "allein es ifr doch eigentlich) kein folches
Verhältnis wie etwa <das der Urfeche ;zu ihrer
Wirkung, f. Accidetjz, 7. Am wenigften aj>er
fiAd beide VerhältniiTe einerlei. • Die Kraft ift
nehmlich nicht das, was den- Grund der Wirk-
lichkeit der Accidenzen enthält; denn das ifi
die ^ubftanz, und die Wirklichkeit der Acciden-
zen in ihrer Subftan«; heifst die In hären z. Die
Kraft , ift: das Verhält nifs der Subitaüz zu. ^eeiden-
xen, dafs lie den Grund der Möglichkeit der-
felben enthält; ' und die. W»klichkeifc der Acci*
denzen, nicht in der Subftanz, fonde^n durch die
Subftanz^ verroittelft. ihrer Kraft,. '.keifst die De^
* '
I
Kraft * ' : '6$$
pendenz.. Eigentlich ift alfo die trcharenz kein
Verhältnifs, fondern 1Äur das;, was ein Verhältnifi
der -fiubftaaz zu AccideQzeh möglich macht (N, 73.*».
5^ Verknüpft man mit dem Verhältnifs * dee
Subjects zu einem Präcjicat , in fo fern das Sufrject
den Grund der Wirklichkeit diefes Frädicats ' ent*
hält» -die V orfteil im g der Zeit, fo dafs der Grund
im Subject eher ift, als die Beftimrtiung, die fei*-
ne Folge ift, fo erhält man den Begriff der Kraft
fo, wie er mr Erkenn tnifs der Naturgegenftände.
tauglich ift, . Hiernach kann man die Ktaft auch
durch phyfilche.Ur fache erklären*. Phyfifch
ift nehmlick das, was zur körperlichen Natur,
oder zu deia Gegenftänden der äufsern Sinne ge*
hört. Wir nennen alfo eine fplche Urfache, welche
Accidenzen (reale Bejiim«nungen) in der Körper weit
hervorbringt, eine phyfifche Urfache. So liegt
in deai Feuer (einer Subftanz) die phyfifche Ürla-
che- durch- welche das Holz in Kohlen verwan-
delt wirdt, und wir fagen d#rum, das Feuqr hat
die Kraft, das Holz zu verbrennen, oder in Koh±>
len, Rauch und Afche zu verwandeln. »Die Scan-
ne h a t die • Kraft, zu erwärmen, heifst, in ihr
(als einer Sübitanz)* liegt eine phyfifche Urfache,
Wärme hervorzubringen, d. i. Wärmeftoff für das
Gefühl frei zu. machen oder zn entbinden» So fan-
gen, wir, dafs unfere Hand Kraft anwende,, um
Cörper zu bewegen; wir fchreiben dem auf einen
andern ftofsenden Cörper eine Kraft zu, und nen-
nen die pihyfifche Urfache der Schwere , ojjer. das,
was die Cörper fallen macht > die phyfifche Urfa*
*chc der Cohäfion, oder das, was der Trenfturtg
der Theile widerfteht, u. f. w. eine Kr«aft, die
sieht eine Subftanz ift, fondern lieh in irgend et-
ner Subftanz, als ein Accidenz derfelben, befind
den mu£s (N. 14.).
6. De Wir uns durch die reinen Verftandes-
begriffe, keine Erkenntnifs von Gegenftänden ver-
V
6j6 Kraft ' ' " "
.fchaffen feoiineni wofern wir ihnen* nicht
eine finnliche Anfchauung zum Grunde
legen: fo hilft 'es auch nicht zur Erkelintnifs
des Grundes einer Wirkung, dafs wir uns bl<*fs
eine Kraft denken, welche diefe Wirkung her-
vorgebracht hat ; denn damit denken wir litis wei>
ter nichts, als dafs- die Wirkung einenmGrtmd
habe , aber wir wiffen darum noch nicht^ wel-
ches diefer GruncJ fei. Wir muffen alfo feine finn-
liche Anfchauung haben , wenn wir nicht den blo-
fsen leeren Begriff der Kraft denken, fondern
durch dielen Begriff etwas erkennen Rollen.
Wir erkennen alfo, dafs ein Ding eine Kraft hat,
;wenn wir etwas ran ihm anfehauen, da$ wir als
den «Grujid .entweder feiner eigenen , öder anderer
Dinge, Zußände, d.i. der Veränderungen, die mit
ihm oder mit andern Dingen vorgehen ; denken
können (E> 73.).
- .'
Folgende Begriffe' von den befondern Beftim-
mungen der Kräfte will ich hier in alphabetifcher
Ordnung beifügen. -
7. Anziehende .Kraft r - Anziehungs-
kraft, f. Anziehungskraft und Attraction.
8. Ausdehnende Kraft, Ausdehnungs«
kraft, f. Elatticität, »
9. Bewegende K*afty vis motrix, fvree
motrice. So nennt man die Ur fache einer
Bewegung (N. 33.), Ein Cörper hat eine be-
wegende ftraft, heifst allb, er enthält die Ur-«
fache der Bewegungen, die er, wie man lieht,
hervorbringt. Wenn ein Cörper druckt, fo wirkt
ebenfalls feine bewegende Kraft, die gewirkte
Bewegung kann aber unendlich klein feyn , fo dafs
itian fie nicht wahrnehmen kann, z. B. w^nn der
drückende« Cörper auf einen! Tifch© fteht. Die be-
wege^* Kraft ift entweder ein« dynainifche.
* ^
Kraft 671
4, it eine folche, die der Materie wefentlich ifi»
Und wodurch fie den Baum, den fie einnimmt* -
erfüllt; oder eiste mechanifche, <{. i. eipe fol-
che, die der Materie "zufällig zukömmt , und die
fie dadurch hat, dafs fie felhfi in Bewegung iXL
ynamifche bewegende Kraft. . Dafs m .
die B^texie der Cörper den Raum , nicht durch ihr
MofseS Dafeyn, fondern dar oh eine besondere be^
wegende .Kraft, erfüllt, findet man erläutert und
bewiefen im Art. Bewegung, VII.
u
b. K. behauptete zwar ehemals (S. I, 19.), da ff,
wenn man dem Cörper eine wefentliche bewegen-
de Kraft beilege, damit man eine Antwort auf
die Frage von der Urfache der Bewegung fertig ha«
be, fo übe man gewiflermafsen den Kunftgriff aus,
4effen fich die Scbolaftiker bedienten , wenn fie im
der Unterf uchung der Gründe der Wärme , oder
der Kälte, zu einer erwärmenden Kraft (vis
calorißca) oder, erkältenden Kraft . (vi$ frigifa-
ciens} ihre Zuflucht nahmen. Allein er legt
auch jetzt der Materie nicht blofs eine bewegende
Kraft bei, durch welche fie den fiaujn erfülle,
fondern er zeigt die Realität feines Begriffs von
der bewegenden Kraft der. Materie in der An*
fchauung an dem Widerftande, welchen die Mate-
rie dem v Cörper .entgegenletzt, welcher vermittelet
der Bewegung in den Raum eindringen will, dem
fie erfülle , V% v die Materie dftrch ihren Wider-
fiand die Bewegung des eindringenden Cö/pers
vernichtet, fo mufs fie eine der Bewegung entge-
genwirkende, d. i. eine nach der entgegengefetz-
ten Richtung wirkende Kraf t t haben , £ Bewe-
gung, vii.-
c. K. behauptete (S. I, ab.), man Tollte di<*
Kraft eines Cferpers viel eher eine t hat ige (vis
activay, ^als eine bewegende Kraft nennen». £f
meinte ftehipliph, man rede nicht gichtig, weni>
I
«7* Kraft. '
man die "Bewegung ztr einer Art - Wirkungen
mache, und ihr deswegen, eine gleichnamige Kraft
v beilege; wenn man alfo fege, die. Bewegung} das
Eindringen in einen Raum oder aiich 'die Beitre-
ibung in den Baum einzudringen .(*&. B. einer Ku-
gel, die den Tifch, worauf iie liegt, durch ihre
Schwere drückt), wirke als eine Kr/tfft, welche
daher eine bewegende Kraft heifse. Diej^efre-
* gung fei Aur das äufsere Phänomen (die Erlchei-
nuiig) des -Zuftandes «-des Cörpers, da er zwar
picht wirke, aber doch bemühet fei ^zu wirken,
erlt wenn er feine Bewegung durch einen Gegen-
JSarnd plötzlich verliere-, d. i. in devn Augenblick,
darin er zur Ruhe gebracht v^erde-, x wirke er.
Sein Beweis ifi aber nicht richtig. Denn er grün-
' tlet lieh auf die Leibnitzifche Voritellüng, dafs
Si& wahre Erkennlnifs in der Erkenntnis der
Dinge an fach belifehe, und nicht in der Er-
kenn tnifs ihres Zuftandes in der Erfcheinung, oder
der Phänomene ihres Zultandes. Die Bewegung
ift zwar «in äufseres Phänomen des Zhiftändes des
Cörpers f allein der ganze Zuftand des Cörper*
toid der Cörper felbß lind Phänomene, alle Wir-
kungen lind Phänomene, und fo ift* es kein Grund,
die Bewegung darum nicht für eine Wirkung zu
iialten , weil fie ein Phänomen ift. , Es ift daher
Buch falfch, dafs man *>och viel Weniger von den
Cörpem, die im Ruheftande wirken, fagen folle,
dafs fie eine Beftr-cbung haben zu wirken. Wenn
ein Cörper in Bewegung ift, fo wirkt er allerdings
nioht elier, bis er Widerftand findet. Allem fo
bald er Widerftand findet, wirkt er fo Jauge, bis
die ganze Kraft, mit der er wirkt, überwunden
ift , erlt in difefem Augenblick hört die Bewegung
auf. Wenn ein Cörper in Ruhe ift, fo wirkt er
mit der ganzen Kraft feiner Schwere auf den Cör-
per, der ihn Unterftützt, weil allerdings df* un-
terstützende Cörper • diefer ganzen Kraft: ''widerfie-
het und fie überwindet;* weitti aber nur ein klei*
nes MQ£*ent<les -Wider fta« de* fehlte* ' f* wurd«
1 • / N
i
I
Kraft. 673
der druckende Cörper mit diefem Moment in den
Baum, des widerstehenden Cörpers eindringen , und
mit diefer Kraft bewegt er (ich alsdann .Im An*
fangsau^en blick diefer Bewegung kann fie alfo wohl
die ßelt rebung einzudringen heifsen. t)iefe Bc-
firebung gefchieht aber mit der ganzen Kraft, mit .
welcher der Cörper drückt, weil, fobald der Wi-
derJtand aufhört , er auch mit diefer ganzen ' Kraft
in den Raum eindringt. Ich mufs alfo dem unter-
fiätzenden Cörper noth wendig eine Kraft beilegen,
weil er die ganze Kraft des druckenden Cörpers
überwindet, und ihn abhält in den Raum Einzu-
dringen. Wir fehen alfo hieraus, dafs alle Mate-
rie eine Kraft hat , das Eindringen in den Raum
ztt verhindern, und wir fchauen diefe Kraft in
der Erfüllung - des Raums durch die Materie an r
indem diefe lieh nicht ohne einen bedeutenden .
Widerftand auf einen kleinern Raum einfehränken
läfst. Zu einem auf Anfchauung der Raumeserfül- f
lung durch Materie gegründeten Begriff derfelben
iß es alfo durchaus noth wendig, dafs die Materie
eine Kraft habe , durch welche fie dem' Eindringen
*& den Raum, den fie erfüllt, widerftehe, und
durch welche fie alfo den Raum erfülle. An diefer
Kraft haben wir alfo. ein erftes Datum, oder das
erfie Element, wodurch es möglich wird, uns
den Begriff der Materie in 'der Anfchauung darzu-
stellen. Diefes Datum läfst fich freilich nicht wei-
ter erklären, denn diefe Kraft liegt in jedem Ele-
ment der Materie,, aber der ßefchaffenheit unfers
Verßandes nach fragen wir , warf ift nun die Sub-
fianz, deren Accidenz diefe Kraft ift, der diefe
Kraft inhärirt? Da wir aber alle Subftanzen nur
in ihren Accidenzen kennen, fo find wir hier an
der Grenze uhfers Erkenn ens. Wenn wir aber auch
dfefe. Kraft nicht weiter erklären können , fo ift
ße darum dodh " nicht . ein Hirngefpinft , wie die
erdichteten Kräfte? der Scholaftiker, fondern zeigt
ihre Wirklichkeit genugfam in dem Widerftand* ~
(N. 340. ' '
Meümt phil. Wort«*. 3. B<£ * Uu
674
Kraft.
s d. Es* laßen ,fich aber $ur zwei Uewegendc
1 Kräfte der Materie denken, nehmlich
a. diejenige, : von der wir f6 eben geredet* ha-
ben. Man kann fie die Zurüxkftofsungskrafj:
der Materie nennen, durch fie kann die Materie
.Urfache feyn, andere Materien von lieh zu ent-
fernen; fl
ß. läfst fiqh auch einö Anziehungskraft
der Materie denken, f. v Anziehtingskraft und
v Bewegung, VII. (N. 3 5.). % ^
* t
/ *
e. K. beweiset (N. 36.), dafs die Materie ihre
Räuftie durch eii^e ijir eigene Ausdehivungskraft er-
füllt* . Wir haben nehmlich gefehen , d^fs eine
\ Materie' ihren* Rarum nur durch bewegende Kraft
erfüllt, und zwar durch eine folche, die dem
k Eindringen anderer Materien, d, i. der Annähe-
rung widerftehet. Kun ift diefe bewegende Kraft
.eine zurückftofsende „Kraft j alfo erfüllet die Ma-
terie ihren. Raum nur durch zurijckfi;ofsende Kräfte
aller ihrer Theile. Die Kraft aber eifces Ausge-
dehnten vermöge dej: Zurückftofsüng aller feiner
'.Theile iß eine Ausdehnungskraft; allö erfüllet die
Materie ihren Raum nur durch eftie ihr eigene
Ausdehnungskraft. Üeber jede gegebene bewegende
Kraft mufs aber eine gröfsere gedacht werden kön-
nen, denn eine abfolut gröfstej ift unmöglich,
* weil diefe in einer endlichen Zeit (weil fie unend^
Höh grofs ift) einen unendlichen Raum (in ihren
Wirkungen) zurücklegen würde* Es iriufs aber
queh unter jeder gegebenen bewegenden Kraft eine
kleinere gedacht werden können,, denn die abfo-
lut kleinfte würde die feyn, durch deren, unend-
liche Hinzuthuung (Addition) zu fich felbÄ eine
jede gegebene /(endliche) Zeit hindurch (weil fie
urtendlich klein ift) keine endliche Geschwindigkeit
erzeugt' werden konnte, welches ab<er den Man-
gel aller bewegenden Kraft bedeutet. Alfo mufs
/
KTaft, . ^ 675
unter einem jeden gegebenen Grad einer bewegen-
den Kraft immer noch ein kleinerer gegeben wer- >
den können. "Mithin hat^ die Ausdehn ungskraft t
* mit der jede Materie ihren Raum erfüllt, ihren,
Grad, der niemals der abfolut gröfste oder klein-
fie ift, fondern^ über den ins Unendliche fowohl
gröfsere als kleinere können gefunden werden.
f. . Das, was eine ausdehnende Kraft fo ein-
fchräpkt, dafs die Materie, in deren Theilen fie
witkfam' ift , fich nicht fo weit ausdehnen kann,
als fie fich ausdehnen würde, wenn gar kein Hin-
dernifs da wäre, das ihr entgegen wirkte, ift eine
zufammendr ückende Kraft. Da nun über jede
ausdehnende Kraft eine gröfsere bewegende Kraft
gefunden werden , und diefe der eritern auch entge-
gen wirken kann/ wodurch fie alsdenn den RxUjm
derfelben verengen würde: fo mufs auclh für jqde
Materie eine zufaminendrückende Kraft gefunden
werden können, *die lie in einen engeren Raum .'
zu treiben vermag. Keine Materie erfüllt alfo
ihren Kaum durch eine abfolute Kraft (N. 38.).
g. Der blpfs mathematifche Begriff der
Undurchdringlichkeit, d. i. dafs die Materie fejbft
gar keiner Zufammendrückung fähig fei (den Raum
durch eine ablolute Kraft erfülle), fetzt keine be-
wegende Kraft als urlprünglich der Materie eigen
Vorauf, föndern nimmt an, dafs die Materie leere
Räume in (ich enthält , mithin als Materie allem
Eindringen fchlechterdings und mit abfoluter Not-
wendigkeit widerftehe. - Der dynamifche Begriff
der TJndurchdringlichkeit ' hingegen , d. i. derjeni-
ge, den K. annimmt, dafs die Materie allerdings
einer Zufammendrückung fähig fei, aber ihr Wi-
deritand mit den Graden der Zufammendrückung
Proportion ir lieh wachfe (und fie alfo -den Raum *
durch eine relative Kr*aft erfülle), feut eine- bewe-
gende Kraft der Materie als ihren phyfifchen Grund
voraus, und bedajf zur Erklärung der fpeeififchen
. Uu 2
676 , Kraft. ,
Verfchiederiheit der Raumeserfüllung durch Mate-
■ rie keiner leeren Bäume. Da aber diefe bewegen-
de Kraft einen Grad hat, welcher überwältigt,
mithin der Raum' der Ausdehnung verringert, d.i.
• in denfelben bis auf ein gewifles Maafs von einer
gegebnen zufammendrück enden Kraft eingedrun-
gen werden kann: fo mufs die Erfüllung
des^lTauins nm als relative 'Undurch-
dringlichheit angefehen werden (N. 41.).
. h. Dafs die Möglichkeit der Materie eine
zweite he wegende Kraft, nehmlich eine Anzie-
hungskraft, als die zweite wesentliche Grundkraft,
erfordert, findet man, nebft dem Beweife, diefer
Behauptung, im Art. Anziehungskraft. 2.0.
i. Nach Kant ift weder durch blofse Anzie-
hungskraft, noch durch blofse Zurückfiofsunfi
Materie, möglich. Von der letztern iß es im Art.
Anziehungskraft bewiefen worden; von der
erllern foll_.es hier bewiefen werden. Anziehungs-
kraft ift diejenige beWgende - Kraft der Materie,
wodurch fie eine aridere Materie treibt, fich ihr
xu nähern. Wenn folglich alle Theile der Mate-
rie einander anziehen, -fo find diefe Theile ver-
mitteln diefer Anziehungskraft beßrebt, ihre Ent-
fernung von einander zu verringern. Nun kann
nichts die. Wirkung einer bewegenden Kraft hin-
dern, als eine andere ihr entgegengefetzte bewe-
gende Kraf' — ■ - « — «■ -"-—
w*lche der
* gengefetzt
' Materie. A
ohne Hinde
Zurückßofsi
entgegen , 1
keh.' Die *
lange., einnn
mehr zwifc
würden in
Kraft. * 677
fließen. Denn es könnte Keine Entfernung der
Theile geben, in welcher nicht noch eine gröfsere
Annäherung durch' Anziehung möglich feyn folltp,
weil keine zurückftofsende Kraft es hindert. Folg-
lich würde der Baum leer, mithin ohne alle Ma-
terie feyn. Demnach iß eine folche Materie, de-
.reu Theile blofs anziehende und nicht auch zu-
riickfiofsende Kräfte hätten, unmöglich (N.^7.)'
1s. So'ift alfo jede der beiden bewegenden
Kräfte, deren überall mir zwei im Baum gedacht
werden können,' die Zurückftofsung und Anzie-
hung, allein erwogen worden, um beider Verei-
nigung fm Begriffe einer Materie überhaupt a priori
zu beweifen. Dies war nöthig, um zu fehen,
■was jede, allein genommen, zur Darftellung ei- .
11er Materie leiiten könnte. Es. zeigt lieh nun,
dafs, fowohl wenn man keine von beiden zum
Grunde legt, wie bei der Hypothefe von der. mt-.
thematischen Erfüllung des Baums, als auch
wenn man' blofs eine von ihnen annimmt, der
Raum allemal leer bleibe und keine Materie in
demfelben angetroffen werde (N. 58. f.).
1. Durch diefe richtige Vorfiellung von der
Materie, dafs alles, was nicht, blofs Beftimmurig
des Baums (Ort, ( Ausdehnung und Figur) ift, als
bewegende Kraft angefehen werden muffe, wird
das fugenannte Solide oder die abfolute Undurch-
dringlichkeit, als ein leerer Begriffe aus der Na-
turwiffenfehaft erwiefen. Dagegen wird aber hier-
*'67& N Kraft. . ' '-
%
m. Der , Begriff der Materie wird' alfo auf »lau-
ter 'bewegende Kräfte zurückgeführt» Sie find
Grundkräfte , dergleichen aber nur angenommen
werden können , wenn iie zu einem Begriffe , xop
dem es erweislich ifi t däfs er fein Grundbegriff
fei , /1er von keinem ^ndern weiter abgeleitet wer-
den: kann; wie der der Erfüllung des Raums,
; unvermeidlich gehören , und diefes 9nd Zürüfck-
ßofsungskräfte ,und die ihqen entgegenwirkenden
Anziehungskräfte überhaupt. Von der Verknüpfung
und, den Folgen diefer Grundkräfte können wir
allenfalls noch wohl a priori urtheilen, und .die
Verhältnifle {lenken, welche fie untereinander ha-
N ben, ohne fich felbfi zu -vyiderfprechen ; aber man
darf lieh darum doch nicht anmaafsen, eins diefer
Verhältnifle als wirklich anzunehmen, weil die
M ö glich k ei t des Verhältnifles folcher Grund-
kräfte nicht völlig gewifs feyn kann. Die raa-
thematifch - mechamfehe Erklärungsart hat hierin
über die metaphyfifch dynamifche einen Vortheil,
der ihr nicht abgewonnen werden kann, nehm-
lieh aus einem d^rchgehends gleichartigen Stoffe
eine giofse fpeeififche Mannigfaltigkeit^der Mate-
, rien zu Stande zu bringen. Denn die Möglich-
. keif der Gefialten fowohl als der leeren Zwischen-
räume zwifchen den Theilchen der Materie läfbt
ficht mit mathematifcher Evidenz darthun; dagegen
wenn der Stoff felbft in Grundkräfte verwandelt
-wird (deren Gefetze a priori zu beftimmen, noch
wenigem aber eine Mannigfaltigkeit derfelben,
welche zur Erklärung der fpeeififchen Verfchieden-
heit der Matrrie afureichte, zuverlaffig anzugeben,
wir nicht im Stande find), uns alle Mittel abgehen,
diefen Begriff der Materie zu conftruiren (in der
Anlchauung als möglich darzußellen). Aber je-
. nen Vortheil büfsdt dagegen eine blofs mathe-
matifche Phyfik auf der andern Seite doppelt ehn
Denn fie legt erftKch einen leeren Begriff
. (den der obfplüten Undurchdringlichkeit, von dem
die Möglichkeit nicht nachgewiefen werden kann)
*
\
/
Kr^ft. i 679
• »
znm Grunde; zweitens mufs iie alle der Matfrie
eigenf Kräfte aufgeben (N. 83- ff-)*
E. *n.' Mechanifche bewegende Kraft.
Dafs die Materie noch aufßer den bewegenden
Kräften , die ihr wesentlich zukommen , auch als
etwas Bewegliches bewegende Kraft habe, findet
man im Art. Bewegung, VIII.
o. Die bewegende Kraft, welche wir die/
dynamifche nennen, wirkt blofs die. Erfüllung
eines gewiflen Raums, und die Materie ^arf bei
derfelben nicht felbft als bewegt angdehen wer-
den (N. 106.)* Die mechanifche bewegende
Kraft" hingegen ift die Kraft einer in Bewegung
gefetzten Materie/ Dafs aber diefe mechanifch
bewegende Kraft' die dynamifch bewegenden
Kräfte vorausfettfe f findet man auch im Art. Be-
wegung, VIII. • * X
p. Die Materie hat keinen Grad 'der bewe-
genden Kraft mit gegebener Gefoh windigkeit , der
von der Menge' der Materie als eines Beweglichen
unabhängig' wäre. Das heifst, die Menge der
Materie beftimmt, bei gleicher Bewegung, allein
den Unterfchied des Grades der bewegenden Kräfte
(N. 112. f.).
• * •
q. Man kann daher die Menge der Materie
als der Subfianz im Beweglichen auch durch die
bewegende Kraft beftimmen, jfo dafs, wenn die
Geschwindigkeit bekannt ift, dadurch auch die
Menge der Subfianz bekannt ift. Dies beruht
darauf, dafs der Begriff der Subfianz der Begriff
von dem,letzten Subject^das weiter kein Prä*,
dicat von einem andern ift) im Räume ift, f. Sub*
ftana.' In-diefer Qualität kanrj es nun keine Ac-
cidenzen haben, fonft wäre es nicht die Subfianz,
folglich kann es keine andere Gröfse haben $ als
die Menge des Gleichartigen außerhalb einander.
-V
6Qo v Kraft,
Da, nun die eigene' Bewe gujtsg, der Materie ein
Frädicat ift, welches ihr Subject (da* Bewegliche)
Deltimmt, und an einer Materie (als einen Menge
* des Beweglichen) die Vielheit der bewegten Sub-
jekte (hei gleicher Gefchwindigkeit auf gleiche Att)f
anhiebt, fo kann die Quantität der Subitanz an
einer Materie nur durch die Grofse der eigenen
Bewegung derfelben gefchäf;zt werden. (N. i 14. £)•
r. Die Mitteilung der Bewegung gefchieht
nun ' vfermittelft folcher bewegenden fträfte, die
einer Materie "auch in Ruhe beiwohnen (die dy-
n a m i f c h - bewegenden Kräfte , Undurchdringlich-
keit und Anziehung). Die Gelchwindigkeit, welche
ein bewegter Cörper durch die Öollicifätion oder
das Beitreten lieh zu -bewegen in einem andern
Cprper hervorbringt, fofern fie in gleichem Vef
Ijältyiifs mit der Zeit wachfen. kann, heifst das
Moment der Acceleration; Sollicitation
ift nehmlich die Wirkung einer bewegenden
Kraft in einem Augenblick, * L y Befchleuni-
güng. Die Sollicitation durch dije Ausdehnungs-
kraft (z. B. einer zusammengedrückten Luft, die
ein Gejvicht trägt) ift eine Flächenkraft ■(£
Flächenkraft), folglich ,die Bewegung eines
unendlich kleinen Quantums von Materie,
omd gefchieht daher jederzeit mit einer endlichen
Qefchwindigkeit , die Gefch windigkeit aber, die
dadurch einem andern Cörper , d* i. einer end-
lichen Menge Materie eingedrückt (oder. entzo-
gen) wird, kann nur unendlich klein fcy n
(yeil die Producte der Mafle in die .Gefcji windig-
keit einander gleich feyn uxüflen). Dagegen ilt* die
Anziehung eine durchdringende Kraft, und
Als mit einer folchen .übt eine endliche Menge Ma-
terie auf eine gleichfalls endliche Menge einer an-
dejn bewegende Kraft aus. Die v Sollicitation
durch eine fplche Anziehungskraft (z* B. der Erde,
die den Mond anzieht) gefchieht daher jederzeit
"mit einer unendlich kleinen Gelchwindigkeit j denn
Kraft.
68x
fie ift der dem cörpör eingedrückten (oder entzo-
genen) Gefdtwindigkeit (welche jederzeit unend-
lich klein feyü mufs , weil das Moment der Acce-
leration 9 das Product au# der Gefch windigkeit in
die Made, unendlich klein feyn mufs) gleich
(N. a34* f.).
• *■
10. Durchdringende Kraft, f. Durch«
dringende Kra^t und Anziehungskraft, io v
* - . •
n.\ Expanfive Kraft, f. Elafticität*
i<i. Federkraft, f« Elafticität.
* i
%
13. Flächenkraft. . K. nennt fo eine folche
bewegende Kraft, durch -welche Materien
nuj in der gemein fchaftlich en Fläche,
der Berührung unmittelbar auf einander
wirken können. Eine fol che Kraft ift z.'B: die
Zurückßofsungskraft , vermittelft deren die Mate-
rien einen Raum erfüllen. Denn die Theile der
Materie, die Geh einander berühren, begrenzen
einer den Wirkung dra um * der andern, und die
Zurückitofsungskraft kann keinen entferntem Tlieil
bewegen, ohne vermitteln der dazwifchen liegen-
den Theile* Eine quer durch alle Theile der Ma-
terie gehende unmittelbare Wirkung einer Materie
auf die erftere durch Ausdfehnungs- oder Zurückfto-
fsungskräfte ift unmöglich (N. 67.), f. 9.
14. Lebendige Kraft, vis viva f force
vive. Leibnitz hat die. Kräfte zuerli in todte
und lebendige eingetheilt, um dadurch die /»n-
er
die
uiiu leueiiaige cii ig eurem, uui uiiumtii uic /mi
Wendung des von ihm gegebenen Maafses de
Kräfte *) genauer zu beftimmen. Er nennt tli
. \
*)Leibni,iz behauptete nehmlich, die Kräfte *w«er MafTen
M und m , die mit den Gefcbwindigk eilen C und c'fortgingeu , Tt-?-
bielten fich wie MC'-.mc 2 ^ und das Maafs der lebendigen Kräfte fei
alfo das Froduct der Maße in das Quadrat der Gefch\*/ihdißlieit.
^ ♦-
/
*" <■
68* ' • Kraft.
lebendige Kraft, eine folchfc, die mit
wirklicher Be\vegujig verbunden ift (vim
cum motu actuäli * conjunctani) , todte Kraft hin-
gegen diejenige ; welche nur Itrebe, Bewe-
gung hervor Zubringern, ob ^ie gleicli in
der That keine erzeuge (fotiicitatio ad mo^
tum).* Es ift hierbei noch die Frage, ob die Worte:
mit* wirklicher Bewegung verbundeA
feyn, heiCsen follen, die Kraft fei nur dann le-
bendig, wenn fie wirklieh Bewegung hervorbrin-
ge, oder felbß dann, wenn Xie auch nicht .wirke,
fondern nur Bewegung hervorbringen könnet wie
z. B. eine belegte Kugel, welche auf ihrem We-
ge nichts antreffe, was fie in Bewegung fetzen
könne. Johann Bemoulli erklärte lieh für
-das letztere. — K. verwirft den Unterfchied zwi-
fchen lebendigen und todten Kräften gänz-
lich, wenn die bewegenden Kräfte mechandfeh,
d. i. t fol che .find, welche die Cörper dadurch ha-
ben, dafs fie felbß von andern Cörpern in diele
Bewegung gefetzt worden find , es ' mag n un die
Gefch windigkeit ihrer Bewegung, endlich (d.h.
iie wirklich in'Bewegung feyn)* oder "unendlich
klein feyn (ck h. blofse Beftrebung zur Bewegung,
ßollicitation , und fie wirklich nicht in Bewegung
feyn). - % '_''<'''
b. K. hat fchon im Jahr 1746 das Leibnitzi-
fche Maafs der Kräfte, als unliatthaft nach ,ma-
themati f c her Betrachtung , verworfen ; allein
er fuchte damals, eine Schätzung der lebendigen
Kräfte nach m e t a p hy f i f c h e r Betrachtung , als
das .wahre Kräftenmaafs der Natur einzuführen.
Seme Befultat;e, .welche er in diefer fehr fcharf-
linnigen Unterfuchung, die er in feinem zwanzig-
fien Jahre bekannt machte, herausbrachte, grün-
den lieh aber zum Theil auf falfche Vorausfetyun-
gen, nehmlich auf die dogmatifche : Vorftellupg,
dafs der Verftand uns die Gegenfiände der Sinne
> -
1*
Kraft. . ' Ö83
Topftclle, wie -fie *q fich felbft, unabhängig von
imferm Erkenntnifsvermogeja. , befchaffen find, die
Sinj\e ^aber vermittelfi der finnlichen Vorstellung
des Raums (welcher nichts' anders als das Coexi-
ftiren der Dinge fei) Verwirrung in unfere Etr-
kenntnifs bringen. Käfiner erwähnt (Höh. Mech*
III. Abfchn. §. «03. S. 5C6. ff.) diefe 'Schrift nicht,
wahrfcheinlich , weil die Sache in derfelben
aiis metaphyfifchen Gründen unterfucht woV
den ift. Allein- das zweite Hauptfiück derfelben
bleibt immer noch wichtig , in welchem das Leib-
nitzifche Kräftenmaafs aus. ganz richtigen mathe-
matifchen Gründen verworfen wird. Gehler
führt diefe Kantifche Schrift eben fo weni£ an
(f. Wörterbuch, Art. Kraft, lebendige). Sie
heifst: .Gedanken von'der wahren Schä-
tzung der lebendigen Kräfte und Beur-
theilung der Beweife, der en fich der Herr
von Leibnitz und andere, Mechaniker in
diefer Strei'tfache bedienet haben, nebfi
einigen vorhergehenden Betrachtungen,
welche die Kraft der Cörper überhaupt*
betreffen, Königsberg. 240* S. §• (S. I, 1. ff.),
c. In der Vorrede zeigt K. den damaligen •
Zufiand der Streitfache von den lebendigen
Kräften* Auf der Leibnitzifchen Seite 1 tan den
die grofsen Namen Daniel Bernoulli (Examen
frincipiorujn Mechanicae in Comment. - Petröp. T. h
p. 130. fqq.),' Johann Bernoulli (Difcours
furlemouyement, in Opp. T. III nuhu 135. in gl.
De vera nötiotie viriuni xivaruin ui Act. Erud. Lipf.
175 5- Menf Maj. p. 210. und Opp. T« HL num.
145)> Leibnitz (JBrevis devionfiratio qrroris vier
tnorabilis Cartefii ebjiliorum etc. in Act. Erud. Lipf.
1636. Mens* Mart. p. i6i\ fqq> und Specimen dy-
namicum pro admirandis Naturae legibus circa
corporum vfyes etc. in Act. Erud. Lipf. 1695. Mens.
4pr. p. 145. fq.) f und Herrmann (Phoronomia,
684 - Kr^ft.
jtmft. 1 716, 4). t)agegen ift die bartefianifehe *)
Ausmeflung, welche diejenige ift, die K. jetzt für
die einzig richtige erklärt (obwohl er in diefer
Schrift damals die Lettmitzifche , von einer meu-
phylifok^n Seite betrachtet, unter ^ewißen Einschrän-
kungen, auch für richtig erklärte) von Mairan
{piff' für l* eftimation eh la viefure, des forcesino-
trice$^ des corps , Paris , 1741), Jurin (Prlncipia
dyndmica , Philo/. Trdnfact. n. 476. und 479O1
Defaguliers (Courfe of expi.phil. Lpnd. 1745. 4-
Vol. J.) , Maclau rin (Acc. of Svr y if. Neiotoris
' phil. Difc. J3. II, Ch. a.), Heinfius (Dijf. de vir.
mott. praef Haufen Lipf. 1733. 4.) und andern
vertheidigt worden. Die Leibnitziancr hatten aber
äen Anfch,ein da: Erfahrung auf ihrer Seite, jund
diefen Dienft hatten ihnen s'Gravefande (Plvy-
ßces Elem* math. L. I. C. &2. S. föo.) nnä Muf-
fchenbroek (Introd. ad philo f. nabur* F. I. $.272.
■/W-) g e l e ift et (S. I, 14. ff.).
d. Im erfien Hauptftück handelt nun K.
von d^r Kraft der Cörper überhaup t f und
liefert in demfelben die auf dem TiteL angeführ-
ten metaphyfifchep Betrachtungen, Allein diefe
Betrachtungen lind für uns nicht mehr voiv Wich-
tigkeit, als nur in fp fern man fich aus densel-
ben überzeugen kann , dafs K. ehemals fo dogma-
tifch philofophirte, als irgend ein Fhilofoph, und
dafs er das Leibnitzifche Syfiem fehr wohl durch-
dacht hatte. Jeder Cörper, fagt K. in% diefem
Hauptftück, hat eine wefent liehe Kraft* Dies
. *) Weil die Gröfse der Bewegung durch das ^Product der Maße
M in die Gefch windigkeit G, oder durch MC (M raultiplicirt' mit
C) ausgedrückt wird, «und wir die Kräfte nicht andere als aus ihren
W^rkunsen kennen, fo t fagt Defcartes', verhalten fich di# Kräfte
zweier Mafien M und rn , die mit den, Gefch windig Veiten C und e
Mitgehen, >vie MC: nie, und das Maafs aller meebanifchen Kräfte
fei alfo MC* Leibnite lagt, dies fei nur das Maafs der todten Kraft.
»»
%
\
/
Kraft. 685
«
hat Leibnitz, dem die menfehl|che Vernunft
fo viel zu verdanken h*»t, zuerft gelehrt (<?ß -
aliquid praeter extenßouem imo extenfione priu$\
Diefe wefentliche Kraft foll dem Cörper
noch vor der Ausdehnung beiwohnen
{Leibnitz arrhdete, wie man fieht, d£e dyna-
mifch wirkende K^raff)* Leibnitz nannte fie über-
haupt die wirkende Kraft, und fo follte man
billig das nennen, was man die bewegende
Kraft nennt (K. Hellte lieh nehmlich damals vor,
dafs die Cörper nicht' blofs träge wären, fondera
in ihnen noch eine befondere, ihnen eigenthüm*»
iiche Kraft lebendig werden könne , dife ihnen nicht
von aufsen, durch Zug oder Stofs, mitgetheilt
werde, fondern in^ der Natur der Cörper liege).
Kant zeigt nun, wie die Bewegung aus diefer 'wir-
kenden Kraft erklärt werden könne, und was für
Schwierigkeiten in der Lehre von der Wechfelwir-
kung des Cörpers und der Seele 'auf einander ent-
ftehen, wenn, man dem Cörper blofs mechanifche
bewegende Kraft beilege , und* wie diefe Sth wie-
tigkeiten -durch die Benennung einer wirkendtn
Kraft könnten gehoben werden. Er fucht bei '
diefer, Gelegenheit den Raum aus dem Begriff der
Kraft abzuleiten , und widerlegt fehr fcharflinnig
eine Behauptung Hambergers, dafs die fubftan-
tielle Kraft der Monaden lieh nach allen Gegen- N
den zu zur Bewegung gleich beftrebc; und fich
daher, fo wie «ine Wage, durch die Gleichheit
der Gegendrucke in Ruhe halte (S. I, 13. ff.).
e. Der Grad der Intenfität nehmlich, den die
Tendenzen der Monaden haben, kann nicht un-
endlich feyh, fonft würde er niemals aufgeho-
ben wterden, und. es wäre gar keine Bewegung
möglich; Allein eine» endliche Bemühung zum
Wirken, ohne eine beftimmte Gröfse der An-
, ftrengung ift unmöglich. Da alfo der Grad der
Intenfität wirklich und beßimmt ift, fo fetz»
' man: dafs ein Cörper A gegen einen apdern *
\
686 } , Kraft.
von gleich grofser Mafle ifyit einer Gewalt an»
laufe, die dreimal Itärker iß, als alle die 'Be-
mühung zur Bewegung, die B in de* wefentli-
chen Kraft feiner /SülMtan/ hat, fo wird B dureh
feine deni A entgegenwirkenden Tendenzen dem-
felben nur den dritten Theil feiner Gefchwindig-
Jteit benehmen können. Er wird aber felber kei-
* ne gröfsere Gefch windigkeit erlangen könneii, als
eine folche, die dem dritten Theil der Gefchwin*
digkeit des A gleich ^ift. Nacjj, tlem Stofse würde
alfo A mit -|- Gefch windigkeit, B aber nur mit
der Kraft feitaer Tendenzen, denen der Gegen-
druck blofs genommen ift, alfo mit % Gefcli win-
digkeit lieh bewegen. Da nun B dem A im We-
ge iit, fo müfste.A den Cörper £ durchdringen,
[ weil er zweimal fo gefchwind lieh fortbewegt als
B, welches ungereimt ift, — Kant theil t hierauf
r die Bewegung ein in folche, die immer fortdauert^
venn Jiein Hindernifs fich en tgegen fetzt , und fol-
che, welche eine immerwährende Wirkung einer
ftets. antreibenden Kraft iß; allein diefe Einthei-
lung ift unitatthaft, weil bei der* letzten ebenfalls
ein Hindernifs wirkt, welches macht, dafs die
Wirkung der antreibenden Kraft jeden Augenblick
vernichtet wird (S.I, 33. ff.).
f. Im zweiten Haupfcftück unterfucht K. die
liehrfäit^e "der Leibnitzifchen Partei -von
den lebendigen Kräften. Niemals, fagt er,
'hat fich die Welt in gewiffe Meinungen gleicher
getheilt, als » in die, die das liräftehmaafs der
Cörpfer betreffen. Die Welt hatte vor Leibnitz
dem einzigen Satze des Descartes gehuldigt, der
überhaupt den Cörpern, auch denen, die fich in
■wirklicher Bewegung befinden, zum Maafse ihrer
JKraft nur die blofse Gefch windigkeit ertheilte.
Descartes hatte die Kräfte dej: bewegten Cörper
nach den . Gefchwindigkeiten fehlechthin ge-
fchätzt, allein L eibnitz fetzte zu ihrem Maafse
das Quadrat der Gefcii windigkeit. Der erfte
Kraft.. - .687
<' % ~ • •• . «
s
Fehler des Leibnitzifcben Kräf tenmaafses , «der
Aier angegeben werden foll , , ziehet in der Sache
der lebendigen Kräfte keine Folgen von Wichtig-
keit nach fich; man kann es aber doch nicht unter-
bauen ihn anzumerken, damit bei einem fo-gro-
fs#n Satze nichts verfäumt werde, was ihn von
allen kleinen Vorwürfen, die man ihm etwa ina-*
chen möchte, befreien kann* Das* Leibnitzi-
Xche. Kräfteiim&afs ift jederzeit in dief et* Formel
vorgetragen worden : W,e nneinC.örper in
wirklicher Bewegung begriffen, iß,, fo
iß feine Kraft, wie das Quadrat feiner
Gefch windigkeit. Es xnufs aber heifsen in
wirklicher und freier Bewegung; denn
eine Bewegung, die nicht frei iß, z. B. die einer
Kugel, welche fachte mit der Hand fortgefchoben,
wird , hört ünpier in" dem Augenblick auf, in
dsin fie entfieht, und wird durch den Druck je-
den Augenblick wieder hergeßellt; fie iit'alfo in
ihrer Wirkung dem todten Druck gleich. Der.
zweite und wichtigfie Fehler des Leibnitzi- ,
fchen Kräftenmaafses iß, dafs es fich nicht
mit dem Gefetze der C o n tinu i t ä t ver-
trägt. Die Vertheidiger der Leibnitzifchen
Schätzung der lebendige^ Kräfte find darin noch
mit den Cartefianern einii^, dafs die Cörper, wenn
ihre Bewegung nur im Anfange iß, eine Kraft
beiitzen, die fich wie ihre blofse Geschwindig-
keit verhalte. Allein fo bald man die Bewegung
wirklich nennen kanx*, fo hat der Cörper, nach
den Leibnitzianerii, das Quadrat der Gefch win-/
digkeitzumJVIaafse. Der Cörper habe nun (Fig. 19.)
in A. eine lebendige Kraft, aber im Anfangspuncte'
D % habe er fie nicht; denn dafelbß würde er einen
Widerß^nclj. der ihm entgegenfiände, blofs mit
einer Bemühung zur Bewegung drücken. Hieraus«
folgt nun 1 ■ ► • .
.\ ■
1. ift xlie Zeit DA eine folche Befiimmung des
Cöjpera, der ii^h in A befindet r wodurch in ihn
t
* l
*
-N
* -
688 Kraft»
'eine lebendige Kraft gefetzt wird; und der Anfangt
punöt D (wenn ich nehmlich den Cörpdr in densel-
ben fetze) ift eine Beitimmung, die ein Grund der
todten Kraft ift.
4. V£enn~d6r Cörper in & iß, fo ift er den
'Bedingungen der todten Kraft näher, als in A; in
' C noch näher, als in B. u. f. f. bis er in D feäbft alle
Bedingungen der todten, Kraft hat; und die Bedin-
gungen zur lebendigen Kraft gänzlich verf 6h wun-
den, lind.. •
3. Wenn man die Zeit DA (die eine Bedingung
der lebendigen Kraft in A ift) in Gedanken abkürzt,
fo wird diefe^Bedingung der lebendigen Kraft der
I Bedingung der todten Kraft nothw endig naher ge-
fetzt, als fie in A w$r? Und fo mufs auch der Cör-
per in B wirklich eine Kraft haben , die der todten
näher kommt , als die in A , und noch näher , wenn
jnan ihn in C fetzte. Es ift aber unmöglich, fich zu
überreden , dafs ein Cörpek 1 / der im Puncte A eine
todte Kraft hat, eine lebendige, die unendliche-
*nal gröfser ift, als die todte, haben follte, wenn
er fich nur um eijxe unendlich kleine Lipie von die-
fem Puncte entfernt hat. • Aber auch eine beftimm-
te verfloflene Zeit kann nicht die Bedingung der
lebendigen Kraft feyn; denn wenn der Cörper,
«. B; nach einer Minute, eine lebendige Kraft be-
käme , deren Maafs das Quadrat der Gefckwindig-
keit) wäre, fo/müfste, er, nach zwei Minuten den
Cubus , nach drei Minuten das Biquadrat u, f. f.
, der Gefch windigkeit zum Maafs haben. - Die Ma-
thematik kann alfo die lebendigen Kräfte nicht be*
weifen , fondern befiätigt fchon ihrer Natur nach
das Gefetz des Des c a r t e s (S. 1 , 41. ff.).
g. Leibnitz feUte folgenden Satz feft: Es
iß einerlei. Kraft nöthig , einen 4 Pfund fchweren
Cörper einen Schuh hoch zu heben, als einen ein-
pfundigen 4' Schuh hoch. Zwei Cörper find nehm*
Kraft- .689
lieh alsdann im Oleichgewicht, wenn die unend-
lich kl^inqn Räume, welche diefe Cörper an den
Enden der beiden Aerme des Hebels durchlaufen
müfsten, wenn fie fich bewegen Tollten, fich um«
gekehrt wie die Gewichte diefer Cörper verhalten;
und alfo fchlofs Leibnitz, ift nicht mehr Kraft
nöthig, einen Cörper von einem Pfunde zur Höh*
4 zu heben, als ei*en andern von 4 Pfunden zur*
Hohe 1. Die Vertheidiger diefes Mannes febei-
nen gemerkt zu haben, dafs man ihnen dies blofe
zugeitehen werde , wenn die Zeiten der Bewegung
gleich lind, und haben daher ihre Beweise fo ein«
zurichten gefacht , als wenn der ünterfchied dir
Zeit bei der Kraft, welche die Cörper durch den
Fall erlangen, durchaus für nichts anzufehen fei.
Herr mann be weilet Leibnitzens Satz z. B. fo:
die Feder (Fig. 45.) AB drücke einen Cörper von A
nach B hinab, und gebe ihm in jedem Punct des
Baums einen neuen Druck (wie es bei der Schwer©
ift) , die Linien AG , DE , FB uu f. w* Collen diefe
Drucke abbilden , fo hat (nach feiner Meinung)
der Cörper, wenn er den Punct B erreicht hat,
eine Kraft, die der Summe aller diefer Drucke,
d.i. dem Rectangel AF gleich ift. Es verhält lieh
alfo die Kraft in D zur Kraft in B, wie das Rect-
angel AE zum Rectangel AF, d. L wie der durch-»
gelaufene Raum AD zum Räume AB, mithin wie ;
die Quadrate der Gefchwindigkeiten in D und B»
Der Fehler in diefem Beweife läfst fich fo zeigen*
Es ift gleichviel lyraft nöthig, eine einzige von
den 5 gleichgefpannten Federn (Fig. 46.) A, B, C f
D , £ , eine Secunde lang zusammenzudrücken , als
alle 5 nach einander binnen eben diefer Zeit.
Denn man theile die Secunde, als die Zeit, wie
lange der Cörper M die Fedef A zusammengedrückt
hält, in 5 gleiche Theile, anftatt dafs nun M alle
diefe 5 Theile der Secunde hindurch auf die Feder
A losdrückt, nehme man an, dafs er die Feder A
nur in dem erßen Theil der Secunde drücke, und
dafs in dem zweiten Theil der Secunde anitatt der
MeUins pkilof. JVort*r\. $.£4. X X
■N
690 - Kraft.
Feder A , die andere B , die gleichen Grad der Span-
nung; hat, untergefchoben werde: fo wird, in der
JKraft, die M zu drücken braucht, bei diefer Ver-
wechselung kein UnterfGhied anzutreffen feyn. Es
wendet alfo der Cörper M fo viel Kraft an, die
einzige Feder A eine ganze Secunde lang zufaminen-
gedrüclgt zu halten, als nöthig iJt, 5 folcher Fe-
dern, binnen eben der Zeit, nach einander zu
fpanxxen. m Es ift alfo. nicht die Menge der zu-
sammengedrückten Federn, wonach die Kraft des
Cörpers, der fie alle fpann*, abgemeflen wird,
fondern die. Zeit der Drückurig ift das rechte
Maafs (S. I, 57. ff.). ,
t *
h. In dem Streit der *C a r t e f i a n e r wider
die Verth eidiger der lebendigen 4 Kräfte , > den die
Marquife von Chatelet mit vieler Beredfam-
keit ausgeführt hat, findet man, dafs jene fich
auch des Uriterfchiedes der Zeit bedient haben,
um die Schlüffe der Leibnitzianer von dem Fall der
Cörper unkräftig fcu machen* Allein fiatt dafs
fie den Leibnitzianer ngar nicht
hätten zugeben follen, ein Gprper könne
mit doppelter Gefch windigkeit vierfa-
che "Wirkung thun, fuchen fie fich mit
der ziemlich fchlechten" Ausflucht zu
rotten, dafs der Cörper diefe Wirkung
nur in doppelter Zeit thun könne. - A -
Folgender Fall thut ebenfalls, dar, dafs in der
Schätzung der Kraft , die durch, die Schwere ent-
lieht, die Zeit noth wendig rnüile in Erwägung
gezogen 'werden. , Man fielle fieh auf die den Ca r-
t e fi a n e r n und Leibnitzi am en n gewöhnliche
Art* die Drucke der Schwere,^ die 'einem Cörper
von der Höhe N {Fig. 47) a'b bi£ xur Horizontal-
linie bc mitgetheilt werden, durch die unendliche
Anzahl Blechfederri AB, CD, EF, GH, vor. Ferner
fetze, man einen Cörper m auf die fchiefe Fl^he
a'c, und einen andern 1 lalle nian von a in b.frei
herunterfallen. Wie. werden nun die Leibnitzi?
/
Kraft. 691
aner die ftraft des Cörpers m, Aet dürlh den
Druck der Federn die fchiefe Fläche 'ac herunter^
getrieben wird, anr End^ diefes ifchrägen Falles
in c fchätzen? Sie können nicht anders, als das
Prodact aus der 'Menge Federn , die den Cörper
aus^a bis in c antreiben, in die Kraft, die .jede
Feder demfelben' naöh der Richtung a c eindruckt,
zum Maafse angeben', denn diefes erfordert ihr Sy-
ftem, wie wir aus Herrmanns Fall (in g.).
gefehen haben. Und eben fo werden fie auch die
Kraft, die fich in dem andern Cörper 1 findet,
der von a bis in b frei fällt, durch das Troduct,
aus der Menge der Federn, von denen er fortgfe-
trieben worden , in die Intenfität , womit jede
ihn fortgeltofsen hat, zu fchätzen g^nöthigt. Es
ift aber die Anzahl der Federn von 'beiden Seiten,
fowohl die fchiefe Fläche a'c, als die Höhe ab,
hinduich, gleich; alfo bleibt nur die Starke der
Ktaft, die jede Feder in beiden Fällen in ihren
Cörper hinein bringt, zum wahren Maafse der
in b und c erlangten Kräfte der Cörper 1 und m
übrig. Diefe Stärke wird fich alfo verhalten wie
ab zu ac. Es wird folglich die Kraft, die der
Cörper 1 ara v Ende des Perpendicularfalles in b hat,
zu der Kraft, die m am Ende des fchiefen . Falles
in c hat, fich gleichfalls wie ab zu ac verhalten,
welches ungereimt ift, denn »beide Cörper » haben
in b und c gleiche GefchwindigUeiten , und, alfo
auch gleiche Kräfte. Die Cartefian,er erklären
diefes durch die Zeit; denn obgleich jede Feder
in den Cörper m: auf der fchiefen Flache ac weni-
ger Kraft hineinbringt (weil ein Theil durch den
Widerftand auf der fchiefen Fläche verzehrt wird),
fo wirken doch dafür diefe Federn in den Cörper m
tiel länger als in den CöTper 1 , der ihrem Drucke
eine viel kürzere Zeit ausgefetzt ift (S. I, 62. fF.).
i. Die Vertheidiger der lebendigen Kräfte ha-
fcen ferne* eine andere Gattung von Beweifen, ^ie
ihnen die Bewegung ela.ftifch.er Cörper
Xx 2
6g% Kraft.
durch, den Stofs darzubieten fcheint. Die Kraft
nach vefrübtekn Stofse ift der Kraft vor dem Stofse
nur dann gleich f wenn man fiatt der Gefchwin-
digheit fchlechthin das Quadrat derfelben fetzt.
Allein in 'Wolfs Mechanik wird man Beweife fin-
den, dafs die elaßifchen Cöfper, dem Gefetze von
der Gleichheit der Wirkungen und der
Ur fache ganz gemäfs, andern Cörpern alle
Bewegungen erth eilen , ohne dafs man nöthig habe,
in ihnen eine andere« Kraft, als die blofse Ge-
schwindigkeit zu fetzen. Fterrinann hat einen
Beweis für die lebendigen' Kräfte aus dem Stofse
dreier elaßifchen Cörper geführt, allein in feinem
Schlaffe , wie in den Schliiflen aller derer, die
die elaftifchen Cörper zur Vertheidigung der leben*
digen Kräfte i gebraucht haben ^iJt der Irrthum,
dafs fie die Kraft des Cörpers überfehen haben,
der geftofsen wird, und dafs daher der anlaufende
Cörper mehr Kraft nach dem Stofse als vor dem-
felben' haben mufs. Bernoulli hat zwar einen
Einwurf des Jurin von dem wechfelfeitigen Stofse
tuielafiifcher und ungleicher Eörper durch Verglei-
ehung mit der Zudruckung der Federn zu wider-
legen gefucht, allein mit wenigem Glück (S. I,
6ß. ff-)-
k. Leibnitzens Anhanger haben aber auch
die lebendigen Kräfte durch die be Händige
Erhaltung einerlei Gröfse der Kraft
in der Welt *) vertheidigt. r - Leibnitz ift
felbft der Urheber diefes metaphy fifchen
Grundes **).' ^ Er .nahm den Grundfatz des
Descartes willig an, dafs lieh in der Welt
*) Man neimt diefen Satz den Grundsatz der Erhaltung
1 e b o ivd i g « r Kräfte Qprinctpium cönfervationU virimm v warum).
**) Jqhann Bernoulli hielt. ihn für fo einleuchtend/ dftl*
ex lagt, yrex ihn bereifen wollte, wurde ihn nur verdunkeln»
-t
l
Kraft. 693
immer einerlei Gröfse der Kraft er«
hält, allein nur einer folehen Kraft, dfren
Quantität nach dem Quadrat * der Gefchwindig-
keit gefchätzt werden muffe; . fonft vermindere
oder, vermehre fich die Kraft in der Natur unauf-
hörlich. Es fei aber der Macht und .Weisheit Got-
tes nicht anßändig, dafs er genöthigt feyn folhe,
v wie fich Newton einbildete, die Bewegung, die
er feinen Werken mittheilte , ohne Unterlafs wie-
der zu erneuern. Allein es kann der Macht und
Weisheit Gottes nicht unanftandig feyn, . dafs iie
nicht ein Gefetz in die Welt gebracht hat,, wel-
ches, wie aus matheinatifchen Gründen gezeigt
worden , abfolut unmöglich ift. Nach LeibnitÄ^na
Gefetze ift die Kraft "in demAnßofse eines kleinen
elaftifcfien Cörper$ gegen einen gröfsern vor und
nach dem Stofse gleich. Das iß aber falfch, alfo
auch das Gefetz (S. I, 83. ff.\
1. Ein einziger Fall, da ein größerer elafö-
fcher Cörper einen kfeinern anfiöfst* und der der
Schätzung des Cartefius widerftritte , würde eni-
fcheidend und ohne Ausnahme feyn; weil* man in
dem felben nach dem Stofse gewifs immer die ganze
Gröfte der/ Kraft vor demfelhen antrat. AHein
niemals hat fich irgend ein Värtheidiger ier leben-
digen Kräfte gewagt , in diefer Art des Stofses das
Cartefianifche Gefetz anzugreifen. Denn er würde
nothwendig ohne Mühe wahrgenommen hatten,
dafs die mecKdnifchen Hegeln mit der Cartefiani-
fchen Schätzung hier ganz wohl über einfiimmen. — ,
Die Leibnitzianer fliehen die Ünterfuchung der le-
bendigen Kräfte durch den Stofs unelafii-
fcher Cor per. Der Stofs unelaftif eher Cor per
ift nehmlich in Abficht auf die lebendigen Kräfte
entscheidende*, als der Stdfs der elafiifchen ; denn
in diefen mifcht fich die Federkraft immer mit
eiiu Es ift kein Zweifel, dafs fich die Leibnitzia-
ner durch die Deutlichkeit in der Vorftellung ven
dem Stoß unelafiifcher Cörper würden überzeugen
6 9 4
Kraft;
raffen , wenn es nur nicht das ganze Gebäude der
lebendigen Kräfte umkehrte. Sie behaupten dage-
gen, dafs lieh fiets in dem Stofse unelaftifcher
Cörper ein ThejiL der Kraft verliere, indem der*
.. felbe angewandt wird, die Theile des Corpers ein-
zudrücken. Daher gehe die Hälfte der Kraft, t die
$in unelaftifcher Cörper hat, verloren, wenn er
an einen andern von gleicher Mafle, der in Ruhe
i/t, .aniiöfst,' und vereehrje fich bei dem Eindrücken
der Theile deffelben. Der JJrfprung diefes irrigen
Gedankens iXt , f dafs in der Erfahrung die Theile
unelaftifcher Cörper durch den Stofs eingedrückt
werden,- allein in einer mathematifchen Betrach*
tUu 4 find wir/nicht genOthigt, auf diefe Krfahrusg
Rückficht, zu nehmen* In dpr Mathematik verfie*
het man unter der Federkraft eines Corpers nichts
anders, als diejenige Eigenfchaft, durch die er ei-
nen andern Cörper , der an ihn anläuft , mit eben
. demfelben Grade Kraft wieder zurückßöfst , mit
.jKSlchem diefer an ihn angelaufen war. Die Be-
trachtung eines unelafiifchen Corpers in der Ma*
therriatik fetzt alfo nichts weiter voraus, als nur
dafs er in fich keine Kraft habe, eüien Ccxper, der
' ihn ßofst, wieder zurück zu prellen; und wenn
diefe einzige Befiimmur}g dasjenige iß, worauf
• das ganze Hauptfiück der Bewegung unelaftifcher
l^örper gebauet iß: fo iß es ungereimt, zu behaup-
ten; dafs die Regeln diefer Bewegung deswegen
/fo befchaifen find, weil die Eindrückung der Theile
derer lieh fiofsenden Cörper folche und keine an-
dern Gefetze zulaffe.. Sogar in der Natur iß ein
Cörper deswegen nicht unelaßifch, weil feine
^heile eingedrückt» werden, fordern nur deswe-
gen, ~ weil fie lieh nicht niit eben dem Grade Kraft
wieder herfiellen, mit welchem fie eingedrückt wer-
den. Mati kann alfo einen Cörper unelaßifch nen-
nen, wenn ipr gleich vollkommen hart iß. Das
^Eindrücken der Theile iß auch kein Grund, wes-
\ wegen in dem Stofse unelaftifcher Cörper ein Theil
der JSraft fpUte verloren gehen. Wenn pine K**
, I
' KraftV, ?95
gel A (Fig. 48.) gegen £ine andere* B belegt wird,
und die Feder R im, Anlauf 'zufammen drückt: fo>
treten alle die kleinen Grade der Kraft, welche
angewandt wefden, die Feder zufammen zu drücken*
in die MafTe des Cörpers B über, und häufen lieh
fo lange, bis fie in den- Cörper B die ganze Kraft
hinein gebracht hpben, womit die Feder ift zu-
fammen gedrückt worden. Denn der Cörper A
verliert keinen einzige^ Tfaeil der Kraft, nnd x
die Feder wird auch nicht um den geringften Theil
zufammengedrückt, als nur in fo fern fie fich an
den Cörper BÜeift. Sie fteifet fich aher mit der
Kraft, womit A fie von der andern Seite zufam-
mendrückt, und welche diefer Cörper in ihrer Zu-
fammendrückijng aufwendet und verzehrt. Nun ift
es äugen fcheinl ich, dafs eben derfelbe Grad Kraft,
mit der fich die Feder gegen B auszudehnen bemü-
het ift, und dem die Trägheitskraft der Kugel B
widerftehet, in diefelbe Kugel hinein kommen
nruffe. Alfo empfängt B die ganze Kraft, lieh nach
der Richtung BE zu bewegen, welche in A ver-
zehrt ift , indem er die Fedc^r B zufammendrückt.
Es verzehrt alfo der Cörper A f indem er in fei*
Dem Stofse gegen B von beiden Seiten die Theile
eindrückt, nichts von feiner. Kraft bei die fem
Eindrucke, was nicht der Cörper B überkommt,
und womit er fich nach dem Stofse bewegt. Wenn
man gleich den Gegnern der Gartefianer alles übrige
verftüttete, fo kann man ihnen, doch die Kühnheit
nicht verzeihen, die in der Forderung fieckt,
dafs fich in dem Stofse unelaftifcher Cörper nicht
mehr und nicht weniger,, fondern nur gerade fo
viel, von der Kraft durch das Eindrücken der
Theile verzehren folle, \.als fie $s felbft in jedem
Falle nach ihrer Schätzung nöthig finden* Es ift. .
eine Verwegenheit, . die unmöglich zu verdauen
ift, dafs .man -uns , ohne allen Beweis, zu glau-
ben aufdringen will; ein Cörper muffe in einem
Stofse gegen einen- gleichen gerade die Hälfte f in
einem Stofse gegen einen dreifachen gerade £ der
00$ Kraft. " '
< • « —
Kraft u. L w. durch den Eindruck der Theile ver*
,lieren. , Die Leibnitzianer können dooh nicht leug-
nen, ,dafs, je geringer die Fettigkeit der Mafle
der unelaßifchen Cörper in Vcjrgleichung mit % der
Kraft des Anlaufens ift, defto ftärker werde lieh
die Kraft beim Eindrücken der Theile verzehren;
je härter aber beide Cörper find, um defto weni-
ger muffe fich von derfelben verlieren, denn
-wenn .fie volLkonimeta hart wären, fo wurde kein
Verluft der Kraft ßatt finden (S. I, 94.. ff.).
m* JDer Stofs unelaftifcher Cörper hebet die
lebendigen Kräfte gänzlich auf. Es »ift überhaupt
unmöglich, die Schätzung der Kräfte, nach dem
Quadrat der Geschwindigkeit aus dem Zufammen-
ftofsen der Cörper zu erkennen* Man ift tfehmlich
•darin ein», dafs man fich der Bewegung der Cör-
per durch den Stofs auf keine andere Art zu dem
' Endzweck, davon wir reden, bedienen könne,
als dafs. man die Kraft, welche ein bewegter Cor«
per durch den Stofs in andere hinein bringt, wie
die Wirkung anfleht, mit der man die Quantität
der Ur fache abmeflen mufs, die fich erfchöpft hat,
fie hervorzubringen* Wenn 'aber ein bewegter Cör-
per den andern anliefst, fo bekommt der angeflo-
gene Cörper in dem Augenblick, zwar die ganze
Wirkung, aber noch keine, wirkliche Bewegung,
fondern eine blofse Bemühung zu derfelben , mit-
. hin die todte Kraft, die nach der Gefch windigkeit
fchlechthin gefchätzt wird. Mithin wäre die todts
' Kraft die Wirkung der lebendigen , welche nach
dem Quadrat der Gefch windigkeit gefchätzt wird,
alfo die Wirkung der Urfache ungleich und un-
endlichemal kleiner als die Urfache, weldhes un-
gereimt ift. Entweder ift die Kraft, die der ge-
ftofsene Cörper hat, den Augenblick zuvor, ehe
er fich von dem Stofsendeij entfernt, derjenigen
Kraft gleich, die er hat, nachdem er fich fchon
wirklich bewegt, und von demfelben entwichen
ift , oder fie ift ihr nicht gleich. Ift das erß? , fo
Kraft. 697
kann man die Kraft <les geflossenen Cörpers nch*
tuen in welchem Augenblick der Bewegung man
will \ fie mufs dann allenthalben der Gefch windig»
keit fchlefchthin gleich fayn w weil fie derjenigen
gleich ift, die der Cörper hatte, ehe feine Bewe-
gung wirklich war. Ilt das zweite, So ift die
gröisere Kraft de^ Cörpers in der Bewegung .keine
Wirkung des ftofsenden Cörpers, denn die 'ganze
Wirkung deilelben bekam er fchon im Äugenblick
des Stofses, beim Anfang der Bewegung oder ehe
'die Bewegung wirklich war (S. I, 109. lt.).
11. Kant ziehet nun diejenigen Fälle in Erwä«
gung, . welche die Vertheidiger der lebendigen
Kräfte von den zufammen gefetzten Be^e*
gungen der Cörper zur Beseitigung ihrer Sätze
entlehnt haben. Bilfinger (De viribus c&rpori
vioto inßtiSj earumque menfura in Comm. Petrop»
To. I. p. 45. fqq,) hat fich um diefe Art der Be»
weife am ineißen verdient gemacht. .Er fagt:
(Fig. iß.) ein Cörper A, der zu gleicher Zeit eine
Bewegung . nach der Richtung AB mit der, Ge-
fchwindigkeit AB, und eine andere nach der
Bichtung AC mit der Gefchwindigkeit AC hat,
bewegt fich in derfelben Zeit durch die Dia*
gonale AD. Diefe Diagonale ift aber immer klei*
ner als AB und AC zufammengenommenl hin-
gegen ift nach dem Pythagorifchen Lehrfatz
das Quadrat von AD fo grofo als die Summe
der Quadrate von AB und AC. Hieraus folge,
die Kraft «eines Cörpers, der in wirklicher Be-
wegung ilt , könne blofs mit dem Quadrat feiner
Gel ch windigkeit gemeffen werden. Allein die Ge*
fchwindigkeit AD ift wirklich die Summe der Ge-
fch windigkeiten des Cörpers in AB und AG f nur
find diefe Gefch windigkeiten nicht fo grofs als AB
und AC. Denn nach der mechanifthen Lehre von
der Zerlegung der ' Gefch windigkeitei} ift die Ge-
fchwindigkeit durch AB zu betrachten, als fei fie
aus den beiden AF und AH, die Gefchwindigkeit
V .
r
j
6g& Kraft
r *
« »
durch AC aber aus den beiden AE und AG zu*
iammeftgefetzt. Nun lieben lieh , aber die beiden
Gefch windigkeiten AF und AE-, als einander, ent-
gegengefetzt trnd gleich, einander auf« Folglich üt
die Gefchwindigkeit durch AD wirklich die Summe
der wirklichen Gefchwindigkeit durch AB, welche
AH iß, und der wirklichen Gefchwindigkeit durch
&C 9 welch« AG ift (weil nehrrilich AG = HD ift,
fo ift AH '+ AG = AH + HD = V (AB 2 + AC 2 ).
(§. I, 114. iE).
0. Aus diefero Falle werden die lebendigen
Iträfte felbft widerlegt. Denn aus den Kräften,
welche di4 beiden Bewegungen AH und AG mit fich
führen, ift die ganze Kraft der Bewegung in der
Diagonallinie AD zufommengefetzt , und was alfo
in jenen beiden nicht ift, das ift auch nicht in
diefer. Es läfet fich die Bilfingerfche Behauptung
aber auch .auf folgende Art widerlegen. Wir neh-'
inen mit Bilfinger an, daft die Seitenkräfte AB
und AG dem Cörper a, durch ' den Stofs zweier
gleichen Kugeln, mit den Gefch windigkeiten bA
m AB und cA rr AC mitgetheilt werden , wodurch
eine Bewegung und Kraft durch die Diagonallinie
bewirkt wird." Gefetzt aber, die Kugel fei in D
und die ftofsenden Kugeln feien in B und C , wel-
ches' keinen Unterfchied in der Gefchwindigkeit
macht , fo wird die Kugel offenbar mit der Summe
der Gefch windigkeiten BE und CF perpendicular
gegen EF getrieben , und Ch und Bg heben fich
einander auf. Die gerade Kraft in der Diagonale
üt alfo reicht der Summe der Rvaftd nach den Sei-
ten gleich,
s
, p. In der L eibnit^ifchen Kräftetvfchätzung
i/t die Summe der in fchräger Richtung ausgeübten
Kräfte der Di^gonalkraf t gleich , , allein . hei der
Cartelianifchen ift jene oftmals unendlicheniai gr<*-
fser als diefe. _ Diefes verdient noch eine Unterfu-
/
Kraft."
^99
chimg, weil fich daraus ergeben mtuV, welch«,
Schätzung die richtige fei (S. I, lao. ff.). ' .
•
Gefetzt,, ein Cörper laufe, vejrmittelft feine*
Centrifug^lfchwunges , in einer Cirkellinie um die
Erde; leine Gefch windigkeit fei endlich, unver-
änderlich un4 immer in derfelben Linie. Die
Schwere bringe aber in einen folchen fich fireibe-
wegenden Cörper in einer endlichen Zeit eine, enc^'
liehe Kraft, ©der verzehre in demfelben eine foj-
che Kraft, wenn n eh ml ich die beiden Kraft«, die, '
welche dem Cörper beiwohnt und die .Schwere,
einander entgegen wirken* So mufs^ dejr Cörper
nach dem Leibnitzifchen Kräftenmaafs feine IJewe-
gvmg gänzlich verlieren, und es ift gar keine fol*
che Cirkelbewegung möglich; weil, wie ; alle «Mci
chaniker einig lind, aus der Zertheilung der Be««
wegung klar ift, dafs wenn ein Cörper nach ein»
ander gegen viele Flächen in fchräger Riclitimg
abläuft, wie hier der Fall iß, er feine Bewegung
alsdann gänzlich verliert, wenn die Summe der
Quadrate aller Sinufle der Einfallswinkel ,ßem
Quadrat des Sinus totus, der die erftß Gefchwin*
digkeit feiner Bewegung. anzeigt, gleich ift* Wenn
pun die Schätzung nach dem Quadrat ftatt findet,
fo hat der- Cörper alle feine Bewegung verloren,
wenn die in* fchräger Richtung ausgeübten Kräfte v
alle zufammen der Kraft, die ihm in gerader Be*
wegung , bei wohnt, gleich find. Demnach beitehet
die in zertheifter Bewegung ausgeübte Kraft, wenn
fie dem Quadrate der Seiten des rechtwinklichten
Parallelogramms proportional gefchätzt wird, fogar
nicht mit den allerbekannteften Gefetzen der 'Kreis-
bewegung der Cörper, und mit den Cercträlkräf-
ten, difr fie ausüben. Es find alfo die Seiten-
kräfte in jeder zufammengefetzten Bewegung nicht,
fo vrie es die Leibnitzifche Schätzung erfordert,
in der Proportion der Quadrate der Gefchwindig-
leiten. Die Cartefianifche Kräften fchätzung hilft
diefer Schwierigkeit, unter der die Leibnitzifche
700 ' . , Kraft.
erliegt, ganz vortrefflich ab;; denn nach derfelben
verliert der Corper,, der um einen Mittelpunct,
gegen welchen er durch feine Schwere gezogen
wird, ( in einem Cirkel läuft, durch die R : nder-
iuflfe der Schwere in jeder endlichen Zeit unend-
lich wenig, nach, der Leibnitzifchen Schätzung
aber in jeder endlichen Zeit etwas, endliches. Zu-
gleich zeigt fich hier der Widerfpruch, dab die
'Gefch windigkeit nach den Quadraten gefebätzt we-
niger ausrichtet, als die Gefch windigkeit fchlecht-
hin, ein Widerfpruch,. der; nicht gröfser kann ge-
dacht werden (S. I, 127. ff.).
q. Die Zerfiörung des allgemeinen Grundfatzes,
von der in znfammengefetzter Bewegung befindli-
chen gleichen Gröfse der Kraft mit der in der einfa-
chen, wirft zugleich viele Fälle mehr über den
Haufen , die die Verfechter der lebendigen Kräfte
äiif eben diefem Grunde erbaut haben. Bernoulli
nimmt z. B. 4 Federn an , die alle gleiche Kraft
y ftöthig haben , gefpannt zu werden. Wenn nun ein
Cörj*^^2 Grad Gefch windigkeit , unter einem
Winkel von 30 Grad, gegen 3 diefer Federn anläuft,
• und gegen die vierte perpendicular, fo fpannt er
alle 4 Federn, er übt alfo mit st Grad Gefchwindig-
keit 4 Grad Kraft aus. Allein diefe Kraft kann der
Corper nur im fchiefen Anlaufe haben. Jedermann
fchätzet aber die Kraft eines. Cörpers nach der Ge-
walt, die im fenkrechten Stofse in ihm anzutreffen
ift # — Der wichtigste Fall iß aber folgender. 8»
Corper A, der u zur Made und 2 zur Gefchwindig-
keit hat, ftofse zwei Corper auf einmal, unter ei-
nem Winkel von 60 Grad, die jeder zur Mafle 3
haben, fo bleibt A nach dem Stofse in Kühe, und
die gefiofsenen ßörper bewegen fich jeder mit 1. Gra-
de Gefchwindigkeit , folglich l)eide zufammen nnt
4 Graden Kraft. Mäiran hat aber hierauf fchon
ganz richtig geantwortet: dafs ein besonderer und
,nur auf gewiffe Umftande emgefchränkter Fall kei-
ne neue Kräf tenfehätzung beweifen hönne. Bei der
\ —
. Kraft. 701
• - ♦ «
Widerlegung der Schlöffe, die zum Vorth*il der le-
bendigen Kräfte aus der Zufammenfetzung der Be-
wegungen entlehnt werden, fo wie überhaupt Ivr-
thümer in Behauptungen aufzudecken , iß die Me-
thode fehr nützlich , dafs man unterfucht , ob auch'
die Vorderlatze alles das enthalten, i^as man im
Schlüfsfatz daraus abgeleitet hat. Im dem Paralle-
logramm (Fig. 13.) ilt freilich das Quadrat der Dia«
gonale 4er Summe der Quadrate der Seiten gleich,
aber daraus folgt doch nicht, dafs lieh die zufam-
mengefetzten Kräfte zu einer Won den einfachen,
wie das Quadrat der Linien der Anfan gsgefch Wür-
digkeiten verhalten werden, fondern alle Welt ilt
darüber einig- da.fs in diefem Fall die Kräfte fich
nur wie die blofsen Gefch windigkeiten verhalten*
Da nun das Vethältnifs offenbar £anz daflelbe bleibt,
wenn die Bewegung wirklich erfolgt, als wenn die
Kräfte blofs noch drücken , fo kann natürlich aus
denfelben Vorderlatzen nicht* wieder eine andere
Kraft folgen;/ denn Aafs dieBswegu&g wirklich er-
folgt, kann doch in der Proportion der Linien
zu einander nichts äiidern, und diefe iß dooh un-
endlich nahe an dem Punct A, d. i. ehe noch die
Bewegung erfolgt diefelbe, als in jeder Entfer-
nung von diefem Punct. Bilfinger bemerkt
zwar, die Wirkung der todten Kraft, muffe durch
das Product der Inten fität in den Weg,/ den fie
nimmt, gefchätfct werden,' diefes werde aber durch
das Quadrat diefer Linie ausgedrückt, alfo könne
man den Cartefianern zwar zugeftehen: dafs die
Wirkungen in der Zufammenfetzung todtec Drücke
gleich feyn; allein hieraus folge nofh nicht, dafs
die Kräfte deswegen auch, gleich Teyn muteten.
Allein c^iefe metaphyfifche Behauptung fällt
dadurch, weg, dafs gleiche Vorderfätze nicht. ver-
schiedene einander aufhebende Schlüfsfätza geben
können (S. 1^ 134. iE).
r. Der Hauptf^U für die lebendigen Kräfte iß
nun der, welchen Leibtiitz (Act. Erud. 1690)
702 l£ra& ,
/
%
felbft ariftilirt, und auf den er lieh imitier beru-
fen hat. Eine Kugel A (Fig. 51), von vierfacher
Mafle, falle auf der fchiefen und gebogenen Flä-
che, deren Hohe 1AE wie 1 iP, . aus 1A in 2A,
und .fetze auf der Hörizontalfläche EC ihre Bewe-
gung, mit ,dem Gtade, den lie durch den Fall
erlangt hat, und der wie 1 ift, fort. , Man fetze
ferner ? 'dafs fie- alle Kraft, welche fie hat, in ei-
ne Kugel B von einfacher Mafle übertrage, * und
nach diefem felbft im Functe 3A ruhe. »"Was wird
nun die Kugel B, ,die 1 zur Mafle hat, von der
Kugel A, die £tnal mehr Maffe und einen, ein-
fachen Grad * der Geschwindigkeit hat, für eine
Gefchwindigkeit erhalten Collen , wenn ihre Kraft
hierdurch der Kraft, die die Kugel A hatte, gleich
werden foll ? Dip Cartefianer fagen , ihre Gefch win-
digkeit werde vierfach feyn muffen. Es laufe
alfö ,die Kugel B mit 4 Grad Gefch windigkeit aus
1K bis 2B und die gebogene Fläche hinauf bis 3B,
de (Ten Perpendicularhöhe 3BC wie 16 ift. Dort
falle die Kugpl auf die inclinirte Schnellwage 5A
36, welche fich um F bewegt, nrid deren Arm
F3B 4mal und etwas weniger drüber länger fei,
als der ändere 3AF, aber ihm doch das Gleichge-
wicht halte, auf dem letztern Arm aber liege die
Kugel 1A in 3A; fo wird die Kugel B die Wage
in die Lage 4A 4B bringen und den Cörper A j
durch 3A 4A heben, w&lchei- Rauifi 4nial fo grofs
ift, als 1AE. Wenn nun durch eine mschanifche
Vorrichtung gemacht, würde, dafs die Kugel aus'
4A in iA zurückfiele, fo hätt#*fie fchon eine grö-
fsere Kraft erlangt und würde den Cörper B noch
hoher treiben, und fö würd,e aus' der Kräften-
fchätzung des Cartfefius folgen , , dafs ein Cörper
durch" feine Kraft immer mehr Wirkung thun wer-
de, in* Unendliche, \ daFs die Wirkung gröfser
feyn. könne als ihre Urfache , und dafs' eine immer-
währende Bewegung (perpetuum mobile) möglich
fei (S. I, 149, ff.). • . ' _ ' ^ *
t—r--
704
♦ .»
Kraft.
habe, der eine Laß, durch einen gewiflen Raum
hindurch getragen v habe; nun trage ein Cörper
feine eigene Maße , vermöge der Kraft , ' die er in
der wirklichen Bewegung belkzt, durch einen
Raum hindurch; eben hierdurch habe feine Kraft
etwas gethan und ausgerichtet. Nachdem nun
Wolf «erklärt hat, was er durch unfclräd liehe
Wirkungen verfteiie, nehmlich folche, in de-
ren Hervorbringung die Kraft lieh nicht Verfehlte,
fo le<rt er einen Satz zum Grunde, auf welchem
fein- Gebäude einzig und^ allein errichtet ift,, und
den man ihm nur nehmen darf, um alle Bemü-
hung in feiner Schrift fruchtlos zu machen. Er
heifst: wenn zwei Bewegliche durch ungleiche
Rüuni4 bewegt werden, fo verhalten fich die un-
schädlichen Wirkungen wie die Bäume, - Sein Be-
weis beruhet auf diefet Vorausfetz ung : wenn
'der Cörper durch eben denfelben Baum
gehet, fo hat er auch eben diefelbe un-
fchädliche Wirkung ausgeübt. Allein die-*
fer Grundfatz ift falfch, denn ifi die Geschwin-
digkeit der Cörper verfchieden, fo ift es auch.ihrd
unkhäd liehe Wirkung; gefetzt nehmlich , der
Kaum fei durch eine unendlich wenig widerfte-
liende Materie erfüllt, fo ift die Wirkung un-
fc ädlich, aber man flehet doch, dafs wenn der
eine Cörper zweimal fo gefchwinde ift, als der
andere, er diefer Materie auch zweimal fo viel
Gefchwkidigkeit eindrücke, alfo feine unfehädliche
Wirkung zweimal fo grofs fei bei gleichem Baume.
Da nun fein ganzer Beweis auf diefen falfchen
Grundfatz gebauet ift, fo hat er mit demfelben
für die lebendigen Kräfte nichts geleiftet (S. I,
i6fl. ff.).
u. Muffe henbroek (Introduct. ad philof. na-
tur. To. L $♦ 27a. fq. überfetzt von Gottf^hed,
1747.) ^ at aucK * * ;t| i^fcjMA* Schätzung verthei-
digt. Er fagi ^Httft liirnr frirriü *'
dern, ' die ein«
■ I
I,
Kraft. ' 71*5
• * • *
keit* mittheilen , verhält fich , wie, die ganze Ge-
fchwindigkeit , die der Cörper alsdann haben wür-
de, wenn er diefen Grad befafse. Diefe Federn '
aber ftellen die 'Kräfte vor, welche zufammen in
dem Cörper eine Geschwindigkeit hervorbringen,
nnd wie fich die Anzahl der Kräfte, die
in Einern Cörper wirken, verhält, fo ver-
halt" fich auch die in demfelben hervor-
gebrachte Kraft. Hieraus folgt aber, dafe
lieh ^.die Kraft des Cörper s x wie das Quadrat der
Gefchwindigkeit verhält. , Denn, man kann fich
in dem- Triangel ABC (Fig. 52.) deflen Kathet AB
in gleiche Theile getheilt iß, unter den Linien
DE, F(j «.f. w., die fich -wie die Linien AD, AF
u. f. w. verhalten', die Federn vorftellen , wtelche
dem- Cörper einen Grad, zwei Grade u. f. w. Ge-
fchwindigkeit nach der Richtung AB ertheilen.
Denkt man fich nun diefe Linien uil endlich nahe
an einander, fo machen fie den ganzen Inhalt des
Triangels aus; alfo verhalten* fich die Federn wie
die Fläche des Triangels, d. i* wie das Quadrat
der Gefch windigkeit AB. Allein, wenn man die.
in einen Cörper übertragene Kraft nach der Summe
gewifTer Federn fchätzen will, fo mufs ljian nur
diejenigen Federn nehnhen , die ihre Gewalt in den
Cörper wirklich' hinein bringen; diejenigen aber,
die in ihn gar iiicht gewirkt haben, kann man
auch nicht gebrauchen, uta eine ihnen gleiche.
Kraft in dem Cörper zu fetzen. Wenn nun DE
dem Cörper einen Grad Gefchwindigkeit gegeben
hat, fo mufste er noch kerne Gefchwindigkeit ha»
ben, hätte er (chon einen Grad Gefchwindigkeit,
fo wifkte fie gar nicht auf den Cörper. Hätte der
Cörper zwei Grad Gefchwindigkeit, fo wirkt auch
die^. Feder DG gar nicht auf ihn, hat er aber nur
einen Grad , fp wirkt fie mit der Kraft' f G und
ixkck fr Xnit ihrer ganzen Kraft auf ihn, und igiebt
nur einen Grad mehr; dies ift auch der
Feder ÖH, wenn der Cörper fchon zyvei
ijiigkeit hat, die Feder wirkt dann
*.3.B<*. Yy
I -•
jq6 m Kraft»
1 nur mit der Kraft hG auf ihn , und giebt ihm ei-
nen Grad Geschwindigkeit mehr, u. f. w# . Ruhet
der Cörper aHb, und wkken alle die, Federn auf
ihn, fo giebt ihm DE einen Grad Gefchwindig-
keit, ¥6 aber nicht zwei Grad, fondern -Veeii *r
fchon einen Grad hat, auch nur einen Grad, nehm-
J lieh fie wirkt mit fGund^Ff iß müfsig. Folglich
wirken nur X>fi, fG, hG, kM, IN, rO, bC, und
die Summe der Kräfte, welche fo grofs ift, ah
wenn BG allein und ganz gewirkt hätte, ifi der
Summe der Gefchwindigkeit fchlechthin AB, und
nicht dem Quadrat derselben, gleich (S. I, 175. ff.).
v. Folgendes ift ein neuer Fall zpr Beftäti-
gung des Cartefianilchen Kraftenmaafses. Nehmet
eine inclinirte Sdinellwage (Fig. 55.) ACB, deren
einer Arm CB gegen den andern AB vierfach, der
Cörper JJ aber, der das Ende des Armes CB drückt,
viermal leichter als A iß, fo bleibt die Wage im
Gleichgewicht und in ihrer Buhe. Bin kleines Ge-
wicht e aber an A angehängt wird machen , « dafs
die .Wage aus der Lage AB in die Lage a b kömmt,
und ein viermal leichteres d, in b angehängt,
wird, wenn man a weggenommen hat, die Wage
wieder aus der Läge ab in die Lage AB bringen,
B aber ßeigt oder fallt bei diefer Operation durch
den Bogen Bb, der viermal gröfser ift als der Bo-
gen Aa , durch den A fallt oder fteigt , alfo mit
viermal gröfserer Gefchwindigkeit. Nun mufs e
beides A niederdrücken und B aufheben, d mufs
> ebenfalls dies beides, nur Umgekehrt, thun,
- folglich wenden beide Cörper ik und- 9 gleich yiel
Kraft an, nur mit umgekehrter Gefchwindigkeit,
e, der vierfache Cörper , mit \ der Gefchwindig-
keit, und d, der ^in Viertheil mal leichtere Cörper,
mit vierfacher Gefchwindigkeit, alfo dieJBefch win-
digkeit .multiplicirt mit de* Gröfse der Mafle , das
iß, ..das Cartcfianifche Kräftenmaafs ift da», rich-
tige (S.I, igo. ff.)- "".'"'.'
Kraft. .; 707
vr. Im dritten Hauptftück legt K. eine
neue Schätzung der lebendigen Kräfte,
als das wahre Kräf tenmaafs der Natur
da f. Allein fo vortrefflich und richtig das zweite
Hauptftück diefer Schrift ift, fo unrichtig ift Wie*
4er. diefes dritte, welches, lieh auf die Voritel-
lung gründet, dafs der Cörper ein Vermögen in
fich habe, die Kraft, welche "von etwas aufser
ihm, durch die Urlache feiner Bewegung, in ihm
erweckt worden, von felbli in lieh zu vergrö-
fsern. Kant; hat diefe Hypothefe erfunden, um
die lebendigen Kräfte gegen die Mathematik zu
retten, weil er damals lieh -• Vorftellte , fie befän«
den fich wirklich in der Natur. Befonders fchie-
»en ihm einige Verfuche dafür zu fprechen. Aus
diefen Ver fachen erhellet , . dafs Kugeln von glei-
cher Gröfse und Mafle, wenn fie aus ungleichen
Hohen herab in weiche Materien, z.,B. UnfchJitf,
fallen , Gruben eindrücken, deren Tiefe fich wie
das Quadrat der Höhen, alfo der Geschwindigkei-
ten, verhalten* {S. JL 263.).
x. Allein man mufs nicht auf die Tiefen der
Gruben fehen, fondern auf die Gröfse der Wirkung
in einer gegebenen Zeit, in Welcher der Cör-
per feinen Rauir* mit kleinerer Gefch windigkeit
zurücklegt* Wenn der Cörper/ z. B. einen btofs
bekömmt, und durch diefen eine gewiffe Gefch win-
digkeit verliert, fo legt der Cörper, allerdings in
einer gegebenen Zeit, z. B, einer Secunde, einen
kleinem Raum zurück. Nun ift es aber falfchi,
dafs, wie fich die Leibnitzianer, und Kant felbit
(S. I,' 264), ehemals vorfiellten, der Zufammenhang
durch die ganze weiche Made gleichförmig fei,
dafs alfo die Gröfse des Widerfiandes , ,urid daher
auch der JKraft, die der Cörper- anwenden mufs,
diefelbe zii brechen , fich Wie die Summe' der ge-
trennten Theile, d> i. wie dje Tiefe der einge-
fchlagenen Gruben verhalten: Sondern, ' weil die
Tlfljjfraupht blofo getrennt, fondern auch zurück
70ß • .■ ' Kraft.
< >
, gefchoken werden müflen, und dabei von denüuf
ihnen liegenden Theilen gedrückt wersien , fo yrird
der Widerftand immer gröfser nach dem Gefetz
der Schwere, und eben daher ift aucl\ die Wir*.
kung der gleich, wenji ein Cörper mit einer ge-
^wiflen Gelchwindigkeit wider' die Höhe fteigt: Dit
Schwierigkeit aber , die das Quadrat der 'Geschwin-
digkeiten hier macht, ift fchon in den Abschnitten
g. ff. gehoben worden. Die Kräfte der bewegten
Cörper verhalten, fich alfo eben .fo wie die Kräfte
der ruhenden Cörper , wfenn fie , wie bei fchweren
Cörpern ein B eil r eben haben fich zu bewegen,
nicht wie die Quadrate ihrer Gefchwindigkeiten,
fo dafs der Cörper, der zweimal gefchwinder wäre,
zweimal zwei, d« i. viermal fo viel Kraft hätte,
fonder ri er hat auch nur zweimal fo viel Kraft,
als ein gleich grofser Cörper, der nur einmal fo
gelchwind ift. Dafs aber nicht mehr Kraft nöthig
ift, einen Cörper von einem Pf unde zur Höhe 4 zu
heben , als einen Cörper von 4 Pfunden zur Höhe
1, ift nur unter der Bedingung wahr,
dafs di^e Zeiten der Bewegung gleich find,
Welches z. B» bei der Schnellwage, der Fall ift.
Dann iß der Cörper, der 4 Bäume durchläuft, nicht
zweimal, fondern viermal fo gefch wind, als der
Cörper, der nur 1 Baum durchläuft, denn' er braucht
diefelbe Zeit zu 4 Bäumen , als der letztere
zu einem Raum *). * Leibnitz dachte nicht an
diefe Bedingung der gleichen Zeit, und fchlofs,
es fei auch fo bei' Bewegungen in Zeiten, die
einander nicht gleich find . (S. I, £8.)* Die Carte-
fianer gaben- .den Leibnitzianern ihre wunderliche
Behauptung, ein Cörper könne mit doppelter
Gefch^nndigkeit ' nicht blofs zwiefache, . Ion dein
*) Die Gefchwindiglteit verhalt lieh nehmlich wie die Raum*
diviUtrf durch <U« Zeiten, C:=r£, C Bo weffun £» IV.
Kraft.
709
ricr fache Wirkung ihun, zu, und verdarben
dadurch ihre gute Sache, dafs fie diefelbe nur mit
Schlechten Gründen vertheidigten (S. I, iSg.).
y. x Hiernach kann Ann- Kein Unterfchied zwi»
fchen lebendigen und todten Kräften fiatt finden,
d. i. die Kräfte und vollkommen fpeeififeh diesel-
ben, und haben alle das Maafs MC (die Mafle M
multiplicirt mit der Gefch windigkeit), wenn fiö
meclvanifch find, oderfolehe, welche die Cos-
per haben , in fo fern fie felbß in Bewegung find,
es mag nun die Gefchwindigkeit ihrer Bewegung
endlich (d. i. diefe Cprper wirklich in Bewegung),
oder unendlich klein (eine blöke Befirebung zur
Bewegung oder Sollicitation) fpyn. Man würde
vielmehr weit Schicklicher diejenigen Kräfte, wo-
mit die "Materie (wenn man von ihrer eigenen
Bewegung, auch fogarvbn der Befirebung, fich zu*
bewegen, gänzlich abfifahirt) in .andere wirkt,
folglich - die dynamifchen bewegenden Kräfte,
todte, alle mechani fchen bewegenden Kräfte
dagegen lebendige nennen, bhne auf den Un-
terfchied der Geschwindigkeit zu fehen , deren Grad
auch unendlich klein (blofe Sollicitation) feyn darf,
wenn ja noch diefe Benennung todter und le-
bendiger Kräfte beibehalten zu werden verdiente
(N. iio* ff.),
*
14. Schnellkraft, f. Elafiicität. *\
45. Spannkraft, f. Elafiicität.
%
16. Springkraft, L Elafiicität.
17. Todte Kraft, vis mortum, forcemor-
tt, L Kraft, lebendige«
iß. Treibende Kraft, f. Zurückfto-
fsunggkraft.
jL*M±*
;./
7*0 Kraft. Kriecherei. .
-ig. WefentlicLe Jtraft, tis - ejfetilialis,
force effentielle, f. Kraft, lebendige, d.
, v '
äo. Wirkende Ktfaft, viiactiva, force
activC) f. Kraft, lebendige, d,
»
ai. Ziehende Kraft, f. Anziehungs-
kraft,
• ss. ZurÄckfiofsende Kraft, X Zu*
rückifofsungs kraft
\
23. Zurückftofsungskraft, f. Zurück*
ßafsurigskraft. •
Kriecherei, .. , .
fittlich^falfche, erlogene D.emuth, hinnili*
1 tas fpuria, fauffe humilite. Die Entfagung
alles Anfpruchs auf irgend einen mora*
Jifchen Wertli feiner felbfi, in der' Ue*
berr^dung, fich eb'ten dadurch eine« ge-
* borgten zu erwerben (T. 95.). DerJMenfch iß
kriechend, wenn. er lieh darum, dafs ihn Ali*
dere als ein Wefen betrachten und behandeln,
'welches Zweck an fich felbfi iß, fo »bewirbt, als
/ wäre es eine Gunfi, die er lieh zu verfchaffen fu-
che. Dies ift die Wirk ung einer knechtifchen
' Gefinnung (animi fervilis) 9 welche der S e 1 b fi-
fchätzung, einer Pflicht des Menfchen gegen
fich felbß, gerade entgegen iß (T. 94. f.).
- " ■ - ' • - * r .
ö, Kant erklärt diefes T-afier auch fo, es' iß
die blofs als Mittel, zur Erwerbung der
Gunß eij^es Andern (wer es auch feij»
a-usgefonnene Herabfetzung feines eig e *
nen moxalifehen We,rths {Heuchelei und
Schmeichelei). *E$ iß eine Herabwürdigung
feiner ferfönlichkeit , und folglich überhaupt der
*
\
/
~ * Kriecherei. 711
Pflicht gegen ficjh lelbft entgegen. Demuth in
Vergleichung unfrer- mit andern Men-
fchen, ja überhaupt mit einem endlichen Wefen,
und wenn es auch ein Seraph wäre, ift gar # Keine
Pflicht. Die Beftrebung aber, in diefem Verhält*
nüTe Andern gleich j&u kommen , oder fie zu über-
treffen, mit der Ueberredung, fich dadurch
auch einen innern gröfsern Vv>rth zu verschaffen,
ift Hochmut h , »welche der Pflicht gegen Andere
gerade zuwider ift (T. 95.). * ".
g. Beweife eines ausgebreiteten Hanges zur
Kriecherei unter den Menfchen find: die vorzüg-
liehe Achtungsbezeigung in Worten und Manieren,
felbft gegen einen, der in der bürgerlichen .Ver-
faffung nichts zu gebieten hat; die Reverenzen,
Verbeugungen (Complimente) , ff. f. w. (T. 97.).
>
4. Der Menfch im Syftöm der Natur, blofs
al3 ein vernunftiges Thier, ift ein- Wefen von
geringer Bedeutung, und iß mit den übrigen
Thieren als ein Erzeugnifs des Bodens anzusehen,
auf welchem fie Leben, und hat fo, wie diefe,
einen gemeinen Werth (Preis). Dafs er Verftand
hat, giebt ihm nur einen äufsern Werth, der
durch des Menfchen Brauchbarheit, als eines Mit-
tels irgend \vozu, beftimmt wird» Et ift in to
fem als eine Waare zu betrachten, die ihren
Preis hat, der aber immer noch geringer ift, als
der. Werth des Geldes, welches man als das all-
gemeine Taufehmittel nicht blofs irgend wozu«
fondern zu allem, was lieh ein taufchen läfst» ge-
brauchen kann (T. 93.)*
5. Der Menfch aber als Perfon betrachtet,
d. i, als Subject einer moralifdh - praktifchen Ver-
nunft, ift über allen Preis erhaben. Denn alp
ein Vernunftwefen ift er nicht blofs als Mittel zu
Anderer ihren, ja felbft feinen eigenen Zwecken,
fondern als Zweck ah fich felbft zu fchatzen, d, i.
* •
• 1
I •
t
7U Kriecherei. Krieg:
er befitzit eine Würde, einep pbfolutefi innern
Werth , wodurch- , er allen andern . Ve^nuufitwefen
Achtung für ihn abnöthigt. Er iann lieh mit "je-
dem andern Vernunftwefen inelTen und auf den
Fufs der Gleichheit fchätzen, ef mufs ficii aber
diefer Achtung nicht verluftig machen, und fall
daher die inoral ifche Selbftfchätz,ung in Betracht
feiner Wü|de als Vernunft mansch nitht verleug-
nen, d. i. er Coli um die Anerkennung diefer fei-
ner Würde von Andern, die er forde*** kftUV
nicht kriechen ^T- 93. f.).
* •' • ' Krieg, "
I
» *
jcoAjeu-df, bellum, guerre. Die Zwietracht aus
der Entgegensetzung der Endabfichteu
in Arifehung des Mein und. Dein (Z. 43*.),
. £ Gegenwirkung, 14.
* - 1 *
2. Ausrottung skrieg, £, Ausrottungs*
• *
5. Beftraf ungskrieg, Strafkrieg, htU
lum purutivurn, guerre paur punir. So heifst
ein Krieg, welcher gefuhrt wird, um diejenigen
zu beitrafen t wider welche man die Waffeti er*
peift *)♦ E$ können: aber au$h bejde kriegführen-
le Mächte diefe Idee haben* Dtefe Idee |ft aber
eiii Hirngefpinfi, es läfst fich kein Beftrafangs*
krieg, alz etwas -Reelles, denken/ Denn &wi*
fchen unabhängigen Staaten findet kein Yerjat^ltnif*
eines' Obern (irhperantis} zu einein Untergebenen
(fubditum) ftatt, und ohne diefes Verhältnifs läfst
' ' ' ' • "' ' ■ ' '*' '
*) Für einen f*flclien rtiieft erklärten die Römer den gegen
Philipp, König der Maetdonier , dadurck , cUf» fie ihn *ar Er-
ftattun^ der Kiiegskoil^n 4qoo Pfund ßdfors *<üy<?» Ueken , & ^ b> 8*
Krieg. 713
fich wieder keine Strafe denken,« weil nur der
Ob^re gegen den Untergebehen das Straf recht hat»
Folglich kann wohl der Obere einesf Staats die Ided
haben, den Oben> eines andern Staats durch 1 den
Krieg zu itrafenv, aber diefe Vorfiellung ift falXch
(Z.i3.-K.a2i. f.). ;
»
b. Da es altb zwifchen unabhängigen Staaten
überhaupt keinen, Strafkrieg > geben kann • fo ift
die Unterfuchung , welche G r o t i u s (de jure belli
ac paeis L II, c. so» $.38, *•)» ob alle Verbrechen
durch .Krieg geltraft werden dürfen, unnütz.
Grotius hält nehmlich die Idee *vun einen! Beitrat
fungskrieg für reell, und meint f man foll nicht
alle Verbrechen, -ohne Unterschied, * durch den
Krieg beßrafen. Sein Grund ift, weil auch "die
Gefetze nicht jedes Verbrechen beftrafep, ob fie
es gleich ohne Gefahr, «und ohne Andern als dem
Verbrecher Uebels zuzufügen, thun könnten. Da,
nach dem Sopate'r (Stobaei ferm. 46.), das Sün-
digen der Natur des Menfchen eingewurzelt fei,
£0 muffe man leichte und gemeine Vergehungen
überfehen.
4.* Unterjochungskrieg, bellum fubjuga-
torimn:, guerre.pour fubj üguer. So heifst ein
Krieg, welcher einen Staat-morali£ch vertilgen foll*).
Ein Unteryochungskrieg hat alfo den Zweck, ein
Volk entweder mit dem des Ueber winders in eine
Maffe zu verfchmelzen , oder es in den Zuftand
der Knecht fehaft zu ver fetzen» Ein foloher Krieg
ift zwifchen unabhängigen Staaten unerlaubt. Die*
*) Ein folcher Krieg war der, welchen der König- von AfTy«
jien dem König von Jfrael ankündigte, mit den Worte«: Dein
Silber und dein Gold i(t mein, und deine Weiber
und d«ine beft«n Kinder find auch mein, i. Kön. 20 , 3.
So fochten Atheta und L acedämon im peloponncfifch^n
Kriege' blofs nim lieh einander völlig zu unterjochen.
7H Krieg.
9 fes ' Nothmittel eines Staats, zum Fricdenszttftande
zu gelangen , widerfpricht an fich nicht dem Recht
eines Staats. Allein es iß der Idee des Völker-
rechts zuwider, den Krieg als Erwerbungsmittel
zu verftatten, weil durch die Vergröfsertmg eines
Staats die Freiheit, dei andern bedrohet wird
(K. 22 *\
b. „Es üt ungerecht" f fagt G r o t i u s (de jure
belli nc pacis L II, c. 22. $. 12.) ganz richtig,
„gegen ein' Volk die Waffen zu ergreifen, um es
zu unterjochen f gleichTam als fei es fo geartet,
dafs- ein Oberherr demfelben zuträglich fei, wes-
wegen die Fhilofophen ein folches Volk, Skia*
Ten von Natur {naturaliter fervos) nennen.
t Denn daraus , dafs Jemanden etwas zuträglich ift,
folgt nicht, dafs man es ihm aufdringen dürfe.
Wer den Gebrauch feiner Vernunft hat, mufs die
»'s.
, Freiheit haben zu wählen, was er für ihn /zuträg-
lich oder., nicht zuträglich hält; es müfste denn
Jematid ein Recht über ihn erlangt haben, ver-
möge deffen er denfelben verbinden könnte, lieh
liierin nach feinem (des Verbindenden) Urtheil zu
richten» Mit den ' Kindern verhält fichs anders,
x denn da diefe fich nicht felbft regieren können,
fo hat die Natur dem erften», * der fie regieren will,
/ und die Gefchi^cklichkeit dazu hat, auch das K^cht
dazu gegeben." . »
5. /Verteidigungskrieg, bellum defen-
fivum, guerre defenfive. . So heifjt der ein-
zig rechtm'äfsige* Krieg,* welcher einem Staat
zu feine hi Recht gegen einen andern Staat verhel-
fen foll. Im natürlichen Zufiande der Staaten
(worin • fie fich befinden , fo lange nicht ^ein Völ-
kerbund unter ihnen exißirt, in. welchem jeder
Staat fein Recht durch Procefs vor einem äufsern
_\ Gerichtshof fuchen kann) hat jeder Staat das Recht
zum JSriege (zu HoftiÜtäten). Ein folcher Krieg
mufs erlaubt feyn, weil, ohne diefes traurig«
Krieg. 715
Nothmittel kein Staat gegen den andern fein Recht
verfolgen könnte. Wenn alfo ein Staat fich von"
dem andern, lädirt (fein Recht verletzt) glaubt, fo
ficht, ihm das Recht zu, durch eigene Gewalt
fein Recht zu verfolgen, wo, keiner von beiden
Theilen für einen ungerechten Feind erklärt wer-
den kann (weil das fchon einen .^Richter fipritch
vorausfetzt), fondern der Ausfchiag deffelben
(gleich als vor einem fo genannten Qottesgerichte)
entscheidet, auf wellen Seite das Recht iß, nehm-
lieh auf der Seite des Siegers, wodurch freilich
nicht entfehieden wird , ' was Recht ilt , fondera
was Recht feyn muf$ (nach dem Recht des Star-
kem, d. i. der Gültigkeit der Gewalt für Recht).
Die Anwendung , die der Staat von feiner Gewalt
macht, um fein Recht zu verfolgen, ift alfo der
Krieg (Z* 10. f* IL aso.).
b. Der Arten einen Staat zu lädiren , v folg-
lich ihn zum Kriege zu berechtigen , giebt es zwei,
die Bedrohung und die thätige Verletzung,
welche letztere von der erften Feindfeligkeir, (Hö-
ft ili tat) noch unter fchieden werden mufs, und in
der erften Beleidigung (Aggreilion) befteht. Die
Bedrohung ilt entweder «ine zuerft vorgenom-
mene Zuruft ung eines andern Staats, welche
das Recht des Zuvorkommens begründet; oder
die fürchterlich anwachsende Macht eines
andern Staats (durch Ländererwerbung), welche
alle ihn berührenden Staaten lädirt, . und ein
Recht des Gleichgewichts aller diefer Staaten be-
gründet. Zur. thätigen Verletzung gehört "
auch die Wiedervergeltung, .d. i. die felbft- .
genommene Genugthuung £üt die Beleidigung de»
einen Volks durch das Volk des andern Staats,
oKne eine Erstattung (dutch friedliche Wege) bei
dem andern Staate zu x fachen. Mit diefer Wieder-
vergeltung hat- der Ausbruch des Krieges ohne
Kr iegs ankündigen g (Aufkündigung des Frie-
dens) ,- der Förmlichkeit nach , ~ eine Aehnlichkeit,'
7 iß Krieg,
weil' der Krieg *]$ ein Vertrag angesehen werden
mufs, dafs beide Ti>eile ihr Recht auf diefe Art
fuchen wollen, wdnn man nehm lieh ein Recht im
Kriegszufiande finden will; ohne Kriegsanktmdi«
gung ift aber die^Annahme des Kriegs, qicht denk«
bar , alfo mit dem Kriege auf keine Art die Idee
von Recht zu verbinden (K. aar.).
' 6. Ein Staat kann als eine moralische Perfon
betrachtet werden , als* folche befindet er fich ge-
gen einen andern Staat im Zufiande der natürli-
chen Freiheit, folglich auch in einem Zufiande
des befiändigen Krieges. Der Natur zuft and der
Mißnfchen (Wenn fie nicht in einer rechtlichen Ver«
bindung im Staate leben, und in diefem Natur-
fcufiande befinden iich jetzt alle Staaten gegen ein-
ander) fagt Hobbes JlJe cive. Lib&t. c. J, XU>
p. 14. fq.) f iß ein Krieg aller gegen alle; es Toll-
te heifsen ein Zuftand des Krieges aller gegen
alle. . Denn wirkliche Feindseligkeiten herrfchen
nicht immer zwifchen den Menfchen im Naturzu-
fUnde, und auch nitfht zwifchen den Staaten.
Im Kriegszufiande aber befinden fich die Menfchen
und die Staaten befiändig, wenji fie im Natur/tau-
de. leben. Denn Menfchen und Staaten, die nid*
unter äufsern und öffentlichen Ge fetzen flehen,
muffen doch auch der Rechte (ihr$s Erwerbs od'-r
ihrer Erhaltung nach) fähig feyn. Folglich muffe 11
fie felbtl Richter feyn über das , was ihnen gegen
andere Rech* iß , und fich durch eigene Gewalt ge-
gen die Lafion diefer Rechte fiebern, d.h. im
Kriegszußande feyn (K. £16. R, 154. *)).
\
b. Hiernach giebt es nun:
«. ein Recht zum Kriege;
ß. ein Recht im Kriege;
y. ein Recht jtiach dem Kriege.
.Krieg. 7*7
et. Der» Kriegszuftand iit demnach ein Zuftand,
in welchem, der Stärkere über das Recht entfchei-
det , wodurch zwar k ein e m derer, welche
in. die fem Zuftande leb'en-, unrecht ge-
Xc hiebt', weil fic es nicht befier haben wollen;
allein dieler Zuftand ift doch an lieh (elbß im
höchften Grade unrecht, und an einander
grunzende Staaten und daher verbunden, aus die-
i"eni Zuftande herauszugehen *). Denn die-
ser Zuftand iß eine ununterbrochene Verletzung
der Rechte aller andern, weil derjenige, welcher
ficK in diefem Zuftande befindet, fich anmaftt, in
feiner eigenen Sache Richter zu Teva, und
«ndern Menfchen oder Staaten keine Sicherheit
wegen, de» Ihrigen zu laßen , als blofs feine ei<-
gene "Willkühr. Bei der Bösartigkeit der menfeh-
lichen Natur, die lieh im freien Verhältnifs der
Völker unverhohlen blicken läfst (indeffen dafs
fie im bürgerliehen geietzlichen Zuftande durch
■ " en Zwang der Regierang fehr verfchleiert wird),
« es doch zu verwundern, dafs das Wort Recht
«us der Kriegspolitik noch nicht als pedantüch
g"anz hat verwiefen werden können. Noch hat
**«h 1.-;- et..» „-t.-.i — - /,ff Q -.,»i;^u ,,. „ r L:l3«T.
/ v
7*8 Krieg.- ' ■ .-' '
. ae fonyeräfie Gewalt (wie in einer bdrgerlicheü
Verfoffüng) enthalten mufs» fondern nur einte Ge-
nofCenfchaft (Föderalist) , die immer aufge-
kündigt werden kann, und durcfr die es den
Staaten möglich wird^ den Verfall in den Zu-
ftand des wirklichen Krieges derselben unter
einander von fish abzuwehren (K. äi6. f. R. i85-*))*
*
Wir fehen die Anhänglichkeit der Wilden an
ihre gefetzlofe Freiheit, lieh lieber unaufhörlich
zu balgen , als fieji einem gefetzlichen , "von ihnen
felbß zu conßituirenden , Zwang zu unterwerfen,
% mithin die tolle Freiheit der vernünftigen vorzü*
ziehen, mit tiefer Verachtung an. Wir 7 betrach-
ten dkfe £efinnung als Rohxgkeit, UrigAfchliffen-
heifc und viehifche Ab Würdigung der Menfchheik
n Man follte alfo denken , gelittete. Völker (von de*
xien- jedes für fich zu einem Staat ^vereinigt ifi)
müfsten alfo* auch eilen , aus einem fa verworfe-
nen Zufiande je eher d$fto lieber herauszukommen.
Statt deflen aber fetzt vielmehr jeder Staat feine
Majeität gerade darin, gar keinem äufsern gefetz-
lichen Zwange unterworfen" zii feyn," und der
Glanz feines Oberhaupts befteht darin, dafs ihm
viele Taufende zu Gebote liehen,, -fich für eine
Sache, die fie nichts angeht, aufopfern sujaffen.
Die Staaten m Europa find alfo -ebenfalls Wilde,
die von den amerikanischen blofs darin unterfchie-
den find, dafs diefe ihre Feiade, oft ganze Stäm-
me derfelben, aufefleiV,, die erftern ihre Ueber-
wundenen hingegen gebrauchen , die Zahl . i^rer
Unterthanei* und damit die Werkzeuge zu noch aus-
gebreitetem Kriegen zu vermehren (Z. 51. f.).
Die freien Staaten haben alfo im Natnrzu-
ftande ein urfprüngliches Recht 'zum
* Kriege, der aber immer dazu hinwirken mufs,
fo weit es den Umitähden nach möglich ift, ei-
nen dem * rechtlichen fich nähernden Zultand zu
ftif ten. Hier .erhebt fich nun die Frage : welches
•»
Krieg. 719
Recht hat der Sftat gegen feine eigenen Uls-
ter th an en, fie zum Kriege gegen andere Staaten
zu brauchen, ihre* Güter, ja ihr Leben dabei auf*
zuwenden, oder aufs Spiel zu fetzen? 'Braucht
es nicht von ihrem eigenen UYtheil abzuhängen,
oly fie in den Krieg ziehen wollen oder nicht,
fondern darf fie defc Oberbefehl des' Souveräns wi-
der ihren Willen hinein fchickeh? (K. 217. f«)
' - ■
Gewächfe (z. B. Kartoffeln) und Hausthiere (z.
B. Haushühner) find, <ler Menge nach, ein Mach*
werk der Menfchen. Denn baueten fie und hiel-
ten fie nicht die Menfchen, fo würde es nicht fo
viele Gewächfe und Thiere geben ,- und' in fo fern
find fie ein GemächXel der Menfchen. Die
Menfchen haben alfo auch das Recht, fie zu ge-
brauchen, zu verbrauchepnund zu verzehren oder
tödten zu laflen. Eben das iß ;nun auch, det Fall
mit den Menfchen, fie find, dem gröfsten Theü
nach, &n Product des Staats, ohne welchen e$
nicht fo viel geben würde. Alfo, fcheint es, kön-
ne man auch von der oberßen Gewalt ^im Staate
fagen, fie habe das Recht, ihre Unterthanen in '
den Krieg, wie auf eine Jagd, zu fuhren (K. 019.)»
Diefer Rechtsgrund aber, der vermuthlich den .
Monarchen auch dunkel vorfchweben mag, gilt
zwar .freilich in Anfehung der Thiere,, die ein N
Eigen.thum des Menfchen feyn können, will
fich aber .doch fchlechterdings nicht auf den Men-
fchen anwenden laßen.. Der Menfch als Staats-
bürger mufs immer als mitgefetzgebendes Glied
, betrachtet werden, denn er iß nicht bjofses Mit-
tel, fondern zugleich Zweck an fich felbfi. >Er
mufs alfo als ein folch'er betrachtet werden, de^
nicht allein zum Kriegführen überhaupt, fondern *
auch zu jeder befondern Kriegserklärung, feine
freie Beifiimmung gegeben hat. Nur in fo fern (
der- Staat den Staatsbürger als einen Solchen, be-
trachtet-, der . vermittelt feiner Repräsentanten» -
I
7*° Krieg; • ,
i
t
feine Beiftimmnng zur Kriegserklärung gegeben bat,
kann der Staat allein über den gefahrvollen Dienft
des Staatsbürgers difponiren (K, 21g.)* " <
Wenn die Beiftimmung der Staatsbürger dazu
erfordert wird , um zu - befchliefsen , o b K r i eg
feyn.folle oder nicht, fo iß nichts Hatürli«
eher f als dafs , da fie alle Draiigfale des Kriegs aber
fich felbft befchliefsen müfsten (als da find: felbfl ,1
. zu fechten; die Koften des Kriegs aus ihrer eige-
nen Habe herzugeben; die Verwüftung, die er bin* I
tdr fiGh lafst, kümmerlich zu ver heflern;. zumUe 1
bermafse des Uebels endlich eine, den Frieden \
felbft verbitternde, eine, liegen paher immer
neuer Kriege zu tilgende Schuld enlaft felbft £U über-
nehmen) , ße lieh f ehr bedenken werden, ein fo I
Schlimmes Spiel anzufangen. In einer Verfaffung, I
uro der Unterthan nicht Staatsbürger ift oder als fol- i
eher behandelt wird, denkt das Oberhaupt, wel* I
ehes fich als Staatseigentümer betrachtet, an alles \
das nicht. Der Krieg ift dann die unbedenklifchfte
Sache von der Welt , weil das Oberhaupt durch ihn
- an feiner Tafel , Jtegd , feinen Luftfchlöflern , -. Hot
fefien. u.d. glr nicht das Mmdefte einbüfot; diefen
älfo wie einp Art von Luftpartie aus unbedeutenden
Urfachen befchliefsen , und d er Anftändigkeit wegen
dem dazu allezeit fertigen diplomatischen Corps die
Rechtfertigung deffelben gleichgültig überladen
kann (Z. aj.). Uebrigens ift fchon (5) gezeigt 'wor-
den, dafs der einzig rechtmässige Krieg 4er \er-
, theidigungskrieg ift.
$. Das Recht im Kriege ift gerade das im
Völkerrecht, wobei die m eilte Schwierigkeit ift
um fich auch nur' einen Begriff davon zu machen«
Es iß fchwer, fich ein Gefetz in diefem gefetzlo*
fen Zuftand (deffen Charakter eigentlich Ge-
fefclofigkeit ift) zu denken, ohne lieh felbft zu
widerfprechen. Ein Gefetz läfst fich indeffen doch
im Krieg denken r ohne welches diefor gefetzlofe
V
/ *
\
Krieg. ^ « i
Zuftond ohne Stade 4brtdaaertf wtftdel ; Dife&fe T5&
fetz ift: den Krieg nach fdlfchen Gruhdßt&en «u
fuhren; Bach welchen es immer noch möglich
bleibe, *ug jenem Näturftflnde der Staaten (im äu-
feern Verhältnifs gegen einander) herauszugehen»
(K* 401.)% Denn irgend ein Vertrauen Auf die* Den«
kungedft des Feindes mufs mitten in) Kriege noch
übrig bJeiben, .Weil ftmtt audi kein Friede' aBge*
fchloflen werde» fcö*iAte, ; und die Feindfeligkeit
in ciaett Aüsrott&ng&rieg ausfchlagen würde/ «Da*
her-iftarun kein- Straf kriege (3.), keiti »u'irbt*
tnin^ikrieg (2) '■ und Jtein Unterjochung^
h**g (# erlaubt. .''" . i /.
>. » *
Im -Kriege *ft- e& erlaubt ,*- dem öbe*ifr»lti£ten
Feinde Lieferungen und CöntrifcMibnen aufzulegen;
Aber es üt nicht erlaubt, das Volk zu plündern.
Plündern heüsr«ehmlich, «rtflstelrieh Perfentyn das
Ihrige ftbzwingdrtY Di?fr ift aber* Raub; 1 weil nicht
das äberwtmdene Volk, fonderh der Staat *<fti*ch
dafffcJbe, Krieg ffiftrt. Abör «es £ft erlaubt , durch
Ausfeilt eibungfcn' Contributionen ^einÄufordeml
fo daft ^Scheine darüber ausgestellt werdem Bei
nachfolgendem Frieden kann alsdann die dfcrfi
Lande öder der ^Provinz aufgelegte Lafi proportio«^
niplich^ertheilfe werden, fo difs der gan&e Staat
üe trage. (K. 233.).
y. Das Recht nacJi .d e nv ,-Kriege , ^d.^. im
Zeitpuncte des Friedensvertrags (durch wel-
chen zwar wohl dem diesmaligen Kriege, aber
nicht Aetn Kriegs^&ftätfde , immer ifc Einern 7 nekfcA
Kriege Vor wand • *fc^i* 'fi&derts '• '» 'ein ■ * fcrtde gern» cht
wird)! und in &mCidhP auf die Folgen deflelbenj 4>e*
fteht im* Folgenden/ ' «.Der Siege* macht die Bfedin*
ung^nv ^ube» «dttfteit>dfe*ii- Refregt*A*übefreinzukom*
cn and £um FriädeWohlufs zti gelangen, Trac*
aten- gepflogen Verden. Bei' diefen Tractaten
nützt nun der Sieger- wich V etwa ein Recht vor,
s ihdb nur '- dariinj -zuftehe i * weü • ifen >der «eg*
\.
?«• Krieg. Kriticismufc
»er li4i't habe. Sondern er lftfot diefe Frage auf
ßch beruhen, und ftützt fich, bei' den Bedingun-
gen, die er vorfchreibt, bloft auf feine ^Gewalt.
Daher l&uin der Ueb^r winder auch ni<?ht darauf an-
tragen 9 dafs ihm die Kriegskoßen ev&attft werden»
Denn» wenn er daa thate, Jo würde er damit den
Krieg feine* Gegners für ungerecht ausgehen 9 in*
dem nur der 9 welcher eine ungerechte Sache hatte,
in die Koften des Procei^es verurtheilt werden, kann*
Der Sieger kann fich allb diefen Grund feiner For-
derungen wohl denken * aber er darf ihn nicht am
fuhren f um etwa damit die . Rechtmäfsigkgjtt der«
felben zu belegen Denn fonft würde er den Krieg
für einen / Beftrafungskrieg (3) erklären , und fa*
•ine neue Beleidigung ausüben, indem er damit
den Gegner als Untergebenen behandelte (&ad3* £)•
, Der Sieger kann durch die Eroberung > eine*
fondes und Überwältigung eines Volks nie das
Aecht erlangen 9 daffelbe zu leibeigenen zu ma-
chen , . weil man hierzu einen ; Strafkrieg anneh*
men ntüfste, (gegen 3). Folglich follen .awh
beim Friedensfchlufa die Gefangenen ausgewechselt
werden , ohne auf Gleichheit der Zahl zu fehen,
weil fie (rechtlich) nicht als Shlayen weder verkauft
noch losgekauft (ranzionirt) werden können (K.
M4). S. übrigens, Friede. ', ..
"-ir'-V* -«•♦•'
>Mi
der Metaphyfik, criticismus metaphyficus^ tri*
titiime de la>Mebaphyfique> Das allge*
meine Mifatrauen gegen alle fyntheti*
(che Sätze der Metaphyfik, bevor nicht
ein. allgemeiner Grund, ihrer Möglich-
keit in den w.efentltaben Bedingungen
unferer Etkenntnifs vermögen etngefe*
hen worden. Der. Zweifel des Äuffehub* bei
allen f okhty 6a|«eA 4er Metaphyfik, durch; wel«
t
Krit d. rein. Vern, feit. d. Gefchm. Kunft. 723
che etwas behauptet, wird , was nicht in dorn Be-
griff des . Sab jeets folcher Sätze liegt , bis daf*
durch eine Prüfung des Erkenntnisvermögens er*
hellet , wie , diefe Sätze entfpringen und wie die
Vernunft zi* deufelben gelangt, üt «der Kriticis*
,diüs des. Verfahrens mit allem, was zur Metaphy-
sik gehört (E. 78- £)* D^fer Kriticismus ift
das Gegen theil des Dogmatismus, man darf
alfö nur, um fieh .«inen richtigen Begriff von ihm
zu machen, der, Artikel:; Dogmatifch, a», Dog-
matismus uftd Cr itik mchlefen. ...
f . *
f. Critik der reinen Vernunft.
Kritik des jGeifchmaqk^
T •
L Critik der reinen Vernunft, jj, b. §u
Kunft.
♦ 1
'1
N '
t&X™?» ot*, art. 80 nennt man überhaupt eine
jede Caufalität, welche ihre Wirkungen, nach
fcewiffen Hegeln (f. Genie 5.), # fo hervorbringt,
dafs denf elben Ideen vorausgehen. .. Die C a u fa-
llt ät ift die wefentliche Beschaffenheit der Urfa-
che , ~ dafs durch fie tetwa* ander», . nehmlich die >
Wirkung , nach- Gefetzem hervorgebracht werden '
mufs. Eine Idee ift aber ein Begriff,/ der die
Beschaffenheit hat, dafs der Gegenltand , welcher
durch: Mm gedacht wird,, )in. d«r Erfahrung nicht
vollkommen dargeftellt werden kann. Wenn folg«
Hch eine Urfache ihre Wirkungen- fo- hervorbringt
dafs fie fjeh diefe Wirkungen vorher durch gewillt
Begriffe vorftellt , denen gemäfs v , obwohl ni*
vollkommen ^ngemeflen f - fie diefe Wirkungen her*
73$ Kunit
t
begleitet» zur Ahficht hat, und Mob zum Ge»
nuffe abzweckt* Solehe Kunfte find z. £. die,
t Welche die Reize hervorbringen , die die Gefellfchaft
- an einer Tafel vergnügen können« Dergleichen
, ,Ünd: die Kunft unterhaltend zu erzählen; die Ge«
tfeUfchaft in freimüthige und lebhafte Gefprachig-
• keit zu yerfetzen jf * fie durch Scherz und Lachen
v zu einem gewiffen Tone der Lustigkeit zu ftim*
v ' jnen; u. f . w/ Hierher gehört auch difc Kunft,
den Tifch zum Genuffe auazurüften , d£e v Tafel*
mufik u. f, w« Dazu gehören ferner alle Spiele*
di? Mofs durch Zeitverkürzung intereifiren (U. 178.
M. IL 671.X / ' ' ' 1 '
* * ■
7* JBaukunft, f. BaukunfL
• - . ', .
gj Beredfamkeit, £ Beredfamkeit«
9; Bildende Kunft Diejenige fchöne
Kunft, welche Ideen in Anfchauungen durch
die Sinne ausdrückt ; alfo nicht durch Anfchauun*
, gen in der blofsen Einbildungskraft, die flurch
Worte aufgeregt werden, wie die Dichtkunft,
1 oder die Beredfamkeit. , Solcher Künfie giebt es
♦zwei Arten, nach der Ueberetaftimmung der Dar-
Heilung mit dem dargeßellten Gegenftande. Stimmt
die Darstellung mit dem dargeft eilten Gegenftande
übe rein, fo heifst die Kunft, die der Sinnen wahr«
heit; ftimmt die Darfteilung nicht mit dem dar-
geftellten Gegenftande überein, i tiu&ht eben einen
Sinn fo, dafs dennoch der Gegenftand durch diefe
Täufchung dargeftellt wird, fo ift es die Kunft
des* Sinnenfeheins. Die erfte Art der bilden-
den Kunft heifst die Plaftik, die andere Art die
Malerei. Beide drücken ftfthetifche Ideen durch
Gelt alten rijti Baume aus. Die Idee liegt , - «3 s das
Urbild (Archetypen) in der Einbildungskraft , die
Geltall) im Rafttme aber ift das, die Idee nie errei-
chende, Na oh b il d (Ektypon) derfelben (ü^ *C7*
m; jBi 713.)- fi
* »w
* »
Rta&l' 7*5
Natur. Di$ Kunft ift % .Äaa t V.en*fcgen* der
Zwecke, aber diefe Zwen^i muffen auch-bp lie-
big, und* das Vermögen im; Gebrauch der *
tauglichsten Mittel dazu, damit; yejDbundea
feyn* Die Zwecke müflfeji beliebig feyn, heifst^
es mufs »in dec /Willkmhr- !der €4ufcUtät. nach
Zwecken Heben, fiph einen* Zvf eck . yoreirff teer»
oder nicht. Iß der 2 weck n#t händig* dann ift
das Vermögen nicht. J£ij,nft, fondern Natur, wi*
z. B. das Gewebe pu machen gefchaeht nicht durch
eine Kunft der * Spinne, fondern durch die Na^
tur darleihen. Soll nun der . Zweck . wirklich ge-
macht werden ,. . fi> mufs d#e G**falität zu diefem»
Zweck da fe*yn* ' die QauCaUtät %ix einem be&unm.«*
ten Zweck iß aber nichts .anders, als 1 das Vermox
gen itn Gebrauch der tauglichßen Mittel lu dem««
felben (8, IIL 387> "■' • ■ ' A
b. Kunft wird von der TJatUir T wi& Tkun?
{focere) vom' Winken oder. Handeln , im wein
teften. Sinne de» -Worts (agere), . unter fchieden.
Wenn nehmlich die Wirkung (paus djerUrfacb»
erfolgte 9 dafs es nicht von der IT* fache abhing,
fie hervorzubringen oder, nicht, fo fagt man hlafcv
die Ur fache wirkte dies od$* handelte} wenn die'
WirkuAg aber von dem Belieben d^r, Urfach« ab-v
hing, fo fagt man, die UrFache that dies; in*
letztem Falle fchreibqa wir <bei? Urlache Kunft;
im erftern Falle blofs N^tur *zu; ;Daa Producta
oder die Wirkung durch Kunft, das, was die
Urlache durch ihre Kunft berrorferafthta, nennen
wie ihr Werk (opus}* J}k* Entziehung diefe*
Werks fchreibtman der Urfacbe za, als .ihre «T hat
Das Product der N^t ur nennen. wir blofs Schlecht*
weg ihre Wirkung (U.< 173» fr M. II; 66^)1
• • . . f r • *
c. In diefer Bede^tm^ wicd.jdj» Wort; Kunft
nicht mehr ' fufcje;c*iv,j als. das ,) Yermögen ? *
fondern obyectiv^ *:altf der Gebrauch der taug*
lichften .Mittel zu beliebigen Äwecken > oder al*
7*6 Kunft
diejenige Wirkuta g des Kunfhrerm&gMe, dafc es
Producte der Kunft hervorbringt, gebraucht. So
Tagt Kant (U. 174.) 1 von Recht* wegen follte man
die Hervotbringung durch Freiheit, d.i.
durch" eine (Fertigkeit der) Willkühr,
die ihren Handlungen Vernunft zum
Grunde legt; (alfo nach Freiheitsge-
JTetzen handelt), Kunft neiinen. Denn, ob
ob man gleich das Produkt der Bienen (die regel-
mäßig gebaueten W^ohdcheiben) ein Kunft werk,
d. i. ein Product der Kunft zu nennen beliebt, fo
jgefchieht diefes doch nur wegen der Analogie mit
der Kunft f oder well *s einer Künft ähnlich fieht,
und wir daher den Thieren unfere Begriffe von
Kunft unterlegen. Sobald man fich nehmlich be-
famt, dafs /fie ihre Arbeit auf Keine eigene Vcr-
siunf tüberlegung gründen , fo fagt man alsbald 9 es
ift ein Product ihrer Natur (des Inftincts), und
als Kunft wird 4s nur Ufrem Schöpfer zugefchrie-
ben (17. 174. M. II. 665.). Man könnte hiernach
die ' Fertigkeit , nach fittlichen Gefetzen zu han-
dln, auch eine Jiunft nennen; , fie wäre dann die
Kunft , ein Syftem der Freiheit gleich einem Syfiera
der Natur möglich zu machen. Das wäre in der
Tfcat eine * göttliche Künft, durch die wir im
Stande wären, vcfas, was uns die Vernunft vor-
schreibt, vermittelet ihfrer auch völlig auszufüh-
ren/ «und die* Idee davon Wirklich zu machen
<zu realifiren) (H. XOl).
d. Wenn *man bei Durchfucbung eignes Moor«
braches, wie es bisweilen gefchohen ift, ein
Stück b«hauenes Holz antrifft, fo iagt man nicht,
esift ein Product der Natur, fondern, der Kunft.
Man Verficht darunter, die hervorbringende Ur-
fache diefer Fotm des Holzes habe fich einen Zweck
:edacht , dem es feine Fo?m zu danken habe, ßonft
ieht man auch wohl eine Kunft in allem ,- was fo
befchaffen ift, dafs eine VorftelJung deffelben
in ihrer Urfache vor dpr Wirklichkeit des Products
\
/.
Kunft.' Jr«7
i
vorhergegangen feyn taufe ( wie felhft bei de» Bie-
gen), ohne dafa doch die Wirkung von der
Urfache eben gedacht feyn dürfe. - Wenn man
aber etwas fcljlecht weg . ein Kunftwerk nennt,
tun es von einer Natur w.irkung zu unterfchei*
den, fo vergeht man allemal darunter x ein- Werk
der Menfohen (U. 174. »III, 666.)* ,
3. Unterfcheidung der Kunft Ten der
Wiffenfchaft; . Kunft wird auch, alt Ge»
fchicklichkeit de4 Menfchen, von der Wif-
fenfchaft; unterfchieden , wie. Köftnen vom
Wiffen. Kunlr iß nehrolich die Geschicklichkeit
des ptaktiXchen Vermogena oder <def Willens, Wif-
fenfchaft ift die Wirkung de* theoretischen Ver-
mögens oder des Erkenntnifsventögens, Beide un-
terscheiden fich wie Technik, ümd Theorie von.
einander; denn Technik if^ die gründliche Her*
vorbringung, Theorie aber die gründliche
Erkenntnifs des Gegenftandes. Die- Feldmefs-
kunft iß eine Kunft, denn fie ift die Gefe^iek*
li c h ke i t, den Erdboden , oder Theile feiner Ober-
fläche/ mejTen zu können; die Geometrie iß
aber eine Wiffenfchaft *) f den» fie ift die Er«
kenntnifs, vermöge welcher ma* die auf An-
fchauung gegründete Befchaffenheit des Baume
weif s. Und da wird aiueh das, was man kann;
fobald man nur* weife, was getkan weif den foU f
und alfo die begehrte Wirkung nur genuglam
kennt, nicht eben Kunft **) genannt. Nur das 9
was man, wenn man es auch auf das, voüftän*
digfte kennt, dennoeh nicht fof ort die Gefchick-
zn machen hat, gekört in fo weit mir
*) Was'wif Wiff«nfeE»it nennen, tu nennten die Aken t
tfceoretifcha £unA rqptm «topf«*«. Qmiuctil. InßiU Orm*
«er» /. ///. c„ 19. '
**) Die Alten nannten diee vietnuit? 6rtx»«» fcsifes Kunft.
QninttiLlc. 9. tu
' s.
72$ ' Kunfl
/
N
KunfL Cam$£t~.b*fohreibt fehr £enau, wie«'
befte $chuh befchaffen feyn müfste, aber er konnte
gewifs deinen machten (U, 175. M. II. 667^.
, ■ * • • » «
b, In manchen Gegenden . fugt: 4er gemein*
JVIann , ' wenn man ihm etwa eine . folche Aufgabe
vorlegt", wie Columh^s . ifcit feiju&i, Eie : _ das
ift keine Kunft, 9s ift ni|r eine.Wiffeh-
Icbaj;i*.d f Ji. .wenn.. man «es w<*if*.>' fo >ann
tnan c# auch; undebin das lagt er von $11 en vor-
geblichen Künßep der Tafchenfpiejer ({blähen , wo-
zu weder Gefchwindigkeit., noch Gefchicltlichheit
gehört). JDie des. Seiltänzers:. #ird £* -dagegen
Ku.uTt ,»u. nennen ,g&r weht in, Abredfc feyn (U,
.vi
>4«. Unterscheidung der üRuenfu vom
Handwerk. Kauft .wit&ench x vom Band werk
unterfebieden, wie Spiel vwvA*b«it. Kumfi
iß nehmliqh dann 1 «ine IJefchäftigwig, die, für
fieb felbft angenehm; dLi« gpieLift* und man
vergehet, darunter die frei« Kunft ( i aus r libej{aux)\
Jiandw<?rk Aber /ift eine Befchäftigung, die. für
lieb felbft unangenehm .(befehwerlicb)«' d.i. Ar«
beit Aß, und man kannes, in t fo f*jn Ge-
fcluckJic^k^it d^zu gehört,, die aber blofe darum
erwogen. Mnd ¥ geübt wird* weil £e bezahlt wird,
^uch ^ohnkun/t nennen, ,f/ Han-dwerk* Äeidc
imterfchejTd^h. fich alfo w,ie Freiheit, nnd Zwang
yan ejinandsu denn Rändeln ,aus Fjftfheit, btifst
fo handeln, dafs allein der Geiß jdas .Wwk be-
lebt ^ i4pd r daffelbe von dem blpfeen, Jteli&bep de»
Handelnden abhängt; . ai^a Zwang ,4»aj*de}n aber
heifst fo handeln, dafs blofs ein Mechanismus
dazu erforderlioh ift. der* -den HancMaden fo wmI
nicht anders zu handeln nöthigt. Die Mufik ift
£mt> freie Kunft, -denn fie ift eine Befchäftigung,
dife für fich felbft angenehm ift, uild der Gern
des Componißen niu/s das mufikalifche J^rocluct be-
leben; dagegen ift die Mixfik ein JHLajnd,wjerkf
1 /
•'
/
wenja £p für Löhn arbeitet,,: taid der Mtifikant
z. B. ium Tanz auffpielt, ' Zu allen freien {tun-
ften wird- aber auch eiti M e fch a n i gm us . erfor«
dert, ohne: welchen der Geift im Kunitproduct phne
Gerper feyn und- verdunften würde. 30 mufs in
einem Produkt .der >Diehtkunft Spracbrichtigkeit
feyn , der Dichter mufs Sprachreichthunx befitzen,
und mit derProfodie und dem SylbenmQafa bekannt
feyn; alles die^ aber, bewirbt nur daä Mechanifche'
der Sprache und des Versbaues. Dies ift nicht
unrathfam zu erinnern, da manche neuere Erzie-
her eine «freie Kunft am befren- zu befördern fi*i
chen, wenn ,fie allen Zwang von ihr wegnehmen»
und fie aus Arbeit in ein blofses Spiel verwan-
deln, B a f e d o4v war diefer Meinung , vob ' der
man aber fchon wieder zurück gekommen iß; in-
dein B e f e w i t z und Andere bald " darauf ;auf merk-
fam machten, dafs Gewöhnung, zum Zwang dem
Kunftler wie dem Geletzten, unentbehrlich (ei (U.
»75. M.« f/ 668.). .'■■-...
• %
Ich • will nun die verfchiedeneri Arten der
in alphabetischer Ordnung beifugen. •
$> , Aefthetifche Kunft, ars aefthetica. So
nennt K» die Kunft , wenn fie das Gefühl der
Luft, es fei nun, dafs die Luft die Vdrftellungen
als blofse Empfindungen, oder auch als Erkennt«
mCsartefc begleite, zur Ab ficht hat«. Im erftern
Fall hat> fie die Sinne nein p findung., im letz-
tern Fall die* *efle*ctire!ade Urtheilskraft
zum RichtmaQfs. Es giebtr hiernach zweierlei Ar-
tfen äfthetifebtr. Künfte, , die, angenehmen und
die fchönen? und, der Eifttheilupgs&rund iß dip
Art der Vorftelluttgen; welche von der Luft Ipe-
gleitet werden (U, 177. £.179. M. H, üfo).«
* • t •• •
•'' 6; 'Angenehme Kujaft. S*> nennt Rant
die Kifnft, yvenn fie das- G.effibl der Luft^^l-
che die Vdrftellungen als blofse Empfindungen
//
73$ Kunft.
c. Atfo mufs mali die Abficht dem Product *der
fchönen Kunit nie anfehen. Das heilst, fchöne
Kunit mufs in ihrem Product fo anzufehen feyn,
Als wäre es' Natur, und als Wäre folglich gar
Steine Abficht dabei, und doch mufs man fich da-
«bei bewufst feyn, dafs äs Kunft ift« Dies* ift 'nur
dacfurch iraöglich, dafe- »war «alle Regeln bei der
' Hf rvorbringuih£ eines Kunftproducts ai(f das pünct-
lichße find befolgt wordeil , nach welchen das Pro-
duct allein das werden kann, was es feyn foll;
dafs man aber doch keinfe Spur davon an diefem
Product antrifft, dafs die Hegeln dem Künftler ,vor
Äugen gefchwebt', und feinen Geiüüthskräften Fef-
Xeln angelegt haben (U. iQ&. TM. II , 676.). Dafs
fchöne Künft, Kunft des Genies ift, findet man im
Art. Genie, 5I ..*••.
/ *
\, *
f. Zur fchönen Kunit werden erfordert,:
•. . . * . .. •
.' *, Einbildungskraft, f. Gen^e, ra. f. •
«..-#. ... *
£. Vetitand, f. G*nie, 12. £
- j — _ - —
Y« Geiitj f. 'Geilt* .<..,.,'
* » - •
i. feefchmack, f, Gefdhmatk. '
4 .-•
* •
.* 4 •
Die drei . öfteren Vermögen bekommen durch
das vierte alkr er ftihrö Vereinigung, Ge*
fchmack, 7. (IL 205. JVT. II; 70G.). War wollen
diifes noch kürzlich hie* aus einander feuen.
t g. Von der Verbindung des Ge-
fch-niack9 mit Genie> in. Procjncten» der
fchöne» Ku^ft. * Es ift die-Frag^e: ifi in SacheU
. der Tch önen -Kunfi mehr ^am" Genie oder am Ge*
fchmacl} gelögen? So fallen-, nach. H um«, die
Engländer ipehr Genie; uiie . Franzofen mehr Ge-
fchmack haben; woran iß nun mehr gelegen?- /Ge-
nie fchliefst eigentlich Verftand, Einbildungskraft
•
Htonftl 737 .
)
tmcl Geiß in lieh , der Gefchmack aber fetzt fie in
da? fechte Verhältnifs zu. einander! Die Einbil-
dungskraft ift das Haupt vermögen des Genies, denn
diefes ' fchafft die üßhetifchen Ideen , f. G c n i e , 1 9.
Gefchmack aber iß die Urtheilskrqft in Beziehung
auf das Schöne« Obige Frage, wäre alfo mit der
einerlei, kommt es in Sachen der fchönen K/lnft •
mehr auf Einbildung oder auf Urtheilakraft an?
Eine Kunft, die blofs Genie zum Grunde hätte, wür-
de blofs zu einem gegebenen Begriff äfthetifche Ideen
auflinden und Andern mittheilen können ; dies Ta-
lent des Genies aber heifst Geilt; und daher wür-
de eine folche Kunft eher eine geiftreiche alt'
eine fchöne Kunft genannt werden müflfen* Nur
eine Kunft, die auf Gefchmack beruhet, kann allein
eine fchöne Ktmß genannt werden, denn ohne Ge- (
fchmack kann das Genie feinem Product nicht die
fchöne Form geben, f. Genie, 10. ff. Folglich
ift der Gefchmack die unumgängliche Bedingung
(conditio ßne qua non) 9 ohne welche gar kein Kunft-"
werk und alfo keine fchöne Kunft möglich ift (U. 20a.
M. II, 704.). ' ^
h/Der Gefchmack riiufo das Genie ftets in Zucht
halten, es zügeln , ihm die Flügel befchneiden und:
es gelittet oder gefchliffen machen« Zugleich giebt 1
der Gefchmack dem Genie die Leitung, worüber es
fich verbreiten und bis wie Mreit et gehen foy, um
zweckmäfsig zu bleiben« Der Gefchmack bringt
endlich Klarheit und 'Ordnung in die Ideen, und
macht fie dadurch haltbar, und eines dauernden
und allgemeinen Beifalls, der Nachfolge Ande-
rer und einer immer fortfchreitenden Cultur fiU
hig. Wenn 7 ^|fo beide Eigenschaften des Gemüth*
im Widerftreit find, fo mufs das Genie dem Ge-
fehmack weichen« Auch wird die Ürtheilskraft,
welche in Sachen der , fchönen Kunft ajis eigenen
Principien. den Ausfpruch, thut, und dann eben
Gefchmack heifst (4 Gejfchmack)) eher der
Freiheit und dem Reich th um der Eintnldungskrafr/
Mtttins philo f. Wortirf. 3. Bd. A a a
738 Kunfti
*ls dem Veffiande, Abbrach zu tban, erlauben
(U.'flos* M. II, 705,). l
«
, L Von der Eintheilung der fchönen
Küntte« Man kann überhaupt Schönheit den
1 Ausdruck äfihetifeher Ideen nennen; ift es Natur-
Jchfßheit, fo iß die Natur uns fchön, weil es im*
bei der Anfchauung fo ift, als haue fie Jemand nach
Ideen hervorgebracht; ift es Kunftfchönheit , fo foll
fie wirklich Ideen darfteilen (U. 004. M. II, 707.).
IVIan kann daher die fchönen Künite fo eintheilen,
als man die Arten, wie der Menfch lieh ausdrückt,
um fich Andern mitzutheiien, eintheilt. Die Art,
wie fich der Menfch mittheilt, ' ift nehmlich:
Artikulation, die den Gedanken
... 'durch Worte;
ß, die Gefticulation, die die Anfchau-
ung durch Gebehrden;
. *
*y. die Modulation, die die Empfindung
durch den Ton
mittheilt oder auf den Andern überträgt. Nur die
Verbindung diefer drei Arten des Ausdrucks macht
die vollständige Mittheilung des Sprechenden aus
(U.fiQ4«£ M.II, 708.>
k. Hiernach kann es auch nur dreierlei Arten
fphöne^ Künße geben:
*
* ■ *
«• die redende Kunft, welche die Ideen
vermittelft der ' Gedanken, welche hier
die Anfchauungen im innern Sinn oder
Vorstellungen der blofsen Einbil-
dungskraft wirken, durch Worte;,
ß. die bildende Kunft, welche die Ideen
vermittelt der Anfchauungen im äußern
/
Kunft. 739
Sinn durch Darftellungen im empiri«
fchen Raum oder aufserc Sin'qenfor»
men; '
<y. die Empfindung wirkende Kunft oder
Kunft des fchönen Spiels* der Empfin-
dungen, welche die Ideen vermittelii der
Empfindungen durch äufsere. Sinnen«
eindrucke oder Stimmungen (Span-
nungen , Töne) des Sinnes
mittheilet.
Man könnte diefe Eintheilung auch logifch,
durch Entgegenfetzung , machen , welche analyti«
(che Eintheilung , nach dem Satze des Widerfprucha,
jederzeit zweitheilig (dichotomifch) iit. Diefe Ein-
theilung, welche aber zu abftract und den gemei-
nen . Begriffen nicht fo angemeffen 4u$ßeht 9 wurde
folgende feyn : Die fchöne Kunft drückt Ideen aus
entweder
ä. in Worten, oder
ß. in Anfchauungen.
Nun haben aber die Anfchauungen
aa. eine Form, diefe giebt eigentliche An*
fchauungen; und
ßß. eine Materie, diefe giebt Empfindun-
gen.
Uebrigens bevorwortet K. noch, dafs er die*
fen Entwurf zu einer Eintheilung nicht für eine
imumftöfsliche Theorie wolle aägefehen haben , fon-
dern nur für einen Verfuch^ deren man mehrere
aufteilen könne und fblle (U. ao£. f. M. II, 709.).
1. Von Äer Verbindung der fchönen
Künfte in einem und demfelben Product.
Aaa fi
. ».
„*
\ I
74* Kunft- .
Es Können zjir Heryorbringung eines Kunfiprpducts
mehrere fchöne Künfte gewirkt heben, z. B. in ei-
nem Schaufpie'le A\p Beredfamk,eit und Mah-
le r ei, tbwobl in der Darßellung der Subjecte
(fpielenden JPerforien), als auch der Gegen ftändej
im Gelange die Poefie und Mufik; in der Oper
die Poefie, Muük und JYrahlerei (die Darfteilung der
fpielenden Ferfonen und Gegenstände,* und die Thea-
iermahlerei) ; im Tanz, das Spiel der, Geltalten
mit dem der Empfindungen. Es Hann in einem
Kunfiwerk auch das Erhabene mit dem Schönen ver-
bunden werden , z,. B. in einem gereimten Trau-
erfpiel, Lehrgedicht, Oratorium, u. f. w.
In diefer Verbindung ift ein fchönes Kunftwerk noch
künfilkher. Allein darum iß es nicht immer fchö-
»er f weil fich fo mannigfaltige Arten des Wohlge-
fallens durchkreuzen und eins das andere hindert
und ftört, — In aller fchöi\en Kunftbefieht das We-
sentliche in der Form, dafs nehmlich diefe für die
Befchauung und Beurtheilung zweckmäfsig fei, wp
die Luft zugleich . Cnltur ift und den Geilt zu Ideen.
ftimmt, mithin ihn mehrerer folcher Luft und Un-
terhaltung empfänglich macht. Das Wef entliche
der Kunft/beßeht folglich nicht in der Materie, d. i.
der Empfindung des Gegenfian des durch die
Sinne (nehmlich in dem Reiz und der Rührung der
Sinne durch den Gegenßand), dafs diefe Genufs
Terfchaffe. -Statt dafs die B e t ra c h t u n g des Scho-
nen den Geiß cultivirt, läfst die Empfindung
der Annehmlichkeit nichts in der Idee zurück,
fondern machtviel mehr auf die Länge den Geiß
ftumpf , den Gegenßand narch und nach anekelnd,
und das Gemüth, durch das Bevvufätleyn feiner,
Im Urtheile der Vernunft zweckwidrigen, Stim-
mung , mit fich felbß unzufrieden und launifch *)
£U. $13. M. II, 717)-
- » .:/
*) Da*. Wefen der fchv»nfen Iiünile beiloht alfo nicht, wi*
•loch in Suis er 8 Theorie £Art. KunütO behauptet wird: 'in da
JKurift. ' 74»
*
Die fchönen Künfte muffen mit rfioralifchen
Ideen in Verbindung gebrathr werden, denn die*
fe gefallen nicht, blofs eis Mittel wozu, fondern
urn ihrer felbft willen ; und das 'Wohlgefallen,
welches die fchönen Künfte verursachen, ift dann
dauernd. Ift aber in einem Kunftwerk gar .keine
moralifche Tendenz, fa dient es nur zur Zer*
ftreuurig, v d. i. dazu, fich noch unnützlicher
zu beschäftigen und noch unzufriedener mit fich
felbft zu machen. Ueberhaupt find die Schönhei-
ten der Natur zu der Abficht, uns mit Beziehung
auf Moralitat zu unterhalten 9 am zuträglichften,
wenn man früh dazu 'gewöhnt wird, fie zu beob-
achten, zu beurtheilen und zu bewunden* (U.214.
f. M.H, 7X8.)*
nu Vergleichung des afthe'tifchen
Werths der fchönen Künfte unter einan-
der. Unter allen fchönen Kauften behauptet die
Dicbtkunft der^ oberfteri Rang, denn fie ver-
dankt ihren Urfprung faß gänzlich dem Genie,
und will am wenigften durch Vorfehrift oder durch
Beifpiele geleitet feyn» Sie erweitert überdent
das Gemüth dadurch, dafif fie die Einbildungs-
kraft in Freiheit fetzt, und innerhalb den Schrat*»,,
hen eines gegebenen Begriffs, unter der uab#m
grenzten Mannigfaltigkeit möglicher, damit zu«
fammenßimmender , Formen, diejenige darbietet,
welche die Darftellung derfelben mit einer Gedaiif-?
kenfülle verknüpft , der kein Sprachaus druck*
völlig angemeffen ift, und die fich alfo für da»
Gefühl zu Ideen erhebt. Sie ftärkt aber auchdae
Gemüth dadurch f dafs fie es fein freies > felbft*
Einwebtrag de* Angenehm** in da» Nützlich*. Ein GtCtsg luum
fcliöa feyn , ohne reizend und rührend zu feyn 9 eben to darf eis
Gebäude, oder die Sprache in einem Product der Dicatknaft eben
nfths reisend oder angeneiun feyn, am tehön sa feyn.
?4* ' Kunft.
#• '
thätiges QH(l rpn de* Nntnrb(^UmmTOg unabhän-
giges Vermögen fühlen läfst, die Natur als Er-
fcheinung nach Anflehten zu betrachten und zu
bcurtheilen, 'welche die Natur nicht vqn felbft
darbietet. Sie fpieit endlich mit dem Schein,
den fie nach Belieben erweckt, ohne doch dadurch
zu betrugen« Dagegen iß die Beredsamkeit
(nicht Beredheit und Wohlredenheit, zu-
lammen Rhetorik genannt) die J£sm& zu über«
reden (ftatt zu überzeugen, wozu blofs Grün-
de, ohne alle Kunft des Redners,, hinreichen),
und Tollte alfo aus den Gerichtsfchr^nken und von
den Kanzeln verbannt feyn *) f f. B^r^dffui-
Seit, 4. ' .
1
*) Wenn mein Freund Blühdorn (in feiner Abhandlung?
A^erdie Simplicität des Ausdruck« in Predigten, vor feinen
Religionsvorträgen, Magdeburg i#oi) mit diefem yrtheil
nicht aufriefen iß , fo rührt es daher» weil er das Beredfamkeit
nennt , was' bei Kant Rhetorik heilst. Man kann lieh die Sache
fo Vorftellen. Wer einen Andern von der Wahrheit ' eines Satzes
belehren und überzeugen will» der -trägt den Beweis dafür entweder'
^
x, ganz fimpel vor. ohne alle Rückficht darauf* wie er
lieh darüber ausdruckt, wenn er nur Einficht in die Beweisgründe,
«Oft dadurch Ueberzeugung bewirkt ; oder
. *3f>, er fiqht bei feinem Vortrag zugleich 4**auf , dal* er fieh rein«
JQ^&5 richtig und paffend ^ausdrücke , d. i. er wendet Wohlre-
«lenlieit daau an; oder
£• £♦ der lebhafte 'rterzensantheil, den er an der Wahrheit ödet
am Guten nimmt, macht, dad er auch feine Einbildungskraft,
wealn fie fruchtbar und zur EMtriteUung feiner l£een tüchtig iß , auf«
bietet und vermitteln derselben und mit Hülfe des Reichthums der
Sprache , den er in feiner Gewalt hat , feinen Satz mit den Beweii-
gründjBa deffelben ins Lieht fem, d. b..er wvndet B eredheit äu
su an; oder endlich ""
i
i
4. es liegt ihm daran » data der Zuhörer für feinen (des Redner»)
Satz gewonnen werde , der Zuhörer mag nun überzeugt oder über«
redet werden.' So Hegt dem Redner im Parlament daran, dafs für
I\unft. . 745
Wenn es um Reiz tHid Bfeirfegtilig des
Gemüths zu thun ift, fo folgt nach der Dicht*
reine Behauptung geftimmt werde, and der Kan*e|redner bilde*
fich gemeiniglich ein« der Zweck der Religio« fei erreicht, wen*
der Zuhörer, durch des Redners Vortrag gewonnen» nun anfingt
einen Satz für wahr zu halten oder eine Lafterthat teltner in voll«
bringen oder ganz auf zugeben. Wem nun hieran liegt, dem iÜ
es genug, wenn der Zuhörer aaeh aar überredet wird! Br hieVet
alfo die Kunft auf, Heiner Behauptung allen den Glanz zu geben« wo*
durch fie gefallen kann , folglich wül er nicht überzeugen, fondern
gewinnen, wodurch fich felbft, wenn die Behauptung auch wahr
ift, Woran dem Redner als folchem nichts liegt, die Wahr-
heit mit ihren Beweisgründen in einen fchönen Schein verwandelt^
und folglieh der Zuhörer hintergangen ward. Der Redner thnt
alfo das, was der Dichter thut, er erregt einem fchönen Schein»
nur mit dem Unter fchied , dafs man bei dem Product des Dichten
weit,/ dafs es Schein üt,> bei dem Product des Redners aber die-*
fen Schein für Wahrheit hält. Der Redner benimmt dem Zuhö-
rer die Freiheit zu prüfen, wozu Kaltblütigkeit und Gemüthtruh*
nöthig ift, ,.und intereiurt ihn für die Behauptung/ Daher ift nun
in jedem , ' durch die Kunft des Redners bewirkten , Fürwahrhalten
fiets Ueberzeugung und Ueberredung vermifcht, und folglich der
Zuhörer jedesmal in dem Maafse durch den 'fchönen Schein ge*
täufcht , in welchem fich Ueberredung in feine Ueberzeugdng -ein*
gemilcht hat. Diefe Kunft des Redners heilst nun Beredfam*
Keit. . Aue diefer Expofition erhellet, dafs Beredheit und
Wohlr.edenheit von Kant nicht als gleichbedeutende Ausdrück*
gebraucht worden Änd. Wer beide zufammen befittt, ift der Red-
ner ohne Kunft (vir bonus dUendi -peritus) , d. i. der nicht Künfta
öder KttnftgriftV (Erhitzung der Einbildungskraft durch äfthetiTcha
Ideen) gebraucht, die Zuhörer zu gewinnen. • Di# Beredfam*
seit aber, in dem Sinn, wie Kant das Wort nimmt, ift eine»
nichtachtungswürdige, Kunft » fich der Schwachen der Menfchen zu
feinen Abftohten zu bedienen, diefe mögen tfun immer fö gut ge* .
meint und auch wirklich fo gut feyn als Bit wollen. Dj^ Ideell detj
Rechts und der Pflicht follen nur' felbft und allein das Ge*
mach beiUmmen, nicht aber die Erhitzung der Einbildungskraft»
die Erregung der AJS^eten u. f. w. daffelbe für iie gewinnen ; fonft
wird der Menfoh für das Recht und die Pflbhf beftocheu und über*
redet. Die Künfte des Redners fchieben alfo ftete der Unabhängig»
zeit der. Pftiohtgefinnung das blinde meehanifche Spiel des fogeiianu*
ten guten Herzens unter. Allerdings haben Xdhon die Alten diel
an der* Beredsamkeit getadelt, und fie daher eine böfe Kunft» ein«
/ i
744 ~ Kunft.
kunft die Ton kunft, weicht der Dichtktmft am
jlächften Kommt, und fich mit derselben auch f ehr
natürlich ' vereinigen läfst. Sie fteht aber hinter
der Dichtkunft, weil die Mufik nicht, "; wie die
Poefie, etwas zum Nachdenken übrig läfst, >fon-
«lern durch lauter Empfindungen, ohne Begriffe,
fpricht; weil diefe Empfindungen vorübergehen-
der find, als die Gedanken # welche die Poefie
-zurückläfst; und weil fi< mehr Genufa gebfcn als
cultiviren. Daher verlangt fie auch öftern >Wech-
J#l, und verträgt, wenn fie als Kunft wirken
foll, nicht mehrmalige Wiederholung, weil diefe
nicht Wohlgefallen, fondern Ueberdrufs wirkt
Allein fie bewegt das Gemüth mannigfaltiger
lind inniglicher "als. die Dichtkunft und jede an-
dere der fchönen Künfte, f. Mufik (U. aiö«
-Wenn man dagegen den Werth der
fchönen Künfte nach der Kultur fchätzt,
die fie /dem Gehiütk verfchaf fen , fo hat
Mufik unter, den fchönen Künfien den unterften,
fo wie unter denen, die nach ihrer Annehm-
lichkeit gefchätzt werden, vielleicht den <ober-
ften Platz. ' Der Mufik gehen , wenn man die
Cultur zum Maafsftab der Schätzung nimmt, die
bildenden Künfte vor, denn <}iefe machen einen
bleibenden, die' Mufik aber macht niir einen
vorübergehenden Eindruck, f. Mufik und
Malerei (IT, aao. M. Il^ai.)*
%
KunlUnftinct*
* • 1. •
f. Trieb.
- Kunft zu t Äu f ch e n genannt ; felBft Quin et il i a n nennt &e *****
Kunft zu überreden, Auch war dem Redner im Araopag nicht er*
laubt , die Leidenfchaften reg« au tnafchen , fondern er war g« BÖ *
thigt, fich. blofii auf den Vortrag deien", was zur Sache gehörte t tio*
tulchränfcen. % «, ' '
* f
KunÄprod. Runftfchönh. Kuhftver. etc. 745
1' • .
n . ' Kuriilproduct,
i » ■ ' •
f. PioAuct.
«
• • 'S
* "■ ^
Kunftfchönheit,
f. Genie; ($. und Kunft, fchöne.
Kuuftverftand,
U Ver&and.
1
* .
Kunftwels freit,
gottliche Kunft, ars fapientiae, 9 ars dwrna,
art divin. Eine Kunfi, welche Ideen adä-
quat ift (S. III, J87 *)• Dies fcheint ein Wider-
fprach zu feyn; denn Ideen find Begriffe, denen
Kein Gegenftand in der Erfahrung adäquat gegeben
werden kann (A. 120.). Allein die Möglichkeit der
Ideen überfieigt nur alle Einficht der tnenfch li-
ehen Vernunft. "Es- läfst fich alfo wohl eine
Kunft denken, die alle andere Kunft überträfe,
und von keiner übertroffen .würde, diefe* wurde
alfo in ihren Producten die Ideen, hinter denen
alle Kunft iji der Erfahrung zurück bleibt, völ-
lig erreichen. Diefe Kunft wäre demnach eine
göttliciie Kunft, und der Begriff einer folchen
Kunft. ift feibft eine Idee«
w
2. , Weisheit iß die Eigen fchaft eines Wil-
lens, daf* er zum höchften Gut, als dem End-
zweck aller * Dinge , . zufammen f tiramt, Da*
höchfte, Gut, als der Endzweck aller Dinge, ift
aber eine Idee; denn es ift in keiner Erfahrung
dem Begriff deffelben angemeffen (adäquat) zu
finden. -JSine Kunft alfo f welche das höchfte Gut
•
hervorbringen kann, ift «in« göttliche Kunft,
und verdient den Namen der Weisheit« Denn
Kunft ift das Vermögen im Gebrauch der tagglich»
Ben. Mittel zu beliebigen Zwecken ; ift nun di?fer
Zweck das höchfie Gut, der Endzweck aller Dinge,
fo ftimmt der Wille damit zufammen, und diefc
Eigen fchaft deflelben iß Weisheit, u^d alfo
diefe Eigen fchaft mit jenem, Vermögen verbunden
eine Kunftweisheit, die nur der Welturhe-
ber haben kann.
3. Diefe Kunftweisheit ift aber von der
moralifclien Weisheit zu ünterfcheidea; jene
beßehet rrehmlich in dem Vermögen, das höchfie
Gut hervorzubringen , diefe in ' der Befchaffenheit
des Willens , • daflelbe zum oberften Endzweck
alles Wollens zu machen. Eine jede Idee ift real'
pder hat objective Gültigkeit, wenn fie uhentbehr*
lieh iß entweder zum fyftematifcitypi Gebrauch
des Verftandea, um ihm im Erkennen die rechte
Richtung, oder der Willkühr ihre Beftimmung
zu geben« Die Idee der Kunftweisheit ift eine'
'Idee der erftern Art* fie ift unentbehrlich zur Er«
klärung des Zusammenhangs der Dinge in der Welt
als Zwecke- und Mittel, welchen Zufainmenhang
wir doch bei den organifchen Cörpern nicht leug-
nen können , indem bei denfelben alles als wech»
felfeitiges Mittel und Zwecke zufammenhängt*
So bringt der Baum die Blätter hervor, und ift
alfo die mechanisch wirkende Urfache derfelben 9
allein die Blätter dienen wieder zur Erhaltung
des Baums , man darf fie dem Baum nicht öfters
nehmen, wenn er nicht verdorren foll. Hier ift
offenbar der Baum der Zweck der Blatter, aber
da es ohne ejuie . bestimmte Einrichtung des Baums
keine Blätter geben könnte, die Bläu« der Zweck
des Baumes. Wir muffen daher, da wir diefeu
ZuCammenhang nicht aus blpfsen wirkenden Ur(a»
ehest und alfo dem blinden Mechanismus der Na*
für erklären können, wqnigfiena in der Bearthei?
Kunftweisheit. Kunftwerk
74*
Jung der Natpr fo verehren, als liege den nicht
mech^nifch gewirkten,, alfo nicht notwendigen
Producteh, d. i. den zufälligen Formen der, Dinge
in der Natur eine nach beliebigen Ablichten wir-
kende Willkühr zum Gruxlde, das ift, eine Äunfi-
Weisheit, die alles nach Zwecken, und folglich
zum Endzweck der Dinge cntftehen läfst. Die
Teleologie oder Lehre von den Zwecken, auch
4urch fie die Phyfikotheologie, jeder Lehre
von Gott, in fo fern die Welt als fein Werk be-
trachtet wird, giebt reichlich«: B<- weife feiner Kunft-
weisheit in der Erfahrung. Dicfes, und dafs von
der Kunftweisheit kein Schiufa auf die moralifchd
Weisheit des Welturhebers gilt, auch wie dem
Anfehen nach die Kunftweisheit in den Natur«
zwecken, welche auch Ideen firid, folglich Ideeq.
realüirt find, findet man auseinandergefetzt und
aufgelöfet in den Art. Teleologie, Natur-
zweck und .Endzweck, 13. (8. Hl. 487-*).
. 1
Kunftwerk,
f. Product.
V
748
- —■■■ f mtmmmmmm^ltmmma^tttttKttKtm^mmmmmimmmm>mmim >m ■ ■■■■■ ■ « -»- ■ > «■
X
«
(
f
i .
L.
Lachen,
" f. Gedaokenfpiel, 3. ff. .
Landesverwcifung,
Recht derfelbeti» jus exilii, droit d'exil
Das Recht, den Staatsbürger in die wei-
te Welt (d. i. ins Ausland überhaupt), in der
altdeütfchen Sprache Elend genannt,
zu fchicken (K. soß-)- Dies Recht hat der Lan-
desherr oder das Staatsoberhaupt; denn er hat
das Recht zu /trafen, und folglich auch mjt der
gänzlichen Ausfchliefsung vom Staat, wenn der
Untenhan das Recht, Staatsbürger zu feyn, ver-
wirkt hat.
V
x ä. Wenn Jemand des Landes verwiefen wird,
fo bedeutet das fo viel als, der Landesherr ent*
zieht ihm nun allen Schutz , und macht ihn in-*
nerhalb feiner Grenzen vogelfrei {exlex). So
würde der mit allem Recht als vogelfrei ausgefto-
fseh oder des Landes* verwiefen werden, welcher
fich der in einem Staate* herrschenden Autoritär
darum wider fetzen- wollte, weil der Uffprung
derfelben nicht rechtmäfsig gewefen fei; v indem
Landesverweifung, Lafter, 749
ihr Recht eben darin liegt, dafs fie herrfchend,
d* i. durch den allgemeinen Willen des Volfes ai*- v
erkannt, ift (K* a 03. 174.)* ^
Lafter, .
vitiurn, vice. Diefes Wort wird, wie fo viele,
in einer fubjcctiven und objectiv-en Bedeu-s
turig gebraucht. Subjettiv wird der Hang
zur gefetzwidrigen Handlung, objectiv'
die gefetz widrige Handlung felbft, La-
der genannt. Jener Hang ift der in dem Men-
fchen Hegende Grund der Möglichkeit, . dafs feine
Gelinnung dem Gefetze der Pflicht zuwider fei,
fofern diefer Grund für den Men fchen zufällig ift.
Die Möglichkeit aber heilst, dafs diele pflichtwi-
drige Gelinnung wirklich werden kann (H. 56.).
2. Objectiv ift Laßer (peccatum derivati-
vum) ajle gefetzwidrige That, welche
der Materie nach dem Gefetze widerßrei*
tet (R. 25). Die Handlungen, welche diefen Na-
xnen haben, werden alfo
a. einer gefetzwidrigen Maxime gemäfs aus«
geübt;
b. gefchieht diefes der Materie nach , d. L
die Objecte der Willkühr betreffend. Das heifst,
es wird bei diefer Bedeutung nicht darauf gefeben,
was der Handelnde für eine Maxime hat. fondern
nur darauf, dafs die Handlung einer gefetz widri-
gen Maxime 1 gemäfs ift, Hie Maxune des. Hau-,
dein den mag feyn welche fie wolle.
/ 3. Das k After, in fubjectiver Bedeutung,
ifi das "W'iderfpiel (contrarie f. realiter oppoji-
tuniy von der Tugend. Denn Tugenjl ift die An*
gemeflenheit der Gelinnung zum. Gefetze» ,der
*• *
75* . Lafter.
Pflicht (R. 36.); nun kann- maii fich difl blöke
Abwefenheit der Tugend, oder das Nicht feyii
derfelben im Menfchen, denken, dies ift- Üntu*
gend oder moralifche Schwache; oder den der Tu-
gend gerade entgegen gefetzten Zuftand eines Men-
fchen, dies ift Laftfer oder Stärke des Gemüths
zu Verbrechen, Wenn wir, _ N wie die Algebraiften
rfiit einer' jeden Gröfse thun , die Tugend* durch
den Buchftaben a bezeichnen , und andeuten wol-
.len, dafs man ihr etwas entgegen fetze, was
ganz das Widerfpiel von ihr iß , alfo eine gleiche
Stärke des Gemüths zu gefetzwidrigen Handlungen :
fo kann man die Tugend — + a fetzen, d. h. fie
ift gleich (welches das Zeichen zz bezeichnet)
einer Gröfse (a), der man etwas entgegen fetzeri
'will (welches das Zeichen + bezeichnet). Dann
ift das Lafter — ' — a, d. h. es ift in dem Ge-
jnüth z. B. eines* andern Menfchen eine gleiche
Stärke des Gemüths , als in dem Gemüth eibes Tu«
geiidhaften. aber zudem geraden Widerfpiel
(welches durch das Zeichen — angedeutet wird),
in dem Gemüth des Tugendhaften iß es Stärke zu
gefetfclictren, in < dem Gemüth des Lafter haften
zu gefetzwidrigen Handlungen. Hl aber gar
keine Stärke weder zu dem einen noch zu dem
andern im Gemüth, fo ift das Untugetidrr o,
welches blofs die Abwefenheit der Tugend,
aber auch die Abwefenheit des Lüfters, alfo
noch nicht die Anwesenheit eines Lafters be-
deutet (T. 10.).
4, Die Starke des Vorfatzes in Erfüllung der
Pflicht ift eigentlich allein Tugend, die Schwä-
che diefes Vorfatzes ift blofs Untugend, oder
ein Mangel an, ntor'alifcher Stärke (dtfectuf
moralis); Laßer aber ift, Tyenn es dem Subject
Grundfatz üt , (ich
Daher ift nun auch
nicht jede pflicht
dern die pflicht
v %
Lafter«: 75*
V e brer t 9 ©tun g (peccatum) , ift fie aber Yorfetttlich,
fo da& fie dejn Subject zum Grundsatz geworden
ift, dann ift fie 'eigentlich* eine folcbe Handlung,,
die man Lafter nennt. Eine folche Handlang ift
Verfchuldui\g (demeritmti), und nicht bloft
moralischer Ünwerth*) (T. *i.) f ,.
5. Die Unterlaflung der Meisen Liebeapflkh«
ton, nehmlkh der Pflichten der Wohlthatigkeit,
der Dankbarkeit, der Theilnehmtmg, es fei nun'
der Mitfreude oder des Mitleids, ift Uebertretung,
aber bloft Untugend. Aber die Unterlaflung der
Pflicht, die aus der fchuldigen Achtung für je*
den Menfchen überhaupt hervorgeht, ift Lafter;/
denn durch die Verabßumtmg der Liebespflichten
wird kein IVfenfch beleidigt, fond^rn es unter«
bleibt nur etwas für ihn Wohlthätiges; durch die
Unterlaflung der Pflichten aus fchuldiger Achtung
aber gefchieht dem Menfchen Abbruch in Änfehung
feines gefetzmäfsigen Anfpruchs. Wenn es aber in'
K. Tugendlehre (T. 143.) heifst : die erftere Ueber-
tretung iß das Pflichtwidrige des Wider fpiels
(eontrarie oppofitum virtutis) , fo ift das
offenbar ein Verleben f und mufs heifsen, d^s lo-
gifcheW Gegentheils (contradictorie oppofitum
virtutis). Denn das Pflichtwidrige des Widerfpiels
der Liebespflichten find die Lafter des Menfchen«
baffes, qualificirter Neid, qualificirte
Undankbarkeit und qualificirte Scha-
denfreude. Was aber nicht allein keine mora-*
lifche Zuthat ift, fondern fogar den Werth der-,
jenigen, die fonft dem Subject zu Gute kommen*
wurde , aufhebt, ift Lafter (T. 143.).
*) Jener Ünierfchid*, den £pg«lh»rd macte (Letbnitii OO.
V*J* V*.48ß* °*)> uaa L^ibnitiem VorftcUung m retten, (<fet
11 11 flJRflfcnHiilniii für Mangel eh moraüfeher Stirfec hielt), datk
JttkyfiCchor Bedeutung da« Böfe =s=o fei, im «o-
fataütfg aber datfelbe «Uerdingt ein wirklich«» V«**
t*g« wub <Wfe« to,« i^-foigttca taefetig.
k.
\
75» i ' • • Lallen
iß. Ein wahres Laßer iß daher ein qtiali-
f icirtes Böfe, . d. i. ein, folches, bei welchem
gefetzwidrige Grundfätze ftatt finden, fo dafs das
$öfe dadurch, (als vorfätzlich) in die Maxime des
Subjects iit aufgenommen worden.; Dies iß z. B.
j bei Leidenfchaf ten möglich , denn . diefe find Be-
gierden 9 die zur bleibenden Neigung geworden find,
ihnen hängt der Menfch mit Ruhe nach , und diele
läfst Ueberlegüng zu, und vefftattet alfo dem Ge-
muth, iich darüber gefeti widrige Grundfätze zu
machen. Wenn z^ B. in dein Menfch en die finn-
licbe Begier &e entfteht, die man Hafs nennt, fo
kann diefe Begierde, wenn der Menfch ihr nicht
widerfteht, ihm zur Gewohnheit werdein, fie wird
alfo in ihm eine bleibende Neigung, die fich dann
auf die angeg^bepe Art, wenn der Menfch über
£e brütet,, mit dem Lafler terfchwifiert, welches
man Hafs nennt Ein Hang zum Affect (z. B.
Zorn) verfchwiftert fich aus eben dem Grunde
nicht fo fehr mit dem Lafter (F* 50. f.).
7. Es erhellet hieraus , dafs eine Mehrheit
der Laßer fich denken; wie es dqnn "unvermeid-
lich iit, nichts anders heifst, als fich verschiede-
ne Gegenstände denken, ~ auf die der Wille aus
dem einigen Princip des Laßers, nehmlich der
gefetz widrigen Maxime den Vorzug vor -4er ge-
fetzlichen zu gebe$ r und lie in feine Maxime auf-
zunehmen, geleitet wirtf. Diefes Grundprincip
des ^afiers, _ das als folches unerklärlich ift, wird
zuweilen perfonificirt oder afe eine Perfori ' ^arge-
feilt, und dann der Böfe oder, der, Teufel ge-
nannt. Denn das Laßer ,' ab die herrfchend böfe
Gefinming des Mehfchen; wird, fo vorgeftellt*, als
ßi es nur Eine, und alt befitze es die Menfchen,
weil, wenn der Menfch fo vorgeftellt Würde;. als
befäfse der Menfch das Laßer; die falfche Vorfiel-
lung entfteht: als/ habe der Menfch die Wahl gehabt*
Zwilchen' Tugend und Laßer, und fich' für das
letzte durch, freien Willen befümmt, di er doch.
^ Lafter.' , 753
wenn «r dem Laßer ergeben iß, angefehen wer» *
den mufs, yils fei er ein Sklave feiner Lüfter. Das
perlbnüicirte Böfe iß aber nichts weiter als 'eine
äfthetifche Mafchinerie, d. i. die Verfinnlichung ei-
nes lieh im Ueberfinnlichen verlierenden Grundes,
um dadurch den Knoten im Urfprüng de" s Bolen
gleichfam als gelöfet darzußellen , und zugleich
dadurch , wie durch, jede firinlifche Darßellung im
Praktischen > auf. das ' Gefühl 9 aber' in moralifcher
Hin ficht, zu wirken (T. 43.). ,
8. Man kann nun alle Gegenfiande, auf die
der Wille aus dem Princip des Laßers gerichtet
feyn kann, alfo alle Laßer (ip objfcctiver Bedeu-
tung), auf zwei Clafffen bringen, nach 'der zwie-
fachen Anlage, die in dem ' Menfcfren das laßer-
hafte ^Begehren möglich ritacht. .In dem Menfchen
iß nehmlich die Anlage zur Thierheit. und die
Anlage zur-M enfehheit (f, Anlage des Men-
fchen zum Begehren 1* ff.). Auf die Anlage
zur Thierheit können allerlei Laßer gepfropiet
werden, wenn die *Willkühr befiimmt wird, aus
dem Princjp des Laßers von ditefer Anlage Gebrauch
zu machen. Diele Laßer können Laßer der
R o h i gk eit der Natur , und , in ihrer höchßen
Abweichung vom Naturzweck jener «Anlagen; vie-
hif che Laßer heifsen .(f. Anlagen des Me^
fchen zum Begehren, 6.) (R. 16« f.).
9, Auf die Anläge zur M enfehheit können
ebenfalls allerlei LalW gepfropft werden, wenn
die Willkühr befiimmt wird, aus dem Trincip des
Laßer* von diefer Anlage Gebrauch zu machen.
Aus diefer Anläge entfpriiigen nehmlich Eifer«
fuclit und Nebenbuh ler ei, und hierauf kön- '
nen die gröfateü Lafter geheimer und offenbarer
Feindfeligkeiten gegen Alle, die wir als für uns
fremde anfehen, gepfropÄ werden. Diefe J^after
können Laßer der Cultur und, im höchßen
Grade ihre* Bösartigkeit, «teuflif.che Lafter
JVlellins phil. Worurb. jW.; B b b
734 Laller.
jfnannt vaJen (f. Anlagen d&s Menfchen
iuin Ee^cUrcn, 7.) (R. 17. f.).
ic\ Alle I. aller find inhuman objcctiv be-
trachtet* aber ihnli menfchlich fubjeetiv be-
trat htet, d. i. wie die Erfahrung uns unfere Gat-
tung kennen lehrt. Üb man alfo zwar einige der-
fetheti in der Heftigkeit des Abfcheues teüflifch
nennen möchte , fo wie ihr Gegenßück Eng el stu-
fend genannt werden könnte: fo find beide doch
nur Ideen von einem Maximum (höchften Grade).
DieT* Ge^eneLuanderltellung iß Uebertreibung«
Menfchen können zwar auch in viehische La-
uer Wien, allein der Grund davon ift, wie wir
efchen lutben, nicht eine Anlage dazu, fondern
Mifsbitiuch die f er Anlage (T. 137. f.).
gel«
der
\x. Ein Laif er iß von einer Tugend nicht
durch den Grad der Befolgung gewilTer Maximen
tinter fchieden, fondern lie find ihrer Befchaf-
fenheit nach, oder fpeeififeh von einander
vertchitden, das Lalter und die Tugend drücken
beule das Verhaltnifs der Willkühr zum Gefetz aus,
aber das eine ilt das Entgegengefetzte von dem an-
dem. Mit andern Worten, der belobte Grundfatz
des Ariftöteles *)>, die Tugend in dem Mittlern
zwifchen zwei Laftcrn zu fetzen, ilt falfch. Ge-
fetzt, gute Wirthfchaft fei das Mittlere zwifchen
zwei Laltern, Geitz und Verfchwendung , fo kann
fie w reder durch die Verminderung der Verfchwen-
dung oder durch Erfparung, noch durch "S^rnich-
rung der Ausgaben, Tugend werden. Man kann
nicht fagen, die Tugend der guten Wirthfchaft ilt
die, wo lieh die Verminderung der Verfchwendung
und des Gcfetzes, die lieh entgegen kommen, tref-
fen. Sondern jedes diefer Lalter hat feine eigene
' ) T t hiK a. B. 2. Cnp.
" i V Lüfter; , ' 755
Maxime, die lieh beidje einander noth wendig wi*
derfprechen. D6r Geitz als Laßer hat die Maxi«
xne, den Zweck der Haushaltung nicht imGenufs
feines Vermögens, fbndern anit Entfagung auf den
Genufs blofs in dem Befitz delTelben zu fetzen *)„
Die V e r f-c h w e nH u n g als x Laßer hat die Maxime,
den Zweck der Haqshfltung im Genu/s de$ Vermö-
gens zu fetzen, ohne «uf die Erhaltung delTelben
zu fehen. Die Sparfamktfit hat' aber die Maxi«
me, fowohl den Genufs des Vermögens, als auqh
die Erhaltung deflelben zum Zweck.. der Haushal-
tung zu machen f und beides mit einander zu verei-
nigen (T. 43. f.). •
mm
\
*) Garve in den Erläuterungen zum 6. (Jap. des 2. B. der Ethik ' _
des Ariftoteles fragt: ob dies, beftimmter fei, als der Grund fat*.
des Ariftojeles? Di^ Antwort ift: allerdings. Garve Hellt üch '
nehmlich vor, Kant behaupte, 'der Geitz beftehe in der Erhaltung
»Her Mittel zum Wohlleben, aber -ohne AbEcht auf« den Genufs,
und fagt nun\ Wohl leben heifse iith ein Vergnügeil verfchaffen»
alfo hjenge. doch der Geitz von dem mehr er n oder wenigem
Vergnügen ab, weichet man lieh verfchafFe, und alle fei doch auch \
eine GTöfse. / ' *
Allein 1. Kant fagt ausdrückliche (T. 89.): nicht das Maals der
Ausübung Sittlicher Maximen, fondern die Maxime beflimait die«
Tugend oder das Laßer.' Folglich beitehet der Geitz nicht in den»
M C h r oder Weniger des Vergnügens , das ieji mir verfage, fon-
dem in der Maxime, .mir j edes zu Verlagen, um das Vermögen zu (
erhalten» und das ül beftimm tj •
t
2. ül es unbegreiflich, wie Garve auf das Mehr oder Weni-
ger kommt, da Kant ausdrücklich von der Erhaltung aller Mit-
tel* zum. Wohlleben , ohne AbEeht auf mehrexe oder wenigere« fon-
dern auf Genufs überhaupt, redet ;
5. iffc alle zwar auch eine Gröfse, aber eine benimmt«
Grobe, diejiein weniger oder mehr zuUfet,
Man hüte Üch nach einem folchen Beifpiel wohl vor dem Auf«
fpruch: „Kantifi widerlegt, denn ein Mann, wie Garve, hat ihn
widerlegt» <#
Bbb 2
• /
• . - I.
/
I
756* Laftav *' *
1*. Ebensowenig, und ;ai# demfelben Grün*
£e, kann ein Laßer durch eine -gr öftere Anwendung
Sewifler Mittel , als es zweckmäfsig ift, oder auch
urch eine zu kleine Anwendung . ge wilTer Mittel,
als lieh fchickt oder zweckmä&ig. ii^, .erklärt 'werden«
Denn hierdurch vjrird der Grad gar nicht beftimmt,
1 init dem es Tugend wird, oder aufhört Laßer zu
(eyn; folglich, da hier aitf alles ankommen mnfs,
X\ni zu erklären, <5b ejm Betragen p flieh tmäfsig fei
pder nicht, fo kann, das keine EUklärijng feyn. So
Jft z.B. die, Erklärung ff die ' Vejrjfchwendung
ift eine zu weit getriebene Verzehrung des Ver-
mögens, eigentlich keine Erklärung, d$nn es
fragt ßch: wann ift fie zu weit getrieben? (T.
44.f.) , ' * t
. | *" "* » •. / 9 ~ » *• •**• . -«* *
13. Die Laßer, al^ die Brut gefetz widriger
Gefimiungeh. find die Ungeheuer, die der Tugend?
hafte zu bekämpfen hat. Daher macht .auch die
fittliche Stärke, als Tapferkeit (Jortitudß moralis),
die gröfote und einzige wahre Kriegsehre des Men*
fchen aus. Diefe fittliche Stärke wird v ajuch die
<ägentlicl\e , nehmKch praktifche Weisheit des
Menfchen genannt. Denn fie macht den End-
zweck des Däfeyns des, Menfchen auf Erden zu
dem ihrigen, f. Endzweck und Gut, hpch-
ßes (T.4.6.). : '' .
14. Die TafeJ. aller Laßer, welche
Tugendpflichten widerßr eiten, iß nach
Kants Tu^endlehre folgende ; ] .
. L > Laßer* welche Oder Pflicht des Me fl-
iehen gegen fich felbß widerßreiten;
?* : tter «öhigkeit der Natur,
4x. der Selb ßoiord,
ß. der unnatürliche Gebrauch der
Gefchlechtsneigung, ' (
• X
\
I
#_
X
Läfter; f'57
- y. fl«r «inmafsige Gennfr de* dfah-
/ rüpga mittel, . •
ä* der Gultur, ^ t
«i die /tüge^
0. de* Gtitz, ",
-' -7. die falfche Demuth,
H. Laßer; ; welche der - Tugendpflicht
des Menfchen gegen andere wi&ef-
ftteiten, '
■» - * * •
1. des Menfchenhaffes,
*■ v
er, der qualif icirte itfeid,
V #
ß. die qualificirte Undankbarheit,
-y« die* qualificirte* Schadenfreude,
a* der Menfchenverachturig,
«. der Hochmut h,
. .... . „ ,
■ * . - •
ß. ü$9 Afterreden*
. . . ■ ■ *
<y. die Verhöhnung.
ig. Das tafter t 9 1 * jff. heifst auch ein un*
natürliches tafter (crimen cdtnis contra naturam),-
weil es- in der Maxime befteht. s einen tinrta-
tür liehen (gegen den Z^feek der Natur "gerich--
teten) Gebrauch ton eines Andern Gefcfrlechtsor~ ;
ganen und Gefchlechtsv^rmdgen zu mächen. Un-
natürlich ift dies tafter, r weil der Men Ich zw
demfelben, nicht durch den wirklichen Gegen ftänd,
eine Per fön feines eigenen Geschlechts, oder fich
75»
Laßer;
tettffy, oder ein T^ior von einet andern . als der
Menfchengattung, fondern durch, die Einbildung
von demfelben, alfo gegen 'den Zweck der Natur,
indem nicht die Natur, fondern er fith.felbft den
Beiz hervorbringt, gereizt wird. Die Einbildung
bewirke alsdann eine Begierde wider; den . Zweck
der Natur, und zwar wider einen noch wicht!«
jjern Natur zweck, als felbß die natürliche Liebe
zum Leben hat; denn diefe zielt nur auf die Er-
haltung des einzelnen Menfcben {Individuums)
ab, der Geschlechtstrieb aber auf die Erhaltung
der ganzen Art (Species) (K. 107.- T. 76.).
16. Dies Laßer heifst auch ein unnennba-
res Laßer f weil ein folcher naturwidriger Ge-
brauch (alfo Mifsbrauch) feiner Gefchlechts^igen-
fchaft eipe, und. zwar der Sittlichkeit im höchßen
Grade wid er ft reit ende, Verletzung- der;Pßipht ge-
gen lieh felbft ift, und in dem Maafse eine Ab-
kehrung von diefeiq ßädanken erregt, ' daf$ felblt
die Nennung eines' folchen Laßers bei feinem ei-
genen Namen für unütt^eh gehalten ; wird. Es
iß eben daher eine noch verwerflichere Läfion
(Verletzung der. Rechte) der Menfthhfcit in der ei-
, genen~ Perfon des diefes Laßers fich fchuldig ma-
chenden , als der Selbßmord, de^i man, -mit al-
len feinen Greueln, der Welt vor Augen zu legen
kein Bedenken trägt« Es ift als ob.fichder Menfch
befchämt fühlt, einer folchen ihn felbß unter das
Vi6h herabwürdigenden- Behandlung fähig zu feyn.
Daher veranlafst und erfordert felbß die erlaubte
(an lieh freilich blofs thierifche) cörp^rliche Ge-
meinichaft beider Geblechter in der ^ Ehe im ge-
litteten Umgange viel Reinheit, um eüi£fi Schleier
darüber zu, werfen» wenn davon gefprpchen wer-
den füll. Der . Vernunftbeweis aber der Unzuläf-
figkeit )jenes unnatürlichen, und ) felbß auch des
blofs unzweckmäfsigen Gebrauchs, l^iner Gefchlechts-
eigen fcha f ten als Verlptzu 1 i^^MHÜltorar , . jHMfeiten
erßern betrifft, im hoch
-r* •-
\ I •
« ♦
1 V
* Lalterl Latitiiditfaiier; x 755
gen ficji felbft, ift nicht fo leicht gefuhrt. . Der
Beweisgrund liegt freilich darin, clate ckr Menfch
fein^ Persönlichkeit' wegwirft und aufgiebt, wenn
er lieh l|lofs zum Mittel' der Befriedigung thieri«
fcher Triebe braucht.' Abet' der hohe Grad der
Verletzung der Menfchheit in feiner eigenen
Perfön, nicht in dem ganzen Gefühl echt, durch
ein folches Lafter in feiner Unfcatürlichkeit ift da-
durch noch nicht erklärt. Diefes unnatürliche La-
fter fcheint auch darum verwerflicher zu feyn als
der 'Selbftmord, weil , die trotzige Wegwerfung
des Lebens doch noch Muth erfordert. Jenes La«
fter hingegen ift eine weichliche Hingebung an
thierifche Reize. ' Der Menfch überiäfst Ech bei
defnfelben gänzlich der • thierifchen Neigung, und
macht fich zur genießbaren r aber hierin doch zu-
gleich naturwidrigen (ekelhaften) Sache % und be-
raubt fich fo aller Achtung für lieh felbft. Diefes
Lafter kann alfo durdi gar Keine Einschränkungen
tuid Ausnahmen, wider die gänzliche Verwerfung
gerettet werden (K. 107. T« 77. f.).
S. übrigens den Art. Bö fcs.
V
K^nt Ret. inB; der Grenzen der blofsen Vern. ».St. I,
s. 16— 11, s. 25— m t S. 30.
"Deff. Metaph. Anfangsgründe der Tugendlehre Einleit. .
IL Anmerk. S. 10. — VII» S. ai # — XHL S, 43. ff/
— XV. S. 50. f. — Elementarl. I. Buch. I. Hauptft.
H. Art. §. 7. S/76, ff. — IL Buch. I. Hauptft. L Äb-
fenn. $. 36. Anmerk. S. 137. f . ^— IL Abfcbn. #.4*.
8; 143.
JDeff» Metaph.- Anfangsgründe der Rechtslehre L Th.
II. Hauptft 3. Abfchn. 1. Tit. J. Ä4/S. 107.
Die Ethik des Ariftoteles überf. u. erl. von Chri-
ftian Garve, Zweites Buch, 2te» K. S» 553. ff. u #
die* K. Ecüut. S. 609.
» *
Lätitudinarier
ir* dt'ÄT Moral, latUudinarii ethices* pic Anti-
^tf|^£* Bigoriften, od,er diejenigen,
*
7t*
Latitudinaricr.
welche der laxen Denknngsart sugethan
find, daf$ fie moralifche Mitteldinge
\adiaphora) in Handlungen und menschli-
chen Charakteren einräumen.» Es liegt der
Sittenlehre viel daran, .keine folchen moralifchen
Mitteldinge zuzulaflen (R. 9.).
9; Ein moralifche 3 Mittelding {rtdia-
phoron) wäre eine ffandlung, oder, auch ein menfph-
licber Charakter > die weder gut noch böfe wären;
fo wäre der Menfch überhaupt , ein folches mora-
Üfches Mittelding , • wejnn er in leiner Gattung we-
der gut noch böje wäre« Die Erfahrung Ich eint
* fogar «tiefes Mittlere swifchen beiden Extremen
zu beftätigen; denn in Anfehung des Vergnügens
und Schmerzes giebt es .ein dergleichen Mittlern«
Wenn wir nehmlich das Vergnügen a nennen,
fo ift der Schmerz — — a (in der Bedeutung wie
itfi Ar t. % a ft e r , 3.), Der .Zuftapd t worin eins
„von beiden angetroffen wird, ift die Gleichgül-
tigkeit;^ o. Allem die Sittenlehre darf keine
folchen moralifchen Mitteldinge einräumen, fo länge*
es möglich ift, weil bei 'einer folchen Doppelfin-
^ nigkeit alle Maximen Gefahr laufen, ihre Beftimmt~
' heit und Fettigkeit einzubüfsen« .Diejenigen nun,
welche diefer ftrengen Denkungsart ztrgethan find,
dafs es keine folchen moralifchen Mitteldinge giebt,
nenrit man BigOriften in der Moral. Aber ihre
Antipoden (Gegen füfsler, folche, welche der
entgegen gefetzten Meinung find, dafs es nehm! ich
folche moralifche Mitteldinge giebt) kann man L a*
titudinarier nennen, Sie find aber entweder La«
titudinarier.der Neutralität oder der Coalition.
Wer behauptet, es gebe Handlungen und Charak-
. tere , die weder gut noch böfe , al£6 k ein e« von
beiden^ - find, ift ein Latitudinarier der Neu-
tralität, und .kann, ein Indiff erentift in der
Moral heifsen, weil er der Meinung ift, dafs ge*
. wiffa Handlungen iri Anfehung dfcr Moralitat gleich-
gültig fwd. W$r aber behauptet, «a g*be gewiife
• J. *
4, ' *■• '.
' /
~ Latiti«linari£tf -761
JJandlungfen und Charaktere, -die beides zu-
gleich find, jnehmlich in einigen Stücken gut'
in andern böfe, ift auch ein folcher Latitudma*
rier, aber der Coalition, weil er beides, das
Gu^e und Böfe, in Einem Gegen ftan^e Vereinigen .
tvill, und kann darum ein, Synkretift (ein
Name , welcher diel ausdrückt) ' in d^r Moral
heifseh« .
» * ■ •
3» " Um nun eihzufehen , dafs beide Behauptun-
gen falfch lind, ftelle man lieh die Sache wieder
durch .eine Art; von math&matilcher Conftrnctiori.
vor , , welches . glekh alles ^einleuchtend macht.
Man nenne das Gute a, fo kann man fich die Auf*
hebung des a auf ^weierl^i Art denken, -entwe-
der durch contradictorifch« oder durch com
t r ä r e En tgegenfetzung* Die erlte ift . die 1 o g i-
f c h e Entgegenfetzung, durch welche ich blofs *
das a <*ls nicht. vorhanden denke 9 und dies nennt
der Logiker das Nich.t-n: $;' dia a*Kte*e.4ft die
reale Entgegenfetzung, durch welche ich etwa» '
Wirkliches denke,, was das. gerade W/iderfpiel
von dem a ift, und wodurch, wfcnn ieh e* mit
dem a verbinde, daflelbe aufgehoben .wird ödev
wegfalle piea nennt der . Mathematiker das Mi"
nus — a. oder das negative a zz T~-a.
4« Die. leicht efte^ Art nun einzufetten, dafs
es keine, moralifchen Mitteldinge giefet, ift, wenn
man bedenkt, . dafs das Entgegengefetfcte des Gu-
ten ~ a^^. entweder das Nichts a» cL i clas
Nichtgute > der blofse Mangel, des Guten , . d. i.
der Maxime gut zu handeln, rr o ift;) oder dafs
es das Minus rr a, d. i. des wirkliche "Gegen- v
theil , das Wider fpiel des Tauten , d. i die »Maxi-
me, böfe zu handeln, ift , rr -*- *l, welches man
aiich cfcas !N ich t gute nennt,» welches, aber etwas
Wirkliches , üt , das vom blofsen Mangel de* £ü«
ten und folglich auch vom blofeen JVJangel detf
Böfen WQhliu unterfqbeiden ift- j i Üas Nichl>
?<>a # LaHtu3Bnarien
guterr— -a', öder das' Minusgute, das nega-
tive Gute; katin auch das pofitive Böfe ge-
nannt werden. N
■
♦ *
5. ; Wir wollen nun einmal annehmen, das
moralifche Gefetz in uns vtärq Keine - Triebfe-
der der Will kühr, fondern, wie die- Anhänger
des Glückfeligkeitsprincips (E u d ä m b n i ft en) be-
haupten , es müfste immer erft noch ein Gegenf tand
da feyn, um deffentwilleh wir das Gefetz befol*
gen, und welcher alfo, vennitteUt des finnlichen
Triebes , den <der Gegenftahd zu befriedigen dient^
die Willkühr zur Befolgung des Gefetzes beftimmte.
Dann wäredäs Moral ifch gute oder die Zufam*
menftimmung der Willkahr, mit dem Gefetz — a,
das Nicht gut er: o, nehmlich der Mangel einer
•Triebfeder, das Gefetz zu erfüllen, es wirkte kein
Gegenftand auf die Willkühr, d. h. das Moralifch-
gute '~ a wäre zu betrachten wie eine Gröfse, die
mit ö multrplicirt ift (aXo). Man kann das a ein-
mal nehmen, _ wenn eine, Triebfeder, zweimal,
Wenn zwei Triebfedern, /tu f. w. wirkten (d. h.
die* Triebfeder ift zweimal fo wirkfam - als beim
vorigen Fall); 'wirkt aber gar keine, fo giebt es
gar kein a, oder ich kann es o .mal, d. i. gar
nicht nehmen, welches, , weil x daä Zeichen der
Multiplication ift, fo ausgedrückt werden kann:
aXot Dann wäre es alfo nichts Bofes, wenn kein
Gegenfiand von aufsen als Triebfeder zur Befol-
gung des Gefetzes da wäre,, es wäre aber auch
nichts Gutes f fondern nur ein JMangel aller mora-
lifchen .Triebfe4er überhfouptw.
4 * * » * * i
*
>• " 6.- Das moralifche Gefetz ifi aber felbft in
uns Triebfeder der WilÄLÜhr; denn fonft würden
wir nicht um des Gefetzes , fondern um des Ge-
gen ftandes willen 9 d. i. nicht aus Moralität, fon-
dern wfegin einer finnlichen Triebfeder, alfo aus
Sinnlichkeit, das Gefetz befolgen, * So fei nun das
Gefetz als Trjebf eder r zz a, wirkt nun diefe Trieb-
I
I
«r; 763
fetler nicht , öder ift ein Mangel der Uebereinftim*
mung der Willkühr mit dem Gefetz rr o voi han-
den, fo rrfufs, eine .andere Triebfeder auf die •
Willkühr wirken f welche .dem . Gefetz als einet
Triebfeder wirklich entgegen wirkt. Das heifst,
es mufs a im Gemüth eine WideritrebuTig .gegen
das Gefetz — » — a vorhanden feyn, * folglich * ein*
wirkliche böfe. Willkühr; die- aber nur die Trieb»
feder des Gefetzes unwirkfam iqacht , und dadurch
den moralifcheri Ztiitand, ' der* rr 6 ift, hervor-
bringt. Diefer Zuftand 30 ift alfo itfcht mural*»
Xche Indifferenz oder Gleichgültigkeit in AnfehungJ
der Moralität f fpndern beruhet /wirklich auf einer '
böfen Gefinnung. • . Es • giebt alfo wirklich zwifchm
einer böfen Gelinnung, d: L einer folchen, welche
gefetzwidrige .Maxime/):f>der Handlungen . zu den
ihrigen macht,, und zwifchen . einer, guten Gelin-
nung kein Mittleres :('R.- 9. /£)•*.,
'**..''■» * •*■.
7. DW ift die Beantwortung der Frage , .nach
der rigoriitif chen Entfcheidungsart, Der Un*
terfchied zwischen der Natur 9 nach welcher es
einen blofsen Mängel woran ,.~ z« - B. Mangel • des
Vergnügens -und. Schmerzes , - geben kann , und der
Freiheit, nach welcher dies nicht möglich ift,
beruhet auf Folgendem. Die Freiheit der Will-
kühr ift von der ganz eigen thiimlichen BefchafFen-*
heit , dafs de durch keine Triebfeder (z. B. die
des Erhaltungstriebes vermitteilt einer fehr wohl-
fchmeckeriden aber fchwer zu verdauenden Speife)
a&u «wer 1 Handlung (z, B. diefe Speife zu geniefsen)
t>eftimmt werden kann, als nur fofetfn der
Menfch fifc in feine Maxime aufgenom-
men hat {d.'i es -fein. Wille i geworden iß., nach
diefer Maxime zu handeln, . oder üe zu feiner Be-.
gel. des Verhafttens zu machen , z. B. wehn er es
zu feiner Regel gemacht hat zuweilen es zu ,wa- 1
gen ; von 1 >einf r fehr wphl&hra^ckenden Speife,.
die nicht oft yprkömmtv^ mehr. xu geniefsen^ als.'
es mit vollkomwner iSicheicheit für. dae^Gefundheit:
I
«
764 iJatitudinäficr^
■ *
gefch eben kann); fo allein kftnn eine 'Tnftbffejer
mit der äbfoluten Spontaneität Aef ^Villkühr % der
Freiheit, zufammen beliehen-. Das inorali(the Gc-
fetz iit aber für lieh felbß Triebfeder im Urtfieile
der Vernunft, und, - wer es zu feiner Maxime
macht (fichs zur Regel macht , nach der ejr fich ver-
halten will), ift in oraüf eh gut. -Derjenige alfo,
der nicht darnach* handelt y hat es nicht zu feiner
Regel gemacht, in- Anfehung einet auf da fiel be
fich beziehenden Handlung. E& muß folglich eine
ahdere Triebfeder, die dem Gefetz entgegen gefetzt
ift, auf die Willkühr deffelbert Ein flu fs haben«
Diefes kann aber Yferniöge der Vot&usCetzung (dafs
" die Freiheit der Willkühr ' nur durch die Aufnahme
der Triebfeder in feine Maxime beftupmt werden
» kann) nur dadurch gefcheheif> dafs der Menfcb diefe
v dem Gefetz entgegengefetzte Triebfeder (mithin
auch die Abweichung -vom möralifchien Gefetz) in
feine Maxime aufnimmt (in welchem Falle er nicht
' ein geg«» das mafalifche GefetÄ indifferenter, fon-
dern Iröfer Menfchaft). Auf diefe Art iß es alfo
einleuchtend, dafs ein Menfch in Anfehung des
moralifcheh Gfefetzes, niemals keines yon ; beiden,
weder gut hoch böfe, feyn kann (R. 11. ff.).
-
1
g, Hiernach würde cäne moralifch- gleich-
gültige Handlung (ddiaphoron inorale) eine
blofs aus Nattfrgefetzen erfolgende Handlung feyn»
Die Wirkung eines Dinges , was keinen freien Wil-
. Jen hat> z. B. die Handlung eines Hundes , iit we-
der gut noch böfe; diefe Handlung fteht nehmlich
in gar keiner Beziehung aufs mefralifche Gefetz.
Wenn nehmlich ddt Hund handelt. Jb handelt er
blofs nach Gefetzen de* Natur und nicht »ach Ge-
, fetzen der Freiheit, er nimmt nicht eine Maxime
in feine Willkühr auf, fondern wird Mofs, ohne
alle Verfbmdekregel, obwohl vermittelt t Vbrfiel-
lungeri, zu feinen Handlungen getrieben. Solche
Handlungen find aber keine Thafcfadhen (facta)
in engerer Bedeutung des -Wopts ,'• wenn man - unter
• -
/
.« Latitudinarier, 765
liefen Hamdlungen aus freier Willkühr verlieht?
und in Anfehung folcher blofsen tsfaturwirkungex*
giebt es weder (iebote, noch, V.erbote, noch
aqch Erlaub nifs (gefetzliche Befugnifs), wel-
che letzters aju allen Handlungen, die weder g*.
botest ; noch verbotet find, alfo moralifch- gleich«
gültig fcheinen, vorausgefetzt werden muk
(R. 10. *)> ..,-'.
9* Ja ^ber, fagen die Latitudinarier der
C o a 1 i Mo n , der Mehfch kann doch in einigen
Stücken fittlioh gut, und. in andern zugleich böfcu
fey tL Man „mufa doch zugeben , dafs z. B„ Je*>
mand ein ehrlicher Mann feyn, und zugleich in
Anfehung des Gefchlechtstriebes nicht fo ge willen«
haft feyn kann«. Diefe Behauptung iß nun ebenfalls
falfch; denn ift Jemand in einem/ z. 13. in Anfehung
fremden Eigen th ums , gut, Xo hat er das moralifche
Gefetz in feine Maxime aufgenommen, feilte er
alfo in. einem andern Stücke , z. B. in Anfehung der
Befriedigung des Geschlechtstriebes, zugleich böfe
feyn, . fo hat er das moralifche Gefetz nicht ii\
feine Maxime aufgenommen , weil diefea. Ge-
fetz, als folches, das ift als allgemein für alle 1
Fälle, und* nochwendig geltende Handlungsregel,
ftets befolgt werden mufs, wenn es als Gefetz in
die .Maxime aufgeuommen*feyn folL- Nun befolgt
er das Gefetz aber nur für einen Fall, aber nicht
für den andern, alfo ift das Gefetz nicht als Ge-
fetz , fondefn al% Maxime für. einen Fall, in die
Maxime aufgenommen worden. Folglich üt es
nicht das Gefetz, was ihn, als folches, auch z.B.
in Anfehung des' Eigen th ums bfefiimmt, fondern
er hat eine andere Maxime in feinen Wijlen als-
fein Gefetz aufgenommen, n?hmlkh lieh nur dann
durchs Gefetz bfeftinunen zu laden, es alfo" nicht
als. allgemeingültig, fondern als eine befoodere,
Maxime zu befolgen, wenn der Reiz der finn-
liehen - Triebfeder nicht fo grofs ift, als* bei der
Befriedigung des. Gefchlethtstriebes , im letzt ern,
'.
./
76$
Latitudinariöri
Falle aber diefe Triebfeder in die Maxime au&
zunehmen (IL i§«).
i o. Die alten Philofophen /druckten die Fra-
ge: ob der Menfch von Natur gegen, die Tugend
und das Lafter gleichgültig (indifferent) fei, fo
«us; ob die Tugend erlernt werden, könne *)?
Die andere Frage, ob der Menfch nicht in eini-
gen Stücken tugendhaft, in andern* -lafterhaft fei f
drückten fie fo aus; ob es mehr als eine Tugend
gebe? Beides wurde Von ihnen mit rigoriftifcher
Beftimmtheit und mit Recht verneint. Sie be-
trachteten nehmlich, fp wie wir es hier, gethan
haben, die Tugend an fioh, in der Idee der
Vernunft (oder wie de? Menfch feyn Xoll). In
der Erfahrung y oder fo wie der Menfch in der
Erfcheinnng ifi, kann man freilich beide Fra-
gen bejahen, denn da lind manche Menfch en ge-
gen das Moralgefetz indifferent, oder befolgen es
zuweilen, und zuweilen wieder nicht. -• Vor dem
menschlichen Richter, (nach empirifchem Maafs-
fiabe), der nur auf Legalität oder Gefetzmäfsigkeit
der.. Handlung liebet , find fie alfo dann weder gut
noch böfe, oder, theils gut, theils böfe; aber. vor
dem göttlichen Richter (auf der Wage der reinen
Vernunft), der auf Moralität oder Sittlichkeit der
Handlung fielet, find dtete alle böfe (R. 1*3. *)).
/
Kant Religion innerhalb der Grenzen der blofsen Ver-
nunft. i.Stück. Anmerkung, S. 9 — 13.
*)Platö tmterfucht diele Frage in feinem* Gefpräcb Mtno
oder ron der Tugend, und Aefehines im erften Gefpraclu
welche* den Titel hat: von der Tugend, ob fie erlernbar
fei. Beide behaupten, fie' fei nicht erlernbar, fondern entliehe
in uns durch die Gottheit, d. h. ihr Urfprung fei für ans uner-
forfehÜDh. Nur Ariltoteles, Ethik s, B. i, K. behauptet, wir
/Wären ton Natur indifferent gegeü die Tugend,
\
\
»\
9
Laune, «767^
1
Lauiif,
\
Humor, hurneur^ Bedeutet, im guten Ver*
Rande, daä Talent, fich willkühr lieh.
in eine, gewiffe Gemütbsdifpofition ver-
fetzlen zu können, in der alle Dinge ganz
ander« als gewöhnlich (logar umgekehrt),
und doch gewiffen Vernunf tprineipien
in einej^ folchen Gemuthsftimmung ge-
mäfs, beurtheilt werden. Die Laune üt
ein Talent oder eine Naturgabe y d. i ein gewif-
fes vom Subject felbft abhängendes,, obwohl ihm
von der Natur verliehenes, Vermögen» etwas her*
vorzubringen« Was durch die» Laune hervorge-
bracht 'wird, üt eine gewiffe Gernüthsdifpoülion
oder Gemüthsftimmung , welche auch Laune ge-
nannt wirdj und fo ifi Laune, in fubjeetiver
Bedeutung, die . Naturgabe, lieh in Laune, in
objeetivtr Bedeutung, zu verletzen. Diele
Gemüthsüimiriung befteht aber darin, darfs man
ä. alle Dinge ganz anders als gewöhnlich, fo
gar umgekehrt, beurtheile. So herrfcht in der
horazifchen Ode *) an den über die See fegilnden,
Virgil faß ganz die Laune des Dichters , lieh '
alles als , gefährlich vorzustellen, ■ Er fchilt dar*
um . auf die Verwegenheit der Menfchen , dafs fie
das Reifen zur See erfunden haben;
ß. alle Dinge , obwohl anders als gewöhnlich,
doch* gewüTen Vernunf tprineipien , die einer fol-
chen Gemuthsftimmung zum Grunde liegen, gc-
mäfs beurtheile.^ Das Vernunftprincip oder die
IMaxime des Horaz war,' fein Gemüth zum Ver-
drufs zu Itimmen, und alles Virgils Reife Betref-
fende durch diefes Glas zu betrachten (U. 1230»).
m
•; Lib. U Cd. HL Sic U diva etc.
t
\
V
76$ • .Laune.
a. Laune bedeutet aber auch die Fähigkeit,
urfwillkiihrlich in eine folche Gemüthsftim-
- mung gefetzt zu ♦ Werden V und diefe unwillkühr-
liehe Gemüthsfiiriimung felbft. Dirfe Laune* hat
, derp Menfcfien in ihrer ^Gewalt, un4 macht , dafs
er fich vorltellt, die Dinge wären wirklich fo ganz
anders und verkehrt beschaffen, als er fie beur-
theilt Die Laune in der erftern Bedeutung hin-
gegen hat der Menfch in feiner Gewalt ,* und\ er
weifs es fehrjpvohl, dafs die Dinge nicht fo find,
wie. er fie fich in diefer GentVithsflimmung vor-
ftellt. Man merkt es gar bald, welche Art der
Laune, die erftere oder letztere, es fei, in' welcher
ä B* der Schriftfteller war, dls er fchrieb. Ob
nehmlich der Diehter felbft ein gefärbtes Gla? fich
•vorhalte, und die Dinge, die er dadurch betrach-
tet, nun fo beschreibt, als glaube er, fie wären
wirklich fo gefärbt, oder, ob ihm diefes Glas
von fjeirter Gemüthsfiimmung vorgehalten wurde,
und er nun wirklich' glaubt, dafs die Dinge fo
beschaffen find,- als fie ihm durchs das gefärbte
Glas feiner Getnüthsft immutig, das er nicht be-
achtet, erfcheinen, das kundigt fich bald durch
die DarftellurAg an* . -
* i
5. Wer den- Veränderungen* der* Laune un-
will küh«rl ich unterworfen ift, älfo von der
Laune in der letzteren Bedeutung abhängt,- ift
läunifeh.x Diefe la unif che Sinn esart ift. eine
Gemüthsftimmung zu Anwandlungen eines Sub-
jeets befonders zur Freude oder Traurigkeit, von
denen fich diefes felbft keinen Grund angeben kann,
von denen es folglich nicht felbft, und auch nicht
etwas aufser d^mfelbön die Urfache ift; eine Difpo-
fitioivjt die vörneRirilich den Hypöchondriften an-
fängt* In , einer luftigen Laune -fieht der Launi-
fclie alles von der ergötzenden und beluftigenden
Seite an, es kann ihm alles Freude machen;; in
^iner verdrüfslichen Laune aber ift ihm alles ver-
drüfslich, d|e', Fliege an, der Wand ä*gert ihn.
*
Laune. 769
Wie ein fielbfuchtiger alles gelb Geht , fo erfcheinet
einem Launifchen in guter Laune alles. luftig f in
übler Laune alles verdriifslich , feine Urt heile,
Empfindungen und Handlungen .find dann ganz
anders als gewöhnlich (A. 177.). "
4. Derjenige, . welcher die Veränderungen der
Laune willkührlich und zweckinäfsig (tum Behuf
einer lebhaften Darftellung vermittelte eines Lachen
erregenden Contraftes) anzunehmen vermag , der
und fein Vortrag heifst 1 a u n i g t % Diefes 1 a u-
nigte Talen t\ z. B. eines Buttler) Sterne» oder
Thümmel , ift alf ö von "der; 1 h u n ifchen Sinnes-
art gan^ unterfchieden ; der Hauptunterfchied zwi»
fchen beiden aber ift das Willkührliche im eriiern*
Diefes Talent macht durch die ab rieht lieh- ver«
kehrte Stellung, in die der witzige 'Kopf die.
Gegenftände fetzt {indem er (ie gleicufam aut* den
Kopf ftellt)> mit fchalkhafter Einfalt dem Zuhö-
rer oder Lefer das Vergnügen, fie felbft zurecht
zu Hellen. Die Contrafte, in die der 1 au n igte .
Dichter die Gegenltande ftellt, geben ihm auch
die befte Gelegenheit, die gerade Richtung d?.r
Vernunft zwifchen den Extremen rec{it lichtbar zt*
machen. Befönders aber mufs derjenige, welcher
im Fach des Lultfpiels ' etwas vorzügliches leißen
Will, fich in jede Art der Laune zu fetzen 'wif*
fen ; weil dies das ficherfte Mittel ift , den Zu-
fchauer zu ergötzen und zu unterrichten (A. 177.).
5. Diefe Manier gehört indeflen mehr zur
angenehmen ^als fchönen Kunft, weil der Ge*
genltand der fchönen Kunft immer einige Würdt
an (ich zeigen mufs. und daher einen gewiflen*
Ernft in ddr Darftellung, fo wie der Ge-
fchmack in der Beurtheilung, erfordert. Die
fchöne Kunft gefällt, aber die angenehme Kunft
vergnügt und ergötzt durch ihre Prodiicte;
wir ergötzen uns ' an der ^wollüßigen Lau«
ne d*|S Anakreon, die ihn fo naiv macht,, und
hl M.
I
/
77<* 'Laune. • Lauterkeit. Leben« , /
jede merkliche Laune hat etwas an fich, wobei
wir mit Vergoiüg-en die Abweichungen von der
ruhigen. Vernunft beobachten. Die Laune ver-
schafft' uns alfo Genufs , und es iXt nicht das Wohl-
gefallen der blofsen Reflexion, wodurch -uns das
launigte Product gefällt,, foifdern das Vergnügen
der Sinnenluft 7 wodurch es -uns reizt und inter«
eflirt (IL 030.)-
» »
Kant Critik der UxtbeiUkraft Th. I. $. 54. Su 25*«
r ♦ /
Lauterkeit,
der Pf lichtgefinnung, puritas moralis, purtti
moralc* Wenndas Gefetzfür fich allein
' Triebfeder ift, und die Handlung aus
Pflicht gefchieht* Diefe Lauterkeit der
Pflichtgefinnung ift das eine Stück der Pflicht des
Menfchen gegen fich felbfi in Erhöhung feiner mo-
ralifchen Vollkommenheit, <L i. in J>loCs fitt-
lieber Abficht, und beßeht darin, dafs fich keine
von der Sinnlichkeit hergenommen? Ablichten der
Pflichtgefinnung beimiTchen; denn fo weit jene
finnlichen Ablichten die Triebfedern der Handlung
find, 'ft> weit ift diefe nicht fittlich gut, fondern
nur pflichtmäfsig. Das Gebot iß hier: ihr follt
heilig feyn (1 Petr. 1, 16.). Menfchliche
.Heiligkeit ift Lauterkeit der , Pflichtgefinnung
(T. 113.)-
ä. Lauterkeit der Kirche {puritas eccle-
ßae) 9 L Kirche. ^
* * •
Leben,
Vita,, vie. So heifst das Vermögen einet:
Suhftänz, fich aus einem Innern Prin«
cip zum Handeln zu beftimmen (N. xao.).
Leben, 771
Eine S üb ftanz oft dasjenige Subject , des Da-
feyns, was Jfelbft nicht wiederum \ils J^rädicat
zum Däfeyn eines andern Subjects gehört (N. 42.).
Das Vermögen ift der Grund oder das Princip,
worauf die Inhärenz eines! gewiffen Actus in uns
beruhet. 'Folglich beftehet das . Leben in dem
Grunde, welchen ein Subject, das nic^t als Prädi-
cat eines andern Dinges exiftirt, in fich hat, der
es ihm möglich mächt, fich felbft zum Handeln
zu beftimmen. . Iß diefes für lieh beltehende Sub-
ject, diefe Subltanz, endlich, fo ift die. Hand-
lung, zu -welcher fie fich beltimmt, . eine -Ver-
änderung ihres Zuftandes. Ift ^LieSe Subftans
materiell, d. h. erfüllt fie einen Raum, fo
find die einzigen Veränderungen ihres Zuiiandes,
zu denen fie lieh beltimmt, entweder Bewegung
oder Ruhe. Wir kennen aber keinen andern in .
der Subftanz felbfi liegenden Grund, der es ihr -
möglich machte, ihren Zuftand zu verändern, als
das Begehren, und überhaupt keine innere Tjiä-
ti°;keit als das Denken, mit dem, was davon
abhängt, Gefühl, der Luft oder Unluft und Be-
gierde oder Wille. Diefe Gründe, die es der/
Subftafiz möglich machen, ihren Zuftand felbft,
aus Wiilkühr, zu verändern, und die Handlung*
felbft, welche diefe Veränderung bewirkt, gehören,
zu den Vörftelluftgen des innern Sinnes, und ver~. •
dienen auch daher den Namen der innern Prin-
cipien (K. iäo). . " . .
ö. Es ift .Hinmöglich , dafs das Leben in der .
Materie liege, denn die Materie ift eine, ~~ Vor«*
Jtellung, welche uns blofs durch äufsere Sinne
möglich ift, das Leben aber ift ein Verfnögen,
Jas auf den innern Principien des Begehrens be- -
ruhet, welche blofs Vorftellungen des innern Sin-
nes find. Wie könnte denn alfo eine blofs fem x
innern Sinne swigehörige Beftimmung eine Beltim-
mung der Materie, als folcher, oder einer dem äu-
ßern Sinn zugehörigen Subftanz feyn? Diejenigen,
Ccc 2
77« Labien*
die das Xefcen des Thiers in der Materie fachen,
taufcht Blofs die Verbindung / beider Arten der 6in-
xie in einem und demfeljren Subjcct. Wenn nun
diefes ' Subject materiell' ift, und es felbft, aus
lieh, eine Veränderung der Materie, an die fem
innerer Sinn gebunden ift , hervorbringen will:
fo kann das Vermögen, wodurch ihm Tdiefe Ver-
änderung ,aus der Ruhe in Bewegung, oder aus
der Bewegung zur Ruhe, möglich wird, oder
das Leben, nicht in der Materie, fondern mufs
in einer andern , von der Materie ganz verfchie-
denen (welches der Ausdruck: aufs er ihr befind-
lichen, fagen will), obzwar mit ihr verbunde-
nen Subftanz gefutht werden, die nicht in die
auCsern Sinne fällt, deren Accidenzen aber oder
Beltimmungen im innern Sinn zu finden find, und
Vorfiellungen, nehmlich Anfchauungen der Ein-
bildungskraft , Empfindungen , Gefühle , Begier-
den, Begehrungen u. f. w. heifsen (N. 120. £)*
3. Leben ift alfo das 'Vermögen eines
Wefcns, nach Gefetzen des Begehriings-
Vefmögens zu handeln (P. 16. *). Wefen
heifst hier fo viel als ein Ding, dem das Ver-
mögen, welches man Leben nennt, zukommen
kann! Da wir keinen andern innern Grund, der
es einer Subftanz möglich machte, ihren Zuftand
felbft willkührlich zu Verändern , kennen , als das
Begehren: fo ift das Vermögen zu- handeln
nach den Gefetzen' des Vermögens zu begehren
iriir eine nähere Beßimmung der Erklärung in 1.
Das Begehrungsvermögen ifi das einzige 11ns
bekannte innere Princip, aus welchem fich
die lebende Subfianz zunv.Handeln beftimmt*
». . »
•4, Das Leben heifst das Vermögen, feinen
Vorßelluiigen gemäfs zu handeln (K. L).
VorftelluTiffcn lirld fölehe Bestimmungen einer
Subfianz , welche jnur im innern Sinn angefchauet
werben können. . In 2. haben wir aber gefehen,
, Jueben. .773
dafe ifojc diefe Beßimmungen derjenige Grund des
Handelns f . welches wir öLeben nennen, feyn
können. 'Auch die Begebungen gehören zu $en'
Vorftellungen, und mit den Begehrungen i find
ftets folche Vorftellungen verbunden, fie mögen
nun ^or den Begehrungen hergehen oder darauf
folgen, welche lieh auf einen Gegenstand beziehen,
den lie vorßellen*), und welcher , begehrt Wird.
Was diejenige A^-t von y'orftellungen , welche Ge-
fühl hei f st, zuih Leben beiträgt, findet man im
Art: Gefühl. 7.*
5. Diefe Beftimmung de$ Begriffs voni L e*
ben Üt auch die der Stalilifchen Parter ^unt^r
den Phyfiologen. Sie fetzen die Vorftellungen als
Accidenzen . die wir uns ohne Subftanz nicht den-
ken können, in eine (empirifche, ähev dennoch
unfern Sinnen lieh entziehende} materielle' Sub-
ftanz , welche S e £ 1 e heifs t , f, S e e 1 e. Andere
und vorzüglich einige neuere Phyfiologen fetzen
das T/eben in die blofce Organisation 9 und bezeich-
nen es mit dem Ausdrucke Lebenskraft, Das
Brownifche Syßem (f. Köllners Prüfung der
neueften Bemühungen und Unter Eichungen in der-
Beßimmung der prganifchen Kräfte, nach Grund»
fätzen der kritifchen Philofophie, in Reils Archiv
für die Phyliologie, 52 B. S, suo. ff. jind Beitrag
zur Berichtigung der Urtheile über das Brownifche
Syftem von einem praktischen Arzte« Jena, 1797.
3.) unterfcheidet zwifchen Leben und Lebens«
kraft, als zwei verfchiedenen Begriffen , und
erklärt Lebenskraft durch die Bewegung aus '
einem innern Princip, Leben aber durch
das Refultat der Verbindung der rei,z-
erregenden Gegenftände (oder Materien,
auch die erregenden Potenzen genannt, po-
— »
*) Si« find VorßelluHgen in engerei Bedemmtg 'de* Worte»
/ .
-774 ' Leben'. ,
■
tefiatn ' iricilantes , incitantia , ßbrnäi) utofl der
organifchen Fähigkeiten« Pas Leben be-
gehet hiernach:
.* . -
a, in dem Lebens reiz, der Erregung,
Incitation (incitatid). d. h. in der Einwirkung
(äufßerer und innerer) reizender Kräfte, oder Gc-
gen it aride, die »die Mufkelfafer und den Ner-
ven aiheiren, z: E. Wärme, Kälte, Licht, Nah-
rung, Säfte des Cörpers, das Blut, das Denken,
11. f. w. lind die reizenden Kräfte oder Materien,
die erregenden IJotenzcn für, die Mufkelfafer, und
die Sinne afheirenden Gegenftände für die ~ Ner-
ven;»
, b. in dem Lebensvermögen der Erreg-
barkeit, .Reizfähigkeit, Incit abilität
(jncUabilitas) , d. h. in der Fähigkeit, von den er-
regenden Potenzen afficirt zu werden, und« dem
Vermögen, auf jie : zurückzuwirken. Das letite iß
es, was Hufefänd mit dem' Wort Lebens-
kraft bezeichnet, wetin er fagt (Ideen „ über Pa-
thegenia, S* 50.): „Lebenskraft bäiteichnet blofs
die Fähigkeit, Reize (fiimulos) (z. B- die Luft,
Nahrung, Verdauung, Aflimilatiori , Abfonderun-
gen , Ausleerungen , der 6eelenzuftand , die
Lebensart , t Conititütion , das Temperament , Blut,
die Reize eines Organs u. f» w.) nach -eigenen Ge-
fetzen .zu p e rp ip i r e n und darauf zu reagiren. "
Allein die Fähigkeit zu reagiren* kann zwar eine
Organ ifationsfähigkeit feyh, aber • das Vermögfen zu
pereipiren joder die Einwirkung der Reize mit Be-
wufstfeyn aufzufallen ift nur im irinerh Sinn mög-
lich, und hat die Lebenskraft diefes Vermö-
gen, So ift fie mit der Seele eins und daflelbe,
und nur durch ein anderes Wbrt' bezeichnet.' Man
thut wohl ganz recht, dafs, wenn von wirkli-
chen Wirkungen die Rede ift,' mim^die Urfache
derfelben eine Kraft nennt, und der Schlufs vom
Dafeyn der Wirkung in der Natur auf; das Dafeyn
- ' -I / ■ I
liebeit. 775
einer dazu geeigneten Kraft; ift richtig. Hingegen
ift der Schlufs von der Wirkung auf eine befon*
ders zu dlefer Art Wirkung geeigneten > S u b ffra n z
noch bedenkliche' Allein jfede Kraft, \^nn fie
auch von einer andern Kraft abgeleitet ift,' mufs *
doch mit ihrer Gtttndkraft a-1* Aceiden« einer Sub-
ftanz inhäriren. Und folglich mufs auch eine empi-
rifche Lebenskraft eine empirifche Subftanz haben,.
deren Accidenz fie ift. Wenn dies nun nicht die
Materie feyn kann, fo ift.es die Seele. Hierun-
ter denken wir aber noch nicht das > über fmnliqhe
Subßrat, welches man Geift nennte fondern nur
das immaterielle Subject. das nicht als Prädicat
eines andern Subjects gedacht werden kann, und
als deffen Frädicate alle Beftimmungen im innern
Sinn gedacht werden muffen , weil fie alle Acciden-*
zen find r da nach der Befchaffenheit ' unfers Ver-
standes, und der aus ihm entfprihgenden allge-v
meinen Gefetze deir Erfahrung kein Accidenz feyn
kann ohne eine Subftanz, der es inhärirt, die
Accidenzen de$ innern Sinnes aber unrtiögüch Acci-
denzen einer Subftanz im 'äufsern Sinn feyn kön-
nen. Kall n er zeigt gan% "richtig, dafs Lebens-
reiz und Lebensvermögen allein wohl die Bedin-
gungen des * Lebens find, dafe aber Lebenskraft %
eigentlich ein inneres Princip fei , das mechanifche
Vermögen aber , gereizt zu werden und auf Reize
zu reagiren, eine blofse Lebensfähigkeit genannt
werden müfle. — Hier wird alfo die Natur im Men-
fchen noch vor feiner Menfchheit, d*. i* ehe er
nach Ideen fich 2>um Wollen beftimmt , alfo in ihrer
Allgemeinheit , fo wie fie im Thier überhaupt thätig
ift, um nur Kräfte zu entwickeln, die nachher .
der Menfch nach Freiheitsgefetzen anwenden kann,
vorgeftellt. I>iefe Thätigkeit aber- und ihre Erre-
gung durch ein inneres Princip in Wirkfamkeit ge-
letzt ift nicht das praktifche Leben (nach
Ideen), fondern nur das mechanifche oder phy-
fifche (nach blofsen Naturkräften). Hiernach ift
nun der Menfch gefund, in welchem der Lebens-
/
9 776 lieben.
reiz weder zu flark noch zu fchwach Iß für die
reägirende Lebensfähigkeit. Lebensvermögen durch
lieben sreiz erfchöpft, gipbt indirecte Schwäche,
/Mangel an reizenden« Kräften erzeugt directe
Schwäche« Die Gesundheit liegt zwifchen bei-
den in der Mitte, Wenn Jemand z« fi. .feine See-
lenkräfte' ausbildet, flcifaig, fcharf; anhaltend
denkt, fo wird die Erregung des Gehirns ver-
wehrt. Setzt er es zu lange, oder zu fcharf fort,
fo verliert das Gehirn feine Erregbarheit* Der Ge-
lehrte wird ein Narr aus indirecter Schwäche,
Verbluteten Per fönen , zarten Kindern, abgehärm-
/ten Frauenzimmern, ausgehungerten Spldaten fehlt
es an reizenden Materien; üe befinden lieh alfo
in deqp, Zultande, welcher directe Schwäche
heifst, G^fund iß alfo der Menfch, wenn die
reizenden Potenzen mäßig wirken, wenn mäfsige
Beize 'auf eine nicht überflüflige,. nicht unter-
drückte, nicht erfchöpft« Erregbarkeit angebracht
werden, mithin die Erregung felbft mäfsig ift.
•Es giebt aber einen Grad, wo der Lebensreiz für
die Lebensfähigkeit fo ftark oder fo Ich wach wird,
dafs die animal'ifche Operation* der Wechfel Wir-
kung zwifchen dem Lebensreiz und den organi-
schen Lebenskräften, oder der Lebensfähigkeit, in
fo fern fie zurück wirkt, gänzlich aufhört, und
nun die blofs chemifche Wechfel Wirkung oder
die der ünorgamfehen Naturkräfte in r den Grund-
stoffen der Materie ihren. Anfang nimmt,, welche
fo lange die animalifche Operation dauert nicht
möglich iß, Diefe chemifche Operation - hat Faul»
nifs zur Folge, aus der der Tod entlieht, fo dafs
nicht (wie man fonft glaubte) die Fäulnifs aus und
nach dem Tode, Jondern der Tod aus der vorher-
gehenden Fauinifs erfolgt (S% IV» 4..)»
Kant Metaph, Anfangsgr. der Naturl. II, Hauptft ErW.
5/Apra, S. 4», — IJI, Hauptft. Lehrf» 3. Aomerk«
S. rao. f. ^ -
« #
Deff, Cril. der pract. Venu S, %t\
t »
Lebend. Kraft. Lebensr. Lebemverm. etc* 777
.Kant Met. Aa£ der Rechts!» Einleite LS.L
Berl. MonstsTcbr« Des«. 1796. x* I. Abfcbn« S. 485* f.
Lebendige Kraft,
C Kräfte lebendige*
Lebensreiz,
£ Leben, 5,' a.
Lebens vermögen,
fr Leben, 5t b*
Leblofigkeit,
f. Trägheit,
Leer,
*p
l. Leere Anfchauurig, f. Ding 4, 3. ß.
a. Leerer Begriff, leerer Gedanke, f.
Begriff,« leerer, Ding, 4. u /S. lind De-
jnonitrahel, 2,. Eine intelligibele Urfache (tau-'
fa noumenon) ift in Anfehung des theoretischen
Gebrauchs 'der Verätmft (d. i, znm. Erkennen ) ein
leerer, in Anfehung des praktischen Gebrauchs
der Vernunft (zum Handeln) ein reeller Begriff
(P.'9>.)» f* Gebrauch, theoretifcher. und
praktifcher.
3, Leeres Datuip zu Begriffen, ift die
Aufhebung des Gegebenen in der Vorßeüung» Nun
1
i
kann aber die Vorftellurig entweder ein Begriff oder
eine 'Anfchauung feyn. HeHe ich nun da» Ge-
gebene in dem Begriff auf, fo bekomme ick den
leeren • Gegenltand eines , Begriffs« «So mufs ich
die Aufhebung des Lichts denken, Wenn ich- den
leeren Gegenltand, Finfternifs, bekommen foll.
Man kann fich keine Finfternifs vorßellen, wenn
man nicht fchon einmal lacht durchs» Auge wahr-
genommen hat. Hebe ich das in der "Anfchauung
durch die Erfahrung Gegebene auf, Ib bekomme
' ich eine leere Anfchauung ohne Gegenftand. So
/ mufs ich die Wefen, die den Raum erfüllen au»
ihm wegdenken, wenn ich nur die leere Anfchau-
ung des Raums bekommen foll. Eigentlich «find
der leere Gegenstand u,nd die leere Anfchauung
keine wirklichen Gegenftände, fondern der erftere
nur ein verneinender Begriff oder die Verneinung
eines wirklichen Gegenßandes , der letztere die
blofse Form einer wirklichen Anfchauung. Beiden
fehlt das Reale, die Empfindung, welche dem
Gegenftände und der Anfchauung einen Inhalt für
die Sinne giebt (C. 549. M. I, 39 1.).- *
4. Leerer Gedanke, f. leerer Begriff
Gedanken ohne Inhalt find leer^ Gedanken
- ohne Inhalt find aber folche, denen kein Gegen-
ltand in der Anfchauung beigefügt werden kann,
oder die nicht finnlich gemacht werden
können. So ift eine Figur von zwei Seiten ein
leerer Gedanke, nehmlich der eines 'Undinges
(€.75.).
4. Leeres Gedankending, f. Gedan-
kending, 5.
- 6.- Leerer Gegenltand eines Begriffs,
f. Ding 4, 2. ß: ^
' 7^ Leerer, öegenftand ohne Begriff,
£ Ding 4, 4, ß. Diefes könnte etwas Logiiches
//
Leer,' '■• $yg
fch einen, allein^ es ift dennoch etwas Transfeen-
dentales. Denn es ift hier nicht von dem Begriff, •
fondern von v dem Gegenßande diefes Begriff»
die Rede, der Eigenfchafren vereinigen foIl<, von
welchen au$ der Anfchautmg' erhellet, dafs fie'fich
nicht vereiniget! laflen. .Indeffen ift ein leerer ~
Gegen ftand ohne Begriff eben fo wohl ein* leerer
Begriff, als der Begriff, der keinen Giegenftarid hat^
Ein Begriff, der keinen Geg&iftand hat, ift nehm-
lieh ein blofses Gedanken ding, es exiftirt ! nicht
aufser den Gedanketa. ^b^r ein ' Unding oder deti
Gegenftarid, deffen Begriff fich- nicht einmal den«
ken läfst, exifkiret doch auch nirgends ,' ja nicht
einmal in Einehi' Bewufstfeyn, d. i. als * ein B«- **
griff. x Es ift eine Synthefis, welche an fich un-.
möglich ift, nnd da kann man fageii;, es ift ein
Scheinbegriff, der leer ift, f. Gedankending, 3* Si
/
8. Leer«T Raum, £ Raum/
- . "♦/«-'"
9* Leere Sätze,, find folche Sätze,
die ihr^m Zwecke gar'nifcbt angenieTfen
und eben darum -oft lächerlich find. So
ift es der Zweck negativer oder verneinender Sätze,
dafs fie den Irrthum abhalteni f ollen. Nun kann*
man alle Sätze, die man will, logifch verneinend
ausdrücken. Ein verneinender Satz ift Rühmlich}
ein fo Icher, in dem das Prädicat vom x Subject ver-
neint wird, nach der Formel A ift nicht B, der
Mcnfch ift nicht voh Steifl. Nun kann mfcn
aber jedes Prädicat vom Sübject verneinen. Wejm %
wir aber auf den Inhalt unferer Erkeijnftnifs feh$n r
fo wird äiefe unfere Erkenn tnifs vom Gegenstände*
des Subjects entweder erweitert, oder befchränkt.
Ift das Urthqil fynthötifch, d. b. liegt 'das frrädi-
cat nicht fchon veffteckter Weife im Subject,. fo
erweitern die bejahenden tfrtheile, aber die yer* ,
neinenden Ürtheill beschränken die ErkehntmCs.'
Die bejahenden Urtheile fetzen nehmlich n\xch ei-
nen Begriff zum Subject hinzu, die verneinenden
/ •
7&0 • Leen Leere. Legal. Legalität.
Jchliefsen das Subject aus einer Sphäre gänzlich
aus. Durch die Letztere • witd nehmftch der Irr*
thum, als gehöre der Begriff zu diefer Sphäre,
abgehalten. Wenn nun in einem Fall kein Irr-
/ thum mög]ich ift f fo können die negativen Unheil e
«war wahr feyn 9 aber fie find leer, oder es iß
»wecklos f folche Behauptungen zu. machen, und
fie find eben darum oft lächerlich. So führte jener
Schul redner den negative^ Satz aus: dafs Alexan-
der* ohne Kriegsheer keine Länder hätte erobern
können, Diefer Satz iß leer , denn es Üt gar nicht
möglich 9 dafs es Jemanden einfallen werde: man
könne Länder ohne Kriegsheer erobern, und alfo
ift diefer Satz, und noch mehr die Ausfuhrung
deflVben in einer Rede lächerlich; weil der Red-
; ner die gefpannte Erwartung täufcht f und am
Ende nichts geleiltet hat (C. 737» M. I, 334.).
*
4
P a p t Grit, ^er rein. Vera. Elementar!. II. Tb« Einleit.
S. 75. — L Abth. IL Buoh , Anhang. S. 348. f. —
Methoden]. L Hauptß. S. 737.
*
Def£ Grit der pracU Vera. I.Th.LB* LHauptft. S.97.
Le«jre>
t R$um*
• \
Legal
.*
£ Legalität.
Legalität,
Gefe^zlichkeit, Gefetgj^äfsjgkeit, Pflicht-
mäfsigkeit, legalitas, legalite % X Hand-
luag, gute.
*-.
Legalität.
78*
2. "Die Legalität einer Handlung befleht
in der Oebereinfiimmung oder Nicht-Ueber-
einfiimmung derfelben mit dem Gefetz, ohne
Rückficht auf die Triebfeder derfelben (K. XV.)-
Dafs die Handlung mit dem Gefetz übereinftimme,
ift das erfte, vtras der Begriff der Pflicht von ei-
ner Handlung fordert. Pflicht iß nehmlich die«
jenige Handlung, die nach dem moralifchen
G e f e t z e , ' mit Ausfchliefsung aller' Beftimniungs-
gründe aus Neigung , gefchehen foll (P. 144.). Sie
foll nach dem moralifchen Gefetze gefchehen , ' oder
fie foll mit dem moralifchen Ge fetze über ein ftimmen,
heifst aber, fie foll eine folche Handlung feyn, die
das moralifche Gefetz fordert, und alfo dem Wefen t
welches auch der finnlichen Beftimmungsgrimde
zu feinen Handlungen, der Triebe, Neigungen
und Leidenschaften fähig iß, diefe Handlung ent-
weder gebietet odet erlaubt. Diefes iß eine Be*
fchaffenheit der Handlung, alfo des zu erkennenden
oder zu beurt heilen den Gegenfta nxl es, d. i. das
Objective in dem Begriff der Pflicht, und wir er-
kennen es, wenn wir die Handlung mit dem Gefetz
vergleichen, es mag die Handlung nun von einem
Andern oder von uns felbß gefchehen feyn. Ift die
Handlung vqn uns felbß gethan worden , fo iß dies
Be wufstfeyn , dafs fie p f 1 ichtmäfsig, d.i. eine
Handlung fei, .welche die Pflicht fordert, fehr
unterfchieden von dem Bewufstfeyn , *dafs fie aus
Pflicht, d. i. darum gethan worden fei, 'weid
fie die Pflicht fordert. Pas erftere iß die Lega-
lität, ckfc letztere aber die Moralität der Hand-
lung, oder eigentlich der Gefinnüngr Im erftern
Fall iß der Buch fia.be des? Gefetzes in der Hand-
lung anzutreffen, d.M. der Inhalt deflelben, oder
was es fordert, im letztern Fall aber aueh der
Geiß des Gefetzes in unfern Gefinmmgen, d. u
das Gefetz belebt uns dann wirtlich oder iß die
Triebfeder unfrer Händlungen (P. 070.). Eine Hand-,
luug^ kann alfo legal, getetzmäfsig, oder get
fetzlich'g'ufc feyn, ohne moralitch oder
7ßa Lagalitat.:
fittlichgur zu feyn. . Wenn nehmlich Neigun-
gen B 1 o f s . die Beßimmungsgründe des Willems
zu ■ der Handlung gewefen wären , * fq kann fie
darum dqch legal feyn oder mit dem« Gefetz, über-
einßimmen, aber man bann ße daqn dpch nicht
eine moralifch gute Handlung nennen. Wer
(eine Schulden bezahlt , thut eine legale Hand-
lung, thut er es nun darum, weil eres für feine
Pflicht erkennt, alfo um dem Gefejiz %u gehor-
chen,, fo iß die unmittelbare Vorfiellung des Ge*
- fetzes der Beßimmungsgrund feiner Handlung, das,
was ihn beftimmt, feine Schulden zu bezahlen, und
jaur dann, wenn diefes ,die eigentliche Triebfeder
feiner Handlung iß, handelt er auch mqralifch
gut; dies iß,, aber nicht der Fall, weton er es
blofs darum thut, weil ehr feinen Credit dadurch
erhalten will, oder um feiner bürgerlichen
Jähre nicht zu fchaden (P. 144. 013/ 069. M. B>
8 79*)» f TVIorali tat, Glückfeligke^t, 15.
r
y 3. J3ie juridifchen Gefetze gehen blofs
auf äufsere Handlungen, nicht auf innere oder Ge-
ünnungen, und ihnen genügt alfo die Gefetzma-
JTsigkeit oder Legalität der Handlungen, £ Frei*
heit, 43', b. Und fo iß die Uebereinftiromnog
,der äufsern Handlungen mit den juridifchen Ge-
fetzen blofs Legalität (IC VI.), Die ethifchen
Gefetze hingegen gfehen zugleich auf innere Hand-
lungen oder Gefinnungen, denn fie fordern, dafs
auch die Maxime oder HanSlungsregel des Han-
delnden mit dem Gefetz übereinßimmen , d.-a»
dafs das Gefetz; der Beitimmungsgrund zu feiner
Handlung feyn foll. Die Uebereinfiitfimunß; der
inner n Handlungen oder der Maxime mit den ethi-
fchen Gefetzen iß alfo eigentliche , Mo raü tat*
(K. XXVI.). Allein auch die äufsern Handlungen,
.welche mit den Maximen dbereinfiimmen , <*&
das ethifche Gefetz .gebietet, ob fie wohl nicht
au3 diefen Maximen, fondern aus Neigungen ent-
fpringen , trennt man gefetzlich gute Handlungen,
/ Legalität. Xehrart. 783
*: B. Wohlthaten, die' ein Menfch erzeigt, wenn
fie auch eine Wirkung feiner Ruhmfucht find; . aU
lein diefe Handlungen lind darum nicht, ikfflich-
gute Handlungen , und es iß daher ein grofser
Unter fchied zwifohen Sitten und Tagend, zwi»
fchen einem Menfchen von guten Sitten* und'
einem fittlichguten AJenfchen* Von diefen/
Handlungen, zu welchen der Menfch durch die
Maximen der ethifchen Gefetze beftimmt werden
follte, yrenn er durch finnliche Triebfedern dazu
beftimmt jwird, gebraucht tnan befler das Wort
Pflichtmä/sigkeit , hingegen von Handlungen
nach juridifchen Gefetzen, das Wort Gefetz mä«
fsigkeit oder Legalität. .
Kant Crk. der pract. Vera. L Th. I. B. III. Hauptit.
S. 144.-IL B, Ü.Hauptft. S. ai3. — IL Tb. S.aöp.f.
Defl Met. Ant d. Rechul. Eialeit. S. VL X¥. XXVL "
Lehrart, ,
Methode im Theoretischen, methodus^ modus
logicus, methodei Die Art und Weife, wie
ein gewiffes Object, zu deffeh Erkennt-
nifs fie anzuwenden iß, vollßändig zu
erkennen fei (S. 16.V Sie mufs aus der Natur
der WifTenfchaft felbß hergenommen werden , folg-
lich läfst (ie lieh als eine dadurch befiimmte und
nothweqdige Ordnung des Denkens nicht ändern»
52. Die Lehrart ift alfo ein Verfahren
nach. Grund fätzen, das Ganze einer ge willen
Erkenntnifs darzußellen (C. 883-)- A ^ e Erkennt-
nifs und das Ganze derfelben mufs einer Regel
gemäfs feyn, denn Regellofigkeit iß zugleich Un-
vernunft, weil nehmlich die Vernunft alles von
allgemeinen Regeln ableitet. Die Regel nun, oder
Art (modus), nach welcher man feine Gedanken
zufammenftellt , um eine WüTenfchaft zu Erkennen,
^v
784 Lelirart. r
ift entweder ein freies Spiel feinem Erkenntnifsyer«
mögen (der Einbildungskraft und des Verftandes),
und dann heifst fie die Manier, oder fie ift an eine
Idee, einen Vernunft begriff, gebunden', welcher
eben das Princip oder der Grundfatz ift, nach
welchem man dabei verfährt f und -dann . heifst die**
fer Zwang in der Erkenn tnifs der Wiflenfchaft oder
in der Aufstellung des Ganzen derfelben, die Lehr-
art, tj. B. die mathematifche Lehrart (L.
«15. IL jioi.).
3. Die Lehrart Jft alfd das Verfahren
nach Principien der Vernunft, ein wiffen-
fchaftliches Erkenntnifs hervorzubrin-
gen, d. i ein folches Erkenntnifs, deflen Mannigfal-
tiges zufaminen ein*Syftem ausmache. Die Ei kennt-
"toifs, als Wiflenfchaft, mufs nach einer folchea
Methode eingerichtet feyn. Denn Wiflenfchaft ift
ein Ganzes der Erkenntnifs, deflen Theile nicht
' willkührlich zufammengeordnet find, yie eine
Menge Thaler, die man beliebig über einander
oder Rieben einander legt, welches man ein Ag-
gregat nennt, fondern fie müflen nach einer Idee
geordnet .feyn , in welcher fie alle als Theile Ei-
nes Ganzen zufammenhängen , welches man ein
Syftem nennt. Die Wiflenfchaft erfordert alfo
eine fyftematifche Erkenntnifs, und 'die Methode
. ift die Verfahrungsart , ein folches' fyftematifches
Erkenntnifs fowohl im Nachdenken als im Vor-
.trage hervorzubringen (P. 269.).
4. Noch unter fcheidet. K (L. 16.) fehr rich-
tig die Methode vom Vortrage, indem er un-
ter dem' letztern die Manier verficht , feine Ge-
danken Andern mitzutheilen-, nicht fowohl um
die Doptrin fyftematilch darzuftellen , als verßänd-
lich zfi machen. > Die Methode hat äs- eigentlich
mit der* fyftematifchen Anordnung und Ableitung
der Wiflenfchaft nach, Einer und von Einer Idee,
dem P rincip, der Vertrag aber mit der Mit*
*\
Lehrart. Lehrbegriff* Lehrfatz. 785
theilimg der WUTenfchaft, fie mag nun metkodifch
angeordnet feyn oder nicht, zu thutu
• 3. Dieies, was jetet erläutert worden, ift
mir die Methode im Theoretischen, die allein
airch Lehrart heifsen kann (U. &6i.). Nun kann
man fich aber auch eine Methode im Frak,ti-
fchen denken, oder ein Verfahren nach * Grund«
Tatzen, nicht "die Gefetze der reinen praktifchen Ver-
nunft wiflenfchaftlich vorzutragen , fondern ihnen
Eingang in das menfchliche Gemüth zu verfchafien
(Fr^Co,.). Methode, im Praktifchen fowohl aU im
•The oreti fchen ift daher überhaupt ein Verfahren
nach Grundfätzen, und da man nur die Me-
thode im Theoretifchen eine Lehrart nennen
kann > . \o Tollen fowohl die 7 Methode im Prakti-
fcbdn, als mich die verfchiedenen Arten, der Me-
thode, und folglich auch der Lehrart, im Art. Me-,
thode erläutert werden. - '
Kant Logik. Eiod^it. S. i£ — H. $. 94. 95. S. «15.
Deff. Critik der rein« Vera. Methoden]« IV. Hauptft. 3.
S. 883.
D e ff. Critik der pract Vera. IL Th. S. 26*9.
Deff. Critik der ürtheilskr. t Th. §. 41. %• S.-ftoi. —
jj. 60. S. fiöi.
Lehrbegriff,
f. Theorie.:
Lehrfatz,
Theorem, Theorcma, theorime. Ein theo*
fetifcher, eines Beweifes fähiger und
bedürftiger Satz (L. 175.)- Ein Satz iß ein
Urtheil,. in welchem das Verhältnifs verschiedener
Voritellungen zur Einheit des Bewufstfeyns als
MeUint-phil. pVörUrh. 5. Bd. D d'd
78fr Lehrfati.
affertorifch gedacht wird, f. Dafeyn. Z^
tipem Lchrfatze gehört:
a. der Satz felbft oder die The Tis; er befteht
.wieder aus zwei Momenten:
«• dem Angenommenen oder der Hypo-
thefis, und
#
ß. der Auslage;
b. der Beweis, welcher in der Mathematik
E)emonftration heilst f und wieder am
zwei Momenten befteht:
«• dem , was zum Beweife v e r h i 1 f t , wel-
ches in der Mathematik die Conftructio-
, nen, in der Phüofophie Begriffe findj
und
/
ß. der Folgerung daraus.
(Ii. 176.). \
. fi. Einige Lehrlatze nennt K. dialektifche
oder vernünftelnde. Diefe unter fcheiden üch
von andern theils durcji ihren Urfprung, thcils
durch eine ganz auffallende eigen th timliche ^ Be-
schaffenheit. Sie . entfpringen nehmlich, wenn wir
' unfere Vernunft nicht blofs auf Gegenftände der
Erfahrung verwenden, zum Gebrauch der Verfian*
desgrurtdfätze , fondern diefe Verftandesgrundfatze
über die Grenzen der Erfahrung hinaus ' auäzu^eh-
' nen wägen. Die ganz auffallende eigentümliche
Befchaffenheit diefer Lehrlatze iß, dafs fie in der
Erfahrung weder Beftätigung finden, noch Wider-
legung fürchten dürfen, und dafs jeder nicht al-
lein an fich- felbft^ ohne Widerfpruch iß, fondern
fogar in der Natur der Vernunft Bedingungen fei-
ler Ntfth Wendigkeit antrifft, mir dafo unglückli-
t '
, Lehrfatz. ^ 737
eher Weife der Gegenfatz eines folchen Lehrfatzes
mit eben fo gültigen und noth wendigen Gründen
bewiefen werden kann/ als der Lehrfatz felbft*
(C. 449.).
»
3. Eiti dialektifcher Lehrfatz der reinen
Vernunft mufs diefes, ihn von allen fophifiifchen
Sätzen Umerfcheidende , an lieh haben, dafs er.
•
a. nicht <£ne willkührliche Frage betrifft, die.
man nur in gewifler beliebiger Abiicht "aufwirft,
fondern eine folche, auf die jede menfeh liehe Ver-
nunft in ihrem Fortgange noch wen dig % itofsen
xziufs; u
b. mit feinem Gegenfatze nicht blofs einen \
gekünßelten, fondern natürlichen und unvermeid-
lichen Schein bei lieh führe, der zwas aufgedeckt,
aber niemals vertilgt werden kann (C. 449. M. L
503.)- ^ ' '
4; Diefe, dialektifchen Lehrlatze Jind^ "wenn
Xie der' Vernunft angemeffen fincj, für den Ver-
ftand zu grofs> und wenn fie dem Verfiande an«
gemeffen lind, für die Vernunft zu klein (C. 450.
M. I, 504.). . -
5. Diefe vernünftelnden Lehr (atze eröffnen
alfo einen dialektifchen Kämpfplatz, auf dem der
angreifende Theil fiets die Oberhand behalt. Da- . s
her auch rußige Ritter' lieber lind, den Sieges-
kränz davon zu tragen, wenn fie nur dafür for-
den, dafs fie den .letzten Angrifi zu thun, das»
Vorrecht haben. Man kann lieh leicht vbrftel]«n f
dafs die(er Tummelplatz iß oft genug betretest
"worden. Gemeiniglich aber hat. man dem Verfech^
ter der guten Sache gegen feinen Gegner mit der
»achthabenden Gewalt beigeßanden (C. 45,0.)«
Ddd 2
•
4
I
768 LehrJfatz. Lehrfprubh. Leibeigener.
Die Beifpiele und Erläuterung zu dicfem Ar«
til^el findet man im Art. A n t it h c t ik.
Kant Logik I, 2. Abfch. g. 39. S. 175.
Deff. Critik d. r. V. Elementar]. II. Th. DL Abth. IL
Buch. IL' Hauptli. II. Abfchn. S. 449« &
Lehrfpri^ch,
£ Dogma.
Leibeigener,
>
*
Sklave, fervus in fenfu ßricto 9 escläve. Ein
Men'fch oh ne Perfönlichkeit (K. L.)* Die
Perfönlichkeit ift, fo wie fie hier verftanden
werden mufs, die moralifche, und befiehl in
der Freiheit eines vernünftigen Wefens unter mo-
ralifche* Gefetzen (K. XXIL). Der Menfch ift aber
fein vernünftiges ,Wefen unter moralifchen Gefetzen,
folglich hat er Freiheit oder Perfönlichkeit , und
ein Menfch ohne fie ift nicht möglich. Wenn e*
aber doch Menfchen giebt, welche Leibeigene
oder Sklaven heifsen, fo iß darunter zu ver-
gehen, dafs man fie blofs fo behandelt. Denn
dem Menfchen die Perfönlichkeit zu nehmen, ift
unmöglich, ihn aber fo zu behandeln, als habe
ej keine Perfönlichkeit, ift unrecht und inconfe-
<Juen^, ausgenommen in einem einzigen Fall. Es
dt unmöglich, einem Menfchen die Perfönlichkeit
zu nehmen^ weil fie die intelligibele Natur des
Menfchen ausmacht, Welche ,fich aufser den Gren-
zen unfrer Erkenntnifs und Macht befindet, und
die lieh bjofs durch das moralifche Gefetz in uns
offenbart,' als welches fie noth wendig vorausfetzt
Rs ift alib nicht möglich * einen Menfchen zum
Leibeigenen zu machen ,- folglich ift es auch un-
recht , ihn fo zu behandeln , als fei er dazu ge-
/
f - — - w -
I
*
Leibeigener. ; 789
1
macht worden» Die^ Freiheit oder Unabhängig-
keit 'von eines Andern nöthigender Wilikühr und
die rechtliche Gleichheit oder die Unabhängig*
keit, nicht zu mehrerm von Andern verbunden
zu 'werden, als wozu man fie wechfelfeitig auch
verbinden kann t ift das angebohrne Rechteines
Wefens, welehes eine praktische Vernunft oder
das Vermögen der Moralität hat. , Es ift alfo . un-
recht, einen Menfchen fo zu behandeln f als habe
er weder Freiheit noch rechtliche Gleichheit, ja
alles Unrecht beftehet eben darin , wenn der Mdnfch
fo behandelt wird, dafs es mit der Freiheit deflel-
ben nach einem allgemeinen Gefetz (fo dafs Jeder-
mann , fo behandelt 'werden follte) nicht zufammen
beßehen kann. Die Persönlichkeit giebt dem Men-
fchen im Verhältnifs mit andern 'zwei Eigenschaft
ten, die, von andern verpflichtet zu werden,
und die, andere zu verpflichten, d. i. Pflich-
ten und Rechte. Wollte man einen Menfchen
fo behandeln, als habe er weder Pflichten noch
Rechte, fo würde man ihn als ein blofses Thier
behandeln, und alfo das Recht der Menfchheit in
feinur Perfon verletzen. Aber auch dann, wenn
man ihn fo behandelt, als habe er Hofs Pflichten,
verletzt man diefes Recht der Menfchheit in feiner
Perfon, und behandelt ihn als Leibeigenen oder
als einen folchen, der keine rechtliche Freiheit
und Gleichheit, und alfo darum keine Perfönlich-
keit hat. Zugleich verfährt man inconfequent,
wenn man einen Menfchen als Leibeigenen behan-
delt; denn wenn er feine Rechtspflichten beobach-
ten foll, fo gehört auch dazu, dafs er ein recht-
licher Menfch fei, d. h. er darf fleh andern nicht
zum blofsen Mittel machen , fondern foll für fie
zugleich Zweck feyn. Soll er aber nur Tugend-
pflichten beobachten, fo kann et es nicht vor fei*
7iem Gewiflen verantworten, dafs er feine Men*
fchen würde von Andern mit Füfsen treten läfst.
Der Leibeigene hat daher das angebohrne Recht,
jeden Augenblick dem zu entfliehen, der ihn durch
79° Leibeigener. Leibeskräfte. Leibnitz.
Kauf, oder wohl gar' durch die Gebart , zu : fei-
nem Leibeigenen gemacht hat; er hat das Recht,
ßch v mit Gewalt frei Zu machen. Der Richter kann
ihn von Rechtswegen nicht ftrafcn, denn der
' Leibeigene fleht in keinem Rechts Verhältnifj mit
der bürgerlichen. Gefellfchaft, die ihn als Leibei-
genen behandelt.
Der Fall, in welchem allein ein Menfch ein
Leibeigener werden bann, üt angegeben und er*
läutert im Art. Grundunterthäniger,
s Leibeskräfte.
Das in dem Menfchen, was den Grund dar Wirk-
li'.liheit feiner Wirkungen durch den Cörper ent-
halt. Die Cultur diefer Leibeskräfte keifst die
Gymnaftik. Zu diefen Leibeskräften gehört zum
BeifpieL die Leibesltärke oder Cörperkraft in enge-
rer Bedeutung, vermöge welcher ein Menfch gro-
fse Lallen heben und tragen, oder andern Mar-
ken Menfcbetf überlegen feyn kann; die Schnel-
ligkeit im Laufen, die Gefchicklichkeit im Sprin-
gen u. f. w. Die Cultur diefer Leibeskräfte befieht ;
alfo in der Sorge für die Vervollkommnung des
Materiellen am Menfchen. Ohne diefe Bemühung, 1
die Thierheit des Menfchen fortdauernd abüchtlich
in beleben , wurden feine Zwecke unausgeführt
bleiben; daher gehört diefe Gymnaftik zu den;
Pflichten des Menfchen gegen lieh fei oft ££■. i iß.}
Gottf
und Gl
nicht g
philche
Leibnitz. ?()i
Leipzig gebohren, wo fein Vater, Friedrich
Leibnitz, Pro/effor der, Sittenlehre war. Er itu-
dirte fchon im fünfzehnten Jahre, von 1661 an,
dafelbft, und nachher in Jena. AI« er die Schule
verlief«, im fiebzehnten Jahre, gab er fchon phi-
lofophifche Unterfuchungen , und noch vor dem
zwanzigsten Jahre, philofophifche Fragen über
das Recht heraus (Epifi. V. 1. p. ay6.). Im
Jahr 1664. wurde er zu Leipzig Magifter, 1666
Doctor der Rechte zu Altdorf, und 1670 chur-
fürftlicher Msinzifcher Rath. Er ging mit den
Söhnen des Churmainzifchen Minifters, Barons- von
Boineburg, 1672 nach Paris und von da über
Hollarid und . England nach Hannover , wo er
1677 ffirfilicher Rath •wurde. Nach dem Tode de*
Herzogs Johann Friedrich wurde, er bei deflea
Bruder und Nachfolger, dem Bifchof von Osnabrück,
Ernft Auguft, -Geheimer- Juftiz • Rath. ' Der Herzog
trug ihm auf, die Gefchichte von Braunfcbweig ,
zu fehreiben, er machte daher eine Reife durch
Italien und Deutschland, um Materialien dazu zu
lammlen, und kam 1690 nach Hannover zurück.
Im folgenden Jahre wurde er vom Herzog von
Wolfenbüttel, Anton Ulrich, zum Hofrath und
Bibliothekar der Wolfenbüttelfchen Bibliothek er-
nannt.
q. Nach. Papfi Innocenz XL Tode reifet« Leib-
nitz nach Rom, und «.weimal nach Wien, und •
wurde vom Kauer 1711 zum Baron und Reichahof-
rath ernannt, nachdem er* fchon im Jahr 1699
Mitglied der Akademie der WiFenfchaften zu Pari« ■
mie der Wiflenfchaf-
ie König von Preuf-
ntworfenen Plan er-
Die Königin von
Gnaden Aand, lief«
Czaar Peter macht«
einer Penfion von
I
4
792 Leibnitz.
1000 Rubeln, und der. König von England zum
Gelnimen- Juitiz-Rath und Hifioriographen , ohne
dafa er ■ nöthig hatte Dienfte zu thun. Er wandte
die roeifte Zeit auf feine Correfpondenz , die fich
durch ganz Europa , ja bis nach China erftreckte.
Im Jahr 1713 machte er noch eine Reife nach
Wien* und kehrte 1714 nach Hannover zurück
Im folgenden ^Jahrt fing ej: an zu kränkeln, be-
sonders litt er am Podagra, welches ihm endlich
in den Leib trat und ihn tödtete. Er ftarb den
*4 November ^716, über 70 Jahre alt. Leibnitz
war von mittler Größe, Rannte fich zur luthe*
, rifchen Kirche, und ift nie vetheurathet gewefen;
er war £egen jedermann ungemein leutfelig und ge-
föllig, un ermüdet in der Erweiterung der Wiffen-
fchaften, "und befcheidefc in der Widerlegung fei-
ner Gegner. Diefer Vortreffliche t Mann war ein
-Mathematiker nnd Philofaph der erften Gröfse,
und hatte viel »richtigere metaphyfifche Vorßelluii-
' g^n, als feine »Anhänger, die ihn nicht recht ver-
fianden, uhd daher feine Lehren oft ganz verfiellt
haben.* Er war ein gelehrter Theologe, eben fo
gelehrter Jurift, grofser Hißofiker, angesehener
Politiker, und hatte feine ungeheure Beledenheit.
3« Leibnitzen^ Werke ßnd gefamoilet und
herausgegeben worden in 6 Quartbänden von Lud-
wig D u te ft s unter dem Titel : G tli ofr. Ou i 1 1
Leibnitii, $. Caefar. Majeftaiis Co?ifiliarii, et
& Reg, Majefi. Britanniarum a Cönfiliis Jußitiae in-
• titnist nee non a feribendd Hifioriä; Opera m-
rtia^ nUnc primmn collecta , in Claffes >difiributa f
praefationibiis et indieibus exornata^ fiwdia Lu-
dovi'ci Bittens, 'Genevae 1763. Im zweiten Ban-
de diefer Sammlung firid die philofophifchen Schrif-
ten enthalten , und xwar in sswei Theilen. Im
erften Theile befinden fich die lögifchen . und me-
taphyfifchen , im zweiten aber die übrigen phi-
lofophifchen Schriften. - - •
LeibnitzJ ygj
Diejenigen Leibnitzifclicn Schriften, wwim er
fein philofophifebes Syftem aufftellt, lind:
Syfieme nouveau de la Nature et de Im
Communicätion des Subfiances, auffi
bien que de Wnion qu'il y a entrt
V Arne et le Corps.
Diefe Abhandlung fieht im Journal des Sa-
v ans vom 27. Juni und 24. Juli 1695, und OO. ex
€dit. Dutens\ Vd. L P. J. p. 49.
Lettre £e M. L. a. M. Des-Maizeauap 3 furfon
fyfierne de VHamionle PreetabUe. In Hißoire
Grit, de la JRepubL de Lettres de M. Majfort
T. 2. p. 72. u. OO. a. a. 0. p. 65.
Eclair eiffement du Nouveau SyfiSrne de
la Communicätion des Subfiances,
pour fervir' de Reponfe ikcequi en a
ete dit dans le Journal des Savans du
XIL Sept. 1695.
Im Journal des y Savans vom 11. und 12. April
1696 u. OO. a* a. O. p. 67.
• __ •
Remarques für VHarmqnie de VArne et du Corps*
In fiiftqire des Ouvrages des Savans 1696«
p. 274. u. OO. a. a. O. p. 71 u. 72,
JZclairciJfemtozt des J>ifftcultes que M. Bayle a
trduvees dans le fyfieme nouveau de' t Union
de VAme et du Corps. In Hiftoire des Ouvra-
ges des Savans, Jul, 1&98« p* 329. u. OO.
a. a. O. pv 74* •
Bayle hat hierauf geantwortet in feitiem Wör-
terbuche, Art. Rorarius.
Replique de M* Leibnitz aux reßexions eontenuts
da*ü la yfeconde edition^du JDi6twn\iaire Criti-
que de M. Bayle, Article Rörarii$$ $ für le
/
794 Latmita*
fyfiiine de tharmonie preetabtie. In Tltftöire
critique de la Republique des Lettre* 9 Tom. IL
u. 00* a. a. 0. p. 80.
Göttfched hat diefe Antworten auf Baylens Ein*
würfe in der deutfchen Ueberfetzung des Bay-
Jifchen Wörterbuchs f im Art. Rorarius, mit ab*
drucken lallen,
Epifiola ad Sturmium : De tiocabulo fubftantiae>
De unione animi et corporis* Im Otium Hanov*
' u. 00. a. a. 0/ p. 94.
Ext mit d'une lettre de M. L. für Jon hypothefe
' de Philofophie f et für le Probleme curieux qu'un
de fes amis propofe aux Mathematiciens ; avec
üne rcmarque für quelques points conteftes entre
laut cur des Principe* de- Phyfique et celui
des ofyjections contre ces principes. Im Journal
des SavanSi Nov. 1696. u. 00. a.a.O. p. 94.
Reponfe aux Objections que le P. Lamy Bener
dictiii a faites contre le Syfieme de Jt Harmo-
nie Preetablie. Im Supplement du Journal des
Savans, Juni 1709. u. 00. a. a. O: p. 97..
Recueil de diverfes pieces de M. M. Leibnitz et
N Clarcke für Dieu 9 VAmc f Vefpacc, la duree
etc. Im Recueil de Des - Maizeaux Tom. I, 00*
a % a. O. p. 110.
Epifiola ad D. Fardeüam: De Natura et origine
Monadüm. Im Otium Hanoveran. tu 00.
a. a. O. p. 2234.
De la Demonfiration Carte fienne de VExiftence.
de Dieu du Ä. P. Lamy. Im Journal de Trt*
voux annec 1701. ,iu 00, a. a. O. p. 954.
Epifiola ad Hermari. Conringium: De Qartefia*
nd demonftratione Exiftentiae Dei. In Rittinei*
eri Diff. de praecipuis errorum caujjis in prima
phüafoplud. Helmfu 1727. u. 00. a,a. 0.
, Leibnit?. 795
Dijfertatio , de Arte Combinatoria i cufpmeßxa
eft Detotonfiratio Exifientiac Dei 9 ad mathe-
maticam ceftitudinern exacta. lipf* 1666. 4. iu
00. & a. O. p. 339.
JEffais de Theodicee für la Bonte de Dieu , la
Uberte de VHomme, et VOrigine' du Mal;
ä Amfierdam, 17 10. 2. Vol. i£.; 17x4* z.Vol.s
172t» 2. Vol.; 1734. a. Vol. u.. ins Latei-
mfche überfetrft iq 00. Vol. I. p. 35.
Uouveau Effais für VEntendeinent huniain. In
Oeuvres philofophiques tatines et fratifoifes de
feu Mr. t de Leibnitz, tirees de fes Manufcrits, l
qui fe confervent dam la bibliotheque royate a
Hannoyre et pifiliees pat Mr. Rud. Em.
Rafpej ä Amfterdam-et ä Leipzig* 176$* 4«
4. Leibnitzens Philofophie enthalt vornehm«
lieh folgende Eigentümlichkeiten ;
1. den Satz des zureichenden Grün-
des; 1
IL die Lehre, von den angebohrnen
Begriffen; .
ULI. den Satz des Piichtzuunterfchei»
elenden;
IV. den Satz vom Widerftreit der Rea*
litäten;
Y. Die Lehre von den Monaden»
VI. Die Lehre von der vorherbeftimm«
ten Harmonie;
VII- Die Lehre von Bann* un& Zeit)
VIII. Die Lehre vom Unterfchied de»
Sinnlichen vonTlntell ectuel lenj
BL Die Lehre vom höchßen W«f«s>f
^
7q6 Leibnitz, v
t
X. Die Lehf£ von der Continuität in
der Stufenfolge der Gefchöpfe;
XI. Die Theodicee.
I.
%
1
* i
- Der Sats Ae* zureichenden Grundes.
„Unfere Schlüde^" fagt Leibnitz (Principia
Philofophiae , 31. fqq. OO. Vol. IL p+ 24.) find auf
zwei grofse Principien gebauet. Das eine
a. ift, der Satz des Widerfpruch* (prin-
cipiutn contradtitiöhis) , kraft deflen wir als falfch
beurteilen, wa$ einen Widerspruch enthält, und
' als wahr, was dem Falfchen entgegengefetzt iß,
oder ihm* widerfpricht* Das atadere
b. ift, der Satz des zureichenden Grun-
des (principium rationis fufficientis) , kraft däffen
wir .behaupten, es könne kein Factum (keine That-
fache) für wahr befunden werden, oder es exifiire
kejne wahre Behauptung, wenn nicht ein zurei-
chender Grund da fei, warum es vielmehr ifo ift,
als anders f obgleich diefe GrüricRr~uns lehr oft
unbekannt feyn können»
• ' "•
Wfenn es eine noth wendige Wahrheit ift,
fo kann der Grund durch Analyßs gefunden wer-
den . wenn man ße in Ideen und einfachere Wahr-
heiten auflöfet, bis man zu den Grundwahrheiten
(primitivas) kömmt. "
Wir fehen, Leibnitz behauptet hier die Un-
zulänglichkeit des Satzes des Widerfpruch» zum
Erkenn tnifle nothwendiger Wahrheiten, indem
er den Satz des zureichenden Grundes als
unentbehrlich dazu atigiebt (E. 11 9.). Kant wirft
nun die Frage auf, ob es wohl glaublich fei, dafs
Leibnitz. 797
X,eibnitz diefen feinen Satz des zureichenden Grun-
des objectiv habe verftanden wiflen wollen, d.
h. als ein Naturgefetzr, und nicht fubjectiv, d. i. als
ein Derikgefetz des menfchlichen Verftandes? Dafs
er diefen Satz- nicht für ein*bbjectives Princip
hielt, erhellet fchon daraus, dafs er diefen Sqtz
für einen fo gichtigen Zufatz zur, bisherigen Phi-
lofophie hielt (E. 119.).
„Ich habe fchon oft, fagt L. (Recueil de diver»
fes pieces etc. 109./. OO.a.a. O. p. 170) 'die Leute
•herausgefordert, mir eine Initanz gegfen. diefes
grofse Princip (vom zureichenden Grunde) vor-
zubringen , ein unbestrittene» Beifpiel , wo es fehlt;
aber man hat es nie gethan, und wird es nie thun.
— Mir diefes groXse Princip ableugnen ♦ hiefse
fich dahin gebracht fehen, auch jenes andere grofse
Princip abzuleugnen, nehnüich den. Satz" des Wi-
derfpruchs." * .
Wie konnte aber Leibnitz diefes Princip fo
erheben ? Es ift ja , fagt K. , fa allgefiiein bekannt,
und (unter gehörigen Einfchränkungen ) fo augen-
fcheinlich klar , dafs auch der fchlechteite ' Kqpf
damit nicht eine neue Entdeckung gemacht, zu ha-
ben glauben kann; auch ift er von ihn mifsver-
ftehenden Gegnern darüber mit manchem Spotte
angeialTen worden (E„ii9), •
Leibnkz fagt auch felbft (a. a. O. 127. p. 169);
hat fich nicht Jedermann diefes Princips bei tau«»
fend Gelegenheiten bedient?. — '• Und ilt es wohl
ein Princip, das der Be weife bedarf? (a. a. O. 125.)
Clarke , , Leibnitzens Gegner , mifsverftand
ihn, und ftellte fich vor, Ljeibnitz behaupte mit
dem Satz des zureichenden Grundes, der -freie
Wille fei dem Gefetz unterworfen , dafs feine Wir-
kungen einen Grund haben -muffen. \Er nennt
daher Leibnitzens Satz . aus Spott mit feines (teg-
/ I
798 * Leibnkas.
»ers Ausdruck das grofse Princip (OÖ. fV. It. p.
195-) undfagt: „t$ ift fehrgewi/s, und Jedermann
giebt es. zu, dafs es überhaupt 'für alles einen zu-
reichenden Grund gebe; aber es kommt darauf
an, ob die freihtfndelnden Intelligenzen
nicht ein Handlungsprincip haben (worin ^ben f
wie ich glaube, das Wefen der Freiheit beftehet),
das von dem Bewegungsgrund oder der Endur la-
che der wirkenden Intelligenz ganz verschieden ilt,^
und welches der zureichende Grund ift, dafs bei
gleichen Bewegungsgründen « fo oder anders za
handeln das frei handelnde Wefen die eine Hand«
lung der andern vorzieht. Da nun de* gelehrte
Verteiler (nehnüich Leibnitz) Alles diefes, leugnet,
und fein grofses Princip des zureichenden Grün-
des in einem Sinn nimmt , der alles das , was ich
gefagt habe, ausfchliefst, und doch verlangt, dafs
man ihm fein Princip in diefem Sinne zugeben foll,
ob er es gleich nicht zu beweifen gefucht»hat: fo
nenne ich das einen 'Cirkel im Beweif e (petitio prin*
cipii), welches eines grofsen Fhilofophen*
ganz unwürdig ift."
• **♦
Leibnitz ens Tod ift Urfache, daf$ er fich hier-
über nicht weiter erklärt und dem Clarke nicht
geantwortet hat (00. a. a. O. p. 194). Diefer Grund-
fatz, fagt K</ war Leibnitzqn blofs ein fubjecti-
ves Princip , nehmlicl* ein folches , durch welches
er nicht die Natur der Dinge überhaupt, ibndern
die Befchaffenheit des menfchlipheft Erkennens auf*
tiecken wollte. Denn was heifst das: es gi^bt
aufser dem Satze de« Widerfpruchs noch ein an-
dres grofses Princip? Es heifst fo viel, als: nach
dem Satze des Widerfpruchs kann nur das, was
fohon in dem Begriff x vom Gegenftande liegt, er-
kannt werden. Denn nach diefem Satz kann nichts
Vom Gegenftande behauptet oder geleugnet werden,
was ejwas in dem Begriff des Gegenstandes auf-
hebt , und alles, was in diefem Begriff liegt, kann
von dem Gegenßande behauptet werden» Soll
Leibnitz, 799
aber noch etwa« mehr von dem Gegehflande ge->
fagt werden, • fd mufs etwas tu <}em Begriff-' dei
Gegemftandes hinzukommen f was nicht in diefem
Begriff liegt, wedei; feJJ>ft, noch das Gegentheil
davon, und die Behauptung eines folchen Prädi-
cats ton dem Begriff des Subjects im Urtheil über
den Gegenftand erfordert noch ein anderes Prin-
cipe als den Satz des Widerfprochs , es mufs eiA
befon derer Grund vorhanden feyn 9 mit flem
Begriff vom Gegenfiande einen neuen Begriff zu
verbinden, der auf keine Weife im,. Qogriff des*
Gegenfiandes liegt, und durch welchen rdoch unfre
Erkenntnifs des Gegenfiandes wirklich wächfi oder
erweitert wird. Solche Sat^e nun heifsen nach
Kants Sprachgebrauch fynthetifche Sätze« Folg«
lieh wollte Leibnitz nichts weiter fagen, als; es
jrmfs über den- batz des Widerfpruchs , welcher
das Princip analytifcher Urtheile üt, noch ein
anderes Princip für die fynthetifchen Urtheile
hinzukommen. Denn diefe muffen, da fie nicht
im Satz des Widerfpruchs ihren Grund haben, ih- k
ren befon dem Grund haben (z. B. in der Geo-
metrie die Anfchauung). Diefes war nun aller-
dings eirte neue und bemerkens würdige Hin wei-
fung auf Unterfuchungeü , die in der Metaphyfik
noch anzult eilen wären, und die K. wirklich an»
gehellt hat Leibnitz wollte mit diefe m Satze al-
fo nicht fagen, der Satz des zureichenden
Grundes ilt ein Princip, aus welchem die Natur
der Dinge erkannt werden kann ,. fondern er ift
ein Gefetz unfers Erkenntnifs Vermögens, das uns,
noth wendig macht, uns nach einem andern Prin*
cip für die fynthetifche Erkenntnifs umzufehen.
Wer aber behauptet, diefer Satz des zureichenden
Grundes fei fchon felbft das, worauf die Ver-
knüpfung in fyntherifcher Erkenntnifs beruhe, der
fetzt Leibnitz dadurch dem Gefpötte aus, weil
man ihm dann zutrauet, er habe es für eine
grofse Entdeckung gehalten, die er gemacht habe*
da£s alles feinen Grund haben muffe, <*nd aus die«
f IT
($oq > . Leihnitzu
• *•
fem Satze könne man ichon die Verknüpf &ng zwi-
fclien Subject und Pradicat in fynthetUchen Urthei*
leri erkennen (E. iao. f.).
Was alfo Iyeil?nitz entdeckt hat, ift nicht, dafs
alles feinen zureichenden Grund haben muffe, oder
dafs dieier Satz fchün hinreiche^ aus ihm die Wahr-
heit folch er Sätze zu erkennen, die nicht auf dem
Satze des Widerfpruchs beruhen, fondern dafs es
Sätze gebe,« bei denen man mit dem Satze des
Widerfprvchs nicht ausreiche, die Wahrheit der-
selben zu erkentien, . die folglich ihren beion-
defn Grund haben niufsten, worauf iie beruhe-
ten , weil fie fonft ohne allen Grund feyh müfs-
ten, welches, vernunftlos w^e, und, wie Clarke
ganz sichtig , behauptet (aber auch Leibnitz nicht
geleugnet r ■ ob es Clarke ihm wohl aus Mifsver-
fiand Schuld giebt), auch von der Freiheit der Will*
kühr nicht möglich iß.
♦
n.
j
\
Die Lehre von den angebohrnen Begriffen.
Leibnitz behauptete (Ejfais sur V Entend. hum.
Avantpr.. Oeuvr. phil. p.'RafpA p> 4./.) mit Pia to:
" Die Seele enthält urfprünglich die
Prinzipien Yerfckiedetier Begriffe
und' Erkenntniffe, welche die auf-
fern Gegenftände nur bei Gelegen-
heit erwecken *).
*) Auf ctiefe Leibnitzifche Stelle bezieht Eck ohne 'Zweifel jene
Stelle (C» x.) : »»Dafs alle unfere Erkenn tnifs mit der Erfahrung an*
fange» daran iß gar kein Zweifel, denn wodurch follte das Erkennt«
nifs vermögen fonlt fcur Ausüb.nng erweckt werden, gefchälie es nich:
durch Gegenftiindfe, die untere 9inne ruhreit und tkeils von folhft Vor-
Heilungen bowirkeu«« u, f. W. X A priori* \t%
- 1
Leibnitz. . i *A0i
Hieraus, f^gt L., entlieht nun eine andere Fra-
ge» nehmlich: ob alle Wahrheiten von der
Erfahrung, abhängen, d. h.,von der Induction
und von Beispielen; oder ob es welche giebt, wel-
che noch" ein anderes Fundament haben» Seine
Gründe das letztere zu behaupten find:
>,,Kann pian etwas fchon vorher einteilen» ehe
man im -geringsten Verbuche darübegr anfiellt, fo
iß es offenbar, dals wir von ufcfrer Seite etwas
zu, diele r Erkenn tnifs beitragen; denn die Sinne
geben nur befondere oder individuelle
Wahrheiten, Alle Beifpiele, welche eine all-
gemeine. Wahrheit betätigen , reichen nicht
hin, die allgemeine Noth wendigkeit die-
le r Wahrheit zu begründen; denn es folgt nicht,
dafs „das* was geschehen ift t immer gefchehen
werde. Z, B. die Griechen und Römer und alle
andern Völker haben immer wahrgenommen, dafs
vor dem Verlauf von $4 Stunden der Tag fich in
Nacht v und die Nacht in Tag verwandelt,. Aber
man. würde lieh geirrt haben ,. wenn man geglaubt
hätte, > dafs es überall nach diefer Regel gehe;
denn/ in ,'Npya Zembla hat man das Oegentheil
wahrgenommen. Hieraus folgt, dafs die noth«
wendige fv Wahrheiten , dergleichen wir 16 der
leinen Mathematik und befonders in der
Arithmetik und Geometrie finden, Princi«
pien haben muffen;, deren Beweis nicht vpn JBei»
fpielen, und folglich nicht .vom Zeugnifs der
Sinne abhängt; , 9b es uns gleich ohne die Sinne
Die einfallen wuräe^ daran zu denken. Auch die
Logik, MetaphyJik und Moral find voll
von folchen Wahrheiten y und folglich können
ihre Be weife blofs aus inner», Principien, welche
man angebohrte nennt, entfp ringen. - Man
tnufs ücb alfo die Seele nicht, wie Lopke mit
Aristoteles behauptet, \wie eine jleere. Tafel
[tabßila' rafa) yorftellen; fondern man kann fie
nit . einem , Marniprblock vergleichen, welcher fol»
MMins philo f. JVwtvh, «• IM» fiee
^ *
$ofc Leibnkz.
V
che Ädern hat, dafs gleich/am die Zeichnung, z.B.
des Herkules, der aus ihm gebildet werden fol),
durch diefe Adejn fchon angegeben ift,' fo dafs
eh^r ein iHerkules, als jede andere Sta tue, aus
ihm 1 gebildet werden kann, Der ' Herkules ift alfo
diefem Stein gleichfam angeböhr^n , aber es ge-
hört doch Arbeit dazu, jene Adern zu entdecken,
zu reinigen, und alles abzufondern, was da hin-
' dert, daifs der Stein noch .kein Herkules ifi.
•r
Die jeinen und noth wendigen Idein find der
Seele virtuali^tet angebohfdrt {Hv* I. Cfi. i.),
und man kann alle Kemitnifle, die man von den
' angebohrnen KenntnilTen ableiten kann, ange-
'böhrne nennen.* Der Beweis de$ noth wendi-
gen Wahrheiten kommt allein aus dem Verßan-
d e , die üb r i g e n Wahrheiten kommen aus den
Erfahrung«^ und : Beobachtungen der Sinne.
t)ie intellectuelleh Ideen entspringen nicht
aus den- Sinnen. Die allgemeinen Wahrheiten,
als die einfachft'en, find tins ange bohren.
Wenn die i n t e 1 1 e c t u e 1 1 en Ideen von aufsen
iji uns 'hinein kämen, fö onüfsten wir aufser \ms
feyn. Aber die 'wirkliche Erkerintnifs der
notlrweindigen Wahrheiten ift uns nicht ange-
' boji^eri, fondern die virtuelle. Wäre £e uns
/ nicht angebohren, fo' würde es kein Mittel ge-
'ben f zitr wirklichen Erkenn tirifs der nothwendi-
g;eA' Wahrheiten zu gelangen. • Die Principien der
Moral (Cfe. a.,) : firid.*uf innere Erfahrung und auf
' einefh In ßi n c fr gegründet , denn es liegt ihnen
/ein undeutliches, 'iblgBeh Jßnnliches, obwohl an-
g eb ah rncs, "Verlangen * glücklich zu werden,
zum Grundo» Wenn wir nun diefen Hang -auf
* Begriffe i bringen j §ö entliehet daraus eine prakti-
sche Wahrheit* ' Weil aber in der Moral die Be-
weife nicht fo in < die Augen fpringend find , als
in der Mathematik, fo foll dfer tnftinet diefe# er-
setzen. Darum; ift man auch in moralischen Din-
;gen fo» einig. Werden #ber zuweilen Gefetze g*-
Leibnitz« , 803
;eben, die 'gegen' chis' Naturrecht find, fö bewei-
st das bloft, ; dafs der Gefetzgeber die Schrjftzuge
des Naturrechts falfch gelefen hat. Alle noth-
weijdigen Wahrheiten und die Inltincte lind
alfo ari gfc bohren» Die angebohrnen Ideen kön*
nen auch nicht ausgelölcht werden, fie lind aber
in allen , Mei\fchen verdunkelt, Daher giebt es
Mein,ung&n, welche tnan für' Wahrheiten Ihält,
und die blofs Wirkungen der Gewohnheit und der
Leichtgläubigkeit find; andere hält man für Vor» .
urtheile, welche lieh doch auf Vernunft und Na*
tur gründen."
Die Critik der reinen Vernunft . fast nun K. f
erlaubt fchlechterding? keine a n g ebohrnc'Vor-
Teilungen; alle insgefammt, lie mögen zur An-»
fchauung oder zu. Verjftandesbegriffen gehören,
nimmt lie als erworben an. Es giebt aber auch
eine urfprüngliche Erwerbung (wie die Lehrer
des Naturrechts fich ausdrucken, f. Erwerbung),
das ilt, bei dem Denken und Erkennen, die Er-
werbung deifen, was vorher gar noch nicht <*>a-
ftirt, fondern unmittelbar durch das Erkenntnis-
vermögen, und zwar die Thatigkeit oder* einen
Act deflelben, entfpringt, was mithin vor dieiem
Act keiner Sache angehörte. Dergleichen ift, wio
die Critik der reinen Vernunft behauptet, •
» «
1« die Form der Dinge im Raum und in
3er Zeit;
■
2. die fyrtthfetifche Einheit des Mannigfal-
tigen in Begriffen; 4enn weder jene Form der
kn fchauung, noch djefe Form des Denkens nimmt
pnfer Erkenntnisvermögen von den Gegenitänden
fer , als würde es dem Erkenn tnifs vermögen in
Jen öegenftänden an und für fich felbft gejjejjen,
pndern das Erkenntnifsverrriögen bringt üe au«
;h felbft a priori %m Stande. Es mufs aber doch
izu ein Grund im erkennenden Subject vorhan*
l ' Eee a
• - •■
\
. \ ' * \
\
\
£04 * Leibnitz,
den* feyn , der es möglich macht , dafs die gedach-
ten Vorfiellungen fo (z. B. in einem Raum, der dr&i
'* Dimenfionen hat) und nicht anders ,entltehep, und
noch dazu auf Gegenftänfle » die noch nicht gege»
ben find, gezogen werden können (wie z. B. in
- d.er Geometrie) t und dieler Grund wenigsten*
Ift angebohrrn (C. Öß.)* Diefer erße formale
Grund z . B. der Möglichkeit einer Baumesanfchau*
ung ift allein eingebohren , nicht die Raumes vor-
Heilung felbfi. Denn es lind immer eindrücke
nöthig , um -das Erkenntnifsv^rmögen zuerft zu
der Vorfiellung" eines Gegenstandes» die jederzeit
eine eigene Handlung ift, $u beftimmen» So ent>
fpringt , die formale A n f c h a u U5i g , die man
Baum nennt f als. urfprünglich erworbene "Vor-
fiellung (der Form äufserer Gegenftände überhaupt),
deren Grund gleichwohl (als blofse Beceptivität)
angebohren ifi, und deren Erwerbung lange
vor dem befiimmten Begriffe von Dingen > die
diefer Perm gemäfs find* vorhergeht.. Die Er-
werbung der letztern Dinge ift eine abgelei-
tete ErMferbuijg (acquijüio derivativa) , indem
> fie fchoh-transfcendentale Verfiandeshegriffe voraus-
. fetzt, die eben fowohl nicht angebohren/ fon-
dern :er wo r ben find. Die Erwerbung der trani-
fcendentalen VerfiandesbegrifFe ifi f wie die des
Raums, eben fowohl ursprünglich (originnria),
und fetzt nichts Angebohmes weiter voraus;
denn fie find die fubjeetiveri, Bedingungen^ der
Selbsttätigkeit des De nk e n s , oder die Möglich-
keit, etwas in die Einheit der Appferception auf-
zunehmen (E. 70. f.). L A ngebpl^rne Vorfiel-
lurngen.
m.
\
/
Der Satz des Nichtzuuu terfchei<Jenden.
Leibnitz behauptet (00. V. II, t. L p/isg, 4,):
'• . • ' V
i .
Xeitmitz* * 9 805
Ba giebt nicht zvpei Individuen, wel-
che gar nicht xu un terfcheidcn wä-
ren.
» >
Einer rneiner, Freunde, lagt er, ein einfichts-
voller Mann von Adel» fprach in meiner Gegen-
wart im Garten tu Herreobaufen mit der Churfür-
fiin, und meinte, er würde wohl zwei Baum»»
blätter finden, die einander vollkommen ähnlich
und gleich wären. Die Churfärftin forderte ihn
auf, den Verfuch zu machen, und er lief langt
vorgeblich darnach herum* Zwei Tröpfen Wafler
oder Milch , wenn man fie durch das Mikrofkop
betrachtet , yertlen noch zu unterfcheideg feyn.
Zwei nicht zu unterfchtidende Dinge fetzen
(a. a. O. p* 129, 6), heifst, diefelbe Sache unter
zwei Namen fetzen«
"Was Leibnitz auf diefen Satz brachte, ift
zwar fchon im Art. Einerleiheit gezeigt wor-
den (M. I, 362.) > hier, will ich es indeffen noch
weiter aus einander fetzen.
/• *
L-eibnitz hielt die Sinnlichkeit nicht für eine
befotidere Erkenn tnifsquelle f fondern ftellte fich
vor , die finnlichen Gegenstände wären an fich ■
vollkommen fo, wie der Verfiand fie erkennete;
dafs wir fie- aber durch die Sinne nicht fo an-
fchaueten, rühre blofs davon her, dafs die Sinne
uns nur eine verworrene Vorfiellung von den Din-
gen lieferten; und eben darum müfsten die Din-
£e, fo wie fie uns die Sinne dar ft eilen, Fhano»
[li e xi e , fo wie wir fie aber durch den Verftand
erkennen, Dinge, wie fie an fith wirklich
>efchaffen find, genannt werden. Wollte
man alfo die Ditige erkennen, wie fie an fich
]nd , fo muffe man von aller finnlichen Vorfiel-'
fung derfelben abfirahiren, und 'fie blofs mit dem
Ver&ande erkennen. , Wdlle man alfo zwei Gegen-
goö teibnltz;
i
ftände der Sinne mit einander vergleichen f fo fiiufle
r> an fie nicht nach ihrer finnlichen Befchaffenheit
vergleichen, fondern blofs im Verfiande. ~> Wenn
nun die Frage war, ob zwei Dinge in allem ei-
ner! ei feyn Können, oder durchaus in einigen
, verschieden feyn muffen, fo war ihm das leicht
xu beantworten. Er verglich, die Begriffe der
Gegeniiäncie und , nicht die Gegen.lt an de felblt,
weil er die Vergleichung blofs im Verfiande an-
fiel) II, r^un mülien zwei ßegride durchaus in ei*
ni^eai verfthiedtri feyn , fonit lind es nicht zwei
Begriffe, londcrn ein und derfelbe Begriff, Ifi
dieler Betriff aber der Begriff von einem Gegen-
ftande der Sinne, fo kann es gar wohl zwei
Gegenltändc geben, von denen jeder durch ei-
% nen und denfelben Begriff gedacht werden
nmls, nehmlich zu verfchiedenen Zeiten all dem
nehmlichen Ort, oder zu derfelben Zeit an ver-
fchiedenen Orten, oder auch zu verfchiedenen
Zeiten an verfchiedenen Orten. Leibnitz hat alfo
darin Recht, dafs Gegenftände , welche blofs durch
Frädicate gedacht werden, durchaus durch irgend
e\u Präciicat von einander unterfchieden feyn muf-
fen, wenn fie nicht ein und daflelbe Ding feyn
follen. Da er nun Raum und Zeit nicht zu den
Fradicaten der Dinge, wie fie an fich exiltiren,
rechnet, fondern jene blofs für ßnnliche Vorfiel-
lungen hält, fo gilt fein Satz des Nichtzu-
unter fc beiden den auch nicht für die Dinge,
in fo fern fie Erfcheinungen find. Und dennoch
dehnte ihn Leibmtz auf die Gegenfiände' der
Sinne aus, weil er diefe für die Dinge an
fich hielt, die man nur als folche durch den
blofsen Verltand mit Abfiraction von allem Sinn«
liehen, alfo von Baum jund Zeit, erkennen müfle.
Da wir nun aber die Dinge an fich gar nicht,
fondern durch den Verltand keine andern als nur
finnliche Gegenitiiude erkennen können , fo müfste
man entweder- behaupten, es kann . nicht zwei
Dinge geben, welche durch gar keine, auch nicht
Lcibnitz v g©7
die Jßnnlichen Prädicate des IVaums und der Zeit
von einander verfchieden find; das ift aber d$r
tautologifche und alfo leere Satz: zwei nicht ver-
fcbiedene Dinge find nicht verfchieden ; oder man
müfsta behaupten, eis konnten /licht zwei Dinge
fxiftiren, die in allerg übrigen Prädicaten einerlei,
nur in Anfehung ihrer i Stelle von einander ver-
fchieden wären, ein Satz, der wohl nie bewiefen
werden wird. Denn dafs " Leibriitz auf die Erfah-
rung davon irgend einen Werth fetzen konnte,
und fich freuete, dafs fein Freund nicht zwtfi voll-
kommen ähnliche und gleiche Baumblätter finden
konnte, gefchahe 'wohl nur um des Freundes wil-
len. Senn L* mufste fehr wohl wifTen, dafs wenn
auch folche Blätter nie gefunden werden, daraus
noch nicht folge, dafs es jteine'gebe; und hätte
der Freund dergleichen gefunden , fo würde wieder
daraus nicht haben gefolgert werden können, dafs
der Satz des Nichtzuuaterfcheidendtti darum falfeh
fei, fondern nur, dafs die Sinne und die Mikro-
fkope nicht fcharf genug wären, die Verfchieden-
heiten aufzufinden. Leibnitz fchmeicheltjs fich alfo
vergeblich, die Metaphyfih und folglich auch
die Naturerkenntnifs durch diefen Satz-, der nur,
in f o f ern er gegründet ift, ein logif eher,, aber
ganz leerer Satz ift, erweitert zu haben, wenn
er fagt: „diefes grofse Princip der Identität des
Nichtzüunterfcheictenden verändert dten
Zuftand der 'Metaphyfik, welche dadurch
reell und demonftrativ wird, ftatt deffen fie vor-
mals faft blofs in leeren Worten beftand" (00. ä. a.
0. p. 139, 5.). „Freilich," fagt IL, wenn ich
einen Tropfen Wafler als ein Ding an lieh felbft
nach allen feinen inriern Bestimmungen kenne, fo
kann ich keinen ' derfelben von dem andern für
verfchieden gelten lafTen, wenn der ganze Begriff
deJTelben mit ihm einerlei ift* Ift aber, der Tropfen
Wafler JErfcheinung im Baume, fo ift er nicht ein
Begriff, der im Verftande gedaeht wird,
fondern ein finnlicher Gegenftand, der im
I - i
Leibnit*.
Ha ante Afigefchanet wirct,. imüt da hat der
Ort, wo lieh das Ding im Hpm oder in der
Zeit befindet, mit dem Dinge 9 in Anfehung fei-*
ii er innern Beftimmungen gar nichts zu (thun,
und der Ort, den wir b nennen wollen, kann
ein Ding , das (ich an dem Ort , den wir a
nennen wollen, befindet, eben fowohl aufneh-
men , wenn diefe beiden Dinge einander völlig
ähnlich und gleich find, als wenn fie innerlich
' Ton einander verfchieden find. ' Die Verfchieden-
heit der Oerter »im. Baum macht die Vielheit
und. Unterfcheidipg der Gegenstände, als JEr-
fcheifiungen, ohne alle weitere Verschiedenheit
nichts allein möglich, fondern t fögar noth wendig«
Denn pinge , die fich an verfchiederien Orten im
Baum befinden , können nicht ein und dalTelbe
. Ding , fondern muffen zwei oder mehrere verfchie-
den? Dinge feyn, wären fie auch weiter, in An-
, fehuhg ihrer inhefn (d. i. ihnen ohne iht Verhält-
nifs zu andern Dingen zukommenden) Beftimmun-
* gen 4 gar nicht weiter von einander« verfchieden , fon-
\dern völlig einerlei« ' Denn alle* Vielheit ift nur
. möglich durch die Anfchauung des Aufsereinander-
feyns der Dinge im Raum, oder dadurch, dafs
fie an verfchiedenen Orten find. Alfo ift Leib-
iritzensSatz dea Nichtzuunterfcheidenden
kein Gefetz der Natur; fondern blofs eine ana-
lytifche (logifche) Regel oder Vergleichung der
Dinge durch Begriffene. 327. f. M. I. 369.).
Der Satz des Nichtzuunterfcheiden-
den beruhet eigentlich auf der Verkehrung des foge-
nannten Dictum' dt- omni el nullo (f. Figur 13. ä),
welches fo heifst;
1/Vas von allen Begriffen A gilt, das
gilt auch von jedem einzelnen Be-
griff eA,
ia den ungereimten Grtmdfatz:
<Vr*
\ ~ X \
Xefbnitz." 809
' .* •
Wa$ von" allen Begriffen. A/ nicht
gilt, das gilt auch- von keipcm befon-
dera Begriffe A (M. I, 379-)- ~
'> # ^
Man darf hier nur ftatt A Dinge Aberhaupt
fetzen , ftf heifst der Satz fo :
Was von dem Begriff vom , Dinge überhaupt
nicht gilt, das gilt auch nicht von dem
- ' Dinge, dem der 'Begriff des Dinges^ über-
haupt zukpmmt.
Wäre das richtige fo gäbe es leine befon*
dem Begriffe A , denn eben darin befiehen ja
die befon dem Begriffe A v dafs fie noch irgend
-wodurch von dem allgemeinen Begriff A un~
terfchieden find. Wenn folglich in dem Begriff
von einem Dinge überhaupt eine gewifle "Unter«
fcheidung nicht ingetroffen wird, fo folgt nicht,
dafs fie darum nicht an dem Dinge anzutreffen fei,
weil es doch auch ein Ding' ift. Denn es kann
ja aufser dem, dafs es ein Ding ift, noch etwas
fieyn, was nicht dazu gehört, dafs es ein Ding
ift, z. B. ,♦ dafs es ein folches iß, was im Raum
angefchauet wird, alfo ein materielles Ding.
Und eben in diefer BeAimmnng kann nun auch
noch der Unterfchied liegen , der nicht zu dem
Begriff des Dinges überhaupt gehört. Folglich ift
der Schlufs, dafs alle Dinge völlig einerlei, alfo
ein und daflelbe Ding find (numero eadan), wenn
fie Heb nicht fchon durch ihren Begriff (welcher
das iß, iwas fie zum Dinge überhaupt, nicht zu
einem befondern ., z« B. f i n n 1 i c h e n Dinge macht,)
ihrer Gröfse und Beschaffenheit nach unterfcheiden,
d. h. wenn fie ganz gleich und ähnlich find« Weil
nehmlich bei dem Begriffe von irgend einem Dinge
überhaupt von manchen noth wendigen Bedtn*
gungen des befondern Dinges, welches ftnW*
lieh es Ding heifst, t. B. den Bedingungen dqr
Aafchauung deflelbeft, Baum und Zeit, abfirabirt
/■•
'&!<> Leibnitz«'
wird: fo wird durch eine fonderbare Uebereftusg
von dein, wovon abftrahirt yrird, angenommen,
% dafs es gar nicht vorhanden fei, und. fo dem
Din^e nichts eingeräumt, als was blofs im Be-
griff deffelben enthalten iß (C. 537. ÄL I, SQo^
B e i f p i e 1« Der Begriff von einem 'Cubikfufs
Raum ift an fich (ohne auf etwas anders aufser
ihm , als blofs darauf zu fehen, wqs er als Cubik-
fuls Raum ift) völlig einerlei, ich mag mir die«
fen BJum denken, 4ro und wie oft ich will.
Allein zwei Cubikfufs Baum find dennoch von
«inander unterfchicdcn , obwohl blofs durch ihre
Oerter^ nicht aber durch den Begriff von denfel-
ben , der bei beiden ganz der fei be ift. Sie find
blofs liumexifch verfchieden, d. i. der Zahl nach,
welches nur , dadurch, möglich ift, dafs ße fich an
verfchiedenen Orten befinden, fonft find fie in
allen Merkmalen, welche fie felbft,, nicht ihre
Verhäl tnif.fe, betreffen, d. i. den inneren
Merkmalen nach gleich und ähnlich, oder der
Quantität und Qualität nach - dieielben , und den-
rtotk .ihrer zwei. Ihre Oer ter alfo, find die Bedin-
. guiigen der Anfchauung , worin die Gegenstände
diefes Begriffs gegeben werden, welche aber eben
darum nicht zom Begriffe gehören« Diele Be-
dingungen gehören aber doch zur ganzen Sinn-
lichkeit, und ohne fie kann man wohl noch
Dinge denken, ja es. giebt auch welche f nehm-
lieh die des innern Sinnes , z. B. Gedanken , die
von diefen Bedingungen unabhängig find, allein
die Möglichkeit ihrer Exiftenz ohne einec materielle
Sübftanz » an der als etwas Beharrlichem ihr Wech-
fel, erkannt wird, folglich ein Denken, das nicht
durfch eine Kraft gewirkt wird, die fich an irgend
einem Ort befindet, kann von uns nicht, einmal
.äibgefehen werden, weil es uns dazu an lyner
Erfahrung fehlt (C, 338. M. I» 380.).
Leibnitzens Schuler haben ' diefe Täufchung
X*eibmtz»
8"*
durch, die Verwechfeluijg im Gebrauch der Begriffe
von Einerleiheit und Ver f chißden heit,
wenn man fie auf Ding? überhaupt glaubt an-
zuwenden, und. fie doch auf finn liehe Gegen*
fi ä n d e anwendet , fo veenig eingefehen , dafs
fie fogar diefen Sat.z des Nichtzuunterfchei-
d enden «von Dingen in abßracto, z. B. von zwei
blo fs gedachten Waffertropfen behaupteten , vont
welchen Leibnit.z' zugab, dafs man fie % in Ge-
danken unterscheiden könne,, und dafs hier die
K ichtun terfcheidbarheit die in um/er if 6 he Verfchie-
denhek nicht aufhebe (T i e de m an n , Geift der
fpecul. Philof. 6 Th. S. 577.). Als nehmlich fchon
Clarke^ Leibnitzen* Gegner, -ihm Folgendes ent-
gegen letzte: „Obgleich zwei Dinge (00. a. a. O*
5 und 6. p. 135») einander vollkommen ähnlich
und gleich .iind, fo hören fie darum doch nicht
auf zwei Dinge ±u feyn ; . die Theile der Zeit find
einander fo vollkommen ähnlich, als die Theile
des Raums, und dennoch find zwei Augenblicke
nicht der nehmliche Augenblick, es find auth
nicht zwei Namen eines, und deffelben Augenblicks ; u
da antwortete ihm Leibnitz (00. a. a. O. 26. ,p. 147.):
„er gebe zu, dafs wenn es zwei vollkommen nicht
zu unterfcheidende Dinge gäbe, fo würden fie ih- 1
xer zwei, feyn; aber es wäre falfch, dafs es zwei ,
Dinge gebe, die blofs der Zahl nach verfchie-
den "waren, oder blofs dadurch, dafs es ihrer
zwei ^rärjen. Die Theile des Raums und der Zeit
an /und für (ich felbft geuommen , wären nur
ideale Dinge, und glichen fich daher eben fo
vollkommen, wie zwei abftracte Einheiten. So
fei es abet nicht mit zwei concreten . Einheiten,
oder mit zwei wirklichen Zeiten, ocjlqr zwei
erfüllten Räumen, d. i. mit wirklich vorhan-
denen Räumen 1 diefe müfsten immer ve&fchie-'
den feyn."
» t
$ia
Leitmita.
i»
iv;
Dar Sats vom Widerftreit da* Realität**«
Es ift in der Leibnitz-wolfianifchen Philofo-
pKie ein Grundsatz:
Realitäten widerftreitea eindnde*
niemals. *
Diefer Satz ift ganz wahr , wenn man un-
ter Realitäten blofs Bejahungen oder po-
fitiye Beftirumungen , und unter dein Wider-
ftreit en dh&* lo gif che Widerßreiten verfie-
let. Der logifche Widerftreit befteht nehm*
lieh darin , dafs durch ein Urtheil ein Prädicat
aufgehoben wird , welches dem Subject fchon bei-
gelegt worden ift. Z. B. Ein S da» A ift , iß nicht
A. Da nun in der allgemeinen Logik nicht auf
den Inhalt der Begriffe, welche im Verbal thifie zu
einander beträchtet werden, gefehen wird, fo ift
t offenbar durch blofses Bejahen kein logifcher Wi-
derftreit möglich. Ich kann , dem S fo viel Prä-
x dicate A^ B, C, D,. .., beilegen, als ich will, fo
entlieht dadurch kein Widerftreit. Nenne ich alfo
. ein Pradicat A, welche* ich durch ein bejahendes
Urtheil dem Subject 8 beilegp, wegen diefes Be-
jaheng, eine Realität oder pofitive Beft im-
mun g, fo ift obiger Satz richtig y und kann auch
fo ausgedrückt werden: < -
Dadurch, dafs ich von einem Subject
blofs bejahe, wird niemals eins
der ihm zukommenden Pradicat»
verneint,
Da diefer Satz aber nichts in Anfehung des In-
halts des Subjects und feinfer Frädicate beiHmmt,
fo bedeutet er auch nichts in Anfehung der Dinge
oder Gegenstand? felbft, welche durch die Be-
griffe im Subject oder Präd^afc gfcdadit, werden, j
Leibnitä. - 8*3
Folglich bedeutet diefer logifche Satz weder etwa«
vop Gegenftänden d^f Natur, noch von Dirigeit
an lieh,' 'von denen -wi^r nicht einmal einen Be- t
griff haben > , fo dafs fich von demfelben etwas be-
jahen liefse» Sonder^ jener GrundfaCz bedeutet
nur, wie wir überhaupt denken muffen, und
iß daher auch fchon durch blofse Entwicklung
oder Analyßs einleuchtend oder ein identifchee»
Satz 9 wie Ich gezeigt habe*
Ganz anders aber verhält es fich , wenn wi*
unte^ Realitäten, nichrlogi/che Realitäten oder
Bejahungen verliehen, fondern reale Realitäten,
d, h. folche Befchaffenheiten , deren Begriff anzeigt,
dafs wirklich etwas vorhanden ift , Was durch die-
len Begriff gedacht wird, z. B. ein Stein der
fcehn Pfund wiegt. Hier hat der Stein erßlich eine
logifche Realität» d. i. es wird ihm etwas (nehmlich,
zehn Pfund Gewicht) beigelegt f oder von ihm.
bejahetj aber zweitens iß diefe logifche Realität
auch eine reale Realität, fie hat einen Inhalt, dem
etwas in der Empfindung corr efpondirt , oder es
ift etwas in. der Zeit vorhanden, oder kann doch
vorhanden feyn, was durch den Begriff des Prä*
dicats, z. B. zehn Pfund Gewicht, gedacht wird»
So wahr nun der Satz auch ift:
Logifche Realitäten widerßreiten ein«
ander niemals logifch, ;
<
fo falfch würde der. Satz feyn :
< i
Reale Realitäten widerßreiten einan»
der niemals real«
Der reale Widerfbeit gefleht nehmlich darin v
daf« ßch die Wirkungen zweier Kräfte einander
ganz oder zum Theil aufheben. Diefer reale Wi*
tlerftreit findet fich aber aller wärt» in der Natur*
Wenn A z. R. eine Wirkung iit> etwa der Druck
y
»
/ ' " I
I -
' «
«
gl 4, Leibmtz.
zehn Pfund wiegenden Steins, und ß eine
.Wirkung, die der Wirkung A gerade , entgegen
wifkt, upd ihr gleich oder. eben fo grofs ift,
-x. B* ein 'Druck von zehn Pfund Kraft gegen den
t Druck des zehn Pfund wiegenden Steins: fo he-
ben ßch beidö Wirkungen einander gänzlich auf,
es ift der Wirkung nach, als wenn kein Druck und
Gegendruck da wäre, • welches man- in der Buch-
stabenrechnung fo ausdruckt* A — ^Bzr ö, d. h;
1 -wenn ich zum Druck A den ihm gerade entgegen -
* gefetzten Druck -»- B (vor welchem darum der
Strich — * fleht,, weil es: andeuten foll, dafs B
<iem A gerade entgegengefetzt ift) . hinzufetze, oder
biide Wirkungen zufammen addire, fo kömmt zur
Summe Null oder Nichts: welches eben fo viel
itt , als nähme man von einer Gröfse A die andere,
wenn fie ihr nicht entgegengefetzt ift, weg, oder
jbJs wenn man B yon A fubtrahirte ,♦ -weicheis man,
weil der fiorizontaiftrich — * das Zeichen der Sub-
tr action ift , auch fo fchreibt : A — B , dies ift auch
gleich (=) Null. Wo alfo eine reale Realität
mit der andern in ^einem Subjeot verbunden ift,
da hebt die eine Realität zuweilen , nebmlich
wenn fie einander gar» 2 oder zum Theil entgegen-
gefetzt lind, die andere auf. Wenn rieh ml ich ein
Stein, der zehn, Pfund wiegt > mit einer Kraft von
zehji Pfund utiterßützt ilt , fo fällt er nicht*
' Dies Tegen alle Hindern ifle tind Gegenwirkungen
in der Natur unaufhörlich yor Augen. - Diefe Rea-
' , litäten in, der 'Natur beruhen auf Kräften , deren
Wirkungen iie find, erscheinen vermittelft der
Sinne , , und da fie auch durch die reinen Verfian-
desbegriffe der Kr a f t und W i rkungen erkannt
werden, fo find fie Realitäten in -der Er-
fcheinung {rcalitates phaenomenä). Die allgemeine
Mechanik kann fogar die in der Erfährung liegen-
den Bedingungen, unter welchen dief er Widert reit
in der Erfahrung möglich ift, und die Wirkungen
"•delfelben, in einer Regel a priori angeben, .indem
fio auf die Entgegenfetz ung de*. Dichtungen lieht*
• \ v
I
Leibnitt. / ?gi5
Diefes findet man im Aft. Bewegung, zufam-
mengefetzte. t)er'trän sfcendentale Begriff
der Realitatät, d. i. derjenige Begriff derfelben,
.der von allen Erfahrungsbedingungen gänzlich ab-
Itrahirt, -weifs * nichts von Zeit und Baum, und
alfo auch nichts von der ET^gegenfetsuiig der Rieh- ,
tung, ~die Vir uns nur vermitteilt der Vorftellun-
gen voll Zeit un4 Raum vorfiellen können. Der
trän sfcendentale Begriff von Realität ift alfo
blofs der Begriff von einer Befchaffenheit , die ei-
nen Inhalt hat, durch welchen et was* in einem
Gegenßande geletzt, und nicht aufgehoben wird.
Dies ift alfo mit dem logifchen Begriff von Reali-
tät ganz einerlei; wie immer der Fall ift, wenn
man 'bei reinen Verftandesbegriften gänzlich vom
alle* Form der Änfchauung, Raum und Zeit, «ab»
/trahirt. • V:
Leibnitz hat" nun di^fen Satz ded Wider*,
itreits der Realitäten nicht mit dem Pomp
eines neuen Grundfatzes angekündigt , aber er be* •
diente {ich doch deffelbcn zu neuen Behauptungen.
So will er {00. V. I. p. 410, fq.) folgenden Ein* #
wurf gegen die Lehre: dafs Gott nicht der Ur-
heber der Sünde fei, widerlegen:
§
Oberfatz:. Wer etwas hervorbringt, was in
einem Dinge real ift, der ift die Urfache die-
le« Dinges;
Unterfatz: Gott bringt das hervor, was in
der fünde real ift;
Schlufsfatzt Alfo ift -Gott die. Urfache der
Sünde»
„Es -würde hinreichen," fagt Leibnitz t „de*,
Oberratz oder den Unterfatz zu verwerfen, weil
das Reale folche Erklärungen zuläfst, yelche
dieft Sätze falsch machen können. Aber um dies
t
I
fii6 • ^ . Xeibnfcz.
%
*» f »
deutlicher zu machen ,. wollen wit eine Unterfchei-
düng anwenden, .Das Reale bedeutet entweder
das, was nur pofitiv (bejahend) iß, oder e* um>
faßt auch mit den Begriff von einem Gegenfiande,
der blofs die Aufhebung von etwas Pofiüven vor-
ftelk, und alfo der leere G^genitand eines Begriffs
ift (f. Ding, 4, 51, /3.). In der erften Bedeu-
tung wird der Oberfatz verworfen*, u$d der
- Unterfatz zugegeben ; in der zweiten Bedeutung
ift es anders. Hierbei hätte ich, & könnet^ bewen-
den lallen, aber ich Jiin (in der Theodicee) noch
weitet gegangen, um von diefer Untericheidung
«inen Grund anzugeben. Ich habe daher (Theodicfc
l.il. §. 35.) erinnert,* dafs jed? pofitive oder ab,fo-
lute Realität für eine Vollkommenheit anifle ge-
halten werden; dafs aber die UnTollkpmmenbert von
der Limit a t i o n oder Befch ränkun g en tftefre > d. i.
von der Aufhebung eines pofitiven Etwas; denn
-foefchfänfeen iß nichts anders, als das Fort-
Ichreiten , das immer weiter hindern.. Nun iß
Gott die Ürfache aller Vollkommenheiten, folg-
lich 'aller Realitäten > wenn fie als hlofs pofitive
betrachtet werden* Die Limitationen oder Beschrän-
kungen aber eutfpringen aus der urfpjrünglichen
Un Vollkommenheit der Creaturen , die ihre BecepUr
yität oder Fähigkeit begrenzt. w
• ' -
Hier bedient fich alfo Leibnitz des Grundfa*
tzes*« dafs fich Realitäten einander, nicht wider-
(breiten, zu der neuen Behauptung, dafs jede Un*
Vollkommenheit von der Aufhebung girier Realität
entliehe L , und dafs jede Realität eine Vollkommen-
heit fei, und alfo von Gott herrühre. Weil nehm-
lieh nach jenem Grundsatz Realitäten fich. einander
*>icht widerfirpiten , und alfo nicht einander auf*
heben können, meint Leibnitz, fo könne die Be-
fchränkitng und die Aufhebung der Bealifcäten, und
alfo auch die Sünde , nicht von Gott he*rühreiii
Hätte Leibnitz daran gedacht, dafs jener Grund*
fetz xuit vom logifcheu Deiü&ftft gültig fei, &*<&*
. 1
Leibnitx. ftij
» r
aber von, der Natur der Dinge, dafs nehmlich die *
Pr^dicate der Dingfe fehr, wohl etwas enthalten
können, wodurch fie (ich einander einschränken,' •
ohne dafs fie darum logifctoe Negationen oder blofse
Verneinungen find oder enthalten, x Co 'würde er -
eingefehen habend dafs feine Widerlegung nichts
gegen jenen Einwurf beweife. -Denn wenn auch
Gott der Urheber aller Realitäten wäre, • fo wäre
er dennoch der Urheber der Sunde; wenn die,
Sünde eine Unvollkomriienheit wäre, und Jede
Unvollkommenheit blofs durch die Limitation oder
Befchränkutig entftehe, weil fich" nehmlich; zwei
Realitäten zwar nicht logifch, aber wohl real/
ct. h. zwar nicht, wenn ich blofs v auf die Form
des U r t h e i.l e n s fehe , aber wohl , wenn ich
auf die Natur d£r Dinge fehe, die y ich beur-
th eilen will« befchränken köhnen. So find bei-
des^ dpr Wind der aus Wetten bläß, und der
Strom des Meeres, der aus Often kömmt,* Reali-
täten, aber ihre Wirkungen auf das fahrende Schiff
beschränken fich einander, und machen, dafs das
Schiff entweder langfamer nach Often oder nach
Welten kommt, als wenn nur eine die fer Real itä-
ten vorhanden wäre, oder tfcafe es gar fülle ßeht,
Leibnitzeris Nachfolger trugen aber dennoch
diefen Grundfatz ausdrücklich in ihre Leibnitzwol*
filche Lehrgebäude ein; So * fdgt Baumgarten (Me»- s
taphyfik, $.604.): „Alle Realitäten find in der
That bejahende Beftimmungeft , und keine Vernet*
nungift eine Realität, Folglich wehri'auch in
einem Dinge alle Realitäten, ohne Auf-
nahme gefetzt werden, fo kann doch nie*
mals daher' ein Widerfpruch entftehen.
Es find demnach alle Realitäten in einem Dinge
teifammen (logifch) möglich, keine Realität
kann einer andern Realität widerspre-
chen.
3Mli»sphn.W8rt*rb.5.BJ. Fff
•».
a*8
Jüeibnitz.
Nach diefem Grundfatze find min, wie wlf
gefehen haben, alle Uebel nichts als Folgen von
den .Schranken der -Gefchöpfe, d.i. Negationen
■ oder Verneinungen, weil diefe das einzige
Wideritreitende der Realität find., In dem. blofsen
Begriffe eines Dinges überhaupt (nicht aber
px den befondern Dingen , welche man Erfchei-
nungen , oder Nattrrgegenftäiyle nennt,) ift es auch
wirklich . fo* Imgleichen, finden die Anhänger die«
fes Gvu'ndfatzes, wie das, au? ßaumgartens Me-
' taphyfik fo eben angeführte , Beifpiel lehrt., es
nicht allein möglich , Fondern auch natürlich, alle
Realität, ohne irgend einen beforglichen Wider-
ftreit, in einen Gegenstand, n^hmlieh den' des volJ-
komineniten Wefens zu vereinigen, Sie kennen
nehmlich keinen andern WideriUeit, als den des
Wide^fpruchs, .durqh cfen der Begriff eines
Dinges felbft aufgehoben wird, nicht aber den
des wechfelfertigen Abbruchs, da ein Heal-
grund (eine Urfache) die Wirkung (z.B. Bewe-
gung) des andern aufhebt, und daz,u wir nur in
der Sinnlichkeit die Bedingungen. (z. B. entgegen-
x ..gefetzte Richtungen J. antreffen, uns einen fokhen
vorztLßellen ((isoe^E M.I-, 37Q*)..
Wollte man lagen, dafs wenigstens die in-
telligibeln Realitäten, oder diejenigen, welche
die Dinge» an fjich haben, einander nicht entge-
gen wirken 'können , fo inüfste man doch ein Bei-
fpiel von dergleichen reiner und: finnenfreier
Realität anfuhren, damit man verßände, ob unfrd
Vorstellung derfelben, ^wirklich etwas, oder etwa
garnichts voritelle. Aber Beifpiele von Reali-
«.täten können nirgend anders woher f als aus der
Erfahrung genpmmen werden $ diefe. ^ber bietet
weite* t nichts als Phänomene oder Krfchei-
nun^n dar (G, 33g. * M, I, 331.). ; s
' /
♦v
»»
•.,• Leibnitz» ' ' ftio
■ x -\T ' ■ ' ' '
Die Lehrevon den Monaden.
Folgendes ift fceibtiitzens Lehre von den Mo-
naden, mit feinen eigenen Worten: . : "
1. „Die Subftanz ift ein Wefen, welche*"
der Handlang fähig ift Sie ift einfach oder zu-
fammengefetzt. Die einfache Subfi;an/z ift die-
jenige, welche keine Theile hat. Die zufam- '
meugefetzte iß das Aggregat ^er einfachen Sub-, V
itan^en öder der ;Mori aden. Monas iß ein
gr iechifches Wort , welches ] die E in h e i ii f ©der
das, was eins ift, bedeutet;
Diezufatomengefetzten, oder die Cörper, 1 find
Vielheiten; und die einfachen Subltanzen (diez.
B. im Selbfibewufstfeyn gegeben find), die Lebend
die Seelen, die Geiiter, find Einheiten. Und es ,
mufs wohl überall einfache Subftanzen geben ,. weil
es ohne einfache keine zufammengefetzten geben
würde; und folglich ift die ganze Natur: voll Leben
* t. Die Mona dep, da fie keine Theile- ha- "
ben, können weder durch ^Zufan>menfetzun°\ ge-
bildet noch aufgelöfet und zerftöret werden* & Sie
können natürlicher Weife weder alifangen, noch
ein Ende nehmen, fondern nur durch die Schöp-
fung anfangen, unddurch Vernichtung ajuf-
hören zu feyn; und dauern folglich fo lan^e als
das Univerfum, welches wird verändert, aber
nicht serfiört werden. Sie können nicht ansge- \
dehnt feyn, keine Geßalten haben und nicht theil-
bar feyn, fonft hätten fie Theile. Und folglich
kann eine Monade an fich felbft, und für jetzt,
nicht anders von einer andern unterfchieden wer-
den, als durch, ihre innern Befchaffenheiten und
H<indlu*igen , welche nichts anders feyn können
als feine Perceptionen (d.i. die Vorfiellungen
des ^ufammengefetzten , oder deffen, was in dem
Fffa
I
4
*
1
520 'Leibfritz.
Einfachen das Acufsere ift) Und feine Begehrnii-
, gen (d. i. feine Tendenzen von' einer Perception
t zur andern), welche die Principien der Verände-
rung find. Denn die Einfachheit der Subftanz
hindert nicht ^die Vielfachheit der Modificationen,
welche fich zufammen in der nehmlichen einfachen
Subitanz befinden nniflen; und fie muffen in der
Mannigfaltigkeit der Verhältnifle zu äufsern Din-
gen beliehen.
» . Es verhält fich damit gerade fo wie mit ei-
\ nem i M i 1 1 e 1 p u n c t oder einem Punct , in dem,
fo einfach, er' auch ift, dennoch eine unendliche
Menge Winkel liegen, weiche durch die Linien
^gebildet werden, die! in demfelben zufammenlau-
. fen." (Principes de la Nature et de la Grace.
00. Vol. Ih p. 32. Principia philofophiae feu the-
fes in grcitiam Princip. Eugen. OO* Vol. IL p. £0.)
Im Art. Inneres ift fchon gezeigt worden,
wie Leibnitzens Vorftellurtg von den Monaden
.durch die Vcrwechfelung der zweierlei Bedeutim-
/ gen des Innern «entfiandcn ift. 'Hier will ich
nur noch Folgendes hinzufetzen i *
Die Leibnitzifche Monadologie hat einen
zwiefachen Grund: 1* dafs diefer Philofoph den
Unterfchied des Innern und" Aeufsern
nicht fo betrachtete, wie er durch die JBefchnf-
x » fenheit ünfrer Sinnlichkeit fich ergiebt; denn da
-würde er äufsere und- innere Gegenftän-
de, d. i. folche, die im Raum, 1 und folcbe,
die .blofs in der Zeit, alfo nur in unferm in-
' nem Sinne find, bekommen haben; fondern dafs
er .fich diefen Unterfchied blofs im Verhältnis
, auf den Verftand vorftellte, da bekarm er blofs
innere und äufsere logifche Beftimmun-
N gen, den Unterfchied zwifchen dem, was ei-
nem Dinge an und für fich f e 1 b ft ,' /ohiie dafs
ich- es mit einem andern Dinge vergleiche, zu*
kommt, und dem, was es im Verhältoifs zu
andern Dingen iß, und tjiefes , hielt ei nun für ei«
nerlei mit innern und äufsdrn finnliqben
Gegenständen.' Lerbnitz fchjofs fo; *Die Sub-
{tanzen ü b e i(h.aüpt (abftrahirt von allem , ,was
an manchen derfelben finnlich ,Sft; . denn das
ift nur, eine Art, wie fie Uns die Sinne, die nach
L,eibnitz alle unfere EiljLenntnifs verwirren, vor-
fiel leri) muffen etwas Inneres haben,' d.i. was
ihnen an und für fich felbft zukömmt; nun
ift das, dafs fie zufammen gefetzt lind, blofs eim
Verhältnifs derfelben zu andern Subftanzen,, alr
fo etwas Aeufseres , nichts Inneres; folglich müf*'
fen die Subftanzen, überhaupt von aller Zu-
fammenfetzung frei feyn. Das Einfache ift alfo
die Grundlage der Dinge, fo wie fie an und für
lieh felbft, ohne Rücklicht auf ihr Verhältnifs zu
andern Dingen, find.
Das Innere ihres Zuftandes, fchlofs Leibnitz.
weitet, kann nun nicht in Ort, Geftalt, Berühr
rung oder Bewegung beliehen; denn diefe Beftiih« '
mungen find blofs Verhältniffe, alfo äufsere
Befiimmungeri. Daher können wir nun den Sub-
ftanzen keinen andern innern Zuftand beilegen, ^
als den Zufiand- der Votft eilungen (weil nehm-
lieh diefe unfern Sinn innerlich, d. i blofs in
der Zeit, nicht im Baum beitimnien» fo meinte .
Leibnitz, dies hiefse eben fo viel als an und. für
fich, .ohne Beziehung auf etwas anders.
Er dachte aber nicht daran, dafs, auch die Vorftel-
lungen wieder nur durch ihre Beziehungen auf, ein-
ander und auf die Gegenfiänue im Baum, alfo durch
Verhältniffe und nicht an und für fich felbft, er-
kannt werden können, alfo blofs nach ihrem äu-
fsern Zuftandej den fie im innern Sinne haben).
So wurden denn dje Monaden fertig, welche den *
(ri undftoff des ganzen Univerfum ausmachen Collen.
l T nd darum behauptete Leibnitz von 'ihnen, dafs
ihre thätige Kraft nur in Vorftellungen beftehe,
\ ft22 Leibnitz*
wodurch fie alfo eigentlich blofs in Geh felbft,
und nicht auf .andere , wirkfam find' (C. 33p* M. L
* r • .
Der endete Grund der Leibmtzifchen Mona-
dologie ift;
2. dafs diefer Philöfoph Materie und Form
nicht fo betrachtete, wie fie fich durch die Be-
schaffenheit unferer Sinnlichkeit, fondern im Be-
griff des reiben Verftapdes ergeben. Denn in der
Erfcheinung geht die Form - der- Materie vor,
weil die Form eine Befchaffenheit unferer Sinn-
lichkeit ift; aber im Begriff des reinen Ver-
II an des' geht die Materie der Form "vor, weil
, erit etwas da feyn mjufs , das eine Form bekommen
oder haben kann, die Materie, che ehre Form
i-tfelTelb'en denkbar ift. Leibnitz fchlofs," weil er
von aller Sinnlichkeit abftrabirte, ganz richtig
i ' * fo: In jedem Dinge find die Beftandftücke deflel-
ben (effäntialia) die Materie, die Art, wie diefe
Btiitandftücke in dem Dinge verknüpft find, die
(wef etat liehe) F/>rm deffelben. Ferner; in Anfe-
hung der . Dinge überhaupt' ift die unbegrenzte
Realität die Materie aller Möglichkeit, Ein-
schränkung (Negation) . ift diejenige Form , wodurch
fich ein Ding vonjt andern nach transfcendentalen
; ' Begriffen (d. i. nach folchen, wodurch allein
' Erkenntnifs möglich ift) unter fcheid et. fis mufs erfi
# etwas gegeben ftyn, wenigftens' im Begriffe (Mate-
rie) ,* ehe es auf gewiffe Art/beftimmt werden (Form
erhalten^ kann. Folglich geht 'im Begriffe des
reinen Verftandes' die Materie der Form
vor^ und Leibnitz nahm am deswillen zueilt
»Dinge an ^ die blofs innerlich*, oder der Materie
jfiach,- das» ift (nach der «vorhergehenden Verwech-
selung) blofs durch eine Yorftellunsrskraft beftimmt
fijid, vmd noch keine äufsere Befiimmung, d.i.
form haben, und nannte'fie Monaden (C. 322,
«»
o
-•■ \ ■■ ■■
Leibhitzr. . ga
.ftiefö . fceibnitzifche Monadologie Iß nun"
von den Anhängern des' grofsen Lehrers xliefer,
Theorie übet vfcrfianden Worden; diefe ßellten
fiüh TVehmlich vor, fie folle dazxx dienen-, die Na-
tururfcheinungen zu erMären. Allein fie iß ja nur
ein Begriff Vöh döt Welt,' fo fern diefe gar nicht
als Gegenftand der Sinne betrachtet wird, und,
wenn man jehe Verwechfelung wegläfst, und ßch
die Monaden nicht: blöfs als vor fidlen de Kräfte
denkt, auch ein ganz richtiger Begriff, den
fchon Plato, obwohl noch nicht; fo ausgebild^
gehabt hat* Das Zufamm enge fetzte der,
Dingfe an fich felbfi, d. i. mit Abftraction
von aller Sinnlichkeit, muf$ freilich aus dem
Einfachen beliehen, denn die Th eil ß muffen hier 1
vor aller Zufammenfetzung gegeben feyn._ Aber
das Zuf.ammengefetzte in der Erfchei-
nung befiefit nibht aus dem Einfachen. Denn in
der Erfcheinung, die niemals anders als zu-
fammengefetzt (ausgedehnt in Raum und Zeit),
gegeben werden kann, können die Theile nur
durch Theilung uhd alfo nicht vor dfcr. Zufam-
menfetzung, fondern nur in dem Zufamr
mengefetzten, gegeben werden. Daher behauptet
nun Kant, Leibnitzens Meinung fei nicht gewe-
fen, die finn liehe Welt durch feine Intellectui-
rung oder Betrachtung der Gegenfiände durch blo-
fse Vcrßandesbegriffe , mit Abfiraction von allem
Sinnlichen, zu erklären, fondern ihr blofs<eine
intelligibele Welt, als das, was nicht erfcheint,
an die Seite zu fetzen,* und fo die finnliche
Welt blofs als einen InbegrilT von Erfcheinun-
pen zu betrachten (N. 51.). Man f. den Artikel:
Inneres.
♦
In der v Cörperwelt , weil fie im Raum vorhan-
den feyn^mul*», mufs es allerwärts zufammenge-
fetzte Dinge geben. Denrr die pörperwelt iß* der
Ii'begriff aller Gegenftände auf serer, d. i. im
Kaum befindlicher Dinge, folglich kann das Ein«
\
V
'1
8^4 Leibnitz.
fache in ihr gar nicht angetroffen werben. Denkt
£ch. aber die Vernunft ein aus Subfianzen Zufam-
inengefet?tes als ein Ding an fich, d. i. ein
folches', das gar nicht zur Sinnenwelt gehört, gar
keine finnlichen Beitimmungen hat, oder (ichgar nicht
auf die Beschaffenheit unferer Sinne bezieht, fo mufs
Jfie da fiel be fchlechterdings als ein Ding denken, wel-
ches aus einfachen Subltanzen behehu Is'ach
demjenigen aber, was die Anschauung der
Gegenstände im' Baum nothwendig hei
fich lühtt, kann und. Toll die Vernunft nicht
denken, dafs ein Einfaches in ihnen wäre. Hier-
auls folgt, dafs wir auch nie auf das Einfache
ftofsen oder ei auifmden können, wenn xinfre
Sinn« auch noch fo fcharf , unfre Waffen iie über-
dem noch zu fchärfen auch noch fo gut , und un-
fere Betrachtungen und Beobachtungen auch noch
«fo genau werden, follten, ,denn es giebt in der
binnen weit kein. Einfaches, Ejolg] ich ; find auch
die CörjJer gar nicht Dinge an fich -felhft, denn
fonft nnifsten fie allerdings aus dem Einfachen be-
liehen, welches eher wäre, als das Zufammenge«
fetzte, welches qus dem Einfachen beliebet. Alfo
find die Sinnenvorfiellungen, die wir mit dem
Namen der cor per liehen Dinge belegen, nichts
als jfrfcheinungen von irgend etwas. . Diefefc Et-
was kann, als Ding an fich felbft, .das Einfache
enthalten {es ifi hierin keiri Widerspruch, welcher
fich fogleich findet, wenn daffelbe .von den Er-
ich einungen behauptet wird). Für ups bleibt aber
diefes Etwas gänzlich unerkennbar, weil die An-
fchauung, unter der es uns allein gegeben wird,
nui die fubjeetiven Bedingungen un/erer Sinnlich-
keit (Raum und Zeit, folglich Ausdehnung) an die
Hand giebt, unter denen wir allein eine finnliche
Vorfiellung von ihm erhalten können. Wir fchauen
alfo nicht die Eigenschaften an, die diefem Etwas
an und f jir lieh felbft zukommen (E, 44. ff.).
- -\ \
Einen Gegenßand fich als einfach vorfallen,
1
/
.^ ■ / •• ••• - • \
I
j
i ■ '
iß ein Hofs negative* Begriff, er fagt blofs , der
Gegeiifiafiä, »fei nicht zufaipmengefetzt , . und ift
der Vernunft unvermeidlich. '.Denn <\ie Vernunft
fordert au allem Bedingten das Unbedingte, <nurt
ift das Einfache das Unbedingte tu .dem Zufam*
m engefetz ten ; die Möglichkeit des Zufajnmenge-
fetzten, ift aber jederzeit , wie alles, was real mög-\
lieh ift, bedingt, Folglich ift das Einfache eine
Vernunftidee, in der Natur ift aber alles zufam-
jnepgefetzt. Der Begriff des Einfachen erweitert
alfo unfere Erkenn tnifs nicht, fondern bezeichnet
blofs ein Etwas, welches Von den finnlichen (Je* '
genftänden (die ""alle ein6 Zufammenfetzung erii>
halten) unterschieden wenden foli.. Wenn man
nun fagt: das,, wa$ der Möglichkeit des : Zu Ca rri-'
xnengefetzten zum Grunde liegt, , ilt das Noumen-
(denn irri Sinnlichen ift es nicht zu finden) : fo
fagt man daijrit nicht: es Hegt dem Cörper als
Erfcheinung'ein Aggregat von fo.vlel einfa-
chen Wefen zum Grunde. Denn ob das lieber*
finnliche (Noumen), was jener JErfcheinung als
Subftrat unterliegt, zufammengefetzt oder einfach,
fei, davon kann Niemand im minderten etwas
wiffen. Es ift aljfa eine Vorftellung, welche darauf
beruhet, dafs man die Lehre von Gegtenftänden ,
der Sinne r als blofsen Erfcheinungen, gänzlich
mifsverftanden hat, wenn man lieh einbildet, oder
Andern einzubilden fucht; hierdurch werde ge-
meint, das .überfinnliche Subftrat der Materie werde
eben fo nach feinen Monaden getheijt, wie man
die Materie felbft theilt,, ;Dann würde ja die Mo*,
nas, die nur die Idee einer nicht? wiederum be
dingten Bedingung des Zufammengefctzten ift, iiX
den Baum gefetzt, wo Jie aufhört ein Nonmen
(Ueberlinnliches) zu feyn, t und wiederum felbft
zufammengefetzt ift (E. 45 .*) f.). , . ,
. \ ■* VL
Die Lehre von der vorherbestimmten Harmonie«
f Harmonie, 4. IL
1 •
1
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»
'fl2ft ^ Leibnitz.
ftatt. Eben fo ift es auch mit der Zeit Gefetzt es
fragQ Jemand', warum Gott nicht'alles eifl Jahr frü-
her erfchafFen habe,, und «liefelbe Perfon, wolle
daraus fchliefseri, dafs Gott etwas gemacht habe,
wovon es keinen Grund gelten könne , w;arum er es
fo und nicht anders gemacht habe : fo wurde man
ihm antworten, feine Folgerung wäre richtig, wenn
die Zeit etwas aufser den in der Zeit befindlichen
Dingen wäre; denn es kannte .unmöglich Gründe
dafür geben , warum die Dinge eh$r an 'diefe als an
. andere Augenblicke feipn gebunden worden, in fo
fern die Fol'ge derfelben diefelbe bliebe* . Aber eben
dies he weife, dafs die Augenblicke aufser den Din-
gen nichts find» und dafs fiß blofs in der Folge der
Dinge nach einander beliehen; wenn nun diefe die-
felbe bleibe , fo wäre der., eine der beiden Zuftände,
Z. B. das eingebildete. Früherfeyn, in nichts unter-
schieden , und könne nicht ^unterschieden fe£n von
dem Zuftande , welcher jetzt ßatt findet
C Ta r k e antwortete hierauf Folgendes : Es lei*
. det keinen Zweifel, dafs. nichts ohne einen zureichen-
den Grund feines Dafeyns vorbanden ift, und dafs
nichts ohne einen zureichenden Grund eher auf diefe,
als auf eine andere Art vorhanden ift. Aber }n Anfe-
liung folcher Dinge, die an (ich felbft gleichgültig find,
ift fchon der blofseWille ein zureichender Grund,
ihnen, idasDafeyn zu geben, oder fie auf eine ge-
wifle Art vorhanden feyn zu laflen; und diefer Wille
bedarf es nicht erft, durch eine fremde Urfachebe-
Jtimmt zu werden,* Hier find Beifpiele zu dem,
was ich behaupte. Ale Gott ein Theilchen Mate-
rie fchuf, oder ihm eher hier als dort feinen
Platz anwies, "obgleich alle Oerter einander gleich
find, fo hatte er keinen andern Grund dazu, als
feinen Willem, Gefetzt nun, der Raum fei nichts
Reelles, fondern eine blofse Ordnung der
Cor per: fo würde darum doch der. blofse Wille
Gottes der einzige zureichende .Grund feyn, aus
welchem drei gleiche Theilchen eher in die Ord-
• • r
.Leibnitz. \ .. , 829
m • *
nung A, B y C, als in die entgegengefetzte Ord-
nung wären, gebellt worden, Man kann alto aus
diefer Gleichgültigkeit der Oerter fteinen Beweis
dafür herleiten, dafs es keinen realen 'Raum gebe.
Denn, die verfchiedenen Räume find real von ein-
ander urtterfchieden , ob fie gleich einander' voll- v
kommen ähnlich find, Ueberdem,. wenn maii
vorausfetzt, dafs der Raum nicht real, fondern,
blofs die Ordnung und Stellung der ,Cö*-
per fdi, fo würde eine handgreifliche Abfurdität
daraus - folgeh. Denn, riach diefer Idee, wenn
die Erde , die Sonne und der Mond wären dahin
gefetzt worden, wo (ich jetzt die entffcrnteften
Fixfteme befinden (wenn fie nur i/i deirfelben Ord-
nung, und in derfelben Entfernung von einander
ihren Platz . erhalten 'hätten) 9 wfjre es nicht nur
daflelbe, wie der gelehrte Verfaffer ganz richtig
fagt; fondern es würde auch dataits folgen/ dafs
die Erde, die Sonne und der Mond; in diefem
Fall an demfelben Ort feyn würden, wo (ie jetzt
find; welches ein offenbarer Widerfpruch ift. Der
Raum ift nicht eine Subftanz, ein ewiges und un-
endliches Wefen, fondern eine Eigenfchaft, oder
eine Folge der Exiftenz eines unendlichen un'd
ewigen Wefens. Der unendliche Raum ift die Un-
ermefslicfikeit; aber die Unermefslichkeit ift nicht
Gott) alfo ift der unendliche Raum nicht Gott.
Was man hier von den Thejlep des Raums fagt,
ift keine Schwierigkeit. Der unendliche Raum iit
abfolut und wefentlich untheilbar; und es ift ein
Widerfprucb, die Theilung.de* Raums vorauszu-
fetzen, denn alsdann müfste ein Rauni zwifchen
den Theilen feyn, von welchen man vorausfetzt,
dafs der Raum in fie • getheilt fei; das heifst
aber vorausfetzen , dafs der Raum zu gleicher
Zeit getheilt und auch nicht getheilt fei. Ob-
gleich Gott* unermefslkk und überall gegenwär-
tig ift, fo ift doch die Subftanz defltelben darum
nicht mehr in Theile getheilt, «ils feine Exiftenz
durch die Dauer. Die Schwierigkeit, welche man
1%
1 1
t *
^30 Leibmtz.
hier ma<fht r . rührt blofs^von dein Mifsbrauch des
Worts" T heil her. Wäre der Raum blofs die
Ordnu;ng'der Dinge, welche zu gleicher
£.eit Vorhanden find, fo würde daraus fol-
gen, dafs wenn Gott die ganze Welt lieh in
einer geraden Linie fortbewegen lief$e, fie , fo
gefcjiwind fie auch feyn jnöchte, fich doch immer
an demfelben Ort befinden würde $ und dafs nichts
einen Stofs bekommen würde, obgleich diefe, Be-
wegung fchnell aufgehalten würde. Urid wäre
die äteit blofs die Ordnung des Nacheinan-
der fe\ms der Creaturen, fo würde daraus fol-
gen,, dafs wenn Gott ^ie Welt einige Millionen
Jahre eher gefchaffen hätte, fie dennoch nicht wäre
•her gefchaffen worden. Noch mehr, der Raum
und die, Zeit lind Quantitäten; welches man von
der 'Lage und der Ordnung nicht fagen kann. Man
behauptet hier, dafs , weil der RauiQ gleichförmig
oder vollkommen ähnlich, / und keiner feiner Theile
von dem andern verfchieden ift, .daraus folge, dafs
wenn die Cörper, die an einem gewiffen Ort find
gefchaffen worden, an eineiji andern OxX wären ge-
fchaffen worden (vorausgefetfct, dafs fie diefelbe
La<*e, unter' einander erhalten hätten)^ fo wären, ße
^dennoch an demfelben, Ort' gefchaffen worden. Das
ift aber ein offenbarer Widerfpruch, Es ift wahr,
dafs die Einförmigkeit, des Baums bew^ifetf, dafs
Oott keinen äufsern Grund gehabt haty die Dinge
eher an dem einen Ort als an dem andern zu erfcUaf-
fen; aber das hindert nicht, dafs fein Wille nicht
> ein zureichender Grund gewefen fei, an einein Qn*
Welcher es auch fei, zu wirken, wfcilalle Oerter
gleichgültig oder ahnlich find, .» und dafs es einen
gutei> Grund gebe, irgendwo zu wirken.
Hierauf antwortete Leibmtfc : Zwifchen abfolut
gleichgültigen Dingen -giebt es, keine Wähl, folg-
lich auch keinfen Vorzug und keine Willensbeftim-
öntng , weil die Wahl einen Girund oder ein Princip
haben mufs^ Es )ft gleichgültig; drei gleiche und
.\ '
* Leibmtz; 83 *
m allem ähnliche Cö/per sau ordnen, nach welcher
Ordnung, es auch fei; und folglich werdfci fie von
dem, der 'alles mit Weisheit thut, nie geordnet
werden. Wenn der Baum eine Eigenschaft oder
eine Befchaffenheit ift f fo mufs er die Eigenfchaft ei-*
ner Subftanz feyn. Von welcher Subftanz wird denii
nun der begrenzte leere Raum, den feine Vertheidi-
ger.zwifchen zwei Cörpern annehftien, eine Eigen-
. fchaf t oder Befchaffenheit feyn ? Wenn der unen4-
Jiche -Räum die Unermefslichkeit iß, fp wird der
endliche Raum das Entgegengefetzte von der Uner-
mefslichkeit feyn, d. h. die Ermefslichkeit, oder
die begrenzte Ausdehnung/ EJun mufs aber die Aus-
dehnung die Befchaffenheit eines Ausgedehnten feyn*
Wenn aber diefer Raum leer iß, fo Mrii*d er^eine
Befchaffenheit ohne Subject feyn, eine, Ausdehnung
keines An^ged^hnten. Wenn man alfo aus. dem
Raum" eine Eigenfchaft macht , fo tritt man meinet
Behauptung bei,^ dafs er eine Ordnung der pinge,
und nichts abfolutes fei. Wenn der Raum eine abJ
folute Realität wäre, fo wäre er, weit entfernt
eine Eigenfchaft oder ^in Accidenz zu feyn , welches
.das Entgegengefetzte der Subftanz ift, noch fubfi-
fiirehder (mehr für fich befiehend) als die Sub-
ftanzen. Gott könnte ihn dann nicht zeritören,
noch auch in nichts verwandeln. Er ift danrt nfoht
nur im Ganzen iwiermefslich, fondern auch in
jedem Theil unveränderlich und ewig. Es'
würde- alfo 'noch aufser Gott eine unendliche M^nge
von ewigen Dingen geben. Sagen, dafs der unend-
liche .Raum «ohne Theile ift, heifst fagen, daß
er nicht aus endlichen Räumen beftehe; und dafs
der unendliche* Raum beiLehen könnte, wenn auch
die endlichen Räume in nichts' verwandelt würden.
Das wäre, als wenn man fagen Rollte, dafs ein
ausgedehntes materielles Univerfum ohne Grenzen
beliehen könne, wenn auch alle Cörper', aus defiea
es beliebt, in nichts verwandelt würden. x Dafs
Gott das ganze Univerfum in gerader oder andrer X*i-
nie vorrücken lauen könne, ohne weiter etwa*
%'
\
J53* Leibrntz. ^
darin zu ändern, ift wieder eine chimSrifche.VQraüs-
fetzung:. Denn zwei nitsht zuu^terfcheidende
Zufiände find ein und derfelbe Zniftand, und fol*-
lieh ift es cirie Veränderung welche nichts verändert.
. Ueber4em ift dazu " nicht der allergeringfte örund
vorhanden. Nun thutGott nicht 3 ohne Grund; und
es ift hier doch keiner möglich. Gott thäte auch,
wegen deS'Nichtzuunterfcheiden , nichts , indem er
etwas thate. Das alles gründet fich blofs auf die
Vorausfetzung, dafs der eingebildete Raum etwa*
Keales f<?i. Es ift eine .ähnliche, d. i.' unmögliche
Erdichtubg, wenn man annirjimt, ' Gott habe die
Welt'einige Millionen Jahre eher erfchaffen* könnet.
Diejenigen, welche fölehe Erdichtungen annehmen,
würden dfeneJi nicht antworten könnet, welche die
Ewigkeit der Welt be weifen wollten; Denn da
Gott nichts ohne Grund thut, und fich doch kern
- Grund angeben lafst, warum er die Welt nicht eher
, gefchaffen habe; fö wird daraus folgen, dafs er ent-
weder gar nichts gefchaffen , oder dafs er die Welt
vor aller anzugebenden Zeit gefchaffen habe, d. h,
dafs die Welt ewifij fei. Wenn mari aber zeigt, dafs
der Anfang, -er fei welcher er wolle, immer daflel-
be fei, fo fällt die Frage, wartun es riieht anders ge-
jWefen fei,' weg* Wäre Raum und Zeit etwas abfoiu*
res, d. h. fctwas anders als ^ewiffe r du un geil det
Dinge, fo wäre das, wapichfage, widerfprechend.
Da "dem aber nicht fo ift, fo ift dieHypothelis w* -
'derfprechend, d. i. eine unmögliche Erdichtung
Es iJt' hiermit wie in der Geometrie, in der pian zu-
weilen durch die i Voraus fetzutog felbit be weifet, dafs
"eir.e Figur gtöfser fei, als fi,e jft. Das ift ein Wider-
spruch; aber er liegt in der Hypothefis, welche
«ben N darum falfch ift.
. ■ - • >
Clarke antwortete :' diefes führe zur Not-
wendigkeit und zum Fatalismus, weil es
den Willen eines verftändig Handelnden von
den 'Bewegungsgrühden eben fo abhängig mache,
wie die Wage von dem Gewicht abhängig fei. * D*
Leibnitz.
833
die Theilchei* der Materie einander , vollkommen
ähnlich und, fo würde aus Leibnitzens AVt zu.fchlie-
fsen folgen , dafs Gott gar keine Materie gefchaffen
habe. Die Theile der Zeit find einander eben fo
vollkommen ähnlich als die Theile des Raumes , und
dennoch find zwei Augenblicke fo wefcig ein und
derfelbe* Augenblick, als zwpi Oerter ein und der»
felbe Ort; es find auch eben fo wenig zwei Nameu '
eines und deffelben Augenblicks oder Orts, Wer
alfo behauptet, Gott habe die Welt nicht zu einer
andern Zeit oder an einem andern Ort erfchaffen
können , der luacht die Welt nothwendig unendlich*
und ewig, und unterwirft alles der Noth wendig-
keit und den* Schickfal. Wenn das Univerfum eine
begrenzte Ausdehnung hat, to> giebt es fow;ohl au-
fsei halb der Welt, als auch innerhalb derfelben ei«
nen realen leeren Raum. Der Raum ift nicht durch,
die Cörper begrenzt, er ift nicht innerhalb und
zwifchen den Cörpern eingefchloflen, fondern da
der Raum unermefslich ift, fo find die Cörpecdurch
ihre eigenen Dimenfionen begrenzt. Der leer*
Raum ift nicht . eine Befchaffenheit ohne Subject ;
denn durch diefen Raum verliehen wir nicht , einen
folchen, in * welchem nichts ift, fondern einen
Raum .ohne Cörper« Der Raum iß nicht eine Sub-
ita nz, er ift unermefslich und ewig; aber daraus
folgt nicht, dafs es etwas ewiges aufser Gott gebe,
weil der Raum und die Dauer nicht aufser Gott find.
Das Unendliche ift fo aus dem Endlichen zufammen-
gefetzt, wie das Endliche aus dem Unendlichklei-
nen. Die Einbildungskraft kann fich zwar Theile
in dem unendlichen Räume vorftellen, aber diefe
Theile können nicht von einander abgeändert wer-
den, folglich ift der Raum wefentlich einfach und
abfolut untheilbar. Wenn die Welt eine begrenzte
Ausdehnung hat, fo kann fie auch durch die Mkcht
Gottes in Bewegung gefetzt werdeA; und New-
ton unterfcheidet fehr richtig eine folche abfo-
lute Bewegung von der relativen (der Cörper
unter fich; f. Princip. Ncwt. Dejin. 8-), Die Grün« * >
MtUirupliiLfJ'ürtirrb.o.BJ. <*gg
k 1
334 -Leibnitz.
• ' ~ * i •
de dafür, dafs der Raum etwas reales fei, ims;lei-
eben dafs Raum und Zeit darum nicht mit der
Jjage und Oidnung. einerlei feyn können, w«il
jene Gröfsen lind, diefe nicht, find nicht beantwor-
tet worden. Die Weisheit Gottes kann fehr /ute
Gründe' gehabt haben, die Welt zu einer gewiflen
Zeit äu erfchaffen f iie kann vor der Schöpf nng
der Welt etwas anders gethan haben *). Es ilt
alfo nicht unmöglich, dafs Gott die Welt früher
oder fpätcr hätte machen können, als er lie ge-
macht hat; und fie auch früher oder fpäter zer-
Ttöjren kann," als fie wirklich *zerftört werden
wird." Das Ungefähr des Lpikur ift nicht 1 eine
.Wahl, fondern eine blinde' Nothwendig-
beit. Wenn Leibnitzens Gru«d etwas bewMe,
fo würde Gott gar keine Materie haben erfchaflen
können, weil die Lage der gleichen und ähnli-
chen Theile der Materie und die Seite, nach wel-
'* « . •
eher die erltc .Bewegung hingehen* follte , voll-
kommen gleichgültig war,
I/eibnitz antwortete hierauf weitläufiger
als bisher, und etwas bitter. Dafs diefe Begriffe
zur Notwendigkeit und zum Fatalismus
. * ! führen, ift' nicht bewiefen * worden. . Man nuifs
unterfcheiden zwifchen einer abfoluten und
'hypothetiTchen, zwifchen einer, lo gif eben,
metaphyfifchen* oder mathema tifchen und
eih*r ^mo^ralifchen No th wendigkeit* Die
hypothetifche Nöth wendigkeit mufs man zu-
geben, fie ift diejenige, welche das Vorherwiffen
der zukünftigen zufälligen Dinge vorausfetzt.
Aber weder diefes Vorher wiflen noch diefe Vor-
. »
T
!
, *) Mein College nud lieber Freund, H. CK. Küfter hat fo'
gaixeine Schifft hietübei*' herausgegeben, welche den Titel hai:
die Befchaffciguugeii Gottes in lein er Idealen Weif»
vor der Schöpfung dor Geifter- und Körper - YVeli«
Magdeburg. 17^5, . - .
- t X
1»»
.:> . i • - - _•£ ^
-— - "^ " . -
m *
herljefiimmimsr entzieii«! c-r Tr'^rnt «rrv-y Lärm
Gott wählte unter meiern z_"^l__^:*x ™r -tt . rr^
dem ober Ilen Grun-ie, «L* t-Ltä» 3; t^ .:-jz rur
freien Creaturen cie eier i.-f I:;.*:: i^Li:f! f_-
fen würden. * A_L;h cle c;-:L_:jj± X:cj_ v r~ti_i?-
leit entzieht der Frcir-tlt r_>.
darin, dafs der AVcüe di* T^ *
dor Bewe^un^s^niTid l*Zt nirür *ir_* *i_. ir
wendig keit aufi dem iii. tl« C-;~ z_ _r
iit darum do^h m;j:I::i. f>n_T :Iif~:<* i:_n. \i
'Wahl, welches gejen cl^ Trri-u.'ttz-zr 1 _V ~l -v ^t-
de. Aber daraus, Gi'i Girr r_r £.._* 2.-_ t Tota-
len Kann, folgern, d^'s c.13 tin^ :£::_i Ji_ tt;^ er
nicht wählt, heif-t die Maclt ".1 i*n VT ±1^
die metaphy filche nni die moral.li'-.e X : t-is-
wendisrkeit, die Wcfcn uni ci£ Wir> Liii-
fceiten mit einander verwech.e!n. In <i±n z:-
fälligen Dingen iit Ge-jril'ihcit nr.i Unf-tJiLiir-
keltj aber keine abfolntc Xoth^eK :ii;!i€:L
Mir narli di^fer Erlilarar.^ cie Lcr.i" V-r.z e.r.er
ab Fol uten No th wentesrkeit Sc.- /.i zc~*r*
ohne dafs man etwas gegen die an^er^hrt«! -£e-
trachtun^en zu fasren hatte, wäre ein verrjur.rt-
"•widriger Eisenfinn. "Was den Fatalismus be-
trifft, fo giebt es ein Fntiun MaU*nntlauiLi;t f iie
Behauptung, dafs die Wirkungen erfolgen wer-
den, wenn man auch die Urfachen vermiede-, ein
Fatum Stoicum (die Behauptung f ^\xS man £ch
ruhifit! verhalten muffe, weil nran lieh vergeblich
den folgen der Dinge widerfetzen würde), und
ein Fatum (jhrifiianum (eine fichere Beftimmung
aller Dinge, die von Gottes Vörhefwiffen und
Voxfehung angeordnet worden). Diefes letztere
allein geitehe ich zu. Die Bewegungsgründe wir- -
T^ex* nicht auf den Geift, wie die Gewichte auf
die Wage, fondern der Geilt wirkt Kraft der Bewe-
giingsgründe^ welche feine Geneigtheit zu wirken
und! Der Geift zieht alfö nicht zuweilen die
fchwächern Bewegungsgründc den itarkem vor.
In der Natur giebt es nicht zwei reale Wefen^ di«
Ggg s
• %
*■ *•
836 ' Leibnitz.
gar nicht zu uq terfcheiden wären, folg-
lich brimgt auch Trott njcht zwei einander ganz
gleiche und ähnliche Thellchen Materie hervor,
Die Theile der Zeit oder dtfs Orts, an und für
fich felbit , find' ideale Dinge , daher gleichen
fie einander vollkommen, wie zwei abftracte Ein-
heiten. Ich fage nicht, dafs zwei. Puncte im
Raum oder zwei Augenblicke ein upd derfelbc
Punct oder Raum lind; aber man kann fich fehr
wohl einbilden, dafs es zwei verfchiedene Au-
genblicke gebe,, wo doch nur einer ift.
4 N
Descartes hat behauptet, dafs die Mate-
rie keine Grenzen habe, und ich glaube, dafs
man ihn nicht hinlänglich widerlegt habe. Und
wenn man es ihm zugäbe, fo folgt daraus nicht,
dafs die Materie nothwejidig feyji würdef, noch
dafs fie von Ewigkeit her gew'efyn fei, weil
eine folche unbegrenzte Materie eine .Wirkung
vxm Gottes Wahl feyn würde, der fie fö würde
belfer . gefunden haben. Weil der" Raum an fich
eben fo, wie die Zeit, eine ideale Sache iß,
fo mufs der Raum aufser der Welt "wohl et-
.was imaginäres feyn , wie es die Scholafiiker
felbit w*ofrl eingelehen haben- Eben fo iß es
auch mit dem leeren Raum in der Welt, den ich
aus denfelben Gründen Ebenfalls für imaginär
halte. Gottes Eigenfchaft ift die Unermefslich-
'kett,, der Raum aber, der oft mit den Cörpern
commenfurabel ift, ift nicht daßelbe mit der Un-
ermefslichkeit Gottes. Wenn der unendliche Raum
eine Eigenfchaft Gottes ift, mit allen begrenzten
Räumen, in demfelljen , fo mufe (fonderbar!) <K C
Eigenfchaft Gottes aus den Beschaffenheiten'' (Af-j
• fectionen) d,er Cteaturen zufammengefetzt feyn.
Leugnet man, dafs der begrenzte Raum eine Afi
fection der begrenzten Dinge fei, fo wird es noch
weniger vernünftig feyn , dafs der unendliche
Kaum die Affection oder die Eigenfchaft. einer un
/
•^^k
1 • *
Leibxxitz, - 837"
* «
endlichen Sache fei. Ich habe nocfe andere Grün-»
de gegen die 'foftderbare Einbildung, dafs der
Raum eine Eigenfchaft Gottes- fei. Der Baum hat
nehmlich" Theile; alfo gäbe es im Wefen Gottes
Theile. Datin 'wäre Gott auch einer beständigen
Veränderung unterworfen, und dem Gott der Stoi-
ker gleich, welche das gange Univerfum für ein
göttliches Thier hielten. Wenn der unendliche
Raum die Unermefslichkeit Gottes ift, fo ift die
unendliche Zeit die Ewigkeit Gottes; dann ift
das, was im Raitm iß, in Gottes Unernjefslich*
keit, und ,was in der Zeit ift, in feiner Ewigkeit,
folglich in feinem Wefen. Noch eiWe andere Jn-
Itanz. Die Unermefslichkeit Gottes macht, dafs
Gott'in allen Räumen ift , dann iß ja <jott in feiner
Eigenfchaft, eben fo verhält fichs auch mit der
Zeit. Man verwÄchfelt aber die Unerirfefslichkeit
oder die Ausdehnung der T)inge mit dem Raum,
nach welchem diefe Ausdehnung genommen wird.
Wenh Raum und Zeit in Gott find, und wie Ei*
genfchaften Gottes, fo bewegen fich die Cörper in
den Theilen des göttlichen Wefens; yie könnte
man eine folche' Meinung ertragen ? Ich hatte-
eingewendet, dafs der Raum Theile habe, und
man fucht'mir dadurch zu entwifchen, dafs man
den angenommenen Sprachgebrauch yerlafst, und
behauptet, der Raum habe keine Theile; aber es
ift. genug, dafs man diefe Theile angeben kann,
wenn man fie audi nicht von einander trennen
kann. Ich finde weder in der achten Definition
aus Newtons Prinzipien, noch in der dazu gehö-
rigen Anmerkung, einen Beweis für die Realität
des Raums ah fich. Uebrigens gebe ich zu, dafs
zwifchen der wahren abfoluton Bewegung
eines Cörpers, und einer blqfsen relati-
ven 'Veränderung der Lage deffelbcn in
Beziehung auf ejnen andern Cörper ein
Unterfchicd ift. Ich kenne keinen Einwurf, den
ich nicht 'glaube hinreichet! 1 beantwortet zu ha-
ben. Dip Ordnung hat auch ihre Quantität.
838 Leibnitz.
»
Da ich demonftrirt habe , dafs die Zeit otme die
Dinge nichts anders ift, als eine, bfofse ideale
Möglichkeit', fo ift, es offenbar, dafs, wenn Je-
mand. Tagte: die gegenwärtige wirkliche Welt habe
ohne alle Veränderung können eher erfohaflen wer«
den, er nichts veijftandliches Tagen würde. Man
kann, fich freilich vorfiellen, dafs die Welt habe
eher anfangen können, oder dals fie früher könne
zirfiört werden, aber das. Vann nicht der Weisheit
Gottes gemäfs feyn , fonft würde es gefchehen
feyn oder gefchehen. Das Ungefähr des Epikur
ift qicht eine Notwendigkeit, fondern etwas
m gleichgültiges. Die Materie befieht nicht aus glei-
chen un<jl ähnlichen Theilen, folglich hat auch
Gott nicht zwifchen ihnen ^zu wählen gehabt, bei-
des nach dem Satz des Nichtzuunterfcheidendeiu
Auch hierauf- antwortete 'Clarkej da aber
Leibnitz ftarb. und hiermit der Streit ein Ende
hatte, fo gehört Clarkes Antwort nicht hierher
(Recueil de diverfes pieces de. fifl}l> Leibnitz tt
Clarke für Dieu, VArne, V'Efpace, la Duree etc. 00»
V. II, p. 110. fqq.).
Kant behauptet nun gegen beide:
a. der Raum Hellet gar Jieine Eigen-
schaft und auch keine Verhäl-tnif f e der
pinge an fich vor. Das heifst: der Raum
iß nicht eine Beftimmung, die an den Gegen-
Händen, felbft haftete, und welche bliebe,
wenn lieh in die Erkenntnifs der Gegenstände
auch gar nichts aus dem Vermögen des Subjects,
die Gegenftände anzufchauen, einmifchte. Er w
nicht etwas, das jedes erkennende Wefen an den
Gegenständen finden mufs, in fo. fern es nur das
Vermögen hat f die Gegenftände fo , wie fie W»
zu erkennen.- Denn folche . Ei^enfchaften oder
, VdrhäLtnifle können nicht a priori angefchauet wer-
den. Sowohl ab fol ute Beftimmungen oder Ei-
Leibnitfc. 839
i r
genfchaften <Jer Dirige, a|s auch relative Be-
lli mmungcn . oder Ver hält.niffe derselben kann
man nicht vorher wilTen ,. ehe die Dinge da find*
Dies ift aber mit dem Raum der Fall. Denn die
Geometrie lehrt, wie alles, was im Räume ift,
oder die ganze Cörpcrwelt, unter gtfwiifen Be-
dingungen m Anfehung des Räumlichen befchaf-
fon feyn müfle , z. B. wie grofs der' Inhalt einer
fvramide fevn müfle, ' wenn fie' eine beftiinmte*
Grundfläche und Höhe hat, wie fich die Gröfse
c j s Inhalts eines jeden Cylinders ergeben müfle^
u. f. w. Diefe Notwendigkeit, und Allgemeinheit
könnte unmöglich fiatt finden, wenn der Raun*
etwas wäre, das lieh an den Gcfireitftänden felbft
befände; denn an den Gegenftänden felblt ilt al-
les zufällig und nur für diefe Gegenfläade gül-
tig (Ö. 42. a. M. I, 49.)-
b. Der Raum ift die fubjedtive Bedin-
gung (Form) der Sinnlichkeit^ unter ^er
uns allein ä u f s e r e f Anfchauung m,ög7
lieh ift. Das heifst, .diejenigen finnlich erkpn-
nenden' Subjecte, welchen es möglich feyn ,1611, *
Cörper anzufchauen, muffen dazu eine befondere
BefchaiFenheit haben; ihre ßinnlichkei t, oder
Fähigkeit, Erkenntnifs durch finnliche Eindrücke
zu* erhalten, mufs die Eisrenfchaft haben, dafs
fiewifle dazu geeignete Eindrücke (nehmlich die
der fünf Sinne) lieh fo ordnen, dafs dadurch die-
jemge Vorftellung in d?m erkennenden, Subjec.t
entitehe, weldie wir auf eine folche Art ausge-
ielmte, und diefe Ausdehnung erfüllende Dinge,
I. i. Cörper nennen^ von denen es uns vor-
kommt, als wären fie gänzJich von unferm vor-
teilenden Vermögen getrennt. Wellen Sinnlich-
fceit diefe Fähigkeit nicht hat, für den giebt
<* nicht nur keine materielle Welt, fondern es
pebt ohne lie überhaupt gar keine 'materielle
^elt, weil Raum, als die Bedingung der Mate-
ri ^lität, oder die Befchaffenheit der Dinge im
B4# Leibnitz.
Raum zu feyn und ihn zu erfüllen f feinen Grund
in diefer B efch af f enheit der Sinnlichkeit
der erfienrtenden Subjecte hat. Weil nun die Fä-
higkeit des Subjects, finnliche Eindrucke mit Be-
wufstfeyn derfelben zu erhalten , * noth wendiger
Weife eher feyn mufs, als die Anfchauungen , die
dadurch möglich werden , fo läfst fich verliehen,
wie alle Gegenßände, welche in diefen Anfcfian-
ungen erscheinen, eine gewifle Form (der äufsern
Anfchauung) und gewifle Verhältnifle haben kön-
nen , die aus der BefchafTenheit des Anfchauuns?-
Vermögens felbft entfpringen / und fich .daher auch
beßimmen lalten, noch ehe man die Gegenfiände
felbft angefchauet hat (C. 42. M. I, 50.).
Hieraus folgt alfo :
a. die empirifche Realität des Baumes.
Das heifst, der Baum iß in der Erfahrung wirk-
lich vorhanden, er hat objeetive Gültigkeit für
alle Wefen. deren Sinnlichkeit eine fölehe Form
der Anfchauung hat, dafs fie dei^ äufsern Vorfiel-
1 ungen fähig lind. Alles, was uns äufserlich als
Gegenftand vorkommen kann, mufs fich im Raum
befinden. Aber diefe Realität ift auch nur empi-
rifch, d. h# nur in der Erfahrung kann diefer
Baum zu finden feyn. " Denn aufser derfelben folgt
aus dem Vorhergehenden
* b. die iritifche oder transfeend entalc
Idealität des Raumes. Das heifst, gehen wir
davon ab, dafs Wefen mit .folcher BefchafTenheit
die Sinnlichkeit anfehauen oder finnliche F.indrücke
bekommen, fo bedeutet die "VorfteHung vom Räume
gar nichts. Dafs die Dingfe im Raum find, kann r\nt
von ihnen behauptet werden , }n fo fern fie Vorfiel-
lungen find, die wir haben, Gegenftände der Sinn-
lichkeit (JKrfchcinungeri) anzufJhauen , die ohne im-
Ter Anfchauungsvermögen gar nicht vorhanden feyn
wurden und könnten , und alfo noch weniger ii»
Leibnitz.
84»
Raum feyn wurden. Unfer A»fchau*ings vermögen hat
eine fölche Form,clars fich uftsgewiffe Vorßellung^n
als räumlich da rit eilen müfleh; abfirahiren ^ir nun
von diefen Gegen ßänden , fo bleibt uns immernoch
das Räumliche übrig, oder der Baum, den diefo
Gegenttände erfüllen, und diefer Raum, weil wir
nun alle finnliche/Eindrückc von ihm weggedacht
haben, und er lediglich, unfe,rm Vorfiellungs vermö-
gen angehört, daher wir auch diefe Vorßellung
nicht los ihne*den können, heifst eine reine An-
fchauung.. Der Raum hefafst alfo alle Dinge, die
uns äufserlich erfch einen mögen, aberzieht
die Dinge an fich felbfr, denn diefe können ja
nicht eine Befchaffenheit annehmen, die ihren
Grund in unferm Vorftellungsvermögen hat,- und
folglich blofs eine Befchaffenheit der Erfcheinungen,
als unfrer Vorftellungen f werden k^nn. Auch kön-
nen wir nicht behaupten ,» dafs alle finnlich an--
fehauende Wefeh an diefe Fofm der Anfchauung ge-
bunden feyn muffen, oder nicht,, dafs folglich jede
fmnliche Welt eine materielle Welt feyn muffe;
denn wir können über die Anfchauung anderer
^kennenden Wefen gar nicht urtheilen , weil es
ws dazu gänzlich an.Dati* fehlt (6.43; M. I, 51.)^
•
Eben fo verhält es fich nun auch mit der Zeit t
a. Die Zeit iß nicht etwas, was für
Hch felbß befiände, oder den Dingen an
fich anhinge. Wenn man das Erkennlnifsver-
niögen , und infonderheit die Sinnlichkeit des Men-
schen-, wegdenkt, oder Jich vorßellt, dafs fie nicht
Vorhanden wären, fo kann auch keine Zeit ftatt
foden. Wäre die Zeit etwas, was für fich felbft
beltände, wie es Clark e von Raum und Zeit be-
hauptete: fo würde fie etwas feyn, was ohne wirk-
lichen Gegenfiand dennoch wirklich wäre. * Und
dann gelten gröfslentheilä alle Einwürfe, die Leib r
*itz dem Clarke macht. Wäre die Zeit aber et*
^as, was den. Dingen, als in ihnen .felbft gegrün-
«
f
I
S\2 Lcibnitz. *
clete Bcftimmung derfelben, anhinge, welches
Xcibnitz von Raum und Zeit behauptete: fo
könnte doch diefe angebliche Ordnung des Aufein-
anderfolgens nicht vorher feyn, ehe die Dinge find,
als eine Bedingung, von der die Art, wie die Dinge
lind, abhangt* Es wäre dann unmöglich, dafs
man a priori fynthetifche Sätie von der Zeit er-
kennen , ui^d durch i;eine Einbildungskraft dife Be-
lehnten heit der Zeit anfehauen könnte. Diefes letz-
tere findet dagegen fehr wohl ftatt, wenn die Zeit
eine Vorftellung ift, die aus der Befchaffenheit
des fmnJichen Anfchaiuingsvermögens des Menfchen
entfpringt, und daher atye Anföhauungen mit diefer
Vorfiel lang -verknüpft feyn muffen. Dann kann
man vorher, ehe die finnlichen Gegenftände noch
wahrgenommen werden, diefe Zeitj mit allen ih-
Ten Beschaffenheiten,* wc^il fie aus utis . felbfi ctit-
fpringt, fich vorfiellen, alfo a priori anfehauen
und erkennen (C. 4.9. M. I, 60.).
b. Der Raupt ift alfo weder etwas Reales auch
. aufs er 6er Erfahrung, noch Hofs ein« gewiffe Ord-
nung oder Stellung der Cörper, . fondern eine
Form des. An f chauen s , und zwar des An*
fchauens anfers, innern Zuftandes oder der
Form unfers innern Sinnes. . Denn die Zeit
kann keirte Beltinimung äufser^er Erfcheinungefl
Teyn ? ' fie gehört wpder zw einer Geftalt, oder
Lage, u. f. w. Dagegen beftimriit fie das Verhält-
uifs der Vörftellungen in unferm innern Zu Rande.
Und e^en darum, weil diefe innere Anfchautmg
keine Geftalt giebt, fuohen wir auch diefen Man-
gel durch Analogien zu erfetzen. * Wijr ftellen
nehmlich die Zeitfolge durch eine ins Unend-
liche fortgehende gerade Linie vor , in weicher
das Mannigfaltige eine Reihe »ausmacht^ $ie nur
von einer Dimenfion ift,; dahingegen der Raum
d^ei Dimetifionen hat. Wir fchliefsen dann aus
der ' Eigefcfchaft diefer Linie auf alle Eigen-
£ chaften der Zeit, aufser dem einigen,, dafs
die Thcile (R-uKff'rT rt 1 rar T"t> - t :" : -_
die Theile der ZcJt - Zrl ~.~^t ,-:-^rz'- t . t
einander JIn<L H'tTc- s *■— = -_: i... ._ :.. L i~*
Vorfiellnr« <' er Z-i-it f.: : Ai\:;lu: I- . » - Z
alle ihre VerJ.-i'iriCr - i- ar i - :t ... -t t ir-
fchauung auiir-lt-itn ItTeT: C_ ^-„ Tl 1. ■. - _
c Die Zeit iit die :::2f'.f r>:.:;tT:
« priori aller E x .' -. :. i : :. i t f : »r; . : : *-
Das heilst, öle Zeit :': ec-i ' . :.=-. :— tt'zi—
Jiiijfceit anb?.rze* - fr, Gr. - : c i-i.— ■ T ■-. - _:: _— r.,
die wir haben, di..'» es dt-irr ... u :.: -: ■ .-. v :-i^.
irgend eine Yorfte'Lu.r, -' ~ "'- : »-•» *'*". *".i c
im Baum, a!s z-_ul> ; i C~i-- .'.. • ^ jtu -:.:.--ii
Sinn, zu haben, c:"-r ' t. » ey in*"' * rt.-. f-r-
fclic-iniifi* 2*rbe, die i ". :.t In <.<.t Z*--t I-_ J^-r
Kaum, als tue rtir.e l.rri t-.'er i.r.'-i. ».• '* .-1-1*-
U!j2, iii eins i:T-fr**r i'.i • l- :.'• t'.l i'i ■ -»*■*.*■» 1 t-r-
fi"ilung, die i:. er LioTs ir-lt .'- -. :j«-ü 1>-, - --• -is
Teils '.üf*ft iit a d;e uni i *m Iv^-* vi ": r " -.*■-:*
dar«efiel!t wer^tn. Li.;*i'er.« v«.: . t ** '->- : --U
lungen , He inÖ^tn nun c.*; (.-t'jT.".'-'« '" : - "?
Sinne- rorflel.'en, oder Oio-'i '■' - ' ' ■' - : ' "'*- " *—
Des, doch an lieh f*"Jj £-- r ■:-' '-' "' "■ * ' '"'»
Gemüths (VorftelluiiZT.; l'-r.S , ui.a ;• *•-'-:.* 7.u
iinferm im innern 6ir,ne \*T.t oJj»j.»t. /' : *■.'„*■ te-
hören, diefer innere Ztu'-ii-d J-ber ;. - i^». ■•;.»-
mungen haben mnfs, »'«Me *us f 1 '.;-. ^ *-/-«•:• *n f
diefen unfern Zuftand f.:,7--> hau« r,, *-: -' r ■•?•-»,
diefes Vermögen aber öiit ?Jj--tj f<ii,<r, ".---"', ■.■1-
gen die Zeitanfchauung: yerlmiuyft: fo V '■ « Zeit
eine folche Anfchauung, i« <>r £.:> <>,d j*'e
äufsere und innere E.'f'htj^i^- i.i^'t.thii.tt
mrd, und geht alfo, als Form ctr iur.nu l.r-
fcheinungen, welche ans dem >: rd.*.i*ijn^*.i«Tj.»»j-
gen entfpriniit, « prroW all er }'.iUL*:':j-rr,<> *>''**'
her. Alle äufser n Erfrh« in iu /«« fdjcdiir«*
die fünf Sinne m'plith und) find im Kaurrj^
über alle Erfcheinongen überhaupt, d. 1,
\
\
ß4 4 L'eibnitz.
alle Oegenftände der Sinne überhaupt,
find in der Zeit (C. 50. M. I, 62.).
Hierads folgt alfoi
a. die empirifche Realität der Zeit;
das heilst", dafs in der Erfahrung die JZeit
nicht hlofs die Ordnung der Dinge ifr, die nach
einander vorhanden find, fondern ein befonderer
realer Gegenftand, obwohl keine Subttanz , fondein
eine Anfciiauung, die allen fiiwilichen Qegen-
ftanden, in" jeder men fchlichen Erkenntnifs
und Vorflelhing derfelben, anhängt. Und da un-
fere, A nfchauung jederzeit finnlich ifi, fo kann
uns in der Erfahrung niemals ein Gegenftand
vorkommen, der nicht in der Zeit wäre. Aber
aus dem vorhergehenden folgt auch
b. die kritifche oder transTcendentale
Idealität der Zeit; das heifst, dafs die Zeit
nicht , wicClarke behauptet ^ ein für fich be-
flehendes, reales Ding fei, das auch dann noch
vorhanden fei, wenn das finnliche Anfchauungs-
vermögen des Monfcben aufgehoben oder "vernich-
tet werde. Wenn diefes An fchauungs vermögen
nicht mehr ßatt hat, . fo kann es auch keine Zeit
mehr geben, als welche blpfs in diefem Vermö-
gen gegründet ijt, und Dinge, die nicht durch
. Vorfiel lungen des. anfehauenden Vermögens, als
Gegenftände deifeiben, vorhanden, find, fondern
auch dann noch feyn follen , wenn auch kei"
finnliches Anfghauungsvermögen vorhanden Ait,
können wenigftens nicht in der Zeit feyn,, fo
dafs die Zeit eine Bedingung oder Befchaffenheit
folcher Dinge wäre. Solche Eigenschaften, die
d^n Dingen an fich zukommen, können uns,
wie die Zeit, durch die Sinne auch niemals gege-
ben * werden f f. übrigens I d *a 1 i t ä t (C. 52. M-
I. 64.)*
Leibnitz. 845
Erläuterung diefer TJiäoric. Man hat
gegen diefe Theorie fölgendrn Einwurf gemacht*:
Vei än^erungeji 'find wirklich und nur in
der Zeit möglich, fol glich v ift auch die
Zeit etwas wirkliches. Dafs Veränderun-
gen wirklich lind beweifet der v Wechfel unferer
eigenen Vorfiel hingen, wenn man auch alle äu-
fsem^Erfcheinungen fammt den Veränderungen der-
felben leugnen Wollte» Dafs ^Veränderungen aber .
nur in der Zeit möglich find, folgt fchon aus/
dem Begriff der Veränderung, denn fie ift die
Veränderung contradietörifeh ewtgegengcfetzter Prä^ *
dicate in einem und demfelben Subject. In dem
Lefer, wenn er diefes liefet, \ geht, eine Verände^
ruiig vor, nehmlich er dachte das, was er liefet,
nicht, und denkt es dach, beides findet in ihm
fiatt. Dies ift nun 'nicht möglich zu gleicher Zeit, ,'
fordern nach einander, oder zu verfehle- '
dener Zeit; nehmlich ehe er dies las, dachte
er es nicht, und jetzt, da eres lieft, detokt er
es. Da nun diefe Veränderung wirklich iß,
mufs auch die Zeit wirklich feyn, die die-
fe Veränderung möglich macht.
Antwort, Es wird auch gar nicht» geleug.
net, dafs die Zeit etw^s wirkliches fei ; lie ift •
die wirkliche Form der innern Anfch/mung, Ver-
änderungen find aber innere Erfahrungen von un-
ferm Zuftande in uns, ich nehme fie ja vermiw
telft meines innern Sinnes wahr, der Lefer nimm£
wahr, dafs er erft jlas, was er jetzt liefet, nicht
fachte', und nun denkt, .Nun inufs alles, was
wir innerlich wahrnehmen, auch in der Zeit feyn,
und. in derfelben wahrgenommen werden. Wir
haben alfo wirklich die Vorftellungen von den
Bestimmungen unfers innern Zuftandes in der Zeit,
und wir können gar nicht ohne diefe Vorftellung
der, Zeit feyn. Aber die Zeit ift darum doch
nichts für fich felbft begehendes, das da whrej
wenn auch unfer' VorfteÜungsvtrmögen nicht wä-
846 LeibnitZi
re. Die Zeit ift eine Art, wie ich mich felbß,
jnit allen V.orftellujigen ,• die Seh h§bc, äufsern
und inneia, Anfchauungen und Gedanken, Cor-
pern und Bildern der Einbildungskraft, anfdiauen
mufs, aber nicht ein Gegenitand, der auch aüfser
meinen Anfchauungpn etwas reales wäre. , - Wenn
aber ich Celbit, oder ein anderes \Ve(en mich an-
Xthauen könnte, ohne dafs das Anfchauungs\er-
' mögen diefe Befchaffenheit hatte, dafs es uden
Gegenitand in der Zeit vorfiellte, fo würde die
.Veränderung zwar nicht als Veränderung, aber
doch als etwas angefchauet werden , wßs nicht
in der Zeit wäre. Die Zeit hängt nehmlich ei-
) .gentlich nicht den Gegenftanden , Welche an-
gefchauet werden, fondern blofs dem Subject'an,
•welches iie anfehauet (C. 55. M. I. C5.).
Die Urfache diefes Einwurfs ifi, dafs
die Wirklichkeit .de$ GegenJiandes unfe-
"res innern Sinnes unmittelbar durchs
Bewufstfeyn klar ifi, und man nicht be-
dachte, dafs auch diefer Gegenitand zur
Er fcli ein ung gehört. Dafs die Wirklichkeit
der äufsern Gegenltände ein blofser Schein fevn
könne u und mithin auch der Raum, ii* welchem
He fich befinden , lehrte fchon der empirifche idea-
lisrtius» Die Gedanken, Gefühle, Bilder der Ein-
bildungskraft aber lind, ihrer Meinung nach, un-
leugbar etwas wirkliches. Allein wenn auch diefe
CJalfe von Vorfiellungen etwas wirkliches, nehm-
lich wirkliche Vorfiellungen, und folglich Er-
fcheinungen find: fo. hat auch fie wie jede
Erfcheinung zwei Seiten. Man kann nehxnlich
fragen, was iit z. B. der Gedanke eines Menfchcn,
weiin er fo betrachtet wird, dafe man dabei von
allem dem abitrahirt, was er dadurch ifi, dafs der
Wenfch lieh delTelben bewufst ifi, und ihn im in-
nern Sinn anfehauet 4 { und, was ifi der Gedanke
als Gegenfiand des Bewufstfeyns und der ionem
Wahrnehmung? Die Antwort* auf die erile
Leibnitz. . ' , 847
iß-: das willen wir nicht, der Gegenftand mit allen
feinen Befchaffenheiten ift problematifch , man kann
.nicht entfcheiden t ob er wirklich . ofler auch nur
möglich ift.* Die Antwort auf die zweite Frage ift;
da kommen diefem Gegehfiande , als einem Ge^en^
itnnde der innern Erfahrung, alle die Befchaffen-
heiten wirklich urtd noth wendig zu, ohne Reiche -
er nicht alsEffahrungsgegenftand vomAnfchauurigs-
vennögen erzeuget werden könne , weil diefes Ver-
mögen feine Anfchauüngen mit diefen . Befchaffen-
heiten, und nicht ohne iie, erzeugen kann (C, 54. ,
M.I, 66.)-
Zeit und Baum find demnach zwei Erkenntnifs-r
quellen folcher Sätze a priori, von welchen das
Prädicat nicht fchon verfteckter Weife tm Subject
liegt, fondern mit dem Subject fo verknüpft
wird, dafs dadurch die Erkenntnifs des , Subjects
erweitert wird (d. i, fyntli etil eher Sätze). Der
Grund diefer Verknüpfung- ift nehmKch die An-v
fchauung im Baum oder in der Zeit* Die ' ganze
Teine Mathematik befteht aus folchen Sätzen. Da
aber Raum und Zeit blofs 'aus der Befchaffenheit un-
frer Sinnlichkeit entfpringen, fo können iie auch
nicht auf Dinge an fich, fondern blofs a^if Er-
fcheinun ge.n gehen. Wer dagegen, wie Clar-
ke, den Raum und die Zeit. für abfolute Rea-
litäten hält, und fie für f ubfiftiren de Din-
g e erklärt , d er mufs , wie Leibnitz fehr gut
gezpigt hat, zwei unerme fs liehe , unveränderliche
und ewige Undinge annehmen. Wer aber, wie "
Leibnitz, beide für inhärirend anficht, mufs
die apodiktifche Gewifshcit der Mathematik' be-
ftreiten. Denn a pofuriorl findet keine apodikti-
fche Gewifsheit ftatt, weil in der Erfahrung alles
zufällig ift. Nun find aber, wie aus Leibnitzens
Meinung; folgen würde, die Begriffe a -priori voii
Pia um und Zeit nur Gcfcliöpfe der Einbildungs-
kraft, deren Quelle wirklich in der Erfahrung g^-
fucht werden mufs. Die . Einbildung hat nehm- *
f
848
Leibnitz.
lieh, wie diejenigeq behaupten, welche der letz*
tem Meinung zugethan find, aus den Verhält*
niflen des Raums und der Zeit, welche man
durch Äbftraction % aus der Erfahrimg hergenommen
hat, etwas gemacht, was zwar das Allgemeine
derfelben enthält , aber ohne die Einschränkungen,
•welch* die Natur mit denfelben verknüpft hat,
nicht ftatt finden kann. Clarke mit feiner Theo-
Tie gewinnt lo viel, dafs er fich für -die mathe*
matifchen Behauptungen das Feld der Erscheinun-
gen frei macht, weil diefe durchaus Noth wen-
digkeit und Allgemeinheit fordern, und .die Ver-
teidiger der Subfiftenz des Raums eine durchgän-
gige Einförmigkeit und Unermefslichkeit des Haums
und der Zeit behaupten. Dagegen verwirren fie
fich wieder durch eben' diefe Behauptungen , wenn
der Veriiand über das Feld der Erscheinungen
hinaus gehen* will. Sie finden fich nehmlich ge-
nöthigt, dann Gott und alle nicht finnlichen
Dinge in Raum und Zeit zu fetzen. Leibnitz und
feine Anhänger gewinnen zwa* in Anfehung des letz-
tern, nehmlich, dafs die Vorfiellungen von Raum
und Zeit ihnen nicht in den "VV^eg kommen , wenn
fie die Dinge, mit Abftraction von aller Sinnlichkeit,
blofs im Verhältnifs auf den Verftand beurtheilen.
Allein fic können dafür nicht zeigen,' wie mathe-
matifche JErkenntnifle a priori möglich find, noch
wie die Sätze der Mathematik, wenn fie aus der ■
bloTsen Einbildung entfpringen^mit Recht auf die
F,rfahrung angewendet werden, und mit derfelben
übereinfiimmen können; und fehen fich genöthigt,
die klareften mathematifchen vBeweife nicht für
Einfichten in die Befchaffenheiten des Raumes zu
halten , z. B, von der Theilung des Raumes ins
Unendliche; foridern fie nur als Schlüfle aus ab-
ftraeten und willkührlichen Begriffen v anzuflehen,
die nicht auf wirkliche Dinge bezogen werden kön-
nen (C. 467.). In Kants Theorie ift beiden Schwie-
rigkeiten abgeholfen (C. 55. ff. M'. I. 67.).
Lntmitz. f. -5
m
Der Baum ifi alfo keim
ffand, der ohne alle
lieh angefchauet werden kau», im mm ■ i toi*
Form der äufaern Anitkafi&ms. übt ü -
iute Raum ift nichts amders, *1* «ne i*ai#I
lichkeit äufserer Erich
ihn beftimmen
lieht, vermittelt einer der F
Isen empir ifchen Anfciiiiiir^.i *k-rt:
Ge^enfiand,
empirilche Anf«ha«tfng i.7 a*Js» ms2£ Xn.rannrf:
feist aus EsichemuMiz**! tz*£ «c& l«*i
aus der Wahroehm txz
ung, denn man kazA
vom Räume, auch ni
traft, trennen. keiäe
mit einander vertat
empiriiehen AriKJaaa nr j: ^"1. j^a *-:■■. :--
zwei Stucke auiser <Ieai ax-xsrr J±r-r^n . 1 -rs -
ausserhalb allen EiicäeaB-*^-::-** . J- *a* J - .im i—-
allerlei Solcher leerer» L*^-i-^_i^ _-=* .*-*-
Altfchauung, die dota L-^-t tt «^.^n«vn:Ti
den können, dergi«--«* C-it** x*-i.fs»
anfuhrt. Z- B- Beweztr^ c>'-^r *-u%* 1..
Welt im unendlichen laereai f^uitt*. £.*-.»- -^-77 *
im mg dea VerfaäitnLTes t^^^rr. «mej*>*#£ «-^u^ iu
Jiche Wahrnehmung, t**s iJ> *\w2l t-* i~.+*+
eines blofcen Gedanfcer*d*aige» *£ \~ ±" m *
In. V f tou de« 3Iom£**. £-*.v*n wr zs-'+*
.tien, dafc Leibnitz die fier^-e j:*:*-.e tr.<
Form von dem reinen Ver-ücrs* **~_ * * , ****
ganfe richtig fand, dafs Miieue *-e
gehlen muffe. Da er ntm hjeT-^:-^* »,«-*«'-
Itam, welche keinen anliern Z^w*rf *:fc>r» >* •>*•
he «t natürlicher Weife Raum <cr*J Zr.t -.-*/. «•■+
Verhäkniffe an, welche die Ortfr/'jsc <^r 'T.^:-**
abgäben, und labe den Raam f*^ c«* *•?". * •*
i*i der Verknüpfung der Mo*xa3c& c*;.*t *• ->~ » -•
»och / unbestimmten Subfunzea +*t < * *
Meüinsphil. tr&rtmrb. *Bd* Ufa*
» *
85*
ibnitz.
render JÖinge, unä die Zeit, für das Verhältnis
in der Verknüpfung derfelben als fuccedirender
Dinge , d. i. als Gründe und Folgen, an. So wür-
de e* auch in der That feyn muffen, wpm der
rfeine Verfiand* unmittelbar auf Gegenstände bezo-
gen werden konnte. Wenn Raum und Zeit wirk-
lich Beftimmungen der Dijige an fich felbft , und
nicht der* Erfcheinungen wären': fo könnte wegen
'der Schwierigkeit, welche die Clarkfche Theo-
rie drücken," Raum und Zeit nicht fubfi/tirend feyn.
Abel die Leibnitzifche Theorie , drücken nicht
weniger , Schwierigkeiten , wie Vir aus Clarkes
Einwürfen fehen , und überdem bewerfen die Grün-
de,, welche man im Art. Expofition 2, ff- fin-
det, dafs Kants, der Leibnitzifchen und Clarke-
fchen entgegen gefetzte Theorie von Zeit und
Raum die allein richtige iß. Hiernach find nun
* Zeit und Raum finnliche Anfch'auungen, in de-
nen wir alle Gegenfiände lediglich als Erlcheinun-
gen beftimmen ; und folglich geht hier die Form
der Anfchauung (Raum und Zeit als Befchaffenhei-
ten, die aus der Sinnlichkeit des anfchauenden
Subjects, oder dem finnlichen Anfchauungsvermö-
gen deffelben 'entfpringen) vor aller Materie (den
Empfindungen durch die äufeern und, innern Sin-
*ixe) her, und'inacht die Erfahrung allererft Inof-
lich, indem fielt die Data derfelben, die' 'Empfin-
dungen, nothwendig in Raum und Zeit ordnen
muffen, wodurch -allererfi aus ihnen JErfchei-
nuiLgen oder »finnliche Gegenstände wer-
den (C. 323> > ,
Wir fehen hieraus , dafs diefer berühmte Lehr-
begriff Leiknitzens von Räum und Zeit
auch aus der Quelle, entfprang, aus welcher feine
andern Verirrungen herfloffen ; dafs er .nehmlich
gewiffe Begriffe, welche aus der Uctheilskraft beim
Nachdenken. über : die Gegcnitäride-, "üin für- % diefe
: Gegenfiände Principien aufzuziehen ; entfpringen,
und war hier die Begriffe Materie und Form,
Leibrntz. £51
als Beftimmungen finnlicher Gezen?lz£* 9
Materie imd Torm, als Eeltinüc^n^si iä
genitände des blofsen reinen Veritan-ies
wechselte. . Wenn ich mir durch den LIs-Ttim
Verfiarid äufeere VerKaltniJe der Din^e »*-- -»_-
len will, fo kann die/es nar
*- --i
griffs ihrer . weciifelf eiligen Wiri^s £5,'_*L-z_n
und foll ich einen ZuJtand eben öc^^'T. Lr-'.s?
mit einem andern Zultand fa verir- ~ r i<z.+ :
diefe Verknüpfung nicht in wecrJe~:*:_i^c«r ~ r -\r-
Jumg befieht, aiio nicht ein b'.j.« aj^t^.c-; Z.ijr-c-«2
ilt , fo kann diefes nur in d«£r Or^-x^ ---tr L.:*a-
chen und Wirkungen se.c^c.-.^iz. £0 iL<u^--Jt ^+„%.
alfo Leibnitz den Baum al» eir.e £* « ~T-s >r - ^ -_ r
in der Gemein f ehalt oder We ,:l- e** i i.i.^
der &ubHanzen, und die Zeit ai* e^- ££*—!* ^- : >-
nung in der Dependenz o^er C<;-'# 1^<* t*^-
felben, oder, wie Kant Lcfc a-o^-dn^x.:., a t ^^^ i /-
namifche Fol^e iiirer Zu~unc<: c L -i -j-^i. ^-
fache und Wirkung, euer a,± c*.* Lt*r i ^--r
Beltimruungen in der s*40ce***#>n czz*< ^^'^ *~*i>
Eigenthutiiiiche aber, und tod Llr.it;* V;<v .-ä-
gige; was. Raum und Zelt an £ci, zj: z.*:y<r. ';,.*+»
nen, fchrieb er aer Ver worr en^-t c^W r>e>
griffe zu? Er behauptete j.ei,m*ic£f, cV.1 *..*: tJ/. *«
liniere Begriffe von den Dirken verY.lr'\*z., ^*£
dadyreh hinderten, daf> wir cle L>:z*z* j„~-\ 1$
eikennelen, wie lie an fich waren, l<,ss«*z:n ;,*.: z,+
Erfcheinungen ; und diele» m%chi n</n a;j/,;* ä*^
dafs dasjenige, was eine fclo**e Form ^rfca';/*
fcher (oder das Dafeyn betrerleri^er; \ki\**..*£*J?&
iit, für eine eigene, für fich beziehende «»r/S r-^r
den Dingen felbft vorhergehende As^cha*! /r*Z ?**
halten werde. Er hielt aifo Kaum «*r*d Z*r;t f >r
die intelligibel e Form der Vulvt*;/?**? <tr
Dinge an lieh felbft, die Dinge aber I.jt j/iifciJi-'
gibele Subitanzen (C. # s>i* 3L L >73v
Wenn wir- aber auch Ton Dingen * r ' f*'*Ji
felbit etwas durch den blo-^n \<:i\U%A f z:/*:j*ii$$X
II hh 2
r
• «
852 • Leibnitz r
von aller Sinnlichkeit , fo Tagen könnten, da(a wir
dadurch eirie wirkliche Erkenntnifs derfelbeh aus*
, fegten, und nicht bloft etwa Vernunftbegriffe, dii
einen ganz andern Zweck haben, oder Verftandea-
begriffe, die ohne Anfchauungf leer find, entwickelten
(welches gleichwohl unmöglich ift, weil wir durch
den Veritand blofs Er fch einungen erkennen,
und die Dinge an fich\uns nicht durch die fmnh-
che Anfchauung gegeben werden können) : fo würde
diefes doch gar nicht auf Gegenftände, die wir durch
die Sinne erkennen, wtelche nicht Dinge an fich
felbit vorftellen , gezogen werden können« Wenn
alfp von der Erkenntnifs finnlicher Gegsnfiändfe die
Redeilt, fo werde ich in der tranäfcendentalen
Uefoerlegung (die Ueberlegung , , ob die Vorltel-
lung zum reinen Verftande od et zur finn liehen An-
fchauung gehört) meine Öegiiffe Jederzeit nur ah
zur finnlichen , Anfchauung gehörig vergleichen
muffen, und fo werden Raum und Zeit Bestimmun-
gen, der Erscheinungen und nicht der Dinge an fich
feyn. Was die Dinge an fich find, weifs ich
nicht, und brauche es auch nicht zu wiffen, weil
. fie mir nie vorkommen können , und diefes auf difc
Erkenntnifs der Erfährungsgegenft&nde keinen Ein*
flufs hat (C, 35a» M. I. 374.).
#
VIR *
. ' Die L«hre Vom Unt^rfchied des SinnlUhatt
v Voin I afetilftctuellen»
1
f. Aefihetik, g> £
• • • -*i
Leibnitz war tein Intel lettualphilofoph,
*d. h. er behauptete, Wie Platö, in den Sinnen fei
nichts als Schein, nlir der Veritand erkenne das Wah-
re. Er nahm eine myltifche Realität der Verfian-
desbegriffe an. d. i. däfs man die übersinnliche Welt
dadurch erkennen könne. Ja, er mjeinttf, dafs die
wahren Gegenhandel • blofs intälligibel* dem
\ »
, ' ^Leibnite. : x g53
t
*
Versande zugänglich und den Sinnen verborgen,
wären, und^dafs man diefe Dinge an fich durch
den; von keinen Sinnen begleiteten, denfelben nur
verwirrenden, reinen Verftand anfehauen könnt
^C. Sgl.)' *■ Sinnlichkeit. »
IX.
/
\ _ •
Die Lehre vom höchfien Wefen,
f
f, Gott, 32, ff.
X.
Die Lehte von der Continuität in der Stufen-
leiter der Gefchöpfe.
Leibnitz lehrte da» Gefetz, da ts die Natur
leinen Sprung thue. Er Tagt, diefer Satz fey io
«ier. Phyük fehr brauchbar y denn er serftöre die Ato-
jnen , die kleinen Ruhen und dergleichen Chimären,
und berichtige die Gefetze der Bewegung* Diefen
.Satz nennt er gewöhnlich das Gefetz der Ste-
tigkeit (loi de la contimpte) f und verfichert, dafs
er es zuerft bekannt gemacht, habe (Theodicee T. IL
$• 348-) £ Continuität, 3.
Leibnitz rechnet hierher auch« was vor ihm
verschiedentlich gelehrt war, was er aber zuerlt
in Gang gebracht hat, das logifche Gefetz der Kon-
tinuität der Arten (continui foecierum 9 formarum
logicarum), f. Affinität, befonders 9; ff»
Die Theodicee,
Unter einer Theodiced verjieht
man die Vertheidigung der höchßen
Weisheit des Welturhebers gegen % die
»
7
i •
/
854
Leibnitz*
Anklage, welche die Vernunft aus dem
Zweckwidrigen rp der Welt gegen :Got-
tes Weisheit erhebt (S. III. 385-)- Leibiritz
hat auch ein* Fol che Theodicee verflicht. Er be-
hauptet in derfelben, dafs Gott, vermöge feiner
llpchften Weisheit, verbunden mit einer endlofen
Gute, nicht umhin konnte, das Befte z\i erwäh-
len , weil ein geringeres Gut eine- Art von Uebel
ift, wenn es ein grösseres hindert, Und etwas bef-
fer gemacht werden könnte, und fich alfo in Got-
tes Handlungen etwas verbeffern laflen würde. Nun
Sann" man v von der höchßen Weisheit, welche picht
Weniger geregelt ift , als die Mathematik , in der
alles gleich oder gar nichts gefchieht, wenn nichts
zu unterfcheiden ift , wohl fagen, dafs , wenf\ es un-
ter allen möglichen Welten keine befte gäbe, Gott
gar keine Welt hervorgebracht haben würde. Folg-
lich hat Gottr die befte Welt gewählt , weil er
nichts thut, ohne nach der höchften Vernunft zu
-"handeln. Ein Gegner, der auf diefes Argument
nicht' antworten könne , würde vielleicht- auf den
jSchlufs durch ein entgegen gefetztes Argument ant-
worten, und fagen, v dafs die Welt hätte ohne Sün-
den und Leiden feyn können; aber ich leugne,
'-fagtj Leibnitz t dafs fie dann die befte gewefen feyn
würde. Alles ift in jeder .möglichen Welt aufs
genaueße verknüpft} die Welt ift jedesmal ganz
aus einem Stücke, wie ein Öceah^ die geringfte
Bewegung in detfelben pflanzt ihre' Wirkung bis in
Jede Weite fort, obgleich diefe Wirkung nach
Proportion der Entfernung weniger merklich
wird. • Und fo kann nichts im Univerfum verän-
dert werden (eben fe wenig, als in einer Zahl),
ohne dafs es fein Weien, oder, wenn man will,
feine* numerifche Individualität verliert
Tiedemann fagt ganz richtig (Geiß der fptecul.
Phil. B. .VI. S. 44£.): von diefem Sätze finfte icÜ
den Beweis nicht in der Allgemeinheit Hj ;
fie, als gültig von jeder * - * - **_*-**..*.
'..
/■
Leibftitz.
855
,Kn "Durch dfen <rrundfafz von der beßen Welt.'
facht nun Leityiitz die vom Uebel hergenonime-
3ien Schwierigkeiten zu löten, uncLzru zeigen, dafs
aus deffejj Dafeyn, nichts folgt, was dpn gottli-
chen VqUkom'menheiten im geringfien nachtheilig
fey f oder berechtige, an ihnen zu zweifeln. Er
ftellt die Sache fo vor; die Uebel fällten ei*
gentlich 'jnicJiV diefen Namen führen,
denn fie* find wirklich etwas Gutes» weil
£e zur heften Welt gehören* Es. ift wahr^ dafs
man fich, Welten als möglich einbilden kann, die
ohne Sünde und ohne Unglück find; aber diefe
Welten würden weit fehl echter feyn, als. die un-
frige; ich kann, das nicht im Einzeln ep darthun,
fagt er, denn r kann ich unendliche Dinge erken*
nen, darßellen und vergleichen? Man tnufs es
aber aus der Wirküng(a6 effectu) fchliefsen r
weil Gott diefe Welt, fo wie fie iß, gewählt hat,
c. Man kann das Uebel metaphyfifch,
phyfifch und moralifch nehmei). Das nie-
taphyfifche Uebel beßeht in der blofsen Un-
Vollkommenheit} das phyfif,che Uebel iii dem
Leiden« und das moralifche Uebel in der
Sünde. Von diefen Uebeln liegt das metaphv-
fifche im Wefen der Qiitge, und war»demnac^
Schlechterdings unvermeidlich. Jede Cre-
atur iß wefentlich eingefchränkt , und hat diefe
Unvollkommenheit fchon -von aller Ewigkeit her
in Gottes Begriffen* Schafft nun Gott etwas, fo
fchafft er bloffr v das Reelle, das Pofitive; das Nega-
tive bedarf keiner hervorbringenden Urfache. An
diefem Uebel iß alfö Gott nicht Schuld. Das mo-
ralifche UebeV entfpringt au$ der Freiheit, und
deren Mifsbrauch zunächft ; feine erße Urfoche aber,
ift , die urfprüngliche Unvollkopimenheit in dem
WefeV der Creaturen, d. h. das meta phyfi-
fch e Uebel. Denn man mufs bedenken, dafs vor
der Sünde eine urfprüngliche Unvollkom-
nienheit in der Creatur iß, weil die Greatur
85 6 , LeiVnit*.
wefeptlich befchrankt ift, daher kann fie nicht al*
lea wiifen , und kann daher irren und andere Feh*
ler begehen. Gott will das raoralifche Uebex nicht.
Er läist die Sühde blofs zu; denn er wurde gegen
das« fehlen» was er fich felbft fchuldig i& % was er
feiner Weisheit, feiner Güte, feiner Vollkommen-
heit fchuldig ift, wenn er nicht dem grofsen Re-
fultat aller' feiner Tendenzen zum Guten folgte,
und wenn er nicht das wählte % was fchlechthin
das Beße ift, ungeachtet des MorÄÜfchböfen,
welches durch d\e höchfte Noth wendigkeit der ewi-
;en Wahrheiten darin verwickelt ift. Er will alfo
las moralifclie Uehel nur als Bedingung ßne
qua non zulaffert; oder aus, hypothetifcher Not-
wendigkeit, welche es mit dem Betten verbindet
Das phyfifche Jebel, Leiden, Elend und der-
gleichen , betrachtet Leibnitz als Folge t oder ei-
gentlich als Strafe des moralifchen» und findet
eben deswegen wenig Schwierigkeiten, den Schöp-
fer zu rechtfertigen* Dafs man auch oft wegen
fchlechter Handlimgen, Anderer leidet , rechtfertigt
er damit, dafs diefe LeiHen uns allemal ein weit
gröfseres Glück bereiten. Endlich % fagt er» gehö-
ren die / Leiden f wie die Mifsgebürten t mit zur
Weltordnung,, es war beffer, diejfe Mängel zuzu-
laflen, als die allgemeinen Gefetze zu übertreten;
ja» diefe Mifsgebürten felbft gehören -zur Natur-
ordnung % fie find dem allgemeinen .Willen Gottes
gemäfs, gerade wie in der Mathematik es manch-
mal fcheinbare, dennoch aber in eine grofse Ord-
nung fich auflösende Unregelmäßigkeiten giebt
Bei der Ungleichheit unter ddn Menfchen erinnert
er, nicht alles muffe gleich feyn; die Ameife dür-
fe kein Pfau, die Felfen nicht alle gleich hoch,
oder mit Blumen bedeckt feyn ; Armuth und Reich"
thum gleich zu yertheilen, fey nicht fchicklichj
die Pfeifen einer Orgel können ja "nicht alle gleiche
Grofse haben. Als einen Rechtfertigungsgrund von
nicht geringem Gew«^** fugt Leibnits noch bei,
dafs -weniger phyiT *1, Verdrufs nehmheb,
1 . 1,
I
Leibmtai \ 857
Schmerz , Krankheit und dergleichen , als • phyfi-
fches Gutes m derzeit vorhanden ift* Zum phy-
fifchen Guten gehört nicht blofs Vergnügen v fon^
der n fehr oft ein* gewiffer Mittqlzuftand , wo pi^n
weder leidet, noch fehr ergötzt wird, Gefuridheit
z. B*i denn mqn ift wphl genug , wenn mah nicht
übel ift, wie es ein Grad tön Weisheit ift, keine
Thorheit an lieh zu haben. Alle Empfindungen
alfo, die uns nicht mifsfallen , all? Uebungen un-
ferer Kräfte, die uns nicht befchweren, und deren
Hinderung uns läftig fallen würde, find phyfi*
fche Güter, wenn fie auch kein Vergnügen gewäh-
ren. Ja, der zu häufige Gtnufs und die Gröfse
der Vergnügungen würden fehr grofse Uebei feyn,
die hochgewürzten Speifen fchaden der Gefuiidheit,
und überhaupt find die cörperlichen Ergötzungen
allemal Verfchwendungen der Lebensgeifter. Die
Vergnügungen des Geiftea find die remften und ge«
fchicktefien zur Erhaltung einer dauerhaften Zu-
friedenheit. T Dafs oft das Uebei für zahlreicher ge-
halten wird, kommt daher, dafs es unfre Auf-
merkfamkeit mehr auf fich zieht. Gefetzt aber auch,
nnfere Erde enthalte wirklich mehr Böfes als Gu*
tes, fo darf doch nicht von unferer Erde auf die
ganze Welt gefchloflen werden.» Auch ift «ja mög-
lich, dafs das Gute in den nicht denkenden Ge-
fchöpfen, das Uebei in deu denkenden überwie-
gend ift. Das, was wir von der Welt kennen, ift
beinahe 'Nichts gegen das, was wir nicht kennen,
und doch Urfache haben zu^ulaflen; da nun alle
Uebei , die man uns entgegenfetzen kann , in die*
fem Beinahe - Nichts find: fo ift es möglich, dafe
alle Uebei auch ein Beinahe - Nichts find in Ver-
gteichung mit dem Guten, das im Univerfum ift.
d. Gott weifs alles Zukünftige vorher, denn
69 ift eine Folge der Weltordnung; dies flehet
der Freiheit nicht entgegen , denn waren die freien
Handlungen auch ganz unabhängig von Gottes
Rathfchlüffen , fo würden fie fich dennoch vorher
• •
858 Leumitz. *
fehen lafffn, denn Gott würde fie fo fehen, wie
fie find, ehe er befchlötfe , ihnen das Dafeyu zu
geben» . Dies folgt -auch daraus , dafs alles einen
zureichenden G^und bat, und ajla Wellbegeben-
- heiten in durchgängiger Verknüpfung ftehen. Wie
Kann aber Gott die Verbrechen. firafei}, wenn ic
durch die 'Weltenordnung ße felbß dazu nacht?
Die Vorherbefiimraung ünfrer Handlungen durch
vorausgehende Urfachep bringt keine Notwen-
digkeit in die Willensentfchlüfle, indem der Wille
durch die Bewegungsgründe biofs geneigt gemaaht,
nicht genöthigt wird, alfo die Entfchlüffe dadurch
nur Gewifsheit, nicht Nothjwendigkeit bekommen.
Die Vorherbefiimpiung aller .Begebenheiten, hebt
ihre Zufälligkeit nicht auf, hat nicht ^bfolute oder
geometrifche Noth wendigkeit zur Folge, mithin
wird durch b fie die Freiheit nicht vernichtet Ge-
letzt, einer habe den gröfsten Dürft, oder jede an«
dere Begierde im höchften Grade; er kann doch
ftets Gründe finden, ihr zu wideritehen. Aber Ab-
Wefenheit abfoluter Notwendigkeit ifi ja zur Mo-
ral ität hinreichend! Gott hat unter allen mögli-
chen Welten die er wählt ^ worin die Treien Ge-
fchöpfe folche oder folche Entfchlüffe faffen wür-
den; mithin iß durch dies Decret die Natur der
freien Handlungen nicht geändert, nur find da-
, durch die. Handlungen felbft zur Wirklichkeit ge-
bracht worden.' Wenn. Gott das Befte wählt, wird
auch das Gegentheil nicht dadurch unmöglich,, e*
* läfst ,,fich , abftract genommen , fo gut als das an-
dere ausführen ; Gott handelt nach eigenem Antrie-
be, phne äuTsenv Zwang. Die Bewegungsgrwde
wirken nicht auf den . Geilt x fondern umgekehrt,
der Geiß wirkt durch. die Bewegungsgründe; 4 enn
diefe find nichts anders, als feine Difpofitionen
oder Stimmungen , mithin t>lofs in ihm felbft. Nach
der vorher beftimmten Harmonie entfpringen alle
Handlungen einfacher Sabftaitzen allein aus ihrem
Innern , , aus allmähliger Entwickeldng des in ih-
nen eathaltenea iFrinogs- deir Thätigkeit. Die äu-
?
LeibnitÄ. : . 859
fsere EirtwiVjkung fallt >gäivzlich ^eg , undT es* wird
die voJlkommenfie/ Spontaneität (Selbltthätig-
fceit) erhalten. Unfere Entfchliefsfengen hängen
zwar /ni^ht' gatiz von uns ab, aber. wir vermögen
doch unfern Willen durch Umwege zu lenken* in»
dem wir nehmlich ,auf die Zukunft folche Maafs-
regeln* ergreifen , wodurch unfre gegenwärtigen
Triebe und Neigungen andre Richtungen bekom-
men. Das Bestreben, nach * dem Erkannten zu han-
deln, ift- vom Erkenntnifs verfchieden r und kommt
nicht aus dem Erkennen , fondern aus der Spon*
taneität der Seele, dahingegen der Beifall ipi Er-
kennen felbft.fchon enthalten ift, und au» ihm nur
bemerkbarer fi'ch entwickelt. Diefemnadh/ giebt es
kein vollkommenes Gleichgewicht der Beweggrün-
de, fonft würde daraus, ein gänzliches Nichthan*
dein folgen , und * gleich Buridans E f $1 (z wi-
fch$n zWei Wiefen) würden Menfchen mit glei-
chem Hunger und gleichem Durfte vor Hunger
und Dürft iterben, wenn fie in x gleicher Entfer-
nung zwifchen- Speife .und Trank lieh befänden.
Nach dem Satä des Nichtzuunterfcbeadenden ift fo
ein *Fall unmöglich , er ift eine Erdichtung , die im
Univerfum nicht ftatt haben kann, in der Natur«
Ordnung. Denn das Univerfum kann durch eine
Ebene, welche mitten durch den Efel fenkrscht
und feiner Länge nach. geht 9 nicht in zwei ganz,
gleiche Theile getheilt werden, fo dafs auf beiden
Seiten alles gleich und ahnlich wäre. Wenn eine
Wirkung gewifs ift, fo ift es auch die Urfache, die
jene hervorbringen wird; und wenn die '.Wirkung
geschieht , fo wird es immer durch eine proportib-
nirte Urfache feyn. Strafen können ftatt haben,
um die- fchädlichen Mitglieder wegzuräumen » um
die Uebertreter zu belfern , und um Andern zum
Beifpiel zu dienen; fie find alfo /keines weges über-
flüjjig, weil die Erfahrung lehrt, dafs fie diefen
Erfolg haben. Und diefer Erfolg, er /ey nun ein
Uebel oder ein Gutes, ift nur durch die ge-
brauchten Belohnungen und Strafen und untec
_ % *
V
'$60 Leibnitz.
deren Vorausfetzung unausbleiblich. , Uebrigeivi
können *wir die Urfachen nicht allemal wiffen, um
welcher willen 'Gott dies oder jenes thnt, und den
•inen in gute, den andern in fehl echte Umftände
verletzt,
Kant. hat in einte Abhandlung, wache den
Titel hat: lieber daa Mifslingen aller pbi»
lofophifchen Verfuche in der Theodicee
<S. III. 385* ff) gezeigt., dafs keine Theodice*
«xböglioh ift f woraus dann folgt, dafs auch die
Leibnitzifche nothwendig nttfsglücken muffte.
/
Zu einer Theodicee, Tagt Kant, wird erfor-
dert 9 dafs derjenige , welcher fifch anmafst , die
Sache Gottes zu ver theidigen t be weife, entweder
I« dafe daa , was wir in der Welt als zweck-
widrig beurtheileh , es nicht fei.
Diefea bemühet üch auch Leibmtz zu be-
weifen in bi
oder
a« dafs wenn es auch etwas zweckwidriges in
der Welt gebe , es doch gar nicht als Factum,
fondern als unvermeidliche Folge aus der Na-
tur der Dinge beurtheilt werden mvüTe.
Diefea will Leibnitz zeigen in c;
odlr V (
■
3« <Ufa es wenigftens nicht als Factum des hoch-
fien Urhebers aller Dinge, fondern blofs der
WeltweCen, denen etwas zugerechnet werden
kann, d« i der Menfchen (allenfalls auch hö-
- herer , guter oder böfer , geiftiger Wefen) an-
gefehen werden mMe.
Lefbnks. jp*
. Diefe» will Labaks m. 4
<s.m, sö6.>
Dm Zweckwidrig e ii
der Weisheit ihres Urhebers
den kennte 9m üt dreifacher Art
I« das fchlechthin Zweck
als Zweck noch Mittel ▼ »>
billigt und begehrt
moralische 2
che Böfe der
ralilche Uebel
IL das bedingt Zveckvürlre*
nie als Zweck, aber «£/>-% *_z 3
Weisheit eines >Li:teI« ZL^a^m i*e. ■=: — c
fes ilt das ph} ii.cie Z««^r.i
das eigentliche L'ti^i * ter ^.^r-
Leibnite das phyf*rt*e U;c, «^r
III. das Zweckwidrige la» XlTi^er: *
Verbrechen and itrarei. ü
» V
Die Vertheidijung der mmUiut^
"Weil Urheber» ge^**
fem >liiäverhaitÄU*
in Leihnitzc&s 1
4 ««* » ,.*^ p >*
Die Eigenfeh aftCTi der i**^fo% w^*^,-
Welturhebers 9 wogege» >**•* Z^t*
als Einwurfe auftrete*, £»« ä*^v *«**• *--'- -
A. die Heiligkeit de^Ii*». *^ Ot£* m *:
bers (SchöpiersJ, in Ot£*a^au* ai-jr *** *-
fen;
B. difc Gütigkeie defbrlvet« *• *** *' 4
(Erhalter*), im Oeg«u*i*e au* <*** C* v* -
göa Leibnitz* ,
C. die Ge4fechtigk«it deflelben, 'als Richters
(Verteilers), inv Gegenratze mit der Straf lo-
figkeit der Lauer haften,
L, Wider die Befchwerde gegen die Heiligkeit
des göttlichen Willens aus dem Moralifch-
böfen giebt es drei Rechtfertigungsgründe.
a. Es giebt gar kein Moralifchböfes; für das
. Wekbeiie mag" das, was wir das Moralifch-
böfe nennen, gerade das fchicklichite Mit-
tel feyn; die Wöge des Hdchiten lind
* '< nicht unfre Weg« (funbfuperisfua jura)>
Diefe Apologie ift arger als diet Befchwer- ;
de f iie bedarf keiner Widerlegung, und
Ivann der Verablcheuung jedes Menifchen,
der das Min defte Gefühl für Sittlichkeit,.
hat.' frei überladen werden.
/ I
b. Es giebt ein Moralifchböfes f allein dies 1
, entfpringt aus der Freiheit, und dem TVliis-
biattch derfelben; die Urfache diefes Mifs-
T>rauchs ift aber die urfprüngliche Unvoll-
kommenheit in dem Wefen der Creaturen,
da& heilst, in der Einfchränkung des We-
fen4 der Dinge, ' •" ""
Dies ift Leibnitzens erfter Rechtferti-
gungsgrund für die höchfte Weisheit in An-
fehung des Moralifchbofen. Aber durch
diesen Grund wird das Böfe felbft gerecht-
fertigt ; und ' man müfste , da es nicht
' als die Schuld der Menfchen ihnen zuge-
rechnet werden kann, aufhören es ein
< moralifches Böfe zu nennen»'
c. Die Schuld des MoraKfchböfen fällt auf den
Menfchen, nicht auf Gott; denn Gott hat
• es als That des Menfchen. aus .weifen und
gütigen Uvfachen blofs zugel^ea. f . •••
- / .
» -
Leibnitz. . ,8^3
» i.
Dies ift ein anderer Bechtfertigungsgrtind,
mit dem Leibnitz Gottes höchite Weis-r
heit zu retten meipt. Allein , % wenn
man atich an dem Begriff des Zulaffens*
eines Wefens", welches ganx und alv
leiniger .Urheber der Welt ift, kei-
nen Anßofe nehmen will, fo läuft doch *
diefe Apologie mit der vorigen wf einer- ;
lei Folge hinaus; Da es Gott unmög-
lich war, das Böfe. zu verhindern, fo
liegt der Grund davon in' dem Wefen.der .
Dinge, alfo fällt die Schuld davon nicht
auf den Menfchen, und es iß: \sein mo- *
ralifches Böfe, fondern ein IJebel.
■ — .
Alle diefe Rechtfertigungsgriinde vernünfteln , .
alfo das Mor alifchböfe weg, und heben alle
Moraiität auf. Srhon Pluto rechtfertigte Gott
auf tHefe unftatthafte Art. I ' - \
II. Wider die BeFch werde geg$n die Gütigkeit
des göttlichen Willens aus dem phyfifchen
Uebel giebt e$ auch drei Rechtfertigungs-
gründe.:
a. Es giebt in der' Welt gar kein Ueberge- \
wicht der Uebel über die arigerfehmen
GenüfTe des Lebens; denn jeder will doch
lieber ieben'als todt feyn, und die Selbft-
mörder haben den Selbfimord doch bis zäun
„^ Augenblick der That -aufgefchoben, und
folglich {>is dahin mehr angenehme Genüfle
als Schmerz' gehabt; und wenn fie lieh
nun das Leben nehmen, fo gehen fie doch
in einen Zufiand über, in welchem fie
ohne alle Empfindung, alfo auch ohne Em*
pfindung des Schmerzes find. Folglich
giebt es auch, für den Unglücklichften, den
Selbfimörder , mehr angenehme Genüffe, als
Uebel.
t
4
\
364 Leibtiita.
Allein , man kann , «liefe Sophifterei
lieber der Beantwortung eines jeden Men-
1 fchen~ von gefundem Vetitande überladen,
der lange genug gelebt »und über den
Werth des Lebens nachgedacht hat; er
wird gewifs (wie auch ichon BayH vxA
la Mothe le Vay'ej Tagen) da» Spiel
des Lebens auf diefer untrer Erdenwelt
unter Keinerlei Bedingung . noch einmal
durchzufpielea Luß haben»
AI - Rafi lehrte daher, in einem Bu-
. che,, Theo Top hie betitelt: es gäbe mehr
Uebel, als Gutes; man vergleiche, fagt
er, des Menfchen Vergnügungen, die «r
zur Zeit des Glücks genieist, mk d«a
' Schmerzen, Qualen, Sorgen und Aeng-
Iten in Zeiten des Unglücks: fo wird
man finden , das Menfchen leben fei ein
, ' grofses Uebel, eine grofse Strafe (Tifr-
demaan IV. S; 159)*
b. Es ,giebt in der Welt ein Uebergewicht
der fchmerzhaften Gefühle über die ange-
nehmen; allein dies kann von der Natur
eitles thierifchea Gefchopfs nicht gelrennt
werden»
&> rechtfertigt der Graf V^ri die höchfte
Weisheit,, in dem Buche;, über die
Natur des Vergnügens. Aber auch
Plato, die Stoiker, Plotin, Au-
gustinus, Aeneas aus G*|za, Mo*
(es Maimonides und fpäter Leibnitz
rechtfertigen Gott fo. Aber, wenn dem
, alfo iff^ warum hat uns denn der Urhe-
ber unfers Dafeyns ins Leben .gerußfy
wenn e$ nach unferm richtigen lieb«*
fchlage für uns nicht wü^tfcheöswertb ift*
_^1
'-feto — a
c. Gott hat tHis irm e" — "k inJri.r"
li^keit wi!!*n iz. ii-» t~- * i •—. -*\
trubfalvolier Z-~.-i-._ ..-^-->k
durch dem FL**: s-£
^ij v-c-
Waren fcü
heil iiktt i
Alle dieSe laä i^rrn-- ~ -„
alfo das phyflTcre v~e-. r- -^-r
als nnenthehxi
Gutes ausgeben.
UL Wider die E*-i^sr -- r-r?
tigkeit c^ r -C -2 --t "*'""• -<r - * -
lofisrkeit o^* L.-^v, r.— -
auch drei I*>.u,^:,' -- r • ~ --^->
a. Es riclt ix
Allel* zn cu^bl ^-rtr^: --«
ein ZsÜlhTtttT^ut !**?-< *
Alarm l*r-i** n**rt^ v-r* -"
b. Es £iebt z* *er t «r. -t
allein dies ih ***:efr-#--.
-JZllZ ^* - - / * ?r ~r '* " -*',.*** "
9 nc^u <w*r ^atiiK'/ '-^
aus dar Yc*j_ä--«:".* £ >.:•*--
M*lfo* *!*/ K">^> - > **•
«
I
«
g66 Leibnitz.
Allein dann müfste wenigftens' noch das
Ende des Leben* die Tugend krönen und
das, Laßer beftraferi. Die Erfahrung giebt
aber viele Beifpiele davon, dafs diefes
Ende oft widerfinnig ausfallt; und alfo
fcheint das Leiden dem Tugendhaften
nicht zugefallen zu feyn 9 damit feine
Tugend rein fei, fondern weil fie es ifi,
und weil fie den Regeln der klugen Seibit*
liebe entgegen war. '
c. In diefer Welt mufs alles Wohl oder Üe-
v * bei blofs al4 Erfolg aus dem Gebrauche der
Vermögen der Menfchen, nach Gefetzeu
4er Natur , proportionirt ihrer angewand-
ten Gefchicklichkeit und Klugheit, zugleich
auch den Umftänden, darein fie zufälliget
Weife gerathen, beurtheilt werden.
<
Allein worauf will man alsdann die Be-
hauptung gründen , dafs dies in einem
zukünftigen Leben anders feyn werde?
Diefe RechtfertigungsgrjSnde vernünfteln alfo
die Straflofigkeit weg, aber ohne Erfolg.
Leibnitzens, und alle bisherige, Thqodi-
cee, leiftet alfo nicht, was fie verfpricht. Ob
aber nicht, mit, der Zeit noch eine* tüchtigere Theo
dicee werde gefunden werden, das' bleibt dabei
noch immer unentschieden , t wenn wir nicht mit
Gewifsheit darthun : dafs uhfre Vernunft zur
Einficht in
das Verhältnifs, in welchem eine
Welt, fo wie wir fie durch Erfah-
rung immer kennen m,ögen, zu der
köchften Weisheit ftehe,
fchlechterdings unveunöffend fei; dann ift alle
Xeibnite. Leichtgläubigkeit. g 6 7,
Theodicee ganz unmöglich. ' Und dies läfst fich
fo darthlin:
Wir fraben von einer Kunft Weisheit iri der
Einrichtung diefer Welt einen Begriff (f. Kunft-
weisheit;, auch von einer moralifcheii
Weisheit (f. Weisheit', mor^Fifche.); aber
von der Einheit in der Zufamm en ftim-'
'mang jener Run ftweisheit mit der niorali*
fchen- Weisheit in ^iner Sinnenwelt haben
wir Keinen Begriff. Denn i
* • - -
*. als Naturwefen blofs.dem Willen feines
Vrhebers folgen zu muffen; , ^
ü. als freihandelndes Wefen dennoch der
Zurechnung fähig zu feyn,
i
iß eine Vereinbarung von Begriffen,, die wir zv^ar
in dei; Idee des^ höchfien Guts (in der überfinnU-
chen Welt, f. Gut, hfochites) zufammen den-
ken muffen; aber, weil es ^ uns unmöglich ift,
das Ueberfinnliche (Intelligibele) /zu erkennen,
nie ht <f i n z u f e h e n v ermögen. S. übrigens : T h e o-
d i c e e. \
Leichtgläubigkeit,
*
credulitas, tredulibe. Der Glaube, der (ich
auf Gegenftände des möglichen Wiffens
oder Meinen« bezieht, (U. 465). Glaube ift
hier die Denkungsart im Für wahr halten, nicht
ein einzelner Akt. Gegenltände des möglichen
Meinens find folche Objecte, die zwar Gegen«
Bände der Sinnen weit, aber doch für unfre Er-
fahrungsetkenntnifs unzugänglich find, z. B. dio
magnetifche Materie, oder die Bewohner andrer
Planeten. Nun kann man zwar einen d o et ri-
tt alen Glauben an folche Gegenftände haben (f.
In *
•
868 ' ' Leichtgläubigkeit. :< ■'..,.'
Fiirwahrhalt en, ii.), allein dicfer Glaube ift
doch nur zufällig, ' Wer nun diefen Glauben
für gleich unumftöfslich mit dem nothweiulii
gen halt, und fo Gegenwände der Meinung mit
, Gegenftänden des Glaubens vtrwechfelt; oder wer
diefen Glauben für eben fo Geher hält als ein auf
unumfiöfslichert Gründen beruhende» Wiffen, und^
fo Gegenftände der Meinung' mit Thatfachen vet-
wechfelt, iit leichtgläubig . im Theerteli-
fchen. . Gegenftände des möglichen, Wi-ffens
find folche Objecte, die Entweder Gegenftände der
Sinnen weit find, fo dafs von ■ ihnen- eine Erfali-
rungserkenntnifs möglich iß, oder die dach die
nothwendigen Gefetze für die Gegenftände. der Sin-
iienwelt enthalten, und fich als folche beweifen
laflen. DLefe .Gegenftände heifsen Th^tfath«»«
So find z.B. das Dafeyn unfrer. Sonne fowohl, il»
auch dafs zweimal zwei vier ift, Th atfachen;
die.erftere aber ift eine, empirifche, die andere
eine Thatfache -a priori, Die em pirifciien
Thatfachen lind wieder von zweierlei Art: folche,
die auf unfrer eigenen Erfahrung beruhen, »ml
folglich Gegenftände des unmittelbaren enipi-
rifchen Willens find ; und folche , die auf Andrer
Erfahrung beruhen, und daher Gegenftände des
mittelbaren empirifeh en, oder hiliori*
fchen Wiflens find. Dafs eine Sonne am Him-
mel ficht, ift eine unmittelbare Thitfache, denn
ein'Jeder, der Ausen hat, Kann fie fehenj dafs
der Kaifer Auguftus gelebt hat, " ift eine hiftori-
fche Thatfache, uiTd beruhet auf der Zuvcrläffig"
keit der Zeugnifle, Anderer. Der. fogenaniue hi*
ftorlfche Glaube oder das Fürwäbrhaltcn aut
das Zeugnifs Anderer iit eigentlich kein .Glaub«!
fondern ein Wiflen , denn es ftützt fich, auf; ob-
jeetive Gründe. Wir können nüt,derfelben 6t-
wifsheit eine empirifche, Wahrheit auf .das ^ cu ="
nifs Anderer annehmen,' als wenn wir durch That-
fachen der eigen
Bei dem hiftor
Lid K C!
baren. Zu
liehe» ZiCh«el r^iv;«
tigkeit, £. ^. l.
mit: j_i -*-—-
dafs er hat nk V^;;::**:
ohne KiiriJiJiii *-u: *■ ~v»r:.._ii:s" *-
der Zeu£?ei:. ein? i .r. c ■ __— T-t „-1
hält, ö«r -it 1t-. . f *:r - -* ^. .n^ *'
des Worts. Aher rvn sr. -v . -r
wahrheitei: duct !T^£i*i-:-:r: . t— ■ *-
licht arsf ct^-tr^* \.?T3S— s? i-.-~* •- .»»-
derm&T:H »x Vn*: in**: ^ -— — \.~ ;
gläubir inj 7 t«*f t* * . .. — . - ■. .
aack farn. : X. * 1 z i t * - :"*- . - - - - i-
tifebe Dpi r.in«*rijrt »:i±? T •*-"•! •r*-r :-*-'-
11t O'a^T
r ■•
das HaDCrfrrn *j*iiir"L. x: -
Beziebirnjr a~ Morfeliir: -*~*~*
Erkenntnis uux.L t «:äi ^L«n ir T-u*
tmd im leixtem laL ueL-rfr: _** ~-„nm*->-~ *>•
oder liberfair JTjlcii* K&zmz -r~-Ji. 1<- -" —
betrifft die Litdciiir"'* • - -****■ t>--- : - •*•* *-r .
liehen WITTer.*. tmi* jr. t #* 7' ■.•-•.- ■ •- * *-?
im zweiten F*-*: "uernf:; h~ O-^-r- - ->- *.- i- -
liehen Meiner;*; ^iic crrit**rr ?.:...»- _ -. *-
es , ihrer NfcMr t^-t . r*cr f^r* «e ^' • -• '; -• . - -**
geben kann- Die Lrtn^::^:- - ;„•-=«•■ '-*— *~'
Art verdient s^n w«i ;rfcrr T - v *-~i '-** "
jeetiven Grürde <m«* ./-iict O*- . >*r;»'^- -•'->* - ■*
Iblche Gegen hi? v3e J^rr i^i.ir £u* v ^: -> *V • '^
gehalten "werden i.v*-n**i. >•>* > >' * -v- --
denjenigen, welcher o*- !t>r-i«j* j^'.- --- - ''^ -
Kliffe ohne BiicK^i arf iire /fi';^-'; .-?' - '
* ntegritit zu sl'^w . a * * i * r - ' - '-*" -
Wenigen aber, V^;--r >-^;^eV-r ; v ' ** "-
%-ec^ve hält, «rnd O^^K^r.oe -iii^t-..-.: >-^,' -»'
$7° Leichtgläubigkeit. L^dcöfchaft
den su können vermeint, von. denen dies' doch,
ihrer Natur nach, nicht möglich ift, leichtgläu-
big nennen (U. 46a, ff. 1». Jfll. *).
< ♦
Leidenfchaft,
•
JMlJJio animi, perturbatio animi, pftffion. Ei-
f ne Neigung, welche alle B eft immbar*
keit der Wiilkuhr durch Grundfätze er-
fchwert oder unmöglich m^cht (U. iai.
A. 203.). Dife Neigung ift aber eine 'habituelle
Begierde* Folglich ift die Leidenschaft eine
foiqhe zur Gewohnheit gewordene Begierde eines
Menfchen, welche es ihm fchwer oder gar unmög-
lich macht , feine , Wiilkuhr durch Grundfätze zu
beltimnien. Sie ift eine Neigung, welche die
Herrfchaft über uns felbft ausfchliefst
(R. 20.*)). So ift die Rachfucht diejenige Be-
gierde, welche man die Rachbegierde nennt,
wenn tie einem Menfchen fo zur Gewohnheit ge-
worden ift, dafs fle es ihnverfchwert oder gar
unmöglich macht , feine Wiilkuhr durch den
Grundlatz, der Verföhnlichkeit, oder die Peindfe-
ligkeit Anderer nicht mit Hafs zu erwidern,^
beftimmen. Wer alfo der Rachfucht ergeben ift,
hat, in Anfehung der Rachbegierde , d. i. 3$r Be-
gierde, denen Schaden zu thun, die ihn beleidigt
haben, keine Herrfchaft über .lieh felbft, löndern
wird von diefer Begierde, beherrscht. Man kann
alfo fagen, dafs die Leidenschaft diejenige Nei-
gung ift, durch welche die Vernunft ver-
hindert wird, fie, in Anfehung einer g« -
wiffen Wahi f mit der Summe aller Nei-
gungen zu vergleichen (A- aa6.).
Man benennt die Leiden fchaft (die aus der
Cultur der Metlichen hervorgehenden Neigungen),
mit dem Worte Sucht, z. B. Elhrfucht, Bach-
fucht, Habfucht, Herrfchfucht u. £ W. Leiden-
' I
/
" \
I
LeidenfchaJEt. 87 1
fchaft fetzt immer eine Maxime (Handlungsregel)
des Subjects voraus, nach einem, von der Neig un[
ihm vorgeschriebenen Zwecke zu handeln. Sie il
alfo jederzeit mit der Vernunft de$ Subjects ver-
bunden, daher Kann man blofsen Thieren eben
fo Ttfenig Leidenfchaften beilegen-, .als reinen Ver-
nunft wefen. Man nennt bei blofsen Thieren auch
die heftigße Neigung (z. B. die Gefchlechtsvermi-
fchung) nicht Leidenschaft,, weil 4ie keine Vernunft
haben, die al Je in den Begriff der Freiheit begrün-
det, mit welcher die Leidenschaft in Collilion
kommt, deren Ausbruch alfo dem Menfchen zuge-
rechnet werden dann (A. agfr.). Auch enthält die
Leiden fchaft immer ein beharrliches Princip -in
Anfehung des Gegenftandes , auf den fie- gerichtet
ift. Ehrfucht, Rachfucht, Habfucht u. f. w. wer«
den nie vollkommen befriedigt, und werden eben
daher unter die Leidenfchaften gezählt, als Krank«
heiten, wider die es nur Palliativmittel giebt (A t
227). Das Vermögen des gefcheuten Mannes, die
von Leidenfchaften Beherrfchten zu feinen Ablich-
ten zu gebrauchen, darf verhaltnifsmäfsig • defio
kleiner feyn, je mächtiger die Leiden fchaft ift, die
den andern Menfchen beherrfcht (A. 236.). »
, Leidenfchaften find Krebsschäden' für die reine
praktische Vernunft, und mehrentheils unheilbar;
weil der Kranke nicht geheilt feyn will und lieh
der Herrfchaft des Grundsatzes entzieht, durch den.
die Heilung allein möglich wäre (A. a&7}«
1
Gleichwohl haben die Leidenfchaften auch ih-
re Lobredner gefunden (denn wo finden die lieh
nicht, wenn einmal Bösartigkeit in Grundfatzen
Platz genommen hat), und es heifst: dafs nie etwas
Grofses in der Welt ohne heftige Leidenfchaften
ausgerichtet worden , und die Vorfehung felbft habe
fie weislich gleich als Springfedern in die menlch-
liche -Natur gepflanzt. Von den Neigungen iß
diefes wahr , aber dafs diefe Leidenfchaften wer-
1
i
87« tcidcnfchaft. „
den durften, ja wohj -gar follten, hat die Vorfe-
hang, nicht gewollt, und fie in die fem Gefehts-
punct vorteilen , mag einem Dichter verziehen
wtrden (z, £. eiiie^n Pope, welcher fagt; ift die
Vernunft th^ itfagnet, fo find die Leiden fchaften
.Winde); aber die Philofophie .'darf diefen Grund-
satz nicht an fich -kommen lallen, felbft nicht, um
fie als eine proviforifche (vorläufige) Veranftaltung
der Yorfehung tu preifqn, welche ablichtlich, ehe
das nienfchliche Gefchlecht 2um gehörigen . Grade
d«^r Cultur gelangt wäre, üe in die menfchlkhe
Natur gelegt häUe*(A. 029)* ,
. f £e£ allen diefen Unterfuchungen über die Lei*
denfchaft fehlt, doch npch ein wefentliches Kenn-
zeichen, derl^lben, .durch deffert Mangel auch die.
angegebenen Erklärungen zu weit .find. Leid*n*
fcliaften. können ^ur folche Neigungen f e y n 1
die.vo s n Menfchen auf Menfchen.gerich«
. tet £in>d, fo forrv dicfe auf Zweck ?f'
hen, in welcher» beide Menfchen mitein-
ander zufam.xftefrAlmmen, Qder einander
widerft reiten (A4 a$4)- Hierdurch zerfallen al-
le Leidenschaften in z weiClaffen, nehmlich in dtä
der Liebe, bei dtepcn die Zwecke der Menfchen
zufam itteniHmnaen,' und -j^' die des Haffe«, ^ el
dsnkn die Zwecke einander wijierßreiten, Neigun*
g0n, die blöfs auf ßa^chen, $. #. eine Kuh g*
richtet, lind, .kann neuin «nur leidenfchaftli~ chl
l^eigun.gen ftenaqn ,(A« sgo.)*.
; Die Leiden fc haften werden eingeteilt , in
»f.
ju die Leiden fchaften der *i a t £ r 1 i c 1> e n (a n-
gel>o.hrnre.n) Neigung, oder folche, die blofs der
thJjerifchen Natur des Menfchen angehören-
Bs gieht eigentlich nur drei, Hauptna$urtriebe,
nach welchen lieh auch die Leiden fchaf ten müßten
cklBüwen laden, weil, jede Leidenfchaft eine Nei-
gung oder habituelle Begierde iß, und V&* Be *
\
XIeidenfcli?ift -673
gierde/eihen Naturtrieb votausfetzfc, * aus welchem
lie öntfpringt. , Die .drei; Naturtriebe find nun: der
Erhal t.uxxgs trieb , ; der G ef chlech ts tri« b
und der G.e felligk ei ts trieb. Allein ans allen
diefen Naturtrieben können zwar leidenfohaft liehe
Neigungen entliehen; aber nicht aus allen. Lei»-'
deiifchaften. Leidenfchaften gehen ei- -
gtfntlich nur auf Menfchen, und können
auch mir durch fie befriedigt worden.
Aus dem Erhaltungstriebe entfpririgen daher wohl
leidenfehaftliche Neigungen, z 4 B. zum Trunks
zum Spiel; zur Jagd, oder leidenschaftliche Abnei-
gungen, z. B. vor dem. Biefam, dem Stand wein;
aber -man nennt diefe verfchiedenen Neigungen
oder Abneigungen nicht '. eben foviel Leiden*-
f chaftjpn. : Jus find nur fo viel verfchiedene In-*
flinete, d. i* fo vielerlei >blofs - Leidende^ im
Begehr ungs vermögen. Die Leidenfchaften verdienen
daher nicht nach den Gegenitänderi . des ! - Begeh-
rungsvermögens (deren es unzählige giebt), fon-
dern nach dem Pjincjp des Gebrauchs oder Mifs-
brquehs, den Menfchen von ihrer Perfon oder ih-
rer Freiheit unter einander mächen, da ein
Menfch den andern blofs zum Mittel-
feiner Zwecke macht, claflificirt zu .werden
(A. 232. f.). Der Gefchlechts trieb aber giebt
a. die Leidenfchaffc der Gef chlechtsnei-
gungi und. der Gefelligkeit^t rieb giebt
- b. die Leiden fchaft der Freiheitshei- .
gung oder der wilden Gefetzlofigkeit.
Beide, Leidenfchaften find mit Affect verbunden,
und können daher auch erhitzte Leidenfchaften
(pajfiones ardentes) genannt werden.
1
%
&. Die Leidenfchaften der aus der Cnltuf
(f« Glückfeligkeit 13.) d«r Menfchen her vor ge*
h enden (erworbenen) Neigung, oder folche, die*
der Menfcliheit in der üatui des Menfchäh an-
£74 Leidenfchaft
gehören* Wenn der Menfch nehmlich fich taug-
lich macht t fich Zwecke zu fetzen, und die Natur
als Mittel dazu zu gebrauchen, d.-L fich cülti-
v i r t : fo können die Gegenfi&nde in der Natur,
welche er als Mittel gebraucht, auch Menfchen
feyn. Die Neigung des Menfchen , auf andre
Menfchen Einflufs zu haben, um fie als Mittel zu
feinen Zweien zu gebrauchen,, oder ihre Neigun-
gen in feine Gewalt zu bekommen , um fie nach
feinen A buchten zu lenken und befiimmen zu kön-
nen, und fo im fie fitz derfelben,' als blofser
Werkzeuge feines Willens zu feyn, kann nun Lei-
denfchaft werden (A. 235.). . Es giebt aber drei
Mittel, adf die Neigungen anderer zu wirken 1 Eh-
re, Gewalt und Geld, Daher giebt die Ntigung
zu diefen Mitteln, um dadurch 4 auf die Neigung
Anderer zu wirken , drei Leidenfchaf ten ^
a. die' Ehrfucht;
b. die Hjerrfchfucht;
c. die Habfucht.
: - • «
(A. 1135, 435. f.)
Diefe Leidenschaften find Neigungen, welche
blofs auf den Befitz der Mittel gehen , um alle
Neigungen, welche unmittelbar den Zweck betref-
fen , zu befriedigen. Sie ' haben daher den Anfirich
der Vernunft. Die Vernunft ify nehmlich ein mit
der Freiheit verbundenes Vermögen der Ideen,
durch welches allein Zwecke überhaupt erreicht
werden können* Diefe Leidenfchaf ten können auch
Leiden fchaften des. Wahnes genannt werden,
weil die blofse M ein ung^ Andrer vom Wertbe
der Dinge dem wirklichen Werthe gleichsetzen,
Wahn heif&t (A. £33.)*/
Alle übrigen Leidenichafran find dieten fön*
Ijeäämfchaft.
fen unli
.leitet, oder- auf iie *■— »«w™ wniifu. 5*
fpringt k. &. «5e Siiiu'uLit «ih> oer lt«i
begierde, welche., ak
Freiheitsncicnxig i
Affret r» (cjr'ecue') JEmc -nm X^-c^tiT:;:.
fpeeififefa {wJmi i ich > -wtcnHEneii*^ 1J* *_,
iti eigentlica eine ttttHiMi-Tt^Li;^
che, da* 6rmiii *.-n rmii« •--??• £ m_.
freie EcberlcHuDs £ct truiti.^."* ^
St eilen, «im IitÄ CtTüü-L rt if-_ m:
So ift l B. der Z*ni cm jifer.. -wnu^r t
Cremiitttsbe-m-'rtMi» ne* Towrü««* I. mt -«t.
Be!euiiganpöi &>ehfdii. nut« xu-ur l.vi 3»
lieh mächt , cjc "W^Utiuiir mmi inuiM^r«r -1
Jtimmen, Bender» iu^ar XjZies i+zturzvi .:**
GruiKÜstxc £Tiz.i.iic-jei .„ tun.L. IMiW ««*" •
W'illkühr faefc iaai nex «.uinn.nL Zjv- t-~xxr
es uns pmwpiEii , im» -v&nunirL^pt ■ vrr>-
da rüber ra «taiien . ui» -*f r in» «w .,#**»
überlaJTezi, oäer tailieli* mrKiwy*« j-.-.*-
Unwille i& »eimiZiiJi «n ifir.^at, f*r %-..
die erlitte«« IVueia ieun<- , buc wtn-t »>-
fes Gef^bi lo iwrrit: «*.. t; i f-
die Faffa»» mxjfii ^"nu-i.t a- ',-
wird, J» ih ö*el» deiuiu «a- *-- .'.**-.:
und heilst der Z*x3L
Affe-cl trnd Leier* -T^i ^ r ' <«* «**-*
folgende EtiximnAuu^eu au mn*ii;i#^>«
>. Affectes» ptdtiyvat «wi £>**'< <
deni'chafte» ^ähürta» ücae J>*>£-«:**f •**
mögen xa; ÄuUer
$76 Leidenfchaft
»
a. entftebt arrtch der Affect pl& tz lieh, 3t
ftürmifch, jäh oder jach {animus j)raeeeps) %
und geht fo-hnell vorüber, i die "I^eidenfehatt
aber Jäfst fioh Zeit und üt anhaltend, nehm-
lieh eine zur eingewurzelten, bleibenden
Neigung gewordene linnliche Begierde.
4
S .1
«• Im Affect wird die Freiheit des Ge-
möths gehemmt, es wird ihr nur * auf einen Au-
genblick Einhalt oder Abbruch gethan ; in der
Leidenfchaft aber wird die Freiheit des Gemüihs
aufgehoben, fie.geht auf eine «lange Zeit, oft
auf immer . Verloren (U. iai). Die Leidenfchaft
findet ihre Luft und Befriedigung am Sklaven-
Ann. Weil indeflen v die Vernunft mit ihrem
Aufruf zur innern Freiheit doch nicht nachläßt ;
fo feufzt der Unglückliche, unter feinen Ketten,
-Von denen, er fich gleichwohl nicht losreifsen
kann (A. aas)-
4. Der Affect geht vor der Ueb.erle-
gung her, ili unverletzlich, unbefönnen
und übereilt, d.i.' er wächft gefch winde zu ei-
nem Grade des Gefühls f der die Ueberlegung
fchweter oder unmöglich macht; die Leiden-
fchaft ift l^j>ft überlegend, fo heftig He auch
irhmer feyn mag, um ihren Zweok zu erreichen.
Die <Ruh.e , mit der ihr nachgehangen wird ; Mist
Ueberlegung zu. Leidenfchaften dürfen mithin
nicht an beDonnen feyn, können mit. dem Ver-
nünfteln zufemmeri beliehen, und thun daher der
Freiheit den gröfsten Abbruch (A. aa6).
....
• • •
y>. ' Beim? A f £* & t fagt die Vernunft Mols, es
fei Pflicht fich zu f äffen, und die Schwäche im
Gebrauch feines Verftandes, verbunden mit der
Stärke der Gemüthsbewegung, ift nur eine Un-
tugend und gleichfanr* etwas Kindüches und
Schwaches, was mit dem heften Willen gar wohl
zu fa nunen beliehen ka?u} 9 eine junglückii che
I
878 ' Leidenfcfcaft. -
/ die Lei Aenfchäft eine Bezauberung ift , die auch
die Beflerung ausschlägt (A»l2&6)*
9. Wo viel Affect iß, da ift gemeiniglich
Wenig Leiden fchaft; wie bei den Franzofen,
welche .durch ihre Lebhaftigkeit veränderlich find,
in Vergleichutig mit Italienern und Spaniern (auch
Indiern und Sinefen), die in ihrem Groll über
Rache brüten, oder in ihrer Liebe bis zum Wahn-
finn beharrlich lind.'
•
10. Affecten find ehrlich und offen,
Leiden fchaften hingegen 'hinterlift-ig und
verftecfet. Die Sinefen wfcnfen den Engländern
vor, dafs fie ungeftüm und hitzig wären, wie
die Tatarn; die Engländer aber jenen, dafs fie
ausgemachte (aber gelaflene) Betruger find, die
fich durch dielen Vorwurf in ihrer Leidenlchaft
gar nicht irre machen lallen (A. 005).
, S. ' übrigens Äff ectlofigkeit und Ge-
mütheart»
1 > ■
< * 1 \
Die Affecten lind überhaupt krankhafte Zufäl-
le (Symptome), und können ihren vAeufserun gen
tiacn in zwei Claflen abgetheilt werden. Diefe
. Einthetlung ift dem Brownifchen Syftem (R Le-
ben) analog. Die Affecten find nehmlich ent-
weder
*
- I • v
1. Ith enif che oder folche, die- von Starke
entftehen* Bei ihnen ift Erregung im lieber-
maais , und dadurch erfchöpfen fie oft die Lebens-
. * traft. Sie machen das Bewufstfeyn rege, dafs
wir Kräfte genug haben, jeden Widerftapd zu über-
winden, und können daher auch Affecten von
der,wackem Art {aninii firenui) genannt werden.
Dergleichen find £> B> Muth, Hershaf t igke it,
Zorn, entrüftete Verzweiflung, Sie find
r»r.
alle äfthetifch-crkafce&;
find
a. afthenifche «fier ja».», or ti
Schwäche «u5Aot. lä -un**n Jf" "T - • r
der Erregtmr oaer &r rianiufli n« l*~i#2i«.-*. .r
ab, bereiten aizr a^»u trairio. iir 'Lr. 'in^ <%••-.
Sie machen cie E*rj*c>ni,r ~i- 'nacni-r.rfl r- T
zum GesenfLj;£e ccr ti uT.. «nt 4- --•#■! * . rx
Affecttrn tod der /iiate. t*-i üt i* •• . -<-
guiil) heif*ei-. Derz 'Jt:*:"*i in : i 1 T * : -
Bangigkeit, Ei.:i.:i:ini*. . - \ • -: - -
mender Schmerz, «t*r • i -t
trofteB laTiet;, Tetr*z** T*-rv»
Diefe haben nkr-rts Itt.t, m n i ,- ~— *
aber zum öchoiti tez ^nn^-rr »~-. ..r
den (U. iä2. A. sife^,
LeÜTertrir-
durch welchen i:t :*nn t*i * *i •- -_.
goltenen Gebrarc 1 x** V* i *. T »- .
wo, wenn diefe* *_a* i f ; i » , i ■ -
cifcenten 'di**«!**». v^iuns i*si **tt--; ^-
fsen) darin ü&tr«'j!i"r. Ä un i. .- .. ..
fli^e, dem ich <ei n-»r»\ - i --i
brauch des MeitLrei, <; i i >-. i **- r.
eben dicfelbe 5*cie ▼Lttt- ,i n - . „ :^
walt bringe .TL 14^ f > li«^ * — r ^ -
von der Verdin;sax aL»_i*r *#-i.» - ri-r
terfcheiden. Im Lei^Ter-r *r -tf tt-r ;*: - f .
unvergolten (r<ft:^ # r*i !-« r^*^. Ä
derVerdineunsT3/iaTt:i ,»**; *.„„ ^. ^
ift dir eigentlich dnr? :«:;«iet -919m < r -..*.
fe Sache 211m Gebraut «Li— * -vr.t . v.i*r :
du etwas dafür beral.ii; »>t -r VV t * r f^ ^
brauch der Sache b^zilli iv "I f*
düngen; der GcW tt^ 6t* *
t ~~
83<* . Leih vertrag. LdÜlung; .
vergolten feyn *). - Der Leih vertrag ; ift eine Ue-
bereinkunft, welche aus dem Umgang mit Men-
fchen ganz natürlich folgt; denn da man nicht
immer «lies Kaufen oder dingen kann, 'was einem
fehlt, und man es doch nur auf kifrze Zeit nuibi^
hat, fo iß es der Humanität gemftfs, dafs man
ßchs einander leibe, (Burlamaquiy elernens du
droit natural, P. HL c/** i*. $»3. p. 809.). S. übri-
gens den Art, Beliehener.
• i
1
t Leillung,
praefiatiö prefiation. Die Caufalität einer
Perfon (Wirksamkeit ihrer Willkuhr) zu einer be-
ftimmten That, zu welcher diefe -Caufalität von
der Willkiihr eines Andern, abhängt... Ich iaim
die Leiftung von etwas durch die WilJkühi\ei-
nes Andern nicht mein nennen, aufser wenn ich
im Befitze der Willkuhr deflelben zu feyn
(diefe/i zur Leiftung yi beftimmen) behaupten
d>arf, obgleich die Zeit der Leiitung noch
erft kommen foll. Diefes iß aber nach Frei-
heitsgefetzen nicht durch einen einteiligen, Tob*
dem nur durch eineh doppelseitigen Act der Will-
kuhr möglich, d. h. es ift dazu ein willkührlicher
Act erforderlich , fowohl deflen , der die beflimmte
That zu thun hat (des Leidenden) , als deflen , &
den er fie zu 1 eitlen hat (des Empfangenden)^ Bö
diefem doppelfeitigen Act ift es aber blofs da*
Verfprechen, wodurch das .Recht auf eine Lei-
ftung gegründet wird, und es ntufs dabei von den
. Zedtbedingnngen , denen die Leiftung unterworfen
ift, gänzlich abftrahirt werden. Ob alfo die Lei-
mm
*) $, 2. infi. quib. mpd. re contraJi. ohligat.lib. 3. tit. *3« C°*\
modata tunc res proprio videiur > ß nulla mereeds aeeepta res ti t
nlenda data eft^ alioquin mercede inten>eniente locatus tibi it* */*'
viädotri grtktuitum eiti* dtbet ejje cvmnkwUUvm* .
lliiiic mit dear T»r-'V-*mTT — -. ;~~— r?-- ^jrr-
Bech tsan ff-T-a^iic ift irr-. *_■ ? 22- ~*-r- r*
felblt, wel^r.«* lj v r» 1^_j~ ~ r ^rrv=:.:i^. ._r
das Eigenh. i_xL £^t *.iiTtrrr £-.*r-^z-. e»..
Bch diefer Linier * ^m t * r: uljl :.; "*--
diene (2-* &"i-ra I eiil i>-r- r:::^.^ ~— " -*
keil, ra .;■: . z"~ ■-"■-l r~-z—->- -s-r:_ =..i* ss.
iii defTen rsr.i-: 1 i.?n j^-.-tt* t^et .r -■
Von allen Ta^j-/"'. ,r.-.r _ — — r .-_■ — »..-="
rifchen EeTtzs*: 1-.: 1:- — . ;- *- .- > — -^_-
cher Ek^T-ii-lr^r ir_ ü -_-- *-_- r— ■
eines Abs-tT» t;j r*tn - .- ~**- * . « - "
trunfc, •*:•-..:. i-iü-r : :--~ -* ~.r *■■
fentijcie l-*:,i.i. 5 ^ •.. £.
Allel te-'T-'^ r
Sarauf, ii'i c ie ,_ - . .
miltenten owrT<-':-v ^
That in TTiri;-, n'.-i ^.
nun das V«r"j'-t<-l«Ti» *^*r
leihur.z rjici: t-r ->-^'
einen Art. v :•'. u-i t—
v.-ordan <^*t P-y- "■•'"
Beiliz der ta'.i* r^ : "'-'~ *
filinS, WCT1Q -tf<:£ *"*"" ■"""
die L'eber'il« f ? - * r
gäbe a'fa ut,<3 ö*-iü 7jT::i«-*
nicht £cr<chehe*L. 3>i* &•»'
Einen"zu <i*-=a A3.c--ij
Folglich Ton öen, '■■•- ~--
worden. Hi«"sn^* -'- ■-'**- -
Vertrage ein p*r ■ ">j — '
fciihr'eircs Ar>«f*">' - * -
meine, na-_h TV*-. li*--.">^'
Thal zu beIijmi-'-« 1 J'J -'"-
W wird das E«it t ->* «
liches Kecfat rda* fcwi
Befitzer derftlbeu) ii j
Mallini pLH. WürU*i> 5 Ü
88* Lelftung.
Wenn nehmlich zwifchen ^Um. Vertrag imi
dei; Uebergabe' der Sache, üb^r welche der Yei
trag gefehl offen worden, noch eine (b^fümmü
oder unbeftimmte) Zeit bewilligt ift, fo fragt lieh;
ob die Sache fchon vor der Uebergabe , durch dei
blefsfen Vertrag, das Seine des Empfängers (Accep
tanten oder Promiflars) geworden t und das Bechl
des letztern ein dingliches Recht (Recht in dei
Sache) fei? Oder, ob erft noch,6in befonderer Fer«
trag dazu kommen tu üiTe , durch welchen die U*
bergabe gefchieht? Diefe Fragen find einerlei mit
der: ift das Recht, das man durch die blofsein-
nehjming (Acceptation) in einem Vertrag erhält^ ein
Becht in der Sache, oder ift es ein perfönlicha
Recht, und wird es evR durch, die Uebergabe eiq
Sachenrecht? Dafs nicht deif blofse Vertrag, li^j
dern erft die Uebergabe ein Sachenrecht begrün^
erhellet aus Folgendem : v Wenn ich einen Vertrag
über eine Sadie, z. B. über ein Pferd, das ich e*
werben : will , fchliefse^^und fetze mich fogleicba
feinen phyfifchen Befitz (Inhabung), fo ift es m
(vi pafti re initi). Lafle^ ich aber das Pferd
den Händen das Verkäufers , ohne jnit ihm ix*
über be/bnders auszumachen, in wellen phyiifch
Beiitz das Pferd vor meiner Befitznehmuflg fe]
foll: fo ift das Pfprd noch nicht mein. Ich ha
dann nur ein Recht gegen eine bestimmte Perfol
erwarben, nehmlich gegen den Verkäufer, ß
ÄW^r. das Recht, von ihm in den Befitz des fl]
des gefetzt zu werden (pofeeiidi iraduionem).
Befitz des Pferdes ift nehmlich die fuj)jective
dingung der Möglichkeit alles beliebigen t
brauchs deffelben. Alfo ift mein Recht, das ij
durch den Vertrag erworben habe , nur ein ^
Xönlichqs Recht, nehmlich das Recht die l
ftung des Versprechens, mich in den Beiitz c
Pferdes zu fetzen, zu fordern. Zu dem Befitz di
Pferdes felbft kann ich dann nicht anders, *
durch eipen befondern B e f i t z a c t- gelangen , ^
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Lelftung. Lernen. 883
«u welchem der Veraufserer noch umher EigtfW
thümer des Pferdes bleibt (K. 104. £)
Lernen,
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iisctere, apprendre. 'Eine hiftorifche Erkennt»
nifs erwerben. IJine hiftorifcJie Erkenntnifs ift
aber eine folche, die uns anders Woher (nicht
durch uns felb/t) gegeben wird (C 864.). & Er*
kenntnifs, hiftorifche*
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— 327 — 5 -t— — vor 154 fehlt 152.
— - 333 —• . ■ »3 t. o. hinter 160 fehlt C I. A. 93. f.
— 366 — ^ 16 V. u. ftatt 4 1. 5.
— , 4S7 zweite Columne Zeile 18 v. o. unter 95 fehlt iA, 9$. f
3,3.
— — — — — 34 ~— A*« »85 1. IS*.
— 459 erÄe — — 7 n. 3 find wegsujtifjrhrn.
— — streite — *-f 8 ▼• o. unter 121 iehlt 143. 32 s.
— — — — -1 7 _ I4 0__ iyi . w
i— — — ►.-*—.-: — S — — ftatt 325 l. 127.
— 460 — — < — *. 1— , — »snug &6 fe»H 8;i a^
— 461 erße — — 18 — — unter 450 fehlt 451. 2$^ *
— 620 Zeile 9 T. u. fehlt Fig. 18.
— 694 — 18 — o. hinter Sinne fehlt M. I. 155.
— 695 — 13 '• hinter 160 fehlt M. I. 155.
— 735 — n fUtt an gl ei eher 1. gleicher.
~— 874 — 3 — u, hinter Belehrung fehlt, und L # *
denfehtf t. mach Gl flek f
1 1 g k e 1 t , 13. ^^
* "— 875 — 8 vor 617 fehlt 613.
- ~~ 378 erße Columne Z. 5 nnter 31 fehlt 15z. 694.
155. 695*
Im zweiten Bande»
Seite 6% Zeile 10 v. o. hinter 165 fehlt M. L 353.
— 248 - — 13 V. u. .ftatt 140 lies 139.
— v 287 — 6y. o. hinter 242 fehlt 246.
— 293 — 2 iUtt Wahr nehm un gen L VeTfoelj
— 496 erfte Columne Zeile 13 v. o. hinter 139 fehlt L und «*J
fehlt 248. ^*
— f — — — — 14 — — ; ifi wegzult reichen»
— . — -- — 9r.11, vor 288 fehlt 2S7.
"" 499 * — * ~" "- 9 luitnr 245 ieült 246. 257.
— — «weite — — 5 v. o. ftatt 354. 93 *• 35J. 4t.
— 50a «rite — — £2 — — ftatt 244 L 242. -
)
/
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Im dritten Bande.
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Seite 3 Zeile 6 Y. u. hinter bleibt fetze man hinzu; (tfeil
* . wir nicht vor jedem Fehler in der Ver-
knüpfung unfereT Bygiiffe ganz ficlier find,
der nur in der Con/truction gleich üclxt-
•bar^wird).
-- 43t« Z. 4 v. ,u., Anmerkt %^un^e^i L $v* tzen.
— 423 iweite Cbliunne* Zeile* *p v. d. hfcucV 335 fehlt 418.
— — ~ — — 1 v. u. unter 310 fehlt 319. 417.
— 424 erlte — '— 20 hinter 345 fehlt 421.
— 42g — — — « ▼.-o. unter 6$7 fehlt 78«\ 29t
781. 291.
_ — — — - 20 t. u, unter 1 fehk 16. 418-
— 4-50 "— — .. * -t'Z 5 T. <K u#itfr 282 fehlt 2g6. 420.
— — — 7— — 19 unter 479 fehlt 5*3. 417»
— — zweite "~- — ß v. u. hinter 146 iehlt 419.
v — ,461 Zeile 17I flau jfr i. f fu - * .- * ' " . ':
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