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Full text of "Encyclopädisches Wörterbuch der kritischen Philosophie"

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ENCYCLOPAD1SCHES 



WÖRTERBUCH 



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ENCYCLOPADISCHES 



WÖRTERBUCH 



DER 



KRITISCHEN PHILOSOPHIE 



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VON 



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S. A. M E L L I N, 



HITI5SF2CT0R »ER REFORMIRTEW KIRCHEN UND SCHULEN 19 DIR 
UAGDEBVRCI3CHEXV INSFECTI&N T7KD ZWEITEM PREDIGER OCR 



DEUTSCH -H K* ORMIRTEN GEMEINE- 10 M4CDERURG. 



III. BAND. II. ABTHEIL. / 



MIT EINEM XVPfl«. 



. JENA UND LEIPZIG, 



IST FRIEDRICH F R O ITM A R », 



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Imperativ, 

Gebot uüd Verbot, imperativus , jrraeceptum, 
inyttatif, prectpte. Objectives (d. i nicht 
foderbefondem Befchaffenheit deflen, für welchen 
esgültigift, gegründetes) Gefetz der Freiheit. 
Ein Gefetz der Freiheit, -und folglich der Impe- 
ra öV, unterfcheidet fich darin von einem Natur- 
gesetze, dafs diefes lagt, was gefchieht, dahingegen 
das Gefetz der Freiheit vorfchreibt , was vielleicht 
we gefchieht (C. 8£o). In G. 37. unterfcheidet Karifc 
aoch t wifchen G e b o t und I m p e r a t i y fo, cUfs er 
zwar unter beiden Ausdrücken objective Gefetze der 
Freiheit, aber unter Gebot die Vorftellung 
c *ne$ folchen o.bjectiven Princips, fofern 
€s für den Willen (der auch anderer Begehrun- 
fen fähig ift) noth igen dift, felbft, unter 
Imperativ aber blofs die Formel eines fol- 
gen Gebots verlieht (M.II, 49.). 

s. Ein jedes Ding wirkt nach Ge fetzen, eiiv 
vernünftiges Wefen aber kann fich die Gefetz* 
T orf teilen, nach welchen es wirkt. Solche. Ge* 
fetze, die man fich vorftellt , wenn man darnach 
^kt, heifsen Principien* T3as Vermögen aber f 
^ch Principien zu wirken, heifs t ein W i 1 1 e. Folg« 
Miift Vernunft, in fo fern fie Handlungen nach 
^orfielhmg der Gefetze diefer Handlungen öder nach 
p rincipien (Grundfätzen) möglich macht (pt aktifch iÄ) 
•M Wille^inerlei. Die praktifcht Vernunft ift 



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45«> 



Imperativ: 



• nehmlich jederzeit ein WÖIe, Aber 'der Wille ift nicht 
jederzeit praktifche Vernunft, indem der Wille ei- 
gentlich für fich keinen Befiimmungsgrund'hat; fon- 
dern' fein Beftirnrnungsgrürid liegt entweder im 
Ge fetze der Vernunft, und dann ift er mit praktischer 
Vernunft einerlei, die nichts anders iß, als das Ver- 
mögen, nach dem Gefetze der Vernunft zu wollen, 
oder in Principien(xMaxim^n, Handlungsregeln), die 
blofb die Befriedigung linnlicher Antriebe zum Zweck 
haben (in 'welchem Falle der Wille mit pragmati- 
fcher Vernunft, d. i. der, die blofs Nutzen zum 
Zweck hat, oder gar mit eiher blofs finnlichen An- 
reizen dienenden Vernunft einerlei iß) £K..V.j. ift 
Aef Wille an fich völlig der Vernunft, gemäfs, d. h- 
wirjft das Vermögen nach Principien zu handeln fo, 
dals jfui; da fiel be gar keine Beftimmüngsgründe da 
find,' nqch andern, als nach Vernuhftprincipien f ^u 
landein, fo ift er ein Vermögen, nur dasjenige zu 
wählen f was, die Vernunft für gut erkennt (zu 
. wollen /was das Gefetz fa£t)j ift der Wille an fich 
iucht yQllig d^r' Vernunft gemäls, ' d, h. wirkt das 
vermögen nach Principien#tf handeln auch wohl fo, 
dafs für daflelbe Beftimmüngsgründe da find, die 
nicht irü der VernurjÄ liegen, z. B. nach Principien, 

: der Sinnlichkeit, fo ift der Wille der Vernunft nicht 
n o t h w e n d i g folgfam, .fondern die Vernunft mufs, 
wenn er folgfam feyn foll, den Willen gegen jene! 
ihr fremden und .entgegengehenden .Benimm ungs^ 
gründe ' beftimmen. " Eine folche . Beftimmung dei 
Wittens heifst N ö tk i *g u n g. Das öeTetz aber, wel 
ches deswillen, durqh Nöthigung beftimnit, heifst 
ein Gebot', iind . die F o r m e 1 , durch welche ein 
folcbes Gebot ausgedrückt wird, e^n Imperativ 
(G. 36.M.II, 48. K.XJX.). 



• • 



, -.£. Alle Imperativen enthalten . eip S o 1 1 e n , zj 
B.dufollft mäfsig;. feyn , du foUft arbeitfam feynj 
du, follft nicht fehlen. Sie zeigen aber dadurch 
an, d^fs das Gefetz der .Vernunft, welches, alleirj 

tooth wendig Und jedwi Wüi#a belümmen folfte, uuc 



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» « » 



Imperativ. 451 

darum b ) c c t i V helfet, zu dem Willen dis Sab jects 
in dem Verhältni/Te lieht» dafs diefer , als. der Wille 
eines befondern Suhjects (Individuums),* feiner ei- 
gentümlichen fiefchaffenheit nach nicht npthwen« 
dig durch das Gefetz beAimmt wfrd; welches Ver- 
hältnis, dafs das Gefetz gegen, die andern Befiim- 
mungsgründe des Willens gebietet, man eben <jü* 
Nöthigung des Willens durch die ^efnunft x 
nennt, Die Imperativen drücken aus, dafs etwas 
zu thun oder zu unterlagen gut feyn würde ,. und 
dafs fie das einem Willen Vagen» der nicht immer 
darum etwas will, weil die Vernunft ihm yorftellt, 
dafs es zu thun oder zu unterlagen gut fei. Dies 
kann aus zweierlei Urfachen der Fall feyn. ', Entwe- 
der weifs das handelnde Subject nicht 9 dafs die 
Handlung gut üt. Da nun aber der Imperativ in 
feiner eignen Vernunft, liegt, fo kann es blofs nicht 
wiflen, dafs der gegebene Fall unter diefen Impera- 
tiv gehört. Dann befolgt das Subject aus Unwissen- 
heit den Imperativ nicht* Wer da weifs Gutes zu 
thun, und t!\uts nichf, der fundigt; aber nicht, 
wer es nicht weifs* Oder das Subject weife es, 
aber feine Maximen oder Handlungsregeln (fubjecti- 
ven Grundlatze) find den objectiven Gruqdfatzen 
(Principien der praktifchen Vernunft, d. i. den Ge» 
fetzen , nach welche** jedes vernünftig^ Wefen han- 
deln follte) zuwider» So weifs ein Kind, dafs es Un- 
recht thut, wenn es etwas thut, was feine Eltern 
verboten haben; aber es hat neben der Maxime, fei« 
nen Eltern zu gehorchen, auch die, zu thun, was 
ihm angenehm iit; und es handelt nun, wenn es un- 
gehorfam iß , nach der Maxime , die letztere Maxi« 
me (der Sinnlichkeit) der erßern Maxime (der prak- 
tifchen Vernunft) vorzuziehen (G. 40. M. II, 54- P* 
56. f.). Gut heifst hier aber nicht , dafs es ange- 
nehm fei, fo zu handeln; auch nicht, dafs es präg- 
matifch gut oder nützlich (wozu gut) fei; 
fondern dafs es praktisch gut oder fittlich 
gut (an fich gut), fei, d. h. blofs vermitteln der 
Vurftellung der Vernunft, blofs darum, weil es die 

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45* löiperathr. 



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Vernunft äut ch ihr Gefett vor fchrcibt , Zweck des 
Willens feyn fblle (G.37.^. MII, 50.)» f. Ange- 
nehm. und Gutes. 

• ' 4. Ein vollkommen guter Wille, wiez. B. 
der göttliche gedacht werden mufs, kann nicht fo 
Vprgeftellt werden, als werde er auch zu gefetzmäf- 
figen Handlungen durch das Gefetz genöthigt, 
weil ,er fo beschaffen ift , dafs er von felbft nichts 
«ndfers will, als was das Gefetz fagt. Daher gelten 
für einen göttlichen und überhaupt für einen 
^heiligen, d. i. der gar keine andern Befthnmungs- 
gründehat, als das Gefetz, weder Gebote noch 
Verbote, und alfo keine Imperativen. .Das 
Sollen ift hier Am unrechten Ort, weil das Wol- 
len fchön von felbß mit dem Gefetze einfiimmig ift. 
Daher find Imperativen nur Formeln, das 
Verhältnifs objectiver Gefetze des Wol* 
Jens überhaupt 2u der fubjectiven Ünvollkom- 
jöienheit des Willens diefes oder jenes vernünftigen 
Wefens (z.B. des menfchlichen Willens) auszu- 
drucken (G.39 M. II, 51.), ' •• > 

5. Eine Vorfchrift oder Maxime kann entweder 
Wop*u dienen, oder fie kann an fich gut feyn, das 
ift, durch die Vertaunft zum Zweck des Willens ge- 
macht werden, ohrie dafs fie felbft weiter einen 
Zweck hat.. Die letztere ift nur ein Imperativ in 
eigentlicher Bedteutung. Allein die erftere ift 
doch obfectiv für jedes Suhject, welches den Zweck 
hat, wozu fie dienen foll, und in diefyr Rückficht 
Aennt Kant auch folche Vorschriften Imperativen, 
ob fia es wohl nur in uneigentlicher Bedeutung des 
Worts find. 'Denn fie enthalten eigentlich kein 
Sollen, fondern geben nur Rath, wie man 
am heften feinen Zweck erreichen könne , oder wie 
map am beßeri etwas "bewirken könne. Sie enthal- 
ten alfo ein e Nöthigung unter Voraussetzung einer 
gewiffen Bedingung, nehm! ich dafs man einen ge- 
wiffen Zweck habe, f. Bedingter Imperativ. 



\ 



Imperativ; 



455 



6. Weil nun jedes prakfcifche (den Willen be- 
ftimmende) Gefetz eine mögliche Handlung als (wo* 
zu, oder an fach) gut und darum für ein Sub- 
ject, welches durch Vernunft (nicht durch f blo.f* 
it linn liehe Anreize) zum Wolle$ beftimmt wer- 
den kann, als (bedingt, oder unbedingt) noth- 
wendig vorftelit; fo find alle Imperativen Fbrr 
mein der Beftimmung der Handlung, die> 
nach dem, Princip ?ines in irgend ei- 
ner Art (nehmlich wozu oder a^i fich) gu- 
ten Willens nothwendig ift (G. 39. f.). 

7. Noch giebt Kant folgende zwei Erklärungen 
des Imperativs 2 - m . ' 

a. erift eine praktifche Regel, 'az£ die, 
als Bedingung, der Wille , jeAes Teri 
nünftigen Wefens nothwendig gebunden 
i 1t (<J. 87)- Eine ;praktifcke!Regel ift aber die 
Vorftellung einer Bedingung, mach welcher ein* 
Handlung gefchehen Jtamw An diefe .*Bedin* 
gang iß der /Wille " noth wendig gefeun?» 
den, heifst, fie fagt aus, dafa etwas gefallenen folL 
Folglich iß diefe Erklärung mit der in i M er fey ein 
objeetives Gefetz der Freiheit (eine allgemeine prak- 
tifche Regel) , welches fagt, was gefchehen folt (an 
das der Wille jedes vernunftigen Wefens noth wen» 
dig gebunden ift), einerlei. 

b. er ift eine praktifche Regel, wo* 
durch die an fich (fubjeetiv) zufällige Hand» 
lung nothwendig gemacht wird (K. XX.)« 
Er unterfcheidet fich nehmlich dadurch von einem 
praktifchen Gefefcze, dafs diefes zwaraueji du 
Notwendigkeit der Handlung vorftellfc , aber ohne 
l nterfchied für jedes Subject , es mag nun daflelbe 
auch die Handlung an fich felbft / (fubjeetiv) noth- 
wendig finden , wie z. B. ein heiliges Wefen 
{ Gott) , oder zufallig , wie ein finnliches Wefen (der 
Mealch). Der Imperativ aber ftellt die Handlung 



454 Imperativ. 

blofs für ein finnliches Wefen, für. welches die Hand* 
lung an fich zufällig ift, d. i wegen eines andern 
Beltinunungsgrundes auch wohl nicht gefchehen 

"lianlv, als noth wendig vor (f. 5. tu 4;). 

« 
' # * . » • 

8* Nach dem , was in 5. gefegt worden ift , giebt 
. es mehrere Arten rvön Imperativen , ' welche ick hier 
in alphabetifcher Opdnung erklären will. Von einem 
jeden« folchen Imperativ ift die fßrage, wie ift er 
\ möglich ? Diefe Frage fordert nicht die Erklär ung, 
•wie sman fcch die Vollziehung der Handlung denken 
könne, welche der Imperativ vorfchreibt , fondern, 
•wie es möglich fey, dafs ein folcher Imperativ unfern 
^Willen beftimmen oder praktifch feyn könne (G. 44.). 

• - <^ All gemeiner Imperativ der Pflicht, 
f. Imperativ, kategorischer» 

10. Apodiktifcher Imperativ (imperativ 
vusapodictreus), derjenige Imperativ^ wel- 
cher fagt, dafs dje Handlung zu irgend 
einher o b j e c t i t nothw endigen , jib- 
ficht' gut fei (S* 40.)» Nun kann es aber keine 
©bjeetiv nothwendige Abficht , d. i. folche r die Jeder- 
mann haben follte* geben, als die, .das Gefetz (den 
Imperativ felbß) zu erfüllen; folglich ift ein apo- 
diktifcher Imperativ derjenige , welcher gebietet , fo 
• zu handeln^ wie Jedermann handeln, follte, oder 
; das Gefetz (den Jmperativ felbß) zu erfüllen. Diefer 
Imperativ ift sflfö, 'dem Inhalt nach, mit depa k ate-l 
gorrifchen Imperativ einerlei; denn diefer gebieJ 
tet ohjöe alle Abiicht r der apodiküfehe Imperativ 
Aber* macht fich felbß zur objeetiv noth wendigen Ab- 
ficht y welches identifch oder einerlei ift (G. 40.). 

iL. Affe rtorif eher Imperativ, derjenige 
Imperativ, welcher fägt, dafs die, Handln n 
zu irgend einer wirklichen Ab fich 
gu,t f*y (G. 40.), f. G^chickl'ifchkeit, 6. & 



* 1 » 



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imperativ. ;jtfl 

18. Bedingter, hypothetifcher Impe- 
rativ, Imperativ der Gefchicklich k eit; 
Regel der Gefchicklichkeit, Voffchrift 
der Gefchicklichkeit {impcrativu* hypothcticu±) y 
derjenige Imperativ, welcher nicht den Wille A 
fchlechthin als* Willen, fondern nur* in 
Anfehüng einer begehrten Wirkung be- 
fiimmt (P. 37.). AJ1« Imperativen gebieten rtehm» 
lieh entweder hypöthetifch (bedingt) pdet ka- 
tegorifch (unbedingt). Ein Imperativ gebietet 
hypöthetifch/ wenn er die Handhing blofs unter 
der Voraussetzung als noth^rendig vorftellt, wenn 
man das will , wozu die Handlung als Mittel dient, 
z. B* willft du nicht deine Gefundheit Ich wachen, fo 
lebe mäfsig , ift ein hypothetifcher Imperativ , weil 
hier eine Beding ung> auf griechifch H y p o t h e- 
fis, iß, unter welcher die Hdndlüngsregel (die Ma- 
xime oder der Imperativ) zu befolgen allein möglich 
ift (G. 39. M. II, 52*)- Folglich ift der Imperativ be« 
dingr oder hypöthetifch,' wenn er die Hand- 
lung als. irgend wbzi\ gut, und nieht als blef*,aft 
Xich felbft gut» gebietet. Die Handlung ilt dann 
das Mittel zu dem, wozu fie gut ift, oder Zu ihrem 
Zweck. Ein mäfsiges Leben ilt allerdings ein Mittef, 
(eine Gefundheit zu erhalten; dazu ift alfo die Un- 
terlaffung einer foldien Befriedigung der Naturtrie- 
be, welche nach und nach die Organe zerftört und 
die Gefundheit mitergrabt , gut. Eben darum ift 
ntm der Imperativ; fey mäfsig, damit .du deine Ge- 
fundheit nicht zerftöreft ,- fondern erhalteft, ein hy- 
pöthetifch er Imperativ (G.39. M. II, 53.). Ein 
folcher Imperativ beftimmt alfo das vernünftige We- 
fen ziun Handeln , blofs als wirkende Urfache , blofs 
in Anfehung der Wirkung uhd Zulänglichkeit zu 
derfelben. Saget Jemanden, dafs er "in der JugeAd 
arbeiten und fparen muffe, um im AltiSr nicht zu 
darben; fo ift das eine"nchtige und zugleich wichti- 
ge praktifche Vorfchrift des Willens 
(Imperativ). Man lieht abör leicht; dafs der Willi 
hier auf etwas ' anderes ver wiefenr weide , und dafe 



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Imperativ, 



man vorausfetzt , dafs er es begehre* Diefes Bege] 
ren aber mufa man ihm, dem Thater felbfi, überia 
feB, und es fiehet dahin, ob er nicht^noch andej 
Hülfsqueilen , aufser feinem felbfierworbenen Ve 
mögend Vorher f ehe , pder oh er etwa nicht hoffe a 
$u werden 9 oder etwa im Fall der. Noth lieh den] 
fchlecht zubehelfen (P. 37.)- 

pie Abficht aber, wozu die Handlung, welcl 
der Imperativ vorfchreibt , gut.ift , kann blofs m ö 
lieh, fie kann aber auch wirklich feyn. Die A 
.ficht iß blofs möglich» . wenn ich fie haben kam 
oder auch nicht; Es iß möglich , , dafs Jemand e 
wa$ ausrechnen will; die Regel, nach welcher er dh 
(es machen mufs, iß alfo ein Imperativ , der bloj 
eii} e Handlung zu einer möglichen Abficht vo 
fchreibt. Gefetzt aber, es gebe gewifle Ablichte} 
die alle Menfchen , vermöge ihrer menfehlichen Nj 
tur, wirklich haben, fo fordert der Imperativ, de 
uns vorfchreibt, was zu thuQ fei, um diefe Abfiel 
KU erreichen , . Handlungen , prelcfye zu einer wir] 
liehen Abficht gut find. Bin hypothetifcHer Imp< 
rativ, welcher Handlungen vorfchreibt, die zu e 
ner möglichen Abficht gut find, iß ein probl< 
m a t i f c h - praktif ches Princip, d. i. es kommt auf un 
an , ob wir ihm gehorchein wollen f wir haben e 
»ehifalicK nur blofe dann nöthig, wenn wir de 
Zweck wollen, wosu die Handlung, die der Imp< 
rativ vorfchreibt, gut iß;. Wer nichts ausrechne: 
will, der braucht auch die Regeln nicht zu befolge^ 
welche vorschreiben, wie man es auszurechnen fu 
be. Ein hypothetifcher I©iperativ, welcher Hancj 
luiigen vorfchreibt, die zu einer wirklichen Ah 
ficht, gut find , ift e}n. affertorifch - praktifche 
Princip , d. i. yrir gehorchen einem folchen Princij 
wirklich, weil wir wirklich die Abficht haben 
wozu es uns die Handlung als Mittel vorfchreibt 
denn wer. ernfilich die Abficht hat , der will aucl 
das Mrtl#l und wandet es wirklich an (Q. 40. M. W\ 



Imperativ. 



407 



Die Möglichkeit des bedingten Imperativs» * 
oder Imperativ? der Gefchicklichkeit, bedarf 
keiner Erörterung; es ift nicht nöthig, erft noch 2.11 
zeigen /wie eine Vorfchrift, ^reiche mir fagt, was 
ich zu' thun habe, um ein/5 gewiffe Aufgabe zu lö- 
ten, den Willen befiknmen könne, fo zu handeln, 
als die Vorfchrift es angiebt, oder die Vorfchrift zjl 
befolgen. Denn wer den Zjweck will, der will auch 
die Mittel, diefen Zweck txl erreichen. Er nuifste 
fonft entweder keine Vernunft haben , oder das Mit» 
tel müfste pur Erreichung des Zwecks nicht unent- 
behrlich nothwendig feyn , . pdir er müCste es nicht 
in feiner Gewalt haben* .Bin folcher Imperativ ift 
folglich ein analytifcher Satz. Ein analytifcher 
Satz ift ein folcher, deflen Prädicat fchon im Subject 
liegt Er iß aber nur analytifch in Anfehung des 
Wollen s. Wenn ich wirklich etwas will, das nur 
als Wirkung meiner Handlung möglich ift , welches 
der Zweck meiner Handlung heifat, fo will ich 
damit auch die Handlung , durch welche der Zweck 
allein möglich iß. Was ein hypotbetifcher Impera- 
tiv enthalten werde , das kann ich ohne feine Bedin- , 
gung nicht wiffen , denn weifs ich den Zweck nicht, 
fo kann ich auch die Mittel zum Zweck nicht wif- 
fen. Denn die Bedingung des hypothetischen Impe- 
rativs ift der Zweck delKÜ, N was ar gebietet, oder, 
den zu erreichen der hypothetifche Imperativ das 
Mittel vorfchreibt. Wenn ' ich - nun nicht den 
Zweck weifs, den Jemand hat, fo kann ich auch 
nicht das Mittel fagen , wodurch er feinen Zweck 
erreichen werde,, alfo den hypothetifchen Impe- 
rativ nicht angeben, welcher eben diefes Mitted 
vorfchreibt (G. 51. M. II , 66.)» 



1 » 



Wenn die hypothetifchen Imperativen den 
Willen bffiimmen, oder machen follen, dafs nian 
fie befolget, fo muffen fie in fo fern empirifch, 
und können f^ann keine prak.tifchen Gefetzre, 
feyn. Das. heifst , alle folche Handlungsregeln ha-. 
Win fo fern ihren Grund .in der Erfahrung, als 



I % 



458 . ; Imperativ. 

ich ohne Erfahrung nicht wiffen kann, ob ich 
dn Gegcnltand (die Hypotheus}, 'weichen wirk- 
lich zu machen (ier Imperativ fehrt, auch wol- 
len werde. Was fich aber auf Erfahrung grün- 
det , kann nicht für den Willen jedes vernünf- 
tigen Wefens gelten, oder 'kein praktisches 
Geietz feyn (M. II, 183* F. 3ü-) 

Kant be weifet diefe 'Behauptung fehr einleuch- 
tend alfo. Wenn ein Gegenftand, z. ß. im Alter 
nicht zu darben, mich veranlagen foll, mir eine 
folche Regel für meine Handlungen zu machen, 
z. ß. ich will in. der Jugend arbeiten und fparen, 
dafs wenn ich «nach diefer Regel handle, ich den 
Gegenltaiid dadurch erlange, fo mufs ich doeh ei- 
ne Uegierde nach diefem Gegenftande haben. Denn 
iit e$ mir indifferent oder gleichgültig, ob ich, 
im Alter darbe oder nicht, oder wäre mir der 
Gegenltand etwa gar zuwider, wirkte die Vorftel- 
lung deffelben Unluft in mir, fo dafs ich" ihn 
verabfcheuc. fo werde ich mir auch keine folche 
Handlungsregel machen. Soll aber eine Begierde 
nach dfem Gegenftande in mir entliehen, fo mufs ich 
mir diefen Gegenftand irorftellen , und diefe Vorftel- 
lung mufs auf mein Begjhrungsvermögen wirken, 
fo daCs ich dadurch beftimmt werde, den Gegen- 
ftand wirklich zu machen, oder ihn zu erlangen. 
Diefer Einflufs der Vorftellung eines Gegen ftai>des 
auf mein Begehrttngsvermögen ^ heifst die /L u ß 
an dämfelben. , Die Vorftellung, ibi Alter zu dar^ 
ben, mufs fo befchaffen feyn, dafs Ünluft in mitl 
•entftehet, wenn ich daran denke, und Luft, wenn 
iGh das Gegfjntheil mir vorftelle. Dadurch mufs 
die Begierde entliehen, das letztere zu bewirken 
.Nun % kann ich aber nicht eher von einer Luft 
oder^ Unlufl, welche das Dafeyn . eines Gegend 
.ftandes mi^ verur facht, etwas wiffen, als wenii 
ich felbit diefe Luft <oder Unluft einmal gel 
fühlt, oder wahrgenommen habe, dafs II e An| 
dere empfanden. Das Keilst aber, ich mufs Jii 



y 



i Imperativ.' 459 

* 

ans Erfahrung kennen« Folglich kann ich keine 
Luit oder Utiluft a priori kennen, und von x kei- 
nem Gegenftande a priori f r d- i. ohne Erfahrung 
wiffen , ob er Luft oder Unluft machen^ werde. 
Soll alfo eine folche Handlungsregel meinen Wil- 
len beftimmen, die auf die Erlangung eines Ge- 
genfiandes gerichtet ift , fo mufs ich Luft an dem 
£egenftande durch die Erfahrung haben, folglich 
die Beftintinung« meines Willens durch die Hand- 
iimgsregel, d. i. diefe Regel, als folche, empi- 
ri fch feyn. Ein folcher Gegenftand heifst die M a- 
terie des • Begehrungsvermögens, und eine folche 
Regel ein materiales Princip. Folglich find afle 
matenalen Principien empirifch und alfo keine 
allgemeinen uud nothwendigen Regeln , d» i. prak- 
tifchen Gefe€ze (M. II, 184. 185- ?• 38** £•)• 

Das Uebrige findet man im Artikel G e f c h i c k» 
lichkeit, 8- **• Expofiti*ön, 23.37. 

13. Categörifch er Imperativ, f. Impe* 
rati'v, kategorifcher« 

14» Imperativ defr Gefchicklichkeit, 
f. Imperativ, bedingter, u. Gefchicklich- 
keit, 3, ff. 

15. Imperativ der Pflicht, f. Impera- 
tiv, kategorifcher. 

16. Imperativ der KlugHeit, f. Ge- 
schicklichkeit, 6. 9. u. Gebot, 3. 

17. Imperativ der Sittlichkeit, f. Im- 
pejrativ* kategorifcher« 

-■ . % 

18- Hy pothetifcher Imperativ, f. Im* 
perativ; bedingter. 

19, Katego tifcher Imperativ,' allge 



460 InipaatiV» 

meiner Imperativ der Pflicht, Imperativ 
der Sittlichkeit, morelifcher Imperativ, 
Gebot der Sittlichkeit, praktifchcr Impe- 
rativ, Princip aller Pflichten, unbeding- 
ter Imperativ (imperaävus caUgoricus), ein Im« 
peraäv, weicher fo gebietet, dals er die Handlung, 
weiche er gebietet, ohne alle andere Vpransfezung, 
ohne alle Erziehung derfelben auf einen andernZweck, 
als noth wendig vorftellt; und zwar als objeetiv 
noth wendig , nicht weil : ein Grund dazu in dem 
einzelnen Qubject läge, fondern als eine folche 
Handlung, die für jedes vernünftige Wefen noth* 
wendig iit (G. 39. M. II, 5a.). Wird die Hand» 
lung, die der Imperativ gebietet, als an fich 
felbft, nicht als wozu anders gut vergelteilt, 
fo iit der Imperativ kategorifih oder ohne alle 
Bedingung (unbedingt), und das Princip eines 
an fich guten Willens (G. 40, M. II, 55.). Der ka- 
tegorische Imperativ erklärt alfo die Handlung, die 
er gebietet, ohne irgend eine Beziehung derfelben 
auf eine aufser ihr liegende, durch fie zu errei- 
chende, Abficht, die er' etwa der Handlung als Be- 
dingung derfelben zum Grunde legte, für gut, und 
gebietet fie alfo unmittelbar. Da nun hier die 
Abficht wegfallt, fo iit es noth wendig, dem Im- 
perativ ' zu gehorchen , wenn es einen folchen 
giebt, oder er gebietet als ein apodiktifch- 
praktifches Pnncip (G. 40. M. II, 55.)* Er be- 
trifft nicht die Materie (den Inhalt oder Zweck)) 
der Handlung und das, was aus ihr folgt, fon- 
dern die form (die Gefinnung, aus welcher .fie ge- 
fchieht) und das Princip (den Befiimmungsgrund 
des Willens), woraus fie felbft folgt; und das Wc- 
f entlich - Gute der Handlung aus diefem Princip 
befteht in der Gefinnung, der Erfolg mag feyn, 
welcher er wolle (G. 43. M. II, 580* 

Wie aber der kategorische Imperativ uns zum 
Wollen* odei; zur Befolgung de (Ten, was er ge- 
bietet , befämmen könne , da er gar keinen aufser 



Ifbperfttiv. 46 1. 

ihnt liegenden Zweck hat, oder nicht wom gebie- 
tet, das fcu teigen hat grofse. Schwierigkeiten , und 
bedarf einer Erörterung. Dafs es einen iol- 
chen Imperativ der Sittlichkeit gebe, kann 
nicht einmal durch ein Beifpiel ausgemacht 
werden, denn er kann der Handlung nach von 
dem Imperativ der Klugheit nicht, unter fchieden 
werden. Z. B. wenn es heifst: du follft nichts 
bezüglich, oder mit der Abficht, es nicht zu hal- 
ten, verfprechen; fo kann dies ein blofser Bath 
(Imperativ der Klugheit) zur Vermeidung irgend 
eines Uebels feyn. Es foll etwa fo viel heifsen, 
als, haß du den Zweck, dich nicht um den 
Credit bei deinen Verfprechungen fc\i bringen , fo 
mufst du nicht lügenhaft verfprechen. Soll es 
aber ein Imperativ der Sittlichkeit (Pflichtge- 
bot , moralifch - praktifches Gefetz (R. XXI.)) feyn, 
der kategorifch oder ohne alle Bedingung gebietet, 
fo wird kein Zweck dabei gedacht , fondern es 
keifst blofs : du follft nicht betruglich verfpre- 
chen; es mag uns übrigens in einseinen Fällen 
nützlich oder fchädlich, angenehm oder unange- 
nehm feyn. Es ift nun die Frage: wie ift ein 
kategorifcher ImperaAv möglich? oder, 
wie kann ein Gebot unfern Willen beftimmen, von 
dem ich nicht fagen kann, wer den Zweck will, 
der will auch die Mittel, weil ein kategori- 
fcher Imperativ fich ebpn dadurch von einem hy- 
pothetifchen Imperativ" unterfcheidet , dafs er 
ohne einen vorauszufetzenden Zweck gebietet. 
Man könnte freilich fehr leicht zeigen, dafs ein 
folcher Imperativ möglich fei, wenn man ein Bei- 
spiel von einet folchen Will cnsbeftimmung geben 
könnte; denn dann wäre ein folcher Imperativ 
wirklich, was abetf "wirklich ift, das mufs auch 
möglich feyn, ob man gleich darum noch nicht 
einlieht, wie er möglich ift, oder worauf feine 
Möglichkeit beruhet. Nun kann mah aber durch 
kein Beifpiel mit Gewifsheit darthun, dafs fchon 
Jemandes Wille dureh , pmem folehen . Imperativ, 



t 



4<J« v Imperativ; 

ohne alle andere Triebfedern f alfo blofa 'durch« 
. Gefetz „beftimmt worden fei. Es ift immer mög- 
lich, dafs insgeheim Furcht vor Befchamung, viel« 
leicht auch dunkele Beforgnifs anderer Gefahren, 
Ein flu fs auf den Willen haben möge. * Wer kann 
das # Nichtfeyn einer UrCache durch Erfahrung be 
weifen, Da diefe jiichts weiter lehrt, als dafs wii 
die Ur fache nicht wahrnehmen, woraus aber nichl 
folgt , dafs darum ,auch keine vorhanden fei. Aui 
folfhen^Fall würde, aber der fogeoannte morali 
fche Imperativ, der als. ein fol eher kategorifcl 
(.unbedingt) .erfcheint , in der That nur ein< 
pragmatrifche (Klugheits-) Vorfchrift feyn 
Das heifst, diefer Imperativ würde uns auf un 
fern /Vortheil aufmerkfam machen , und blofs leh 
ren, die fen unfern Nutzen in Acht zu uehmei 
(G. 48- f. M. II, 62.). 

m 

Da alfo nicht durch die Erfahrung ausgemach 
werden kann, ob es einen folchen kategor ifchei 
Imperativ gebe*; fo mufs , die Möglichkeit deffcl 

'ben gänzlich a priori unterfucht werden. Das ift 
wir muffen durch blofse Vernunft unterfu 
chen , wie ein unbedingt . gebietendes Gebot dei 

i, Willen beltimmen könne;, weil uns die Erfahruni 
l>ier * nicht zu Hülfe kommt, .fondern uns gänq 
lieh verjäfst. \. So viel i/t fadeflen vorläufig elnzi 
fehen, dafs der kategor.ifche Imperativ 

a. allein als ein praktifches Gefet 
lautet. d,i. dafs er allein als eine folche Reg« 
lautet, die Allgemeinheit und Neth wendigkeit h; 
be. Soll es alfo .wirklich ein Sitten- oder M« 
ral - Gefetz geben , und ift die Sittlichkeit nielj 
ein blofse» Hirngefpinft , fo mufs es auch eine 
kategor ifchen Imperativ geben, oder, ein Gl 
bqt, das ohne alle Bedingung gebietet. Die übr 
gen Imperativen,- der der Gefchicklichkei 
oder der prQblematifche und der der Klu| 
heit oder der äffe rtpiif che können Prin^cipie 







des Willens heifsen, c*ser Gs-Arün». £j? t*-/l 
fich vor/teilen moJs, rtn ic«.ti ^-i.f r^i - t:iv- 
gen darnach einrichten w*-L A :«w *-t t - • -o> 
nicht Ge fetze heüsen. De~u G* ■*-?< *«•.:. J- i— 
cipien, die Jedermanns Wi er» z*-r ..l*zzi~\ ". *- 
len, oder al'geineine vud icrr^tr-. ^e J-- • .>* 
pien. Dies ifi aber bei cjtz w^^.-ta. 
nicht der FalL Denn bei c* +*+ ^ 
welche beliebig ifi, oit* ve.:e 
kann und auch nicht. Fo.g. *c& J: e* i_»_ t t i >- 
wendig, nach dieien I^tj-eriürc^ r^. x*.t-* .'- 
Wir können auch von eir.«n .c. : *m Iir;*~v. -r 
oder einer folchen Torfe hrift jrctTZ/t-t ^:i*-ft.i4ii.:i^-v y 
wenn wir nur die Abgeht a-f^fci-rc . ri: iät *s- 
gebietet. Ein kategorischer Izr ztm — r i,i.*~ 
unbedingtes Gebot aber ge bietet« c;*-t :*~> *s* 
Ablicht vorhergehet, and ftoü e* a«'^ i-::: ja 
das Belieben des Wiilcnt, cli Ot^Z'i x- ***** 
folgen oder nicht. Folgiki* c.eö: *» n:»t:-T 
gar keine Moralgefetze, oder o^e Fi-raufl uez'*^ 
ben ifl .ein kategor ifcher fc&peraÜT; wti ^*c- 
fer drückt allein diejenige Nc«£-T*ei::\^i-<-i tut, 
die zu einem Gefetze erfordert wir* O- 4> f. XL 
U, C3.). Es ifi ferner vo^iuf^ t^**z-m-*tz. 9 z^_a 
der kategorifche Imperativ 

b. ein fynthetifch-prak ti'cier Sitz • 
priori ifi. D. h. dafs wir da* vro-.«> # » ^ ex 
gebietet, das kann nicht in ir^er-d «*.*-*. ±r. :+-:&. 
liegen f wovon vörau*gefetzt wird , ö't %j c« 
wollen. Sondern ich verknüpfe # «?rr. e *- '^1- 
eher kategorifcher Satz meinen Wi'/m t.*T" jjl* *-i 
foll,' das Wollen deflen f was er ;;*->•«*, oc*y 
die gebotene That, mit meinem V.l., er., **£ 
zwar gänzlich a priori, d. L uTi^w^r^.z *« *^~ 
ler Erfahrung von Nutzen oder bcL^ä*r*, .4v 
nehmlichkeit oder Unannehmlichkeit, alt torv 
Wendig. Der kategorifche Imperativ icl; si.:% 
ohne alle vor ihm hergehende A-£c:*t t ie. ,~ s~* 
gen mein Vergnügen und m«i***n Nutzen f so ei* 



* • 



t 



464 Imperativ* 

fier Handlung beßimmen, und ich foll es foj 

für nothwendig erkennen, ihn za befolgen, oh 
dafs ich das Wollen, wie bei dem hypothetifch 
Imperativ, von einepi Zweck ableite. So v 
fehe ich ein , ich mufs dann übet alle Bewegi 
lachen, die von meinem Vergnügen oder fcjutz 
hergenommen find, völlig Herr feyn, und m 
nen «Willen dagegen , beftimmen können. Ab 
wie ein folches Gefetz für ein vernünftiges Wef 
möglich feyn könne, das Ut die Frage; das heif; 
es kömmt hier darauf 'an, zu zeigen: wie ei 
fynthetifch-praktifcher Satz möglich fe 
Diefe Unter füchung hat aber viel Schwierigke 
(G. 50. M.II, 64A 

Jetzt foll nun zu er. ß unterfucli 
Verden: ob nicht cL^r blofse Begriff de 
kategorifchen Imperativs aäch die Fo 
mel deffelben angebe, d.i. ob Wir nicht ai 
dem* was ein kategörifcher Imperativ, wie w\ 
Bishfr unterfucht haben, ift, auch den Satz fix 
den können, der allein ein folcher kategorifcht 
Imperativ feyn kann. Sodann wollen 4 ' wir z w e 
teris die Mo gliche it eines folchen k< 
tegorifchen Imperativs unterfucher 
(•"im wenn wir gleich wiflen, wie ein Tolche 
ai) 10] utes Gebot lautet, fo läfst fich daraus doc 
noch nicht ejnfehen, warum es unfern^ Wille 
beltimnien folle, oder warum» wir darnach har 
dein oder es' befolgen follen (G. 51. M. II, 65.), 

* 

A. Was ein kategörifcher Imperati 
enthalten werde, das kann ich wiflen,/ ohn 
eine Bedingung, ohne einen Zweck zu wiffen 
Denn c> er heifst ja eben darum kategorifche 
(unbedingter) Imperativ," weil ejr ohriß alle Bedin 
gung gebietet. Da er nun auf keine Bedingung 
eingeschränkt ilt , fo enthält er nichts , als 

4 das, was ihn »um GefeUfc mftcht, liehm 



Imperativ. 



465 



lieh die Allgemeinheit, oder dafs er für Je- 
dermann gelte; 



ß. dafs die Maxime, nach (liefern Ge fetze zu 
handeln, noth wendig fey (G. 51. f. M. II, 65.). 

Der kategorische Imperativ ifi alfo nur ein 
einziger, es kann mehrere Sittengefetze geben, 
aber das, was iie zu Sittengefetzen für finnliche 
Wefen, oder zu Gebpten macht, ifi das katego- 
rifch Gebietende, und diefes kann nur in einem 
einzigen Satze ganz rein enthalten feyn* Diefer 
Satz heifst: 

Handle nur nach derjenigen Maxime, 
durch die* du zugleich wollen kannlt, 
dafs fie ein allgemeines Gefetz werde. 

* 

Diefer Satz enthält nehmlich; 

1. dafs ich bei jeder Handlung nicht etwa die 
Wahl unter mehrern Maximen habe, fondern nur 
nach Einer Maxime handele; dies iß die Not- 
wendigkeit der Maxime, das eine Kennzeichen 
des Gefetzes. Diefe Notwendigkeit ergiebt lieh 
aber 

2. aus der Allgemeinheit der Maxime. Es 
mufs nehmlich eine folche Maxime feyn, in der 
mein Wille mit eingefchloflen feyn kann, dafs fie 
allgemeines Gefetz werde, d. i. die Allgemein* 
heit mufs die Maxime beftimmen und die ürfach 
feyn, dafs ich fie za meiner Maxime mache {G. 
52. M. II f 67.). ' ' 

Es foll nun gezeigt werden: was diefes 
Princip aller Pflichten oder diefer Grund- 
fatz , nach welchem man alle Pflichten beftimmen, 
oder entfeheiden fcann, ob etwas Pflicht oder nicht, 
oder gar der Pflicht zuwider fei,, logen wolle. 

MMaiphii. WörUrb. frBi. G g 



\ 406 Imperativ. 

\- - * 

Wir laffen es übrigens noch unentfehiedeö , < 
nicht überhaupt das, was man Pflicht neni 
ein leerer Begriff, ein blofses Hirngefpinft f< 
oder ob der Menfch wirklich Pflichten, zu erfül 1 c 
und aus Pflicht zu handeln habe. Denn dies i, 
-wie gefagtj , das Zweite, v as wir unterfuche 
^wollen- (G. 52. M. II, ©aO* 

NaJ:uri, im allgemeinßen Verftande des Wort 
\ ift die Allgemeinheit des Gefetzes, nach welch« 
Wirkungen gefchehen. Wenn ich z.B. Tage, di 
Natur der Harze iß, dafs fie lieh im Waffer nid 
auflöfen, aber im Feuer verbrenneti , s f o , heif^ 
das; die abgegebene Wirkung des Waffers un 
. Feuers auf die Harze ift ganz allgemein , . ohi, 
alle Ausnahme; oder auch, das Dafeyn der Hai 
ze, d. i. die Artf wie fie vorhanden find, ij 
nach diefen beiden allgemeinen Gefetzen befiimml 
Alfo könnte , weil von dem allgemeinen Inipera 
tiy der Pflicht keine Ausnahme gemacht werclei 
fott , derfelbc auch fo h'eifsen ♦ handlefo, al 
ob die Maxime deiner Handlung durcl 
deinen Willen zu mallgerii einen Na 
iurgefetze werden follte, fo, dafs alles nacl 
diefer Maxime gefchehten xnüfste, und gar nich 
anders gefchehen könnte. Dies ift der Hanoi 
oder ein Grundfatz der Beurtheilung , nacK wel 
,'chem wir entscheiden können, ob eine Handlung s 
reeel.- nicht aber eine einzelne Handlung 
^welche nach einer folchen Handlungsregel gethar 
wird, gut fei oder nicht (G. 5a. M. II, 69.). 

Um den Gebrauch diefes kategorifchen Impc« 
"ratlvs zu zeigen, follen nun nach demfelben ei- 
nige Pflichten beurtheilt werden. Damit erhell c< 
dafs pt auf alle Arten von Pflichten feine Anwen« 
dtujg finde , wollen wir die Pflichten wie ge- 
wöhnlich in vollkommene und unvollkom- 
x xxiene, und jede diefer beiden Arten in Pflich- 
ten gegen uns felbft uiid gegen Andere 
.eintheilen (G. 52, M. II, 79.). 



Imperativ. _ +*y 

I. Vollkommene Pflichten £nd !Y!:!:* # wtcJ. 
che nie eine Ausnahme verlt-itten. I:.r Ker - Zei- 
chen iß daher, dafs die ihnen cnfz?;^;^ ^t»: 
Maximen lieh als allgemeines N-Uix.ii.crz 
einmal denken lauen. 

i. Pflicht jreeen uns felbSL Es LI x. BL 
die Frage, ob der Seibitmord er Li üb: Jci? U:» 
lic zu beantworten brin2e man die.e H*r£"ji*^ 
auf eine Maxime, nach der £e se. :_c_en J.l^ 
oder frage lieh, welches die Rc^et fei, z-£c\re 
welcher man fich das Leben nthrnm wo !e. oe- 
fetzt, man -wolle fich das Leben ncim*n , wol 
man glaube, man habe grofse U*rbel zu f..rc:.:en, 
und wenig Gutes mehr zu honen, f> L-nJit cue 
Maxime: wenn das Leben bei feiner un- 
gern Frift mehr Uebel droht, als es An* 
nehmlichkeiten verfpricht, fo mui'i man 
es abkürzen.- Diefe Maxime kann als allge- 
meines Naturgefetz nicht ohne Wiierf^r^-:h ge- 
dacht werden. Denn wenn diefes Naturgesetz vi* 
re f fo wurden die Uebel des Lebens itets *o Ter» 
mitteilt der Furcht auf den MenJinen wirken, <ii£g 
er fich das Leben nehmen müfste. Nun 'iA es 
aber die Beßimmung der Furcht, den ilrrnJchen 
zu Wegfchaffung der Uebel , die feinem Leben 
drohen, anzutreiben. Folglich wid«erfpr:-:ht die» 
fer BefÜmmung der Furcht jene zuerfi ir.zti ^uztm 
als Naturgefetz gedacht, die Furcht ktz,n i-icht 
das Leben befördern und auch zera irren, und 
Tvenn diefes dennoch ^ obwohl za verschiedenen' 
Zeiten, der Fall ift, fo rührt diefes daher, dafs 
die Wirkung der Fdrcht nicht durch dieselbe aL 
lein, und unmittelbar, fondern vermittelt des 
"Willens hervorgebracht wird, dafs die Furcht -li- 
fo nicht nach einem Naturzefetze , fondern nach 
einer Maxime wirkt (G* 53. M. II, 71.;. 

4. Pflicht gegen Andere« Es fr»gt fich, 
darf ich Geld borgen mit dem Verfprechen, d±l* 



% I 



/ 



46a Imp 

* ■ 

ich es %vl beftimmter 
ob ich wohl weifs f 
feyn? Die Maxime lai 
in &eldnoth iit y 
gen, und vexfp 
au bestimmter 5 
gleich weifs, die 
s hen. Diefie Max 
turgefetz nicht ohr 
Denn ein folches 
Natürgefetze nich 
Item Verfprechen 
chen Verlpreche: 
gen. Dafs niai 
Verfprechen zu 
her , weil ma 
handle nach d 
chen folle gel 

. . % IL Um 
die zuweilf 
zwar nicht 
denn diefe 
eine Ein fr 
dung auf 
^flicht d 
nieine Z 
ich ffiiher 
welche 
der Ai 
jfr, r 

z\yar 
kqnn 
*^.ol 



Fr? 
ob 



f! 




"\ 



Imperativ.' N •, 469 . 

i'iberlaffen und fich mit der Erweiterung 
und Verbefferung fein>er Naturknlagen 
nicht bemühen.' Diefe Maxime läfst lieh gar 
wohl als allgemeines Natürgefetz denken, aber 
es iit unmöglich, fie als folches zu wollen, weil 
fonfi ein Widerfpruch in unferm Willen feyji wur- 
de. . Die Naturanlagen machen , dafs wir allerlei 
Ablichten haben, zu denen diefe Anlagen, wenn / 
üe entwickelt und ausgebildet werden , dienlich 1 
find. Wäre nun jene Maxime allgemeines Na* • 
turgefetz, fa könnten wir runfere Naturanlageft 
nicht entwickeln, : Welches uiiferer Abfielt, zu 
einer andern Zeit, ganz entgegen ift (G, $$i fc . 
M.II, 73.).' 

ä. Pflicht ge'gen Andere. Wir können 
eben fo, wie bei. der vorigen Pflicht, nicht wol- 
len, dafs die Maxime: ich will Andern nicht* 
entziehen, fie auch nicht einmal benei* 
den, aber auch zu ihrem Wohlbefinden 
und Beiltande in der Noth nichts beitrat 
cen, allgemeines Natürgefetz werde. Denn* 
venu wir uns in dem Zultande befinden follten, 
die Hülfe Anderer nöthig zu haben > würden wir 
licherlich nicht wollen , «iafs jefrie Maxime allge- 
meines Natürgefetz werde (G. 56. M.II, 74.). 

Diejenigen Maximen alfo* welche als allge- 
meines Natürgefetz nicht einmal gedacht wer- 
den können, widerftreiten unna^chlafs liehen 
tder vollkommenen Pflichten.' Es darf in kei>, 
utm Fall Jemand fich aus Furcht das Leben neh- 
men, oder ein betrügliches Verfprechen thua; 
uenn die Maximen, nach welchen diefes gelche- 
hen würde, lafTen fich gar nicht einmal als &U- 
H^ meines Natürgefetz denken. Diejenigen IVIa^ 
vimen aber, welche wir als allgemeines Naturge- 
ittz nicht wollen können, widerftreiten ver- 
dienftlichen odeT Vollkommnenan Pflichten. 
I h darf woh\ zuweilen mir ein Vergnügen ma- 



\ 



47° ' ( Imperativ. 

cfeen, wenn ich lange genug an der Erweiterung 

und Verbefferung meiner Naturänlagen gearbeitet 
habe; ich darf wohl zum Wohlbefinden und Bei- 
ftande . diefes oder jenes Menfchen nichts . beitra- 
. gen, weil ich das, was ich habe, etwa gerade 
i jetzt zum nothdürftigen Unterhalt meiner feibft 
oder zu Bezahlung meiner Schulden brauche. Es 
kommt alfo immer darauf an , ob das , was mich 
beltimmt , jetzt ein« andere Maxime zu befolgen, 
auch eine moralifche Maxime, und vielleicht «n- 
nachlafsliche oder doch dringenderer- Pflicht iit. 
Dafs aber folche Ausnahmen Platt, finden Können, 
lieht man eben daraus, weil man die, der Pflicht- 
maxinie entgegengefetzte Maxime ohne innern Wi- 
derfprueh als Naturgefetz. denken , aber nicht wol- 
len "kann. Bei den unnachlafslichen Pflichten 
liegt die Unmöglichkeit im Denken der Maxime 
als allgemeines Naturgefetz, folglich iit auch 1 kei- 
ne Ausnahme davon .möglich; bei der verd'ienltli- 
chen Pflicht liegt die Unmöglichkeit im Wollen 
der Maxime als allgemeines Naturgefetz. Bei der 
letztem i'oll ifli daher nur immer den Will e-n. 
haben, aber in Anfehung der einzelnen Handlun- 
gen iffc. es möglich , dafs es Ausnahmen gebe, 
wenn eine jjndere moralifche Maxime mich- 'b>e- 
ftimmt (tf. 57. M. II, 75*). 

So find alfo alje Pflichten von jenem kätegp-, 
rifchen Grundfatze abhängig, von welcher Art lie 
auch feyn mögen; xliefer ürundfatz beßimmt- folg- 
lich nicht nur, was Pflicht fei, fondern auch, ob, 



Imperativ. 471 

fpringenden Bedtirfnifle und Neigungen gegeben; 
jener Grundfatz aber beßimmt^ welches die mo- 
ralifche Maxime fei, nach welcher wir in Anfe- 
hung diefer Gegenftände zu handeln verpflichtet 
find, oder wie allein die darauf gerichtete Maxi- 
me fittlicji gut fei. Wir erkennen übrigens die 
Gültigkeit diefes kategorifchen Imperativs wirklich 
an, denn wir fuchen ftets die Maximen, nach 
welchen wir unfere Neigungen , . wenn |ie mit ihm 
im Widerfireit find, befriedigen, mit denselben 
io viel als möglich zu vereinigen, und erlauben 
uns (mit aller Achtung für denfelben) nur einige, 
wie es uns fcheint, unerhebliche und uns ab<:e*» 
drungene Ausnahmen (<}. 5g. £.). 

Unter der Voraussetzung, dafs es Pflichten ge- 
be, ift alfo nun „ # 

<r. bewiefen, dafs fie nur kategorifch, kei- 
nesweges aber durch hy pothetiTche Imperati- 
ven, ausgedruckt werden können; ^ 

ß. gezeigt, welches fchon viel ift, welche^ 
der Inhalt des kategorifchen Imperativs fey, der 
das Princip aller Pflicht enthalten müfste. 

Noch ift aber nicht a priori bewiefen worden, 
dafs dergleichen Imperativ wirklich Itatt finde, 
dafs es ein unbedingtes praktisches Ge/etz geba, 
und diafs es Pflicht fey, diefes Gefetz zu befolgen 
(G. 59. M. n,^77.> 

Diefe Realität des kategorifchen Imperativs ift 
auch nicht etwa aus den befondern Eigen- 
fchaften der menfehlichen Natur abzu- 
leiten; denn die frflicht foll praktifch- unbedingte 
Notwendigkeit der Handlung feyn, und alfo mufs 
fie für alle vernünftige Wefen gelten, und 
a 1 1 Qjix darum aiuh für jeden' menfehlichen 
Gefetzfeyn(M.II,73. G.fig.), f. Gebot, 5. 



* 
\ 




472 Imperativ/ " v 

* K 

> 

Der Jcategorifcne Imperativ kann alfo i nicht aus 
der Erfahrung entspringen ; , wie wohl folche 
Regeln, die wo ztf dienen fallen. Wir 'muffen' alfo 
feinem Möglichkeit blofs • mit-unferer Vernunft uq. 
terfuchen. ' 

Da der kategorifche Imperativ nicht wozu ge- 
bietet, oder nicht die Mittel zu einem aufser ihm 
liegenden* Zweck angiebt,. fo enthalt er auch 
nichts, was einen relativen Werth hat oder wo- 
zu gut ifi. Folglich mufs er etiwas enthalten, was 
einen abfoluten Werth hat oder an Jich gut ift. 
Giebt e& nun etwas, Neffen Dafeyn an fich 
felbft einen folchen abfoluten Werth hat, was 
; nicht zu einem anderfi Zweck dient , fondern 
Zweck an fich felbft iß, fo kann es auch ei- 
nen kategori&hen Imperativ geben, der alsdann 
diefes, was an lieh gut ift, oder was Zweck 
an fifch felbft ift, ausdrücken würde; oder die- 
fes würde de^ Grund eines folchen Imperativs , oder 
praktifche» Gefetzes feyn (G. 64* M. II, 33.). 

/ Wenn es alfo ein öberftes praktisches Prindip, 
oder, ein^n dem Willen kategorifch gebietenden Im- 
perativ geben foll, fo mufs er etwas gebieten, was 
Zweck an. fich felbft iß, oder den Gebrauch von et- 
was, als eines Zwecks an fich felbft, vorfchmben. 
"Denn was Zweck an fich felbft ift, das mufs 
,. w es für Jedermann feyn, weil, dafs es Zweck 
ift, nicht in diefem oder jenem Subject liegt, 
welches die Natur des relativen Zwecks ift, 
fondern in dem Gegejifiande felbft. Wäre es da- 
her nur für einige Zweck, fo wäre es relativer 
und nicht abfoluter Zweck. Entweder alfo es be- 
ftimmt den Willen gar nicht , dann iß es , gar 
nicht Zw^ck, oder es mufs jeden Willen be- 
ftimmen können* Ein folcher Gegenftand fchickt 
fich alfo allein zu einem objeetiven £rincip des 
Willens > oder einem folchen Beftimmungsgrnnd, 
der für jeden Wille» gültig ift , alfo zu einem 






I . 



Imperativ. 473 

» 

allgemeinen praktischen Gefetze. Nun ift in 
der Welt alles wozu da, nur die vernunftige 
Natur ilt allein als Zweck an fich felbft da; 
denn wäre das nicht, fo würde überall gar nichts 
von abfolutem Werth angetroffen werden, und 
es könnte für die Vernunft gar kein ober lies Prin- 
cip geben. Jeder JYlenfch (teilt lieh alfo, wegen 
ferner vernüni tigen Natur, fein eigenes Dafeyn 

i als Zweck an fich felbft vor; und folglich üt 
fein Dafeyn für ihn felblt ein Princip feiner Hand* 

i lun^en. Aber aus ebendenselben Vernuiift"rim- 
de itellt ach auch ein jedes andeie vernünftige 
"Wefen fein Dafeyn als Zweck an fich felbft 
Tor (f. Freiheit, 3a. ff,). Alfo ift die ver- 
nünftige Na{ur überhaupt (nicht die fe oder jene, 
deim der Grund liegt nicht darin p dafs es me\- 
ne eigene ilt *) ein objeetives Princip für 
den \\ iilen 4 oder ein folches , das jeden Willen 
beitirxunt, und nicht blofs den Willen c\ofes oder 
jenes Subjects. Folglich ift dies ein folches ober- 

' ftes praktifches Princip, aus welchem alle Gefetze 
des Willens muffen abgeleitet werden können. 
Der ka tegorifch^e Imperativ kann alfo ai*ch fo 

- ausgedrückt werden: handle fo, dafs du die 
vernünftige Natur (in dir felbit und in Andern, 
d. i. die Menfchheit als Subject ein^r folchen Per- 
fönlichkeit) ftets als Zweck an fich .felbft 
beh and eilt (fie folglich nie zum blofsen Mittel 
gebraucheft) (G. 66~ M[. II, 85-)- Hie Anwendung 
diefes Principsauf einzelne Pflichten f. im Arti- 
kel: Zweck, und die Expofition noch eines an- 
dern Ausdrucks- für den kategorifchen Impe- 
rativ im Artikel: Autonomie, in welchem ei- 
ne kurze Ueberficht deffen enthalten ift, was hier 
ausführlicher vorgetragen worden; auch verglei- 
che man damit die' Artikel: Expofition, AI. ff., 
Maxime und Wille (R. XXV.)* 



\ 



■ 

*) Bas Princip würde fonft auch fubjeetiv ffeyn. 



474 Imperativ. 

* Bis hierher ifi alfo gezeigt worden, wie der 
kategorische Imperativ heifsen oder was er enthalt 
ten muffe, und wie er auf verschiedene Art ausge^ 
drückt werden könne. Nun mufs 

B. gezeigt werden,, dafs der kategbri- 
fche Imperativ auch wahr^utid als einPrincip 
ja priori fchlechterdings noth wendig fei; denn 
hieraus allein folgt erft, dafs Sittlichkeit kein! 
Hirngefpinft fei (G. 96.). Wenn Freiheit des Wil-j 
Jens vorausgeTetzt wird, fo folgt die Sittlichkeit 
famt dem Jkategorifchen Princip daraus durch 
blofse' Zergliederung des Begriffs der Freiheit. 
Denn Freiheit ift diö Unabhängigkeit einer Cau-j 
falitat oder wirkenden Urfache vonfremden ile 
h e it im n\e n den Urfachen. Diefe Unabhängig- 
keit kann aber nicht Gefetzlofigkeit feyn, denn 
d$s gäbe eiiie' Caufalität ohne alle üe beltimmende 
Urfachen, welches ein Unding ift. Folglich ift 
die Freiheit die Eigenfchaft einer Caufalität,' hier 
des Willens, fich felbft tu beftinunen oder lieh 
felbft das Gefetz zu geben. Dies ift abfer das, 
was die Formel des kategorifchen Imperativs, oder 
das Princip der Sittlichkeit, ausdrückt: handle 
nach einer folchen - M~axim$ , die fich 
felbft zum allgemeinen Ge fetz e machen 
kann, (die alfo nicht durch etwas anderes, fon- 
ctem allein 4 urch lieh felbft, Gefetz ift), f. Au- 
tonomie, v 4. ff. Alfo ift ein frfeier Wille und 
ein Wille unter dem kategorifchen Imperativ oder 
fittlichen Gefetzen einerlei (G. gg.)* Indeffen ift 
der kategörifche Imperativ doch fynthetifch, 
d. h. w^nn ich auch einen fchlechthin guten Wil- 
len zergliedere; fo "findet Jich daraus \doch noch 
»pht, dafs er dem kategorifchen Imperativ ge- 
horche. Der Satz der gezeigt wird, und von dem 
behauptet Wird, er fei fynthetifch, heifst eigent- 
lich j für einen fchlechthin guten Willen gebietet 
fein Imperativ kategorifch. , Null ift ein fchlecht- 
hin guter Wille ein folcher, der nicht wozu, fon- 



• Imperativ. 475 

• / 

dem an fich felbft gut iß, oder keinen relativen, 
fondern abfoluten Werth hat. Es fragt fich; war- 
um gehorcht ein folcher Wille gerade einem Ge- 
bote, das auch nicht wozu, fondern unbedingt 
gebietet,? Es mufs alfo noch ein Drittes feyn, 
was diefe Verbindung zwifchen dem an fich guten 
"Willen." und dem kalegorifchen Imperativ möglich 
macht. Diefes Dritte foll nun eben aufgeiucht 
werden (G. 99.% f- Freiheit, 31. ff. 

Es fragt fich nehmlich: warum foll ich mich 
denn dem kategoiifchen Imperativ unterwerfen 
und zwar als ein vernünftiges Wefen überhaupt, 
warum ift, folglich ein jedes vernünftiges Wefen, 
als lolches, jenem Imperativ., unter worttn? Ich 
will .einräumen , dafs mich kein IntereiTe dazu 
antreibt, denn da würde der Imperativ nicht ka- 
tegorisch, fondern nur unter ucr Vorausfetzung 
(fub hypothefi), dafs \6\i diefes Interefle h;,tte, fulg- 
liich hypot-hetifch gebieten. Aber ich muis 
doch an diefem Imperativ nothwendig ein Inter- 
efle "nehmen, und einfeben , wie das zugehet, 
denn fonft, nähme ich kein folches Interclie an 
ihm, würde ich ihm nicht gehorchen. Das Sol- 
len in dem Imperativ würde nehmlich bei dem 
vernünftigen Wefen eigentlich ein' Wollen feyn, 
wenn die Vernunft bejl ihm dhne Hindernifs prak- 
tifch wäre. Für Wefen aber, die, wie wir, noch 
durch Naturtriebe afficirt werden, von denen das alfo 
nicht immer gefchieht, was die Vernunft für lieh 
allein thui? würde, heifst die Nothwendinkeit dei* 
Handlung, die der kategorifche Imperativ gebietet, 
nur ein Sollen, und die objeetive Notwendig- 
keit, die im Gebot ift, ift nicht auch im Subject, 
in dem ift die. Befolgung des Gebots vielmehr zu- 
fällig (G. 102. f. M. II, 152 j. 

Es fcheint alfo, als könnten wir es nicht be- 
weisen, dafs wir einem, folchen kategorifchen 
Imperativ zu gehorchen haben , und dafs er für 



I 



%%6 Imperativ* ,, ' 

uns Gefetz fey. Wir hätten dann zwar, das äch- 
te Frincip der Sittlichkeit genauer befömmt, 
könnten aber dem , der uns fragte, warum wir 
gerade der Maxime zu gehorchen haben , welche 
wir für allgemein gültig oder für Gefetz erken- 
nen, keine genugthuende Antwort geben (M. II, 
155. ©. 103,). Die Frage bleibt immer: woher 
verbindet uns das moralifche Gefetz? 1 
Freiheit, 34. ff. 
1 

Die Antwort auf * diefe Frage findet Inan im 
Artike}.: Freiheit, 34. ff. infonderheit 38 — 40. 
f. auch: Intelligenz, 3. 

Es erhellet au$ dem, was dort gezeigt wird, 
dafs man die-Frage: wie- ein kategorifcher 
Imperativ möglich fey, fo. weit beantwor- 
ten kann, 



> > 



a. dafs man die einzige Voraussetzung ange- 
ben kann, unter der er allein möglich ifi, nehm- 
lieh die Idee der Freiheit; 

^ b. dafs man die Notwendigkeit diefer Vor- 
ausfetzung einf eben kann (f. Freiheit, 40.), wel 
ches zur Üeberzeugung von der (Gültigkeit des 4ia«i 
tegorifchert Imperativs hinlänglich ilt; aber 

c. wie diefe Voraussetzung felbß rnö glich iß 
das läfst lieh duroh keine Vernunft jemals einfe 
1 hen (f. Autonomie, ü. u. Freiheit, 41 u. 45.] 
(6. 104. M>II, 1580- 

Es ift aber kein Tadel für diefe Deductior 
des oberfien Princips der Moralität, dafs fi^ 
ein unbedingtes praktifches Gefetz oder einen kaj 
tegorifchen imperativ T feiner abfoluten Nothwenj 
digkeit nach nicht begreiflich, machen kann. Diel 
[es ift- vielmehr ein Vorwurf, den man der menfeh 
liehen Natur überhaupt machen smijfste , d^ie blof 




t^jUA. .j f ' 



I 

\ 





Imperativ. 477 

dos Bedingte aus feiner Bedingung begreifen kann, 
Dafs diefe Deduction aber das moralifche Ge- 
fetz nicht -von einer Bedingung, nehm lieh von 
irgend einem zum Grunde gelegten Int er eile, ab- 
leiten will, kann ihr nicht verdacht werden; 
denn dann wurde e$ kein moralifche 8, d.i. ober- 
fies Gefetz eine» freien Willens feyn, fondern 
eine p-athologifche, d.i. durch das Gefühl der 
Luft der Vernunft dictirte Vorschrift eines den 
Neigungen dienenden Willens. Und fo begrei- 
fen wir zwar nicht die praktische unbeding- 
te Noth wendigkeit des kategorifchen Imperaths, 
W begreifen aber doch feine Unbegreiflich- 
keit. Mehr aber kann man von einer Philoso- 
phie, die bis. zur Grenze der nien Schlichen Ver- 
nunft in Frincipien itrebt, nicht fordern (G. 123.). 

Es mufs Anfangs allerdings befremden, an 
dem oberften Grundsätze- der Sittenlehre oder 
dem kategorifchen Imperativ ein fo einfaches Ge- 
fetz zu finden, wenn man an die grofsen und 
mannigfaltigen Folgen denkt, welche daraus ge- .. 
zogen werden können. So *ift jede Maxime der 
Moral zuwider, die fich nicht, nach der Forde* 
ning dieses Imperativs, dazu quqlificirt, als allge- 
meines Gefetz gelten zu. können. Auch mufs das 
gebietende Anfehen diefes Gefetzes , ohne dafs es 
doch fichtbar • eine Triebfeder . bei fich fuhrt., in 
Verwunderung fatzefl. Es lehrt uns nehtnlich 
das Vermögen nn fr er Vernunft, durch die blofse 
Idee, dafs floh eine Maxime zur Allgemein- 
heit eines praktischen Gefetzes qualificire, die 
Willkühr.zu befiimmen. Und fo machen diefe 
praktischen Gefetze (die moralifchen) zuerit eine 
Eigenfchaft der Willkuhr . (der Freiheit) kund, auf 
die keine fpeculative Vernunft weder aus Gründen 
a -priori, noch durch irgend eine Erfahrung ge- 
rathen hätte (JBLXLVIJI,)- Ja, wenn auch die 
fpeculative Vernunft darauf gekommen wäre, fo 
hätte fie doch die Möglichkeit jener Eigenfchaft ' 



j 



/ 



I 

478 Imperativ. 

durch nichts, darthun können. Gleichwohl thun 
jene praktischen Gefetze diefe Eigenfchaft, nehm- 
lich die Freiheit, unwidferfprechlich dar. * Wenn 
man dies bedenkt, fo wird es weniger befrem- 
den, diefe Geletze (gleich mathematischen Poftu- 
laten) unerweislich und doch apbdikt^fch 
au finden. Auch wird man lieh nun nicht Ter* 
wundern; zugleich ein ganzes Feld von prakti- 
fchen ErkenntniiTen vor (ich eröffnet zu fehen, 
wo die Vernunft fo wohl in Anfehung derfelben 
Idee der Freiheit, als auch Jeder anderer ihrer 
Ideen des Ueber finnlichen , im Theoretifchen 
'alles fchlechterdings vor fich verfchloflen finden 

mufs (R. XXV: f.) - . " 

» 

Uehrigens da die Verbindlichkeit, welche der 
kategorifche Imperativ ausfagt, tiieht blofs prak- 
tifche Notwendigkeit (dergleichen ein Ge- 
fetz überhaupt ausfagt), fondern auch Nöthigung 
enthält, fo ift diefer Imperativ entweder ein Ge- 
bot- oder Verbot -gefetz, nachdem die Bege- 
hung oder Unterlaffüng als Pflicht vorgeftellt 
wird (P.JXXL). 

v so. Moralifcher Imperativ, f. Impe- 
rativ, kategorifcher. 

- 

21. Pragnlatifcher Imperativ, Impe- 
rativ der Klugheit, Anrathung, f. Ge- 
schicklichkeit, 6. 7, 9., Qebot, 5. u. Prag- 
m'atifch. 

22. Prdblematifcher Imperativ, f, Ge- 
f chicklichkeit, 5, €♦ f. u/Gebot, 3. 

23. Technifcher Imperativ,' Impera- 
tiv der Gefchicklichkeit, Kunftvorfchrif t, 
f. Gefchicklichkeit, 3. ff. 7. j£ uu Imperativ, 
bedingter. 



• • - ' • • 1 



Imperativ. Iricorruptibilität Individuum, 479 

34. Unbedingter Imperativ, f. Impe- 
rativ, kategorischer. 

25. Man kann lieh alle möglichen Imperati- 
ven in ihrem Zufammenhange untereinander, und 
nach ihrer fpeciiifchen Verfchiedenheit, x am heften 
fo vorfiellen ; , 

Die Imperativen find 



f — ^«^— »-» 1 . ■ 11 1 ■ 1 <v < 



hypöt h c t iTche oder kateg-orifch© 

Regeln der G e fchicklich- praktische Gefetzo 

keit überhaupt I 



-A- 



piobl ematifche; a f f ertOTif ch ej . apodik ti fehe; 

iie£nd technifch; fiefindpr agma- fie Und praktif ch; 

— • tifch; 

. Kegeln der G e- jRathfchlä?e Gebote der S 1 1 1* 

Ic hicklichkeit odeT der Klugheit lichkeit oder Mp- 

KunJtvorfch^if- oder Wokl- xalgefetze, 

t e n . f * x t k «regeln, * 

(M.n, 59. g. 43.). ' , . . 

Kant. Critik der rein. Vern. Methodenlehre IT. Hanptft. 

L Abfchn. S. Q^o. 
D ef f. Grundleg. zur Met. der V S. Ü^Abfchn. S. 36. ff. — 

III. Abfchn. S. 98. & 
D ef f. Crit. der prakt. Vern, I. Th. I. B. I. Haupt*.. S. ^6. ff. 
D e ff. Met. Anf. der Rechtsl f Einleitung. §. Y. f. S. XIX* f. 



Incorruptibilität, 



s 



f. Unver wesiichkelt. 



Individuum, 

einzelnes Ding, individumr* > fingulare, in- 
dividu. Ein Ausdruck , der gebraucht wird, 
um damit ein folches Ding zu* bezeichnen, wel- 
ches durchgängig befiimmt ift, d. i. alle Beliini- 
mungen hat, welche in einem Dinge zufammen 
möglich find. Eine Idee in individuo heifst alfo 



- 1 



1 






480 Individuum. , , ! 

' i 

i 
i 

ein einzelnes Ding, welches durch die Idee allein! 
nicht nur beiKmnibar (denn alsdann ift es nur 
noch ein Begriff),' fondern durchgängig beibimmt ' 
ift; und welches Kant daher ein Ideal nennt, 
Wefii} nehmlich einem Dinge von allen mögli- 
chen lieh einander widersprechenden Prädicatenj 
eins beigelegt werden ijaufs (entwfed^r das, be]a-j 
hende oder verneinende), fo ift es durchgängig j 
beftimmt. Es ift nicht blofs dem allgemeinem 
Dinge {iiniverfale) entgegengefet^t, ein Ausdruck,! 

-welcher bezeichnet, daj's das Ding ein blofser 
Begriff ift, dem von je zwei einander con-; 
tradictorifch - entgegengefetzten Prädicaten nur 
eins zukommen kann, welches folglich alle die 
Beftvnmuiigen^ haben kann, die dadurch ihm bei-i 
gelegt werden können, dafs ein Prädicat mit fei- 
nem contradictorifchen Gegen theil verglichen wird.! 
Sondern es unterscheidet, fich auch dadurch von 
einem Dinge in concreto ^ dafs es ein folches ift, 

'deren, es nicht mehrere giebt. Ein Baum ift eini 
Begriff, und von allen Prädicaten die fich einan-! 
der contraejictorifiph entgegengefetzt lind, kann 
ihm, nach derrt §at#e des Widerfpruchs eins zukom- 
men/ Ein Baum, cier wirklich in der Natur! 
^orhandeii ift, ift ein. Baum in concreto. Solcher! 
Bäume giebt es indeflVn mehrere, in fo fern fie! 
blofs den 'Begriff in concreto , oder in der Wirk-I 
lichkeit , darfiellen. Aber jeder Baum als Indivi-! 
duum ift hur einmal vorhanden, und einem 
folchen" kömriit / wfenn ich mir alle Prädicate (Ac- 
eidenzen) als den Inbegriff der gefammteft Mög-i 
lichkeit vorftelle, jedes diefer Prädicate felbft zul 
oder nicht, wodurch es alfo nicht, wie ein Be* 

, griff, b'eftimmbar,, fondern wirklich beftimmt 
yfiii So find die Menschheit in ihrer -ganzen VollJ 

-komrhenheit, der Weife des Stoikern, Gott, Idea- 
le oder Ideen in individuo . oder können nur als 
einzelne Dinge, deren es nicht mehrere giebt, 
gedacht werden (C. 596.) 



1 
1 



' v Inneies. 431 

Inneres. 

internum, Interieur. Durch diefes Wort drückt 
man den Begriff aus , welcher die Reflexion der 
Urlheilskraft möglich macht, dafs das Ding flicht 
in Beziehung (Relation) auf irgend etwas von ihm 
Verfchiedcne» gedacht.' werden foll. Das Innere 
eines Dinges wäre alfo das, was von ihm ohne: 
alle Relation (Verhältnifs oder Beziehung zu et- 
was von ihm Verschiedenen) kann gedacht wer- 
den. Im Felde der Erfcheinungen (in der Natur) 
giebt es aber, in diefem Sinne f kein Inneres; * 
denn eine Subftanz in der Erscheinung hat nur 
Verbal tnilTe zu ihren' Beltimmungen, ' fie ift ein 
Inbegriff von lauter Relationen. ' Im Raum ift 
nehnilich blofs Materie, die wir allein durch ihre 
Undurchdringlichkeit oder Anziehung, d. i. durch 
Zuruckftofsung , wenn andere Materie ijx den 
Raum eindringen will, den fie erfüllt 9 oder 
dadurch, dafs fie andere Materie nach lieh zu 
treibt, kennen, folglich durch ihr Verhältnifs 
zu andrer Materie. Nun haben wir zwar einen 
inner n Sinn, und was in demfelben fich befin- 
det, fcheint doch das Ifmere zu feyn. Allein 
hier bezeichnet die Vorftenung des Innern nur, 
dafs das, • was als der Zuftand unfers Gemüths 
angefchauet wird, d.i. Gedanken, Gefühle, Bil- 
der der Einbildungskraft u. f w., nicht im Raum 
ift, fondern durch einen Sinn vorgeßellt wird, 
der ganz unterfchieden ift von dem, durch wel- 
chen uns räumliche Gegenftände vorgefiellt werden 
(C. 57.). Uebrigens aber haben die Gegenftände 
des innern Sinnes (die Vorstellungen) ebenfalls 
keine inneren Beftimmungen r oder folche Prädi- 
cate, die ihnen ohne alle Beziehung auf etwas 
von ihnen Verfchiedenes zukämen (C* 331.)» Denn 
alles", was befiimmf werden £oll 9 mnfs durch et- 
was beftimmt werden, was erft von demfelben 
getrennt und für fich , und dann erß als Beitim« 
mung des Subjeets gedacht wird« Daher hat man 

Melllns philo/. fVorterb. 5. Bd. H h 



> 



. * 



482 ' Inneres. 

• 

auch eiii Urtheil fo erklärt, es fey' die Vorfiel 
lang eines Verhältnifles iwifchen zwei Begrifleii 
OS nun gleich diefe Erklärung unbefriedigend 
yt, weil fiejerßlich nicht alle Arten von Ir 
theilen umfafst, indem es Urtheile giebt, in wel 
chen das Verhältnifs zwifchen zwei Ur theilen vor 
geftellt wird , zweitens- nicht beftimmt wird 
worin das Verhältnis bei dem Urtheil beitehe 
(C. 140. f. M,I, 156.); fo ift fie doch darum, nirh 
unrichtig, weil in der That in jedem Urtheil 
eine Beziehung (Relation) gegebener Erkennt 
nifTe ausgedrückt wird. Begriffe aber bezie 
hen fich nicht nur als.Prädicate zu möglicher 
Ürth'eilen auf irgend eine Vorltellung von einen 
noch unbeltiinmten Gegenfiände; fondern lind aucl 
rvjir dadurch Begriffe, dafs unter ihnen an de 
re Vorfiellungen ehthalten find, vermittelt deren 
lieh der Begriff auf Gegenfiände beziehen kann 
(C.n 94-). Die Bilder der Einbildungskraft itcL 
len fiets etwas Räumliches vor, und die Gefühl* 
drücken felbft ein Verhältnifs aus, nehmlich das 
des Gegenftandes zum , Begehrungsvermögen , ob 
er begehrt oder verabfeheuet werde , und ex 
kann alfö zfwar unmittelbar gefühlt, aber ohne 
£ie Vorfiellung eines folchen Verhältnifles nicht 
gedacht werden. Aus diefem allen folgt, daß 
auch im . inneren Sinn nur Beziehung , abet 
nichts Inneres, nichts dem Gegenfiände phne Be^ 
ziehung Zukommendes * vorgefiellt werden kann. 
Die« kann aber auch nicht anders feyn, es liegt 
in der Natur unfers Verfiandes, der nicht anders 
als- auf diefe Art , durch . Beziehungen erkenne^ 
kann, welphes eben beftimmen oder Prädicate bei- 
legen <heifst. Wir können uns daher vom Den- 
ken eines Gegenftandes durch das, was ihm ohne 
Beziehung (innerlich) zukäme, nicht einmal 
eine Vorltellung machen, denn unfer Begriff da- 
von i(t blofs negativ, er enthält blofs die Vernei- 
nung der ErUenntnifs eines Dinges durch Bezie- 
hung auf ein anderes. * Ein ©ing folglich , da* 



• < 



1 



j 



I 



k _ 

Inneres. 483 

■ * 

io erkannt wurde., müfste unmittelbar, nicht ver- 
mitteln: andrer Vorftellungen erkannt werden. 
Unmittelbar erkennen heifst anfehauen , da nun . 
aber das finnliche Anfehauen blind if^* f wenn es 
nicht auf Begriffe gebracht und fo *on 'dem Ver- 
ftande gedacht wird; fo müfste es alfo ein an- 
fchauender Veritand feyrt , efer das Innere erkennt 
te, den wir aber nicht haben y und von dem wir 
uns wieder nur einen negativen Begriff machen 
oder denken können, was er nicht ift, aber nicht, 
was er ift. Hieraus folgt, dafs das Innere ei- 
gentlich das feyn würde, jras nicht Erfchei- 
nungiß, aber doch zum oberften Erklä- 
rungsgrunde der Erscheinungen dienen' 
Kann (Pr. 167.). Diefes wird uns aber, alle Na* 
tnrwiflfenfchaft niemals aufdecken, weil diefe nur 
die Wiflenfchaft von ,den Erfcheinungen ift, oder 
dem eigentlichen Felde untrer Erkenntnifs, indem 
uns zu dem Innern der Dinge der Zugang durch 
die Natur im fers Erkenntnifs Vermögens gänzlich 
verfchloflen ift. Wir haben alfo hier zweierlei 
Bedeutung des Inneren auseinander gefetzt: 
nach der einen druckt es aus , dafs der Gegen- 
fiand von dem blofsen (reinen) Verftande, ohne al- 
le Beziehung auf etwas von ihm Verfchiedenes, ge- 
dacht werden foll; nach der andern, dafs er nicht 
als im Raum , fondern blofs in unferm Gemüth 
befindlich vorgeftellt werde. Beide Bedeutungen 
hat Leibnjtz mit einander verwechfelt. Er mein- 
te, das Innere der Dinge muffe nicht räumlich 
feyn, weil im Raum blofs Verhältniffe find; es 
muffe aber das Innere der Dinge blofs aus vorftel- 
leudein Kräften- beliehen, weil der innere Sinn 
nichts anders als Vorftellungen kennt. Aber das 
Prädicat innerer vom Sinn gebraucht, drückt 
eine Verfchiedenheit iil Beziehung auf den Sinn, 
und vom Gegenftande, um von ihm die Erkennt- 
nis durch Beziehung zu verneinen,* gebraucht, 
^e V^richiedefnheit' in Beziehung' auf den Ver- 
^*4filS& Solche Gegenftande nun, die an und 

* Hh ä 



r 



464' Inneres* 

für ficli , ohne alle Beziehung , keine Ausdehnung 
haben (nicht räumlich find), folglich nicht zufam- 
mengefetzt, -fondern einfach und blofs vorteilen- 
de Kräfte find, nannte Leibnitz Monaden, und 
aus ihnen meinte er, müfle auch alle Materie (das 

' Ausgedehnte aus dem . nicht Ausgedehnten , das 
wä^e alfo ungefähr fo, wie eine Linie aus Punc- 

' ten) zufammengefetzt feyn (C. 521. M. I, 364.). 
Aber es üt nicht zu glauben, dafs Leibnitz, ein 
fo grofser Mathematiker! die Cörper aus JVIona- 
den (und hiermit auch den Baum aus einfachen 
Theilen) habe zufanijnenfetzen wollen. Er mein- 
te nicht die Cörperwelt, fondern das, wap iie 
nicht als Erfcheinung, fondern an fich feyn möch- 
te, oder ihr für uns unerkennbares Subiirat, die 
intelligibele Welt, . die blofs in der Idee der Ver-, 
nunft liegt. Und da iß es allerdings richtig;, 
dafs das Ding an fich, da die Ausdehnung und 
Räumlichkeit, .welche blofs zur Erfcheinung ge- 
hört, und von der Befchaifenheit unferer Sinn- 
lichkeit herrührt , von demfelben, verneint 
wenden mufs, nicht zufammengefetzt, 'und alfo 
das in der Erfcheinung Zufammengefetzte, als 
in der intelligibeln Welt, aus einfachen Sub- 
stanzen (Monaden) beßehend gedacht werden muf- 
fe." Auch fcheint er mit Plato dem men fehl ich en 
Geilte ein urfprüngliches, obzwar jetzt nur ver- 
dunkeltes, 4 intellectuelles (Verfiandes-) Anfchauen 
diefer ' überfinnlichen Wefen beizulegen. . Er 
ineinte aber nicht, dafs der Veirltand die Sinnen- 
wefen auf diefe Art anfehauete, denn diefe hielt 
er für Gegen ftände einer befondern Art von, An- 
schauung (d eh in lieh durch Sinne) , deren wir al- 
lein zum Behuf der für uns allein möglichen 
Erkenntnifle fähig find, folglich, fo wie Kant, 
für blofse Erfcheinungen in der itrengften Bedeu- 
tung des Worts, /oder für (fpeeififeh eigentüm- 
liche) Formen der Änfchauung. Leibnitzens An- 
hänger halben theils diefes fein Syfiem mifsverfian- 
4e*i, tlieiis das Fehlerhafte in demfelben, dafs er 



Inneres. 



485 



inconfeqtient behauptete, die Sinnlichkeit fei eine 
verworrene Vorfiellungsart, gar für feinen Haupt- 
begriff gehalten , und fo das Syßem des MeifterS, 
der als ein grofser Kopf auf dem richtigen Wege 
war, gänzlich verKarin t (E. 121. f.). Im Mora- 
lifchen giebt es ein Inneres, . z. H. der innere 
Werth einer Penfon, d. i. der Werth, der auf den 
GrundfAtzen beruhet, nach welchen fie denkt und 
handelt. Aber diefes Innere ift auch nicht Er- 
fcheinung, fonderh etwas Intelligibeles , und da- 
her unerkennbar. Je weniger eine gute That 
durch den Ein Hufs der finnlichen Gegenltände auf 
das Begehrun gsverftipgen des Thäters hervorge- * 
bracht wurde , defto mehr können, wir fie den 
guten Grundfätzen cteflelben zufchreiben,« von der ( 
nen uns aber gänzlich unbekannt iß, wie fie un- 
fern Willen beitimmen können, wie whr ein In- 
terefle a*n der That nehmen können, eben darum, 
weil fie keine Natururfachen find (G. 2.). 

2. Hieraus iß nun die Bedeutung des Worts: 
das Aeufsere, fchoh an fich klar, ohne dafs es 
einer weitläuftigen Erörterung bedürfte, denn das 
Aeufsere iß, in beiden Bedeutungen, das Ent- 
gegengefetzte* des 'Innern. Folglich iß das* 
Aeufsere der Begriff der Urtheilskraft, % durcl\ 
welchen ihr die Reflexion möglich wird, dafs der. 
zu beurtheilende Gegenfiand in "Beziehung auf et- 
was von ihm Verfchiedenfcs Tbeurtheilt oder gedacht, 
denn beides ift eiherlei, werden foll (C. 321.). Der 
aufser e Sinn aber heifst nicht de/, durch wel- 
clien wir gewifle Gegenftände, Hofs vermittelß 
ihrer Beziehung auf einander, uns vorftellen, denn 
das gefchieht auch durchs den innern Sinn ;' fondern 
diejenige Eigfcnfchaft des Gemüths, durch welche 
wir uns Gegenftände als aufser uns, als nicht] 
Mofs, in unferm Gemüth befindlich, und insge-jl 
fammt im Baume, vorftellen (C. 37.). Die Zeit 
kann auf serlich' nicht angefchauet werden, d. i, 
fie wird nicht als etwas im Baume, aufser un- 



48$ Inneres* 

fertji Gemüth Befindliches, angefchauet« Und eben 
fo kann wieder der Raum nicht als etwas in -uns, 
in unferm Gemüth Befindliches, ; angefchauet wer- 
den, ob er wobl wirklich blofs etwas in imfermj 
Gemüth Befindliches ift, und es aufser unfern Vor- 
stellungen keinen Raum und keine Cörperwe£t (ob- 
wohl ein intelligibeles Subitrat derselben feyn mag;) 
geben kann (C, 37.), Aeufsere Erfahrungen lind 
daher folche, d ite im Raum gemacht werden ; äu l s e r e 
Erscheinung ift eine folche, die lieh im Raum b«*» 
findet; äufsere.. Anfchauung eine folche, der 
die Vqrftellung des Raums »um Grunde. Jiegt (C. 
38» fj. • 

.3. Endlich giebt es noch eine Eintlieilung 
an das Schlechthin- und Com parativ - In- 
nerliche, Das Schlechthin - Innerliche ift 
dasjenige, was wir bis jetzt unter dem, Innern 
dem reinen Verfiande nach verltan den haben, da 
es n^hmlich ausdrückt, dafs ein Gegenftand nicht 
in Beziehung auf etwas von ihm Verfchiedenes 
\ gedacht weidfe. Was der Materie -inner lipli eu- 1 
' kommt, fuchen wir in allen Theilen des Raumes, 
den fie einnimmt, ' und in allen Wirkungen, die 
fie ausübt, und die freüich ± nur « immer Erschei- 
nungen äufserer- Sinn«, alfo blofs VerhäHniffe, feyn 
können. Wir haben alfo nichts Schlechthin- 
fondern lauter Comparativ- Innerliches. Daa| 
Comparativ - Innerliche ift nehmlich das, 
was einem Dinge zukommt, wenn ich es an und 
für ,fich felbi\ betrachte. Da find freilich alle 
feine Beftimmungen immer nur durch Beziehung 
auf etwas Anderes denkbar, aber ich betrachte 
doch das Ding felbft und nicht fein Vfcrhältnifs zu 
andern Dingen. Dips letztere ift fein Comparativ- 
Aeufserliches. Wenn ich das Cotnpäfrativ • Innere 
eines Tifches betrachte, fo beftimme ich fein 
Tifchblatt. feine Beine, das Holz, woraus er 
verfertigt ift , feine Gröfse. Das Cojnparativ- 
Aeufsere delTelben aber ift das , was ihm zukommt, 



Inneres; 487 

.. . \ 1 

wenn ich ihn mit etwas anderm vergleiche, ode/* 
feine Lage betrachte , z. B. ob er gröfser oder 
kleiner ilt, als ein anderer Tifch, wo er fieht, 
wie er gefallt u. f. w. Das Schlechthin« Aeufoere 
iß, was durchaus nur durch Beziehung zu etwas 
Anderm erkannt wird. Das Comparativ • Innere 
ift daher eben fo wie das Comparativ - Aeufsere 
auch fchlechthin äufserlich, nur betrifft 
das erfiere das Ding, felbft, das andere feine Ver- 
hältniffe zu andern Dingen 9 obwohl das Ding 
felbft, gefetzt es fei auch in dem innern Sinne, 
immer nur durch YerhältniiTe erkennbar ift. Das 
fchlechthin, dem reihen Verftande nach, Inner- 
liche der Materie ift auch eine blofse Grille. 
Denn die Materie ift gar kein Gegen ft and für den 
reinen Verftand. Wollen wir aber das transzen- 
dentale Object erkennen, welches der Grund .der 
Erfcheinung feyn mag, die wir Materie nennen, 
fo ift diefes ein blof&es Etwas, wovon wir nicht 
einmal verftehen wurden, was es fei, wenn «s 
uns auch Jemand fagen könntet Denn wir kön- 
nen nur.folche Worte verftehen, denen etwas in. 
unferer Anfchauung correfpondirt. Wenn die 
.Klage, »wir fehen das Innere der Dinge gar 
nicht ein , fo viel bedeuten foll , als , wir be- 
greifen nicht durch unfern reinen Verftand, was 
die Dinge, die uns erfcheinen, an fich, ohne fie 
mit andern zu vergleichen, feyn mögen; fo ift 
fie ganz unbillig und unvernünftig. Denn diefe 
Klage will, man fplle ohne Sinne Dinge erken- 
nen, mithin anfehauen können. Das heifst aber, 
^rir tollten ein Erkenntnifs vermögen haben, wel- 
ches von dem n\enfchlichen nicht blofs dem Gra- 
de , fondern auch Togar der Art nach (fpeeififeh) 
gändich unter fchieden wäre. Dann miifsten wir 
aber nicht Menfchen, fondern Wefen feyn, von 
denen wir felbft nicht einmal angeben können, 
ob fie 1 auch möglich find, viel weniger noch ob fie 
exiftiren öder wirklich find, und wierrfie beschaf- 
fen ijjByd, . Ins Innere (die comparativ -oberften, 



4ß& Inner]. Intellectuell. Intellectuiren.Intellig. 

aber" doch finnlich - erkennbaren Gründe) der Na-,i 
tur dringt Beobachtung und Zergliederung der Er- 
fcheinüngen, und man kann nicht wiflen , \rie weit 
\ diefes mit der Zeit gehen werde. Jene transfpen- 
dentalen Fragen aber, die üb£r die Natur (die i 
Erfcheihungen) hinausgehen, würden wir bei al-, 
lern dem doch niemals beantworten könneh, wenn; 
uns /auch die ganze Natur (der ganze Inbegriff derj 
Erfcheinungen) aufgedeckt wäre. Denn es ift unsi 
ja nicht einmal gegeben, unfer eigenes Gemüth! 
andefs, ,als mit unferm innern Sinn anzufchanenj 
Und in unferm Gemüth liegt doch das Geheimnifs 
des Urfprungs unferier Sinnlichkeit. ' Die Bezie-; 
hung unfrer ' Sinnlichkeit auf ein Object, und! 
was den transfcendentale Grund diefer Einheit fei, 
die wir Gegen ft and nennen, bleibt durch blof- 
tfe' finnliche Anfchauung, durch die wir nur Rr-| 
fcheinungen kennen lernen , ewig ' ürierforfch lieh; 
(C 333- f) 



* i 



Innerlich, 



£ Inneres« 



Intellectuell, 



f. Senfitiv. 



Intellectuiren. 



f. SenfifijDiren. ♦, . 

/ * 

v ' ! 

Intelligenz, *' 

vernünftiges Wefeti, ( ens intelligens, intet 
ligenet, Strt intelligent. Ein Wefen*« dai 
im V ernunf tgebrauch von finnlicheij 
Eindrücken unabhängig ift (mithin z~xi { 



' Intelligeriz. T 489 

Verftanctes weit gehört) (&. 117.)- Z. U. die 
höchfte ilntelligenz, oder dasjenige Wefen, 
von welchem wir glauben , dafs es der Weltur- • 
heberaft,. und welches wir felbft nicht arifchauen 
können, weil es kein iinnliches Wefen, keine 
Erfcheinüng feyn, nicht zur Sinnen weit gehöret? 
kann , fondern als der Grund des überfinnlichen 
Subltrats aller Erfcheinungen , felbfi ein Ding an 
lieh feyn, oder zur Verftandes- (nichtiinnli- 
eben) 'Welt gehören, und im Gebrauch feiner 
Vernunft zur Eikenntnifs nicht, "wie wir, von 
filmlichen Eindrucken abhängen . fondern die Din- 
ge erkennen mufs,« wie fie an lieh lind, und 
licht blofs, wie fie erfcheinen (C. 660.). 

« 

2. Der Menfh betrachtet fich auch als In*» 
telligenz, wenn er lichs bewufst ift, dafs er, ' 
unabhängig von finnlichen Eindrücken, 
feine Vernunft zum Handeln gebrauchen kann. . 
Er fetzt fich dadurch in eine andere Ordnung der 
Dinge, als die der Sinnenwelt ift, und in ein 
Verhältnifs zu Gründen, die feipen Willen' be* 
fiimmen, das von ganz anderer Art ift, als das, 
wenn er durch finnliche Eindrücke (Luft oder Un- 
lufi) beftimmt wird. Er denkt lieh als Intelli- 
genz, d. i. als Wefen, welches einen Willen hat, 
der fich, unabhängig von aller Sinnenlufi, iogar 
gegen diefelbe beftimmen kanji , und daher eine 
Caufalität hat, die in der ganzen Natur nicht vor- 
kömmt, nehmlich einen freien Willen; da hin- 
sehen alle finnliche Urfache -wieder von einer an- 
dem Urfache abhängt. Denn wenn er fich als 
Phänomen (Erscheinung) in der Sinnenwelt wabr- 
nimitit (welches e* wirklich auch iit), fo ilt feine 
Caufalität, in fo fern fie von aufsen (durch Ge- 
genftände) befiimmt wird, Naturgefetzen unter- 
worfen. Das ift aber kein Widerspruch. Denn 
ein Ding, wie der Menfch, kann in der Er- 
fch einung (in fö fern es z,ur Sinnenwclt gehört) 
cewiffen Gefetzen unterworfen fevn, von wtlcbni 



49 o Intelligenz. 

eben daffelbe, als Ding oder Wefeia an fich 
felbfi (als Intelligenz), unabhängig ifi. Dafs der 
Menfch aber auf diefe zwiefache Art fich felbtt 
und die Gefetze des Gebrauchs feiner Kräfte, folg- 
lich aller feiner Handlungen fich vorftelien, oder 
beides aus zwei Standpuncten betrachten miilTe, 
beruht, was das erße, dafs er 1 Erfcheinungl iit, 
betrifft,, jauf dem Bewufstfeyn,' dafs er durch 
Sinne sfficirt wirdj was das zweite aber betrifft 
(dafs er Intelligenz ift) auf dem Bewufstfeyn f dafs 
er unabhängig "von iinnlichen Eindrücken handeln 
kann (G. ioQ.£. 117. M. II, 140, 151.)» 

3. Die Canfalität 'falcher Handlungen, die 
nur mit Hintan fetzung aller Begierden und finnis- 
chen Anreizupgen gefchehe^ können, liegt in dem 
Menfchen als einer Intelligenz und in den Gefetzen 
der Wirkungen und Handlungen einer intelligibe- 
Jen Welt (d. i. eines Ganzen vernünftiger Wefen, 
als Dinge an fich felbft) f von der der Menfch 
•aber nichts weiter Mceifs; als dafs darin lediglich 
die Vernunft das. Gefetz gebe. Und zwar giebt 
blofs reine Vernunft das Gefetz in der 'Verfiandes- 
torelt, d.i. die Vernunft, in fo fern fie von Sinn- 
lichkeit unabhängig ifi, oder fich nicht« durch 

. finnliche Eindrücke zu Handlungsregeln beltimmen 
läfst. Da nun der Menfch lediglich als Intelli- 
genz das eigentliche Seibit, als Menfch hinge- 
gen nur Erfcheinung diefes feines Selbffcs ifi- fo 
gehen ihn die Gefetza feiner Vernunft unmit&lbar 
und kategorisch (unbedingt) an. Wenn alfo 'Nei- 
gungen und Antriebe, -mithin die ganze fctatur 
der Sinnenwelt, ihn anreizen, fo kann das den 
Gefetzen feines Wollens, als einer Intelligenz,! 
Keinen Abbruch thun. Die Neigungen und An- 
triebe verantwortet e;r nichtp und fchreibt fie nicht 
feinem eigentlichen Selbfif, d. i. feinem Willen £U. 

"^AtTer die Nachficht, die er gegen fie tragen möch- 
te, wenn er* ihnen zum Nachtheil der Vernunft- 
gefetze des Willens Eiaflufs auf feine Maximen 



Intelligenz. IntelligibeL Interefle. 491 

einräumete, die verantwortet er und fchreibt fie 

lieh zu (G. ii6-)* 

4. Eine'Intelfigenz, lagt Kant (P. ss^.% 

ift ein Wefen, das der Handlungen nack 
der Vorltellung von Gefetzen fähig ifL 
Wenn nehmlich ein Wefen im Vernunftirebrauch 
von finnlichen Eindrücken unabhängig fevn, und 
diefer Vernunftgebrauch auf Handlungen gehen 
foll, - £0 kann es nicht durch finnliche Geteuft an« 
de zu feinen Handlungsregeln oder Maximen be* 
fümmt werden. Folglich bleibt nichts übrig, da 
die Materie des Begehrungsvermögens (der Gegen* 
ftand) es nicht zu feinen Handlungen befiimmt, 
als die Form, die feine Handiun^sreael hat. d.h. 
dafs es darum eine Handlung thut 9 weil es lieh 
die Begel, durch die es lieh diefe Handlung vor- 
fchreifct, als allgemein und noth wendig für jedes 
vernünftige Wefen denken kann, und nur nach 
folchen Beteln, welche diele Form haben, oder 
um diefer Form willen, d.h. nach Gefetzcn, weil 
es Gefetze lind, handeln will. Die CauiVitit 
(das Vermögen zu wirken oder zu handeln) ei* 
nes folchen Wefens nach diefer VorfLeilunz der 
Gefetze ift ein Wille. Folglich kann mr.n a-ich 
lagen,, eine Intelligenz iß ein Wefen f das 
einen Willen hat (P. £25.). 



Intelliscibel, 



f. Senfibel. 



Intereffe, 



approbaüo 9 interit. Die Abhängigkeit 
^inea zufällig beftimmbaren Willens 
von Principien . der Vernunft (G. 53 •).)• 
Ein Wefen nehmlich, das einen abhängigen Wil- 



\ 



492 Intereffe, 

len hat, d.i. einen folchen', der nicht von felhft 
jederzeit der Vernunft, fondern auch wohl bk)f- 
fen Naturtrieben«, gemäfs ift, wird nicht no-th- 
Wendig von Gründen (Vorfchriften) de* Vertmnft 
zum Wollen beftimmt, fondern kann von einer 
folchen Vorschrift dazu^ beftimmt -werden oder 
nicht, d. i. der Wille iß mir zufäll ig 'beftimm- 
barä Wenn nun ein Vernunftgrural oder eine 
Haridlungsregel dennoch den Willen beftimmt, fo 
inuls noihwendig iine Urfache dazu da feyn, wel- 
ehe macht, daf$ der Wille dadurch beftimmt wird, 
weil diefe Beftimmung nicht nothwendig ift. Die- 
fe Urfache macht alfo, dafs> die Wirkung,' die 
JVillensbefiimmttng, * nothwendig erfolgt, und 
, diefe Wirkung jener Urfache, diefe t Dependenz 
pder Abhängigkeit der WillensbeftimmUng, dafs fie 
erfolgen mufs, heifst das Intereffe. "Gottes 
Willen kann «man fich nicht'*anders als fo denken* 
dafs er von 'felbft jederzeit der Vernunft gemäfs 
ift; alfo kann bei demfelben auch kein Interef- 
fe fiatt finden (P. 141.)- Der menfchliche v Wille 
ift aber nicht immer der Vernunft gemäfs, fon- 
. dem kann auch die Maxime haben; blofs eine 
Neigung zu- befriedigen. Bei ihm findet alfo itets 
ein Intereffe fiatt. Nur kann er ein Intereffe 
Woran nehmen, und auch aus Intereffe han- 
deln, n Beides ift zweierlei.- Wir nehmen wor- 
an ein Intereffe , wenn es nicht der Gegenftand* 
ift, der uns intereflirt (oder abhängig macht von 
der Regel, nach . welcher der Gegenstand erlangt 
oder wirVUch gemacht wird), fondern die Hand- 
lung. Diefcs Intereffe ift das prakjiXche, und 
befteht ; in der Abhängigkeit des Willens von Prin- 
zipien, der Vernunft an fich felbft. Dann wir- 
ke ich felbft ein Intereffe oder mache mich felbft 
abhängig vom Gefetze meiner eigenen Vernunft, 
weichte Abhängigkeit aber die für ein linnlich •Ver- 
nünftiges Wefen allein mögliche Freiheit des 
Willens ift. Wir »handeln aus Intereffe, wenn 
es nicht die Handlung ift, die mich intereflirt, 



i\ 



Intereffe. 493 

fondern der Gegenftand, der dadurch gewirkt oder 
erlangt wird. Diefes Intereffe ift .das patholo« 
gif che , und befteht in der Abhängigkeit des 
Willens von Principien der Vernunft, aber zum 
Behuf der Neigung. Dann giebt die Vernunft 
nur die pjakrifche Regel an, aber fie enthält, wie 
dem Bedürfnifs der Neigung abgeholfen werden 
kar;n, und dies iii es, was da macht, ddfs uns 
die Regel beltimmt. Wir find von der Regel ab- . 
hängig, weil wir von der Neigung abhängig lind; 
und die Regel intereflirt uns nicht unmittelbar 
felbft, alfo auch nicht blofs die Handlung, die 
fie vorfchreibt, fondern der Gegenftand, auf Miel- 
chen die Regel gerichtet ift. . Der Gegenftand ift 
mir angenehm, darum- befolge ich die Regel; da 
hingegen das praktifche Intereffe dann befleht, 
dafs ich mir die Handlung angenehm mache, weil 
ich die Regel zu befolgen, für Pflicht erkenne, 
oder fie für das Gefetz meines Willens anerkenner 
(G. 33*). Denn beim Wollen, aus Pflicht mufs 
durchaus kein Intereffe den Willen beftimmen (G. 
71.), f. Autonomie, 6. f. 



2. Diefes Intereffe iß eigentlich ein Gefühl« 
Es ift das Gefühl, wodurch die Vernunft prak- 
tifch-, d.i. eine folcheUrfache wird, die den Willen 
beftimmt. Vemunftlofe Gefchöpfe fühlen nu* finn- 
liche Antriebe, vernünftige Gefchöpfe aber han- 
deln immer nach Regeln oder Maximen , und ma- 
chen fichs entweder blofs um diefer Antriebe wil- 
len Zur Regel, fie' zu befriedigen, dann handeln 
fie aus einem (pathologiCchen o^er leidenden) 
Intereffe ,an einem Gegenstände; oder fie machen 
lieh zur Regel, diefe Antriebe zu befriedigen öder* 
nicht, je nachdem es mit dem Gcfetze üherein- 
ftüumt oder nicht, dann nehmen fie ein (prakti- 
fches oder felbft gewirktes) Intereffe an der 
Handlung, weil fie um des Gefetzes willen ge* 
fchieht. Ein unmittelbares Intereffe nimnit 
die Vernunft nur alsdann an der Handlung , wenn 



49* 



Idtereffe. 



c}ie Allgemeingfiltigkeit der Maxime derfelben ein 
genuglamer üeßimmungsgrund des Willens iß. 
Ein folches Interefle ilt allein rein. Wenn die 
Maxime aber den Willen nur vennittelft eines Ge- 
genftafvdes des Begehrens , oder unter Voraiusfe- 
tzung eines befondern Gefühls des Subjects beltim- 
xnen kann, fo nimrpt die Vernunft nur ein mit- 
telbares InterefTe an der Handlung. Uxjd,. da 
die Vernunft für fich allein weder Gegenstände 
des Willens, noch ein befonderes dem Willen 
zum Grunde liegendes Gefühl ohne Erfahrung aus- 
findig machen kann, fo' üt ein folches Interefle, 
clas den Willen vennittelft des Gegenitandes bc- 
fiimmt, nur einpirifch und kein reines Ver- 
min ftintereffe. So ift das logifc he Interefle der 
Vernunft, oder das Interefle an der Beförderung 
unferer Einrichten , niemals ein unmittelbares In- 
terefle an der Handlung, fondern an dem Ge- 
brauch, den ich davon zu machen die Abfichr 
Jjabe, "oder an der Wiflenfchaft, deren Studium 
mir unmittelbar Vergnügen macht; itudire ich 
aber aus Pflicht, fo ilt es nicht mehr das logi- 
fche, fondern das moralifche Interefle, aus 
-welchem ich handle (G. iaa.). 

3. Es ift aber unmöglich, ausfindig und bc- 
greiflfth zu machen, wie der Menfch ein Inter- 
efle am moralilchen Gefetze nehmen— könn e. 
Und gleichwohl nimmt er wirklich eiA Interefle 
an der Befolgung deflelben, welches wir das mo- 
ralifche nennen. Die Grundlage dazu oder die 
Fähigkeit in uns, ein folches Interefle am morali- 
fche n Gefetze zu nehmen (oder Achtung fürs 
moralifche Gefetz zu haben), nennen wir das/rho- 
ralifche Gefühl (P. 14a.). Einige Phiiofophen 
jhaben daffelbe fälfehlich. für das Richtmaafs ausge- 
geben, nach welchem wir beurtheilen können, 
was fittlich gut oder bofe ift. Allein das Inter- 
efTe am Moralifchen ift vielmehr die fubjeetive 
Wirkung, die daß blofie Gefetz auf den Wil~ 



.' / 



Intereffe. 495 

len, ohne dafs ihn irgend ein anderes Intereffe 
beftimmt, ausübt, und diefes fuhjectiv hervorge- 
brachte Interefie, welches rein praktifch und 
frei ift, fowohl als die Urfache deflelben, das 
Gefetz, verliert fich in den unerforfchllchen Tie- 
fen der Vernunft. Sie, die Vernunft allein, ift 
der Grund des Moralgefetzes als auch des Int er* 
eile, welches wir an demfelben nehmen, aber 
eben darum hierin, fo wie überall, weil fie keine 
iWurcaufalität ift, die wieder ^ine andere fcaufa- 
lüät vorausfetzt, auch für uns * unbegreiflich (G. 
12}. f. P.'i44.), f. Freiheit, 41. Das Wohl* 
gefallen am. Guten iß alfo mit Intereffe 
verbunden, f. Gutes, 10. 

4. Der Begriff eines Intereffe entfpringt 
eigentlich aus dem Begriff einer Triebfeder (Wa- 
ter animi)-, d. i. des fubjectiven Beitimmungsgrun- 
des des Willens eines Wefens, deffen Vernunft 
nicht fchon vermöge feiner Natur dem objectiven 
Gefetze nothwendig gemäfs ift (P* 107.).' Die 
Triebfeder des Willens kann in der Vernunft, fie 
kann aber auch in Naturtrieben liegen; allein das 
Intereffe" liegt fiets in der Vernunft, und kann 
folglich blofs einem Wefen > welches Vernunft hat, 
angelegt werden. Das Intereffe bedeutet da- 
her eine Triebfeder ,' fo fern fie durch 
Vernunft vorge fte 1 1 e t wird. Denn ift 
das Intereffe auch pathologifch, fo wird es 
doch durch die Regel der Vernunft (die Maxime), 
für d^ren Befolgung uns der Gegenfiand vermit- 
'telft der finnlichen Triebfeder reizt, Torgeftellt; 
nur bei vernunftlofen Thieren treibt die Trieb fe- 
der unmittelbar felbft an, bei vernünftigen, aber" 
Jmnüch- bedingten Wefen hingegen wird die Trieb- 
feder immer durch eine Maxime vorgefiellt, nach 
to leb er nicht gehandelt werden würde , wenn 
nicht die Triebfeder dazu in dem Gegcnitande felbft 
U! »d dem Bedürfniffe deflelben oder in der Vernunft 
läge. Eine iblche Triebfeder nun heifst das In- 



- >. 



49ö 



Intereffe. 



tereffe. Liegt die Triebfeder unmittelbar in der 
Vernunft, fo ift das Gefe^z felbft die Triebfeder, 
und ein Wille, der durch fie beitimmt wird, iit ein 
inöralifcb- guter Wille. * Die Maxime (oder fub- 
jeetive Handl\tngsregel) beruhet dann auf dem biof- 
fen Intereffe,'' das das Subject an der Befolgung 
des Gefetzes- nimmt , welches Gefetz felbft von 
feinem Gebietenden alle Beimischung irgend eines 
andern In tereffe ausfchliefst (G^7i*). Diefe Trieb- 
feder ift nun das mqralifche' In tereffe, ein 
reines iinnenfreies Intereffe der blofsen praktifchen 
Vernunft, Liegt die, Triebfeder in dem, Q/egen« 
fiande utid in dem Bedürfniffe deffelben. fo iit das. 
Interefle path'ologifch oder finnlich, ein 
empirifchös Intereffe der finjilidi- bedingten prakti- 
schen Vernunft (P. 14.1;), f. Achtung. 

^5. Intereffe iit alfo das Wohlgefallen, 
was wir mit der Voritellung der Exiftenz 
eines Gegenftandefc verbinden. .Wir wer- 
den daher durch diefes Wohlgefallen , als Triebfe- 
der,, die wir uns in einer Handlungaregel vor- 
itellen , beitimmt, den Gegenfiand zu begehren 
oder wirklich* zu machen , feine Exiftenz zu be- 
wirken. Ift der Gegenitand nun finnlich., fo ift 
das Intereffe patho logifch , ' ift es das blofse 
Gefetz, fo nehmen wir ein Intereffd an der Be- 
folgung ' deffelben , oder wollen ' die Befolgung 
deffelben durch uns zur Exiftenz bringen, und 
dies iit das prajktifche Intereffe. Dafs iich nicht 
das mindefte Intereffe in ein Gefchmacksurtheil men- 
gen muffe, findet man im Artikel: Gefchmacks- 
urtheil* 1. b. Aber obgleich eiii Urtheil übei; 
einen Gegenfiand des Wohlgefallens (über das Schö- 
ne) iich auf kein Intereffe gründet (ganz unin- 
tereffirt ift), fo kajm j# 4j?ch ein Intereffe her«t 
Vorbringen (i 
gefallen' am 
dafs es gefäll 
reinen xnora 







Interefle. 497 

Gefchmacksnrtheile begründen an fich auch gar 
hein Interefle (fie intet« ff iren an lieh nicht), 
fondern nur in der Gefeil fchaft macht der Gefeilig« 
keits trieb/ dafs jnan gefallen will, und da intar* 
eitifen die Gefchmacksurtheile (U. 5. £), f. Ge« 
fchmacksur theil, i6# u. Gefchmack, ,13. 

Das Wohlgefallen am Angenehmem 
ift hingegen mit Intereffe verbunden, £ An« 
genehm, 4. 

6. Endlich fagt Kant auch (K HL); da* In- 
tereffe fei die Verbindung der Loit mit 
dem Begeh rungs vermögen, fofern diefe 
Verknüpfung durch den Verfiand nach ei» 
ner allgemeinen Regel (allenfalls auch 
nur für das Subject) gültig zu feyn gear- 
theilt wird. Diefe Erklärung fümmt vollkom- 
men mit der in 4 gegebenen u berein. Demi eis 
Liiit mit dem Besehnine*verm/>2:en verkr- ^feri, 
keifst dran BegehruTi^verr^z^n eirwe Txleirfeäer 
geben, und wenn der Verrar-s*, <3er <£*t Vf-rv^jf«* 
der Regeln iit, eine all::*r;^elr-t E>2re» 3»J~***l *-sA 
hiernach diefe Verii-1 yi -z~z 3-- £~ -£ er*.i*T '**uu 

^ •» •» ^ 

weder für das S^iett cc« £-r ^•u , : , . /- 2* 
wird die Triebfe&itr c -jc ^ «t^ V<ttuvä. "^ 7 vr;** >-»_.% 
Wenn wir die L-J?- -r*. /ue ^.: -:>»:. 2>*-; ^ . -%- ;.« -*x~ 
mögen verbur*d*Ä U: t * 7: .*-:■: *-:.*:* ;**«•, t v* 
Luft nennen, /.> _r \^a >»•;.* .. .* ^» ? «, »*n«3* 
wir fie darci «ir^t i«**!^ - < •£ -trtr 1 *n <^/t <»*r 1% 
mit der Be^rcr-rir-rZ "^'»J-'- u'.sn inrf i#* '»v '.♦*r />t^ 

vorhergeht /esse i * I »rit v ; <;,- vt-r #».* . *;"»* 
Neigung '^-vz-r-js u - 1* . '.':** ••* .l^j-^'t'* */ 
ein Intere//e te* v*r. * » 1 * niv Ktr.% $ yir 
penfume -prrf^xzx „ 1. _ -sn * • 1 > * ; * 1 * • ^-* 
tereffa. Wcaa auiJ2*£?n *.^ *-»- : mf *» r *:*i#* vs» 




/ 



495 Interefle. 

dehi Gegenftande ein Vernein ftin'tff reffe («p- 
. jjrobatio intellectualis) genannt werden \müflen. 
Denn wäre. das Interefle finnlich und ni<Jxt blofs 
auf reine. Vernunftprincipien gegründet, fo niüfstej 
Empfindung des Gegenstandes. der Maxime mit Luffa 
., verbunden feyn, und fo das Begehrungsverm&genj 
zum Trachten nach* demfelben beftimmtyi körinen. 
Wo aMb ein blofs raines Vernunftinterefle, an- 
genommen werden mufs, da kann ihm kein In- 
terefle der Neigung untergeschoben werden. Wir 
können s aber doch einräumen, dafs das JBegehren 
aus reinem Vernunftinterefle auch habituell (zur 
Gewohnheit) - werden könne, und dann heifst fein 
folches Begehren, % dem Sprachgebrauch bei pathoJ 
, logifehem Bögehren nach, Neigung. Nur dafs 
eine folehe Neigung nicht die Urfache , fondern di^ 
Wirkung, des Vernunftintereffe ifi. -Diefe Nei- 
gung kann i\ie finnenfreie Neigung (propenfi 
intelltciualis) genannt werden (K. IV.). • " . 

/ 7. Man kann auch jedem Vermögen des Ge- 
müths ^in Int «reffe beilegen, _ d. i, es giebi 
für daflelbe ein Princip (einen* oberßen Grund), 
welches die Bedingung enthält, .unter welch ej 
allein &ie Ausübung des Vermögens beförderl 
wir<L N Nun ifi die Vernunft das .Vermögeij 
der "PjriTicipien (fie Hellt die oberften GriüruU 
vor), folglich Jmufs fie auch das Interefle allei 
übrigen Gemüthskräfte befiimmen oder die ßd 
djngung der Anwendung einer fölehen Gemüths 
kraft fefifetzen. Das Vernunftinterefle abe 

fetzt für die Vernunft felbft diefe Bedingung feft 
oder beftimmt fich feYbß.- Das* interefle dti 
fpeculativen Gebrauchs der Vernunft befteh 
in der Erkeriritnifs des Gegenstandes bis zu der 
höchfteri Principieif a prjpri; dies- ifi das logi 
fche Interefle der Vernunft (f. 2.); oder darin 
dafs mein Verftand das Urtheil fällt, es fei mi 
der Befriedigung ctetf-Wifsbegierde Lufi verbunden 
und folglich müile die Regel befolgt werden, di 



/ 



Intereffc 



jo 



Tamnft-desu anzuwenden. Erken T.tr^s der Ge- 
«fiöde bis zu den hudütrn *«**« « ^'T 
Lrianeen; darin behebt das Interne • _ ' /* 
Gebrauch meiner Vernunft ^^"^;" 7; 
mich hat Aus «liefern Imereffe der Be.oHer-, 
fc fpeculaliven Vermmfw«r»*ens V^£ r* 
b>it-Lr auch das Intereffe für die E^;^^ 



deilelben auf, die fe oder yene***, *~ »- d !.s in 
temTedesUmfanges oder ^Allge-e.nfce.t 
»Anfohung der Gattungen, und da» Int««-« c*% 
Inhalts oder der Beftimmtheit m Abfi.Lt ,uf 
die Mannigfaltigkeit der Arten .welche «"£ *£ 
.im ab doppelte und ftch einander * ^""^ 
b.ereffe derlieiden befcndern* ermahn <m lj«*u- 
kiven Vernunft, nehnilkh de» Vytie, » J« 
Scharffinns (des VWTtchniu**»*™-^ 
? ,.ns)ift, f. Gleichartigkeit 4- fi- D« ^ 
U. des praktifchen Gebrauch, der Vernunft 
befteht in der Beftimnmng des Willens, ™ £ 
fehur.» des letzten und vol'.ftand.gen Zweck > (de. 
höchlten Guts als Endzwecks). Dies üt *» P"£ 
tifche oder «oralifche Intereffe. der Vernunft 
fr i\ Ich foll nehmlich das praku. che oder 
1 r k rJ+** in meine Maxime aufnehmen, 
riioralifche Geletz in meine * k-»ndfln, 

oder zur Regel machen, nach der «» handeÄ 
will," folglich m»r. ich auch mit der •***%£* 
.'»Ar Repl eine Luft verknüpf«.., ^ £» * £ 
SinnenluS entgegen fetze, fo *•* * h ,J^^ u ^| 
reichung meines höchiten Endzwecks ( I ugend _ und 
Glü^kfeligkeir) von ^er Bemnxmung d es £ .«» 

r u_ i,^«nrk Hierin beitent o.\% nur t* " 

verfprechen Kann- mt-n» ^.rivk* ifttfT- 

r » -n^u Mhfi-'ewirKte Drahtliche lf»'^» 

gens unbegreifliche relblt.e^virK y ,, he , 

effe meiner Vernunft , ocer das l " tc "" C ' f h Han . 
der Gebrauch meiner Vernunft zum m alrfcj H 
dein für mich hat. Au* diefem ln.*r «•»• 
mLfchen Vernunftgebrfmchs überhaupt fo £ 
praktüchen v einzelne Tugend, x. B. 



I 



t . 



|oo v Interefle, 

r 

haupt erforderlich, % dafs die Principien und Be- 
hauptungen derfelben fich. einander nicht wider- 
fprechen muffen. Das macht aber keinen T heil 
ihres Interefle aus, fondern ift die Bedingung 
überhaupt Vernunft zu haben , d. 1. das , olTne 
Welches Vernunft zu haben unmöglich ift. Nur 
die Erweiterung der Vernunft in ihrem Gebrauch, 
nicht die blofse Zufaninienftimmung derfelben mit 
fich felbft, wird zum Interefle derfelben gewählt 
(P..ÄXÖ. £ M. II, 33a.)- 

8* Es fragt- fich nun, .welches Interefle iß 
das oberfte , welchem, Interefle gebührt der Vor- 
zug, fo dafs ihm/ (dem alles übrige nachgefetzt 
^erden mufs) das andere untergeordnet ift; dem 
Interefle der fpeculativen oder praktiCchent Ver- 
nunft, dem logifchen oder\ praktifchen Interefle 
der Vernunft. % Man nennt 'diefen Vorzug da« 
Eriinat; alfo welchem' Verntmftgebrauch gebüh- 
ret das Primat? Wi^r wollen aber jetzt als be- 
wiefeh annehmen, aus der Vernunft entfpringen 
a y jfriQri gewiffe Gründe (Yorfchrif ten) , .den Willen 
zu beßimixien.' Wir wollen ferner annehmen, 
dafs mit diefen Gründen , den Willen zu beitimmeti 
(Moijalgefetzen), gewiffe thepr^tifche^Behauptutigen 
(dafs der Wille frei, ein Urheber der,Welt$ und 
eine Seelenunßerblichkeit ift) unzertrennlich" ver- 
bunden wären, welche die Vernunft in ihrem 
fpeculativen Gebrauche nicht zu Qrgrübeln und 
i^och weniger zu be weifen vermag, (ob fie zwar 
'. derfelben auch nicht widerfprechen muffen , weil 
foult keine Vernunft möglich feyn würde (f. 7. 
4m Ende). Obige Frage ift aber nicht fo zu 
verliehen: welches Interefle mufs dem andern wei- 
chen? denn das eine wide'rftreitet dem 7 andern 
laicht not h wendig; fond^xn, mufs das praktische 
Interefle dem logifchen untergeordnet werden, 
und diq Vernunft jene theoretischen Behauptun- 
gen , die mit dem praktischen unzertrennlich ver- 
b^den. find, darum aufgeben, weil fie in ihrem 



I ' 



•Intereffe. 501 

fpeculaiiven Gebrauche diefelben Irecler begrei- 
fen noch beweifen kann, und diefe dem Interefl» 
der fpeculativeu Vernunft Abbruch thun, und 
diefelbe / durch Wegreifeung aller Grenzen der Er* 
kewitnifs, allem Unfinn und Wahnfinn 1 der Ein- 
bildungskraft preisgeben möchten, oder mufs « 
das logifche Intereffe dem praktifchen untergeord- 
net werden, und die Vernunft jene Sätze, ohn» 
allen andern Beweis und fo wenig £e auch davon 
begreift,, annehmen und mit ihren übrigen Be- 
griffen zu vereinigen Tuchen, weil fie fohft dem 
praktifch'en Intereffe entfagen müfste ? (P. g 16. M, 
H> 333-)' Epikur war für das erfte, f. Epi- 
kureismus. 3. • 

1 

9. Haltte die Vernunft, in dem Gebrauch der- 
felben -den Willen zu beftimmen. blofs das Inter- 
effe der Neigung (approbatio a propenßane pro* 
feeta), d. h. blofs ein pathol ogiPches und kein 
praktifches Intereffe, welches der Fall wär^f, 
wenn Glückfeligkeit das Princip der Moral ttraref, 
und alles Handeln nur auf zeitliche oder ewige, 
äufserliche oder innerliche Wohlfahrt dbzweckte, 
folglich alle moralifche Vorfchiiften aus der Er- 
fahrung hergenommen und eigentlich nicht prak- 
tifche Gefetze, fondern nur Klugheitsregeln wä- 
ren: fo .hatte auch Epikur vollkommen rfccht, 
und die Vernunft , hatte in ihrem Tpeculativen Ge- 
brauch allerdings das Primat. % Man müfste dann 
in der Th^t nichts annehmen, was Vetnunft nicht 
begreifen und nicht ^ beweifen könnte , . und wir - 
müfsten durchaus auf jene . theoretischen Behaup» 
tun gen (von der Freiheit des Willens, dem Da- 
feyn Gottes und der Unfterblifchkeit) , die alsdann 
nichts zum Grunde hätten, Verzicht thun. Denn 
fonft würden die Neigungen der Vernunft Thed- 
fophie, My fticismus» und jedes x Ungeheuejr 
aufdringen; t weil nehmlich die 'Vernunft anneh- 
men; müfste, was fie auch nicht begreifen und 
beweifen könnte, wenn es nur deil auf ftetigan- 



' \ 



502 Ititereffe. 

gen (den Bedingungen alles Wohlfeym) gegrün- 
deten .Vorfchriften lieh glückfelig zu machen jde- 
xnäfs wäre. D^nn mufste (fie endlich aiich Mu- 
hanupeds Paradies, die fchmelzende Vereinigung 
jnir der Gottheit der Schwärmer und Fanatiker u. 
der gl. annehmen, welches eben fo gut wäre, als 
gar keine Vernunft zu haben» Hat aber die Ver- 
nunft, in dem Gebrauch derfelben den Willen zu 
beltimmen, ein pra>ktifches Interefl'e, y welches 
der Fall ift, wenn der kategorifche Imperativ 
(den man aus blofsenj Mifsverliändnifle fo gern lä» 
cherlich machen möchte, und der doch ein Ge- 
g^nfitad 'der gröfsten Achtung ift, bei deflen Mifs- 
fyfndlung man wohl lagen kann , fie willen nicht, 
•was Xie thi^p) das Princip der Moral ift , und al- 
Jsa Handeln darauf abzwecken Jfoll, das Gefetz 
um-dea Gefetzes willen zu befolgen, - folglich die 
moralifcjten Vorfchriften aus der Vernunft allein ; 
en tipringen . und praktifche Gefetze , lind: fo hat 
die praktifche Vernunft das Primat, Dann mufs 
die Vernunft, in ihrem fpeculativen Gebrauch, ob- 
wohl nicht zu demfelben, fondern nur um ' iie, 
als wären fie begreiflich und bewiefen, mit allem, 
wa's $e begreifen und beweif en kann, zu verglei- 
chen und zu verknüpfen, folche Sätze anneh- 
men, die unab^rennlich (f. Glaubensfa- 
c h q ) zum p r a k t i f C|h e n Interfefle gehören. Öies 
ilt ihrem logifchen IntereiTe (der Einfchränkung 
des ipeculativen Frevels, mehr erforfchen und 
, wiffen zu wollen, als möglich ift) gar nicht, zu» 
.widpr, weil fie diefe' Sätze (es ift -eine Freiheit 
des , Willens, ein Gott, eine Unfterblichkeit) gar 
iiicht gebrauchen foll, ihre Krkenptnifs zu erweis 
tern, fondern blofs, der Modalität Eingang und 
Nachdruck für das Leben in der Sinnenweft zu 
verfchaffen, * d, h, nicht in fpeculativer fon-' 
tlern in praktifcher Abiicht (M, II, 334. P, 

10. .In der Verbindung alfq de« Gebrauchs 
der reinen Vernunft in fpeculativer Abikht mit 



\ 



1 H 

Interefle. ' 505 



dem Gebrauch derfelben in praktifcher Abficht 
führt der letztere das Primat; wenn nehmlich 
diefe Verbindung nicht et\fra zufällig und belie- 
big,' fondern noth wendig iß. Das heißt, 
wenn die Vernunft in praktischer , Hinficht - die 
Annahme eines Satzes nicht entbehren ltaün , oh« 
ne einem Endzweck alles und alfo auch des mo* 
ralifchen Handelns gänzlich zu entTagen: lo* mufs 
die Vernunft diefe Sätze unter ihre übrigen be- 
wiefenen Vernunftlatze aufnehmen, eben fo., als 
wären fie wirklich a priori erwieferi. .Denn fopft 
wurde die Vernunft entweder im Widerftreit mit 
fich felblt feyn, oder nicht das Handeln, fondenk 
das Wiflen 'zu ihrem oberften Endzweck maqhen* 
Sie würde im Widerftreit mit fich felbft feyn, 
weil fie nichts annehmen würde, was fie nicht 
einfehen und be weifen könnte, und doch, wenn 
fie vernünftig , das ift nach Zwecken 'handeln, 
und ihren Zv^ ecken einen Endzweck fetzen will, 
Sätze annehmen müfste, gleich als wären fie von 
ihr eingefehen und bewiefen« Die Vernunft kann 
aber unmöglich das Wiflen (die Erkenntnifs) zum 
oberften Endzweck des Gebrauchs ihrer felblt ma- 
chen, weil alles Interefle zuletzt praktifch . ift. 
Denn felbft das Interefle dar Vernunft im Ge- 
brauch ihrer felbft zum Willen (der fpeculati- 
ven) ift unbedingt, foll nur wozu dienen , und 
ift alfo im praktifchen Gebrauche allein vollftan- 
dig; • weil allem das Handeln nach Grundlatzen a 
"priori unbedingt, nicht, weiter wozu, fondern 
um fein felbft willen, ift (p. 21Q. f, M. II, 335.)* 



Man vergleiche mir «liefern Artikel die: Ach- 
tung und Gefchlnack, x3„ f, . 



Kaut Grundleg. zur Met. der Sitt. II. Abfchn. S» 58* 
# S. 71. — III. Abfcbn. S. i2i. f. 
" D e f f, Grit, der pract. Vern. I. Th. I. B. HI. Hauptft. 
S. xa7- — S. 141. — S. 144. — II. B. IL Hauptft. 
v . m. S. aifi, ff. 

Deff» Grit, der Urtheilikr, 1. & &• Sr£. & 



Wife!» 



fo4 Involution stheorie. Irrendes Gewiffen. 

De ffv Met. Anfmgngr. der Recbtilebre. Einl*t. h S, 
. '..»Lt.. 

Involutionstheorie, 
f. Evolutionstheorie. 

Ircendes Gewiffen, 
f. Gewiffen, g. 



5°5 



Kanon, 

canon, canon. Kanon nennt Kant den In* 
begriff der Grundfätze a priori, oder der 
tu« dem tnenfchlichen Erkenn tnifs vermögen felbft 
enifpringenden Grundvorfchriften, welche be» 
ftimmen, wie gewiffe Erkenntnifsvermö»' 
gen überhaupt zu gebrauchen find, 
wenn ihr Gebrauch richtig, d. i. fo fern 
füll, dafs Erkenntnifs der Wahrheit dadurch 
möglich werde, f, Difciplin. Ein folcher Ka- 
non für den VerAand oder für die Vernunft über- 
haupt Üt z. B. die allgemeine Logik in ihV 
rem analytifchen Theile, aber nur der Form nach, 
• denn üe abfirahirt von allem Inhalt. Der ana- 
lytifcha Theil der Logik ift nehmlich derjenige, 
welcher die Regeln des Verftandesgebrauchs über- 
haupt vorträgt. So ilt die transf cendontale 
Analytik der Kanon des reinen Verbandes 
überhaupt ^(nehmlich des reinen Verftandcs in en- 
gerer | Bedeutung, als Vermögens der reinen Be- 
griffe und Jkr reinen Urtheirskraft) (C. 170.); 
denn.diefer iß allein wahrer fynthetifcher Er- 

oho 
weil 
aber 



ein 

itige 



% 

r 



506 * ßanon. 

. Gebrauch feines folchen Erkenn tnifs Vermögens mog« 
lieh feyn'; da nun * die reine Vernunft an und für 
.fich keine fynthetifchen Erkenntnifle von Gegen- 

' ßänden, liefern kann , fo piebt es puch keinen Ka- 
non für die Vernunft für denjenigen Gebrauch 
derfelben, der blofs .auf Erkenntnis abzweckt 
(denn wenn man durch blofse Vernunft Erkennt* 

' nils von Gegenfiänden erkünfteln will, fo ent- 

, /pringt nichts als Schein) (C. 27.)- Hieraus folgt, 
dafs wenn es, einen Kanon für die Vernunft giebt, 
diefer nur denjenigen Gebrauch derfelben betrifft, 
welcher auf die Befiimmung des Willens durch 
G^fetze a priori (das Sittengefetz) abzweckt, * Und 
einen folchen Kanon der reineji prakti« 
fc^ien Vernunft hat Kant in der Critik der 
reinen Vernunft (C. 823 -—859) geliefert. Er han« 
delt in dejjnfelben: 

A» von dem letzten Zwecke des reinen Ge* 
brauchs unfrer Vernunft;, 

B. von dem Ideal des höchfien Guts, als ei- 
nem Beftimmungsgrunde des letzten Zwecks d«r 
reinen Vernunft; 

C« vom Meinen, 'Willen und Glauben., 

m 

* 3. A. Das ganze Beßreben der Vernunft iß 
auf die Beantwortung folgender drei Fragen ge- 
richtet , zu welcher doch unfer ganzer Schatz von 
- Erfahrungserkenn tnifs nicht das Mind&ße liefert; 

0, haben wir einen freien Willen? 

b. iß unfere Seele unfterblich? 

e. exifiirt ein Gott? ^ ' 

(»II, 948 — 950), 

4, Esr iß ab^r der Vernunft an der Beantwor-1 
tung diefer Fragen nicht d^rtini £0 * viel .gelegen, I 




Kanon. , 507 

■ 

weil fie uns etwa zu unterer Erkenntnifs unent- 
behrlich wäre. Sie hängen Mais mit der WiW 
lensbeitimmung zulammen; denn zur Erkenntnifs 
können wir von der Beantwortung didfer Fragen ' 
nicht den geringften Gebrauch machen, und den- 
noch trachtet die Vernunft fo fehr nach diefer 
Beantwortung. Aus der Vernunft entfpringen 
nehiuJich Geietze, werche nicht unter der Vor- 
aus fetzung , „ dafs ich einen ge willen in der Er fah- 
rung gegebenen Zweck will, fondern fchlechthin 
gebieterj. Der Gebrauch der Vernunft zur Belirm- 
mung des Willens durch diefe Gefetze heifse der; 
praktifche Gebrauch der Vernunft (Im Gegen- 
(atze gegen den- fpeculativen,* oder zum Er- 
kennen^ durch * blofse /Verrmnft), und diefer er« 
laubt folglich einen Kanon. Durch diefe Ger 
fetze fc h reibt uns die Vernunft einen Zweck "vor. 
dem ^ fie jeden andern Zweck nachzufetzen ^gebi^- 
tet, und auf diefe letzte Abiicht unterer Vernunft; 
gehen auch obige drei Fragen (in 3.)» nehmlich 

was zu thun fei, wenn 

« .• 

a. der Wille frei; 

b. eine zukünftige Weltj und 

c ein Gott fei« , 

Die erfte Frage fragt, was zu thun fei, wenn 
der Wille fich durchs Gefetz der Vernunft gegen 
alle Antriebe der Sinnlichkeit hefiimmen könne, 
und die Möglichkeit, diefer Willetisbeßimmung 
zeigt die Erfahrung durch die Wirklichkeit. Alfo 
haben wir es in einem Kanon der praktifchen 
Vernunft nur .mit den beiden übrigen "Fragen zu 
thun: * 

* 

a. iß ein künftigss Letren? 

b, iß ein Gott? 



LJ 



' I 



$°b 



Kanon. 



5. B* Alles das, woran 1 der Vernunft irgend 
gelegen ift, kann man durch folgend« drei Fra- 
gen ausdrucken: 

.««was kann ich wiffen? 



N 



1 

ßj was foll ich thun? 

y. was darf ich hoffen? *v ' , 

• » 

Von einem künftigen Leben und Gott kaim 
inan durch blAfse Vernunft nichts wiffen; die 
zweite Frage beantwortet die Crk;k der prakti- 

• fchen Vernunft und eine darauf gegründete Sit- 
tenlehre; die Antwort auf die dritte Frage ift; 
«s taufs ein künftiges Leben und ein Gott feyn, 
weil etwas gefchehen foll und gefchieht (das Sitt- 
lichgute), welches ohne ein künftiges Leben und 
fcinen Gott nicht .geschehen kann und alfo auch 
faicht gefchehen foll (C* 833- £ M. I, 958 — 961.)- 

6, Die Beantwortung der zweiten Frage be- 
ruhet t n eh ml ich auf dem Gesetze unfrer Vernunft, 

* das uns oft gegen unfre Neigungen gebietet, folg- 
s lieh Handlungen *von uns fordert , , welche ge- 
fchehen f ollen, und alfo auch muffen gefcÜehen 
können. Handle ich nun fo, fo erreiche ich 
den mir durch dip Vernunft aufgegebenen Zweck, 
und bin es würdig, auch den mir von meiner 
Xinnlichen Natur aufgegebenen Zweck zu errei- 
chen, d, i. glücklich zu feyn (C. 83 6* f« 'M. 1» 9 C 4* 

7, So noth wendig es nun ift, nach, dem Ge- 
fetze unfrer Vernunft zu handeln, fo noth wendig 
ifi es auch, anzunehmen, dafs Jedermann die 
Glüekfeügkeit in einem feiner Würdigkeit propor- 
tionirten Maafae zu hoffen Ur fache habe. Die 
der Sittlichkeit propqrtionirte Glüekfeligkeit "kann 
aber nur unter; Voraussetzung einer höchiten Ver- 



Kanon, 



. \ 



So* 



mmft (einqs Gottes) gehofft werden, weil au* 
blofser Natur eine folche nothwendige Verknu* 
pfuug nicht erkannt werden Kann. Da uns nun . 
fiie Sinnen \velt eine folche Verknüpfung' nicht dar« 
bietet, fo muffen wir fie von einer künftigen 
Welt hoffen. Folglich find Gott und ein künf- 
tiges Lebtfn zwei von der Sittlichkeit 
nicht zu trennende Vorausfetzungen. 
Nur unter einem weifen Urheber und Begierer in 
einer intelligibeln Welt macht die Glückfelig« 
leit mit der Sittlichkeit ein Syfiem aus» Diefe 
muffen wir folglich annehmen, und daher lieht 
auch Jedenpanh die moralifchen Gefetze als Gebo- 
te an. Ohne Gott und eine .zukünftige Welt find 
die Gefetze der Sittlichkeit nicht Triebfedern der 
Ausübung, weil fie nicht den ganzen Zweck 
vernünftiger Wefen (fittlich und glücklich zu wer- 
den) erfüllen. Ohne uns Zwecke vorzufetzen," 
können wir keinen Gebrauch von unferm Versan- 
de machen. Die höchften Zwecke aber find die 
der Moralität. Diefen follen wir alle Natur« 
zwecke unterordnen, folglich alle Gefetze der 
Vernunft als Gebote des Urhebers der Natur, 
d.i. Gottes betrachten (M. I, 967 — 970. 973. '973. 
98o). 

Q. C. Diefe nothwendige Voransfetzung des. 
zukünftigen Lebens und Dafeyns Gottes bei dem 
üttlichguteii Handeln Keifst der Vernunftglaube. *\ 
an Gott und Unfterblichkeit, wobei nur das ein* 
%ige Bedenkliche ift , dafs fich diefer Vernunft- ' 
glaube nur bei moralifchen Gelinnungen finden 
kann. Nehmen wir folglich einen Menfchen an, 
der in Anfehung fit lücher Gefetze gänzlich gleich- N 
gültig wäre, fo würden, für diefen die Fragen, 
welche die Vernunft aufwirft, blofs ein Gegen* 
Jtand der Speculation. Auch ihm wird an der 
Beantwortung diefer Fragen noch gelegen feyn, 
denn es ilt kein Menfch bei denfelben frei , von 
allem Intereffe; das merxfchliqhe Gemüth nimmt 



5i o 



Kanon. 



•% 



ein natürliches Interefle an. de* Moralitat, ob* es 
gleich nicht ungetheilt und praktisch überwiegend 
iß. Ob alfo gleich ein'Menfch, wegen des Man- 
gels guter Gelinnungen, ein fehr geringes mor a- 
lifches Interefle haben, das heifst, ihm nicht 
viel daran liegen möchte f Jßttlich, gut, und fo 
der Glückseligkeit würdig zu werden: fo wird 
ihm doch immer nbch fo viel von diefem Inter- 
efle für das Sittlichgute übrig bleiben, dafs es 
die Wirkung 'haben wird, ihm ein göttliches Ela- 
feyn und eine Zukunft furchtbar zu machen, 
und das Moralgefetz als Gebot, d. i. verknüpft 
mit Drohungen für den Vebertreter zu fürchten. 
Denn dazji wird nichts mehr erfordert, als däfs 
er wenigftens keine Gewifsheit vorfchützen könfte, 
dafs kein folches Wefen und kein künftiges Le- 
ben an zu treuen iei, wozu, weil es durch blofse 
Vernunft , mithin apodiktifch bewiefen werden 
mülste , er \die Unmöglichkeit von beiden darzu- 
thun haben- würde, welches gewifs kein vernünf- 
tiger Menfch übernehmen kann. Ein folcher (ne- 
gativer) Glaube (des fittlich böfen Menfchen) wür- 
de zwar nicht Moralitat und gute Gelinnungen 
bewirken, könnte aber doch den Ausbruch der 
bAfen mächtig zurückhalten. Machet daher nur 
die Menfchen zu littlich guten Menfchen , fo Wer- 
den fie auch an Gott und Unfterblielikeit glauben 

(C. 857- *• M - *> 998.)- 

9. Frage. Ift das nun der ganze Auffchlufs, 
den uns die Philofophie über diefe beiden wichti-. 
gen Fragen giebt? Kann, uns denn, wird man 
fragen', die reine Vernunft weiter keine Ausfich- 
ten über -die Grenzen der Erfährung Jiinatts eröff- 
nen? Nur zwei Glaubensartikel* giebt fie uns? 
So viel hätte auch wohl der gemeine Verband, 
ohne darüber die Philofophen -zu Bathe zu ziehen, 
und^ohne fo viele Zurüftungeh und Unterfuchun- 
gen , die der Philofoph anltellt, ausrichten kön- 
nen (C. 858- M. I, 999.). 



Kanon. Karrikatur. 5ix 

1 10, Antwort. Ja, die- höchße Philoso- 
phie kann nichts weiter, als, was man ohne fie 
anfangs nicht vorherfehen konnte , entdecken , 
dafs fie es in Anfehung der wefentlichen Zwecke 
der menschlichen Natur nicht weiter bringen kön- 
ne, als die Leitung, welche die Natur auch 
dem gemeinen Verftande hat angedeihen lauen (M. 
I, iooo.-C. 859«)* 

• « 

Man wird übrigens* noch vieles hieher gehö- 
rige unter den Artikeln; Behaupten, Coji- 
cret, E inheimifch, 5. Fr eiheit, a6. ff v 51. 
Fürwahrhalten, Gewiffen, 7. Ideal, 3. 
Ideal des höchften Guts, antreffen. 

Kant. Critik der reinen Vern. Einlei t. VII. S. 27. — 
Elementar]. II. Th. I. Abth, II. Buch. S. 170« — 
". Methodenlehre II. Hauptih S. 8*3 — Q49. 

Karrikatur, 

caricatüre. Man nennt fo, das Charakte- 
riftifche s eines Individuums, wenn d.iefes 
Charakteriftifche übertrieben ift, d. i. wenn. 
es der Normalidee der Zweckmäßigkeit 
der Gattung felbft Abbruch thiit (ü. 59*))., 

„ fl. So ift eine Zeichnung, * darin das SpecU 
fifche (nicht zu der Gattung Gehörige) in der Bil- 
dung, die einzelne Per fönen charakterifirt, über- 
trieben ift. l^arrikatur* Nach Sulzer (All- 
gem. Tneotie-der fchönen Künfte, Art. Carrica- 
tur) ifi dies die urfprüngliche Bedeutung des 
Worts, die hernach "auf jede übertriebene 
Vorftellung ift ausgedehnt worden. So fagt rrian 
von /einem übertriebenen Charakter in einem Ge-. 
dicht, es fei nun Lutifpiel, Trauerfpiel , Roman, 
oder Heldengedicht, ^s fei eine Karrikatur. 
Die Vorftellung wird dadurch poflirlich, oder es 
wird dadurch etwas poflirlich vorgestellt; aber die 



« 






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51* ^ Karrikatur. . t . 

Karrikatur iß darum nicht blofs eine Voiftellung 
des Poflirlichen, welches ein Gegenltand an lieh 
hat, fondern die Darftellung der poflirlichen Vor- 
fiel! ung, welche der Künfiler üch f von einer 
-vielleicht /noch fo eroitliaften Seite des Gegenfian- 
des, macht, 

3. Das Uebertriebene des Charakteriftifchen des 
Individuums ift alfo das Hauptmerkmal der Karri- 
^Jk^tur, und es kömmt daher auf den richtigen 
^Begriff diefes Uebertriebenen an.- Wir können uns 
durch untere Einbildungskraft eine einzelne An- 
£cha\iung machen, welche das ftichtmaafs ilt, wor- 
nach wir beurtheilen können, ob eine Darfiel- 
lung auch nicht fo über die Grenzen des Da 1 ge- 
sellten hinausgehet , dafs daflelbe in der Natur an 

» keinem Individuum der Gattung zu finden * feyri 
würde; eine folche Anfchauurig nennt Kant die 
Kormalidee. Diefe Normalidee kann alfo ih- 
rem Begriffe riach nichts Specififch - Charakterifti- 
jefies' enthalten. Gefetzt aber, die ParftelJung des 

, Specififeh- Charakteriftifchen ati ein ein Individuum 
wäre fo ,. dafs der Normalidee dadurch Abbruch 

„ gethan würde, dafs der Gegenltand, fo>toie er dar- 
geltellt ilt, nicht einmal mehr recht zu dem Zwecke 
taugte, wozu er dienen folite; fo wäre die Dar- 
fteilung Karrikatur. So ift die Darfiellurig eines 
gewifTen Staatsmiitijters als ejn brennendes Bin- 
fenlicht, Karrikatur, denn diefe Darfiellung des 
Specififch »Charakt er itüfehen des Minifiers, dafs er 
in der Nacht der Staatsverwirrung nur wenig 
Licht geben foll, thut dem Gattungsfegriff des 
Menfchen, der kein Bin fen licht feyn kann, Ab- 
bruch. Unter den Neuern hat befonders Ho* 
garth (ich durch folche Karrikaturen hervofge- 
than» 

r 

4. Kant giebt (A, 479.) noch folgende Erklä- 
rung von d*i* Kar iflfratar; fie ifi vorfetzlich 
übertrie r 




Karrikatur. Kategorie. 513 

des Gefichts im Affect, zum Auslachen 
erfofinen, Er fpricht aber hier eigentlich nur 
von der Karrikatur des G e f i'c h t s , : indem die 
Rede davon ilt, dafs ein durch. Hautfarbe oder 
Pockennarben verunllaltetes und unlieblich gewor- 
denes Geliclit, wenn Gutmüthigkeit und das Wa- 
ckere aus denselben hervorleuchte; keine Zeich- 
nung in Karrikatur fti. Kant fetzt aber noch 
zwei Merkmale hinzu, von denen das eine den 
Geilt, das andere den Zweck der Karrikatur aus- 
drückt. Der Geilt der Karrikatur ilt, wie der 
aller Darftellungen von Menfchcn, wenn üe 
nkht blofs leere Bilder feyn Tollen, dafs fie den 
Innern Menfchen, d. i. die lieh in Handlung 
offenbarende eigen thümliche Sinnesart des Men- 
fclien darltellen. Diele offenbart lieh aber äußer- 
lich hur im Affect oder in dem heftigen Gefühl, 
welches lieh durch merkliche Veränderungen im 
menschlichen Cörper, vornehmlich im Geliebt, 
äuJicrt. Der'Zweck der Karrikatur ift aber, den 
Gegenstand lächerlich zu machen und ihn daher 
polürltcb darzuitellen. 

Kauf. Crit der Urtheihkr. $. 17. 59.*^ 

Kategorie, ' 

Prädicament, .Stammbegriff des reinen 
Verftandes, xarrjyogia , praedicameittmn , c a- 
tegorie, ' pre die amen t. Die Einheit, 

welche der blofs e 11 Syn'thefis verschie- 
dener Vorftellungen in einer Anfcha'u- 
ung durch die Function des Verltandes 
. f.). . Kant behauptet, 
gen, welche, beim An- 
und beim Denken, aus 
1, und durch -welche der ; 
, Vorftellungen (das Man- 
fchauung (unmittelbaren 
.audes durch den binn) 
Kk 



§ 1 4 ' Kategorie* 

verknüpfte , und . fie in dieler Verkmipfung (Syn- 
thefis) unferm Bewufsifeyn nicht mehr aJs \er- 
fchiedene Vorfiellungen, iondern als eine einzige 
(Einheit) vorftellA,. Er nennt diefe verknüj>i en- 
den Vorßellungen Einheiten, weil fie alle Ver- 
knüpfung möglich machen, und fie, folglieh nicht 
auch nochmals ein Verknüpftes verschiedener Vor- 
ftellungen gedacht -werden können. Die Opera- 
tion de$ Verbandes,- wodurch er die verfchiede- 
nen -Vorftellungen* in der Anfchaüung mit einan- 
der Verknüpft, um fie durch die Einheit, die er 
hinein legt, dem Bewufstfeyn als eine einzige 
, Vorftellung zu überliefern, ifi felbft fehr zufom- 
ityengefetzt , und wenn wir fie uns daher denken, 
fo. verknüpft der Verftand auch die verschiedenen 
Vorßellungen feiher Operationen beim Verknüpfen 
zu einer einzigen Vorftellung, der Vorftellung ei- 
nes Acts des Verftandes, welche Einheit diefer 
Handlung Kant eine Function des Verftandes 
nennt: -Nun giebt es verfchiedene felcher Acte, 
alfo verfchiedene folcher Einheiten dler Operatio- 
nen des Verftandes, oder' wie fie Kant nennt, 
verfchiedene Functionen deflelben , und durch ei- 
ne jede wird aucn eine folche Einheit in tias Ver- 
knüpfte der verfchiedenen Vorltel Jungen in der 
Anfcha\iung gelegt r die fodann, als ein Begriff 
von diefena "Verknüpften des Mannigfaltigen in 
der Anfchaüung eine Kategorie t genannt wird. 
Ein Beifpiel 'hierzu findet man unter andern im 
Artikel Dafeyn, 3- ff. , indem der Begriff % D a- 
feyn eben eine folche Kategorie ilt. - 

s« Die Kategorien find alfo, wie Brafiber 
ger (Unterfuchungen über Kants Crit. I. der rein- 
Vern. S. 109.) ganz i^chtig fagt, uranf abgliche 
Eleöiente aller objeetiven Erkenntnifs, aber nicht 
die einzigen, weil die Formen der Anfchautmg 
(Raum und Zeit) auch dazu gehören. Es lind he 
. griffe, die fich aber doch nicht weiter, wie an 
dere Begriffe in Xheilvoritellun gen zerlegen laßen 




Kategorie. 515 

und ganz * einfach Und; daher fie ungefähr eben 
fo zu den Begriffen -gerechnet werden kön- 
nen, wie die Eins zu den Zahlen; Sie liegen 
nicht urfjjrünglich im Verftande, als wären fie 
angebohren , wie Leibnitz lieh von einigen Be- 
griffen vorftellte, fondern lie entfpringen jedes* 
mal bei den Operationen des Verftandes, als die 
Functionen deffelben, aus ihm, tind find die 
Einheiten der Verftandeshandlung, verschiedene 
Vorltellungen unter eine gemeinfehaftliche zu ord- 
nen', felbjft. Sie find alfo die Bedingungen, unter 
welchen und durch welche es allein möglich ift, 
das Mannigfaltige gegebener Anfchauungen zur 
Vorfiellung eines Gegenltandes zu verknüpfen, 
und überhaupt irgend einen Gegenitand zu denken. 
Kant nennt diele Kategorien auch wohl reine 
Verftandesbegriff e, weil der reine Verftand 
ihr Geburtsort ilt, oder lie gänzlich a priori aus ' 
demfelben . entfpringen f und gebraucht auch wohl 
diefe Ausdrücke als gleichbedeutend (C. iofi.)- Al- 
lein eigentlich muffen diele beiden Ausdrücke von 
einander unterfiphieden werden. Alle Kategorien 
find nehmlich reine Verfiandesbegriffe, aber nicht 
alle reine Verftandesbegriffe find Kategorien. Es 
giebt nehmlich auch reine Verfiandesbegriffe, wel- 
che blofs von Kategorien können abgeleitet wer- 
den, und aus blofser Verknüpfung derfelben, oh- 
ne einen neuen Uract diefer Verknüpfung entfprin- 
gen., So ift der Begriff der Kraft nichts anders 
als der Begriff der Caufalitat einer Subitanz, eine 
Verknüpfung zweie* Begriffe, welche durch die 
Kategorie der Subitanzialität möglich wird, indem 
die Caufalitat als das Accidenz der Subitanz ge- 
dacht wird. N Das find alfo abgeleitete reine Ver- 
-itandesbegriffe , welche von den reinen Veriian- 
desbegriffien , die Stammbegriffe find^ unterfchie-* 
den werden muffen, und nur diefe Stammbegriffe 

helfen eigentlich , Kategorien. 

/■ * • 






, * 



gl 6 Kategorie. 

■* • 

Metaphyfifche Deduction $er Kate- 

gorien. 

3. Die erfte .Unterfuchung , welche hierüber 
aiMEuftellen / ifi , ttÄre nun: wie ergeben fich alle 
diefe Kategorien ganz vollftändig, wie lallen lie 
fich auf eine Art entdecken, bpi der man gewifs 
feyn kann, dafs man lie alle habe, dafs keine 
fehle, 'und auch keine fich unter ihre Gefellfchaft 
mifche, die nicht darunter gehört? Hierzu hat 
nun Kant einen Leitfaden .an den verfchiedenen 
Arten der Urtheile gefunden. Wenn nehprich 
der Verstand die verfchiedenen Arten der Urtheile 
(f. Function 4. ff.), hervorbringen will, fo erge- 
ben fich die Einheiten oder Functionen dieler 
Handlungen des Verßandes. Der Verltand ftellt 
fich jede diefer feiner, übrigens fehr zufammenge- 
fetzten Operationen als einen Act durch «eine befon- 
dere VorfteHung vor, durch welche lie fich von deu 
übrigen unterfcheidet. . Durch die eine Clafle diefer 
einfachen Voritellungen denkt der Verfland, von 
welchem Umfange die Befiimmung des Subjects 
cUirch das Pradicat fei, entweder dafs das' Subject 
, als ein einziger Gegenstand, und nicht als ein 
Begriff, unter, dem mehrere Begriffe von Gegen- 
ständen , als unter ihm enthalten, gedacht wer- 
den können; oder dafs er als ein folcher Begriff 
xmd zwar wieder für alle Begriffe von Gegen- 
ständen, deren Merkmal er iß, oder nur für ei- 
nige dureh das Pradicat. zu befiimrnen oft (f. 
Function» 5. ff.). Durch eine andere Clafle 
. diefer Vorfiellungen denkt der Verfiand die Be- 
fiimmung der Befciiaff enheit des Subjects felbft 
durch das Pradicat, und zwar entweder dadurch, 
dafs es zu der Sphäre des Begriffs im Pradicat ge- 
zählt wird (die Bejahung des Prädicats vom. 
Subject), oder dadurch, dafs es von der Sphäre 
des Begriffs im £fiidi&3t JttWge fehl offen 
Verneinuh 
dadurch. 




* 

• Kategorie. (J17 

i 

Prädicat auf irgend eine Art bfefchränkten Sphäre 
alles Mögliche*» gezählt wird (die tiefchrän- 
kung der Sphäre alles Möglichen für das Subject 
als eines folchen) (f. Function, > £. ff.)/ und fo 
bei den übrigen, Ciafleh (f. Function, n. ff.). 
Liefe Begriffe oder Vorßellungen , von denen bei 
allen * anheilen aus jeder ClaiTe wenigltcns eine 
vorkommen mufs, und da denken nichts an- 
ders als urtheilen iß, auch, bei allem ^Denken , und 
die, als die Einheiten alles. Verknüpfens durch ur* 
theilen und denken, das Urtheilen und Denken 
eilt möglich machen, find nichts anders als die 
Kategorien. Diefe' Herleitung der Kategorien aus 
den verfchiedenen Arten der Urtheue nennt -Kant 
die nietaphyfifc-he Deduction derfelben. 
Sie ift um fo auffallender, da man bis» auf Kant 
dieie Kategorien aus der Erfahrung herleitete, und 
duch von ihnen behauptete, fie müfsten in aller 
Erfahrungserkenntnifs vorkommen, ja felbfi in 
iblchen Erkenntniflen , die nicht aus der Erfah- 
rung entfpringen-, oder von denen es doch keine 
Erfahrung giebt; weil man nehmlich keine Er- 
fahrungserkenntnifs kennte, in welcher fie nicht 
vorkämen , welches aber theils nichts dagegen be- 
weilet, dafs lieh nicht vielleicht doch noch ein- 
mal ein Erfahrungserkenntnifs werde entdecken 
laden, in weichem fie nicht vorkommen, theils 
auch nichts dagegen, dafs vielleicht in der Er- 
kenn tnifs folcher Gegenfiände, von denen es kei- 
ne Erfahrung geben kann, z. B. Gott, Geilt u. 
f. \v. , vielleicht auch keine foiehe Begriffe ent- 
halten feyn mögen, ' 

4. Der Satz, den Kant alfo behauptet , iß: 

Die Stammbegriffe de$ reinen Ver- 
bandes ; oder die Kategorien ent- 
fpringen a priori aus dem reinen 
rftande, denn fie treffen mit den 
einen* logifchen Functionen 
$ zufammen; ; 




V 



5*8 - - Kategorie. . 

oder find eigentlich felbft diefe Einheiten , -welche 
# die ^verfchiedenen Arten von Urtheilen npüglich 
machen, * und durch welche (ich etjen diefe ier- 
•fchiedenen Arten von Urtheilen unterfcheiden. 
So vielerlei Functionen der Urtheile es alfo giebt, 
io vielerlei Einheiten der Verknüpf ubg zu folclien 
l?rtheile:q nmfs es folglich geben. Diefe ,Stanini- 
begriffe des reinen Verltandes , wenn fie a priori 
feyn fallen, riiüffen Allgemeinheit und Not- 
wendigkeit in * ihrem Begriff enthalten. Sie 
find alsdann die Begriffe, die ftets bei dem Ge- 
fphäft des Denkens und Erkennens aus dem Ver- 
sande entfpringen , : und durch welche* erlt alle 
Erkenntnifs möglich wird, indem iie die gehörige 
Noth wendigkeit und folglich Sicherheit und Ge- 
wifsheit in unfere Erkenntnifs bringen. Um den 
. obigen Satz gehörig zu verliehen , mufs man lieh 
einen HauptUegriff deutlich , machen, der in der! 
kr-itifchen Philofophie eine" grofse Rolle fpielt. 
Dies ift der Begriff der Synthefis. Kant* ver- 
ßeht unter diefem Wort diejenige Handlung des 
N Vetftandes, oder ' des Denkens, durch die der! 
Verftand das Mannigfaltige (die verschiedenen Vor 
. ftellurigen) in der Anfchauung auf ge'wifle Weif« 
durchgeht, auffafst Und fo mit einander verbin 
det, dafs daraus eine Erkenntnifs wird (M* I, in 
C* 102.); 

5. Di£ Synthefis (welches Wort griechifc 
ift, Und eigentlich Zufammen fetzung heifsti und 

7 auch durch Verbindung, Verknüpfung aas 
gedrückt werden kann) ift dasjenige, was.eigent 
lieh die Elemente zu Erkeiintniffen fammlet unc 
zu einem gewiffen Inhalt vereinigt, und geht.al 
ler Analyfis ^vorher. Die Analyfis ift nehm 
lieh 3ie --Auflöfung einer Erkenntnifs in ihre Ele 
inente, wodurch die Erkenntnifs deutlich wird 
indem ich durch fie mir bewufst werde , was al 
les m meiner Erkenntnifs liegt. Bei der Entfte 

/ hurig uiifrer Erkenntnifs kann nun aber die Ana 



Kategon*. $t 9 

lyfis nicht den Anfan; m*chf&. Denn ehe ich 

etwas analyfiren oder in foi.e Elemente auikien 

Jtann. mufs erit etwas Zufaiumen.;etVt£te3 da 

jtvn, was ich auflofen foiL Folglich iii die Svn» 

theiis eher als die Analyiis, oder die ediere geht 

yor der letztern her. Cnfere Erkenntnifs ent- 

fpringt alfo nicht, wie man es lieh vor Kant vor* 

itelite, mit der Analy/is, fondern mit der S>n* 

theiis, und der Verfiand mufs erft . zufammen« 

fetzen und verknüpfen f ehe er auflofen und zer* 

Ifiien bann. Synthefis, in der allgemeinfien 

Bedeutung; ift alfo die Handlung des VerUundes, 

vei Ichiedön e Vorfiellungen (das Mannigfaltige) zu 

einander hinzu zu thun, und diefe Mannigfaltig* 

ich der VorfieJlimfiren in Einer Erkenntnifs zu be» 

greifen. So ift jedes Urtheil eine Synthefis; ich 

thue nehmlich z. B. in dem Unheil » v alle Cörper 

und zufammenpefetzt, zu der Clafle der zufam- 

rjengefetzten Dinge auch die Cörper hinzu, und 

fade alfo dadurch mehrere Vorfiellungen unter der 

Vorftellun£ des Zufammenzefetzten zufammen. 

Diefe Synthefis ift rein, wenn das Mannigfaltig* 

der Anfchauunir. das durch' fie zufarnnirii;:*:? n»t 

wird, a priori gegeben iit. Es Vht.it neKtuhih 

Jiichrs zuiammeniitriV-t werden o**rr \>t\t.e z\t** 

theiis entstehen, werin d*xi Verr-ax.-"« T.icht +u 

was zum Zu f~n* tt; er-:. .Ten £*:re l -tr; *iH- 5* *n 

ftird dem Verbinde ein *t-/: z-v. Z'-'jä'.'«?*^ 

oder zur SADtljeüs £*_** >*i« -c-»*._ cj? L;.c;.'ke 

uif unfre binne* <j--s~j. c-/* r ;• -*'t er. 'i * 1 

äann etwas a s ct I^fi*-".** 5~* •;'-.* ;*-?■*-*, 

lind iit" folcli-cii t.Iv.i •*-_• , ',i.'-s*x * ••; : ' • :.* 

tber unXere Slf.T-".:; * *\-t '.- •■•. *- ' 1 1 > v ! x 

ion f 4. 31"; eir* IIc" ^\ _** t, ;-*.•.* >,-. * ■ »-^ 

hefis dar. Y-.rz. v-:, Z* ". »- .* •-* *■•>:•■ . « 

in Manüi^f^U-r« -^ ** ;**~- -- -' -« ■«* * ;•'-•■*• 
Chören aber ^ *u--a-t ^^ ta t-<* h»~ r r . •.-* . 
mter we2cLe& n^»r Om. : ':• \\ .k t* •*<'.;. i#e 
mpfangen kar- 7^<~ -'-.st./. • ». «-•- J.-- i--t 
ind der Zeit ÜT i. iv r *risr."i» :-v: . <**-i u: #•=* 



520 Kategorie. 

i 

Gemiith felbft dem Verßande zu einer Synthefis 
darbietet, und wenn der Verüand diefen Stoff, 
es fei nun zu reinen Anfchauungen , wie z. B. in 

* der Geometrie, oder zu Begriffen von diefen An- 
fchauungen, z. JJ. zu dem von einem Triangel, 
verbindet, fo'heifst diele Svnthelis rein. 'Mit 
der Synthefis eines Mannigfaltigen nun , fie mag 
empirifch oder a priori feyn, fängt die Erkennt-, 
nib an. Sobald nehmlich durch die Sinnlichkeit 
der Stoff zur Erkenn tnifs gegeben wird, . mufs 
ihn der Verltand verknüpfen. In der Folge wer- 
den wir fehen, dafs dieles Gefchäft mit eineni 

. fehr dunkeln Bewufstfeyn geichieht , und dafs 
datier die Erkenntnifs anfänglich noch roh und 
verworren feyn kann, und alfo der Analyfis be- 
darf. ' Allein die Svntheiis iit doch das erfte, 
worauf wir Acht zu geben haben, wenn wir 
-über den erfien Urfprung unfrer Erkenntnifs ur- 
theilen wollen (M. I, 112. C* 103.) »f. Synthefis. 

* . 6. Die reine Synthefis allgemein 
vorgefiellt gLebt die Kategorie, und 
fie beruhet auf diefer Tyn thetif ch en Ein- 
heit a priori, aU auf ihrem Grunde. Da 
diele Safche ihrer Natur nach fo dunkel iit, fo 
•wollen wir fie uns noch durch ein ßeifpiel er- 
läutern. Gefetzt, wir wollen uns der reinen Vor-, 
fiellung der Zeit bewufst werden, fo giebt uns 
die reine Sinnlichkeit, d. i. die blofse Fä* 
higkeit, finnliche Eindrücke zu erhalten, ein Man 
Jiigfaltiges, in welchem wir weiter nichts unter 
fcheiden können, als die Art, wie es mit ein 
ander verknüpft iit, z.B. daß die Zeit ein Con 
tinuum oder eine'ßetige Gröfse ift, d. h. ei 
xie folche Gröfse , in der , ohne alle Lücken , das 
Ende des einen Theils immer auch der Anfan 
des folgenden iß, wie bei einer geraden inline 
fortlaufenden Linie im liaum. Wir werden un 
m der Folge überzeugen, dafs. diefe VSrknü 
pfung vcriuittelfi: unferer Einbildungskraft in je 



Kategorie. 5 2 1 

lies Mannigfaltige hineingebracht wird.' Jetzt 

wollen wir uns nur deutlich machen , worauf die 
Verknüpfung (Synthelis) überhaupt, beruhet, oder 
wie uns die Voritellung ucrfelbcn möglich wird. 
Wäre die Zeit eine wirkliche Linie, Jo könnten 
wir jße meflen durch irgend einen Maafsitab. Al- 
lein die Zeit hat' die belöndere Befohaffenheit, dafs 
wenn ein Theil derfelben entlieht, der andere 
verfch windet, und fo 'bleibt uns kein anderes Mit- 
telSibrig, ihre Theile mit einander zu verknü- 
pfen, als das Zählen. Und hier, dünkt mich, 
Vird es bei der Zeit am alleriichibarften, daf& es 
der Veritand iit, der Verknüpfung und Einheit 
hinein bringt, und dadurch die Voxftellung der \ 
£eit erlt möglich macht. Denn der Verftand 
mufs durch das Zählen den verfloflenen Zchtheil 
gleich fam feft halten und mit hinüber nehmen zu 
dem folgenden Zeit theil, diefe beiden Zeitlht'ile 
wieder zu dem folgenden, und fü Secunde zu 
Secunde, Minute zu Minute, Stunde zu Stunde 
fetzen , um lieh das Ganze der Zeit vorzuliegen, 
die immer nur in der Grenze twifchen der ver- 
floflenen und zukünftigen wirklich gegenwärtige 
Zeit ift. Diefe Verknüpfung des einen Zeittheil- 
chens mit dem andern (eigentlich des Mannigfal- 
tigen oder der yerfchiedenen Vorftellungen in 4er , 
Zeit, die erlt durch die Verknüpfung des Verftan- 
des. Zeit werden) würde uns aber doch zur Vor- 
fteHung der Zeit noch nichts helfen, wenn nicht 
in derfelben eine fynthetifche Einheit a priori lä* 
ge Das heifst , durch tliefes Zählen mufs ich 
die einzelnen Zeittheilchen zu' einem folchen Gan- ' 
zen verknüpfen, dafs ich fie alle in diefe Vor- 
fiellung eines Ganzen, einer Einheit, { z. B. einer 
Stunde Xo vereinigte, dafs ich nun nicht, mehr 
an die einzelnen Theile denke, woraus das Ganze ' 
befteht, wenn ich mir diefes Ganze vorfielle. 
Die Voritellung eines folchen Ganzen heifst fyn- 
thetilche Einheit, und ift wohl zu un- 
terfcheiden von der Vorfiellung der zu einem Gan- 



M » 



5? 2 Kategorie. 

zen verknüpften Theile, in der ich mir das Gan-- 
ze in feinen Theilen denke', welches die a na- 
iv ti»f che Einheit heifst., Jene fyntheti- 
fche Einheit ilt aber zur Vorfiel] ung j^des Ge- 
/ genltandes, als eines Ganzen, durchaus noth- 
wendig, und lie ift alfo eine aus dem Veritande 
felblt emfpringende Vorflellung a priori, durch 
die er die Synthefis möglich macht. Dießi^fyri- 
thetifche' Einheit iit nun jederzeit der Grund, 
Aach welchem alle verfchiedene Vorilcllungen zu 
einander hinzugeth.m werden^ und der folglich 
ihnen, allen gemeinfehaftlich iß. Sie iit der reine 
Vejrfta>ndesbegriff, und Tg ift diefer der Gru*id f 
auf welchem i die ganze Synthefis beru- 
het (M.I, 114. c; 104.). 

7. Die Kategorie ift alfo eine fynthe- 
tifche Einheit. des Mannigfaltigen in 
derv Anschauung überhaupt;, djirch wel- 
v che (Einheit) der Verjtand in feine Vorfiel- 
lunaen einen tr ansfeenden talen Inhalt 
bringt, und die daher a -priori auf Ob- 
jekte geht (C, 105.). Im Artikel Dafeyn^ 4.- 
findet man diefe Erklärung verdeutlicht. Warum 
aber diefe Einheit fynthetifch heifst, habe ich 
bereits gefagt, weiter" ausgeführt findet man es im 
Art, Einheit, 14. wie auch, was das heifst, 
daffc üe a priori auf Objecte geht. 

* 

r ■ ■ ' ' 

v • ■ 

g* Dafs Arifioteles ein Buch von diefen 
Kategorien .gefchrieben hat, findet man im Art. 
Ariftoteles, 4. f. Weil aber . Ariftoteles di 
Quelle der Kategorien nicht kannte, fo wufste er we- 
' der /die rechte' Anzahl derfelben anzugeben, noch 
- fie gehörig von andern Begriffen zu unterfcheiden. 
In den bereits angeführten Stellen diefes Wörterb. 
im Artikel: Einheit, 14. u. Erfahr ungs ur- 
theil liehet man ebenfalls, dafs diefe Kategorien 
niohts als die logifchen Functionen in den Ur thei- 
len find. * Es entfpringen daher auch gerade, fo 



Kategorie. 523 

viele' Kategorien, welche a priori auf Gegenfiände 
der iinlchauung überhaupt gehen , als es logische 
Functionen zu uit heilen giebt. Die Identität je- 
der einzelnen, Kategorie mit einer - Function . zu 
urtheilen wird unter den» Namen deVitlbt-n nach- 
gewiefen. So v'ül es alfo Arten der L'rtheile 
gkbt., 15 viel Kategorien oder Stamm begriffe d'es 
reinen Verbandes giebt es, nicht mehr und nicht 
weniger. - Und fo ift'der Verfiand völlig erfchöpft, 
diele- Kategorien müden .durchaus die ganze Kr- 
tteruHnils der Dinge aus blofsem Verlu-nd.; aus« 
machen. Es üi alfo das Vermögen de« Verftaiv 
des durch die" voll Händige Aulündung- ciiefer Ka- 
tegorien völlig ausgemeflen, lie geben alle* an, 
was von jedem Erfahriingügcsenßarjüe und.j^dem 
Ge^enltande, der ohne Erfahrung erkannt oder 
gedacht wird; a priori durch den bloisen Ver- 
band erkannt werden kann (C. 105. Pr. 120. M. I, 

-7.). ■ ■ , - 

9. Die transfcendentale Tafel aller 
diefer Kategorien findet man im Art. Kr fall • 
tungsurtheil, 1 i. B. Die Identität j.-.dei ein- 
zelnen Kategorie mit einer Function zu iu (heilen 
wird eigentlich unter dem Namen diefer f<au Mo- 
rien nachgewiefen . f. z. B. Dafeyn. C11 aner 
doch auch hier ein Beifpiel da\on zu geb>m t will 
ich zeigen , wie die dre.i Kategorien der Quanti- 
tät von den Functionen der quantitativen Irtueile 
abzuleiten lind. Im Art. Function, -'.. fi. fin- 
det man die Arten der ITrtlieile ihrer Quantität 
nach.. Es giebt aber in jeder Sprache 'Af irttr, 

WnrlurMi m.in amfitrt wdrKp Q|iailtiU>t cU% g«- 

Vorter haben den 



er ind ividuel- 
ind diele ^tanti- 
, z. IS, <<*jui t 
1, z, U, d'mler. 



/ 



524 Kategorie- 

jener, Ca jus' ift gelehrt; diefer Mann iß mein 

, Freund. 

« * ■ 

* 

b. Far die befondern oder particularen 
Urjtheile (Function, Ö.) find im Deutfchen die 
Wörter: etliche, viele, mehrere, einige, 
manche/ diefe Ouan titäts zeichen , z. ß. einige 
Menfchen find gelehrt. 

* c. Für die' allgemeinen bejahen-den Ur- 
theile find im Deutfchen die Wörter: alle, je- 
de, für die allgemeinen verneinenden Ur- 
theile. die Wörter: keiner, Niemand,* folche 
Quantitätsfceichen , z.B. alle Menfchen lind Werb- 
lich; ke,in Menfch ift heilig. 

Es giebt übrigens auch unbezeichnete Ur- 
theile, worunter diejenigen zu verliehen find, de- 
nen das' Zeichen der Quantität fehlt; z. B. der 
Menfch ift ein Thier; wenn es regnet, fo wird 
es nafs. Solche Urtheile gelten für allgemeine; 
denn das Prädicat kommt dem Begriff im Subject 
in feilem ganzeh Umfange zu, obgleich diefer 
Umfang hier nicht durch ein besonderes Reichen 
angegeben ift. Der Menfch heifst fo viel als 
alle Menfchen. ' 

Diejenige Befchaffenheit eines Urtheils nun, 
dafs man eins von diefen dreierlei Quantitätszei- 
chen mit der Vorßellung im Subject verbinden 
kann, oder noch befler., dafs ich die Verknü- 
pfung zwifchen Subject, und Prädicat, die das, 
Bii>dewörtchen ift ausdrückt, mit dem Quanti- 
tätsseichen verbinden kann, z. B. • 

Cajus, diefer eine ift, gelehrt; 

Von den Menfchen, find viele, nicht ge- 
lehrt; - 

« 

pie Menfchen, find alle, fter blich; 



/* 



Kategorie. 



5*5 



(tiefe Befchaffenheit der Urtheile heifst die Ouan- 
tität derfelben. Nun fehen wir aber deutlich. 
dafs im einzelnen Urtheile der Begriff . der 
Einheit, im befondern Urtheile der Be- 
griff der Vielheit, im allgemeinen Urtheile 
der Begriff der Allheit diejenige Verknüpfung 
• möglich macht, die man die Quantität der Ur- 
theile nennt. Alfo mufs di$ Anlage zu dieicr 
Verknüpfung und folglich zu den Begriffen: Ein- 
heit, Vielheit, Allheit, ohne welche jen* 
Verknüpfung nicht möglich iß, in dem Verbände 
felbß liegen, und fie können nicht aus der Er- 
fahrung entfpringen. Durch fie wird es uns mög- 
lich, über die durch die Eindrücke auf die Sinne 
gegebenen Gegenßände zu urtheilen, und fie zu 
erkennen 5 aber fie entfpringen nicht durch Ab- 
ftraction aus der Vorfiel lung diefer Erfahrungsge- 
genftände. Sie find zum Wefen des quantita- 
tiven Denkens unentbehrlich, s folglich für das 
Denken n 6 th wendig, alfo a priori. Auch brin- 
gen fie Noth wendigkeit in das Urtheil , denn 
wenn ich fage, die Menfchen find alle Werb- 
lich, fo behaupte ich, dafs jedes denkende Sub- 
ject nothwendig fo urtheilen matten Uebrigens 
laflen lieh in diefen Begriffen auch keine Merkma- 
le weiter unterfcheiden, fie find einfach« Solche 
einfache, aus der Anlage des Verfiandes beim Ge« 
fchäft dös Urtheilens hervorgehejide Bcgrifle find 
nun die Kategorien oder Stammbegr ifle des 
reinen Verltandes r und wir haben folglich 
die drei der Quantität: 

Einheit, Vielheit, Allheit 
gefunden. 

V 

Da die Einheit das ift, % wodurch die Viel- 
heit und Allheit gemeflen wird: fo kann man fie 
auch dastMaafs nennen; da die Vielheit ei- 
gentlich das iit, was da macht, dafs ich m#»hre- 
res Gleichartiges unterfcheiden kajm, welche V01- 
flellung auch die Quantität oder Gröfse heifst: 



-*1^ 



526 Kategorie. 

fo kann man die Vielheit auch die Gröfse nen- 
nen, und von ihr hat diefe Clafle der Katego- 
rien den Namen, weif fie der .Hauptbegriff ift. 
Und da die Allheit eigentlich das ift, was da 
macht, daä mir' nichts an dem* ganzen Umfange 
oder der Sphäre fehlt, welches -die Voritellinig 
des Ganzen iß: fo kann die Jäheit auch da$ 
Ganze heifsen. Und fo fehen wir,, dafs die Be- 
griffe: 

Maafs, Gröfse, Gatnzes, v 
diefe Iben Kategorien lind (M. I, uy. C. 106.)» 

,to. Die Tafel der .Kategorien enthält nun ein 
vollfi mdi£es Verzeichnifs aller der Begriffe, die ' 
uvlpr mglich aus dem Verfiande felbfi entfpringen, 
und lo f wie fie noch mit keinem Erfahrungsbe- 
griile -vermilcht lind. Der Verfiand enthalt alfo| 
diele ßegiiffe a priori an fich, nicht als wenn lie, 
ihm tngebohren waren (f. An ge bohren), fon-j 
dem weil er eine folche Anlage hat, dafs er, U 
bald er zu feinem Gefchaft des Denkens oder UV- 
theilens wirkfam wird, dies Gefchaft nur auf die 
Art treiben kann, dafs immer einer dieier ur- 
sprünglichen reinen ISegriile dabei erzeugt wird 
oder daraus, hervorgeht* Will er z. B. das Waf- 
fer denken, fo denkt er es als ein Ganzes; 
will or lieh' die Anlchauung Corp er denken, 
fo mufs er fie entweder uls einen, oder als 
viele, oder als alle Cörper denken; will er 
weiter fortfehreiten in feiner Krkenmirifs, fo mufs 
er lieh die Hcalitaten des Wallers otier des Cör- 
pers denken» d* L die iWchatfenheilen, die ihm 
zukommen, ?.* H* dio Fiüffigkeit des Wallers, 
die tinditrehdring lichkeit des Corners. Be- 
trachte ich nun den 
ficht, dafc er ein fei 
lieh, obwohl bei Üc\ 
drücke, folche He^ii 
feix» und dadurch 
der \ erlehiedeneu 




I. • ■ • 

Kategorie. N 5*7. 



gm zu bewirken, und fondere alfo alle, feine 
übrigen Vermögen davon ab, z. B. das Vermögen, * . 
das Empi'rifche zu beurtheileri, fo heifst der Ver- . * 
ltand in di'efer Abftraction ein reiner Vefftand. 
in eben dem Sinne, als man Tagt,-, die reine, 
Sinnlich h ei t. -£s wird folglich damit. nicht. • 
gemeint, es gebe ein ganz ifolirtes oder abgefon^ ,. 
dertes Vermögen , welches - der reine V e r ft a n d 
heifse. ' Sondern es ift blofs ein lo°ifcher Kunft* 
griff, dafs wir uns von einem Gegemtande das * 
wegdenken, was wir zu unserer vorhabenden» Un- 
terfuchung nicht gebrauchen können, und die ' 
übrigbleibenden Merkmale in einen befon'dern Be- 
triff zufammenfaffen , und diefem einen befondern 
Namen geben. So "fprechen wir vom Vernande* ^ 
der Einbildungskraft, dem Gedächtnifs, nicht als 
wenn diefe . Vermögen wirklich fo von einander 
abgeföndert, wie etwa zwei Cörper, neben ein an- ' 
der exiftirten; fondern um uns deutliche Vofüell un- 
tren zu machen von dem, was bei allem Denken 
vorkömmt. Haben w r ir etwa^ gerunden , dafs ne- 
ben dem Urtheil noch etwas vorkömmt, 1 was wir ^ 
fchon einmal gedacht und uns nur erinnert ha- - 
ben, fo fondern wir diefe "befondere Wirkung in 
Gedanken von dem 'übrigen ab, und fchreiben^lie 
einem befondern Vermögen , dem Gedächtnifs , zu, . 
u. f. f. Darum wirken aber dennoch alle diele - 
Vermögen in der^ Wirklichkeit zugleich , und» 
wenn wir lie uns einzeln vorfteMen, fo ift das 
eine logifche Abltracüon , welche die Deutlichkeit 
in der Erkenn tnifs befördert, Der reine Ver- 
lund ift nun ebenfalls' eine folche logifcl.e Ab 
J:raclion, und wir verfiehen darunter den Ver- 
Ji.tnd blofs in fo fern reine Begriffe aus ihm 
enrfpringen, nicht aber dafs es ein folches abge- 
ändertes Vermögen für fich in der - Wirklich- 
Keit gebe. Man kann alfo nicht etwa fragen, 
wo giebt es denn aber einen Menfqhen, der ei- 
nen fo r einer* Verftand hätte? 






5?8 .Kategorie.' 

Qhne diefe urfprünglichen reinen Verftandes- 
bcgriffe würden fich die verfchjedenen Vorftellun- 
gen (das x Mannigfaltige) der Anfchauungen nicht 
einmal als ein Gegenitand denken, und es würde 
lieh folglich gar' niclits davon verliehen laTen. 
Denn er mufs lieh, noth wendig das Mannigfaltige 
der Anfchauung als eine Gröl'se, oder als eine 
Bealität, oder als eine Subitanz u. f. w. den- 
ken, d. i. als einen Gegenitand, der Gröfse, 

Realität hat, für fich befteht u. f. w. 

< 

• Die Erntheil ung der Kategorien in ihrer Ta- 
fel iXt aber auch fyftematiich, d. h. fie ilt aus 
einem gemein fchaftlichen Princip entfprungen. 
D^nn Kant fchliefst fo, die Kategorien lind die 
Grundbegriffe des menfehlichen Verliarides, durch 
welche alles Urth eilen möglich wird,; fe viele 
von einander wefentlicH verichiedene Arten zu ur- 
theilen es alfo giebt, fo viel Kategorien 'mufs es 
auch« geben. , . Nun ift urtheilen nichts anders als 
denken j oder lieh die Anfchauungen vermittelfi 
des Verftändes durch Merkmale vorteilen, alfo 
giebt es auch eben fo viel Arten ^ alles durch 
Grundbegriffe zu denken. Und JTo ift die Anzahl 
diefer Grundbegriffe, und welche es lin4, völlig 
beftimmt. 

Schon die Pythagoräxfche Schule foll ei- 
nen Verfuch gemacht haben, die, einfachen Be- 
griffe unferes Verfiandes aufzuziehen (Bruckeri Hiß» 
Philo f. T. I. p. Q06.1 Schwabs Preisfchrift über die 
Ffage: welche Fortfehritte u. f. w. <S. 4/7. )• ^ r * e 
^venig es dem Ariitoteles geglückt ift, findet 
man im Art. Ariftoteles, 4. f. Schwab, ein 
erklärter Gegner der kritifchen Philofophie; fagt 
felbft (a., a. 0. S. i38-) : „Kant gebührt unltreitig 
das Lob, daf& er die einfachen Verfiandes begriffe 
nicht, wie feine berühmten Vorgänger, Arifto 
teles, Locke, Lambert und Ci'ufius, au 
gerathewohl und rhapfodifti'fch,' fpnderii nach 



m 



1 

\ 



i. , Kategorie. 529 

einer £ewiflefi Regel, aufgelacht', und ihre An- 
zahl beftimmt hat. Der Gedanhe, fie aus den 
loglfchen Urtheilen abzuleiten, ift glücklich,, 
und würde allein ein beweis \ov Kants metaphy- 
fifchem\ Genie feyn, . ijrenn er a*ch nicht fo .-vieie 
andere Troben davon gegeben Hätte." Die Phil »- 
fophen vor Kant fchloflen^die einfachen Grundbe* 
griffe , die fie fanden , nur durch In d u c t i on f 
d.h. wenn fie fanden, dafs ein Begriff in meh* 
rem gleichen Fällen vorkam, fo fehl offen üc 9 
der Begriff fei ein folcher, der bei allen fol-' 
chen Fällen ~vorkpmme, und folglich ein Grund- ' 
begriff, Sie fanden alfo diefe Begriffe nicht durch 
ein Frincip a priori, fondern aus der Erfahrung, 
welches ihnen darum möglich war, weil iie ' in 
aller Erfahrungserkenntnifs vorkommen, indem, 
wie wir uns bald überzeugen werden, der Ver- 
ftand fie in alle Erfahrung hinein legt. Auch 
konnten fie auf diefe Art niemals einfehen, war- 
um gerade diefe und nicht auch andere Begriffe in 
aller Erfahrungserkenntnifs vorkommen, weil fie 
den Urfprnng derfelben aus »dem reinen Verftande 
nicht kannten, und folglich nicht wufsten, daf* 
der Verßand nur an diefe Begriffe gebunden iß, 
durch die alles fein Denken und Erkennen allein 
fortläuft (M. I, xi 9. C. 106. f.), 

■ 

11. Schwab macht aber, mit mehrern, Kant 
den Vorwurf, er habe nicht bewiefen, dafs' es 
nicht mehr und nicht weniger Claffen von lo- 
gifchen Urtheilen. gebe, als diejenigen, aus de- 
nen er feinp Kategorien herleitet (f. Erfahrung 3- 
urtheil, 11. A.). Wie diefe Schwierigkeit zu 
löfen fei, findet man im Artikel Urtheil. Dafs 
diefe Stämmbegriffe übrigens auch ihre yeben . fo 
reinen abgeleiteten Begriffe haben, welche > 
Kant Prädicabilien des reinen Verbandes nennt, 
findet man im Art« Abgeleitet. 

Mellins philo f. TpörttrbJ 5. Bd f • Li 



I ' I 

1 ' / 

I 



• 1 



530 Kategorie. 



t n 



iß. Die Tafel diefer Kategorien ift im tljeo- 
retilchen* Theile der Philofophie unentbehrlich. 
Denn foll die Philofophie j fo weit fie auf Begrif- 
fen er priori beruhet, als Wiffenfchaft behandelt 
, werden, fo mute der Plan zu derfelben fo voll- 
ßändig entworfen werden, ' dafs man fich verll- 
chern kann , - es fehle nichts , auch mufs lie nach 
befiimmten Grundbegriffen mit mathematischer 
Schärfe und Genauigkeit abgetheilt werden. Dies 
' ifi aber nur durch diefe Tafel der Kategorien mög- 
lich, indem aus. derfelben allein' erhellet, wie 
' viel Elementarbegriffe des Verltandes es giebt, 
und welche lie find. 'Nun kann in einer Wiffen- 
fchaft nichts weiter ^vorkommen , als dje verschie- 
denen Einheiten, zu welchen der gegebene Stoff 
durch den Verfiand nothwendig verknüpft werden 
mufs, und die daraus entfpringenden Begriffe und 
Sätze. Folglich müifen fich alle ' Momente der zu 
unterziehenden fpeculativen Wiffenfchaft, ja fogar 
' " . , die Ordnung derfelben , aus diefer Tafel eben fo 
fyftematifch ergeben , als fie die Grundbegriffe 
des^ menfchlichen Verltandes in einem vollftändi- 
gen Syfiem aufftellt (C. 109. f* M. I, 123.). 

' ^3. Kant hat in den Anfangsgründen 
der Natur wiffenfchaft eine 'Probe geliefert, 
. wie ' *diefe -, Tafel der Kategorien zur fintwerfung 
des völiftändigen Plans und der Eintheihmg ei- 
tler Wiffenfchaft zu gebrauchen fei, welche ich 
hiet als Beifpiel 'herfetzen und. erläutern will. 
^ £r will in dem genannten Bubhe eigentlich die 
metaphyfifche Cörperlehre liefern,' oder lehren, 
was man von einem Cörper überhaupt a priori 
aus blofsen Begriffen wiJTen kann. Dies ift nun 
nichts weiter als die vollfiändige Zergliederung 
des Begriffs von einer Materie überhaupt,, denn 
,n Tolles übrige einer reinen Naturiehre über einen 
Cörper überhaupt iß nur durch Mathematik mög- 
lich, weil der Begriff dazu conftruirt oder in der 
reinen Anichauung a priori mufs dargjiLellt . wer- 



Kategorie. 



53i 



den, um zu zeigen» dafs der Gegenftand mög- 
lich, kein leerer. Gedanke, fei. Die AViflenfchaft 
aber, vermittelfl der Cojifiructioiten a priori zu er- 
kennen , ilt eben die Mathematik. Da nun der ' 
Verftand von einem Gegenltande nichts weiter den- 
ken und erkennen kann, als die Gröfse, Be- 
fchaff enheit', das Verhältnis deffelben zu 
andern Gegerißänden (die Relation) utid » das 
Verhältnifs deffelben zu unferm V^rftande (die 
Modalität): fo muffen fich auch alle Beitim- 
mungen des allgemeinen' Begriffs einer Materie 
überhaupt , mithin auch alles , was a priori von 
ihr gedacht, ja alles, was auch von ihr in der 
mathematifchen Conftruction dargestellt, oder in 
der Erfahrung, als befiimmte Materie, gegeben 
werden mag, unter .diefe vier ClaCTen von Begrif- 
fen bringen laden. Mehr ift hier nicht zu thtin, 
zu entdecken öApv hinzuzufetzen, fondern. allen« 
falls, wo in der Deutlichkeit oder Gründlichkeit 
gefehlt feyn follte, es befler zu machen (N. Xy*). 

14. Der Begriff der Materie mufs daher durch 
alle ,vier Claffen der Verßandesbegriffe durchge- 
führt werden, von denen jede demlelben eine 
neue Beftimmung giebt. Die fünf äufsern Sinne 
können nur durch Bewegung Eindrücke bekom- 
men, da nun die Materie der Gegenftand dieler 
äufsern Sinne ift^ fo mufs Bewegung die Grund* 
beltimmung . der Materie feyn, und fie überhaupt 
als etwas Bewegliches gedacht werden. Der Ver- 
ftand führt daher. alle übrigen Beflimnmngen (Prä* 
dicate) der Materie auf jene Grundbefiirumung zu- 
rück, und fo ift die ganze Naturwiflenlchaft über- 
haupt nichts anders als Bewegungslehre. Di* 
B e we g u n g mufs ^älfo betrachtet werden ; 

a. der Gröfse oder Quantität nach, %lg 
ein reines. Quantum, d.i. als eine folche Gröfse, 
bei der man alles wegdenkt, was irgend durch 
die Erfahrung zur Beßimmung derfelben hinzu« 

LI a 



> * 






:V 



332 ■/* ^.- Kategorie. .' 

kommt. Zugleich wird dabei abfirahirt von al- 
ler Befchaffenheit und allem Verhältnis des 'Be- 
weglichen iu einem, andern odfer zu unfrer Vor- 
ftellungsart. • FolgHch kömmt hier- nur die Gröfse 
I >v der Bewegung in Betrachtung, nicht; aber die 
Gröfse des Beweglichen, welche zur Befchaffen- 
\Jieit •deiTelfe^n gehört. Den Inbegriff der Begriffe 
w\<% Sätze, welche hieraus entfpringen , nennt 
Kant die Phoronomie oder reine Gröfsenlehre 
der "Bewegung* Diefe Phprpnomie hat nur einen 
einzigen allgemeinen Lehrfatz, der die Möglich- 
keit der Zufammenfetzung der Bewegung aus. ein- 
facheren Bewegungen dufch Confiruction lehrt, und 
im Art. Bewegung, zuf'aihmengefe tzte, vor- 
kömmt und erläutert wird. Der Begriff der Gröf- 
fe ift nehmlich nichts anders, als der von der 
Zufammenfetzung "des Gleichartigen nach einem 
gewifffn Mftafse (der Einheit); Folglich ift die 
Phoronomie nichts anders als die Lehre von der 
^Z ü f a in me n f * t zung der Bewegung, und zwar 
iiaih deh drei Kategorien der Gröfte und den Mo- 
menten, die der Raum dazu an die Hand giebt: 

a.^Einl^eit, wenn die Bewegung nur eine 
Richtung in- einer und derfelben Linie hat; ' 

ß< Vielheit, wenn die Bewegung mehre- 
re Richtungen in einer und derfelben Linie hat; 

' ' ' ■- ' 

y. A 11 h e i t ; « wenn die Bewegung mehrere 
Richtungen nach mehreren Linien hat. 

* " /' . , 

Mehrere Beftimmungen der Bewegung als ei- 
ner Gröfse kann es nicht geben. Die Bewegung 
wird hier nehmlich als ein aus mehreren! Bewe- 
gurigen Zufammengefetztes betrachtet, und ift x in 
So fern eine Gröfse. ^ Die Gröfse der Bewegung 
felbfi aber befieht, .weil x das Bewegliche' hier blofs 
als ein Punct betrachtet wird, allein irt der Ge- 
schwindigkeit* Nach diefer dreifachen Beltimmilng 



/. 



Kategorie. * 533 

(«, j8 u. y) hat folglich der allgemeine phoronomi- 
fche Lehrfatz drei Theile (f. Bewegung, S. 610.) 

(N.30,). ,. . . ' 

15; Die Bewegung^ mufs ferner betrachtet 

werden • \ * 

b. der Befchaffenheit .oder Qualität 
nach, als eine Befchaffenheit der Materie. 
Hier na cli, mufs das Bewegliche eine Befthnmung 
mehr bekommen, es mufs etwas 'da \feyn, was 
beweglich iß, dem die Bewegung ßls Befchgffen-; 
heit anhängen kann , $as bewegt werden und et- 
was anders in Bewegung fetzen kann, Die^ ift 
nur möglich, wenn etwas den Raum erfüllt und 
dem Eindringen in denfelben Raum widerfieht. 
Kaut ztrigt nun, dafs man lieh die Materie dar-i 
um als ein Bewegliches denken muffe, deffen Be- 
wegung eine urfprüngliche (den Grund der Bewe- 
gung in fich felbß habende) bewegende Kraft fei f 
tmd nennt daher den Inbegriff von Sätzen und - 
Gegriffen hierüber Dy.n am ik* oder Lehre von der 
Bewegung als urfprünglich bewegender Kraft. Die 
Befchaffenheit wird riöhmlich durch Empfindung 
gegeben , und folglich mufs die Befchaffenheit v 
der Bewegung empfunden werden, dies ift nur 
durch .''Videritand, folglich durch Erfüllung dejs 
Raums möglich. Daher ift die Lehre davon eine 
Lehre von der Bewegung als einer urfpnitiglich ' 
bewegenden Kraft. Nach den drei Kategorien 
der Qualität mufs nun in derfelben gehandelt 
werden: 



Ä.i der Realität nach: von der. Erfüllung 
des Raums durch Zur iickfto fsungskraf t, oder 
dem Reellen (Soliden) im Räume; 

ß, der Negation nach: yon der Durch« 
dringung des Raums durch Anziehungs- 
kraft, oder der Aufhebung des Reellen 
(Soliden) im Räume; 



\ 



534 , Kategorie. 

y. der Limitation nach; von der Be- 
fchränküng beider Kräfte durcheinander, oder 
der Beitimmung des. Grades des Reellen 
oder der Raumserfüllung. 
(N. 30.) f. Bewegung,. VII, 

16, Die Bewegung ruufs ferner -^trachtet 
werden 

* * ■ \ » 

c. der Relation nach, in Beziehung o&et 
im Verhältnils zu einer andern Bewegung. ^Hier- 
nu h bekömmt das Bewegliche, aufser der Beitim- 
mung, dafs es; auch in Ruhe,, durch urfprüng- 
lich bewegende -Kraft den Raum erfüllt, noch die, 
dals es, auch in Bewegung, eine bewegende Kraft 
hat, welche es möglich macht, etwas anderes ße- 
, wegliches in Bewegung zu fetzen oder yoA ihm 
in Bewegung geletzt zu werden. Dt?n Inbegriff 
der Sätze und Begriffe hierüber nennt Kant die 
Mechanik, oder Lehre von der Bewegung als 
abgeleiteter bewegender Ktaft. ' Nach den drei 
Kategorien der Relation mufs in derselben gehan- 
delt werden: 

a ? der Subftantialitä t nach, vom Gefeta 
der Selb ftftä ndigkeit oder Beharrlichkeit 
derfelben Quantität Matetie,, f. Aufga- 
* be 9 10, a, 

/ 

I ... ' • . 

ß. der Caufalität nach, vom Gefetz der 
Trägheit, f, Bewegung, Villi 2.' u. Aufga- 
be, 10, \b, 

\ 

y. der Wechfel Wirkung oder Gern ein- 
fchaft nach, voui Gefetz der Gegenwirkung 
dar Materien, f. Gegenwirkung u« Aufga- 
be, io L , c. 

Der Begriff der Subßanz correfpondirtnehm- 
lich genau dem JJegriff , def Selbüftändigkeit 



, Kategorie. 535 

» i 

i • 

der Materie, der Begriff, der Urfaöhe dem der, 
äufsern Urfache der Bewegung der Materie, oh- 
ne welche Urfache iie in ihrem Zuitande beharret 
oder träge ift, und der Begriff der Wec h fei- 
wirk ung" dem der Gegenwirkung zweier 
Materiell. Wenn mah die angeführten Stellen 
nachliefet, fo bedarf diefes Keiner weiteren Erör- 
terung (N. 133. f.). 

17. Endlich mufs die Belegung auch 

,d. der Modalität nach betrachtet* werden, 
d. i blofs in. Beziehung auf die Vorfiellungsart. 
Für unfere Vorfiellungsart ifi lie aber eine Er- 
fcheinung, die nur vermittelt der äufsern Sin* 
ae für uns möglich iß; darum nennt Kant die 
Lehre von der Bewegung der Materie iri Bezie- 
hung auf unfre Vorfiellungsart die Phänomeno- 
logie oder die Lehre von der Bewegung der Ma- 
terie als Erfcheinung, Wie die plrei Kategorien 
der Modalität hier auf diefe Lehre angewendete 
werden und *fie erfchöpfen,* ift im Art. Bewe- 
gung, IX, III. Lehrfatz a. b. c. zu finden (N.' 
XX. f.). 

% 

18-^ Diefe Tafel der Kategorien giebt aber 
auch zu manchen merkwürdigen Betrachtungen 
VeranlafTung.. H 

Es fällt zuerft in die Augen, dafs fie vier 
Claffen von Vetftändesbegriffen enthält, nehmlich 
die 1. der Quantität;*. 2. der Qualität; 3. 
der Relation; 4. der Modalität. Sie läfst 
fich aber in ö. Abtheilungeft zerfallen. Die erße 
Abtheilung diefer Stammbegriffe des reinen Ver- 
fiandes gehet auf Gegenftände der Anfchauung, es 
macht dabei keinen Unterffchied, ob es Gegen- 
ftände der reinen oder in der Erfahrung gegebe* 
nen (empirifchen) Anfchauung lind. Die zweite 
Abtheilung diefer Kategorien gehet auf das Dafeyn 
diefer Gegenftände der Anfchauung, und «war 






\ . 



$36 



Kategorie. 



. \ 



• entweder im Verhältnifs diefer Gegenftände zu ein- 
911 eleu, oder im Verhäknifs derlei ben zu dem Ver- 
sande. Wenn wir nehmlich die Gegenstände der 
Erfahrung oder auch der reinen Anfchauung an- 
Ichauen, ' f 6 finden wir das an denfelben, was 
wit uns in den Begriffen ihrer Quantität und Qua- 
lität denken. Die Relation und Modalität aber 
linden wir nicht in den Gcgcnitänden lelbß, fon- 
dern in der Art, wie fie exilüren (M. l f 124, 
C, ijo) t 

19. . Die erfie diefer beiden Abtheilungen der 
Kategorien nennt Kant die mathematischen, 
fie find die Kategorien der Quantität und Qualität; 
% der Grund diefer Benennung iß aber f weil fie 
auf Gegenftände der Anfchauung gehen und fiel* 
alfo confiruiren oder, wie es der Mathematiker 
mit feinen Begriffen macht, in der Anfchauung 
darfteilen laflen> Die zweite Abtheilung nennt 
er die -d y n a m i f c h e n Kategorien , weil alles 
Dafeyn als die- Wirkung einer Kraft (im Grie- 
chifchen Dynamik) .gedacht werden mufs. Die 
ferfie Abtheilung hat keine Correlata, d. i. Begriffe, 
die fich entweder wechfelfeitig auf einander bezie- 
hen, oder doch einander entgegen gefetzt find, 
die zweite Abtheilung hat diefe Correlata oder 
Oppofita. Diefer Unterschied mufs doch einen 
Grund in der Natur des Verftandes haben , welches 

» defio mehr einleuchtet, da wieder in den mathema- 
tifchen Kategorien lieh ei was findet, was in den dy- 
namifchen nicht angetroffen wird,, nehmlich in de- 
nen von der Quantität ein Fortfehritt von der Ein- 

* h,eit zu der Allhe.it, in denen von {Ur Qualität 
ein Fortfehritt vom Etwas (der Realität) zu dem 

' Nichts" (der Negation); zu diefem Behuf muffen 
aber die .Kategorien der Qualität fo liehen: Reali- 
tät, Limitation, Negation, f. Erfahrungs» 

urtheil, xi. B, (M, I, 135. C» Wp. P*. >***)• 

1 

20, Es iß^ferner. bemerkend wer th , dafs alle 



I 

N 



t 

Kategorie. 537 

vier Claflto eine gleiche Anzahl von Kategorien, 
nehmlich immer drei enthalten« Alle Einthei- 
lupg a priori aus Begriffen muf$ nehmlich fonft 
zweitheilig- feyn (jedes Ding, ilt entweder A 
oder nicht A); allein das ift blofs die lo gif che 
oder analytifche Eintheilung nach -dem Satzö 
des Widerfpruchs. Es gicbt aber auch eine nie« 
taphyfifche pder fyn thetifche" Eintheilung 
q priori aus Regriffen (nicht, wie in der Ma- 
thematik, aus der dem Begrüfe correfpondirenden 
Anfchauung a- priori) , und diele mufs jederzeit 
dreithe ilig'feyn, weil zu jeder fynthetifchen 
Einheit (welche einzuteilen ilt) dreierlei erfor- 
derlich ilt _( worin fie folglich gctheilt weiden. 
kann); 1. die Bedingung; a. das JJedingte; 
3. der Begriff, der aus der Vereinigung des Be- 
dingten mit feiner Bedingung entfpringt (U. LVIJ.*) 
M. I, 176. C, no.) f 

ai. JDaher rührt es nun auch, dafs in allen 
vier Claflen die dritte Kategorie aus der Verbin- 
dung der zweiten mit der eriten in einen Begriff 
entfpringt. ' So ift die Allheit (Totalität, das 
Ganze) nichts anders als der Begriff, % der aus 
der Vereinigung .des Bedingten, der Vielheit, 
mit feiner Bedingung, der Einheit, entfpringt, 
oder Vielheit als Einheit betrachtet. Die Ein- 
lcliränluing (Limitation) iß nichts anders 
als Realität mit Negation verbunden; die 
Gemeinfchaf t (Wechfel wirkun g) ift die 
wechfel fei tige Wirkung der Caufulität der Subftan- 
zen auf einander; die Notwendigkeit ift die 
Wirklichkeit, deren Bedingung die blofse Mög^ 
lieh k ei t ift. J5s fcheint aber, als folge hieraus, 
dafs d$r dritte VerftandesbegrifF i» jeder ^Cl^fTe 
der Kategorien keine wahre Kategorie, kein 
Stamnibegriff, fondern blöfs ein abgeleiteter Be- 
griff des reinen Vörftandes (eine Prädicabilie) 
fei. Allein der Actus des Verftandes, der zur 

Verbindung beider Kategorien %xl der dritten ><er« 



% •- 



538 



Kategorie. 



fordert wird, ift noch ^ verschieden von dem -Actus; 
1 durch welchen der Verftänd jene beiden Begriffe 
einzeln 1 erzeugt , und liegt gar ijicht etwa /fchon 
in der Erzeugung jener 'beiden*. Man lieht diefes 
logleich dadurch ein , wenn man den Begriff der 
.Zahl nimmt, welcher nichts anders als die* neue 
Einheit <ein er Menge von Einheiten, alfo eine 
Allheit ift. , Wäre nun die Zahl biofs durch das 
Denken der Menge oder Vielheit und Einheit mög- 
lich, fo -müfste es uns auch möglich feyn, das 
Unendliche als eine Zahl zu denken, dehn in 
dieiem Begriff ilt auch Vielheit und Einheit, al- 
lein es ift» uns nicht möglich, das Unendliche als 
den Verftandesbegriff der Allheit, oder als Zahl, 
einer Grenze von anzugebenden Einheiten zu den- 
ken. Das Unendliche Jälst lieh nicht unter den 
Verftandesbegriff der Allheit fubfumiren^. es ilt 
iem Vernunftbegriff (eine Idee). -Eben fo wenig 
ilt es aus deij blofsen Begriffen> der Urfache und 
Subftanz möglich einzufehen, wie eine Urfache 
auf die Subftanz wirke, nehmlich nicht anders 
als fo, dafs die Subftanz zurückwirkt, u* f. w. 
(1VLI, 137. C. ni.). 

ßö. Schwab, wirft' (a. a. Ö. S, 130. ) Kant 
r vor, dafs feine Ableitung der Kategorien von den 
Urtheilen hie und da fehr gezwungen fei. Zum 
Beweife hievon führt er die Kategorie der Ge- 
jtieinfchaft an. Wie aber dennoch diefe Kate- 
gorie ganz deutlich in dem dksjunctiyen Urtheile 
liegt und daffelbe möglich mächt, habe ich im 
Art. Gemeinfeh aft ausführlich zu zeigen ge- 
fucht. ' ' 



23. Ein Paar andere Bemerkungen, welche 
fich noch über die Tafel der Kategorien machen 
laffen, fiWd folgende. Im Logifchqn, oder 
dem Denken überhaupt, .liegen die kategorifchen 
Urtheile allen übrigen Urtheileri zufti Grunde, 
denn die hypothetifchen xind disjimetiven Urtheile 



, 1 



r 
l 



Kategorie. 539 

find aus kategorischen zufammengefetzf} und' die 
Quantität., Qualität und Modalität , der Urtheile 
find befondere Beliimmungen jener genannten drei , 
Arten von Urtheilen. Denn, wenn ich fage, 
die Menfchen lind fr erblich, fo üt das ein kate- 
gorisches Unheil, weil es eine Behauptung ohne 
alle Bedingung ausfa^t. Solcher Behauptungen 
find in einem hypothetifchen Urtheile zwei-, z* B. 
wenn die Menfchen einen zerftör baren Cor per ha- 
ben, fo find iie fterblich; in einem di*junctiven 
Urtheile und zwei oder mehrere kategorische, z.B. 
die Menfchen find entweder fterblich, oder im- 
fterblich. Da es nun nothwendig eins diefer drei 
Arten von Urtheilen feyn mu£s, dem die Beitim- 
»Hingen der Quantität, Qualität und Modalität 
zukommen, fo folgt, dafs das kategorifche Lr- 
theil allen andern zum Grunde liege« Eben fo 
lie^t nun - auch in Anfehung der Ge^enftände die 
Kdtegorie der Subfianz allen übrigen (und folg- 
lich auch allen übriren Begriffen von wirklichen 
Dingen) zum Grunde; denn nur eine SuLiUnz 
kann UiTache feyn und in Wechfelwiikung Itehm, 
kann Grofse und Befchaffenheit hoben, oder das 9 
wovon diefe Befiimmungen ausgela^t ■ werden, 
wird in fo fern doch immer als Siihfranz betrach- 
tet. Die zweite Bemerkung iit, dafs im Urtheile , 
die Modalität kein befonderes Prädkat HL In 
dem problematifchen Urtheil, der Mm Ich kaum 
fierben, wird durch das Wörtchen kann b!of* a^u- 
gefaxt, dafs das Sterben des Menfchep allen Erf.-h- 
rungsbedingungeh nach denkbar ift. E* kommt da- 
durch nicht aufser dem Sterben noch eine neue Be- 
fchaffenheit hinzu, fondern es wird nur auHjef^zt* 
dafs die beigelegte Befchaffenheit nicht als et*«.** 
betrachtet werde, was. in der Sinnenweit bereits 
angefchaut werde, fondern was fich blcfs als den 
Gefetzen der Erfahrung gemafs denken laiTe, Fb*it 
fo thun nun auch die Modalbegriffe k<nne B^ft im- 
mun g zu den Dingen hinzu. Ob ich da* flehen 
im hohen Alter als möglich betrachte, oder aU 



54* ' Kategorie. 

-wirklich, das verändert keine Befiimmungen in der 
Sa<.he felbft, thüt nichts zu dem Leben im hohen 
Alter hinzu und nimmt nichts, davon weg , fondern 
betrifft blofs die Art meiner Erkenntnifs deflelben, 
ob ich es als einen blofsen, obwohl auf die Bedin- 
gungen der Erfahrung gegründeten, Gedanken, 
oder als etwas in der Sinnenwelt Befindliches er- 
kenne. Dergleichen Betrachtungen haben alle ih- 
ren grofsen Nutzen, und können hoch idelleicht 
von' erheblichen Folgen für die wiflenfchaftlichfc 
Fprm aller Vfcrnunfte'rkenntniffe- feyn. * So fehen 
wir hieraus, dafs die Gegenßänd^ nicht in folche, 
^die wirklich vorhanden, ^ und folche, die blofs 
möglich find, clalßficirt werden können; fondern 

i dafs die Möglichkeit und Wirklichkeit nur ver- 
fchiejlene Arten die Dinge zu betrachten lind, in- 

> dem Gegenftände, die blofs in unfern Begriffen 
Vorhänden find, und noch nie. exiftiTt fiaben, fo 
lange zu den Hirngefpirißen gezählt werden muf- 
fen, bis. f\c, einmal in der Erfahrung angefchauet 
weJrden (Fr. 123. *), ? ■ • ' r • 

N mm 

24. Schwab wirft fiber (a. a. O. S. 130) auch 

* ^m* * 

■ K die wichtige Frage aYif, ob die Tafel der Katego- 
*rien auch vollftändig fei, giebt aber dazu fehr 
wenig irre machende Beifpiele. Wichtiger ift das 
Beifpiel, das 'Kant felbfi (C. 113.) aus der Trans- 
fcendentaXphilofophie. der Alten giebfc Es ift der 
Satz der Scholäftiker: jedes Ding ift eins, wahr, 
v o 1 1 k o m in en. \ Hierin v fagt Boyoin (Phüofoph. 

s Scoti P. L Logicae P> IL C. IL quaeft. V?) be- 

fiehet die transfcendentale Wahrheit des Dinges r 

die nehmlich jedem Dinge als folchem. zukömmt* 

,35s ift nun die Frage, fegt diefes Princip wirk- 

" lieh ein Paar Kategorien . aus , die nicht in jener 
Tafel liehen, oder hat. diefe Behauptung ihren 
Grund in deiner, faifch verftandenen Verftandesre- 
gel? .Öer -Gebrauch des angefahrten Satzes alsr ei- 
ner Erkenntnifsqüelle fiel in Abficht auf die dar- 
aus entfp ringenden Folgerungen fehf kümmerlich 

■■ ^ \ ■•"'•• 



I * 



Kategorie- 541 

aus, uni gab, wie wir bei jedem der drei Begrif* x 
fe, die er enthält, fehen wollen, lauter tauto- 
logifqhe, d. i. folche Sätze, die, nur mit andern ' s ' 
Worten t 1 daflelbe Tagten. Man pflegt daher in 
neuem Zeiten diefen Satz auch nur ehrenthalben. 
in der Metaphyfik aufzuhellen. IndelTen verdient 
ein Gedanke, 'der fich fo lange Zeit erhalten hat, 
fo leer er* auch zu feyn fcheint, immer eine Un- 
terfuchung feines Urfprungs. Er inufs doch, da 
er allgemein angenommen wurde, in irgend ei-» 
ner Verfiandesregel feinen Grund haben. Diele 
Verftandessegel wäre dann N wie es oft der 
Fall gewefen ift, falfch verflanden und ausgelegt 
worden. 

Diefe vermeintlichen* transfcendcntalen Pradi- ■ 
cate der Dinge find nichts anders, als lo gif che 
Erfordernifle oder ^Kriterien (Kennzeichen) aller 
Erkemitriifs der Dinge überhaupt, und legen der- 
selben die drei Kategorien der Quantität, nehm« 
lieh Einheit, Vielheit und Allheit zum 
Grunde. Ich fage, ße find logifche und nicht 
trän sCcenderitale Erfordernifle der Erkennt« 
nifs, d. h. fie find nicht material und .gehören 
nicht zur Möglichkeit ' der Dinge oder Gegenftan- 
de, über die wir denken, fo dafs wir .fagen 
könnten, jedes Ding mufs fie an fich haben; fie 
und nicht Eigenfchaften der Dinge, foirdern nur 
formal -öder Begriffe, nach welchen wir im 
Denken * überhaupt verfahren muffen. Da nun 
die Logik' lehrt, wie wir der Natur imf^rs Ver- 
bandes gömäfs überhaupt denken müSen , die 
TransfcemdenXalpkilöfophie hingegen, was , 
für Vorfiellungen bei dem Denken über die Ge- 
genstände fo aus dem Verfiand entfpringen, dafs 
^ir keinen Gegenßand vor uns haben können, ' 
ohne diefe Vorfiellungen in ihm zu finden : f £0 
fleht man ein, was das heifst, jene Begriffe find 
logifche Erfordernifle in Anfehung jeder Er- 
tanntnifg, und. nicht noth wendige und all- 



• 






/ 



£42 Kategorie. ' 

> 
* * * 

gemeine Eigenfchaften der Dihge. Wir 
wollen diefes nun an jedem diefer <Jrei Begriffe 
einzeln fehen. * 

In jedem Erkenntjriffe iß nefcmlich: 

a» Einheit des Begriffs, welches man die 
qualitative anal.y ti'fche Einheit nennen 
kann , um fie~ von der quantitativen, oder 
der Kategorie der Einheit fowohl, als von der 
qualitativen fynthetifchen zu unterfchei- 
r den, f. Einheit, 10. : . 

• , -» 

b, Wahrheit des Begriffs in Anfehung der 

Folgen. Jemehr wahre Folgen aus einem gege- 
benen Begriffe entfpringen, \ deito mehr Kennzei- 
chen hat man, dafs es der Hegriff ,von einem 
wirklichen« Gegenftande und' keinem Hirngefpinfte 
fei. Man Isann diefes die qualitative Viel- 
heit der Merkrilale nenjien, die- -zu einem Be- 
griffe als dem Grunde gehören, aus dem fie ent- 
springen. Diefe Vielheit ift alfo nicht die Kate- 
gorie der quantitativen Vielheit, durch wel- 
che die Merkmale in dem Gegenfiande, als einer 
Gröfse, deren 1 TheÜe iie find, gedacht .werden. 

c. Vollkommenheit des Begriffs, die dar- 
ih befteht^ dafs, fo wie von einem Biigriffe alle 
♦jene Folgen abgeleitet werden konnten , umge- 
kehrt , lie alle auf den einen Begriff zurückge- 
führt werden können ^ und nur mit ihm und kei- 
nem andern völHg zufammenftimmen. Man kann 
diefes' die qualitative Vollfiändig^keit, r To- 
talität oder Allheit nennen. 



. / 



Hieraus erhellet alfo, dafs diefe Begriffe le- 
gi fche Kriterien oder Kennzeichen find, ohne 
welche man überhaupt nicht denken kann, und 
nach welchen man* jeden Gegenfiand ohne Unter- 
schied behandeln mufs, die aber nicht etwas an 
• » " ' i 



I 



t 

Kategorie. 545 

dem Gegenftande felbft nothwendig Befindliches 
vorfiel) en. Es find freilich die drei Kategorien 
der Gröfse, aber nicht auf Gegen Uände felbft an- 
gewandt, fondern auf die Begriffe von denselben. 
JYlai> lieht diefes auch daraus , wenn durch die 
Kategorien der* Einheit, Vielheit und Allheit Ge- 
genllande felbft erkannt werdeh follen, fo mufs 
die Einheit in der Erzeugung der Gröfse durchaus 
gleichartig angen ommen werden ; allein bei 
jenen Begriffen ift die Rede von der Verknüpfung 
ungleichartiger Erkenntuifsftücke in Eineih Be* 
wufstfeyn, f. Einheit, 10. Wahrheit, Voll* 
Kommen he it. Jene Regel der Alten betrifft 
allo eine Bedingung der Uebereinftimmung aller 
Erkenntnifs mit fich felbft , aber nicht eine Er- ' 
kenntnifs ar priori der Gegenftände (C. 113. ff. M. I, 

Transfcenden tale Deduction der % 

Kategorien. 

1. Vorbereitung. • 

J 25. Die vorhergehende Deduction zeigte, wie 
aie Kategorien a priori en,tfp ringen , und bewies 
die (es dadurch, dafs fie ihr völliges Zufammen— 
treffen mit den allgemeinen logifeben Functionen 
in den Urth eilen darthut. Nun mufs. gezeigt werp - 
den, wie es möglich fei, durch dergleichen Be- 
griffe a priori von finnlichen Gegenftänden , die uns 
durch die Erfahrung gegeben werden, etwas zu 
erkennen. , Es würde dazu nichts helfen, wenn 
wir, wie es die Philofophen bisher thaten, über 
die Erfahrungsgegenfiände nachdenken, und die 
Kategorien in der Erfahr ungserkenntnifs von fol- 
chen Gegenftänden auffuchen wollten. Wir wür- 
den dann, was fchon lan^e bekannt war, finden, 
dafs diefe einfachen Begriffe in, aller untrer Krfah- 
rungserkenntnifs vorkommen. Diefe Nach weif ung 



% 
\ 



544 * Kategorie. 

und*Herleitutig derfelben kann man" die eitipi>*i* 
fche Deduction (eigentlich Illuftratioii ; der 
Kategorien nennen. Allein diefe Deduction ' wür- 
de uns zur Beantwortung der Frage: wie all es 
möglich, dafs uns Begriffe, die aus unferm Ver- 
bände entfpringen, Befehafienheiten Iblcher Ge- 
genftiinde • angeben , di« wir aus der Erfahrung 
kennen lernen? nichts helfen. Denn das,' was 
iie uns von diefen Gegenständen der Erfahrung 
kennen lehren, ift felbft keine Erfahrung, wie 
könnte uns alfo»-die Auffuchung diefer Begriffe in 
der Erfahrungserkenntnifs hierüber Auskunft ge- 
bfen. Soll alfo jene Frage zu beantwor- 
ten nöthig feyn, fo mufs diefe Deduction 
% transfcendental feyn, das ift, Iie mufs durch 
Unterfuchung des menfchlichen Erkenn tnifsvermö- 
gens,. in wie fern daflelbe reiner Erkenntniffe a 
priori fähig ift, und diefe mit den durch die Sin- 
ne gegebenen Anfchaungen in Verknüpfung* flehen 
können, gezeigt werden (M. I, 134. C. 11 80* 

c£. Ei iß aber nö thi g, jene Frage: 
wie kann man durch reine Begriffe a -priori eine 
Befchaffenheit linnlicher Gcpenitände, die uns et 
poßerierK gegeben find , hefiimmen ? zu beant- 
worten. Denn, diefe Kategorien ftellen nicht 

v blofs folche Pcädicate vor, welche nur ünnlichen 
Gegenltanden beigelegt werden können , ' fondern 
man kann durch fie jeden Gegenftand, er fei Imn- 
lich oder nicht, ' denken. So kann man fehtf 
wohl Gott als die Ur fache der Welt denken, 

"ungeachtet Gott keiq linnlicher Gegenftand, . der 
Begriff, Urfache, aber eine Kategorie üt. 1VW 
dem, Begriff des Raums und der Zeit ift das nicht 
der Fall, Qtan kann, fie blofs von finnlichen Ge- 
genftanden gebrauchen, und von Gott nicht fe- 
gen, ei; belinde fich irgendwo ini Räume, oder 
habe fchon fo viele Jahre , Jahrhunderte oder Jahr- 
taufenie gelebt. In der Phyhk hingegen iß die 
Vorlielliing des Raumes und der Zeit unentbehr- 



Kategorie. 



545 



lieh, und die TJeotnetrie geht ihren fichern Schritt 
durch, lauter Erkenn tniffe a priori vom v Räume, 
ohne dafs diefe \yiffenfcha£tei> einen s Beglaubi- 
gungsfehein über die Rechtmäfsigkeit ihres Ge- 
brauchs der. Begriffe des Raums und der Zeit von 
ihren Gegenitänden und ihrer Erkenntnifle a, 
yrori von denfeiben bedürften (f. Geometri e). 
Denn der Raum iß die reine Form 'der Anfchauung 
der äufsern Sinnenwelt, alle geoiuctrifche Erkenht- 
uifs von demfelben beruhet auf Anfchauung a ' 
priori deflelben , und hat -alfo eine unmittelbare 
Evidenz.. Die Gegenßände, mit welchen lieh die 
Geometrie » befchäftigt , nehmlich die reinen Eor- . 
men und Geltalten im Raum, werden durch die 
Conftruction derfelben felbfi gegeben, und es kann 
alfo hier kein Irrthitm ftatt finden oder lieh lange 
halten. Die Kategorien hingegen muffen aller 
dieler Vortheile entbehren; denn fie geben von 
Gegen/tänden folche Prädicate an; welche fich 
denken laden, wenn auch nichts dergleichen in 
der Anfchauung dargeßellf und durch Aflicirung 
der Sinne empfunden wird. Ja, da fich diefe 
Kategorien, nicht '-auf Erfahrung gründen, indem" 
"die Notwendigkeit und Allgemeinheit in densel- 
ben nicht erfahren werden kann'; und da es .auch 
in keiner Anfchauung a priori etwas giebt, - was 
den Grund diefer Begriffe enthielte: fo fcheint 
ihr Gebrauch ganz unbegrenzt zu feyn» Es nmfs 
alfo von ihnen nachgewiesen werdpn, von wel- 
chen Gegenitänden lie gültig gebraucht werden 
können,, von allen ohne Untcrfchied, oder nur 
ton finnlichen. Diefe trän sfeen dentale Deduction 
der Kategorien iß um fo noth wendiger, weil die- 
fe Begriffe fogar verleiten ' können , den Begriff 
des Raums fei bß von nichtfinn liehen Gegen- 
itänden zu gebrauchen , und z.B. den Sit£ des 
aienfchlicheri Geiltes, als der Urfache des Lebens 
und Denkens, ini Gehirn, als fei er wie Mate- 
rie irgendwo im Raum befindlich; zu fliehen (f. 
Deductiön) (M. I, 136. C. 119. ff.). ' 

MellinsphilrWört*rb.5.Bd. Mm 



1 



54$ • Kategorie. 





2*]. Die Katpgorien find Begriffe, die uns 
zum Denken unentbehrlich lind. Es fragt lieh 
aber, w^s diefes den Gegenfiänden felbß, über 
die wir denken und ihrer Befchaffenheit; angehe, 
und wie es möglich fei, dafs die Gegenfiände, 
von deneh wir uns eine Erkenntnifs verfchaffen, 
lieh nach diefen ^Bedingungen urifers Denkens rich- 
ten, und davon Beschaffenheiten annehmen kön- 
nen? So ilt z. B. der Begriff der Ur fache ein 
folcher, der uns an^die Vorßellüng bindet, dafs, 
wenn ein Ding B vorhanden ift, jederzeit ein 
anderes A vorhergegangen feyn muffe, welches 
von B ganz verfeineren fei, und auf welches die- 
fes nach einer Regel gefolgt fei. Nun finden wir 
es in der Erfahrung auch gemeiniglich fo, 
denn von allen Erfahrungsgegenfiänden laflen 
fich nicht einmal die Urfachen entdecken, oder 
find doch wenigfierfs noch nicht entdeckt; allein 
ditefes *be weifet nichts dafür, dafs es noth wen- 
dig und in a 1,1 en Fallen fo feyn muffe. Es 
ilt nicht fogleich aus blofsen Begriffen einzugehen, 
warum, die Erfahrungsgegenfiände darifrn fo be- 
fchaflen feyn' muffen, weil unfer Verfiand an die- 
fes Gefetz gebunden fei, und es iß daher auch a 
priori zweifelhaft (und alles, was jnit der Vorltel- 
lung der Noth wendigkeit und Allgemeinheit ver* 
knüpft iß, läfst fich nicht a pojUriori oder aus 
der Erfahrung erkennen), ob der Begriff der Ur- 
fache nicht gar ein jleerer Begriff fei, und ob es 
in der Erfahrung wirklich Urfachen gebe, ob wir 
nehmlich nicht das, wovon wir blofs gewohnt 
find,, dafs es vor B hergehet, v die,Ur lache des B 
nennen , und ihm fälfehlich , durch die Gewohn- 
heit getäufcht, die Notwendigkeit und Allge- 
meinheit des Vorhergehens unterfchieben,' Viel- 
leicht giebt es, könnte man fagen, Gegenftände 
der Erfahrung» die fo befchaffen find; dafs lie 
keine Ur fache haben. Sie liegen dann freilich in 
einer folchen * Verwirrung , dafs unfer Verfiand, 
der alles . durch den, Begriff der Urfache und Wir« 



i 



Kategorie. 



547 



imng erkennt, nichts davon begreift; allein das 
hindert nicht, dafs alsdann der Begriff der Ur fa- 
che für fie nicht ganz leer, nichtig und ohne 
Bedeutung wäre. Ja giebt es nur 



eine einzige 



Erfahrung, die von ihm ausgenommen iß, fo 
dafs er nicht von derielben gilt, fo fallt die 
Notwendigkeit und Allgemeinheit, welche doch 
Merkmale in die fem Begriffe find, und damit der 
ganze Begriff felbft, über den Haufen (M.'I, 133, 

C* I2fll). 

28- Es iß durchaus nicht möglich, aus der Er* 
fahrung zu erkennen, dafs der Begriff der Urfache, 
und fo.die übrigen Kategorien, für alle Erfahrungs- 
erkenntnifs und die Gegenfiände derfelben gültig- 
lind , und ßch in denfelben vorfinden muffen. Denn 
wollte nianfagen, dafs fie in allen Erfahrungen vor- 
kommen , und dafs, wenn man d je Urfache von 
manchen Ge^enftänden und Veränderungen nicht 
wifle, daraus nicht folge, dafs fie keine haben, 
dafs man vielmehr auch von ihnen eine Urfache 
annehmen muffe, weil überdem das Gegründete 
diefer Annahme durch den Erfojg unfers F orfchens 
nach den Urfachen der Dinge, fo oft gerechtfertigt 
werde: fo hätte man nicht bedacht, dafs daraus, 
dafs fetwas immer fo gewefen fei, bei weitem 
noch nicht folge, dafs es immer fo feyn werde, 
und durchaus fo feyn muffe. Eben dies ilt es 
aber, was durch den Begriff der Urfache behaup- 
tet wird. Wenn A die Urfache von B keifst, fo 
will das nicht Tagen, ß kann darauf folgen und . 
«uch nicht, diefes Folgen iß zufällig; fondern 
B mufs auf A nach einer fchlechthin allgemeineh, 
d. i. ftets geltenden, Regel folgen, diefe Folge, ilt 
nothwendig, Erfahrung giebt aber nie eine 
ftrenge, fondern nur eine comparative Allge* , 
meinfreit, d. h. man.weifs blofs, dafs bisher noch 
kein Fall ausgefallen iß, abter ni^it, dafs nie einer 
ausfallen werde, weil keiner ausfallen könne. 
Und fo verhält' es fich mit allen übrigen Katego- 

Mm a * 



/ 



/ 



548 Kategorie. - 

rien., ja mijt allen reinen Verf^iidesbegriffen über- 
haupt (M. I, 159. C. 123. .f.). v 

ä. U eher gang. 

29, Wenn wir uns Erkenn tnifs von Gegen- 
ftänden der * Erfahrung erwerben , fo macht* der 
Gegenftand die Vorfielfung möglich', dje iph mir 
vpn ihm mache, oder ich bekomme meine Vor T 
ßelluhg von dem Gegenfiande durch denfelben. 
Dies kann man die empirifc he li eziehung ei- 
ner Vofrftellung auf ihren Ge^eniiand nennen. Es 
ift aber die Frage, ob es nicht auch umgekehrt 
feyn könne, ob es nicht a^ch, Vorftellungen gebe, 
welche ihren "Gegen ftatid möglich machen, fo dafs 
ich folglich durch diefe Vorfiellungen fchon willen 
kann, -wie gewiffe Gegenfiande 'befchaffen feyn 
_wejrden und muffen? Wäre das, fo gäbe^ es eine 
rationale Beziehung einer Vorfiellung zu ihrem 
Gegenfiande, nehmlich, die, dafs did Vorfiellung 
a priori "befiimnite," wie der Gcgenliahd befchaffen 
Xei. Alle Erfahrungserkenntnifs enthält aber zwei- 
erlei, eine Anfchauung des Gegenfiandes durch 
" die, Sinne, wodurch etwas zum Erkenntnifs gegeben 
wird, und einen Begriff von dem Gegenfiande, den 
wir, in- der Anfchauung anfchauen.. Alle Anfchau- 
ung mufs x^ber zweien Formen unfr er, Sinnlichkeit 
•gemäfs fcyft, und wird durch diefe befiimmt, d. h. 
es mufs alles, was wir anfchauen, im Räume und in 
der Zeit, oder doch, wenn es etwas in unferm iniierh. 
Sinn Befindliches ifi, in der Zeit angefchauet wer- 
de , und folglich in fo fern den Gefetzen diefer 
Formen ganz gemäfs feyn. Es fragt fich nun: ob 
^ nicht auch die Begriffe ähnlichen Formen der' Be- 
griffe gemäfs feyn muffen,, fo dafs'fie nur in die- 
len Formen gedacht /werden kpnnen? "Wäre das* 
fo müfste -alle Erfahrungserkenntnifs» der Gegen- 
fiande, noth wendig folchen Begriffen (Formen cles 
Denkens) gemäfs feyn, und es liefse fich ohne lie 
kein Erfahrungsgegenfiand denken. * Sind nuiv die 



Kategorie. 549 * 

1 

9 

Kategorien dergleichen Begriffe a priori , fo ^iret 
ihre objeetive Gültigkeit, oder dafs Jedermann das, 
was fie ausfagen, in aller Erfalirungsgegenftimdeu 
gültig finden mufs, darauf beruhen, dals durch lie 
allein, Erfahrungserkenntnifs ( den Formen des Den* 
iei>$ nach) : niöglich fei. Alsdann kann es > einen 
Gegenstand geben, der nicht durch diefe Katego- 
rien, im Denken des Gegenftandes, beftimmt wür- 
de, weil es dann nicht möglich' ift, uns einen 
Begriff von - irgend eineni Erfahrungsgegenftande 
zu machen, als nach den Formen aller Begriffe 
öder alles Denkens überhaupt, d. i. nach den Ka- 
tegorien (M. I. 140. C. 124. ff.)-' - 

» 

30. Es ift alfö blofs die Frage zu beantwor- 
ten: find die Kategorien f und überhaupt die Be- 
griffe a priori, etwa die Bedingungen, unter wel- 
chen allein Erfahrung, fowohl Erfahrungsgegen- 
ftande als Erfahrungserkenntnifs, möglich ifi^ 
Sind fie das," fo find lie auch nothwendig; weil 
fie dann nicht blofs der Grund der Möglichkeit 
der Erfahrung* für einzelne Subjecte, wie z. B. det " 
Sinn des Gefichts u. dergl. , fondern der Möglichkeit 
der Erfahrung überhaupt find. Dies ift der ein- 
zig mögliche Weg, ausfindig zu machen t wie Be» 
griffe, die ihren Urfprong in unferm Verftande ha» 
ben, etwas ven einem Gegenftande ausfagen kön- 
nen , -der uns feiner Materie nach durch die Sinne 
gegeben wird; denn durch die Ableitung diefer 
Begriffe aus der Erfahrung würden wir die Not- 
wendigkeit in denfelhen nie heraus bekommen, 
weil in der Erfahrung al4es zufällig, ift (M. I, 141; x 
C. ia6. f.). , 

- » 

• 

31. Die Kategorien können alfo nicht aus der 
Erfahrung eritfpringen. Dennoch hat Bocke Jie f 
als einfache Begriffe, in der Erfahrung aur- 
gefucht: Diefer Fhilofoph ift es eigentlich, de* 
auf die Beftimmung und Aufzählung der einfa- 
chen Begriffe zuerlt aufmerkfam gemacht hat. Et 



1 



£5<> Kategorie. 

< i 

nimmt zwei Quellen derfelben an, den äufsern 
und den innern Sinn* Hiernach clafllficirt ec 
/die einfachen Begriffe auf folgende Art. Es giebt 

foiehe, 

i 

- s 

a. die aus einem einzigen Sinnj 

b. die aus mehreren Sinnen; 

c. die aus dem innern Sinn allein; 

' i 

d. die aus dem innern und äufsern Sinn 
zugleich entfieherf. 

Von den erfiern betrachtet er blofs die Soli- 
v di tat; die der zweiten Clafle find: Banm, Fi« 
gur, Bcwegurg und Ruhe; die der dritten 
Clafle find; Perception und Wille; die der 
•vierten Clafle: Vergnügen • und Schmerz, 
Kraft, E^iftenz, Dauer und Einheit. Die 
An' *hl der Begriffe ift in diefer Tafel ebenfalls nach 
]keiner Regel und willkührlich beltimmt, auch 
jmifcht er offenbar Begriffe, die aus reiner Sinnlich- 
keit entfpringen, und empirifche Begriffe, fo wie 
abgeleitete und Stammbegriffe des reinen Verßan- 
de,s unter einander (Schwab, a. a. 0. S. 45 und 
43. ff.). Die Haupt fache aber ift, dafs Locke 
fo inconfequent verfuhr, und nach diefen Be- 
griffen, die doch aus der Erfahrung entfpringen 
follei), Gegenfiande beflimmen und fo zur Er- 
kenntnifs dejfeJben gelangen wollte, von denen 
.gar keine Erfahrung möglich iß, fo dafs die Er- 
kenntnifs derfelb N en folglich von ganz anderer Art 
iß, als die Erfahrungserkenntnifs. So gebraucht 
Locke den Begriff der Exifienz von Gott, und 
behauptet, das Dafeyn Gottes fei diejenige Wahr- 
heit, welche man durch die Vernunft am leichte* 
ße? erkennen könne, und die Evidenz derfelben 
gleiche der aus » mathematifchen Demonßrationen 

(Locke £jjai philo/. Cancern, erntend* hum* l* IV* 

< 

\ 



» 



» \ 



KatearoCTc 



eh. X. $. l-% Er kennt der T*»rr£F o"* T c ~* - t » 
blöfs als einen ErfaLrtrrr^^rr.^r,, r~ :rv.. ..- ^_x 
aber ohne Umltande ron Gi*rt„ ehirn. Gfir*: L«x...»„ 
der nicht in die Sinne f^Lt, iriiL i "*• Ci*aL «r 
folglich keine Erfahrnncr ^ei>en I^t.il E' :*_ i..n 
gar nicht ein, zu fra^ren z vx cl*.- ct .r*"T. e.i- 
fachen Begriffe, die in om Erfi^-rui.irt'r^T.! *i» 
den finnlich dar£eitel]t werfen, bu:l zi ii- .ii-t 
Ge genftänden , die £ch alüer F-r:V:.rui.x: ci.tr t*.:-.^n^ 
etwas ihnen entfprechendes haiiex« c^zh cura ±*t 
gedacht werden könne? 



David Hume raTbnxiirte cfcrr^n cj* * i "ec- 
tive Realität der all sen.ciT.eii It;'j ; r« 
überhaupt, ja fogar ihr Dcfeyx: iü Ctr rtt.t 
we£, und erklarte £e für Ur.cmr*- I-r :^i.«'U> 
tet mit Berkley, dafs alle zllz^iwr"* lß~z~St 
Grunde nichts als individut-Tüe J^r--i-V ▼ *-**■: . 
man an einen gewifTm lü5cni'i ir,r r , *»^r li-*' 
eine ausgedehntere Pecdt-; r r* -•* , *:?•£ 
mache, dafs man £ch re]erer.t ii Lj«u*~rr Ii;t.r- 
viduen erinnere, die ihnen Li/»..i'*. j*j*t: hi.i! 
er hält diefes für eine der Trici:}«. ur. uiitf 
gröfsten Entdeckungen, cie r*i cto. j*--r'.*Ti 
Jahren in der Republik der IViTeiJi :,*/•.♦•* £**:!*•• r.t 
worden feien. Um zu er!;] Heu # wam-r: -w rr ii"e 
Begriffe als allgemeine beh<~" ^'t-. It.. - ! *-^ : rr 
dein Worte erwache der feidivic T**.e l**zrS . n.c 
diefem die übrigen, die mit deinl* u*n. f.c*'i c*-* 
Gefetzen der. Aehnlichkeit, der G *■: rr^:.vi»i^ 
der SuccelBon u, L w. TerbwrE.öen It **-?.; ul^e 
Einbildungskraft gehe Ton d*?n elfifn rirxn hti- 
dem, wir bekommen nach xir-A T.*b e.rte Leirt- 
tigkeit, die ganze Beihe zu dtu«: i.'.r >f*-i: , riid 
täufchen uns dann mit d*-r EjtjUL'Jvt r . *-* ^<^- 
ten wir einen allgemeinen Be^r^ii fom**rt_ D*f Te 
Täufchung beruhe alfo, fo wie das «ranz*? Oe r u;. •% 
auf Äer Binbild ungskraft tmd Geiro^T t e*t f 
f. übrigens Gewohnheit, £. ff- \ ebrirer.i +** 
aber Hume bei diefer feiner BeKatipttu,* -vext 



55* Kategorie. 



xonfequentev als Loche. Er erkannte, dafs 
man mit Begriffen, die ihren Urfpiung auf diele 
Weife der Einbildungskraft urul Gewohnheit zu. 
dünken hätten, unmöglich Gegenstände erkennen 

f könne, von denen wir nie einen individuellen 
Begriff erlangt hätten. Die reinfc IVJathemaük und 
allgemeine ftaturwiffeijiciAaft lehren, dafs-jich Lo- 
cke und H^iune in der Ableitung ihrer einfachen 
und allgemeinen Begriffe aus der Erfahrung irr- 
ten , indem, gegen beider Gründe,- jene Wiffen- 
fchaften durch die That lehren, dafs es wirklich 
Begriffe a priori gebe {LA "priori f 19.) (M. 1, 

1 14a. C, 1*7. f.), 

5Q. Locke öffnete durch feine Behauptung 
der Schwärmerei Thür und Tljor; denn fo wie . 
er einige feiner einfachen Begriffe ohne allen Grund, 
aus der Erfahrungserkerintnifs zur Erkenntriif» 
überfinnlicher Gegenltände ülfertrug, könnte man 
^ebenfalls nicht nur feine übrigen einfachen Be- 
griffe, fondern auch zufammengefetzte übertra- 
gen, und fo alle Grenzen zwifchen der Erfah- 
rung und dem, was nie Erfahrung werden kann, 
,wegreifseh. So würde Locke z. B, , wenn er feine 
übrigen einfachen Begriffe eben fowohl, als den 
der Exiftenz von Gott gebrauchen wollte, (durch 
den Begriff der Salidität) einen materiellen, 
(durch den Begriff des -Paumes) irr*. Raum be- % 
find liehen, (durch den Begriff der Fig«r) ei* 
ne Figur habenden, (durch den Begriff der 
'Buhe und Bewegung) der Bewegung und Ru- 
he, fähigen, (durch den »Begriff des Veq^iigens 
t^nd Schmerzes). des Vergnügens und Schmer» 
ja es fähigen, aUcTpafliven i*nd ganz (innlichen 
Oott bekommen, Man lieht nicht ehr, warum ein r 
lolcher Gott nicht auch in die Sinne fallen follte, 
und wenn die Vernunft einjnal die Befugmfs batj 
über die Grenzen der, Erfahrung hinaus nach\ 4ec 
Erfahrungserkenntnifs zii .verfahre».! WK.fr] 
für 1 fie Grenzen foyn fallen, w 




Kategorie. " 555 

ibll dadurch in Schranken halten laden, dafs 
man etwa lagt, man niufs hierin auch nicht zu 
wut gehen. — Wie fich Hume hergeben durch 
leine Behauptung den Skepticismus ergab, fin- 
det man im Art. Hume, 5. — Kan^s Abhebt bei 
feiner Critik der reinen Vernunft ift nua, die 
menfehliche Vernunft föwohl vor Schwärmerei 
als vor Skepticismus zu fiebern. Diefes ver- 
flicht er. dadurch, dafs er darauf ausgeht, die 
Grenzen aufzufinden, üher welche die menlchlitbe 
Vernunft mit ihrem erkennenden Vermögen 
nicht hinaus kann , und dabei dennoch ihr nicht 
dadurch das FeLd zu verfchhefsen , in welchem ihr 
Bach Zwecken handelndes Vermögen wirkfam 
feyn kann, ein Feld, welches* in Anlehung der 
Zwecke der Vernunft unltreitig weit über all» 
Grenzen der menschlichen Erkenntnifs hinan» 

reicht (M. I, 143. C. i28-)* 

« « 

55* -Ehe Kant die transfcendentale Deducrioif 
der Kategorien ^ausfuhrt, fchickt v er etil noch ei* 
ne Erklärung der Kategorien voraus, welche den 
Realbegriff derfelben giebt, der eben durch die 
Deduction bewiesen werden folL Sie heifst ; Ka« 
tegorien find Begriffe von einem Cic* 
genftande überhaupt, dadurch deffe.n An* 
fchauung in Anfehung einer der Jogi* 
fchen Functionen zu urtheilen, als be- 
ftimmt angelehen wird.* Wenn wir nehm- 
üch denken, fo ift es das erfte, dafs wir uns 
ein Subject denken, wovon wir % etwas denken, 
oder dem wir Prädicate beilegen. So lange wir 
nun dein Subject noch gar kein Prädicat beigelegt 
haben , ift. . da$ Subject noch ganz* unbeftimmt* 
Wir denken uns im Begriff des Subject« bloft über» 
haupt einen Gegenfiand, den, wir beftimmen, odet 
Prädicate beilegen^ wollen.* Unter all« Begriffen, 
Al ~ %h nun dem, was ich mir im Subject nur" 
>.alr Gegenstand überhaupt denke, beile- 
;*ehfc ^ es einige, welch« Kategorien 




554 Kategorie* 

heifsen. Das lind nun folche, 
ich fic c|em Subjecte beilege, be 
^welcher Function zu urtheilen • d 
der Anfchauung flehe , ob er z. 
von dem (in Anfehung andrer 
allgemeine oder befondere oder 
der bejahende oder' ,verneineiy 
ITrtheile gefällt werden müfler 
rifchen UrtHeil als Subject c 
dacht werden muffe u. f. w. 
den Begriff Corper denke, n 
nicht weiter befiimmt habe, 
unter zuvörderft überhaupt 
Will ich nun mit diefer 
andere verknüpfen, fo ilt 
iß die Anfchauung eines 
logiichen Functionen zu 
jnit mir jene Verknüpf 
die. Anfchauung fo beleb 
Gegenftandes diefer Ar 
den nlil ihm zu verl 
%. B. den der Theilt 
rie, der Allheit, oc 
Einheit ltehe, fo • 
alle, oder viele 
ein Corper ift thei T 
flen, dafs er unt 
. oder Negation , c 
ich entweder fage 
find nicht the 
theilbar; ferner 
kategor ifchen U 
ausmache, und 
fianz oder d 
entweder fagej 
oder einiges " 
die Kategorie 
Subitanz, 
darunter brf 
A&fchauunf 



Kategorie. 555 

fchaffen fei, dafs er entweder überhaupt, in je- 
dem Fall,- odet doch in Anfebung eines andern 
mit ihm zu verknüpfenden Begriff« i'o zu betrach- 
ten fei, dafs jederzeit alle Anfchauungen , die 
zu der Sphäre des Begriffs eines Cörpers gehö- 
, ren, auch zu der Sphäre des Begriffs der Theil- 
barkeit gehören, und dafs der Cörper hierbei 
immer nur als Subject, niemals als Prädkat be- 
traclitet werden mülTe; und fo in allen übrigen 
Kategorien (M. I, 144. C. ia&. I-)- 



3. Dednction. 

a. Nach der erfie» Ansgabe der Cri- 
tik (C. 1. A. 94. E). 

34. Wenn Erfahrung entfiehen foll, fo muf- 
fen drei nrfprüngliche Vermögen der Seele wir- 
ken , welche darum urfprünglich beifsen , weil 
fie von keinem andern Vermögen der Seele weiter 
abgeleitet werden können: der Sinn, die Ein- 
bildungskraft und die Apperception. Di« 
drei Wirkungen durch welche diefe drei Vermö- 
gen die Erfahrung hervorbringen, find: 

a. der Sinn fafst das Mannigfaltige der Ein- 
drucke, die er empfängt, nach und nach auf, 
«reiches die Synopfis deffelbeu heifst; 

gskraft verknüpft diefe* 
Eindrücke '■ mit einander, 
deffelben heifst; 

ion macht, dafs alles die- 
kannt werden kann, als 
Eindruck, den. wir erhaU 
e Einheit deffelben ge- 



$$6 t Kategorie. 

Aber nicht nur die Erfahrung felbft bringen 
diefe Vermögen durch ihre Wirkungen fc hervor, 
foudern auch die Form, die alle Erfahrung we- 
gen der Befchaffenheit der Vermögen, durch wel- 
che wir zur Erfahrung gelangen, noihwendig an- 
nehmen mufs. Diefe Vermögen haben alfo einen 
zwiefachen Gebrauch, einen einpirif chen, zur 
Bewirtung der Erfahrung lelbß, und einen 
trän sfc enden talen, zur Bewirkung der Form 
a priori , die alle Erfahrung noth wendig anneh- 
men mufs. 

55. Dafs ein Begriff völlig a priori erzeugt wer- 
den, und dennoch die Vorliellung irgend eines ic- 
ftimmten Gegenstandes (nicht blofs eine» Gegenwin- 
des überhaupt) enthalten follte, iß unmöglich; denn 
folcher begriff würde blofs eine Art des Denkei>s 
ftyn , aber es würde dadurch nichts Bestimmtes 
auf diefe Art gedacht werden, er würde die Form 
äu einem Begriff von* einem. Gegenfibnde feyn, 
aber er würde keinen Inhalt zu einem befiimm- 
ten Gegenßande haben, deffen Begriff diefe Form 
Annehmen könnte. Wenn ich z. B, fagd, die 
Seele ift eine Subßanz, fo lege ich dem Gegen- 
ftande, den ich Seele nenne, und im Subject 
meines Urlheils als noch unbeßimmten Gegenfiand- 
denke, einen folchen a priori erzeugten Begriff 
bei* Aber eben darum erkenne ich noch nichts 
yon diefem Gegenßande, .' fondern fage blofs di« 
Art oder Form des Denkens aus, auf welche oder 
tinter der der Begriff Seele mufs gedacht worden, 
nehmlich blofs als Subject, aber nicht als blofse 
Beitimmung eines andern Subjects odef als Prädi- 
cat, Darum keAne ich aber noch nicht die Seele 
als 4ine Subßanz, es fehlt mir noch an' etwas, 
Wodurch der Begriff Snbfianz Inhalt bekömmt, es 
mute in 'dem unbeßimmten Gegenßande Seele et« 
Was, vielleicht -durch die Sinne, gegeben werden, 
.was ich die Subßanz der Seele nennen» kann. So 






Kategorie. 557 

iit die &ubft*nz des Cörpers, .das den Raum Er- 
füllende , die Materie des Cörpers (C. 1. A. 95.). 

- s 

56. Nun giebt es aber für uns Menfchen 
Keine andere Art, wie unfern Begriffen von Ge- 
genwänden eiji Inhalt gegeben werden Kann, als ' 
die Eindrücke , die wir auf die Sinne erhalten ; 
wärm, es alfo reine Begriffe m priori giebt, fo 
kann durch fie nichts, anders erkannt werden, als 
das, was durch die Sinne un* gegeben wird, 
folglich können fie . nur zur Erkenntnifs d*r Kr- * 
fahrungsgegenfiände und zur Hervorbringung der 
Erfahrungserkenntnifs dienlich feyn (C i» A. 95.)* 

37. Will man alfo wiflen, wie man durch 
die Kategorien , als Begriffen ,' die doch aus un- 
ferm Verfiande entfpringen, wirkliche Gegenflan» 
de, und nicht blofse Hirngefpinffe , erkennen 
könne: fo mufs man unterfuchen, was das Er- 
kenntnifsv ermögen thun mufs, um Erfahrungs- 
ei kenntnifs N voh einem Gegenfiande hervorzubrin- 
gen. Mufs der Verftand dazu gawiffe Vorftellun- 
gen hervorbringen, ohne die keine Vorfiel] ung 
eines Erfahrungsgegenftajides möglich feyn würde: 
fo würde x die Kategorie eine folchc Yorftellung 
feyn, die dann einfach feyn müfste, weil he 
vielleicht alles Mannigfaltige verknüpfet, aber 
felbft nicht als ein Mannigfaltiges von Vorfiel Jun- 
gen durch die Sinne gegeben iit. Solche Elemen- 
te einer Erkenntnifs a priori können dann, zwar 
nicht, von der Erfahrung entlehnt feyn, denn fonft, 
wären fie nicht a priori, fie können aber doch 
blofs zur Erfahrungserkenntnifs dienen, und kein 
andrer Gegenfiand, .als ein folcher, der vermit- 
teilt finnlicher Eindrücke erkannt wird, kann 
durch fie erkannt werden; denn fonft würden 
diefe Begriffe nicht nur. ganz leer feyn, fondern 
auch nicht einmal* im Denken, entliehen (C. 1. 

A - 95. £)• 



#58 ' Kategorie* . 

Die Kategorien find nun folcHe Begriffe a prio- 
ri , welche zu jeder Erfahrungserkenntnifs unum- 
gänglich nöthig find, und daher auch in jeder 
Erfahrungserkenntnifs vorkommen muffen; und 
ihre Deduction ift gefuhrt , wenn gezeigt wird, 
oafs es,' ohne fie, nicht möglich ift, einen Ge- 
genfifind zu denken. Uni diefes einzufehen, muf- 
fen wir erft unterfuchen, was alles im menfchli- 
cheii Erkenntnifsvermögen vorgehen mufs, wenn 
Erfahrungserkenntnifs entftehen foU (C. 1. A.96. f.). 

38« Erkenfotnifs ift ein Ganzes verglichener und 
verknüpfter Vorfiellungen; wenn daher auch der 
Sinn durch eine Synopfis das Mannigfaltige der 
Vorstellungen auffafst, fo mufs doch zu diefer 
Synopfis auch eine Synthefis gehören, wodurch 
das in dem Sinn Zufammengefäfste verknüpft wird, 
folglich kann die Fähigkeit Eindrücke zu erhalten 
{Receptivität) nur mit dem felbfithätigen Ver- 
mögen, diefe Eindrücke feftzuhalten und mit ein- 
ander zu verknüpfen (Spontaneität), Erkennt«* 
nifs möglich % machen. Diefes felbltthätige Ver- 
mögen wirkt riun eine dreifache Synthefis, die 
zu aller Erkenntnifs noth wendig ift: 

■ 

a. die Synthefis der Apprehenfion der Vor- 
fiellungen in der Anfchauung (f. Apprehen- 
fion); 

. b. die Synthefis der Reproduction der 
Vorftellungen in der Einbildung (f. Apprehen- 
fion, 4.); 

c. die Synthefis der Recognition der Vor- 
fiellungen im Begriffe (f. Anfchauung, 11.). 



v 



Diefe dreifache Synthefis fetzt alfo auch ein 
dreifaches Vermögen derfelben voraus, und in die- 
fem Vermögen beftehet der Verftand, durch wel- 
chen die Erfahrung ^ qte das, empiufoife Eroduct 




Kategorie. 659. 

aeffelben (C. 1. A. 97. ff.) und felbfi der Erfahl 

rungs gegenfiand möglich wird , f. Gegen* 
itand, 4. ff. (C. 1. A. 97. ff.). 

39. So wie nur Ein. Baum und Eine Zeit ift, 
in welchen alle Formen der Erfahrungsgegenftän- 
de und alles Verhältnifs des Seyns und Nichtfeyn* 
l.att findet.; fo- ifi auch nur Eine Erfahrung, in 
welcher alle Wahrnehmungen als im durchgängigen 
und gefetzmäfsigen Zufammenhange vorgeftellt 
werden. Käme aber die Einheit der Verknüpfung 
aus der Erfahrung in uns hinein, und entfpränge 
Jie nicht aus unfetm Verftande, fo würde ein Ge-' 
wühl von Erfcheinungen, aber keine zufainmen- 
hangende. Erfahrung in uns feyn, Diele Einheit 
und die Verknüpfung zu derselben wäre nehm- ' 
lieh dann zufällig und nicht allgemein. Und da 
iiberdem das Verknüpfen nicht durch' die Selblt- 
thätigkeit des Verftandes geschähe, fondern die 
Einheiten in denfelben bloJs durch den Sinn auf- 
getafst würden: fo gäbe das gedankenlcTe An- 
stauungen, aber niemals Erkenn tnifs. Die.Ver- ! 
knüpfung und Einheit, welche der Verfiand in die '- 
Fa f ahrüngserkenntnifs bringen mufs, die mufs er i 
folglich auch in die GegCnfiände der' Erfahrung 1 
bringen , die für uns nicht anders als in der An- ' 
fchauung vorhanden ßnd. Die Kategorien find, 
demnach nichts anders, als die Bedingungen 1 , 
äes Denkens in einer möglichen Erfah-j , 
ritng, fo wie Kaum und Zeit die Bedingungen' 
der Anfchauung zu einer möglichen Erfahrung 1 
find. Das heifst, fo wie ohne Kaum und Zeit \ 
keine' Anschauungen möglich find, welche doch 
's und den Gegenftänden ' 
; fo ift ohne Kategorien 
welches ebenfalls zur Er- 
den Gegenftänden derfel- 
Alfo lind die Kategorien 
ie aus dem menfehlichen 
nid in . das durch die -Sin- 



§ßo Kategorie. 

jie zur Anfchduüng gegeben Mannigfaltige finnli- 
cher Eindrücke die Einheit bringen, zu welcher 
fie der Verftand verknüpft, und wodurch lie erft 
; ein^ Ganzes finnlicher AnfcFauungen oder Gegen- 

I Jfänd* werden. Da ei alfo., ©hne fie-, für ein fol«* 

ches Erkenntnifsvermögen , als das menfehliche 
ift, nicht einmal GegenJtände der Efkenntnifs ge- 
ben kann, fo muffen l^e auch als etwas betrach« 
v tet werdei*, was dem / Gegenfiande unvermeidlich 

anhängt, welches Kant unter dem Ausdruck ver- 
- ^^ fieht) fie haben objeetive Gültigkeit. Die 
' Kategorien find alfo darum noth wendig, weil alle 
N . Erkenntnifs- in ein reines Selbfibewufstfeyn mufs 
zufanimengefafst, d. h. weil jede 'einzelne Vorftel- 
lung an die Vorfiel! ung, dafs wir jene Vorfiel* 
v > lung haben, mufs geknüpft werden. Dies ift 
aber nur dadurch möglich, dafe alle.djefe Vorfiel- 
lungen an' Einen Begriff geknüpft werden, wo- 
durch dAs Ich, an welches die einzelnen (Vorfiel- 
langen geknüpft fipd, allein als das •" nehmlicire 
Ich in allen diefen Vorfiellungen erkannt werden 
kann. Wenn ^ch z. B. die Identität meines Ichs 
in allen 1 meinen Vorttellungen , in fo fern fie in 
der £eit au f einander folgen, erkennen will, fo 
ift das .hur dadurch möglich, dafs ichVfie durch 
die Begriffe der Urfache und Wirkung, d. i. da- 
durch, dafs ich fie als Urfachen und /Wirkungen 
vx .^ufammenhängend .erkenne, verknüpfe und fo 
Einheit des Bewufstfeyns hinein bringe, gleich- 
fam als wäre, alles nun nur eine. einzige. Vorftel- 
lupg , die an ein einziges. Ich geknüpft fei. Oh* 
ne eine folche Vereinigung die ihren Grund in 
uns hat ,' y/nväe das Mannigfaltige der Vorfiellun- 
;, gen in unfern Wahrnehmungen nie Erfahrung wer- 
den, fondem ein blindes Spiel mit Vorfiellun- 
.' gen und noch weniger al$ ein Traum feyn. .- 

Es iß, unmöglich, die Kategorien aus der Er* 

, fahr ung abzuleiten; wie könnte man z, B c etwas 

eine Urfache nennen, und damit behaupten, es 



Kategorie. , 561 

toülTe das 'mager hervorbringen, • was man feine 
Wirkung nennt? Und wie* will, man fich, wenn 
alles fias der Erfahrung entspringen foll, begreif* 
lieh machen, dafs niemals etwas gefchkht ohne 
eine 'wirkende Urfache, durch die es hervofge* 
bracht wird*, und was 'foll der Grund davon feyn, 
dafs die Gegfenftände fieh untereinander auf diefe 
Weife verknüpfen laflen? Nach Kants GrtiAdfö* 
tzen ift diefes fehr wohl begreiflich. Soll* nehrrw 
lich etwas ein Stück meines Erkenntnifles werden,' 
fo mufs es fo an' die Vorftelhirig r^ eines Ichs ge- 
knüpft werden , dafs ich dabei ficher bin , ditf» 
die' Vorstellung meines Ichs dabei diefelbq fei, Wel- 
che in meiner übrigen Erkenntnifs vorkömmt. 
Hieraus folgt alfo, dafs die Erfahr urtgs gegen«* 
ftände ohne eine Vorftellung in ims nicht möglich 
find. Eine folche Vorßellung einer allgemeinen- 
Bedingung, ohne welche etwas' anders nicht Trfög- 
lich ift, heilst eine Regel, und "Wenn das an* 
dere fo feyn mufs, ein Gefetz* ••> • Folglich fte«* 
hen die Erfahrungsgegenftände unter notlvffendi- 
gen Gefetzen, - mithin ift der Grund ihres Zufam- 
menhanges (ihrer Affinität) transzendental, ' un<|f 
der empirifcKe ift 'die blofse Folge dav<m/ * Di* 
Erfahrungsgegenftände , und mithin die Natur alst 
Inbegriff derfelben, beruhet alfo auf der Befehaf- 
fenheit unfres Verftandes und unfrep 'Sinnlichkeit-- 
Dies ift aber darum nicht weiter befremdlich /• weil 
diefe Gegenftäiide nicht DingiO xn fich find, fon- 
dern ans blofsen finnlicheii Eindrucken beßeheftV 
welche der Verftand fehr wtihi< verknüpfen und 
die Einheit hinein legen kann, die d priori aus 
ihm entfpringt (G. x. A. 110.). " - . 

40. Diefe Deduction ßellte hun Kant; nach- 
dem er die einzelnen Theile derfelben im Vorher- 
gehenden abgefondert vorgetragen hatte, auf fol- 
gende Art im Züfammenhange vor. Die Möglich- 
keit der Erfahrung und der Erkenntnifs der Er- 
fahrungsgegenftände bei^uhet auf Sinn-, EinbiP 

MellinsphiL PVörUrb. 5. Bd. • N n 

< t 



56 z Kategorie, 

• . 

dungskraft und Apperception* Jede diefer 
drei Erkenntnifsquellen maght fowohl die Erfah- 
rungserkenntnifs als auch die Erkenntnifs a priori, 
als den Grund der Erfahrungserkenntnifs, mög- 
lich. Der Sinn fiellt die ErfahrungsgegenRände 
( vermitt eilt der Anfchaüung) in der Wahrneh- 
mung vor, die Einbildungskraft in der Af- 
fociation öden Vergefellfchaftung (und Repro- 
duction), die Apjperception in dem empirifchen 
Bew uf s % f e y n f dafs die reproducirten oder 
durch die Einbildungskraft wieder hervorgebrach« 
ten Vof Heilungen die nehmlichen lind, die in der 
.Anfchaüung enthalten waren; welches Kant die 
Recognition nennt. Es liegt aber der lammt- 
liehen Wahrnehmung d\e reine Anfchaüung, der 
Affociation die reine Syntheüs oder Verknüpfung 
der Einbildungskraft, und. dem empirifchen Be- 
wufstfeyn die reine Apperception (das Selbftbe- 
wufsfcfeyn oder die Vorltellung der Identität des 
Ichs iq den verfchiedenen Voritellungen) in dem 
Er ke**ptnifs vermögen zum Grunde. 'Sollen wir 
uns etwas vorftellpn, fo muffen wir uns deffel- 
ben bewufst feyn, dies iß, das empirifche Le- 
wufstfeyn; diefes Be wufstfeyn mufs aber auch 
3iit dem Bewufstfeyn aller andern Vorfiel kragen, 
die wir haben, zu einem und demfelben Bewufst« 
feyn gehören , folglich muffen wir uns bei allen 
Vorstellungen bewufst werden, da& das Ich, an 
das wir £e knüpfen, in Änfehung aller immer 
daffelbe ilt, welches Kant di<| reine Appercep- 
tion neönt. Dies Princip lieht a priori feft, und 
kann N das transfcendentale Princip der Einheit 
alles Mannigfaltigen "nnferer Vorßellungen (mithin 
auch in der Anfchaüung) heifsen. Nun iit die; 
Einheit defc Mannigfaltigen verschiedener Vorfiel^ 
lungen in einem Subject fynthetifch, d.h. fi< 
ifi nicht etwa, wie die analytifche, in mehn 
Begriffen als, ihr gemeinschaftliches Merkmal em 
haken, fo dafs diefe Begriffe alle unter ihr, J. 
unter ihrem gemeinsamen Begriff liehen, welche^ 



Kategorie. 563 

die analytifche Einheit feyn wurde, fondern 
fie vereinigt alle. Theilvorfiellun£en in fich und 
macht aus ihnen eine einzige Vorfiellung. Folg- 
lich ift die reine Apperception ein Grund der 
fynthetifchen Einheit des Mannigfaltigen in aller 
möglichen Aufchauung. Soll aber das Mannig- 
faltige der Vorftellungen zu. diefer Einheit vei ei- 
nigt werden, fip mufs der Verftarid diefe Vereini- 
gung bewirken, alfo fetzt die fynthetifche l.in- 
heit eine Synthefis, Vereinigung, Toraus; ift alfo 
jene Einheit a priori noth wendig, fo ift es auch 
diefe Synthefis. Folglich ilt die Synthefis durch 
die Einbildungskraft die Bedingung a priori 9 unter 
der das Mannigfaltige der Vorftelluhgen allein zu 
einer Efkenntnifs vereinigt werden kann. Dies 
üt aber die *productive Synthefis der Einbildungs- 
kraft a priori , d. i. diejenige, wodurch die An* 
fchauungen urfprflnglich erzeugt werden, nicht die 
reproduetive oder diejenige, wodurch wir Jie in 
der Erinnerung uns noch einmal, in Abwesen- 
heit der Gegenftände, wieder vorliegen. Folglich 
kann es keine Erkenntnifs geben, und befonders 
keine Erfahrung, ohne jene nothwendige Einheit 
un<HSynthefis. Geht die Synthefis des Mannigfal- 
tigen der Vorfiellungen in der Einbildungskraft 
blofs auf die Verbindung desjenigen Mannigfalti- 
gen, welches a priori ilt, fo heifst fie trans- 
zendental, und die Einheit diefer Svntheli* 
heifst transfcendental, wenn fie als a priori 
noth wendig in Rückficht der urfprünglichen Ein- 
heit der Apperception vorgefiel lt wird. Da nun 
ohne diefe Einheit der Apperception keine Er* 
kenntnifs möglich ilt, fo Üt die transfcendentale 
Einheit der Synthefis der Einbildungskraft die rei- 
f ne Form a priori, durch welche alle Gegenftände 
möglicher Erfahrungen vorgefiellt werden mülten. 
Die Einheit der Apperception in Beziehung auf 
die Synthefis der Einbildungskraft ift der Ter* 
.ftand, der, wenn die Synthefis transfcendental 
ift, der reine Verftand heifsen kann, Alfo find 

Nn a 



564 * ' Kategorie, 

im Verftande Peine Erkenn tniffe a priori, 
welche die nothwendige Einheit der rei- 
nen Synthefis der Einbildungskraft, in 
Anfehung aller möglichen Erscheinun- 
gen, enthalten. DieJfes find die Kategorien, 
oder vielmehr die reinen Verftandesbegriffe 
überhaupt. Folglich liehen alle Erfahrungsgegen- 
„ftände als Data tu einer möglichen Erfahrung i.n- 
ter dem VerftaYide des Menlchen , und der reine 
Verftand defielben ift, vermittelft der Kategorien, 
ein, formales und fynthetifches Princip aller Er- 
fahrung. . , 

In dem vorhergehenden Abfatz iß die ganze 
transfcendentale Deduction d^r Kategorien in der 
Kürze enthalten, und zwar fo, dafs wir von 
oben herunter gingen , nehmlich von der Jrans- 
fcendentalen Einheit des Selbftbewufstfeyns , oder 
dem oberfien Punct in der menfehlichen ErJ^ennt- 
nifs, anfingen, und fo bis zu dem Empirifchen 
oder der Erfahrungserkenntnifs fortgingen* und 
auf diefe Art die Erzeugung derfelben zeigten. 
Jetzt wollen wir, oim diefe Deduction deftomehr 
ins Licht zu fetzen, lie umkehren, und den not- 
wendigen Zufammenhang des Verltandes mit den 
Erfariri*ngsgegenfiänden vermitteilt der Kategorien 
dadurch vor- Augen legen , dafs wir von upten 
hinauf gehen, und von der Erfahrung anfangen. 



* <\ 



Das erfte, was uns zur Erkenn tri ifs gegetept 
wird, ift der Erfahrungsgegenitand (denn alle Er- 
kenntnifs fängt mit der Erfahrung an, darum 
ehtfpringt fieaber nicht alle au v der Erfahrung), 
diefer muf?, wenn er ein Gegenftand unferer Er- 
kenntnifs werden, d. i. Erfahrungsgeg^nftand 
feyn foll , mit Bewufstfeyn verbunden feyn. Diefe 
Verknüpfung des Erfahrungsgegenßancles mit dem. 
» Bewufstfeyn, delTelben heilst die Wahrneh- 
mung. Nun enthält aber jeder JErfahrungseegen- 
ftand ein Maftf^^tifte^ ver^ohi^der^^ Vorftj^ui*- 



Kategorie. 565 

gen, die wir durch ' die Simte erhalten; wir 
würden alfo die. Wahrnehmung' diefer verfchiede- 
nen Vorftellungen haben, alfo mehrere Wahr- 
nehmungen, die, ohne Verbindung, einzeln und 
zerftreuet in urilerm Bewufstfeyn feyn würden. 
Folglich ift eine Verbindung aller diefer einzel- 
nen, und fonft zerftreiieten , Wahrnehmungen 
notbwendig. Diefe Verbindung liegt nicht fchon 
in den ErfahrungsgegenJtänden , ob wir un$ -wohl 
derfelben fo bewufst werden, dafs es uns fo' 
fcheint, als käme -auch fie durch die Sinne in 
uns, oder als entfpränge auch fie durch die Sin- 
ne. Denn, follte diefe Verbindung durch den 
Sinn in uns kommen, fo müfsten wir uns doch 
derfelben bewufst werden, und da das Bewufstfeyn j 
der Verbindung zweier Wahrnehmungen von dem) 
Bewufstfeyn der zwei folgenden Wahrnehmungen 
wieder getrennt und ifolirt feyn würde, fo müfste» 
doch eine Verbindung diefer Verbindungen gefche«j 
hen, welche nicht in- den Erfahrungsgegenftän-j 
den läge. Es ift auch g^r nicht begreiflich, wie eina 
Verbindung, welche fchQn in den Erfahrungsge-j 
genftänden läge, zum Bewufstfeyn kommen kön<t 
ne. Es ift alfo in uns ein thätiges Vermögen deij 
Verbindung (Synth efis) diefes Mannigfaltigen 
der Wahrnehmungen und der Vorftellungen. Die- 
fes Vermögen nennen wif die Einbildungskraft, und 
die Handlung derfelben, die fie unmittelbar an 
den Wahrnehmungen ausübt, ' um fie zu verbin- 
den, die Apprehenfion oder Auffaflung der- 
felben. Die Einbildungskraft foll nehmlich das 
Mannigfaltige der Anfchauung in ein Bild brin- 
gen; vorher mufs fie ajfo die finnlichen Eindrü- 
cke der verfchiedenen Vorftellungen, oder de$ 
Mannigfaltigen in den Erfahrungsgegenftänden 
felbftthätig auffallen oder appre'hen diren. Diefe 
Apprehenfion würde aber kein Bild und keinen Zu- 
fammänhang der Eindrucke hervorbringen, w,enn: 
nicht bei der Auffaflung der folgenden Wahrneh- 
: "* 1 'jäie Vorhergehende zurückberufen oder durch 






566 Kategoiia 

die Einbildungskraft im Gedächtnifs wieder r c p r o - 
ducirt werden könnte. Folglich mtiflen wir da- 
/ zu ein reproductiv^s Vermögen der Einbil" 
dun\>kraft haben. Die Reproduction, 'wenn die 
Yorjtellungen fich nicht phne Unterfchied reproduci- 
ren und Kein regellofer Haufe derselben entste- 
hen Coli, mufs eine Regel haben, nach welcher 
eine Vorltellung vielmehr mit der einen als mit 
der andern Vorßellung in Verbindung tritt. Den 
Grund diefer Beproduction nach Regeln nennt 
man die Aflbciation der Vorfiellungen. Diefe Af- 
* fociaiion darf aber nicht zufällig feyn f es darf 
nicht 7 unbeftimmt und zufällig feyn, ob fich die 
. Vorstellungen auch werden • aflbciiren lallen, ob 
fie werden aflbciabel feyn* denn fonfi würden 
»einige Vorjtelluftgen zum Bewufstfeyn kommen, 
, andre nichts und »es würde alfo keine complete 
Verbindung zwifchen ihnen möglich feyn. Folg- 

t lieh mufs ein vor allen enipirifchen Gefetzen der 
Einbildungskraft, alfo weh der Aflbciation, 
priori einzufehender oder , yie Kant die* mit 
jEinem V$f er f benennt , objeetiver Gtrund der 
JReproduction und Aflbciation vorhanden feyn, der 
iie der Notwendigkeit eines fich durch alle Er* 
fahrungsgegenftände* erfireckenden Gefetzes unter- 

/ wirft. Diefen objeetiven Grund aljer Aflbciation 
der Erfahrungsvorfiellungen nennt Kant die Af- 
finität derlelben (f. Affinität, 4. iF.) # Diefe 
Affinität liegt nun in dem Grundfatze von der 
Einheit der Apperceptjon , dafs nehmlich alle Er- 
fahxungsvorfiellungen fo apprehendirt werden muf- 
fen, dafs fie zur Einheit der Apperceptioft zufam- 
?nenltimmeh. Diefe ZufammenlHmmung würde 
«aber unmöglich feyn ohne eine fynthetifche 
Einheit in ihrer Verknüpfung: 1 Folglich iß alich 
, ewe folche fyntheüfche Einheit objeetiv nothwen» 

, , dig. Die Affinitat aller Erfahrungsgeg^nfiände 

. ~ und aller verfchiedefien Vorfiellungen^ in denfel- 

ben Jft alfo die nothwendige Folge einer a priori 

auf Regeln gegründeten ßynthefi* in der Ejöbil- 









Kategorie. 6*>7 



dungskr^ft und. der objectiven Einheit diefer Syn- 
thefis. Die Einbildungskraft ift alfo auch ein 
Vermögen einer Synth eü« a -priori, die aber den- 
noch jederzeit finnlich ift, weil fie das Mannig- 
faltige nur fo verbindet, wie es in der Anfchau- 
ung ericheint. Eine folche *Synthefi$ a priori ift 
z. B. die Geftalt eines Criangels. Die reine Ein- 
bildungskraft liegt alfo, als ein Grundvermögen 
der menfch liehen Seele, aller Erkenn trtifs a priori 
wim Grunde. Vermit teilt derfelben wird' das 
Mannigfaltige yerfchiedener Vorfiellungen an. dag 
ftehende und bleibende Ich, welches alle unfere 
Vorftell ungen begleitet, gebunden; diefes gefchie- 
het nach einer dem Verftand angehörigen Regel , 
ohne welche die Notwendigkeit und folglich Ob- , 
jeetrvität in der Anfchauung wegfallen würde, 
welche Regel es auch möglich macht, diefes Man- 
nigfaltige der Vorftell ungen als eine Einheit zu 
denken, die der Gegenftand heifst, und es ii\ die- 
fem Begriffe wieder zu 'erkennen, ohne welche 
Repognition im Begriffe alle Reproduction 
zur Zufammenfetzung des Bildes der Erfahrung*- 
gegenftätide fowohl als der Erfahrungserkenntnifs 
unmöglich feyif würde. In der Recognition, wel- 
che das höchfte empirifche Element der Erfahrung 
iß, enthält die fe alfo Begriffe, welche die for- 
male Einheit der Erfahrung und mit ihr alle objeeti- 
ve Gültigkeit oder Wahrheit der Erfahrungserkennt- 
nifs möglich machen. Die je Gründender Recogni- 
tion des Mannigf altigen der Vorftellun- 
gen in der Anfchauung, fo fern fi* blofs 
die Form einer Erfahrung überhaupt 
(folglich jeder möglichen Erfahrung) angehen, 
find die Kategorien (C. i. A» 115. fi.y 

41. Wii* bringen alfo felbft in die, Natur 
die Ordnung und Regelmäßigkeit an den Gegen- 
wänden derfelben, die auch darum Erscheinun- 
gen und nicht Dinge an fich find. Denn diefe • 
Natur ein&eit foö eine noth wendige, d. i. a priori 



* 



36$ Kategorie. 

% 

4 

gewifle Einheit der Verknüpfung ' der Erfcheintm* 
gen feyn. Wie follten wir aber wohl , a -priori 
eine fynthetifche Einheit hervorbringen können, 
wären nicht a priori in den urfprünglichen Er* 
kenptnifsquellen unters Erkenntnifsvermcgens fub- 
jective Grande [Solcher Einheit enthalten. Der 
Verfiand ift alfo das Verniögen der Regeln, fo- 
wohl die Erfahrungsregeln in den Erfcheinungen 
auszufpähen, als auch ihnen' folche Regeln vor- 
zuschreiben , welche ihnen noth wendig anhängen, 
pder objectiv, d 4 L Gefetze find, un4 die a priori 
aus dem Verfiande felbft herkommen. 

■ 
per Verfiand ift alfo die Gefetzgebung -für die 

Natur, d. i. ohne Verfiand ; wurde es gar keine 
Natu* oder fynthetifche Einheit des Mannigfaltigen 
der Erscheinungen nach Regeln geben. Denn Er- 
scheinungen können, als folche, nicht aufser uns, 
d. L unabhängig von unferm Erkenntnifsvermögen 
als Dinge an üch (nicht Voritellurigen ) fiatt fin- 
den, fondern exiftiren nur in unfrer Sinnjichkoit. 
Un Ire Sinnlichkeit aber ift, als Gegenfiand der 
Erkenn tnifs in einer Erfahrung, mit allem, was 
£e enthalten mag, nur iA der Einheit, der Apper- 
ception möglich. Die Einheit der Apperception 
aber ift der transfcendentale Grund der notwendi- 
gen Gefetzmäfsigkeit aller Erfcheinungen in einer 
Erfahrung.. Diefe Einheit der Apperception ift die 
Regel, das Mannigfaltige von Vorfiel] ungen aus ei- 
, ner einzigen zu befiinunen , und das Vermögen, die- 
' fcr Regeln ifij der Verfiand* Alle Erscheinungen 
' liegen alfo, als mögliche Erfahrungen, eben fo im 
Verfiande, - als fie, als blofse Anschauungen, in 
r der Sinnlichkeit liegen, und erhalten vom Verfiande 
} eben fo ilire formale Möglichkeit als von der 
:< Sinnlichkeit. 

/ 
Der reine Verfiand ifi alfo in den Kategorien 

das Gefetz der lyilthetifchen Einheit aller Erfchei- 

nungen, und erft dadurch Erfahrung ihrer. Form 



Kategorie. 56g 

nach urfprüriglich möglich. Und fo iß dfenn di0 
trän sfcefi dentale Deciuction hiermit geführt worden; 
d. i. es ilt begreiflich, gemacht worden, wie der 
V erfand zur Sinnlichkeit, ein folches Verhältnils 
haben könne, $Uf s aus dem cirfien reine Begriffe 
a priori entfpringen, welche die Gegenftände der % 
Erfahrung auf eine allgemeine uAd * nothwendige 
Weife beitimmen oder fiit fie objeetive jGühigkeit, 
d. i. Wahrheit, haben können (C. 1. A. 125. ff.).* 

42. Von Dingen an fich können wir gar kei- 
ne Begriffe a priori haben , denn nähmen wir R& 
von dem Dinge, fo wären es keine l^egriffe et 
priori, nähmen wir fie aus uns felblt, fo ift kein* 
Grund da, warum die Din^e' fo befchaffen feyn- 
follten^ wie wir fie a priori denken. Nur dann 
können gewiffe* Begriffe a priori vor cler empirt' 
fchen Erkenntnifs der Gegenfiiinde vorhergehen j 
wem! diefe Gegenftände nicht Dinge an lieh, fon-r 
dem Erfcheinungen find« Dann find fie bldfse*' 
Modifikationen unfrer Sinnlichheit 'und Beltimmun- 
gen unfers identifchen Selbfi, d. h. fie muffen 
in durchgängiger Einheit einer und derfelben Ap~ ■ 
pereeptiön liehen. In diefer Einheit des Bewufst-- 
feyns aber befteht auch *~die Form aller Erkennt- 
nifs der Gegenftändö (wodurch das Mannigfaltige; 
als zu Einem Object gehörig, gedacht wird). Alfo 
macht die Art, wie das Mannigfaltige der finnli- 
cheh Vcrrfiellung ( Anfchauung) zu einem Bewufst- 
feyn gehört, eine formale Erkenntnifs a 
priori aller-Gegen ftände überhaupt ans, fo 
fern fie gedacht werden. Und diefe Er- 
kenntnifs find die Kategorien. Sie lind alfo 
nur darum a priori möglich, weil es unfre Er- 
kenntnifs blofs mit Erfcheinungen zu thun hat,- 
deren Möglichkeit in uns felbit liegt , deren Ver* t 
knüjpfung und Einheit (dafs fie als Gegenftände 
vorgeftellt werden) blofs in uns angetroffen wird» 
Und aus diefem Grunde,, dafs alle Erfahrungsge- 
genftände Erfcheinungen fincl, dem einzig, mö 






/•* 



570 Kategorie. 

* 

liehen unter allen, üt auch diefe Deduction der 
» Kategorien geführt worden (C. x. A/xag. fi.)* 

b. Nach der zweiten und den fol- 
genden Ausgaben der Critik (C. 
12$. ff.). * 

43/ In den Met. Anfängsgr. der Naturw. (N. 
XVIII*); 3, fagte Kant, dafs die Aulgabe; wie 
Erfahrung vermitteift der Kategorien 
und nur allein durch diefeiben tpöglich 
fei, welche eben durch die transfcendentale De- 
duction derfelben aufgelötet wird, wie er jetzt 
( 1786) einfehe, eine eben fo grofse ( Leichtigkeit 
haue, als ihre Wichtigkeit grbfs fei. Denn die 
Auflöfung derfelben könne beinahe durch eineu 
einzigen Schlufs( ans der genau beftimmten Eirkiä- 
' rung eines Urtheils überhaupt (dafs dies eine 
, Handlung fei, durch welche gegebene Voijtellun- 
gen zuerit Erkenntnifs eines Objects werden) veiU 
richtet werden. Er leugnet nicht , dafs in der 
jetzt Vorgetragenen Deduction noch einige Dun- 
kelheit fei, und fagt, dafs ile dem gewöhnlichen 
Schickfale des Verßandes im Nachforfcherf beizu- 
nieffen fei, dem der knrzefte Weg gemeiniglich 
der erfte fei, den er gewahr wird. Er werde 
daher die nächfte Gelegenheit ergreifen, . diefen 
Mangel in der Deduction zu ergänzen. Er be- 
treffe auch nur die Art der Daritellung, nicht 
den. Erklärungsgrund, der in der vorhergehenden 
Deduction fchon richtig angegeben fei. Dies Ver- 
fprechen hat nun Kant in der zweiten Auflage der 
Critik der reinen Vernunft, nach der auch alle 
folgende Auflagen unverändert abgedruckt find, 
erfüllt, «und ich will nun diele Deduction der 
Kategorien noch auf diefe Art darftellen. 

44. Die V e r b in düng eines Mannig- 
faltigen überhaupt kann niemals durch 
Sinne in uns kommen, auch nicht einmal die 



Kategorie. ' 57* 

Verbindimg in de* reinen Vorßellung a priori des 
Baums und d£r Zeit ; denn fie ift eine Wirkung 
des felbftthätigen Vermögens der Vorftellungskraft, 
d.,L des Verßandes. JDiefe Verbindung heifse Svn- 
thefis. Sie ift die einzige Vorfiel] ung, die nicht 
durch Gegenftände gegeben ift (M. I, 145. C. 
129.), und ift die Vorftellung der fynthetifchen 
Einheit des Mannigfaltigen in den Anfchauungen 
fowohl als in den Begriffen. Dafs, -wenn diefa 
Vorftellung möglich feyn foli, die Vorfiel 1 ung der 
Einheit noch zu dem Act der Verbindung de« 
Mannigfaltigen hinzukommen muffe, wird im Art. 
Einheit» qualitative, gezeigt (M* I, ,146, 
C. 130.). 

45. Im Art. Ich, 2. wird gezeigt, dafs das 
Ich denke alle unfre übrigen Vorftellungex\ müfle 
begleiten können, .weil fonft etwas in uns vorge- 
stellt werden würde, was gar nicht gedacht wer- 
den könnte. Diefe Vorftellung; Ich denke, 
heifst das reine oder urfprün gliche Selbft- 
bewufstfeyn. Die mannigfaltigen Vorftellungen 
würden nehmlich nicht insgefammt meine Vor- 
ftellungen feyn, wenn fie nicht insgefammt zu Ei«. 
pem Selbftbewufstfeyn gehörten. Nur dadurch, 
dafs ich ein Mannigfaltiges gegebener Vorftellun- 
gen in Ein Bewufstfeyn verbinden kann, d. i. durch 
die fynthetifc*he Einheit der Apperception, 
ift es möglich, dafs ich mir die Einerleiheit 
(Identität) diefes Bewufstfeyns in dielen Vorfiele 
lungen felbft, d. i. die analytifche Einheit 
in der . Apperception , vorftelle. Die fyntheti- 
fche Einheit der Apperception ift alfo der höchfte 
Punct alles Denkens, der Verftand tfelbft, und 
diefer ift alfo das Vermögen, a priori zu verbinden 
oder das Mannigfaltige gegebener Vorftellungen . 
unter Einheit des Seibit bewufstfeyns zu bringen; 
und es ift folglich der oberße Grundfatz alles Ver- 
ftandesgebraucks und folglich der ganzen menfch- 
liehen Erkenntnifs ; <jUf* alles JMannigfal« 



$7* Kategorie. 

tige der Anfchauung mufs können un- 
ter die fynthetifche Einheit des Selbft- 
bewufstfeyn y gebracht werden. Diefe fvn- 
thetifche Einheit des Selbftbf» wufstfeyns f welche 
objectiv und fubjectiv feyn kann, ifi erklart* 
irti Art. Einheit, objective. Unter diefem 
- Grund fatze liehen hijn alle Vorftellungen' der An- 
fchauurgen, in fo fern fie gedacht oder er- 
kannt, und eben .darum in Einem Bewufstfeyn 
verbunden werden muffen. / Er ilt unter den Er- 
kenn tnifsquelleh die erfteoder oberfte reine 
Verftandeserkenntnifs und die allgemeingültige 
und nothwendige Bedingung aller Erkenntnis. 
jÜebrigens ift er analyrifch, denn er fagt blofs, 

• dafs alle meine Vorfiellurigen unter den Bedin- 
gungen ftehen, muffen, die f fie zu meinen Vor- 
fiellungen machen. Auch ilt er ein Princip für 
.•den menschlichen Verftand, durch deffen Selbft- 
jbewufstfeyn das Mannigfaltige der Anfchauung 
jtiicht gegeben ' svird. Man findet diefes weiter 
ausgeführt und erläutert im Art. Apperception, 
jj. ff. Öewufstfeyn, 4. ff. Anfchauung, 11; 

« 
46. Ktint will nun- nachdem er diefes als 
'Vorbereitung zu feiner Deduction vorausge- 
schickt hat, die transfcendentale Deduction aus der 

, genau beftimmten Erklärung eines Urtheils fuhren. 
Eu dem Ende unterfucht er erft den Begriff eines 
Urtheils. pie Erklärung, däls ein Ortheil 
die Vorftellung des . Verhäl t-niffes zwi- 
fchen zwei Begriffen fei, ift unbefriedigend, j 
Denn erft lieh pafst fie nur auf kategorifche 
oder unbedingte, aber nicht auf hypothetifche 
und disjunetiv« Urtheile. Wenn es regiuet,, 
fo wi*d es nafs, ilt ein hypothetifches Urtheil, 

♦ das aber äüs zvrei kategorischen Urtheilen und 
nicht aus zwei Begriffen befteht. Entweder 'giebt 
es einen freien Willen, ♦ oder~ nicht, iß ein dis- 
junetiy es 1 Urtheil, das aber .wieder aus zwei ka-j 

, tegorifchen Urtheilen und nicht aus fo viel Be* 



Kategorie. 



573 



griff eij befiehl:. Zweitens aber, ifi jene Erklä- 
rung eines Urtheils darum nicht' befriedigend, 
weil - v in derfelben nicht angegeben iß, worin 
denn diöfes i Verhältnis eigentlich befiehe (M. I, 
156. C 140. f.). Ein Urtheil ifi (wenn, 
wir fowohl das* was Kaitf Wahrnehinungs^ 
urtheile r als auch das, was «er Erfahrung*-» 
u r t h e i he nennt , unter einem Begriff zulamnienfaf- 
fen wollen) die Art, gegebene Erkennt« 
niffe zur Einheit der Apperception ztt,l 
bringen. Wenn ich z. B, fage.: die Cörper 
find fchwer, f 6 will ich auch die Cörper mit- 
allem übrigen, was unter dem Begriff des Schwe- 
ren fiebet, unter diefem Begriff vereinigen, und 
fo durch die Einheit des Begriffs fchwer in 
Ein Bewufstfeyn zufammen fafTen. , Sage ich : 
wenn ich einen Cörper trage, fo fühle 
ich eirven Druck der Schwere, fo will ich. 
unter der Einheit des Gefühls der Schwere- auch, 
das, was ich fühle, wenn ich einen Cörper trage,, 
mir vorfiellen, und ailo dhdurch diefes letzte Ge- 
fühl, mit allen übrigen, die jenem erften, dem 
des Drucks der Schwere, gleich find, ^in Ein 
Bewufstfeyn verknüpfen. Nun kann diefe Ein- 
heit des Be wufstfeyns entweder fubjeetiv oder 
objeetiv feyri. Sie iß fubjeetiv, heilst, der 
Grund diefer Verknüpfung zur Einheit des ße- 
wufstfeyns, alfo auch diefe ' Einheit felbß, iß 
nur für das urtheilende Subject gültige Das iß. 
z. ß. der Fall mit dem letztern Urtheile, in wel-, 
chem es heifst: vpenn ich einen Cörper trage, 
fo fühle ich ü. f. w. Es wird durch ein folches 
Urtheil ein Zußand des Subjects,* aber nicht et- 
was im Object oder Gegenßande ausgedrückt. 
Solche Urtheile nun, in welchen die Einheit des 
*Bewufstfeyns fubjeetiv iß und lieh auf etwas blc;fs 
im Subject Befindliches, z.B. .auf Gewohnheit, ei- 
ne gewiife daraus folgende Aflbciation u. dcrgl^ 
giündet, nennt Kant Wahrnehm un^surthei- 
le. Allein die Einheit des Bewufstleyns in ei- 



574 Kategorie* 

Hern Uftheile Kann auch objectiv feyn, d. x i 3er 
; Grund diefer Einheit des Bewufstfcyns *kann Auch 
für Jedermann gültig feyn. Das iß z. B. der 
Fall mit dem erfiern Urtheile, in welchem es 
heifst, die Cörper find fchwer. Es wird durch 

} ein folches Unheil etwas im Object angegeben. 
Solche Urthefle nennt Kant Er fahr ungsurt hei- 

jle. Sie find die eigentlichen Urtheile. Das 

• Verhältnifswörtchen ift oder find ift das, . wo- 
durch die objective Einheit der gegebenen Vorftel- 
lungen von der JTubjectiven unterfchieden wird. 
t)enn diefes ift oder find bezeichnet, dafs die 
gegebenen Vorftellungen in Einem Bewufstfeyn 
verbunden find, und dafs diefe Einheit, zu dqr 
lie verknüpft' find, nothwendig und daher für Je- 
dermann gültig, und nicht zufallig und blofs für 
den Urtheilenden gültig fei. Im letztern Fall müfste 
es nicht heifsen: die Cörper find Ichwer, fonde^n: 
die Cörper fiijd mir, 'für mich, fchwer. Dafs 
das Urtheil felbß lieh auf Erfahrung gründet, än- 
dert hierin nichts. Man könnte nebmlich Tagen, 
Erfahrung giebt doch keine Noth wendigkeit , wenn 
lieh alfo das Urtheil, dafs die Cörper fchwer find, 
auf Erfahrung gründet, wie kann diele Verknüp- 
fung- nothwendig feyn? Die Antwort hierauf 

f iß : in einer empirifchen Anfchauung gehören 
freilich zwei Vorftellungen, welche felbß zu dem 
Empirifchen der Anfchauung" gehören,, nicht noth* 
wendig zu einander, denil.fonß wären fie nicht 
empirifeh; aber zufällig können fie doch auch 
nicht zu einander gehören, denn fonß wäre in 
keiner empirifchen Anfchauung eine v allgemein- 
gültige Verknüpfung, und ein jeder Anfchauende 
machte * folglich Alsdenn eine andre Verknüpfung 
und hätte einen andern Gegenfiand yor-fich. Es 
mufs alfd in den in der Anfchauung zufällig zu 
einander kommenden Vorftellungen eine Verbin^ 
düng zu einem Bewufstfeyn gejpacht werden, in 
welcher die Einheit deS^Bewufstfeyhs^ nothwendig 
' iß. Und durch diefe Mothwendigkeit in der Ein« 



_ / 



Kategorie» ' 375 



heit des Bewnfstfeyns 'gehören die, fonß in der 
Erfahrung zufällig zu einander kommenden , man* 
unfähigen Vorftellungen in der Anfchauung nuth» 
wendig zu einander; das heifst, wenn ans den 
in der empirifchen Anfchauung gegebenen man* 
nigf altigen Vorftellungen eine Erkenntnifs werden 
folJ, oder die Vorftellung von der Notwendigkeit 
und Allgemeingültigkeit der ^ Verknüpfung (Liefet * 
mannigfaltigen Vorftellungen zu einer Einheit f wel- 
che der Gegenftand heifrt: fo mufs diefe Ver- 
knüpfung nach'gewiflen Gründen gefchehen, wel| 
che allen unfern Vorftellungen diefe Befchaffenheit / 
geben. Und diefe Gründe lallen ficji alle aus den 
Grundfatz ableiten, _£afs alle unfre Vorftellungen 
muffen untei 1 die fynthetifchie Einheit des Selbftbe- 
yrufstfeyifs gebracht werden können, weil durch 
diefe Einheit die Einheit der Anfchauung ajlein 
ir.öglich^ ift, Die Vorftellung der Art nehmhch, 
wie diefes gefchieht, ift mit Notwendigkeit ver- 
knüpft/ weil fie auf der Befchaffenheit unfers v Ver- 
ftandes, dafs er nur auf diefe und keine andre 
Weife verknüpfen kann 9 beruhet Und eine fol- ( 
che Art zu verknüpfen ift nichts anders y als eine 
Art öbjectiv zu urtheilen, und die Vorftellungen 
diefer Art zu urtheilen, eine Kategorie (M. I, 157» , 
C. 141. f.)/ Alle finnliche Anfchauungen 
ftehen folglich unter den Kategorien, 
und diefe find die Bedingungen, unter, 
welchen die verfchiedenen Vorftellun- 
gen in den An fcha uungen allein in ein 
obj'ectives Bewufstfeyn zufammen kom- 
men können, f. Er fahrungsur thcil (M. I, 

158- C. 143.). 

46. Es ift nun jetzt gezeigt worden, dafs 
fich keine Anfchauung denken lade/ in welcher 
nicht das Mannigfaltige der verfchiedenen Vorftefi- 
hingen; die fie enthält, durch eine Kategorie ver- 
knüpft wäre, und dafs folglich jede Anfchauung 
unter einer folchen Einheit ftehe. Jetzt füll nun 

" . v X /* 



/ 



57* ■ i Kategorie. * , 

i 

' noch gezeigt werden , dafs alle objeetive Einheit, 
, die. in jeder Anfchauung liegt, oder unter wel- 
cher fie fiebt, eine Kategorie, fei, und. dadurch, 
vollkommen ins, Licht gefetzt werden* wie die 
Kategorien yon Gegenftänden einer Anfchauimg 
überhaupt .möglich find, oder wie es möglich iit, 
a priori zu beltimmen, wie die Gegenltände der 
! Erfahrung befchaffen feyn muffen. Wir werden 
i daraus fehen, dafs nur durch die Kategorien eine 
» folche Einheit und Verknüpfung des Sinnlichen, 
als- wir Natur nennen, möglich werde. Dies iit 
nun das, womit Kant feine Deduction, nach der 
erfien Darfteilung derfelben, anfing (M. I, 159, 
t 171. Q. 144. ,f. 1.59. £)..• 

* 

48. Im Art. Apprehenfion findet man, 
was Synthefis der Apprehenfion oder die 
ZJufanunenfetfcungj in einer einpirifchen Anfchau- 
ung heifst. Mit den Anfchauungefc' des Raums 
und der Zeit iit nun fchon Einheit der Synthefis 
aller Apprehenfion, als die Bedingung aller An- 

- fchauung gegeben. Sie iit die Einheit der trans- 
zendentalen Synthefis der Einbildungskraft, die- 
iß Einheit ift aber * jederzeit eine Kategorie (f. 
Jiinbildung^kraft, 5.). Nun kann uns keine 
andere empirifche Anfchauung .gegeben werden 
^ls in Raum und Zeit, weiJL wir keine andern 

' formen der finnlichen Anfchauung haben. • Mit- 
hin gelten die Kategorien von allen enfpirifchen- 
Anfchauungen , da nur wegen diefer Kategorien 
Gegenftünde der Erfahrung, d. i, mit Noth- 
•wendigkeit und Allgemeingültigkeit verfehene Ein- 
heiten des efhpirifch gegebenen Mannigfaltigen 
der Vorfiellungen find. Alle objeetive Einheit in 
d$Tk Erfahrungsgegenltänderi ift folglich ein< Kate- 
gorie (M« I, 173. C. 160. f.). Beifpiele hierzu 
fitidet man in den Art. Gröfse und Ur fache. 

< 

49. Die Kategorien find alfd nur Re- " 
gelrf für eijien V eilt and, deffen ganzes 



Kategorie, ' 577 

Vermögen im Denken, . tSL i. Verbin-, 
den des gegebenen Mannigfaltigen he- 
fte he t. Denn, wpllten wir uns einen Verßand« 
denken, der felbft anfchAuete (wie etwa einen 
göttlichen, der fich nicht gegebene Gegenfiän» 
de vorftellte, fondern die Gegertftände felbft durch 
fein Vorfiellungsvermögen hervorbrächte), fo wür- 
den die Kategorien zur Erkentytnifs eines folchen 
Verbandes (deflen Erkennen ein Schaffen ' wäre, 
und der die Dinge er kennet e, wie fie an und für 
fich find, nicht wie fie durch das Erkenntnis* 
vermögen vorgeftellt werden oder erfcheihen) 
nichts helfen oder dazu beitragen können. Von 
der Eigenthümlichkeit unfers Verßandes aber, dafs 
er nur vermittelft der Kategorien und gerade 
durch diele Art und Anzahl derfelben Einheit des . 
Bewufstfeyns a priori hetvorbringt, läfst fich wei- 
ter kein Grund angeben. Eben fo wenig läfst 
fich aber auch zeigen,* Warum wir ceraHe diefa 
und keine andern Functionen zu ürtheilen h *• 
beri, oder warum Zeit und Raum die einzigen 
Formen imfer er möglichen Anfchauung find (M. 
I, 160* C. 145. f.). 

50. Die Kategorien laden fich aber auch 
blofs zur Erkenntnifs von Gegenständen der ' 
Erfahrung gebrauchen, und von keinen andern 
Dingen, die etwa noch vorhanden feyn möchten, 
ohne dafs uns eine Anfchauung derfelben durch 
die Sinne gegeben iß. Davon wird man fich über« 
zeugen, wenn man bedenkt., dafs zum Erkannt« 
n i f s eines Gegenftandes aufser der Kategorie im* 
mer noch eine Anfchauufig gehört. Man findet 
das weiter ausgeführt in dem Art. Erkennen, 2. 
n. Denken, 3. ff. Nun giebt es für uns kfeine 
andere Art der Anfchauung als durch die Sinne 
gegebene, f. Anfchauung 6*. und reine An- 
schauungen, in denen nichts durch die Sinne 
Gegebenes enthalten ift Allein die . reinen 

Anfchauungen find blofs die Formen der'Erfah- 

MeUinsvhU.fPört0rb,3.Bd., Oo 



578 ' Kategorie* 

I 
rungsgegenfiande, und die Erkenn tnifs derfelben 

hat alfo nicht exißirende Dinge, fondern blofs 
die Formen der linnlichen Dinge zu Gegenft an- 
öden, f. Anfchauung, 9. f. »Pafs es aber Din- 
ge giebt, die in fqlchen Formen angefchaüet wer- 
den, d. i. empirif ch e Anfchauujigen , können 
wir riur * durch die finnlichen Eindrücke und die 
Verknüpfung derfelben vermittelfi, der Kategorien 
wiflen* Das Prodhct einer folchen Verknüpfung 
heifst nun Erf ahrungserkenn tnifs, folglich 
;eht aller Gebrauch der Kategorien blofs auf Er- 
ahrungserkenntnifs (M. I. 161. C. 146. ff.). 
.\ ' % 

51. Unfere finnliche und empirifche 
s | Anfchauung kann ^lfo allein den Katego- 
rien Sinn und Bedeutung geben; denn oh-» 
\ ne jene Anfchauung fehlt es den Kategorien an 
'Inhalt, und fie find dann blofs leere For- 
. : men des Denkens eines Gegenftandes 
- überhaupt. Diefer Satz iß von der gröfsten 
Wichtigkeit, denn er befiirhmt die Grenzen, in- 
nerhalb welcher die Kategorien nur zur Erkennt» 
tiifs gebraucht w^erden können. Die reinen For- 
men der finnlichen Anfchauung erstrecken lieh in 
ihrem Gebrauch blofs auf Gegenßände c^r Sinne, 
und zwar nur auf folche finnliche Eindrücke, 
welche lieh in diefe Formen ordnen können. Giebt 
es welche f die fich in diefe Formen nicht ordnen 
können, fo können wir fie nicht 'erhalten, aber 
.diefe Formen. haben dann auch für fie keinen Ge- 
brauch. Doch erhalten wir auch finnliche Ein- 
drücke, für welche die eine Form unterer Sinn- 
lichkeit, nehmlich der Kaum, keinen/ Gebrauch 
hat, das find nehmlich diejenigen, welche blofs 
irb. innern Sinn find, f. Anfchauung. 12. Am 
allerwenigfien können Kaum und Zeit für über- 
sinnliche Gegenßände Erkenntnifle geben, Ueber 
die Grenzen der Erfahrung hinaus Bellen die För- 
; men der Sinnlichkeit gar nichts vor , denn fie find 
].' nur in, unterer Sinnlichkeit vorhanden, und haben 



Kategorie. 57^ 

lifo aufser den Grenzen derfelben g$r Iceine Wirk» 
lichkeit. Die Kategorien hingegen erfirec&en fich 
in Anfehung ihres Gebrauchs , auf Gegenfiände det 
Anfchauung überhaupt, diefe mag der un fr igen 
ähnlich feyn oder nicht, wenn fie nur eiqe ihm* 
liehe und nicht eine intellectuelle (d. i. durch Ver- 
itand felbft gewirkte) Anfchauung ifi (f. A n f c h a u* 
ung, 6.). Diefe weitere Ausdehnung der reinen 
Verftandesbegriffe ', in Anfehung ihres Gebrauchs, 
aber ünfere finnliche Anfchauung hinaus hilft uns 
aber nichts zum Erkennen oder Befiimmen eines 
Gegenfiandes. Denn es fehlt uns alsdann , we- 
gen Mangel der Anfchauung, an dem Gegenfiände, 
die reinen Verfiandesbegriffe find folglich dann leer 
an Inhalt, z. B. wir denken dann sine Urfache* 
haben aber nichts, was diefe Urfache wäre. Dann 
können wir nicht einmal willen , ob folche Gegen« 
fiäiide auch nur mögljch find, weil der Begriff 
der Möglichkeit felbft eine der Anfchauung be- 
dürftige Kategorie ifi (M. I, 162. C. 14s). 

5fl. Nimmt man folglich einen' Gegenftand 
an, der nicht 'kann finnlich angefchauet werden, 
z, B. Gott, Geilt, und .dergl., fo kann man ihn 
freilich durch alle die'Prädicate denken, die fchon 
in der Vorausfetzupg liegen, dafs ihm nichts zur 
finnlichen Anfchauung Gehöriges zukomme, z. B. 
man kann fagen, dafs er nicht ausgedehnt, nicht 
im Baume fei, dafs die. Dauer deflelben nicht eine 
Zeitdauer fei, dafs in ihm keine Veränderungen 
angetroffen Verden, u. dergl. Aber man kann 
durch die Kategorien nicht befiimmen , was er fei, 
ja fie laden fich nicht einmal darauf anwenden. 
Z. B« ob es eine Subfianz gebe, d. i. eip Etwas- 
das blofs als Subject, nie aber als Prädicät vom 
einem andern Subject, gedacht werden könne, d^a 
kann ich nur willen, wenn etwas durch die em* 
pirifche Anfchauung gegeben ift, z. B. die Mate? 
rie der Cörperwelt, das bjofs als Subfianz gedacht 
Verden kann (M. L 163. C. 149)« Da* hindert 

Oo a 



$Qo Kategorie. 

aber nicht, dafs der Gedanke von. efnem Gegen« 
ßande, der fich nicht erkennen läfet, z. B. von 
Gott, nicht dennoch feine wahren und nutzlichen 
Folgen für den Vernunftgebrauch des Süb- 
jects haben könnte, infoftorn diefer' Vernunftge« 
brauch nicht auf die Erkenntnifa oder J Beftimmung 
de* öbjects, fondern auf das Wollen oder die Be- j 
ftimpiung des Subjects gerichtet ift. Dann läfst 
ßch der Gegenftand allerdings durch die Kategc- 
rien denken und na^h einer Analogie mit den Er* 
fahrungsgegenftänden vorft eilen, aber nicht erken- 
nen, wie er an fich ift (C. 166. *), f. Dafeyn, ij # 

53. Die Verknüpfung durch die Kategorien ift 
rein intelleetual, d:h. es ift gar ^nichts Sinn« 
liches in derlei ben. Sie bekommen aber nur ob- 
iective Realität, d. i. Anwendung auf wirkli- 
che Gegenftände } durch die Formen der Anfohau- 
ungen a priori (Raum und Zeit), deren Mannigfal- 
tiges der Verftand zxl den (ynthelifchen * Einheiten 
verknüpft, die wir uns in den Kategorien denken 
(M. I, 164. C. 15a f.). Diefe Verknüpfung ift 
abe^r nicht blofs intelleetual, fondern zugleich 
finnlich und figurlich, und von ihr uruCs daher 
die blofse Verfiand-es Verbindung , die allein in 
den Kategorien gedacht wird , und intelleetual ilt f 
wohl unter fchiedep. werden , • f. Einbildungs- 
kraft, 5. ff. 

54. Die Gegenftände der Erfahrung find Er- 
fcheiungen.(f« Eriche in ung), den Inbegriff die- 
fer Erscheinungen nennen wir, in fö fern eine 
»otli wendige und allgemeine Verknüpfung unter 
ihnen und in ihnen ift, Natur, folglich find *s 
die Kategorien, die diefe Natur möglith machen, 
diefe Verknüpfung hinein bringen , und * dadurch 
die Gegenftände der Natur n priori heftunmen toxi 
nen (2VL I, 176. C. 163. Pr. 109.). Es ift alfo ge 
wifs , . dafs der Verftand feine Gefetze • nicht aui 
der Natur fchöpft, fondern fie diefer vorfchreilu 



Kategorie 68 * 

(Pr. 113.)* Diefe Behauptung* fo auffallend lie ift, 
verliert das Auffallende 9 wenn man Bedenkt , dafs 
die Gegenftände der Natur nichts anders als ein 
Verknüpftes finnlicher Affectionen find, * dafs fie 
alfo dem erkennenden Subject inhäriren, und folg* 
lieh auch unter den Gefetzen« des verknüpfen«, 
den Vermögens des Subjects ftehen muffen. Die 
Gegenftände der Natur find finnliche Affectio- 
nen, heif st nehmlich , fie find Eindrücke auf unfre 
Sinne. Dafs wir au B. , wenn wir "etwas fehtn, 
nicht einen Gegenftand fehen^ der an fich, aufsei: 
unfern Vorftellungen , aufser unfrer Anfchauuag 
vorhanden ift, fondern dafs etwas fehen nichts 
anders heifse, als geyyifle Eindrücke wahrnehmen, 
die wir auf unfern Sinn des Gefichts erhalten , und 
die wir vermitteln der Operationen der Einbil- 
dungskraft und des Verftandes fo mit einander ver- 
knüpfen, dafs dadurch die Gefialten entliehen, 
welche wir die fichtbaren Gegenftände nennen, ift 
das, was unter dem Ausdruck zu verliehen ift, 
die Gegenftände der Natur inhäriren uns. Ein 
Gegenftand der Natur ift alfo das- Product einer 
'Einwirkung auf. unfre Sinne» und der, Verknü- 
pfung, die wir in die durch jene Einwirkung ent- 
ftandenen finnlichen Bindrücke hinein legen. Alle 
mögliche Wahrnehmung hängt von der Verknüpfung 
durch Apprehenfion ab, diefe etnpirifche Verknü- 
pfung hängt aber wieder von der transfeendenta- 
kn dördi die Kategorien ab, folglich muffen alle 
Gegenftiiläde der Natur unter den Kategorien lie- 
hen und ihre Gefetzmafoigkeit überhaupt von 
denfelben erlangen. Die befondern , durch Erfah- 
rung gegcft>enen , Naturgefetae find aber nicht von 
den Kategorien: abzuleiten (M.I, 177. C. 164. f.).' 

* _ 

5^Rsf:nhftt a. Wir können: keinen 
Gegenftand denken, als durch Katego- 
rien, und e r k,e n n e n , als durch Ari- 
fohaütingen, die den Kategonen entsprechen, 
ihnen einen: Inhalt. geben , und fo die Natttt in 

/ ■ ■ / 



I 

58« Kategoyie. 

t * 

materieller Bedeutung möglich macheh. Alle 
Erkenn tnifs ift aber, in fo fern* der Gegenstand 
gegeben iß, empirifch, . d., h. Erfahrung, 
Folglich' iit uns blofs von Gegenständen mög- 
licher Erfahrung, und von keinen andern, 
eine Erkenntnifs a priori (obwohl nicht von dem, 
was an ihnen empirifch ilt) möglich (M. I, 17 Q. 
C. ,165). 

. 56. b. Die Kategorien enthalten die 
Gründe der Möglichkeit aller Erfahrung, 
und machen die Natur in fqrmeller Bedeutung 
möglich/ Denn , 



s . - 



- -• a. fiehen alle Anfchauungen unter den Kate* 
gorien, die es allein möglich machen, dafs dos 
in der Anfchauung gegebene Mannigfaltige in ei» 
nen Begriff mit einander verknüpft wird ; 

ß. wird felbft die Einheit in der Anfchauung, 
die es. möglich macht, fie als einen Gegenfiand zu 
, denken , durch die Selbfithätigkeit des Verbandes, 
und den zum Grunde liegenden Stoff ^des Raums 
und der Zeit, den Kategorien, gemafs, in die Ali« 
(chauung hineingelegt, oder vielmehr die durch 
finn liehe Eindrücke entfpiungene Empfindung da- 
durch zu einer Anfchauung geformt; 

7. giebt es keine andere Erkenn tnifs, .als die 
durch lolche empirifche Anfchauungen, alfo auch 
keine andere Erfahrungser kenn tnifs. . 



Folglich enthalten die Kategorien die Grunde 
der .Verknüpfung des durch die Eindrücke; auf .die 
Sinne gelieferten Stoffs , welche Verknüpfung eben. 
Erfahrung heifst; und diefe ift alib nujr- mög- 
lich durch die Kategorien. > 1 .. • t 

51. c. Um, fein Syfiefti der Erzeugung der 
Erfahr ungagegenftände und der Erkenntnifs derlei- 



Kategorie. 583. 

ben vermittelft der Kategorien Ins Licht zu fetzen, 
verglich K. daflelbe mit den drei verschiedenen 
Haupttheorien über die Erzeugung. Es giebt 

te. das Syftem der Epigenefis. Oiefes Sy- 
item behauptet, dafs die entfteKenden Wefen aus. 
den fie erzeugenden Wefen wirklich entfpringen, fo 
dafs der Zeugungsftoff der Eltern allmählig zu ei* 
nem neuen organifchen Wefen ihrer Art ausgebil- 
det werde, und fo das zu erzeugende Wefep. 
nach und durch die Zeugung wirklich entliehe» 
Ein folches Syftem ift nun auch das luritifche vom 
Urfprung der Erfahrung. Sie, die Erfahrung, ift 
vor der Erkenn tnifs defTen, der die Erfahrung 
macht , nicht vorhanden , fondern die Erfahrungs- 
gegenftande felbft werden m^t der ganzen Erfäh- 
rungserkenntnifs durch das erkennende Subject ver- 
mittelft der Eindrücke, die es auf die Sinne er- 
hält, der Formen des Raums und der Zeit, und 
der Verknüpfung alles diefes Mannigfaltigen durch 
die .Kategorien, alfo durch den Actus des Erken- 
nens , erft erzeugt. Es giebt alfo nicht eher Er« 
fahrungsgegenftände , und Vorfiellungen, die £ch 
auf fie beziehen , oder durch die fie erkannt wer- 
den, als erft dann, wenn fie durch das,, die Er* 
fahrung erzeugende, Subject erzeugt werden (C. 
166. M. L 179)^ Diefes Syftem unterscheidet (ich 
alfo ganz von 

ß. dem Syftem der Evolution. Diefes Sy- 
ftem behauptet, dafs gleich bei der Schöpfung die 
Keime zu allen Wefen find erfchaffen worden, 
und lieh durch die Zeugung bloß entwickeln. 
Ein folches Syftem vom Urfprung der Erfahrung 
ift nun das gemeine, welches behauptet, alle Gegen- 
wände der Erfahrung find fchon vor der Er^cenntnifs 
derfelben vorhanden. Gleich bei der Schöpfung ift 
alles fo eingerichtet, wie wir es durch den Act. 
des Erkennens nach und nach erfahren, fo dafs 
die Erfahrung dutch uns nicht erft erzeuget , Ion- 



584^ Kategorie. 

t 

f 

dern nur entwickelt wird. "Ware diefe* Syftcm richi 
tig7 - datin konnten die Kategorien nicht <i prior j 
lind noth wendig feyn, und Hume hätte recht, dafi 
es keine andern 'Ur fachen als zufällige gebe, d 
i folche, von denen man (^en muh, dafs di 
Wirkungen aus ihnen nicht noth wendig $rfolgtf 
Wir könnten nie Tagen 9 wenn die Sonne aufgebe 
fo m u Cs es Tag werden/, fordern nur , £o kau 
es Tag werden; . denn wenn ai^ch alle; Bedingun 
gen dawaren, unter welchen es Tag wird 9 könnt 
es dann doch vielleicht nicht Tag werden, we' 
dann in dem Begriff der Urfa«he nicht die No 
Vrndigkeit liegt; auch iit dann das Qefetz: dafi 
aJi<? Veränderung ihre Ur fache hcjber* muis, nicht, 

zu reuen. 

• » . » 

y. Das Syftem des Occ aUonalismus be- 
hauptet , dafs der Schöpfer bei Gelegenheit einer 
jeden Begattung, der, während derfelben fich mi- 
19h eilten, Materie die Bildung zu einem Qrga- 
nifclien Wefen giebt. Ein folches jSyfiem vom Ur- 
. fpiurig der Erfahrung • wäre nun ein Mittelweg 
zw üchen den bey den vorigen , und würds behaup- 
tejn , es wären ups. ipit . unferer Eminenz ge wifle 
Anlagen zum Denken eingepflanzt 9 . die von un- 
• ferip Urheber (q, eingerichtet worden, d^fs .fie ge- 
n^u eipe folche ErJ^enntnifs hervorbrächten, die 
init dem, -wie der Schöpfer die Naturdinge qin- 
' gerichtet habe, vollkommen übereinftimme. Die 
1 fes t Sylterix kann erftUch nicht , erwiefqn werden 
i fgndqrrx kann blofs als eine Hypothefe gelten , de 
! rejf Richtigkeit wir /aber nie durch, ihjr Zufam 
ni£i) treffen mit der Erfahrung erproberj können 
weil, wir diefes flammen treffen nie erfahren kön 
rien f Denn unfxe I^rkenntrufs, entlieht dann wi 
bpi d«?r. Epigen^fis,, die Natur /aber entljbefyt wi 
b^ 4^r EvoJutiprt, beides läufy; neben ciijaride 
in der vollkQmn^enßen, ÜÄbereinfijmmifngj- fort 
Ijfa, wir aus unferer Er^ern^i^s nicht hinaus, un, 

zijf Nai^/gehf^^öjpeij, .ijm L dift üfl^n ^ 




Kategorie«. 585 

91113g tler falben, mit unferfcr. Erkenntnift zu erfor* 
leben , fo Können wir auch die Richtigkeit dielet 
Hypothefe nicht weiter erproben. Ferner ift be( ; 
eii\er (pichen Hyporhefe nicht abzufeilen, wo et 
mit folchen vorbeftimmten Anlagen ein feinde ha« 
bei} foll. Denn diefe Anlagen ' zum Denken find 
alsdann nicht die notwendigen Bedingungen der 
Erfahrung, „ fondern ganz zufällig, und können* 
anders und anders feyn , je nachdem die Natur >ef % 
etwa in der Folge noch erfordern mochte. Wai 
aj>er die Hauptfache ilt, fo würde bei diefer .Hy- 
pothefe den Kategorien die Notwendigkeit fehlen* 
die doch ihrem Begriff wef entlieh abgehört. Ich 
wurde z. B. vom Begriff . der Urfac^he lagen mük 
fcn f ich bin fo eingerichtet, dafgich alles fo den« 
keh fnufa , , als hänge es noth wendig wie Urfacho 
und Wirkung zufammen, damit meine Erkennt* 
nifs ni( der Natur zufammenftimmc. Hingegen 
nach dem kritifchen Syitem giebt es gar keine an' , 
dere Natur, als d*e, welche in meinen Sinnen 
ift, und fie befteht gerade in diefer Verknüpfung 
durch Ur fache und Wirkung (C# i6ß. f. M. I % ifto)« 

Iß*, Diefe transfcendentale Deduction der Kater 
gorien. iff. alfo ein Beweis, dafa fie die G^ünd* 
find , welche die Erfahrung möglich machen. Zu- 
gleich fehen wir aus derfelben, wie es möglich 
iß , dafs es eine theoretifche Erkenn tnifs überhaupt, 
und infond<rheit von den Gegenftändeh der Erfah- 
rung , g«b$q kann. Diefe Deduction zeigt , dafo die 
ErfabruagserkenTjtnifs nvcbtp anders ift, als eine 
Beftinunüng der Anfghauungen, die; wir in Raum 
qnd Zeit ^ haben , eße uns .eigentlich inhäriren; 
'und deren Gegenstand? darum picht Dinge a,& 
fich Qnd, fondern Erfolieinungen, .und dafi 
die Möglichkeit derfelbeq auf der Beschaffenheit 
ipifets £r^nntaifsyermogsns beruhet,, Hievaus. 
folgt,, dafs alle Erfahrung abhängt von dem Prinn 
cip , dafs alje ünfarq Affeqtionen durch die urfprung* 
liehe fy3*tfcfrfchf %WÜP* 4» B^wufstfeyns, veralte 



586 Kategorie. 

telfi der Kategorien 9 verknüpft, und alfo eben fo 
durch die Form unfers Verftandes, wie durch 
die urfprun glichen Formen unfrer Sinnlich- 
keit, R^um und Zeit, beftimmt werden (CA 6ß. 
f^lVLI< iß*. Pr.no). 

» 

59« Wie aber diefe eigenthümliche Eigen* 
Jchaft unferer Sinnlichkeit felbft, oder die unteres 
Verbandes und der ihm und allem Denken zum' 
Grunde liegenden Apperception oder des Selbftbe- 
wufstfeyns, möglich fei, läfst fich nicht weiter 
auflöfen und beantworten. Aber es läfst fich auch 
ein überzeugender Grund angeben, warum wir 

. diefe Frage niemals beantworten können, nehm« 
lieh der, weil wir die Sinnlichkeit und den Ver- 

* Hand zu aller Beantwortung, und zu allem Den« 
ken der Gegenftände immer wieder nöthig haben, 
fo ift es unmöglich , über den Urfprung und die 
" Möglichkeit diefer unfrer Erkenntnifs vermögen 
felbß etwas zu erkennen; denn dazu. würde ein 
Anderes Vermögen nöthig feyn', in welchem der. 
Grund dazu aüfgefucht werden müfste, wodurch 
wir aber doch nicht am Ende feyn, und wieder 
nach dem Grund diefes neuen Vermögens fragen 
Würden , ' und fo fort ohne Ende (P. in),' 

Vom Gebrauch der Kategorien in 
*'. praktifcher Beziehung. 

60. Diä reine Kategorie allein drückt 
hut das Denken eines Gegenftandes über- 
haupt aus« Unter der reinen Kategorie verfte- 
. ben wir aber den blofsen ' Verßandesb^griff , fo- 
dafs dabei von aller finnlichen Vorstellung abftra- 
hirt; wird. .Wenn ich z. R die Gröfse denke, 
ohne diefe Gröfse etwa mir raumlich, oder 4 auch 
als: »ine Zeitdauer vorzufallen, fondern 4 blofs als 
das Gleichartige in einer Anschauung überhaupt, 
£p ift das der reine ganz intellektuelle Verftanctesbe- 
griff. Diefer reine Veritancfeabegriff ift nur elfte von 



J Kategorie, 537 

den verschiedenen Arten (modis), (ich überhaupt ei* 
nen Gegenftand zu denken; tiehmlich dje Art, ficht 
ihn als ein gleichartiges Mannigfaltiges zu den* 
ken« '■ Denken iit die Handlung des Verstandes, ge- 
gebene Anfchauungon auf einen Gegen Hand zu 
beziehen, z. B. ioh fehe ein Haus vor mir, fo 
denke ich, wenn ich mir dafielbe als etwas' oder 
einen Gegenftand vorftelle, in dem das Man- 
nigfaltige gleichartig ift, fo dafs ich es mir als 
ein aus Theilen einefiei Art zufammengefetzte&Gan« 
zes vorftelle. Fehlt mir aber die Anfchauung, fa 
denke ich in der Kategorie der Gröfse weiter nichts, 
als die Einheit in der Verknüpfung ' eines jeden 
Gleichartigen überhaupt; Man findet das weiter 
ausgeführt im Art, Denken,/ 5. Urii nun aber 
einen bestimmten Gegenftand durch die Kategorie 
zu denken, dazu gehört noch ein Schema, d. i. 
man mafs ihm noch eine finnliche Form unterle*- < 
gen, f. Gebrauch, 12* und Schema. Soll ein 
Gegenftand als Gröfse erkannt werden , fo nmfs 
er entweder eine Ausdehnung im Raum, oder 
doch eine Zeitdauer haben. Ohne beides ift es 
nicht möglich/ ihn als Gröfse auch nur zu den« 
ken, (M. -I, 347. G. 304. f.). WolleA wir fehen, 
ob wir den Begriff der Ur fache von einem Ge- 
genftande richtig gebrauchen , fo bedürfen wir dazu* 
der Anfchauung in der Zeit. Denn die Hauptfache * 
bei der realen Ur fache, nicht dem blofs logifchen 
Grunde, ift, dafs fie der Zeit nach eher fei, ,al$ 
ihre Wirkung, und fie erfordert alfo eiÄe) An« 
fchauung des Gegenftand.es, auf den fie angewen- 
det wird , in der Zeit (M. I, 336. C. 288-)> £ De* 
monnrabal/ fi« 

61- Die reinen Kategorien, ohwefol* 
che finnliche Formen, find allo blofs die 'reine 
Form des Verftandesgebrauchs , und drücken nur 
aus, "wie ein Gegenftand gedacht wixd, können 
aber allein noch keinen Gegenftand fyeftinimen, ^ 
£ Gebrauch, iä., Denken, 8* und ,Ge^ 



6ftft - Kategorie: 

gtnfUnd, i&. (M. I, 34s. c - 3°5)- E» Hegt 
liier eine f ch w« r zu vermeidei^de Tau« 
(chttAg zum Gru/ide. Weil die Kategorien 
nicht aus der Sinnlichkeit entfpringen, fo fcheint 

• ihr Gebrauch fich weiter ^ls blofs auf fin et- 
liche Gegenfiände zu erfir ecken (f. 51). Allein 
fie find blofs Gedanken formen (L 51)» durch 

iWelche allein fich .noch nichts erkennen läfst. ün- 
Icheiden wir indeflen von den Erfahrungsgegen* 
len , welche wir doch nur für ups inhärirende 
J&rfcheinuftgen erkennen muffen, noch ein Ding; 
yrM uns nicht inhärirt - und nicht Erfchemung, 
tfcer der .Grund, der Erfcheinung ifi, kurz das, 
was die .Erfcheinung an fich feyn mag, • aufser 
dem Subject, welthe» die Erfchemung an&hauet: 
fo ifi die Frage, .ob wir ein folches Ding 
an fich nicht vermittelet der Katego- 
rien erkennen? f. Erfcheinung (M. X» 349^ 
C. 305. f.)*. Die Beantwortung diefer Frage findet 
man im Art» An fich, 4., Deniten, g. und im 
gegenwärtigen Art. 51 und 52- 

» * .- 

62. W^nn JemaAd, nach allen, diefen Erörte- 
rungen, doch noch Bedenken trägt 9 zuzugeben^ 
dafs die Kategorien von GegenfUnden, von >weü 
eben es keine Anfchauungen giebt, nicht zunl Er- 
kennen dprfelben gebraucht werden können , der 
darf nur den Verfuch machen, ob es ihm möglich 
fei, wirklich etwas von. einem folchen Gegenwand 
aju . erkennen , was nicht blofs in dem. Begriff 
der Kategorie liegt. Denn die blq&e Entwickehitog 
diefes< Begriffs hilft nichts zur. Erkenqtnif* des 
Gegenstandes deffelben. Es* ifi nehm^fah dann im* 
nier noch die Frage, ob 5s auch einen folchen 
Gege*ftand, geb©> als- man fich durah die Kategorie 
. denken .will; Die Kategorie kann, ja, wie . es audh 
wirldich der Fall ift» blofs die Einheit des Denken p 
bedeuten ^ wozu, aber ein Ver&hiedenes vwi y***r 
JfceHwgen gegeben * feyn mufs», webn. diefe. Einheit 
wijklibh etwas verknüpfen ,und pkbt blofs, »den 



4 
\ 



1 



Kategorie . 53$ 

Grand der Verknüpfung durch Denken Yorftellen 
folt. Der. Satz z. B, : Alles , was da 4ft , exiftirt 
als Subftanz oder als eine der. Subftanz anhängen*/ 
de Bestimmung (Accidenz) , ift ein fynthetifchet ! 
Satz. Denn in dem; Begriff des Dafeyns oder Exi* <. 
fiirens liegt nicht der Begriff der Subftanz oder* 
des Accidenz. Auch ift diefer Satz ein traftsfcen* 
dentaler Grundfatz , denn er behauptet etwas ohn6 
alle Bedingungen der Erfahrungen von Gegenftän* 
den überhaupt, nicht blofs von' finnjichen Gegen* 
fänden. Wie will man nun aber einen folchen 
Satz beWeifen , oder welchen Gebrauch will man 
davon machen $ IWo ift das dritte, was es mög* 
lieh machen foll 9 den Begriff des Dafeyns fo mit 
dem der Subftanz oder des Accidenz zu verknüpfen, 
dafs ein für alle Gegenftände v finnliche oder nicht* 
fumliche, geltender Satz daraus werde? Nur für 
finnliche Gegenftände kann dieler Satz bewiefeft 
und verftanden Werden, f. Accidenz (M. 1,558« 
C. 3 i 4 . f.). • 

63. Wir fehen alfo hieraus , durch die* Kate» 
gorien laden fich zwar Gegenftände denken, aber 
nicht a priori beftim'men oder erkennen; und 
es ift unmöglich, die Kategorien dazu zu gebrau* 
chen, uns durch fie von Dingen an fich ein theo* 
retifches ßrkenntnifs zu erwerben. Allein, es 
liegt doch auch nichts Unmögliches darin, dafs 
ein Ding an fich eine folche Befchaffenheit haben 
könne, als wir uns in der Kategorie denken. 
Denn der Sitz diefer Begriffe ift ja nicht die Sinn« \ 
lichkeit, fo dafs wir z. B. eben fo, wie wir fa- 
gen muffen, was im Raum und in der Zeit ift, 
kann kein Ding an fich feyn, und ein Ding an 
fich kann nicht im Raum und in der Zeit feyn, 
auch fagen mufsten , was eine Urfach ift , das kann 
kein Ding an lieh feyn, und ein Ding an fich 
kann keine Urfache feyn. Der Sitz der Kategorien 
ift der reine Yerftand. , Da fie alfo nicht, wie 
, Hume meinte, aus der Erfahrung entfpr in gen, 



69° 



Kategorie. 



IIb kanii man auch nicht behaupten 9 dafs Re blöfii 
Jvon ErfahrungsgegenAänden . gültig feyn können« 
'Können wir alfo auch von 'Dingen an fich durch 
die Kategorien nichts erkennen, Xo ift es darum 
. doch nicht unmöglich, wenn wir etwa beym mo- 
ralifch ,, guten Handeln -uns Dinge an lieh denken 
muffen, fie durch Kategorien zu denken, weil 
wir ohne Kategorien gar nicht denken können, in« 
dem fie die Formen alles Denkens find. . Wir fehen 
hieraus, wi6 wichtig es ift, den nicht empirifchen 
Urfprung der Kategorien nachzuweifen ; denn $nt- 
. fprängen fie au3 der Erfahrung, , fo wäre der Ge- 
brauch derXelben von Gegenfiänden, von denen es 
keine . Erfahrung geben kann, ganz abfurd, und 
aufs gfcütidelte ausgedrückt, eine grundlofe Schwär* 

inerei (P. 94. f. M. II, 1 * 39)* 

» . . 
64. Zu jedem Gebrauch der Vernunft in An* 
fehung eines Gegenliandes werden Kategorien er- 
fordert , ohne die kein Gegenfiand gedacht werden 
kann. Soll ein theoretifcher Gebrauch von der 
Vernunft gemacht werden, d. b. follen die Katego- 
rien gebraucht werden, Erkenntnifs eineä Gegen Üan- 
des zu erlangen, fo mufs eine finn liehe Anfchau- 
ring des Gegenfiand es möglich feyn. Dann iß der 
Gegenfiand ein Erfahr ungsgegenftand , und gehört 
?ur Nqtuir, oder ift eine Erfcheinung in der Sin- 
nenwelt. Nun giebt es aber drei Ideen der Ver- 
nunft: Gott,, freier Wille, unfierblicher 
Geilt, d. h. Begriffe von Gegenfiänden, die, in 
gar keiner Erfahrung gegeben werden können. 
yon diefen Gegenfiänden kann ich daher auch keine 
Erkenntnifs erlangen; aber da mir doch die Ideen 
Von denfelben unentbehrlich lind, fo mufs ich fie 
durch die Kategorien blofs denken. Aber wir 
. brauchen auch diefe Ideen gar nicht, um die Ge- 
genfiände derfelbtjn zu erkennen, indem die Er- 
kenntnifs derfelben gar nicht zu unfrer übrigen 
Erkenntnifs paffen oder helfen würde. Es liegt 
uns bei diefen Ideejx nur daran, zu willen, dafs 



Kategorie. 



591 



> 

£e nicht Himgefpinße find, dafs es Keine erdich* 
teten Gegenfiände find. Dies fichert uns nun die 
reine praktische Vernunft, f. Glaubens fac h-e» 
und hierbei hat die theoretifche Vernunft nichts 
veiter zu thun, als diefe Gegenfiände durch Ka* 
tegorierx blofs zu denkest, welches ganz wohl 
auch ohne alle Anfchauung angebt. Denn die Ka- 
tegorien haben unabhängig von aller Anfchauung 
und vor derselben ihren Sitz und Urfprung im rei* 
neu Verftande. £*ie bedeuten immer einen Gegen«« 
ftand, .auf welche Art er uns auch gege? 
ben feyn mag. Nun find uns freilich die Gegen« ' 
fiände jener Ideen gar nicht gegeben , allein dafs 
fie nicht erdichtet find, ift uns durch die 
praktifche Vernunft gefiebert. Mithin iß die Kate- { 
gori£, als blofse Gedankenform, hier doch nicht 
der Gedanke von einem blofsen Hirngefpinft Die 
Begriffe, Gott, Freiheit, Unfierblichkeit , haben 
Realität , oder unfere Befiimmung nöthigt uns , als 
vernünftige Wefen ihre Wirklichkeit anzunehmen, 
wenn fich auch die Vernunft darum dagegen letzen 
möchte , weil wir diefe Wirklichkeit weder bewei« 
fen noch begreifen können (P. 245., f. M. II, 355.)* ' 

65« Die Kategorien können alfo auch objeetive 
Realität im Felde des Ueberfinnlichen haben, d,,h# 
es kennen auch überfinnliche Gegenfiände durch • 
fie gedacht werden, die wirklich keine Hirnge- 
fpinße find; aber diefe Realität ift blofs prak- 
tifch anwendbar, d. h. es läfst fich dadurch 
kein übersinnlicher Gegenfiand erkennen, fondern 
fie liehen blofs mit dem aus dem reinen Willen 
hervorgehenden Befiimmungägrunde der freien 
WiUkühr oder dem moralifchen Ge fetze in not- 
wendiger Verbindung. Sie haben daher auch nur 
immer auf Wefen als Intelligenzen, d. i. als 
vernünftige Wefen, und an diefen auch nur auf 
das Verhältnifs der Vernunft z.um Willen Be- 
ziehung. Sie gehen alfo immer nur aufs Prakti-' 
fche, oder die reine WiUensbefiimmung; aber 



9 

6£i Kategorie. 

dienen im gtaingften nicht dazu , uns eine Erkennt* 
toife der Natur jener überfinnlichen Intelligenzen 
eu v er fch äffen. Werden nehmlich auch in Verbin- 
dung ' mit ihnen Eigenfchaften jener Intelligenzen 
herbeigezogen 9 die zur theoretischen Vorftellung£ 
ert derfefben gfehören, fo foll und kann dadurch 
gafr nicht ein Wiffen deflen, was diefe Wefen find, 
hervorgebracht werden. Wenn wir uns z. B. Got- 
tes Eigenfchaften denken, fo verfchafft uns das 
faicht eine eigentliche Erkenntnifs Gottes , denn 
trer vermag die Weisheit, Allwiflenheit u. f. w. 
ku erkennen. Sondern wir haben blofs die Befug« 
iiifs, fie anzunehmen, weil fie uns in praktifcher 
Abficht noth Wendig find, indem fich ohne fie das 
höchfte Gut, vollkommen fte Uebereinftimmung der 
Glückseligkeit der vernünftigen Wefen mit ihrer 
Sittlichkeit in der intelligibeln Welt, nicht den- 
ken Jäfst 9 und dennoch diefes höchlte Gut das Ziel 
tinfers Strebens feyn foll. Wir denken dann folche 
vbferfinnliche Wefen nach eiNer Analogie mit den 
finnlichen Wefen, /und fagen z. B.: was die Caufa- 
lität des Verftandes und des Willens bei den ver- 
nünftigen Wefen der Sinnen weit ift, day ifl bei 
Gott etwas Unbekanntes , das nur zu feinen Wer- 
ken in einem ähnlichen Verhältnifs liehet, fo dafs 
wir darum diefes Analogon auch wo~hl Verftand und 
Willen neifnen, und Gott Verftand und Willen 
beilegen. Auf diefe Weife geben wir alfo der rei- 
ften theoretifchen Vernunft durch die Anwendung 
der Kategorien aufs Uebe'rfinnliche, aber nur v in 
praktifcher Abßcht , nicht den minderen Vorfchub 
(P. 99. M. II, 243)* 



66. Hiermit ift alfo das Räthfel aufgelötet , 
Kant dem Gebrauch 'der Kategorien zur Erkennt* 
tiifs des üeberfinnlichen die objeetive Realität, oder 
dafs fie wirklich^ Erkenntnifle liefern, äbfprechen, 
und ihnen doch diefe Realität zum Denken folcher 
überfinnlichen Gegen ß an de im Felde des morali- 
fchsn Handelns zugeftehen könnte. So lange man 



. v 



Kategorie |9J 

« 

Jen praktifchen Gebrauch der Vtfnuftft, Mtimlich 
tat BelUmmung der freien Willkühr/ nicht vom 
theöretifchen Gebrauch der Vernunft, zwc Ernennt* 
pifs, gehörig unterschied, mufst$ es freilich in* 
tonfequent ausfehen, und wider die Critik 
der Einwurf gemacht werden,, dafs Ka»t in der 
pritik der praktifchen Vernunft einen Gebrauch 
der Kategorien zugebe und felbft behaupte* 4 dem 
er in der Critik. der theoretifchen Vernunft zu 
yer werfen fcheine. Allein 'in der Critik der reinen 
Vernunft verwirft Kant die theoretifche Beftimmung 
der NQumenep oder des Ueberfinnüchen durch Kala» 
gorieh , in der Critik der praktifchen Vernunft aber 
giebt er dkfe Beftimmung auch nicht zu , fondern 
behauptet nur, <fofc der Begriff das höchften Gut» ib» 
nen einen überünnlichen Gegenwand zuiichere. .Denn 
die Freiheit des Willens ift in dem Begriff der Be» 
fiimmung einet Willkiihr durch Vernunft a priori' 
fnthajten, und ohne Gott und Unsterblichkeit kam} 
es kein höchßes Gut geben; follen wir uns alfo 
untere Handlungen zurechnen und unfre Beftimmung 
nicht für ein Hirpgefpinß halten, fo muffen wi» 
jene überünnlichen Gegenfiände für reell halten, 
und fie dann nothwendig durch Kategorien den* 
Jen. JJnd Co verfcjhwindet jene- Inconfeqttenz» 
Es ift n eh ml ich ein ganz anderer Gebrauch, den 
man von djen. Kategorien zum Denken cier übor? . 
fraulichen GegenHände für das IJaudeln macht, al4 
der, wenn man lieh wirklich eine Erkenntnifa diefev 
Gegenfiände durch 4ie verf chatten will. Dagegen 
eröffnet fich tyier «ine kaum zu erwartende und lehr 
befriedigende Bestätigung »der confequenten: Den* 
kung*»art der Critik der reinen Vernunft. . Diefe 
Critik bewies nehiplich, dafs die Gegenftände der 
Erfahrung fammtlich, unfef eignes Subject mit ein- 
gefchloflen, Erfcheinungen find. Sie fcjiärfte aber 
dahei ein, dafs, obwohl man die Wirklichkeit 1 
des Ueberfinnlichen nicht beweifen könne, -man ea 
darum doch nicht für Erdichtung und feinen Be- 
gaff für Jeer an Inhalt zu halten habe. Die prak« 

nUÜinsvhilof. fFörurb. 3, Af. Pp . 



I 



594. Kategorie, , 

tifche VAnunft aber verfchafft, dhffie däfs' hierbei 
Bücklicht auf die fpeculativ© Vernunft genommen 
wird, eu>em überfinnlichen Grgenftande der Kate- 
gorie Ür fache, riehfolich dem freien Willen, 
Realität: Obwohl diefe Caufalität des freien Willen» 
dadurch nicht . erkannt , fondern nur zum prakti- 
fchen Gebrauch gedacht wird.. Und fo wird das, 
was ia r d*r Critik der reinen Vernunft blof« ge- 
dacht werden konnte, ob der Begriff des Ueber- 
iinnlichen nicht doch vielleicht Gegeriftande habe, 
in der Critik der praktifchen Vernunft durch eine 
Thatfache beftätigt (P. 8- ff. M. IL 167. 168.). 



• * 
• 1 



67; Aus dem, was hier gefagt worden ift, wenn 
m^n datait das,' was im Art. Dämonologie, 5. 

* und G<m, 45» feu finden ift, wird man lieh voll- 
kommen überzeugen, ' wie erfpriefslich für Theo* 
logie und Moral die Deduction iß, dafs der ni ersch- 
liche Verfiand die Kategorien beim Denken erzeuge, 
durch fie die Eindrücke der Sinne verknüpfe und 
So . finnliche ' Gegenftände erkennen könne. Denn 
dureli diefe mühfame Deduction allein kann verhü- 
tet werden , diefe Kategorien , wie P 1 a t o 9 fütf 
angebohrte Begriffe zuhalten. Hatten wir nehm - 
lieh angebohrne Begriffe in uns; fo wäntn wir 
nicht lieber, dereinlt noch immer- fölehe Begriffe 
in uns zu entdecken, und der Gebrauch derfel- 
ben wäre dann ohne Grenzen ; ferner wäre dann 
der Anaiafsung zu überfchwenglichen Theorien, des 
Ueberßrinlichen , wozu uns die Erke*mtnif$ ange- 

- bohrend fei, Thür und Thor geöffnet, und füre fie 
kein« Bude abzufeilen/ Durch jene Deduction kann 
aber auch verhütet «werden, ' diefe "Kategorien aus 
der Erfahrung abzuleiten-, wie es B-pikur machte* 
Wären ße nelimlich aus der Erfahrung entfpfun- 
gen , datin müfsten wir allen und jeden Gebrauch 
cterfelben, felbft den in praktifcher Abficht, blofs 
auf Gegenstände »und Beilimmungägründe der Sinne 
einschränken. Nun ift aber bewiefen , dafs die Ka- 
tegorien nicht empirifchen Urfprungs find , foudern 



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593 ' 

ttafs fie ihren Sitz und ihre Quelle im reinen Ver- ^ 
ftande haben, und dafs fie auf Gegenftänd'e 
überhaupt bezogen werden können, unabhän- 
gig ron der Anfchauung} dafs fie z war nur in An« 
Wendung 1 auf Er fahrungsgegenßände theo* 
retifches ^rkenntnifs zu Stande bringen; aber dafs 
fie doch auch auf einen durch' praktische Vernunft 
gegebenen Gegehftartd angewandt 9 zum bell im in- 
ten Denken des Ueberfinnlichen dienen, jedoch 
nur mit der fiinfehränkung, fo fern das Heber* 
finnliche biofs durch folche Prädicate beltioitntwird, 
die nothwendfg zur reinen a priori gegebenen prak* 
tifclien Abficht und der Möglichkeit derfelben ge- 
hören. .So bringen denn Einfchränkung der reinen 
Vernunft im Felde des Wiffens, und Erweiterung 
derfelben • im Felde des Handelns die beiden Ver* 
mögen der Vernunft, mit Sicherheit zu erkennen, 
und fittlich gut zu handeln, allererft in das Ver- 
hältnifs zu einander ^ worin Vernunft überhaupt 
zweckniäfsig gebraucht werden kann. Diefes ßer- 
fpiel aber beweifet beffer • als jedes andere , d.ifs 
der Weg zur Weisheit, 'wenn er' gefiebert und 
nicht ungangbar oder irreleitend werden foll, bei 
uns Menfchen unvermeidlich durch die Wiffrnfchaft 
gehen muffe. Freilich mufs man aber* erft das 
Ganze de* Wiflenfchaft vollkommen überfehen, urA 
überzeugt zu feyn, .dafs die Wiflenfchaft zur Weis« 
heit füjire (P. £56. M. IL 36*.). 

Die Kategorien der Freiheit* 

' f>ß. Wenn die Willkühr des Menfchen durch 
reine Vernunft beftimmt wird, fo ift die Hand- 
lung, die daraus hervorgeht, fittlich gut, wird fio 
wider die reine Vernunft beftimmt , fo ift die daraus 
entfpringende Handlung fittlich böfe. Die Begriffe 
des moralifchen Guten und Böfen fetzen alib voraus, s 
dafs • in der Vernunft ein Beitimmun£ss;rund der 
Wiljkühr Ü^ge, oder dafs die reine Vernunft ver- x 
mktelfiLxüefes Jteiümmüttgsgrri indes eine Cau/alität 



/ I 



s 



$96 Kategorie. - 

für die Willfenhr habe, d, i. als Urfoch« auf die 
Willkühr wirke. Dieter Begriff des moralifchen Gu- 
ten und Böfen iß das für die praktische Vernunft, 
was der Begriff des Gegenstandes füv 4ie tbeoreti- 
Xche , Vernunft iß. Nur ift hier folgender Unter« 
fchied. Die Kategorien beziehen lieh . urfprungüch 
auf GegenÄände, denn fie find Beit immun gen -der 
Xynthetifchen Einheit des Mannigfaltigen gegebe- 
ner Anfqhauungen in einem * Bewufstfeyn. Die 
praktische Vernunft hat ahnliche Begriffe an dem 
Guten und Böfen, aber diefe Begriffe fallen nicht 
' die Einheiten zur Verknüpfung des Mannigfaltigen 
in einen Begriff vom Gegenfiande feyn, fondern 
üe fetzen die Gegen ftände fchon voraus. Sie find 
vielmehr Zufällige Beschaffenheiten qejer Modi einer 
einzigen Kategorie, nehmlich der Caufalität, 
in fo fern der Beitimmungsgrund derfelbeo in der 
Vernunft liegt. Die Vernunft wird nehrtilich hier 
als eine Caufalität gedacht, indem fie durch die 
Vernunftverftellung eines. Gefetzes* welches iie f 
als Gefetz der Freiheit , lieh felbft giebt , die Will- 
kühr beftimmt, und lieh dadurch als ^- priori prak? 
tifch beweifet. Die Handlungen flehen alfo hier* 
mit unter einem Gefetze, das kein, Naturgefetz, 
fondern ein .Gefetz der Freiheit jiit, jmd find alfo 
info fern als Wirkungen intelligibelet Wefea zu 
betrachten. Allein die Handlungen find dtfeh auch 
Begebenheiten in der finijlichen Welt und , als 
folche, Erfcheinungen, die unter NaturgeGetzen 
ftehen und .nach denfelben gefefaehen. lux letzte- 
ren Verhaltniffe können fie allein durch die Kate- 
gorien Gegenfiande des Erkennen* fejfa, allein in 
diefem .Verhaltniffe haben fie nichts 3£oralifche& 
fondern gehören. für die Phyfih. Das erftere VerJ 
hältnifs ift pjlein ihre moralifche Seite, und von 
diefer muffen fie durch die Kategorien gedacht wer. 
den, weil fie doch in- der Sinnenwslt gefchehen 
follen, aber diefes Denken foll nichf dienen,» ei** 
zufehen, wie tfandlr us freiem Wfüjpp p» ©g, 

lieh find, Sondern r 




dem alleinigen -Princip des moralifchert Gefouses zu 
beftimmen. Die fehlen Begriffe -des Guten und Bo- 
len können alfo, als Modi der Caufalität der rei- 
nen Vernunft, ■ nur Jtatt heben, das Mannigfaltige . 
(nicht der Anfchaturngen, fondern) der Begeh* 
rungen zur Einheit des Bewufstfeyns der im mo- 
ralifchen Gefetze ■ gebietenden praktischen Vernunft 
zu verknüpfen , oder fie dem reinen a priori- ge- ; 
bietenden Willen zu unterwerfen (F. 114. f. M. 
IL «86.). ; r 

6g. Es giebt alfe Kategorien der Frei- 
heit des Willens, (o wie es Kategorien' 
der Nothwehdigkeit der' Natur giebr. 
Diefe -Kategorien der Freiheit haben aber einen au- 
genscheinlichen Vorzug vor den Kategorien der 
Natur. Die letztern find . nur Gedanken formen', 
welche die möglichen Beltinunungen a priori der 
Gegenitande für jede uns' mögliche Anfchäuung- be- ( 
zeichnen. Die Kategorien der Freiheit Hingegen 
find Formen des Begehren s , welche 1 die mögli- 
chen Beftimittungen a priori der Handlungen -be- 
zeichnen. Sie- lind nicht Bestimmungen der Sinn- 
lichkeit in Arvfehimg der Affectionen derselben, 
fondern der ■ Willkühr in Anfehung der Functio- 
nen, oder .Einheiten, ihrer Handlungen. Di* 
freie Willkühr kann nun nicht Co, wie der Ver- 
ftand, durch die Sinnlichkeit, einer Anfchäuung ge- 
geben werden, die ihr völlig, fo wie denVerftan- 
desbegrrffen die Anfchäuung, correfpondirte. Allein 
ftatt der Anfchäuung hat fie , welches bei keinen 
Begriffen des theoretifchen Gebrauchs unfers Erkennt- 
nilsvermörerrs fifltt findet, ein reines uraktifches 



$9d 



Kategorie: 



Baum un* Zeit lifegen aber nicht In de* Vernunft, 
fondern in der Sinnlichkeit. Was den Kategorie*! der 
Natur diefe Formen der Anfchauun gen. find, das ift 
den Kategorien der Freiheit die For j» eines rei- 
1} e n W i 1 1 e n s, die bei der Vorfiellung der Handlun- 
gen aus -freier Willküht* als gegeben zum Grunde 
Jiegt, ohne welche fic}* moralische Handlungen gar 
Dicht eiwnaJ denken laflen. Dicfc hat nun eine merk- 
würdig Folge. In allen Vorfqhriften der reinen 
praktischen Vernunft ifi es um die Wiljensbe» 

ft imm urig, (Beftimmungen 4 urc h den Willen) zu 
thun; ab6r nicht, darum, ob und wie diefe Ab- 
lichten der praktifchtn Vernunft . in : der Sipjien- 
weit ausgeführt w erden können , welches das JPhy- 
fifelje der Handlung betrifft. Die praktischen Be* 

, griffe a 'priori oder die Kategorie n der Freiheit 
gönnen daher in Rücklicht der freien BeÄirr^unirig 
der Willkübr fogleich praktische Erkenntni(Te i wer- 
den, d, h, durch Beftimmung der Willkuhr reali- 
iirt und ihnen dadurch ein Gegenfiand gegeben 
Verden, ohne dafs fie nöthig haben t erft' auf eine 

, AnXckauung zu warten, um Bedeutung *u bekom- 
men. Der Grund davon ift- nehn^lich, weil lie 
{He Wirklichkeit deffefi, wa& ihn#n.als ifrr Gegen- 
stand conelpondirt, ' nehmlich, die, /WiUensgelin- 
ii;ung, r .4elbft hervorbringfen , undifiä nicht er/t , et- 
w^ Gegebenes haben muffen. Die, theoretifohen 
Begriffe oder Kategorien der Natur, hin gegen- muf- 
fen durchaus frft durch gegebene Affectionen.der 
Sinnlichkeit Bedeutung bekommen. Noch ift zu. 
bewerte* dafs. diefe . Kategorien die praktifch^ 
Verpunft überhaupt angehen, und. folglich .die 
fammtlicherj Arten . der. Beftimmungen _deir freien 
Wiyk\ihr-auM r u^en. Sie fangen daher jmit fol« 
che» ; WiHen$J>eflpimimgen an, *die noch nicht 
pioralifch beftimmt, .fondern. tylofs finnlich be- 
dingt und*, und gehen (o 19 der Ordnung fort 
bis zu denen, die ni^ht niehj finnlich bedingt, 
fondern blofs durchs mqralifche . Gefetfc beftunmt 
find (P. n & . $, J&'U 4 *fia V •.. '. : r i - . 



% « 



Kategorie; 609 



<*/0. * r Taffll 

der Kategorien der Freiheit in Anfehung 
der Begriffe des Guten und Böfen. 



I. > ' j r 



. Der Quantität nach: 

Einheit : v fubjectiv* WillensbeitimmungeA, 

nach Maximen, Willen smeinun^gen 

des Individuum« 
Vielheit : objective Willensbeftimmungen* 

nach Principien, Vorfchriften für 

Viele*. 
Allheit: a priori objective fowohl als fubjective 

Willensbeftinunungen für alle Weferi, die 

eine freie Witlkühr haben, Gefctze 

für Alle. 

• ö. 3. 

Der Qualität nach: Der Relation nach: » 
Realität: praktifche Re- Subita ntia li tat: Wil- 
geln des Begehen s. lensbeftiihmung in Be- 
ziehung auf die Pe#^ 
fönlichkeit. 
Negation: praktifche Caufalität: Willensbe- 
Regeln des Unter- ftimmung in Beziehung 
laffens. auf den ZuftaaTd der' 

* ' ■ Perfon. 

Limitation: pr^kti- Wechfel Wirkung : 
fche Regeln der Aus- Willensbeftimmung in 
nahmen. • Beziehung auf den 

wechfelfeitigen 
Einflufs einer Perfon 
auf den Zuftand der 
andern« 

Der »Modalität nach: 
Moralische Möglichkeit: das Erlaubt«. 1 
Moralifche Unmöglichkeit: das Uner- 
laubte* 

\ • 



6oo 



Kätegori«* 



( 



die PfJieSt, 
das* Pf HchtwH 



Moraltfche Wirklichkeit: 

Mötalifchei Nichtfeyn: 
drige. 

pYIoralifch e Noth wend igkeit: die voll* 
,} kommene Pflicht. 

[Moralifche Z ufalligkeit: die unvollkom- 
men e Pflicht. (P. 117, M. IL flSsV 



• 1 

Zur Erläuterung diefer , Tafel will ich noch 

folgendes bemerken. . Die Kategorien der Frei- 
heit find nichts anders als der .Begriff der Cau- 
falitat deV Yerntfnft in Btfftimmung der Will- 
kühr, durchgeführt durch rämmtliche Kategorien» 
welches dann die Begriffe des Guteii und Böfen 
giebt. Wird die WiHkühr eines Wefens fo beftimmt, 
dafs der Befiimmungsgrund nur für diefe "Eine 
Willkühr gültig iß, dann kann der ßeftimmuugs- 
gr<und nicht in der Vernunft liegen ;;. ofcf er wohl 
diu ch die Vernunft auf eine Pegel für das Indivi* 
dunir^ebrachrf: wird. , Der Beftimmungsgründ liegt 
dann in dem, Privatgefühl des Individuums , und 
die Handlung ift entweder angenehm oder un- 
angenehm. In Anfehung der Moralität iß die 
Handlung dann noch, unbeftimmt, fie Üt noch 
nicl)t irioralifch gut oder böfe, fondern. blofs finn- 
lich; d.i. durchs Gefühl der Luft oder Ünluft, 
bedingt. Die Regelf nach Welcher ^Ifo die Will* 
fcähr beftimmt wird, ift blofs für dieYe einzelne 
^illkühr gültig > und eine folche Regel heilst eine 
WillensnjeiniiTig des Individuum. Das 
vv^KendeSubjectmufs aber auch, wenn es moralifch 
handelri foll , die reine Willensbeftimmung a priori 
fcur fubjeetiven Peßinvmung feiner Willkühr , d. i 
das G^fetz zu feiner Maxime machen. _ Wird die 
Willkühr eines Wefens fo beftimmt, dafs der,Be- 
•ftimmungsgründ Miir für viele S'fibjiScte der Will- 
I&hir gültig ift, darin kann der Beftimmungsgründ 
nach ilicht hTdfer Vernunft Hegen j afefer dk er doch 
für viele gültig feyn foll, fo mufs er wtffvigftens 
durch eine Regel vorgefiellt werdet , bei der ein 



\ 
% 



* * Kategorie* 60 * 

^erätmft begriff zum Gtunde lie£t, Aarch Welchen 
es möglich wird/ dafs fie für viele gilt. Das ift 
nun der Begriff des Zwecks. Wenn viele eirienf 
und denfelben Zweck haben, dann ift es möglich* 
dafs fie eine und diefelbe Handlungsrege) wollen, 
die auf diefen Zweck gerichtet ift. . Dann ift di6 
Handlung aber 4 wiederum nur wozu gut; d. i; 
nützlich, ocler dem Zweck hinderlich, d* i. f c h ä d^ 
lieh, aber nicht an fich, d. i. moraliffch gut 
oder böfe. Die Handlungsreger ift zwar eine Vor^ 
% fchrif t für viele , d.i. objeetiv, aber noch nicht 
für Alle. Das Gefetz, das für alle gilt, oder 
die reine • Willensbeltimmung a -priori, ift indeffeii 
auch zugleich eine .Vorfchrift , die ftir viele gilt, 
oder eine pbjeetive WillensbeiHmmung nach Prin* 
cipieft. Nur dann, wenn Alle nach einem Frihcip 
wollen könnet) f oder die Willensbeftimmung ih^ 
ren Grund gar tiicht in einer Neigung hat, alfo 
gar nicht finrilich bedingt ift, ift fie ein Gefetz^ 
und die gar nicht finnlich bedingte Handlung nach 
diefem Gefetfe (objeetiv) und üin diefes Ge fetze* 
willen (fubjeetiv) das Motalifch-Gute und das Ge- 
gen t heil davon r Üas Morälifch - Böfe. Ift hingegen 
die Handlung durch aufsern Zwang bedingt, oV 
wohl fie nacht dem Gefetze gefchieht, fo ift die 
Handlung das Rechtlich -Gute und ihr Gegen theii 
das Rechtlich- Böfe , oder das B echt und Rechts- 
widrige. Ift die Handlung überhaupt finnlich be- 
dingt, gefchieht aber dem Gefetze gemafs, fo ift 
die Handlung blofs^ legal oder gefe tzrrtäfsig , und 
das Gegen t heil davon, die illegale oder ge fetz wi- 
drige Handlung. Das Gute kann ferner etwas Fo« 
fitives feyn, d. i. etwas Reelles, eine wirklich** 
Handlung, die nach einem öefetze und um deflel« 
ben willen gethan wird; orfer etwas Kegatives, 
eine Handlung, die nicht gethan, fondern unter* 
laffen,wird, der Gegen ft and eines Verbots; oder 
endlich kann' das Gute etwas feyn, das durch ein* 
Ausnahme beRimmt wird, d. i. durch ein Ge- 
fetfc,* wa? &b EHaubnifs zu einer Handlung giebk 



. * 



6bz Kategorie. 

Dies findet bei den Pflichten der Güte fiatt, ^acü 
diefen t mufs ich z. JB. zwar immer den Gründfatz 
bähen, wohlzuthun, das Gefetz gebietet nehmlich 
blofs die Maxime der Handlung, nicht die Hand« 
lung felbih Nun habe ich aber Schulden, zu be- 
zahlen , und Schulden pti bezahlen ift eine Pflicht, 
von der das Gefetz nicht Hofs den Gründfatz , fon- 
dern aucji die Handlung gebietet. Hier wird alfo 
der Gründfatz der Wohlthätigkeit durch das Gefetz 
der Gerechtigkeit in An fehung fremden Eigenthums 
ejngefchränkt, wodurch für die Handlungen nach 
, dem Grvndfatze der Wohlthätigkeit eine Ausnahme 
tntfpringt: thue nicht wohl mit dem, .womit 
du Andern das Ihrige geben follft, und die Be- 
folgung diefer Regel ilt eine gute Handlung nach 
einer praktischen Regel der Ausnahme, Uebrigena 
vift hier .wieder nicht blofs von der reinen prakti- 
fchen Vernunft die Rede , fondern von der pr,akti~ 
Jfchfcn Vernunft überhaupt» Dalier auch die Regeln 
des Begehtos nicht blofs. als mor al jfche , fopdern 
überhaupt für jedes Begehen, zu nehmen lind. 
Wir können aber eine moralifch gute oder böfe 
Handlung auch nach der Beziehung betrachten, 
welche die WiUensbefiimmung hat. Und da ftöfst 
uns züerft der Begriff, auf, der alle Beziehung 
Überhaupt erß möglich macht, der Begriff der Sub* 
fiflenz. Die WiUensbefiimmung mufs als in einem. 
Subject befindlich und demselben anhängend . ge- 
dacht werden. Ein Subject aber, das der morali- 
fchen WiUensbefiimmung vermögend iß, heifst eine 
Perfon, die moralifche Subftanz ift alfo der 
Begriff der Perfönlichkeit. Und hier haben, 
wir wieder Gelegenheit einzufehen, dafs wir Gott 
gar wohl als Subftanz denken können, denn wir 
[teilen uns darunter nicht eine phyfifche, fondern 
eine mOralifche Subftanz vor, alfo nicht ein We- 
fen , das etwa wie die Materie im Baum ftets fort« 
dauert, fondern ein Wefea, welches das^ fort- 
dauernde Subftrat des moralifc^n Wplleps iß, oder 
eine moralifche Perfpn, deffen Natur oder Subfianz, 



Kategorie; 603 

in fpeculativen Sinne, uni übrigens ganzlich nn« 
bekannt iit und bleiben mufs. Der Betriff der 
moralifchen Caufalitat und «Dependenti 
iit der von der Willensbeftimmung in Beziehung 
auf den ♦Zuft and der Perfon,. dafs'nehmliuh auch 
wohl andere, . als moralifche Gründe, den -Willen 
beftimmen können , dafs daher das moralifche Ge- 
ftfz für einen folchen Willen , wie z. B. der inen fch* 
liehe ifi, ein Gebot wird, woraus für iJ&n de* 
Begriff von Pflicht entfpringt, uiLw^i Der. Be- 
griff der moralifchen Wechfel wirkung i{t 
der von dem wechfelfeitigen. moralifchen Kiufiufs 
der r er fönen auf ihre , Willensbeftimmung , und« 
fo auf ihren moralifche* Zuftand, z. B. aus den 
vollkommenen Pflichten der einen Perfon entliehen 
Rechte der andern , und umgekehrt* oder bei ver- 
dienitlichen Pflichten verpflichtet die Wohlthätig- 
keit der einen Perfon. die andere zur Dankbarkeit, 
und die Perlon lieh keit diefer letztern modiheirt 
uieder die Befchaffenheit der Wohlthätiekeit der 
erftern. Ich habe aber hier dife Freiheitskatetrorien 
blofs auf . die moralifche WilJensbeliimmung * an« 
gewendet, um fie durch ein ^Beifpiel fogleich 
zu erläutern, Sie muffen aber hier in dem wei* 
teften Sinn des Worts genommen • werden- 1 wie 
in diefer • ganzen Tafel , fp dafs Sie jede möglir 
ehe Art der Willensbeftimmung unter lieh befaß- 
ten. Die Freiheitskategorien de; Modalität ündet 
man in Anfehung des Moralgefetzes von denen det 
Natur abgeleitet und erläutert in den Art/, die 
von ihnen handeln, f. Erlaubt; 5 und Pflicht. 
Hier bemerke ich nur noch, dafs das Er- 
laubte und Unerlaubte hier nicht blofs: in 
moralifcher Bedeutung zu nehmen iit» Es foli 
liier das bedeuten, was mit einer blofs mögli- 
chen Vorfchrift zu handeln (ohne auf die Mora* 
Htät der Handlung zu fehen) in. EirifHmmung oder 
Widerffoeit iit. So fagt man, in der Geometrie ift 
e s nichj erlaubt, zur, Conftructioii andere Werk- 
zeuge zu gebrauchen, als Cirkel t*ni Lineal; ei- 



Goß ' Kategorie^ 

- * ■ * 

nem flfcdner ift es nicht erhrnBc; neue Wftr- 
'ter oder Wortfügungen zu fehmieden •, " deitt Dich- 
ter hingegen . ift dies in gewifl(em MaaEse erlaube 
Hier wird nicht an 'Pflicht gedacht? denn wer fich 
um den Buf eines Redners bringen will, dem kann 
es Niemand wehren, fremde Wöt ter und Wortfü- 
gungen tu fchmiederu Es ift hier der Jmperativ 
' des Erlaubten und Unerlaubten blofs prpblema- 

' tifch, f. Imperativ, prablematifcher; Die 
Pflicht bedeutet hier wieder die Willensbeftim- 
iwng xii einer Handlung t deren Imperativ tf* 

' £ertorif ch ift, die vollkommene Pflicht eine 
folche. Willensbeftknmung, deren Handlung durch 
einen apödiktifchen Imperativ geboten wird, 

(P./30. *jfo. / 






71. Man fieht, dafs in diifer Tafel die Be* 
ftimmurig der Willkühr durch Grunde, die in der 
Vernunft liegen , d. i. die Freiheit all eine Art 
jron Gaufalität der Handlungen betrachtet wird, 
Hie keinen empirifchen BeftimmungsgTUnden , d. i. 
folchen, >die in den Gegenftänden oder in d$r finn- 
lichen Neigung des Subjects liegen , utitfer worfe 
iß. •• Dadurch beziehen fich allo die moralifche 
Handlungen . auf die . Kategorien der Natur , in f< 
fern fie ab ErFcheinungen in der Sinnen weit Na 
turgegepftimde f nehmlieh durch die Caufalüt&t dej 
Willens bewirkt^ Naturbegebenheiten , w*r<Jen ibl 
Jen. Da aber der Beßimmungsgrund nicht in ei 
^jaem Gegenftand der Sinnen weit oder einer finnli 
dien Befchaffenheit des Suhjecty liegt f So kann &4 
als auiser der Sinnen weit in der Freiheit als Ei 
genfehaft eines intelligibeln Wefen$ angenogninei 
Werden. Die Kategorien der Modalität, niachei 
endlich den Uebcrgang von praktifchen Principiei 
Überhaupt zu denen der Sittlichkeit, indem' fie &| 
Begriffenes Erlaubten, der Pflicht u. f. v*\ 
^ufitetlen, obwohl für die Moral ität »nur proi 
blema tifch, d.i. eis möglich. £5rft das niorq 
lifclse Gefetzt,*- als ein Factum der Vtärmtnft, re^ 



* 



\ - 



* « . • • Kategorie. r • 603 

< • 

lifirt diefe Begriffe , indem daffelbe für diefe Katego« 
rien das ift, was die Anfcfaauung für die Katego- 
rien der' Natur ift. Dadurch können dann die 
jraktifchen Pnncipien aller erft dogmatifch, d.i. 
Ms wirkliche gegründete deitimmungsgrüsde der 
Wüikühr dargeftellt werden (P. 11Q. &U Et, *59-)* 

7a. In diefer Tafel überfieht man nun den 
ganzen <P1 an von dem, was man in der prakti- 
schen Philosophie zu leifien hpt. *• Dergleichen 
nach Principien* abgefafste Eintheihmg ift aller 
WilTenfchaft, ihrer Gründlichkeit fowohl als-Ver- 
Handlichkeit und Vollftändigkeit halber, fehr zu-, 
fraglich. So \Veifs man z. B. aus diefer Tafel 9 
und der erften Nummer derfelben, von den Frei? 
iiekskategorien der Quantität nach, fbgleich, wo- 
von man in praktischen Erwegungeto anfangen mufs; 
Es ift nehmlich ziierft zu handeln von den Maxi* 
men, die Jcdfer auf feine Neigungen gründet; fo- 
dann von den Vorschriften/ die ™r eine Gattung 
vernünftiger Mfefen gelten,* fofern diefe in ge-, 
wiflen\ Neigungen übereinkommen; und endlich 
von den Gqfetzen, welche für alle gelten, unan- 
gefehen ihrer Neigungen. Nach der zweiten Num- 
mer ift zuerft'zu handeln von den "pnvkiifchen Re- 
geln, welchö ein gewiflfes Verhalten vorfclireiben ; 
fodann von d£n praktifchen Regeln , welche ein ge- 
wiflfes Verhalten unterfagen; und endlich von fol« 
chen praktifchen Regeln, welche von eifern gewif» 
fen vorgefchriebenen oder unterfaßten Verhalten 
Ausnahmen zu machen genauen« Auf diefe .-Weifq 
überfieht man den ganzen Plan von dem, was 
man in der fyftematifchen Bearbeitung einer prak- 
tifchen Fhilofophie, dia uns, nach einem folchen 
Plan bearbeitet, noch fehlt, zu leiften hat. Man 
kann durch dtttfe Kategorien fog*r jede Trage fin* 
den, die in der praktifchen Philofbphie za beant- 
worten ift,, und zugleich die Ordnung, : die .dabei 
au befolgen ift (P. ng.jf. M. II, a6o.). 



\ 



606 Kateg.Imp, Katharktikon. Keines. Kepler^ 

Kant Gfitik der rein. Yern. Eletnentarh. TT. Thi T. Alnli. 

I. Buch S. 90— 1Ö9. ^— j II, Buch. ' III. Hauptfi, £>. 

. 504 f. — S. 314. f. I. Auflage S. 94^ 130. 

De ff. Prolegbmenen, $ 20. ff, S. ßi.ff, — §. ^9. S. 1*7. 1F. 

De ff. Critik Her prakt. Vern. Vorrede S. ß. ff. — 20. *f. 

• I. Tl|. T. B. I. Ha^tft. 5. 94. — S. 99. . II. B. IL 

Hauptß. Su 114. ff. — S. 245. f. — S. 25$. < 



j: 



K^tegorifcher Imperativ^ 



1 » « « 1 



£ Imperativ, kakegorifcher« 



« 1 l 



* 

Katharktiköni 



Pur ga/nz , . Reinigungsmittel f ttaitegrixoi; , 
purgativum, purgatoriiun, piirgatif* Ein Mit- 
tel, das .wegzufchaffen, was einem Vermögen in 
. leinen Wirkungen , nacn den Wiikungsgefetzen 
deflelben;' hinderlich iit. Die angewandte Logik, 
fagt Kant, iit ein Katharktikon (eigentlich Ka- 
thartikon) des gemeinen Verfiandes, das heifst, 
Ee iR ein Mittel , das wegzufchaffen, was d$m Ver- 
band i.A. der Anwendung feiner flegeln, hinderlich 
feyn kann , z. B. die HindernifTe $er Aüfmerkfam- 
keit, die Urfachen des Irrthums, des Zweifels, 
\ies Scrupels u. f. w, (C. 73. f. L. ia.}. 

• < 

Keines 
f. Di'njg, 4* 

.' Kepler. 

Johann KepleT; feiger der gröfoten Agronomen 
feiner Zeit* wurde fcirWiel im Würtembergifchen 
den -27;- December, 457* > zwei Monat zu früh, 
gebohren. Er ftudirte in dem Klofter Maulbronn 
und zu Tübingen, wurde dafelbß 1^91 Magifter, 



Kep!er. 607 



» V 



und fing darin das Studium der Theologie und 
Mathematik an. Er nahm in der letztern Wirte n- 
fchaft bald fo zu, dafs er zum Profeflbr der Ma^ 
thematik und Moral nach Grätz in Steiermark be- 
rufen wurde* , ' '. , . 

« 
Im Jahr 1598 sog er wegen der den Prote* 
ftanten drohenden Gefahr nach Ungarn, und fiu^ 
dierte dafefbft mit vielem Fleifs die Aitronomi© 
und andere Theile der Mathematik , wurde abeir' 
bald darauf wieder in feinem Stelle zu Grätz einge* 
Jetzt, Im lahr 1600 zog ihn Tycho Brahe nach 
Prag, wo fie beide gemeinfchaftlich in der Aßrono* 
niie arbeiten wollten. * Allein Tycho Brahe ftarb 
fchon .im Jahr 1601. Vor feinem Tode präfentirtd 
T. Brahe Kepler dem Kaifei? Rudolph II», der ihm 
eine Befoldung ausmachte, und ihn zum; kaiferli* 
chen Mathematicus ernannte; die Befoldung wurde 
ihm aber zum erßenmal erft 1600 ausgezahlt; und 
er erhielt he auch nachher öfters fehr unrfchtig. 

Naih K. Rudolphs Tode erzeigte ihln der Kaifer 
Matthias viel Gnade, und befahl auch; dafs ihm 
feine rückständige Befoldung follte ausgezahlt wer- 
den; aber -ex bekam darum doch diefeüefoldung 
flicht richtiger als vorher. Im Jahr i6iß wählte er 
lintz zu- fernem Wohnort ^ hatte aber dafelbJt jieue 
Vci driefslichkeiten , denn die Geiftlichkeit von der 
au^ pur gifchen Corifeflion fchlofs ihn von, der Kir» 
ch^ijjremeinfohaft aus, weiPer die Fonnula Concor* 
<'«/£ nicht unter fchreiben wollte. Im Jahr 1626 
20g er wieder nach ^rag und ßarb den iß. »Nov. 1^30 
zu Regenspurgj wohin er gereifet, vfiav} 4im di* 
Bezahlung feiner rückfiändigen Befoldung . ausztfr» 
wirken. 

Er hat zuerft den unrichtigen Namen, d*r Tr äg* • 
heitskraft (vis inertine) gebraucht (f, Gegen- 
wirkung, 6. f.) und hing noch fehr an der Stern* 
Meuterei» altein er hat auch fehr viel neue Wahrheit 



• s 



S 



~L 



$08 Ketzer, 

ten gelehrt, fchon die richtigere Vorftelllmg v vdTi der 
*n ziehenden Kraft der Körper vorgetragen, und die 
von ihm entdeckte richtige Theorie des Planeten- 
lauft tat ihn unlterblich gemacht (N..i*g.). 



t\ 



Ketzer, 



•Jgmaast fiaerettczis , herilique. Biefen. Namen 
erhält, von dprt Rechtgläubigen einer' Kirche , der, 
welcher fich a^wer z\x diefer Kirche be- 
kennt, aber doch im Wesentlichen des 
Glaubens (in articulis grewis moirienti et fyj\da- 
mentedihus) derfelben, (was man nehmiieh 
dazu maclit) von ihr abweicht, . vor- 
nehmlich w.enn er feinen Irrglauben 
a u s b r e i t e trv Man unter fcheidet - ihn von ei- 
nem Ungläubigen ( infiddis ) , : der den Kir- 
jchenglauben gar nicht anerkennt, und einem Irr- 
gläubigen (errans)** der im Nichtöffentlichen 
von dem Kirchenglauben abweicht. So wilrd aus 
£eri er&enj lob Jahren der chriitlichen Kirche Ce- 
rinthUs insgemein für einen Ketzer ausgegeben, 
weil er Chr iß um für einen blofsen M mühen ge- 
halten, der fich nur durch Weisheit und Heiligkeit 
ausgezeichnet habe; aus dem a weiten Jahrhundert 
nannte man den Karpp^rates und Valentinus 
Ketzer, weil Ijie lehrten, Jefus fei von Jofeph ge» 
ueuget worden, und. nur darin von andern Men- 
fchen unterschieden gewefen , . dafs er eine fefte und 
freine Seele gehabt habe« Aus eben dem Jahrhun- 
dert nennt Kleweas v.orn Alex an Arien (Stro* 
tnat. -Hb. Jflh pag* 7«a.), den Prpdikus einen 
üatzer> v ^w^il er gelehrt habe, man fojle nicht be- 
ten. Die Saturnilianer nannte man Ketzer, 
weil fie das Faften verachteten, und den.Cftrdon, 
weiler an der Aechthfeit einiger äpöitoJifchen Briefe 
zweifelte, und die Offenbarung Johanuis ftj* un* 
acht verwarf (IL 155*). 






V * v 

Ketzer. Keufctheit. / 609 

Ein folcher Ketzer, wird , fo wie ein Aufruhrer 
1:11 Staat, hi einer folchen Kirche noch für firaf ba- 
rer gehalten, als ein äufserer Feind. Er- wird von 
der Kirche durch einen Bannfluch, dergleichen die 
Römer über den ausfpractien, der wider des Senats 
Einwilligung über deh Rubicon ging, ausgefiofsen, 
und allen Höllengöttern, übergeben (R. 156.). 

Das Wort Ketzer kömmt her vom Monsroli- 
fchen, Chadzareiu Die Mongolen nennen nehm- 
lieh Tibet (nach Gregorii Alphab. Tibet, pag. n.) 
Tan gut -vChadzar, d.i. das Land der Häuferbe- 
wohner , um diefe von fich , als in' Wüften unter 
Zelten lebenden Nomaden, zu unterfcheiden. Hier- 
aus ift der Name der Chadzaren, und, fo der 
der Ketzer entfianden. Als nehmlich die Mon- 
Solen den tibetanifchen Glaube», oder die Lehre 
der Lamas , der mit dem Manichäismus , der Leh- 
re des Manes , dafs es 'einen guten und einen 
Lüfen Gott gebe, übereinnimmt, vielleicht auch 
wohl aus dem Manichäismus entfprungen feyn mag, 
bei ihr^n Einbrächen in Europa verbreiteten, und 
diefe Lehre die der Chadzaren nannten: fo 
pflegte man von diefer Zeit an alle von den Leh- 
ren der Kirche abweichende Vorfiel lungen. Leh- 
ren der Ketzer zu nennöji. .' Die Namen Haere* 
tlcus , Ketzer, und Mcmichaeus wurden daher 
noch eine geraume Zeit hindurch als Synonymen 
gebraucht (R. 16 6; *)• 

Keufchheit, 

cafiitas, chaftetc. Die Tugend in Anfe- 
hung der linnlichen Antriebe der Ge- 
fchlechtslufi. Es fragt fich, ob* es eine fol- 
che Tugend gebe, d. h. ob der Gebrauch des Ge- 
fchlechtsvermögens, in Anfehung der Pcrfon felbit, 
die es ausübt, unt«r einem ein fch ranken den Pflicht- 
gefetze Itehc; oder ob es erlaubt fei, den Gebrauch 
MtUitu hpil.Prörfrb.3. Bd. Q <j . 



V 



6io Keufchh'eit. Kind» 

i 

der Gefehl echts eigen fchaften der blofs thierifchen 
Luft zu widmen, wenn map "auc^ den Zweck 
der Natur, die Fortpflanzung feiner Art; nicht 
dabei beabsichtige, ohne damit einer Pflicht ge- 
gen lieh feitet zuwider zu handeln, » Dafs es* ei- 
ne folche Tugertd gebe , f folgt daraus , dafs der 
Älenfch durch einen zweckwidrigen, oder auch biofi 
unzweckmäfsigen ' Gebrauch feiner Gefchlechtsei- 
genfch'aften feinre Persönlichkeit anfgiebt, indem 
er jich hlofs zum Mittel der Befriedigung thieri- 
f eher Triebe gebraucht. Auch macht er lieh da- 
durch/ dafs er lieh hierin gänzlich der thierifctien 
I^eiguhg überläfst, zur geniefs baren, aber hier- 
in doch zugleich zur. naturwidrigen d.i. ekelhaf- 
ten Satfhe, und beraubt fich fo aller Achtung fü* 
lieh felblt. Es läfst lieh auch die Maxime, den 
Gefchlechts trieb zweck wiÄrig odei; unzweckmäfsig 
iu befriedigen, gar nicht einmal als allgemeines 
Gefetz denken; denn dadurch würde die Fortdauer 

- der Menfchengattung, und alfo die Moralität, in 
den Subjecten derfelben, felblt unmöglich werden. 
Hieraus folgt, dafs. die Keufchheit eine fchuldige 

. Tugendpflicht des Menfchen fei (T, 76. ff.). 

Kind, 

infems, >e~nfant* Ein Kind, in bürgerli- 
cher Bedeutung, ift derjenige, der fei- 

/ ner Jahre wegen (im bürgerlichen Zu- 
ftande) fich nicht einmal felbft, vielwe- 
niger feine Art erhalten kann 9 ob. et 

^gleich äeji Trieb und das Vermögen, mit- 
hin den Ruf d^r Nattfr für fich hat, fie 
jl u erzeugen: Diefes Kind , in bürgerlicher 
Bedeutung , iß als Naturmenfch c?in Mann, 
denn aufser dem,, bürgerlichen Zuitande hat er. das 
Vermögen, fich- felblt zu erhalten, feine Art zut er- 
zeugen, % und auch diefe, lammt feinem .Weibe, 
zu erhalten (S.JIL äöj,). 



s 



% 

Kinderfirage. IJitche; * 611 



Kinderfrage. 

* 

Eine Frage,- aus der der Frager, wenn 
fie ihm auch beantwortet werden könn- 
te,. doch nichts Kluges zu machen ver- 
liehen würde (R. 89*). 

Eine folche Frage iß z. B. die: ob die JHoU 
lenftrafen endliche, oder ewige Strafen fejm wer* 
den. Würde das erfte gelehrt, fo möchten man- 
che denken 9 ' fo hoffe ich , ich werde es aushal- 
ten können. Würde aber das andere behauptet, 
und zum Glauben sfymbol gezählt, fo dürfte gegen 
die Ablicht , die man damit hat , nehmlich von der 
Immoralität abzufchr ecken , leicht die Hoffnung 
daraus entliehen, man werde, felbft nach dem 
ruchlofeiten Leben, völlig ftraflos bleiben. Penn 
der um Rath und Trofi befragte Geiftiiche mufs 
dann in den Augenblicken der (päteit Reue - am* 
Ende des Lebens nothwendig Hoffnung 'zur völli- 
en Losfprechung machen, weil er zwifchen die- 
er und der ewigen Verwerfung Kein Mittleres fia- 
tuirt, und er doch aus Menfchlithkeit die letztere 
nicht ankündigen kann. Das ift die- unvermeid- 
liche Folge, wenn die Ewigkeit des dem hier 
geführten Lebenswandel gemäßen künftigen Schick- 
fals als Dogma vorgetragen, und nicht vielmehr 
der Menfch angewiefen wird, aus feinem bisheri- • 
gen fitilicb^n Zufiande fich einen Begriff voAa künf- 
tigen zu machen, und darauf, als auf die natürlich 
vorherzugehenden Folgen deflelben, felbft zu 
fchliefsen (R. 89. * f.). 

« 

Kirche,^ 

tcclefia, eglife* Das ethifche gemeine 
Weferi, wenn es unter der göttlichen 
nioralifchen Gefetzgebung gedacht iwir'd 
(fi. 14a.). Sie ift, wenn fie fichtbar iß, oder 






I 

• I 



6x2, i „; Kijrche, 

aus wirklich vereinigten Menfchen befieht, die 
Repräfentantin eines Staats (Reichs) 
Gbttes, d. h. fie fiellt eine Vereinigung aller 
vernünftigen Wefen zu einem nach Tugendgefe- 
tz^n unter der ^berherrfchaft Gottes regierten ge- 
meinen Wefen vor* (R. 144.}- Eine fichtbare 
* Kirche, die ihren, Kirchenglauben für allgemein 
verbindlich ausgiebt, heifi>t eine katholifche, 
diejenige, welche fich gegen folche Anlprüche An- 
derer verwahrt^ eine protefiahtifche Kirche 
(R. 156.). 

ö. In fo fern eine jede Gefellfchaft unter öf- 
fentlichen Gefetzen eine Unterordnung^ ihrer Glie- 
der (im -Verhältnifs derer, die den Gefetzen der 
Gefejlfchaft gehorchen , zu denen , welche auf die 

• Beobachtung derfelben halten) bei lieh führt, ilt 
die durch Religion zur Kirche vereinigte Menge 
die Gemeine. Diele Iteht unter ihren Obern 

, (Lehrer oder auch Seelenhirten genannt), die 
nur die Gefcliäfte des ^mfichtbaren Oberhaupts der 
Kirche (Gottes) verwalten, und in diefer Bezie- 
hung insgefammt Die n e r der Kirche heifsen. Die 
wahre lichtbare Kirche ifi diejenige, welche das 
moralifche Reich Gottes auf Erden fo gut darltellt, 
als es durch Menfchen gefchehen kann. Die Er- 
fordernde , mithin auch die Kennzeichen der wah- 
ren Kirche, find folgende: 

a. Der Quantität nach: die Allgemein- 
heit der Kirche, d. i. dafs es aufser ihr nicht 
noch' eine andere geben kann, und dafs lieh keine 
vernünftigen Wefen denken lafleri, die fie aus- 
fchlöfle ; folglich mimerifche Einheit derfelben 
(dafs fie der Zahl nach nur eine einzige iß und 
feyn kann), wozu lie die Anlage in lieh enthalten 
inufs. Hiervon iß aber wieder das Merkmal ihre 
Nothwendi gkeit, d. i. dafs fich moralifche yVt- 
fen aufser* diefer Verbindung gar nicht denken 
laßen. §ie < k^nn % war in zufälligen Meinungen 



«. / 



Kirche. 613 

getheilt und uneins feyn, mtifs aber doch in An- 
fehung der wesentlichen Abficht auf folchen Grund* 
fätzen errichtet feyn, welche diefe in Meinungen 
Getheikeft nothwendig zur allgemeinen Vereinigung 
in eine einzige Kirche führen 'muffen. - In der 
wahren Kirche Kann es alfo keine Sectenfpaltung 
eeben. ^ * ' 

t 

b. Der Qualität nach: die Lauterkeit 
der Kirche, ^nehmllch die Vereinigung unter blofs 
moralifchen Triebfedern (gereinigt vom Blöd« . 
finn jdes Aberglaubens und dem Wahnfinn der 
Schwärmerei). Sie kann nehmlich zwar Ceremo- 
nien haben, aber diefe Ceremonien muffen auf 
Moralität abz wecken, und nicht etwa für Gna- 
denmittel gehalten werden.- In der -wahren Kirche 
darf es alfo keinen abergläubifchen und fchwänne- 
rifcheri Gottesdienit (Cultus) geben. 

c. Der Relation nach: die Freiheit der 
Kirche, fowohl innerlich, die Unabhängigkeit det 
Glieder von einander, als aufh äufserlich, die ' 
Unabhängigkeit der Kirchs von der politifchen 
Macht, beides als in einem, von aller despoti- 
fchen Herrfchaft weit entfernten, Freißaat (dafs 
alfo weder Priefter her rfchaft, noch Herrfchaft feyn 
wollender Infpirjrten in ihr fei)* Sie kann nehm- 
lieh zwar Lehrer haben, die fie durch die Kraft 
der Wahrheit ttnd'Ueberzeugung, durch die Kraft 
der Moralität in Lehre und Beifpiel regieren *) f 
und vom Staat auf ihre Grenzen zurück gewiefen* 
werden, wenn fie Unruhe und Unficherheit im 
Staat anrichten, und die Kirche alfo aufhören 



*) Alle Re,chte der Kirche fincl : vermahnen , belehren , ftärken 
und treuen; und die Pflichten der Bürger gegen die Kirche find 
ein geneigtes Ohr und ein williges Herz, Mendels- 
sohns Jerufalem 1. Abth* S. 62. r - 



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614 '- Kirche- . 



follte, die wahre Kirche iu/eyn; * aber weder cli^ 
Lehrer noch 4er Staat darf die Gewiflert\d$r Glie- 
der despotifch beherrfchen, wenigßens kann diefc 
Herrfchaft nicht zu den _ Grund fatzen einer wahren 
Kirche gehören *). ' In der wahren Kirche darf 
al Co weder Hierarchie (Priefier her rfchaft), jioch 
Illum'inatismus (Infpirirtenherrfchaf t) f m eine 
Art von Demokratie (Volksherr fchaft) , durch* be* 
fondere Eingebungen , * feyn ,.. die nach' jede» fei- 
nem Kopfe von anderer ihren verfchieden feyn 
können. 

d. Der Modalität nach: die Unverander« 
liphkeit der Ccmftitution der Kirche, doch 
mit dem Vorbehalt, dafa die zufälligen Anord- 
nungen f welche blofsf die Adminifiration (Ver- 
waltung) betreffen , .nach Zeit und " ümftänden 
können abgeändert werden; wozu lie doch aber 
die fichern Grundfätze fchon in fich felbft (in der 
Idee ihres Zweck», nehmlich, Moralität) a -priori 
enthalten mufs. Die wahre, Kirche kann nur auf 
eine einzige Art befiimmbar, fo und nicht anders 
feyn (H. 167). Sie kann alfo zwar Symbole ha* 
ben, aber diefe find willkührlich , und, weil *"" 
nen die Authentizität (die Sicherheit , dafs fie den 
Willen des Gefetzgebers enthalten) mangelt, zu- 
fällig, dfem Widerfprüch ausgefetzt und veränder- 
lich. In der wahren Kirche muffen öffentliche zur 
Vorschrift gemachte Gefetze feyn, auf welche fich 
die ganze Conßitution urfprünglich gründet, und 
die zufammen fich gl e ich f am in einem Gefetzbucjie 
finden, Welches Authenticität' hat (R. 142. ff. 22&> 



**) Mfan fiehet bald die Kirche das Merkmal weit in das Gebiet 
des Staat» hin übertragen, bald den Staat fiJi Eingriffe erlauben, 
die, den angenornjnenen.Begriffeii zufolge, eben fo ge^yaltfam febd* 
nen. ftXendelsfohns Jernfaleni , 1. Abfchn. S. 4. 



ftirche. 615 

5. Ueber diefe Vorftellung von der Constitution 
der Kirche wird Folgendes mehr Licht geben, und. 
betrifft alfo das Kennzeichen einer wahren Kirche 
ihrer Modalität nach. * Der reine Religions- 
glaube, d. i. der Glaube, welcher auf innern 
Geietzen beruht, die Ach aus jedes Menfchen ei- 
gener Vernunft entwickeln laden, ift dei jenige, 
welcher allein eine ; all gemeine Kirche gründen, 
kann. Dehn er ift ein bloCser Vernunftglaube, d. 
i. ein Für wahrhalten deflen, was in moralifcher 
Ablicht n oth wendig für wahr gehaltet werden 
mufs., und läfst lieh alfo Jedermann mittheilen, 
♦ oder diefs Für wahr halten läfst fich in Jedermann 
hervorbringen. Der hiftorifche Glaube hinge- 
gen, d. i. der Glaube, welcher fich blofs auf 
Thatfachen (facta) fiützt, kann keine allgemein 
ne Kirche gründen» weil er feinen Einflufs nicht 
weiter ausbreiten kann,- als' fo weit die Nachrich- 
ten hinlangen können. Denn wenn ich Facta glau- 
ben foll, fo mufs ich in folchen Zeiten und an 
folchen Orten leben , die mich nicht hindern, fon- 
derri mir es vielmehr möglich machen f diefe Facta 
nicht nur zu erfahren , fondern auch ihre Glaub* 
Würdigkeit zu beurtheilen, wozu ich überdem 
noch das Vermögen und gewifle KenntnifTe haben 
mufs. Und dennoch iß eine befondere Schwäch* 
der menfchlichcn Natur daran fchuld, dafs fich 
auf den reinen Religionsglauben keine Kirche grün- 
den läfst (R. 145). 

■ 
4. Die Menfchen bedürfen nehmlich einei; 
gottesdien itlichen Religion, d. i. einer fol- 
chen, in welcher die Pflicht als Betreibung einer 
Angelegenheit Gottes, nicht des Menfchen, be- 
handelt Wird; weil es ihnen fchwer wird, fich 
Gott nicht als ein bedürftiges Wefen zu denken, 
dem fie zu dienen verpflichtet find, und fich vor* 
aufteilen, dafs fie fchon dadurch beitändig im Dien* 
fie Gotjtes find,, wenn fie ihre Menfchenpflichten 
erfüllen. Wie Gott als unfer Gefetzgeber verehrt 



\ 



£i6 Kirche. ^ 

feyn will, 1 das hat er uns entweder durch* Mofs 
Ita t u tarifch e Gefetze,' d. i. folche} die uiis 
nicht von felbft, fondern blofs darum, weil er 
fie^uns gab, * verpflichten, oder durch rein mo- 
r a 1 i f c b e Gefefze , d. i. folche , die uns von 
felbft verpflichten, und die wir ebdn darum, 
.weil fic uns »verpflichten, auch für »feine Ge- 
fetze erkennen, geboten« Iih erftem Fall ift 
.die Kenntnifs* feiner (ftatutarifchen) Gefetze nur 
dadurch möglich, . dafs fie uns offenbaret werdep, 
das Für wahr halten derfelben gründet fleh dann auf 
«diefc Offenbarung, als auf 'ein Factum, und ift 
ein hiftoriföher, nicht ein reiner Vernunft- 

Nglqutie. • Eine Offenbarung kann aber, als eine 
Thatfache, nicht zu Jedermanns Kenntnifs und 
Ueberzeugung gelangen, und alfo auch nicht füf 

. Jedermann verbindend feyn. ,Wie Gott alib, als 
unfer Gefetzgeber, von uns, hlofs als Menfchen 
(nicht als zu einer, die al]geVneine ? Beförderung 
des Sittlichguten zur Ablicht habenden, Gefell- 

4 fchaft Verbundenen) verehrt feyn will, das mufs 
er uns durch die rein moralifchen! Gefetze geboten 
haben. Wir find aber in Anfehung Gottes nicht 
blofs Menfchen, die in Rückficht des Sittlich guten 
noch im Natur fian de leben, fondern auch Bürger 

i eines göttlichen Staats (Reichs Gottes) auf 
Erden, oder Mitglieder einer Verbindung, 
vyelchetauf die Beförderung des Sittlichguten un- 
ter den Menfchen abzweckt , unter dorn Namen 
einer Kirche. Und hier fcheint die Frage: wie 
will Gott in einer Birche (von einer Gemeinde, 

* die Gott als ihr unfichtbares Oberhaupt ^betrachtet, 
das fc, nach Ttigendgefetzen rbgiert und richtet) 
verehrt feyn? nicht durch blofsö Vernunft, ; fon- 
♦ dern durch eine ftatutarifche, 1 uns nur durch eine 
Oiicnbarung lumd werdende, Gofetzgebung beant- 
wortlich zu feyn. Mithin fcheint eipe Kirche ei- 
nes hiitorifchen Glaubens, welchen man, im Ge- 
genfatze mit dem? reinen Religionsglauben, den 
Kirchenglauben nennen kann , zu bedürfen, 






Kirche. 61^ 

f. Rirehehglauben. Denn bei dem reinen Re- 
ligionsglauben 'kommt es blofs auf das, was die 
Materie der Verehrung Gottes ausmacht, nehmlich 
die in moralifcher Gefinnung geschehende Beobach- 
tung aller Pflichten , als feiner Gebote', an. Eine 
Kirche aber, als Vereinigung vieler Men- 
Ichen unter moralifcheri Gefinnun gen zu 
einem moralifchen gemeinen Wefen, be- 
darf einer öffentlichen Verpflichtung. % Das 
heilst, eine Kirche bedarf einer gewiffen Form, 
welche auf Bedingungen beruhet, die aus der Er- 
fahrung entfpringen, und die folglich an, fich zu- 
fällig und mannigfaltig (nicht blofs eine ein- 
zige) ift, mithin nicht ohne göttliche Jlatutarifche 
Gefetze erkannt werden^ kann. Aber diefe Form 
zu beftimmen,' darf darum nicht fofort als ein Ge- 
fchäft des göttlichen Gefetzgebers angefehen wer- 
den.. Man kann vielmehr mit Grunde annehmen, 
der göttliche Wille fei, dafs wir die Vernunftidee 
eines folchen gemeinen Wefens felbft * ausführen, 
und felbft die Form einer iblchen Kirche beftimmen* 
Nun möchten zwar' die Menfchen manche Form % 
einer Kirche mit unglücklichem Erfolg verfuchen, : 
aber darum Collen fie dennoch nicht aufhören, mit 
Vermeidung ihrer gemachten fehler diefem Zwecke 
aufs. neue nachzuftreben. Diefes Gefohäft ift ihre 
Pflicht, aber es ift gänzlich ihnen felbit aber] affin. 
Man hat alfp nicht Urfache, die Gefetze zur Grün- 
dung und Forni irgend einer Kirche geradezu für 
göttliche ftatutarifche zu halten. Es ilt viel- 
mehr Vermeflenheit, jene Gefetze für göttliche aus- 
zugeben, und fich der Bemühung zu überheben, 
noch ferner an der Form der Kirche zu beflern. 
Oder es ift wohl gar ein ufurpiites Anfehen, 
das man. fich giebt, wenn man jene Gefetze für 
göttliche aiisgiebt, um durch 'das Vorgeben göttli- 
cher Autorität der Menge mit den Kirchenfatzun- 
gen^in Joch aufzulegen. Dagegen würde es Eigen- 
dünkel feyn, die Göttlichkeit der Anordnung ei- 



6i8 



Kirche. 



V 



«er Kirche fchlechtweg zu läugnetj. Woher will^ 
man wiffen, dafs die Art, wie eine Kirche ange- 
ordnet ifij nicht vielleicht auch eine befondere 
göttliche Anordnung feyn könne? Sie mufs aber 
alsdann freilich auch, fo viel wir einfehen, mit 
der moralischen Religion in der gröfsten Einstim- 
mung feyn. Der Eigendünkel, hierüber verwerfend 
ahzufprechen, würde cieftb gröfser feyn, wenn 
nicht wohl eingesehen werden kann, wi<r eine folche- 
,Kirche ohne die gehörig vorbereitenden Fortfehritte 
des Publikums in Religionsbegriffen auf einmal ha- 
ben erfcheinen können. Es ift alfo zweifelhaft, 
ob Got't oder die Menfchen felbft eine Kirche grün- 
den follen. Bei diefer Zweifelhaftigkeit nun be- 
-weift lieh der Hang der Menfchen zu einer got-> 
t e s d i e n ß 1 i.c h eli Religion , welche auf willkür- 
lichen Vörfchrifteri beruht. Aus diefer Beschaffen- 
heit einer gottesdienßlichen Religion aber entfpringt 
der. Hang der Menfcheit zum Glauben an ftatuta- 
rifche göttliche Gefetze, un,ter der Vorausfetzung, 
dafs* über dem . heften Lebenswandel (den der 
Menfch nach .Vorfchrift der rein moralifchen RelK 
gion immer einfchlag&n mag) doch noch eine der 
Offenbarung hedürftige Gefetzgebung hinzukom- 
. men müITe. Mit diefer Gefetzgebung ift. es nehm- 
Jich auf die unmittelbare Verehrung des höchffen 
Wefefts angefehen, nicht auf die Verehrung Got> 
tes ver mitte Iß der Vernunft, und fchon vorge- 
schriebenen Befolgung feiner Gebote. Hierdurch 
gefchieht es nun, dafs Menfchen die Vereinigung 
zu einer -Kirche und die Einigung in Anfehung der 
ihr zu gebenden Form, imgleichen öffentliche 
Veranßaltungen zur Beförderung des Moralifchen 
in d£r Religion , niemals für a rv fi c h noth wendig 
halten werden. Sie werden fie nur als Mittel be- 
trachten , um durch Feierlichkeiten , Glaubensbe- 
kenntniffe gqoffenbarter Gefetze und Beobachtung 
der zur Form der Kirchfe (die doch felbß blofs 
Mittel zur Beförderuug der Moralität iß) gehörigen 



.Kirche; 6ig 

Vorfchriften ihrem Gott zu dienen *) (wie <fi* 
fagep). - Indeffen und alle diefe Obfervanzen im 
Grunde mpralifchgleichgültige Handlungen, wer-, 
den aber eben darum für defto gottgefälliger ge- 
halten , weil fie blofs um feinet willen g eicheheu 
follen. Der Kirchenglaube geht alfo iil der Bear-. 
beitung der' Menfchen zu einen) ethifcheji gemei- 
nen Wefen (einer Kirche) natürlicherweife vor 
dem freinen Religiousglaubeh vorher, und Tem- 
pel (dem öffentlichen Gottesdienst geweihetö Ge- 
bäude) waren eher , als Kirchen (Ver f am nv» 
lungsörter zur Belehrung und Belebungen 
moralifchen Gefinnungen). Eben fo warerr P r i e- 
fier (ge weihe te Verwalter^, frommer Gebräuche) 
eher,\ als Geifiliche (Lehrer der reinmoralifchen 
Religion), und gehen cliefen mehren th eil s auch 
noch im Range und Werthe bei der grofsen Menge 

vor (R. 145. ff.). . 

• 

5. Es kann alfo mancherlei fich von einander 
abfondernde Kirchen geben, weil die Form der- 
felben zufällig iff, aber es kann in ihnen all e.h. 1 
dennocli eine und diefelbe wahre Religion anzu- 
treffen feyn (R. 154). Wenn aber eine l^irche fich 
lelbft, wie gewöhnlich gefchieht, für die einige 
allgemeine ausgiebt (ob fie gleich auf einen befon- 



*) Gott bedarf finfcrcs Beiftandes nicht, 'verlanget keinen D,icnffc 
von uns, keine Aufopferung unferer Rechte zu feinem Bellen, Kei- 
ne Verzicht ,auf nnfeve Unabhängigkeit zu feinem Vortheil, Dia 
Wörter, Dieji'ft, Ehre u. a. haben *in Beziehung auf Gott ein© x 
ganz andere Bedeutung , als in Beziehung auf Menfchen. G.Ottes- 
üienft iil nicht Dicnit, den ich Gott erzeige, Ehre Gottes nicht 
Ehre, die ich- Gott anthue. Man hat, nrn die Worte zu retten, ' 
ihre Bedeutung geändert. Der gemeine Mann aber klebt noch im- * 
mer an d«r ihm gewöhnlichen Bedeutung , und hänget noch immer 
feft an feinem Sprachgebrauch, woraus «in Keligiöus fachen viel Ver- 
wirrungen entftanden find. Mendel rfohns Jeru falero , x. Ablclin. 
S.6o.f. ■ * 



1 



» 



1 



ßio KircRe. 

« 

' dem Öffenbarungsglauben gegründet ift/ der, als hi- 
fiorifch, nimmermehr voj* Jedermann gefordert 
•werden kann), fo , wird der, /welcher ihren be- 
fördern Kirchenglauben gar flicht anerkennt, von 
ihr ein Ungläubiger genannt (R. 155), f. 
Ketzer. 

6. Das wichtigße Merkmal der Wahrheit einer 
wahren Kirche ilt alfo ihrTechtmäfsiger Anfpruch 
auf Allgemeinheit. Gründet fie 'lieh nur auf 
einen Öffenbarungsglauben, fo entbehrt , fie diefes 
Merkmal. Denn ein Offenbarungsglaube ift ein 
hiftorifcher . Glaube , der- zwar durch Schrift -lieh 
weit ausbreiten, de* fpateften Nachkommenschaft 
zugefichert werden , und auch zum Kirchenglau- 
ben (deren es mehrere geben kann) zulangen kann, 
aber doch nicht einer allgemeinen überzeugenden 
Mitteilung fällig iß; Nut* der reine Religionsglau- 
be, der lieh gänzlich auf Vernunft gründet, kann 
als pioth wendig, mithin für den einzigen er- 
kanjit werden, der die wahre Kirche auszeich- 
net. Aber dennoch mufs irgend ein hiftorifcher 
Jtirchenglaube benutzt Verden , wegen des natür- 
lichen Bedürfnifles aller Menfchen , zu den höch- 
fien VernunftbegrifFen und Gründen immer etwas 
Sinnlichbaltbar es zu verlangen. Die Men- 
fchen verlangen immer irgend eine Erfahrungsbe- 
itätigurtg, worauf man bei der Abficht, einen Glau- 
ben allgemein zu intrefduciren, wirklich auch 
Rückficht nehmen mufs, und die man gemeinig- 
lich auch vorfindet (R. 157). Wehn alfo gleich 
(der uiiverqieidlichen Einfchränkung der menfchli- 
chen Vernunft geniäfs) ein hiftorifcher Glaube als 
Leitmittel' die reine Religion afBckt, doch mit 
• dem Bewufstfeyn,* dafs er blofs ein föleher fei, 
N fo kann ,e!ine folche Kirche, die fich auf beiderlei 
Glauben gründet, immer die wahre heifsen. Der 
. Kirchenglaube tnufs aber dann, als folcher, auch 
ein Princip bei fich führen, dem reinen Religiofis- 
glauben -(ich continuirlich zu nähern. Da, nun über 



Kirche. 62 x 

hiitorifche Glaubenslehren der Streit nie- vermieden 
werden kann , fo kann eine folche Kirche nur di& 
fi reitende genannt weiden. Sie mufs aber die 
Auslieht haben 9 endlich in die unveränderte 
che und alles vereinigende, triurnphi- 
rende, überzugehen (R. 167., f.). In der Qffenba- 
jung Johannis - wird diefe Idee, nehmlich die Kir- 
che als tri um phirend, d. i. nach allen über« 
wundenen Hinderniflen als mit Glückfeligkeit 
noch hier auf Erden bekrönt, und fe das künftige 
und letzte Schickfal derfelben , (welches aber eben 
darum in keiner endlichen Zeit erreichbar ilt,) vor- 
gestellt. Die Scheidung det Guten von den Böferi, 
die während der Fortichritte der Kirche zu ihrer. 
Vollkommenheit diefem Zwecke nicht zuträglich 
gewefen feyn würde (indem die Vermifchung bei- 
der unter einander gerade dazu nöthig war, theils 
um den erftern zum Wetzftein der Tugend zu, die-» 
nen, theils um die andern durch da? Beifpiel der 
erllern vomJBöfen abzuziehen), wird, nach vollen- 
deter Errichtung des göttlichen Staats, als die 
letzte Folge, derfelben vorgeftellt. Diefer wird 
noch der letzte Beweis feiner Fettigkeit, als Macht 
betrachtet, hinzugefügt. Er hat den vollkomme- 
nen Sieg über alle äufsere Feinde erhalten, die 
auch als in einem Staate (dem Höllenit3' te) be- 
trachtet werden. Hiermit bat dann alles Erden e- 
ben ein Ende, indeai der letzte Feind der Milien 
Menfchen, der Tod, aufgehoben wird (1 Cor. 1,5, 
26)» So hebt dann an beiden Theilen, dem einen 
zum Heil, dem andern zum Verderben, die Lfn- 
flerblichkeit an. Die Form, der Kirche wud nun 
aufgelöfet. Der Statthalter auf Erden aber tritt 
nun niit denen zu ihm, als Himmelsbürger, erho- 
benen Menfchen in eine CJafle. Und fo wird dann 
Gott alles in' allem feyn (1 Cor. 15, aß.) 
(ß. 200/ ff.). " Diefer letzte Ausgang kann (wenn 
man das' Geheimnifs volle, über alle Grenzen der 
Erfahrung I^ii*ausreichende , blofs zur heiligen G e- 
fchichte der Menschheit ; Gehörige f uns allo prak~ 



622 . ' ' » Jauche. 

V " 

tifch nichts Abgehende , bei Seite fetzt) fo verfian- 
den werden , dafs der Gefchichtsglaube felÜft auf» 
' hören werde. Denn als Kirchenglaubc bedarf er 
ein heiliges Buch zürn Leitbande der Menfchen, 
und verhindert dadurch die Einheit und Allgemein- 
* heit der Kirche» Er wird daher in einen reinen* 
für alle Welt gleich, einleuchtenden Religionsglau- 
ben übergehen 5 wohin wir denn jetzt •, durch ah« 
haltende Entwicklung der reinen Vernunftreli* 
gion aus jener gegenwärtig noch nicht entbehrli- 
chen Hülle, fleifsig arbeiten follen (R. 264 *). 

- . , . 7. Die kirchliche -Glaubenseinheit mit. der Glau* 
bensfreiheitoderf r eiheit in Glaubens fächern zu 
vereinigen, ift eine Aufgäbe , zu deren Aufiöfung die 
, Idee der objectiven Einheit der VernAnftreligion durch 
das moralifche Interefle, welches wit* an ihr nehmen, 
continuirlich antreibt; Es ift aber wenig Hoffnung 
vorhanden , $iefes "in einer Tichtbaren Kirche 
zu Stande zu bringen, wenn wir die menfchliche 

/ Natur hierüber befragen. Eine jede Kirche hegt 
den ftolzen Anfpruch, eine allgemein fe ziji wer- 
den * wie jeder einzelne Staat den, eine Univer- 
falmönarchie pu errichten. .So wie fich aber die 
Kirche ausgebreitet hat und herrschend wird, zeigt 
fich bald ein Princip der Aufiöfung und Trennung 

* in verfchiedene Secten (II. i#2 *) f.). 

8- Di e Gefchichte der Kirche (Kirchen gefchich« 
te) iß die Gefchichte des Kirchenglaubens , f. Kir- 
chen glaube, 12 1; Diefe Gefchichte kann aber 
nur Einheit haben , wenn fie blofs auf denjenigen 
Theil xles menschlichen Gefchlechts eingefehränkt 
wird, bei welchem jetzt die Anlage zur Einheit 
der allgemeinen Kirche fchon ihrer Entwicke- 
' lung nahe geblacht ift. Denp durch diefe ift we- 
nigftens . die Fraae , wegen des Unterfchieds des 
Vernunft-^ind Gefchichtsglaubens fchon aufgeftellt, 
und ihre Entfcheidung fcur größten moralifcheu 

^ > Angelegenheit gemacht« Die Gefchichte verfehl^ 



V. 



Kirche. 623 

Jener Volker, deren Glaube in keiner Verbin- 
düng: unter einander fteht, gewährt keine Ein« 
heit der Kirche. Eben for mufs auch eine Einheit J 
des Principe da feyn , wenn man die Folge ver- 
fchiedener Glaubensarten nach einander in ei* 
nein und dem fei ben Volk zu den Modificatio- 
nen einer und derfelbeh Kirche rechnen ' foll (R. 
134. f.). So führte die chriftliche Kirche von* ih* 
rem, Anfange an den Keim und die Principien zur 
objectiven Einheit des wahren und allgemeinen 
Religionsglaubens bei lieh, dem . fie allmählig nä- 
her gebracht wird. Der jüdifche Glaube aber 
gab Zur Gründung der chriftlichen Kirche nur die 
fhyfifche Veranlagung, und fieht daher mit dem 
chriftlichen Kirchenglauben in ganz und gar kei- 
ner wefentlichen Verbindung , d. i. in keiner Ein* 
heit nach Begriffen (R. i85-)- Das Juden thum ift 
eigentlich gar keine Religion, fondern blofs Ver- 
einigung einer Menge Menfcheri, die lieh zu • ei- 
nem gemeinen Wefen unter blofs poliüifchen 
Gefetzen (einein Staat) formten. Sie formten Jich 
mithin nicht zu einer Kirche, oder zu einem ge- 
meinen > Wefen unter blofs e t h-i f c h e n Geletzen. 
Dafs Gott als das Oberhaupt de^ Staats betrachtet 
wurde i machte, dafs. man diefen Staat mit ei- 
ner Kirche, in der Gott allein das Oberhaupt 
feyn kann* verwechfelte. Das Judenthum follte 
alfo ein blofs weltlicher Staat feyn, fo dafs, 
wenn derfelbe etwa durch widrige Zufälle zerrif- 
fen worden, ihm nQch immer der (wefAtlich zu 
ihm gehörige) politifche Glaube an einen Wie- 
defherfteller deffelben (Meiüas) übrig bli^l>e. . Der 
Beweis für die Richtigkeit diefer Behauptmig^iit: 
1. lind alle Gebote gat nicht mit der Forderung 
an die moralifche Gefinnung in Befolgung 
derfelben (Worin nachher das Ctyrifienthum ilas 
Hauptwerk fetzte) gygpben; fl. find ah.fichtlioh 
alle Folgen aus der_ Erfüllung nder Uebertre- 
ta»g diefer % Gebote nur auf i r d i f c h e einge- 
4* doch ohne Glauben an ein künfti- 




* I 

624 Kirche. 

, ges'Lebfin gar Iceine Religion gedacht werden 
kann; 5. ift es foiweit gefehlt, dafs das Juden* 
thum eine zum Züitande der allgemeinen' Kirche 
gehörig Epoche, oder diefe allgemeine Kirche wohl 
gar felbfi: zu feiner Zeit .ausgemacht habe, dafs 
es vielmehr das ganze menfchliche Gefehl echt *von 
leiner Gemeinfchaft ausfchlofs. Es foh fleh. als ein 
befonderes ,vom Jehovah für* lieh auserwähltes Volk 

. an*, welches alle anderk Völker anfeindete, und 
dafür von jedem angefeindet wurde (R. xq6. ff.). 

.9. Fragt man: welche Zeit dfer ganzen, bis- 
her bekannten Kirchengefchichte die hefte fei, fo 
antwortet K.'; es ifi die jetzige. Und zwar ver- 
fleht er y diefes fo , dafs man den Keiip. des % wah- 
ren Religiorisglaubens, fo wie er* jetzt in der Chri- 
l£enheit, wenigftens von einigen, öffentlich gelegt 
worden, nur ungehindert Geh mehr und mehr darf 
entwickeln laden. Dann kann man auch davon 
eine contihuirliche Annaheruug zu einer, alle Mpn- 
fchen auf immer vereinigenden, Kirche erwarten. 
Und diefe Kirche wird allein das feyn , was fie 
feyn foll, die fichtbare »VorfteÜung (das 
Schema) eines unfichtbären Reichs Got- 
tes auf Exden. Der Beweis, diefer Behauptung 
iß: Die Vernunft hat jfetzt in allen^ Ländern Eu- 
ropas unter wahren Religionsverehrern 1. d.cn 
Grundfatz der billigen Befcheidenheit in Aus- 
sprüchen über Offenbarung angenommen, weil man 
derfelben, wenn fie ihrem praktifchen Inhalte nach 
lauter Göttliches enthält , . nicht die M ö g 1 i c h- 
keit abftreiten, ungleichen die Verbindung der 
Menfchen , zu einer Religion nicht füglich ohne ein 
heiliges Buch und einen auf daffelbe gegründeten 
Kirchenglauben zu Stande gebracht und erhalten 
werden kann; 2* den Grundfatz, dafs die heilige 
Gefliehte jederzeit als auf das Moralische ab- 
zLweckend gelehrt und erklärt wenden nxüfle ,. weil 
fie blofs zum Behuf jdes Kirchenglaubens angelegt 
ifi, und für lieh allein auf die Annehmung mora- 



\ 
\ 



Kirche. { 62$ 

lifrher Maximen fchlechterdings keinen Einflufs 
haben "kann ijnd foll, fondern diefen nur zur le- 
bendigen Darftellung ihres waWren Gegenftandes 
(der zur Heiligkeit liinftrebemlen Tugend) gesehen 
i(t. Zugleich fchärft man forg faltig, und (weil 
vornehmlich der gemeine Menfch einen beftändi- 
gen Hang in (ich hat, zum unthatigen . Glauben 
überzufchreiten) wiederholen tlich ein: dafs die 
wahre Religion nicht im Wiflen oder Bekennen 
deffen, was Go$t zu urifrer Seligwerdung thue 
oder gethan habe, befiehe; fondern in dem, was 
wir thun muffen, um deffen würdig zu werden. 
Das letztere kann aber niemals etwas anders feyn 9 
als was für fich felbft einen unbezweifelten un- 
bedingten Werth halt, mithin uns allein Gott 
wohlgefällig machen kann. Von der Nothwendig» 
keit deffen aber, was wir hiernach zu thun haben, 
und worin es beftehe, kann jeder Menfch ohne 
Schriftgelehrfamkeit völlig gewifs werden (K. 197. fE) # 

10. Eine Kirche, als ein gemeines Wefen 
nach Religionsgefetzen zu errichten , fcheint mehr 
als mehfehliche Weisheit (fowohl der Einlicht als 
Gefinnung nach) zu erfordern. Das moralifche 
Gute, welches durch eine folche Veranstaltung be- 
abfichtigt wird, fcheint zu dxefem Behuf fchon an 
ihnen vorausgefetzt werden zu muffen. Wie 
können Menfchen ein Reich Gottes lüften, als 
wäre es das Reich eines menfehlichen Monarchen; 
Gott mufs felbft der Urheber feines Reichs feyn. 
Allein wir wiflen nicht , was Gott unmittelbar da- 
zu thue. Gottes nnmittelbare Wirkungen find 
uns ja überhaupt unbekannt, wie könnten wir 
wiflen, was er unmittelbar thut, um die 
Hee feines Reichs, in welchem Bürger und Un- 
tothanciji zu feyn, wir die moralifche Befiim» 
mung in uns finden, in der Wirklichkeit darzu- 
stellen. Aber das wiflen wir wohl, was wir 
fozii thun (ölten. , Was vfrir zu thun haben, um 
uns zu Gliedern des Reichs Gottes tauglich zu 



/ 



V 



t 

\ 



I 

626 Kirche. 

machen, iit uns nicht unbekannt. • Diefe Idee, 
fie ipag nun durch Vernunft ' oder durch Schrift 
im menschlichen Gefcljlecht erweckt itnd öffent- 
lich geworden feyn f wird \ins doch zur Anord- 
nung einer Kirche verbinden, von welcher im 
letzten fall (wenn jene Idee durch Schrift erweckt 
und öffentlich ward) Gott felbft als Stifter anzuse- 
hen ift. Ift aber Gott auch der Urheber der Con- 
stitution, fo' find doch Menfchen, als Glieder 
und freie Bürger diefes Reichs, in allen fällen 
die Urheber der O r g a n i f a t i o n* Diejenigen un- 
ter diefen Menfchen, welche f der Organifation 
gemäfs, die öffentlichen Gefchäfte .der Kirche ver- 
walten , machen , als Diener detfelben , die Admi- 
-niftra tion ,der Kirche aus. Alle übrigen Glie- 
der aber find eine ihren Gesetzen unterworfene 
Mitgenoflenfchaft, welche die Gemeine' Jheifst 
(R. sa6.). 

'iL Die reine Vernunftreligion verfiattet als 
öffentlicher Religionsglaube nur die blofse Idee 
von einer unfichtbären Kirche. Die ficht- 
bare Kirche, die auf Satzungen gegründet iit, 
ift. allein einer Organifation durch Menfchen be- 
dürftig und fähig. Der Dienfi untefr Aet Herr- 
fchaft des guten Princips (der Sittlichkeit) in der 
unfichtbaren Kirche kann alfo nicht als ein Kir- 
chehdienft angefehen werden , und . die, Vernunft- 
religion hat folglich keine' gefetzlichen Diener, als 
Beamte eines ethifchen gemeinen Wefens. • Ein 
jedes Glied der unfichtbaren Kirclie empfangt un- 
mittelbar ¥ von dem höchiten Gefetzgeber, Gott, 
feine Befehle. Wir ftehen aber gleichwohl in 
Anfehung aller unferer Pflichten (die wir insge- 
fammt zugleich als göttliche\ Gebote anzufehen ha- 
ben, worin eben das Wefen der Religio» befiehl) 
jederzeit im Dienfie Gottes. Folglich yrird die 
reine Vernunftreligion alle woiihtenkende 
Menfchen zu ihren Dienern (doch ohiiextofs fie 
Beamte find} haben, qur werden fie in fo fern 



/, 



Küche. .627 

nicht Diener einer fichtbaren Kirche heifcen 
Können. Jede auf fiatutarifchen Gefetzen errich- 
tete Kirche kann nur in fo. fern die wahre feyn, 
als üe ein Princip in lieh enthält, fich dem rei- 
nen Vernunftglauben (als demjenigen, der, wenn 
er praküfeh ilt, in jedem Glauben eigentlich die 
Religion ausmacht) beftändig zu nähern. Denn 
ihr Ziel'iit, den Kirchen glauben (nach dtem, was 
in ihm hiftorifch ifi) mit der Zeit * entbehren zu 
Können. Alfo werden wir in den fiatutarifchen 
Gefetzen, auf welchen die lichtbare Kirche errich- 
tet iß, und durch die Beamten derfelben, doch 
einen Dienft (eultus) der Kirche in fo fqrn an- 
nehmen können 9 als diefe ihre Lehren und An- 
ordnungen jederzeit auf jenen letzten Zweck (ei- 
nen öffentlichen Religionsglauben) richten. Nun 
wird es aber, weil es in allen Ständen der. Men- 
fchen folche giebt , die ihr Gefchäf t nicht ' verlie- 
hen, und denen es an einem guten Willen (unter 
der Herrfchaft des guten Princips) fehlt, auch 
Diener der Kirche geben, welche auf jenes Ziel 
gar nicht .Rücklicht nehmen. Diefe werden viel- 
mehr die Maxime der cöntinuir liehen Annäherung 
zu demfelben für verdammlich halten, die An- 
hänglichkeit aber an dem hifiorifchen und fiatuta- 
rifchen Thpil des Kirchenglaubens für allein feiig- 
machend erklären , und daher des Afterdien« 
fies der Kirche oder (deflen i was durch diefe vor- 
geftellt wird) des ethifchen gemeinen We- 
fens unter der Herrfchaft des guten Prin- 
cips mit Recht befchuldigt werden können (R. 
Ä27. ff.), f. Afterdienfi. 

\2. Jefus ifi: nun ein Lehrer, von dem die 
Gefchichte (oder wenigfiens die allgemeine, nich£ 
gründlich -zu beftreitende, Meinung) fagt, dafs er. 
•ine xeine, für alle Welt fafsliche (naturliche) 
und eindringende Religion , deren Lehren , als # 
uns aufbehalten, wir deshalb felbfi prüfen kön- 
nen, v zuerft öffentlich und fogar zum Trotz einet 

. Rr ä 



-% 



64d Kjrch^. 

lälBgen f zur jiioralifchen Ab ficht/ nicht abzwecken* 
den, hierrfchenden v Kirchenglaubens (deflen Frohn- 
dienft znjp Beifpiel jedes andern in der Hauptfa- 
che blofs ftatutarifchen Glaubens, '■ dergleichen in 
der Welt zu der Zeit allgemein war, dienen Kann), 
Vorgetragen habe. Wir finden f *dafs er die allge- 
taierne Vernunftreligion zur oberftcn unnachlafsli- 
then Bedingung eines jeden Religionsglaubens ge- 

r toaeht, und i\ur gewiffe Statuta hinzugefügt habe« 
Wir finden ferner, dafs diefe Statuta Fprnien und 
Obfervahzen lenthälten, die zu Mitteln dienen fül- 
len, eine auf jerfe Principien zu gründende Kir- 
che zu Stande zu bringen. Diefer Kirche Kann 
mah folglich, un erachtet der Zufälligkeit und des 
Willhuhrlichen der hierauf abzweckenden Anord- 
nungen Jefu, den Namen der wahren allgemeinen 
Kirche nicht ftreuig machen. Jefu felblt aber 
kann man das Anfehen nicht gründlich beltreiten, 
die Menfchen zur Vereinigung in diefe Kirche be- 
rufen su haben. Darum mufs man aber den 
Glauben nicht mit neuen beläft igen den Anordnun- 
gen vermehren, oder auch aus den von Jefu zti- 
erft getrofieiien b^fonders heilige, und für fich 
felblt als Religion sfiücke' verpflichtende Hand- 
lungen machen wollen (R. ajjß. f.). Jefus kann al* 
to zwar nicht als Stifter der Von allen Satzun- 

, gen reinen, in aller Men fehein Herz geschriebenen, 
Religion (denn die iit nicht von willkührlichem 
.Urfprung), aber doch* der erfien wahren Kirche 
Verehrt werden (fi. 239.). Irr dieser '(dhriltlidhen) 
Kirche kann mm weder der hiHorifche Glaube, 
noch .der praktische und moralifalte Vernunftglau- 
be, als für fich allein beftehend angefallen, und 
eintr von dera> andern getrennt werden. Der 
'Vernunftglaube kanti nicht von dem hiitoiifchcn 
v ^ Glauben getrennt werden, Woil, der' chriftlkha 
Glaube ein Religionsgfaube ilt; der Irifiorifche 

• Glaube nicht von dein Vernunft glauben , weil der 

' cbrifiliche Glaube ein gelehrter Glaube (d*i. den 
'tnan nicht ausblofser Vemuiift entwickelt fon- 



,* 



Kirche. 



fiag 1 



lern Vöh endern tarnen mufs) ift (R. Zbd.\ Soll 
nun nicht die grofse Zahl der Un gel ehrten gana 
blind von der kleinen Zahl der ßchriftgelehrten 
abhängen, fo mufs die allgemeine Menfchenvert 
tnmft in einer natürlichen Religion in der chrüt* 
liehen Glaubenslehre für das oberfte, gebietend« 
Frincip anerkannt und geehrt, die Offenbarung*^ 
lehre aber als blofses, aber höchft fchätzbaffest ' 
Mittel zur natürlichen Religion geliebt und dilti* 
virt werden. Denn auf die Offenbarungslehre ift 
die Kirche gegründet, und ob fie gleich der Ge* 
lehrten als Ausleger und Aufbewahrer bedarf, fo 
giebt ße dotph auch, der natürlichen Religion * felbft l 
für die Unwiflenden, Fafslichkeit, Ausbreitung 
und Fortdauer (R. 250.). Das ift der wahre Dien ft 
der Kirehe f unter der Herr fehaft des guten Prim 
cips, der ächten Moralität; aller andere ift Af* 
terdiejift, f. Afterdienft, i. 

13. Eine Kirche, welche dies umkehrt, und 
den Offenbarungsglauben zum Zweck, die natür- 
liche Religion aber zum Mittel macht , hat nicht 
eigentlich Diener (rninifiri). Dergleichen hat nur 
die vorher böfchriebene Kirche, diefe Afterkirch* 
hingegen h^t gebietende hohe Beamte (oßiciales), 
welche lieh für die einigen berufenen Ausleger ei* 
ner heiligen Schrift gehalten willen* wollen* Und 
wenn fie auch gleich (wie in einer proteftanti* 
fchen Kirche) , nicht» im Glänze der Hierarchie^ 
als mit äufserer Gewalt bekleidete geiftlich^ Beamt 
tc, erfcheinen, und fogar mit Worten dagegen 
p r o t eft i r e n , fo berauben fie doch die reine Ver» 
nunftreligion der ihr gebührenden Würde. Diefe 
befteht nehrolich darin , dafs die reine Vernunftrer 
Jigion allemal die höchfte Auslegerin der heiligen 
Schrift, feyn mufs. Dahingegen gebieten jene ho- 
hen/Beamten, die Schriftgel ehr famieit allein zum 
Behuf des Kirchen glaubens zu brauchen. Sie ver- 
wandeln auf diefe Art den Dienft (jninifieriurn) 
der Kirche in eine ßeherrfefrung (vrnptriunf) 



€30 /* Kirche, / v 

der Glieder derselben, ob fie zwar (um diefe Air- 
mafsimg zu verftecken) fich den befcheidenen Ti- 

, tel der 1 Diener beilegen (R. 251.)-, Weil nun, auf- 
fer diefem Clerus, alles übrige Laie ift (das 
Oberhaupt des gemeinen politifchen Wefens oder 
des Staats nicht ausgenommen), fo beherrscht die 
Kirche zuletzt den Staat. Sie beherrfcht ihn aber 
nicht eben durch Gewalt, fondern durch Einftufs' 
auf jäie Gemüther, $ iberdem auch durch Vorfpiege« 
lüng des Nutzens, den diefer vorgeblich aus ei- 

. jiem unbedingten Gehorfam foll ziehen Können. 
Denn dazu hat eine geißliche Difciplin dann ftelbfi 
das Denken des Volks gewöhnt. Alsdann unter- 
gräbt aber auch die Gewöhnung an Heuchelei die 
Redlichkeit und Treue der Unterthanen , und wi- 
tzig* fie zum Scheindien fi at^clf in bürgerlichen 
Pflichten ab. So bringt denn alsdann die Kirche, 
/wie alle fehlerhaft genommene Frincipien, gerade 
das Gegentheil vbn dem hervor, was üe beabsich- 
tigt (ft. a78). 

i 

Die Stifter der ehr ift liehen Kirche nah- 
men überdem die Gefchichte des Judenthums, 
als < ein damaliges Anpreifungsmittel , . unter ~ die 
-_ wefentjichen Artikel des Glaubens auf , und fetz- 
ten noch Traditionen und Auslegungen hinzu.; 
^Diefe erhielten voft Concilien gefetzliche Kraft, 
oder wurden dufch Gelehrfamkeit beurkundet, 
odefr gar mit den Eingebunden des in n^rn Lichts 
(dem Antipoden der Gelehrfamkeit, weil es lieh 
jeder Laie auch anmafsen kann) vermehrt. Es ift i 
dafier auch noch nicht abtufehen, wie viejl Ver-| 
Änderungen dadurch dem chriftliohen Kirchenglau- 
ben noch bevorftehen mögen. Das ift aber nicht? 
zu vermeiden, fo lange wir die Religion nicht 
. in (Luc. 17, si. as.), föndern aufser uns fuchen 
(R. 254). S. übrigens: After dien ft, a* ff.). 



1 » 



14. Dasjenige Joch ift fanft , . und. die Laß ift 
leicht (Matth. *i ,. 30.) , wo die Pflicht als durch 



Kirche. Kirchendiehfl. jKircliengehen. 631 

nnfere eigene Vernunft uns aufgelegt betrachtet 
werden kann. Diefes Joch nehmen wir in fo fern, 
weil ' wir. es uns felbft auflegen*, freiwillig auf uns. 
Von diefer Art find aber nur die moralifchen Ge- 
fetze , . als göttliche Gebote , von denen allein der 
Stifter der reinen Kirche fagen konnte: fie fiitd 
nicht fchwer (1 Joh. 5, 5;) (R, 076. *); 

Kant Religion III. St. IV. S. 14*. — VIEL Ä04. — 
IV, Stück , S, **6 — »78. 



Kirchendienft. 

• 

Verehrung Gottes zur Belehrung und Be- 
lebung in moralifchen Gefinnungen. Er eiitftand 
aus dem Tempel dienft, d. i. dem knechtifcheit 
Gottesdienfte , der eine gewiße öffentlich gäfetzli«* 
che Form bekommen hatte, nachdem mit diefen 
Gefetzen allmählig die moralifche Bildung der Meri- 
fchen verbunden worden. Der Tempeldienft nahm 
wieder von einem Götzendienlt feinen Urfprung,' 
indem dem hülflofen Menfchen durch die natürliche, 
auf dem Bewufstfeyn feines Unvermögen* gegrün- 
dete, Furcht eine folche Verehrung mächtigerer 
Wefen, als er fich fühlte , abgenöthigt wurde. Dem 
Kirchendienft fowohl als dem Tempeldienft liegt 
ein Gefchichtsglaube xum Grunde, bis man end- 
lich diefen blofs für. proviforifch , und in ihm die 
fymbolifche Dar Heilung und das Mittel der Beför- 
derung eines reinen Religionsglaubens» zu fehefe 
angefangen hat (R. £70*). 



Kirchengeheij, \ 

öffentlicher Gottesdienft, cultus, eulte, 
80 wird der feierliche äufsere Gottesdienft 
in einer Kirche genarint (R 4 308). Es find hier 
vier Merkmale des Kirchengehens angegeben: 



I 



6&2 Rirchengchen. 

a» es ift ein Gottes dien ff; s 

b. diefer Gottesdienft ift ein aufs er er; 

c. er ift feierlich; 

• * 

d. in eiiier £jrchf. 

' : 
a* Pas/ Kirchesgehen ift ein Göt tesdiejiii 
Ein Gottesdienft aber ift eine Verehrung. Gottes. 
!Durch unfere Zufammenkunft an dazu gefetzlich 
geweiheten Tageij wollen wir nehmlich die Gott- 
heit verehren , «ufr 'Belehrung und Belebung in 

moralifohen Gefinnungen. 

k • '• .... 

b. Diefer Gottesdienft ift ein aufs er er, d. i* 
er fällt in die äufserri Sinne , und ift nicht, wie 
das Beten , ein innerer Gottesdienft* 

c. Er iß feierlich, >d. i mit folchen Um- 
ftänden (Förmlichkeiten) begleitet, welche die 

. Wichtigkeit der Sache erfordert. 

■ 

d. Es ift ein Gottesdienft in einer Kirche, 
d. i. an einem Verfammlnngsort, der zur Eeleh- 

i rung und Belebung in moralifchen Gefinnungen 
befümmt iß. 



' \ 



2. Die Ab ficht des Kirchengehens oder des 
öffentlichen Gottes dienftes ift, die äufae- 
r $ Au ab r ei t u n g des Sittlich guten dadurch , dafs 
-man in den öffentlichen Zufammenkünften, an da- 
zu gefetzlich geweiheten Tagen, religiöfe , Lehren 
und Wünfcfye (und hiermit dergleichen Gefinnun- 
gen) laut werdeil läfst, und lie fo durchgängig 
mitteilt. Denn ' Gott bedarf keines Dienftes ; alfo 
mufs d?s Kirchengehen oder der öffentliche Got- 
tesdienft uns felbit zur Abficht haben. Hauptfäch- 
lich aber ift d$r öffentliche Gottesdienft eine ünn- 
liehe parftellung der Gfemeinfch*ft 4tr Gläubigen, 



I ' 



I 



' v Kirchengehen. 633. 

* 

und daher iß er picht allein in jener erfiern Rück- 
ficht, dafd durch ihn das Bittlichgute füll ausge- 
breitet werden, ein für jedeiji Einzelnen zu 
feiner Erbauung anznpreifendes Mittel; fondfrn 
auch eipje ihnen» als Bürgern eines ^rier auf Er- 
den vorzufallenden göttlichen Staats, für das 
Ganze unmittelbar obliegende Pflicht; nur mufs 
diefer Gottesdienit auch nicht Förmlichkeiten ent- 
halten , die das Ge willen beläfügen können. Wenn, 
der Gottesdienit z. B, Förmlichkeiten (Ceremonien) 
enthielte, c|ie. auf Idololatrie führen, fo wutlde 
das gegen das Vernunftgebot feyn: du follfi dir 
kein Bildnifs machen u. f. w. (R. 299. f.* 
308. f.)*' 

9 

3. Das Kirchengehen an lieh als ein Gnaden» . 
mittel gebrauchen zu wollen , ift ein Wahn. Denn 
es wird ja durch den öffentlichen Gottesdienit nichts 1 
gethan, und alfo keine von den Pflichten, die 
uns als Gebote Gottes obliegen, ausgeübt, mit-» 
hin dadurch Gott nicht unmittelbar gedient. Den« 
noch follen wir nicht vcrlaflen unfere Verfamm- 
lung t wie etliche pflegen, fondern unter 
einander ermahnen (Ebr. 10, 25.). Darum hat aber 
Gott mit der Cele;brirung diefer Feierlichkeit, die 
eine blofs finnliche Vorltellung der Allgemein* 
heit der Religion ift, nicht befondere Gnaden 
verbqnden ; . wenn es gleich mit der' Denkungsart 
eines guten Bürgers in einem politifcheh ge- 
meinen Wefen (Staat) und der äufsern Anftan- 
digkeit gar wohl" zufammenftimmt , dafs man dem 
Begenten des Staats durch äufsere Zeichen der Ehr- 
erbietung zu gefall rn fucht, und dadurch feine 
Achtung für die bürgerliche Verfaflung überhaupt 
an den Tag legt. Allein zur Qualität eines Bür- 
gers im Reiche Gottes, als folchen, trägt es 
nichts l^ei, <fcfs man Gott durch das Kirchengehen 
zugefallen fucht, vielmehr verfälfeht diefer Walin 
<^e fitüichgute Gefinnung, und dient dazu, den 
•fchlechten moralifchen Gehalt feiner Gefiiinun^ 



', 



634 Kircliengehen. v r 

den Augen Anderer, und felbft fein eil eigenen, 
durch einen " betriiglichen Anftrich von Frömmig- 
keit* zu verdecken (R. 309. f.). •*; 

4- Wir haben gefehen, dafs durchs Hirchen- 
gehen auch Erbauung beab fichtigt wird.- Das öf- 
fentliche Gebet bei dem öffentlichen Gottesdienft 
ift nun zwar auch kein Gnadenmittel, aber es iß 
doch eine ethifche Feierlichkeit, fowohl das in 
der Vereinigten Anftimmung der r^ligiöfen Lieder, 
als auch das in der förmlich durch den Mund 
des ; Geiftlichen im Namen der ganzen Gemeinde* 
an Gott gerichteten, alle moralifche Angelegen-, 
heit der Menfchen in fich fallenden Anrede« Diefe 
letztere, da fie die moralifche Angelegenheit der 
Menfchen als öffentliche Angelegenheit vorßellig 
macht, 'wo der Wunfeh eines Jeden mit den 
Wunfchen aller zu einerlei Zweck (der Herbei-* 
fiihrung des Reichs Gottes) 'als vereinigt vorgeftellt 
Verden foll, kann nicht allein die Rührung bis 
zur fittlichen Begeiferung erhöhen, fondern hat 
ajich mehr Vernunftgrund für fich als die Privat- 
gebete. In den letztern kleidet man den morali- 
schen Wunfeh, der, den Geift des Gebets ausmacht, 
in eine förmliche Anrede, ohne dabei an Verge- 
genwärtignng des höchften Wefens und eine eigene 
befondere Kraft diefer rednerifchen Figur ztf den- 
ken. Es wird hierbei vorausgefetzt, dafs der Be- 
tende nicht der Meinung ift, das Privatgebet fei 
ein Gnadenmittel, Bei dem gemein fchaftlichen Ge- 
bet in der Kirche hingegen ift eine befondere Ab- 
ficht, nehmlich, es foll eine Feierlichkeit feyn, 
welche die Vereinigung aller Menfchen im 
gemeinfehaftlichen Wunfche des ganzen "Reichs Got- 
tes vorftelft. Hierdurch erhält man nun ein Mit- 
tel, jedes Einzelnen moralifche Triebfeder defto 
mehr in Bewegung zu fetzen ; welches nicht fchick- 
licher gefchehen kann, als durch Vergegenwärti- 
gung des unfichtbaren Oberhaupts des "■- ~* ~ L *"'* 




Kirchengehen/ Kirchenglaubc, 635 

• • • • ! ' ' 

tes vermittelft einer förmlichen\än ihn gerichteten' 
^nrede (R. 306. *)'f.). 

Ktst Religion IV. St. Allg. Anm. S. 299.fi. — S-3o6*£ 



Kirchenglaube , 



1 1 



Bibelglaube, biblifcher Glaube, got- 
tesdieiißlicher Religionsghube, Offen- 
barungsglaube. Der Inbegriff der blöfs 
ftatutarifchen Glaubenslätze, welche 
zugleich als göttliche Gebbte gedacht 
werden follen (F. 73). Glaubensfatze find aber 
ftatutärifch, heifst, fie find für uns zufäl- 
lig und Offenharurigslehren. Diefer Kirchenglau- 
be kann fich nun blofs, wie bei den Proteftanten, 
auf die Bibel gründen , ,pder , wie in der römi- 
fchen Kirche , auch auf die T r a d i»t i o n. Er hält 
oft das, was blofs Vehikel und Mittel zur Beför- 
derung der Religion ift, für Artikel derfelben. 
Und der gemeine Mann nennt diefen Kirchenglaur 
ben Religion (R. 154). In Anfehung eines folchen 
Kirchen glauben s kann es nun Sectienverfchiedenheit. 
geben, wie fchon das eine ift, dafs die eine Par- 
tei ihn blofs auf die Bibel, die andere ihn auch 
auf die Tradition gründet. (F. 70.' f. 73* R. 152.) 
Auch find die fogenannten Religionsftreitigkciten 
iiic etwas anders, als Zänkereien um den Kirchen- 
glauben gewefen (R. 155.)* 



1 



% 



2. Allgemeinheit für einen Kirchenglau- 
ben,' d. i. die Üeberzeugung von der Wahrheit 
der Glaubensfätze deflelben von allen Menfchen 
zu' fordern (catholicismus hierarchicus$ , iit ein Wi- 
derfpruchl Denn unbedingte Allgemeinheit, d. b. 
dafs ohne alle Einschränkung alle Menfchen diefe 
Glaubensfätze- für .wahr annehmen follen, (Jetzt 
äW idigkeit voraus ^jd. i. dafs es gar nicht mög- 




s „ 



«3* 



Kirchenglaube* 



lieh iÄ 9 dafs 4 , fic nicht wahr fe^n Jollter}, Noth^ 
wendigkeit findet aber nur da itatt, wo die Ver- 
nunft felbft die Glauben$(atze hinreichend begrün- 
det! mithin diefe nicht blöke Statuten , d. *. von 
der Willkühr eines Oberherrn ausgehende Lehren 
find» Denn da ift die Ueherzeugung , dafs diefe 

% Lehren von diefem Oberherrn wirklich herrühren, 
offenbar nur zufällig, weil fie auf Erfahrung be- 
ruhen, die nicht Jedermann gemacht hat, und bei 
der euch keine abfolute Sicherheit ftatt finden kann, 
Bei dem reinen Religionsglauben hingegen, 
d» i bei dem Inbegriff mor^lifcher Glaubensfätze, 
>ve]che zugleich. als göttliche Gebote gedacht wer? 
den follen, kann keine' Sectirerei in Glaubensfa» 
eben Itatt finden „ weil diefe mit dem Bewufstfeyn 
ihrer Notwendigkeit verbunden, und a priori 

'erkennbar, d. i* Vernunftlehren des Glaubens 
{für alle Menfchen) find. Wenn alfo in einer Kir- 
che Sectirerei angetroffen wird, fo entfpring;* üe 
immer aus einem Fehler, /des Kirchenglaubens, 
(der daher auch nur für einige Menfchen, z. £, 
für Judenchriften gültig ift). Diefer Fehler befteht 
darin, dafs man die Statuten eines folchen Kk« 
chenglaubens, felbft göttliche Offenbarungen, für 
wefentliche Stücke der Religion (die fich.blofs 
Auf moraliiche Begriffe gründet) hält; dafs man 
mithin den Empirismus in Glaubansfachen , d. i 
die Behauptung, dafs Glaubensfachen , die lieh 
auf Erfahrung gründen, eben fo allgemein und 
noth wendig feyn fqllen, als folche, die lieh auf 
Vernunft gründen, dem Rationalismus (der her 
hauptung des Gegentheils) unterschiebt, und fo 
das blofs Zufällige für an (ich noth wendig aus* 
giebt. Es Hann aber in zufälligen Lehren vieler- 
lei einander wider ft reitende , theils Satzungen, 
theils Auslegungen von Satzungen geben, Folglich 
ift es leicht einzufehen, dafs der blofse Kirchen- 
glaube eirje reiche Quelle unendlich vieler Secten 
in Glaubensfachen feyni werde (F. 73.) 



Rirchenglaybe. 6yj 

* 

5. Der allem Religionswahn abhelfende oder 
vorbeugende Grundfatz eines Kirchenglaubens ift: 
dafs diefer neben den ftatutarifchen Sätzen f deren 
er vorjetzt nicht gänzlich entbehren kann, . aoch zu- 
gleich ein Prinzip in fich enthalten muffe , die Re« 
ligion des guten Lebenswandels herbeizuführen.' 
Denn die Religion des guten Lebenswandels ift da* 
eigentliche Ziel des Kirchenglaubens. Wäre lie all- 
gemein herrfchend, fo würden wir des Kirchen* 
glauben«, als eines blofsen Mittels dazu, gäni 
entbehren- können (R. 269). Der Kirchenglauba 
fnufs alfo durch den reinen Religionsglauben ge- 
läutert werden. Es fragt fich folglich, Worin b#* 
flehet denn diefe Läuterung? Um diefes bcHimmt 
anzugeben f fcheint Kant der zum Gebrauch Hfehick- 
lichite Probierftein folgender Satz zu ieyn: ein je* 
der Kirchenglaube, fo fern er blofs ftatutarifch» 
Glaubenslehren für wefentliche Religionslehren aus- 
giebt, hat eine gewifTe Beimifchung vom Hei- 
denthum. Das Heiden th um beftehet neh/nlich 
darin y das Aeufserliche , d* i, das Aufserwefent- 
liche der Religion für wefentlich auszugeben. Diel« 
Beimifchung des Heidenthums kann fo weit ge» 
hen f dafs die ganze Religion in einen blofsen Kh* 
chenglauben übergeht, .der Gebräuche für Gefetz* 
ausgiebt. Dann wird die ganze Religion baaies 
Heidenthnm. Heidenth^im {Paganisinusy ilt nehm- 
Kch, deif Worterklärung nach, der rtügiöfe Aber- 
glaube des Volks in Wäldern (Heiden). Das Volk 
in Wäldern heifst aber eine Menge, deren Reli- 
gionsglaube noch ohne' alle kirchliche Verfaflung, 
mithin ohne öffentliches Gefetä iß. Witler diefen 
Schimpfnamen des Heidenthums verfchlägt das 
nichts, dafs jene Lehren doch göttliche Offenba- 
rungen feien, Depn nicht jene ftatutarifchen Leh- 
ren und Kirchenpflichten felbft, fonderft der Un- 
bedingt ihnen beigelegte Werth, dafs fie Reli- 
gionsftütke feyn Tollen , ift das ,. was da macht, 
dafs eine folche Glaubensweife den Namen des Hei- 
fonthuitts verdient (F. 74. f.). 



» 



638 Kirchenglaube. 



4. Von dem Purict alfo, wo. 3er Kirchehglaube 
anfängt , für lieh jelbit 'mit Autorität zu fprechen, 
hebt die Sectirerei an. Und dies iß der Fall, wenn 
der' Kirchenglaube nicht durch den reinen Reli- 
gionsglauben rectificirt wird« .Denn da der rpine 
Religionsglaube (als praktifcher Vernunftglaube) 
feinen Einflufs auf die menschliche Seele nicht ver- 
lieren kann, der mit dem Bewufstfeyn der Frei- 
heit verbunden ift. indeflen dafs der Kirchenglaube 
über die Ge wiflen Gewalt ausübt : fo fucht eiii Je- 
der etwas für feine eigene Meinung in den Kir- 
chenglauben hinein pder aus ihm heraus zu brin« 
geh (F. 76.)* ..■"■''• 

5, Diefe Gewalt yeranlafst nun entweder 

a. Separatismus, d.i. blofsft Abfonderung 
von -der Kirche, oder Enthaltung von der öf*. 
f entlichen Gemeinfchaft mit ihr ; oder ein 

b. Schisma, d. i. öffentliche Spaltung der in 
Anfehung der kirchlichen Form Andersdenkenden, 
ob fie zwar der Materie nach lieh zu eben der« 
Jelben bekennen; oder 

, ä _ ■ • ■ * 

c. Sectirerei, d. i. Zufamn\entretung der 

Diflideiften in Anfehung gewifler Glaubenslehren 
insbesondere, nicht immer geheime, aber doch 
vom Staat nicht fanetionirte Gefellfchaften; von de- 
nen einige Glieder noch befondere , nicht fürs grofse 
Publicum^ gehörende, geheime Lehren aus eben 
demfelben Schatz herholen (gleichfam Clubbiften 
der Frömmigkeit); oder endlich 

* * 

A. Syncretismus, d. i die Sucht Frieden 
zu ftiften, in der Meinung, durch die Zufam- 
menfchmelzung verfchiedener Glaubensarten allen 
genug zu thun. Die Syncretijten lind noch fchlim- 
mer als die Sectirer , weil bei dein Syncretismus 
Gleichgültigkeit in Anfehung der Religion über« 



Kirchenglaube« 



Ö39 



haupt zum Grunde liegt , und weil fie im Grunde 
{ behaupten, dafs, da doch ein Kirchenglaube im 

Volk feyn muffe , einer So gut -wie der andere fei f m 
; wenn er lieh nur durch die' Regierung gut band* 
haben lade. Dies ifi ein Grund fatz , der im Munde 
des Regenten, als eines falchen, ganz rich- 
tig, auch fogar weife ifi; denn der Regent, als 
folcher, bekümmert fich nur um den Staatszweck. 
Allein im Urtheil des Unterthanen felbfi, .der 
diefe Sache aus feinem eigenen und' zwar morali- 
fchen Intereffe zu erwägen hat, würde diefer Grund- 
fatz die äufserfte Geringschätzung der Religion ver- v 
rathen, Denn es ifi für die Religion keine gleich- 
gültige Sache, wie das Vehikel der Religion be- 
schaffen fei, was Jemand in feinen Kirchenglau* 
ben aufnimmt (F. 77. f ). 

6. Man kann mit Grunde annehmen, dafs es 
gar nicht die Sache der Sta,itsregierung fei, für 
die künftige Seligkeit der Unterthanen Sorge zu, 
tragen, und ihnen den Weg dazu an zu weifen. 
Folglich kann es nur die Abficht der Regierung 
feyn, den Kirchenglauben dazu zu gebrauchen, 
lenkfame und moralifchgute Unterthanen zu. 
haben (J?. 95.). . * > 

7.. Zu dem Ende wird die Regierung 

a. keinen» Naturalismus, d. i. Kirchenglaii- 
ben ohne Bibel, fanetioniren ; weil es bei dem* 
felben gar keine; dem Einflufs der Regierung un- 
terworfene kirchliche Form geben würde , <vel- 
ches der Vorausfetzung widerfpricht. sSie wird 
alfo • 

b; die biblifche Orthodoxie fanetiöniren 
oder die öffentlichen Volkslehrer daran binden; 
in Anfehung welcher diefe wiederum unter der 
Beurtheilung der Facultäten Stehen würden , die 
w angeht, weil fonfi ein Ffaffenthum, d. i eine 



64 ö 



Kiirchenglaube.' 



Hefrfchaft der Werkleute des Kirchenglaubens ent- 
fiehen würde, dasf Volk nach ihren Ablichten zu 
•behWrfchen. Aber die fiegierung wird 

< 

c. den Orthodoxismus, d. i. die Meinung 

von der Hinlänglichkeit des Kirchenglaubens zur 
Religion durch ihre Autorität flicht fanctioniren 
oder befiätigen; weil diefer die natürlichen Grund- 
fatze der Sittlichkeit zur Neben fache macht, da 
fie vielmehr die Hauptftütze iß, worauf die Re- 
gierung mufs rechnen können, wenn fie in ihr 
Vojk Vertrauen fetzen (oll. Endlich kann die Re- 
gierung am wenigfien 

d. den Myfticisrn us t d.i. die Meinung 
des Volks, übernatürlicher infpiration felbft theil- 
hnftig werden zu können, zum Rang eines öffent- 
lichen Kirchen glauben s erheben oder fanctioniren; 
weil er gar nichts öffentliches iß, und fich alfo 
dem Einflufs der Regierung gänzlich entzieht 
(F. 95. ff.)- , 

8. 'Der biblifche Glaube ilt ein Meffia- 
nifcher Getchichtsglaube , dem ein Buch des 
Bundes Gottes mit Abraham zum Grunde liegt, 
und beßeht aus einem niofaifch- meflianifchen 
und einem e v a n g e 1 i f c h - meflianifchen Kirchen- 
glauben. Diefer Kirchenglaube erzählt den Ur- 
fprung und die SchickfaJc des Volks Gottes fo 
vollftändig, dafs er von dem anhebt, was in der 
Weltgefchichte überhaupt das oberfie ift, dem Welt- 
anfang (in ^ler Genefis oder dem er Ren Buch 
M o f e). Er verfolgt aber auch diele Schickfale bis 
zu dem, was in der Weltgefchichte überhaupt das 
letzte iß, bis zum Ende aller Dinge (inderApokalyp- 
fis oder Offenbarung Johannis). Dies kann nun frei- 
lich von keinem Andern, als von einem göttlich- 
infpirirten Verfafler erwartet werden; denn weder 
bei dem Weltanfang noch dem Weltende iß ein 
Menfch zugegen gewefep. Es bietet lieh aber bei 



Kirchenglaube. * 641 

diefer Gefchichte eine bedenkliche Zahlen -Cabala 
dar, in Anfehung, der wichtigften Epochen der 
heiligen Chronologie« Bengel und Frank haben 
nehmlich gezeigt, dafs die Zahl 7. in der Berech-»* 
imng der Hauptperioden diefer Gefchichte «ine 
grofse Bolle fpiele , . welche Vorftellung den Glau- 
ben an die Authenticität diefer biblifchen Ge- 
fchichtserzählung mehr fch wachen alr Starken durfte 
(F.99.f.> : 

9. Die Beglaubigung der Bibel , als* eines in 
Lehre und Beispiel zur Norih dienenden evange-^ 
lifch-meflianifchen Glaubens, kann nicht auf die 
Gottesgc^ahrtheit ihrer VerEafler (dafs ihnen ihre 
KenntnüTe von Gott find mitget heilt worden) fich 
gründen {denn diefe V er f affer waren immer dem 
möglichen Irrthimi ausgefetzte Menfchen): Man 
mufs vielmehr diefen Glauben als etwas betrach- 
ten, was', wie die Wirkung feines Inhalts auf 
die Moral i tat des Volks bezeugt, von Lehrern 
aus diefem Volk felbft, als Menfchen, die mit dem N 
Wiftenfchaftlichpn ganz unbekannt (Idioten) waren, 
aus dem reinen Quell der allgemeinen, jedem ge- 
meinen Menfchen beiwohnenden Vernunftreligion 
gefchöpft ift. Eben daher mufst? es aucn, durch 
diefe Einfalt, auf die Herzen des Volks den ausge- 
breiteten und kräftigften Einflufs haben (F. 103.), 

10. Es giebt gewifle Kraf tgenie's , welche fo . 
keck find, dafs fie wähnen, fie wären diefem 
Leitbande, des Kirchenglaubens (der Bibel) fchon * 
emwachfen. Einige von ihnen fchwärmen als 
Theophilanthrop^ri , in öffentlichen, dazu errich- 
teten Kirchen. Andere derfelben fchwärmen als 
Myftiker, bei der Lampe innerer Offenbarungen» 
Allein die Regierung würde bald ihre Nachlicht 
bedauern, wenn iie jenes grofse Stiftungs- und « 
Leitungsmittel der bürgerlichen Ordpung und Hube 
(die Bibel) vernachläfsigt und leichtlihnigen Hän- 
den überladen hätte. JVIan ka^iin die Frage auf« 

Mdlins philof. fVörfrb. 3, Bd. SS 



642 Kircheijglaube. 

werfen: ob der Bibelglaube (als empirifcher), oder 
umgekehrt die 'Moral (als reiner Vernunft- .und 
ReligVonsglaube) dem Lehrer zum Leitfaden dienen 
lolle ? Mit andern Worten : , ift die Lehre von 
Gott, weil iie in der Bibel fieht, oder fteht Xie 
in der Bibel, weil fie von Gott ilt£ Der erftere 
Satz ift augenfcheinlich inconfequent; weil das 
göttliche Anfeilen des Buchs hierbei vorausgefetzt 
werden mufs, um die Göttlichkeit der Lehre ddi- 
felben. zu be weilen. ' Alib kann nur der zweite 
Satz fiatt finden, der aber fchlechterdings keines 
Bew*eijTes fähig iß, weil es keine Erkenn tnifs über- 
sinnlicher Gegenstände giebt. Der durch Furcht 
abgenothigte Gehorfam in Anfehung des Glaubens 
an folche in der Bibel als übernatürlich aufgedell- 
te, Gegenftände und Thatfachen, alrf zur Seligkeit 
erforderlich, iß Aberglaube (F. Ifi6, ff.). 

11» Die moralifche Auslegung der Bibel 
ift die einzige evangelifeb-biblifche Methode der 
Belehrung des Volks in der wahren, innern und 
allgemeinen Religion. Diefe iit nehmlich eine 
Auslegung für diejenigen , welche nicht (empiriieh) 
t 2M wiflen verlangen, was der heilige Verfairer nüt 
\ feinen Worten für einen Sinn vei blinden haben 
, roag, fpndern was 1 die Vernunft (a priori) in qio- 
raiifcher Rücklicht bei Veranlaflung einer Spruch- 
ftelle, , als Text der Bibel 9 für eine Lehre, unter- 
legen kann. Und das iit es, was das Volk zu 
willen verlangt, wenn ihm etwas an der wahren 
intern und allgemeinen Religion liegt 9 die von 
dem parliculären Kirchenglauben, als Gefchichts- 
' glauben (bei dem . es allein darauf ankommen mag, 
was diefer oder jener Menfch gelehrt hat) unter- 
schieden ift. Hierbei geht dann alles mit Ehr- 
lichkeit *und Offenheit, ohne Täufchung au. Da- 
hingegen wird das Volk in (einer Abficht (die es 
haben foll) g^täufcht, , wenn es ftatt des mora- 
lifcheri (allein feligipachenden) Glaubens, den ein 
jeder falst* *inen Geichkhtsglauben «rhait, den 



Kirchenglaube. 



643 



keiner aus dem Volk zu be weifen vermag;« und 
kann dann mit Recht feinen Lehrer anklagen (F. 
uo.), £, 'Auslegung. « % * 

* 
12. Was wurde aber gefchehen, wenn der 
Kirchenglaube. diefes grofse Mistel der VolksLitung 
(die Bibel) einmal entbehren müfste? Dies ift eine 
biblifch - hißorifche Frage, deren Beantwortung 
unfer Vermögen der Wahrfagung überfteigt. Aber 
fo viel- ift gewifs, dafs es der Weisheit der Äe- 
gierung gemäfs ift (als deren Interefle, -in Anfe» 
hang der Eintracht und Ruhe |les Volks in einem 
Staat, hiermit in enger Verbindung fieht), dafür 
zu forgen, dafs äie Bibel, bei allem Wechfel de# 
Meinungen, noch lange Zeit in Anfehen bleibe 
(F. 112.). 

Mufs alfo ein hiftorifcher Kirchenglaube jeder* 
zeit', als wefentliches Stück des feligmachenden 
Glaubens, noch zu dem reinen Religionsglaüben. 
hinzukommen? oder ift er ein blofses Leitmittel 
fcum reinen Religionsglauben? Mufs er einmal in 
den reinen R^ligionsglauben übergehen können, 
wie ferne diefe Zukunft auch fei (ß. 169. f.) ? Wenn 
das hiftorifche Erkenntnifs von einer Genügthuung 
für die Sünden 4 er Menfchen zum Kirchenglauben, 
ein gebefferter Lebenswandel aber als Bedingung 
jener Genügthuung zum reinen moralifchen Glau- 
ben gehört, fo wird diefer gebefferte Lebenswan- 
del vob dem Kirchenglauben hergehen muffen 
(ß. 171.). Der Kirchen glaube, als ein hiftori- 
fcher Glaube, fängt mit Recht von dem Glau- 
ben an eine ftell vertreten de Genügthuung an. Da 
der- Kirchenglaube aber nur das Vehikel für den 
reinen Religionsglauben enthält (in welchem der 
eigentliche Zweck liegt) , fo mufs die Maxime" des 
Thnns den Anfang machen. Denn diefe ift das, 
was in dem reinen Religionsglauben, als. einem 
praktifchen Glauben/ die Bedingung ift. ' Die 
Maxime des Wiffens oder theoretifchen 



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644. Kircbeöglaube. . - ■ . 

/ 
Glaubens abar , kann nur die Befeftigung ' oder 
Volleildung der Maxime des' Thuns bewirken (B. 
173.). , Es iit eine< nothwejidige Folge der phyfi- 
fchen 'und zugleich der moralifchen, Anlage in uns, 
dafs die Religion endlich von allen empirifchen 
Bedingungen ' allmählig losgemacht Werae; Diefe 
empirifchen Bedingungen find Statuten , welche auf 

t Gefchichte beruhen. Sie vereinige^ vermittelß ei- 
nes Kirchen gl aub'efts die M^nfchen proviförifch 
zur Beförderung des Guten» Und fo iR es., wie 
der ewrge Friede im Natürrecht, eine Idee der 
reinen Vernunftreligion, dafs fie zuletzt über alle 
herrfche, s damit Gott -fäi alles in allem (1. 
\2or. 15. a80- So lange der Menfch (die Gattung) 
ein Kina war, war er klug als ein Kind (1. Cor. 
13, 11.)» UI *d wufste mit Satzungen (die ihm ohne 
feiii Zuthun auferlegt worden) auch" wohl Gelehr- 
samkeit zu verbinden. Ja. er machte fos;ar die 

. Philofophie der Kirche dienftbar. Wfcnn er 'aber 
ein Manil >fcird, legt er ab, \vas kindifch iß. Der 
erniedrigende Unter fchied zwifchen Laien und 
Klerikern hört auf, und Gleichheit entfpringt 
aus der. fahren Freiheit. Darum giebt es aber dock 
keine Anarchie (Gefetzlöfigkeit. Denn ein Jeder ge- 

, horcht zwar dem (nicht ftatutarifchen) Gefetz, das 
er (ich felbft vorfchreibt; aber er mufs es doch 
fuich zugleich als den ihm durch 'die Vernunft geof- 
fenbarten Willen des Weltherrfchers anfehen. /Die- 
fe^ verbindet nehmlich alle unter "einer gemein- 
schaftlichen Regierung un fichtbaren Wefen in 
einem Staate^ welcher durch die fichtbare Kir* 
che vorher dürftig vorgeßellt und vorbereitet war 
(R.i 7 9,£> 

13. Der biblifche Theolog ift eigentlich der 
Schrift gel ehrte für den Kirchen glauben* 
der auf Statuten beruht/ d. i. auf Gefetzen, die 
aus de» Willkühr eines andern herflieCsen. Der ra- 
tionale Theolog ift der Vernunftgelehrte für 
den Religionsgraüben, folglich - denjenigen^ 



Kirchenglaube. . 645 x 

der attf innern Gefetzen beruht, d. i. auf folchen, 
die fich aus jedes Menfchen, eigener Vernunft ent- 
wickeln laßen. In der Bibel findet iifch. das Chri- 
Itenthunv, . das ift,* die finnliche Vorftellungsart des 
göttlichen Willens in derjanigep Form, welche, fo 
viel wir wiflen, die fchi<:klichfte ift* ihm Einflufs 
auf die Gemüther zu vferfchaffen. Es ift aber aus 
zwgi ungleichartigen Stücken zufammengefetzt, das 
eine enthält den Kanon, das andere ,das Organon 
oder Vehikel der Religion. Per erfte kann der rei- 
ne Religionsglaube (ein ohne Statuten auf blofsQr 
Vernunft gegründeter Glaube) genannt werden , der 
andere ift der Kirche.n'glaube, der ganz auf 
Statuteji beruht, die einer Offenbarung bedurf- 
ten, wenn fie für heilige Lehren und Lebensvor- 
fchriften gelten füllten. — Nun ift es Pflicht, auch 
diefes Leitzeug dazu zu gebrauchen, dem göttli- 
chen Willen Einflufs auf die Gemüther zu ver- 
fchaffen, wenn es für göttliche Offenbarung ange- 
nommen werden darf. Und fo läfst fichs hieraus 
erklären, warum der fich auf Schrift gründende 
hirchenglaube gemeiniglich mit verftanden ■ wird^ 
wenn man den Religionsglauben nennt (F. 44..). 

14. Zu diefem Vehikel (d. i^ dem, was über 
die Religionslehre noch hinzukommt) gehört auch 
J ;och die Lehrmethode, die, man als den Apo- 
ftein felbft überlaflen betrachten darf. Das heifst, 
m *n kann diefe Lehrmethode nicht als; gottliche 
Offenbarung, fondern beziehungs weife auf die Den- 
kungsart der damaligen Zeiten (Hat* avSßwrov) , und 
ni cht als Lehrftücke an lieh felbft ( K «r &Xi)»v*v) 
ctltend annehmen. Und zwar findet man in die- 
ler Lehrmethode theils ein negatives Verfahren, 
ftehmlich die blofse Zuladung gewiffer damals hörr-' 
Chemien an fich irrigen Meinungen, um nic^t 
f e ? e » einen herrschenden, doch im Wefentlichen 
? e gen, die Religion nicht ftreitenden , ^damaligen 
^ ahn zu verftofsen (z. B. den Ton den BefeiTemai }; 
l heila ein pofitives Verfahren, nehmlich, daß fich 



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646 • Kirchenglaube. 

die Apoßel der yorliebe eine» Volks füt 4 feinen' al- 
ten Kirchen glauben, der jetzt ein Ende haben 
Zollte, bedienten, um den neuen zu introduciren 
(z. B. die Deutung der Gefchichte des a]t6n Bun- 
des als ^Vorbilder von dem, wa^ im neuen ge- 
schah) (F. 47.). , v 

15. Um deswillen ift eine Schriftgelehrfam- 
kek des Chriftenthums manchen Schwierigkeiten 
der Auslegungskunft unterworfen, über die und 
deren Erihcip der biblifche Theoiog mit dem ra- 
tionalen Theolog in Streit gerathen mufs. Der 
erftere Ift für die theoretische biblifche Erkenntnifs 
■vorzüglich .beforgt, und zieht dahef den letzteren 
in ^Verdacht, . er wolle alle Offenbarungslehren 
wegphilofophiren. Der letztere fieht mehr aufs 
Prafetifche, d. i. mehr auf Religion, als auf den 
Kirchunglauben , und befchuldigt daher den efftem, 
dafs er durch feine öffenbarungslehren den End* 
■zweck des Chriftenthums, der als innere Religion 
jnoralifch feyn mufs, und auf der Vernunft beruht, 
ganz aus de;n Augen Dringe (F. 4Ö-), f« Ausle- 
gung. ' * • . 

16. St&tutarifche Dogmen könneh als wesent- 
liche Erforderniffe zum Vortrag eines gewiffen 
• Kirchen»glaubens angesehen werden. Weil 
aber der Kirchenglaube nur VehikeJ des Religion«- 
glänbens, N mithin an (ich veränderlich ift und ei- 
ner allmihlig^n Reinigung bis zur Congruenz mit 
dem letzten fähig bleiben mufs, fo kann er felbß 
nkht zum Glaubensartikel gemacht werden. Al* 
lein , der Kirtfhenglaube darf doch auch in Kirchen 
nicht öffentlich angegriffen oder auch mit trockenem 
Füfs Übergängen werden, weil e;r unter der Ge- 
wahrfam der Regierung fieht, die für öffentliche 
JEintraclit und Frieden Sorge tragt. Des Lehrers 
Sach^ aber ift , dafür zij. warnen , dem Kirchenglau- 
ben nicht eine für fich teftehende Heiligkeit beizule- 



* 
1 



Kirchenglaube. 



647 



gen ^ fondejn ohne Verzug zu dem dadurch eingelei- 
teten Religionsglauben überzugehen (F. 58«)*. • 

17. * Zum Kirchen glauben wird hißorifche Ge- 
lehr famkeit, zum Religionsgi atjben die. Vernunft 
erfordert. Den Kirchenglaitf>en als Vehikel . des 
Religionsglaubens auszulegen, ift freilich eine For- 
derung der Vernunft; aber wo ift eine folche recht- 
mäfsiger, als Wo etwas nur als, Mittel zu etwa» 
Anderm als Endzweclt (dergleichen die Religion iß) 
einen Werth hat? Und giebt es überall wohl «iri 
höheres Princip der Ehtfcheidung^ wenn über Wahr-i 
heit geltritten wird, als d\e Vernuilft? (F. 64,). x 

iß. Man kann einräumen, wenn vom Kirch efr- 
glauben die Rede iß, dafs das -Glauben an geWiHe 
thoretifche Sätze für fich felblt eine Verbindlich- 
keit enthalte. Denn bei dem' Kirchenglauben ift 
es auf keine andere Praxis, als die det angeord- 
neten Gebräuche, angefehfen, wo die, . fo fich zu 
einer Kirche bekennen, zum Für wahrhalten nichts 
mehr bedürfen , als dafs die Lehre niefht unmög- 
lich fei. Zum. Religionsglauben hingegen ift Ue- 
b er zeugung von der Wahrheit erforderlich, wel-* 
che aber durch Statuten (dafs fie , göttliche Sprüche 
find) nicht beurkui>cfet werden kann. Denn, dafs 
Statuten ^göttlich find, müfste nun immfcr wiedefr- 
um durch Gefchichte ' be wiefen werden, die aber 
nicht % befugt ift, fich felblt für göttliche Offen- 
barung auszugeben (F. 67.). 

1 

19. Maivkann aber mit Grunde fagen: dafs 
das Reich Gottes zu uns gekommen fei 
(Matth. 6, 10.)» wenn auch nur das Princip des 
all mahl igen Ueberganges des Kirchenglaubens zur 
allgemeinen Vernunftreligion allgemein und irgend- 
wo auch öffentlich Wurzel gefafst hat (die 
wahre moralische Religion öffentlich gelehrt und 
der Kirchenglaube blofs als Vehikel derfelben voi- 
geftcilt wird). Datm wird von den Mitgliedern 



\ 



\ 



.V 



645 Kirchenglaulbe. ^ 

einer folchen Kirche auf Errichtung eines göttli- 
chen ethifchcn Staats (Reichs Gottes) % auf Erden 
wirklich hingearbeitet, obgleich die wirkliche Er- 
richtung deflelben noch in unendlicher Weite von 
uns entfernt liegt. Es wird alfo nicht behauptet, 
dafs man dem Kirchenglauben den DienfiT aufragen 
falle, dies thun nur diejenigen, die den Eigen- 
dünkel haben, die fiarken G elfter zu fpielen, ohne 
einmal zu willen , worauf; es ankömmt ; auch nicht, 
dafs man ihn befehden folle. Es kann dem JKir» 
chenglauben fein nützlicher Ein Auf s als eines Ve- 
hikels erhalten, und ihm gleichwohl als einem 
Wahne von gottes<lienftlicher Pflicht aller Einfluß 
auf den feegriff der eigentlichen (nehmlich morali- 
schen) Religion abgenommen, und fo Verträglich- 
keit der Anhänger derfelben unjter einander durch 1 
die GrVmdfätze der einigen V^rnunftreligion gelüf- 
tet werden* Die Verfchiedenheit der ftatutarifchen 
Glaubensarten follte hierbei kein Hindernife feyn, 
denn die Lehrer haben alle Satzungen und Obser- 
vanzen dqch zum gemeinfcbaftlichen Zweck aller 
Glaubensarten , zur einigen Vernunftreligion aus* 
zulegen. Das Ziel aber ift einft, vermöge der 
überhand genommenen wahren Aufklärung 
(einer Gesetzlichkeit, die aus der moralifchen Frei- 
heit "hervorgeht) mit Jedermanns Einftimmung die 
r Form eines erniedrigenden Zwangsmittels ' gegen 
eine kirchliche Form, die der Würde einer mora- 
lifchen Religion angemejTen ift, nehmlich die eines , 
freien Glaubens (f, Frohri- und Lehnglaube) 
zu vertatffchen (IU' lßi.-f.). 

■ " ... 

so. Der Kirchenglaube ift es allein, von dem 
man eine allgemeine hiftorifche Darftellung erwar- 
ten kann ; denn die. Religion ift kein öffentlicher, 
fondern ein innerer Zuftand, folglich giebt es keine 
Gefchichte der Religion, fondern nur eine Ge- 
schichte des Kircheriglaubehs. Diefe Gefchichte be* 
fteht darin, dafs man den Kirchenglauben, nach 
feiner verfchiedenen und veränderlichen Form» mit 



Kirchenglaube. Kirchenwefen. 640 

dem alleinigen and unveränderlichen reinen Reli- 
gionsglauben vergleicht. Von da an , vo der Kir- 
cheng] anbe feine Abhängigkeit von den einfchrän- 
ienden Bedingungen des reinen Religionsglaubens, 
vsd der Notwendigkeit der. Zufammenlümmung 
Biit ihm, öffentlich anerkennt, fangt die allge- 
meine Kirche an, fich zu einem ethifchen fetaat 
Gottes zu bilden. Und von da an fchreitet fie 
auch nach einem fefiitehenden Princip, welches 
für adle TVIenfchen und Zeiten ein und daflelbe Üt f 
zur Vollendung eines folchen Reichs Gottes fort. 
Man kann voraus fehen, dafs die Gefchichte des 
Kirchenglaubens nichts , als die Erzählung von dem 
beftändige» Kajnpf zwifchen dem gottesdienftlichen 
und dem moralischen Religionsglauben feyn werde. 
Der Menfch iß nehmlich beitändig geneigt , den Kir- 
chenglauben, eis Gefchichtsglaufcen, obenan £u 
fetzen. • 13er reine Religionsglaube «aber giebt fei« 
Ben Anspruch auf de? Vorzug, der ihm als allein 
feelenbeffernden Glauben zukommt, nie auf/ und 
wird ihn endlieh ge wifs behaupten (R. i$40 f. 
Kirche ß. 

Kant Religion. HL St. S. 145 — 184. — IV. $^3 # 

S. 269. 
De ff. Streit der Facolt. I, Abfchn. HL Anhang. S. 44 

— 127. 



Kirchenwefen , 



s 



eccleßae ratio. Das Kirchenwefen ifi die 
Anita lt zum öffentlichen Gottesdienft 
für das Volk, und mufs von der Religion, als 
einer innern, Gefinnung, forgfaltig unterfchieden 
werden. Das Kirchenwefen ftehet unter dem Ober- 
befehlshaber des Staats, die Religion hingegen ift 
ganz äufser dem Wirkungskreis* der bürgerlichen 
Macht; das erftere hat den äufiern Gottesdienft 
zum Gegen&and, der aus dem Volk feinen ür- 



« > 

t 



650 ' Kirchcnwefeh* 

fprung hat (es fei Meinung oder Ueberzeugung), 
die letztere hat. den iimern Gottesdienfi zum Ge- 
genfiande, der aus der Vernunft entfpringt (und 
nets Ueberzfeugurig feyh m^ifs). Das Kirchenwefen 
alt indeflen ein wahres Staatsbedürfnifs ; -denn die 
Mitglieder des Staats", muffen lieh auqh als Unter- 
thanen einer höchften unfichtbaren Macht be- 
trachten, der fie zu huldigen fchuldig find, und 
die mit der bürgerlichen oft iii einen fehr unglei- 
chen Streit kommen kann. Der Staat hat alfo das 
negative Recht, den Einflufs der Lehrer auf da^ 
fichtbare, politifche gemeine Weferi (den Staat), 
der der öffentlichen Ruhe nachtheilig feyit möchte, 
abzuhalten» / Es iß ein ßecht der Policei, zu hin«» 
dem, dafs bei £em innern iStreit der Lehrer, oder 
dem der vecfchicdefcen Kirchen untereinander, die 
bürgerliche Eintracht nicht in Gefahr komme (K. 

188- £)• 

2. Der Staat hat aber nicht das pofitive 
Recht der Confiitutionalgefetzgebung der- Kirche, 
4. h- das Kirchenwefen nach feinem Sinne , wie 
es ihm vortheilhaft dünkt, einzurichten', und 
dem Volk deh Glauben und gottesdienftliche For- 
men (ritus) vorzuschreiben oder zu' befehlen ♦ Die- 
ses müfs gänzlich den Lehrörn und Vorjtehera, 
die es lieh ^felbft gewählt hat, überlaffen bleiben. 
Dafs eine Kirche ein eii gewiffen Glauben , und wel- 
chen fie haben, oder dafs fie ihn s unabänderlich 
erhalten muffe, hängt, dem Recht nach , nicht von 
der Obrigkeit ab (K. 189-)- 

* • \ 

\ 
/' \ 

3. Es ift unter der Würde der obrigkeit- 
lichen /Gewalt, fich in das Innere dar Kirche zu 
milchen, ünd*z. B+ es nicht' zuzulaflen, fiafs fich 
die Kirche felbß reformiren dürfe; weil fie fich 
dabei , als einem, Schulgezänfcto , auf den Fufs der 
Gleichheit mit ihren Unterthanen einläfst. Der 
Monarch, der feine Gewalt gebraucht, Einrich- 
tungen im Innern der Kirche zu machen , ' hau- 



I 

Kirchenwefeh. 6$i, 

delt .zwar der Gewalt nach als Monarch , aber der 
Sache nach , in die er lieh milcht, als Kenner, 
Vorfteher und Verwalter des Kirchenglaubens.' 
(K. 1&9.) 

4« Die obrigkeitliche Gewalt verfteht aber auch 
nichts von dem Innern der Kirche, vornehmlich 
von den innerti Reformen derfelben, und kann 
fie alfo auch darum nicht verbieten» Denn als 
obrigkeitliche Gewalt ift fie nicht Glaubenskenner. 
Es kann auch der Gefetzgeber nicht etwas über das 
Vplk v hefchliefsen , was das gefammte- Volk nicht 
über fich felbß hefchliefsen kann. Das Volk kann 
aber nicht hefchliefsen , es wolle in feinenden 
Glauben betreffenden Einficht en, der Aufklärung, 
niemals weiter fortfehreiten» Denn das Volk 
wurde der Menfchheit f die es in feiner eigenen 
Ferfon achten fall, mithin dem höchfien Rechte 
deflplben, entgegen hapdeln, wenn es hefchliefsen 
wollte, fich in Änfehung des Kirchen wefens nie 
zu reformiren. Alfo kann auch keine obrigkeit- 
liche Gewalt, die itets nur das über das' Volk be« 
fchliefsen foll, was daffelbe , felbft über fich be- . 
fchliefsen würde, wenn es hierin nach Grund- 
fatzefrr des Rechts und der Pflicht handelte, über 
das Volk hefchliefsen, dafs das Volk nie zu bef- 
fern Eirifichten in feinem Glauben,, und folglich » 
zu einer hiernach verbelferten innern Einrichtung 
der Kirche.gelangen folle. (K. 189. f.)- 

5. Was aber die Koften der Erhaltung £es / 
Kirchen wefens betrifft , fo können diefe nicht dem 
Staat, fondern muffen dem Theil des Volks, der 
Ach zu einem oder dem andern Glauben bekennt, 
d. i. nur der Gemeine zu Laßen kommen. Denn 
da der Staat kein Recht hat, fich in das Innere 
der Kirche izu mifchen, fo hat er auch nicht die 
Pflicht, die Koften zur Erhaltung der Kirche zu 
tragen. Der Staat hat keine Religion , und bekennt 
fich zu keinem Glauben, fondern nur das Volk, 



»'* 



652 Kirchenwefen. Klar» Klarheit 

nicht .als Staatsburger , fondern als diejenigen, tfis 
einen gewiflen Glauben haben; folglich geht die 
Unterhaltung der verfchiedenen Kirchen , oder R* 
ligionsgefellfchaften im Staat, demfelberi nibhts 
-weiter an,, als dafs er nicht leidet, • dafs daraus 
Unruhen für den Staat entfpringen 9 und dafs Staats- 
bürger äufserlich lieh von aller Kirchengemein fchaft 
losfagen, und in Anfehung der Moral i tat und He* 
ligion im Heidenthum odf r im Zuftande der Wü* 
den leben (R. 190); 



.1 



Klar, 

clara, claire\ iß eine Vorßellung, in der das 
Bewufstfeyn zum Bewufstfeyn des Un- 
tterfchiedes derfelben von andern zu- 
reicht (C. 415 *) f z. B. , wenn ich in de* Ferne 
einen Menfchen von einem Baum unterfahren 
kann, fp iß meine Vorßellung von beiden darum 
noch nicht klar» Denn ich fchHefse vielleicht 
nur, dafs das eine Ding ein Menfch, das andere 
ein Baum iß« Nur dann, wenn ich mir bewußt 
bin, dafs ich feinen Kopf, feinen Rumpf, feine 
Aerme und Beine fehe, iß meine Vorßellung von 
dem Menfchen klar (A* 16.). In der Logik (L. 41)1 
fagt 'Kant noerj : bin ich mir der Vorßellung 
bewufst, fo iß ße klar. Aber das iß falfch, l 
Klarheit. 



Klarheit« 

♦ ' - 

co gnitio clara, connoiffance claire* Das Bewufst- 
feyn feiner Vorßellung, welches zum Xfewufst- 
\ ieyn des Unterfcjiiedes derfelben von andern 
zureicht. Dies iß die richtige Erklärung der Klar- 
heit der Erkenptnifs. _ Kants Erklärung derfelben j 
in der Anthropologie und Logik (L, 41) iß alib 
, falfch, und nach einer Vorßellung, die er fonß 






Klarheit. 653 

Von der Klarheit hatte. Kant felbft verwirft diefe 
Vorftellnng in der Critik. Die Erklärung in der 
Anthropologie heilst : Klarheit ift dasBewufst- 
feyn feiner Vorfiellungen, welches zur 
Unterfche idung eines Gegeriftandes von 
andern zureichf (A. ao). Klarheit ift aber 
nicht, wie die Logiker Tagen, das'Bewüfst- 
feyn einer Vorftellung; denn ein gewiffer 
Grad des 'Bewufstfeyns mufs felbft in manchen 
dunkeln Vorfiellungen anzutreffen feyn (gegen Kun* 
tzens Behauptung , Logik« $. 89*)- W* r würden 
nehmlich in der Verbindung dunkeler Vorfiellun- 
gen gar keinen Unterfchied machen, wenn gar 
kein Bewufstfeyn damit verbunden wäre, und 
doch vermögen wir diefes bei den Merkmalen man« 
eher Begriffe, z. B. der gemeine Verfiand unter« 
fcheidet Aecht und Billigkeit richtig von einander, 
und kann doch den Unterfchied .zwiieherv beiden 
Begriffen nicht angeben, zum Be weife, dafs er 
nicht klare f fondern dunkele Begriffe von Recht 
und Billigkeit hat« Der Grad des Bewufstieyns, 
der mit dielen Begriffen verknüpft ift, reicht aber 
nicht zur Erinnerung der Merkmale zu, wodurch 
der gemeine Verfiand diefe Begriffe von einander 
unter fcheidet (C. 414. * £)• 

■ 

s. Reicht alfo das Bewufstfeyn zur Unter- 
scheidung zweier Vorfiellungen s von einander zu, 
aber nicht zum Bewufstfeyn des Unterfchiedes zwi- 
schen beiden Vorfiellungen, fo muffen die Vorfiel- 
lungen noch dunkel, und nicht klar, genannt 
werden; z. B. der Tonkünfiler hat im Phantafiren 
nur dunkele Vorfiellungen von den vielen Noten, 
die er zugleich greift, ob er fie wohl unterfcheidet, 
indem er fie nicht verwechfelt und fehl greift 
(C 4.15. *). Die Klarheit ift eine Vollkommenheit 
Werer Vorftellungen, welche wir auch das Licht 
derfelben nennen. Sie* ift aber entweder aefthe- 
tifch oder logifch. Die aeithel ifche Klarheit 
iß die Klarheit in 4er Anfbhauung; die logifchs 






654 Klarheit. Kleinigkeit. Klugheit. 

i 

Klarheit ift die Klarheit in den Begriffen. Nur von 
der letztem wird in der Logik gehandelt; die 
erftere gehört in eine empirifche Aefthetili, 
die uns noch fehlt, f. Aefthetik, 15. Von der 
Deutlichkeit unterscheidet Ijich die Klarheit da- 
* durch , dafs äiefe blofs ein' Bewufstfeyn ift , die 
zum Bewufstfeyn des Unterfchiedes zureicht, jene 
aber ein bewufstfeyn, in der nicht blofs Bewufst- 
feyn,, fondern auch Klarheit des Unterfchiedes iß, 
(b dafs auch die Zufammenfetzung in den Vorftel- 
lungeri Jdar üt, oder txian noch Bewufstfeyn des 
Unterfchiedes in' den Ünterfchieden hat (A. 2o\ 
U Deutlichkeit. 



Klebriglieit, 

vifcoßtas, tenacite. Die Befchaffenheit der Ma« 
teirie,' dafs fie in., minderm Grade jftarr 
iß. Ein Cörper alfo, deffen Theile durch eine 
Meine Kraft an einander vetfchoben werden fyün- 
v ncn f ilt klebrig (N. 89). " 



r 

Klugheit, 

-prudentitiy prudcnte. Die Gefchicklichkeit, 
Alle Zwecke, die uns von unfern Neigun- 
gen aufgegeben find, in den einigen, 
die Glückfeligkei t, zu vereinigen, und 
alle Mittel, die dazu zufaminenftimmen, 
anzuwenden, um dazu zu gelangen. Die 
Anweifung dazu ift die Lehre der Klugheit» 
,Was unferer freien Willkühr diefe Zwecke auf- 
giebt, ift die pfychologifrhc Befchafjfenheit des 
Menfchen, das ift', die. Befchaffenheiten deffelben, 
die blofs aus. der Erfahrung erkannt werden kpn- 
nep, nehmlich feine Naturtriebe, z, B. der 1 Er- 
haltungstrieb , der Gefälligkeits trieb , . * der Ge- 
fchlechtstrieb u, f — r T*e Bedingungen f < unter 





Klugheit 655 



welchen alfo die freie Willkühr hiernach ausgeübt 
wird, find empirifch* Die Vernunft kann dabei 
deinen andern als regulativen Gebrauch machen, 
das heilst, fie gebietet hier nicht 9 wie. diefe 
Triebe befriedigt werden follen 9 denn es üt hier 
die Rede nicht von der Beftimmung der freien Will- 
kühr 'durdh Gefetze der Vernunft a priori , fbndern 
durch Natut triebe bei einem Wefen, das Vernunft 
hat. Die Vernunft dient hier nur , die empirifchen 
Gefetze, die Forderungen der Befriedigung finnli- 
cher. Bedürfnifle, die aus den Naturtrieben entfprin- 
gen, unter eine Einheit zu bringen. Die Regeln 
nun , was wir zu thun haben , um die Zwecke 
zu erreichen, die uns von unfern Sinnen empfoh- 
len werden, z. B. uns felbß und unfre Art zu 
erhalten \ und dies auf unfere eigene Glückfelig- 
keit zu beziehen , heifsen pragmatifche Gefetze 
des freien Verhaltens, fie heifsen auch Impera- 
tiven der Klugheit, (f. Gefchicklich kei t, 
C 9. und Gebot, 3.), Klugheitsregeln, Vor- 
schriften der Klugheit, oder Maximen der 
Selbstliebe. Sie unterfcheiden fich von den rei- 
nen, von aller Erfahrung unabhängigen, prakti« 
fchen öefetzen a -priori, welche praktifche Ge- 
fetze des freien Verhaltens, auch Imperativen 
der Sittlichkeit, Gefetze der Sittlich- 
keit, oder Moral ge fetze heifsen, dadurch, 
dafs jene nur Rathfchläge geben, diefe aber 
gebieten; dafs jene nur hypothetisch, d* L 
unter der Voraussetzung, dafs wenn wir unfre 
BedürfnÜTe befriedigen wollen , und diefes zu un- 
ferer Glückseligkeit tauglich finden, Vorschriften, 
geben, «wie wir es zu machen haben , oder die 
Handlung wird nicht fchlechthin , fondern nu# als 
Mittel' zu einer andern Abliebt geboten , diefe aber 
iategorifch, d. i. phne alle Bedingung gebie- 
ten , wir mögen den Gegenltand des Gebots xum 
Zweck haben oder nicht, (C QQ&. P, G4-)», • 

Die Klugheitslehre oder Politik als eine 



05* - Klugheit - ' 

Theorie der Maximen, zu fpinen auf Vöt* 
theil berechneten Abfichten die taug« 
lichften Mittel zu wählen (Z. 7a), giebt 
alfo zweierlei Regeln: 

a. -Regeln; welche beftimmen f was zur ölüct 
feligkeit dient, und wie die finnlichen ^Zwecke 

zu diefer Vernunftidee zu vereinigen ß$d? 

» » 

b. Regeln, welche beftimmen, was für Mit- 
tel anzuwenden, wie fiezu vereinigen und zu 
gebrauchen lind , um jene Zwecke zu erlangen 
und zu erhalten. 

,. . * 

* 3. Das Wort Klugheit wird eigentlich in 
•zweifachem Sinne genommen; im erften kann das, 
was, es bedeutet, den Namen Weltklugheit, 
im zweiten den der Privatklugheit führen. 
Die Weltklugheit ift die Gefchicklichkeit 
eines\Menfchen, auf andere Einflufs zu 
haben»* um fie, zu 'feinen Abfichten zu 
gebtauchen. Die Privatklugheit, oder die 
Klugheit im engften VerHande^ iß die Ge- 
fchix:kliclikeit in der Wahl der Mittel 
zu feinehi eigenen gröfsten Wohlfeyn» 
oder* die Einficht, alle feine Abfichten 
zu feinem eigenen dauernden Vortheil 
zu vereinig e n. Diefe - Klugheit ift eigentlich 
diejenige, worauf felbft der Werth der Welt- 
klugheit beruhet, und wer welt^lug ißt 
nicht aber privatklug, von dem könnte man 
befler Tagen: er ift gefcheut und verfehle 
gen, im Ganzen aber doch unklug (G. 42. *)• 

4. In der Anthropologie (A. 127) Jagt Kant: 

?Ver Urthpihkraf t in »Gefchäf ten zeigt , ift g e- 
cheut^ hat er «dabei zugleich Wit$ 9 foheiftt 
er kl u g. In Gefchäften , heifst aber , im Umgang 
mit Menfchen. Hat nun Jemand zugleich Witz 
(das Vermögen f zum Befondern das Allgemeine 



\ 

\ 



Klugheit. ' 65g n 

• 

lutautferiketi), (o findet er in fernem TJmgang^t 
mit Menfchen immer etwas zu feinem Vortheil zu 
benutzen , und findet fo in allen feinen /Gefchaf» 
ten^diefe IdeAtitftt, welchem dann macht y dafs 
man ihn klug nerVn*. -Wenn- man* Jemanden aitf 
.feine Schwanke erwiedert; ihr feid nicht klug» ' 
fo ilt>- da$ &n> -etwas platter Ausdruck für, ihd 
fc h e r z t?£ . oder ihr feid -nicht g e f c h ^11 1, Ei* 
gefcheut-er Menfdfi, fagt K (A. 158*)» ift eiii 
nichtig und prrtktifch, ab^r kiinftlos uih 
t h e i 1 e n d e r »MenTfch* Wer nehfnlich nur in d er 
Urtheilskraft von der Natur» nicht verwahrlofec * 
ilt , der wird lein 4 Ur theilskrafr auch in • <*efchäf* % 
ten feeigfetw Die Natur km^n alfo allein einen Men- 
fchen g^fcheut machen. Erfahrung aber kann 
ihn klug, d. i; zutti künftlich en Verftandesge- 
brauch gefchickt machen« Cef c heut zu feyn, 
dazu gehört nehmlich nur gbmebrer und gefunder 
Verftand, at>er< alles richtig auf feinen Volaheil 
beziehen zu können, dazu gehört fchon Witz und 
Scharflinn , die ohne viel Erfahrung von den Diifr x 
gen des Lebens nicht möglich lind. Doch möchte 
wohl zu r <aineiii hohem Grade Ton Weltklughcic 
fo viel künftlicher Verßandesgebrauch nöthig ieyn, 
als zur FriVatkUigheit. < Man iifcht hifefttus, dafs 
K. in der Anthropologie dafc Wort Klugheit 
eigentlich in eii>er theoretifchen Bedeutung, 
aelmiiieh * Bur • k ün ft l i c h e n Veritandesgebrauch, 
nimmt, in feinen kritifchen Schriften aber in 
£raktifeher Bede&Uftig, für prVg*natifehen,Ver- 
itandesgebratföh. * Urid fo heifct gefchreut feyti. 
auch, im tfoeoretiffchen Sinn, der kunftlo»- v* 
fe Verftandeagebri&öh, und im praktifchen Siim; 
der welfeklagfc Verftandesgebrauch , der a,bet 
doch die Verfohlage^heit, d. i. die KunftvAn* % 
dere zu betrüge» , nicht ausfchliefst , und v in fo 
fern diefe Weltklugheit oft gefunden wird'fcww . 
ganz,. aU Verband eagebr auch aber doch nicht, gc- 
mein ift» • .• t • • ♦ * - - » * ■ ■'•:>: -• 



656 



Klugheit. 



/ 



u» 



Regeln , 



.^.._ ihren dauerhaften Vorthell bringe, 
undurchdringliches • Dunkel einge- 
' >diefer Vortheil auf das ganze Dafeyn 
a. i. auf Glückfeligk.eit belogen wer- 
Es erfordert alfo viel Klugheit dies ein« 
wenn die ppaktifchen darauf gefiimmten 
durch gefchickte Ausnahmen, auch nur 
auf erträgliche Art den* Zwecken, des Lebens ange- 
paßt werden /ollen (P. 64). Welch ein Unterschied 
aber iß in der Beurtheilung unterer Handlungen, 
wenn wir He blofs nach der Klugheit, und 
.wenn wir fie nach der • Sittlichkeit -würdigen; 
wie man lieh, nach de»* Uebertretüng der erfiern, 
blofs über feine Unklugheit. ärgert, nach Ueber- 
tretüng de* letztern ,. feiner Unfittlichkeit wegen, 
fich felbfi verachtet; und wie fehr lieh folglich 
Handlungen aus Klugheit von Handlungen um 
des fittlichen G/sfetses willen unt<erfcheiden, 
findet man im Art. Expofition, 30. 

' & Die Politik (Klugheitslehre) fagt: 

... - 4 r • • • 

Seid klug wie die Schlangen; 

> ' "' • . * , 

die Moral (Sittenlehre) fetzt; (als ein&hränkende 
Bedingung) hinzu; 

und ohne Falfch wie die Tauben, 

Wenn,, beides nicht in Einem Gebote zufammen 
beRehen kann, £0. giebt es einen Streit der Poli- 
tik mit der Moral; fall aber doch beides durchaus 
vereinigt feyn* fo iit es abfur4* dafs eine JVlis- 
helligkeit zwifchen der Moral und Politik ftatt 
finden folL Dann iß alfo die Frage , wie diele 
Streit auszugleichen fei, nichtig* > und läfst iic 
gar nicht einrüaL als Aufgabe hinftellen. Der Satz : 
Ehrlichkeit iß die beße Politik, enthält 
eine Theorie, der die Praxis, leider! fehr käufig 



I 



* Klugheit. ' 659 # 

widerfpricht. Denn unter der Ehrlichkeit leidet 
unfer Vortheil oft fehr, Der Satz aber: 

• Ehrlichkeit fit beffer denn alle Po- 

• 1 

litik, \ », j.. 

/ 

iß über allen Einwurf unendlich erhaben, Jund 
die Ehrlichkeit ift durchaus die unumgängliche 
Bedingung aller Politik (Z. 72. f.). Dafs die Klug« • 
heit übrigens 'eine Art der Geschicklichkeit 
fei, findet man, im Art. Gefchicklichkeit. ' 

7. Die Klugheit ift die Vernunft, wel- 
che di'e natürlichen Neigungen bezähmt, 
damit fie lieh unter einander nicht 
felbft aufreibei*, fondern zur Zufammen- 
itimmung in einem Ganzen, Glückfe* 
ligkei t genannt, gebraucht werden kön« * 
nen. Da nun die . Moral ität auch die Vernunft 
ift,' welche die natürlichen Neigungen bezähmt, 
fo können beide leicht mit einander vei*wechfelt 
werden. Aber fie unterfcheiden fioh beide fehr 
durch den Zweck von einander, welchen fie bei 
der Bezähmung der natürlichen' Neigungen haben. 
Der Zweck jler Klugheit ift, dafs fich die natürli- , 
chen Neigungen nicht einander, felbit aufreiben; 
fohdern zur Bewirkung der Gluckfeligkeit zufammen 
itimihen; der Zweck der Moralität aber ift fie fert>ft> - 
denn fie ift nicht ein Mittel wozu, fie bezähmt 
die Neigungen blofs darum , Veil fie nur nach 
Maximen befriedigt Wejden follen , die als allge* 
meine Gefetze gewollt werden können, und weil 
es nicht* wozu, fondern a.n 'f i c h gut ift , die 
Neigungen der Pflicht unterzuordnen. Die Klug- 
heit hat alfo eine folche Befriedigung der Neigung 
zum Zweck, die nicht hindert, dafs die Neigun- 
gen, der gröfstmöglichen Anzahl nach, auf das ge- 
nugthuendefte und dauerhaftefte befriedigt werden 
köonAn. Die, Moralität hat nicht die ' Befriedi- 
gung der Neigungen zum Zweck,, fordern erlaubt 

, Tt a ; 



»I 



<. 



■» 



\ 



660 Klugheit. Klüglich. 

fie tiux f doch unter der Bedingung; dafs die 
Allgemeingültygkeit und Notwendigkeit; der Hand- 
lung 11m des Gefetzes willen \fjets jener Befriedi- ] 
,gung Vorgehe., wenn beide mit einander im Wi- 
derstreit find (R. 70.}, ' . 

Klüglich, 

■ 

prudehter, -prudeiftment. Ein Adverbium/ wel. 
<<hes fo viel heilst f als mit Klugheit. So kann 
man fragein: ifi es klüglich, ein falfches Verfpre- 
■chen zu- thun ? welches von der Frage nach der 
Pflichti&äfsigkeit diefer Handlung fehr verschieden 
ift. t Die Antwort, würde l^yn , es kann für jetzt 
klüglich gehandelt feyn, auf diefe Art zu lügen, 
aber da die Folgen davon für den Lügner nicht 
voraus zu fehen find, fo ift es doch kl\ig lichter, 
auch üm N des Vortheils willen, nach einer 
allgemeinen Maxime , d. i. einer folchen , die für 
Jedermann Gültigkeit hat, zu handeln, bei der man 
xu aller Zeitlicher geht, w«il der, welcher dar- 
nach handelt , doch von Andern fo angesehen wer- 
den follte , als verdiene er efi nicht , für die 
Handlungen , denen ;diefe Maxime : zum -Gründe 
liegt, wenigstens durch fie zu. leiden. Und fo ift 
es klüglich er, nichts zu verfprechen^ als in 
de? Abficht, es auch zu halten (G. 18-)- 
/ . •. • • • 

, , i2w Allein fo gcftellt , ift diefe Handlungsr* 
gel nur eine Maxime der Klugheit, f. Klug- 
heit. Sollte fie eine Maxime der' Moralität 
feyn , d. i. ein Sittengefetz , oder ein, Princip det 
Pflicht , Äo müfste ich nicht meinen Vortheil , . fon» 
derii den Zweck ; nach allgemeinen Maximen , d. i 
nach Sittengefetzen zu handeln, dabei zur Abficht 
haben. Denn di6 Maxime, ein Verfprechen zu 
thun. in der Abficht, es nicht zu halten, kann. 
nicht allgemeine Maxime feyn , weiji es *bei der 
Allgemeinheit derfelben kein Versprechen . geben 



Klümpchen, Knauferei Knickerei. 66 1 

konnte , indem Niemand ihm glauben wurde« Und 
fo fehen wir.' dafs es manchmal fehr vortheil» 
h a f t feyn kann , von jener Max^itie abzuweichen, 
wiewohl es freilich f i c h e r e r ift, bei ihr za biet* 
ben, aber dafs esitets Pflicht ift, nach derfdben 
zu handeln (G. ig. M. II, sa.)* 

Klümpchen, 
f. a. Atomus und Atomiftik. 



Knauferei. 



s 



Knickerei, fcfcitnpf liebe Kargheit, „ Pein- 
lichkeit im Verthun, lefine, ladferie, 
mefc/uinerie. Der karge Geitz, wenn 
er fchimp flieh • ift. ' Der Geitz ift das Laßer, 
welches das Prinpip hat, nur zu beßtzen, aber 
nicht zu gebrauchen. Der karge Geitz ift der, 
welcher das Frineip hat, nur das zu' erhalten^ 
was man beützt, aber es nicht zu gebrauchen. 
Diefer karge Geitz ift endlieh föhimpfllch, wenn 
das Prrncip zu erhalten den Gebrauch felbft dann 
ausfchliefs* , wenn es fckimpftich ift ^ nicht zu ge- 
brauchen. Man kann aber von dem Nichtgebrauch 
deffien, was man^befkzt, nur dann Schimpf haben, 
wenn man feine Pflichten- gegen andere vernach- 
läffigt. Sinei dieCe Pflichten Rechtspflichten, fo 
kann, man aus Erfüllung derfelben gezwungen wer« 
den, und da, findet alfo keine Knauferei ftett. 
Folglich kann die Knauf erei blofs Vernachläffigung 
der Liebespflichten gegen Andere feyn, in der Ab» 
ficht, das zu erhalten, was man befitzt, (F. g8.)> 



Knickerei, 



f. Knauferei. 



» i 



662 Können^ Körper. Körperlehre. 

Rönnen, 

« 

j>offe 9 pouvoir. Das Zeitwort für die Kategorie 
der Möglichkeit, f. Möglichkeit. So heifst: 
ich kann denken» es ift mir möglich zu, denken. 
Das Können wird in Seyn verwandelt,, wenn 
man die Möglichkeit an einem wirklichen Fall 
be weifen kann (P. iß?)- 



rper, . 

f. Cörper. 



. » 



«. » 



Körpeylelirej 



« i 



Phyfik, Phyfica, : Phyfique. Die Natur« 
lehre der ausgedehnten Natur: Die. Naturleh- 
re ift die Lehre von allen Dingen 9 . in.fo fern fie Ge- 
genstände unferer Sinne find, mithin auch in der Er- 
fahrung, feyn können. Der eine Haupttheil diefer 
befümmten* Natur dinge find die Gegenitände äufse» 
rer£inne, d.i. diejenigen,. Welche wir leben, 
hören, fühlen, riechen und fchmecken können. 
Die£e Gegenitände find alle im. Raum ufcd folglich 
ausgedehnt, und heifgen Körper;: und die fi&chaf- 
fenheit diefer Körper ift der Gegenfiand des Zweigs 
der Na kurlehre, welcher die Körperlehre heifst 
(N. JV* IX.). Die Körperlehre kann nun entweder 
einß reine oder angewandte feyns. jene iß die 
Nrftfcrlehre von den- a priori zu erkennenden, Be- 
schaffenheiten der Korper; diefe handelt von den 
in der 7 Jvatur wirklich vorhandenen Körpern* Di« 
erfterA ift; nur vermitteln der Mathematik möglich, 
weil die Möglichkeit def Körper auf einer An- 
fchauung a priori beruhet, # die .. dem Begriffe corre- 
fpondiret (f. Anfchauün^g), Vernunfterkenntnifs 
durch Anfchauung ilt aber Mathematik (N. 
IX. X.), fi' .• ■ 



Rörpferlehr«. ' ' 663 

» 

• ß; Di* Körpcrlehre kann- such, allein durch 
Anwendung der Mathematik auf diefelbe Natur- 
wiffenfchaft werderi. Denn Wiffenfchaft jft 
eine* fyftematifche Erkenntnifs aus Principien, Dies 
ift aber nur möglich, wenn die , Erkenntnifs a' 
-priori ift, denn diefe allein giebt Principien. Da 
nun die Möglichkeit der Erkenntnifs a priori 
in der Körperlehre auf. Anfchauung beruht, Xa 
kann fie -nur fo viel eigentliche Wiffenfchaft ent- 
halten, als Mathematik in ihr. angewandt werde» 
kann (N. IX.), . Damit aber diefe Anwendung der 
Mathematik, auf die Körperlehre möglich werde, 
fo muffen Principien der C onfir actio n der -Be- 
griffe vorangtefchickt werden , welche zur Möglich- 
keit der Materie • überhaupt gehören. Es mufs 
folglith der Körperlehre eine vollftändige Zerglie- ' 
derung des Begriffs von einer Materie überhaupt 
zum Grunde gelegt werden, welches ein Geschäft 
der Phüofophie ift, die aus blofsen Begriffen er- 
kennt. Die Philofophie bedient fich arber hierzu 
keiner befondern »Erfahrungen, fondern nur deflen, 
was £a im abgeänderten (durch Abftractieu ge- 
dachten), ob zwar an fich empir flehen (aus der Er- 
fahrung hergenommenen) Begriffe einer Materie felbit 
antrifft. Sie* bezieht aber diefep Begriff auf die 
reinen Anfohauungen im Baume und in der Zeit," 
nach den dem Begriffe der Natur wefentlich anhän- 
genden Ge fetzen; und diefs giebt eine wirkliche 
Metaphyfik» dar körperlichen Natur odec 
metaphyfifche Körperlehre. Diefe .Wi0en- 
fchaft ift alfo ein Zweig der gefammten Metaphy- 
fik, Der eine Hauptzweig der Ätetaphyfik iß nehm- 
lieh die rationale Phyfiologie der Natur. Diefe; 
Wiffenfchaft betrachtet die Natur', d. i. den Inbe- 
griff . gegebner Gegenftände* Wenn nun der Ge- 
brauch der Vernunft in einer folchen rationalen 
Naturbetrachtung phyfifch oder immanent ift, 
fo entjieht /eine folohe Naturerkenntnifs a priori, 
die in der Erfahrung {in concreto} kann.ange- v 
wandt werden.. .Diefe immanent? Phyfiologie b?- 



364 Körperlchre. "Kosmologie. 



\ \ 



_ 1 



die Natur als den Inbegriff 1 alle* Gegen- 
fiande der Sinne, mithin fo, wie fie uns gegeben*, 
ift, .aber nur hach Bedingungen ~« ptupri, unter 
denen Üe uns überhaupt gegeben werden, kann, 
Sie eine der beiden.. Arten von Gegenständen der 
Natur., die es nur giebt, find nun die der au- 
fs ern Sinne, Der Inbegriff diefcr Gegen flau de ift 
die körperliche N*tfcr. - Diö »Metaphyfik Aqr 
ködrperlickeir Natur h*i£sjfe F h y Xi k oder K &r j&e r- 
JLebr«, aber wdfl fie ruu: die Pii^icipi^n ihr er ; Er- 
kenn tnifs cl przort.enthafren foli r rationale Phy 
0k {p]Ly\fica rationaliz) «der' Kör p&jrlj&hre der 
reine» Vernunft. Die reine Fbyfik, die mehr 
Mathematik , als Pbil?fophia der . Na tthr ift , ift al- 
11a von diefer, welche , aoachr Phücrfophie als Ma- 
thematik ift, noch unterfchfcdeB , u^dtfcoifst all- 
gemeine Phyfik (phyfiea gotfralis). Denn die 
<Metaphyfik der Natur fordert fich» gä<nz-, 
lieh von der Mathematik der Natur ah, : bat 
aueb bei weitem nicht fc* Ivi&V erweiternde Ein- 
lochten anzubieten, alsdiefS?, ift « ahfcr . doch ieht 
wichtig in Ahfehiing dter<€ritik«ile$» <tü£ die Natur 
.anzuwendenden reinen ¥erfiändeserkenritniITes über- 
haupt. In Ermangelung einer Colcheea Met^phyfik 
der Natur haben felbft Mathematiker die . Natur- 
lehre mit Hypotheken bei äfi igt- Kant -hat en&efo> 
che Meta phyfik der Natur herausgegeben, 
iwpter dem Titel: Metaphyfifcbe Anfangs- 
gründe der Naturwiffenfehäft, Riga, 17&6. 
Je. 875. N. XIL> 

Kosmologie; . 

rationale Kosmologie, transfcen<Lentale 
Welterkenntfnifs* Gosmologia^ Cosutologie. 
Die Wiffenfchaft, deren Gegenft^nd der Lnbe- 
' griff aller Erscheinungen (dieiWelt):ift (C: 
391.). Diefe Wiflenfchaft ift, alsfölche? die etwas 
lehrt, eine Schein wiffenf^h>iit^ als Solche 



' V • 



* X 



. ' - Kosmoldgif . 665 

aber, die .den Inbegriff der Scheinkenntmffe . auf* 
fiellt, welche ans der Vernunft entfptingen , Wenn 
wir die Vorftellung von einqm abfoluten Ganzen 
aller Erscheinungen für einen Verftandesbegriff hal- 
ten, dem ein wirklicher 'Gegenstand in der EH» 
fahrung, die, Welt, correfpondirt, eine ächte 
Wiflenfchäft* * Sie ift dann ein Zweig der Meta» 
phyfik. Der eme . Hauptzweig der Metaphyfik ift 
nelimlich dife. rationale P'hyfiologie der Na- 
tur. Diefe- Wiffenfchaft betrachtet die Natur, 
d. u den Inbegriff ' gegebener Gegenfiände (fie mö- 
gen nun den Sinnen, odtr, wenn man will,* ei- 
ner andern Art : von Anfchauung gegeben feyn). 
Wenn nun der Gebrauch der Vernunft- m einer fol» 
chen rationalen Naturbetrachtung hy perphyiifch 
oder trans fcendejit i|t, fo entlieht eine ver-, 
mein tl ich a Erkenn tnife dtes Inbegriffs aller Er- 
fcheinungen als eines exiftirenden abfoluten Gan- 
zen« Diefe Rationale Naturbetrachttrag geht nehm*» . 
lieh auf diejenige Verknüpfung der Gegen ftände 
der Erfahrung f welche, alle Erfahrung überfteigt, 
nehmlich zu einem abfoluten Ganzen 9 aufserhalb 
deflen Gränzen es weiter keine NaturgegenJtände 
mehr * giebt.. / Diefe t>rajxsfcendente Phyliol oi- 
gie betrachtet aber iiui*adie innere Verknüpfung 
der Gegenitände der Erfahrung zu einem, folttbem 
abfoluten Ganzen , nicht die Abhängigkeit der 
Welt vow ' einem Wefen aufser derfelbeu, und iß 
daher .eine Phyfiologi* der gefammten .Natur,, d. i 
eine ti ansfeen dentale Welterhenijtnift 
(C. 874), £ Ep^yclopä'die, **• '• 

a.> Wolf hat eine Kosmologie geschrieben 
XCosmologia gjneralhs, inethodo feien bified 
"perträetatä , qua ad> folidam^ ivprivüs Dei ab» 
qu€' Naturae cogfiitioneuxvuißeriüturt Edit. novo, 
Frcft* et Lipf. 1737.« 4.)- E* hat aber in diefcr 
Kosmologie viel von dem, was* zur metaphyfi- 
fchen ftärperje'hre gehört, z. B, die Abhandlungen 
Von dem Begriff der Körper. Der Harne einer 



666 Kosmologif eh. * KosmotReologie. Kraft. 

transfcendentalen Kosmologie' rührt ■von 
Wolf her. - 

t 
» ' ■ 

Kosmologifch, . 

cefmologicus , cosmologiqu*. So heifst alles, 
was zur Welt, als folcher, getokt,. f. Welt. 
Ko'smologifcher Beweis für das Dafeyn GA> 
tes, f. Beweis, £ und Gptt, 35, ff. Kosmo- 
logifchf Ideen, Weltbegriffe, find Ver- 
nunf tbegriffe , welche in der , Kosmologie vorkom- 
men , und die Welt als ein abfolutes Ganzes vor« 
Selten, £ Vernunft J>e griff. "' 

r . « 

Kosmotheo.logie, 

,£ Costaotheologie. ' : • 

t ■ - ' K?aft, ( *.. 

vis, fotüe- Ein allgemeiner Name alles 
deffen, was ein. Grutad» iß, ruf dem die 
Hervorbringung einer Beftimmung be- 
ruht. Solche allgemeine Namen bezeichnen aber 
öfters reine Verlta-ndesbeg/iff e^' und ein fbl- 
cher, 'aber abgeleiteter Begriff ! (nicht urfprüng- 
lieber, Kategorie ,< oder Stammbegriff) des reinen 
Verbandes, oder eine Prädicabilie , nehmljich, die 
der Kategorie U r f a c h e , iß auch der Begriff der 
Kraft; Er wird aber hier n^it Abfiräctiöfi von fei- 
iiem Schema erklärt , . und fo bekommen wir nur 
^den logifchen Begriff gefiel ben. Der Begriff der 
Kraft entfpringt nehmlich aus dem reinen yerfian- 
de, wenn wir uns eine Subfianz denken, welche 
a)s Ürfache Wirkungen hervorbringt. Diefe ganze 
Verknüpfung von Begriffen fowohl,; als äuclü die 
Begriffe felblt, ^gefchieht^ durch die. Kategorie, der 



\ 



V. 



* 



Kräfte 667 

Caufalität, und die Begriffe felbß lind Kategorien* 
Es ift alfo kein U r a <f t des reinen Verfiaftdea nö- 
thig (wie zu den Kategorien), um den Begriff der 
Kraft zu denken. Wenn wir ab^r ein* Urjache 
ohne den Zeitbegriff denken, fo ift fie blofs der 
logilche Begriff eines Grundes , und denken wir 
uns Wirkungen ohne den Zekbegriffy • fo denken 
wir uns blofs den logifoben Begriff der Folgen aus 
einem Grunde, und zwar als Beßimmungen oder 
Prädicate irgend eines Subjects (lo gif che Wirkun- 
gen, welche fiets logifeke Accidenzen lind)* 
die ihren Grund in ihrem oder einem andern Sab« 
ject (Subßanz ohne Zeitbegriff, oder logifcheät 
Substanz) haben. Folglich, iß das, was den Grund 
der Beßimmungen enthält, das Subject, und 
realiter ,. nicht . .blofs logifeh , gedacht , die : Sub- 
ßanz. Dia Subßanz enthält « den Grund . der Accir 
denzen(E. 73. *)• 



1 1 



s« Der Begriff der Kraft kann alfo auch 
durch den; Nameh der metaphyfifchen Kategorien 
erklärt werden^ und hiernaoh «iß* Kraft r die Cau- 
falitäit'einfrr'Subßariz. , AlhrWiKkuhgen, dfe, 
fich* herVortktpi y muffen « einen Grund haben , eine 
tJrfache, die *fie hervorbringt!; nun find . diefe 
Wirkungen nachts anders 1 als. Beßimmungen , eines 
Dinges, »die ALenfelben als: Accidenzen inhnriren; 
folglich ift. aar- Grund diefeii Accidenzen . zusetzt 
immer in dein 'zu fuGhen , was nicht.: Accidenjs 

iß, d. h. in der .Subßanz (C. 676).- .. f 

■ ■ 

5. Die) Gaufalität fuhrt auf den, Begriff der 
Handlung..) Handlung bedeutet nehmlich das' 
Verhältnife . des* Subjects tder «Gaufalität zur Wirr 
kung, £. Handlung. 1 Die Handlung aber führt 
auf deA Begriff der Kräf £; denn diefer^ifi der 
Segriff von; dem Verhältfcifs de« Subjects 
der Caufalität Order». der. Subftanz zu dem i 
Ac,cidenB r in fo fern;fie\den Grund* der»- 
felbcn erhält ? (E. 73. *)). Die «Kraft, iß alfo 



* ♦ 



1 \ 



/ 



668 v Kraft. ' 

der in dein Subject der Caufalität , der SuBfianz, 
liegende Grund der Mogliftiheit feines Verhält- 
nifles zur Wirkung oder der Handluaag (G* ^49, 
M. I, 093^ 

4. „ Man mufs daher nickt Tagen : das Ding 
(die' Subfians) ift eine Kraft , fondern die Subßanz 
hat eine Kraft. Denn der Satz: die Subftanz 
ifi eine Kraft, ift ein allen ontolbgifchen Be* 
griffen wider ftreitertder mtid in feinen Folgen der 
JVtetaphyfik fahr nachthfftüger Satz. '•- Denn durch 
ihn geht der Begriff de* Snbftanz im Grunde ganz 
verloren , nebmlich dez - des Subjects > der Inkäreoz, 
ftatt defien ' alsdann der. des Subjects der Depen* 
clenz gefetzt, und fo die Snbftanz mit der Urfa* 
che und • dieTinhärenz mit der Dependem vqrwech- 
fbk wird. So walke es eben, Spin aza haben, 
welcher die allgemeine Abhängigkeit (Etepen- 
denz) aller Dinge in* der Welt von einem Urwe? 
feil,- als ihrer gem^anfcliaftlicheialJr fache, £ür ei- 
nerlei hielt mit einer fo&chen Anharugigljeit (inhär 
renz) aller Dinge in der Welt an emba% iJtve^kn, 
dafs fie nicht von dentfelhen getrennt uoxd für £ch 
exiftiren können. Er machte Nalfo * jejuo allgemein 
wirkende Kraft felbft zur Subfta<nz Und verwandet 
te die Dependenz in *; Inirärenz. < *. r Eine Sobftanz 
hat wohl ein VerhäHnifs au ihrea& Aeddenzen als 
Subject , "allein es ifr doch eigentlich) kein folches 
Verhältnis wie etwa <das der Urfeche ;zu ihrer 
Wirkung, f. Accidetjz, 7. Am wenigften aj>er 
fiAd beide VerhältniiTe einerlei. • Die Kraft ift 
nehmlich nicht das, was den- Grund der Wirk- 
lichkeit der Accidenzen enthält; denn das ifi 
die ^ubftanz, und die Wirklichkeit der Acciden- 
zen in ihrer Subftan«; heifst die In hären z. Die 
Kraft , ift: das Verhält nifs der Subitaüz zu. ^eeiden- 
xen, dafs lie den Grund der Möglichkeit der- 
felben enthält; ' und die. W»klichkeifc der Acci* 
denzen, nicht in der Subftanz, fonde^n durch die 
Subftanz^ verroittelft. ihrer Kraft,. '.keifst die De^ 



* ' 



I 
Kraft * ' : '6$$ 

pendenz.. Eigentlich ift alfo die trcharenz kein 
Verhältnifs, fondern 1Äur das;, was ein Verhältnifi 
der -fiubftaaz zu AccideQzeh möglich macht (N, 73.*». 

5^ Verknüpft man mit dem Verhältnifs * dee 
Subjects zu einem Präcjicat , in fo fern das Sufrject 
den Grund der Wirklichkeit diefes Frädicats ' ent* 
hält» -die V orfteil im g der Zeit, fo dafs der Grund 
im Subject eher ift, als die Beftimrtiung, die fei*- 
ne Folge ift, fo erhält man den Begriff der Kraft 
fo, wie er mr Erkenn tnifs der Naturgegenftände. 
tauglich ift, . Hiernach kann man die Ktaft auch 
durch phyfilche.Ur fache erklären*. Phyfifch 
ift nehmlick das, was zur körperlichen Natur, 
oder zu deia Gegenftänden der äufsern Sinne ge* 
hört. Wir nennen alfo eine fplche Urfache, welche 
Accidenzen (reale Bejiim«nungen) in der Körper weit 
hervorbringt, eine phyfifche Urfache. So liegt 
in deai Feuer (einer Subftanz) die phyfifche Ürla- 
che- durch- welche das Holz in Kohlen verwan- 
delt wirdt, und wir fagen d#rum, das Feuqr hat 
die Kraft, das Holz zu verbrennen, oder in Koh±> 
len, Rauch und Afche zu verwandeln. »Die Scan- 
ne h a t die • Kraft, zu erwärmen, heifst, in ihr 
(als einer Sübitanz)* liegt eine phyfifche Urfache, 
Wärme hervorzubringen, d. i. Wärmeftoff für das 
Gefühl frei zu. machen oder zn entbinden» So fan- 
gen, wir, dafs unfere Hand Kraft anwende,, um 
Cörper zu bewegen; wir fchreiben dem auf einen 
andern ftofsenden Cörper eine Kraft zu, und nen- 
nen die pihyfifche Urfache der Schwere , ojjer. das, 
was die Cörper fallen macht > die phyfifche Urfa* 
*chc der Cohäfion, oder das, was der Trenfturtg 
der Theile widerfteht, u. f. w. eine Kr«aft, die 
sieht eine Subftanz ift, fondern lieh in irgend et- 
ner Subftanz, als ein Accidenz derfelben, befind 
den mu£s (N. 14.). 

6. De Wir uns durch die reinen Verftandes- 
begriffe, keine Erkenntnifs von Gegenftänden ver- 



V 



6j6 Kraft ' ' " " 

.fchaffen feoiineni wofern wir ihnen* nicht 
eine finnliche Anfchauung zum Grunde 
legen: fo hilft 'es auch nicht zur Erkelintnifs 
des Grundes einer Wirkung, dafs wir uns bl<*fs 
eine Kraft denken, welche diefe Wirkung her- 
vorgebracht hat ; denn damit denken wir litis wei> 
ter nichts, als dafs- die Wirkung einenmGrtmd 
habe , aber wir wiffen darum noch nicht^ wel- 
ches diefer GruncJ fei. Wir muffen alfo feine finn- 
liche Anfchauung haben , wenn wir nicht den blo- 
fsen leeren Begriff der Kraft denken, fondern 
durch dielen Begriff etwas erkennen Rollen. 
Wir erkennen alfo, dafs ein Ding eine Kraft hat, 
;wenn wir etwas ran ihm anfehauen, da$ wir als 
den «Grujid .entweder feiner eigenen , öder anderer 
Dinge, Zußände, d.i. der Veränderungen, die mit 
ihm oder mit andern Dingen vorgehen ; denken 
können (E> 73.). 

- .' 
Folgende Begriffe' von den befondern Beftim- 
mungen der Kräfte will ich hier in alphabetifcher 
Ordnung beifügen. - 

7. Anziehende .Kraft r - Anziehungs- 
kraft, f. Anziehungskraft und Attraction. 

8. Ausdehnende Kraft, Ausdehnungs« 
kraft, f. Elatticität, » 

9. Bewegende K*afty vis motrix, fvree 
motrice. So nennt man die Ur fache einer 
Bewegung (N. 33.), Ein Cörper hat eine be- 
wegende ftraft, heifst allb, er enthält die Ur-« 
fache der Bewegungen, die er, wie man lieht, 
hervorbringt. Wenn ein Cörper druckt, fo wirkt 
ebenfalls feine bewegende Kraft, die gewirkte 
Bewegung kann aber unendlich klein feyn , fo dafs 
itian fie nicht wahrnehmen kann, z. B. w^nn der 
drückende« Cörper auf einen! Tifch© fteht. Die be- 
wege^* Kraft ift entweder ein« dynainifche. 




* ^ 

Kraft 671 

4, it eine folche, die der Materie wefentlich ifi» 
Und wodurch fie den Baum, den fie einnimmt* - 
erfüllt; oder eiste mechanifche, <{. i. eipe fol- 
che, die der Materie "zufällig zukömmt , und die 
fie dadurch hat, dafs fie felhfi in Bewegung iXL 

ynamifche bewegende Kraft. . Dafs m . 
die B^texie der Cörper den Raum , nicht durch ihr 
MofseS Dafeyn, fondern dar oh eine besondere be^ 
wegende .Kraft, erfüllt, findet man erläutert und 
bewiefen im Art. Bewegung, VII. 

u 

b. K. behauptete zwar ehemals (S. I, 19.), da ff, 
wenn man dem Cörper eine wefentliche bewegen- 
de Kraft beilege, damit man eine Antwort auf 
die Frage von der Urfache der Bewegung fertig ha« 
be, fo übe man gewiflermafsen den Kunftgriff aus, 
4effen fich die Scbolaftiker bedienten , wenn fie im 
der Unterf uchung der Gründe der Wärme , oder 
der Kälte, zu einer erwärmenden Kraft (vis 
calorißca) oder, erkältenden Kraft . (vi$ frigifa- 
ciens} ihre Zuflucht nahmen. Allein er legt 
auch jetzt der Materie nicht blofs eine bewegende 
Kraft bei, durch welche fie den fiaujn erfülle, 
fondern er zeigt die Realität feines Begriffs von 
der bewegenden Kraft der. Materie in der An* 
fchauung an dem Widerftande, welchen die Mate- 
rie dem v Cörper .entgegenletzt, welcher vermittelet 
der Bewegung in den Raum eindringen will, dem 
fie erfülle , V% v die Materie dftrch ihren Wider- 
fiand die Bewegung des eindringenden Cö/pers 
vernichtet, fo mufs fie eine der Bewegung entge- 
genwirkende, d. i. eine nach der entgegengefetz- 
ten Richtung wirkende Kraf t t haben , £ Bewe- 
gung, vii.- 

c. K. behauptete (S. I, ab.), man Tollte di<* 
Kraft eines Cferpers viel eher eine t hat ige (vis 
activay, ^als eine bewegende Kraft nennen». £f 

meinte ftehipliph, man rede nicht gichtig, weni> 



I 

«7* Kraft. ' 

man die "Bewegung ztr einer Art - Wirkungen 
mache, und ihr deswegen, eine gleichnamige Kraft 
v beilege; wenn man alfo fege, die. Bewegung} das 
Eindringen in einen Raum oder aiich 'die Beitre- 
ibung in den Baum einzudringen .(*&. B. einer Ku- 
gel, die den Tifch, worauf iie liegt, durch ihre 
Schwere drückt), wirke als eine Kr/tfft, welche 
daher eine bewegende Kraft heifse. Diej^efre- 
* gung fei Aur das äufsere Phänomen (die Erlchei- 
nuiig) des -Zuftandes «-des Cörpers, da er zwar 
picht wirke, aber doch bemühet fei ^zu wirken, 
erlt wenn er feine Bewegung durch einen Gegen- 
JSarnd plötzlich verliere-, d. i. in devn Augenblick, 
darin er zur Ruhe gebracht v^erde-, x wirke er. 
Sein Beweis ifi aber nicht richtig. Denn er grün- 
' tlet lieh auf die Leibnitzifche Voritellüng, dafs 
Si& wahre Erkennlnifs in der Erkenntnis der 
Dinge an fach belifehe, und nicht in der Er- 
kenn tnifs ihres Zuftandes in der Erfcheinung, oder 
der Phänomene ihres Zultandes. Die Bewegung 
ift zwar «in äufseres Phänomen des Zhiftändes des 
Cörpers f allein der ganze Zuftand des Cörper* 
toid der Cörper felbß lind Phänomene, alle Wir- 
kungen lind Phänomene, und fo ift* es kein Grund, 
die Bewegung darum nicht für eine Wirkung zu 
iialten , weil fie ein Phänomen ift. , Es ift daher 
Buch falfch, dafs man *>och viel Weniger von den 
Cörpem, die im Ruheftande wirken, fagen folle, 
dafs fie eine Beftr-cbung haben zu wirken. Wenn 
ein Cörper in Bewegung ift, fo wirkt er allerdings 
nioht elier, bis er Widerftand findet. Allem fo 
bald er Widerftand findet, wirkt er fo Jauge, bis 
die ganze Kraft, mit der er wirkt, überwunden 
ift , erlt in difefem Augenblick hört die Bewegung 
auf. Wenn ein Cörper in Ruhe ift, fo wirkt er 
mit der ganzen Kraft feiner Schwere auf den Cör- 
per, der ihn Unterftützt, weil allerdings df* un- 
terstützende Cörper • diefer ganzen Kraft: ''widerfie- 
het und fie überwindet;* weitti aber nur ein klei* 
nes MQ£*ent<les -Wider fta« de* fehlte* ' f* wurd« 



1 • / N 

i 
I 



Kraft. 673 

der druckende Cörper mit diefem Moment in den 
Baum, des widerstehenden Cörpers eindringen , und 
mit diefer Kraft bewegt er (ich alsdann .Im An* 
fangsau^en blick diefer Bewegung kann fie alfo wohl 
die ßelt rebung einzudringen heifsen. t)iefe Bc- 
firebung gefchieht aber mit der ganzen Kraft, mit . 
welcher der Cörper drückt, weil, fobald der Wi- 
derJtand aufhört , er auch mit diefer ganzen ' Kraft 
in den Raum eindringt. Ich mufs alfo dem unter- 
fiätzenden Cörper noth wendig eine Kraft beilegen, 
weil er die ganze Kraft des druckenden Cörpers 
überwindet, und ihn abhält in den Raum Einzu- 
dringen. Wir fehen alfo hieraus, dafs alle Mate- 
rie eine Kraft hat , das Eindringen in den Raum 
ztt verhindern, und wir fchauen diefe Kraft in 
der Erfüllung - des Raums durch die Materie an r 
indem diefe lieh nicht ohne einen bedeutenden . 
Widerftand auf einen kleinern Raum einfehränken 
läfst. Zu einem auf Anfchauung der Raumeserfül- f 
lung durch Materie gegründeten Begriff derfelben 
iß es alfo durchaus noth wendig, dafs die Materie 
eine Kraft habe , durch welche fie dem' Eindringen 
*& den Raum, den fie erfüllt, widerftehe, und 
durch welche fie alfo den Raum erfülle. An diefer 
Kraft haben wir alfo. ein erftes Datum, oder das 
erfie Element, wodurch es möglich wird, uns 
den Begriff der Materie in 'der Anfchauung darzu- 
stellen. Diefes Datum läfst fich freilich nicht wei- 
ter erklären, denn diefe Kraft liegt in jedem Ele- 
ment der Materie,, aber der ßefchaffenheit unfers 
Verßandes nach fragen wir , warf ift nun die Sub- 
fianz, deren Accidenz diefe Kraft ift, der diefe 
Kraft inhärirt? Da wir aber alle Subftanzen nur 
in ihren Accidenzen kennen, fo find wir hier an 
der Grenze uhfers Erkenn ens. Wenn wir aber auch 
dfefe. Kraft nicht weiter erklären können , fo ift 
ße darum dodh " nicht . ein Hirngefpinft , wie die 
erdichteten Kräfte? der Scholaftiker, fondern zeigt 
ihre Wirklichkeit genugfam in dem Widerftand* ~ 

(N. 340. ' ' 

Meümt phil. Wort«*. 3. B<£ * Uu 



674 



Kraft. 



s d. Es* laßen ,fich aber $ur zwei Uewegendc 
1 Kräfte der Materie denken, nehmlich 

a. diejenige, : von der wir f6 eben geredet* ha- 
ben. Man kann fie die Zurüxkftofsungskrafj: 
der Materie nennen, durch fie kann die Materie 
.Urfache feyn, andere Materien von lieh zu ent- 
fernen; fl 

ß. läfst fiqh auch einö Anziehungskraft 
der Materie denken, f. v Anziehtingskraft und 
v Bewegung, VII. (N. 3 5.). % ^ 

* t 

/ * 

e. K. beweiset (N. 36.), dafs die Materie ihre 
Räuftie durch eii^e ijir eigene Ausdehivungskraft er- 
füllt* . Wir haben nehmlich gefehen , d^fs eine 

\ Materie' ihren* Rarum nur durch bewegende Kraft 
erfüllt, und zwar durch eine folche, die dem 
k Eindringen anderer Materien, d, i. der Annähe- 
rung widerftehet. Kun ift diefe bewegende Kraft 

.eine zurückftofsende „Kraft j alfo erfüllet die Ma- 
terie ihren. Raum nur durch zurijckfi;ofsende Kräfte 
aller ihrer Theile. Die Kraft aber eifces Ausge- 
dehnten vermöge dej: Zurückftofsüng aller feiner 
'.Theile iß eine Ausdehnungskraft; allö erfüllet die 
Materie ihren Raum nur durch eftie ihr eigene 
Ausdehnungskraft. Üeber jede gegebene bewegende 
Kraft mufs aber eine gröfsere gedacht werden kön- 
nen, denn eine abfolut gröfstej ift unmöglich, 

* weil diefe in einer endlichen Zeit (weil fie unend^ 
Höh grofs ift) einen unendlichen Raum (in ihren 
Wirkungen) zurücklegen würde* Es iriufs aber 
queh unter jeder gegebenen bewegenden Kraft eine 
kleinere gedacht werden können,, denn die abfo- 
lut kleinfte würde die feyn, durch deren, unend- 
liche Hinzuthuung (Addition) zu fich felbÄ eine 
jede gegebene /(endliche) Zeit hindurch (weil fie 
urtendlich klein ift) keine endliche Geschwindigkeit 
erzeugt' werden konnte, welches ab<er den Man- 
gel aller bewegenden Kraft bedeutet. Alfo mufs 



/ 



KTaft, . ^ 675 

unter einem jeden gegebenen Grad einer bewegen- 
den Kraft immer noch ein kleinerer gegeben wer- > 
den können. "Mithin hat^ die Ausdehn ungskraft t 
* mit der jede Materie ihren Raum erfüllt, ihren, 
Grad, der niemals der abfolut gröfste oder klein- 
fie ift, fondern^ über den ins Unendliche fowohl 
gröfsere als kleinere können gefunden werden. 

f. . Das, was eine ausdehnende Kraft fo ein- 
fchräpkt, dafs die Materie, in deren Theilen fie 
witkfam' ift , fich nicht fo weit ausdehnen kann, 
als fie fich ausdehnen würde, wenn gar kein Hin- 
dernifs da wäre, das ihr entgegen wirkte, ift eine 
zufammendr ückende Kraft. Da nun über jede 
ausdehnende Kraft eine gröfsere bewegende Kraft 
gefunden werden , und diefe der eritern auch entge- 
gen wirken kann/ wodurch fie alsdenn den RxUjm 
derfelben verengen würde: fo mufs auclh für jqde 
Materie eine zufaminendrückende Kraft gefunden 
werden können, *die lie in einen engeren Raum .' 
zu treiben vermag. Keine Materie erfüllt alfo 
ihren Kaum durch eine abfolute Kraft (N. 38.). 

g. Der blpfs mathematifche Begriff der 
Undurchdringlichkeit, d. i. dafs die Materie fejbft 
gar keiner Zufammendrückung fähig fei (den Raum 
durch eine ablolute Kraft erfülle), fetzt keine be- 
wegende Kraft als urlprünglich der Materie eigen 
Vorauf, föndern nimmt an, dafs die Materie leere 
Räume in (ich enthält , mithin als Materie allem 
Eindringen fchlechterdings und mit abfoluter Not- 
wendigkeit widerftehe. - Der dynamifche Begriff 
der TJndurchdringlichkeit ' hingegen , d. i. derjeni- 
ge, den K. annimmt, dafs die Materie allerdings 
einer Zufammendrückung fähig fei, aber ihr Wi- 
deritand mit den Graden der Zufammendrückung 
Proportion ir lieh wachfe (und fie alfo -den Raum * 
durch eine relative Kr*aft erfülle), feut eine- bewe- 
gende Kraft der Materie als ihren phyfifchen Grund 
voraus, und bedajf zur Erklärung der fpeeififchen 

. Uu 2 



676 , Kraft. , 

Verfchiederiheit der Raumeserfüllung durch Mate- 
■ rie keiner leeren Bäume. Da aber diefe bewegen- 
de Kraft einen Grad hat, welcher überwältigt, 
mithin der Raum' der Ausdehnung verringert, d.i. 

• in denfelben bis auf ein gewifles Maafs von einer 
gegebnen zufammendrück enden Kraft eingedrun- 
gen werden kann: fo mufs die Erfüllung 
des^lTauins nm als relative 'Undurch- 
dringlichheit angefehen werden (N. 41.). 

. h. Dafs die Möglichkeit der Materie eine 
zweite he wegende Kraft, nehmlich eine Anzie- 
hungskraft, als die zweite wesentliche Grundkraft, 
erfordert, findet man, nebft dem Beweife, diefer 
Behauptung, im Art. Anziehungskraft. 2.0. 

i. Nach Kant ift weder durch blofse Anzie- 
hungskraft, noch durch blofse Zurückfiofsunfi 
Materie, möglich. Von der letztern iß es im Art. 
Anziehungskraft bewiefen worden; von der 
erllern foll_.es hier bewiefen werden. Anziehungs- 
kraft ift diejenige beWgende - Kraft der Materie, 
wodurch fie eine aridere Materie treibt, fich ihr 
xu nähern. Wenn folglich alle Theile der Mate- 
rie einander anziehen, -fo find diefe Theile ver- 
mitteln diefer Anziehungskraft beßrebt, ihre Ent- 
fernung von einander zu verringern. Nun kann 
nichts die. Wirkung einer bewegenden Kraft hin- 
dern, als eine andere ihr entgegengefetzte bewe- 
gende Kraf' — ■ - « — «■ -"-— 
w*lche der 

* gengefetzt 

' Materie. A 
ohne Hinde 
Zurückßofsi 
entgegen , 1 
keh.' Die * 
lange., einnn 
mehr zwifc 
würden in 



Kraft. * 677 

fließen. Denn es könnte Keine Entfernung der 
Theile geben, in welcher nicht noch eine gröfsere 
Annäherung durch' Anziehung möglich feyn folltp, 
weil keine zurückftofsende Kraft es hindert. Folg- 
lich würde der Baum leer, mithin ohne alle Ma- 
terie feyn. Demnach iß eine folche Materie, de- 
.reu Theile blofs anziehende und nicht auch zu- 
riickfiofsende Kräfte hätten, unmöglich (N.^7.)' 

1s. So'ift alfo jede der beiden bewegenden 
Kräfte, deren überall mir zwei im Baum gedacht 
werden können,' die Zurückftofsung und Anzie- 
hung, allein erwogen worden, um beider Verei- 
nigung fm Begriffe einer Materie überhaupt a priori 
zu beweifen. Dies war nöthig, um zu fehen, 
■was jede, allein genommen, zur Darftellung ei- . 
11er Materie leiiten könnte. Es. zeigt lieh nun, 
dafs, fowohl wenn man keine von beiden zum 
Grunde legt, wie bei der Hypothefe von der. mt-. 
thematischen Erfüllung des Baums, als auch 
wenn man' blofs eine von ihnen annimmt, der 
Raum allemal leer bleibe und keine Materie in 
demfelben angetroffen werde (N. 58. f.). 

1. Durch diefe richtige Vorfiellung von der 

Materie, dafs alles, was nicht, blofs Beftimmurig 
des Baums (Ort, ( Ausdehnung und Figur) ift, als 
bewegende Kraft angefehen werden muffe, wird 
das fugenannte Solide oder die abfolute Undurch- 
dringlichkeit, als ein leerer Begriffe aus der Na- 
turwiffenfehaft erwiefen. Dagegen wird aber hier- 



*'67& N Kraft. . ' '- 

% 

m. Der , Begriff der Materie wird' alfo auf »lau- 
ter 'bewegende Kräfte zurückgeführt» Sie find 
Grundkräfte , dergleichen aber nur angenommen 
werden können , wenn iie zu einem Begriffe , xop 
dem es erweislich ifi t däfs er fein Grundbegriff 
fei , /1er von keinem ^ndern weiter abgeleitet wer- 
den: kann; wie der der Erfüllung des Raums, 
; unvermeidlich gehören , und diefes 9nd Zürüfck- 
ßofsungskräfte ,und die ihqen entgegenwirkenden 
Anziehungskräfte überhaupt. Von der Verknüpfung 
und, den Folgen diefer Grundkräfte können wir 
allenfalls noch wohl a priori urtheilen, und .die 
Verhältnifle {lenken, welche fie untereinander ha- 
N ben, ohne fich felbfi zu -vyiderfprechen ; aber man 
darf lieh darum doch nicht anmaafsen, eins diefer 
Verhältnifle als wirklich anzunehmen, weil die 
M ö glich k ei t des Verhältnifles folcher Grund- 
kräfte nicht völlig gewifs feyn kann. Die raa- 
thematifch - mechamfehe Erklärungsart hat hierin 
über die metaphyfifch dynamifche einen Vortheil, 
der ihr nicht abgewonnen werden kann, nehm- 
lieh aus einem d^rchgehends gleichartigen Stoffe 
eine giofse fpeeififche Mannigfaltigkeit^der Mate- 
, rien zu Stande zu bringen. Denn die Möglich- 

. keif der Gefialten fowohl als der leeren Zwischen- 
räume zwifchen den Theilchen der Materie läfbt 
ficht mit mathematifcher Evidenz darthun; dagegen 
wenn der Stoff felbft in Grundkräfte verwandelt 
-wird (deren Gefetze a priori zu beftimmen, noch 
wenigem aber eine Mannigfaltigkeit derfelben, 
welche zur Erklärung der fpeeififchen Verfchieden- 
heit der Matrrie afureichte, zuverlaffig anzugeben, 
wir nicht im Stande find), uns alle Mittel abgehen, 
diefen Begriff der Materie zu conftruiren (in der 
Anlchauung als möglich darzußellen). Aber je- 

. nen Vortheil büfsdt dagegen eine blofs mathe- 
matifche Phyfik auf der andern Seite doppelt ehn 
Denn fie legt erftKch einen leeren Begriff 

. (den der obfplüten Undurchdringlichkeit, von dem 
die Möglichkeit nicht nachgewiefen werden kann) 



* 



\ 
/ 



Kr^ft. i 679 

• » 

znm Grunde; zweitens mufs iie alle der Matfrie 
eigenf Kräfte aufgeben (N. 83- ff-)* 

E. *n.' Mechanifche bewegende Kraft. 
Dafs die Materie noch aufßer den bewegenden 
Kräften , die ihr wesentlich zukommen , auch als 
etwas Bewegliches bewegende Kraft habe, findet 
man im Art. Bewegung, VIII. 

o. Die bewegende Kraft, welche wir die/ 
dynamifche nennen, wirkt blofs die. Erfüllung 
eines gewiflen Raums, und die Materie ^arf bei 
derfelben nicht felbft als bewegt angdehen wer- 
den (N. 106.)* Die mechanifche bewegende 
Kraft" hingegen ift die Kraft einer in Bewegung 
gefetzten Materie/ Dafs aber diefe mechanifch 
bewegende Kraft' die dynamifch bewegenden 
Kräfte vorausfettfe f findet man auch im Art. Be- 
wegung, VIII. • * X 

p. Die Materie hat keinen Grad 'der bewe- 
genden Kraft mit gegebener Gefoh windigkeit , der 
von der Menge' der Materie als eines Beweglichen 
unabhängig' wäre. Das heifst, die Menge der 
Materie beftimmt, bei gleicher Bewegung, allein 
den Unterfchied des Grades der bewegenden Kräfte 
(N. 112. f.). 

• * • 

q. Man kann daher die Menge der Materie 
als der Subfianz im Beweglichen auch durch die 
bewegende Kraft beftimmen, jfo dafs, wenn die 
Geschwindigkeit bekannt ift, dadurch auch die 
Menge der Subfianz bekannt ift. Dies beruht 
darauf, dafs der Begriff der Subfianz der Begriff 
von dem,letzten Subject^das weiter kein Prä*, 
dicat von einem andern ift) im Räume ift, f. Sub* 
ftana.' In-diefer Qualität kanrj es nun keine Ac- 
cidenzen haben, fonft wäre es nicht die Subfianz, 
folglich kann es keine andere Gröfse haben $ als 
die Menge des Gleichartigen außerhalb einander. 



-V 



6Qo v Kraft, 

Da, nun die eigene' Bewe gujtsg, der Materie ein 
Frädicat ift, welches ihr Subject (da* Bewegliche) 
Deltimmt, und an einer Materie (als einen Menge 
* des Beweglichen) die Vielheit der bewegten Sub- 
jekte (hei gleicher Gefchwindigkeit auf gleiche Att)f 
anhiebt, fo kann die Quantität der Subitanz an 
einer Materie nur durch die Grofse der eigenen 
Bewegung derfelben gefchäf;zt werden. (N. i 14. £)• 

r. Die Mitteilung der Bewegung gefchieht 
nun ' vfermittelft folcher bewegenden fträfte, die 
einer Materie "auch in Ruhe beiwohnen (die dy- 
n a m i f c h - bewegenden Kräfte , Undurchdringlich- 
keit und Anziehung). Die Gelchwindigkeit, welche 
ein bewegter Cörper durch die Öollicifätion oder 
das Beitreten lieh zu -bewegen in einem andern 
Cprper hervorbringt, fofern fie in gleichem Vef 
Ijältyiifs mit der Zeit wachfen. kann, heifst das 
Moment der Acceleration; Sollicitation 
ift nehmlich die Wirkung einer bewegenden 
Kraft in einem Augenblick, * L y Befchleuni- 
güng. Die Sollicitation durch dije Ausdehnungs- 
kraft (z. B. einer zusammengedrückten Luft, die 
ein Gejvicht trägt) ift eine Flächenkraft ■(£ 
Flächenkraft), folglich ,die Bewegung eines 
unendlich kleinen Quantums von Materie, 
omd gefchieht daher jederzeit mit einer endlichen 
Qefchwindigkeit , die Gefch windigkeit aber, die 
dadurch einem andern Cörper , d* i. einer end- 
lichen Menge Materie eingedrückt (oder. entzo- 
gen) wird, kann nur unendlich klein fcy n 
(yeil die Producte der Mafle in die .Gefcji windig- 
keit einander gleich feyn uxüflen). Dagegen ilt* die 
Anziehung eine durchdringende Kraft, und 
Als mit einer folchen .übt eine endliche Menge Ma- 
terie auf eine gleichfalls endliche Menge einer an- 
dejn bewegende Kraft aus. Die v Sollicitation 
durch eine fplche Anziehungskraft (z* B. der Erde, 
die den Mond anzieht) gefchieht daher jederzeit 
"mit einer unendlich kleinen Gelchwindigkeit j denn 



Kraft. 



68x 



fie ift der dem cörpör eingedrückten (oder entzo- 
genen) Gefdtwindigkeit (welche jederzeit unend- 
lich klein feyü mufs , weil das Moment der Acce- 
leration 9 das Product au# der Gefch windigkeit in 
die Made, unendlich klein feyn mufs) gleich 
(N. a34* f.). 

• *■ 

10. Durchdringende Kraft, f. Durch« 
dringende Kra^t und Anziehungskraft, io v 

* - . • 
n.\ Expanfive Kraft, f. Elafticität* 

i<i. Federkraft, f« Elafticität. 

* i 

% 

13. Flächenkraft. . K. nennt fo eine folche 
bewegende Kraft, durch -welche Materien 
nuj in der gemein fchaftlich en Fläche, 
der Berührung unmittelbar auf einander 
wirken können. Eine fol che Kraft ift z.'B: die 
Zurückßofsungskraft , vermittelft deren die Mate- 
rien einen Raum erfüllen. Denn die Theile der 
Materie, die Geh einander berühren, begrenzen 
einer den Wirkung dra um * der andern, und die 
Zurückitofsungskraft kann keinen entferntem Tlieil 
bewegen, ohne vermitteln der dazwifchen liegen- 
den Theile* Eine quer durch alle Theile der Ma- 
terie gehende unmittelbare Wirkung einer Materie 
auf die erftere durch Ausdfehnungs- oder Zurückfto- 
fsungskräfte ift unmöglich (N. 67.), f. 9. 



14. Lebendige Kraft, vis viva f force 
vive. Leibnitz hat die. Kräfte zuerli in todte 
und lebendige eingetheilt, um dadurch die /»n- 

er 
die 



uiiu leueiiaige cii ig eurem, uui uiiumtii uic /mi 

Wendung des von ihm gegebenen Maafses de 
Kräfte *) genauer zu beftimmen. Er nennt tli 



. \ 



*)Leibni,iz behauptete nehmlich, die Kräfte *w«er MafTen 
M und m , die mit den Gefcbwindigk eilen C und c'fortgingeu , Tt-?- 
bielten fich wie MC'-.mc 2 ^ und das Maafs der lebendigen Kräfte fei 
alfo das Froduct der Maße in das Quadrat der Gefch\*/ihdißlieit. 



^ ♦- 



/ 



*" <■ 



68* ' • Kraft. 

lebendige Kraft, eine folchfc, die mit 
wirklicher Be\vegujig verbunden ift (vim 
cum motu actuäli * conjunctani) , todte Kraft hin- 
gegen diejenige ; welche nur Itrebe, Bewe- 
gung hervor Zubringern, ob ^ie gleicli in 
der That keine erzeuge (fotiicitatio ad mo^ 
tum).* Es ift hierbei noch die Frage, ob die Worte: 
mit* wirklicher Bewegung verbundeA 
feyn, heiCsen follen, die Kraft fei nur dann le- 
bendig, wenn fie wirklieh Bewegung hervorbrin- 
ge, oder felbß dann, wenn Xie auch nicht .wirke, 
fondern nur Bewegung hervorbringen könnet wie 
z. B. eine belegte Kugel, welche auf ihrem We- 
ge nichts antreffe, was fie in Bewegung fetzen 
könne. Johann Bemoulli erklärte lieh für 
-das letztere. — K. verwirft den Unterfchied zwi- 
fchen lebendigen und todten Kräften gänz- 
lich, wenn die bewegenden Kräfte mechandfeh, 
d. i. t fol che .find, welche die Cörper dadurch ha- 
ben, dafs fie felbß von andern Cörpern in diele 
Bewegung gefetzt worden find , es ' mag n un die 
Gefch windigkeit ihrer Bewegung, endlich (d.h. 
iie wirklich in'Bewegung feyn)* oder "unendlich 
klein feyn (ck h. blofse Beftrebung zur Bewegung, 
ßollicitation , und fie wirklich nicht in Bewegung 
feyn). - % '_''<''' 

b. K. hat fchon im Jahr 1746 das Leibnitzi- 
fche Maafs der Kräfte, als unliatthaft nach ,ma- 
themati f c her Betrachtung , verworfen ; allein 
er fuchte damals, eine Schätzung der lebendigen 
Kräfte nach m e t a p hy f i f c h e r Betrachtung , als 
das .wahre Kräftenmaafs der Natur einzuführen. 
Seme Befultat;e, .welche er in diefer fehr fcharf- 
linnigen Unterfuchung, die er in feinem zwanzig- 
fien Jahre bekannt machte, herausbrachte, grün- 
den lieh aber zum Theil auf falfche Vorausfetyun- 
gen, nehmlich auf die dogmatifche : Vorftellupg, 
dafs der Verftand uns die Gegenfiände der Sinne 



> - 



1* 



Kraft. . ' Ö83 

Topftclle, wie -fie *q fich felbft, unabhängig von 
imferm Erkenntnifsvermogeja. , befchaffen find, die 
Sinj\e ^aber vermittelfi der finnlichen Vorstellung 
des Raums (welcher nichts' anders als das Coexi- 
ftiren der Dinge fei) Verwirrung in unfere Etr- 
kenntnifs bringen. Käfiner erwähnt (Höh. Mech* 
III. Abfchn. §. «03. S. 5C6. ff.) diefe 'Schrift nicht, 
wahrfcheinlich , weil die Sache in derfelben 
aiis metaphyfifchen Gründen unterfucht woV 
den ift. Allein- das zweite Hauptfiück derfelben 
bleibt immer noch wichtig , in welchem das Leib- 
nitzifche Kräftenmaafs aus. ganz richtigen mathe- 
matifchen Gründen verworfen wird. Gehler 
führt diefe Kantifche Schrift eben fo weni£ an 
(f. Wörterbuch, Art. Kraft, lebendige). Sie 
heifst: .Gedanken von'der wahren Schä- 
tzung der lebendigen Kräfte und Beur- 
theilung der Beweife, der en fich der Herr 
von Leibnitz und andere, Mechaniker in 
diefer Strei'tfache bedienet haben, nebfi 
einigen vorhergehenden Betrachtungen, 
welche die Kraft der Cörper überhaupt* 
betreffen, Königsberg. 240* S. §• (S. I, 1. ff.), 

c. In der Vorrede zeigt K. den damaligen • 
Zufiand der Streitfache von den lebendigen 
Kräften* Auf der Leibnitzifchen Seite 1 tan den 
die grofsen Namen Daniel Bernoulli (Examen 
frincipiorujn Mechanicae in Comment. - Petröp. T. h 
p. 130. fqq.),' Johann Bernoulli (Difcours 
furlemouyement, in Opp. T. III nuhu 135. in gl. 
De vera nötiotie viriuni xivaruin ui Act. Erud. Lipf. 
175 5- Menf Maj. p. 210. und Opp. T« HL num. 
145)> Leibnitz (JBrevis devionfiratio qrroris vier 
tnorabilis Cartefii ebjiliorum etc. in Act. Erud. Lipf. 
1636. Mens* Mart. p. i6i\ fqq> und Specimen dy- 
namicum pro admirandis Naturae legibus circa 
corporum vfyes etc. in Act. Erud. Lipf. 1695. Mens. 
4pr. p. 145. fq.) f und Herrmann (Phoronomia, 



684 - Kr^ft. 

jtmft. 1 716, 4). t)agegen ift die bartefianifehe *) 
Ausmeflung, welche diejenige ift, die K. jetzt für 
die einzig richtige erklärt (obwohl er in diefer 
Schrift damals die Lettmitzifche , von einer meu- 
phylifok^n Seite betrachtet, unter ^ewißen Einschrän- 
kungen, auch für richtig erklärte) von Mairan 
{piff' für l* eftimation eh la viefure, des forcesino- 
trice$^ des corps , Paris , 1741), Jurin (Prlncipia 
dyndmica , Philo/. Trdnfact. n. 476. und 479O1 
Defaguliers (Courfe of expi.phil. Lpnd. 1745. 4- 
Vol. J.) , Maclau rin (Acc. of Svr y if. Neiotoris 

' phil. Difc. J3. II, Ch. a.), Heinfius (Dijf. de vir. 
mott. praef Haufen Lipf. 1733. 4.) und andern 
vertheidigt worden. Die Leibnitziancr hatten aber 
äen Anfch,ein da: Erfahrung auf ihrer Seite, jund 
diefen Dienft hatten ihnen s'Gravefande (Plvy- 
ßces Elem* math. L. I. C. &2. S. föo.) nnä Muf- 
fchenbroek (Introd. ad philo f. nabur* F. I. $.272. 

■/W-) g e l e ift et (S. I, 14. ff.). 

d. Im erfien Hauptftück handelt nun K. 
von d^r Kraft der Cörper überhaup t f und 
liefert in demfelben die auf dem TiteL angeführ- 
ten metaphyfifchep Betrachtungen, Allein diefe 
Betrachtungen lind für uns nicht mehr voiv Wich- 
tigkeit, als nur in fp fern man fich aus densel- 
ben überzeugen kann , dafs K. ehemals fo dogma- 
tifch philofophirte, als irgend ein Fhilofoph, und 
dafs er das Leibnitzifche Syfiem fehr wohl durch- 
dacht hatte. Jeder Cörper, fagt K. in% diefem 
Hauptftück, hat eine wefent liehe Kraft* Dies 



. *) Weil die Gröfse der Bewegung durch das ^Product der Maße 
M in die Gefch windigkeit G, oder durch MC (M raultiplicirt' mit 
C) ausgedrückt wird, «und wir die Kräfte nicht andere als aus ihren 
W^rkunsen kennen, fo t fagt Defcartes', verhalten fich di# Kräfte 
zweier Mafien M und rn , die mit den, Gefch windig Veiten C und e 
Mitgehen, >vie MC: nie, und das Maafs aller meebanifchen Kräfte 
fei alfo MC* Leibnite lagt, dies fei nur das Maafs der todten Kraft. 



»» 
% 






\ 



/ 



Kraft. 685 

« 

hat Leibnitz, dem die menfehl|che Vernunft 
fo viel zu verdanken h*»t, zuerft gelehrt (<?ß - 
aliquid praeter extenßouem imo extenfione priu$\ 
Diefe wefentliche Kraft foll dem Cörper 
noch vor der Ausdehnung beiwohnen 
{Leibnitz arrhdete, wie man fieht, d£e dyna- 
mifch wirkende K^raff)* Leibnitz nannte fie über- 
haupt die wirkende Kraft, und fo follte man 
billig das nennen, was man die bewegende 
Kraft nennt (K. Hellte lieh nehmlich damals vor, 
dafs die Cörper nicht' blofs träge wären, fondera 
in ihnen noch eine befondere, ihnen eigenthüm*» 
iiche Kraft lebendig werden könne , dife ihnen nicht 
von aufsen, durch Zug oder Stofs, mitgetheilt 
werde, fondern in^ der Natur der Cörper liege). 
Kant zeigt nun, wie die Bewegung aus diefer 'wir- 
kenden Kraft erklärt werden könne, und was für 
Schwierigkeiten in der Lehre von der Wechfelwir- 
kung des Cörpers und der Seele 'auf einander ent- 
ftehen, wenn, man dem Cörper blofs mechanifche 
bewegende Kraft beilege , und* wie diefe Sth wie- 
tigkeiten -durch die Benennung einer wirkendtn 
Kraft könnten gehoben werden. Er fucht bei ' 
diefer, Gelegenheit den Raum aus dem Begriff der 
Kraft abzuleiten , und widerlegt fehr fcharflinnig 
eine Behauptung Hambergers, dafs die fubftan- 
tielle Kraft der Monaden lieh nach allen Gegen- N 

den zu zur Bewegung gleich beftrebc; und fich 
daher, fo wie «ine Wage, durch die Gleichheit 
der Gegendrucke in Ruhe halte (S. I, 13. ff.). 

e. Der Grad der Intenfität nehmlich, den die 
Tendenzen der Monaden haben, kann nicht un- 
endlich feyh, fonft würde er niemals aufgeho- 
ben wterden, und. es wäre gar keine Bewegung 
möglich; Allein eine» endliche Bemühung zum 
Wirken, ohne eine beftimmte Gröfse der An- 

, ftrengung ift unmöglich. Da alfo der Grad der 
Intenfität wirklich und beßimmt ift, fo fetz» 

' man: dafs ein Cörper A gegen einen apdern * 



\ 



686 } , Kraft. 

von gleich grofser Mafle ifyit einer Gewalt an» 
laufe, die dreimal Itärker iß, als alle die 'Be- 
mühung zur Bewegung, die B in de* wefentli- 
chen Kraft feiner /SülMtan/ hat, fo wird B dureh 
feine deni A entgegenwirkenden Tendenzen dem- 
felben nur den dritten Theil feiner Gefchwindig- 
Jteit benehmen können. Er wird aber felber kei- 

* ne gröfsere Gefch windigkeit erlangen könneii, als 
eine folche, die dem dritten Theil der Gefchwin* 
digkeit des A gleich ^ift. Nacjj, tlem Stofse würde 
alfo A mit -|- Gefch windigkeit, B aber nur mit 
der Kraft feitaer Tendenzen, denen der Gegen- 
druck blofs genommen ift, alfo mit % Gefcli win- 
digkeit lieh bewegen. Da nun B dem A im We- 
ge iit, fo müfste.A den Cörper £ durchdringen, 

[ weil er zweimal fo gefchwind lieh fortbewegt als 
B, welches ungereimt ift, — Kant theil t hierauf 

r die Bewegung ein in folche, die immer fortdauert^ 
venn Jiein Hindernifs fich en tgegen fetzt , und fol- 
che, welche eine immerwährende Wirkung einer 
ftets. antreibenden Kraft iß; allein diefe Einthei- 
lung ift unitatthaft, weil bei der* letzten ebenfalls 
ein Hindernifs wirkt, welches macht, dafs die 
Wirkung der antreibenden Kraft jeden Augenblick 
vernichtet wird (S.I, 33. ff.). 

f. Im zweiten Haupfcftück unterfucht K. die 
liehrfäit^e "der Leibnitzifchen Partei -von 
den lebendigen Kräften. Niemals, fagt er, 
'hat fich die Welt in gewiffe Meinungen gleicher 
getheilt, als » in die, die das liräftehmaafs der 
Cörpfer betreffen. Die Welt hatte vor Leibnitz 
dem einzigen Satze des Descartes gehuldigt, der 
überhaupt den Cörpern, auch denen, die fich in 
■wirklicher Bewegung befinden, zum Maafse ihrer 
JKraft nur die blofse Gefch windigkeit ertheilte. 
Descartes hatte die Kräfte dej: bewegten Cörper 
nach den . Gefchwindigkeiten fehlechthin ge- 
fchätzt, allein L eibnitz fetzte zu ihrem Maafse 
das Quadrat der Gefcii windigkeit. Der erfte 



Kraft.. - .687 

<' % ~ • •• . « 

s 

Fehler des Leibnitzifcben Kräf tenmaafses , «der 
Aier angegeben werden foll , , ziehet in der Sache 
der lebendigen Kräfte keine Folgen von Wichtig- 
keit nach fich; man kann es aber doch nicht unter- 
bauen ihn anzumerken, damit bei einem fo-gro- 
fs#n Satze nichts verfäumt werde, was ihn von 
allen kleinen Vorwürfen, die man ihm etwa ina-* 
chen möchte, befreien kann* Das* Leibnitzi- 
Xche. Kräfteiim&afs ift jederzeit in dief et* Formel 
vorgetragen worden : W,e nneinC.örper in 
wirklicher Bewegung begriffen, iß,, fo 
iß feine Kraft, wie das Quadrat feiner 
Gefch windigkeit. Es xnufs aber heifsen in 
wirklicher und freier Bewegung; denn 
eine Bewegung, die nicht frei iß, z. B. die einer 
Kugel, welche fachte mit der Hand fortgefchoben, 
wird , hört ünpier in" dem Augenblick auf, in 
dsin fie entfieht, und wird durch den Druck je- 
den Augenblick wieder hergeßellt; fie iit'alfo in 
ihrer Wirkung dem todten Druck gleich. Der. 
zweite und wichtigfie Fehler des Leibnitzi- , 
fchen Kräftenmaafses iß, dafs es fich nicht 
mit dem Gefetze der C o n tinu i t ä t ver- 
trägt. Die Vertheidiger der Leibnitzifchen 
Schätzung der lebendige^ Kräfte find darin noch 
mit den Cartefianern einii^, dafs die Cörper, wenn 
ihre Bewegung nur im Anfange iß, eine Kraft 
beiitzen, die fich wie ihre blofse Geschwindig- 
keit verhalte. Allein fo bald man die Bewegung 
wirklich nennen kanx*, fo hat der Cörper, nach 
den Leibnitzianerii, das Quadrat der Gefch win-/ 
digkeitzumJVIaafse. Der Cörper habe nun (Fig. 19.) 
in A. eine lebendige Kraft, aber im Anfangspuncte' 
D % habe er fie nicht; denn dafelbß würde er einen 
Widerß^nclj. der ihm entgegenfiände, blofs mit 
einer Bemühung zur Bewegung drücken. Hieraus« 
folgt nun 1 ■ ► • . 

.\ ■ 
1. ift xlie Zeit DA eine folche Befiimmung des 
Cöjpera, der ii^h in A befindet r wodurch in ihn 



t 



* l 



* 



-N 



* - 



688 Kraft» 

'eine lebendige Kraft gefetzt wird; und der Anfangt 
punöt D (wenn ich nehmlich den Cörpdr in densel- 
ben fetze) ift eine Beitimmung, die ein Grund der 
todten Kraft ift. 

4. V£enn~d6r Cörper in & iß, fo ift er den 
'Bedingungen der todten Kraft näher, als in A; in 
' C noch näher, als in B. u. f. f. bis er in D feäbft alle 
Bedingungen der todten, Kraft hat; und die Bedin- 
gungen zur lebendigen Kraft gänzlich verf 6h wun- 
den, lind.. • 

3. Wenn man die Zeit DA (die eine Bedingung 
der lebendigen Kraft in A ift) in Gedanken abkürzt, 
fo wird diefe^Bedingung der lebendigen Kraft der 

I Bedingung der todten Kraft nothw endig naher ge- 
fetzt, als fie in A w$r? Und fo mufs auch der Cör- 
per in B wirklich eine Kraft haben , die der todten 
näher kommt , als die in A , und noch näher , wenn 
jnan ihn in C fetzte. Es ift aber unmöglich, fich zu 
überreden , dafs ein Cörpek 1 / der im Puncte A eine 
todte Kraft hat, eine lebendige, die unendliche- 
*nal gröfser ift, als die todte, haben follte, wenn 
er fich nur um eijxe unendlich kleine Lipie von die- 
fem Puncte entfernt hat. • Aber auch eine beftimm- 
te verfloflene Zeit kann nicht die Bedingung der 
lebendigen Kraft feyn; denn wenn der Cörper, 
«. B; nach einer Minute, eine lebendige Kraft be- 
käme , deren Maafs das Quadrat der Gefckwindig- 
keit) wäre, fo/müfste, er, nach zwei Minuten den 
Cubus , nach drei Minuten das Biquadrat u, f. f. 

, der Gefch windigkeit zum Maafs haben. - Die Ma- 
thematik kann alfo die lebendigen Kräfte nicht be* 
weifen , fondern befiätigt fchon ihrer Natur nach 
das Gefetz des Des c a r t e s (S. 1 , 41. ff.). 

g. Leibnitz feUte folgenden Satz feft: Es 
iß einerlei. Kraft nöthig , einen 4 Pfund fchweren 
Cörper einen Schuh hoch zu heben, als einen ein- 
pfundigen 4' Schuh hoch. Zwei Cörper find nehm* 



Kraft- .689 

lieh alsdann im Oleichgewicht, wenn die unend- 
lich kl^inqn Räume, welche diefe Cörper an den 
Enden der beiden Aerme des Hebels durchlaufen 
müfsten, wenn fie fich bewegen Tollten, fich um« 
gekehrt wie die Gewichte diefer Cörper verhalten; 
und alfo fchlofs Leibnitz, ift nicht mehr Kraft 
nöthig, einen Cörper von einem Pfunde zur Höh* 
4 zu heben, als ei*en andern von 4 Pfunden zur* 
Hohe 1. Die Vertheidiger diefes Mannes febei- 
nen gemerkt zu haben, dafs man ihnen dies blofe 
zugeitehen werde , wenn die Zeiten der Bewegung 
gleich lind, und haben daher ihre Beweise fo ein« 
zurichten gefacht , als wenn der ünterfchied dir 
Zeit bei der Kraft, welche die Cörper durch den 
Fall erlangen, durchaus für nichts anzufehen fei. 
Herr mann be weilet Leibnitzens Satz z. B. fo: 
die Feder (Fig. 45.) AB drücke einen Cörper von A 
nach B hinab, und gebe ihm in jedem Punct des 
Baums einen neuen Druck (wie es bei der Schwer© 
ift) , die Linien AG , DE , FB uu f. w* Collen diefe 
Drucke abbilden , fo hat (nach feiner Meinung) 
der Cörper, wenn er den Punct B erreicht hat, 
eine Kraft, die der Summe aller diefer Drucke, 
d.i. dem Rectangel AF gleich ift. Es verhält lieh 
alfo die Kraft in D zur Kraft in B, wie das Rect- 
angel AE zum Rectangel AF, d. L wie der durch-» 
gelaufene Raum AD zum Räume AB, mithin wie ; 
die Quadrate der Gefchwindigkeiten in D und B» 
Der Fehler in diefem Beweife läfst fich fo zeigen* 
Es ift gleichviel lyraft nöthig, eine einzige von 
den 5 gleichgefpannten Federn (Fig. 46.) A, B, C f 
D , £ , eine Secunde lang zusammenzudrücken , als 
alle 5 nach einander binnen eben diefer Zeit. 
Denn man theile die Secunde, als die Zeit, wie 
lange der Cörper M die Fedef A zusammengedrückt 
hält, in 5 gleiche Theile, anftatt dafs nun M alle 
diefe 5 Theile der Secunde hindurch auf die Feder 
A losdrückt, nehme man an, dafs er die Feder A 
nur in dem erßen Theil der Secunde drücke, und 
dafs in dem zweiten Theil der Secunde anitatt der 

MeUins pkilof. JVort*r\. $.£4. X X 



■N 



690 - Kraft. 

Feder A , die andere B , die gleichen Grad der Span- 
nung; hat, untergefchoben werde: fo wird, in der 
JKraft, die M zu drücken braucht, bei diefer Ver- 
wechselung kein UnterfGhied anzutreffen feyn. Es 
wendet alfo der Cörper M fo viel Kraft an, die 
einzige Feder A eine ganze Secunde lang zufaminen- 
gedrüclgt zu halten, als nöthig iJt, 5 folcher Fe- 
dern, binnen eben der Zeit, nach einander zu 
fpanxxen. m Es ift alfo. nicht die Menge der zu- 
sammengedrückten Federn, wonach die Kraft des 
Cörpers, der fie alle fpann*, abgemeflen wird, 
fondern die. Zeit der Drückurig ift das rechte 
Maafs (S. I, 57. ff.). , 

t * 

h. In dem Streit der *C a r t e f i a n e r wider 
die Verth eidiger der lebendigen 4 Kräfte , > den die 
Marquife von Chatelet mit vieler Beredfam- 
keit ausgeführt hat, findet man, dafs jene fich 
auch des Uriterfchiedes der Zeit bedient haben, 
um die Schlüffe der Leibnitzianer von dem Fall der 
Cörper unkräftig fcu machen* Allein fiatt dafs 
fie den Leibnitzianer ngar nicht 
hätten zugeben follen, ein Gprper könne 
mit doppelter Gefch windigkeit vierfa- 
che "Wirkung thun, fuchen fie fich mit 
der ziemlich fchlechten" Ausflucht zu 
rotten, dafs der Cörper diefe Wirkung 
nur in doppelter Zeit thun könne. - A - 
Folgender Fall thut ebenfalls, dar, dafs in der 
Schätzung der Kraft , die durch, die Schwere ent- 
lieht, die Zeit noth wendig rnüile in Erwägung 
gezogen 'werden. , Man fielle fieh auf die den Ca r- 
t e fi a n e r n und Leibnitzi am en n gewöhnliche 
Art* die Drucke der Schwere,^ die 'einem Cörper 
von der Höhe N {Fig. 47) a'b bi£ xur Horizontal- 
linie bc mitgetheilt werden, durch die unendliche 
Anzahl Blechfederri AB, CD, EF, GH, vor. Ferner 
fetze, man einen Cörper m auf die fchiefe Fl^he 
a'c, und einen andern 1 lalle nian von a in b.frei 
herunterfallen. Wie. werden nun die Leibnitzi? 



/ 



Kraft. 691 



aner die ftraft des Cörpers m, Aet dürlh den 
Druck der Federn die fchiefe Fläche 'ac herunter^ 
getrieben wird, anr End^ diefes ifchrägen Falles 
in c fchätzen? Sie können nicht anders, als das 
Prodact aus der 'Menge Federn , die den Cörper 
aus^a bis in c antreiben, in die Kraft, die .jede 
Feder demfelben' naöh der Richtung a c eindruckt, 
zum Maafse angeben', denn diefes erfordert ihr Sy- 
ftem, wie wir aus Herrmanns Fall (in g.). 
gefehen haben. Und eben fo werden fie auch die 
Kraft, die fich in dem andern Cörper 1 findet, 
der von a bis in b frei fällt, durch das Troduct, 
aus der Menge der Federn, von denen er fortgfe- 
trieben worden , in die Intenfität , womit jede 
ihn fortgeltofsen hat, zu fchätzen g^nöthigt. Es 
ift aber die Anzahl der Federn von 'beiden Seiten, 
fowohl die fchiefe Fläche a'c, als die Höhe ab, 
hinduich, gleich; alfo bleibt nur die Starke der 
Ktaft, die jede Feder in beiden Fällen in ihren 
Cörper hinein bringt, zum wahren Maafse der 
in b und c erlangten Kräfte der Cörper 1 und m 
übrig. Diefe Stärke wird fich alfo verhalten wie 
ab zu ac. Es wird folglich die Kraft, die der 
Cörper 1 ara v Ende des Perpendicularfalles in b hat, 
zu der Kraft, die m am Ende des fchiefen . Falles 
in c hat, fich gleichfalls wie ab zu ac verhalten, 
welches ungereimt ift, denn »beide Cörper » haben 
in b und c gleiche GefchwindigUeiten , und, alfo 
auch gleiche Kräfte. Die Cartefian,er erklären 
diefes durch die Zeit; denn obgleich jede Feder 
in den Cörper m: auf der fchiefen Flache ac weni- 
ger Kraft hineinbringt (weil ein Theil durch den 
Widerftand auf der fchiefen Fläche verzehrt wird), 
fo wirken doch dafür diefe Federn in den Cörper m 
tiel länger als in den CöTper 1 , der ihrem Drucke 
eine viel kürzere Zeit ausgefetzt ift (S. I, 62. fF.). 

i. Die Vertheidiger der lebendigen Kräfte ha- 
fcen ferne* eine andere Gattung von Beweifen, ^ie 
ihnen die Bewegung ela.ftifch.er Cörper 

Xx 2 



6g% Kraft. 

durch, den Stofs darzubieten fcheint. Die Kraft 
nach vefrübtekn Stofse ift der Kraft vor dem Stofse 
nur dann gleich f wenn man fiatt der Gefchwin- 
digheit fchlechthin das Quadrat derfelben fetzt. 
Allein in 'Wolfs Mechanik wird man Beweife fin- 
den, dafs die elaßifchen Cöfper, dem Gefetze von 
der Gleichheit der Wirkungen und der 
Ur fache ganz gemäfs, andern Cörpern alle 
Bewegungen erth eilen , ohne dafs man nöthig habe, 
in ihnen eine andere« Kraft, als die blofse Ge- 
schwindigkeit zu fetzen. Fterrinann hat einen 
Beweis für die lebendigen' Kräfte aus dem Stofse 
dreier elaßifchen Cörper geführt, allein in feinem 
Schlaffe , wie in den Schliiflen aller derer, die 
die elaftifchen Cörper zur Vertheidigung der leben* 
digen Kräfte i gebraucht haben ^iJt der Irrthum, 
dafs fie die Kraft des Cörpers überfehen haben, 
der geftofsen wird, und dafs daher der anlaufende 
Cörper mehr Kraft nach dem Stofse als vor dem- 
felben' haben mufs. Bernoulli hat zwar einen 
Einwurf des Jurin von dem wechfelfeitigen Stofse 
tuielafiifcher und ungleicher Eörper durch Verglei- 
ehung mit der Zudruckung der Federn zu wider- 
legen gefucht, allein mit wenigem Glück (S. I, 

6ß. ff-)- 

k. Leibnitzens Anhanger haben aber auch 
die lebendigen Kräfte durch die be Händige 
Erhaltung einerlei Gröfse der Kraft 
in der Welt *) vertheidigt. r - Leibnitz ift 
felbft der Urheber diefes metaphy fifchen 
Grundes **).' ^ Er .nahm den Grundfatz des 
Descartes willig an, dafs lieh in der Welt 



*) Man neimt diefen Satz den Grundsatz der Erhaltung 
1 e b o ivd i g « r Kräfte Qprinctpium cönfervationU virimm v warum). 

**) Jqhann Bernoulli hielt. ihn für fo einleuchtend/ dftl* 
ex lagt, yrex ihn bereifen wollte, wurde ihn nur verdunkeln» 



-t 



l 



Kraft. 693 

immer einerlei Gröfse der Kraft er« 
hält, allein nur einer folehen Kraft, dfren 
Quantität nach dem Quadrat * der Gefchwindig- 
keit gefchätzt werden muffe; . fonft vermindere 
oder, vermehre fich die Kraft in der Natur unauf- 
hörlich. Es fei aber der Macht und .Weisheit Got- 
tes nicht anßändig, dafs er genöthigt feyn folhe, 
v wie fich Newton einbildete, die Bewegung, die 
er feinen Werken mittheilte , ohne Unterlafs wie- 
der zu erneuern. Allein es kann der Macht und 
Weisheit Gottes nicht unanftandig feyn, . dafs iie 
nicht ein Gefetz in die Welt gebracht hat,, wel- 
ches, wie aus matheinatifchen Gründen gezeigt 
worden , abfolut unmöglich ift. Nach LeibnitÄ^na 
Gefetze ift die Kraft "in demAnßofse eines kleinen 
elaftifcfien Cörper$ gegen einen gröfsern vor und 
nach dem Stofse gleich. Das iß aber falfch, alfo 
auch das Gefetz (S. I, 83. ff.\ 

1. Ein einziger Fall, da ein größerer elafö- 
fcher Cörper einen kfeinern anfiöfst* und der der 
Schätzung des Cartefius widerftritte , würde eni- 
fcheidend und ohne Ausnahme feyn; weil* man in 
dem felben nach dem Stofse gewifs immer die ganze 
Gröfte der/ Kraft vor demfelhen antrat. AHein 
niemals hat fich irgend ein Värtheidiger ier leben- 
digen Kräfte gewagt , in diefer Art des Stofses das 
Cartefianifche Gefetz anzugreifen. Denn er würde 
nothwendig ohne Mühe wahrgenommen hatten, 
dafs die mecKdnifchen Hegeln mit der Cartefiani- 
fchen Schätzung hier ganz wohl über einfiimmen. — , 
Die Leibnitzianer fliehen die Ünterfuchung der le- 
bendigen Kräfte durch den Stofs unelafii- 
fcher Cor per. Der Stofs unelaftif eher Cor per 
ift nehmlich in Abficht auf die lebendigen Kräfte 
entscheidende*, als der Stdfs der elafiifchen ; denn 
in diefen mifcht fich die Federkraft immer mit 
eiiu Es ift kein Zweifel, dafs fich die Leibnitzia- 
ner durch die Deutlichkeit in der Vorftellung ven 
dem Stoß unelafiifcher Cörper würden überzeugen 






6 9 4 



Kraft; 



raffen , wenn es nur nicht das ganze Gebäude der 
lebendigen Kräfte umkehrte. Sie behaupten dage- 
gen, dafs lieh fiets in dem Stofse unelaftifcher 
Cörper ein ThejiL der Kraft verliere, indem der* 
.. felbe angewandt wird, die Theile des Corpers ein- 
zudrücken. Daher gehe die Hälfte der Kraft, t die 
$in unelaftifcher Cörper hat, verloren, wenn er 
an einen andern von gleicher Mafle, der in Ruhe 
i/t, .aniiöfst,' und vereehrje fich bei dem Eindrücken 
der Theile deffelben. Der JJrfprung diefes irrigen 
Gedankens iXt , f dafs in der Erfahrung die Theile 
unelaftifcher Cörper durch den Stofs eingedrückt 
werden,- allein in einer mathematifchen Betrach* 

tUu 4 find wir/nicht genOthigt, auf diefe Krfahrusg 

Rückficht, zu nehmen* In dpr Mathematik verfie* 
het man unter der Federkraft eines Corpers nichts 
anders, als diejenige Eigenfchaft, durch die er ei- 
nen andern Cörper , der an ihn anläuft , mit eben 

. demfelben Grade Kraft wieder zurückßöfst , mit 
.jKSlchem diefer an ihn angelaufen war. Die Be- 
trachtung eines unelafiifchen Corpers in der Ma* 
therriatik fetzt alfo nichts weiter voraus, als nur 
dafs er in fich keine Kraft habe, eüien Ccxper, der 

' ihn ßofst, wieder zurück zu prellen; und wenn 
diefe einzige Befiimmur}g dasjenige iß, worauf 
• das ganze Hauptfiück der Bewegung unelaftifcher 
l^örper gebauet iß: fo iß es ungereimt, zu behaup- 
ten; dafs die Regeln diefer Bewegung deswegen 
/fo befchaifen find, weil die Eindrückung der Theile 
derer lieh fiofsenden Cörper folche und keine an- 
dern Gefetze zulaffe.. Sogar in der Natur iß ein 
Cörper deswegen nicht unelaßifch, weil feine 
^heile eingedrückt» werden, fordern nur deswe- 
gen, ~ weil fie lieh nicht niit eben dem Grade Kraft 
wieder herfiellen, mit welchem fie eingedrückt wer- 
den. Mati kann alfo einen Cörper unelaßifch nen- 
nen, wenn ipr gleich vollkommen hart iß. Das 
^Eindrücken der Theile iß auch kein Grund, wes- 

\ wegen in dem Stofse unelaftifcher Cörper ein Theil 
der JSraft fpUte verloren gehen. Wenn pine K** 



, I 



' KraftV, ?95 

gel A (Fig. 48.) gegen £ine andere* B belegt wird, 
und die Feder R im, Anlauf 'zufammen drückt: fo> 
treten alle die kleinen Grade der Kraft, welche 
angewandt wefden, die Feder zufammen zu drücken* 
in die MafTe des Cörpers B über, und häufen lieh 
fo lange, bis fie in den- Cörper B die ganze Kraft 
hinein gebracht hpben, womit die Feder ift zu- 
fammen gedrückt worden. Denn der Cörper A 
verliert keinen einzige^ Tfaeil der Kraft, nnd x 
die Feder wird auch nicht um den geringften Theil 
zufammengedrückt, als nur in fo fern fie fich an 
den Cörper BÜeift. Sie fteifet fich aher mit der 
Kraft, womit A fie von der andern Seite zufam- 
mendrückt, und welche diefer Cörper in ihrer Zu- 
fammendrückijng aufwendet und verzehrt. Nun ift 
es äugen fcheinl ich, dafs eben derfelbe Grad Kraft, 
mit der fich die Feder gegen B auszudehnen bemü- 
het ift, und dem die Trägheitskraft der Kugel B 
widerftehet, in diefelbe Kugel hinein kommen 
nruffe. Alfo empfängt B die ganze Kraft, lieh nach 
der Richtung BE zu bewegen, welche in A ver- 
zehrt ift , indem er die Fedc^r B zufammendrückt. 
Es verzehrt alfo der Cörper A f indem er in fei* 
Dem Stofse gegen B von beiden Seiten die Theile 
eindrückt, nichts von feiner. Kraft bei die fem 
Eindrucke, was nicht der Cörper B überkommt, 
und womit er fich nach dem Stofse bewegt. Wenn 
man gleich den Gegnern der Gartefianer alles übrige 
verftüttete, fo kann man ihnen, doch die Kühnheit 
nicht verzeihen, die in der Forderung fieckt, 
dafs fich in dem Stofse unelaftifcher Cörper nicht 
mehr und nicht weniger,, fondern nur gerade fo 
viel, von der Kraft durch das Eindrücken der 
Theile verzehren folle, \.als fie $s felbft in jedem 
Falle nach ihrer Schätzung nöthig finden* Es ift. . 
eine Verwegenheit, . die unmöglich zu verdauen 
ift, dafs .man -uns , ohne allen Beweis, zu glau- 
ben aufdringen will; ein Cörper muffe in einem 
Stofse gegen einen- gleichen gerade die Hälfte f in 
einem Stofse gegen einen dreifachen gerade £ der 



00$ Kraft. " ' 

< • « — 

Kraft u. L w. durch den Eindruck der Theile ver* 
,lieren. , Die Leibnitzianer können dooh nicht leug- 
nen, ,dafs, je geringer die Fettigkeit der Mafle 
der unelaßifchen Cörper in Vcjrgleichung mit % der 
Kraft des Anlaufens ift, defto ftärker werde lieh 
die Kraft beim Eindrücken der Theile verzehren; 
je härter aber beide Cörper find, um defto weni- 
ger muffe fich von derfelben verlieren, denn 
-wenn .fie volLkonimeta hart wären, fo wurde kein 
Verluft der Kraft ßatt finden (S. I, 94.. ff.). 

m* JDer Stofs unelaftifcher Cörper hebet die 
lebendigen Kräfte gänzlich auf. Es »ift überhaupt 
unmöglich, die Schätzung der Kräfte, nach dem 
Quadrat der Geschwindigkeit aus dem Zufammen- 
ftofsen der Cörper zu erkennen* Man ift tfehmlich 
•darin ein», dafs man fich der Bewegung der Cör- 
per durch den Stofs auf keine andere Art zu dem 

' Endzweck, davon wir reden, bedienen könne, 
als dafs. man die Kraft, welche ein bewegter Cor« 
per durch den Stofs in andere hinein bringt, wie 
die Wirkung anfleht, mit der man die Quantität 
der Ur fache abmeflen mufs, die fich erfchöpft hat, 
fie hervorzubringen* Wenn 'aber ein bewegter Cör- 
per den andern anliefst, fo bekommt der angeflo- 
gene Cörper in dem Augenblick, zwar die ganze 
Wirkung, aber noch keine, wirkliche Bewegung, 
fondern eine blofse Bemühung zu derfelben , mit- 
. hin die todte Kraft, die nach der Gefch windigkeit 
fchlechthin gefchätzt wird. Mithin wäre die todts 

' Kraft die Wirkung der lebendigen , welche nach 
dem Quadrat der Gefch windigkeit gefchätzt wird, 
alfo die Wirkung der Urfache ungleich und un- 
endlichemal kleiner als die Urfache, weldhes un- 
gereimt ift. Entweder ift die Kraft, die der ge- 
ftofsene Cörper hat, den Augenblick zuvor, ehe 
er fich von dem Stofsendeij entfernt, derjenigen 
Kraft gleich, die er hat, nachdem er fich fchon 
wirklich bewegt, und von demfelben entwichen 
ift , oder fie ift ihr nicht gleich. Ift das erß? , fo 



Kraft. 697 

kann man die Kraft <les geflossenen Cörpers nch* 
tuen in welchem Augenblick der Bewegung man 
will \ fie mufs dann allenthalben der Gefch windig» 
keit fchlefchthin gleich fayn w weil fie derjenigen 
gleich ift, die der Cörper hatte, ehe feine Bewe- 
gung wirklich war. Ilt das zweite, So ift die 
gröisere Kraft de^ Cörpers in der Bewegung .keine 
Wirkung des ftofsenden Cörpers, denn die 'ganze 
Wirkung deilelben bekam er fchon im Äugenblick 
des Stofses, beim Anfang der Bewegung oder ehe 
'die Bewegung wirklich war (S. I, 109. lt.). 

11. Kant ziehet nun diejenigen Fälle in Erwä« 
gung, . welche die Vertheidiger der lebendigen 
Kräfte von den zufammen gefetzten Be^e* 
gungen der Cörper zur Beseitigung ihrer Sätze 
entlehnt haben. Bilfinger (De viribus c&rpori 
vioto inßtiSj earumque menfura in Comm. Petrop» 
To. I. p. 45. fqq,) hat fich um diefe Art der Be» 
weife am ineißen verdient gemacht. .Er fagt: 
(Fig. iß.) ein Cörper A, der zu gleicher Zeit eine 
Bewegung . nach der Richtung AB mit der, Ge- 
fchwindigkeit AB, und eine andere nach der 
Bichtung AC mit der Gefchwindigkeit AC hat, 
bewegt fich in derfelben Zeit durch die Dia* 
gonale AD. Diefe Diagonale ift aber immer klei* 
ner als AB und AC zufammengenommenl hin- 
gegen ift nach dem Pythagorifchen Lehrfatz 
das Quadrat von AD fo grofo als die Summe 
der Quadrate von AB und AC. Hieraus folge, 
die Kraft «eines Cörpers, der in wirklicher Be- 
wegung ilt , könne blofs mit dem Quadrat feiner 
Gel ch windigkeit gemeffen werden. Allein die Ge* 
fchwindigkeit AD ift wirklich die Summe der Ge- 
fch windigkeiten des Cörpers in AB und AG f nur 
find diefe Gefch windigkeiten nicht fo grofs als AB 
und AC. Denn nach der mechanifthen Lehre von 
der Zerlegung der ' Gefch windigkeitei} ift die Ge- 
fchwindigkeit durch AB zu betrachten, als fei fie 
aus den beiden AF und AH, die Gefchwindigkeit 



V . 



r 



j 



6g& Kraft 

r * 

« » 

durch AC aber aus den beiden AE und AG zu* 
iammeftgefetzt. Nun lieben lieh , aber die beiden 
Gefch windigkeiten AF und AE-, als einander, ent- 
gegengefetzt trnd gleich, einander auf« Folglich üt 
die Gefchwindigkeit durch AD wirklich die Summe 
der wirklichen Gefchwindigkeit durch AB, welche 
AH iß, und der wirklichen Gefchwindigkeit durch 
&C 9 welch« AG ift (weil nehrrilich AG = HD ift, 
fo ift AH '+ AG = AH + HD = V (AB 2 + AC 2 ). 
(§. I, 114. iE). 

0. Aus diefero Falle werden die lebendigen 
Iträfte felbft widerlegt. Denn aus den Kräften, 
welche di4 beiden Bewegungen AH und AG mit fich 
führen, ift die ganze Kraft der Bewegung in der 
Diagonallinie AD zufommengefetzt , und was alfo 
in jenen beiden nicht ift, das ift auch nicht in 
diefer. Es läfet fich die Bilfingerfche Behauptung 
aber auch .auf folgende Art widerlegen. Wir neh-' 
inen mit Bilfinger an, daft die Seitenkräfte AB 
und AG dem Cörper a, durch ' den Stofs zweier 
gleichen Kugeln, mit den Gefch windigkeiten bA 
m AB und cA rr AC mitgetheilt werden , wodurch 
eine Bewegung und Kraft durch die Diagonallinie 
bewirkt wird." Gefetzt aber, die Kugel fei in D 
und die ftofsenden Kugeln feien in B und C , wel- 
ches' keinen Unterfchied in der Gefchwindigkeit 
macht , fo wird die Kugel offenbar mit der Summe 
der Gefch windigkeiten BE und CF perpendicular 
gegen EF getrieben , und Ch und Bg heben fich 
einander auf. Die gerade Kraft in der Diagonale 
üt alfo reicht der Summe der Rvaftd nach den Sei- 
ten gleich, 



s 



, p. In der L eibnit^ifchen Kräftetvfchätzung 
i/t die Summe der in fchräger Richtung ausgeübten 
Kräfte der Di^gonalkraf t gleich , , allein . hei der 
Cartelianifchen ift jene oftmals unendlicheniai gr<*- 
fser als diefe. _ Diefes verdient noch eine Unterfu- 






/ 



Kraft." 



^99 



chimg, weil fich daraus ergeben mtuV, welch«, 
Schätzung die richtige fei (S. I, lao. ff.). ' . 

• 

Gefetzt,, ein Cörper laufe, vejrmittelft feine* 
Centrifug^lfchwunges , in einer Cirkellinie um die 
Erde; leine Gefch windigkeit fei endlich, unver- 
änderlich un4 immer in derfelben Linie. Die 
Schwere bringe aber in einen folchen fich fireibe- 
wegenden Cörper in einer endlichen Zeit eine, enc^' 
liehe Kraft, ©der verzehre in demfelben eine foj- 
che Kraft, wenn n eh ml ich die beiden Kraft«, die, ' 
welche dem Cörper beiwohnt und die .Schwere, 
einander entgegen wirken* So mufs^ dejr Cörper 
nach dem Leibnitzifchen Kräftenmaafs feine IJewe- 
gvmg gänzlich verlieren, und es ift gar keine fol* 
che Cirkelbewegung möglich; weil, wie ; alle «Mci 
chaniker einig lind, aus der Zertheilung der Be«« 
wegung klar ift, dafs wenn ein Cörper nach ein» 
ander gegen viele Flächen in fchräger Riclitimg 
abläuft, wie hier der Fall iß, er feine Bewegung 
alsdann gänzlich verliert, wenn die Summe der 
Quadrate aller Sinufle der Einfallswinkel ,ßem 
Quadrat des Sinus totus, der die erftß Gefchwin* 
digkeit feiner Bewegung. anzeigt, gleich ift* Wenn 
pun die Schätzung nach dem Quadrat ftatt findet, 
fo hat der- Cörper alle feine Bewegung verloren, 
wenn die in* fchräger Richtung ausgeübten Kräfte v 
alle zufammen der Kraft, die ihm in gerader Be* 
wegung , bei wohnt, gleich find. Demnach beitehet 
die in zertheifter Bewegung ausgeübte Kraft, wenn 
fie dem Quadrate der Seiten des rechtwinklichten 
Parallelogramms proportional gefchätzt wird, fogar 
nicht mit den allerbekannteften Gefetzen der 'Kreis- 
bewegung der Cörper, und mit den Cercträlkräf- 
ten, difr fie ausüben. Es find alfo die Seiten- 
kräfte in jeder zufammengefetzten Bewegung nicht, 
fo vrie es die Leibnitzifche Schätzung erfordert, 
in der Proportion der Quadrate der Gefchwindig- 
leiten. Die Cartefianifche Kräften fchätzung hilft 
diefer Schwierigkeit, unter der die Leibnitzifche 



700 ' . , Kraft. 

erliegt, ganz vortrefflich ab;; denn nach derfelben 
verliert der Corper,, der um einen Mittelpunct, 
gegen welchen er durch feine Schwere gezogen 
wird, ( in einem Cirkel läuft, durch die R : nder- 
iuflfe der Schwere in jeder endlichen Zeit unend- 
lich wenig, nach, der Leibnitzifchen Schätzung 
aber in jeder endlichen Zeit etwas, endliches. Zu- 
gleich zeigt fich hier der Widerfpruch, dab die 
'Gefch windigkeit nach den Quadraten gefebätzt we- 
niger ausrichtet, als die Gefch windigkeit fchlecht- 
hin, ein Widerfpruch,. der; nicht gröfser kann ge- 
dacht werden (S. I, 127. ff.). 

q. Die Zerfiörung des allgemeinen Grundfatzes, 
von der in znfammengefetzter Bewegung befindli- 
chen gleichen Gröfse der Kraft mit der in der einfa- 
chen, wirft zugleich viele Fälle mehr über den 
Haufen , die die Verfechter der lebendigen Kräfte 
äiif eben diefem Grunde erbaut haben. Bernoulli 
nimmt z. B. 4 Federn an , die alle gleiche Kraft 

y ftöthig haben , gefpannt zu werden. Wenn nun ein 
Cörj*^^2 Grad Gefch windigkeit , unter einem 
Winkel von 30 Grad, gegen 3 diefer Federn anläuft, 

• und gegen die vierte perpendicular, fo fpannt er 
alle 4 Federn, er übt alfo mit st Grad Gefchwindig- 
keit 4 Grad Kraft aus. Allein diefe Kraft kann der 
Corper nur im fchiefen Anlaufe haben. Jedermann 
fchätzet aber die Kraft eines. Cörpers nach der Ge- 
walt, die im fenkrechten Stofse in ihm anzutreffen 
ift # — Der wichtigste Fall iß aber folgender. 8» 
Corper A, der u zur Made und 2 zur Gefchwindig- 
keit hat, ftofse zwei Corper auf einmal, unter ei- 
nem Winkel von 60 Grad, die jeder zur Mafle 3 
haben, fo bleibt A nach dem Stofse in Kühe, und 
die gefiofsenen ßörper bewegen fich jeder mit 1. Gra- 
de Gefchwindigkeit , folglich l)eide zufammen nnt 
4 Graden Kraft. Mäiran hat aber hierauf fchon 
ganz richtig geantwortet: dafs ein besonderer und 
,nur auf gewiffe Umftande emgefchränkter Fall kei- 
ne neue Kräf tenfehätzung beweifen hönne. Bei der 



\ — 



. Kraft. 701 

• - ♦ « 

Widerlegung der Schlöffe, die zum Vorth*il der le- 
bendigen Kräfte aus der Zufammenfetzung der Be- 
wegungen entlehnt werden, fo wie überhaupt Ivr- 
thümer in Behauptungen aufzudecken , iß die Me- 
thode fehr nützlich , dafs man unterfucht , ob auch' 
die Vorderlatze alles das enthalten, i^as man im 
Schlüfsfatz daraus abgeleitet hat. Im dem Paralle- 
logramm (Fig. 13.) ilt freilich das Quadrat der Dia« 
gonale 4er Summe der Quadrate der Seiten gleich, 
aber daraus folgt doch nicht, dafs lieh die zufam- 
mengefetzten Kräfte zu einer Won den einfachen, 
wie das Quadrat der Linien der Anfan gsgefch Wür- 
digkeiten verhalten werden, fondern alle Welt ilt 
darüber einig- da.fs in diefem Fall die Kräfte fich 
nur wie die blofsen Gefch windigkeiten verhalten* 
Da nun das Vethältnifs offenbar £anz daflelbe bleibt, 
wenn die Bewegung wirklich erfolgt, als wenn die 
Kräfte blofs noch drücken , fo kann natürlich aus 
denfelben Vorderlatzen nicht* wieder eine andere 
Kraft folgen;/ denn Aafs dieBswegu&g wirklich er- 
folgt, kann doch in der Proportion der Linien 
zu einander nichts äiidern, und diefe iß dooh un- 
endlich nahe an dem Punct A, d. i. ehe noch die 
Bewegung erfolgt diefelbe, als in jeder Entfer- 
nung von diefem Punct. Bilfinger bemerkt 
zwar, die Wirkung der todten Kraft, muffe durch 
das Product der Inten fität in den Weg,/ den fie 
nimmt, gefchätfct werden,' diefes werde aber durch 
das Quadrat diefer Linie ausgedrückt, alfo könne 
man den Cartefianern zwar zugeftehen: dafs die 
Wirkungen in der Zufammenfetzung todtec Drücke 
gleich feyn; allein hieraus folge nofh nicht, dafs 
die Kräfte deswegen auch, gleich Teyn muteten. 
Allein c^iefe metaphyfifche Behauptung fällt 
dadurch, weg, dafs gleiche Vorderfätze nicht. ver- 
schiedene einander aufhebende Schlüfsfätza geben 
können (S. 1^ 134. iE). 

r. Der Hauptf^U für die lebendigen Kräfte iß 
nun der, welchen Leibtiitz (Act. Erud. 1690) 



702 l£ra& , 

/ 

% 

felbft ariftilirt, und auf den er lieh imitier beru- 
fen hat. Eine Kugel A (Fig. 51), von vierfacher 
Mafle, falle auf der fchiefen und gebogenen Flä- 
che, deren Hohe 1AE wie 1 iP, . aus 1A in 2A, 
und .fetze auf der Hörizontalfläche EC ihre Bewe- 
gung, mit ,dem Gtade, den lie durch den Fall 
erlangt hat, und der wie 1 ift, fort. , Man fetze 
ferner ? 'dafs fie- alle Kraft, welche fie hat, in ei- 
ne Kugel B von einfacher Mafle übertrage, * und 
nach diefem felbft im Functe 3A ruhe. »"Was wird 
nun die Kugel B, ,die 1 zur Mafle hat, von der 
Kugel A, die £tnal mehr Maffe und einen, ein- 
fachen Grad * der Geschwindigkeit hat, für eine 
Gefchwindigkeit erhalten Collen , wenn ihre Kraft 
hierdurch der Kraft, die die Kugel A hatte, gleich 
werden foll ? Dip Cartefianer fagen , ihre Gefch win- 
digkeit werde vierfach feyn muffen. Es laufe 
alfö ,die Kugel B mit 4 Grad Gefch windigkeit aus 
1K bis 2B und die gebogene Fläche hinauf bis 3B, 
de (Ten Perpendicularhöhe 3BC wie 16 ift. Dort 
falle die Kugpl auf die inclinirte Schnellwage 5A 
36, welche fich um F bewegt, nrid deren Arm 
F3B 4mal und etwas weniger drüber länger fei, 
als der ändere 3AF, aber ihm doch das Gleichge- 
wicht halte, auf dem letztern Arm aber liege die 
Kugel 1A in 3A; fo wird die Kugel B die Wage 
in die Lage 4A 4B bringen und den Cörper A j 
durch 3A 4A heben, w&lchei- Rauifi 4nial fo grofs 
ift, als 1AE. Wenn nun durch eine mschanifche 
Vorrichtung gemacht, würde, dafs die Kugel aus' 
4A in iA zurückfiele, fo hätt#*fie fchon eine grö- 
fsere Kraft erlangt und würde den Cörper B noch 
hoher treiben, und fö würd,e aus' der Kräften- 
fchätzung des Cartfefius folgen , , dafs ein Cörper 
durch" feine Kraft immer mehr Wirkung thun wer- 
de, in* Unendliche, \ daFs die Wirkung gröfser 
feyn. könne als ihre Urfache , und dafs' eine immer- 
währende Bewegung (perpetuum mobile) möglich 
fei (S. I, 149, ff.). • . ' _ ' ^ * 



t—r-- 



704 



♦ .» 



Kraft. 



habe, der eine Laß, durch einen gewiflen Raum 
hindurch getragen v habe; nun trage ein Cörper 
feine eigene Maße , vermöge der Kraft , ' die er in 
der wirklichen Bewegung belkzt, durch einen 
Raum hindurch; eben hierdurch habe feine Kraft 
etwas gethan und ausgerichtet. Nachdem nun 
Wolf «erklärt hat, was er durch unfclräd liehe 
Wirkungen verfteiie, nehmlich folche, in de- 
ren Hervorbringung die Kraft lieh nicht Verfehlte, 
fo le<rt er einen Satz zum Grunde, auf welchem 
fein- Gebäude einzig und^ allein errichtet ift,, und 
den man ihm nur nehmen darf, um alle Bemü- 
hung in feiner Schrift fruchtlos zu machen. Er 
heifst: wenn zwei Bewegliche durch ungleiche 
Rüuni4 bewegt werden, fo verhalten fich die un- 
schädlichen Wirkungen wie die Bäume, - Sein Be- 
weis beruhet auf diefet Vorausfetz ung : wenn 
'der Cörper durch eben denfelben Baum 
gehet, fo hat er auch eben diefelbe un- 
fchädliche Wirkung ausgeübt. Allein die-* 
fer Grundfatz ift falfch, denn ifi die Geschwin- 
digkeit der Cörper verfchieden, fo ift es auch.ihrd 
unkhäd liehe Wirkung; gefetzt nehmlich , der 
Kaum fei durch eine unendlich wenig widerfte- 
liende Materie erfüllt, fo ift die Wirkung un- 
fc ädlich, aber man flehet doch, dafs wenn der 
eine Cörper zweimal fo gefchwinde ift, als der 
andere, er diefer Materie auch zweimal fo viel 
Gefchwkidigkeit eindrücke, alfo feine unfehädliche 
Wirkung zweimal fo grofs fei bei gleichem Baume. 
Da nun fein ganzer Beweis auf diefen falfchen 
Grundfatz gebauet ift, fo hat er mit demfelben 
für die lebendigen Kräfte nichts geleiftet (S. I, 
i6fl. ff.). 

u. Muffe henbroek (Introduct. ad philof. na- 
tur. To. L $♦ 27a. fq. überfetzt von Gottf^hed, 
1747.) ^ at aucK * * ;t| i^fcjMA* Schätzung verthei- 
digt. Er fagi ^Httft liirnr frirriü *' 

dern, ' die ein« 




■ I 



I, 



Kraft. ' 71*5 

• * • * 

keit* mittheilen , verhält fich , wie, die ganze Ge- 
fchwindigkeit , die der Cörper alsdann haben wür- 
de, wenn er diefen Grad befafse. Diefe Federn ' 
aber ftellen die 'Kräfte vor, welche zufammen in 
dem Cörper eine Geschwindigkeit hervorbringen, 
nnd wie fich die Anzahl der Kräfte, die 
in Einern Cörper wirken, verhält, fo ver- 
halt" fich auch die in demfelben hervor- 
gebrachte Kraft. Hieraus folgt aber, dafe 
lieh ^.die Kraft des Cörper s x wie das Quadrat der 
Gefchwindigkeit verhält. , Denn, man kann fich 
in dem- Triangel ABC (Fig. 52.) deflen Kathet AB 
in gleiche Theile getheilt iß, unter den Linien 
DE, F(j «.f. w., die fich -wie die Linien AD, AF 
u. f. w. verhalten', die Federn vorftellen , wtelche 
dem- Cörper einen Grad, zwei Grade u. f. w. Ge- 
fchwindigkeit nach der Richtung AB ertheilen. 
Denkt man fich nun diefe Linien uil endlich nahe 
an einander, fo machen fie den ganzen Inhalt des 
Triangels aus; alfo verhalten* fich die Federn wie 
die Fläche des Triangels, d. i* wie das Quadrat 
der Gefch windigkeit AB. Allein, wenn man die. 
in einen Cörper übertragene Kraft nach der Summe 
gewifTer Federn fchätzen will, fo mufs ljian nur 
diejenigen Federn nehnhen , die ihre Gewalt in den 
Cörper wirklich' hinein bringen; diejenigen aber, 
die in ihn gar iiicht gewirkt haben, kann man 
auch nicht gebrauchen, uta eine ihnen gleiche. 
Kraft in dem Cörper zu fetzen. Wenn nun DE 
dem Cörper einen Grad Gefchwindigkeit gegeben 
hat, fo mufste er noch kerne Gefchwindigkeit ha» 
ben, hätte er (chon einen Grad Gefchwindigkeit, 
fo wifkte fie gar nicht auf den Cörper. Hätte der 
Cörper zwei Grad Gefchwindigkeit, fo wirkt auch 
die^. Feder DG gar nicht auf ihn, hat er aber nur 
einen Grad , fp wirkt fie mit der Kraft' f G und 
ixkck fr Xnit ihrer ganzen Kraft auf ihn, und igiebt 
nur einen Grad mehr; dies ift auch der 
Feder ÖH, wenn der Cörper fchon zyvei 
ijiigkeit hat, die Feder wirkt dann 
*.3.B<*. Yy 




I -• 



jq6 m Kraft» 

1 nur mit der Kraft hG auf ihn , und giebt ihm ei- 
nen Grad Geschwindigkeit mehr, u. f. w# . Ruhet 
der Cörper aHb, und wkken alle die, Federn auf 
ihn, fo giebt ihm DE einen Grad Gefchwindig- 
keit, ¥6 aber nicht zwei Grad, fondern -Veeii *r 
fchon einen Grad hat, auch nur einen Grad, nehm- 
J lieh fie wirkt mit fGund^Ff iß müfsig. Folglich 
wirken nur X>fi, fG, hG, kM, IN, rO, bC, und 
die Summe der Kräfte, welche fo grofs ift, ah 
wenn BG allein und ganz gewirkt hätte, ifi der 
Summe der Gefchwindigkeit fchlechthin AB, und 
nicht dem Quadrat derselben, gleich (S. I, 175. ff.). 

v. Folgendes ift ein neuer Fall zpr Beftäti- 
gung des Cartefianilchen Kraftenmaafses. Nehmet 
eine inclinirte Sdinellwage (Fig. 55.) ACB, deren 
einer Arm CB gegen den andern AB vierfach, der 
Cörper JJ aber, der das Ende des Armes CB drückt, 
viermal leichter als A iß, fo bleibt die Wage im 
Gleichgewicht und in ihrer Buhe. Bin kleines Ge- 
wicht e aber an A angehängt wird machen , « dafs 
die .Wage aus der Lage AB in die Lage a b kömmt, 
und ein viermal leichteres d, in b angehängt, 
wird, wenn man a weggenommen hat, die Wage 
wieder aus der Läge ab in die Lage AB bringen, 
B aber ßeigt oder fallt bei diefer Operation durch 
den Bogen Bb, der viermal gröfser ift als der Bo- 
gen Aa , durch den A fallt oder fteigt , alfo mit 
viermal gröfserer Gefchwindigkeit. Nun mufs e 
beides A niederdrücken und B aufheben, d mufs 
> ebenfalls dies beides, nur Umgekehrt, thun, 
- folglich wenden beide Cörper ik und- 9 gleich yiel 
Kraft an, nur mit umgekehrter Gefchwindigkeit, 
e, der vierfache Cörper , mit \ der Gefchwindig- 
keit, und d, der ^in Viertheil mal leichtere Cörper, 
mit vierfacher Gefchwindigkeit, alfo dieJBefch win- 
digkeit .multiplicirt mit de* Gröfse der Mafle , das 
iß, ..das Cartcfianifche Kräftenmaafs ift da», rich- 
tige (S.I, igo. ff.)- "".'"'.' 




Kraft. .; 707 

vr. Im dritten Hauptftück legt K. eine 
neue Schätzung der lebendigen Kräfte, 
als das wahre Kräf tenmaafs der Natur 
da f. Allein fo vortrefflich und richtig das zweite 
Hauptftück diefer Schrift ift, fo unrichtig ift Wie* 
4er. diefes dritte, welches, lieh auf die Voritel- 
lung gründet, dafs der Cörper ein Vermögen in 
fich habe, die Kraft, welche "von etwas aufser 
ihm, durch die Urlache feiner Bewegung, in ihm 
erweckt worden, von felbli in lieh zu vergrö- 
fsern. Kant; hat diefe Hypothefe erfunden, um 
die lebendigen Kräfte gegen die Mathematik zu 
retten, weil er damals lieh -• Vorftellte , fie befän« 
den fich wirklich in der Natur. Befonders fchie- 
»en ihm einige Verfuche dafür zu fprechen. Aus 
diefen Ver fachen erhellet , . dafs Kugeln von glei- 
cher Gröfse und Mafle, wenn fie aus ungleichen 
Hohen herab in weiche Materien, z.,B. UnfchJitf, 
fallen , Gruben eindrücken, deren Tiefe fich wie 
das Quadrat der Höhen, alfo der Geschwindigkei- 
ten, verhalten* {S. JL 263.). 

x. Allein man mufs nicht auf die Tiefen der 
Gruben fehen, fondern auf die Gröfse der Wirkung 
in einer gegebenen Zeit, in Welcher der Cör- 
per feinen Rauir* mit kleinerer Gefch windigkeit 
zurücklegt* Wenn der Cörper/ z. B. einen btofs 
bekömmt, und durch diefen eine gewiffe Gefch win- 
digkeit verliert, fo legt der Cörper, allerdings in 
einer gegebenen Zeit, z. B, einer Secunde, einen 
kleinem Raum zurück. Nun ift es aber falfchi, 
dafs, wie fich die Leibnitzianer, und Kant felbit 
(S. I,' 264), ehemals vorfiellten, der Zufammenhang 
durch die ganze weiche Made gleichförmig fei, 
dafs alfo die Gröfse des Widerfiandes , ,urid daher 
auch der JKraft, die der Cörper- anwenden mufs, 
diefelbe zii brechen , fich Wie die Summe' der ge- 
trennten Theile, d> i. wie dje Tiefe der einge- 
fchlagenen Gruben verhalten: Sondern, ' weil die 
Tlfljjfraupht blofo getrennt, fondern auch zurück 



70ß • .■ ' Kraft. 

< > 

, gefchoken werden müflen, und dabei von denüuf 
ihnen liegenden Theilen gedrückt wersien , fo yrird 
der Widerftand immer gröfser nach dem Gefetz 
der Schwere, und eben daher ift aucl\ die Wir*. 
kung der gleich, wenji ein Cörper mit einer ge- 
^wiflen Gelchwindigkeit wider' die Höhe fteigt: Dit 
Schwierigkeit aber , die das Quadrat der 'Geschwin- 
digkeiten hier macht, ift fchon in den Abschnitten 
g. ff. gehoben worden. Die Kräfte der bewegten 
Cörper verhalten, fich alfo eben .fo wie die Kräfte 
der ruhenden Cörper , wfenn fie , wie bei fchweren 
Cörpern ein B eil r eben haben fich zu bewegen, 
nicht wie die Quadrate ihrer Gefchwindigkeiten, 
fo dafs der Cörper, der zweimal gefchwinder wäre, 
zweimal zwei, d« i. viermal fo viel Kraft hätte, 
fonder ri er hat auch nur zweimal fo viel Kraft, 
als ein gleich grofser Cörper, der nur einmal fo 
gelchwind ift. Dafs aber nicht mehr Kraft nöthig 
ift, einen Cörper von einem Pf unde zur Höhe 4 zu 
heben , als einen Cörper von 4 Pfunden zur Höhe 
1, ift nur unter der Bedingung wahr, 
dafs di^e Zeiten der Bewegung gleich find, 
Welches z. B» bei der Schnellwage, der Fall ift. 
Dann iß der Cörper, der 4 Bäume durchläuft, nicht 
zweimal, fondern viermal fo gefch wind, als der 
Cörper, der nur 1 Baum durchläuft, denn' er braucht 
diefelbe Zeit zu 4 Bäumen , als der letztere 
zu einem Raum *). * Leibnitz dachte nicht an 
diefe Bedingung der gleichen Zeit, und fchlofs, 
es fei auch fo bei' Bewegungen in Zeiten, die 
einander nicht gleich find . (S. I, £8.)* Die Carte- 
fianer gaben- .den Leibnitzianern ihre wunderliche 
Behauptung, ein Cörper könne mit doppelter 
Gefch^nndigkeit ' nicht blofs zwiefache, . Ion dein 



*) Die Gefchwindiglteit verhalt lieh nehmlich wie die Raum* 
diviUtrf durch <U« Zeiten, C:=r£, C Bo weffun £» IV. 



Kraft. 



709 



ricr fache Wirkung ihun, zu, und verdarben 
dadurch ihre gute Sache, dafs fie diefelbe nur mit 
Schlechten Gründen vertheidigten (S. I, iSg.). 

y. x Hiernach kann Ann- Kein Unterfchied zwi» 
fchen lebendigen und todten Kräften fiatt finden, 
d. i. die Kräfte und vollkommen fpeeififeh diesel- 
ben, und haben alle das Maafs MC (die Mafle M 
multiplicirt mit der Gefch windigkeit), wenn fiö 
meclvanifch find, oderfolehe, welche die Cos- 
per haben , in fo fern fie felbß in Bewegung find, 
es mag nun die Gefchwindigkeit ihrer Bewegung 
endlich (d. i. diefe Cprper wirklich in Bewegung), 
oder unendlich klein (eine blöke Befirebung zur 
Bewegung oder Sollicitation) fpyn. Man würde 
vielmehr weit Schicklicher diejenigen Kräfte, wo- 
mit die "Materie (wenn man von ihrer eigenen 
Bewegung, auch fogarvbn der Befirebung, fich zu* 
bewegen, gänzlich abfifahirt) in .andere wirkt, 
folglich - die dynamifchen bewegenden Kräfte, 
todte, alle mechani fchen bewegenden Kräfte 
dagegen lebendige nennen, bhne auf den Un- 
terfchied der Geschwindigkeit zu fehen , deren Grad 
auch unendlich klein (blofe Sollicitation) feyn darf, 
wenn ja noch diefe Benennung todter und le- 
bendiger Kräfte beibehalten zu werden verdiente 
(N. iio* ff.), 

* 

14. Schnellkraft, f. Elafiicität. *\ 

45. Spannkraft, f. Elafiicität. 

% 

16. Springkraft, L Elafiicität. 

17. Todte Kraft, vis mortum, forcemor- 
tt, L Kraft, lebendige« 

iß. Treibende Kraft, f. Zurückfto- 
fsunggkraft. 



jL*M±* 



;./ 



7*0 Kraft. Kriecherei. . 

-ig. WefentlicLe Jtraft, tis - ejfetilialis, 
force effentielle, f. Kraft, lebendige, d. 

, v ' 

äo. Wirkende Ktfaft, viiactiva, force 
activC) f. Kraft, lebendige, d, 

» 

ai. Ziehende Kraft, f. Anziehungs- 
kraft, 

• ss. ZurÄckfiofsende Kraft, X Zu* 
rückifofsungs kraft 



\ 



23. Zurückftofsungskraft, f. Zurück* 
ßafsurigskraft. • 

Kriecherei, .. , . 

fittlich^falfche, erlogene D.emuth, hinnili* 

1 tas fpuria, fauffe humilite. Die Entfagung 
alles Anfpruchs auf irgend einen mora* 
Jifchen Wertli feiner felbfi, in der' Ue* 
berr^dung, fich eb'ten dadurch eine« ge- 

* borgten zu erwerben (T. 95.). DerJMenfch iß 
kriechend, wenn. er lieh darum, dafs ihn Ali* 
dere als ein Wefen betrachten und behandeln, 
'welches Zweck an fich felbfi iß, fo »bewirbt, als 

/ wäre es eine Gunfi, die er lieh zu verfchaffen fu- 
che. Dies ift die Wirk ung einer knechtifchen 

' Gefinnung (animi fervilis) 9 welche der S e 1 b fi- 
fchätzung, einer Pflicht des Menfchen gegen 
fich felbß, gerade entgegen iß (T. 94. f.). 

- " ■ - ' • - * r . 

ö, Kant erklärt diefes T-afier auch fo, es' iß 
die blofs als Mittel, zur Erwerbung der 
Gunß eij^es Andern (wer es auch feij» 
a-usgefonnene Herabfetzung feines eig e * 
nen moxalifehen We,rths {Heuchelei und 
Schmeichelei). *E$ iß eine Herabwürdigung 
feiner ferfönlichkeit , und folglich überhaupt der 



* 
\ 



/ 



~ * Kriecherei. 711 

Pflicht gegen ficjh lelbft entgegen. Demuth in 
Vergleichung unfrer- mit andern Men- 
fchen, ja überhaupt mit einem endlichen Wefen, 
und wenn es auch ein Seraph wäre, ift gar # Keine 
Pflicht. Die Beftrebung aber, in diefem Verhält* 
nüTe Andern gleich j&u kommen , oder fie zu über- 
treffen, mit der Ueberredung, fich dadurch 
auch einen innern gröfsern Vv>rth zu verschaffen, 
ift Hochmut h , »welche der Pflicht gegen Andere 
gerade zuwider ift (T. 95.). * ". 

g. Beweife eines ausgebreiteten Hanges zur 
Kriecherei unter den Menfchen find: die vorzüg- 
liehe Achtungsbezeigung in Worten und Manieren, 
felbft gegen einen, der in der bürgerlichen .Ver- 
faffung nichts zu gebieten hat; die Reverenzen, 
Verbeugungen (Complimente) , ff. f. w. (T. 97.). 

> 

4. Der Menfch im Syftöm der Natur, blofs 
al3 ein vernunftiges Thier, ift ein- Wefen von 
geringer Bedeutung, und iß mit den übrigen 
Thieren als ein Erzeugnifs des Bodens anzusehen, 
auf welchem fie Leben, und hat fo, wie diefe, 
einen gemeinen Werth (Preis). Dafs er Verftand 
hat, giebt ihm nur einen äufsern Werth, der 
durch des Menfchen Brauchbarheit, als eines Mit- 
tels irgend \vozu, beftimmt wird» Et ift in to 
fem als eine Waare zu betrachten, die ihren 
Preis hat, der aber immer noch geringer ift, als 
der. Werth des Geldes, welches man als das all- 
gemeine Taufehmittel nicht blofs irgend wozu« 
fondern zu allem, was lieh ein taufchen läfst» ge- 
brauchen kann (T. 93.)* 

5. Der Menfch aber als Perfon betrachtet, 
d. i, als Subject einer moralifdh - praktifchen Ver- 
nunft, ift über allen Preis erhaben. Denn alp 
ein Vernunftwefen ift er nicht blofs als Mittel zu 
Anderer ihren, ja felbft feinen eigenen Zwecken, 
fondern als Zweck ah fich felbft zu fchatzen, d, i. 



* • 



• 1 



I • 



t 

7U Kriecherei. Krieg: 

er befitzit eine Würde, einep pbfolutefi innern 
Werth , wodurch- , er allen andern . Ve^nuufitwefen 
Achtung für ihn abnöthigt. Er iann lieh mit "je- 
dem andern Vernunftwefen inelTen und auf den 
Fufs der Gleichheit fchätzen, ef mufs ficii aber 
diefer Achtung nicht verluftig machen, und fall 
daher die inoral ifche Selbftfchätz,ung in Betracht 
feiner Wü|de als Vernunft mansch nitht verleug- 
nen, d. i. er Coli um die Anerkennung diefer fei- 
ner Würde von Andern, die er forde*** kftUV 
nicht kriechen ^T- 93. f.). 

* •' • ' Krieg, " 

I 

» * 

jcoAjeu-df, bellum, guerre. Die Zwietracht aus 
der Entgegensetzung der Endabfichteu 
in Arifehung des Mein und. Dein (Z. 43*.), 
. £ Gegenwirkung, 14. 

* - 1 * 

2. Ausrottung skrieg, £, Ausrottungs* 

• * 

5. Beftraf ungskrieg, Strafkrieg, htU 
lum purutivurn, guerre paur punir. So heifst 
ein Krieg, welcher gefuhrt wird, um diejenigen 
zu beitrafen t wider welche man die Waffeti er* 
peift *)♦ E$ können: aber au$h bejde kriegführen- 
le Mächte diefe Idee haben* Dtefe Idee |ft aber 
eiii Hirngefpinfi, es läfst fich kein Beftrafangs* 
krieg, alz etwas -Reelles, denken/ Denn &wi* 
fchen unabhängigen Staaten findet kein Yerjat^ltnif* 
eines' Obern (irhperantis} zu einein Untergebenen 
(fubditum) ftatt, und ohne diefes Verhältnifs läfst 

' ' ' ' • "' ' ■ ' '*' ' 



*) Für einen f*flclien rtiieft erklärten die Römer den gegen 
Philipp, König der Maetdonier , dadurck , cUf» fie ihn *ar Er- 
ftattun^ der Kiiegskoil^n 4qoo Pfund ßdfors *<üy<?» Ueken , & ^ b> 8* 



Krieg. 713 

fich wieder keine Strafe denken,« weil nur der 
Ob^re gegen den Untergebehen das Straf recht hat» 
Folglich kann wohl der Obere einesf Staats die Ided 
haben, den Oben> eines andern Staats durch 1 den 
Krieg zu itrafenv, aber diefe Vorfiellung ift falXch 

(Z.i3.-K.a2i. f.). ; 

» 

b. Da es altb zwifchen unabhängigen Staaten 
überhaupt keinen, Strafkrieg > geben kann • fo ift 
die Unterfuchung , welche G r o t i u s (de jure belli 
ac paeis L II, c. so» $.38, *•)» ob alle Verbrechen 
durch .Krieg geltraft werden dürfen, unnütz. 
Grotius hält nehmlich die Idee *vun einen! Beitrat 
fungskrieg für reell, und meint f man foll nicht 
alle Verbrechen, -ohne Unterschied, * durch den 
Krieg beßrafen. Sein Grund ift, weil auch "die 
Gefetze nicht jedes Verbrechen beftrafep, ob fie 
es gleich ohne Gefahr, «und ohne Andern als dem 
Verbrecher Uebels zuzufügen, thun könnten. Da, 
nach dem Sopate'r (Stobaei ferm. 46.), das Sün- 
digen der Natur des Menfchen eingewurzelt fei, 
£0 muffe man leichte und gemeine Vergehungen 
überfehen. 

4.* Unterjochungskrieg, bellum fubjuga- 
torimn:, guerre.pour fubj üguer. So heifst ein 
Krieg, welcher einen Staat-morali£ch vertilgen foll*). 
Ein Unteryochungskrieg hat alfo den Zweck, ein 
Volk entweder mit dem des Ueber winders in eine 
Maffe zu verfchmelzen , oder es in den Zuftand 
der Knecht fehaft zu ver fetzen» Ein foloher Krieg 
ift zwifchen unabhängigen Staaten unerlaubt. Die* 



*) Ein folcher Krieg war der, welchen der König- von AfTy« 
jien dem König von Jfrael ankündigte, mit den Worte«: Dein 
Silber und dein Gold i(t mein, und deine Weiber 
und d«ine beft«n Kinder find auch mein, i. Kön. 20 , 3. 
So fochten Atheta und L acedämon im peloponncfifch^n 
Kriege' blofs nim lieh einander völlig zu unterjochen. 



7H Krieg. 

9 fes ' Nothmittel eines Staats, zum Fricdenszttftande 
zu gelangen , widerfpricht an fich nicht dem Recht 
eines Staats. Allein es iß der Idee des Völker- 
rechts zuwider, den Krieg als Erwerbungsmittel 
zu verftatten, weil durch die Vergröfsertmg eines 
Staats die Freiheit, dei andern bedrohet wird 
(K. 22 *\ 

b. „Es üt ungerecht" f fagt G r o t i u s (de jure 
belli nc pacis L II, c. 22. $. 12.) ganz richtig, 
„gegen ein' Volk die Waffen zu ergreifen, um es 
zu unterjochen f gleichTam als fei es fo geartet, 
dafs- ein Oberherr demfelben zuträglich fei, wes- 
wegen die Fhilofophen ein folches Volk, Skia* 
Ten von Natur {naturaliter fervos) nennen. 
t Denn daraus , dafs Jemanden etwas zuträglich ift, 
folgt nicht, dafs man es ihm aufdringen dürfe. 
Wer den Gebrauch feiner Vernunft hat, mufs die 

»'s. 

, Freiheit haben zu wählen, was er für ihn /zuträg- 
lich oder., nicht zuträglich hält; es müfste denn 
Jematid ein Recht über ihn erlangt haben, ver- 
möge deffen er denfelben verbinden könnte, lieh 
liierin nach feinem (des Verbindenden) Urtheil zu 
richten» Mit den ' Kindern verhält fichs anders, 

x denn da diefe fich nicht felbft regieren können, 
fo hat die Natur dem erften», * der fie regieren will, 

/ und die Gefchi^cklichkeit dazu hat, auch das K^cht 
dazu gegeben." . » 

5. /Verteidigungskrieg, bellum defen- 
fivum, guerre defenfive. . So heifjt der ein- 
zig rechtm'äfsige* Krieg,* welcher einem Staat 
zu feine hi Recht gegen einen andern Staat verhel- 
fen foll. Im natürlichen Zufiande der Staaten 
(worin • fie fich befinden , fo lange nicht ^ein Völ- 
kerbund unter ihnen exißirt, in. welchem jeder 
Staat fein Recht durch Procefs vor einem äufsern 
_\ Gerichtshof fuchen kann) hat jeder Staat das Recht 
zum JSriege (zu HoftiÜtäten). Ein folcher Krieg 
mufs erlaubt feyn, weil, ohne diefes traurig« 



Krieg. 715 

Nothmittel kein Staat gegen den andern fein Recht 
verfolgen könnte. Wenn alfo ein Staat fich von" 
dem andern, lädirt (fein Recht verletzt) glaubt, fo 
ficht, ihm das Recht zu, durch eigene Gewalt 
fein Recht zu verfolgen, wo, keiner von beiden 
Theilen für einen ungerechten Feind erklärt wer- 
den kann (weil das fchon einen .^Richter fipritch 
vorausfetzt), fondern der Ausfchiag deffelben 
(gleich als vor einem fo genannten Qottesgerichte) 
entscheidet, auf wellen Seite das Recht iß, nehm- 
lieh auf der Seite des Siegers, wodurch freilich 
nicht entfehieden wird , ' was Recht ilt , fondera 
was Recht feyn muf$ (nach dem Recht des Star- 
kem, d. i. der Gültigkeit der Gewalt für Recht). 
Die Anwendung , die der Staat von feiner Gewalt 
macht, um fein Recht zu verfolgen, ift alfo der 
Krieg (Z* 10. f* IL aso.). 

b. Der Arten einen Staat zu lädiren , v folg- 
lich ihn zum Kriege zu berechtigen , giebt es zwei, 
die Bedrohung und die thätige Verletzung, 
welche letztere von der erften Feindfeligkeir, (Hö- 
ft ili tat) noch unter fchieden werden mufs, und in 
der erften Beleidigung (Aggreilion) befteht. Die 
Bedrohung ilt entweder «ine zuerft vorgenom- 
mene Zuruft ung eines andern Staats, welche 
das Recht des Zuvorkommens begründet; oder 
die fürchterlich anwachsende Macht eines 
andern Staats (durch Ländererwerbung), welche 
alle ihn berührenden Staaten lädirt, . und ein 
Recht des Gleichgewichts aller diefer Staaten be- 
gründet. Zur. thätigen Verletzung gehört " 
auch die Wiedervergeltung, .d. i. die felbft- . 
genommene Genugthuung £üt die Beleidigung de» 
einen Volks durch das Volk des andern Staats, 
oKne eine Erstattung (dutch friedliche Wege) bei 
dem andern Staate zu x fachen. Mit diefer Wieder- 
vergeltung hat- der Ausbruch des Krieges ohne 
Kr iegs ankündigen g (Aufkündigung des Frie- 
dens) ,- der Förmlichkeit nach , ~ eine Aehnlichkeit,' 



7 iß Krieg, 



weil' der Krieg *]$ ein Vertrag angesehen werden 
mufs, dafs beide Ti>eile ihr Recht auf diefe Art 
fuchen wollen, wdnn man nehm lieh ein Recht im 
Kriegszufiande finden will; ohne Kriegsanktmdi« 
gung ift aber die^Annahme des Kriegs, qicht denk« 
bar , alfo mit dem Kriege auf keine Art die Idee 
von Recht zu verbinden (K. aar.). 

' 6. Ein Staat kann als eine moralische Perfon 
betrachtet werden , als* folche befindet er fich ge- 
gen einen andern Staat im Zufiande der natürli- 
chen Freiheit, folglich auch in einem Zufiande 
des befiändigen Krieges. Der Natur zuft and der 
Mißnfchen (Wenn fie nicht in einer rechtlichen Ver« 
bindung im Staate leben, und in diefem Natur- 
fcufiande befinden iich jetzt alle Staaten gegen ein- 
ander) fagt Hobbes JlJe cive. Lib&t. c. J, XU> 
p. 14. fq.) f iß ein Krieg aller gegen alle; es Toll- 
te heifsen ein Zuftand des Krieges aller gegen 
alle. . Denn wirkliche Feindseligkeiten herrfchen 
nicht immer zwifchen den Menfchen im Naturzu- 
fUnde, und auch nitfht zwifchen den Staaten. 
Im Kriegszufiande aber befinden fich die Menfchen 
und die Staaten befiändig, wenji fie im Natur/tau- 
de. leben. Denn Menfchen und Staaten, die nid* 
unter äufsern und öffentlichen Ge fetzen flehen, 
muffen doch auch der Rechte (ihr$s Erwerbs od'-r 
ihrer Erhaltung nach) fähig feyn. Folglich muffe 11 
fie felbtl Richter feyn über das , was ihnen gegen 
andere Rech* iß , und fich durch eigene Gewalt ge- 
gen die Lafion diefer Rechte fiebern, d.h. im 
Kriegszußande feyn (K. £16. R, 154. *)). 



\ 



b. Hiernach giebt es nun: 

«. ein Recht zum Kriege; 

ß. ein Recht im Kriege; 

y. ein Recht jtiach dem Kriege. 



.Krieg. 7*7 

et. Der» Kriegszuftand iit demnach ein Zuftand, 
in welchem, der Stärkere über das Recht entfchei- 
det , wodurch zwar k ein e m derer, welche 
in. die fem Zuftande leb'en-, unrecht ge- 
Xc hiebt', weil fic es nicht befier haben wollen; 
allein dieler Zuftand ift doch an lieh (elbß im 
höchften Grade unrecht, und an einander 
grunzende Staaten und daher verbunden, aus die- 
i"eni Zuftande herauszugehen *). Denn die- 
ser Zuftand iß eine ununterbrochene Verletzung 
der Rechte aller andern, weil derjenige, welcher 
ficK in diefem Zuftande befindet, fich anmaftt, in 
feiner eigenen Sache Richter zu Teva, und 
«ndern Menfchen oder Staaten keine Sicherheit 
wegen, de» Ihrigen zu laßen , als blofs feine ei<- 
gene "Willkühr. Bei der Bösartigkeit der menfeh- 
lichen Natur, die lieh im freien Verhältnifs der 
Völker unverhohlen blicken läfst (indeffen dafs 
fie im bürgerliehen geietzlichen Zuftande durch 
■ " en Zwang der Regierang fehr verfchleiert wird), 
« es doch zu verwundern, dafs das Wort Recht 
«us der Kriegspolitik noch nicht als pedantüch 
g"anz hat verwiefen werden können. Noch hat 
**«h 1.-;- et..» „-t.-.i — - /,ff Q -.,»i;^u ,,. „ r L:l3«T. 



/ v 



7*8 Krieg.- ' ■ .-' ' 

. ae fonyeräfie Gewalt (wie in einer bdrgerlicheü 
Verfoffüng) enthalten mufs» fondern nur einte Ge- 
nofCenfchaft (Föderalist) , die immer aufge- 
kündigt werden kann, und durcfr die es den 
Staaten möglich wird^ den Verfall in den Zu- 
ftand des wirklichen Krieges derselben unter 

einander von fish abzuwehren (K. äi6. f. R. i85-*))* 

* 

Wir fehen die Anhänglichkeit der Wilden an 
ihre gefetzlofe Freiheit, lieh lieber unaufhörlich 
zu balgen , als fieji einem gefetzlichen , "von ihnen 
felbß zu conßituirenden , Zwang zu unterwerfen, 
% mithin die tolle Freiheit der vernünftigen vorzü* 
ziehen, mit tiefer Verachtung an. Wir 7 betrach- 
ten dkfe £efinnung als Rohxgkeit, UrigAfchliffen- 
heifc und viehifche Ab Würdigung der Menfchheik 
n Man follte alfo denken , gelittete. Völker (von de* 
xien- jedes für fich zu einem Staat ^vereinigt ifi) 
müfsten alfo* auch eilen , aus einem fa verworfe- 
nen Zufiande je eher d$fto lieber herauszukommen. 
Statt deflen aber fetzt vielmehr jeder Staat feine 
Majeität gerade darin, gar keinem äufsern gefetz- 
lichen Zwange unterworfen" zii feyn," und der 
Glanz feines Oberhaupts befteht darin, dafs ihm 
viele Taufende zu Gebote liehen,, -fich für eine 
Sache, die fie nichts angeht, aufopfern sujaffen. 
Die Staaten m Europa find alfo -ebenfalls Wilde, 
die von den amerikanischen blofs darin unterfchie- 
den find, dafs diefe ihre Feiade, oft ganze Stäm- 
me derfelben, aufefleiV,, die erftern ihre Ueber- 
wundenen hingegen gebrauchen , die Zahl . i^rer 
Unterthanei* und damit die Werkzeuge zu noch aus- 
gebreitetem Kriegen zu vermehren (Z. 51. f.). 

Die freien Staaten haben alfo im Natnrzu- 
ftande ein urfprüngliches Recht 'zum 
* Kriege, der aber immer dazu hinwirken mufs, 
fo weit es den Umitähden nach möglich ift, ei- 
nen dem * rechtlichen fich nähernden Zultand zu 
ftif ten. Hier .erhebt fich nun die Frage : welches 



•» 



Krieg. 719 

Recht hat der Sftat gegen feine eigenen Uls- 
ter th an en, fie zum Kriege gegen andere Staaten 
zu brauchen, ihre* Güter, ja ihr Leben dabei auf* 
zuwenden, oder aufs Spiel zu fetzen? 'Braucht 
es nicht von ihrem eigenen UYtheil abzuhängen, 
oly fie in den Krieg ziehen wollen oder nicht, 
fondern darf fie defc Oberbefehl des' Souveräns wi- 
der ihren Willen hinein fchickeh? (K. 217. f«) 

' - ■ 

Gewächfe (z. B. Kartoffeln) und Hausthiere (z. 
B. Haushühner) find, <ler Menge nach, ein Mach* 
werk der Menfchen. Denn baueten fie und hiel- 
ten fie nicht die Menfchen, fo würde es nicht fo 
viele Gewächfe und Thiere geben ,- und' in fo fern 
find fie ein GemächXel der Menfchen. Die 
Menfchen haben alfo auch das Recht, fie zu ge- 
brauchen, zu verbrauchepnund zu verzehren oder 
tödten zu laflen. Eben das iß ;nun auch, det Fall 
mit den Menfchen, fie find, dem gröfsten Theü 
nach, &n Product des Staats, ohne welchen e$ 
nicht fo viel geben würde. Alfo, fcheint es, kön- 
ne man auch von der oberßen Gewalt ^im Staate 
fagen, fie habe das Recht, ihre Unterthanen in ' 
den Krieg, wie auf eine Jagd, zu fuhren (K. 019.)» 

Diefer Rechtsgrund aber, der vermuthlich den . 
Monarchen auch dunkel vorfchweben mag, gilt 
zwar .freilich in Anfehung der Thiere,, die ein N 
Eigen.thum des Menfchen feyn können, will 
fich aber .doch fchlechterdings nicht auf den Men- 
fchen anwenden laßen.. Der Menfch als Staats- 
bürger mufs immer als mitgefetzgebendes Glied 
, betrachtet werden, denn er iß nicht bjofses Mit- 
tel, fondern zugleich Zweck an fich felbfi. >Er 
mufs alfo als ein folch'er betrachtet werden, de^ 
nicht allein zum Kriegführen überhaupt, fondern * 
auch zu jeder befondern Kriegserklärung, feine 
freie Beifiimmung gegeben hat. Nur in fo fern ( 
der- Staat den Staatsbürger als einen Solchen, be- 
trachtet-, der . vermittelt feiner Repräsentanten» - 



I 



7*° Krieg; • , 

i 
t 

feine Beiftimmnng zur Kriegserklärung gegeben bat, 
kann der Staat allein über den gefahrvollen Dienft 
des Staatsbürgers difponiren (K, 21g.)* " < 

Wenn die Beiftimmung der Staatsbürger dazu 
erfordert wird , um zu - befchliefsen , o b K r i eg 
feyn.folle oder nicht, fo iß nichts Hatürli« 
eher f als dafs , da fie alle Draiigfale des Kriegs aber 
fich felbft befchliefsen müfsten (als da find: felbfl ,1 

. zu fechten; die Koften des Kriegs aus ihrer eige- 
nen Habe herzugeben; die Verwüftung, die er bin* I 
tdr fiGh lafst, kümmerlich zu ver heflern;. zumUe 1 
bermafse des Uebels endlich eine, den Frieden \ 
felbft verbitternde, eine, liegen paher immer 
neuer Kriege zu tilgende Schuld enlaft felbft £U über- 
nehmen) , ße lieh f ehr bedenken werden, ein fo I 
Schlimmes Spiel anzufangen. In einer Verfaffung, I 
uro der Unterthan nicht Staatsbürger ift oder als fol- i 
eher behandelt wird, denkt das Oberhaupt, wel* I 
ehes fich als Staatseigentümer betrachtet, an alles \ 
das nicht. Der Krieg ift dann die unbedenklifchfte 
Sache von der Welt , weil das Oberhaupt durch ihn 

- an feiner Tafel , Jtegd , feinen Luftfchlöflern , -. Hot 
fefien. u.d. glr nicht das Mmdefte einbüfot; diefen 
älfo wie einp Art von Luftpartie aus unbedeutenden 
Urfachen befchliefsen , und d er Anftändigkeit wegen 
dem dazu allezeit fertigen diplomatischen Corps die 
Rechtfertigung deffelben gleichgültig überladen 
kann (Z. aj.). Uebrigens ift fchon (5) gezeigt 'wor- 
den, dafs der einzig rechtmässige Krieg 4er \er- 

, theidigungskrieg ift. 

$. Das Recht im Kriege ift gerade das im 
Völkerrecht, wobei die m eilte Schwierigkeit ift 
um fich auch nur' einen Begriff davon zu machen« 
Es iß fchwer, fich ein Gefetz in diefem gefetzlo* 
fen Zuftand (deffen Charakter eigentlich Ge- 
fefclofigkeit ift) zu denken, ohne lieh felbft zu 
widerfprechen. Ein Gefetz läfst fich indeffen doch 
im Krieg denken r ohne welches diefor gefetzlofe 



V 



/ * 

\ 






Krieg. ^ « i 



Zuftond ohne Stade 4brtdaaertf wtftdel ; Dife&fe T5& 
fetz ift: den Krieg nach fdlfchen Gruhdßt&en «u 
fuhren; Bach welchen es immer noch möglich 
bleibe, *ug jenem Näturftflnde der Staaten (im äu- 
feern Verhältnifs gegen einander) herauszugehen» 
(K* 401.)% Denn irgend ein Vertrauen Auf die* Den« 
kungedft des Feindes mufs mitten in) Kriege noch 
übrig bJeiben, .Weil ftmtt audi kein Friede' aBge* 
fchloflen werde» fcö*iAte, ; und die Feindfeligkeit 
in ciaett Aüsrott&ng&rieg ausfchlagen würde/ «Da* 
her-iftarun kein- Straf kriege (3.), keiti »u'irbt* 
tnin^ikrieg (2) '■ und Jtein Unterjochung^ 
h**g (# erlaubt. .''" . i /. 



>. » * 



Im -Kriege *ft- e& erlaubt ,*- dem öbe*ifr»lti£ten 
Feinde Lieferungen und CöntrifcMibnen aufzulegen; 
Aber es üt nicht erlaubt, das Volk zu plündern. 
Plündern heüsr«ehmlich, «rtflstelrieh Perfentyn das 
Ihrige ftbzwingdrtY Di?fr ift aber* Raub; 1 weil nicht 
das äberwtmdene Volk, fonderh der Staat *<fti*ch 
dafffcJbe, Krieg ffiftrt. Abör «es £ft erlaubt , durch 
Ausfeilt eibungfcn' Contributionen ^einÄufordeml 
fo daft ^Scheine darüber ausgestellt werdem Bei 
nachfolgendem Frieden kann alsdann die dfcrfi 
Lande öder der ^Provinz aufgelegte Lafi proportio«^ 
niplich^ertheilfe werden, fo difs der gan&e Staat 
üe trage. (K. 233.). 






y. Das Recht nacJi .d e nv ,-Kriege , ^d.^. im 
Zeitpuncte des Friedensvertrags (durch wel- 
chen zwar wohl dem diesmaligen Kriege, aber 
nicht Aetn Kriegs^&ftätfde , immer ifc Einern 7 nekfcA 
Kriege Vor wand • *fc^i* 'fi&derts '• '» 'ein ■ * fcrtde gern» cht 
wird)! und in &mCidhP auf die Folgen deflelbenj 4>e* 
fteht im* Folgenden/ ' «.Der Siege* macht die Bfedin* 
ung^nv ^ube» «dttfteit>dfe*ii- Refregt*A*übefreinzukom* 
cn and £um FriädeWohlufs zti gelangen, Trac* 
aten- gepflogen Verden. Bei' diefen Tractaten 
nützt nun der Sieger- wich V etwa ein Recht vor, 
s ihdb nur '- dariinj -zuftehe i * weü • ifen >der «eg* 



\. 



?«• Krieg. Kriticismufc 

»er li4i't habe. Sondern er lftfot diefe Frage auf 
ßch beruhen, und ftützt fich, bei' den Bedingun- 
gen, die er vorfchreibt, bloft auf feine ^Gewalt. 
Daher l&uin der Ueb^r winder auch ni<?ht darauf an- 
tragen 9 dafs ihm die Kriegskoßen ev&attft werden» 
Denn» wenn er daa thate, Jo würde er damit den 
Krieg feine* Gegners für ungerecht ausgehen 9 in* 
dem nur der 9 welcher eine ungerechte Sache hatte, 
in die Koften des Procei^es verurtheilt werden, kann* 
Der Sieger kann fich allb diefen Grund feiner For- 
derungen wohl denken * aber er darf ihn nicht am 
fuhren f um etwa damit die . Rechtmäfsigkgjtt der« 
felben zu belegen Denn fonft würde er den Krieg 
für einen / Beftrafungskrieg (3) erklären , und fa* 
•ine neue Beleidigung ausüben, indem er damit 
den Gegner als Untergebenen behandelte (&ad3* £)• 

, Der Sieger kann durch die Eroberung > eine* 
fondes und Überwältigung eines Volks nie das 
Aecht erlangen 9 daffelbe zu leibeigenen zu ma- 
chen , . weil man hierzu einen ; Strafkrieg anneh* 
men ntüfste, (gegen 3). Folglich follen .awh 
beim Friedensfchlufa die Gefangenen ausgewechselt 
werden , ohne auf Gleichheit der Zahl zu fehen, 
weil fie (rechtlich) nicht als Shlayen weder verkauft 
noch losgekauft (ranzionirt) werden können (K. 
M4). S. übrigens, Friede. ', .. 

"-ir'-V* -«•♦•' 



>Mi 



der Metaphyfik, criticismus metaphyficus^ tri* 
titiime de la>Mebaphyfique> Das allge* 
meine Mifatrauen gegen alle fyntheti* 
(che Sätze der Metaphyfik, bevor nicht 
ein. allgemeiner Grund, ihrer Möglich- 
keit in den w.efentltaben Bedingungen 
unferer Etkenntnifs vermögen etngefe* 
hen worden. Der. Zweifel des Äuffehub* bei 
allen f okhty 6a|«eA 4er Metaphyfik, durch; wel« 






t 

Krit d. rein. Vern, feit. d. Gefchm. Kunft. 723 

che etwas behauptet, wird , was nicht in dorn Be- 
griff des . Sab jeets folcher Sätze liegt , bis daf* 
durch eine Prüfung des Erkenntnisvermögens er* 
hellet , wie , diefe Sätze entfpringen und wie die 
Vernunft zi* deufelben gelangt, üt «der Kriticis* 
,diüs des. Verfahrens mit allem, was zur Metaphy- 
sik gehört (E. 78- £)* D^fer Kriticismus ift 
das Gegen theil des Dogmatismus, man darf 
alfö nur, um fieh .«inen richtigen Begriff von ihm 
zu machen, der, Artikel:; Dogmatifch, a», Dog- 
matismus uftd Cr itik mchlefen. ... 



f . * 



f. Critik der reinen Vernunft. 

Kritik des jGeifchmaqk^ 

T • 

L Critik der reinen Vernunft, jj, b. §u 

Kunft. 



♦ 1 



'1 



N ' 



t&X™?» ot*, art. 80 nennt man überhaupt eine 
jede Caufalität, welche ihre Wirkungen, nach 
fcewiffen Hegeln (f. Genie 5.), # fo hervorbringt, 
dafs denf elben Ideen vorausgehen. .. Die C a u fa- 
llt ät ift die wefentliche Beschaffenheit der Urfa- 
che , ~ dafs durch fie tetwa* ander», . nehmlich die > 
Wirkung , nach- Gefetzem hervorgebracht werden ' 
mufs. Eine Idee ift aber ein Begriff,/ der die 
Beschaffenheit hat, dafs der Gegenltand , welcher 
durch: Mm gedacht wird,, )in. d«r Erfahrung nicht 
vollkommen dargeftellt werden kann. Wenn folg« 
Hch eine Urfache ihre Wirkungen- fo- hervorbringt 
dafs fie fjeh diefe Wirkungen vorher durch gewillt 
Begriffe vorftellt , denen gemäfs v , obwohl ni* 
vollkommen ^ngemeflen f - fie diefe Wirkungen her* 



73$ Kunit 

t 

begleitet» zur Ahficht hat, und Mob zum Ge» 

nuffe abzweckt* Solehe Kunfte find z. £. die, 

t Welche die Reize hervorbringen , die die Gefellfchaft 

- an einer Tafel vergnügen können« Dergleichen 

, ,Ünd: die Kunft unterhaltend zu erzählen; die Ge« 

tfeUfchaft in freimüthige und lebhafte Gefprachig- 

• keit zu yerfetzen jf * fie durch Scherz und Lachen 

v zu einem gewiffen Tone der Lustigkeit zu ftim* 

v ' jnen; u. f . w/ Hierher gehört auch difc Kunft, 

den Tifch zum Genuffe auazurüften , d£e v Tafel* 

mufik u. f, w« Dazu gehören ferner alle Spiele* 

di? Mofs durch Zeitverkürzung intereifiren (U. 178. 

M. IL 671.X / ' ' ' 1 ' 

* * ■ 

7* JBaukunft, f. BaukunfL 

• - . ', . 

gj Beredfamkeit, £ Beredfamkeit« 

9; Bildende Kunft Diejenige fchöne 
Kunft, welche Ideen in Anfchauungen durch 
die Sinne ausdrückt ; alfo nicht durch Anfchauun* 

, gen in der blofsen Einbildungskraft, die flurch 
Worte aufgeregt werden, wie die Dichtkunft, 

1 oder die Beredfamkeit. , Solcher Künfie giebt es 
♦zwei Arten, nach der Ueberetaftimmung der Dar- 
Heilung mit dem dargeßellten Gegenftande. Stimmt 
die Darstellung mit dem dargeft eilten Gegenftande 
übe rein, fo heifst die Kunft, die der Sinnen wahr« 
heit; ftimmt die Darfteilung nicht mit dem dar- 
geftellten Gegenftande überein, i tiu&ht eben einen 
Sinn fo, dafs dennoch der Gegenftand durch diefe 
Täufchung dargeftellt wird, fo ift es die Kunft 
des* Sinnenfeheins. Die erfte Art der bilden- 
den Kunft heifst die Plaftik, die andere Art die 
Malerei. Beide drücken ftfthetifche Ideen durch 
Gelt alten rijti Baume aus. Die Idee liegt , - «3 s das 
Urbild (Archetypen) in der Einbildungskraft , die 
Geltall) im Rafttme aber ift das, die Idee nie errei- 
chende, Na oh b il d (Ektypon) derfelben (ü^ *C7* 

m; jBi 713.)- fi 



* »w 



* » 



Rta&l' 7*5 



Natur. Di$ Kunft ift % .Äaa t V.en*fcgen* der 

Zwecke, aber diefe Zwen^i muffen auch-bp lie- 
big, und* das Vermögen im; Gebrauch der * 
tauglichsten Mittel dazu, damit; yejDbundea 
feyn* Die Zwecke müflfeji beliebig feyn, heifst^ 
es mufs »in dec /Willkmhr- !der €4ufcUtät. nach 
Zwecken Heben, fiph einen* Zvf eck . yoreirff teer» 
oder nicht. Iß der 2 weck n#t händig* dann ift 
das Vermögen nicht. J£ij,nft, fondern Natur, wi* 
z. B. das Gewebe pu machen gefchaeht nicht durch 
eine Kunft der * Spinne, fondern durch die Na^ 
tur darleihen. Soll nun der . Zweck . wirklich ge- 
macht werden ,. . fi> mufs d#e G**falität zu diefem» 
Zweck da fe*yn* ' die QauCaUtät %ix einem be&unm.«* 
ten Zweck iß aber nichts .anders, als 1 das Vermox 
gen itn Gebrauch der tauglichßen Mittel lu dem«« 
felben (8, IIL 387> "■' • ■ ' A 

b. Kunft wird von der TJatUir T wi& Tkun? 
{focere) vom' Winken oder. Handeln , im wein 
teften. Sinne de» -Worts (agere), . unter fchieden. 
Wenn nehmlich die Wirkung (paus djerUrfacb» 
erfolgte 9 dafs es nicht von der IT* fache abhing, 
fie hervorzubringen oder, nicht, fo fagt man hlafcv 
die Ur fache wirkte dies od$* handelte} wenn die' 
WirkuAg aber von dem Belieben d^r, Urfach« ab-v 
hing, fo fagt man, die UrFache that dies; in* 
letztem Falle fchreibqa wir <bei? Urlache Kunft; 
im erftern Falle blofs N^tur *zu; ;Daa Producta 
oder die Wirkung durch Kunft, das, was die 
Urlache durch ihre Kunft berrorferafthta, nennen 
wie ihr Werk (opus}* J}k* Entziehung diefe* 
Werks fchreibtman der Urfacbe za, als .ihre «T hat 
Das Product der N^t ur nennen. wir blofs Schlecht* 
weg ihre Wirkung (U.< 173» fr M. II; 66^)1 

• • . . f r • * 

c. In diefer Bede^tm^ wicd.jdj» Wort; Kunft 
nicht mehr ' fufcje;c*iv,j als. das ,) Yermögen ? * 
fondern obyectiv^ *:altf der Gebrauch der taug* 
lichften .Mittel zu beliebigen Äwecken > oder al* 



7*6 Kunft 

diejenige Wirkuta g des Kunfhrerm&gMe, dafc es 
Producte der Kunft hervorbringt, gebraucht. So 
Tagt Kant (U. 174.) 1 von Recht* wegen follte man 
die Hervotbringung durch Freiheit, d.i. 
durch" eine (Fertigkeit der) Willkühr, 
die ihren Handlungen Vernunft zum 
Grunde legt; (alfo nach Freiheitsge- 
JTetzen handelt), Kunft neiinen. Denn, ob 
ob man gleich das Produkt der Bienen (die regel- 
mäßig gebaueten W^ohdcheiben) ein Kunft werk, 
d. i. ein Product der Kunft zu nennen beliebt, fo 
jgefchieht diefes doch nur wegen der Analogie mit 
der Kunft f oder well *s einer Künft ähnlich fieht, 
und wir daher den Thieren unfere Begriffe von 
Kunft unterlegen. Sobald man fich nehmlich be- 
famt, dafs /fie ihre Arbeit auf Keine eigene Vcr- 
siunf tüberlegung gründen , fo fagt man alsbald 9 es 
ift ein Product ihrer Natur (des Inftincts), und 
als Kunft wird 4s nur Ufrem Schöpfer zugefchrie- 
ben (17. 174. M. II. 665.). Man könnte hiernach 
die ' Fertigkeit , nach fittlichen Gefetzen zu han- 
dln, auch eine Jiunft nennen; , fie wäre dann die 
Kunft , ein Syftem der Freiheit gleich einem Syfiera 
der Natur möglich zu machen. Das wäre in der 
Tfcat eine * göttliche Künft, durch die wir im 
Stande wären, vcfas, was uns die Vernunft vor- 
schreibt, vermittelet ihfrer auch völlig auszufüh- 
ren/ «und die* Idee davon Wirklich zu machen 
<zu realifiren) (H. XOl). 

d. Wenn *man bei Durchfucbung eignes Moor« 
braches, wie es bisweilen gefchohen ift, ein 
Stück b«hauenes Holz antrifft, fo iagt man nicht, 
esift ein Product der Natur, fondern, der Kunft. 
Man Verficht darunter, die hervorbringende Ur- 
fache diefer Fotm des Holzes habe fich einen Zweck 
:edacht , dem es feine Fo?m zu danken habe, ßonft 
ieht man auch wohl eine Kunft in allem ,- was fo 
befchaffen ift, dafs eine VorftelJung deffelben 
in ihrer Urfache vor dpr Wirklichkeit des Products 
\ 



/. 



Kunft.' Jr«7 

i 

vorhergegangen feyn taufe ( wie felhft bei de» Bie- 
gen), ohne dafa doch die Wirkung von der 
Urfache eben gedacht feyn dürfe. - Wenn man 
aber etwas fcljlecht weg . ein Kunftwerk nennt, 
tun es von einer Natur w.irkung zu unterfchei* 
den, fo vergeht man allemal darunter x ein- Werk 
der Menfohen (U. 174. »III, 666.)* , 

3. Unterfcheidung der Kunft Ten der 
Wiffenfchaft; . Kunft wird auch, alt Ge» 
fchicklichkeit de4 Menfchen, von der Wif- 
fenfchaft; unterfchieden , wie. Köftnen vom 
Wiffen. Kunlr iß nehrolich die Geschicklichkeit 
des ptaktiXchen Vermogena oder <def Willens, Wif- 
fenfchaft ift die Wirkung de* theoretischen Ver- 
mögens oder des Erkenntnifsventögens, Beide un- 
terscheiden fich wie Technik, ümd Theorie von. 
einander; denn Technik if^ die gründliche Her* 
vorbringung, Theorie aber die gründliche 
Erkenntnifs des Gegenftandes. Die- Feldmefs- 
kunft iß eine Kunft, denn fie ift die Gefe^iek* 
li c h ke i t, den Erdboden , oder Theile feiner Ober- 
fläche/ mejTen zu können; die Geometrie iß 
aber eine Wiffenfchaft *) f den» fie ift die Er« 
kenntnifs, vermöge welcher ma* die auf An- 
fchauung gegründete Befchaffenheit des Baume 
weif s. Und da wird aiueh das, was man kann; 
fobald man nur* weife, was getkan weif den foU f 
und alfo die begehrte Wirkung nur genuglam 
kennt, nicht eben Kunft **) genannt. Nur das 9 
was man, wenn man es auch auf das, voüftän* 
digfte kennt, dennoeh nicht fof ort die Gefchick- 
zn machen hat, gekört in fo weit mir 



*) Was'wif Wiff«nfeE»it nennen, tu nennten die Aken t 
tfceoretifcha £unA rqptm «topf«*«. Qmiuctil. InßiU Orm* 
«er» /. ///. c„ 19. ' 

**) Die Alten nannten diee vietnuit? 6rtx»«» fcsifes Kunft. 
QninttiLlc. 9. tu 



' s. 



72$ ' Kunfl 



/ 



N 



KunfL Cam$£t~.b*fohreibt fehr £enau, wie«' 
befte $chuh befchaffen feyn müfste, aber er konnte 
gewifs deinen machten (U, 175. M. II. 667^. 
, ■ * • • » « 

b, In manchen Gegenden . fugt: 4er gemein* 
JVIann , ' wenn man ihm etwa eine . folche Aufgabe 
vorlegt", wie Columh^s . ifcit feiju&i, Eie : _ das 
ift keine Kunft, 9s ift ni|r eine.Wiffeh- 
Icbaj;i*.d f Ji. .wenn.. man «es w<*if*.>' fo >ann 
tnan c# auch; undebin das lagt er von $11 en vor- 
geblichen Künßep der Tafchenfpiejer ({blähen , wo- 
zu weder Gefchwindigkeit., noch Gefchicltlichheit 
gehört). JDie des. Seiltänzers:. #ird £* -dagegen 
Ku.uTt ,»u. nennen ,g&r weht in, Abredfc feyn (U, 



.vi 



>4«. Unterscheidung der üRuenfu vom 
Handwerk. Kauft .wit&ench x vom Band werk 

unterfebieden, wie Spiel vwvA*b«it. Kumfi 
iß nehmliqh dann 1 «ine IJefchäftigwig, die, für 
fieb felbft angenehm; dLi« gpieLift* und man 
vergehet, darunter die frei« Kunft ( i aus r libej{aux)\ 
Jiandw<?rk Aber /ift eine Befchäftigung, die. für 
lieb felbft unangenehm .(befehwerlicb)«' d.i. Ar« 
beit Aß, und man kannes, in t fo f*jn Ge- 
fcluckJic^k^it d^zu gehört,, die aber blofe darum 
erwogen. Mnd ¥ geübt wird* weil £e bezahlt wird, 
^uch ^ohnkun/t nennen, ,f/ Han-dwerk* Äeidc 
imterfchejTd^h. fich alfo w,ie Freiheit, nnd Zwang 
yan ejinandsu denn Rändeln ,aus Fjftfheit, btifst 
fo handeln, dafs allein der Geiß jdas .Wwk be- 
lebt ^ i4pd r daffelbe von dem blpfeen, Jteli&bep de» 
Handelnden abhängt; . ai^a Zwang ,4»aj*de}n aber 
heifst fo handeln, dafs blofs ein Mechanismus 
dazu erforderlioh ift. der* -den HancMaden fo wmI 
nicht anders zu handeln nöthigt. Die Mufik ift 
£mt> freie Kunft, -denn fie ift eine Befchäftigung, 
dife für fich felbft angenehm ift, uild der Gern 
des Componißen niu/s das mufikalifche J^rocluct be- 
leben; dagegen ift die Mixfik ein JHLajnd,wjerkf 



1 / 



•' 



/ 



wenja £p für Löhn arbeitet,,: taid der Mtifikant 
z. B. ium Tanz auffpielt, ' Zu allen freien {tun- 
ften wird- aber auch eiti M e fch a n i gm us . erfor« 
dert, ohne: welchen der Geift im Kunitproduct phne 
Gerper feyn und- verdunften würde. 30 mufs in 
einem Produkt .der >Diehtkunft Spracbrichtigkeit 
feyn , der Dichter mufs Sprachreichthunx befitzen, 
und mit derProfodie und dem SylbenmQafa bekannt 
feyn; alles die^ aber, bewirbt nur daä Mechanifche' 
der Sprache und des Versbaues. Dies ift nicht 
unrathfam zu erinnern, da manche neuere Erzie- 
her eine «freie Kunft am befren- zu befördern fi*i 
chen, wenn ,fie allen Zwang von ihr wegnehmen» 
und fie aus Arbeit in ein blofses Spiel verwan- 
deln, B a f e d o4v war diefer Meinung , vob ' der 
man aber fchon wieder zurück gekommen iß; in- 
dein B e f e w i t z und Andere bald " darauf ;auf merk- 
fam machten, dafs Gewöhnung, zum Zwang dem 
Kunftler wie dem Geletzten, unentbehrlich (ei (U. 
»75. M.« f/ 668.). .'■■-... 



• % 



Ich • will nun die verfchiedeneri Arten der 
in alphabetischer Ordnung beifugen. • 

$> , Aefthetifche Kunft, ars aefthetica. So 
nennt K» die Kunft , wenn fie das Gefühl der 
Luft, es fei nun, dafs die Luft die Vdrftellungen 
als blofse Empfindungen, oder auch als Erkennt« 
mCsartefc begleite, zur Ab ficht hat«. Im erftern 
Fall hat> fie die Sinne nein p findung., im letz- 
tern Fall die* *efle*ctire!ade Urtheilskraft 
zum RichtmaQfs. Es giebtr hiernach zweierlei Ar- 
tfen äfthetifebtr. Künfte, , die, angenehmen und 
die fchönen? und, der Eifttheilupgs&rund iß dip 
Art der Vorftelluttgen; welche von der Luft Ipe- 
gleitet werden (U, 177. £.179. M. H, üfo).« 

* • t •• • 

•'' 6; 'Angenehme Kujaft. S*> nennt Rant 
die Kifnft, yvenn fie das- G.effibl der Luft^^l- 
che die Vdrftellungen als blofse Empfindungen 



// 



73$ Kunft. 

c. Atfo mufs mali die Abficht dem Product *der 
fchönen Kunit nie anfehen. Das heilst, fchöne 
Kunit mufs in ihrem Product fo anzufehen feyn, 
Als wäre es' Natur, und als Wäre folglich gar 
Steine Abficht dabei, und doch mufs man fich da- 
«bei bewufst feyn, dafs äs Kunft ift« Dies* ift 'nur 
dacfurch iraöglich, dafe- »war «alle Regeln bei der 
' Hf rvorbringuih£ eines Kunftproducts ai(f das pünct- 
lichße find befolgt wordeil , nach welchen das Pro- 
duct allein das werden kann, was es feyn foll; 
dafs man aber doch keinfe Spur davon an diefem 
Product antrifft, dafs die Hegeln dem Künftler ,vor 
Äugen gefchwebt', und feinen Geiüüthskräften Fef- 
Xeln angelegt haben (U. iQ&. TM. II , 676.). Dafs 
fchöne Künft, Kunft des Genies ift, findet man im 

Art. Genie, 5I ..*••. 

/ * 

\, * 

f. Zur fchönen Kunit werden erfordert,: 

•. . . * . .. • 

.' *, Einbildungskraft, f. Gen^e, ra. f. • 

«..-#. ... * 

£. Vetitand, f. G*nie, 12. £ 



- j — _ - — 



Y« Geiitj f. 'Geilt* .<..,.,' 

* » - • 

i. feefchmack, f, Gefdhmatk. ' 



4 .-• 



* • 



.* 4 • 



Die drei . öfteren Vermögen bekommen durch 
das vierte alkr er ftihrö Vereinigung, Ge* 
fchmack, 7. (IL 205. JVT. II; 70G.). War wollen 
diifes noch kürzlich hie* aus einander feuen. 

t g. Von der Verbindung des Ge- 
fch-niack9 mit Genie> in. Procjncten» der 
fchöne» Ku^ft. * Es ift die-Frag^e: ifi in SacheU 
. der Tch önen -Kunfi mehr ^am" Genie oder am Ge* 
fchmacl} gelögen? So fallen-, nach. H um«, die 
Engländer ipehr Genie; uiie . Franzofen mehr Ge- 
fchmack haben; woran iß nun mehr gelegen?- /Ge- 
nie fchliefst eigentlich Verftand, Einbildungskraft 



• 



Htonftl 737 . 

) 

tmcl Geiß in lieh , der Gefchmack aber fetzt fie in 
da? fechte Verhältnifs zu. einander! Die Einbil- 
dungskraft ift das Haupt vermögen des Genies, denn 
diefes ' fchafft die üßhetifchen Ideen , f. G c n i e , 1 9. 
Gefchmack aber iß die Urtheilskrqft in Beziehung 
auf das Schöne« Obige Frage, wäre alfo mit der 
einerlei, kommt es in Sachen der fchönen K/lnft • 
mehr auf Einbildung oder auf Urtheilakraft an? 
Eine Kunft, die blofs Genie zum Grunde hätte, wür- 
de blofs zu einem gegebenen Begriff äfthetifche Ideen 
auflinden und Andern mittheilen können ; dies Ta- 
lent des Genies aber heifst Geilt; und daher wür- 
de eine folche Kunft eher eine geiftreiche alt' 
eine fchöne Kunft genannt werden müflfen* Nur 
eine Kunft, die auf Gefchmack beruhet, kann allein 
eine fchöne Ktmß genannt werden, denn ohne Ge- ( 
fchmack kann das Genie feinem Product nicht die 
fchöne Form geben, f. Genie, 10. ff. Folglich 
ift der Gefchmack die unumgängliche Bedingung 
(conditio ßne qua non) 9 ohne welche gar kein Kunft-" 
werk und alfo keine fchöne Kunft möglich ift (U. 20a. 
M. II, 704.). ' ^ 

h/Der Gefchmack riiufo das Genie ftets in Zucht 
halten, es zügeln , ihm die Flügel befchneiden und: 
es gelittet oder gefchliffen machen« Zugleich giebt 1 
der Gefchmack dem Genie die Leitung, worüber es 
fich verbreiten und bis wie Mreit et gehen foy, um 
zweckmäfsig zu bleiben« Der Gefchmack bringt 
endlich Klarheit und 'Ordnung in die Ideen, und 
macht fie dadurch haltbar, und eines dauernden 
und allgemeinen Beifalls, der Nachfolge Ande- 
rer und einer immer fortfchreitenden Cultur fiU 
hig. Wenn 7 ^|fo beide Eigenschaften des Gemüth* 
im Widerftreit find, fo mufs das Genie dem Ge- 
fehmack weichen« Auch wird die Ürtheilskraft, 
welche in Sachen der , fchönen Kunft ajis eigenen 
Principien. den Ausfpruch, thut, und dann eben 
Gefchmack heifst (4 Gejfchmack)) eher der 
Freiheit und dem Reich th um der Eintnldungskrafr/ 

Mtttins philo f. Wortirf. 3. Bd. A a a 



738 Kunfti 

*ls dem Veffiande, Abbrach zu tban, erlauben 
(U.'flos* M. II, 705,). l 

« 

, L Von der Eintheilung der fchönen 
Küntte« Man kann überhaupt Schönheit den 
1 Ausdruck äfihetifeher Ideen nennen; ift es Natur- 
Jchfßheit, fo iß die Natur uns fchön, weil es im* 
bei der Anfchauung fo ift, als haue fie Jemand nach 
Ideen hervorgebracht; ift es Kunftfchönheit , fo foll 
fie wirklich Ideen darfteilen (U. 004. M. II, 707.). 
IVIan kann daher die fchönen Künite fo eintheilen, 
als man die Arten, wie der Menfch lieh ausdrückt, 
um fich Andern mitzutheiien, eintheilt. Die Art, 
wie fich der Menfch mittheilt, ' ift nehmlich: 



Artikulation, die den Gedanken 
... 'durch Worte; 

ß, die Gefticulation, die die Anfchau- 
ung durch Gebehrden; 

. * 

*y. die Modulation, die die Empfindung 
durch den Ton 

mittheilt oder auf den Andern überträgt. Nur die 
Verbindung diefer drei Arten des Ausdrucks macht 
die vollständige Mittheilung des Sprechenden aus 
(U.fiQ4«£ M.II, 708.> 

k. Hiernach kann es auch nur dreierlei Arten 
fphöne^ Künße geben: 

* 
* ■ * 

«• die redende Kunft, welche die Ideen 
vermittelft der ' Gedanken, welche hier 
die Anfchauungen im innern Sinn oder 
Vorstellungen der blofsen Einbil- 
dungskraft wirken, durch Worte;, 

ß. die bildende Kunft, welche die Ideen 
vermittelt der Anfchauungen im äußern 



/ 



Kunft. 739 

Sinn durch Darftellungen im empiri« 
fchen Raum oder aufserc Sin'qenfor» 

men; ' 

<y. die Empfindung wirkende Kunft oder 
Kunft des fchönen Spiels* der Empfin- 
dungen, welche die Ideen vermittelii der 
Empfindungen durch äufsere. Sinnen« 
eindrucke oder Stimmungen (Span- 
nungen , Töne) des Sinnes 

mittheilet. 

Man könnte diefe Eintheilung auch logifch, 
durch Entgegenfetzung , machen , welche analyti« 
(che Eintheilung , nach dem Satze des Widerfprucha, 
jederzeit zweitheilig (dichotomifch) iit. Diefe Ein- 
theilung, welche aber zu abftract und den gemei- 
nen . Begriffen nicht fo angemeffen 4u$ßeht 9 wurde 
folgende feyn : Die fchöne Kunft drückt Ideen aus 
entweder 

ä. in Worten, oder 

ß. in Anfchauungen. 

Nun haben aber die Anfchauungen 

aa. eine Form, diefe giebt eigentliche An* 
fchauungen; und 

ßß. eine Materie, diefe giebt Empfindun- 
gen. 

Uebrigens bevorwortet K. noch, dafs er die* 
fen Entwurf zu einer Eintheilung nicht für eine 
imumftöfsliche Theorie wolle aägefehen haben , fon- 
dern nur für einen Verfuch^ deren man mehrere 
aufteilen könne und fblle (U. ao£. f. M. II, 709.). 

1. Von Äer Verbindung der fchönen 
Künfte in einem und demfelben Product. 

Aaa fi 



. ». 



„* 



\ I 



74* Kunft- . 

Es Können zjir Heryorbringung eines Kunfiprpducts 
mehrere fchöne Künfte gewirkt heben, z. B. in ei- 
nem Schaufpie'le A\p Beredfamk,eit und Mah- 
le r ei, tbwobl in der Darßellung der Subjecte 
(fpielenden JPerforien), als auch der Gegen ftändej 
im Gelange die Poefie und Mufik; in der Oper 
die Poefie, Muük und JYrahlerei (die Darfteilung der 
fpielenden Ferfonen und Gegenstände,* und die Thea- 
iermahlerei) ; im Tanz, das Spiel der, Geltalten 
mit dem der Empfindungen. Es Hann in einem 
Kunfiwerk auch das Erhabene mit dem Schönen ver- 
bunden werden , z,. B. in einem gereimten Trau- 
erfpiel, Lehrgedicht, Oratorium, u. f. w. 
In diefer Verbindung ift ein fchönes Kunftwerk noch 
künfilkher. Allein darum iß es nicht immer fchö- 
»er f weil fich fo mannigfaltige Arten des Wohlge- 
fallens durchkreuzen und eins das andere hindert 
und ftört, — In aller fchöi\en Kunftbefieht das We- 
sentliche in der Form, dafs nehmlich diefe für die 
Befchauung und Beurtheilung zweckmäfsig fei, wp 
die Luft zugleich . Cnltur ift und den Geilt zu Ideen. 
ftimmt, mithin ihn mehrerer folcher Luft und Un- 
terhaltung empfänglich macht. Das Wef entliche 
der Kunft/beßeht folglich nicht in der Materie, d. i. 
der Empfindung des Gegenfian des durch die 
Sinne (nehmlich in dem Reiz und der Rührung der 
Sinne durch den Gegenßand), dafs diefe Genufs 
Terfchaffe. -Statt dafs die B e t ra c h t u n g des Scho- 
nen den Geiß cultivirt, läfst die Empfindung 
der Annehmlichkeit nichts in der Idee zurück, 
fondern machtviel mehr auf die Länge den Geiß 
ftumpf , den Gegenßand narch und nach anekelnd, 
und das Gemüth, durch das Bevvufätleyn feiner, 
Im Urtheile der Vernunft zweckwidrigen, Stim- 
mung , mit fich felbß unzufrieden und launifch *) 
£U. $13. M. II, 717)- 

- » .:/ 

*) Da*. Wefen der fchv»nfen Iiünile beiloht alfo nicht, wi* 
•loch in Suis er 8 Theorie £Art. KunütO behauptet wird: 'in da 



JKurift. ' 74» 

* 

Die fchönen Künfte muffen mit rfioralifchen 
Ideen in Verbindung gebrathr werden, denn die* 
fe gefallen nicht, blofs eis Mittel wozu, fondern 
urn ihrer felbft willen ; und das 'Wohlgefallen, 
welches die fchönen Künfte verursachen, ift dann 
dauernd. Ift aber in einem Kunftwerk gar .keine 
moralifche Tendenz, fa dient es nur zur Zer* 
ftreuurig, v d. i. dazu, fich noch unnützlicher 
zu beschäftigen und noch unzufriedener mit fich 
felbft zu machen. Ueberhaupt find die Schönhei- 
ten der Natur zu der Abficht, uns mit Beziehung 
auf Moralitat zu unterhalten 9 am zuträglichften, 
wenn man früh dazu 'gewöhnt wird, fie zu beob- 
achten, zu beurtheilen und zu bewunden* (U.214. 
f. M.H, 7X8.)* 

nu Vergleichung des afthe'tifchen 
Werths der fchönen Künfte unter einan- 
der. Unter allen fchönen Kauften behauptet die 
Dicbtkunft der^ oberfteri Rang, denn fie ver- 
dankt ihren Urfprung faß gänzlich dem Genie, 
und will am wenigften durch Vorfehrift oder durch 
Beifpiele geleitet feyn» Sie erweitert überdent 
das Gemüth dadurch, dafif fie die Einbildungs- 
kraft in Freiheit fetzt, und innerhalb den Schrat*»,, 
hen eines gegebenen Begriffs, unter der uab#m 
grenzten Mannigfaltigkeit möglicher, damit zu« 
fammenßimmender , Formen, diejenige darbietet, 
welche die Darftellung derfelben mit einer Gedaiif-? 
kenfülle verknüpft , der kein Sprachaus druck* 
völlig angemeffen ift, und die fich alfo für da» 
Gefühl zu Ideen erhebt. Sie ftärkt aber auchdae 
Gemüth dadurch f dafs fie es fein freies > felbft* 



Einwebtrag de* Angenehm** in da» Nützlich*. Ein GtCtsg luum 
fcliöa feyn , ohne reizend und rührend zu feyn 9 eben to darf eis 
Gebäude, oder die Sprache in einem Product der Dicatknaft eben 
nfths reisend oder angeneiun feyn, am tehön sa feyn. 



?4* ' Kunft. 



#• ' 



thätiges QH(l rpn de* Nntnrb(^UmmTOg unabhän- 
giges Vermögen fühlen läfst, die Natur als Er- 
fcheinung nach Anflehten zu betrachten und zu 
bcurtheilen, 'welche die Natur nicht vqn felbft 
darbietet. Sie fpieit endlich mit dem Schein, 
den fie nach Belieben erweckt, ohne doch dadurch 
zu betrugen« Dagegen iß die Beredsamkeit 
(nicht Beredheit und Wohlredenheit, zu- 
lammen Rhetorik genannt) die J£sm& zu über« 
reden (ftatt zu überzeugen, wozu blofs Grün- 
de, ohne alle Kunft des Redners,, hinreichen), 
und Tollte alfo aus den Gerichtsfchr^nken und von 
den Kanzeln verbannt feyn *) f f. B^r^dffui- 
Seit, 4. ' . 



1 



*) Wenn mein Freund Blühdorn (in feiner Abhandlung? 
A^erdie Simplicität des Ausdruck« in Predigten, vor feinen 
Religionsvorträgen, Magdeburg i#oi) mit diefem yrtheil 
nicht aufriefen iß , fo rührt es daher» weil er das Beredfamkeit 
nennt , was' bei Kant Rhetorik heilst. Man kann lieh die Sache 
fo Vorftellen. Wer einen Andern von der Wahrheit ' eines Satzes 
belehren und überzeugen will» der -trägt den Beweis dafür entweder' 



^ 



x, ganz fimpel vor. ohne alle Rückficht darauf* wie er 
lieh darüber ausdruckt, wenn er nur Einficht in die Beweisgründe, 
«Oft dadurch Ueberzeugung bewirkt ; oder 

. *3f>, er fiqht bei feinem Vortrag zugleich 4**auf , dal* er fieh rein« 
JQ^&5 richtig und paffend ^ausdrücke , d. i. er wendet Wohlre- 
«lenlieit daau an; oder 

£• £♦ der lebhafte 'rterzensantheil, den er an der Wahrheit ödet 

am Guten nimmt, macht, dad er auch feine Einbildungskraft, 

wealn fie fruchtbar und zur EMtriteUung feiner l£een tüchtig iß , auf« 

bietet und vermitteln derselben und mit Hülfe des Reichthums der 

Sprache , den er in feiner Gewalt hat , feinen Satz mit den Beweii- 

gründjBa deffelben ins Lieht fem, d. b..er wvndet B eredheit äu 

su an; oder endlich "" 

i 

i 
4. es liegt ihm daran » data der Zuhörer für feinen (des Redner») 

Satz gewonnen werde , der Zuhörer mag nun überzeugt oder über« 

redet werden.' So Hegt dem Redner im Parlament daran, dafs für 



I\unft. . 745 



Wenn es um Reiz tHid Bfeirfegtilig des 
Gemüths zu thun ift, fo folgt nach der Dicht* 



reine Behauptung geftimmt werde, and der Kan*e|redner bilde* 
fich gemeiniglich ein« der Zweck der Religio« fei erreicht, wen* 
der Zuhörer, durch des Redners Vortrag gewonnen» nun anfingt 
einen Satz für wahr zu halten oder eine Lafterthat teltner in voll« 
bringen oder ganz auf zugeben. Wem nun hieran liegt, dem iÜ 
es genug, wenn der Zuhörer aaeh aar überredet wird! Br hieVet 
alfo die Kunft auf, Heiner Behauptung allen den Glanz zu geben« wo* 
durch fie gefallen kann , folglich wül er nicht überzeugen, fondern 
gewinnen, wodurch fich felbft, wenn die Behauptung auch wahr 
ift, Woran dem Redner als folchem nichts liegt, die Wahr- 
heit mit ihren Beweisgründen in einen fchönen Schein verwandelt^ 
und folglieh der Zuhörer hintergangen ward. Der Redner thnt 
alfo das, was der Dichter thut, er erregt einem fchönen Schein» 
nur mit dem Unter fchied , dafs man bei dem Product des Dichten 
weit,/ dafs es Schein üt,> bei dem Product des Redners aber die-* 
fen Schein für Wahrheit hält. Der Redner benimmt dem Zuhö- 
rer die Freiheit zu prüfen, wozu Kaltblütigkeit und Gemüthtruh* 
nöthig ift, ,.und intereiurt ihn für die Behauptung/ Daher ift nun 
in jedem , ' durch die Kunft des Redners bewirkten , Fürwahrhalten 
fiets Ueberzeugung und Ueberredung vermifcht, und folglich der 
Zuhörer jedesmal in dem Maafse durch den 'fchönen Schein ge* 
täufcht , in welchem fich Ueberredung in feine Ueberzeugdng -ein* 
gemilcht hat. Diefe Kunft des Redners heilst nun Beredfam* 
Keit. . Aue diefer Expofition erhellet, dafs Beredheit und 
Wohlr.edenheit von Kant nicht als gleichbedeutende Ausdrück* 
gebraucht worden Änd. Wer beide zufammen befittt, ift der Red- 
ner ohne Kunft (vir bonus dUendi -peritus) , d. i. der nicht Künfta 
öder KttnftgriftV (Erhitzung der Einbildungskraft durch äfthetiTcha 
Ideen) gebraucht, die Zuhörer zu gewinnen. • Di# Beredfam* 
seit aber, in dem Sinn, wie Kant das Wort nimmt, ift eine» 
nichtachtungswürdige, Kunft » fich der Schwachen der Menfchen zu 
feinen Abftohten zu bedienen, diefe mögen tfun immer fö gut ge* . 
meint und auch wirklich fo gut feyn als Bit wollen. Dj^ Ideell detj 
Rechts und der Pflicht follen nur' felbft und allein das Ge* 
mach beiUmmen, nicht aber die Erhitzung der Einbildungskraft» 
die Erregung der AJS^eten u. f. w. daffelbe für iie gewinnen ; fonft 
wird der Menfoh für das Recht und die Pflbhf beftocheu und über* 
redet. Die Künfte des Redners fchieben alfo ftete der Unabhängig» 
zeit der. Pftiohtgefinnung das blinde meehanifche Spiel des fogeiianu* 
ten guten Herzens unter. Allerdings haben Xdhon die Alten diel 
an der* Beredsamkeit getadelt, und fie daher eine böfe Kunft» ein« 



/ i 



744 ~ Kunft. 

kunft die Ton kunft, weicht der Dichtktmft am 
jlächften Kommt, und fich mit derselben auch f ehr 
natürlich ' vereinigen läfst. Sie fteht aber hinter 
der Dichtkunft, weil die Mufik nicht, "; wie die 
Poefie, etwas zum Nachdenken übrig läfst, >fon- 
«lern durch lauter Empfindungen, ohne Begriffe, 
fpricht; weil diefe Empfindungen vorübergehen- 
der find, als die Gedanken # welche die Poefie 
-zurückläfst; und weil fi< mehr Genufa gebfcn als 
cultiviren. Daher verlangt fie auch öftern >Wech- 
J#l, und verträgt, wenn fie als Kunft wirken 
foll, nicht mehrmalige Wiederholung, weil diefe 
nicht Wohlgefallen, fondern Ueberdrufs wirkt 
Allein fie bewegt das Gemüth mannigfaltiger 
lind inniglicher "als. die Dichtkunft und jede an- 
dere der fchönen Künfte, f. Mufik (U. aiö« 

-Wenn man dagegen den Werth der 
fchönen Künfte nach der Kultur fchätzt, 
die fie /dem Gehiütk verfchaf fen , fo hat 
Mufik unter, den fchönen Künfien den unterften, 
fo wie unter denen, die nach ihrer Annehm- 
lichkeit gefchätzt werden, vielleicht den <ober- 
ften Platz. ' Der Mufik gehen , wenn man die 
Cultur zum Maafsftab der Schätzung nimmt, die 
bildenden Künfte vor, denn <}iefe machen einen 
bleibenden, die' Mufik aber macht niir einen 
vorübergehenden Eindruck, f. Mufik und 
Malerei (IT, aao. M. Il^ai.)* 

% 

KunlUnftinct* 

* • 1. • 

f. Trieb. 



- Kunft zu t Äu f ch e n genannt ; felBft Quin et il i a n nennt &e ***** 
Kunft zu überreden, Auch war dem Redner im Araopag nicht er* 
laubt , die Leidenfchaften reg« au tnafchen , fondern er war g« BÖ * 
thigt, fich. blofii auf den Vortrag deien", was zur Sache gehörte t tio* 
tulchränfcen. % «, ' ' 



* f 



KunÄprod. Runftfchönh. Kuhftver. etc. 745 

1' • . 

n . ' Kuriilproduct, 

i » ■ ' • 

f. PioAuct. 

« 

• • 'S 

* "■ ^ 

Kunftfchönheit, 



f. Genie; ($. und Kunft, fchöne. 



Kuuftverftand, 



U Ver&and. 
1 



* . 

Kunftwels freit, 



gottliche Kunft, ars fapientiae, 9 ars dwrna, 
art divin. Eine Kunfi, welche Ideen adä- 
quat ift (S. III, J87 *)• Dies fcheint ein Wider- 
fprach zu feyn; denn Ideen find Begriffe, denen 
Kein Gegenftand in der Erfahrung adäquat gegeben 
werden kann (A. 120.). Allein die Möglichkeit der 
Ideen überfieigt nur alle Einficht der tnenfch li- 
ehen Vernunft. "Es- läfst fich alfo wohl eine 
Kunft denken, die alle andere Kunft überträfe, 
und von keiner übertroffen .würde, diefe* wurde 
alfo in ihren Producten die Ideen, hinter denen 
alle Kunft iji der Erfahrung zurück bleibt, völ- 
lig erreichen. Diefe Kunft wäre demnach eine 
göttliciie Kunft, und der Begriff einer folchen 
Kunft. ift feibft eine Idee« 

w 

2. , Weisheit iß die Eigen fchaft eines Wil- 
lens, daf* er zum höchften Gut, als dem End- 
zweck aller * Dinge , . zufammen f tiramt, Da* 
höchfte, Gut, als der Endzweck aller Dinge, ift 
aber eine Idee; denn es ift in keiner Erfahrung 
dem Begriff deffelben angemeffen (adäquat) zu 
finden. -JSine Kunft alfo f welche das höchfte Gut 



• 

hervorbringen kann, ift «in« göttliche Kunft, 
und verdient den Namen der Weisheit« Denn 
Kunft ift das Vermögen im Gebrauch der tagglich» 
Ben. Mittel zu beliebigen Zwecken ; ift nun di?fer 
Zweck das höchfie Gut, der Endzweck aller Dinge, 
fo ftimmt der Wille damit zufammen, und diefc 
Eigen fchaft deflelben iß Weisheit, u^d alfo 
diefe Eigen fchaft mit jenem, Vermögen verbunden 
eine Kunftweisheit, die nur der Welturhe- 
ber haben kann. 

3. Diefe Kunftweisheit ift aber von der 
moralifclien Weisheit zu ünterfcheidea; jene 
beßehet rrehmlich in dem Vermögen, das höchfie 
Gut hervorzubringen , diefe in ' der Befchaffenheit 
des Willens , • daflelbe zum oberften Endzweck 
alles Wollens zu machen. Eine jede Idee ift real' 
pder hat objective Gültigkeit, wenn fie uhentbehr* 
lieh iß entweder zum fyftematifcitypi Gebrauch 
des Verftandea, um ihm im Erkennen die rechte 
Richtung, oder der Willkühr ihre Beftimmung 
zu geben« Die Idee der Kunftweisheit ift eine' 
'Idee der erftern Art* fie ift unentbehrlich zur Er« 
klärung des Zusammenhangs der Dinge in der Welt 
als Zwecke- und Mittel, welchen Zufainmenhang 
wir doch bei den organifchen Cörpern nicht leug- 
nen können , indem bei denfelben alles als wech» 
felfeitiges Mittel und Zwecke zufammenhängt* 
So bringt der Baum die Blätter hervor, und ift 
alfo die mechanisch wirkende Urfache derfelben 9 
allein die Blätter dienen wieder zur Erhaltung 
des Baums , man darf fie dem Baum nicht öfters 
nehmen, wenn er nicht verdorren foll. Hier ift 
offenbar der Baum der Zweck der Blatter, aber 
da es ohne ejuie . bestimmte Einrichtung des Baums 
keine Blätter geben könnte, die Bläu« der Zweck 
des Baumes. Wir muffen daher, da wir diefeu 
ZuCammenhang nicht aus blpfsen wirkenden Ur(a» 
ehest und alfo dem blinden Mechanismus der Na* 
für erklären können, wqnigfiena in der Bearthei? 



Kunftweisheit. Kunftwerk 



74* 



Jung der Natpr fo verehren, als liege den nicht 
mech^nifch gewirkten,, alfo nicht notwendigen 
Producteh, d. i. den zufälligen Formen der, Dinge 
in der Natur eine nach beliebigen Ablichten wir- 
kende Willkühr zum Gruxlde, das ift, eine Äunfi- 
Weisheit, die alles nach Zwecken, und folglich 
zum Endzweck der Dinge cntftehen läfst. Die 
Teleologie oder Lehre von den Zwecken, auch 
4urch fie die Phyfikotheologie, jeder Lehre 
von Gott, in fo fern die Welt als fein Werk be- 
trachtet wird, giebt reichlich«: B<- weife feiner Kunft- 
weisheit in der Erfahrung. Dicfes, und dafs von 
der Kunftweisheit kein Schiufa auf die moralifchd 
Weisheit des Welturhebers gilt, auch wie dem 
Anfehen nach die Kunftweisheit in den Natur« 
zwecken, welche auch Ideen firid, folglich Ideeq. 
realüirt find, findet man auseinandergefetzt und 
aufgelöfet in den Art. Teleologie, Natur- 
zweck und .Endzweck, 13. (8. Hl. 487-*). 



. 1 



Kunftwerk, 



f. Product. 



V 



748 

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X 



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L. 



Lachen, 
" f. Gedaokenfpiel, 3. ff. . 



Landesverwcifung, 

Recht derfelbeti» jus exilii, droit d'exil 
Das Recht, den Staatsbürger in die wei- 
te Welt (d. i. ins Ausland überhaupt), in der 
altdeütfchen Sprache Elend genannt, 
zu fchicken (K. soß-)- Dies Recht hat der Lan- 
desherr oder das Staatsoberhaupt; denn er hat 
das Recht zu /trafen, und folglich auch mjt der 
gänzlichen Ausfchliefsung vom Staat, wenn der 
Untenhan das Recht, Staatsbürger zu feyn, ver- 
wirkt hat. 



V 



x ä. Wenn Jemand des Landes verwiefen wird, 
fo bedeutet das fo viel als, der Landesherr ent* 
zieht ihm nun allen Schutz , und macht ihn in-* 
nerhalb feiner Grenzen vogelfrei {exlex). So 
würde der mit allem Recht als vogelfrei ausgefto- 
fseh oder des Landes* verwiefen werden, welcher 
fich der in einem Staate* herrschenden Autoritär 
darum wider fetzen- wollte, weil der Uffprung 
derfelben nicht rechtmäfsig gewefen fei; v indem 



Landesverweifung, Lafter, 749 

ihr Recht eben darin liegt, dafs fie herrfchend, 
d* i. durch den allgemeinen Willen des Volfes ai*- v 
erkannt, ift (K* a 03. 174.)* ^ 



Lafter, . 

vitiurn, vice. Diefes Wort wird, wie fo viele, 
in einer fubjcctiven und objectiv-en Bedeu-s 
turig gebraucht. Subjettiv wird der Hang 
zur gefetzwidrigen Handlung, objectiv' 
die gefetz widrige Handlung felbft, La- 
der genannt. Jener Hang ift der in dem Men- 
fchen Hegende Grund der Möglichkeit, . dafs feine 
Gelinnung dem Gefetze der Pflicht zuwider fei, 
fofern diefer Grund für den Men fchen zufällig ift. 
Die Möglichkeit aber heilst, dafs diele pflichtwi- 
drige Gelinnung wirklich werden kann (H. 56.). 

2. Objectiv ift Laßer (peccatum derivati- 
vum) ajle gefetzwidrige That, welche 
der Materie nach dem Gefetze widerßrei* 
tet (R. 25). Die Handlungen, welche diefen Na- 
xnen haben, werden alfo 

a. einer gefetzwidrigen Maxime gemäfs aus« 
geübt; 

b. gefchieht diefes der Materie nach , d. L 
die Objecte der Willkühr betreffend. Das heifst, 
es wird bei diefer Bedeutung nicht darauf gefeben, 
was der Handelnde für eine Maxime hat. fondern 
nur darauf, dafs die Handlung einer gefetz widri- 
gen Maxime 1 gemäfs ift, Hie Maxune des. Hau-, 
dein den mag feyn welche fie wolle. 

/ 3. Das k After, in fubjectiver Bedeutung, 
ifi das "W'iderfpiel (contrarie f. realiter oppoji- 
tuniy von der Tugend. Denn Tugenjl ift die An* 
gemeflenheit der Gelinnung zum. Gefetze» ,der 



*• * 



75* . Lafter. 

Pflicht (R. 36.); nun kann- maii fich difl blöke 
Abwefenheit der Tugend, oder das Nicht feyii 
derfelben im Menfchen, denken, dies ift- Üntu* 
gend oder moralifche Schwache; oder den der Tu- 
gend gerade entgegen gefetzten Zuftand eines Men- 
fchen, dies ift Laftfer oder Stärke des Gemüths 
zu Verbrechen, Wenn wir, _ N wie die Algebraiften 
rfiit einer' jeden Gröfse thun , die Tugend* durch 
den Buchftaben a bezeichnen , und andeuten wol- 
.len, dafs man ihr etwas entgegen fetze, was 
ganz das Widerfpiel von ihr iß , alfo eine gleiche 
Stärke des Gemüths zu gefetzwidrigen Handlungen : 
fo kann man die Tugend — + a fetzen, d. h. fie 
ift gleich (welches das Zeichen zz bezeichnet) 
einer Gröfse (a), der man etwas entgegen fetzeri 
'will (welches das Zeichen + bezeichnet). Dann 
ift das Lafter — ' — a, d. h. es ift in dem Ge- 
jnüth z. B. eines* andern Menfchen eine gleiche 
Stärke des Gemüths , als in dem Gemüth eibes Tu« 
geiidhaften. aber zudem geraden Widerfpiel 
(welches durch das Zeichen — angedeutet wird), 
in dem Gemüth des Tugendhaften iß es Stärke zu 
gefetfclictren, in < dem Gemüth des Lafter haften 
zu gefetzwidrigen Handlungen. Hl aber gar 
keine Stärke weder zu dem einen noch zu dem 
andern im Gemüth, fo ift das Untugetidrr o, 
welches blofs die Abwefenheit der Tugend, 
aber auch die Abwefenheit des Lüfters, alfo 
noch nicht die Anwesenheit eines Lafters be- 
deutet (T. 10.). 

4, Die Starke des Vorfatzes in Erfüllung der 
Pflicht ift eigentlich allein Tugend, die Schwä- 
che diefes Vorfatzes ift blofs Untugend, oder 
ein Mangel an, ntor'alifcher Stärke (dtfectuf 
moralis); Laßer aber ift, Tyenn es dem Subject 
Grundfatz üt , (ich 
Daher ift nun auch 
nicht jede pflicht 
dern die pflicht 




v % 



Lafter«: 75* 



V e brer t 9 ©tun g (peccatum) , ift fie aber Yorfetttlich, 
fo da& fie dejn Subject zum Grundsatz geworden 
ift, dann ift fie 'eigentlich* eine folcbe Handlung,, 
die man Lafter nennt. Eine folche Handlang ift 
Verfchuldui\g (demeritmti), und nicht bloft 
moralischer Ünwerth*) (T. *i.) f ,. 

5. Die Unterlaflung der Meisen Liebeapflkh« 
ton, nehmlkh der Pflichten der Wohlthatigkeit, 
der Dankbarkeit, der Theilnehmtmg, es fei nun' 
der Mitfreude oder des Mitleids, ift Uebertretung, 
aber bloft Untugend. Aber die Unterlaflung der 
Pflicht, die aus der fchuldigen Achtung für je* 
den Menfchen überhaupt hervorgeht, ift Lafter;/ 
denn durch die Verabßumtmg der Liebespflichten 
wird kein IVfenfch beleidigt, fond^rn es unter« 
bleibt nur etwas für ihn Wohlthätiges; durch die 
Unterlaflung der Pflichten aus fchuldiger Achtung 
aber gefchieht dem Menfchen Abbruch in Änfehung 
feines gefetzmäfsigen Anfpruchs. Wenn es aber in' 
K. Tugendlehre (T. 143.) heifst : die erftere Ueber- 
tretung iß das Pflichtwidrige des Wider fpiels 
(eontrarie oppofitum virtutis) , fo ift das 
offenbar ein Verleben f und mufs heifsen, d^s lo- 
gifcheW Gegentheils (contradictorie oppofitum 
virtutis). Denn das Pflichtwidrige des Widerfpiels 
der Liebespflichten find die Lafter des Menfchen« 
baffes, qualificirter Neid, qualificirte 
Undankbarkeit und qualificirte Scha- 
denfreude. Was aber nicht allein keine mora-* 
lifche Zuthat ift, fondern fogar den Werth der-, 
jenigen, die fonft dem Subject zu Gute kommen* 
wurde , aufhebt, ift Lafter (T. 143.). 



*) Jener Ünierfchid*, den £pg«lh»rd macte (Letbnitii OO. 
V*J* V*.48ß* °*)> uaa L^ibnitiem VorftcUung m retten, (<fet 
11 11 flJRflfcnHiilniii für Mangel eh moraüfeher Stirfec hielt), datk 
JttkyfiCchor Bedeutung da« Böfe =s=o fei, im «o- 
fataütfg aber datfelbe «Uerdingt ein wirklich«» V«** 
t*g« wub <Wfe« to,« i^-foigttca taefetig. 



k. 



\ 



75» i ' • • Lallen 

iß. Ein wahres Laßer iß daher ein qtiali- 
f icirtes Böfe, . d. i. ein, folches, bei welchem 
gefetzwidrige Grundfätze ftatt finden, fo dafs das 
$öfe dadurch, (als vorfätzlich) in die Maxime des 
Subjects iit aufgenommen worden.; Dies iß z. B. 
j bei Leidenfchaf ten möglich , denn . diefe find Be- 
gierden 9 die zur bleibenden Neigung geworden find, 
ihnen hängt der Menfch mit Ruhe nach , und diele 
läfst Ueberlegüng zu, und vefftattet alfo dem Ge- 
muth, iich darüber gefeti widrige Grundfätze zu 
machen. Wenn z^ B. in dein Menfch en die finn- 
licbe Begier &e entfteht, die man Hafs nennt, fo 
kann diefe Begierde, wenn der Menfch ihr nicht 
widerfteht, ihm zur Gewohnheit werdein, fie wird 
alfo in ihm eine bleibende Neigung, die fich dann 
auf die angeg^bepe Art, wenn der Menfch über 
£e brütet,, mit dem Lafler terfchwifiert, welches 
man Hafs nennt Ein Hang zum Affect (z. B. 
Zorn) verfchwiftert fich aus eben dem Grunde 
nicht fo fehr mit dem Lafter (F* 50. f.). 

7. Es erhellet hieraus , dafs eine Mehrheit 
der Laßer fich denken; wie es dqnn "unvermeid- 
lich iit, nichts anders heifst, als fich verschiede- 
ne Gegenstände denken, ~ auf die der Wille aus 
dem einigen Princip des Laßers, nehmlich der 
gefetz widrigen Maxime den Vorzug vor -4er ge- 
fetzlichen zu gebe$ r und lie in feine Maxime auf- 
zunehmen, geleitet wirtf. Diefes Grundprincip 
des ^afiers, _ das als folches unerklärlich ift, wird 
zuweilen perfonificirt oder afe eine Perfori ' ^arge- 
feilt, und dann der Böfe oder, der, Teufel ge- 
nannt. Denn das Laßer ,' ab die herrfchend böfe 
Gefinming des Mehfchen; wird, fo vorgeftellt*, als 
ßi es nur Eine, und alt befitze es die Menfchen, 
weil, wenn der Menfch fo vorgeftellt Würde;. als 
befäfse der Menfch das Laßer; die falfche Vorfiel- 
lung entfteht: als/ habe der Menfch die Wahl gehabt* 
Zwilchen' Tugend und Laßer, und fich' für das 
letzte durch, freien Willen befümmt, di er doch. 



^ Lafter.' , 753 

wenn «r dem Laßer ergeben iß, angefehen wer» * 
den mufs, yils fei er ein Sklave feiner Lüfter. Das 
perlbnüicirte Böfe iß aber nichts weiter als 'eine 
äfthetifche Mafchinerie, d. i. die Verfinnlichung ei- 
nes lieh im Ueberfinnlichen verlierenden Grundes, 
um dadurch den Knoten im Urfprüng de" s Bolen 
gleichfam als gelöfet darzußellen , und zugleich 
dadurch , wie durch, jede firinlifche Darßellung im 
Praktischen > auf. das ' Gefühl 9 aber' in moralifcher 
Hin ficht, zu wirken (T. 43.). , 

8. Man kann nun alle Gegenfiande, auf die 
der Wille aus dem Princip des Laßers gerichtet 
feyn kann, alfo alle Laßer (ip objfcctiver Bedeu- 
tung), auf zwei Clafffen bringen, nach 'der zwie- 
fachen Anlage, die in dem ' Menfcfren das laßer- 
hafte ^Begehren möglich ritacht. .In dem Menfchen 
iß nehmlich die Anlage zur Thierheit. und die 
Anlage zur-M enfehheit (f, Anlage des Men- 
fchen zum Begehren 1* ff.). Auf die Anlage 
zur Thierheit können allerlei Laßer gepfropiet 
werden, wenn die *Willkühr befiimmt wird, aus 
dem Princjp des Laßers von ditefer Anlage Gebrauch 
zu machen. Diele Laßer können Laßer der 
R o h i gk eit der Natur , und , in ihrer höchßen 
Abweichung vom Naturzweck jener «Anlagen; vie- 
hif che Laßer heifsen .(f. Anlagen des Me^ 
fchen zum Begehren, 6.) (R. 16« f.). 

9, Auf die Anläge zur M enfehheit können 
ebenfalls allerlei LalW gepfropft werden, wenn 
die Willkühr befiimmt wird, aus dem Trincip des 
Laßer* von diefer Anlage Gebrauch zu machen. 
Aus diefer Anläge entfpriiigen nehmlich Eifer« 
fuclit und Nebenbuh ler ei, und hierauf kön- ' 
nen die gröfateü Lafter geheimer und offenbarer 
Feindfeligkeiten gegen Alle, die wir als für uns 
fremde anfehen, gepfropÄ werden. Diefe J^after 
können Laßer der Cultur und, im höchßen 
Grade ihre* Bösartigkeit, «teuflif.che Lafter 

JVlellins phil. Worurb. jW.; B b b 



734 Laller. 

jfnannt vaJen (f. Anlagen d&s Menfchen 
iuin Ee^cUrcn, 7.) (R. 17. f.). 

ic\ Alle I. aller find inhuman objcctiv be- 
trachtet* aber ihnli menfchlich fubjeetiv be- 
trat htet, d. i. wie die Erfahrung uns unfere Gat- 
tung kennen lehrt. Üb man alfo zwar einige der- 
fetheti in der Heftigkeit des Abfcheues teüflifch 
nennen möchte , fo wie ihr Gegenßück Eng el stu- 
fend genannt werden könnte: fo find beide doch 
nur Ideen von einem Maximum (höchften Grade). 
DieT* Ge^eneLuanderltellung iß Uebertreibung« 
Menfchen können zwar auch in viehische La- 
uer Wien, allein der Grund davon ift, wie wir 
efchen lutben, nicht eine Anlage dazu, fondern 
Mifsbitiuch die f er Anlage (T. 137. f.). 



gel« 
der 



\x. Ein Laif er iß von einer Tugend nicht 
durch den Grad der Befolgung gewilTer Maximen 
tinter fchieden, fondern lie find ihrer Befchaf- 
fenheit nach, oder fpeeififeh von einander 
vertchitden, das Lalter und die Tugend drücken 
beule das Verhaltnifs der Willkühr zum Gefetz aus, 
aber das eine ilt das Entgegengefetzte von dem an- 
dem. Mit andern Worten, der belobte Grundfatz 
des Ariftöteles *)>, die Tugend in dem Mittlern 
zwifchen zwei Laftcrn zu fetzen, ilt falfch. Ge- 
fetzt, gute Wirthfchaft fei das Mittlere zwifchen 
zwei Laltern, Geitz und Verfchwendung , fo kann 
fie w reder durch die Verminderung der Verfchwen- 
dung oder durch Erfparung, noch durch "S^rnich- 
rung der Ausgaben, Tugend werden. Man kann 
nicht fagen, die Tugend der guten Wirthfchaft ilt 
die, wo lieh die Verminderung der Verfchwendung 
und des Gcfetzes, die lieh entgegen kommen, tref- 
fen. Sondern jedes diefer Lalter hat feine eigene 



' ) T t hiK a. B. 2. Cnp. 






" i V Lüfter; , ' 755 

Maxime, die lieh beidje einander noth wendig wi* 
derfprechen. D6r Geitz als Laßer hat die Maxi« 
xne, den Zweck der Haushaltung nicht imGenufs 
feines Vermögens, fbndern anit Entfagung auf den 
Genufs blofs in dem Befitz delTelben zu fetzen *)„ 
Die V e r f-c h w e nH u n g als x Laßer hat die Maxime, 
den Zweck der Haqshfltung im Genu/s de$ Vermö- 
gens zu fetzen, ohne «uf die Erhaltung delTelben 
zu fehen. Die Sparfamktfit hat' aber die Maxi« 
me, fowohl den Genufs des Vermögens, als auqh 
die Erhaltung deflelben zum Zweck.. der Haushal- 
tung zu machen f und beides mit einander zu verei- 
nigen (T. 43. f.). • 



mm 



\ 



*) Garve in den Erläuterungen zum 6. (Jap. des 2. B. der Ethik ' _ 
des Ariftoteles fragt: ob dies, beftimmter fei, als der Grund fat*. 
des Ariftojeles? Di^ Antwort ift: allerdings. Garve Hellt üch ' 
nehmlich vor, Kant behaupte, 'der Geitz beftehe in der Erhaltung 
»Her Mittel zum Wohlleben, aber -ohne AbEcht auf« den Genufs, 
und fagt nun\ Wohl leben heifse iith ein Vergnügeil verfchaffen» 
alfo hjenge. doch der Geitz von dem mehr er n oder wenigem 
Vergnügen ab, weichet man lieh verfchafFe, und alle fei doch auch \ 

eine GTöfse. / ' * 

Allein 1. Kant fagt ausdrückliche (T. 89.): nicht das Maals der 
Ausübung Sittlicher Maximen, fondern die Maxime beflimait die« 
Tugend oder das Laßer.' Folglich beitehet der Geitz nicht in den» 
M C h r oder Weniger des Vergnügens , das ieji mir verfage, fon- 
dem in der Maxime, .mir j edes zu Verlagen, um das Vermögen zu ( 
erhalten» und das ül beftimm tj • 

t 

2. ül es unbegreiflich, wie Garve auf das Mehr oder Weni- 
ger kommt, da Kant ausdrücklich von der Erhaltung aller Mit- 
tel* zum. Wohlleben , ohne AbEeht auf mehrexe oder wenigere« fon- 
dern auf Genufs überhaupt, redet ; 

5. iffc alle zwar auch eine Gröfse, aber eine benimmt« 
Grobe, diejiein weniger oder mehr zuUfet, 

Man hüte Üch nach einem folchen Beifpiel wohl vor dem Auf« 
fpruch: „Kantifi widerlegt, denn ein Mann, wie Garve, hat ihn 
widerlegt» <# 

Bbb 2 



• / 



• . - I. 



/ 



I 



756* Laftav *' * 

1*. Ebensowenig, und ;ai# demfelben Grün* 
£e, kann ein Laßer durch eine -gr öftere Anwendung 

Sewifler Mittel , als es zweckmäfsig ift, oder auch 
urch eine zu kleine Anwendung . ge wilTer Mittel, 
als lieh fchickt oder zweckmä&ig. ii^, .erklärt 'werden« 
Denn hierdurch vjrird der Grad gar nicht beftimmt, 
1 init dem es Tugend wird, oder aufhört Laßer zu 
(eyn; folglich, da hier aitf alles ankommen mnfs, 
X\ni zu erklären, <5b ejm Betragen p flieh tmäfsig fei 
pder nicht, fo kann, das keine EUklärijng feyn. So 
Jft z.B. die, Erklärung ff die ' Vejrjfchwendung 
ift eine zu weit getriebene Verzehrung des Ver- 
mögens, eigentlich keine Erklärung, d$nn es 
fragt ßch: wann ift fie zu weit getrieben? (T. 
44.f.) , ' * t 



. | *" "* » •. / 9 ~ » *• •**• . -«* * 



13. Die Laßer, al^ die Brut gefetz widriger 
Gefimiungeh. find die Ungeheuer, die der Tugend? 
hafte zu bekämpfen hat. Daher macht .auch die 
fittliche Stärke, als Tapferkeit (Jortitudß moralis), 
die gröfote und einzige wahre Kriegsehre des Men* 
fchen aus. Diefe fittliche Stärke wird v ajuch die 
<ägentlicl\e , nehmKch praktifche Weisheit des 
Menfchen genannt. Denn fie macht den End- 
zweck des Däfeyns des, Menfchen auf Erden zu 

dem ihrigen, f. Endzweck und Gut, hpch- 
ßes (T.4.6.). : '' . 

14. Die TafeJ. aller Laßer, welche 
Tugendpflichten widerßr eiten, iß nach 
Kants Tu^endlehre folgende ; ] . 

. L > Laßer* welche Oder Pflicht des Me fl- 
iehen gegen fich felbß widerßreiten; 

?* : tter «öhigkeit der Natur, 

4x. der Selb ßoiord, 

ß. der unnatürliche Gebrauch der 
Gefchlechtsneigung, ' ( 



• X 



\ 
I 



#_ 
X 






Läfter; f'57 

- y. fl«r «inmafsige Gennfr de* dfah- 
/ rüpga mittel, . • 

ä* der Gultur, ^ t 

«i die /tüge^ 

0. de* Gtitz, ", 

-' -7. die falfche Demuth, 

H. Laßer; ; welche der - Tugendpflicht 
des Menfchen gegen andere wi&ef- 

ftteiten, ' 

■» - * * • 

1. des Menfchenhaffes, 



*■ v 



er, der qualif icirte itfeid, 

V # 

ß. die qualificirte Undankbarheit, 
-y« die* qualificirte* Schadenfreude, 
a* der Menfchenverachturig, 



«. der Hochmut h, 

. .... . „ , 

■ * . - • 

ß. ü$9 Afterreden* 

. . . ■ ■ * 

<y. die Verhöhnung. 

ig. Das tafter t 9 1 * jff. heifst auch ein un* 
natürliches tafter (crimen cdtnis contra naturam),- 
weil es- in der Maxime befteht. s einen tinrta- 
tür liehen (gegen den Z^feek der Natur "gerich-- 
teten) Gebrauch ton eines Andern Gefcfrlechtsor~ ; 
ganen und Gefchlechtsv^rmdgen zu mächen. Un- 
natürlich ift dies tafter, r weil der Men Ich zw 
demfelben, nicht durch den wirklichen Gegen ftänd, 
eine Per fön feines eigenen Geschlechts, oder fich 



75» 



Laßer; 



tettffy, oder ein T^ior von einet andern . als der 
Menfchengattung, fondern durch, die Einbildung 
von demfelben, alfo gegen 'den Zweck der Natur, 
indem nicht die Natur, fondern er fith.felbft den 
Beiz hervorbringt, gereizt wird. Die Einbildung 
bewirke alsdann eine Begierde wider; den . Zweck 
der Natur, und zwar wider einen noch wicht!« 
jjern Natur zweck, als felbß die natürliche Liebe 
zum Leben hat; denn diefe zielt nur auf die Er- 
haltung des einzelnen Menfcben {Individuums) 
ab, der Geschlechtstrieb aber auf die Erhaltung 
der ganzen Art (Species) (K. 107.- T. 76.). 

16. Dies Laßer heifst auch ein unnennba- 
res Laßer f weil ein folcher naturwidriger Ge- 
brauch (alfo Mifsbrauch) feiner Gefchlechts^igen- 
fchaft eipe, und. zwar der Sittlichkeit im höchßen 
Grade wid er ft reit ende, Verletzung- der;Pßipht ge- 
gen lieh felbft ift, und in dem Maafse eine Ab- 
kehrung von diefeiq ßädanken erregt, ' daf$ felblt 
die Nennung eines' folchen Laßers bei feinem ei- 
genen Namen für unütt^eh gehalten ; wird. Es 
iß eben daher eine noch verwerflichere Läfion 
(Verletzung der. Rechte) der Menfthhfcit in der ei- 
, genen~ Perfon des diefes Laßers fich fchuldig ma- 
chenden , als der Selbßmord, de^i man, -mit al- 
len feinen Greueln, der Welt vor Augen zu legen 
kein Bedenken trägt« Es ift als ob.fichder Menfch 
befchämt fühlt, einer folchen ihn felbß unter das 
Vi6h herabwürdigenden- Behandlung fähig zu feyn. 
Daher veranlafst und erfordert felbß die erlaubte 
(an lieh freilich blofs thierifche) cörp^rliche Ge- 
meinichaft beider Geblechter in der ^ Ehe im ge- 
litteten Umgange viel Reinheit, um eüi£fi Schleier 
darüber zu, werfen» wenn davon gefprpchen wer- 
den füll. Der . Vernunftbeweis aber der Unzuläf- 
figkeit )jenes unnatürlichen, und ) felbß auch des 
blofs unzweckmäfsigen Gebrauchs, l^iner Gefchlechts- 
eigen fcha f ten als Verlptzu 1 i^^MHÜltorar , . jHMfeiten 
erßern betrifft, im hoch 



-r* •- 




\ I • 

« ♦ 



1 V 



* Lalterl Latitiiditfaiier; x 755 

gen ficji felbft, ift nicht fo leicht gefuhrt. . Der 
Beweisgrund liegt freilich darin, clate ckr Menfch 
fein^ Persönlichkeit' wegwirft und aufgiebt, wenn 
er lieh l|lofs zum Mittel' der Befriedigung thieri« 
fcher Triebe braucht.' Abet' der hohe Grad der 
Verletzung der Menfchheit in feiner eigenen 
Perfön, nicht in dem ganzen Gefühl echt, durch 
ein folches Lafter in feiner Unfcatürlichkeit ift da- 
durch noch nicht erklärt. Diefes unnatürliche La- 
fter fcheint auch darum verwerflicher zu feyn als 
der 'Selbftmord, weil , die trotzige Wegwerfung 
des Lebens doch noch Muth erfordert. Jenes La« 
fter hingegen ift eine weichliche Hingebung an 
thierifche Reize. ' Der Menfch überiäfst Ech bei 
defnfelben gänzlich der • thierifchen Neigung, und 
macht fich zur genießbaren r aber hierin doch zu- 
gleich naturwidrigen (ekelhaften) Sache % und be- 
raubt fich fo aller Achtung für lieh felbft. Diefes 
Lafter kann alfo durdi gar Keine Einschränkungen 
tuid Ausnahmen, wider die gänzliche Verwerfung 
gerettet werden (K. 107. T« 77. f.). 

S. übrigens den Art. Bö fcs. 

V 

K^nt Ret. inB; der Grenzen der blofsen Vern. ».St. I, 

s. 16— 11, s. 25— m t S. 30. 

"Deff. Metaph. Anfangsgründe der Tugendlehre Einleit. . 
IL Anmerk. S. 10. — VII» S. ai # — XHL S, 43. ff/ 
— XV. S. 50. f. — Elementarl. I. Buch. I. Hauptft. 
H. Art. §. 7. S/76, ff. — IL Buch. I. Hauptft. L Äb- 
fenn. $. 36. Anmerk. S. 137. f . ^— IL Abfcbn. #.4*. 

8; 143. 
JDeff» Metaph.- Anfangsgründe der Rechtslehre L Th. 

II. Hauptft 3. Abfchn. 1. Tit. J. Ä4/S. 107. 

Die Ethik des Ariftoteles überf. u. erl. von Chri- 

ftian Garve, Zweites Buch, 2te» K. S» 553. ff. u # 

die* K. Ecüut. S. 609. 

» * 

Lätitudinarier 

ir* dt'ÄT Moral, latUudinarii ethices* pic Anti- 
^tf|^£* Bigoriften, od,er diejenigen, 



* 



7t* 



Latitudinaricr. 



welche der laxen Denknngsart sugethan 
find, daf$ fie moralifche Mitteldinge 
\adiaphora) in Handlungen und menschli- 
chen Charakteren einräumen.» Es liegt der 
Sittenlehre viel daran, .keine folchen moralifchen 
Mitteldinge zuzulaflen (R. 9.). 

9; Ein moralifche 3 Mittelding {rtdia- 
phoron) wäre eine ffandlung, oder, auch ein menfph- 
licber Charakter > die weder gut noch böfe wären; 
fo wäre der Menfch überhaupt , ein folches mora- 
Üfches Mittelding , • wejnn er in leiner Gattung we- 
der gut noch böje wäre« Die Erfahrung Ich eint 
* fogar «tiefes Mittlere swifchen beiden Extremen 
zu beftätigen; denn in Anfehung des Vergnügens 
und Schmerzes giebt es .ein dergleichen Mittlern« 
Wenn wir nehmlich das Vergnügen a nennen, 
fo ift der Schmerz — — a (in der Bedeutung wie 
itfi Ar t. % a ft e r , 3.), Der .Zuftapd t worin eins 
„von beiden angetroffen wird, ift die Gleichgül- 
tigkeit;^ o. Allem die Sittenlehre darf keine 
folchen moralifchen Mitteldinge einräumen, fo länge* 
es möglich ift, weil bei 'einer folchen Doppelfin- 
^ nigkeit alle Maximen Gefahr laufen, ihre Beftimmt~ 
' heit und Fettigkeit einzubüfsen« .Diejenigen nun, 
welche diefer ftrengen Denkungsart ztrgethan find, 
dafs es keine folchen moralifchen Mitteldinge giebt, 
nenrit man BigOriften in der Moral. Aber ihre 
Antipoden (Gegen füfsler, folche, welche der 
entgegen gefetzten Meinung find, dafs es nehm! ich 
folche moralifche Mitteldinge giebt) kann man L a* 
titudinarier nennen, Sie find aber entweder La« 
titudinarier.der Neutralität oder der Coalition. 
Wer behauptet, es gebe Handlungen und Charak- 
. tere , die weder gut noch böfe , al£6 k ein e« von 
beiden^ - find, ift ein Latitudinarier der Neu- 
tralität, und .kann, ein Indiff erentift in der 

Moral heifsen, weil er der Meinung ift, dafs ge* 
. wiffa Handlungen iri Anfehung dfcr Moralitat gleich- 
gültig fwd. W$r aber behauptet, «a g*be gewiife 



• J. * 



4, ' *■• '. 

' / 



~ Latiti«linari£tf -761 

JJandlungfen und Charaktere, -die beides zu- 
gleich find, jnehmlich in einigen Stücken gut' 
in andern böfe, ift auch ein folcher Latitudma* 
rier, aber der Coalition, weil er beides, das 
Gu^e und Böfe, in Einem Gegen ftan^e Vereinigen . 
tvill, und kann darum ein, Synkretift (ein 
Name , welcher diel ausdrückt) ' in d^r Moral 
heifseh« . 

» * ■ • 

3» " Um nun eihzufehen , dafs beide Behauptun- 
gen falfch lind, ftelle man lieh die Sache wieder 
durch .eine Art; von math&matilcher Conftrnctiori. 
vor , , welches . glekh alles ^einleuchtend macht. 
Man nenne das Gute a, fo kann man fich die Auf* 
hebung des a auf ^weierl^i Art denken, -entwe- 
der durch contradictorifch« oder durch com 
t r ä r e En tgegenfetzung* Die erlte ift . die 1 o g i- 
f c h e Entgegenfetzung, durch welche ich blofs * 
das a <*ls nicht. vorhanden denke 9 und dies nennt 
der Logiker das Nich.t-n: $;' dia a*Kte*e.4ft die 
reale Entgegenfetzung, durch welche ich etwa» ' 
Wirkliches denke,, was das. gerade W/iderfpiel 
von dem a ift, und wodurch, wfcnn ieh e* mit 
dem a verbinde, daflelbe aufgehoben .wird ödev 
wegfalle piea nennt der . Mathematiker das Mi" 
nus — a. oder das negative a zz T~-a. 

4« Die. leicht efte^ Art nun einzufetten, dafs 
es keine, moralifchen Mitteldinge giefet, ift, wenn 
man bedenkt, . dafs das Entgegengefetfcte des Gu- 
ten ~ a^^. entweder das Nichts a» cL i clas 
Nichtgute > der blofse Mangel, des Guten , . d. i. 
der Maxime gut zu handeln, rr o ift;) oder dafs 
es das Minus rr a, d. i. des wirkliche "Gegen- v 
theil , das Wider fpiel des Tauten , d. i die »Maxi- 
me, böfe zu handeln, ift , rr -*- *l, welches man 
aiich cfcas !N ich t gute nennt,» welches, aber etwas 
Wirkliches , üt , das vom blofsen Mangel de* £ü« 
ten und folglich auch vom blofeen JVJangel detf 
Böfen WQhliu unterfqbeiden ift- j i Üas Nichl> 






?<>a # LaHtu3Bnarien 

guterr— -a', öder das' Minusgute, das nega- 
tive Gute; katin auch das pofitive Böfe ge- 
nannt werden. N 

■ 
♦ * 

5. ; Wir wollen nun einmal annehmen, das 
moralifche Gefetz in uns vtärq Keine - Triebfe- 
der der Will kühr, fondern, wie die- Anhänger 
des Glückfeligkeitsprincips (E u d ä m b n i ft en) be- 
haupten , es müfste immer erft noch ein Gegenf tand 
da feyn, um deffentwilleh wir das Gefetz befol* 
gen, und welcher alfo, vennitteUt des finnlichen 
Triebes , den <der Gegenftahd zu befriedigen dient^ 
die Willkühr zur Befolgung des Gefetzes beftimmte. 
Dann wäredäs Moral ifch gute oder die Zufam* 
menftimmung der Willkahr, mit dem Gefetz — a, 
das Nicht gut er: o, nehmlich der Mangel einer 
•Triebfeder, das Gefetz zu erfüllen, es wirkte kein 
Gegenftand auf die Willkühr, d. h. das Moralifch- 
gute '~ a wäre zu betrachten wie eine Gröfse, die 
mit ö multrplicirt ift (aXo). Man kann das a ein- 
mal nehmen, _ wenn eine, Triebfeder, zweimal, 
Wenn zwei Triebfedern, /tu f. w. wirkten (d. h. 
die* Triebfeder ift zweimal fo wirkfam - als beim 
vorigen Fall); 'wirkt aber gar keine, fo giebt es 
gar kein a, oder ich kann es o .mal, d. i. gar 
nicht nehmen, welches, , weil x daä Zeichen der 
Multiplication ift, fo ausgedrückt werden kann: 
aXot Dann wäre es alfo nichts Bofes, wenn kein 
Gegenfiand von aufsen als Triebfeder zur Befol- 
gung des Gefetzes da wäre,, es wäre aber auch 
nichts Gutes f fondern nur ein JMangel aller mora- 
lifchen .Triebfe4er überhfouptw. 

4 * * » * * i 

* 

>• " 6.- Das moralifche Gefetz ifi aber felbft in 
uns Triebfeder der WilÄLÜhr; denn fonft würden 
wir nicht um des Gefetzes , fondern um des Ge- 
gen ftandes willen 9 d. i. nicht aus Moralität, fon- 
dern wfegin einer finnlichen Triebfeder, alfo aus 
Sinnlichkeit, das Gefetz befolgen, * So fei nun das 
Gefetz als Trjebf eder r zz a, wirkt nun diefe Trieb- 



I 

I 



«r; 763 

fetler nicht , öder ift ein Mangel der Uebereinftim* 
mung der Willkühr mit dem Gefetz rr o voi han- 
den, fo rrfufs, eine .andere Triebfeder auf die • 
Willkühr wirken f welche .dem . Gefetz als einet 
Triebfeder wirklich entgegen wirkt. Das heifst, 
es mufs a im Gemüth eine WideritrebuTig .gegen 
das Gefetz — » — a vorhanden feyn, * folglich * ein* 
wirkliche böfe. Willkühr; die- aber nur die Trieb» 
feder des Gefetzes unwirkfam iqacht , und dadurch 
den moralifcheri Ztiitand, ' der* rr 6 ift, hervor- 
bringt. Diefer Zuftand 30 ift alfo itfcht mural*» 
Xche Indifferenz oder Gleichgültigkeit in AnfehungJ 
der Moralität f fpndern beruhet /wirklich auf einer ' 
böfen Gefinnung. • . Es • giebt alfo wirklich zwifchm 
einer böfen Gelinnung, d: L einer folchen, welche 
gefetzwidrige .Maxime/):f>der Handlungen . zu den 
ihrigen macht,, und zwifchen . einer, guten Gelin- 
nung kein Mittleres :('R.- 9. /£)•*., 

'**..''■» * •*■. 

7. DW ift die Beantwortung der Frage , .nach 
der rigoriitif chen Entfcheidungsart, Der Un* 
terfchied zwischen der Natur 9 nach welcher es 
einen blofsen Mängel woran ,.~ z« - B. Mangel • des 
Vergnügens -und. Schmerzes , - geben kann , und der 
Freiheit, nach welcher dies nicht möglich ift, 
beruhet auf Folgendem. Die Freiheit der Will- 
kühr ift von der ganz eigen thiimlichen BefchafFen-* 
heit , dafs de durch keine Triebfeder (z. B. die 
des Erhaltungstriebes vermitteilt einer fehr wohl- 
fchmeckeriden aber fchwer zu verdauenden Speife) 
a&u «wer 1 Handlung (z, B. diefe Speife zu geniefsen) 
t>eftimmt werden kann, als nur fofetfn der 
Menfch fifc in feine Maxime aufgenom- 
men hat {d.'i es -fein. Wille i geworden iß., nach 
diefer Maxime zu handeln, . oder üe zu feiner Be-. 
gel. des Verhafttens zu machen , z. B. wehn er es 
zu feiner Regel gemacht hat zuweilen es zu ,wa- 1 
gen ; von 1 >einf r fehr wphl&hra^ckenden Speife,. 
die nicht oft yprkömmtv^ mehr. xu geniefsen^ als.' 
es mit vollkomwner iSicheicheit für. dae^Gefundheit: 



I 
« 



764 iJatitudinäficr^ 

■ * 
gefch eben kann); fo allein kftnn eine 'Tnftbffejer 

mit der äbfoluten Spontaneität Aef ^Villkühr % der 
Freiheit, zufammen beliehen-. Das inorali(the Gc- 
fetz iit aber für lieh felbß Triebfeder im Urtfieile 
der Vernunft, und, - wer es zu feiner Maxime 
macht (fichs zur Regel macht , nach der ejr fich ver- 
halten will), ift in oraüf eh gut. -Derjenige alfo, 
der nicht darnach* handelt y hat es nicht zu feiner 
Regel gemacht, in- Anfehung einet auf da fiel be 
fich beziehenden Handlung. E& muß folglich eine 
ahdere Triebfeder, die dem Gefetz entgegen gefetzt 
ift, auf die Willkühr deffelbert Ein flu fs haben« 
Diefes kann aber Yferniöge der Vot&usCetzung (dafs 

" die Freiheit der Willkühr ' nur durch die Aufnahme 
der Triebfeder in feine Maxime beftupmt werden 

» kann) nur dadurch gefcheheif> dafs der Menfcb diefe 

v dem Gefetz entgegengefetzte Triebfeder (mithin 

auch die Abweichung -vom möralifchien Gefetz) in 

feine Maxime aufnimmt (in welchem Falle er nicht 

' ein geg«» das mafalifche GefetÄ indifferenter, fon- 
dern Iröfer Menfchaft). Auf diefe Art iß es alfo 
einleuchtend, dafs ein Menfch in Anfehung des 
moralifcheh Gfefetzes, niemals keines yon ; beiden, 
weder gut hoch böfe, feyn kann (R. 11. ff.). 

- 

1 

g, Hiernach würde cäne moralifch- gleich- 
gültige Handlung (ddiaphoron inorale) eine 
blofs aus Nattfrgefetzen erfolgende Handlung feyn» 
Die Wirkung eines Dinges , was keinen freien Wil- 
. Jen hat> z. B. die Handlung eines Hundes , iit we- 
der gut noch böfe; diefe Handlung fteht nehmlich 
in gar keiner Beziehung aufs mefralifche Gefetz. 
Wenn nehmlich ddt Hund handelt. Jb handelt er 
blofs nach Gefetzen de* Natur und nicht »ach Ge- 
, fetzen der Freiheit, er nimmt nicht eine Maxime 
in feine Willkühr auf, fondern wird Mofs, ohne 
alle Verfbmdekregel, obwohl vermittelt t Vbrfiel- 
lungeri, zu feinen Handlungen getrieben. Solche 
Handlungen find aber keine Thafcfadhen (facta) 
in engerer Bedeutung des -Wopts ,'• wenn man - unter 



• - 



/ 



.« Latitudinarier, 765 

liefen Hamdlungen aus freier Willkühr verlieht? 
und in Anfehung folcher blofsen tsfaturwirkungex* 
giebt es weder (iebote, noch, V.erbote, noch 
aqch Erlaub nifs (gefetzliche Befugnifs), wel- 
che letzters aju allen Handlungen, die weder g*. 
botest ; noch verbotet find, alfo moralifch- gleich« 
gültig fcheinen, vorausgefetzt werden muk 
(R. 10. *)> ..,-'. 

9* Ja ^ber, fagen die Latitudinarier der 
C o a 1 i Mo n , der Mehfch kann doch in einigen 
Stücken fittlioh gut, und. in andern zugleich böfcu 
fey tL Man „mufa doch zugeben , dafs z. B„ Je*> 
mand ein ehrlicher Mann feyn, und zugleich in 
Anfehung des Gefchlechtstriebes nicht fo ge willen« 
haft feyn kann«. Diefe Behauptung iß nun ebenfalls 
falfch; denn ift Jemand in einem/ z. 13. in Anfehung 
fremden Eigen th ums , gut, Xo hat er das moralifche 
Gefetz in feine Maxime aufgenommen, feilte er 
alfo in. einem andern Stücke , z. B. in Anfehung der 
Befriedigung des Geschlechtstriebes, zugleich böfe 
feyn, . fo hat er das moralifche Gefetz nicht ii\ 
feine Maxime aufgenommen , weil diefea. Ge- 
fetz, als folches, das ift als allgemein für alle 1 
Fälle, und* nochwendig geltende Handlungsregel, 
ftets befolgt werden mufs, wenn es als Gefetz in 
die .Maxime aufgeuommen*feyn folL- Nun befolgt 
er das Gefetz aber nur für einen Fall, aber nicht 
für den andern, alfo ift das Gefetz nicht als Ge- 
fetz , fondefn al% Maxime für. einen Fall, in die 
Maxime aufgenommen worden. Folglich üt es 
nicht das Gefetz, was ihn, als folches, auch z.B. 
in Anfehung des' Eigen th ums bfefiimmt, fondern 
er hat eine andere Maxime in feinen Wijlen als- 
fein Gefetz aufgenommen, n?hmlkh lieh nur dann 
durchs Gefetz bfeftinunen zu laden, es alfo" nicht 
als. allgemeingültig, fondern als eine befoodere, 
Maxime zu befolgen, wenn der Reiz der finn- 
liehen - Triebfeder nicht fo grofs ift, als* bei der 
Befriedigung des. Gefchlethtstriebes , im letzt ern, 



'. 



./ 



76$ 



Latitudinariöri 



Falle aber diefe Triebfeder in die Maxime au& 
zunehmen (IL i§«). 

i o. Die alten Philofophen /druckten die Fra- 
ge: ob der Menfch von Natur gegen, die Tugend 
und das Lafter gleichgültig (indifferent) fei, fo 
«us; ob die Tugend erlernt werden, könne *)? 
Die andere Frage, ob der Menfch nicht in eini- 
gen Stücken tugendhaft, in andern* -lafterhaft fei f 
drückten fie fo aus; ob es mehr als eine Tugend 
gebe? Beides wurde Von ihnen mit rigoriftifcher 
Beftimmtheit und mit Recht verneint. Sie be- 
trachteten nehmlich, fp wie wir es hier, gethan 
haben, die Tugend an fioh, in der Idee der 
Vernunft (oder wie de? Menfch feyn Xoll). In 
der Erfahrung y oder fo wie der Menfch in der 
Erfcheinnng ifi, kann man freilich beide Fra- 
gen bejahen, denn da lind manche Menfch en ge- 
gen das Moralgefetz indifferent, oder befolgen es 
zuweilen, und zuweilen wieder nicht. -• Vor dem 
menschlichen Richter, (nach empirifchem Maafs- 
fiabe), der nur auf Legalität oder Gefetzmäfsigkeit 
der.. Handlung liebet , find fie alfo dann weder gut 
noch böfe, oder, theils gut, theils böfe; aber. vor 
dem göttlichen Richter (auf der Wage der reinen 
Vernunft), der auf Moralität oder Sittlichkeit der 

Handlung fielet, find dtete alle böfe (R. 1*3. *)). 

/ 

Kant Religion innerhalb der Grenzen der blofsen Ver- 
nunft. i.Stück. Anmerkung, S. 9 — 13. 



*)Platö tmterfucht diele Frage in feinem* Gefpräcb Mtno 
oder ron der Tugend, und Aefehines im erften Gefpraclu 
welche* den Titel hat: von der Tugend, ob fie erlernbar 
fei. Beide behaupten, fie' fei nicht erlernbar, fondern entliehe 
in uns durch die Gottheit, d. h. ihr Urfprung fei für ans uner- 
forfehÜDh. Nur Ariltoteles, Ethik s, B. i, K. behauptet, wir 
/Wären ton Natur indifferent gegeü die Tugend, 



\ 

\ 



»\ 



9 

Laune, «767^ 

1 

Lauiif, 



\ 



Humor, hurneur^ Bedeutet, im guten Ver* 
Rande, daä Talent, fich willkühr lieh. 
in eine, gewiffe Gemütbsdifpofition ver- 
fetzlen zu können, in der alle Dinge ganz 
ander« als gewöhnlich (logar umgekehrt), 
und doch gewiffen Vernunf tprineipien 
in einej^ folchen Gemuthsftimmung ge- 
mäfs, beurtheilt werden. Die Laune üt 
ein Talent oder eine Naturgabe y d. i ein gewif- 
fes vom Subject felbft abhängendes,, obwohl ihm 
von der Natur verliehenes, Vermögen» etwas her* 
vorzubringen« Was durch die» Laune hervorge- 
bracht 'wird, üt eine gewiffe Gernüthsdifpoülion 
oder Gemüthsftimmung , welche auch Laune ge- 
nannt wirdj und fo ifi Laune, in fubjeetiver 
Bedeutung, die . Naturgabe, lieh in Laune, in 
objeetivtr Bedeutung, zu verletzen. Diele 
Gemüthsüimiriung befteht aber darin, darfs man 

ä. alle Dinge ganz anders als gewöhnlich, fo 
gar umgekehrt, beurtheile. So herrfcht in der 
horazifchen Ode *) an den über die See fegilnden, 
Virgil faß ganz die Laune des Dichters , lieh ' 
alles als , gefährlich vorzustellen, ■ Er fchilt dar* 
um . auf die Verwegenheit der Menfchen , dafs fie 
das Reifen zur See erfunden haben; 

ß. alle Dinge , obwohl anders als gewöhnlich, 
doch* gewüTen Vernunf tprineipien , die einer fol- 
chen Gemuthsftimmung zum Grunde liegen, gc- 
mäfs beurtheile.^ Das Vernunftprincip oder die 
IMaxime des Horaz war,' fein Gemüth zum Ver- 
drufs zu Itimmen, und alles Virgils Reife Betref- 
fende durch diefes Glas zu betrachten (U. 1230»). 



m 



•; Lib. U Cd. HL Sic U diva etc. 



t 

\ 



V 



76$ • .Laune. 

a. Laune bedeutet aber auch die Fähigkeit, 
urfwillkiihrlich in eine folche Gemüthsftim- 

- mung gefetzt zu ♦ Werden V und diefe unwillkühr- 
liehe Gemüthsfiiriimung felbft. Dirfe Laune* hat 

, derp Menfcfien in ihrer ^Gewalt, un4 macht , dafs 
er fich vorltellt, die Dinge wären wirklich fo ganz 
anders und verkehrt beschaffen, als er fie beur- 
theilt Die Laune in der erftern Bedeutung hin- 
gegen hat der Menfch in feiner Gewalt ,* und\ er 
weifs es fehrjpvohl, dafs die Dinge nicht fo find, 
wie. er fie fich in diefer GentVithsflimmung vor- 
ftellt. Man merkt es gar bald, welche Art der 
Laune, die erftere oder letztere, es fei, in' welcher 
ä B* der Schriftfteller war, dls er fchrieb. Ob 
nehmlich der Diehter felbft ein gefärbtes Gla? fich 
•vorhalte, und die Dinge, die er dadurch betrach- 
tet, nun fo beschreibt, als glaube er, fie wären 
wirklich fo gefärbt, oder, ob ihm diefes Glas 
von fjeirter Gemüthsfiimmung vorgehalten wurde, 
und er nun wirklich' glaubt, dafs die Dinge fo 
beschaffen find,- als fie ihm durchs das gefärbte 
Glas feiner Getnüthsft immutig, das er nicht be- 
achtet, erfcheinen, das kundigt fich bald durch 
die DarftellurAg an* . - 

* i 

5. Wer den- Veränderungen* der* Laune un- 
will küh«rl ich unterworfen ift, älfo von der 
Laune in der letzteren Bedeutung abhängt,- ift 
läunifeh.x Diefe la unif che Sinn esart ift. eine 
Gemüthsftimmung zu Anwandlungen eines Sub- 
jeets befonders zur Freude oder Traurigkeit, von 
denen fich diefes felbft keinen Grund angeben kann, 
von denen es folglich nicht felbft, und auch nicht 
etwas aufser d^mfelbön die Urfache ift; eine Difpo- 
fitioivjt die vörneRirilich den Hypöchondriften an- 
fängt* In , einer luftigen Laune -fieht der Launi- 
fclie alles von der ergötzenden und beluftigenden 
Seite an, es kann ihm alles Freude machen;; in 
^iner verdrüfslichen Laune aber ift ihm alles ver- 
drüfslich, d|e', Fliege an, der Wand ä*gert ihn. 




* 

Laune. 769 

Wie ein fielbfuchtiger alles gelb Geht , fo erfcheinet 
einem Launifchen in guter Laune alles. luftig f in 
übler Laune alles verdriifslich , feine Urt heile, 
Empfindungen und Handlungen .find dann ganz 
anders als gewöhnlich (A. 177.). " 

4. Derjenige, . welcher die Veränderungen der 
Laune willkührlich und zweckinäfsig (tum Behuf 
einer lebhaften Darftellung vermittelte eines Lachen 
erregenden Contraftes) anzunehmen vermag , der 
und fein Vortrag heifst 1 a u n i g t % Diefes 1 a u- 
nigte Talen t\ z. B. eines Buttler) Sterne» oder 
Thümmel , ift alf ö von "der; 1 h u n ifchen Sinnes- 
art gan^ unterfchieden ; der Hauptunterfchied zwi» 
fchen beiden aber ift das Willkührliche im eriiern* 
Diefes Talent macht durch die ab rieht lieh- ver« 
kehrte Stellung, in die der witzige 'Kopf die. 
Gegenftände fetzt {indem er (ie gleicufam aut* den 
Kopf ftellt)> mit fchalkhafter Einfalt dem Zuhö- 
rer oder Lefer das Vergnügen, fie felbft zurecht 
zu Hellen. Die Contrafte, in die der 1 au n igte . 
Dichter die Gegenltande ftellt, geben ihm auch 
die befte Gelegenheit, die gerade Richtung d?.r 
Vernunft zwifchen den Extremen rec{it lichtbar zt* 
machen. Befönders aber mufs derjenige, welcher 
im Fach des Lultfpiels ' etwas vorzügliches leißen 
Will, fich in jede Art der Laune zu fetzen 'wif* 
fen ; weil dies das ficherfte Mittel ift , den Zu- 
fchauer zu ergötzen und zu unterrichten (A. 177.). 

5. Diefe Manier gehört indeflen mehr zur 
angenehmen ^als fchönen Kunft, weil der Ge* 
genltand der fchönen Kunft immer einige Würdt 
an (ich zeigen mufs. und daher einen gewiflen* 
Ernft in ddr Darftellung, fo wie der Ge- 
fchmack in der Beurtheilung, erfordert. Die 
fchöne Kunft gefällt, aber die angenehme Kunft 
vergnügt und ergötzt durch ihre Prodiicte; 
wir ergötzen uns ' an der ^wollüßigen Lau« 
ne d*|S Anakreon, die ihn fo naiv macht,, und 




hl M. 



I 



/ 



77<* 'Laune. • Lauterkeit. Leben« , / 

jede merkliche Laune hat etwas an fich, wobei 
wir mit Vergoiüg-en die Abweichungen von der 
ruhigen. Vernunft beobachten. Die Laune ver- 
schafft' uns alfo Genufs , und es iXt nicht das Wohl- 
gefallen der blofsen Reflexion, wodurch -uns das 
launigte Product gefällt,, foifdern das Vergnügen 
der Sinnenluft 7 wodurch es -uns reizt und inter« 
eflirt (IL 030.)- 

» » 

Kant Critik der UxtbeiUkraft Th. I. $. 54. Su 25*« 

r ♦ / 

Lauterkeit, 

der Pf lichtgefinnung, puritas moralis, purtti 
moralc* Wenndas Gefetzfür fich allein 
' Triebfeder ift, und die Handlung aus 
Pflicht gefchieht* Diefe Lauterkeit der 
Pflichtgefinnung ift das eine Stück der Pflicht des 
Menfchen gegen fich felbfi in Erhöhung feiner mo- 
ralifchen Vollkommenheit, <L i. in J>loCs fitt- 
lieber Abficht, und beßeht darin, dafs fich keine 
von der Sinnlichkeit hergenommen? Ablichten der 
Pflichtgefinnung beimiTchen; denn fo weit jene 
finnlichen Ablichten die Triebfedern der Handlung 
find, 'ft> weit ift diefe nicht fittlich gut, fondern 
nur pflichtmäfsig. Das Gebot iß hier: ihr follt 
heilig feyn (1 Petr. 1, 16.). Menfchliche 
.Heiligkeit ift Lauterkeit der , Pflichtgefinnung 
(T. 113.)- 

ä. Lauterkeit der Kirche {puritas eccle- 
ßae) 9 L Kirche. ^ 

* * • 

Leben, 

Vita,, vie. So heifst das Vermögen einet: 
Suhftänz, fich aus einem Innern Prin« 
cip zum Handeln zu beftimmen (N. xao.). 



Leben, 771 

Eine S üb ftanz oft dasjenige Subject , des Da- 
feyns, was Jfelbft nicht wiederum \ils J^rädicat 
zum Däfeyn eines andern Subjects gehört (N. 42.). 
Das Vermögen ift der Grund oder das Princip, 
worauf die Inhärenz eines! gewiffen Actus in uns 
beruhet. 'Folglich beftehet das . Leben in dem 
Grunde, welchen ein Subject, das nic^t als Prädi- 
cat eines andern Dinges exiftirt, in fich hat, der 
es ihm möglich mächt, fich felbft zum Handeln 
zu beftimmen. . Iß diefes für lieh beltehende Sub- 
ject, diefe Subltanz, endlich, fo ift die. Hand- 
lung, zu -welcher fie fich beltimmt, . eine -Ver- 
änderung ihres Zuftandes. Ift ^LieSe Subftans 
materiell, d. h. erfüllt fie einen Raum, fo 
find die einzigen Veränderungen ihres Zuiiandes, 
zu denen fie lieh beltimmt, entweder Bewegung 
oder Ruhe. Wir kennen aber keinen andern in . 
der Subftanz felbfi liegenden Grund, der es ihr - 
möglich machte, ihren Zuftand zu verändern, als 
das Begehren, und überhaupt keine innere Tjiä- 
ti°;keit als das Denken, mit dem, was davon 
abhängt, Gefühl, der Luft oder Unluft und Be- 
gierde oder Wille. Diefe Gründe, die es der/ 
Subftafiz möglich machen, ihren Zuftand felbft, 
aus Wiilkühr, zu verändern, und die Handlung* 
felbft, welche diefe Veränderung bewirkt, gehören, 
zu den Vörftelluftgen des innern Sinnes, und ver~. • 
dienen auch daher den Namen der innern Prin- 
cipien (K. iäo). . " . . 

ö. Es ift .Hinmöglich , dafs das Leben in der . 
Materie liege, denn die Materie ift eine, ~~ Vor«* 
Jtellung, welche uns blofs durch äufsere Sinne 
möglich ift, das Leben aber ift ein Verfnögen, 
Jas auf den innern Principien des Begehrens be- - 
ruhet, welche blofs Vorftellungen des innern Sin- 
nes find. Wie könnte denn alfo eine blofs fem x 
innern Sinne swigehörige Beftimmung eine Beltim- 
mung der Materie, als folcher, oder einer dem äu- 
ßern Sinn zugehörigen Subftanz feyn? Diejenigen, 

Ccc 2 






77« Labien* 

die das Xefcen des Thiers in der Materie fachen, 
taufcht Blofs die Verbindung / beider Arten der 6in- 
xie in einem und demfeljren Subjcct. Wenn nun 
diefes ' Subject materiell' ift, und es felbft, aus 
lieh, eine Veränderung der Materie, an die fem 
innerer Sinn gebunden ift , hervorbringen will: 
fo kann das Vermögen, wodurch ihm Tdiefe Ver- 
änderung ,aus der Ruhe in Bewegung, oder aus 
der Bewegung zur Ruhe, möglich wird, oder 
das Leben, nicht in der Materie, fondern mufs 
in einer andern , von der Materie ganz verfchie- 
denen (welches der Ausdruck: aufs er ihr befind- 
lichen, fagen will), obzwar mit ihr verbunde- 
nen Subftanz gefutht werden, die nicht in die 
auCsern Sinne fällt, deren Accidenzen aber oder 
Beltimmungen im innern Sinn zu finden find, und 
Vorfiellungen, nehmlich Anfchauungen der Ein- 
bildungskraft , Empfindungen , Gefühle , Begier- 
den, Begehrungen u. f. w. heifsen (N. 120. £)* 

3. Leben ift alfo das 'Vermögen eines 
Wefcns, nach Gefetzen des Begehriings- 
Vefmögens zu handeln (P. 16. *). Wefen 
heifst hier fo viel als ein Ding, dem das Ver- 
mögen, welches man Leben nennt, zukommen 
kann! Da wir keinen andern innern Grund, der 
es einer Subftanz möglich machte, ihren Zuftand 
felbft willkührlich zu Verändern , kennen , als das 
Begehren: fo ift das Vermögen zu- handeln 
nach den Gefetzen' des Vermögens zu begehren 
iriir eine nähere Beßimmung der Erklärung in 1. 
Das Begehrungsvermögen ifi das einzige 11ns 
bekannte innere Princip, aus welchem fich 
die lebende Subfianz zunv.Handeln beftimmt* 

». . » 

•4, Das Leben heifst das Vermögen, feinen 

Vorßelluiigen gemäfs zu handeln (K. L). 

VorftelluTiffcn lirld fölehe Bestimmungen einer 

Subfianz , welche jnur im innern Sinn angefchauet 

werben können. . In 2. haben wir aber gefehen, 






, Jueben. .773 

dafe ifojc diefe Beßimmungen derjenige Grund des 
Handelns f . welches wir öLeben nennen, feyn 
können. 'Auch die Begebungen gehören zu $en' 
Vorftellungen, und mit den Begehrungen i find 
ftets folche Vorftellungen verbunden, fie mögen 
nun ^or den Begehrungen hergehen oder darauf 
folgen, welche lieh auf einen Gegenstand beziehen, 
den lie vorßellen*), und welcher , begehrt Wird. 
Was diejenige A^-t von y'orftellungen , welche Ge- 
fühl hei f st, zuih Leben beiträgt, findet man im 
Art: Gefühl. 7.* 

5. Diefe Beftimmung de$ Begriffs voni L e* 
ben Üt auch die der Stalilifchen Parter ^unt^r 
den Phyfiologen. Sie fetzen die Vorftellungen als 
Accidenzen . die wir uns ohne Subftanz nicht den- 
ken können, in eine (empirifche, ähev dennoch 
unfern Sinnen lieh entziehende} materielle' Sub- 
ftanz , welche S e £ 1 e heifs t , f, S e e 1 e. Andere 
und vorzüglich einige neuere Phyfiologen fetzen 
das T/eben in die blofce Organisation 9 und bezeich- 
nen es mit dem Ausdrucke Lebenskraft, Das 
Brownifche Syßem (f. Köllners Prüfung der 
neueften Bemühungen und Unter Eichungen in der- 
Beßimmung der prganifchen Kräfte, nach Grund» 
fätzen der kritifchen Philofophie, in Reils Archiv 
für die Phyliologie, 52 B. S, suo. ff. jind Beitrag 
zur Berichtigung der Urtheile über das Brownifche 
Syftem von einem praktischen Arzte« Jena, 1797. 
3.) unterfcheidet zwifchen Leben und Lebens« 
kraft, als zwei verfchiedenen Begriffen , und 
erklärt Lebenskraft durch die Bewegung aus ' 
einem innern Princip, Leben aber durch 
das Refultat der Verbindung der rei,z- 
erregenden Gegenftände (oder Materien, 
auch die erregenden Potenzen genannt, po- 



— » 



*) Si« find VorßelluHgen in engerei Bedemmtg 'de* Worte» 



/ . 



-774 ' Leben'. , 

■ 

tefiatn ' iricilantes , incitantia , ßbrnäi) utofl der 
organifchen Fähigkeiten« Pas Leben be- 
gehet hiernach: 
.* . - 

a, in dem Lebens reiz, der Erregung, 
Incitation (incitatid). d. h. in der Einwirkung 
(äufßerer und innerer) reizender Kräfte, oder Gc- 
gen it aride, die »die Mufkelfafer und den Ner- 
ven aiheiren, z: E. Wärme, Kälte, Licht, Nah- 
rung, Säfte des Cörpers, das Blut, das Denken, 
11. f. w. lind die reizenden Kräfte oder Materien, 
die erregenden IJotenzcn für, die Mufkelfafer, und 
die Sinne afheirenden Gegenftände für die ~ Ner- 
ven;» 

, b. in dem Lebensvermögen der Erreg- 
barkeit, .Reizfähigkeit, Incit abilität 
(jncUabilitas) , d. h. in der Fähigkeit, von den er- 
regenden Potenzen afficirt zu werden, und« dem 
Vermögen, auf jie : zurückzuwirken. Das letite iß 
es, was Hufefänd mit dem' Wort Lebens- 
kraft bezeichnet, wetin er fagt (Ideen „ über Pa- 
thegenia, S* 50.): „Lebenskraft bäiteichnet blofs 
die Fähigkeit, Reize (fiimulos) (z. B- die Luft, 
Nahrung, Verdauung, Aflimilatiori , Abfonderun- 
gen , Ausleerungen , der 6eelenzuftand , die 
Lebensart , t Conititütion , das Temperament , Blut, 
die Reize eines Organs u. f» w.) nach -eigenen Ge- 
fetzen .zu p e rp ip i r e n und darauf zu reagiren. " 
Allein die Fähigkeit zu reagiren* kann zwar eine 
Organ ifationsfähigkeit feyh, aber • das Vermögfen zu 
pereipiren joder die Einwirkung der Reize mit Be- 
wufstfeyn aufzufallen ift nur im irinerh Sinn mög- 
lich, und hat die Lebenskraft diefes Vermö- 
gen, So ift fie mit der Seele eins und daflelbe, 
und nur durch ein anderes Wbrt' bezeichnet.' Man 
thut wohl ganz recht, dafs, wenn von wirkli- 
chen Wirkungen die Rede ift,' mim^die Urfache 
derfelben eine Kraft nennt, und der Schlufs vom 
Dafeyn der Wirkung in der Natur auf; das Dafeyn 



- ' -I / ■ I 



liebeit. 775 

einer dazu geeigneten Kraft; ift richtig. Hingegen 
ift der Schlufs von der Wirkung auf eine befon* 
ders zu dlefer Art Wirkung geeigneten > S u b ffra n z 
noch bedenkliche' Allein jfede Kraft, \^nn fie 
auch von einer andern Kraft abgeleitet ift,' mufs * 
doch mit ihrer Gtttndkraft a-1* Aceiden« einer Sub- 
ftanz inhäriren. Und folglich mufs auch eine empi- 
rifche Lebenskraft eine empirifche Subftanz haben,. 
deren Accidenz fie ift. Wenn dies nun nicht die 
Materie feyn kann, fo ift.es die Seele. Hierun- 
ter denken wir aber noch nicht das > über fmnliqhe 
Subßrat, welches man Geift nennte fondern nur 
das immaterielle Subject. das nicht als Prädicat 
eines andern Subjects gedacht werden kann, und 
als deffen Frädicate alle Beftimmungen im innern 
Sinn gedacht werden muffen , weil fie alle Acciden-* 
zen find r da nach der Befchaffenheit ' unfers Ver- 
standes, und der aus ihm entfprihgenden allge-v 
meinen Gefetze deir Erfahrung kein Accidenz feyn 
kann ohne eine Subftanz, der es inhärirt, die 
Accidenzen de$ innern Sinnes aber unrtiögüch Acci- 
denzen einer Subftanz im 'äufsern Sinn feyn kön- 
nen. Kall n er zeigt gan% "richtig, dafs Lebens- 
reiz und Lebensvermögen allein wohl die Bedin- 
gungen des * Lebens find, dafe aber Lebenskraft % 
eigentlich ein inneres Princip fei , das mechanifche 
Vermögen aber , gereizt zu werden und auf Reize 
zu reagiren, eine blofse Lebensfähigkeit genannt 
werden müfle. — Hier wird alfo die Natur im Men- 
fchen noch vor feiner Menfchheit, d*. i* ehe er 
nach Ideen fich 2>um Wollen beftimmt , alfo in ihrer 
Allgemeinheit , fo wie fie im Thier überhaupt thätig 
ift, um nur Kräfte zu entwickeln, die nachher . 
der Menfch nach Freiheitsgefetzen anwenden kann, 
vorgeftellt. I>iefe Thätigkeit aber- und ihre Erre- 
gung durch ein inneres Princip in Wirkfamkeit ge- 
letzt ift nicht das praktifche Leben (nach 
Ideen), fondern nur das mechanifche oder phy- 
fifche (nach blofsen Naturkräften). Hiernach ift 
nun der Menfch gefund, in welchem der Lebens- 



/ 



9 776 lieben. 

reiz weder zu flark noch zu fchwach Iß für die 
reägirende Lebensfähigkeit. Lebensvermögen durch 
lieben sreiz erfchöpft, gipbt indirecte Schwäche, 
/Mangel an reizenden« Kräften erzeugt directe 
Schwäche« Die Gesundheit liegt zwifchen bei- 
den in der Mitte, Wenn Jemand z« fi. .feine See- 
lenkräfte' ausbildet, flcifaig, fcharf; anhaltend 
denkt, fo wird die Erregung des Gehirns ver- 
wehrt. Setzt er es zu lange, oder zu fcharf fort, 
fo verliert das Gehirn feine Erregbarheit* Der Ge- 
lehrte wird ein Narr aus indirecter Schwäche, 
Verbluteten Per fönen , zarten Kindern, abgehärm- 
/ten Frauenzimmern, ausgehungerten Spldaten fehlt 
es an reizenden Materien; üe befinden lieh alfo 
in deqp, Zultande, welcher directe Schwäche 
heifst, G^fund iß alfo der Menfch, wenn die 
reizenden Potenzen mäßig wirken, wenn mäfsige 
Beize 'auf eine nicht überflüflige,. nicht unter- 
drückte, nicht erfchöpft« Erregbarkeit angebracht 
werden, mithin die Erregung felbft mäfsig ift. 
•Es giebt aber einen Grad, wo der Lebensreiz für 
die Lebensfähigkeit fo ftark oder fo Ich wach wird, 
dafs die animal'ifche Operation* der Wechfel Wir- 
kung zwifchen dem Lebensreiz und den organi- 
schen Lebenskräften, oder der Lebensfähigkeit, in 
fo fern fie zurück wirkt, gänzlich aufhört, und 
nun die blofs chemifche Wechfel Wirkung oder 
die der ünorgamfehen Naturkräfte in r den Grund- 
stoffen der Materie ihren. Anfang nimmt,, welche 
fo lange die animalifche Operation dauert nicht 
möglich iß, Diefe chemifche Operation - hat Faul» 
nifs zur Folge, aus der der Tod entlieht, fo dafs 
nicht (wie man fonft glaubte) die Fäulnifs aus und 
nach dem Tode, Jondern der Tod aus der vorher- 
gehenden Fauinifs erfolgt (S% IV» 4..)» 

Kant Metaph, Anfangsgr. der Naturl. II, Hauptft ErW. 
5/Apra, S. 4», — IJI, Hauptft. Lehrf» 3. Aomerk« 

S. rao. f. ^ - 

« # 

Deff, Cril. der pract. Venu S, %t\ 



t » 



Lebend. Kraft. Lebensr. Lebemverm. etc* 777 

.Kant Met. Aa£ der Rechts!» Einleite LS.L 
Berl. MonstsTcbr« Des«. 1796. x* I. Abfcbn« S. 485* f. 

Lebendige Kraft, 
C Kräfte lebendige* 



Lebensreiz, 



£ Leben, 5,' a. 



Lebens vermögen, 



fr Leben, 5t b* 






Leblofigkeit, 



f. Trägheit, 



Leer, 



*p 



l. Leere Anfchauurig, f. Ding 4, 3. ß. 

a. Leerer Begriff, leerer Gedanke, f. 
Begriff,« leerer, Ding, 4. u /S. lind De- 
jnonitrahel, 2,. Eine intelligibele Urfache (tau-' 
fa noumenon) ift in Anfehung des theoretischen 
Gebrauchs 'der Verätmft (d. i, znm. Erkennen ) ein 
leerer, in Anfehung des praktischen Gebrauchs 
der Vernunft (zum Handeln) ein reeller Begriff 
(P.'9>.)» f* Gebrauch, theoretifcher. und 
praktifcher. 



3, Leeres Datuip zu Begriffen, ift die 
Aufhebung des Gegebenen in der Vorßeüung» Nun 



1 

i 






kann aber die Vorftellurig entweder ein Begriff oder 
eine 'Anfchauung feyn. HeHe ich nun da» Ge- 
gebene in dem Begriff auf, fo bekomme ick den 
leeren • Gegenltand eines , Begriffs« «So mufs ich 
die Aufhebung des Lichts denken, Wenn ich- den 
leeren Gegenltand, Finfternifs, bekommen foll. 
Man kann fich keine Finfternifs vorßellen, wenn 
man nicht fchon einmal lacht durchs» Auge wahr- 
genommen hat. Hebe ich das in der "Anfchauung 
durch die Erfahrung Gegebene auf, Ib bekomme 
' ich eine leere Anfchauung ohne Gegenftand. So 
/ mufs ich die Wefen, die den Raum erfüllen au» 
ihm wegdenken, wenn ich nur die leere Anfchau- 
ung des Raums bekommen foll. Eigentlich «find 
der leere Gegenstand u,nd die leere Anfchauung 
keine wirklichen Gegenftände, fondern der erftere 
nur ein verneinender Begriff oder die Verneinung 
eines wirklichen Gegenßandes , der letztere die 
blofse Form einer wirklichen Anfchauung. Beiden 
fehlt das Reale, die Empfindung, welche dem 
Gegenftände und der Anfchauung einen Inhalt für 
die Sinne giebt (C. 549. M. I, 39 1.).- * 

4. Leerer Gedanke, f. leerer Begriff 
Gedanken ohne Inhalt find leer^ Gedanken 
- ohne Inhalt find aber folche, denen kein Gegen- 
ltand in der Anfchauung beigefügt werden kann, 
oder die nicht finnlich gemacht werden 
können. So ift eine Figur von zwei Seiten ein 
leerer Gedanke, nehmlich der eines 'Undinges 

(€.75.). 

4. Leeres Gedankending, f. Gedan- 
kending, 5. 

- 6.- Leerer Gegenltand eines Begriffs, 
f. Ding 4, 2. ß: ^ 

' 7^ Leerer, öegenftand ohne Begriff, 
£ Ding 4, 4, ß. Diefes könnte etwas Logiiches 



// 



Leer,' '■• $yg 



fch einen, allein^ es ift dennoch etwas Transfeen- 
dentales. Denn es ift hier nicht von dem Begriff, • 
fondern von v dem Gegenßande diefes Begriff» 
die Rede, der Eigenfchafren vereinigen foIl<, von 
welchen au$ der Anfchautmg' erhellet, dafs fie'fich 
nicht vereiniget! laflen. .Indeffen ift ein leerer ~ 
Gegen ftand ohne Begriff eben fo wohl ein* leerer 
Begriff, als der Begriff, der keinen Giegenftarid hat^ 
Ein Begriff, der keinen Geg&iftand hat, ift nehm- 
lieh ein blofses Gedanken ding, es exiftirt ! nicht 
aufser den Gedanketa. ^b^r ein ' Unding oder deti 
Gegenftarid, deffen Begriff fich- nicht einmal den« 
ken läfst, exifkiret doch auch nirgends ,' ja nicht 
einmal in Einehi' Bewufstfeyn, d. i. als * ein B«- ** 
griff. x Es ift eine Synthefis, welche an fich un-. 
möglich ift, nnd da kann man fageii;, es ift ein 

Scheinbegriff, der leer ift, f. Gedankending, 3* Si 

/ 

8. Leer«T Raum, £ Raum/ 

- . "♦/«-'" 

9* Leere Sätze,, find folche Sätze, 
die ihr^m Zwecke gar'nifcbt angenieTfen 
und eben darum -oft lächerlich find. So 
ift es der Zweck negativer oder verneinender Sätze, 
dafs fie den Irrthum abhalteni f ollen. Nun kann* 
man alle Sätze, die man will, logifch verneinend 
ausdrücken. Ein verneinender Satz ift Rühmlich} 
ein fo Icher, in dem das Prädicat vom x Subject ver- 
neint wird, nach der Formel A ift nicht B, der 
Mcnfch ift nicht voh Steifl. Nun kann mfcn 
aber jedes Prädicat vom Sübject verneinen. Wejm % 
wir aber auf den Inhalt unferer Erkeijnftnifs feh$n r 
fo wird äiefe unfere Erkenn tnifs vom Gegenstände* 
des Subjects entweder erweitert, oder befchränkt. 
Ift das Urthqil fynthötifch, d. b. liegt 'das frrädi- 
cat nicht fchon veffteckter Weife im Subject,. fo 
erweitern die bejahenden tfrtheile, aber die yer* , 
neinenden Ürtheill beschränken die ErkehntmCs.' 
Die bejahenden Urtheile fetzen nehmlich n\xch ei- 
nen Begriff zum Subject hinzu, die verneinenden 






/ • 



7&0 • Leen Leere. Legal. Legalität. 

Jchliefsen das Subject aus einer Sphäre gänzlich 
aus. Durch die Letztere • witd nehmftch der Irr* 
thum, als gehöre der Begriff zu diefer Sphäre, 
abgehalten. Wenn nun in einem Fall kein Irr- 

/ thum mög]ich ift f fo können die negativen Unheil e 
«war wahr feyn 9 aber fie find leer, oder es iß 
»wecklos f folche Behauptungen zu. machen, und 
fie find eben darum oft lächerlich. So führte jener 
Schul redner den negative^ Satz aus: dafs Alexan- 
der* ohne Kriegsheer keine Länder hätte erobern 
können, Diefer Satz iß leer , denn es Üt gar nicht 
möglich 9 dafs es Jemanden einfallen werde: man 
könne Länder ohne Kriegsheer erobern, und alfo 
ift diefer Satz, und noch mehr die Ausfuhrung 
deflVben in einer Rede lächerlich; weil der Red- 

; ner die gefpannte Erwartung täufcht f und am 
Ende nichts geleiltet hat (C. 737» M. I, 334.). 



* 

4 



P a p t Grit, ^er rein. Vera. Elementar!. II. Tb« Einleit. 
S. 75. — L Abth. IL Buoh , Anhang. S. 348. f. — 

Methoden]. L Hauptß. S. 737. 

* 

Def£ Grit der pracU Vera. I.Th.LB* LHauptft. S.97. 



Le«jre> 



t R$um* 



• \ 



Legal 



.* 



£ Legalität. 



Legalität, 



Gefe^zlichkeit, Gefetgj^äfsjgkeit, Pflicht- 
mäfsigkeit, legalitas, legalite % X Hand- 
luag, gute. 






*-. 



Legalität. 



78* 



2. "Die Legalität einer Handlung befleht 
in der Oebereinfiimmung oder Nicht-Ueber- 
einfiimmung derfelben mit dem Gefetz, ohne 
Rückficht auf die Triebfeder derfelben (K. XV.)- 
Dafs die Handlung mit dem Gefetz übereinftimme, 
ift das erfte, vtras der Begriff der Pflicht von ei- 
ner Handlung fordert. Pflicht iß nehmlich die« 
jenige Handlung, die nach dem moralifchen 
G e f e t z e , ' mit Ausfchliefsung aller' Beftimniungs- 
gründe aus Neigung , gefchehen foll (P. 144.). Sie 
foll nach dem moralifchen Gefetze gefchehen , ' oder 
fie foll mit dem moralifchen Ge fetze über ein ftimmen, 
heifst aber, fie foll eine folche Handlung feyn, die 
das moralifche Gefetz fordert, und alfo dem Wefen t 
welches auch der finnlichen Beftimmungsgrimde 
zu feinen Handlungen, der Triebe, Neigungen 
und Leidenschaften fähig iß, diefe Handlung ent- 
weder gebietet odet erlaubt. Diefes iß eine Be* 
fchaffenheit der Handlung, alfo des zu erkennenden 
oder zu beurt heilen den Gegenfta nxl es, d. i. das 
Objective in dem Begriff der Pflicht, und wir er- 
kennen es, wenn wir die Handlung mit dem Gefetz 
vergleichen, es mag die Handlung nun von einem 
Andern oder von uns felbß gefchehen feyn. Ift die 
Handlung vqn uns felbß gethan worden , fo iß dies 
Be wufstfeyn , dafs fie p f 1 ichtmäfsig, d.i. eine 
Handlung fei, .welche die Pflicht fordert, fehr 
unterfchieden von dem Bewufstfeyn , *dafs fie aus 
Pflicht, d. i. darum gethan worden fei, 'weid 
fie die Pflicht fordert. Pas erftere iß die Lega- 
lität, ckfc letztere aber die Moralität der Hand- 
lung, oder eigentlich der Gefinnüngr Im erftern 
Fall iß der Buch fia.be des? Gefetzes in der Hand- 
lung anzutreffen, d.M. der Inhalt deflelben, oder 
was es fordert, im letztern Fall aber aueh der 
Geiß des Gefetzes in unfern Gefinmmgen, d. u 
das Gefetz belebt uns dann wirtlich oder iß die 
Triebfeder unfrer Händlungen (P. 070.). Eine Hand-, 
luug^ kann alfo legal, getetzmäfsig, oder get 
fetzlich'g'ufc feyn, ohne moralitch oder 



7ßa Lagalitat.: 

fittlichgur zu feyn. . Wenn nehmlich Neigun- 
gen B 1 o f s . die Beßimmungsgründe des Willems 
zu ■ der Handlung gewefen wären , * fq kann fie 
darum dqch legal feyn oder mit dem« Gefetz, über- 
einßimmen, aber man bann ße daqn dpch nicht 
eine moralifch gute Handlung nennen. Wer 
(eine Schulden bezahlt , thut eine legale Hand- 
lung, thut er es nun darum, weil eres für feine 
Pflicht erkennt, alfo um dem Gefejiz %u gehor- 
chen,, fo iß die unmittelbare Vorfiellung des Ge* 
- fetzes der Beßimmungsgrund feiner Handlung, das, 
was ihn beftimmt, feine Schulden zu bezahlen, und 
jaur dann, wenn diefes ,die eigentliche Triebfeder 
feiner Handlung iß, handelt er auch mqralifch 
gut; dies iß,, aber nicht der Fall, weton er es 
blofs darum thut, weil ehr feinen Credit dadurch 
erhalten will, oder um feiner bürgerlichen 
Jähre nicht zu fchaden (P. 144. 013/ 069. M. B> 
8 79*)» f TVIorali tat, Glückfeligke^t, 15. 

r 

y 3. J3ie juridifchen Gefetze gehen blofs 
auf äufsere Handlungen, nicht auf innere oder Ge- 
ünnungen, und ihnen genügt alfo die Gefetzma- 

JTsigkeit oder Legalität der Handlungen, £ Frei* 
heit, 43', b. Und fo iß die Uebereinftiromnog 
,der äufsern Handlungen mit den juridifchen Ge- 
fetzen blofs Legalität (IC VI.), Die ethifchen 
Gefetze hingegen gfehen zugleich auf innere Hand- 
lungen oder Gefinnungen, denn fie fordern, dafs 
auch die Maxime oder HanSlungsregel des Han- 
delnden mit dem Gefetz übereinßimmen , d.-a» 
dafs das Gefetz; der Beitimmungsgrund zu feiner 
Handlung feyn foll. Die Uebereinfiitfimunß; der 
inner n Handlungen oder der Maxime mit den ethi- 
fchen Gefetzen iß alfo eigentliche , Mo raü tat* 
(K. XXVI.). Allein auch die äufsern Handlungen, 

.welche mit den Maximen dbereinfiimmen , <*& 
das ethifche Gefetz .gebietet, ob fie wohl nicht 
au3 diefen Maximen, fondern aus Neigungen ent- 
fpringen , trennt man gefetzlich gute Handlungen, 



/ Legalität. Xehrart. 783 

*: B. Wohlthaten, die' ein Menfch erzeigt, wenn 
fie auch eine Wirkung feiner Ruhmfucht find; . aU 
lein diefe Handlungen lind darum nicht, ikfflich- 
gute Handlungen , und es iß daher ein grofser 
Unter fchied zwifohen Sitten und Tagend, zwi» 
fchen einem Menfchen von guten Sitten* und' 
einem fittlichguten AJenfchen* Von diefen/ 
Handlungen, zu welchen der Menfch durch die 
Maximen der ethifchen Gefetze beftimmt werden 
follte, yrenn er durch finnliche Triebfedern dazu 
beftimmt jwird, gebraucht tnan befler das Wort 
Pflichtmä/sigkeit , hingegen von Handlungen 
nach juridifchen Gefetzen, das Wort Gefetz mä« 
fsigkeit oder Legalität. . 

Kant Crk. der pract. Vera. L Th. I. B. III. Hauptit. 
S. 144.-IL B, Ü.Hauptft. S. ai3. — IL Tb. S.aöp.f. 

Defl Met. Ant d. Rechul. Eialeit. S. VL X¥. XXVL " 



Lehrart, , 

Methode im Theoretischen, methodus^ modus 
logicus, methodei Die Art und Weife, wie 
ein gewiffes Object, zu deffeh Erkennt- 
nifs fie anzuwenden iß, vollßändig zu 
erkennen fei (S. 16.V Sie mufs aus der Natur 
der WifTenfchaft felbß hergenommen werden , folg- 
lich läfst (ie lieh als eine dadurch befiimmte und 
nothweqdige Ordnung des Denkens nicht ändern» 

52. Die Lehrart ift alfo ein Verfahren 
nach. Grund fätzen, das Ganze einer ge willen 
Erkenntnifs darzußellen (C. 883-)- A ^ e Erkennt- 
nifs und das Ganze derfelben mufs einer Regel 
gemäfs feyn, denn Regellofigkeit iß zugleich Un- 
vernunft, weil nehmlich die Vernunft alles von 
allgemeinen Regeln ableitet. Die Regel nun, oder 
Art (modus), nach welcher man feine Gedanken 
zufammenftellt , um eine WüTenfchaft zu Erkennen, 



^v 



784 Lelirart. r 

ift entweder ein freies Spiel feinem Erkenntnifsyer« 
mögen (der Einbildungskraft und des Verftandes), 
und dann heifst fie die Manier, oder fie ift an eine 
Idee, einen Vernunft begriff, gebunden', welcher 
eben das Princip oder der Grundfatz ift, nach 
welchem man dabei verfährt f und -dann . heifst die** 
fer Zwang in der Erkenn tnifs der Wiflenfchaft oder 
in der Aufstellung des Ganzen derfelben, die Lehr- 
art, tj. B. die mathematifche Lehrart (L. 
«15. IL jioi.). 

3. Die Lehrart Jft alfd das Verfahren 
nach Principien der Vernunft, ein wiffen- 
fchaftliches Erkenntnifs hervorzubrin- 
gen, d. i ein folches Erkenntnifs, deflen Mannigfal- 
tiges zufaminen ein*Syftem ausmache. Die Ei kennt- 
"toifs, als Wiflenfchaft, mufs nach einer folchea 
Methode eingerichtet feyn. Denn Wiflenfchaft ift 
ein Ganzes der Erkenntnifs, deflen Theile nicht 
' willkührlich zufammengeordnet find, yie eine 
Menge Thaler, die man beliebig über einander 
oder Rieben einander legt, welches man ein Ag- 
gregat nennt, fondern fie müflen nach einer Idee 
geordnet .feyn , in welcher fie alle als Theile Ei- 
nes Ganzen zufammenhängen , welches man ein 
Syftem nennt. Die Wiflenfchaft erfordert alfo 
eine fyftematifche Erkenntnifs, und 'die Methode 

. ift die Verfahrungsart , ein folches' fyftematifches 
Erkenntnifs fowohl im Nachdenken als im Vor- 

.trage hervorzubringen (P. 269.). 

4. Noch unter fcheidet. K (L. 16.) fehr rich- 
tig die Methode vom Vortrage, indem er un- 
ter dem' letztern die Manier verficht , feine Ge- 
danken Andern mitzutheilen-, nicht fowohl um 
die Doptrin fyftematilch darzuftellen , als verßänd- 
lich zfi machen. > Die Methode hat äs- eigentlich 
mit der* fyftematifchen Anordnung und Ableitung 
der Wiflenfchaft nach, Einer und von Einer Idee, 
dem P rincip, der Vertrag aber mit der Mit* 



*\ 



Lehrart. Lehrbegriff* Lehrfatz. 785 

theilimg der WUTenfchaft, fie mag nun metkodifch 
angeordnet feyn oder nicht, zu thutu 

• 3. Dieies, was jetet erläutert worden, ift 
mir die Methode im Theoretischen, die allein 
airch Lehrart heifsen kann (U. &6i.). Nun kann 
man fich aber auch eine Methode im Frak,ti- 
fchen denken, oder ein Verfahren nach * Grund« 
Tatzen, nicht "die Gefetze der reinen praktifchen Ver- 
nunft wiflenfchaftlich vorzutragen , fondern ihnen 
Eingang in das menfchliche Gemüth zu verfchafien 
(Fr^Co,.). Methode, im Praktifchen fowohl aU im 
•The oreti fchen ift daher überhaupt ein Verfahren 
nach Grundfätzen, und da man nur die Me- 
thode im Theoretifchen eine Lehrart nennen 
kann > . \o Tollen fowohl die 7 Methode im Prakti- 
fcbdn, als mich die verfchiedenen Arten, der Me- 
thode, und folglich auch der Lehrart, im Art. Me-, 
thode erläutert werden. - ' 

Kant Logik. Eiod^it. S. i£ — H. $. 94. 95. S. «15. 

Deff. Critik der rein« Vera. Methoden]« IV. Hauptft. 3. 
S. 883. 

D e ff. Critik der pract Vera. IL Th. S. 26*9. 

Deff. Critik der ürtheilskr. t Th. §. 41. %• S.-ftoi. — 
jj. 60. S. fiöi. 





Lehrbegriff, 



f. Theorie.: 



Lehrfatz, 



Theorem, Theorcma, theorime. Ein theo* 
fetifcher, eines Beweifes fähiger und 
bedürftiger Satz (L. 175.)- Ein Satz iß ein 
Urtheil,. in welchem das Verhältnifs verschiedener 
Voritellungen zur Einheit des Bewufstfeyns als 

MeUint-phil. pVörUrh. 5. Bd. D d'd 



78fr Lehrfati. 

affertorifch gedacht wird, f. Dafeyn. Z^ 
tipem Lchrfatze gehört: 

a. der Satz felbft oder die The Tis; er befteht 
.wieder aus zwei Momenten: 

«• dem Angenommenen oder der Hypo- 
thefis, und 

# 
ß. der Auslage; 

b. der Beweis, welcher in der Mathematik 
E)emonftration heilst f und wieder am 
zwei Momenten befteht: 

«• dem , was zum Beweife v e r h i 1 f t , wel- 
ches in der Mathematik die Conftructio- 
, nen, in der Phüofophie Begriffe findj 
und 

/ 
ß. der Folgerung daraus. 

(Ii. 176.). \ 

. fi. Einige Lehrlatze nennt K. dialektifche 
oder vernünftelnde. Diefe unter fcheiden üch 
von andern theils durcji ihren Urfprung, thcils 
durch eine ganz auffallende eigen th timliche ^ Be- 
schaffenheit. Sie . entfpringen nehmlich, wenn wir 

' unfere Vernunft nicht blofs auf Gegenftände der 
Erfahrung verwenden, zum Gebrauch der Verfian* 
desgrurtdfätze , fondern diefe Verftandesgrundfatze 
über die Grenzen der Erfahrung hinaus ' auäzu^eh- 

' nen wägen. Die ganz auffallende eigentümliche 
Befchaffenheit diefer Lehrlatze iß, dafs fie in der 
Erfahrung weder Beftätigung finden, noch Wider- 
legung fürchten dürfen, und dafs jeder nicht al- 
lein an fich- felbft^ ohne Widerfpruch iß, fondern 
fogar in der Natur der Vernunft Bedingungen fei- 
ler Ntfth Wendigkeit antrifft, mir dafo unglückli- 



t ' 



, Lehrfatz. ^ 737 

eher Weife der Gegenfatz eines folchen Lehrfatzes 
mit eben fo gültigen und noth wendigen Gründen 
bewiefen werden kann/ als der Lehrfatz felbft* 
(C. 449.). 

» 

3. Eiti dialektifcher Lehrfatz der reinen 
Vernunft mufs diefes, ihn von allen fophifiifchen 
Sätzen Umerfcheidende , an lieh haben, dafs er. 

• 

a. nicht <£ne willkührliche Frage betrifft, die. 
man nur in gewifler beliebiger Abiicht "aufwirft, 
fondern eine folche, auf die jede menfeh liehe Ver- 
nunft in ihrem Fortgange noch wen dig % itofsen 
xziufs; u 

b. mit feinem Gegenfatze nicht blofs einen \ 
gekünßelten, fondern natürlichen und unvermeid- 
lichen Schein bei lieh führe, der zwas aufgedeckt, 
aber niemals vertilgt werden kann (C. 449. M. L 

503.)- ^ ' ' 

4; Diefe, dialektifchen Lehrlatze Jind^ "wenn 
Xie der' Vernunft angemeffen fincj, für den Ver- 
ftand zu grofs> und wenn fie dem Verfiande an« 
gemeffen lind, für die Vernunft zu klein (C. 450. 
M. I, 504.). . - 

5. Diefe vernünftelnden Lehr (atze eröffnen 
alfo einen dialektifchen Kämpfplatz, auf dem der 
angreifende Theil fiets die Oberhand behalt. Da- . s 
her auch rußige Ritter' lieber lind, den Sieges- 
kränz davon zu tragen, wenn fie nur dafür for- 
den, dafs fie den .letzten Angrifi zu thun, das» 
Vorrecht haben. Man kann lieh leicht vbrftel]«n f 
dafs die(er Tummelplatz iß oft genug betretest 
"worden. Gemeiniglich aber hat. man dem Verfech^ 
ter der guten Sache gegen feinen Gegner mit der 
»achthabenden Gewalt beigeßanden (C. 45,0.)« 



Ddd 2 



• 







4 



I 



768 LehrJfatz. Lehrfprubh. Leibeigener. 

Die Beifpiele und Erläuterung zu dicfem Ar« 
til^el findet man im Art. A n t it h c t ik. 

Kant Logik I, 2. Abfch. g. 39. S. 175. 

Deff. Critik d. r. V. Elementar]. II. Th. DL Abth. IL 
Buch. IL' Hauptli. II. Abfchn. S. 449« & 



Lehrfpri^ch, 



£ Dogma. 



Leibeigener, 



> 



* 



Sklave, fervus in fenfu ßricto 9 escläve. Ein 
Men'fch oh ne Perfönlichkeit (K. L.)* Die 
Perfönlichkeit ift, fo wie fie hier verftanden 
werden mufs, die moralifche, und befiehl in 
der Freiheit eines vernünftigen Wefens unter mo- 
ralifche* Gefetzen (K. XXIL). Der Menfch ift aber 
fein vernünftiges ,Wefen unter moralifchen Gefetzen, 
folglich hat er Freiheit oder Perfönlichkeit , und 
ein Menfch ohne fie ift nicht möglich. Wenn e* 
aber doch Menfchen giebt, welche Leibeigene 
oder Sklaven heifsen, fo iß darunter zu ver- 
gehen, dafs man fie blofs fo behandelt. Denn 
dem Menfchen die Perfönlichkeit zu nehmen, ift 
unmöglich, ihn aber fo zu behandeln, als habe 
ej keine Perfönlichkeit, ift unrecht und inconfe- 
<Juen^, ausgenommen in einem einzigen Fall. Es 
dt unmöglich, einem Menfchen die Perfönlichkeit 
zu nehmen^ weil fie die intelligibele Natur des 
Menfchen ausmacht, Welche ,fich aufser den Gren- 
zen unfrer Erkenntnifs und Macht befindet, und 
die lieh bjofs durch das moralifche Gefetz in uns 
offenbart,' als welches fie noth wendig vorausfetzt 
Rs ift alib nicht möglich * einen Menfchen zum 
Leibeigenen zu machen ,- folglich ift es auch un- 
recht , ihn fo zu behandeln , als fei er dazu ge- 



/ 



f - — - w - 

I 



* 



Leibeigener. ; 789 

1 

macht worden» Die^ Freiheit oder Unabhängig- 
keit 'von eines Andern nöthigender Wilikühr und 
die rechtliche Gleichheit oder die Unabhängig* 
keit, nicht zu mehrerm von Andern verbunden 
zu 'werden, als wozu man fie wechfelfeitig auch 
verbinden kann t ift das angebohrne Rechteines 
Wefens, welehes eine praktische Vernunft oder 
das Vermögen der Moralität hat. , Es ift alfo . un- 
recht, einen Menfchen fo zu behandeln f als habe 
er weder Freiheit noch rechtliche Gleichheit, ja 
alles Unrecht beftehet eben darin , wenn der Mdnfch 
fo behandelt wird, dafs es mit der Freiheit deflel- 
ben nach einem allgemeinen Gefetz (fo dafs Jeder- 
mann , fo behandelt 'werden follte) nicht zufammen 
beßehen kann. Die Persönlichkeit giebt dem Men- 
fchen im Verhältnifs mit andern 'zwei Eigenschaft 
ten, die, von andern verpflichtet zu werden, 
und die, andere zu verpflichten, d. i. Pflich- 
ten und Rechte. Wollte man einen Menfchen 
fo behandeln, als habe er weder Pflichten noch 
Rechte, fo würde man ihn als ein blofses Thier 
behandeln, und alfo das Recht der Menfchheit in 
feinur Perfon verletzen. Aber auch dann, wenn 
man ihn fo behandelt, als habe er Hofs Pflichten, 
verletzt man diefes Recht der Menfchheit in feiner 
Perfon, und behandelt ihn als Leibeigenen oder 
als einen folchen, der keine rechtliche Freiheit 
und Gleichheit, und alfo darum keine Perfönlich- 
keit hat. Zugleich verfährt man inconfequent, 
wenn man einen Menfchen als Leibeigenen behan- 
delt; denn wenn er feine Rechtspflichten beobach- 
ten foll, fo gehört auch dazu, dafs er ein recht- 
licher Menfch fei, d. h. er darf fleh andern nicht 
zum blofsen Mittel machen , fondern foll für fie 
zugleich Zweck feyn. Soll er aber nur Tugend- 
pflichten beobachten, fo kann et es nicht vor fei* 
7iem Gewiflen verantworten, dafs er feine Men* 
fchen würde von Andern mit Füfsen treten läfst. 
Der Leibeigene hat daher das angebohrne Recht, 
jeden Augenblick dem zu entfliehen, der ihn durch 



79° Leibeigener. Leibeskräfte. Leibnitz. 

Kauf, oder wohl gar' durch die Gebart , zu : fei- 
nem Leibeigenen gemacht hat; er hat das Recht, 
ßch v mit Gewalt frei Zu machen. Der Richter kann 
ihn von Rechtswegen nicht ftrafcn, denn der 
' Leibeigene fleht in keinem Rechts Verhältnifj mit 
der bürgerlichen. Gefellfchaft, die ihn als Leibei- 
genen behandelt. 

Der Fall, in welchem allein ein Menfch ein 
Leibeigener werden bann, üt angegeben und er* 
läutert im Art. Grundunterthäniger, 

s Leibeskräfte. 

Das in dem Menfchen, was den Grund dar Wirk- 
li'.liheit feiner Wirkungen durch den Cörper ent- 
halt. Die Cultur diefer Leibeskräfte keifst die 
Gymnaftik. Zu diefen Leibeskräften gehört zum 
BeifpieL die Leibesltärke oder Cörperkraft in enge- 
rer Bedeutung, vermöge welcher ein Menfch gro- 
fse Lallen heben und tragen, oder andern Mar- 
ken Menfcbetf überlegen feyn kann; die Schnel- 
ligkeit im Laufen, die Gefchicklichkeit im Sprin- 
gen u. f. w. Die Cultur diefer Leibeskräfte befieht ; 
alfo in der Sorge für die Vervollkommnung des 
Materiellen am Menfchen. Ohne diefe Bemühung, 1 
die Thierheit des Menfchen fortdauernd abüchtlich 
in beleben , wurden feine Zwecke unausgeführt 
bleiben; daher gehört diefe Gymnaftik zu den; 
Pflichten des Menfchen gegen lieh fei oft ££■. i iß.} 



Gottf 
und Gl 
nicht g 
philche 



Leibnitz. ?()i 

Leipzig gebohren, wo fein Vater, Friedrich 
Leibnitz, Pro/effor der, Sittenlehre war. Er itu- 
dirte fchon im fünfzehnten Jahre, von 1661 an, 
dafelbft, und nachher in Jena. AI« er die Schule 
verlief«, im fiebzehnten Jahre, gab er fchon phi- 
lofophifche Unterfuchungen , und noch vor dem 
zwanzigsten Jahre, philofophifche Fragen über 
das Recht heraus (Epifi. V. 1. p. ay6.). Im 
Jahr 1664. wurde er zu Leipzig Magifter, 1666 
Doctor der Rechte zu Altdorf, und 1670 chur- 
fürftlicher Msinzifcher Rath. Er ging mit den 
Söhnen des Churmainzifchen Minifters, Barons- von 
Boineburg, 1672 nach Paris und von da über 
Hollarid und . England nach Hannover , wo er 
1677 ffirfilicher Rath •wurde. Nach dem Tode de* 
Herzogs Johann Friedrich wurde, er bei deflea 
Bruder und Nachfolger, dem Bifchof von Osnabrück, 
Ernft Auguft, -Geheimer- Juftiz • Rath. ' Der Herzog 
trug ihm auf, die Gefchichte von Braunfcbweig , 
zu fehreiben, er machte daher eine Reife durch 
Italien und Deutschland, um Materialien dazu zu 
lammlen, und kam 1690 nach Hannover zurück. 
Im folgenden Jahre wurde er vom Herzog von 
Wolfenbüttel, Anton Ulrich, zum Hofrath und 
Bibliothekar der Wolfenbüttelfchen Bibliothek er- 
nannt. 

q. Nach. Papfi Innocenz XL Tode reifet« Leib- 

nitz nach Rom, und «.weimal nach Wien, und • 

wurde vom Kauer 1711 zum Baron und Reichahof- 

rath ernannt, nachdem er* fchon im Jahr 1699 

Mitglied der Akademie der WiFenfchaften zu Pari« ■ 

mie der Wiflenfchaf- 

ie König von Preuf- 

ntworfenen Plan er- 

Die Königin von 

Gnaden Aand, lief« 

Czaar Peter macht« 

einer Penfion von 



I 

4 



792 Leibnitz. 

1000 Rubeln, und der. König von England zum 
Gelnimen- Juitiz-Rath und Hifioriographen , ohne 
dafa er ■ nöthig hatte Dienfte zu thun. Er wandte 
die roeifte Zeit auf feine Correfpondenz , die fich 
durch ganz Europa , ja bis nach China erftreckte. 
Im Jahr 1713 machte er noch eine Reife nach 
Wien* und kehrte 1714 nach Hannover zurück 
Im folgenden ^Jahrt fing ej: an zu kränkeln, be- 
sonders litt er am Podagra, welches ihm endlich 
in den Leib trat und ihn tödtete. Er ftarb den 
*4 November ^716, über 70 Jahre alt. Leibnitz 
war von mittler Größe, Rannte fich zur luthe* 

, rifchen Kirche, und ift nie vetheurathet gewefen; 
er war £egen jedermann ungemein leutfelig und ge- 
föllig, un ermüdet in der Erweiterung der Wiffen- 
fchaften, "und befcheidefc in der Widerlegung fei- 
ner Gegner. Diefer Vortreffliche t Mann war ein 

-Mathematiker nnd Philofaph der erften Gröfse, 
und hatte viel »richtigere metaphyfifche Vorßelluii- 

' g^n, als feine »Anhänger, die ihn nicht recht ver- 
fianden, uhd daher feine Lehren oft ganz verfiellt 
haben.* Er war ein gelehrter Theologe, eben fo 
gelehrter Jurift, grofser Hißofiker, angesehener 
Politiker, und hatte feine ungeheure Beledenheit. 

3« Leibnitzen^ Werke ßnd gefamoilet und 
herausgegeben worden in 6 Quartbänden von Lud- 
wig D u te ft s unter dem Titel : G tli ofr. Ou i 1 1 
Leibnitii, $. Caefar. Majeftaiis Co?ifiliarii, et 
& Reg, Majefi. Britanniarum a Cönfiliis Jußitiae in- 
• titnist nee non a feribendd Hifioriä; Opera m- 
rtia^ nUnc primmn collecta , in Claffes >difiributa f 
praefationibiis et indieibus exornata^ fiwdia Lu- 
dovi'ci Bittens, 'Genevae 1763. Im zweiten Ban- 
de diefer Sammlung firid die philofophifchen Schrif- 
ten enthalten , und xwar in sswei Theilen. Im 
erften Theile befinden fich die lögifchen . und me- 
taphyfifchen , im zweiten aber die übrigen phi- 
lofophifchen Schriften. - - • 



LeibnitzJ ygj 

Diejenigen Leibnitzifclicn Schriften, wwim er 
fein philofophifebes Syftem aufftellt, lind: 

Syfieme nouveau de la Nature et de Im 
Communicätion des Subfiances, auffi 
bien que de Wnion qu'il y a entrt 
V Arne et le Corps. 

Diefe Abhandlung fieht im Journal des Sa- 
v ans vom 27. Juni und 24. Juli 1695, und OO. ex 
€dit. Dutens\ Vd. L P. J. p. 49. 

Lettre £e M. L. a. M. Des-Maizeauap 3 furfon 
fyfierne de VHamionle PreetabUe. In Hißoire 
Grit, de la JRepubL de Lettres de M. Majfort 
T. 2. p. 72. u. OO. a. a. 0. p. 65. 

Eclair eiffement du Nouveau SyfiSrne de 
la Communicätion des Subfiances, 
pour fervir' de Reponfe ikcequi en a 
ete dit dans le Journal des Savans du 
XIL Sept. 1695. 

Im Journal des y Savans vom 11. und 12. April 
1696 u. OO. a* a. O. p. 67. 

• __ • 

Remarques für VHarmqnie de VArne et du Corps* 
In fiiftqire des Ouvrages des Savans 1696« 
p. 274. u. OO. a. a. O. p. 71 u. 72, 

JZclairciJfemtozt des J>ifftcultes que M. Bayle a 
trduvees dans le fyfieme nouveau de' t Union 
de VAme et du Corps. In Hiftoire des Ouvra- 
ges des Savans, Jul, 1&98« p* 329. u. OO. 
a. a. O. pv 74* • 

Bayle hat hierauf geantwortet in feitiem Wör- 
terbuche, Art. Rorarius. 

Replique de M* Leibnitz aux reßexions eontenuts 
da*ü la yfeconde edition^du JDi6twn\iaire Criti- 
que de M. Bayle, Article Rörarii$$ $ für le 



/ 



794 Latmita* 

fyfiiine de tharmonie preetabtie. In Tltftöire 
critique de la Republique des Lettre* 9 Tom. IL 
u. 00* a. a. 0. p. 80. 

Göttfched hat diefe Antworten auf Baylens Ein* 
würfe in der deutfchen Ueberfetzung des Bay- 
Jifchen Wörterbuchs f im Art. Rorarius, mit ab* 
drucken lallen, 

Epifiola ad Sturmium : De tiocabulo fubftantiae> 
De unione animi et corporis* Im Otium Hanov* 
' u. 00. a. a. 0/ p. 94. 

Ext mit d'une lettre de M. L. für Jon hypothefe 
' de Philofophie f et für le Probleme curieux qu'un 
de fes amis propofe aux Mathematiciens ; avec 
üne rcmarque für quelques points conteftes entre 
laut cur des Principe* de- Phyfique et celui 
des ofyjections contre ces principes. Im Journal 
des SavanSi Nov. 1696. u. 00. a.a.O. p. 94. 

Reponfe aux Objections que le P. Lamy Bener 
dictiii a faites contre le Syfieme de Jt Harmo- 
nie Preetablie. Im Supplement du Journal des 
Savans, Juni 1709. u. 00. a. a. O: p. 97.. 

Recueil de diverfes pieces de M. M. Leibnitz et 
N Clarcke für Dieu 9 VAmc f Vefpacc, la duree 
etc. Im Recueil de Des - Maizeaux Tom. I, 00* 
a % a. O. p. 110. 

Epifiola ad D. Fardeüam: De Natura et origine 
Monadüm. Im Otium Hanoveran. tu 00. 
a. a. O. p. 2234. 

De la Demonfiration Carte fienne de VExiftence. 
de Dieu du Ä. P. Lamy. Im Journal de Trt* 
voux annec 1701. ,iu 00, a. a. O. p. 954. 

Epifiola ad Hermari. Conringium: De Qartefia* 
nd demonftratione Exiftentiae Dei. In Rittinei* 
eri Diff. de praecipuis errorum caujjis in prima 
phüafoplud. Helmfu 1727. u. 00. a,a. 0. 



, Leibnit?. 795 

Dijfertatio , de Arte Combinatoria i cufpmeßxa 
eft Detotonfiratio Exifientiac Dei 9 ad mathe- 
maticam ceftitudinern exacta. lipf* 1666. 4. iu 

00. & a. O. p. 339. 

JEffais de Theodicee für la Bonte de Dieu , la 
Uberte de VHomme, et VOrigine' du Mal; 
ä Amfierdam, 17 10. 2. Vol. i£.; 17x4* z.Vol.s 
172t» 2. Vol.; 1734. a. Vol. u.. ins Latei- 
mfche überfetrft iq 00. Vol. I. p. 35. 

Uouveau Effais für VEntendeinent huniain. In 
Oeuvres philofophiques tatines et fratifoifes de 
feu Mr. t de Leibnitz, tirees de fes Manufcrits, l 
qui fe confervent dam la bibliotheque royate a 
Hannoyre et pifiliees pat Mr. Rud. Em. 
Rafpej ä Amfterdam-et ä Leipzig* 176$* 4« 

4. Leibnitzens Philofophie enthalt vornehm« 
lieh folgende Eigentümlichkeiten ; 

1. den Satz des zureichenden Grün- 
des; 1 

IL die Lehre, von den angebohrnen 
Begriffen; . 

ULI. den Satz des Piichtzuunterfchei» 
elenden; 

IV. den Satz vom Widerftreit der Rea* 
litäten; 

Y. Die Lehre von den Monaden» 

VI. Die Lehre von der vorherbeftimm« 
ten Harmonie; 

VII- Die Lehre von Bann* un& Zeit) 

VIII. Die Lehre vom Unterfchied de» 
Sinnlichen vonTlntell ectuel lenj 

BL Die Lehre vom höchßen W«f«s>f 



^ 



7q6 Leibnitz, v 

t 

X. Die Lehf£ von der Continuität in 
der Stufenfolge der Gefchöpfe; 

XI. Die Theodicee. 



I. 

% 
1 
* i 

- Der Sats Ae* zureichenden Grundes. 

„Unfere Schlüde^" fagt Leibnitz (Principia 
Philofophiae , 31. fqq. OO. Vol. IL p+ 24.) find auf 
zwei grofse Principien gebauet. Das eine 

a. ift, der Satz des Widerfpruch* (prin- 
cipiutn contradtitiöhis) , kraft deflen wir als falfch 
beurteilen, wa$ einen Widerspruch enthält, und 

' als wahr, was dem Falfchen entgegengefetzt iß, 
oder ihm* widerfpricht* Das atadere 

b. ift, der Satz des zureichenden Grun- 
des (principium rationis fufficientis) , kraft däffen 
wir .behaupten, es könne kein Factum (keine That- 
fache) für wahr befunden werden, oder es exifiire 
kejne wahre Behauptung, wenn nicht ein zurei- 
chender Grund da fei, warum es vielmehr ifo ift, 
als anders f obgleich diefe GrüricRr~uns lehr oft 
unbekannt feyn können» 

• ' "• 

Wfenn es eine noth wendige Wahrheit ift, 
fo kann der Grund durch Analyßs gefunden wer- 
den . wenn man ße in Ideen und einfachere Wahr- 
heiten auflöfet, bis man zu den Grundwahrheiten 
(primitivas) kömmt. " 

Wir fehen, Leibnitz behauptet hier die Un- 
zulänglichkeit des Satzes des Widerfpruch» zum 
Erkenn tnifle nothwendiger Wahrheiten, indem 
er den Satz des zureichenden Grundes als 
unentbehrlich dazu atigiebt (E. 11 9.). Kant wirft 
nun die Frage auf, ob es wohl glaublich fei, dafs 



Leibnitz. 797 



X,eibnitz diefen feinen Satz des zureichenden Grun- 
des objectiv habe verftanden wiflen wollen, d. 
h. als ein Naturgefetzr, und nicht fubjectiv, d. i. als 
ein Derikgefetz des menfchlichen Verftandes? Dafs 
er diefen Satz- nicht für ein*bbjectives Princip 
hielt, erhellet fchon daraus, dafs er diefen Sqtz 
für einen fo gichtigen Zufatz zur, bisherigen Phi- 
lofophie hielt (E. 119.). 

„Ich habe fchon oft, fagt L. (Recueil de diver» 
fes pieces etc. 109./. OO.a.a. O. p. 170) 'die Leute 
•herausgefordert, mir eine Initanz gegfen. diefes 
grofse Princip (vom zureichenden Grunde) vor- 
zubringen , ein unbestrittene» Beifpiel , wo es fehlt; 
aber man hat es nie gethan, und wird es nie thun. 
— Mir diefes groXse Princip ableugnen ♦ hiefse 
fich dahin gebracht fehen, auch jenes andere grofse 
Princip abzuleugnen, nehnüich den. Satz" des Wi- 
derfpruchs." * . 

Wie konnte aber Leibnitz diefes Princip fo 
erheben ? Es ift ja , fagt K. , fa allgefiiein bekannt, 
und (unter gehörigen Einfchränkungen ) fo augen- 
fcheinlich klar , dafs auch der fchlechteite ' Kqpf 
damit nicht eine neue Entdeckung gemacht, zu ha- 
ben glauben kann; auch ift er von ihn mifsver- 
ftehenden Gegnern darüber mit manchem Spotte 
angeialTen worden (E„ii9), • 

Leibnkz fagt auch felbft (a. a. O. 127. p. 169); 
hat fich nicht Jedermann diefes Princips bei tau«» 
fend Gelegenheiten bedient?. — '• Und ilt es wohl 
ein Princip, das der Be weife bedarf? (a. a. O. 125.) 

Clarke , , Leibnitzens Gegner , mifsverftand 
ihn, und ftellte fich vor, Ljeibnitz behaupte mit 
dem Satz des zureichenden Grundes, der -freie 
Wille fei dem Gefetz unterworfen , dafs feine Wir- 
kungen einen Grund haben -muffen. \Er nennt 
daher Leibnitzens Satz . aus Spott mit feines (teg- 



/ I 



798 * Leibnkas. 

»ers Ausdruck das grofse Princip (OÖ. fV. It. p. 
195-) undfagt: „t$ ift fehrgewi/s, und Jedermann 
giebt es. zu, dafs es überhaupt 'für alles einen zu- 
reichenden Grund gebe; aber es kommt darauf 
an, ob die freihtfndelnden Intelligenzen 
nicht ein Handlungsprincip haben (worin ^ben f 
wie ich glaube, das Wefen der Freiheit beftehet), 
das von dem Bewegungsgrund oder der Endur la- 
che der wirkenden Intelligenz ganz verschieden ilt,^ 
und welches der zureichende Grund ift, dafs bei 
gleichen Bewegungsgründen « fo oder anders za 
handeln das frei handelnde Wefen die eine Hand« 
lung der andern vorzieht. Da nun de* gelehrte 
Verteiler (nehnüich Leibnitz) Alles diefes, leugnet, 
und fein grofses Princip des zureichenden Grün- 
des in einem Sinn nimmt , der alles das , was ich 
gefagt habe, ausfchliefst, und doch verlangt, dafs 
man ihm fein Princip in diefem Sinne zugeben foll, 
ob er es gleich nicht zu beweifen gefucht»hat: fo 
nenne ich das einen 'Cirkel im Beweif e (petitio prin* 
cipii), welches eines grofsen Fhilofophen* 
ganz unwürdig ift." 

• **♦ 

Leibnitz ens Tod ift Urfache, daf$ er fich hier- 
über nicht weiter erklärt und dem Clarke nicht 
geantwortet hat (00. a. a. O. p. 194). Diefer Grund- 
fatz, fagt K</ war Leibnitzqn blofs ein fubjecti- 
ves Princip , nehmlicl* ein folches , durch welches 
er nicht die Natur der Dinge überhaupt, ibndern 
die Befchaffenheit des menfchlipheft Erkennens auf* 
tiecken wollte. Denn was heifst das: es gi^bt 
aufser dem Satze de« Widerfpruchs noch ein an- 
dres grofses Princip? Es heifst fo viel, als: nach 
dem Satze des Widerfpruchs kann nur das, was 
fohon in dem Begriff x vom Gegenftande liegt, er- 
kannt werden. Denn nach diefem Satz kann nichts 
Vom Gegenftande behauptet oder geleugnet werden, 
was ejwas in dem Begriff des Gegenstandes auf- 
hebt , und alles, was in diefem Begriff liegt, kann 
von dem Gegenßande behauptet werden» Soll 



Leibnitz, 799 

aber noch etwa« mehr von dem Gegehflande ge-> 
fagt werden, • fd mufs etwas tu <}em Begriff-' dei 
Gegemftandes hinzukommen f was nicht in diefem 
Begriff liegt, wedei; feJJ>ft, noch das Gegentheil 
davon, und die Behauptung eines folchen Prädi- 
cats ton dem Begriff des Subjects im Urtheil über 
den Gegenftand erfordert noch ein anderes Prin- 
cipe als den Satz des Widerfprochs , es mufs eiA 
befon derer Grund vorhanden feyn 9 mit flem 
Begriff vom Gegenfiande einen neuen Begriff zu 
verbinden, der auf keine Weife im,. Qogriff des* 
Gegenfiandes liegt, und durch welchen rdoch unfre 
Erkenntnifs des Gegenfiandes wirklich wächfi oder 
erweitert wird. Solche Sat^e nun heifsen nach 
Kants Sprachgebrauch fynthetifche Sätze« Folg« 
lieh wollte Leibnitz nichts weiter fagen, als; es 
jrmfs über den- batz des Widerfpruchs , welcher 
das Princip analytifcher Urtheile üt, noch ein 
anderes Princip für die fynthetifchen Urtheile 
hinzukommen. Denn diefe muffen, da fie nicht 
im Satz des Widerfpruchs ihren Grund haben, ih- k 
ren befon dem Grund haben (z. B. in der Geo- 
metrie die Anfchauung). Diefes war nun aller- 
dings eirte neue und bemerkens würdige Hin wei- 
fung auf Unterfuchungeü , die in der Metaphyfik 
noch anzult eilen wären, und die K. wirklich an» 
gehellt hat Leibnitz wollte mit diefe m Satze al- 
fo nicht fagen, der Satz des zureichenden 
Grundes ilt ein Princip, aus welchem die Natur 
der Dinge erkannt werden kann ,. fondern er ift 
ein Gefetz unfers Erkenntnifs Vermögens, das uns, 
noth wendig macht, uns nach einem andern Prin* 
cip für die fynthetifche Erkenntnifs umzufehen. 
Wer aber behauptet, diefer Satz des zureichenden 
Grundes fei fchon felbft das, worauf die Ver- 
knüpfung in fyntherifcher Erkenntnifs beruhe, der 
fetzt Leibnitz dadurch dem Gefpötte aus, weil 
man ihm dann zutrauet, er habe es für eine 
grofse Entdeckung gehalten, die er gemacht habe* 
da£s alles feinen Grund haben muffe, <*nd aus die« 



f IT 



($oq > . Leihnitzu 



• *• 



fem Satze könne man ichon die Verknüpf &ng zwi- 
fclien Subject und Pradicat in fynthetUchen Urthei* 
leri erkennen (E. iao. f.). 

Was alfo Iyeil?nitz entdeckt hat, ift nicht, dafs 
alles feinen zureichenden Grund haben muffe, oder 
dafs dieier Satz fchün hinreiche^ aus ihm die Wahr- 
heit folch er Sätze zu erkennen, die nicht auf dem 
Satze des Widerfpruchs beruhen, fondern dafs es 
Sätze gebe,« bei denen man mit dem Satze des 
Widerfprvchs nicht ausreiche, die Wahrheit der- 
selben zu erkentien, . die folglich ihren beion- 
defn Grund haben niufsten, worauf iie beruhe- 
ten , weil fie fonft ohne allen Grund feyh müfs- 
ten, welches, vernunftlos w^e, und, wie Clarke 
ganz sichtig , behauptet (aber auch Leibnitz nicht 
geleugnet r ■ ob es Clarke ihm wohl aus Mifsver- 
fiand Schuld giebt), auch von der Freiheit der Will* 
kühr nicht möglich iß. 

♦ 

n. 

j 

\ 

Die Lehre von den angebohrnen Begriffen. 

Leibnitz behauptete (Ejfais sur V Entend. hum. 
Avantpr.. Oeuvr. phil. p.'RafpA p> 4./.) mit Pia to: 

" Die Seele enthält urfprünglich die 
Prinzipien Yerfckiedetier Begriffe 
und' Erkenntniffe, welche die auf- 
fern Gegenftände nur bei Gelegen- 
heit erwecken *). 



*) Auf ctiefe Leibnitzifche Stelle bezieht Eck ohne 'Zweifel jene 
Stelle (C» x.) : »»Dafs alle unfere Erkenn tnifs mit der Erfahrung an* 
fange» daran iß gar kein Zweifel, denn wodurch follte das Erkennt« 
nifs vermögen fonlt fcur Ausüb.nng erweckt werden, gefchälie es nich: 
durch Gegenftiindfe, die untere 9inne ruhreit und tkeils von folhft Vor- 
Heilungen bowirkeu«« u, f. W. X A priori* \t% 



- 1 



Leibnitz. . i *A0i 

Hieraus, f^gt L., entlieht nun eine andere Fra- 
ge» nehmlich: ob alle Wahrheiten von der 
Erfahrung, abhängen, d. h.,von der Induction 
und von Beispielen; oder ob es welche giebt, wel- 
che noch" ein anderes Fundament haben» Seine 
Gründe das letztere zu behaupten find: 

>,,Kann pian etwas fchon vorher einteilen» ehe 
man im -geringsten Verbuche darübegr anfiellt, fo 
iß es offenbar, dals wir von ufcfrer Seite etwas 
zu, diele r Erkenn tnifs beitragen; denn die Sinne 
geben nur befondere oder individuelle 
Wahrheiten, Alle Beifpiele, welche eine all- 
gemeine. Wahrheit betätigen , reichen nicht 
hin, die allgemeine Noth wendigkeit die- 
le r Wahrheit zu begründen; denn es folgt nicht, 
dafs „das* was geschehen ift t immer gefchehen 
werde. Z, B. die Griechen und Römer und alle 
andern Völker haben immer wahrgenommen, dafs 
vor dem Verlauf von $4 Stunden der Tag fich in 
Nacht v und die Nacht in Tag verwandelt,. Aber 
man. würde lieh geirrt haben ,. wenn man geglaubt 
hätte, > dafs es überall nach diefer Regel gehe; 
denn/ in ,'Npya Zembla hat man das Oegentheil 
wahrgenommen. Hieraus folgt, dafs die noth« 
wendige fv Wahrheiten , dergleichen wir 16 der 
leinen Mathematik und befonders in der 
Arithmetik und Geometrie finden, Princi« 
pien haben muffen;, deren Beweis nicht vpn JBei» 
fpielen, und folglich nicht .vom Zeugnifs der 
Sinne abhängt; , 9b es uns gleich ohne die Sinne 
Die einfallen wuräe^ daran zu denken. Auch die 
Logik, MetaphyJik und Moral find voll 
von folchen Wahrheiten y und folglich können 
ihre Be weife blofs aus inner», Principien, welche 
man angebohrte nennt, entfp ringen. - Man 
tnufs ücb alfo die Seele nicht, wie Lopke mit 
Aristoteles behauptet, \wie eine jleere. Tafel 
[tabßila' rafa) yorftellen; fondern man kann fie 
nit . einem , Marniprblock vergleichen, welcher fol» 

MMins philo f. JVwtvh, «• IM» fiee 



^ * 



$ofc Leibnkz. 



V 



che Ädern hat, dafs gleich/am die Zeichnung, z.B. 
des Herkules, der aus ihm gebildet werden fol), 
durch diefe Adejn fchon angegeben ift,' fo dafs 
eh^r ein iHerkules, als jede andere Sta tue, aus 
ihm 1 gebildet werden kann, Der ' Herkules ift alfo 
diefem Stein gleichfam angeböhr^n , aber es ge- 
hört doch Arbeit dazu, jene Adern zu entdecken, 
zu reinigen, und alles abzufondern, was da hin- 
' dert, daifs der Stein noch .kein Herkules ifi. 



•r 



Die jeinen und noth wendigen Idein find der 
Seele virtuali^tet angebohfdrt {Hv* I. Cfi. i.), 
und man kann alle Kemitnifle, die man von den 
' angebohrnen KenntnilTen ableiten kann, ange- 
'böhrne nennen.* Der Beweis de$ noth wendi- 
gen Wahrheiten kommt allein aus dem Verßan- 
d e , die üb r i g e n Wahrheiten kommen aus den 
Erfahrung«^ und : Beobachtungen der Sinne. 
t)ie intellectuelleh Ideen entspringen nicht 
aus den- Sinnen. Die allgemeinen Wahrheiten, 
als die einfachft'en, find tins ange bohren. 
Wenn die i n t e 1 1 e c t u e 1 1 en Ideen von aufsen 
iji uns 'hinein kämen, fö onüfsten wir aufser \ms 
feyn. Aber die 'wirkliche Erkerintnifs der 
notlrweindigen Wahrheiten ift uns nicht ange- 
' boji^eri, fondern die virtuelle. Wäre £e uns 
/ nicht angebohren, fo' würde es kein Mittel ge- 
'ben f zitr wirklichen Erkenn tirifs der nothwendi- 
g;eA' Wahrheiten zu gelangen. • Die Principien der 
Moral (Cfe. a.,) : firid.*uf innere Erfahrung und auf 
' einefh In ßi n c fr gegründet , denn es liegt ihnen 
/ein undeutliches, 'iblgBeh Jßnnliches, obwohl an- 
g eb ah rncs, "Verlangen * glücklich zu werden, 
zum Grundo» Wenn wir nun diefen Hang -auf 
* Begriffe i bringen j §ö entliehet daraus eine prakti- 
sche Wahrheit* ' Weil aber in der Moral die Be- 
weife nicht fo in < die Augen fpringend find , als 
in der Mathematik, fo foll dfer tnftinet diefe# er- 
setzen. Darum; ift man auch in moralischen Din- 
;gen fo» einig. Werden #ber zuweilen Gefetze g*- 






Leibnitz« , 803 

;eben, die 'gegen' chis' Naturrecht find, fö bewei- 
st das bloft, ; dafs der Gefetzgeber die Schrjftzuge 
des Naturrechts falfch gelefen hat. Alle noth- 
weijdigen Wahrheiten und die Inltincte lind 
alfo ari gfc bohren» Die angebohrnen Ideen kön* 
nen auch nicht ausgelölcht werden, fie lind aber 
in allen , Mei\fchen verdunkelt, Daher giebt es 
Mein,ung&n, welche tnan für' Wahrheiten Ihält, 
und die blofs Wirkungen der Gewohnheit und der 
Leichtgläubigkeit find; andere hält man für Vor» . 
urtheile, welche lieh doch auf Vernunft und Na* 
tur gründen." 

Die Critik der reinen Vernunft . fast nun K. f 
erlaubt fchlechterding? keine a n g ebohrnc'Vor- 
Teilungen; alle insgefammt, lie mögen zur An-» 
fchauung oder zu. Verjftandesbegriffen gehören, 
nimmt lie als erworben an. Es giebt aber auch 
eine urfprüngliche Erwerbung (wie die Lehrer 
des Naturrechts fich ausdrucken, f. Erwerbung), 
das ilt, bei dem Denken und Erkennen, die Er- 
werbung deifen, was vorher gar noch nicht <*>a- 
ftirt, fondern unmittelbar durch das Erkenntnis- 
vermögen, und zwar die Thatigkeit oder* einen 
Act deflelben, entfpringt, was mithin vor dieiem 
Act keiner Sache angehörte. Dergleichen ift, wio 

die Critik der reinen Vernunft behauptet, • 

» « 

1« die Form der Dinge im Raum und in 
3er Zeit; 

■ 

2. die fyrtthfetifche Einheit des Mannigfal- 
tigen in Begriffen; 4enn weder jene Form der 
kn fchauung, noch djefe Form des Denkens nimmt 
pnfer Erkenntnisvermögen von den Gegenitänden 
fer , als würde es dem Erkenn tnifs vermögen in 
Jen öegenftänden an und für fich felbft gejjejjen, 
pndern das Erkenntnifsverrriögen bringt üe au« 
;h felbft a priori %m Stande. Es mufs aber doch 
izu ein Grund im erkennenden Subject vorhan* 
l ' Eee a 

• - •■ 



\ 



. \ ' * \ 



\ 



\ 



£04 * Leibnitz, 

den* feyn , der es möglich macht , dafs die gedach- 
ten Vorfiellungen fo (z. B. in einem Raum, der dr&i 
'* Dimenfionen hat) und nicht anders ,entltehep, und 
noch dazu auf Gegenftänfle » die noch nicht gege» 
ben find, gezogen werden können (wie z. B. in 
- d.er Geometrie) t und dieler Grund wenigsten* 
Ift angebohrrn (C. Öß.)* Diefer erße formale 
Grund z . B. der Möglichkeit einer Baumesanfchau* 
ung ift allein eingebohren , nicht die Raumes vor- 
Heilung felbfi. Denn es lind immer eindrücke 
nöthig , um -das Erkenntnifsv^rmögen zuerft zu 
der Vorfiellung" eines Gegenstandes» die jederzeit 
eine eigene Handlung ift, $u beftimmen» So ent> 
fpringt , die formale A n f c h a u U5i g , die man 
Baum nennt f als. urfprünglich erworbene "Vor- 
fiellung (der Form äufserer Gegenftände überhaupt), 
deren Grund gleichwohl (als blofse Beceptivität) 
angebohren ifi, und deren Erwerbung lange 
vor dem befiimmten Begriffe von Dingen > die 
diefer Perm gemäfs find* vorhergeht.. Die Er- 
werbung der letztern Dinge ift eine abgelei- 
tete ErMferbuijg (acquijüio derivativa) , indem 
> fie fchoh-transfcendentale Verfiandeshegriffe voraus- 
. fetzt, die eben fowohl nicht angebohren/ fon- 
dern :er wo r ben find. Die Erwerbung der trani- 
fcendentalen VerfiandesbegrifFe ifi f wie die des 
Raums, eben fowohl ursprünglich (originnria), 
und fetzt nichts Angebohmes weiter voraus; 
denn fie find die fubjeetiveri, Bedingungen^ der 
Selbsttätigkeit des De nk e n s , oder die Möglich- 
keit, etwas in die Einheit der Appferception auf- 
zunehmen (E. 70. f.). L A ngebpl^rne Vorfiel- 
lurngen. 






m. 



\ 



/ 



Der Satz des Nichtzuuu terfchei<Jenden. 

Leibnitz behauptet (00. V. II, t. L p/isg, 4,): 

'• . • ' V 

i . 



Xeitmitz* * 9 805 

Ba giebt nicht zvpei Individuen, wel- 
che gar nicht xu un terfcheidcn wä- 

ren. 

» > 

Einer rneiner, Freunde, lagt er, ein einfichts- 
voller Mann von Adel» fprach in meiner Gegen- 
wart im Garten tu Herreobaufen mit der Churfür- 
fiin, und meinte, er würde wohl zwei Baum»» 
blätter finden, die einander vollkommen ähnlich 
und gleich wären. Die Churfärftin forderte ihn 
auf, den Verfuch zu machen, und er lief langt 
vorgeblich darnach herum* Zwei Tröpfen Wafler 
oder Milch , wenn man fie durch das Mikrofkop 
betrachtet , yertlen noch zu unterfcheideg feyn. 

Zwei nicht zu unterfchtidende Dinge fetzen 
(a. a. O. p* 129, 6), heifst, diefelbe Sache unter 
zwei Namen fetzen« 

"Was Leibnitz auf diefen Satz brachte, ift 
zwar fchon im Art. Einerleiheit gezeigt wor- 
den (M. I, 362.) > hier, will ich es indeffen noch 

weiter aus einander fetzen. 

/• * 

L-eibnitz hielt die Sinnlichkeit nicht für eine 
befotidere Erkenn tnifsquelle f fondern ftellte fich 
vor , die finnlichen Gegenstände wären an fich ■ 
vollkommen fo, wie der Verfiand fie erkennete; 
dafs wir fie- aber durch die Sinne nicht fo an- 
fchaueten, rühre blofs davon her, dafs die Sinne 
uns nur eine verworrene Vorfiellung von den Din- 
gen lieferten; und eben darum müfsten die Din- 
£e, fo wie fie uns die Sinne dar ft eilen, Fhano» 
[li e xi e , fo wie wir fie aber durch den Verftand 
erkennen, Dinge, wie fie an fith wirklich 
>efchaffen find, genannt werden. Wollte 
man alfo die Ditige erkennen, wie fie an fich 
]nd , fo muffe man von aller finnlichen Vorfiel-' 
fung derfelben abfirahiren, und 'fie blofs mit dem 
Ver&ande erkennen. , Wdlle man alfo zwei Gegen- 



goö teibnltz; 

i 

ftände der Sinne mit einander vergleichen f fo fiiufle 
r> an fie nicht nach ihrer finnlichen Befchaffenheit 
vergleichen, fondern blofs im Verfiande. ~> Wenn 
nun die Frage war, ob zwei Dinge in allem ei- 
ner! ei feyn Können, oder durchaus in einigen 

, verschieden feyn muffen, fo war ihm das leicht 
xu beantworten. Er verglich, die Begriffe der 
Gegeniiäncie und , nicht die Gegen.lt an de felblt, 
weil er die Vergleichung blofs im Verfiande an- 
fiel) II, r^un mülien zwei ßegride durchaus in ei* 
ni^eai verfthiedtri feyn , fonit lind es nicht zwei 
Begriffe, londcrn ein und derfelbe Begriff, Ifi 
dieler Betriff aber der Begriff von einem Gegen- 
ftande der Sinne, fo kann es gar wohl zwei 
Gegenltändc geben, von denen jeder durch ei- 

% nen und denfelben Begriff gedacht werden 
nmls, nehmlich zu verfchiedenen Zeiten all dem 
nehmlichen Ort, oder zu derfelben Zeit an ver- 
fchiedenen Orten, oder auch zu verfchiedenen 
Zeiten an verfchiedenen Orten. Leibnitz hat alfo 
darin Recht, dafs Gegenftände , welche blofs durch 
Frädicate gedacht werden, durchaus durch irgend 
e\u Präciicat von einander unterfchieden feyn muf- 
fen, wenn fie nicht ein und daflelbe Ding feyn 
follen. Da er nun Raum und Zeit nicht zu den 
Fradicaten der Dinge, wie fie an fich exiltiren, 
rechnet, fondern jene blofs für ßnnliche Vorfiel- 
lungen hält, fo gilt fein Satz des Nichtzu- 
unter fc beiden den auch nicht für die Dinge, 
in fo fern fie Erfcheinungen find. Und dennoch 
dehnte ihn Leibmtz auf die Gegenfiände' der 
Sinne aus, weil er diefe für die Dinge an 
fich hielt, die man nur als folche durch den 
blofsen Verltand mit Abfiraction von allem Sinn« 
liehen, alfo von Baum jund Zeit, erkennen müfle. 
Da wir nun aber die Dinge an fich gar nicht, 
fondern durch den Verltand keine andern als nur 
finnliche Gegenitiiude erkennen können , fo müfste 
man entweder- behaupten, es kann . nicht zwei 
Dinge geben, welche durch gar keine, auch nicht 



Lcibnitz v g©7 

die Jßnnlichen Prädicate des IVaums und der Zeit 
von einander verfchieden find; das ift aber d$r 
tautologifche und alfo leere Satz: zwei nicht ver- 
fcbiedene Dinge find nicht verfchieden ; oder man 
müfsta behaupten, eis konnten /licht zwei Dinge 
fxiftiren, die in allerg übrigen Prädicaten einerlei, 
nur in Anfehung ihrer i Stelle von einander ver- 
fchieden wären, ein Satz, der wohl nie bewiefen 
werden wird. Denn dafs " Leibriitz auf die Erfah- 
rung davon irgend einen Werth fetzen konnte, 
und fich freuete, dafs fein Freund nicht zwtfi voll- 
kommen ähnliche und gleiche Baumblätter finden 
konnte, gefchahe 'wohl nur um des Freundes wil- 
len. Senn L* mufste fehr wohl wifTen, dafs wenn 
auch folche Blätter nie gefunden werden, daraus 
noch nicht folge, dafs es jteine'gebe; und hätte 
der Freund dergleichen gefunden , fo würde wieder 
daraus nicht haben gefolgert werden können, dafs 
der Satz des Nichtzuuaterfcheidendtti darum falfeh 
fei, fondern nur, dafs die Sinne und die Mikro- 
fkope nicht fcharf genug wären, die Verfchieden- 
heiten aufzufinden. Leibnitz fchmeicheltjs fich alfo 
vergeblich, die Metaphyfih und folglich auch 
die Naturerkenntnifs durch diefen Satz-, der nur, 
in f o f ern er gegründet ift, ein logif eher,, aber 
ganz leerer Satz ift, erweitert zu haben, wenn 
er fagt: „diefes grofse Princip der Identität des 
Nichtzüunterfcheictenden verändert dten 
Zuftand der 'Metaphyfik, welche dadurch 
reell und demonftrativ wird, ftatt deffen fie vor- 
mals faft blofs in leeren Worten beftand" (00. ä. a. 
0. p. 139, 5.). „Freilich," fagt IL, wenn ich 
einen Tropfen Wafler als ein Ding an lieh felbft 
nach allen feinen inriern Bestimmungen kenne, fo 
kann ich keinen ' derfelben von dem andern für 
verfchieden gelten lafTen, wenn der ganze Begriff 
deJTelben mit ihm einerlei ift* Ift aber, der Tropfen 
Wafler JErfcheinung im Baume, fo ift er nicht ein 
Begriff, der im Verftande gedaeht wird, 
fondern ein finnlicher Gegenftand, der im 



I - i 



Leibnit*. 

Ha ante Afigefchanet wirct,. imüt da hat der 
Ort, wo lieh das Ding im Hpm oder in der 
Zeit befindet, mit dem Dinge 9 in Anfehung fei-* 
ii er innern Beftimmungen gar nichts zu (thun, 
und der Ort, den wir b nennen wollen, kann 
ein Ding , das (ich an dem Ort , den wir a 
nennen wollen, befindet, eben fowohl aufneh- 
men , wenn diefe beiden Dinge einander völlig 
ähnlich und gleich find, als wenn fie innerlich 

' Ton einander verfchieden find. ' Die Verfchieden- 
heit der Oerter »im. Baum macht die Vielheit 
und. Unterfcheidipg der Gegenstände, als JEr- 
fcheifiungen, ohne alle weitere Verschiedenheit 
nichts allein möglich, fondern t fögar noth wendig« 
Denn pinge , die fich an verfchiederien Orten im 
Baum befinden , können nicht ein und dalTelbe 

. Ding , fondern muffen zwei oder mehrere verfchie- 
den? Dinge feyn, wären fie auch weiter, in An- 

, fehuhg ihrer inhefn (d. i. ihnen ohne iht Verhält- 
nifs zu andern Dingen zukommenden) Beftimmun- 

* gen 4 gar nicht weiter von einander« verfchieden , fon- 
\dern völlig einerlei« ' Denn alle* Vielheit ift nur 

. möglich durch die Anfchauung des Aufsereinander- 
feyns der Dinge im Raum, oder dadurch, dafs 
fie an verfchiedenen Orten find. Alfo ift Leib- 
iritzensSatz dea Nichtzuunterfcheidenden 
kein Gefetz der Natur; fondern blofs eine ana- 
lytifche (logifche) Regel oder Vergleichung der 
Dinge durch Begriffene. 327. f. M. I. 369.). 

Der Satz des Nichtzuunterfcheiden- 
den beruhet eigentlich auf der Verkehrung des foge- 
nannten Dictum' dt- omni el nullo (f. Figur 13. ä), 
welches fo heifst; 

1/Vas von allen Begriffen A gilt, das 
gilt auch von jedem einzelnen Be- 
griff eA, 

ia den ungereimten Grtmdfatz: 



<Vr* 






\ ~ X \ 



Xefbnitz." 809 

' .* • 

Wa$ von" allen Begriffen. A/ nicht 
gilt, das gilt auch- von keipcm befon- 

dera Begriffe A (M. I, 379-)- ~ 

'> # ^ 

Man darf hier nur ftatt A Dinge Aberhaupt 
fetzen , ftf heifst der Satz fo : 

Was von dem Begriff vom , Dinge überhaupt 
nicht gilt, das gilt auch nicht von dem 

- ' Dinge, dem der 'Begriff des Dinges^ über- 
haupt zukpmmt. 

Wäre das richtige fo gäbe es leine befon* 
dem Begriffe A , denn eben darin befiehen ja 
die befon dem Begriffe A v dafs fie noch irgend 
-wodurch von dem allgemeinen Begriff A un~ 
terfchieden find. Wenn folglich in dem Begriff 
von einem Dinge überhaupt eine gewifle "Unter« 
fcheidung nicht ingetroffen wird, fo folgt nicht, 
dafs fie darum nicht an dem Dinge anzutreffen fei, 
weil es doch auch ein Ding' ift. Denn es kann 
ja aufser dem, dafs es ein Ding ift, noch etwas 
fieyn, was nicht dazu gehört, dafs es ein Ding 
ift, z. B. ,♦ dafs es ein folches iß, was im Raum 
angefchauet wird, alfo ein materielles Ding. 
Und eben in diefer BeAimmnng kann nun auch 
noch der Unterfchied liegen , der nicht zu dem 
Begriff des Dinges überhaupt gehört. Folglich ift 
der Schlufs, dafs alle Dinge völlig einerlei, alfo 
ein und daflelbe Ding find (numero eadan), wenn 
fie Heb nicht fchon durch ihren Begriff (welcher 
das iß, iwas fie zum Dinge überhaupt, nicht zu 
einem befondern ., z« B. f i n n 1 i c h e n Dinge macht,) 
ihrer Gröfse und Beschaffenheit nach unterfcheiden, 
d. h. wenn fie ganz gleich und ähnlich find« Weil 
nehmlich bei dem Begriffe von irgend einem Dinge 
überhaupt von manchen noth wendigen Bedtn* 
gungen des befondern Dinges, welches ftnW* 
lieh es Ding heifst, t. B. den Bedingungen dqr 
Aafchauung deflelbeft, Baum und Zeit, abfirabirt 



/■• 



'&!<> Leibnitz«' 

wird: fo wird durch eine fonderbare Uebereftusg 
von dein, wovon abftrahirt yrird, angenommen, 
% dafs es gar nicht vorhanden fei, und. fo dem 
Din^e nichts eingeräumt, als was blofs im Be- 
griff deffelben enthalten iß (C. 537. ÄL I, SQo^ 

B e i f p i e 1« Der Begriff von einem 'Cubikfufs 
Raum ift an fich (ohne auf etwas anders aufser 
ihm , als blofs darauf zu fehen, wqs er als Cubik- 
fuls Raum ift) völlig einerlei, ich mag mir die« 
fen BJum denken, 4ro und wie oft ich will. 
Allein zwei Cubikfufs Baum find dennoch von 
«inander unterfchicdcn , obwohl blofs durch ihre 
Oerter^ nicht aber durch den Begriff von denfel- 
ben , der bei beiden ganz der fei be ift. Sie find 
blofs liumexifch verfchieden, d. i. der Zahl nach, 
welches nur , dadurch, möglich ift, dafs ße fich an 
verfchiedenen Orten befinden, fonft find fie in 
allen Merkmalen, welche fie felbft,, nicht ihre 
Verhäl tnif.fe, betreffen, d. i. den inneren 
Merkmalen nach gleich und ähnlich, oder der 
Quantität und Qualität nach - dieielben , und den- 
rtotk .ihrer zwei. Ihre Oer ter alfo, find die Bedin- 
. guiigen der Anfchauung , worin die Gegenstände 
diefes Begriffs gegeben werden, welche aber eben 
darum nicht zom Begriffe gehören« Diele Be- 
dingungen gehören aber doch zur ganzen Sinn- 
lichkeit, und ohne fie kann man wohl noch 
Dinge denken, ja es. giebt auch welche f nehm- 
lieh die des innern Sinnes , z. B. Gedanken , die 
von diefen Bedingungen unabhängig find, allein 
die Möglichkeit ihrer Exiftenz ohne einec materielle 
Sübftanz » an der als etwas Beharrlichem ihr Wech- 
fel, erkannt wird, folglich ein Denken, das nicht 
durfch eine Kraft gewirkt wird, die fich an irgend 
einem Ort befindet, kann von uns nicht, einmal 
.äibgefehen werden, weil es uns dazu an lyner 
Erfahrung fehlt (C, 338. M. I» 380.). 

Leibnitzens Schuler haben ' diefe Täufchung 



X*eibmtz» 



8"* 



durch, die Verwechfeluijg im Gebrauch der Begriffe 
von Einerleiheit und Ver f chißden heit, 
wenn man fie auf Ding? überhaupt glaubt an- 
zuwenden, und. fie doch auf finn liehe Gegen* 
fi ä n d e anwendet , fo veenig eingefehen , dafs 
fie fogar diefen Sat.z des Nichtzuunterfchei- 
d enden «von Dingen in abßracto, z. B. von zwei 
blo fs gedachten Waffertropfen behaupteten , vont 
welchen Leibnit.z' zugab, dafs man fie % in Ge- 
danken unterscheiden könne,, und dafs hier die 
K ichtun terfcheidbarheit die in um/er if 6 he Verfchie- 
denhek nicht aufhebe (T i e de m an n , Geift der 

fpecul. Philof. 6 Th. S. 577.). Als nehmlich fchon 
Clarke^ Leibnitzen* Gegner, -ihm Folgendes ent- 
gegen letzte: „Obgleich zwei Dinge (00. a. a. O* 
5 und 6. p. 135») einander vollkommen ähnlich 
und gleich .iind, fo hören fie darum doch nicht 
auf zwei Dinge ±u feyn ; . die Theile der Zeit find 
einander fo vollkommen ähnlich, als die Theile 
des Raums, und dennoch find zwei Augenblicke 
nicht der nehmliche Augenblick, es find auth 
nicht zwei Namen eines, und deffelben Augenblicks ; u 
da antwortete ihm Leibnitz (00. a. a. O. 26. ,p. 147.): 
„er gebe zu, dafs wenn es zwei vollkommen nicht 
zu unterfcheidende Dinge gäbe, fo würden fie ih- 1 
xer zwei, feyn; aber es wäre falfch, dafs es zwei , 
Dinge gebe, die blofs der Zahl nach verfchie- 
den "waren, oder blofs dadurch, dafs es ihrer 
zwei ^rärjen. Die Theile des Raums und der Zeit 
an /und für (ich felbft geuommen , wären nur 
ideale Dinge, und glichen fich daher eben fo 
vollkommen, wie zwei abftracte Einheiten. So 
fei es abet nicht mit zwei concreten . Einheiten, 
oder mit zwei wirklichen Zeiten, ocjlqr zwei 
erfüllten Räumen, d. i. mit wirklich vorhan- 
denen Räumen 1 diefe müfsten immer ve&fchie-' 
den feyn." 



» t 



$ia 



Leitmita. 



i» 



iv; 



Dar Sats vom Widerftreit da* Realität**« 

Es ift in der Leibnitz-wolfianifchen Philofo- 
pKie ein Grundsatz: 

Realitäten widerftreitea eindnde* 
niemals. * 

Diefer Satz ift ganz wahr , wenn man un- 
ter Realitäten blofs Bejahungen oder po- 
fitiye Beftirumungen , und unter dein Wider- 
ftreit en dh&* lo gif che Widerßreiten verfie- 
let. Der logifche Widerftreit befteht nehm* 
lieh darin , dafs durch ein Urtheil ein Prädicat 
aufgehoben wird , welches dem Subject fchon bei- 
gelegt worden ift. Z. B. Ein S da» A ift , iß nicht 
A. Da nun in der allgemeinen Logik nicht auf 
den Inhalt der Begriffe, welche im Verbal thifie zu 
einander beträchtet werden, gefehen wird, fo ift 

t offenbar durch blofses Bejahen kein logifcher Wi- 
derftreit möglich. Ich kann , dem S fo viel Prä- 

x dicate A^ B, C, D,. .., beilegen, als ich will, fo 
entlieht dadurch kein Widerftreit. Nenne ich alfo 

. ein Pradicat A, welche* ich durch ein bejahendes 
Urtheil dem Subject 8 beilegp, wegen diefes Be- 
jaheng, eine Realität oder pofitive Beft im- 
mun g, fo ift obiger Satz richtig y und kann auch 
fo ausgedrückt werden: < - 

Dadurch, dafs ich von einem Subject 
blofs bejahe, wird niemals eins 
der ihm zukommenden Pradicat» 
verneint, 

Da diefer Satz aber nichts in Anfehung des In- 
halts des Subjects und feinfer Frädicate beiHmmt, 
fo bedeutet er auch nichts in Anfehung der Dinge 
oder Gegenstand? felbft, welche durch die Be- 
griffe im Subject oder Präd^afc gfcdadit, werden, j 






Leibnitä. - 8*3 

Folglich bedeutet diefer logifche Satz weder etwa« 
vop Gegenftänden d^f Natur, noch von Dirigeit 
an lieh,' 'von denen -wi^r nicht einmal einen Be- t 
griff haben > , fo dafs fich von demfelben etwas be- 
jahen liefse» Sonder^ jener GrundfaCz bedeutet 
nur, wie wir überhaupt denken muffen, und 
iß daher auch fchon durch blofse Entwicklung 
oder Analyßs einleuchtend oder ein identifchee» 
Satz 9 wie Ich gezeigt habe* 

Ganz anders aber verhält es fich , wenn wi* 
unte^ Realitäten, nichrlogi/che Realitäten oder 
Bejahungen verliehen, fondern reale Realitäten, 
d, h. folche Befchaffenheiten , deren Begriff anzeigt, 
dafs wirklich etwas vorhanden ift , Was durch die- 
len Begriff gedacht wird, z. B. ein Stein der 
fcehn Pfund wiegt. Hier hat der Stein erßlich eine 
logifche Realität» d. i. es wird ihm etwas (nehmlich, 
zehn Pfund Gewicht) beigelegt f oder von ihm. 
bejahetj aber zweitens iß diefe logifche Realität 
auch eine reale Realität, fie hat einen Inhalt, dem 
etwas in der Empfindung corr efpondirt , oder es 
ift etwas in. der Zeit vorhanden, oder kann doch 
vorhanden feyn, was durch den Begriff des Prä* 
dicats, z. B. zehn Pfund Gewicht, gedacht wird» 
So wahr nun der Satz auch ift: 

Logifche Realitäten widerßreiten ein« 

ander niemals logifch, ; 

< 

fo falfch würde der. Satz feyn : 



< i 



Reale Realitäten widerßreiten einan» 
der niemals real« 

Der reale Widerfbeit gefleht nehmlich darin v 
daf« ßch die Wirkungen zweier Kräfte einander 
ganz oder zum Theil aufheben. Diefer reale Wi* 
tlerftreit findet fich aber aller wärt» in der Natur* 
Wenn A z. R. eine Wirkung iit> etwa der Druck 



y 



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gl 4, Leibmtz. 



zehn Pfund wiegenden Steins, und ß eine 
.Wirkung, die der Wirkung A gerade , entgegen 
wifkt, upd ihr gleich oder. eben fo grofs ift, 
-x. B* ein 'Druck von zehn Pfund Kraft gegen den 
t Druck des zehn Pfund wiegenden Steins: fo he- 
ben ßch beidö Wirkungen einander gänzlich auf, 
es ift der Wirkung nach, als wenn kein Druck und 
Gegendruck da wäre, • welches man- in der Buch- 
stabenrechnung fo ausdruckt* A — ^Bzr ö, d. h; 
1 -wenn ich zum Druck A den ihm gerade entgegen - 
* gefetzten Druck -»- B (vor welchem darum der 
Strich — * fleht,, weil es: andeuten foll, dafs B 
<iem A gerade entgegengefetzt ift) . hinzufetze, oder 
biide Wirkungen zufammen addire, fo kömmt zur 
Summe Null oder Nichts: welches eben fo viel 
itt , als nähme man von einer Gröfse A die andere, 
wenn fie ihr nicht entgegengefetzt ift, weg, oder 
jbJs wenn man B yon A fubtrahirte ,♦ -weicheis man, 
weil der fiorizontaiftrich — * das Zeichen der Sub- 
tr action ift , auch fo fchreibt : A — B , dies ift auch 
gleich (=) Null. Wo alfo eine reale Realität 
mit der andern in ^einem Subjeot verbunden ift, 
da hebt die eine Realität zuweilen , nebmlich 
wenn fie einander gar» 2 oder zum Theil entgegen- 
gefetzt lind, die andere auf. Wenn rieh ml ich ein 
Stein, der zehn, Pfund wiegt > mit einer Kraft von 
zehji Pfund utiterßützt ilt , fo fällt er nicht* 
' Dies Tegen alle Hindern ifle tind Gegenwirkungen 
in der Natur unaufhörlich yor Augen. - Diefe Rea- 
' , litäten in, der 'Natur beruhen auf Kräften , deren 
Wirkungen iie find, erscheinen vermittelft der 
Sinne , , und da fie auch durch die reinen Verfian- 
desbegriffe der Kr a f t und W i rkungen erkannt 
werden, fo find fie Realitäten in -der Er- 
fcheinung {rcalitates phaenomenä). Die allgemeine 
Mechanik kann fogar die in der Erfährung liegen- 
den Bedingungen, unter welchen dief er Widert reit 
in der Erfahrung möglich ift, und die Wirkungen 
"•delfelben, in einer Regel a priori angeben, .indem 
fio auf die Entgegenfetz ung de*. Dichtungen lieht* 



• \ v 
I 

Leibnitt. / ?gi5 

Diefes findet man im Aft. Bewegung, zufam- 
mengefetzte. t)er'trän sfcendentale Begriff 
der Realitatät, d. i. derjenige Begriff derfelben, 
.der von allen Erfahrungsbedingungen gänzlich ab- 
Itrahirt, -weifs * nichts von Zeit und Baum, und 
alfo auch nichts von der ET^gegenfetsuiig der Rieh- , 
tung, ~die Vir uns nur vermitteilt der Vorftellun- 
gen voll Zeit un4 Raum vorfiellen können. Der 
trän sfcendentale Begriff von Realität ift alfo 
blofs der Begriff von einer Befchaffenheit , die ei- 
nen Inhalt hat, durch welchen et was* in einem 
Gegenßande geletzt, und nicht aufgehoben wird. 
Dies ift alfo mit dem logifchen Begriff von Reali- 
tät ganz einerlei; wie immer der Fall ift, wenn 
man 'bei reinen Verftandesbegriften gänzlich vom 
alle* Form der Änfchauung, Raum und Zeit, «ab» 
/trahirt. • V: 

Leibnitz hat" nun di^fen Satz ded Wider*, 
itreits der Realitäten nicht mit dem Pomp 
eines neuen Grundfatzes angekündigt , aber er be* • 
diente {ich doch deffelbcn zu neuen Behauptungen. 
So will er {00. V. I. p. 410, fq.) folgenden Ein* # 
wurf gegen die Lehre: dafs Gott nicht der Ur- 
heber der Sünde fei, widerlegen: 

§ 

Oberfatz:. Wer etwas hervorbringt, was in 
einem Dinge real ift, der ift die Urfache die- 
le« Dinges; 

Unterfatz: Gott bringt das hervor, was in 
der fünde real ift; 



Schlufsfatzt Alfo ift -Gott die. Urfache der 
Sünde» 

„Es -würde hinreichen," fagt Leibnitz t „de*, 
Oberratz oder den Unterfatz zu verwerfen, weil 
das Reale folche Erklärungen zuläfst, yelche 
dieft Sätze falsch machen können. Aber um dies 



t 

I 



fii6 • ^ . Xeibnfcz. 

% 

*» f » 

deutlicher zu machen ,. wollen wit eine Unterfchei- 

düng anwenden, .Das Reale bedeutet entweder 
das, was nur pofitiv (bejahend) iß, oder e* um> 
faßt auch mit den Begriff von einem Gegenfiande, 
der blofs die Aufhebung von etwas Pofiüven vor- 
ftelk, und alfo der leere G^genitand eines Begriffs 
ift (f. Ding, 4, 51, /3.). In der erften Bedeu- 
tung wird der Oberfatz verworfen*, u$d der 
- Unterfatz zugegeben ; in der zweiten Bedeutung 
ift es anders. Hierbei hätte ich, & könnet^ bewen- 
den lallen, aber ich Jiin (in der Theodicee) noch 
weitet gegangen, um von diefer Untericheidung 
«inen Grund anzugeben. Ich habe daher (Theodicfc 
l.il. §. 35.) erinnert,* dafs jed? pofitive oder ab,fo- 
lute Realität für eine Vollkommenheit anifle ge- 
halten werden; dafs aber die UnTollkpmmenbert von 
der Limit a t i o n oder Befch ränkun g en tftefre > d. i. 
von der Aufhebung eines pofitiven Etwas; denn 
-foefchfänfeen iß nichts anders, als das Fort- 
Ichreiten , das immer weiter hindern.. Nun iß 
Gott die Ürfache aller Vollkommenheiten, folg- 
lich 'aller Realitäten > wenn fie als hlofs pofitive 
betrachtet werden* Die Limitationen oder Beschrän- 
kungen aber eutfpringen aus der urfpjrünglichen 
Un Vollkommenheit der Creaturen , die ihre BecepUr 
yität oder Fähigkeit begrenzt. w 

• ' - 

Hier bedient fich alfo Leibnitz des Grundfa* 
tzes*« dafs fich Realitäten einander, nicht wider- 
(breiten, zu der neuen Behauptung, dafs jede Un* 
Vollkommenheit von der Aufhebung girier Realität 
entliehe L , und dafs jede Realität eine Vollkommen- 
heit fei, und alfo von Gott herrühre. Weil nehm- 
lieh nach jenem Grundsatz Realitäten fich. einander 
*>icht widerfirpiten , und alfo nicht einander auf* 
heben können, meint Leibnitz, fo könne die Be- 
fchränkitng und die Aufhebung der Bealifcäten, und 
alfo auch die Sünde , nicht von Gott he*rühreiii 
Hätte Leibnitz daran gedacht, dafs jener Grund* 
fetz xuit vom logifcheu Deiü&ftft gültig fei, &*<&* 



. 1 



Leibnitx. ftij 

» r 

aber von, der Natur der Dinge, dafs nehmlich die * 
Pr^dicate der Dingfe fehr, wohl etwas enthalten 
können, wodurch fie (ich einander einschränken,' • 
ohne dafs fie darum logifctoe Negationen oder blofse 
Verneinungen find oder enthalten, x Co 'würde er - 
eingefehen habend dafs feine Widerlegung nichts 
gegen jenen Einwurf beweife. -Denn wenn auch 
Gott der Urheber aller Realitäten wäre, • fo wäre 
er dennoch der Urheber der Sunde; wenn die, 
Sünde eine Unvollkomriienheit wäre, und Jede 
Unvollkommenheit blofs durch die Limitation oder 
Befchränkutig entftehe, weil fich" nehmlich; zwei 
Realitäten zwar nicht logifch, aber wohl real/ 
ct. h. zwar nicht, wenn ich blofs v auf die Form 
des U r t h e i.l e n s fehe , aber wohl , wenn ich 
auf die Natur d£r Dinge fehe, die y ich beur- 
th eilen will« befchränken köhnen. So find bei- 
des^ dpr Wind der aus Wetten bläß, und der 
Strom des Meeres, der aus Often kömmt,* Reali- 
täten, aber ihre Wirkungen auf das fahrende Schiff 
beschränken fich einander, und machen, dafs das 
Schiff entweder langfamer nach Often oder nach 
Welten kommt, als wenn nur eine die fer Real itä- 
ten vorhanden wäre, oder tfcafe es gar fülle ßeht, 

Leibnitzeris Nachfolger trugen aber dennoch 
diefen Grundfatz ausdrücklich in ihre Leibnitzwol* 
filche Lehrgebäude ein; So * fdgt Baumgarten (Me»- s 
taphyfik, $.604.): „Alle Realitäten find in der 
That bejahende Beftimmungeft , und keine Vernet* 
nungift eine Realität, Folglich wehri'auch in 
einem Dinge alle Realitäten, ohne Auf- 
nahme gefetzt werden, fo kann doch nie* 
mals daher' ein Widerfpruch entftehen. 
Es find demnach alle Realitäten in einem Dinge 
teifammen (logifch) möglich, keine Realität 
kann einer andern Realität widerspre- 
chen. 



3Mli»sphn.W8rt*rb.5.BJ. Fff 



•». 



a*8 



Jüeibnitz. 



Nach diefem Grundfatze find min, wie wlf 
gefehen haben, alle Uebel nichts als Folgen von 
den .Schranken der -Gefchöpfe, d.i. Negationen 
■ oder Verneinungen, weil diefe das einzige 
Wideritreitende der Realität find., In dem. blofsen 
Begriffe eines Dinges überhaupt (nicht aber 
px den befondern Dingen , welche man Erfchei- 
nungen , oder Nattrrgegenftäiyle nennt,) ift es auch 
wirklich . fo* Imgleichen, finden die Anhänger die« 
fes Gvu'ndfatzes, wie das, au? ßaumgartens Me- 

' taphyfik fo eben angeführte , Beifpiel lehrt., es 
nicht allein möglich , Fondern auch natürlich, alle 
Realität, ohne irgend einen beforglichen Wider- 
ftreit, in einen Gegenstand, n^hmlieh den' des volJ- 
komineniten Wefens zu vereinigen, Sie kennen 
nehmlich keinen andern WideriUeit, als den des 
Wide^fpruchs, .durqh cfen der Begriff eines 
Dinges felbft aufgehoben wird, nicht aber den 
des wechfelfertigen Abbruchs, da ein Heal- 
grund (eine Urfache) die Wirkung (z.B. Bewe- 
gung) des andern aufhebt, und daz,u wir nur in 
der Sinnlichkeit die Bedingungen. (z. B. entgegen- 

x ..gefetzte Richtungen J. antreffen, uns einen fokhen 
vorztLßellen ((isoe^E M.I-, 37Q*).. 

Wollte man lagen, dafs wenigstens die in- 
telligibeln Realitäten, oder diejenigen, welche 
die Dinge» an fjich haben, einander nicht entge- 
gen wirken 'können , fo inüfste man doch ein Bei- 
fpiel von dergleichen reiner und: finnenfreier 
Realität anfuhren, damit man verßände, ob unfrd 
Vorstellung derfelben, ^wirklich etwas, oder etwa 
garnichts voritelle. Aber Beifpiele von Reali- 
«.täten können nirgend anders woher f als aus der 
Erfahrung genpmmen werden $ diefe. ^ber bietet 
weite* t nichts als Phänomene oder Krfchei- 
nun^n dar (G, 33g. * M, I, 331.). ; s 






' / 



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»» 



•.,• Leibnitz» ' ' ftio 

■ x -\T ' ■ ' ' ' 

Die Lehrevon den Monaden. 

Folgendes ift fceibtiitzens Lehre von den Mo- 
naden, mit feinen eigenen Worten: . : " 

1. „Die Subftanz ift ein Wefen, welche*" 
der Handlang fähig ift Sie ift einfach oder zu- 
fammengefetzt. Die einfache Subfi;an/z ift die- 
jenige, welche keine Theile hat. Die zufam- ' 
meugefetzte iß das Aggregat ^er einfachen Sub-, V 
itan^en öder der ;Mori aden. Monas iß ein 
gr iechifches Wort , welches ] die E in h e i ii f ©der 
das, was eins ift, bedeutet; 

Diezufatomengefetzten, oder die Cörper, 1 find 
Vielheiten; und die einfachen Subltanzen (diez. 
B. im Selbfibewufstfeyn gegeben find), die Lebend 
die Seelen, die Geiiter, find Einheiten. Und es , 
mufs wohl überall einfache Subftanzen geben ,. weil 
es ohne einfache keine zufammengefetzten geben 
würde; und folglich ift die ganze Natur: voll Leben 

* t. Die Mona dep, da fie keine Theile- ha- " 
ben, können weder durch ^Zufan>menfetzun°\ ge- 
bildet noch aufgelöfet und zerftöret werden* & Sie 
können natürlicher Weife weder alifangen, noch 
ein Ende nehmen, fondern nur durch die Schöp- 
fung anfangen, unddurch Vernichtung ajuf- 
hören zu feyn; und dauern folglich fo lan^e als 
das Univerfum, welches wird verändert, aber 
nicht serfiört werden. Sie können nicht ansge- \ 
dehnt feyn, keine Geßalten haben und nicht theil- 
bar feyn, fonft hätten fie Theile. Und folglich 
kann eine Monade an fich felbft, und für jetzt, 
nicht anders von einer andern unterfchieden wer- 
den, als durch, ihre innern Befchaffenheiten und 
H<indlu*igen , welche nichts anders feyn können 
als feine Perceptionen (d.i. die Vorfiellungen 
des ^ufammengefetzten , oder deffen, was in dem 

Fffa 



I 

4 

* 



1 

520 'Leibfritz. 

Einfachen das Acufsere ift) Und feine Begehrnii- 
, gen (d. i. feine Tendenzen von' einer Perception 
t zur andern), welche die Principien der Verände- 
rung find. Denn die Einfachheit der Subftanz 
hindert nicht ^die Vielfachheit der Modificationen, 
welche fich zufammen in der nehmlichen einfachen 
Subitanz befinden nniflen; und fie muffen in der 
Mannigfaltigkeit der Verhältnifle zu äufsern Din- 
gen beliehen. 

» . Es verhält fich damit gerade fo wie mit ei- 

\ nem i M i 1 1 e 1 p u n c t oder einem Punct , in dem, 

fo einfach, er' auch ift, dennoch eine unendliche 

Menge Winkel liegen, weiche durch die Linien 

^gebildet werden, die! in demfelben zufammenlau- 

. fen." (Principes de la Nature et de la Grace. 

00. Vol. Ih p. 32. Principia philofophiae feu the- 

fes in grcitiam Princip. Eugen. OO* Vol. IL p. £0.) 

Im Art. Inneres ift fchon gezeigt worden, 

wie Leibnitzens Vorftellurtg von den Monaden 

.durch die Vcrwechfelung der zweierlei Bedeutim- 

/ gen des Innern «entfiandcn ift. 'Hier will ich 

nur noch Folgendes hinzufetzen i * 

Die Leibnitzifche Monadologie hat einen 
zwiefachen Grund: 1* dafs diefer Philofoph den 
Unterfchied des Innern und" Aeufsern 
nicht fo betrachtete, wie er durch die JBefchnf- 
x » fenheit ünfrer Sinnlichkeit fich ergiebt; denn da 
-würde er äufsere und- innere Gegenftän- 
de, d. i. folche, die im Raum, 1 und folcbe, 
die .blofs in der Zeit, alfo nur in unferm in- 
' nem Sinne find, bekommen haben; fondern dafs 
er .fich diefen Unterfchied blofs im Verhältnis 
, auf den Verftand vorftellte, da bekarm er blofs 
innere und äufsere logifche Beftimmun- 
N gen, den Unterfchied zwifchen dem, was ei- 
nem Dinge an und für fich f e 1 b ft ,' /ohiie dafs 
ich- es mit einem andern Dinge vergleiche, zu* 



kommt, und dem, was es im Verhältoifs zu 
andern Dingen iß, und tjiefes , hielt ei nun für ei« 
nerlei mit innern und äufsdrn finnliqben 
Gegenständen.' Lerbnitz fchjofs fo; *Die Sub- 
{tanzen ü b e i(h.aüpt (abftrahirt von allem , ,was 
an manchen derfelben finnlich ,Sft; . denn das 
ift nur, eine Art, wie fie Uns die Sinne, die nach 
L,eibnitz alle unfere EiljLenntnifs verwirren, vor- 
fiel leri) muffen etwas Inneres haben,' d.i. was 
ihnen an und für fich felbft zukömmt; nun 
ift das, dafs fie zufammen gefetzt lind, blofs eim 
Verhältnifs derfelben zu andern Subftanzen,, alr 
fo etwas Aeufseres , nichts Inneres; folglich müf*' 
fen die Subftanzen, überhaupt von aller Zu- 
fammenfetzung frei feyn. Das Einfache ift alfo 
die Grundlage der Dinge, fo wie fie an und für 
lieh felbft, ohne Rücklicht auf ihr Verhältnifs zu 
andern Dingen, find. 

Das Innere ihres Zuftandes, fchlofs Leibnitz. 
weitet, kann nun nicht in Ort, Geftalt, Berühr 
rung oder Bewegung beliehen; denn diefe Beftiih« ' 
mungen find blofs Verhältniffe, alfo äufsere 
Befiimmungeri. Daher können wir nun den Sub- 
ftanzen keinen andern innern Zuftand beilegen, ^ 
als den Zufiand- der Votft eilungen (weil nehm- 
lieh diefe unfern Sinn innerlich, d. i blofs in 
der Zeit, nicht im Baum beitimnien» fo meinte . 
Leibnitz, dies hiefse eben fo viel als an und. für 
fich, .ohne Beziehung auf etwas anders. 
Er dachte aber nicht daran, dafs, auch die Vorftel- 
lungen wieder nur durch ihre Beziehungen auf, ein- 
ander und auf die Gegenfiänue im Baum, alfo durch 
Verhältniffe und nicht an und für fich felbft, er- 
kannt werden können, alfo blofs nach ihrem äu- 
fsern Zuftandej den fie im innern Sinne haben). 
So wurden denn dje Monaden fertig, welche den * 
(ri undftoff des ganzen Univerfum ausmachen Collen. 
l T nd darum behauptete Leibnitz von 'ihnen, dafs 
ihre thätige Kraft nur in Vorftellungen beftehe, 






\ ft22 Leibnitz* 

wodurch fie alfo eigentlich blofs in Geh felbft, 
und nicht auf .andere , wirkfam find' (C. 33p* M. L 

* r • . 

Der endete Grund der Leibmtzifchen Mona- 
dologie ift; 

2. dafs diefer Philöfoph Materie und Form 
nicht fo betrachtete, wie fie fich durch die Be- 
schaffenheit unferer Sinnlichkeit, fondern im Be- 
griff des reiben Verftapdes ergeben. Denn in der 
Erfcheinung geht die Form - der- Materie vor, 
weil die Form eine Befchaffenheit unferer Sinn- 
lichkeit ift; aber im Begriff des reinen Ver- 
II an des' geht die Materie der Form "vor, weil 
, erit etwas da feyn mjufs , das eine Form bekommen 
oder haben kann, die Materie, che ehre Form 
i-tfelTelb'en denkbar ift. Leibnitz fchlofs," weil er 
von aller Sinnlichkeit abftrabirte, ganz richtig 
i ' * fo: In jedem Dinge find die Beftandftücke deflel- 

ben (effäntialia) die Materie, die Art, wie diefe 
Btiitandftücke in dem Dinge verknüpft find, die 
(wef etat liehe) F/>rm deffelben. Ferner; in Anfe- 
hung der . Dinge überhaupt' ift die unbegrenzte 
Realität die Materie aller Möglichkeit, Ein- 
schränkung (Negation) . ift diejenige Form , wodurch 
fich ein Ding vonjt andern nach transfcendentalen 
; ' Begriffen (d. i. nach folchen, wodurch allein 
' Erkenntnifs möglich ift) unter fcheid et. fis mufs erfi 
# etwas gegeben ftyn, wenigftens' im Begriffe (Mate- 
rie) ,* ehe es auf gewiffe Art/beftimmt werden (Form 
erhalten^ kann. Folglich geht 'im Begriffe des 
reinen Verftandes' die Materie der Form 
vor^ und Leibnitz nahm am deswillen zueilt 
»Dinge an ^ die blofs innerlich*, oder der Materie 
jfiach,- das» ift (nach der «vorhergehenden Verwech- 
selung) blofs durch eine Yorftellunsrskraft beftimmt 
fijid, vmd noch keine äufsere Befiimmung, d.i. 
form haben, und nannte'fie Monaden (C. 322, 



«» 



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-•■ \ ■■ ■■ 

Leibhitzr. . ga 

.ftiefö . fceibnitzifche Monadologie Iß nun" 
von den Anhängern des' grofsen Lehrers xliefer, 
Theorie übet vfcrfianden Worden; diefe ßellten 
fiüh TVehmlich vor, fie folle dazxx dienen-, die Na- 
tururfcheinungen zu erMären. Allein fie iß ja nur 
ein Begriff Vöh döt Welt,' fo fern diefe gar nicht 
als Gegenftand der Sinne betrachtet wird, und, 
wenn man jehe Verwechfelung wegläfst, und ßch 
die Monaden nicht: blöfs als vor fidlen de Kräfte 
denkt, auch ein ganz richtiger Begriff, den 
fchon Plato, obwohl noch nicht; fo ausgebild^ 
gehabt hat* Das Zufamm enge fetzte der, 
Dingfe an fich felbfi, d. i. mit Abftraction 
von aller Sinnlichkeit, muf$ freilich aus dem 
Einfachen beliehen, denn die Th eil ß muffen hier 1 
vor aller Zufammenfetzung gegeben feyn._ Aber 
das Zuf.ammengefetzte in der Erfchei- 
nung befiefit nibht aus dem Einfachen. Denn in 
der Erfcheinung, die niemals anders als zu- 
fammengefetzt (ausgedehnt in Raum und Zeit), 
gegeben werden kann, können die Theile nur 
durch Theilung uhd alfo nicht vor dfcr. Zufam- 
menfetzung, fondern nur in dem Zufamr 
mengefetzten, gegeben werden. Daher behauptet 
nun Kant, Leibnitzens Meinung fei nicht gewe- 
fen, die finn liehe Welt durch feine Intellectui- 
rung oder Betrachtung der Gegenfiände durch blo- 
fse Vcrßandesbegriffe , mit Abfiraction von allem 
Sinnlichen, zu erklären, fondern ihr blofs<eine 
intelligibele Welt, als das, was nicht erfcheint, 
an die Seite zu fetzen,* und fo die finnliche 
Welt blofs als einen InbegrilT von Erfcheinun- 
pen zu betrachten (N. 51.). Man f. den Artikel: 
Inneres. 

♦ 

In der v Cörperwelt , weil fie im Raum vorhan- 
den feyn^mul*», mufs es allerwärts zufammenge- 
fetzte Dinge geben. Denrr die pörperwelt iß* der 
Ii'begriff aller Gegenftände auf serer, d. i. im 
Kaum befindlicher Dinge, folglich kann das Ein« 



\ 



V 



'1 

8^4 Leibnitz. 

fache in ihr gar nicht angetroffen werben. Denkt 
£ch. aber die Vernunft ein aus Subfianzen Zufam- 
inengefet?tes als ein Ding an fich, d. i. ein 
folches', das gar nicht zur Sinnenwelt gehört, gar 
keine finnlichen Beitimmungen hat, oder (ichgar nicht 
auf die Beschaffenheit unferer Sinne bezieht, fo mufs 
Jfie da fiel be fchlechterdings als ein Ding denken, wel- 
ches aus einfachen Subltanzen behehu Is'ach 
demjenigen aber, was die Anschauung der 
Gegenstände im' Baum nothwendig hei 
fich lühtt, kann und. Toll die Vernunft nicht 
denken, dafs ein Einfaches in ihnen wäre. Hier- 
auls folgt, dafs wir auch nie auf das Einfache 
ftofsen oder ei auifmden können, wenn xinfre 
Sinn« auch noch fo fcharf , unfre Waffen iie über- 
dem noch zu fchärfen auch noch fo gut , und un- 
fere Betrachtungen und Beobachtungen auch noch 
«fo genau werden, follten, ,denn es giebt in der 
binnen weit kein. Einfaches, Ejolg] ich ; find auch 
die CörjJer gar nicht Dinge an fich -felhft, denn 
fonft nnifsten fie allerdings aus dem Einfachen be- 
liehen, welches eher wäre, als das Zufammenge« 
fetzte, welches qus dem Einfachen beliebet. Alfo 
find die Sinnenvorfiellungen, die wir mit dem 
Namen der cor per liehen Dinge belegen, nichts 
als jfrfcheinungen von irgend etwas. . Diefefc Et- 
was kann, als Ding an fich felbft, .das Einfache 
enthalten {es ifi hierin keiri Widerspruch, welcher 
fich fogleich findet, wenn daffelbe .von den Er- 
ich einungen behauptet wird). Für ups bleibt aber 
diefes Etwas gänzlich unerkennbar, weil die An- 
fchauung, unter der es uns allein gegeben wird, 
nui die fubjeetiven Bedingungen un/erer Sinnlich- 
keit (Raum und Zeit, folglich Ausdehnung) an die 
Hand giebt, unter denen wir allein eine finnliche 
Vorfiellung von ihm erhalten können. Wir fchauen 
alfo nicht die Eigenschaften an, die diefem Etwas 

an und f jir lieh felbft zukommen (E, 44. ff.). 

- -\ \ 

Einen Gegenßand fich als einfach vorfallen, 



1 
/ 



.^ ■ / •• ••• - • \ 



I 



j 

i ■ ' 

iß ein Hofs negative* Begriff, er fagt blofs , der 
Gegeiifiafiä, »fei nicht zufaipmengefetzt , . und ift 
der Vernunft unvermeidlich. '.Denn <\ie Vernunft 
fordert au allem Bedingten das Unbedingte, <nurt 
ift das Einfache das Unbedingte tu .dem Zufam* 
m engefetz ten ; die Möglichkeit des Zufajnmenge- 
fetzten, ift aber jederzeit , wie alles, was real mög-\ 
lieh ift, bedingt, Folglich ift das Einfache eine 
Vernunftidee, in der Natur ift aber alles zufam- 
jnepgefetzt. Der Begriff des Einfachen erweitert 
alfo unfere Erkenn tnifs nicht, fondern bezeichnet 
blofs ein Etwas, welches Von den finnlichen (Je* ' 
genftänden (die ""alle ein6 Zufammenfetzung erii> 
halten) unterschieden wenden foli.. Wenn man 
nun fagt: das,, wa$ der Möglichkeit des : Zu Ca rri-' 
xnengefetzten zum Grunde liegt, , ilt das Noumen- 
(denn irri Sinnlichen ift es nicht zu finden) : fo 
fagt man daijrit nicht: es Hegt dem Cörper als 
Erfcheinung'ein Aggregat von fo.vlel einfa- 
chen Wefen zum Grunde. Denn ob das lieber* 
finnliche (Noumen), was jener JErfcheinung als 
Subftrat unterliegt, zufammengefetzt oder einfach, 
fei, davon kann Niemand im minderten etwas 
wiffen. Es ift aljfa eine Vorftellung, welche darauf 
beruhet, dafs man die Lehre von Gegtenftänden , 
der Sinne r als blofsen Erfcheinungen, gänzlich 
mifsverftanden hat, wenn man lieh einbildet, oder 
Andern einzubilden fucht; hierdurch werde ge- 
meint, das .überfinnliche Subftrat der Materie werde 
eben fo nach feinen Monaden getheijt, wie man 
die Materie felbft theilt,, ;Dann würde ja die Mo*, 
nas, die nur die Idee einer nicht? wiederum be 
dingten Bedingung des Zufammengefctzten ift, iiX 
den Baum gefetzt, wo Jie aufhört ein Nonmen 
(Ueberlinnliches) zu feyn, t und wiederum felbft 
zufammengefetzt ift (E. 45 .*) f.). , . , 

. \ ■* VL 

Die Lehre von der vorherbestimmten Harmonie« 

f Harmonie, 4. IL 



1 • 

1 



» 1 

1 ' ■ ' 

» 

'fl2ft ^ Leibnitz. 

ftatt. Eben fo ift es auch mit der Zeit Gefetzt es 
fragQ Jemand', warum Gott nicht'alles eifl Jahr frü- 
her erfchafFen habe,, und «liefelbe Perfon, wolle 
daraus fchliefseri, dafs Gott etwas gemacht habe, 
wovon es keinen Grund gelten könne , w;arum er es 
fo und nicht anders gemacht habe : fo wurde man 
ihm antworten, feine Folgerung wäre richtig, wenn 
die Zeit etwas aufser den in der Zeit befindlichen 
Dingen wäre; denn es kannte .unmöglich Gründe 
dafür geben , warum die Dinge eh$r an 'diefe als an 
. andere Augenblicke feipn gebunden worden, in fo 
fern die Fol'ge derfelben diefelbe bliebe* . Aber eben 
dies he weife, dafs die Augenblicke aufser den Din- 
gen nichts find» und dafs fiß blofs in der Folge der 
Dinge nach einander beliehen; wenn nun diefe die- 
felbe bleibe , fo wäre der., eine der beiden Zuftände, 
Z. B. das eingebildete. Früherfeyn, in nichts unter- 
schieden , und könne nicht ^unterschieden fe£n von 
dem Zuftande , welcher jetzt ßatt findet 

C Ta r k e antwortete hierauf Folgendes : Es lei* 
. det keinen Zweifel, dafs. nichts ohne einen zureichen- 
den Grund feines Dafeyns vorbanden ift, und dafs 
nichts ohne einen zureichenden Grund eher auf diefe, 
als auf eine andere Art vorhanden ift. Aber }n Anfe- 
liung folcher Dinge, die an (ich felbft gleichgültig find, 
ift fchon der blofseWille ein zureichender Grund, 
ihnen, idasDafeyn zu geben, oder fie auf eine ge- 
wifle Art vorhanden feyn zu laflen; und diefer Wille 
bedarf es nicht erft, durch eine fremde Urfachebe- 
Jtimmt zu werden,* Hier find Beifpiele zu dem, 
was ich behaupte. Ale Gott ein Theilchen Mate- 
rie fchuf, oder ihm eher hier als dort feinen 
Platz anwies, "obgleich alle Oerter einander gleich 
find, fo hatte er keinen andern Grund dazu, als 
feinen Willem, Gefetzt nun, der Raum fei nichts 
Reelles, fondern eine blofse Ordnung der 
Cor per: fo würde darum doch der. blofse Wille 
Gottes der einzige zureichende .Grund feyn, aus 
welchem drei gleiche Theilchen eher in die Ord- 



• • r 



.Leibnitz. \ .. , 829 

m • * 

nung A, B y C, als in die entgegengefetzte Ord- 
nung wären, gebellt worden, Man kann alto aus 
diefer Gleichgültigkeit der Oerter fteinen Beweis 
dafür herleiten, dafs es keinen realen 'Raum gebe. 
Denn, die verfchiedenen Räume find real von ein- 
ander urtterfchieden , ob fie gleich einander' voll- v 
kommen ähnlich find, Ueberdem,. wenn maii 
vorausfetzt, dafs der Raum nicht real, fondern, 
blofs die Ordnung und Stellung der ,Cö*- 
per fdi, fo würde eine handgreifliche Abfurdität 
daraus - folgeh. Denn, riach diefer Idee, wenn 
die Erde , die Sonne und der Mond wären dahin 
gefetzt worden, wo (ich jetzt die entffcrnteften 
Fixfteme befinden (wenn fie nur i/i deirfelben Ord- 
nung, und in derfelben Entfernung von einander 
ihren Platz . erhalten 'hätten) 9 wfjre es nicht nur 
daflelbe, wie der gelehrte Verfaffer ganz richtig 
fagt; fondern es würde auch dataits folgen/ dafs 
die Erde, die Sonne und der Mond; in diefem 
Fall an demfelben Ort feyn würden, wo (ie jetzt 
find; welches ein offenbarer Widerfpruch ift. Der 
Raum ift nicht eine Subftanz, ein ewiges und un- 
endliches Wefen, fondern eine Eigenfchaft, oder 
eine Folge der Exiftenz eines unendlichen un'd 
ewigen Wefens. Der unendliche Raum ift die Un- 
ermefslicfikeit; aber die Unermefslichkeit ift nicht 
Gott) alfo ift der unendliche Raum nicht Gott. 
Was man hier von den Thejlep des Raums fagt, 
ift keine Schwierigkeit. Der unendliche Raum iit 
abfolut und wefentlich untheilbar; und es ift ein 
Widerfprucb, die Theilung.de* Raums vorauszu- 
fetzen, denn alsdann müfste ein Rauni zwifchen 
den Theilen feyn, von welchen man vorausfetzt, 
dafs der Raum in fie • getheilt fei; das heifst 
aber vorausfetzen , dafs der Raum zu gleicher 
Zeit getheilt und auch nicht getheilt fei. Ob- 
gleich Gott* unermefslkk und überall gegenwär- 
tig ift, fo ift doch die Subftanz defltelben darum 
nicht mehr in Theile getheilt, «ils feine Exiftenz 
durch die Dauer. Die Schwierigkeit, welche man 



1% 



1 1 



t * 



^30 Leibmtz. 

hier ma<fht r . rührt blofs^von dein Mifsbrauch des 
Worts" T heil her. Wäre der Raum blofs die 
Ordnu;ng'der Dinge, welche zu gleicher 
£.eit Vorhanden find, fo würde daraus fol- 
gen, dafs wenn Gott die ganze Welt lieh in 
einer geraden Linie fortbewegen lief$e, fie , fo 
gefcjiwind fie auch feyn jnöchte, fich doch immer 
an demfelben Ort befinden würde $ und dafs nichts 
einen Stofs bekommen würde, obgleich diefe, Be- 
wegung fchnell aufgehalten würde. Urid wäre 
die äteit blofs die Ordnung des Nacheinan- 
der fe\ms der Creaturen, fo würde daraus fol- 
gen,, dafs wenn Gott ^ie Welt einige Millionen 
Jahre eher gefchaffen hätte, fie dennoch nicht wäre 
•her gefchaffen worden. Noch mehr, der Raum 
und die, Zeit lind Quantitäten; welches man von 
der 'Lage und der Ordnung nicht fagen kann. Man 
behauptet hier, dafs , weil der RauiQ gleichförmig 
oder vollkommen ähnlich, / und keiner feiner Theile 
von dem andern verfchieden ift, .daraus folge, dafs 
wenn die Cörper, die an einem gewiffen Ort find 
gefchaffen worden, an eineiji andern OxX wären ge- 
fchaffen worden (vorausgefetfct, dafs fie diefelbe 
La<*e, unter' einander erhalten hätten)^ fo wären, ße 
^dennoch an demfelben, Ort' gefchaffen worden. Das 
ift aber ein offenbarer Widerfpruch, Es ift wahr, 
dafs die Einförmigkeit, des Baums bew^ifetf, dafs 
Oott keinen äufsern Grund gehabt haty die Dinge 
eher an dem einen Ort als an dem andern zu erfcUaf- 
fen; aber das hindert nicht, dafs fein Wille nicht 
> ein zureichender Grund gewefen fei, an einein Qn* 
Welcher es auch fei, zu wirken, wfcilalle Oerter 
gleichgültig oder ahnlich find, .» und dafs es einen 
gutei> Grund gebe, irgendwo zu wirken. 

Hierauf antwortete Leibmtfc : Zwifchen abfolut 
gleichgültigen Dingen -giebt es, keine Wähl, folg- 
lich auch keinfen Vorzug und keine Willensbeftim- 
öntng , weil die Wahl einen Girund oder ein Princip 
haben mufs^ Es )ft gleichgültig; drei gleiche und 



.\ ' 



* Leibmtz; 83 * 

m allem ähnliche Cö/per sau ordnen, nach welcher 
Ordnung, es auch fei; und folglich werdfci fie von 
dem, der 'alles mit Weisheit thut, nie geordnet 
werden. Wenn der Baum eine Eigenschaft oder 
eine Befchaffenheit ift f fo mufs er die Eigenfchaft ei-* 
ner Subftanz feyn. Von welcher Subftanz wird denii 
nun der begrenzte leere Raum, den feine Vertheidi- 
ger.zwifchen zwei Cörpern annehftien, eine Eigen- 
. fchaf t oder Befchaffenheit feyn ? Wenn der unen4- 
Jiche -Räum die Unermefslichkeit iß, fp wird der 
endliche Raum das Entgegengefetzte von der Uner- 
mefslichkeit feyn, d. h. die Ermefslichkeit, oder 
die begrenzte Ausdehnung/ EJun mufs aber die Aus- 
dehnung die Befchaffenheit eines Ausgedehnten feyn* 
Wenn aber diefer Raum leer iß, fo Mrii*d er^eine 
Befchaffenheit ohne Subject feyn, eine, Ausdehnung 
keines An^ged^hnten. Wenn man alfo aus. dem 
Raum" eine Eigenfchaft macht , fo tritt man meinet 
Behauptung bei,^ dafs er eine Ordnung der pinge, 
und nichts abfolutes fei. Wenn der Raum eine abJ 
folute Realität wäre, fo wäre er, weit entfernt 
eine Eigenfchaft oder ^in Accidenz zu feyn , welches 
.das Entgegengefetzte der Subftanz ift, noch fubfi- 
fiirehder (mehr für fich befiehend) als die Sub- 
ftanzen. Gott könnte ihn dann nicht zeritören, 
noch auch in nichts verwandeln. Er ift danrt nfoht 
nur im Ganzen iwiermefslich, fondern auch in 
jedem Theil unveränderlich und ewig. Es' 
würde- alfo 'noch aufser Gott eine unendliche M^nge 
von ewigen Dingen geben. Sagen, dafs der unend- 
liche .Raum «ohne Theile ift, heifst fagen, daß 
er nicht aus endlichen Räumen beftehe; und dafs 
der unendliche* Raum beiLehen könnte, wenn auch 
die endlichen Räume in nichts' verwandelt würden. 
Das wäre, als wenn man fagen Rollte, dafs ein 
ausgedehntes materielles Univerfum ohne Grenzen 
beliehen könne, wenn auch alle Cörper', aus defiea 
es beliebt, in nichts verwandelt würden. x Dafs 
Gott das ganze Univerfum in gerader oder andrer X*i- 
nie vorrücken lauen könne, ohne weiter etwa* 



%' 



\ 



J53* Leibrntz. ^ 

darin zu ändern, ift wieder eine chimSrifche.VQraüs- 
fetzung:. Denn zwei nitsht zuu^terfcheidende 
Zufiände find ein und derfelbe Zniftand, und fol*- 
lieh ift es cirie Veränderung welche nichts verändert. 
. Ueber4em ift dazu " nicht der allergeringfte örund 
vorhanden. Nun thutGott nicht 3 ohne Grund; und 
es ift hier doch keiner möglich. Gott thäte auch, 
wegen deS'Nichtzuunterfcheiden , nichts , indem er 
etwas thate. Das alles gründet fich blofs auf die 
Vorausfetzung, dafs der eingebildete Raum etwa* 
Keales f<?i. Es ift eine .ähnliche, d. i.' unmögliche 
Erdichtubg, wenn man annirjimt, ' Gott habe die 
Welt'einige Millionen Jahre eher erfchaffen* könnet. 
Diejenigen, welche fölehe Erdichtungen annehmen, 
würden dfeneJi nicht antworten könnet, welche die 
Ewigkeit der Welt be weifen wollten; Denn da 
Gott nichts ohne Grund thut, und fich doch kern 
- Grund angeben lafst, warum er die Welt nicht eher 
, gefchaffen habe; fö wird daraus folgen, dafs er ent- 
weder gar nichts gefchaffen , oder dafs er die Welt 
vor aller anzugebenden Zeit gefchaffen habe, d. h, 
dafs die Welt ewifij fei. Wenn mari aber zeigt, dafs 
der Anfang, -er fei welcher er wolle, immer daflel- 
be fei, fo fällt die Frage, wartun es riieht anders ge- 
jWefen fei,' weg* Wäre Raum und Zeit etwas abfoiu* 
res, d. h. fctwas anders als ^ewiffe r du un geil det 
Dinge, fo wäre das, wapichfage, widerfprechend. 
Da "dem aber nicht fo ift, fo ift dieHypothelis w* - 
'derfprechend, d. i. eine unmögliche Erdichtung 
Es iJt' hiermit wie in der Geometrie, in der pian zu- 
weilen durch die i Voraus fetzutog felbit be weifet, dafs 
"eir.e Figur gtöfser fei, als fi,e jft. Das ift ein Wider- 
spruch; aber er liegt in der Hypothefis, welche 

«ben N darum falfch ift. 

. ■ - • > 

Clarke antwortete :' diefes führe zur Not- 
wendigkeit und zum Fatalismus, weil es 
den Willen eines verftändig Handelnden von 
den 'Bewegungsgrühden eben fo abhängig mache, 
wie die Wage von dem Gewicht abhängig fei. * D* 



Leibnitz. 



833 



die Theilchei* der Materie einander , vollkommen 
ähnlich und, fo würde aus Leibnitzens AVt zu.fchlie- 
fsen folgen , dafs Gott gar keine Materie gefchaffen 
habe. Die Theile der Zeit find einander eben fo 
vollkommen ähnlich als die Theile des Raumes , und 
dennoch find zwei Augenblicke fo wefcig ein und 
derfelbe* Augenblick, als zwpi Oerter ein und der» 
felbe Ort; es find auch eben fo wenig zwei Nameu ' 
eines und deffelben Augenblicks oder Orts, Wer 
alfo behauptet, Gott habe die Welt nicht zu einer 
andern Zeit oder an einem andern Ort erfchaffen 
können , der luacht die Welt nothwendig unendlich* 
und ewig, und unterwirft alles der Noth wendig- 
keit und den* Schickfal. Wenn das Univerfum eine 
begrenzte Ausdehnung hat, to> giebt es fow;ohl au- 
fsei halb der Welt, als auch innerhalb derfelben ei« 
nen realen leeren Raum. Der Raum ift nicht durch, 
die Cörper begrenzt, er ift nicht innerhalb und 
zwifchen den Cörpern eingefchloflen, fondern da 
der Raum unermefslich ift, fo find die Cörpecdurch 
ihre eigenen Dimenfionen begrenzt. Der leer* 
Raum ift nicht . eine Befchaffenheit ohne Subject ; 
denn durch diefen Raum verliehen wir nicht , einen 
folchen, in * welchem nichts ift, fondern einen 
Raum .ohne Cörper« Der Raum iß nicht eine Sub- 
ita nz, er ift unermefslich und ewig; aber daraus 
folgt nicht, dafs es etwas ewiges aufser Gott gebe, 
weil der Raum und die Dauer nicht aufser Gott find. 
Das Unendliche ift fo aus dem Endlichen zufammen- 
gefetzt, wie das Endliche aus dem Unendlichklei- 
nen. Die Einbildungskraft kann fich zwar Theile 
in dem unendlichen Räume vorftellen, aber diefe 
Theile können nicht von einander abgeändert wer- 
den, folglich ift der Raum wefentlich einfach und 
abfolut untheilbar. Wenn die Welt eine begrenzte 
Ausdehnung hat, fo kann fie auch durch die Mkcht 
Gottes in Bewegung gefetzt werdeA; und New- 
ton unterfcheidet fehr richtig eine folche abfo- 
lute Bewegung von der relativen (der Cörper 
unter fich; f. Princip. Ncwt. Dejin. 8-), Die Grün« * > 

MtUirupliiLfJ'ürtirrb.o.BJ. <*gg 



k 1 

334 -Leibnitz. 

• ' ~ * i • 

de dafür, dafs der Raum etwas reales fei, ims;lei- 
eben dafs Raum und Zeit darum nicht mit der 
Jjage und Oidnung. einerlei feyn können, w«il 
jene Gröfsen lind, diefe nicht, find nicht beantwor- 
tet worden. Die Weisheit Gottes kann fehr /ute 
Gründe' gehabt haben, die Welt zu einer gewiflen 
Zeit äu erfchaffen f iie kann vor der Schöpf nng 
der Welt etwas anders gethan haben *). Es ilt 
alfo nicht unmöglich, dafs Gott die Welt früher 
oder fpätcr hätte machen können, als er lie ge- 
macht hat; und fie auch früher oder fpäter zer- 
Ttöjren kann," als fie wirklich *zerftört werden 
wird." Das Ungefähr des Lpikur ift nicht 1 eine 

.Wahl, fondern eine blinde' Nothwendig- 
beit. Wenn Leibnitzens Gru«d etwas bewMe, 
fo würde Gott gar keine Materie haben erfchaflen 
können, weil die Lage der gleichen und ähnli- 
chen Theile der Materie und die Seite, nach wel- 

'* « . • 

eher die erltc .Bewegung hingehen* follte , voll- 
kommen gleichgültig war, 

I/eibnitz antwortete hierauf weitläufiger 
als bisher, und etwas bitter. Dafs diefe Begriffe 
zur Notwendigkeit und zum Fatalismus 
. * ! führen, ift' nicht bewiefen * worden. . Man nuifs 
unterfcheiden zwifchen einer abfoluten und 
'hypothetiTchen, zwifchen einer, lo gif eben, 
metaphyfifchen* oder mathema tifchen und 
eih*r ^mo^ralifchen No th wendigkeit* Die 
hypothetifche Nöth wendigkeit mufs man zu- 
geben, fie ift diejenige, welche das Vorherwiffen 
der zukünftigen zufälligen Dinge vorausfetzt. 
Aber weder diefes Vorher wiflen noch diefe Vor- 



. » 



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! 



, *) Mein College nud lieber Freund, H. CK. Küfter hat fo' 
gaixeine Schifft hietübei*' herausgegeben, welche den Titel hai: 
die Befchaffciguugeii Gottes in lein er Idealen Weif» 
vor der Schöpfung dor Geifter- und Körper - YVeli« 
Magdeburg. 17^5, . - . 



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herljefiimmimsr entzieii«! c-r Tr'^rnt «rrv-y Lärm 

Gott wählte unter meiern z_"^l__^:*x ™r -tt . rr^ 
dem ober Ilen Grun-ie, «L* t-Ltä» 3; t^ .:-jz rur 

freien Creaturen cie eier i.-f I:;.*:: i^Li:f! f_- 

fen würden. * A_L;h cle c;-:L_:jj± X:cj_ v r~ti_i?- 
leit entzieht der Frcir-tlt r_>. 
darin, dafs der AVcüe di* T^ * 
dor Bewe^un^s^niTid l*Zt nirür *ir_* *i_. ir 
wendig keit aufi dem iii. tl« C-;~ z_ _r 
iit darum do^h m;j:I::i. f>n_T :Iif~:<* i:_n. \i 
'Wahl, welches gejen cl^ Trri-u.'ttz-zr 1 _V ~l -v ^t- 
de. Aber daraus, Gi'i Girr r_r £.._* 2.-_ t Tota- 
len Kann, folgern, d^'s c.13 tin^ :£::_i Ji_ tt;^ er 

nicht wählt, heif-t die Maclt ".1 i*n VT ±1^ 

die metaphy filche nni die moral.li'-.e X : t-is- 
wendisrkeit, die Wcfcn uni ci£ Wir> Liii- 
fceiten mit einander verwech.e!n. In <i±n z:- 
fälligen Dingen iit Ge-jril'ihcit nr.i Unf-tJiLiir- 
keltj aber keine abfolntc Xoth^eK :ii;!i€:L 
Mir narli di^fer Erlilarar.^ cie Lcr.i" V-r.z e.r.er 
ab Fol uten No th wentesrkeit Sc.- /.i zc~*r* 
ohne dafs man etwas gegen die an^er^hrt«! -£e- 
trachtun^en zu fasren hatte, wäre ein verrjur.rt- 
"•widriger Eisenfinn. "Was den Fatalismus be- 
trifft, fo giebt es ein Fntiun MaU*nntlauiLi;t f iie 
Behauptung, dafs die Wirkungen erfolgen wer- 
den, wenn man auch die Urfachen vermiede-, ein 
Fatum Stoicum (die Behauptung f ^\xS man £ch 
ruhifit! verhalten muffe, weil nran lieh vergeblich 
den folgen der Dinge widerfetzen würde), und 
ein Fatum (jhrifiianum (eine fichere Beftimmung 
aller Dinge, die von Gottes Vörhefwiffen und 
Voxfehung angeordnet worden). Diefes letztere 
allein geitehe ich zu. Die Bewegungsgründe wir- - 
T^ex* nicht auf den Geift, wie die Gewichte auf 
die Wage, fondern der Geilt wirkt Kraft der Bewe- 
giingsgründe^ welche feine Geneigtheit zu wirken 
und! Der Geift zieht alfö nicht zuweilen die 
fchwächern Bewegungsgründc den itarkem vor. 
In der Natur giebt es nicht zwei reale Wefen^ di« 

Ggg s 






• % 



*■ *• 



836 ' Leibnitz. 

gar nicht zu uq terfcheiden wären, folg- 
lich brimgt auch Trott njcht zwei einander ganz 
gleiche und ähnliche Thellchen Materie hervor, 
Die Theile der Zeit oder dtfs Orts, an und für 
fich felbit , find' ideale Dinge , daher gleichen 
fie einander vollkommen, wie zwei abftracte Ein- 
heiten. Ich fage nicht, dafs zwei. Puncte im 
Raum oder zwei Augenblicke ein upd derfelbc 
Punct oder Raum lind; aber man kann fich fehr 
wohl einbilden, dafs es zwei verfchiedene Au- 
genblicke gebe,, wo doch nur einer ift. 

4 N 

Descartes hat behauptet, dafs die Mate- 
rie keine Grenzen habe, und ich glaube, dafs 
man ihn nicht hinlänglich widerlegt habe. Und 
wenn man es ihm zugäbe, fo folgt daraus nicht, 
dafs die Materie nothwejidig feyji würdef, noch 
dafs fie von Ewigkeit her gew'efyn fei, weil 
eine folche unbegrenzte Materie eine .Wirkung 
vxm Gottes Wahl feyn würde, der fie fö würde 
belfer . gefunden haben. Weil der" Raum an fich 
eben fo, wie die Zeit, eine ideale Sache iß, 
fo mufs der Raum aufser der Welt "wohl et- 
.was imaginäres feyn , wie es die Scholafiiker 
felbit w*ofrl eingelehen haben- Eben fo iß es 
auch mit dem leeren Raum in der Welt, den ich 
aus denfelben Gründen Ebenfalls für imaginär 
halte. Gottes Eigenfchaft ift die Unermefslich- 
'kett,, der Raum aber, der oft mit den Cörpern 
commenfurabel ift, ift nicht daßelbe mit der Un- 
ermefslichkeit Gottes. Wenn der unendliche Raum 
eine Eigenfchaft Gottes ift, mit allen begrenzten 
Räumen, in demfelljen , fo mufe (fonderbar!) <K C 
Eigenfchaft Gottes aus den Beschaffenheiten'' (Af-j 
• fectionen) d,er Cteaturen zufammengefetzt feyn. 
Leugnet man, dafs der begrenzte Raum eine Afi 
fection der begrenzten Dinge fei, fo wird es noch 
weniger vernünftig feyn , dafs der unendliche 
Kaum die Affection oder die Eigenfchaft. einer un 



/ 




•^^k 



1 • * 

Leibxxitz, - 837" 

* « 

endlichen Sache fei. Ich habe nocfe andere Grün-» 
de gegen die 'foftderbare Einbildung, dafs der 
Raum eine Eigenfchaft Gottes- fei. Der Baum hat 
nehmlich" Theile; alfo gäbe es im Wefen Gottes 
Theile. Datin 'wäre Gott auch einer beständigen 
Veränderung unterworfen, und dem Gott der Stoi- 
ker gleich, welche das gange Univerfum für ein 
göttliches Thier hielten. Wenn der unendliche 
Raum die Unermefslichkeit Gottes ift, fo ift die 
unendliche Zeit die Ewigkeit Gottes; dann ift 
das, was im Raitm iß, in Gottes Unernjefslich* 
keit, und ,was in der Zeit ift, in feiner Ewigkeit, 
folglich in feinem Wefen. Noch eiWe andere Jn- 
Itanz. Die Unermefslichkeit Gottes macht, dafs 
Gott'in allen Räumen ift , dann iß ja <jott in feiner 
Eigenfchaft, eben fo verhält fichs auch mit der 
Zeit. Man verwÄchfelt aber die Unerirfefslichkeit 
oder die Ausdehnung der T)inge mit dem Raum, 
nach welchem diefe Ausdehnung genommen wird. 
Wenh Raum und Zeit in Gott find, und wie Ei* 
genfchaften Gottes, fo bewegen fich die Cörper in 
den Theilen des göttlichen Wefens; yie könnte 
man eine folche' Meinung ertragen ? Ich hatte- 
eingewendet, dafs der Raum Theile habe, und 
man fucht'mir dadurch zu entwifchen, dafs man 
den angenommenen Sprachgebrauch yerlafst, und 
behauptet, der Raum habe keine Theile; aber es 
ift. genug, dafs man diefe Theile angeben kann, 
wenn man fie audi nicht von einander trennen 
kann. Ich finde weder in der achten Definition 
aus Newtons Prinzipien, noch in der dazu gehö- 
rigen Anmerkung, einen Beweis für die Realität 
des Raums ah fich. Uebrigens gebe ich zu, dafs 
zwifchen der wahren abfoluton Bewegung 
eines Cörpers, und einer blqfsen relati- 
ven 'Veränderung der Lage deffelbcn in 
Beziehung auf ejnen andern Cörper ein 
Unterfchicd ift. Ich kenne keinen Einwurf, den 
ich nicht 'glaube hinreichet! 1 beantwortet zu ha- 
ben. Dip Ordnung hat auch ihre Quantität. 



838 Leibnitz. 

» 

Da ich demonftrirt habe , dafs die Zeit otme die 
Dinge nichts anders ift, als eine, bfofse ideale 
Möglichkeit', fo ift, es offenbar, dafs, wenn Je- 
mand. Tagte: die gegenwärtige wirkliche Welt habe 
ohne alle Veränderung können eher erfohaflen wer« 
den, er nichts veijftandliches Tagen würde. Man 
kann, fich freilich vorfiellen, dafs die Welt habe 
eher anfangen können, oder dals fie früher könne 
zirfiört werden, aber das. Vann nicht der Weisheit 
Gottes gemäfs feyn , fonft würde es gefchehen 
feyn oder gefchehen. Das Ungefähr des Epikur 
ift qicht eine Notwendigkeit, fondern etwas 
m gleichgültiges. Die Materie befieht nicht aus glei- 
chen un<jl ähnlichen Theilen, folglich hat auch 
Gott nicht zwifchen ihnen ^zu wählen gehabt, bei- 
des nach dem Satz des Nichtzuunterfcheidendeiu 

Auch hierauf- antwortete 'Clarkej da aber 
Leibnitz ftarb. und hiermit der Streit ein Ende 
hatte, fo gehört Clarkes Antwort nicht hierher 
(Recueil de diverfes pieces de. fifl}l> Leibnitz tt 
Clarke für Dieu, VArne, V'Efpace, la Duree etc. 00» 
V. II, p. 110. fqq.). 

Kant behauptet nun gegen beide: 

a. der Raum Hellet gar Jieine Eigen- 
schaft und auch keine Verhäl-tnif f e der 
pinge an fich vor. Das heifst: der Raum 
iß nicht eine Beftimmung, die an den Gegen- 
Händen, felbft haftete, und welche bliebe, 
wenn lieh in die Erkenntnifs der Gegenstände 
auch gar nichts aus dem Vermögen des Subjects, 
die Gegenftände anzufchauen, einmifchte. Er w 
nicht etwas, das jedes erkennende Wefen an den 
Gegenständen finden mufs, in fo. fern es nur das 
Vermögen hat f die Gegenftände fo , wie fie W» 
zu erkennen.- Denn folche . Ei^enfchaften oder 
, VdrhäLtnifle können nicht a priori angefchauet wer- 
den. Sowohl ab fol ute Beftimmungen oder Ei- 



Leibnitfc. 839 

i r 

genfchaften <Jer Dirige, a|s auch relative Be- 
lli mmungcn . oder Ver hält.niffe derselben kann 
man nicht vorher wilTen ,. ehe die Dinge da find* 
Dies ift aber mit dem Raum der Fall. Denn die 
Geometrie lehrt, wie alles, was im Räume ift, 
oder die ganze Cörpcrwelt, unter gtfwiifen Be- 
dingungen m Anfehung des Räumlichen befchaf- 
fon feyn müfle , z. B. wie grofs der' Inhalt einer 
fvramide fevn müfle, ' wenn fie' eine beftiinmte* 
Grundfläche und Höhe hat, wie fich die Gröfse 
c j s Inhalts eines jeden Cylinders ergeben müfle^ 
u. f. w. Diefe Notwendigkeit, und Allgemeinheit 
könnte unmöglich fiatt finden, wenn der Raun* 
etwas wäre, das lieh an den Gcfireitftänden felbft 
befände; denn an den Gegenftänden felblt ilt al- 
les zufällig und nur für diefe Gegenfläade gül- 
tig (Ö. 42. a. M. I, 49.)- 

b. Der Raum ift die fubjedtive Bedin- 
gung (Form) der Sinnlichkeit^ unter ^er 
uns allein ä u f s e r e f Anfchauung m,ög7 
lieh ift. Das heifst, .diejenigen finnlich erkpn- 
nenden' Subjecte, welchen es möglich feyn ,1611, * 
Cörper anzufchauen, muffen dazu eine befondere 
BefchaiFenheit haben; ihre ßinnlichkei t, oder 
Fähigkeit, Erkenntnifs durch finnliche Eindrücke 
zu* erhalten, mufs die Eisrenfchaft haben, dafs 
fiewifle dazu geeignete Eindrücke (nehmlich die 
der fünf Sinne) lieh fo ordnen, dafs dadurch die- 
jemge Vorftellung in d?m erkennenden, Subjec.t 
entitehe, weldie wir auf eine folche Art ausge- 
ielmte, und diefe Ausdehnung erfüllende Dinge, 
I. i. Cörper nennen^ von denen es uns vor- 
kommt, als wären fie gänzJich von unferm vor- 
teilenden Vermögen getrennt. Wellen Sinnlich- 
fceit diefe Fähigkeit nicht hat, für den giebt 
<* nicht nur keine materielle Welt, fondern es 
pebt ohne lie überhaupt gar keine 'materielle 
^elt, weil Raum, als die Bedingung der Mate- 
ri ^lität, oder die Befchaffenheit der Dinge im 



B4# Leibnitz. 

Raum zu feyn und ihn zu erfüllen f feinen Grund 
in diefer B efch af f enheit der Sinnlichkeit 
der erfienrtenden Subjecte hat. Weil nun die Fä- 
higkeit des Subjects, finnliche Eindrucke mit Be- 
wufstfeyn derfelben zu erhalten , * noth wendiger 
Weife eher feyn mufs, als die Anfchauungen , die 
dadurch möglich werden , fo läfst fich verliehen, 
wie alle Gegenßände, welche in diefen Anfcfian- 
ungen erscheinen, eine gewifle Form (der äufsern 
Anfchauung) und gewifle Verhältnifle haben kön- 
nen , die aus der BefchafTenheit des Anfchauuns?- 
Vermögens felbft entfpringen / und fich .daher auch 
beßimmen lalten, noch ehe man die Gegenfiände 
felbft angefchauet hat (C. 42. M. I, 50.). 

Hieraus folgt alfo : 

a. die empirifche Realität des Baumes. 
Das heifst, der Baum iß in der Erfahrung wirk- 
lich vorhanden, er hat objeetive Gültigkeit für 
alle Wefen. deren Sinnlichkeit eine fölehe Form 
der Anfchauung hat, dafs fie dei^ äufsern Vorfiel- 
1 ungen fähig lind. Alles, was uns äufserlich als 
Gegenftand vorkommen kann, mufs fich im Raum 
befinden. Aber diefe Realität ift auch nur empi- 
rifch, d. h# nur in der Erfahrung kann diefer 
Baum zu finden feyn. " Denn aufser derfelben folgt 
aus dem Vorhergehenden 

* b. die iritifche oder transfeend entalc 
Idealität des Raumes. Das heifst, gehen wir 
davon ab, dafs Wefen mit .folcher BefchafTenheit 
die Sinnlichkeit anfehauen oder finnliche F.indrücke 
bekommen, fo bedeutet die "VorfteHung vom Räume 
gar nichts. Dafs die Dingfe im Raum find, kann r\nt 
von ihnen behauptet werden , }n fo fern fie Vorfiel- 
lungen find, die wir haben, Gegenftände der Sinn- 
lichkeit (JKrfchcinungeri) anzufJhauen , die ohne im- 
Ter Anfchauungsvermögen gar nicht vorhanden feyn 
wurden und könnten , und alfo noch weniger ii» 



Leibnitz. 



84» 



Raum feyn wurden. Unfer A»fchau*ings vermögen hat 
eine fölche Form,clars fich uftsgewiffe Vorßellung^n 
als räumlich da rit eilen müfleh; abfirahiren ^ir nun 
von diefen Gegen ßänden , fo bleibt uns immernoch 
das Räumliche übrig, oder der Baum, den diefo 
Gegenttände erfüllen, und diefer Raum, weil wir 
nun alle finnliche/Eindrückc von ihm weggedacht 
haben, und er lediglich, unfe,rm Vorfiellungs vermö- 
gen angehört, daher wir auch diefe Vorßellung 
nicht los ihne*den können, heifst eine reine An- 
fchauung.. Der Raum hefafst alfo alle Dinge, die 
uns äufserlich erfch einen mögen, aberzieht 
die Dinge an fich felbfr, denn diefe können ja 
nicht eine Befchaffenheit annehmen, die ihren 
Grund in unferm Vorftellungsvermögen hat,- und 
folglich blofs eine Befchaffenheit der Erfcheinungen, 
als unfrer Vorftellungen f werden k^nn. Auch kön- 
nen wir nicht behaupten ,» dafs alle finnlich an-- 
fehauende Wefeh an diefe Fofm der Anfchauung ge- 
bunden feyn muffen, oder nicht,, dafs folglich jede 
fmnliche Welt eine materielle Welt feyn muffe; 
denn wir können über die Anfchauung anderer 
^kennenden Wefen gar nicht urtheilen , weil es 
ws dazu gänzlich an.Dati* fehlt (6.43; M. I, 51.)^ 

• 

Eben fo verhält es fich nun auch mit der Zeit t 

a. Die Zeit iß nicht etwas, was für 
Hch felbß befiände, oder den Dingen an 
fich anhinge. Wenn man das Erkennlnifsver- 
niögen , und infonderheit die Sinnlichkeit des Men- 
schen-, wegdenkt, oder Jich vorßellt, dafs fie nicht 
Vorhanden wären, fo kann auch keine Zeit ftatt 
foden. Wäre die Zeit etwas, was für fich felbft 
beltände, wie es Clark e von Raum und Zeit be- 
hauptete: fo würde fie etwas feyn, was ohne wirk- 
lichen Gegenfiand dennoch wirklich wäre. * Und 
dann gelten gröfslentheilä alle Einwürfe, die Leib r 
*itz dem Clarke macht. Wäre die Zeit aber et* 
^as, was den. Dingen, als in ihnen .felbft gegrün- 



« 



f 



I 



S\2 Lcibnitz. * 

clete Bcftimmung derfelben, anhinge, welches 
Xcibnitz von Raum und Zeit behauptete: fo 
könnte doch diefe angebliche Ordnung des Aufein- 
anderfolgens nicht vorher feyn, ehe die Dinge find, 
als eine Bedingung, von der die Art, wie die Dinge 
lind, abhangt* Es wäre dann unmöglich, dafs 
man a priori fynthetifche Sätie von der Zeit er- 
kennen , ui^d durch i;eine Einbildungskraft dife Be- 
lehnten heit der Zeit anfehauen könnte. Diefes letz- 
tere findet dagegen fehr wohl ftatt, wenn die Zeit 
eine Vorftellung ift, die aus der Befchaffenheit 
des fmnJichen Anfchaiuingsvermögens des Menfchen 
entfpringt, und daher atye Anföhauungen mit diefer 
Vorfiel lang -verknüpft feyn muffen. Dann kann 
man vorher, ehe die finnlichen Gegenftände noch 
wahrgenommen werden, diefe Zeitj mit allen ih- 
Ten Beschaffenheiten,* wc^il fie aus utis . felbfi ctit- 
fpringt, fich vorfiellen, alfo a priori anfehauen 
und erkennen (C. 4.9. M. I, 60.). 

b. Der Raupt ift alfo weder etwas Reales auch 
. aufs er 6er Erfahrung, noch Hofs ein« gewiffe Ord- 
nung oder Stellung der Cörper, . fondern eine 
Form des. An f chauen s , und zwar des An* 
fchauens anfers, innern Zuftandes oder der 
Form unfers innern Sinnes. . Denn die Zeit 
kann keirte Beltinimung äufser^er Erfcheinungefl 
Teyn ? ' fie gehört wpder zw einer Geftalt, oder 
Lage, u. f. w. Dagegen beftimriit fie das Verhält- 
uifs der Vörftellungen in unferm innern Zu Rande. 
Und e^en darum, weil diefe innere Anfchautmg 
keine Geftalt giebt, fuohen wir auch diefen Man- 
gel durch Analogien zu erfetzen. * Wijr ftellen 
nehmlich die Zeitfolge durch eine ins Unend- 
liche fortgehende gerade Linie vor , in weicher 
das Mannigfaltige eine Reihe »ausmacht^ $ie nur 
von einer Dimenfion ift,; dahingegen der Raum 
d^ei Dimetifionen hat. Wir fchliefsen dann aus 
der ' Eigefcfchaft diefer Linie auf alle Eigen- 
£ chaften der Zeit, aufser dem einigen,, dafs 




die Thcile (R-uKff'rT rt 1 rar T"t> - t :" : -_ 
die Theile der ZcJt - Zrl ~.~^t ,-:-^rz'- t . t 
einander JIn<L H'tTc- s *■— = -_: i... ._ :.. L i~* 
Vorfiellnr« <' er Z-i-it f.: : Ai\:;lu: I- . » - Z 
alle ihre VerJ.-i'iriCr - i- ar i - :t ... -t t ir- 
fchauung auiir-lt-itn ItTeT: C_ ^-„ Tl 1. ■. - _ 

c Die Zeit iit die :::2f'.f r>:.:;tT: 
« priori aller E x .' -. :. i : :. i t f : »r; . : : *- 
Das heilst, öle Zeit :': ec-i ' . :.=-. :— tt'zi— 
Jiiijfceit anb?.rze* - fr, Gr. - : c i-i.— ■ T ■-. - _:: _— r., 
die wir haben, di..'» es dt-irr ... u :.: -: ■ .-. v :-i^. 
irgend eine Yorfte'Lu.r, -' ~ "'- : »-•» *'*". *".i c 
im Baum, a!s z-_ul> ; i C~i-- .'.. • ^ jtu -:.:.--ii 
Sinn, zu haben, c:"-r ' t. » ey in*"' * rt.-. f-r- 
fclic-iniifi* 2*rbe, die i ". :.t In <.<.t Z*--t I-_ J^-r 
Kaum, als tue rtir.e l.rri t-.'er i.r.'-i. ».• '* .-1-1*- 
U!j2, iii eins i:T-fr**r i'.i • l- :.'• t'.l i'i ■ -»*■*.*■» 1 t-r- 
fi"ilung, die i:. er LioTs ir-lt .'- -. :j«-ü 1>-, - --• -is 
Teils '.üf*ft iit a d;e uni i *m Iv^-* vi ": r " -.*■-:* 
dar«efiel!t wer^tn. Li.;*i'er.« v«.: . t ** '->- : --U 
lungen , He inÖ^tn nun c.*; (.-t'jT.".'-'« '" : - "? 
Sinne- rorflel.'en, oder Oio-'i '■' - ' ' ■' - : ' "'*- " *— 
Des, doch an lieh f*"Jj £-- r ■:-' '-' "' "■ * ' '"'» 
Gemüths (VorftelluiiZT.; l'-r.S , ui.a ;• *•-'-:.* 7.u 
iinferm im innern 6ir,ne \*T.t oJj»j.»t. /' : *■.'„*■ te- 
hören, diefer innere Ztu'-ii-d J-ber ;. - i^». ■•;.»- 
mungen haben mnfs, »'«Me *us f 1 '.;-. ^ *-/-«•:• *n f 
diefen unfern Zuftand f.:,7--> hau« r,, *-: -' r ■•?•-», 
diefes Vermögen aber öiit ?Jj--tj f<ii,<r, ".---"', ■.■1- 
gen die Zeitanfchauung: yerlmiuyft: fo V '■ « Zeit 
eine folche Anfchauung, i« <>r £.:> <>,d j*'e 
äufsere und innere E.'f'htj^i^- i.i^'t.thii.tt 
mrd, und geht alfo, als Form ctr iur.nu l.r- 
fcheinungen, welche ans dem >: rd.*.i*ijn^*.i«Tj.»»j- 
gen entfpriniit, « prroW all er }'.iUL*:':j-rr,<> *>''**' 
her. Alle äufser n Erfrh« in iu /«« fdjcdiir«* 
die fünf Sinne m'plith und) find im Kaurrj^ 
über alle Erfcheinongen überhaupt, d. 1, 



\ 

\ 



ß4 4 L'eibnitz. 

alle Oegenftände der Sinne überhaupt, 
find in der Zeit (C. 50. M. I, 62.). 

Hierads folgt alfoi 

a. die empirifche Realität der Zeit; 
das heilst", dafs in der Erfahrung die JZeit 
nicht hlofs die Ordnung der Dinge ifr, die nach 
einander vorhanden find, fondern ein befonderer 
realer Gegenftand, obwohl keine Subttanz , fondein 
eine Anfciiauung, die allen fiiwilichen Qegen- 
ftanden, in" jeder men fchlichen Erkenntnifs 
und Vorflelhing derfelben, anhängt. Und da un- 
fere, A nfchauung jederzeit finnlich ifi, fo kann 
uns in der Erfahrung niemals ein Gegenftand 
vorkommen, der nicht in der Zeit wäre. Aber 
aus dem vorhergehenden folgt auch 

b. die kritifche oder transTcendentale 
Idealität der Zeit; das heifst, dafs die Zeit 
nicht , wicClarke behauptet ^ ein für fich be- 
flehendes, reales Ding fei, das auch dann noch 
vorhanden fei, wenn das finnliche Anfchauungs- 
vermögen des Monfcben aufgehoben oder "vernich- 
tet werde. Wenn diefes An fchauungs vermögen 
nicht mehr ßatt hat, . fo kann es auch keine Zeit 
mehr geben, als welche blpfs in diefem Vermö- 
gen gegründet ijt, und Dinge, die nicht durch 

. Vorfiel lungen des. anfehauenden Vermögens, als 
Gegenftände deifeiben, vorhanden, find, fondern 
auch dann noch feyn follen , wenn auch kei" 
finnliches Anfghauungsvermögen vorhanden Ait, 
können wenigftens nicht in der Zeit feyn,, fo 
dafs die Zeit eine Bedingung oder Befchaffenheit 
folcher Dinge wäre. Solche Eigenschaften, die 
d^n Dingen an fich zukommen, können uns, 
wie die Zeit, durch die Sinne auch niemals gege- 
ben * werden f f. übrigens I d *a 1 i t ä t (C. 52. M- 
I. 64.)* 



Leibnitz. 845 

Erläuterung diefer TJiäoric. Man hat 
gegen diefe Theorie fölgendrn Einwurf gemacht*: 
Vei än^erungeji 'find wirklich und nur in 
der Zeit möglich, fol glich v ift auch die 
Zeit etwas wirkliches. Dafs Veränderun- 
gen wirklich lind beweifet der v Wechfel unferer 
eigenen Vorfiel hingen, wenn man auch alle äu- 
fsem^Erfcheinungen fammt den Veränderungen der- 
felben leugnen Wollte» Dafs ^Veränderungen aber . 
nur in der Zeit möglich find, folgt fchon aus/ 
dem Begriff der Veränderung, denn fie ift die 
Veränderung contradietörifeh ewtgegengcfetzter Prä^ * 
dicate in einem und demfelben Subject. In dem 
Lefer, wenn er diefes liefet, \ geht, eine Verände^ 
ruiig vor, nehmlich er dachte das, was er liefet, 
nicht, und denkt es dach, beides findet in ihm 
fiatt. Dies ift nun 'nicht möglich zu gleicher Zeit, ,' 
fordern nach einander, oder zu verfehle- ' 
dener Zeit; nehmlich ehe er dies las, dachte 
er es nicht, und jetzt, da eres lieft, detokt er 
es. Da nun diefe Veränderung wirklich iß, 
mufs auch die Zeit wirklich feyn, die die- 
fe Veränderung möglich macht. 

Antwort, Es wird auch gar nicht» geleug. 
net, dafs die Zeit etw^s wirkliches fei ; lie ift • 
die wirkliche Form der innern Anfch/mung, Ver- 
änderungen find aber innere Erfahrungen von un- 
ferm Zuftande in uns, ich nehme fie ja vermiw 
telft meines innern Sinnes wahr, der Lefer nimm£ 
wahr, dafs er erft jlas, was er jetzt liefet, nicht 
fachte', und nun denkt, .Nun inufs alles, was 
wir innerlich wahrnehmen, auch in der Zeit feyn, 
und. in derfelben wahrgenommen werden. Wir 
haben alfo wirklich die Vorftellungen von den 
Bestimmungen unfers innern Zuftandes in der Zeit, 
und wir können gar nicht ohne diefe Vorftellung 
der, Zeit feyn. Aber die Zeit ift darum doch 
nichts für fich felbft begehendes, das da whrej 
wenn auch unfer' VorfteÜungsvtrmögen nicht wä- 






846 LeibnitZi 

re. Die Zeit ift eine Art, wie ich mich felbß, 
jnit allen V.orftellujigen ,• die Seh h§bc, äufsern 
und inneia, Anfchauungen und Gedanken, Cor- 
pern und Bildern der Einbildungskraft, anfdiauen 
mufs, aber nicht ein Gegenitand, der auch aüfser 
meinen Anfchauungpn etwas reales wäre. , - Wenn 
aber ich Celbit, oder ein anderes \Ve(en mich an- 
Xthauen könnte, ohne dafs das Anfchauungs\er- 

' mögen diefe Befchaffenheit hatte, dafs es uden 
Gegenitand in der Zeit vorfiellte, fo würde die 
.Veränderung zwar nicht als Veränderung, aber 
doch als etwas angefchauet werden , wßs nicht 
in der Zeit wäre. Die Zeit hängt nehmlich ei- 

) .gentlich nicht den Gegenftanden , Welche an- 
gefchauet werden, fondern blofs dem Subject'an, 
•welches iie anfehauet (C. 55. M. I. C5.). 

Die Urfache diefes Einwurfs ifi, dafs 
die Wirklichkeit .de$ GegenJiandes unfe- 
"res innern Sinnes unmittelbar durchs 
Bewufstfeyn klar ifi, und man nicht be- 
dachte, dafs auch diefer Gegenitand zur 
Er fcli ein ung gehört. Dafs die Wirklichkeit 
der äufsern Gegenltände ein blofser Schein fevn 
könne u und mithin auch der Raum, ii* welchem 
He fich befinden , lehrte fchon der empirifche idea- 
lisrtius» Die Gedanken, Gefühle, Bilder der Ein- 
bildungskraft aber lind, ihrer Meinung nach, un- 
leugbar etwas wirkliches. Allein wenn auch diefe 
CJalfe von Vorfiellungen etwas wirkliches, nehm- 
lich wirkliche Vorfiellungen, und folglich Er- 
fcheinungen find: fo. hat auch fie wie jede 
Erfcheinung zwei Seiten. Man kann nehxnlich 
fragen, was iit z. B. der Gedanke eines Menfchcn, 
weiin er fo betrachtet wird, dafe man dabei von 
allem dem abitrahirt, was er dadurch ifi, dafs der 
Wenfch lieh delTelben bewufst ifi, und ihn im in- 
nern Sinn anfehauet 4 { und, was ifi der Gedanke 
als Gegenfiand des Bewufstfeyns und der ionem 
Wahrnehmung? Die Antwort* auf die erile 




Leibnitz. . ' , 847 

iß-: das willen wir nicht, der Gegenftand mit allen 
feinen Befchaffenheiten ift problematifch , man kann 
.nicht entfcheiden t ob er wirklich . ofler auch nur 
möglich ift.* Die Antwort auf die zweite Frage ift; 
da kommen diefem Gegehfiande , als einem Ge^en^ 
itnnde der innern Erfahrung, alle die Befchaffen- 
heiten wirklich urtd noth wendig zu, ohne Reiche - 
er nicht alsEffahrungsgegenftand vomAnfchauurigs- 
vennögen erzeuget werden könne , weil diefes Ver- 
mögen feine Anfchauüngen mit diefen . Befchaffen- 
heiten, und nicht ohne iie, erzeugen kann (C, 54. , 
M.I, 66.)- 

Zeit und Baum find demnach zwei Erkenntnifs-r 
quellen folcher Sätze a priori, von welchen das 
Prädicat nicht fchon verfteckter Weife tm Subject 
liegt, fondern mit dem Subject fo verknüpft 
wird, dafs dadurch die Erkenntnifs des , Subjects 
erweitert wird (d. i, fyntli etil eher Sätze). Der 
Grund diefer Verknüpfung- ift nehmKch die An-v 
fchauung im Baum oder in der Zeit* Die ' ganze 
Teine Mathematik befteht aus folchen Sätzen. Da 
aber Raum und Zeit blofs 'aus der Befchaffenheit un- 
frer Sinnlichkeit entfpringen, fo können iie auch 
nicht auf Dinge an fich, fondern blofs a^if Er- 
fcheinun ge.n gehen. Wer dagegen, wie Clar- 
ke, den Raum und die Zeit. für abfolute Rea- 
litäten hält, und fie für f ubfiftiren de Din- 
g e erklärt , d er mufs , wie Leibnitz fehr gut 
gezpigt hat, zwei unerme fs liehe , unveränderliche 
und ewige Undinge annehmen. Wer aber, wie " 
Leibnitz, beide für inhärirend anficht, mufs 
die apodiktifche Gewifshcit der Mathematik' be- 
ftreiten. Denn a pofuriorl findet keine apodikti- 
fche Gewifsheit ftatt, weil in der Erfahrung alles 
zufällig ift. Nun find aber, wie aus Leibnitzens 
Meinung; folgen würde, die Begriffe a -priori voii 
Pia um und Zeit nur Gcfcliöpfe der Einbildungs- 
kraft, deren Quelle wirklich in der Erfahrung g^- 
fucht werden mufs. Die . Einbildung hat nehm- * 



f 



848 



Leibnitz. 



lieh, wie diejenigeq behaupten, welche der letz* 
tem Meinung zugethan find, aus den Verhält* 
niflen des Raums und der Zeit, welche man 
durch Äbftraction % aus der Erfahrimg hergenommen 
hat, etwas gemacht, was zwar das Allgemeine 
derfelben enthält , aber ohne die Einschränkungen, 
•welch* die Natur mit denfelben verknüpft hat, 
nicht ftatt finden kann. Clarke mit feiner Theo- 
Tie gewinnt lo viel, dafs er fich für -die mathe* 
matifchen Behauptungen das Feld der Erscheinun- 
gen frei macht, weil diefe durchaus Noth wen- 
digkeit und Allgemeinheit fordern, und .die Ver- 
teidiger der Subfiftenz des Raums eine durchgän- 
gige Einförmigkeit und Unermefslichkeit des Haums 
und der Zeit behaupten. Dagegen verwirren fie 
fich wieder durch eben' diefe Behauptungen , wenn 
der Veriiand über das Feld der Erscheinungen 
hinaus gehen* will. Sie finden fich nehmlich ge- 
nöthigt, dann Gott und alle nicht finnlichen 
Dinge in Raum und Zeit zu fetzen. Leibnitz und 
feine Anhänger gewinnen zwa* in Anfehung des letz- 
tern, nehmlich, dafs die Vorfiellungen von Raum 
und Zeit ihnen nicht in den "VV^eg kommen , wenn 
fie die Dinge, mit Abftraction von aller Sinnlichkeit, 
blofs im Verhältnifs auf den Verftand beurtheilen. 
Allein fic können dafür nicht zeigen,' wie mathe- 
matifche JErkenntnifle a priori möglich find, noch 
wie die Sätze der Mathematik, wenn fie aus der ■ 
bloTsen Einbildung entfpringen^mit Recht auf die 
F,rfahrung angewendet werden, und mit derfelben 
übereinfiimmen können; und fehen fich genöthigt, 
die klareften mathematifchen vBeweife nicht für 
Einfichten in die Befchaffenheiten des Raumes zu 
halten , z. B, von der Theilung des Raumes ins 
Unendliche; foridern fie nur als Schlüfle aus ab- 
ftraeten und willkührlichen Begriffen v anzuflehen, 
die nicht auf wirkliche Dinge bezogen werden kön- 
nen (C. 467.). In Kants Theorie ift beiden Schwie- 
rigkeiten abgeholfen (C. 55. ff. M'. I. 67.). 




Lntmitz. f. -5 

m 

Der Baum ifi alfo keim 
ffand, der ohne alle 

lieh angefchauet werden kau», im mm ■ i toi* 
Form der äufaern Anitkafi&ms. übt ü - 
iute Raum ift nichts amders, *1* «ne i*ai#I 
lichkeit äufserer Erich 
ihn beftimmen 
lieht, vermittelt einer der F 
Isen empir ifchen Anfciiiiiir^.i *k-rt: 
Ge^enfiand, 




empirilche Anf«ha«tfng i.7 a*Js» ms2£ Xn.rannrf: 
feist aus EsichemuMiz**! tz*£ «c& l«*i 
aus der Wahroehm txz 



ung, denn man kazA 




vom Räume, auch ni 

traft, trennen. keiäe 

mit einander vertat 

empiriiehen AriKJaaa nr j: ^"1. j^a *-:■■. :-- 
zwei Stucke auiser <Ieai ax-xsrr J±r-r^n . 1 -rs - 
ausserhalb allen EiicäeaB-*^-::-** . J- *a* J - .im i—- 
allerlei Solcher leerer» L*^-i-^_i^ _-=* .*-*- 
Altfchauung, die dota L-^-t tt «^.^n«vn:Ti 
den können, dergi«--«* C-it** x*-i.fs» 
anfuhrt. Z- B- Beweztr^ c>'-^r *-u%* 1.. 
Welt im unendlichen laereai f^uitt*. £.*-.»- -^-77 * 
im mg dea VerfaäitnLTes t^^^rr. «mej*>*#£ «-^u^ iu 
Jiche Wahrnehmung, t**s iJ> *\w2l t-* i~.+*+ 
eines blofcen Gedanfcer*d*aige» *£ \~ ±" m * 

In. V f tou de« 3Iom£**. £-*.v*n wr zs-'+* 

.tien, dafc Leibnitz die fier^-e j:*:*-.e tr.< 

Form von dem reinen Ver-ücrs* **~_ * * , **** 

ganfe richtig fand, dafs Miieue *-e 

gehlen muffe. Da er ntm hjeT-^:-^* »,«-*«'- 

Itam, welche keinen anliern Z^w*rf *:fc>r» >* •>*• 

he «t natürlicher Weife Raum <cr*J Zr.t -.-*/. «•■+ 

Verhäkniffe an, welche die Ortfr/'jsc <^r 'T.^:-** 

abgäben, und labe den Raam f*^ c«* *•?". * •* 

i*i der Verknüpfung der Mo*xa3c& c*;.*t *• ->~ » -• 

»och / unbestimmten Subfunzea +*t < * * 

Meüinsphil. tr&rtmrb. *Bd* Ufa* 



» * 



85* 



ibnitz. 



render JÖinge, unä die Zeit, für das Verhältnis 
in der Verknüpfung derfelben als fuccedirender 
Dinge , d. i. als Gründe und Folgen, an. So wür- 
de e* auch in der That feyn muffen, wpm der 
rfeine Verfiand* unmittelbar auf Gegenstände bezo- 
gen werden konnte. Wenn Raum und Zeit wirk- 
lich Beftimmungen der Dijige an fich felbft , und 
nicht der* Erfcheinungen wären': fo könnte wegen 
'der Schwierigkeit, welche die Clarkfche Theo- 
rie drücken," Raum und Zeit nicht fubfi/tirend feyn. 
Abel die Leibnitzifche Theorie , drücken nicht 
weniger , Schwierigkeiten , wie Vir aus Clarkes 
Einwürfen fehen , und überdem bewerfen die Grün- 
de,, welche man im Art. Expofition 2, ff- fin- 
det, dafs Kants, der Leibnitzifchen und Clarke- 
fchen entgegen gefetzte Theorie von Zeit und 
Raum die allein richtige iß. Hiernach find nun 
* Zeit und Raum finnliche Anfch'auungen, in de- 
nen wir alle Gegenfiände lediglich als Erlcheinun- 
gen beftimmen ; und folglich geht hier die Form 
der Anfchauung (Raum und Zeit als Befchaffenhei- 
ten, die aus der Sinnlichkeit des anfchauenden 
Subjects, oder dem finnlichen Anfchauungsvermö- 
gen deffelben 'entfpringen) vor aller Materie (den 
Empfindungen durch die äufeern und, innern Sin- 
*ixe) her, und'inacht die Erfahrung allererft Inof- 
lich, indem fielt die Data derfelben, die' 'Empfin- 
dungen, nothwendig in Raum und Zeit ordnen 
muffen, wodurch -allererfi aus ihnen JErfchei- 
nuiLgen oder »finnliche Gegenstände wer- 
den (C. 323> > , 

Wir fehen hieraus , dafs diefer berühmte Lehr- 
begriff Leiknitzens von Räum und Zeit 
auch aus der Quelle, entfprang, aus welcher feine 
andern Verirrungen herfloffen ; dafs er .nehmlich 
gewiffe Begriffe, welche aus der Uctheilskraft beim 
Nachdenken. über : die Gegcnitäride-, "üin für- % diefe 
: Gegenfiände Principien aufzuziehen ; entfpringen, 
und war hier die Begriffe Materie und Form, 



Leibrntz. £51 



als Beftimmungen finnlicher Gezen?lz£* 9 

Materie imd Torm, als Eeltinüc^n^si iä 
genitände des blofsen reinen Veritan-ies 
wechselte. . Wenn ich mir durch den LIs-Ttim 
Verfiarid äufeere VerKaltniJe der Din^e »*-- -»_- 
len will, fo kann die/es nar 



*- --i 



griffs ihrer . weciifelf eiligen Wiri^s £5,'_*L-z_n 

und foll ich einen ZuJtand eben öc^^'T. Lr-'.s? 

mit einem andern Zultand fa verir- ~ r i<z.+ : 

diefe Verknüpfung nicht in wecrJe~:*:_i^c«r ~ r -\r- 

Jumg befieht, aiio nicht ein b'.j.« aj^t^.c-; Z.ijr-c-«2 

ilt , fo kann diefes nur in d«£r Or^-x^ ---tr L.:*a- 

chen und Wirkungen se.c^c.-.^iz. £0 iL<u^--Jt ^+„%. 

alfo Leibnitz den Baum al» eir.e £* « ~T-s >r - ^ -_ r 

in der Gemein f ehalt oder We ,:l- e** i i.i.^ 

der &ubHanzen, und die Zeit ai* e^- ££*—!* ^- : >- 

nung in der Dependenz o^er C<;-'# 1^<* t*^- 

felben, oder, wie Kant Lcfc a-o^-dn^x.:., a t ^^^ i /- 

namifche Fol^e iiirer Zu~unc<: c L -i -j-^i. ^- 

fache und Wirkung, euer a,± c*.* Lt*r i ^--r 

Beltimruungen in der s*40ce***#>n czz*< ^^'^ *~*i> 

Eigenthutiiiiche aber, und tod Llr.it;* V;<v .-ä- 

gige; was. Raum und Zelt an £ci, zj: z.*:y<r. ';,.*+» 

nen, fchrieb er aer Ver worr en^-t c^W r>e> 

griffe zu? Er behauptete j.ei,m*ic£f, cV.1 *..*: tJ/. *« 

liniere Begriffe von den Dirken verY.lr'\*z., ^*£ 

dadyreh hinderten, daf> wir cle L>:z*z* j„~-\ 1$ 

eikennelen, wie lie an fich waren, l<,ss«*z:n ;,*.: z,+ 

Erfcheinungen ; und diele» m%chi n</n a;j/,;* ä*^ 

dafs dasjenige, was eine fclo**e Form ^rfca';/* 

fcher (oder das Dafeyn betrerleri^er; \ki\**..*£*J?& 

iit, für eine eigene, für fich beziehende «»r/S r-^r 

den Dingen felbft vorhergehende As^cha*! /r*Z ?** 

halten werde. Er hielt aifo Kaum «*r*d Z*r;t f >r 

die intelligibel e Form der Vulvt*;/?**? <tr 

Dinge an lieh felbft, die Dinge aber I.jt j/iifciJi-' 

gibele Subitanzen (C. # s>i* 3L L >73v 



Wenn wir- aber auch Ton Dingen * r ' f*'*Ji 
felbit etwas durch den blo-^n \<:i\U%A f z:/*:j*ii$$X 

II hh 2 



r 



• « 



852 • Leibnitz r 

von aller Sinnlichkeit , fo Tagen könnten, da(a wir 
dadurch eirie wirkliche Erkenntnifs derfelbeh aus* 

, fegten, und nicht bloft etwa Vernunftbegriffe, dii 
einen ganz andern Zweck haben, oder Verftandea- 
begriffe, die ohne Anfchauungf leer find, entwickelten 
(welches gleichwohl unmöglich ift, weil wir durch 
den Veritand blofs Er fch einungen erkennen, 
und die Dinge an fich\uns nicht durch die fmnh- 
che Anfchauung gegeben werden können) : fo würde 
diefes doch gar nicht auf Gegenftände, die wir durch 
die Sinne erkennen, wtelche nicht Dinge an fich 
felbit vorftellen , gezogen werden können« Wenn 
alfp von der Erkenntnifs finnlicher Gegsnfiändfe die 
Redeilt, fo werde ich in der tranäfcendentalen 
Uefoerlegung (die Ueberlegung , , ob die Vorltel- 
lung zum reinen Verftande od et zur finn liehen An- 
fchauung gehört) meine Öegiiffe Jederzeit nur ah 
zur finnlichen , Anfchauung gehörig vergleichen 
muffen, und fo werden Raum und Zeit Bestimmun- 
gen, der Erscheinungen und nicht der Dinge an fich 
feyn. Was die Dinge an fich find, weifs ich 
nicht, und brauche es auch nicht zu wiffen, weil 

. fie mir nie vorkommen können , und diefes auf difc 
Erkenntnifs der Erfährungsgegenft&nde keinen Ein* 
flufs hat (C, 35a» M. I. 374.). 

# 

VIR * 

. ' Die L«hre Vom Unt^rfchied des SinnlUhatt 
v Voin I afetilftctuellen» 

1 

f. Aefihetik, g> £ 

• • • -*i 

Leibnitz war tein Intel lettualphilofoph, 
*d. h. er behauptete, Wie Platö, in den Sinnen fei 
nichts als Schein, nlir der Veritand erkenne das Wah- 
re. Er nahm eine myltifche Realität der Verfian- 
desbegriffe an. d. i. däfs man die übersinnliche Welt 
dadurch erkennen könne. Ja, er mjeinttf, dafs die 
wahren Gegenhandel • blofs intälligibel* dem 



\ » 



, ' ^Leibnite. : x g53 

t 

* 

Versande zugänglich und den Sinnen verborgen, 
wären, und^dafs man diefe Dinge an fich durch 
den; von keinen Sinnen begleiteten, denfelben nur 
verwirrenden, reinen Verftand anfehauen könnt 
^C. Sgl.)' *■ Sinnlichkeit. » 



IX. 

/ 

\ _ • 

Die Lehre vom höchfien Wefen, 

f 

f, Gott, 32, ff. 



X. 

Die Lehte von der Continuität in der Stufen- 

leiter der Gefchöpfe. 

Leibnitz lehrte da» Gefetz, da ts die Natur 
leinen Sprung thue. Er Tagt, diefer Satz fey io 
«ier. Phyük fehr brauchbar y denn er serftöre die Ato- 
jnen , die kleinen Ruhen und dergleichen Chimären, 
und berichtige die Gefetze der Bewegung* Diefen 
.Satz nennt er gewöhnlich das Gefetz der Ste- 
tigkeit (loi de la contimpte) f und verfichert, dafs 
er es zuerft bekannt gemacht, habe (Theodicee T. IL 
$• 348-) £ Continuität, 3. 

Leibnitz rechnet hierher auch« was vor ihm 
verschiedentlich gelehrt war, was er aber zuerlt 
in Gang gebracht hat, das logifche Gefetz der Kon- 
tinuität der Arten (continui foecierum 9 formarum 
logicarum), f. Affinität, befonders 9; ff» 

Die Theodicee, 

Unter einer Theodiced verjieht 
man die Vertheidigung der höchßen 
Weisheit des Welturhebers gegen % die 



» 



7 



i • 



/ 



854 



Leibnitz* 



Anklage, welche die Vernunft aus dem 
Zweckwidrigen rp der Welt gegen :Got- 
tes Weisheit erhebt (S. III. 385-)- Leibiritz 
hat auch ein* Fol che Theodicee verflicht. Er be- 
hauptet in derfelben, dafs Gott, vermöge feiner 
llpchften Weisheit, verbunden mit einer endlofen 
Gute, nicht umhin konnte, das Befte z\i erwäh- 
len , weil ein geringeres Gut eine- Art von Uebel 
ift, wenn es ein grösseres hindert, Und etwas bef- 
fer gemacht werden könnte, und fich alfo in Got- 
tes Handlungen etwas verbeffern laflen würde. Nun 
Sann" man v von der höchßen Weisheit, welche picht 
Weniger geregelt ift , als die Mathematik , in der 
alles gleich oder gar nichts gefchieht, wenn nichts 
zu unterfcheiden ift , wohl fagen, dafs , wenf\ es un- 
ter allen möglichen Welten keine befte gäbe, Gott 
gar keine Welt hervorgebracht haben würde. Folg- 
lich hat Gottr die befte Welt gewählt , weil er 
nichts thut, ohne nach der höchften Vernunft zu 

-"handeln. Ein Gegner, der auf diefes Argument 
nicht' antworten könne , würde vielleicht- auf den 
jSchlufs durch ein entgegen gefetztes Argument ant- 
worten, und fagen, v dafs die Welt hätte ohne Sün- 
den und Leiden feyn können; aber ich leugne, 
'-fagtj Leibnitz t dafs fie dann die befte gewefen feyn 
würde. Alles ift in jeder .möglichen Welt aufs 
genaueße verknüpft} die Welt ift jedesmal ganz 
aus einem Stücke, wie ein Öceah^ die geringfte 
Bewegung in detfelben pflanzt ihre' Wirkung bis in 

Jede Weite fort, obgleich diefe Wirkung nach 
Proportion der Entfernung weniger merklich 
wird. • Und fo kann nichts im Univerfum verän- 
dert werden (eben fe wenig, als in einer Zahl), 
ohne dafs es fein Weien, oder, wenn man will, 
feine* numerifche Individualität verliert 
Tiedemann fagt ganz richtig (Geiß der fptecul. 
Phil. B. .VI. S. 44£.): von diefem Sätze finfte icÜ 
den Beweis nicht in der Allgemeinheit Hj ; 
fie, als gültig von jeder * - * - **_*-**..*. 



'.. 




/■ 



Leibftitz. 



855 



,Kn "Durch dfen <rrundfafz von der beßen Welt.' 
facht nun Leityiitz die vom Uebel hergenonime- 
3ien Schwierigkeiten zu löten, uncLzru zeigen, dafs 
aus deffejj Dafeyn, nichts folgt, was dpn gottli- 
chen VqUkom'menheiten im geringfien nachtheilig 
fey f oder berechtige, an ihnen zu zweifeln. Er 
ftellt die Sache fo vor; die Uebel fällten ei* 
gentlich 'jnicJiV diefen Namen führen, 
denn fie* find wirklich etwas Gutes» weil 
£e zur heften Welt gehören* Es. ift wahr^ dafs 
man fich, Welten als möglich einbilden kann, die 
ohne Sünde und ohne Unglück find; aber diefe 
Welten würden weit fehl echter feyn, als. die un- 
frige; ich kann, das nicht im Einzeln ep darthun, 
fagt er, denn r kann ich unendliche Dinge erken* 
nen, darßellen und vergleichen? Man tnufs es 
aber aus der Wirküng(a6 effectu) fchliefsen r 
weil Gott diefe Welt, fo wie fie iß, gewählt hat, 

c. Man kann das Uebel metaphyfifch, 
phyfifch und moralifch nehmei). Das nie- 
taphyfifche Uebel beßeht in der blofsen Un- 
Vollkommenheit} das phyfif,che Uebel iii dem 
Leiden« und das moralifche Uebel in der 
Sünde. Von diefen Uebeln liegt das metaphv- 
fifche im Wefen der Qiitge, und war»demnac^ 
Schlechterdings unvermeidlich. Jede Cre- 
atur iß wefentlich eingefchränkt , und hat diefe 
Unvollkommenheit fchon -von aller Ewigkeit her 
in Gottes Begriffen* Schafft nun Gott etwas, fo 
fchafft er bloffr v das Reelle, das Pofitive; das Nega- 
tive bedarf keiner hervorbringenden Urfache. An 
diefem Uebel iß alfö Gott nicht Schuld. Das mo- 
ralifche UebeV entfpringt au$ der Freiheit, und 
deren Mifsbrauch zunächft ; feine erße Urfoche aber, 
ift , die urfprüngliche Unvollkopimenheit in dem 
WefeV der Creaturen, d. h. das meta phyfi- 
fch e Uebel. Denn man mufs bedenken, dafs vor 
der Sünde eine urfprüngliche Unvollkom- 
nienheit in der Creatur iß, weil die Greatur 



85 6 , LeiVnit*. 

wefeptlich befchrankt ift, daher kann fie nicht al* 
lea wiifen , und kann daher irren und andere Feh* 
ler begehen. Gott will das raoralifche Uebex nicht. 
Er läist die Sühde blofs zu; denn er wurde gegen 
das« fehlen» was er fich felbft fchuldig i& % was er 
feiner Weisheit, feiner Güte, feiner Vollkommen- 
heit fchuldig ift, wenn er nicht dem grofsen Re- 
fultat aller' feiner Tendenzen zum Guten folgte, 
und wenn er nicht das wählte % was fchlechthin 
das Beße ift, ungeachtet des MorÄÜfchböfen, 
welches durch d\e höchfte Noth wendigkeit der ewi- 
;en Wahrheiten darin verwickelt ift. Er will alfo 
las moralifclie Uehel nur als Bedingung ßne 
qua non zulaffert; oder aus, hypothetifcher Not- 
wendigkeit, welche es mit dem Betten verbindet 
Das phyfifche Jebel, Leiden, Elend und der- 
gleichen , betrachtet Leibnitz als Folge t oder ei- 
gentlich als Strafe des moralifchen» und findet 
eben deswegen wenig Schwierigkeiten, den Schöp- 
fer zu rechtfertigen* Dafs man auch oft wegen 
fchlechter Handlimgen, Anderer leidet , rechtfertigt 
er damit, dafs diefe LeiHen uns allemal ein weit 
gröfseres Glück bereiten. Endlich % fagt er» gehö- 
ren die / Leiden f wie die Mifsgebürten t mit zur 
Weltordnung,, es war beffer, diejfe Mängel zuzu- 
laflen, als die allgemeinen Gefetze zu übertreten; 
ja» diefe Mifsgebürten felbft gehören -zur Natur- 
ordnung % fie find dem allgemeinen .Willen Gottes 
gemäfs, gerade wie in der Mathematik es manch- 
mal fcheinbare, dennoch aber in eine grofse Ord- 
nung fich auflösende Unregelmäßigkeiten giebt 
Bei der Ungleichheit unter ddn Menfchen erinnert 
er, nicht alles muffe gleich feyn; die Ameife dür- 
fe kein Pfau, die Felfen nicht alle gleich hoch, 
oder mit Blumen bedeckt feyn ; Armuth und Reich" 
thum gleich zu yertheilen, fey nicht fchicklichj 
die Pfeifen einer Orgel können ja "nicht alle gleiche 
Grofse haben. Als einen Rechtfertigungsgrund von 
nicht geringem Gew«^** fugt Leibnits noch bei, 
dafs -weniger phyiT *1, Verdrufs nehmheb, 

1 . 1, 



I 



Leibmtai \ 857 

Schmerz , Krankheit und dergleichen , als • phyfi- 
fches Gutes m derzeit vorhanden ift* Zum phy- 
fifchen Guten gehört nicht blofs Vergnügen v fon^ 
der n fehr oft ein* gewiffer Mittqlzuftand , wo pi^n 
weder leidet, noch fehr ergötzt wird, Gefuridheit 
z. B*i denn mqn ift wphl genug , wenn mah nicht 
übel ift, wie es ein Grad tön Weisheit ift, keine 
Thorheit an lieh zu haben. Alle Empfindungen 
alfo, die uns nicht mifsfallen , all? Uebungen un- 
ferer Kräfte, die uns nicht befchweren, und deren 
Hinderung uns läftig fallen würde, find phyfi* 
fche Güter, wenn fie auch kein Vergnügen gewäh- 
ren. Ja, der zu häufige Gtnufs und die Gröfse 
der Vergnügungen würden fehr grofse Uebei feyn, 
die hochgewürzten Speifen fchaden der Gefuiidheit, 
und überhaupt find die cörperlichen Ergötzungen 
allemal Verfchwendungen der Lebensgeifter. Die 
Vergnügungen des Geiftea find die remften und ge« 
fchicktefien zur Erhaltung einer dauerhaften Zu- 
friedenheit. T Dafs oft das Uebei für zahlreicher ge- 
halten wird, kommt daher, dafs es unfre Auf- 
merkfamkeit mehr auf fich zieht. Gefetzt aber auch, 
nnfere Erde enthalte wirklich mehr Böfes als Gu* 
tes, fo darf doch nicht von unferer Erde auf die 
ganze Welt gefchloflen werden.» Auch ift «ja mög- 
lich, dafs das Gute in den nicht denkenden Ge- 
fchöpfen, das Uebei in deu denkenden überwie- 
gend ift. Das, was wir von der Welt kennen, ift 
beinahe 'Nichts gegen das, was wir nicht kennen, 
und doch Urfache haben zu^ulaflen; da nun alle 
Uebei , die man uns entgegenfetzen kann , in die* 
fem Beinahe - Nichts find: fo ift es möglich, dafe 
alle Uebei auch ein Beinahe - Nichts find in Ver- 
gteichung mit dem Guten, das im Univerfum ift. 

d. Gott weifs alles Zukünftige vorher, denn 
69 ift eine Folge der Weltordnung; dies flehet 
der Freiheit nicht entgegen , denn waren die freien 
Handlungen auch ganz unabhängig von Gottes 
Rathfchlüffen , fo würden fie fich dennoch vorher 



• • 



858 Leumitz. * 

fehen lafffn, denn Gott würde fie fo fehen, wie 
fie find, ehe er befchlötfe , ihnen das Dafeyu zu 
geben» . Dies folgt -auch daraus , dafs alles einen 
zureichenden G^und bat, und ajla Wellbegeben- 

- heiten in durchgängiger Verknüpfung ftehen. Wie 
Kann aber Gott die Verbrechen. firafei}, wenn ic 
durch die 'Weltenordnung ße felbß dazu nacht? 
Die Vorherbefiimraung ünfrer Handlungen durch 
vorausgehende Urfachep bringt keine Notwen- 
digkeit in die Willensentfchlüfle, indem der Wille 
durch die Bewegungsgründe biofs geneigt gemaaht, 
nicht genöthigt wird, alfo die Entfchlüffe dadurch 
nur Gewifsheit, nicht Nothjwendigkeit bekommen. 
Die Vorherbefiimpiung aller .Begebenheiten, hebt 
ihre Zufälligkeit nicht auf, hat nicht ^bfolute oder 
geometrifche Noth wendigkeit zur Folge, mithin 
wird durch b fie die Freiheit nicht vernichtet Ge- 
letzt, einer habe den gröfsten Dürft, oder jede an« 
dere Begierde im höchften Grade; er kann doch 
ftets Gründe finden, ihr zu wideritehen. Aber Ab- 
Wefenheit abfoluter Notwendigkeit ifi ja zur Mo- 
ral ität hinreichend! Gott hat unter allen mögli- 
chen Welten die er wählt ^ worin die Treien Ge- 
fchöpfe folche oder folche Entfchlüffe faffen wür- 
den; mithin iß durch dies Decret die Natur der 
freien Handlungen nicht geändert, nur find da- 

, durch die. Handlungen felbft zur Wirklichkeit ge- 
bracht worden.' Wenn. Gott das Befte wählt, wird 
auch das Gegentheil nicht dadurch unmöglich,, e* 

* läfst ,,fich , abftract genommen , fo gut als das an- 
dere ausführen ; Gott handelt nach eigenem Antrie- 
be, phne äuTsenv Zwang. Die Bewegungsgrwde 
wirken nicht auf den . Geilt x fondern umgekehrt, 
der Geiß wirkt durch. die Bewegungsgründe; 4 enn 
diefe find nichts anders, als feine Difpofitionen 
oder Stimmungen , mithin t>lofs in ihm felbft. Nach 
der vorher beftimmten Harmonie entfpringen alle 
Handlungen einfacher Sabftaitzen allein aus ihrem 
Innern , , aus allmähliger Entwickeldng des in ih- 
nen eathaltenea iFrinogs- deir Thätigkeit. Die äu- 




? 



LeibnitÄ. : . 859 

fsere EirtwiVjkung fallt >gäivzlich ^eg , undT es* wird 
die voJlkommenfie/ Spontaneität (Selbltthätig- 
fceit) erhalten. Unfere Entfchliefsfengen hängen 
zwar /ni^ht' gatiz von uns ab, aber. wir vermögen 
doch unfern Willen durch Umwege zu lenken* in» 
dem wir nehmlich ,auf die Zukunft folche Maafs- 
regeln* ergreifen , wodurch unfre gegenwärtigen 
Triebe und Neigungen andre Richtungen bekom- 
men. Das Bestreben, nach * dem Erkannten zu han- 
deln, ift- vom Erkenntnifs verfchieden r und kommt 
nicht aus dem Erkennen , fondern aus der Spon* 
taneität der Seele, dahingegen der Beifall ipi Er- 
kennen felbft.fchon enthalten ift, und au» ihm nur 
bemerkbarer fi'ch entwickelt. Diefemnadh/ giebt es 
kein vollkommenes Gleichgewicht der Beweggrün- 
de, fonft würde daraus, ein gänzliches Nichthan* 
dein folgen , und * gleich Buridans E f $1 (z wi- 
fch$n zWei Wiefen) würden Menfchen mit glei- 
chem Hunger und gleichem Durfte vor Hunger 
und Dürft iterben, wenn fie in x gleicher Entfer- 
nung zwifchen- Speife .und Trank lieh befänden. 
Nach dem Satä des Nichtzuunterfcbeadenden ift fo 
ein *Fall unmöglich , er ift eine Erdichtung , die im 
Univerfum nicht ftatt haben kann, in der Natur« 
Ordnung. Denn das Univerfum kann durch eine 
Ebene, welche mitten durch den Efel fenkrscht 
und feiner Länge nach. geht 9 nicht in zwei ganz, 
gleiche Theile getheilt werden, fo dafs auf beiden 
Seiten alles gleich und ahnlich wäre. Wenn eine 
Wirkung gewifs ift, fo ift es auch die Urfache, die 
jene hervorbringen wird; und wenn die '.Wirkung 
geschieht , fo wird es immer durch eine proportib- 
nirte Urfache feyn. Strafen können ftatt haben, 
um die- fchädlichen Mitglieder wegzuräumen » um 
die Uebertreter zu belfern , und um Andern zum 
Beifpiel zu dienen; fie find alfo /keines weges über- 
flüjjig, weil die Erfahrung lehrt, dafs fie diefen 
Erfolg haben. Und diefer Erfolg, er /ey nun ein 
Uebel oder ein Gutes, ift nur durch die ge- 
brauchten Belohnungen und Strafen und untec 



_ % * 






V 



'$60 Leibnitz. 

deren Vorausfetzung unausbleiblich. , Uebrigeivi 
können *wir die Urfachen nicht allemal wiffen, um 
welcher willen 'Gott dies oder jenes thnt, und den 
•inen in gute, den andern in fehl echte Umftände 
verletzt, 

Kant. hat in einte Abhandlung, wache den 
Titel hat: lieber daa Mifslingen aller pbi» 
lofophifchen Verfuche in der Theodicee 
<S. III. 385* ff) gezeigt., dafs keine Theodice* 
«xböglioh ift f woraus dann folgt, dafs auch die 
Leibnitzifche nothwendig nttfsglücken muffte. 



/ 



Zu einer Theodicee, Tagt Kant, wird erfor- 
dert 9 dafs derjenige , welcher fifch anmafst , die 
Sache Gottes zu ver theidigen t be weife, entweder 

I« dafe daa , was wir in der Welt als zweck- 
widrig beurtheileh , es nicht fei. 

Diefea bemühet üch auch Leibmtz zu be- 
weifen in bi 

oder 

a« dafs wenn es auch etwas zweckwidriges in 
der Welt gebe , es doch gar nicht als Factum, 
fondern als unvermeidliche Folge aus der Na- 
tur der Dinge beurtheilt werden mvüTe. 

Diefea will Leibnitz zeigen in c; 

odlr V ( 

■ 

3« <Ufa es wenigftens nicht als Factum des hoch- 
fien Urhebers aller Dinge, fondern blofs der 
WeltweCen, denen etwas zugerechnet werden 
kann, d« i der Menfchen (allenfalls auch hö- 
- herer , guter oder böfer , geiftiger Wefen) an- 
gefehen werden mMe. 






Lefbnks. jp* 

. Diefe» will Labaks m. 4 

<s.m, sö6.> 

Dm Zweckwidrig e ii 
der Weisheit ihres Urhebers 
den kennte 9m üt dreifacher Art 




I« das fchlechthin Zweck 
als Zweck noch Mittel ▼ »> 
billigt und begehrt 
moralische 2 
che Böfe der 
ralilche Uebel 

IL das bedingt Zveckvürlre* 
nie als Zweck, aber «£/>-% *_z 3 
Weisheit eines >Li:teI« ZL^a^m i*e. ■=: — c 
fes ilt das ph} ii.cie Z««^r.i 
das eigentliche L'ti^i * ter ^.^r- 
Leibnite das phyf*rt*e U;c, «^r 



III. das Zweckwidrige la» XlTi^er: * 
Verbrechen and itrarei. ü 



» V 



Die Vertheidijung der mmUiut^ 
"Weil Urheber» ge^** 
fem >liiäverhaitÄU* 

in Leihnitzc&s 1 



4 ««* » ,.*^ p >* 



Die Eigenfeh aftCTi der i**^fo% w^*^,- 
Welturhebers 9 wogege» >**•* Z^t* 
als Einwurfe auftrete*, £»« ä*^v *«**• *--'- - 

A. die Heiligkeit de^Ii*». *^ Ot£* m *: 
bers (SchöpiersJ, in Ot£*a^au* ai-jr *** *- 
fen; 

B. difc Gütigkeie defbrlvet« *• *** *' 4 
(Erhalter*), im Oeg«u*i*e au* <*** C* v* - 



göa Leibnitz* , 

C. die Ge4fechtigk«it deflelben, 'als Richters 
(Verteilers), inv Gegenratze mit der Straf lo- 
figkeit der Lauer haften, 

L, Wider die Befchwerde gegen die Heiligkeit 
des göttlichen Willens aus dem Moralifch- 
böfen giebt es drei Rechtfertigungsgründe. 

a. Es giebt gar kein Moralifchböfes; für das 
. Wekbeiie mag" das, was wir das Moralifch- 

böfe nennen, gerade das fchicklichite Mit- 
tel feyn; die Wöge des Hdchiten lind 
* '< nicht unfre Weg« (funbfuperisfua jura)> 

Diefe Apologie ift arger als diet Befchwer- ; 

de f iie bedarf keiner Widerlegung, und 

Ivann der Verablcheuung jedes Menifchen, 

der das Min defte Gefühl für Sittlichkeit,. 

hat.' frei überladen werden. 
/ I 

b. Es giebt ein Moralifchböfes f allein dies 1 
, entfpringt aus der Freiheit, und dem TVliis- 

biattch derfelben; die Urfache diefes Mifs- 
T>rauchs ift aber die urfprüngliche Unvoll- 
kommenheit in dem Wefen der Creaturen, 
da& heilst, in der Einfchränkung des We- 
fen4 der Dinge, ' •" "" 

Dies ift Leibnitzens erfter Rechtferti- 
gungsgrund für die höchfte Weisheit in An- 
fehung des Moralifchbofen. Aber durch 
diesen Grund wird das Böfe felbft gerecht- 
fertigt ; und ' man müfste , da es nicht 
' als die Schuld der Menfchen ihnen zuge- 
rechnet werden kann, aufhören es ein 
< moralifches Böfe zu nennen»' 

c. Die Schuld des MoraKfchböfen fällt auf den 
Menfchen, nicht auf Gott; denn Gott hat 

• es als That des Menfchen. aus .weifen und 

gütigen Uvfachen blofs zugel^ea. f . ••• 



- / . 



» - 



Leibnitz. . ,8^3 

» i. 

Dies ift ein anderer Bechtfertigungsgrtind, 
mit dem Leibnitz Gottes höchite Weis-r 
heit zu retten meipt. Allein , % wenn 
man atich an dem Begriff des Zulaffens* 
eines Wefens", welches ganx und alv 
leiniger .Urheber der Welt ift, kei- 
nen Anßofe nehmen will, fo läuft doch * 
diefe Apologie mit der vorigen wf einer- ; 
lei Folge hinaus; Da es Gott unmög- 
lich war, das Böfe. zu verhindern, fo 
liegt der Grund davon in' dem Wefen.der . 
Dinge, alfo fällt die Schuld davon nicht 
auf den Menfchen, und es iß: \sein mo- * 
ralifches Böfe, fondern ein IJebel. 

■ — . 

Alle diefe Rechtfertigungsgriinde vernünfteln , . 
alfo das Mor alifchböfe weg, und heben alle 
Moraiität auf. Srhon Pluto rechtfertigte Gott 
auf tHefe unftatthafte Art. I ' - \ 

II. Wider die BeFch werde geg$n die Gütigkeit 
des göttlichen Willens aus dem phyfifchen 
Uebel giebt e$ auch drei Rechtfertigungs- 
gründe.: 

a. Es giebt in der' Welt gar kein Ueberge- \ 
wicht der Uebel über die arigerfehmen 
GenüfTe des Lebens; denn jeder will doch 
lieber ieben'als todt feyn, und die Selbft- 
mörder haben den Selbfimord doch bis zäun 
„^ Augenblick der That -aufgefchoben, und 

folglich {>is dahin mehr angenehme Genüfle 
als Schmerz' gehabt; und wenn fie lieh 
nun das Leben nehmen, fo gehen fie doch 
in einen Zufiand über, in welchem fie 
ohne alle Empfindung, alfo auch ohne Em* 
pfindung des Schmerzes find. Folglich 
giebt es auch, für den Unglücklichften, den 
Selbfimörder , mehr angenehme Genüffe, als 
Uebel. 



t 

4 



\ 



364 Leibtiita. 

Allein , man kann , «liefe Sophifterei 
lieber der Beantwortung eines jeden Men- 
1 fchen~ von gefundem Vetitande überladen, 
der lange genug gelebt »und über den 
Werth des Lebens nachgedacht hat; er 
wird gewifs (wie auch ichon BayH vxA 
la Mothe le Vay'ej Tagen) da» Spiel 
des Lebens auf diefer untrer Erdenwelt 
unter Keinerlei Bedingung . noch einmal 
durchzufpielea Luß haben» 

AI - Rafi lehrte daher, in einem Bu- 

. che,, Theo Top hie betitelt: es gäbe mehr 

Uebel, als Gutes; man vergleiche, fagt 

er, des Menfchen Vergnügungen, die «r 

zur Zeit des Glücks genieist, mk d«a 

' Schmerzen, Qualen, Sorgen und Aeng- 

Iten in Zeiten des Unglücks: fo wird 
man finden , das Menfchen leben fei ein 

, ' grofses Uebel, eine grofse Strafe (Tifr- 
demaan IV. S; 159)* 

b. Es ,giebt in der Welt ein Uebergewicht 
der fchmerzhaften Gefühle über die ange- 
nehmen; allein dies kann von der Natur 
eitles thierifchea Gefchopfs nicht gelrennt 
werden» 

&> rechtfertigt der Graf V^ri die höchfte 
Weisheit,, in dem Buche;, über die 
Natur des Vergnügens. Aber auch 
Plato, die Stoiker, Plotin, Au- 
gustinus, Aeneas aus G*|za, Mo* 
(es Maimonides und fpäter Leibnitz 
rechtfertigen Gott fo. Aber, wenn dem 
, alfo iff^ warum hat uns denn der Urhe- 
ber unfers Dafeyns ins Leben .gerußfy 
wenn e$ nach unferm richtigen lieb«* 
fchlage für uns nicht wü^tfcheöswertb ift* 



_^1 




'-feto — a 



c. Gott hat tHis irm e" — "k inJri.r" 
li^keit wi!!*n iz. ii-» t~- * i •—. -*\ 

trubfalvolier Z-~.-i-._ ..-^-->k 
durch dem FL**: s-£ 



^ij v-c- 



Waren fcü 
heil iiktt i 



Alle dieSe laä i^rrn-- ~ -„ 
alfo das phyflTcre v~e-. r- -^-r 
als nnenthehxi 
Gutes ausgeben. 



UL Wider die E*-i^sr -- r-r? 
tigkeit c^ r -C -2 --t "*'""• -<r - * - 

lofisrkeit o^* L.-^v, r.— - 

auch drei I*>.u,^:,' -- r • ~ --^-> 



a. Es riclt ix 




Allel* zn cu^bl ^-rtr^: --« 
ein ZsÜlhTtttT^ut !**?-< * 
Alarm l*r-i** n**rt^ v-r* -" 






b. Es £iebt z* *er t «r. -t 
allein dies ih ***:efr-#--. 






-JZllZ ^* - - / * ?r ~r '* " -*',.*** " 



9 nc^u <w*r ^atiiK'/ '-^ 
aus dar Yc*j_ä--«:".* £ >.:•*-- 



M*lfo* *!*/ K">^> - > **• 



« 



I 



« 

g66 Leibnitz. 

Allein dann müfste wenigftens' noch das 
Ende des Leben* die Tugend krönen und 
das, Laßer beftraferi. Die Erfahrung giebt 
aber viele Beifpiele davon, dafs diefes 
Ende oft widerfinnig ausfallt; und alfo 
fcheint das Leiden dem Tugendhaften 
nicht zugefallen zu feyn 9 damit feine 
Tugend rein fei, fondern weil fie es ifi, 
und weil fie den Regeln der klugen Seibit* 
liebe entgegen war. ' 

c. In diefer Welt mufs alles Wohl oder Üe- 
v * bei blofs al4 Erfolg aus dem Gebrauche der 
Vermögen der Menfchen, nach Gefetzeu 
4er Natur , proportionirt ihrer angewand- 
ten Gefchicklichkeit und Klugheit, zugleich 
auch den Umftänden, darein fie zufälliget 
Weife gerathen, beurtheilt werden. 

< 
Allein worauf will man alsdann die Be- 
hauptung gründen , dafs dies in einem 
zukünftigen Leben anders feyn werde? 

Diefe RechtfertigungsgrjSnde vernünfteln alfo 
die Straflofigkeit weg, aber ohne Erfolg. 

Leibnitzens, und alle bisherige, Thqodi- 
cee, leiftet alfo nicht, was fie verfpricht. Ob 
aber nicht, mit, der Zeit noch eine* tüchtigere Theo 
dicee werde gefunden werden, das' bleibt dabei 
noch immer unentschieden , t wenn wir nicht mit 
Gewifsheit darthun : dafs uhfre Vernunft zur 
Einficht in 

das Verhältnifs, in welchem eine 
Welt, fo wie wir fie durch Erfah- 
rung immer kennen m,ögen, zu der 
köchften Weisheit ftehe, 



fchlechterdings unveunöffend fei; dann ift alle 




Xeibnite. Leichtgläubigkeit. g 6 7, 

Theodicee ganz unmöglich. ' Und dies läfst fich 
fo darthlin: 

Wir fraben von einer Kunft Weisheit iri der 
Einrichtung diefer Welt einen Begriff (f. Kunft- 
weisheit;, auch von einer moralifcheii 
Weisheit (f. Weisheit', mor^Fifche.); aber 
von der Einheit in der Zufamm en ftim-' 
'mang jener Run ftweisheit mit der niorali* 
fchen- Weisheit in ^iner Sinnenwelt haben 
wir Keinen Begriff. Denn i 

* • - - 

*. als Naturwefen blofs.dem Willen feines 
Vrhebers folgen zu muffen; , ^ 

ü. als freihandelndes Wefen dennoch der 
Zurechnung fähig zu feyn, 

i 
iß eine Vereinbarung von Begriffen,, die wir zv^ar 
in dei; Idee des^ höchfien Guts (in der überfinnU- 
chen Welt, f. Gut, hfochites) zufammen den- 
ken muffen; aber, weil es ^ uns unmöglich ift, 
das Ueberfinnliche (Intelligibele) /zu erkennen, 
nie ht <f i n z u f e h e n v ermögen. S. übrigens : T h e o- 
d i c e e. \ 



Leichtgläubigkeit, 

* 

credulitas, tredulibe. Der Glaube, der (ich 
auf Gegenftände des möglichen Wiffens 
oder Meinen« bezieht, (U. 465). Glaube ift 
hier die Denkungsart im Für wahr halten, nicht 
ein einzelner Akt. Gegenltände des möglichen 
Meinens find folche Objecte, die zwar Gegen« 
Bände der Sinnen weit, aber doch für unfre Er- 
fahrungsetkenntnifs unzugänglich find, z. B. dio 
magnetifche Materie, oder die Bewohner andrer 
Planeten. Nun kann man zwar einen d o et ri- 
tt alen Glauben an folche Gegenftände haben (f. 

In * 



• 



868 ' ' Leichtgläubigkeit. :< ■'..,.' 

Fiirwahrhalt en, ii.), allein dicfer Glaube ift 
doch nur zufällig, ' Wer nun diefen Glauben 
für gleich unumftöfslich mit dem nothweiulii 
gen halt, und fo Gegenwände der Meinung mit 
, Gegenftänden des Glaubens vtrwechfelt; oder wer 
diefen Glauben für eben fo Geher hält als ein auf 
unumfiöfslichert Gründen beruhende» Wiffen, und^ 
fo Gegenftände der Meinung' mit Thatfachen vet- 
wechfelt, iit leichtgläubig . im Theerteli- 
fchen. . Gegenftände des möglichen, Wi-ffens 
find folche Objecte, die Entweder Gegenftände der 
Sinnen weit find, fo dafs von ■ ihnen- eine Erfali- 
rungserkenntnifs möglich iß, oder die dach die 
nothwendigen Gefetze für die Gegenftände. der Sin- 
iienwelt enthalten, und fich als folche beweifen 
laflen. DLefe .Gegenftände heifsen Th^tfath«»« 
So find z.B. das Dafeyn unfrer. Sonne fowohl, il» 
auch dafs zweimal zwei vier ift, Th atfachen; 
die.erftere aber ift eine, empirifche, die andere 
eine Thatfache -a priori, Die em pirifciien 
Thatfachen lind wieder von zweierlei Art: folche, 
die auf unfrer eigenen Erfahrung beruhen, »ml 
folglich Gegenftände des unmittelbaren enipi- 
rifchen Willens find ; und folche , die auf Andrer 
Erfahrung beruhen, und daher Gegenftände des 
mittelbaren empirifeh en, oder hiliori* 
fchen Wiflens find. Dafs eine Sonne am Him- 
mel ficht, ift eine unmittelbare Thitfache, denn 
ein'Jeder, der Ausen hat, Kann fie fehenj dafs 
der Kaifer Auguftus gelebt hat, " ift eine hiftori- 
fche Thatfache, uiTd beruhet auf der Zuvcrläffig" 
keit der Zeugnifle, Anderer. Der. fogenaniue hi* 
ftorlfche Glaube oder das Fürwäbrhaltcn aut 
das Zeugnifs Anderer iit eigentlich kein .Glaub«! 
fondern ein Wiflen , denn es ftützt fich, auf; ob- 
jeetive Gründe. Wir können nüt,derfelben 6t- 
wifsheit eine empirifche, Wahrheit auf .das ^ cu =" 
nifs Anderer annehmen,' als wenn wir durch That- 
fachen der eigen 
Bei dem hiftor 



Lid K C! 



baren. Zu 

liehe» ZiCh«el r^iv;« 

tigkeit, £. ^. l. 



mit: j_i -*-—- 
dafs er hat nk V^;;::**: 
ohne KiiriJiJiii *-u: *■ ~v»r:.._ii:s" *- 
der Zeu£?ei:. ein? i .r. c ■ __— T-t „-1 
hält, ö«r -it 1t-. . f *:r - -* ^. .n^ *' 
des Worts. Aher rvn sr. -v . -r 
wahrheitei: duct !T^£i*i-:-:r: . t— ■ *- 
licht arsf ct^-tr^* \.?T3S— s? i-.-~* •- .»»- 
derm&T:H »x Vn*: in**: ^ -— — \.~ ; 

gläubir inj 7 t«*f t* * . .. — . - ■. . 
aack farn. : X. * 1 z i t * - :"*- . - - - - i- 
tifebe Dpi r.in«*rijrt »:i±? T •*-"•! •r*-r :-*-'- 

11t O'a^T 



r ■• 



das HaDCrfrrn *j*iiir"L. x: - 
Beziebirnjr a~ Morfeliir: -*~*~* 

Erkenntnis uux.L t «:äi ^L«n ir T-u* 

tmd im leixtem laL ueL-rfr: _** ~-„nm*->-~ *>• 

oder liberfair JTjlcii* K&zmz -r~-Ji. 1<- -" — 
betrifft die Litdciiir"'* • - -****■ t>--- : - •*•* *-r . 
liehen WITTer.*. tmi* jr. t #* 7' ■.•-•.- ■ •- * *-? 
im zweiten F*-*: "uernf:; h~ O-^-r- - ->- *.- i- - 
liehen Meiner;*; ^iic crrit**rr ?.:...»- _ -. *- 

es , ihrer NfcMr t^-t . r*cr f^r* «e ^' • -• '; -• . - -** 

geben kann- Die Lrtn^::^:- - ;„•-=«•■ '-*— *~' 

Art verdient s^n w«i ;rfcrr T - v *-~i '-** " 

jeetiven Grürde <m«* ./-iict O*- . >*r;»'^- -•'->* - ■* 

Iblche Gegen hi? v3e J^rr i^i.ir £u* v ^: -> *V • '^ 

gehalten "werden i.v*-n**i. >•>* > >' * -v- -- 

denjenigen, welcher o*- !t>r-i«j* j^'.- --- - ''^ - 

Kliffe ohne BiicK^i arf iire /fi';^-'; .-?' - ' 

* ntegritit zu sl'^w . a * * i * r - ' - '-*" - 

Wenigen aber, V^;--r >-^;^eV-r ; v ' ** "- 

%-ec^ve hält, «rnd O^^K^r.oe -iii^t-..-.: >-^,' -»' 



$7° Leichtgläubigkeit. L^dcöfchaft 

den su können vermeint, von. denen dies' doch, 
ihrer Natur nach, nicht möglich ift, leichtgläu- 
big nennen (U. 46a, ff. 1». Jfll. *). 

< ♦ 

Leidenfchaft, 

• 

JMlJJio animi, perturbatio animi, pftffion. Ei- 
f ne Neigung, welche alle B eft immbar* 
keit der Wiilkuhr durch Grundfätze er- 
fchwert oder unmöglich m^cht (U. iai. 
A. 203.). Dife Neigung ift aber eine 'habituelle 
Begierde* Folglich ift die Leidenschaft eine 
foiqhe zur Gewohnheit gewordene Begierde eines 
Menfchen, welche es ihm fchwer oder gar unmög- 
lich macht , feine , Wiilkuhr durch Grundfätze zu 
beltimnien. Sie ift eine Neigung, welche die 
Herrfchaft über uns felbft ausfchliefst 
(R. 20.*)). So ift die Rachfucht diejenige Be- 
gierde, welche man die Rachbegierde nennt, 
wenn tie einem Menfchen fo zur Gewohnheit ge- 
worden ift, dafs fle es ihnverfchwert oder gar 
unmöglich macht , feine Wiilkuhr durch den 
Grundlatz, der Verföhnlichkeit, oder die Peindfe- 
ligkeit Anderer nicht mit Hafs zu erwidern,^ 
beftimmen. Wer alfo der Rachfucht ergeben ift, 
hat, in Anfehung der Rachbegierde , d. i. 3$r Be- 
gierde, denen Schaden zu thun, die ihn beleidigt 
haben, keine Herrfchaft über .lieh felbft, löndern 
wird von diefer Begierde, beherrscht. Man kann 
alfo fagen, dafs die Leidenschaft diejenige Nei- 
gung ift, durch welche die Vernunft ver- 
hindert wird, fie, in Anfehung einer g« - 
wiffen Wahi f mit der Summe aller Nei- 
gungen zu vergleichen (A- aa6.). 

Man benennt die Leiden fchaft (die aus der 
Cultur der Metlichen hervorgehenden Neigungen), 
mit dem Worte Sucht, z. B. Elhrfucht, Bach- 
fucht, Habfucht, Herrfchfucht u. £ W. Leiden- 



' I 

/ 

" \ 



I 

LeidenfchaJEt. 87 1 

fchaft fetzt immer eine Maxime (Handlungsregel) 
des Subjects voraus, nach einem, von der Neig un[ 
ihm vorgeschriebenen Zwecke zu handeln. Sie il 
alfo jederzeit mit der Vernunft de$ Subjects ver- 
bunden, daher Kann man blofsen Thieren eben 
fo Ttfenig Leidenfchaften beilegen-, .als reinen Ver- 
nunft wefen. Man nennt bei blofsen Thieren auch 
die heftigße Neigung (z. B. die Gefchlechtsvermi- 
fchung) nicht Leidenschaft,, weil 4ie keine Vernunft 
haben, die al Je in den Begriff der Freiheit begrün- 
det, mit welcher die Leidenschaft in Collilion 
kommt, deren Ausbruch alfo dem Menfchen zuge- 
rechnet werden dann (A. agfr.). Auch enthält die 
Leiden fchaft immer ein beharrliches Princip -in 
Anfehung des Gegenftandes , auf den fie- gerichtet 
ift. Ehrfucht, Rachfucht, Habfucht u. f. w. wer« 
den nie vollkommen befriedigt, und werden eben 
daher unter die Leidenfchaften gezählt, als Krank« 
heiten, wider die es nur Palliativmittel giebt (A t 
227). Das Vermögen des gefcheuten Mannes, die 
von Leidenfchaften Beherrfchten zu feinen Ablich- 
ten zu gebrauchen, darf verhaltnifsmäfsig • defio 
kleiner feyn, je mächtiger die Leiden fchaft ift, die 
den andern Menfchen beherrfcht (A. 236.). » 

, Leidenfchaften find Krebsschäden' für die reine 
praktische Vernunft, und mehrentheils unheilbar; 
weil der Kranke nicht geheilt feyn will und lieh 
der Herrfchaft des Grundsatzes entzieht, durch den. 
die Heilung allein möglich wäre (A. a&7}« 

1 

Gleichwohl haben die Leidenfchaften auch ih- 
re Lobredner gefunden (denn wo finden die lieh 
nicht, wenn einmal Bösartigkeit in Grundfatzen 
Platz genommen hat), und es heifst: dafs nie etwas 
Grofses in der Welt ohne heftige Leidenfchaften 
ausgerichtet worden , und die Vorfehung felbft habe 
fie weislich gleich als Springfedern in die menlch- 
liche -Natur gepflanzt. Von den Neigungen iß 
diefes wahr , aber dafs diefe Leidenfchaften wer- 



1 



i 



87« tcidcnfchaft. „ 

den durften, ja wohj -gar follten, hat die Vorfe- 
hang, nicht gewollt, und fie in die fem Gefehts- 
punct vorteilen , mag einem Dichter verziehen 
wtrden (z, £. eiiie^n Pope, welcher fagt; ift die 
Vernunft th^ itfagnet, fo find die Leiden fchaften 
.Winde); aber die Philofophie .'darf diefen Grund- 
satz nicht an fich -kommen lallen, felbft nicht, um 
fie als eine proviforifche (vorläufige) Veranftaltung 
der Yorfehung tu preifqn, welche ablichtlich, ehe 
das nienfchliche Gefchlecht 2um gehörigen . Grade 
d«^r Cultur gelangt wäre, üe in die menfchlkhe 
Natur gelegt häUe*(A. 029)* , 

. f £e£ allen diefen Unterfuchungen über die Lei* 
denfchaft fehlt, doch npch ein wefentliches Kenn- 
zeichen, derl^lben, .durch deffert Mangel auch die. 
angegebenen Erklärungen zu weit .find. Leid*n* 
fcliaften. können ^ur folche Neigungen f e y n 1 
die.vo s n Menfchen auf Menfchen.gerich« 
. tet £in>d, fo forrv dicfe auf Zweck ?f' 
hen, in welcher» beide Menfchen mitein- 
ander zufam.xftefrAlmmen, Qder einander 
widerft reiten (A4 a$4)- Hierdurch zerfallen al- 
le Leidenschaften in z weiClaffen, nehmlich in dtä 
der Liebe, bei dtepcn die Zwecke der Menfchen 
zufam itteniHmnaen,' und -j^' die des Haffe«, ^ el 
dsnkn die Zwecke einander wijierßreiten, Neigun* 
g0n, die blöfs auf ßa^chen, $. #. eine Kuh g* 
richtet, lind, .kann neuin «nur leidenfchaftli~ chl 
l^eigun.gen ftenaqn ,(A« sgo.)*. 

; Die Leiden fc haften werden eingeteilt , in 



»f. 



ju die Leiden fchaften der *i a t £ r 1 i c 1> e n (a n- 
gel>o.hrnre.n) Neigung, oder folche, die blofs der 
thJjerifchen Natur des Menfchen angehören- 
Bs gieht eigentlich nur drei, Hauptna$urtriebe, 
nach welchen lieh auch die Leiden fchaf ten müßten 
cklBüwen laden, weil, jede Leidenfchaft eine Nei- 
gung oder habituelle Begierde iß, und V&* Be * 



\ 



XIeidenfcli?ift -673 

gierde/eihen Naturtrieb votausfetzfc, * aus welchem 
lie öntfpringt. , Die .drei; Naturtriebe find nun: der 
Erhal t.uxxgs trieb , ; der G ef chlech ts tri« b 
und der G.e felligk ei ts trieb. Allein ans allen 
diefen Naturtrieben können zwar leidenfohaft liehe 
Neigungen entliehen; aber nicht aus allen. Lei»-' 
deiifchaften. Leidenfchaften gehen ei- - 
gtfntlich nur auf Menfchen, und können 
auch mir durch fie befriedigt worden. 
Aus dem Erhaltungstriebe entfpririgen daher wohl 
leidenfehaftliche Neigungen, z 4 B. zum Trunks 
zum Spiel; zur Jagd, oder leidenschaftliche Abnei- 
gungen, z. B. vor dem. Biefam, dem Stand wein; 
aber -man nennt diefe verfchiedenen Neigungen 
oder Abneigungen nicht '. eben foviel Leiden*- 
f chaftjpn. : Jus find nur fo viel verfchiedene In-* 
flinete, d. i* fo vielerlei >blofs - Leidende^ im 
Begehr ungs vermögen. Die Leidenfchaften verdienen 
daher nicht nach den Gegenitänderi . des ! - Begeh- 
rungsvermögens (deren es unzählige giebt), fon- 
dern nach dem Pjincjp des Gebrauchs oder Mifs- 
brquehs, den Menfchen von ihrer Perfon oder ih- 
rer Freiheit unter einander mächen, da ein 
Menfch den andern blofs zum Mittel- 
feiner Zwecke macht, claflificirt zu .werden 
(A. 232. f.). Der Gefchlechts trieb aber giebt 

a. die Leidenfchaffc der Gef chlechtsnei- 
gungi und. der Gefelligkeit^t rieb giebt 

- b. die Leiden fchaft der Freiheitshei- . 
gung oder der wilden Gefetzlofigkeit. 
Beide, Leidenfchaften find mit Affect verbunden, 
und können daher auch erhitzte Leidenfchaften 
(pajfiones ardentes) genannt werden. 

1 

% 

&. Die Leidenfchaften der aus der Cnltuf 
(f« Glückfeligkeit 13.) d«r Menfchen her vor ge* 
h enden (erworbenen) Neigung, oder folche, die* 
der Menfcliheit in der üatui des Menfchäh an- 



£74 Leidenfchaft 

gehören* Wenn der Menfch nehmlich fich taug- 
lich macht t fich Zwecke zu fetzen, und die Natur 
als Mittel dazu zu gebrauchen, d.-L fich cülti- 
v i r t : fo können die Gegenfi&nde in der Natur, 
welche er als Mittel gebraucht, auch Menfchen 
feyn. Die Neigung des Menfchen , auf andre 
Menfchen Einflufs zu haben, um fie als Mittel zu 
feinen Zweien zu gebrauchen,, oder ihre Neigun- 
gen in feine Gewalt zu bekommen , um fie nach 
feinen A buchten zu lenken und befiimmen zu kön- 
nen, und fo im fie fitz derfelben,' als blofser 
Werkzeuge feines Willens zu feyn, kann nun Lei- 
denfchaft werden (A. 235.). . Es giebt aber drei 
Mittel, adf die Neigungen anderer zu wirken 1 Eh- 
re, Gewalt und Geld, Daher giebt die Ntigung 
zu diefen Mitteln, um dadurch 4 auf die Neigung 
Anderer zu wirken , drei Leidenfchaf ten ^ 



a. die' Ehrfucht; 

b. die Hjerrfchfucht; 

c. die Habfucht. 

: - • « 

(A. 1135, 435. f.) 

Diefe Leidenschaften find Neigungen, welche 
blofs auf den Befitz der Mittel gehen , um alle 
Neigungen, welche unmittelbar den Zweck betref- 
fen , zu befriedigen. Sie ' haben daher den Anfirich 
der Vernunft. Die Vernunft ify nehmlich ein mit 
der Freiheit verbundenes Vermögen der Ideen, 
durch welches allein Zwecke überhaupt erreicht 
werden können* Diefe Leidenfchaf ten können auch 
Leiden fchaften des. Wahnes genannt werden, 
weil die blofse M ein ung^ Andrer vom Wertbe 
der Dinge dem wirklichen Werthe gleichsetzen, 
Wahn heif&t (A. £33.)*/ 



Alle übrigen Leidenichafran find dieten fön* 




Ijeäämfchaft. 



fen unli 

.leitet, oder- auf iie *■— »«w™ wniifu. 5* 
fpringt k. &. «5e Siiiu'uLit «ih> oer lt«i 
begierde, welche., ak 
Freiheitsncicnxig i 

Affret r» (cjr'ecue') JEmc -nm X^-c^tiT:;:. 
fpeeififefa {wJmi i ich > -wtcnHEneii*^ 1J* *_, 
iti eigentlica eine ttttHiMi-Tt^Li;^ 
che, da* 6rmiii *.-n rmii« •--??• £ m_. 
freie EcberlcHuDs £ct truiti.^."* ^ 
St eilen, «im IitÄ CtTüü-L rt if-_ m: 
So ift l B. der Z*ni cm jifer.. -wnu^r t 
Cremiitttsbe-m-'rtMi» ne* Towrü««* I. mt -«t. 
Be!euiiganpöi &>ehfdii. nut« xu-ur l.vi 3» 
lieh mächt , cjc "W^Utiuiir mmi inuiM^r«r -1 
Jtimmen, Bender» iu^ar XjZies i+zturzvi .:** 
GruiKÜstxc £Tiz.i.iic-jei .„ tun.L. IMiW ««*" • 
W'illkühr faefc iaai nex «.uinn.nL Zjv- t-~xxr 



es uns pmwpiEii , im» -v&nunirL^pt ■ vrr>- 
da rüber ra «taiien . ui» -*f r in» «w .,#**» 
überlaJTezi, oäer tailieli* mrKiwy*« j-.-.*- 
Unwille i& »eimiZiiJi «n ifir.^at, f*r %-.. 
die erlitte«« IVueia ieun<- , buc wtn-t »>- 
fes Gef^bi lo iwrrit: «*.. t; i f- 
die Faffa»» mxjfii ^"nu-i.t a- ',- 
wird, J» ih ö*el» deiuiu «a- *-- .'.**-.: 
und heilst der Z*x3L 

Affe-cl trnd Leier* -T^i ^ r ' <«* «**-* 
folgende EtiximnAuu^eu au mn*ii;i#^>« 

>. Affectes» ptdtiyvat «wi £>**'< < 
deni'chafte» ^ähürta» ücae J>*>£-«:**f •** 
mögen xa; ÄuUer 



$76 Leidenfchaft 

» 
a. entftebt arrtch der Affect pl& tz lieh, 3t 
ftürmifch, jäh oder jach {animus j)raeeeps) % 
und geht fo-hnell vorüber, i die "I^eidenfehatt 
aber Jäfst fioh Zeit und üt anhaltend, nehm- 
lieh eine zur eingewurzelten, bleibenden 
Neigung gewordene linnliche Begierde. 

4 

S .1 

«• Im Affect wird die Freiheit des Ge- 
möths gehemmt, es wird ihr nur * auf einen Au- 
genblick Einhalt oder Abbruch gethan ; in der 
Leidenfchaft aber wird die Freiheit des Gemüihs 
aufgehoben, fie.geht auf eine «lange Zeit, oft 
auf immer . Verloren (U. iai). Die Leidenfchaft 
findet ihre Luft und Befriedigung am Sklaven- 
Ann. Weil indeflen v die Vernunft mit ihrem 
Aufruf zur innern Freiheit doch nicht nachläßt ; 
fo feufzt der Unglückliche, unter feinen Ketten, 
-Von denen, er fich gleichwohl nicht losreifsen 
kann (A. aas)- 

4. Der Affect geht vor der Ueb.erle- 
gung her, ili unverletzlich, unbefönnen 
und übereilt, d.i.' er wächft gefch winde zu ei- 
nem Grade des Gefühls f der die Ueberlegung 
fchweter oder unmöglich macht; die Leiden- 
fchaft ift l^j>ft überlegend, fo heftig He auch 
irhmer feyn mag, um ihren Zweok zu erreichen. 
Die <Ruh.e , mit der ihr nachgehangen wird ; Mist 
Ueberlegung zu. Leidenfchaften dürfen mithin 
nicht an beDonnen feyn, können mit. dem Ver- 
nünfteln zufemmeri beliehen, und thun daher der 

Freiheit den gröfsten Abbruch (A. aa6). 

.... 

• • • 

y>. ' Beim? A f £* & t fagt die Vernunft Mols, es 
fei Pflicht fich zu f äffen, und die Schwäche im 
Gebrauch feines Verftandes, verbunden mit der 
Stärke der Gemüthsbewegung, ift nur eine Un- 
tugend und gleichfanr* etwas Kindüches und 
Schwaches, was mit dem heften Willen gar wohl 
zu fa nunen beliehen ka?u} 9 eine junglückii che 



I 



878 ' Leidenfcfcaft. - 

/ die Lei Aenfchäft eine Bezauberung ift , die auch 

die Beflerung ausschlägt (A»l2&6)* 

9. Wo viel Affect iß, da ift gemeiniglich 
Wenig Leiden fchaft; wie bei den Franzofen, 
welche .durch ihre Lebhaftigkeit veränderlich find, 
in Vergleichutig mit Italienern und Spaniern (auch 
Indiern und Sinefen), die in ihrem Groll über 
Rache brüten, oder in ihrer Liebe bis zum Wahn- 
finn beharrlich lind.' 

• 

10. Affecten find ehrlich und offen, 
Leiden fchaften hingegen 'hinterlift-ig und 
verftecfet. Die Sinefen wfcnfen den Engländern 
vor, dafs fie ungeftüm und hitzig wären, wie 
die Tatarn; die Engländer aber jenen, dafs fie 
ausgemachte (aber gelaflene) Betruger find, die 
fich durch dielen Vorwurf in ihrer Leidenlchaft 
gar nicht irre machen lallen (A. 005). 

, S. ' übrigens Äff ectlofigkeit und Ge- 

mütheart» 

1 > ■ 

< * 1 \ 

Die Affecten lind überhaupt krankhafte Zufäl- 
le (Symptome), und können ihren vAeufserun gen 
tiacn in zwei Claflen abgetheilt werden. Diefe 
. Einthetlung ift dem Brownifchen Syftem (R Le- 
ben) analog. Die Affecten find nehmlich ent- 
weder 
* 

- I • v 

1. Ith enif che oder folche, die- von Starke 
entftehen* Bei ihnen ift Erregung im lieber- 
maais , und dadurch erfchöpfen fie oft die Lebens- 
. * traft. Sie machen das Bewufstfeyn rege, dafs 
wir Kräfte genug haben, jeden Widerftapd zu über- 
winden, und können daher auch Affecten von 
der,wackem Art {aninii firenui) genannt werden. 
Dergleichen find £> B> Muth, Hershaf t igke it, 
Zorn, entrüftete Verzweiflung, Sie find 



r»r. 



alle äfthetifch-crkafce&; 

find 

a. afthenifche «fier ja».», or ti 
Schwäche «u5Aot. lä -un**n Jf" "T - • r 
der Erregtmr oaer &r rianiufli n« l*~i#2i«.-*. .r 
ab, bereiten aizr a^»u trairio. iir 'Lr. 'in^ <%••-. 
Sie machen cie E*rj*c>ni,r ~i- 'nacni-r.rfl r- T 
zum GesenfLj;£e ccr ti uT.. «nt 4- --•#■! * . rx 
Affecttrn tod der /iiate. t*-i üt i* •• . -<- 
guiil) heif*ei-. Derz 'Jt:*:"*i in : i 1 T * : - 
Bangigkeit, Ei.:i.:i:ini*. . - \ • -: - - 
mender Schmerz, «t*r • i -t 
trofteB laTiet;, Tetr*z** T*-rv» 
Diefe haben nkr-rts Itt.t, m n i ,- ~— * 
aber zum öchoiti tez ^nn^-rr »~-. ..r 
den (U. iä2. A. sife^, 

LeÜTertrir- 

durch welchen i:t :*nn t*i * *i •- -_. 
goltenen Gebrarc 1 x** V* i *. T »- . 
wo, wenn diefe* *_a* i f ; i » , i ■ - 
cifcenten 'di**«!**». v^iuns i*si **tt--; ^- 

fsen) darin ü&tr«'j!i"r. Ä un i. .- .. .. 

fli^e, dem ich <ei n-»r»\ - i --i 
brauch des MeitLrei, <; i i >-. i **- r. 
eben dicfelbe 5*cie ▼Lttt- ,i n - . „ :^ 
walt bringe .TL 14^ f > li«^ * — r ^ - 
von der Verdin;sax aL»_i*r *#-i.» - ri-r 
terfcheiden. Im Lei^Ter-r *r -tf tt-r ;*: - f . 
unvergolten (r<ft:^ # r*i !-« r^*^. Ä 

derVerdineunsT3/iaTt:i ,»**; *.„„ ^. ^ 
ift dir eigentlich dnr? :«:;«iet -919m < r -..*. 
fe Sache 211m Gebraut «Li— * -vr.t . v.i*r : 
du etwas dafür beral.ii; »>t -r VV t * r f^ ^ 
brauch der Sache b^zilli iv "I f* 
düngen; der GcW tt^ 6t* * 



t ~~ 




83<* . Leih vertrag. LdÜlung; . 

vergolten feyn *). - Der Leih vertrag ; ift eine Ue- 
bereinkunft, welche aus dem Umgang mit Men- 
fchen ganz natürlich folgt; denn da man nicht 
immer «lies Kaufen oder dingen kann, 'was einem 
fehlt, und man es doch nur auf kifrze Zeit nuibi^ 
hat, fo iß es der Humanität gemftfs, dafs man 
ßchs einander leibe, (Burlamaquiy elernens du 
droit natural, P. HL c/** i*. $»3. p. 809.). S. übri- 
gens den Art, Beliehener. 



• i 



1 

t Leillung, 

praefiatiö prefiation. Die Caufalität einer 
Perfon (Wirksamkeit ihrer Willkuhr) zu einer be- 
ftimmten That, zu welcher diefe -Caufalität von 
der Willkiihr eines Andern, abhängt... Ich iaim 
die Leiftung von etwas durch die WilJkühi\ei- 
nes Andern nicht mein nennen, aufser wenn ich 
im Befitze der Willkuhr deflelben zu feyn 
(diefe/i zur Leiftung yi beftimmen) behaupten 
d>arf, obgleich die Zeit der Leiitung noch 
erft kommen foll. Diefes iß aber nach Frei- 
heitsgefetzen nicht durch einen einteiligen, Tob* 
dem nur durch eineh doppelseitigen Act der Will- 
kuhr möglich, d. h. es ift dazu ein willkührlicher 
Act erforderlich , fowohl deflen , der die beflimmte 
That zu thun hat (des Leidenden) , als deflen , & 
den er fie zu 1 eitlen hat (des Empfangenden)^ Bö 
diefem doppelfeitigen Act ift es aber blofs da* 
Verfprechen, wodurch das .Recht auf eine Lei- 
ftung gegründet wird, und es ntufs dabei von den 
. Zedtbedingnngen , denen die Leiftung unterworfen 
ift, gänzlich abftrahirt werden. Ob alfo die Lei- 



mm 



*) $, 2. infi. quib. mpd. re contraJi. ohligat.lib. 3. tit. *3« C°*\ 
modata tunc res proprio videiur > ß nulla mereeds aeeepta res ti t 
nlenda data eft^ alioquin mercede inten>eniente locatus tibi it* */*' 
viädotri grtktuitum eiti* dtbet ejje cvmnkwUUvm* . 



lliiiic mit dear T»r-'V-*mTT — -. ;~~— r?-- ^jrr- 

Bech tsan ff-T-a^iic ift irr-. *_■ ? 22- ~*-r- r* 
felblt, wel^r.«* lj v r» 1^_j~ ~ r ^rrv=:.:i^. ._r 
das Eigenh. i_xL £^t *.iiTtrrr £-.*r-^z-. e».. 
Bch diefer Linier * ^m t * r: uljl :.; "*-- 
diene (2-* &"i-ra I eiil i>-r- r:::^.^ ~— " -* 
keil, ra .;■: . z"~ ■-"■-l r~-z—->- -s-r:_ =..i* ss. 

iii defTen rsr.i-: 1 i.?n j^-.-tt* t^et .r -■ 
Von allen Ta^j-/"'. ,r.-.r _ — — r .-_■ — »..-=" 
rifchen EeTtzs*: 1-.: 1:- — . ;- *- .- > — -^_- 
cher Ek^T-ii-lr^r ir_ ü -_-- *-_- r— ■ 
eines Abs-tT» t;j r*tn - .- ~**- * . « - " 

trunfc, •*:•-..:. i-iü-r : :--~ -* ~.r *■■ 

fentijcie l-*:,i.i. 5 ^ •.. £. 



Allel te-'T-'^ r 
Sarauf, ii'i c ie ,_ - . . 
miltenten owrT<-':-v ^ 
That in TTiri;-, n'.-i ^. 
nun das V«r"j'-t<-l«Ti» *^*r 
leihur.z rjici: t-r ->-^' 
einen Art. v :•'. u-i t— 
v.-ordan <^*t P-y- "■•'" 
Beiliz der ta'.i* r^ : "'-'~ * 

filinS, WCT1Q -tf<:£ *"*"" ■""" 

die L'eber'il« f ? - * r 

gäbe a'fa ut,<3 ö*-iü 7jT::i«-* 
nicht £cr<chehe*L. 3>i* &•»' 
Einen"zu <i*-=a A3.c--ij 
Folglich Ton öen, '■■•- ~-- 
worden. Hi«"sn^* -'- ■-'**- - 
Vertrage ein p*r ■ ">j — ' 
fciihr'eircs Ar>«f*">' - * - 
meine, na-_h TV*-. li*--.">^' 
Thal zu beIijmi-'-« 1 J'J -'"- 
W wird das E«it t ->* « 
liches Kecfat rda* fcwi 
Befitzer derftlbeu) ii j 
Mallini pLH. WürU*i> 5 Ü 



88* Lelftung. 

Wenn nehmlich zwifchen ^Um. Vertrag imi 

dei; Uebergabe' der Sache, üb^r welche der Yei 

trag gefehl offen worden, noch eine (b^fümmü 

oder unbeftimmte) Zeit bewilligt ift, fo fragt lieh; 

ob die Sache fchon vor der Uebergabe , durch dei 

blefsfen Vertrag, das Seine des Empfängers (Accep 

tanten oder Promiflars) geworden t und das Bechl 

des letztern ein dingliches Recht (Recht in dei 

Sache) fei? Oder, ob erft noch,6in befonderer Fer« 

trag dazu kommen tu üiTe , durch welchen die U* 

bergabe gefchieht? Diefe Fragen find einerlei mit 

der: ift das Recht, das man durch die blofsein- 

nehjming (Acceptation) in einem Vertrag erhält^ ein 

Becht in der Sache, oder ift es ein perfönlicha 

Recht, und wird es evR durch, die Uebergabe eiq 

Sachenrecht? Dafs nicht deif blofse Vertrag, li^j 

dern erft die Uebergabe ein Sachenrecht begrün^ 

erhellet aus Folgendem : v Wenn ich einen Vertrag 

über eine Sadie, z. B. über ein Pferd, das ich e* 

werben : will , fchliefse^^und fetze mich fogleicba 

feinen phyfifchen Befitz (Inhabung), fo ift es m 

(vi pafti re initi). Lafle^ ich aber das Pferd 

den Händen das Verkäufers , ohne jnit ihm ix* 

über be/bnders auszumachen, in wellen phyiifch 

Beiitz das Pferd vor meiner Befitznehmuflg fe] 

foll: fo ift das Pfprd noch nicht mein. Ich ha 

dann nur ein Recht gegen eine bestimmte Perfol 

erwarben, nehmlich gegen den Verkäufer, ß 

ÄW^r. das Recht, von ihm in den Befitz des fl] 

des gefetzt zu werden (pofeeiidi iraduionem). 

Befitz des Pferdes ift nehmlich die fuj)jective 

dingung der Möglichkeit alles beliebigen t 

brauchs deffelben. Alfo ift mein Recht, das ij 

durch den Vertrag erworben habe , nur ein ^ 

Xönlichqs Recht, nehmlich das Recht die l 

ftung des Versprechens, mich in den Beiitz c 

Pferdes zu fetzen, zu fordern. Zu dem Befitz di 

Pferdes felbft kann ich dann nicht anders, * 

durch eipen befondern B e f i t z a c t- gelangen , ^ 



- 1 . ' " . \ 



Lelftung. Lernen. 883 

«u welchem der Veraufserer noch umher EigtfW 
thümer des Pferdes bleibt (K. 104. £) 

Lernen, 

c 

iisctere, apprendre. 'Eine hiftorifche Erkennt» 
nifs erwerben. IJine hiftorifcJie Erkenntnifs ift 
aber eine folche, die uns anders Woher (nicht 
durch uns felb/t) gegeben wird (C 864.). & Er* 
kenntnifs, hiftorifche* 



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. 712' 

. 656 659 



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Folgende Fehler find zu verbeflertu 



Im erften Bande. 

* 

Seite 78 Zeile ig r. o. ftatt 37 h 73. 

— 97 — 18— — — EntfernnnK 1. Entfernungen 

— *S& — 1 — - — — Verltandetoergiff % 1. Yciuin*» 

des begriff. 

— S37 — *5 hinter 457 fehlt 451. 

— 325' — 13 ▼. u. fUtt 154 L 148. 

— 327 — 5 -t— — vor 154 fehlt 152. 

— - 333 —• . ■ »3 t. o. hinter 160 fehlt C I. A. 93. f. 

— 366 — ^ 16 V. u. ftatt 4 1. 5. 

— , 4S7 zweite Columne Zeile 18 v. o. unter 95 fehlt iA, 9$. f 

3,3. 

— — — — — 34 ~— A*« »85 1. IS*. 

— 459 erÄe — — 7 n. 3 find wegsujtifjrhrn. 

— — streite — *-f 8 ▼• o. unter 121 iehlt 143. 32 s. 

— — — — -1 7 _ I4 0__ iyi . w 

i— — — ►.-*—.-: — S — — ftatt 325 l. 127. 

— 460 — — < — *. 1— , — »snug &6 fe»H 8;i a^ 

— 461 erße — — 18 — — unter 450 fehlt 451. 2$^ * 

— 620 Zeile 9 T. u. fehlt Fig. 18. 

— 694 — 18 — o. hinter Sinne fehlt M. I. 155. 

— 695 — 13 '• hinter 160 fehlt M. I. 155. 

— 735 — n fUtt an gl ei eher 1. gleicher. 

~— 874 — 3 — u, hinter Belehrung fehlt, und L # * 

denfehtf t. mach Gl flek f 
1 1 g k e 1 t , 13. ^^ 

* "— 875 — 8 vor 617 fehlt 613. 

- ~~ 378 erße Columne Z. 5 nnter 31 fehlt 15z. 694. 

155. 695* 

Im zweiten Bande» 

Seite 6% Zeile 10 v. o. hinter 165 fehlt M. L 353. 

— 248 - — 13 V. u. .ftatt 140 lies 139. 

— v 287 — 6y. o. hinter 242 fehlt 246. 

— 293 — 2 iUtt Wahr nehm un gen L VeTfoelj 

— 496 erfte Columne Zeile 13 v. o. hinter 139 fehlt L und «*J 

fehlt 248. ^* 

— f — — — — 14 — — ; ifi wegzult reichen» 

— . — -- — 9r.11, vor 288 fehlt 2S7. 

"" 499 * — * ~" "- 9 luitnr 245 ieült 246. 257. 

— — «weite — — 5 v. o. ftatt 354. 93 *• 35J. 4t. 

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