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Full text of "Entwickelungsgeschichte der Wirbelthiere"

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BOSTON 

Medical  Library 


8  THE  FENWAY 


ENTWICKLUNGSGESCHICHTE 


DER 


WIRBELT HIE RE 


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in  2011  with  funding  from 

Open  Knowledge  Commons  and  Harvard  Medical  School 


http://www.archive.org/details/entwickelungsges1861rath 


ENTWICKLUNGSGESCHICHTE 


DER 


WIRBELTHIERE 

VON 

HEINRICH  RATHKE, 


MIT  EINEM  VORWORT 


A.  KOLLIKER. 


LEIPZIG. 

VERLAG  VON  WILHELM  ENGELMANN. 
1861. 


: 


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VORWORT. 

Eine  Arbeit  von  Heinrich  Rathke  bedarf  keiner  be- 
sonderen Einführung  in  die  Wissenschaft  und  geschieht  es 
nur  auf  den  besonderen  Wunsch  des  Sohnes  des  grossen 
Forschers  und  verehrten  Freundes,  um  den  so  viele  mit  mir 
trauern ,  wenn  ich  diesem  Werke  einige  Worte  voran- 
schicke. 

Mehr  denn  vierzig  Jahre  lang  hat  Rathke  das  Gebiet 
der  Entwicklungsgeschichte  mit  rastlosem  Eifer  bebaut 
und  gehegt.  Zu  einer  Zeit,  wo  die  von  Doellinger  und 
Pander  inaugurirte  neue  Aera  dieser  Wissenschaft  kaum 
erblüht  und  in  ihrer  Bedeutung  noch  lange  nicht  in  das 
Bewusstsein  der  grossen  Masse  der  Forscher  gedrungen 
war,  trat  Rathke  auf  den  Schauplatz  und  begann  in  selbst- 
ständigem Streben  und  mit  sicherem  Blicke  das  grosse  und 
schwierige  Gebiet  zu  durchforschen ,  von  dem  allein  aus 
seiner  Ueberzeugung  zufolge  die  Morphologie  gesetzmässig 
zu  begründen  war.  Noch  bevor  sein  grosser  Mitstreiter 
auf  diesem  Felde,  v.  Baer,  die  Früchte  seiner  ersten  Stu- 
dien veröffentlicht  hatte,  schon  im  Jahre  1825,  errang  sich 


Vi  Vorwort. 

Bathkf  durch  zwei  ganz  hervorragende  Leistungen ,  die 
Untersuchungen  über  die  Entwicklung  der  Geschlechts- 
organe und  die  Entdeckung  der  Kiemenspalten  und  Kie- 
menbogen  bei  den  Säugethieren  und  Vögeln,  die  allge- 
meine Anerkennung  der  gelehrten  Welt ,  allein  auch  spä- 
ter als  Männer  wie  ein  v.  Baer  und  J.  Mueller  ihre  volle 
Kraft  an  dieses  Gebiet  zu  wenden  begannen,  kam  Bathke's 
Stern  nicht  zum  Erbleichen,  erglänzte  vielmehr  in  immer 
neuem  und  schönerem  Licht.  Kein  Forscher  hat  sich  eine 
so  allseitige  Einsicht  in  die  Entwicklung  der  Thiere  erwor- 
ben wie  Bathke,  so  dass  es  so  zu  sagen  kein  Organ  und  kei- 
nen Haupttypus  gibt,  mit  dem  er  sich  nicht  beschäftigt, 
den  er  nicht  in  seinem  Werden  belauscht  hätte  und  wird 
sicherlich  jedermann  mit  mir  einverstanden  sein,  wenn  ich 
behaupte  ,  dass  kein  Embryologe  so  viele  durchgreifende 
und  vollendete  monographische  Arbeiten  über  die  Ge- 
sammtentwicklung  der  Thiere  (Blennius ,  Natter ,  Schild- 
kröten, Flusskrebs,  Scorpion,  kleine  Kruster  u.a.  m.)  und 
eine  solche  Menge  epochemachender  Leistungen  über  die 
Bildung  der  einzelnen  Organe  und  Systeme  (Geschlechts- 
organe ,  Skelet,  Athmungswerkzeuge ,  Geruchsorgane, 
Venensystem,  grosse  Arterien,  Gehörorgan  u.  s.  w.)  aufzu- 
weisen hat.  Keiner  war  daher  auch  in  so  hohem  Grade 
befähigt  ein  Gesammtbild  der  Entwicklung  der  Wirbel- 
thiere  zu  entwerfen  und  wird  aus  diesem  Grunde  das  Er- 
scheinen dieser  Schrift,  auch  wenn  dieselbe  vielleicht  nicht 
ganz  die  Form  besitzt,  die  der  zu  früh  Geschiedene  ihr 
gegeben  hätte  ,  sicherlich  mit  allgemeinem  Beifall  aufge- 
nommen werden. 


Vorwort.  VII 

Die  Entwicklungsgeschichte  der  Wirbelthiere  wurde 
in  der  Gestalt .  in  der  sie  hier  erscheint,  von  Rathke  sei- 
nen Vorlesungen  zu  Grunde  gelegt  und  pflegte  derselbe 
auch  die  von  ihm  selbst  geschriebenen  Hefte  seinen  Schü- 
lern zur  Benutzung  zu  übergeben.  Seit  längerer  Zeit  hegte 
er  selbst  die  Absicht ,  seine  Vorträge  über  die  Entwick- 
lungsgeschichte sowohl  wie  über  vergleichende  Anatomie 
der  Wirbelthiere  in  Form  eines  Lehrbuches  herauszuge- 
ben, da  nun  aber  der  Tod  ihn  ereilt  hat,  ehe  er  dieses  sein 
Vorhaben  ausführen  konnte ,  so  erschien  es  seiner  Familie 
als  das  Zweckmässigste ,  das  Vorhandene  ganz  unver- 
ändert, wie  er  es  hinterlassen,  der  Presse  zu  übergeben, 
ein  Entschluss,  der  wohl  allgemeine  Billigung  finden  wird, 
denn  unstreitig  hätte  Rathke's  Arbeit  durch  eine  einge- 
hende Redaction  von  fremder  Hand  an  Eigenthümlichkeit 
und  Einheit  wohl  ebenso  viel  verloren ,  als  sie  vielleicht 
an  Abrundung  und  Vollständigkeit  gewinnen  konnte. 
Wenn  daher  auch  etwa  der  eine  oder  andere  den  Wunsch 
nicht  wird  unterdrücken  können ,  dass  das  Werk  etwas 
ausführlicher  ausgefallen ,  oder  etwas  mehr  der  histologi- 
schen Richtung  der  neuesten  Zeit  angepasst  sein  möchte, 
so  möge  er  bedenken ,  dass  mit  demselben  die  erste  allge- 
meine Arbeit  Rathke's  ihm  geboten  wird,  und  das  Buch 
als  ein  Denkmal  des  Forschers  ansehen ,  der  wenn  auch 
nicht  im  mikroskopischen  Gebiete  der  Embryologie ,  doch 
sicherlich  in  der  Bildungsgeschichte  der  Organe  und  Sy- 
steme als  der  Erfahrenste  und  Erste  dasteht  und  im  Ver- 
eine mit  v.  Baer  die  Bahn  gebrochen  hat,  auf  der  wir  alle 
jetzt  bequem  und  sicher  schreiten.    Ich  wenigstens  habe 


Viii  Vorwort. 

die  Kunde  von  der  Veröffentlichung  dieses  Werkes  mit 
Freuden  begrüsst,  um  so  mehr  als  mir  hier  noch  die  Gele- 
genheit geworden  ist ,  dem  Andenken  des  unermüdlichen 
und  vortrefflichen  Forschers,  den  ich  lange  als  meinen 
Lehrer  verehrte  und  dem  ich  später  auch  persönlich  näher 
trat,  öffentlich  meine  aufrichtige  Anerkennung  zu  zollen. 

Würzburg  6.  April  1861. 


A.  KOLLIKER. 


INHALT. 


Seite 

Erstes  Kapitel. 

Ueber  die  Beschaffenheit  und  das  Verhalten  des  Eies  vor  der  Entstehung 

des  Embryo 1 

Zweites  Kapitel. 

Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen 19 

Drittes  Kapitel. 

Ueber  die  hauptsächlichsten  Verschiedenheiten  in  der  Entwickelung  ver- 
schiedener Wirbelthiere 58 

Viertes  Kapitel. 

Von  dem  Nervensystem 94 

Fünftes  Kapitel. 

Von  den  Augen 108 

Sechstes  Kapitel. 

Von  dem  Gehörorgan 113 

Siebentes  Kapitel. 

Von  dem  Geruchsorgan 119 

Achtes  Kapitel. 

Von  dem  Skelet 124 

Neuntes  Kapitel. 

Von  dem  Darmkanal 144 

Zehntes  Kapitel. 

Von  den  Speicheldrüsen  und  der  Leber 149 

Eilftes  Kapitel. 

Von  den  eingeweidigen  Athemwerkzeugen 155 

Zwölftes  Kapitel. 

Von  den  Harn  Werkzeugen 163 

Dreizehntes  Kapitel. 

Von  den  Geschlechtswerkzeugen 175 

Vierzehntes  Kapitel. 
Von  dem  Herzen  und  den  Blutgefässen 185 


EB  1  3  1922 


V 


L 


Erstes  Kapitel. 

Ueber  die  Beschaffenheit  und  das  Verhalten  des  Eies  vor  der 
Entstehung  des  Embryo. 

§•  l. 

Der  Embryo  der  Thiere  im  Allgemeinen  entwickelt  sich  in 
dem  Eie,  und  zwar  zunächst  an  der  Oberfläche  desjenigen  Theiles 
des  Eies ,  welchen  man  Dotter  (  Vitellus)  nennt.  Dieser  nun  wird 
jedenfalls  gebildet  in  dem  Eierstocke,  und  mit  ihm  immer  auch 
eine  ihn  knapp  umgebende,  rings  geschlossene  und  strukturlose 
hautartige  Hülle,  die  Dotterhaut  (Membrana  vitellina).  Noch  an- 
dere Theile,  die  bei  vielen  Thieren  um  jene  beide  abgelagert  wer- 
den, das  Eiweiss  (Albumen)  und  die  Schalenhaut  (Chorion) ,  wer- 
den namentlich  bei  den  Wirbelthieren,  mit  Ausnahme  der  meisten 
Fische ,  erst  in  andern  Theilen  der  weiblichen  Geschlechtsorgane, 
den  Eierleitern ,  erzeugt ,  durch  welche  das  in  der  Ausbildung  be- 
griffene Ei,  nachdem  es  sich  vom  Eierstocke  abgelöst  hat,  hindurch- 
gehen muss. 

§•  2. 

Zu  der  Zeit,  da  sich  das  Ei  vom  Eierstocke  ablöst,  hat  es  wohl 
bei  allen  Wirbelthieren  die  Form  einer  Kugel,  aber  bei  verschie- 
denen Arten  derselben  eine  im  Verhältniss  zu  dem  ganzen  Körper 
sehr  verschiedene  Grösse.  Verhältnissmässig  am  grössten  ist  es  bei 
den  Vögeln ,  nächst  diesen  bei  den  beschuppten  Amphibien  und 
den  Plagiostomen,  am  kleinsten  dagegen  bei  den  Säugethieren.  So 
beträgt  beim  Menschen  sein  Durchmesser  dann  höchstens  yi0  Linie, 

Kathke,  Vorlesungen. 


2  I.  Ueber  die  Beschaffenheit  und  das  Verhalten  des  Eies 

bei  der  Maus  %0,  bei  dem  Schafe.,    dem  Kaninchen,    der  Katze 
Vis  Linie. 


Wie  der  Eierstock  der  Wirbelthiere  auch  geformt  und  beschaf- 
fen sein  mag,  jedenfalls  erscheint  in  ihm  das  Ei  bald  nach  seinem 
Auftreten  als  ein  kleines  und  rundliches  häutiges  Bläschen,  das  mit 
einer  mehr  oder  weniger  klaren  Flüssigkeit  gefüllt  ist.  In  dieser 
Flüssigkeit  aber  schwebt  ein  noch  kleineres  Bläschen,  das  man  nach 
seinem  Entdecker  das  PuRKiNJE'sche  oder  auch  das  Keimbläs- 
chen (Vesicula  germinativa)  nennt.  Das  letztere  ist  ebenfalls  mit 
einer  klaren  Flüssigkeit  angefüllt  und  enthält  ausserdem,  je  nach 
den  verschiedenen  Arten  der  Wirbelthiere,  einen  oder  mehrere 
rundliche,  etwas  opake  und  nicht  selten  fein  granulirte  Flecke,  die 
man  Keim  flecke  (Maculae  g er minaiivae)  genannt  hat,  die  aber 
häufig  ebenfalls  häutige  Bläschen  sind.  In  dem  Ei  des  Menschen 
und  vielleicht  aller  Säugethiere  kommt  in  der  Hegel  nur  ein  einzi- 
ger solcher  Fleck  vor,  dagegen  in  den  Eiern  der  Schildkröten  und 
Batrachier  eine  bedeutende  Anzahl.  Ob  übrigens  das  Keimbläs- 
chen, wie  Einige  meinen,  bei  allen  Thieren  der  zuerst  auftretende 
Theil  des  Eies  ist,  lässt  sich  noch  nicht  mit  Gewissheit  bestimmen, 
doch  ist  dieses  sehr  wahrscheinlich. 

Die  das  Keimbläschen  umgebende,  anfangs  farblose  und  ganz 
klare  eiweisshaltige  Flüssigkeit  ist  der  Dotter  (Vitellus).  Allmä- 
lig  nimmt  sie  an  Masse  mehr  oder  weniger  zu  und  verändert  zu- 
gleich auch  ihren  Aggregatzustand,  wie  überhaupt  ihre  physikali- 
sche Beschaffenheit :  denn  späterhin  besteht  der  Dotter  zum  klei- 
nern Theil  aus  einer  klaren,  gleichartigen  und  formlosen  eiweiss- 
haltigen  Flüssigkeit  (Liquor  vitelli),  zum  grössern  aber  aus  kleinen 
Massen  von  bestimmten  Formen ,  die  man  die  Formelemente  des 
Dotters  oder  die  Dotterkörperchen  nennt  und  zwischen  denen  jener 
erstere  Theil  verbreitet  ist.  Bei  den  verschiedenen  Arten  der  Wir- 
belthiere zeigen  diese  Körperchen  eine  verschiedene  Bildung.  Im 
Allgemeinen  aber  kann  man  zwei  hauptsächlich  verschiedene  Be- 
schaffenheiten des  Dotters  annehmen. 

1.   Bei  einigen  Wirbelthieren ,  namentlich  bei  den  Säugethie- 


vor  der  Entstehung  des  Embryo.  3 

reu  und  Batrachiern,  erscheinen  die  Dotterkörperchen  als  kleine, 
obgleich  verschiedentlich  grosse  Körner  ohne  eine  Höhle.  Bei  den 
Säugethieren  haben  dieselben  meistens  eine  rundliche  Form  und 
bestehen,  wie  es  den  Anschein  hat,  der  Mehrzahl  nach  aus  einer 
weichen  proteinhaltigen  Substanz;  einige  aber,  besonders  die  grös- 
sern, geben,  sich  deutlich  als  kleine  Tropfen  eines  flüssigen  Fettes 
zu  erkennen.  Bei  den  Batrachiern ,  bei  denen  sie  der  Hauptsache 
nach  aus  einem  festen  Fett  bestehen,  haben  nur  die  kleinsten  eine 
rundliche  Form,  die  übrigen  aber  sind  vierseitige  Täfelchen  mit 
abgerundeten  Ecken. 

2.  Bei  vielen  andern  Wirbel thieren  sind  die  Dotterkörperchen 
häutige  Blasen  oder  gleichsam  Zellen  ohne  eigentlichen  Zellenkern, 
die  jedoch  bei  den  verschiedenen  Arten  dieser  Thiere  einen  ver- 
schiedenen Inhalt  haben.  Bei  den  Grätenfischen  enthalten  sie  nur 
eine  sehr  gerinnbare  dickliche  Flüssigkeit.  Dasselbe  gilt  auch  von 
denjenigen,  welche  in  dem  peripherischen  oder  festern  Theile  des 
Dotters  der  Vögel  vorkommen.  Diejenigen  aber,  welche  den  tie- 
fern und  dünnern  Theil  des  Dotters  der  Vögel  zusammensetzen, 
enthalten  ausser  einer  gerinnbaren  dicklichen  Flüssigkeit  noch 
einen  oder  mehrere  Tropfen  eines  flüssigen  Fettes.  In  den  Eiern 
der  Schildkröten  und  Plagiostomen  enthalten  alle  Dotterkörperchen 
ausser  einer  gerinnbaren  Flüssigkeit  noch  einen  bis  drei  Tropfen 
flüssigen  Fettes,  von  denen  jeder  seine  besondere  ihn  knapp  um- 
gebende und  ziemlich  dickhäutige  Hülle  hat.  In  den  Eiern  der 
Schlangen  aber  findet  man  sämmtliche  Dotterkörperchen  noch  zu- 
sammengesetzter. Jeder  nämlich  enthält  ausser  einer  sehr  geringen 
kaum  merkbaren  Quantität  von  Flüssigkeit  mehrere  kleinere  häu- 
tige Blasen,  und  von  diesen  enthalten  einige  inmitten  einer  sehr 
gerinnbaren  Flüssigkeit  einen  Fetttropfen,  der  von  einer  ihn  knapp 
umschliessenden  häutigen  Hülle  umgeben  ist,  andere  hingegen  statt 
eines  solchen  eine  kleine  mit  gerinnbarer  Flüssigkeit  gefüllte  Blase. 
Uebrigens  kommt  auch  in  den  Eiern  der  Grätenfische  flüssiges  Fett 
vor,  aber  nicht  innerhalb,  sondern  ausserhalb  der  blasenartigen 
Dotterkörperchen,  und  zwar  entweder  in  einem  einzigen  grössern 
oder  in  einigen  oder  in  vielen  kleinen  Tropfen,  und  diese  sind  ent- 
weder nackt,  oder  von  einer  besondern  Flaut  umschlossen.   — 


4  I.  Ueber  die  Beschaffenheit  und  das  Verhalten  des  Eies 

Der  Liquor  vitelli,  der  die  Zwischenräume  zwischen  allen 
Dotterkörperchen  so  wie  auch  zwischen  ihnen  und  der  Dotterhaut 
ausfüllt,  ist  entweder  sehr  dünnflüssig ,  so  namentlich  in  dem  Ei 
der  carnivoren  Säugethiere,  oder  ziemlich  dickflüssig  und  selbst 
wohl  etwas  fadenziehend,  wie  z.  B.  in  dem  Ei  der  Frösche,  oder 
sogar,  doch  nur  selten,  so  consistent,  dass  er  in  Stücke  zerschnitten 
werden  kann,  wie  z.  B.  meistens  in  dem  Ei  des  Menschen. 

In  chemischer  Hinsicht  lässt  sich  über  den  Dotter  im  Ganzen 
angeben,  dass  er  der  Hauptsache  nach  aus  proteinhaltigen  Stoffen 
und  Fett  besteht,  in  Hinsicht  seiner  Farbe  aber,  dass  sie  bei  ver- 
schiedenen Arten  der  Wirbel thiere  sehr  verschieden,  meistens  je- 
doch Aveisslich  oder  gelb  ist. 

Das  Keimbläschen  hat  anfangs  im  Verhältniss  zu  dem  Dot- 
ter eine  beträchtliche  Grösse  und  liegt  ungefähr  in  der  Mitte  des- 
selben. Nachher  aber  nimmt  es  nur  wenig  an  Umfang  zu,  während 
sich  dagegen  der  Dotter  bedeutend  vergrössert,  und  wandert  dann 
zur  Oberfläche  desselben  hin.  Gleichzeitig  bildet  sich  bei  manchen 
Wirbelthieren,  namentlich  bei  den  Vögeln  und  Amphibien,  an  der 
Oberfläche  des  Dotters,  und  zwar  in  der  Gegend,  nach  welcher 
sich  das  Keimbläschen  hinbegiebt,  eine  Schicht  einer  granulirten 
Substanz,  die  eine  Scheibe  oder  Schale  darstellt,  und  die  Keim- 
scheibe, Discus  proligerus  oder  Stratum  proligerum  genannt 
wird.  Nur  sehr  klein  ist  dieselbe  im  Verhältniss  zu  der  ganzen 
Oberfläche  des  Dotters  bei  den  Vögeln ,  grösser  bei  den  beschupp- 
ten Amphibien,  am  grössten  bei  den  Fröschen  und  den  einheimi- 
schen Kröten,  bei  denen  sie  sich  über  den  grössten  Theil  des  Dot- 
ters ausbreitet.  Ihre  Dicke  ist  im  Verhältniss  zu  ihrer  Ausbreitung 
nur  geringe  oder  doch  nur  massig  gross.  Am  dicksten  aber  wird 
die  Keimscheibe  jedenfalls  in  ihrer  Mitte,  wohin  das  auf  der  Wan- 
derung begriffene  Keimbläschen  seine  Richtung  nimmt,  und  wo 
sie  von  diesem  nach  einiger  Zeit  auch  durchbohrt  wird.  Denn 
wenn  das  Keimbläschen  mit  ihr  dort  in  Berührung  gekommen  ist, 
wulstet  sich  um  dasselbe  ihre  Substanz  zu  einem  es  einschliessen- 
den  und  der  Mitte  des  Eies  zugekehrten  Ringe  auf,  der  alsbald  die 
Form  eines  Hügels  annimmt,  welchen  man  den  Keimhügel  oder 
Cumulus  disci  proligeri  nennt.   In  Hinsicht  seiner  chemischen  und 


vor  der  Entstehung  des  Embryo.  5 

physikalischen  Beschaffenheit  richtet  sich  der  Discus  nach  der  Be- 
schaffenheit des  Dotters,  dem  er  dicht  anfliegt  und  von  dem  er 
sich  nicht  ohne  Beschädigung  trennen  lässt.  So  besteht  er  in  den 
Eiern  der  Batrachier  aus  ähnlichen  soliden  und  an  den  Ecken  ab- 
gerundeten Täf eichen,  wie  der  Hauptsache  nach  der  Dotter,  hin- 
gegen in  den  Eiern  der  beschuppten  Amphibien  und  Vögel ,  wie 
deren  Dotter,  aus  häutigen  Blasen,  die  mit  einer  gerinnbaren  Flüs- 
sigkeit angefüllt  sind.  Jedoch  sind  diese  seine  Formelemente  je- 
denfalls kleiner  und  zarter  als  der  Mehrzahl  nach  die  Formelemente 
des  Dotters,  die  sogenannten  Dotterkörperchen.  Auch  enthalten 
sie  mehr  Albumin  und  weniger  Fett  als  jene.  Desgleichen  zeich- 
nen sie  sich  häufig  durch  eine  andere  Farbe  aus :  so  ist  in  den  Eiern 
der  Frösche  der  Discus  proligerus  an  der  äussern  Fläche  braun 
oder  fast  schwarz  und  in  der  Tiefe  grau,  der  Dotter  dagegen  durch- 
weg gelb;  in  den  Eiern  der  beschuppten  Amphibien  und  Vögel 
weiss,  der  Dotter  aber  meistens  gelb.  Ueberdies  hängen  seine 
Formelemente  zwar  nur  locker  zusammen,  doch  jedenfalls  weniger 
locker,  als  die  des  Dotters.  Keine  Keimscheibe  ist  bisher  in  dem 
Eierstocks  -  Ei  der  Säugethiere  gefunden  worden;  auch  habe  ich 
eine  solche  eben  so  wenig,  wie  von  Baer,  in  den  Eierstocks-Eiern 
der  Grätenfische  bemerken  können. 

Die  Haut,  welche  den  Dotter  und  das  Keimbläschen  umgiebt, 
bleibt  ganz  durchsichtig  und  behält  bei  den  meisten  Wirbelthieren 
nur  eine  geringe  Dicke.  Dagegen  erlangt  sie  bei  den  Säugethie- 
ren,  während  das  Ei  sich  in  dem  Eierstocke  vergrössert,  eine  ver- 
hältnissmässig  bedeutende  Dicke ,  bleibt  aber  auch  bei  ihnen  ganz 
durchsichtig.  Man  nennt  sie  die  Dotterhaut,  Membrana  vitel- 
lina,  bei  den  Säugethieren  aber  gewöhnlich  Zona  pellucida.  Einige 
Zeit  hindurch  besteht  vielleicht  bei  allen  Wirbelthieren  diese  Dot- 
terhaut aus  zwei  verschiedenen  Schichten,  einer  äussern  struktur- 
losen und  einer  innern  aus  lauter  platten,  dicht  neben  einander  lie- 
genden und  in  einer  einzigen  Lage  ausgebreiteten  Primitivzellen 
mit  Kern  und  Kernkörper.  Die  innere  Schicht  aber  verschwindet 
gegen  die  Zeit  der  Reife  des  Eierstocks-Eies  spurlos.  Noch  andere 
Häute  lassen  sich  an  dem  Ei,  so  lange  es  in  der  Substanz  des  Eier- 
stockes eingebettet  ist,  nicht  erkennen.    R.  Wagner  glaubt  zwar, 


6  I.  Ueber  die  Beschaffenheit  und  das  Verhalten  des  Eies 

dass  bei  verschiedenen  Wirbelthieren  das  Eierstocks  -  Ei ,  bevor  es 
sich  von  seiner  Bildungsstätte  abgelöst  hat,  ausser  einer  Dotterhaut 
auch  noch  ein  Chorion  erhält ,  doch  mit  Unrecht.  Ebenso  beruht 
es  auf  einem  Irrthum,  wenn  Krause  angiebt,  dass  nach  innen  von 
der  Zona  pellucida  des  Eierstocks -Eies  der  Säugethiere  noch  eine 
viel  dünnere  Haut  vorkommt  und  die  eigentliche  Dotterhaut  vor- 
stellt. 


Während  das  Ei  sich  in  dem  Eierstock  vergrössert,  drängt  es, 
wo  es  grade  liegt,  die  Substanz  desselben  oder  das  sogenannte 
Keimlager  (Stroma)  immer  mehr  auseinander.  In  Folge  davon  ver- 
dichtet sich  dieses  rings  um  das  Ei  mehr  oder  weniger  und  bildet 
eine  Kapsel,  Theca ,  die  besonders  reich  an  zarten  Blutgefässen 
wird.  Zugleich  erhebt  sich  diese  Kapsel  immer  mehr  über  die  Ober- 
fläche des  Eierstockes,  und  zwar  in  den  sackartigen  Eierstöcken 
über  die  innere,  in  den  dichten  über  die  äussere  Fläche  derselben. 
Wird  der  Dotter  im  Verhältniss  zu  der  Dicke  des  Eierstocks  be- 
deutend gross,  wie  z.  B.  bei  den  Vögeln  und  Schildkröten,  so  ist 
die  Erhebung  jener  Kapsel  so  bedeutend,  dass  dieselbe  zuletzt  nur 
noch  durch  einen  kurzen  und  massig  dicken  Stiel  mit  dem  übrigen 
Theil  des  Eierstocks  zusammenhängt;  sonst  aber  bildet  sie  an  der 
Oberfläche  dieses  Organes  nur  einen  mehr  oder  Aveniger  grossen 
Hügel. 

Das  Ei  wird  bei  den  meisten  Thieren  von  seiner  Kapsel  ganz 
knapp  umgeben.  Bei  den  Säugethieren  aber  wird  von  dieser  mit 
der  Zeit  eine  seröse  Flüssigkeit  ausgeschieden,  die  sich  im  Verhält- 
niss zu  dem  Eie  in  einer  bedeutend  grossen  Quantität  anhäuft,  und 
zugleich  bildet  sich  an  der  innern  Fläche  der  Kapsel  eine  hohlku- 
gelartige,  sehr  zarte  und  strukturlose  Haut,  die  schwer  zu  erken- 
nen ist,  wie  auch  nach  innen  von  dieser  eine  ihr  allenthalben  dicht 
anliegende  sehr  viel  dickere,  doch  im  Ganzen  nur  massig  dicke 
Schicht  von  einer  feinkörnigen  oder  eigentlich  aus  Zellen,  Zellen- 
kernen und  deren  Bindemittel  bestehenden  durchsichtigen  Sub- 
stanz. In  dieser  Schicht  nun,  welche  das  Stratum  granulosum  ge- 
nannt wird,  und  die  nicht  etwa  für  eine  besondere  Haut  gehalten 


vor  der  Entstehung-  des  Embryo.  7 

werden  kann,  findet  man  da,  wo  die  Kapsel  über  die  Oberfläche 
des  Eierstocks  hügelartig  etwas  hervorragt,  das  Eichen  eingebettet. 
Bei  den  Säugethieren  nennt  man  die  beschriebenen  Kapseln 
GiiAAF'sche  Bläschen  {Ovula  Graaßana  oder  auch  Folliculi  Graa- 
fiani).  Bei  dem  Menschen  erreichen  sie  die  Grösse  einer  kleinen 
Erbse,  und  die  Zahl  der  grössten  von  ihnen  beträgt  in  den  Jahren 
der  Pubertät  in  jedem  Eierstocke  ungefähr  15  —  20.  Uebrigens 
kommt  zwar  gewöhnlich  in  je  einem  GitAAF'schen  Bläschen  nur  ein 
einziges  Eichen  vor,  doch  hat  man  in  seltenen  Fällen  auch  zwei 
Eier  in  einem  Bläschen  gefunden. 


§.  5. 

Bei  den  Eischen,  Amphibien  und  Vögeln  verlassen  die  Eier, 
wenn  sie  die  gehörige  Reife  erlangt  haben,  ihre  Bildungsstätte, 
ohne  dass  eine  Befruchtung  vorhergegangen  ist.  Bei  den  Säuge- 
thieren sollte  dieses  nicht  der  Fall  sein :  aber  nach  Bischoff's  ge- 
nauen Untersuchungen  lösen  sich  bei  ihnen  während  jeder  Brunst 
und  bei  dem  Frauenzimmer  während  einer  jeden  Menstruation, 
oder  doch  gleich  danach,  ein  Ei  oder  einige  Eier  von  dem  Eier- 
stocke, ohne  dass  die  Begattung  darauf  einen  Einnuss  hat. 


§•  6. 

Soll  die  Kapsel  sich  ihres  Inhaltes  entleeren,  so  wird  sie  an 
einer  Stelle  immer  dünner  und  bekommt  dann  an  derselben  einen 
Riss.  Bei  den  meisten  Wirbelthieren  liegt  die  Ursache  davon  in 
der  zunehmenden  Vergrösserung  des  Eies  selbst,  das  die  Kapsel 
von  innen  her  immer  mehr  ausdehnt,  bei  den  Säugethieren  aber 
und  dem  Menschen  hauptsächlich  in  einer  rasch  erfolgenden  Zu- 
nahme der  in  der  Kapsel  enthaltenen  serumartigen  Flüssigkeit,  wäh- 
rend zu  dem  Eierstocke  ein  stärkerer  Andrang  des  Blutes  stattfin- 
det. Durch  den  Riss  der  Kapsel  wird  bei  den  Säugethieren  nicht 
blos,  wie  es  bei  andern  Wirbelthieren  der  Fall  ist,  das  Ei,  sondern 
mit  diesem  auch  die  serumartige  Flüssigkeit  der  Kapsel  und  ein 
Theil  des  Stratum  granulosum ,  namentlich  derjenige,  in  welchem 
das  Eichen  seinen  Sitz  hat,  ausgeschieden.    Nach  ihrer  Entleerung 


8  I.  Ueber  die  Beschaffenheit  und  das  Verhalten  des  Eies 

aber  zieht  sich  die  Kapsel  bei  den  meisten  Wirbelthieren  immer 
mehr  zusammen  und  verschwindet  durch  Resorption  in  der  Regel 
gänzlich.  Bei  den  Säugethieren  dagegen  verwächst  ihr  Einriss,  der 
übrigens  nur  eine  geringe  Grösse  hat ,  und  es  füllt  sich  darauf  die 
Höhle  der  Kapsel  mit  einer  mehr  oder  weniger  gelben,  ziemlich 
festen,  fast  speckartigen,  zum  Theil  gefaserten  und  von  Blutgefäs- 
sen durchdrungenen  Substanz  an,  die  zuletzt  eine  dichte  Kugel 
darstellt,  der  man  den  Namen  Corpus  luteum  gegeben  hat.  Es  bil- 
det sich  dieselbe  aus  dem  Stratum  granulosum  des  GRAAr'schen 
Bläschens  und  ist  gleichsam  eine  Wucherung  jener  Schicht  von 
Zellen,  die  zugleich  von  einer  Veränderung  in  dem  Gefüge  der  er- 
wähnten Schicht  begleitet  wird.  Ehe  nämlich  das  GRAAp'sche 
Bläschen  platzt,  hat  sich  in  derjenigen  Hälfte  desselben,  welche 
der  Mitte  des  Eierstocks  zugekehrt  ist,  also  gegenüber  der  Stelle, 
wo  der  Einriss  erfolgt,  das  Stratum  granulosum  schon  etwas  ver- 
dickt. Wenn  aber  das  GnAAF'sche  Bläschen  geplatzt  ist,  nimmt 
die  Verdickung  dieses  Theiles  des  Stratum  granulosum ,  der  nicht 
mit  dem  Eie  ausgestossen  wird,  noch  immer  mehr  zu,  bis  endlich 
von  ihm  die  Höhle  des  Bläschens  vollständig  ausgefüllt  ist.  — 
Nachdem  sich  ein  Corpus  luteum  völlig  ausgebildet  hat,  besteht  es 
einige  Zeit,  ohne  eine  Veränderung  zu  erfahren.  Dann  aber  ver- 
kleinert es  sich  und  geht  endlich  mit  seiner  Kapsel  spurlos  ver- 
loren. Man  findet  daher  bei  mannbaren  Frauenzimmern  sehr  viel 
weniger  Corpora  lutea,  als  bei  ihnen  GRAAF'sche  Bläschen  geplatzt 
und  Eier  aus  denselben  entleert  waren. 

Was  das  Ei  anbelangt,  so  verschwindet  in  ihm  bei  den  Wir- 
belthieren um  die  Zeit,  da  es  seine  Kapsel  verlässt,  das  Keimbläs- 
chen spurlos,  wahrscheinlich  indem  es  ganz  aufgelöst  und  verflüs- 
sigt wird.  Die  Keimflecke  sollen  zwar  nach  Beobachtungen ,  die 
Carl  Vogt  an  der  Geburtshelferkröte  gemacht  haben  will,  übrig 
bleiben  und  sich  mit  dem  Dotter  vermischen :  indessen  beruht  diese 
Angabe  auf  einem  Irrthum.  Denn  was  Vogt  für  nachgebliebene 
Keimflecke  gehalten  hat,  sind,  wie  ich  durch  vielfältige  Untersu- 
chungen an  Froscheiern  erfahren  habe,  sehr  kleine  bei  der  Unter- 
suchung des  Dotters  unter  Wasser  abgetrennte  Quantitäten  des 
Liquor  vitelli,  die  sich  im  Wasser  sogleich  nach  ihrer  Abtrennung 


vor  der  Entstehung  des  Embryo.  9 

zu  Kugeln  zurunden.  Ferner  habe  ich  in  den  Eiern  von  Fischen 
und  sehr  vielen  wirbellosen  Thieren  niemals,  nachdem  das  Keim- 
bläschen versclxwunden  war,  Etwas  auffinden  können,  was  sich 
hätte  mit  einiger  Gewissheit  für  einen  übrig  gebliebenen  Keimfleck 
ausgeben  lassen.  Und  überdies  Avill  Koelliker  bei  mehreren  wir- 
bellosen Thieren  beobachtet  haben,  dass  der  Keimfleck  früher  ver- 
schwindet als  das  Keimbläschen.  —  (Bischoff's  Entwickelungs- 
Geschichte  des  Hundeeies.  Pouchet  ,  Theorie  de  V Ovulation  spon- 
tanee  (Paris  1847).  Yogt,  Entwickelungs -Geschichte  von  Alytes 
obstetricans  (Solothurn  1842).  Koelliker  in  Müllers  Archiv  1843? 
Heft  1  und  2.) 

Während  bei  den  Fischen,  mit  Ausnahme  der  Plagiostomen, 
das  Ei  nach  seiner  Lösung  noch  einige  Zeit  entweder  in  der  Höhle 
des  Eierstockes  oder  in  der  Bauchhöhle  verweilt,  erhält  es  einen 
Ueberzug  von  einer  klaren  eiweissartigen  Flüssigkeit.  Von  dieser 
aber  gerinnt  darauf  die  oberflächlichere  Partie  in  der  Pegel  erst 
dann,  wenn  das  Ei  ins  Wasser  gelangt  ist,  seltener  (Blennius  vivi- 
parus)  schon  in  dem  Eierstock,  und  bildet  mehr  oder  weniger  deut- 
lich eine  häutige  strukturlose  Hülle,  das  Chorion.  Bei  den  übri- 
gen Wirbelthieren  erfolgt  eine  solche  Vervollständigung  des  Eies, 
während  dasselbe  durch  den  Eierleiter  hindurchgeht.  Hier  näm- 
lich wird  es  zunächst  von  einem  klaren  Eiweiss  umgeben,  und 
zwar  in  bedeutender  Menge  bei  den  Plagiostomen,  Batrachiern, 
Schildkröten  und  Vögeln ,  dagegen  nur  in  sehr  geringer  bei  den 
Schlangen,  Eidechsen  und  Krokodilen;  etwas  später  erhält  es  in- 
nerhalb des  Eierleiters  auch  in  der  Pegel  ein  Chorion.  Dieses 
ist  hornartig  bei  den  meisten  Plagiostomen,  hautartig  und  struktur- 
los bei  den  geschwänzten  Batrachiern ,  hautartig ,  gefasert  und  in 
dem  äussern  Theile  mit  mehr  oder  weniger  Kalk  getränkt  bei  den 
Vögeln  und  beschuppten  Amphibien ,  mit  Ausnahme  der  lebendig 
gebärenden,  bei  denen  es  keinen  Kalk  enthält.  Kein  Chorion  lässt 
sich  an  den  Eiern  der  ungeschwänzten  Batrachier  erkennen.  An- 
belangend endlich  die  Säugetliiere,  so  ist  von  Einigen,  besonders 
von  Bischoff,  behauptet  worden,  dass  die  Hülle,  welche  das  Ei 


10  I.  Ueber  die  Beschaffenheit  und  das  Verhalten  des  Eies 

derselben  aus  dem  Eierstock  mitbringt,  also  die  Zona pellucida  oder 
Membrana  vitellina,  innerhalb  des  Uterus  sich  erweitert  und  ver- 
dickt und  sich  überhaupt  in  das  Chorion  umwandelt.  Doch  giebt 
von  Baer  an,  dass  er  bei  dem  Schafe  und  dem  Schweine  die  Ent- 
stehung des  Chorions  im  Uterus  Schritt  vor  Schritt  verfolgt  habe, 
dann  aber  auch  äussert  Bischoff  selbst,  dass  nach  seinen  Beobach- 
tungen an  den  Eiern  des  Kaninchens  und  des  Hundes ,  während 
sie  durch  die  Trompeten  hindurchgehen,  die  Haut,  die  sie  aus  dem 
Eierstock  mitgebracht  haben ,  immer  dünner  wird,  und  dass  bald 
darauf,  Avenn  da«  Ei  in  dem  Uterus  angelangt  ist,  dasselbe  mit  der 
Wandung  dieses  Organs  sich  so  verbindet,  dass  man  es  einige  Zeit 
hindurch  stets  verletzt,  wenn  man  den  Uterus  aufschneidet.  Bi- 
schoff ist  demnach  nicht  füglich  im  Stande  gewesen,  sich  bei  den 
genannten  Thieren  eine  nähere  Kenntniss  darüber  zu  verschaffen, 
ob  sich  bei  ihnen  die  ursprüngliche  Haut  des  Eies  in  der  That,  wie 
er  behauptet,  in  das  Chorion  umwandelt.  Wohl  aber  spricht  die 
von  ihm  gemachte  Beobachtung,  dass  namentlich  das  Ei  der  Ka- 
ninchen in  den  Trompeten  eine  Schicht  von  Eiweiss  erhält,  durch- 
aus gegen  die  Meinung,  die  er  von  der  Entstehung  des  Chorions 
aufgestellt  hat.  Ueberdies  vergeht  bei  allen  übrigen  Wirbelthieren 
die  Dotterhaut,  während  sich  im  Ei  der  Embryo  entwickelt;  es 
wäre  daher  gegen  alle  Analogie,  wenn  bei  den  Säugethieren  die 
Zona  pellucida,  die  Bischoff  selber  für  die  Dotterhaut  hält,  nicht 
blos  bis  zur  Geburt  der  Frucht  verbleiben,  sondern  auch  enorm  an 
Umfang  und  Dicke  zunehmen  und  aus  ihrer  Oberfläche  eine  un- 
zählbare Menge  von  Zotten  hervortreiben  sollte. 


Die  Entwickelung  des  Embryo  der  Wirbelthiere  beginnt, 
nachdem  das  Ei  befruchtet  worden,  jedenfalls  an  der  Oberfläche 
des  Dotters,  wo  zur  Bildung  desselben  zunächst  ein  Theil  des  Eies 
verwendet  wird,  den  man  seit  langer  Zeit  den  Keim,  Germen 
oder  Blastos  nennt,  der  aber  auch,  wenn  seine  Massentheile  einen 
ziemlich  festen  Zusammenhang  erlangt  haben,  die  Keim  haut 
oder  das  Blastoderma  genannt  wird.  In  den  Eiern  derjenigen 
Wirbelthiere,  bei  welchen  sich  in  denselben,  während  sie  noch  im 


vor  der  Entstehung  des  Embryo.  \\ 

Eierstocke  lagen  und  noch  nicht  befruchtet  waren.,  auf  dem  Dotter 
ein  Discus  proligerus  gebildet  hatte ,  ist  der  Keim  nichts  Anderes, 
als  dieser  mehr  vergrößerte  Discus,  dessen  vorhin  (§.  3)  erwähnter 
Hügel  sich  abgeflacht,  und  dessen  in  diesem  Hügel  befindliche 
Oeffnung  sich  nach  dem  Verschwinden  des  Keimbläschens  ge- 
schlossen hatte.  In  den  Eiern  derjenigen  Wirbel thiere  aber,  bei 
welchen  sich  kein  das  Keimbläschen  aufnehmender  Discus  prolige- 
rus gebildet  hatte ,  wie  namentlich  in  den  Eiern  der  Säugethiere, 
ist  der  Keim  ein  Gebilde,  das  erst  nach  dem  Verschwinden  des 
Keimbläschens  und  nach  einer  erfolgten  Befruchtung  des  Eies  an 
der  Oberfläche  des  Dotters  entsteht,  indem  daselbst  ein  Theil  des 
letztern  eine  andere  Beschaffenheit  als  der  übrige  annimmt,  beson- 
ders aber  eine  grössere  Festigkeit  erlangt,  und  auf  jenem  übrigen 
Theile  gleichsam  eine  Binde  darstellt,  die  aus  lauter  mit  einem 
Kern  versehenen  Zellen  zusammengesetzt  ist.  Indess  kann  in  dem 
einen,  wie  in  dem  andern  Falle  der  Keim  nur  als  eine  besondere 
Modification  des  Dotters  betrachtet  werden. 

Derjenige  Theil  des  Dotters,  welchen  man  unter  dem  Namen 
des  Keimes  zu  verstehen  hat,  wandelt  sich  unmittelbar  in  den  Em- 
bryo oder  die  Frucht  um,  indem  seine  einfach  geformte  Masse  all- 
mälig  die  zusammengesetzte  Form  eines  Embryo  annimmt.  Der 
übrige  Theil  des  Dotters  aber  dient  nur  mittelbar  zur  Bildung  und 
Entwich elung  des  Embryo,  indem  er  von  jenem  erstem  Theile,  der 
sich  auch  immer  mehr  vergrössert,  wie  ein  Nahrungsmittel  assimi- 
lirt  und  allmälig  ganz  aufgezehrt  wird.  Dieser  Verhältnisse  wegen 
hat  Beichert  für  denjenigen  Theil  des  Dotters,  welchen  man  zu 
einer  Zeit ,  da  man  erst  das  Ei  der  Vögel  auf  seine  Entwickelung 
näher  untersucht  hatte,  den  Keim  benannte,  sehr  passend  den  Na- 
men des  Fruchtdotters,  für  den  übrigen  Theil  des  Dotters  aber 
den  Namen  des  Nahrungsdotters  gewählt. 

Die  Ausbreitung  des  Keimes  oder  Frachtdotters  airf  dem  Nah- 
rungsdotter  ist  in  den  Eiern  der  verschiedenen  Wirbelthiere  gegen 
die  Zeit,  da  sich  aus  demselben  schon  besondere  Organe  eines  Em- 
bryo bilden  wollen,  dem  Grade  nach  sehr  verschieden.  In  den 
Eiern  der  Vögel  ist  der  Keim  selbst  dann  verhältnissmässig  sehr 
klein  und  bedeckt  nur  einen  sehr  kleinen  Theil  der  Oberfläche  des 


12  I-  Ueber  die  Beschaffenheit  und  das  Verhalten  des  Eies 

Nahrungsdotters ;  in  denen  der  Geburtshelferkröte  (Alytes  obstetri- 
cans)  bedeckt  er  die  eine  ganze  Hälfte  des  Nahrungsdotters,  in  de- 
nen der  Frösche  und  hiesigen  Kröten  beinahe  den  ganzen  Nah- 
rungsdotter, und  in  denen  der  Säugethiere  sogleich,  wie  er  ent- 
steht, ebenfalls  beinahe  vollständig,  den  ganzen  Nahrungsdotter. 
Ferner  hat  der  Keim  im  Verhältniss  zu  seiner  Ausbreitung  eine 
sehr  verschiedene  Dicke.  Meistens  ist  diese  nur  geringe  oder  doch 
nur  massig,  in  den  Eiern  der  Frösche  und  der  einheimischen  Krö- 
ten aber,  besonders  in  der  Mitte  des  Keimes,  ansehnlich  gross. 
Gegen  den  Nahrungsdotter  ist  übrigens  der  Keim  meistens  scharf 
abgegrenzt;  auch  hat  sich  mitunter  zwischen  beiden  eine  geringe 
Quantität  einer  klaren  Flüssigkeit  ausgeschieden,  wie  z.  B.  in  den 
Eiern  der  Vögel,  oder  es  hat  sich,  während  der  Keim  entstand,  der 
Nahrungsdotter  in  eine  Flüssigkeit  umgewandelt,  wie  namentlich 
in  den  Eiern  mancher  Grätenfische.  In  den  Eiern  der  Batrachier 
aber  lässt  sich  zwischen  beiden  hinsichts  ihrer  physikalischen  und 
chemischen  Beschaffenheit  keine  scharfe  Grenze  auffinden,  sondern 
es  geht  in  ihnen  die  feinkörnige  Substanz  des  Keimes  ganz  allmä- 
lig  in  die  grobkörnige  des  Nahrungsdotters  über. 

Der  flüssige  Inhalt  des  vergehenden  Keimbläschens  kann  zur 
Bildung  oder  zur  Vergrösserung  des  Keimes,  wenn  überhaupt  et- 
was, so  doch  nur  wenig  beitragen,  weil  seine  Masse  im  Verhältniss 
zu  der  des  letztern  nur  geringe  ist.  Was  aber  die  Keimflecke  an- 
belangt, so  gehen  sie  nicht,  wie  Vogt  in  den  Eiern  [der  Geburts- 
helferkröte bemerkt  zu  haben  glaubt,  als  solche  in  den  Keim  über 
und  dienen  zur  Zusammensetzung  desselben,  sondern  werden  eben- 
so, wie  die  Wandung  des  Keimbläschens,  völlig  aufgelöst. 

§.   9. 

In  dem  Ei  der  meisten  oder  vielleicht  aller  Thiere  findet,  wenn 
es  befruchtet  und  in  äussere  Verhältnisse  gekommen  ist,  die  ihm 
zu  seiner  weitern  Entwich elung  nöthig  sind,  ein  sehr  merkwürdi- 
ger und  auf  ein  reges  Leben  in  demselben  hindeutender  Vorgang 
statt,  den  man  die  Durchfurchung  oder  Z  erklüf tung  genannt 
hat.  Es  besteht  derselbe  darin,  dass  sich  die  Formelemente  des 
Dotters  im  Allgemeinen  oder  nur  allein  die  Formelemente  des  Kei- 


vor  der  Entstehung  des  Embryo.  13 

nies  gruppenweise  einander  mehr  nähern  und  lauter  Ballen  (soge- 
nannte Furchungsballen)  bilden ,  zwischen  denen  die  Flüssigkeit 
des  Dotters  (Liquor  vitelli)  sich  mehr  oder  weniger  anhäuft  und 
besondere  Grenzen  derselben  darstellt.  An  der  Oberfläche  der  sich 
durchfurchenden  Masse  haben  die  Zwischenräume  zwischen  den 
Furchungsballen  das  Aussehen  von  Furchen,  in  der  Tiefe  aber,  wo 
diese  Ballen  dicht  an  einander  gedrängt  und  gegen  einander  abge- 
plattet sind ,  das  Aussehen  enger  Spalten.  In  ihrem  Verlauf  ver- 
hält sich  die  Durchfurchung  an  der  Oberfläche  so,  dass  erst  eine 
einzige ,  dann  eine  zweite ,  und  nachher  immer  mehr  Furchen  ent- 
stehen, die  unter  verschiedenen  Winkeln  zusammenstossen  oder 
auch  einander  schneiden,  wodurch  nunmehr  die  ganze  Oberfläche 
jener  Masse  eine  Theilung  in  immer  mehr  und  immer  kleinere  Fel- 
der erhält,  bis  sie  endlich  wieder  glatt  und  eben  wird.  Ist  in  dem 
Ei,  wenn  sich  eine  Durchfurchung  in  ihm  einstellt,  noch  kein  be- 
sonderer Keim  vorhanden,  wie  z.  B.  in  dem  Ei  der  Säugethiere, 
Mollusken  und  höheren  Crustaceen,  so  trifft  die  Durchfurchung 
meistens,  wenn  nicht  jedenfalls,  den  ganzen  Dotter;  kommt  dann 
aber  schon  ein  Keim  vor,  so  trifft  sie  entweder  den  Keim  und  Nah- 
rungsdotter zusammen,  wie  namentlich  in  dem  Ei  der  hiesigen  Ba- 
trachier,  oder  nur  allein  den  Keim,  so  nach  Vogt's  und  Rusconi's 
Angaben  in  dem  Ei  der  Geburtshelferkröte ,  des  Lachses ,  der  Fo- 
relle und  noch  anderer  Grätenfische,  nach  Coste's  Angabe  in  dem 
Ei  der  Vögel,  während  dieses  durch  den  Eierleiter  hindurchgeht. 
Demnach  lässt  sich  die  Durchfurchung  des  Dotters  überhaupt  in 
eine  totale  und  eine  partielle  eintheilen. 

Bedeutend  und  einige  Zeit  hindurch  sehr  regelmässig  ist  die 
Durchfurchung  an  dem  Keim  und  Nahrungsdotter  der  Frösche. 
Zuerst  bildet  sich  eine  Eingfurche,  die  Keim  und  Nahrungsdotter 
in  zwei  gleiche  Hälften  theilt ,  darauf  eine  zweite ,  welche  die  er- 
stere  an  zwei  Punkten  unter  rechten  "Winkeln  schneidet,  so  dass 
nun  gleichsam  4  Meridiane  gebildet  sind,  dann  eine  dritte,  die  wie 
ein  Aequator  jene  beiden  theilt,  und  hierauf  immer  mehrere,  bis 
nach  einiger  Zeit  die  ganze  Oberfläche  des  Keimes,  der  sich  indes- 
sen beinahe  über  die  ganze  Oberfläche  des  Nahrungsdotters  aus- 
breitet, fein  granulirt  erscheint.    Dabei  hebt  sich  übrigens  der  ur- 


14  I«  Ueber  die  Beschaffenheit  und  das  Verhalten  des  Eies 

sprüngiich  mittlere  Theil  des  Keimes  von  der  Oberfläche  des  Nah- 
rungsdotters ab,  wird  also  gleichsam  noch  selbstständiger,  und  es 
entsteht  zwischen  beiden  eine  massig  grosse  Höhle ,  die  mit  einem 
rein  ausgeschiedenen  Theil  des  Liquor  vitetti  ausgefüllt  wird,  nach- 
her aber  wieder  verschwindet.  Noch  bedeutender  und  regelmässi- 
ger ist  die  Durchfurchung  in  dem  Ei  der  Säugethiere ,  während  es 
durch  die  Muttertrompete  geht  und  in  den  Uterus  eintritt.  An  dem 
Dotter  dieser  Thiere,  an  dem  zu  der  Zeit,  da  das  Ei  den  Eierstock 
verlässt,  noch  kein  besonderer  Keim  bemerkbar  ist,  entsteht  erst 
eine  sehr  tiefe  Kingfurche ,  dann  eine  zweite,  und  so  eine  immer 
grössere  Zahl  von  Furchen.  Dadurch  wird  der  Dotter  zuerst  in 
zwei  gleich  grosse  Furchungsballen  getheilt,  die  an  der  Stelle,  wo 
sie  einander  berühren,  stark  abgeplattet  sind,  jeder  von  diesen  Bal- 
len dann  wieder  in  zwei  kleinere,  und  so  immerfort  ein  jeder  neu 
entstandene  Ballen  (namentlich  nach  der  Angabe  von  Barry  und 
Bischoff)  nach  kurzer  Zeit  wiederum  in  zwei  andere  kleinere.  In- 
dess  mögen  sich  in  der  letztern  Zeit  der  Durchfurchung,  wie  es 
nach  meinen  Beobachtungen  in  den  Eiern  der  Frösche  und  Mol- 
lusken der  Fall  ist,  die  einzelnen  Furchungsballen  nicht  sämmtlich 
in  nur  zwei  andere,  sondern  manche  in  drei  oder  noch  mehrere 
theilen. 

Nach  den  Beobachtungen,  die  ich  über  den  Prozess  der  Durch- 
furchung oder  vielmehr  Zerklüftung  an  den  Eiern  vieler  Thierar- 
ten  angestellt  habe,  glaube  ich  darüber  im  Allgemeinen  Folgendes 
angeben  zu  können. 

1 .  Die  Durchfurchung  bezieht  sich  auf  die  Bildung  von  Zel- 
len und  ist  als  eine  Einleitung  zu  derselben  zu  betrachten.  Sie  ist 
daher  am  bedeutendsten  und  ausgebreitetsten  in  solchen  Eiern,  in 
denen  der  Dotter  vor  der  Befruchtung  keine  zellenartige  Gebilde 
(blasenartige  Dotterkörperchen  s.  §.  3.  Nr.  2.)  besitzt,  sondern 
nur  aus  ganz  einfachen  dichten  Formelementen  und  Dotterfhissig- 
keit  (Liquor  vitelli)  besteht,  wie  namentlich  in  den  Eiern  der  Säu- 
gethiere, Batrachier,  Mollusken  und  vieler  Würmer,  in  denen  sich 
die  Durchfurchung  des  Dotters  als  eine  totale  zeigt.  In  den 
Eiern  aller  dieser  Thiere  sind  einige  Zeit  hindurch,  nachdem  in 
ihnen  die  Durchfurchung  schon  begonnen  hat,  um  die  einzelnen 


vor  der  Entstehung  des  Embryo.  1 5 

Furchungsb allen  noch,  keine  sie  einhüllende  Zellenwände  bemerk- 
bar. Denn  ungeachtet  der  sorgfältigsten  Nachforschungen  hat  der- 
gleichen weder  Bischoff  in  den  Eiern  der  Säugethiere,  noch  haben 
Koelliker  und  ich  sie  in  den  Eiern  des  Frosches ,  verschiedener 
Mollusken  und  mehrerer  Eingeweidewürmer  in  der  erstem  und 
grössern  Hälfte  der  Durchfurchungszeit  gewahr  werden  können. 
Gegen  das  Ende  dieser  Periode  aber  werden  sie  immer  deutlicher 
bemerkbar  und  zahlreicher.  Anfangs  nun  und  eine  längere  Zeit 
hindurch  beruht  bei  den  genannten  Thieren  die  Durchfurchung 
darauf,  dass  die  einfachen  Formelemente  der  sich  durchfurchenden 
Masse  sich  gegen  gewisse  Punkte  hin  von  allen  Seiten  so  zusam- 
mendrängen oder  vielmehr  von  jenen  so  angezogen  werden,  dass 
sie  zuerst  zwei  grosse  Gruppen  (oder  Furchungsballen)  bilden,  dar- 
auf aus  jeder  von  diesen  Gruppen,  indem  sich  in  ihr  derselbe  Vor- 
gang wiederholt,  zwei  kleinere  entstehen,  und  so  fort,  bis  nach 
längerer  oder  kürzerer  Zeit  eine  Meno-e  solcher  einzelner  und  nur 
sehr  kleiner  Gruppen  gebildet  ist.  Die  Punkte  aber ,  um  die  sich 
die  Formelemente  gruppiren,  sind,  nach  meinen  Beobachtungen 
namentlich  in  den  Eiern  der  Frösche,  der  Hirudineen  und  verschie- 
dener Schnecken,  in  der  frühesten  Zeit  der  Durchfurchung  gallert- 
artige, zähe  und  zu  Kugeln  zugerundete  Massen,  die  aus  rein  aus- 
geschiedenen und  verdichteten  Partieen  der  Dotterfiüssigkeit  beste- 
hen. Kurz  vorher,  ehe  die  erste  Furche  entsteht,  findet  man  in  der 
Mitte  des  Dotters  nur  eine  einzige  solche,  im  Verhältniss  zu  dem 
Umfang  desselben  aber  ziemlich  grosse  Masse.  Diese  theilt  sich 
dann  in  zwei  kleinere  und  einander  gleiche,  die  auseinander  rücken 
und  gleichsam  die  Kerne  für  die  zwei  ersten  Furchungsballen  dar- 
stellen. Sind  darauf  die  beiden  ersten  Furchungsballen  gebildet, 
so  theilt  sich,  wieder  die  in  jedem  von  ihnen  liegende  gallertartige 
Masse  in  zwei  Theile  für  die  zwei  neuen  Furchungsballen,  in 
welche  ein  jeder  von  jenen  beiden  erstem  zerklüftet  werden  soll. 
Eine  kurze  Zeit  geht  nunmehr  dieser  Prozess  in  derselben  Weise 
noch  weiter  vor  sich,  so  dass  immer  erst  die  in  der  Mitte  eines  Fur- 
chungsballens  befindliche  Gallertkugel  sich  theilt  und  ihre  beiden 
Hälften  auseinander  gehen ,  ehe  aus  dem  Furchungsballen  zwei 
neue  entstehen.   Dann  aber  bildet  sich  die  in  der  Mitte  eines  jeden 


16  I-    Ueber  die  Beschaffenheit  und  das  Verhalten  des  Eies 

von  diesen  spätem  und  kleinern  Furchungsballen  liegende  Gallert- 
kugel, indem  sich  ihre  Substanz  zunächst  der  Oberfläche  stärker 
verdichtet  und  dadurch  eine  häutige  Wandung  erhält,  zu  einem 
wahren  Zellenkern  mit  einem  oder  zwei  Kernkörpern  aus.  Ist  dies 
geschehen,  so  theilt  sich  fernerhin  der  Zellenkern  je  eines  Fur- 
chungsballens  erst  jedesmal  in  zwei  andere,  ehe  der  Ballen  in  zwei 
kleinere  zerklüftet  wird.  Demnach  bilden  sich  in  den  Eiern  der 
obengenannten  Thiere  erst  im  Verlauf  der  Durchfurchung  für  die 
Furchungsballen  Zellenkerne  und  Zellenwandungen,  jene  aber  sehr 
viel  früher  als  diese.  —  Ob  in  den  Eiern  der  Säugethiere  und  noch 
anderer  Thiere  die  Kerne  der  ersten  Furchungsballen  ebenfalls 
wandungslose  gallertartige  Massen  sind,  ist  noch  nicht  ermittelt 
worden,  es  lässt  sich  dieses  aber  mit  Wahrscheinlichkeit  annehmen. 

2.  Eine  totale  Durchfurchung  des  Dotters  findet  auch  in  den 
Eiern  der  Crustaceen  und  Arachniden  statt,  obgleich  diejenigen 
Massentheile  desselben,  welche  als  Dotterkörperchen  bezeichnet 
werden  können,  nur  Tropfen  eines  flüssigen  Fettes  und  rundliche 
Quantitäten  einer  dicklichen  sehr  gerinnbaren  Flüssigkeit  sind,  die 
durcheinander  gemengt  vorkommen,  keine  besondern  häutigen 
Hüllen  haben  und  nur  allein  durch  den  Liquor  vitelli,  eine  dünne 
eiweisshaltige  Flüssigkeit,  auseinander  gehalten  werden.  Jedoch 
ist  die  Durchfurchung  des  Dotters  dieser  Thiere,  bei  deren  Beginn 
der  Keim  erst  seine  Entstehung  nimmt,  nur  schwach;  auch  bilden 
sich  in  den  Eiern  derselben  für  die  Furchungsballen  des  Nahrungs- 
dotters weder  Zellenkerne,  noch  Zellenwandungen. 

3.  In  den  Eiern  der  Vögel  und  beschuppten  Amphibien,  in 
denen  sich  schon  vor  der  Befruchtung  ein  Discus  proligerus  als 
Anlage  zu  einem  Fruchtdotter  (Keim)  und  ein  Nahrungsdotter  un- 
terscheiden lassen,  und  in  denen  der  letztere  der  Hauptsache  nach 
aus  blasenartigen  Dotterkörperchen  besteht,  also  aus  solchen, 
welche  häutige  Wandungen  haben,  findet  keine  Durchfurchung 
dieses  letztern  statt. 

4.  Gleichfalls  fehlt  eine  Durchfurchung  des  Nahrungsdotters 
in  den  Eiern  vieler  (oder  vielleicht  aller)  Grätenfische,  in  denen 
derselbe  zwar  ursprünglich  der  Hauptsache  nach  aus  Dotterkörper- 
chen mit  häutigen  Wandungen  besteht,  schon  vor  der  Befruchtung 


vor  der  Entstehung  des  Embryo.  17 

aber  dadurch,  dass  die  Wandungen  seiner  Dotterkörperchen  völlig 
vergehen,  in  eine  formlose  flüssige  Masse  unigewandelt  wird. 

5.  Kommt  an  dem  Nahrungsdotter  keine  Durchfurchung  zu 
Stande,  so  kann  sie  doch  an  dem  Keim  stattfinden,  mag  dieser  sich 
nun  erst  nach  der  Befruchtung  des  Eies  bilden,  oder  schon  vor 
derselben  durch  einen  Discus  proligerus  angedeutet  sein.  Dies  ist 
der  Fall  nach  Coste  in  den  Eiern  der  Vögel,  nach  Ruscont  und 
C.  Vogt  in  den  Eiern  der  Cyprinen,  des  Barsches,  der  Forelle  und 
des  Lachses. 

Bei  der  Durchfurchung  des  Dotters  im  Allgemeinen,  beson- 
ders aber  bei  der  des  JSTahrungsdotters ,  sammelt  sich  der  flüssigere 
Theil  desselben  (der  Liquor  vitetti)  um  einen  jeden  Furchungsbal- 
len  stärker  an  und  aus  ihm  bilden  sich  dann  gegen  das  Ende  des 
Durchfurchungsprozesses  um  die  Furchungsballen  die  Zellenwände, 
deren  schon  Erwähnung  geschah,  und  die  erst  an  den  Jüngern  von 
ihnen  gefunden  werden.  Auch  zwischen  dem  Dotter  und  der  Dot- 
terhaut sammelt  sich  der  Liquor  viielli  bei  der  Durchfurchung  des 
erstem  allmälig  an,  und  zwar  um  so  stärker,  je  dünner  und  flüssi- 
ger er  ist,  um  so  weniger,  je  dicklicher  er  sich  zeigt,  indem  er  in 
dem  letztern  Fall  an  den  Dotterkörperchen  fester  haftet  und  sich 
nicht  so  leicht,  wie  in  dem  erstem,  von  ihnen  abscheidet. 

An  der  Durchfurchung  des  ganzen  Dotters  nimmt  die  Dotter- 
haut in  einigen  Fällen  einen  geringen  Autheil ,  in  andern  dagegen 
gar  keinen.  Das  Erstere  geschieht,  wenn  sie  sehr  dünn  ist,  wie 
namentlich  in  den  Eiern  der  Frösche,  in  denen  sie  sich  erst  ein 
Avenig  in  die  entstehenden  Furchen  des  Dotters  faltenartig  ein- 
senkt, später  aber,  wann  der  Dotter  an  seiner  Oberfläche  wieder 
glatt  und  eben  wird,  hebt  und  spannt.  Dagegen  bleibt  sie  immer 
glatt  ausgespannt,  wenn  sie  im  Verhältnisse  zu  ihrem  Umfang  ziem- 
lich dick  ist,  wie  namentlich  in  den  Eiern  der  Säugethiere. 

Sind  um  die  Furchungsballen  schon  Zellenwände  entstanden, 
so  hat  die  eigentliche  Durchfurchung  der  Masse  des  Eies ,  in  wel- 
cher sie  erfolgte,  ihr  Ende  erreicht.  Sollen  dann  die  jetzt  vorhan- 
denen Zellen  vermehrt  werden ,  so  geschieht  dieses  zunächst  ent- 
weder gleichfalls  durch  eine  Theilung ,  oder  aber  durch  eine  Brut- 
bildung (endogene  ZellenbildungJ.    In  dem  erstem  Fall ,   den  ich 

Jtathke,  Vorlesungen.  .-) 


18  I.  Ueber  die  Beschaffenheit  und  das  Verhalten  des  Eies  etc. 

besonders  in  dem  Fruchtdotter  der  Spinnen  beobachtet  habe,  theilt 
sich  zuerst  der  Kern  der  Dotterzelle  durch  eine  ringförmige  Ein- 
schnürung in  zwei  kleinere ,  hierauf  dann  auch  die  Wandung  der- 
selben, nachdem  sie  gleichfalls  eine  immer  tiefer  gehende  ringför- 
mige Einschnürung  erhalten  hat.  Dagegen  entstehen  bei  der  Brut- 
bildung der  Dotterzellen  in  einer  solchen  zwei  oder  mehrere  junge 
Zellen ,  der  Kern  aber  und  die  Wandung  der  alten  (der  Mutter- 
zelle) werden  aufgelöst  und  die  jungen  (die  Brut-  oder  Tochterzel- 
len) frei  gegeben. 


Zweites  Kapitel. 

Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen. 

§•  10. 

Der  Keim  (die  Keimhaut  oder  der  Fruchtdotter)  nimmt  in 
dem  Ei,  wenn  es  sich  weiter  entwickelt,  an  einer  Stelle  mehr,  an 
einer  andern  weniger  an  Dicke  zu  und  breitet  sich  auch,  falls  er 
nicht  gleich  den  ganzen  Nahrungsdotter  einhüllt,  wie  namentlich 
in  den  Eiern  der  Säugethiere ,  immer  weiter  über  den  Dotter  aus. 
Diese  seine  Vergrößerung  beruht  hauptsächlich  darauf,  dass  die 
Zellen,  aus  denen  er,  je  nach  den  verschiedenen  Arten  der  Wir- 
belthiere, früher  oder  später  zusammengesetzt  ist,  sich  rasch  und 
bedeutend  vermehren.  Diese  Vermehrung  seiner  Zellen  erfolgt  bei 
den  Wirbelthieren  wahrscheinlich  in  der  Kegel,  wenngleich  nicht 
durchaus,  fort  und  fort  durch  Brutbildung  oder  endogene  Zellen- 
bildung, d.  h,  in  der  Art,  dass  sich  in  je  einer  schon  vorhandenen 
Zelle  zwei  oder  mehrere  neue  bilden,  worauf  die  Wandung  und  der 
Kern  von  jener  vergehen  und  die  Brut  frei  wird.  Mit  Gewissheit 
aber  lässt  sich  (gegen  Reichert)  angeben,  dass  der  Keim  oder 
Frachtdotter  und  später  auch  der  Embryo  einen  Zuwachs  an  Zel- 
len nicht  etwa  dadurch  erhält,  dass  sich  Zellen  des  übrigen  Dotters 
mit  ihm  verbinden  und  dann  eine  Veränderung  in  ihrem  Bau  und 
ihrer  Grösse,  wie  überhaupt  in  ihrer  physikalischen  und  chemi- 
schen Beschaffenheit  erfahren.  Der  übrige  Dotter  dient  vielmehr, 
wenn  sich  schon  ein  Keim  gebildet  hat,  für  diesen  und  den  daraus 
entstehenden  Embryo  nur  als  Nahrungsmittel.   Seine  Bestandteile 

2* 


20  II.  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen. 

gehen  nämlich  nach  und  nach  in  den  Keim  und  den  Embryo  über, 
entweder  nachdem  er  vor  der  Befruchtung  vollständig  in  eine  Flüs- 
sigkeit umgewandelt  ist  (wie  in  dem  Ei  mancher  Grätenflsche)  oder 
indem  von  seinen  festern  Massentheilen  einer  nach  dem  andern 
verkleinert  und  aufgelöst  wird.  Das  Fett  übrigens,  das  in  dem 
Dotter  enthalten  ist,  möge  es  in  Dotterzellen  eingeschlossen  sein 
oder  nicht,  verschwindet  weit  später,  als  der  andere,  proteinhal- 
tige,  Hauptbestandtheil  des  Dotters. 

§•  11- 

Nachdem  die  Keimhaut  an  Umfang  und  Masse  schon  ziemlich 
zugenommen  hat,  auch  von  denjenigen  Körpertheilen  des  Embryo, 
welche  zuerst  entstehen,  schon  schwache  Anzeichen  bemerkbar  ge- 
worden sind,  geben  ungefähr  auf  der  Mitte  zwischen  der  äussern 
und  innern  Fläche  der  Keimhaut  die  sie  zusammensetzenden  Zel- 
len ihren  bisherigen  Zusammenhang  auf  und  trennen  sich  von  ein- 
ander. So  entsteht  denn  eine  Theilung,  oder,  wie  man  sich  ge- 
wöhnlich ausgedrückt  hat,  eine  Spaltung  der  Keimhaut  in  zwei 
Schichten,  die  hauptsächlich  nur  da,  wo  sich  der  Rücken  des  Em- 
bryo ausbildet,  in  der  Mittelebene  desselben  für  immer  im  Zusam- 
menhange bleiben.  Doch  zeigt  in  den  Eiern  der  meisten  Wirbel- 
thiere, nachdem  die  angegebene  Theilung  erfolgt  ist,  einige  Zeit 
hindurch  die  innere  Schicht  nicht  eine  so  grosse  Ausbreitung ,  wie 
die  äussere.  Am  bedeutendsten  ist  diese  Verschiedenheit  in  dem 
Ei  der  Säugethiere. 

Die  erwähnten  beiden  Schichten  hat  man  die  Blätter  der 
Keim  haut  genannt.  Eine  jede  von  ihnen  schlägt  einen  beson- 
dern Ent wickelungsgang  ein.  Aus  der  äussern  entwickeln  sich  die 
Organe  der  animalen  Sphäre,  wie  namentlich  die  Hautbedeckung, 
das  Skelet,  das  Gehirn  und  Bückenmark,  die  Sinneswerkzeuge  und 
diejenigen  Muskeln,  welche  dem  Willen  unterworfen  sind.  Aus 
der  innern  Schicht  aber  entwickeln  sich  die  meisten  Organe  der 
plastischen  oder  vegetativen  Sphäre,  namentlich  der  Darmkanal, 
die  Lungen  nebst  der  Luftröhre  und  dem  Kehlkopf,  die  Leber, 
sämmtliche  Speicheldrüsen  und  wahrscheinlich  auch  die  Harnwerk- 
zeuge.   Dieserhalb  hat  man  denn  jene  erstere  oder  äussere  Schicht 


II.  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen.  21 

das  animale,  die  andere  das  plastische  oder  vegetative 
Blatt  der  Keimhaut  genannt.  Ihnen  früher  gegebene  und  noch 
sehr  gebräuchliche  Namen  sind  das  seröse  Blatt  und  das  Schleim- 
blatt der  Keimhaut,  weil  angeblich  die  äussere  Schicht  bei  den  mei- 
sten Wirbelthieren  bald  so  glatt  und  durchsichtig  wird,  wie  eine 
seröse  Haut,  auch  dieses  Aussehen  in  dem  einen  Theile  eine  län- 
gere, in  einem  andern  eine  kürzere  Zeit  behält,  aus  der  andern 
Schicht  aber  Organe  entstehen,  die  inwendig  von  einer  Schleim- 
haut ausgekleidet  sind. 

Auf  der  äussern  Fläche  des  letztern ,  des  sogenannten  vegeta- 
tiven Blattes,  findet  man  nach  der  erwähnten  Trennung  ein  sehr 
engmaschiges  Netzwerk  von  Blutgefässen,  wie  auch  das  Herz. 
Man  hat  deshalb  noch  ein  drittes  Blatt  der  Keimhaut  unterschie- 
den, von  demselben  angenommen,  dass  es  aus  einem  Netzwerk  von 
Blutgefässen,  der  Anlage  des  Herzens  und  etwas  verbindendem 
BildungsstofF  zusammengesetzt  sei  und  es  das  Gefässblatt  der 
Keimhaut  genannt.  Doch  ist  diese  Benennung  nicht  ganz  pas- 
send, weil  jenes  Netzwerk  im  innigsten  Zusainmnnhang  mit  dem 
vegetativen  Blatte  bleibt,  also  immer  als  ein  Theil  desselben  er- 
scheint, und  weil  fast  nur  das  Herz  sich  von  diesem  Blatte  frei 
macht,  auch  überdies  mehrere  der  wichtigsten  Blutgefässe  des  Kör- 
pers sich  in  und  an  dem  sogenannten  animalen  Blatte  bilden. 

Die  Ansicht  einer  Theilung  der  Keimhaut  in  verschiedene 
Blätter,  aus  deren  jedem,  wie  aus  einem  gemeinsamen  Boden, 
gruppenweise  besondere  Körpertheile  eines  Thieres  hervorspries- 
sen,  ist  zuerst  von  P ander  in  seinen  Schriften  über  die  Entwicke- 
lung  des  Hühnchens  aufgestellt  worden.  Fester  begründet  wurde 
sie  darauf  durch  von  Baer  für  die  Wirbelthiere,  durch  mich  für 
die  wirbellosen  Thiere  (insbesondere  für  die  Crustaceen) ,  und  be- 
hielt nun  mehrere  Jahre  eine  unbedingte  Geltung.  Dann  aber 
wurde  sie  von  Reichert  angefochten,  der  ihr  eine  neue  Ansicht 
über  die  Entwickelung  der  Thiere  gegenüberstellte.  Indess  ist 
diese ,  hervorgegangen  aus  unrichtig  gedeuteten  Beobachtun- 
gen, bereits  als  eine  völlig  unhaltbare  beseitigt  worden.  Die 
grösste  Beachtung  hingegen  verdienen  die  Untersuchungen,  die 
\;nlängst  Rem  AK  in  Betreff  der  Entwickelung  des  Hühnchens  be- 


22  II-   Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen. 

kannt  gemacht  hat,  und  durch  die  auf  den  ersten  Anblick  jene  von 
Pander  herrührende  Ansicht  über  die  Entwicklung  der  Wirbel- 
thiere ganz  umgestossen  zu  sein  scheint.  Allein  bei  näherer  Be- 
trachtung der  Angaben  Remaks  stellt  es  sich  heraus,  dass  auch 
nach  ihnen  die  Keimhaut  der  Wirbelthiere  sich  in  zwei  Blätter 
spaltet,  dass  aber  in  dem  Ei  dieser  Thiere  die  beiden  Theile  der 
Keimhaut,  die  Pander  und  nach  ihm  von  Baer  und  Bischoff 
seröses  oder  animales  und  muköses  oder  vegetatives  Blatt  nannten, 
einen  ganz  andern  Entwickelungsgang  nehmen  und  eine  andere 
morphologische  Bedeutung  haben,  als  ihnen  von  den  genannten 
Naturforschern  zugeschrieben  worden  sind.  Hierüber  möge  in  dem 
Nachstehenden  noch  ein  Näheres  angeführt  sein. 

Nach  Remaks  Beobachtungen  besteht  schon  in  dem  frisch  ge- 
legten, also  noch  nicht  bebrüteten  Ei  des  Huhnes  die  Keimhaut 
aus  zwei  verschiedenen  Schichten,  einer  dünnern  und  durchsich- 
tigem, aber  festern  oberflächlichen,  und  einer  dickern  undurchsich- 
tigem und  weichem  tiefer  gelegenen.  Die  erstere  nun  ist  von 
Pander  und  von  Baer  unter  dem  Namen  des  serösen  oder  anima- 
len  Blattes  verstanden  worden,  das  sich  von  dem  andern  abtren- 
nen, und  aus  dem  sich  alle  Organe  der  animalen  Sphäre  heraus- 
bilden sollten.  Nach  Remak  aber  gewinnt ,  wenn  das  Ei  bebrütet 
wird,  diese  Schicht  zum  grössten  Theil  einen  noch  weit  innigem 
Zusammenhang  mit  der  andern ,  und  ist  nur  für  das  Gehirn ,  das 
Rückenmark  und  alle  Körpertheile,  die  aus  Horngewebe  bestehen, 
die  Grundlage :  denn  aus  der  Mitte  derselben  sollen  sich  das  Hirn 
und  Bückenmark,  aus  dem  übrigen  Theil,  der  sich  rascher,  als  die 
andere,  tiefer  gelegene  Schicht,  über  den  Dotter  ausbreitet,  die 
Epidermis ,  die  Zehennägel  und  die  Federn  (oder  bei  den  Säuge- 
thieren  die  Haare)  entwickeln,  weshalb  denn  Remak  den  letztem 
oder  peripherischen  Theil  der  obern  Schicht  das  Hornblatt  der 
Keimhaut  genannt  hat.  Es  ist  dies  übrigens  derselbe  Theil,  wel- 
chen Reichert  die  Umhüllungshaut  nannte,  und  von  welchem  er 
irrthümlich  behauptete,  dass  derselbe  später  durch  Abstossung 
ganz  verloren  ginge.  Die  tiefer  liegende  Schicht  der  Keimhaut 
sondert  sich  bei  vorschreitender  Entwickelung  und  nachdem  sich 
schon  einige  besondere  Organe  des  Embryo  benierklich  gemacht 


IL  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen.  23 

haben,  in  zwei  ihrer  Substanz  und  Dicke  nach  verschiedene  Lagen, 
die  jedoch  immer  in  einem  innigen  Zusammenhang  bleiben.  Die- 
jenige von  beiden,  welche  unmittelbar  auf  dem  Dotter  liegt  und 
übrigens  die  dünnere  ist,  also  von  aussen  her  gezählt  nunmehr  die 
dritte  Schicht  der  ganzen  Keimhaut ,  soll  sich  zu  dem  Epithelium 
des  Darmkanales  ausbilden;  auch  sollen  sich  aus  ihr  die  Lungen 
nebst  der  Luftröhre  und  dem  Kehlkopf,  die  Leber,  die  Bauchspei- 
cheldrüse, die  Thymus,  die  Thyreoidea  und  die  Nieren  entwickeln, 
weshalb  denn  diese  innerste  Lage  der  Substanz  der  Keimhaut  von 
Remak  das  Drüsenblatt  benannt  worden  ist.  Die  obere  Lage 
der  ursprünglich  einfachen  tiefern  Schicht,  w eiche  Lage  jetzt  als 
die  mittlere  von  den  drei  Schichten  erscheint,  in  die  sich  die  Keim- 
haut allmälig  gesondert  hat,  und  die  deshalb  von  Remak  das 
mittlere  Blatt  der  Keimhaut  benannt  worden  ist,  spaltet  sich 
nach  einiger  Zeit,  jedoch  nur  langsam,  beinahe  in  ihrer  ganzen 
Ausbreitung  dergestalt,  dass  sie  in  zwei  auseinander  gehende 
Schichten  zerfällt,  von  denen  die  eine  mit  dem  Hornblatt,  die  an- 
dere mit  dem  Drüsenblatt  in  Verbindung  bleibt.  Aus  derjenigen 
von  ihnen,  welche  von  dem  Hornblatt  bekleidet  ist,  sollen  sich  che 
Muskeln  der  amimalen  Sphäre  und  das  ganze  Skelet  nebst  der 
Wirbelsaite  {Chorda  dorsalis)  entwickeln.  Die  andre,  welche  von 
dem  Drüsenblatt  bekleidet  ist,  soll  die  Grundlage  für  die  verschie- 
denen Häute  des  Darmkanals  mit  Ausschluss  des  Epitheliums  sein. 
In  der  Lücke  zwischen  beiden  aber  soll  an  einer  Stelle  das  Herz 
entstehen.  Dem  Angeführten  zufolge  würde  sich  also  auch  nach 
Remaks  Beobachtungen  die  Keimhaut  des  Hühnchens  in  zwei  Par- 
tieen  spalten,  von  denen  die  eine  die  Anlage  zu  den  Organen  der 
animalen  Sphäre,  die  andere  die  Anlage  zu  den  Organen  der  vege- 
tativen Sphäre  bezeichnete,  und  von  denen  mithin  die  erstere  dem 
animalen,  die  letztere  dem  vegetativen  Blatt  der  Keimhaut  in  dem 
Sinne,  welcher  in  diese  Namen  hineingelegt  wurde,  ganz  ent- 
spräche. Der  Unterschied  zwischen  den  Angaben  Bemaks  und  de- 
nen anderer  Naturforscher  in  Betreff  jener  Partieen  der  Keimhaut 
würde  wesentlich  nur  darin  liegen ,  dass  denselben  früher  ein  an- 
derer Ursprung  zugeschrieben  worden  ist,  als  sie  nach  Remak  ha- 
ben sollen.    Denn  von  P ander  und  denen,  die  ihm  folgten,  wurde 


24  II.  Von  dem  Embryo  der  Wirbel thiere  im  Allgemeinen. 

angenommen ,  dass  die  Spaltung  der  Keimhaut  zwischen  den  bei- 
den Schichten  stattfinde,  aus  denen  namentlich  in  dem  Ei  der  Vö- 
gel die  Keimhaut  ursprünglich  besteht,  und  dass  die  obere  von  die- 
sen Schichten  die  Grundlage  für  sämmtliche  Organe  der  animalen 
Sphäre  sei,  indess  die  untere  Schicht  die  Grundlage  für  die  Organe 
der  vegetativen  Sphäre  darstelle.  Nach  Remak  hingegen  erfolgt 
die  Spaltung  der  Keimhaut  in  der  untern  ihrer  beiden  ursprüngli- 
chen Schichten,  und  es  entwickeln  sich  aus  der  obern  von  diesen 
Schichten  nur  die  Centraltheile  des  Nervensystems  und  die  Epider- 
mis nebst  andern  aus  Horngewebe  bestehenden  Theilen,  aus  der 
untern  Schicht  aber  oberhalb  der  Spaltung  die  übrigen  zur  anima- 
len Sphäre  des  Körpers  gezählten  Gebilde,  unterhalb  der  Spaltung 
alle  Gebilde  der  vegetativen  Sphäre.  Man  würde  daher  die  bedeu- 
tungsvollen und  sehr  zweckmässigen  Namen  :  animales  und  vege- 
tatives Blatt  der  Keimhaut,  zwar  noch  immerhin  gebrauchen  kön- 
nen, doch  darunter  —  vorausgesetzt  nämlich,  dass  Remaks  Anga- 
ben richtig  sind  —  andere  Theile  der  Keimhaut  verstehen  müssen, 
als  für  welche  sie  zunächst  gewählt  wurden.  In  dem  Folgenden 
werde  ich  der  Kürze  wegen,  wenn  Entwickelungsvorgänge  zu  be- 
schreiben sind ,  die  erst  nach  der  Spaltung  der  Keimhaut  stattfin- 
den, zu  einer  Zeit  also,  da  schon  aus  der  Keimhaut  einige  Organe 
einer  Frucht  entsprungen  sind,  öfters  die  Ausdrücke  animales 
und  vegetatives  Fruchtblatt  gebrauchen.  Unter  dem  ani- 
malen Fruchtblatt  würden,  von  den  drei  Blättern,  die  nach  Remak 
an  der  Keimhaut  erkennbar  werden,  das  obere  Blatt  und  die  über 
der  Spaltung  des  mittlem  Blattes  der  Keimhaut  gelegene  Partie 
dieses  Blattes  zu  verstehen  sein,  unter  dem  vegetativen  Frucht- 
blatte aber  die  unter  der  Spaltung  gelegene  Partie  des  mittlem 
Blattes  der  Keimhaut,  nebst  dem  untern  oder  sogenannten  Drüsen- 
blatt der  Keimhaut. 

Pander.  Diss.  sistens  historiam  metamorphoseos ,  quam  ovum 
incubatum  quinque  prioribus  diebus  subit.  Wirceburgi  1817.  Des- 
selben Beiträge  zur  Entwickelungsgeschichte  des  Hühnchens  im 
Ei.  Würzburg  1817.  von  Baer.  Ueber  Entwickelungsgeschichte 
der  Thiere.  Beobachtung  und  Reflexion.  2  Theile.  Königsberg 
1828  und  1837.     Bischoff.    Entwickelungsgeschichte  des  Kanin- 


II.  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen.  25 


clien-Eies.  Brauns chweig  1842.  Dessen  Entwickelungsgeschichte 
des  Hunde-Eies.  Braunschweig-  1845.  Remak.  Untersuchungen 
über  die  Entwickerune  der  Wirbelthiere.   Berlin  1850. 


§•  12. 
Wenn  die  Entwickelung  des  Embryo  ihren  Anfang  nehmen 
will,  hat  sich  die  Keimhaut  an  einer  Stelle  schon  stärker  verdickt, 
und  diese  Stelle  ist  in  dem  Fall,  wenn  die  Keimhaut  nur  eine 
Scheibe,  nicht  eine  geschlossene  Hohlkugel  (wie  in  dem  Ei  der 
Säugethiere)  darstellt,  stets  die  Mitte  derselben.  Ungeachtet  ihrer 
Verdickung  aber  (an  der  sich  hauptsächlich  die  beiden  obern  von 
den  drei  Schichten  oder  Blättern  betheiligen ,  welche  sich  nach 
Remak  an  der  Keimhaut  bald  bemerklich  machen)  wird  die  er- 
wähnte Stelle  zum  Theil  durchsichtiger,  falls  nicht  etwa  der  Keim, 
wie  in  den  Eiern  der  Frösche,  an  seiner  Oberfläche  schwarz  oder 
braun  gefärbt  ist.  Die  Ursache  davon  liegt  darin ,  dass  einestheils 
an  dieser  Stelle  die  Zellen  der  Keimhaut  immer  klarer  werden,  an- 
derntheils  sich  unter  ihr  eine  klare  Flüssigkeit  in  zunehmender 
Menge  anhäuft.  Man  nennt  die  bezeichnete  Stelle  den  durch- 
sichtigen Fruchthof  (Area  pettucidd).  Zuerst  ist  sie  gewöhn- 
lich scheibenförmig  rund,  darauf,  indem  sie  an  Umfang  zunimmt, 
eiförmig,  nachher  birnförmig  und  zuletzt  in  den  Eiern  vieler  Wir- 
belthiere lemniscatenförmig  (oo).  Etwas  später,  als  sich  eine  Area 
pellucida  bemerklich  gemacht  hat,  bildet  sich  in  dem  REMAK'schen 
mittlem  Blatt  der  Keimhaut,  das  sich  viel  weniger  rasch,  als  das 
Hornblatt  und  Drüsenblatt  über  den  Dotter  ausbreitet,  ein  Netz- 
werk von  Blutgefässen  in  Form  einer  Gefässschicht  aus.  Dasselbe 
stellt  sich  als  ein  die  Area  pellucida  ringsum  einfassender  und 
durch  das  Hornblatt  hindurchscheinender  Saum  dar,  den  man  den 
Gefässhof  oder  die  Area  vasculosa  nennt,  und  der  Anfangs  eine 
nur  sehr  massig  grosse  Breite  hat,  allmälig  aber  zusammen  mit  dem 
mittlem  Blatt  der  Keimhaut  immer  mehr  und  sehr  bedeutend  an 
Ausbreitung  zunimmt.  Den  übrigen  Theil  der  Keimhaut  aber, 
denjenigen  nämlich,  welcher  über  den  Gefässhof  hinaus  liegt,  ihn 
ringförmig  einfasst  und  nur  aus  dem  Hornblatt  und  dem  Drüsen- 
blatt besteht,   nennt  man  den  Do  tterho f  (Area  vite llina).    Den 


26  II.  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen. 

ganzen  ausserhalb  des  durchsichtigen  Fruchthofes  gelegenen  Theil 
der  Keimhaut ,  also  den  aus  dem  Gefässhofe  und  dem  Dotterhofe 
bestehenden  Theil  kann  man  im  Gegensatz  zu  dem  die  Mitte  ein- 
nehmenden durchsichtigen  Fruchthofe  den  peripherischen  Theil 
der  Keimhaut  nennen. 

§.  13. 

Wenn  der  durchsichtige  Fruchthof  schon  oval  geworden  ist, 
entsteht  an  der  äussern  Seite  in  der  Mittellinie  desselben  eine  flache 
Rinne,  indem  sich  das  obere  und  mittlere  Blatt  der  Keimhaut  theils 
nach  unten  (gegen  den  Dotter)  ein  wenig  ausbuchten ,  theils  auch 
das  obere  Blatt  sich  in  der  Mittellinie  des  durchsichtigen  Frucht- 
hofes etwas  verdünnt,  dagegen  sich  zu  beiden  Seiten  der  Ausbuch- 
tung die  erwähnten  beiden  Blätter  so  erheben,  dass  sie  zwei  dünne 
und  niedrige  Leisten  bilden.  Man  nennt  diese  Rinne  die  Rücken- 
furche. Darauf  wachsen  die  angeführten  beiden  Leisten  immer 
stärker  hervor,  nehmen  auch  an  Dicke  zu,  und  bilden  in  kurzer 
Zeit  zwei  Platten ,  welche  die  Rückenfurche  der  Länge  nach  be- 
grenzen und  auf  Quer  durchschnitten  dreikantig  erscheinen.  Sie 
heissen  die  Rückenplatten,  Laminae  dorsales. 

Bald  nachdem  die  Rückenplatten  sich  zu  bilden  begonnen  ha- 
ben, entsteht  in  dem  mittlem  Blatt  der  Keimhaut  dicht  unter  der 
Rückenfurche  ein  massig  dicker ,  walzenförmiger  und  gegen  beide 
Enden  zugespitzter  Strang,  der  beinahe  eine  eben  so  grosse  Länge 
wie  jene  Furche  hat,  undurchsichtig  ist,  aus  lauter  farblosen  Zel- 
len zusammengesetzt  erscheint  und  im  Verhältniss  zu  andern  Thei- 
len  der  Keimhaut  eine  ziemlich  grosse  Zähigkeit  und  Festigkeit 
besitzt.  Man  hat  ihn  die  Rückensaite  (Chorda  dorsalis)  oder, 
weil  sich  später  um  ihn  herum  die  Körper  der  Wirbelbeine  bilden, 
auch  die  Wirbelsaite  (Chorda  vertebralis)  benannt. 

Die  Rückenplatten  stehen  anfänglich  ziemlich  senkrecht  auf 
der  Ebene  des  durchsichtigen  Fruchthofes.  Bald  aber,  neigen  und 
krümmen  sie  sich,  während  sie  an  Höhe  zunehmen,  mit  ihren  freien 
scharfen  Rändern  immer  mehr  gegen  einander  hin,  kommen  darauf 
an  diesen  Rändern  zur  gegenseitigen  Berührung  und  verwachsen 
endlich  mit  einander.    Zuerst  erfolgt  dieser  Vorgang  an  der  Mitte 


II.  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen.  27 

beider  Platten,  wo  sie  einander  am  nächsten  stehen,  zuletzt  an  den 
Enden,  nachdem  sie  vorher  an  jedem  Ende  unter  einem  Bogen  in 
einander  übergegangen  sind.  So  entsteht  denn  an  dem  durchsichti- 
gen Fruchthof  ein  Kanal,  der  allenthalben,  selbst  an  seinen  Enden, 
geschlossen  ist,  und  unter  dem  die  Rückensaite  ihre  Lage  hat.  An 
dem  breitern  Ende  des  durchsichtigen  Fruchthofes  hat  er  gleich 
anfangs  eine  grössere  Breite,  als  in  der  Mitte  und  an  dem  andern 
Ende.  Diese  Verschiedenheit  in  seiner  Weite  wird  je  später,  desto 
auffallender,  doch  bei  einer  Art  von  "VVirbelthieren  mehr,  als  bei 
einer  andern.  Incless  geht  die  Ausweitung  des  Kanales  an  dem 
breitern  Theile  des  durchsichtigen  Fruchthofes  nicht  so  gleichmäs- 
sig  vor  sich,  dass  dort  in  ihm  nur  eine  einfache  grössere  Höhle  ge- 
bildet würde,  sondern  sie  findet  an  einer  Stelle  in  höherm,  an  einer 
andern  in  geringerm  Grade  statt,  in  der  Art  nämlich,  dass  dort  drei 
zusammenhängende  in  einer  Reihe  hinter  einander  liegende  Kam- 
mern entstehen,  von  denen  die  hinterste  in  den  übrigen,  engern 
und  längern  Theil  des  Kanales  übergeht.  Ferner  findet  man  den 
erwähnten  Kanal,  gleich  nachdem  er  entstanden  ist,  mit  einer  ganz 
klaren  tropfbaren  Flüssigkeit  erfüllt.  Kurz  zuvor  aber,  ehe  er  sich 
schliesst ,  bildet  sich  nach  Bischoffs  Beobachtungen  auf  der 
Rückenfurche  und  an  der  innern  Seite  der  Rückenplatten  eine 
Schicht  von  klaren  Zellen  aus,  welche,  wenn  sich  der  Kanal  ge- 
schlossen hat,  anfangs  mit  ihm  noch  allenthalben  innig  zusammen- 
hängt und  eigentlich  die  innersten  Theile  seiner  Substanz  aus- 
macht, bald  nachher  aber  sich  ablöst  und  ein  besonderes  Gebilde 
darstellt.  Dieses  erscheint  nun  als  ein  Rohr,  das  mit  einer  klaren 
Flüssigkeit  angefüllt  ist,  und  dem  man  den  Namen  des  Medul- 
lär röhr  es  gegeben  hat.  Seine  nur  dünne  Wandung  hat  anfäng- 
lich durchweg  eine  gleichartige  Beschaffenheit.  Allmälig  aber 
scheidet  sich  die  Masse  seiner  Wandung  in  verschiedene  Lagen, 
und  diese  entwickeln  sich  dann  zu  dem  Rückenmarke  und  Gehirn, 
der  Spinnwebenhaut  und  der  weichen  Hirn-  und  Rückenmarks- 
haut. Dagegen  entwickeln  sich  aus  der  Wandung  des  Kanales, 
welcher  das  beschriebene  Rohr  einschliesst,  verschiedene  Theile 
der  Hirnschale,  die  Wirbelbeine ,  verschiedene  damit  zusammen- 
hängende Muskeln,    die  harte  Hirn-  und  Rückenmarkshaut   und 


28  II-  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen. 

eine  Partie  der  Hautbedeckung.  Anders  als  von  Bischoff  ,  und 
höchst  wahrscheinlich  mehr  mit  der  Natur  übereinstimmend  ist  die 
Entstehung  des  Medullarrohres  von  Rem  AK  geschildert  worden. 
Nach  diesem  nimmt  das  obere  der  von  ihm  angegebenen  drei  Blät- 
ter der  Keimhaut  an  der  Bildung  der  Rückenfurche  einen  wesent- 
lichen An  theil,  indem  es  sich,  wie  bereits  angeführt,  nebst  dem 
mittlem  Blatte  in  der  Mittellinie  des  durchsichtigen  Fruchthofes 
einsenkt.  Wenn  darauf  die  Bückenplatten,  die  ebenfalls,  obgleich 
nur  zum  Theil,  dem  obern  Blatt  der  Keimhaut  angehören,  an  ihren 
einander  zugekehrten  Bändern  mit  einander  verwachsen,  wird  der- 
jenige Theil  dieses  Blattes,  welcher  die  jetzt  zu  einem  Kanal  ge- 
wordene Bückenfurche  auskleidet,  von  dem  übrigen  Theil- dessel- 
ben Blattes,  der  sich  zu  der  Epidermis  und  deren  Anhängen  ent- 
wickelt und  nunmehr  das  Hornblatt  heisst,  gleichsam  abgeschnit- 
ten. In  Folge  davon  stellt  er  dann  für  sich  ein  besonderes  Rohr 
dar,  das  sich  mit  einer  Flüssigkeit  anfüllt  und  als  die  Anlage  für 
das  Gehirn  und  Rückenmark  zu  betrachten  ist. 

§.  14. 

Indem  die  Rückenplatten  entstehen  und  verwachsen  wollen, 
nimmt  der  ausserhalb  derselben  liegende  und  noch  zu  dem  durch- 
sichtigen Fruchthofe  gehörige  dickere  Theil  der  Keimhaut,  der  um 
die  Rückenplatten  gleichsam  einen  sehr  schmalen  Saum  bildet,  an 
Breite  wie  auch  an  Dicke  zu,  doch  zuvörderst  nur  an  dem  breitern 
Theil  des  durchsichtigen  Fruchthofes,  also  an  demjenigen,  welcher 
sich  zum  Kopfe  entwickeln  soll,  und  erst  späterhin  auch  an  dem 
übrigen  Theil  desselben.  Dieser  Saum  stellt,  wenn  er  sich  schon 
etwas  mehr  verdickt  und  vergrössert  hat,  zwei  Platten  dar,  die  an 
ihrem  vordem  und  hintern  Ende  bogenförmig  in  einander  über- 
gehen. In  ihnen  nimmt  die  Spaltung  der  Keimhaut  ihren  Anfang 
und  setzt  sich  von  ihnen  in  den  peripherischen  Theil  der  Keimhaut 
fort.  Dadurch  wird  eine  jede  solche  Platte  nach  ihrer  ganzen 
Breite  und  beinahe  auch  nach  ihrer  ganzen  Länge,  nämlich  mit 
Ausnahme  ihres  vordersten  dem  Kopfe  angehörigen  Theiles,  in 
zwei  blattartige  Streifen  gespalten,  die  allmälig  auseinander  wei- 
chen.   Aus  dem  innern  oder  dem  Dotter  zugekehrten  Streifen  der 


II.  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen.  29 

beiden  Platten  wird  nachher  der  Darmkanal  zusammengesetzt. 
Aus  den  äussern  oder  der  Dotterhaut  zugekehrten  Streifen,  die 
man  mit  dem  Namen  der  Bauch  platten,  Laminae  ventrales ,  be- 
legt hat,  entwickeln  sich  die  seitlichen  Wände  und  die  untere 
Wand  der  Rumpfhöhle  und  der  Halshöhle ,  welche  beide  Höhlen 
zusammengenommen  die  Leibes  höhle  oder  Visceralhöhle  ge- 
nannt werden.  Es  dienen  also  die  Bauchplatten  späterhin  zur  Ein- 
schliessung  der  plastischen  Eingeweide. 

Indem  der  oben  angegebene  Saum  an  Breite  und  Dicke  zu- 
nimmt, senkt  sich  die  Keimhaut  auf  der  äussern  Grenze  desselben, 
also  auf  der  Grenze  des  durchsichtigen  Fruchthofes  und  des  peri- 
pherischen Theiles  der  Keimhaut,  faltenartig  gegen  den  Dotter 
ein;  dann  aber  beginnt  sie  sich  auf  dieser  Grenze  zusammenzuzie- 
hen oder  zu  verengen.  Ihren  Anfang  nimmt  die  Einbuchtung  oder 
Einschnürung  an  dem  vordem  oder  breitern  Ende  des  durchsichti- 
gen Fruchthofes  und  schreitet  von  da  allmälig  weiter  nach  hinten 
fort.  Gleichzeitig  mit  dem  Beginn  derselben  nimmt  der  vordere 
Theil  des  durchsichtigen  Fruchthofes  mehr  als  der  übrige  an  Länge 
zu.  Durch  beide  Vorgänge  wird  nun  der  breitere  oder  der  Kopf- 
theil  des  durchsichtigen  Fruchthofes  über  den  übrigen  Theil  der 
ganzen  Keimhaut  hervorgehoben  und  hervorgestreckt ,  so  dass  er 
jetzt  frei  über  ihn  hinausreicht.  Bei  denjenigen  Thieren,  welche 
einen  deutlich  erkennbaren  Hals  erhalten,  wird  durch  eine  weitere 
Fortsetzung  der  beiden  erst  erwähnten  Vorgänge  auch  dieser  Ab- 
schnitt des  Körpers  gebildet  und  frei  gemacht. 

§.  15. 

In  dem  so  eben  entstandenen  Kopf  findet  man  zwei  Höhlen, 
die  mit  einander  keinen  Zusammenhang  haben,  und  von  denen  die 
eine  über  der  andern  liegt.  Die  eine  ist  entstanden  durch  das  Ver- 
wachsen der  vordem  Theile  der  Rückenplatten,  und  in  ihr  hat  sich 
das  Hirn  zu  bilden  begonnen.  Die  andere  ist  entstanden  durch 
Vereinigung  der  vordem  Theile  der  Bauchplatten,  indem  sich  die 
Keimhaut  auf  der  Grenze  der  beiden  Fruchthöfe  von  links  und 
rechts,  am  meisten  aber  von  vorne  her  einschnürte.  Die  Einschnü- 
rung betraf  indess  nicht  blos  das  animale  Fruchtblatt,  sondern  auch 


30  II.  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen. 

das  vegetative.  In  Folge  davon  wird  ans  demjenigen  Theil  des 
letztern  Blattes,  welcher  ursprünglich  unter  dem  breitern  oder 
Kopftheil  des  zu  dem  durchsichtigen  Fruchthof  gehörenden  Ab- 
schnitts des  animalen  Fruchtblattes  ausgebreitet  war,  ein  kleiner 
Sack  gebildet,  der  jene  untere  Höhle  des  Kopfes  ausfüllt,  doch 
auch  ein  wenig  über  sie  nach  hinten  hinausreicht  und  an  seinem 
vordem  Ende  geschlossen,  an  dem  hintern  Ende  weit  offen  ist. 
Diesen  Sack  nun,  der  übrigens  in  seiner  vordem  Hälfte  mit  der 
Wandung  der  ihn  einschliessenden  Höhle  allenthalben  innig  zu- 
sammenhängt, in  seiner  hintern  Hälfte  aber  sich  von  derselben  ab- 
getrennt hat,  ist  der  vordere  Theil  des  künftigen  Darmkanals.  Aus 
ihm  nämlich  entwickelt  sich  späterhin,  nachdem  er  sich  mehr  ver- 
längert hat,  die  Schleimhaut  der  Mundhöhle,  der  Schlundkopf,  die 
Speiseröhre  und  der  Magen.  Die  MundöfFnung  bildet  sich  einige 
Zeit  nach  der  Entstehung  des  Kopfes,  indem  da,  wo  sich  das 
stumpfe  oder  vordere  Ende  der  erwähnten  Abtheilung  des  Darm- 
kanales  befindet,  die  Substanz  der  beiden  Fruchtblätter  aufgelöst 
oder,  mit  andern  Worten,  verflüssigt  wird.  Auch  sind  nach  der 
Entstehung  des  Kopfes  noch  einige  Zeit  hindurch  gar  keine  An- 
deutungen von  Theilen  des  Antlitzes  vorhanden.  Diese  treten  erst 
später  auf,  hauptsächlich  indem  am  vordem  Ende  des  Kopfes  die 
Substanz  des  animalen  Fruchtblattes  nach  aussen  hervorwuchert 
und  sich  hier  mehr  und  mehr  anhäuft. 

Während  der  Kopf  frei  wird ,  krümmt  er  sich  nach  unten  so 
zusammen,  dass  er  bald,  je  nach  den  verschiedenen  Arten  der  Wir- 
belthiere, theils  an  und  für  sich,  theils  auch  mit  dem  Nacken,  einen 
mehr  oder  weniger  grossen  Bogen  beschreibt.  Die  Ursache  hievon 
liegt  darin,  dass  die  Kückenpfatten,  soweit  sie  den  Kopf  zusammen- 
setzen helfen ,  desgleichen  das  Gehirn ,  mehr  an  Länge  zunehmen, 
als  der  zum  Kopfe  gehörige  Antheil  der  Bauchplatten  und  der  zum 
Theil  im  Kopfe  liegende  Abschnitt  des  Darmkanals. 

§.  16. 

An  dem  andern  Ende  des  durchsichtigen  Fruchthofes,  also 
gegenüber  dem  Kopfe,  macht  sich  schon  frühe  ein  Schwanz  be- 
merkbar.   Dieser  aber  bildet  sich  allein  aus  dem  animalen  Frucht- 


IL  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen.  31 

blatt,  indem  sich  an  dem  hintern  Ende  des  genannten  Hofes  die 
Rückenplatten,  nachdem  sie  sich  geschlossen  haben,  wie  auch  das 
künftige  Rückenmark  und  die  Rückensaite  nach  hinten  hinaus 
rasch  verlängern,  überhaupt  aber  die  Substanz  des  animalen  Frucht- 
blattes an  der  bezeichneten  Stelle  zu  einem  Hügel  hervorwuchert. 

§.  17. 

Die  bisher  beschriebenen  Entwickelungs-  Vorgänge  stellen  sich, 
wenngleich  unter  einigen  Modincationen,  in  dem  Eie  aller  Wirbel- 
thiere ein.  Andre  Vorgänge  aber,  die  sich  bei  der  Bildung  des 
Embryo  an  der  Keimhaut  zutragen,  bieten  in  den  Eiern  verschie- 
dener Wirbelthiere  einige  sehr  bedeutende  Verschiedenheiten  dar. 
Die  wesentlichern  von  ihnen  werde  ich  nunmehr  näher  angeben. 

§.   18. 

Einen  je  grossem  Umfang  der  Dotter  eines  Wirbelthieres  hat, 
desto  kürzer  und  überhaupt  kleiner  ist  im  Verhältniss  zu  ihm  der 
durchsichtige  Eruchthof,  wie  auch  später,  wenn  der  Kopf  schon 
frei  geworden,  der  in  der  ersten  Entwickelung  begriffene  Rumpf 
desto  weniger  nach  dem  Dotter  hin  zusammengekrümmt.  Dagegen 
erscheinen  diese  Theile  verhältnissmässig  um  so  länger  und  desto 
mehr  in  einem  Bogen  gekrümmt,  je  kleiner  der  Dotter  ist.  So  geht 
z.  B.  in  dem  Ei  des  Gösters  (Cyprinus  Blicca)  der  durchsichtige 
Fruchthof,  wenn  sich  die  Rückenplatten  soeben  geschlossen  haben, 
wie  ein  offener  Ring  fast  um  den  ganzen  Dotter  herum,  in  dem  Ei 
des  Frosches  zur  selben  Entwickelungszeit  um  einen  Theil  des 
Dotters,  der  etwas  mehr,  als  die  Hälfte  desselben  beträgt. 

Eine  Ausnahme  hie  von  machen  die  Säugethiere,  und  zwar 
wohl  aus  der  Ursache,  weil  ihr  ursprünglich  sehr  kleiner  Dotter, 
wenn  sich  der  Embryo  zu  entwickeln  anfängt,  sehr  rasch  und  be- 
deutend an  Grösse  zunimmt. 

§.  19. 

Wenn  auch  die  hintern  Hälften  der  Bauchplatten  deutlicher 
hervortreten  und  bereits  zwei  schmale  Streifen  darstellen,  die  sich 


32  II«  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen. 

von  dem  Kopfe  bis  zu  der  Andeutung  des  Schwanzes  hinziehen,  so 
haben  dieselben  in  dem  Eie  der  Batrachier,  der  Cyprinen  und  eini- 
ger andern  Grätenüsche  sich  zwar  etwas,  doch  nur  wenig  herabge- 
senkt, weshalb  sie  dann  mehr  nach  aussen,  als  nach  unten  von  der 
Achse  des  Embryo  abgehen.  Wo  aber  eine  jede  Bauchplatte  in  den 
peripherischen  Theil  des  animalen  Fruchtblattes  übergeht,  bemerkt 
man  auf  der  Grenze  zwischen  beiden  eine  sehr  schwache  Längs- 
furche oder  vielmehr  Falte  dieses  Blattes.  Ferner  ist  in  den  Eiern 
der  genannten  Thiere  um  dieselbe  Zeit  oder  selbst  noch  etwas  frü- 
her das  animale  Fruchtblatt  um  den  rundlichen  Dotter  so  vollstän- 
dig herumgewachsen,  dass  es  um  denselben  einen  völlig  geschlos- 
senen rundlichen  Sack  darstellt.  Bald  darauf  aber  ändert  sich  die 
Form  dieses  Sackes:  denn  nachdem  alle  Theile,  welche  in  dem 
durchsichtigen  Fruchthofe  aus  dem  animalen  Fruchtblatte  entstan- 
den waren,  und  welche  auch  Theile  des  angeführten  Sackes  sind, 
sich  mehr  verlängert  und  verdickt  haben,  streben  sie  sich  immer 
mehr  gerade  zu  strecken  und  geben  dadurch  dem  ganzen  Sacke 
eine  ovale  oder  ellipsoidische,  überhaupt  aber  eine  längliche  Form. 
Einige  Zeit  früher,  als  dieser  Vorgang  stattfindet,  ist  auch  das  ve- 
getative Fruchtblatt  um  den  Dotter  herumgewachsen  und  hat  sich 
in  sich  selbst  abgeschlossen.  Bei  den  Batrachiern  bildet  dieses  letz- 
tere Blatt  ebenfalls  anfangs  einen  rundlichen ,  nachher  einen  läng- 
lichen Sack,  der  die  Höhle  jenes  von  dem  animalen  Fruchtblatt 
gebildeten  Sackes  oder  die  Leibeshöhle  ausfüllt  und  den  Dotter  zu 
seinem  Inhalte  hat.  Allmälig  aber  dehnt  sich  der  von  dem  vegeta- 
tiven Fruchtblatt  gebildete  Sack  weit  mehr  in  die  Länge  aus,  als 
die  Leibeshöhle,  und  diese  seine  Verlängerung  geht  besonders  an 
den  beiden  Enden  desselben  vor  sich.  Doch  nehmen  die  sich  aus- 
spinnenden und  wachsenden  Endstücke  keinen  Dotter  in  sich  auf, 
sondern  erscheinen  als  zwei  leere  dünne  Röhren.  Das  vegetative 
Fruchtblatt  stellt  nunmehr  nach  einiger  Zeit  einen  Kanal  dar,  der 
in  der  Mitte  stark  erweitert  und  mit  Dotter  angefüllt,  dagegen  in 
seinem  vordem  und  hintern  Theile  enge  und  leer  ist.  Dieser  Ka- 
nal wandelt  sich  nachher  ganz  und  gar  in  dem  Darmkanal  um. 

Anders  ist  die  Entwickelung  des  Darmkanales  bei  den  Cypri- 
nen und  noch  manchen  andern  Grätenfischen.    Bei  ihnen  nämlich 


II.  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen.  33 

erscheint  derselbe  schon  frühe  als  ein  einfaches,  dünnes,  leeres 
und  ohne  Schlängelungen  vom  Kopf  bis  zu  dem  Schwanz  verlau- 
fendes Rohr,  von  dessen  unterer  Wandung  nicht  weit  hinter  dem 
Kopfe  ein  viel  dünnhäutigerer,  verhältnissmässig  sehr  grosser  und 
länglicher  Sack  abgeht,  der  allen  Dotter  enthält  und  nur  mit  die- 
sem angefüllt  ist.  Dieser  Anhang  kann  daher  der  Dotter  sack 
heissen.  Seine  Lage  hat  er  innerhalb  der  Rumpfhöhle  dicht  unter 
dem  Darmkanal.  Wenn  der  Dotter,  das  Nahrungsmaterial  für  das 
junge  Thier,  mehr  und  mehr  verbraucht  wird,  verkleinert  sich  auch 
der  angegebene  Sack,  schnürt  sich  von  dem  Darme  immer  mehr  ab 
und  verschwindet  zuletzt  mit  dem  Dotter,  ohne  eine  Spur  seines 
Daseins  zurückzulassen.  Wie  übrigens  dieser  Sack  und  der  Darm- 
kanal sich  bei  den  Cyprinen  bilden,  ist  noch  nicht  gehörig  beob- 
achtet; doch  dürfte  wohl  so  viel  gewiss  sein,  dass  sie  beide  aus 
dem  vegetativen  Fruchtblatt  entstehen,  indem  sich  ein  kleiner 
Theil  dieses  Blattes  in  den  Darmkanal,  der  übrige  grössere  Theil 
in  den  Dottersack  umwandelt. 

§■  20. 

Andere  Verhältnisse  in  der  Umhüllung  des  Dotters  und  der 
Bildung  der  Leibeshöhle  kommen  bei  mehreren  andern  Gräten- 
fischen, z.  B.  bei  den  Syngnathen  und  dem  Blennius  viviparus,  des- 
gleichen bei  den  Plagiostomen  vor.  Bei  ihnen  allen  senken  sich 
die  Bauchplatten  ihrer  ganzen  Länge  nach  stark  abwärts,  und  es 
bildet  sich  allenthalben  zwischen  diesen  Platten  und  dem  periphe- 
rischen Theil  der  Keimhaut  als  Grenze  eine  starke  Einfurchung. 
Darauf  schnürt  sich  die  Keimhaut  auf  dieser  ganzen  Grenze,  wäh- 
rend ihre  verschiedenen  Blätter  weiter  über  den  Dotter  herüber- 
wachsen und  sich  schliessen,  immer  stärker  zusammen,  am  meisten 
aber  von  vorn  und  von  hinten.  So  geschieht  es  denn,  dass  der  Em- 
bryo nach  einiger  Zeit  äusserlich  am  Bauche  gleichsam  einen  gros- 
sen Bruchsack  zeigt,  der  von  dem  peripherischen  Theil  des  anima- 
len  Fruchtblattes  gebildet  ist,  und  dessen  Höhle  durch  eine  Oeff- 
nung  in  die  Leibeshöhle  übergeht.  Recht  gross,  namentlich  recht 
lang,  bleibt  diese  OefFnung  bei  den  Syngnathen;  klein  dagegen 
ist  sie  zuletzt  beim  Blennius  und  den  Plagiostomen.   Die  Stelle  des 

Rathke.  Vorlesungen.  \\ 


34  II.  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen. 

Bauches,  an  der  sie  vorkommt,  nennt  man  den  Bauchnabel  oder 
Hautnabel.  Auf  gleiche  Weise,  wie  das  animale  Fruchtblatt, 
ja  sogar  noch  stärker,  wird  auch  das  vegetative  eingeschnürt.  Da- 
durch aber  werden  aus  dem  letztern  zwei  solche  Abtheilungen,  wie 
bei  den  Cyprinen,  gebildet,  nämlich  aus  dem  centralen  oder  ur- 
sprünglich zum  durchsichtigen  Fruchthof  gehörigen  Theile  ein  lee- 
res und  anfangs  gerades  Rohr,  der  Darmkanal,  dagegen  aus  dem 
peripherischen  Theile  ein  weiter  Sack,  der  ganz  mit  Dotter  ange- 
füllt ist,  innerhalb  des  erwähnten  Bruchsackes,  den  er  vollständig 
ausfüllt,  seine  Lage  hat,  und  mit  der  untern  Wand  des  Darmkana- 
les  so  zusammenhängt,  dass  die  Höhlen  beider  durch  eine  Oeffnung 
in  einander  übergehen.  Die  Stelle,  wo  sich  an  dem  Darmkanal  diese 
Oeffnung  befindet,  heisst  der  Darmnabel.  Mit  der  Zeit  schnürt 
sich  der  Dottersack  immer  mehr  von  dem  Darmkanale  ab,  es  ver- 
wächst auch  seine  Oeffnung,  und  noch  etwas  später  hängt  er  nur 
durch  seine  Blutgefässe  mit  dem  Darm  zusammen.  Weiterhin  wer- 
den, während  der  Embryo  an  Grösse  bedeutend  zunimmt,  der  Dot- 
tersack und  der  ihn  enthaltende  Bruchsack  durch  Resorption  immer 
kleiner,  und  zwar  der  letztere  schneller  und  stärker,  als  der  erstere. 
Grösstentheils  in  Folge  hievon  geht  dann  der  sehr  verkleinerte 
Dottersack  aus  dem  noch  kleiner  gewordenen  Bruchsacke  in  die 
Bauchhöhle  über,  und  endlich  verschwinden  beide  Säcke,  ohne 
eine  Spur  ihres  Daseins  zurückzulassen. 

§.  21. 

Bei  den  Schlangen,  Eidechsen,  Schildkröten,  Vögeln  und 
Säugethieren  schnüren  sich  ebenfalls,  wie  bei  den  zuletzt  genann- 
ten Fischen,  die  beiden  Fruchtblätter  auf  der  Grenze  des  durch- 
sichtigen Fruchthofes  mehr  und  mehr  ein,  und  zwar  gleichfalls 
von  allen  Seiten,  doch  am  meisten  von  vorn,  weniger  von  hinten 
her,  und  am  wenigsten  von  links  und  rechts.  Rascher  wiederum 
erfolgt  die  Einschnürung  an  dem  vegetativen  Fruchtblatt.  Da- 
durch wird  nunmehr  dasselbe  in  zwei  Abtheilungen  geschieden, 
von  denen  die  eine  als  ein  Rohr  durch  die  Leibeshöhle  vom  Munde 
bis  zum  After  geht,  die  andere  aber  einen  sehr  viel  grössern,  sack- 
artigen und  mit  dem  Dotter  angefüllten  Anhang  jenes  Rohres  dar- 


II.  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen.  35 

stellt  und  ausserhalb  der  Leibeshöhle  ihre  Lage  hat.  Das  Rohr  ent- 
wickelt sich  zu  dem  Darmkanal,  der  Anhang  aber  oder  der  Dotter- 
sack verschwindet  späterhin  nebst  seinem  Inhalt,  dem  Dotter,  spur- 
los. An  der  Stelle,  wo  beide  in  einander  übergehen,  oder  an  dem 
Darmnabel ,  zeigt  das  Darmrohr,  wenn  man  den  Dottersack  von 
ihm  abgeschnitten  hat,  anfangs  eine  lange  und  massig  breite  Oeff- 
nung,  die  sogenannte  Darmrinne;  indem  aber  die  Einschnürung 
zwischen  beiden  zunimmt,  wird  die  OefFnung  immer  kleiner.  Dar- 
auf spinnt  sich  zwischen  beiden  Abschnitten,  also  an  dem  Darm- 
nabel, aus  dem  Dottersacke  ein  mehr  oder  weniger  langer  Kanal 
auSj  an  dem  der  Dottersack  von  dem  Darme  wie  an  einem  Stiel 
herabhängt;  noch  später  aber  wird  dieser  Stiel  resorbirt,  und  nun- 
mehr steht  der  Dottersack  bis  zu  seinem  Verschwinden  nur  durch 
Blutgefässe  mit  dem  Darm  in  Verbindung.  Uebrigens  schlüpft 
der  Dottersack  auch  bei  den  V  ögeln  und  beschuppten  Amphibien, 
wie  etwa  bei  den  Haifischen,  in  die  Leibeshöhle,  ehe  er  völlig  ver- 
schwindet. Bei  den  Säugethieren  aber  bleibt  er  bis  zu  seiner  gänz- 
lichen Auflösung  ausserhalb  derselben. 

Was  das  animale  Fruchtblatt  der  beschuppten  Amphibien, 
\  ögel  und  Säugethiere  anbelangt,  so  hebt  sich  sein  peripherischer 
Theil,  und  zwar  schon  frühe,  in  der  Nähe  der  Bauchplatten  von 
dem  vegetativen  Blatte  ab  und  schlägt  eine  Falte,  deren  freier 
Rand  jenem  Blatte  abgekehrt,  also  nach  aussen  gerichtet  ist.  Zuerst 
entsteht  vor  dem  Kopfende,  nachher  auch  hinter  dem  Schwanz- 
ende des  Embryo  eine  solche  Falte.  Indem  dann  aber  beide  Falten 
rechts  und  links  an  Länge  zunehmen,  wachsen  sie  einander  entge- 
gen, bis  sie  zuletzt  in  einander  übergehen  und  nun  eine  einzige 
Falte  bilden,  die  den  Embryo  wie  ein  ringförmiger  Wall  umgiebt. 
Die  beiden  Platten  der  Falte  behalten  für  immer  eine  nur  geringe 
Dicke  und  eine  durchsichtige  hautartige  Beschaffenheit,  so  etwa, 
wie  eine  seröse  Membran.  Ferner  krümmt  sich  der  zuerst  entstan- 
dene Theil  der  Falte  schon  frühe,  indem  er  rasch  an  Breite  zu- 
nimmt, über  den  Kopf  des  Embryo  herüber,  und  hüllt  ihn  bald  so 
völlig  ein,  wie  eine  Kappe,  die  über  ihn  ganz  herübergezogen  wäre. 
Man  hat  deshalb  diesen  Theil  die  Kopfkappe  des  Embryo  ge- 
nannt.   Ganz  auf  dieselbe  Weise  hüllt  der  hintere  Theil  der  Falte 

3*    . 


36  II.  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen. 

den  Schwanz  und  die  demselben  zunächst  gelegene  Partie  des 
Rumpfes  ein,  weshalb  man  den  letztern  Theil  der  Falte  die 
Schwanz  kappe  genannt  hat.  Beide  Kappen  nehmen  darauf  an 
Grösse  immer  mehr  zu,  und  zugleich  werden  auch  die  bis  dahin 
nur  schmalen  Seitentheile  der  Falte  breiter.  Indem  dies  aber  ge- 
schieht, wächst  die  ganze  Falte  über  den  Embryo  von  allen  Seiten 
immer  mehr  herüber  und  bildet  nach  einiger  Zeit  um  diesen  eine 
Hülle,  die  nur  einen  Theil  des  Rückens  unbedeckt  lässt  oder,  mit 
andern  Worten,  gegenüber  dem  Rücken  eine  grosse  Oeffnung  hat. 
Während  darauf  die  Falte  noch  immerfort  an  Breite  zunimmt,  zieht 
sich  ihr  freier  Rand,  der  jene  Oeffnung  umgiebt,  theils  scheinbar, 
theils  wirklich  immer  mehr  zusammen,  so  dass  in  Folge  davon  die 
Oeffnung  immer  kleiner  wird,  bis  sie  endlich,  wenn  ihr  Rand  aufs 
Aeusserste  zusammengezogen  und  verkleinert  ist,  völlig  verwächst. 
Der  Embryo  ist  jetzt  von  einer  neuen  dünnen  Hülle  umgeben,  die 
unmittelbar  in  seine  Bauchplatten  übergeht.  Die  Uebergangs stelle 
macht  den  Hautnabel,  oder  wie  man  ihn  gewöhnlich  schlechthin 
nennt,  den  Nabel  aus.  Die  Hülle  selbst,  der  bei  Fischen  und  Ba- 
trachiern  nichts  Analoges  entspricht,  die  also  nur  ein  Eigenthum 
der  höhern  Wirbelthiere  ist,  heisst  Amnion  oder  Schafhaut.  — 
Anfangs  nun  umgiebt  das  Amnion ,  wenn  es  sich  geschlossen  hat, 
den  Embryo  noch  äusserst  knapp ,  allmälig  aber  nimmt  es  an  Um- 
fang bedeutend  zu,  besonders  bei  den  Säugethieren,  und  es  ent- 
steht zwischen  ihm  und  dem  Körper  des  Embryo  ein  beträchtlicher 
Zwischenraum.  Dieser  ist  jedenfalls  angefüllt  mit  einer  klaren 
wässrigen  Flüssigkeit,  die  etwas  Eiweissstoff  und  Salze  enthält, 
wahrscheinlich  nur  von  dem  Amnion  abgesondert  ist  und  Liquor 
amnii  genannt  wird.  Gegen  das  Ende  des  Fruchtlebens  nimmt  das 
Amnion  an  Umfang  weniger  zu ,  als  der  Körper  des  Embryo ,  und 
bildet  deshalb  zuletzt  wieder  eine  engere  Hülle  für  diesen ,  als  um 
die  Mitte  des  Fruchtlebens.  Verloren  geht  es  zu  der  Zeit,  da  der 
Embryo  das  Ei  verlässt.  Auf  welche  Weise  dieses  aber  geschieht, 
darüber  soll  späterhin  das  Nähere  gesagt  werden. 

Wie  schon  bemerkt  worden,  entsteht  das  Amnion  aus  einer 
Falte  des  peripherischen  und  nur  sehr  dünn  bleibenden  Theiles  des 
animalen  Fruchtblattes.    Wenn  nun  diese  Falte  sich  so  geschlossen 


II.  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen.  37 

hat,  dass  sie  für  den  Embryo  eine  besondere  Hülle  bildet,  so  be- 
stellt die  letztere  eigentlich  nur  aus  der  innern  Platte  der  beschrie- 
benen Falte.  Die  äussere  Platte  der  Falte  aber,  wie  überhaupt  die 
ganze  nicht  zur  Darstellung  des  Amnions  benutzte  Partie  des  peri- 
pherischen Theiles  des  animalen  Fruchtblattes  löst  sich  jetzt  so- 
wohl von  dem  Amnion,  als  auch  von  dem  vegetativen  Fruchtblatt 
völlig  ab,  nimmt  beträchtlich  an  Umfang  zu  und  bildet  eine  rings 
geschlossene  und  sehr  dünne  Blase ,  die  den  Dottersack  und  das 
Amnion,  also  auch  den  Körper  des  Embryo  einschliesst.  Man  hat 
dieselbe  das  falsche  Amnion  oder  auch  die  seröse  Hülle  ge- 
nannt. Wenn  sie  entstanden  ist,  vergeht  die  Dotterhaut  des  Eies, 
und  es  durchdringt  nunmehr  das  Eiweiss  des  Eies ,  wenn  ein  sol- 
ches vorhanden  ist,  durch  Endosmose  theils  die  seröse  Hülle,  theils 
auch  den  Dottersack,  und  mischt  sich  dem  Dotter  bei.  Die  seröse 
Hülle  aber  legt  sich ,  indem  sie  an  Weite  zunimmt ,  dem  Chorion 
immer  mehr  an,  und  kleidet  dieses  nach  einiger  Zeit  ganz  aus.  Ist 
das  geschehen ,  so  geht  sie  bald  darauf  ifi  dem  Ei  der  Vögel  und 
höhern  Amphibien  durch  Auflösung  völlig  verloren;  in  dem  Eie 
der  Säugethiere  aber  soll  sie,  wie  Bischoff  angiebt,  mit  dem  Cho- 
rion verwachsen  und  einen  untrennbaren  Theil  desselben  ausma- 
chen. Wie  dem  auch  sein  mag,  jedenfalls  zeigt  sich  an  den  Em- 
bryonen derjenigen  Thiere,  welche  ein  Amnion  erhalten,  etwas 
später,  als  dieses  fertig  geworden  und  geschlossen  ist,  der  Dotter- 
sack ohne  eine  solche  besondere  nur  ihm  allein  angehörige  Hülle, 
wie  sie  namentlich  bei  den  Plagiostomen  und  manchen  Gräten- 
fischen vorkommt,  und  es  scheint  der  Dottersack  bei  ihnen  dann 
unter  dem  Bauche,  oder  überhaupt  ausserhalb  der  Leibeshöhle, 
ganz  nackt  und  bloss  da  zu  liegen.  —  Uebrigens  steht  zu  der  Zeit, 
da  sich  das  Amnion  so  eben  gebildet  hat,  die  Leibeshöhle  noch  weit 
offen,  indem  die  Stelle,  wo  die  Bauchplatten  in  das  Amnion  über- 
gehen, noch  eine  beträchtlich  lange  und  auch  recht  weite  Oeffnung 
umgiebt.  Diese  aber  verkleinert  sich  immer  mehr,  und  es  wird  jene 
Stelle  zu  dem  Hautnabel. 

§•  22. 
Bei  allen  Wirbelthieren ,    welche   über   den  Fischen   stehen, 
bildet  sich  ganz  hinten  in  dem  Rumpfe  eine  häutige  gefässreiche 


38  II.  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen. 

Blase,  die  je  nach  den  verschiedenen  Ordnungen  und  Klassen  die- 
ser Thiere  entweder  für  immer,  oder  nur  einige  Zeit  hindurch  mit 
dem  hintersten  Theil  des  Darmkanalsj  der  mehr  oder  weniger  deut- 
lich eine  Kloake  darstellt ;  so  zusammenhängt,  dass  ihre  Höhle 
durch  eine  enge  Oeffnung  in  die  Höhle  des  Darmkanals  übergeht. 
Bei  den  Batrachiern,  die  schon  sehr  frühe  und  in  einem  nur  wenig 
ausgebildeten  Zustande  das  Ei  verlassen,  entsteht  sie  erst  lange, 
nachdem  dieses  geschehen  ist.  Auch  erhält  sie  bei  ihnen  nur  einen 
massig  grossen  Umfang,  bleibt  für  immer  in  der  schon  früh  ge- 
schlossenen Rumpfhöhle,  und  bildet  sich  ganz  und  gar  zu  der 
Harnblase  aus.  Ihre  Entstehung  aber  nimmt  sie  bei  den  Batrachiern 
ganz  deutlich  aus  der  untern  Wandung  des  Darmkanales ,  indem 
diese  Wandung  sich  an  einer  kleinen  Stelle  ausbuchtet,  die  Aus- 
buchtung aber  unter  fortschreitender  Vergrösserung  sich  in  eine 
Blase  umwandelt.  Weit  früher  hingegen  tritt  eine  solche  Blase 
bei  den  beschuppten  Amphibien ,  den  Vögeln  und  den  Säugethie- 
ren  auf,  nämlich  schon  in  frühester  Zeit  des  Fruchtlebens,  wenn 
noch  eine  Darmrinne  vorhanden  ist  und  diese  noch  eine  beträcht- 
liche Länge  hat.  Wie  und  woher  sie  aber  bei  diesen  höhern  Thie- 
ren  entspringt,  ist  bis  jetzt  noch  nicht  gehörig  entschieden,  v.  Baer, 
ich,  und  später  auch  einige  Andre  glaubten  aus  unsern  Beobach- 
tungen entnehmen  zu  dürfen,  dass  sie  auch  bei  den  höhern  Wirbel- 
thieren,  wie  bei  den  Batrachiern,  aus  dem  hintersten  Theil  des 
Darmkanales  durch  Ausbuchtung  oder  Ausstülpung  der  untern 
Wand  desselben  ihre  Entstehung  erhielte.  Reichert  hingegen  will 
beim  Hühnchen  bemerkt  haben ,  dass  diese  Blase  aus  zwei  soliden 
Zellenmassen  entsteht,  die  sich  an  dem  hintern  Ende  der  Rumpf- 
höhle bilden,  anfangs  mit  den  Ausführungsgängen  der  WoLFFschen 
Körper  in  Verbindung  stehen,  darauf  mit  dem  Darmkanale  in  Ver- 
bindung treten,  auch  mit  einander  selbst  zusammenfiiessen  und  nach 
ihrer  Vereinigung  im  Innern  eine  Höhle  erhalten.  Auch  nach  Bi- 
schoffs Beobachtungen  am  Hunde  soll  sie  ursprünglich  aus  zwei 
getrennten  Seitenhälften  bestehen,  und  es  sollen  diese  Seitenhälf- 
ten anfangs  dicht  sein  und  mit  der  Körperwand  in  Verbindung 
stehen;  wenn  aber  beide  Hälften  zusammengeflossen  sind,  soll  sich 
in  der  Masse  derselben  eine  Höhle  bilden  und  diese  in  den  Darm 


II.  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen.  39 

durchbrechen.  Wie  nun  aber  bei  den  beschuppten  Amphibien,  den 
Vögeln  und  Säuge  thieren  die  Entstehung  der  in  Rede  stehenden 
Blase  sich  auch  verhalten  mag,  jedenfalls  nimmt  bei  ihnen  dieses 
Organ  sehr  rasch  und  sehr  bedeutend  an  Umfang  zu,  dringt  durch 
den  Hautnabel  rechterseits  vom  Dottersacke  aus  der  Rumpfhöhle 
hervor  und  erreicht  mit  ihrem  hervorgedrungenen  Theile,  indem 
sie  immerfort  sich  vergrössert,  das  Chorion  oder  vielmehr  die  mit 
dem  Chorion  schon  verbundene  seröse  Hülle  der  Frucht.  Man 
nennt  diese  Blase,  deren  Höhle  von  einer  klaren  tropfbaren  Flüs- 
sigkeit ausgefüllt  ist,  die  Allantois  oder  Vesicula  allantoides. 
Bei  den  Menschen  erlangt  ihr  äusserer  Theil  oder  derjenige,  wel- 
cher ausserhalb  der  Rumpf höhle  zu  liegen  gekommen  ist,  eine  nur 
geringe  Grösse  und  vergeht  auch  schon  frühzeitig,  weshalb  man 
dem  Menschen  früher  eine  Allantois  absprach;  bei  den  übrigen 
Säugethieren  aber,  wie  auch  bei  den  Vögeln  und  beschuppten  Am- 
phibien, erreicht  sie  eine  sehr  bedeutende  Grösse,  legt  sich  zwi- 
schen die  rechte  Seite  des  Amnion  und  das  Chorion,  und  breitet 
sich  in  dem  Ei  der  Vögel  und  beschuppten  Amphibien ,  während 
sie  gleichzeitig  sich  mehr  und  mehr  abplattet,  zwischen  Amnion 
und  Chorion  so  aus,  dass  sie  zuletzt  das  Amnion  fast  gänzlich  wie 
eine  Kappe  umhüllt.  Mit  Ausnahme  des  Menschen  und  vielleicht 
auch  der  Affen  bleibt  wohl  bei  allen  übrigen  Geschöpfen ,  welche 
eine  Allantois  besitzen,  der  ausserhalb  der  Rumpf  höhle  liegende 
Theil  derselben  bis  zu  der  Zeit  bestehen,  da  die  Frucht  das  Ei  ver- 
lässt,  löst  sich  dann  am  Nabel  von  dem  andern  oder  demjenigen 
Theile  ab,  welcher  in  der  Rumpfhöhle  eingeschlossen  liegt,  und 
bleibt  am  Chorion  haften.  Dieser  letztere  Theil,  der  auf  der  Bauch- 
wandung in  der  Mittelebene  des  Körpers  seine  Lage  hat,  stellt  in 
einer  frühern  Zeit  des  Fruchtlebens  einen  kurzen  und  engen  Ka- 
nal, oder  gleichsam  den  Stiel  des  andern,  grössern  Theiles  dar,  be- 
sitzt jedoch  schon  bald  nach  seiner  Entstehung  eine  etwas  dickere 
Wandung,  als  der  ausserhalb  der  Rumpfhöhle  liegende,  der  immer 
nur  sehr  dünnhäutig  bleibt.  Allmälig  aber  nimmt  der  erwähnte 
Kanal  an  Länge  zu,  und  zwar  um  eben  so  viel,  als  sich  bei  der 
Vergrösserung  des  ganzen  Embryo  der  Nabel  von  dem  hintern 
Theil  der  Rumpfhöhle  oder  der  Afteröffnung  entfernt.    Auch  wei- 


40  II-  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen. 

tet  er  sich  bei  den  Säugethieren,  Schildkröten  und  den  meisten 
Sauriern  bedeutend  aus,  zumal  in  seiner  Mitte,  nimmt  ausserdem 
in  seiner  Wandung  an  Dicke  noch  immer  mehr  zu  und  bildet  sich 
überhaupt  zu  der  Harnblase  aus;  dagegen  bleibt  der  erwähnte  Ka- 
nal bei  den  Vögeln,  Schlangen  und  mehrern  Sauriern  fortwährend 
eng  und  dünn,  und  wird  bei  ihnen  späterhin,  nachdem  sie  das  Ei 
verlassen  haben,  so  völlig  aufgelöst,  dass  in  der  Regel  auch  von 
ihm  gar  keine  Spur  zurückbleibt. 

§•  23. 
Wieder  andere  Bildungen  machen  sich,  und  zwar  schon  früh- 
zeitig, wenngleich  mit  einigen  Modifikationen,  bei  allen  Wirbel- 
thieren  bemerkbar,  den  Amphioxus  vermuthlich  ausgenommen. 
Dahin  gehören  zuvörderst  die  Kieme nbogen  und  Kiemen- 
spalten. Die  Bauchplatten  erscheinen  anfangs  allenthalben  ganz 
glatt  und  eben.  Wann  aber  durch  Abschnürung  der  Keimhaut  der 
Kopf  schon  frei  geworden,  auch  schon  der  Mund  entstanden  ist, 
und  die  Bauchplatten  in  ihrem  vordersten  Theile,  wo  sie  mit  dem 
vegetativen  Fruchtblatt  in  der  innigsten  Verbindung  bleiben,  schon 
ziemlich  breit  geworden  sind,  bildet  sich  in  diesem  Theile  jeder- 
seits  eine  Reihe  senkrecht  stehender  Spalten,  die  durch  die  beiden 
Fruchtblätter  ganz  hindurch  gehen ,  so  dass  man  von  aussen  durch 
sie  bis  in  die  Höhle  des  vordersten  Theiles  des  Darmkanales  hin- 
durch dringen  kann.  Zwischen  der  vordersten  Spalte  und  der 
Mundöffnung,  so  wie  zwischen  je  zwei  Spalten  selbst,  erblickt  man 
jetzt  einen  schmalen  von  oben  nach  unten  herabgehenden  Bogen, 
an  dessen  Zusammensetzung  die  beiden  Fruchtblätter  Theil  haben. 
Die  Spalten  und  die  Bogen  sind  um  so  kleiner,  je  weiter  sie  nach 
hinten  liegen,  und  die  hinterste  Spalte  ist  bei  allen  Thieren,  die 
über  den  Batrachiern  stehen,  eigentlich  nur  eine  äusserst  kleine 
rundliche  OefFnung.  Die  Zahl  der  Spalten  und  der  Bogen  ist  etwas 
verschieden  bei  den  verschiedenen  Thierarten:  doch  bilden  sich  bei 
denjenigen,  welche  über  den  Fischen  stehen,  nur  4  bis  5  Paar,  da- 
gegen bei  den  meisten  Fischen  5  bis  6  Paar  Spalten.  In  dem  vor- 
dersten Paar  der  Bogen  entwickelt  sich  späterhin  der  Unterkiefer, 
in  dem  zweiten  Paar  bildet  sich  der  Körper  des  Zungenbeins  nebst 


IL  Von  dem  Embryo  der  Wirbel thiere  im  Allgemeinen.  41 

zwei  Hörnern  desselben,  und  aus  einem  jeden  oder  fast  einem  je- 
den der  übrigen  Bogen  entwickelt  sich  bei  den  Fischen  und  Batra- 
chiern  eine  Kieme.  Dagegen  kommt  es  bei  denjenigen  Thieren, 
welche  über  den  Batrachiern  stehen,  niemals  zu  einer  Bildung  von 
Kiemen.  Auch  verwachsen  bei  diesen  letztern  Thieren  die  Spalten 
mit  Ausnahme  der  des  vordersten  Paares  wiederum ,  und  das  nicht 
lange  nach  ihrer  Entstehung,  so  vollständig,  dass  von  ihnen  keine 
Spur  mehr  übrig  bleibt.  Das  vorderste  Paar  aber  verwächst  bei  den 
meisten  Arten  nur  unvollständig ,  nämlich  nicht  in  seiner  ganzen 
Tiefe,  sondern  nur  ungefähr  in  der  Mitte,  und  aus  dem  Stoffe,  der 
die  Verschliessung  bewirkte,  bildet  sich  das  Trommelfell.  Dagegen 
verwächst  bei  den  Fischen  in  der  Regel  nur  allein  das  vorderste 
Paar  vollständig,  indess  die  übrigen  Paare  bei  ihnen  und  auch  bei 
einigen  Batrachiern  zeitlebens  offen  bleiben  und  die  Kiemenspalten 
ausmachen.  Ich  habe  die  erwähnten  zwischen  den  Spalten  befind- 
lichen Bogen,  als  ich  diese  Spalten  bei  den  höhern  Wirbel  thieren 
entdeckt  hatte,  Kiemenbogen  genannt ;  da  aber  bei  den  höhern 
Thieren  aus  ihnen  keine  Kiemen  entstehen,  habe  ich  sie  später, 
deshalb  und  weil  die  Höhle,  die  sie  umfassen,  zur  Schlundhöhle 
Avird,  die  Schlundbogen  genannt.  Reichert  hielt  für  sie  den 
Namen  A'isceralbogen  für  passend. 

An  dem  obern  Ende  des  vordersten  Bogens  wächst  zu  der 
Zeit,  da  hinter  ihm  die  Spalte  entstanden  ist,  unter  einem  spitzen 
Winkel  nach  vorne  hin  ein  kleiner  Fortsatz  hervor,  der  sich  über 
dem  Mundwinkel  an  den  Vorderkopf,  wo  dessen  äussere  und  un- 
tere Seite  in  einander  übergehen,  anlegt  und  mit  demselben  ver- 
wächst. Er  nimmt  schnell  an  Länge  und  Dicke  zu,  und  in  ihm 
entstehen  später  Oberkiefer  und  Jochbeine.  Ich  habe  ihn  deshalb 
den  Oberkieferfortsatz  genannt. 

§.  24. 

Andre  Gebilde,  die  bei  allen  Wirbelthieren  entstehen,  sind  das 
Herz  und  die  Blutgefässe.  Nach  Beobachtungen,  die  beson- 
ders an  Hühnereiern  angestellt  worden  sind,  beginnen  sich  in  dem 
Embryo  der  "Wirbelthiere  Blutgefässe  früher,  als  das  Herz  zu 
bilden,  was  insofern  merkwürdig  sein  dürfte ,  als  sich  bei  manchen 


42  II-  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen. 

wirbellosen  Thieren,  z.  B.  bei  den  Würmern,  ein  Blntgefässsystem 
entwickelt,  ohne  dass  bei  ihnen  j  emals  ein  Herz  hinzukommt.  Die 
ersten  Blutgefässe  erscheinen  in  dem  Gefässhofe,  wo  sie  in  der 
mittlem  von  den  drei  Schichten  entstehen,  welche  sich  an  der 
Keimhaut  zu  einer  gewissen  Zeit  unterscheiden  lassen,  nämlich  in 
dem  mittlem  Blatte  der  Keimhaut  nach  Remak  oder  dem  Gefäss- 
blatte  anderer  Schriftsteller.  Sie  treten  hier  unter  der  Form  von 
netzartig  verbundenen  und  beinahe  undurchsichtigen  Cylindern 
auf,  die  aus  kernhaltigen  dicht  zusammengedrängten  Zellen  zusam- 
mengesetzt sind  und  anfangs  keine  Höhle  um  ihre  Achse  besitzen, 
aber  bald  darauf  eine  solche  bemerken  lassen  und  sich  nunmehr 
deutlich  als  Kanäle  darstellen.  In  der  Höhle  dieser  Kanäle  befin- 
det sich  eine  Flüssigkeit,  vermischt  mit  fein  granulirten  Zellen, 
von  denen  einige  farblos,  andre  gelbröthlich  sind,  die  sich  aber 
sämmtlich  als  die  ersten  Blutzellen  oder  Blutkörner  kund  geben. 
Während  darauf  der  Gefässhof  an  Ausbreitung  immer  mehr  zu- 
nimmt, und  sich  dabei  die  Maschen  des  Netzwerkes,  das  von  den 
zuerst  entstandenen  Gefässen  gebildet  worden  ist,  erweitern,  ent- 
steht in  der  Substanz,  welche  je  eine  von  diesen  Maschen,  die  man 
Blutinseln  genannt  hat,  ausfüllt,  ein  neuer  aus  gedrängt  beisam- 
menliegenden Zellen  zusammengesetzter  Cylinder,  der  an  seinen 
beiden  Enden  in  die  Kanäle,  w eiche  je  einen  Maschenraum  umge- 
ben ,  übergeht  und  ebenfalls  in  kurzer  Zeit  zu  einem  Kanal  wird. 
Indem  dieser  Vorgang  sich  immer  wiederholt  und  der  ganze  Ge- 
fässhof durch  Wachsthum  mehr  und  mehr  an  Ausbreitung  gewinnt, 
nehmen  die  Gefässmaschen  des  genannten  Hofes  immer  mehr  an 
Zahl  zu,  ohne  jedoch  im  Allgemeinen  kleiner  zu  werden,  und  es 
wird  in  Folge  davon  das  Netzwerk,  das  sie  zusammensetzen,  immer 
grösser  und  complicirter.  Erst  später,  als  in  dem  Gefässhofe,  ma- 
chen sich  Blutgefässe  in  dem  durchsichtigen  Fruchthofe  bemerk- 
lich, entstehen  aber  auch  in  ihm  allem  Anscheine  nach  auf  eine 
ähnliche  Weise,  wie  in  dem  erstem  Hofe.  —  Ueberhaupt  bilden 
sich  die  Blutgefässe  höchst  wahrscheinlich  so,  dass  sich  mehrere 
benachbarte  elementare  Zellen  nach  der  Dimension  der  Linie  zu- 
sammengruppiren,  sich  innig  mit  einander  verbinden  und  einen 
Cylinder  zusammensetzen,  auf  dessen  Querdurchmesser  wenigstens 


II.  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen.  43 

zwei  Zellen  kommen,  dass  darauf  um  die  Achse  eines  solchen  Cy- 
linders  die  Zellen  ihren  Zusammenhang  aufgeben  und  auseinander- 
weichen, wodurch  nun  eine  langgestreckte  Höhle  zu  Stande  kommt, 
und  dass  diese  Zellen  noch  später  ihren  Charakter  verlieren ,  sich 
zu  der  häutigen  Wandung  eines  Gefässes  umwandeln  und  wenig- 
stens die  innerste  Haut  desselben  bilden.  Gewinnt  die  Wandung 
später  eine  grössere  Dicke,  so  geschieht  dies  dadurch,  dass  neue 
Zellen  sich  von  aussen  an  sie  anlagern  und  in  andre  Gewebstheile 
umwandeln.  Ob  Blutgefässe  von  grosser  Zartheit,  namentlich  die 
sogenannten  Haargefässe  (Capillargefässe)  aus  einer  einzigen  Reihe 
von  elementaren  Zellen  entstehen,  die  mit  einander  verwachsen 
und  eine  im  Innern  mit  queren  Scheidewänden  versehene  Röhre 
darstellen,  welche  letztere  nachher  aufgelöst  werden,  ist  noch  nicht 
mit  Sicherheit  ermittelt  worden.  Auch  ist  es  eben  so  wenig  ent- 
schieden, ob  NetzAverke  von  Haargefässen,  wie  Koellikee.  bei 
Fröschen  gefunden  haben  will,  dadurch  gebildet  werden,  dass  ein- 
zelne Zellen  zwei  oder  mehrere  hohle  Strahlen  aussenden  und  sich 
mittelst  dieser  unter  einander  so  verbinden,  dass  je  ein  Strahl  der 
einen  Zelle  mit  einem  ihr  entgegengekommenen  Strahl  einer  andern 
verwächst ,  worauf  nunmehr  die  Höhlen  beider  gegen  einander 
durchbrechen  und  die  Körper  der  Zellen  sich  zu  dünnen  Kanälen 
verlängern. 

Arterien  und  Venen  entstehen  an  je  einer  Stelle  der  Keimhaut 
und  des  Embryo  gleichzeitig ,  keineswegs  also ,  wie  man  sonst  be- 
hauptet hat,  im  Allgemeinen  die  Venen  früher,  als  die  Arterien. 
Woher  aber  die  zuerst  in  dem  Gefässhofe  der  Keimhaut  erschei- 
nenden Blutkörner  oder  Blutzellen  ihren  Ursprung  nehmen,  hat 
noch  nicht  gehörig  ermittelt  werden  können.  Es  lässt  sich  nur  ver- 
muthen,  dass  sie  Zellen  sind,  die  bei  der  Bildung  von  Blutgefässen 
aus  dichten  Cy lindern  in  der  Achse  dieser  Cylinder  oder  zunächst 
um  dieselbe  ihre  Lage  hatten  und  sich  von  den  übrigen  Zellen  der 
Cylinder  völlig  loslösten. 

Das  Herz  entsteht  zwar  in  einer  sehr  frühen  Zeit  des  Frucht- 
lebens (bei  dem  Hühnchen  am  Anfange  des  zweiten  Tages  der  Be- 
bra tung)  doch,  wie  bereits  bemerkt  worden,  etwas  später,  als  die 
ersten  Blutgefässe  des  Gefässhofes.    Es  bildet  sich  dasselbe,  nach- 


44  II ■  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen. 

dem  sich  der  Embryo  von  dem  peripherischen  Theil  der  Keimhaut 
abzuschnüren  und  diese  Haut  sich  in  das  animale  und  vegetative 
Fruchtblatt  zu  spalten  begonnen  hat,  dicht  hinter  dem  Kopfe  in 
der  entstandenen  Lücke  zwischen  den  beiden  genannten  Blättern, 
und  zwar  an  der  untern  Seite  des  vordem  Theiles  von  dem  in  der 
Entstehung  begriffenen  Darmkanale.  Gleich  nach  seinem  Auftre- 
ten erscheint  es  als  ein  gerader,  dünner  und  in  der  Mittelebene  des 
Körpers  von  vorn  nach  hinten  verlaufender  Cylinder,  der  aus  ele- 
mentaren Zellen  besteht  und  seiner  ganzen  Länge  nach  mit  dem 
vordem  Theil  des  Darmkanales  gleichsam  verschmolzen  ist,  oder 
sich  vielmehr  als  einen  leistenartisren  Auswuchs  dieses  Theiles  dar- 
stellt,  wonach  zu  urtheilen  das  Herz  aus  diesem  Theil  des  Körpers, 
also  aus  dem  vegetativen  Fruchtblatt,  seinen  Ursprung  nimmt.  In 
kurzer  Zeit  wird  darauf  der  beschriebene  Cylinder  hohl  und  stellt 
nun  eine  einfache  Höhre  dar,  deren  hinteres  Ende  mit  den  Blutge- 
fässen des  Gefässhofes  in  Verbindung  gelangt  ist,  und  deren  Höhle 
eine  sehr  geringe  Menge  von  Blut  enthält.  Es  geht  demnach  die 
erste  Bildung  des  Herzens  völlig  in  derselben  Weise  vor  sich,  wie 
die  Bildung  eines  Blutgefässes.  —  Nachdem  das  Herz  im  Innern 
hohl  geworden  ist  und  sich  in  eine  Röhre  umgewandelt  hat ,  löst 
es  sich  von  seiner  Bildungsstätte,  der  untern  Seite  des  Darmkana- 
les, allmälig  seiner  Länge  nach  so  los,  dass  es  nur  an  seinen  beiden 
Enden  mit  demselben  durch  Blutgefässe ,  die  ihn  (den  Darmkanal) 
umfassen,  im  Zusammenhange  bleibt.  Auch  fängt  es  dann  an,  in- 
dem es  nicht  unbedeutend  an  Länge  zunimmt,  sich  seitwärts  zu 
biegen,  und  macht  bald  darauf  zwei  einander  entgegengesetzte 
Krümmungen,  nämlich  die  eine  rechts  hin,  die  andere  links  hin. 
Die  rechtshin  gehende  wird  bei  fast  allen  Wirbel thieren  von  der 
vordem,  die  andere  von  der  hintern  Hälfte  des  schlauchförmigen 
Herzens  dargestellt.  Beim  Blennius  viviparus  aber  fand  ich  ein 
umgekehrtes  Lagerungsverhältniss.  Sind  jene  Krümmungen  ent- 
standen, so  beschreibt  das  Herz  eigentlich  eine  Spirale.  Allmälig 
rücken  darauf  die  beiden  Enden  des  Herzens,  während  dasselbe 
immerfort  an  Länge  zunimmt,  näher  an  einander,  so  dass  die  von 
ihm  gebildete  Spirale  im  Verhältniss  zu  der  Weite  dieses  Organs  je 
später  um  so  kürzer  und  breiter  erscheint.    Ferner  nimmt  das  von 


II.  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen.  45 

dem  Herzen  dargestellte  und  anfangs  beinahe  spindelförmige  Rohr 
zunächst  gegen  sein  hinteres  Ende  am  meisten  an  Weite  zu,  und 
hat  zu  einer  gewissen  Zeit,  abgesehen  von  seinen  Krümmungen, 
beinahe  die  Form  einer  Trompete.  Dann  aber  erweitert  es  sich 
auch  vor  seiner  Mitte  ansehnlich  und  erhält  dadurch  das  Aussehen, 
als  wäre  es  in  seiner  Mitte  stark  zusammengeschnürt.  Dagegen 
nimmt  es  nun  grade  an  seinem  hintern  Ende  am  wenigsten  an 
Weite  zu  und  gewährt  dadurch  den  Schein,  als  würde  es  auch  hier 
eingeschnürt  oder  verengert.  Im  Ganzen  besteht  es  nach  einiger 
Zeit  bei  allen  Wirbelthieren ,  mit  Ausnahme  des  Amphioxus,  aus 
zwei  unregelmässig  ovalen  einfachen  Kammern,  von  denen  die  eine 
hinter  und  zum  Theil  auch  über  der  andern  liegt.  Die  hintere 
Kammer  ist  der  nachherige  venöse  Theil  des  Herzens,  die  vor- 
dere, deren  Wand  sich  auch  schon  stärker  verdickt  hat,  der  arte- 
rielle Theil  desselben.  Die  Einschnürung  zwischen  beiden  wird 
je  nach  den  verschiedenen  Arten  der  Wirbelthiere  mehr  oder  we- 
niger tief  und  lang ,  scheidet  dadurch  die  beiden  Kammern  immer 
mehr  von  einander  und  stellt  zu  einer  gewissen  Zeit  einen  kurzen 
Kanal  dar,  den  man  den  Ohrkanal  (Canalis  auricularis)  nennt. 
Bald  auch  weitet  sich  das  vordere  Ende  des  Herzens  mehr  aus,  je- 
doch im  Ganzen  nur  massig,  und  es  bildet  sich  zwischen  ihm  und 
der  vordem  Kammer  ein  dünner  und  massig  langer  Verbindungs- 
kanal. Man  nennt  diesen  das  Fretum  Halleri,  jene  vordere  An- 
schwellung aber  den  Bulbus  Aortae,  Aortenwulst  oder  Herz- 
zwiebel. 

Bewegungen  sieht  man  an  dem  Herzen  schon  dann,  wenn 
es  noch  ein  ganz  einfacher  Schlauch  ist,  doch  nur  sehr  schwache. 
Stärker  und  lebhafter  werden  sie ,  wenn  an  ihm  eine  Scheidung  in 
die  Kannnern  erfolgt  ist.  Sie  bestehen  dann  darin,  dass  sich  die 
hintere  Kammer  immer  zuerst  zusammenzieht  und  das  von  ihr  auf- 
genommene Blut  der  vordem,  die  in  diesem  Moment  erweitert  ist, 
übergiebt.  Gleich  darauf  erweitert  sie  sich  wieder,  indem  sich  nun 
die  vordere  Kammer  zusammenzieht  und  ihren  Inhalt  der  Herz- 
zwiebel übergiebt. 

Was  die  Blutgefässe  anbelangt,  so  bilden  sich  in  dem  Ge- 
fässhof  auf  dem  in  der  Entwickelung  begriffenen  Dottersack  zwei 


46  II.  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen. 

Netzwerke  von  Gefässen,  von  denen  bei  allen  Wirbelthieren ,  mit 
Ausnahme  der  Fische  und  vielleicht  auch  der  Batrachier,  das  eine 
das  andere  deckt.  Das  äussere  oder  an  der  Oberfläche  liegende  ist 
venöser  Art,  führt  Blut  aus  dem  Dottersack  dem  Herzen  zu,  und 
übergiebt  mit  demselben  dem  Embryo  Stoffe,  die  es  sich  aus  dem 
Dotter  angeeignet  hatte.  Das  andere  oder  tiefer  liegende  Netzwerk 
ist  arterieller  Art,  besteht  aber  (namentlich  bei  den  Vögeln  und 
Schlangen)  zum  Theil  aus  weiteren  Gefässen ,  erscheint  also  weni- 
ger zart,  als  das  erstere,  und  nimmt  das  Blut  auf,  welches  den 
Körper  des  Embryo  durchströmt  hatte.  Beide  Netzwerke  bilden, 
wie  der  Gefässhof,  dem  sie  angehören,  anfangs  nur  einen  massig 
breiten  Saum  um  den  Körper  des  Embryo ,  allmälig  aber  breiten 
sie  sich  in  dem  peripherischen  Theil  des  vegetativen  Fruchtblattes 
so  weit  aus,  dass  in  diesem  Theil,  der  bei  allen  höhern  Wirbelthie- 
ren und  auch  bei  vielen  (oder  allen!1)  Fischen  zu  einem  Dotter- 
sacke wird,  zuletzt  allenthalben  Gefässe  vorkommen.  Ferner  sind 
bei  denjenigen  Thieren,  welche  über  den  Batrachiern  stehen,  die 
beiden  Netzwerke,  die  bei  diesen  Thieren  einander  decken  und 
eine  gleiche  Ausbreitung  haben,  an  ihrem  äussern  Rande  oder  Um- 
kreise durch  ein  einfaches  und  ihnen  gemeinsames  Blutgefäss  rings- 
um begrenzt.  Dieses  bildet  einen  in  der  Begel  offenen  Bing,  des- 
sen Oeffnung  oder  Unterbrechung  vor  dem  Kopfende  des  Embryo, 
doch  weit  davon  entfernt,  ihre  Lage  hat,  und  besitzt  allenthalben 
eine  massige  Weite,  die  geringste  aber  gegen  jene  Unterbrechung, 
also  gegen  sein  Ende  hin.  Man  nennt  es  den  Sinus  terminalis, 
oder  die  Grenzvene.  In  ihn  gehen  die  äussersten  Zweige  der  bei- 
den erwähnten  Netzwerke  von  Gefässen  über,  so  dass  er  eine  Ver- 
bindung zwischen  beiden  darstellt.  Während  die  beiden  Netze  von 
Blutgefässen  sich  vergrössern ,  breitet  sich  geraume  Zeit  auch  die- 
ser Sinus  immer  mehr  aus,  wird  also  zu  einem  immer  grössern 
Binge.  Dann  aber  verschwindet  er,  und  nunmehr  gehen  an  dem 
äussern  Bande  der  beiden  Netze  die  Endzweige  des  einen  unmit- 
telbar in  die  des  andern  über. 

Alle  Theile  des  oberflächlichen  oder  venösen  Netzes  gehen  zu- 
letzt in  zwei  kurze  Aeste  über,  von  denen  der  eine  an  der  rechten, 
der  andere  an  der  linken  Seite  des  Embryo  liegt.  Beide  Aeste  aber 


II.  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen.  47 

gehen  anfänglich  unmittelbar  in  das  hintere  Ende  des  Herzens 
über,  so  dass  dieses  nach  hinten  gleichsam  in  zwei  Schenkel  aus- 
läuft. Während  aber  die  Darmrinne  sich  mehr  und  mehr  schliesst, 
der  Dottersack  sich  also  immer  mehr  vom  Darm  scheidet,  wird  der 
hintere  Theil  des  Herzens,  der  zunächst  vor  den  erwähnten  beiden 
Schenkeln  liegt ,  allmälig  zu  einem  Kanal  ausgesponnen ,  der  nun 
den  Stamm  eines  Gefässes  ausmacht,  von  dem  jene  Schenkel  die 
Aeste  und  die  auf  dem  Dottersack  ausgebreiteten  Venen  die  Zweige 
sind.  Man  nennt  dieses  Gefäss  die  Dottervene  oder  ISTabel- 
gekrösvene  (Vena  vitellina  s.  V.  omphalo - mesentericd).  Wo 
der  Stamm  desselben  in  den  schon  erweiterten  venösen  Antheil  des 
Herzens  übergeht,  schliessen  sich  an  ihn  die  Stämme  der  Venen 
an,  die  in  dem  Körper  des  Embryo  entstehen.  Solcher  Stämme 
aber  bilden  sich,  nach  den  bisherigen  Erfahrungen  zu  urtheilen, 
bei  allen  Wirbelthieren  zuvörderst  vier,  von  denen  je  zwei  auf 
beide  Seitenhälften  des  Embryo  A^ertheilt  und  unter  einander  sym- 
metrisch sind.  Die  des  einen  Paares  kommen  vom  Kopfe  her  und 
sind  die  nachherigen  Drossel- Venen.  Die  des  andern  Paares 
kommen  vom  Schwanz ,  laufen  an  der  untern  Fläche  der  Rücken- 
wand  der  Eumpfhöhle  gerade  nach  vorn  und  haben  eine  grössere 
Länge  und  Weite,  als  die  des  erstem  Paares.  Ich  nenne  sie  die 
Cardinal- Venen.  Der  hintere  und  der  vordere  Venenstamm 
einer  jeden  Seitenhälfte  füessen  über  und  etwas  hinter  dem  Herzen 
zu  einem  kurzen  und  massig  weiten  gemeinschaftlichen  Abzugska- 
nal zusammen,  der  sich  von  der  Eückenwand  hinabsenkt  und  mit 
dem  gleichen  Kanal  der  andern  Seitenhälfte  stark  convergirt.  Es 
heissen  die  beiden  Kanäle,  die  übrigens  den  Munddarm  von  den 
Seiten  umfassen,  die  Ductus  trcmsversi  oder  Ductus  Cuvieri. 

Das  von  dem  Herzen  aufgenommene  Blut  wird  durch  das  vor- 
dere Ende  desselben  dem  arteriellen  System  übergeben.  Dieses  be- 
ginnt ursprünglich  wohl  bei  allen  Wirbelthieren  mit  einem  kurzen 
und  geraden  Stamm,  dem  sogenannten  Ductus  arter iosus  communis, 
der  in  der  Mittelebene  des  Körpers  unter  dem  vordersten  Theil  des 
Darmkanales  liegt  und  sich  nach  vorn  unter  einem  spitzen  Winkel 
in  zwei  verhältnissmässig  bedeutend  lange  symmetrische  und  auf 
die  beiden  Seitenhälften  des  Körpers  vertheilte  Aeste  spaltet.  Diese 


48  II.  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen. 

beiden  Aeste,  die  man  die  primitiven  Aorten  nennen  kann,  verlau- 
fen divergirend  nach  dem  Munde  hin,  steigen  dicht  hinter  demsel- 
ben in  dem  ersten  Paar  der  Schlundbogen  in  die  Höhe,  biegen  sich 
darauf  nach  hinten  um,  kommen  dann  über  dem  vordem  Theil  des 
Darmkanals  einander  wieder  näher  und  verlaufen  nunmehr,  nach- 
dem sie  also  zwei  den  Darmkanal  umfassende  Schlingen  gebildet 
haben,  unter  der  Rückenwand  des  in  der  Entwickelung  begriffenen 
Rumpfes,  wie  Remak  namentlich  bei  dem  Hühnchen  entdeckt  hat, 
parallel  und  ganz  nahe  bei  einander  nach  dem  Sclrwanze  hin.  Bald 
nach  ihrer  Entstehung  aber  verwachsen  sie  auf  der  ganzen  Strecke, 
auf  der  sie  nahe  bei  einander  liegen,  von  vorn  alhnälig  immer 
weiter  nach  hinten  vollständig  mit  einander,  verlieren  durch  Re- 
sorption ihre  einander  zugekehrten  und  vereinigten  Wandungen 
und  bilden  dann  in  Folge  davon  eine  viel  weitere  lange  unpaarige 
Arterie,  nämlich  bei  den  Fischen,  Batrachiern  und  Reptilien  deii 
ganzen  sogenannten  Aortenstamm,  bei  den  Vögeln  aber  und  den 
Säugethieren  die  dem  Aortenstamme  jener  Thiere  entsprechende 
Aorta  desccndem.  Ungefähr  um  die  Zeit,  da  sich  diese  unpaarige 
grösste  Arterie  des  Körpers  zu  bilden  beginnt,  entstehen  in  der 
Schlinge,  welche  der  vordere  Theil  einer  jeden  primitiven  Aorta 
darstellt,  mehrere  arterielle  Gefässbogen  oder  bogenförmige  Ana- 
stomosen, die  in  einer  Reihe  hinter  einander  liegen  und  von  denen 
die  vordem  von  dem  aufsteigenden  (untern)  zu  dem  absteigenden 
(obern)  Schenkel  der  Schlinge,  die  hintern  aber  von  dem  Truncus 
arteriosus  communis  zu  dem  absteigenden  Schenkel  der  Schlinge 
gehen.  Der  vorderste  von  ihnen  entsteht  zuerst,  der  hinterste  zu- 
letzt; wenn  aber  der  vorderste  bereits  entstanden  ist,  so  erscheint 
auch  der  in  dem  ersten  Schlundbogen  gelegene  Theil  der  ange- 
führten Schlinge  als  ein  solcher  Gefässbogen.  Ihn  mitgerechnet 
richtet  sich  die  Zahl  aller  dieser  Gefässbogen  im  Allgemeinen  nach 
der  Zahl  der  Schlundbogen:  denn  durch  jeden  Schlundbogen  läuft 
einer  von  ihnen  der  Länge  nach  hindurch ;  doch  kommt  mitunter 
auch  noch  einer  hinter  der  letzten  Schlundspalte  vor.  Ihre  Zahl 
ist  also  bei  den  verschiedenen  Wirbelthieren  eine  verschiedene.  Bei 
den  Gräteirfischen  bilden  sich  in  der  Regel  6  Paar,  bei  den  Repti- 
lien, Vögeln  und  Säugethieren  nur  5  Paar.    Jedoch  findet  man  bei 


II.  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen.  49 

allen  diesen  Thieren  nie  so  viel  beisammen :  denn  wenn  das  hin- 
terste Paar  entsteht,  verengern  sich  mid  schwinden  die  beiden  vor- 
dersten Paare.  Was  übrigens  aber  die  Zeit  ihrer  Entstehung  anbe- 
langt, so  bildet  sich  von  denjenigen  Gefässbogen,  welche  durch 
die  Schlundbogen  hindurchgehen,  ein  jeder  etwas  früher,  als  die 
hinter  ihm  befindliche  Spalte. 

Wenn  sich  die  primitiven  Aorten  ungefähr  gegenüber  dem 
Herzen  zu  einer  unpaarigen  Arterie ,  dem  Aortenstamm ,  zu  ver- 
einigen begonnen  haben ,  stellen  die  vor  diesem  Stamm  gelegenen 
schlingenförmigen  Theile  derselben  nebst  ihren  bogenförmigen 
Anastomosen  gewissermassen  zwei  verzweigte  Wurzeln  des  ange- 
führten Aortenstammes  dar,  die  den  vordersten  Theil  des  Darm- 
kanals  umfassen  und  mit  dem  Namen  der  primitiven  Aortenwur- 
zeln belegt  werden  können. 

Weiter  nach  hinten ,  als  wo  sich  bei  den  Embryonen  der  ver- 
schiedenen Wirbelthiere  die  beschriebenen  Aortenwurzeln  bilden, 
senden  die  primitiven  Aorten  namentlich  bei  den  höhern  Wirbel- 
thieren  seitwärts  Aeste  aus ,  die  sich  nach  dem  Gefässhof  begeben 
und  das  arterielle  Gefässnetz  desselben  zusammensetzen.  Bei  den 
Reptilien  (oder  beschuppten  Amphibien)  und  den  Vögeln  entsen- 
det eine  jede  nur  einen  solchen  Ast,  bei  den  Säugethieren  aber 
mehrere  in  einer  Reihe  auf  einander  folgende  Aeste.  Nicht  lange 
jedoch  bestehen  diese  Aeste  bei  einander:  denn  einige  Zeit  nach 
ihrer  Entstehung  vermindert  sich  ihre  Zahl  bis  auf  einen,  (Säuge- 
thiere)  oder  den  einen  (Vögel  und  Reptilien),  der  von  der  linken 
primitiven  Aorta  ausgesendet  ist,  aber  nach  der  Vereinigung  der 
beiden  primitiven  Aorten  zu  einem  unpaarigen  Aortenstamm  als  ein 
Ast  dieses  Stammes  erscheint.  Man  nennt  denselben  Arteria  om- 
■phalo-mesenterica  oder  Nabel- Gekrösarterie,  weil  er,  wenn  sich  das 
Gekröse  und  der  Nabel  gebildet  haben ,  an  dem  erstem  (und  zwar 
an  dessen  linker  Seite)  vorbei  und  durch  den  letztern  hindurch 
geht,  um  sich  zu  dem  Gefässhofe  oder  dem  bereits  gebildeten  Dot- 
tersacke zu  begeben ,  dessen  ganzes  arterielles  Gefässnetz  dann  als 
eine  Verzweigung  von  ihm  erscheint  und  nur  allein  durch  ihn  mit 
Blut  erfüllt  wird. 

Nahe  ihrem  Ursprünge  aus  der  Aorta  sendet  die  Art.  omphalo- 

Kathke,  Vorlesungen.  A 


1  50  II.  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen. 

i  EB  1  3  ?'■ . 

mesenterica  in  einer  frühen  Zeit  des  Fruch.tlebens  einen  Zweig  aus, 
der  für  den  Darm  bestimmt  ist ,  theils  auf  diesem ,  theils  auch  in 
dem  Gekröse  verläuft  und  rasch  an  Länge  und  Weite  so  zunimmt, 
dass  der  unter  seinem  Ursprünge  befindliche  Theil  Hex  Art.  omphalo- 
mesenterica ,  der  mit  der  Zeit ,  wie  der  Dottersack ,  auf  dem  sich 
seine  Verzweigung  befindet,  an  Ausbreitung  immer  mehr  abnimmt, 
späterhin  nur  als  ein  Zweig  von  ihr  erscheint.  Dieses  neu  entstan- 
dene Gefäss  stellt  nach  seiner  Ausbildung  zusammen  mit  jenem 
Theil  der  Art.  omphalo  -  mesenterica ,  welcher  sich  zwischen  ihm 
und  der  Aorta  befindet  und  nicht  wie  der  übrige  Theil  der  genann- 
ten Arterie  vergeht,  sondern  gegentheils  an  Weite  und  Länge  zu- 
nimmt, die  Art.  mesenterica ,  bei  den  Säugethieren  namentlich  die 
Art.  mesenterica  superior  dar. 

§.  25. 

Später  zwar,  als  Herz  und  Schlundspalten,  doch  gleichfalls 
schon  recht  frühe,  entsteht  bei  vielen  Fischen  eine  Schwimm- 
blase. Sie  bildet  sich  mehr  oder  weniger  weit  vom  Munde  ent- 
fernt aus  der  oberen,  in  höchst  seltenen  Fällen  (Polyptems  niloti- 
cus)  vielleicht  aus  der  untern  Wandung  des  Darmkanals,  indem 
sich  derselbe  an  einer  kleinen  Stelle  aussackt,  der  ausgesackte  Theil 
aber  an  Umfang  bedeutend  zunimmt,  und  zwar  in  der  Art,  dass  er 
sich  dabei  gegen  den  Darmkanal  scheinbar  immer  mehr  abschnürt, 
also  nach  einiger  Zeit  mit  einer,  im  Verhältniss  zu  seiner  Höhle 
nur  engen  OefFnung  in  den  Darmkanal  ausmündet.  Ebenfalls  et- 
was später,  als  Herz  und  Schlundspalten,  bilden  sich  bei  allen  über 
den  Fischen  stehenden  Thieren  die  ursprünglich  immer  doppelten 
Lungen,  und  zwar  durch  Ausstülpung  aus  der  untern  Wand  des 
Darmkanales  dicht  hinter  den  Schlundspalten.  Es  entstehen  hier 
nebeneinander  zwei  Ausbuchtungen  der  Darmwand,  die  bald  zwei 
kleine  stumpfe  Kegel  darstellen.  Dann  aber  sackt  sich  mit  ihnen 
auch  der  zwischen  ihnen  befindliche  und  in  der  Mittelebene  des 
Körpers  liegende  Theil  der  Darmwand  aus,  in  Folge  dessen  sie 
bald  darauf  zwei  kleine  Blasen  darstellen ,  die  durch  einen  kurzen 
hohlen  Stiel  mit  dem  Darmkanal  zusammenhängen.  Bei  fast  allen 
Batrachiern  behält  dieser  Stiel  nur  eine  geringe  Länge  und  ent- 


II.  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen.  51 

wickelt  sich  aus  ihm  nur  allein  der  Kehlkopf.  Bei  den  höhern 
Wirbelthieren  aber  verlängert  er  sich  ansehnlich  und  entwickelt 
sich  zu  dem  Kehlkopf  und  dem  Stamm  der  Luftröhre. 

§■  26. 
Ungefähr  zu  derselben  Zeit ,  als  die  Schwimmblase  oder  die 
Lungen,,  tritt  auch  die  Leber  auf.  In  der  Regel  bildet  sie  sich  vor 
dem  Dottersack,  wenn  ein  solcher  vorkommt,  dagegen  bei  dem 
Blennius  viviparus  hinter  demselben.  Jedenfalls  aber  entsteht  sie 
aus  der  untern  Wandung  des  Darmkanals  und  zwar  in  ähnlicher 
Weise,  wie  die  Lungen,  so  nämlich,  dass  sich  jene  Wandung  zu 
zwei  neben  einander  liegenden  kegelförmigen  Erhöhungen  aus- 
buchtet, die  sich  darauf,  an  Grösse  zunehmend,  von  dem  Darmka- 
nal scheinbar  abschnüren,  nachdem  sie  den  zwischen  ihnen  liegen- 
den Theil  der  Darmwand  für  sich  zu  einem  kurzen  Kanal,  der  sich 
zu  dem  Ausführungsgang  der  Galle  entwickeln  soll,  gleichsam 
ausgesponnen  haben.  Bei  denjenigen  Wirbelthieren,  bei  welchen 
die  Leber  vor  dem  Dottersack  entsteht,  liegen  gleich  anfangs  ihre 
beiden  Seitenhälften,  oder  jene  erst  erwähnten  kegelförmigen  Aus- 
sackungen des  Darmkanals,  so  neben  einander,  dass  zAvischen  ihnen 
der  Gefässstamm,  durch  welchen  das  venöse  NetZAverk  des  Dotter- 
sacks mit  dem  Herzen  zusammenhängt,  als  der  Stamm  der  Nabel- 
Gekrösvene,  hindurch  geht  und  von  ihnen  gleichsam  umfasst  wird. 
Sehr  schnell  aber  und  in  hohem  Grade  nimmt  das  Blastem  jener 
kegelförmigen  Seitenhälften  der  Leber  an  Umfang  und  Masse  zu, 
vereinigt  sie  mit  einander  und  hüllt  in  kurzer  Zeit  den  erwähnten 
venösen  Gefässstamm  so  völlig  ein ,  dass  dieser  durch  die  Leber 
selbst  hindurch  geht.  Nunmehr  sendet  dieser  Stamm  von  zwei 
Stellen,  deren  eine  hinter  der  andern  und  in  einiger  Entfernung 
von  derselben  liegt ,  Zweige  in  die  Leber  hinein ,  die  an  ihren  En- 
den in  einander  übergehen  und  theils  an  Ausbreitung ,  theils  auch 
an  Weite  immer  mehr  zunehmen,  indess  zwischen  jenen  beiden 
Stellen  der  Stamm  immer  enger  wird ,  bis  er  zuletzt  hier  ganz  ver- 
schwindet. So  zerfällt  denn  der  angeführte  Venenstamm  in  zwei 
Hälften,  von  denen  die  eine  der  Leber  Blut  von  dem  Dottersack 
zuführt,  die  andre  aber,  die  meistens  nur  sehr  kurz  ist,  das  Blut 

4* 


52  II.  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen. 

von  der  Leber  fortführt  und  dem  Herzen  übergiebt.  Die  letztere 
oder  vordere  kleinere  Hälfte  möge  für  jetzt  noch  unbenannt  blei- 
ben, die  erstere  aber  den  Namen  der  Vena  omphalo-mesenterica 
führen.  Mit  dem  weitern  "V  erhalten  der  hintern  Hälfte  der  ge- 
nannten Vene  hat  es  eine  ähnliche  Bewandtniss,  wie  mit  der  gleich- 
namigen Arterie.  Wenn  nämlich  der  Darm  sich  weiter  entwickelt, 
bemerkt  man  an  ihm  und  im  Gekröse  ein  kleines  Gefäss,  das  als 
ein  Zweig  von  jener  Vene  erscheint  und  Vena  mesenterica  heisst. 
Bald  aber  nimmt  dieses  an  Grösse  bedeutend  zu,  indess  der  Haupt- 
zweig jener  Vene,  der  auf  dem  Dottersack  ausgebreitet  ist,  an 
Grösse  so  abnimmt,  dass  er  nach  einiger  Zeit  der  Vena  mesenterica 
untergeordnet  erscheint  und  noch  später  ganz  vergeht.  Uebrigens 
wachsen  aus  dem  Venenstamm,  der  zu  der  Leber  geht,  in  der  Nähe 
dieses  Organs  noch  Zweige  für  den  Magen,  die  Milz  und  die  Bauch- 
speicheldrüse hervor,  und  wenn  dies  geschehen  ist,  setzen  mit  je- 
nem Stamm  die  von  dem  Dottersack,  dem  Darmkanal,  der  Milz 
und  der  Bauchspeicheldrüse  kommenden  Venen  das  System  der 
Pfortader  zusammen . 


§•  27. 
Noch  früher,  als  die  Leber,  treten  bei  allen  höhern  Wirbel- 
thieren  innerhalb  der  Leibeshöhle  zwei  Eingeweide  auf,  die  zur 
Bereitung  von  Harn  dienen  sollen,  aber  späterhin  entweder  gänz- 
lich oder  doch  zum  grössten  Theil  vergehen  und  nicht  die  eigent- 
lichen Nieren  sind.  Sie  liegen,  vertheilt  auf  die  beiden  Seitenhälf- 
ten des  Körpers,  dicht  neben  der  Aorta  unter  der  Rückenwand  des 
Leibes ,  hängen  mit  derselben  ihrer  ganzen  Länge  nach  innig  zu- 
sammen und  erstrecken  sich  von  dem  hintern  Ende  der  Leibes- 
höhle bis  zu  dem  hintersten  Paar  der  Schlundspalten ,  haben  also 
eine  bedeutend  grosse  Längenausdehnung.  Beide  haben  eine 
gleiche  Grösse  und  Gestalt  und  sind  anfangs  in  der  Regel  beinahe 
spindelförmig,  doch  von  oben  und  unten  abgeplattet.  Nach  Re- 
maks  Untersuchungen  über  die  Entwickelung  des  Hühnchens  ent- 
springen sie  in  ihrer  ganzen  Länge  an  der  äussern  Fläche  der 
Darmplatten,  wo  diese  mit  den  Bauchplatten  ein  Paar  Winkel  bil- 
den und  zur  Bildung  des  Gekröses  verwandt  werden,  also  aus  dem 


II.  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen.  53 

vegetativen  Fruchtblatte,  wo  dasselbe  mit  dem  animalen  im  Zusam- 
menhange bleibt.  Bald  nach  seinem  Erscheinen  besteht  ein  jedes 
solches  Organ  erstens  aus  einem  ganz  geraden  und  von  vorn  nach 
hinten  verlaufenden  einfachen  Kanal,  der  in  das  Ende  des  noch  in 
der  ersten  Entwickelung  begriffenen  Darmrohrs  übergeht  und  der 
zuerst  entstandene  Theil  des  ganzen  Organs  ist,  zweitens  aus  einer 
Reihe  kolbenförmiger  Beutelchen,  die  mit  ihrer  Achse  quer  gela- 
gert sind  und  einzeln  an  ihrem  dünnem  Ende  in  den  erwähnten 
Kanal  ausmünden,  und  drittens  aus  einem  weichen  Blastem,  das 
alle  jene  Beutelchen  einhüllt  und  mit  einander  vereinigt.  Sehr  bald 
aber  wandeln  sich  die  angeführten  Beutelchen  unter  fortschreiten- 
dem Wachsthum  in  eben  so  viele  harnbereitende  Röhrchen  um,  die 
sich  darauf  bei  zunehmender  Verlängerung  mehrfach  krümmen 
und  winden  und  ihr  Secret  in  den  nach  der  Länge  des  Organs  ver- 
laufenden Kanal  als  in  ihren  gemeinschaftlichen  Ausführungsgang 
ergiessen.  Nachdem  diese  harnbereitenden  Organe  der  höhern 
Wirbelthiere  einige  Zeit  bestanden  haben,  vergehen  sie  entweder 
gänzlich,  oder  doch  (so  namentlich  bei  den  männlichen  Indivi- 
duen) zum  Theil,  und  im  letztern  Falle  wandeln  sich  darauf  ihre 
Ueberreste  in  Theile  des  Geschlechtsapparates  um.  Als  ich  von 
ihnen  zuerst  eine  ausführlichere  Beschreibung  und  eine  Deutung 
gab,  benannte  ich  sie  nach  C.  F.  Wolff,  der  sie  schon  viel  früher 
bei  dem  Hühnchen  gesehen,  aber  irrthümlich  für  die  eigentlichen 
und  verbleibenden  Nieren  gehalten  hatte,  die  WoLFFschen 
Körper.  Späterhin  sind  sie  auch  unter  dem  passenden  Namen 
der  Primordi alliieren  oder  Urnieren  aufgeführt  worden. 

Bei  den  Batrachiern  entstehen  in  einer  frühen  Entwicklungs- 
zeit zwar  ebenfalls  zwei  WoLFFsche  Körper,  sie  werden  jedoch  bei 
ihnen  verhältnissmässig  lange  nicht  so  gross,  wie  bei  den  höhern 
Wirbelthieren,  liegen  nur  in  dem  vordersten  Theil  der  Rumpfhöhle 
und  stellen  nach  erlangter  Ausbildung  ein  Paar  linsenförmige  Or- 
gane dar,  von  denen  jedes  einen  dünnen,  geraden,  dicht  unter  der 
Rückenwand  des  Rumpfes  nach  hinten  verlaufenden  und  in  das 
Ende  des  Darms  übergehenden  Ausführungsgang  absendet.  In  ih- 
rem Bau  verhalten  sie  sich,  wenn  ihre  Entwickelung  vollendet  ist, 
nach  den  Arten  der  Batrachier  verschieden :   denn  bei  einigen  be- 


54  II.  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen. 

stellt  alsdann  ein  solches  Organ  aus  einem  einzigen  zusammenge- 
knäuelten  Kanal,  der  sich  unmittelbar  in  den  Aus  führungsgang 
fortsetzt,  bei  andern  aber,  allem  Anschein  nach,  aus  einem  Haufen 
kurzer ,  gerader  und  ungefähr  wie  die  Blätter  einer  gefüllten  Hose 
ausgebreiteter  Kanälchen ,  aus  dessen  Mitte  der  Ausführungsgang 
hervorgeht.  Späterhin  verschwindet  dieses  Organ  spurlos;  sein 
Ausführungsgang  aber  verbleibt,  nimmt  noch  an  Grösse  zu  und 
dient  nicht  nur  zur  Fortleitung  des  von  der  Niere  seiner  Seite,  die 
nach  ihm  entstanden  ist,  bereiteten  Harns,  sondern  auch  als  Samen- 
leiter oder  Eierleiter. 

Auch  bei  den  Fischen,  namentlich  den  Grätenfischen,  bilden 
sich  nach  Beobachtungen,  die  Reichert  gemacht  hat,  zweiWoLFF- 
sche  Körper.  In  Flinsicht  der  Lagerung  und  relativen  Grösse  stim- 
men sowohl  sie  selbst ,  als  auch  ihre  Ausführungsgänge  mit  denen 
der  Batrachier  überein.  Desgleichen  sind  sie  den  genannten  Kör- 
pern mancher  Batrachier  darin  ähnlich,  dass  ein  jeder,  wenigstens 
allem  Anschein  nach,  nur  aus  einem  einzigen  zusammengeknäuel- 
ten  Kanal  besteht.  Ihre  Ausführungsgänge  aber  münden  sich  (na- 
mentlich bei  sehr  jungen  Cyprinen)  nicht  getrennt  von  einander  in 
den  hintersten  Theil  des  Darms,  sondern  gehen  in  einen  kurzen 
gemeinschaftlichen  Stamm  über,  der  sich  dicht  hinter  dem  After 
mündet.  Doch  fragt  es  sich  noch,  ob  dieses  ihr  Verhältniss  ein  pri- 
mitives oder  nicht  vielmehr  ein  secundäres  ist.  (Reichert  in  Mül- 
lers Archiv.    Jahrgang  1856.    S.   125  ff.) 

Die  Nieren  der  Wirbelthiere  entstehen  später,  als  dieWoLFF- 
schen  Körper,  aber  ebenfalls  dicht  unter  der  Rückenwand  des 
Rumpfes  zu  beiden  Seiten  der  Aorta.  Bei  den  Batrachiern  bilden 
sie  sich  an  der  innern  Seite  der  Ausführungsgänge  der  Wolff- 
schen  Körper  aus  diesen  Gängen  selbst  hervor,  sind  also  von  jenen 
Körpern,  hinter  denen  sie  entstehen,  niemals  verdeckt.  Auch  er- 
halten sie  bei  den  Batrachiern  keine  besondern  Harnleiter  als  ihnen 
eigne  Ausführungsgänge,  sondern  es  dienen  für  den  von  ihnen  be- 
reiteten Harn,  wie  schon  vorhin  bemerkt  worden,  die  Ausführungs- 
gänge der  WoLFFschen  Körper  als  Abzugsröhren. 

Einen  eben  solchen  Ursprung,  wie  bei  den  Batrachiern,  schei- 
nen die  Nieren  auch  bei  den  Fischen  zu  haben  und  scheinen  ihre 


IL  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen.  55 

Harnleiter  nur  die  ursprünglichen,  aber  allmälig  verlängerten  und 
stärker  gewordenen  Ausführungsgänge  der  schon  frühe  wieder  ver- 
schwundenen WoLFFschen  Körper  zu  sein. 

Bei  den  höhern  Wirbelthieren  entstehen  die  Nieren  und  ihre 
besondern ,  von  den  Ausführungsgängen  der  WoLFFschen  Körper 
geschiedenen  Harnleiter,  wann  sich  bei  denselben  jene  Organe 
noch  beinahe  durch  die  ganze  Länge  der  Rumpfhöhle  erstrecken, 
und  erhalten  ihre  Lage  zwischen  jenen  und  der  Rückenwancl  der 
Rumpfhöhle.  Auch  bleiben  sie  eine  geraume  Zeit  zwischen  den 
WoLFFschen  Körpern  und  der  Rückenwand  der  Rumpfhöhle  ver- 
steckt. Nach  Angaben,  die  von  Remak  gemacht  sind  und  sich  zu- 
nächst auf  das  Hühnchen  beziehen,  entstehen  sie  und  ihre  Aus- 
führungsgänge durch  den  Prozess  der  Ausstülpung  aus  den  Seiten- 
wandungen des  kloakenartigen  hintersten  Darmstückes.  Denn  aus 
denselben  wachsen  nach  Remak  zwei  dünne  und  nach  vorn  gerich- 
tete blinddarmförmige  Anhänge  des  Darmkanals  hervor,  die  sich 
nachher  theils  zu  den  Harnleitern,  theils  nach  einer  erfolgten  par- 
tiellen Anschwellung  ihrer  Wandung  zu  den  Nieren  entwickeln.  — 
Bei  den  Säugethieren  (doch  vielleicht  mit  Ausnahme  der  Cetaceen) 
haben  die  Nieren  kurze  Zeit  nach  ihrer  Entstehung  eine  unregel- 
mässig rundliche  Form ;  bei  den  Vögeln  aber  und  den  Reptilien 
erscheinen  sie  dann  als  zwei  schmale  und  nur  massig  dicke  Platten. 
Was  ihren  Innern  Bau  anbelangt,  so  bestehen  sie  anfänglich  aus 
eben  solchen  kleinen  kolbenförmigen  und  durch  ein  weiches  Bla- 
stem zusammengehaltenen  Beutelchen,  wie  anfangs  in  den  WoLFF- 
schen Körpern  der  höhern  Wirbelthiere  vorkommen.  In  den  Nie- 
ren der  Säugethiere  liegen  diese  Beutelchen  ursprünglich  so,  dass 
sie  alle  mit  ihrem  dünnern  Ende  gegen  eine  Stelle  der  Oberfläche 
des  ganzen  Organs,  von  welcher  der  Harnleiter  abgeht,  convergi- 
ren.  In  den  Nieren  anderer  höherer  Wirbelthiere  aber  liegen  die 
Beutelchen  reihenweise  hinter  einander ,  haben  im  Vergleich  mit 
den  Dimensionen  der  Rumpfhöhle  sämmtlich  eine  Querlage  und 
gehen  ungefähr  unter  rechten  Winkeln  in  die  Harnleiter  über, 
welche  Kanäle  an  diesen  Organen  der  Reptilien  und  Vögel  nach 
deren  Länsre  und  an  ihrer  Oberfläche  verlaufen. 


56  IL   Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen. 

§•  28- 
Zu  den  Glied raassen  wird  bei  den  Schildkröten,  Sauriern, 
Vögeln  und  Säugethieren  schon  sehr  frühe  der  Grund  gelegt,  näm- 
lich schon  bald  nachdem  sich  bei  diesen  Thieren  das  Amnion  ge- 
bildet hat.  Dieselben  wachsen  an  den  Enden  des  Rumpfes  hoch 
oben  aus  den  Bäuchplatten  hervor,  und  zwar  da,  wo  diese  von  dem 
Achsentheil  des  Körpers,  in  dem  die  Rückensaite  eingeschlossen 
liegt,  abgehen.  Denn  wenn  sie  sich  zu  bilden  begonnen  haben, 
kann  man  besonders  auf  Querdurchschnitten  der  Frucht  gewahr 
werden,  dass  die  Bauchplatten  an  den  bezeichneten  Stellen  da- 
durch, dass  sie  hier  nach  aussen  sich  verdickten,  gleichsam  etwas 
angeschwollen  sind  oder  zwei  Paar  kleine  hügelartige  Hervorra- 
gungen erhalten  haben,  die  gewöhnlich  in  der  Richtung  von  vorn 
nach  hinten  mehr  oder  weniger  gestreckt  erscheinen  und  in  ihrer 
Mitte  am  höchsten  und  dicksten  sind,  gegen  ihre  Enden  aber  all- 
mälig  dünner  und  niedriger  werden,  bis  sie  völlig  sich  verlaufen. 
Der  mittlere  Theil  einer  solchen  Hervorragung  wächst  demnächst, 
indess  die  Enden  derselben  schwinden,  stärker  hervor  und  bildet 
nach  einiger  Zeit  eine  ziemlich  dicke  schaufeiförmige  Platte,  die 
sich  dann  weiterhin  zu  einem  Bein  oder  Arm  oder  Flügel  ent- 
wickeln soll.  Inzwischen  erhalten  die  Bauchplatten  an  ihrem  obern 
Rande  immer  neuen  Zuwachs  an  Blastem,  Avachsen  in  Folge  davon 
breiter  werdend  gleichsam  aus  dem  Achsentheil  des  Rumpfes  wei- 
ter hervor  und  entfernen  dadurch  den  freien  oder  äusserlich  sicht- 
baren Theil  der  Gliedmassen  immer  weiter  von  demselben,  so  dass 
er  nach  einiger  Zeit  von  der  Bauchplatte  seiner  Seite  nicht  mehr 
an  deren  oberm  Rande,  sondern  in  einem  massig  grossen  Abstände 
von  diesem  abgeht.  —  Uebrigens  entstehen  bei  denjenigen  höhern 
Wirbelthieren,  welche  vier  Gliedmassen  besitzen,  die  hintern  zwar 
später,  doch  nur  um  ein  sehr  Geringes  später,  als  die  vordem.  Bei 
den  Fischen  besitzen  die  paarigen  Gliedmassen,  also  ihre  paarigen 
Flossen,  nicht  nur  einige  Zeit  nach  ihrer  Entstehung  ungefähr  die 
Form  von  schaufeiförmigen  Platten ,  sondern  nehmen  in  der  Regel 
auch  weiterhin  nicht,  wie  es  bei  fast  allen  andern  mit  Gliedmassen 
versehenen  höhern  Wirbelthieren  der  Fall  ist,   eine  bedeutend  da- 


II.  Von  dem  Embryo  der  Wirbelthiere  im  Allgemeinen.  57 

von  verschiedene  Form  an,  bebalten  vielmehr  jene  ursprüngliche 
für  immer  ziemlich  unverändert  bei.  Kommen  vier  solche  Glied- 
massen bei  einem  Fische  vor,  so  entstehen  die  beiden  hintern  wohl 
jedenfalls  viel  später,  als  die  vordem.  Die  hintern  entspringen 
aus  den  Bauchplatten  meistens,  oder  vielleicht  jedenfalls,  nicht  zu- 
nächst dem  Achsentheil,  sondern  weit  davon  entfernt  an  der 
Bauchseite  des  Körpers.  Auch  entspringen  dieselben  meistens  nicht 
am  hintern  Ende,  sondern  entweder  nahe  dem  vordem  Ende  oder 
ungefähr  auf  der  Mitte  des  Rumpfes. 

Bei  den  Batrachiern  haben  die  Gliedmassen  nie  die  Form  von 
Schaufeln,  sondern  sind  anfangs  warzenförmig,  später  einige  Zeit, 
bis  an  ihnen  Zehen  bemerkbar  werden,  cylin  der  förmig.  Kommen 
bei  einem  Batrachier  zwei  Paar  vor ,  so  entstehen  die  des  hintern 
Paares,  wie  bei  den  Fischen,  viel  später  als  die  des  vordem. 


Drittes  Kapitel. 

Ueber  die  hauptsächlichsten  Verschiedenheiten  in  der  Entwicklung 
verschiedener  Wirbelthiere. 

§•  29. 

V  on  den  meisten  Fischen  wird  das  Ei  dem  Wasser  überge- 
ben, und  es  bildet  sich  die  Frucht  erst  ausserhalb  des  Mutterleibes. 
Die  Entwickelung  der  Frucht  aber  geht  um  so  rascher  vor  sich,  je 
höher  die  Temperatur  des  Wassers  ist,  in  welchem  das  Ei  abgesetzt 
worden  war.  Von  mehreren  solchen  Fischen,  namentlich  von  den- 
jenigen Grätenfischen ,  welche  keinen  Nabelsack  zur  Einhüllung 
ihres  Dottersacks  erhalten,  wie  z.  B.  den  Cyprinen,  kommt  das 
Junge  höchst  unvollkommen  entwickelt  aus  dem  Ei,  besitzt  dann 
nicht  einmal  Gliedmassen  und  zehrt  noch  lange  von  dem  Dotter, 
den  es  aus  dem  Ei  mitbrachte.  Diejenigen  aber,  welche  einen  Na- 
belsack erhalten,  verlassen,  wie  es  scheint,  erst  dann  das  Ei,  wenn 
jener  Sack  verschwunden  und  der  Dotter  zum  grössten  Theil  oder 
gänzlich  aufgezehrt  ist,  und  sind  dann  auch  mit  Gliedmassen  aus- 
gestattet. 

Andere  Fische  bringen  lebendige  Junge  zur  Welt.  Unter  den 
Grätenfischen  ist  dies  namentlich  bei  Blennius  viviparus  und  vie- 
len Syngnathen  der  Fall.  Der  erstere  brütet  die  Eier  in  seinem 
Eierstock,  die  letzteren  in  einer  besonderen  Höhle,  die  in  der  vor- 
deren Hälfte  ihres  Schwanzes  vorkommt.  In  diesen  Organen 
durchbricht  die  Frucht  zwar  noch  in  einem  sehr  unvollkommenen 
Zustande  ihre  Eihülle,  bleibt  aber  daselbst,  indess  die  abgestreifte 
Eihaut  aufgelöst  wird,  noch  eine  geraume  Zeit  zurück  und  ent- 


III.  Ueber  die  hauptsächlichsten  Verschiedenheiten  etc.  59 

wickelt  sich  weiter,  theils  auf  Kosten  ihres  Dotters,  theils  indem 
sie  eine  eiweisshaltige  Flüssigkeit  sich  aneignet ,  die  in  dieser  Zeit 
beim  Blennius  von  dem  Eierstock,  bei  den  Syngnathen  von  der 
Wandung  der  Bruthöhle  ausgesondert  wird.  —  Unter  den  Knor- 
pelfischen gebären  einige  Haifische  und  Rochen  lebendige  Junge, 
andere  hingegen  legen  Eier.  Gebrütet  und  weiter  entwickelt  wer- 
den die  Eier  der  ersteren  in  den  Eierleitern.  Nach  den  verschie- 
denen Arten  dieser  Knorpelfische  aber  ist  das  Verhalten  des  Eies 
und  der  Frucht  während  der  Brütung  sehr  verschieden.  Bei  den 
Zitterrochen  und  etlichen  Haifischen  (z.  B.  bei  Squalus  Acanthias) 
vergrössert  sich  das  ganze  Ei,  das  ein  sehr  dünnhäutiges  und  ganz 
glattes  Chorion  besitzt,  sehr  bedeutend,  indem  ohne  Zweifel  durch 
diese  Eihülle  Stoffe ,  die  von  dem  Eierleiter  abgesondert  werden, 
in  das  Ei  hineindringen  und  der  Frucht  zu  Gute  kommen,  obgleich 
bei  ihnen  das  Ei  der  Wandung  des  Eierleiters  nur  lose  anliegt  und 
mit  derselben  in  keine  organische  Verbindung  gelangt.  Die  Frucht 
aber  verlässt  allem  Anschein  nach,  wann  sie  das  Chorion  gesprengt 
hat,  sogleich  den  Leib  der  Mutter.  Von  andern  Haifischen  (Spinax 
niger,  Scymnus  lichiä)  vergehn  die  Eihäute  schon  im  Mutterleibe, 
und  der  Fötus  bleibt  hierauf  noch  lange  in  dem  Eierleiter  zurück, 
ohne  jedoch  auf  irgend  eine  Weise  mit  der  Wandung  desselben  in 
eine  innige  Verbindung  zu  gelangen.  Bei  noch  andern  Haifisch- 
arten (Mustelns  laevis  und  der  Gattung  Prionodon) ,  bei  denen 
ebenfalls  das  Chorion  schon  früh  vergeht,  falten  sich  der  Nabel- 
sack  und  Dottersack  des  Fötus,  die  beide  sehr  gefässreich  werden 
und  an  einem  sehr  langen  Gang  von  dem  Bauch  herabhängen,  sehr 
stark  und  vielfach,  indem  sie  zwischen  ihnen  entsprechende  Falten 
eingreifen,  die  während  der  Brütung  von  der  Sclrleimhaut  des  Eier- 
leiters gebildet  und  gleichfalls  ungemein  gefässreich  werden.  Mut- 
ter und  Frucht  kommen  dadurch  in  eine  ähnliche  innige  Verbin- 
dung, wie  bei  den  Säugethieren  durch  den  Mutterkuchen.  Auch 
lässt  sich  nicht  bezweifeln,  dass  die  Frucht  bei  dieser  innigen  Ver- 
bindung von  der  Mutter  aus  ernährt  wird. 

Alle  Fische  erhalten  zwar  einen  Kiemenapparat,  doch  ist  die 
Entwickelungsweise  desselben  nach  den  verschiedenen  Familien 
sehr  verschieden. 


60  III.  Ueber  die  hauptsächlichsten  Verschiedenheiten 

Bei  den  Grätenfischen  entsteht  auf  der  nach  aussen  gekehrten 
Seite  des  dritten  Paars  und  aller  folgenden  Paare  von  Bogen,  die 
sich  hinter  dem  Munde  rechts  und  links  gebildet  haben  (Schlund- 
bogen), seltener  nicht  auf  allen  diesen  Paaren,  eine  doppelte  Peine 
von  warzenförmigen  Auswüchsen,  deren  jeder  sich  in  ein  lanzet- 
förmiges  Blatt  umwandelt,  das  auf  beiden  Seiten  mit  einer  Reihe 
blattartiger  Querleisten  besetzt  ist.  Diese  Blättchen ,  die  auch  un- 
gemein gefässreich  werden,  dienen  nachher  der  Athmung.  Im  In- 
nern des  Bogens  aber  entwickelt  sich  zur  bessern  Stützung  und 
Spannung  desselben  ein  aus  etlichen  an  einander  beweglichen  Seg- 
menten bestehender  Knorpelbogen,  der  nachher  allmälig  verknö- 
chert. Der  erste  und  zweite  Schlundbogen  jeder  Seite  verwachsen 
so  vollständig,  dass  die  zwischen  ihnen  befindliche  Spalte  ganz  ver- 
schwindet. Nach  geschehener  Vereinigung  aber  beginnt  in  jedem 
von  diesen  Bogenpaaren  sich  ein  Paar  Knorpelbogen  zu  entwickeln, 
von  denen  die  des  vordersten  Paares  die  Grundlagen  des  Unter- 
kiefers darstellen,  wogegen  die  des  zweiten  Paares  sich  zu  den 
Hörnern  des  Zungenbeins  entwickeln.  Gleichzeitig  entfernen  sich 
die  Anlagen  dieser  verschiedenen  Skeletstücke ,  wie  überhaupt  die 
beiden  vordem  Paar  Schlundbogen  mehr  oder  weniger  weit  von 
der  in  der  Entwickelung  begriffenen  Hirnschale,  indem  am  obern 
Ende  der  Schlundbogen  des  vordersten  Paars  eine  Ablagerung  von 
Blastem  erfolgt,  die  sehr  bald  jederseits  einen  von  oben  nach  un- 
ten gerichteten  Streifen  darstellt,  in  welchem  sich  das  Quadratbein 
zu  entwickeln  beginnt.  Durch  diese  beiden  paarigen  Streifen  aber 
werden  die  zwei  vordem  Bogenpaare,  die  mit  einander  innig  ver- 
bunden bleiben,  von  der  Hirnschale  gleichsam  fortgeschoben. 
Während  die  angegebenen  Streifen  sich  verlängern,  nehmen  sie 
auch  beträchtlich  an  Breite  zu,  indem  ihr  Bildungsstoff  an  ihrem 
hintern  Rande  gleichsam  hervorwuchert.  Dasselbe  geschieht  auch 
an  dem  hintern  Rande  des  unter  denselben  liegenden  hintern  Bo- 
genpaars,  in  welchem  sich  das  Zungenbein  entwickeln  will,  das  bei 
den  Fischen  nur  zweihörnig  wird.  Dadurch  aber  wird  jederseits 
eine  einfache  Klappe  gebildet,  die  an  Breite  bedeutend  zunimmt 
und  in  kurzer  Zeit  alle  Kiemen  ihrer  Seite  verdeckt.  Im  Innern 
dieser  Klappe  bilden  sich  etliche  Skeletstücke,  indess  ihre  übrige 


in  der  Entwickelung  verschiedener  Wirbelthiere.  ßl 

Masse  hautartig  bleibt:  und  zwar  entstehen  in  der  obern  Hälfte 
derselben  eine  bis  drei  Knochenplatten,  die  mit  dem  Quadratbein 
zusammenhängen ,  in  der  untern  eine  Reihe  gewöhnlich  strahlen- 
förmiger Knochenstücke ,  die  mit  ihrem  einen  Ende  an  das  Zun- 
genbeinhorn  angrenzen.  Die  obere  Hälfte  wird  nämlich  der  Kie- 
mendeckel (Operculuni),  die  untere  aber  die  Kiemen  haut 
{Membrana  branchiostega)  mit  ihren  Kiemenhautstrahlen 
(Radii  branchiostegi). 

Bei  den  Plagiostomen  nehmen  die  vier  hintern  Paar  Schlund- 
bogen, die  sich  in  wirkliche  Kiemen  umwandeln  sollen,  bedeutend 
an  Breite  zu  und  stellen  schon  frühe  ansehnlich  breite  und  massig 
dicke  Platten  dar ,  deren  eine  Fläche  nach  vorn ,  die  andere  nach 
hinten  gerichtet  ist.  In  dem  innern  Rand  einer  jeden  solchen  Platte 
bildet  sich  als  Stütze  ein  aus  etlichen  Segmenten  bestehender  Knor- 
pelbogen, in  der  Mitte  eine  Reihe  strahlenförmiger  und  von  jenem 
Bogen  divergirend  auslaufender  Knorpelstreifen,  selten  statt  der- 
selben ein  grösseres  Knorpelblatt,  und  in  dem  äussern  Rande  mei- 
stens zwei  dünne  Knorpelstreifen,  von  denen  einer  über  dem  an- 
dern liegt.  An  der  vordem  und  hintern  Seite  der  Platte  aber  bil- 
det sich  eine  Schleimhaut  und  aus  dieser  für  die  Athmuim  eine 
Reihe  von  innen  nach  aussen  divergirender  blattartiger  und  gefäss- 
reicher  Falten,  von  denen  jede  an  ihren  beiden  Seiten  eine  Menge 
höchst  zarter  Querleisten  erhält.  Mehrere  von  jenen  Falten,  che 
sämmtlich  die  Kiemenblättchen  der  Grätenfische  vertreten,  wach- 
sen weit  über  den  Hals,  den  die  Plagiostomen  erhalten,  nach  aus- 
sen hervor  und  bilden  dadurch  eben  so  viele  aussen  sichtbare  ein- 
fach bandartige  Verlängerungen,  die  man  Cilien  genannt  hat.  Eben 
solche  Cilien  wachsen  bei  denjenigen  Plagiostomen,  w eiche  ein 
Paar  Spritzlöcher  besitzen ,  auch  aus  der  Wandung  dieser  Löcher 
hervor.  In  späterer  Zeit  des  Fruchtlebens  aber  verschwinden  wie- 
der alle  Cilien  durch  Resorption.  —  Ein  eigentlicher  Ki einen- 
de ekel  und  eine  Kiemen  haut  entstehen  bei  den  Plagiostomen 
nicht,  sondern  nur  als  Andeutungen  davon  etliche  an  das  Zungen- 
beinhorn  und  den  Quadratknorpel  ihrer  Seite  befestigte  Knorpel- 
streifen ,  die  so  klein  bleiben ,  dass  sie  nicht  einmal  die  vorderste 
Kiemenspalte  bedecken  können.   Dagegen  wächst  von  der  Rücken- 


62  II.  lieber  die  hauptsächlichsten  Verschiedenheiten 

seite  und  von  der  Bauchseite  her  die  Hautbedeckung  nebst  einigen 
dünnen  Muskelschichten  immer  weiter  über  die  Kiemen  herüber, 
wobei  sie  mit  dem  äussern  Ilande  der  Kiemen  auch  innig  ver- 
wächst. Hiedurch  aber  werden  die  Kiemen  immer  mehr  verdeckt 
und  die  Kiemenspalten,  die  anfangs  beinahe  über  die  ganze  Breite 
der  rechten  und  linken  Seite  des  Halses  von  oben  nach  unten  her- 
abliefen, zwar  nicht  absolut,  jedoch  im  Verhältniss  zu  dem  Wachs- 
thum  des  Halses  in  die  Dicke  sehr  beträchtlich  verkürzt. 

Der  Schwanz,  das  hauptsächlichste  Bewegungsorgan  für 
die  meisten  Fische ,  erhält  schon  früh  eine  bedeutende  Grösse,  zu- 
mal eine  bedeutende  Länge.  Bei  denjenigen  Fischen,  welche  eine 
Kücken-  und  Afterflosse  erhalten ,  scheinen  diese  Gliedmassen  all- 
gemein früher  als  andre  Flossen  zu  entstehen.  Doch  stellen  sie 
eine  geraume  Zeit  hindurch  nur  blosse  Hautfalten  dar.  Demnächst 
entstehen  die  Brustflossen,  nachher  die  Schwanzflosse  und  zuletzt 
die  Bauchflossen. 

Das  Gehirn  und  die  Hirnschale  sind  im  Verhältniss  zu  dem 
ganzen  Körper  in  frühester  Lebenszeit  zwar  grösser,  als  späterhin, 
doch  lange  nicht  in  dem  Grade,  wie  bei  den  übrigen  Wirbelthieren. 

Das  Gehirn  füllt  die  Hirnschale,  wann  es  sich  in  allen  seinen 
Theilen  ausgebildet  hat,  vollständig  aus;  nachher  aber  wird  es  be- 
sonders bei  den  Grätenfischen,  weil  es  weniger,  als  die  Hirnschale, 
an  Umfang  zunimmt,  im  Verhältniss  zu  derselben  immer  kleiner, 
wobei  sich  in  dem  Zwischenraum  zwischen  beiden  ein  weiches  mit 
flüssigem  Fett  getränktes  Zellgewebe  anhäuft.  Der  Kopf  ist  an- 
fangs mehr  oder  weniger  abwärts  gebeugt  und  bildet  mit  dem 
Nacken  eine  Krümmung.  Doch  ist  dasselbe  bei  den  übrigen  Wir- 
belthieren, zumal  den  über  den  Batrachiern  stehenden,  in  noch 
weit  höherm  Grade  der  Fall.  Auch  ist  der  Kopf  selbst  anfänglich 
etwas  zusammengekrümmt,  wenngleich  nur  wenig;  nach  einiger 
Zeit  aber  streckt  er  sich  allmälig  gerade. 

§.  30. 

Alle  Batrachier  verlassen  sehr  unvollkommen  ausgebildet  das 
Ei  und  besitzen  in  ihrem  Embryonenzustande  weder  einen  Dotter- 
sack, noch  ein  Amnion,  noch  eine  Allan tois.    Ihre  Jungen  nennt 


in  der  Entwickelung  verschiedener  Wirbelthiere.  63 

man  Larven  (Cordyli).  Von  den  geschwänzten  bringen  die  Sala- 
mander lebendige  Junge  zur  Welt;  die  Molche  aber  legen  Eier. 
Die  Molch-Larve  hat  zu  der  Zeit,  da  sie  das  Ei  verlässt,  noch  keine 
Beine,  wohl  aber  zur  Fortbewegung  im  Wasser  einen  recht  gros- 
sen Schwanz  und  einen  dünnen  Hautkamm  auf  demselben  und  dem 
Rücken.  Der  Mund  ist  dann  noch  geschlossen  und  bricht  erst 
einige  Tage  später  durch.  Hinter  dem  Munde  befinden  sich  zwei 
paarige,  cylindrische,  dünne  und  massig  lange  Organe,  deren  ab- 
gestutztes und  mit  einer  Vertiefung  versehenes  Ende  zähen  Schleim 
absondert.  Diese  Organe  dienen  zum  Anheften  an  andere  Körper 
und  vergehen  später ,  wenn  sich  die  Beine  ausbilden.  Jederseits 
befinden  sich  gleich  hinter  dem  Kopf  der  Larve,  wenn  sie  aus  dem 
Ei  hervortritt,  vier  Schlundspalten  und  drei  Schlundbogen.  Auf 
jedem  von  diesen  Bogen  aber  steht  eine  fadenförmige  Kieme,  die 
nachher  unter  zunehmender  Verlängerung  allmälig  viele  in  zwei 
Reihen  geordnete  und  abwärts  gerichtete  einfach  fadenartige  Sei- 
tenzweige hervortreibt,  wodurch  sie  eine  sehr  zusammengesetzte 
Form  und  eine  beträchtliche  Grösse  gewinnt.  Uebrigens  liegen  alle 
Kiemen  stets  frei  zu  Tage.  Lungen  fehlen  anfangs  der  Larve. 
Sind  sie  bereits  entstanden  und  in  ihrer  Entwickelung  weit  vorge- 
schritten, so  vergehen  die  Kiemen  durch  Resorption;  auch  ver- 
wachsen dann  sämmtliche  Kiemenspalten,  ohne  eine  Spur  von  ih- 
rem Dasein  zurückzulassen.  Von  den  Beinen  entstehen  zunächst 
die  vordem ,  viel  später  die  hintern.  Jedes  erscheint  zu  einer  ge- 
wissen Zeit  als  ein  stumpfer,  dünner  und  ziemlich  langer  Kegel, 
dann  aber  schwillt  sein  Ende  zu  einem  Knötchen  an ,  und  aus  die- 
sem wachsen  nachher  die  Zehen  hervor,  zuerst  die  innerste,  zuletzt 
die  äusserste.  —  Der  Darmkanal  ist  anfangs  sehr  kurz,  sehr  weit 
und  zu  seinem  grössten  Theil  mit  Dotter  angefüllt,  von  dem  die 
Larve  noch  lange  zehrt.  —  Nieren  und  Harnblase  bilden  sich 
erst  in  der  Larve ,  und  noch  weit  später  als  diese  Organe  die  Ge- 
schlechtswerkzeuge. \ 

Die  ungeschwänzten  Batrachier  verlassen  noch  etwas  unvoll- 
kommener als  die  geschwänzten  das  Ei.  Kopf  und  Rumpf  der 
jungen  Larve  haben  zusammengenommen  ungefähr  die  Form  einer 
Olive ;  der  Rumpf  aber  setzt  sich  in  einen  ungefähr  eben  so  langen, 


64  HI.  Ueber  die  hauptsächlichsten  Verschiedenheiten 

massig  breiten  und  am  Ende  abgerundeten  Schwanz  fort.  Ein  Af- 
ter ist  bereits  vorhanden ,  eine  Mundöffnung  aber  fehlt  in  den  er- 
sten Tagen  noch  und  ist  an  ihnen  nur  durch  eine  rautenförmige 
Grube  angedeutet.  Hinter  dieser  Grube  befinden  sich  zwei  ziem- 
lich grosse  und  ovale  paarige  Saugnäpfe  als  Haftorgane,  die  einen 
klebrigen  Schleim  absondern  und  späterhin  vergehen.  Von  Beinen 
ist  an  der  jungen  Larve  noch  keine  Andeutung  vorhanden.  Hinter 
dem. Kopf  befinden  sich  jederseits  vier  Schlundspalten  und  drei 
Schlundbogen,  a-oii  denen  jeder  an  seinem  obern  Ende  ein  kleines, 
frei  zu  Tage  liegendes  und  einigermassen  einem  Hirschgeweihe 
ähnliches  Kiemenblättchen  trägt.  —  Der  Darmkanal  verhält  sich 
wie  bei  sehr  jungen  Molchen,  und  noch  lange  zehrt  die  Larve  von 
ihrem  Dotter.  —  Wenn  sich  der  Mund  geöffnet,  hat,  bildet  sich 
bald  darauf  am  vordem  und  hintern  Rande  desselben  eine  halb- 
mondförmige scharfe  hornige  Scheide,  wodurch  er  in  gleicher  Art, 
wie  der  Mund  der  Schildkröten,  bewaffnet  und  zum  Nagen  ge- 
schickt gemacht  wird.  Hat  die  Larve  eine  solche  Bekleidung  des 
Mundes  erhalten,  so  ist  sie  äusserst  gefrässig  geworden  und  ernährt 
sich  zunächst  einige  Zeit  von  Conferven,  später  aber  von  gröbern 
Wasserpflanzen,  ausnahmsweise  selbst  von  thierischen  Substanzen. 
Der  Darmkanal  erlangt  indessen  eine  sehr  bedeutende  Länge,  rollt 
sich  schneckenförmig  in  einer  Spirale  zusammen  und  ist  immer  mit 
Nahrungsmitteln  und  deren  Ueberresten  vollgepfropft.  Seine  Weite 
ist  nun  allenthalben  ziemlich  gleich  gross,  und  der  Magen,  ein  ver- 
hältnissmässig  sehr  kurzer  Abschnitt  des  langen  Darmkanals,  zeich- 
net sich  nur  durch  eine  etwas  grössere  Dicke  seiner  Wandung  aus. 
Hauptsächlich  wegen  der  starken  Verlängerung  des  Darmkanals, 
wie  auch  wegen  des  bedeutenden  Wachsthums  der  Kiemen,  ge- 
winnen Rumpf  und  Kopf  sehr  bald  eine  im  Verhältniss  zu  ihrer 
Länge  so  ansehnliche  Breite  und  Dicke,  dass  sie  zusammengenom- 
men fast  die  Form  einer  Kugel  erhalten.  Dagegen  nimmt  der 
Schwanz  besonders  an  Länge  zu,  gewinnt  dabei  auch  eine  beträcht- 
liche Höhe ,  indem  an  ihn  sich  oben  und  unten  ein  breiter  Haut- 
kamni  ausbildet,  und  ist  lange  Zeit  das  einzige  Bewegungsorgan. 
An  jedem  Kiemenbogen  entwickelt  sich  unter  dem  hirschgeweih- 
artigen Blättchen,  von  dem  die  Larve  schon  aus  dem  Eie  eine  An- 


in  der  Entwickelung  verschiedener  Wirbelthiere.  (35 

deutung  mitbrachte ,  sehr  bald  eine  Doppelreihe  von  kleinen 
strauchartig  verzweigten  Blättchen,  worauf  jenes  erstere  verschwin- 
det. Auch  entwickelt  sich  eine  solche  Doppelreihe  hinter  der  letz- 
ten Kiemenspalte ,  so  dass  mithin  die  Larve  vier  Paar  Kiemen  er- 
hält. Haben  die  strauchartigen  Blättchen  sich  zu  bilden  angefan- 
gen, so  Averden  sämmtliche  Kiemen  verhüllt.  Dies  geschieht,  indem 
in  geringer  Entfernung  hinter  dem  künftigen  Unterkiefer,  nämlich 
von  dem  zweiten  Paar  der  Schlundbogen  aus,  in  denen  sich  zwei 
Hörner  des  Zungenbeins  bilden,  die  Hautbedeckung  eine  von  der 
einen  zur  andern  Seite  gehende  lange  Falte  schlägt,  die  in  ähnli- 
cher Weise,  wie  die  Kiemendeckel  der  Grätenfische,  über  die  Kie- 
men hinüber  wächst.  Etwas  später  schlägt  die  Haut  auch  hinter 
dem  letzten  Kiemenpaar  eine  solche,  doch  viel  schmaler  bleibende 
und  nach  vorn  gerichtete  Falte.  Beide  Falten  aber  erreichen  ein- 
ander und  verwachsen  auch  mit  einander.  An  der  rechten  Seiten- 
hälfte erfolgt  bei  den  Fröschen  und  Kröten  die  Verwachsung  ganz 
vollständig;  an  der  linken  aber  bleibt  ein  kleines,  rundes  Loch 
übrig,  durch  welches  alles  eingeathmete  Wasser  nach  aussen  ab- 
niessen  kann.  —  Die  Vorderbeine  bilden  sich  ganz  versteckt 
unter  der  Kiemendecke  dicht  hinter  dem  Kopfe ,  und  ihre  Halb- 
gürtel oder  Stützen  hängen  lange  Zeit,  wie  bei  den  meisten  Gräten- 
fischen zeitlebens,  mit  dem  Hinterkopf  zusammen.  Haben  sie  schon 
Zehen  erhalten  und  eine  beträchtliche  Länge  erreicht,  so  dringt  das 
linke  durch  die  Kiemenöffnung  hervor,  das  rechte  aber  reisst  sich 
ein  Loch  durch  die  Kiemendecke  seiner  Seite  und  dringt  ebenfalls 
nach  aussen  hervor.  Die  Hinterbeine  entstehen  etwas  später, 
und  zwar  dicht  vor  dem  After.  Alle  Beine  aber  haben  eine  ähn- 
liche Formentwickelung,  wie  bei  den  Molchen.  —  Wenn  die  Beine 
schon  eine  ziemliche  Grösse  und  Stärke  erlangt  haben,  so  dass  sie 
bereits  zum  Kriechen  dienen  können ,  auch  schon  die  Lungen, 
welche  später  als  die  Kiemen  entstanden,  zum  Athmen  tauglich 
geworden  sind,  geht  bei  der  Larve  in  mehreren  Körpertheilen  eine 
bedeutende  Veränderung  vor  sich.  Der  in  dem  Schwanz  liegende 
Theil  des  Rückenmarks  welkt  und  verkleinert  sich;  darauf  ge- 
schieht dasselbe  auch  mit  dem  hintern  Theil  der  Rückensaite  und 
überhaupt  mit  allen  übrigen  Bestandteilen   des   Schwanzes,    bis 

Kathke,  Vorlesungen.  f. 


(36  III.  lieber  die  hauptsächlichsten  Verschiedenheiten 

dieser  endlich  völlig  verschwunden  ist.  Der  Dann  verkürzt  sich 
beträchtlich  und  wird  mit  Ausnahme  seines  hintern  Theils,  der  sich 
zu  einem  Dickdarm  ausweitet,  auch  enger.  Der  Magen  aber  nimmt 
nicht  nur  an  Weite,  sondern  auch  beträchtlich  an  Länge  zu.  Die 
Kiemenblättchen  verschwinden,  die  Kiemenspalten  verwachsen, 
und  die  Kiemeiidecken  legen  sich  an  die  Ueberreste  der  Kiemen- 
bogen  an  und  verbinden  sich  mit  ihnen  so  innig,  dass  von  den  Kie- 
menhöhlen nichts  übrig  bleibt.  Die  hornigen  Scheiden  der  Kiefer 
werden  abgeworfen,  und  der  bis  dahin  nur  kleine  Mund  reisst 
gleichsam  weiter  auf  und  wird  zu  einer  ansehnlich  langen  Spalte. 
Während  an  dem  Munde  und  dem  Darmkanal  die  angeführten 
Veränderungen  vor  sich  gehen,  enthält  sich  die  Larve  eine  geraume 
Zeit  hindurch  aller  Nahrung :  sind  sie  aber  beendigt,  so  nimmt  das 
junge  Geschöpf  nun  allein  thierische  Nahrung  zu  sich.  IJebrigens 
sind  diese  letzteren  Veränderungen  und  diejenigen  der  Athmen- 
werkzeuge  früher  beendigt  als  die  des  Schwanzes.  Haben  aber  alle 
angeführten  Veränderungen  ihr  Ende  erreicht,  so  ist  das  junge 
Thier  um  ein  nicht  Geringes  kleiner  und  leichter,  als  einige  Zeit 
vorher,  zeigt  also  in  dieser  Hinsicht,  was  noch  niemals  bei  andern 
Wirbelthieren  bemerkt  worden  ist,  ein  ähnliches  Verhalten  wie  die 
Insekten  mit  vollständiger  Metamorphose. 

Die  Nieren,  die  Harnblase  und  die  Geschlechtswerkzeuge  ent- 
stehen bei  den  ungeschwänzten  Batrachiern  erst  viel  später,  als  die 
Larve  das  Ei  verlässt.  Die  WoLFFschen  Körper  aber  bringt  sie  aus 
dem  Ei  schon  mit. 

§.  31. 

Nur  wenige  Ophidier  und  Saurier  gebären  lebendige  Junge, 
z.  B.  die  Vipern,  Blindschleichen,  Coluber  laevis  und  Lacerta  cro- 
cea;  mitunter  aber  kommt  der  Embryo  derselben  Thiere  noch  in 
den  Eihäuten  eingeschlossen  zur  Welt  und  zerreisst  sie  erst  einige 
Stunden  oder  Tage  später.  Die  meisten  legen  hartschalige  Eier. 
Doch  hat  in  den  Eiern  mancher,  z.  B.  der  Nattern  und  der  meisten 
Eidechsenarten,  die  Entwickelung  eines  Embryo  schon  einige  Zeit 
vorher  ihren  Anfang  genommen.  Zum  Ausbrüten  der  Eier  genügt 
die  Temperatur  der  Luft  und  des  Erdbodens.  Ausserdem  aber  ver- 


in  der  Entwicklung  verschiedener  Wirbelthiere.  67 

langen  sie,  besonders  die  Schlangeneier,  eine  ziemlich  grosse 
Menge  Feuchtigkeit.  Die  Entwickelung  geht  ziemlich  langsam  vor 
sich  und  währt  zwei  bis  drei  Monate. 

Von  den  Schlangen  und  schlangenartigen  Sauriern  nimmt  der 
Embryo  schon  frühe  eine  bedeutende  Länge  an,  und  rollt  sich  spi- 
ralig, indem  er  sich  an  der  Bauchseite  einkrümmt,   so  zusammen, 
dass  er  schon  frühe  einen  Kegel  darstellt,   dessen  Basis  von  dem 
Kopfe  und  Halse,  dessen  Spitze  von  dem  Ende  des  Schwanzes  ge- 
bildet wird.    Nach  der  Mitte  des  Fruchtlebens  giebt  er  zwar  diese 
Kegelform  wieder  auf,  doch  bleibt  er,  bis  er  das  Ei  verlässt,  noch 
immer  sehr  stark  zusammengerollt.    Von  den  eigentlichen  Eidech- 
sen nimmt  hauptsächlich  nur  der  Schwanz   schon  frühe  eine  an- 
sehnliche Länge  an  und  rollt  sich  stark  zusammen.    Die  Beine  der 
Eidechsen  treten  schon  frühe  auf  und  nehmen  rasch  an  Grösse  zu. 
Anfangs  bildet  ein  jedes  eine  schauf eiförmige  Platte;   nach  einiger 
Zeit  aber  erscheinen  an  dem  breiten  und  dünnen  Ende  dieser  Platte 
die  Zehen  als  streifenförmige  und   strahlenartig   auseinander  fah- 
rende Verdickungen,  worauf  alsdann  die  dünner  bleibenden  Theile, 
die  zwischen  den  Zehen  liegen,  das  Aussehn  einer  vollständigen 
Schwimmhaut  gewähren.    Späterhin  jedoch,  und  zwar  schon  in  der 
letztern  Hälfte  des  Fruchtlebens,  verschwindet  die  hautartige  Ver- 
bindung der  Zehen,  theils  indem  sie  resorbirt  wird,  theils  indem 
die  Zehen  sich  über  sie  hinaus  verlängern.  —  Bei  den  männlichen 
Individuen  der  Schlangen  und  Eidechsen  bilden  sich  an  den  Sei- 
ten des  Afters,  der  schon  frühe  eine  Querspalte  darstellt,  zwei  ein- 
ander   gleiche    männliche    Glieder    von    ziemlich    beträchtlicher 
Grösse,  die  so  lange  äusserlich  ganz  frei  am  Leibe  daliegen,  bis  der 
Embryo  die  Eihüllen  durchbricht  und  abstreift;  dann  aber  werden 
sie  durch  ein  Paar  für  sie  besonders  bestimmte  Muskeln,  die  zum 
kleinern  Theile  in  diesen  Gliedern  selbst,  zum  grössern  Theile  in 
dem  Schwänze  liegen,  wie  Handschuhfinger  eingestülpt  und  in  die 
Wurzel  des  Schwanzes  hineingezogen.  —  Zähne  kommen  an  den 
Embryonen  der  Saurier  und  Ophidier  zwar  schon  vor,  wenn  sich 
dieselben  enthüllen  wollen  ,  doch  haben  sie  dann  nur  eine  geringe 
Grösse.    Manche  von  diesen  Thieren  aber  haben  dann  ausserdem 
ganz  vorn  am  Zwischenkiefer  auch  eine  grössere  zahnartige  Platte, 

5* 


ß3  III.  Ueber  die  hauptsächlichsten  Verschiedenheiten 

die  zum  Oeffnen  der  Eischale  durch  Nagen  an  derselben  zu  dienen 
scheint  und  kurze  Zeit  nach  der  Enthüllung  verloren  geht. 

§•  32. 
Die  Schildkröten  legen  hartschalige  Eier,  und  zwar  am  lieb- 
sten im  Sande  an  sonnigen  Stellen.  Von  einem  Embryo  ist,  wenn 
das  Ei  gelegt  worden,  in  diesem  noch  keine  Spur  vorhanden.  Die 
Entwickelung  des  Eies  geht  ziemlich  langsam  vor  sich,  dauert  näm- 
lich einige  Monate.  Der  Embryo  hat  in  früherer  Zeit,  selbst  nach- 
dem an  ihm  die  Beine  hervorgesprossen  sind,  eine  grosse  Aehn- 
lichkeit  mit  dem  der  Eidechsen,  nur  bleibt  der  Schwanz  viel  kür- 
zer. Namentlich  aber  hat  der  Rumpf  einige  Zeit  eine  ähnliche 
Form,  wie  der  Rumpf  der  Eidechsen;  auch  liegen  dann  die  Beine 
völlig  frei  an  der  äussern  Seite  desselben.  Die  so  merkwürdige  Ab- 
plattung des  Rumpfes  der  Schildkröten  beginnt  erst  gegen  die 
Mitte  des  Fruchtlebens  und  erfolgt  viel  früher,  als  sich,  mit  Aus- 
nahme der  Rückenwirbel  und  der  Rippen,  die  Knochenstücke  des 
Rücken-  und  Bauchschildes  zu  bilden  angefangen  haben.  Während 
aber  die  Abplattung  vor  sich  geht,  verdicken  sich  die  Hautbedeck- 
ung und  das  Unterhaut  -  Bindgewebe  des  Rumpfes  an  der  Rücken- 
und  Bauchseite  in  einem  so  hohen  Grade,  dass  sie  vorläufig  für 
sich  allein  ein  Rücken-  und  Bauchschild  bilden. 

§.  33. 

Die  Ophidier,  Saurier  und  Chelonier,  also  überhaupt  die  Rep- 
tilien oder  höhern  Amphibien,  besitzen  zwar  in  frühester  Zeit  des 
Fruchtlebens  Kiemenspalten  und  Kiemenbogen,  doch  bilden  sich 
auf  den  letztem  keine  Kiemenblättchen  aus.  Auch  erhalten  sie 
sämmtlich  einen  Dottersack,  ein  Amnion  und  eine  Allantois.  Der 
Dottersack  ist  gegen  das  Ende  des  Fruchtlebens  schon  stark  ver- 
kleinert ,  und  sein  mit  Dotter  prall  angefüllter  Ueberrest  wandert 
eine  kurze  Zeit  vor  Ablauf  des  Fruchtlebens  durch  den  Nabel  in 
die  Bauchhöhle:  selbst  nach  der  Enthüllung  hat  also  das  Junge 
noch  für  einige  Zeit  in  ihm  einen  Nahrungsstoff.  Der  Nabel  ist  bei 
den  Jungen  noch  ziemlich  lange  als  eine  Narbe  zu  erkennen.  Das 
Amnion  der  beschuppten  Amphibien  umgiebt  den  Embryo  stets 


in  der  Entwickelung  verschiedener  Wirbelthiere.  69 

ziemlich  knapp,  enthält  nur  eine  massig  grosse  Quantität  von  Flüs- 
sigkeit und  besitzt  keine  ihm  eigenen  Blutgefässe.  Verloren  geht 
es  erst  bei  der  Enthüllung  des  Embryo ,  indem  es  an  dem  Nabel 
abreisst  und  in  der  Eischale  zurückbleibt.  Die  Allantois  erlangt 
eine  bedeutende  Grösse,  kommt  bald  nach  ihrer  Entstehung  und 
nachdem  die  Dotterhaut  vergangen  ist,  mit  dem  Chorion  (Schalen- 
haut) in  Berührung,  und  breitet  sich  an  demselben,  indem  sie  an 
Umfang  zunimmt  und  sich  kuchenförmig  abplattet,  so  aus,  dass 
sie,  je  später,  einen  desto  grössern  Theil  des  Chorions  auskleidet. 
Bei  den  Schildkröten  scheint  sie  zuletzt  nur  die  eine  Hälfte  dessel- 
ben auszukleiden.  Bei  den  Eidechsen  und  Schlangen  aber  breitet 
sie  sich  über  seinen  grössern  Theil  aus  und  bedeckt  den  Dottersack, 
wie  auch  den  grössten  Theil  des  Amnions.  Ihre  Höhle  enthält  eine 
massig  grosse  Quantität  von  einer  wässrigen  Flüssigkeit,  der  später 
etwas  Harnsäure  beigemischt  ist.  Ihre  Wandung  besteht  aus  zwei 
Schichten  oder  Blättern ,  von  denen  das  innere  fast  ganz  gefässlos 
bleibt,  das  äussere  aber,  besonders  in  demjenigen  Theil,  welcher 
unmittelbar  dem  Chorion  anliegt,  überaus  reich  an  Gefässen  wird, 
die  ein  engmaschiges  Netzwerk  zusammensetzen.  In  diesem  Ge- 
fässnetze  wird  das  Blut  des  Embryo  oxydirt,  und  es  ist  deshalb  die 
Allantois  für  das  in  Wirksamkeit  stehende  Athmungsorgan  des 
Embryo  auszugeben.  Hingeführt  wird  das  Blut  zu  der  Allantois 
durch  zwei  Arterien ,  die  Zweige  der  beiden  Arteriae  iliacae  sind 
und  Art.  umbilicales  heissen;  fortgeführt  aber  wird  es  durch  eine 
Vene,  die  sogenannte  V.  umbilicalis ,  die  an  der  Leber  in  die  hin- 
tere Hohlvene  übergeht.  —  Auch  die  Allantois  bleibt,  wie  das 
Amnion,  im  Ei  zurück,  indem  sie  an  dem  Nabel  abreisst. 

Die  Hautbedeckung  der  höhern  Amphibien  ist  zu  der  Zeit,  da 
sie  das  Ei  verlassen,  schon  mit  solchen  warzenartigen  Erhöhungen, 
oder  Schuppen ,  oder  Schildern  versehen ,  wie  sie  den  verschiede- 
nen Species  eigen  sind.  Auch  sind  dann  diese  Thiere  schon  mit 
allen  Geschlechtswerkzeugen  versehen,  die  ihnen  zukommen. 

§.   34. 

Die  Vögel  legen  sämmtlich  Eier  und  diese  werden,  je  nach 
den  Arten  derselben,  entweder  nur  allein  von  der  Mutter  oder  ab- 


70  III.  Ueber  die  hauptsächlichsten  Verschiedenheiten 

wechselnd  von  der  Mutter  und  dem  Vater  ausgebrütet.  Einige 
wenige  Vögel  aber,  nämlich  die  Kuckucke,  legen  ihre  Eier  in  die 
Nester  anderer,  um  sie  von  diesen  bebrüten  zu  lassen,  und  der 
Strauss  verscharrt,  wenigstens  in  den  heissern  Gegenden  Afrikas, 
seine  Eier  im  Sande,  wo  sie  dann  allein  von  der  Sonne  ausgebrütet 
werden.  Ueberhaupt  aber  erfordern  die  Eier  der  Vögel  zu  ihrer 
Entwickelung  eine  bedeutende  Wärme,  so  z.  B.  die  der  Hühner 
eine  Wärme  von  28  bis  32°  E. 

In  dem  frischgelegten  Ei  ist  schon  ein  Keim  vorhanden,  doch 
keine  Spur  von  einem  eigentlichen  Embryo.  Sind  aber  die  Um- 
stände günstig,  so  beginnt  in  dem  Ei  bald  nach  dem  Legen  dessel- 
ben die  Bildung  eines  Embryo;  auch  geht  dann  seine  weitere  Ent- 
wickelung überaus  rasch  vor  sich.  Aus  den  Eiern  der  Hühner 
dringt  schon  am  2 1 .  Tage  nach  dem  Anfang  des  Brütens  das  Junge 
hervor.  Im  Allgemeinen  aber  richtet  sich  die  Dauer  des  Brütens 
nach  der  Grösse  der  Eier:  sie  ist  nämlich  um  so  kürzer,  je  kleiner 
diese  sind,  und  um  so  länger,  einen  je  grössern  Umfang  dieselben 
haben. 

Unter  allen  Wirbelthieren  nimmt  bei  den  Vögeln  der  Kopf 
vor  andern  Abtheilungen  des  Körpers  am  schnellsten  und  meisten 
an  Grösse  zu.  Bei  den  Hühnchen  geschieht  dies  in  dem  Grade, 
dass  er  am  3.  und  9.  Tage  der  Bebrütung  ungefähr  eben  so  viel 
Masse  und  Umfang  hat,  wie  der  ganze  übrige  Körper.  Die  Ur- 
sache davon  liegt  in  der  vorschnellen  Entwickelung  des  Gehirns 
und  der  Augen ,  welche  letztere  zu  der  angegebenen  Zeit  eine  so 
enorme  Grösse  haben,  dass  sie  beide  zusammen  mehr  als  die  Hälfte 
des  Kopfes  betragen.  Später  aber  bleiben  diese  Organe  in  ihrem 
Wachsthum  hinter  andern  zurück,  namentlich  auch  hinter  dem 
Schnabel,  der  nun  absolut  und  relativ  immer  grösser  wird,  auch 
kurze  Zeit  vor  Ablauf  des  Fruchtlebens  an  seiner  Spitze  eine  Ver- 
dickung und  Erhärtung  der  Epidermis  erhält,  um  die  Eischale  zer- 
picken  und  öffnen  zu  können.  Der  Hals  ist  im  Vergleich  mit  dem 
ganzen  Körper  des  Embryo  anfänglich  nur  sehr  kurz,  dagegen 
ziemlich  dick,  und  besteht  fast  nur  aus  demjenigen  Abschnitt  des 
Körpers,  an  welchem  die  Schlundbogen  vorkommen.  Wann  aber 
-der  Kopf  an  Dicke  bedeutend  zunimmt,  wird  der  Hals,  obgleich 


in  der  Entwickelung  verschiedener  Wirbelthiere.  71 

nicht  absolut,  so  doch  im  Verhältniss  zu  jenem  immer  dünner.  An 
Länge  nimmt  derselbe  ungefähr  erst  nach  dem  neunten  Tage  der 
Bebrütuns:  erheblich  zu.  Von  dem  zweiten  Schlundbogen,  in  wel- 
chem  sich  ein  Zungenbeinhorn  avisbilden  soll,  wächst  bald  darauf, 
nachdem  sich  die  vorderste  Schlundspalte  geschlossen  hat,  ein  klap- 
penartiger Fortsatz  hervor,  der  die  zweite  Schlundspalte  bedeckt 
und  als  eine  Andeutung  der  Membrana  branchiostega  der  Gräten- 
fische betrachtet  werden  darf.  Am  sechsten  Tage  verwächst  dieser 
Deckel  mit  den  ihm  benachbarten  Theilen :  ist  dies  aber  geschehen, 
so  sind  sämmtliche  Schlundspalten,  von  denen  die  zweite  am  läng- 
sten offen  bleibt,  geschlossen.  Die  OefFnung  an  der  Bauchseite  des 
Rumpfes  hat  sich  am  Ende  des  siebenten  Tages  schon  so  verrin- 
gert, dass  sie  nur  noch  einen  massig  weiten  Nabel  darstellt,  an 
welchem  das  Amnion,  indem  es  an  ihm  einen  sehr  kurzen  trichter- 
förmigen Kanal  bildet,  in  die  Bauchwandung  übergeht.  Nachher 
verlängert  sich  dieser  Kanal  noch  etwas,  und  aus  ihm  hängt  dann 
etliche  Tage  eine  Schlinge  des  Dünndarmes ,  mit  welcher  der  Dot- 
tergang in  \  erbindung  steht,  aus  der  Bauchhöhle  heraus.  Der  an- 
fangs nur  schmale  Rumpf  wird  mit  der  Zeit  immer  breiter  und 
dicker,  besonders  aber  wölbt  sich  der  Bauch  stark  hervor,  während 
und  weil  sich  die  Leber  so  bedeutend  vergrössert,  dass  sie  in  dem 
reifern  Embryo  einen  verhältnissmässig  grössern  Umfang  hat,  als 
in  dem  erwachsenen  Huhn.  Vordere  und  hintere  Extremitäten 
des  Embryo  sind  noch  am  fünften  Tage  von  gleicher  Form.  Am 
vierten  stellen  sie  kleine  schauf eiförmige  Platten  dar:  am  fünften 
aber  sind  sie  insofern  meisselförmig  zu  nennen,  als  dann  eine  jede 
aus  einem  fast  walzenförmigen  Stiele  und  einer  von  diesem  ausge- 
henden zungenförmigen  Platte  besteht.  Nach  dem  fünften  Tage 
nehmen  die  vordem  eine  ganz  andere  Entwickelung,  als  die  hin- 
tern. An  den  letztern  entwickeln  sich  die  Zehen  in  ähnlicher 
Weise,  wie  bei  den  Eidechsen,  sind  also  selbst  bei  den  Landvögeln 
einige  Zeit  durch  eine  Art  von  Schwimmhaut  mit  einander  verbun- 
den. Der  Schwanz  ist  anfänglich,  wie  bei  den  Amphibien  und  Fi- 
schen, von  den  Seiten  sehr  stark  zusammengedrückt,  nachher  aber 
erreicht  er  eine  ansehnliche  Breite,  bei  nur  geringer  Länge. 

Der  ganze  Embryo  des  Huhns  krümmt  sich  nach  der  Bauch- 


72  HI.  Ueber  die  hauptsächlichsten  Verschiedenheiten 

seite  so  stark  zusammen,  dass  Kopf  und  Schwanz  am  fünften  Tage 
der  Bebrütung  gewöhnlich  einander  berühren.  Besonders  stark 
und  grösser,  als  bei  den  höhern  Amphibien,  wird  diese  Krümmung 
am  Nacken,  wodurch  hier  ein  bedeutender  Höcker,  der  sogenannte 
Nackenhöcker  entsteht.  Auch  wird  der  Kopf  für  sich  allein  stark 
zusammengekrümmt,  sogar  noch  etwas  stärker,  als  bei  den  be- 
schuppten Amphibien  und  den  Säugethieren,  und  diese  Krümmung 
nennt  man  die  Kopfbeuge  oder  (nach  Reichert)  Gesichtskopf- 
beuge. Später  streckt  sich  der  Kopf  wieder  gerade ;  auch  biegt  er 
sich  dann  am  Halse  auf,  in  Folge  wovon  der  Nackenhöcker  wieder 
verschwindet.  Ueberhaupt  aber  nimmt  die  angeführte  Krümmung 
des  ganzen  Embryo  allmälig  wieder  ab,  ohne  jedoch  sich  gänzlich 
zu  verlieren.  Noch  eine  andere  Krümmung,  die  sich  neben  jener 
erstem  bemerklich  macht,  doch  etwas  später  als  dieselbe  ihren  An- 
fang nimmt,  geht  nach  der  linken  Seite  hin.  Auch  sie  betrifft  den 
ganzen  Körper  des  Embryo,  am  meisten  aber  den  Hals. 

Andeutungen  von  Federn  treten  bei  dem  Hühnchen  schon  am 
eilften  Tage  der  Bebrütung  auf.  Sie  haben  das  Aussehen  von  Haa- 
ren und  am  dreizehnten  Tage  hie  und  da  schon  eine  Länge  von 
vier  Linien.  Bei  näherer  Untersuchung  aber  findet  man,  dass  sie 
dünne  und  völlig  geschlossene  Bälge  sind,  von  denen  jeder  eine 
Feder  einschliesst,  die  eine  äusserst  zarte  und  noch  in  keine  geson- 
derte Strahlen  aufgelöste  Fahne  besitzt.  Am  Ende  des  Frucht- 
lebens sind  manche  Federn  der  Flügel  schon  einen  Zoll  lang,  doch 
immer  noch  in  ihren  Bälgen  eingeschlossen.  Es  werden  also  die 
Bälge  der  Federn  von  denselben  erst  nach  Beendigung  des  Frucht- 
lebens durchbrochen;  ist  dies  aber  geschehen,  so  gehen  ihre  äus- 
sern Theile  verloren.  —  Die  Geschlechtswerkzeuge  entstehen,  wie 
in  den  beschuppten  Amphibien,  schon  vor  der  Mitte  des  Frucht- 
lebens. Auch  bei  den  weiblichen  Individuen  sind  sie  anfangs  dop- 
pelt; mit  der  Zeit  aber  gehen  der  rechte  Eierstock  und  rechte  Eier- 
leiter bei  einigen  Arten  von  Vögeln  durch  eine  Resorption  voll- 
ständig verloren,  wogegen  bei  andern  nur  das  eine  von  diesen  Or- 
ganen gänzlich  verschwindet,  von  dem  zweiten  aber  noch  ein  mehr 
oder  weniger  grosser  Best  zurückbleibt. 

Der  Dotter  wird  während   des   Fruchtlebens   zwar   grössten- 


in  der  Entwickelung  verschiedener  AVirbelthiere.  73 

theils,  jedoch  nicht  gänzlich  verbraucht:  sein  Ueberrest  wandert, 
in  dem  Dottersack  eingeschlossen,  in  den  drei  letzten  Tagen  des 
Fruchtlebens  in  die  Bauchhöhle  hinüber.  Der  Liquor  Amnii  nimmt 
gegen  Ende  des  Fruchtlebens  immer  mehr  ab,  das  Amnion  aber 
bleibt  bei  der  Enthüllung  des  Vogels ,  indem  es  sich  am  Nabel  ab- 
löst, in  der  Eischale  zurück.  Eben  dasselbe  gilt  von  der  sehr  ge- 
fässreichen  Allan tois,  die  zuletzt,  Avie  in  den  Eiern  der  beschupp- 
ten Amphibien,  beinahe  die  ganze  Eischale  auskleidet.  Ehe  sie  aber 
sich  vom  Nabel  ablöst ,  hat  in  ihr  die  Circulation  des  Blutes  aufge- 
hört, nachdem  der  Vogel  mit  dem  Kopf  die  Eischale  durchbrochen 
und  schon  durch  die  Lungen  zu  athmen  angefangen  hat. 

§.  35. 

Wohl  alle  Säugethiere  gebären  lebendige  Junge,  einige  jedoch, 
nämlich  die  Beutel thiere ,  in  einem  noch  höchst  unvollkommenen 
Zustande.  Unter  allen  Vertebraten  eilen  die  Säugethiere  am 
schnellsten  über  ihre  niedern  Entwickelungsstufen  hinweg,  schnel- 
ler sogar,  als  die  Vögel,  d.  h.  es  werden  bei  ihnen  im  Verhältniss 
zu  der  ganzen  Dauer  ihrer  Entwickelung  die  Organe,  welche  ihnen 
mit  andern  Thieren  gemeinsam  zukommen ,  in  der  kürzesten  Zeit 
nach  einander  angelegt  und  demnächst,  wenn  sie  verbleiben  sollen, 
dem  innern  Baue  nach  auch  in  der  kürzesten  Zeit  bis  zu  einem 
recht  hohen  Grade  der  Entwickelung  ausgebildet,  wenn  sie  aber 
wieder  vergehen  sollen,  weil  sie  zwar  gemäss  dem  für  die  Wirbel- 
thiere  geltenden  allgemeinen  Plane  auftreten  mussten,  doch  durch 
das  Hinzukommen  anderer  überflüssig  gemacht  wurden ,  auch  am 
schnellsten  und  frühesten  der  Resorption  Preis  gegeben.  So  treten 
bei  den  Säugethieren  z.  B.  die  Wirbelbeine,  die  Lungen  und  die 
Geschlechtswerkzeuge  verhältnissmässig  am  frühesten  auf  und  ge- 
langen auch  am  frühesten  zu  einem  höhern  Grade  der  Entwicke- 
lung: dagegen  vergehen  bei  ihnen  die  Wirbelsaite,  dieWoLFFschen 
Körper  und  einige  für  die  erste  Entwickelung  nöthige  Blutgefässe 
am  frühesten. 

Wie  bei  den  Vögeln,  erlangt  zwar  gleichfalls  bei  den  Säuge- 
thieren der  Kopf  schon  frühe  einen  verhältnissmässig  ansehnlichen 
Umfange  doch  lange  nicht  einen  so  bedeutenden.   Die  Ursache  hie- 


74  III.  Ueber  die  hauptsächlichsten  Verschiedenheiten 

von  liegt  hauptsächlich,  darin ,  dass  sich  bei  den  Säugethieren  die 
Augen  nicht  der  Grösse  nach  vorschnell  vor  andern  Körpertheilen 
entwickeln ,  vielmehr  nur  einen  massig  grossen  und  bei  einigen  so- 
gar nur  einen  sehr  kleinen  Umfang  behalten.  Anfänglich  scheint 
das  Auge  einige  Zeit  hindurch,  wenn  man  es  von  aussen  in  seiner 
natürlichen  Lage  ansieht,  die  Form  eines  Oblongs  mit  abgerunde- 
ten Ecken  zu  haben:  in  der  Wirklichkeit  aber  ist  es  auch  dann 
schon  kugelförmig.  Die  Augenlider,  die  bei  allen  damit  versehe- 
nen Wirbelthieren  weit  später  entstehen,  als  die  Augen,  verkleben 
bei  vielen  Säugethieren  allmälig  mit  einander  so  fest,  dass  sie  ver- 
wachsen zu  sein  scheinen ;  bei  manchen,  wie  z.  B.  bei  den  Hunden 
und  Katzen,  erweicht  sich  dann  die  Substanz,  welche  die  Verkle- 
bung bewirkte,  erst  nach  der  Geburt,  weshalb  von  ihnen  erst  einige 
Tage  nach  derselben  die  Augenlider  geöffnet  werden  können.  Aus- 
serdem aber  wird  bei  diesen  Thieren,  die  man  blindgeborne  nennt, 
durch  eine  ähnliche  Substanz  auch  das  äussere  Ohr,  das  sich  schon 
früh  wie  eine  Klappe  über  den  Gehörgang  gelegt  und  ihn  bedeckt 
hat,  verschlossen  und  selbst  noch  etliche  Tage  nach  der  Geburt 
verschlossen  erhalten.  —  Das  äussere  Ohr  bildet  sich  um  die  vor- 
derste Schlundspalte,  (die  noch  zu  dem  Kopf  gehört  und  weder  bei 
den  Säugethieren,  noch  auch  bei  den  Vögeln  und  den  meisten  Am- 
phibien völlig  verwächst,)  indem  sich  hinter  und  über  dieser  Spalte 
eine  Hautfalte  erhebt,  die  sich  allmälig  zu  einer  Art  Klappe  ent- 
wickelt und  im  Innern  einen  Knorpel  erhält.  —  Wenn  die  Kiefern 
sich  erst  massig  vergrössert  haben ,  ist  das  Gesicht  auch  selbst  bei 
solchen  Säugethieren,  bei  welchen  es  später  eine  bedeutende  Länge 
hat,  noch  sehr  kurz  und  der  Kopf  theils  deshalb,  theils  auch,  weil 
das  Gehirn  um  diese  Zeit  schon  einen  bedeutenden  Umfang  hat, 
dem  des  Menschen  sehr  ähnlich,  z.  B.  bei  Schweinen  und  Schafen 
in'  der  vierten  Woche  des  Fruchtlebens ,  bei  Hunden  und  Kanin- 
chen verhältnissmässig  noch  später. 

Mit  dem  Halse  und  insbesondere  der  Mehrzahl  der  Schlund- 
bogen und  Schlundspalten  verhält  es  sich  bei  den  Säugethieren  wie 
bei  den  "Vögeln.  Namentlich  bildet  sich  auch  bei  ihnen  vor  der 
zweiten  Spalte  eine  die  Membrana  branchiostega  andeutende 
Klappe,  die  später  mit  den  hinter  ihr  liegenden  Theilen  verwächst. 


in  der  Entwickelung  verschiedener  Wirbelthiere.  75 

Was  aber  den  Hals  im  Ganzen  anbelangt ,  so  erreicht  er  bei  man- 
chen Säugethieren  eine  sehr  bedeutende,  bei  andern  dagegen  nur 
eine  sehr  geringe  Länge.  Das  letztere  gilt  besonders  von  den 
fleischfressenden  Cetaceen ,  bei  denen  er  äusserlich  nicht  einmal  zu 
unterscheiden  ist. 

Der  Rumpf,  der  auch  bei  den  Sängethieren  anfangs  sehr 
schmal  und  kahnförmig  ist,  nimmt  bei  ihnen  früher  und  in  einem 
noch  weit  grossem  Masse,  als  bei  den  Vögeln  und  beschuppten 
Amphibien,  an  Dicke  zu,  so  dass  er  zu  einer  gewissen  und  zwar 
schon  frühen  Zeit  des  Fruchtlebens  eine  unförmliche  Dicke  hat. 
Die  Ursache  davon  liegt  hauptsächlich  in  der  sehr  raschen  und 
überaus  starken  Vergrösserung  der  Leber ,  demnächst  auch  in  der 
starken  Vergrösserung  der  WoLFFschen  Körper  in  die  Dicke.  Spä- 
ter aber,  wenn  sich  der  Rumpf  und  insbesondere  die  Brust  verlän- 
gert, auch  die  WoLFFschen  Körper  allmälig  schwinden,  vermindert 
und  verliert  sich  die  unförmliche  Gestalt  des  Rumpfes.  Die  Bauch- 
decken schliessen  sich  schon  frühe  bis  auf  eine  kleine  Stelle,  den 
sogenannten  Nabel.  Dieser  liegt  anfangs  beinahe  ganz  am  hintern 
Ende  des  Bauches,  allmälig  aber  rückt  er  immer  weiter  nach  vorne, 
indem  der  hintere  Theil  der  Bauchwandung  später  mehr,  als  der 
vordere,  an  Länge  zunimmt.  Bei  dem  neugebornen  Kinde  liegt 
der  Nabel  ziemlich  genau  in  der  Mitte  der  ganzen  Körperlänge.  — 
Die  vordem  und  hintern  Gliedmassen  haben  anfangs,  wie  bei  den 
Vögeln,  eine  und  dieselbe  Form:  zuerst  sind  sie  schauf eiförmig, 
dann  meisselförmig,  und  erst  später,  doch  schon  frühe,  nehmen  sie 
andere  Gestalten  an.  Zehen  und  Finger  sind  jedenfalls  einige  Zeit 
wie  durch  eine  Schwimmhaut  mit  einander  ihrer  ganzen  Länge  nach 
vereinigt.  Für  den  Darmkanal,  die  Harn-  und  Geschlechtswerk- 
zeuge ist  anfänglich ,  wie  bei  andern  Wirbelthieren ,  nur  eine  ein- 
zige Ausgangs mündung  vorhanden ;  späterhin  aber  bildet  sich  in 
dieser  bei  den  meisten  Säugethieren  eine  quergehende  Scheide- 
wand, die  sich  darauf  zum  Perinäum  ausbildet.  Vor  jener  Mün- 
dung wächst  sehr  früh  das  äussere  Geschlechtsglied  hervor.  Das- 
selbe erscheint  unter  der  Form  einer  kleinen  Warze,  stellt  aber  bald 
nach  seiner  Entstehung  einen  rinnenförmigen,  massig  langen,  und 
nach  hinten  bogenförmig  zusammengekrümmten  Körper  dar,  und 


76  HI.  Ueber  die  hauptsächlichsten  Verschiedenheiten 

hat  bei  allen  Individuen  einer  und  derselben  Art  von  Säugethieren 
einige  Zeit  hindurch  eine  gleiche  Form  und  gleiche  Grösse. 

Ein  Schwanz  entsteht  schon  frühe  und  wird  auch  bei  dem 
Menschen  angedeutet,  verschwindet  aber  bei  diesem ,  während  die 
um  ihn  herum  gelegenen  Körpertheile  sich  stärker  entwickeln  und 
den  Skeletantheil  desselben,  das  Os  coccygis,  völlig  verbergen. 

Bei  denjenigen  Säugethieren,  welche  eine  Behaarung  erhalten, 
kommt  sie  in  der  Regel  nach  der  Mitte  des  Fruchtlebens  zum  Vor- 
schein. Eine  Ausnahme  davon  machen  die  Beutelthiere,  denn  bei 
diesen  entsteht  sie  erst  nach  Ablauf  des  Fruchtlebens.  Bei  dem 
Menschen  gehen  übrigens  die  meisten  während  des  Fruchtlebens 
entstandenen  Haare,  nämlich  das  sogenannte  Wollhaar  (Lanugo) 
wieder  verloren,  und  zwar  schon  einige  Wochen  vor  der  Geburt. 
Auch  scheint  bei  dem  Menschen,  wie  namentlich  bei  den  Schwei- 
nen und  den  Faulthieren,  die  während  ihres  Fruchtlebens  keine 
Haare  verlieren ,  vor  der  Geburt  in  der  Regel  die  Epidermis  abge- 
stossen  zu  werden,  nachdem  sich  unter  ihr  eine  neue  gebildet  hatte. 

Die  Krümmung  nach  der  Bauchseite ,  die  auch  der  Embryo 
der  Säugethiere  annimmt,  wird  zwar  recht  stark,  doch  wegen  des 
sehr  aufgetriebenen  Bauches  nicht  völlig  so  stark,  wie  die  des  Vo- 
gelembryo. Nackenhöcker  und  Kopf  beuge  sind  bei  den  Säugethie- 
ren zwar  in  einer  frühen  Zeit  des  Fruchtlebens  recht  bedeutend, 
gleichen  sich  aber,  wie  bei  andern  Wirbelthieren,  allmälig  aus. 

§.  36. 

Das  Amnion  (Schafhaut),  das  den  Embryo  anfänglich  sehr 
knapp  umhüllt,  weitet  sich  bei  den  Säugethieren,  zumal  in  der  er- 
stem Hälfte  des  Fruchtlebens ,  mehr  als  bei  andern  Vertebraten 
aus,  und  enthält  ungefähr  um  die  Mitte  des  Fruchtlebens  die  ver- 
hältnissmässig  grösste  Quantität  von  Liquor  amnii,  bei  dem  Men- 
schen dann  in  der  Regel  ungefähr  zwei  Pfund.  Später  nimmt  es 
zwar  an  Umfang  noch  zu,  doch  im  Verhältniss  zu  dem  Embryo  weit 
weniger,  als  früher,  weshalb  denn  zuletzt  der  Zwischenraum  zwi- 
schen beiden  wiederum  viel  kleiner  wird.  Der  Liquor  amnii  aber 
nimmt  in  der  That  ab,  und  zwar  in  solchem  Masse,  dass  z.  B.  bei 
dem  Menschen  sein  Gewicht  zuletzt  nur  etwa  ein  Pfund  beträgt. 


in  der  Entwickelung  verschiedener  Wirbelthiere.  77 

Diese  Abnahme  hat  jedoch  ihre  Ursache  nur  zum  kleinern  Theil 
darin,  dass  der  Embryo  in  der  letztem  Zeit  Liquor  amnii  ver- 
schluckt: zum  grössern  Theil  beruht  sie  wohl  darauf,  dass  die 
Hautbedeckung,  oder  das  Amnion  oder  beide  von  dem  Liquor  am- 
nii durchdrungen  werden.  Uebrigens  ist  diese  Flüssigkeit  in  frü- 
herer Zeit  völlig  farblos  und  durchsichtig,  wird  aber  späterhin  gelb- 
lich oder  weisslich,  verliert  an  Durchsichtigkeit  und  erhält  eine 
immer  grössere  Beimischung  von  Salzen  und  Eiweiss.  In  letzter 
Zeit  des  Fruchtlebens  kommen  in  ihr  ausserdem  viele  Epidermis- 
zellen,  Zellenkerne  und  bei  dem  Menschen  auch  Wollhaare  vor. 
Die  Hautschmiere,  die  auf  der  Oberfläche  älterer  Embryonen  ge- 
funden wird,  ist  nicht,  wie  Einige  sonst  wohl  glaubten,  ein  Nieder- 
schlag aus  dem  Liquor  amnii,  sondern  ein  Erzcugniss  der  Schmier- 
bälge der  Hautbedeckung.  Die  Wandung  des  Amnions  wird  zwar 
mit  der  Zeit  dicker,  doch  nur  sehr  wenig.  Blutgefässe  bilden  sich 
in  ihr  niemals  aus.  Der  von  ihr  gebildete  Sack  geht  zu  der  Zeit, 
da  sich  die  Oeffnung  des  Bauches  (der  Nabel)  schon  ziemlich  stark 
verkleinert  hat,  unmittelbar  in  die  Bauchwandung  über ;  mit  der 
Zeit  aber  wird  der  an  die  Bauchwandung  angrenzende  Theil  des- 
selben zu  einem  Kanal  ausgesponnen,  der  eine  bedeutende  Länge 
annimmt  und  die  Scheide  des  nachher  zu  beschreibenden  Nabel- 
stranges darstellt. 

Der  Dotter  sack  oder  das  Nabelbläschen  nimmt  zwar, 
nachdem  es  sich  vom  Darme  abgeschnürt  hat,  bei  allen  Säugethie- 
ren  noch  an  Umfang  zu  und  füllt  sich  immer  mehr  mit  einer  Flüs- 
sigkeit an,  doch  je  nach  den  verschiedenen  Arten  dieser  Thiere 
mehr  oder  weniger  und  in  einer  kürzern  oder  längern  Zeit.  Dann 
aber  macht  es  entweder  in  seinem  Wachsthum  einen  Stillstand  und 
fällt  zusammen,  oder  es  stirbt  ganz  ab  und  verschwindet  durch 
Resorption.  Bei  dem  Menschen  vergeht  es  mit  am  frühesten,  bei 
den  Wiederkäuern  und  Schweinen  erst  später,  doch  ebenfalls  schon 
lange  vor  der  Mitte  des  Fruchtlebens ;  dagegen  erhält  es  sich  bei 
den  reissenden  Thieren  und  den  Nagern  in  einem  zusammengefal- 
lenen Zustande  bis  zum  Ende  des  Fruchtlebens.  Zwischen  ihm 
und  dem  Dünndarm  spinnt  sich  jedenfalls  ein  Verbindungskanal, 
der  sogenannte  Dotter  gang  oder  Stiel  der  Nabel  blase  aus,   der 


78  III.  Ueber  die  hauptsächlichsten  Verschiedenheiten 

seine  Lage  in  dem  erst  erwähnten  Kanal  des  Amnions  hat,  allmälig 
seine  Höhlung  verliert  und  dann  auch  von  dem  Darm  sich  ab- 
trennt. Die  verhältnissmässig  grösste  Länge  scheint  er  bei  dem 
Menschen  zu  erreichen.  Gleichsam  von  ihm  fortgezogen  tritt  der 
mit  ihm  zusammenhängende  Theil  des  Dünndarms  aus  der  Bauch- 
höhle hervor  und  kommt  ebenfalls ,  eine  mehr  oder  weniger  lange 
Schlinge  bildend,  in  dem  Kanal  des  Amnions  zu  liegen.  Diese 
Schlinge  aber  wandert  schon  vor  der  Mitte  des  Fruchtlebens  wie- 
der in  die  Bauchhöhle  zurück.  Das  Nabelbläschen  selbst  hat  seine 
Lage  zwischen  Amnion  und  Chorion,  und  geht  niemals,  wie  bei 
vielen  andern  Wirbel thieren ,  später  in  die  Bauchhölile  über.  Bei 
denjenigen  Säuge  thieren ,  bei  welchen  es  eine  relativ  nur  massige 
Grösse  erreicht,  findet  man  es  in  der  Regel  an  der  linken  Seiten- 
hälfte des  Amnions.  Bei  den  Nagern  aber,  bei  welchen  es  eine 
sehr  bedeutende  Grösse  erlangt,  breitet  es  sich  (nach  von  Baer's 
Angabe)  von  der  linken  Seite  des  Nabels  allmälig  so  über  das  Am- 
nion aus,  dass  es  dasselbe  zum  grossen  Theil  bedeckt.  Zugleich 
wird  es  bei  denselben  auch  sehr  zusammengedrückt,  sendet  von 
seinen  Blutgefässen  Zweige  an  das  Chorion  und  verklebt  oder  ver- 
wächst andererseits  aufs  innigste  mit  dem  Amnion.  Auch  seine 
Form  bietet  einige  erhebliche  Verschiedenheiten  dar.  So  ist  es  bei 
dem  Menschen  anfangs  rundlich,  später  oval,  bei  den  reissenden 
Thieren  in  späterer  Zeit  beinahe  cylindrisch.  Bei  den  Nagern  kann 
man  es  kuchenförmig  nennen,  und  bei  den  Wiederkäuern,  wie  auch 
bei  dem  Schweine,  ist  es  zu  einer  gewissen  Zeit  naschenförmig, 
sendet  aber  bei  beiden  späterhin,  indem  es  sich  vergrössert,  von 
seinem  Grunde  nach  entgegengesetzten  Richtungen  zwei  dünne 
und  zugespitzte  Hörner  aus,  die  in  kurzer  Zeit  eine  sehr  bedeu- 
tende Länge  erreichen,  worauf  sie  dann  von  ihren  Enden  aus  ab- 
sterben und  immer  mehr  resorbirt  werden. 

Die  Allantois  lagert  sich,  wenn  sie  aus  der  Bauchhöhle  durch 
den  Nabel  hervorgedrungen  ist,  zwischen  Amnion  und  Chorion, 
und  kommt  dann  mit  dem  letztern  nach  einiger  Zeit  in  Berührung. 
Bald  nach  ihrem  Erscheinen  besteht  sie  deutlich  aus  zwei  verschie- 
denen Blättern  oder  Membranen,  einer  innern  gefässlosen  und  einer 
äussern  sehr  gefässreichen.    Zugeführt  wird  dem  letztern  Blatt  das 


in  der  Entwicklung  verschiedener  Wirbelthiere.  79 

Blut  durch  zwei  Gefässstämnie ,  die  von  der  künftigen  Art.  iliaca 
ausgehen  und  Arter  iae  umbilicales  heissen;  fortgeführt  aber  wird 
es  von  demselben  durch  die  sogenannte  Vena  umbilicalis,  die  an- 
fangs immer  aus  einem  nur  kurzen  mit  der  hintern  Hohlvene  zu- 
sammenhängenden Stamme  und  zwei  längern  Aesten  besteht ,  von 
welchen  letztern  jedoch  der  eine  bei  den  meisten  Säugethieren  ver- 
loren geht;  so  dass  dann  also  die  Zweige  von  einem  bedeutend  lan- 
gen Stamme  entsendet  werden.  Nur  bei  den  Wiederkäuern  blei- 
ben beide  Aeste  bestehen ,  weshalb  man  bei  denselben  auch  wohl 
zwei  Venae  umbilicales  annimmt.  Jedenfalls  wird  ferner  der  Stiel 
der  Allantois  bedeutend  lang  ausgesponnen.  Doch  bleibt  nur  der 
kleinere  Theil  davon  in  der  Bauchhöhle  liegen,  und  dieser  ent- 
wickelt sich  fast  gänzlich  zu  der  Harnblase.  Der  längere  Theil  aber, 
den  man  zusammen  mit  dem  über  der  Harnblase  in  der  Bauchhöhle 
liegenden  und  dünner  bleibenden  Stücke  des  erstem  Theiles  die 
Harns  ch nur  oder  den  TJrachus  nennt,  und  an  dem  nicht  blos  die 
Arteriae  umbilicales,  sondern  auch  die  zweiästige  oder  einästige 
Vena  umbilicalis  verlaufen,  hat  seine  Lage  in  dem  mehrmals  er- 
wähnten Kanal  des  Amnions.  In  diesem  Kanal  liegen  also  neben 
einander  der  Urachus ,  der  übrigens  nie  so  dickwandig  wird ,  wie 
die  Harnblase,  auch  immer  nur  eine  geringe  Weite  behält,  ferner 
die  Nabelgefässe,  der  Stiel  des  Nabelbläschens  und  zu  einer  gewis- 
sen Zeit  auch  eine  Schlinge  des  Dünndarmes.  Unter  einander  zu- 
sammengehalten,  wie  auch  mit  jenem  Kanal  des  Amnions  allent- 
halben verbunden,  werden  alle  diese  Theile  durch  ein  weiches,  mit 
einer  gallertartigen  Flüssigkeit,  der  sogenannten  WHARTONschen 
Sülze,  angefülltes  Bindegewebe,  und  setzen  mit  diesem  den  Na- 
belstrang (Funiculiis  umbilicalis)  zusammen,  der  bei  dem  Men- 
schen die  relativ  grösste  Länge  erreicht,  nämlich  zuletzt  in  der  Re- 
gel ungefähr  IS  —  20  Zoll  lang  ist. 

Die  beiden  Blätter  des  ausserhalb  der  Leibeshöhle  liegenden 
Theiles  der  Allantoisblase  oder  der  Allantois  im  engern  Sinne  des 
Worts  bleiben  bei  mehreren  Säugethieren,  wie  bei  den  Vögeln  und 
beschuppten  Amphibien,  stets  verbunden,  so  namentlich  bei  den 
reissenden  Thieren .;  bei  andern  aber  trennen  sie  sich  völlig  von 
einander,  worauf  sich  zwischen  ihnen  in  grösserer  oder  geringerer 


SQ  III.  Ueber  die  hauptsächlichsten  Verschiedenheiten 

Quantität  eine  gallertartige  oder  vielmehr  wohl  eiweisshaltige  Sub- 
stanz ablagert,  die  von  Btjrdach  secundärer  Fruchtstoff  ge- 
nannt worden  ist.  Dieses  letztere  Verhältniss  kommt  vor  bei  den 
Wiederkäuern,  Einhufern,  Dickhäutern,  Nagern  und  wahrschein- 
lich auch  bei  dem  Menschen.  Jedenfalls  aber  gehen  von  dem  äus- 
sern oder  Gefässblatt ,  wo  dasselbe  mit  dem  Chorion  in  Berührung 
gekommen  ist ,  in  dieses  Arterien-  und  Venenzweige  über ,  breiten 
sich  darauf  in  demselben  durch  ein  zunehmendes  Wachsthum  sehr 
stark  und  immer  weiter  aus ,  und  helfen  den  sogenannten  Mutter- 
kuchen zusammensetzen.  Ferner  bleibt  die  Allantois  im  engern 
Sinne  des  Worts  entweder  bis  zu  der  Geburt  gänzlich  bestehen, 
oder  es  bleiben  bis  dahin  nur  die  Gefässe  übrig ,  die  sie  dem  Cho- 
rion zugeführt  und  die  dann  dieses  sich  angeeignet  hatte ,  indess 
ihr  inneres  Blatt  schon  früh  vergeht.  Dies  ist  namentlich  bei  dem 
Menschen  der  Fall,  bei  dem  ihr  inneres  Blatt  schon  nach  der  Mitte 
des  zweiten  Monats  des  Fruchtlebens  zu  verkümmern  anfängt  und 
bald  darauf  nebst  der  äussern  Hälfte  des  Urachus  auch  ganz  ver- 
schwindet*). Desgleichen  erlangt  der  ausserhalb  der  Leibeshöhle 
gelegene  Theil  der  Allantois  bei  verschiedenen  Säugethieren  eine 
sehr  verschiedene  relative  Grösse  und  eine  sehr  verschiedene  Form 
und  Lagerung.  Bei  dem  Menschen  bleibt  derselbe  oder  vielmehr 
sein  inneres  Blatt  sehr  klein  und  erlangt  eine  erst  rundliche,  dann 
aber  birnförmige  Gestalt.  Grösser  schon  wird  er  bei  den  Nagern, 
erhält  aber  hier  eine  ähnliche  Form.  Noch  viel  grösser  wird  er  bei 
den  Baubthieren ,  am  grössten  aber  bei  den  Hufthieren ,  also  bei 
den  Wiederkäuern ,  Einhufern  und  Dickhäutern.  Bei  diesen  letz- 
tern erlangt  derselbe  im  Verhältniss  zu  dem  Embryo  einen  enor- 
men Umfang,  besonders  gegen  die  Mitte  des  Fruchtlebens;  denn 
je  später,  um  desto  weniger  nimmt  er  an  Grösse  zu.  LTebrigens  er- 
hält er  bei  den  Hufthieren,  wie  das  Ei,  durch  dessen  ganze  Länge 
er  hindurch  geht,  beinahe  die  Form  einer  Spindel  mit  abgerunde- 
ten Enden  und  sendet  dann  bei  ihnen  den  Urachus  aus  seiner  Mitte 
aus.    Nach  seiner  verschiedenen  Grösse  erhält  er  in  dem  Eie  auch 


*)  M.  d.  Serres  in  den  Annales  des  sc.  nat.  Seconde  Serie  Tom.  XX.  Paris 
1843. 


in  der  Entwicklung  verschiedener  Wirbelthiere.  81 

eine  verschiedene  Lagerung.  Bei  dem  Menschen  bleibt  er  unter 
dem  Bauche  liegen,  bei  den  Nagern  kommt  er  theils  unter  dem 
Bauche ,  theils  an  der  rechten  Seite  des  Amnions  zu  liegen.  Bei 
den  Kaubthieren  legt  er  sich  an  die  rechte  Seite  des  Amnions  und 
wächst  dann  linkshin  um  dasselbe  so  herum,  dass  sein  Ende  die 
Nabelblase  berührt,  und  er  überhaupt  zuletzt  um  das  Amnion  einen 
breiten  und  fast  völlig  geschlossenen  Gürtel  darstellt,  der  nur  durch 
die  Nabelblase  unterbrochen  ist.  Bei  den  Hufthieren  legt  sich  der 
ausserhalb  der  Leibeshöhle  befindliche  Theil  der  Allantois  eben- 
falls an  die  rechte  Seite  des  Amnions,  wächst  aber  nicht  linkshin 
um  dieses  herum,  sondern  über  dasselbe  nach  beiden  Enden  des 
Eies  hinaus.  Und  diese  seine  Verlängerung  geht  schon  frühe  in 
einem  so  hohen  Grade  vor  sich,  dass  er  sogar  die  beiden  Enden 
des  Chorions  durchbricht  und  zwei  über  dasselbe  hinausragende 
Zipfel  bildet,  die  jedoch  nach  einiger  Zeit  vergehen,  worauf  sich 
die  durchbrochenen  Enden  des  Chorions  wieder  schliessen. 

Der  Liquor  Allantoidis  ist  anfangs  klar  und  völlig  farblos; 
später  wird  er  gelblich,  gelbroth  und  mitunter  sogar  rothbraun. 
Auch  hat  er  später  einen  widerlichen  Geruch  und  enthält  nunmehr 
verschiedene  Salze,  selbst  Harnstoff,  und  bei  Hufthieren  auch 
schleimige  und  häutige  weisse  Gerinnsel,  die  man  Hippomanes 
benannt  hat.  Höchst  wahrscheinlich  ist  die  erwähnte  Flüssigkeit, 
wenigstens  zum  Theil ,  ein  Excret  der  WoLFFschen  Körper  und 
der  Nieren. 

§.  37. 

Das  Chorion  nimmt  während  der  Entwickelung  des  Embryo 
an  Umfang  bedeutend  zu.  Sehr  merklich  auch  vergrössert  sich 
seine  Dicke,  und  überhaupt  wird  es  die  dickste  von  allen  Eihäu- 
ten. Von  ihm  hängt  grösstentheils  oder  hauptsächlich  die  Form 
des  ganzen  Eies  ab.  Diese  aber  ist  bei  dem  Menschen,  dessen  Ei 
ungefähr  die  Länge  eines  Fusses  erreicht,  oval  oder  fast  birnför- 
mig,  bei  den  meisten  Säugethieren  mehr  in  die  Länge  gestreckt, 
und  zwar  am  meisten  bei  den  Hufthieren. 

Die  Oberfläche  des  Chorions  ist  anfänglich  ganz  glatt.  Bald 
aber,  nachdem  das  Ei  in  den  Uterus  gelangt  ist,  wachsen  aus  der 

Rathke,  Vorlesungen.  Q 


82  HI.  Ueber  die  hauptsächlichsten  Verschiedenheiten 

äussern  Fläche  des  Chorions  in  grosser  Menge  kleine  Erhöhungen 
hervor,  die  sich  zu  kegelförmigen  oder  fadenförmigen  Zotten  aus- 
bilden und  dasselbe  rauh  machen.  Einige  Zeit  hindurch  sind  diese 
Zotten  über  die  ganze  Oberfläche  des  Eies  zerstreut,  stehen  ziem- 
lich dicht,  ermangeln  aller  Blutgefässe  und  nehmen  bei  verschie- 
denen Mammalien  eine  verschiedene  Grösse  an,  bei  dem  Menschen 
z.  B.  eine  recht  ansehnliche.  Später  verschwinden  sie  bei  den  mei- 
sten Arten  der  Mammalien  zu  einem  mehr  oder  weniger  grossen 
Theil.  Im  Allgemeinen  aber  bleiben  sie  da,  avo  sich  das  äussere 
oder  Gefässblatt  de.  Allantois  an  die  innere  Fläche  des  Chorions 
angelegt  und  ausgebreitet  hatte,  bestehen,  nehmen  daselbst  von 
jenem  Blatte  zarte  Gefässzweige  auf  und  werden  ungemein  gefäss- 
reich.  Auch  nehmen  sie  daselbst  an  Grösse  noch  zu  und  verändern 
mitunter  ihre  frühere  Kegel-  oder  Cylinderform.  Verhältnissmäs- 
sig  wohl  am  längsten  und  überhaupt  am  grössten  werden  sie  bei 
den  Wiederkäuern,  bei  denen  zuletzt  die  stärker  ausgebildeten 
blattförmig  und  mehrfach  zerschlitzt  sind.  Schuppen-  oder  blatt- 
artig werden  sie  bei  den  reissenden  Thieren  und  Nagern ,  blumen- 
kohlartig bei  den  Delphinen,  zum  Theil  strauchartig  bei  dem  Men- 
schen; theils  cylindrisch,  theils  knopfförmig  sind  sie  später  bei  dem 
Schwein,  doch  sollen  die  knopfförmigen,  die  nur  sehr  niedrig  sind, 
keine  Gefässe  enthalten.  Näher  noch  die  Stellung  und  Ausbrei- 
tung dieser  Zotten  anzugeben,  so  bleiben  sie  bei  dem  Pferde  für 
immer,  bei  dem  Schweine  aber  einen  grossen  Theil  des  Frucht- 
lebens hindurch  über  das  ganze  langgestreckte  Chorion  zerstreut: 
denn  bei  dem  letztern  Thier  verlieren  sie  sich  in  der  spätem  Zeit 
des  Fruchtlebens  an  beiden  Enden  des  Chorions  auf  eine  Strecke 
von  4  bis  5  Zoll.  Bei  den  meisten  Widerkäuern  stehen  die  bleiben- 
den Zotten  in  lauter  über  das  Chorion  zerstreuten,  ziemlich  weit 
von  einander  entfernten  und  verschiedentlich  grossen  Haufen,  von 
denen  die  grössern  aus  längern  und  zerschlitzten,  die  kleinern  aus 
sehr  viel  kürzern  und  ganz  einfachen  Zotten  zusammengesetzt  sind. 
Die  erstem  nennt  man  Cotyledojies.  Bei  den  Baubthieren  und  Pho- 
ken  nehmen  die  bleibenden  Zotten  nur  den  mittlem  Theil  des  lang- 
gestreckten Eies  ein,  stehen  sehr  dicht  beisammen  und  bilden  um 
das  Ei  einen  vollständigen  und  ziemlich  breiten  Gürtel.    Bei  den 


in  der  Entwickelung  verschiedener  Wirbelthiere.  83 

Nagethiereii ,  dem  Igel,  dem  Maulwurf,  den  Fledermäusen,  den 
Affen  und  dem  Menschen  stehen  sie  ebenfalls  dicht  gedrängt  bei- 
sammen, bilden  aber  einen  mehr  oder  weniger  scheibenförmig  run- 
den und  mehr  oder  weniger  grossen  Haufen.  Die  Summe  aller  die- 
ser Zotten  an  den  Eiern  der  Säugethiere  im  Allgemeinen,  wie  sie 
auch  gestaltet  und  gestellt  sein  mögen,  hat  man  Pars  foetalis  pla- 
centae oder  Fruchtkuchen  genannt.  Durch  die  Gefässe  derselben 
macht  das  Blut  der  Frucht  einen  Theil  seines  Kreislaufes,  indem 
es  durch  die  Nabelarterien  den  Zotten  zugeführt  und  durch  die 
Nabelvene  von  ihnen  fortgeführt  wird.  In  die  Gefässe  des  Uterus 
aber  gehen  die  Gefässe  der  Frucht  nirgends  über. 

§•   38. 

Das  Ei  wird  in  dem  Uterus  schon  bald,  nachdem  es  in  dem- 
selben angelangt  ist,  an  dessen  Wandung  befestigt,  damit  die  Blut- 
gefässe beider  in  eine  innige  Berührung  kommen  können.  Die  Art 
der  Befestigung  aber  und  ihre  Folgen  sind  bei  verschiedenen  Säu- 
gethieren  verschieden. 

Wohl  bei  allen  besitzt  der  Uterus  in  sehr  grosser  Zahl  beson- 
dere Drüsenbälge,  die  man  Glandulae  utriculares  genannt  hat.  Je 
nach  ihrer  Länge  liegen  sie  entweder  nur  allein  in  der  Schleim- 
haut, oder  zum  Theil  auch  in  dem  submukösen  Bindegewebe  des 
Uterus.  Bei  dem  Menschen  haben  sie  eine  ziemlich  gleiche  Länge, 
kommen  nur  an  dem  Grunde  und  in  dem  Körper  des  Uterus  vor, 
liegen  nur  in  der  Schleimhaut  desselben,  stehen  sehr  dicht  bei  ein- 
ander, haben  die  Form  von  Cylindern  und  sind  meistens  einfach, 
selten  gabelförmig  in  2  Aeste  getheilt.  Umsponnen  sind  sie  von 
einem  Netzwerke  zarter  Blutgefässe,  das  zwischen  ihnen  seine  Lage 
hat.  Auch  bei  den  Baubthiereii ,  bei  denen  sie  durch  den  ganzen 
Uterus  verbreitet- sind,  stehen  sie  sehr  dicht  beisammen,  weshalb 
ihre  Mündungen,  wie  bei  dem  Menschen,  der  Oberfläche  der 
Schleimhaut  ein  siebartiges  Aussehen  geben.  An  Länge  aber  sind 
sie  bei  den  Baubthieren  sehr  verschieden.  Die  meisten  sind  nur 
kurz,  einfach  cylindrisch  und  nur  in  der  Schleimhaut  gelegen ,  die 
übrigen  aber  haben  eine  beträchtliche  Länge,  sind  öfters  in  2  bis  3 
cylindrische  Aeste  und  mehrere  Zweige  gespalten  und  liegen  zum 

6* 


84  HI-  Ueber  die  hauptsächlichsten  Verschiedenheiten 

Theil  zwischen  der  Schleimhaut  und  der  Muskelhaut  des  Uterus. 
Gleichfalls  sind  sie  bei  den  Hufthieren  und  Delphinen  an  Länge 
sehr  ungleich,  jedoch  bei  ihnen  der  Mehrzahl  nach  in  Aeste  und 
Zweige  gespalten.  Die  bedeutendste  Verschiedenheit  in  der  Grösse 
zeigen  sie  unter  den  Hufthieren  bei  den  Wiederkäuern.  Die  läng- 
sten und  überhaupt  die  grössten  befinden  sich  bei  denselben  in 
mehreren  zerstreut  stehenden,  ziemlich  grossen  und  scheibenförmi- 
gen Erhöhungen  oder  Hügeln,  die  von  der  Schleimhaut  und  dem 
submukösen  Bindegewebe  des  Uterus  gebildet  werden,  an  ihrer 
Oberfläche  ein  siebartiges  Aussehen  haben,  und  Carunculae  heis- 
sen.  Die  kleinern  Bälge  stehen  hingegen  in  dem  übrigen  Theil 
der  Schleimhaut  zerstreut.  In  die  beschriebenen  Drüsenbälge  drin- 
gen nun  bei  den  Baubthieren  und  Hufthieren  diejenigen  Zotten 
des  Chorions,  welche  nicht  schon  früh  vergehen,  mehr  oder  weni- 
ger tief  hinein,  richten  sich  bei  ihrer  Vergrösserung  in  Hinsicht 
der  Form  zum  Theil  nach  den  Formen  dieser  Bälge ,  werden  sehr 
gefässreich,  indem  sich  in  ihnen  ein  zartes  und  engmaschiges  Netz- 
werk von  Blutgefässen  entwickelt,  und  bilden  zusammengenom- 
men die  Pars  foelali-s  placentae  oder  den  sogenannten  Fruchtku- 
chen. Gleichzeitig  und  indem  der  ganze  Uterus  an  Umfang  und 
Masse  zunimmt,  erweitern  sich  alle  diejenigen  Glandulae  utricula- 
res,  welche  die  sich  vergrössernden  Zotten  des  Eies  einschliessen, 
ebenmässig  mit  diesen  Zotten  sehr  bedeutend,  und  zwar  bei  den 
Wiederkäuern  die  den  Karunkeln  angehörigen  oder  grössten  nach 
ihrer  ganzen  Länge,  bei  den  Raubthieren  aber  die  längsten  nur  in 
der  Nähe  ihrer  Mündungen ,  die  kürzern  dagegen  nach  ihrer  gan- 
zen Länge.  Ferner  schwillt  die  Schleimhaut  des  Uterus  dann  mehr 
oder  weniger  auf,  am  meisten  namentlich  bei  den  Wiederkäuern,  an 
denjenigen  Stellen,  an  welchen  sich  die  Karunkeln  befinden,  bei 
den  Raubthieren,  wo  sich  die  gürtelförmige  Pars  foetalis  placentae 
je  eines  Eies  ausbildet.  Die  Anschwellung  aber  und  die  mit  ihr  er- 
folgende Auflockerung  der  Schleimhaut  haben  ihren  Grund  darin, 
dass  zu  der  Schleimhaut  jetzt  ein  stärkerer  Andrang  von  Blut  statt- 
findet und  sich  das  Gefässnetz  derselben  vergrössert.  Jedoch  ist 
das  Verhalten  dieses  Gefässnetzes  verschieden  bei  den  verschiede- 
nen Thierarten.   Bei  den  Hufthieren  behält  dasselbe  immerein  sehr 


in  der  Entwickelung  verschiedener  Wirbelthiere.  85 

zartes  und  zierliches  Aussehen,  indem  sich  zwar  die  Zahl  seiner 
Maschen  bedeutend  vermehrt,  doch  die  Weite  der  es  zusammen- 
setzenden Kanäle  nicht  übermässig  zunimmt.  Dagegen  erweitern 
sich  bei  den  Eaubthieren  an  der  Stelle ,  wo  die  Zotten  des  Eies  in 
die  Drüsenbälge  des  Uterus  eingedrungen  sind,  die  Kanäle  des 
Gefässnetzes  der  Schleimhaut  so  bedeutend,  dass  sie  kurze  zusam- 
menhängende (bis  % 2  Pariser  Linie  weite)  Schläuche  darstellen, 
wogegen  die  Zahl  der  Maschen  dieses  Netzwerkes  sich  nicht  erheb- 
lich vergrössert.  Wie  jedoch  das  Verhalten  der  Blutgefässe  des 
Uterus  auch  sein  mag,  jedenfalls  kommen  dieselben,  ■ — ■  während 
die  von  ihnen  umgebenen  Wandungen  der  Uterindrüsen  wahr- 
scheinlich durch  Resorption  verdünnt  werden,  —  und  die  immer 
ein  zartes  Netzwerk  darstellenden  Blutgefässe  der  Zotten  des  Eies 
einander  so  nahe,  dass  sie  einander  theilweise  unmittelbar  zu  be- 
rühren scheinen.:  Während  die  angegebenen  Vorgänge  stattfinden, 
wird  von  der  Schleimhaut  des  Uterus,  oder  hauptsächlich  wohl  von 
dessen  Glandulae  utriculares ,  eine  schleimige  Flüssigkeit  in  mas- 
sig grosser  Quantität  ausgeschieden,  die  sich  zwischen  Uterus  und 
Ei  in  einer  dünnen  Schicht  ablagert.  Bei  den  Hufthieren  geschieht 
dies  an  der  ganzen  innern  Fläche  des  Uterus ,  bei  den  Eaubthieren 
nur  an  je  einer  Stelle,  wo  die  Schleimhaut  des  Uterus  rings  um  den 
Zottengürtel  je  eines  Eies,  welcher  Gürtel  sich  zu  der  Pars  foetalis 
placentae  entwickelt,  stärker  anschwillt,  blutreicher  wird  und  da- 
durch eine  Pars  uterina  placentae  bildet.  Das  ausgeschiedene  Se- 
cret  aber  behält  bei  den  Hufthieren  fortwährend  die  Beschaffenheit 
einer  massig  dicklichen  Flüssigkeit,  weshalb  denn  bei  der  Geburt 
die  Lösung  des  Eies  von  dem  Uterus  erfolgen  kann,  ohne  dass  aus 
diesem  eine  Blutung  eintritt,  weil  nämlich  dabei  nichts  weiter  ge- 
schieht, als  dass  die  Zotten  des  Chorions  aus  den  Drüsenbälgen 
herausgezogen  werden.  Bei  den  Eaubthieren  hin°-eoen  erhärtet 
allmälig  die  erwähnte  Flüssigkeit  und  verbindet,  wie  ein  fester  Kitt, 
das  Chorion  und  den  Uterus,  namentlich  die  Pars  foetalis  und  die 
Pars  uterina  placetitae  aufs  innigste.  In  Folge  davon  wird  bei 
letztern  Thieren,  wann  sie  gebären,  die  Pars  uterina  placentae, 
also  der  angeschwollene  und  blutreichere  Theil  der  Schleimhaut 
des  Uterus ,  abgetrennt  und  mit  den  Eihäuten  ausgestossen ,  wobei 


86  HI-  Ueber  die  hauptsächlichsten  Verschiedenheiten 

denn  aus  den  zerrissenen  Gefässen  des  Uterus  ein  massig  grosser 
Blutfluss  erfolgt.  Der  abgetrennte  Theil  der  Schleimhaut  aber,  den 
man  mit  dem  Namen  der  Tunica  decidua  belegen  kann,  wird  spä- 
terhin durch  einen  neuen  ersetzt.  Uebrigens  gehen  da,  wo  bei  der 
Geburt  ein  Theil  der  Schleimhaut  des  Uterus  abgelöst  wird,  wahr- 
scheinlich nur  die  kürzern  oder  einfachen  Glandulae  utriculares 
gänzlich  verloren,  die  längern  verästelten  aber  nur  zum  Theil,  näm- 
lich so  weit,  als  sie  in  der  Schleimhaut  selbst  ihre  Lage  haben. 

Auch  bei  dem  Menschen  bildet  sich,  wie  bei  den  Raubthieren, 
wenngleich  auf  eine  etwas  andre  Weise ,  eine  innige  Verbindung 
zwischen  Mutter  und  Frucht,  und  es  gehen  bei  der  Geburt  des 
Kindes  gleichfalls  unter  einem  in  der  Regel  nur  massig  starken, 
bisweilen  aber  heftigen  Blutfluss  häutige  Theile  ab,  die  nicht 
sämmtlich  dem  Ei  als  solchem  angehören,  obschon  sie  freilich  mit 
dem  Chorion  innig  und  fest  zusammenhängen.  Die  Ansicht  nun 
aber,  in  welcher  Weise  bei  dem  Menschen  die  Verbindung  des 
Eies  mit  dem  Uterus  bewirkt  wird ,  war  bisher  ganz  allgemein  fol- 
gende. 

Ehe  das  Ei  nach  einer  Befruchtung  in  den  Uterus  gelangt, 
und  auch,  wenn  dies  bereits  geschehen  ist,  noch  einige  Zeit  nach- 
her, erfolgt  aus  der  ganzen  innern  Fläche  des  Uterus  eine  Aus- 
schwitzung plastischen  Stoffes.  Dieser  aber  verdichtet  sich  allmä- 
lig  und  bildet  dann  eine  den  Grund  und  den  Körper  des  erwähn- 
ten Organs  auskleidende  massig  dicke  Membran,  die  man  die  Tu- 
nica decidua  vera  (Nesthaut)  benannt  hat.  Wenn  nun  das  Ei  in 
den  Uterus  gelangt,  trifft  es  auf  einen  Theil  des  angeführten  Ex- 
sudates ,  treibt  diesen  Theil  desselben  vor  sich  her ,  und  erhält  da- 
durch von  ihm  einen  Ueberzug,  der  ebenfalls  zu  einer  Membran 
erhärtet,  welche  man  die  Tunica  decidua  reßexa  benannt  hat.  Die 
Stelle  des  Uterus  aber,  die  zu  der  Zeit,  da  das  Ei  einen  Theil  der 
künftigen  Decidua  vera  ausbuchtete  und  einstülpte,  davon  frei  ge- 
worden war,  wird  bald  wieder  bedeckt,  indem  an  ihr  die  das  Ei 
unmittelbar  berührende  Schleimhaut  des  Uterus  aufs  Neue  einen 
plastischen  Stoff  ausscheidet.  Die  Membran,  die  aus  diesem  spä- 
terhin an  der  bezeichneten  Stelle  ausgeschiedenen  Stoff  entsteht, 
hat  den  Namen  der  Tunica  decidua  serotina  erhalten.    Wenn  sich 


in  der  Entwickelung  verschiedener  Wirbelthiere.  87 

darauf  das  Ei  bereits  in  solchem  Mass  vergrössert  hat ,  dass  es  den 
grössten  Theil  der  Uterushöhle  ausfüllt,  kommen  Decidua  vera  und. 
Decidua  reßexa  zu  einer  gegenseitigen  Berührung  und  verschmel- 
zen so  innig  mit  einander ,  dass  sie  sich  nicht  mehr  trennen  und 
unterscheiden  lassen.  Schon  früher  aber  dringen  die  Zotten  des  Cho- 
rions ,  während  sie  sich  ausbilden ,  in  die  Decidua  reßexa  und  De- 
cidua  serotina,  indem  sie  beide  gleichsam  durchbohren ,  und  später 
dann  auch  in  die  Decidua  vera  hinein.  Am  meisten  jedoch  bilden 
sich  diejenigen  Zotten  aus,  welche  in  die  Decidua  serotina  einge- 
drungen waren;  auch  nehmen  diese  an  Zahl  immer  mehr  zu,  und 
ausserdem  erhalten  sie  und  die  ihnen  zunächst  stehenden  Zotten 
von  den  Nabelgefässen  Zweige,  incless  von  den  übrigen  viele  ver- 
gehen, andre  sich  in  gefässlose  Fäden  umwandeln.  Ueberhaupt 
aber  bilden  die  bleibenden  Zotten  die  Pars  foetalis  placentae. 
Gleichzeitig  und  bis  an  das  Ende  der  Schwangerschaft  nimmt  die 
Decidua  serotina  an  Umfang  und  Dicke  zu,  wobei  sich  in  derselben 
ein  Gefässnetz  entwickelt,  das  den  Blutgefässen  der  Mutter  ange- 
hört, und  überhaupt  wird  dieser  Theil  der  Decidua  zu  der  Pars 
uterina  placentae.  Bei  der  Geburt  aber  löst  sich  die  ganze  Decidua, 
also  auch  die  Placenta,  von  der  Schleimhaut  des  Uterus  los,  wobei 
denn  die  Gefässe  dieses  Organs ,  wo  sie  in  der  Placenta  eingedrun- 
gen waren,  zerrissen  werden  und  eine  Blutung  erfolgen  lassen. 

Die  so  eben  vorgetragene  Ansicht  hat  sich  in  neuester  Zeit,  in 
der  zur  Prüfung  derselben  genaue  Untersuchungen  angestellt  wor- 
den sind,  als  irrig  und  unhaltbar  erwiesen.  Nach  diesen  Untersu- 
chungen beginnt  bei  dem  Menschen  nach  einer  erfolgten  Befruch- 
tung, während  das  Ei  allmälig  durch  eine  von  den  beiden  Mutter- 
trompeten hindurchgeht,  die  Schleimhaut  des  Uterus,  so  weit  sie 
dessen  Grund  und  Körper  auskleidet,  anzuschwellen  und  blutrei- 
cher zu  werden.  Ist  darauf  das  Ei  schon  in  den  Uterus  hineinge- 
langt, so  schwillt  der  angeführte  Theil  der  »Schleimhaut  desselben 
nicht  blos  noch  mehr  an,  sondern  gewinnt  auch  mit  dem  ganzen 
Uterus  immer  mehr  an  Umfang.  Ausserdem  aber  entsteht  aus  die- 
sem Theil  der  Schleimhaut,  und  zwar  sehr  frühe,  da  wo  an  ihm 
das  Ei  haften  geblieben  ist,  eine  ringförmige  Falte,  die  dasselbe 
wie  ein  massig  hoher  Wall  umgiebt ,  es  ungefähr  zur  Hälfte  knapp 


88  HI.  Ueber  die  hauptsächlichsten  Verschiedenheiten 

einschliesst,  und  an  seiner  Oberfläche  durch  die  Mündungen  von 
Glandulae  utriculares ,  wie  überhaupt  die  Schleimhaut  des  Uterus, 
soweit  sie  dessen  Grund  und  Körper  auskleidet,  siebartig  durch- 
löchert erscheint.  Diese  ringförmige  Falte  nun,  die  mit  dem  Eie 
immer  grösser  wird,  namentlich  immer  mehr  an  Höhe  und  Weite 
zunimmt,  bildet  den  einen  Theil  der  nächsten  Umhüllung  des  Eies 
innerhalb  des  Uterus,  welche  man  die  Tunica  decidua  reflexa  be- 
nannt hat.  Der  andre  Theil  dieser  Umhüllung,  derjenige  nämlich, 
welcher  die  in  die  Höhle  des  Uterus  weiter  hineinragende  Hälfte 
des  Eies  bekleidet,  erscheint  als  eine  nicht  siebartig  durchlöcherte, 
sondern  ganz  dichte,  gefässlose  und  gleichartig  beschaffne  Mem- 
bran, weshalb  es  wahrscheinlich  sein  dürfte,  dass  dieser  Theil  der 
Decidua  reflexa  nur  aus  einer  festgewordenen  gerinnbaren  Flüssig- 
keit, die  von  dem  erstem  Theil e  ausgesondert  wurde ,  entstanden 
ist.  Die  sogenannte  Decidua  serotina  aber  ist  nichts  anderes,  als 
derjenige  Theil  der  Schleimhaut  des  Uterus,  welcher  von  der  an- 
gegebenen Kingfalte  eingeschlossen  wird  und  mit  dem  Eie  eben- 
falls, wie  diese  Falte,  in  einer  unmittelbaren  Berührung  steht. 
Desgleichen  ist  die  Decidua  vera  nur  ein  Theil  der  Schleimhaut 
des  Uterus,  und  zwar  der  übrige,  bei  weitem  grössere  Theil  dessel- 
ben. Mit  ihr  hängt  übrigens  eine  anfangs  gallertartige,  nachher 
aber  ziemlich  feste  Masse  zusammen,  die  wie  ein  Pfropfen  den  Hals 
des  Uterus,  ehe  er  sich  am  Ende  der  Schwangerschaft  erweitert,, 
verschliesst,  und  ein  Secret  der  Schleimhaut  des  Gebärmutterhal- 
ses ist.  —  Wenn  das  Ei  durch  die  beschriebene  Ringfalte  des  Ute- 
rus festgehalten  und  an  die  Wandung  desselben  befestigt  worden 
ist,  entwickeln  sich  die  Blutgefässe  dieser  Falte,  besonders  aber  die 
Blutgefässe  desjenigen  Theiles  der  Schleimhaut,  welcher  von  ihr 
eingeschlossen  ist  und  Decidua  serotina  genannt  wurde,  immer 
mehr  und  sehr  bedeutend.  Einzelne  Kanäle  des  Haargefässnetzes, 
welches  die  Glandulae  utriculares  der  beiden  Theile  umstrickt,  er- 
weitern sich  sogar  bis  zu  einer  Breite  von  mehr  als  %.  Linie  und 
stellen  überaus  dünnwandige  sinuöse  \enen  dar.  Die  Arterien- 
zweige aber,  welche  zu  diesem  Netzwerk  von  Gefässen  das  Blut 
hinleiten,  nehmen  weniger  an  Weite,  dagegen  beträchtlich  an 
Länge  zu  und  bilden  in  dem  submukösen  Bindegewebe  der  Decidua 


in  der  Entwickelung  verschiedener  Wirbelthiere.  89 

serotina  und  Dec.  refiexa  mehrfache  Windungen,  wie  auch  zum 
Theil  selbst  wahre  Gefässknäuel.  —  Während  ein  Theil  der 
Schleimhaut  des  Uterus  bedeutend  aufgelockert,  verdickt  und  blut- 
reicher, dadurch  aber  in  die  Pars  uterina  placentae  umgewandelt 
wird,  dringen  die  sich  vergrößernden  Zotten  des  Chorions,  welche 
die  andre  Hälfte  des  Mutterkuchens,  nämlich  die  Pars  foetalis  pla- 
centae zusammensetzen,  in  diesen  Theil  der  Schleimhaut  des  Uterus 
hinein  und  verbinden  sich  mit  ihm  unter  Mitwirkung  einer  gerinn- 
baren Flüssigkeit,  die  zwischen  den  beiden  Hälften  des  Mutterku- 
chens abgelagert  wird  und  allmälig  erhärtet,  aufs  innigste.  Jedoch 
sollen  nach  Webers  Angabe  bei  dem  Menschen  die  einzelnen  den- 
dritisch geformten  Zotten  des  Chorions  nicht,  wie  bei  den  Huf- 
und  Raubthieren ,  in  eben  so  viele  Drüsenbälge  des  Uterus  hinein- 
dringen, sondern  sollen,  während  in  den  Maschen  des  Gefässnetzes 
der  Schleimhaut  die  Substanz  dieser  Haut  und  der  Glandulae  utri- 
culares  durch  Resorption  vermindert  wird,  gegen  die  erweiterten 
Gelasse  jenes  Netzwerkes  andrängen  und  die  dünnen  Wandungen 
derselben  immer  tiefer  einbuchten,  in  Folge  davon  aber  scheinbar 
in  die  Höhlen  derselben  zu  liegen  kommen  und  von  dem  Blut  der 
Mutter  umflossen  werden.  Dagegen  will  Virchow  gefunden  ha- 
ben, dass  die  übrig  bleibenden  Zotten  des  Chorions  die  erweiterten 
Gefässe  des  angeführten  Netzwerkes  durchbohren,  also  nicht  etwa 
nur  scheinbar,  sondern  wirklich  in  dieselben  zu  liegen  kommen.  — 
Nachdem  die  Decidua  reflexa  und  Dec.  vera  verklebt  und  mit  ein- 
ander verwachsen  sind,  wird  bei  der  Geburt  die  Schleimhaut  des 
Uterus,  sowie  dieselbe  zu  der  Bildung  der  Tunica  decidua  über- 
haupt benutzt  worden  war,  ab-  und  ausgestossen,  worauf  sich  als- 
dann im  Uterus  zum  Ersatz  der  verloren  gegangenen  bald  wieder 
eine  neue  Schleimhaut  zu  bilden  beginnt. 

In  der  Regel  wird  bei  dem  Menschen  das  Ei,  wenn  es  in  den 
Uterus  gelangt  ist,  an  die  Wandung  desselben  ganz  in  der  Nähe 
der  Oeffnung  einer  Muttertrompete  angeheftet,  also  auch  ebenda- 
selbst nachher  der  Mutterkuchen  gebildet.  Mitunter  aber  sinkt  das 
Ei  in  dem  Uterus,  ehe  es  aufgehalten  und  befestigt  wird,  weit  tie- 
fer hinab,  bisweilen  sogar  bis  zu  dem  innern  Muttermunde.  In  dem 
letztern  Fall  bildet  sich  dann  eine  sogenannte  Placenta  praevia;, 


90  Hl«  Ueber  die  hauptsächlichsten  Verschiedenheiten 

d.  li.  ein  zum  Theil  auf  dem  Muttermunde  selbst  gelagerter  Mut- 
terkuchen, der  für  Mutter  und  Kind  in  hohem  Grade  gefahrbrin- 
gend ist. 

§.  39. 

Allgemein  war  man  sonst  der  Meinung,  dass  die  Placenta,  oder 
vielmehr  die  einzelnen  Zotten  des  Chorions,  zwei  verschiedene  Fun- 
ctionen, nämlich  die  Athmung  und  die  Ernährung  der  Frucht  voll- 
führten. In  neuester  Zeit  aber  hat  Eschricht  wahrscheinlich  zu 
machen  gesucht,  dass  wenigstens  bei  den  Schweinen,  Delphinen 
und  Wiederkäuern  jene  beiden  Functionen  auf  die  verschiedenen 
Zotten  des  Chorions  vertheilt  sind,  dass  nämlich  bei  den  Schwei- 
nen die  cylindrischen  oder  auch  verzweigten,  bei  den  Delphinen 
die  blumenkohlförmigen  und  bei  den  Wiederkäuern  die  den  Coty- 
ledonen  angehörigen  oder  grössern  der  Athmung,  dagegen  bei  den 
Schweinen  und  Delphinen  die  knopfförmigen  und  bei  den  Wieder- 
käuern die  kleinen  zerstreut  stehenden  Zotten  der  Ernährung1  dien- 
ten.  Er  beruft  sich  dabei  vorzüglich  auf  den  Umstand,  dass  die 
letztern  fast  nur  Venenzweige  enthalten  und  in  den  Ausführungs- 
gängen eben  so  vieler  ziemlich  grosser  verzweigter  Drüsenbälge 
{Glandulae  utriculares)  stecken,  die  eine  milchartige  Flüssigkeit 
enthalten.  Wodurch  aber  die  präsumirten  Ernährungszotten  jener 
Thiere  bei  andern  Säugethieren  und  bei  dem  Menschen  vertreten 
würden,  blieb  zweifelhaft. 

Die  Ansicht,  dass  der  Embryo  durch  die  Placenta  athme,  ist 
auf  zweierlei  begründet  worden,  erstens  auf  den  Umstand,  dass  der 
Embryo  in  sehr  kurzer  Zeit  stirbt,  wenn  aus  irgend  einer  Ursache 
der  Blutumlauf  durch  den  Nabelstrang  plötzlich  gehemmt  wird, 
zweitens  darauf,  dass  angeblich  das  Blut  der  Nabelvene  heller  und 
reicher  an  Faserstoff  sei,  als  das  der  Nabelarterien.  Allein  die  er- 
stere  Erscheinung  lässt  sich  schon  hinreichend  aus  der  Ueberfül- 
lung  der  Blutgefässe  des  Hirns,  der  Hirnhäute  und  der  Brustorgane 
erklären,  die  nach  einer  Hemmung  des  Blutumlaufes  durch  die 
Nabelschnur  eintritt.  Was  aber  den  zweiten  Grund  anbelangt,  so 
haben  neuere  und  sorgfältig  angestellte  Untersuchungen  ergeben, 
dass  das  Blut  aller  Nabelgefässe  eine  gleiche  Farbe  und  wahrschein- 


in  der  Entwickelung  verschiedener  Wirbelthiere.  91 

licli  auch  eine  gleiche  chemische  Beschaffenheit  hat.  In  neuester 
Zeit  hat  man  daher  in  Deutschland  angefangen.,  jene  Ansicht,  dass 
die  Placenta  wie  ein  Athmungsorgan  wirke,  aufzugeben.  Insbe- 
sondere hat  Bischoff  darzuthuii  gesucht,  dass  der  Embryo  der 
Säugethiere  gar  nicht  athme  und  auch  einer  Athmung  gar  nicht 
bedürfe,  weil  nämlich  in  der  Placenta  von  dem  Blut  des  Embryo 
die  zu  dessen  Ernährung  und  zum  "Wachs thum  dienenden  Stoffe 
schon  gehörig  vorbereitet  aus  dem  Blut  der  Mutter  aufgenommen 
werden. 

§.  40. 

Eine  merkwürdige  Ausnahme  von  dem  Entwickelungsgange, 
welchen  bei  den  Säugcthieren  im  Allgemeinen  die  Eihäute  neh- 
men, sollen  die  Beutelthiere,  namentlich  die  Känguruhs  und  Di- 
delphisarten  zeigen.  Bei  diesen  Geschöpfen,  deren  Früchte,  wie 
bekannt,  in  einem  sehr  unvollkommenen  Zustande  zur  Welt  kom- 
men, soll  nämlich  weder  ein  Mutterkuchen,  noch  auch  eine  ausser- 
halb des  Leibes  gelegene  Allantois  vorkommen,  indem  sie  schon 
früher  geboren  werden,  als  die  Bildung  eines  Mutterkuchens  hätte 
besinnen  können. 


Fische. 

Prevost,  Sur  Ja  gener ation  chez  le  Sechot.  (Cottus  Gobio)  in 
den  Memoires  de  la  societe  physique  de  Geneve  Tom.  XIX.  (Jahr- 
gang von  1825.) 

Forchhammer,  De  Blennii  vivipari  formatione  et  evolutione. 
(Diss.  inaug.)  Kiliae  1819. 

Batkhe,  Entwick.  Geschichte  des  Blennius  viviparus,  in  des- 
sen Abhandlungen  zur  Bildungs-  und  Entwickelungsgeschichte  des 
Menschen  und  der  Thiere.   Theil  IL   Leipzig  18  33. 

Derselbe,  Ueber  die  Entwickelung  der  Syngnathen  in  des- 
sen Werk:  Zur  Morphologie,  Reisebemerkungen  aus  Taurien. 
Riga  und  Leipzig  183  7. 

vox  Baer,  Untersuchungen  über  die  Entwickelungs  -  Ge- 
schichte der  Fische.  (Leipzig  1835.)  Eigentlich  über  die  Entwicke- 
lung von  Cyprinus  BUcca. 


92  HI.  Ueber  die  hauptsächlichsten  Verschiedenheiten 

Vogt,  Embryologie  des  Salmons  (eigentlich,  des  Coregonus  Pa- 
laea)  als  zweiter  Theil  des  Werkes  von  Agassiz,  Histor.  naturelle 
des  Poissons  cTeau  de  VEurope  centrale.  Neuchatel  1842. 

Quatrefages,  Mem.  sur  les  embryons  des  Syngnathes  (Syn- 
gnathus  Ophidion)  in  den  Annales  des  sciences  naturelles.  Seconde 
Serie.    Tom.  XVIII.  Paris  1842. 

Duvernoy,  Observations  pour  servir  ä  la  connaissance  du  de- 
veloppement  de  la  Poecilie  de  Surinam.  In  denselben  Annalen  vom 
Jahr  1844,  3.  Serie.    Tom.  I. 

Rathke,  Beiträge  zur  Entwickelungs  -  Geschichte  der  Hai- 
fische und  Rochen,  in  dessen  Beiträgen  zur  Geschichte  der  Thier- 
welt.   Vierte  Abtheilung.   Halle  1827. 

Johannes  Müller,  Ueber  den  glatten  Hai  des  Aristoteles 
und  über  die  Verschiedenheiten  unter  den  Haifischen  und  Rochen 
in  der  Entwickelung  des  Eies.  In  den  Abhandlungen  der  Akade- 
mie der  Wissenschaften  zu  Berlin,  vom  Jahre  1840. 

Amphibien. 

Swammerdam,  Von  dem  Frosche  und  dessen  Puppe,  in  dess. 
Bibel  der  Natur.   Leipzig  1752.   (Deutsche  Uebersetzung.) 

Steinheim,    Die  Entwickelung  der  Frösche.    Hamburg  1820. 

C.  Vogt,  Untersuchungen  über  die  Entwickelungsgeschichte 
der  Geburtshelferkröte  (Alytes  obstetricans).   Solothurn  1842. 

Rusconi,   Amours  des  Salamandres  aquatiques.  Milan  1822. 

EMMERTundHocHSTÄTTER,  Untersuchung  über  die  Entwicke- 
lung der  Eidechsen  in  ihren  Eiern,  in  Reils  Archiv  Bd.  X. 

Volkmann,  De  Colubri  Natricis  evolutione,  Diss.  inaug.  Lip- 
siae  1834.    (Handelt  nur  von  den  Eihäuten  der  Natter.) 

Rathke,  Entwickelungsgeschichte  der  Natter.  Königsberg 
1839. 

Tiedemann,  Entwickelungsgeschichte  der  Schildkröte.  Hei- 
delberg und  Leipzig  182S.  (Enthält  fast  nur  Bemerkungen  über 
die  Eihäute  eines  beinahe  reifen  Embryo  von  Emys  amazonica.) 

Rathke,  Untersuchungen  über  die  Entwickelung  der  Schild- 
kröten.  Braunschweig  1848. 

v.  Wittich,    Beiträge  zur  Entwickelung  der  Harn-  und  Ge- 


in  der  Entwickelung  verschiedener  Wirbelthiere.  93 

schlechtswerkzeuge  der  nackten  Amphibien  (in  Siebolds  und  Koel- 
likers  Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Zoologie.   Bd.  IV.  S.  125). 

Vögel. 

Paeder,  Diss.inaug.  sistens  historiam  metamorphoseos,  quam 
ovum  incubatum \  prioribus  quinque  diebus  subit.    Wirceburgi  1817. 

Derselbe,  Beiträge  zur  Entwickelungs- Geschichte  des  Hühn- 
chens im  Ei.   Würzburg  1817. 

von  Baer,  Ueber  Entwickelungs  -  Geschichte  der  Thiere. 
Theil  I.   Königsberg  1S2S. 

Erdl,  Die  Ent wickelung  des  Menschen  und  des  Hühnchens 
im  Ei.   Theil  I.   Leipzig  1845.    (Besteht  fast  nur  in  Abbildungen.) 

Remak,  Untersuchungen  über  die  Entwickelung  der  Wirbel- 
thiere.  Berlin  1850—55. 

Säugethiere. 

von  Baer,  Ueber  Entwickelungs  -  Geschichte  der  Thiere. 
Theil  IL  Königsberg  1837.  (In  diesem  Bande  sind  auch  Bemer- 
kungen über  die  Entwickelung  anderer  Wirbelthiere  enthalten.) 

Bischoff,  Entwickelungs -Geschichte  des  Kaninchen -Eies. 
Braunschweig  1842. 

Desselben  Entwickelungs  -  Geschichte  des  Hunde  -  Eies. 
Braunschweig  1845. 

Dessen  Entwickelungs  -  Geschichte  des  Meerschweinchens. 
Giessen  1852. 

Dessen  Entwickelungs-Geschichte  des  Rehes.    Giessen  1854. 

Eschricht,  De  organis ,  quae  respirationi  et  nutritioni  foetus 
mcunmalium  inserviunt.  Hafniae  1837. 

E.  H.  Weber,  Zusätze  zur  Lehre  vom  Baue  und  den  Verrich- 
tungen der  Geschlechtsorgane.   Leipzig  1846. 

von  Baer,  Untersuchungen  über  die  Gefässverbindung  zwi- 
schen Mutter  und  Erucht  in  den  Säugethieren.   Leipzig  1S28. 

vonBabo,  Ueber  die  äussere  Eihaut  des  javanischen  Mos chus- 
thieres.   Heidelberg  1847. 


Viertes  Kapitel. 

Vom  Nervensystem. 

§•  41. 

Uas  Rückenmark,  das  anfangs  einen  seiner  Länge  nach  an 
der  obern  Seite  offenen  Kanal,  also  eigentlich  eine  Rinne  darstellt, 
breitet  sich  bei  einigen  Cyclostomen  seitwärts  so  aus,  dass  es  zu- 
letzt als  ein  platter  bandartiger  Streifen  von  massig  grosser  Dicke 
erscheint.  Bei  den  übrigen  Wirbelthieren  aber  kommen  seine  bei- 
den seitlichen  Ränder  sehr  bald  einander  immer  näher  und  ver- 
wachsen dann  entweder  in  ihrer  ganzen  Länge,  oder  doch  beinahe 
in  ihrer  ganzen  Länge.  Denn  bei  einigen,  namentlich  bei  den  Vö- 
geln, verbleibt  in  dem  Rückenmarke  an  der  Stelle,  wo  die  Nerven 
der  Beine  abgehen,  für  immer  eine  Lücke,  die  aber  durch  eine  gal- 
lertartige Masse  und  die  Häute  des  Rückenmarkes  verschlossen 
wird.  Abnormerweise  bleibt  an  einer  ähnlichen  Stelle  mitunter 
auch  bei  dem  Menschen  eine  solche  Lücke,  und  dies  ist  der  Fall 
bei  der  sogenannten  Spina  bifida.  Wenn  nun  aber  das  Rücken- 
mark sich  geschlossen  hat,  so  stellt  es  zuvörderst  eine  dünnwandige 
Röhre  vor,  die  mit  einer  klaren  tropfbaren  Flüssigkeit  erfüllt  ist 
und  von  vorn  nach  hinten  verjüngt  ausläuft.  Demnächst  nimmt 
diese  Röhre  bei  vielen  Wirbelthieren  besonders  an  den  beiden  Stel- 
len ,  wo  von  ihr  die  Nerven  der  Extremitäten  abgehen ,  mehr  oder 
weniger  an  Weite  zu,  oder  schwillt  an  ihnen  gleichsam  auf.  Bei 
allen  aber  nimmt  ihre  Wandung  überall  nicht  blos  absolut,  sondern 
auch  im  Verhältniss  zu  der  Höhle  immer  mehr  an  Dicke  zu,  zuerst 
in  der  untern,  darauf  auch  in  der  obern  Partie  einer  jeden  Seiten- 


IV.  Vom  Nervensystem.  95 

hälfte,  und  es  bilden  sich  dabei,  indem  in  der  Substanz  auch  eine 
Faserang  entsteht,  die  sechs  Stränge  des  Rückenmarkes  aus.  Zu- 
gleich senkt  sich  die  obere  und  die  untere  Wandung"  des  Rohres, 
doch  die  erstere  viel  weniger,  als  die  letztere,  in  der  Mittelebene 
ein,  wobei  sich  in  die  untere  der  dadurch  entstehenden  beiden 
Längsfurchen  die  indessen  schon  entstandene  Gefässhaut  des 
Rückenmarkes  faltenartig  hineinschlägt.  Die  Höhle  des  Rücken- 
markes aber  wird  um  so  enger,  je  höher  der  Standpunkt  eines  Wir- 
belthieres  unter  den  übrigen  ist;  bei  dem  Menschen  verschwindet 
sie  sogar  beinahe  gänzlich,  falls  sie  nicht  eine  Spina  bifida  aus- 
bildet. Nach  hinten  reicht  das  Rückenmark  anfänglich  bis  an  das 
Ende  des  Körpers.  Bei  mehreren  Thieren  aber  nimmt  es  nicht 
ffleichmässiff  mit  der  Wirbelsäule  an  Läim'e  zu,  erscheint  daher  bei 
ihnen,  je  später,  desto  relativ  kürzer,  und  zieht  sich  aus  dem 
Schwänze  ganz  zurück,  ja  bei  dem  Menschen,  mehreren  Säugethie- 
ren  (besonders  bei  dem  Igelj  und  etlichen  wenigen  Fischen  (Oriha- 
goriscus  Mola)  noch  sehr  viel  weiter.  —  Bei  den  ungeschwänzten 
Batrachiern  wird  der  Schwanztheil  des  Rückenmarkes,  während  sie 
ihre  Metamorphose  erfahren,  völlig  resorbirt. 


Auch  das  ursprünglich  an  seiner  obern  Seite  offene  Gehirn 
schliesst  sich  sehr  bald  zu  einer  Röhre,  deren  Wandung  und  deren 
eine  tropfbare  Flüssigkeit  enthaltende  Höhle  ohne  Unterbrechung 
in  die  des  Rückenmarkes  übergehen.  Wegen  der  Kopfbeuge  ist 
diese  Röhre  in  frühester  Zeit  des  Fruchtlebens  mehr  oder  weniger 
bogenförmig  gekrümmt,  und  zwar  am  stärksten  bei  den  Säugethie- 
ren  und  Vögeln,  am  schwächsten  bei  den  Fischen.  Durch  zwei 
ringförmige  Einschnürungen  wird  sie  sehr  frühe  in  drei  auf  einan- 
der folgende  Kammern  oder  Blasen  abgetheilt,  deren  Höhlen  in 
einander  übergehen.  Die  mittlere  von  diesen  Kammern  liegt  am 
Scheitel  und  pflegt  anfangs  die  kürzeste  zu  sein ,  nachher  sich  aber 
rasch  in  solchem  Grade  zu  verlängern,  dass  sie  wenigstens  einige 
Zeit  die  längste  von  allen  ist.  Bald  nachdem  die  angeführten  Ring- 
furchen  entstanden  sind,  buchtet  sich  die  vordere  Kammer,  die 
sich  zu  dem  grossen  Gehirn  entwickeln  soll,  an  ihrer  untern  und 


96  IV.  Vom  Nervensystem. 

vordem  Seite  aus ,  und  zwar  rechts  und  links  von  der  Mittelebene 
des  Kopfes  weit  stärker ,  als  in  dieser  Ebene  selbst.  Dadurch  wird 
am  vordem  Ende  dieser  Kammer  eine  blasenartige  Auftreibung  ge- 
bildet ,  die  durch  eine  an  ihr  vorkommende  und  bogenförmig  ver- 
laufende Furche  von  vorn  her  unvollständig  in  zwei  Seitenhälften 
getheilt  ist.  In  kurzer  Zeit  nimmt  darauf  dieselbe  ansehnlich  an 
Umfang  zu,  wird  zuvörderst ,  während  die  an  ihr  vorhandene  Ein- 
furchung  immer  mehr  an  Tiefe  gewinnt,  breiter,  als  lang,  springt 
in  Folge  davon  über  diejenige  Abtheilung  des  Gehirns,  aus  welcher 
sie  sich  bildete,  rechts  und  links  etwas  vor,  und  grenzt  sich  von 
dieser  ihrer  Bildungstätte  dadurch  ab,  dass  sie  sich  an  ihrem  hin- 
tern Ende,  wo  sie  von  derselben  ausgeht,  weniger  als  in  ihrer  Mitte 
erweitert.  Demnach  scheidet  sich  die  vordere  Kammer  des  Ge- 
hirns allmälig  in  eine  vordere  und  eine  hintere  Hälfte.  Die  einge- 
furchte und  breitere  vordere  Hälfte  hat  man  das  Vorderhirn  ge- 
nannt, die  nicht  eingefurchte  und  schmälere  hintere  Hälfte,  die 
jedenfalls  noch  einige  Zeit  länger  ist,  als  die  erstere,  das  Zwi- 
schenhirn. —  Die  hintere  Kammer,  die  sich  zu  dem  kleinen  Ge- 
hirn nebst  dem  verlängerten  Marke  entwickeln  soll,  sondert  sich 
gleichfalls  mehr  oder  weniger  deutlich  in  zwei  Hälften,  von  denen 
die  vordere  das  Hinterhirn,  die  andere  das  Nachhirn  heisst. 
Die  mittlere  Kammer  aber,  die  man  das  Mittelhirn  nennt,  er- 
hält keine  solche  Theilung.  Man  findet  also  schon  frühe  an  dem 
Gehirn  fünf  in  einer  Reihe  liegende  Abtheilungen,  nämlich  das 
Vorderhirn,  Zwischenhirn,  Mittelhirn,  Hinterhirn  und  Nachhirn. 

Das  Vorderhirn,  das  sich  zu  den  Hemisphären  des  grossen 
Gehirns  entwickelt,  nimmt  in  dem  Embryo  um  so  schneller  und 
um  so  bedeutender  an  Umfang  und  Masse  zu,  je  höher  der  Embryo 
seiner  Art  nach  in  der  Reihe  der  Wirbelthiere  zu  stehen  kommen 
soll,  am  meisten  also  bei  den  Säugethieren,  bei  denen  es  nach  eini- 
ger Zeit  alle  übrigen  Abtheilungen  des  Gehirns  an  Grösse  über- 
trifft, nächst  ihnen  bei  den  Vögeln,  am  wenigsten  hingegen  bei  den 
Grätenfischen,  bei  denen  es  das  ganze  Leben  hindurch  nur  eine 
verhältnissmässig  geringe  Grösse  behält.  Je  stärker  aber  sich  das 
Vorderhirn  vergrössert,  um  desto  tiefer  wird  auch  im  Allgemeinen 
die  an  ihm  in  der  Mittelebene  vorkommende  Einfurchung,  zumal 


IV.  Vom  Nervensystem.  97 

an  der  vordem  und  obern  Seite.  Dadurch  wird  denn  das  Vorder- 
hirn immer  stärker  in  zwei  Seitenhälften,  die  Hemisphären  des 
grossen  Gehirns,  geschieden,  und  seine  ursprünglich  ganz  einfache 
Höhle  in  zwei  neben  einander  liegende  Höhlen,  die  beiden  Seiten- 
ventrikel des  Gehirns,  getheilt.  Jedoch  stehen  beide  Ventrikel  wohl 
jedenfalls  einige  Zeit  hindurch  an  der  Stelle,  die  eingefurcht  wor- 
den ist,  nach  deren  ganzer  Länge  in  Communication.  Indem  aber 
bei  manchen  Thieren,  namentlich  den  Amphibien,  die  Einfurchung 
von  vorn  nach  hinten  immer  tiefer  wird,  werden  beide  Ventrikel 
dadurch  von  einander  so  geschieden,  dass  sie  zuletzt  nur  nebenein- 
ander in  die  Höhle  des  Zwischenhirns  übergehen.  Bei  andern  Thie- 
ren hingegen  geht  die  Einfurchung  und  Trennung  nicht  so  weit 
nach  hinten,  und  bei  diesen  bildet  sich  zwischen  den  beiden  Seiten- 
ventrikeln eine  Scheidewand,  die  wahrscheinlich  aus  der  vordem 
Wandung  des  Vorderhirns  ihren  Ursprung  nimmt,  und  von  da  aus 
allmälig  immer  weiter  nach  hinten  wächst.  Bei  den  Säugethieren 
ist  dieselbe  das  sogenannte  Septum  pcllucidum.  Ganz  unbekannt 
ist  indess  bis  jetzt  noch,  wie  bei  den  Säugethieren  die  in  dieser 
Scheidewand  vorkommende  Höhle  entsteht.  Ueber  der  angegebe- 
nen Scheidewand  bildet  sich  bei  ihnen  in  der  Tiefe  der  Einfur- 
chung des  Vorderhirns  der  Balken  oder  das  Corpus  callosum.  Ob 
jedoch  dasselbe  sich  gleichzeitig  mit  dem  Septum  oder  etwas  früher 
zu  bilden  beginnt,  würde  noch  zu  ermitteln  sein.  Seinen  Ursprung 
nimmt  es  ganz  vorn  in  der  Einfurchung  des  Vorderhirns ,  wo  es 
anfangs  nur  eine  sehr  kurze  und  schmale  Commissur  zwischen  den 
beiden  Hemisphären  darstellt,  durch  die,  wie  es  den  Anschein  hat, 
zunächst  eigentlich  nur  das  Rostrum  corporis  callosi  angedeutet 
ist.  Allmälig  aber  dehnt  sich  diese  Commissur  durch  fortschreiten- 
des Wachsthum,  während  zugleich  die  Hemisphären  bedeutend 
länger  werden,  immer  weiter  nach  hinten  aus,  wobei  sie  schon 
frühe  sich  knie  förmig  nach  hinten  ausbiegt,  so  dass  demnach  ihre 
hinter  dem  Knie  des  Balkens  gelegene  grössere  Hälfte  als  ein  Nach- 
wuchs aus  der  viel  kleinem  vordem  betrachtet  werden  kann.  — 
Wenn  die  Theilung  des  Vorderhirns  in  zwei  Seitenhälften  unlängst 
begonnen  hat,  nimmt  auch  die  Bildung  der  beiden  Nasenhöhlen 

Rathke,  Vorlesungen.  n 


98  IV.  Vom  Nervensystem. 

ihren  Anfang.  Diesen  gegenüber  sacken  sich  jene  Seitenhälften 
des  Gehirns,  dessen  Wandung  dann  allenthalben  noch  ziemlich 
dünn  ist,  etwas  aus,  und  es  werden  darauf  durch  ein  Wachsthum 
der  beiden  ausgesackten  Stellen  in  die  Länge  die  Stämme  der  Ge- 
ruchsnerven gebildet,  deren  Höhlen  sich  als  Verlängerungen  oder 
Fortsetzungen  der  Seitenventrikel  des  Gehirns  darstellen.  Eine 
beträchtliche  Weite  erreichen  diese  Nervenstämme  bei  den  Wieder- 
käuern und  einigen  andern  Säugethieren ,  und  führen  bei  ihnen 
den  Namen  Processus  mammillares  cerehri.  Die  grösste  Weite  aber 
erreichen  sie,  und  zwar  in  ihrer  vordem  Hälfte,  bei  den  Plagiosto- 
nien.  Nicht  für  immer  jedoch  bleiben  sie  bei  allen  Wirbelthieren 
hohl:  denn  bei  mehreren,  namentlich  bei  den  Grätenfischen,  wie 
auch  beim  Menschen  verwächst  mit  der  Zeit  ihre  Höhle.  —  Indem 
die  ursprünglich  nur  sehr  dünnen  Wandungen  des  Vorderhirns  an 
Dicke  zunehmen,  bildet  sich  schon  frühe,  doch  erst  nachdem  sich 
das  Vorderhirn  einzufurchen  begonnen  hat,  an  dem  Boden  der  Sei- 
tenhöhlen desselben  ein  Paar  von  einander  entfernter  Erhöhungen,, 
die  Streifenhügel  oder  Corpora  striata.  Sie  sind  als  die  kolbenartig 
angeschwollenen  vordem  Enden  der  beiden  Hirnschenkel  anzuse- 
hen, diese  aber  als  Fortsetzungen  der  beiden  untern  Stränge  des 
Rückenmarkes,  denen  sie  im  Allgemeinen  in  ihrer  Entwicklung 
ähnlich  sind,  insofern  auch  in  dem  Gehirn  die  beiden  Seitenhälf- 
ten, wo  sie  unten  ihrer  Länge  nach  zusammenstossen  und  in  einan- 
der übergehen,  zunächst  der  Mittelebene  sich  am  meisten  verdicken 
und  ein  faseriges  Nervengewebe  erhalten.  Auch  bei  den  Gräten- 
fischen sollen  nach  v.  Baers  Angabe  zu  einer  gewissen  Zeit  der 
Entwickelung  zwei  Streifenhügel  bemerkbar  sein,  obgleich  bei  ih- 
nen späterhin  die  Seitenventrikel  des  Vorderhirns  so  mit  Nerven- 
substanz ausgefüllt  werden  und  ihre  Wandungen  verwachsen,  dass 
zuletzt  die  Hemisphären  des  Vorderhirns  völlig  dicht  und  ohne 
Spur  von  einer  Höhle  sind.  —  Windungen  an  der  Oberfläche  des 
grossen  Gehirns  bilden  sich  nur  bei  den  Säugethieren,  obgleich 
nicht  bei  allen,  und  zwar  indem  die  hohlen  Hemisphären  an  Um- 
fang weit  stärker  zunehmen,  als  die  Schädelhöhle,  in  Folge  wovon 
an  ihnen  in  dem  beengten  Baume,  der  sie  einschliesst,  Einfaltun- 
gen  entstehen.  Bei  dem  Menschen  machen  sie  sich  schon  am  Ende 


IV.  Vom  Nervensystem.  99 

des  dritten  Monats  der  Schwangerschaft  bemerkbar,  erlangen  aber 
erst  am  Anfange  des  neunten  Monats  ihre  völlige  Ausbildung. 

Das  Zwischenhirn  sackt  sich  zuvörderst  nach  unten  aus,  im 
Allgemeinen  um  so  mehr,  je  niedriger,  um  so  weniger,  je  höher 
die  Stellung  der  Thierart  ist,  welcher  der  Embryo  angehört,  und 
wird  dadurch  höher,  als  es  breit  ist;  die  Aussackung  aber  ent- 
wickelt sich  zu  dem  Hirntrichter.  Ferner  erfolgt  schon  frühe  aus 
jeder  Seitenwand  eine  Ausstülpung,  die  nach  aussen  geht,  und 
diese  beiden  Ausstülpungen  oder  Fortsätze  des  Zwischenhirns,  die 
sehr  bald  die  Form  von  Kolben  erlangen  ,  entwickeln  sich  nachher 
zu  den  Sehnerven  und  Augäpfeln.  Abgesehen  von  diesen  beiden 
seitlichen  Ausstülpungen  bleibt  das  Zwischenhirn  in  seinem  Wachs- 
thum  in  die  Breite  und  Länge  hinter  anderen  Theilen  des  Gehirns 
sehr  zurück ,  namentlich  bei  den  Amphibien ,  Vögeln  und  Säuge- 
thieren  besonders  hinter  dem  Vorderhirn,  bei  den  Grätenfischen 
bingreffen  hinter  dem  Mittelhirn.  Jedenfalls  aber  erhält  es  ziemlich 
frühe  in  seiner  obern  Wandung  einen  Einriss,  der  sich  entweder 
als  eine  rundliche  Oeffnung  (Amphibien)  oder  als  eine  Längsspalte 
(Säugethiere)  darstellt.  Verhältnissmässig  am  kleinsten  bleibt  die- 
ser Riss  bei  den  Grätenfischen,  am  grössten  wird  er  bei  den  Säuge- 
thieren.  Zu  beiden  Seiten  desselben  bilden  sich  aus  den  Seiten- 
wandungen des  Zwischenhirns ,  während  diese  allenthalben  immer 
mehr  an  Dicke  gewinnen ,  zwei  nach  innen  (gegen  die  Höhle)  ge- 
richtete Anschwellungen,  die  man  die  Sehhügel(  Thalami  nervor um 
oj)tico7'um)  nennt  und  zwischen  denen  man  nach  vorn  in  die  Sei- 
tenventrikel des  Vorderhirns,  nach  unten  in  die  Höhle  des  Trich- 
ters, nach  hinten  in  die  Höhle  des  Mittelhirns  gelangen  kann. 
Verschieden  nun  aber  wird  die  Lagerung  der  Sehhügel  bei  verschie- 
denen Thieren,  je  nachdem  die  Kopfbeuge  verschiedentlich  gross 
ist.  Wohl  bei  allen  Wirbelthieren  ist  ursprünglich  eine  solche  vor- 
handen, am  geringsten  aber  ist  sie  bei  den  Fischen,  am  grössten  bei 
den  Säugethieren.  Während  nun  dieselbe  noch  besteht,  beginnt 
schon  die  Bildung  der  Sehhügel.  Bald  nachher  aber  streckt  sich 
der  Kopf  allmälig  gerade  und  in  ihm  auch  das  Gehirn,  wobei  dann 
einige  nach  oben  gelegene  Abschnitte  des  Hirns  über  benachbarte 
theirweise  herüber  geschoben,  einige  tiefer  oder  mehr  nach  unten 

7* 


100  IV  Vom  Nervensystem. 

gelegene  zusammengedrängt  oder  zwischen  einander  geschoben 
Verden.  Das  Angeführte  findet  namentlich  an  dem  Vorder-  und 
Zwischenhirn  der  Säugethiere,  Vögel  und  beschuppten  Amphibien 
statt.  Denn  bei  ihnen  wird  die  obere  Wandung  des  Vorderhirns 
über  das  an  Höhe  viel  weniger  zunehmende  Zwischenhirn  so  her- 
übergeschoben ,  dass  sie  dieses  ganz  bedeckt;  die  untern  Wandun- 
gen des  Vorderhirns  und  des  Zwischenhirns  werden  hingegen  so 
zusammengedrängt,  dass  sich  die  Sehhügel  (zumal  bei  den  Säuge- 
thieren)  zwischen  die  Streifenhügel  begeben  und  besonders  die  hin- 
tern Enden  derselben  mehr  oder  weniger  auseinander  drängen. 

Der  For?iix  des  grossen  Gehirns  der  Säugethiere  bildet  sich 
vielleicht  aus  demjenigen  Theil  der  Decken  des  Zwischenhirns, 
welcher  sich  vor  dem  in  dieser  Decke  entstehenden  Riss  befindet.  — 

Die  Zirbeldrüse  (Glandula pinealis)  erscheint  bald  nachdem 
die  Decke  des  Zwischenhirns  aufgerissen  ist,  über  dem  Risse.  Wie 
es  mir  vorgekommen  ist,  entwickelt  sie  sich  aus  der  Gefässhaut  des 
Gehirns.  Bei  dem  Frosche  und  Salamander  ist  sie  für  immer  hoch- 
roth  gefärbt.  — 

Der  Hirnanhang  (Jüypophysis  oder  Glandula piluitarid)  schien 
mir  nach  Untersuchungen  an  Schlangen,  Vögeln  und  Säugethieren 
dadurch  zu  entstehen,  dass  sich  die  Schleimhaut  der  Mundhöhle 
nach  oben  ausstülpt,  der  ausgestülpte  Theil  aber  anfangs  in  der 
Mundhöhle  eine  kleine  Grube  bildet,  dann  durch  die  Basis  cranii, 
die  über  dieser  Grube  jetzt  überaus  dünn  ist,  hindurchdringt,  mit 
dem  Hirntrichter  in  Berührung  kommt  und  sich  endlich  von  der 
Schleimhaut  der  Mundhöhle  völlig  abschnürt,  worauf  er  dann  zu- 
vörderst eine  dickwandige  ringsgeschlossene  Blase  bildet.  Nach 
neuern  Untersuchungen  aber,  die  ich  jedoch  nur  erst  am  Hühn- 
chen angestellt  habe,  wird  nicht  jener  ausgestülpte  Theil  der  Mund- 
haut selbst  zum  Hirnanhange,  sondern  es  entwickelt  sich  dieser  an 
jenem  Theile  dicht  vor  dem  unpaarigen  Schädclbalken,  worauf 
dann  jener  Theil  verschwindet  und  vergeht.  Uebrigens  ist  der 
Hirnanhang  nach  Eckers  Untersuchungen  eine  Blutdrüse,  nicht 
aber,  wie  Bourger"?  behauptet  hat,  ein  unpaariges  Ganglion  der 
sympathischen  Nerven. 


IV.  Vom  Nervensystem.  101 


43. 


Das  Mittelhirn  vergrössert  sich  bei  den  Grätenfischen  über- 
wiegend über  die  einzelnen  übrigen  Abtheilungen  des  Hirns  und 
weitet  sich  stark  aus,  obgleich  seine  Wandungen  an  Dicke  dabei 
immer  mehr  zunehmen ,  so  dass  es  zuletzt  eine  verhältnissmässig 
grosse  Höhle  enthält.  Auch  bei  andern  Wirbelthieren  nimmt  es 
einige  Zeit  bedeutend  an  Länge,  dagegen  nur  massig  an  Dicke  zu, 
und  wandelt  sich  in  eine  Röhre  um,  die  in  der  Mittelebene  des 
Kopfes  unter  dem  Scheitel  besonders  bei  den  beschuppten  Amphi- 
bien, Vögeln  und  Säugethieren  stark  zusammengebogen  und  mit 
der  Mitte  ihrer  Biegung  nach  oben  gerichtet  ist.  Nachher  aber 
bleibt  es  in  seiner  Vergrösserung  hinter  andern  Abtheilungen  des 
Hirns ,  besonders  hinter  dem  Vorderhirn ,  mehr  oder  weniger  zu- 
rück, und  zwar  am  meisten  bei  den  Säugethieren.  Auch  wird  seine 
Biegung  allmälig  schwächer.  Dabei  wird  seine  Höhle ,  indess  die 
Wandung  an  Dicke  heträchtlich  zunimmt,  scheinbar  immer  enger 
und  stellt  bei  den  Säugethieren  zuletzt  nur  einen  kurzen  und  en- 
gen Kanal,  den  Aquaeductus  Sylvii,  dar.  —  Die  obere  Wandung 
oder  Decke  des  Mittelhirns,  die  niemals  aufreisst,  erhält  in  der  Re- 
gel (auch  bei  den  Grätenfischenj  durch  Einsenkung  eine  Längs- 
furche und  wird  dadurch  in  zwei  hügelartige  Seitenhälften  getheilt. 
Meistens  bleiben  diese  Erhöhungen  nahe  bei  einander :  bei  den  Vö- 
geln aber  rücken  sie  immer  weiter  auseinander ,  indess  die  Furche 
zwischen  ihnen  fortwährend  an  Breite  zunimmt,  bis  sie  zuletzt  der 
Basis  des  Gehirns  nahe  liegen.  Bei  den  Säugethieren  entsteht  an 
der  Decke  des  Mittelhirns  etwas  später,  als  sich  jene  Längsfurche 
gebildet  hat,  auch  noch  eine  Querfurche,  wodurch  denn  jeder  Sei- 
tenhügel  in  einen  vordem  und  einen  hintern  getheilt  wird,  so  dass 
mithin  bei  den  Säugethieren  durch  den  Prozess  der  Einfurchung 
an  der  obern  Seite  des  Mittelhirns  vier  Hügel,  die  Corpora  quadri- 
gemina,  gebildet  werden. 

§•  4  4. 
Die  dritte  Hirnkammer  ist  bei  sehr  jungen  Embryonen  lang 
gestreckt,  nahe  ihrem  vordem  Ende  am  breitesten,  gegen  das  an- 


102  IV.  Vom  Nervensystem. 

dere  Ende  hin  allmälig  verschmälert.  Bald  aber  nimmt  die  vordere 
Hälfte  oder  das  Hinterhirn  im  Verhältniss  zu  der  hintern  Hälfte 
oder  dem  Nachhirn  noch  mehr  und  recht  bedeutend  an  Breite  zu, 
theils  durch  ein  fortschreitendes  Wachsthum,  theils  auch  dadurch, 
dass  der  zusammengekrümmte  Kopf  sich  gerade  streckt ,  wobei  die 
dritte  Kammer  besonders  an  ihrer  obern  Seite  zusammengeschoben 
wird  und  eine  Verkürzung  erfährt.  Ihre  obere  Wandung  besteht 
bei  sehr  jungen  Embryonen  fast  nur  aus  einem  Theil  der  Hirnhaut, 
namentlich  der  Gefässhaut.  Denn  indem  sich  die  ursprünglich  in- 
differente Substanz  des  Hirn-  und  Eückenmarkrohres  so  ausbildet 
und  scheidet,  dass  sie  in  zwei  Schichten  zerfällt,  in  eine  innere  aus 
Nervensubstanz  bestehende  und  in  eine  äussere  aus  der  Gefässhaut 
(Pia  mater)  und  der  Spinnwebenhaut  bestehende ,  bildet  sich  an 
der  obern  Seite  der  dritten  Hirnkammer,  mit  Ausnahme  eines  sehr 
schmalen  Streifens  von  Nervensubstanz  unmittelbar  hinter  der 
Decke  des  Mittelhirns,  nur  die  letztere  Schicht  oder  die  Gefässhaut 
nebst  einem  Theil  der  Spinnwebenhaut.  Wenn  also  diese  Haut  be- 
reits entstanden  ist  und  man  sie  von  dem  Gehirn  heruntergezogen 
hat,  zeigt  sich  die  ursprünglich  dritte  Hirnkammer  an  ihrer  obern 
Seite  beinahe  der  ganzen  Länge  und  Breite  nach  offen.  So  beschaf- 
fen bleibt  sie  bei  den  Neunaugen,  noch  manchen  andern  Cyclo- 
stomen  und  den  nackten  Amphibien  für  immer;  namentlich  bleibt 
ihr  vorderer  Hand,  der  die  obere  Wandung  des  Mittelhirns  hinten 
begrenzt  und  sich  an  derselben  wie  ein  Saum  hinzieht,  für  immer 
nur  äusserst  schmal  und  dünn.  Bei  andern  Thieren  aber  wächst  an 
dem  freien  (also  hintern)  Rande  dieses  Saumes  in  der  Bichtung  von 
den  beiden  Seitenrändern  der  hintern  Hirnkammer  gegen  die  Mit- 
tellinie hin  immer  mehr  Substanz  hervor,  und  es  werden  dadurch 
an  dem  erwähnten  Saume  zwei  kleine  blattartige  Fortsätze  gebil- 
det, die  sehr  bald  in  der  Mittelebene  des  Kopfes  zusammenstosser, 
hier  verwachsen  und  dem  Saume  eine  grössere  Breite  geben.  Die- 
ser Nachwuchs  oder  neu  entstandene  Theil  ist  nun  die  erste  An- 
lage des  kleinen  Gehirns.  Allmälig  nimmt  derselbe  immer  mehr  an 
Breite  zu,  und  zwar  am  meisten  in  seiner  Mitte,  weniger  an  seinen 
Enden,  mit  denen  er  in  die  Seitenwände  der  vordem  Hälfte  der 
dritten    Hirnkammer    (des    sogenannten    Hinterhirns)    übergeht, 


IV.  Vom  Nervensystem.  103 

wächst  in  Folge  davon  über  die  grosse  Oeffnung  der  Höhle  dieser 
Kammer  immer  mehr  hinüber  und  wölbt  sich  dabei  nach  oben  mehr 
oder  weniger  stark  hervor.  Auch  nimmt  er  mehr  oder  weniger  an 
Dicke  zu,  und  zwar  am  meisten  bei  den  Säugethieren.  Dagegen 
nimmt  der  mehrmals  erwähnte  Saum ,  aus  welchem  sich  das  kleine 
Gehirn  entwickelt,  oder  der  ursprünglich  vordere  Rand  der  Höhle 
der  dritten  Kammer,  welche  Höhle  die  vierte  Hirnhöhle  genannt 
wird,  nur  wenig  an  Dicke  zu.  senkt  sich  aber  bei  den  höhern  Wir- 
belthieren,  an  Breite  zunehmend,  faltenartig  nach  unten  mehr  oder 
weniger  ein ,  indem  das  Gehirn  bei  der  Streckung  des  Kopfes  zu- 
sammengeschoben wird,  und  bildet  endlich  eine  mehr  oder  weniger 
breite  unvollständige  Scheidewand  zwischen  der  vierten  Hirnhöhle 
und  dem  Aquaeductus  Sylvii,  die  unter  dem  Namen  des  vordem 
Marksegels  oder  der  grossen  Hirnklappe  bekannt  ist.  Das  kleine 
Gehirn  selbst  entspricht  bei  den  Fischen,  Amphibien  und  Vögeln, 
obgleich  es  bei  vielen  von  diesen  Thieren  eine  beträchtliche  Grösse 
erlangt,  auch  bei  mehreren  der  Quere  nach  gefurcht  wird,  entwe- 
der nur  allein  oder  doch  zum  grössten  Theil  dem  Wurm  des  Ge- 
hirns der  Säugethiere;  denn  als  Seitentheile  des  kleinen  Gehirns 
bilden  sich  bei  einigen  Sauriern,  besonders  bei  den  Krokodilen, 
und  bei  den  "V  öo-eln  zwei  verhältnissmässia-  nur  sehr  kleine  Anfänge 
jenes  schon  erwähnten  Theiles,  die  jedoch  ihrer  Lage,  Verbindung 
und  Beschaffenheit  nach  eigentlich  nur  den  sogenannten  Flocken 
an  dem  kleinen  Gehirn  der  Säugethiere  entsprechen.  Bei  den  mei- 
sten Säugethieren  aber  wachsen  aus  jenem  zuerst  entstandenen 
Theile  des  kleinen  Gehirns  nachher  noch  zwei  mehr  oder  weniger 
ansehnlich  grosse  Seitentheile,  die  Hemisphären  des  kleinen  Ge- 
hirns, hervor.  —  Auch  nur  allein  bei  den  Säugethieren  entwickelt 
sich  eine  VAROLsche  Brücke,  die  in  Hinsicht  ihrer  Grösse  bei  den- 
selben in  einem  geraden  Verhältniss  zu  dem  Umfange  der  Hemi- 
sphären des  kleinen  Gehirns  steht,  von  denen  sie  als  eine  Commis- 
sur  zu  betrachten  ist.  Ihre  Bildung  beruht  darauf,  dass  zu  der  Zeit, 
da  sich  der  Kopf  gerade  streckt,  die  hintere  Hirnkammer  ungefähr 
an  ihrer  Mitte,  wo  das  Hinterhirn  und  Nachhirn  in  einander  über- 
gehen, nach  unten  stark  eingeknickt  wird,  dass  dabei  an  dieser 
Stelle  die  Substanz  des  Hirns  nach  unten  erst  etwas  hervorsredränsft 


1Q4  IV.  Vom  Nervensystem. 

wird  und  darauf  auch  stärker  hervorwächst,  und  dass  nunmehr  in 
der  so  entstandenen  Anschwellung  eine  quergehende  Faserung  ent- 
steht, die  nach  beiden  Seiten  in  die  Faserung  des  kleinen  Gehirns 
übergeht. 

Die  hintere  Hälfte  der  dritten  Hirnkammer  oder  das  Nachhirn 
entwickelt  sich  zu  dem  verlängerten  Marke.  Dieses  behält  an  sei- 
ner obern  Seite  immer  eine  Oeffnung,  doch  wird  dieselbe  bei  den 
meisten  Wirbelthieren  durch  das  kleine  Gehirn  mehr  oder  weniger 
vollständig  bedeckt,  bei  einigen  aber,  z.  B.  bei  den  Neunaugen  und 
den  Batrachiern  nur  allein  durch  die  Gefässhaut  des  Gehirns  ge- 
schlossen. 

Der  Nackenhöcker,  der  bei  den  Säugethieren  am  meisten  her- 
vortritt, verschwindet  schon  ziemlich  früh,  indem  sich  der  ganze 
Kopf  aufbiegt  und  dabei  die  anfangs  so  starke  Krümmung,  welche 
die  Medullarröhre  da,  wo  das  Gehirn  in  das  Bücken  mark  übergeht, 
bemerken  lässt,  mehr  und  mehr  abnimmt. 

Was  das  Verhältniss  anbelangt,  welches  während  der  Ent- 
wickelung  die  Masse  des  Gehirns  zu  der  des  ganzen  Körpers  dar- 
bietet, so  ist  im  Allgemeinen  das  Gehirn  um  so  grösser,  je  weniger 
weit  die  Entwickelung  des  Individuums  vorgeschritten  ist.  Bei 
dem  Menschen  verhält  sich  sein  Gewicht  zu  dem  des  ganzen  Kör- 
pers nach  Burdachs  Angabe  im  fünften  Monat  des  Fruchtlebens 
ungefähr  wie  1:8,  im  zehnten  Monat  wie  1 :  10,  bei  dem  Erwach- 
senen wie  1:40. 

§.  45. 

Wenn  sich  die  Medullarröhre  von  ihrer  Umgebung  abgelöst 
hat,  besteht  sie  anfangs  ebenso,  wie  diese,  allenthalben  aus  gleich- 
artig beschaffenen  Zellen.  Bald  darauf  aber  nehmen  die  Zellen  an 
verschiedenen  Stellen  der  erwähnten  Röhre  einen  verschiedenen 
Entwickelungsgang ,  und  zwar  im  Allgemeinen  in  der  Art,  dass 
sich  die  Wandung  der  Bohre  in  zwei  verschieden  beschaffene 
Schichten  theilt,  von  denen  sich  die  eine  zu  dem  Gehirn  und 
Bückenmarke,  die  andere  zu  der  Gefässhaut  und  dem  einen  Blatt 
der  Spinnwebenhaut  ausbildet. 


IV.  Vom  Nervensystem.  1()5 

Die  Gefasshaut  ist  anfänglich  allenthalben  über  das  Gehirn 
nnd  Rückenmark  glatt  ausgespannt,  also  auch  über  die  in  frühester 
Entwickelungszeit  jedenfalls  sehr  lange  und  breite  OefFnung  der 
vierten  Hirnhöhle.  In  einem  solchen  Verhältniss  bleibt  sie  denn 
zu  dieser  Höhle  für  immer  bei  den  Cyclostomen  und  Batrachiern, 
wird  jedoch  daselbst  dicker  und  gefässreicher.  Bei  den  beschupp- 
ten Amphibien  aber,  wie  auch  bei  den  Vögeln,  wird  sie,  während 
der  Kopf  sich  gerade  streckt  und  das  kleine  Gehirn  sich  verlän- 
gert, in  der  Längenrichtung  des  Körpers  mehr  oder  weniger  zu- 
sammengeschoben, wobei  sie  zwei  Reihen  auf  beide  Seitenhälften 
vertheilter  Querfalten  schlägt,  die  alle  gegen  die  vierte  Hirnhöhle 
gerichtet  sind.  Bei  den  Säugethieren  sendet  sie  in  diese  Höhle 
einen  Fortsatz  hinein,  der  dieselbe  mehr  oder  weniger  ausfüllt, 
auch  bis  an  den  Aquaeductus  Sylcii  vordringt,  eine  längere  Zeit 
hindurch  das  Aussehen  einer  Traube  hat,  sehr  gefässreich  wird  und 
mit  dem  Xamen  eines  Plexus  choroideus  belegt  worden  ist. 

Einen  zweiten  solchen  Fortsatz  sendet  die  Gefasshaut  bei  den 
Säugethieren  in  das  Innere  des  Gehirns  durch  den  Riss  des  Zwi- 
schenhirns, bald  nachdem  derselbe  entstanden  ist.  Dieser  Fortsatz 
aber,  der  gleichfalls  einige  Zeit  ein  traubenartiges  Aussehen  hat, 
theilt  sich  allmälig  in  drei  verschiedentlich  grosse  Aeste  odersoge- 
nannte Plexus  choroidei,  von  denen  zwei  nach  vorne  in  die  Seiten- 
ventrikel des  grossen  Gehirns  hineinwachsen,  der  dritte  viel  klei- 
nere theils  den  dritten  Ventrikel  des  Gehirns  einnimmt,  theils  in 
den  Aquaeductus  Sylvii  eindringt.  Auch  bei  den  übrigen  Wirbel- 
thieren  wächst  ein  solcher  Fortsatz  durch  den  Riss  des  Zwischen- 
gehirns in  das  Gehirn  hinein.  Bei  den  beschuppten  Amphibien 
und  Vögeln  theilt  er  sich  gleichfalls  in  drei  Aeste,  von  denen  in- 
dess  der  hintere  oder  unpaarige  bei  einigen  von  jenen  Amphibien, 
namentlich  bei  den  Schlangen,  der  grössere  ist  und  die  weite  Höhle 
des  Mittelhirns  ausfüllt.  Bei  den  Grätenfischen  dagegen,  deren 
Vorderhirn  ganz  dicht  wird,  theilt  er  sich  nicht  und  dringt  nur  in 
die  weite  Höhle  des  Mittelhirns  hinein. 

Die  harte  Haut  des  Hirns  und  des  Rückenmarkes  entwickelt 
sich  unabhängig  von  diesen  Gebilden  aus  der  Masse  von  Zellen, 
aus  der  auch  die  Hirnschale,  die  Wirbelbeine  und  die  Bänder  der- 


106  IV.  Vom  Nervensystem. 

selben  ihre  Entstehung  nehmen ,    um  an  der  innern  Seite  dieser 
verschiedenen  Theile  des  Skelets  die  Beinhaut  zu  vertreten. 

§•  46. 
Wie  die  Sehnerven  und  die  Stämme  der  Geruchsnerven,  so 
entstehen  nach  von  Baers  Angabe  auch  die  Gehörnerven  aus  dem 
Gehirn  durch  Ausstülpung,  und  zwar  die  zuletzt  genannten  aus 
den  Seitenwänden  des  Nachhirns.   Die  übrigen  Nerven  aber  bilden 
sich  durch  histologische  Sonderung  in  und  zwischen  den  Körper- 
theilen,  welchen  sie  angehören.      Sie  entstehen  nach  Schwanns, 
Valentins  und  Bischoffs  Angaben,  aus  elementaren  mit  einem 
Kern  versehenen  Zellen ,  die  anfangs  von  den  elementaren  Zellen 
ihrer  Umgebung  nicht  verschieden  sind.    Darauf  reihen  sich  die 
für  sie  bestimmten  Zellen  linear  an  einander  und  verschmelzen,  bil- 
den also  Röhren  mit  einer  Reihe  aufeinander  folgender  Scheide- 
wände und  dazwischen  liegenden  Zellenkernen.    Dann  werden  die 
Scheidewände  und  noch  später  auch  die  Kerne  vollständig  resor- 
birt.    Die   auf  solche  Weise  gebildeten   einfachen    zarten  Röhren 
oder  sogenannten  Nervenfasern   sind   zuerst  wasserhell,    nachher 
grau  oder  röthlichgrau  gefärbt;  noch  später  aber  erlangen  sie  eine 
weisse  Farbe  und  bestehen  dann  aus  einer  weissen  verhältnissmäs- 
sig  ziemlich  dicken  Scheide  oder  Wandung,  einem  fettigen  breiar- 
tigen Inhalt  und  einem  anscheinend  höchst  zarten  Faden,   der  die 
Achse  einer  jeden  solchen  Faser  darstellt,   dem  sogenannten  Ach- 
sencylinder.   Das  aus  Bindegewebe  bestehende  Neurilem  erhält  der 
Nerv  erst  etwas  später,  als  seine  Fasern  zum  Vorschein  gekommen 
sind.  —  Nach  Rem  aks  Angaben  sind  die  Nervenfasern  anfangs  zarte 
wasserhelle  Röhren;  später  erst  bilden  sich  innerhalb  derselben  fein 
granulirte  Kerne  in  massig  grossen  Abständen  und  in  einer  Reihe 
hinter  einander  (Henle's  gelatinöse  Fasern)  und  noch  später  ent- 
steht um  je  eine  solche  Röhre  eine  Schicht  oder  Scheide  von  einer 
weissen  das  Licht  stark  brechenden  Substanz ,   indess  die   Kerne 
derselben  verschwinden. 

Was  die  Verbindungen  der  Nerven  anbelangt,  so  will  Remak 
darüber  bei  dem  Hühnchen  Folgendes  ermittelt  haben :  die  Spinal- 
nerven entstehen   unabhängig    von  dem  Rückenmarke ,   und  ihre 


IV.  Vom  Nervensystem.  107 

Wurzelfäden  wachsen  dann  demselben  entgegen  und  kommen  mit 
ihm  in  Zusammenhang.  Ihre  Ganglien  (die  Spinalganglien)  sind 
anfangs  verhältnissmässig  sehr  viel  grösser,  als  späterhin.  Ihre 
Stämme  sind  am  vierten  Tage  der  Bebrütung  noch  überaus  kurz 
und  bilden  unter  einander  bogenförmige  Anastomosen,  die  einen 
zusammenhängenden  Strang,  den  Nervus  sympathicus  magnus,  zu- 
sammensetzen. Jeder  Stamm  spaltet  sich  nämlich  nach  aussen  (d.  h. 
abgekehrt  dem  Rückenmarke)  in  zwei  Schenkel,  die  in  entgegen- 
gesetzter Richtung  nach  vorne  und  hinten  verlaufen ,  und  die  Fa- 
sern  je  eines  Schenkels  kreuzen  sich  mit  den  ihnen  entgegenkom- 
menden eines  benachbarten;  an  der  Theilungsstelle  der  Stämme 
aber  bilden  sich  besondere  gangliöse  Anschwellungen,  die  Stamm- 
ganglien der  N.  sympathici  magni.  Die  Aeste  und  Zweige  der  Spi- 
nalnerven entstehen  später,  als  jene  Anastomosen. 

Unabhängig  und  getrennt  von  den  sympathischen  Nerven, 
wie  auch  von  einander  selbst,  entstehen  für  die  meisten  Einge- 
weide der  Unterleibshöhle  drei  Systeme  von  Nerven,  eines  für  die 
"NVoLFFschen  Körper,  die  Hoden  oder  Eierstöcke,  die  Nebennieren 
und  Nieren,  ein  zweites  für  den  Darm,  die  Harnleiter,  die  Samen- 
leiter oder  cüe  Eierleiter,  das  anfangs  dicht  an  dem  Darm  seine 
Lage  hat,  ein  drittes  in  dem  Gekröse.  Nach  einiger  Zeit  aber  kom- 
men die  Systeme  unter  einander  und  mit  den  sympathischen  Ner- 
ven in  einen  innigen  Zusammenhang,  indem  sie  durch  ausgesendete 
Zweige  vielfache  Verbindungen  eingehen. 


J.  F.  Meckel,  Versuch  einer  Entwickelungsgeschichte  der 
Centraltheile  des  Nervensystems  der  Säugethiere.  In  dessen  Archiv 
für  Physiologie.   Bd.   1.   Halle  und  Berlin  1815. 

Tiedemann,  Anatomie  und  Bildungsgeschichte  des  Gehirns 
im  Fötus  des  Menschen.   Nürnberg  1816. 

E.  R.  A.  Serres,  Anatomie  comparee  du  cerveau  dam  les 
quatre  classes  des  animaux  vertebres.  2  Vol.  Paris  1824  —  26.  (Ent- 
hält viel  Unrichtiges.) 

Bemak,  Ueber  ein  selbstständiges  Darmnervensystem.  Berlin 
1847. 


Fünftes  Kapitel. 

Ton  den  Augen. 

§•   47. 

JN  ach  Huschkes  Untersuchungen  am  Hühnchen  soll  die  erste 
Anlage  für  beide  Augen  in  einer  einfachen  Ausbuchtung  des  Ner- 
venrohres ,  und  zwar  des  untern  vordem  Theils  der  vordem  Hirn- 
blase (oder  Hirnkammer)  bestehen ;  dann  soll  sich  dieselbe  in  eine 
Blase  umwandeln ,  diese  aber  sich  durch  Einschnürung  mehr  und 
mehr  von  der  vordem  Hirnblase  abgrenzen  und  sich  zugleich  durch 
eine  Einfaltung  ihrer  Wandung  von  vorne  her  in  zwei  Seitenhälf- 
ten theilen,  die  sich  nun  weiter  zu  den  beiden  Augen  entwickeln. 
Nach  den  Wahrnehmungen  aber,  die  von  Baer  und  Hemak  an  dem 
Hühnchen  gemacht  haben,  treten  die  Augen  gleich  doppelt  auf 
und  bilden  sich  durch  Ausstülpung  aus  dem  Boden  der  vordem 
Hirnblase.  —  Kurze  Zeit  nach  ihrer  Entstehung  erscheinen  sie  als 
zwei  von  dem  Boden  des  Zwischenhirns  neben  einander  abgehende 
hohle,  dünnwandige,  ungefähr  birnförmige  und  mit  einer  klaren 
wässrigen  Flüssigkeit  gefüllte  Anhänge  des  Gehirns,  die  mit  ihren 
dickern  Enden  nach  aussen  und  oben  gerichtet  sind  und  mit  diesen 
Enden  die  das  Hirn  umgebende  Bildungsmasse  des  Kopfes  durch- 
drungen haben,  deren  Höhlen  aber  an  den  dünnern  Enden  in  die 
Höhle  des  Zwischenhirns  übergehen.  Darauf  nimmt  die  äussere 
oder  dickere  Hälfte  eines  jeden  von  diesen  blasenförmigen  Anhän- 
gen des  Gehirns  überwiegend  an  Umfang  zu  und  entwickelt  sich 
zu  dem  Augapfel;  seine  andere  Hälfte  aber  gewinnt  viel  weniger 


V.  Von  den  Augen.  j<)9 

an  Dicke  und  entwickelt  sich  zu  dem  Sehnerven.  In  histologischer 
Hinsicht  geht  an  ihnen  dabei  ein  ähnlicher  Prozess  vor  sich,  wie 
an  dem  für  Hirn  und  Rückenmark  bestimmten  Rohre.  Wie  näm- 
lich an  diesem  die  ursprünglich  indifferente  Masse  sich  zu  differen- 
ten  Schichten  ausbildet,  von  denen  jede  einen  besondern  Ent- 
wich elungsgang  einschlägt,  so  auch  an  den  künftigen  Sehorganen. 
Näher  angegeben :  es  bildet  sich  in  dem  Augapfel  als  unmittelbare 
Fortsetzung  der  Arachnoidea  die  Lamina  fusca ,  als  Fortsetzung 
der  Gefässhaut  des  Hirns  die  Choroidea  und  Iris ,  und  als  Fort- 
setzung der  Nervensubstanz  des  Hirns  das  Mark  des  Sehnerven 
und  die  Netzhaut.  In  dem  Sehnerven  aber  werden  die  Gefäss-  und 
Spinnwebenhaut  durch  die  überwiegende  Ausbildung  des  Markes 
in  ihrer  Entwickelung  gehemmt  und  unterdrückt.  Die  Scheide  des 
Sehnerven,  die  Sclerotica  und  die  Cornea  bilden  sich  als  eine  un- 
mittelbare Fortsetzung  der  harten  Hirnhaut.  Der  Sehnerv  bleibt 
übrigens  ziemlich  lange  hohl,  mit  der  Zeit  aber  wird  seine  Höh- 
lung ganz  ausgefüllt. 

§•  48. 

Wenn  sich  der  Sehnerv  und  das  Auge  an  ihrer. Gestalt  schon 
von  einander  unterscheiden  lassen,  ist  das  letztere  anfangs  von 
aussen  und  innen  sehr  abgeplattet,  und  es  geht  der  Sehnerv  dann 
in  den  untern  Rand  desselben  über.  Alhnälig  aber  rundet  sich  je- 
ner immer  mehr  zu,  und  dieser  rückt  an  ihm  scheinbar  immer  wei- 
ter hinauf. 

Sclerotica  und  Cornea  sind  einige  Zeit  gleich  durchsichtig  und 
überhaupt  von  gleicher  Beschaffenheit.  Ein  Unterschied  zwischen 
ihnen  beginnt  bei  dem  Menschen  schon  in  der  sechsten  Woche  des 
Fruchtlebens  bemerkbar  zu  werden.  Auch  beginnt  alsdann  die 
Cornea  sich  stärker  zu  wölben  und  ist  in  der  zwölftenWoche  sogar 
stärker  gewölbt,  als  jemals  nachher. 

Yon  der  Choroidea  bilden  sich  die  Gefäss-  und  die  Substanz- 
lage früher,  als  das  Pigment.  Für  das  letztere  entstehen  Zellen, 
die  meistens  fünf-  oder  sechsseitig  gegen  einander  abgeplattet  und 
anfänglich  ganz  farblos  sind,  bald  aber  sich  mit  einem  dunkelbrau- 
nen oder  schwärzlichen  Farbestoff  anfüllen.    Am  schnellsten  färbt 


110  V.  Von  den  Augen. 

sich  die  Aderhaut  in  ihrem  vordem  Rande;  denn  wenn  dieselbe 
hier  schon  einen  schwarzen  Ring  wahrnehmen  lässt,  ist  sie  in  ih- 
rem übrigen  Theil  erst  schwach  grau  gefärbt.  Das  Corpus  ciliare 
bildet  sich  durch  eine  allmälige  Faltung  des  vordersten  und  an- 
fangs ebenfalls  ganz  glatten  Theiles  der  Aderhaut.  Bei  dem  Men- 
schen sind  einzelne  Falten  desselben  schon  in  der  sechsten  Woche 
des  Fruchtlebens  bemerkbar.  Bei  vielen  Fischen  aber  bleibt  die 
Aderhaut  vorn  ganz  glatt.  —  Wohl  bei  allen  Wirbelthieren  kommt 
zu  der  Zeit ,  da  in  der  Aderhaut  bereits  die  Ablagerung  von  Pig- 
ment begonnen  hat,  ein  farbloser  Streifen  vor,  der  sich  an  der  un- 
tern Wandung  des  Auges  von  dem  Sehnerven  bis  zu  der  Hornhaut 
erstreckt  und  den  Schein  gewährt,  als  sei  die  Aderhaut  daselbst 
gespalten.  Bei  den  Vögeln  und  den  Sauriern  erhebt  sich  die  be- 
zeichnete Stelle  nachher  zu  einer  Falte,  und  diese  bildet  sich  zu 
dem  sogenannten  Kamm  oder  Fächer  des  Auges  (Pecten)  aus.  Eine 
eben  solche  Falte  habe  ich  auch  bei  Fischen,  Schlangen  und  Schild- 
kröten gesehen ,  bei  welchen  letztern  sie  aber  mit  der  Zeit  wieder 
verschwindet,  wogegen  bei  manchen  Fischen  ein  Rest  von  ihr  übrig 
bleibt  und  sich  zu  dem  sogenannten  Processus  falciformis  und  der 
Campamda  entwickelt.  Bei  den  Säugethieren  soll  nach  von  Baers 
Angabe  niemals  eine  solche  Falte  vorkommen ,  welche  Angabe  ich 
jedoch  nicht  für  richtig  halten  kann.  Bei  allen  Wirbelthieren  färbt 
sich  übrigens  auch  die  bezeichnete  Stelle  späterhin  schwarz.  Die 
Iris  entsteht  viel  später  als  die  Aderhaut,  stellt  sich  als  eine  Fort- 
setzung derselben  dar,  bildet  gleich  anfangs  einen  geschlossenen 
Ring,  der  nachher  immer  breiter  wird,  und  färbt  sich  auch  sehr 
bald.  Eine  Pupillarmembran  kommt  nur  allein  bei  den  Säugethie- 
ren vor.  Bei  dem  Menschen  ist  sie  schon  gegen  das  Ende  des  drit- 
ten Schwangerschafts-Monats  vorhanden;  im  siebenten  Monat  aber 
beginnen  bei  ihm  in  der  Regel  ihre  Gefässe  wieder  zu  schwinden, 
und  einige  Zeit  vor  der  Geburt  pflegt  sie  völlig  resorbirt  zu  sein. 

Die  Netzhaut  ist  verhältnissmässig  um  so  dicker,  je  jünger  der 
Embryo  ist,  und  reicht  einige  Zeit  deutlich  bis  an  den  Rand  der 
Linsenkapsel.  Bei  der  Natter  erschien  sie  mir  in  einer  frühen  Zeit 
als  ein  völlig  geschlossenes  Säckchen,  dessen  eine  Wandung  von 
der  Linsenkapsel  in  den  übrigen  Theil  eingestülpt  und  übrigens 


V.  Von  den  Augen  I  1 1 

sehr  dünn  war,  nachher  aber  ganz  verschwand.  Eine  ähnliche  Bil- 
dung der  Netzhaut  hat  Huschke  bei  dem  Hühnchen  bemerkt; 
nach  ihm  aber  soll  sich  bei  diesem  der  eingestülpte  Theil  der  ange- 
führten Haut,  indem  er  grösser  wird  und  tiefer  eindringt,  an  den 
ihn  umfassenden  übrigen  Theil  derselben  anlegen,  mit  ihm  ver- 
wachsen und  sich  zu  den  innern  Schichten  der  Netzhaut  ent- 
wickeln, indess  jener  andere  oder  äussere  Theil  sich  zu  der  Stäb- 
chenschicht entwickelt.  Wo  in  der  Aderhaut  zu  einer  gewissen 
Zeit  der  pigmentlose  Streifen  vorkommt,  schlägt  die  Netzhaut 
wahrscheinlich  bei  allen  Wirbelthieren  eine  gegen  die  Höhle  des 
Auges  gekehrte  Falte,  die  von  der  Eintrittsstelle  des  Sehnerven 
ausgeht  und  in  den  Glaskörper  einschneidet.  Bildet  sich  an  jener 
Stelle  der  Aderhaut  eine  Falte ,  so  legt  sich  diese  in  die  Falte  der 
Netzhaut  hinein.  Bei  den  \  ögeln  und  Sauriern  durchbricht  darauf 
die  erstere  die  letztere,  so  dass  demnach  bei  ihnen  in  der  Netzhaut 
eine  Spalte  entsteht.  Dasselbe  ist  wahrscheinlich  auch  bei  denjeni- 
gen Fischen  der  Fall,  in  deren  Augen  ein  Processus  falciformis 
vorkommt.  Bei  den  Säugethieren  aber  und  bei  fast  allen  Amphi- 
bien verschwindet  wiederum  die  Falte  der  Netzhaut,  ohne  jemals 
durchbrochen  zu  werden.  —  Was  die  Linse  und  deren  Kapsel  an- 
belangt, so  entsteht,  wie  Huschke  bei  dem  Hühnchen  entdeckt 
hat,  sehr  frühe  in  der  Hornhaut  eine  Oeffnung ,  durch  die  sich  die 
nachherige  Conjunctiva,  oder  vielmehr,  wie  Remak  angiebt,  das 
von  ihm  angenommene  Hornblatt  des  Embryo  in  das  Innere  des 
Auges  einstülpt  und  sich  darin  zu  einem  Säckchen  ausbildet,  das 
bald  nachher,  indem  sich  die  Oeffnung  der  Hornhaut  verkleinert 
und  endlich  schliesst,  dadurch  an  seinem  Eingange  immer  mehr 
zusammengeschnürt  wird,  bis  es  zuletzt  in  ein  besondres  rundliches 
und  völlig  geschlossenes  Bläschen  umgewandelt  ist.  Nach  Huschke 
soll  dieses  Bläschen  die  Linsenkapsel  sein  und  in  demselben  die 
Linse  entstehen.  Remak  hingegen  hat  dasselbe  für  die  Anlage  der 
Linse  ausgegeben,  deren  ursprüngliche  Höhle  in  Folge  von  einer 
Verdickung  der  Wandung  allmälig  vergehen ,  und  um  die  auf  eine 
noch  unbekannte  Weise  sich  gleichzeitig  die  Linsenkapsel  bilden 
soll.  Für  Huschke's  Ansicht  spricht  jedoch  der  Umstand,  dass  ich 
bei  sehr  jungen  Embryonen  von  Reptilien  und  Vögeln ,   bei  denen 


]  |  2  V.  Von  den  Augen. 

Linse  und  Linsenkapsel  schon  entstanden  waren,  die  letztere  einige 
Zeit  in  einem  so  innigen  Zusammenhange  mit  der  Hornhaut  gefun- 
den habe,  dass  sie  davon  nicht  ohne  Zerreissung  getrennt  werden 
konnte.  —  Der  Glaskörper  erscheint  anfangs  als  eine  kleine  Schüs- 
sel, die  auch  in  ihrer  Mitte  eine  nur  geringe  Dicke  hat.  Allmälig 
aber  nimmt  er  an  Dicke  bedeutend  zu,  und  zwar  besonders  bei  den 
Säugethieren.  Derjenige  Ast  der  Arteria  centralis  rotinae,  welcher 
bei  erwachsenen  Thieren  durch  den  Glaskörper  mitten  hindurch- 
geht, in  einem  besondern  Kanal  der  Membrana  hyaloidea  einge- 
schlossen ist,  sich  zu  der  Linsenkapsel  begiebtund  deshalb  die  Art. 
capsularis  genannt  wird,  liegt  anfangs  an  der  äussern  Seite  des 
Glaskörpers  auf  der  vorhin  erwähnten  Falte  der  Netzhaut;  nach- 
her aber  löst  er  sich  von  dieser  ab,  schneidet,  wie  das  Auge  an  Um- 
fang zunimmt,  immer  tiefer  in  den  Glaskörper  ein  und  bildet  da- 
durch  eine  Falte  der  Membrana  hyaloidea,  deren  beide  Blätter  spä- 
ter mit  einander  grösstentheils  verwachsen  und  den  vorhin  erwähn- 
ten Kanal  bilden. 

Httschke,  Ueber  die  erste  Entwickelung  des  Auges  und  die 
damit  zusammenhängende  Cyclopie.  In  Meckels  Archiv.  Jahrgang 
1832. 

Remak,  Untersuchungen  über  die  Entwickelung  der  Wirbel- 
thiere.   Erste  Lieferung.   Berlin  1850. 

Ammon,  die  Entwickelungs- Geschichte  des  menschlichen  Au- 
ges in  Graefe's  Archiv  für  Ophthalmologie.  Bd.  IV.  Abth.  1 .  Ber- 
lin 1858. 


Sechstes  Kapitel. 
Vom  Gehörorgan. 

§•  49. 

iochon  frühe  und  ehe  sich  aus  dem  Medullarrohr  verschiedene 
Schichten  gebildet  haben,  bemerkt  man  jederseits  oberhalb  des 
zweiten  Schlundbogens  neben  dem  Nachhirn  ein  kleines  und  fast 
linsenförmiges  hantartiges  Bläschen,  das  in  der  übrigen  Bildungs- 
masse  des  Kopfes  seine  Lage  hat,  und  ans  dem  sich  nachher  die 
häutigen  Theile  des  Gehörlabyrinthes  nebst  dem  Gehörnerven  ent- 
wickeln. Seine  Entstehung  ist  verschieden  angegeben  worden; 
von  Baer,  Bischoff  und  ich  nehmen  an,  dass  dasselbe  in  ähnli- 
cher W eise,  wie  das  Auge  nebst  dem  Sehnerven  durch  eine  seitliche 

* 
Ausbuchtung  und  Ausstülpung  aus   dem  Medullarrohre  gebildet 

werde.  Dagegen  wollen  Huschke  und  später  auch  Bischoff,  des- 
gleichen Reissner  und  Remak  bemerkt  haben,  dass  es  unabhängig 
von  dem  Gehirn  entstehe ,  sehr  bald  aber  durch  einen  kegelförmi- 
gen Zapfen,  der  aus  ihm  hervorwächst  und  sich  später  zu  dem  Ge- 
hörnerven ausbildet,  mit  dem  Gehirn  in  Verbindung  gesetzt  wird. 
Xäher  angegeben ,  wird  das  Ohrbläschen,  nach  Untersuchungen, 
die  darüber  von  Huschke,  Reissner  und  ?Remak  an  dem  Hühn- 
chen angestellt  worden  sind,  dadurch  gebildet,  dass  an  der  Ober- 
fläche des  Körpers  jederseits  über  dem  zweiten  Schlundbogen  eine 
rundliche  Grube  entsteht,  die  dann  immer  tiefer  wird  und  sich 
nachher  an  ihrem  Eingang  immer  mehr  verengert ,  bis  dieser  end- 
lich ganz  geschlossen  wird.  Derjenige  Theil  der  in  der  Entwicke- 
lung  begriffenen  Hautbedeckung,    welcher  die  Grube   auskleidet 

Kathke,  Vorlesungen.  § 


114  VI.  Vom  Gehörorgan. 

(nach  Hemak  das  sogenannte  Hornblatt),  wird  dabei  an  deren  Ein- 
gange allmälig  eingeschnürt  und  endlich ,  wenn  der  Eingang  oder 
die  Mündung  der  Grube  vollständig  verwächst,  von  der  allgemei- 
nen Hautbedeckung  auch  so  abgeschnürt,  dass  er  sich  nunmehr  als 
ein  besondres  und  rings  geschlossenes  häutiges  Bläschen  darstellt. 
Dieses  Bläschen  nun  hat  anfänglich  eine  sehr  einfache  Form,  in- 
dem es  zunächst  nach  seiner  Bildung  als  eine  biconvexe  Linse,  bald 
darauf  aber,  wenn  man  es  auf  seiner  nach  aussen  gekehrten  flach 
gewölbten  Seite  besieht,  als  ein  Dreieck  mit  abgerundeten  Winkeln 
erscheint.  Kurze  Zeit  nachher  bilden  sich  an  der  äussern  Seite  des- 
selben, wie  ich  namentlich  bei  der  Natter  bemerkt  habe,  drei  nach 
aussen  gehende  Falten.  In  der  Mitte  jeder  Falte  rücken  darauf  die 
beiden  Blätter  derselben  an  ihrer  Basis  immer  näher ,  verwachsen 
hier  nach  einiger  Zeit  und  lösen  sich,  wo  die  Verwachsung  erfolgt 
ist,  durch  Resorption  von  dem  Bläschen  oder  ihrem  Boden  los. 
Das  Endresultat  dieses  Vorganges  ist  das  Auftreten  der  drei  halb- 
zirk  eiförmige  n  Kanäle,  die  sich  nunmehr,  indem  sie  an  Länge 
sehr  zunehmen,  mit  ihrer  Mitte  von  dem  Bläschen,  das  jetzt  den 
häutigen  Vorhof  darstellt,  immer  weiter  entfernen.  Auf  ähnliche 
Weise,  wie  die  so  eben  angegebene,  haben  in  neuerer  Zeit  Guenther 
und  Bischoff  die  halbzirkelförmigen  Kanäle  auch  bei  Säugethie- 
ren  und  Vögeln  entstehen  gesehen.  —  Ungefähr  zur  selben  Zeit, 
da  jene  Kanäle  auftreten,  sackt  sich,  wie  ich  bei  dem  Blennius  vi- 
viparus,  der  Natter  und  der  Sumpfschildkröte  gesehen  habe,  auch 
später  Remak  bei  dem  Hühnchen  bemerkt  hat,  die  untere  Wand 
des  Ohrbläschens  an  einer  Stelle  aus  und  bildet  einen  kleinen  An- 
hang desselben.  Bei  den  Grätenfischen  und  den  Stören  schnürt 
sich  dann  dieser  Anhang  des  bereits  als  Vorhofsäckchen  erschei- 
nenden Ohrbläschens ,  indem  er  an  Umfang  nicht  unerheblich  zu- 
nimmt, von  demselben  ab  und  entwickelt  sich  zu  einem  besondern 
häutigen  Bläschen,  das  in  einigen  Fällen  dicht  an  jenem  verbleibt, 
in  der  Regel  aber  sich  von  ihm  entfernt  und  einen  dünnen  Kanal 
ausspinnt,  durch  den  es,  wie  durch  einen  Stiel,  mit  ihm  in  Verbin- 
dung bleibt.  Gewöhnlich  behält  dieser  Kanal  für  immer  seine 
Höhle;  bei  manchen  Fischen  aber  obliterirt  er  und  stellt  dann  einen 
dichten  Strang  dar.   Auch  bei  den  Schildkröten  entwickelt  sich  der 


VI.   Vom  Gehörorgan.  115 

erwähnte  Anhang  des  Vorhofsäckchens  zu  einem  häutigen  Bläs- 
chen, das  mit  demselben  durch  einen  massig  langen  hohlen  Stiel  in 
Verbindung  bleibt.  Bei  den  Schlangen  aber  nimmt  er  die  Form 
eines  an  dem  Ende  stumpf  abgerundeten  Kegels  an,  der  nur  eine 
geringe  Länge,  Avie  überhaupt  nur  eine  geringe  Grösse  erhält,  und 
giebt  sich  bei  ihnen  schon  offenbar  als  eine  Andeutung  von  den 
innern  Theilen  einer  Ohrschnecke  zu  erkennen.  Gleichfalls  nimmt 
er  bei  den  Krokodilen  und  Vögeln  die  Form  eines  an  dem  Ende 
stark  abgestumpften  Kegels  an,  wird  aber  im  Verhältniss  zu  seiner 
Dicke  länger,  wie  im  Verhältniss  zu  dem  häutigen  Vorhofsäckchen 
viel  grösser,  und  krümmt  sich  bogenförmig  etwas  zusammen. 
Welche  Veränderungen  aber  an  ihm  bei  den  Schlangen,  Krokodi- 
len und  Vögeln  weiter  vor  sich  gehen,  und  zu  welchen  Theilen  der 
Ohrschnecke  er  sich  bei  ihnen  ausbildet,  ist  noch  nicht  ermittelt 
worden.  Zu  vermuthen  steht  jedoch,  dass  er  sich  bei  den  genann- 
ten Thieren  von  dem  Vorhofsäckchen,  aus  dem  er  hervorwuchs, 
allmälig  ganz  abschnürt  und  sich  zu  dem  knorpligen  Rahmen  und 
den  damit  verbundenen  häutigen  Theilen  entwickelt,  die  bei  die- 
sen Thieren  nach  vollendeter  Ausbildung  in  der  knöchernen  Ohr- 
schnecke liegen,  die  Höhle  derselben  in  zwei  Treppen  scheiden, 
einen  völlig  geschlossenen  länglichen  Schlauch  zusammensetzen 
und  einen  Boden  für  die  Ausbreitung  eines  Nervus  Cochleae  dar- 
stellen. Bei  den  Säugethieren  entsteht  nach  Huschke's  Untersu- 
chungen ebenfalls  durch  den  Prozess  der  Ausstülpung  ein  Anhang 
des  Vorhofsäckchens.  Derselbe  aber  gewinnt  im  Vergleich  mit  je- 
nem Säckchen  eine  erhebliche  Länge,  bildet  einige  Zeit  nach  seiner 
Entstehung  ein  blindes  Rohr  und  krümmt  sich  bei  seiner  Verlänge- 
rung spiralförmig  zusammen.  Anfangs  steht  dieses  Rohr  mit  dem 
"V  orhofsäckchen  in  einem  Höhlenzusammenhange ,  dann  aber 
schnürt  es  sich  von  demselben  ab  und  trennt  sich  von  ihm.  Bei 
diesem  Vorgange  findet  indess  ausserdem  noch ,  wie  ich  vermuthe, 
eine  andere  Einschnürung  an  dem  Vorhofsäckchen  statt,  aufweiche 
aber  nur  eine  Verwachsung  der  eingeschnürten  Stelle  erfolgt,  und 
wodurch  das  erwähnte  Säckchen  in  einen  Sacculus  semiovalis  und 
Sacculus  semirotundus  geschieden  wird.  Ferner  nähern  sich  nach 
Huschkes  Wahrnehmungen  die  Wände  des  angeführten  Rohres, 

8* 


116  VI.  Vom  Gehörorgan. 

während  es  sich  verlängert,  einander  in  der  Art,  dass  es  sich  mehr 
und  mehr  abplattet;  demnächst  aber  verwachsen  sie  mit  einander 
und  es  erscheint  nunmehr  an  Stelle  jenes  Rohres  eine  schmale  und 
lange  Platte.  Diese  Platte  ist  die  sogenannte  Zona  cartilaginea  des 
Spiralblattes  in  der  Ohrschnecke.  Wenn  das  erwähnte  Rohr  noch 
die  Form  eines  Cylinders  hat,  füllt  es  in  der  Knorpelmasse,  welche 
sich  um  dasselbe  bildet,  nachher  verknöchert  und  als  ein  Theil  des 
Felsenbeines  den  sogenannten  Schneckenkanal  (Canalis  spiralis 
Cochleae)  darstellt,  die  es  enthaltende  Höhle  völlig  aus.  Während 
es  sich  aber  immer  mehr  abplattet,  um  einen  Theil  des  Spiralblat- 
tes zu  bilden,  und  sich  der  so  eben  angeführte  Kanal  erweitert,  wo- 
bei gleichzeitig  das  in  der  Entwickelung  begriffene  Spiralblatt  durch 
andere  Theile  noch  vervollständigt  wird,  bilden  sich  die  beiden 
Treppen  der  Schnecke.  Diese  andern  Theile  sind :  erstens  die  Zona 
ossea  des  Spiralblattes,  eine  anfangs  knorplige,  nachher  knöcherne 
schmale  Doppelplatte,  die  aus  der  Spindel,  einer  Knorpelmasse, 
welche  die  Windungen  jenes  sich  spiralig  zusammenkrümmenden 
Rohres  allmälig  ausfüllt,  hervorwächst  und  zweitens  eine  seröse 
Membran ,  die  sich  an  der  innern  Fläche  des  ganzen  knorpligen 
und  allmälig  verknöchernden  Labyrinthes,  also  auch  des  Schnecken- 
kanals bildet  und  von  der  Wandung  dieses  Kanals  auf  das  Rohr, 
welches  zu  der  Zona  cartilaginea  des  Spiralblattes  wird,  übergeht, 
um  dasselbe  und  die  Zona  ossea  des  Spindelblattes  zu  bekleiden. 

§.  50. 

Bald  nachdem  das  Ohrbläschen  entstanden  ist,  bildet  sich  an 
der  äussern  Seite  und  zwar  zunächst  dem  untern  Rande  desselben 
eine  halbmondförmige  Platte,  die  darauf  an  Grösse  zunehmend  in 
kurzer  Zeit  die  Form  eines  Uhrglases  erhält,  das  ganze  Bläschen 
von  aussen  deckt,  allmälig,  doch  früher,  als  irgend  ein  anderer 
Theil  des  Embryo,  eine  knorplige  Beschaffenheit  erhält  und  sich 
immer  bestimmter  als  die  Anlage  für  das  Felsenbein  ankündigt. 
Bei  vielen  Grätennschen  erhält  dieser  Körpertheil  nur  die  Form 
einer  ziemlich  tiefen  Schale;  bei  den  meisten  Wirbelthieren  aber 
wächst  er  immer  weiter  über  die  verschiedenen  häutigen  Theile  des 
Gehörlabyrinthes  herüber  und  bildet  nach  einiger  Zeit  eine  sie  völ- 


VI.  Vom  Gehörorgan.  117 

lig  einschliessende  Kapsel,  die  jedoch  gegen  die  Schädelhöhle  für 
den  Durchgang  des  Gehörnerven  eine  Oeffnung  behält.  Ferner 
wächst  seine  Substanz  in  der  Regel  nach  innen  bedeutend  aus,  so 
dass  sie  in  alle  Zwischenräume  eindringt,  welche  die  verschiedenen 
häutigen  Theile  des  Labyrinthes  zwischen  sich  gelassen  haben.  Ist 
dies  geschehen,  so  beginnt  in  der  erwähnten  Knorpelsubstanz,  ab- 
gesehen von  den  Knorpelfischen,  auch  eine  Ablagerung  von  Kalk- 
erde, und  es  bilden  sich  in  ihr  dann  mehrere  Knochenstücke. 
Diese  aber  wachsen  bei  den  Säugethieren  und  Vögeln  zu  einem 
Ganzen,  dem  Felsenbein,  zusammen,  statt  dass  sie  bei  den  Gräten- 
fischen und  mehreren  Amphibien  zeitlebens  getrennt  bleiben  und 
mitunter,  namentlich  bei  manchen  Amphibien,  mit  benachbarten 
Knochen  derHirnschale  verschmelzen.  —  Das  eirunde  Fenster  der 
mit  Gehörknöchelchen  versehenen  Wirbelthiere  und  das  runde 
Fenster  der  Säugethiere ,  Vögel  und  beschuppten  Amphibien  ent- 
stehen durch  Resorption  der  Materie ,  wenn  das  Felsenbein  noch 
eine  knorplige  Beschaffenheit  hat.  —  Von  der  Entwickelung  der 
Gehörknöchelchen  und  des  Paukenbeins  wird  später  die  Rede 
sein. 

§.  51. 

Bei  den  Fröschen,  vielen  Kröten,  den  Schildkröten  und  den 
Sauriern  verwächst  die  vorderste  Schlundspalte  nur  in  ihrem  äus- 
sersten  Theile  oder  dem  Eingange,  und  aus  der  Substanz,  die  dazu 
verwandt  ist,  entwickelt  sich  das  Trommelfell;  der  übrige  Theil 
der  Spalte  aber  nimmt  mit  dem  Wachsthum  des  Kopfes  bei  den 
meisten  von  diesen  Thieren  bedeutend  an  Weite  und  Tiefe  zu  und 
bildet  eine  verhältnissmässig  beträchtlich  Aveite  Höhle ,  welche  die 
Trommelhöhle  und  Eustachische  Trompete  der  höhern  Thiere  re- 
präsentirt.  Bei  den  Krokodilen  hingegen  entwickelt  sich  aus  ihm 
eine  lange  enge  Eustachische  Trompete  und  eine  weite  Trommel- 
höhle. Bei  den  Vögeln  und  Säugethieren  verwächst  die  vorderste 
Schlundspalte  ungefähr  in  der  Mitte  ihrer  Tiefe,  und  es  bildet  sich 
darauf  an  dieser  Stelle  das  Trommelfell.  Die  äussere  Hälfte  der 
Spalte  aber  wird  zum  äussern  Gehörgange,  die  innere  zu  der  Pau- 
kenhöhle  und   Eustachischen   Trompete.      Bei  den   Fischen,  den 


118  VI.  Vom  Gehörorgan. 

Schlangen,    den  schlangenartigen  Sauriern  und   mehreren  Batra- 
chiern  verwächst  jene  Spalte  gänzlich  oder  beinahe  gänzlich. 

Das  äussere  Ohr  der  Säugethiere  tritt  auf  als  ein  von  der  Haut- 
bedeckung gebildeter  Wulst  an  dem  Eingange  der  ersten  Schlund- 
spalte, und  dieser  Wulst  nimmt  dann,  indem  er  grösser  und  zu 
einer  Falte  wird,  bei  den  verschiedenen  Säugethieren  eine  sehr 
verschiedene  Form  an.  Immer  aber  bildet  sich  im  Innern  der  Falte 
ein  Knorpelblatt. 


Huschke,  in  Meckels  Archiv.   Jahrgang  1832.  Seite  40. 

Rathke,  Entwickelungs- Geschichte  der  Natter. 

Dessen  Entwickelungs- Geschichte  der  Schildkröten. 

Remak,  Untersuchungen  über  die  Entwickelung  der  Wirbel- 
thiere. 

Gtjenther,  Beobachtungen  über  die  Entwickelung  des  Gehör- 
organs bei  Menschen  und  höhern  Säugethieren.   Leipzig  1842. 

Bischoff,  Entwickelungs- Geschichte  der  Säugethiere  und  des 
Menschen.   Leipzig  1842.  Seite  567. 

Huschke,  Lehre  von  den  Eingeweiden  und  Sinnesorganen 
des  menschlichen  Körpers.   Leipzig  1844.    Seite  853  und  884. 

Reissnek,  De  auris  internae  formatione.  Diss.  inauguralis. 
Dorpati  1851. 


Siebentes   Kapitel. 
Vom  Greruchsorgan. 

§.  52. 

Jitwas  später,  als  sich  das  Auge  und  das  Gehörlabyrinth  zu 
bilden  begonnen  haben ,  zu  einer  Zeit ,  da  der  vorderste  Theil  des 
Gehirns  noch  erst  von  einer  ganz  einfachen  und  ziemlich  dünnen 
Wand  umgeben  ist,  entstehen  bei  denjenigen  Wirbel thieren, 
welche  eine  doppelte  Nasenhöhle  besitzen,  an  dieser  Wand,  also  an 
der  vordem  Seite  des  Kopfes,  äusserlich  zwei  weit  auseinander  lie- 
gende und  auf  die  beiden  Seitenhälften  des  Kopfes  vertheilte  kleine 
runde  Gruben,  indem  liier  die  Wandung  des  Kopfes  an  zwei  Stel- 
len weit  weniger,  als  in  der  benachbarten  Gegend,  an  Dicke  zu- 
nimmt. Hierauf  erhält  in  diesen  Gruben  die  Hautbedeckung  eine 
etwas  grössere  Dicke,  als  in  der  Nachbarschaft,  bleibt  jedoch  wei- 
cher und  lockerer,  als  in  jener.  So  entstehen  denn  zwei  von  der 
Hautbedeckung  gebildete  schüsseiförmige  und  massig  dicke  Theile, 
und  diese  sind  die  ersten  Andeutungen  der  Riechhaut  {Tunica 
ScJmeideriana).  Bei  den  Fischen  werden  die  beiden  schüsseiförmi- 
gen Riechhäute,  indem  sich  um  dieselben  herum  die  Gesichtstheile 
des  Kopfes  ausbilden,  immer  tiefer  und  nehmen  ungefähr  die  Form 
von  halben  Hohlkugeln  oder  auch  von  tiefen  Mulden  an ;  darauf 
wächst  der  Rand  einer  jeden,  namentlich  bei  den  Grätenfischen,  in 
der  Regel  an  zwei  einander  gegenüber  liegenden  Stellen  allmälig 
aus  und  bildet  zwei  Fortsätze,  die  einander  entgegen  wachsen, 
dann  verwachsen  und  schliesslich  eine  aus  Haut  bestehende  Brücke 
darstellen,    durch  welche  die  ursprünglich  einfache  Oeffnung  der 


120  VII.  Vom  Geruchsorgan. 

Grube  in  eine  vordere  und  eine  hintere  Oeffnung  getheilt  wird. 
Aus  dem  Boden  einer  jeden  sackförmig  gewordenen  Biechhaut 
aber,  die  jetzt  zwischen  die  übrigen  Theile  des  Gesichts  versenkt 
erscheint,  erheben  sich  mehrere  in  die  Höhle  derselben  vorsprin- 
gende Falten,  in  denen  sich  hauptsächlich  der  Riechnerv  verbreitet. 
Ganz  anders  geht  die  Entwich elung  des  Geruchsorganes  in 
den  drei  höhern  Klassen  der  Wirbelthiere  vor  sich.  Wenn  bei  ih- 
nen die  Riechhäute  zwei  massig  tiefe  Schüsseln  darstellen,  ist  zwi- 
schen beiden  die  Bildungsmasse  des  Kopfes  schon  massig  stark  aus 
der  vordem  Wand  desselben  nach  aussen  hervorgewachsen  und 
bildet  einen  von  dieser  Wand  ausgehenden  breiten,  auch  ziemlich 
weit  von  oben  nach  unten  herablaufcnden,  aber  nur  sehr  niedrigen 
Fortsatz,  den  ich  den  Stirnfortsatz  des  Kopfes  benannt  habe. 
Das  untere  Ende  dieses  Theiles  treibt  nun  rechts  und  links  einen 
kleinen  Vorsprung  hervor,  den  ich  den  Flügel  des  Stirnfortsatzes 
nenne.  Zu  gleicher  Zeit  gewinnt  der  etwas  früher  entstandene  Ober- 
kieferfortsatz, ein  dreiseitig  pyramidarischer  aus  Bildungsmasse  be- 
stehender Theil,  der  aus  dem  obern  Ende  des  ersten  Schlundbogens 
seinen  Ursprung  nahm ,  immer  mehr  an  Länge  und  überhaupt  an 
Grösse:  in  Folge  davon  aber  rückt  seine  Spitze  an  der  äussern 
Seite  des  Kopfes  dicht  unterhalb  des  Auges  immer  weiter  nach 
vorn,  wobei  übrigens  der  Fortsatz  an  seiner  einen  ganzen  Kante 
mit  der  Seitenwandung  des  Kopfes  verwächst.  So  kommen  denn 
jederseits  ein  Oberkieferfortsatz  und  ein  Flügel  des  Stirnfortsatzes 
mit  ihren  Spitzen  einander  immer  näher,  wachsen  darauf  mit  den- 
selben über  die  erst  schüsseiförmige,  jetzt  aber  tiefer  und  mulden- 
förmig gewordene  Riechhaut  ihrer  Seite  herüber  und  gelangen  zu 
einer  gegenseitigen  Berührung.  Ist  dies  geschehen,  so  verwachsen 
ihre  Spitzen  und  bilden  eine  Brücke,  die  über  die  Höhle  der  Riech- 
haut herübergespannt  erscheint,  und  wodurch  der  anfänglich  ein- 
fache und  weite  Eingang  in  diese  Höhle  in  eine  obere  und  eine  un- 
tere Oeffnung  getheilt  worden  ist.  Die  obere  bezeichnet  ein  äusse- 
res, die  untere  ein  inneres  oder  gegen  die  Mundhöhle  gekehrtes 
Nasenloch.  Zu  derselben  Zeit  ferner,  da  sich  die  Flügel  des  Stirn- 
fortsatzes und  die  Oberkieferfortsätze  bilden  und  vergrössern,  ent- 
steht dicht  über  der  Riechhaut  ein  dünner  leistenartiger  Auswuchs 


VII.  Vom  Geruchsorgan.  121 

der  Bildungsmasse  des  Kopfes,  der  sich  bogenförmig  von  dem  un- 
tern Theil  des  Stirnfortsatzes  nach  dem  Oberkieferfortsatze  hin- 
zieht, allmälig  breiter  wird,  und  die  obere  Hälfte  der  Riechhaut 
von  oben  deckt.  Wollen  wir  diesen  Theil  das  Nasendach  nennen. 
Wenn  nun  dieses  Dach  und  die  erwähnten  Fortsätze  an  Grösse  zu- 
nehmen, wobei  auch  die  Riechhaut  und  die  von  ihr  umschlossene 
Höhle  immer  mehr  an  Umfang  gewinnen ,  bilden  sich  in  ihnen  im 
Allgemeinen  folgende  dem  Skelet  angehörige  Körpertheile.  In  dem 
Stirnfortsatze,  der  mit  der  Zeit,  obgleich  nicht  absolut,  so  doch  re- 
lativ, namentlich  auch  im  Verhältniss  zu  seiner  eigenen  Länge  und 
Höhe ,  immer  dünner  wird ,  entsteht  ein  senkrechtes  Knorpelblatt, 
das  sich  zu  der  Pars  per 'pendicularis  des  Siebbeins  und  dem  knorp- 
ligen Theil  der  Nasenscheidewand  ausbildet.  Vor  diesem  Knorpel- 
blatte entwickeln  sich  in  dem  Stirnfortsatze  und  dessen  Flügeln  die 
Zwischenkieferbeine.  In  jedem  Nasendache  entsteht  ein  besonde- 
res Substanzblatt,  das  als  eine  unmittelbare  seitliche  Fortsetzung 
jenes  senkrechten  Knorpelblattes  des  Stirnfortsatzes  zu  betrachten 
ist.  Es  umgiebt  dasselbe  den  obern  und  äussern  Theil  der  Riech- 
haut seiner  Seite,  bei  den  Säugethieren  ausserdem  auch  den  hintern 
oder  gegen  das  Gehirn  gekehrten  Theil  der  Riechhaut  und  wird  an 
einigen  Stellen  fibröshäutig,  an  andern  knorplig,  oder  auch  noch 
später  knöchern.  Was  insbesondere  die  Säugethiere  anbelangt,  so 
entwickeln  sich  bei  ihnen  aus  diesem  Blatte  des  Nasendaches  die 
seitlichen  Nasenknorpel,  die  untere  Riechmuschel,  je  eine  Seiten- 
hälfte des  Siebbeinlabyrinthes  mit  Einschluss  der  Lamina  cribrosa 
und  das  fibröse  Gewebe,  welches  zwischen  diesen  verschiedenen 
Gebilden  ausgespannt  ist.  Die  Riechmuscheln  entstehen  übrigens 
in  der  Weise ,  dass  das  angegebene  Blatt  gegen  die  Nasenhöhle 
einige  nach  der  Länge  des  Kopfes  verlaufende  Leisten  hervortreibt, 
die  gegen  die  Riechhaut  andringend  diese  nöthigen,  für  sie  ebenso 
viele  als  eine  Bekleidung  dienende  Falten  zu  schlagen,  und  dass 
eine  solche  Leiste  nachher ,  indem  sie  immer  mehr  an  Grösse  zu- 
nimmt, entweder  aufschwillt  und  im  Innern  hohl  wird,  oder  sich 
nebst  der  sie  bekleidenden  Falte  der  Riechhaut  mehr  oder  weniger 
zusammenrollt.  —  Auf  dem  zuletzt  beschriebenen  Blatte  bildet  sich 
in  je  einem  Nasendache  ein  Nasenbein.  —  In  den  Oberkieferfort- 


122  VII.  Vom  Geruchsorgan. 

sätzen  bilden  sich  die  Oberkieferbeine ,  die  Jochbeine ,  die  Flügel- 
beine (Ossa  pterygoidea)  und  die  Gaumenbeine. 

Die  beiden  Nasenhöhlen  münden  bei  allen  über  den  Fischen 
stehenden  Thieren  ursprünglich  in  die  Mundhöhle.  Wenn  aber  die 
Oberkieferfortsätze  an  Grösse  und  insbesondere  an  Höhe  zuneh- 
meiij  was  am  bedeutendsten  bei  den  Säugethieren  geschieht,  wächst 
aus  der  innern  oder  gegen  die  Mundhöhle  gekehrten  Seite  eines 
jeden  eine  Längsleiste  hervor ,  die  zwar  bei  den  verschiedenen 
Thieren  der  drei  höchsten  Klassen  eine  sehr  verschiedene  relative 
Länge  erhält,  doch  in  jedem  Fall  (wenn  nämlich  die  Entwickelung 
normal  vor  sich  geht)  sich  vorn  an  den  ihr  entsprechenden  Flügel 
des  Stirnfortsatzes  anschliesst.  Allmälig  wird  dann  diese  Leiste  in 
eine  mehr  oder  weniger  breite  Platte  umgewandelt ,  die  unter  fast 
rechten  Winkeln  von  dem  Oberkieferfortsatze  abgeht,  also  mit  ih- 
ren Flächen  horizontal  liegt.  In  der  Platte  aber  entwickelt  sich 
nachher  der  Processus  palatinus  eines  Oberkieferbeins ,  eines  Gau- 
menbeins und  bei  einigen  Wirbelthieren  auch  eines  Flügelbeins 
(Os  pterygoicleum ,  bei  den  Säugethieren  Process.  pterygoid.  des 
Keilbeins).  Bei  den  meisten  Säugethieren  nun  erlangen  beide  Plat- 
ten (die  rechte  und  die  linke)  eine  solche  Breite,  dass  sie  zuletzt  in 
ihrer  vordem  längern  Hälfte,  wo  sich  die  Gaumbeine  und  die  Pro- 
cessus palatini  der  Oberkiefer  bilden,  zusammenstossen,  mit  einan- 
der und  auch  mit  dem  untern  Rande  der  Nasenscheidewand  ver- 
wachsen, und  endlich  eine  quere  Scheidewand  zusammensetzen, 
durch  welche  die  Nasenhöhle  von  der  Mundhöhle  getrennt  wird. 
Bei  einigen  Säugethieren  aber,  namentlich  bei  einigen  Ameisen- 
bären und  Cetaceen,  sowie  ausserdem  bei  den  Krokodilen,  nehmen 
auch  die  Flügelbeine  an  der  Zusammensetzung  dieser  Scheidewand 
einen  Antheil.  Dagegen  erreichen  bei  den  Vögeln  und  einigen 
Amphibien  die  angeführten  beiden  Platten  einander  selbst  in  ihrer 
vordem  Hälfte  entweder  gar  nicht,  oder  nur  zum  Theil,  lassen  viel- 
mehr eine  Lücke  zwischen  sich,  durch  die  man  aus  der  Mundhöhle 
in  die  Nasenhöhle  eindringen  kann. 

Von  dem  hintern  Pvande  der  Gaiunenplatten  wachsen  bei  den 
Säugethieren,  wenn  diese  Platten  noch  getrennt  sind,  zweiblatt- 
artige Fortsätze  oder  Falten  der  Schleimhaut  aus ,  die ,  an  Breite 


VII.  Vom  Geruchsorgan.  123 

zunehmend,  einander  näher  kommen,  darauf  verwachsen,  eine  häu- 
tig-muskulöse Beschaffenheit  erhalten  und  nun  das  Gaumensegel 
zusammensetzen. 

Früher  oder  später  entstehen  bei  den  Säugethieren  noch  be- 
sondere Höhlen,  die  mit  den  beiden  Haupthöhlen  des  Geruchsor- 
ganes  zusammenhängen.  Die  Highmorshöhlen  entstehen,  indem 
die  Oberkieferknochen  sich  nach  aussen  allmälig  hervorwölben,  die 
Höhlen  des  Stirnbeins  und  die  des  Keilbeinkörpers  dadurch,  dass 
diese  Knochen  stellenweise  anschwellen  und  dabei  ihre  Diploe,  wo 
die  Anschwellung  erfolgt,  resorbirt  wird.  Während  nun  diese  ver- 
schiedenen Nebenhöhlen  sich  zu  bilden  anfangen,  werden  ihnen 
gegenüber  die  beiden  Platten,  die  für  das  Labyrinth  des  Siebbei- 
nes und  die  untersten  Riechmuscheln  bestimmt  sind,  resorbirt  und 
durchlöchert;  durch  die  entstandenen  Oeffnungen  aber  dringt  die 
Riechhaut  nach  aussen  hindurch  und  kleidet  auch  diese  Nebenhöh- 
len aus. 

Eine  weit  geringere  Grösse,  als  bei  den  Säugethieren,  erlan- 
gen die  Riechmuscheln  bei  den  Vögeln  und  schliessen  gewöhnlich 
nur  kleine  Knorpelblättchen ,  selten  kleine  Knochenblättchen  ein. 
Bei  einigen  Amphibien  bilden  sich  gar  keine  Riechmuscheln.  Eine 
Lumina  cribrosa  fehlt  bei  den  Vögeln,  wie  bei  den  Amphibien  und 
Fischen,  und  die  Riechnerven  gehen  daher  bei  allen  diesen  Thie- 
ren  uii2,etheilt  bis  zu  den  Riechhäuten  hin. 


Rathke,  Abhandlungen  zur  Bildungs-  und  Entwickelungsge- 
schichte  des  Menschen  und  der  Thiere.   Theil  I.   Abhandlung  4. 

Derselbe,  lieber  die  Entwickelung  des  Schädels  der  Wirbel  - 
thiere.  Vierter  Bericht  des  naturwiss.  Seminars  zu  Königsberg. 
(Königsberg  1839.    Seite  13—15.) 


Achtes   Kapitel. 

Von  dem  Skelet. 

§.  53. 

Uie  Rückensaite  reicht  jedenfalls  hinten  bis  an  das  Ende  des 
Schwanzes,,  vorne,  wenn  wir  den  Amphioxus  ausnehmen,  bei  dem 
sie  bis  an  das  Ende  des  Kopfes  geht,  bis  zwischen  die  Gehörblasen. 
Das  sie  zunächst  umgebende  Blastem  nimmt  schon  frühe  eine  grös- 
sere Festigkeit,  als  in  der  Nachbarschaft  an,  wandelt  sich  in  Knor- 
pel und  fibröses  Gewebe  um  und  bildet  für  sie  eine  vollständige, 
mehr  oder  weniger  dicke  Scheide,  die  man  die  Belegungsmasse  der 
Bückensaite  nennen  kann.  Ganz  vorn  ist  diese  Masse  erst  zu  bei- 
den Seiten  der  Bückensaite  flügelartig  etwas  ausgebreitet,  dann 
setzt  sie  sich  tafelartig  über  dieselbe  bis  unter  die  mittlere  Hirn- 
blase, beinahe  bis  zu  dem  künftigen  Hirntrichter,  fort,  und  sendet 
hier  zwei  symmetrische  auf  beide  Seitenhälften  des  Kopfes  ver- 
theilte  streifenartige  Fortsätze  aus ,  die  unter  der  vorderen  Hirn- 
blase bis  an  das  vordere  Ende  des  Kopfes  gehen,  und  von  mir  die 
paarigen  Balken  des  Schädels  benannt  worden  sind.  Dieser 
ganze  vordere  und  dem  Kopfe  angehörige  Theil  der  Belegungs- 
masse macht  jetzt  hauptsächlich  die  Anlage  der  künftigen  Basis 
cranii  aus.  Die  beiden  angeführten  Balken  entspringen  nahe  bei 
einander,  entfernen  sich  dann  in  ihrem  Verlaufe  nach  vorn  von 
einander ,  kommen  hierauf,  wenn  der  Stirnfortsatz  in  seiner  Bil- 
dung begriffen  ist,  in  diesem  dicht  beisammen  zu  liegen ,  krümmen 
sich ,  dünner  geworden ,  in  ihm  hackenförmig  nach  aussen  um  und 
reichen  mit  ihren  Enden  in  die   Flügel  jenes   Fortsatzes  hinein. 


VIII.  Von  dem  Skelet.  125 

Durch  die  Lücke,  die  sie  zwischen  sich  unter  dem  Hirntrichter 
lassen,  stülpt  sich  die  Mundhaut  gegen  diesen  aus ,  und  bildet  ein 
kleines  Säckchen,  an  dem  die  Glandula  pituitaria  entsteht,  das 
aber  später  wieder  verschwindet.  Ausser  den  beiden  paarigen  Bal- 
ken sendet  bei  denjenigen  Wirbel thieren ,  welche  über  den  Batra- 
chiern  stehen,  der  tafelförmige  Theil  der  Belegungsmasse  aus  sei- 
nem vorderen  Ende  auch  noch  einen  unpaarigen  mittleren  Fort- 
satz oder  Balken  aus.  Dieser  aber  geht  nach  oben,  füllt  den  von 
der  Mitte  des  Gehirns  gebildeten  Bogen  aus  und  verschwindet  spä- 
ter wieder  gänzlich  oder  fast  gänzlich. 

§.54. 

Aus  dem  nicht  zu  dem  Kopfe  gehörigen  Theile  der  Belegungs- 
masse der  Kückensaite  bilden  sich  zunächst  die  Wirbelbeine  und 
die  ihnen  angehörigen  Ligamente.  Nur  bei  den  Cyclostomen  wan- 
delt sich  dieselbe  entweder  allein,  oder  doch  fast  allein  in  eine 
fibröse  Haut  um,  welche  nun  die  Bückensaite  als  eine  an  Dicke  al- 
lenthalben sich  ziemlich  gleich  bleibende  Scheide  einschliesst.  Bei 
den  übrigen  Wirbel  thieren  nimmt  jene  Masse  zuvörderst  rechts  und 
links  am  meisten  an  Dicke  zu,  doch  an  einigen  Stellen  mehr,  an 
andern  weniger,  und  zwar  in  der  Art,  dass  von  ihr  jederseits  eine 
Reihe  von  kleinen  Platten  gebildet  wird,  von  denen  je  zwei  immer 
einen  schmälern  Zwischenraum  zwischen  sich  haben,  in  dem  die 
Masse  eine  geringere  Dicke  gewahr  werden  lässt.  Anfänglich  ha- 
ben diese  Platten,  welche  die  ersten  Anlagen  oder  morphologischen 
Elemente  der  Wirbelbeine  bezeichnen,  ungefähr  die  Form  von 
Quadraten  und  liegen  (namentlich  im  Halse  und  Rumpfe  der  hö- 
hern Wirbelthiere)  zu  beiden  Seiten  der  Chorda  dorsalis  und  der 
Medullarröhre  (Rückenmark),  sind  jedoch  dann  lange  nicht  so  hoch, 
als  diese  beiden  Organe  zusammengenommen,  sondern  decken  die- 
selben nur  zum  kleinen  Theil.  Allmälig  aber  nehmen  sie  immer 
mehr  an  Höhe  zu,  werden  oblong  und  decken  im  Allgemeinen  die 
genannten  beiden  Organe  seitlich  mehr  und  mehr;  gleichzeitig  sen- 
den je  zwei  einander  gegenüber  liegende  Platten  der  Art  einen 
Fortsatz  zwischen  der  Chorda  dorsalis  und  der  Medullarröhre  nach 
innen  gegen  die  Mittelebene  des  Körpers,  und  diese  Fortsätze  tref- 


126  VIII.  Von  dem  Skelet. 

fen  dann,  indem  sie  einander  entgegen  wachsen ,  zusammen  und 
verschmelzen  endlich  gleichsam  zu  einer  Brücke.  Die  über  einer 
solchen  Brücke  befindlichen  Hälften  der  beiden  Platten  wachsen 
darauf  gewöhnlich  noch  immer  mehr  in  die  Höhe ,  biegen  sich,  in- 
dem sie  das  Rückenmark  umfassen,  gegen  einander  hin,  verschmel- 
zen zuletzt ,  jedoch  erst  ziemlich  spät,  paarweise,  an  ihren  obern 
Enden  mit  einander  und  bilden  dadurch  einen  sogenannten  Wir- 
belbeinbogen.  In  dem  Schwänze  der  Säugethiere  aber  wird,  je  nach 
den  Arten  derselben,  an  mehreren  oder  an  allen  Wirbeln  die  Ent- 
wickelung  dieser  Bogen  mehr  oder  weniger  gehemmt,  und  an  den 
hintersten  Schwanzwirbeln  werden  selbst  nicht  einmal  Andeutun- 
gen der  Schenkel  dieser  Bogen  gebildet.  —  Die  untern  Hälften  der 
Wirbel elemente  verhalten  sich  sehr  verschieden,  je  nach  den  ver- 
schiedenen Thieren  und  auch  in  verschiedenen  Gegenden  des  Lei- 
bes. Im  Schwänze  der  meisten  Grätenfische,  der  Krokodile,  der 
Schlangen  und  der  Cetaceen  wachsen  sie  nach  unten  über  die 
Chorda  dorsalis  mehr  oder  weniger  weit  hinaus,  umfassen  von  den 
Seiten  die  Arteria  und  Vena  caudalis ,  und  verwachsen  dann  ge 
wohnlich  (ausser  bei  den  Schlangen)  unter  diesen  Gefässen  paar- 
weise zu  einem  Spitzbogen ,  den  man  den  untern  Wirbelbogen  zu 
nennen  pflegt.  Noch  ehe  sie  aber  die  genannten  Gefässe  umfassen, 
senden  je  zwei  einander  gegenüber  liegende  Wirbelelemente  dicht 
unter  der  Chorda  dorsalis  einen  Fortsatz  gegen  die  Mittelebene  des 
Körpers,  welche  Fostsätze  dann  unter  der  Chorda  paarweise  zu 
einer  Brücke  zusammenwachsen.  In  dem  Rumpfe  aber  wachsen  bei 
den  meisten  Fischen  die  untern  Hälften  der  Wirbel  elemente,  nach- 
dem sie  paarweise  unter  der  Chorda  eine  Brücke  gebildet  haben, 
mehr  oder  weniger  weit  um  die  Eingeweide  herum,  und  diese  ihre 
Verlängerungen,  die  nur  selten  an  der  Bauchseite  paarweise  einan- 
der erreichen ,  werden  dann ,  indem  sie  sich  abgliedern ,  zu  den 
Rippen.  In  den  drei  höhern  Klassen  der  Wirbelthiere  wachsen  die 
morphologischen  Elemente  der  Wirbelbeine,  namentlich  am  Halse 
und  Rumpfe,  nicht  so  weit  nach  unten  aus,  wie  bei  den  meisten 
Fischen ,  sondern  ihre  untern  Hälften  krümmen  sich  meistens  um 
die  untere  Seite  der  Chorda  herum  und  verwachsen  paarweise  dicht 
unter  derselben  mit  einander :  nur  bei  einigen  Kröten  umfassen  sie 


VIII.  Von  dem  Skelet. 


127 


nicht  einmal  die  Chorda,  sondern  lassen  dieselbe  an  der  unteren 
Seite  unbedeckt.  Wie  in  dem  Halse  und  Rumpfe,  ist  ihr  Verhalten 
auch  im  Schwänze,  wo  sie  in  diesem  nicht  untere  Wirbelbogen  bil- 
den. —  Es  entwickeln  sich  also  die  Wirbelbeine  nach  einem  vier- 
fachen Schema,  wie  es  hier  bildlich  dargestellt  ist. 


Cultripes  provincialis. 

(Eine  Kröte.) 
(Rumpf.) 


Säugethier. 
(Rumpf.) 


IV. 

Fisch. 


(Schwanz.)  (Rumpf.) 

a.  Rückenmark,     b.  Chorda,     c.  Arteria  caudalis.     d.  Vena  cattäali. 


128  VIII.  Von  dem  Skelet. 

Aus  der  gegebenen  Darstellung  geht  hervor,  dass  bei  den  Wir- 
belthieren  im  Allgemeinen  von  je  zwei  morphologischen  Elementen 
der  Wirbelbeine  in  der  Regel  um  die  Chorda  dorsalis  allmälig  ein 
sie  enge  umfassender  Ring  gebildet  wird,  von  dem  meistens  zwei 
Strahlen  nach  oben,  zuweilen  auch  zwei  Strahlen  nach  unten  ab- 
gehen. Die  Ringe  kündigen  die  Wirbelkörper  an,  die  verschiede- 
nen Strahlen  bezeichnen  entweder  Wirbelbogenschenkel ,  oder 
(nämlich  im  Rumpfe  der  Fische)  Rippen.  Bei  einigen  Kröten  aber 
bilden  sich  aus  jenen  Elementen  für  die  Wirbelkörper  nicht  ganze 
Ringe,  sondern  nur  Halbringe.  Sehr  häufig  senden  die  einzelnen 
morphologischen  Elemente  der  Wirbelbeine  während  ihrer  Ent- 
wickelung  seitwärts  nach  aussen  einen  Strahl  oder  Fortsatz  aus. 
Namentlich  ist  dies  der  Fall  bei  Wirbelthieren  aus  den  drei  höhern 
Klassen.  Diese  Strahlen  aber  nehmen  eine  sehr  verschiedene  Länge 
an,  selbst  bei  einem  und  demselben  Thiere  an  verschiedenen  Wir- 
beln. Erreichen  sie  eine  beträchtliche  Länge,  so  gliedern  sie  sich 
gewöhnlich  von  ihrem  Wirbel  ab,  indem  zwischen  ihnen  und  die- 
sem allmälig  ein  Gelenk  entsteht,  und  werden  dann  Rippen  ge- 
nannt. Gewinnen  sie  aber  eine  nur  geringe  oder  doch  nur  massige 
Länge  und  gliedern  sich  von  ihrem  Wirbel  nicht  ab ,  so  heissen  sie 
Querfortsätze.  Die  Rippen  und  Querfortsätze  der  höhern  Wirbel- 
thiere  zeigen  also  in  genetischer  Hinsicht  ein  ganz  anderes  Verhal- 
ten, als  die  gleichnamigen  Theile  der  Fische.  Und  damit  hängt 
denn  auch  der  Umstand  zusammen,  dass  die  Querfortsätze  und 
Rippen,  falls  sie  nur  eine  einfache  Form  behalten,  selbst  nach  er- 
langter Ausbildung  bei  den  höhern  Wirbelthieren  von  ganz  anderen 
Stellen  der  Wirbolbeine  abgehen,  als  bei  den  Fischen,  nämlich  bei 
jenen  von  den  Wurzeln  der  obern  Wirbelbogenschenkel,  bei  diesen 
hingegen  weiter  nach  unten  von  den  Körpern  der  Wirbelbeine  in 
der  Nähe  der  untern  Seite  derselben.  —  Die  Rippen,  wie  und  wo- 
her sie  auch  entstanden  sein  mögen,  haben  anfangs,  wie  die  Quer- 
fortsätze, die  Form  eines  einfachen,  mehr  oder  weniger  cylindri- 
schen  oder  auch  bandartigen  Körpers.  Nach  erlangter  Ausbildung 
aber  erscheinen  bei  den  Schildkröten,  Vögeln  und  Säugethieren  die 
meisten  Rippen  an  ihrem  obern  Ende  mehr  oder  weniger  deutlich 
gabelförmig  gespalten.    Der  eine  von  beiden  Schenkeln  ist  dann 


VIII.  Von  dem  Skelet.  129 

jedenfalls  ein  nachentstandener  Theil  der  Hippe.  Bei  den  Schild- 
kröten ist  dies  der  obere  (der  mit  den  Dornfortsätzen  der  Wirbel 
verbundene)  Schenkel,  bei  den  Vögeln  und  Säugethieren  der  un- 
tere (der  aus  dem  Capitulum  und  dessen  Halse  bestehende). 

Die  Ringe,  welche  um  die  Wirbelsaite  entstanden  sind,  wer- 
den mit  der  Zeit  gewöhnlich  allenthalben  dicker  und  breiter ,  fül- 
len sich  mit  einer  gleichen  Masse,  als  woraus  sie  ursprünglich  be- 
stehen, und  wandeln  sich  in  die  Wirbelkörper  um,  indess  die  Wir- 
belsaite an  den  Stellen,  wo  sie  von  ihnen  umgeben  ist,  immer  mehr 
eingeschnürt  wird  und  allmälig  schwindet.  Bei  den  Amphibien, 
Vögeln  und  Säugethieren  verschwindet  sie  hier  zuletzt  gänzlich, 
nicht  jedoch  auch  bei  den  Grätenfischen.  Zwischen  je  zwei  Wir- 
belkörpern aber  soll  bei  allen  diesen  Thieren  ein  Theil  von  ihr  übrig 
bleiben.  Die  Scheide  dieses  Theiles  soll  dann  zu  einem  Ligamen- 
tum intervertebrale  werden,  der  Kern  aber  verflüssigt  und  entwe- 
der in  ein  Gelenkwasser  umgewandelt,  oder,  wie  bei  den  Säuge- 
thieren, gänzlich  resorbirt  werden.  Dies  ist  aber  bei  den  Säugethie- 
ren, Vögeln  und  Amphibien  nicht  der  Fall,  vielmehr  verschwindet 
bei  ihnen  die  Rückensaite  ganz  und  gar.  Wie  es  sich  damit  bei  den 
Fischen  verhält ,  vermag  ich  noch  nicht  aus  eigener  Erfahrung  zu 
entscheiden. 

Ein  jeder  Wirbelkörper  nebst  seinen  verschiedenen  Ausstrah- 
lungen wird  allmälig  knorplig;  und  nicht  selten  stellen  alle  diese 
verschiedenen  Theile  selbst  dann  noch  ein  zusammenhängendes  Gan- 
zes dar.  Wenn  sich  aber  eineAiisstrahlung  von  dem  Uebrigen  abglie- 
dert, um  zu  einer  Rippe  zu  werden,  wird  an  der  Stelle,  wo  die 
Abgliederung  vor  sich  geht,  die  Masse  hautartig.  Noch  später  verknö- 
chern in  der  Regel  die  genannten  Theile.  Die  Verknöcherung  der 
Wirbelkörper  beginnt  bei  verschiedenen  Thieren  an  verschiedenen 
Stellen  und  schreitet  auch  auf  eine  verschiedene  Weise  vorwärts. 
In  jedem  Schenkel  eines  Wirbelbogens  aber  bildet  sich  nur  ein  ein- 
ziger Knochenkern ,  der  sich  nachher  immer  weiter  ausbreitet  und 
zuletzt  mit  der  Knochenmasse  seines  Wirbelkörpers  zu  verschmel- 
zen pflegt.  Auch  in  jeder  Rippe  bildet  sich  in  der  Regel  nur  ein 
einziger  Knochenkern,  und  dieser  breitet  sich  dann 'so  aus,  dass 

Kathie,  Vorlesungen.  q 


130  VIII.  Von  dem  Skelet. 

zuletzt  entweder  die  ganze  Kippe  verknöchert  ist,  oder  doch  der 
grösste  Theil  derselben,  indess  ein  kleinerer  Theil  knorplig  bleibt 
und  den  sogenannten  Kippenknorpel  ausmacht.  Bei  den  Vögeln 
und  Krokodilen  aber  entsteht  auch  in  dem  unteren  Theile  der  mei- 
sten Rippen,  welcher  Theil  einem  Rippenknorpel  der  Säugethiere 
entspricht,  ein  besonderer  Knochenkern  und  entwickelt  sich  zu 
einer  sogenannten  Brustrippe. 

Wenn  die  aus  der  Belegungsmasse  der  Rückensaite  entstande- 
nen Anlagen  der  Wirbelbeine  verknorpeln,  nimmt  namentlich  bei 
den  Amphibien,  Vögeln  und  Säugethieren  auch  derjenige  Theil 
dieser  Masse,  welcher  zwischen  den  Körpern  je  zweier  künftiger 
Wirbelbeine  seine  Lage  hat,  die  Beschaffenheit  eines  echten  Knor- 
pels an ,  so  dass  dann  von  den  Andeutungen  aller  Wirbelbeinkör- 
per und  den  zwischen  ihnen  gelegenen  und  sie  vereinigenden  Ab- 
schnitten der  Belegungsmasse  ein  einziges  Knorpelrohr  gebildet 
ist,  das  aber  meistens  an  den  auf  einander  folgenden  Stellen  ab- 
wechselnd dicker  und  dünner  erscheint.  Später  indess  entsteht  in 
dem  Halse  der  Vögel  und  der  meisten  Schildkröten  in  dieser  Knor- 
pelmasse zwischen  je  zwei  Wirbelbeinkörpern,  und  zwar  zu  einer 
Zeit,  da  die  Rückensaite  noch  nicht  ganz  vergangen  ist,  durch  Re- 
sorption eine  senkrechte  Spalte,  und  darauf  um  diese  herum  durch 
eine  neue  Zellenbildung  eine  seröse  Haut,  die  nunmehr  mit  dem 
Perichondrium ,  welches  von  einem  Wirbel  auf  den  andern  über- 
geht, eine  Gelenkkapsel  darstellt.  Bei  den  Säugethieren  und  Kro- 
kodilen wandelt  sich  dieser  Zwischenknorpel  beinahe  zwischen  al- 
len Wirbelbeinkörpern  allmälig  in  einen  unechten  Knorpel,  und 
zwar  in  einen  Faserknorpel  (das  Ligamentum  intervertebrale)  um. 
Eben  dasselbe  ist  auch  der  Fall  am  Schwänze  der  Vögel  und  Schild- 
kröten, desgleichen  in  dem  Halse  der  Seeschildkröten.  In  dem 
Rumpfe  der  Schildkröten  bleibt  der  Zwischenknorpel  je  zweier 
Wirbelbeinkörper,  während  diese  verknöchern,  als  ein  echter  Knor- 
pel bestehen ,  so  dass  demnach  bei  ihnen  die  Rumpfwirbel  unter 
einander  für  immer  durch  Synchondrosen  verbunden  sind.  Bei  den 
Vögeln  aber  verknöchern  die  Zwischenknorpel  der  meisten  Rumpf- 
wirbel, ohne  vorher  eine  andere  Veränderung  erfahren  zu  haben, 
und  eben  dasselbe  ist  der  Fall  bei  den  Säugethieren  in  demjenigen 


VIII.  Von  dem  Skelet.  131 

Abschnitte  der  Wirbelsäule,  welcher  das  aus  mehrern  Wirbeln  zu- 
sammengesetzte Kreuzbein  darstellt. 

Sehr  abweichend  von  der  Regel  ist  nach  meinen  Untersuchun- 
gen an  der  Natter,  den  Krokodilen  und  den  Schildkröten,  wie  nach 
den  Untersuchungen  Bergmanns  an  Vögeln  und  Säugethieren,  die 
Entwickelung  der  vordersten  beiden  Wirbelbeine  bei  denjenigen 
Wirbelthieren,  welche  über  den  Batrachiern  stehen.  An  der  untern 
Seite  des  Körpers  des  Atlas  bildet  sich  in  einem  hervorgewucherten 
Theile  desselben  ein  besonderer  Knochenkern  als  ein  accessorisches 
Wirbelelement,  und  dieses  verschmilzt  darauf,  an  Breite  zuneh- 
mend, mit  der  Knochenmasse  der  Seitentheile ,  also  der  Bogen- 
schenkel.  Dagegen  löst  sich  der  Körper  des  Atlas,  durch  den  die 
Rückensaite  wie  durch  die  Körper  der  übrigen  Wirbel  hindurch 
läuft,  von  seinen  Seitentheilen  und  auch  von  jenem  Knochenkern 
allmälig  los,  verwächst  dafür  aber  mit  dem  Körper  des  Epistro- 
pheus,  und  stellt  nunmehr  den  Process.  odontoidens  dieses  Wirbels 
dar.  Demnach  ist  also  der  gewöhnlich  für  den  Körper  oder  untern 
Bogen  des  Atlas  gehaltene  Theil  keineswegs  den  Körpern  anderer 
Wirbelbeine  gl  eichbedeutend. 

Andre  besonders  beachtenswerthe  Abweichungen  von  der  ge- 
wöhnlichen Entwickelung  der  Wirbel  kommen  bei  einigen  Knor- 
pelfischen vor.  So  entstehen  bei  Neunaugen  und  Lampreten  aus 
der  Belegungsmasse  der  Wirbelsaite  nur  einige  wenige  und  sehr 
kleine  Andeutungen  von  Wirbelkörpern,  dagegen  Paare  von  Wir- 
belbogenschenkeln  in  weit  grösserer  Zahl  und  meistens  auch  von 
erheblicherer  Grösse.  Bei  den  Plagiostomen  aber  findet  man  zwi- 
schen je  zwei  Wirbelbogen,  wo  bei  andern  Thieren  die  Ligamenta 
intercruralia  vorkommen,  ein  Paar  Knorpelplatten  als  Füllung  ein- 
geschaltet. 

§.  55. 

Wenn  bei  den  Säugethieren,  Vögeln  und  Krokodilen  die  Rip- 
pen im  Verhältniss  zu  dem  Umfange  der  Brust  noch  eine  geringe 
Länge  haben,  paarweise  mit  ihren  untern  Enden  noch  weit  ausein- 
ander stehen  und  auch  noch  keine  Spur  von  Verknöcherung  zei- 
gen, bildet  sich  dicht  unter   denselben  in  jeder  Seitenhälfte    der 

9* 


132  VIII.  Von  dem  Skelet. 

Brust  ein  schmaler  von  vorn  nach  hinten  verlaufender  Knorpel- 
streifen, der  nun  die  meisten  Bippen  seiner  Seite  wie  ein  Band 
vereinigt.  Während  sich  aber  die  Kippen  immer  mehr  verlängern, 
rücken  jene  beiden  Streifen  einander  immer  näher,  legen  sich  dar- 
auf der  Länge  nach  an  einander,  und  zwar  zuerst  an  ihren  vordem, 
zuletzt  an  ihren  hintern  Enden,  verwachsen  mit  einander,  verknö- 
chern noch  später,  und  stellen  überhaupt  das  Brustbein  dar. 

§.  56. 

Wie  ein  gewöhnliches  Wirbelbein,  bildet  und  entwickelt  sich 
im  Allgemeinen  auch  das  Hinter- Haupt-Bein,  und  die  Abweichun- 
gen ,  die'  dieses  darbietet ,  beruhen  hauptsächlich  darauf,  dass  es 
einen  weit  grössern  Raum  zu  umfassen  hat,  als  die  einzelnen  hinter 
ihm  liegenden  Wirbel.  Sein  Grundtheil  entspricht  dem  Körper 
eines  Wirbels  und  bildet  sich  um  das  Kopfstück  der  Rückensaite 
ganz  so  wie  ein  solcher,  seine  Seitentheile  aber,  die  aus  dem  Grund- 
stücke hervorwachsen,  entsprechen  den  Bogenschenkeln  eines  Wir- 
bels und  kommen  auch  bei  manchen  Thieren ,  wie  diese ,  oben  zu- 
sammen und  verwachsen  zu  einem  Bogen,  z.  B.  bei  mehreren  Am- 
phibien. Mitunter  jedoch  bleiben  die  Seitentheile  getrennt,  und 
dann  bildet  sich  oben  zwischen  ihnen,  zum  Schutze  für  das  Gehirn, 
aus  einem  fibrösen  Gewebe  eine  Knochenplatte  (Schaltknochen, 
Os  intercalare),  nämlich  die  Schuppe  des  Hinterhauptbeins.  In  an- 
dern Fällen,  z.  B.  bei  einigen  Säugethieren ,  entwickelt  sich  diese 
Schuppe  aus  einem  fibrösen  Gewebe ,  obgleich  die  Seitentheile  des 
Hinterhauptbeins  sich  zu  einem  Bogen  vereinigt  haben. 

Der  über  die  Rückensaite  hinausreichende  tafelförmige  Theil 
der  Belegungsmasse  wird  jedenfalls  knorplig,  und  darauf  bildet 
sich  in  ihm  bei  denjenigen  Wirbel  thieren,  welche  über  den  Batra- 
chiern  stehen,  eine  Knochentafel,  die  eine  mehr  oder  weniger 
grosse  Dicke  erlangt  und  der  Körper  des  hinteren  Keilbeins  ist. 
Seitwärts  aber  wachsen  aus  jenen  Theilen  bei  sehr  vielen  Wirbel- 
thieren  zwei  Knorpelplatten  in  die  Seitenwände  des  Kopfes  hinein, 
die  nachher  gänzlich  oder  zum  Theil  verknöchern  und  die  Seiten- 
theile oder  Flügel  des  hinteren  Keilbeins  darstellen.  Zwischen  die- 
sen Flügeln  und  den  Seitentheilen  des  Hinterhauptbeins  befindet 


VIII.  Von  dem  Skelet.  133 

sich  das  Felsenbein ,  das  noch  früher  seine  Entstehung  nahm,  dem 
Gehörorgan  angehört,  und  keinem  Theile  eines  Wirbels  gleich  zu 
stellen  ist.  Bei  Fischen  und  Amphibien  füllt  es  für  sich  allein  die 
Lücke  zwischen  jenen  Theilen  ganz  aus,  bei  den  Vögeln  aber  und 
den  Säugethieren ,  deren  Gehirn  einen  grossem  Umfang  gewinnt, 
gesellt  sich  ihm  zur  Ausfüllung  jener  Lücke  noch  ein  besonderer 
Schaltknochen ,  die  Schläfenbeinschuppe,  und  bei  den  Säugethie- 
ren auch  noch  ein  zweites  solches  Knochenstück,  die  Pars  mastoi- 
dea,  zu. 

Die  paarigen  Balken  des  Schädels  rücken  bei  den  Säugethie- 
ren, und  das  schon  sehr  frühe,  nach  ihrer  ganzen  Länge  dicht  zu- 
sammen und  verschmelzen.  Bei  den  übrigen  Wirbelthieren  bleibt 
zwischen  ihnen,  selbst  nachdem  sie  verknorpelt  sind,  hinten  eine 
mehr  oder  weniger  grosse  Lücke.  In  dieser  nun  bildet  sich  bei  vie- 
len beschuppten  Amphibien  und  den  Vögeln  ein  besonderes  Kno- 
chenstück, der  Körper  des  vorderen  Keilbeins.  Bei  den  Gräten- 
fischen aber  und  den  Batrachiern  füllt  sich  die  Lücke  erst  mit  Bin- 
degewebe und  darauf  in  der  Regel  mit  Knorpelsubstanz  aus.  Unter 
dieser  Masse  aber,  zwischen  ihr  und  der  Schleimhaut  der  Rachen- 
höhle,  bildet  sich  bei  Grätenfischen  und  Batrachiern  eine  Knochen- 
tafel,  die  sich  gewöhnlich  bis  unter  das  Hinterhauptbein  verlän- 
gert, und  den  Körper  beider  Keilbeine  ersetzt.  Unter  den  Säuge- 
thieren bildet  sich  nur  bei  einigen  ein  vorderer  Keilbeinkörper;  wo 
aber  und  wie  dieser  entsteht,  ist  noch  nicht  ermittelt.  —  Uebrigens 
bleibt  derjenige  Theil  der  Schädelbalken,  zwischen  oder  unter  wel- 
chem der  Körper  des  vorderen  Keilbeins  entsteht,  bei  manchen 
Thieren,  z.  B.  den  Schlangen  und  Fröschen,  zeitlebens  und  zwar 
in  einem  knorpligen  Zustande  zurück;  bei  andern  aber,  z.  B.  bei 
manchen  Grätenfischen,  wird  er  allmälig  resorbirt.  Nach  aussen 
senden  die  Balken  des  Schädels  aus  ihrem  hinteren  Theile  bei  vie- 
len, doch  nicht  bei  allen  Wirbelthieren,  zwei  Fortsätze  aus,  die  den 
Flügeln  des  hinteren  Keilbeins  mehr  oder  weniger  ähnlich  sind 
und  zu  den  Flügeln  des  vorderen  Keilbeins  sich  entwickeln.  Un- 
ter andern  fehlen  sie  bei  den  Eidechsen  und  Vögeln.  Bei  manchen 
Grätenfischen  und  bei  den  Schildkröten  wachsen  die  vier  Flügel 
des  Keilbeins,  wie  die  Bogenschenkel  eines  Wirbels,  so  mächtig  in 


134  VIII.  Von  dem  Skelet. 

die  Höhe,  dass  sie  zuletzt  paarweise  über  dem  Gehirn  zusammen- 
stossen,  bleiben  aber  entweder  gänzlich,  oder  doch  in  ihren  obern 
Theilen  knorplig.  Dicht  auf  ihnen,  aber  unabhängig  von  ihnen, 
bilden  sich  dann  aus  einem  fibrösen  Gewebe  die  Scheitelbeine  und 
Stirnbeine.  Bei  andern  Wirbel thieren  aber  ist  ihr  Wachsthum  viel 
beschränkter,  und  bei  diesen  bilden  sich  dann  zur  Ergänzung  und 
zum  Schutze  für  das  Gehirn  in  der  fibrösen  Bekleidung  desselben 
als  zwei  Paar  Schaltknochen  die  Scheitelbeine  und  Stirnbeine. 

Die  vordem  Enden  der  Schädelbalken,  w eiche  Enden  in  den 
Stirnfortsatz  hineinreichen  und  schon  frühe  dicht  beisammen  lie- 
gen, verwachsen  sehr  bald  mit  einander,  und  nehmen  mit  dem 
Stirnfortsatze  gleichmässig  an  Länge  und  Höhe  zu ,  so  dass  sie  bei 
denjenigen  Thieren,  deren  Geruchs  Werkzeuge  einen  grössern  Um- 
fang gewinnen,  nach  einiger  Zeit  eine  zwischen  diesen  befindliche 
und  mehr  oder  weniger  hohe  tafelförmige  Scheidewand  darstellen. 
Ausserdem  aber  nehmen  auch  bei  denjenigen  Thieren,  welche  sehr 
grosse  Augen  erhalten,  wie  z.  B.  die  Vögel  und  der  Schwertfisch, 
die  zunächst  hinter  den  Geruchsorganen  liegenden  und  ebenfalls 
verschmelzenden  Theile  der  Schädelbalken  beträchtlich  an  Höhe 
zu,  so  dass  bei  ihnen  die  Scheidewand  der  Nasenhöhlen  sich  nach 
hinten  weiter  fortsetzt  und  auch  zwischen  den  Augen  eine  Scheide- 
wand bildet.  Die  erwähnte  Wand  wird  zwischen  den  Nasenhöhlen 
knorplig  und  dann  auch  zum  grössern  oder  kleinern  Theil  knöchern. 
Das  daselbst  entstandene  Knochenstück  ist  nun  die  Lamina  per- 
pendicularis  des  Siebbeins.  Der  zwischen  den  Augen  liegende  Theil 
der  Scheidewand  wird  entweder  völlig  knöchern ,  oder  es  verknö- 
chert nur  ein  Theil  von  ihm,  indess  ein  anderer  hautartig  wird. 
Auf  der  Grenze  aber  zwischen  dem  Nasentheile  und  dem  Augen- 
theile  der  Scheidewand  entstehen  aus  dieser  bei  manchen  Fischen 
und  Vögeln  seitliche  Auswüchse,  über  welchen  oder  durch  welche 
die  Geruchsnerven  zu  den  Nasenhöhlen  gehen.  Ausserdem  aber 
wachsen  in  der  Regel,  nämlich  mit  Ausnahme  der  Fische,  aus  dem 
obern  Rande  der  Nasenscheidewand  zwei  Flügel  in  die  schon  früher 
erwähnten  Nasendächer  hinein  und  entwickeln  sich  zu  den  Riech- 
beinen und  den  seitlichen  Nasenknorpeln.  Auf  jenen  Flügeln, 
doch  unabhängig  von  ihnen ,  bilden  sich  die  Nasenbeine.    Vor  der 


VIII.  Von  dem  Skelet.  135 

Nasenscheidewand,  in  dem  vordersten  Theile  des  Stirnfortsatzes, 
entstehen  die  Zwischenkieferbeine.  Unter  der  Nasenscheidewand 
aber  bildet  sich  bei  den  Sängethieren,  Vögeln  und  vielen  Fischen 
ein  längliches,  mehr  oder  weniger  tafelförmiges  und  unpaariges 
Knochenstück,  der  Vomer. 

§•   57. 

Bei  den  Plagiostomen  im  Allgemeinen  entsteht  in  dem  dritten 
und  jedem  der  folgenden  Schlundbogen  >  also  am  Halse  und  in 
Körpertheilen ,  in  denen  die  verschiedenen  Blätter  der  Keimhaut 
nicht  auseinander  weichen,  unter  der  Hautbedeckung  ein  aus  feste- 
rer Substanz  bestehender  und  durch  den  Bogen  von  oben  nach  un- 
ten herablaufender  Streifen,  der  oben  mit  der  Belegungsmasse  der 
Rückensaite  zusammenhängt  und  überhaupt  in  seinem  Auftreten 
sich  so  verhält,  wie  eine  Rippe.  Allmälig  aber  wird  er  in  seiner 
Mitte  entweder  hautartig  oder  löst  sich  ganz  auf,  in  seinem  übrigen 
Theile  dagegen  wird  er  knorpelartig.  In  ähnlicher  Weise  entste- 
hen wahrscheinlich  auch  die  Knorpel ,  welche  bei  manchen  Cyclo- 
stomen  die  Kiemen  von  den  Seiten  umgeben.  Unten  hängen  diese 
Knorpelstreifen  bei  Ammocoetes  und  einigen  Haien  in  jeder  Seiten- 
hälite  durch  einen  mit  ihnen  verschmolzenen  Längsstreifen,  wie 
die  Rippen  der  höhern  Wirbelthiere  in  einer  frühern  Entwicke- 
lungszeit,  zusammen ;  bei  den  Netmaugen  aber  und  Lampreten  ver- 
bindet sie  alle  ein  breiterer,  unpaariger,  an  der  unteren  Seite  des 
Halses  liegender  und  ein  ausgebildetes  Brustbein  darstellender 
Knorpelstreifen.  Demnach  wiederholen  alle  diese  Theile  zusam- 
mengenommen in  mehrfacher  Hinsicht  den  Brustkorb  höherer 
Thiere,  obgleich  sie  eigentlich  dem  Halse  angehören. 

Bei  den  Plagiostomen,  den  Stören  und  den  Gräteniischen  aber 
entstehen  in  eben  denselben  Kiemenbogen,  jedoch  an  deren  innerm 
Rande,  also  zunächst  der  Schleimhaut  der  Rachenhöhle,  und  unab- 
hängig von  der  Belegungsmasse  der  Rückensaite,  Knorpelstreifen, 
die  sich  einmal  oder  mehrmals  gliedern,  bei  den  Grätenfischen 
nachher  auch  verknöchern,  und  dazu  bestimmt  sind,  die  Kiemen 
zu  stützen  und  gespannt  zu  erhalten.  Nach  ihrer  Lage  zu  urthei- 
len,  entstehen  sie  aus  dem  organischen  (oder  vegetativen)  Frucht- 


136  VIIL  Von  dem  Skelet. 

blatt  und  können  theils  deshalb,  theils  auch,  weil  sich  bei  den  Pla- 
giostomen  nach  aussen  von  ihnen  Skeletstüeke  bilden,  welche  den 
Rippen  der  Brust  entsprechen,  nicht  für  Wiederholungen  von  Rip- 
pen gehalten  werden,  obgleich  sie  nach  dem  Schema  derselben  sich 
bilden ,  sondern  müssen  für  eine  besondere  Art  von  Theilen  ange- 
sehen werden.  Uebrigens  entstehen  zwischen  den  unteren  Enden 
der  beiden  Reihen  dieser  Bogen  nicht  selten  mehrere  kleine  Skelet- 
stüeke als  Schaltknochen,  durch  welche  das  Gerüste  für  die  Kie- 
men vervollständigt  wird. 

Ein  ähnliches  derartiges  Gerüste  bildet  sich  für  die  Kiemen 
auch  bei  den  Batrachiern.  Bei  denjenigen,  welche  nachher  die  Kie- 
men verlieren,  bleibt  es  nur  knorplig,  bei  denjenigen  aber,  welche 
die  Kiemen  zeitlebens  behalten,  verknöchert  es  grösstentheils  oder 
gänzlich,  und  ist  auch  vielfach  gegliedert. 

§.  58. 

Wie  sich  bei  den  Plagiostomen  in  denjenigen  Schlundbogen, 
welche  sich  zu  wahren  Kiemen  entwickeln,  dem  Skelet  ungehörige 
Bogen  bilden,  die  mit  der  Belegungsmasse  der  Rückensaite  zusam- 
menhängen und  allem  Anscheine  nach  dem  animalen  Fruchtblatte 
ihre  Entstehung  verdanken ,  so  bildet  sich  bei  eben  denselben  und 
allen  übrigen  Wirbelthieren,  mit  Ausnahme  mancher  Cyclostomen, 
auch  in  jedem  der  beiden  vorderen  Schlundbogen  einer  jeden  Sei- 
tenhälfte ein  dem  Skelete  angehöriger  und  aus  dem  animalen 
Fruchtblatte  entspringender  Bogen,  der  mit  der  Belegungsmasse 
der  Rückensaite  zusammenhängt,  oder  vielmehr  von  ihr  auszuge- 
hen scheint.  Und  dasselbe  ist  bei  den  Säugethieren  und  den  mei- 
sten Sauriern  auch  in  dem  dritten  Schlundbogen  der  Fall.  Diese 
anfangs  aus  einer  festen  sulzigen  Masse  bestehenden  Streifen  neh- 
men bei  den  verschiedenen  Thieren  und  selbst  bei  einem  und  dem- 
selben Thiere  einen  sehr  verschiedenen  Entwickelungsgang. 

Die  Streifen  des  zweiten  Bogenpaares  entwickeln  sich  bei  den 
Fischen  ganz  und  gar  zu  dem  Zungenbein,  das  bei  ihnen  nur  aus 
zwei  Hörnern  und  einem  kleinen  zwischen  jenen  gelegenen  Schalt- 
stücke besteht,  welches  letztere  seinen  Körper  darstellt.  Bei  ande- 
ren Thieren,  namentlich  den  beschuppten  Amphibien,  den  Vögeln 


VIII.  Von  dem  Skelet.  137 

und  Säugethieren,  theilt  sich  ein  jeder  Streifen  des  zweiten  Bogen- 
paares,  nachdem  er  sich  zuvor  von  der  Belegungsmasse  der  Bücken- 
saite abgelöst  hat,  in  zwei  an  Grösse  ungleiche  und  auseinander 
weichende  Hälften.  Die  obere  viel  kleinere  rückt  sodann  etwas 
nach  oben  auf  die  Ohrkapsel  oder  das  künftige  Felsenbein  und  ent- 
wickelt sich  hierauf,  während  an  der  von  ihr  berührten  Stelle  der 
Ohrkapsel  das  eirunde  Fenster  entsteht,  zu  einem  Gehörknöchel- 
chen, nämlich  bei  den  Säugethieren  zu  dem  Steigbügel,  bei  den 
Vögeln  und  beschuppten  Amphibien  zu  der  Qolumella  und  dem 
Operculum.  Die  untere  Hälfte  dagegen  entwickelt  sich  bei  den 
Vögeln  und  beschuppten  Amphibien  zu  einem  Zungenbeinhorn, 
bei  den  Säugethieren  aber  ausser  zu  einem  solchen,  namentlich  zu 
dem  vordem  Zungenbeinhorn,  auch  (nach  Reicherts  Angabe)  zu 
einem  den  Canalis  Fallopii  von  hinten  her  verschliessenden  Theile 
des  Felsenbeines ,  und  bei  dem  Menschen  ausserdem  noch  zu  dem 
Processus  styloideus  und  dem  Suspensorium  des  Zungenbeines.  Die 
hintern  Hörner  des  Zungenbeins  entstehen  bei  den  Säugethieren 
aus  dem  dritten  Paare  der  Schlundbogen  und  der  Körper  des  Zun- 
genbeins zwischen  diesen  Hörnern  in  der  Mitte.  Was  übrigens  die- 
jenigen Batra einer  anbelangt,  welche  die  Kiemen  verlieren,  so  wird 
bei  ihnen  der  grössere  Theil  des  für  die  Kiemen  bestimmten  knorp- 
ligen Gerüstes  dann  ebenfalls  resorbirt,  ein  kleiner  Theil  aber 
bleibt  zurück,  verbindet  sich  mit  den  in  dem  zweiten  Schlundbo- 
genpaar  entstandenen  Hörnern  des  Zungenbeins,  und  dient  da- 
durch zur  Vergrösserung  des  letztern. 

§.  59. 

Von  den  beiden  sulzigen,  festen  Streifen,  welche  sich  in  dem 
vordersten  Paar  der  Schlundbogen  bilden,  sendet  ein  jeder  schon 
sehr  frühe  unter  einem  fast  rechten  Winkel  an  seinem  obern  Ende 
einen  Ast  in  den  Oberkieferfortsatz  hinein,  der  mit  diesem  gleich- 
massig  an  Länge  zunimmt  und  nach  einiger  Zeit  sich  von  dem  er- 
wähnten Streifen  abgliedert.  Verschieden  nun  ist  die  weitere  Ent- 
wickelung  dieses  Streifens  selbst.  Bei  den  Säugethieren  theilt  er 
sich  bald  in  zwei  an  Grösse  vmgleiche  Stücke,  von  denen  das  obere 
kleinere  zu  dem  Ambos  des  Ohres  wird.    Das  untere  viel  längere 


138  VIII.  Von  dem  Skelet. 

aber,  das  übrigens  an  dem  künftigen  Kinnwinkel  mit  dem  der  an- 
deren Seite  in  Berührung  kommt  und  in  seinem  knorpligen  Zu- 
stande der  MECKELsche  Knorpel  heisst,  schwillt  an  seinen  oberen 
Enden  stärker  an,  sendet  dann  in  das  Trommelfell  einen  Fortsatz 
hinein,  und  entwickelt  sich  überhaupt  zu  dem  Hammer  des  Ohres. 
Um  den  griffeiförmig  bleibenden  Theil  dieses  Knorpels  bilden  sich 
mehrere  dünne  Knochenstreifen,  die  ihn  wie  die  bei  Beinbrüchen 
angewandten  Schienen  umgeben,  darauf  zusammenschmelzen  und 
nun  eine  Seitenhälfte  des  Unterkiefers  darstellen.  Inzwischen  ver- 
kürzt sich  und  verkümmert  der  griffeiförmige  Theil  des  Meckel- 
schen  Knorpels,  und  was  von  ihm  noch  übrig  bleibt,  stellt,  nach- 
dem es  verknöchert  ist,  den  langen  Fortsatz  des  Hammers  dar.  — 
Auch  bei  den  übrigen  Wirbelthieren  theilt  sich  der  sulzige  Streifen 
des  vordersten  Schlundbogens  in  zwei  Stücke.  Das  obere  kleinere 
entwickelt  sich  aber  bei  ihnen  nach  Reicherts  Angabe  nicht  zu 
einem  Ambos,  sondern  zu  dem  Quadratbein,  das  übrigens  beson- 
ders bei  den  Schlangen  allmälig  über  das  Felsenbein  nach  hinten 
hinausrückt.  Und  was  den  MECKELschen  Knorpel  anbetrifft,  so 
bleibt  er,  wenn  sich  um  ihn  der  Unterkiefer  zu  bilden  begonnen 
hat,  in  seinem  Wachs thum  hinter  diesem  mehr  oder  weniger  zu- 
rück, so  dass  er  im  Verhältniss  zu  demselben,  je  später,  desto  kür- 
zer erscheint.  Doch  bleibt  er  bei  den  Grätenfischen  und  Schlangen 
in  einem  knorpligen  Zustande,  in  dem  Unterkiefer  eingeschlossen, 
das  ganze  Leben  hindurch  zurück.  Bei  den  Krokodilen  aber,  des- 
gleichen bei  den  Schildkröten  und  Vögeln ,  wird  er  grösstentheils 
resorbirt  und  nur  sein  hinterster  Theil  bleibt  zurück,  vergrössert 
sich,  verknöchert  und  macht  das  Gelenkstück  des  Unterkiefers  aus. 
—  Bei  den  Plagiostomen  und  Sturionen  bilden  sich  keine  Schienen 
um  die  MECKELschen  Knorpel,  vielmehr  stellen  diese,  wie  es  den 
Anschein  hat,  für  sich  allein  den  Unterkiefer  dar. 

Nach  aussen  von  dem  Felsenbein  und  den  Gehörknöchelchen, 
und  zwar  unabhängig  von  ihnen ,  entwickelt  sich  bei  den  Säuge- 
thieren  in  der  Bildungsmasse  des  Kopfes  ein  besonderes  Knochen- 
stück, das  zu  einer  geAvissen  Zeit  einen  Halbring,  den  Annulus 
tympanicus,  darstellt,  nachher  mit  dem  Felsenbein  und  der  Schuppe 
des  Schläfenbeins  verwächst,  bei  den  verschiedenen  Arten  der  Sau- 


VIII.  Von  dem  Skelet.  139 

gethiere  sehr  verschiedene  Formen  erhält,  und  von  den  Zootomen 
das  Paukenbein  genannt  wird.  Bei  den  Schlangen  bildet  sich  ein 
solcher  Knochen  über  dem  Quadratbein;  er  trägt  nichts  zur  Zu- 
sammensetzung einer  Paukenhöhle  bei,  die  hier  überhaupt  fehlt, 
sondern  ward  zu  einer  oblongen  Tafel,  und  verbindet  sich  durch 
Bandmasse  so  mit  dem  obern  Ende  des  Quadratbeins ,  dass  er  mit 
diesem  ein  Knie  bildet.  Bei  den  Grätenfischen  ist  wahrscheinlich 
das  Praeoperculum  der  Repräsentant  des  Paukenbeins  höherer 
Wirbelthiere. 

Der  Ast,  welchen  der  sulzige  festere  Streifen  des  vordersten 
Schlundbogens  in  den  Oberkieferfortsatz  gesendet  hatte,  gliedert 
sich,  nachdem  jener  Fortsatz  nach  vorne  schon  über  das  Auge  hin- 
aus gewachsen  ist,  in  zwei  Hälften.  Die  vordere  entwickelt  sich 
darauf  zu  dem  Gaumenbein ,  die  hintere  zu  dem  Flügelbein ,  und 
dieses  letztere  schliesst  sich  bei  den  Säugethieren  so  innig  dem  Keil- 
bein an,  dass  es  zuletzt  einen  Fortsatz  desselben,  den  Processus 
pterygoideus,  darstellt.  An  der  äusseren  Seite  des  erwähnten  Astes 
aber  bildet  sich,  gleichsam  als  eine  Belegung  von  ihm,  wie  der  Un- 
terkiefer an  dem  MECKELschen  Knorpel,  in  der  Substanz  des  Ober- 
kieferfortsatzes ein  festerer  Längsstreifen,  und  dieser  entwickelt 
sich  bei  vielen  Thieren,  z.  B.  bei  den  Vögeln  und  den  meisten  Säu- 
gethieren ,  zu  dem  Jochbein  und  Oberkieferbein ,  bei  manchen  an- 
dern Thieren  aber,  z.  B.  bei  den  Grätenfischen  und  Schlangen, 
nur  zu  einem  Oberkieferbein,  das  mit  dem  Schläfenbein  in  keiner 
Verbindung  steht.  Den  Plagiostomen  spricht  man  sogar  einen 
Oberkiefer  ab. 

§.  60. 

Nicht  von  allen,  sondern  nur  von  einigen  Knochen  des  Ko- 
pfes ist  die  Grundlage,  oder  das  Muttergewebe,  aus  dem  sie  sich 
entwickeln,  Knorpelsubstanz.  Es  sind  dies  im  Allgemeinen  solche, 
welche  aus  demjenigen  Theile  der  Belegungsmasse  der  Rücken- 
saite, welcher  dem  Kopfe  angehört,  und  aus  den  verschiedenen 
Fortsätzen  oder  Ausstrahlungen  dieses  Theiles  ihren  Ursprung  neh- 
men. Es  sind  dies  also  namentlich  das  Hinterhauptbein  ( jedoch 
mit  Ausnahme  des  obersten  und  anfangs  getrennten  Theiles  seiner 


140  VIII.  Von  dem  Skelet. 

Schuppe  bei  einigen  Säugethieren) ,  das  hintere  Keilbein,  die  Flü- 
gel des  vorderen  Keilbeins ,  das  Siebbein  und  die  unteren  Riech- 
muscheln; ferner  die  Gehörknöchelchen,  die  Quadratbeine,  und  bei 
vielen  von  denjenigen  Thieren,  welche  Quadratbeine  besitzen,  auch 
die  Gelenkstücke  des  Unterkiefers,  wie  ausserdem  das  Zungenbein. 
Ob  eben  dasselbe  auch  von  den  Flügelbeinen  und  Gaumenbeinen 
gilt,  ist  noch  nicht  hinreichend  ermittelt;  dochlässt  sich  mit  Wahr- 
scheinlichkeit annehmen,  dass  sie  gleichfalls  einen  Knorpel  zur 
Grundlage  haben.  Unabhängig  von  der  Belegungsmasse  der 
Rückensaite  entwickeln  sich  von  den  Knochen  des  Kopfes  nur  al- 
lein die  Felsenbeine  aus  einem  Knorpel.  Alle  übrigen  Knochen 
des  Kopfes  hingegen,  welche  nicht  aus  der  Belegungsmasse  der 
Rückensaite  ihren  Ursprung  nehmen,  haben  ein  fibröses  Gewebe 
als  Vorläufer  und  Grundlage,  also  namentlich  die  Scheitelbeine, 
Stirnbeine,  Nasenbein,  Thränenbein,  Zwischenkieferbeine,  Ober- 
kieferbeine, Jochbeine,  die  Schuppentheile  und  Zitzentheile  der 
Schläfenbeine  höherer  Wirbelthiere,  die  Paukenbeine,  der  Unter- 
kiefer mit  Ausnahme  seiner  Gelenkstücke  bei  vielen  von  denjeni- 
gen Wirbel  thieren ,  welche  Quadratbeine  besitzen,  und  die  Pflug- 
schar. Auch  gehört  hierher  wahrscheinlich  der  Körper  des  vorde- 
ren Keilbeins,  wo  er  nur  irgend  vorkommt.  Merkwürdig  ist  es 
übrigens,  dass  einige  von  diesen  Knochen,  welche  sich  aus  einem 
fibrösen  Gewebe  entwickeln,  wie  z.  B.  die  Schuppe  der  Schläfen- 
beine, nachher  mit  Knochen,  welche  einen  Knorpel  zum  Mutter- 
gewebe haben,  innig  verschmelzen. 

§■  61. 

Die  Skeletstücke  der  Extremitäten,  sogar  diejenigen,  welche 
den  übrigen  einer  jeden  Extremität  als  Stützen  dienen,  also  selbst 
das  ganze  Schultergerüste  und  das  Becken,  mit  Ausnahme  jedoch 
des  Kreuzbeins ,  bilden  sich  ganz  unabhängig  von  der  Belegungs- 
masse der  Rückensaite.  Wenn  man  also  bei  einem  erwachsenen 
Thiere  das  Becken  oder  das  Schultergerüste  mit  der  Wirbelsäule, 
oder  bei  den  meisten  Grätenfischen  das  letztere  mit  dem  Kopf 
durch  Ligamente  innig  verbunden   oder   sogar   damit  verwachsen 


VIII.  Von  dem  Skelet.  141 

findet,  so  ist  diese  Vereinigung  erst  das  Werk  einer  etwas  spätem 
Ent  wickelung. 

Die  Grundlage  aller  Skeletstücke  einer  Extremität  bildet  an- 
fangs einen  einzigen  ungetheilten  Körper,  und  dieser  lässt  sich  in 
Hinsicht  seiner  Form  einigermassen  mit  einem  Baume  vergleichen, 
indem  der  mittlere  Theil  des  Körpers  gleichsam  einen  Stamm,  das 
eine  für  eine  Seitenhälfte  des  Schultergerüstes  oder  des  Beckens 
bestimmte  Ende  die  Wurzel ,  und  das  andere  in  eine  grössere  oder 
geringere  Zahl  von  Strahlen  auslaufende  Ende  die  Zweige  darstellt. 
Erst  wenn  alle  diese  Theile  schon  angelegt  worden  sind  und  in  der 
ganzen  Masse  derselben  die  Verknorpelung  beginnen  will,  gliedert 
oder  theilt  sie  sich  in  mehrere  Stücke,  die  sich  nunmehr  zu  eben  so 
A'ielen  einzelnen  Knorpeln  oder  Knochen  entwickeln.  Doch  ver- 
schmelzen bei  manchen  Thieren  späterhin  wieder  einige  von  diesen 
Stücken  aufs  innigste,  wie  namentlich  die  Metacarpen  und  Meta- 
tarsen  der  Wiederkäuer. 


§.  62. 

Aus  den  Untersuchungen  über  die  Entwicklung  des  Skeletes 
ergeben  sich  unter  andern  folgende  Endresultate. 

1.  Aus  der  Belegungsmasse  der  Kückensaite  entwickeln  sich 
die  eigentlichen  Wirbelbeine,  das  Hinterhauptbein,  der  Körper  des 
hintern  Keilbeins,  die  Flügel  der  Keilbeine  und  das  ganze  Biech- 
bein. Man  kann  mithin  das  Biechbein  oder  doch  den  mittlem  Theil 
desselben  für  das  vordere  Ende  der  Wirbelsäule  ansehen. 

2.  Das  Hinterhauptbein  entwickelt  sich  ganz  nach  der  Weise 
eines  Wirbelbeines.  Mehr  schon  weicht  von  einem  solchen  das  hin- 
tere und  noch  weit  mehr  das  vordere  Keilbein  in  seiner  Entwicke- 
lung  ab.  Doch  umschliessen  sie  beide,  wie  die  meisten  Wirbel, 
noch  besondere  Abschnitte  der  Centraltheile  des  Nervensystems, 
nämlich  diej  enigen  Parthien,  welche  sich  aus  der  mittlem  und  vor- 
dem Hirnblase  entwickeln.  Das  Biechbein  aber,  oder  doch  der 
mittlere  Theil  desselben,  ähnelt  in  seiner  Entwickelung  und  in  seiner 
Form  am  meisten  dem  letzten  Schwanz wirbel  der  Vögel  und  fast 
aller  Grätenfische,  welcher  Wirbel  ebenfalls  keinen  Bogenschenkel 


142  VIII.  Von  dem  Skelet. 

erhält,  auch  keinen  Centraltheil  des  Nervensystems   einschliesst, 
und  eine  senkrecht  stehende  Tafel  darstellt. 

3.  Auch  in  dem  Kopfe  lassen  sich  also  einige,  obgleich  mehr 
oder  weniger  modificirte  Wirbelbeine  erkennen.  Doch  lassen  sich 
höchstens  nur  vier  Schädel wirbel  annehmen ,  und  diese  weichen  in 
ihrer  Bildung  von  vollständig  entwickelten  gewöhnlichen  Wirbeln 
um  so  mehr  ab,  je  weiter  sie  nach  vorne  liegen. 

4.  Die  Stützen  für  die  Kiemen  der  Grätenfische  und  Batra- 
chier  entwickeln  sich  zwar  nach  dem  Schema  der  Rippen,  doch  ent- 
stehen sie  in  dem  vegetativen  Fruchtblatte ,  können  also  nicht  als 
Wiederholungen  der  Rippen  angenommen  werden.  Dagegen  stel- 
len sich  als  solche  diejenigen  Skeletstücke  dar,  welche  bei  mehre- 
ren Plagiostomen  und  Cyclostomen  die  Kiemen  von  aussen  um- 
geben. 

5.  Ebenfalls  als  Wiederholungen  der  Rippen  treten  die  Grund- 
lagen der  Zungenbeinhörner,  der  Gehörknöchelchen  und  der  Qua- 
dratbeine auf,  die  wie  Rippen  strahlenartig  aus  der  Belegungsmasse 
der  Rückensaite  nach  unten  hervorwachsen  und  dem  animalen 
Fruchtblatt  angehören.  Doch  ist  ihr  weiterer  Entwickelungsgang 
im  Allgemeinen  ein  ganz  anderer,  als  der  von  den  Rippen  einge- 
schlagene. 

6.  Dem  vordersten  Paare  dieser  modificirten  Rippen  gehören 
auch  die  Grundlagen  für  die  Flügelbeine  und  Gaumenbeine  an. 
Sie  sind  Fortsätze  derselben,  die  sich  aber  von  ihnen  abtrennen. 

7.  Die  übrigen  Knochen  des  Schädels,  ausser  den  schon  ge- 
nannten, können  weder  für  Wiederholungen  von  Rippen,  noch 
auch  für  Wiederholungen  einzelner  Abschnitte  von  Wirbeln  gehal- 
ten werden,  sondern  sind  dem  Kopfe  ganz  eigenthümliche  Körper- 
theile. 

8.  Oberkiefer  und  Unterkiefer  sind  von  Einigen  für  Wieder- 
holungen von  Skelettheilen  der  Extremitäten  gehalten  worden; 
doch  auch  von  diesen  weichen  sie  in  ihrer  ersten  Anlage  und  in 
ihrer  weitern  Entwicklung  bedeutend  ab. 


VIII.  Von  dem  Skelet.  143 

Rathke,  Untersuchungen  über  den  Kiemen  Apparat  und  das 
Zungenbein  der  Wirbelthiere.   Riga  und  Dorpat  1832. 

Dessen  vierter  Jahresbericht  des  naturwiss.  Seminars  zu  Kö- 
nigsberg. 

Dessen  Entwickelungs- Geschichte  der  Natter. 

Reichert,  Ueber  die  Visceralbogen  der  Wirbelthiere.  Berlin 
1837. 

Külltker,  in  seiner  und  v.  Siebolds  Zeitschrift  Band  II. 


Neuntes  Kapitel. 

Von  dein  Darmkanal. 

§•  63. 

Der  Darmkanal  bildet  sich  aus  dem  vegetativen  Fruchtblatt, 
an  dem  sich  zwei  verschiedene  Schichten  unterscheiden  lassen, 
nämlich  das  Drüsenblatt  und  das  Faserblatt  nach  Remak,  aus  deren 
ersterem  sich  nur  ein  Epithel  bildet,  wogegen  aus  dem  letzteren 
ausser  Gefässen  und  Nerven  verschiedene  faserig  erscheinende 
Gewebe,  wie  namentlich  Bindegewebe  und  Muskelfasern  entste- 
hen. Je  nach  den  verschiedenen  Wirbelthieren  wird  nun  für  den 
Darmkanal  entweder  das  ganze  vegetative  Fruchtblatt  verwendet, 
so  namentlich  bei  den  Batrachiern  und  manchen  Grätenfischen, 
oder  nur  ein  Theil  desselben,  indess  sich  aus  dem  übrigen  Theil 
ein  besonderer  Dottersack  bildet.  Dabei  löst  sich  dieses  Frucht- 
blatt fast  allenthalben  von  dem  animalen  Fruchtblatte  ab  :  denn  mit 
demselben  bleibt  es  nur  in  dem  Kopfe,  in  dem  Halse,  am  hintern 
Ende  der  Rumpfhöhle  und  mit  der  Bückenwand  der  Bumpfhöhle 
unter  der  Wirbelsaite  oder  der  Wirbelsäule  in  Verbindung.  Und 
zwar  wird  die  letzterwähnte  Verbindung  durch  ein  besondres  Hal- 
tungsband vermittelt,  das  sich  an  dem  Darmkanal,  wenigstens  in 
einer  frühen  Zeit  des  Fruchtlebens,  jedenfalls  von  der  Speiseröhre 
bis  an  das  Ende  des  Darms  erstreckt  und  im  Allgemeinen  das  Ge- 
kröse genannt  werden  kann.  Was  die  Entstehung  dieses  Haltungs- 
bandes anbelangt,  so  soll  es  sich  damit  nach  Remaks  Angaben  fol- 
gendermassen  verhalten.  Das  sogenannte  mittlere  Blatt  der  Keini- 
haut,  in  dem  die  Chorda  dorsalis  und  der  Stamm  der  Aorta  ent- 


IX.  Von  dem  Darmkanal.  [45 

stehen,  spaltet  und  scheidet  sich  zwar  in  zwei  Schichten,  von  de- 
nen die  eine  zunächst  das  Faserblatt  des  Darms  darstellt,  aus  deren 
anderer  aber  sich  namentlich  das  innere  Skelet  und  die  Muskeln 
der  animalen  Sphäre  entwickeln.  Jedoch  ist  seine  Spaltung  nicht 
ganz  vollständig,  indem  dieselbe  nicht  auch  in  der  Mittelebene  des 
Embryo  unterhalb  der  Chorda  dorsalis  und  der  Aorta  erfolgt. 
Hier  aber  werden  dann  aus  der  Substanz  des  mittleren  Keimblat- 
tes, indem  sie  daselbst  an  Masse  zunimmt  und  der  Darmkanal,  be- 
sonders in  seinem  mittleren  Theil  sich  allmälig  von  der  Rücken- 
wand  des  Leibes  entfernt ,  zwei  dünne  und  auf  die  beiden  Seiten- 
hälften des  Leibes  vertheilte  symmetrische  Platten  (die  Mittelplat- 
ten nach  Remak)  gebildet,  die  zwischen  der  Rückenwand  des  Lei- 
bes und  dem  Darmkanal  gleichsam  ausgespannt  erscheinen  und  ih- 
rer Länge  nach  einige  Zeit  einen  kleinen  mit  einer  Flüssigkeit  er- 
füllten Raum  (den  Mittelraum  nach  R.)  zwischen  sich  bemerken 
lassen.  Bald  jedoch  schliessen  sich  diese  Platten  nach  ihrer  ganzen 
Länge  und  Höhe  dicht  an  einander  an,  verwachsen  mit  einander 
und  stellen  dann  das  Gekröse  oder  überhaupt  das  Haltungsband 
des  Darmkanals  dar.  Dieses  erstreckt  sich  übrigens  bei  den  Säuge- 
thieren  in  einer  frühen  Entwickelungszeit ,  wie  bei  vielen  andern 
Wirbelthieren  zeitlebens,  auch  an  dem  Magen  und  selbst  an  einem 
Theil  der  Speiseröhre  hin,  geht  dann  aber  an  ihnen  späterhin  ver- 
loren. —  Wohl  ohne  Zweifel  besitzen  alle  Wirbelthiere  in  früherer 
Lebenszeit  ein  solches  Haltungsband  des  Darmkanals.  Bei  man- 
chen Fischen  aber  wird  es  späterhin  grösstentheils  oder  gänzlich 
resorbirt  und  verschwindet.  Für  die  Syngnathen  ist  eine  solche 
rückschreitende  Metamorphose  desselben  bereits  durch  directe  Be- 
obachtungen nachgewiesen. 

§•  64. 
Bei  vielen  Fischen  stellt  der  auf  die  Speiseröhre  folgende 
übrige  Theil  des  Darmkanals  für  immer  ein  einfaches ,  von  vorn 
nach  hinten  mehr  oder  weniger  verjüngtes  Rohr  dar,  so  dass  sich 
ein  Magen  und  ein  Dickdarm  an  ihm  nicht  unterscheiden  lassen. 
Dieselbe  Form  hat  er  aber  auch  bei  den  Frosch-  und  Krötenlarven, 
wenn  aus  ihm  der  Dotter  absorbirt  ist,  und  nur  erst  wenn  sie  sich 

Eathke,  Vorlesungen.  -i  a 


146  IX.  Von  dem  Darmkanal. 

verwandeln ,  machen  sich  bei  denselben  an  ihm  durch  eine  grössere 
Ausweitung  ein  Magen  und  ein  Dickdarm  bemerkbar.  Dagegen  kün- 
digt sich  bei  den  Reptilien ,  Vögeln  und  Säugethieren  der  Magen 
durch  eine  etwas  grössere  Ausweitung  und  Dicke  seiner  Wandung 
schon  zu  einer  Zeit  an,  wenn  der  künftige  Dünndarm  noch  nicht 
sich  vollständig  geschlossen  und  von  dem  Dottersacke  abgeschnürt 
hat,  auch  an  der  Stelle,  wo  dies  geschehen  soll,  noch  eine  verhält- 
nissmässig  grössere  Breite ,  als  später,  besitzt.  Der  Magen  ferner 
hat  jedenfalls  anfänglich  eine  ganz  einfache  Form,  indem  er  als  ein 
länglicher,  in  der  Mitte  weiterer ,  gegen  seine  Enden,  besonders 
gegen  das  hintere  Ende  engerer  Schlauch  erscheint,  und  es  ent- 
spricht dann  seine  Achse  der  Längenachse  des  ganzen  Körpers. 
Allmälig  aber  krümmt  er  sich  bei  den  meisten  Wirbelthieren  mehr 
oder  weniger  zusammen ,  während  sich  sein  hinteres  Ende  rechts 
hinwendet,  und  nimmt  zugleich  bei  vielen  von  ihnen,  besonders 
aber  bei  den  Säugethieren  und  Schildkröten,  eine  sehr  schräge  oder 
selbst  quere  Lage  an.  Zugleich  weitet  er  sich  bei  vielen  Wirbel- 
thieren an  seiner  ursprünglich  linken  Seite  stärker,  als  an  den  übri- 
gen Seiten  aus,  und  erhält  dadurch  bei  manchen  sogar  einen  mehr 
oder  weniger  grossen  Blindsack.  Ausserdem  aber  schnürt  er  sich 
bei  mehreren  Wirbelthieren  einmal  oder  mehrmals  ringförmig  ein 
und  theilt  sich  dadurch  in  zwei  oder  mehrere  Kammern,  deren  jede 
nachher  eine  verschiedene  Beschaffenheit  ihrer  Wandung  erhält, 
wie  z.  B.  bei  den  Feldmäusen,  Wiederkäuern  und  Cetaceen. 

Ein  Dickdarm  macht  sich  durch  eine  grössere  Ausweitung  des 
Darmrohres  erst  später  als  der  Magen  bemerklich ,  und  es  hat  also 
auch  der  Darm  für  sich  allein  betrachtet  geraume  Zeit  hindurch 
eine  sehr  einfache  Form.  Bildet  sich  bei  einem  Thier  ein  Blind- 
darm, oder,  wie  bei  fast  allen  Vögeln,  ein  Paar  Blinddärme,  so  ge- 
schieht es  durch  eine  stärkere  partielle  Ausweitung,  durch  eine  so- 
genannte Ausstülpung  einer  oder  zweier  Stellen  des  Darmkanals. 
Und  eben  dasselbe  gilt  auch  von  den  Appenclices.pt/loricae  der 
Fische. 

Der  Processus  vermiformis  des  Menschen  entsteht,  indem  die 
für  ihn  und  für  das  Coecum  bestimmte  Ausstülpung  des  Darms 
sich  in  ihrer  einen  Hälfte  bedeutend  weniger,  als  in  der  andern 


IX.  Von  dem  Darmkanal.  147 

ausweitet.  Keines weges  aber  ist  der  Wurmfortsatz  des  Blinddarms 
oder  dieser  selbst,  wie  Oken  meinte,  ein  Ueberrest  des  Stieles  des 
Nabelbläschens.  Allerdings  ZAvar  entwickelt  sich  bei  den  Säuge- 
thieren  der  Blinddarm  aus  dem  aufsteigenden  oder  hintern  Schen- 
kel der  Darmschlinge,  welche  in  einer  frühern  Zeit  des  Frucht- 
lebens aus  dem  Unterleibe  her  vorhängt,  doch  nicht  aus  dem  An- 
fange, sondern  aus  der  von  der  Umbiegungsstelle  der  Schlinge  ent- 
ferntem Hälfte  des  hintern  Schenkels. 

§•  65. 

Das  Bauchfell  bildet  sich,  wie  jede  seröse  Haut,  an  allen  da- 
von bekleideten  Theilen  aus  der  äussersten  Schicht  der  Zellen, 
woraus  diese  Theile  anfangs  durchweg  bestehen,  und  ist  als  ein  be- 
sonderes Gebilde  zu  betrachten ,  das  sich  sowohl  an  dem  vegetati- 
ven, als  auch  an  dem  animalen  Fruchtblatte  entwickeln  kann.  Ist 
dasselbe  an  den  Körpertheilen,  welche  es  bekleidet,  bereits  entstan- 
den ,  so  bildet  es  nicht  selten  durch  ein  Hervorwachsen  für  sich 
allein  besondre  Falten,  namentlich  —  abgesehen  von  dem  Gekröse 
—  verschiedene  Haltungsbänder  für  einige  Eingeweide  und  bei 
den  Säugethieren  das  grosse  Netz. 

Das  Epithel  des  Darmkanals  hat  wohl  bei  allen  Wirbelthieren 
in  einem  ihrer  früheren  Entwickelungsstadien  einige  Zeit  eine  ver- 
hältnissmässig  viel  grössere  Dicke,  als  späterhin,  und  hängt  dann 
mit  der  übrigen  Substanz  des  Darmkanals  (dem  Faserblatt)  so  lose 
zusammen,  dass  es  sich  von  derselben  sehr  leicht  ganz  abstreifen 
lässt  oder  auch  bald  nach  dem  Tode  sich  in  grössern  Lappen  von 
selbst  ablöst.  Die  von  Valentin  gemachte  Angabe  aber,  dass  das 
Epithel  des  Darmkanals  von  jungen  Embryonen  nach  einiger  Zeit 
normalgemäss  abgestossen  werde,  nachdem  sich  unter  ihm  ein  feste- 
res, obgleich  dünneres  neues  gebildet  hatte,  beruht,  wie  Bischoff, 
Koelliker  und  Remak  gefunden  haben,  auf  einem  Irrthum. 

Die  Zotten,  die  in  dem  Darm  der  Säugethiere  und  Vögel  vor- 
kommen, wachsen  als  eben  so  viele  Hü°'el  aus  dem  Faserblatt  her- 
vor  und  buchten  bei  ihrer  Vergrösserung  einzeln  das  Epithel  immer 
mehr  so  aus,  dass  es  für  jede  eine  besondere  Bekleidung  oder 
gleichsam  eine  Scheide  darstellt. 

10* 


148  IX.  Von  dem  Darmkanal. 

Die  Drüsenbälge  in  dem  Vormagen  und  in  den  Blinddärmen 
der  Vögel  entstehen  nach  Remaks  Wahrnehmungen  durch  eben  so 
viele  partielle  Ausstülpungen  des  Drüsenblattes,  also  des  Epithels 
des  DarmkanaleSj  die  in  das  Faserblatt  eindringen.  Auch  entste- 
hen auf  dieselbe  Weise,  wie  Koelliker  bemerkt  hat,  die  Lieber- 
KÜHNschen  Drüsen  in  dem  Darm  der  Säusrethiere.  Was  aber  die 
Drüsenbälge  in  dem  Magen  der  Säugethiere  anbelangt,  so  hält 
Koelliker  es  nach  seinen  Beobachtungen  für  wahrscheinlich,  dass 
sie  als  solide  Auswüchse  des  Drüsenblattes  entstehen,  die  dasselbe 
in  das  Faserblatt  hineinsendet,  und  dass  diese  Auswüchse  dann  von 
der  Höhle  des  Magens  aus  allmälig  hohl  werden.  — Wie  die  Brun- 
NERschen  und  PAYERschen  Drüsen  entstehen,  ist  noch  nicht  ermit- 
telt worden. 


J.  F.  Meckel,  Bildungsgeschichte  des  Darmkanals  der  Säuge- 
thiere und  namentlich  des  Menschen.   Meckels  Archiv  Bd.  3.  Jahr- 


gang 1817. 

J.  Mueller,  Ueber  die  Entwickelung  der  Netze  der  Säuge- 
thiere in  Meckels  Archiv,  Jahrgang  1830. 

Rathke,  Ueber  die  Entwickelung  der  Syngnathen  in  dessen 
Reisebemerkungen  aus  Taurien.    (Riga  und  Leipzig  1837.) 

Koelliker,  Mikroskopische  Anatomie  oder  Geweblehre  des 
Menschen.  Bd.  II.  Hälfte  2.  Leipzig  1854. 


Zehntes  Kapitel. 

Von  den  Speicheldrüsen  und  der  Leber. 

§.  66. 

Die  Bauchspeicheldrüse  entsteht  gleich  hinter  der  Leber  zu- 
nächst durch  Ausstülpung  einer  Stelle  des  Dannkanals.  Zuerst  be- 
merkt man  an  einer  solchen  Stelle  eine  kleine  Ausbiegung  der  in- 
nern  Fläche  des  Darmkanales ,  ohne  dass  auch  die  äussere  Fläche 
sich  verändert  zeigte ,  also  eigentlich  eine  Grube  in  der  Wandung 
des  Kanals.  Darauf  buchtet  sich  auch  die  äussere  Fläche  aiis,  und 
es  entsteht  in  Folge  davon  ein  im  Innern  hohler  Hügel,  dessen 
Wandung  eine  Zusammensetzung  aus  zwei  Schichten  erkennen 
lässt,  von  denen  die  innere  als  eine  Fortsetzung  von  dem  Drüsen- 
blatte, die  äussere  als  eine  Fortsetzung  von  dem  Faserblatte  des 
Darmkanals  zu  betrachten  ist.  Demnächst  wird  dieser  Hügel  im- 
mer grösser,  theils  indem  seine  Höhle  immer  mehr  an  Umfang,  be- 
sonders an  Länge,  gewinnt,  theils  auch  und  hauptsächlich ,  indem 
sich  seine  äussere  Schicht  nicht  unbedeutend  verdickt,  wobei  sie 
übrigens  eine  längere  Zeit  ganz  farblos  und  auch  beinahe  völlig 
durchsichtig  bleibt.  Mitunter  schnürt  er  sich  dabei  an  seiner  Basis 
beträchtlich  ein,  so  dass  er  nach  einiger  Zeit  eine  kleine  an  dem 
Darmkanale  sitzende  Hohlkugel  darstellt;  dies  ist  z.  B.  der  Fall  an 
der  Bauchspeicheldrüse  der  Natter  und  der  Schildkröten.  Allmälig 
erscheinen  darauf  in  der  farblosen  und  sich  mehr  und  mehr  ver- 
dickenden äussern  Schicht  der  Drüsenanlage  zarte  und  dichte 
weisse  Cylinder,   die  von  der  innern  oder  Epithelialschicht  ausge- 


]  50  X.  Von  den  Speicheldrüsen  und  der  Leber. 

sendet  worden  sind,  sich  nachher  durch  Bildung  von  Sprossen  all- 
mälig  verzweigen  und  dadurch  mehrere  dendritische  Figuren  oder 
kleine  Sträucher  bilden ,  die  nach  kurzer  Zeit  an  den  Enden  ihrer 
äussersten  Zweige  kleine  rundliche  oder  ovale  Anschwellungen  von 
derselben  Farbe  erhalten.  Nach  und  nach  werden  dann  diese  sich 
immer  mehr  verzweigenden  Auswüchse  der  innern  Schicht  der 
Drüsenanlage  hohl  und  münden  sich  in  deren  Höhle ,  die  indessen 
immer  mehr  an  Länge  zunimmt,  wie  überhaupt  eine  je  später,  desto 
mehr  gestreckte  Form  gewinnt.  Durch  die  angeführten  Vorgänge 
werden  jedoch  der  Stamm,  die  Aeste  und  die  Zweige  nebst  den 
Acini  der  Drüse  insofern  nur  zum  Theil  gebildet  und  gleichsam 
nur  vorgezeichnet,  als  sich  aus  der  innern  Schicht  des  kleinen  Hü- 
gels, unter  dessen  Gestalt  das  Pankreas  auftrat,  und  aus  den  sich 
immer  mehr  verzweigenden  Cylindern,  die  aus  ihr  hervorwuchsen, 
nur  das  Epithel  derselben  entwickelt.  Denn  die  äussere  oder  Drü- 
senmembran derselben  bildet  sich  aus  der  äussern,  anfänglich  farb- 
losen und  halb  durchsichtigen  Schicht  der  hügelförmigen  Anlage 
des  Pankreas,  welche  Schicht  übrigens  einige  Zeit  weit  mehr,  nach- 
her aber  weniger ,  als  die  innere  und  deren  Auswüchse ,  an  Masse 
zunimmt.  Auch  bilden  sich  aus  dieser  äussern  Schicht,  während 
sie  undurchsichtig  und  immer  fester  wird,  das  Bindegewebe,  die 
Blutgefässe,  die  Lymphgefässe  und  die  Nerven  der  Drüsen. 

Im  Allgemeinen  ebenso,  wie  das  Pankreas,  entwickeln  sich 
auch  die  Speicheldrüsen  des  Kopfes,  mit  dem  Unterschiede  jedoch, 
dass  sich  für  dieselben  keine  besondern  Ausstülpungen  des  Darm- 
kanals zu  bilden  scheinen,  vielmehr  sie  ganz  und  gar  aus  eben  so 
vielen  nach  aussen  hervorgewucherten  Massen  der  äussern  Schicht 
der  Mundschleimhaut  entstehen,  in  die  nachher  die  Epithelial- 
schicht  dieser  Haut  dichte  cylinderförmige  Auswüchse  hinein- 
sendet. 

Bei  den  Säugethieren  entsteht  von  den  verschiedenen  Spei- 
cheldrüsen zuerst  das  Pancreas,  dann  die  Gl.  submaxülaris,  etwas 
später  die  Gl.  subungualis ,  zuletzt  die  Parotis.  In  ihnen  allen 
bleibt  derjenige  Theil  der  Substanz,  welcher  für  sie  von  der  Faser- 
schicht des  Darmkanals  hergegeben  ist,  lange  sehr  durchsichtig 
und  ist  auch  längere  Zeit  im  Verhältniss  zu  den  in  ihnen  entstan- 


X.  Von  den  Speicheldrüsen  und  der  Leber.  151 

denen  Kanälen  in  bedeutender  Masse  vorhanden,  besonders  in  der 
Parotis.  Später  verliert  er  seine  Durchsichtigkeit  und  Gleichartig- 
keit, wird  faserig  und  kommt  in  einer  verhältnissmässig  viel  gerin- 
gern Quantität  vor. 

§•  67- 

Die  Leber  entsteht,  indem  sich  der  Darm  an  zwei  einander 
sehr  nahen  Stellen  ausbuchtet  und  ausstülpt,  in  Folge  davon  aber 
an  diesen  Stellen  zwei  neben  einander  liegende  kleine  Hügel  bil- 
det. Bald  darauf  stülpt  sich,  namentlich  bei  den  Säugethieren, 
Schildkröten  und  Schlangen,  auch  der  zwischen  diesen  Hügeln 
liegende  Theil  des  Darms  aus,  wächst  zusammen  mit  denselben  im- 
mer weiter  aus  dem  Darm  hervor  und  bildet  mit  ihnen  einen  An- 
hang des  Darms,  der  aus  einem  kurzen  hohlen  Stamm  und  zwei 
ebenfalls  hohlen  und  einander  gleichen  Aesten  oder  Hörnern  be- 
steht. Aus  dem  Stamm  dieses  Anhanges  entwickelt  sich  mit  der 
Zeit  der  Stamm  der  Gallenkanäle;  aus  den  beiden  von  ihm  ausge- 
henden Hörnern  entwickeln  sich  die  beiden  Aeste  dieser  Kanäle. 
Auch  bei  dem  Hühnchen  soll  nach  v.  Baers  Angabe  die  Leber  bald 
nach  ihrer  Entstehung  als  ein  kleiner  Anhang  des  Darmkanals  er- 
scheinen ,  der  aus  einem  kurzen  Stamm  und  zwei  Aesten  besteht. 
Nach  B-EMAKS  Angaben  aber  scheint  es ,  dass  sich  bei  dem  Hühn- 
chen die  beiden  Hügel,  unter  deren  Form  die  Leber  auftritt,  zu- 
nächst zu  ZAvei  massig  langen  blinden  Röhren  verlängern,  die  ne- 
ben einander  in  den  Darm  münden  und  keinen  gemeinschaftlichen 
Stamm  erhalten. 

Die  Wandung  der  Leberanlage  besteht  aus  zwei  Schichten, 
die  als  Fortsetzungen  des  Drüsenblattes  und  des  Faserblattes  des 
Darmkanals  betrachtet  werden  können.  Nach  den  Untersuchungen 
Remaks  an  dem  Hühnchen  und  Koellikers  an  Säugethieren  nimmt 
nun  die  äussere  von  diesen  Schichten  rasch  und  bedeutend  an  Um- 
fang zu,  stellt  wie  in  den  Speicheldrüsen  ein  halbdurchsichtiges 
weiches  Blastem  dar  und  vereinigt  nach  einiger  Zeit  die  anfangs 
von  einander  abstehenden  Seitenhälften  der  Leber  mit  einander 
zu  einer  einzigen  Masse.  Während  dessen  und  indem  auch  nach- 
her das  von  der  äussern  Schicht  gebildete  Blastem  immer  mehr  zu- 


152  X.  "Von  den  Speicheldrüsen  und  der  Leber. 

nimmt,  sendet  die  innere  Schicht  der  Leberanlage  in  dasselbe 
dichte,  undurchsichtige  und  aus  elementaren  Zellen  bestehende 
cylinderförmige  Sprossen  (Lebercylinder  nach  Remak)  hinein ,  die 
sich  darin  dann  mehr  und  mehr  verästeln  und  mit  ihren  Zweigen 
zu  einem  Netzwerk  vereinigen,  das  je  später,  einen  desto  grössern 
Umfang  gewinnt  und  complicirter  wird.  Auch  werden  ausserdem 
die  Maschen  dieses  Netzwerks  noch  dadurch  sehr  vermehrt,  dass 
sich  einzelne  von  seinen  Fäden  der  Länge  nach  bis  gegen  ihre  En- 
den spalten.  Einige  Zeit  bemerkt  man  unter  der  Oberfläche  der 
Leber  in  dem  Blastem  derselben  noch  freie  Enden  von  den  Zwei- 
gen der  erwähnten  Sprossen;  je  weiter  aber  die  Entwickelung  die- 
ses Organs  vorschreitet,  desto  mehr  nimmt  die  Zahl  solcher  freien 
Enden  ab,  die  Zahl  der  Maschen  des  Netzwerks  dagegen  zu,  bis 
schliesslich  jene  erstem  ganz  vermisst  werden.  — Während  die  an- 
geführten Vorgänge  stattfinden,  bilden  sich  in  dem  Blastem,  das 
aus  der  äussern  Schicht  der  Leberanlage  entstanden  ist,  verschie- 
dene Blutgefässe  aus,  deren  feinere  Zweige  ebenfalls  ein  Netzwerk 
zusammensetzen,  von  welchem  übrigens  die  einzelnen  Fäden  durch 
die  Maschen  jenes  erstem  Netzwerkes,  das  die  Galle  bereiten  soll, 
hindurchgreifen  und  sie  ausfüllen.  Desgleichen  bilden  sich  aus 
dem  Blastem  der  äussern  Schicht  auch  die  Lymphgefässe,  die  Ner- 
ven und  das  Bindegewebe  der  Lebersubstanz.  —  Die  meisten  von 
den  ein  Netzwerk  zusammensetzenden  Lebercylindern  bleiben 
dicht  und  behalten  einen  einfachen  Zellenbau,  manche  aber  wer- 
den hohl,  erhalten  Gefässwandungen  und  stellen  die  bekannten 
Gallengänge  dar.  Auf  welche  Weise  die  Entwickelung  dieser 
Gänge  vor  sich  geht,  ist  zwar  noch  nicht  bekannt,  doch  dürfte  als 
wahrscheinlich  anzunehmen  sein,  dass  sie  auf  eine  solche  Weise 
erfolgt,  wie  die  der  eigentümlichen  Kanäle  der  Speicheldrüsen. 
Sehr  schnell  nimmt  zwar  bei  allen  Wirbelthieren  die  Leber  an 
Umfang  zu,  doch  nach  den  verschiedenen  Arten  derselben  in  sehr 
verschiedenem  Grade.  Am  meisten  geschieht  dies  bei  den  Säuge- 
thieren,  so  dass  sie  bei  denselben  schon  in  einer  sehr  frühen  Zeit 
des  Fruchtlebens  das  grösste  Organ  des  ganzen  Körpers  ist  und  die 
Bauchhöhle  zum  grössten  Theile  ausfüllt.  Darauf  nimmt  sie  bei 
ihnen  während   des  übrigen  Fruchtlebens  zwar  verhältnissmässig 


X.  Von  den  Speicheldrüsen  und  der  Leber.  153 

weniger  an  Umfang  zu  und  erscheint  deshalb  im  Verhältniss  zu 
dem  ganzen  Körper  je  später,  desto  kleiner,  doch  ist  noch  bei  dem 
neugebornen  Kinde  das  Gewichtsverhältniss  zwischen  ihr  und  dem 
ganzen  Körper  wie  1:18  bis  20,  statt  dass  es  bei  den  Erwachsenen 
in  der  Regel  wie  l :  35  oder  36  ist.  Bei  den  übrigen  Wirbelthieren 
vergrössert  sich  die  Leber  um  so  weniger  rasch  und  überwiegend, 
auf  einer  je  niedern  Stufe  sie  in  dem  System  stehen.  Bei  Embryo- 
nen von  Fischen  und  bei  Larven  von  Batrachiern  ist  mir  dieselbe 
nicht  verhältnissmässig  grösser  vorgekommen,  als  bei  den  Erwach- 
senen. 

Was  die  beiden  Lappen  anbelangt,  in  welche  die  Leber  des 
Menschen  sich  getheilt  zeigt,  so  sind  sie  hinsichtlich  der  Grösse 
und  Gestalt  um  so  weniger  von  einander  verschieden,  je  jünger 
der  Embryo  ist.  Später  aber  bleibt  der  linke  in  seinem  Wachsthum 
gegen  den  rechten  zurück,  indess  dann  auch  der  Lobulus  Spigelii 
sich  zu  entwickeln  anfängt. 

Bei  den  Säugethieren  und  Schlangen,  bei  denen  die  Leber  an- 
fangs einen  Anhang  des  Darmkanals  darstellt ,  der  aus  einem  kur- 
zen Stamm  und  zwei  symmetrischen  einfachen  Aesten  besteht,  wird 
der  Stamm  dieses  Anhanges  hauptsächlich  zu  einem  langen  Aus- 
führungsgang der  Galle  ausgesponnen.  Derselbe  behält  bei  vielen 
Säugethieren  fortwährend  eine  einfache  Form.  Bei  andern  Säuge- 
thieren aber,  sowie  auch  bei  den  Schlangen,  sendet  er  durch  den 
Prozess  der  Ausstülpring  seitwärts  einen  Ast  aus,  der  sich  in  seiner 
einen  Hälfte  allmälig  mehr  und  mehr  ausweitet,  überhaupt  aber 
sich  zu  einer  Gallenblase  und  einem  Ductus  cysticus  entwickelt. 
Bei  dem  menschlichen  Embryo  erscheint  die  Gallenblase  noch  im 
zweiten  und  dritten  Monate  als  ein  leerer  Kanal,  und  erst  später 
nähert  sie  sich  der  Birnform.  LJebrigens  liegen  bei  dem  mensch- 
lichen Embryo  die  Mündungen  der  Ausführungsgänge  der  Leber 
und  der  Bauchspeicheldrüse  anfangs  ziemlich  weit  auseinander, 
vom  fünften  Monate  an  rücken  sie  dann  aber  immer  näher  zusam- 
men. —  Bei  dem  Haushuhn,  bei  dem,  sowie  bei  vielen  andern 
Vögeln,  zwei  Ausführungsgänge  der  Leber  vorkommen,  die  sich 
getrennt  von  einander  in  den  Darm  münden,  bildet  sich  die  Gal- 
lenblase nach  Remaks  Wahrnehmungen  als    ein   blindsackartiger 


154  X.  Von  den  Speicheldrüsen  und  der  Leber. 

Auswuchs  des  einen  von  den  beiden  primitiven  Lebergängen  (den 
beiden  röhrenförmigen  Ausstülpungen  des  Darms),  welche  bei  dem 
Hühnchen  die  erste  Anlage  der  Leber  darstellen,  und  ebendasselbe 
seilt  wahrscheinlich  auch  von  der  Gallenblase  der  Krokodile. 


Koelliker,  Mikroskopische  Anatomie  etc.  Bd.  IL   Hälfte  2. 
Remak,  Untersuchungen  über  die  Entwickelung  der  Wirbel- 
thiere. 


Eilftes  Kapitel. 

Von  den  eingeweidigen  Athemwerkzeugen. 

§•  68. 

JjiS  entspringen  diese  Organe  zwar  etwas,  doch  nur  wenig  spä- 
ter, als  die  Leber.  Im  Allgemeinen  erscheinen  sie  bald  nach  ihrem 
Ursprünge  als  ein  kleiner  hohler  Anhang  des  Darmkanales,  der  von 
der  untern  Wandung  desselben  zunächst  hinter  den  Schlundspal- 
ten abgeht,  und  dessen  Wandung  aus  zwei  verschiedenen  Schich- 
ten besteht,  von  denen  die  innere  als  eine  Fortsetzung  des  Drüsen- 
blattes, die  äussere  als  eine  Fortsetzung  des  Faserblattes  des  Darm- 
kanals erscheint.  Der  Gestalt  nach  ist  dieser  Anhang  zusammen- 
gesetzt aus  einem  kurzen  hohlen  Stamm ,  dessen  Höhle  sich  in  die 
des  Darmkanals  mündet,  und  aus  zwei  symmetrischen,  auf  beide 
Seitenhälften  des  Körpers  vertheilten  Bläschen ,  in  die  der  Stamm 
nach  hinten  übergeht,  und  die  mitunter  das  Aussehen  von  kurzen 
stumpfen  Hörnern  haben.  Der  Stamm  bildet  sich  nachher  zu  dem 
Kehlkopf  und  dem  Luftröhrenstamm  aus,  die  sich  jedoch  bei  den 
meisten  nackten  Amphibien  noch  nicht  als  zwei  gesonderte  Körper- 
theile  unterscheiden  lassen ,  sondern  nur  einen  kurzen  einfach  ge- 
formten Schlauch,  die  sogenannte  Stimmlade,  darstellen.  Aus  den 
beiden  Endbläschen  des  Stammes  aber  entwickeln  sich  die  Lungen, 
wie  auch  ausserdem  bei  vielen  Wirbelthieren  noch  zwei  Luftröh- 
renäste. 

Bei  den  Fröschen  entstehen  die  eingeweidigen  Athemwerk- 
zeuge  deutlich  durch  Ausstülpung  aus  dem  Darmkanal.  Sie  er- 
scheinen dicht  hinter  dem  Kiemenapparat  an  der  untern  Seite  der 


156  XI.  Von  den  eingeweidigen  Athemwerkzeugen. 

Speiseröhre  als  zwei  kleine  hohle,  warzenförmige  Hügel,  die  nahe 
neben  einander  liegen,  und  deren  Höhlen  getrennt  von  einander 
in  die  Höhle  des  Darmkanals  übergehen.  Indem  darauf  der  Pro- 
zess  der  Ausstülpung  weiter  fortschreitet,  namentlich  sich  auch  auf 
denjenigen  Theil  der  Wandung  des  Darmkanals  erstreckt,  welcher 
zwischen  den  beiden  Hügeln  in  der  Mitte  liegt,  fliessen  die  Ein- 
gänge in  die  Höhlen  dieser  Hügel  zusammen  und  bilden  dann  nur 
einen  einzigen  Eingang.  Aeusserlich  aber  bemerkt  man  nach  eini- 
ger Zeit  statt  der  beiden  Hügel  jenen  kleinen  Anhang  des  Darm- 
kanales,  dessen  schon  vorhin  Erwähnung  geschah.  Auch  bei  sehr 
jungen  Embryonen  der  Natter  und  der  Emys  europaea  sah  ich  als 
Andeutungen  der  Lungen  zwei  kleine  Ausstülpungen  des  Darm- 
kanales ,  die  von  einander  noch  getrennt  waren.  Ebenfalls  durch 
Ausstülpung  aus  dem  Darmkanal  und  auf  dieselbe  Weise ,  wie  bei 
den  Fröschen,  bilden  sich  die  Athemwerkzeuge  nach  v.  Baeks  und 
Remaks  Beobachtungen  auch  bei  dem  Hühnchen,  desgleichen  nach 
Bischoffs  Beobachtungen  bei  den  Säugethieren.  Dagegen  ist  von 
Reichert  irrthümlich  angegeben  worden,  dass  bei  den  Vögeln  und 
den  Säugethieren  die  Athemwerkzeuge  in  der  Art  entstehen,  dass 
ganz  vorn  aus  der  untern  Seite  des  Darmkanales  eine  Masse  von 
Bildungsstoff  ausgeschieden  wird ,  die  an  ihm  einen  von  vorn  nach 
hinten  verlaufenden  und  hinten  in  ein  Paar  kleine  Anschwellungen 
übergehenden  Streifen  (oder  Leiste)  darstellt;  dass  sich  darauf  in 
dieser  Masse  durch  Resorption  der  Materie  selbstständig  eine  Höhle 
bildet,  die  in  die  Höhle  des  Darmkanals  durchbricht,  und  dass  sich 
dann  dieselbe  auch  von  dem  Darmkanal  bis  auf  ihr  vorderes  Ende 
scheidet. 

§.  69. 

Unter  denjenigen  Wirbelthieren,  welche  einen  Kehlkopf  und 
eine  Luftröhre  als  von  einander  unterscheidbare  Körpertheile  be- 
sitzen, nimmt  der  Stamm  der  letztern  bei  einigen  nur  wenig,  bei  an- 
dern dagegen  bedeutend  an  Länge  zu.  Bei  etlichen  verlängert  er 
sich  sogar  in  einem  solchen  Masse,  dass  er  genöthigt  wird,  eine 
mehr  oder  weniger  grosse  Schlinge  zu  bilden,  so  namentlich  bei 
einigen  Krokodilen,    einigen  Kranichen,    einigen  Schwänen  und 


XI.  Von  den  eingeweidigen  Athemwerkzeugen.  157 

den  dreizehigen  Faulthieren.  Mit  dem  Stamm  der  Luftröhre  blei- 
ben bei  einigen  Wirbelthieren ,  namentlich  bei  vielen  Batrachiern, 
den  Schlangen  und  einigen  Sauriern,  die  Lungen  in  einem  unmit- 
telbaren Zusammenhange;  meistens  aber  entfernen  sie  sich  von 
ihm,  während  sie  an  Umfang  zunehmen,  wobei  nunmehr  zwei  mehr 
oder  weniger  lange  Luftröhrenäste  ausgesponnen  werden. 

Der  Kehlkopf  und  die  Luftröhre  erscheinen  im  Verhältniss  zu 
ihrer  Höhle  gewöhnlich  um  so  dickwandiger,  je  jünger  sie  sind. 
Was  die  Dimensionsverhältnisse  dieser  Theile  zu  einander  anbe- 
langt, so  übertrifft  der  Kehlkopf  insbesondere  bei  den  Säugethie- 
ren  einige  Zeit  nach  seiner  Entstehung  die  Luftröhre  um  ein  Be- 
deutendes an  Dicke.  Nachher  aber  nimmt  er,  wenngleich  nicht  ab- 
solut, so  doch  im  Verhältniss  zu  der  Luftröhre  allmälig  an  Umfang 
ab.  Ferner  ist  er  bei  den  Säugethieren  anfangs  beinahe  kugelrund: 
nach  und  nach  aber  wird  er  länger  und  eckiger.  Die  Stimmritze 
wird  bei  den  Säugethieren  schon  früh  von  zwei  verhältnissmässig 
recht  langen,  hohen  und  dicken  Wülsten  eingefasst,  in  denen  sich 
nachher  die  Stimmbänder  und  Giesskannenknorpel  entwickeln. 
Der  Kehldeckel  erscheint  erst  viel  später,  als  jene  Wülste,  tritt  als 
eine  kurze  vor  der  Stimmritze  liegende  Querleiste  auf,  wird  dem- 
nächst in  eine  viereckige,  ziemlich  dicke  und  gegen  die  Zunge  stark 
aufgebogene  Platte  umgewandelt,  und  erlangt  erst  um  die  Mitte 
des  Fruchtlebens  seine  eigenthümliche  Form.  Von  allen  Knorpeln 
des  Kehlkopfes  entsteht  der  des  Kehldeckels  zuletzt.  Der  Schild- 
knorpel bildet  sich  aus  zwei  Seitenhälften,  die  anfangs  von  einan- 
der getrennt  sind  und  erst  bei  ihrer  Vergrösserung  zusammenkom- 
men und  verwachsen.  Eben  dasselbe  gilt  auch  von  dem  Ringknor- 
pel. Die  Knorpelringe  der  Luftröhre  beginnen  sich  in  der  Mittel- 
linie der  untern  Wandung  dieses  Organs  zu  bilden,  wachsen  dann, 
sich  verlängernd,  rechts  und  links  in  die  Höhe,  und  setzen  bei  den 
"V  ögeln ,  wie  auch  bei  vielen  beschuppten  Amphibien,  zuletzt  ent- 
weder eben  so  viele  oder  fast  so  viele  vollständige  Ringe  zusammen. 

Bei  den  Schlangen  liegt  der  Kehlkopf,  wie  bei  andern  Wir- 
belthieren, anfänglich  in  einiger  Entfernung  hinter  der  Zunge. 
Nachher  aber  verlängert  sich  bei  ihnen  die  Luftröhre  auf  eine  un- 
gewöhnliche Weise  nach  vorn.    In  Folge  davon  springt  dann  ihr 


158  XI.  Von  den  eingeweidigen  Athemwerkzeugen. 

vorderster  Theil  nebst  dem  Kehlkopf  in  die  Mundhöhle  vor  und 
wächst  zugleich  mit  einer  Falte  der  Schleimhaut  der  Mund-  und 
Schlundhöhle;,  die  durch  das  Vordringen  des  Kehlkopfes  ausgezo- 
gen und  gebildet  ist,  von  hinten  her  über  die  Zunge  immer  weiter 
hinüber,  bis  zuletzt  der  Kehlkopf  in  die  Nähe  des  Unterkieferwin- 
kels gelangt  ist.  Hauptsächlich  durch  diesen  Entwickelungsvor- 
gang  wird  bei  den  Schlangen  die  sonderbare  Zungenscheide  her- 
vorgebracht. 

§.   70. 

Die  Lungen  sind  wahrscheinlich  bei  allen  damit  versehenen 
Wirbelthieren  ursprünglich  paarig  und  symmetrisch.  Bei  manchen 
aber,  insbesondere  bei  den  Schlangen,  den  schlangenartigen  Sau- 
riern und  einigen  Coecilien ,  bleibt  die  linke  in  ihrem  Wachsthum 
sehr  bald  hinter  der  rechten  zurück,  ja  bei  mehreren  giftigen 
Schlangen  verschwindet  sie  nach  einiger  Zeit  gänzlich.  — Bald  nach 
ihrem  Auftreten  liegen  diese  Organe  wahrscheinlich  jedenfalls  über 
dem  Herzen.  Nachher  aber  rücken  sie  zwischen  dem  Herzen  und 
der  Speiseröhre  weiter  nach  hinten  und  nehmen  nun  immer  mehr 
an  Umfang  zu.  Allmälig  rücken  sie  auch  auseinander  und  begeben 
sich,  den  Darmkanal  umfassend,  zum  Rücken  hin,  an  den  sie  dar- 
auf sich  mehr  oder  weniger  dicht  anlegen,  und  mit  dem  sie  bei  den 
"V  ögeln  und  Schildkröten  sogar  an  ihrer  ganzen  obern  Seite  ver- 
wachsen. —  Hinsichtlich  des  Baues  entwickeln  sich  die  beiden  ein- 
fachen ,  kleinen  und  im  Verhältniss  zu  ihrer  Höhle  ziemlich  dick- 
wandigen Bläschen,  unter  deren  Form  sich  die  Lungen  bald  nach 
ihrer  Entstehung  darstellen,  bei  den  verschiedenen  Wirbelthieren 
nach  einem  dreifachen  Typus. 

1 .  Bei  den  Amphibien  weitet  sich  die  Lunge  durch  Wachs- 
thum immer  mehr  aus  und  wird  schlauchförmig.  Selten  bleibt  sie 
dabei  an  ihrer  innern  Fläche,  ähnlich,  wie  an  der  äussern,  ganz 
eben  und  glatt,  so  namentlich  bei  dem  Hypochthon  und  den  Mol- 
chen. Gewöhnlich  wird  sie  an  der  innern  Fläche  sehr  uneben,  in- 
dem sich  an  derselben  in  grösserer  oder  geringerer  Zahl  leisten- 
artige Auswüchse  bilden,  die  entweder  die  Form  von  Leisten  be- 
halten oder  sich  in  mehr  oder  weniger  hohe  Platten  umwandeln, 


XI.  Von  den  eingeweidigen  Athemwerkzeugen.  J  50 

jedenfalls  aber  ein  Netzwerk  zusammensetzen  und  verschiedentlich 
weite  und  tiefe  Zellenräunie  zwischen  sich  einschliessen.  Bei  den 
Fröschen,  Kröten,  Schlangen  und  vielen  Sauriern  behält  dieses 
Netzwerk  eine  einfache  Beschaffenheit.  Bei  den  Krokodilen  aber, 
sowie  auch  bei  den  Schildkröten,  bildet  sich  auf  beiden  Seiten  der 
hoch  hervonvachsenden  Platten ,  welche  dieses  Netzwerk  zusam- 
mensetzen, durch  denselben  Prozess  ein  Netzwerk  zweiter  Ord- 
nung, das  aus  weniger  hohen  Platten  und  kleinern  Maschen  be- 
steht, und  auf  den  letztern  Platten  noch  später  jederseits  ein  sol- 
ches Netzwerk  dritter  Ordnung.  Auf  solche  Weise  und  indem  der 
angegebene  EntwickelungsA'organg  mitunter  auch  noch  weiter  statt- 
findet, gewinnt  die  Wandung  der  schlauchartigen  Lunge  eine  an- 
sehnliche Dicke  und  eine  beinahe  schwammartige  Beschaffenheit. 

2.  Bei  den  Säugethieren  nimmt  von  den  beiden  Schichten,  die 
sich  an  der  ursprünglich  einfach  blasenförmigen  Lunge  unterschei- 
den lassen,  die  äussere  im  Vergleich  mit  der  innern  sehr  bedeutend 
und  immer  mehr  an  Dicke  zu.  Die  innere  aber  bildet  an  und  für 
sich  einige  Ausbuchtungen,  die  in  die  Masse  jener  gleichsam  an- 
schwellenden erstem  Schicht  Avie  die  Wurzeln  einer  Pflanze  in  die 
Erde  eindringen,  bald  die  Form  von  länglichen  hohlen  Kolben  ge- 
winnen und  darauf,  indem  sie  sich  verlängern,  seitwärts  ihnen 
ähnliche  Ausbuchtungen  erhalten,  an  denen  dann  noch  später  der- 
selbe Vorgang  stattfindet,  so  dass  mithin  jene  zuerst  entstandenen 
Kolben  nach  einiger  Zeit  das  Aussehen  verzweigter  und  an  ihren 
Enden  etwas  erweiterter  Röhren  haben.  Während  der  weitern  Ent- 
wickelung  der  Lungen  schreitet  die  Verzweigung  dieser  Röhren 
auf  dieselbe  Weise  in  dem  Boden ,  den  ihnen  die  erwähnte  äussere 
Schicht  des  ursprünglich  einfachen  Lungenbläschens  darbietet, 
mehr  und  mehr  fort.  Jedoch  wird  dadurch  die  Verzweigung  der 
Luftröhrenäste  innerhalb  der  Lungen  insofern  nur  angelegt  oder 
vorgebildet,  als  sich  die  angeführten  Röhren  nur  allein  zu  dem  Epi- 
thel der  Luftgefässe  (Bronchia)  und  der  sogenannten  Lungenzellen 
(Vesiculae  pulmonales)  ausbilden.  Denn  das  Bindegewebe,  die 
Knorpel,  die  elastischen  Fasern  und  die  Muskelfasern  der  Luftge- 
fässe und  Lungenzellen,  wie  auch  das  interstitielle  Bindegewebe, 
die  Blutgefässe,  Lymphgefässe  und  Nerven  der  Lungen  bilden  sich 


160  XL  Von  den  eingeweidigen  Athemwerkzeugen. 

erst  nach  dem  Auftreten  jener  ein  Epithel  darstellenden  Röhren 
aus  der  äussern  Schicht  des  ursprünglich  einfachen  Lungenbläs- 
chens. Im  Ganzen  hat  demnach  bei  den  Säugethieren  die  Ent- 
wickelung der  Lungen  zwar  eine  Aehnlichkeit  mit  der  Entwicke- 
rimg der  Bauchspeicheldrüse,  unterscheidet  sich  jedoch  von  der- 
selben wesentlich  dadurch ,  dass  in  den  erstem  Organen  eine  Fort- 
setzung des  Drüsenblattes  des  Darmkanales  hohle  Sprossen,  in  dem 
letztern  aber  dichte  Sprossen ,  die  erst  später  hohl  werden ,  hervor- 
treibt. Uebrigens  geht  die  rasche  Vermehrung  der  Zellen,  aus  de- 
nen das  im  Innern  der  Lungen  vorkommende  Epithel  besteht,  nicht 
in  der  Art  vor  sich,  dass  zwischen  den  vorhandenen  Zellen  neue 
entstehen ,  sondern  wahrscheinlich  (nach  Koelliker)  durch  eine 
Theilung  der  einzelnen  Zellen  in  zwei  neue. 

3.  Bei  den  Vögeln  geht  die  Entwickelung  der  Lungen  eines- 
theils  in  einer  ähnlichen  Weise  vor  sich,  wie  bei  den  Säugethieren, 
jedoch  mit  dem  Unterschiede,  dass  bei  ihnen  die  letzten  Enden  der 
Ltiftgefässe,  in  denen  nachher  eine  Oxydation  des  Blutes  stattfin- 
den soll,  nicht  mehrfach  ausgebuchtete  ovale  oder  kolbenförmige 
Bläschen  (  Vesiculae  pulmonales) ,  sondern  rundliche  und  auf  dün- 
nen Röhren  wie  auf  Stielen  sitzende  Bläschen  darstellen  und  dass 
zwischen  den  feinern  Zweigen  der  Luftgefässe  in  grosser  Menge 
Anastomosen  entstehen.  Anderntheils  aber  weichen  die  Lungen 
der  Vögel  in  ihrer  Entwickelung  von  denen  der  Säugethiere  da- 
durch bedeutend  ab,  dass  bei  ihnen  etliche  Zweige  der  hohlen 
Sprossen,  welche  aus  der  Epithelialschicht  der  primitiven  Lungen- 
bläschen entstanden  sind,  sich  beträchtlich  erweitern  und  zusam- 
men mit  einem  Theil  von  der  Faserschicht  derselben  eben  so  viele 
nach  unten  in  die  Höhle  des  Rumpfes  vorspringende  Säckchen 
darstellen.  In  der  Regel  bilden  sich  an  jeder  Lunge  vier  solche  in 
einer  Reihe  dicht  auf  einander  folgende  Säckchen.  Anfangs  haben 
diese  eine  mehr  oder  weniger  ovale  Form.  In  dem  weitern  Ver- 
laufe der  Entwickelung  nehmen  sie  dann,  zumal  das  hinterste  Paar, 
bedeutend  an  Umfang,  dagegen  nur  sehr  wenig  an  Dicke  der  Wan- 
dung zu,  füllen  in  der  Rumpfhöhle  die  von  den  übrigen  Eingewei- 
den dieser  Höhle  freigelassenen  Zwischenräume  aus  und  werden, 
wenn  der  Vogel  das  Ei  durchbrochen  und   zu  athmen  begonnen 


XI.  Von  den  eingeweidigen  Athemwerkzeugen.  161 

hat,  von  den  Lungen  her  mit  atmosphärischer  Luft  angefüllt.  Nach 
vollendeter  EntAvickelung  bestehen  die  Wandungen  dieser  Anhänge 
der  Lungen,  die  den  Namen  der  Luftsäcke  führen,  wesentlich  aus 
zwei  Schichten,  nämlich  aus  einer  äussern  von  verdichtetem  Binde- 
gewebe gebildeten  Membran,  und  einem  mehr  nach  innen  befind- 
lichen Flimmerepithel;  ausserdem  aber  sind  sie  zum  Theil  vom 
Bauchfell  bekleidet.  Im  Innern  besitzen  sie  mitunter  eine  oder 
einige  unvollständige  Scheidewände.  Auch  ist  bisweilen,  obgleich 
nur  selten,  ein  Paar  von  ihnen  durch  solche  Scheidewände  in  eine 
sehr  grosse  Menge  von  Hohlräumen  abgetheilt.  Dieses  letztere  ist 
namentlich  bei  dem  Tölpel  (Sula)  und  den  Pelekanen  der  Falk  bei 
denen  zwei  Luftsäcke  unter  den  Achselhöhlen  nach  aussen  hervor- 
gedrungen sind,  sich  an  der  untern  Seite  des  Rumpfes  und  zum 
Theil  auch  in  den  Flügeln  zwischen  der  Hautbedeckung  und  den 
Muskeln  weit  ausgebreitet  haben  und  ausserhalb  der  Rumpfhöhle 
einen  fast  schwammartigen  Bau  zeigen,  indem  daselbst  die  Höhle 
eines  jeden  in  sehr  zahlreiche  grössere  und  kleinere  Zellenräume, 
welche  in  einander  übergehen,  geschieden  ist.  —  Nach  dem  Ange- 
führten kann  man  daher  annehmen ,  dass  sich  bei  den  Vögeln  die 
Lungen  einestheils  nach  einem  ähnlichen  Typus  wie  bei  den  Säu- 
gethieren,  anderntheils  aber  nach  einem  ähnlichen  Typus  wie  bei 
den  Amphibien  entwickeln. 

Die  erwähnten  Luftsäcke  verwachsen  bei  den  meisten  Vögeln 
stellenweise  mit  verschiedenen  Knochen  des  Rumpfes ,  des  Halses 
und  der  Gliedmassen ,  nachdem  sie  mit  denselben  bei  ihrer  Ver- 
grösserung  in  eine  innige  Berührung  gekommen  sind;  noch  später, 
jedoch  erst  einige  Zeit  nach  der  Beendigung  des  Fruchtlebens,  ent- 
stehen dann  zwischen  den  Höhlen  dieser  Säcke  und  dem  Innern 
der  Knochen,  mit  welchen  sie  verwachsen  sind,  durch  den  Pro- 
zess  der  Resorption,  unter  gleichzeitigem  Schwinden  des  Markes 
in  denselben,  CommunicationsöfFnungen ,  durch  die  nunmehr  die 
atmosphärische  Luft,  die  aus  den  Lungen  in  die  angeführten  Säcke 
gelangt  war,  auch  in  mehrere  Knochen  übergeht. 


Rathke,  Vorlesungen.  J  1 


162  XI.  Von  den  eingeweidigen  Athemwerkzeugen. 

Rathke,  Ueber  die  Entwickelung  der  Athemwerkzeuge  bei 
den  Vögeln  und  Säugethieren.  (In  den  Verhandlungen  der  Carol. 
Leopold.  Academie  der  Naturforscher  vom  Jahre  1828.  Bd.  XIV. 
Theill.) 

Bischoff,  Entwicklungsgeschichte  des  Hunde-Eies.  Braun- 
schweig 1845. 

Remak,  Untersuchungen  über  die  Entwickelung  der  Wirbel- 
thiere.   Berlin  1850—55. 


Zwölftes  Kapitel. 

Von  den  Harnwerkzeugen. 

§•  71. 

-Dei  den  höhern  Wirbelthieren,  den  Batrachiern,  den  Gräten- 
fischen und  muthmasslich  auch  bei  den  Knorpelfischen  bilden  sich 
unter  der  Rückenwand  des  Rumpfes  nach  einander  zwei  Paar  harn- 
bereitende Drüsen,  von  denen  aber  im  Verlaufe  der  Entwickelung 
dieser  Thiere  die  des  einen  Paares  mehr  oder  weniger  vollständig 
vergehen/  nachdem  die  beiden  andern  entstanden  und  zu  einer  Se- 
cretion  von  Harn  fähig  geworden  sind.  Es  lassen  sich  daher  bei 
den  "Wirbelthieren  im  Allgemeinen  primitive  oder  vorübergehende 
und  secundäre  oder  bleibende  Nieren  unterscheiden.  Die  erstem 
sind  mit  den  Namen  der  WoLFFschen  Körper  oder  der  Primordial- 
nieren  oder  der  Urnieren  belegt  worden ,  die  letztern  aber  führen 
den  Namen  der  Nieren. 

§.  72. 

Bei  den  Grätenfischen  erreichen  die  WoLFFschen  Körper  nur 
eine  im  Verhältniss  zu  dem  ganzen  Leibe  geringe  Grösse,  liegen  in 
dem  vordersten  Theil  der  Rumpfhöhle,  haben  nach  erlangter  Aus- 
bildung eine  ungefähr  ovale  Form  und  sind  mit  ihrem  dünnern 
Ende  nach  hinten  gekehrt.  Wie  es  den  Anschein  hat ,  besteht  ein 
jeder  nur  aus  einem  einzigen  dünnen  Kanal,  der  in  mehrere  ein- 
ander dicht  anliegende  und  durch  ein  weiches  Blastem  verbundene 
kurze  Schlingen  zusammengelegt  ist.  Ueber  die  Drüse  hinaus  setzt 
sich  dieser  Kanal  in  einen  unter  der  Rückenwand  der  Rumpfhöhle 

11* 


1(34  XII.  Von  den  Harnwerkzeugen. 

nach  hinten  verlaufenden  geraden  Ausführungsgang-  fort,  der  sich 
nicht  fern  von  dem  Ende  der  Rumpfhöhle  mit  dem  gleichen  Kanal 
der  andern  Seitenhälfte  zu  einem  gemeinschaftlichen  Stamm  ver- 
einigt. Der  Stamm  der  beiden  Gänge  aber  mündet  sich  nach  einem 
kurzen  Verlauf  durch  eine  kleine  Oeffuung,  den  nachherigen  Porus 
uro-genitalis ,  dicht  hinter  dem  After  aus.  —  Ob  bei  den  Gräten- 
fischen  nicht  nur  die  angeführten  Harndrüsen ,  sondern  auch  ihre 
Ausführungsgänge  späterhin  vergehen ,  oder  ob  hingegen  die  letz- 
tern bestehen  bleiben,  ist  noch  nicht  ermittelt  worden.  Auch  ist 
es  noch  unbekannt,  wie  und  woher  bei  diesen  Fischen  und  den 
Knorpelfischen  die  eigentlichen  Nieren  entstehen. 

§.    73. 

Bei  den  Batrachiern  erlangen  die  WoLFFschen  Körper  eben- 
falls nur  eine  verhältniss massig  geringe  Grösse  und  haben  ihre 
Lage  in  dem  vordersten  Theil  der  Rumpfhöhle,  liegen  also,  wenn 
bei  diesen  Thieren  bereits  die  Kiemen  entstanden  sind,  gleich  hin- 
ter denselben.  Die  Form,  die  sie  erhalten,  hat  eine  Aehnlichkeit 
entweder  mit  der  von  stark  biconvexen  Linsen  oder  mit  der  von 
Kugeln.  Dem  innern  Baue  nach  besteht  ein  jeder  bei  den  Molchen 
und  der  Feuerkröte  (Bombinator  igneus),  wenn  er  seine  völlige 
Ausbilduno-  erlangt  hat,  ähnlich  einer  Schweissdrüse  des  Menschen 
aus  einem  einzigen  zusammengeknäuelten  Kanal,  der  sich,  ohne  in 
seiner  Dicke  verändert  zu  sein,  in  einen  Aus  führungsgang  fort- 
setzt. Bei  andern  Batrachiern  aber  scheint  der  Kanal,  welcher  den 
WoLFFschen  Körper  selbst  darstellt ,  verästelt  zu  sein.  Die  Aus- 
führungsgänge dieser  Organe  gehen  zu  beiden  Seiten  der  Aorta 
und  des  Gekröses  unter  der  Rückenwand  der  Rumpfhöhle  nach 
hinten,  verlaufen  geradlinig  und  münden  getrennt  von  einander  in 
die  Kloake.  An  der  innern  Seite  derselben  bilden  sich  in  der  hin- 
tern Hälfte  der  Rumpfhöhle  die  Nieren.  Diese  erscheinen  anfäng- 
lich als  kolbenförmige  oder  knopfförmige,  kurzgestielte,  hohle  und 
und  in  zwei  auf  beide  Seitenhälften  des  Leibes  vertheilten  Reihen 
hinter  einander  gelagerte  Körperchen,  die  mit  ihrem  dickern  Ende 
gegen  die  Mittelebene  des  Leibes  hingekehrt  sind,  mit  dem  dün- 
nern Ende  aber  in  jene  Ausführungsgänge  der  WoLFFschen  Kör- 


XII.  Von  den  Harnwerkzeugen.  jg5 

per  übergehen ,  aus  denen  sie  ohne  Zweifel  durch  den  Prozess  der 
Ausstülpung  entstanden  sind.  Allmälig  werden  sie  dann,  während 
einige  Zeit  hindurch  noch  neue  entstehen,  in  Kanälchen  umgewan- 
delt, die  bei  zunehmender  Verlängerung  sich  immer  mehr  schlän- 
geln und  winden,  dabei  auch  dicker  werden  und  sich  meistens 
ziemlich  stark  verzweigen.  Ferner  kommen  die  einer  jeden  Reihe, 
während  sie  sich  vergrössern,  schon  frühe  in  der  Regel  sämmtlich 
dicht  bei  einander  zu  liegen,  werden  darauf  durch  ein  zwischen 
ihnen  sich  ablagerndes  Blastem  mit  einander  innig  vereinigt  und 
setzen  mit  demselben  eine  einzige  mehr  oder  weniger  längliche, 
massig  breite  und  im  Verhältniss  zu  ihrer  Breite  ziemlich  dicke 
Masse  zusammen.  Auch  entwickelt  sich  während  dessen  zwischen 
ihnen  eine  starke  Verzweigung  von  Blutgefässen  nebst  einer  Menge 
von  MALPiGHischen  Gefässknäueln.  Dagegen  verschwinden,  wäh- 
rend sich  die  Nieren  ausbilden,  die  WoLFFschen  Körper  spurlos. 
Die  Ausführungsgänge  dieser  Drüsen  aber  verbleiben  entweder 
nach  ihrer  ganzen  Länge,  oder  doch  soweit  sie  an  den  Nieren  und 
noch  über  dieselben  nach  hinten  hinaus  verlaufen,  nehmen  an 
Dicke  zu,  und  dienen  theils  als  Harnleiter,  theils  auch  späterhin 
als  Eierleiter  oder  Samenleiter.  Jedoch  bleibt  sich  das  Verhältniss, 
in  welchem  bei  den  Batrachiern  die  Harnkanälchen  der  Nieren  zu 
den  ursprünglichen  Ausführungsgängen  der  WoLFFschen.  Körper 
in  einer  frühen  Zeit  der  Entwickelung  stehen,  nicht  bei  allen  die- 
sen Thieren  gleich.  Was  zunächst  die  männlichen  Exemplare  an- 
belangt, so  bleiben  diese  Gänge  bei  denen  von  Necturus ,  Hypo- 
chthonund  Bomhinator  den  Nieren  immer  dicht  angeschlossen  und 
nehmen  die  Harnkanälchen  derselben  unter  rechten  Winkeln  auf. 
Bei  denen  von  Menopoma  entfernt  sich  ein  jeder  etwas  von  der 
Niere  seiner  Seite ,  erhält  von  dem  Bauchfell  ein  ihn  mit  derselben 
verbindendes  Haltungsband,  nimmt  jedoch  die  Harnkanälchen  die- 
ses Organs  ebenso ,  wie  bei  den  ersterwähnten  Thieren  männlichen 
Geschlechts ,  immer  in  einer  Reihe  hinter  einander  auf.  Bei  man- 
chen andern  männlichen  Batrachiern  aber,  so  namentlich  bei  den 
Männchen  der  Molche,  der  Salamander,  Frösche  (Ranae)  und  des 
Bufo  cinereus,  entfernt  sich  der  Ausführungsgang  des  WoLFFschen 
Körpers  nicht  nur  etwas  von  der  Niere  und  gewinnt  dabei  ein  Hai- 


]ß6  XII.  Von  den  Harnwerkzeugen. 

tungsband,  sondern  verkürzt  sich  such,  so  weit  er  an  der  Niere 
anfangs  verläuft,  in  einem  hohen  Grade,  in  Folge  wovon  nunmehr 
die  Enden  der  in  ihn  sich  mündenden  Harnkanälchen  der  Niere 
immer  mehr  zusammenrücken ,  bis  sie  sämmtlich  dicht  zusammen- 
treffen. Ist  dies  geschehen,  so  spinnen  die  angeführten  Kanälchen 
zusammengenommen  aus  dem  Ausführungsgange  des  bereits  ver- 
schwundenen WoLFFschen  Körpers ,  während  und  weil  der  hin- 
ter ihnen  liegende  Theil  dieses  Ganges  sich  weniger  verlängert, 
als  der  hinter  ihnen  und  der  Niere  liegende  Theil  des  Rumpfes, 
also  von  der  Niere  sich  nach  hinten  entfernt,  einen  ihnen  gemein- 
schaftlichen Stamm  aus,  der  dann  gleichsam  einen  besondern  Harn- 
leiter der  Niere  darstellt.  Nur  sehr  kurz  bleibt  dieser  ihr  Stamm, 
der  als  ein  Seitenast  von  dem  Ausführungsgange  des  WoLFFschen 
Körpers  erscheint,  bei  den  Molchen  und  Salamandern,  ziemlich 
lang  aber  wird  er  bei  den  Fröschen  und  bei  Bufo  cinereus.  — 
Aehnliche  Vorgänge,  wie  die  so  eben  angegebenen  bei  den  zuletzt 
genannten  Batrachiern  männlichen  Geschlechts,  finden  auch  bei 
den  weiblichen  Individuen  aller  Batrachier  statt,  in  Folge  deren 
denn  auch  bei  diesen  nach  vollendeter  Entwickelung  die  Harnka- 
nälchen einer  jeden  Niere  mittelst  eines  besondern  und  zwar  je  nach 
den  Arten  dieser  Thiere  mehr  oder  weniger  langen  gemeinschaft- 
lichen Stämmchens  in  den  hintersten  Theil  des  ursprünglichen  Aus- 
führungsganges  eines  WoLFFschen  Körpers  übergehen. 

§.  74. 

Bei  den  höhern  Wirbelthieren  erreichen  die  WoLFFschen  Kör- 
per eine  verhältnissmässig  viel  bedeutendere  Grösse,  als  bei  den 
niedern,  und  erstrecken  sich  gleich  nach  ihrem  Erscheinen  durch 
die  ganze  Länge  der  Rumpfhöhle,  deren  Rückenwand  sie  dicht  an- 
liegen. Nachher  verlängern  sie  sich  zwar  weniger,  als  der  Rumpf, 
und  entfernen  sich  deshalb  allmälig  immer  mehr  theils  von  dem 
vordem,  theils  auch, -wenngleich  in  geringerm  Grade,  von  dem 
hintern  Ende  desselben,  nehmen  aber  dafür  beträchtlich  an  Dicke 
zu,  und  zwar  am  meisten  bei  den  Säugethieren,  bei  denen  sie,  wenn 
das  Zwerchfell  entstanden  ist,  in  der  Unterleibshöhle  gefunden 
werden.    Nach  erhaltener  Ausbildung  stellt  ein  jedes  von  diesen 


XII.  Von  den  Harnwerkzeugen.  167 

Organen  einen  mehr  oder  weniger  langgestreckten  Körper  dar,  an 
dem  sich  ein  stumpfer  und  ein  massig  scharfer  Längenrand,  sowie 
eine  convexe  und  eine  schmälere  concave  Seite  unterscheiden  las- 
sen. Mit  dem  stumpfen  Rande  ist  es  neben  der  Aorta  an  die  Rücken- 
wand des  Rumpfes  dicht  angeheftet,  mit  der  convexen  Seite  nach 
oben  und  aussen,  mit  dem  scharfen  Rande  nach  aussen  und  unten, 
mit  der  concaven  Seite  nach  innen  und  unten  gekehrt.    Dem  in- 
nern  Baue  nach  besteht  es  nach  vollendeter  Ausbildung  wesentlich 
erstens  aus  einer  Reihe  von  Harnkanälchen,  die  quer  verlaufen,  an 
der  convexen  Seite  des  Organs  meistens  dieser  entsprechende  und 
dicht  auf  einander  folgende  Bogen ,  dagegen  an  der  innern  Seite 
und  in  der  Tiefe  desselben  starke  Schlängelungen  und  Windungen 
bilden,  zweitens  aus  einer  grossen  Menge  zerstreut  liegender  Mal- 
piGHischer  Gefässknäuel  und  drittens  aus  einem  nur  sehr  massig 
dicken  Ausführungsgange ,  der  die  Harnkanälchen  nach  einander 
aufnimmt,  entweder  an  dem  scharfen  Rande  (Säugethiere)  oder  an 
der  convexen  Seite  des  Organs  nach  dessen  ganzer  Länge  verläuft, 
auch  über  dasselbe  sich  nach  hinten  mehr  oder  weniger  weit  hin. 
aus  erstreckt  und  sich  endlich  entweder  in  eine  Kloake,  oder  aber 
—  so  namentlich  bei  fast  allen  Säuge  thier.en,  wenn  bei  ihnen  nicht 
mehr  eine  Kloake  vorkommt  —  in  einen  Sinus  uro-genitalis  mün  ■ 
det.    Nachdem  bei  den  höhern  Wirbelthieren  während  des  Frucht- 
lebens die  WoLFFschen  Körper  eine  mehr  oder  weniger  lange  Zeit 
als  Harnwerkzeuge  gedient,   die  Nieren  aber  sich  bereits  so  weit 
entwickelt  haben,   dass  auch  sie  schon  Harn  bereiten  können,  be- 
ginnt in  den  erstem  Organen  eine  rückschreitende  Metamorphose. 
Bei  den  weiblichen  Individuen  dieser  Geschöpfe  vergehen  nämlich 
dieselben  nunmehr,  obschon  nur  ganz  allmälig,  entweder  bis  auf  die 
letzte  Spur,  oder  ausnahmsweise  bis  auf  einige  Ueberreste,  die  nach- 
her gar  keine  Verrichtung  auszuüben  haben.    So  bleiben  bei  den 
weiblichen  Individuen  des  Menschengeschlechts  einige  Harnkanäl- 
chen nebst  Theilen  von  den  Ausführungsgängen  der  WoLFFschen 
Körper  zurück,  die  zusammengenommen  die  RosENMUELLERschen 
Organe  (oder  Nebeneierstöcke)  darstellen,  desgleichen  bei  denen 
der  Wiederkäuer  und  Schweine  Theile  der  erwähnten  Ausführungs 
gänge,  welche  Ueberreste  bei  ihnen  den  Namen  der  Gärtners chen 


168  XII.  Von  den  Harnwerkzeugen. 

Kanäle  erhalten  haben.  —  Bei  den  männlichen  Individuen  der  hö- 
hern Wirbel thiere  bleiben  die  Ausführungsgänge  der  WoLFFschen 
Körper  bestehen,  nehmen  an  Grösse  noch  zu  und  stellen  späterhin 
die  Canales  epididymidum  und  die  Ductus  deferentes  dar.  Auch 
verbleiben  bei  ihnen  einige  wenige  von  den  'Harnkanälchen  der 
WoLFFschen  Körper  und  bilden  die  Vasa  efferentia  der  Hoden, 
desgleichen  namentlich  bei  dem  Menschen  die  Vasa  aberrantia 
Halleri.  Die  meisten  Harnkanälchen  dieser  Organe  aber  vergehen 
ohne  eine  Spur  von  sich  zurückzulassen. 

Im  \  erhältniss  zu  der  Dauer  des  Fruchtlebens  schwinden  die 
WoLFFschen  Körper  der  höhern  Wirbelthiere  im  Ganzen  genom- 
men am  frühesten  und  raschesten  bei  den  Säugethieren.  Denn  die- 
jenigen Theile  von  ihnen,  welche  bei  diesen  vergehen,  verschwin- 
den schon  lange  vor  der  Mitte  des  Fruchtlebens  derselben.  Dage- 
gen findet  man  von  ihnen  im  Ganzen  sowohl  bei  männlichen,  als 
auch  bei  weiblichen  Vögeln  und  Reptilien  massig  grosse  Ueberreste 
noch  nach  Beendigung  des  Fruchtlebens. 

Die  Nieren  und  Harnleiter  bilden  sich  bei  den  höhern 
Wirbelthieren  ganz  unabhängig  von  den  WoLFFschen  Körpern  und 
deren  Ausführungsgängen.  Wie  und  woher  sie  bei  denselben  ent- 
stehen, ist  nur  erst  bei  den  Vögeln  erforscht  worden.  Bei  diesen 
entspringen  nach  Remaks  Untersuchungen  an  dem  Hühnchen  die 
Nieren  und  ihre  Harnleiter  neben  und  nach  innen  von  den  Aus- 
führungsgängen der  WoLFFschen  Körper  aus  der  Kloake,  erschei- 
nen anfangs  als  ein  Paar  von  dieser  nach  vorn  gehende  hohle  Za- 
pfen, verlängern  sich  aber  ziemlich  rasch  und  stellen  nach  kurzer 
Zeit  zwei  dünne,  fast  ganz  gerade  und  nach  vorn  gerichtete  blinde 
Röhren  dar,  die  zwischen  der  Rückenwand  des  Rumpfes  und  den 
WoLEFschen  Körpern  gelagert  sind  und  aus  zwei  verschiedenen 
Schichten  bestehen ,  von  denen  die  dünnere  innere  als  eine  Fort- 
setzung des  Drüsenblattes  des  Darmkanals  erscheint.  Demnächst 
schwillt  an  den  vordem  längern  Hälften  dieser  Röhren  die  äussere 
Schicht  derselben,  die  sich  als  eine  Fortsetzung  des  Faserblattes 
des  Darmkanals  darstellt,  stärker  an,  worauf  nunmehr  daselbst  die 
innere  Schicht  nach  einander  ziemlich  viele  kleine  Ausbuchtungen 
in  sie  hineinsendet ,  die  alsbald  die  Form  von  kurzen  Kolben  ge- 


XII.  Von  den  Harnwerkzeugen.  169 

winnen.  Diese  aber  verlängern  sich  dann  allmälig,  treiben  hohle 
Sprossen  hervor,  verzweigen  sich  überhaupt  sehr  stark  in  den  noch 
immer  mein-  anschwellenden  Partien  der  äussern  Schicht  und  sind 
insofern  als  die  Grundlagen  von  den  Harnkanälchen  der  Nieren  zu 
betrachten,  als  sich  aus  ihnen  das  Epithel  dieser  Kanälchen  ent- 
wickelt. Die  Drüsenmembran  der  angeführten  Kanälchen,  das 
Bindegewebe  der  Nieren  und  die  in  diesem  befindlichen  Verzwei- 
gungen von  Blutgefässen  entwickeln  sich  aus  den  stark  hervorge- 
wucherten  Partien  der  Substanz,  welche  die  äussere  Schicht  der 
beiden  ursprünglich  einfachen  Röhren  bildet,  die  als  die  Anlagen 
der  Harnleiter  und  der  Nieren  erscheinen.  —  Im  Verlaufe  der  Ent- 
wicklung bilden  sich  bei  den  Vögeln  die  Nieren  zu  zwei  unmittel- 
bar hinter  den  Lungen  liegenden  grossen  Massen  aus,  die  eine  mehr 
oder  weniger  längliche  Form  haben,  im  Verhältniss  zu  ihrer  Länge 
ziemlich  dick  und  meistens  auch  ziemlich  breit  sind,  in  der  Pegel 
in  etliche  Lappen  getheilt  erscheinen,  immer  an  ihrer  einen  Seite 
mit  der  Rückenwand  des  Pumpfes  zusammenhängen  und  zu  der 
Zeit,  da  die  WoLFFschen  Körper  noch  ansehnlich  gross  sind,  zwi- 
schen jenen  und  diesen  ihre  Lage  haben. 

Eine  Verhältnis smässig  geringere  Grösse  und  andere  Formen, 
als  bei  den  Vögeln,  erlangen  die  Nieren  bei  den  Reptilien.  Wie  bei 
jenen  Thieren,  liegen  sie  aber  auch  bei  diesen  zwischen  den  Wolff- 
schen  Körpern  und  der  Pückenwand  des  Rumpfes.  Desgleichen 
stellen  sie  bei  denselben  nach  ihrer  Entstehung  einige  Zeit  ein  Paar 
längliche  und  zum  Theil  halb  durchsichtige  Massen  dar,  in  denen 
eine  mehr  oder  weniger  grosse  Menge  von  hohlen,  weisslichen  und 
quer  gerichteten  kolbenförmigen  Körperchen  liegt,  die  sämmtlich 
unter  ziemlich  rechten  Winkeln  in  ein  Paar  aii  diesen  Massen  von 
vorn  nach  hinten  verlaufende  und  über  sie  hinaus  sich  zu  der 
Kloake  begebende  Kanäle,  die  künftigen  Harnleiter,  übergehen. 
Bei  den  Schlangen  bildet  sich  in  jeder  Niere  nur  eine  einzige  Reihe 
von  solchen  Körperchen,  hingegen  bei  den  Krokodilen  und  Schild- 
kröten mein",  als  eine  Reihe.  Alle  diese  Körperchen  aber  wandeln 
sich  in  Röhren  um,  die  sich  bei  fortschreitender  Entwicklung  stark 
verzweigen  und  schliesslich  das  Epithel  der  Harnkanälchen  dar- 
stellen. —  x^nbelangend  die  Gestalt  der  Nieren  bei  den  Reptilien^, 


1 70  XII.  Von  den  Harnwerkzeugen. 

so  entstehen  bei  den  Schlangen.,  bei  denen  diese  Organe  eine  lang- 
gestreckte Form  erhalten,  an  jedem  derselben  mehrere  Kingfur- 
chen, wodurch  es  in  eine  Reihe  auf  einander  folgender  und  einan- 
der ähnlicher  Lappen  getheilt  wird,  von  denen  ein  jeder  in  der 
Regel  nur  ein  einziges,  aber  stark  verzweigtes  Harnkanälchen  ent- 
hält. Uneben  wird  die  Oberfläche  der  Nieren  auch  bei  den  Kroko- 
dilen, noch  manchen  andern  Sauriern  und  den  Schildkröten.  An 
ihnen  aber  bilden  die  Unebenheiten  ähnliche  Gyri  und  dazwischen 
liegende  Sulci,  wie  an  den  Hemisphären  des  grossen  Gehirns  bei 
dem  Menschen. 

Bei  den  Säugethieren  liegen  die  Nieren  anfänglich  zwischen 
der  Rückenwand  des  Rumpfes  und  den  WoLFischen  Körpern  weit 
nach  hinten ,  rücken  aber  nachher  allmälig  mehr  nach  vorn.  Der 
Gestalt  nach  sind  sie  kurze  Zeit  nach  ihrer  Entstehung  entweder 
rundlich  oder  oval,  werden  aber  bald  darauf  bei  diesen  Thieren, 
mit  Ausnahme  jedoch  der  Cetaceen,  mehr  oder  weniger  bohnen- 
förmig.  Die  Harnkanälchen  sind  in  ihnen ,  wie  in  den  Nieren  der 
Vögel,  Reptilien  und  Batrachier,  anfangs  kolbenförmig,  haben  aber 
in  ihnen  bald  nach  ihrem  Erscheinen  meistens  —  abgesehen  näm- 
lich von  den  Cetaceen  —  eine  andere  Richtung  als  in  den  gleich- 
namigen Organen  jener  Thiere,  sind  nämlich  in  jeder  Niere  sämmt- 
iich  convergirend  nach  einer  Stelle  an  der  Oberfläche  derselben 
hingerichtet,  die  sich  zu  einem  Hilus  renalis  ausbilden  soll.  An- 
fänglich, jedoch  nur  kurze  Zeit,  kommen  in  jeder  Niere  nur  einige 
wenige  Anlagen  von  Harnkanälchen  vor,  allmälig  aber  nimmt  ihre 
Zahl  sehr  bedeutend  zu,  indem  von  dem  Harnleiter  aus  theils  zwi- 
schen den  bereits  vorhandenen,  theils  nach  aussen  von  denselben 
neue  entstehen.  —  Ihre  weitere  Entwickelung  geht  insofern  in  einer 
ähnlichen  Weise  vor  sich ,  wie  bei  andern  Wirbelthieren ,  als  sich 
eine  jede  solche  anfangs  kolbenförmige  und  weisslich  gefärbte  An- 
lage eines  Harnkanälchens  in  eine  Röhre  umwandelt,  die  sich  stark 
verzweigt,  sich  im  Ganzen  vielfältig  schlängelt  und  windet  und 
eine  Epithelialschicht  darstellt,  um  die  sich  zur  Einscheidung  aus 
dem  halbdurchsichtigen  und  farblosen  Blastem  der  Niere  eine  Drü- 
senmembran bildet.  —  Ein  Unterschied  zwischen  Rinden-  und 
Marksubstanz,  der  nur  in  den  Nieren  der  Säugethiere  zu  finden 


XII.  Von  den  Harnwerkzeugen.  171 

ist,  macht  sich  in  denselben  erst  ziemlich  spät,  wenngleich  schon 
während  des  Fmchtlebens ,  bemerkbar,  denn  einige  Zeit  hat  die 
Masse  der  Nieren  durchweg  das  Aussehen  der  Rindensubstanz. 
Nachher  aber  strecken  sich  die  dem  Hilus  renalis  zugekehrten 
Hälften  der  bereits  stark  verzweigten  Harnkanälchen  gerade,  in 
Folge  wovon  dann  eine  Scheidung  der  Nierenmasse  in  eine  Rin- 
den- und  eine  Marksubstanz  eintritt.  Bei  dem  Menschen  und  eini- 
gen andern  Mammalien  ist  damit  einestheils  die  Bildung  von  Mal- 
piGHischen  Pyramiden  verbunden,  indem  sich  nämlich  die  Harn- 
kanälchen  der  Niere  in  mehrere  Gruppen  sondern,  zwischen  denen 
sich  die  Bindesubstanz  stärker  anhäuft,  andern theils  auch  die  Bil- 
dung- von  breiten  Furchen  an  der  Oberfläche  des  Orarans,  durch  die 
nunmehr  die  einzelnen  Gruppen  der  Harnkanälchen  wie  durch  ein 
Netz  von  seichten  Gräben  gegen  einander  abgegrenzt  werden,  das 
ganze  Organ  aber  ein  gelapptes  Aussehen  erhält.  Dieses  Aussehen 
behält  alsdann  bei  einigen  Säugethieren ,  z.  B.  bei  den  Bären  und 
Fischottern,  die  Niere  zeitlebens;  bei  andern  aber  verliert  sie  es 
wieder. 

Das  relative  Gewicht  der  Nieren  ist  bei  dem  Menschen,  wenn 
er  geboren  wird,  viel  grösser,  als  in  spätem  Jahren  des  Lebens. 
Denn  nach  Meckel  verhält  sich  das  Gewicht  dieser  Organe  zu  dem 
des  ganzen  Körpers  bei  Neugebornen  ungefähr  wie  1 :  80,  bei  Er- 
wachsenen aber  wie  l  :  240. 

Die  Harnleiter  münden  sich  bei  den  Säugethieren  im  Allge- 
gemeinen,  wie  bei  den  übrigen  höhern  Wirbelthieren ,  ursprüng- 
lich neben  den  Ausführungsgängen  der  WoLFEschen  Körper  in 
eine  Kloake.  Wenn  aber  von  derselben  in  dem  weitem  "V  erlaufe 
der  Entwickelung  ein  Theil  als  Sinus  uro- genitalis  abgespalten 
worden  ist,  so  befinden  sich  ihre  Mündungen  in  diesem  Sinus.  An 
ihrem  vordem  Ende  sind  sie  auch  bei  den  Säugethieren,  wie  bei 
andern  höhern  Wirbelthieren,  anfangs  nicht  dicker  als  in  ihren 
übrigen  Theilen.  Sehr  bald  aber  weiten  sie  sich  daselbst  bei  den 
meisten  Säugethieren  —  abgesehen  nämlich  von  den  Cetaceen  — 
stärker  aus  und  bilden  dadurch  die  Nierenbecken,  aus  denen  sich 
darauf  bei  denjenigen  Säugethieren,  in  deren  Nieren  mehrere  Mal- 


172  XII.  Von  den  Harnwerkzeugen. 

piGHische  Pyramiden  entstehen ,  noch  später  etliche  Nierenkelche 
entwickeln. 

§.  75. 

MALPiGHische  Gefässknäuel  kommen  nicht  nur  in  den 
Nieren  aller  Wirbelthiere,  sondern  auch  in  den  WoLFFschen  Kör- 
pern der  höhern  Wirbelthiere  vor.  Nach  Remaks  Untersuchungen 
an  den  Nieren  von  Embryonen  verschiedener  Säugethiere  entste- 
hen diese  Gefässknäuel  zwischen  den  Röhrchen,  welche  nachher 
das  Epithel  der  Harnkanälchen  darstellen,  und  werden  einzeln  von 
ihnen  umwachsen  und  eingehüllt.  Dies  aber  geschieht,  indem  ein 
solches  Röhrchen  in  der  Regel  an  seinem  blinden  Ende,  selten  an 
einer  andern  Stelle,  zur  Aufnahme  eines  benachbarten  Gefässknäu- 
els  sich  stark  erweitert,  dabei,  wo  es  denselben  berührt,  eine  napf- 
förmige  Einstülpung  bildet  und  ihn  mit  dieser  allmälig  bis  zu  der 
Eintrittsstelle  seiner  ,  Gefässstämmchen  umfasst.  Entsteht  darauf 
die  Drüsenmembran  des  Harnkanälchens ,  so  bedeckt  sie  den  Ge- 
fässknäuel von  aussen  her,  so  dass  alsdann  derselbe  zwischen  ihr 
und  dem  Epithel  des  Kanälchens  eingeschlossen  gefunden  wird. 

Der  Harn,  den  die  Nieren  der  Wirbelthiere  absondern,  ist  je 
nach  Klassen  und  Ordnungen  derselben  entweder  dünnflüssig  oder 
gegentheils  breiartig  und  weiss  oder  gelblich-weiss  von  Farbe. 
Einen  solchen  breiartigen  und  an  Harnsäure  sehr  reichhaltigen 
Harn  bereiten  die  Nieren  namentlich  bei  den  Schlangen,  Eidech- 
sen, Krokodilen  und  Vögeln.  Einen  ähnlichen  sondern  aber  auch 
die  WoLFFschen  Körper  dieser  Thiere  ab,  statt  dass  sie  bei  denje- 
nigen Wirbelthieren ,  deren  Nieren  einen  dünnflüssigen  und  sehr 
wässrigen  Harn  bereiten,  ebenfalls  nur  einen  solchen  absondern. 

§.   76. 

Eine  Harnblase  fehlt  bei  vielen  Wirbelthieren,  z.  B.  bei  den 
Vögeln,  den  Schlangen  und  den  meisten  Sauriern.  Unter  denjeni- 
gen, welche  ein  solches  Organ  besitzen,  ist  es  bei  den  Säugethie- 
ren,  Schildkröten  und  Sauriern  der  Hauptsache  nach  eine  weitere 
Ausbildung  des  Stieles  der  Allantois,  bei  den  Batrachiern  aber  ein 


XII.  Von  den  Harnwerkzeugen.  J  73 

besonderes  Organ,  das  aus  der  untern  Wandung  der  Kloake  her- 
vor wächst,  erst  sehr  spät  auftritt,  und  von  dem  kein  Theil  jemals 
aus  der  Rumpfhöhle  hervordringt.  Verschieden  findet  man  ferner 
das  Verhältniss  der  Harnleiter  zu  der  Harnblase.  Bei  den  Batra- 
chiern  und  Reptilien  bleiben  die  Mündungen  jener  Kanäle  für  im- 
mer in  der  Kloake  liegen ,  schliessen  sich  also  nicht  der  Harnblase 
an,  die  sich  unterhalb  derselben  ebenfalls  in  die  Kloake  mündet. 
Bei  fast  allen  Säugethieren  aber  (mit  Ausnahme  nämlich  der  Mo- 
notremen)  spaltet  sich  die  auch  bei  ihnen  anfangs  vorhandene 
Kloake ,  also  das  erweiterte  Ende  des  Darms ,  von  der  Stelle  aus, 
wo  die  Allantois  in  dieselbe  übergeht,  durch  eine  von  vorn  nach 
hinten  fortschreitende  Einfaltung  der  Quere  nach  vollständig  in 
zwei  Hälften  oder  Bohren,  also  in  eine  obere  und  eine  untere 
Bohre,  von  denen  dann  die  erstere  dem  Darm  eigen  bleibt  und  mit 
zwei  Ringmuskelii  versehen  wird,  die  letztere  dagegen  im  Allge- 
meinen als  ein  gemeinschaftlicher  Ausgang  der  Harnwerkzeuge  und 
innern  Geschlechts  Werkzeuge  dienen  soll.  Bei  dieser  Zerspaltung 
nimmt  das  sich  bildende  untere  Rohr,  das  man  auf  seiner  frühesten 
Stufe  der  Entwickelung  den  Sinus  uro-genitalis  genannt  hat,  die 
Mündungen  der  Harnleiter  mit  sich,  und  die  Stelle  dieses  Rohres, 
das  dieselben  enthält,  wird  darauf  zur  Bildung  des  hintersten  Thei- 
les  (Collum  und  Fundus)  der  Harnblase  verwendet. 

Bei  den  Fischen  macht  sich  niemals  an  der  untern  Wandung 
des  Endstückes  des  Darmkanales  ein  sackartiger  Anhang  bemerk- 
bar, der  als  gleichbedeutend  mit  der  Allantois  oder  mit  der  Harn- 
blase andrer  Wirbelthiere  zu  betrachten  wäre.  Wohl  aber  weitet 
sich  bei  manchen  Grätenfischen  ein  jeder  Harnleiter  vor  seinem 
Ende  bedeutend  aus  und  bildet  einen  blasenartigen  Behälter  für 
den  Harn ,  indess  sich  bei  noch  andern  Grätenfischen  der  Stamm, 
zu  dem  bei  diesen  Thieren  die  beiden  Harnleiter  ganz  hinten  zu- 
sammengeflossen sind,  durch  Ausweitung  und  Verlängerung  zu 
einem  solchen  Behälter  entwickelt. 


\  74  XII.  Von  den  Harnwerkzeugen. 

Rathke,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Thierwelt.  Abtheilung 
3.   Halle  1825. 

Joh.  Mueller,  Bildungsgeschichte  der  Genitalien.  Düssel- 
dorf 1830. 

Rathke,  Abhandlungen  zur  Bildungs-  und  Entwickelungs- 
Geschichte  des  Menschen  und  der  Thiere.    Theil  I.    Leipzig  1832. 

von  Wittich,  Beiträge  zur  Entwickelung  der  Harn-  und  Ge- 
schlechtswerkzeuge der  nackten  Amphibien  (in  der  Zeitschrift  für 
wissenschaftliche  Zoologie  von  Carl  von  Siebold  und  Kölliker. 
IV.  Band.    1852.   S.  125—168). 

Reichert,  Ueber  die  WoLFFschen  Körper  bei  Fischembryo- 
nen (in  J.  Müllers  Archiv.   Jahrgang  1856). 


Dreizehntes  Kapitel. 

Von  den  Geschlechtswerkzeugen. 

§.   77. 

l'ie  wesentlichsten  Geschlechtswerkzeuge  sind  die  Eierstöcke 
\\nd  die  Hoden.  Sie  entstehen  später,  als  alle  bisher  beschriebenen 
Eingeweide,  doch  bei  den  Säugethieren  schon  ziemlich  frühe,  hin- 
gegen bei  den  Batrachiern  erst  nach  der  Mitte  des  Larvenlebens, 
und  ebenfalls  erst  ziemlich  spät  bei  den  Fischen. 

Bei  den  meisten  Grätenfischen  entspringen  sie  allem  Anschein 
nach  unmittelbar  unter  der  Bückenwand  des  Rumpfes,  bei  den  Ba- 
trachiern auf  den  sogenannten  Fettkörpern,  zweien  Fettablagerun- 
gen an  dem  vordem  Theil  der  beiden  Nieren,  bei  den  übrigen  oder 
höhern  Wirbelthieren  an  der  nach  unten  und  innen  gekehrten  Seite 
der  WoLFFschen  Körper.  Anfangs  besteht  ein  jedes  solches  Organ 
aus  einer  einfachen  Masse  eines  durchweg  gleichartigen  Blastems, 
die  aber  bei  verschiedenen  Thieren  eine  verschiedene  Forin  und 
verschiedene  relative  Grösse  hat.  Dagegen  haben  bei  allen  Indivi- 
duen einer  und  derselben  Art  von  Wirbelthieren  die  Eierstöcke 
und  Hoden  einige  Zeit  eine  durchaus  gleiche  Beschaffenheit,  wes- 
halb man  anfänglich  eben  so  wenig  an  ihnen,  wie  an  andern  Kör- 
pertheilen,  einen  Unterschied  des  Geschlechts  erkennen  kann. 

Der  Entwicklungsgang,  den  die  Eierstöcke  bei  den  verschie- 
denen Wirbelthieren  nehmen ,  ist  im  Allgemeinen  ein  zweifacher. 
Entweder  nämlich  bleiben  sie  ganz  dicht,  und  es  werden  dann  die 
Eier,  die  sich  in  ihnen  bilden,  nach  erlangter  Keife  an  verschiede- 
nen Stellen  der  Oberfläche  ausgestossen.    Dies  ist  der  Fall  bei  den 


176  XIII    Von  den  Geschlechtswerkzeugen. 

Säugethieren ,  Vögeln,  Schildkröten,  Krokodilen,  Plagiostomen, 
Cyclostomen ,  Stören  und  einigen  Grätenfischen.  In  dem  andern 
Falle  aber  werden  sie  im  Innern  hohl  und  wandeln  sich  in  hautar- 
tige Säcke  um,  in  deren  Höhle  nachher  die  in  der  Wandung  ent- 
standenen Eier  hineinfallen,  worauf  dann  diese  reifen  Eier  durch 
eine  schon  früher  in  der  Wandung  an  einer  bestimmten  Stelle  ge- 
bildete Oeffnung  aus  dem  Eierstock  heraustreten.  Eierstöcke  von 
dieser  letztern  Art  entwickeln  sich  namentlich  bei  den  Eidechsen, 
Schlangen  und  den  meisten  Grätenfischen. 

Was  die  Hoden  anbelangt,  so  bilden  sich  in  dem  Blastem  des- 
selben kleine  rundliche  Säckchen  in  grösserer  oder  geringerer  Zahl, 
die  für  die  Bereitung  des  Samens  bestimmt  sind.  Diese  ursprüng- 
liche Form  behalten  sie  bei  den  Cyclostomen,  Plagiostomen  und 
Aalen  für  immer  bei ;  bei  andern  Thieren  aber  wandeln  sie  sich  all- 
mälig  in  Kanäle  um,  die  dann  bei  den  Grätenfischen  und  Batra- 
chiern  eine  nur  sehr  massig  grosse  Länge  erhalten  und  gerade  ge- 
streckt bleiben,  bei  den  höhern  Wirbelthieren  hingegen  beträcht- 
lich lang  werden  und  in  Folge  dessen  genöthigt  sind,  sich  inner- 
halb des  Hodens  vielfach  zu  schlängeln  und  zu  winden. 


Bei  mehreren  Fischen  bilden  sich  für  die  Produkte  der  Eier- 
stöcke oder  Hoden  keine  besondern  Abzugskanäle,  sondern  es  ge- 
hen bei  ihnen  die  Eier  oder  der  Samen  in  den  freien  Raum  der 
Rumpf  höhle  über,  aus  der  sie  alsdann  durch  eine  besondere  Oeff- 
nung nach  aussen  dringen,  welche  Oeffnung  sich  entweder  vor  dem 
After  in  der  Bauchwandung  (Amphioxus)  oder  in  dem  hintersten 
Theil  des  Darms  (Petromyzonten)  oder  dicht  hinter  dem  After  (Aal 
und  weibliche  Salmonen)  befindet.  '  Bei  den  meisten  Grätenfischen 
aber  sendet  der  Eierstock  oder  Hoden  schon  frühe  einen  Fortsatz 
nach  hinten  aus ,  der  hohl  wird ,  sich ,  wenn  zwei  dergleichen  Or- 
gane vorkommen,  mit  dem  gleichen  Fortsatze  der  andern  Seiten- 
hälfte zu  einem  kurzen  Stamm  verbindet  und  hinter  dem  After  zu- 
sammen mit  den  Harnwerkzeugen  ausmündet.  Die  so  entstehen- 
den Gänge  sind  also  eigentlich  nur  als  besondere  Abschnitte  jener 
Organe  zu  betrachten. 


XIII.  Von  den  Geschlechtswerkzeugen.  177 

Bei  den  Plagio-stomen  und  allen  über  den  Fischen  stehenden 
Wirbelthieren  kommen  für  die  Fortleitung  der  Eier  oder  des  Sa- 
mens zwei  besondere  röhrenförmige  Organe  vor,  die  unabhängig 
von  den  Eierstöcken  oder  Hoden  entstehen  und  sich  jedenfalls  an- 
fänglich in  keiner  Berührung  und  nähern  Verbindung  mit  densel- 
ben befinden.  Man  nennt  diese  Organe ,  die  hinten  entweder  für 
immer.,  oder  doch  —  so  bei  den  Säugethieren  —  anfänglich  in  eine 
Kloake  ausgehen,  im  Allgemeinen  die  Eier-  und  die  Samenleiter. 
Wie  und  woher  sie  bei  den  Plagiostomen  ihre  Entstehung  nehmen, 
ist  noch  unbekannt.  —  Bei  den  Batrachiern  sind  sie  die  übrig  ge- 
bliebenen und  mehr  vergrösserten  Ausführungsgänge  der  Wolff- 
schen  Körper.  Bei  den  weiblichen  Exemplaren  dieser  Thiere  blei- 
ben die  erwähnten  Gänge,  wenn  die  WoLFFschen  Körper  ver- 
schwinden, an  ihrem  vordem  Ende  offen  und  wegsam,  um  nachher 
die  Eier  aufnehmen  zu  können,  lösen  sich  auf  die  schon  oben(§.  7  3) 
angegebene  Weise  von  den  Nieren  los,,  dienen  dann  nur  an  ihrem 
hintern  Ende  zur  Fortleitung  des  Harns  aus  dem  Körper  und  neh- 
men nicht  nur  an  Länge,  sondern  auch  an  Weite  bedeutend  zu. 
Besonders  stark  aber  weiten  sie  sich  bei  den  Fröschen  in  ihrem  hin- 
tern Theile  aus  und  bilden  hier  ein  Paar  blasenförmige  Säcke,  in 
denen  sich  die  Eier,  ehe  sie  gelegt  werden,  anhäufen.  ■ —  Bei  den 
männlichen  Exemplaren  der  Batrachier  schliessen  sich  die  Ausfüh- 
rungsgänge der  WoLFFschen  Körper,  wenn  diese  vergehen,  an  ih- 
rem vordem  Ende,  obliteriren  auch  bei  manchen  in  ihrem  über  die 
Nieren  nach  vorn  hinausgehenden  Theile  und  nehmen  im  Allge- 
meinen  an  Länge  und  Weite  weniger  zu,  als  bei  den  weiblichen 
Exemplaren.  Der  männliche  Samen  gelangt  zu  ihnen  durch  meh- 
rere besondre  zarte  Gänge,  die  sich  zwischen  den  Hoden  und  eben 
so  vielen  Harnkanälchen  der  Nieren  gebildet  haben,  und  dem- 
nächst durch  diese  Harnkanälchen  selbst.  Bei  denjenigen  männ- 
lichen Batrachiern  nun,  bei  welchen  sich  die  Ausführungsgänge 
der  WoLFFschen  Körper  nicht  von  den  Nieren  ablösen ,  sondern, 
soweit  sie  an  den  Nieren  entlang  verlaufen,  mit  den  Harnkanäl- 
chen derselben  in  einer  unmittelbaren  Verbindung  bleiben  (Neciu- 
rus,  Proteus,  Triton  und  Bombinator),  dienen  sie  nach  vollendeter 
Entwicklung  dieser  Thiere  ihrer  ganzen  Länge  nach   als   Harn- 

Rathke,  Vorlesungen.  i  9, 


178  XIII.  Von  den  Geschlechtswerkzeugen. 

und  Samenleiter.  Bei  denjenigen  aber,  bei  welchen  sie  sich  von 
den  Nieren  ablösen  und  sich  zwischen  dem  hintern  Ende  eines  je- 
den von  ihnen  und  der  Niere  derselben  Seite  ein  besondres  Stämm- 
chen für  sämmtliche  Harnkanälchen  dieser  Niere  bildet,  dient 
nachher  nur  der  hinterste  Theil  eines  jeden  von  ihnen  als  Harn- 
und  Samenleiter,  dagegen  der  übrige  sehr  viel  längere  Theil  des- 
selben, der  entweder  durchweg  die  Form  einer  Röhre  beibehält 
oder  an  einer  Stelle  sich  sehr  stark  erweitert,  —  wie  dies  nament- 
lich bei  den  Fröschen  der  Fall  ist  —  allem  Anschein  nach  als  ein 
sich  auf  die  Geschlechtsverrichtung  beziehendes  Secretionsorgan 
und  ausserdem  als  ein  Behälter  für  den  männlichen  Samen. 

Bei  den  höhern  Wirbelthieren  (also  bei  den  Reptilien,  Vögeln 
und  Säuge thieren)  sind  die  Samenleiter  die  übrig  gebliebenen  und 
vergrösserten  Ausführungsgänge  der  WoLFFschen  Körper,  die 
Eierleiter  aber  besondere  neben  jenen  Gängen  entstandene  Organe. 
Demnach  sind  in  genetischer  Hinsicht  die  Samenleiter  und  die 
Eierleiter  dieser  Thiere  nicht  einander  entsprechende,  sondern  von 
einander  ganz  verschiedene  Organe.  Auch  entsprechen  in  der  er- 
wähnten Hinsicht  die  Eierleiter  der  höhern  Wirbelthiere  nicht  de- 
nen der  Batrachier,  da  die  Eierleiter  der  letztern  nur  weiter  ent- 
wickelte Ausführungsgänge  der  WoLFFschen  Körper  sind,  die  der 
ersteren  aber  als  davon  ganz  verschiedene  und  in  der  Reihe  der 
Wirbelthiere  neu  aufgetretene  Organe  zu  betrachten  sind. 

Näher  angegeben,  verhält  es  sich  bei  den  höhern  Wirbelthie- 
ren mit  der  Bildung  und  Entwickelung  der  Eierleiter  und  der  Sa- 
menleiter folgendermassen.  Auf  den  WoLFFschen  Körpern  bilden 
sich  dicht  neben  den  Ausführungsgängen  derselben  einige  Zeit  spä- 
ter, als  jene  aufgetreten  sind,  zwei  andre  und  mit  diesen  gleich 
lange  paarige  Kanäle,  die  sich  ebenfalls ,  und  zwar  etwas  nach  in- 
nen und  vorn  von  denselben,  in  die  Kloake  ausmünden.  Bei  den 
weiblichen  Individuen  nehmen  sie  rasch  an  Masse  so  zu ,  dass  sie 
nach  kurzer  Zeit  die  Ausführungsgänge  der  WoLFFschen  Körper 
an  Dicke  erheblich  übertreffen ;  auch  erhalten  sie  an  ihrem  vordem 
und  ursprünglich  blinden  Ende  durch  Resorption  eine  Oeffnung. 
Ueberhaupt  aber  bilden  sie  sich  durch  fortschreitende  Entwicke- 
lung im  Allgemeinen  zu  den  Eierleitern ,  ihr  vorderes  Ende  insbe- 


XIII.  Von  den  Geschlechtswerkzeugen.  179 

sondere  zu  dem  Trichter  (Infundibulum)  derselben  aus.  Dagegen 
verkümmern  und  verkleinern  sich  bei  den  weiblichen  Individuen 
der  genannten  Thiere  die  WoLFFschen  Körper  nebst  ihren  Aus- 
führungsgängen dermassen,  dass  sie  entweder  spurlos  verschwin- 
den, oder  dass  nur  einige  Reste  von  ihnen  übrig  bleiben,  denen  je- 
doch keine  besondere  "V  errichtung  und  Bedeutung  für  den  Orga- 
nismus beigemessen  werden  kann.  So  ist  nach  Kobelts  Untersu- 
chungen das  bei  erwachsenen  Frauenzimmern  in  der  Nachbarschaft 
eines  jeden  Eierstockes  (in  dem  Fledermausflügel)  vorkommende 
Büschel  von  dünnen  Kanälen,  nämlich  der  sogenannte  Rosenmuel- 
LERsche  Körper ,  nichts  andres ,  als  ein  Ueberrest  der  Kanäle  des 
WoLFFschen  Körpers;  desgleichen  ist  durch Kobelt,  was  ich  schon 
A-or  längerer  Zeit  vermuthet  hatte,  zur  Gewissheit  erhoben  worden, 
dass  die  beiden  sogenannten  GARTXERschen  Kanäle,  die  an  dem 
Uterus,  der  Scheide  und  mitunter  auch  an  den  Muttertrompeten 
der  Wiederkäuer  und  Schweine  vorkommen,  nur  Ueberreste  der 
Ausführungsgänge  der  WoLFFschen  Körper  sind.  —  Ein  umge- 
kehrtes Verhalten,  als  bei  dem  weiblichen  Geschlecht,  zeigen  die 
WoLFFschen  Körper  und  die  beiderlei  an  ihnen  herablaufenden 
und  über  sie  nach  hinten  hinausgehenden  Kanäle  bei  dem  männ- 
lichen Geschlecht  der  höhern  Wirbelthiere.  Die  Ausführungsgänge 
der  WoLFFschen  Körper  gewinnen  nämlich  bei  demselben  immer 
mehr  an  Länge  und  Dicke ,  erhalten  an  ihrer  vordem  Hälfte  bei 
vielen  von  den  angeführten  Thieren  eine  Menge  Schlängelungen 
und  wandeln  sich  überhaupt  in  die  Samenleiter  und  einen  Theil 
der  Nebenhoden  um.  Auch  kommen  einige  Kanäle  eines  jeden 
WoLFFschen  Körpers,  und  zwar  schon  ziemlich  frühe,  mit  den  ent- 
standenen Samenkanälchen  des  benachbarten  Hoden  durch  das 
Mete  vascidosum  Halleri  in  Verbindung,  nehmen  an  Grösse  immer 
mehr  zu  und  entwickeln  sich  zu  dem  Kopf  des  Nebenhoden,  indess 
die  übrigen  Kanäle  des  WoLFFschen  Körpers  entweder  gänzlich 
verschwinden ,  oder  nur  einer  oder  einige  von  ihnen,  namentlich 
bei  Säugethieren,  als  blinde  Anhänge  des  Nebenhoden  unter  dem 
Namen  der  Vasa  aberrantia  Halleri  zurückbleiben.  Dagegen  ver- 
schwinden diejenigen  Kanäle,  welche  den  Eierleitern  in  Hinsicht 
ihrer  Lagerung  und  Form  entsprechen,  entweder,  und  zwar  jeden- 

12* 


|gQ  XIII.  Von  den  Geschlechtswerkzeugen. 

falls  bei  den  Reptilien  und  Vögeln ,  bis  auf  die  letzte  Spur ,  indem 
sie  von  hinten  nach  vorne  allmälig  resorbirt  werden,  oder  doch, 
Avas  bei  manchen  Säugethieren  geschieht,  zum  grössten  Theil,  in- 
dem nur  schwache  Reste  von  ihnen  zurückbleiben.  Ein  solcher 
Ueberrest  ist  namentlich  bei  dem  Menschen  die  an  dem  Nebenho- 
den vorkommende  MoRGAGNische  Hydatide  und  ein  von  dieser  zu- 
weilen auslaufender  zarter,  kurzer  und  in  dem  Nebenhoden  ver- 
steckt liegender  Faden. 

§.  79. 

Ausnahmsweise  bildet  sich  bei  manchen  Fischen  nur  ein  ein- 
ziger Eierstock  oder  Hoden,  so  z.  B.  bei  Perca  fluviatilis ,  Amrao- 
dytes  tobianus ,  Am.mod.  lancea,  Blennius  vimparus ,  Synbranchiis 
marmoratus  und  den  Petromyzonten.  Denn  in  der  Regel  bilden 
sich  bei  den  Wirbelthieren  zwei  solche  Organe.  Wohl  jedenfalls 
aber  bilden  sich  bei  denjenigen  Wirbelthieren ,  welche  Eierleiter 
und  Samenleiter  besitzen,  diese  Organe  in  doppelter  Zahl. 

Auch  in  den  weiblichen  Vögeln  entstehen  die  Eierstöcke  und 
Eierleiter  in  doppelter  Zahl  und  sind  einige  Zeit  hindurch  in  bei- 
den Seitenhälften  an  Form  und  Grösse  einander  gleich.  Schon 
während  des  Fruchtlebens  aber  beginnt  am  rechten  Eierstock  und 
rechten  Eierleiter  eine  Verkleinerung ,  und  späterhin  gehen  dann 
beide  Organe  in  der  Regel  gänzlich  verloren.  Einen  Rest  des  rech- 
ten Eierstocks  findet  man  nach  Ablauf  der  Entwickelung  nur  bei 
einigen  Raubvögeln,  einen  Rest  des  rechten  Eierleiters  nur  bei 
einigen  Wasservögeln. 

§'.  SO. 

Bei  den  Plagiostomen,  Batrachiern,  Reptilien  und  Vögeln 
münden  sich  die  Eierleiter  und  Samenleiter  für  immer  in  die  Klo- 
ake. Bei  den  Säugethieren  aber  findet  man  die  Enden  derselben, 
wann  sich  der  hintere  Theil  des  Darmkanals  in  zwei  Röhren  ge- 
spalten hat,  an  die  untere  von  diesen  Röhren,  die  der  Sinus  oder 
Canalis  uro-genilalis  genannt  wird,  angeheftet.  Genauer  noch  an- 
gegeben gehen  in  diese  Röhre,  wenn  sie  soeben  entstanden  ist,  die 
Ausführungsgänge  der  WoLFFschen  Körper,  die  Eierleiter  oder  die 


XIII.  Von  den  Geschlechtswerkzeugen.  Jgj 

ihnen  entsprechenden  Kanäle  des  andern  Geschlechts  und  die 
Harnleiter  über,  und  zwar  die  Harnleiter  in  einiger  Entfernung 
vor  jenen  andern.  Die  Stelle  nun,  an  der  bei  den  Individuen, 
welche  weiblichen  Geschlechts  werden  sollen,  die  Eierleiter  nahe 
bei  einander  münden ,  sackt  sich  sehr  bald  zu  einem  kegelförmigen 
Anhange  aus,  in  dessen  dünneres  vorderes  Ende  dann  die  Eierlei- 
ter übergehen.  Ist  dies  geschehen,  so  entwickelt  sich  der  zunächst 
vor  diesem  Anhange  gelegene  Theil  des  Sinus  uro-genitalis ,  der 
sich  nicht  unbedeutend  [verlängert ,  zu  der  weiblichen  Harnröhre 
und  einem  Theil  des  Harnblasengrundes ,  der  hinter  ihm  gelegene 
Theil  zu  dem  Vesübulum  oder  Vorhofe  der  Innern  Geschlechts- 
werkzeuge. Der  erwähnte  Anhang  selbst,  der  in  der  Regel  eine 
ziemlich  beträchtliche  Länge  gewinnt ,  erhält  bei  den  meisten  Na- 
gern eine  allenthalben  ziemlich  gleiche  Beschaffenheit  der  Wandung 
und  entwickelt  sich  bei  ihnen  nur  zu  der  Scheide.  Bei  andern 
Säugethieren  aber  erhält  er  in  seiner  vordem  Hälfte  auf  einer  län- 
gern oder  kürzern  Strecke  eine  grössere  Dicke  der  Wandung,  als 
in  der  hintern  längern  Hälfte,  gewöhnlich  auch  auf  der  Grenze 
beider  Hälften  inwendig  ein  Paar  oder  mehrere  dicke  Querwülste, 
und  entwickelt  sich  überhaupt  nicht  blos  zu  der  Scheide ,  sondern 
auch  zu  dem  Halse  und  dem  Körper  der  Gebärmutter.  Der  übrige 
oder  vorderste  Theil  der  Gebärmutter  (bei  dem  Menschen  der  so- 
genannte Fundus  uteri)  wird  dadurch  gebildet,  dass  sich  die  Eier- 
leiter —  was  übrigens  auch  bei  allen  Nagern  der  Fall  ist  —  hinten 
auf  einer  längern  oder  kürzern  Strecke  bedeutend  mehr  erweitern 
und  eine  dickere  Wandung  erhalten,  als  in  ihren  übrigen  Theilen, 
die  sich  indessen  zu  den  Muttertrompeten  entwickeln. 

Bei  den  männlichen  Säugethieren  verlängert  sich  diejenige 
Hälfte  des  Sinus  uro-genitalis,  welche  sich  zwischen  den  Mündun- 
gen der  Harnleiter  und  denen  der  Ausführungsgänge  der  Wolff- 
schen  Körper  befindet,  etwas  weniger,  als  bei  den  weiblichen  Indi- 
viduen derselben  Arten,  und  entwickelt  sich  zu  einem  Theil  des 
Grundes  der  Harnblase  und  der  vordem  Hälfte  der  Pars  prostatica 
der  Harnröhre,  falls  nämlich  solche  Thiere  eine  Prostata  erhalten. 
Die  hintere  Hälfte  des  Sinus  aber  entwickelt  sich  zu  der  hinteren 
Hälfte  der  Pars  prost,  urethrae  und  dem  Isthmus  ureihrae.  —  Wo 


182  XIII.  Von  den  Geschlechts  Werkzeugen. 

sich,  in  dem  Sitius  uro-genitalis  die  Mündungen  für  die  den  Eier- 
leitern entsprechenden  Kanäle  befinden,  welche  Mündungen  etwas 
hinter  denen  der  Ausführungsgänge  der  WoLFFschen  Körper  (der 
künftigen  Samenleiter)  und  näher  bei  einander  liegen,  sackt  sich 
auch  bei  den  männlichen  Individuen  vieler  (oder  vielleicht  aller) 
Säugethiere  die  Wandung  des  Sinus  uro-genitalis  aus  und  bildet 
einen  kegelförmigen  Anhang,  in  dessen  Spitze  dann  jene  den  Eier- 
leitern entsprechenden  Kanäle  übergehen.  Dieser  Anhang  aber 
wird  lange  nicht  so  gross  und  so  dickwandig,  wie  in  den  weiblichen 
Individuen,  und  stellt  zuletzt,  nachdem  jene  Kanäle  völlig  oder 
beinahe  gänzlich  verschwunden  sind,  den  von  Ernst  Weber  ent- 
deckten und  mit  dem  Namen  des  männlichen  Uterus  belegten  Kör- 
pertheil  dar,  der  jedoch  nach  dem  Angeführten  in  genetischer  Hin- 
sicht mehr  der  Scheide ,  als  dem  Uterus  entspricht.  Bei  dem  Men- 
schen ist  dies  die  kleine  und  dünnwandige  Blase,  welche  in  der 
Substanz  der  Vorsteherdrüse  eingeschlossen  liegt. 

Wie  sich  die  Vorsteherdrüse  der  Säugethiere  bildet,  ist  noch 
nicht  gehörig  ermittelt.  Wahrscheinlich  aber  bildet  sie  sich  bei 
einigen  von  diesen  Thieren  auf  eine  ähnliche  Weise,  wie  die  Spei- 
cheldrüsen des  Kopfes,  bei  andern  durch  partielle  Ausstülpungen 
des  Sinus  uro-genitalis. 

Die  in  die  Samenleiter  sich  umwandelnden  Aus  führ  ungsgänge 
der  WoLFFschen  Körper  erweitern  sich  bei  manchen  Säugethieren 
in  der  Nähe  ihrer  Ausmündungen  bedeutend  mehr,  als  anderswo; 
bei  andern  aber  sackt  sich  daselbst  ein  jeder  seitlich  aus,  und  der 
ausgesackte  Theil  entwickelt  sich  dann  zu  einer  Samenblase,  deren 
Form  übrigens  bei  verschiedenen  Säugethieren  sehr  verschieden  ist. 

§.  81. 

Dicht  vor  der  äussern  Oeffnung  des  Sinus  uro-genitalis  ent- 
steht bei  den  Säugethieren  durch  Wucherung  der  Bildungsmasse, 
und  zwar  schon  sehr  frühe,  eine  kleine  warzenförmige  Erhöhung. 
Indem  darauf  dieselbe  besonders  an  Länge  zunimmt,  erhält  sie  an 
ihrer  nach  unten  und  hinten  gekehrten  Seite  eine  Längsfurche,  die 
in  die  erst  erwähnte  Oeffnung  des  Sinus  hineinführt,  und  wandelt 
sich  überhaupt  zu  einem  rinnenförmigen  Körper  um.    Dieser  nun 


XIII.  Von  den  Geschlechtswerkzeugen.  183 

entwickelt  sich  bei  dem  männlichen  Geschlecht  zu  der  Ruthe ,  in- 
dem er  sich  bedeutend  vergrössert  und  indem  die  Ränder  seiner 
Furche  sich  an  einander  legen  und  nach  ihrer  Länge  verwachsen, 
wobei  auch  die  äussere  Oeffnung  des  Sintis  uro-genitalis  durch  eine 
Verwachsung  ihrer  Ränder  geschlossen  wird.  Bei  dem  weiblichen 
Geschlecht  aber,  bei  dem  jener  Körper  zur  Klitoris  wird,  nimmt  er 
viel  weniger  an  Umfang  und  Masse  zu.  Auch  behält  er  bei  den 
meisten  Säugethieren  seine  frühere  Rinnenform.  Denn  nur  bei 
wenigen  schliesst  er  sich,  wie  bei  dem  männlichen  Geschlecht,  zu 
einem  Kanal,  in  den  sich  die  Harnröhre  fortsetzt  und  der  daher  zur 
Ausleitung  des  Harns  dienen  kann,  so  namentlich  bei  den  Maul- 
würfen, einigen  Nagern  und  einigen  Affen.  Doch  bleibt  auch  bei 
diesen  Thieren  die  Mündung  des  Sinus  uro-genitalis  für  die  Begat- 
tung und  den  Durchgang  der  Frucht  immer  offen. 

Bald  nachdem  das  äussere  Geschlechtsglied  zum  Vorschein  ge- 
kommen ist,  erhebt  sich  bei  vielen  Säugethieren  aus  der  Hautbe- 
deckung rechts  und  links  von  der  Mündung  des  Sinus  uro-genitalis 
eine  Längswulst.  Beide  Wülste  entwickeln  sich  darauf  bei  dem 
weiblichen  Geschlecht,  indem  sie  sich  beträchtlich  vergrössern  und 
bei  ihrer  Verlängerung  zuletzt  vor  der  Klitoris  zusammenstossen, 
zu  den  äussern  Schamlippen.  Bei  dem  männlichen  Geschlecht  aber 
kommen  sie  bei  ihrer  Vergrösserung ,  nachdem  sich  schon  vorher 
die  Mündung  des  Sinus  uro-genitalis  geschlossen  hat,  in  der  Regel 
so  dicht  bei  einander  zu  liegen ,  dass  sie  zuletzt  zusammenniessen 
und  dann  einen  einzigen  Körper,  den  Hodensack  zusammensetzen. 
Die  Scheidewand  im  Innern  dieses  Sackes  lässt  sich  gewissermas- 
sen  als  eine  Narbe  betrachten,  die  bei  der  Verwachsung  der  Mün- 
dung des  mehrmals  erwähnten  Sinus  entstanden  ist. 


Rathke,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Thierwelt.  Abtheilung  1. 
und  3.   Halle  1820  und  1S25. 

Derselbe,  Abhandlungen  zur  Bildungs-  und  Entwickelungs- 
Geschichte  etc.   Theil  1.   Leipzig  1832. 

Derselbe,  Ueber  die  Bildung  der  Samenleiter,  der  Fallopi- 
schen  Trompeten  und  der  Gartnerschen  Kanäle  in  Meckels  Archiv. 
Jahrgang  1S32. 


184  XIII.  Von  den  Geschlechtswerkzeugen. 

RathkEj  Entw.  Geschichte  der  Natter  und  Entw.  Geschichte 
der  Schildkröten. 

Joh.  Mueller,  Bildungsgeschichte  der  Genitalien.  Düssel- 
dorf 1830. 

L.  Jacobson,  Die  Primordialnieren ,  ein  Beitrag  zur  Entw. 
Geschichte  des  Embryo.   Kopenhagen  1830. 

E.  H.  Weber,  Zusätze  zur  Lehre  vom  Bau  und  den  Verrich- 
tungen der  Geschlechtsorgane.   Leipzig  1846. 

Kobelt.  Der  Neben-Eierstock  des  Weibes.   Heidelberg  1847. 

von  Wittich,  in  der  Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Zoolo- 
gie.  Bd.  IV.    1852. 


Vierzehntes  Kapitel. 

Von  dem  Herzen  und  den  Blutgefässen. 

§•  82- 

1/as  Herz  stellt  anfangs  einen  spindelförmigen  einfachen  Ka- 
nal dar,  und  dieser  krümmt  sich  —  ausser  bei  dem  Amphioxus,  bei 
dem  er  die  Form  einer  Spindel  für  immer  behält  —  so  zusammen, 
dass  er  eine  etwas  spiralförmig  gewundene  Schlinge  bildet.  Bald 
aber  erweitert  er  sich  an  einigen  Stellen  mein-,  an  andern  weniger, 
und  zwar  im  Allgemeinen  so,  dass  er  nach  einiger  Zeit  aus  drei  in 
einer  Reihe  hinter  einander  liegenden  und  verschiedentlich  grossen 
Kammern  oder  Zellen  besteht,  von  denen  je  zwei  durch  einen  kur- 
zen Gang  mit  einander  zusammenhängen.  Späterhin  verkürzen 
sich  indess  die  beiden  Gänge,  von  denen  der  hintere  der  Ohrkanal, 
Canalis  auricularis,  der  vordere  das  Fretum  Halleri  genannt  wer- 
den, dermassen,  dass  von  ihnen  bei  den  Fischen  nur  eine  kaum 
merkbare  und  bei  den  übrigen  Wirbelthieren  gar  keine  Spur  übrig 
bleibt  und  dass  in  Folge  davon  die  drei  Zellen  des  Herzens  dicht 
an  einander  herangezogen  werden. 

Die  aus  dem  hintersten  Theil  des  Herzkanals  entstandene 
Zelle,  die  ursprünglich  alle  Venen  des  Embryo  durch  einen  einzi- 
gen kurzen  Stamm  aufnimmt,  weitet  sich  bei  den  Fischen  anfangs 
ziemlich  gleichmässig  nach  allen  Richtungen  aus,  nimmt  erst  später 
bei  den  verschiedenen  Species  je  nach  der  allgemeinen  Form  ihres 
Rumpfes  eine  verschiedene  Gestalt  an,  bleibt  aber  im  Innern  ein- 
fach, und  entwickelt  sich  überhaupt  zu  dem  einfachen  Atrium  des 
Herzens.    Bei  den  übrigen  Wirbelthieren  aber,  die  Batrachier  viel- 


1S6  XIV.  Von  ctem  Herzen  und  den  Blutgefässen. 

leicht  ausgenommen,  erhält  sie  zu  der  Zeit,  da  sie  noch  einen  läng- 
lichen Schlauch  darstellt,  zwei  kleine  einander  gegenüber  liegende 
seitliche  Taschen.  Diese  nun  behalten  bei  den  Vögeln  und  Säuge- 
thieren  so  ziemlich  ihre  Form  bei,  verändern  hauptsächlich  nur  ihre 
Grösse  und  stellen  die  sogenannten  Herzohren  dar;  der  mittlere 
Theil  aber  weitet  sich  indessen  noch  bedeutender  aus  und  theilt 
sich  in  die  auch  äusserlich  von  einander  abgegrenzten  Sinus  der 
beiden  Vorkammern,  von  denen  alsdann  die  Herzohren  immerfort 
als  Anhänge  erscheinen.  Bei  den  Schlangen  hingegen,  so  wie  auch 
wahrscheinlich  bei  den  übrigen  Reptilien,  bleibt  der  mittlere  Theil 
in  seiner  Entwickelung  zurück,  indess  die  beiden  Taschen  sich  im- 
mer mehr  ausweiten,  wird  darauf  zur  Vergrösserung  der  rechten 
Tasche  verwandt  oder  in  sie  hineingezogen,  und  verschwindet  zu- 
letzt, wenn  auch  nicht  wirklich,  so  doch  scheinbar,  gänzlich.  Was 
man  die  Vorkammern  der  Schlangen  zu  nennen  pflegt,  sind  also 
hauptsächlich  den  Herzohren  höherer  Thiere  entsprechende  Theile 
des  Herzens.  —  Die  Scheidewand,  die  sich  bei  allen  über  den  Fi- 
schen stehenden  Thieren  in  der  hintern  Zelle  des  Herzens  bildet 
und  dieselbe  in  die  beiden  Vorkammern  scheidet,  nimmt  ihre  Ent- 
stehung unter  der  Form  einer  Falte  oder  vielmehr  Leiste  an  der 
dem  Ohrkanal  gegenüber  liegenden  Seite  dieser  hintern  Zelle  und 
links  von  der  Einmündung  des  gemeinschaftlichen  Stammes  aller 
Venen,  wächst  von  da,  nach  zwei  Richtungen  sich  verlängernd, 
gegen  den  Ohrkanal  und  die  mittlere  Zelle  des  Herzens  hin,  und 
erlangt  bald  die  Form  eines  Halbmondes.  Zu  derselben  Zeit  ferner 
wächst  bei  den  Vögeln  und  Säugethieren  im  Innern  der  mittleren 
Zelle  aus  deren  nach  unten  gekehrter  und  schon  am  stärksten  aus- 
gebuchteter Wandung  eine  Leiste  hervor,  die  sich  einerseits  bis  an 
den  Ohrkanal,  andrerseits  bis  an  das  Fretum  verlängert,  und  diese 
Leiste  wandelt  sich,  indem  sie  auch  an  Höhe  immer  mehr  zunimmt, 
zuletzt  in  eine  ziemlich  dicke  Scheidewand  um,  welche  die  mittlere 
Zelle  in  die  beiden  sogenannten  Ventrikel  oder  Herzkammern 
scheidet.  Nachdem  dies  geschehen  ist,  sendet  die  soeben  erwähnte 
Scheidewand  einen  blattartigen  dünnem  Fortsatz  durch  den  Ohr- 
kanal, der  sich  inzwischen  schon  sehr  verkürzt  und  erweitert  hat, 
in  die  hintere  Zelle  des  Herzens  hinein.    Dieser  Fortsatz  aber  ver- 


XIV.  Von  dem  Herzen  und  den  Blutgefässen.  187 

wächst  demnächst  mit  den  Enden  (den  Hörnern)  der  in  der  hintern 
Zelle  entstandenen  halbmondförmigen  Falte  und  stellt  nunmehr 
mit  ihr  zusammen  eine  sich  durch  die  mittlere  und  hintere  Zelle  des 
Herzens  hiti  durchziehende,  jedoch  in  der  letztem  Zelle  durchbro- 
chene Scheidewand  dar.  Noch  etwas  später  sendet  die  Scheide- 
wand der  Ventrikel  unter  steter  Vergrösserung  auch  einen  zipfel- 
förmigen  Anhang  aus,  durch  den  nach  der  Geburt  die  Oeöhung  in 
dieser  ScheideAvand  des  Herzens  verschlossen  werden  soll,  und  die- 
ser Anhang  ist  die  Klappe  des  eirunden  Loches.  —  Bei  den  Schlan- 
gen, bei  denen  keine  Scheidewand  in  der  mittleren  Zelle  des  Her- 
zens entsteht,  hat  die  Klappe  des  eirunden  Loches  einen  etwas  an- 
dern Ursprung.  Denn  bei  ihnen  wächst  sie  aus  einer  im  Innern  des 
Ohrkanals  entstandenen  häutig  muskulösen  Brücke  hervor,  mit  der 
sich  die  Hörner  der  ungefähr  halbmondförmigen  Scheidewand  der 
Vorkammern  vereinigt  haben  und  die  dadurch  gebildet  worden  ist, 
dass  sich  in  und  unter  dem  Ohrkanal,  nachdem  sich  dieser  schon 
sehr  verkürzt  hatte,  einander  gegenüber  zwei  kurze  Leisten  erho- 
ben, bald  nachher  in  Folge  ihres  Wachsthums  in  die  Breite  zusam- 
menstiessen  und  dann  schliesslich  zusammenwuchsen. 

Die  vordere  Zelle  des  Herzens  bleibt  bei  den  Fischen  einfach 
und  entwickelt  sich  bei  ihnen  zu  der  sogenannten  Herzzwiebel 
{Bulbus  Aortae).  Bei  den  Batrachiern  verlängert  sie  sich  und  bil- 
det den  Stamm  für  sämmtliche  Arterien  des  Körpers.  Dieser  bleibt 
jedoch  im  Innern  nicht  so  eben  und  einfach,  wie  an  der  Oberfläche, 
sondern  es  sendet  die  Wandung  der  vordem  Zelle  des  Herzens,  in- 
dem sich  dieselbe  verlängert,  nach  innen  zwei  einander  gegenüber 
liegende  Längsleisten  aus ,  wodurch  die  Höhle  des  aus  ihr  entste- 
henden Arterien  Stammes  sehr  unvollständig  in  zwei  Seitenhälften 
getheilt  wird.  Derselbe  Entwickelungsvorgang  wird  auch  bei  den 
Vögeln  und  Säugethieren  bemerkt,  bei  ihnen  aber  werden  die  bei- 
den Leisten  höher,  verwachsen  dann  nach  ihrer  ganzen  Länge  und 
theilen  die  Höhle  der  Zelle  vollständig  in  zwei  Seitenhälften.  Ist 
dieses  geschehen,  so  erfolgt  durch  eine  Resorption  mitten  durch  die 
Wandung  und  die  entstandene  Scheidewand  der  vordem  Zelle  des 
Herzens  eine  Theilung ,  und  es  zerfällt  nunmehr  dieselbe  in  zwei 
Kanäle,  von  denen  der  eine  den  Anfang  der  Aorta,  der  andre  den 


1 88  XIV.  Von  dem  Herzen  und  den  Blutgefässen. 

Anfang  der  Art. pulmonalis  darstellt.  Bei  den  Schlangen  und  wahr- 
scheinlich auch  bei  andern  Reptilien  entstehen  im  Innern  der  vor- 
dem Zelle  des  Herzens  drei  Leisten,  die  endlich  an  ihren  freien 
Rändern  mit  einander  verwachsen,  worauf  dann  diese  Zelle  in  drei 
neben  einander  liegende  Kanäle  zerfällt,  von  denen  der  eine  den 
Anfang  der  Lungenarterie,  die  beiden  andern  die  Anfänge  der  bei- 
den Aortenwurzeln  darstellen. 

§.  83. 

Seine  Lage  hat  das  Herz  anfänglich  jedenfalls  sehr  weit  nach 
vorne  in  nicht  grosser  Entfernung  hinter  der  Mundöffnung.  Bei 
den  Grätenfischen  und  Stören,  bei  denen  sich  kein  Hals  entwickelt, 
behält  es  diese  Lage  so  ziemlich  für  immer  bei,  indem  es  bei  ihnen 
nur  wenig  nach  hinten  rückt.  Bei  denjenigen  Wirbelthieren  hin- 
gegen, bei  welchen  sich  ein  Hals  ausbildet,  wächst  dieser  über  das 
Herz  allmälig  nach  vorn  hinaus,  und  es  entfernt  sich  daher  das- 
selbe bei  ihnen  immer  weiter  von  der  Mundöffnung.  Ausserdem 
aber  wandert  es  bei  ihnen  auch  wirklich  mehr  oder  weniger  weit 
nach  hinten,  so  dass  es  überhaupt  bis  zu  einem  gewissen  Zeitpunkt 
hin  immer  weiter  nach  hinten  zu  liegen  kommt.  Anfänglich  ferner 
ragt  es  weit  nach  unten  vor  und  liegt  in  einer  bruchsackartigen  und 
sehr  dünnhäutigen  Ausbuchtung  der  Leibeswände,  die  ein  Theil 
der  untern  Vereinigungshaut  ist.  Wie  aber  die  sogenannten  Bauch- 
platten oder  vielmehr  die  künftigen  Seitenwände  der  Rumpfhöhle 
breiter  werden ,  dagegen  die  untere  "V  ereinigungshaut  immer  mehr 
an  Breite  verliert,  wird  das  Herz  von  den  erstem  immer  mehr  um- 
fasst  und  überhaupt  in  die  Rumpfhöhle  aufgenommen.  Mit  seiner 
Achse  ist  es  übrigens  zu  der  Zeit,  da  es  schon  so  ziemlich  seine 
bleibende  Gestalt  erlangt  hat,  gerade  von  vorn  nach  hinten  gerich- 
tet, so  dass  es  mit  derselben  gänzlich  in  der  Mittelebene  des  Kör- 
pers liegt.  Diese  Richtung  behält  es  bei  den  meisten  Wirbelthieren 
nachher  auch  immer  bei.  Bei  dem  Menschen  aber  hat  es  eine  solche 
nur  von  der  sechsten  bis  ungefähr  zur  vierzehnten  Woche  des 
Fruchtlebens :  denn  nach  dieser  Zeit  wendet  es  sich  bei  ihm  mit 
seiner  Spitze  immer  mehr  links  hin  und  nimmt  in  Folge  dessen  eine 
schräge  Lage  an. 


XIV.  Von  dem  Herzen  und  den  Blutgefässen.  \  89 

§•  84. 

Bei  allen  Wirbelthieren  geht  in  frühester  Zeit  der  Entwicke- 
lung  die  vorderste  von  den  drei  Zellen  des  Herzens  in  einen  nach 
vorn  gerichteten  einfachen  und  meistens  auch  nur  kurzen  Gefäss- 
stamni  über.  Dieser  aber  entsendet  mehrere  paarige,  ganz  einfache, 
massig  lange  und  bogenförmig  etwas  gekrümmte  Aeste  oder  Gefäss- 
bogen,  die  nach  oben  aufsteigend  durch  eben  so  viele  Schlundbo- 
gen hindurchlaufen  und  sich  endlich  dicht  unter  der  Rückenwand 
des  Leibes  in  einiger  Entfernung  hinter  dem  Kopfe  wieder  zu  einem 
gemeinschaftlichen  Stamme,  nämlich  zu  der  Aorta  so  vereinigen, 
dass  sie  für  diese  gleichsam  zwei  auf  beide  Seitenhälften  des  Kör- 
pers vertheilte  Wurzeln  darstellen.  Ihre  Zahl  ist  wenigstens  gleich 
der  Zahl  der  Schlundbogen;  bei  vielen  Thieren  kommt  noch  ein 
Paar  mehr,  dicht  hinter  dem  letzten  Paar  der  Schlundspalten,  vor. 
Es  ist  also  ihre  Zahl  je  nach  den  verschiedenen  Thierarten  sehr 
verschieden.  Aber  auch  bei  einem  und  demselben  Individuum 
kommen  nicht  alle  diese  Gefässbogen,  welche  sich  seiner  Art  ge- 
mäss bei  ihm  ausbilden  können ,  gleichzeitig  vor ;  vielmehr  verge- 
hen die  zwei  vordem  Paare,  welche  in  den  für  den  Unterkiefer 
und  das  Zungenbein  oder  die  vordem  Zungenbeinhörner  bestimm- 
ten Schlundbogen  ihre  Lage  haben,  schon  wieder,  während  die 
hintersten  erst  entstehen.  So  findet  man  bei  den  höhern  Wirbel- 
thieren nie  mehr  als  drei  Paar,  obgleich  bei  ihnen  sich  im  Ganzen 
fünf  Paar  bilden.  —  Bei  den  Fischen  nun  werden  diejenigen  von 
diesen  Gefässbogen ,  welche  durch  die  zu  den  Kiemen  sich  ent- 
wickelnden Schlundbogen  verlaufen ,  in  die  Kiemengefässe  umge- 
wandelt. Wie  dies  geschieht,  hat  noch  nicht  genau  verfolgt  wer- 
den können.  Wahrscheinlich  aber  theilt  sich  ein  jeder  von  den  an- 
geführten Gefässbogen  ungefähr  in  seiner  Mitte,  nachdem  seine 
untere  Hälfte  nach  oben  und  seine  obere  Hälfte  nach  unten  einen 
Ast  abgesendet  hat,  auch  jede  von  beiden  Hälften  und  der  aus  ihr 
hervorgewachsene  Ast  kleine  Seitenzweige  an  die  einzelnen  im  Ent- 
stehen begriffenen  Kiemenbläschen  ausgesendet  haben.  Jedenfalls 
kommen  später  an  jeder  Kieme  zwei  neben  einander  verlaufende 
Gefässe  vor,  eine  Arterie,  die  vom  Herzen  der  Kieme  Blut  zuführt 


190  XIV.  Von  dem  Herzen  und  den  Blutgefässen. 

und  nach  oben  immer  dünner  wird ,  nnd  eine  Vene ,  die  das  oxy- 
dirte  Blut  der  Kieme  aufnimmt,  je  weiter  nach  oben  eine  desto 
grössere  Dicke  besitzt  und  einen  Zweig  von  einer  der  beiden  Aor- 
tenwurzeln darstellt. 

Bei  den  Batrachiern  kommen  zu  der  Zeit,  da  sich  bei  ihnen 
die  Kiemen  entwickeln,  dicht  hinter  dem  Kopfe  vier  Paar  Gefäss- 
bogen  vor,  von  denen  bei  den  geschwänzten  Batrachiern  drei  Paar 
durch  die  Kiemenbogen,  die  bei  ihnen  nur  in  eben  so  grosser  Zahl 
vorhanden  sind,  das  vierte  hinter  den  letzten  Kiemenbogen  aufstei- 
gen, wogegen  bei  den  ungeschwänzten  alle  diese  Gefässbogen  durch 
eben  so  viele  Kiemenbogen  hindurchlaufen.  Anfangs  sind  diese 
Bogen  ganz  einfach,  etwas  später  aber  sendet  bei  den  geschwänz- 
ten Batrachiern  ein  jeder  Gefässbogen  der  drei  vordem  Paare  in 
den  oxydirenden  Theil  der  Kieme  (oder  das  Kiemenblatt)  zwei 
Zweige  hinein,  die  sich  zu  einer  Schlinge  vereinigen,  von  welcher 
dann  der  eine  Schenkel  das  Blut  jenem  Theile  zuführt,  der  andere 
dasselbe  zu  dem  Gefässbogen  wieder  zurückführt.  Bei  den  unge- 
schwänzten Batrachiern  gehen  hingegen  alle  Gefässbogen  eine  ähn- 
liche Veränderung  wie  bei  den  Fischen  ein.  Bei  allen  Batrachiern 
aber  wächst  aus  dem  ersten  Gefässbogen  einer  jeden  Seitenhälfte 
ein  Zweig  in  den  Kopf  hinein ,  aus  dem  vierten  Bogen  ein  Zweig 
zu  der  Lunge  derselben  Seitenhälfte  hin.  Vergehen  darauf  die  Kie- 
men, was  bei  den  meisten  Batrachiern  der  Fall  ist,  so  werden  nicht 
blos  die  in  dem  Blättchen  der  Kiemen  gelegenen  Gefässzweige 
mehr  oder  weniger  vollständig  resorbirt,  sondern  es  vergehen  dann 
auch,  namentlich  bei  den  ungeschwänzten  Batrachiern,  die  unter 
dem  Nacken  befindlichen  Verbindungen  (Anastomosen)  der  Ge- 
fässbogen. Nachdem  dies  aber  geschehen  ist,  stellen  nunmehr  die 
Bogen  des  vordersten  Paares  zusammen  mit  den  Zweigen,  welche 
sie  in  den  Kopf  hineingesendet  haben,  die  Carotiden,  die  des  zwei- 
ten Paares  die  beiden  jetzt  als  einfache  Kanäle  erscheinenden  Aor- 
tenwurzeln, und  die  des  vierten  Paares  nebst  den  von  ihnen  ausge- 
sendeten Zweigen  die  Lungenarterien  dar.  Die  Bogen  des  dritten 
Paares  sollen  nach  Rtjsconis  Angabe  zu  den  Schläfenarterien  wer- 
den; an  der  Richtigkeit  dieser  Angabe  aber  dürfte  wohl  zu  zwei- 
feln sein. 


XIV.  Von  dem  Herzen  und  den  Blutgefässen.  19  j 

Bei  den  Schlangen  bilden  sich  fünf  Paar  Gefässbogen ,  die  als 
Zweige  vo?i  zwei  sehr  kurzen  auf  die  beiden  Seitenhälften  vertheil- 
ten  Aesien  aus  einem  einfachen  kurzen  Stamm,    der  seiner  Lage 
und  Verbindung  nach  dem  Bulbus  aortae  der  Fische  entspricht, 
hervorgehen  und  sich  unter  dem  Nacken  zu  zwei  zusammengesetz- 
ten Aortenwurzeln  vereinigen.    Die  Bogen  des  vordersten  Paares 
senden  ganz  oben  zwei  paarige  Zweige  in  die  Schädelhöhle  hinein, 
ganz  unten  aber  zwei  andre  noch  kleinere  paarige  Zweige  zunächst 
zu  der  Regio  submaxillaris  und  der  Zunge  hin.     Dann  vergeht  je- 
derseits  zwischen  diesen  Zweigen  zuvörderst  der  erste  und  etwas 
später  auch  der  zweite  Gefässbogen,  worauf  beide  Zweige  von  dem 
jetzt  schon  stärker  gewordenen  dritten  Gefässbogen  auslaufen.    Ist 
dies  geschehen,  so  wird  unter  dem  Nacken  jederseits  auch  die  Ver- 
bindung (Anastomose)  zwischen   dem  dritten  und   vierten  Bogen 
aufgelöst,  und  es  stellt  sich  nunmehr  der  dritte  Bogen  mit  jenem 
obern  schon  erwähnten  Zweige  als  die  Carotis  interna,  der  untere 
weit  kleiner  gebliebene  Zweig  als  Carotis  externa  dar.   Beide  Caro- 
tinen erscheinen  jetzt  anfänglich  als  Zweige  von  zwei  äusserst  kur- 
zen Aesten ,  die  von  dem  untern  Theile  der  Gefässbogen  des  vier- 
ten Paares  ausgehen.     Allmälig  aber  wird  nachher  ein  jeder  von 
diesen  beiden  Aesten ,  während  sich  der  Embryo  immer  mehr  ver- 
längert, bedeutend  lang  ausgesponnen  und  entwickelt  sich  über- 
haupt zu  einer  Carotis  communis.     Die  Gefässbogen  des   vierten 
Paares  nehmen  am  meisten  an  Weite  zu  und  bilden  sich  zu  den  bei- 
den einfachen  oder  secundären  Aortenwurzeln  aus,  wie  man  sie  bei 
den  erwachsenen  Schlangen  findet.     Der  fünfte  Gefässbogen  der 
rechten  Seite  sendet  aus  seiner  Mitte  einen  Zweig  zu  den  beiden 
Lungen  hin ;  seine  untere  Hälfte  wird  darauf  mit  diesem  Zweige  zu 
der  Arteria  puhnonalis,  seine  obere  Hälfte  aber,  die  dünner  bleibt, 
zu  einem  Ductus  arteriosus  Botalli.    Linkerseits  sendet  der  fünfte 
Gefässbogen,  wenigstens  bei  der  Natter,  keinen  Zweig  aus,  sondern 
stellt  in  der  letzten  Hälfte  des  Fruchtlebens  ganz  und  gar  nur  einen 
Ductus  Botalli  dar.  —  Die  beiden  Carotiden  nehmen  bei  der  Nat- 
ter ungefähr  bis  zur  Mitte  des  Fruchtlebens  an  Länge  und  Weite 
immer  mehr  zu  und  bleiben  bis  dahin  an  Grösse  einander  gleich. 
Dann  aber  bildet  sich  in  dem  Kopfe  zwischen  beiden  eine  Anasto- 


192  XIV.  Von  dem  Herzen  und  den  Blutgefäss. 

mose,  durch  welche  aus  der  rechten  Carotis  communis  immer  mehr 
Blut  nach  der  linken  Seite  des  Kopfes  hingeleitet  wird,  and  es  ver- 
kümmert nunmehr  die  linke  Carotis  communis  dermassen,  dass  sie 
völlig  zu  verschwinden  scheint. 

Bei  den  Säugethieren ,  bei  denen  hinter  der  Mundöffnim°- 
ebenfalls  fünf  Paar  Gefässbogen  entstehen ,  gehen  an  diesen  wäh- 
rend einiger  Zeit  ähnliche  Veränderungen  vor  sich,  wie  bei  den 
Schlangen.  Namentlich  werden  auch  bei  ihnen  die  Stämme  und  die 
beiden  Hauptäste  der  Carotiden,  also  die  Carotides  communes  und 
die  von  diesen  ausgehenden  Carotides  intemae  und  externae  auf 
eine  gleiche  Weise  gebildet,  wie  bei  den  Schlangen.  Dann  aber 
nehmen  die  Bogen  des  vierten  und  fünften  Paares  einen  andern 
Entwickelungsgang.  Von  den  Bogen  des  fünften  Paares  sendet 
ebenfalls  nur  der  eine,  und  zwar  ungefähr  aus  seine:  Mitte,  einen 
Zweig  zu  den  Lungen  hin,  jedoch  nicht,  wie  es  bei  den  Schlangen 
der  Fall  ist,  der  rechte,  sondern  gegentheils  der  linke,  worauf  nun- 
mehr die  untere  Hälfte  dieses  Bogens  nebst  dem  ausgesendeten 
Zweige  zu  einem  Theil  des  Stammes  und  zu  den  beiden  Aesten  der 
Art.  pulmonalis ,  die  obere  Hälfte  desselben  aber  zu  dem  Ductus 
Botalli  wird.  Dagegen  vergeht  der  ganze  fünfte  Bogen  der  rech- 
ten Seite  schon  sehr  frühe,  ohne  eine  Spur  zurückzulassen.  Ferner 
wird  nur  allein  der  vierte  Bogen  der  linken  Seitenhälfte  zu  einem 
Theil  der  Aorta,  und  zwar  zu  dem  Arcus  aortae.  Denn  die  Aorta 
adscendens  entsteht  durch  das  Zerfallen  der  vordersten  Herzzelle 
und  des  ursprünglich  einfachen  Gefässstammes,  der  aus  dem  Her- 
zen nach  vorn  geht,  in  zwei  Kanäle,  nämlich  in  jenen  Theil  der 
Aorta  und  den  innerhalb  des  Herzbeutels  liegenden  Theil  der  Art. 
pulmonalis.  Beide  Bogen  des  vierten  Paares  aber,  von  denen  der 
rechte  sich  viel  weniger,  als  der  linke  erweitert,  senden  schon  sehr 
frühe  hoch  oben,  wo  sie  sich  mit  denen  des  fünften  Paares  vereini- 
gen, einen  Zweig  aus,  der  an  den  Wirbeln  des  Halses  entlang  nach 
vorn  läuft,  neben  der  Medulla  ohlongata  in  die  Schädelhöhle  ein- 
dringt und  fürs  erste  nur  die  Art.  vertebralis  zu  sein  scheint. 
Einige  Zeit  nachher  sendet  dann  dieser  Zweig  nahe  seinem  Ur- 
sprünge einen  Seitenzweig  in  das  Vorderbein  hinein,  der  für  die- 
sen Körpertheil  bestimmt  ist.    Statt  des  früher  einfachen  Zweiges 


XIV.  Von  dem  Herzen  und  den  Blutgefässen.  193 

bemerkt  man  also  etwas  später  einen  Ast,  nämlich  die  Art.  subcla- 
via, die  sich  in  zwei  Zweige,  die  Art.  vertebralis  und  die  Art.  axil- 
laris, theilt.  Noch  später  wird  dann  rechterseits  hinter  der  Stelle, 
wo  der  so  eben  angeführte  Ast  von  dem  vierten  Gefässbogen  ab- 
geht ,  nicht  blos  der.  fünfte  Bogen ,  sondern  auch  die  Aortenwurzel 
dieser  Seitenhälfte  vollständig  aufgelöst.  Ist  dies  bereits  gesche- 
hen, so  stellt  sich  in  der  rechten  Seitenhälfte  die  nach  unten  von 
dem  Ursprünge  der  Carotis  communis  gelegene  Hälfte  des  vierten 
Gefässbogens ,  welche  Hälfte  jetzt  nur  als  ein  Ast  von  dem  viel 
weiter  gewordenen  vierten  Gefässbogen  der  linken  Seitenhälfte 
(dem  nunmehrigen  Arcus  aortae)  erscheint,  als  der  Truncus  anony- 
mus,  die  über  dem  Ursprünge  der  Carotis  gelegene  Hälfte  als  ein 
Theil  der  Art.  subclavia  sinistra  dar.  Sind  nun  diese  Vorgänge  be- 
endigt, so  bietet  das  arterielle  System,  wo  zu  seiner  Ausbildung  der 
ursprünglich  einfache,  aus  dem  Herzen  hervorgehende  Gefässstamm, 
die  Gefässbogen,  in  die  sich  dieser  Stamm  theilte,  und  die  beiden 
zusammengesetzten  Aorten  wurzeln  verwandt  wurden,  ähnliche  Ver- 
hältnisse dar,  wie  bei  neugebornen  Menschen  vorzukommen  pfle- 
gen. Man  bemerkt  dann  namentlich  eine  in  zwei  Aeste  getheilte 
Art.  pulmonalis ,  eine  Aorta ,  die  aus  einem  aufsteigenden  Theile, 
einem  Bogen  und  einem  absteigenden  Theile  besteht,  drei  aus  dem 
Bogen  der  Aorta  hervorgehende  Gefässstämme ,  nämlich  einen 
Truncus  anonymus,  eine  Art.  carotis  sinistra,  sowie  ausserdem  auch 
einen  Ductus  Botalli,  der  aus  der  Art.  pulmonalis  in  den  Bogen 
der  Aorta  übergeht.  Bei  dem  Menschen  erfahren  dann  diese  mor- 
phologischen Verhältnisse  in  der  Regel  keine  wesentlichen  Verän- 
derungen weiter.  Bei  vielen  Säugethieren  aber  erhalten  sie  später- 
hin noch  einige  bedeutende  Abänderungen.  Bei  dem  Schwein  z.  B. 
verkürzt  sich  nachher  noch  derjenige  Theil  des  Aortenbogens,  wel- 
cher sich  zwischen  der  Ursprungsstelle  der  linken  Carotis  commu- 
nis und  dem  Truncus  anonymus  befindet,  in  so  hohem  Grade,  dass 
er  gänzlich  verschwindet,  und  dass  die  Ursprünge  jener  beiden 
Gefässe  in  einem  Punkt  zusammenfallen.  Ist  dieses  geschehen  und 
sind  jene  Gefässe  an  ihrem  hintern  Ende  mit  einander  gleichsam 
verschmolzen,  so  wachsen  sie  von  dem  Aortenbogen  ab,  und  es  bil- 
det sich  für  sie  ein  gemeinschaftlicher  Stamm ,  durch  den  sie  mit 

Rathke,  Vorlesungen.  i  o 


194  XIV.  Von  dem  Herzen  und  den  Blutgefässen. 

dem  Aortenbogen  im  Zusammenhange  bleiben.  Die  linke  Carotis 
communis  und  der  Truncus  anonymus ,  dessen  linker  Zweig  die 
rechte  Carotis  communis  ist,,  erscheinen  also  nunmehr  als  Aeste  die- 
ses neu  entstandnen  Stammes.  Darauf  aber  verkürzt  sich  und 
schwindet  der  Truncus  anonymus,  bis  endlich  beide  gemeinschaft- 
liche Carotiden  in  einem  Punkt  zusammentreffen.  Ist  dies  erfolgt, 
so  wachsen  die  beiden  gemeinschaftlichen  Carotiden  von  dem  neu 
gebildeten  Stamme,  der  für  sie  und  die  rechte  Art.  subclavia  ent- 
standen war,  ab  und  spinnen  aus  ihm  einen  ihnen  gemeinsamen 
Kanal  aus,  von  dem  sie,  wie  von  einem  für  sie  bestimmten  Aste  als 
Zweige  auslaufen.  Demnach  wird  bei  dem  Schwein  an  denAorten- 
bogen  allmälig  ein  ansehnlicher  Arterienstamm  gebildet,  der  in  zwei 
Aeste  gespalten  erscheint,  von  denen  der  eine  in  die  beiden  ge- 
meinschaftlichen Carotiden  ausgeht,  der  andere  die  rechte  Art.  sub- 
clavia ist.  Was  die  linke  Art.  subclavia  anbelangt,  so  behält  sie  ihr 
ursprüngliches  Verhältniss  zu  dem  Aortenbogen  bei,  erscheint  näm- 
lich immer  als  ein  besonderer  Ast  desselben.  —  Ganz  dieselben 
Veränderungen,  wie  sie  bei  dem  Schwein  vorkommen,  ereignen 
sich  auch  bei  dem  Kinde  und  Schafe.  Ausserdem  aber  schliesst  sich 
bei  diesen  Säugethieren  die  linke  Art.  subclavia  an  die  linke  Caro- 
tis communis  an,  so  dass  sich  endlich  die  beiden  Arteriae  subclaviae 
und  die  beiden  gemeinschaftlichen  Carotiden  als  Aeste  eines  einzi- 
gen aus  dem  Aortenbogen  hervorgehenden  Gefässstammes  darstel- 
len, den  man  die  vordere  Aorta  der  Wiederkäuer  zu  nennen  pflegt. 
Die  beiden  Arteriae  vertebrales  verlaufen  in  der  Schädelhöhle 
anfänglich,  wie  ich  besonders  bei  Fledermäusen  gesehen  habe,  ge- 
trennt von  einander  bis  zu  der  Gegend,  wo  sie  sich  an  die  Caroti- 
des  cerebrales  anschliessen.  Späterhin  aber  entsteht  zwischen  bei- 
den auf  der  Schädelgrundfläche  eine  quergehende  Anastomose,  die 
jedoch  nicht  bestehen  bleibt,  sondern  sich  allmälig  verkürzt  und 
die  Vertebralarterien  so  dicht  an  einander  zieht,  dass  sie  nunmehr 
an  einer  kleinen  Stelle  verschmolzen  erscheinen  und  ihre  Höhlen 
daselbst  unmittelbar  in  einander  übergehen.  Ist  dies  geschehen,  so 
wird  die  Stelle,  an  der  sie  verschmolzen  sind,  bei  dem  weitern 
Wachsthum  des  Kopfes  in  die  Länge  gezogen  oder  gleichsam  aus- 
gesponnen, und  dadurch  dann  die  Arteria  basilaris  gebildet. 


XIV.  Von  dem  Herzen  und  den  Blutgefässen.  195 

§•   85. 

Die  beiden  Aorten  wurzeln,  die  bei  allen  "Wirbel thieren  in  einer 
frühen  Entwickelungszeit  vorkommen  und  dann  sehr  zusammen- 
gesetzt sind,  gehen  anfangs  ganz  in  der  Nähe  des  Kopfes  zusam- 
men, um  sich  zu  der  Aorta  descendens  zu  vereinigen.  Allmälig  aber 
rücken  sie,  wie  das  Herz,  bei  den  verschiedenen  Thieren  mehr  oder 
weniger  weit  nach  hinten.  Am  weitesten  nach  hinten  rückt  ihr 
Vereinigungswinkel,  indem  sie  selber  absolut  und  im  Verhältniss 
zu  dem  ganzen  Körper  immer  mehr  an  Länge  zunehmen ,  bei  den 
ungeschwänzten  Batrachiern  und  den  Schildkröten,  nämlich  bis  zu 
der  Mitte  der  Rumpfhöhle  und  selbst  noch  weiter  hin. 

§•  86. 
Wohl  bei  allen  Wirbelthieren  gehen  in  einer  sehr  frühen  Pe- 
riode des  Fruchtlebens  fast  sämmtliche  Venen,  welche  aus  dem 
animalen  Fruchtblatt  entstehen,  in  zwei  Paar  auf  beide  Seitenhälf- 
ten des  Körpers  vertheilte  Venenstämme  über.  Die  des  einen  Paa- 
res sind  kürzer,  als  die  des  andern,  entspringen  mit  vielen  Zweigen 
in  dem  Kopfe,  besonders  in  dem  Gehirn  und  dessen  Häuten,  lauT 
fen  dicht  über  den  Schlunds  palten  nach  hinten  und  biegen  sich 
gleich  hinter  diesen  Spalten  nach  unten  gegen  das  Herz  hin.  Die 
beiden  andern  Stämme  entspringen  in  dem  Schwänze,  laufen  an  der 
innern  Seite  der  Rückenwand  der  Pumpfhöhle,  die  Aorta  zwischen 
sich  nehmend,  nach  vorn  und  senken  sich  am  vordem  Ende  der 
WoLFFschen  Körper  nach  unten  hin.  Sie  sind  für  die  hintere  Kör- 
perhälfte ,  Avas  die  beiden  andern  Stämme  für  die  vordere.  —  In 
jeder  Seitenhälfte  fiiessen  die  einander  zugekehrten  Enden  des  vor- 
dem Stammes,  der  nachher  eine  V.jugularis  darstellt,  und  des  hin- 
tern Stammes ,  den  ich  die  V.  cardinalis  benannt  habe ,  zu  einem 
kurzen  Kanal  zusammen,  der  in  geringer  Entfernung  hinter  den 
Schlundspalten  an  der  Speiseröhre  herabsteigt,  und  den  ich  mit 
dem  Namen  des  Ductus  Cuvieri  belegt  habe.  Beide  angegebene 
Kanäle  convergiren  nach  unten  und  treten  dicht  unter  der  Speise- 
röhre zu  einem  noch  viel  kürzern  Kanal  zusammen,  der  sich  in  die 
obere  Seite  der  ursprünglich  einfachen  Vorkammer  des  Herzens 

13* 


196  XIV.  Von  dem  Herzen  und  den  Blutgefässen. 

einsenkt.  —  Bei  den  Fischen  erleidet  diese  Anordnung  der  Körper- 
venen in  dem  weitern  Verlaufe  der  Entwickelung  nur  geringe  Um- 
änderungen, bei  den  übrigen  Wirbelthieren  dagegen  sehr  bedeu- 
tende. 

§.  87. 

Die  Cardinalvenen  nehmen  einerseits  von  der  Kückenwand 
des  Rumpfes ,  andrerseits ,  namentlich  bei  den  höhern  Wirbelthie- 
ren, von  den  WoLFFschen  Körpern  kleine  Aeste  auf,  die  rechts  wie 
links  in  zwei  Reihen  auf  einander  folgen.  Die  Aeste  der  obern 
Reihe  sind  die  nachherigen  Intercostal-  und  Lumbaivenen.  Aus- 
serdem entstehen  bei  den  Vögeln  und  denjenigen  Batrachiern, 
Reptilien  und  Säugethieren ,  welche  Hinterbeine  erhalten,  an  bei- 
den Stämmen  späterhin  auch  die  Venae  crurales,  so  dass  diese  dann 
ebenfalls  als  Aeste  von  jenen  erscheinen.  —  Bei  den  Fischen,  bei 
denen  man  die  beiden  Stämme  unrichtig  hintere  Hohlvene  zu  nen- 
nen pflegt,  bleiben  sie  zeitlebens  zurück,  doch  gewinnt  bei  den  mei- 
sten der  linke  Stamm  eine  geringere  Weite ,  als  der  rechte ,  wird 
auch  kürzer  und  kommt  ausser  Verbindung  mit  der  Schwanzvene, 
so  dass  später  nur  der  rechte  als  eine  gerade  Fortsetzung  der  letz- 
tern erscheint.  Bei  den  Vögeln  und  Säugethieren  geben  die  beiden 
Stämme  zuerst  die  Verbindung  mit  den  Crural-  und  Lumbaivenen 
auf,  die  sich  jetzt  an  die  in  der  Bildung  begriffene  hintere  Hohl- 
vene und  deren  beide  Endäste,  die  Venae  iliacae  communes ,  an- 
schliessen.  Gleichzeitig  theilen  sich  beide  Stämme  ungefähr  in  ih- 
rer Mitte,  worauf  ihre  hintern  Hälften  gänzlich  vergehen  und  die 
Schwanzvenen  sich  an  die  kurz  vorher  entstandenen  Venae  hypo- 
gasiricae  anschliessen.  —  Die  vordem  Hälften  schwinden  von  hin- 
ten nach  vorn  mehr  und  mehr ,  wobei  sich  von  ihnen  immer  mehr 
Intercostalvenen  ablösen.  Bei  einigen  Säugethieren  (Schwein,  Wie- 
derkäuer, einige  Nager)  bleiben  endlich  nur  die  vordersten  Theile 
von  ihnen  zurück,  die  dann  die  vordem  Enden  der  sich  getrennt 
von  einander  ausmündenden  V.  azyga  und  V.  hemiazyga  darstel- 
len. Bei  andern  hingegen  bleibt  nur  von  dem  einen  Stamm  ein  sol- 
cher Theil  zurück.  Der  bei  weitem  grösste  Theil  des  Stammes  der 
V.  azyga  und  des  Stammes  der  V.  hemiazyga  entsteht  dadurch, 


XIV.  Von  dem  Herzen  und  den  Blutgefässen.  J97 

dass  sich,  neben  den  Wirbelbeinkörpern  zwischen  je  zwei  auf  einan- 
der folgenden  Intercostalvenen ,  ehe  sich  diese  von  den  Cardinal- 
venen  ablösen,  eine  Anastomose  bildet,  alle  hinter  einander  liegen- 
den Anastomosen  aber  nach  der  Ablösung  jener  Aeste  immer  mehr 
an  Weite  zunehmen.  Entsteht  nur  eine  V.  azyga,  aber  keine  V. 
hemiazyga,  wie  namentlich  bei  den  meisten  Raubthieren,  so  bilden 
sich  nur  in  der  rechten  Seitenhälfte  jene  Anastomosen,  und  es 
schliessen  sich  an  sie  auch  die  Intercostalvenen  der  linken  Seiten- 
hälfte an. 

§.  88. 

Der  gemeinsame  Kanal,  in  den  die  beiden  Ductus  Cuvieri 
übergehen,  bleibt  bei  den  Fischen  bestehen,  weitet  sich  sehr  stark 
aus  und  -wird  nach  seiner  erfolgten  Vergrösserung  der  Hohlvenen- 
sack  genannt.  Dagegen  wird  er  bei  den  übrigen  Wirbel thieren 
schon  frühe  in  die  ursprünglich  einfache  Vorkammer  des  Herzens, 
während  sich  diese  erweitert,  hineingezogen,  so  dass  er  als  beson- 
derer Gang  verschwindet;  es  gehen  dann  die  beiden  Ductus  Cuvieri 
selber  in  jenen  Theil  des  Herzens  über,  und  zwar,  nachdem  sich 
in  demselben  eine  Scheidewand  zu  bilden  begonnen  hat,  getrennt 
von  einander  in  das  rechte  Atrium.  Bilden  sich  vordere  Extremi- 
täten ,  so  schliessen  sich  die  Venae  subclaviae  in  geringer  Entfer- 
nung von  den  beiden  CuviERschen  Gängen  an  die  Jugularvenen 
an.  Das  weitere  Verhalten  dieser  Gänge  aber  ist  bei  verschiedenen 
Wirbelthieren  verschieden.  Zwar  bleiben  dieselben  wohl  bei  allen 
zurück,  erscheinen  jedoch,  wenn  die  wesentlichste  Entwickelung 
des  Venensystems  vorüber  ist,  als  die  Endigungen  verschieden  be- 
nannter Gefässe.  Bei  manchen  Säugethieren ,  wie  namentlich  bei 
den  Fledermäusen  und  vielen  Nagern,  desgleichen  bei  den  Vögeln 
und  allen  mit  "V  orderbeinen  versehenen  Batrachiern  und  Reptilien, 
stellen  sie,  nachdem  sich  die  Venae  subclaviae  gebildet  haben,  zwei 
getrennt  von  einander  in  das  Herz  übergehende  vordere  Hohlve- 
nen dar,  und  von  diesen  verläuft  die  linke  mit  ihrem  hintern  Theile 
an  der  obern  Seite  des  Herzens  in  dem  Sulcus  (ransversus ,  wobei 
sie  verschiedene  Venen  des  Herzens  aufnimmt.  Bei  andern  Säuge- 
thieren dagegen,  namentlich  bei  dem  Schwein,  den  Wiederkäuern 


198  XIV.  Von  dem  Herzen  und  den  Blutgefässen. 

und  dem  Menschen,  bildet  sich  zwischen  den  beiden  Jugularvenen 
in  der  Gegend,  wo  sich  die  Venae  subclaviae  an  diese  anschliessen, 
eine  quer  verlaufende  Anastomose,  die  sich  immer  mehr  erweitert, 
indess  der  zwischen  ihr  und  dem  Herzen  befindliche  Theil  des  lin- 
ken Ductus  Cuvieri  sich  immer  mehr  verengert,  worauf  endlich 
dieser  Theil  durch  Resorption  völlig  verschwindet,  jene  Anasto- 
mose aber  alles  Blut  der  linken  V,  jugularis  und  V.  subclavia 
rechtshin  überführt.  Der  rechte  Duct.  Cuvieri  erscheint  dann  als 
die  alleinige  vordere  Hohlvene,  der  auf  dem  Herzen  liegende 
Ueberrest  des  linken  Duct.  Cuvieri  als  der  Stamm  der  V.  corona- 
ria  magna  corclis. 

§.  89. 

Die  ursprünglich  nur  in  einem  einzigen  Paare  vorkommenden 
Jugularvenen  liegen  bei  allen  damit  versehenen  "Wirbelthieren  nur 
sehr  oberflächlich  und  entsprechen  den  V '.  j'ugulares  externae  des 
Menschen.  Vorn  gehen  sie  in  den  Schläfengegenden  durch  ein 
Paar  Löcher  (Foramina  temporalia)  in  das  Gehirn,  nachdem  sie  an 
die  ausserhalb  der  Schädelhöhle  gelegenen  Theile  des  Kopfes 
Zweige  abgesendet  haben.  Später  aber  vergehen  bei  vielen  Thieren 
die  Foramina  temporalia  und  es  entstehen  dann  zwischen  den  ge- 
nannten Gefässstämmen  und  den  Venen  des  Gehirns  neue  Verbin- 
dungen. —  Zu  jenen  beiden  Venenstämmen  kommen  bei  vielen 
Säugethieren ,  den  Krokodilen  und  Eidechsen  noch  zwei  andere 
hinzu,  die  ebenfalls  durch  den  Hals  und  zwar  zu  beiden  Seiten  der 
Luftröhre  verlaufen,  aber  eine  tiefere  Lage  haben,  nämlich  die 
Venae  j'ugulares  internae.  Sie  wachsen  ganz  nahe  den  Ductus  Cu- 
vieri aus  den  V.  j'ugulares  externae  hervor,  erlangen  aber  bei  man- 
chen Säugethieren,  bei  den  Krokodilen  und  Eidechsen  nur  eine 
geringe  Dicke  und  eine  solche  Länge,  dass  sie  entweder  nur  bis  zu 
dem  Kehlkopf  und  Schlundkopf  hinreichen,  oder  selbst  nicht  ein- 
mal bis  dahin  gehen,  wie  namentlich  bei  dem  Pferde,  Hin  de, 
Schafe.  Bei  andern  Säugethieren  aber,  namentlich  auch  bei  dem 
Menschen,  erlangen  sie  eine  bedeutende  Weite ,  dringen  durch  die 
Foramina  jugularia  in  die  Schädelhöhle,  wo  sie  nunmehr  mit  eini- 
gen Blutleitern  in  Verbindung  treten,  und  gehen  ausserdem  mit 


XIV.  Von  dem  Herzen  und  den  Blutgefässen.  ]  99 

den  Venae  faciales,  die  ursprünglich  sich  als  Aeste  der  Venae  ju- 
gulares  extemae  darstellen,  solche  Verbindungen  ein,  dass  jene 
Venen  nachher  als  Aeste  der  Venae  jugular es  internae  erscheinen. 


Das  Blut ,  Avelches  bei  den  Vögeln  und  Säugethieren  zu  dem 
Dottersack  oder  Nabelbläschen  gelangt  ist,  fliesst  durch  eine  Vene 
ab,  die  mit  der  von  dem  Darm  kommenden  und  anfänglich  viel 
kleinern  V.  mesenterica  die  sogenannte  V.  ompJialo-mesenterica 
zusammensetzt.  Der  vorderste  Theil  des  Stammes  dieser  Vene 
läuft  ursprünglich  an  der  untern  Seite  des  Darmkanales  zu  dem 
Herzen  hin  und  geht  dann  in  den  Winkel  über,  den  die  beiden 
Ductus  Cuvieri  zusammensetzen.  Wenn  aber  die  Leber  entsteht, 
wird  er  von  diesem  anfangs  zweitheiligen  Organe  so  umfasst ,  dass 
er  zwischen  den  beiden  Hälften  desselben  hindurchläuft.  Darauf 
bilden  sich  an  dem  Stamme,  nachdem  er  von  der  immer  grösser 
werdenden  Leber  an  einer  Stelle  gänzlich  eingeschlossen  worden 
ist,  zwei  Gruppen  von  Zweigen  aus,  von  denen  die  hintere  Blut 
aus  dem  Stamme  in  die  Leber  hineinführt,  ihm  also  Blut  entzieht, 
die  vordere  dagegen  Blut  aus  der  Leber  wieder  dem  Stamme  zu- 
führt. Noch  später  wird  der  Stamm  zwischen  diesen  beiden  Grup- 
pen seiner  Zweige  völlig  oder  beinahe  völlig  aufgelöst,  und  es  er- 
scheint dann  seine  hintere  Hälfte  als  die  Pfortader,  die  vordere 
Hälfte  aber  als  das  vordere  Ende  der  hintern  Hohlader,  deren  übri- 
ger Theil  unlängst  erst  neu  entstanden  ist. 

§.  91. 

Die  Zweige  der  vordem  Gruppe  machen  die  Venae  hepaticae 
aus.  —  Die  V.  mesenterica  verhält  sich  zu  der  von  dem  Dottersack 
oder  dem  Nabelbläschen  kommenden  Vene  ursprünglich  wie  ein 
Ast  zu  seinem  Stamme.  Allmälig  aber  verengert  und  verkürzt  sich 
diese  letztere  Vene,  indess  sich  die  erstere  immer  mehr  vergrössert, 
so  dass  sich  nach  einiger  Zeit  zwischen  beiden  das  umgekehrte  Ver- 
hältniss  herausstellt.  Zuletzt  geht  die  von  dem  Dottersacke  oder 
dem  Nabelbläschen  kommende  Vene  ganz  verloren. 


200  XIV.  Von  dem  Herzen  und  den  Blutgefässen. 

§•  92. 

Eine  hintere  Hohlvene  bildet  sich  nur  bei  den  Batrachienr 
und  den  höhern  Wirbelthieren,  nicht  aber  auch  bei  den  Fischen. 
Sie  entsteht  schon  früher,  als  die  Cardinal venen  zu  schwinden  an- 
fangen, und  ihre  Entstehung  bedingt  das  theilweise  oder  gänzliche 
Vergehen  von  diesen.  Anfänglich  (und  zwar  in  einer  sehr  frühen 
Zeit  des  Fruchtlebens)  besteht  sie  aus  einem  zarten  massig  langen 
Stamm  und  zwei  symmetrischen  Aesten,  die  jener  nach  hinten  un- 
ter einem  spitzen  Winkel  aussendet.  Die  Aeste  sind  mit  dem  obern 
(innern)  Rande  der  beiden  WoLFFschen  Körper  verbunden  und 
laufen  an  diesem  entlang.  Der  Stamm  liegt  namentlich  bei  Säuge- 
thieren  mit  seiner  hintern  Hälfte  in  einer  ansehnlich  grossen  Masse 
Blastems,  welche  sich  zwischen  den  WoLFFschen  Körpern  ange- 
häuft hat,  die  OKENsche  Brücke  genannt  wird,  und  später  vergeht; 
mit  seiner  vordem  Hälfte  aber  läuft  er  an  der  obern  Seite  der  Le- 
ber, fast  mit  dieser  verbunden,  nach  vorn  hin  und  geht  bei  den 
Reptilien,  Vögeln  und  Säugethieren  dicht  vor  der  Leber  in  den 
vordersten  Theil  der  V.  omphalo-mese?iterica  über.  Die  beiden 
Aeste  senden  namentlich  bei  den  Säugethieren,  nachdem  die  Nie- 
ren entstanden  sind,  in  diese  ein  Paar  Zweige  hinein  und  stellen 
endlich,  wenn  die  WoLFFschen  Körper  vergangen  sind,  &\eJrenae 
renales  dar.  Der  Stamm  wächst  bei  den  Säugethieren  über  seinem 
Theilungswinkel  nach  hinten  immer  weiter  hinaus,  indem  er  einen 
unpaarigen  in  der  OKENschen  Brücke  nach  hinten  laufenden  Ast 
aussendet.  Dieser  Ast  aber  schickt  bald  nach  seiner  Entstehung 
nahe  dem  hintern  Ende  der  WoLFFschen  Körper,  zwischen  denen 
er  liegt,  an  dieselben  ein  Paar  Seitenäste  ab,  deren  jeder  einen 
Zweig  an  den  Hoden  oder  Eierstock  seiner  Seite  abgiebt.  Noch 
etwas  später  bildet  sich  hinter  diesen  letztern  Seitenästen  zwischen 
dem  Ende  jenes  unpaarigen  Gefässes  und  demjenigen  Theile  einer 
jeden  V.  cardinalis,  in  welchen  die  V.  cruralis  und  V.  hypogastrica 
derselben  Seitenhälfte  übergehen,  eine  kurze  Anastomose,  die  an 
der  obern  Seite  des  WoLFFschen  Körpers  hinter  der  Niere  ihre 
Lage  hat.  Wenn  nachher  die  Cardinalvene  und  die  WoLFFschen 
Körper  schwinden,  wird  diese  Anastomose  zu  einer  V.  iliaca  com- 


XIV.  Von  dem  Herzen  und  den  Blutgefässen.  201 

munis,  das  vor  ihr  liegende  oder  hintere  Paar  von  Seitenästen  der 
Hohlvene  zu  den  Venae  spermaticae  internae.  —  Indem  sich  bei 
den  höhern  Wirbelthieren  der  hintere  und  über  der  Leber  befind- 
liche Theil  des  Stammes  der  hintern  Hohlvene,  welcher  Theil  ur- 
sprünglich nur  einen  zarten  Ast  der  Xabelgekrösvene  darstellt,  ver- 
grössert,  erlangt  er  nach  einiger  Zeit  mit  dem  vor  der  Leber  liegen- 
den Stücke  der  Nabelgekrösvene  eine  gleiche  Weite,  und  es  stellt 
dann  zuletzt  dieses  Stück,  nachdem  das  zunächst  hinter  ihm  lie- 
gende und  in  der  Leber  eingeschlossene  Stück  der  Nabelgekrös- 
vene aufgelöst  worden  ist,  das  vordere  Ende  der  hintern  Hohl- 
vene dar. 


M.  Rusconi,  Descrizione  anatomica  degli  organi  della  circola- 
zione  delle  larve  delle  Salamandre  aquatiche.    Pavia  IS  17. 

Rathke,  Dritter  Bericht  über  das  naturwissenschaftliche  Se- 
minar zu  Königsberg.   Königsberg  1S38. 

Derselbe,  Ueber  die  Entwickelung  der  Arterien,  welche  bei 
den  Säugethieren  von  dem  Bogen  der  Aorta  ausgehen.  In  Müllers 
Archiv  vom  Jahr  1843. 

Johx  Marshall,  On  the  development  ofthe  great  anterior  veins 
in  man  and  mammalia.  In  den  Philosoph.  Transactions.  Jahrgang 
1850.    Theil  1. 

Rathke,  Ueber  die  Aortenwurzeln  und  die  von  ihnen  ausge- 
henden Arterien  der  Saurier.  In  den  Denkschriften  der  Akademie 
der  Wissenschaften  zu  Wien.   Jahrgang  1S57. 


Druck  von  Sreitkopf  und  Härtel  in  Leipzig.